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Springers Kommentar der Rechtswissenschaft
Edwin Gitschthaler und Johann Höllwerth (Hrsg)
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Springers Kommentar der Rechtswissenschaft
Edwin Gitschthaler und Johann Höllwerth (Hrsg)
Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht EheG und EPG samt ehe- und partnerschaftsrechtlichen Bestimmungen des ABGB und den einschlägigen Bestimmungen des MRG, des WEG, der JN, der ZPO, des AußStrG, der EO (einschließlich Gewaltschutz) und des Sozialversicherungs- sowie des Pensionsrechts Mit Beiträgen von U. Aichhorn, S. Beck, A. Deixler-Hübner, E. Gitschthaler, J. Höllwerth, J. Jungwirth, F. Linder, F.-S. Meissel und M. Nademleinsky
2011
SpringerWienNewYork
Dr. Edwin Gitschthaler Hofrat des Obersten Gerichtshofs Wien, Österreich
Dr. Johann Höllwerth Hofrat des Obersten Gerichtshofs Wien, Österreich Zitiervorschlag: Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR (2011) § 81 EheG Rz 7; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR (2011) § 97 ABGB Rz 2; Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR (2011) Art 3 VO Rz 1; Linder in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR (2011) LebG – Rechtsfolgen/Innen Rz 5. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Insbesondere Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eine Haftung der Herausgeber, der Autoren oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. © 2011 Springer-Verlag/Wien Printed in Germany SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Satz/Layout: Jung Crossmedia Publishing GmbH, 35633 Lahnau, Deutschland Druck: Druckerei C. H. Beck, 86720 Nördlingen, Deutschland Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier SPIN 12681068 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-211-99331-6 SpringerWienNewYork
Vorwort Ende 2007 erschien der von uns herausgegebene Kommentar zum Ehegesetz (EheG). Aufgrund seiner äußerst freundlichen Aufnahme stellte sich überraschend bald die Frage einer Neuauflage. Da etwa Schwimann in seiner Rezension des EheG (EF-Z 2008, 120) dessen Titel im Hinblick auf die tatsächlich bearbeiteten Materien als „schwere Untertreibung“ bezeichnete, mussten sich Herausgeber und Verlag entscheiden, entweder eine 2. Auflage des EheG zu verfassen – oder eine Weiterentwicklung zu wagen. Wir haben uns für Letzteres entschieden: Das vorliegende Werk soll keine 2. Auflage des EheG sein, auch wenn – naheliegenderweise – einige Teile daraus – deutlich überarbeitet – Eingang gefunden haben, was etwa für das Ehegesetz und die eherechtlichen ABGB-Bestimmungen gilt. Der vorliegende Kommentar versteht sich primär als konsequente Fortschreibung des Konzepts, alle ehe- und nunmehr auch partnerschaftlichen Regelungen des materiellen und formellen Rechts in einem Buch zusammenzufassen und diesen Rechtsbereich umfassend abzudecken. Das mit 1.1.2010 in Kraft getretene EPG bot willkommenen Anlass dafür, auch eine umfassende Darstellung der (hetero- und homosexuellen) Lebensgemeinschaft aufzunehmen, die sich mit allen ihren Aspekten sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis und mit den Folgen ihrer Beendigung befasst. Das Werk soll überdies eine erheblich vertiefte Darstellung des Gewaltschutzes bieten und das Recht der Besitzstörung besonders unter dem Gesichtspunkt ehe-, partnerschaftsund lebensgemeinschaftlicher Konfliktkonstellationen darstellen. Anregungen zum EheG aufgreifend enthält der Kommentar nunmehr auch umfangreiche Bearbeitungen verfahrensrechtlicher Bestimmungen bis hin zu einer ausführlichen Darstellung des (streitigen und außerstreitigen) Kostenersatzrechts in Ehe- und Partnerschaftsangelegenheiten. Die aufgezeigten Erweiterungen machten eine Verstärkung des Autorenteams erforderlich; ein neues Format und ein neuer Kapitelaufbau sollen die Weiterentwicklung auch optisch erkennbar machen. Edwin Gitschthaler Johann Höllwerth V
Inhaltsverzeichnis Autorenliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis abgekürzt zitierter Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI XIII XIX
Kapitel 1 Eherechtliche ABGB-Bestimmungen Von dem Eherechte Begriff der Ehe § 44 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eheverlöbnis §§ 45, 46 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Rechtswirkungen der Ehe Vor § 89, §§ 89–91 Wohnungsverlegung § 92 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Familienname § 93, 93a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehegattenunterhalt § 94 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haushaltsführung § 95 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlüsselgewalt § 96 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnungserhaltungsanspruch § 97 . . . . . . . . . . . . . . . . Mitwirkung im Erwerb §§ 98–100 . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 17 34 56 77 89 248 252 261 296
Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten §§ 757–759 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312
Von der gesetzlichen Erbfolge
Von dem Pflichtteile und der Anrechnung in den Pflicht- oder Erbteil Anspruch des Noterben auf den notwendigen, § 795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . und des Ehegatten auf den Unterhalt im Todesfall § 796 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
329 331
Von den Ehepakten §§ 1217–1266 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336
Kapitel 2 Ehegesetz Erster Abschnitt. Recht der Eheschließung Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ehefähigkeit Vor § 1, §§ 1–3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
353 357
Inhaltsverzeichnis
B. Eheverbote §§ 4–14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Eheschließung Vor §§ 15–19, §§ 15–19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Nichtigkeit der Ehe Vor §§ 20–25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nichtigkeitsgründe §§ 20–26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berufung auf die Nichtigkeit §§ 27–28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgen der Nichtigkeit §§ 29–32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aufhebung der Ehe Vor §§ 33–34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Vorschriften §§ 33–34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufhebungsgründe §§ 35–39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erhebung der Aufhebungsklage §§ 40–41 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgen der Aufhebung § 42 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Wiederverheiratung im Falle der Todeserklärung §§ 43–44 . . . . . . . . . . . G. Wiederverheiratung nach Auflösung der Vorehe durch eine ausländische Entscheidung § 45 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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380 391 403 409 422 426 432 434 435 453 459 461
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465
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469
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472 493 519 529
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541
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542 584 604 616 634
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644 776
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777 777 777 779 779
§§ 129–131 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
787
1. DVEheG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
789
Zweiter Abschnitt. Recht der Ehescheidung A. Allgemeine Vorschriften § 46 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ehescheidungsgründe I. Scheidung wegen Verschuldens (Eheverfehlungen) §§ 47–49 . . . . . . II. Scheidung aus anderen Gründen §§ 50–55a . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ausschluss des Scheidungsrechts §§ 56–59 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schuldausspruch §§ 60–61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Folgen der Scheidung §§ 62–98 I. Name der geschiedenen Frau §§ 62–65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterhalt a) Unterhaltspflicht bei Scheidung wegen Verschuldens §§ 66–68a . b) Unterhaltspflicht bei Scheidung aus anderen Gründen §§ 69–69b c) Art der Unterhaltsgewährung §§ 70–72 . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Begrenzung und Wegfall des Unterhaltsanspruchs §§ 73–79 . . . . f) Unterhaltsverträge § 80 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse Vor §§ 81 ff, §§ 81–98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mediation § 99 (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Abschnitt. Sondervorschriften für [das Land] Österreich Vor §§ 100–108 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Standesbeamte (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ergänzungsvorschriften §§ 101–107 . . . . . . . . . . . . . . C. Verfahrensvorschriften (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . D. Übergangsbestimmungen Vor §§ 109–128, §§ 109–128
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Vierter Abschnitt. Schlußbestimmungen
VIII
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 3 Eingetragene Partnerschaft 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Allgemeine Bestimmungen §§ 1–3 . . . . . . . . . . . . . . Begründung Vor § 4, §§ 4–6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen Vor § 7, §§ 7–12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflösung §§ 13–18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtigkeit § 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen der Auflösung oder der Nichtigkeit §§ 20–42 . Sinngemäß anwendbares Bundesrecht § 43 . . . . . . . . Übergangs- und Schlussbestimmungen §§ 44–47 . . .
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803 810 816 830 840 845 861 863
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867 886 901 937 984 987 994
Unterhalt § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufteilungsmasse § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1041 1063
Kapitel 4 Ehe- und partnerschaftliche Verfahrensbestimmungen §§ 49, 76, 76a, 100, 104a 114a JN Artt 1–20 Brüssel-IIa . . . . . . . . § 460 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . §§ 93–100 AußStrG . . . . . . . . . Artt 21–27 Brüssel-IIa . . . . . . . . §§ 41, 43, 45a, 50 ZPO . . . . . . . . § 78 AußStrG . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 5 Ehe- und partnerschaftliche einstweilige Verfügungen
Kapitel 6 Lebensgemeinschaft Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen im Innenverhältnis Rechtsfolgen im Außenverhältnis Rechtsfolgen der Beendigung . . . Verfahrensbestimmungen . . . . .
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1079 1085 1096 1109 1161
Wegweisung und Kontaktaufnahmeverbot §§ 382b–382e . . . Antistalking § 382g EO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherung des dringenden Wohnbedürfnisses eines Ehegatten Besitzstörung § 339 ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1165 1243 1260 1273
Abtretung des Mietrechts § 12 MRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietrecht im Todesfall § 14 MRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptmietzins und Anhebungsbegehren §§ 46, 46b MRG . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1307 1323 1342
Kapitel 7 Gewaltschutz
Kapitel 8 Wohnrechtliche Bestimmungen
IX
Inhaltsverzeichnis
Gemeinsames Wohnungseigentum der Partner § 13 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnungseigentum der Partner im Todesfall § 14 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentümerpartnerschaft von Ehepartnern bei Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe § 15 WEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1351 1366 1382
Kapitel 9 Sozialversicherungs- und Pensionsrecht Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG §§ 16, 258, 259, 265, 264, 215–217 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1390
Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998 § 102 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1415
Bundesbahn-Pensionsgesetz – BB-PG §§ 18, 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1419
Bauern-Sozialversicherungsgesetz – BSVG §§ 8, 127, 136 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1426
Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz – GSVG §§ 8, 136, 145 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1432
Heeresversorgungsgesetz – HVG §§ 36, 37 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1442
Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 – KOVG §§ 37, 38 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1444
Notarversicherungsgesetz 1972 – NVG 1972 §§ 54, 55 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1446
Pensionsgesetz 1965 – PG 1965 §§ 19, 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1449
Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz – B-KUVG § 56 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1455
Rechtsanwaltsordnung – RAO § 50 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1460
Ziviltechnikerkammergesetz 1993 – ZTKG § 29 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1463
Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten § 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1467
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1479
X
Bearbeitet haben: Dr. Ulrike Aichhorn
§§ 46 bis 61 EheG, §§ 13 bis 15 WEG 2002, sozialversicherungsrechtliche- und Pensionsbestimmungen
Mag. Susanne Beck
§§ 92 bis 93a ABGB, §§ 95 bis 100 ABGB, § 339 ABGB, §§ 382b bis 382e EO, §§ 382g, 382h EO, § 460 ZPO, §§ 93 bis 96 AußStrG
Dr. Astrid Deixler-Hübner
§§ 81 bis 98 EheG, § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO
Dr. Edwin Gitschthaler
§ 94 ABGB, §§ 757 bis 759 ABGB, §§ 795, 796 ABGB, §§ 66 bis 80 EheG, § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO, § 78 AußStrG, EPG
Dr. Johann Höllwerth
§§ 44 bis 46 ABGB, §§ 89 bis 91 ABGB, §§ 1217 bis 1266 ABGB, §§ 1 bis 45 Ehe, § 62 EheG, §§ 100 bis 131 EheG, 1. DVEheG, §§ 41, 43, 45a, 50 ZPO, §§ 12, 14, 46, 46b MRG
MMag. Dr. Florian Linder
Lebensgemeinschaft – Allgemeines, Innenverhältnis, Außenverhältnis, Beendigung (Allgemeines, Schenkungen, GesbR), Verfahrensbestimmungen
Dr. Franz Stefan Meissel/ Dr. Julia Jungwirth
Lebensgemeinschaft – Beendigung (Bereicherung)
Dr. Marco Nademleinsky
§ 49 JN, §§ 76, 76a JN, § 100 JN, § 104a JN, § 114a JN, Artt 1, 3 bis 7, 19 bis 27 VO, §§ 97 bis 100 AußStrG
XI
Abkürzungsverzeichnis aA aaO ABGB ABl abl AblEG
Abs aE aF AGB AHG AktG AllgGAG AMFG AMS AnfO AnwBl AnwZ AO ao Arb ARD arg Art ASG ASGG Aufl AußStrG 1854 AußStrG Bd BeitrZPR BG BGB
anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch JGS 946 Amtsblatt ablehnend Amtsblatt der europäischen Gemeinschaften Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen Ausgabe L: Rechtsvorschriften Absatz am Ende alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Amtshaftungsgesetz BGBl 1949/20 Aktiengesetz 1965 BGBl 98 Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz BGBl 1930/75 Arbeitsmarktförderungsgesetz BGBl 31/1969 Arbeitsmarktservice Anfechtungsordnung RGBl 1914/337 Österreichisches Anwaltsblatt (Jahr, Seite) Anwalts-Zeitung Ausgleichsordnung BGBl 1934 II/221 außerordentlich, -e,-er,-es Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Gerichte und Einigungsämter „ARD-Betriebsdienst“ (Heft, Seite) argumentum Artikel Arbeits- und Sozialgericht Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz BGBl 1985/104 Auflage Außerstreitgesetz RGBl 1854/208 Außerstreitgesetz BGBl I 111/2003 Band Beiträge zum Zivilprozeßrecht a) Bezirksgericht b) Bundesgesetz (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch
XIII
Abkürzungsverzeichnis
BGBl BlgNR BMAA BMJ Brüssel IIa-VO
BThPG BVV ders dh DHG di dies DRdA DREvBl DSG dRGBl DVEheG dZPO EB ecolex EF EF-Z EGJN EGV EGZPO EheG EheRÄG 1978 EheRÄG 1999 EIRAG eM EMRK EO EO-Nov 1991 EO-Nov 1994 EO-Nov 1995 EO-Nov 2003 EPG ErgBd Erk ErläutRV EU EuEheVO
EuGH
Bundesgesetzblatt Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates Bundesminister(ium) für auswärtige Angelegenheiten Bundesminister(ium) für Justiz Verordnung (EG) 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollsteckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (EuEheVO) Bundestheaterpensionsgesetz Belastungs- und Veräußerungsverbot derselbe das heißt Dienstnehmerhaftpflichtgesetz BGBl 1965/80 das ist dieselbe, -n Das Recht der Arbeit (Jahr, Seite) Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen, Beilage zum Deutschen Recht (Jahr/Nummer) Datenschutzgesetz BGBl 1978/565 (deutsches) Reichsgesetzblatt Durchführungsverordnung zum Ehegesetz deutsche Zivilprozessordnung Ergänzungsband ecolex. Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen (Nummer) Zeitschrift für Ehe- und Familienrecht (Jahr/Nummer) Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm RGBl 1985/110 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung RGBl 1985/112 Ehegesetz RGBl 1938 I 807 Eherechtsänderungsgesetz 1978 BGBl 280 Eherechtsänderungsgesetz 1999 BGBl 125 Europäisches Rechtsanwaltsgesetz einhellige Meinung Europäische Menschenrechtskonvention BGBl 1958/210 Exekutionsordnung RGBl 1896/79 Exekutionsordnungs-Novelle 1991 BGBl 628 Exekutionsordnungs-Novelle 1994 BGBl 624 Exekutionsordnungs-Novelle 1995 BGBl 519 Exekutionsordnungs-Novelle 2003 BGBl 31 Eingetragene Partnerschaft-Gesetz BGBl 2009/135 Ergänzungsband Erkenntnis Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage Europäische Union Verordnung (EG) 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollsteckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (Brüssel IIa-VO) Europäischer Gerichtshof
XIV
Abkürzungsverzeichnis
EuGVÜ
EUGVVO
EV EvBl ExMinVO f FamErbRÄG FamRÄG FamRZ FamZ FBG ff FG FMedG FN FS GAÖJT GBG GebAG GedS gem 1. GEN 2. GEN 3. GEN 4. GEN 5. GEN 6. GEN 7. GEN 8. GEN Geo GeSchG 2. GeSchG GesRZ GGG GH GKoärG GlU GlUNF GmbHG GOG
Europäisches Übereinkommen v 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen BGBl III 1998/167 und 209 Verordnung (EG) Nr 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollsteckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen a) Einführungsverordnung b) einstweilige Verfügung Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (Jahr/Nummer); abgedruckt in der ÖJZ Existenzminimumverordnung gemäß § 292g EO und der, die folgende Familien- und Erbrechtsänderungsgesetz 2004 BGBl 2004/58 Familienrechtsänderungsgesetz 2009 BGBl 2009/75 (deutsche) Zeitschrift für Familienrecht (österreichische) Zeitschrift für Familienrecht (Nummer/Jahr) Firmenbuchgesetz BGBl 1991/10 und die folgenden Festgabe Fortpflanzungsmedizingesetz BGBl 1992/275 Fußnote Festschrift Gutachten des Österreichischen Juristentages Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955 BGBl 39 Gebührenanspruchsgesetz BGBl 136/1975 Gedächtnisschrift gemäß (1.) Gerichtsentlastungsnovelle RGBl 1914/118 2. Gerichtsentlastungsnovelle StGBl 1920/116 3. Gerichtsentlastungsnovelle BGBl 1921/743 4. Gerichtsentlastungsnovelle BGBl 1922/532 5. Gerichtsentlastungsnovelle BGBl 1925/183 6. Gerichtsentlastungsnovelle BGBl 1929/222 7. Gerichtsentlastungsnovelle BGBl 1932/6 8. Gerichtsentlastungsnovelle BGBl 1933/346 Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz BGBl 1951/264 Gewaltschutzgesetz BGBl 1996/759 2. Gewaltschutzgesetz BGBl 2009/40 Der Gesellschafter (Jahr, Seite) Gerichtsgebührengesetz BGBl 1984/501 a) Gerichtshof b) Gerichtshalle (Jahr, Seite) Gerichtskommissärgesetz BGBl 1970/343 Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes, Neue Folge Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung RGBl 1906/58 Gerichtsorganisationsgesetz RGBl 1896/217
XV
Abkürzungsverzeichnis
GP HG hL Hrsg hRsp idgF idF idR idS idZ iFamZ immolex infas insb IO IPRax IPRE iS iVm iZm JABl JAP JBl JN JT JUS Z JWG KAG Kfz KindRÄG 1989 KindRÄG 2001 KO krit KSchG L LuRsp LGVÜ
LGZ Lit Mat Miet MRG mwN NBlRA NetV
Gesetzgebungsperiode Handelsgericht herrschende Lehre Herausgeber herrschende Rechtsprechung in der geltenden Fassung in der Fassung in der Regel in diesem Sinn in diesem Zusammenhang Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht (Nummer/Jahr) immolex. neues Miet-und Wohnrecht (Jahr/Nummer) Informationen aus dem Arbeits- und Sozialrecht insbesondere, insbesonders Insolvenzordnung BGBl 2010/29 Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Österreichische Entscheidungen zum internationalen Privat- und Verfahrensrecht im Sinne in Verbindung mit im Zusammenhang mit Amtsblatt der Österreichischen Justizverwaltung Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung Juristische Blätter (Jahr, Seite) Jurisdiktionsnorm RGBl 1895/111 Juristentag Jus Extra, Zivilrechtliche E des OGH Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 BGBl 161 Krankenanstaltengesetz BGBl 1957/1 Kraftfahrzeug Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz BGBl 1989/162 Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz BGBl $$ Konkursordnung RGBl 1914/337 kritisch Konsumentenschutzgesetz BGBl 1979/140 Lehre Lehre und Rechtsprechung Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Landesgericht für Zivilrechtssachen Literatur Materialien Mietrechtliche Entscheidungen (Nummer) Mietrechtsgesetz BGBl 1981/520 mit weiteren Nachweisen Nachrichtenblatt der österreichischen Rechtsanwaltschaft (1928–38, 1950–69) (Jahr, Seite) Nova & Varia (Zeitschrift)
XVI
Abkürzungsverzeichnis
nF NO NRsp NZ ÖA ÖBA ÖBl OGH OGHG ÖGZ ÖJT ÖJZ ÖJZ-LSK OLG OrgHG PersEheKindÄG PSG PStG PStV RAO RDG RdW RG RHEZiv 1986 RHEZiv 1997 Rpfl Rpfleger RpflG RpflSlgA RpflSlgE Rsp RV RZ Rz S s SchG Slg SozSi SPG SpR SSV-NF StGB StGBl StPO StProt
neue Fassung Notariatsordnung RGBl 1871/75 Neue Rechtsprechung des OGH Notariatszeitung (Jahr, Seite) Der Österreichische Amtsvormund (Jahr, Seite) Österreichisches Bankarchiv (Jahr, Seite) Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr, Seite) Oberster Gerichtshof Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof BGBl 1968/328 Österreichische Gemeindezeitung (Jahr, Seite) Verhandlungen des österreichischen Juristentages Österreichische Juristen-Zeitung (Jahr, Seite) Leitsatzkartei in „Österreichische Juristen-Zeitung“ (Jahr/Nummer) Oberlandesgericht Organhaftpflichtgesetz BGBl 1967/181 Bundesgesetz über Änderungen des Personen-, Ehe,- und Kindschaftsrechts BGBl 1983/566 Privatstiftungsgesetz BGBl 1993/694 Personenstandsgesetz BGBl 1983/60 Personenstandsverordnung BGBl 1983/629 Rechtsanwaltsordnung RGBl 1868/96 Richterdienstgesetz BGBl 1961/305 Österreichisches Recht der Wirtschaft (Jahr, Seite) Reichsgericht Rechtshilfeerlaß in Zivilsachen JABl 1986/53 Rechtshilfeerlaß für Zivilrechtssachen JABl 1997/40 Der Österreichische Rechtspfleger Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz BGBl 1985/560 Sammlung von Rechtsmittelentscheidungen in Außerstreitsachen Sammlung von Rechtsmittelentscheidungen in Exekutionssachen Rechtsprechung Regierungsvorlage Österreichische Richterzeitung (Jahr/Nummer bzw Seite) Randzahl Schilling siehe Schiedsgericht (der Sozialversicherung) Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des EuGEI Soziale Sicherheit Sicherheitspolizeigesetz Spruchrepertorium des Obersten Gerichtshofes Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Sozialrechtssachen Strafgesetzbuch BGBl 1974/60 Staatsgesetzblatt Strafprozeßordnung 1975 BGBl 631 stenographische Protokolle
XVII
Abkürzungsverzeichnis
str stRsp SVSlg SZ TEG Ua überwL überwRsp UeKindG ÜG uU uva VAEB verst Senat VO VfGH VfSlg vgl VwGH VwSlg wbl WEG 1975 WEG 2002 WGN 1989 WGN 1997 wobl WR Z ZAK ZAS ZBl ZfRV ZfV ZivMediatG ZPO ZTKG zust ZustG ZustRAG zutr ZUVO ZVN 1983 ZVN 1986 ZVR
strittig ständige Rechtsprechung Sozialversicherungsrechtliche Entscheidungen Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungs-)sachen (Band/Nummer) Todeserklärungsgesetz 1950 BGBl 1951/23 und andere überwiegende Lehre überwiegende Rechtsprechung Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes BGBl 1970/342 Übergangsgesetz vom 1.10.1920 idF BGBl 1925/368 unter Umständen und viele andere Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau verstärkter Senat Verordnung Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes (Nummer) vergleiche Verwaltungsgerichtshof Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes (Nummer) Wirtschaftsrechtliche Blätter (Jahr, Seite) Wohnungseigentumsgesetz 1975 BGBl 417 Wohnungseigentumsgesetz 2002 BGBl 70 Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1989 BGBl 343 Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 BGBl I 140 Wohnrechtliche Blätter (Jahr, Seite) Wiener Richter (Nummer) a) Zahl b) Ziffer Zivilrecht aktuell (Zeitschrift) Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht (Jahr, Seite) Zentralblatt für die juristische Praxis (Jahr/Nummer) Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Jahr, Seite) Zeitschrift für Verwaltung Zivilrechts-Mediations-Gesetz Zivilprozeßordnung RGBl 1895/113 Ziviltechnikerkammergesetz zustimmend Zustellgesetz BGBl 1982/200 Zustellrechtsanpassungsgesetz BGBl 1982/201 zutreffend Zukunftsvorsorge aktuell (Zeitschrift) Zivilverfahrens-Novelle 1983 BGBl 135 Zivilverfahrens-Novelle 1986 BGBl 71 Zeitschrift für Verkehrsrecht
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Literaturverzeichnis Aichhorn (Hrsg), Das Recht der Lebenspartnerschaften (2003) – Aichhorn Seite Angst (Hrsg), Kommentar zur Exekutionsordnung2 (2008) – Autor/Angst § EO Rz Beck, Kindschaftsrecht (2009) – Beck Rz Burgstaller/Deixler-Hübner (Hrsg), Exekutionsordnung – Autor/Burgstaller/Deixler-Hübner § EO Rz Burgstaller/Neumayr (Hrsg), Internationales Zivilverfahrensrecht II – Autor/Burgstaller/ Neumayr §/Art Gesetz/VO Rz Fasching, Zivilprozeßrecht2 (1990) – Fasching ZPR Rz Fasching/Konecny (Hrsg), ZPO2 – Autor/Fasching § JN Rz Deixler-Hübner, Das neue Eherecht (1999) – Deixler-Hübner, Eherecht Seite Deixler-Hübner, Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft10 (2009) – Deixler-Hübner, Scheidung Rz Deixler-Hübner, Der Ehevertrag2 (2009) – Deixler-Hübner, Ehevertrag Seite Deixler-Hübner/Mitgutsch, Rechtlicher Schutz in Familie und Partnerschaft (2006) – DeixlerHübner/Mitgutsch Seite Ehrenzweig, Erbrecht3 (1983) – Kralik/Ehrenzweig3, Seite Faistenberger/Gschnitzer, Österreichisches Familienrecht2 (1979) – Faistenberger Seite Feil, Ehegattenunterhalt (1981) – Feil, Ehegattenunterhalt Seite Feil, Ehegesetz2 (1999) – Feil § EheG Rz Feil/Holeschofsky, Unterhalt und Vermögensrechte nach der Scheidung2 (1991) – Feil/Holeschofsky Rz Fucik/Kloiber, AußStrG (2005) – Fucik/Kloiber § AußStrG Rz bzw Seite Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 (2008) – Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz Gitschthaler, Nacheheliche Aufteilung (2009) – Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz Gitschthaler, Nacheheliche Aufteilung Aktualisierungsheft Familienrechts-Änderungsgesetz 2009 (2009) – Gitschthaler, AktHeft Rz Gitschthaler/Höllwerth (Hrsg), EheG (2008) – Autor/Gitschthaler/Höllwerth § EheG Rz Gröger/Haller, EPG (2010) – Gröger/Haller, EPG § Anm Hausmann/Vonkilch (Hrsg), Österreichisches Wohnrecht – Autor/Hausmann/Vonkilch § MRG Rz Hinteregger, Familienrecht4 (2009) – Hinteregger, Familienrecht Seite Hopf/Kathrein, Eherecht2 (2005) – Hopf/Kathrein § EheG Anm Klang-Kommentar zum ABGB – Autor/Klang III2, Seite bzw Autor/Klang3 § ABGB Rz Kerschner, Familienrecht3 (2008) – Kerschner, Familienrecht Seite Konecny/Schubert (Hrsg), Insolvenzgesetze – Autor/Konecny/Schubert § KO Rz König, Einstweilige Verfügungen3 (2007) – König Rz Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB3 (2010) – Autor/KBB § ABGB Rz
XIX
Literaturverzeichnis
Koziol/Welser, Grundriß13 – KW I Seite Langer, AußStrG2 (2007) – Langer Seite Maurer/Schrott/Schütz, AußStrG neu (2006) – Maurer/Schrott/Schütz § AußStrG Rz Michel/Weitzenböck/Lenhard, Das österreichische Personenstandsrecht – PStG, 2. Auflage, Loseblatt-Sammlung [Stand 1.7.2010] – Michel/Weitzenböck/Lenhard, PStG Anm Möschl, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft3 (2007) – Möschl Seite Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht (2007) – Nademleinsky/Neumayr Rz Obermaier, Kostenhandbuch2 (2010) – Obermaier, Kostenhandbuch Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung (1992) – Purtscheller/Salzmann Rz Rechberger, AußStrG (2006) – Autor/Rechberger § AußStrG Rz Rechberger, ZPO3 (2006) – Autor/Rechberger § ZPO Rz Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht4 (2005) – Rechberger/Oberhammer Rz Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 (1992) – Rechberger/Simotta ExV Rz Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht7 (2009) – Rechberger/Simotta ZPR Rz Rummel (Hrsg), ABGB3 – Autor/Rummel § ABGB Rz Schwimann (Hrsg), ABGB2 - Autor/Schwimann2 § EheG Rz Schwimann (Hrsg), ABGB3 – Autor/Schwimann § EheG Rz Schwimann (Hrsg), ABGB Taschenkommentar (2010) – Autor/Schwimann, TaKomm § ABGB Rz Schwimann, Unterhaltsrecht2 (1998) – Schwimann2, Seite Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht4 (2008) – Schwimann/Kolmasch Seite Schwind, Kommentar zum österreichischen Eherecht2 (1980) – Schwind Seite Schwind/Ehrenzweig, Das Familienrecht3 (1984) – Schwind/Ehrenzweig Seite Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung (1999) – Zechner Rz
XX
Kapitel 1 Eherechtliche AGBG-Bestimmungen
E. Gitschthaler et al. (eds.), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht © Springer-Verlag/Wien 2011
ABGB Von dem Eherechte Begriff der Ehe § 44. Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitigen Beistand zu leisten. [Stammfassung] Lit: Augstein, Zur rechtlichen Anerkennung einer Geschlechtsumwandlung in Österreich, StAZ 1986, 340; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; ders, Familienrecht und Gewissensfreiheit, ÖJZ 2000, 781; Beclin, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz im Lichte des Eherechts, EF-Z 2010/34, 52; Benke, Zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft 2009: Weder Ehe noch Familie, EF-Z 2010/7, 19; Berka, Scheidung und Scheidungsreform (2000); F. Bydlinski, Ehegatten- und Kindschaftsrecht in der Familienrechtsreform, Sonderveröffentlichung des ÖJT 1. Teil (1974) 37; Deixler-Hübner (Hrsg), Die rechtliche Stellung der Frau (1998); dies, Das neue Eherecht (1999); Edlbacher, Die Transsexualität im Zivil- und Personenstandsrecht, ÖJZ 1981, 173; Ennöckl/Kucsko-Stadlmayer, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und Eherecht, JAP 2004/2005/4; Ent, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, NZ 1975, 134, 145, 177; Ent/Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (1976); dies, Das neue Eherecht – Die Reform des Ehewirkungsrechts, des Ehegattenerbrechts mit Materialien, Erläuterungen, Hinweisen und Rechtsprechung (1979); Faffelberger, Der Transsexuellenerlass. Über die rechtliche Stellung Transsexueller in Österreich, JAP 2006/2007/13, 84; Feil, Eherecht, Ehegattenerbrecht, Ehegüterrecht (1978); Ferrari, Die österreichische Eherechtsreform 1999, FamRZ 2001, 896; Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2000); Fischer-Czermak, Patchworkfamilien: Reformbedarf im Unterhaltsrecht? EF-Z 2007/30, 50; dies, Ehe oder Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare? NZ 2008/28, 97; dies, Beistandspflichten und Vertretung in Obsorgeangelegenheiten nach dem FamRÄG 2009, EF-Z 2010/2, 4; Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979); Friedrich/Wagner, 20 Jahre Transsexualismus, 20 Jahre Sensibilisierungsprozeß und „Rechtslage“, ÖStA 1997, 82; Giefing, Die familien- und exekutionsrechtlichen Aspekte des ehelichen Wohnens (1998); Graupner, Sexuelle Orientierung im europäischen Recht, RZ 2009, 178; Greif, Doing Trans/Gender – Rechtliche Dimensionen, in
3
§ 44 ABGB
Höllwerth
Flossmann (Hrsg), Linzer Schriften zur Frauenforschung Bd 29 (2005); dies, In Trans/Formation. Geschlechtswechsel zwischen staatlicher Kontrolle und rechtsfreiem Raum, juridikum 2009, 68; dies, Kein Operationszwang für Transsexuelle. Gleichzeitig Anmerkung zu VwGH 27.2.2009, 2008/17/0054, ÖJZ 2009/67, 622; Gutknecht, Grundrechtsschutz für Ehe und Familie (1988); Haidvogl, Die „Patchworkfamilie“ nach österreichischem Recht. Ausgewählte zivilrechtliche Aspekte zur Situation von Stiefeltern, FamZ 2007, 109; Harrer/ Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992); Hepting, Ehevereinbarungen (1984); Hinteregger, Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, ÖJZ 1999, 741; Hopf, Neues im Ehe- und Kindschaftsrecht – Änderungen des ABGB und des EheG durch das FamRÄG 2009, ÖJZ 2010/19, 154; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 821 und 861; Hoyer, Zwischenbilanz der österreichischen Familienrechtsreform, FamRZ 1976, 1; ders, Geschlecht und Familienrecht, FS Schwind (1978) 91; Jaksch-Ratajczak, Gibt es in Österreich eine Ehe unter Gleichgeschlechtlichen? EF-Z 2006/64, 111; Kerschner, Kommt nach der Familie die Familie? RZ 1998, 74; Kocevar, Unentgeltliche Dienstleistungen, RdA 1975, 77; Kohlegger, Der Schwerpunkt der Familienrechtsreform: Das BG über die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, ÖJZ 1975, 85; Köhler, Ehe- und Ehescheidungsrecht (1984); Kolbitsch/Stabentheiner, Überlegungen zu einer Reform des Eherechts – Grundsätzliche Erwägungen und Modifikationsvorschläge zu den heutigen Regelungen des Ehegesetzes, iFamZ 2007, 149; Kopetzki, Transsexualität und das Wesen der Ehe – Zum rechtlichen Schicksal der Ehe nach Geschlechtsumwandlung, iFamZ 2008, 81; Kraner, Ist eine Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern in Österreich möglich? ÖStA 1993, 92; Müller-Freienfels, Ehe und Recht (1962); Neudecker, Die „Patchworkfamilie“ – Merkmale, Chancen und Gefahren aus pädagogischer Sicht, iFamZ 2008, 59; Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/78 (1979); Palm-Risse, Der völkerrechtliche Schutz von Ehe und Familie (1990); Pesendorfer, Das Familienrechts-Änderungsgesetz 2008. Neuerungen bei Patchworkfamilien, Lebensgemeinschaften, dem ehelichen Güterrecht, der Beratungspflicht vor Scheidungen, der Unterhaltssicherung und bei Adoptionen, iFamZ 2008, 232; Pichler, Einige Probleme des neuen Eherechts, JBl 1981, 282; ders, Das Eherechts-Änderungsgesetz, ÖA 2000, 62; Rosenmayr, Die Implementierung der Patchworkfamilie in der Österreichischen Rechtsordnung, ÖA 2007, 131; Ruppe, Handbuch der Familienverträge (1985); Schambeck, Familie und öffentliches Recht, ÖJZ 1994, 401; Schragel, Die persönlichen Ehewirkungen, Sonderveröffentlichung des ÖJT 1. Teil (1974), 13; Stefula, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005/35, 609; V. Steininger, Die persönlichen Ehewirkungen im neuen österreichischen Recht, FamRZ 1979, 774; Schwenzer, Vom Status zur Realbeziehung (1987); Schwimann, Eherecht und Ehewirklichkeit, GedS Gschnitzer (1969), 375; ders, Die nichtvermögensrechtlichen Ehewirkungen im neuen Recht und dessen Problematik, ÖJZ 1976, 365; Schwind, Die Reform des österreichischen Eherechts, FamRZ 1979, 649; ders, Verrechtlichung und Entrechtlichung der Ehe, FamRZ 1982, 1053; Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“ (1994); Wysk, Rechtsmißbrauch und Eherecht (1994). Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Ehe als Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wesenselemente des Ehevertrags . . . . . . . 1. Geschlechtsverschiedenheit . . . . . . . . 2. Untrennbarkeit der Ehe . . . . . . . . . . . 3. Zeugung und Betreuung von Kindern
4
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1–4 5–8 9–25 9–19 20 21–23
§ 44 ABGB
Begriff der Ehe
4. Beistandspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Abgrenzung zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . .
24–25 26–28
A. Allgemeines § 44 ABGB ist in seiner Urfassung erhalten geblieben. Das EheG und die ab 1 den 70iger Jahren einsetzenden Familienrechtsreformgesetze (s dazu auch die Vorbemerkungen zum EheG Rz 6) haben diese Bestimmung unverändert gelassen. Die Definition (der „Begriff“) der Ehe in § 44 ABGB hat heute nur mehr (eingeschränkte) programmatische, aber kaum mehr praktische Bedeutung, sind doch die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe iS der daraus für die Ehegatten resultierenden Rechte und Pflichten in den §§ 89 ff ABGB näher geregelt (vgl Hinteregger/Klang3 § 44 ABGB Rz 1). § 44 Satz 1 ABGB, wonach die Familienverhältnisse durch den Ehevertrag ge- 2 gründet werden, entspricht nicht mehr aktuellem Rechtsverständnis. So erfordert insb der – autonom zu verstehende – konventionsrechtliche Familienbegriff („famille naturelle“) keine eheliche Verbindung (EGMR 13.6.1979, Serie A 31, Marckx/Belgien = EuGRZ 1979, 454; EGMR 13.7.2000, 25735/94, Elsholz/Deutschland), auch die Beziehung nur eines Elternteils zum Kind wird erfasst und insgesamt stehen nach Art 8 EMRK weniger die formalisierte rechtliche Beziehung, sondern mehr der tatsächliche soziale Kontakt iS faktischer (gelebter) familiärer Bindung (vgl EGMR 26.5.1994, Serie A 290, Keegan/Irland = EuGRZ 1995, 113; EGMR 20.6.2002, Al-Nashif/Bulgarien, ÖJZ 2003/18 [MRK]; EGMR 20.1.2009, 3976/05, iFamZ 2009/96; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, § 22 Rz 14) sowie die biologische Verwandtschaft (vgl dazu näher Rauscher, Familienrecht2 [2008] Rz 57a) im Vordergrund (allgemein zur Bedeutung der sexuellen Orientierung im europarechtlichen Kontext s Graupner, RZ 2009, 178). Familienrechtliche Beziehungen bestehen somit auch ohne Ehe, namentlich zwischen Eltern und unehelichen Kindern (Stabentheiner/Rummel § 44 ABGB Rz 1; Hopf/Kathrein § 44 ABGB Anm 2). Inzwischen herrscht auch eine weitgehende (rechtliche) Gleichstellung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern (vgl § 166 ABGB), die Rechtsstellung von Pflegeeltern erfuhr Verbesserungen (vgl §§ 186 f ABGB) und der Gesetzgeber bemüht sich überdies vermehrt um rechtliche Grundlagen für „Patchworkfamilien“ (zum Begriff „Patchworkfamilie“ s Fischer-Czermak, EF-Z 2007/30, 50; zur praktischen Bedeutung und Häufigkeit solcher Familienverhältnisse s Neudecker, iFamZ 2008, 59, und Pesendorfer, iFamZ 2008, 232; zu den jüngsten Rechtsänderungen für „Patchworkfamilien“ durch das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, s Fischer-Czermak, EF-Z 2010/2, 4).
5
§ 44 ABGB
Höllwerth
3 Die in § 44 Satz 2 ABGB genannten wesentlichen Elemente des Ehevertrags (s dazu Rz 9 ff) stellen inzwischen ebenfalls keine uneingeschränkt geltenden essenziellen Wesensmerkmale der Ehe mehr dar. 4 Bisweilen wird der Begriff „Ehevertrag“ nicht (nur) – wie hier – im engen (eigentlichen) Sinn des § 44 ABGB, sondern in einem weiteren Sinn gebraucht, indem darunter (auch) Vereinbarungen über den Güterstand der Ehegatten (Ehepakte) verstanden werden (so zB bei Ent, NZ 1979, 117 [119]), wie dies etwa der Begriffsbildung des § 1408 Abs 1 dBGB entspricht.
B. Die Ehe als Vertrag 5 Die Ehe ist ein Dauerrechtsverhältnis (6 Ob 512/77 ua = EF 28.529), das auf einem Vertrag beruht, der Ehefähigkeit (s dazu Vor § 1 EheG Rz 1 f) und Ehekonsenserklärungen erfordert, die bestimmten, aus §§ 15, 17 EheG folgenden förmlichen und inhaltlichen Anforderungen entsprechen müssen (s insb § 15 EheG Rz 1 f; § 17 EheG Rz 1 f). Das EheG enthält detaillierte, durchwegs zwingende Regelungen, die die Voraussetzungen für das wirksame Zustandekommen und die Auflösung des Ehevertrags festlegen. Für diesen haben daher die allgemeinen vertragsrechtlichen Bestimmungen des ABGB keine wesentliche Bedeutung (s zum Irrtumsrecht § 33 EheG Rz 2). 6 Nach den inhaltlichen Vorgaben des § 44 Satz 2 ABGB kann der Ehevertrag nur zwischen Personen verschiedenen Geschlechts geschlossen werden und die Ehekonsenserklärungen sollen auf den Willen der Verlobten gerichtet sein, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und sich gegenseitigen Beistand zu leisten. 7 Haften den Ehekonsenserklärungen Willensmängel an, sind diese nur nach Maßgabe der §§ 33 ff EheG relevant und überdies heilbar (s Vor §§ 33–34 EheG Rz 1). Sofern die Ehegatten übereinstimmend Scheinerklärungen abgeben und mit der Eheschließung keine eheliche Lebensgemeinschaft, sondern (zumindest vorwiegend) andere Rechtsfolgen bezweckt werden, nämlich einem Ehepartner den Erwerb des Familiennamens oder der Staatsangehörigkeit des anderen Ehepartners zu vermitteln, sieht § 23 EheG die Nichtigkeit einer solchen Ehe vor. Das Eingehen und die Vermittlung einer Aufenthaltsehe stellt überdies gem § 117 FremdenpolizeiG einen Verwaltungsstraftatbestand dar. 8 Gem § 879 Abs 2 Z 1 ABGB ist ein Vertrag nichtig, mit dem „etwas für die Unterhandlung eines Ehevertrages bedungen wird“. Entgegen strengerer älterer Rsp wird inzwischen die bloße Adressenvermittlung von Personen, die an einer Eheschließung interessiert sein könnten, nicht (mehr) unter § 879 Abs 2 Z 1 6
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ABGB subsumiert (1 Ob 812/76 = SZ 50/6 = EvBl 1977/191, 434 = JBl 1978, 372). Mit Recht verweist Krejci (/Rummel § 879 ABGB Rz 203a) in diesem Zusammenhang auf die zunehmende Kontaktarmut und Isolation in modernen Massengesellschaften. In diesen kommt es überdies zu steigender arbeitsteiliger Organisation, wobei der Einzelne – oft in Verbindung mit der Nutzung neuer Kommunikationstechniken – zunehmend auch die Bedienung höchst persönlicher Bedürfnisse vermehrt „auslagert“ und selbst für private(ste) Lebensbereiche Dienstleistungen Dritter in Anspruch nimmt. Der entgeltliche Nachweis von Kontaktmöglichkeiten zu partnersuchenden und (grundsätzlich) heiratswilligen Personen wird daher nach heutigem Verständnis nicht (mehr) unter das Verbot der Ehemäklerei fallen. Allerdings können derartige Vertragsverhältnisse aus anderen Gründen, etwa wegen unverhältnismäßiger Entgeltforderungen anfechtbar (nichtig) sein. Schließlich wird § 879 Abs 2 Z 1 ABGB auch weiterhin ein Anwendungsbereich insb in jenen Fällen verbleiben, in denen der Vermittler unmittelbar auf die Bildung des Ehewillens eines präsumtiven Ehepartners Einfluss nimmt.
C. Wesenselemente des Ehevertrags 1. Geschlechtsverschiedenheit
Die notwendige Geschlechtsverschiedenheit der Ehepartner wird allein in 9 § 44 Satz 2 ABGB als normative Voraussetzung des Ehevertrags bestimmt (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 44 ABGB Rz 2; zum Unterschied der Geschlechtsverschiedenheit als Voraussetzung der Eheschließung einerseits und zu deren [fehlender] Relevanz als „begleitende Bestandsbedingung“ der Ehe andererseits s Kopetzki, iFamZ 2008, 81 [82]). Geschlechtsverschiedenheit (bei Eingehung der Ehe) ist notwendige Voraussetzung jeder Eheschließung (VwGH 30.9.1997, 95/01/0061 = VwSlg 14.748 A = JBl 1998, 461 = ÖJZ 1998/80 = EF 83.031). Ein „Ehevertrag“ iS des § 44 ABGB bzw des EheG ist zwischen Personen gleichen Geschlechts rechtlich unmöglich. Auf eine solche Ehe (und nicht etwa auf eine eingetragene Partnerschaft) gerichtete Konsenserklärungen gleichgeschlechtlicher Partner begründen keine Ehe, sondern führen zu einer rechtlich irrelevanten Nichtehe (s § 15 EheG Rz 13; Stabentheiner/Rummel § 44 ABGB Rz 2; Hopf/Kathrein § 44 ABGB Anm 3). Das Erfordernis der Geschlechtsverschiedenheit für die Eheschließung und 10 damit die Unzulässigkeit der Trauung Homosexueller (Lesben) ist nach Ansicht des VfGH nicht verfassungswidrig. Weder der Gleichheitssatz (Art 7 B-VG) noch die EMRK würden eine Ausdehnung der auf die grundsätzliche Möglichkeit der Elternschaft ausgerichteten Ehe auf Beziehungen anderer Art gebieten. Eine Änderung des Eherechts des ABGB iS einer Zulässigkeit der 7
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Eheschließung gleichgeschlechtlicher Personen ist daher nach Ansicht des VfGH – verfassungsrechtlich – nicht zwingend geboten (VfGH 12.12.2003, B 777/03; EGMR 27.9.1990, 16/1989/176/232 [Cossey/Vereinigtes Königreich] = ÖJZ 1991, 173). Dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit ein Teil des Privatlebens sind und als solche Schutz genießen (Art 8 EMRK), verbiete zwar eine Diskriminierung aufgrund unsachlicher Merkmale (Art 14 EMRK; vgl dazu auch Graupner, RZ 2009, 178; Benke, EF-Z 2010/7, 19 [24]), verpflichte aber – so die Meinung des VfGH – nicht unbedingt auch zur Öffnung des Eherechts für gleichgeschlechtliche Partner. Die inzwischen vollzogene Änderung in der Rsp des EGMR (11.7.2002, 28957/95 = ÖJZ 2003, 766) zur besonderen Situation Transsexueller soll keinen Schluss auf eine Änderung in der Beurteilung der Frage der Öffnung des Eherechts für gleichgeschlechtliche Partner zulassen (VfGH 12.12.2003, B 777/03). Mittlerweile ist die Problematik eines fehlenden rechtlichen Rahmens für das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare insoweit entschärft, als dafür seit 1.1. 2010 durch das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz 2009 (EPG) eine Rechtsgrundlage besteht, die freilich zu keiner Gleichstellung dieser Beziehungen mit der Ehe führt und auch nicht führen sollte (dazu und zu den Unterschieden zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft näher Beclin, EF-Z 2010/ 34, 52; Benke, EF-Z 2010/7, 19; § 1 EPG insb Rz 4). 11 Problembelastet bleibt die eherechtliche Erfassung von transsexuellen Personen. Unter „Transsexuellen“ werden gewöhnlich solche Personen verstanden, die, obwohl sie körperlich dem einen Geschlecht angehören, das Gefühl haben, sie gehörten dem anderen Geschlecht an. Solche Personen können versuchen, zu einer kohärenteren und weniger zweifelhaften Identität zu gelangen, indem sie sich einer ärztlichen Behandlung und chirurgischen Eingriffen unterziehen, um ihre körperlichen Merkmale ihrer Psyche anzupassen. Die in dieser Weise operierten Transsexuellen stellen eine recht gut bestimmte und definierbare Gruppe dar (EGMR 17.10.1986, 2/1985/88/135, Rees/Vereinigtes Königreich). 12 Die Handhabung aus der Transsexualität folgender Probleme der Verwaltungspraxis war geprägt vom Erlass des BMI vom 18.7.1983, 10.582/24-IV/4/ 83, welcher durch den Erlass vom 27.11.1996, 36.250/66-IV/4/96, modifiziert wurde (sog „Transsexuellen-Erlässe“). Danach sollte es in jenen Fällen, in denen bereits operative und begleitende sonstige medizinische Maßnahmen mit dem Ziel einer wesentlichen äußerlichen Angleichung an das Gegengeschlecht durchgeführt worden waren, möglich sein, gestützt auf § 16 PStG, wonach die Personenstandsbehörde eine Beurkundung zu ändern hat, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist, einen Randvermerk über die Änderung des Geschlechts zu erwirken. Bei der Feststellung, ob diese Voraussetzungen gegeben waren, begnügte sich die zur Entscheidung berufene Behörde nach diesem Erlass nicht mit der Einsichtnahme in vorgelegte Urkunden, sondern 8
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holte von Amts wegen ein Gutachten des Instituts für gerichtliche Medizin der Universität Wien, welche Institution mit dem Problem des Transsexualismus besonders vertraut ist, ein. Durch dieses Gutachten musste erwiesen werden, dass der Antragsteller oder die Antragstellerin längere Zeit unter der zwanghaften Vorstellung gelebt hatte, dem anderen Geschlecht zuzugehören, was ihn oder sie veranlasst hatte, sich geschlechtskorrigierenden Maßnahmen zu unterziehen. Diese Maßnahmen mussten zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben, und es musste mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sein, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern werde. Eine Änderung wurde überdies nur vorgenommen, wenn der Antragsteller/ die Antragstellerin nicht verheiratet war. Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 8.6.2006, V 4/06-7, die als Rechtsverord- 13 nung einzustufenden Teile des Transsexuellen-Erlasses vom 27.11.1996, 36.250/66-IV/4/96, mangels gehöriger Kundmachung im BGBl aufgehoben. Nach Ansicht des VfGH fehlte es an einer gesetzlichen Grundlage zur Beschränkung der Zulässigkeit eines Randvermerks über die Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch auf unverheiratete Personen. Der Frage, ob die durch eine Änderung des Geschlechts eintretende Gleichgeschlechtlichkeit bisheriger Ehepartner am Fortbestand der Ehe etwas ändert oder deren Auflösung herbeiführt, erzwingt oder ermöglicht, musste der VfGH in diesem Zusammenhang nicht nachgehen. Nach Aufhebung der Punkte 2 und 3 des Erlasses des BMI vom 27.11.1996, 14 Zahl 36.250/66-IV/4/96, durch den VfGH mit Erkenntnis vom 8.6.2006, V 4/ 06-7, folgte der – wiederum nicht im BGBl kundgemachte – Erlass des BMI vom 12.1.2007, VA 1300/0013-III/2/2007. Die Frage nach dem Fortbestand der Ehe ist zwar nach diesem Erlass nicht mehr von der mit der Änderung der Eintragung im Geburtenbuch befassten Personenstandsbehörde zu beurteilen, womit das Erfordernis der Ehelosigkeit für die Eintragung des Randvermerks weggefallen ist. Auch die zwangsweise Begutachtung durch das Institut für Gerichtsmedizin der Universität Wien ist nicht mehr vorgesehen. Wie sich allerdings schon aus der Bezeichnung des Bescheids ergibt, versteht sich dieser als Beschreibung der „Vorgangsweise nach Durchführung einer geschlechtsanpassenden Operation“, und es wird im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vom Antragswerber/von der Antragswerberin neben einem psychotherapeutischen Gutachten auch die Vorlage eines entsprechenden Operationsbefundes verlangt. Damit bleiben alle Personen ausgeblendet, die keine geschlechtskonforme Lebensweise pflegen, sich etwa auch einer hormonellen Behandlung unterzogen, die aber keine körperlichen oder allenfalls nur einzelne operative Eingriffe vornehmen haben lassen (vgl Greif, juridikum 2009, 68 [69 f]).
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15 Im Jahre 2006 beantragte eine als Person männlichen Geschlechts geborene Beschwerdeführerin die Änderung der im Geburtenbuch eingetragenen Beurkundung ihres Geschlechts von „männlich“ auf „weiblich“ mit der Begründung, sie sei transsexuell, habe längere Zeit unter der zwanghaften Vorstellung gelebt, dem weiblichen Geschlecht zuzugehören und habe sich deshalb psychotherapeutischen Behandlungen sowie einer transhormonellen Therapie unterzogen. Um eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des angestrebten weiblichen Geschlechts zu erlangen, habe sie eine vollständige Bartepilation mittels Laser und Nadelepilation vornehmen lassen. Sowohl dem zuständigen Standesamt als auch dem BMI reichten diese Maßnahmen nicht aus, die Entschlossenheit zu einer dauerhaften, unwiederbringlichen und nicht wieder änderbaren Zuordnung zum anderen Geschlecht hinreichend evident erscheinen zu lassen. Nach der damaligen Ansicht des BMI sei die Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale Voraussetzung für eine Geschlechtsanpassung, „um eine Fortpflanzung im alten, eben nicht mehr gewünschten Geschlecht auszuschließen“. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie könne eine genitalverändernde Operation nicht durchführen, weil der damit verbundene lang dauernde Krankenstand bei ihrer leitenden Funktion in einem internationalen Konzern mit der Beendigung ihres Dienstverhältnisses verbunden wäre und ihr das Risiko des Verlustes des Arbeitsplatzes und die Gefahr der sozialen Desintegration nicht zumutbar seien, erschien dem BMI nicht schlüssig. Der VwGH hob mit seinem Erkenntnis vom 27.2.2009, 2008/17/0054 (= EF-Z 2009/117, 177 [zust Höllwerth]; zust Greif, ÖJZ 2009/67, 622), den abweislichen Bescheid des BMI wegen Rechtswidrigkeit auf und kam zum Ergebnis, dass ein schwerwiegender operativer Eingriff, wie etwa die vom BMI geforderte Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, keine notwendige Voraussetzung für eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts sei (zur Problematik operativer Eingriffe als Voraussetzung für die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit s auch BVerfG 6.12.2005, 1 BvL 3/03). Seit dieser Entscheidung ist die dem Erlass des BMI vom 12.1.2007 (VA 1300/0013-III/2/2007) zugrunde liegende Ansicht von der unbedingten Notwendigkeit einer geschlechtsanpassenden Operation als Voraussetzung einer die Änderung des Geschlechts betreffenden Eintragung im Geburtenbuch nicht mehr aufrecht zu erhalten. Dies müssen sich derzeit Betroffene – bei Uneinsichtigkeit der Standesbehörde – allerdings im Weg der Bescheidbeschwerde erkämpfen, was nicht zuletzt daran liegt, dass sich der Gesetzgeber schon seit Jahrzehnten (vgl etwa das aus 1980 [!] stammende [d]TranssexuellenG) einer – inzwischen längst überfälligen – Regelung dieser Materie entzieht. 16 Transsexuelle gehören nach erfolgreichen geschlechtsumwandelnden Maßnahmen (zu den Kosten einer genitaländernden Operation eines Transsexuellen s 10 ObS 2303/96s = SZ 69/210 = DRdA 1997, 276 [Mazal]), die zu einer 10
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voraussichtlich irreversiblen und im äußeren Erscheinungsbild zum Ausdruck kommenden Annäherung an das andere Geschlecht geführt haben, (auch rechtlich) diesem Geschlecht an. Die Personenstandsbehörde hat die Geschlechtszugehörigkeit (Geschlechtsumwandlung) erforderlichenfalls durch Einholung von medizinischen Sachverständigengutachten zu klären (VwGH 30.9.1997, 95/01/0061 = VwSlg 14.748 A = JBl 1998, 462 = ZfVB 1998/1630 = EF 83.031; VwGH 27.2.2009, 2008/17/0054 = EF-Z 2009/117, 177 [Höllwerth] = Greif, ÖJZ 2009/67, 622). Diese geänderte Geschlechtszugehörigkeit gilt auch für die Ehefähigkeit dieser Person. Ein unsachlicher Ausschluss transsexueller Personen vom Grundrecht auf Eheschließung verstößt jedenfalls gegen Art 12 EMRK (EGMR 11.7.2002, 28.957/95 = ÖJZ 2003, 766). Gegenteiliges ausländisches Recht widerspricht dem österreichischen ordre public. Überlegungen in Richtung einer – auch nur rechtlichen – Unveränderlichkeit 17 des Geschlechts (idS noch Hoyer, FS Schwind 91 ff), womit das Phänomen der Transsexualität juristisch völlig negiert würde, sind inzwischen wohl überholt (vgl dazu auch EGMR 25.3.1992, 57/1990/248/319, B/Frankreich = ÖJZ 1992, 625 ff). Dann steht aber die rechtliche Anerkennung der Transsexualität im Spannungsfeld zwischen dem von § 44 ABGB statuierten Eheerfordernis einer Lebensgemeinschaft zweier Personen verschiedenen Geschlechts und der Möglichkeit der Geschlechtsumwandlung während aufrechter Ehe, die im Ergebnis zu einer Ehe gleichgeschlechtlicher, genauer: nach Eheschließung gleichgeschlechtlich gewordener Personen führt. Gegen den Fortbestand einer solchen – recte eingegangenen und nach Geschlechtsumwandlung eines Partners tatsächlich weitergelebten – Ehe bestehen jedenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken, kann doch auch eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft in den Schutzbereich von Art 8 EMRK fallen (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, § 22 Rz 16; s dazu auch Kopetzki, iFamZ 2008, 81 [84]). Die Geschlechtsumwandlung nach Eheschließung führt auch weder zu einer nachträglichen Nichtehe (aA [noch] Schwind 3; Edlbacher, ÖJZ 1981, 173 [180]) noch zur Nichtigkeit der Ehe, weil die Annahme der Ehenichtigkeit dem abschließenden Charakter des Eheauflösungsrechts (s §§ 20, 33 EheG) widersprechen würde (zur [zwanghaften, bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung bestehenden] transsexuellen Veranlagung als Eheaufhebungsgrund s § 37 EheG Rz 12). Geschlechtsumwandlung nach Eheschließung kann aber – sofern sie nicht auf einer zwanghaften und daher nicht als Verfehlung zurechenbaren Persönlichkeitsentwicklung beruht – (allenfalls) einen Scheidungsgrund nach den §§ 49 ff EheG (etwa Verstoß gegen das Einvernehmlichkeitsprinzip; Beendigung sexueller Kontakte mit dem Ehepartner) darstellen (Kopetzki, iFamZ 2008, 81 [82]; Hinteregger/Klang3 § 44 ABGB Rz 6; Stabentheiner/ Rummel § 44 ABGB Rz 2; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 44 ABGB Rz 2; aA [für eine ex-lege-Auflösung der Ehe mit Wirkung ex nunc] Jaksch-Rataj11
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czak, EF-Z 2006/64, [111], der allerdings bei der Ungleichgeschlechtlichkeit der Ehepartner als einem essentiellen Wesensmerkmal der Ehe nicht zwischen Eingehungs- und Bestandserfordernis unterscheidet). 18 Das (d)BVerfG kam in seinem Erkenntnis vom 27.5.2008, 1 BvL 10/05 (= EFZ 2008/125, 195 [Höllwerth]), zum Ergebnis, dass es dem deutschen Grundgesetz (Art 6 GG) widerspreche, wenn die personenstandsrechtliche Anerkennung eines Transsexuellen davon abhinge, dass dieser nicht verheiratet sei. Zur Bedeutung der Geschlechtsänderung für eine geschlossene Ehe war das BVerfG der Ansicht, es liege in der Entscheidung des Gesetzgebers, auf welche Weise er es verheirateten Transsexuellen – ohne Beendigung ihrer als Ehe abgesicherten Partnerschaft – ermögliche, festgestellt zu bekommen, dass sie dem anderen als dem im Geburtseintrag angegebenen Geschlecht zugehörten. Wolle der Gesetzgeber zum Schutz des Instituts der Ehe als verschiedengeschlechtlicher Partnerschaft daran festhalten, nicht zuzulassen, dass Paare in der Ehe verbleiben, bei denen es durch Feststellung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit des transsexuellen Ehegatten zu einer personenstandsrechtlichen Gleichgeschlechtlichkeit komme, sei ihm dies unbenommen, weil sein Anliegen Art 6 Abs 1 GG (Schutz von Ehe und Familie) Rechnung trage. Er müsse aber dafür sorgen, dass die bisherige Ehe des Transsexuellen jedenfalls als rechtlich gesicherte Verantwortungsgemeinschaft fortbestehen könne. Wie der Gesetzgeber sicherstelle, dass die Verantwortungsgemeinschaft eines verheirateten Transsexuellen mit seinem Ehegatten ohne Beendigung Fortsetzung finde, sei diesem überlassen. So könne er sie mit Rechtskraft der Anerkennung der geänderten personenstandsrechtlichen Geschlechtszugehörigkeit des transsexuellen Ehegatten in eine eingetragene Lebenspartnerschaft überführen, müsse dabei aber Sorge dafür tragen, dass die erworbenen Rechte und auferlegten Pflichten aus der Ehe einem solchen Paar in der eingetragenen Lebenspartnerschaft ungeschmälert erhalten bleiben. Er könne zu diesem Zweck aber auch eine rechtlich abgesicherte Lebensgemeinschaft sui generis schaffen, die dem Paar die erworbenen Rechte und Pflichten aus der Ehe sichert, und die Ehe mit Anerkennung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit des transsexuellen Ehegatten in dieser Form fortbestehen lassen. Angesichts der geringen Zahl der betroffenen verheirateten Transsexuellen, die erst während der Ehe ihre Transsexualität entdeckten oder offenbarten und deren Ehe an dieser tiefgreifenden Veränderung der Paarbeziehung nicht zerbreche, sondern nach dem Willen beider Ehegatten fortgesetzt werden soll, könne sich der Gesetzgeber aber auch dafür entscheiden, verheirateten Transsexuellen die Möglichkeit der rechtlichen Anerkennung ihres geänderten Geschlechts bei Fortführung ihrer Ehe zu eröffnen. Wegen des Schutzes, der den bestehenden Ehen aus Art 6 Abs 1 GG zukomme, wäre dies auch angesichts dessen, dass die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau durch Art 6 Abs 1 GG geschützt sei, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. 12
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Die vom BVerfG in seinem Erkenntnis vom 27.5.2008 (1 BvL 10/05) vorge- 19 zeichneten Wege (s Rz 18) stehen auch dem österreichischen Gesetzgeber im Grundsatz offen, wobei dem Transsexuellen und seinem Ehegatten jedenfalls eine gleichwertige rechtliche Grundlage ohne geschlechtsspezifische Diskriminierung für das weitere Zusammenleben zur Verfügung zu stellen ist (Höllwerth, Anmerkung zu BVerfG 27.5.2008, 1 BvL 10/05, EF-Z 2008/125 [197]). Die aufgrund der Eheschließung und aus der Ehe erworbenen Rechte der Partner dürfen diesen nicht gegen ihren Willen nachträglichen entzogen werden, weshalb eine – vorbehaltlose – Überführung solcher Beziehungen in eine eingetragene Partnerschaft – wegen deren nicht unerheblichen Unterschiede zur Ehe, etwa der fehlenden Möglichkeit gemeinsamer Elternschaft und betreffend das Namensrecht – nicht in Frage kommen wird. 2. Untrennbarkeit der Ehe
Die Untrennbarkeit ist heute kein essenzielles Wesensmerkmal der Ehe mehr. 20 Die eheliche Lebensgemeinschaft ist zwar auf Dauer und unbestimmte Zeit angelegt, das Eheversprechen darf auch nicht unter einer Bedingung oder Befristung abgegeben werden (s dazu § 17 EheG Rz 6), und die Ehegatten sind einander gem § 90 Abs 1 ABGB zur umfassenden Lebensgemeinschaft verpflichtet, untrennbar ist die Ehe aber nicht. Abgesehen von der Möglichkeit der Nichtigerklärung (§§ 20 ff EheG) und der Aufhebung der Ehe (§§ 33 ff EheG) kann diese nach Maßgabe der §§ 49 ff EheG geschieden werden. Das in § 44 Satz 2 ABGB enthaltene Postulat von der Dauerhaftigkeit als Wesensmerkmal der Ehe findet demnach im 2. Abschnitt (Scheidungsrecht) des EheG (§§ 46 ff EheG) seine Grenze (5 Ob 535/79 = EF 34.009). 3. Zeugung und Betreuung von Kindern
§ 44 ABGB verlangt von den Ehegatten den Willen, Kinder zu zeugen und 21 diese zu erziehen, doch stellt dieses Erfordernis kein unabdingbares Wesenselement der Ehe (mehr) dar (Hopf/Kathrein § 44 ABGB Anm 7 mwN). § 90 ABGB enthält eine solche Verpflichtung nicht (mehr). Nach der – noch vor dem EheRÄG 1999 ergangenen – Entscheidung 3 Ob 596/77 (= RZ 1978/56, 130 = EF 28.531) ist die in § 44 Satz 2 ABGB postulierte „Zeugungspflicht“ nur insoweit von Bedeutung, als ein Ehegatte nicht berechtigt ist, gegen den Willen des anderen Mittel oder medizinische Maßnahmen zur Empfängnisverhütung anzuwenden (zur Eignung eines solchen Verhaltens als Scheidungsgrund s Rz 22). Zeugungsunfähigkeit eines oder beider Ehegatten ändert dagegen an der Wirksamkeit der Eheschließung nichts. Auch die Einigung der Verlobten auf die künftige Kinderlosigkeit ihrer Ehe führt nicht zur Unwirksamkeit der Eheschließung (vgl Stabentheiner/Rummel § 44 ABGB Rz 5). 13
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Der Entschluss für oder gegen Kinder ist eine höchstpersönliche Entscheidung der Ehegatten (Hinteregger/Klang3 § 44 ABGB Rz 8), welche diese iS des § 91 Abs 1 ABGB zu treffen haben und von der die Ehegatten nach Maßgabe des § 91 Abs 2 ABGB abgehen können (vgl Stabentheiner/Rummel § 44 ABGB Rz 5). 22 § 48 EheG, welcher den Scheidungsgrund der „Verweigerung der Fortpflanzung“ beinhaltete, der allerdings nicht mehr vorlag, wenn der Ehe bereits ein Kind entstammte (6 Ob 202/66 = SZ 39/124 = RZ 1966, 204), wurde durch das EheRÄG 1999, BGBl I 1999/125, aufgehoben. Die Weigerung, Kinder zu zeugen, kann seither (nur mehr) im Rahmen des (allgemeinen) Scheidungsgrundes des § 49 EheG nach den dafür maßgeblichen Grundsätzen geltend gemacht werden. Bei der Annahme einer mit Scheidung und mit Scheidungsfolgenrecht sanktionierten Fortpflanzungspflicht ist allerdings Vorsicht geboten (s dazu auch Hinteregger/Klang3 § 44 ABGB Rz 8; Weitzenböck/Schwimann § 49 EheG Rz 13). Die Ehegatten können sich im Rahmen der einvernehmlichen Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse (§ 91 Abs 1 ABGB) auf die Kinderlosigkeit ihrer Ehe verständigen (vgl Rz 21; § 91 ABGB Rz 5 ff; Hopf/Kathrein § 44 ABGB Anm 7), von welcher Entscheidung dann – zumindest im Fall ihrer partnerschaftlichen Ausgewogenheit und bei unveränderten Verhältnissen (krit zur Bindungswirkung Holzner [Anmerkung zu 3 Ob 2292/96x, JBl 1998, 245]) – nur wieder im Einvernehmen abgegangen werden kann (§ 91 Abs 2 ABGB). Die Ablehnung des Kinderwunsches (vgl LGZ Wien 45 R 507/09 f [„beharrliche und unbegründete Fortpflanzungsverweigerung“]) oder ein – medizinisch nicht indizierter – Schwangerschaftsabbruch durch die Frau (s dazu 2 Ob 702/87 = EF 57.126; LGZ Wien EF 84.545) werden wohl nur dann eine Verschuldensscheidung rechtfertigen, wenn eine solche Entscheidung grundlos und entgegen dem Gebot der Einvernehmlichkeit des § 91 Abs 2 ABGB getroffen wird (vgl LGZ Wien EF 117.344). Beachtliche Gründe für den Wunsch nach (gänzlicher oder künftiger) Kinderlosigkeit könnten etwa aus gesundheitlichen Problemen der Frau, erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten (insb [künftig] geringe[ere]s Familieneinkommen, schlechte Wohnverhältnisse, bereits zahlreiche Nachkommenschaft, mangelnde Unterstützung [namentlich bei der Kindererziehung] durch den Partner, starke Belastung durch bereits bestehende familiäre Pflichten [vgl 2 Ob 702/87]) oder auch aus schwerwiegenden Nachteilen für den (weiteren) beruflichen Werdegang (insb) der Frau resultieren (s dazu auch Weitzenböck/Schwimann § 49 EheG Rz 13). In diesem Sinn hat der OGH etwa in 2 Ob 702/87 – zu Recht – den Schwangerschaftsabbruch einer zu diesem Zeitpunkt 42 Jahre alte Frau, die bereits drei Kinder geboren hatte, deren Mutter schwer erkrankt war und deren Mann jahrelang ein ehebrecherisches Verhältnis unterhalten hatte, aus dem auch ein Kind entstammte, nicht als Eheverfehlung gewertet. Die Verweigerung einer nur durch medizinische Un14
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terstützung möglichen Fortpflanzung stellt jedenfalls keinen Scheidungsgrund dar (Stabentheiner/Rummel § 44 ABGB Rz 5; Weitzenböck/Schwimann § 49 EheG Rz 13), würde doch ein (mittelbarer) rechtlicher Zwang zu entsprechenden medizinischen Eingriffen sowohl dem körperlichen Selbstbestimmungsrecht als auch den zwischen Ehegatten bestehenden Pflichten zu Respekt und Wahrung der Persönlichkeitssphäre des Partners widersprechen. Sind aus der Ehe bereits Kinder hervorgegangen, dann ist die Kinderbetreu- 23 ung iS des § 91 Abs 1 ABGB einvernehmlich und mit ausgewogener Beteiligung der Ehegatten zu gestalten. Schon bisher war in Rsp (2 Ob 292/71 = ZVR 1972/173, 334) und L (Hinteregger/Klang3 § 44 ABGB Rz 9) anerkannt, dass aus der ehelichen Beistandspflicht in gewissem Umfang auch die Pflicht eines Ehegatten resultieren kann, an der Betreuung von Kindern mitzuwirken, die der andere Partner in die Ehe mitgebracht hat. Mit dem FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, hat der Gesetzgeber dem § 90 ABGB einen Abs 3 angefügt, nach dem jeder Ehegatte dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen hat. Er vertritt ihn überdies in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens, soweit es die Umstände erfordern (s dazu § 90 ABGB Rz 45). Der ebenfalls durch das FamRÄG 2009 eingefügte § 137 Abs 4 ABGB sieht außerdem vor, dass eine mit einem Elternteil und dessen minderjährigem Kind nicht nur vorübergehend im gemeinsamen Haushalt lebende volljährige Person, die in einem familiären Verhältnis zum Elternteil steht, das kann auch der Ehegatte (Stiefelternteil) sein (FischerCzermak, EF-Z 2010/2, 4 [6]), alles den Umständen nach Zumutbare zu tun hat, um das Kindeswohl zu schützen. 4. Beistandspflicht
Gegenseitiger Beistand ist Wesensmerkmal, selbstverständliche Grundlage 24 jeder Ehe und gehört nach § 90 Abs 1 ABGB zu den ehelichen Pflichten. Wechselseitiger „Beistand“ besteht sowohl in materieller als auch in immaterieller Unterstützung des Partners (vgl 2 Ob 83/88 = EF 55.890). Bestimmte, besonders wichtige Teilbereiche der ehelichen Beistandspflichten sind gesondert und näher geregelt, nämlich die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten (s § 90 Abs 2, §§ 98–100 ABGB), die Unterhaltspflicht (s § 94 ABGB), die Unterstützung im Haushalt (s § 95 ABGB) und die Befriedigung des Wohnbedürfnisses (s § 97 ABGB). Ausmaß und Intensität der Beistandspflichten haben sich an der einvernehmlichen Lebensgestaltung der Ehegatten (§ 90 Abs 1 EheG), an sozial üblichen Standards sowie an dem nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten Sinnvollen und Zumutbaren zu orientieren. Höchstpersönliche Beistandsverpflichtungen sind regelmäßig nicht einklagbar, 25 aber mittelbar, namentlich durch das Scheidungsrecht, sanktioniert. Beistands15
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pflichten mit vermögensrechtlichem Charakter können dagegen im Rechtsweg durchgesetzt werden; dies gilt insb für die Verletzung der Unterhaltspflicht (s § 94 ABGB) oder des Wohnbedürfnisses (s § 97 ABGB; zum Rechtsschutz im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft näher bei § 90 ABGB).
D. Abgrenzung zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft 26 Unter der außerehelichen (eheähnlichen, nichtehelichen) Lebensgemeinschaft wird eine auf Dauer ausgerichtete Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft verstanden, die nach Wesen und Intensität einer Beziehung zwischen miteinander verheirateten Personen nahe kommt (vgl 3 Ob 32/67 = SZ 40/45 = EF 8685; 3 Ob 204/99t mzN; 3 Ob 6/09t mzN). Es müssen nicht stets alle drei Merkmale (Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft) vorhanden sein, namentlich die Geschlechtsgemeinschaft ist insb im Zusammenleben von Personen höheren Alters nicht entscheidend (stRsp, s RIS-Justiz RS0047000; Kissich/Klang3 § 44 ABGB Rz 13 und 16 ff) und auch das Fehlen einer Wohngemeinschaft schließt eine Lebensgemeinschaft nicht unbedingt aus (3 Ob 186/09p = EF-Z 2010/78, 115 [Gitschthaler]); wichtiger ist eine Haushaltsgemeinschaft iS einer partnerschaftlichen Wirtschaftsführung (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 44 ABGB Rz 4). Aufgrund verschiedener Lebenskonzepte und unterschiedlicher materieller Ressourcen ist der Gesamteindruck von der Intensität des – auch immaterielle Elemente (vgl RIS-Justiz RS0047064) einschließenden – Zusammengehörigkeitsgefühls entscheidend (näher zur Lebensgemeinschaft s LebG – Allg Rz 10 ff). 27 Zwischen Verlobten kann zwar (bereits) eine Lebensgemeinschaft bestehen, doch ist das Verlöbnis als das Versprechen, sich künftig zu ehelichen (§ 45 ABGB), nicht Voraussetzung für die Annahme einer außerehelichen Lebensgemeinschaft. Im Vergleich zur Ehe fehlt der Lebensgemeinschaft die rechtsförmliche Begründung und Auflösung. Die Lebensgemeinschaft löst zwar in verschiedensten Bereichen Rechtsfolgen aus (zB Miet-, Anfechtungs-, Steuer-, Krankenversicherungs-, Pensions-, Strafrecht; dazu näher Kissich/Klang3 § 44 ABGB Rz 23 ff), begründet aber kein familienrechtliches Verhältnis und führt zu keinen ehelichen Pflichten iS des § 90 Abs 1 ABGB. 28 Kennzeichen der außerehelichen Lebensgemeinschaft ist nicht zuletzt die Möglichkeit, diese jederzeit, einseitig oder einvernehmlich und formlos auflösen zu können (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0009382). Ein gerichtliches Verfahren zur Aufteilung gemeinsamen Vermögens iS der §§ 81 ff EheG ist für eine außereheliche Lebensgemeinschaft nicht vorgesehen (OLG Wien 11 R 118/87), doch führt deren Beendigung häufig zu vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen idR auf bereicherungsrechtlicher Basis (s dazu näher LebG – Beendigung Rz 84 ff; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 44 ABGB 16
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Eheverlöbnis
Rz 7 ff; Kissich/Klang3 § 44 ABGB Rz 34 ff; ferner Höllwerth, EF-Z 2007/20, 30 [31 f], Entscheidungsanmerkung zu 3 Ob 145/06d).
Eheverlöbnis § 45. Ein Eheverlöbnis oder ein vorläufiges Versprechen, sich zu ehelichen, unter was für Umständen oder Bedingungen es gegeben oder erhalten worden, zieht keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich, weder zur Schließung der Ehe selbst, noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des Rücktrittes bedungen worden ist. [Stammfassung] Lit: Beitzke, Zur rechtlichen Qualifikation der Verlöbnisfolgen, FS Ficker (1967) 78; Benke, Zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft 2009: Weder Ehe noch Familie, EF-Z 2010/7, 19; Canaris, Das Verlöbnis als „gesetzliches“ Rechtsverhältnis, AcP 1965, 1; Demelius, Zur Geschichte des Eheversprechens nach österreichischem Recht, JBl 1948, 277; Dniestranski, Die Lehre vom Verlöbnis, GrünhutsZ (1906) 33, 87; Knütel, Verlöbnis einst und heute, FS Erik Jayme (2004) 1487; Mair, Verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch nach Rücktritt vom Verlöbnis? ÖJZ 1994, 844; Marloh, Probleme der „formalen“ Ehe, FamRZ 1955, 236; Mayer, Der Fortbestand letztwilliger Verfügungen bei Scheitern von Ehe, Verlöbnis und Partnerschaft, ZEV 1997, 280; Oberhofer, Setzt der Schadenersatzanspruch wegen Rücktrittes vom Verlöbnis Verschulden des Ersatzpflichtigen voraus? ÖJZ 1994, 433; Schwab, Zum geschichtlichen Verhältnis von Verlöbnis und Eheschließung, FamRZ 1968, 637; Schwimann, IPR und höchstrichterliche Rechtsprechung, ZfRV 1974, 202; Stefula, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005/35, 609; Swoboda, Freiheitliche Gedanken in unserem Eherecht, GZ 1923, 57; ders, Die rechtliche Natur des Eheverlöbnisses, NZ 1925, 89; Thönissen, Grundfragen des Verlöbnisrechts (1964); Wacke, Gemeinschaftliche Testamente von Verlobten, FamRZ 2001, 457. Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F. G. H.
Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlöbnis und eingetragene Partnerschaft Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . Zustandekommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz- und Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . Willensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–3 4 5 6–13 14–16 17 18–23 24–28
A. Rechtsnatur Das Verlöbnis (Eheverlöbnis) ist mehr als bloße (faktische) Heiratsabsicht, son- 1 dern nach wohl hA bereits ein „vorläufiger“ (gemeint: der Ehe vorausgehender) 17
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Höllwerth
familienrechtlicher (Vor-)Vertrag (2 Ob 7/67 = SZ 40/15 = EvBl 1967/302, 435 = EF 7647; 1 Ob 703/88 = SZ 62/5 = JBl 1989, 590; Schwind 6 f; Hopf/Kathrein § 45 ABGB Anm 1; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 45 ABGB Rz 2; zu den Theorien über die Rechtsnatur des Verlöbnisses s Wentzel/Klang I/12, 326 ff), mit dem zwei Personen verschiedenen Geschlechts versprechen, einander in Zukunft zu heiraten (6 Ob 701/82 = IPRax 1984/39 [Schwind, IPRax 1984/ 43] = JBl 1983, 540 [Schwimann] = EF 39.929; LGZ Wien EF 30.613, EF 39.930). Es handelt sich um einen Vertrag ohne – erzwingbare – Hauptleistungspflicht, weil die künftige Eheschließung nicht gerichtlich durchsetzbar ist. Die spätere Erzwingbarkeit des Eheversprechens würde der – nach modernem Rechtsverständnis selbstverständlichen – Freiheit des Willensentschlusses zur Eheschließung, die etwa auch durch § 39 EheG geschützt ist, widersprechen. Diese Rechtslage ist im historischen Rückblick keineswegs selbstverständlich, war doch bis ins Jahr 1782 auf der Grundlage des Codex Theresianus die Eheschließung bei Vorliegen eines Verlöbnisses einklagbar (näher zur Kodifikationsgeschichte des Verlöbnisrechts s Oberhofer, ÖJZ 1994, 433 [434 ff]). 2 Die Bezeichnung des Verlöbnisses als Vorvertrag (so etwa in 2 Ob 7/67 = SZ 40/15 = EvBl 1967/302, 435 = EF 7647) ist insoweit zutreffend, als es auf den Abschluss eines „Hauptvertrages“, nämlich den Ehevertrag iS des § 44 ABGB gerichtet ist. Damit ist aber die Ähnlichkeit mit einem Vorvertrag nach § 936 ABGB weitgehend erschöpft, muss doch bei der Verlobung weder der Zeitpunkt der Eheschließung feststehen noch kann diese binnen Jahresfrist erzwungen werden, und auch die Umstandsklausel kommt nicht zum Tragen. Da dem Anspruch auf die spätere Eheschließung die Klagbarkeit versagt ist, ähnelt die Hauptpflicht aus dem Verlöbnis eher einer Naturalobligation (idS auch Mair, ÖJZ 1994, 844 [845]). 3 Wenn heute die gesellschaftliche Relevanz des Verlöbnisses als gering erscheinen mag, so beruht diese Beurteilung wohl zu einem guten Teil auf einer mangelnden Differenzierung zwischen dem sozialen und dem rechtlichen Tatbestand. Da die Eheschließung ohne ein Mindestmaß an Vorbereitung und Organisation kaum denkbar ist und das Verlöbnis auch konkludent durch auf die künftige Verehelichung gerichtete Handlungen zustanden kommen kann (s dazu näher Rz 13), dürfte dieser wesentlicher häufiger ein Verlöbnis vorangehen, als dies gemeinhin angenommen wird.
B. Verlöbnis und eingetragene Partnerschaft 4 § 1 Abs 4 (d)LPartG enthält eine ausdrückliche Regelung betreffend das „Versprechen, eine Lebenspartnerschaft zu begründen,“ und übernimmt dabei die 18
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einschlägigen, für verschiedengeschlechtliche Paare geltenden, verlöbnisrechtlichen Bestimmungen der §§ 1297 Abs 2, 1298 bis 1302 dBGB. Das EPG sieht demgegenüber für gleichgeschlechtliche Paare kein Verlöbnis und auch kein gleichwertiges gesondertes Rechtsinstitut vor. Der Gesetzgeber verweist die künftigen eingetragenen Partner in diesem Kontext auf die Möglichkeit, ihre rechtlichen Beziehungen vor Eingehung ihrer Partnerschaft durch einen – auch konkludent möglichen – Vertrag frei zu regeln (ErläutRV 485 BlgNR 24. GP 4). Dieser Standpunkt des Gesetzgebers verkennt aber Inhalt und Rechtswirkungen des Verlöbnisses (s dazu insb Rz 1 und 18 ff), geht es doch dabei nicht (primär) um eine Festlegung der „rechtlichen Beziehungen vor Eingehung“ der Partnerschaft, sondern um die Vereinbarung künftiger Partnerschaftsbegründung (vgl Rz 1) und der Rechtsfolgen des allfälligen Scheiterns dieses Vorhabens (vgl § 46 ABGB). Gerade auf diese Rechtsbeziehung werden aber allgemeine Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre nicht ohne weiteres angewandt werden können. Kommt es etwa durch schlüssiges Verhalten zu einem „Partnerschaftsversprechen“, ist infolge Nichtübernahme der §§ 45 f ABGB ins EPG ungeregelt, ob ein solches „Verlöbnis“ gleichgeschlechtlicher Partner durchsetzbar, unter welchen Voraussetzungen ein Rücktritt möglich ist und welche schadenersatzrechtlichen Folgen ein ungerechtfertigter Rücktritt haben soll. Für all diese Fragen wird wohl nur eine analoge Anwendung der §§ 45 f ABGB eine adäquate Lösung bieten.
C. Internationales Privatrecht Im IPRG wird das Eheverlöbnis nicht ausdrücklich geregelt. Es ist daher nach 5 dem Grundsatz der stärksten Beziehung (§ 1 Abs 1 IPRG) anzuknüpfen (1 Ob 577/93 = SZ 66/112 = JBl 1994, 702 = EF 72.671; Verschraegen/Rummel Vor § 16 IPRG Rz 1). Die materiellen Voraussetzungen (Alter, Geschäftsfähigkeit, Zustimmung Dritter usw) werden analog § 17 IPRG für jeden Verlobten nach seinem Personalstatut und die Form wird entsprechend § 8 IPRG entweder nach dem Personalstatut beider Verlobter oder nach der Ortsform zu beurteilen sein (Verschraegen/Rummel Vor § 16 IPRG Rz 1). Für die Rechtsfolgen der Verlöbnisauflösung ist analog §§ 18 bis 20 IPRG vorzugehen, die im Allgemeinen auch für die Verlöbniswirkungen dem Gesichtspunkt der „stärksten Beziehung“ entsprechen (1 Ob 577/93 = SZ 66/112; 6 Ob 321/02b; Verschraegen/Rummel Vor § 16 IPRG Rz 2; aA Schwind, IPR 109 f [freie Rechtsfindung im Einzelfall]). Ist ausländisches Verlöbnisrecht anzuwenden, kann die Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG (ordre public) bedeutsam werden. Ein Anspruch auf Eheabschluss und Regelungen, die die Eheschließungsfreiheit unmittelbar beschränken, widersprechen Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (Schwimann, ZfRV 1974, 202 [204 f]; Verschraegen/Rummel § 6 19
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IPRG Rz 4; zum Ehezwang vgl 7 Ob 600/86 = SZ 59/128 = JBl 1987, 115 = ÖBA 1986, 486 [Koziol] = IPRax 1988, 33 [Moschner, 40]) ebenso wie ein Begehren einer Mutter nach Zahlung eines Geldbetrags für die Zustimmung zur Verlobung ihrer minderjährigen Tochter (4 Ob 199/00v).
D. Zustandekommen 6 Der Abschluss des Eheverlöbnisses (die Verlobung) setzt (volle) Geschäftsfähigkeit voraus. Geschäftsunfähige, die auch eine Ehe nicht eingehen können (§ 2 EheG), können sich nicht rechtswirksam verloben (Hopf/Kathrein § 45 ABGB Anm 2). Beschränkt Geschäftsfähige brauchen zur Verlobung die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 3 Abs 1 EheG) und des Erziehungsberechtigten (§ 3 Abs 2 EheG; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 45 ABGB Rz 2; Hopf/Kathrein § 45 ABGB Anm 2). AA ist Hinteregger (in Klang3 § 45 ABGB Rz 3), die die analoge Anwendung der Regeln über die Ehemündigkeit propagiert und damit zur Zulässigkeit des Verlöbnisses frühestens mit 16 Jahren bei Vorliegen einer gerichtlichen Genehmigung, ansonsten erst ab Vollendung des 18. Lebensjahres gelangt. Ein Verlöbnis, das dieser Bedingung widerspreche, soll gem § 879 ABGB „wegen Gesetzwidrigkeit“ nichtig sein. Dieser Ansicht kann freilich entgegen gehalten werden, dass sie für die Ehe mit einer 16-jährigen, infolge ihrer Reife gem § 1 Abs 2 EheG für ehemündig erklärten Personen eine vorangehende Verlobung grundsätzlich ausschließt und es überdies an einer gesetzlichen Grundlage für die angenommene Nichtigkeitssanktion fehlt. 7 Der höchstpersönliche Charakter des Verlöbnisabschlusses schließt die Zulässigkeit der Stellvertretung (KW I13, 448; Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 3), nicht aber die Einschaltung eines Boten aus. Auch beschränkt Geschäftsfähige, die zur Verlobung die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters benötigen, müssen ihre Verlöbniserklärung jedenfalls selbst abgeben. 8 Die bloße Absicht zu heiraten – ohne nach außen erkennbares Erklärungsverhalten – reicht für das Zustandekommen eines Verlöbnisses nicht aus (vgl 2 Ob 7/67 = SZ 40/15 = EvBl 1967/302, 435 = EF 7647), es sind vielmehr übereinstimmende Willenserklärungen beider Partner erforderlich. Ein bloß einseitiges Eheversprechen bindet daher nicht iS der §§ 45 f ABGB (Stabentheiner/ Rummel § 45 ABGB Rz 4 mwN). 9 Die Willenserklärungen müssen auf den späteren Abschluss einer (gültigen) Ehe gerichtet sein. Geht die Absicht der Partner (nur) dahin, zusammenleben zu wollen, ist aber keine Eheschließung beabsichtigt, dann kommt kein Verlöbnis zustande. Eine „Hochzeitszeremonie“ (hier: „Hochzeitsfeier“ nach serbischem Brauch anlässlich der Begründung einer Lebensgemeinschaft), die von den Beteiligten zwar als endgültige Verbindung angesehen wird (aber 20
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ohne feste Absicht späterer Eheschließung) und bei der der „Publizitätsakt“ nur darin liegt, dass sämtliche Familienangehörigen der „Braut“ und des „Bräutigams“ zusammen kommen, ein Fest veranstalten und Geschenke austauschen, ist daher kein wirksames Verlöbnis iS des § 45 ABGB (6 Ob 701/82 = EvBl 1983/38, 157 = JBl 1983, 540 [Schwimann]). Zur Wirksamkeit des Verlöbnisses ist es nicht erforderlich, auch schon den 10 Zeitpunkt der Eheschließung zu fixieren oder die Einzelheiten der gemeinsamen Zukunft der Verlobten vorauszubestimmen (1 Ob 410/58 = EvBl 1959/ 69, 127; 1 Ob 703/88 = SZ 62/5 = JBl 1989, 590 = EF 58.664). Eine Verlöbniserklärung muss – aus der Sicht des redlichen Erklärungsemp- 11 fängers – ernstlich sein (§ 869 ABGB). Eine nur zum Scherz abgegebene Verlöbniserklärung ist aber gültig, wenn der Mangel der Ernstlichkeit aus der Art der Äußerung und den Begleitumständen objektiv, insb dem Adressaten nicht erkennbar war und von ihm auch nicht erkannt wurde (1 Ob 242/66 = SZ 39/ 191 = EvBl 1967/173, 208; 9 Ob 344/97x = EF 83.032 = ecolex 1998, 126 [zur – nicht als Täuschung erkannten – „Verlöbniserklärung“ einer Prostituierten, die Prostitution aufgeben, den Freier heiraten und mit ihm Kinder haben zu wollen]). Nicht durchschaute Mentalreservation ist unbeachtlich (vgl Rummel/Rummel § 869 ABGB Rz 4; Bollenberger/KBB § 869 Rz 5). Dem Verlöbnis beigefügte Bedingungen sind (anders als nach § 17 Abs 2 12 EheG) – in den durch § 879 ABGB gezogenen Grenzen – zulässig (Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 3). So könnte die Verlobung etwa unter der aufschiebenden Bedingung des Einverständnisses der Eltern (eines) der Partner, der Erlangung einer bestimmten beruflichen Position oder der Schwangerschaft der Frau geschlossen werden. Es wird freilich Auslegungsfrage sein, ob derartige Vereinbarungen allenfalls nicht als Bedingung, sondern als einvernehmlich festgelegter Auflösungsgrund gedacht sind. Das Eheverlöbnis erfordert keine bestimmte Form und kann daher auch kon- 13 kludent iS des § 863 ABGB zustande kommen (1 Ob 119/69 = SZ 42/94; 1 Ob 703/88 = SZ 62/5 = JBl 1989, 590 = EF 58.664; OLG Wien EF 73.780; Hopf/ Kathrein § 45 ABGB Anm 1; Stabentheiner/Rummel § 45 ABGB Rz 1). Für das (schlüssige) Zustandekommen des Verlöbnisses sind alle Handlungen in Betracht zu ziehen, die mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund übrig lassen, daran zu zweifeln, dass der Wille der Parteien auf den Abschluss eines Verlöbnisses gerichtet war (§ 863 Abs 1 ABGB; OLG Wien EF 73.780). Handlungen, die typischerweise auf ein Verlöbnis hindeuten, sind etwa ein Ringwechsel (LGZ Wien EF 39.928), das Anhalten um die Hand der Frau bei deren Vater und in deren Beisein (1 Ob 703/88 = SZ 62/5 = JBl 1989, 590 = EF 59.968; Stabentheiner/Rummel § 45 ABGB Rz 2), und selbstverständlich sind auch Verlöbnisanzeigen oder -feiern eindeutige Indizien. Als konkludente Verlöbniserklärungen kommen aber auch einvernehmliche Maß21
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nahmen der Partner in Frage, die der Vorbereitung und Organisation der künftigen Eheschließung dienen. Die Einladung eines Teils zu einer „Verlobungsfeier“, bei der dann aber von einer Verlobung keine Rede mehr ist, reicht dagegen für ein schlüssiges Eheverlöbnis nicht aus (OLG Wien EF 73.780). Verhaltensweisen, die typischerweise auch im Zuge der Aufnahme einer (bloßen) Lebensgemeinschaft gesetzt werden, wie zB der Einzug in eine gemeinsame Wohnung, gemeinsames Wirtschaften der Partner und die Aufnahme geschlechtlicher Beziehungen werden allein die Annahme eines Verlöbnisses ebenfalls nicht rechtfertigen.
E. Gesetz- und Sittenwidrigkeit 14 Das Eheverlöbnis ist gem § 878 ABGB unwirksam, wenn der versprochenen Ehe ein nicht beseitigbares Eheverbot iS eines unbehebbaren Ehehindernisses, wie etwa Blutsverwandtschaft in gerader Linie entgegensteht (§§ 6, 25 EheG; Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 3) und deshalb eine spätere (rechtswirksame) Ehe ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Namensoder Staatsbürgerschaftsehe (§ 23 EheG) angestrebt wird. 15 Das Verlöbnis kann auch infolge Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 1 ABGB rechtsunwirksam sein. Nach älterer – noch bei geltendem § 9 EheG (Eheverbot des Ehebruchs) ergangener – Rsp soll das Verlöbnis mit einem Verheirateten jedenfalls bei ehebrecherischen Beziehungen der Partner sittenwidrig und unwirksam sein (vgl 3 Ob 668/52; 2 Ob 120/53 = SZ 26/52; 2 Ob 173/61 = EvBl 1961/337, 439; vgl LGZ Wien EF 28.532; so auch Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 3, für den Fall des Vorliegens nicht näher beschriebener zusätzlicher „Unrechtselemente“; s auch die Darstellung von LuRsp bei Stabentheiner/Rummel § 45 ABGB Rz 3). In derartigen Fällen wird allerdings zunächst im Auslegungswege zu beurteilen sein, ob das Verlöbnis nicht allenfalls ohnehin nur unter der aufschiebenden Bedingung der Scheidung der bestehenden Ehe eingegangen wurde. Auch im Übrigen ist aber zweifelhaft, ob die Ansicht von der (generellen) Sittenwidrigkeit des Verlöbnisses mit einem Verheirateten, namentlich bei Abgabe der Verlöbniserklärungen zu einer Zeit, in der die Ehegatten bereits getrennt und in einer zerrütteten Ehe leben, noch aufrecht zu erhalten ist. Immerhin stellt selbst ein – mit der Verlobung ohnehin nicht zwangsläufig verbundener – Ehebruch keinen absolut wirkenden Scheidungsgrund mehr dar (2 Ob 152/07b = EF 120.048) und er kann bei schon zuvor eingetretener Ehezerrüttung für die Scheidung der Ehegatten überhaupt rechtlich ohne Bedeutung sein (vgl 8 Ob 539/90). Für das schwerwiegende Verdikt der Sittenwidrigkeit über das – wenngleich moralisch durchaus angreifbare – Verlöbnis mit dem Verheirateten bleiben dann kaum mehr tragfähige Argumente. Sobald allerdings absehbar ist, dass es – aus welchen Gründen immer – 22
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nicht zu der von den Verlobten erwarteten Scheidung kommt, führt dies zur Beendigung des Verlöbnisses, weil die Erreichung seines Ziels, nämlich die künftige Eheschließung der Verlobten unmöglich geworden ist. Hat der Verheiratete seinem Verlobten die bestehende Ehe verschwiegen, dann steht diesem jedenfalls der Rücktritt aus „gegründeter Ursache“ offen. Die Rechtswirksamkeit von Mehrfachverlobungen ist ebenfalls strittig (zum 16 Meinungsstand s Stabentheiner/Rummel § 45 ABGB Rz 3). Dass das zweite Verlöbnis – sofern nicht ohnehin nur unter der aufschiebenden Bedingung der Lösung des früheren eingegangen – tatsächlich dem Sittenwidrigkeitsurteil unterfallen soll, ist bei näherer Betrachtung nicht ohne weiteres einzusehen. Kommt die mit dem ersten Verlobten angestrebte Ehe zustande, ist dem zweiten Verlöbnis infolge nachträglicher Unmöglichkeit der Erreichung des Vertragsziels die Grundlage entzogen. Der mehrfach Verlobte kann dem unwissenden und enttäuschten Verlobten gegenüber allerdings schadenersatzpflichtig werden. Wird das erste Verlöbnis – warum auch immer – gelöst, dann steht der weiteren Wirksamkeit und letztlich der Erfüllung des zweiten Verlöbnisses ohnehin nichts im Weg.
F. Willensmängel Willensmängel der Verlöbniserklärung werden bei Vorliegen der analog und 17 sinngemäß anzuwendenden Aufhebungsvoraussetzungen der §§ 35 ff EheG (insb bei Irrtum, Arglist oder Zwang) anzunehmen sein. Beim praktisch bedeutsam erscheinenden Eigenschaftsirrtum konzentriert sich die Beurteilung im gegebenen Zusammenhang auf die Frage, ob Persönlichkeits- und Wesensmerkmale des Verlöbnispartners vorliegen, die im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung als „gegründeten Ursache“ den Rücktritt vom Verlöbnis rechtfertigen (s dazu auch § 37 EheG Rz 11 ff). Für den von Arglist oder Zwang betroffenen Verlobten liegt jedenfalls ein Grund zum Rücktritt vor.
G. Rechtswirkungen Das Eheverlöbnis ist ein Vertrag, dessen Hauptleistungspflicht in der künfti- 18 gen Eheschließung besteht. Das Eheversprechen ist aber nicht einklagbar (1 Ob 360/50 = SZ 23/216; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 45 ABGB Rz 4), sodass aus dem Verlöbnis kein Zwang zur Eheschließung resultiert. Im Übrigen folgt aus dem Vertragscharakter des Verlöbnisses, dass die zugrunde liegende Vereinbarung nicht von einem Verlobten einseitig abgeändert oder deren Fortbestand nicht nachträglich von Bedingungen abhängig gemacht werden kann (1 Ob 360/50 = SZ 23/216). 23
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19 Damit das Verlöbnis auch keinen indirekten Zwang auslöst, sind Vereinbarungen unzulässig, die der Bekräftigung des Verlöbnisses dienen. Für den Fall der Auflösung des Eheverlöbnisses im Voraus getroffene Leistungsvereinbarungen, wie etwa Angeld (§ 908 ABGB), Reugeld (§§ 909–911 ABGB) und Vertragsstrafen sind daher nach hA unwirksam. Dennoch irrtümlich erbrachte Leistungen sind nach § 1431 ABGB kondizierbar (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 45 ABGB Rz 4; Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 7). Diese Ansicht ist soweit zutreffend, als sie für den Auflösungsfall getroffene Zahlungsvereinbarungen betrifft, die nach Grund und Höhe über die nach §§ 46, 1247 ABGB zustehenden Ansprüche hinausgehen. Eine vorweg erfolgende Konkretisierung letztgenannter Ansprüche ist unbedenklich, folgt doch daraus keine über die gesetzlichen Rechtsfolgen hinausgehende Bindungswirkung für die Verlobten. 20 Leistungsvereinbarungen, die erst am Ende der Beziehung aus Anlass oder im Zusammenhang mit der Aufhebung des Verlöbnisses getroffen werden, sind dagegen unter dem Gesichtspunkt der Freiheit des Willensentschlusses zur Eheschließung unbedenklich und zulässig. In diesem Sinn wird in 1 Ob 826/25 (= SZ 7/308) die – erst nach Lösung des Verlöbnisses geschlossene – Vereinbarung der Zahlung einer Abfindung und von Unterhalt für unbedenklich erachtet, weil sie zu diesem Zeitpunkt keinen (mittelbaren) Zwang zur Eheschließung mehr auslöst. 21 Wenn auch die Eheschließung nicht erzwingbar ist, so resultieren aus dem Verlöbnis doch bestimmte, freilich nicht unmittelbar durchsetzbare Verhaltenspflichten. Solche lehnt Stefula (ÖJZ 2005/35, 609 [619]) zwischen Verlobten generell ab, weil es gerade nicht Zweck des Verlöbnisses sein könne, dass diese bereits gezwungenermaßen wie Ehegatten leben. Dem Verlöbnis liege nämlich typischerweise die Situation zu Grunde, dass zwei Personen noch nicht bereit seien, sofort zu heiraten. Seine Funktion sei nicht zuletzt, den Verlobten die Möglichkeit und die Zeit zu geben, „sich über alle Umstände und Verhältnisse, welche sie zur Begründung einer glücklichen Ehe für notwendig halten, sofern es nicht früher geschehen konnte, Klarheit zu verschaffen“ (unter Berufung auf Dniestrzanski, GrünhutsZ 152). Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als zwischen Verlobten selbstverständlich keine erzwingbaren persönlichen Verpflichtungen bestehen und auch nicht jene (höheren) Verhaltensanforderungen geschuldet werden, wie es dem Verhältnis von Ehegatten entspricht (zu weitgehend daher Deixler-Hübner, Scheidung Rz 237). Im Übrigen verlangt aber nicht zuletzt der von Stefula dem Verlöbnis zugeschriebene Zweck, den Verlobten über alle für die Ehe wichtigen Umstände und Verhältnisse Klarheit zu verschaffen, ein Verhältnis der persönlichen sowie räumlichen Nähe und Offenheit. Wer nicht bereit ist, dem Verlobten auf partnerschaftlichem Niveau zu begegnen, der verhält sich eben den Zweck des Verlöbnisses zuwider, und ohne ein gewisses Maß an Verhaltensanforderungen ist letztlich auch eine Er24
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satzpflicht wegen begründeten Rücktritts vom Verlöbnis iS des § 46 ABGB schlechterdings nicht einsichtig. Die Verhaltenspflichten aus dem Verlöbnis sind aus dem Vertragszweck abzu- 22 leiten und müssen daher zusammengefasst darin bestehen, dass die Verlobten das in Aussicht genommene „Vorhaben Eheschließung“ gemeinsam bestmöglich vorbereiten. Dazu gehören insb die Bereitschaft zur Aufklärung aller eherelevanten Umstände, gegenseitige Unterstützung bei der Vorbereitung des künftigen ehelichen Zusammenlebens und ein gewisses Maß an anständiger, partnerschaftlicher Begegnung, wie dies zwischen künftigen Ehegatten vernünftigerweise zu erwarten ist (s dazu auch Stabentheiner/Rummel § 46 ABGB Rz 4; Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 7). Der Verstoß gegen ein solches „verlöbnisgerechtes Verhalten“ kann für den anderen Teil eine „gegründete Ursache“ für den Rücktritt vom Verlöbnis darstellen und Schadenersatzansprüche begründen. Ab dem Zeitpunkt des Verlöbnisses bestand nach bisheriger Rechtslage dem 23 Grunde nach der – dann erst mit der Eheschließung fällige (7 Ob 703/79 = EF 33.735; 6 Ob 180/01s = EF 96.985) – Anspruch auf Ausstattung (2 Ob 124/72 = SZ 45/78 = RZ 1972, 206 = ZVR 1973/175, 235; 3 Ob 524/79 = EF 36.119; vgl auch LGZ Wien EF 63.215; §§ 1220, 1231 ABGB idF vor dem FamRÄG 2009 [iS der Starthilfe zur ersten Gründung einer eigenen Familie]; vgl §§ 1217 ff ABGB Rz 4; M. Bydlinski/Rummel § 1118 ABGB Rz 1 [zur Unterscheidung zwischen dem – mit dem FamRÄG 2009 beseitigten – Heiratsgut ieS und der Ausstattung] und § 1220 ABGB Rz 1; Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 6). Am Rechtsinstitut der Ausstattung hat das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, festgehalten und lediglich die einschlägigen Regelungen (§§ 1220–1223 ABGB) begrifflich bereinigt, geschlechtsneutral formuliert und sprachlich modernisiert (IA 673/A 24. GP 27), sodass sich insoweit keine materielle Rechtsänderung ergeben hat. Verlobte können – auch nach dem FamRÄG 2009 – Ehepakte und Erbverträge abschließen (s § 1217 ABGB).
H. Beendigung Die Art der Beendigung des Verlöbnisses ist deshalb von Bedeutung, weil da- 24 ran unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen. Diese sind (nur) teilweise in § 46 ABGB ausdrücklich geregelt. Das Verlöbnis wird im Idealfall durch das Erreichen seines Zieles, nämlich 25 durch die folgende Eheschließung beendet. Die Beendigung des Eheverlöbnisses kann aber auch von den Verlobten jederzeit einvernehmlich durch eine Auflösungsvereinbarung („Entlobung“) vorgenommen werden (vgl 5 Ob 228/61) und jeder Verlobte kann das Verlöbnis einseitig durch Rücktritt be25
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enden (Koch/KBB § 46 ABGB Rz 1). Die Beendigungserklärungen können formlos, auch konkludent erfolgen (5 Ob 228/61; Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 5). Schließlich endet das Verlöbnis auch durch das Ableben eines Verlobten. 26 Beschränkt Geschäftsfähige brauchen zur Lösung des Verlöbnisses nach wohl hL nicht die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 46 ABGB Rz 1). Dies wird mit der Wahrung der Freiheit der Eheschließung begründet (Stabentheiner/Rummel § 46 ABGB Rz 1). Nicht zu bezweifeln ist, dass der beschränkte Geschäftsfähige den Rücktritt vom Verlöbnis infolge Höchstpersönlichkeit dieses Rechtsverhältnisses jedenfalls selbst erklären muss. Im Übrigen ist die Ansicht von der Entbehrlichkeit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zumindest insofern kritikwürdig, als ohnehin schon § 45 ABGB eine Verpflichtung zur Eheschließung ausschließt und der Rücktritt immerhin vermögensrechtliche Folgen auslösen kann, die für die Einbindung des gesetzlichen Vertreter in den Entscheidungsprozess sprechen. 27 (Voll) Geschäftsunfähige können das Eheverlöbnis nicht selbst lösen (Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 5). 28 Ist der Rücktritt vom Verlöbnis erklärt und dieses damit aufgelöst, so führt der (einseitige) Widerruf des Rücktritts nicht zum Wiederaufleben des Verlöbnisses; dazu ist eine neuerlich Verlobung erforderlich (Stabentheiner/Rummel § 46 ABGB Rz 9; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 46 ABGB Rz 3).
Rechtliche Wirkung des Rücktrittes vom Eheverlöbnisse § 46. Nur bleibt dem Teile, von dessen Seite keine gegründete Ursache zu dem Rücktritte entstanden ist, der Anspruch auf den Ersatz des wirklichen Schadens vorbehalten, welchen er aus diesem Rücktritte zu leiden beweisen kann. [Stammfassung] Lit: Koziol, Die schadenersatzrechtlichen Folgen des Rücktritts vom Verlöbnis, JBl 1975, 61; Krasnopolski, Der Verlöbnisbruch im österr Recht, GZ 1904, 315, 378, 388, 395; Ostheim, Zur Haftung für culpa in contrahendo bei grundloser Ablehnung des Vertragsabschlusses, JBl 1980, 522, 570; Pichler, Einige Probleme des neuen Eherechts, JBl 1981, 281, und im Übrigen wie zu § 45 ABGB.
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Rücktritt vom Eheverlöbnis
Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Schadenersatz nach § 46 ABGB . . 1. Aktiv- und Passivlegitimation 2. Gegründete Ursache . . . . . . . 3. (Kein) Verschulden . . . . . . . . 4. Umfang des Ersatzanspruchs . C. Andere Ansprüche . . . . . . . . . . . .
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1–4 5–16 6–8 9–10 11–13 14–16 17–20
A. Allgemeines Das Eheverlöbnis ist ein Vertrag ohne – erzwingbare – Hauptleistungspflicht, 1 insb ist das Eheversprechen nicht einklagbar und das Verlöbnis kann von den Verlobten jederzeit einvernehmlich oder einseitig aufgelöst werden (s § 45 ABGB Rz 1, 18 ff und 24 f). Trotzdem ist das Verlöbnis nicht völlig unverbindlich (zu den [Verhaltens-]Pflichten der Verlobten s § 45 ABGB Rz 21 f) und aus dessen Beendigung können sich Ansprüche auf Ersatz von auflösungsbedingten Vermögensnachteilen ergeben (vgl 2 Ob 7/67 = SZ 40/15). Voraussetzung für Ansprüche aus der Beendigung des Verlöbnisses ist zunächst 2 dessen wirksames Zustandekommen (vgl LGZ Wien EF 39.930; näher zum rechtswirksamen Zustandekommen des Verlöbnisses s § 45 ABGB Rz 6 ff). War das Eheverlöbnis rechtsunwirksam, ist § 46 ABGB unanwendbar (vgl Hinteregger/Klang3 § 46 ABGB Rz 1) und es muss auf allgemeine Grundsätze zu Ansprüchen aus vorvertraglichem Kontakt zurückgegriffen werden. Das Verlöbnis wird auch durch spätere Eheschließung der Verlobten beendet 3 (§ 45 ABGB Rz 25). Wechselseitige Ersatzansprüche sind in diesem Fall ausgeschlossen, weil das vertragliche Ziel des Verlöbnisses erreicht wurde. Haben die Verlobten einvernehmlich eine Auflösungsvereinbarung geschlossen („Entlobung“; vgl § 45 ABGB Rz 25), bleibt für die Anwendung des § 46 ABGB ebenfalls kein Raum, weil dieser nur die Rechtsfolgen für den Fall des Rücktritts vom Verlöbnis durch einen der Verlobten regelt. In § 46 ABGB sind ausdrücklich nur Schadenersatzansprüche besonders ge- 4 regelt (LGZ Wien EF 30.614). Aus der Beendigung des Eheverlöbnisses können aber auch andere Ansprüche, etwa aus dem Titel der Bereicherung (s Rz 17 f) oder des Schenkungswiderrufs (s Rz 20) resultieren.
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B. Schadenersatz nach § 46 ABGB 5 Der Schadenersatzanspruch (unmittelbar) aus § 46 ABGB steht nach dessen Wortlaut nur jenem Verlobten zu, „von dessen Seite keine gegründete Ursache zu dem Rücktritte entstanden ist“. Schadenersatz gebührt demnach bei unbegründetem Rücktritt gegen den zurücktretenden Verlobten und bei begründetem Rücktritt gegen jenen Verlobten, dem der Rücktrittsgrund zuzurechnen ist (Hopf/Kathrein § 46 ABGB Anm 2). Kein Schadenersatzanspruch – zwischen den Verlobten – besteht dagegen bei begründetem Rücktritt gegen den zurücktretenden Verlobten (Koch/KBB § 46 ABGB Rz 2), wenn beide Verlobten einen Rücktrittsgrund hatten (2 Ob 963/54; Hopf/ Kathrein § 46 ABGB Anm 4) oder der Rücktrittsgrund keinem Verlobten bzw (allein) einem Dritten zuzurechnen ist (LGZ Wien EF 76.664; Hinteregger/Klang3 § 46 ABGB Rz 2; Stabentheiner/Rummel § 46 ABGB Rz 2 mwN). 1. Aktiv- und Passivlegitimation
6 Die Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gem § 46 ABGB steht jenem Ehegatten zu, der selbst keinen Rücktrittsgrund zu vertreten hat. Nach hRsp gebühren aber auch den Eltern und sonstigen Angehörigen der Verlobten sowie Dritten, die im Hinblick auf das Verlöbnis Aufwendungen gemacht haben, – auf dogmatisch unsicherer Grundlage – Schadenersatzansprüche nach § 46 ABGB (1 Ob 143/34 = JBl 1934, 188; 5 Ob 377/60 mN zur [älteren] LuRsp = SZ 33/135 = JBl 1961, 320 [Gschnitzer]). Auch in der (jüngeren) L wird der Ersatzanspruch Dritter aus Verlöbnisbruch überwiegend bejaht (dafür insb Koziol, JBl 1975, 61 [67 mit Darstellung der in RspuL vorgetragenen Begründungen]; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 46 ABGB Rz 6; Stabentheiner/Rummel § 46 ABGB Rz 8 mwN zu LuRsp; Koch/KBB § 46 ABGB Rz 5; dagegen Wentzel/Klang I/12, 342 f). 7 Tatsächlich werden (allfällige) Schadenersatzansprüche dritter Personen in § 46 ABGB nicht angesprochen. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf das Rechtsverhältnis zwischen einem Verlobten und einer dritten Person ist schon aufgrund des höchstpersönlichen Charakters des Verlöbnisses im Allgemeinen und der dadurch ebenfalls geprägten spezifischen Regelung des § 46 ABGB im Besonderen nicht überzeugend. Aber auch auf der Basis allgemeiner schadenersatzrechtlicher Grundlagen ist ein Ersatzanspruch Dritter nicht ohne weiteres einsichtig. Dessen Bejahung im Wege der Annahme von Schutzwirkungen zugunsten Dritter (so Beitzke, FS Ficker 78 [93]) harmoniert nicht wirklich mit dem Befund, dass schon die Pflichten der Verlobten untereinander und die Möglichkeit ihrer rechtlichen Absicherung (durchsetzungs-)reduziert sind (vgl § 45 ABGB Rz 18 ff). Bei dem von Koziol (in JBl 1975, 61 [67]) propagierten Begründungsweg über die Drittschadenslehre er28
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scheint durchaus zweifelhaft, ob es sich bei Nachteilen Dritter, etwa Verwandter, die im Vertrauen auf die künftige Eheschließung Aufwendungen tätigten, tatsächlich und typischerweise um solche handelt, die sonst beim ersatzberechtigten Verlobten eingetreten wären. Der etwa in 5 Ob 377/60 (= SZ 33/ 135 = JBl 1961, 320) enthaltene Hinweis auf die deutsche Rechtslage trägt ebenfalls nicht. Nach dieser hat zwar jener Verlobte, der ohne wichtigen Grund vom Verlöbnis zurücktrat, auch dritten Personen (in gewissem [eingeschränkten] Umfang) den Schaden zu ersetzen, der diesen daraus entstanden ist, dass sie in Erwartung der Ehe Aufwendungen gemacht haben oder Verbindlichkeiten eingegangen sind. Für diesen Anspruch besteht aber mit § 1298 dBGB – ähnlich wie nach Art 92 ZGB aF – (für einen eingeschränkten Personenkreis) eine in Österreich gerade fehlende, ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Insgesamt wird daher für Ansprüche Dritter aus Verlöbnisbruch ein bereicherungsrechtlicher Ansatz zielführender sein (s Rz 17). Passivlegitimiert ist – nach § 46 ABGB – (nur) der Verlobte, der „keine ge- 8 gründete Ursache“ zum Rücktritt hatte. Ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten wird nach wohl hA verneint (vgl Rv II, 928/14 = GlUNF 7.035; Hopf/Kathrein § 46 ABGB Anm 3). Letztgenannte Ansicht ist jedenfalls insofern zutreffend, als ein solcher Schadenersatzanspruch gegen Dritte, die einen Verlobten zum Verlöbnisbruch verleiten, nicht aus dem – nur Ansprüche zwischen den Verlobten regelnden – § 46 ABGB ableitbar ist, aber namentlich auf der Grundlage des § 1295 Abs 2 ABGB in Frage kommen kann.
2. Gegründete Ursache
Schadenersatzrechtliche Folgen hat der Rücktritt vom Verlöbnis dann, wenn 9 dafür keine „gegründete Ursache“ bestand. Ob ein wichtiger Grund für den Rücktritt iS des § 46 ABGB vorliegt, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Dieser Maßstab ist aus dem Zweck des Verlöbnisses, nämlich der späteren Eheschließung und aus den vertraglichen Pflichten der Verlobten (vgl dazu § 45 ABGB Rz 21 f) zu konkretisieren. Dabei werden im Allgemeinen an die für einen gerechtfertigten Rücktritt vom Eheverlöbnis maßgeblichen Gründe keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sein (5 Ob 77/ 69 = EvBl 1969/252, 390), insb muss die Intensität eines Scheidungsgrunds nach § 49 EheG nicht erreicht werden (6 Ob 281/60), weil andernfalls ein mittelbarer Zwang zur Eheschließung entstehen könnte. Gerechtfertigte Gründe, die eine Schadenersatzpflicht auslösen, können sich 10 aus dem Verhalten eines Verlobten vor und bei Eingehung des Verlöbnisses sowie während dessen aufrechten Bestandes ergeben. Generell werden als gegründete Ursache für den Verlöbnisrücktritt solche Fakten in Frage kommen, die einen Verlobten unter Berücksichtigung von Eigenart und Ziel dieses 29
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Rechtsgeschäfts aus objektiv nachvollziehbaren Erwägungen vom Verlöbnis abgehalten hätten. Besondere Bedeutung als möglicher Rücktrittsgrund wird dabei all jenen in der Verlobungszeit hervorkommenden und vom Partner bis dahin verschwiegenen Umständen zukommen, die – wie zB jene nach § 37 EheG – für eine spätere Eheschließung maßgebliche Bedeutung haben, etwa persönliche, geistige und körperliche Eigenschaften des Partners (zB [besonders] ungewöhnliches Sozialverhalten [wie etwa frühere Straftaten], chronische bzw ansteckende Krankheiten, Zeugungsunfähigkeit, für das Zusammenleben wichtige Charakterdefizite [wie etwa Eifersucht, Neigung zur Unwahrheit, Herrschsucht]), aber auch Vermögensverhältnisse und sonstige wirtschaftliche Gegebenheiten (vgl Hinteregger/Klang3 § 46 ABGB Rz 3; Stabentheiner/Rummel § 46 ABGB Rz 4 f mwN). Selbstverständlich sind auch all jene Gründe, die das – rechtlich stärkere – Eheband zur Auflösung bringen können, also insb Umstände die eine Verschuldensscheidung ermöglichen, wie etwa geschlechtliche Beziehungen zu anderen Personen während der Verlobungszeit (vgl OLG Linz EF 7648) oder die Verletzung der – freilich nicht in vollem Umfang an die ehelichen Anforderungen heranreichenden (vgl § 45 ABGB Rz 21 f) – Pflicht zum Beistand und zur anständigen Begegnung (Hopf/Kathrein § 46 ABGB Anm 5) gegründete Ursache für den Rücktritt vom Verlöbnis. Letztlich muss wohl aber auch die – aus gemessen am Institut der Ehe plausiblen und objektivierbaren Gründen nachvollziehbare – Erkenntnis eines oder beider Verlobten, einfach nicht zusammenzupassen, als Rücktrittsgrund reichen, weil es nicht Sinn des Verlöbnisses sein kann, die Partner in eine zum Scheitern verurteilte Ehe zu führen.
3. (Kein) Verschulden
11 Strittig ist, ob der Schadenersatzanspruch nach § 46 ABGB Verschulden voraussetzt oder auch ohne Verschulden des ersatzpflichtigen Teils gebührt. Nach der Rsp soll – wie zumeist wegen gegebenen Verschuldens nur obiter ausgesprochen – die Haftung nach § 46 ABGB kein Verschulden erfordern (3 Ob 758/29 = JBl 1930, 15; 5 Ob 377/60 [Irreführung durch unwahre Angaben] = SZ 33/135 = JBl 1961, 320 [Gschnitzer]; OLG Linz EF 7649). Auch die ältere L verlangte für den Schadenersatzanspruch nach § 46 ABGB kein Verschulden (Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht 17; Wentzel/Klang I/12, 340). Nach der h jüngeren L ist dagegen Verschulden erforderlich (Koziol, JBl 1975, 61 [63]; Mair, ÖJZ 1994, 844; Stabentheiner/Rummel § 46 ABGB Rz 3; Hopf/ Kathrein § 46 ABGB Anm 6 je mwN zum Meinungsstand; aA [nämlich gegen das Verschuldenserfordernis] insb Schwind, 13 f; Oberhofer, ÖJZ 1994, 433 [437]). Mit der h neueren L ist für den Schadenersatzanspruch nach § 46 ABGB die verschuldete Herbeiführung des Verlöbnisrücktrittsgrunds zu verlangen. Das Eheverlöbnis ist durch die fehlende Durchsetzbarkeit der Haupt30
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leistungspflicht (zur Eheschließung) bindungsreduziert und es besteht dann auch kein Anlass dieser Unverbindlichkeit durch eine verschuldensunabhängige Schadenersatzpflicht (mittelbar) entgegen zu wirken. Für eine Pflicht zur Schadenersatzleistung besteht umso weniger ein Grund, wenn man mit der hA bei der Annahme einer gegründeten Ursachen für den Verlöbnisrücktritt keinen strengen Maßstab anlegt (s dazu Rz 9). Ein Schadenersatzanspruch aus der ungerechtfertigten Auflösung des Ver- 12 löbnisses soll den wirtschaftlichen Nachteil jenes Verlobten ausgleichen, der auf den Fortbestand des Verlöbnisses und letztlich auf das Zustandekommen der Ehe vertraut hat. Eine als Verschulden zurechenbare Enttäuschung dieser Erwartung wird insb dann vorliegen, wenn ein Partner bei Eingehung des Verlöbnisses oder in der Folgezeit den anderen Teil über eherelevante Umstände nicht aufklärt oder falsch informiert, Maßnahmen setzt, die die gegenseitige Vertrauensbasis erschüttern oder Anforderungen aus einer verlöbnisgerechten Begegnung mit dem Partner verletzt. Eine nur zum Schein abgegebene Verlöbniserklärung, bei der die fehlende Ernstlichkeit weder objektiv noch subjektiv für den anderen Teil erkennbar war, kann ebenfalls zur Schadenersatzpflicht führen (1 Ob 242/66 = SZ 39/191 = EvBl 1967/173, 208; 9 Ob 344/97x [Verlöbniserklärung einer Prostituierten] = ecolex 1998, 126). Kein – nach § 46 ABGB relevantes – Verschulden wird dann vorliegen, wenn 13 ein Verlobter erkrankt oder unverschuldet in eine wirtschaftliche Notlage gerät. Stellt sich während der Verlobungszeit – ohne vorherige Verletzung von Aufklärungspflichten – heraus, dass die Verlobten schlicht nicht zusammenpassen, besteht ebenfalls kein nur einem Verlobten zurechenbarer Rücktrittsgrund. 4. Umfang des Ersatzanspruchs
Zu ersetzen ist nach § 46 ABGB der „wirkliche Schaden“, di der positive Ver- 14 mögensschaden (Minderung bestehenden Vermögens und/oder Erhöhung [Begründung] von Verbindlichkeiten), der ohne Vertrauen auf den Bestand des Verlöbnisses nicht eingetreten wäre (Vertrauensschaden; „Schadloshaltung“ iS des § 1323 ABGB; 4 Ob 14/28 = SZ 10/105 = JBl 1928, 418; 1 Ob 360/50 = SZ 23/216; 1 Ob 801/53 = SZ 26/246; 3 Ob 258/54 = SZ 27/156 = EvBl 1954/372, 564; Hopf/Kathrein § 46 ABGB Anm 7; Schwimann/Ferrari/ Schwimann § 46 ABGB Rz 7; Schobel, Der Ersatz frustrierter Aufwendungen [2003], 138). Ersatzfähige positive Schäden sind beispielsweise die finanziellen Aufwen- 15 dungen im Zusammenhang mit den Verlöbnisfeierlichkeiten (vgl 1 Ob 242/66 = SZ 39/191 = EvBl 1967/173, 208) sowie – nutzlos gewordene (OLG Wien EF 79.819) – Ausgaben (Anschaffungen) zur Hausstandsgründung und der 31
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Vorbereitung des Ehestands (3 Ob 671/82 = EF 42.501; OLG Wien EF 64.881; Hopf/Kathrein § 46 ABGB Anm 8; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 46 ABGB Rz 7 je mN aus der Rsp), finanzielle Nachteile aus infolge des Verlöbnisses erfolgter Aufgabe, Ablehnung oder Verlustes des Arbeitsplatzes (4 Ob 14/28 = SZ 10/105 = JBl 1928, 418; 1 Ob 360/50 = SZ 23/216; 3 Ob 671/82 = EF 42.501; Koziol, JBl 1975, 61 [insb 65]) bis zur – entsprechendes Bemühen des Anspruchsberechtigten vorausgesetzt – (Wieder-)Erlangung eines Einkommens (iS einer Überbrückungshilfe; 6 Ob 664/88 = EF 55.887), wobei die Begrenzung des Ersatzanspruchs auf die Unterhaltshöhe eines schuldlos geschiedenen Gatten (so 1 Ob 539/51 = JBl 1952, 210 [Weiss]; Koch/KBB § 46 ABGB Rz 4) gesetzlich nicht gedeckt ist (gegen diese Begrenzung zutr die hL Hinteregger/Klang3 § 46 ABGB Rz 4; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 46 ABGB Rz 7; Stabentheiner/Rummel § 46 ABGB Rz 7; Schwind 18). 16 Nicht zu ersetzten sind durch die unterbliebene Eheschließung entgangene Vorteile (Nichterfüllungsschaden; 3 Ob 265/54 = RZ 1954, 13) und allfälliger entgangener Gewinn (4 Ob 14/28 = SZ 10/105 = JBl 1928, 418), weil durch das Verlöbnis von vorneherein kein durchsetzbarer Anspruch auf Abschluss des Ehevertrags entsteht und insoweit folglich von Anfang an noch keine gesicherte Rechtsposition bestand. Auch ein Anspruch auf Ersatz ideeller (immaterieller) Schäden, etwa Schmerzengeld (§ 1325 ABGB) für während der Zeit des Verlöbnisses oder aus Anlass des Verlöbnisrücktritts erlittene Beeinträchtigungen (auch mit der Qualität körperlicher Verletzungen; vgl 6 Ob 124/02g = RdW 2003/357, 434 = EF 103.139; s aber auch die wohl aA in 3 Ob 562/38 = SZ 20/ 186 [Ersatz für durch den grundlosen Rücktritt vom Verlöbnis entstandene Störungen der Nervenfunktionen und die dadurch hervorgerufene Verminderung der Erwerbsfähigkeit]; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 46 ABGB Rz 7) oder psychische Belastungen (Kränkungen) ist – jedenfalls aus § 46 ABGB – schon deshalb nicht ableitbar (Hopf/Kathrein § 46 ABGB Anm 9), weil dies wohl mit dem Begriff des „wirklichen Schadens“ iS dieser Bestimmung nicht vereinbar wäre. Auch ein infolge Schwangerschaft und Geburt eines Kindes während der Karenzzeit erlittener Verdienstentgang kann aus dem Titel des § 46 ABGB nicht verlangt werden (3 Ob 671/82 = EF 42.501).
C. Andere Ansprüche 17 § 46 ABGB schließt Bereicherungsansprüche nicht aus (1 Ob 119/69 mwN = SZ 42/94; vgl auch 1 Ob 801/53 = SZ 26/246). Anschaffungen eines Verlobten im Hinblick auf die Gemeinschaft, insb das beabsichtigte gemeinsame Wohnen können daher bei Auflösung des Verlöbnisses nach allgemeinen Grundsätzen gem § 1435 ABGB zurückverlangt werden (1 Ob 703/88 = SZ 62/5 = JBl 1989, 590). Auch für Dritte, die im Hinblick auf den Fortbestand des Verlöb32
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nisses Leistungen an die (einen der) Verlobten erbracht haben, können sich bereicherungsrechtliche Ansprüche ergeben (condictio causa finita; zum [fraglichen] Schadenersatzanspruch Dritter s Rz 7). Die bereicherungsrechtliche Rückforderung ist zwar bei Zweckvereitelung 18 wider Treu und Glauben ausgeschlossen, doch ist dieser Rückforderungsausschluss deshalb nur vorsichtig zu handhaben, weil keine Pflicht zur Fortsetzung einer Lebensgemeinschaft oder des Verlöbnisses besteht. Selbst wenn daher der Bereicherungskläger die Lösung der Lebensgemeinschaft zu vertreten hätte, wird ihm idR der Anspruch auf Ersatz – im Rahmen des verschafften Nutzens – zustehen (vgl 1 Ob 703/88 = SZ 62/5 = JBl 1989, 590; 7 Ob 189/ 01x mwN = EF 97.096; krit Schwimann/Ferrari/Schwimann § 46 ABGB Rz 8). Eine (allzu) strenge Handhabung des Rückforderungsausschlusses beim Verlöbnis darf nicht mittelbar dessen Verbindlichkeit befördern. Auch Vereinbarungen, mit denen im Hinblick auf das Verlöbnis erbrachte 19 Leistungen aus Anlass dessen Auflösung abgegolten werden, sind zulässig. Rechtsgrund für solche Ersatzleistungen wird idR die Vereinbarung über die Aufhebung des Eheverlöbnisses und die Regelung der daraus resultierenden Rechtsfolgen sein; dann liegt keine Schenkung vor und es besteht keine Notariatsaktspflicht (vgl 1 Ob 826/25 = SZ 7/308; Hinteregger/Klang3 § 45 ABGB Rz 7). Wenn ein Verlobter dem anderen Teil oder ein Dritter dem einen oder ande- 20 ren Verlobten im Hinblick auf die künftige Ehe etwas zusichert oder schenkt, so kann der Geschenkgeber, wenn es ohne dessen Verschulden nicht zur Eheschließung kommt, die Schenkung gem § 1247 Satz 2 ABGB widerrufen. Diese Regelung ist eine auf typische „Brautgeschenke“ (vgl 8 Ob 257/69 = SZ 43/16 = EvBl 1970/177, 294; 5 Ob 551/93) zugeschnittene Sondernorm, die namentlich § 1435 ABGB (vgl 1Ob119/69 = SZ 42/94 = EvBl 1970/60, 98; 8 Ob 257/69 = SZ 43/16 = EvBl 1970/177, 294 = Miet 22.203; RIS-Justiz RS0009373) und den Schenkungswiderruf wegen Motivirrtums (vgl RIS-Justiz RS0017750) nicht als Anspruchsgrundlage ausschließt. Der Geschenkgeber muss beweisen, dass ihn am Unterbleiben der Eheschließung keinerlei Verschulden trifft (1 Ob 258/62 = EvBl 1963/201, 291). Auf den Schenkungswiderruf wegen enttäuschter Eheerwartung kann bereits im Voraus wirksam verzichtet werden (5 Ob 551/93 = EF 72.156).
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Vor § 89 ABGB
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Persönliche Rechtswirkungen der Ehe Vor § 89 Lit: Barfuß, Neue Entwicklungen im Familienrecht (Vortragsbericht), JBl 1998, 711; Beclin, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz im Lichte des Eherechts, EF-Z 2010/34, 52; Edlbacher, Die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander, NZ 1972, 177; ders, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe. Vorstoß zum Kern der Familienrechtsreform, ÖJZ 1974, 421; ders, Entwicklung, Stand und Ziele der Familienrechtsreform, NZ 1975, 129; Ent, Die Entwicklung der Stellung der Frau im österreichischen Familienrecht, ÖJZ 1969, 589; ders, Das neue Ehegattenerbrecht und eheliche Güterrecht (mit Ableitungen für die Neuregelung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe und des Scheidungsfolgenrechts), NZ 1972, 183; ders, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, NZ 1975, 134, 145, 177; ders, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 165; Ferrari, Die österreichische Eherechtsreform 1999, FamRZ 2001, 896; Giefing, Die familien- und exekutionsrechtlichen Aspekte ehelichen Wohnens (1998), 4 ff; Gimpel-Hinteregger, Reformnotwendigkeiten im österreichischen Ehe- und Scheidungsrecht, in Floßmann (Hrsg), Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit (1997), 193; Höllwerth, Adoption und Ehepakte nach dem FamRÄG 2009, EF-Z 2010/3, 7; Hopf, Eherechts-Änderungsgesetz 1999 im Überblick, in Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform (2000), 3; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 821, 861; Kerschner, Vereinbarungen der Ehegatten über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 391; Kolbitsch/Stabentheiner, Überlegungen zu einer Reform des Eherechts, iFamZ 2007, 149; Lackner, Und noch einmal – Gleichheit im Unterhaltsrecht. Eine Replik auf die Kritik Schwimanns in Schwimann, Unterhaltsrecht, 2. Aufl., RZ 1999, 194; Migsch, Persönliche Ehewirkungen, gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht, in Floretta (Hrsg), Ehe- und Kindschaftsrecht (1979), 17; Mottl, Alte und neue rechtliche Instrumente gegen Gewalt in der Familie, ÖJZ 1997, 542; Pichler, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖA 2000, 62; Rebhahn, Familie und Gleichheitssatz, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 145; Resch, Ehegattenmitarbeit – bürgerlich-rechtliche Abgrenzungsfragen, ASoK 1998, 92; Schwimann, Die nichtvermögensrechtlichen Ehewirkungen im neuen Recht und dessen Problematik, ÖJZ 1976, 365 und 560; V. Steininger, Die persönlichen Ehewirkungen im neuen österreichischen Recht, FamRZ 1979, 774.
1 § 44 ABGB enthält in programmatischer (teilweise überholter) Darstellung die Wesensmerkmale der Ehe (s dazu näher § 44 ABGB Rz 1). Die §§ 89 ff ABGB regeln die persönlichen – teilweise auch vermögensrechtliche Aspekte betreffenden (s insb §§ 94, 96, 98 ABGB) – Rechtswirkungen der Ehe zwischen den Ehegatten während aufrechter Ehe. Einvernehmliche abweichende Regelungen der Ehegatten sind grundsätzlich zulässig (s § 91 ABGB). 2 § 89 ABGB normiert den Gleichheitsgrundsatz, § 90 Abs 1 ABGB enthält Regelungen über die Gestaltung der Lebensgemeinschaft, § 91 ABGB verlangt die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft iS des Gleichbeteiligungsgrundsatzes, §§ 92, 97 ABGB regelt das eheliche Wohnen, §§ 93, 93a ABGB den Ehenamen, § 94 ABGB die Unterhaltspflicht, § 95 ABGB die Haushaltsführung, § 96 ABGB die Schlüsselgewalt und §§ 90 34
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Abs 2, 98 ff ABGB die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten und deren Abgeltung. Der (weitere) Bereich der vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten, 3 nämlich das Ehegüterrecht, ist nicht in den §§ 89 ff ABGB enthalten, sondern in den §§ 1217, 1233 ff ABGB gesondert geregelt. Darüber hinaus können zwischen Ehegatten auch allgemeine zivilrechtliche Ansprüche bestehen (s dazu Hinteregger/Klang3 § 89 ABGB Rz 6), die keinen unmittelbaren (kausalen) Zusammenhang mit der Ehe aufweisen. Die Rechtswirkungen der Ehe beginnen nicht etwa (erst) mit Hausstands- 4 gründung oder (schon) mit der Aufnahme geschlechtlicher Beziehungen (Ferrari/Schwimann/Schwimann § 90 ABGB Rz 3), sondern mit der Eheschließung und enden mit der Auflösung der Ehe (9 ObA 50/03y; vgl auch 4 Ob 223/02a). Die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft führt nicht automatisch auch zum Ende der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (4 Ob 223/02a; s dazu auch § 90 ABGB Rz 43), wenngleich diese ab Ehezerrüttung insb für die Frage des Vorliegens von Eheverfehlungen nur mehr untergeordnete Bedeutung haben (vgl Hopf/Kathrein § 89 ABGB Anm 4). Für die außereheliche (eheähnliche, nichteheliche) Lebensgemeinschaft gelten die §§ 89 ff ABGB nicht (s auch § 44 ABGB Rz 27; weiters LebG – Beendigung Rz 1). Die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe sind kollisionsrechtlich gem § 18 5 Abs 1 IPRG zu beurteilen, und zwar nach dem gemeinsamen, mangels eines solchen nach dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer von ihnen beibehalten hat, sonst nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, mangels eines solchen nach dem Recht des Staates, in dem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat.
§ 89. Die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis zueinander sind, soweit in diesem Hauptstück nicht anderes bestimmt ist, gleich. [Fassung gem Art I Z 1 EheRwG BGBl 1975/412] Lit: wie Vor § 89 ABGB.
§ 89 ABGB postuliert den Gleichheitsgrundsatz im Eherecht (RV 851 BlgNR 1 13. GP 10; zu dessen – nur die Unterschiede „in diesem Hauptstück“, nämlich „Von dem Eherechte“, betreffende – Einschränkung [„soweit . . . nicht anderes bestimmt ist“] s Stabentheiner/Rummel § 89 ABGB Rz 1; Hopf/Kathrein § 89 ABGB Anm 3); er steht insb einem patriarchalisch geprägten Verständnis der 35
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Ehe entgegen. Der Gleichheitsgrundsatz wird ergänzt durch das Gebot der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft und durch den „Gleichbeteiligungsgrundsatz“ (§ 91 ABGB). Auch Aspekte der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit sind zu beachten. 2 Der Gleichheitsgrundsatz des § 89 ABGB ist Postulat und Auslegungsregel, und zwar sowohl für die gesetzlichen eherechtlichen Regelungen als auch für die gegebenenfalls von den Ehegatten getroffenen, abweichenden Vereinbarungen (vgl Hopf/Kathrein § 89 ABGB Anm 2; Koch/KBB § 89 ABGB Rz 1; Schwind 32).
§ 90. (1) Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. (2) Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich und nicht anderes vereinbart ist. (3) Jeder Ehegatte hat dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen. Soweit es die Umstände erfordern, vertritt er ihn auch in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens. [Fassung gem Art I Z 1 EheRÄG 1999 BGBl I 1999/125; Abs 3 angefügt durch Art I Z 1 FamRÄG 2009 BGBl I 2009/75]
Lit: Fischer-Czermak, Patchworkfamilien: Reformbedarf im Unterhaltsrecht? EF-Z 2007/ 30; dies, Beistandspflichten und Vertretung in Obsorgeangelegenheiten nach dem FamRÄG 2009, EF-Z 2010/2; Gitschthaler, Scheinvaterregress – Bereicherung oder Schadenersatz? EF-Z 2009/94, 129; Haidvogl, Die „Patchworkfamilie“ nach österreichischem Recht Ausgewählte zivilrechtliche Aspekte zur Situation von Stiefeltern, FamZ 2007, 109; Hofmann/ Grüblinger, Ehebruch und Schadenersatz, EF-Z 2009/95, 138 (Teil I) und EF-Z 2009/114, 169 (Teil II); Holzner, JBl 1998, 245 [Entscheidungsanmerkung]; Hopf, Neues im Ehe- und Kindschaftsrecht, ÖJZ 2010/19, 154; Jesser, Der Anspruch des Ehegatten auf Ausschluss anderer Personen, auch eigener Kinder, vom Aufenthalt in der Ehewohnung, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 729; Kerschner, Vereinbarungen der Ehegatten über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 391; Nademleinsky, Das FamRÄG 2009 – die wichtigsten Änderungen, Zak 2009, 326; Pesendorfer, Das Familienrechts-Änderungsgesetz 2009: Änderungen im Eherecht, Ehegüterrecht, Vorwegvereinbarungen über eheliches Vermögen, Scheidungsberatung, iFamZ 2009, 261; Rosenmayr, Die Implementierung der Patchworkfamilie in der Österreichischen Rechtsordnung, ÖA 2007, 131; Schimetschek, Eherechtsreform und Ehegattenbesteuerung, ÖStZ 1986, 275; Stefula, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005/35, 609; ders, Die Neuerungen zur Patchworkfamilie – Anwendungsbereich und Reichweite von § 90 Abs 3 und § 137 Abs 4 ABGB; iFamZ 2009, 266; Schwenzer, Elterliche Verantwortung in und nach Auflösung von Patchworkfamilien, iFamZ 2007, 121; Täubel-
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Weinreich, Neuigkeiten aus dem Familienrecht, NetV 2009, 53; Thiele, Ersatz von Detektivkosten, RdW 1999, 769; Torggler, Zur steuerlichen Behandlung des Entgelts für die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten (§§ 98 ff ABGB), ÖStZ 1980, 124, und im Übrigen wie Vor § 89 ABGB. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Reichweite und Gestaltung der persönlichen Ehewirkungen C. Rechtsschutz gegenüber dem Ehepartner . . . . . . . . . . . . . . 1. Rein persönliche Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht rein persönliche Rechte und Pflichten . . . . . . . . . a) Besitzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadenersatzansprüche im Allgemeinen . . . . . . . . . . c) Detektivkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Rechtsschutz gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gemeinsames Wohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Treue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Anständige Begegnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Beistand im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mitwirkung im Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Beistand und Vertretung bei der Obsorge . . . . . . . . . . . . . .
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1–2 3–5 6–18 6–8 9–18 10–11 12–14 15–18 19–22 23–26 27–29 30–31 32–35 36–39 40–46
A. Allgemeines Nach § 90 Abs 1 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehe- 1 lichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Diese Pflicht stellt den Kernbereich der persönlichen Ehewirkungen dar (LGZ Wien EF 122.474; Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 1; Koch/KBB § 90 ABGB Rz 1) und kennzeichnet eine auf Dauer angelegte, – auch schon in § 44 ABGB angesprochene – „unzertrennliche“ Gemeinschaft zweier Partner mit grundsätzlich gleichen Rechten und Pflichten „in guten wie in schlechten Tagen“ (Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 1) unter Berücksichtigung ihrer individuellen Persönlichkeit und daraus resultierenden Zumutbarkeitserwägungen (vgl 9 Ob 76/03x; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 90 ABGB Rz 1). Unter dem Begriff der „ehelichen Lebensgemeinschaft“ ist daher nicht nur die bloß räumliche (häusliche) Gemeinschaft der Ehegatten iS des zumindest idR üblichen gemeinsamen Wohnens, sondern die umfassende eheliche Lebensgemeinschaft als Inbegriff der häuslichen, geistigen, seelischen, sexuellen (gegen eine Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft und für sexuelle Selbstbestimmung: Hinteregger/Klang3 § 90 ABGB Rz 11; Koch/KBB § 90 ABGB Rz 4), kulturellen, wirtschaftlichen und vermögensrechtlichen (vgl dazu auch LGZ Wien EF 122.475) Gemeinsamkeiten der Ehegatten zu verstehen (8 Ob 568/87; LG Salzburg EF 116.171; Stabentheiner/ Rummel § 90 ABGB Rz 6 mwN). 37
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2 § 90 Abs 1 ABGB nennt demonstrativ einige, allerdings wesentliche und die umfassende Lebensgemeinschaft besonders kennzeichnende Einzelpflichten, nämlich gemeinsames Wohnen, Treue, anständige Begegnung und ehelichen Beistand. Einzelne Teilpflichten aus dem ehelichen Verhältnis finden sich auch schon in § 44 ABGB, wie insb die Pflicht zur Zeugung und Erziehung von Kindern sowie zum gegenseitigen Beistand. Weitere Pflichten sind gesondert angesprochen, wie etwa Haushaltsbesorgung (§ 91 Abs 1 ABGB) und Unterhalt (§ 94 ABGB). Einzelne Teilpflichten werden im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt (s dazu näher Schwimann/Ferrari/Schwimann § 90 ABGB Rz 4 ff).
B. Reichweite und Gestaltung der persönlichen Ehewirkungen 3 Die persönlichen Ehewirkungen beginnen mit der Eheschließung und enden mit Auflösung der Ehe (näher dazu Vor § 89 ABGB Rz 4). Die – wechselseitigen (s dazu auch LGZ Wien EF 110.042) – Rechte und Pflichten aus der Ehe erstrecken sich grundsätzlich nur auf das Verhältnis der Ehegatten zueinander (10 ObS 66/06p = EvBl 2006/144, 768; zur ausnahmsweisen „Drittwirkung“ s Rz 19 ff). 4 Die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft wird besonders geprägt durch das Zusammenspiel von Einzel- und Gemeinschaftsinteressen der Ehegatten, durch deren persönliche Lebensverhältnisse (Beruf, Ausbildung, Wohnsituation, Religion, Weltanschauung etc; Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 3), aber auch durch – dem zeitlichen Wandel unterworfene – soziale Wertvorstellungen. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist kein statisches Konzept, sondern wird sich regelmäßig geänderten Lebensverhältnissen und -bedürfnissen anpassen (müssen). Ein Ehegatte kann daher nicht darauf vertrauen, dass anfänglich bestandene oder vereinbarte eheliche Lebensverhältnisse auf Dauer unverändert bleiben oder bleiben müssten (Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 3; Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 1; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 90 ABGB Rz 3). 5 Bei der privatautonomen Gestaltung des Zusammenlebens haben die Ehegatten insb den Grundsätzen der Einvernehmlichkeit (§ 91 ABGB), der Partnerschaftlichkeit sowie dem Gleichheitsprinzip (§ 89 ABGB) Rechnung zu tragen und die Interessen der Kinder zu berücksichtigen. Innerhalb dieser gesetzlichen Grundwertungen steht den Ehegatten weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Eine Vereinbarung, die eheliche Lebensgemeinschaft überhaupt nicht aufzunehmen (vgl 1 Ob 405/49 = SZ 23/137; LG Salzburg EF 116.171, EF 116.172) oder zur Gänze aufzuheben, ist, weil diese dem Wesen der Ehe widersprechen würde, unwirksam (vgl aber zum Fehlen gemeinsamen Wohnens 38
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Rz 25). Der Ausschluss von – disponiblen, nicht im zwingenden Kernbereich des § 90 ABGB gelegenen (5 Ob 117/99p = JBl 2000, 517) – Teilaspekten der ehelichen Lebensgemeinschaft ist aber zulässig (3 Ob 2292/96x = SZ 70/35 = JBl 1998, 245 [Holzner] = EF 83.033; 5 Ob 117/99p = JBl 2000, 517; LGZ Wien EF 106.890; Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 3; Koch/KBB § 90 ABGB Rz 1).
C. Rechtsschutz gegenüber dem Ehepartner 1. Rein persönliche Rechte und Pflichten
Im Bereich der aus § 90 ABGB folgenden rein persönlichen Rechte und 6 Pflichten, sind die Ehegatten darauf angewiesen, sich zu einigen. Zur Entscheidung von Kontroversen der Ehegatten in diesem Bereich kann das Gericht im Allgemeinen nicht unmittelbar angerufen werden. Gelingt den Ehegatten keine Einigung, sind schwere Verletzungen rein persönlicher Rechte und Pflichten als Scheidungsgrund geltend zu machen (1 Ob 697/86 = SZ 60/34 = JBl 1987, 652; 4 Ob 544/92; 5 Ob 117/99p = JBl 2000, 517; LGZ Wien EF 106.891; Jesser in Harrer/Zitta, 729 [734]; Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 12). Die Anrufung des Gerichts ist nur in gesetzlich besonders geregelten Ausnahmefällen vorgesehen. Ansonsten sind die rein persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten nicht gerichtlich durchsetzbar (zur ehelichen Treue s 7 Ob 89/05x; zur Beistandspflicht von Eltern und Kinder sowie zu den daraus resultierenden vermögensrechtlichen Folgen vgl 6 Ob 29/09x = EF-Z 2009/137, 213 [Stefula] = JBl 2010, 113 = EF 122.479; zum gemeinsamen Wohnen s 5 Ob 4/09p = wobl 2009/121, 325 [T. Hausmann] = JBl 2009, 697 = EF 122.478). Nach § 92 Abs 1 und 2 ABGB kann jeder der Ehegatten vor oder auch nach 7 der Verlegung der Wohnung oder der gesonderten Wohnungnahme die Entscheidung des Gerichts über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme beantragen und die §§ 382b, 382e und 382g EO ermöglichen (auch) zum Schutz der persönlichen Integrität und der Privatsphäre (von Ehegatten) Provisorialmaßnahmen. Im Übrigen können aber die rein persönlichen Rechte und Pflichten, gleich ob sie aus Gesetz, einvernehmlicher Gestaltung, bloß faktischer Einigung oder aber aus Vertrag abgeleitet werden, außerhalb eines Scheidungsstreits nicht zum Gegenstand eines Prozesses gemacht werden (5 Ob 117/99p = JBl 2000, 517; 6 Ob 124/02g = SZ 2003/16; 7 Ob 89/05x; vgl auch 6 Ob 29/ 09x = EF-Z 2009/137, 213 [Stefula] = JBl 2010, 113 = EF 122.479). Auch bei (bloßen) Verstößen gegen die eheliche Treuepflicht, die nicht mit be- 8 sonderen zusätzlichen, gegen die Persönlichkeit des Ehepartners gerichteten Verhaltensweisen einhergehen, wird der Ersatz psychischer Schäden, die zu 39
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keiner einem seelischen Schock vergleichbaren Traumatisierung führten, verneint. Schmerzengeld für verlorene Liebe gibt es nicht. Dem Ehepartner, der von einer Eheverfehlung des anderen erfährt, bleibt also in solchen Fällen nur die Wahl, die Ehe trotzdem fortzusetzen oder diese und damit den Leidenszustand, der durch die Untreue des anderen und die damit verbundenen Demütigungen hervorgerufen wird, zu beenden (6 Ob 124/02g = SZ 2003/ 16). Es kommt auch ein gerichtlicher Auftrag zur Einhaltung nichtvermögensrechtlicher Ehepflichten (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 90 ABGB Rz 13), etwa in die Richtung, dass der Ehegatte (wieder) in die häusliche Gemeinschaft aufzunehmen sei, nicht in Frage (1 Ob 559/81 = SZ 54/29 = Miet 33.006; 7 Ob 760/80 = SZ 54/37 = JBl 1983, 89 = EvBl 1981/181, 515). 2. Nicht rein persönliche Rechte und Pflichten
9 Neben den absolut geschützten Rechten, wie jenen der körperlichen Integrität, des Eigentums, der Ehre (vgl 1 Ob 658/83 = EvBl 1984/60, 241 = JBl 1984, 492 = SZ 56/124) und auch der Privatsphäre (einschließlich des Briefgeheimnisses), die – wie gegen jedermann – auch gegenüber dem Ehepartner durchsetzbar sind (vgl 2 Ob 514/87 = SZ 60/289 = EvBl 1988/64, 338), können alle nicht rein persönlichen, namentlich die vermögensrechtlichen Ehebeziehungen klagbare Erfüllungs-, Unterlassungs-, Schadenersatz- und Bereicherungsansprüche auslösen. Gerichtlich durchsetzbar sind insb die Ansprüche auf Unterhalt (§ 94 ABGB), Wohnungserhaltung (§ 97 ABGB) und Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten (§§ 98 ff ABGB). a) Besitzschutz
10 Zwischen den Ehegatten besteht auch Besitzschutz (vgl LG St. Pölten EF 81.274; LG Salzburg EF 119.893). Die Ehegatten haben idR Mitbesitz an den in der ehelichen Wohnung befindlichen Hausrats- und Einrichtungsgegenständen. Dieser Mitbesitz entsteht durch die Begründung der ehelichen Gemeinschaft (LG Salzburg EF 93.258) und unabhängig davon, ob diese Gegenstände vor oder während der Ehe angeschafft wurden und in wessen Eigentum sie stehen (LGZ Wien EF 107.986). Hat die Gebrauchsordnung darin bestanden, dass die Ehegatten die Räumlichkeiten und die dort befindlichen Fahrnisse gemeinsam benützen (vgl LGZ Wien EF 123.570), oder haben sie sonstige Nutzungsregeln vereinbart (vgl LGZ Wien 96.862) bzw entwickelt, dann stellt jeder erhebliche, einseitige Eingriff in die praktizierte Gebrauchsstruktur eine Besitzstörung dar (vgl LG Salzburg EF 119.894; näher dazu § 339 ABGB Rz 7). 11 Fälle solcher Besitzstörungen sind etwa – jeweils eigenmächtig (nicht einvernehmlich) vorgenommen – der Austausch des Wohnungsschlosses (LGZ Wien 40
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EF 29.314, Miet 29.031; LG Salzburg 119.895; LG Linz EF 123.567; näher dazu § 339 ABGB Rz 25), das Verbringen von Fahrnissen (LGZ Wien EF 33.673), die Sperre des Telefons, und zwar unabhängig davon, wer Vertragspartner des Telefondienstleisters (Anschlussinhaber) ist (LGZ Wien EF 31.432, 87.134; LG Salzburg EF 119.896; näher dazu § 339 ABGB Rz 20 ff), (Mit-)Benützung des Arbeitszimmers des Ehegatten (LGZ Wien EF 66.182), Entzug des Pkw (LGZ Wien EF 84.289) und im Übrigen jede – nicht völlig unwesentliche (vgl LGZ Wien EF 75.253) – sonstige eigenmächtige Störung oder Behinderung der bisherigen Gebrauchsordnung (LGZ Wien EF 89.916). b) Schadenersatzansprüche im Allgemeinen
Die Verletzung ehelicher Verhaltenspflichten kann Schadenersatzansprüche 12 gegen den Ehepartner begründen (vgl 6 Ob 529/84 = EvBl 1984/123, 491 = SZ 57/53). Den sich aus dem Wesen der Ehe ergebenden Rechten kommt absoluter Schutz zu. Vermögensrechtlich ist aber bei Verletzung eherechtlicher Vorschriften nicht das sogenannte Bestandinteresse (entsprechend dem Erfüllungsinteresse), sondern nur das Abwicklungsinteresse geschützt, das im Ersatz von Abwehr-, Beseitigungs- und Folgekosten besteht (vgl 3 Ob 505/96 = SZ 70/163; 1 Ob 146/98x = JBl 1998, 723 = EvBl 1998/189, 833). Nach 6 Ob 529/84 (= SZ 57/53 = EvBl 1984/123, 491 = EF 46.082/6) steht dem 13 Ehemann gegen die Mutter der Ersatz der Kosten des Verfahrens der Ehelichkeitsbestreitung (nunmehr: Feststellung der Nichtabstammung) und des geleisteten Unterhalts betreffend das im Ehebruch empfangene Kind zu (vgl dazu auch Gitschthaler, EF-Z 2009/94, 129). Die Kosten der Zurückholung eines gemeinsamen, vom Ehepartner entzogenen Kindes können ebenfalls ersatzfähig sein (3 Ob 505/96 = SZ 70/163 = JBl 1998, 243). Da es sich bei Schlüsselgewalt, Haushaltsführung und Kinderbetreuung um nicht rein persönliche Ehewirkungen handelt, sind auch in diesen Bereichen Schadenersatzsprüche bei Verletzung der gesetzlichen oder einvernehmlich festgelegten Verhaltensregeln denkbar. Im Übrigen kann jeder Ehegatte grundsätzlich sämtliche ihm aus dem allge- 14 meinen Zivilrecht zustehenden Ansprüche (auch) gegen den anderen Ehegatten geltend machen. Dabei müssen aber allenfalls Einschränkungen beachtet werden, die die Ehegatten gerade aus der gebotenen Einhaltung der wechselseitigen ehelichen Verpflichtungen treffen (zB aus gemeinsamen Wohnen); insofern können allgemeine zivilrechtliche Ansprüche durch eheliche Pflichten „überlagert“ und dadurch eingeschränkt werden (dazu näher Hinteregger/ Klang3 § 90 ABGB Rz 7). So kann etwa die Benützung einer als Ehewohnung gewidmeten gemeinsamen Liegenschaft durch die Ehegatten während des aufrechten Bestands der Ehe nicht ausschließlich nach sachenrechtlichen Grundsätzen beurteilt werden (5 Ob 117/99p mwN = JBl 2000, 517). 41
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c) Detektivkosten
15 Einem Ehegatten, dessen Ehe durch ehewidrige Beziehungen seines Partners zu einer dritten Person gestört wird, wird nach stRsp ganz allgemein ein besonderes Interesse zugebilligt, sich Klarheit über den Sachverhalt zu verschaffen, und zwar unabhängig davon, ob er (weitere) gerichtliche Schritte unternehmen will (6 Ob 398/60; 1 Ob 42/62 = SZ 35/26; LGZ Wien EF 123.649). Dem Ehegatten steht daher unabhängig von der Möglichkeit, Überwachungskosten (Detektivkosten) in einem Ehescheidungsverfahren als vorprozessuale beziehungsweise außerprozessuale Kosten geltend zu machen, ein Schadenersatzanspruch zu, für den der Rechtsweg nicht ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0022943). Die Kosten eines Ehegatten durch Überwachung des der Verletzung der ehelichen Treue verdächtigten anderen Ehegatten können aus dem Titel des Schadenersatzes grundsätzlich sowohl von diesem als auch vom beteiligten Dritten (s dazu Rz 21; 2 Ob 111/10b = EF-Z 2010/158, 235 [Haas]) ersetzt verlangt werden (7 Ob 195/02 f = EF 100.719; 4 Ob 52/06k = EvBl 2007/75, 415 = EF-Z 2007/63, 98). 16 Das Recht, sich durch Betrauung eines Detektivs Gewissheit über ehewidrige Beziehungen seines Partners zu verschaffen, hat seine Grenze dort, wo die Überwachung offenkundig überflüssig (vgl 7 Ob 195/02 f), von vornherein aussichtslos und erkennbar unzweckmäßig ist oder aber Rechtsmissbrauch vorliegt (7 Ob 382/98x = EF 90.112; 1 Ob 114/09k ua = EF 123.651), weil die Ehegatten durch einvernehmliche Gestaltung oder Aufhebung ihrer ehelichen Gemeinschaft bereits bekundet haben, jedes Interesse daran verloren zu haben, wie der andere sein Leben gestaltet (4 Ob 166/02v ua = EF 100.726; LG Salzburg EF-Z 2006/35, 61 [Höllwerth]; LGZ Wien EF 123.652). Letzteres wird etwa dann zutreffen und die Inanspruchnahme eines Detektivs rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, wenn der beauftragende Ehegatten selbst die Lebensgemeinschaft beendet hat, den Partner über seine abgesonderte Lebensgestaltung bewusst im Unklaren lässt und selbst keinen ehelichen Pflichten mehr nachkommt (vgl LGZ Wien EF 123.652). 17 Der Anspruch auf Ersatz der Kosten der Detektei besteht auch dann, wenn die Beauftragung nach unheilbarer Zerrüttung der Ehe erfolgt, weil unter schadenersatzrechtlichen Kausalitätserwägungen das ehewidrige Verhalten des Ehegatten regelmäßig der Anlass für die Beauftragung der Detektei gewesen sein und dieser Kausalzusammenhang auch nicht durch den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe (iS eines Zurechnungsausschlusses) „unterbrochen“ wird, dient doch der Zweck der Überwachung der Beweisführung im späteren Prozess. Der Anspruch auf Kostenersatz würde unter diesem Gesichtspunkt erst dann – wegen Überflüssigkeit der Maßnahmen – verloren gehen, wenn der Kläger bereits über ausreichende Beweismittel für seinen Prozessstandpunkt verfügte oder die (betreffenden) Eheverfehlungen vom Be42
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Persönliche Rechtswirkungen der Ehe
klagten (etwa im Rahmen vorprozessualer Korrespondenz) zugestanden worden wären (vgl 1 Ob 114/09k = EF-Z 2009/139 [Höllwerth] = iFamZ 2009/ 244, 357 [Deixler-Hübner] = EF 123.654). Bisweilen wird als weitere Voraussetzung der (schadenersatzrechtlichen) Er- 18 satzpflicht für Detektivkosten auch ein zumindest teilweise positives Ergebnis der Beobachtungen erwogen (vgl 7 Ob 614/77 = JBl 1978, 594 = EvBl 1978/26, 97; 1 Ob 516/82 = EF 41.076; vgl auch LGZ Wien 123.650). Der spätere Beobachtungserfolg ist aber weder Voraussetzung der Ersatzpflicht noch Grundlage eines Anscheinsbeweises für einen ursprünglich begründeten Verdacht des die Beobachtung beauftragenden Ehepartners (aA 4 Ob 52/06k = EF-Z 2007/63, 98), hängt doch ein positives Ermittlungsergebnis vielfach von Zufälligkeiten ab (vgl auch LGZ Wien EF 123.653). Ob die Einleitung von Beobachtungen gerechtfertigt war, hängt vielmehr davon ab, ob der überprüfte Ehepartner bis zur Beauftragung der Überwachung Handlungen gesetzt hat, die typischerweise auf ehewidrige Beziehungen hindeuten. Nach diesem Maßstab ist ex ante und nach objektiven Gesichtspunkten Berechtigung und gegebenenfalls notwendiger Umfang, gebotene Intensität und Art beauftragter Erhebungsmaßnahmen zu prüfen, die das nach der vorgelegenen Situation zweckmäßige und übliche Ausmaß nicht überschreiten dürfen (vgl 7 Ob 614/ 77 = JBl 1978, 594 = EvBl 1978/26, 97).
D. Rechtsschutz gegenüber Dritten Die persönlichen Ehewirkungen erstrecken sich grundsätzlich nur auf die 19 Ehegatten selbst, begründen aber keine Ansprüche Dritter (zur fehlenden Drittwirkung der Beistandspflicht: 6 Ob 721/89; 10 ObS 257/91 = JBl 1992, 403 = SZ 64/181; keine Pflicht zum gemeinsamen Wohnen der Ehegatten gegenüber dem teilungswilligen Miteigentümer: 5 Ob 4/09p = wobl 2009/121, 325 [T. Hausmann] = JBl 2009, 697 = EF 122.478) und auch keine solchen gegen Dritte, insb zur Abwendung ehenachteiligen Verhaltens (Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 5; Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 2). Nur ausnahmsweise gehen die Interessen eines Ehegatten der Handlungsfreiheit Dritter vor, und dann resultieren aus ehestörendem Verhalten Abwehr- oder Schadenersatzansprüche gegen Dritte. Dem Ehegatten, dessen dringendes Wohnbedürfnis zu schützen ist, können 20 bei einem Eingriff in seine Rechte resultierend aus § 97 ABGB namentlich gegen den schlechtgläubigen Dritten Schadenersatzansprüche zustehen (s dazu § 97 ABGB Rz 39 ff). Bei überwiegendem Interesse des dadurch betroffenen Ehegatten kann dieser auch gegen Besuche des ehestörenden Dritte in der Ehewohnung vorgehen (4 Ob 223/02a = JBl 2003, 371). Das grundsätzliche Recht 43
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jedes Ehegatten, in der Ehewohnung ihm geltende Besuche zu empfangen, findet nämlich dort seine Grenze, wo derartige Besuche die häusliche Ordnung und das Ehe- und Familienleben stören (5 Ob 680/83; 8 Ob 529/88 = SZ 61/ 133; 6 Ob 54/99 f = EF 88.792; 7 Ob 138/08g = EF-Z 2008/137, 224 = EF 119.027). Der Anspruch auf Nutzung der Wohnung verleiht aber dem Ehegatten nach der Rsp keine, dem Bestandnehmer vergleichbare „quasi-dingliche“ Stellung, weshalb ihm etwa kein Anspruch auf Immissionsabwehr gegen Dritte zusteht (4 Ob 324/98w = EvBl 1999/103, 465 = SZ 72/9). 21 Der Ehegatte, dessen Partner die Ehe durch ehewidrige Beziehungen zu einem Dritten stört, kann Überwachungskosten (Detektivkosten) nicht nur vom störenden Ehegatten, sondern auch vom beteiligten Dritten ersetzt begehren (s dazu näher Rz 15 ff). Der Dritte haftet mit dem störenden Ehegatten zur ungeteilten Hand. Die Haftung trifft den Dritten grundsätzlich dann, wenn dieser von der betreffenden Ehe Kenntnis hatte (zutr gegen die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises: 2 Ob 111/10b = EF-Z 2010/158, 235 [unberechtigt krit Haas]) und das ehestörende Verhalten bereits die Intensität eines Intimverhältnisses (eine „erotische Grundlage“) erreicht hat. Solange sich die Beziehung des Dritten zu einem Ehegatten noch auf freundschaftliche Kontakte beschränkt, mag dies bereits dem Ehepartner als ehewidrig angelastet werden können, hält sich aber aus der Sicht des Dritten noch im Rahmen haftungsfreier Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse. Ein vorwerfbares Mitwirken an einer Eheverfehlung wird daher bei engen, aber nicht sexuellen Kontakten idR nur vorliegen, wenn der Dritte diese Kontakte gegenüber dem anderen Gatten wahrheitswidrig bestreitet oder Fragen dahin nicht beantwortet. Erst wenn die Beziehung sexuellen, damit – evident – ehewidrigen Charakter annimmt, kann sich der Dritte nicht mehr auf seine Handlungsfreiheit berufen, und es trifft dann den Dritten auch die Haftung für Überwachungskosten (vgl 4 Ob 52/06k = EvBl 2007/75, 415 = EF-Z 2007/63, 98). 22 Klagen auf Ersatz von Detektivkosten gegenüber dem präsumtiven Ehestörer sind keine Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis iS des Zuständigkeitstatbestands des § 49 Abs 2 Z 2b JN (5 Ob 45/01 f).
E. Gemeinsames Wohnen 23 Gemeinsames Wohnen ist die grundsätzlich auf Dauer angelegte, häusliche und räumliche Gemeinschaft der Ehegatten und wesentlicher Bestandteil einer umfassenden Lebensgemeinschaft iS des § 90 Abs 1 ABGB (vgl dazu auch VwGH 2000/19/0126; § 92 ABGB Rz 1). Auch hinsichtlich der – rein persönlichen (vgl 5 Ob 4/09p = EF 122.478) – ehelichen Teilpflicht des gemeinsamen Wohnens sind die Rechte von Mann und Frau gleichrangig (5 Ob 44
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671/77 = EvBl 1978/50 = EF 28.533; OLG Wien EF 42.502). Die erste gemeinsame (Ehe-)Wohnung haben die Ehegatten – jeweils unter Berücksichtigung der Interessen des Partners – im Einvernehmen festzulegen (8 Ob 621/85 = EF 47.414; LGZ Wien EF 52.970; LG Salzburg EF 122.476). Auch über die Verlegung der gemeinsamen Wohnung muss die Herstellung von Einvernehmen zumindest versucht werden. Kann darüber keine Einigkeit erzielt werden, eröffnet dafür § 92 Abs 1 und 3 ABGB die Möglichkeit einer feststellenden gerichtlichen Entscheidung (dazu näher § 92 ABGB Rz 6 ff). Gemeinsames Wohnen liegt auch dann (noch) vor, wenn die Ehegatten Haus 24 oder Wohnung mit weiteren Personen teilen (zB Großfamilie oder Wohngemeinschaft). Gleiches gilt für den Fall, dass die Ehegatten nicht sämtliche Räume gemeinsam nutzen (Arbeitszimmer eines Ehegatten oder getrennte Schlafzimmer; vgl Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 9). Gemeinsames Wohnen ist zwar der Normalfall (Stabentheiner/Rummel § 90 25 ABGB Rz 5), doch ist besonders dieser Teilbereich ehelicher Pflichten einer abweichenden Gestaltung durch die Ehegatten – im Wege ausdrücklicher Vereinbarung oder länger praktizierter Übung – zugänglich, wenn dafür sachliche Gründe vorliegen (vgl 3 Ob 640/81 = EF 37.509). So können etwa die Berufstätigkeit der Ehegatten oder persönliche, insb gesundheitliche Gründe gerechtfertigter Anlass dafür sein, dass die Ehegatten zeitweilig, allenfalls sogar auf Dauer getrennt wohnen (vgl OGH 3 Ob 2292/96x = SZ 70/35 = JBl 1998, 245 [Holzner] = EF 83.033; LG Salzburg EF 122.477). Die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen hat Zumutbarkeitsgrenzen. Gem § 92 26 Abs 2 ABGB kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar ist (s dazu § 92 ABGB insb Rz 12 ff). Nach § 382b Abs 1 EO kann das Gericht ua einem Ehepartner, der dem anderen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, insb das Verlassen der gemeinsamen Wohnung auftragen und die Rückkehr dorthin verbieten.
F. Treue § 90 ABGB nennt ausdrücklich die Treuepflicht der Ehegatten, die nach 5 Ob 27 117/99p (= JBl 2000, 517) dem zwingenden Kernbereich des § 90 ABGB angehören und daher grundsätzlich nicht disponibel sein soll. Dies ist so zu verstehen, dass die „Vereinbarung sexueller Freiheit“ dem Wesen der Ehe sowie den guten Sitten widerspricht und daher ein Ausschluss der Pflicht zu „ehelicher Treue“ nicht bindend vereinbart werden kann (vgl 8 Ob 583/90 mwN = EF 45
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63.342). Eine solche Vereinbarung mag allerdings für die Beurteilung von Scheidungsgründen von Bedeutung sein (Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 7; Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 12; Hinteregger/Klang3 § 90 ABGB Rz 12), kann sie doch Eheverfehlungen in diesem Teilbereich ehelicher Pflichten in einem milderen Licht erscheinen oder Zweifel an deren Zerrüttungskausalität aufkommen lassen. Zur Ersatzpflicht von Überwachungskosten beim Verdacht auf ehewidrige Beziehungen s Rz 15 ff). 28 „Treue“ iS des § 90 ABGB darf nicht allein auf die sexuelle („eheliche“) Treue reduziert werden (3 Ob 653/76 ua = EF 29.515; 6 Ob 780/78 ua = EF 33.909; 5 Ob 117/99p = JBl 2000, 517; LGZ Wien EF 123.718). Vielmehr sind die Ehegatten verpflichtet, jegliches Verhalten zu unterlassen, das geeignet ist, den objektiven Anschein ehewidriger Beziehungen zu erwecken (stRsp RIS-Justiz RS0056151; vgl etwa 7 Ob 179/08m = EF 120.049; 9 Ob 62/05s = EF 111.186). Ein solcher Anschein wird – auch ohne (erweisliche) sexuelle Kontakte – etwa dadurch begründet, dass der Ehemann in 5 Wochen achtmal eine andere Frau in deren Privatwohnung besucht (9 Ob 62/05s), durch wiederholtes Ausgehen mit einer anderen Person und (einmaliger) Nächtigung bei dieser unter dem Vorwand, die Nacht bei einem Freund zu verbringen (3 Ob 124/99b = EF 90.269), durch jahrelangen, über die Dienstadresse geführten und so vor dem Ehegatten verheimlichten Briefverkehr (9 Ob 122/04p) und durch die Aufnahme einer Person anderen Geschlechts in die Ehewohnung (7 Ob 179/08m = EF 120.053), nicht aber durch bloß freundschaftlichen, harmlosen Kontakt mit Personen des anderen Geschlechts (RIS-Justiz RS0056600). Hat ein Ehepartner einmal den objektiven Anschein einer ehewidrigen Beziehung begründet, dann trifft ihn die Verpflichtung, den Anderen aktiv über alle relevanten, diesen Anschein auslösenden Umstände aufzuklären (1 Ob 224/01z = EF 97.010; 9 Ob 62/05s; 9 Ob 76/03x). 29 Aus der Treuepflicht folgt weiters die Verpflichtung zur Schaffung, Gewährleistung und erforderlichenfalls auch Wiederherstellung einer für eine Lebensgemeinschaft notwendigen Vertrauensbasis (Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 10). Folglich haben sich die Ehepartner gegenseitig über alle wesentlichen Umstände des Berufs- und Privatlebens aufzuklären, zu informieren und Einblick zu geben (stRsp RIS-Justiz RS0009427; vgl etwa 9 Ob 76/03x = EF 103.140; 9 Ob 62/05s; zur Verschleierung der Wirtschaftslage s LGZ Wien EF 120.065; Hinteregger/Klang3 § 90 ABGB Rz 14).
G. Anständige Begegnung 30 Die Pflicht zur anständigen Begegnung betrifft vornehmlich den persönlichen Umgang der Ehepartner miteinander, der durch eine Reihe – wandelbarer (vgl 46
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5 Ob 649/83 = EF 44.815) – gesellschaftlicher und persönlicher Faktoren, wie etwa soziale Herkunft, Ausbildung, berufliches Umfeld und private Lebensverhältnisse beeinflusst wird. Gefordert ist ein gewisses, an üblichen Umgangsformen orientiertes – und insoweit auch objektiv zu beurteilendes (7 Ob 513/ 89 = EF 60.148; vgl auch RIS-Justiz RS0056321) – Maß an Achtung, Verständnis, Respekt und Höflichkeit gegenüber dem Partner (vgl 5 Ob 736/81 = EF 41.183; LG Salzburg EF 93.724). Die Ehegatten sollen im Rahmen des Zumutbaren auf die Eigenheiten und Interessen ihres Partners bei der Lebensgestaltung Rücksicht nehmen (vgl 8 Ob 548/80 = EF 37.508; 9 Ob 33/03y = SZ 2003/83; LGZ Wien EF 72.289; vgl auch RIS-Justiz RS0009466; RS0056053). Die Pflicht zur anständigen Begegnung verbietet nicht schlechthin eheliche Auseinandersetzungen, wohl aber alle respektlosen und herabwürdigenden Formen ihrer Austragung (vgl LGZ Wien EF 111.179), was insb für die Zufügung körperlicher oder seelischer Leiden gilt, für die es auch keine milieubedingten Ausnahmen geben kann (vgl Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 14). Aber auch subtilere Methoden, wie etwa den Partner (namentlich vor Dritten) herabsetzende Äußerungen oder ein ignorantes Verhalten diesem gegenüber, sind mit den Erfordernissen anständiger Begegnung nicht vereinbar. Verstöße gegen die Pflicht zur anständigen Begegnung sind beispielsweise Be- 31 einträchtigungen der körperlichen Integrität des Ehegatten (9 Ob 33/03y = JBl 2004, 171; vgl auch RIS-Justiz RS0056787, RS0056652) oder Drohungen damit (5 Ob 15/99p = EF 90.265), Beschimpfungen (RIS-Justiz RS0056711), Alkoholmissbrauch (8 Ob 575/78 = EF 33.904; 1 Ob 512/82 = EF 41.182), das reaktionslose Hinnehmen von Anfeindungen des Ehepartners durch eigene Verwandte (7 Ob 536/81 = EF 38.711), das Zurückziehen aus dem Familienverband (8 Ob 548/80 = EF 38.710), Verweigerung des gemeinsamen Gesprächs (1 Ob 716/80 = EF 36.322), unverhältnismäßiges Alleinlassen des Ehepartners (LGZ Wien EF 111.184), übermäßige Berufszuwendung (1 Ob 30/ 08 f, EF-Z 2008/106, 182 [Höllwerth] = EF 120.064; LG Salzburg ua EF 123.744), kommentarlose längere Abwesenheit (1 Ob 513/87 = EF 52.965) und jedes sonstige lieblose, herabsetzende und die Bedürfnisse des Gatten vernachlässigende Verhalten (3 Ob 215/09b = EF 123.746; LG Salzburg EF 93.743; LGZ Wien EF 108.203).
H. Beistand im Allgemeinen Die – als solche nicht gerichtliche durchsetzbare – Pflicht zum ehelichen Bei- 32 stand besteht in der Verpflichtung zur umfassenden Unterstützung des Ehepartners in körperlicher, seelischer sowie in materieller (2 Ob 83/88 = EF 55.890; 6 Ob 29/09x = EF-Z 2009/137, 213 [Stefula]); LGZ Wien EF 79.820, 122.474) Hinsicht (Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 15; Stabentheiner/Rum47
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mel § 90 ABGB Rz 7; Koch/KBB § 90 ABGB Rz 6; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 90 ABGB Rz 9; s auch § 44 ABGB Rz 17 f; zur mit § 769 ABGB übereinstimmenden Begriffsauslegung s 7 Ob 1538/86 = EF 51.403 und 10 Ob 2379/96t; zu grundsätzlich möglichen Anspruchsgrundlagen bei über § 90 Abs 1 ABGB hinausgehenden Beistandsleistungen zutr Stefula, EF-Z 2009/ 137, 216 [Entscheidungsanmerkung]). Die Beistandspflicht ist – plakativ und altertümlich, aber plastisch formuliert – Grundlage für die und Bereitschaft zur „gemeinsame(n) Führung des Kampfes ums Dasein“ (2 Ob 17/56 = SZ 29/20). Sie gilt nur zwischen den Ehegatten und begründet keine Ansprüche Dritter (10 ObS 257/91 = JBl 1992, 403 = SZ 64/181; 7 Ob 138/08g = EF-Z 2008/137, 224; s auch Rz 19). 33 Bestimmte, besonders wichtige Teilbereiche der ehelichen Beistandspflicht sind gesetzlich gesondert geregelt (Unterhaltspflicht § 94 ABGB [s dazu 1 Ob 697/86 = EF 52.963]; Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten § 90 Abs 2, §§ 98–100 ABGB; Unterstützung im Haushalt § 95 ABGB; Befriedigung des Wohnbedürfnisses § 97 ABGB [s dazu LGZ Wien EF 91.908]). 34 Das Ausmaß der Beistandspflicht kann durch Aspekte der Zumutbarkeit begrenzt sein. Es können etwa bereits bestehende körperliche, psychische und berufliche Belastungen eines Ehepartners seiner (weitergehenden) Mitwirkung entgegenstehen (vgl 10 ObS 257/91 = SZ 64/181 = JBl 1992, 403). 35 Zur ehelichen Beistandspflicht gehört beispielsweise die Unterstützung des Ehepartners im Krankheitsfall, etwa durch Pflege, psychischen Beistand und Besuche im Krankenhaus (2 Ob 533/94 = EF 75.439; 7 Ob 158/04t = JBl 2005, 42; 6 Ob 29/09x = EF-Z 2009/137, 213 [Stefula] = JBl 2010, 113), die wirtschaftliche Unterstützung des Ehepartners, etwa damit dieser seine Wohnung erhalten kann (6 Ob 620/92 = MietSlg 45.002) und die (Mitwirkung an der) Führung des gemeinsamen Haushalts (vgl 2 Ob 825/50 = SZ 24/124). Die Beistandspflicht erstreckt sich auch auf dritte Personen, insb auf die Pflege und Erziehung gemeinsamer (5 Ob 548/81 = EF 38.872), aber auch von einem Partner in die Ehe mitgebrachter Kinder und naher Angehöriger (Koch/KBB § 90 ABGB Rz 6). Die Beistandspflicht umfasst hingegen nicht eine Pflicht, zum Vermögenserwerb des Ehepartners beizutragen (vgl 8 Ob 265/67 = SZ 40/123), Verluste aus dem Betrieb des Ehegatten auszugleichen (10 ObS 257/ 91 = SZ 64/181 = JBl 1992, 403) oder dafür zu sorgen, dass der Ehegatte bei seiner Erwerbstätigkeit nicht gegen das Gesetz verstößt (4 Ob 68/94).
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I. Mitwirkung im Erwerb § 90 Abs 2 ABGB verpflichtet den Ehegatten nicht zur eigenen Erwerbstätig- 36 keit (LGZ Wien EF 75.526), sondern zur Unterstützung (zum Begriff der Mitwirkung s § 98 ABGB Rz 4) des – selbstständigen (Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 17; Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 10; Schwimann/Ferrari/ Schwimann § 90 ABGB Rz 12) – Erwerbs des anderen (1 Ob 555/89 = EF 58.722; 4 Ob 281/00b = EF 91.919 = JBl 2001, 309), soweit ihm dies zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich ist und nichts anderes vereinbart wurde. Diese Mitwirkungspflicht ist ein (wirtschaftlicher, materieller) Teilaspekt der allgemeinen ehelichen Beistandspflicht (vgl 1 Ob 524/87 = EF 52.962; s auch Rz 33, § 44 ABGB Rz 24, § 98 ABGB Rz 1). § 98 ABGB sichert dem mitwirkenden Ehegatten angemessene Abgeltung für geleistete Mitwirkung (zur Höhe s § 98 ABGB Rz 10 ff). Die – die Mitwirkungspflicht begrenzenden – Kriterien der Zumutbarkeit und 37 Üblichkeit betreffen Grund und Umfang, also sowohl die Frage, ob der andere Ehegatte überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang er zur Mitwirkung verpflichtet ist. Die subjektive Voraussetzung der Zumutbarkeit sichert dem im Grundsatz mitwirkungspflichtigen Ehegatten, dass dessen persönliche Verhältnisse und auch seine eigenen Vorstellungen über seine Berufstätigkeit berücksichtigt werden (10 ObS 257/91 = JBl 1992, 403 = SZ 64/181). Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind vornehmlich Schul- und Berufsausbildung des mitwirkungspflichtigen Ehegatten, seine körperliche und psychische Leistungsfähigkeit sowie seine sonstigen beruflichen und familiären Aufgaben (Haushalt, Kinderbetreuung, Angehörigenpflege) zu berücksichtigen (vgl Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 10; Koch/KBB § 90 ABGB Rz 6). Beachtlich wird auch die Intensität des „Mitwirkungsbedarfs“ beim erwerbstätigen Ehegatten sein. Üblich und praktisch häufig ist die Mitwirkung iS des § 90 Abs 2 ABGB in 38 landwirtschaftlichen Betrieben (2 Ob 534/85 = EF 48.746; 10 ObS 257/91 = JBl 1992, 403 = SZ 64/181), in (kleineren) Gewerbe- und Dienstleistungsunternehmen (zB Gastgewerbe; vgl 2 Ob 10/87 = JBl 1987, 575) und bei kleinstrukturierter „freier“ Berufstätigkeit (zB Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater). Die Pflicht zur Mitwirkung im Erwerb des anderen besteht – abgesehen von 39 Fragen der Zumutbarkeit und Üblichkeit – nur dann und soweit, als zwischen den Ehegatten „nicht anderes vereinbart ist“. Die Mitwirkungspflicht ist demnach – im Grundsatz und nach ihrem Umfang – disponibel. Eine „Vereinbarung“ über die Mitwirkung im Erwerb iS des § 90 Abs 2 ABGB kann formfrei ausdrücklich oder konkludent, insb durch ein längere Zeit einvernehmlich praktiziertes Vorgehen der Ehegatten zustande kommen (Stabentheiner/ Rummel § 90 ABGB Rz 10; zu vertraglichen Ansprüchen s § 100 ABGB) und 49
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bereits im Vorhinein, etwa schon bei Eheschließung oder erst zur Zeit eines aktuellen „Mitwirkungsbedarfs“ getroffen werden (Hopf/Kathrein § 90 ABGB Anm 17). Im Rahmen einer Vereinbarung kann die Mitwirkungspflicht zur Gänze ausgeschlossen oder aber zeitlich bzw nach Art der Tätigkeit festgelegt werden. Von einer die Mitwirkungspflicht regelnden Vereinbarung kann aus wichtigem Grund (§ 91 Abs 2 ABGB) abgegangen werden.
J. Beistand und Vertretung bei der Obsorge 40 Mit dem FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, wurde dem § 90 ABGB ein Abs 3 angefügt, wonach jeder Ehegatte dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen hat (spezifische Beistandspflicht bei der Obsorge; § 90 Abs 3 Satz 1 ABGB); er vertritt ihn überdies in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens, soweit es die Umstände erfordern (eingeschränkte Vertretungsbefugnis in Obsorgeangelegenheiten; § 90 Abs 3 Satz 2 ABGB). Mit dieser neuen Regelung sollte – um der besonderen Situation in Patchworkfamilien Rechnung zu tragen (ErläutIA 673/A 24. GP 18) – der bereits in 2 Ob 292/71 (= ZVR 1972/173, 334 = EFSlg 16.906) angesprochene Gedanke, wonach die eheliche Beistandspflicht auch die Mitwirkung eines Ehegatten bei der Erziehung von Stiefkindern umfasse, aufgegriffen werden (ErläutIA 673/A 24. GP 24). § 90 Abs 3 ABGB betont damit die stiefelterliche Verantwortung in „Patchworkfamilien“ und stellt klar, dass einerseits Ehegatten nicht nur Verantwortung für die gemeinsamen Kinder haben, sondern auch den Partner unterstützen müssen, damit dieser seinen Obsorgeaufgaben bestmöglich gegenüber den „nur“ von ihm abstammenden – zumeist „in die Ehe mitgebrachten“ – Kindern nachkommen kann, und dass andererseits der Stiefelternteil dem Kind gegenüber kein Fremder ist. Der Gesetzgeber erwartet sich von dieser Regelung insb, die Begegnung zwischen Stiefelternteil und Stiefkind zu fördern (ErläutIA 673/A 24. GP 24). 41 § 90 Abs 3 ABGB bezieht sich nicht auf gemeinsame Kinder der Ehegatten (arg: „dessen Kinder“; zutr Stefula, iFamZ 2009, 266 [267]); in diesem Zusammenhang fragliche Beistandspflichten sind nach § 90 Abs 1 ABGB zu beurteilen (vgl dazu auch Hopf, ÖJZ 2010/19, 154 [157]). Auch eine analoge Anwendung des § 90 Abs 3 ABGB auf Fälle der Sachwalterschaft kommt nicht in Betracht (Hopf, ÖJZ 2010/19, 154 [157]). 42 § 90 Abs 3 ABGB knüpft an die Ehe an und gilt daher – wie die Vorbildregelung des § 299 ZGB – nur zwischen Ehegatten (Fischer-Czermak, EF-Z 2010/2, 4; Stefula, iFamZ 2009, 266), jedoch nicht für Patchworkfamilien von Lebensgefährten (ErläutIA 673/A 24. GP 19). Auch die sinngemäße Anwendung des § 90 Abs 3 ABGB auf nichteheliche Partner soll nach den Mat – 50
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ausdrücklich – nicht erfolgen (ErläutIA 673/A 24. GP 19); eine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke liegt also insoweit nicht vor. Zur Nichtanwendbarkeit des § 90 Abs 3 ABGB auf eingetragene Partnerschaften s § 8 EPG Rz 4. Die neue Regelung erfordert nicht das Vorliegen einer Hausgemeinschaft 43 zwischen dem Stiefelternteil und dem leiblichen Kind seines Ehepartners, sodass die aus § 90 Abs 3 ABGB resultierenden Pflichten mit einer Trennung der Ehegatten nicht enden (s dazu auch Vor § 89 ABGB Rz 4). § 90 Abs 3 ABGB setzt – nach seinem insoweit wohl eindeutigen Wortlaut und anders als etwa § 1687b dBGB – auch nicht voraus, dass der mit dem Stiefelternteil verheiratete leibliche Elternteil die alleinige Obsorge hat (zur Rechtsentwicklung des Art 299 ZGB und zur Häufigkeit gemeinsamer Obsorge nach der Scheidung s näher Fischer-Czermak, EF-Z 2010/2 [4 f]), was im Fall gemeinsamer Obsorge zu einer Vermehrung der im weiteren Sinn an der Kinderbetreuung beteiligten Personen führt. Die besondere in § 90 Abs 3 ABGB vorgesehene eheliche Beistandspflicht 44 (§ 90 Abs 3 Satz 1 ABGB) wird primär in der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Stiefkindes im Alltag bestehen, etwa bei der Beaufsichtigung zu Hause oder auf dem Schulweg, bei der Pflege im Krankheitsfall und auch psychische Unterstützung wird geboten sein (ErläutIA 673/A 24. GP 24). Diese Beistandspflicht gilt nur gegenüber demjenigen Elternteil, dem die Obsorge zukommt (so ausdrücklich die ErläutIA 673/A 24. GP 24; Stefula, iFamZ 2009, 266). Inwieweit die Unterstützung des nicht obsorgeberechtigten Ehegatten etwa bei Pflegeleistungen des Kindes im Zuge der Besuchsrechtsausübung geboten ist, entscheidet sich im Rahmen der allgemeinen Beistandspflicht nach § 90 Abs 1 ABGB. § 90 Abs 3 Satz 2 ABGB normiert eine (eingeschränkte) – auf Gesetz (Stefula, 45 iFamZ 2009, 266 [269]), nicht Rechtsgeschäft – beruhende Vertretungsbefugnis des Stiefelternteils „in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens“ und „soweit es die Umstände erfordern“. Gemeint sind inhaltlich – wie in § 1687b Abs 1 dBGB – Angelegenheiten des täglichen Lebens, etwa die in den Mat genannte Entschuldigung für den Turnunterricht (Erläut IA673/A 24. GP 24), also häufiger vorkommende Angelegenheit geringerer Bedeutung, daher keine unumkehrbaren, für die Zukunft richtungweisenden Entscheidungen. Dem in den Erläut (IA 673/A 24. GP 18 und 24) ebenfalls enthaltenen Verweis auf die Auslegung des § 96 ABGB darf nur mit Vorsicht nachgegangen werden, betrifft die Schlüsselgewalt doch einerseits Geschäfte für den gemeinsamen Haushalt der Ehegatten und sie ist andererseits keine bloße Notkompetenz. Die Vertretungsbefugnis des § 90 Abs 3 Satz 2 ABGB greift nämlich demgegenüber nur dann, wenn der mit der Obsorge betraute Ehegatten etwa durch Krankheit oder Abwesenheit verhindert ist und überdies sofort 51
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gehandelt werden muss. Daraus folgt, dass im Fall bestehender Obsorge beider leiblichen Elternteile die eingeschränkte Vertretungsbefugnis nach § 90 Abs 3 Satz 2 ABGB nur dann in Frage kommt, wenn beide obsorgeberechtigten Elternteile verhindert sind und die betreffende Maßnahme keinen Aufschub duldet. 46 Gerade in Fällen, in denen etwa die Verhinderung des (oder der) obsorgeberechtigten Elternteils (Elternteile) oder aber die Dringlichkeit der zu erledigenden Angelegenheit zweifelhaft erscheint, wird eine dem Stiefelternteil rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsbefugnis eine sinnvolle und ratsame Absicherung darstellen. Für Fälle einer dringend notwendigen medizinischen Behandlung, insb bei Gefahr im Verzug sieht § 146c (insb Abs 3) ABGB Sonderregeln vor.
§ 91. (1) Die Ehegatten sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung, die Erwerbstätigkeit, die Leistung des Beistandes und die Obsorge, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten. (2) Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein Ehegatte abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen oder der Kinder entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des Ehegatten, besonders sein Wunsch nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, als gewichtiger anzusehen sind. In diesen Fällen haben sich die Ehegatten um ein Einvernehmen über die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen. [Fassung gem Art I Z 2 EheRÄG 1999 BGBl I 1999/125] Lit: wie Vor § 89 ABGB und § 90 ABGB. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungsbereiche und Grenzen Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgehen von der Einigung . . . . .
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A. Allgemeines 1 In Abkehr vom patriarchalischen Ehemodell (4 Ob 534/91 = JBl 1992, 38 = SZ 64/121) „sollen“ die Ehegatten gem § 91 Abs 1 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft nach den näheren Vorgaben dieser Bestimmung einvernehmlich 52
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Persönliche Rechtswirkungen der Ehe
gestalten. Einigkeit über die ehelichen Lebensverhältnisse kann freilich nicht erzwungen werden (s dazu auch § 90 ABGB Rz 6). § 91 Abs 1 ABGB verpflichtet aber die Ehegatten, sich um die Herstellung des Einvernehmens zumindest ernstlich zu bemühen (6 Ob 555/90 = EF 61.720; 4 Ob 534/91 = SZ 64/121 = JBl 1992, 38; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 90 ABGB Rz 1; Koch/KBB § 91 ABGB Rz 1; Stabentheiner/Rummel § 91 ABGB Rz 2; § 91 Abs 2 Satz 2 ABGB). Dabei soll dieses Bemühen um eine einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bloß eine einmalige, nur am Beginn der Ehe zu erfüllende, sondern grundsätzlich eine permanente Aufgabe in der Ehe sein (9 Ob 21/07i; ErläutRV 1653 BlgNR 20. GP 12, 21 zum EheRÄG 1999, BGBl I 1999/125). § 89 ABGB enthält als tragendes Prinzip des Rechts der persönlichen Ehe- 2 wirkungen den Gleichheitsgrundsatz (Gleichberechtigungsgrundsatz; s § 89 ABGB Rz 1); § 91 Abs 1 ABGB fügt diesem den Grundsatz der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinzu, was zusammen das partnerschaftliche Prinzip der Ehe ergibt (vgl Hopf/Kathrein § 91 ABGB Anm 1; Koch/KBB § 91 ABGB Rz 1). Gesetzlich normierter Leitgedanke für die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist die „volle Ausgewogenheit“ der von den Ehegatten jeweils geleisteten Beiträge (gleichwertige Aufgaben- und Lastenverteilung; vgl LGZ Wien EF 122.482). Die schlagwortartige Charakterisierung dieses Prinzips unter dem Titel „HalbeHalbe“ ist (nur) dann zutreffend, wenn darunter die (annähernd) gleichwertige Aufteilung der Pflichten nicht bloß nach zeitlicher Dauer, sondern besonders auch nach Belastungsintensität und überhaupt iS einer gesamthaften Betrachtung (Ferrari/Schwimann § 91 ABGB Rz 5) verstanden wird. Das Gleichbeteiligungsprinzip bedeutet keine zwanghafte Halbierung erfor- 3 derlicher Beitragsleistungen, weil auch andere fundamentale Wesensmerkmale der Ehe, insb das Prinzip ehelichen Beistands (s § 90 ABGB Rz 32 ff) berücksichtigt werden müssen, weshalb keinem Ehepartner diesen überfordernde Leistungen abverlangt werden dürfen (vgl Hopf/Kathrein § 91 ABGB Anm 3). Die Lastenverteilung hat überdies auf individuelle Eigenschaften (zB Ausbildung, Alter), Interessen (zB Freizeitbedürfnisse) und Probleme (zB Krankheiten, körperliche Leiden) jedes Ehepartners Bedacht zu nehmen. Das Einvernehmen mit dem Ehegatten ist nicht gerichtlich durchsetzbar (1 Ob 4 85/08v = EF-Z 2008/6, 12 = EF 119.028); zur idR mangelnden gerichtlichen Durchsetzbarkeit nicht rein persönlicher Rechte und Pflichten s insb § 90 ABGB Rz 6 ff). Wer aber dieses Einvernehmen nicht sucht oder sich am Gestaltungs- und Entscheidungsvorgang nicht oder nur unzureichend beteiligt, verletzt diese Pflicht und kann dadurch ein ehewidriges Verhalten und somit einen Scheidungsgrund setzen (4 Ob 534/91 = JBl 1992, 38 = SZ 64/121; Hopf/Kathrein § 91 ABGB Anm 1). 53
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B. Gestaltungsbereiche und Grenzen 5 Das Partnerschaftsprinzip und damit auch die Befugnis zur einvernehmlichen Gestaltung erstrecken sich grundsätzlich auf alle Bereiche der ehelichen Lebensgemeinschaft (vgl 4 Ob 534/91 = JBl 1992, 38 = SZ 64/121; Ferrari/ Schwimann § 91 ABGB Rz 5). Die Gestaltungsmöglichkeit der Ehepartner umfasst daher das „Ehemodell“, also die generelle Rollenverteilung, insb betreffend Erwerb und Haushaltsführung (vgl 3 Ob 528/92 = JBl 1993, 243) wie Hausfrauen-, Hausmann-, Doppelverdienerehe oder Mehrfachbelastung eines Partners durch Beruf und Haushalt (vgl dazu 8 Ob 601/89 = JBl 1991, 714 [Ferrari-Hofmann-Wellenhof]) sowie die Verwendung der Mittel zum gemeinschaftlichen Leben (8 Ob 601/89 = JBl 1991, 714) in all ihren Einzelheiten (vgl 6 Ob 555/90; 4 Ob 31/09a = EF 122.480). 6 Die einvernehmliche Gestaltung kann sich aber auch auf einzelne Teilbereiche des ehelichen und familiären Lebens beschränken, wie die in § 91 Abs 1 ABGB selbst neben der Haushaltsführung und der Erwerbstätigkeit noch zusätzlich – demonstrativ – aufgezählten (besonders wichtigen) Fragen der Beistandsleistung und Obsorge. Daneben sind aber auch Belange der Gestaltung des gemeinsamen Heims sowie der Freizeit und alle sonstigen Einzelheiten der Durchführung des gemeinschaftlichen Lebens einer einvernehmlichen Regelung zugänglich (4 Ob 533/88 = EF 55.892; 6 Ob 555/90). Dem Einvernehmen der Ehegatten bleibt nicht nur überlassen, welche Bereiche des ehelichen Lebens sie besonders regeln wollen; sie können dabei auch – abweichend vom Leitgedanken voller Ausgewogenheit – Umfang und Intensität der Beiträge individuell bestimmen, die die Ehegatten im Einzelnen jeweils zu leisten haben (9 Ob 83/06 f mwN; zu den Grenzen s Rz 7). 7 Die autonome Gestaltungsbefugnis der Ehegatten hat Grenzen (vgl 10 ObS 66/06p = EvBl 2006/144 = EF-Z 2007/22), die teilweise ausdrücklich im Gesetz normiert, teilweise aus fundamentalen Grundprinzipien der Ehe und teilweise aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen erschließbar sind. Ausdrücklich aus dem Gesetz folgt etwa, dass auf den Unterhaltsanspruch an sich im Vorhinein nicht verzichtet werden kann (§ 94 Abs 3 Satz 2 ABGB). Bestimmte Vereinbarungen sind deshalb nach hA unwirksam, weil sie ehelichen (familienrechtlichen) Grundwerten widersprechen, was etwa für Übereinkommen angenommen wird, die eheliche Lebensgemeinschaft überhaupt nicht aufzunehmen oder zur Gänze aufzuheben (s § 90 ABGB Rz 5), die eheliche Treue (s § 90 ABGB Rz 27), den ehelichen Beistand insgesamt auszuschließen (vgl Hopf/Kathrein § 91 ABGB Anm 8), oder solchen, die das Kindeswohl missachten (Stabentheiner/Rummel § 91 ABGB Rz 6). Unzulässig sind weiters Vereinbarungen, die den „Gleichbeteiligungsgrundsatz“ durch eine „hochgradig ungerechte Aufgaben- und Lastenverteilung“ verletzen (Stabentheiner/ Rummel § 91 ABGB Rz 6a; Hopf/Kathrein § 91 ABGB Anm 8). 54
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Soweit die Ehegatten keine (wirksame) Vereinbarung zur einvernehmlichen 8 Gestaltung (von Teilen) der ehelichen Lebensgemeinschaft getroffen haben, gelten die dispositiven gesetzlichen Regelungen (Ferrari/Schwimann § 91 ABGB Rz 1).
C. Einigung Vereinbarungen über die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft kön- 9 nen zwischen den Ehegatten ausdrücklich oder konkludent, insb durch langjährige einvernehmliche Lebenspraxis zustande kommen (4 Ob 31/09a = EF 122.480). In der Rsp werden partnerschaftliche Vereinbarungen der Ehegatten, die den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen, im Unterschied zu vermögensrechtlichen Vereinbarung als (bloße) faktische Einigungen bezeichnet, die enden, wenn sie nicht mehr vom Willen beider Partner getragen werden (RIS-Justiz RS0009470). Diese Beschreibung ändert aber mE nichts daran, dass eine solche Einigkeit der Ehegatten über die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse auf einem konkludenten Erklärungsverhalten iS des § 863 ABGB beruht.
D. Abgehen von der Einigung Die Ehe wird sich idR geänderten Lebensverhältnissen und -bedürfnissen an- 10 passen müssen (s dazu auch § 90 ABGB Rz 4), wozu es § 91 Abs 2 ABGB jedem Ehepartner ermöglicht, – notfalls auch einseitig – von einer einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse wieder abzugehen. Damit soll einer „Versteinerung“ solcher Vereinbarungen entgegengewirkt und das Recht jedes Ehegatten auf Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und auf Änderung einer dieser Fortentwicklung nicht mehr adäquaten Lebenssituation betont werden (ErläutRV 1653 BlgNR 20. GP 20). Voraussetzung für ein solches Abgehen von gemeinsam Beschlossenem ist, dass dem keine wichtigen Anliegen des Partners und der Kinder entgegenstehen oder dass der änderungswillige Ehegatte persönliche Gründe hat, die gewichtiger sind als die Anliegen des Partners oder der Kinder (vgl LGZ Wien EF 122.483). Der Änderungswunsch unterliegt damit einer – einzelfallbezogenen – Interessenabwägung mit dem Gebot der Rücksichtnahme auf den Partner und der Wahrung des Kindeswohls. Ein wesentlicher persönlicher Grund für eine Änderung bisher einvernehm- 11 lich gestalteter Lebensverhältnisse ist der in § 91 Abs 2 ABGB ausdrücklich genannte Wunsch nach Aufnahme (wohl auch: Wiederaufnahme) einer Erwerbs55
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tätigkeit. Als weitere persönliche Gründe werden aber beispielsweise auch Alter, Krankheit oder Pflegebedarf naher Angehöriger in Frage kommen. 12 Bei der Interessenabwägung mit gegenläufigen Anliegen des Partners oder der Kinder werden besonders die Gründe für den Änderungswunsch, die Ausgewogenheit oder Unausgewogenheit der bisherigen Lebensgestaltung (ErläutRV 1653 BlgNR 20. GP 20) und der Gesamteinfluss auf das bisherige „Familiengefüge“ zu berücksichtigen sein (vgl dazu auch Ferrari/Schwimann § 91 ABGB Rz 7). Schon an sich unzulässigen, weil den ehelichen (familienrechtlichen) Grundwerten widersprechenden Vereinbarungen, wie etwa einer hochgradig unausgewogenen Aufgaben- und Lastenverteilung (vgl Rz 7), darf ebenfalls keine Bindungswirkung zukommen, würden doch sonst ehewidrige Verhältnisse perpetuiert. 13 Will ein Ehegatte von einer einvernehmlich beschlossenen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse abgehen, so haben sich auch in diesem Fall die Ehegatten um ein Einvernehmen über die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen. Wer sich diesem Bemühen nach Einvernehmen nicht unterzieht oder die Einigung auf eine Neugestaltung – ohne beachtliche Gründe – scheitern lässt, kann dadurch einen Scheidungsgrund verwirklichen (vgl dazu Rz 4).
Wohnungsverlegung § 92. (1) Verlangt ein Ehegatte aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, so hat der andere diesem Verlangen zu entsprechen, es sei denn, er habe gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen. (2) Ungeachtet des Abs 1 kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. (3) In den Fällen der Abs 1 und 2 kann jeder der Ehegatten vor oder auch nach der Verlegung der Wohnung oder der gesonderten Wohnungnahme die Entscheidung des Gerichtes beantragen. Das Gericht hat im Verfahren außer Streitsachen festzustellen, ob das Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung oder die Weigerung mitzuziehen oder die gesonderte Wohnungnahme durch einen Ehegatten rechtmäßig war oder ist. Es hat bei der Entscheidung auf die gesamten Umstände der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder, Bedacht zu nehmen. [Zuletzt geändert durch EheRwG BGBl 1975/412]
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Lit: Aichhorn 141 ff; Jensik, Die Ehewohnung, NZ 1976, 65; Ent/Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (1976); Mottl, Alte und neue rechtliche Instrumente gegen Gewalt in der Familie, ÖJZ 1997, 542; Neuhauser, Der gesetzliche Schutz vor Gewalt in der Familie und dessen Auswirkungen auf den Jugendwohlfahrtsträger, ÖA 1997, 45; Schoibl, Der Auftrag zum Verlassen der Wohnung und die Bewilligung des abgesonderten Wohnsitzes, in Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992) 475 ff. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinsame Wohnung . . . . . . . . . . . . . . Dauerhafte Wohnungsverlegung . . . . . . . Gesonderte Wohnungnahme . . . . . . . . . . 1. Ausnahmeregelung . . . . . . . . . . . . . . 2. Unzumutbarkeit des Zusammenlebens 3. Wichtige persönliche Gründe . . . . . . . 4. Keine dauerhafte Wohnungstrennung 5. Unterhaltsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . E. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Allgemeines Zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft iS des § 90 Abs 1 ABGB ge- 1 hört ua eine Wohngemeinschaft der Ehegatten. Die Ehegatten sind einander daher zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet, sie können diese Pflicht im Rahmen der privatautonomen Gestaltung der Ehe aber einvernehmlich vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit einschränken oder aufheben (so etwa 3 Ob 640/81 = EF 37.509; 3 Ob 2292/96x = JBl 1998, 245 [Holzner] = EF 83.033 für den Fall einer beiderseitigen Berufstätigkeit [„Künstlerehe“]; 5 Ob 117/99p = SZ 73/28; 6 Ob 75/05 f = EF 113.080; vgl dazu ausführlich § 91 ABGB Rz 5 ff). § 92 ABGB schafft Regelungen für jene Fälle, in denen Ehegatten bereits eine gemeinsame Wohnung haben und über ihr weiteres Wohnungsverhalten uneinig geworden sind. Die Bestimmung unterscheidet dabei zwei Fallgruppen. § 92 Abs 1 ABGB regelt die Vorgangsweise bei einem Verlangen eines Ehegatten nach dauerhafter Wohnungsverlegung gegen den Willen des anderen und behandelt demnach den Fall einer strittigen Veränderung des gemeinsamen Wohnsitzes. § 92 Abs 2 ABGB normiert Ausnahmen von der Pflicht zur Wohngemeinschaft und betrifft somit den möglichen Beginn eines zulässigen, wenn auch lediglich für einen vorübergehenden Zeitraum vorgesehenen getrennten Wohnens während aufrechter Ehe. Ein Ehegatte, der behauptet, dass auf ihn eine solche Ausnahme von der allgemeinen Regel zutrifft, muss das Vorliegen der gesetzlichen Rechtfertigungsgründe für eine Wohnungstrennung – die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens mit dem anderen Ehegatten oder „wichtige persönliche Grün57
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de“ – behaupten und beweisen. In Anbetracht der die Ehegatten grundsätzlich während der gesamten Dauer ihrer Ehe (und somit bis zu deren rechtskräftigen Auflösung [näher dazu Vor § 89 ABGB Rz 4]) treffenden Pflicht zum gemeinsamen Wohnen geht eine allfällige Unaufklärbarkeit der Gründe, aus denen ein Ehegatte aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, zu seinen Lasten (3 Ob 188/07d = iFamZ 2008/78 = EF 120.089; 3 Ob 218/08t). Diese Rechtslage wirkt sich auch auf die Beweispflicht im Scheidungsprozess unmittelbar aus. In einem Verfahren auf der Grundlage einer Klage gem § 49 EheG muss der verlassene, klagende Ehegatte nur den Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung und die Ablehnung einer Rückkehr durch ihn beweisen, nicht hingegen den Umstand, dass die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft ohne rechtfertigenden Grund erfolgt sei. Demgegenüber hat der beklagte Ehegatte jene Tatsachen nachzuweisen, aus denen er die Unzumutbarkeit eines Verbleibs in der gemeinsamen Wohnung ableiten will, wobei stets nur besonders schwere Eheverfehlungen des anderen oder im Einzelfall schutzwürdige, persönliche Gründe die Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft rechtfertigen können. 2 Ob ein eigenes Feststellungsverfahren über die Berechtigung zur gesonderten Wohnsitznahme aus rechtspolitischer Sicht zwingend notwendig ist, kann dahingestellt bleiben. In der Praxis kommt solchen Anträgen häufig eine gewisse Signalwirkung zu; ein Ehegatte kann dadurch (noch dazu relativ kostengünstig [Gerichtsgebühren derzeit 70 Euro]) zeigen, dass er zwar (noch) keine Scheidung anstrebt, dass ihm ein weiteres Zusammenleben in der bisherigen Form ohne Änderung des Verhaltens des anderen aber nicht länger zumutbar erscheint. Anlässlich der Regelung der Rechtswirkungen einer eingetragenen Partnerschaft mit dem EPG (BGBl I 2009/135) übernahm der Gesetzgeber § 92 ABGB in § 9 Abs 2 bis 4 EPG und sah lediglich den Hinweis auf das Kindeswohl (§ 92 Abs 3 letzter Satz ABGB; vgl Rz 7) – in seinem generellen Bestreben, die Kinder in den Bestimmungen des EPG auszublenden (Beclin, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz im Lichte des Eherechts, EF-Z 2010/34) – nicht als Beurteilungskriterium der Rechtmäßigkeit einer Wohnsitztrennung vor. Die Rsp zu § 92 ABGB ist daher weitestgehend auch auf eingetragene Partner anzuwenden. Zum unterschiedlichen Gesetzeswortlaut iZm der Beachtlichkeit des Kindeswohls s auch § 9 EPG Rz 3. 3 Ob ein Ehegatte gegen den Willen des anderen aus der gemeinsamen Wohnung wegzieht oder die im Konsens erfolgte Wohnsitztrennung gegen den Willen des anderen aufrecht hält, macht keinen Unterschied; in beiden Fällen haben die Ehegatten die Möglichkeit, ein Verfahren nach § 92 Abs 3 ABGB einzuleiten (LGZ Wien EF 88.793). Die Gerichtsentscheidung ist allerdings keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Verlegung des Wohnorts iS des § 92 ABGB (LGZ Wien EF 26.003). 58
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B. Gemeinsame Wohnung Die gemeinsame Wohnung im Begriffsverständnis des § 92 ABGB ist die Ehe- 4 wohnung (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 92 ABGB Rz 1). Wenn die Ehegatten regelmäßig mehrere Wohnungen miteinander benützen, ist jene die gemeinsame Wohnung iS dieser Bestimmung, in der sich der Schwerpunkt der gemeinsamen Lebensführung befindet. § 92 ABGB regelt dabei nicht die Benützung dieser Wohnung, sondern normiert lediglich die Kriterien für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Wohnungsverhaltens eines Ehegatten; in familienrechtlichen Außerstreitverfahren kommt es nicht in Betracht, einen Ehegatten nach seinem Auszug zur Rückkehr in die bisher gemeinsam benützte Wohnung zu verpflichten oder den dort verbliebenen Ehegatten dazu zu verhalten, den anderen wieder in der Wohnung aufzunehmen. Das Gericht kann daher auch nach § 92 ABGB keine Leistungsbefehle erlassen, die auf eine Wiederherstellung der Wohngemeinschaft nach einer wodurch auch immer eingetretenen Trennung der Ehegatten abzielen (vgl aber § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO und § 382b EO; s auch Rz 26). Eine bestimmte Gestaltung der rein persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten aus dem Eheverhältnis (also etwa das Zusammenleben) kann gerichtlich nicht erzwungen werden; die Verletzung des Einvernehmlichkeitsgebots steht grundsätzlich ausschließlich unter der Scheidungssanktion (s auch § 90 ABGB Rz 6 f). Zur Frage, ob der Auszug aus der gemeinsamen Wohnung auch als Besitzaufgabe zu deuten ist bzw ob der Ehegatte nach einer erfolgten Wohnsitztrennung wieder in die Wohnung zurückkehren darf, s § 339 ABGB Rz 27. § 92 ABGB ist ausschließlich im Hinblick auf eine von den Ehegatten bereits 5 gemeinsam benützte Wohnung heranzuziehen. Die Anrufung des Gerichts gem § 92 Abs 3 ABGB ist daher nur für die Verlegung des Wohnsitzes, nicht aber für seine erste Begründung vorgesehen; der Gesetzgeber erachtete eine solche Regelung für entbehrlich, weil zumindest die erste gemeinsame (Ehe-) Wohnung gem § 91 Abs 1 ABGB von den Ehegatten – unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Interessen – einvernehmlich ausgewählt werden muss und dafür kein eigenes gerichtliches Verfahren vorgesehen werden soll (JAB 1662 BlgNR 13. GP 3; 8 Ob 621/85 = EF 47.414; LG Salzburg EF 122.476; LGZ Wien EF 52.970; vgl dazu auch Ent/Hopf, Neuordnung 96). Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung („Verlegung der gemeinsamen Wohnung“) und im Hinblick auf die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien kommt auch eine Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Ehegattenverhaltens bei der Wahl der ersten Wohnung in analoger Anwendung des § 92 Abs 3 ABGB nicht in Betracht (LGZ Wien EF 52.980; Hopf/ Kathrein § 92 ABGB Anm 3; Koch/KBB § 92 ABGB Rz 1 und 4; Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 5 mwN; aA [für eine Analogie bei erster Begrün59
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dung eines gemeinsamen Wohnsitzes unter Hinweis auf eine gleiche Sachproblematik] Schwimann/Ferrari/Schwimann § 92 ABGB Rz 3 und KW I 425). Die Ehegatten können aber im gegenseitigen Einverständnis von Beginn ihrer Ehe an auf eine gemeinsame Wohnung verzichten (vgl Rz 6). Wenn sie hingegen keine Einigung über die Wahl der ersten gemeinsamen Wohnung erzielen, so handelt jener Ehegatte rechtswidrig, der sich entweder nicht um eine Willensbildung bemüht oder für seinen Vorschlag keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe hat (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 92 ABGB Rz 3; vgl zu dieser Problematik auch § 91 ABGB Rz 1). Diese Umstände werden bei Geltendmachung in einem Scheidungsverfahren unter Umständen als schwere Eheverfehlungen zu berücksichtigen sein. 6 Ehegatten können sich in jeder Phase ihrer Ehe einvernehmlich zum getrennten Wohnen entschließen; die Vereinbarung einer (befristeten oder dauerhaften) Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft ist somit zulässig (6 Ob 75/05 f = EF 113.080; vgl auch 8 Ob 516/89 = JBl 1989, 717). In der Rsp wurde diese rechtliche Möglichkeit der einverständlichen Trennung von Ehegatten wiederholt dann bejaht, wenn ihr Zusammenleben in Anbetracht der Aufrechterhaltung einer ehewidrigen Beziehung auf Dauer belastet und es infolge der damit zusammenhängenden anhaltenden psychischen Beeinträchtigung des nicht gegen die Treuepflicht verstoßenden Ehegatten gerechtfertigt war, diesem nahezu eine Unzumutbarkeit des gemeinsamen Haushalts (vgl Rz 12 f) zuzubilligen (so etwa 6 Ob 75/05 f mwN = EF-Z 2007/8 = EF 113.080). Kommt ein Tatbestand dem in § 92 Abs 2 ABGB gesetzlich geregelten Sachverhalt derartig nahe, kann eine Vereinbarung mit einem ähnlichen Inhalt nicht als sittenwidrig qualifiziert werden (5 Ob 117/99p mwN = SZ 73/28). Dieser Auffassung ist in Bezug auf die solchen Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen grundsätzlich beizupflichten; sie darf aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass eine Übereinkunft der Ehegatten über eine Wohnsitztrennung ohne Vorliegen von schweren Eheverfehlungen oder vergleichbaren Begleitumständen sittenwidrig oder sonst unwirksam wäre. Eine Trennungsvereinbarung ist während aufrechter Ehe infolge des disponiblen Charakters der ehelichen Teilpflicht des gemeinsamen Wohnens jedenfalls zulässig und gültig; sie gestattet den Auszug eines Ehegatten aus der Ehewohnung und verhindert, dass ihm dieses Verhalten in einem späteren Scheidungs- oder Unterhaltsprozess als schwere Eheverfehlung (vgl § 49 EheG Rz 22) bzw als Unterhaltsverwirkungstatbestand (vgl § 94 ABGB Rz 321) angelastet wird (idS auch LG Salzburg EF 122.477 [zeitweilige, allenfalls auch auf Dauer geplante Trennung aus persönlichen Gründen oder als Folge der Berufstätigkeit der Ehegattten]).
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C. Dauerhafte Wohnungsverlegung Die eheliche Lebensgemeinschaft wird von den Bedürfnissen und Wünschen 7 der Ehegatten geprägt und vom Wandel der Rahmenbedingungen mitbestimmt. Im Eheverlauf kann es daher zu einvernehmlichen Veränderungen ihrer Gestaltung, aber auch zu Auffassungsunterschieden der Ehegatten über wesentliche Teilaspekte ihres Zusammenlebens kommen. § 92 Abs 1 ABGB regelt den Fall, dass zwischen Ehegatten Differenzen über eine auf Dauer geplante Verlegung der gemeinsamen Wohnung iS der Verlagerung ihres bisherigen Lebensmittelpunkts auftreten. Die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Verlangens nach einer Änderung der Wohnsituation ist im Einzelfall vom Gewicht der Gründe im Rahmen eines umfassenden Interessenvergleichs nach Maßgabe der gesamten Umstände der Familie abhängig (9 Ob 207/99b = EF 88.794). Zu berücksichtigen sind insb persönliche Gründe des Ehegatten, der eine Verlegung der gemeinsamen Wohnung anstrebt (wie etwa gesundheitliche oder berufliche Erwägungen), aber auch Umstände, welche die ganze Familie betreffen (zB Ehesituation, Wohnungsgröße und -lage, Schulmöglichkeiten, Freizeitinteressen), sowie das im Gesetz ausdrücklich als besonders wichtiges Kriterium genannte Kindeswohl (LGZ Wien EF 39.934). Vor allem angesichts der jüngeren gesetzlichen Entwicklung ist das bisherige Verständnis, wonach es sich beim „Wohl der Kinder“ iS des § 92 Abs 3 dritter Satz ABGB gleichsam selbstverständlich um die Interessen gemeinsamer Kinder der Ehegatten handle, überholt. Wenn auch für den historischen Gesetzgeber dieser Bestimmung das Thema Patchworkfamilien zweifellos noch keine Bedeutung hatte (und er idZ – etwa im Gegensatz zu § 82 Abs 2 EheG [berücksichtigungswürdiger Bedarf eines „gemeinsamen Kindes“] – das Wohl der Kinder undifferenziert ansprach), darf nicht übersehen werden, dass schon die ältere Rsp (zB 2 Ob 292/71) die Ehegatten verpflichtete, ihre Beistandspflicht auch unter Rücksichtnahme auf das Wohl der – nicht zwingend gemeinsamen – Kinder einvernehmlich zu gestalten; die Ablehnung der Kinder des anderen Ehegatten kann eine schwere Eheverfehlung darstellen (LGZ Wien EF 117.345). § 90 Abs 3 ABGB idF FamRÄG 2009 dehnte die grundsätzlich gem § 90 Abs 1 ABGB zwischen Ehegatten bestehende Beistandspflicht ausdrücklich auch auf die Obsorge für Stiefkinder aus und normiert nunmehr eine spezielle eheliche Beistandspflicht gegenüber jenem Ehegatten, der mit der Obsorge betraut ist (vgl ausführlich § 90 ABGB Rz 40 ff). § 137 Abs 4 ABGB idF FamRÄG 2009 normiert überdies eine spezifische Verpflichtung von Personen, die mit einem minderjährigen Kind und seinem Elternteil zusammenleben, zum Schutz des Kindeswohls „alles den Umständen nach Zumutbare“ zu tun. Im Hinblick auf diesen Wandel in den rechtlichen Rahmenbedingungen und angesichts der teilweisen Neuausrichtung der ehelichen Beistandspflicht sind bei einer Entscheidung gem § 92 Abs 3 ABGB nicht nur die Interessen gemeinsamer Kinder der Ehegatten, sondern auch die Bedürf61
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nisse von Kindern, die aus einer früheren Beziehung eines Ehegatten stammen und ebenfalls in der Wohnung leben, zu berücksichtigen. Sprechen die überwiegenden Gründe für die Wohnungsverlegung – und sei es auch nur im selben Haus (1 Ob 723/76 = JBl 1977, 155 [auch die Verwendung einer eigenen Wohnung durch einen Ehegatten im gemeinsamen Haus ist eine gesonderte Wohnungnahme]) –, so ist die Weigerung des anderen Ehegatten mitzuziehen rechtswidrig (6 Ob 638/84 = JBl 1985, 487 = EF 44.820; 7 Ob 591/92 = EF 67.654); ein Gerichtsauftrag, mit dem Ehegatten in die neue Wohnung zu übersiedeln, ist gesetzlich aber nicht vorgesehen, sodass die Fortsetzung oder Wiederherstellung des ehelichen Zusammenlebens nicht erzwungen werden kann (vgl Rz 4). Sind hingegen die Gründe für die Beibehaltung der bisherigen Ehewohnung stärker, so muss der verlegungswillige Ehegatte in der gemeinsamen Wohnung bleiben; sein Wegziehen ist rechtswidrig und verwirklicht einen Verschuldensscheidungstatbestand iS des § 49 EheG. Im Hinblick auf den Grundsatz der Partnerschaftlichkeit im Eheleben und angesichts der erheblichen Auswirkungen eines Wohnsitzwechsels auf die bisherigen Lebensgewohnheiten können stets nur schwerwiegende Umstände die einseitige Forderung eines Ehegatten nach einer grundlegenden Veränderung der Wohnverhältnisse sachlich begründen. Wenn ein Ehegatte seinen Wunsch nach einer dauerhaften Wohnungsverlegung nur darauf stützt, dass sich die neue Wohnung in einer zentraleren und ruhigeren Stadtgegend befindet, und auf seine Lärmempfindlichkeit verweist, reichen diese Aussagen nicht aus, um bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Einbeziehung der Bedürfnisse der Kinder eine Verlegung der gemeinsamen Wohnung zu rechtfertigen (6 Ob 638/84 = EF 44.822). 8 Haben die Argumente der Ehegatten ein gleich starkes Gewicht, darf der verlegungswillige Ehegatte in Anbetracht des Wortlauts der Gesetzesbestimmung allein ausziehen und der andere Ehegatte in der bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsam benützten Wohnung bleiben, sodass es in diesem Fall rechtmäßig – wenn auch ohne Einvernehmen der Ehegatten – zu getrennten Wohnsitzen kommt (6 Ob 638/84 = JBl 1985, 487 = EF 44.820; 1 Ob 615/85 = EF 47.416; Koch/KBB § 92 ABGB Rz 2; KW I 424). Wenn ein Ehegatte das Verlangen nach einer dauerhaften Verlegung des bisherigen Lebensmittelpunkts auf berufliche Gründe stützt, aber nicht bestreiten kann, dass die Gründe, die den anderen bewogen haben, von dem ursprünglich gemeinsamen Plan, in eine neue Wohnung zu übersiedeln, abzurücken und nicht (sofort) mitzuziehen, zumindest gleich gewichtig waren, kann er sich günstigstenfalls darauf berufen, dass zum entscheidungswesentlichen Zeitpunkt sowohl die gesonderte Wohnungnahme durch ihn als auch das Verbleiben des anderen in der bisherigen Wohnung nicht rechtswidrig waren. Bei einer solchen Konstellation kann keinem der beiden Ehegatten ein für die Beurteilung eines Scheidungsverschuldens relevanter Vorwurf gemacht werden. 62
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Diese Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn die Ehegatten zwar über 9 das Verlassen der bisherigen Wohnung, nicht aber über die Auswahl des neuen Wohnsitzes einig sind (Hopf/Kathrein § 92 ABGB Anm 4; Koch/KBB § 92 ABGB Rz 2; Stabentheiner/Rummel § 92 ABGB Rz 2). Eine Entscheidung gem § 92 Abs 3 ABGB kommt aber stets nur dann in Betracht, wenn eine konkrete neue Wohnung, in welche der gemeinsame Wohnsitz verlegt werden könnte, überhaupt schon zur Verfügung steht (LGZ Wien Miet 33.002). Eine allgemeine Feststellung, dass eine Wohnortveränderung ohne Bezug auf eine eindeutig definierte Nachfolgewohnung rechtmäßig sei, ist ausgeschlossen, weil eine Interessenabwägung nicht vorgenommen werden kann, solange nicht die konkreten Verhältnisse, die durch eine solche Verlagerung des Lebensmittelpunkts der Ehegatten entstehen würden, überprüft und beurteilt weden können.
D. Gesonderte Wohnungnahme 1. Ausnahmeregelung
Ausgehend von der in § 90 ABGB normierten Verpflichtung zum gemeinsa- 10 men Wohnen kann ein Ehegatte nach § 92 Abs 2 ABGB ausnahmsweise vorübergehend gesondert Wohnung (auch innerhalb desselben Hauses [1 Ob 723/ 76 = JBl 1977, 155]; vgl Rz 7) nehmen, solange diese Aufhebung der Wohngemeinschaft durch eine spezielle Interessenlage gerechtfertigt ist. Diese Voraussetzung wird vor allem durch das Verhalten eines Ehegatten erfüllt, das dem anderen das weitere Zusammenleben unzumutbar macht (Details s Rz 12 ff). Bereits diese Formulierung der Gesetzesbestimmung und das im Gesetz gewählte Beispiel der körperlichen Bedrohung machen deutlich, dass nicht jede schwere Ehewidrigkeit iS des § 49 EheG eine gesonderte Wohnungnahme begründen kann; vielmehr rechtfertigen nach einhelliger Rsp nur besonders schwere Eheverfehlungen die eigenmächtige Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft durch einen Ehegatten (8 Ob 516/86 = EF 50.156; 3 Ob 313/ 97v ua). Dies gilt selbstverständlich für körperliche Tätlichkeiten, schließt aber sonstige Verhaltensweisen nicht aus. Eine vorübergehende gesonderte Wohnungnahme ist schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut überdies aus (sonstigen) wichtigen persönlichen Gründen zulässig, die gar nichts mit einem vorwerfbaren Verhalten des anderen Ehegatten zu tun haben müssen (1 Ob 219/08z; vgl Rz 16 ff). Eine Gegenüberstellung von Gründen der „Unzumutbarkeit“ und von „wich- 11 tigen persönlichen Gründen“ für die gesonderte Wohnungnahme ist insofern irreführend, als auch in den Unzumutbarkeitsfällen unweigerlich persönliche Belange des Ehegatten, der die Feststellung der Rechtmäßigkeit einer geson63
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derten Wohnungnahme anstrebt, berührt werden. So kann etwa die dauernde psychische Beeinträchtigung durch den anderen Ehegatten oder die Gefahr körperlicher oder seelischer Krankheitsschäden sowohl eine Unzumutbarkeit des Zusammenlebens als auch einen wichtigen persönlichen Grund für eine vorübergehende Wohnungstrennung bilden (LG Wels EF 113.079). Eine Unterscheidung zwischen den beiden Tatbeständen des § 92 Abs 2 ABGB erlaubt in den meisten Fällen die Klärung der Ursache für den Wunsch eines Ehegatten nach getrennten Lebensbereichen. Zumindest idR ergibt sich die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens aus der Gestaltung der Ehe infolge des Verhaltens des anderen Ehegatten oder aus Umständen in dessen Persönlichkeitsbereich, während die „wichtigen persönlichen Gründe“ ausschließlich die Person des antragstellenden Ehegatten betreffen (LGZ Wien EF 99.098, 103.141). Liegen solche erheblichen persönlichen Gründe auf Seiten des antragstellenden Ehegatten vor, müssen bei der Entscheidung zwar die gesamten Lebensverhältnisse der Familie berücksichtigt werden, um festzustellen, ob die angeführten Umstände ein solches Gewicht haben, dass sie eine vorübergehende Aufhebung der Wohngemeinschaft rechtfertigen; das Verhalten des anderen Ehegatten braucht aber nicht mehr iS der Unzumutbarkeitsregelung im Einzelnen geprüft werden (6 Ob 731/76 = JBl 1979, 86; 1 Ob 90/98m = SZ 71/ 118; LGZ Wien EF 99.098).
2. Unzumutbarkeit des Zusammenlebens
12 Ob die Voraussetzungen des § 92 Abs 2 erster Fall ABGB verwirklicht sind, kann ausschließlich unter Bedachtnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Die von § 92 Abs 2 erster Fall ABGB geforderte Unzumutbarkeit des Zusammenlebens liegt insb bei der vom Gesetz durch den Gebrauch des Wortes „besonders“ beispielhaft hervorgehobenen Androhung körperlicher Gewalt und im Allgemeinen immer dann vor, wenn eine Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft vom belasteten Ehegatten bei objektiver und umfassender Interessenabwägung billigerweise nicht verlangt werden kann (2 Ob 557/83 = EF 42.510; LG Salzburg EF 99.096, 119.030, 122.485; LG Wels EF 113.078; LGZ Wien EF 91.778, 119.030, 121.445 uva). Das Gericht darf bei seiner Entscheidung nach § 92 ABGB aber nur Umstände berücksichtigen, die spätestens bis zum Zeitpunkt des Auszugs des Ehegatten verwirklicht waren (LG Salzburg EF 99.096). Ihre Bedeutsamkeit für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Wohnungsverhaltens hängt von den jeweiligen Verhältnissen im Zusammenleben der Ehegatten unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten ihrer ehelichen Verbindung ab. Einerseits müssen Ehegatten bei Spannungen im Beziehungsalltag geduldiger und nachsichtiger sein, andererseits dürfen sie aber auch empfindlicher sein als andere Personen, die eine Wohnung miteinander teilen; in jedem Fall spielt dabei an64
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gesichts des Wortlauts des § 92 Abs 3 letzter Satz ABGB die Bewertung des Wohls allfälliger Kinder eine besondere Rolle (LGZ Wien EF 39.934; zur inhaltlichen Ausformung des Kindeswohls vgl Rz 7). Daher kann auch der Frage, wie stark die Kinder unter der Konfliktsituation leiden, maßgebliche Bedeutung für die Gerichtsentscheidung zukommen. Die Gründe für die Unzumutbarkeit sind verschuldensunabhängig (vgl dazu §§ 382b bis 382e EO Rz 23). Die Rsp anerkennt die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens bei- 13 spielsweise bei folgenden Sachverhalten: bei wiederholten Aggressionshandlungen in alkoholisiertem Zustand (LGZ Wien EF 88.391, 106.299, 112.574, 118.404, 121.468, 125.182), bei Beschimpfungen und Schlägen mit nervlicher Zerrüttung des anderen Ehegatten (4 Ob 278/98 f = EF 88.351), bei (einem) körperlichen Angriff mit Verletzungsfolgen (9 Ob 33/03y = JBl 2004, 171; 1 Ob 285/03y = Miet 55.816; 8 Ob 6/04x = EF 109.358; 10 Ob 7/07p = EF-Z 2007/90 [Höllwerth] = EF 118.397), bei wiederholten oder schweren Misshandlungen (7 Ob 538/85 = EF 47.421; 2 Ob 620/90 = EF 61.730; LG Salzburg EF 106.297; LGZ Wien EF 112.568), bei angedrohten Angriffen, die geeignet sind, die psychische Integrität des Antragstellers zu gefährden (LG Linz EF 112.572; LG Salzburg EF 98.672; LGZ Wien EF 125.170), bei einer Drohung mit dem Umbringen (LG Salzburg EF 102.510; LG Wels EF 121.469; LGZ Wien EF 121.469) oder mit einer körperlichen Attacke (LG Linz EF 121.471; LGZ Wien EF 102.511, 106.298, 112.573), bei Bedrohung der Kinder (LG Linz EF 112.575; LGZ Wien EF 106.294, 115.490, 121.466, 125.170) oder Übergriffen gegen sie, sofern sie im gemeinsamen Haushalt leben (LG Linz EF 121.465; LGZ Wien EF 118.403, 121.467 [Ohrfeigen]), und bei einer psychischen Beeinträchtigung eines Ehegatten, die dauernde Gesundheitsschäden nach sich zu ziehen geeignet ist (4 Ob 518/90 = EF 61.729; 7 Ob 591/92 = EF 67.655) bzw überhaupt eine schwere seelische Dauerbelastung verursacht (LG Salzburg EF 122.485; LGZ Wien EF 47.422, 116.173), beispielsweise durch extreme Überwachung aus grundloser Eifersucht (7 Ob 648/92 = EF 67.657), durch schikanöse Unleidlichkeit (OLG Wien EF 35.159; LG Salzburg EF 122.485) oder etwa dadurch, dass ein Ehegatte durch das Abhören von Telefongesprächen des anderen die Vertrauensbasis für ein weiteres Zusammenleben zerstört hat (7 Ob 538/85 = EF 47.421). Wenn Migräneanfälle und depressive Zustände eines Ehegatten mit dem Verhalten des anderen zusammenhängen und im Fall eines unveränderten Zusammenlebens eine Verschlechterung dieses Krankheitsbildes wahrscheinlich ist (1 Ob 219/08z = iFamZ 2009/130), sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gesonderte Wohnungnahme daher erfüllt. Gleiches gilt, wenn ein Ehegatte aufgrund seiner physischen und psychischen Verfassung nicht mehr in der Lage ist, längere Konfliktsituationen durchzustehen, Auseinandersetzungen mit dem anderen bei ihm Angstzustände hervorrufen und sein weiterer 65
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Verbleib in der Wohnung mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand nach einem Herzinfarkt die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung bedingt (LG Salzburg EF 119.033). IZm erheblichen Beeinträchtigungen der psychischen Verfassung des einen Ehegatten durch die Aktionen des anderen muss berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber im Wortlaut des § 49 zweiter Satz EheG die Zufügung schweren seelischen Leids ausdrücklich als wesentlichen Fall einer schweren Eheverfehlung anführt und damit die Bedeutung solcher nicht tolerierbaren Verhaltensweisen im familiären Kontext betont. Zum geforderten Ausmaß der Gesundheitsschädigung s Rz 18. Unzumutbar ist überdies das Zusammenleben mit einem Ehegatten, der in der Ehewohnung ehewidrige Beziehungen unterhält (LGZ Wien EF 35.160). Alkoholmissbrauch kann zwar auch ohne Gewalttätigkeit eine Unzumutbarkeit des Zusammenlebens iS des § 92 ABGB begründen (2 Ob 557/83 = EF 42.510; LG Linz EF 106.893), allerdings reicht selbst eine häufige Alkoholisierung (für sich allein) noch nicht aus, um eine gesonderte Wohnungnahme zu rechtfertigen (LG Linz EF 106.893). 14 Die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens wird idR nicht dadurch beseitigt, dass der belastete Ehegatte das Verhalten des anderen eine Zeitlang hinnimmt (7 Ob 569/78 = EF 30.622; 1 Ob 90/98m = SZ 71/118; 3 Ob 21/99 f). 15 Keine Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens wurde etwa bei einer nur einmaligen und unsubstanziierten Drohung (LGZ Wien EF 88.394) und bei einer geringfügigen Verletzung, die erst Monate nach der Tätlichkeit geltend gemacht worden ist (7 Ob 809/81 = EF 39.937; LG Linz EF 98.673; LGZ Wien EF 106.290), angenommen. Gleiches gilt für eine tätliche Reaktion ohne Misshandlungsabsicht im Verlauf einer heftigen verbalen Auseinandersetzung (2 Ob 538/86 = EF 50.162; vgl auch §§ 382b bis 382e EO Rz 27), das Anbringen einer – sofort entdeckten und daher rasch unwirksam gemachten – Videoüberwachungsanlage in der Küche (LGZ Wien EF 85.847; im Gegensatz zu einer lange Zeit unentdeckt gebliebenen und dadurch die Intimsphäre des Ehegatten deutlich stärker beeinträchtigenden Telefonüberwachungsanlage [LGZ Wien EF 85.847]), ein liebloses Verhalten (LGZ Wien Miet 28.004 [Unterlassung von Besuchen des Ehegatten im Krankenhaus, Äußerung „Zieh aus, du wirst meine Brutalität nicht aushalten“, Erwartung des Ehegatten, dass der andere auch nach einer Rückenoperation schwere Einkaufstaschen trägt]) und die mit einem Scheidungsverfahren üblicherweise verbundenen Spannungen und daraus resultierenden psychischen Belastungen (LGZ Wien EF 44.826, 116.174; vgl §§ 382b bis 382e EO Rz 32). Auch bloß verbale Auseinandersetzungen „alle paar Wochen“ rechtfertigen eine gesonderte Wohnungnahme nicht (LG Linz EF 106.894; LGZ Wien EF 102.515, 106.289). Ebenso wenig kann der Umstand, dass ein Ehegatte an einem bestimmten Tag laut und impulsiv war und den anderen aufforderte, die Haustürschlüssel herauszugeben, eine Wohnsitztrennung begründen (LG Salzburg EF 99.097). 66
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3. Wichtige persönliche Gründe
Wichtige persönliche Gründe iS des § 92 Abs 2 zweiter Fall ABGB, also Um- 16 stände in der Person oder den Verhältnissen des ausziehenden Ehegatten (LGZ Wien EF 103.141), wie die drohende Gefahr einer schweren gesundheitlichen, insb psychischen Schädigung (4 Ob 518/90 = EF 61.729) oder eine psychische Dauerbelastung bei einem weiteren Verbleib in der Wohnung (LG Salzburg EF 119.030; LG Wels EF 113.079; LGZ Wien EF 106.895, 116.173, 119.030 f), können einen Auszug aus der Ehewohnung rechtfertigen, ohne dass der andere Ehegatte schwere Eheverfehlungen gesetzt hat. Eine nur vom ausziehenden Ehegatten verspürte Unerträglichkeit (LGZ Wien EF 26.006) oder bloß subjektive Empfindungen und Meinungen (7 Ob 591/92 = EF 67.656) erfüllen diesen Tatbestand hingegen nicht, weil es auf den objektiven Sachverhalt und dessen Gewicht ankommt (s Rz 17). Werden wichtige persönliche Gründe geltend gemacht, die eine gesonderte 17 Wohnungnahme rechtfertigen sollen, und steht demnach der Wunsch eines Ehegatten auf Aufrechterhaltung der umfassenden Lebensgemeinschaft einschließlich der Wohngemeinschaft dem Bedürfnis des anderen Ehegatten nach getrennten Wohnsitzen aus persönlichen Gründen gegenüber, kommt es zwingend zu einer Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Interessen (LG Wels EF 113.079; LGZ Wien EF 119.031). Dabei ist zu prüfen, ob die vom Ehegatten angeführten persönlichen Gründe nach objektiven Gesichtspunkten ein solches Gewicht haben, dass sie eine vorübergehende Auflösung der Wohngemeinschaft rechtfertigen (6 Ob 731/76 = JBl 1979, 86; LG Wels EF 113.079; LGZ Wien EF 99.099), wobei auf die gesamten Umstände der familiären Situation, insb auf das Wohl der Kinder Bedacht zu nehmen ist. Für eine zulässige Wohnsitztrennung kommen idZ vor allem eine Vereinbarung über eine vorübergehende Aufhebung der Wohngemeinschaft (8 Ob 516/89 = JBl 1989, 717 [Übereinkunft über eine Trennung für die Dauer eines Jahres, damit ein Ehegatte „wieder zu sich selbst findet“]; s Rz 6), berufs- oder ausbildungsbedingte Gründe und die Pflege und Betreuung eines schwer kranken nahen Angehörigen (LGZ Wien EF 39.935) in Betracht. In der Gerichtspraxis haben drohende Gesundheitsschäden als Gründe für eine angestrebte Wohnungstrennung eine vorrangige Bedeutung, wobei diese Sachverhalte mehrheitlich freilich auch den Unzumutbarkeitsfällen (vgl Rz 11) zugeordnet werden könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ehegatte durch seinen Verbleib in der Ehewohnung infolge einer Krebserkrankung und aufgrund des krankheitsbedingt angegriffenen psychischen Zustands eine weitere körperliche und psychische Gesundheitsschädigung erleiden würde, ist ein wichtiger persönlicher Grund für eine vorübergehende gesonderte Wohnungnahme, wobei die Frage unbeachtlich ist, ob der die Gesundheit des Ehegatten bedrohende Zustand des Familienlebens vom anderen Ehegatten verur67
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sacht oder auch nur mitverursacht wurde und ihm dieser Umstand iS eines Scheidungsverschuldens anzulasten ist (LGZ Wien EF 99.100). 18 Eine psychische Beeinträchtigung kann allerdings nur dann als wichtiger Grund für einen Auszug aus der gemeinsamen Wohnung gewertet werden, wenn dem Ehegatten eine dauernde gesundheitliche Schädigung droht. Die bloß theoretische Möglichkeit einer solchen Krankheitsfolge genügt nicht. Vielmehr müssen konkrete Umstände vorliegen, die eine derartige nachteilige Auswirkung auf die Gesundheit des betroffenen Ehegatten zumindest wahrscheinlich machen (4 Ob 518/90 = EF 61.729; 7 Ob 591/92 = EF 67.656; 7 Ob 648/92; LG Linz EF 106.896). Wenn ein Ehegatte infolge eines vegetativen Erschöpfungszustands bei chronischer reaktiver Depression aufgrund massiver familiärer Probleme und nach erheblichem Drängen des anderen auf einen für ihn nachteiligen Scheidungsvergleich stationär behandelt werden muss, fällt die geforderte Interessenabwägung eindeutig zu seinen Gunsten aus (LG Wels EF 113.079); die vorübergehende Wohnungstrennung ist in einem solchen Fall somit gerechtfertigt. Zur Feststellung einer erheblichen psychischen Beeinträchtigung bedarf es idR der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen psychischen Krankheitssymptomen und Eheleben (LG Linz EF 106.897) bzw zur Abklärung der Frage, ob überhaupt eine krankheitswertige Beeinträchtigung des Gesundheitszustands eines Ehegatten vorliegt. 4. Keine dauerhafte Wohnungstrennung
19 Ein Ehegatte ist gem § 92 Abs 2 ABGB nur berechtigt, die Wohnungsgemeinschaft mit dem anderen vorübergehend (somit nicht auf Dauer) aufzuheben. Eine Wohnungstrennung iS dieser Bestimmung ist daher keine endgültige Lösung und nur so lange rechtmäßig, als Rechtfertigungsgründe bestehen (1 Ob 655/90 = EvBl 1991/58; LGZ Wien EF 119.029). Mit dieser Maßnahme soll die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen also nicht beseitigt, sondern aus schwerwiegenden Gründen auf Zeit ausgesetzt werden. Der in der Gesetzesbestimmung gebrauchte Ausdruck „vorübergehend“ bedeutet in diesem Verständnis nicht, dass das Ende des die gesonderte Wohnungnahme rechtfertigenden Verhaltens bereits abzusehen ist, sondern nur, dass die gesonderte Wohnungnahme nicht von Vornherein auf Dauer als rechtmäßig angesehen und bewilligt werden kann (7 Ob 710/81; 1 Ob 655/90 = EvBl 1991/58; LGZ Wien EF 52.975, 110.044, 113.075). Die Rechtfertigungsgründe müssen aber weder befristet oder begrenzbar sein noch muss ihr Wegfall schon erkennbar sein, um eine Gerichtsentscheidung gem § 92 Abs 3 ABGB darauf stützen zu können (LGZ Wien 47.418, 52.975). Der Ehegatte, der die Ehewohnung verlassen hat, kann und muss jedoch wieder dorthin zurückkehren und die Wohnungsgemeinschaft mit dem anderen Ehegatten fort68
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setzen, sobald der Trennungsgrund nicht mehr besteht (3 Ob 2101/96h; LGZ Wien EF 47.419, 119.029). Die Festlegung einer Frist, welche den Zeitraum der gesonderten Wohnungnahme von Beginn an absolut abgrenzen würde, kommt dabei nicht in Betracht (1 Ob 655/90 = EF 61.735; LG Wels EF 113.082; LGZ Wien EF 88.797, 91.778, 113.083), weil die Dauer der zulässigen Wohnsitztrennung stets von der künftigen Entwicklung und den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt. Der Gerichtsbeschluss über die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit einer gesonderten Wohnungnahme kann sich naturgemäß immer nur auf den jeweiligen Entscheidungszeitpunkt beziehen. Das Gericht hat daher zu prüfen, ob in diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen für getrennte Wohnsitze der Ehegatten erfüllt sind, ohne dass es eine Aussage darüber treffen müsste, ob und unter welchen konkreten Umständen ein Ehegatte künftig allenfalls verpflichtet sein wird, in die Ehewohnung zurückzukehren und die Ehegemeinschaft fortzusetzen, bzw wielange die gesonderte Wohnungnahme überhaupt dauern darf. Diese Pflicht, an den bisher gemeinsamen Wohnsitz zurückzukehren, kann nur unter Bedachtnahme auf den Anlass der gesonderten Wohnungnahme und unter Berücksichtigung der folgenden Entwicklungen beurteilt werden, ohne dass eine Prognose über diese künftigen Verhältnisse verlangt würde (1 Ob 219/08z). Nach dem klaren Gesetzeswortlaut und der stRsp (s Rz 19) ermöglicht § 92 20 Abs 3 ABGB auch bei Vorliegen der in Abs 2 dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen keine endgültige, sondern nur eine provisorische Wohnsitztrennung, welche nicht auf Dauer bewilligt werden kann; bei Dauerzuständen (vgl Rz 21) kann idR nur die Scheidungsklage eingebracht werden. Die Bewilligung getrennter Wohnsitze auf Dauer ist durch den Gesetzestext nicht gedeckt. Diese Rechtslage ist in der Praxis der Hauptgrund für die verhältnismäßig geringe Anzahl von Feststellungsverfahren gem § 92 Abs 3 ABGB und für eine sehr spezielle Befragungssituation. Eine nur „vorübergehende“ Wohnsitztrennung mit der Aussicht, in die Ehewohnung zurückkehren zu müssen, falls der andere Ehegatte sein belastendes Verhalten erheblich ändert, ist für Ehegatten im Allgemeinen offenbar kein ausreichender Anreiz zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens, in dem die Rechtmäßigkeit ihres Wohnungsverhaltens zumindest mit Bezug auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung geklärt werden kann; angesichts der nicht dauerhaft zulässigen Bewilligung getrennter Wohnsitze wird es für einen Ehegatten nach einer Antragstellung gem § 92 ABGB zur Durchsetzung seines Verfahrensziels dennoch ratsam sein, seine Bereitschaft, im Fall einer relevanten Verhaltensänderung des anderen Ehegatten unverzüglich in den gemeinsamen Haushalt zurückzukehren, zu bekunden und seine allfällige Hoffnung, dass die Aufhebung der Wohngemeinschaft bis zur Auflösung der Ehe dauern könnte, nicht darzutun. 69
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Wäre eine gesonderte Wohnungnahme unter den sonstigen Voraussetzungen des § 92 ABGB auf Dauer zulässig (wie sie ja auch mit einem Trennungsvertrag einvernehmlich herbeigeführt werden kann; vgl Rz 6), würde dieses Rechtsinstitut in der Praxis deutlich aufgewertet; gleichzeitig wäre der Erfolg eines solchen Antrags nicht länger fast ausschließlich vom Aussageverhaltens des Antragstellers und seinem Bemühen abhängig, das Gericht trotz dagegen sprechender Indizien von seinem festen Entschluss zur Rückkehr in die Ehewohnung zu überzeugen. Eine Neuregelung der Gesetzesvorschrift durch den Gesetzgeber ist daher zumindest überlegenswert. 21 Wenn das Vorbringen des Antragstellers deutlich macht, dass er auch bei einer Änderung der Verhältnisse in einer Form, die ihm eine Wiederaufnahme der Hausgemeinschaft zumutbar machen würde, keinesfalls bereit ist, in die Ehewohnung zurückzukehren, kann der Antrag von Vornherein nicht zum Erfolg führen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Antragsteller im Verfahren aufzeigt, dass er auch bei einer Besserung seines belasteten Gesundheitszustands und bei einer glaubhaft wirkenden Bereitschaft des Ehegatten, sein Verhalten gegenüber ihm erheblich zu ändern, ganz sicher nicht in die ursprünglich gemeinsame Wohnung zurückzukommen beabsichtigt; in diesem Fall liegt offensichtlich ein dauernder Trennungsgrund vor, der einen Feststellungsbeschluss gem § 92 Abs 3 ABGB schon aufgrund der Zweckbestimmung als provisorische Maßnahme der Konfliktregelung (7 Ob 565/77; 6 Ob 559/84 = EF 44.823; 1 Ob 655/90 = EvBl 1991/58) nicht zulässt, weil eine solche Entscheidung stets Gründe voraussetzt, die als solche auch wieder wegfallen können (vgl auch LGZ Wien EF 73.787 [beide Ehegatten erklärten im Verfahren, zu einem neuerlichen Zusammenleben nicht bereit zu sein]). Dabei kommt es nicht auf das formelle Begehren, sondern auf die Absicht des Antragstellers an, die sich aus dem gesamten Vorbringen ergibt (7 Ob 565/77). Unveränderliche „Dauerzustände“ (zum Begriff 2 Ob 620/90; 7 Ob 648/ 92), mit denen eine vorübergehende Wohnungstrennung nicht erwirkt werden kann, können allenfalls einen Grund für ein Wohnungsverlegungsbegehren gem § 92 Abs 1 ABGB darstellen oder als Scheidungsgründe geltend gemacht werden. 22 Von einem echten Dauerzustand, bei dessen Vorliegen eine Feststellung der Rechtmäßigkeit der Wohnungstrennung nach § 92 ABGB im Außerstreitverfahren nicht erfolgen darf, kann allerdings dann keine Rede sein, wenn sich das Verhalten eines Ehegatten, das für die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens ins Treffen geführt wurde und zunächst einen wichtigen Grund für eine gerechtfertigte gesonderte Wohnungnahme bildete, seiner Art nach zumindest theoretisch künftig ändern könnte (2 Ob 620/90 = EF 61.724 ff; 7 Ob 648/92 = EF 67.657 [hier: extremes Überwachungsverhalten aus grundloser Eifersucht]; 1 Ob 219/08z = EF 122.486 uva). Dies gilt etwa für ein unleidliches oder sonst ehewidriges Verhalten des Ehegatten, das er grundsätzlich auch wieder ablegen 70
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könnte, sodass dem anderen dann die Wiederaufnahme einer Hausgemeinschaft zumutbar wäre (2 Ob 620/90 = EF 61.727 f), oder für die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens während des anhängigen Scheidungsverfahrens, die mit Wegfall der Pflicht zur Wohnungsgemeinschaft infolge Eheauflösung endet (LGZ Wien EF 50.160, 113.074; 119.029; aA unzutr [keine Genehmigung der gesonderten Wohnungnahme nach Beginn des Scheidungsverfahrens] LGZ Wien EF 50.161, 52.978, 88.795). Dieser Ansatz der Rsp mit seiner engen Interpretation des Begriffs eines „(unveränderlichen) Dauerzustands“, der eine zulässige Wohnsitztrennung iS des § 92 ABGB ausschließt, führt dazu, dass nur sehr selten für einen Ehegatten unzumutbare Handlungen des anderen Ehegatten keine gesonderte Wohnungnahme erlauben, weil sich fast alle Verhaltensweisen, die das Eheleben massiv stören, zumindest theoretisch verändern lassen und daher keinen „echten Dauerzustand“ idS darstellen.
5. Unterhaltsrelevanz
Die Aufwendungen des unterhaltspflichtigen Ehegatten für die Ehewohnung 23 (insb die Zahlung des Mietentgelts, der Betriebskosten und des Energieaufwands) vermindern den Unterhaltsanspruch des nicht mehr dort wohnenden unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht, wenn dieser die Ehewohnung aus gerechtfertigten Gründen verlassen hat. Der ausziehende Ehegatte darf keinen Nachteil dadurch erleiden, dass er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 92 Abs 2 ABGB gesondert Wohnung zu nehmen (3 Ob 2101/96h = EF 82.448; 6 Ob 15/08m; 7 Ob 143/08t = EF 119.051; 8 Ob 24/09a = EF 122.503; vgl dazu ausführlich § 94 ABGB Rz 172, 261). Der angemessene Geldunterhaltsanspruch ist dann nach allgemeinen Grundsätzen zu bemessen; dadurch wird auch der Wohnbedarf des Unterhaltsberechtigten gedeckt (8 Ob 38/09k = iFamZ 2009/247 = EF 122.508). Hingegen ist das Verlangen des gesamten Geldunterhalts unbillig, wenn der Unterhaltsberechtigte die Ehewohnung, die ihm zur Deckung des Wohnbedürfnisses zur Verfügung stünde und deren Kosten der Unterhaltspflichtige trägt, ohne gerechtfertigte Gründe verlässt (6 Ob 15/08m = EF-Z 2009/16 [Gitschthaler] = JBl 2008, 580 = EvBl-LS 2009/34 = EF 119.052). In einem solchen Fall muss sich dieser Ehegatte daher die Wohnungsbenützungskosten angemessen auf den Geldunterhaltsanspruch anrechnen lassen. Für die Anrechnung der Wohnungsbenützungskosten kommt es daher darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte aus gem § 92 ABGB berücksichtigungswürdigen Gründen ausgezogen ist. Ist der Unterhaltspflichtige aus der bisher gemeinsam benützten Wohnung ausgezogen, ohne dass ein diesbezügliches Einvernehmen der Ehegatten gem § 90 ABGB besteht oder er das Vorliegen der Voraussetzungen des 71
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Beck
§ 92 ABGB beweisen kann, ist sein Anteil nach der „Kopfteilregelung“ (s § 94 ABGB Rz 254) bei der Anrechnung der Wohnungsbenützungskosten mitzuzählen. Dieser Aufwand ist nämlich idR nach „Köpfen“ auf alle in der Wohnung lebenden, zum Unterhaltspflichtigen in einer unterhaltsrechtlichen Beziehung stehenden Personen gleichmäßig aufzuteilen, und der Anteil der anzurechnenden Leistungen soll sich nicht infolge des unberechtigten Verlassens der Wohnung dadurch zu Gunsten des Unterhaltspflichtigen erhöhen, dass er auszieht und an den Aufwendungen nicht mehr beteiligt ist (6 Ob 5/ 08s mwN = EF-Z 2008/83 [Deixler-Hübner]; 6 Ob 15/08m = EF-Z 2009/16 [Gitschthaler]; 4 Ob 42/10w). Näheres dazu § 94 ABGB Rz 253 ff.
E. Verfahren 24 Jeder Ehegatte (und daher nicht nur jener, der den Schwerpunkt seiner Lebensführung verlegen möchte oder bereits in eine neue Wohnung übersiedelt ist: 1 Ob 723/76 = JBl 1977, 155 = EvBl 1977/50; 7 Ob 581/87) kann – sowohl vor als auch nach der Änderung der Wohnungssituation iS des § 92 Abs 1 und 2 ABGB – im außerstreitigen Verfahren den Antrag stellen, die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Wohnungsverhaltens festzustellen. Das Gericht hat im Verfahren den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wobei aber nur die geltend gemachten Gründe für die Wohnsitztrennung maßgebend sind (6 Ob 559/84; 4 Ob 601/87 = EF 55.897; LGZ Wien EF 91.779). Das AußStrG sieht im Abschnitt über Eheverfahren (§§ 93 ff AußStrG) keine Sonderregelungen für die Feststellung der Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungnahme vor, sodass das Verfahren nach den allgemeinen Bestimmungen des AußStrG durchzuführen ist. Damit ist auch § 17 AußStrG über die Säumnisfolgen bei Unterlassung einer Äußerung nach Fristsetzung anwendbar (LG Salzburg EF 122.487). 25 Das Verfahren ähnelt dabei einem Provisorialverfahren (LG Wels EF 113.081; LGZ Wien EF 119.037). Die Entscheidung nach § 92 Abs 3 ABGB ist, um ihrem Zweck gerecht zu werden, möglichst rasch und ohne unnötige Verfahrensverzögerungen durch „überspannte Genauigkeitserfordernisse“ zu treffen (7 Ob 538/85 = EF 47.425; 6 Ob 687/88 = EF 55.897; 1 Ob 219/08z = EF 122.488). Der Einholung eines Sachverständigengutachtens steht dieser Grundsatz aber nicht entgegen, wenn auch die Entscheidung in besonders gelagerten Einzelfällen nur auf ein ärztliches Attest und die Einvernahme der Ehegatten gestützt werden kann (LG Wels EF 113.081; LGZ Wien EF 99.105). Bei der Bestimmung der Verfahrensintensität ist stets zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Feststellung nach § 92 Abs 3 ABGB die Funktion einer im Rahmen ihrer Rechtskraft sämtliche Gerichte bindenden Vorfrageentscheidung hat (Rz 27). Im Feststellungsverfahren kann es dabei aber nur auf 72
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Wohnungsverlegung
die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe ankommen (4 Ob 601/87; 6 Ob 687/88 = EF 55.897), nicht darauf, ob und mit welchen Prozessbehauptungen dieser etwa auch ein Scheidungsbegehren verfolgt und welches Vorbringen er im Scheidungsverfahren erstattet. Die Entscheidung des Außerstreitgerichts hat ausschließlich Feststellungs- 26 wirkung ohne Leistungsauftrag und ohne Zwangsfolgen (7 Ob 581/87 = EF 52.983; 1 Ob 655/90 = EvBl 1991/58; zur Abgrenzung gegenüber einer EV gem § 382b Abs 1 EO s Rz 31); der feststellende Charakter der Entscheidung muss im Spruch des Beschlusses zum Ausdruck kommen (vgl auch 1 Ob 655/ 90 = EF 61.737; LG Wels EF 113.082 [Feststellung, „dass die gesonderte Wohnungnahme durch die Antragstellerin am . . . bisher rechtmäßig war“]). Hingegen ist in den Spruch keine Dauer der bewilligten Wohnungstrennung aufzunehmen, weil eine Frist, welche die rechtmäßige Zeitspanne der gesonderten Wohnungnahme absolut abgrenzen würde, nicht im Vorhinein für die Zukunft festgelegt werden kann (s auch Rz 19). Da das Gericht lediglich über Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Wohnverhaltens eines Ehegatten entscheidet, besteht auch keine durchsetzbare Verpflichtung eines Ehegatten, in eine bestimmte, vom Wohnsitz des anderen getrennte Wohnung zu ziehen. Der Antrag eines Ehegatten, dem anderen die gesonderte Wohnungnahme nach § 92 Abs 3 ABGB aufzutragen, ist daher nicht zulässig; es handelt sich dabei vielmehr um einen Antrag auf Wegweisung nach § 382b Abs 1 EO. Unter Bedachtnahme auf § 40a JN ist ein solcher Antrag nicht abzuweisen, sondern in das zutreffende Exekutionsverfahren zu überweisen (LG Salzburg EF 99.104; LGZ Wien EF 90.722 [die Verfahrensart ist nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem tatsächlichen Inhalt des Begehrens und Vorbringens zu beurteilen]). Nach § 92 ABGB ist es überdies nicht zulässig, dem Ehegatten das Betreten der Ehewohnung zu verbieten (LGZ Wien Miet 28.002; vgl dazu aber § 382b Abs 1 EO). Die gerichtliche Feststellung nach § 92 Abs 3 ABGB hat die Funktion einer alle 27 anderen Gerichte bindenden Vorfrageentscheidung, insb für nachfolgende Scheidungs- oder Unterhaltsprozesse (6 Ob 132/71 (verst Senat) = SZ 44/181; 4 Ob 576/78 = SZ 51/168; 7 Ob 581/87 = EF 52.983; 1 Ob 526/91 = EF 64.893; 1 Ob 219/08z ua; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 92 ABGB Rz 12 mwN). Der Zweck des Feststellungsverfahrens erschöpft sich somit in der präjudiziellen Klärung der Rechtmäßigkeit des Wohnungsverhaltens von Ehegatten als Vorfrage für einen späteren Rechtsstreit (4 Ob 601/87 = EF 55.895; 1 Ob 655/ 90 mwN = EvBl 1991/58; LG Linz ua EF 99.101). Bis zur Einleitung des Verfahrens nach § 92 Abs 3 ABGB erfolgt die allenfalls erforderliche Beurteilung dieser Vorfrage im Rahmen des jeweiligen Hauptverfahrens ohne Rechtskraftwirkung; eine (der Rechtskraft fähige) Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Wohnungsverhaltens eines Ehegatten als Hauptfrage ist dem Verfahren nach § 92 Abs 3 ABGB vorbehalten (4 Ob 576/78 = SZ 51/168; Schwimann/ 73
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Ferrari/Schwimann § 92 ABGB Rz 12) und bindet die Gerichte in anderen Verfahren im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung. Wenn ein Antragsteller sein Begehren ua damit erklärt, dass er eine gerichtliche Entscheidung auch deshalb anstrebe, damit ihm sein Auszug nicht als Scheidungsgrund angelastet werden könnte (vgl dazu 1 Ob 219/08z), kann ihm daraus daher kein Vorwurf gemacht werden, weil ja eine entsprechende Bindungswirkung – insb für den späteren Scheidungsprozess – gerade dem Gesetzeszweck iZm dem Feststellungsbeschluss entspricht. 28 Die Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens steht einem Antrag auf gesonderte Wohnungnahme nach § 92 Abs 3 ABGB nicht entgegen; die beiden Verfahren können konkurrierend nebeneinander geführt werden (4 Ob 601/ 87 = EF 55.895; 4 Ob 518/90 = EF 61.733; 1 Ob 526/91 = EF 64.892; 1 Ob 219/08z = EF 122.489; Stabentheiner/Rummel § 92 Abs 9; zur Frage der Verlegung der gemeinsamen Wohnung aA [während eines Scheidungsverfahrens ist die Verlegung der Ehewohnung gegen den Widerspruch des anderen Ehegatten diesem idR nicht zumutbar und auch nicht im Interesse der Kinder] 6 Ob 638/84 = JBl 1985, 487 = EF 44.822; LGZ Wien EF 88.795 [eine Trennung im Zuge eines Scheidungsverfahrens ist ganz offenbar auf Dauer – die Genehmigung der gesonderten Wohnungnahme kommt daher nicht mehr in Betracht], EF 113.084 [vgl auch Rz 29]; Mottl, ÖJZ 1997, 542; zur Konkurrenz krit Schwimann/Ferrari/Schwimann § 92 ABGB Rz 12). Der rechtskräftige Abschluss eines parallel geführten Scheidungsverfahrens wird zwar die nach der gesetzlichen Definition als vorübergehende Trennung ausgeformte gesonderte Wohnungnahme in aller Regel zur endgültigen Maßnahme machen; angesichts einer solchen künftigen Entwicklung ist sie aber noch nicht unzulässig. Dies zeigt sich vor allem dann, wenn jener Ehegatte, der die Scheidung nicht aktiv anstrebt, sondern im Prozess Beklagter ist, das weitere Zusammenleben während noch aufrechter Ehe als unzumutbar erachtet und in einer raschen Wohnsitztrennung aus berücksichtigungswürdigen Gründen den einzigen Ausweg sieht. Selbst wenn einander im Eheverfahren Scheidungsklage und Widerklage gegenüberstehen und daher beide Ehegatten nach ihrem Vorbringen die Ehe als unheilbar zerrüttet ansehen, ist ein Feststellungsantrag gem § 92 ABGB aber rechtlich möglich. Nur weil auch ein Scheidungsprozess vom oder gegen den antragstellenden Ehegatten eingeleitet wird, verliert dieser noch nicht das rechtliche Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit der vorübergehenden gesonderten Wohnungnahme. Vielmehr kann gerade nach Einleitung eines Scheidungsverfahrens das Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten infolge weiterer Vorkommnisse und Belastungen unzumutbar werden; wenn ein Ehegatte in dieser Phase selbst die Ehewohnung aus Gründen, die nach den gesetzlichen Vorgaben in seinem Sinn zu berücksichtigen sind, verlassen will und die Scheidung anstrebt, darf ihm eine Entscheidung iS des 74
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Wohnungsverlegung
§ 92 Abs 3 ABGB nicht unter Hinweis auf sonstige Sicherungsmittel im Zusammenhang mit einem Scheidungsprozess (insb § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO und § 382b Abs 1 EO) verweigert werden. Die Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungnahme kann daher auch noch in der Scheidungssituation in einem eigenen Außerstreitverfahren festgestellt werden. Ungeachtet ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit (s Rz 28) werden Begehren 29 nach dauerhafter Verlegung der gemeinsamen Wohnung iS des § 92 Abs 1 ABGB und nach gesonderter Wohnsitznahme gem § 92 Abs 2 ABGB nach Beginn der gerichtlichen Scheidungsauseinandersetzung allerdings mit unterschiedlicher Erfolgsaussicht geltend gemacht werden. Während für die berechtigte Wohnungstrennung dieselben Kriterien wie vor der Einleitung des Scheidungsprozesses gelten, wird eine Verlegung der gemeinsamen Wohnung auf Wunsch eines Ehegatten gegen den Widerspruch des anderen Ehegatten in diesem Stadium der familiären Krise im Allgemeinen nicht mehr gerechtfertigt werden können. Die mit einem gemeinsamen Wohnungswechsel regelmäßig verbundene Neugestaltung des Alltagslebens ist dem anderen Ehegatten nämlich nach Beginn des Scheidungsprozesses nicht mehr zumutbar und wird iVm den mit solchen Verfahren üblicherweise verbundenen Spannungen und Konflikten zwischen den Ehegatten eine besondere Belastung darstellen. Angesichts dieser Rahmenbedingungen wird die Verlegung der Ehewohnung in diesem Zeitraum auch nicht mehr im Interesse der Kinder sein (vgl 6 Ob 638/84 = JBl 1985, 487 = EF 44.822). Während eines schon anhängigen Scheidungsverfahrens wird eine Verlegung der Ehewohnung gegen den Willen eines Ehegatten daher idR nicht mehr durchsetzbar sein. Eine Entscheidung nach § 92 ABGB kommt im Hinblick auf eine schon vor 30 der Scheidung erfolgte Trennung dann nicht mehr in Betracht, wenn die Ehe bereits rechtskräftig geschieden ist und entweder ein Unterhaltsanspruch, für den die Entscheidung des Außerstreitrichters noch präjudiziell sein könnte, nicht geltend gemacht oder darüber gleichfalls schon rechtskräftig entschieden worden ist (4 Ob 601/87 = EF 55.895; 6 Ob 610/89 = EF 61.495; LG Wels EF 113.084; LGZ Wien EF 106.900, 110.046, 113.084 uva). Nach rechtskräftiger Beendigung des Scheidungsverfahrens ist der Antrag zurückzuweisen, weil dann kein rechtliches Interesse an der Entscheidung über eine gesonderte Wohnungnahme als Vorfrage mehr besteht (7 Ob 581/87 = EF 52.984; LGZ Wien EF 73.791) und sie nur noch theoretische Bedeutung hätte. Diese Überlegung gilt auch für den Fall, dass die genannten Voraussetzungen – Scheidung der Ehe und kein Unterhaltsbegehren – erst im Verlauf des Rechtsmittelverfahrens gegen eine Entscheidung nach § 92 Abs 3 ABGB eintreten (7 Ob 581/ 87 = EF 52.984; 4 Ob 601/87 = Miet 40.002); auch in diesem Fall kann dem Rekurswerber kein rechtliches Interesse an einer Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung mehr zugebilligt werden. 75
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Das Feststellungsverfahren ist aber nicht zu unterbrechen, wenn ein Scheidungsverfahren anhängig ist (LGZ Wien EF 106.901; aA LGZ Wien EF 83.036 [kein Rechtsschutzinteresse an einer gesonderten Entscheidung über die Berechtigung der Wohnungstrennung für die Dauer des Scheidungsprozesses]; vgl Rz 28). 31 Eine EV zur Erwirkung einer Wegweisung des Ehegatten aus der Ehewohnung nach § 382b Abs 1 EO ist von der gesonderten Wohnungnahme nach § 92 Abs 2 ABGB zu unterscheiden; mangels identischen Streitgegenstands steht eine rechtskräftige Entscheidung über die gesonderte Wohnungnahme einem Auftrag nach § 382b EO nicht entgegen (6 Ob 650/93 = JBl 1994, 549 zu § 382 Abs 1 Z 8 lit b EO aF). Die von der Rsp zum Recht der gesonderten Wohnungnahme nach § 92 Abs 2 ABGB entwickelten Kriterien hinsichtlich der Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens wegen Gewalttätigkeiten können auch zur Beurteilung der Bedingungen für die Erlassung einer EV iS des § 382b EO herangezogen werden (9 Ob 26/02t; 8 Ob 6/04x), wobei aber zu beachten ist, dass die Voraussetzungen für die Rechtfertigung der gesonderten Wohnungnahme nach § 92 Abs 2 ABGB einerseits und für die Erlassung einer EV infolge einer gewaltbedingten Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens gem § 382b Abs 1 EO andererseits nicht völlig deckungsgleich sind; § 382b EO kann nur bei – allerdings auch bloß drohenden – physischen oder psychischen Gewalttätigkeiten zur Anwendung kommen (vgl dazu auch §§ 382b bis 382e EO Rz 24 ff). Die in § 92 Abs 2 ABGB demonstrativ hervorgehobene körperliche Bedrohung wird zwar nicht nur eine gesonderte Wohnungnahme, sondern auch eine EV nach § 382b Abs 1 EO rechtfertigen; in Fällen, in denen sich die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens aus anderen Gründen als physischen oder psychischen Gewalttätigkeiten ergibt, kommt eine EV nach § 382b EO aber nicht in Betracht (1 Ob 90/98m = SZ 71/118; 6 Ob 77/99p = SZ 72/101; 1 Ob 65/04x). 32 Der Kostenersatzanspruch in einem Verfahren über den Anspruch auf Feststellung der Rechtmäßigkeit des Wohnungsverhaltens richtet sich nach § 78 AußStrG und somit nach dem Erfolgsprinzip. Die frühere Rsp, wonach in solchen Verfahren kein Ersatz des Prozessaufwands zustehe (LGZ Wien EF 64.890, 85.849 ua), ist seit dem Inkrafttreten des AußStrG 2003 überholt. Näheres dazu vgl § 78 AußStrG Rz 33.
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§ 93 ABGB
Familienname
Familienname § 93. (1) Die Ehegatten führen den gleichen Familiennamen. Dieser ist der Familienname eines der Ehegatten, den die Verlobten vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde als gemeinsamen Familiennamen bestimmt haben. Mangels einer solchen Bestimmung wird der Familienname des Mannes gemeinsamer Familienname. (2) Derjenige Verlobte, der nach Abs 1 als Ehegatte den Familiennamen des anderen als gemeinsamen Familiennamen zu führen hat, kann dem Standesbeamten gegenüber vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, bei der Führung des gemeinsamen Familiennamens diesem seinen bisherigen Familiennamen unter Setzung eines Bindestrichs zwischen den beiden Namen voran- oder nachzustellen. Dieser Ehegatte ist zur Führung des Doppelnamens verpflichtet. Eine andere Person kann ihren Namen nur vom gemeinsamen Familiennamen ableiten. (3) Derjenige Verlobte, der nach Abs 1 mangels einer Bestimmung den Familiennamen des anderen Ehegatten als gemeinsamen Familiennamen zu führen hätte, kann dem Standesbeamten gegenüber vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, seinen bisherigen Familiennamen weiterzuführen; aufgrund einer solchen Erklärung führt jeder Ehegatte seinen bisherigen Familiennamen weiter. In diesem Fall haben die Verlobten den Familiennamen der aus der Ehe stammenden Kinder zu bestimmen (§ 139 Abs 2). [Fassung gem NamRÄG BGBl 1995/25] Lit: Deixler-Hübner, Ist das österreichische Namensrecht noch zeitgemäß? iFamZ 2007, 159; Mottl, Ein Jahr neues Namensrecht, NZ 1996, 321; Schranz, Familiennamen – ihre Entwicklung und rechtliche Bedeutung, RZ 2009, 74; Zeyringer, Das Namensrechtsänderungsgesetz, ÖStA 1995, 14; ders, Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem Namensrechtsänderungsgesetz, ÖStA 1995, 63. Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F. G. H. I.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namenseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelname . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführung des bisherigen Namens Namensauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitpunkt der Namensbestimmung . . Erklärungsform . . . . . . . . . . . . . . . . Namensänderungsgesetz . . . . . . . . . . Personenstandsgesetz . . . . . . . . . . . .
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1 2–3 4–6 7 8 9 10 11 12
§ 93 ABGB
Beck
A. Allgemeines 1 § 93 ABGB regelt die namensrechtlichen Wirkungen der Eheschließung. Die Neuregelung des Namensrechts mit dem NamRÄG (BGBl 1995/25) ist mit 1.5.1995 in Kraft getreten. Die im ersten Satz des § 93 Abs 1 ABGB enthaltene programmatische Aussage, dass die Ehegatten „den gleichen Familiennamen führen“, trifft nur dann zu, wenn sie entweder einen solchen Ehenamen nach § 93 Abs 1 zweiter Satz ABGB gewählt haben oder die Frau auf die Möglichkeit, ihren bisherigen Namen iS des § 93 Abs 3 ABGB weiterzuführen, verzichtet. Der Gesetzgeber hat zwar im Eherecht das überholte Leitbild der patriarchalischen Ehe durch das partnerschaftliche Ehemodell ersetzt; mit dem NamRÄG wurden überdies die möglichen Namensvarianten für die Ehe deutlich erweitert. Die gesetzliche Regelung enthält aber ungeachtet der Bedeutung des Namens als wichtiges Identifikationsmerkmal für eine Person nach wie vor Bestimmungen, welche die Frau diskriminieren und mit dem Gleichheitsgebot des § 89 ABGB unvereinbar sind (vgl dazu Mottl, NZ 1996, 322 [Gleichheitswidrigkeit „evident“]; Koch/KBB § 93 ABGB Rz 1; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 10; dies, iFamZ 2007, 159; vor allem zum Vorzug des Mannes im Kindernamensrecht krit Stabentheiner/Rummel § 93 ABGB Rz 1). Diese Feststellung gilt insb für § 93 Abs 1 letzter Satz ABGB, wonach dann, wenn sich die Ehegatten nicht auf einen Familiennamen einigen können, automatisch der Familienname des Mannes zum gemeinsamen Familiennamen der Ehegatten wird und die Frau ihren künftigen Namen vom Mann ableiten muss, ohne dass es für diese gesetzliche Anordnung eine sachliche Rechtfertigung gibt. Wenn die Frau in einem derartigen Fall ihren Namen und damit einen wesentlichen Teil ihrer Identität beibehalten will, hat sie eine solche Erklärung in qualifizierter Urkundsform gegenüber dem Standesbeamten abzugeben. Weshalb eine kontinuierliche Namensführung, bei der die Eheschließung im Regelfall zu keiner Änderung des Familiennamens der Ehegatten führt, gerade in solchen Fällen kein taugliches gesetzgeberisches Reformkonzept darstellen kann, ist nicht verständlich. Der Gedanke, dass ein gemeinsamer Familienname – der von den Ehegatten im Einzelfall ohnehin bewusst gewählt werden könnte – die Beziehung zwischen ihnen nach außen stärker betont und nach innen festigt, erscheint angesichts der aktuellen Scheidungsquoten eine realitätsfremde Hoffnung zu sein. Anlässlich der gesetzlichen Normierung der eingetragenen Partnerschaft (EPG, BGBl 2009/135) nahm der Gesetzgeber von namensrechtlichen Zwangsfolgen immerhin Abstand; eine Änderung des Namens ist für eingetragene Partner gem § 7 EPG nicht vorgesehen, wenn ihnen auch die Möglichkeit einer Namensänderung gem § 2 Abs 1 Z 7a NÄG offensteht. Diese Unterschiede zum Eherecht sind allerdings verfassungsrechtlich zumindest bedenklich (vgl auch Beclin, EF-Z 2010/34 [„substanzielle Benachteiligung“ der eingetragenen Partner durch den erforder78
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Familienname
lichen „Umweg über ein zusätzliches behördliches Verfahren“ zur Erlangung eines gemeinsamen Namens]; Benke, EF-Z 2010/7; Gröger, ÖJZ 2010/23 [„Reformbedarf“]; aA Deixler-Hübner, iFamZ 2010, 93 [die vom Eherecht abweichende Bestimmung ist nicht gleichheitswidrig und sollte auch in ein moderneres Eherecht aufgenommen werden]). Der Name des Mannes wird weiterhin auch im Kindernamensrecht bevorzugt. Wenn die Eltern keinen gemeinsamen Familiennamen führen und keinen ihrer Namen vor oder bei der Eheschließung einvernehmlich als Kindesnamen bestimmt haben, erhält das Kind gem § 139 Abs 3 ABGB kraft Gesetzes den Familiennamen des Vaters (Details dazu Beck Rz 209 ff). Nach Ansicht des VfGH verstoßen diese Regelungen nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (VfGH G 227/92 = VfSlg 13.661 = JBl 1994, 326 [Pichler] zur früheren Rechtslage [die Vorschrift, wonach mangels Bestimmung eines gemeinsamen Familiennamens der Name des Mannes gemeinsamer Familienname wird, sei keine Bevorzugung des Mannes, sondern „die Bedachtnahme auf die erfahrungsgemäß im Einzelfall vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten“]; VfGH G 124/96 = VfSlg 15.031; vgl auch VwGH 2010/06/ 0064).
B. Namenseinheit Der Gesetzgeber hält im Rahmen eines traditionellen Verständnisses bisher am 2 subsidiären Vorrang des Familiennamens des Mannes fest. Die Ehegatten können aber eine einvernehmliche Regelung treffen, die vom Grundkonzept des Gesetzes abweicht, und entweder den bisherigen Namen der Frau als gemeinsamen Familiennamen bestimmen oder ihre beiden Familiennamen beibehalten; in diesem Fall müssen sie allerdings gegenüber dem Standesbeamten vor oder bei der Eheschließung einen der beiden Namen als Familiennamen für alle gemeinsamen Kinder festlegen, sonst erhalten die Kinder gem § 139 Abs 3 ABGB den Familiennamen des Mannes. Ein Doppelname in Form einer Kombination der Namen der Eltern kann für die Kinder nicht vorgesehen werden (Mottl, NZ 1996, 323; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 10; dies, iFamZ 2007, 159; Beck Rz 209). Die Sinnhaftigkeit dieser Verpflichtung zur Namensbestimmung bereits im Zeitpunkt der Eheschließung, in dem nicht einmal klar ist, ob die Ehegatten einmal Kinder haben wollen bzw werden, ist zumindest fragwürdig; dies umso mehr, als diese Pflicht zur Festlegung des Namens künftiger Kinder auch für Ehegatten gilt, die infolge ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr fortpflanzungsfähig sind. Die rechtliche Möglichkeit eines Widerrufs des einmal bestimmten Familiennamens der Kinder ist durch das Gesetz jedenfalls nicht ausdrücklich ausgeschlossen, wenn eine solche Änderungsmöglichkeit auch nicht explizit vorgesehen ist. Die Zulässigkeit eines 79
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einvernehmlichen Abgehens der Ehegatten von der Bestimmung des Kindesnamens bis zur Geburt des ersten Kindes ist aber zumindest überlegenswert (so auch Mottl, NZ 1996, 325), zumal eine unterbliebene Festlegung des Familiennamens der Kinder sanktionslos ist und die Namensbestimmung spätestens bei der Eheschließung ja nur einen einheitlichen Familiennamen sämtlicher Kinder aus dieser Ehe bezweckt. 3 Ein gemeinsamer Ehename kann durch die Namenswahl gem § 93 Abs 1 ABGB bestimmt werden. Die Partner müssen dazu einen ihrer beiden unmittelbar vor der Eheschließung geführten Namen (Rz 8) formgebunden vor oder bei der Eheschließung einvernehmlich zum gemeinsamen Familiennamen erklären; eine Verbindung aus den beiden Namen kann nicht zum Ehenamen bestimmt werden. Wenn die Ehegatten einen ihrer früheren Namen als gemeinsamen Familiennamen wählen wollen, muss dieser Name vorher gem § 93a ABGB wieder angenommen werden (vgl Zeyringer, ÖStA 1995, 63; Mottl, NZ 1996, 323). Nach einer solchen Wiederannahme können die Ehegatten demnach auch einen gemeinsamen Familiennamen führen, den ein Ehegatte nach Scheidung oder Aufhebung einer Ehe weiterführt, zumal das NamRÄG § 93 Abs 3 ABGB aF, der es untersagte, einen aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe abgeleiteten Namen als gemeinsamen Familiennamen zu führen, zu bestimmen oder nachzustellen, nicht übernommen hat (s auch Rz 8).
C. Doppelname 4 Haben die Ehegatten gem § 93 Abs 1 ABGB einen gemeinsamen Familiennamen bestimmt, ermöglicht § 93 Abs 2 ABGB dem Ehegatten, der nach der Eheschließung den Familiennamen des anderen als Ehenamen zu gebrauchen hat, die Führung eines Doppelnamens in Form einer Namenskombination aus beiden bisherigen Namen der Ehegatten (für die Verzichtbarkeit des möglichen Doppelnamens im Fall einer Reform des Namensrechts zutr DeixlerHübner, iFamZ 2007, 159). Dieser Ehegatte muss sich spätestens bei der Eheschließung (zum Zeitpunkt s Rz 9) durch formgebundene Erklärung gegenüber dem Standesbeamten für eine der zulässigen Namensvarianten entscheiden. Er kann seinen bisherigen Familiennamen dem gemeinsamen Namen mit Bindestrich entweder voran- oder nachstellen (zum späteren Verzicht auf die Führung des Doppelnamens vgl § 2 Abs 1 Z 7 NÄG; s Rz 11) und hat diesen Doppelnamen dann auch im Rechtsleben zu führen (etwa in Urkunden wie Reisepass und Führerschein, bei Grundbuchseintragungen, in Verträgen sowie in der Namensfirma [OLG Wien NZ 2006, F 5]; vgl auch § 72c PStG [Anführung der Pflicht zur Führung des Doppelnamens in amtlichen Lichtbildausweisen]). Ähnlich wie bei der Bestimmung des gemeinsamen Familienna80
§ 93 ABGB
Familienname
mens darf auch bei der Bildung des Doppelnamens ein aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe stammender Name verwendet werden. Zur Weiterführung eines Namensbestandteils eines bisherigen Doppelnamens s Rz 8; zum späteren Erwerb des Doppelnamens durch Namensänderung vgl Rz 9. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 93 Abs 2 ABGB kann aber nur der Ehe- 5 gatte, dessen bisheriger Name nicht zum gemeinsamen Familiennamen bestimmt wird, einen solchen Doppelnamen führen; der Ehegatte, dessen Name gem § 93 Abs 1 ABGB als Ehename festgelegt wird, hat nicht das Recht, einen Doppelnamen iS des § 93 Abs 2 ABGB zu verwenden. Daher scheidet auch ein aus den Familiennamen der beiden Ehegatten gebildeter Doppelname als gemeinsamer Familienname aus. Die Regelung, die nur dem Ehegatten, dessen bisheriger Name nicht gemeinsamer Familienname wurde, die Möglichkeit einräumt, seinen bis zu diesem Zeitpunkt geführten Namen voran- oder nachzustellen, ist nach der Rsp des VwGH sachlich gerechtfertigt (VwGH 96/01/ 0742 = VwSlg 14.799 A/1997 = ÖStA 1998, 84). Diese Auffassung stellt allerdings eine anachronistisch wirkende Beschränkung einer flexiblen Namenswahl durch Ehegatten dar (vgl auch Deixler-Hübner, iFamZ 2007, 159). Der aus den früheren Familiennamen der Ehegatten gebildete Doppelname 6 kann somit nicht zum gemeinsamen Familiennamen bestimmt werden, und zwar auch nicht durch nachträgliche Namensänderung des anderen Ehegatten (VwGH 96/01/0742 = VwSlg 14.799 A/1997 [wenn der vom Mann bisher geführte Name anlässlich der Eheschließung als gemeinsamer Familienname bestimmt wurde und die Frau ihren bisherigen Familiennamen dem gemeinsamen Namen nachsetzt oder voranstellt und somit einen Doppelnamen führt, kann der Mann nicht nachträglich diesen Doppelnamen erhalten]). Gem § 3 Abs 1 Z 1 NÄG (s Rz 11) darf eine Namensänderung nicht bewilligt werden, wenn die Änderung des Familiennamens die Umgehung von Rechtsvorschriften ermöglichen würde. Der Umstand, dass sich der beantragte Familienname aus mehreren Namen zusammensetzt, stellt grundsätzlich gem § 3 Abs 1 Z 4 NÄG einen Versagungsgrund dar (Ausnahmen in § 3 Abs 2 Z 1 NÄG; insb ist die Änderung eines Familiennamens in einen Doppelnamen dann zulässig, wenn der Antragsteller den Familiennamen einer Person erhalten soll, die rechtmäßig einen aus mehreren Namen zusammengesetzten Familiennamen führt). Die Herstellung einer Namenseinheit in Form eines Doppelnamens, den beide Ehegatten führen, ist daher nicht zulässig. Dem Ehegatten, dessen Name zum gemeinsamen Familiennamen bestimmt wird, steht somit auch nicht das Recht zu, einen solchen Doppelnamen nachträglich zu erwerben und zu führen. Ein Antrag eines Ehegatten, seinen Familiennamen in den vom anderen Ehegatten geführten, aus dessen bisherigem Familiennamen und dem gemeinsamen Familiennamen zusammengesetzten Doppelnamen zu ändern, ist abzuweisen (vgl auch VwGH 96/01/0742). 81
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Beck
D. Weiterführung des bisherigen Namens 7 Der Frau wurde mit dem NamRÄG als Ausnahme vom Grundsatz der Namenseinheit das Recht eingeräumt, ihren bisherigen Familiennamen gem § 93 Abs 3 ABGB weiterzuführen. Der Wegfall des Zwangs zur Festlegung eines Ehenamens bedeutet aber nicht, dass die Ehegatten im Rahmen ihrer Familienautonomie ohne weiteres die getrennte Namensführung vereinbaren können (Mottl, NZ 1996, 322). Nach den gesetzlichen Vorgaben kann der Ehegatte, der mangels einvernehmlicher Bestimmung des gemeinsamen Familiennamens den Namen des anderen iS des § 93 Abs 3 ABGB „zu führen hätte“ (also die Frau), formgebunden gegenüber dem Standesbeamten vor oder bei der Eheschließung (zu diesem Zeitpunkt s Rz 9) erklären, seinen bisher geführten Familiennamen beizubehalten. In diesem Fall haben die Partner den Familiennamen der aus der Ehe stammenden Kinder spätestens bei der Eheschließung zu bestimmen (zur Frage der Zulässigkeit eines einvernehmlichen Widerrufs dieser Festlegung vgl Rz 2). Die Frau hat daher im Ergebnis lediglich die Möglichkeit, durch eine rechtzeitige Erklärung den automatischen Übergang des Namens des Mannes auf sie iS des § 93 Abs 1 zweiter Satz ABGB zu verhindern und auch einen aus einer früheren Ehe abgeleiteten Namen – selbst einen Doppelnamen (Hopf/Kathrein § 93 ABGB Anm 11) – weiterzuführen (vgl auch Rz 4). Wenn auch beide Ehegatten demnach ihre bisherigen Namen beibehalten können und eine Eheschließung in diesem Fall keine namensrechtlichen Konsequenzen hat, konnte sich der Gesetzgeber anlässlich der Einführung des NamRÄG zu einer Streichung der Zweifelsregel zu Gunsten des Mannes und zur Anordnung der Weiterführung der bisherigen Familiennamen bei fehlender Einigung der Ehegatten doch nicht entschließen.
E. Namensauswahl 8 Sowohl bei der Wahl des gemeinsamen Familiennamens als auch bei der Beifügung des bisherigen Namens kommen nur Familiennamen in Betracht, die einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung führt. Dass ein solcher Name von einem früheren Ehegatten abgeleitet wurde oder nach der Eheauflösung durch Wiederannahme gem § 93a ABGB erlangt wurde, ist gleichgültig. Ein Doppelname iS von § 93 Abs 2 ABGB aus einer früheren Ehe kann zwar gem dieser Gesetzesvorschrift dem neuen Familiennamen voran- oder nachgestellt oder gem § 93 Abs 3 ABGB weitergeführt werden; als gemeinsamen Familiennamen können die Ehegatten aber nur einen der beiden Namensteile bestimmen (VwGH 96/01/0742 = VwSlg 14.799 A/1997; Koch/KBB § 93 ABGB Rz 3). Zu den Konsequenzen einer Änderung des Familiennamens jenes Ehegatten, von dem der Ehename abgeleitet wurde, Stabentheiner/Rummel § 93 ABGB Rz 5. 82
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Familienname
F. Zeitpunkt der Namensbestimmung Die Ehegatten müssen diese Gestaltungen des Familiennamens gem § 93 Abs 1 9 und Abs 2 erster Satz ABGB spätestens „bei der Eheschließung“, also bis zur Eintragung der Eheschließung in das Ehebuch durch die Unterschrift des Standesbeamten (§ 12 Abs 2 PStG; s Rz 12) vornehmen (vgl § 24 Abs 2 Z 6 und 7 PStG; Zeyringer, ÖStA 1995, 14; Hopf/Kathrein § 93 ABGB Rz 5; Stabentheiner/Rummel § 93 ABGB Rz 2; Koch/KBB § 93 ABGB Rz 4; aA [nur bis zur zweiten Ehekonsenserklärung vor dem Standesbeamten; eine Ehenamenswahl nach diesem Zeitpunkt und daher etwa bei der Beurkundung der Eheschließung ist verspätet] Mottl, NZ 1996, 333; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 93 ABGB Rz 2; Schwimann, EF-Z 2007, 120). Der Umstand, dass die Eintragung in das Ehebuch iS des § 24 Abs 2 Z 6 PStG nicht an eine bestimmte Frist geknüpft ist, begründet keine erheblichen Bedenken gegen diese Ansicht, weil in der Praxis die Eheschließung, die Ehenamenswahl und die Eintragung in das Ehebuch eine Einheit bilden. Wenn die Ehegatten eine Erklärung zur Namensgestaltung im Rahmen ihrer Privatautonomie (etwa zur Führung eines Doppelnamens) versäumen, können deren Wirkungen nur mehr durch eine verwaltungsbehördliche Namensänderung iS des § 2 Abs 1 Z 7 NÄG nachträglich herbeigeführt werden (Mottl, NZ 1996, 323; Stabentheiner/Rummel § 93 ABGB Rz 2). Nach der Eheschließung kann ein Ehegatte, der den Namen des anderen als gemeinsamen Familiennamen führt, somit durch eine solche Namensänderung einen Doppelnamen erlangen. § 2 Abs 1 Z 7 NÄG ermöglicht es einem Ehegatten überdies, mittels verwaltungsrechtlicher Namensänderung seinen Doppelnamen nach § 93 Abs 2 ABGB abzulegen und in Zukunft nur noch den gemeinsamen Familiennamen iS des § 93 Abs 1 ABGB zu führen.
G. Erklärungsform Die Namensbestimmung muss in Form einer öffentlichen Urkunde, die ent- 10 weder der Standesbeamte (vgl § 53 Abs 1 Z 3 und 4 PStG, s Rz 12) oder ein Notar beurkundet hat, oder durch eine öffentlich beglaubigte Privaturkunde vorgenommen werden. Diese einseitig unwiderrufliche Wahl des gemeinsamen Familiennamens ist als familien- und personenrechtliches Rechtsgeschäft eigener Art (Hopf/Kathrein § 93 ABGB Anm 4) – abgesehen von der Bezugnahme auf die spätere Eheschließung – bedingungs- und befristungsfeindlich (Koch/KBB § 93 ABGB Rz 4); beschränkt Geschäftsfähige benötigen dazu keine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (Hopf/Kathrein § 93 ABGB Anm 4 mwN; Koch/KBB § 93 ABGB Rz 4). Die für eine nachträgliche Namensgestaltung bei einer Eheschließung vor dem Inkrafttreten des NamRÄG 83
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am 1.5.1995 maßgebende Übergangsvorschrift des § 72a PStG trat mit 30.4. 2007 außer Kraft.
H. Namensänderungsgesetz 11 Wesentliche Bestimmungen des Namensänderungsgesetzes (NÄG) idF NamRÄG (BGBl 1995/25) und EPG (BGBl 2009/135) lauten: § 2. (1) Ein Grund für die Änderung des Familiennamens liegt vor, wenn 1. 2. 3. 4. 5.
der bisherige Familienname lächerlich oder anstößig wirkt; der bisherige Familienname schwer auszusprechen oder zu schreiben ist; (. . .) (. . .) der Antragsteller einen Familiennamen erhalten will, den er früher zu Recht geführt hat; 6. (. . .) 7. (. . .) der Antragsteller einen Doppelnamen nach § 93 Abs 2 ABGB wünscht oder bereits zu führen hat und den gemeinsamen Familiennamen ohne Voran- oder Nachstellung seines früheren Familiennamens führen will; 7a. der Antragsteller einen Nachnamen erhalten will, der gleich lautet wie der seines eingetragenen Partners und dies gemeinsam mit der Begründung der eingetragenen Partnerschaft beantragt; damit kann auch der Antrag verbunden sein, als höchstpersönliches, nicht ableitbares Recht seinen bisherigen Nachnamen voran- oder nachzustellen; 8. der Antragsteller den Familiennamen seiner Eltern oder eines Elternteils erhalten will oder der Antragsteller den Familiennamen einer Person erhalten will, von der er seinen Familiennamen abgeleitet hat und deren Familienname geändert worden ist oder dessen Änderung beantragt ist; 9. der minderjährige Antragsteller den Familiennamen der Person erhalten soll, der die Obsorge für ihn zukommt oder in deren Pflege er sich befindet und das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist; 10. der Antragsteller glaubhaft macht, dass die Änderung des Familiennamens notwendig ist, um unzumutbare Nachteile in wirtschaftlicher Hinsicht oder in seinen sozialen Beziehungen zu vermeiden und diese Nachteile auf andere Weise nicht abgewendet werden können; 11. der Antragsteller aus sonstigen Gründen einen anderen Familiennamen wünscht. (. . .) § 3. (1) Die Änderung des Familiennamens oder Vornamens darf nicht bewilligt werden, wenn 1. 2. 3. 4.
die Änderung des Familiennamens die Umgehung von Rechtsvorschriften ermöglichen würde; (. . .) (. . .) der beantragte Familienname aus mehreren Namen zusammengesetzt ist;
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Familienname
(. . .) (2) Die Namensänderung ist jedoch zulässig, wenn 1. im Fall des Abs 1 Z 4 (a) der Antragsteller den Familiennamen einer Person erhalten soll, die rechtmäßig einen aus mehreren Namen zusammengesetzten Familiennamen führt, von dem der Name einer anderen Person abgeleitet werden kann, oder (b) der Antragsteller in sinngemäßer Anwendung des § 93 Abs 2 ABGB nach der Eheschließung einen Doppelnamen erhalten soll und angeführt wird, welcher Bestandteil des Doppelnamens gemeinsamer Familienname (§ 93 Abs 1 ABGB) ist, oder (c) der Antragsteller im Falle des § 2 Abs 1 Z 7a dem durch behördliche Namensänderung erlangten Nachnamen seinen bisherigen Nachnamen voran- oder nachstellen will; 2. (. . .)
I. Personenstandsgesetz Wesentliche Bestimmungen des Personenstandsgesetzes (PStG, BGBl 1983/ 12 60) idF EPG (BGBl 2009/135) lauten: § 1. (1) Die Personenstandsbücher dienen der Beurkundung der Geburt, der Eheschließung, der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und des Todes von Personen und ihres Personenstandes. (2) (. . .) § 12. (1) (. . .) (2) Beurkundungen sind durch die Unterschrift des Beamten abzuschließen. § 24. (1) Die Eheschließung ist in Anwesenheit der Verlobten und der Zeugen zu beurkunden. (2) In das Ehebuch sind einzutragen 1. bis 5. (. . .) 6. Erklärungen der Verlobten über die Bestimmung des gemeinsamen Familiennamens oder die Weiterführung des bisherigen Familiennamens durch einen Ehegatten, über die Voran- und Nachstellung des bisherigen Familiennamens und über die Bestimmung des Familiennamens der aus der Ehe stammenden Kinder; (. . .) § 26a. (1) Die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft erfolgt in Anwesenheit der Partnerschaftswerber vor der Bezirksverwaltungsbehörde in Form einer Niederschrift (§ 6 Abs 2 EPG).
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(2) In das Partnerschaftsbuch sind einzutragen 1. die Nachnamen und die Vornamen der eingetragenen Partner, ihr Wohnort, der Tag, der Ort und die Eintragung ihrer Geburt sowie die Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft; 2. der Tag und der Ort der Begründung der eingetragenen Partnerschaft sowie die Bezeichnung der Behörde und der Name des Beamten, vor dem diese begründet wurde. (. . .) § 34a. Die Partnerschaftsurkunde hat zu enthalten 1. die Nachnamen und die Vornamen der Partner, ihre Familien- oder Nachnamen vor der Begründung der eingetragenen Partnerschaft, ihren Wohnort, den Tag, den Ort und die Eintragung ihrer Geburt sowie die Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft; 2. den Tag und den Ort der Begründung der eingetragenen Partnerschaft sowie die Bezeichnung der Behörde und den Namen des Beamten, vor dem die Begründung erfolgte; 3. an der für Vermerke vorgesehenen Stelle die Auflösung oder Nichtigerklärung der eingetragenen Partnerschaft. § 47. (1) Die Personenstandsbehörde hat die Trauung in einer Form und an einem Ort vorzunehmen, die der Bedeutung der Ehe entsprechen. (2) Der Standesbeamte hat die Verlobten in Gegenwart von zwei Zeugen einzeln und nacheinander zu fragen, ob sie die Ehe miteinander eingehen wollen, und nach Bejahung der Frage auszusprechen, dass sie rechtmäßig verbundene Eheleute sind. § 47a. (1) Der Beamte der Bezirksverwaltungsbehörde hat in Anwesenheit beider Partnerschaftswerber in den Amtsräumen der Bezirksverwaltungsbehörde eine Niederschrift über die Begründung der eingetragenen Partnerschaft aufzunehmen. (2) (. . .) (3) Die Partnerschaft ist begründet, wenn die Niederschrift von beiden Partnerschaftswerbern und vom Beamten der Bezirksverwaltungsbehörde unter Beifügung des Amtssiegels unterfertigt wurde. § 53. (1) Der Standesbeamte hat zu beurkunden und zu beglaubigen (. . .) 3. die Erklärungen der Verlobten über die Bestimmung ihres nach der Eheschließung zu führenden gemeinsamen Familiennamens oder die Weiterführung des bisherigen Familiennamens durch einen Ehegatten und über die Voran- und Nachstellung des bisherigen Familiennamens; 4. die Erklärungen der Verlobten über die Bestimmung des Familiennamens der aus der Ehe stammenden Kinder; 5. die Erklärung, durch die ein Ehegatte, dessen Ehe aufgelöst ist, einen früheren Familiennamen wieder annimmt (. . .).
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(1a) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft einer Person, die nicht voll geschäftsfähig ist, zu beurkunden und zu beglaubigen. § 54. (1) Werden die im § 53 Abs 1 Z 1 und 3 bis 6 angeführten Erklärungen nicht vor dem zuständigen Standesbeamten abgegeben, so sind sie diesem in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde zu übermitteln. (1a) Werden die in § 53 Abs 1a angeführten Erklärungen nicht vor der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde abgegeben, so sind sie dieser in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde zu übermitteln. (2) Zuständig ist 1. (. . .) 2. für die im § 53 Abs 1 Z 3 angeführten Erklärungen die Personenstandsbehörde, in deren Ehebuch die Ehe eingetragen ist; 3. für die im § 53 Abs 1 Z 4 angeführten Erklärungen die Personenstandsbehörde, in deren Ehebuch die Ehe eingetragen ist; 4. für die im § 53 Abs 1 Z 5 angeführten Erklärungen die Personenstandsbehörde, in deren Ehebuch die Ehe eingetragen ist; 5. (. . .); 6. falls die Geburt oder die Ehe nicht in einem inländischen Geburtenbuch bzw Ehebuch eingetragen ist, die Gemeinde Wien; 7. falls die Begründung der eingetragenen Partnerschaft nicht in einem inländischen Partnerschaftsbuch eingetragen ist, der Magistrat der Stadt Wien. (. . .) § 72b. § 93a ABGB in der ab dem 1. Mai 1995 geltenden Fassung gilt für die Wiederannahme des Geschlechtsnamens entsprechend.
§ 93a. Eine Person, deren Ehe aufgelöst ist, kann dem Standesbeamten gegenüber in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, einen früheren Familiennamen wieder anzunehmen. Ein Familienname, der von einem früheren Ehegatten aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe abgeleitet wird, darf nur wieder angenommen werden, wenn aus dieser früheren Ehe Nachkommenschaft vorhanden ist. [Eingeführt durch NamRÄG BGBl 1995/25] Lit: s § 93 ABGB.
§ 93a ABGB regelt die Wiederannahme eines früheren Familiennamens 1 nach Auflösung einer Ehe durch Tod, Scheidung oder Aufhebung. Diese Wiederannahme des früheren Namens erfolgt durch eine (in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde abgegebene) Erklärung an den zuständigen (vgl dazu § 54 Abs 2 Z 4 PStG; s § 93 ABGB Rz 12) Standesbeamten. Voraus87
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setzung für diese Namensänderung ist die Auflösung der Ehe, wobei bei Scheidung oder Aufhebung die Rechtskraft der Gerichtsentscheidung erforderlich ist. 2 Während die Ehegatten nach einer Nichtigerklärung ihrer Ehe rückwirkend wieder den bei deren Eingehung geführten Familiennamen erhalten (s Rz 5), hat die Auflösung der Ehe durch Aufhebung, Scheidung oder Tod eines Ehegatten grundsätzlich keinen Einfluss auf den Familiennamen (zur Beibehaltung des Familiennamens nach Scheidung bzw Aufhebung der Ehe vgl §§ 42, 62 EheG). Dieser Grundsatz gilt auch für einen während aufrechter Ehe geführten Doppelnamen iS des § 93 Abs 2 ABGB. Die §§ 64 und 65 EheG über die Untersagung der Weiterführung eines abgeleiteten Namens durch den Mann bzw das Vormundschaftsgericht wurden durch das NamRÄG (BGBl 1995/25) ersatzlos aufgehoben. 3 Gem § 93a ABGB kann jeder Ehegatte (zur Einschränkung des Anwendungsbereichs Rz 4) nach Eheauflösung durch eine unbefristete (Mottl, NZ 1996, 324), aber formgebundene Erklärung gegenüber dem Standesbeamten einen früheren Familiennamen (daher auch den Geschlechtsnamen [vgl § 72b PStG; s Rz 12]) wieder annehmen (Zeyringer, ÖStA 1995, 15, und ÖStA 1995, 64; Hopf/Kathrein § 93a ABGB Anm 2; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 93a ABGB Rz 1; Koch/KBB § 93a ABGB Rz 1). Diese Wiederannahme eines früheren Namens ist von einer neuerlichen Eheschließung unabhängig. Der wieder angenommene Name kann bei einer weiteren Eheschließung zum gemeinsamen Familiennamen iS des § 93 Abs 1 ABGB bestimmt bzw diesem gem § 93 Abs 2 ABGB voran- oder nachgestellt werden (Mottl, NZ 1996, 324; vgl auch § 93 ABGB Rz 4). Der frühere Ehegatte kann somit grundsätzlich zwischen verschiedenen Namen wählen. Auch ein früherer Doppelname kann wieder angenommen werden, sofern dieser die genannten Voraussetzungen erfüllt (Koch/KBB § 93a ABGB Rz 1; aM Stabentheiner/Rummel § 93a ABGB Rz 3), zumal die gesetzliche Regelung keine solche Ausnahme vorsieht. Ein Familienname, der aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe abgeleitet wird, darf aber nur dann wieder angenommen werden, wenn aus dieser Ehe noch lebende Nachkommen vorhanden sind; darunter sind Kinder oder Enkel, aber auch Adoptivkinder und deren Nachkommen zu verstehen, weil zwischen Adoptiveltern und Adoptivkindern gem 182 Abs 1 ABGB die gleichen Rechte wie durch eheliche Abstammung begründet werden und eine Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt wäre (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 93a ABGB Rz 1; Koch/KBB § 93a ABGB Rz 1; Schranz, RZ 2009, 74; aA [Wahlkinder sind davon nicht erfasst] Zeyringer, ÖStA 1995, 15; Mottl, NZ 1996, 324; Deixler-Hübner, iFamZ 2007, 159). Dieser Anspruch, den früheren Familiennamen aus einer geschiedenen Ehe wieder anzunehmen, besteht ohne Rücksicht darauf, welchen Namen die Kinder aus dieser Ehe nunmehr führen. 88
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Ehegattenunterhaltsrecht
Im Gegensatz zu den besonders geregelten Voraussetzungen für die Wiederannahme eines früheren Familiennamens nach Scheidung oder Aufhebung der Ehe kann ein Familienname aus einer durch den Tod des anderen Ehegatten aufgelösten Ehe hingegen auch dann wieder angenommen werden, wenn aus dieser Ehe keine Nachkommen vorhanden sind. Nach dem Gesetzestext des § 93a ABGB kommt das Recht, einen früheren Fa- 4 miliennamen wieder anzunehmen, jedem Ehegatten zu. Die Vorschrift muss aber auf jene Fälle teleologisch reduziert werden, in denen die Ehegatten einen gemeinsamen Familiennamen geführt haben, weil nur dann ein berechtigtes Bedürfnis, den Ehenamen nach der Auflösung der Ehe nicht weiterführen zu müssen, argumentiert werden kann und somit ein schützenswertes Interesse an einer Namensänderung besteht (Mottl, NZ 1996, 324; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 93a ABGB Rz 2; Koch/KBB § 93a ABGB Rz 1). Demnach haben sowohl jene Ehegatten, die einen der bisherigen Namen der beiden Partner als gemeinsamen Familiennamen geführt haben, als auch die Ehegatten, die einen Doppelnamen iS des § 93 Abs 2 AGB gewählt haben, die Möglichkeit zum Namenswechsel nach der Eheauflösung; jenen Ehegatten, die ihre bisherigen Familiennamen nach der Eheschließung gem § 93 Abs 3 ABGB beibehalten haben, steht das Wiederannahmerecht nicht zu. § 93a ABGB gilt für alle ab dem 1.5.1995 durch Scheidung, Aufhebung oder Tod 5 aufgelösten Ehen und ist nicht für die Ehenichtigkeit anwendbar. Hatten die Ehegatten in der nichtig erklärten Ehe einen gemeinsamen Familiennamen geführt, erlangen sie mit Nichtigerklärung ihre vor der Ehe geführten Namen wieder (KW I 459). Wenn sie in der Ehe ihre bisherigen Familiennamen weitergeführt hatten, so bleibt es auch nach Nichtigerklärung der Ehe bei dieser Regelung.
Ehegattenunterhaltsrecht § 94. (1) Die Ehegatten haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. (2) Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag.
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Gitschthaler
(3) Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den Unterhaltsanspruch an sich kann im vorhinein nicht verzichtet werden. [Abs 1, 2 und 3 Satz 2 geändert durch EheRwG 1975; Abs 3 Satz 1 eingefügt durch EheRÄG 1999] Lit: Aicher, Ehescheidung und Scheidungsfolgen, in Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979) 129; ders, Die Reform des Rechts der Ehescheidung und der unterhaltsrechtlichen Scheidungsfolgen in Österreich, FamRZ 1980, 637; Aichhorn (Hrsg), Unterhalt – Obsorge – Kinderbetreuungsgeld aus (frauen)rechtlicher Perspektive (2003); N. Arnold, PSG2 (2007); Battlogg, Die Inflationskomponente im Unterhaltsrecht, AnwBl 2001, 313; M. Bauer, Zum Ehegattenunterhalt zwischen Rechtskraft des Scheidungsausspruchs und Rechtskraft der Verschuldensentscheidung – uneinheitliche Lösungsansätze in Rechtsprechung und Lehre, iFamZ 2009, 354; Beclin, Sind nicht verheiratete Eltern einander zu Unterhalt verpflichtet? EF-Z 2007, 10; Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2006); Berka-Böckle, Der verschuldensunabhängige Anspruch nach § 68a EheG, JBl 2004, 223; Bienert-Nießl, Materiellrechtliche Aufklärungspflichten aus der Perspektive des Zivilprozesses (2003); Birek, Unterhaltsrückstände und Konkurs, Zik 2008, 146; Brugger, Die Barunterhaltspflicht eines vermögens- und einkommenslosen Elternteils gegenüber Kindern aus einer früheren Ehe, ÖZ 2001, 11; Buchwalder, Unterhalt bei aufrechter Ehe – die Berücksichtigung von Einkünften des unterhaltsberechtigten Ehegatten, iFamZ 2008, 27; dies, Unterhalt bei aufrechter Ehe (2008); Csoklich, Privatstiftung und Scheidung, RdW 2000, 371; Deixler-Hübner, Zur Anrechnung von Geld- und Naturalunterhalt, ecolex 2001, 110; Ent, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 149; Ent/Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (1976); Eypeltauer, Verjährungshemmung und Familie – Ein Beitrag zur Auslegung von § 1495 erster Satz ABGB, RZ 1991, 26; Ferrari-HofmannWellenhof, Einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Form einer Doppelverdienerehe – Bindung an einvernehmliche Gestaltung – Bedeutung für nachehelichen Unterhaltsanspruch, JBl 1991, 714; Ferrari, Unterhaltspflichten zwischen erwachsenen Personen im österreichischen Recht, in Schwab/Henrich (Hrsg), Familiäre Solidarität – Die Begründung und die Grenzen der Unterhaltspflicht im europäischen Vergleich (1997), 149; Ferrari/Koch-Hipp, Eherecht in Österreich, in Süß/Ring, Eherecht in Europa (2006), 891; Fischer-Czermak, Patchworkfamilien: Reformbedarf im Unterhaltsrecht? EF-Z 2007/50; Gamerith, Zum Unterhaltsanspruch von Ehegatten und volljährigen Kindern, ÖA 1988, 63; Gimpl-Hinteregger, Reformnotwendigkeiten im österreichischen Ehe- und Scheidungsrecht, in Floßmann (Hrsg), Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit (1997), 193; Gitschthaler, Zur Rückforderbarkeit zu Unrecht bezahlter Unterhaltsbeiträge, ÖJZ 1995, 652; ders, Zur finanziellen Belastbarkeit eines Unterhaltspflichtigen – Anmerkungen zu OGH 22.2.1995, 9 Ob 507/95, JBl 1995, 808; ders, Die Anspannungstheorie im Unterhaltsrecht – 20 Jahre später, ÖJZ 1996, 553; ders, Familienbeihilfe, Kindesunterhalt und der Oberste Gerichtshof, ÖJZ 2003, 821; ders, Die neue Unterhaltsrechtsprechung nach der teilweisen Aufhebung des § 12a FamLAG, ÖA 2003, 158; ders, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9; ders, Eine (kurze) Anmerkung zum neuen Kinderbetreuungsgeld aus unterhaltsrechtlicher Sicht, EF-Z 2008, 45; ders, Scheinvaterregress – Bereicherung
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Ehegattenunterhaltsrecht
oder Schadenersatz, EF-Z 2009, 129; ders, Ende von Differenzmethode & genereller Abzugsfähigkeit von Zahlungsplanraten und Abschöpfungsbeträgen, EF-Z 2010, 146; ders, Neue Betreuungsmodelle – neue Unterhaltsmodelle, EF-Z 2010, 172; Gitschthaler/Simma, Die Sicherung der Existenz des Gemeinschuldners und seiner Familie im Konkurs, EF-Z 2007, 130 (Teil I), 170 (Teil II); C. Graf, Auskunftspflichten im Unterhaltsrecht, Zak 2007, 243; Haberl, Der Regressanspruch des Sozialhilfeträgers, EF-Z 2007, 4; Harrer-Hörzinger, Zur Auskunftspflicht zwischen dem Unterhaltsschuldner und dem Unterhaltsberechtigten, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 29; Hauß, Unterhalt und Verbraucherinsolvenz, FamRZ 2006, 1496; Heinke, Der Tod im Zivilprozess (2007); Hinteregger, Die Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, ÖJZ 1999, 741; Hirmann, Zur Einkommensberechnung bei einem nicht buchführenden Landwirt, SV 1984/4, 2; Hoffmann, Einstweiliger Rechtsschutz im Familienrecht (§ 382 Z 8 EO), AnwBl 1984, 87; Holler, Der Abfertigungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers, ÖJZ 1980, 372; Hopf, Eherechts-Änderungsgesetz 1999 im Überblick, in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform in Österreich (2000), 1; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 821, 861; Hoyer, Entscheidungsgründe im „besonders gelagerten Fall“, JBl 1989, 199; ders, Unterhaltsrechtsprechung findet den Weg zurück zum Gesetz, JBl 1999, 201; ders, Betreuung eines Kindes aus einer Beziehung mit einem anderen Mann und Unterhaltsanspruch, EF-Z 2010, 187; Huber, Endgültige Zuweisung bei einstweiligem Unterhalt, JBl 1984, 182; Jesser-Huß, Ehegattenunterhalt während aufrechter Ehe und nach der Scheidung, in Deixler-Hübner (Hrsg), Die rechtliche Stellung der Frau (1998), 13; B. Jud, Nachehelicher Unterhalt und Privatstiftung, in Eiselsberg (Hrsg), Stiftungsrecht Jahrbuch 2008 (2008), 159; Kerschner, Gesellschaftspolitische Tendenzen in der Zivilrechtsjudikatur, RZ 1995, 271; G. Kodek, Unterhalt und Konkurs – ein Leitfaden für die Praxis, Der Rechtspfleger 1/2004, 17; ders, Zur Unterhaltsbemessung im Konkurs, Zak 2006, 146; Kohlegger, Der Schwerpunkt der Familienrechtsreform: Das Bundesgesetz über die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, ÖJZ 1975, 85; Kolmasch, Anspannung des Unterhaltsschuldners bei Auslandsbeziehungen, Zak 2006, 150; ders, Wohnversorgung als Naturalunterhalt, Zak 2008, 346; ders, Auswirkungen des Kinderbetreuungsgeldes auf Unterhaltsansprüche und -pflichten des Beziehers, Zak 2009, 66; ders, Unterhaltsbemessung während der Insolvenz: Rückkehr zur früheren Judikatur, Zak 2010, 289; Koziol, Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit und Regreßansprüche eines Drittzahlers, JBl 1978, 626; Kryda, Der Abfertigungsanspruch nach dem verstorbenen Ehegatten, SWK 1979, B I 1; Lackner, Das neue Unterhaltsrecht der Ehegatten in der Praxis, ÖJZ 1977, 197; ders, Die Auslegung des § 94 in der Praxis, ÖJZ 1978, 542; ders, Gleichbehandlung im Unterhaltsanspruch der Ehegatten? RZ 1992, 62; ders, Die Unterhaltspflicht des nicht erwerbstätigen Ehegatten (Lebensgefährten) gegenüber vorehelichen, nicht familienzugehörigen Kindern, ÖA 1996, 175; ders, Und noch einmal – Gleichheit im Unterhaltsrecht, RZ 1999, 194; Langheinrich/Ryda, Kinder im Steuerrecht (Teil IIIa), FJ 2005, 346; Leitzenberger, Kann eine einkommenslose Ehefrau zu einer Unterhaltsleistung für ein Kind aus einer früheren Ehe verpflichtet werden? ÖA 1984, 83; Limberg, Privatstiftung und Unterhalt, EF-Z 2008, 175; Lochmann/Wachter, Das unterhaltsrechtliche Einkommen der Selbstständigen im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, ÖA 2003, 62; dies, Besonderheiten bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens bei Beteiligung des Unterhaltsschuldners an Kapitalgesellschaften, ÖA 2003, 211; Loewe, Erneuerung des österreichischen internationalen Zivilverfahrensrechts, ZfRV 1983, 181; Marhold, Neues Unterhaltsrecht und Abfertigung, ZAS 1981, 128; Migsch, Persönliche Rechtswirkungen, gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht, in Floretta, Ehe- und Kindschaftsrecht (1979), 17; Neuhauser, Unterhaltserhöhung durch Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens? Zak 2007, 83; ders, Rückständige gesetzliche Unterhaltsfor-
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derungen als Konkursforderungen und Konkursantragspflicht, Zak 2008, 89; ders, Unterhalt und Insolvenz: OGH bekräftigt ältere Judikatur zum „140er“, iFamZ 2010, 184; Perner/ Spitzer, Unterhaltserhöhung nach Körperverletzung und Regress – kein Problem des Bereicherungsrechts, EF-Z 2006, 36; H. Pichler, Die Anspannungstheorie im Unterhaltsrecht: Begriff und Anwendungsbereich, ÖA 1976, 53; ders, Zur Beweislastverteilung bei der Unterhaltsbemessung, ÖA 1981, 67; ders, Wie lange noch: „Kein Unterhalt für die Vergangenheit“? JBl 1986, 335; ders, Die Verjährung von Unterhaltsansprüchen, ÖA 1986, 67; ders, Gedanken zum Unterhalt für die Vergangenheit, ÖA 1988, 68; ders, Unterhalt für die Vergangenheit, JAP 1990/91, 42; ders, Konkurs – Privatkonkurs – Unterhalt, ÖA 1995, 43; ders, Die unterhaltsrechtliche Stellung des Elternteils, der das Kind betreut, ÖA 1997, 109; ders, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖA 2000, 62; J. Pichler, Nemo pro praeterito alitur? ÖJZ 1964, 60; Rabl, Die Zulässigkeit eines Unterhaltsverzichts während aufrechter Ehe, ÖJZ 2000, 591; Rassi, Umgang mit Beweisschwierigkeiten im Unterhaltsverfahren, EF-Z 2010, 212 (I), EF-Z 2011, 14 (II); Reckenzaun, Die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegen den Gemeinschuldner, ÖJZ 1994, 113; Reinl, Unterhaltsvereinbarung und Umstandsklausel, JBl 1977, 176; Reischauer, Unterhalt für die Vergangenheit und materielle Rechtskraft, JBl 2000, 421; Riedmann, Privatstiftung und Schutz der Gläubiger des Stifters (2004); Salzmann, Die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage, SV 1990/1, 8; Schauer, Privatstiftung: Typische Konfliktfälle aus familien- und erbrechtlicher Sicht, in Kathrein & Co (Hrsg), Stiftungsletter 8 (2006), 15; Schmidt, Barunterhaltspflicht der wiederverheirateten, einkommens- und vermögenslosen Kindesmutter, RZ 1987, 158; Schneider, Außerstreitverfahren und Konkurs – zum neuen § 8a KO, ZIK 2006, 38; Schüch, Die Unterhaltsbemessungsgrundlage im Unterhaltsstreit, ÖA 1981, 65; Schürmann, Die Entnahme – Einblicke in die Lebensverhältnisse, FamRZ 2002, 1149; Schwimann, Leistung von Kindesunterhalt aus eigenen Unterhaltseinnahmen der Eltern? NZ 1998, 289; ders, Zum Unterhalt volljähriger Kinder, NZ 2004, 97; Schwind, Einige Unterhaltsfragen im Eherecht, ÖJZ 1954, 499; Siart/Dürauer, Der Beobachtungszeitraum für die Unterhaltsbemessung bei selbständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen, EF-Z 2008, 9; dies, Die Unterhaltsbemessung bei beherrschendem Einfluss auf eine GmbH, EF-Z 2009, 48; dies, Die Behandlung von Krediten bei der Unterhaltsbemessung, iFamZ 2008, 308; dies, Die Auswirkung von Investitionen, Abschreibungen und Krediten auf die Unterhaltsbemessung, EF-Z 2010, 183; A. Simma, Zahlungsplan und Unterhaltsbemessung, ZIK 2009/126; dies, Vorhang für Differenzmethode zu und alle Fragen offen, ZIK 2010, 122; Spielbüchler, DRdA 1981, 180 (Rezension); V. Steininger, Die persönlichen Ehewirkungen im neuen österreichischen Recht, FamRZ 1979, 774; Thöni, Geldunterhalt und Naturalunterhalt, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 3; Verschraegen, Mitversicherungsbeitrag und Unterhalt, ÖJZ 2003, 16; Weinrichter, Zum Unterhaltsanspruch von Aszendenten insb bei deren Heimunterbringung – Interpretation des § 143 ABGB als „Sonderbedarfsregel“, iFamZ 2007, 232; Wieland, Auswirkungen der unentgeltlichen Nutzung einer Eigentumswohnung auf die Unterhaltsbemessung, ÖA 2005, 138; ders, Privatentnahmen im Unterhaltsrecht, iFamZ 2007, 208; Wit, Probleme der Teileinklagung und Rechtskraft unter besonderer Berücksichtigung der Unterhaltsansprüche, JBl 1981, 406; Wentzel, Unterhaltspflicht und Prozeßkostentragung, ÖJZ 1948, 386; Zankl, Unterhaltsrechtliche Partizipation am Vermögenszuwachs bei Getrenntleben? ecolex 2001, 272; Zemen, Der Schutz des Empfängers von rechtsgrundlosen, jedoch gutgläubig verbrauchten Leistungen, ZAS 1979, 163; Zencica, Konkurs der Unterhaltsbemessung? ÖA 2006, 63.
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Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleichberechtigte Partnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterhaltsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterhaltsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zeitlicher Anwendungsbereich des § 94 ABGB . . . . . . . . 1. Beginn und Ende des Unterhaltsanspruchs . . . . . . . . 2. Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Änderung eines bestehenden Titels . . . . . . . . . . . . c) Rückforderbarkeit von Unterhaltsleistungen . . . . . d) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Unterhaltsbemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachbezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Öffentlich-rechtliche Leistungen . . . . . . . . . . . . . d) Unterhaltsempfänge/freiwillige Zuwendungen . . . . e) Unselbstständig Erwerbstätige . . . . . . . . . . . . . . . f) Selbstständig Erwerbstätige . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Vermögenserträgnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspannungseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Berufswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Auslandswohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Haft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Karenzurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Fiktive Vermögenserträgnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insolvenz des Unterhaltspflichtigen . . . . . . . . . . . . . 4. Vermögensstamm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufwendungen, Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Unterhaltshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelnen Anspruchsfälle des § 94 ABGB . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haushaltsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einkommen/Vermögen des Unterhaltsberechtigten e) Höhe des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anspannung des Unterhaltsberechtigten . . . . . . . . 3. Belastbarkeitsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Geldunterhalt oder Naturalunterhalt . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsamer Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterhaltsverletzung/Haushaltstrennung . . . . . . .
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1–15 1–3 4–7 8–13 14–15 16–35 16–21 22–35 22 23–25 26–30 31–35 36–179 36–96 36–41 42–44 45–46 47–49 50–68 69–88 89–96 97–145 97–108 109–112 113–120 121–123 124–125 126–130 131–134 135 136–145 146–152 153–160 161–179 180–273 180–186 187–230 187–189 190–195 196 197–208 209–220 221–230 231–235 236–266 236–238 239–243
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c) Naturalunterhaltsleistungen . . . . . . . . . . . 5. Unterhaltsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . E. Änderung der Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umstandsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschluss der Umstandsklausel . . . . . . . . . . 3. Sachverhaltsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Änderungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Neufestsetzung der Unterhaltsverpflichtung F. Verlust des Unterhaltsanspruchs . . . . . . . . . . . . 1. Verschweigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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244–266 267–273 274–293 274–278 279–282 283–287 288–291 292–293 294–329 294–297 298–304 305–309 310–329 330–341
A. Allgemeines 1. Gleichberechtigte Partnerschaft
1 Mit dem EheRwG 1975 ging der Gesetzgeber vom Prinzip der Hausfrauenehe ab (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18). Seitdem verpflichtet § 94 Abs 1 ABGB beide Ehegatten dazu, zur Bestreitung des ehelichen Lebensaufwands gemeinsam (iS einer gleichberechtigten und gleichverpflichtenden Partnerschaft [1 Ob 548/77 = EvBl 1977/219 = EF 28.554, 28.561; 2 Ob 202/83]) beizutragen (Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 2; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18; Hinteregger, Familienrecht 60). Der allgemeinen Regel bei Dauerschuldverhältnissen folgend und im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot des § 5 ABGB sind dabei (Unterhalts-)Zeiträume vor dem 1.1.1976 nach § 91 ABGB idF vor dem EheRwG, solche bis 31.12.1999 nach § 94 ABGB idF EheRwG und solche ab 1.1.2000 nach § 94 ABGB idF KindRÄG 1999 zu beurteilen (1 Ob 549/76 = JBl 1976, 481; 6 Ob 521/77 = EvBl 1977/218; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 23). Die jeweils neue Rechtslage bricht dabei auch die Rechtskraft bzw -wirksamkeit früherer Unterhaltstitel (1 Ob 548/ 77 = EvBl 1977/219). 2 Nach der hL (Aicher/Ostheim 106; Lackner, ÖJZ 1978, 542; Kerschner, JBl 1979, 563; Purtscheller/Salzmann Rz 72; Pichler/Rummel2 § 94 ABGB Rz 1; Schwimann2, 118; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 2; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18) soll § 94 Abs 1 ABGB zwar nicht dahingehend verstanden werden, dass sich jeder Ehegatte zunächst selbst zu erhalten habe, weil die primäre Deckung nur des eigenen Unterhalts dem Beistandsgrundsatz widerspräche; eine diesbezügliche Vereinbarung wäre jedoch zulässig (OLG Wien EF 28.555; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 9). Allerdings kommt ein Unterhaltsanspruch nicht in Betracht, wenn beide Ehegatten über ein zur Deckung der 94
Ehegattenunterhaltsrecht – Allgemeines
§ 94 ABGB
ihren gemeinsamen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse hinreichendes eigenes Einkommen verfügen (3 Ob 542/79 = EF 32.719; 1 Ob 714/ 85; vgl auch 1 Ob 548/77 = EF XIV/2; 6 Ob 521/77 ua = EF 28.564; 6 Ob 722/77 = RZ 1978/16; Schwimann2, 118). Die Beiträge der Ehegatten bilden einen (gemeinsamen) Fonds, aus dem 3 ihre gemeinsamen und individuellen Bedürfnisse zu decken sind (Schwind 54; Gamerith, ÖA 1988, 63; Purtscheller/Salzmann Rz 72; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18). Nach anderer Ansicht ist die Bedürfnisbefriedigung ist als arbeitsteilige gedacht, deren Organisation dem Einvernehmen der Ehegatten anheimgestellt ist (Schwimann2, 118; Schwimann/Kolmasch 159; Schwimann/ Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 12). Bedeutende Unterschiede ergeben die beiden Sichtweisen wohl nicht, weil jedenfalls Arbeitsteilung und Organisation im Einvernehmen im Vordergrund stehen (vgl 8 Ob 511/80 = EF 35.163). Sind daher beide Ehegatten erwerbstätig, hat der Ehegatte mit dem höheren Einkommen auch einen höheren Beitrag zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu leisten (1 Ob 508/77 = JBl 1979, 39; 1 Ob 548/77 = EvBl 1977/219 = JBl 1978, 539; 7 Ob 540/82). Die Beitragspflicht des § 94 Abs 1 ABGB ist nicht zwingend mit (Geld-) Unterhaltspflicht gleichzusetzen (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 1), sondern umfasst sowohl Geld- als auch Arbeits- als auch Naturalleistungen (Gamerith, ÖA 1988, 63; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 3). Diese sind wechselseitig und in dem Ausmaß zu erbringen, welches zur Deckung der angemessenen Bedürfnisse notwendig und jedem der Ehegatten auch nach seinen Kräften zumutbar ist (zur Anspannung vgl Rz 97 ff); gerade in ihren Unterhaltsbeziehungen haben die Ehegatten aber im Rahmen anständiger Begegnung (§ 90 Abs 1 ABGB) aufeinander Rücksicht zu nehmen (vgl Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 14). 2. Unterhaltsbedarf
Unterhalt dient der Befriedigung der notwendigen und üblichen materiellen 4 (erlaubten) menschlichen Bedürfnisse (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 1). Dazu gehören vor allem Nahrung, Kleidung, Wohnen (1 Ob 535/83 = EF 42.517; 1 Ob 514/94 = EF 73.800) einschließlich Beheizung und Stromversorgung, Hygiene (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 1), sonstige leibliche (einschließlich Tabak und Alkohol, nicht jedoch anderer Drogen [Schwimann/Kolmasch 4]) und geistige (Kultur, Erholung, Freizeitgestaltung, Benützung von Kommunikations- und Massenmedien sowie Verkehrsmitteln) Bedürfnisse, medizinische Versorgung (vgl auch Rz 13) und Betreuung (1 Ob 535/83 = EF 42.517; 1 Ob 514/94 = EF 73.800), physische Pflege (3 Ob 613/79 = EF 35.243; 2 Ob 41/82) und notwendige Prozess- und Anwaltskosten (vgl § 382 EO Rz 10), aber auch – jedenfalls bei gehobenen Le95
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Gitschthaler
bensverhältnissen – eine Haushaltshilfe (1 Ob 677/83; 1 Ob 720/83 = ÖA 1984, 102; 1 Ob 122/97s; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 568/5), (Zusatz-) Versicherungen (Kranken- [Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 9], Pensions[Kerschner, Familienrecht Rz 2/51; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 9; vgl auch Verschraegen, ÖJZ 2003, 16] und Unfall-, nicht jedoch Lebensversicherungen; vgl Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 1) und Taschengeld zur Abdeckung individueller Bedürfnisse, deren naturale Abdeckung eine unerträgliche Bevormundung bedeuten würde (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 22; Schwimann/Kolmasch 180; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 1; vgl dazu auch Rz 250). 5 Keinen Unterhaltsbedarf stellen hingegen Begräbniskosten dar (4 Ob 204/ 99z = EF 88.906, 88.914; Schwimann/Kolmasch 157). Allerdings ergibt sich die Verpflichtung des überlebenden Ehegatten zu deren Tragung aus dem Grundsatz, dass die nahe Verwandtschaft, aus der die Unterhaltspflicht folgt, gegenseitige Rechte und Pflichten begründet, die sich nicht in Unterhaltsleistungen erschöpfen [vgl 4 Ob 204/99z = EF 88.906, 88.914]). Schwimann/Kolmasch (157) meinen zwar zutr, die Begräbniskosten seien „primär doch zweifellos“ vom Nachlass bzw den Erben zu bezahlen; dies setzt aber einen ausreichenden Nachlass voraus. Auch Vermögensbildung (Aicher/Ostheim 111; Schwimann2, 115; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 11; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 13) und in Geld nicht bewertbare Ansprüche wie etwa jene auf menschliche Begegnung, seelischen Beistand oder sexuelle Kontakte (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 1) stellen keinen Unterhaltsbedarf darf. 6 Der Unterhaltsbedarf verringert sich, wenn der Unterhaltsberechtigte selbst über eine Eigentumswohnung oder ein Haus (2 Ob 230/00p = EF 97.273; 1 Ob 159/03v) oder zumindest über ein Wohn(fruchtgenuss)recht (1 Ob 226/ 99p = EF 90.368) verfügt oder ihm vom Unterhaltspflichtigen eine ausbezahlte Eigentumswohnung oder ein Haus zur Verfügung gestellt werden (7 Ob 178/ 02 f = EF 100.948; 1 Ob 159/03v; 1 Ob 123/04a; vgl auch Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 14) oder wenn er sich in einem Heim/einer Pflegeanstalt aufhält (LGZ Wien EF 5240); tatsächlich verringern sich ja dadurch die zur Deckung des Wohnungsbedarfs erforderlichen Aufwendungen. Dabei ist einerseits zwar die Ersparnis auf Seiten des Unterhaltsberechtigten exakt zu ermitteln; andererseits kommt aber nur eine Berücksichtigung solcher Wohnverhältnisse in Betracht, die seinen Einkommensverhältnissen entsprechen (1 Ob 226/99p = EF 90.367) und den persönlichen (individuellen) Wohnbedarf in adäquatem Umfang – unter Beachtung wohnbauförderungsrechtlicher Bestimmungen sind dies regelmäßig 60 m2 für den alleinstehenden Unterhaltsberechtigten – decken (1 Ob 159/03v; vgl auch 7 Ob 178/02 f = EF 100.948). Es ist konkret darauf abzustellen, was für die Wohngelegenheit an Miete zu bezahlen wäre (7 Ob 178/02 f = EF 100.948). 96
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Umgekehrt muss der Unterhaltspflichtige aber nicht grundsätzlich zusätzlich zum Unterhalt die Wohnkosten bezahlen (4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler]; 4 Ob 61/10i), es sei denn es besteht eine diesbezügliche – allenfalls auch schlüssige – Vereinbarung der Ehegatten (§ 90 ABGB) oder der Ehegatte hat nach seinem Auszug aus der Ehewohnung zumindest eine gewisse Zeit lang und wohl auch in Kenntnis seiner mangelnden diesbezüglichen Verpflichtung die Kosten weitergetragen (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 577/10; eher krit 4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler]) oder es liegen die Voraussetzungen des § 97 ABGB vor (4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler]; 4 Ob 61/10i). Der Regelungszweck des § 97 ABGB begründet – unabhängig von einem Unterhaltsanspruch – einen Zahlungsanspruch aber nur dann, wenn der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Zahlungen nicht aus eigenem leisten kann (4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler]; 4 Ob 61/10i); dabei kommt es auf die ihm zur Verfügung stehenden Mittel an, also auf Eigeneinkünfte, eigene Unterhaltsansprüche, aber uU auch auf Unterhaltsansprüche der bei ihm verbliebenen Kinder, müssen sich doch auch diese aus den Geldunterhaltsleistungen (mit einem Teil, nicht den gesamten Leistungen) an den Wohnkosten beteiligen. Keine schlüssige Vereinbarung ist in der bisherigen Zahlung der Wohnkosten durch den Unterhaltspflichtigen zu sehen, weil ja durch seinen Auszug aus der Wohnung eine Sachverhaltsänderung eingetreten ist (4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler]; aA LGZ Wien EF 116.183). Dies gilt auch dann, wenn etwa der unterhaltspflichtige Ehepartner dem unterhaltsberechtigten Teil ein in seinem Alleineigentum stehendes „villenähnliches Haus“ als Ehewohnung zur Verfügung gestellt hat; daraus (allein) kann nicht abgeleitet werden, dass nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft jedenfalls der Geldunterhalt so zu bemessen wäre, dass er den Unterhaltsberechtigten – unabhängig von den sonstigen für die Unterhaltsbemessung zu berücksichtigenden Kriterien – in die Lage versetzen müsste, sein Wohnbedürfnis durch eine gleichermaßen luxuriöse Wohnmöglichkeit zu decken (8 Ob 24/09a = iFamZ 2009/169). Soweit Unterhaltsbedürfnisse des an sich Unterhaltsberechtigten infolge einer 7 öffentlich-rechtlichen Verpflichtung von einem Dritten gedeckt werden, bestehen keine Unterhaltsansprüche gegen einen nach Privatrecht Unterhaltspflichtigen; es besteht nämlich kein Anspruch auf Doppelversorgung (3 Ob 603/86 = EF XXIV/4; 8 Ob 126/03t; 9 Ob 23/04d = EF 106.915; 7 Ob 284/ 06z). Dieser Aspekt muss insb bei Bezug einer laufenden Geldleistung etwa im Rahmen der Sozialhilfe im Vordergrund stehen, es sei denn eine solche Doppelversorgung entspricht dem Gesetzeszweck (7 Ob 642/88; 8 Ob 591/ 91; 6 Ob 257/01i; 6 Ob 8/03z; 6 Ob 237/03a; 7 Ob 284/06z), was aber im Zweifel nicht angenommen werden kann. Zu einer solchen Doppelversorgung kann es allerdings ohnehin nur dann kommen, wenn der Dritte von einer Rückersatzpflicht sowohl dem Unter97
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Gitschthaler
haltsberechtigten als auch dem Unterhaltspflichtigen gegenüber Abstand nimmt (6 Ob 8/03z; 6 Ob 237/03a). Hat der Dritte aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen einen Rückersatz gegenüber dem Unterhaltsberechtigten anzustreben, liegt in der Leistung des Dritten kein unterhaltsminderndes Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten (3 Ob 603/86 = EF XXIV/4; 6 Ob 8/ 03z; 6 Ob 237/03a; idS auch Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 15). Hat der Dritte allerdings schon einen Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche vom Unterhaltsberechtigten auf sich bewirkt (aufgeschobene Legalzession), ist der Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten erloschen (7 Ob 645/86 = EF 50.449; 8 Ob 623/87 = EF 53.188; 8 Ob 126/03t; vgl dazu ausführlich auch Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 15). Grundsätzlich ist aber bei der Sozialhilfe der Grundsatz der Subsidiarität kennzeichnend (3 Ob 603/86 = EF XXIV/4). Bezieht der Unterhaltsberechtigte derartige Leistungen von bzw in einem anderen Staat, sind Voraussetzungen und Inhalt einer (allfälligen) aufgeschobenen Legalzession nach dessen Rechtsgrundlagen zu beurteilen (3 Ob 25/ 07h). Wenn mit der Leistung (etwa Pflegegeld und Hilflosenzuschuss) ein Mehraufwand (Sonderbedarf) gedeckt werden soll, findet eine Anrechnung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten nicht statt (6 Ob 257/01i; 6 Ob 8/03z; 6 Ob 237/03a); desgleichen kann auch ein Unterhaltsanspruch nicht deshalb erlöschen, weil der Unterhaltsberechtigte Teilleistungen (etwa Verpflegung und Unterkunft während eines Kuraufenthalts [10 Ob 53/00t = EF 91.811]) von einem Dritten erhält, erschöpfen sich doch seine (Unterhalts-)Ansprüche nicht darin. 3. Sonderbedarf
8 Ein gegenüber dem Regelfall höherer Anspruch bedingt Sonderbedarf des Unterhaltsberechtigten. Darunter wird im Kindesunterhaltsrecht jener Bedarf verstanden, der dem Unterhaltsberechtigten infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Regel- oder Durchschnittsbedarfs bewusst außer Acht gelassenen Umstände erwächst (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 271). Da es derartige Regel- oder Durchschnittsbedarfssätze für Ehegatten nicht gibt und daher eine Gegenüberstellung nicht möglich ist, lässt sich Sonderbedarf im Ehegattenunterhaltsrecht nur unter Heranziehung allgemeiner Kriterien ermitteln. Im Unterschied zum Kindesunterhaltsrecht sind aber Sonderbedarfskosten von Ehegatten auch bei ausreichendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht jedenfalls deckungspflichtig (vgl 7 Ob 140/71; idS auch 6 Ob 212/08g; 4 Ob 42/10w). 9 Eine Ausnahme wird nur dort gemacht, wo der Sonderbedarf dazu führt, dass dem Unterhaltsberechtigten weniger als das Existenzminimum bleibt (vgl Rz 184; 6 Ob 212/08g; Schwimann2, 157; idS wohl auch Schwimann/Ferrari/ 98
Ehegattenunterhaltsrecht – Allgemeines
§ 94 ABGB
Schwimann § 94 ABGB Rz 23, wo auf eine „Durchschnittsquote“ [gemeint wohl der Regelunterhalt] ab- und diese dem Existenzminimum gegenüber gestellt wird). Diesfalls kann – bei chronischem Sonderbedarf – der entsprechende Regelunterhalt um einen angemessenen Prozentsatz erhöht (vgl etwa 8 Ob 580/92 = EF 67.679; 3 Ob 144/99v), hinsichtlich größerer Beträge auch Zahlung in Raten bewilligt werden (10 Ob 31/97z; LGZ Wien EF 99.880). Marginale Beträge im Verhältnis zum monatlichen Unterhalt (wie etwa 2,5% des Unterhalts) sind hingegen jedenfalls aus dem laufenden Unterhalt zu bezahlen und stellen keinesfalls einen gesondert abzugeltenden Sonderbedarf dar (8 Ob 580/92 = EF 67.678; 6 Ob 212/08g); auch die 33%- bzw 40%-Regel (vgl Rz 209) kann nicht durch die Forderung zusätzlicher Zahlungen zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards umgangen werden (vgl 6 Ob 151/97t = EF 85.449; 8 Ob 24/09a iFamZ 2009/169). In besonderen Fällen hält die Rsp entgegen § 70 Abs 1 EheG allerdings auch die Forderung nach einer Einmalzahlung für berechtigt (6 Ob 212/08g). Unterhaltspflichten des Unterhaltsberechtigten Dritten gegenüber führen 10 nicht zu einer Verpflichtung zur Bereitstellung zusätzlicher Barmittel (3 Ob 5/94 = SZ 67/47; 1 Ob 677/83; 6 Ob 2126/96g [keine „mittelbare“ Unterhaltspflicht des Ehegatten]; 1 Ob 288/04s = EF 110.104; Schmidt, RZ 1987, 158; Purtscheller/Salzmann Rz 79; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 1; Fischer-Czermak, EF-Z 2007/50; aA LGZ Wien EF 40.115; Leitzenberger, ÖA 1984, 83; Pichler/Rummel2 § 94 ABGB Rz 3b; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 10; Koch/KBB § 94 ABGB Rz 3 [gemeinsame Tragung derartiger Pflichten durch beide Ehegatten]; Brugger, ÖJZ 2001, 15; vgl ausführlich auch Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 12 und Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 8). Davon zu unterscheiden (dies verkennend Koch/KBB § 94 ABGB Rz 3) ist jedoch die Frage, inwieweit der unterhaltsberechtigte Ehegatte seine Unterhaltsansprüche zur Deckung von Unterhaltsansprüchen Dritter zu verwenden hat (vgl ausführlich bei Rz 47). Darüber hinaus entspricht es stRsp, dass bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft der von einer vorehelichen (für Kinder oder einen [geschiedenen] Ehegatten) bzw außerehelichen (für Eltern [1 Ob 712/82 = ÖA 1983, 58]) Unterhaltspflicht betroffene Ehegatte trotz eigenen Einkommens entsprechend weniger für die Bestreitung der gemeinsamen Bedürfnisse aufwenden muss, als wenn er von diesen Unterhaltspflichten nicht betroffen wäre (7 Ob 593/85 = JBl 1987, 715; 3 Ob 528/92 = EF 67.017; 1 Ob 621/93 = EF 70.991). An sich können Sonderbedarf nur Kosten darstellen, die nicht mit weitgehen- 11 der Regelmäßigkeit für die Mehrzahl erwachsener Personen anfallen (vgl 1 Ob 2383/96i; 7 Ob 2123/96y = EF 80.007) und daher insb durch die Momente der Außergewöhnlichkeit, der Individualität und der Dringlichkeit bestimmt sind (vgl 1 Ob 635/92 = EF 67.839; 9 Ob 507/95 = JBl 1995, 784 [Gitschthaler]; 7 Ob 101/99z = EF 89.382). Da die bewusste Abgeltung von 99
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Sonderbedarf Ausnahmecharakter hat (vgl 1 Ob 2383/96i = EF 83.246), ist Voraussetzung für eine allfällige Deckungspflicht weiters, dass er aus gerechtfertigten Gründen entstanden (vgl 1 Ob 635/92 = EF 67.838; 3 Ob 270/98x = EF 89.388), in der Person des Unterhaltsberechtigten begründet ist (vgl 7 Ob 2123/96y; 3 Ob 277/98a = EF 86.084; 4 Ob 2392/96k = EF 83.250) und Deckungsmangel besteht; Letzterer ist gegeben, wenn der Sonderbedarf nicht aus dem laufenden Unterhalt bestritten werden kann und auch nicht durch Sozialleistungen (insb Pflegegeld; vgl dazu auch Rz 13) getragen wird (vgl 10 Ob 61/05a; 9 Ob 47/06m; 1 Ob 150/08b EF-Z 2009/99 [Gitschthaler]; 3 Ob 144/ 10p); auch Leistungen Dritter (etwa der Kinder) sind zu berücksichtigen (6 Ob 212/08g). Gibt es mehrere gleichwertige Alternativen, genießt stets die für den Unterhaltspflichtigen weniger belastende den Vorzug (vgl 1 Ob 350/ 98x; 7 Ob 101/99z = EF 89.393; 1 Ob 39/01v). 12 Von den im Kindesunterhaltsrecht entwickelten Fallgruppen (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 277–295) kommen bei Ehegatten primär Prozess- und Anwaltskosten des Unterhaltsberechtigten (aus welchem Titel immer [Schwimann/Kolmasch 158]) in Betracht (2 Ob 603/93 = EvBl 1994/148; 2 Ob 595/ 94; 10 Ob 508/96; vgl Purtscheller/Salzmann Rz 333; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 20; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 11; Schwimann/Kolmasch 158), und zwar sogar für ein Verfahren gegen den Unterhaltspflichtigen selbst (2 Ob 590/83 =EF 46.807; OLG Linz EF 44.226; vgl dazu auch vgl § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Rz 47 ff [Prozesskostenvorschuss]). Diese Kosten müssen aber notwendig, dh angemessen sein und dürfen nicht einer aussichtlosen oder mutwilligen Prozessführung dienen (Schwimann/Kolmasch 158; OLG Wien EF 44.227). Im Übrigen sind diese Kosten grundsätzlich aus dem laufenden Unterhalt zu decken, es sei denn es ergibt sich ein besonderer Unterhaltsbedarf, den der Unterhaltsberechtigte aus dem laufenden Unterhalt nicht decken kann; dann hat der Unterhaltspflichtige einen Vorschuss zu leisten, wenn ihm das neben der laufenden Unterhaltszahlung zumutbar ist (6 Ob 183/06i = EFZ 2006, 128 [Gitschthaler]; 4 Ob 114/06b = EF- Z 2006, 126 [Gitschthaler]; 5 Ob 189/08t; 4 Ob 42/10w). 13 Deckungspflichtig kann auch ein krankheitsbedingter Sonderbedarf sein (OLG Wien EF 5239, 20.528; LG Salzburg EF 116.225 [es muss sich jedoch um „unvermeidbare“ Kosten handeln]; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 14). Dazu gehören etwa die Kosten der Unterbringung des Unterhaltsberechtigten in einem Pflegeheim (8 Ob 503/94 = EF 76.673), Kur- (8 Ob 580/92) bzw Spitalskosten (sofern ein öffentliches Krankenhaus vorhanden ist, sind jedoch die Kosten eines Privatsanatoriums idR nicht deckungspflichtig [vgl 7 Ob 521/95 = EF 77.008]), Arzt-, Zahnarzt- (6 Ob 212/08g; LGZ Wien EF 19.143; LG Salzburg EF 116.227; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 9), Operations- und Medikamentenkosten (3 Ob 144/99v [einschließlich Psychotherapie- und Kosten homöopathischer Arzneien]), medizinisch indizierte Prophylaxe (OLG Wien 100
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EF 5239), die Kosten von Heilbehelfen (Brillen [es sind allerdings grundsätzlich Krankenkassenbrillen zumutbar; vgl 2 Ob 2022/96h = EF 80.030], Zahnersatz, Rollstuhl udgl) und Behandlungsbeiträge an die Sozialversicherung (3 Ob 306/98a; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 11) sowie sinnvolle (vgl 1 Ob 39/ 01v) behindertengerechte Adaptierungen der Wohnstätte des Unterhaltsberechtigten (nicht jedoch die durch natürliche Abnützung der Wohnung und der Einrichtung anfallenden Renovierungs- und Neuanschaffungskosten [8 Ob 580/92 = EF 67.679]) oder die Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs (vgl auch Kerschner, Familienrecht Rz 2/51), allenfalls sogar auch eine Haushaltshilfe bei körperlicher Beeinträchtigung des den Haushalt führenden Ehegatten (LG Salzburg EF 116.227), nicht jedoch etwa ein Geschirrspüler oder ein selbstreinigender Herd (LG Salzburg EF 116.227). Bezieht der Unterhaltsberechtigte Pflegegeld, dient dieses der Finanzierung von Pflegeleistungen (Personalaufwand) und ist auf einen derartigen Sonderbedarf anzurechnen, nicht jedoch auf Sonderbedarf infolge von krankheitsbedingtem Sachaufwand (2 Ob 514/94; 8 Ob 142/98k; 5 Ob 168/02w). 4. Unterhaltsanspruch
Der Anspruch eines Ehegatten auf Unterhalt nach § 94 ABGB geht allen anderen 14 Unterhaltsansprüchen gegen Kinder und Eltern insofern vor, als zunächst der Ehegatte in Anspruch genommen werden muss (OLG Wien EF 32.715; Purtscheller/Salzmann Rz 79; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 10; Hopf/ Kathrein § 94 ABGB Anm 13). Er ist – wie alle Unterhaltsansprüche – nicht abtretbar (4 Ob 199/97m = EF 84.292; Honsell/Heidinger/Schwimann § 1393 ABGB Rz 6; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 1). Zu Verzicht und Verjährung vgl Rz 298 ff. Der Unterhaltsanspruch steht – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – 15 unabhängig von der Aufnahme oder dem Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft dem schlechter oder gar nichts verdienenden Ehegatten zu (10 ObS 66/ 06p); er ist weder dem Grunde noch der Höhe nach abhängig von der (bisherigen) Dauer der Ehe (LGZ Wien 43 R 619/06g) oder einer allfälligen Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung (vgl 10 Ob 2326/96y = EF 82.464).
B. Zeitlicher Anwendungsbereich des § 94 ABGB 1. Beginn und Ende des Unterhaltsanspruchs
Der Anspruch eines Ehegatten auf Unterhalt nach § 94 ABGB setzt den Be- 16 stand einer Ehe voraus (Schwimann2, 116) und beginnt mit der (gültigen) Eheschließung (vgl §§ 15 ff EheG) selbst dann, wenn die Ehe nichtig sein 101
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sollte. Solange die Nichtigkeit nicht gerichtlich (rechtskräftig [1 Ob 119/32 = JBl 1932, 296]) ausgesprochen ist, bleibt die Unterhaltspflicht unberührt (2 Ob 122/29 = ZBl 1929/160; 7 Ob 649/89 = RZ 1990/49). Allerdings sind im Fall einer Scheinehe (Aufenthaltsehe) ohne gemeinsamen Haushalt Unterhaltsansprüche ausgeschlossen; der OGH begründet dies mit Verwirkung gem § 94 Abs 2 ABGB (Rechtsmissbrauch; 3 Ob 50/07k = Zak 2007/375; aA LGZ Wien EF 6021). 17 Die Unterhaltspflicht nach § 94 ABGB endet durch den Tod eines Ehegatten (zum Fall des Ablebens des Unterhaltspflichtigen vgl allerdings § 796 ABGB), und zwar nicht bereits durch den „klinischen Tod“ (Herzschlag und Atmung haben aufgehört, die künstlich aufrecht erhalten werden können), sondern erst durch den „Hirntod“, dh die Hirnströme sind endgültig so lange versiegt, dass ein irreversibler Funktionsverlust des gesamten Gehirns eingetreten ist (Fink/ Fasching § 155 ZPO Rz 4; Gitschthaler/Rechberger §§ 155–157 ZPO Rz 3; Heinke 21 mwN). Der Beweis des Todes erfolgt regelmäßig durch den Totenschein; der Tod wird gem § 28 PStG im Sterbebuch mit Tag, Monat, Jahr, Stunde und Minute des Todes eingetragen. Eine Bindung des Gerichts an die Auffassung der Verwaltungsbehörde in der Frage des Todeseintritts ist nicht gegeben (vgl Schwind/Klang I/12, 903; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 1; Fink/Fasching § 155 ZPO Rz 5; Gitschthaler/Rechberger §§ 155–157 ZPO Rz 3), weil die Eintragung in das Sterbebuch (§ 3 PStG) nur eine Beurkundung darstellt (Zeyringer, Personenstandsrecht2, 53), eine Bindung des Gerichts an Verwaltungsakte gem § 190 ZPO jedoch einen rechtskräftigen Bescheid voraussetzt (vgl idS auch Zankl/Schwimann § 77 EheG Rz 1 [falsche Sterbeurkunde]). Das Gericht kann daher auch eine eigenständige Prüfung der Vorfrage des Todeszeitpunkts vornehmen. Nach § 9 TEG hat das (für die Todeserklärung zuständige) Gericht auch den Zeitpunkt des Todes festzustellen, der Beweis eines anderen Zeitpunkts ist jedoch möglich (5 Ob 62/64 = SZ 37/39; vgl Schwind/Klang I/12, 903; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 1; Fink/Fasching § 155 ZPO Rz 5; Gitschthaler/Rechberger §§ 155–157 ZPO Rz 3). 18 Die Unterhaltspflicht endet außerdem grundsätzlich mit der durch die (rechtskräftige) Ehescheidung (bzw Aufhebungs- oder Nichtigkeitsurteil) bewirkten Auflösung der Ehe (3 Ob 191/82 = EF 43.706; 2 Ob 318/99z; 3 Ob 89/09y; Schwimann/Ferrari/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 67; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 6). 19 Die Frage der Auflösung der Ehe ist allerdings von der Verschuldensfrage zu trennen (vgl zu dieser Problematik und zu den daraus entstehenden unterhaltsrechtlichen Problemen ausführlich M. Bauer, iFamZ 2009, 354), sodass ab Rechtskraft des Scheidungsausspruchs (6 Ob 1660/95; 1 Ob 281/97y; 1 Ob 35/00d; 3 Ob 89/09y) – konkret nach Ablauf des Monats, in dem die Schei102
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dung rechtskräftig wurde (3 Ob 223/61 = EF 3464; 3 Ob 89/09y) – Anspruchsgrundlage für (nachehelichen) Unterhalt nur mehr die §§ 66 ff EheG sein können (1 Ob 504/78 = EF 30.637; 6 Ob 815/81 = JBl 1984, 198; 3 Ob 109/97v; 1 Ob 362/99p = EF 94.907; 1 Ob 35/00d). Dies gilt etwa bei Scheidung der Ehe durch Teilurteil und Vorbehalt der Verschuldensfrage (1 Ob 362/99p; 1 Ob 35/00d) oder bei Anfechtung lediglich des Verschuldensausspruchs (6 Ob 1660/95; 1 Ob 281/97y; 1 Ob 35/00d) oder bei Bestätigung des Scheidungsausspruchs und gleichzeitiger Aufhebung des Schuldausspruchs zur Verfahrensergänzung in höherer Instanz. Wird in einem solchen Fall ein Unterhaltsverfahren eingeleitet, ist dieses zu unterbrechen, dem klagenden (geschiedenen) Ehegatten kann jedoch Provisorialunterhalt zuerkannt werden (vgl ausführlich § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Rz 19). Ein Urteil, mit welchem dem Unterhaltspflichtigen eine Unterhaltsleistung an 20 den unterhaltsberechtigten Ehegatten aufgetragen wird, wirkt nicht über die Scheidung der Ehe hinaus (1 Ob 61/51 = SZ 24/75; 3 Ob 281/54 = SZ 27/116; 6 Ob 90/01 f = EF 95.300; 3 Ob 89/09y; vgl auch Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 1), und zwar auch nicht gegenüber dem schuldlos oder minder schuldig geschiedenen Ehegatten (3 Ob 2307/96b; 1 Ob 35/00d); dieses Urteil stellt keinen Exekutionstitel für nach der Auflösung der Ehe entstandene Unterhaltsansprüche mehr dar (1 Ob 521/83 = EF 43.710; 3 Ob 191/82 = EF 43.709; 3 Ob 101/89). Die Rsp geht zwar dann, wenn der Unterhaltspflichtige nach der Ehescheidung den (ursprünglich festgesetzten) Unterhalt vorbehaltlos weiter bezahlt, von einer schlüssigen Unterhaltsvereinbarung für die Zeit nach der Ehescheidung aus (6 Ob 90/01 f = EF 95.300); Titel dafür ist dann aber nicht mehr das Urteil, sondern die Vereinbarung. Zum von dieser Grundregel abweichenden Sonderfall der Scheidung nach § 55 EheG iVm einem Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG zu Lasten des (unterhaltspflichtigen) Scheidungsklägers vgl § 69 EheG Rz 2 ff. Auch ein während aufrechter Ehe – auch außergerichtlich (vgl 2 Ob 318/99z) 21 – geschlossener Unterhaltsvergleich wirkt grundsätzlich nicht über die Ehescheidung hinaus (7 Ob 418/55 = JBl 1956, 206; 1 Ob 35/00d; 3 Ob 240/ 02v), es sei denn der Wille der Parteien wäre darauf gerichtet gewesen (2 Ob 717/55; 3 Ob 240/02v; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 23; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 1). Dies kann sich entweder aus dem Vergleich selbst oder aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben, ist jedoch im Zweifel nicht anzunehmen (vgl 3 Ob 240/02v). Eine iZm mit dem Scheidungsverfahren abgeschlossene vorläufige Unterhaltsvereinbarung ist hingegen grundsätzlich als weiter anwendbar anzusehen, wenn die Ehe zwar rechtskräftig geschieden, über das Verschulden jedoch noch nicht entschieden worden ist (5 Ob 542/80 = EF 36.926; 6 Ob 815/81 = EF 39.366; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 824/5). 103
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Gitschthaler
2. Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit a) Allgemeines
22 So wie im Kindesunterhaltsrecht (vgl dazu Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 62– 71) kann auch Ehegattenunterhalt rückwirkend geltend gemacht werden (8 Ob 588/89 = EF 60.103), sofern nicht bereits Verjährung (vgl Rz 305 ff) oder Verschweigung infolge Untätigkeit des Unterhaltsberechtigten (vgl Rz 294 ff) eingetreten sind. Der für die Vergangenheit begehrte Unterhalt ist nach denselben Grundsätzen zu ermitteln wie der laufende Unterhalt (6 Ob 579/91). Die Geltendmachung hängt nicht davon ab, ob der Unterhaltspflichtige sein Einkommen bereits verbraucht hat (3 Ob 1505/91 = EF 69.146) bzw ob er dabei gutgläubig gewesen ist (4 Ob 253/97b). Die Unterhaltsschuld ist eine (laufende) Bringschuld; kommt der Unterhaltspflichtige seiner gesetzlichen Verpflichtung nicht, wie dies bei jeder anderen fälligen Schuld auch zu erwarten ist, aus eigenem nach, sodass er dazu mit gerichtlicher Hilfe gezwungen werden muss, kann er sich innerhalb der Verjährungsfrist nicht auf eine durch seine eigene Säumnis entstandene „Vertrauenslage“, also die Hoffnung, er werde nicht zur Einhaltung seiner gesetzlichen Verpflichtungen herangezogen werden, berufen (6 Ob 529/91 = EF 66.376; 4 Ob 253/97b; 7 Ob 130/08 f). Wie für jede sonstige Geldforderung gilt auch für rückständigen Unterhalt die Verzugsfolgenregelung der §§ 1333, 1334 ABGB (6 Ob 41/00y = EF 92.016); zur Anrechnung von in der Vergangenheit erbrachten Naturalunterhaltsleistungen vgl Rz 249. b) Änderung eines bestehenden Titels
23 Unterhalt kann für die Vergangenheit nicht nur erstmalig festgesetzt, sondern auch erhöht oder herabgesetzt bzw der Unterhaltspflichtige zur Gänze von seiner Verpflichtung enthoben werden (5 Ob 564/90 = EF 63.310; 1 Ob 122/ 97s; 9 Ob 23/98t); es muss sich lediglich der maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklicht haben (vgl 5 Ob 564/90 = EF 63.310; 9 Ob 23/ 98t; 4 Ob 180/03d; 3 Ob 189/08b). Zu berücksichtigen ist aber, dass ein bestehender Unterhaltstitel grundsätzlich nur bei wesentlicher Änderung anspruchsbegründender Tatsachen (vgl dazu Rz 274 ff) den tatsächlichen Verhältnissen angepasst werden kann (1 Ob 123/98i = EF 86.647; 4 Ob 204/02g), und zwar nur so lange, als hinsichtlich des von der begehrten Veränderung betroffenen Zeitraums noch keine gerichtliche Entscheidung nach Durchführung eines Verfahrens zur Überprüfung der Sachlage ergangen ist (vgl 4 Ob 204/02g). Eine rückwirkende Änderung eines bestehenden Unterhaltstitels ist also nur ab dem der Entstehung dieses Titels folgenden Monatsersten zulässig), es sei denn der Unterhaltsberechtigte hätte damals lediglich ein Teilbegehren (auch wenn er es nicht als solches bezeichnet hat) gestellt, dem vollinhaltlich stattgeben wurde (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 406). 104
Ehegattenunterhaltsrecht – Zeitlicher Anwendungsbereich
§ 94 ABGB
Eine Herabsetzung oder Enthebung kann vom Unterhaltspflichtigen entwe- 24 der mit Herabsetzungs- bzw Feststellungsklage (3 Ob 185/08i; vgl auch 5 Ob 564/90 = EF 63.310; 4 Ob 204/02g [Änderungsklage]) – unbeschadet seiner aufrechten Leistungspflicht in der bisher festgesetzten Höhe bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens (vgl 8 Ob 600/78 = EF 33.448) – oder mit (in die gem § 49 Abs 2 Z 2 JN Eigenzuständigkeit des BG fallende) Oppositionsklage (vgl 3 Ob 60/82 = EF 44.165) geltend gemacht werden. Es besteht dabei aber kein rechtliches Interesse an einer doppelten Klageführung über den Bestand oder Nichtbestand einer Unterhaltsforderung einerseits in einem Feststellungsprozess und andererseits im Unterhaltshauptverfahren; eine trotz Unterhaltsverfahrens über denselben Zeitraum eingebrachte Klage auf Feststellung des Erlöschens des Unterhaltstitels ist daher zurückzuweisen (3 Ob 185/08i). Die Oppositionsklage kann sich allerdings immer nur gegen einen betriebenen Anspruch richten (3 Ob 185/08i), kommt also nicht in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtige noch gar kein Exekutionsverfahren eingeleitet hat oder dieses bereits wieder beendet ist. Dann sind nur Herabsetzungs- oder negative Feststellungsklage möglich. Nicht völlig geklärt erscheint jedoch die Frage, ob Herabsetzungs- und Feststellungsklage trotz anhängigem Exekutionsverfahren zulässig sind. Die Entscheidung 7 Ob 344/97g hat eine derartige Wahlmöglichkeit verneint und den Unterhaltspflichtigen auf die Einbringung der Oppositionsklage beschränkt, weil mit einer auf einen anderen Rechtsgrund gestützten Feststellungsklage die Eventualmaxime umgangen würde (idS auch LG Linz 15 R 184/10z zu Kindesunterhaltsansprüchen; ebenso offensichtlich Dullinger/Burgstaller/Deixler-Hübner, § 35 EO Rz 42; Jakusch/Angst § 35 EO Rz 10a; vgl auch 3 Ob 185/08i). Dem gegenüber hat der OGH in den Entscheidungen 2 Ob 541/87 und 4 Ob 534/95 die Auffassung vertreten, dass der Unterhaltspflichtige auch nach Einleitung des Exekutionsverfahrens zwischen einem Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts und einer Oppositionsklage wählen könne (diese Frage ausdrücklich offen lassend 8 Ob 116/00t), was auch für Herabsetzungs- bzw negative Feststellungsklage gelten müsste. ME ist Letzterem zu folgen, weil all diese Rechtsbehelfe dasselbe Rechtsschutzziel haben, nämlich die Einstellung der Exekution gem § 39 Abs 1 Z 1 EO oder ihre Einschränkung nach § 41 Abs 1 EO. Die Frage, ob bereits bezahlte Beträge (allenfalls wieder) zurückgefordert wer- 25 den können oder ob etwa ein solcher Rückforderungsanspruch daran scheitert, dass der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt im guten Glauben verbraucht hat (vgl Rz 26 ff), ist unbeachtlich.
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§ 94 ABGB
Gitschthaler
c) Rückforderbarkeit von Unterhaltsleistungen
26 Für die Rückforderung irrtümlich gezahlter Unterhaltsbeiträge gilt Judikat Nr 33 sinngemäß (4 Ob 579/31 = SZ 13/262; 6 Ob 18/99m ua = EF 90.227; 1 Ob 35/00d) – § 399b Abs 1 EO ist Ausdruck eines Rechtsfürsorgedankens für Minderjährige und daher auf das Rechtsverhältnis zwischen Erwachsenen nicht übertragbar (1 Ob 295/00i = EF 97.109; aA [jedenfalls beim Kindesunterhalt] Gitschthaler, ÖJZ 1995, 652; vgl auch dens, Unterhaltsrecht Rz 847/ 2) –, sodass bei gutgläubigem Verbrauch Unterhaltszahlungen mangels Bereicherung nicht zurückgefordert werden können (3 Ob 2065/96i = EF 81.593; 1 Ob 35/00d; 1 Ob 295/00i = EF 97.104; 6 Ob 217/02h = EF 100.796). Dies gilt unabhängig davon, ob aufgrund eines Titels, unter Exekutionsdruck bzw freiwillig (1 Ob 214/71 = EF 15.728; 2 Ob 514/85 = EF XXII/6) oder unter Vorbehalt der Rückforderung (4 Ob 132/62 = JBl 1963, 388) bzw vorbehaltlos (8 Ob 600/78 = EF 33.860) geleistet wurde. Zu aufgrund einer EV bezogenen Unterhaltsbeiträgen vgl § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Rz 44 ff. Eine Klage auf Rückzahlung von Leistungen aufgrund eines rechtskräftigen Unterhaltstitels wegen zwischenzeitig eingetretener wesentlicher Änderungen muss nicht mit dem Begehren verknüpft werden, auch das (teilweise) Erlöschen der titulierten Unterhaltspflicht auszusprechen (1 Ob 56/05z). 27 Rückforderbarkeit besteht zunächst einmal dann, wenn der zugeflossene Unterhalt tatsächlich noch nicht verbraucht worden ist (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 55). Der Verbrauch wird zwar vermutet (vgl Rummel/Rummel § 1437 ABGB Rz 12; Honsell/Mader/Schwimann § 1437 ABGB Rz 19); dem Unterhaltspflichtigen, der – mangels Nähe zum Beweis – das Gegenteil nicht beweisen kann, muss jedoch eine Beweiserleichterung dahingehend eingeräumt werden, dass er lediglich darzutun hat, warum eine derartige Vermutung in concreto nicht zwingend ist, etwa weil der Unterhaltsberechtigte hohe Unterhaltsleistungen erhält und nicht ersichtlich ist, dass diese für seine bisher relevante Lebensführung auch tatsächlich verbraucht worden sind, oder weil dem Unterhaltsberechtigten etwa eine hohe Unterhaltsnachzahlung zugeflossen ist, die nach allgemeiner Lebenserfahrung noch nicht verbraucht sein kann (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 854/1; vgl auch Zemen, ZAS 1979, 163 [Zahlungen in Höhe des „Unterhaltsstandards“]; Spielbüchler, Arbeitsrecht4 272; Ch. Huber, JBl 1984, 185; Rummel/Rummel § 1437 ABGB Rz 12). 28 Wurde der Unterhalt schon verbraucht, ist es nicht ausschlaggebend, ob er „erschlichen“ oder in auffallend sorgloser Weise entgegengenommen worden war; vielmehr fehlt Redlichkeit des Empfängers schon dann, wenn dieser zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, wohl aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit der (rechtsgrundlos) bezahlten Beträge auch nur zweifeln hätte müssen (1 Ob 1/98y = EF 87.417; 4 Ob 217/99m = EF 90.229; 106
Ehegattenunterhaltsrecht – Zeitlicher Anwendungsbereich
§ 94 ABGB
1 Ob 295/00i = EF 97.106; 6 Ob 217/02h = EF 100.798; Honsell/Mader/ Schwimann § 1437 ABGB Rz 5). Die Redlichkeit bezieht sich also auf die Existenz des Kondiktionsanspruchs, wobei bereits (leichte) Fahrlässigkeit schadet (3 Ob 2065/96i = EF 81.594; 1 Ob 35/00d; 1 Ob 295/00i = EF 97.108). Die Unredlichkeit des Unterhaltsempfängers ist vom Unterhaltspflichtigen als kondizierendem Gläubiger zu behaupten und zu beweisen (1 Ob 1/ 98y; 3 Ob 219/98x = EF 90.230; 1 Ob 35/00d; 1 Ob 295/00i = EF 97.105; 6 Ob 217/02h = EF 100.797; F. Bydlinski/Klang IV/22, 517; Gitschthaler, ÖJZ 1995, 652; Rummel/Rummel § 1437 ABGB Rz 12; Honsell/Mader/Schwimann § 1437 ABGB Rz 8) und jedenfalls bei Bekämpfung des Unterhaltsanspruchs durch den Unterhaltspflichtigen ab dem Zeitpunkt der Klagszustellung anzunehmen (2 Ob 514/85 = EvBl 1985/108; 3 Ob 2065/96i; 4 Ob 217/99m = EF 90.233; 3 Ob 219/98x = EF 90.232), jedoch auch schon früher, wenn der Unterhaltsberechtigte etwa Einkünfte bezieht, die bei der Bestimmung des Unterhalts nicht berücksichtigt wurden, weil er sie nicht angegeben hatte (3 Ob 2065/96i = EF 81.594), im Fall einer exekutiv erwirkten Doppelzahlung eines Unterhaltsanspruchs (3 Ob 529/78 = EF 33.859) oder – dies gilt insb auch für Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten oder vormaliger eingetragener Partner – bei Entgegennahme von Unterhaltsleistungen trotz Ruhens des Anspruchs infolge Eingehens einer Lebensgemeinschaft durch den geschiedenen Ehegatten oder vormaligen eingetragenen Partner (3 Ob 209/99b RZ 2001/5; vgl auch 6 Ob 197/08a EF-Z 2010/44 [Reischauer, 65] = iFamZ 2010/123). § 1437 ABGB gewährt einen Rückforderungsanspruch an sich nur dann, wenn 29 der Unterhaltspflichtige bei seiner Leistung irrtumsfrei war: Der Einwand des Unterhaltsempfängers, der Unterhaltspflichtige hätte schon früher seine Unterhaltsleistungen reduzieren (lassen) können, weshalb er ihm die (überhöhten) Beiträge bewusst habe zukommen lassen und auf eine Rückforderung verzichtet habe, geht idR aber fehl, weil ein Verzicht auf Rechte zwar stillschweigend oder auch schlüssig erklärt werden kann, bei der Annahme eines derartigen Verzichts jedoch stets besondere Vorsicht geboten ist (7 Ob 131/57 = EvBl 1957/253; 3 Ob 35/81 = SZ 54/83; 1 Ob 156/02a; 5 Ob 219/03x). Da insb ein Zuwarten des Unterhaltspflichtigen mit der Klagsführung keinen Verzicht auf den Herabsetzungs- bzw Ruhensanspruch darstellt (3 Ob 112/73 = EvBl 1973/266), könnte ein stillschweigender Verzicht nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt war (vgl 7 Ob 672/76 = Miet 20.074; 4 Ob 533/90 = ÖA 1991, 18), also dem Unterhaltsempfänger der Beweis gelänge, dass der Unterhaltspflichtige bei Unterhaltsleistung in Kenntnis der überhöhten Zahlung war, dennoch ohne Vorbehalt leistete und auch keinen Herabsetzungsantrag stellte (Gitschthaler, ÖA 2003, 166). Andernfalls ließe sich nur dahingehend argumentieren, dass der Unterhaltspflichtige bei Leistung geirrt, bei entsprechender Aufmerksamkeit aber 107
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Gitschthaler
die wahren Umstände hätte kennen können (Gitschthaler, ÖJZ 1995, 653). Allerdings schließt nach der Rsp (2 Ob 79/62 = EvBl 1962/321; 6 Ob 124/74 = EvBl 1975/60; 3 Ob 217/97a) auch Unentschuldbarkeit des Irrtums die Rückforderung nicht von vorneherein aus, abgesehen davon, dass bei Leistung unter Exekutionsdruck ein Rückforderungsanspruch grundsätzlich auch ohne Irrtum des Leistenden zusteht (6 Ob 217/69 = SZ 43/60 = JBl 1970, 418 [F. Bydlinski]) und Exekutionsdruck nicht ein bereits anhängiges Exekutionsverfahren voraussetzt, sondern nur die Gefahr eines unmittelbar bevorstehenden Exekutionsverfahrens bedeutet (Gitschthaler, ÖJZ 1995, 654; ders, ÖA 2003, 166; aA [anhängiges Exekutionsverfahren] 3 Ob 72/98d; LGZ Wien EF 51.541). 30 Da es sich beim Rückforderungsanspruch um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch handelt, gilt grundsätzlich die 30jährige Verjährungsfrist (2 Ob 602/90 EF 63.334 [die Verjährungsbestimmung des § 1480 ABGB bezieht sich nicht auf Kondiktionsansprüche]; vgl auch Dehn/KBB § 1478 ABGB Rz 1 mwN allgemein zu Leistungskondiktionen). Der OGH hat zwar in jüngerer Zeit iZm Ansprüchen nach § 1042 ABGB aus Gründen des Schuldnerschutzes klargestellt, dass die Verjährungsfrist jener der getilgten Forderung folge (4 Ob 15/05t = EF-Z 2006/9 [Beclin]), was insb auch für die Geltendmachung des für ein (fremdes) Kind getragenen Unterhaltsaufwandes gegenüber dem Unterhaltspflichtigen zu gelten habe (8 Ob 68/06t = EF-Z 2006/50 [Gitschthaler]). Allerdings liegt dieser Rsp insb der Gedanke zugrunde, dass durch eine bewusste Drittleistung der Anspruch gegen den Schuldner keine Veränderung erfahren dürfe (vgl Rummel, EF-Z 2008, 99 [Entscheidungsanmerkung]). Gerade diese Voraussetzung ist aber im zweipersonalen Kondiktionsverhältnis nach § 1437 ABGB nicht gegeben. Hier steht die Rsp daher Vorschlägen (s etwa M. Bydlinski, FS F. Bydlinski (2002), 1 ff), die Verjährungsfrist nach der Art des der Kondiktion zugrunde liegenden Anspruchs zu beurteilen, sehr zurückhaltend gegenüber (etwa 1 Ob 182/98s = JBl 1999, 250). Damit kann aber der Unterhaltspflichtige, der zu Unrecht Unterhalt leistete, den (zuviel) gezahlten Unterhalt für den Zeitraum von 30 Jahren vor Klageerhebung zurück verlangen; Schuldnerschutzgedanken spielen mE hier keine entscheidende Rolle, war doch der Unterhaltsberechtigte bei Entgegennahme der Unterhaltsleistungen unredlich (andersfalls käme es ja gar nicht zu einer Rückersatzpflicht; vgl dazu Rz 28). Der OGH hat zuletzt iZm so genannten Scheinvaterregressansprüchen (vgl dazu ausführlich Gitschthaler, EF-Z 2009, 129) klargestellt, dass hier die Verjährungsfrist zwar (nur) 3 Jahre ab Rechtskraft jener Entscheidung beträgt, mit der festgestellt wurde, dass das Kind kein eheliches Kind bzw ein Anerkenntnis unwirksam ist (4 Ob 201/07y = EF-Z 2008/58 [Rummel]; 2 Ob 175/ 07k = EF-Z 2008/59 [Gitschthaler]; 3 Ob 134/08i = EF-Z 2009/50 [Gitschthaler] = JBl 2009, 367; 4 Ob 198/09k = EvBl 2010/86), der Scheinvater bei Wah108
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rung dieser Frist dann aber Ansprüche zeitlich zurück unbegrenzt, also mehr als 30 Jahre, geltend machen kann (Gitschthaler, EF-Z 2009, 129). Diese Rsp findet im hier interessierenden Zusammenhang jedoch keine Anwendung (auch wenn es vielleicht theoretisch denkbar sein könnte, dass der Unterhaltspflichtige erst nach mehr als 30 Jahren etwa von einer Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten mit einem Dritten [= Ruhen des Anspruchs; vgl § 75 EheG Rz 5 ff] Kenntnis erlangt), weil sie auf völlig anderen Voraussetzungen aufbaut (Dreipersonenverhältnis, kurze Verjährungsfrist, gerichtliche Statusentscheidung als Voraussetzung für deren Beginn).
d) Aufrechnung
Seit der EO-Nov 1991 sind gesetzliche Unterhaltsansprüche (zu Unterhalts- 31 vereinbarungen vgl Rz 267 ff) im Hinblick auf § 290a Abs 1 Z 10 EO nur nach Maßgabe der §§ 290b ff EO, also beschränkt pfändbar, dh unter Vorbehalt eines dem Unterhaltsberechtigten verbleibenden Existenzminimums (3 Ob 101/00z; Oberhammer/Angst § 290a EO Rz 1; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 877/1, 2). Dabei kommt es jedoch im Einzelfall nicht auf die Höhe der Unterhaltsansprüche allein an, sind doch nach § 292 EO bei Vorliegen von weiteren Einkünften (etwa einer Pension) auch diese insofern zu berücksichtigen (3 Ob 101/00z), als sämtliche Bezüge des Unterhaltsberechtigten (einschließlich der Sach-, also etwa Naturalunterhaltsansprüche oder -leistungen [vgl § 292 Abs 4 und 5 EO; Oberhammer/Angst § 292 EO Rz 11]) zunächst zusammen zu rechnen und sodann vom höchsten Bezug (Oberhammer/Angst § 292 EO Rz 5), also häufig vom Unterhalt (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 877/4) die Grundbeträge (der unpfändbare Freibetrag) wieder in Abzug zu bringen sind. Soweit der (Geld-)Unterhaltsanspruch dabei nicht von den Grundbeträgen abgedeckt wird, ist er pfändbar. Die konkreten Grundbeträge ergeben sich gem § 291a EO aus der jeweiligen ExMinVO und werden gem § 291b EO um 25% verringert, allenfalls gem §§ 292a, 292b EO noch weiter angepasst, und zwar nach unten hin bis zur absoluten Belastbarkeitsgrenze (vgl dazu Rz 221), die aus Gründen der Gleichbehandlung auch zu Lasten des Unterhaltsberechtigten (je niedriger der unpfändbare Freibetrag, desto größer die Aufrechnungsmöglichkeit) anzuwenden ist. Ein rein vertraglicher Unterhaltsanspruch ist unbeschränkt pfändbar (1 Ob 1032/52 = SZ 26/6; 3 Ob 102/78 = EF 32.198; vgl auch 3 Ob 5/94). In dem Ausmaß, in dem eine Unterhaltsforderung pfändbar ist, kann – bei 32 Vorliegen der sonstigen Aufrechnungsvoraussetzungen der §§ 1438 ff ABGB (3 Ob 80/03s) – gegen sie aufgerechnet werden (3 Ob 230/59; 6 Ob 667/89 = EF 60.120; 3 Ob 101/00z; 3 Ob 80/03s; Gitschthaler, ÖJZ 1995, 656; Zankl/ Schwimann § 66 EheG Rz 75; Zechner, Forderungsexekution § 293 EO Rz 3), 109
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und zwar auch mit zuviel geleisteten Unterhaltsbeträgen gegen die erst fällig werdenden Unterhaltsraten (1 Ob 239/57). 33 Unter den Voraussetzungen des § 293 Abs 3 EO ist die Aufrechnung hingegen ohne Einschränkung zulässig (6 Ob 667/89 = EF 60.120; 3 Ob 209/99b = RZ 2001/5; 3 Ob 101/00z = EF 98.522; 4 Ob 204/02g = EF 102.333), also zur Einbringung eines Vorschusses, einer in rechtlichem Zusammenhang stehenden Gegenforderung oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt wurde, wobei bedingter Vorsatz (also das Bewusstsein der Verwirklichung eines schädlichen Erfolgs nach den Erfahrungen des täglichen Lebens und das In-Kauf-Nehmen desselben) genügt (3 Ob 209/99b = RZ 2001/5; 4 Ob 204/02g). 34 Gegen laufende Unterhaltsansprüche kann daher zwar (mangels Konnexität [3 Ob 47/67; 3 Ob 98/77 = EF 30.176; 6 Ob 667/89] bzw Qualifizierung als Vorschussleistung [3 Ob 129/38; 5 Ob 537/78]) nicht generell mit zuviel bzw zu Unrecht bezahlten (an sich rückforderbaren) Unterhaltsbeiträgen aufgerechnet werden, ebenso wenig mit Exekutionskosten, die in Verfahren zur Hereinbringung von Unterhaltsbeiträgen entstanden sind (1 Ob 380/29 = SZ 11/ 112), oder mit Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen für das gemeinsame Haus (3 Ob 76/80; 3 Ob 80/03s). Aufgerechnet werden kann aber – und dies letztlich mit der Konsequenz, dass dem Unterhaltsberechtigten zumindest für einen bestimmten Zeitraum überhaupt kein laufender Unterhalt zusteht (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 881/2; vgl ausdrücklich auch 3 Ob 209/99b = RZ 2001/5) – mit von einem unterhaltspflichtigen Beamten, Selbstständigen oder Landwirt für den mitversicherten und unterhaltsberechtigten Ehegatten gegenüber dem Sozialversicherungsträger entrichteten Behandlungsbeiträgen (etwa nach § 63 Abs 4 BKUVG; 3 Ob 306/98s), mit Naturalunterhaltsleistungen, die der Unterhaltspflichtige dadurch erbringt, dass er für den Unterhaltsberechtigten Zahlungen an Dritte (etwa Betriebskosten udgl) leistet (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 880/3), oder mit zu Unrecht bezahlten und rückforderbaren Unterhaltsbeiträgen, wenn der Unterhaltsberechtigte etwa gegen den Verwirkungstatbestand des § 94 Abs 2 ABGB (vgl Rz 310 ff) verstoßen (3 Ob 209/99b = RZ 2001/5; 4 Ob 204/02g) oder nach der Unterhaltsfestsetzung Einkommen erzielt bzw Vermögen erworben (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 881/2) hat und dennoch unter In-Kauf-Nehmen eines ihm somit nicht zustehenden Übergenusses den (vollen) Unterhalt angenommen hat. Die Beweislast trifft insofern aber den Unterhaltspflichtigen auch hinsichtlich der subjektiven Tatseite. Liegen demnach die Voraussetzungen des § 293 Abs 3 EO vor, kommt es auf Konnexität iS des § 1440 ABGB nicht mehr an (3 Ob 80/03s; aA [keine Kompensation wegen der Höchstpersönlichkeit des Unterhaltsanspruchs] LGZ Wien EF 87.421). 110
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
§ 94 ABGB
Mit einer Unterhaltsforderung kann ohne Bedachtnahme auf § 293 Abs 3 35 EO auch hinsichtlich des pfändungsfreien Teils aufgerechnet werden, weil der Schutz des Unterhaltspflichtigen nicht Zweck dieser Bestimmung ist (3 Ob 43/ 02y = EF 102.334 = JBl 2003, 383; aA [keine Aufrechnung] Gschnitzer/Klang VI2, 516).
C. Unterhaltsbemessungsgrundlage 1. Einkommen a) Allgemeines
Die für die Ermittlung des konkreten Unterhaltsanspruchs eines Ehegatten 36 maßgebliche Unterhaltsbemessungsgrundlage richtet sich entweder nach dem tatsächlichen (s im folgenden) oder einem fiktiven (Anspannungstheorie; vgl Rz 97 ff) Einkommen des anderen Ehegatten, dies allenfalls auch unter Miteinbeziehung seines tatsächlichen oder eines fiktiven Vermögens samt daraus erzielten oder erzielbaren Erträgnissen (vgl Rz 89 ff, 136 ff, 153 ff); bisweilen kann es auch zu einer Kombination all dieser Varianten kommen. Maßgeblich ist unter diesen Gesichtspunkten die (gesamte) tatsächliche wirt- 37 schaftliche Lage des Unterhaltspflichtigen (vgl 1 Ob 535/92 = JBl 1992, 702; 2 Ob 223/98b = EF 85.941). Daher kann – allerdings lediglich im Ausnahmefall und nur dann, wenn der Unterhaltspflichtige über keine (nachweisbaren) Einkünfte verfügt, sondern die Mitwirkung an der Feststellung seiner Leistungsfähigkeit verweigert (2 Ob 224/08t = EF-Z 2009/141 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/08t [Neumayr] = Zak 2009/594 [Kolmasch]; Gitschthaler, EF-Z 2006/83 [Entscheidungsanmerkung]) – die Unterhaltsbemessungsgrundlage etwa auch nach dem Lebenszuschnitt des Unterhaltspflichtigen (LGZ Wien EF 53.051, 116.343; LG Salzburg EF 116.343; vgl auch 4 Ob 531/94; 2 Ob 224/08t = EF-Z 2009/141 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/08t [Neumayr] = Zak 2009/594 [Kolmasch]) bzw seinem Lebensaufwand (LGZ Wien EF 42.791; LG Salzburg EF 97.278, 99.345) geschätzt werden. Teure Hobbies und Fahrzeuge (LGZ Wien EF 110.233), Luxus- oder häufige Reisen oder ein offensichtlich hoher Wohnaufwand stellen dabei regelmäßig einen Hinweis auf einen hohen Lebensstandard des Unterhaltspflichtigen dar. Verfügt der Unterhaltspflichtige allerdings über eine festgestellte Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund einer konkreten Tätigkeit, kann diese unter Bedachtnahme auf seinen Lebensaufwand nur in Ausnahmefällen nach oben korrigiert werden; es müsste dann schon ganz offensichtlich sein, dass sein festgestelltes Einkommen und sein Lebensaufwand nicht in Einklang zu bringen sind. Dass der Unterhaltspflichtige diesen Lebensaufwand mittels 111
§ 94 ABGB
Gitschthaler
Kreditaufnahme oder Überziehung seiner Bankkonten finanziert, erhöht die Unterhaltsbemessungsgrundlage jedenfalls nicht (2 Ob 224/08t = EF-Z 2009/ 141 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/08t [Neumayr] = Zak 2009/594 [Kolmasch]; Gitschthaler, EF-Z 2006/83 [Entscheidungsanmerkung]. Die Rsp zu den mittels Bankkredit finanzierten Privatentnahmen (Rz 71) ist daher nicht auf unselbstständig erwerbstätige Unterhaltspflichtige anzuwenden (2 Ob 224/08t = EF-Z 2009/141 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/08t [Neumayr] = Zak 2009/594 [Kolmasch]. 38 Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ist immer auf ein Durchschnittseinkommen abzustellen, welches im Allgemeinen von einem längeren, nach den möglichen Einkommensschwankungen zu bemessenden Zeitraum zu ermitteln ist (3 Ob 308/98k = JBl 2001, 55 [Schober]; 7 Ob 48/00k. Der im Einzelfall konkret heranzuziehende Beobachtungszeitraum richtet sich einerseits danach, ob Unterhalt für die Vergangenheit oder für die Zukunft festgesetzt werden soll (Rz 66 ff, 85 ff), und andererseits danach, ob der Unterhaltspflichtige selbstständig (Rz 69 ff) oder unselbstständig (Rz 50 ff) erwerbstätig ist. 39 (Tatsächliches) Einkommen ist zunächst einmal grundsätzlich alles, was dem Unterhaltspflichtigen als Person an Natural- und Geldleistungen welcher Art auch immer aufgrund eines Anspruchs zukommt, sofern gesetzliche Bestimmungen die Anrechenbarkeit bestimmter Einkünfte nicht ausschließen (6 Ob 18/98k ua = EF 85.872). Maßgeblich ist also die Summe aller ihm tatsächlich zufließenden Mittel unter Berücksichtigung unterhaltsrechtlich beachtlicher Abzüge und Aufwendungen (8 Ob 1676/92; 1 Ob 260/97k; 3 Ob 308/98k = JBl 2001, 55 [Schober]; vgl dazu Rz 161 ff), sofern der Unterhaltspflichtige über die Mittel frei verfügen kann (1 Ob 2040/96y = EF 80.373, 1 Ob 337/99m = EvBl 2000/114). Dabei kommt es immer auf das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen an (unter Miteinbeziehung von Alleinverdiener-, Verkehrs- und sonstigen Absetzbeträgen [1 Ob 65/03w] sowie des Pendlerpauschales [LGZ Wien EF 92.130, 103.480; LG Feldkirch EF 99.361] und bewilligter Freibeträge für Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen, soll doch der Unterhaltspflichtige die staatlich eingeräumten Steuervorteile mit dem Unterhaltsberechtigten teilen [3 Ob 128/87 = EF 55.143; 2 Ob 223/98b = EF 86.548]). Vom Bruttoeinkommen sind Einkommensteuer (vgl Rz 63 ff [bei unselbstständig Erwerbstätigen] und Rz 82 ff [bei selbstständig Erwerbstätigen] sowie gesetzliche Sozialversicherungskosten (5 Ob 38/99w = EF 88.863) abzuziehen. Ob im Einzelfall eine bestimmte Leistung pfändbar wäre, ist für die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage unmaßgeblich (1 Ob 337/99m = EvBl 2000/114; 1 Ob 218/00s).
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Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
§ 94 ABGB
Aus welchem Titel das Einkommen bezogen wird, ist unerheblich. Maßgeb- 40 lich ist lediglich, dass dem Unterhaltspflichtigen ein Anspruch darauf zusteht (6 Ob 5/04k; 10 Ob 8/07k = EF-Z 2007/83 [Gitschthaler]; vgl Rz 49), weshalb etwa tatsächliche – zur Unzulässigkeit einer Anspannung idZ vgl jedoch Rz 114 – (Zusatz)einkommen aus „schwarz“, also im Pfusch durchgeführten Tätigkeiten (7 Ob 26/02b = EF 99.356), Einkünfte aus (sonstigen) strafbaren Handlungen (vgl 1 Ob 88/05 f [kick-back-Geschäfte]; aA [Einkünfte aus Betrügereien nicht zu berücksichtigen] LGZ Wien EF 79.848) oder Einkommen aus Prostitution (LGZ Wien EF 53.416; LG Linz EF 95.535) ebenso in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind wie ein (auf einen angemessenen, der Unterhaltsbemessung vorangehenden Zeitraum umzulegendes) Ferialeinkommen des Unterhaltspflichtigen (LG Krems EF 99.357) oder Einkommen aus einer Nebenbeschäftigung (8 Ob 1686/92 = EF 71.196; LG Linz EF 95.536 [Nebenerwerbslandwirt]). Einzubeziehen sind auch Privatversicherungsleistungen, wenn sie an die 41 Stelle von Arbeitseinkommen treten (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 132; 7 Ob 48/00k [Invaliditätsentschädigung]; LGZ Wien EF 99.355 [Abfindung aus einer Unfallversicherung]) und Spiel- (LGZ Wien EF 53.492) bzw Lotteriegewinne (1 Ob 311/98m; 1 Ob 94/01g), aber auch Hilflosenzuschuss oder Pflegegeld, wenn diese dem Unterhaltspflichtigen als Entschädigung für Pflegeleistungen, die dem Ehegatten oder Kindern gegenüber erbracht werden („Pflegeelterngeld“; vgl auch Rz 203), überlassen werden (vgl 3 Ob 540/91 = EvBl 1992/27). Da Schmerzengeldzahlungen einen bestimmten Sonderbedarf abdecken sollen, sind diese jedoch kein Bestandteil der Unterhaltsbemessungsgrundlage (6 Ob 615/94 = EvBl 1995/119; 7 Ob 48/00k; 7 Ob 166/10b = EF-Z 2011/12), ebenso wenig Zinserträgnisse daraus (7 Ob 166/10b = EF-Z 2011/12; vgl bereits 8 Ob 1/05p). Nicht einzubeziehen sind außerdem etwa Gewinne aus der Konvertierung von Fremdwährungskrediten; sie erhöhen ebenso wie Sanierungsgewinne für sich allein nicht jene Mittel, die dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich zur Verfügung stehen, sie verringeren nur seine Schuldenlast. Daher sind sie – ebenso wie im umgekehrten Fall Konvertierungsverluste – unterhaltsrechtlich neutral (4 Ob 218/08z). b) Sachbezüge
Beim Einkommen des Unterhaltspflichtigen muss es sich nicht zwingend (nur) 42 um Geldleistungen handeln. Vielmehr sind auch Sachbezüge in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, soweit sie geldwert sind (5 Ob 3/97w = EF 83.466; 1 Ob 337/99m = EvBl 2000/114; 6 Ob 5/04k) und Einkommensersatzfunktion haben (2 Ob 514/94 = EF 73.979; 9 Ob 123/98y = EF 86.428). Dies gilt etwa für einen Firmenwagen, der für Privatfahrten benutzt werden 113
§ 94 ABGB
Gitschthaler
kann (5 Ob 1582/93 = EF 71.134; 9 Ob 123/98y = EF 86.428; 1 Ob 143/02i; 3 Ob 296/02d; 1 Ob 56/08d), eine Firmen- bzw Dienstwohnung (10 Ob 4/ 07x = EF-Z 2007/84; LGZ Wien EF 92.137; LG Linz EF 103.396) – etwa nach dem HausbesorgerG (LGZ Wien EF 95.600) –, freie Kost und Logis (LG Salzburg 95.508; LGZ Wien EF 103.394), (verbilligte) Mahlzeiten und Getränke am Arbeitsplatz (6 Ob 278/01b = EF 95.607; LGZ Wien EF 50.228), einen verbilligten Strombezug (1 Ob 11/97t = EF 83.493) und sonstige Deputate oder Freifahrten (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 45). Die Leistung muss aber jedenfalls – wie im Einkommensteuerrecht (§ 15 Abs 2 EStG) – Zuwendungscharakter haben (10 Ob 4/07x = EF-Z 2007/84). 43 Bei der Bewertung von Sachbezügen ist an sich von ihrem tatsächlichen Markt- oder Nutzwert und nicht von steuerrechtlichen Bewertungssätzen (LGZ Wien EF 23.849, 95.511, 99.348; LG Salzburg EF 95.512) oder dem Selbstkostenpreis (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 45) auszugehen. Maßgeblich ist der eigentliche Wert der Naturalleistung aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen, also das, was er sich erspart. Das sind etwa die (Wieder-)beschaffungskosten eines PKW (LGZ Wien 80.409, 99.348; LG Wels EF 107.106; aA [jener Betrag, der für seine Haltung aufgewendet werden müsste] LG Salzburg EF 95.510) oder die Essenskosten auf dem freien Markt (LGZ Wien EF 50.228). Es kann daher sowohl vom Unterhaltsberechtigten als auch vom Unterhaltspflichtigen die Behauptung aufgestellt werden, die vom Dienstgeber ausgewiesene Höhe des Sachbezugs entspreche nicht dem Marktoder Nutzwert desselben (3 Ob 351/97g; 1 Ob 56/08d). Da es aber nicht angehen kann, in jedem einzelnen Fall weitwändige Ermittlungen anzustellen, um den Umfang der tatsächlichen privaten Nutzung etwa eines Firmenfahrzeugs abzuklären, ist grundsätzlich (mangels gegenteiliger Behauptungen) davon auszugehen, dass der vom Unternehmen bisher unbeanstandet verrechnete Wert des Sachbezugs den Gegebenheiten entspricht und einen reellen Einkommensbestandteil des Unterhaltspflichtigen bildet (1 Ob 143/02i = EF 99.349; 1 Ob 56/08d). In der Praxis wird regelmäßig auch von den steuerrechtlichen Bewertungsgrundsätzen ausgegangen (Sachbezugswerte; LGZ Wien EF 92.137; LG Linz EF 103.398), es sei denn fiskalische Bewertung und tatsächlicher Wert klaffen erheblich auseinander (9 ObA 68/07a = JBl 2008, 670). Bei luxuriösen Firmenfahrzeugen ist die Luxustangente nach § 1 PKW-AngemessenheitsVO zu berücksichtigen (1 Ob 56/08d). 44 Stellt der Dienstgeber dem Unterhaltspflichtigen eine Wohnung zur Verfügung, auf deren Auswahl dieser keinen Einfluss hat, die aber gemessen an seinen im Geldeinkommen zum Ausdruck kommenden sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen zu groß ist, ist als Sachbezugswert die Differenz zwischen dem Mietzins, den der Unterhaltspflichtige auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine seinem Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere 114
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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Wohnung zahlen müsste, und dem für die Dienstwohnung zu zahlenden Entgelt heranzuziehen (10 Ob 4/07x = EF-Z 2007/84). c) Öffentlich-rechtliche Leistungen
In die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind auch öffentlich- 45 rechtliche Leistungen (1 Ob 614/92 = SZ 65/126; 6 Ob 89/01h = EF 95.659; 6 Ob 8/03z), die nicht allein wegen der in der Leistung liegenden Zweckbestimmungen auszuscheiden sind (1 Ob 614/92 = SZ 65/126, 6 Ob 97/00h). Einzurechnen sind also etwa das Arbeitslosengeld (vgl Rz 113 ff), die Ausgleichszulage (7 Ob 620/93 = EF 71.083; 1 Ob 108/01s = EF 95.253; 7 Ob 152/03h), EU-Förderleistungen (1 Ob 180/97w; 7 Ob 48/00k; 1 Ob 49/02s), die Familienbeihilfe aufgrund eines Eigenanspruchs des Unterhaltspflichtigen (vgl 6 Ob 89/01h = EF 95.646), eine Geburtenbeihilfe (7 Ob 24/57; LG Linz EF 99.475), Zahlungen nach dem IESG (3 Ob 74/03h), das Karenzgeld (6 Ob 577/91; 1 Ob 108/01s = EF 95.253), das Kinderbetreuungsgeld (1 Ob 22/09 f; 10 Ob 76/09p; 7 Ob 227/09x; 6 Ob 72/10x; vgl auch VfGH G 9/09 EF-Z 2010/ 11 [Gitschthaler] = iFamZ 2010/5), das Krankengeld (2 Ob 22/84), der Lohnsteuerkinderzuschlag iS des § 33 Abs 4 EStG (7 Ob 531/93 = ÖA 1993, 145), ein Mietzuschuss (LGZ Wien EF 99.487; LG Salzburg EF 103.506; aA [nicht einzubeziehen, weil Sonderbedarf abgedeckt wird] 2 Ob 318/99z), Mietzinsund Wohnbeihilfen (6 Ob 89/01h = EF 95.662), die Notstandshilfe (5 Ob 505/91 = RZ 1992/87; 1 Ob 76/99d = EF 89.094; 1 Ob 108/01s = EF 95.253; 7 Ob 130/08 f; 7 Ob 130/08 f), sämtliche Pensions- (6 Ob 233/98b = EF 87.519) und Rentenbezüge im weitesten Sinn (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 124, 125; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 23a; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 46) wie Versehrten-, Kriegsopferversorgungs-, Invaliden-, Unfall- und Waisenrenten (LGZ Wien 42 R 284/09i), ein Pensionsvorschuss (LGZ Wien 86.426; LG Eisenstadt EF 95.661; LG Linz EF 99.554), eine Schul- (LG Linz EF 99.492) oder Studienbeihilfe (LG Linz EF 99.496), die Sondernotstandshilfe (6 Ob 2206/96x = EF 80.424), Sozialhilfeleistungen (1 Ob 550/94 = EF 74.387; 1 Ob 76/99d = EF 89.097; 1 Ob 108/01s = EF 95.253), das Übergangsgeld nach § 306 ASVG (4 Ob 518/91) und das Wochengeld (6 Ob 577/91 = EF 65.368). Nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen sind hingegen 46 öffentlich-rechtliche Leistungen, die ausschließlich dem Ausgleich des Mehraufwands für einen bestimmten Sonderbedarf dienen oder nach gesetzlichen Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind, wie etwa eine Blindenbeihilfe (2 Ob 216/79 = EF XVII/2), die Familienbeihilfe für ein Kind (6 Ob 1577/91 = EF 64.921; 1 Ob 565/91 = RZ 1992/69; 6 Ob 89/01h = EF 95.645; Gitschthaler, ÖJZ 2003, 826), der Hilflosenzuschuss (vgl 3 Ob 540/91 = EF 66.471; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 9), Kinderabsetzbeträge 115
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Gitschthaler
(6 Ob 16/97i = EF 83.310; 6 Ob 186/98s = EF 86.193; 3 Ob 223/02v) und Kinderzuschüsse nach den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (7 Ob 531/93; LG Salzburg EF 95.652; LG Krems EF 95.654), das Pflegegeld (6 Ob 635/93 = EF 73.193; 2 Ob 42/97h; 1 Ob 217/08 f) oder die Bezüge von Präsenz- (7 Ob 572/91 = EF 67.805, 67.806) und Zivildienern (1 Ob 419/97t = EF XXXV/1); vielmehr verschaffen HGG bzw ZDG den Unterhaltsberechtigten ein eigenes Einkommen aus einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, gleich einem eigenen Pensionseinkommen (LGZ Wien EF 116.400).
d) Unterhaltsempfänge/freiwillige Zuwendungen
47 Unterhaltsempfänge aufgrund gesetzlicher Ansprüche sind jedenfalls in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen (vgl 5 Ob 3/97w; 1 Ob 337/ 99m = EvBl 2000/114; 4 Ob 42/01g = EF 95.516 = JBl 2001, 645; 9 Ob 80/ 01g = EF 99.354; 6 Ob 5/04k; unklar 4 Ob 51/06p). Dies gilt (insb) auch dann, wenn es sich um Sachleistungen handelt (vgl 1 Ob 337/99m = EvBl 2000/114; 9 Ob 100/06 f). Maßgeblich ist nicht, dass der Unterhaltsanspruch tatsächlich befriedigt wird; er muss auch nicht tituliert sein (Rz 341). Es reicht vielmehr aus, dass er lediglich fiktiv besteht (7 Ob 164/06b = EF-Z 2006/76; 9 Ob 83/06 f; 9 Ob 100/06 f, wobei derartige Ansprüche sowohl gegenüber dem nunmehrigen (7 Ob 164/06b = EF-Z 2006/76; LG Salzburg EF 116.328, 116.329; vgl dazu ausführlich Rz 236 ff als auch gegenüber dem vormaligen Ehegatten (LG Salzburg EF 116.330 denkbar wären. In all diesen Fällen ist der Unterhaltsanspruch in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen (7 Ob 164/06b = EF-Z 2006/76); die Prüfung der Unterhaltsansprüche erfolgt im Ehegattenunterhaltsverfahren als Vorfrage (vgl LG Salzburg EF 116.332). Erhält der Unterhaltspflichtige allerdings tatsächlich Naturalunterhalt und bezieht er außerdem eigenes Einkommen, von dem ihm nach Abzug jener Unterhaltsleistungen, die unter Mitberücksichtigung seines fiktiven Unterhaltsanspruchs ermittelt wurden, immer noch ein Betrag verbleibt, der höher als seine absolute Leistungsfähigkeitsgrenze (s Rz 231 ff) ist, bedarf es einer Bewertung dieser Naturalunterhaltsleistungen nicht mehr (9 Ob 100/06 f = EF 116.333); dies könnte eine Rolle bei besonders „geldwerten“ Naturalunterhaltsleistungen (etwa einer luxuriösen Wohngelegenheit) spielen. 48 Hinsichtlich (freiwilliger) Zuwendungen oder Unterstützungsleistungen Dritter (etwa freiwillige Unterhaltszahlungen der Eltern [LG Salzburg ua = EF 95.514] oder eines Lebensgefährten), die vom Unterhaltspflichtigen zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse verwendet werden, vertreten zweitinstanzliche Rsp (LGZ Wien EF 50.227, 86.457, 103.401, 116.235; LG Eisenstadt EF 95.513; LG Salzburg EF 97.277, 99.353, 103.401) und die überwL (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 43, 56; Kolmasch, Zak 2008/39; Schwi116
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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mann/Kolmasch 14; Gitschthaler, EF-Z 2007/83 [Entscheidungsanmerkung]; Neuhauser/Schwimann § 140 ABGB Rz 51) nach wie vor überwiegend und zutr, dass auch diese bei Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen seien. Der OGH meinte dazu in seiner älteren Rsp, Sachleistungen seien zu berücksichtigen, wenn sie das „lebensnotwendige Ausmaß“ übersteigen (1 Ob 552/93 = ÖA 1994, 19/U 83; 6 Ob 278/01b). In jüngerer Zeit geht der OGH allerdings im Hinblick auf die Freiwilligkeit 49 der Zuwendungen und Unterstützungsleistungen davon aus, dass der Unterstützende lediglich den Unterhaltspflichtigen, nicht aber (auch) dessen Unterhaltsberechtigten Hilfestellung leisten wolle; eine Anrechnung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil der Unterhaltspflichtige ja keinen Anspruch auf diese Leistungen habe; die Situation des Unterhaltspflichtigen sei „am Ehesten“ damit vergleichbar, dass er über eine Eigentumswohnung verfüge und sich deshalb Mietaufwendungen spare (6 Ob 5/04k; 10 Ob 96/05y = EF 110.225; 10 Ob 8/07k = EF-Z 2007/83 [Gitschthaler]; 8 Ob 76/08x [jew zum Kindesunterhalt]; 7 Ob 99/09y [unter ausdrücklicher Ablehnung der Kritik an dieser Rsp] und 3 Ob 105/09a; dem ausdrücklich folgend Barth/Neumayr/ Klang3 § 140 ABGB Rz 146). Diese jüngere Rsp des OGH steht in einem Spannungsverhältnis zu jener Rsp, die die Unterhaltsbemessungsgrundlage (auch) nach dem Lebenszuschnitt des Unterhaltspflichtigen bzw seinem Lebensaufwand ermittelt (Gitschthaler, EF-Z 2007, 144 [Entscheidungsanmerkung]; vgl Rz 37). Darüber hinaus erspart sich der Unterhaltspflichtige durch die Leistungen eigenen Aufwand (so auch LG Eisenstadt EF 99.352), etwa für eine Wohnung, die ihm (freiwillig) von den Eltern zur Verfügung gestellt wird; deren (fiktiver) Mietwert wäre der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen, weil seine Leistungsfähigkeit gesteigert wird. Umgekehrt berücksichtigt die Rsp ja auch die Verminderung des Unterhaltsbedarfs auf Seiten eines Unterhaltsberechtigten, der wohnversorgt ist (vgl Rz 253 ff; dies zumindest erwähnend 10 Ob 8/07k = EF-Z 2007/83 [Gitschthaler]). Auch Barth/Neumayr(/Klang3 § 140 ABGB Rz 146) wollen – trotz ihrer Zustimmung zur jüngeren Rsp des OGH – die freiwilligen Zuwendungen und Geschenke nicht völlig unberücksichtigt lassen und sie als „Vermögen“ werten; ansonsten könnten die Zuwendungen (insb eine Wohnversorgung) eine Rolle spielen, soweit durch sie die Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen gehoben werden (dies unter Berufung auf Gitschthaler, EF-Z 2007, 143 [Entscheidungsanmerkung]). Nichts Anderes sagen aber die zu Rz 48 erwähnte zweitinstanzliche LuRsp).
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e) Unselbstständig Erwerbstätige
50 Unterhaltsbemessungsgrundlage bei unselbstständig Erwerbstätigen ist ihr Arbeitsentgelt, also das, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft leistet, soweit damit nicht tatsächlicher Aufwand abgegolten wird. Alles, was in diesem arbeitsrechtlichen Sinn als Entgelt qualifiziert werden kann, fällt in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (7 Ob 302/99h = EF 89.023). Dies gilt etwa für Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld; 8 Ob 532/92 = JBl 1992, 705; 3 Ob 308/98k = JBl 2001, 55 [Schober]) und sonstige Jahressonderzuwendungen (LG Salzburg EF 99.426) sowie – auch unregelmäßige (LG Eisenstadt ua EF 95.633) – Überstundenentgelte (8 Ob 1686/92 = EF 71.163; LGZ Wien EF 95.586 [Außendienstüberstunden]), wobei das Motiv für die Leistung von Überstunden grundsätzlich unbeachtlich ist (LGZ Wien EF 95.634). Ebenso zu berücksichtigen sind alle Nebengebühren (LG Salzburg ua EF 103.390) und Zulagen sowie Zuschläge mit Entgeltscharakter (2 Ob 216/98y = EF 86.456; 2 Ob 153/99k = EF 89.084), und zwar unabhängig davon, ob es sich um laufende oder um Einmalzahlungen (vgl Rz 56 ff) handelt. Besteht nur teilweise Entgeltsfunktion, sind die Zulagen und Zuschläge auch nur teilweise, idR mit 50% in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (vgl Rz 53). Dienen sie hingegen zur Gänze dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands, haben sie völlig außer Betracht zu bleiben (6 Ob 18/98k ua = EF 85.872; 6 Ob 8/03z; vgl Rz 55); für den Aufwandersatzcharakter trifft generell den Unterhaltspflichtigen die Beweislast (2 Ob 318/ 99z). 51 Zur Gänze in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind etwa ein Entgelt für Arbeitsverhinderung (LGZ Wien 53.433), Bauzulagen (LGZ Wien EF 65.307; LG Salzburg EF 99.409), die Bereitschaftsdienstzulage (LGZ Wien EF 95.587; LG Linz EF 99.410), eine Datenverarbeitungszulage (LGZ Wien EF 47.860), Dienstzulagen (LG Linz EF 95.591) wie etwa Belastungs- (OLG Wien EF 49.537), Nacht- (OLG Wien EF 49.537; LGZ Wien EF 95.612; LG Salzburg EF 95.251; LG Linz EF 99.435; LG Wels EF 103.478), Fahr- (LGZ Wien 45.184), Verwaltungs- (LG Salzburg EF 95.640; LG Linz EF 99.464) und Wochenenddienstzulagen (LGZ Wien EF 42.931, 68.188), eine Einmann-Betriebszulage (LGZ Wien EF 45.181), Einsatzzulagen wie die Auslandseinsatzzulage (2 Ob 39/99w ua = EF 89.041) oder jene für einen Katastropheneinsatz (7 Ob 174/02t = JBl 2003, 111), ein Erziehungskostenbeitrag nach dem GehG (LGZ Wien EF 73.821), Essenszuschüsse des Arbeitgebers (LGZ Wien EF 59.040; LG Salzburg EF 95.595; vgl zu Sachbezügen auch Rz 42 ff), eine Facharbeiterzulage (LG Linz EF 99.417), Feiertags- (LG Salzburg EF 95.252; LGZ Wien EF 95.598; LG Linz EF 99.421), Ruhetags- (LGZ Wien EF 95.621) und Sonntagszuschläge (LG Salzburg EF 95.252; LG Linz 118
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
§ 94 ABGB
EF 99.450) sowie sonstige Freizeitabgeltungszahlungen (LGZ Wien EF 30.860), eine Gefahrenzulage (LGZ Wien EF 95.599, 103.471; LG Linz EF 99.423; LG Wels EF 103.471), eine Geldverkehrs- (LG Linz EF 99.424 [pauschalierte Fehlgeldentschädigung]) bzw Schalterzulage (LGZ Wien EF 12.799) – es sei denn der Unterhaltspflichtige müsste tatsächlich Fehlgelder ersetzen (vgl LGZ Wien EF 12.799; LG Linz EF 95.608 [Mankogelder]) –, Geldaushilfen nach § 23 Abs 4 GehG (4 Ob 66/97b = EF 83.483), Leistungen für eine Haushaltshilfe (LG Linz EF 99.425), eine Haushaltszulage nach § 4 GehG (LGZ Wien 12.376, 44.881), eine Heiratszulage (LGZ Wien EF 40.362), eine Höhenzulage (LGZ Wien EF 56.292; LG Salzburg EF 103.473), Journaldienstzulagen (7 Ob 1620/91 = ÖA 1992, 122/F 36), eine Katastrophenzulage (LGZ Wien EF 45.196), das einem Triebfahrzeugführer der ÖBB gewährte Kilometergeld (LG Salzburg EF 95.602; vgl im Übrigen zum Kilometergeld jedoch Rz 55), die Kleidungspauschale (LGZ Wien EF 50.635), eine Kompressorzulage (aA [zur Hälfte anzurechnen] LG Eisenstadt EF 95.603), Kollegiengeldabgeltungen für Ärzte (7 Ob 1620/91 = ÖA 1992, 122/ F 36), die Lehrzulage eines Lehrers (LGZ Wien EF 95.604), allgemeine Leistungszulagen (LG Linz ua EF 95.605), eine (Betriebs-)Leiterzulage (LGZ Wien EF 95.606), Lenkerpauschale/aufwandsentschädigungen (LGZ Wien EF 53.474, 103.477; LG Linz EF 99.433; aA [keine Anrechnung] LGZ Wien EF 99.432), eine Mahlzeitenzulage (LGZ Wien EF 53.476), eine Mehrfachverwendungszulage (LGZ Wien EF 45.184), Mehrleistungsvergütungen/ zulagen (LGZ Wien EF 95.609), ein Nachtarbeitszuschlag (LGZ Wien EF 99.439), Parteienverkehrs- und Referentenzulagen (LGZ EF 53.484), ein vom Arbeitgeber bezahlter Pensionsbeitrag (LG Linz EF 99.440) oder sonstige Zuwendungen für die Zukunftssicherung (6 Ob 278/01b = EF 95.643) sowie für die Krankenzusatz- und Unfallversicherung (LGZ Wien EF 47.495), (Leistungs- sowie Erfolgs-)Prämien (10 Ob 18/04a; LG Krems ua = EF 95.616; LG Linz ua = EF 99.443) und Provisionen (LGZ Wien 99.442, 103.481), Schicht- (LGZ Wien EF 42.919) und Spät(schicht)zuschläge/zulagen (LGZ Wien EF 95.627), Sparförderungszulagen (LGZ Wien EF 40.021), eine Schreibzulage (LG Salzburg EF 95.624), die Studienbeihilfe nach dem GehG (LGZ Wien EF 45.223), Trinkgelder (LG Salzburg EF 95.631, 103.489; LGZ Wien EF 99.457, 103.489), eine Umsatzbeteiligung (LGZ Wien EF 47.923), das Urlaubsvertretungsgeld eines Hausmeisters (aA [nicht einzurechnen] LGZ Wien EF 45.203, 50.638), eine Werkmeisterzulage (LGZ Wien EF 53.510), Wege- (2 Ob 514/94 = EF 74.404) und Zehrgelder (LG Linz EF 99.467) sowie sonstige Wegzeitvergütungen (2 Ob 514/94 = ÖA 1994, 185/U 102; LG Linz EF 99.465). Einkommen ist auch eine an die Stelle von Arbeitseinkommen tretende Versi- 52 cherungsleistung für den Fall der Erwerbsunfähigkeit oder der geminderten Erwerbsfähigkeit wie etwa eine vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners 119
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geleistete Zahlung zur Abgeltung des Verdienstentgangs des Unterhaltspflichtigen. Wenn diese Beträge im Nachhinein zur Auszahlung gelangen, sind sie als Einkommen nicht in jenem Jahr zu berücksichtigen, für welches die Bemessung des Verdienstentgangs erfolgt ist, sondern in die Unterhaltsbemessungsgrundlage jenes Jahres einzubeziehen, in denen die Zahlungen tatsächlich dem Unterhaltspflichtigen zugeflossen sind (LGZ Wien 43 R 680/ 06b). 53 Zur Hälfte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind, sofern der Unterhaltspflichtige nicht dartut, dass ihnen ein höherer Mehraufwand zugrunde liegt, also im Zweifel (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 45) etwa Auslösen (LG Eisenstadt EF 95.585), Außendienstzulagen (LGZ Wien EF 53.440; aA [zur Gänze auszuscheiden] LGZ Wien EF 89.045), Aufwandsentschädigungen, die zT auch einen Gehaltsbestandteil darstellen (LG Salzburg EF 95.583, 95.249; LG Eisenstadt EF 99.406), Bauleiter- (LGZ Wien EF 42.885) und Baustellenzulagen (LGZ Wien EF 45.177), Diäten (7 Ob 528/93; 9 Ob 123/98y; 10 Ob 30/08x; 9 Ob 47/09s), Entfernungszulagen (7 Ob 302/99h = EF 89.040), die Erschwerniszulage (1 Ob 203/05; 6 Ob 26/06a; aA [zur Gänze einzubeziehen] LGZ Wien EF 116.373), eine Fernmeldepauschale (LGZ Wien EF 99.422), Klassenvorstandsbelohnungen (4 Ob 116/98g = EF 86.422), Montagezulagen (7 Ob 302/99h = EF 89.040), Nächtigungs- (10 Ob 30/08x; 2 Ob 15/09h; 9 Ob 47/09s; LG Eisenstadt ua = EF 95.614; LGZ Wien EF 99.437, 103.479; aA [zur Gänze auszuscheiden] LG Linz EF 95.615, 99.438]) und Quartiergelder (LGZ Wien EF 42.916), Reiseaufwandsentschädigungen (1 Ob 262/99g = JBl 2000, 738; 10 Ob 30/08x; 2 Ob 15/09h; 9 Ob 47/09s), Schmutz- und Schmutzerschwerniszulagen (LG Eisenstadt ua = EF 95.622; LG Linz EF 99.446; LG Salzburg EF 103.486; LGZ Wien EF 103.486; aA [zur Gänze einzubeziehen, sofern sie nicht Reinigungskosten abdecken] LGZ Wien EF 95.623; LG Salzburg EF 99.447) sowie Staubzulagen (LG Eisenstadt EF 95.628) und Taggelder (9 Ob 123/98y = EF 86.445; 7 Ob 302/99h = EF 89.069; 10 Ob 30/08x; 2 Ob 15/09h; 9 Ob 47/09s). 54 Hinsichtlich Aufwandsentschädigungen für Gemeinderatsmitglieder (6 Ob 595/94 = EF 74.338), der Auslandsverwendungszulage gem § 21 GehG (7 Ob 640/90 = EF XXVII/5; 3 Ob 160/97v = EF 83.486; 2 Ob 216/98y = EF 86.386; 2 Ob 39/99w = JBl 1999, 675; 7 Ob 302/99h = EF 89.042; 2 Ob 173/03k; zum § 21 GehG nF 2 Ob 15/09h; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 23a) sowie sonstiger Auslandszulagen (7 Ob 302/99h = EF 89.040; 3 Ob 144/99v = EF 93.856; 2 Ob 318/99z) und der Kaufkraftausgleichszulage (3 Ob 160/97v = EF 83.486; aA [zur Gänze auszuscheiden] 7 Ob 640/90 = EF XXVII/5; OLG Wien EF 53.060) ist der tatsächliche Aufwand vom Unterhaltspflichtigen konkret nachzuweisen.
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Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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Nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind (echte 55 oder reine) Aufwandsentschädigungen (1 Ob 635/95; 3 Ob 144/99v; 1 Ob 262/99g; 10 Ob 30/08x), eine Batteriepauschale (LG Krems EF 103.464), die Bildungszulage eines Lehrers (LGZ Wien EF 99.412) bzw die Bücherpauschale eines Universitätsassistenten (LGZ Wien EF 42.889), Fahrtkostenpauschalen/zuschüsse/ersätze (4 Ob 132/02v = EF 99.418) sowie tatsächliche Reisegebühren/kostenentschädigungen (10 Ob 30/08x; LG Salzburg ua EF 95.618; LG Krems EF 2 R 38/03 f; LGZ Wien EF 99.444; aA [zur Hälfte auszuscheiden] LG Eisenstadt EF 99.445]), es sei denn sie werden für die Fahrt zum Arbeitsplatz bzw nach Hause gewährt (LG Linz EF 99.420; zu den Arbeitsplatzfahrtkosten vgl Rz 164), und Kilometergeld, wenn es für die berufliche Nutzung des Privat-PKW des Unterhaltspflichtigen bezahlt wird (LG Eisenstadt ua = EF 95.601; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 9; [im Regelfall und wenn das vom Arbeitgeber für die Benützung des eigenen PKW anlässlich aufgetragener Dinstfahrten ausbezahlte Kilometergeld den amtlichen Satz nicht übersteigt] 9 Ob 47/09s; aA [zur Hälfte auszuscheiden] LGZ Wien EF 92.118, 99.430; LG Salzburg EF 103.476), eine Lichtpauschale (LGZ Wien EF 45.203) bzw der Materialkostenersatz (LGZ Wien EF 50.638) eines Hausmeisters, eine Repräsentationszulage (LGZ Wien EF 50.629) und Trennungsgelder (9 ObA 228/99s; 7 Ob 302/99h = EF 89.069; LG Salzburg EF 99.455; aA [zur Hälfte auszuscheiden] LG St. Pölten EF 95.630; LG Linz EF 99.454). Einmalzahlungen. Diese sind idR auf 12 Monate bzw auf einen angemessenen 56 Zeitraum aufzuteilen, außer sie sind derart geringfügig, dass sie keinen Versorgungs-, sondern eher Geschenkcharakter haben und aus einem bestimmten äußeren Anlass gewährt wurden; dann sind sie (nur) in jenem Monat (zur Gänze) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, in welchem sie dem Unterhaltspflichtigen zugute kamen (7 Ob 550/95 = EF 76.706). Als anrechenbare Einmalzahlungen kommen das Bilanzgeld (6 Ob 191/97z = EF 84.627; 9 Ob 353/98x = EF 88.850), Jubiläumsgelder/zulagen und Dienstjubiläumszuwendungen (7 Ob 261/98b; 3 Ob 2/98k = EF 90.359; 7 Ob 48/00k; 6 Ob 180/03v), Nachzahlungen etwa für Bereitschaftsdienste (5 Ob 1571/92 = EF 68.109) oder sonstige Gehaltsnachzahlungen (LGZ Wien EF 103.438), Remunerationen (6 Ob 2246/96d = EF 79.849), Stockablösen (6 Ob 2246/96d = EF 79.849), Treueprämien (6 Ob 2246/96d = EF 79.849), Urlaubsabfindungen (LGZ Wien EF 95.637), -ablösen (LG Linz EF 99.460), -entschädigungen (4 Ob 1577/95 = EF 76.708) und -zuschüsse (LGZ Wien EF 95.639, 99.463) sowie Verdienstentgangsentschädigungen (9 Ob 151/06 f = EF 116.384) in Betracht. Grundsätzlich sind auch Pensionsabfindungen (7 Ob 48/00k; 9 Ob 60/03v) 57 und Ausschüttungen aus Betriebspensionen (7 Ob 550/93 = EF 71.072; 1 Ob 2266/96h = EF 80.416) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Hat sich der Unterhaltspflichtige jedoch einen Teil der Kapitaldeckungs121
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summe seiner Pension auszahlen lassen („lump-sum“), was eine dauerhafte Reduktion seiner Pension bewirkte, tangieren den Unterhaltsberechtigten weder diese Einmalzahlung noch ihre (pensionsrechtlichen) Auswirkungen (9 Ob 60/03v). 58 Abfertigungen. Dass diese (mit ihrem Nettobetrag; 3 Ob 308/98k = JBl 2001, 55 [Schober]) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen sind, ist hA. Daran hat auch das BMSVG 2002 („Rucksackprinzip“ [Abfertigungsansprüche werden bei einem Arbeitsplatzwechsel mitgenommen]) nichts geändert; es gilt weiterhin das Zuflussprinzip (LG Linz 15 R 349/08m; ebenso wohl auch 1 Ob 38/09h).Werden die Ansprüche nicht ausbezahlt, bleiben sie lediglich (und daher nicht zu berücksichtigende) Anwartschaftsrechte; kommt es jedoch zum Zufluss, sind sie bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Barth/Neumayr (/Klang3 § 140 ABGB Rz 148) meinen (allerdings zum Kindesunterhalt), der Unterhaltspflichte dürfe nur bei auch ansonsten überdurchschnittlicher Alimentierung seiner Unterhaltsberechtigten die Abfertigungsansprüche mitnehmen, andernfalls müsse er sich diese bei einem Arbeitsplatzwechsel auszahlen lassen. Dem kann so nicht gefolgt werden, handelt es sich doch bei der „Abfertigung neu“ gem BMSVG 2002 nach dem Willen des Gesetzgebers um eine Zukunftsvorsorge, damit Arbeitnehmer bei Pensionsantritt nicht (massive) Kürzungen ihres Lebensstandards hinnehmen müssen. Es erscheint daher (auch beim Kindesunterhalt, jedenfalls aber beim Ehegattenunterhalt) praktisch unzumutbar, den Unterhaltspflichtigen zur Aufgabe seiner Zukunftsvorsorge zu zwingen; denkbar wäre dies allenfalls bei einer sehr schlechten finanziellen Situation des Unterhaltspflichtigen und seiner Unterhaltsberechtigten (welchen Fall letztlich ohnehin auch Barth/Neumayr/Klang3 § 140 ABGB Rz 148 vornehmlich im Sinn haben dürften). 59 Auf welchen Zeitraum Abfertigungen aufzuteilen sind, kann nicht generell beantwortet werden und ist stets einzelfallbezogen (5 Ob 512/94 = EF 75.588; 1 Ob 224/98t = EF 86.368; 7 Ob 232/01w = EF 95.571; 7 Ob 211/02h = EF 99.399; 6 Ob 8/03z; 2 Ob 59/04x) und unter Bedachtnahme auf die Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen (3 Ob 2/98k = EF 90.355, 90.356, 90.359; 7 Ob 232/01w = EF 95.571) zu entscheiden. Es ist jedenfalls keine am konkreten Einzelfall orientierte und auch nicht unbillige Variante der Anrechnung von Vorneherein ausgeschlossen (1 Ob 21/98i = EvBl 1998/109). Dass im Einzelfall auch andere als die von den Vorinstanzen gewählten Anrechnungsmethoden denkbar oder sogar zweckmäßig wären, rechtfertigt für sich allein nicht die Anrufung des OGH (6 Ob 202/06h; 10 Ob 51/07h). Die Unterhaltsfestsetzung unter Mitberücksichtigung der Abfertigung ist zeitlich nicht zu limitieren, weil zukünftige Entwicklungen noch nicht absehbar sind (LG Eisenstadt EF 99.402); der Unterhaltspflichtige hat vielmehr nach Ablauf der Anrechnungszeit die Unterhaltsherabsetzung zu begehren. 122
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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Eine Abfertigung, die nach dem Gesetz gebührt, ist aufgrund ihres Entgeltcha- 60 rakters und unter Bedachtnahme auf § 23a Abs 2 AngG auf so viele Monate aufzuteilen, als sie den darin enthaltenen Monatsentgelten entspricht (1 Ob 683/90 = RZ 1991/35; 3 Ob 28/94 = JBl 1994, 830 = EF 75.587; 3 Ob 308/98k = JBl 2001, 55 [Schober]; 3 Ob 2/98k = EF 90.356, 90.359). Dies hat aber nur dann zu gelten, wenn sie zumindest in gewissem Maß als Überbrückungshilfe bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes dient (8 Ob 1562/91 = EF 64.920; 6 Ob 18/98k ua = EF 85.875; 7 Ob 211/02h = EF 99.397; 6 Ob 8/03z; 9 Ob 60/03v). Ist der Unterhaltspflichtige (vor Erreichen des Pensionsalters) angesichts seines Alters und beruflichen Werdegangs sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar, ist bei der Aufteilung der Abfertigung ebenso von seiner statistischen Lebenserwartung auszugehen (1 Ob 224/98t = EF 86.372; 6 Ob 8/03z) wie bei laufendem Bezug einer (höheren [8 Ob 1562/91 = EF 64.920; 6 Ob 18/98k ua = EF 85.875; 1 Ob 224/98t = EF 86.372; 3 Ob 2/98k = EF 90.357, 90.358]; aA [die Höhe spielt keine Rolle] Barth/Neumayr/Klang3 § 140 ABGB Rz 148) Pension; in beiden Fällen ist nämlich davon auszugehen, dass der Unterhaltspflichtige auf einen längeren Zeitraum Vorsorge für ein höheres Einkommen getroffen hätte (8 Ob 1562/91 = EF 64.920). Wird der Unterhaltspflichtige vorzeitig pensioniert, kann die Abfertigung aber auch auf den Zeitraum zwischen der tatsächlichen Pensionierung und dem gesetzlich vorgeschriebenen Pensionsalter aufgeteilt werden (LGZ Wien EF 99.403), und zwar im Ausmaß des Einkommensverlusts; der Rest ist dann nach allgemeinen Grundsätzen zu behandeln. Erhält der (noch vermittelbare) Unterhaltspflichtige schließlich unabhängig von seiner Pensionierung einen höheren Abfertigungsbetrag, muss dieser über einen längeren Zeitraum angemessen verteilt werden, um den tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gerecht zu werden (3 Ob 2/98k = EF 90.357, 90.358; 6 Ob 229/01x = EF 95.578), also etwa rund 50.000 Euro auf 4 Jahre (7 Ob 550/93 = ÖA 1994, 67/U 92). Ob der Unterhaltspflichtige berechtigt ist, über den Vorteil aus der Abferti- 61 gungszahlung zeitlich nach eigenem Ermessen zu disponieren, ist nach der Rsp unklar (dies bejahend 5 Ob 512/94 = EF 75.588; 10 Ob 51/07h; abl jedoch 4 Ob 1577/95 = ÖA 1996, 64/F 106; 6 Ob 202/06h). Räumt man dem Unterhaltspflichtigen dieses Recht ein, muss es jedoch konsequenterweise auch dem Unterhaltsberechtigten zustehen, dh er könnte dann die Aufteilung der Abfertigung auf einen kürzeren Zeitraum begehren (idS 5 Ob 512/94 = EF 75.588; 4 Ob 1577/95 = ÖA 1996, 64/F 106; 10 Ob 51/07h); dies gilt jedenfalls dann, wenn der Unterhaltspflichtige tatsächlich die Abfertigung innerhalb weniger Jahre nach dessen Bezug für sich verwendete und damit keine „Vorsorge auf Lebenszeit“ betrieben hat (6 Ob 202/06h). Grundsätzlich ist der Unterhaltspflichtige aber zu einer gewinnbringenden Anlegung (Vorsorge) auf mehrere Jahre verpflichtet (1 Ob 171/00d = EF 123
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92.096; 6 Ob 229/01x = EF 95.580), wobei die Verwendung der Abfertigung zur Schuldentilgung unbeachtlich ist, wenn die Kredite die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht vermindern konnten (1 Ob 171/00d = EF 92.096; 1 Ob 38/09h). 62 Eine freiwillige Abfertigung, die ausschließlich dazu bestimmt ist, dem Arbeitnehmer möglichst den Einkommensausfall zu ersetzen, den er durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erleidet, ist aufgrund ihrer Funktion als Ersatz des Einkommensausfalls auf die einzelnen Monate so aufzuteilen, dass unter Berücksichtigung des dem Unterhaltspflichtigen anstelle des Arbeitseinkommens zufließenden Einkommens etwa der Betrag seines letzten durchschnittlichen Einkommens erreicht wird (3 Ob 28/94; 3 Ob 308/98k = JBl 2001, 55 [Schober]). 63 Die Unterhaltsbemessungsgrundlage ist nicht ident mit der Steuerbemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen, weshalb einerseits Steuerbescheide (3 Ob 2200/96t = EF 80.129; 3 Ob 135/03d) und Bezugs- bzw Lohnzettel (LG Salzburg EF 95.527, 95.528) oder gar Kontoauszüge (LGZ Wien EF 99.346) idR keine geeignete Unterhaltsbemessungsgrundlage ausweisen. Steuerzahlungspflichten reduzieren andererseits nur im angemessenen Umfang die Unterhaltsbemessungsgrundlage (2 Ob 223/98b = EF 86.577, 86.443), während steuerlich zu berücksichtigende Werbungskosten die Unterhaltsbemessungsgrundlage nur verringern, wenn sie auch ein pflichtbewusster Familienvater und Ehegatte unter Berücksichtigung seiner Einkommensverhältnisse und der Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten aufgewendet hätte (3 Ob 2200/96t = EF 80.136). 64 Lohnsteuerrückvergütungen (Jahresausgleichsbeträge; 1 Ob 570/93; 3 Ob 517/93 = EF 71.114; 3 Ob 395/97b = EF 86.201) sind in dem Jahr, in dem sie tatsächlich zugeflossen sind, bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen und auf dieses Jahr insgesamt aufzuteilen, und zwar unabhängig davon, ob die Aufwendung, auf der die Steuerrückzahlung basiert, unterhaltsrechtlich in einem weiteren Schritt von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen werden kann (1 Ob 570/93 = EF 72.354; 2 Ob 223/98b = ÖA 1999, 30/U 256). IS der Anspannungstheorie ist der Unterhaltspflichtige jedenfalls dann verpflichtet, trotz der ihm nach § 41 Abs 2 EStG zustehenden Fünfjahresfrist jährlich eine Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen, wenn eine solche ihm (etwa wegen seiner regelmäßigen saisonbedingten Arbeitslosigkeit) einen nicht zu vernachlässigenden Einkommenszuwachs verschafft (7 Ob 97/08b = EF-Z 2008/109). Nicht zu berücksichtigen sind hingegen Steuerrückvergütungen, wenn bei der Unterhaltsbemessung für bestimmte Einkommensperioden die darauf entfallenden Steuerschulden aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht ausgeschieden worden sind, weil sonst der Unterhaltsberechtigte doppelt begünstigt wäre: einerseits keine Reduktion der Unterhaltsbemessungsgrundlage 124
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durch Steuerzahlungen, andererseits Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage durch Steuerrückzahlung (LGZ Wien EF 95.532). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Unterhaltspflichtige ursprünglich bereits unterhaltspflichtig gewesen ist oder nicht. Steuernachzahlungspflichten sind auch bei unselbstständig erwerbstätigen 65 Unterhaltspflichtigen eine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage (3 Ob 517/93 = EF 70.879). Dies setzt aber voraus, dass der Unterhaltspflichtige in der Vergangenheit aufgrund unterlassener oder zu niedrig angesetzter Zahlungen seinen Unterhaltsberechtigten zu hohen Unterhalt gewährte, wofür ihn die Behauptungs- und Beweislast trifft (1 Ob 35/07i); andernfalls würde der Unterhaltspflichtige durch das Anlaufenlassen von Steuerschulden eine ansonsten nicht zustehende Abzugspost (LGZ Wien EF 43.040; LG Linz EF 92.385; LG Eisenstadt EF 99.676; LGZ Wels EF 110.471) schaffen. Die Steuernachzahlung stellt einen im Jahr ihrer Entrichtung zu berücksichtigenden Abzugsposten dar (3 Ob 395/97b = EF 86.201; LG Linz EF 107.120; LGZ Wien EF 120.664), und zwar umgelegt auf 12 Monate (aA möglicherweise LGZ Wien EF 120.664 [in angemessenem Umfang]). Hat der Unterhaltspflichtige jedoch aufgrund mehrerer Einkommen Einkommensteuernachzahlungen zu leisten, ist die tatsächliche Steuerlast des jeweiligen Jahres auch für dieses Jahr maßgebend, selbst wenn Voraus- oder Nachzahlungen geleistet werden, weil beim Bezug mehrerer Einkommen schon im Jahr des Bezugs klar ist, dass (mangels Vorauszahlungen) eine Einkommensteuernachverrechnung zu erfolgen haben wird bzw dass alle Einkommen unter Berücksichtigung des Gesamteinkommens entsprechend zu versteuern sein werden; allfällige spätere Zahlungen vermögen daher die Unterhaltsbemessungsgrundlage im Jahr der tatsächlichen Zahlung grundsätzlich nicht zu schmälern (LG Linz EF 99.365). Beobachtungszeitraum. Da bei der Festsetzung von Unterhalt für die Zu- 66 kunft von einem Durchschnittseinkommen auszugehen ist, ist bei schwankendem Einkommen (4 Ob 517/93 = EF 70.853, 70.854; 6 Ob 81/00 f = ÖA 2000, 170/U 317) oder bei aperiodischen (einmaligen) Einkünften (7 Ob 48/00k; vgl Rz 56 ff) von einem längeren Beobachtungszeitraum auszugehen. Nach zweitinstanzlicher Rsp reichen zwar bei unselbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen regelmäßig jene 6 Monate aus (LG Krems EF 95.568; LG Eisenstadt ua = EF 99.392; LGZ Wien EF 99.162), die der Unterhaltsbemessung (4 Ob 517/93 = EF 70.853, 70.854; 4 Ob 2025/96i) – konkret dem Schluss der Verhandlung erster Instanz (LGZ Wien EF 47.480; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 49) – unmittelbar vorangingen; der OGH hält dies bei schwankendem Einkommen jedoch für nicht ausreichend (7 Ob 302/06x = EF 116.362). Maßgeblich sind auch hier die Umstände des Einzelfalls.
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Gitschthaler
67 Auch wenn mögliche künftige Einkommensänderungen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können (LGZ Wien EF 55.935), ist aber doch immer auch maßgebend, ob das in der Vergangenheit erzielte Einkommen darauf schließen lässt, dass der Unterhaltspflichtige auch weiterhin ein Einkommen in ähnlicher Höhe erzielen wird (LG Salzburg ua = EF 95.564; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 52). Eine solche Annahme rechtfertigt zwar jedenfalls eine Gehaltsauskunft, die das Jahreseinkommen eines angestellten Unterhaltspflichtigen ausweist (2 Ob 584/91 = ÖA 1992, 159; 3 Ob 296/02d), keinesfalls aber eine solche über 3 Monate (6 Ob 16/98s = EF 86.180), es sei denn es handelt sich um ein stabiles Einkommen eines Gehaltsoder Pensionsempfängers (LG Eisenstadt EF 95.566) und die Auskunft enthält auch anteilige Sonderzahlungen. Auch bei saisonbedingt immer wiederkehrender kurzfristiger Arbeitslosigkeit des Unterhaltspflichtigen bildet das auf der Basis des Jahresnettoeinkommens errechnete monatliche Durchschnittseinkommen eine geeignete Unterhaltsbemessungsgrundlage, weil es dem Unterhaltspflichtigen zumutbar ist, für die Zeit, in der von ihm nur ein geringeres Einkommen in Form von Arbeitslosenentgelt bezogen wird, zum Zweck einer gleichmäßigen Alimentierung Reserven zu schaffen (7 Ob 248/99t = EF 89.026; 6 Ob 81/00 f; 7 Ob 302/06x [immer Jahresdurchschnittseinkommen zu ermitteln]). Steht jedoch etwa fest, dass der Unterhaltspflichtige künftig keine Überstunden mehr leisten wird können, sind sie auch nicht zu berücksichtigen (LG Eisenstadt 95.636; LG Linz EF 95.635). 68 Ist Unterhalt für die Vergangenheit festzusetzen, ist auch bei unselbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ihr effektives Einkommen in den für die Entscheidung maßgeblichen Bezugszeiträumen ziffernmäßig exakt zu erheben; sodann sind für diese Perioden uU entsprechende Durchschnittswerte zu ermitteln (vgl 3 Ob 144/99v; 2 Ob 318/99z). f) Selbstständig Erwerbstätige
69 Für das Einkommen selbstständig erwerbstätiger Unterhaltspflichtiger ist nicht der steuerliche Reingewinn maßgebend, sondern der tatsächlich verbleibende Reingewinn, wie er sich aus den realen Einnahmen unter Abzug realer Betriebsausgaben – Investitionen dürfen nicht von vornherein unangepasst hoch sein (vgl 7 Ob 52/98t) – sowie der Zahlungspflicht für einkommens- und betriebsgebundene Steuern und öffentliche Abgaben ergibt (7 Ob 52/98t = EF 86.200; 6 Ob 119/98p = EF 89.007). Dabei handelt es sich nicht um den Bilanzgewinn iS der Rechnungslegungsvorschriften. Es ist also der erzielte Jahresüberschuss der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzuzählen (LG Salzburg EF 103.416), desgleichen auch Privatentnahmen des Unterhaltspflichtigen. 126
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
§ 94 ABGB
Tätigt der Unterhaltspflichtige höhere Privatentnahmen, als es dem Reinge- 70 winn entspricht, greift er den Stamm des Vermögens an. Er hat an dieser Gestaltung seiner Lebensverhältnisse seine Unterhaltsberechtigten teilnehmen zu lassen, und zwar unabhängig davon, ob er dadurch möglicherweise seine Existenzgrundlage (oder jene des Unternehmens) gefährdet oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn er (sein Unternehmen) mit einem bilanzmäßigen Verlust abschließt (5 Ob 501/93 = EF 70.870, 70.871; 7 Ob 52/98t = EF 86.205; 9 Ob 34/01t ua = EF 95.540; 4 Ob 129/02b = EF 99.372). Nach der Rsp soll es keine Rolle spielen, ob der Unterhaltspflichtige die Pri- 71 vatentnahmen aus Reserven oder Rückstellungen finanziert oder seine Bankschulden erhöht (6 Ob 119/98p = EF 89.009; 1 Ob 179/00 f; 9 Ob 34/01t = EF 95.541) bzw als Gesellschafter sein Entnahmerecht überschritten hat und allenfalls in Zukunft Beträge rückerstatten muss (4 Ob 94/99y = EF 89.014); dies wird damit begründet, dass der Unterhaltspflichtige die Höhe der Unterhaltsansprüche durch das Ausmaß seiner Privatentnahmen zu Lasten der Substanz des Unternehmens selbst steuern könne (1 Ob 179/00 f). Diese Auffassung erzeugt aber jedenfalls dann eine wirtschaftliche Spirale nach unten (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 90/3), wenn etwa der Unterhaltspflichtige die (laufenden) Unterhaltszahlungen entnimmt, weil diese dann im Folgejahr als auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage anrechenbare Privatentnahmen wiederum die Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöhen; das gleich gilt, wenn der Unterhaltspflichtige im Folgejahr die Rückzahlungsraten für die im Vorjahr, zur Finanzierung der Privatentnahmen aufgenommenen Kredite entnimmt. Es muss daher berücksichtigt werden, dass zwar die Privatentnahmen ein verlässlicher Indikator für die Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen sein können, jedoch bei das tatsächliche Einkommen überschreitenden Privatentnahmen nicht zwingend geschlossen werden kann, dass sich der Unterhaltspflichtige auch bei künftigen Entnahmen nicht am Betriebsergebnis orientieren werde; in einem solchen Fall kann dann aber nicht auf die Privatentnahmen abgestellt werden, sondern ist der Unterhalt für die Zukunft insoweit auf der Grundlage des tatsächlichen Durchschnittsnettoeinkommens der letzten drei Wirtschaftsjahre zu bemessen (4 Ob 102/99z = EF 89.022; 9 Ob 68/ 01t; 10 Ob 8/07k = EF-Z 2007/83 [Gitschthaler]). Die erwähnte Rsp ist im Übrigen nicht auf unselbstständig erwerbstätige Unterhaltspflichtige anzuwenden (2 Ob 224/08t = EF-Z 2009/141 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/08t [Neumayr] = Zak 2009/594 [Kolmasch]). Mit den anzurechnenden Privatentnahmen sind im gleichen Buchungszeit- 72 raum getätigte Privateinlagen gegenzuverrechnen (LG Salzburg EF 95.546). Ersichtlich sind die Privatentnahmen und Privateinlagen beim Einzelunter- 73 nehmer aus seiner Einnahmen/Ausgabenrechnung, beim Mitgesellschafter einer Personengesellschaft aus den Privatentnahme- bzw Privateinlagekonten 127
§ 94 ABGB
Gitschthaler
(LGZ Wien EF 103.419) und beim Mitgesellschafter einer Kapitalgesellschaft aus deren Jahresabschlüssen. 74 Zu den anzurechnenden Privatentnahmen zählen alle nicht betrieblichen Bar- und Naturalentnahmen (1 Ob 2082/96z = EF 82.477; 7 Ob 52/98t = EF 86.203; 9 Ob 34/01t = EF 95.543) wie etwa Prämienzahlungen für Privatversicherungen (6 Ob 119/98p = EF 89.010; 7 Ob 52/98t = EF 86.203; 9 Ob 34/01t = EF 95.543) oder Rückzahlungen für privat genutzte Kredite, die Verwendung eines PKW für private Zwecke (1 Ob 2082/96z = EF 82.477; 1 Ob 12/98s = EF 88.325; 7 Ob 52/98t = EF 86.203; 9 Ob 34/01t = EF 95.543), Entnahmen für die Privatwohnung (LG Salzburg EF 95.544), an Unterhaltszahlungen (9 Ob 34/01t = EF 95.543), für eigene Verpflegung (9 Ob 34/01t = EF 95.543) sowie für sonstigen Eigenverbrauch (LGZ Wien EF 26.199, 103.427). Wieland (iFamZ 2007, 208) meint unter Hinweis insb auf deutsche Rsp, bei Privatentnahmen, die der privaten Vermögensbildung des Unterhaltspflichtigen dienen (etwa die Verwendung einer Betriebsliegenschaft, eines Unternehmenssparbuchs oder eines Betriebsmittelkredits für die Errichtung des Privatwohnhauses), sollte nicht deren Wert, sondern deren privater Nutzen für den Unterhaltspflichtigen, konkret also seine Mietzinsersparnis, der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzugeschlagen werden. IZm dem Betriebsmittelkredit übersieht er dabei aber, dass der Unterhaltspflichtige sein Vermögen schmälert, und zwar konkret um die Rückzahlungsraten – und daran hat er den Unterhaltsberechtigten teilhaben zu lassen (vgl jüngst 6 Ob 126/07h). In den beiden erstgenannten Fällen findet hingegen eine Vermögensumschichtung statt, wobei der Unterhaltspflichtige zwar grundsätzlich (s Rz 153 ff sein Vermögen nicht angreifen muss, die Berücksichtigung der Wohnkostenersparnis jedoch durchaus erwägenswert erscheint (vgl Näheres bei Rz 93). 75 Nicht anzurechnen sind Privatentnahmen, die der Sicherung und Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen dienen oder sonstige betrieblich veranlasste Aufwendungen darstellen (5 Ob 564/93; 6 Ob 119/ 98p = EF 89.013; 9 Ob 34/01t = EF 95.545; 4 Ob 129/02b = EF 99.372). Dabei kann es sich etwa auch um die Rückzahlung eines Kredits handeln, den der Unterhaltspflichtige als Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH (als Privatperson) dieser gewährt hat (6 Ob 119/98p = EF 89.013), oder um das Entgelt seiner Ehegattin, die in seinem Betrieb beschäftigt ist (5 Ob 501/93 = EF 70.997). 76 Ist der Unterhaltspflichtige an einem Unternehmen beteiligt, das mit Gewinn arbeitet und aus dem er einen Gewinnanteil bezieht, stellt dieser die Unterhaltsbemessungsgrundlage dar (3 Ob 89/97b; 4 Ob 94/99y = EF 89.014). Der Reingewinn der Gesellschaft ist dabei selbst dann seiner Unterhaltsbemessungsgrundlage und der Ermittlung des Unterhalts zugrunde zu legen, wenn 128
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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der Unterhaltspflichtige lediglich in einem Angestelltenverhältnis zu „seiner“ Gesellschaft stehen sollte, weil eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu erfolgen hat (vgl LG Salzburg EF 95.537, 103.418); Umgehungsversuche des Unterhaltspflichtigen (betreffend seine Unterhaltsverpflichtungen) sollen unterbunden werden. Zur Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen sind auch die den Ge- 77 winnanteil übersteigenden Privatentnahmen, weil dem Unterhaltspflichtigen in einem solchen Fall neben seinem Gewinnanteil und sonstigen Einkünften weitere Mittel zur Verfügung stehen, die seine wirtschaftliche Lage bestimmen, und auf seine tatsächliche wirtschaftliche Lage Bedacht genommen werden muss (4 Ob 94/99y = EF 89.014. Die Rsp zu den „Privatentnahmen“ (Rz 70 ff) ist zwar auf GmbH-Gesellschafter nicht direkt übertragbar, sind doch „Privatentnahmen“ durch einen GmbH-Gesellschafter begrifflich nicht möglich, weil nach Maßgabe des gesellschafts- bzw steuerrechtlichen Trennungsprinzips einerseits der unterhaltspflichtige Gesellschaftergeschäftsführer und andererseits die GmbH als juristische Person jeweils eigene, voneinander unabhängige Rechtspersönlichkeiten sind; da man jedoch bei bloßer Berücksichtigung des Geschäftsführerbezugs zum unterhaltsrechtlich unsachlichen Ergebnis käme, dass der Unterhaltsberechtigte seine Ansprüche an den künstlich niedrig gehaltenen offiziellen Einkünften (Geschäftsführerbezüge, Gewinnausschüttungen) bemessen müsste, während der Unterhaltspflichtige ein tatsächlich verfügbares, höheres Einkommen (Bezüge + Verrechnungskonto) bezieht, sind nicht nur die Geschäftsführerbezüge, sondern auch die von einem GmbH-Gesellschaftergeschäftsführer über Verrechnungskonten bezogenen Gelder als Zuflüsse in dessen Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei den vom Unterhaltspflichtigen aus der GmbH getätigten Entnahmen, welche auf seinem Verrechnungskonto verzinst verbucht wurden, tatsächlich um bloße Entnahmen und nicht um „verdeckte Ausschüttungen (§ 82 GmbHG) handelt; liegt diese Voraussetzung vor, sind die Entnahmen der Unterhaltsbemessungsgrundlage brutto für netto dem Geschäftsführerbezug hinzuzurechnen (vgl ausführlich LG Wels EF 122.679; vgl außerdem Siart/Dürauer, EF-Z 2009, 48). Liegen bindende Gesellschaftsbeschlüsse vor, wonach der Gewinn (teilweise) 78 zur Eigenkapitalbildung zu verwenden und als Gewinnrücklage dem Kapitalkonto gutzuschreiben ist (Gewinnthesaurierung), steht er nicht zur freien Verfügung des Unterhaltspflichtigen und ist daher auch nicht Bestandteil der Unterhaltsbemessungsgrundlage (3 Ob 89/97b = JBl 1997, 647 = EF 83.474). Allerdings wird der Unterhaltspflichtige mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts auf eine Änderung der Gesellschafterbeschlüsse zu dringen haben, ansonsten ihm allenfalls die Anspannungstheorie entgegen gehalten werden könnte (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 96/3; idS auch LG Salzburg EF 116.354). 129
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79 Ist der Unterhaltspflichtige einziger Gesellschafter (etwa einer GmbH) und auch deren alleiniger Geschäftsführer, wird bei Thesaurierung bisweilen von einer fiktiven Vollausschüttung der Gewinne der Gesellschaft ausgegangen (LG Salzburg EF 95.537, 103.418, 116.353; ebenso dBGH FamRZ [2003] 82, 680; OLG Celle FuR 2001, 509/515; Lochmann/Wachter, ÖA 2003, 211; idS wohl auch Deixler-Hübner, Scheidung Rz 23a). Richtigerweise ist aber wohl zu prüfen, wie sich diesbezüglich partnerschaftlich eingestellte Ehegatten im gemeinschaftlichen Interesse unter den gegebenen Umständen und nach den konkreten Lebensverhältnissen verhalten hätten; es ist (nur) jener Teil der tatsächlich nicht gezogenen Einkünfte an Kapitalerträgen, die vertretbarerweise hätten gezogen werden können, angemessen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (6 Ob 545/91; 7 Ob 635/94). 80 Schädigungsabsicht des Unterhaltspflichtigen ist dabei nicht erforderlich (2 Ob 295/00x), wohl aber ist im Rahmen einer (auch) wirtschaftlich orientierten Sichtweise zu berücksichtigen, dass es sich bei einer Gewinnthesaurierung (etwa in Form einer offenen Rücklagendotation) um eine Form der Selbstfinanzierung der notwendigen Betriebsmittel der Gesellschaft handelt. Diese ist zwar in der Praxis die wichtigste Finanzierungsform, bietet auch den Vorteil, von Financiers und deren Sicherheitsbedürfnis unabhängig zu sein, verschafft das am höchsten risikobereite Kapital und verursacht keine laufenden Kosten; mit der Selbstfinanzierung sind aber auch Nachteile verbunden (mangelnde Kontrolle der Rentabilität durch den Kapitalmarkt, Versteinerungseffekt, Schaffung von Überkapazitäten). Die freiwillige Beschränkung der Gewinnentnahme eines Gesellschafters ist daher nicht jedenfalls als gerechtfertigt anzusehen, kann doch gerade nicht von vornherein gesagt werden, dass die Belassung von Kapital im Unternehmen unbedingt eine besonders gewinnbringende Art der Kapitalveranlagung darstellt (3 Ob 89/97b; 3 Ob 134/10t). 81 Ist eine Gewinnthesaurierung offenkundig unwirtschaftlich, ist für Wirtschaftlichkeit, Sinnhaftigkeit oder Notwendigkeit einer derartigen Maßnahme im Einzelfall der Unterhaltspflichtige beweispflichtig; bleiben Zweifel, gehen sie zu seinen Lasten. Soweit in 3 Ob 197/02w (im Ergebnis wohl auch 1 Ob 14/04x) die Ansicht vertreten wird, der Unterhaltsberechtigte habe zu behaupten und zu beweisen, dass es sich etwa bei der Zahlung von Schulden, der Einbringung von Vermögen in den Betrieb des Unterhaltspflichtigen oder bei Renovierungen an Immobilien um unwirtschaftliche Vorgänge gehandelt hätte, steht dies hinsichtlich der Beweislastverteilung mit wesentlichen Grundsätzen der Anspannungstheorie in Widerspruch; im Übrigen ist nicht erkennbar, wie der Unterhaltsberechtigte, der ja keinen Einblick in unternehmerische Belange des Unterhaltspflichtigen hat, diesen Beweis führen sollte (vgl nunmehr auch 3 Ob 134/10t [den Unterhaltspflichtigen trifft die Beweislast für die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und die wirtschaftliche Vorherseh130
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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barkeit einer künftigen negativen Entwicklung, für die mit einer Thesaurierung von Gewinnen vorgesorgt werden sollte]). Es ist also ex ante zu beurteilen, ob die Maßnahme unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – also angesichts der damaligen Marktlage, des Kapitaleinsatzes und einer realistischen Prognose unter Heranziehung aller dafür bedeutsamen Parameter – sinnvoll oder gar durch betriebswirtschaftliche Erfordernisse des Unternehmens geboten gewesen ist (vgl 1 Ob 179/00 f; 3 Ob 197/02w; vgl auch 1 Ob 14/04x). Insb bei selbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ist die Unterhalts- 82 bemessungsgrundlage nicht ident mit der Steuerbemessungsgrundlage, welche nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen korrigiert werden muss (1 Ob 535/92 = EF 67.671; 1 Ob 130/98v = EvBl 1998/175; 5 Ob 140/98v). Daher können weder Steuerbescheide (5 Ob 1571/92 = EF 67.921; 5 Ob 67/99k = ÖA 1999, 266/F 198; 3 Ob 135/03d) noch Steuererklärungen (LG Salzburg EF 92.058; LGZ Wien EF 95.525) oder Bilanzen (LG Salzburg EF 92.059, 95.526) für sich allein eine geeignete Unterhaltsbemessungsgrundlage ausweisen, und es besteht erst recht keine Bindung der Gerichte an die Steuerbescheide (6 Ob 36/63 = SZ 36/20; 8 Ob 641/91). Vom Bruttogewinn des Unterhaltspflichtigen ist nicht die tatsächlich bezahlte 83 Einkommensteuer, sondern die nach steuerrechtlichen Bestimmungen zu zahlende in Abzug zu bringen ist (1 Ob 535/92 = JBl 1992, 702 = EF 67.674; 7 Ob 321/01h = EF 99.154; übertrieben aber LGZ Wien EF 64.918 [amtswegige Durchführung eines Jahresausgleichs im Rahmen der Unterhaltsbemessung]). Ist der Unterhaltspflichtige selbstständig erwerbstätig, kommt es also bei Feststellung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zunächst weder auf die Höhe der tatsächlich geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen noch auf allfällige Rückvergütungen an. Vielmehr ist die tatsächliche Steuerlast des jeweiligen Wirtschaftsjahrs zu ermitteln. Darauf, wann der Unterhaltspflichtige seiner Einkommensteuerpflicht konkret nachkommt, kommt es demnach nicht an (3 Ob 395/97b = EF 86.201). Steuernachzahlungen sind daher nicht in dem Jahr, in dem sie tatsächlich geleistet werden, zu berücksichtigen und auf dieses Jahr insgesamt aufzuteilen (wie bei unselbstständig Erwerbstätigen; vgl Rz 65), sondern ist die nach steuerrechtlichen Bestimmungen zu zahlende Steuer in dem Jahr in Abzug zu bringen, für das sie angefallen ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige genötigt ist, die Steuernachzahlung mittels Kreditaufnahme zu finanzieren. Da nur reale Betriebsausgaben von realen Einnahmen in Abzug gebracht wer- 84 den können (LG Linz EF 95.522; vgl auch 3 Ob 194/97v = ÖA 1998, 114/U 213 = EF 83.470; 4 Ob 218/08z = EF-Z 2009/124 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/141; 4 Ob 20/09h) und Abschreibungen sowie später durchgeführte Investitionen die wahren Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen 131
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Gitschthaler
nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten verzerren dürfen (3 Ob 194/97v = EF 83.470), sind steuerlich absetzbare Beträge bzw Steuerbegünstigungen, denen keine Einkommensminderung (3 Ob 56/95 = EF 81.696; 3 Ob 89/97b = EF 83.309; 5 Ob 67/99k = EF 89.016; 1 Ob 65/03w) bzw keine effektiven Ausgaben (1 Ob 535/92 = EF 67.671; 3 Ob 56/95 = SZ 69/203; 3 Ob 503/96) gegenüber stehen, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Dabei kann auch die in einer bestimmten Leistung liegende Zweckbestimmung allein noch nicht zu ihrem Ausscheiden führen (3 Ob 194/97v = EF 83.470). Unterhaltsrechtlich ohne Bedeutung sind daher eine Abfertigungsrückstellung (aA [zuerst Minderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage und dann Erhöhung bei Auflösung ohne tatsächliche Verwendung] 3 Ob 56/95 = SZ 69/203; 3 Ob 89/97b = EF 83.315), eine Investitionsrücklage nach § 9 EStG (1 Ob 535/ 92 = EF 67.671; 7 Ob 52/98t = EF 86.192), und zwar auch nicht bei ihrer Auflösung als Einkommen (1 Ob 535/92 = EF 67.671), ein Investitionsfreibetrag (5 Ob 501/93 = EF 70.877, 70.883; 3 Ob 56/95 = EF 81.696; 9 Ob 302/97w), die Sofort-AfA für geringwertige Wirtschaftsgüter (1 Ob 2349/96i = EF 83.508), Firmenwertabschreibungen (1 Ob 119/07t), ein Sanierungsgewinn gem § 36 EStG (5 Ob 254/05x = EF-Z 2006/70; 4 Ob 218/08z = EF-Z 2009/124 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/141) oder „kalkulative Vorräte“ bei einem EinnahmenAusgaben-Rechner (LG Salzburg EF 116.339). Da auch verlustbringende Nebentätigkeiten des Unterhaltspflichtigen die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht verringern (passivieren) können (vgl Rz 166), können weder Steuervorteile noch Verluste aus steuersparenden Beteiligungsmodellen berücksichtigt werden (2 Ob 91/01y = EF 95.547; LG Wels EF 113.421 [Bauherrenmodell]). Die laufende (normale) Absetzung für Abnützung (AfA) mindert zwar die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht grundsätzlich (3 Ob 503/96 = SZ 69/33 = EF 81.675; 1 Ob 180/97w = EF 83.507), wohl aber dann, wenn ihr reale Ausgaben zugrunde liegen (3 Ob 194/97v = ÖA 1998, 114/U 213 = EF 83.470; 8 Ob 49/06y; 4 Ob 218/08z). Zur Berücksichtigung der GebäudeAfA vgl Rz 96. 85 Beobachtungszeitraum. Bei Festsetzung des Unterhalts für die Zukunft (3 Ob 248/00t ua = EF 95.553) ist sowohl bei selbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen, die den Gewinn durch Einnahmen/Ausgabenrechnung („Betriebseinnahmen-Betriebsausgaben-Rechner“) gem § 4 Abs 3 EStG 1988 ermitteln (1 Ob 656/90 = EF 61.998; 1 Ob 535/92 = EF 67.671; 1 Ob 97/99t = EF 89.021; 4 Ob 293/00t; 7 Ob 80/10 f), als auch bei solchen, die ihre Gewinnermittlung durch Bilanzierung nach § 4 Abs 1 EStG vornehmen (1 Ob 535/92 = EF 67.671; 5 Ob 501/93 = EF 70.868, 70.869; 1 Ob 12/98s = EF 88.323; 1 Ob 97/99t = EF 89.021), das Durchschnittseinkommen aus den letzten drei, der Beschlussfassung (nicht der Unterhaltsbemessung [3 Ob 248/00t ua = EF 95.549]) vorangegangenen (abgeschlossenen, keine Rumpfjahre [LG Salzburg EF 95.550; LGZ Wien EF 103.431]) Wirtschaftsjahren festzustellen, um 132
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die Unterhaltsbemessungsgrundlage verzerrende Einkommensschwankungen, die auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zurückzuführen sind, auszuschalten; dies gilt auch bei Heranziehung der Privatentnahmen (1 Ob 4/ 97p; 5 Ob 388/99w = EF 88.846; 4 Ob 102/99z = EF 89.022; 7 Ob 48/00k) und von Gewinnanteilen aus Unternehmensbeteiligungen als Unterhaltsbemessungsgrundlage. Mit dieser Berechnungsmethode wird bewusst in Kauf genommen, dass künf- 86 tige Einkommensschwankungen zunächst unberücksichtigt bleiben und erst in einem allenfalls folgenden 2. Verfahrensschritt (nämlich im Zuge eines nachträglichen Unterhaltserhöhungs- oder -herabsetzungsverfahrens) im Nachhinein eine Übereinstimmung zwischen tatsächlich erzieltem Einkommen und geleistetem Unterhalt pro Periode erzielt werden kann. Dies soll keine (rechtspolitisch unerwünschte) „doppelte“ Unterhaltsbemessung mit verzerrenden Ergebnissen darstellen (4 Ob 319/98k = EF 86.199). Diese Rsp führt tatsächlich aber bei wirtschaftlich schlechter Entwicklung zu einer Überalimentation, die zwar rechtlich, oft jedoch wegen eingeschränkter Aufrechnungsmöglichkeiten nicht mehr finanziell rückgängig gemacht werden kann (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 85). Die Methode versagt auch, wenn eine völlig atypisch ungünstige Entwick- 87 lung der wirtschaftlichen Situation vorliegt und die momentane Einkommenslage nicht nur einen zufälligen Tiefpunkt bei schwankendem Einkommen darstellt (LGZ Wien EF 91.831, 99.382). Es ist daher grundsätzlich – allenfalls in Anwendung des § 273 ZPO (6 Ob 505/92 = EF 67.924) – auch auf konkrete Indikatoren für die Unternehmensaussichten Bedacht zu nehmen (3 Ob 395/ 97b = ÖA 1998, 242/U 236; LG Salzburg EF 95.554; LGZ Wien EF 95.554) und zu fragen, ob insb die Privatentnahmen ein verlässlicher Indikator für die künftig zu erwartenden Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen sind (4 Ob 102/99z = EF 89.022; 9 Ob 68/01t = EF 95.560; 4 Ob 203/07t = EF 116.358; 7 Ob 80/10 f). Dabei sind nicht etwa spekulative Prognosen über zukünftige Umstände, insb über eine künftige Einkommensveränderung (1 Ob 2040/96y = EF 80.141) anzustellen, wohl aber vorliegende (7 Ob 52/98t; 9 Ob 68/01t) bzw ohne nennenswerte Verzögerung beischaffbare (4 Ob 555/ 91 = EF 65.190; 3 Ob 395/97b = EF 86.198; vgl auch 4 Ob 97/10h [4 Monate braucht das Gericht jedoch nicht zuzuwarten]) gesicherte und aktuelle Daten mitzuberücksichtigen, also etwa ein in Kürze vorliegendes Jahresergebnis (LG Salzburg EF 107.141). Jedenfalls ist bei der Unterhaltsbemessung für die Zukunft immer auch zu prüfen, ob das in der Vergangenheit erzielte Einkommen darauf schließen lässt, dass der Unterhaltspflichtige auch weiterhin Einkommen in ähnlicher Höhe wie bisher erzielen wird (4 Ob 203/07t = EF 116.358; 7 Ob 80/10 f). Dies spielt in der Praxis gerade derzeit eine große Rolle, mussten doch zahlreiche selbstständig erwerbstätige Unterhaltspflichtige durch die Finanz- und 133
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Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 erhebliche Umsatz- und Einkommenseinbußen hinnehmen, ohne dass gesichert wäre, dass diese in Hinkunft wieder ausgeglichen werden können. Es wird daher im Einzelfall zu prüfen sein, ob die Krise das Einkommen des Unterhaltspflichtigen lediglich vorübergehend oder nachhaltig beeinträchtigt hat, wobei uU die Beiziehung eines Sachverständigen notwendig sein wird; Unklarheiten gehen zwar zu Lasten des Unterhaltspflichtigen, eine strenge Beweispflicht ist ihm jedoch nicht aufzuerlegen, sondern sind vielmehr Plausibilitäts- und Wahrscheinlichkeitsüberlegungen anzustellen. Aber auch umgekehrt kann durch die Durchschnittsbetrachtung das Bild der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen verfälscht werden, etwa bei einer Unternehmensgründung; dem geringen Einkommen in der Phase des Unternehmensaufbaus würde nämlich für die Zukunft ein viel zu hohes Gewicht beigemessen (7 Ob 80/10 f). In einem solchen Fall ist daher das Jahr der Unternehmensgründung, das erfahrungsgemäß mit besonders hohen Betriebsausgaben belastet ist, bei der Durchschnittsberechnung nicht zu berücksichtigen. 88 Ist der Unterhalt für konkrete vergangene Zeitabschnitte zu prüfen, so ist die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen genau für diese Unterhaltsperioden zu ermitteln (1 Ob 549/95 = EF 77.030; 4 Ob 293/00t; 3 Ob 248/00t ua = EF 95.555; 3 Ob 250/07x = EF 116.359; 7 Ob 80/ 10 f) und das im jeweiligen Zeitraum erzielte tatsächliche Einkommen maßgebend (4 Ob 94/99y; 4 Ob 102/99z; 4 Ob 293/00t; 1 Ob 179/00 f). Dies gilt auch dann, wenn die Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund von Privatentnahmen (4 Ob 102/99z = EF 89.022; 9 Ob 68/01t = EF 95.558; 2 Ob 91/ 01y = EF 95.559) oder einer Anspannung des Unterhaltspflichtigen (4 Ob 293/00t) gebildet wurde. g) Vermögenserträgnisse
89 Vermögenserträgnisse liegen dann vor, wenn das Vermögen einen dauernden Ertrag abwirft. Sie stellen grundsätzlich ein für die Unterhaltsbemessung relevantes Einkommen dar (Schwimann/Kolmasch 16; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 9). Dabei ist es belanglos, ob es sich um Erträgnisse eines Vermögens handelt, das der Unterhaltspflichtige bereits vor der Ehe erworben (2 Ob 295/00x), im Erbweg (5 Ob 576/90 = EF 62.163; 7 Ob 611/91 = EF 65.411; 9 Ob 354/97t; 10 Ob 57/08t [ab dem Todestag]) erhalten oder das er gewonnen (1 Ob 311/98m = EF XXXV/3 [Lotteriegewinn]) hat; ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob das Vermögen der nachehelichen Aufteilung unterliegen würde (2 Ob 295/00x). Zur Frage, inwieweit derart erworbenes Vermögen gegenüber geschiedenen Ehegatten zu berücksichtigen ist, vgl § 66 EheG Rz 9.
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Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
§ 94 ABGB
Hat der Unterhaltspflichtige aus einer früheren Ehe eine Ausgleichszahlung 90 nach § 94 EheG erhalten, diese aber nicht zweckentsprechend verwendet (Beschaffung einer Ersatzwohnung, deren Einrichtung und ganz allgemein auch Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen [1 Ob 595/91 = EF 65.306; 3 Ob 194/97v]) – etwa weil anderweitig eine Wohnmöglichkeit vorhanden war –, sind die Erträgnisse daraus ebenfalls der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen (vgl 1 Ob 622/93; 4 Ob 531/95 = RZ 1996/11; 8 Ob 60/10x); bei lediglich vorübergehender Aufhebung der Zweckbindung ist diese jeweils für den konkreten Unterhaltszeitpunkt zu prüfen (5 Ob 65/97p = EvBl 1997/ 188). Andernfalls sind die Erträgnisse der Ausgleichszahlung ebenso wenig zu berücksichtigen (8 Ob 60/10x; idS auch Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 2) wie (generell) jene aus der Veranlagung von Schmerzengeldzahlungen (7 Ob 166/10b = EF-Z 2011/12; idS wohl auch bereits 6 Ob 615/94 = EF 74.319). Wirft das Vermögen keinen dauerhaften Ertrag ab, sondern handelt es sich le- 91 diglich um Anwartschaften (3 Ob 296/02d [„stock options“]), wird die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht berührt (6 Ob 625/91 = EF 65.008; 1 Ob 130/98v = EF 86.409); dies gilt auch für Leistungen des Dienstgebers des Unterhaltspflichtigen an einen Mitarbeiterbeteiligungsfonds (LG Salzburg 21 R 548/06v [„profit sharing“]). Um welche Art von Vermögen es sich handelt, ist belanglos, sodass nicht nur 92 Zinsen (1 Ob 622/93; 4 Ob 531/95 = RZ 1996/11; 5 Ob 65/97p = EvBl 1997/ 188; 3 Ob 278/98y = EF 86.455), Dividenden und Gewinnausschüttungen (LG Salzburg EF 95.990; LGZ Wien EF 99.176) aus Kapital- und Geldanlagen, sondern auch Miet- (4 Ob 210/98 f = EF 86.424; 1 Ob 98/03y = EvBl 2003/183) und Pachteinkünfte (LGZ Wien EF 99.176), Leibrentenzahlungen (LGZ Wien EF 58.694), Gewinnanteile aus Unternehmensbeteiligungen (vgl dazu Rz 76), tatsächliche Ausschüttungen aus Privatstiftungsvermögen (LG Salzburg EF 116.326; Limberg, EF-Z 2008, 175; vgl auch Rz 142) und Vorteile aus der Abgabe von Mitarbeiterbeteiligungen (6 Ob 278/01b = EF 95.610) zu berücksichtigen sind. Dabei ist nicht auf die restriktiven Voraussetzungen für eine allfällige Heranziehung des Vermögensstamms abzustellen (vgl Rz 153 ff). Nicht zu berücksichtigen sind jedoch Verkaufserlöse, weil hier lediglich der Vermögensstamm umgeschichtet wird (vgl 4 Ob 557/94; 1 Ob 14/04x; LG Krems EF 100.952), und zwar selbst dann, wenn mit dem Käufer Ratenzahlung vereinbart worden ist (1 Ob 98/03y = EvBl 2003/183), und bloße Wertsteigerungen der Vermögenssubstanz, die nicht in Geld realisiert werden (LGZ Wien EF 99.176), wie etwa Kursgewinne bei Wertpapieren (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 41; Schwimann/Kolmasch 16) oder von Liegenschaftsvermögen (vgl dazu ausführlich Rz 160). 135
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Gitschthaler
93 Fraglich erscheint, ob sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöht, wenn der Unterhaltspflichtige eine ihm gehörende Eigentumswohnung (ein Haus) bewohnt und sich dadurch Wohnkosten erspart. Der Unterhaltspflichtige kann zwar nicht zu deren Verwertung gezwungen werden, der OGH scheint einer derartigen Berücksichtigung in jüngerer Zeit auch eher abl gegenüber zu stehen (vgl 6 Ob 5/04k; 10 Ob 96/05y = EF 110.225; 10 Ob 8/07k = EF-Z 2007/83 [Gitschthaler]; offenbar noch aA 6 Ob 97/00h = ÖA 2000, 215/U 322). Umgekehrt berücksichtigt die Rsp aber die Verminderung des Unterhaltsbedarfs auf Seiten eines Unterhaltsberechtigten, der wohnversorgt ist, durchaus (vgl Rz 253 ff; vgl auch 10 Ob 8/07k = EF-Z 2007/83 [Gitschthaler]). Ein Grund für eine derartige Differenzierung ist dabei nicht ersichtlich. Es erschiene daher durchaus sachgerecht, auch beim Unterhaltspflichtigen die Ersparnis an Wohnkostenaufwand zu berücksichtigen (so auch LG Eisenstadt EF 99.352; vgl auch 6 Ob 97/00h = ÖA 2000, 215/U 322), also den (fiktiven) Mietwert der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen (vgl auch Rz 49); dies jedenfalls in jenen Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige nichts zum Erwerb der Eigentumswohnung (des Hauses) beigetragen hat (Schenkung, Erbe, freiwillige Zurverfügungstellung, Verwendung einer Betriebsliegenschaft oder eines Unternehmenssparbuchs für die Errichtung [Wieland, iFamZ 2007, 208]). 94 Zu berücksichtigen sind Leistungen aus dem Abreifen eines Lebensversicherungsvertrags (4 Ob 218/08z; so auch schon LG Salzburg EF 103.787; aA LGZ Wien 44.882; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 43); der Unterhaltspflichtige verwertet ja sein Vermögen (vgl auch Gitschthaler, EF-Z 2008, 61 [Entscheidungsanmerkung]). Kein Bestandteil der Unterhaltsbemessungsgrundlage ist hingegen der Rückkaufswert einer Lebensversicherung (LG Salzburg 21 R 402/05x). Der Unterhaltspflichtige ist nämlich zwar zur Anspannung verpflichtet; dies darf aber nicht so weit gehen, dass künftige finanzielle Absicherungen vorzeitig aufgelöst werden müssten (vgl auch Rz 58; lediglich [allfällige] Früchte dieses Kapitals sind zur Unterhaltsbemessung heranzuziehen (LG Salzburg 21 R 402/05x]). Vgl dazu ausführlich Rz 159. 95 Die Vermögenserträgnisse sind zwar nicht um die „Inflation zu bereinigen“, sondern zur Gänze zu berücksichtigen (2 Ob 295/00x). Zinsen und Rückzahlungsraten eines Darlehens, das zur Schaffung einer Einkommensquelle aufgenommen wurde, mindern jedoch die aus dieser Quelle erzielten Einkünfte, weil kein Grund besteht, Aufwendungen, die durch die Schaffung einer Einkommensquelle verursacht werden, anders als jene zu behandeln, die zu deren Erhaltung dienen (10 ObS 58/89; 10 ObS 263/89; 10 ObS 140/90; 6 Ob 382/ 97p = EF 86.518; Schwimann/Kolmasch 16). 96 Mieteinnahmen sind so lange neutral, als die erzielten Einnahmen die laufenden Finanzierungskosten für das Mietobjekt nicht übersteigen (4 Ob 210/98 f 136
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= EF 86.392; 9 Ob 94/00i; 3 Ob 170/05d = EF-Z 2006/46; Gitschthaler, JBl 1997, 33; Hoyer, JBl 1998, 776; ders, JBl 1999, 201; aA [Mieteinnahmen erhöhen zwar die Unterhaltsbemessungsgrundlage, Finanzierungskosten reduzieren sie aber nicht] 7 Ob 2085/96k = EF 80.560; 7 Ob 132/98g = EF 86.393). Derartige Aufwendungen sind daher den erzielten Mieteinnahmen gegenüber zu stellen und nur ein sich danach allenfalls ergebender positiver Saldo in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (4 Ob 129/02b = EF 99.757). Dies gilt auch, wenn die Mieteinnahmen zur Sanierung des Mietobjekts verwendet und dadurch aus der Vermietung Verlust erwirtschaftet wurde. Dabei soll es gerechtfertigt erscheinen, die Hälfte der Mieteinnahmen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (LG Wels EF 103.786); tatsächlich ist dieser Fall aber mit jenem des selbstständigen Unterhaltspflichtigen vergleichbar, der Unternehmensgewinne thesauriert (vgl Rz 78 ff; im hier vertretenen Sinn nunmehr auch Schwimann/Kolmasch 16 FN 139). Nach einer jüngeren E ist jedoch einer betriebswirtschaftlichen Sicht der Vorzug zu geben: Von den Einkünften des Unterhaltspflichtigen sind nicht die tatsächliche Kreditrückzahlung, sondern die Zinsbelastung und die Gebäude-AfA abzuziehen (4 Ob 218/08z = EF-Z 2009/124 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/141; 4 Ob 20/09h). Hat der Unterhaltspflichtige das Mietobjekt nicht fremdfinanziert, sondern durch Vermögensumschichtungen, steht ihm die AfA nicht zu (vgl ausführlich Gitschthaler, EF-Z 2009, 190 [Entscheidungsanmerkung]; vgl auch 10 ObS 71/09b; möglicherweise für eine Gleichbehandlung von Fremd- und Eigenfinanzierung 4 Ob 218/08z = EF-Z 2009/ 124 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/141; idS ausdrücklich Siart/Dürauer, EF-Z 2010, 183, die jedoch ausschließlich betriebswirtschaftlich, nicht unterhaltsrechtlich argumentieren).
2. Anspannung a) Allgemeine Voraussetzungen
Der Anspannungsgrundsatz ist im Ehegattenunterhaltsrecht durch die Worte 97 „nach ihren Kräften“ in § 94 Abs 1 ABGB – so wie im Kindesunterhaltsrecht in § 140 Abs 1 ABGB – gesetzlich verankert (4 Ob 544/92; 6 Ob 522/93 = EF 70.573; Gitschthaler, ÖJZ 1996, 553; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 38; Hoyer, EF-Z 2010, 187), weshalb auch bei Ehegatten die zum Kindesunterhalt entwickelten Grundsätze anzuwenden sind (vgl LG Feldkirch EF 100.974). Der Anspannungsgrundsatz bedeutet, dass den Unterhaltspflichtigen die Obliegenheit trifft, im Interesse seiner Unterhaltsberechtigten alle persönlichen Fähigkeiten, insb seine Arbeitskraft und alle seine Kenntnisse, so gut wie möglich einzusetzen; tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzie137
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len können (1 Ob 599/90 = EF 62.022; 10 Ob 2032/96p = EF 80.289; 6 Ob 116/00b = ÖA 2000, 265/U 323; 7 Ob 249/00v). Dabei ist der Unterhaltspflichtige gehalten, alle seine Kräfte anzuspannen, also seine ganze Leistungskraft unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines Könnens auszuschöpfen (4 Ob 518/91; 6 Ob 181/97d = EF 83.341), um den laufenden Unterhalt leisten zu können. Er muss aber nicht auch bereits für die Zukunft Vorsorge zu treffen (8 Ob 602/93 = EF 73.934). 98 Für die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes ist es unerheblich, ob der Unterhaltspflichtige selbstständig oder unselbstständig erwerbstätig ist (7 Ob 628/90 = EF 62.023; 6 Ob 116/00b; 10 Ob 8/07k = EF 116.413; 1 Ob 82/07a = EF 116.413; 9 Ob 71/06s EF-Z 2008/16 [Gitschthaler]). Den selbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen trifft demnach ebenso die Obliegenheit, sein Einkommen in zumutbarer Weise zu maximieren, dh seine Erwerbstätigkeit mit der erforderlichen wirtschaftlichen Sorgfalt zu betreiben (92Ob 71/06s = EF-Z 2008/16 [Gitschthaler]; LG Salzburg EF 116.415). Im Fall seiner Anspannung wird von ihm jedoch nicht verlangt, eine (neue, andere) selbstständige Erwerbstätigkeit zu beginnen; vielmehr hat er sich im Hinblick auf seine Unterhaltspflicht so behandeln zu lassen, als hätte er seine frühere (unselbstständige) Berufstätigkeit nicht aufgegeben (1 Ob 82/07a = EF 116.414); dies bedeutet allerdings nicht, dass der Unterhaltspflichtige auf sein früheres (unselbstständiges) Einkommen anzuspannen wäre, maßgeblich ist vielmehr das nunmehr für ihn erzielbare. 99 Für die Anwendung der Anspannungstheorie ist es weiters unerheblich, ob es sich um eine erstmalige oder um eine wiederholte Unterhaltsfestsetzung handelt (LGZ Wien EF 95.679; Gitschthaler, ÖJZ 1996, 553); allerdings sind bei der Erstbemessung die Lebens-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse besonders genau zu erheben (1 Ob 23/02t = EF 99.526). 100 Da der Anspannungsgrundsatz lediglich eine Art Missbrauchsvorbehalt darstellt (8 Ob 191/97i; 6 Ob 272/02x; 1 Ob 130/04 f; 7 Ob 97/08b), kommt seine Anwendung nur in Betracht, wenn schuldhaft – leichte Fahrlässigkeit genügt (2 Ob 576/94 = EF 74.105; 2 Ob 250/97x = EF 83.323), vorsätzliche Unterhaltsflucht ist nicht notwendig (1 Ob 23/02t = EF 99.543; 7 Ob 205/03b) – Einnahmen versäumt werden (7 Ob 52/98t). Dies ist etwa der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige schuldhaft (grundlos [8 Ob 1603/93 = EF 74.117]) keine Erwerbstätigkeit ausübt (3 Ob 547/94 = RZ 1995/76; 3 Ob 28/94; 1 Ob 115/98p = ÖA 1999, 32/U 258) oder die Erzielung von (deutlich [7 Ob 121/07 f]) höheren Einkünften unterlässt (8 Ob 191/97i = ÖA 1998, 170/U 225; 4 Ob 120/98w ua = EF 86.248; 7 Ob 249/00v; 2 Ob 208/06m; 7 Ob 121/ 07 f), nicht jedoch, wenn etwa einer Weiterbeschäftigung des Unterhaltspflichtigen betriebliche Erfordernisse entgegen stehen (3 Ob 28/94).
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Voraussetzung ist immer auch die Zumutbarkeit einer entsprechenden Er- 101 werbstätigkeit (6 Ob 194/97s = EF 83.341; 6 Ob 181/97d = EF 83.342). Wer also – aus welchen Gründen immer (Krankheit, Haft, Schwangerschaft, Alter) – zu einer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage ist (4 Ob 544/91 = ÖA 1992, 51/U 23; 4 Ob 120/98w = JBl 1999, 182 = EF 86.223; 4 Ob 175/98h = EF 87.717; 7 Ob 194/03k), dem kann wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit auch kein potenzielles Einkommen unterstellt werden. Der Unterhaltspflichtige muss nicht gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen, um ein (höheres) Einkommen zu erzielen (LG Salzburg EF 99.164; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 6), er braucht sich auch nicht über (bestehende) gesundheitliche Beeinträchtigungen hinweg zu setzen, weil dies idR mit vorzeitigem Verschleiß und Arbeitskraftverlust verbunden ist (7 Ob 582/91 = EF 64.894; 6 Ob 643/95; LG Salzburg EF 99.163). Tut er dies allerdings und betreibt er Raubbau an seiner Gesundheit, ist seine Unterhaltspflicht nach dem tasächlichen – und nicht nach dem zumutbaren geringeren – Einkommen zu ermitteln (Schwimann/Kolmasch 53). Ist der Unterhaltspflichtige aufgrund einer Erkrankung oder infolge Suchtmittelmissbrauchs (Drogen, Alkohol) nicht erwerbsfähig, hat er sich zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit etwa einer (auch mehrerer) Operationen, einer psychotherapeutischen oder antidepressiven Behandlung, aber auch einer Entziehungskur zu unterziehen (6 Ob 64/07s = EF-Z 2007/109 mwN aus der sozialversicherungsrechtlichen Rsp); der Suchtmittelmissbrauch muss allerdings noch beherrschbar bzw bei geistigen Störungen und Erkrankungen der Unterhaltspflichtige in der Lage sein, die Notwendigkeit einer Behandlung zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln (6 Ob 64/07s = EF-Z 2007/109). Die Operation muss dem Unterhaltspflichtigen zumutbar sein; dagegen stellt eine Operation, die lediglich eine eingeschränkte Erfolgsrate aufweist und mit diversen Risiken verbunden ist, keine zumutbare Behandlung dar (LGZ Wien EF 116.451 [70% Erfolgsrate sind zu wenig]). Es ist konkret zu prüfen, wie ein ordentlicher familien- und pflichtbewusster 102 Ehegatte („bonus pater familias“ [LGZ Wien EF 95.256; LG Salzburg EF 99.164]) in der konkreten Lage des Unterhaltspflichtigen die diesem zur Erzielung von Einkommen zur Verfügung stehenden Mittel an Arbeitskraft und Vermögen vernünftigerweise einsetzen würde, um angemessenen Unterhalt leisten zu können (4 Ob 181/98s; 6 Ob 116/00b = ÖA 2000, 265/U 323; 7 Ob 249/00v; 6 Ob 228/00y; 7 Ob 205/03b). Vom Unterhaltspflichtigen tatsächlich getroffene Entscheidungen, etwa über Berufswahl oder Wahl des Arbeitsplatzes, unternehmerische Entscheidungen bei selbstständig Erwerbstätigen, eine Vermögensveranlagung oder -verwertung sind dabei grundsätzlich nach seiner subjektiven Kenntnis und Einsicht im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidungen zu beurteilen. Maßgeblich ist, ob die Maßnahme nach den jeweils gegebenen konkreten Umstän139
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den im Entscheidungszeitpunkt als vertretbar anzuerkennen ist. Umso weniger dabei eine bestimmte Disposition wirtschaftlich einzuleuchten vermag, desto mehr wird es am Unterhaltspflichtigen liegen, sie aus seiner Sicht verständlich zu machen. Dabei können aber auch durchaus wirtschaftsfremde Erwägungen Berücksichtigung finden, etwa moralische Verpflichtungen; darin liegen eben systemimmanente Schranken der Anspannung (6 Ob 586/93 = EF 70.898; 6 Ob 116/00b = ÖA 2000, 265/U 323). 103 Grundsätzlich trifft den Unterhaltsberechtigten die Beweislast dafür, dass der Unterhaltspflichtige zumutbarerweise ein (höheres) Einkommen erzielen könnte, die Beweislast für die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Beibehaltung eines Arbeitsplatzes hingegen den Unterhaltspflichtigen (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 6). Der OGH hat dazu allerdings ganz grundsätzlich festgehalten, es sei keinesfalls Sache der Gerichte aufzuzeigen, wie (schicksalsbedingte) Lebensverhältnisse verbessert werden könnten, solange die Unterlassung bestimmter Bemühungen in dieser Richtung nicht der einen oder der anderen Prozesspartei zum Verschulden oder doch als in ihrem Bereich gelegen zuzurechnen wäre (6 Ob 599/91 = EF XXVIII/12); gemeint ist damit, dass es etwa nicht Sache der Gerichte ist, dem anzuspannenden Unterhaltspflichtigen konkrete Verhaltensweisen oder gar konkrete Arbeitsplätze aufzuzeigen. 104 Sowohl die Frage der Anwendung des Anspannungsgrundsatzes (6 Ob 2319/ 96i = EF 80.165; 2 Ob 108/02z = EF 99.510) als auch die Art der Anspannung (7 Ob 582/91 = EF 64.894; 5 Ob 1562/91 = EF 67.437; 9 Ob 57/98t = EF 86.224), die Verschuldensfrage (5 Ob 1575/91; 1 Ob 1645/95) und auch die Höhe der erzielbaren Einkünfte betreffen den Einzelfall. Schwierigkeiten bei der Tatsachenfeststellung dürfen nicht durch Anwendung des Anspannungsgrundsatzes umgangen werden (1 Ob 552/93 = EF 71.615; 6 Ob 181/97d = EF 83.345; 1 Ob 23/02t = EF 99.525). Allerdings hindert auch ein unbekannter Aufenthalt des Unterhaltspflichtigen seine Anspannung nicht, sofern bei der Erstbemessung noch beweismäßige Spuren erfassbar sind (7 Ob 578/90 = SZ 63/95; 1 Ob 94/98z) oder bei einer Neubemessung der Unterhaltspflichtige die Verringerung seiner Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht dartut (1 Ob 262/02i = EF 99.613, 99.614). 105 Eine Anspannung ist in Erwägung zu ziehen, wenn Einkünfte des Unterhaltspflichtigen fehlen oder in auffälliger Weise hinter den nach den Umständen gerechtfertigten Erwartungen zurückbleiben (6 Ob 586/93 = EF 70.894); Arbeitsunwilligkeit ist dabei nicht Voraussetzung (7 Ob 249/00v; 7 Ob 194/03k). Auch in diesen Fällen kommt – als eine Art „natürliche Prüfungsgrenze“ (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 39) – eine Anspannung aber nicht in Betracht, wenn ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemesse140
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ner Unterhalt bereits durch sonstige Einkünfte des Unterhaltspflichtigen (etwa Arbeitslosengeld [1 Ob 654/92 = EF 67.977], Sozialhilfe [4 Ob 2098/96t = EF 81.825] oder Vermögenserträgnisse [vgl Rz 56 ff]) gesichert ist (7 Ob 582/91 = EF 64.894; Purtscheller/Salzmann Rz 102) oder wenn der Unterhaltspflichtige ohnehin bereits ein (unter Bedachtnahme auf seine konkrete Situation [vgl 3 Ob 1097/90 = EF 62.021; 7 Ob 581/93 = EF 74.160]) durchschnittliches Einkommen bezieht (7 Ob 582/91 = EF 64.894; LG Krems EF 95.686; LGZ Wien EF 99.518; vgl auch 9 Ob 168/98s = EF 86.253; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 39 FN 330); dabei kann von einer nicht zu schmalen Bandbreite ausgegangen werden (LGZ Wien EF 95.704, 103.539). Das bedeutet zwar einerseits, dass etwa der Unterhaltspflichtige als Bezieher einer hohen Pension sich nicht auch noch fiktive Mieteinnahmen (vgl Rz 136 ff) einer ihm gehörenden, leer stehenden Wohnung zurechnen lassen muss (LGZ Wien EF 44.875; vgl auch 1 Ob 98/03y = EvBl 2003/183; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 39 FN 330). Grundsätzlich kann aber auch auf überdurchschnittliche (gehobene) Einkommensverhältnisse angespannt werden kann, wenn im konkreten Fall die Voraussetzungen dafür vorhanden sind oder der Unterhaltspflichtige grundlos diese Einkommensverhältnisse aufgegeben hat (2 Ob 591/95 = EF 80.182; 7 Ob 121/07 f; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 39). Im Einzelfall ist der von den Ehegatten einvernehmlich gewählte gemeinsame Lebenszuschnitt maßgeblich (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 39). Ließen die Ehegatten idS etwa eine Wohnung leer stehen oder arbeitete der Unterhaltspflichtige weniger, muss der Unterhaltsberechtigte dies auch für den Fall der Trennung hinnehmen; auf geschiedene Ehegatten lassen sich diese Überlegungen jedoch nicht 1 : 1 übertragen. Übt der Unterhaltspflichtige eine Ganztagesbeschäftigung aus, schließt dies 106 eine (weitergehende) Anspannung regelmäßig aus (LG Salzburg EF 95.693; aA LGZ Wien EF 89.108); eine Anspannung auf eine Nebenbeschäftigung (7 Ob 582/91 = EF 64.894; 6 Ob 643/95 [gesundheitlicher Verschleiß]) oder auf Überstunden (LGZ Wien EF 89.113, 89.114, 95.692 [Schutzfunktion der Freizeit]; 10 Ob 5/08w = EF-Z 2008/110 [Erholungs- und Freizeitbedürfnis]; Schwimann/Kolmasch 55) ist nämlich nicht möglich (aA LGZ Wien EF 91.848 [der Unterhaltspflichtige schlägt ihm angebotene Überstunden aus]; unklar Barth/Neumayr/Klang3 § 140 ABGB Rz 162 [„nicht geleistete Überstunden“]). Dies gilt nur dann nicht, wenn Überstunden mit einem bestimmten Beruf typischerweise verbunden sind (LGZ Wien EF 62.091; etwa im Gastgewerbe) oder der Unterhaltspflichtige in Unterhaltsschädigungsabsicht bisher tatsächlich bezogene derartige Mehreinkünfte aufgibt (2 Ob 532/91 = JBl 1992, 173 [Hoyer]; 7 Ob 121/07 f [ärztliche Nacht- und Journaldienste]; 10 Ob 5/08w = EF-Z 2008/110; LGZ Wien EF 103.191). Allerdings ist auch in diesen Fällen zu prüfen, ob dem Unterhaltspflichtigen die (weitere) Erzie141
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lung dieses Einkommens zumutbar ist; auch einem pflichtbewussten Unterhaltspflichtigen ist die angemessene Verfolgung eigener Lebensinteressen zuzubilligen (7 Ob 121/07 f). 107 Beschränkt sich der Unterhaltspflichtige hingegen ohne überzeugende Gründe auf eine Halbtags- (LG Linz EF 95.689) oder Teilzeitbeschäftigung (2 Ob 63/02g = EF 99.522), wählt er Zeitausgleich anstelle eines Überstundenentgelts (1 Ob 21/98i = EF 86.258; 1 Ob 78/00b = EF 92.206; 3 Ob 118/01a = EF 99.523) oder nimmt er unbezahlten Urlaub (6 Ob 258/02p = EF 99.524), ist er auf das Einkommen aus einer Ganztagesbeschäftigung bzw auf das Überstundenentgelt oder sein bisheriges Einkommen anzuspannen; dies gilt aber dann nicht, wenn er ohnehin bereits überdurchschnittlichen Unterhalt leistet (vgl 3 Ob 118/01a). Die gleichen Überlegungen gelten, wenn der Unterhaltspflichtige eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgibt oder einschränkt oder etwa aus einer Gesellschaft ausscheidet, um sich seiner Unterhaltspflicht (zumindest teilweise) zu entziehen (3 Ob 99/07s). 108 Unterlässt der Unterhaltspflichtige aus in seiner Sphäre liegenden Gründen einen Antrag auf Gewährung einer öffentlich-rechtlichen Leistung (Arbeitslosengeld, Karenzurlaubsgeld, Familienzuschläge), muss er sich (jedenfalls) dieses ihm mögliche Einkommen anrechnen lassen (1 Ob 559/92 = EF 68.035; 1 Ob 550/94 = JBl 1995, 62; 3 Ob 160/94; 3 Ob 250/97d; 7 Ob 194/ 03k; 9 Ob 87/09y); ansonsten muss er seine persönliche Lebensgestaltung aber nicht danach ausrichten, öffentlich-rechtliche Leistungen zu beziehen (vgl 1 Ob 115/98p = EF 86.217).
b) Anspannungseinkommen
109 Ausgehend von dem Grundsatz, dass eine Anspannung nicht zu einer bloßen Fiktion führen darf, sondern immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen muss, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage (gewesen) wäre (6 Ob 530/92 = ÖA 1992, 147/U 63; 1 Ob 165/01y = EF 95.697; 2 Ob 108/02z = EF 99.527, 99.529; 7 Ob 205/03b), ist der Unterhaltspflichtige auf ein bei zumutbarer Anspannung seiner Leistungskraft und bei vollem und zumutbarem Arbeitseinsatz erzielbares (8 Ob 509/91 ua = EF 65.254; 4 Ob 544/91) sowie seiner Ausbildung entsprechendes Durchschnitts(erwerbs)einkommen – also nicht automatisch auf ein solches in einer bestimmten Branche (1 Ob 532/95 = EF 77.077; aA [branchenübliches Einkommen] 3 Ob 541/95 = EF 77.144; LG Linz EF 99.534) – anzuspannen (3 Ob 1097/90 = EF 62.021; 7 Ob 581/93 = 142
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
§ 94 ABGB
EF 74.160). Die sich nach den konkreten Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen (4 Ob 2327/96a = EF 80.180) richtende potenzielle Leistungsfähigkeit (1 Ob 2330/96w = EF 83.342) ist nach einer den subjektiven Fähigkeiten und der objektiven Arbeitsmarktlage entsprechenden sowie zumutbaren Erwerbstätigkeit zu messen. Subjektive Fähigkeiten und Zumutbarkeit werden dabei im Wesentlichen durch Alter, berufliche Ausbildung, körperliche und geistige Verfassung sowie familiäre Belastung bestimmt; in diesem Rahmen sind die konkreten Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt ausschlaggebend (8 Ob 191/97i ua = EF 83.340; 6 Ob 116/00b; 2 Ob 108/02z = EF 99.532). Dabei kommt es nicht nur auf die Schulbildung des Unterhaltspflichtigen an, sondern etwa auch auf in jahrzehntelanger Tätigkeit erworbene (überdurchschnittliche) praktische Kenntnisse oder eine reiche berufliche Erfahrung (6 Ob 639/90). Gibt sich der Unterhaltspflichtige in einem Familienbetrieb mit einem gerin- 110 geren Einkommen zufrieden als üblich (1 Ob 532/95 = EF 77.178; LG Salzburg 21 R 309/06x [Betrieb der Lebensgefährtin]) oder bezieht er überhaupt kein Gehalt (1 Ob 535/81), ist von einem „ortsüblichen“ Einkommen der entsprechenden Berufsgruppe auszugehen; allenfalls kann der Unterhaltspflichtige sogar auf sein bisheriges Einkommen angespannt werden (Schwimann/ Kolmasch 59; vgl Rz 118). Dies gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige als (Mit)Gesellschafter einer (Kapital)Gesellschaft für ein völlig unübliches Geschäftsführergehalt tätig ist; dabei ist ein Fremdvergleich unter Berücksichtigung des konkreten Unternehmens, seiner Ertragskraft und der Geschäftsführerbezüge anderer, vergleichbarer Gesellschaften vorzunehmen. Außerdem verpflichtet zwar nicht schon jedes Herabsinken des Betriebsergebnisses seines Unternehmens den selbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen zur sofortigen Annahme einer Nebenbeschäftigung oder einer unselbstständigen Tätigkeit; er ist dazu aber etwa dann verpflichtet, wenn sein Unternehmen über längere Zeit passiv ist (6 Ob 116/00b; LG Salzburg 116.242). Welche Zeitspanne darunter zu verstehen ist, lässt sich wohl nicht verallgemeinern; sie wird jedoch großzügiger zu beurteilen sein als die „Anlaufsphase“, die einem aus der unselbstständigen Tätigkeit in die Selbstständigkeit gewechselten Unterhaltspflichtigen zugebillit wird (2 bis 3 Jahre; vgl Rz 123), wenn das bestehende Unternehmen etwa Reserven hat und/oder positive Prognosen gestellt werden können. Das nach der Anspannungstheorie ermittelte Einkommen ist konkret festzu- 111 stellen (4 Ob 120/98w ua = EF 86.247). Ein allgemeiner Verweis auf gerichtsnotorische Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt oder eine Bezugnahme auf offene Stellenangebote sind hingegen ebenso wenig wie die Zitierung von Rsp über das erzielbare Einkommen in gewissen Berufssparten geeignet, eine präzise Feststellung über das konkret erzielbare fiktive Einkommen zu ersetzen (LG Salzburg EF 95.700, 95.746; vgl allerdings etwa LGZ Wien ua = EF 143
§ 94 ABGB
Gitschthaler
95.707–95.713, 99.536–99.539, 119.267, 119.268 zu Hilfsarbeitern, Kellnern, Taxilenkern usw). 112 Ist der Unterhaltspflichtige in früheren Zeiten seinen Verpflichtungen zur Ausübung eines angemessenen Erwerbs nicht nachgekommen, darf nach richtiger Auffassung dennoch nicht in einem späteren Zeitraum hochgerechnet werden, welche besseren Einkünfte (Arbeitslosen-, Karenz- oder Wochengeld) er nun hätte, wäre er früher schon seinen Verpflichtungen voll nachgekommen (6 Ob 620/93 = EF 75.581 [Pensionsansprüche]; LGZ Wien EF 103.634; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 179/4), weil dies lediglich punitiven Charakter hätte, der Unterhaltspflichtige nicht für die Zukunft Vorsorge zu treffen hat (8 Ob 602/93 = EF 73.934) und eine Anspannung nicht auf einer reinen Fiktion beruhen darf (vgl Rz 67). Der OGH (6 Ob 659/95 = EF 80.22 9; 6 Ob 208/ 97z = EF 83.403, 84.956; 1 Ob 43/00 f) hat sich dieser Auffassung in mehreren Fällen nur iZm einer erstmaligen Unterhaltsbemessung angeschlossen. c) Arbeitslosigkeit
113 Ist der Unterhaltspflichtige arbeitslos, dann wird seine Unterhaltsbemessungsgrundlage zunächst einmal aus dem Arbeitslosengeld (5 Ob 505/91 = RZ 1992/87; 1 Ob 2266/96h) bzw den Beihilfen nach dem AMFG (4 Ob 518/91) jeweils ohne Familienzuschläge (1 Ob 2292/96g; 3 Ob 250/97d; LG Linz EF 99.474; LG Salzburg EF 99.474; LGZ Wien 99.474, 45 R 445/03d; DeixlerHübner, Scheidung Rz 23a; aA [auch Familienzuschläge einzubeziehen] 6 Ob 528/87 = EF 53.156; 6 Ob 538/91; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 43) gebildet (allenfalls auch aus Notstandshilfe- oder Sozialhilfebezügen). Dies setzt aber voraus, dass der Unterhaltspflichtige sich einerseits bei den zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehenden Stellen (früher Arbeitsamt, heute AMS) als Arbeit suchend meldet (1 Ob 654/92 = EF 67.965; 7 Ob 539/95 ua = EF 77.111; 2 Ob 2376/96t = EF 80.210) – es sei denn er hatte triftige Gründe oder die genannten Stellen hätten ihm ohnehin keinen Arbeitsplatz vermitteln können (2 Ob 2376/96t = EF 80.214; 2 Ob 250/97x; 1 Ob 325/97v = EF 83.362, 83.367) – und andererseits Eigeninitiative zur Erlangung eines Arbeitsplatzes entwickelt (8 Ob 1615/93; 8 Ob 525/95 = EF 77.113; 1 Ob 165/ 01y = EF 95.749). Dabei hat er alle seine persönlichen Fähigkeiten einzusetzen (4 Ob 544/91; 1 Ob 223/98w), wozu entweder „zielstrebige und tatkräftige Arbeitsplatzsuche“ (2 Ob 108/02z = EF 99.569; 7 Ob 205/03b) oder auch eine Teilnahme an Umschulungs- (LG Salzburg EF 99.573; LGZ Wien EF 103.600) bzw Fortbildungsmaßnahmen (LGZ Wien EF 103.601) gehören. Unter Hinweis auf Neuhauser(/Schwimann § 140 ABGB Rz 70) geht zweitinstanzliche Rsp in den letzten Jahren davon aus, dass „zielstrebige und tatkräftige Arbeitsplatzsuche“ nur dann vorliege, wenn der Unterhaltspflichtige etwa 40 Stunden/Woche dafür aufwendet (LGZ Wien EF 110.373, 119.287, 144
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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122.788); dies erscheint jedoch zu streng, weil die Annahme wohl etwas unrealistisch ist, dass jemand praktisch ununterbrochen von einem potenziellen Arbeitgeber zum anderen laufen kann, um sich dort vorzustellen. Richtig ist aber sicherlich (LG Salzburg EF 122.789), dass sich der Unterhaltspflichtige auch in Tageszeitungen, bei Jobbörsen und im Internet um die Erlangung eines Arbeitsplatzes zu bemühen hat. Der Unterhaltspflichtige kann auch auf eine Arbeitssuche im benachbarten (EU-)Ausland verwiesen werden (vgl dazu Schwimann/Kolmasch 57); dies setzt allerdings jedenfalls entsprechende Sprachkenntnisse und eine Abwägung der Interessen von Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigten voraus, wobei auch abgewogen werden muss, inwieweit die höheren Arbeitsplatzfahrtkosten (vgl Rz 164) die höheren Verdienstmöglichkeiten wieder zunichte machen. Tut der Unterhaltspflichtige dies nicht, ist er zwar nicht auf sein früheres Ein- 114 kommen (1 Ob 58/00m = JBl 2000, 725; aA LGZ Wien EF 95.752), wohl aber auf ein unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage erzielbares (vgl Rz 109) anzuspannen (4 Ob 245/01k = EF 95.738). Findet er hingegen trotz all seiner Anstrengungen keinen Arbeitsplatz, kommt es überhaupt nicht zur Anspannung (4 Ob 2068/96t = EF 80.300; 4 Ob 175/98h = EF 87.717). Da eine Anspannung auf Schwarzarbeit mit den Grundwerten der Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen ist (LGZ Wien EF 80.295; LG Salzburg EF 104.903), scheitert sie auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige über keine Arbeitsbewilligung in Österreich verfügt (LGZ Wien EF 80.275, 103.558), es sei denn er könnte diese bekommen (vgl dazu auch Rz 130). Bei langdauernder Arbeitslosigkeit ist der Unterhaltspflichtige außerdem gehalten, auch eine minderqualifizierte Arbeit anzunehmen (LG Krems EF 95.755, 103.605; LGZ Wien EF 103.605), weil er sich nicht auf den Berufsschutz des AlVG berufen kann (LG Salzburg EF 95.757). Die Frage, ob der Unterhaltspflichtige alle zumutbaren Anstrengungen unter- 115 nimmt, einen Arbeitsplatz zu finden, ist eine solche des Einzelfalls (3 Ob 607/ 90). Die Bejahung der Arbeitsfähigkeit und -willigkeit eines Arbeitslosen durch die zuständigen Behörden als Voraussetzung für eine Leistungsgewährung nach dem AlVG kann nicht mehr als ein Indiz für das (Nicht-)Vorliegen der Anspannungsvoraussetzungen, aber keinesfalls eine das Gericht bei seiner Entscheidung bindende Beurteilung sein (6 Ob 578/91 ua = EF 65.191; 7 Ob 140/97g). Hat der Unterhaltspflichtige seinen bisherigen – gut oder zumindest adäquat 116 dotierten – Arbeitsplatz verloren, soll es nach der überwRsp (8 Ob 509/91 = EF 65.194; 6 Ob 530/92 = EF 67.952; 1 Ob 2/02d = EF 99.563; 2 Ob 108/02z = EF 99.563; 7 Ob 205/03b) selbst bei eigenem Verschulden daran grundsätz145
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lich lediglich auf das nachfolgende tatsächliche Verhalten des Unterhaltspflichtigen (vgl dazu Rz 113) ankommen (ebenso Schwimann/Kolmasch 58, die allerdings – insofern inkonsequent – einen Unterhaltspflichtigen, der seine bisherige Beschäftigung aufgibt und im familiennahen Unternehmen arbeitet, auf sein Einkommen aus der früheren Tätigkeit anspannen wollen [59]). Diese Rsp fordert lediglich, dass in einem solchen Fall an die eigenen Bemühungen des Unterhaltspflichtigen um die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes jedenfalls höhere Anforderungen gestellt werden müssten als bei einem unverschuldeten Arbeitsplatzverlust (2 Ob 108/02z = EF 99.566; 7 Ob 205/03b). 117 Richtigerweise kann aber nicht außer Acht gelassen werden, dass einen Unterhaltspflichtigen Obliegenheiten gegenüber seinen Unterhaltsberechtigten treffen, dh dass er nicht so ohne Weiteres seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen darf. Gerade dies tut er aber, wenn er ein Verhalten setzt, welches zwangsläufig zu seiner Entlassung, Kündigung, Suspendierung (aA 4 Ob 245/01k = EF 95.737 bei einem Beamten) oder zum Verlust der Berufserlaubnis (aA LGZ Wien EF 95263 bei einem disziplinierten Rechtsanwalt) führen muss, obwohl der Anspannungsgrundsatz den Unterhaltspflichtigen verpflichtet, sich für die Beibehaltung seines Arbeitsplatzes einzusetzen (LGZ Wien EF 103.589). Daher kann für eine gewisse Zeit – keinesfalls jedoch endlos (LG Linz EF 95.745, 99.567; vgl auch 7 Ob 205/03b) – vom bisherigen Einkommen des Unterhaltspflichtigen und nicht nur vom Arbeitslosengeld oder seinem nunmehrigen (niedrigeren) Einkommen ausgegangen werden (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 164; ebenso LG Eisenstadt EF 95.734; unklar Barth/Neumayr/Klang3 § 140 ABGB Rz 164, die zwar einerseits zutr den Grundsatz betonen, der Unterhaltspflichtige dürfe nicht schuldhaft eine Erwerbsmöglichkeit unterlassen, was auch im Fall eines verschuldeten Arbeitsplatzverlustes zu gelten habe, andererseits aber den Verlust des Leistungsanreizes beim Unterhaltspflichtigen durch einen immer größer werdenden Unterhaltsrückstand befürchten und daher lediglich für deutlich höhere Anstrengungen des Unterhaltspflichtigen zur Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes eintreten). Vgl idZ im Übrigen § 198 IO, wonach dem Schuldner eine Kündigung des Arbeitsplatzes ohne triftigen Grund als Verschulden zugerechnet wird, was eine Änderung des Zahlungsplans ausschließt; auch dies spricht für eine strengere Behandlung des Unterhaltspflichtigen, der seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. 118 Dies gilt auch, wenn der Unterhaltspflichtige gegen seine Arbeitsplatzbehaltepflicht (vgl LGZ Wien EF 99.561) verstößt, indem er den Arbeitsplatz grundlos (LGZ Wien EF 99.559; vgl auch 4 Ob 2327/96a = EF 80.200; 7 Ob 552/95) bzw ohne triftigen Grund aufgibt (LGZ Wien EF 77.087, 42 R 663/ 03s), wobei der Eigenkündigung die Aufgabe einer selbstständigen Erwerbstätigkeit gleich zu stellen ist (vgl 2 Ob 532/91 = EF 64.895); bei einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses sind die wahren Gründe maßgeblich. Auch in diesen Fällen kann – für eine gewisse Zeit – vom bisherigen 146
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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Einkommen ausgegangen werden. Dies ergibt sich im Ehegattenunterhaltsrecht insb auch aus § 91 Abs 2 ABGB, darf doch ein Ehegatte von einer einvernehmlichen Gestaltung der Lebensverhältnisse, wozu auch die Berufswahl gehört (vgl 2 Ob 532/91 = EF 64.895), nur abgehen, wenn kein wichtiges Anliegen des anderen Ehegatten dem entgegen steht oder zumindest sein Anliegen als wichtiger anzusehen ist als jenes des Ehegatten. Die Aufrechterhaltung einer Unterhaltsbemessungsgrundlage, um davon angemessenen Unterhalt leisten zu können, ist aber als wichtiges Anliegen anzusehen. Die Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Unterhaltspflichtigen samt Einkommensverlust bzw -minderung bedürfte daher einer entsprechenden Begründung (vgl 1 Ob 2266/96h [umso mehr die Interessen des Partners und der Familie beeinträchtigt werden, desto wichtiger muss der Grund für das einseitige Abgehen auch von einer Gemeinschaftsgestaltungsvereinbarung sein, die auf den Unterhaltsbereich ausstrahlt]). Der OGH hat sich erst jüngst dieser Auffassung angeschlossen und ausgesprochen, der unterhaltspflichtige (geschiedene) Ehegatte habe sich nach seiner Eigenkündigung ohne sachliche Rechtfertigung so behandeln zu lassen, als hätte er seinen Arbeitsplatz behalten (1 Ob 81/10h). Vom bisherigen Einkommen auszugehen ist erst recht, wenn Eigenkündigung 119 oder Entlassung bzw Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit in der Absicht herbeigeführt worden sind, sich der Unterhaltspflicht (auch nur teilweise) zu entziehen (Unterhaltsschädigungsabsicht; 8 Ob 509/91 = EF 65.194; 7 Ob 596/94 = EF 74.129; 7 Ob 552/95 = EF 77.108; 2 Ob 108/02z = EF 99.582). Dies sollte bei Vorliegen von Unterhaltspflichten prima facie angenommen werden, weil eine strenge Beweisführung durch den Unterhaltsberechtigten oft nicht möglich sein wird (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 164; LG Wels EF 103.604). Jedenfalls lassen häufige Arbeitsplatzwechsel mit immer kürzer werdenden Arbeitsperioden verbunden mit einem relativ kurzfristigen Arbeitslosenentgeltbezug und folgendem Untertauchen die Absicht des Unterhaltspflichtigen „erkennen“, sich der Unterhaltspflicht entziehen zu wollen (7 Ob 551/91), bzw ist eine Entlassung, der eine Selbstkündigung gleichsteht, als „Indiz“ zu werten, dass der Unterhaltspflichtige nicht bemüht ist, seine Kräfte anzuspannen (7 Ob 205/03b). Den Unterhaltspflichtigen entlastet auch nicht, wenn er – etwa als Beamter nach dem Bundesbediensteten-SozialplanG – eine ihm vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit wahrnimmt, vorzeitig in Pension zu gehen und dadurch seine Unterhaltsbemessungsgrundlage verringert (3 Ob 237/05g = EF 110.367; 7 Ob 210/05s = EF 110.368) oder der öffentlich Bedienstete sich aus einer höher dotierten Funktion in eine geringer dotierte zurückbewirbt, ohne hiefür nachvollziehbare Gründe (Gesundheit, Überforderung, Mobbing udgl) angeben zu können; reine Interessensverlagerungen reichen wohl nicht aus. Das Recht seiner Unterhaltsberechtigten auf angemessenen Unterhalt geht dem vor. 147
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120 Trifft den Unterhaltspflichtigen am Verlust seines Arbeitsplatzes kein Verschulden (berechtigter Austritt, [nicht provozierte] Arbeitgeberkündigung), kommt eine Anspannung auf sein bisheriges Einkommen von Vorneherein nicht in Betracht. d) Berufswechsel
121 An sich besteht auch im Ehegattenunterhaltsrecht das Recht auf freie Berufswahl (LGZ Wien EF 95.258), sodass bei einem Wechsel des Unterhaltspflichtigen von einer unselbstständigen in eine selbstständige Tätigkeit der Unterhaltsberechtigte eine vorübergehende Einschränkung seines Unterhaltsanspruchs in Kauf nehmen muss (LGZ Wien EF 95.259; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 8; Schwimann/Kolmasch 58; Barth/Neumayr/Klang3 § 140 ABGB Rz 163). Aus dem alleinigen Interesse des Unterhaltsberechtigten sind dem Unterhaltspflichtigen dabei keine unnötigen Restriktionen aufzuerlegen (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 8), es sei denn der Unterhaltspflichtige setzt den Unterhaltsberechtigten einer existenziellen Notlage aus; dann ist der Berufswechsel (unterhaltsrechtlich) von Vorneherein unzulässig (vgl LGZ Wien EF 95.770). Wurde hingegen der Beschäftigungswechsel durch triftige Gründe (Gesundheit, familiäre oder wirtschaftliche Gründe, allenfalls eine Arbeitgeberkündigung) erzwungen, scheidet umgekehrt eine Anspannung zunächst einmal jedenfalls aus (vgl LG Salzburg EF 95.627; LGZ Wien EF 99.584; vgl dazu auch 4 Ob 91/10a). 122 Der Berufswechsel muss (auch) unter dem Gesichtspunkt des § 91 Abs 2 ABGB gesehen werden (vgl Rz 118), dh der Unterhaltspflichtige muss seinen Wechsel begründen können, und es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei muss das Ziel des Berufswechsels – bei realistischer Betrachtungsweise (vgl 10 Ob 523/95 = EF 77.142, 77.143; 6 Ob 83/02b = EF 99.581) – letztlich die Erzielung eines Einkommens sein, welches zumindest gleich den zuvor erzielten oder erzielbaren Einkünften ist (LGZ Wien EF 95.261; vgl auch 3 Ob 541/95 = EF 77.144; 6 Ob 83/02b = EF 99.581 [„adäquates Einkommen“]). Erfolgte der Wechsel hingegen freiwillig, muss nach der Rsp eine „wesentliche“ Verbesserung der finanziellen Situation zu erwarten sein (1 Ob 502/94 = EF 74.107; 1 Ob 58/00m = JBl 2000, 725; 4 Ob 91/10a). Dies lässt sich durchaus damit rechtfertigen, dass der Unterhaltsberechtigte während einer bestimmten Zeit (Anlaufphase; vgl Rz 123) eine Reduktion seiner Unterhaltsbemessungsgrundlage hinnehmen muss. 123 Die Reduktion der Unterhaltsbemessungsgrundlage muss sich auf eine angemessene Anlaufphase beschränken (LGZ Wien EF 95.259), die nach dem Ein148
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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zelfall unter Bedachtnahme auf die Art des Betriebs und die Zielstrebigkeit sowie die persönlichen Bemühungen des Unterhaltspflichtigen als Unternehmer zu ermitteln ist (8 Ob 1512/90; 4 Ob 345/97g). Diese Anlaufphase kann zwar nicht schon in Zeiträume verlegt werden, in denen der Unterhaltspflichtige noch unselbstständig tätig war (6 Ob 228/00y), sie darf aber 2 (4 Ob 91/10a) bis 3 Jahre nicht übersteigen (3 Ob 541/95 = EF 77.147; 1 Ob 58/00m = JBl 2000, 725; 6 Ob 228/00y). Stellt sich während der Anlaufphase heraus, dass in absehbarer Zeit nicht mit entsprechenden Einkünften zu rechnen ist oder das Unternehmen lange passiv bleiben wird – nicht jedes Herabsinken des Betriebsergebnisses ist somit maßgeblich (LG Linz EF 95.778) –, muss der Unterhaltspflichtige entweder eine ihm zumutbare Nebenbeschäftigung annehmen oder (letztlich) wieder unselbstständig tätig werden (6 Ob 2319/96i = EF 80.247; 4 Ob 4/98m = EF 86.295). In letzterem Fall ist er auf ein branchenübliches Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit anzuspannen (3 Ob 541/95 = EF 77.145; Schwimann/Kolmasch 59), keinesfalls aber auf ein solches aus selbstständiger Tätigkeit, weil dies einer Fiktion gleichkäme (aA [Anspannung auf ein Einkommen, das ein Unternehmer in vergleichbarer wirtschaftlicher Lage bei optimaler Geschäftsführung erzielen könnte] LGZ Wien EF 99.594). Dabei ist von seinen konkreten aktuellen Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt und nicht von seinem früheren Einkommen als unselbstständig Erwerbstätiger auszugehen (1 Ob 58/00m = JBl 2000, 725). Jedenfalls hat der Unterhaltspflichtige aber das Risiko einer Beeinträchtigung der Unterhaltsansprüche durch ihm mögliche Maßnahmen zu minimieren, dh er darf etwa in dieser Zeit nicht sein Vermögen durch unnotwendige Investitionen aufzehren (1 Ob 2/02d = EF 99.586). e) Ausbildung
Befindet sich der Unterhaltspflichtige erst in Ausbildung, wird idR eine An- 124 spannung nicht in Betracht kommen, wenn er die Ausbildung ernsthaft, eifrig und zielstrebig betreibt; dies gilt auch für ein Hochschulstudium, lässt dieses doch idR erwarten, es werde auch dem Unterhaltsberechtigten in Zukunft zum Vorteil gereichen (8 Ob 559/93 = EF 70.978; 9 Ob 316/97d; 7 Ob 249/ 00v; Schwimann/Kolmasch 61). Dies gilt insb dann, wenn eine einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft dahingehend erfolgt war, dass der eine Ehegatte einer Beschäftigung nachgeht und der andere ein Hochschulstudium beginnt (vgl 1 Ob 603/92 = EF 67.018; vgl Schwimann/Kolmasch 61). Voraussetzung ist aber die Absolvierung des Hochschulstudiums jedenfalls in der Durchschnitts-, wenn auch nicht in der Mindeststudiendauer (Schwimann/Kolmasch 61; vgl auch 2 Ob 123/98x = RZ 1999/21). Ein Studienwechsel wird nur nach ganz kurzer Dauer zulässig sein (aA [nach 3 Jahren beim unterhaltsberechtigten Kind] 3 Ob 523/93), ein Master149
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studium wohl regelmäßig (vgl 6 Ob 92/08k = EF-Z 2008/111 = iFamZ 2008/ 112; 9 Ob 63/08t = EvBl 2010/4), ein Doktorats- (vgl dazu 7 Ob 302/98g = JBl 2000, 112) oder ein Auslandsstudium hingegen nur im Ausnahmefall, wenn also damit voraussichtlich bessere Berufschancen verbunden sind (vgl dazu auch Rz 122). 125 Da das Recht des Unterhaltspflichtigen auf freie Ausbildungs- und Berufswahl das Recht des Unterhaltsberechtigten auf angemessenen Unterhalt nicht völlig in den Hintergrund drängen kann (9 Ob 316/97d = EF 83.330), ist der Anspannungsgrundsatz gegenüber einem Unterhaltspflichtigen anzuwenden, der ohne zwingenden Grund seine bisherige Stellung aufgibt und sich einer anderen Berufsausbildung zuwendet. Er soll sich dabei auch nicht darauf berufen können, dass durch die höherwertige Ausbildung in Zukunft eine höhere Unterhaltsleistung zu erwarten wäre (1 Ob 603/92 = EF 67.953); überhaupt soll der Unterhaltsberechtigte nicht auf eine künftige, idR gar nicht absehbare Besserstellung des Unterhaltspflichtigen, welche erst nach einer Unterbrechung der bisher ausgeübten Tätigkeit und dem Abschluss einer neuen Berufsausbildung eintreten könnte, verwiesen werden können (4 Ob 518/91 = EF 65.176; 5 Ob 1571/92; 4 Ob 2327/96a). So wie beim Antritt eines Hochschulstudiums (8 Ob 559/93 = EF 70.978; vgl Rz 124) ist jedoch auch bei Beurteilung der Frage, ob die Aufnahme einer anderen bzw weiteren Berufsausbildung durch den Unterhaltspflichtigen einen bedeutsamen Grund bildet, der die Aufgabe seiner bisherigen, gut dotierten Beschäftigung und damit eine Verringerung des von ihm zu leistenden Unterhaltsbeitrags zu rechtfertigen vermag, das Argument zulässig, dass damit voraussichtlich auch eine zukünftige Besserstellung des Unterhaltsberechtigten verbunden sein wird und es damit also auch in dessen Interesse liegt, partizipiert doch der Unterhaltsberechtigte nach Beendigung dieser (weiteren) Ausbildung vom höheren Einkommen des Unterhaltspflichtigen (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 171/5; so nunmehr auch LG Linz EF 107.276; LG Salzburg EF 107.276, 116.472). Allerdings ist im Hinblick auf die Ausbildungsform zu berücksichtigen, dass nahezu sämtliche Bildungswege in einem zeitlichen Umfang angeboten werden, der auch für voll berufstätige Unterhaltsschuldner noch bewältigbar ist (LG Salzburg EF 107.278, 116.472), dh der Unterhaltspflichtige kann zwar keine gänzliche Unterhaltsbefreiung erlangen, er darf seine Erwerbsleistung jedoch etwas einschränken. Wurde die bisherige Beschäftigung in einvernehmlicher Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft aufgegeben, um dem einen Ehegatten eine weitere Berufsausbildung zu ermöglichen, ist der andere Ehegatte grundsätzlich daran gebunden (vgl Rz 124).
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Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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f) Auslandswohnsitz
Erfolgt der Wohnsitzwechsel nicht (auch) zur Umgehung der Unterhaltspflicht 126 (vgl 6 Ob 181/97d = EF 83.392; 4 Ob 91/10a), kann es einem ausländischen Unterhaltspflichtigen nach der Ehescheidung grundsätzlich nicht verwehrt werden, in seine Heimat zurückzukehren und dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (1 Ob 552/93 = EF 71.004; 3 Ob 128/00w; 1 Ob 130/04 f). Dies gilt selbst dann, wenn er zwar ausländischer Herkunft, jedoch österreichischer Staatsbürger ist (6 Ob 360/97b = EF 83.406; 1 Ob 23/02t = EF 99.595, 99.596; 4 Ob 91/10a; 10 Ob 16/10s), weil es einem Ausländer nach der Ehescheidung nicht zuzumuten ist, in einem fremden, seinem Kulturkreis fernen Land zu bleiben, nur um seine Unterhaltspflicht besser erfüllen zu können (LG Linz EF 95.790; LGZ Wien EF 95.781; Gitschthaler, ÖJZ 1996, 553; Schwimann/ Kolmasch 60). Allerdings ist eine gewisse Zukunftsplanung (maßgeblich ist eine ex-anteBetrachtung [1 Ob 23/02t = EF 99.600]) zu erwarten, welche Arbeitsmöglichkeiten zur Erfüllung der Unterhaltspflicht vorhanden sind (LGZ Wien EF 89.146, 99.598) und ob nicht lediglich ein für österreichische Verhältnisse weit unterdurchschnittliches Einkommen im Ausland erzielt werden kann (LG Salzburg EF 95.789); außerdem ist darauf Rücksicht zu nehmen, ob bei einem Verbleib in Österreich etwa Krankengeld (weiter)bezogen werden könnte (LGZ Wien EF 95.785). Sind die Voraussetzungen für einen Auslandswohnsitz gegeben, ist (auch bei 127 Anspannung) von den ausländischen Arbeitsmarktverhältnissen und den Möglichkeiten des Unterhaltspflichtigen, im Ausland Arbeit zu finden, auszugehen (1 Ob 552/93; 6 Ob 181/97d = EF 83.392; 4 Ob 181/98s; 1 Ob 23/02t = EF 99.595); andernfalls ist das in Österreich erzielbare Einkommen der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legen (6 Ob 181/97d = EF 83.392). Letzteres gilt auch für einen Unterhaltspflichtigen, der weder ausländischer Herkunft noch ausländischer Staatsbürger ist (5 Ob 1508/96 = EF 80.159). Dieser könnte nur geltend machen, es liegen gesundheitliche oder berufliche Gründe bzw sonstige berücksichtigungswürdige Motive (1 Ob 23/02t = EF 99.597; 1 Ob 130/04 f [Auswanderung nach Brasilien aufgrund von Drohungen der früheren Ehegattin gerechtfertigt]) für die Begründung eines Auslandswohnsitzes vor. Nach der Rsp (1 Ob 23/02t = ÖA 2002, 176/U 360; 2 Ob 108/02z EF 99.600) 128 rechtfertigt zwar allein die Tatsache, dass der Unterhaltspflichtige in Österreich einen höheren Monatsverdienst erzielen könnte, nicht, ihn auf eine solche Einkommensmöglichkeit zu verweisen. Dies gilt aber dann nicht, wenn es sich um deutliche Einkommensunterschiede handelt, der Unterhaltspflichtige – wenn auch gebürtiger Ausländer – Österreicher ist und nur so weit entfernt im Ausland lebt, dass ihm ein Pendeln nach Österreich zumutbar wäre (4 Ob 151
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91/10a); in diesem Fall ergibt sich aus dem Fehlen einer adäquaten Erwerbsmöglichkeit im Ausland die Pflicht zur Rückkehr bzw zum Pendeln ins Inland, wenn dem keine berücksichtigungswürdigen Umstände entgegenstehen (6 Ob 311/05m; 4 Ob 91/10a). 129 Lebt der Unterhaltspflichtige in einem Mitgliedstaat der EU (und nicht in Pendeldistanz zum österreichischen Arbeitsmarkt [vgl Rz 128]), soll es sowohl auf die Arbeitsmarktverhältnisse im Aufenthaltsstaat als auch auf jene in Österreich ankommen (Schwimann/Kolmasch 57; LG Salzburg EF 95.788). Die aktuellen Kaufkraft- und Währungsparitäten zwischen Österreich und dem Auslandsaufenthaltsort spielen bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen keine Rolle (LG Salzburg EF 99.601). 130 Von den ausländischen Arbeitsmarktverhältnissen ist jedenfalls auszugehen, wenn der Unterhaltspflichtige einer Beschäftigung in Österreich deshalb nicht nachgehen kann, weil ihm aufgrund fremdenpolizeilicher Vorschriften die Einreise verwehrt ist (LG Salzburg 116.469) oder er über keine Arbeitsbewilligung in Österreich verfügt (LGZ Wien 116.470); dabei ist aber zu beachten, dass von einem in Österreich lebenden Unterhaltspflichtigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit verlangt werden muss, dass er erforderliche Anträge auf Erteilung einer Niederlassungs- und Arbeitsbewilligung stellt und diese Verfahren gehörig betreibt, um einer erlaubten Beschäftigung nachgehen und seine Unterhaltsberechtigten angemessen alimentieren zu können; eine Anspannung ist nämlich auch dann berechtigt, wenn der Unterhaltspflichtige keine Bemühungen zur möglichen Erlangung einer Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung unternimmt (LGZ Wien 116.471). g) Haft
131 Hat der Unterhaltspflichtige lediglich eine kurze Freiheitsstrafe zu verbüßen, wobei eine solche idR bei einer Dauer von bis zu 1 (LGZ Wien EF 44.935, 99.611; LG Salzburg EF 95.808; Schwimann/Kolmasch 63 unter Hinweis auf § 4 Z 3 UVG), allenfalls 2 Monaten (LG Salzburg EF 103.640) angenommen wird, ändert sich an seiner Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich nichts. Hinsichtlich der Dauer der Haft ist idZ allerdings darauf hinzuweisen, dass nach § 7 Abs 2 UVG ein Freiheitsentzug in der Dauer bis zu 6 Monaten keinen Grund für die Versagung der bisher gewährten Titelvorschüsse darstellt, weil der Gesetzgeber davon ausging, dass im Allgemeinen ein Unterhaltspflichtiger einige Geldmittel angesammelt hat oder angesammelt haben sollte, die ihm für eine gewisse Zeit auch nach dem Entzug der Freiheit die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht ermöglichen sollten (5 Ob 546/90; LGZ Wien EF 105.198); an diesen Fristen des UVG hat das FamRÄG 2009 nichts geändert.
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Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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Verfügt der Unterhaltspflichtige über Vermögen, hat er dieses heranzuziehen (8 Ob 602/93 = ÖA 1994, 190/UV 70; 4 Ob 2237/96s = EF 80.097; 9 Ob 354/97t), desgleichen Pensionsleistungen (vgl 6 Ob 139/07w) und sonstiges Einkommen. Da ein Unterhaltspflichtiger aber grundsätzlich weder verpflichtet ist, für die 132 Zeit seiner bevorstehenden (längeren) Strafhaft Rücklagen für Unterhaltszahlungen zu schaffen (8 Ob 602/93), noch ihm als Motiv für seine Taten idR unterstellt werden kann, in Haft genommen und dadurch eine Zeit lang von seiner Unterhaltspflicht befreit werden zu wollen (7 Ob 528/94 = EF 74.209; 2 Ob 576/94), tritt bei längeren Haftstrafen (vgl Rz 131) regelmäßig Ruhen der Unterhaltspflicht mit dem auf den Beginn der Strafhaft folgenden Monatsersten ein (8 Ob 602/93 = ÖA 1994, 190/UV 70; 9 Ob 354/97t); der Unterhaltspflichtige ist demnach für die Dauer der Haft von der Unterhaltsleistung zu entheben (8 Ob 602/93). Die Anwendung der Anspannungstheorie kommt für Haftzeiten des Unterhaltspflichtigen grundsätzlich nicht in Betracht (7 Ob 528/94 = EF 74.209; 2 Ob 576/94), und zwar auch dann nicht, wenn er als Strafgefangener arbeitsunwillig ist, weil er seine Unterhaltspflicht selbst im Fall der Anspannung auf eine zufriedenstellende Arbeitsleistung nicht erfüllen könnte (1 Ob 241/98t = EF 87.677). Dies gilt grundsätzlich zwar auch für die Untersuchungshaft (3 Ob 604/ 78 = JBl 1980, 209; 6 Ob 2206/96x; 1 Ob 352/98s), allerdings soll nach der Rsp (3 Ob 594/90 = EF 63.677; 1 Ob 590/90 = EF 63.677) ein flüchtiger Strafgefangener nach der Anspannungstheorie verpflichtet sein, einen Unterhaltsbeitrag zu leisten; er wird infolge seiner rechtswidrigen Flucht gleich einem sonst in Freiheit lebenden Unterhaltspflichtigen behandelt. Nach der Haftentlassung lebt die Unterhaltspflicht zwar an sich wieder auf 133 (wenn auch nicht automatisch, dh der Unterhaltsberechtigte muss tätig werden, um wieder zu einem Titel zu gelangen), doch muss regelmäßig und mit hoher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass der Unterhaltspflichtige wenigstens innerhalb der nächsten Monate außerstande sein wird, nennenswerte Unterhaltsleistungen zu erbringen (1 Ob 607/93 = EF 72.557). Der konkrete Zeitraum richtet sich dabei nach Haftdauer, Alter, Arbeitsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und nach der Arbeitsmarktsituation; er kann daher verschieden lang sein (2 Ob 574/93 = EF 72.550; 8 Ob 532/94 = EF 75.716). Es kann aber nicht ganz generell angenommen werden, dass ein Haftentlassener einige Monate für die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess benötigt, weil in manchen Branchen (LGZ Wien EF 103.644 [Bauwirtschaft]) oder in Mangelberufen (2 Ob 574/93 = EF 72.555) auch kurzfristig das Auffinden eines neuen Arbeitsplatzes möglich ist; ähnliches gilt auch, wenn der Unterhaltspflichtige sich bereits während der Haft – allenfalls mit Unterstützung öffentlicher Stellen – um einen Arbeitsplatz bemüht hat (2 Ob 574/93 = EF 72.555; 8 Ob 532/94 = EF 75.717, 75.719). 153
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Zu berücksichtigen ist außerdem grundsätzlich, ob die verbüßte Haftstrafe etwas mit der beruflichen Tätigkeit des Unterhaltspflichtigen zu tun hatte (vgl 2 Ob 574/93 = EF 72.555; 8 Ob 532/94 = EF 75.717, 75.719); etwa ein Buchhalter, der wegen Untreue oder ähnlicher Delikte zu Lasten seines Arbeitgebers verurteilt worden war, wird nur schwer einen Arbeitsplatz in seinem erlernten Beruf bekommen! 134 Ist der Unterhaltspflichtige infolge seiner Drogenabhängigkeit krank und (außerhalb einer stationären Therapiemaßnahme) nicht arbeitsfähig, kann er zwar grundsätzlich nicht auf ein fiktives Einkommen angespannt werden (4 Ob 254/ 00g). Befindet er sich jedoch in einer stationären Entwöhnungs- und Resozialisierungstherapie und bezieht er sowohl Krankengeld als auch zusätzlich Taschengeld, ist zu prüfen, welche geldwerten Leistungen er durch die volle stationäre Betreuung erhält bzw sich erspart, um von einer verlässlichen Unterhaltsbemessungsgrundlage ausgehen zu können. Hat er die begonnene Drogenentwöhnungstherapie eigenmächtig abgebrochen (unterbrochen), sind auch allfällige andere Einkünfte, mögen sie auch nur auf freiwilligen Unterstützungsbeiträgen beruhen, zu berücksichtigen (4 Ob 254/00g). Wird der Unterhaltspflichtige nach dem UbG in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung untergebracht, kann er nicht angespannt werden, ebenso wenig wenn er sich in einem Maßnahmenvollzug nach dem StGB befindet. h) Karenzurlaub
135 Tritt der Unterhaltspflichtige einen unbezahlten Karenzurlaub an, ist er auf sein bisheriges Einkommen anzuspannen (6 Ob 258/02p = EF 99.524). Aber auch im Fall eines Elternkarenzurlaubs (bei einem Kind, das der Unterhaltspflichtige nicht gemeinsam mit dem Unterhaltsberechtigten hat) ist von dem Einkommen auszugehen, das er unabhängig von der Betreuung des Kindes erzielen könnte (vgl 3 Ob 569/94), weil sich der Unterhaltspflichtige bei der Beurteilung von Ehegattenunterhaltsansprüchen (!) wohl nicht auf (allfällige) Betreuungspflichten gegenüber einem im Ehebruch gezeugten Kind berufen kann. Handelt es sich hingegen um ein gemeinsames Kind, wird idR ohnehin eine einvernehmliche Gestaltung der Lebensverhältnisse gegeben sein; bei einem in die Ehe mitgebrachten Kind kommt es auf die bisherige Gestaltung an. i) Fiktive Vermögenserträgnisse
136 Der Unterhaltshaltpflichtige muss auch sein Vermögen nutzen, dh er muss sein Kapital – unter Abwägung von Ertrag und Risiko – möglichst erfolgversprechend anlegen (3 Ob 89/97b = EF 83.333; 2 Ob 295/00x = EF 91.862; 154
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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3 Ob 197/02w; 10 Ob 57/08t; 1 Ob 240/09i; zur Frage der Gewinnthesaurierung bei Unternehmensbeteiligungen vgl Rz 78 ff) oder sein (ungenutztes) Liegenschaftsvermögen vermieten oder verpachten (6 Ob 41/00y; vgl auch 2 Ob 246/09d). Dazu gehört auch, dass er Geldvermögen investiert (vgl 1 Ob 240/09i). Tut er dies alles nicht, kann er auf eine Erfolg versprechende Anlageform angespannt (6 Ob 552/93; 4 Ob 557/94 = EF 74.152; 9 Ob 261/97s; 1 Ob 240/ 09i) bzw kann von fiktiven Mieteinnahmen ausgegangen werden (6 Ob 41/ 00y), wobei die Höhe nach § 273 ZPO bestimmt werden kann (10 Ob 57/08t) und Feststellungen über die Höhe einer erzielbaren Rendite den OGH binden (1 Ob 240/09i). Nach der Rsp (etwa 2 Ob 295/00x; 1 Ob 98/03y; 1 Ob 14/04x) soll den Unter- 137 haltspflichtigen diese Verpflichtung jedoch nur treffen, wenn er aus seinen sonstigen Einkünften „angemessenen Unterhalt“ nicht leisten kann; Vermögensverwertung stelle teilweisen Verbrauch der Vermögenssubstanz dar (vgl 1 Ob 14/04x). Diese Prämisse erscheint jedoch verfehlt: Gerade bei Bedachtnahme auf partnerschaftlich eingestellte Ehegatten und ihre gemeinschaftlichen Interessen, auf die der OGH abstellt, ist davon auszugehen, dass diese Vermögen nicht ertraglos „herumliegen“ lassen, sondern anlegen würden, und zwar jedenfalls Kapitalvermögen. Dann kann aber die einseitige Entscheidung des Unterhaltspflichtigen, sein Kapital nicht zu veranlagen, nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigen gehen. Die Heranziehung fiktiver Vermögenserträgnisse ist auch keine teilweise Verwertung der Substanz (andernfalls dürften auch tatsächliche Vermögenserträgnisse der Unterhaltsbemessung nicht grundsätzlich unterworfen werden). Und schließlich darf die Frage der Angemessenheit des Unterhalts, die nach der Prozentwertmethode beurteilt wird, nicht mit der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage verwechselt werden. Fiktive (Kapital-)vermögenserträgnisse sind daher grundsätzlich in die Unterhaltsbemessungsgrundlage miteinzubeziehen. Bei Kapitalvermögen sind Erträgnisse angemessen zu berücksichtigen, die 138 vertretbarerweise hätten erzielt werden können; was vertretbar oder unvertretbar ist, bestimmt sich nach den konkreten Lebensverhältnissen unter Bedachtnahme auf die Entscheidung, die partnerschaftlich eingestellte Ehegatten im gemeinschaftlichen Interesse unter den gegebenen Umständen getroffen hätten (6 Ob 545/91; 7 Ob 635/94 = EF 73.795; 2 Ob 230/00p = EF 97.282; 10 Ob 92/04h = EF 111.270). Wird schlecht gewirtschaftet, ist als Erträgnis all das zu berücksichtigen, was bei ordnungsgemäßer Wirtschaft erzielt worden wäre (10 Ob 92/04h). Dabei wird zwar auf der einen Seite eine lediglich gering verzinste Veranlagung von Kapital (etwa zum „Eckzinsfuß“) nicht ausreichen, auf der anderen Seite der Unterhaltspflichtige aber auch nicht verhalten werden können, Risikopapiere anzuschaffen, um einen möglichst hohen Ertrag zu erwirtschaften. 155
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Maßgebliches Kriterium wird zwar nicht Mündelsicherheit sein; der Unterhaltspflichtige wird aber doch (werterhaltende) Sicherheitsüberlegungen anstellen und auch eine konservative Veranlagung wählen dürfen. Der OGH (10 Ob 92/04h) hat dazu bereits betont, dass die Vermögensverwaltung einer Privatperson nicht ausschließlich nach betriebswirtschaftlich orientierten Gesichtspunkten erfolgen muss; Gewinnmaximierung wird also vom OGH nicht verlangt. 139 Die Rsp scheint allerdings bei der Beurteilung tatsächlich vorgenommener Veranlagungen bzw Investitionen bisweilen zu übertreiben: So hat etwa der OGH einen unterhaltspflichtigen Lehrer mit einem jährlichen Nettoeinkommen von 18.400 Euro auf fiktive Erträge aus seinem Vermögen – der Unterhaltspflichtige hatte 204.000 Euro geerbt – auf eine fiktive jährliche Nettorendite von rund 8.000 Euro angespannt, obwohl der Unterhaltspflichtige sich damit eine Schafzucht angeschafft hatte; die von ihm selbst stammende Einschätzung, er könne frühestens nach Ablauf von 5 Jahren „allenfalls mögliche“ monatliche Einkünfte von 1.000 Euro aus der Schafzucht mit 110 Tieren erzielen, überzeugte den OGH nicht (1 Ob 240/09i. Damit behandelt die Rsp nämlich einen Unterhaltspflichtigen, der ohnehin über eine Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund eigener Berufstätigkeit verfügt, hinsichtlich seines Vermögens schlechter als einen Unterhaltspflichtigen, der ohne Notwendigkeit (bloß nicht in erwiesener Unterhaltschädigungsabsicht) seinen bisherigen, gut dotierten Arbeitsplatz aufgibt (vgl Rz 116), oder einen Unterhaltspflichtigen, der von seiner unselbstständigen Erwerbstätigkeit in eine selbstständige wechseln will (Rz 121 ff). Im Übrigen ist der Unterhaltsberechtigte, der derzeit im Weg der Anspannungstheorie an fiktiven Vermögenserträgnissen partizipiert, nicht auf diese beschränkt, sollte der Unterhaltspflichtige in Hinkunft mit seiner Schafzucht eine deutliche Einkommensteigerung erzielen; er wäre dann an dieser verbesserten Unterhaltsbemessungsgrundlage beteiligt. 140 Auch ungenutztes Liegenschaftsvermögen ist einer „Veranlagung“ zu unterziehen. Zu berücksichtigen sind dann fiktive Mieteinahmen. Allerdings ist hier eine höhere Zumutbarkeitsgrenze anzunehmen: Einerseits lassen sich nämlich in Bestand gegebene Liegenschaften uU nur schwer wieder verfügbar machen, andererseits kann aus MRG-geschützten Bestandverhältnissen sogar eine Verkehrswertminderung der Liegenschaft resultieren. Und schließlich können auch persönliche Überlegungen bzw sittliche Verpflichtungen für eine unterbliebene Verwertung von Wohnraum eine Rolle spielen; dazu könnte man etwa eine absehbare Weitergabe von Wohnungen an die Kinder zu Studienzwecken zählen, auch wenn dabei der Umstand nicht ganz außer Acht gelassen werden darf, dass damit eventuell die Bevorzugung eines Unterhaltsberechtigten gegenüber den anderen verbunden ist. Nicht zumutbar ist die Verwertung von – angemessenen (darüber hinausgehende Räume sollen bei „großzügigen Raumverhältnissen“ zu verwerten sein 156
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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[LG Salzburg EF 107.397]) – selbst genützten Wohnräumlichkeiten (vgl 2 Ob 230/00p = EF 97.281), wohl aber eine solche von Ferien- bzw Wochenendsitzen (LGZ Wien 42 R 212/06x). Hat der Unterhaltspflichtige Vermögen in eine Privatstiftung eingebracht 141 und ist er noch „wirtschaftlicher Eigentümer“, hat er also noch umfassende Änderungsrechte oder ein Widerrufsrecht, muss er iS der Anspannungstheorie sämtliche rechtlichen wie faktischen Möglichkeiten nutzen, sein Einkommen aus der Privatstiftung zu maximieren (Limberg, EF-Z 2008, 175). Bisweilen wird von der Rsp auch die Möglichkeit einer (fiktiven) Heranzie- 142 hung von gar nicht mehr vorhandenem, also hypothetischem (2 Ob 295/00x = EF 91.862) (Bar-)Vermögen – zumindest von (allerdings ebenso fiktiven) Erträgnissen daraus (2 Ob 295/00x = EF 91.862) – bejaht. Dies erfolgte etwa bei einer schenkungsweisen Veräußerung des Vermögens (10 Ob 49/98y = EF 86.228; großzügiger allerdings 1 Ob 94/01g [bei teilweisem Verschenken eines Lotteriegewinns] und LGZ Wien EF 95.992 [bei einer unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum aus moralischer Verpflichtung]), bei Anschaffung einer luxuriösen Wohnmöglichkeit (1 Ob 2/02d = EF 99.758), bei einer Investition in luxuriöse Güter (4 Ob 557/94 = EF 74.152; 9 Ob 261/97s), bei Übergabe eines Unternehmens an die Kinder ohne Vereinbarung einer üblichen Gegenleistung (7 Ob 2420/96z = EF 83.052; 1 Ob 119/07t), bei Gründung eines Unternehmens, das erst nach mehreren Jahren möglicherweise Gewinn bringen könnte (1 Ob 240/09i [Schafzucht]), oder gar bei „Entäußerung des Vermögens ohne tauglichen Grund“ (LG Krems EF 103.782). Auch die Einbringung des Vermögens in eine Privatstiftung (2 Ob 295/00x = EF 91.862; vgl auch N. Arnold, PSG Einl Rz 28; Limberg, EF-Z 2008, 175; Schwimann/ Kolmasch 64) ist unter diesem Gesichtspunkt zu sehen, wenn der Unterhaltspflichtige nicht mehr „wirtschaftlicher Eigentümer“ ist, also keine umfassenden Änderungsrechte, kein Widerrufsrecht udgl mehr hat (vgl dazu auch Rz 141). Nach der Entscheidung 2 Ob 246/09d hat sich der Unterhaltspflichtige auf fiktive Mieterlöse anspannen zu lassen, wenn er ein ihm zustehendes Fruchtgenussrecht an einer Wohnung entgeltlich aufgegeben hat; die Anspannung hat jedenfalls so lange zu erfolgen, als die fiktiven Erlöse noch im „stellvertretenden commodum“ erhalten sind (mE endet die Anspannung im Hinblick auf die Rsp [7 Ob 2420/96z = EF 83.052; 1 Ob 119/07t] aber nicht mit dem „Verbrauch“ dieses commodums durch Zeitablauf; der Unterhaltspflichtige hat sich dann eben seines Fruchtgenussrechts „zu billig“ begeben). Mindestvoraussetzung muss dabei allerdings das Wissen des Unterhaltspflichtigen vom aktuellen Bestehen einer Unterhaltspflicht zum Zeitpunkt der Vermögenstransaktion sein, was dem Grunde nach bei Ehegatten wohl regelmäßig der Fall sein wird; mE liegt eine solche Kenntnis aber nicht vor, wenn der andere Ehegatte selbst über Einkünfte verfügt, mit denen er seine angemessenen Bedürfnisse befriedigen kann. Nicht zu berücksichtigen sind die Erträg157
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nisse aus derartigem hypothetischem Vermögen auch dann, wenn der andere Ehegatte der konkreten Vermögenstransaktion – zumindest konkludent – zustimmte. 143 Selbst wenn in all diesen Fällen (Rz 142, 143) eine Anspannung in Betracht kommen sollte, kann aber doch nicht übersehen werden, dass diese nicht zur (reinen) Fiktion führen darf (vgl Rz 109). Da bereits ausgegebenes Vermögen idR aber nicht wiederbeschaffbar ist, ist diese – rein punitive – Rsp jedenfalls so weit abzulehnen (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 230/9), als für den Unterhaltspflichtigen keine Möglichkeit der Korrektur mehr besteht und die unter Heranziehung des hypothetischen Vermögens ermittelte Unterhaltsverpflichtung für den Unterhaltspflichtigen existenzgefährdend ist (vgl zur Belastbarkeitsgrenze Rz 231 ff); anders hingegen, wenn der Unterhaltspflichtige noch in der Lage ist, zumindest einen Teil der (nunmehr missbilligten) Anschaffungen wieder zu realisieren. 144 Von dieser Frage zu unterscheiden ist die Überlegung, ob nicht im Einzelfall Vermögensverschiebungen etwa an Dritte (vgl Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 51 unter Hinweis auf SZ 28/79 und LGZ Wien EF 6056; ebenso offensichtlich Schwimann/Kolmasch 64) oder in eine Privatstiftung (2 Ob 295/ 00x = EF 91.862; N. Arnold, PSG Einl Rz 29; Limberg, EF-Z 2008, 175) vom Unterhaltsberechtigten angefochten werden können; als Anspruchsgrundlagen kommen dabei die AnfO, die IO, aber auch § 950 ABGB, der als lex specialis sogar als vorrangig angesehen werden könnte (so auch Limberg, EF-Z 2008, 175; s auch Binder/Schwimann3 § 950 ABGB Rz 7) in Betracht. 145 Gänzlich undenkbar scheint zwar die Einbeziehung eines Vermögens, welches der Unterhaltspflichtige nie hatte, so etwa einer (fiktiven) Abfertigung bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses (LG Salzburg EF 95.996). Der OGH will jedoch eine Abfertigung der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzurechnen, wenn der Unterhaltspflichtige aus einem Dienstverhältnis austritt und dadurch seine Abfertigungsansprüche verliert, sie aber durch eine andere Vorgangsweise wahren hätte können (4 Ob 2327/96a; 3 Ob 237/05g). 3. Insolvenz des Unterhaltspflichtigen
146 Hinsichtlich rückständigem Unterhalt ist der Unterhaltsberechtigte als Insolvenzgläubiger auf die Masse angewiesen (1 Ob 639/90 = EF 65.021; 2 Ob 215/98a = JBl 1999, 397); anhängige Unterhaltsverfahren sind unterbrochen (§ 159 ZPO; vgl Rz 334). 147 Zum laufenden Unterhalt vertrat die Rsp (krit dazu Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 234/4) zunächst lange Zeit die Auffassung, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Konkurs, Schuldenregulierungsverfahren) allein rechtfertige noch nicht die Annahme, dass der in einem Exekutionstitel festgesetzte Unter158
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haltsbeitrag der materiellen Rechtslage nicht (mehr) entspricht (7 Ob 636/90 = EF 63.734; zuletzt 1 Ob 139/01z = EF 95.663, 95.672; 7 Ob 299/02y ua = EF 99.498 [die Unterhaltsbemessungsgrundlage erfährt durch eine Konkurseröffnung keine Änderung]). Daher traf den Unterhaltspflichtigen die Behauptungsund Beweispflicht dafür, welche konkreten Auswirkungen ein über sein Vermögen eröffnetes Insolvenzverfahren auf seine ohne diese Eröffnung anzunehmende Leistungsfähigkeit ausübe (6 Ob 573/92 = EF 67.809 = EvBl 1993/34; 4 Ob 321/97b = EF 83.148). In weiterer Folge differenzierte die Rsp zwischen unselbstständig und selbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen und wendete hinsichtlich ersteren die Differenzmethode an: Diese legte die Differenz zwischen dem Existenzminimum nach § 291a EO einschließlich sämtlicher Steigerungsbeträge und dem Unterhaltsexistenzminimum nach der Existenzminimumtabelle 2 bm, 1. Spalte (= 0 Unterhaltsberechtigte) bzw dem Grundbetrag dieser Tabelle als Belastbarkeitsgrenze des Unterhaltspflichtigen während laufenden Konkurses oder Schuldenregulierungsverfahrens fest; überschritt die Summe aller Unterhaltspflichten des Unterhaltspflichtigen diese Differenz, waren die Unterhaltspflichten aliquot zu kürzen (vgl dazu ausführlich Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 135; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 234). Zuletzt sprach ein verstärkter Senat des OGH (1 Ob 160/09z EF-Z 2010/107) 148 jedoch aus, der Umstand, dass dem Unterhaltspflichtigen sein Erwerbseinkommen aufgrund der Eröffnung des Konkurses (seit 1.7.2010 einer Insolvenz) über sein Vermögen nicht zur Gänze zur Verfügung steht, führe für sich allein nicht zu einer Verminderung seiner Unterhaltspflicht. Bei der Unterhaltsbemessung sei vielmehr in allen Insolvenzfällen regelmäßig von der im Einzelfall ermittelten Unterhaltsbemessungsgrundlage auszugehen; auf die Deckung in der Differenz zwischen dem Existenzminimum gem § 291a EO und dem Unterhaltsexistenzminimum gem § 291b EO komme es nicht (mehr) an. Da diese Entscheidung gem § 8 OGHG auch die einfachen Senate des OGH bindet, kommt somit der Differenzmethode keine Bedeutung mehr zu. Dies ist insofern bedauerlich, als nunmehr – etwa bei gut verdienenden, dennoch aber insolventen Unterhaltspflichtigen – in Insolvenzfällen (vielfach überhöhte, unrealistische) Unterhaltstitel ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen geschaffen werden, die bei Kindern vermehrt zu Unterhaltsvorschussansprüchen und bei (geschiedenen) Ehegatten zu hohen Unterhaltsrückständen (aus der Zeit des „Insolvenzfalls“) führen werden, die nach erfolgter Entschuldung des Unterhaltspflichtigen sofort wieder dessen Existenz bedrohen (Exekutionsführung durch den Ehegatten, Rückforderungsmaßnahmen hinsichtlich der Unterhaltsvorschüsse). Die Aufgabe der Differenzmethode ist daher abzulehnen (Gitschthaler, EF-Z 2010, 146; ausführlich A. Simma, ZIK 2010, 122; Kolmasch, Zak 2010, 289; aA G. Kodek, Zak 2006, 26; Neuhauser, iFamZ 2010, 184). 159
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149 Der Unterhaltsbemessung im Insolvenzfall des (unselbstständig erwerbstätigen) Unterhaltspflichtigen ist dessen Unterhaltsbemessungsgrundlage zugrunde zu legen. Bezieht er wechselndes (schwankendes) Einkommen, sind auch in der Insolvenz sämtliche Jahreseinkünfte grundsätzlich auf 12 Monate umzulegen (6 Ob 52/06z = EF-Z 2006/12 [Gitschthaler]; 6 Ob 184/06m = EF-Z 2006/78; Gitschthaler, JBl 1995, 808; Kolmasch, Zak 2006/8). Bezieht der Unterhaltspflichtige kein Einkommen, ist seine Unterhaltsbemessungsgrundlage iS der Anspannungstheorie zu ermitteln (Gitschthaler/Simma, EFZ 2007, 132, 136; vgl auch LGZ Wien 43 R 633/06s). Dies gilt auch für jene Fälle, in denen der Unterhaltspflichtige zwar zunächst selbstständig erwerbstätig war, der Insolvenzverwalter das Unternehmen in der Insolvenz jedoch nicht fortführt, der schuldnerische Unterhaltspflichtige also auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen ist, sowie dann, wenn das Unternehmen fortgeführt wird und der Unterhaltspflichtige einen Dienstvertrag mit dem Insolvenzverwalter geschlossen hat. Der Schuldner ist ja jetzt unselbstständig tätig (Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 137), der Insolvenzverwalter nimmt gleichzeitig die Stellung des Dienstgebers ein. 150 Wird das Unternehmen vom Insolvenzverwalter fortgeführt und erfolgt eine De-facto-Weiterbeschäftigung des Unterhaltspflichtigen durch den Insolvenzverwalter, hat ihm dieser gem § 5 Abs 1 IO ein entsprechendes Entgelt zu überlassen; dieses orientiert sich am Existenzminimum nach § 291a EO unter Außerachtlassung der Steigerungsbeträge nach § 291a Abs 2 und 3 EO (= Richtsatz für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG) zuzüglich (allenfalls) festzusetzender Zuschläge infolge Mehrung der Masse aufgrund der Mitarbeit des Gemeinschuldners (Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 133, 137). Weder der Gemeinschuldner noch seine Unterhaltsberechtigten haben einen Unterhaltsanspruch gegen die Masse oder den Insolvenzverwalter; vielmehr haben sich die Unterhaltsberechtigten an den Unterhaltspflichtigen als Gemeinschuldner zu halten, der seinerseits (allenfalls) eine Erhöhung des Überlassungsbetrags nach § 5 IO anstreben muss (1 Ob 639/90 = EvBl 1991/64). Ihre Ansprüche gegenüber dem Unterhaltspflichtigen sind aber Unterhaltsansprüche, deren Höhe von seiner Leistungsfähigkeit abhängt. Eine konkrete Minderung seiner Leistungsfähigkeit hat gegenüber den Unterhaltsberechtigten der Unterhaltspflichtige zu behaupten und zu beweisen; es kommt konkret auf jene Beträge an, die der Insolvenzverwalter dem unterhaltspflichtigen Schuldner gem § 5 IO (für diesen und dessen Unterhaltsberechtigte [vgl dazu Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 137]) zur Verfügung stellt (LG Linz EF 99.505; LGZ Wien 43 R 665/06x; Kolmasch, Zak 2010, 289; aA Reckenzaun, ÖJZ 1994, 113), und zwar dann, wenn der Unterhaltspflichtige seine gesamte Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung stellt. Tut er dies nicht oder wird sie nicht benötigt, dann ist im Unterhaltsverfahren weiters zu prüfen, ob er nicht durch Nebenbeschäftigungen seine 160
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöhen könnte (Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 137). Unter den Gesichtspunkten der Anspannungstheorie wird eine derartige Mitarbeit im fortgeführten Unternehmen jedenfalls nur dann akzeptabel sein, wenn eine reale Chance auf eine wirtschaftlich erfolgreiche Weiterführung der selbstständigen Tätigkeit besteht (Kolmasch, Zak 2010, 289) und der Unterhaltspflichtige nicht mit einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit (deutlich) mehr verdienen könnte (Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 137). Bezieht der Unterhaltspflichtige während des Insolvenzverfahrens keine Ein- 151 künfte und werden die Unterhaltsansprüche daher in Anwendung der Anspannungstheorie ermittelt, braucht ihm der Insolvenzverwalter gem § 5 Abs 2 letzter Satz IO aus der Masse – selbst wenn eine solche vorhanden wäre – nichts zur Verfügung zu stellen, wenn der Unterhaltspflichtige nach seinen Kräften zu einem Erwerb durch eigene Tätigkeit imstande wäre. Schubert/Konecny/Schubert (§ 5 KO Rz 18, 19 unter Hinweis auf Bartsch/Heil, Konkursrecht4 Rz 193; vgl auch Buchegger/Bartsch/Pollak/Buchegger § 5 KO Rz 29 mwN, der aber lediglich von einem „subsidiären“ Anspruch der Unterhaltsberechtigten spricht, wenn der Gemeinschuldner den familienrechtlichen Anspannungsgrundsatz verletzt) meint nun, der Anspruch der Familie, also der Unterhaltsberechtigten des gemeinschuldnerischen Unterhaltspflichtigen, nach § 5 IO bleibe grundsätzlich auch dann aufrecht, wenn dem Gemeinschuldner selbst nichts zu überlassen ist, etwa weil er eine zumutbare Erwerbstätigkeit nicht aufnimmt; dies gelte auch dann, wenn er flüchtig ist oder überlassene Beträge nicht bestimmungsgemäß verwendet. Für diese Auffassung würde zwar der Umstand sprechen, dass § 5 Abs 2 letzter Satz IO lediglich die Verweigerung der Unterstützung des Schuldners erwähnt, nicht aber auch jene seiner Familie, also seiner Unterhaltsberechtigten. Sie übersieht aber zunächst einmal, dass damit die Unterhaltsberechtigten infolge Insolvenzeröffnung eine Unterhaltsgewährung erlangen würden, die ihnen ohne diese nicht zugekommen wäre; die Überlassungen müssten ja aus verwertetem (früherem) Vermögen des Schuldners erfolgen, das aber den Insolvenzgläubigern zusteht. Wäre es nicht zur Insolvenzeröffnung gekommen, wäre das Vermögen zugunsten einzelner Pfandgläubiger verwertet worden; die Unterhaltsberechtigten hätten keine Ansprüche auf Unterstützungsleistungen geltend machen können. Des Weiteren kann es nicht zu Lasten der Insolvenzgläubiger gehen, wenn der Schuldner pflichtwidrig handelt. In diesen Fällen sind die Unterhaltsberechtigten also – soweit möglich – auf Unterhaltsvorschüsse verwiesen (Gitschthaler/ Simma, EF-Z 2007, 136). Bezieht der Unterhaltspflichtige keine Einkünfte, weil es ihm unmöglich ist, 152 zumutbare Arbeit zu finden, oder geht er aus anerkennenswerten Gründen (etwa Krankheit, Alter usw) keiner Erwerbstätigkeit nach, entfallen die (Unterhalts-)ansprüche der Unterhaltsberechtigten, weil beim Schuldner die Vor161
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aussetzungen für eine Anspannung weggefallen sind. Allerdings sieht § 5 Abs 2 IO in diesen Fällen (auch) eine Unterstützung des Unterhaltspflichtigen in Höhe des niedrigsten Unterhaltsexistenzminimums vor (Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 133). Im Hinblick auf den Einleitungssatz des § 5 IO haben weder der Schuldner noch seine Unterhaltsberechtigten einen Unterhaltsanspruch gegen die Masse oder den Insolvenzverwalter; letztere haben sich an den Gemeinschuldner zu halten, der seinerseits (allenfalls) eine Erhöhung des Überlassungsbetrags nach § 5 IO anstreben muss (1 Ob 639/90 = EvBl 1991/64). Diese Erhöhungsbeträge sind im Einzelfall festzusetzen und können den Durchschnittsbedarfssatz nicht erreichen; dieser geht ja von durchschnittlichen Verhältnissen aus, die aber beim erwerbsunfähigen Schuldner nicht anzunehmen sein werden (vgl dazu ausführlich Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 137).
4. Vermögensstamm
153 Die Worte „nach Kräften“ in § 94 Abs 1 ABGB bedeuten, dass von einem Ehegatten kein höherer Betrag verlangt werden darf, als es seinem Leistungsvermögen entspricht; sie legen also die Obergrenze der Beitragspflicht fest. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Frage zu lösen, ob die Ehegatten, um ihre Beitragspflicht zu erfüllen, bloß ihre Einkünfte und Vermögenserträgnisse (vgl Rz 89 ff) oder auch den Stamm (die Substanz) ihres Vermögens anzugreifen haben (6 Ob 553/79): Diese Frage ist hinsichlich des Unterhaltspflichtigen zwar erst in allerletzter Linie zu bejahen (2 Ob 84/97k = EF 85.876), von einer Einschränkung dieser Verpflichtung lediglich auf ertragloses Luxusvermögen (so aber Schwimann/Kolmasch 17) kann jedoch nicht ausgegangen werden (idS nunmehr auch 6 Ob 49/08m = EF-Z 2008/85); es ist außerdem nicht maßgeblich, ob der Unterhaltspflichtige das Vermögen bereits in die Ehe eingebracht (zu diesbezüglichen Fragen iZm der nachehelichen Aufteilung vgl allerdings bei § 82 EheG) oder es während der Ehe erworben hat bzw ob er sich das Vermögen selbst „erarbeitet“ oder geerbt bzw gewonnen hat (idS auch Barth/Neumayr/ Klang3 § 140 ABGB Rz 65; vgl auch 5 Ob 576/90; LGZ Wien EF 53.492). Neben Schmerzengeldzahlungen (vgl dazu Rz 41, 90) sind auch Ausgleichszahlungen nach § 94 EheG überhaupt nicht (also auch nicht deren Erträgnisse [8 Ob 60/10x; LG Salzburg EF 107.111; Schwimann/Kolmasch 17; vgl auch 8 Ob 1/05p]) für die Unterhaltsbemessung heranzuziehen, es sei denn bei letzteren wäre die Zweckbindung dadurch endgültig (vgl 5 Ob 65/97p; 8 Ob 60/ 10x) aufgehoben, dass sie nicht für die Beschaffung einer Ersatzwohnung oder die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen des Unterhaltspflichtigen (4 Ob 531/95 = EF 77.249; 8 Ob 60/10x), sondern zur Deckung seines Miet(3 Ob 278/98y = EF 85.984) oder sonstigen Lebensaufwands (4 Ob 531/95 = EF 77.249) verwendet werden. 162
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Auch bei Heranziehung des Vermögensstamms muss dem Unterhaltspflichtigen ein Betrag bleiben, der ihm die Befriedigung seiner eigenen Lebensbedürfnisse sichert; es ist also auf die Belastbarkeitsgrenze (vgl Rz 160) zu achten (vgl LG Salzburg EF 99.177). Grundvoraussetzung für die Heranziehung des Vermögensstamms bei der 154 Unterhaltsbemessung ist zunächst einmal, dass die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden können; sie findet daher dann statt, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht zur Deckung des „angemessenen Unterhalts“ des Unterhaltsberechtigten ausreicht (7 Ob 48/00k = EF 93.865; 1 Ob 98/03y; 1 Ob 14/04x; 10 Ob 92/ 04h). Vgl dazu auch Rz 138. Der Vermögensstamm muss tatsächlich verwertbar sein (2 Ob 84/97k = EF 155 85.876); Verwertbarkeit ist aber bei wirtschaftlicher Untunlichkeit (ungünstige Marktlage, ausreichend Ertrag bringendes Vermögen) nicht gegeben (Schwimann/Kolmasch 17; 6 Ob 594/95 = EF 76.840). Die Unverwertbarkeit ist vom Unterhaltspflichtigen zu beweisen; dem Unterhaltsberechtigten wäre der Beweis der Verwertbarkeit aufgrund seiner Ferne zum Vermögen wohl nicht oder nur äußerst schwer möglich. Die Verwertung muss dem Unterhaltspflichtigen zumutbar sein (1 Ob 570/ 156 81 = SZ 54/52; 2 Ob 84/97k = EF 85.876; Schwimann/Kolmasch 17), was nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen ist (4 Ob 557/94; 6 Ob 653/93 = EF 73.818; 5 Ob 168/02w = EF 99.752; 4 Ob 180/03d). Unzumutbar ist grundsätzlich die Veräußerung eines Einfamilienhauses (6 Ob 625/91 = EF 65.012; 6 Ob 594/95 = EF 76.840) – dies selbst im Rohbauzustand (8 Ob 634/91 = EF 65.013) – oder einer Eigentumswohnung (1 Ob 635/95 = EF 76.839), wenn diese Objekte der Wohnversorgung des Unterhaltspflichtigen dienen (etwa nach seiner Trennung vom Unterhaltsberechtigten). Eine Belastung durch einen Hypothekarkredit käme dabei nur in Betracht, wenn dieser in absehbarer Zeit aus vorhandenen Einnahmen zurückgezahlt werden könnte (LG Feldkirch EF 100.975; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 226; vgl auch 6 Ob 594/95 = EF 76.840), nicht jedoch, wenn die Rückzahlung des Kredits aufgrund der schwierigen finanziellen Situation und des Fehlens eines ausreichenden Einkommens ungewiss ist und dadurch im Ergebnis der Verlust der Wohnung droht (LG Feldkirch EF 100.975). Denkbar wäre eine (teilweise) Vermietung (6 Ob 625/91 = EF 65.012; 6 Ob 594/95 = EF 76.840; 9 Ob 60/98h = EF 85.925), sofern dies praktisch überhaupt durchführbar ist. Ebenfalls unzumutbar ist die Verwertung von Vermögen, welches der Erhaltung der Erwerbsmöglichkeiten des Unterhaltspflichtigen dient (7 Ob 557/94 = EF 73.940), also etwa eines Unternehmens (vgl 7 Ob 628/90 = RZ 1991/25). 163
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157 Greift der Unterhaltspflichtige selbst sein Vermögen an (etwa Verkaufserlöse [1 Ob 98/03y; 6 Ob 49/08m = EF-Z 2008/85] oder Gewinnmitnahmen an der Börse, anstatt sie wieder anzulegen), um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken (Vermögensumwidmung), dann kann dieses Maß der Inanspruchnahme auch als Grundlage für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs dienen (6 Ob 625/91 = EF 65.008, 65.009; 1 Ob 98/03y; Schwimann/Kolmasch 16; Barth/Neumayr/Klang3 § 140 ABGB 155). Dies gilt aber nicht nur dann, wenn der Unterhaltspflichtige aus dem Vermögensstamm einen luxuriösen Lebenswandel finanziert, sondern etwa auch bei Finanzierung – krankheitsbedingt – erforderlicher Pflegekosten; maßgeblich ist einzig, ob durch die Einbeziehung von Vermögensverwertungserlösen in die tägliche Lebensführung Bedürfnisse befriedigt werden können, die sonst nicht befriedigt werden könnten (6 Ob 49/08m = EF-Z 2008/85; Schwimann/Kolmasch 16; Barth/Neumayr/Klang3 § 140 ABGB 155). 158 Bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen sind dabei nicht nur die aus der marktgerechten Veräußerung bei bestmöglicher Veranlagung (vgl dazu auch Rz 138, wobei mE jedoch kein Widerspruch besteht, greift hier doch der Unterhaltspflichtige sein Vermögen selbst an, während er bei Veranlagung seines Vermögens dies gerade nicht tun will) erzielbaren hypothetischen Erträgnisse aus dem Veräußerungserlös (6 Ob 625/ 91 = EF 65.008, 65.009; 1 Ob 98/03y), sondern – allenfalls auf einen längeren Zeitraum aufgeteilt – das verwertete Vermögen selbst (6 Ob 49/08m = EF-Z 2008/85). 159 Realisiert also der Unterhaltspflichtige etwa veranlagtes Vermögen (aus einer Erlebensversicherung oder aus einer Rentenversicherung) in der Form, dass er sich eine monatliche Rente auszahlen lässt, sind diese Zahlungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (10 Ob 93/07k = EF-Z 2008/34; 4 Ob 218/08z; aA [nur die Gewinnanteile, nicht aber das angesparte Kapital] 7 Ob 180/07g = EF-Z 2008/35 [Gitschthaler]). Unterhaltswirksam werden aber auch Vermögensteile, die etwa unter Auflösung eines Sparguthabens zur Anschaffung eines Feriendomizils oder einer Yacht uä bzw zur Finanzierung von Urlauben verwendet werden, also alles, was nicht lediglich Vermögensumschichtung ist. Dass es dabei zu Grenzfällen kommen kann, soll nicht unerwähnt bleiben (etwa der wertvolle Perserteppich, der fürs Wohnzimmer gekauft wird). 160 Nach jüngerer Rsp des OGH erfassen Ausstattungsansprüche nach §§ 1220 ff ABGB auch den Vermögenszuwachs beim Ausstattungspflichtigen; danach soll sowohl aus Kapital- als auch aus Liegenschaftsvermögen ein jährlicher Vermögenszuwachs von etwa 5% erzielbar sein (1 Ob 151/07y = EF-Z 2008/84 [Gitschthaler]; vgl auch Deixler-Hübner, iFamZ 2007, 301). Da Ausstattungsansprüche unterhaltsrechtliche Wurzeln haben, erscheint es nicht ausgeschlos164
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sen, dass diese Rsp auch bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage Anwendung findet; demnach müssten dann etwa jährliche Wertsteigerungen beim Liegenschaftsvermögen (idS bereits 7 Ob 180/07g = EF-Z 2008/35 [abl Gitschthaler]), Kursgewinne aus Wertpapierveranlagungen, auch wenn sie nicht entnommen, sondern wiederveranlagt werden, aber auch Wertsteigerungen bei Gemälden, Sammlungen udgl oder gar bei Unternehmen auf 12 Monate umgelegt in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werden. Dagegen spricht allerdings, dass Vermögenszuwächse zum Vermögensstamm gehören und nicht zu den Erträgnissen; der Unterhaltspflichtige müsste ja, um den Vermögenszuwachs lukrieren zu können, das Vermögen verwerten. Gerade dies hat er aber nach der Rsp regelmäßig nicht zu tun, solange er angemessenen Unterhalt leisten kann. Im Übrigen kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Unterhaltsberechtigte an Vermögensverlusten (etwa bei sinkenden Aktienkursen) nicht partizipiert (vgl zur Passivierung Rz 166). 5. Aufwendungen, Ausgaben
Soweit es sich nicht ohnehin um Naturalunterhaltsleistungen (vgl Rz 244 ff) 161 handelt, vermindern zunächst einmal Investitionen des Unterhaltspflichtigen die Unterhaltsbemessungsgrundlage, wenn sie zumindest auch den Zwecken des Unterhaltsberechtigten dienen bzw ihm zugute kommen und nicht von vornherein unangemessen hoch sind (7 Ob 194/98z = EF 88.326; 10 Ob 34/ 03b; 1 Ob 119/07t), also etwa Leistungen (Kreditrückzahlungen, Versicherungsprämien udgl) für einen Zweitwohnsitz (1 Ob 237/99 f = EF 88.872) oder Renovierungskosten, die die Ehewohnung betreffen, jedoch nicht aus aufzuteilendem Ehevermögen getragen werden (1 Ob 119/07t). Einkommensmindernd sind auch Kredite des Unterhaltspflichtigen, die er für notwendige und nicht anders finanzierbare Anschaffungen für die allgemeine Lebensführung (3 Ob 85/00x; vgl auch 1 Ob 2223/96k) bzw den Beruf (3 Ob 85/00x), für die Schaffung bzw Erhaltung einer Einkommensquelle (10 ObS 58/89 = EF 60.313; 6 Ob 382/97p) oder zur Erhaltung der Arbeitskraft (7 Ob 549/90 = EF 62.284; 7 Ob 52/98t = EF 86.474) bzw Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage (7 Ob 546/92 = EF 67.675) aufgenommen hat. Nicht zu berücksichtigen sind hingegen leichtfertige, ohne einsichtigen Grund oder zu luxuriösen Zwecken getätigte Kreditaufnahmen (1 Ob 217/99i; 3 Ob 85/00x). Ansonsten sind bei der Beurteilung, inwieweit Schulden eine Abzugspost von 162 der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen, Zeitpunkt und Art ihrer Entstehung, Zweck, für den sie aufgenommen worden sind, Einverständnis des Ehepartners zu dieser Schuldaufnahme, Dringlichkeit der Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen und des Unterhaltsberechtigten sowie Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeit nicht weiter anwachsen zu lassen 165
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und dadurch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen weiter herabzudrücken, maßgeblich; die Berücksichtigung der Schulden und die Interessenabwägung sind nach billigem Ermessen, jedoch aufgrund eines objektiven Maßstabs (4 Ob 1541/95 = EF 79.359) vorzunehmen (2 Ob 587/93 = EF 73.206, 73.207; 7 Ob 624/94 = EF 73.822; 3 Ob 85/00x). Dabei ist auch zu fragen, wie sich der Unterhaltspflichtige verständigerweise bei Fortdauer der ehelichen Gemeinschaft in Bezug auf die Schuldentilgung verhalten würde (7 Ob 624/94 = EF 73.822). 163 Sind Schulden nicht abzugsfähig, spielt es keine Rolle, ob sie bereits exekutiv betrieben werden; dass der Unterhaltspflichtige aufgrund von Pfändungen insoweit über sein Einkommen nicht verfügen kann, führt daher nicht zu einer Verringerung der Unterhaltsbemessungsgrundlage (1 Ob 35/07i). 164 Berufsbedingte Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen mindern die Unterhaltsbemessungsgrundlage, so etwa die Prämien für eine Amtshaftungs(3 Ob 85/00x) oder Berufshaftpflichtversicherung. Auch Arbeitsplatzfahrtkosten sind zu berücksichtigen, also PKW- und sonstige Fahrtkosten für den Weg von und zur Arbeitsstelle (8 Ob 639/91), soweit sie die durchschnittlichen Aufwendungen anderer Arbeitnehmer übersteigen (8 Ob 1528/94; 3 Ob 85/ 00x) und die Arbeitsstelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht (1 Ob 507/ 91 = EF 65.376; 6 Ob 191/97z = EF 84.639; 2 Ob 150/02a = EF 99.626) oder aufgrund wechselnder Arbeitszeiten des Unterhaltspflichtigen lediglich unter unzumutbarem Zeitaufwand (vgl 7 Ob 662/90 = JBl 1991, 720) erreichbar ist; dabei hat eine detaillierte Aufschlüsselung (LG Salzburg EF 95.829) zu erfolgen; der Aufwand ist in Höhe des Kilometergelds (LGZ Wien EF 95.834; LG Krems EF 103.657; vgl auch 7 Ob 522/94 = EF 74.477; aA [etwa halbes Kilometergeld] 8 Ob 49/98h; LG Linz EF 95.836; LGZ Wien EF 103.658; [jedenfalls nicht das ganze Kilometergeld] 2 Ob 150/02a = EF 99.624) zu ermitteln. 165 Weiters in Betracht kommen die Kosten eines berufsbedingten Auslandswohnsitzes (7 Ob 302/99h = EF 89.043), Beiträge für Berufsvereinigungen (7 Ob 546/92 = EF 67.676 [allgemein]; 3 Ob 85/00x [Richtervereinigungsbeitrag]; LGZ Wien EF 95.838 [Ärztekammerumlage]; LGZ Wien EF 116.494 [Ärztekammerbeiträge sowie Leistungen für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer]; LGZ Wien EF 103.668 [Betriebsratsumlage]; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 196/3; aA [Gewerkschafts- und Richtervereinigungsbeitrag nicht abzugsfähig] 3 Ob 19/97h = EF 86.493, 88.329, 1 Ob 133/01t = EF 95.843; [Personalvertretungsumlage nicht abzugsfähig] LGZ Wien EF 99.441; [Betriebsratsumlage nicht abzugsfähig] LG Linz EF 92.347, 95.841; LGZ Wien 44 R 562/06g, EF 116.496; [Gewerkschaftsbeitrag nicht abzugsfähig] LG Linz ua = EF 92.349, 107.307; LGZ Wien 44 R 562/06g, EF 116.498), die Kosten für Fachliteratur (vgl 3 Ob 2200/96t = EF 80.136; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 195/4; aA [ein Richter ist auf die Gerichtsbibliothek verwie166
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sen] 3 Ob 19/97h = EF 88.329) bzw sonstige Werbungskosten (LG Linz EF 95.845; 3 Ob 101/07k [mit der Einschränkung, dass bei Kindern infolge des Abzugs der Regelbedarf nicht unterschritten werden darf]) oder die Kosten einer (existenznotwendigen [7 Ob 1620/91 = EF 65.380; 2 Ob 22/08m]) beruflichen Fort- und Weiterbildung bzw Verbesserung der Einkommensmöglichkeiten (6 Ob 233/98b = EF 87.521; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 680/2, 4; aA [Reisekosten eines Richters zu Bildungsveranstaltungen nicht abzugsfähig] 3 Ob 85/00x). Als Grundsatz gilt dabei, dass nur jene Ausgaben die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringern können, die auch ein pflichtbewusster Familienvater bzw Ehegatte unter Berücksichtigung seiner Einkommensverhältnisse und der Bedürfnisse seiner Unterhaltsberechtigten zur Erhaltung seiner Einkünfte aufgewendet hätte (LG Salzburg 21 R 153/06 f). Grundsätzlich nicht als Abzugsposten zu berücksichtigen sind zwar verlust- 166 bringende Nebentätigkeiten des Unterhaltspflichtigen, und zwar weder bei Einkommen aus selbst- noch bei solchen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit (keine Passivierung; 5 Ob 1571/92 = EF 68.009; 4 Ob 116/98g = EF 86.264; 2 Ob 91/01y = EF 95.547; 7 Ob 197/07g = EF-Z 2008/86 [Gitschthaler]); dies gilt insb für Bauherrenmodelle uä, die vor allem der Erreichung von Steuervorteilen dienen und daher (ua) den Unterhaltsberechtigten finanziell schädigen sollen (vgl 4 Ob 100/08x). Ansonsten hat die ältere Rsp jedoch zwischen selbstständig und unselbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen unterschieden und war bei ersteren eher großzügiger. Diese müssten nämlich stets um die Sicherung und Erhaltung ihres Einkommens bemüht sein, was ihnen oft nur durch die Erschließung neuer, zusätzlicher Erwerbsquellen gelinge, weshalb bei ihnen auch eine größere Risikobereitschaft zu verlangen und zu tolerieren sei als bei unselbstständig Erwerbstätigen (5 Ob 60/97b; 1 Ob 179/00 f); dass der Unterhaltspflichtige bereits ein überdurchschnittliches Einkommen erzielt, sei dabei ebenso unbeachtlich wie die Frage, ob sein weiteres Unternehmen in einem sachlichen Zusammenhang mit der bereits ausgeübten unternehmerischen (Haupt-)tätigkeit steht (4 Ob 100/08x [öffentlicher Notar, der einen Forstbetrieb aufbaut, mit dem er in Zukunft Einnahmen aus Holzverkäufen, Jagdabschüssen und Vermietung erzielen will]). Nach der jüngeren Rsp kann auch ein Unterhaltspflichtiger, der Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit erwirbt, die Verluste aus dem Aufbau einer selbstständigen Erwerbstätigkeit von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug bringen, weil sein (später) höheres Einkommen sich auch auf den Unterhaltsberechtigten positiv auswirken wird (7 Ob 197/07g = EF-Z 2008/86 [Gitschthaler] [Spitalsarzt, der nebenbei eine eigene Ordination aufbaut]). In sämtlichen Fällen kommt es aber auf eine positive Einkommensprognose an, die Erfolgsaussichten des (weiteren oder Nebenerwerbs-)Unter167
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nehmens müssen also ex ante angesichts der Marktlage, des Kapitaleinsatzes und einer realistischen Prognose unter Heranziehung aller dafür bedeutsamen Parameter günstig sein (1 Ob 179/00 f; 4 Ob 100/08x). Die jüngere Rsp behandelt somit – völlig zutr – selbstständig und nicht selbstständig erwerbstätige Unterhaltspflichtige hinsichtlich der Berücksichtigung verlustbringender Nebentätigkeiten gleich. Zu überdenken wäre allerdings das Modell eines „Verlustvortrags“, dh der Unterhaltspflichtige kann zunächst seine Verluste nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug bringen, muss nach Erreichen der Gewinnzone sein zusätzliches Einkommen unterhaltsrechtlich jedoch erst nach dem Ausgleich seiner Verluste berücksichtigen (Gitschthaler, EF-Z 2008, 144 [Entscheidungsanmerkung]). 167 Kosten des täglichen Lebens. Der übliche Lebensaufwand (3 Ob 19/97h = EF 86.545, 88.328) ist grundsätzlich nicht abzugsfähig, es sei denn es handelt sich um existenznotwendigen Bedarf oder unabwendbare außergewöhnliche Belastungen (7 Ob 69/02a ua = EF 99.647, 99.648). Dies gilt selbst dann, wenn die Lebenshaltungskosten des Unterhaltspflichtigen besonders hoch sind, weil dies nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten gehen darf (LG Salzburg 21 R 538/06y); der Unterhaltspflichtige hat sie vielmehr seinen Einkommensverhältnissen anzupassen (auch dies ist Ausfluss der Anspannungstheorie; vgl dazu Rz 97 ff). Abzugsfähigkeit fehlt somit etwa Auto(kauf)kosten (LG Linz EF 95.857; LG Salzburg EF 95.856), Kosten der Freizeitgestaltung (7 Ob 546/92) und Urlaubskosten (7 Ob 546/92), Bekleidungs- (9 Ob 1612/94 = EF 74.461; 4 Ob 388/97 f = SZ 71/9), Hygiene- (9 Ob 1612/94 = EF 74.455) und Lebensmittelkosten (9 Ob 1612/94 = EF 74.466; 4 Ob 388/97 f = SZ 71/9), Kindergartenkosten (LG Salzburg EF 116.516), Mediations-, Anwalts- (5 Ob 38/ 99w = EF 88.860, 88.862) und Steuerberaterkosten (LGZ Wien EF 99.173, 48 R 254/06z), Abgabenschulden (1 Ob 35/07i; LG Linz EF 103.684), Kirchenbeitrags- (LG Salzburg EF 95.875, 116.518; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 190/15) und Unterhaltszahlungen (LG Salzburg EF 95.892; LGZ Wien EF 103.206), Verwaltungsstrafen (LGZ Wien EF 95.268; LG Linz EF 99.682), aber auch Prämienzahlungen für Haftpflicht- (LGZ Wien EF 95.949), Haushalts- (LGZ Wien EF 95.950), Kfz-Haftpflicht- (LGZ Wien EF 95.951), Kranken(zusatz)- (LG Krems EF 95.952; LG Eisenstadt EF 99.726), Rechtsschutz- (LG Linz EF 99.732) und Unfallversicherungen (LG Krems EF 95.957) oder Vereinsbeiträgen aus privatem Interesse (7 Ob 546/92 = EF 67.676). 168 Grundsätzlich nicht abzugsfähig sind nach der Rsp Prämienzahlungen für Lebensversicherungen (5 Ob 38/99w = EF 88.860; 7 Ob 191/05x = EF 110.096) bzw eine Pensionsvorsorge (LG Linz EF 103.199; LGZ Wien EF 116.555; vgl auch 1 Ob 585/90 = EF 62.224; 3 Ob 38/01m = EF 95.961), der Nachkauf von Pensionsversicherungszeiten zur Erlangung einer höheren Pension (6 Ob 152/ 168
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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10m = iFamZ 2010/219) und Einzahlungen auf einen Bausparvertrag (5 Ob 1571/92 = EF 68.199), weil dies alles der Vermögensbildung dient (vgl auch 3 Ob 89/97b = JBl 1997, 647). Dies gilt auch für Zahlungen für die Anschaffung von Eigentumswohnungen (es sei denn, diese würden vermietet und damit die Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöht [vgl Rz 96]), Aktien, sonstige Wertpapiere und Devisen udgl, auch wenn sie allesamt der Altersvorsorge dienen sollen (LGZ Wien EF 116.554); die tatsächliche Verwendung zu diesem Zweck ist viel zu ungesichert, der Vermögensaufbau steht auch hier im Vordergrund. Das LG Salzburg (EF-Z 2006/73 [Gitschthaler]) will diesen Grundsatz insofern einschränken, als es auch einem unterhaltspflichtigen Menschen zugestanden werden müsse, in jenem Ausmaß Beträge für seine Altersvorsorge zu investieren, in dem der Staat die derzeit gewährten Leistungen zur Pension zurückfährt (ebenso Schwimann/Kolmasch 31; Neuhauser/Schwimann § 140 ABGB Rz 63); Leistungen für eine private Alters- und Pflegevorsorge könnten daher uU als von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzugsfähig angesehen werden, wobei im Einzelfall zu prüfen sei, inwieweit eine private Pensionsund Pflegevorsorge des Unterhaltspflichtigen und die dafür zu leistenden monatlichen Prämien als Abzugspost in Betracht kommen können; Voraussetzung hiefür sei jedenfalls, dass allfällige gesetzliche Pensions- und Krankenversicherungsleistungen für seine angemessene Alters- und Pflegeversorgung nicht ausreichen und dass – neben der Angemessenheit derartiger Vorsorgen – die für die Alters- und Pflegevorsorge angesparten Beträge nicht vorzeitig (etwa als Einmalzahlung ausgeschüttet) für andere Zwecke verwendet werden können. Dieser Auffassung ist nur bedingt beizupflichten (s Gitschthaler, EF-Z 2006, 125 [Entscheidungsanmerkung]) und im hier interessierenden Zusammenhang jedenfalls dann abzulehnen, wenn bereits absehbar ist, dass die Ehe geschieden werden und dem Ehegattenunterhalt fordernden Ehegatten nachehelicher Unterhalt nicht zustehen wird; in diesem Fall kann dieser Ehegatte nämlich an dem erst in (allenfalls weiter) Zukunft zu erwartenden Erträgnissen der Altersvorsorge nicht mehr partizipieren, sodass es nicht einsichtig erschiene, ihn nunmehr mit deren Finanzierung zu belasten (idS zum Kindesunterhalt nunmehr auch 8 Ob 75/10b = EF-Z 2010/161 [Gitschthaler]). Wird der Unterhaltsberechtigte hingegen von der vom Unterhaltspflichtigen finanzierten Zusatzpension voraussichtlich profitieren, sind die Beiträge zur privaten Pensionsvorsorge abzugsfähig (8 Ob 75/10b = EF-Z 2010/161 [Gitschthaler]; idS bereits Gitschthaler, EF-Z 2006, 125 [Entscheidungsanmerkung]; vgl auch dens, EF-Z 2010, 238 [Entscheidungsanmerkung] zum Verhältnis dieser Rsp zu Aufteilungsansprüchen nach §§ 81 ff EheG). Hat der Unterhaltspflichtige (überdurchschnittlich hohe) Kosten bei Aus- 169 übung seines Besuchsrechts gegenüber seinen Kindern zu tragen, sind diese 169
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Kosten nach der Rsp (7 Ob 102/06k = EF-Z 2006/51 [Tews, Gitschthaler]; 3 Ob 10/09 f = EF-Z 2009/123 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/180), die allerdings zu den Kindesunterhaltsansprüchen ergangen ist, nur dann zu berücksichtigen, wenn ihm dadurch weniger als das (niedrigste) Existenzminimum bliebe. Da allerdings der Unterhaltsberechtigte, sofern er die gemeinsamen Kinder betreut, für deren funktionierende Kontaktaufnahme mit dem nicht betreuenden Unterhaltspflichtigen ebenso zu sorgen hat wie dieser (Gitschthaler, EF-Z 2006, 92), kann die Frage auch bei Ermittlung des Ehegattenunterhalts nicht völlig außer acht gelassen werden. Zwar sind gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten (und Elternteil) Kosten, die bei Kontaktausübung mit einem Kind für den Unterhaltspflichtigen anfallen (Eigenkosten, Kinderkosten [vgl dazu Gitschthaler, EF-Z 2010, 172]) nicht abzugsfähig; dies gilt auch für exorbitante Kosten, wenn es nicht um den (anderen) Elternteil des Besuchskindes geht – dieser hat ja mit dem Kind rechtlich nichts zu tun. Beim anderen Elternteil des Besuchskindes ist jedoch zu differenzieren: Übliche Kosten der Kontaktausübung im Rahmen eines üblichen Besuchsrechts (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 45, 200 ff) sind ebenso wenig zu berücksichtigen wie grundsätzlich Eigenkosten des Unterhaltspflichtigen; dies gilt auch für Urlaubskosten generell (übliche Kosten sind ohnehin bei der Prozentwertmethode eingepreist; will der Unterhaltspflichtige sein Kind jedoch mit einem besonderen Urlaub „beeindrucken“, muss er auch den Aufwand dafür tragen). Kosten der Kontaktausübung, die – insb aufgrund der räumlichen Entfernung – das übliche Ausmaß überschreiten (ohne dass sie für den Unterhaltspflichtigen existenzbedrohend sein müssen), kann sich der Unterhaltspflichtige jedoch gegenüber dem unterhaltsberechtigten anderen Elternteil zur Hälfte von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug bringen lassen, es sei denn er selbst hat die räumliche Distanz verursacht (auf ein schuldhaftes Verhalten kommt es nicht an). Dies lässt sich damit begründen, dass beide Elternteile für die Bedürfnisdeckung ihres Kindes aufzukommen haben, also auch für den Anspruch des Kindes auf Kontaktausübung (3 Ob 10/09 f = EF-Z 2009/123 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/180). Der OGH (3 Ob 10/09 f = EF-Z 2009/123 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/ 180) meint zwar, dem obsorgeberechtigten Elternteil könne es nicht verwehrt werden, sich nicht nur vom anderen Elternteil zu trennen, sondern auch an einem anderen Ort niederzulassen; damit übe der Sorgeberechtigte ja nur sein Grundrecht der Freizügigkeit aus (Art 4 Abs 1 [und Art 6 Abs 1] StGG; Art 2 Abs 2 des 4. ZProtMRK). Dies erscheint jedoch jedenfalls im unmittelbaren Unterhaltsverhältnis der Eltern unbillig: Warum soll der „zurückgebliebene“ geldunterhaltspflichtige Elternteil den gesamten zusätzlichen Aufwand allein tragen, der lediglich dadurch entstanden ist, dass der betreuende Elternteil mit dem Kind weggezogen ist? Sein Grundrecht auf Freizügigkeit wird dabei nicht tangiert, denn wegziehen darf er ja; er hat nur den dadurch verursachten Zusatzaufwand mitzutragen (dies entspricht durchaus der Rsp zum nicht gebil170
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ligten Berufswechsel des Unterhaltspflichtigen, der ja auch nicht verboten wird; der Geldunterhaltspflichtige kann sich jedoch unter gewissen Umständen nicht auf eine Reduzierung seiner Unterhaltsbemessungsgrundlage berufen [vgl Rz 121 ff]). Krankheitsbedingter Mehraufwand des Unterhaltspflichtigen vermindert 170 die Unterhaltsbemessungsgrundlage (3 Ob 570/95 = EF 77.450; 9 Ob 94/00i; 6 Ob 49/08m = EF-Z 2008/85; 1 Ob 217/08 f). Dies gilt etwa für Arzt-, Spitals- und Medikamentenkosten (einschließlich Rezeptgebühren [LGZ Wien 42 R 347/09d; aA LGZ Wien EF 103.202]), aber auch für die Kosten für Therapien (einschließlich Psychotherapien [LG Salzburg EF 103.706]) und Kuraufenthalte (ohne Abzug eines Teilbetrags für den „Urlaubs- und Erholungswert“ [LG Salzburg EF-Z 2006/75]), Bekleidung, Massagen, Bäder oder auswärtige Verpflegung (9 Ob 94/00i), für Diätnahrung (7 Ob 528/93 = EF 71.200; 3 Ob 401/97j = EF 86.486), eine Haushaltshilfe (LGZ Wien EF 95.918), ein Pflegeheim (LG Salzburg EF 95.919; vgl auch 6 Ob 49/08m = EF-Z 2008/85) oder die behindertengerechte Ausstattung eines Fahrzeugs (6 Ob 145/98m) bzw einer Wohnung. Dabei ist aber immer Voraussetzung, dass der Aufwand medizinisch notwendig ist, über ein durchschnittliches Ausmaß hinausgeht (vgl LGZ Wien EF 103.737) und nicht ohnehin vom Sozialversicherungsträger getragen (vgl 5 Ob 2233/96k = EF 80.497; 6 Ob 145/98m = EF 86.552) bzw – im Betreuungsbereich – nicht durch Pflegegeldbezug (6 Ob 145/98m = EF 86.651; 9 Ob 94/00i) gedeckt wird. Außerdem können nur jene Ausgaben die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringern, die auch ein pflichtbewusster Familienvater und Ehegatte unter Berücksichtigung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse und der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten zur Erhaltung seiner Gesundheit aufgewendet hätte (LG Salzburg EF 116.217). Da Krankenscheingebühr (LG Salzburg EF 99.703; aA LG Linz EF 99.704) bzw nunmehr die Kosten der E-card-Servicegebühr (LG Salzburg EF 116.542) grundsätzlich jeden treffen, sind sie nicht abzugsfähig. Wohnkosten. Weder Mietzinszahlungen (7 Ob 636/90 = EF 62.329; 6 Ob 171 587/93 = EF 72.358) des Unterhaltspflichtigen – und zwar nicht einmal außergewöhnlich hohe (vgl 3 Ob 548/93 = EF 71.232; aA LG Salzburg EF 116.220) – für die eigene Wohnung (zu jenen für die Ehewohnung vgl Rz 253 ff) noch Darlehensrückzahlungen für die Anschaffung der eigenen – zu Darlehensrückzahlungen für die Ehewohnung vgl Rz 260 – Wohnung (Hauses) noch Wohnungseinrichtungs- (4 Ob 1557/92 = EF 68.303) oder -renovierungskredite (7 Ob 531/95 = EF 77.488) können von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen werden (7 Ob 636/90 = EF 62.329; 1 Ob 2233/96 f = EF 80.537; 1 Ob 154/00d).
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172 Die Kosten der getrennten Haushaltsführung können den Unterhaltsanspruch des (in der Ehewohnung zurückgebliebenen) Ehegatten – solange die Ehe noch aufrecht ist (Ehegattenunterhaltsanspruch nach § 94 ABGB) – nicht reduzieren; dies gilt insb dann, wenn etwa die Gründe der Vereinbarung über die gesonderte Wohnungnahme Gewalt und Drohungen gegenüber diesem Ehegatten waren; in einem solchen Fall wäre es unbillig, den Unterhaltsanspruch des Ehegatten im Hinblick darauf zu kürzen, dass der andere Ehegatte die Wohnkosten zu tragen hat (1 Ob 134/09a). Nicht anders zu beurteilen ist die Situation dann, wenn der Unterhaltspflichtige aus eigenem Antrieb die Ehewohnung verlassen hat. Doch selbst wenn ihm der Unterhaltsberechtigte das Zusammenleben unzumutbar gemacht hätte, sind die Kosten der (getrennten) Haushaltsführung solche des täglichen Lebens, die nicht ersatzfähig sind (aA offensichtlich LG Salzburg EF 116.220). Haben sich die Ehegatten einvernehmlich getrennt, wäre hingegen eine allfällige Vereinbarung bezüglich der Kostentragung zu berücksichtigen; für eine solche ist aber im hier interessierenden Zusammenhang der Unterhaltspflichtige beweispflichtig. Kommt es zur Scheidung der Ehe (Geschiedenenunterhaltsanspruch nach §§ 66 ff EheG) und überlasst der Unterhaltspflichtige die Ehewohnung dem Unterhaltsberechtigten (6 Ob 298/03x; vgl zum Kindesunterhalt 8 Ob 1674/ 92; 3 Ob 351/97g = EF 83.579; 6 Ob 165/07v), ist sein diesbezüglicher nunmehriger Aufwand seinen Lebensverhältnissen angemessen (vgl 1 Ob 595/95 = EF 77.481), handelte es sich bei der Ehewohnung bereits um Eigentum (LGZ Wien EF 103.779; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 221/10), war die Anschaffung der nunmehrigen Wohngelegenheit des Unterhaltspflichtigen existenznotwendig (6 Ob 298/03x; 6 Ob 165/07v) und besteht zwischen Ehescheidung und Anschaffung der Wohnung ein gewisses zeitliches Naheverhältnis (6 Ob 165/07v), können die Wohnungsanschaffungskosten allerdings in jenem Ausmaß abzugsfähig sein, in welchem sie angemessene Mietkosten übersteigen (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 221/10; idS nunmehr auch LGZ Wien EF 116.564). Unter den genannten Voraussetzungen können dann auch Wohnungseinrichtungs- und Wohnungsadaptierungskosten abzugsfähig sein (6 Ob 165/07v). 173 Betriebs- (7 Ob 636/90 = EF 62.329; 7 Ob 132/98g), Fernwärme- (2 Ob 39/ 08m; LGZ Wien EF 95.865), Gas- (LGZ Wien EF 103.194), Heizungs- (LG Salzburg EF 95.868), Rauchfangkehrer- (LG Eisenstadt EF 99.671), Strom-, Telefon- (6 Ob 587/93 = EF 72.358; 2 Ob 22/08m [soweit es sich um Kosten privater Telefonate handelt]) und Wasserkosten (LG Eisenstadt EF 95.899) sowie Kanal- (LG Eisenstadt EF 95.872), Müllabfuhr- (LG Eisenstadt EF 95.879), Rundfunk- und Fernsehgebühren (LG Salzburg EF 95.886; LGZ Wien EF 95.883) bzw Telekabel- (LGZ Wien EF 95.891) und Internetkosten (LG Salzburg EF 95.871) sowie GIS-Gebühren (LG Salzburg EF 116.510) für die eigene Wohnung des Unterhaltspflichtigen sind nicht abzugsfähig. 172
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Wird ein Schuldenregulierungsverfahren, das über das Vermögen des Unter- 174 haltspflichtigen eröffnet worden war, aufgehoben, soll sich nach einem Teil der älteren Rsp (1 Ob 86/04k = SZ 2004/77; 1 Ob 176/04w = EF 107.210; 7 Ob 289/05h = EF-Z 2006/13 [Gitschthaler]; 7 Ob 298/05g; 7 Ob 291/05b; 1 Ob 186/05t; 1 Ob 252/06z) die Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund des festgelegten Zahlungsplans ändern; die danach zurückzuzahlenden Schulden seien grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Sowohl zweitinstanzliche Rsp (etwa LG Linz EF 110.313; LG St. Pölten EF 110.314; LGZ Wien EF 110.315) als auch die L (Neuhauser/Schwimann § 140 ABGB Rz 57; ders, Zak 2007, 83; Zencica, ÖA 2006, 63; G. Kodek, Zak 2006, 146) wandten dagegen ein, dass damit jene Unterhaltspflichtigen, die derart grob über ihren Verhältnissen leben, dass es letztlich zur Konkurseröffnung kommt, jedenfalls hinsichtlich ihrer Unterhaltsverpflichtungen denjenigen gegenüber bevorzugt würden, die es gerade nicht so weit kommen ließen und versuchten, auch ohne Insolvenzverfahren „über die Runden zu kommen“; es würden Schulden des Unterhaltspflichtigen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug gebracht, die an sich nicht abzugsfähig wären. Ein anderer Teil der Rsp (6 Ob 282/06y; 8 Ob 148/06g; 2 Ob 228/05a; 3 Ob 122/08z) bezeichnete diese Kritik als durchaus beachtenswert und führte aus, dass Schulden, die vor Konkurseröffnung bei der Unterhaltsbemessung abzugsfähig gewesen wären, auch nach Konkursaufhebung zu berücksichtigen sind; seien daher die Zahlungsplanraten auf abzugsfähige Schulden zurückzuführen, bestünden gegen eine entsprechende Verminderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nach Konkursaufhebung keine Bedenken; ein Abzug von Zahlungsplanraten, die auf „unangemessenes Konsumverhalten“ zurückzuführen sind (2 Ob 228/05a), sei jedoch ebenso ausgeschlossen wie der Abzug von Zahlungsplanraten, die in strafrechtlich relevantem Verhalten des Unterhaltspflichtigen gründeten (3 Ob 122/08z). Richtigerweise kann die Abzugsfähigkeit von Schulden nicht dadurch ver- 175 ändert werden, dass über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Waren die Schulden ursprünglich nicht abzugsfähig, etwa weil es sich um Spielschulden oder Schulden aufgrund einer völlig unangemessenen Lebensweise des Unterhaltspflichtigen handelte, ist es nicht einsichtig, warum sie nunmehr lediglich deshalb abzugsfähig sein sollten, weil der Unterhaltspflichtige „in Konkurs gegangen“ ist? Die Frage ist aber auch umgekehrt zu stellen: Warum sollen Schulden, die aus dem Aufbau oder der Sicherung einer Einkunftsquelle des Unterhaltspflichtigen resultieren, (teilweise) nicht mehr abzugsfähig sein? Wurden im Insolvenzverfahren daher zum Teil Forderungen angemeldet, die abzugsfähig gewesen wären, und zum Teil Forderungen, die nicht abzugsfähig gewesen wären, sind deren Gesamtsummen einander gegenüber zu stellen und die Zahlungsplanraten in diesem Verhältnis bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksich173
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tigen; dabei ist nach § 273 ZPO vorzugehen (Gitschthaler, EF-Z 2007, 103 [Entscheidungsanmerkung]). Diese Überlegungen galten auch für Zwangsausgleichsraten nach Aufhebung des Konkursverfahrens (Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 174; 9 Ob 47/ 09s; 2 Ob 19/10y) bzw nunmehr Leistungen iZm einem Sanierungsverfahren (A. Simma, ZIK 2010, 122). 176 Der OGH schloss sich diesen Argumenten in jüngerer Zeit unter Berufung auf G. Kodek (Zak 2006, 146), Neumayr (FamZ 2006, 12), Gitschthaler (EF-Z 2007, 104) – jew Entscheidungsanmerkungen – und Gitschthaler/Simma, EFZ 2007, 170) mehrfach an (9 Ob 74/07h = EF-Z 2009/75 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/97 [Neuhauser, iFamZ 2009, 141] = EvBl 2009/80 [Geroldinger] = ZIK 2009/126 [A. Simma]; 10 Ob 60/09k EF-Z 2010/14; 10 Ob 46/09a; 5 Ob 121/09v); schließlich formulierte der verstärkte Senat 1 Ob 160/09z (= EF-Z 2010/107) ausdrücklich, der Umstand, dass dem Unterhaltspflichtigen sein Erwerbseinkommen aufgrund der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen oder daran anschließender insolvenzrechtlicher Konsequenzen nicht zur Gänze zur Verfügung steht, führe für sich allein weder im Zahlungsplan- noch im Abschöpfungsverfahren zu einer Verminderung seiner Unterhaltspflicht (ebenso nunmehr 9 Ob 47/09s). 177 Insb bei (vormals) selbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die sich nunmehr im Schuldenregulierungsverfahren befinden, stellen regelmäßig Steuernachforderungen einen wesentlichen Bestandteil der Zahlungsplanrate bzw der Abschöpfungsbeträge dar. Da Steuerzahlungen die Unterhaltsbemessungsgrundlage von Vorneherein reduzieren (vgl Rz 83 f), ließe sich durchaus argumentieren, dass Steuernachzahlungen auch iZm einem Insolvenzverfahren abzugsfähige Schulden darstellen; dies entspräche wertungsmäßig auch dem Umstand, dass die nicht bezahlten Steuern in die Lebensführung des Unterhaltspflichtigen und des unterhaltsberechtigten Ehegatten (sowie jene der Kinder) einflossen, weshalb es nunmehr durchaus billig erschiene, die Unterhaltsberechtigten durch (teilweisen) Abzug von Zahlungsplanraten bzw Abschöpfungsbeträgen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage daran (nunmehr negativ) „teilhaben“ zu lassen. Die Auffassung des LGZ Wien (42 R 640/06p), wonach der pflichtbewusste Ehegatte und Familienvater nicht das gesamte zufließende Einkommen für den Unterhalt der Familie aufwenden wird, wenn er konkret damit rechnen muss, hieraus beträchtliche Steuernachzahlungen leisten zu müssen, erscheint jedenfalls dann etwas lebensfremd, wenn sich beim Unterhaltspflichtigen ohnehin Zahlungsschwierigkeiten bzw Liquiditätsengpässe zeigen. ME darf allerdings auch idZ nicht jene stRsp übersehen werden, nach der bei selbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen die tatsächliche Steuerlast des jeweiligen Wirtschaftsjahrs zu ermitteln ist und es nicht darauf ankommt, wann der Unterhaltspflichtige seiner Einkommensteuerpflicht kon174
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltsbemessungsgrundlage
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kret nachkommt (3 Ob 395/97b = EF 86.201), weshalb Steuernachzahlungen nicht in dem Jahr, in dem sie tatsächlich geleistet werden, sondern in dem Jahr zu berücksichtigen sind, für das die Einkommensteuer angefallen ist. Steuernachzahlungen früher selbstständig erwerbstätiger Unterhaltspflichtiger können daher die Unterhaltsbemessungsgrundlage auch nicht in der Gestalt von Zahlungsplanraten oder Abschöpfungsbeträgen schmälern. Die für eine Differenzierung (Zahlungsplan/Abschöpfungsverfahren) ins 178 Treffen geführten Argumente (Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 170; Simma, ZIK 2009/126) vermochten den verstärkten Senat (1 Ob 160/09z = EF-Z 2010/107; vgl auch Rz 176) nicht zu überzeugen; es sei weder ersichtlich, warum es von ausschlaggebender Bedeutung sein sollte, dass dem Unterhaltspflichtigen iZm dem Zahlungsplan gewisse Gestaltungsmöglichkeiten zukommen, noch dass ein Abschöpfungsverfahren auch gegen den Widerstand der Gläubiger bewilligt werden kann. Im Zahlungsplanverfahren hat der Unterhaltspflichtige finanzielle Vorsorge zur Finanzierung der erst in der Zukunft fälligen Raten zu treffen (5 Ob 121/09v). Bei dieser Entscheidung ging es um die Frage, inwieweit eine (teilweise) Berücksichtigung der Zahlungsplanraten bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage bereits unmittelbar nach Konkursaufhebung zulässig ist, wenn die 1. Zahlungsplanrate erst Monate später fällig wird. Der 5. Senat räumte dem Unterhaltspflichtigen – völlig zu Recht – die Möglichkeit ein, für diese Rate bereits vorzusorgen, weshalb der (teilweise) Abzug der Zahlungsplanrate (umgelegt auf die einzelnen Monate) bereits vor deren Fälligkeit erfolgen kann (ebenso A. Simma, ZIK 2010, 122). Ebenso ist im Abschöpfungsverfahren vorzugehen. Dort ist der auf 12 Monate umgelegte Durchschnittswert der Abschöpfungsbeträge zugrunde zu legen (1 Ob 160/09z [verstSenat] = EF-Z 2010/107). Maßgeblich ist die Situation im Zeitpunkt der Unterhaltsfestsetzung, dh es ist bei gleichbleibender Unterhaltsbemessungsgrundlage vom aktuellen Abschöpfungsbetrag und bei schwankenden Beträgen vom Durchschnittswert der letzten 12 Monate auszugehen. Da die Sanierungs- und Zahlungsplansraten anders als das Existenzminimum 179 der Disposition des Schuldners unterliegen, kann die Höhe der Sanierungsund Zahlungsplansraten mehr oder weniger stark vom pfändbaren Betrag abweichen. Belässt der Zahlungsplan dem Schuldner (ausnahmsweise) mehr als das Existenzminimum oder steigt das Einkommen des Schuldners, wodurch die gleich bleibende Ratenhöhe dazu führt, dass dem Schuldner mehr als das Existenzminimum verbleibt, ist dies unterhaltsrechtlich unproblematisch; es gilt auch hier der Grundsatz, dass Zahlungsplanraten in jenem Ausmaß abzugsfähig sind, in dem damit berücksichtigunswürdige Schulden (teilweise) zurückgezahlt werden. 175
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Der etwa durch die Familie freiwillig unterstütze Unterhaltspflichtige kann aber auch Zahlungsplanraten anbieten, die ihm (deutlich) weniger als das Existenzminimum belassen. Hat der Unterhaltspflichtige etwa einen Zahlungsplan abgeschlossen, bei dessen Erfüllung er die Belastungsgrenze erreicht und handelt es sich zu 100% um unterhaltsrechtlich berücksichtigungswürdige Schulden, müsste er an sich von seinen Unterhaltsverpflichtungen enthoben werden. Da ein solches Verhalten die schutzwürdigen Interessen der Unterhaltsgläubiger gänzlich missachtet und auch der Handlungsweise der Maßstabfigur eines pflichtbewussten und rechtschaffenen Elternteils bzw Ehegatten krass widerspricht, ist der Unterhaltspflichtige auf den Abschluss eines auch die Interessen der Unterhaltsgläubiger berücksichtigenden angemessenen Zahlungsplans anzuspannen, der dem Unterhaltspflichtigen das Existenzminimum nach § 291a EO belässt, bzw sind die Zahlungsplanraten nur bis zum Existenzminimum nach § 291a EO von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen. Verringert sich das Einkommen des Unterhaltspflichtigen oder kommen weitere Sorgepflichten hinzu, sodass dem Unterhaltspflichtigen bei weiterer unveränderter Erfüllung des Zahlungsplans nicht einmal das Existenzminimum bzw die Belastungsgrenze verbleiben würde, ist er im Verhältnis zu den Unterhaltsberechtigten verpflichtet, die Möglichkeit der Änderung des Zahlungsplans nach § 198 IO zu nutzen, andernfalls er auf eine solche Antragstellung anzuspannen wäre, damit die Quote des Zahlungsplans und damit auch die Höhe der einzelnen Raten an die geänderten Verhältnisse angepasst werden kann. Kann der Schuldner die Änderung des Zahlungsplans nicht durchsetzten, etwa weil es sich um vorhersehbare oder Änderungen handelte, die vom Unterhaltspflichtigen schuldhaft zu vertreten waren, ist unterhaltsbemessungsrechtlich davon auszugehen, dass der Unterhaltspflichtige eine angemessene Herabsetzung der Zahlungsplanraten erreicht hätte.
D. Unterhaltshöhe 1. Allgemeines
180 Eheliche Unterhaltsansprüche richten sich nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten, die durch den Lebenszuschnitt (Lebensstandard) oder Stil der Lebensführung bestimmt werden, welcher wiederum im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten individueller sowie einvernehmlicher Gestaltung durch die Ehegatten offen steht, und innerhalb dieser durch die sonstigen Umstände wie Alter, Gesundheitszustand, Persönlichkeitsstruktur, Erziehungs- und Sorgepflichten, vor- oder außereheliche Unterhaltspflichten, Lebensumfeld, Lebens- und Wohnmöglichkeiten udgl bedingt ist (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 12; vgl auch Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 3; Deixler176
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltshöhe
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Hübner, Scheidung Rz 18). Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der tatsächlichen und potenziellen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (vgl Rz 36 ff) hat der Unterhaltsberechtigte Anspruch auf angemessenen Unterhalt (Schwimann/Kolmasch 602; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 4). Es kommt maßgeblich auf den einvernehmlich gestalteten Lebenszuschnitt 181 bzw -stil der Ehegatten an. Soweit auf den Stil der Lebensführung abgestellt wird, wie er vom Unterhaltspflichtigen gewählt wird (6 Ob 722/77 = SZ 50/ 128; 1 Ob 529/92; 3 Ob 2307/96b; 1 Ob 98/03y), bedeutet dies allerdings nicht, dass dieser den Unterhaltsberechtigten (einseitig!) auf einen sparsamen Lebensstil und damit auf einen niedrigen „angemessenen“ Unterhalt verweisen könnte (vgl Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 12, 37). Es darf kein Partner aus der einvernehmlich geschaffenen (auch nur tatsächlichen) Lage grundlos ausbrechen; partnerschaftliche Vereinbarungen über die Gestaltung der ehelichen Gemeinschaft sind für beide Teile bindend, solange sich nicht die Lebensumstände wesentlich ändern (8 Ob 601/89 = JBl 1991, 714 [Ferrari]; 2 Ob 532/91 = JBl 1992, 173 [Hoyer]). Daran hat auch § 91 Abs 2 ABGB idF EheRÄG 1999 nichts geändert, kann doch von einer einvernehmlich geschaffenen Lage ein Ehepartner auch nunmehr lediglich dann abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen oder der Kinder entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des Ehepartners als gewichtiger anzusehen sind. Eine (einseitige) Wahl des Lebensführungsstils durch den Unterhaltspflichtigen spielt nur dann eine Rolle, wenn er Vermögen angreift, um ihn finanzieren zu können. Haben die Ehegatten hingegen einvernehmlich einen sparsamen Lebenszuschnitt bzw -stil festgelegt, kann der Unterhaltsberechtigte seinerseits nicht ohne Weiteres die volle Ausschöpfung aller Verdienstmöglichkeiten (1 Ob 98/03y = EvBl 2003/183; Schwind 58; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 9) oder die Anschaffung von Luxusgütern (anstelle einer Vermögensbildung) verlangen. Der OGH kann zwar keine Prozentsätze als generellen Maßstab für die Un- 182 terhaltsbemessung (also zur Ermittlung des angemessenen Unterhalts) festlegen und auch nicht Regeln der Unterhaltsbemessung derart in ein System verdichten, dass sich eine Tabelle für jeden möglichen Anspruchsfall ergibt (3 Ob 2/98k = EF 90.366). Derartige Werte können aber bei der konkreten Berechnung eines Unterhaltsanspruchs im Interesse der gleichen Behandlung gleichgelagerter Fälle durchaus herangezogen werden (3 Ob 1520/91 = EF 64.909; 4 Ob 506/92 = EF 70.059; 1 Ob 108/01s ua = EF 95.276; 9 Ob 99/03d). Diese Berechnungsformeln sind also als Orientierungshilfe brauchbar (3 Ob 2/98k; 7 Ob 288/01 f; 3 Ob 43/08g), um für Durchschnittsfälle eine „generalisierende Regel“ zur Verfügung zu haben, wobei das Berechnungsergebnis dann nicht bindend ist, wenn besondere vom Durchschnitt abweichende 177
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Umstände des Einzelfalls für einen höheren (vgl Rz 8 ff) oder niedrigeren (vgl Rz 231 ff) Unterhaltsanspruch sprechen (3 Ob 563/90 = EF 61.752, 61.753; 5 Ob 183/02a; 9 Ob 99/03d; Schwimann2, 127). 183 An sich müssen die Prozentsätze nicht mathematisch den Berechnungen zugrunde gelegt werden (7 Ob 581/91; 5 Ob 522/93), die Prozentwertmethode ist also keine starre rechnerische Größe, sondern enthält in gewissen Grenzen einen Ermessensspielraum (6 Ob 233/98b = EF 87.522). Sie ist aber für durchschnittliche Fälle eine brauchbare Handhabe, um den Unterhaltsberechtigten angemessen an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen (5 Ob 168/02w). Der Unterhalt ist mit einem Globalbetrag festzusetzen (LG Eisenstadt EF 99.796; LG Salzburg EF 99.796), und zwar in Euro gerundet auf Zehnerbeträge (LG Linz EF 99.797; aA [Fünferbeträge] LG Linz ua = EF 95.281). 184 Nach der Rsp kann ein höherer Anspruch im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn dies zur Sicherung des Existenzminimums des Unterhaltsberechtigten notwendig ist (8 Ob 635/90 = EF 66.477; 3 Ob 1520/91 = EF 64.912); dieses liegt in Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG (8 Ob 635/90 = EF 66.477; 1 Ob 226/99p = EF 91.236; 10 ObS 35/00w; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 8). Diese Auffassung mag bei ausreichendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen überlegenswert sein, weil dieser – dem Wesen der Ehe entsprechend – zumindest die Existenz des anderen Ehegatten zu sichern hat (KG Krems EF 55.925). Allerdings darf bei geringem Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht außer Acht gelassen werden, dass es auch auf seiner Seite dadurch nicht zu einer Überschreitung der Belastbarkeitsgrenze kommen darf (idS auch KG Krems EF 55.925; vgl dazu Rz 231 ff), dh die (erhöhte) Unterhaltsleistung muss dem Unterhaltspflichtigen zumutbar sein (vgl 2 Ob 603/93 = EvBl 1994/148). Der OGH hat daher zutr eine generelle Bemessung des Unterhalts mindestens in Höhe des Existenzminimums abgelehnt (4 Ob 51/06p; 6 Ob 108/08p). Zur Frage des Sonderbedarfs vgl Rz 8 ff. 185 Die Prozentwertmethode gilt auch bei erheblich überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen; eine „Luxusgrenze“, wie sie für den Kindesunterhalt entwickelt worden ist (Unterhaltsstopp), ist bei Erwachsenen nicht anzuwenden (1 Ob 288/98d = JBl 1999, 725 = EF 90.386; 8 Ob 38/09k = EF-Z 2009/140 = iFamZ 2009/247 [Deixler-Hübner]; 4 Ob 42/10w; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 8; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 38). Diese Auffassung kann zwar im Einzelfall zu sehr hohen, vielleicht sogar als unbillig empfundenen Ansprüchen führen und wird daher in der L immer wieder abgelehnt (Lackner, RZ 1992, 62; Kerschner, RZ 1995, 272; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 22; Deixler-Hübner, iFamZ 2009, 358 [Entscheidungsanmerkung]; ebenso LGZ Wien EF 50.205). Da dem Ehegat178
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tenunterhalt Durchschnittsbedarfssätze oä unbekannt sind, müsste das Einziehen einer Obergrenze aber ziemlich willkürlich erfolgen, abgesehen davon, dass im Rahmen des Ehegattenunterhalts der Unterhaltsberechtigte angemessen an den Lebensverhältnissen des anderen Ehegatten teilhaben soll. Leben die beiden noch im gemeinsamen Haus, wenn auch nicht in Haushaltsgemeinschaft oder ist der Unterhaltspflichtige weggezogen, kann er sich ohnehin die von ihm erbrachten Leistungen als Naturalunterhalt anrechnen lassen (vgl Rz 244 ff). Hat hingegen der Unterhaltsberechtigte das bisherige Lebensumfeld verlassen, benötigt er durchaus erhebliche finanzielle Mittel, um ein vergleichbares Umfeld zu gestalten. Zum Geschiedenenunterhalt vgl jedoch § 66 EheG Rz 11. Es ist für die Bemessung des nach den Lebensverhältnissen angemessenen Un- 186 terhalts nicht entscheidend, wie lange die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten oder die Ehe gedauert haben bzw ob sie nach objektiven Gegebenheiten nie funktionsfähig gewesen ist (10 Ob 2326/96y = EF 82.464). Allerdings kann der Rechtsmissbrauchseinwand erhoben werden, wenn die eheliche Gesinnung bereits von Anfang an nicht bestanden hat (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 21; vgl 9 Ob 158/01b). 2. Die einzelnen Anspruchsfälle des § 94 ABGB a) Allgemeines
Die Rsp (6 Ob 521/77 ua = EF 28.562; 2 Ob 566/78 = EF 32.713; 1 Ob 514/94) 187 leitet aus dem strukturell wie redaktionell missglückten (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 13 mwN) § 94 Abs 2 ABGB letztlich 4 Anwendungsfälle ab, nämlich: 1. den Unterhaltsanspruch des den gemeinsamen Haushalt führenden Ehegatten (Satz 1), 2. jenen des Ehegatten, der den gemeinsamen Haushalt geführt hat, nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts (Satz 2) und 3. jenen des unterhaltsbedürftigen Ehegatten (Satz 3), wozu 4. auch jener des Ehegatten gehören soll, der nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft weniger verdient als der andere. In letzterem Fall soll ein Unterhaltsanspruch des schlechter verdienenden Ehegatten nur bei wesentlich verschieden hohen Einkommen zweier Berufstätiger bestehen (1 Ob 548/ 77 = EvBl 1977/219 = EF 28.558; 6 Ob 684/81 = EF 39.959; 8 Ob 595/93; 7 Ob 321/01h = EF 99.181; vgl auch 1 Ob 530/78 = EF 30.632, 30.629 [erhebliches „Auseinanderklaffen“ der Einkommenshöhen]; krit Schwimann/ Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 25; Koch/KBB § 94 ABGB Rz 8).
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Selbst bei beiderseits vollzeitbeschäftigten Ehegatten soll völlig unberücksichtigt bleiben, ob einer der beiden allein den Haushalt führt und/oder die Kinder betreut (6 Ob 521/77 = EvBl 1977/218 = EF 28.572; 6 Ob 722/77 = SZ 50/128; 7 Ob 321/01h = EF 99.178). 188 Dem gegenüber scheint eine Unterteilung in 1. (echte) Hausfrauen (Hausmänner)ehen (§ 94 Abs 2 Satz 1 und 2 ABGB; idS schon Gitschthaler Unterhaltsrecht Rz 632–639; vgl Rz 193), 2. Berufstätigenehen (§ 94 Abs 1 ABGB; einschließlich der Ehen zwischen Pensionisten [6 Ob 679/77 = SZ 50/108; 10 ObS 205/94 = SZ 68/241; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 34]) und 3. Ehen mit einem bedürftigen Ehegatten (§ 94 Abs 2 Satz 3 ABGB; vgl Rz 196) sachgerechter (vgl auch Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 15–29, Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 13–19; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18; Schwimann/Kolmasch 167). Diese Einteilung wäre im Hinblick auf die seit dem EheRÄG 1999 in § 91 ABGB enthaltene Zielvorgabe des Gleichbeteiligungsgrundsatzes (vgl dazu bei § 91 ABGB) bzw § 95 Satz 1 ABGB auch „zeitgemäßer“. 189 Schwierig zu erfassen sind allerdings auch hier die Mischformen. So ist eine Ehe, bei der ein Ehegatte voll- und der andere (lediglich untergeordnet) teilzeitbeschäftigt ist, noch als Hausfrauen(Hausmänner)ehe anzusehen, hingegen bei nicht mehr nur untergeordneter Teilzeit- (vgl Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18) oder gar Vollbeschäftigung des Unterhaltsberechtigten selbst dann als Berufstätigenehe, wenn letzterer allein den Haushalt führt. Diese Mischform (Doppelverdienerehe mit einseitiger Haushaltsführung) stellt jedoch einen in der Praxis sehr häufigen Sonderfall dar (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 19). Maßgeblich wird dabei im Einzelfall einerseits die geleistete Stundenanzahl, andererseits aber insofern auch das erzielte Einkommen sein; es ist also zu fragen, ob unter Berücksichtigung der gesamten Lebensverhältnisse und insb auch der Einkommenssituation der gesamten Familie die Einkünfte des den Haushalt führenden Ehegatten für die Aufrechterhaltung des Lebensstandards im Vordergrund stehen oder dafür sogar notwendig sind, in welchem Fall die Betonung eher auf der Berufstätigenehe liegen wird, oder ob das erzielte Einkommen eher von untergeordneter Bedeutung ist. Der Anspruch des schlechter verdienenden Ehegatten besteht bei einer Berufstätigenehe aber grundsätzlich (auch) unabhängig von der Haushaltsführung bzw einem „erheblichen Auseinanderklaffen der Einkommenshöhen“ im Rahmen der Lebensverhältnisse der Ehegatten (§ 94 Abs 1 ABGB; vgl die Nachweise aus der L bei Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 13).
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b) Haushaltsführung
Darunter ist grundsätzlich die (organisatorische und physische [Deixler-Hüb- 190 ner, Scheidung Rz 18; vgl auch LGZ Wien EF 99.106; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 21; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 12]) Erledigung der Alltagsversorgung der Familie (des „Haushalts“), insb der Nahrungsbeschaffung (Einkaufen, Kochen [LGZ Wien EF 99.106]) sowie der Wartung, Heizung und Reinigung des gemeinsamen privaten Lebensbereichs einschließlich der Wäschereinigung (Waschen, Bügeln [LGZ Wien EF 99.106]), zu verstehen (4 Ob 2019/96g = JBl 1997, 231 = EF 79.831; Schwimann/Kolmasch 162; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18). Dazu gehört aber auch die Pflege des Hausgartens, sofern diese nicht ein unübliches Maß an Aufwendungen erfordert (5 Ob 669/81 = JBl 1983, 598). Die Zubereitung von Mahlzeiten allein ist aber keine Haushaltsführung (LGZ Wien EF 52.991). Die Haushaltsführung soll grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Größe des Haushalts beurteilt werden (1 Ob 663/82 = EF 39.948; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 21; aA Spielbüchler, DRdA 1981, 180; Schwimann/Kolmasch 162), also auch unabhängig davon, ob gemeinsame Kinder oder Kinder aus einer früheren Beziehung im Haushalt leben (6 Ob 642/85) bzw ob dieser kinderlos ist (LGZ Wien EF 110.049). Sind allerdings tatsächlich Kinder vorhanden, ist auch deren Betreuung und Beaufsichtigung unter die Haushaltsführung zu subsumieren (LGZ Wien EF 26.021). Die Haushaltsführung muss lediglich als Tatsache bestehen, die – wenigstens 191 ursprünglich – von beiden Partnern (auch in diesem Umfang) akzeptiert worden war (OLG Wien EF 37.538; Pichler/Rummel2 § 94 ABGB Rz 6; Schwimann/Kolmasch 163). Es ist dabei nicht darauf Bedacht zu nehmen, was in bestimmten Gesellschaftsschichten „üblich“ ist (OLG Wien EF 37.538; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14). Einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es hingegen ebenso wenig (LGZ Wien EF 39.949, 95.193) wie der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistungen durch den anderen Ehegatten (1 Ob 785/79 = EF 31.789). Beschränkte sich allerdings der Kontakt der Ehegatten von Anfang an auf ganz geringe Begegnungen (8 Ob 511/80) oder wurde die Ehegemeinschaft schon nach ganz kurzer Zeit aufgehoben (LGZ Wien EF 44.835 [nach 1 Tag]; Schwimann/Kolmasch 163), lag keine Führung eines gemeinsamen Haushalts vor. Ansonst ist eine Mindestdauer der Haushaltsführung nicht notwendig (LGZ Wien EF 110.050). Haushaltsführung kann sich immer nur auf den gemeinsamen Haushalt der Ehegatten beziehen, dh allfällige Leistungen für den Haushalt des anderen bei Trennung können weder eingefordert (OLG Wien EF 35.165; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 28) noch – unterhaltsrechtlich – berücksichtigt werden.
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192 Ob der andere Ehegatte sich an der Haushaltsführung beteiligt, spielt an sich keine Rolle, es sei denn er erledigt den Haushalt alleine (Purtscheller/Salzmann Rz 82), weil dann gar keine Haushaltsführung mehr gegeben ist. Dem kommt eine gänzlich unzulängliche Haushaltsführung gleich (Schwind 72; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18; aA Lackner, ÖJZ 1977, 199; Gamerith, ÖA 1988, 64). Voraussetzung dafür ist, dass es sich praktisch um keine Haushaltsführung mehr handelt (Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14; idS auch LGZ Wien EF 88.803; aA [die Qualität der Haushaltsführung spielt „grundsätzlich“ keine Rolle] Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 21). Eine lediglich mangelhafte Haushaltsführung ist nicht gemeint (LGZ Wien EF 64.913; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18), wobei eine ausreichende Haushaltsführung sogar in einem Fall anerkannt wurde, in dem eine Frau, die an sich bei ihrem Freund lebte, regelmäßig in die Ehewohnung zurückkehrte, um den Haushalt zu führen und um sich um die beiden erwachsenen Söhne zu kümmern (LGZ Wien 42 R 70/06i). Außer bei sehr gehobenen Lebensverhältnissen (Lackner, ÖJZ 1977, 199; Gamerith, ÖA 1988, 64; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14) liegt Haushaltsführung durch einen Ehegatten außerdem dann nicht mehr vor, wenn sie von Hausangestellten erledigt wird, sei es auch unter Leitung eines Ehegatten (LGZ Wien EF 88.803; Purtscheller/Salzmann Rz 82; Schwimann/ Kolmasch 163; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 21). 193 Um von einer (echten) Hausfrauen(Hausmänner)ehe iS des § 94 Abs 2 Satz 1 und 2 ABGB sprechen zu können, muss der Unterhaltsberechtigte die Haushaltsführung hauptverantwortlich (4 Ob 2019/96g = JBl 1997, 231 = EF 79.831; Schwimann/Kolmasch 163; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 12; vgl auch Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 21 [„Schwergewicht der häuslichen Arbeit“]) vornehmen bzw vorgenommen haben; dann stellt die Haushaltsführung einen der Erwerbstätigkeit gleichwertigen „vollen“ Beitrag dar (Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18). Die Haushaltsführung idS muss also mehr als „ein ins Gewicht fallender Anteil an der Haushaltsverrichtung“ sein (so aber Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 16), obliegt doch nach § 95 Satz 2 ABGB dem nicht erwerbstätigen Ehegatten grundsätzlich die Haushaltsführung und ist der andere lediglich zur Mithilfe iS des § 91 Abs 1 ABGB verpflichtet. Damit schadet dem Unterhaltsberechtigten unterhaltsrechtlich jedenfalls (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 16) gleichteilige Haushaltsführung durch beide Ehegatten, nicht jedoch eine gelegentliche oder unbedeutende Mithilfe (Purtscheller/ Salzmann Rz 82; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18; vgl auch LGZ Wien EF 88.803). Dazwischen kommt es auf die konkreten Umstände (Ausmaß der Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflich182
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tigen, Größe des Haushalts, Anzahl der zu betreuenden Kinder, allfällige Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten) an (vgl auch Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 16; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18 [„fließende Grenzen“]). Zur Problematik der Doppelverdienerehe mit einseitiger Haushaltsführung vgl Rz 218 ff; zur Frage der Berücksichtigung eines Hochschulstudiums des den Haushalt führenden Ehegatten vgl Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 15. An der Vollwertigkeit der Beitragsleistung durch Haushaltsführung ändert 194 auch eine teilweise Entlastung des bisher den Haushalt führenden Ehegatten infolge Verlassens des Haushalts durch den anderen nichts. Dieser Umstand ist unterhaltsrechtlich unbeachtlich (6 Ob 506/82 = EF 39.969; 7 Ob 503/91 = EF 64.917; 6 Ob 194/98t; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 15). Dies gilt aber auch, wenn der den Haushalt führende Ehegatte den Haushalt verlässt (5 Ob 642/77 = EvBl 1978/64; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 15; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 15); es sei denn es liegt Rechtsmissbrauch durch den Unterhaltsberechtigten vor (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 19; vgl Rz 310 ff). § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB will nämlich den Unterhaltsanspruch jenes Ehegatten (auch heute noch idR der Frau) sichern, der nach jahrelanger Betreuung der Kinder und Versorgung des Haushalts allein gelassen wird (5 Ob 642/77 = EvBl 1978/64 = EF 28.573; 4 Ob 2019/96g = EF 79.831; 9 Ob 226/99x = EF 88.800; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 19, 28). Der Unterhaltsanspruch bleibt allerdings lediglich dem Grunde nach erhalten. 195 Es sind nämlich sowohl Umstandsänderungen zu berücksichtigen, die sich durch die Haushaltstrennung ergeben, wie etwa ein (Wohnungs-)Mehraufwand des berechtigt ausgezogenen Unterhaltspflichtigen (7 Ob 582/91 = EF 64.934; Lackner, ÖJZ 1977, 200; Schwind 66; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 15; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 28), als auch später eintretende, lässt sich doch aus § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB nicht erschließen, dass die Relationen, wie sie zum Zeitpunkt der Trennung bestanden haben, beibehalten werden müssten (LGZ Wien EF 50.178; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 19). Aus der Trennung selbst lässt sich jedoch weder eine strafweise Erhöhung noch eine Verringerung des Unterhaltsanspruchs ableiten (vgl Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 19).
c) Bedürftigkeit
Schon allein aus der wechselseitigen Beistandspflicht von Ehegatten ergibt sich 196 geradezu selbstverständlich ein Unterhaltsanspruch jenes Ehegatten, der aus physischen oder psychischen Gründen oder sonstigen Eignungsmängeln (5 Ob 527/80 = EvBl 1981/17; LGZ Wien EF 39.957) keinen (ausreichenden) Beitrag zur Bedürfnisbefriedigung leisten kann, also weder ein Einkommen 183
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zu erzielen noch den Haushalt zu führen vermag (Schwimann/Kolmasch 169; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18). In diesem Fall ist der andere Ehegatte sowohl mit der Deckung der Lebensbedürfnisse als auch der Haushaltsführung zu belasten (LGZ Wien EF 39.957); der Anspruch nach § 94 Abs 2 Satz 3 ABGB besteht dabei – im Gegensatz zu den Ansprüchen nach Satz 1 und 2 – unabhängig von der gegenwärtigen oder früheren Haushaltsführung (6 Ob 521/77 = EvBl 1977/218 = EF 28.563; 6 Ob 722/77 = SZ 50/128) bzw von einem gemeinsamen Haushalt (6 Ob 521/77 = EvBl 1977/218 = EF 28.563; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 19; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 34). Primär ist (auch bei der Beurteilung der Bedürftigkeit) auf den Lebenszuschnitt der Ehegatten Bedacht zu nehmen (vgl 6 Ob 521/77 = EvBl 1977/218 = EF 28.563; 1 Ob 535/83). d) Einkommen/Vermögen des Unterhaltsberechtigten
197 Bezieht der unterhaltsberechtigte Ehegatte in einer Hausfrauen(Hausmänner) ehe (vgl Rz 193) tatsächlich (vgl 1 Ob 2266/96h; Schwimann/Kolmasch 163 [keine Anspannung]) eigenes Einkommen, ist es jedoch im Verhältnis zu jenem des anderen Ehegatten so gering, dass der Unterhaltsberechtigte durch die Berücksichtigung seines Eigeneinkommens schlechter gestellt wäre als bei dessen Außerachtlassung (6 Ob 22/02g = EF 99.185; 8 Ob 635/90 = EF 64.928 [bei geringem Einkommen]; OLG Wien EF 55.052 [bei einem Bagatelleinkommen]; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18 [bei sehr geringem Einkommen]; Buchwalder, iFamZ 2008, 28 [völlig unerhebliche Einkünfte, die nur einen kaum ins Gewicht fallenden Bruchteil der Einkünfte des anderen Ehegatten ausmachen]), soll es bei der Unterhaltsbemessung völlig unberücksichtigt bleiben. Dies soll auch für jene Fälle gelten, in denen der den Haushalt führende Unterhaltsberechtigte lediglich über Einkünfte aus geringfügigen Nebenerwerbstätigkeiten (6 Ob 521/77 = EvBl 1977/218 = EF 28.572; 6 Ob 722/77 = SZ 50/128; so auch Schwimann/Kolmasch 164) oder über gelegentliche Einkünfte (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 19 [Honorare für wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeiten, Nachhilfestunden, Näharbeiten udgl]) verfügt, diese jedoch in Anbetracht der Lebensverhältnisse der Ehegatten nicht ins Gewicht fallen (6 Ob 722/77; 4 Ob 2019/96g; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 19; Buchwalder, iFamZ 2008, 28; vgl auch Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 27 [„lediglich einen Bruchteil des Einkommens“ des Unterhaltspflichtigen darstellen]). 198 Einkünfte des (früher) den Haushalt führenden Ehegatten, die diese Geringfügigkeitsschwelle überschreiten, sind bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs nach § 94 Abs 2 Satz 1 bzw 2 ABGB nach der Rsp (7 Ob 503/91 = EF 64.917; 5 Ob 10/99b = EF 88.884; 3 Ob 308/98k = JBl 2001, 55 [Schober]) zwar nicht schlechthin anzurechnen, aber doch angemessen bzw nach billi184
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gem Ermessen unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 94 Abs 1 ABGB zu berücksichtigen (vgl auch Gamerith, ÖA 1988, 65; Purtscheller/ Salzmann Rz 87; Schwimann/Kolmasch 163). Es ist also ein geringerer Abzug vom Unterhaltsanspruch vorzunehmen, als der Unterhaltsberechtigte an sich an Einkünften hätte. Dabei soll vor allem die Mehrbelastung durch Haushaltsführung, (allfällige) Berufstätigkeit, Kindererziehung, Alter, Krankheit udgl berücksichtigt werden; umso mehr berücksichtigungswürdige Umstände vorliegen, desto geringer sollen die Abzüge vom Unterhaltsanspruch wegen eigener Einkünfte sein (7 Ob 503/91 = EF 64.917; 6 Ob 194/98t; Buchwalder, iFamZ 2008, 29 mwN aus der Lit). Angemessen soll in der Praxis lediglich eine Anrechnung von bis zu etwa 4/ 5 der Eigeneinkünfte sein (vgl 7 Ob 503/91 = EF 64.917 [85%]; LG Salzburg EF 95.282 [80%]). Dies wird regelmäßig für Einkünfte aus (lediglich untergeordneten) Teilzeitbeschäftigungen gelten (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 24, 25), aber auch für Vermögenserträgnisse des Unterhaltsberechtigten (OLG Wien EF 47.479; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 25; vgl auch Schwimann/ Kolmasch 164). Handelt es sich um eine Berufstätigenehe, kommt es zur vollen Anrechnung 199 des Eigeneinkommens im Rahmen der prozentuellen Ermittlung des Unterhaltsanspruchs (vgl Rz 209 ff), und zwar auch bei einseitiger Haushaltsführung (vgl dazu ausführlich Rz 218 f), während bei Unterhaltsansprüchen des bedürftigen Unterhaltsberechtigten nach § 94 Abs 2 Satz 3 ABGB eigene Einkünfte nur angemessen berücksichtigt werden sollen (6 Ob 521/77 = EvBl 1977/218 = EF 28.563; 6 Ob 679/77 = SZ 50/108). Dies erscheint aber nicht zwingend, hat die lediglich angemessene, nicht aber volle Berücksichtigung eigenen Einkommens, wie dies in den Fällen des § 94 Abs 2 Satz 1 und 2 ABGB vorgesehen ist, doch mit der Haushaltsführung zu tun und kann nicht auch auf § 94 Abs 3 Satz 3 ABGB angewendet werden (führt der bedürftige Ehegatte den Haushalt, liegt ohnehin einer der Fälle des § 94 Abs 2 Satz 1 oder 2 ABGB vor). Auch im Fall des § 94 Abs 2 Satz 3 ABGB ist daher eigenes Einkommen voll anzurechnen (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 52; Schwimann2 130; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 34; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 29; Buchwalder, iFamZ 2008, 28 FN 10; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 641/5; Schwimann/Kolmasch 170). Jene Einkünfte, welche der Unterhaltsberechtigte nur aufgrund der durch die 200 Unterhaltsverletzung des anderen entstandenen Not erwirbt, sollen unbeachtlich sein, weil sie ja im Falle der Unterhaltsleistung wieder wegfallen; der Unterhaltspflichtige soll nicht dadurch von seiner Schuld befreit werden, dass er den Unterhaltsberechtigten aus dem gemeinsamen Haushalt hinausdrängt, hinausekelt oder diesen verlässt (4 Ob 2019/96g = JBl 1997, 231 = EF 79.831; 6 Ob 123/97z; 2 Ob 84/97k; 1 Ob 108/01s = EF 95.283; 7 Ob 191/05x = EF 110.106; 6 Ob 311/05v = EF-Z 2006/69). 185
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Geht hingegen der Unterhaltsberechtigte – etwa im Zuge der Haushaltstrennung – nicht nur vorübergehend einem eigenen Erwerb nach, kann es nicht auf eine Unterscheidung nach den Motiven ankommen, die ihn zur Erschließung von Einkommensquellen bestimmt haben (vgl 6 Ob 641/90; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 638/4). 201 An sich stellen neben tatsächlich erzielten (zu fiktiven vgl Rz 136 ff) Zinserträgnissen aus Sparguthaben (5 Ob 65/97p = EF 84.622; aA [Erträgnisse aus zum „Eckzinsfuß“ angelegten Sparguthaben sind nicht zu berücksichtigen] Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 8; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 27) oder sonstigen Veranlagungen, Leibrentenzahlungen (LGZ Wien EF 103.220), Ausschüttungen aus Privatstiftungen (Limberg, EF-Z 2008, 175; LG Salzburg 21 R 309/05w [es handelt sich nicht um freiwillige und damit unbeachtliche Zuwendungen des Stifters, wenn der Unterhaltsberechtigte zum Kreis der Begünstigen gehört; dann fließen die Einkünfte nämlich aufgrund eines Rechtstitels zu, und zwar unbeschadet der Möglichkeit eines allfälligen Widerrufsvorbehalts des Stifters]) und sonstigen Vermögenserträgnissen (vgl 3 Ob 575/82 = EF 40.013; 10 Ob 1502/94 = EF 76.714; 10 Ob 53/00t) auch regelmäßige Einkünfte aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit, also alles, was dem Unterhaltsberechtigten an Geld- oder Naturalleistungen welcher Art immer aufgrund eines Anspruchs zukommt (7 Ob 531/93 = EF 70.607; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 645), relevantes Eigeneinkommen dar. Ist der Unterhaltsberechtigte selbstständig erwerbstätig, sind auch die von ihm getätigten Privatentnahmen als Eigeneinkommen zu berücksichtigen (6 Ob 202/06h), soweit sie nicht den Reingewinn übersteigen. 202 Dies gilt auch für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe (5 Ob 505/91 = EF 64.914; 1 Ob 2045/96h = EF 81.671; 6 Ob 18/98k = EF 85.874; 8 Ob 164/ 06k) sowie Wohn- und Mietzinsbeihilfen (1 Ob 570/95 = EF 76.703; 1 Ob 65/05y = EF 110.109; 8 Ob 164/06k; 1 Ob 134/09a) und sonstige Sozialhilfeleistungen (1 Ob 134/09a), aber auch für Pensionen und Renten (vgl 7 Ob 503/91 = EF 64.917; 1 Ob 260/97k) oder Einmalzahlungen wie Abfertigungen (1 Ob 2266/96h = EF 81.672; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 27; zu deren Aufteilung auf einen längeren Zeitraum vgl Rz 59 ff), Pensionsabgeltungen (1 Ob 2266/96h = EF 81.672) und Jubiläumsgelder udgl, entgegen früherer Rsp (7 Ob 531/93 = EF 70.610; 10 ObS 264/97i = EF 84.628) jedoch nicht für Ausgleichszulagen (3 Ob 160/08p). 203 Relevantes Einkommen ist grundsätzlich auch Kost- und Wirtschaftsgeld, soweit es sich um ein vereinbartes echtes Entgelt für die Dienstleistung der Haushaltsführung handelt (8 Ob 621/90 = EF 66.472; vgl auch 8 Ob 2213/96s = SZ 70/111), desgleichen Karenzgeld (OLG Wien EF 32.250; OLG Linz EF 39.398; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 27) und einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld (vgl § 24d 186
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltshöhe
§ 94 ABGB
KBGG) und öffentlich-rechtliche Leistungen, die für die Betreuung und Pflege von Familienangehörigen geleistet werden (Pflegegeld, Hilflosenzuschuss), soweit Betreuung und Pflege über das gewöhnliche Maß hinausgehen und dafür gegen Entgelt eine dritte Pflegeperson beschäftigt werden könnte (3 Ob 540/91 = EvBl 1992/27; LGZ Wien EF 116.239; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 24; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 49; aA [ohne nähere Begründung] Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 26 und § 66 EheG Anm 14), tatsächlich jedoch nicht beschäftigt wird (10 ObS 121/07b = EF-Z 2008/38). Die Leistungen des Betreuenden sind durch einen Vergleich mit den etwa im Rahmen von Nachbarschaftshilfe geleisteten Zahlungen zu bewerten (10 ObS 121/ 07b = EF-Z 2008/38). Zu erwähnen ist idZ auch Einkommen aus der Betreuung und Pflege fremder Kinder (Pflegeelterngeld; 6 Ob 641/90; 5 Ob 10/99b = EF 88.885, 88.886; aA Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 26) oder der Eltern (6 Ob 123/97z = EF 84.649). Zu Sozialhilfeleistungen vgl Rz 45 f. Seit 1.1.2008 nicht mehr zu berücksichtigen ist (einkommensunabhängiges) Kinderbetreuungsgeld, weil dieses gem § 42 KBGG kein Einkommen des Beziehenden mehr darstellt; gegen diese Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (6 Ob 200/08t; 6 Ob 219/08m; 10 Ob 112/08 f; VfGH G 9/09 = EF-Z 2010/11 [Gitschthaler]). Grundsätzlich keine Berücksichtigung findet das Vermögen des Unterhalts- 204 berechtigten selbst, das dieser nicht anzugreifen braucht (3 Ob 575/82 = EF 40.013; LGZ Wien EF 103.220; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 19). Verwendet er es allerdings selbst zur Deckung seines Lebensbedarfs, ist es als Einkommen zu behandeln (10 Ob 93/07k [monatliche Rentenleistungen aus einer Erlebensversicherung]). Weiters nicht zu berücksichtigen sind Einkünfte, die der Unterhaltsberechtigte zur Deckung eigener Unterhaltspflichten verwendet (3 Ob 528/92 = EF 68.017; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 18), und Erträgnisse aus einer Ausgleichszahlung nach § 94 EheG (10 Ob 53/00t) oder aus einem „Notgroschen“, wenn also der Unterhaltsberechtigte faktisch gezwungen ist, sein Vermögen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts heranzuziehen (10 Ob 53/ 00t; vgl auch 1 Ob 622/93; 5 Ob 65/97p = EF 84.622), aber auch Hilflosenzuschüsse (3 Ob 540/91; 8 Ob 142/98k) und Pflegegeldbezüge (6 Ob 635/93 = EvBl 1994/90; 6 Ob 591/95) im Hinblick auf ihre Zweckwidmung. Ebenfalls kein Einkommen des Unterhaltsberechtigten ist die Familienbei- 205 hilfe, weil diese jedenfalls dem Kind, für das sie gewährt wird, zukommen soll (1 Ob 565/91 = EF 67.155; 7 Ob 613/95; 10 Ob 35/04a; 1 Ob 84/04s ua = EF 106.969, 106.970 [dies gilt auch für den Mehrkindzuschlag]; 7 Ob 191/05x = EF 110.107; aA [Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten] 8 Ob 586/84 = EF XXI/9) bzw zur steuerlichen Entlastung des anderen Elternteils verwen187
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Gitschthaler
det wird (vgl Gitschthaler, ÖJZ 2003, 821 mwN; vgl auch LG Salzburg EF 95.284). Dies gilt auch für den Alleinerzieherabsetzbetrag nach § 33 Abs 4 Z 2 EStG und den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 4 Z 3 EStG (1 Ob 84/04s; 7 Ob 273/04d = EF 106.968). 206 Freiwillige Leistungen Dritter an den Unterhaltsberechtigten sind nicht zu berücksichtigen, weil sie ja nicht in der Absicht erbracht werden, den Unterhaltspflichtigen zu entlasten (vgl 1 Ob 226/99p = EF 90.367; LGZ Wien EF 90.352; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 25), wohl aber allfällige Unterhaltsempfänge von dritter Seite (vgl Rz 47). Wie bei den gegenüber dem Unterhaltspflichtigen erbrachten freiwilligen Leistungen (vgl Rz 48 f) stellt sich jedoch auch beim Unterhaltsberechtigten die Frage, ob nicht durch die Drittleistungen sein Unterhaltsbedarf tatsächlich verringert wird und diese daher solange zu Lasten des Unterhaltsberechtigten berücksichtigt werden müssen, als er sie tatsächlich erhält bzw erhalten hat. 207 Da der Unterhaltsberechtigte seinen Vermögensstamm nicht anzugreifen braucht, Privatentnahmen eines selbstständig erwerbstätigen Unterhaltsberechtigten jedoch ein Rückgriff auf eigenes Vermögen zur Aufrechterhaltung des gewählten Lebensstandards sind, sind Privatentnahmen, die den Reingewinn übersteigen, nicht heranzuziehen; ein die eigenen Verhältnisse in Wahrheit übersteigender Aufwand kann also nicht zu einer Entlastung des Unterhaltspflichtigen führen (3 Ob 130/00i). Ebenso wenig zu berücksichtigen soll auch ein dem Unterhaltsberechtigten zustehendes Wohnrecht sein, weil es sich ebenfalls um Vermögen handelt (1 Ob 226/99p). Allerdings kommt es dadurch zur Verringerung seines Unterhaltsbedarfs, weshalb dessen fiktiver Mietwert bei der Unterhaltsbemessung zu veranschlagen ist [vgl auch 2 Ob 230/00p EF 97.273; 7 Ob 178/02 f RZ 2003/16]). 208 Zu jenen Einkünften, welche der Unterhaltsberechtigte nur aufgrund der durch die Unterhaltsverletzung des anderen entstandenen Not erwirbt, vgl Rz 200. e) Höhe des Anspruchs
209 Der Unterhaltsanspruch des (früher) den Haushalt führenden Ehegatten (§ 94 Abs 2 Satz 1 bzw 2 ABGB) ohne eigenes Einkommen beträgt aufgrund langjähriger stRsp grundsätzlich 33% des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen (8 Ob 635/90 = EF 64.928; 1 Ob 529/92 = EF 67.682; 6 Ob 194/ 98t = EF 85.880; 1 Ob 35/98y = EF 88.337; 7 Ob 321/01h = EF 99.183; 9 Ob 99/03d); bezieht er Einkommen, ist dieses uU anzurechnen (vgl Rz 197 f). In einer Berufstätigenehe bestimmt sich der Unterhalt (nach der Rsp gem § 94 188
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltshöhe
§ 94 ABGB
Abs 2 Satz 3, richtig gem § 94 Abs 1 ABGB [vgl Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 13]) hingegen mit 40% des Nettofamilieneinkommens abzüglich des Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten (7 Ob 503/91 ua = EF 64.929; 3 Ob 308/98k = JBl 2001, 55 [Schober]; 9 Ob 87/99 f = EF 88.880; 6 Ob 22/02g = EF 99.185; 8 Ob 38/09k). Ob das Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten das Existenzminimum erreicht oder nicht, ist dabei belanglos (LGZ Wien EF 113.153; vgl dazu auch Rz 184). Sind die Einkommensunterschiede so groß, dass der Unterhaltspflichtige bei dieser Berechnungsmethode mehr zahlen müsste als bei Außerachtlassung des Eigeneinkommens, ist von 33% des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen auszugehen und eine Reduktion des Unterhaltsbeitrags um das Eigeneinkommen zu unterlassen (stRsp, zuletzt 8 Ob 38/09k EF-Z 2009/140 = iFamZ 2009/247 [Deixler-Hübner]; 4 Ob 42/10w; vgl dazu auch Buchwalder, iFamZ 2008, 30, die mathematisch nachgewiesen hat, dass ein solcher Fall nur dann vorliegt, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen zumindest 9 mal größer ist als jenes des Unterhaltsberechtigten). Zu 8 Ob 38/09k (EF-Z 2009/140 = iFamZ 2009/247 [Deixler-Hübner]) hat der OGH die Überlegungen Buchwalders (Unterhalt bei aufrechter Ehe 136 ff), es sei das eigene Einkommen des Unterhaltsberechtigten auch bei Anwendung der 33%-Methode angemessen zu berücksichtigen, abgelehnt (krit Deixler-Hübner, iFamZ 2009, 358 [Entscheidungsanmerkung]; vgl auch Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 2 [„geringfügige Erträgnisse“ sind grundsätzlich von der Anrechnung auszuschließen]). Tatsächlich sind im jeweiligen Einzelfall die beiden rechnerisch denkbaren Anspruchshöhen zu vergleichen und dem Unterhaltsberechtigten Unterhalt nach jener Variante zuzusprechen, bei der ihm (jeweils insgesamt, also unter Berücksichtigung des Eigeneinkommens bei beiden Berechnungsvarianten [richtig daher Buchwalder, Unterhalt bei aufrechter Ehe 138]) weniger verbleibt; die Erzielung eines Eigeneinkommens kann nicht dazu führen, dass der Unterhaltsberechtigte mehr Unterhalt erhält als ohne Eigeneinkommen. Bei konkurrierenden gesetzlichen Sorgepflichten – daher gibt es keine Ab- 210 züge für einen Lebensgefährten oder bei sonst freiwillig übernommenen „Sorge“pflichten – sind diese Grundprozentsätze (und nicht die Unterhaltsbemessungsgrundlage [6 Ob 1577/91 = EF 64.897; 10 Ob 92/04h = EF 111.263; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 247/1, 2; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 37; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 22]; vgl aber auch 4 Ob 129/ 01a = EvBl 2002/60 [Berücksichtigung einer Pauschalabgeltung]) zu verringern, und zwar bei einem Kind grundsätzlich um 4% (8 Ob 635/90 = EF 64.928; 7 Ob 503/91 ua = EF 64.929; 1 Ob 2082/96z = EF 82.483, 82.485; 7 Ob 191/05x = EF 110.100; 4 Ob 42/10w; Hopf/Kathrein § 94 EheG Anm 37; Koch/ KBB § 94 ABGB Rz 18; aA [3 bis 4%] Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 22). Im Einzelfall sind allerdings auch andere Abzüge denkbar, so 189
§ 94 ABGB
Gitschthaler
etwa bei einem neugeborenen (3 Ob 69/91) oder einem bereits teilweise selbsterhaltungsfähigen Kind 2% (6 Ob 191/97z = EF 84.641; 3 Ob 2/98k = EF 90.366; aA [1% Abzug] LG Linz EF 100.924), ebenso bei deutlich unterdurchschnittlichen Leistungen des Unterhaltspflichtigen für das Kind (3 Ob 43/08g). Trifft den Unterhaltspflichtigen auch eine Unterhaltspflicht für einen (geschiedenen) Ehegatten, können nach hA (2 Ob 318/99z; 7 Ob 321/01h = EF 99.186; Schwimann/Kolmasch 167; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 18) je nach dessen Eigeneinkommen 1 bis 3% in Abzug gebracht werden. 211 Geht man davon aus, dass eher einheitliche Prozentsätze für weitere Sorgepflichten in Abzug gebracht werden sollten, um die Praktikabilität der Prozentwertmethode zu erhöhen bzw jedenfalls zu erhalten, sollte eine zu weitgehende Differenzierung im Hinblick auf einzelne Parameter (Alter, teilweise Selbsterhaltungsfähigkeit) vermieden werden; andernfalls käme es lediglich zu einer eher willkürlichen Bedachtnahme auf einzelne Parameter (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 688/4, 10). Gibt man hingegen diese Vereinfachung auf – wofür durchaus einiges ins Treffen geführt werden könnte –, dann müssten die einzelnen konkurrierenden Sorgepflichten aber nicht nur zueinander stärker ins Verhältnis gesetzt werden (kleine oder größere oder schon teilweise selbsterhaltungsfähige Kinder), sondern insb auch ins Verhältnis zur jeweiligen Unterhaltsbemessungsgrundlage. Die Herstellung einer Relation zwischen der konkreten Unterhaltspflicht und „durchschnittlich festgesetzten Unterhaltsbeiträgen“ (idS 3 Ob 2/98k = EF 90.366) sagt ja nichts über die Belastung des konkreten Unterhaltspflichtigen aus (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 688/4). Nicht verständlich ist, warum sich der Unterhaltspflichtige für einen einkommenslosen (geschiedenen) Ehegatten lediglich 3%, für sein unterhaltsberechtigte Kind jedoch 4% in Abzug bringen kann. Dies ist schon dann nicht richtig, wenn das Kind erwachsen ist, studiert und über kein Eigeneinkommen verfügt; sein Geldunterhaltsanspruch gegenüber dem Unterhaltspflichtigen wird immer geringer sein als jener des Ehegatten. Ist das Kind klein, verschärft sich der Unterschied noch mehr (Beispiel: Hat der Unterhaltspflichtige mit seinem nunmehrigen Ehegatten zwei Kinder im Alter von 18 und 8 Jahren und ist er außerdem für einen geschiedenen Ehegatten unterhaltspflichtig, wobei beide Ehegatten einkommenslos sind, dann hat er für die beiden Kinder 15 bzw 10%, für die beiden Ehegatten jedoch jeweils 22% an Unterhalt zu leisten.) In Wahrheit müsste daher der für einen (geschiedenen) einkommenslosen Ehegatten zustehende Prozentabzug deutlich höher als 4% sein, der für Kinder gewährt wird; niedriger kann er aber jedenfalls nicht sein. Bei (geschiedenen) Ehegatten mit eigenem Einkommen stellt sich das Problem weniger, weil der effektiv zu leistende Ergänzungsunterhalt (in Prozenten der Unterhaltsbemessungsgrundlage) niedriger, häufig sogar niedriger als der für die Kinder zu leistende Unterhalt sein wird. 190
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§ 94 ABGB
Hat der Unterhaltspflichtige eine Ausstattung für ein Kind nach §§ 1220 ff 212 ABGB zu leisten, ist diese Leistung nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug zu bringen, sondern bei Anwendung der Prozentwertmethode für so viele Monate eine weitere Unterhaltspflicht anzunehmen, als sich dies als Quotient aus der Division des angemessenen Heiratsguts bzw Ausstattungsbetrags durch den nach der Prozentwertmethode ermittelten hypothetischen monatlichen Unterhaltsanspruch des Kindes ergibt (10 Ob 92/04h; vgl dazu Gitschthaler, EF-Z 2006, 64 [Serviceteil-Unterhaltsbemessung]; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 52). Unterhaltspflichten für Ehegatten und Kinder sind nicht mit jenen für einen 213 Vorfahren (Elternteil) gleichrangig. Bei Bemessung deren Unterhaltsansprüche kann somit ein (allfälliger) Unterhaltsanspruch eines Vorfahren jedenfalls nicht derart berücksichtigt werden, dass ein Prozentabzug (etwa im Ausmaß wie für einen geschiedenen Ehegatten) vorgenommen wird. Allerdings sind nach der Rsp auch in einer intakten Familie Umstände denkbar, die den Unterhaltspflichtigen wegen des dringenden Erfordernisses persönlicher Hilfeleistungen für einen bereits im gemeinsamen Haushalt lebenden und in eine Notsituation geratenen Vorfahren in die Notwendigkeit versetzen, seine berufliche Arbeitsbelastung zum Nachteil sonstiger Unterhaltsberechtigter zu reduzieren. Eine solche, dem hilfsbedürftigen Vorfahren ungeachtet aller unterhaltsrechtlichen Erwägungen unentgeltlich geschuldete Maßnahme könnte sich etwa für den Zeitraum bis zur Sicherstellung ausreichender Fremdbetreuung (etwa durch Unterbringung in einem Pflegeheim oder die Organisierung eines Hilfsdienstes) als notwendig erweisen, ebenso aber – wenn Fremdbetreuung aus besonderen Gründen nicht in Frage kommen sollte – bis zu einer dem Unterhaltspflichtigen zumutbaren Neugestaltung seiner Lebensverhältnisse, die es ihm möglich macht, trotz der Betreuung des Vorfahren der vorrangigen Unterhaltspflicht gegenüber seinen sonstigen Unterhaltsberechtigten wieder angemessen nachzukommen; dabei obliegt es dem am Leitbild des pflichtgetreuen Elternteils bzw Ehegatten zu messenden Unterhaltspflichtigen jedoch, Ausmaß und Dauer der Beeinträchtigung der Unterhaltsansprüche seiner Unterhaltsberechtigten auf das unumgänglich Notwendige zu beschränken (2 Ob 79/05i). Wird der Unterhaltspflichtige von seinem Vorfahren oder vom Sozialhilfeträger, auf den infolge Legalzession oder einschlägiger landesgesetzlicher Vorschriften dessen Unterhaltsansprüche übergegangen sind, auf Geldleistung in Anspruch genommen (vgl Haberl, EF-Z 2007, 4), sind diese Leistungen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug zu bringen. Unter dem Halbteilungsgrundsatz wird die grundsätzliche Anwendung einer 214 halbteiligen Partizipationsquote des Unterhaltsberechtigten am Einkommen des Unterhaltspflichtigen bzw am Familieneinkommen verstanden, also die Anwendung eines Grundprozentsatzes von 50% anstelle eines solchen von 33 191
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Gitschthaler
bzw 40% (vgl Rz 209). Er wird – zum Teil sehr vehement – von einem Teil der L vertreten (Aicher/Ostheim 107, 111; Schwind 69; Kerschner, RZ 1995, 272; ders, Familienrecht Rz 2/54; Kerschner/P. Bydlinski, Fälle und Lösungen zum bürgerlichen Recht2 220 FN 28; Gimpl-Hinteregger 198; dies, ÖJZ 1999, 749; Lackner, RZ 1992, 62; ders, RZ 1999, 194; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 6; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 13; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 53; vgl aber auch LGZ Graz JBl 2002, 449), die – wenn auch mit unterschiedlichen Gewichtungen und damit auch unterschiedlichen Ergebnissen (vgl die Übersicht bei Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 13) – grundsätzlich mit dem Gleichheitsgrundsatz argumentiert und ins Treffen führt, mit der Haushaltsführung leiste der Unterhaltsberechtigte seinen vollen Beitrag. Ein anderer Teil lehnt den Halbteilungsgrundsatz ausdrücklich – und wohl ebenso vehement – ab (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 12; ders2, 120; Schwimann/Kolmasch 161 und Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 35), während etwa Deixler-Hübner (Scheidung Rz 18, Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 56, KW (I13, 473) und Koch/KBB § 94 ABGB Rz 18) die Rsp des OGH (Rz 209) ohne eigene Stellungnahme referieren. 215 Der OGH hielt bis in die jüngste Vergangenheit an den Grundprozentsätzen von 33 bzw 40% (vgl Rz 209) fest und verwies etwa in 1 Ob 288/98d unter Ablehnung ggt Lehrmeinungen auf die Notwendigkeit eines Abzugs berufsbedingter oder existenznotwendiger Ausgaben bzw den „Rekreationsbonus“ des Unterhaltspflichtigen (vgl auch 9 Ob 99/03d; 1 Ob 14/04x). Zu 1 Ob 108/01s ließ er diese Frage ausdrücklich offen und führte zu 5 Ob 183/ 02a (= EF 100.954, 100.956) aus, die Heranziehung von 33% sei weder ein gravierender Fehler noch eine eklatante Überschreitung des Ermessensspielraums; eine erhebliche Rechtsfrage liege nicht vor. Weiters wies er zu 5 Ob 183/02a (= EF 100.954, 100.956) darauf hin, Sonderfälle seien denkbar (und könnten ein Abgehen von den Grundprozentsätzen von 33 bzw 40% rechtfertigen) und führte zu 1 Ob 25/04i (zu einem Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG) aus, bei der von der Rsp entwickelten „Prozentmethode“ handle es sich bloß um eine grundsätzliche Orientierungshilfe, die sich an durchschnittlichen und typischen Konstellationen orientiere, atypische Fälle erforderten hingegen eine den konkreten Verhältnissen angepasste individuelle Berücksichtigung der Bemessungskriterien; bei Vorliegen derartiger Umstände könne von einem Grundprozentsatz von 50% ausgegangen werden. Zu 3 Ob 31/ 05p meinte der OGH zuletzt, bei entsprechendem Bedarf des Unterhaltsberechtigten könnten auch höhere Prozentsätze angenommen werden. Atypische Verhältnisse liegen nach Auffassung des OGH dabei (etwa) vor, wenn der Unterhaltsberechtigte durch die Haushaltsführung, eine über das gewöhnliche Maß hinaus intensive Kinderbetreuung sowie eine Teilzeitbeschäftigung, die angesichts seiner Betreuungspflichten ein Ausmaß erreiche, 192
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das an sich von ihm nicht verlangt werden könnte, in besonderem Maße belastet ist (1 Ob 25/04i). Zutr sind nach Auffassung des OGH in einem solchen Fall dann aber die konkurrierenden Sorgepflichten verstärkt zu berücksichtigen (4,5% je Kind), um den Unterhaltspflichtigen nicht übermäßig zu belasten und ihm auch weiterhin einen Anreiz zu bieten, sein Erwerbseinkommen – auch im Interesse der Unterhaltsberechtigten – zu erzielen (1 Ob 25/04i; noch weiter gehend Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 22, die in diesem Fall einen Abzug der konkurrierenden Sorgepflichten in absoluter Höhe von der Unterhaltsbemessungsgrundlage fordern). Den Überlegungen des OGH in 1 Ob 25/04i ist dahin beizupflichten, dass 216 derart atypische Verhältnisse durch eine „Erhöhung“ der Grundprozentsätze berücksichtigt werden können; für eine generelle Einführung eines Grundprozentsatzes von 50% bieten sie aber wohl keinen Anhaltspunkt (idS auch OLG Linz EF 106.967; vgl jüngst 2 Ob 246/09d, in welcher Entscheidung sich der OGH „nicht veranlasst [sah], von dieser Rechtsprechung [gemeint: des Grundprozentsatzes von 40%] abzugehen“) und müssten dem auch wohl folgende Überlegungen entgegen gehalten werden: a) Insb bei schlechter verdienenden Unterhaltspflichtigen wird es zu einem möglichen Wegfallen von Leistungsanreizen kommen, wenn ihm „fürs täglich Arbeitengehen“ dasselbe zustehen soll wie dem Unterhaltsberechtigten, der „zu Hause bleibt“. Zu bedenken ist, dass der Unterhaltspflichtige idR durch seine weiteren Sorgepflichten in die Nähe seiner absoluten Belastbarkeitsgrenze (vgl Rz 231 ff) gerät, während der Unterhaltsberechtigte über die Hälfte seines Einkommens, die Unterhaltsleistungen für die Kinder und die Familienbeihilfen (bei niedrigen Einkommen gibt es keine Anrechnung [vgl Gitschthaler, ÖJZ 2003, 821]) verfügen kann; außerdem wird er regelmäßig weiterhin auch noch in der Ehewohnung leben, während der Unterhaltspflichtige auf eine Existenzneugründung verwiesen ist. Verdient der Unterhaltspflichtige hingegen überdurchschnittlich, ist mit 1 Ob 288/98d darauf hinzuweisen, dass die Quoten von weniger als 50% auch den Umstand berücksichtigen, dass der Unterhaltspflichtige dieses Einkommen idR auch einem überdurchschnittlich hohen Arbeitseinsatz verdankt; selbst 1 Ob 25/04i nimmt (zutr) auf den Leistungsanreiz Bedacht. b) Die weiteren Sorgepflichten (insb für Kinder) sind zu gering berücksichtigt, müsste doch etwa ein Alleinverdiener mit drei volksschulpflichtigen Kindern nach der Prozentwertmethode (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 248 ff) rund 90% Unterhalt bezahlen (wozu idR noch seine Verpflichtungen gem § 97 ABGB iZm der Ehewohnung [Darlehensrückzahlungen, Mietzinszahlungen udgl] kommen würden). Daher nimmt 1 Ob 25/04i auch zutr eine Erhöhung der Prozentsätze für die weiteren Sorgepflichten, wenn auch viel zu gering, vor (vgl Rz 211); tatsächlich müssten die Prozentsätze für konkurrierende Sorgepflichten um etwa 50% angehoben werden, um ein realisti193
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sches und akzeptierbares System zu erreichen. Mit Hopf/Kathrein (§ 94 ABGB Anm 35) ist dann aber zu fragen, ob tatsächlich eine Verringerung des Kindesunterhalts zu Gunsten des Ehegattenunterhalts angestrebt werden soll. c) Der Ehegattenunterhalt kennt keinen Unterhaltsstopp (vgl Rz 185, was bei hohen Einkommen zu noch höheren Unterhaltsansprüchen führen würde (dies erkennt auch Kerschner, RZ 1995, 272 an sich richtig). d) Es kann bei einem einheitlichen Grundprozentsatz von 50% eine gewisse Nivellierung auf Seiten des Unterhaltsberechtigten nicht geleugnet werden, ist es doch für den Unterhaltsanspruch dann völlig belanglos, ob er arbeiten geht oder nicht. e) Die Halbteilung ist völlig unbeweglich, obwohl eine Haushaltsführung mit kleineren oder schulpflichtigen Kindern nicht gleich gewichtet werden kann wie eine solche ohne Kinder. Zu bedenken ist ja, dass die konkreten Aufgaben des Unterhaltsberechtigten mit dem Hinauswachsen der Kinder zwar immer weniger werden, der Unterhaltsberechtigte aber sogar mehr Unterhalt erhält, weil der Unterhaltspflichtige nunmehr keine konkurrierenden Sorgepflichten mehr hat. Auch Hopf/Kathrein (§ 94 ABGB Anm 35) verweisen darauf, dass vor allem bei geringem oder hohem Einkommen des Unterhaltspflichtigen der Wert der Haushaltsführung nicht „automatisch“ mit der Hälfte dieses Einkommens angenommen werden kann. f) Es geht im Unterhaltsrecht nicht um eine gerechte Verteilung von vorhandenen Mitteln auf die Ehegatten, sondern um Bedürfnisbefriedigung (Schwimann/Kolmasch 161); die Vermögensbildung soll dabei keinen Unterhaltsbedarf darstellen (vgl Rz 5 und Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 11; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 13; aA [allerdings zum Kindesunterhalt] Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 257). Jedenfalls bei gehobenem Familieneinkommen würde die Unterhaltsleistung aber gleichsam eine Vorwegnahme des Aufteilungsverfahrens bedeuten (dies erkennt auch Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 6, der vom ehegüterrechtlichen Charakter des Halbteilungsgrundsatzes spricht). g) Der Unterhaltspflichtige, der einem Erwerb nachgeht, hat einen dadurch entstehenden Mehraufwand (dies wird an sich von Kerschner, P. Bydlinski und Lackner auch erkannt), den er sich (bestenfalls) von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abziehen könnte. h) Jedenfalls bei getrennt lebenden Ehegatten leistet der den Haushalt führende Ehegatte seinen „Beitrag“ ausschließlich sich selbst und allenfalls den Kindern, der Unterhaltspflichtige hat davon jedoch nichts (mehr). Der Hinweis in 1 Ob 25/04i auf die Haushaltsführung durch den Unterhaltsberechtigten erscheint daher fraglich. 217 Diese Überlegungen sprechen – von atypischen Fällen abgesehen – gegen eine grundsätzliche Anhebung des Grundprozentsatzes von 33 auf 50% bei getrennt lebenden (geschiedenen) Ehegatten (so auch Stabentheiner/Rummel 194
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltshöhe
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§ 94 ABGB Rz 6, der für eine Anhebung auf 40% eintritt, ohne diesen Wert allerdings näher begründen zu können). Bei gemeinsamem Haushalt von Unterhaltspflichtigem und den Haushalt führendem Unterhaltsberechtigten wird sich das Problem im Übrigen schon allein deshalb nicht in voller Schärfe stellen, weil der Unterhaltspflichtige die von ihm getragenen „fixen Kosten“ (vgl dazu Rz 236 ff) zunächst einmal zur Gänze in Abzug bringen kann und auch weitere von ihm erbrachte Naturalunterhaltsleistungen angerechnet werden müssen (vgl Rz 244 ff). Bei Berufstätigenehen und gemeinsamem Haushalt wird idR der Ehegatte mit dem niedrigeren Einkommen zusätzlich den Haushalt führen, wenn sich sein geringerer Verdienst etwa daraus ergibt, dass er lediglich einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht (in diesem Fall wird ohnehin eine Erhöhung der Prozentkomponente – aber mit anderer Begründung – vorgeschlagen [vgl Rz 218 ff]). Besteht hingegen der gemeinsame Haushalt nicht mehr – oder im Fall der Ehescheidung –, müsste eine Anhebung des Grundprozentsatzes jedenfalls Hand in Hand mit einer deutlichen Anhebung der Prozentsätze für konkurrierende Sorgepflichten gehen und dürfte außerdem nur atypische Fälle betreffen, also Fälle, in denen der Unterhaltsberechtigte deutlich mehr leistet bzw geleistet hat, als dies üblich ist (Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung udgl). Bei Doppelverdienerehen mit einseitiger Haushaltsführung will die hL (vgl 218 Schwind 60; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 23; Schwimann/Kolmasch 168; weitere Nachweise bei Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14 und Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 19) dem Unterhaltsberechtigten Ansprüche nach Satz 1 bzw 2 unter (lediglich angemessener) Anrechnung des Eigeneinkommens und nicht nach Satz 3 unter (gänzlicher) Einrechnung des Eigeneinkommens einräumen. Im Hinblick auf die Verpflichtung beider Ehegatten zur Haushaltsführung durch § 95 Satz 1 ABGB, die (wohl) einvernehmliche Gestaltung der Lebensgemeinschaft der Ehegatten abweichend von diesem Grundsatz (so auch Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 23) und die Überlegung, dass die Haushaltsführung (insb auch im Hinblick auf die Kinderbetreuung und -beaufsichtigung) eines nicht erwerbstätigen Ehegatten weder quantitativ noch qualitativ mit einer solchen eines voll- oder (nicht lediglich untergeordnet) teilzeitberufstätigen vergleichbar sein kann, erschiene nun einerseits der Zuspruch von Unterhalt nach § 94 Abs 2 Satz 1 bzw 2 ABGB unter Außerachtlassung des (gesamten) Einkommens des Unterhaltsberechtigten völlig überzogen (idS auch Koch/KBB § 94 ABGB Rz 8). Dies würde andererseits aber auch für die gänzliche Außerachtlassung der „Doppelbelastung“ des unterhaltsberechtigten Ehegatten, also die Annahme einer reinen Berufstätigenehe gelten. Daher erscheint es sachgerecht, jenem Ehegatten, der durch Haushaltsführung und Berufstätigkeit mehr leistet als der nur berufstätige Ehegatte, bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft nicht die gleiche Quote am Familienein195
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kommen (vgl KG Krems EF 26.091), sondern gleichsam eine „Prämie für familienrelevante Zusatzleistungen“ (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 18; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18) zukommen zu lassen. Nach Schwimann(/Kolmasch 168) soll dies jedoch ohnehin auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen. Fällt die Haushaltsgemeinschaft weg, entfällt selbstverständlich auch die „Prämie“. Praktisch relevant wird die Frage daher wohl ohnehin nur in Verfahren werden, in denen der Unterhaltsberechtigte nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft Ergänzungsunterhalt für die Vergangenheit verlangt. 219 Diese Prämie für familienrelevante Zusatzleistungen hat sich im Einzelfall nach der konkreten Mehrbelastung durch die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung (vgl 7 Ob 503/91 = EF 64.917; 6 Ob 194/98t; Schwimann/ Schwimann2 § 94 ABGB Rz 18; vgl auch Aicher/Ostheim 114) sowie nach dem Ausmaß der Beschäftigung des Unterhaltsberechtigten zu richten. Sie könnte nun durch eine – allerdings eher willkürliche – „billige“ geringere Berücksichtigung des Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten (idS 7 Ob 503/91 [lediglich 85% ohne nähere Begründung]; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 18) oder durch eine prozentuelle Erhöhung des Unterhaltsanspruchs ermittelt werden, also konkret durch einen Zuschlag zum Grundprozentsatz (vgl Rz 209). Jedenfalls ist dabei zu berücksichtigen, dass einerseits die Haushaltsführung auch dem Unterhaltsberechtigten selbst zugute kommt und dass andererseits der Unterhaltsberechtigte nicht seine volle Leistungsfähigkeit in die Haushaltsführung investieren kann, wenn er arbeiten geht. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Unterhaltspflichtige seinerseits Beiträge zur Haushaltsführung leistet und ob nicht ein Teil dieser Aufgaben ohnehin an Dritte ausgelagert wurde (etwa die Kinderbetreuung an die Großeltern oder eine Ganztagesschule, durch Beiziehung einer Reinigungsfrau oder eines Gärtners, Übertragung der Wäschereinigung an ein einschlägiges Unternehmen udgl). Die Überlegung von Hopf/Kathrein (§ 94 ABGB Anm 23) und Hinteregger (/Klang3 § 94 ABGB Rz 19 unter Hinweis auf Marhold, ZAS 1981, 131), eine ungleiche Lastenverteilung zwischen den Ehegatten sollte nicht durch die Zuerkennung eines höheren Unterhaltsanspruchs kompensiert werden, sondern müsste iS des Gleichbeteiligungsgrundsatzes des § 91 Abs 1 ABGB Anlass für eine Neuverteilung der Pflichten sein, ist zwar zu unterstreichen. Für die Frage der Ermittlung des konkreten Unterhaltsanspruchs – insb für die Vergangenheit – bringt sie aber wenig: Der den Haushalt führende Ehegatte hat ja neben seiner Berufstätigkeit die Leistungen bereits erbracht; und oft wird eine Neuverteilung der Pflichten einfach am Widerstand des anderen Ehegatten scheitern. Sollen nun Haushalt und Kinder vernachlässigt bleiben? 220 Kommt es zur Haushaltstrennung der Ehegatten, ist eine Berücksichtigung der Haushaltsführung begrifflich ohnehin nicht mehr möglich, weil diese dem 196
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Unterhaltspflichtigen ja nicht mehr zugute kommt und die Betreuung der gemeinsamen Kinder über deren Unterhaltsansprüche „abgerechnet“ wird. f) Anspannung des Unterhaltsberechtigten
Bei Hausfrauen(Hausmänner)ehen hat § 94 Abs 2 Satz 1 ABGB den Sinn, 221 dem den Haushalt führenden Ehegatten, der – von geringfügigen Nebenerwerbstätigkeiten abgesehen – infolge seiner Haushaltsführung seinen Unterhalt nicht durch die Erträgnisse seiner eigenen Berufstätigkeit sichern kann, einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten bei bestehender häuslicher Gemeinschaft zu gewährleisten (6 Ob 679/77 = SZ 50/108; 5 Ob 671/77 = EvBl 1978/50; 4 Ob 2019/96g = EF 79.831). Im Hinblick auf die Zielsetzung des Satzes 2 (vgl Rz 119) kann vom Unterhaltsberechtigten aber nach hA auch im Fall der Auflösung des gemeinsamen Haushalts nicht verlangt werden, dass er einem eigenen Erwerb nachgeht und für seinen Unterhalt selbst sorgt (5 Ob 642/77 ua = EF 28.573; 9 Ob 226/99x = EF 88.800). Eine Anspannung auf ein bloß erzielbares, tatsächlich aber nicht erzieltes Ein- 222 kommen aus eigener Erwerbstätigkeit braucht sich der Unterhaltsberechtigte bei dieser Ehegestaltung grundsätzlich nicht auf seine Bedürfnisbefriedigung anrechnen lassen, und zwar nicht einmal bei voller Arbeitsfähigkeit (1 Ob 785/79 = EF 32.789; 6 Ob 671/82 = EF 39.967), Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit (1 Ob 514/94 = EF 73.798; 7 Ob 550/95 = EF 76.675; 1 Ob 134/09a) und Fehlen jeglicher Sorgepflichten nach dem Auszug der Kinder (LG Wels EF 103.223); wohl aber bei Rechtsmissbrauch (9 Ob 147/03p = EF 106.976). Dies alles gilt nur dann nicht, wenn es der einvernehmlichen Lebensgestaltung entsprochen hätte, dass der Unterhaltsberechtigte später einem Erwerb nachgeht (6 Ob 671/82; LG Salzburg EF 95.292; LG Wels EF 103.225; LG Linz EF 110.113; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14), also wenn etwa die Erwerbstätigkeit nur vorübergehend wegen einer Kleinkindbetreuung unterbrochen, danach aber wieder aufgenommen werden sollte. Die zu § 69 Abs 2 EheG vertretene Auffassung (§ 69 EheG Rz 7), der Unterhaltsberechtigte verhalte sich rechtsmissbräuchlich iS des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB, wenn er keine Kinder (mehr) zu betreuen hat und trotzdem die Ausübung einer ihm nach den Umständen (insb nach seinem Lebensalter und Gesundheitszustand, seiner Ausbildung und seinem beruflichen Vorleben) zumutbaren und möglichen Erwerbstätigkeit – allfällige Kinderbetreuungspflichten seien zu berücksichtigen (Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 4) – ablehnt, wird offensichtlich bei aufrechter Ehe nicht vertreten; dieser Ansatz wäre aber durchaus überlegenswert.
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223 Führt bzw führte der nicht erwerbstätige Unterhaltsberechtigte den Haushalt nicht (vgl Rz 190 ff), obwohl er dazu in der Lage (gewesen) wäre, ist die Einhaltung seiner sich an sich aus § 95 Satz 2 ABGB ergebenden Verpflichtung zur Haushaltsführung zwar nicht einklagbar (vgl bei § 95 ABGB). Es steht ihm jedoch auch kein Unterhalt nach § 94 Abs 2 Satz 1 oder 2 ABGB zu (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 16; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 14). Ist er dazu nicht in der Lage, hat er einen Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 Satz 3 ABGB, wenn er auch unter Anspannung seiner eigenen Kräfte nicht in der Lage ist, die Mittel zur Deckung seiner den Lebensverhältnissen beider Ehegatten angemessenen Bedürfnisse aufzubringen (6 Ob 521/ 77 = EvBl 1977/218 = EF 28.563; 6 Ob 679/77 = SZ 50/108; 1 Ob 535/83; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 34). 224 Bei einer Berufstätigenehe ist nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft entscheidend, ob der Unterhaltsberechtigte in der Lage ist, aus eigenen Kräften die Mittel zur Deckung seiner den Lebensverhältnissen beider Ehegatten angemessenen Bedürfnisse (weiterhin) aufzubringen (Anspannungsgrundsatz; 6 Ob 679/77 = SZ 50/108; 6 Ob 722/77 = SZ 50/128; 7 Ob 321/01h = EF 99.179), und ob ihm dies auch nach den Umständen des Einzelfalls zumutbar ist (1 Ob 570/95 = JBl 1996, 442; 3 Ob 271/97t; 6 Ob 219/98v). Ist dies der Fall, ist nicht vom tatsächlich erzielten, sondern einem (auf dem Arbeitsmarkt real [1 Ob 56/01v = EF 95.289]) erzielbaren Einkommen des Unterhaltsberechtigten auszugehen (vgl auch Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 19; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 34). Vor Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft kann eine Anspannung in Betracht kommen, wenn sich der Unterhaltsberechtigte aus einer bisher (einvernehmlich) ausgeübten Berufstätigkeit ohne Zustimmung des anderen Ehegatten zurückzieht (1 Ob 56/01v = EF 95.293). Dies gilt aber dann nicht, wenn dadurch die ökonomische Basis der Familie nicht entscheidend beeinträchtigt wird (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 825; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 7a), sonst wichtige Gründe vorliegen (§ 91 Abs 2 ABGB) oder der Unterhaltsberechtigte lediglich einen Umstieg von einer unselbstständigen auf eine selbstständige Erwerbstätigkeit vornimmt (1 Ob 56/01v = EF 95.294). 225 Auch im Fall der Anspannung des Unterhaltsberechtigten kommt es auf seine persönlichen Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten (Gitschthaler, ÖJZ 1996, 553; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18) sowie darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte (im Vergleich zu einem familien- und pflichtbewussten Ehegatten) schuldhaft handelt (LG Salzburg EF 95.287). Maßgebend für die Beurteilung der Zumutbarkeit sind dabei insb Alter, Gesundheitszustand, Berufsausbildung, bisherige, auch länger zurückliegende Berufsausübung, die Pflicht zur Erziehung von Kindern, deren Alter sowie die Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt (8 Ob 639/91; 1 Ob 570/95 = SZ 68/157; 4 Ob 2232/96 f = EF 84.624; 6 Ob 46/97a = EF 84.623; 10 Ob 35/04a). 198
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Eine unterschiedliche Behandlung von Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigtem in Anspannungsfragen ist an sich nicht vorgesehen (7 Ob 321/01h; vgl auch ganz grundsätzlich zur Gleichbehandlung von Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigten in Unterhaltsbemessungsfragen 6 Ob 108/08p = EF-Z 2008/139); bisweilen wird allerdings (unzutr) davon ausgegangen, dass beim Unterhaltsberechtigten eine „weniger strenge Handhabung“ zu erfolgen habe (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18) bzw eine Anspannung ohnehin nur im untechnischen Sinn möglich und daher „Behutsamkeit“ erforderlich sei (LG Salzburg EF 95.288). Steht der Unterhaltsberechtigte bereits an der Grenze zum Pensionsalter, 226 kommt eine Anspannung nicht mehr in Betracht (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 6; LG Salzburg EF 99.190); ansonsten kann ihm jedenfalls die Fortsetzung einer schon ausgeübten Erwerbstätigkeit zugemutet werden (vgl 8 Ob 601/89 = JBl 1991, 714 [Ferrari-Hofmann-Wellenhof]; 6 Ob 46/97a = EF 84.623), dh der Unterhaltsberechtigte darf seine Erwerbstätigkeit nicht gegen den Willen des anderen aufgeben (1 Ob 56/01v = EF 95.293; Hopf/ Kathrein § 94 ABGB Anm 6). Außerdem verpflichtet zwar nicht schon jedes Herabsinken des Betriebsergebnisses seines Unternehmens den selbstständig erwerbstätigen Unterhaltsberechtigten zur sofortigen Annahme einer Nebenbeschäftigung oder einer unselbstständigen Tätigkeit; er ist dazu aber etwa dann verpflichtet, wenn sein Unternehmen über lange Zeit passiv ist (LG Salzburg EF 116.242). Hat der Unterhaltsberechtigte ein Kleinkind zu versorgen, wird idR (vgl 4 Ob 227 2233/96b = EF 80.256) eine Anspannung nur in Ausnahmefällen möglich sein (1 Ob 677/83 = EF 42.857; 9 Ob 373/97m), ab dem 3. Lebensjahr des Kindes hingegen eine solche auf eine Teilzeitbeschäftigung, wenn die Versorgung des Kindes gesichert ist (6 Ob 2360/96v = EF 83.396; 1 Ob 43/00 f). Nach anderer Auffassung kann dem Unterhaltsberechtigten nicht verwehrt werden, ein vorschulpflichtiges Kind selbst zu pflegen und zu erziehen (2 Ob 528/58 = RZ 1959, 56; LG Wels EF 104.913; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 12; Zankl/ Schwimann § 66 EheG Rz 22). § 68a Abs 1 EheG lässt sich nunmehr jedoch die Wertung des Gesetzgebers entnehmen, dass Betreuungsbedürftigkeit von Kindern bis zum 5. Lebensjahr – dies allerdings widerlegbar (etwa im Fall einer Betreuungsmöglichkeit im Kindergarten [vgl Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 865; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 3]) – zu vermuten ist. Diese gesetzgeberische Wertung ist wohl generell zu berücksichtigen (Schwimann/Kolmasch3, 164). Eine Ganztagesbeschäftigung ist – unter Beachtung der konkreten Umstände (5 Ob 1562/91 = EF 65.252; 6 Ob 2126/96g = EF 80.255) – jedenfalls bei Kindern ab Beendigung der Schulpflicht möglich, ist ihnen doch in diesem Alter eine gewisse Selbstversorgung tagsüber durchaus zumutbar (idS auch 199
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6 Ob 587/93 = EF 72.340; 8 Ob 210/02v = EF 100.930; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 17). 228 Grundsätzlich reicht zwar schon die Betreuungsnotwendigkeit für 1 Kind aus (vgl LG Wels EF 104.913). Beeinträchtigt werden die Anspannungsmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten aber jedenfalls dann, wenn er mehrere Kinder zu betreuen hat (1 Ob 84/04s; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 3; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 6). Dies soll selbst dann gelten, wenn sie schon schulpflichtig sind (10 Ob 35/04a). Bei einer Berufstätigenehe ist außerdem zu berücksichtigen, wie die Kinderbetreuung bislang organisiert gewesen ist, dh der Unterhaltsberechtigte kann sich nicht im Zuge der Trennung der Haushaltsgemeinschaft darauf berufen, nunmehr das Kind, welches bislang etwa einen Hort besucht hat, selbst betreuen zu wollen. 229 Kinder, deren Betreuungsnotwendigkeit eine Anspannung hindert, müssen zwar nicht zwingend gemeinsame sein (vgl zu dieser Problematik ausführlich § 66 EheG Rz 22 ff); entspringt das Kind jedoch einem Ehebruch, liegt häufig ohnehin der Verwirkungstatbestand des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB (vgl dazu Rz 310 ff) vor, sodass es auf eine Zumutbarkeitsprüfung nicht mehr ankommt. 230 Tatsächlich nicht gezogene Einkünfte an Kapitalerträgen sind angemessen zu berücksichtigen, wenn sie der Unterhaltsberechtigte vertretbarerweise hätte ziehen können, wobei sich die Frage der Vertretbarkeit auch idZ nach den konkreten Lebensverhältnissen unter Bedachtnahme auf die Entscheidung richtet, die partnerschaftlich eingestellte Ehegatten im gemeinschaftlichen Interesse unter den gegebenen Umständen getroffen hätten (6 Ob 645/91 = EF 64.915; 10 Ob 53/00t; 10 Ob 92/04h). Maßgeblich ist, welche Erträgnisse bei einer vernünftigen (vgl 3 Ob 2/72) bzw ordnungsgemäßen (8 Ob 588/93) Wirtschaft erzielt werden könnten. Bei dieser Beurteilung des wirtschaftlichen Verhaltens ist aber nicht ausschließlich nach betriebswirtschaftlich orientierten Gesichtspunkten vorzugehen, sondern sind auch individuelle Fähigkeiten und Eigenschaften (Alter, geschäftliche Erfahrung, Lebenssituation usw) sowie persönliche Zielsetzungen zu berücksichtigen (8 Ob 588/93; 10 Ob 92/04h). Es macht keinen Unterschied, ob es sich um eine Hausfrauen(Hausmänner)- oder um eine Berufstätigenehe handelt (idS auch Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 17; Schwimann/Kolmasch 164). Auch in ersterem Fall ergibt sich ja aus der ehelichen Beistandspflicht die Verpflichtung des Unterhaltsberechtigten, angemessene Beiträge zu leisten; außerdem wären ja auch tatsächlich erzielte Erträgnisse zu berücksichtigen (vgl Rz 197). Dies ist weder mit dem Angreifen der Vermögenssubstanz selbst (vgl Rz 204) noch mit einer Anspannung auf ein Erwerbseinkommen (vgl Rz 221) zu vergleichen. Bisweilen wird die Auffassung vertreten, der Unterhaltsberechtigte habe sich auch fiktive Erträgnisse aus einem „verschwendeten“ Vermögen anrech200
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nen zu lassen (Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 8; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 27). Diese Auffassung begegnet aber grundsätzlichen Bedenken (vgl Rz 142 ff iZm mit der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage). 3. Belastbarkeitsgrenze
Es ist nicht nur im Kindes- (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 263–270), 231 sondern auch im Geschiedenenunterhaltsrecht (vgl § 67 EheG) anerkannt, dass einem Unterhaltspflichtigen ein bestimmter Teil seiner Einkünfte verbleiben muss, um seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können. § 67 Abs 1 EheG stellt dabei auf „Billigkeitsüberlegungen“, ohne diese näher zu präzisieren (vgl bei § 67 EheG), und auf den eigenen angemessenen Unterhalt ab. Zum Kindesunterhalt wurde hingegen seit der EO-Nov 1991 (3 Ob 46/ 93 = RZ 1994/57; 6 Ob 233/00h; 3 Ob 4/03i; 5 Ob 48/04a; ebenso Mohr, Die neue Lohnpfändung § 292b EO 82 Rz 2) bei geringer Unterhaltsbemessungsgrundlage und/oder zahlreichen Sorgepflichten die Auffassung vertreten, bei Herabsetzung des dem Unterhaltspflichtigen an sich nach §§ 291a, 291b EO zustehenden (Unterhalts-)Existenzminimums gem § 292b EO könne die Rsp zur Höhe des Freibetrags nach § 6 LPfG herangezogen werden. Danach hatte dem Verpflichteten ein Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist (3 Ob 29/79 = EvBl 1979/161; 3 Ob 117/84). Die Rsp ging dabei davon aus, dass eine genaue Berechnung dieses Betrags nicht möglich, sondern im Einzelfall eine nach den gegebenen Umständen für den Unterhaltsberechtigten und den Unterhaltspflichtigen noch am ehesten tragbare Regelung zu treffen sei (10 Ob 83/00d). In den letzten Jahren nahm der OGH allerdings häufig Bezug auf das Unterhaltsexistenzminimum (2 Ob 187/05x; 1 Ob 42/07v = Zak 2007/439; insb 7 Ob 130/08 f), wobei er darunter den Grundbetrag nach der Existenzminimumstabelle 2 bm ohne Steigerungsbeträge meinte und außerdem danach unterschied, ob der Unterhaltspflichtige mit einem Partner, der sich an den Fixkosten erfahrungsgemäß beteiligt, oder allein lebte (5 Ob 48/04a; 6 Ob 184/ 06m = EF-Z 2006/78). Diese im Kindesunterhaltsrecht entwickelte Rsp war ebenso auf Ehegatten an- 232 zuwenden (3 Ob 5/94 = SZ 67/47; Gitschthaler, EF-Z 2010, 146; A. Simma, ZIK 2010, 122; zum Geschiedenenunterhalt vgl § 67 EheG) wie es nunmehr die zuletzt von einem verstärkten Senat des OGH (1 Ob 160/09z = EF-Z 2010/107) entwickelte Rsp ist. Nach dieser richtet sich die Belastbarkeit des Unterhaltspflichtigen nach dem Unterhaltsexistenzminimum gem § 291b EO, das ausnahmsweise in den Grenzen des § 292b EO unterschritten werden kann (vgl zur dieser Entscheidung und ihren Folgen Gitschthaler, EF-Z 2010, 146; A. Simma, ZIK 2010, 122; Kolmasch, Zak 2010, 289). 201
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Nach dieser jüngsten Rsp ist im „Normalfall“ zu prüfen, ob dem Unterhaltsschuldner das in § 291b EO geregelte (einkommensabhängige) Unterhaltsexistenzminimum verbliebe, wenn er sämtlichen Unterhaltsberechtigten die jeweils nach der Prozentwertmethode errechneten Unterhaltsbeiträge zukommen ließe (vgl dazu auch Rz 235). Verbliebe dem Unterhaltsschuldner der seinem Einkommen entsprechende unpfändbare Freibetrag, bleibt es bei der Unterhaltsfestsetzung nach der Prozentmethode. Verbliebe dem Unterhaltsschuldner der seinem Einkommen entsprechende unpfändbare Freibetrag (nämlich das einkommensabhängige Unterhaltsexistenzminimum) nicht, ist der Betrag, der dem Unterhaltsschuldner verbleiben soll, entsprechend den Wertungen des § 292b Z 1 EO „angemessen herabzusetzen“. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann auch unter das – als „absolute Belastbarkeitsgrenze“ bezeichnete – niedrigste Unterhaltsexistenzminimum (im Jahr 2009 monatlich 676 Euro bzw im Jahr 2010 monatlich 686 Euro bzw im Jahr 2011 monatlich 695 Euro) herabgegangen werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn der Unterhaltspflichtige über zahlreiche Sorgepflichten und (mit überzeugender Begründung zust A. Simma, ZIK 2010, 122; ebenso Kolmasch, Zak 2010, 289; 6 Ob 81/10w [allerdings ohne nähere Auseinandersetzung mit der Problematik]; aA [oder] Gitschthaler, EF-Z 2010, 146]) ein ganz geringes Einkommen verfügt – zahlreiche Sorgepflichten sind ab vier anzunehmen (A. Simma, ZIK 2010, 122; ebenso 6 Ob 81/10w [jedenfalls bei vier Sorgepflichten]), ein ganz geringes Einkommen dann, wenn der Unterhaltspflichtige über eine (ungekürzte) Unterhaltsbemessungsgrundlage verfügt, die nicht einmal das Existenzminimum erreicht (A. Simma, ZIK 2010, 122) –, mit einem ebenfalls Einkünfte beziehenden Partner zusammenlebt (1 Ob 160/09z = EF-Z 2010/107) oder essenzielle Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen (etwa eine Wohnung, Kost und Logis udgl) gedeckt sind (LGZ Wien EF-Z 2008/12 [Gitschthaler]; Gitschthaler, EF-Z 2010, 146; A. Simma, ZIK 2010, 122). Umgekehrt kann krankheitsbedingter Mehraufwand des Unterhaltspflichtigen zu einer Erhöhung seiner zulässigen Belastungsgrenze führen (vgl 2 Ob 569/94 = EvBl 1995/129 = ÖA 1995, 118/U 123; A. Simma, ZIK 2010, 122). 233 Diese Bedachtnahme auf die exekutionsrechtlichen Bestimmungen zwingt zu einer präzisen Terminologie, die allerdings nicht immer eingehalten wird: a) Existenzminimum: Dieses ergibt sich aus § 291a EO, erfasst sowohl den allgemeinen Steigerungsbetrag (Einkommensabhängigkeit) als auch die Unterhaltsgrund- und Unterhaltssteigerungsbeträge und ist aus der Tabelle 1 bm der Existenzminimumstabelle ersichtlich (Unterhaltsbemessungsgrundlage auf 12 Monate berechnet). Dieses Existenzminimum spielt allerdings seit der Aufgabe der Differenzmethode (Rz 147) bei der Unterhaltsbemmessung keine Rolle mehr. b) Unterhaltsexistenzminimum: Dieses ergibt sich aus § 291b EO und stellt 75% des Existenzminimums dar. Es enthält neben dem allgemeinen Stei202
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gerungsbetrag auch die Unterhaltsgrund- und Unterhaltssteigerungsbeträge und ist aus der Tabelle 2 bm der Existenzminimumstabelle ersichtlich. Auch dieses ist bei der Unterhaltsbemessung (nunmehr) von untergeordneter Bedeutung. c) Einkommensabhängiges Unterhaltsexistenzminimum: Dieses enthält zwar den allgemeinen Steigerungsbetrag nach § 291b iVm § 291a Abs 3 Z 1 EO, nicht jedoch die Unterhaltsgrund- und Unterhaltssteigerungsbeträge. Es kann der 1. Spalte der Tabelle 2 bm (= 0 Sorgepflichten) der Existenzminimumstabelle entnommen werden und dient im „Normalfall“ als Belastungsgrenze des Unterhaltspflichtigen. d) Niedrigstes Unterhaltsexistenzminimum (absolute Belastbarkeitsgrenze): Dabei handelt es sich um den 1. Betrag in der 1. Spalte der Tabelle 2 bm der Existenzminimumstabelle; er beträgt 75% des Ausgleichszulagenrichtsatzes (= Mindestpensionshöhe), umgerechnet auf 12 Monate. Nach nunmehriger Rsp (vgl Rz 232) ist somit folgende Belastungskontroll- 234 rechnung vorzunehmen (und zwar nicht nur iZm Insolvenzfällen, sondern ganz grundsätzlich [Gitschthaler, EF-Z 2010, 146; A. Simma, ZIK 2010, 122; Kolmasch, Zak 2010, 289]), wobei der Kontrollrechnung die ermittelte Unterhaltsbemessungsgrundlage zugrunde zu legen ist, also ein Einkommen in Höhe des verminderten Betrags, wenn etwa aufgrund unterhaltsrechtlich gerechtfertigter Abzüge von einer niedrigeren Unterhaltsbemessungsgrundlage auszugehen ist (1 Ob 160/09z = EF-Z 2010/107. Außerdem ist auch § 290c Abs 3 EO zu berücksichtigen: Erhält der Unterhaltspflichtige Nachzahlungen, sind diese für den Zeitraum zu berücksichtigen, auf den sie sich beziehen, dh Nachzahlungen gehören zu jener Auszahlung, mit der sie bei sofortiger Auszahlung geleistet werden hätten sollen, die für die Belastungskontrollrechnung maßgeblichen Beträge sind so zu ermittel, als ob dem Unterhaltspflichtigen schon damals der Gesamtbezug ausbezahlt worden wäre (vgl Oberhammer/ Angst § 290c EO Rz 10. Derartige Nachzahlungen kommen in der Praxis etwa in Betracht, wenn – als Vergütung nach § 290a Abs 1 Z 2 EO („Sonstige wiederkehrende Vergütungen für Arbeitsleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen.“) – dem Unterhaltspflichtigen als Vertragsarzt Ansprüche gegen einen Sozialversicherungsträger zustehen (3 Ob 200/01k; Oberhammer/Angst § 291a EO Rz 3), er fortlaufend aufgrund von Werk- oder Konsulentenverträgen tätig oder selbstständiger Handelsvertreter ist (Oberhammer/Angst § 290c EO Rz 10) und seine Ansprüche nicht monatlich, sondern in größeren Zeiträumen abgerechnet werden, oder wenn der Unterhaltspflichtige Zahlungen aufgrund einer Arbeitnehmerveranlagung (früher: Steuerausgleich) erhält (Oberhammer/Angst § 290c EO Rz 10; Gitschthaler/Simma, EF-Z 2007, 131).
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235 Kontrollrechnung: a) Von der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen sind sämtliche Unterhaltspflichten (in absoluten, nach der Prozentwertmethode errechneten Beträgen) abzuziehen, also auch die Unterhaltspflichten für die im Haushalt des Unterhaltspflichtigen lebenden Kinder und (allenfalls) jene für einen geschiedenen (unterhaltsberechtigten) Ehegatten. Maßgeblich sind dabei die rechtlich „richtigen“ Unterhaltsbeiträge, nicht die titulierten. Besteht daher etwa zu Lasten des Unterhaltspflichtigen ein Unterhaltstitel des geschiedenen Ehegatten und hat der Unterhaltspflichtige auf die Umstandsklausel verzichtet, ist nach den Grundsätzen der Anspannungstheorie zu prüfen, ob er sich gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten auf diesen Titel berufen kann, wenn der geschiedene Ehegatte an sich gar keinen Unterhaltsanspruch in dieser Höhe mehr hätte; wusste der Unterhaltspflichtige bei seinem Verzicht bereits von der weiteren Sorgepflicht, hätte er nicht verzichten dürfen, maßgeblich ist dann der rechtlich richtig zu leistende Unterhalt. Verbleibt dem Unterhaltspflichtigen ein Betrag, der über dem einkommensabhängigen Unterhaltsexistenzminimum liegt, sind die Unterhaltsansprüche nach der Prozentwertmethode festzusetzen. b) Würden dem Unterhaltspflichtigen im Normalfall weniger als das niedrigste Unterhaltsexistenzminimum verbleiben, sind die Unterhaltsansprüche anteilig zu kürzen; dem Unterhaltspflichtigen verbleibt das niedrigste Unterhaltsexistenzminimum. c) Verbleibt dem Unterhaltspflichtigen ein Betrag im Zwischenbereich zwischen a) und b), ist die Differenz zwischen dem einkommensabhängigen und dem niedrigsten Unterhaltsexistenzminimum anteilig und unter Berücksichtigung des Unterhaltspflichtigen aufzuteilen, die Unterhaltsansprüche also zu kürzen. Damit wird vermieden, dass der Unterhaltspflichtige die gesamte Unterschreitung des einkommensabhängigen Unterhaltsexistenzminimums allein zu tragen hat (vgl dazu ausführlich A. Simma, EF-Z 2010, 122 samt Berechnungsbeispiel; idS auch Kolmasch, Zak 2010, 289). d) Liegt ein Ausnahmefall vor (vgl Rz 232) und verbliebe dem Unterhaltspflichtigen ein Restbetrag unterhalb des niedrigsten Unterhaltsexistenzminimums, ist einerseits seine Belastbarkeitsgrenze angemessen herabzusetzen und sind andererseits die Unterhaltsansprüche angemessen zu kürzen.
4. Geldunterhalt oder Naturalunterhalt a) Gemeinsamer Haushalt
236 Nach der Rechtslage vor dem EheRÄG 1999 stand bei gemeinsamem Haushalt der Ehegatten lediglich ein Naturalunterhaltsanspruch zu (4 Ob 544/92 = EF 70.031; 3 Ob 501/95; 3 Ob 2101/96h). Daneben konnte der (einkommens204
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lose) Unterhaltsberechtigte – jedenfalls bei überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen (6 Ob 285/98z = JBl 1999, 311) – auch ein Taschengeld in Höhe von etwa 5% der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen verlangen (6 Ob 2126/96g = EF 80.230; 6 Ob 285/98z = JBl 1999, 311; Schwimann 180; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 12; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 22; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 15). Seit 1.1.2000 kann der Unterhaltsberechtigte gem § 94 Abs 3 Satz 1 ABGB 237 auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft seinen Unterhaltsanspruch in Geld geltend machen. Dadurch wurde der Unterhaltsanspruch des Ehegatten aber nur qualitativ, nicht jedoch auch quantitativ verändert (Schwimann/Kolmasch 181) und nur erreicht, dass sich – in bestimmten Fällen – eine Verminderung der Normalleistungskomponente des Unterhaltsanspruchs zu Gunsten der Geldleistungskomponente ergibt (4 Ob 42/01g = EF 95.273). Trägt der Unterhaltspflichtige bei gemeinsamem Haushalt daher etwa die Wohnungs- und Wohnungsbenützungskosten, Versicherungsprämien, Kleidungs- und Lebensmittelkosten udgl, kann der Unterhaltsberechtigte nicht vom gesamten Einkommen Geldunterhalt begehren und darüber hinaus auch noch sonstige Leistungen in Anspruch nehmen (LG Linz EF 103.157; vgl auch Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 827; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 12; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 16b; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 25). Es sind vielmehr entweder vom Einkommen zunächst sämtliche „fixen Kosten“ (Wohnungs- und Wohnungsbenützungskosten, Versicherungsprämien udgl), die der Unterhaltspflichtige trägt, in Abzug zu bringen und erst aus dem Restbetrag der Geldunterhaltsanspruch zu errechnen; daraus wiederum hat der Unterhaltsberechtigte dann seine „freien Kosten“ (Kleidung, Lebensmittel, Kosmetika, Freizeitvergnügen usw) zu finanzieren (vgl auch Deixler-Hübner, ecolex 2001, 110; Kerschner2 Rz 2/52 [„nichtdisponible Fixkosten“]; LG Linz EF 103.157; aA [„keine Retorsion“] Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 827); dies setzt aber Einverständnis des Unterhaltsberechtigten voraus. Oder der Geldunterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten ist nach dem gesamten Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu ermitteln; dann hat er sich aber an den gesamten Kosten angemessen (anteilig im Verhältnis der absoluten Summen) zu beteiligen (Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 25 FN 99 mit dem zutr Hinweis, dass erstere Variante [Geldunterhaltsermittlung nur aus dem „Differenzbetrag“] den Unterhaltsberechtigten neuerlich in eine „unmündige Position“ drängen würde; ebenso Schwimann/Kolmasch 181). Bei beiden Varianten ist aber jedenfalls zu beachten, dass es nicht zu einer Doppelversorgung des Unterhaltsberechtigten kommt (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 570/1; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 25). Trägt der Unterhaltspflichtige auch die „freien Kosten“, liegen anrechenbare Naturalunterhaltsleistungen vor (vgl Rz 250 ff).
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238 Dem Gesetz ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob diese Geldunterhaltsverpflichtung bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft nur dem einkommenslosen Unterhaltsberechtigten gegenüber besteht oder ob dieser auch den Ergänzungsunterhaltsanspruch geltend machen kann, dh bei eigener Erwerbstätigkeit mit geringerem Einkommen. Der OGH hat letzteres ohne nähere Begründung angenommen (7 Ob 164/06b = EF-Z 2006/76; unklar 9 Ob 100/06 f; ebenso Schwimann/Kolmasch 181); allerdings war in der Entscheidung 7 Ob 164/06b aufgrund der extremen Einkommensunterschiede ohnehin von der 33%-Regel auszugehen. Im Hinblick darauf, dass die ratio des § 94 Abs 3 Satz 1 ABGB darin liegen dürfte, den einkommenslosen Ehegatten nicht vom Wohlwollen des anderen in der Frage abhängig zu machen, ob und wie viel Geld er ihm tatsächlich zur Verfügung stellt (vgl RV 1653 BlgNR 20 GP [Vermeidung von „entwürdigenden Abhängigkeiten“ des Unterhaltsberechtigten von seinem Partner]; Hopf/ Kathrein § 94 ABGB Anm 16a; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 24, 25 [Drängen des Unterhaltsberechtigten in die Rolle eines „Bittstellers“]), dies aber bei einem unterhaltsberechtigten Ehegatten ohnehin nicht in Betracht kommt, der über eigenes Einkommen verfügt, erscheint es sachgerecht, einen (lediglich) Ergänzungsunterhaltsanspruch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft nicht zu gewähren. Das Argument Schwimann/Kolmaschs (181), das Gesetz differenziere nicht, erscheint nicht zwingend, wenn sich den ErläutRV Anhaltspunkte idS und daher eine entsprechende Absicht des historischen Gesetzgebers entnehmen lassen.
b) Unterhaltsverletzung/Haushaltstrennung
239 Die Umwandlung einer Natural- in eine Geldunterhaltsverpflichtung bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft bedarf der ausdrücklichen Geltendmachung; erst dann könnte von einer Unterhaltsverletzung ausgegangen werden (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 573; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 61); des Weiteren läge auch eine Eheverfehlung vor (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 16a). Allerdings ist eine Unterhaltsverletzung schon dann anzunehmen, wenn bei Naturalunterhaltsleistung der Wert der dem Unterhaltsberechtigten zugekommenen Unterhaltsleistungen unter jenem Betrag liegt, der ihm nach dem Gesetz als Geldunterhalt gebühren würde, wobei unbedeutende Abweichungen vernachlässigt werden können (3 Ob 2101/96h = EF 82.451, 82.442; vgl auch Schwimann/Kolmasch 181). Eine Unterhaltsverletzung liegt also nicht erst dann vor, wenn überhaupt kein Unterhalt, sondern bereits dann, wenn nicht ausreichend Unterhalt geleistet wird. Laufender Geldunterhalt kann aber auch zuerkannt werden, wenn die (an sich ausreichende) Naturalunterhaltsleistung so erbracht wird, dass dies mit der Stellung und der Würde des Unterhaltsberechtigten als gleichberechtigtem Ehepartner 206
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unvereinbar ist (1 Ob 671/77 = EF 28.566; 5 Ob 708/78; 7 Ob 613/95; DeixlerHübner, Scheidung Rz 22; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 16), oder wenn, ohne dass ein Zahlungsrückstand vorläge, der Unterhaltspflichtige dem Begehren mit einem ungerechtfertigten Einwand (etwa Verwirkung [vgl Rz 310 ff]) entgegentritt (9 Ob 13/03g; 1 Ob 14/04x = EF 106.912). Auch eine Haushaltstrennung führt zur Umwandlung einer Natural- in eine 240 Geldunterhaltsverpflichtung (2 Ob 575/77 = EF 30.200; 1 Ob 529/92 = EF 67.662; 1 Ob 173/01z = EF 95.214; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 65). Geldunterhalt ist gem § 1418 ABGB jeweils am Monatsersten fällig (Schwi- 241 mann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 62) und daher im Vorhinein zu leisten. Hat der Unterhaltspflichtige eine der verkehrsüblichen Zahlungs- und Überweisungsarten – auf ein vom Unterhaltsberechtigten unterhaltenes Konto (LGZ Wien EF 110.062) – gewählt und durch Einzahlung des Betrags beim Postamt oder bei einem sonstigen Kreditinstitut am Fälligkeitstag die Zahlung begonnen, wird er dadurch von allen vertraglichen und gesetzlichen Verzugsfolgen unter der Bedingung befreit, dass der geschuldete Geldbetrag in die Hand des Unterhaltsberechtigten gelangt; mit der Einzahlung des Geldbetrags trägt der Unterhaltspflichtige also nur mehr die Gefahr des Verlusts, nicht aber auch die der Verspätung der Geldsendung (3 Ob 86/84 = SZ 57/ 160; 1 Ob 222/99z = EF 90.055; Feil/Holeschofsky § 70 EheG Rz 1; Hopf/ Kathrein § 70 EheG Anm 1). Diese Regelung gilt aber nur, wenn nicht etwas Anderes vereinbart oder vom Unterhaltsberechtigten vorgeschrieben worden ist (LGZ Wien EF 110.062 [eine bestimmte andere Zahlungsart]) und sich der Unterhaltspflichtige noch nicht im Verzug befindet; andernfalls ist der Verzug erst beendet, wenn die geschuldete Leistung bei der vom Unterhaltsberechtigten bezeichneten Bank einlangt. Ob sich dieses Kreditinstitut dann bei der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers mehr oder weniger Zeit lässt, betrifft bereits die Einflusssphäre des Unterhaltsberechtigten und ist daher für die Beendigung der Verzugsfolgen ohne Bedeutung (LG Linz EF 97.235). Bei Gläubigermehrheit (mehrere Unterhaltsgläubiger) steht es dem Schuld- 242 ner frei zu entscheiden, welchen er befriedigen will. Fehlt eine Willenserklärung des Schuldners, so ist eine verhältnismäßige Tilgung vorzunehmen. Dabei ist anzunehmen, dass das vom Unterhaltspflichtigen Geleistete dem nächstliegenden, dringendsten Zweck, also regelmäßig der Deckung des laufenden Unterhalt zugeführt werden muss (3 Ob 292/05w; 4 Ob 20/09h). Verfügt der Unterhaltsberechtigte über einen Titel, kann über seinen Antrag 243 Exekution wegen wiederkehrender Unterhaltsleistungen nach § 291c Abs 1 EO bewilligt werden, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung ein bereits fälliger Anspruch noch ungetilgt aushaftet (3 Ob 229/03b). 207
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c) Naturalunterhaltsleistungen
244 Eine Unterhaltsleistung kann auch in der Form erfolgen, dass der Unterhaltspflichtige die Unterhaltsbeträge nicht unmittelbar dem Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stellt, sondern diese dazu verwendet, den Unterhaltsberechtigten belastende Verbindlichkeiten abzudecken; in diesem Fall nimmt die vereinfachte Zahlungsweise, die Umwegsüberweisungen verhindert, der Zahlung nicht den Charakter einer Unterhaltsleistung (10 ObS 190/90 = JBl 1991, 56; 1 Ob 173/01z = EF 95.194). Eine Naturalunterhaltsleistung kann aber auch darin liegen, dass der Unterhaltspflichtige eine (Sach-)Leistung mit Unterhaltscharakter erbringt (3 Ob 2101/96h = EF 82.452; 6 Ob 22/02g = EF 99.107), wodurch der Unterhaltsbedarf in einem Maß und in einer Art gedeckt wird, dass der Unterhaltsberechtigte zur Bestreitung seines vollständigen Unterhalts nur noch eines geringeren Geldbetrags bedarf (7 Ob 550/95 = EF 76.680; 2 Ob 354/99v). Unterhaltscharakter haben Naturalunterhaltsleistungen idR dann, wenn sie die angemessenen Lebensbedürfnisse (1 Ob 237/99 f = EF 88.872) des Unterhaltsberechtigten (teilweise) befriedigen, und zwar regelmäßig oder zumindest für längere Zeit, nicht jedoch gelegentliche Zuwendungen (LGZ Wien EF 92.011, 95.458; Schwimann/Schwimann2 § 140 ABGB Rz 109); diese Einschränkung gilt aber nur für künftigen Unterhalt (Schwimann2, 95; vgl auch LG Salzburg EF 95.460). 245 Der Unterhaltsberechtigte ist nicht verpflichtet, bei bestehender Geldunterhaltsverpflichtung Naturalunterhalt anzunehmen (§ 1413 ABGB; LG Salzburg EF 99.108; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 17; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 27); nimmt er sie jedoch an, kann er später nicht (noch einmal) Geldunterhalt verlangen (vgl Rz 249). 246 Naturalunterhaltsleistungen sind nicht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug zu bringen, sondern vom an sich geschuldeten Unterhaltsbeitrag (7 Ob 529/93 = EvBl 1993/161; 5 Ob 10/99b; 7 Ob 171/99v; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 17a; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 27). Soweit vereinzelt (1 Ob 514/94; 6 Ob 258/01m; 1 Ob 134/09a; LGZ Wien EF 103.146, 110.056) zu Wohnungskosten ausgeführt wurde, die Aufwendungen seien von der aus den beiden Einkommen gebildeten Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen, weil dieser Teil des gemeinsamen Einkommens nicht mehr für andere Zwecke zur Verfügung stehe, ist dies systemwidrig (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 577/4; abl auch Deixler-Hübner, Scheidung Rz 22a; LGZ Wien 45 R 717/03d) und jedenfalls nicht verallgemeinerungsfähig, beruft sich 1 Ob 514/94 doch einerseits zu Unrecht auf 6 Ob 700/90 (= EF 64.352), weil dort ein Abzug gerade vom „ansonsten gebührenden Unterhalt“ vorgenommen worden war, und bestand im konkreten Fall eine Übung der Ehegatten, sich die Wohnungskosten zu teilen; 6 Ob 258/01m wiederum 208
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erachtete diese Vorgangsweise lediglich als „nicht die Rechtslage verkennend“. In weiterer Folge ging der OGH zu 1 Ob 84/04s offensichtlich von einem Wahlrecht des Unterhaltspflichtigen aus (Anrechnung entweder auf Unterhaltsbemessungsgrundlage oder auf Unterhaltsbeitrag), erklärte jedoch zu 9 Ob 64/05k (= FamZ 49/07 [Deixler-Hübner]) ausdrücklich und zutr, der zu 1 Ob 514/94 angewendeten Berechnungsmethode (Abzug der Zahlungen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage) nicht folgen zu wollen. Jüngst (1 Ob 134/09a) verwies der OGH allerdings auf seine Vorentscheidung 1 Ob 237/ 99 f und berücksichtigte die Hälfte der Rückzahlungsraten als Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage; er hat dabei allerdings übersehen, dass diese Vorentscheidung nicht eine Ehewohnung, sondern ein Landhaus (also eine Wertanlage) betraf und daher nicht einschlägig war. Erbringt der Unterhaltspflichtige allerdings nicht Leistungen, die zur Deckung eines Teiles der Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten dienen (also Naturalunterhaltsleistungen), sondern sonstige – nicht unmittelbar diese Lebensbedürfnisse betreffende – Aufwendungen, sind sie bei der Bildung der Unterhaltsbemessungsgrundlage entsprechend zu berücksichtigen, soweit sie auch den Zwecken des Unterhaltsberechtigten dienen bzw ihm zugute kommen (jüngst LG Wels 21 R 126/06p unter Hinweis auf 1 Ob 237/99 f und 10 Ob 34/03b). Dazu könnten etwa Aufwendungen für das Wochenendhaus zählen, das im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten steht (1 Ob 237/99 f = RZ 2000/3). Die Naturalunterhaltsleistungen sind mangels sonstiger Widmung oder Er- 247 kennbarkeit einer abweichenden Zuordnung nach Köpfen gleichmäßig aufzuteilen, wenn sie vom Unterhaltspflichtigen mehreren Personen gegenüber erbracht werden (9 Ob 147/03p = EF 106.906). Da es jedoch nicht zu einer Überalimentierung in einem Teilbereich zu Lasten anderer Teilbereiche kommen darf (vgl 5 Ob 544/91; 7 Ob 535/93 = EF 72.228; 3 Ob 526/93 = EF 72.228; 4 Ob 2084/96s) und außerdem der Unterhaltspflichtige nicht durch Naturalunterhaltsleistungen die Verwendung des Unterhalts steuern können soll, muss dem Unterhaltsberechtigten jedenfalls ein gewisser Anteil an Geldunterhalt verbleiben (vgl dazu ausführlich Rz 260). Der Anrechnung muss, wenn es sich um künftigen Unterhalt handelt (6 Ob 248 22/02g = EF 99.107; idS auch Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 17), eine Vereinbarung zu Grunde liegen, zumindest muss der Unterhaltsberechtigte mit der Leistung von Unterhalt in dieser Weise einverstanden sein (8 Ob 1518/90 = EF 61.741; 1 Ob 173/01z = EF 95.194); dabei kann auch eine schlüssige Einigung erfolgen (6 Ob 700/90 = EF 64.353; 7 Ob 171/99v). Darüber hinaus wird verlangt, es müsse aufgrund eines stabilen Verhaltens des Unterhaltspflichtigen die begründete Annahme bestehen, dass dieser die Naturalunterhaltsleistungen auch künftig erbringen wird (6 Ob 22/02g = EF 209
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99.107; 6 Ob 127/04a = EF 106.905; LGZ Wien 44 R 591/06x [„Leistungsstabilität“]; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 17; Schwimann/Kolmasch 153). Unter diesen Voraussetzungen wird auch die Festsetzung „gemischten Unterhalts“ als zulässig angesehen (1 Ob 519/93). Allerdings steht hier das Einverständnis im Vordergrund; ansonsten ist eine gerichtliche Festsetzung von „gemischtem Unterhalt“ unzulässig (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 40/5; vgl auch 10 Ob 118/97v = EF 83.077). Naturalunterhaltsleistungen können als solche auch nicht gerichtlich eingefordert werden (7 Ob 303/64). 249 Wird hingegen Unterhalt für die Vergangenheit geltend gemacht, kann es auf eine derartige Vereinbarung nicht ankommen (im Übrigen wäre eine solche ohnehin schon anzunehmen, wenn der Unterhaltsberechtigte die Leistungen angenommen hat [vgl Deixler-Hübner, Scheidung Rz 22a]), weil der Unterhaltsberechtigte keinen Anspruch auf Doppelversorgung hat (6 Ob 2362/ 96p = EF 83.186; 6 Ob 230/01v = EF 99.304; aA [Zustimmung des Unterhaltsberechtigten erforderlich] Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 65). Vielmehr ist neben dem Unterhaltscharakter der Leistung und der Bedarfsdeckung zu prüfen, ob es durch die Leistung zu einer ausgewogenen Abdeckung der Bedürfnisse und nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Überalimentation in einem Teilbereich bei gleichzeitiger Kürzung in einem anderen Teilbereich gekommen ist (5 Ob 544/91; 7 Ob 535/93 = EF 72.228; 4 Ob 2084/ 96s; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 30); eine Leistung, die möglicherweise einmal dem Unterhaltsberechtigten zugute kommen wird, kann dabei nicht berücksichtigt werden (7 Ob 626/88 = EF 55.927). Zu prüfen ist weiters, ob der Unterhaltspflichtige die Naturalunterhaltsleistungen auch erbracht hätte, wenn er bereits zur Zeit ihrer Leistung von der ihn rückwirkend treffenden Geldunterhaltsverpflichtung Kenntnis gehabt hätte, wobei im Zweifel eine solche Absicht nicht zu vermuten ist (LG Salzburg EF 92.010; LG Wels EF 107.068). Andernfalls kommt es nicht zu einer Anrechnung, weil dann von einer Schenkung auszugehen ist (etwa Geschenke zu besonderen Anlässen [3 Ob 604/89 = RZ 1990/56]). 250 Konkret anzurechnen sind zunächst einmal Taschen- (vgl 6 Ob 230/01v = EF 99.287) und Wirtschaftsgeld (3 Ob 2101/96h = EF 82.453) insoweit, als der Unterhaltsberechtigte daraus seine persönlichen Bedürfnisse befriedigen kann (LGZ Wien EF 103.143; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 12; Hopf/ Kathrein § 94 ABGB Anm 4, 15; Schwimann/Kolmasch 159; wohl auch Deixler-Hübner, Scheidung Rz 22; vgl auch Rz 296), das Geld also nicht auch für den Unterhalt der Kinder (6 Ob 230/01v = EF 99.315) oder den Unterhaltspflichtigen selbst zu verwenden ist. Des Weiteren anzurechnen sind Aufwendungen für die Ehewohnung (vgl Rz 253 ff) sowie vor allem Leistungen im Gesundheitsbereich wie etwa die von einem unterhaltspflichtigen Beamten, Selbstständigen oder Landwirt für den mitversicherten und unterhaltsberechtigten Ehegatten gegenüber dem Sozialversicherungsträger entrichteten Be210
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handlungsbeiträge (etwa nach § 63 Abs 4 B-KUVG [3 Ob 306/98s = EF 90.350]) sowie Arzt- und Medikamentenkosten (LG Eisenstadt EF 95.421). Zu denken wäre schließlich auch an Ersatzleistungen an einen Sozialhilfeträger (10 ObS 440/89; 10 ObS 2203/96k). Anrechenbar sind auch Prämienzahlungen für Kranken- und Zahnzusatz- 251 versicherungen (LG Salzburg EF 99.112; vgl auch 1 Ob 620/81 = EF 39.757; 3 Ob 19/97h; aA [keine Berücksichtigung] 3 Ob 1030/91 = EF 65.053; 1 Ob 79/98v]; [sie schmälern die Unterhaltsbemessungsgrundlage [1 Ob 237/99 f = EF 88.808]) bzw für (freiwillige) Krankenweiterversicherungen (vgl 7 Ob 517/94; 6 Ob 95/99k = EF 90.349). Diese Versicherungsleistungen dienen nämlich der Vorsorge für den Krankheitsfall und damit der Deckung von Unterhaltsbedürfnissen (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 575/3; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 22a; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 17b). Allerdings gehören nur bei überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen derartige Versicherungen zum Lebensstandard; bei geringen Unterhaltsleistungen muss hingegen verhindert werden, dass durch die Anrechnung der Prämien zu wenig an tatsächlich geleistetem Geldunterhalt verbleibt (2 Ob 89/ 03g; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 51/4). Eine Anrechnung kann außerdem nur dann erfolgen, wenn die von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckten Behandlungskosten medizinisch nicht ausreichen würden (LGZ Wien EF 53.602, EF 103.761; LG Linz EF 103.761). Auch die Übernahme von Kosten des täglichen Lebens kann Naturalunter- 252 haltsleistung sein, also etwa Aufwendungen für Ausbildung (vgl LGZ Wien EF 92.012; LG Eisenstadt EF 99.310), Bekleidung (3 Ob 2101/96h = EF 82.453), Lebensmittel (LGZ Wien EF 95.196), Sportausrüstung (LG Salzburg EF 95.460, 99.312) und Freizeit- (vgl 6 Ob 230/01v = EF 99.287) bzw Urlaubsgestaltung (LGZ Wien EF 103.311), Aufwendungen für die Reparatur eines Kfz des Unterhaltsberechtigten (3 Ob 2101/96h = EF 82.453) bzw die Benützung eines Kfz des Unterhaltspflichtigen durch den Unterhaltsberechtigten (LG Feldkirch ua = EF 99.113) oder für einen Zweitwohnsitz, wenn diesen (jedenfalls auch) der Unterhaltsberechtigte nutzen kann (7 Ob 616/91; 6 Ob 151/97t = EF 85.449; aA [die Aufwendungen schmälern die Unterhaltsbemessungsgrundlage] 1 Ob 237/99 f = RZ 2000/3). Soweit dabei Aufwendungen neben dem Unterhaltsberechtigten auch anderen Personen zugute kommen, sind sie mangels Gegenbeweises nach Köpfen der Begünstigten aufzuteilen (LG Eisenstadt EF 99.318; vgl auch 7 Ob 616/91 = RZ 1992/46; 7 Ob 194/98z). Ehewohnung. Deckt der Unterhaltsberechtigte in der (vormaligen Ehe-) 253 Wohnung sein Wohnbedürfnis tatsächlich (9 Ob 353/98x = EF 88.865; 6 Ob 258/01m = EF 95.203) oder könnte er es dort tatsächlich decken (vgl dazu Rz 261), sind Aufwendungen, die der Unterhaltspflichtige deshalb erbringt, 211
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um die vom Unterhaltsberechtigten benützte Wohnung in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten (1 Ob 2223/96h = EF 82.449; 1 Ob 2223/96k; 2 Ob 259/ 00b; 2 Ob 1/01p = EF 95.201; 1 Ob 71/07h = EF 116.178; 7 Ob 143/08t; 6 Ob 15/08m; 4 Ob 42/10w), grundsätzlich als Naturalunterhaltsleistungen anrechenbar. 254 Zu den anrechenbaren Kosten gehören zunächst einmal die Wohnungsbenützungskosten, das sind nicht nur verbrauchsabhängige Kosten wie etwa Betriebs- (1 Ob 551/91 = EF 65.050; 6 Ob 22/02g = EF 99.118; 1 Ob 134/09a), Warmwasseraufbereitungs- bzw Heizungs- (einschließlich Reparatur und Austausch der notwendigen Geräte [2 Ob 259/00b]), Fernwärme- (2 Ob 39/ 08m), Strom-, Gas- und Telefonkosten (1 Ob 551/91 = EF 65.050; 7 Ob 607/ 94 = EF 76.682; 2 Ob 259/00b; 6 Ob 22/02g = EF 99.118; 1 Ob 134/09a), sondern auch verbrauchsunabhängige Kosten wie etwa Fernseh- und Rundfunkgebühren (1 Ob 684/90; 7 Ob 607/94 = EF 76.682; 2 Ob 259/00b; 1 Ob 134/09a) oder die Wasser- (1 Ob 108/01s = EF 95.205) und Kanalgebühr, Haushalts- (7 Ob 529/93; 1 Ob 123/04a; 6 Ob 5/08s; 6 Ob 15/08m) und sonstige Versicherungen (1 Ob 108/01s; 7 Ob 178/02 f), Gemeindeabgaben (LG Salzburg EF 99.120; vgl auch 1 Ob 108/01s = EF 95.205), Rauchfangkehrerkosten und Steuern (1 Ob 108/01s = EF 95.205; 7 Ob 178/02 f) oder auch Rücklagenbildungen (3 Ob 2101/96h = EF 82.444; 1 Ob 108/01s = EF 95.205). Verbrauchsabhängige Wohnungsbenützungskosten sind regelmäßig nach der „Kopfteilregelung“ (7 Ob 529/93; 7 Ob 171/99v; 6 Ob 22/02g = EF 99.118, 99.121; 2 Ob 89/03g) auf alle die Wohnung benützenden – und mit dem Unterhaltspflichtigen in einem unterhaltsrechtlichen Verhältnis stehenden (6 Ob 5/08s; 6 Ob 15/08m; LG Salzburg EF 103.357; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 44/2) – Personen idR gleichmäßig (es sei denn aufgrund des unterschiedlichen Lebensalters differiert der Verbrauch erheblich [vgl 8 Ob 552/ 92; 3 Ob 2101/96h]) aufzuteilen und in diesem Ausmaß anzurechnen. Handelt es sich jedoch um verbrauchsunabhängige (fixe) Kosten (8 Ob 595/93 = EF 70.598) oder wohnt der Unterhaltspflichtige selbst ebenfalls (nicht nur fallweise [6 Ob 194/98t = EF 85.868]) noch in der Wohnung (7 Ob 616/91 = EF 64.898; 2 Ob 1/01p = EF 95.207), ist auch sein Kopfteil mitzuzählen. 255 Anrechenbar sind auch die (echten) Wohnkosten, die vom Unterhaltspflichtigen getragen werden, also Beschaffungskosten wie Darlehensrückzahlungen (6 Ob 18/98k ua = EF 85.869; 7 Ob 171/99v; 6 Ob 258/01m = EF 95.202; 6 Ob 22/02g = EF 99.116; 9 Ob 49/04b = EF 106.907; 6 Ob 5/08s; 7 Ob 143/ 08t; 6 Ob 15/08m; 2 Ob 39/08m), Prämien für Ablebensversicherungen, die der Besicherung der Beschaffungskredite dienen, und Prämien für Erlebensversicherungen, die der Tilgung endfälliger Beschaffungskredite dienen (6 Ob 5/08s; 6 Ob 15/08m; 2 Ob 224/08t = EF-Z 2009/141 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/08t [Neumayr] = Zak 2009/594 [Kolmasch]), bzw Mietzinszahlungen (6 Ob 5/08s). 212
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Es muss sich aber um eine den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten und der bei ihm verbliebenen Familie entsprechende Wohnung handeln (7 Ob 171/99v). Wird hingegen etwa eine luxuriöse Wohnung beibehalten und dadurch der gesamte oder überwiegende Geldunterhaltsanspruch durch die Anrechnung aufgezehrt, können die geleisteten Zahlungen nur angemessen angerechnet werden (vgl 7 Ob 550/95 = EF 76.680; 2 Ob 354/99v; 6 Ob 258/01m = EF 95.210). Dass dies den Unterhaltspflichtigen einseitig belastet (einerseits hat er hohe Kosten für eine nicht angemessene Wohnung zu tragen, andererseits kann er sich nur einen geringeren Betrag anrechnen lassen, als er dafür aufzuwenden hat), erscheint zwar unbillig, ist aber regelmäßig aufgrund faktischer Gegebenheiten nicht zu ändern (ein rascher Wohnungswechsel wird idR nicht möglich sein bzw nur unter Aufwendung erheblicher Kosten, wodurch er wirtschaftlich völlig unsinnig würde). Im Hinblick auf § 97 ABGB könnte der Unterhaltspflichtige dem anderen Ehegatten zwar eine angemessene Ersatzwohnung zur Verfügung stellen und dann die bisherige Ehewohnung aufgeben; hat er aber selbst die Trennung herbeigeführt und daher gegen den Einvernehmensgrundsatz des § 91 ABGB verstoßen, wird dem anderen Ehegatten der Umzug nicht zumutbar sein. Lediglich im Fall der wirtschaftlichen Unmöglichkeit des Unterhaltspflichtigen, die Wohnung weiter zu erhalten, könnte eine Änderung der Wohnverhältnisse möglich sein. Bei ausbezahlten Wohnungen wird die Anrechnung eines fiktiven Mietent- 256 gelts für den dem Unterhaltspflichtigen gehörigen Teil zwar abgelehnt (8 Ob 595/93 = EF 70.597; 1 Ob 570/95 = EF 78.710; 1 Ob 237/99 f = EF 91.235; 6 Ob 22/02g = EF 99.117; 1 Ob 159/03v; 1 Ob 71/07h = EF 116.180; zutr aA 4 Ob 510/94 = EF 76.221 und nunmehr auch 4 Ob 142/06w), jedoch eine Wohnkostenersparnis auf Seiten des Unterhaltsberechtigten mit der Begründung berücksichtigt, dass zum Unterhalt auch das Wohnen gehört, der Unterhaltsberechtigte jedoch für seine Wohnversorgung tatsächlich nicht aufzukommen hat (7 Ob 178/02 f = EF 100.948; 1 Ob 71/07h = EF 116.178; 4 Ob 31/09a; 4 Ob 42/10w; Deixler-Hübner, ecolex 2001, 112; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 33). Diese Ersparnis ist vom Unterhaltspflichtigen zu behaupten und zu beweisen (LGZ Wien EF 104.930). Der OGH hat in vereinzelten Entscheidungen (insb zum Kindesunterhalt) 257 ausgeführt, aus dem bloßen Miteigentum der Eltern allein lasse sich noch kein Anspruch auf Anrechnung eines fiktiven Mietzinses als Naturalunterhalt ableiten; es müsse nämlich jedenfalls geklärt werden, ob der Unterhaltspflichtige tatsächlich Leistungen zur Anschaffung der Ehewohnung erbracht hatte oder ob diese Leistungen nicht allenfalls von dem die Kinder betreuenden Ehegatten stammten (2 Ob 169/05z; 1 Ob 71/07h; 2 Ob 224/08t = EF-Z 2009/141 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/08t [Neumayr] = Zak 2009/594 [Kolmasch]). Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass es tatsächlich ja um die Verringerung der Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten (Kinder und Ehegat213
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Gitschthaler
ten) geht und diese unabhängig von der Frage ist, ob die Wohnung gemietet, ausbezahlt oder nicht ausbezahlt ist (Gitschthaler, EF-Z 2009, 222 [Entscheidungsanmerkung]; Neumayr, iFamZ 2009, 345 [Entscheidungsanmerkung]; vgl dazu auch Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 53a/6). Diesem in der L vertretenen Standpunkt hat sich nunmehr der OGH unter Ablehnung der ggt Meinung ausdrücklich angeschlossen (4 Ob 42/10w [Ehegattenunterhalt]; 2 Ob 246/09d). Bloßes Miteigentum des Unterhaltspflichtigen an der Ehewohnung verschafft ihm jedoch dann noch keinen Anspruch auf Anrechnung etwa fiktiver Mietkosten, wenn der andere Ehegatte die alleinige Rückzahlung des gemeinsam aufgenommenen Darlehens übernommen hat (2 Ob 39/08m iFamZ 2009/ 7); hier werden ja wirtschaftlich gesehen Rückzahlungsraten und Mietzinsanspruch kompensiert. Voraussetzung für eine Anrechnung sämtlicher Wohnungs-/Hauskostenzahlungen durch den Unterhaltspflichtigen auf den Unterhaltsanspruch ist nämlich (auch) ein positiver Saldo zu seinen Gunsten, wenn auch der Unterhaltsberechtigte Zahlungen leistet (2 Ob 180/05t ua = EF 110.058). 258 Das Ausmaß der Anrechnung richtet sich bei den (fiktiven) Mietkosten bzw Mietzinszahlungen grundsätzlich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls (7 Ob 194/98z = EF 88.326; 4 Ob 41/05s; 7 Ob 95/05d; 6 Ob 5/08s; 7 Ob 143/08t; 2 Ob 39/08m); die (alleinige) Wohnungsbenützung durch den Unterhaltsberechtigten ist grundsätzlich insoweit zu berücksichtigen, als dieser einen wirtschaftlichen Vorteil durch die ihm ersparte periodische Auslage eines sonst auf dem Wohnungsmarkt für seine seinen Bedürfnissen und Lebensverhältnissen entsprechende Wohnung zu entrichtenden Entgelts hat (7 Ob 178/ 02 f; LG Salzburg EF 116.179). Grundsätzlich ist aber (auch) bei der Anrechnung von (fiktiven) Mietkosten und Mietzinszahlungen von der Kopfteilregel (wie bei den Wohnungsbenützungskosten) auszugehen (vgl Rz 254). Die Höhe des fiktiven Mietwerts der Wohnung muss nicht immer durch Sachverständigengutachten festgestellt werden; im Einzelfall kommt auch eine Ermittlung unter Anwendung des § 273 ZPO in Betracht (2 Ob 246/09d). 259 Darlehensrückzahlungen waren nach bisherigem Verständnis grundsätzlich im Verhältnis 1 : 1 zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem unterhaltsberechtigten Ehegatten aufzuteilen, weil durch die Rückzahlungen Vermögen gebildet und dieses im Aufteilungsverfahren berücksichtigt werde (1 Ob 501/ 93 = EF 73.167; 1 Ob 514/94 = EF 73.800; 7 Ob 171/99v; 6 Ob 5/08s; 6 Ob 15/08m). Dabei hat der OGH außerdem die Auffassung vertreten, dass bei Tragung der gesamten Kosten des Haushalts durch den Unterhaltspflichtigen vor seinem Verlassen der Ehewohnung auf diese bisherige Übung der (Natural-)Unterhaltsgewährung zurückgegriffen werden könne, wenn die Verweigerung zusätzlichen Geldunterhalts zur Gefährdung der Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten führen würde, weil diesem keinerlei finanzielle 214
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Mittel für wesentliche Grundbedürfnisse (Nahrung, Bekleidung, Energieversorgung udgl) zur Verfügung stünden; in diesem Fall solle der beim Unterhaltsberechtigten eintretende Vermögenszuwachs durch die Verminderung der Belastung seines Eigentums erst im nachehelichen Aufteilungsverfahren berücksichtigt werden (9 Ob 49/04b = EF 106.907). Im Hinblick auf die „Kürzungsdeckelung“ (Rz 260; diese Problematik liegt ja auch der Entscheidung 9 Ob 49/04b zugrunde) und vor allem unter Berücksichtigung des Umstands, dass eine unterschiedliche Behandlung von Mietzinszahlungen und Darlehensrückzahlungen nicht ganz einsichtig ist, sind entgegen bisheriger Rsp vom Unterhaltspflichtigen geleistete Rückzahlungen für eine noch nicht ausbezahlte (Ehe)eigentumswohnung nicht grundsätzlich im Verhältnis von 1 : 1 zwischen den Ehegatten anzurechnen, sondern ist auch hier auf den fiktiven Mietwert der Wohnung (wie bei ausbezahlten Wohnungen) abzustellen. Die Differenzierung der Rsp beruht nämlich darauf, dass bei Mietwohnungen und ausbezahlten Eigentumswohnungen argumentativ die Wohnkostenersparnis des Unterhaltsberechtigten im Vordergrund steht, bei nicht ausbezahlten Wohnungen hingegen der Umstand der Vermögensverschaffung. Die Mietwohnung und die ausbezahlte Eigentumswohnung haben keine vermögensrechtliche Komponente, die (durch die Rückzahlungen) laufend in ihrem Wert steigende noch nicht ausbezahlte Eigentumswohnung aber schon. Die Differenzierung lässt sich außerdem historisch erklären: Die ältere Rsp stand einer Anrechnung von Wohnungskosten äußerst skeptisch gegenüber. Bei den Kindern argumentierte man mit § 97 ABGB und dem Grundsatz, dass die bei einem Elternteil lebenden Kinder von diesem ihr Wohnrecht ableiten würden; bei fiktiven Mietkosten wurde auf das „familienrechtliche“ Verhältnis hingewiesen, das einer derartigen Berücksichtigung entgegenstehen würde. Lediglich tatsächliche Zahlungen, also Mietzinszahlungen und eben Darlehensrückzahlungen, berücksichtigte man, und zwar im Verhältnis 1 : 1; hinsichtlich letzterer konnte man sich außerdem darauf stützen, dass diese ja ohnehin – aus der Sicht des Unterhaltsberechtigten – wieder im Aufteilungsverfahren „hereinkommen“ würden. Durch die Betonung des Wohnversorgungsaspekts „überholte“ dann gleichsam die Wohnkostenjudikatur, bei den Darlehensrückzahlungen blieb man auf Linie. Allerdings ist auch hier der Versorgungsaspekt allein maßgeblich. Neben einer Vereinheitlichung des Systems der Wohnkostenjudikatur spricht aber auch die dadurch mögliche Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten für ein Abgehen von der bisherigen Rsp bei Anrechnung von Darlehensrückzahlungen: Der OGH hatte sich nämlich bereits zu 1 Ob 155/08p mit Zahlungen für die Wohnung an der Schnittstelle Unterhalt – Aufteilung zu beschäftigen. Er wies dabei zu Recht darauf hin, dass derartige Zahlungen nicht doppelt (zugunsten des Leistenden) berücksichtigt werden können. Wie die Zahlungen allerdings im Einzelfall auseinander gehalten werden können, erscheint fraglich, abgesehen davon, dass auch nicht ganz klar ist, wie aufgrund von Angemessenheitsüberlegungen 215
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nur gedeckelt angerechnete Rückzahlungen in dieses System eingefügt werden können. Weiters ist nicht erklärlich, warum das Anrechnungssystem mit Begleichung der letzten Rückzahlungsrate durch den Unterhaltspflichtigen plötzlich von Grund auf wechseln sollte? Und schließlich unterscheidet die jüngere Rsp im Kindesunterhaltsrecht ja auch nicht zwischen ausbezahlten und nicht ausbezahlten Eigentumswohnungen (vgl Rz 264). Der OGH hat daher jüngst völlig zutr ausgesprochen, dass auch bei Überlassung einer noch nicht ausbezahlten Wohnung der Unterhaltsberechtigte sich (anteilig) den fiktiven Mietwert der Wohnung und nicht die Darlehensrückzahlungen anrechnen lassen muss (2 Ob 246/09d). 260 Bei der Anrechnung immer zu beachten ist, dass der dem Unterhaltsberechtigten zukommende restliche Geldunterhalt (noch) geeignet ist, seine sonstigen Unterhaltsbedürfnisse angemessen zu befriedigen („Kürzungsdeckelung“; 7 Ob 191/05x; 4 Ob 55/07b; 6 Ob 5/08s; 7 Ob 143/08t; 2 Ob 224/08t = EF-Z 2009/141 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/08t [Neumayr] = Zak 2009/594 [Kolmasch]; 4 Ob 42/10w; 2 Ob 246/09d). Dabei ist zwar nach der Rsp eine generelle Aussage nicht möglich, wo diese Angemessenheitsgrenze konkret liegt, dh in welchem Ausmaß der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhalt also jedenfalls in Geld erhalten muss (vgl insb 2 Ob 230/00p; EF 97.273); für durchschnittliche Verhältnisse erscheint jedoch die Annahme einer Belastung der Haushaltsausgaben mit Wohnversorgungskosten von etwa 25% durchaus plausibel (4 Ob 42/10w; LG Wels EF 122.627); bei einer Geldunterhaltsminderung um mehr als ¼ muss daher jedenfalls geprüft werden, ob der Restunterhalt noch zur angemessenen Deckung der Restbedürfnisse ausreicht (4 Ob 42/10w). 261 Hat der Unterhaltsberechtigte die Wohnung verlassen, sollen Mietzinszahlungen – die Unterhaltsbedürfnisse würden durch sie nicht verringert (LGZ Wien 44 R 591/06x) – und Wohnungsbenützungskosten grundsätzlich nicht mehr anrechenbar sein (7 Ob 529/93 = EvBl 1993/161 = EF 70.581). Dies ist aber nur richtig, wenn der Unterhaltsberechtigte die Ehewohnung aus gerechtfertigten Gründen (etwa aufgrund von Beschimpfungen, Drohungen und Misshandlungen [§ 92 ABGB]) verlassen hat (so auch 3 Ob 2101/96h = EF 82.448; 6 Ob 15/08m; 8 Ob 24/09a; vgl auch 7 Ob 143/08t [zu Darlehensrückzahlungen]); in diesem Fall ist es dann aber auch ohne Bedeutung, in welchem Ausmaß der weiterhin in der Ehewohnung wohnende Ehegatte diese zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses tatsächlich benötigt (3 Ob 2101/96h = EF 82.448). Hat der Unterhaltsberechtigte hingegen die Wohnung ohne Rechtfertigung verlassen, erschiene es sachlich nicht gerechtfertigt, den zurückgebliebenen unterhaltspflichtigen Ehegatten nunmehr mit den gesamten Wohnungskosten allein zu belasten (vgl auch 6 Ob 15/08m), auch wenn dieser infolge des Auszugs des Unterhaltsberechtigten tatsächlich keinen Naturalunterhalt durch Zurverfügungstellen der Wohnung leistet. 216
Ehegattenunterhaltsrecht – Unterhaltshöhe
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Darlehensrückzahlungen des Unterhaltspflichten sind im Hinblick auf die jüngere Rsp (vgl Rz 259) als solche ohnehin nicht anrechenbar; sie können daher auch nicht die Unterhaltsbemessungsgrundlage schmälern (aA 7 Ob 624/ 94 = EF 73.822). Ihre Berücksichtigung findet im Aufteilungsverfahren statt. Hat der Unterhaltspflichtige die Wohnung verlassen – allenfalls aufgrund 262 einer Wegweisung (2 Ob 39/08m; 4 Ob 42/10w; 2 Ob 246/09d; LGZ Wien EF 110.055) –, sind die von ihm getragenen (fixen [8 Ob 595/93 = EF 70.598]) Wohnungskosten, Mietzinszahlungen (2 Ob 354/99v; 2 Ob 1/01p = EF 95.208) und fiktives Mietentgelt (4 Ob 42/10w) gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nur zur Hälfte anrechenbar, es sei denn ein Weiterverbleib in der Wohnung war ihm aus in der Person des Unterhaltsberechtigten liegenden Gründen nicht zumutbar (§ 92 EheG; 2 Ob 180/05t = EF 110.054; 7 Ob 95/05d; 7 Ob 197/06 f; 6 Ob 5/08s; 6 Ob 15/08m; 4 Ob 42/10w) oder er hat mit dem Unterhaltsberechtigten einen entsprechende Vereinbarung getroffen (6 Ob 5/08s); für diese Ausnahmetatbestände ist der Unterhaltspflichtige beweispflichtig (9 Ob 49/04b; 3 Ob 188/07d; 6 Ob 5/08s; 4 Ob 42/10w). Diese Grundsätze gelten auch für verbrauchsunabhängige Wohnungsbenützungskosten. Darlehensrückzahlungen waren nach früherer Rsp nur zu einem Viertel – und nicht mehr zur Hälfte – anrechenbar sein (9 Ob 49/04b); dies erscheint im Hinblick auf die jüngere Rsp zur Anrechnung von Darlehensrückzahlungen überholt (vgl dazu Rz 259). Bei der Anrechnung verbrauchsabhängiger Wohnungsbenützungskosten ist der Kopfteil des Unterhaltspflichtigen nicht (mehr) zu berücksichtigen. In all diesen Fällen 258–262 wurden nach älterer Rsp (1 Ob 812/82 = EF 263 40.128; 8 Ob 162/00g; 2 Ob 1/01p; 6 Ob 22/02g = EF 99.116, 99.118) beim Ausmaß der Anrechnung von Wohnungskosten iwS die unterhaltsberechtigten Kinder mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass diese ihr Wohnrecht vom betreuenden Elternteil ableiten und die Leistungen des Unterhaltspflichtigen ausschließlich das familienrechtliche Verhältnis zwischen diesem und dem unterhaltsberechtigten Ehegatten betreffen würden (vgl etwa auch 1 Ob 212/03p [dem Unterhaltspflichtigen kommt nicht einmal das Recht zu, ein selbsterhaltungsfähiges Kind, das mit dem Unterhaltsberechtigten in der ehemaligen Ehewohnung lebt, auf Räumung zu klagen]). Zutr berücksichtigt die jüngere Rsp (7 Ob 52/03b; 1 Ob 159/03v; 1 Ob 123/04a = EF 106.910; 4 Ob 41/05s = JBl 2005, 782; 4 Ob 142/06w; 6 Ob 5/ 08s; 2 Ob 246/09d) jedoch auch bei Kindern deren Wohnkostenersparnis und rechnet die vom Unterhaltspflichtigen bezahlte Miete oder einen angemessenen Mietwert der zur Verfügung gestellten Wohnung auf deren Unterhaltsansprüche an (ebenso Schwimann2, 97; Schwimann/Kolmasch 137; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 56; Deixler-Hübner, ecolex 2001, 110; aA Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 18). 217
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264 An sich müsste die auch die Kinder anteilsmäßig erfassende Anrechnung von Naturalunterhalt auch für jene Fälle gelten, in denen Darlehensrückzahlungen geleistet werden, weil es ja auch hier zu einer Wohnkostenersparnis der Kinder kommt. Andererseits schaffen die Eltern durch Schuldentilgung Vermögen, das bei Berücksichtigung der Wohnkostenersparnis letztlich zum Teil von den Kindern gebildet würde, was eher dafür sprechen würde, Darlehensrückzahlungen lediglich im Verhältnis der Ehegatten als Naturalunterhaltsleistung zu berücksichtigen (idS wohl auch 7 Ob 191/05x; 8 Ob 127/06v). Der OGH hat diese Frage nun dahin geklärt, dass sich die Kinder die Hälfte des fiktiven Mietwerts der Wohnung anrechnen lassen müssen, weil ihre Wohnkostenersparnis wirtschaftlich betrachtet ja von beiden Elternteilen finanziert wird (6 Ob 5/08s; idS auch 1 Ob 159/03v; 4 Ob 142/06w; 2 Ob 224/ 08t = EF-Z 2009/141 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/08t [Neumayr] = Zak 2009/594 [Kolmasch]). 265 Keine anrechenbaren Naturalunterhaltsleistungen sind Prämienzahlungen für Unfall- (LG Salzburg EF 99.114), Lebens- (7 Ob 626/88 = EF 55.927; LG Salzburg EF 99.112) und Pensionsversicherungen (8 Ob 595/93 = EF 70.599), es sei denn diese sind für die Aufrechterhaltung der entsprechenden Lebensumstände notwendig und in diesem Ausmaß auch üblich (7 Ob 626/88 = EF 55.927), Zahlungen zur Vermögensbildung (Sparbuch [8 Ob 1661/93 = EF 73.897], Bausparvertrag [8 Ob 94/97z; 3 Ob 89/97b = JBl 1997, 647]) und (mangels Unterhaltscharakters) Schuldentilgungen (vgl [mit anderer Begründung] 1 Ob 173/01z = EF 95.194, 95.195; zu Schulden iZm der Ehewohnung vgl allerdings Rz 259). 266 Im Falle der Anrechnung von Naturalunterhaltsleistungen steht dem Unterhaltsberechtigten nur mehr ein Ergänzungsanspruch zu (LG Salzburg ua = EF 99.109; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 27), und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Erstbemessung handelt oder ob die Naturalunterhaltsleistungen in der Vergangenheit die ursprünglich titulierte Unterhaltspflicht überstiegen (6 Ob 230/01v = EF 99.304). Dabei kommt zwar eine Aufrechnung allfälliger während des einen Zeitraums getätigter (etwa infolge Erwerbslosigkeit überhöhter) Unterhaltsleistungen gegen laufende Unterhaltsforderungen nicht in Betracht (LG Salzburg EF 103.339; vgl auch LGZ Wien EF 95.197, 103.339), und sind Naturalunterhaltsleistungen auch nicht aus einem längeren Zeitraum zu berücksichtigen, muss dem Unterhaltsberechtigten doch in jedem Monat der ihm nach dem Gesetz gebührende Unterhalt zur Verfügung stehen, es sei denn er kann aus früheren Unterhaltsleistungen noch Nutzen ziehen (3 Ob 2101/96h = EF 82.453). Bei einer rückwirkenden Unterhaltsfestsetzung sind aber die gesamten (Geld-)Unterhaltsansprüche bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz zu saldieren und ihnen der Gesamtwert der in diesem Zeitraum erbrachten Naturalunterhaltsleistungen gegenüber zu stellen; der Saldo daraus ist (ein218
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schließlich Verzugszinsen [vgl Rz 22]) binnen 14 Tagen zuzusprechen (LG Salzburg EF 100.167, 100.168; ebenso Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 53; vgl mit letztlich gleichem Ergebnis 7 Ob 616/91; 1 Ob 684/90). Bei Berücksichtigung von Naturalunterhaltsleistungen bei künftigem Unterhalt ist hingegen auszusprechen, dass auf die betraglich festgelegte Unterhaltsverpflichtung bestimmte – im Spruch ausdrücklich erwähnte – Leistungen des Unterhaltspflichtigen angerechnet werden können; diese Leistungen sind konkret zu beschreiben und der derzeit aktuelle Betrag auszuwerfen (LG Salzburg EF 100.167).
5. Unterhaltsvereinbarungen
Die Ehegatten können, und zwar (auch) für den Fall der Aufhebung des ge- 267 meinsamen Haushalts (6 Ob 722/77 ua = EF 28.599; 1 Ob 663/80 = EF 35.242), Unterhaltsvereinbarungen treffen, die die dispositive Regelung des § 94 ABGB verdrängen (8 Ob 511/80 = EF 35.163; 6 Ob 675/81 = EF 37.566; 2 Ob 190/99a = EF 88.892; 7 Ob 171/99v; 4 Ob 31/09a). Derartige Vereinbarungen können – auch vor der Eheschließung (Deixler-Hübner, Ehevertrag 46; vgl auch § 80 EheG Rz 1) – sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich (formfrei [2 Ob 230/35 = SZ 17/59; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 4; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 47; Deixler-Hübner, Ehevertrag 46]), ja sogar schlüssig geschlossen werden. Letzteres setzt aber nach § 863 ABGB einen derart eindeutigen Aussagewert des Parteienverhaltens und der sonstigen Umstände voraus, dass eine andere Auslegung vernünftigerweise nicht in Betracht kommt. Bleiben Zweifel, ist auf den gesetzlichen Unterhalt zurückzugreifen (7 Ob 619/77 = EF 28.603; 2 Ob 190/99a = EF 88.893; 7 Ob 171/99v; 4 Ob 31/09a; vgl auch Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 47). Ansonsten kann aber etwa auch durch vorbehaltlose Zahlung einer Mehrforderung durch den Unterhaltspflichtigen konkludent eine Unterhaltserhöhung vereinbart werden (LG Salzburg 21 R 483/06k) bzw umgekehrt eine Unterhaltsherabsetzung. Der Umstand, dass der Unterhalt der Höhe nach durch Vereinbarung festge- 268 setzt wurde, ändert nichts an seiner Natur als gesetzlichem Unterhaltsanspruch (1 Ob 167/68 = EF 10.552; 5 Ob 31/73; 1 Ob 699/85), und zwar jedenfalls so lange nicht, als sich die Vereinbarung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bewegt (6 Ob 776/78 ua = EF 34.443; 3 Ob 5/94 = SZ 67/47; Oberhammer/Angst § 290a EO Rz 10; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 883/ 2; Schwimann/Kolmasch 183); dann ist die Vereinbarung auch nicht unentgeltlich (2 Ob 517/58; vgl auch Rz 269). Andernfalls wird durch die Vereinbarung ein rein vertraglicher Unterhaltsanspruch unabhängig vom Bestehen eines gesetzlichen begründet; dies etwa auch dann, wenn sich ein Ehegatte in Kenntnis von Unterhaltsverwirkungstatbeständen zu Unterhaltsleistungen verpflichtet (LG Salzburg EF 219
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95.304; LGZ Wien EF 103.228). Notariatsaktspflicht gem § 1 Abs 1 lit d NotAktsG wird allerdings auch in diesen Fällen nicht anzunehmen sein (1 Ob 95/10t), weil bei aufrechter Ehe völlige Unentgeltlichkeit der Vereinbarung (vgl Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 4) kaum denkbar sein wird. 269 Unterhaltsvereinbarungen sind – im Hinblick auf ihren beschränkten wirtschaftlichen Zweck (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 47) – grundsätzlich keine Ehepakte (vgl auch 3 Ob 648/37 = SZ 19/246), sofern sie bereits bestehende – wenn auch noch so weit gesteckte – gesetzliche Unterhaltspflichten ziffernmäßig festlegen (6 Ob 296/63; 5 Ob 629/88; M.Bydlinski/Rummel § 1217 ABGB Rz 2 [Regelung von gesetzlichem Unterhalt im weiten Rahmen]; vgl auch 1 Ob 277/67 = EF 8834 [sonstige Unterhaltsregelung]), und zwar auch dann nicht, wenn eine Vereinbarung über die Gewährung von Unterhaltsleistungen für den Fall der Auflösung der künftigen Ehe getroffen wird (3 Ob 648/37 = SZ 19/246; VwGH AnwBl 1996, 867 = EF 81.439). Sie bedürfen daher nicht eines (für Ehepakte ansonst erforderlichen [§ 1 Abs 1 lit a NotAktsG]) Notariatsakts (vgl auch 3 Ob 274/57; 7 Ob 205/68 = SZ 41/149; 4 Ob 31/09a). Dies gilt auch für einen Verzicht auf die Umstandsklausel im Unterhaltsvergleich; auch er ist formfrei (8 Ob 603/91), desgl ein Unterhaltsverzicht (vgl Rz 298 ff). 270 Auch eine während aufrechter Ehe geschlossene Vereinbarung unterliegt der Umstandsklausel (vgl Rz 274 ff). Im Übrigen unterliegen die Ehegatten in ihrer Disposition einerseits den Grenzen des § 94 Abs 3 ABGB (Anspruchsverzichtsverbot; 8 Ob 511/80 = EF 35.163; 8 Ob 512/80 = EF 35.163; 7 Ob 171/99v; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 18; vgl dazu auch Rz 299) und andererseits dem Sittenwidrigkeitsvorbehalt. Gem § 879 Abs 1 ABGB ist eine Vereinbarung sittenwidrig, wenn Unterhalt in einer Höhe vereinbart wird, der zu einem krassen (unbilligen) Missverhältnis zwischen den Gesamteinnahmen des Unterhaltsberechtigten (also Einkommen und Unterhalt) und dem verbleibenden Einkommensrest des Unterhaltspflichtigen führt (vgl Schwimann/Kolmasch 183) oder sie dem Unterhaltspflichtigen geradezu die Existenzgrundlage entzieht (4 Ob 602/73 = EvBl 1974/137; LGZ Wien EF 41.312; LG Salzburg EF 95.296; Schwimann/Kolmasch 183; Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 7; vgl auch Rz 301). 271 Zum umgekehrten Fall, in dem ein (wirtschaftlich) starker Ehegatte dem anderen einen für diesen nachteiligen teilweisen Unterhaltsverzicht aufdrängt, schlägt Rabl (ÖJZ 2000, 595) eine Prüfung im Einzelfall dahingehend vor, ob die konkrete Unterhaltsvereinbarung zwischen den Ehegatten unter Bedachtnahme auf ihre Lebensumstände noch als legitimer Ausdruck ihres Rechtes anzusehen ist, die eheliche Gemeinschaft nach ihren Bedürfnissen zu gestalten, oder ob die Vereinbarung nicht ausnahmsweise so weit geht, dass die wechselseitige Beistandspflicht als Teil des nicht dispositiven Kerns der Ehe negiert 220
Ehegattenunterhaltsrecht – Änderung der Verhältnisse
§ 94 ABGB
wird; ein teilweiser Verzicht bei aufrechter Lebensgemeinschaft soll unwirksam sein, wenn zwischen den Ehegatten ein krasses Missverhältnis zwischen ihren Unterhaltsmitteln entsteht. Abgesehen davon, dass dieser Vorschlag zu erheblichen Abgrenzungsproblemen zum Grundsatz der Ehegattenautonomie führt, erscheint er aber doch iS von Billigkeitsüberlegungen durchaus verfolgenswert (zum Unterhaltsverzicht vgl auch Rz 298 ff). Maßgeblich ist jedenfalls, ob ein Teil gröblich benachteiligt wird, etwa durch grob unausgewogene Differenzierungen der Rechtspositionen; das Gebot der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung kennt die österreichische Privatrechtsordnung hingegen nicht (LGZ Wien EF 100.966). Sittenwidrig ist eine Vereinbarung, die lediglich zum Nachteil eines Dritten 272 abgeschlossen wird, also etwa zur Erlangung eines Pensionsanspruchs des Unterhaltsberechtigten (vgl 3 Ob 7/95 = EF 78.451; Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 7). Nichtigkeit ist zwar nur auf Einwendung hin wahrzunehmen, es reicht aber 273 das Bestreiten einer aus einer derartigen Vereinbarung abgeleiteten Verpflichtung (LG Salzburg EF 95.297).
E. Änderung der Verhältnisse 1. Umstandsklausel
Geldunterhalt ist grundsätzlich (vgl die Ausnahmen nach §§ 68, 68a EheG) 274 ohne zeitliche Beschränkung zuzusprechen (1 Ob 538/83 = EF 42.649). Jeder Unterhaltsverpflichtung wohnt aber (zumindest stillschweigend) die Umstandsklausel (clausula rebus sic stantibus) als eine im redlichen Verkehr geltende Gewohnheit inne (1 Ob 646/78 = EF 31.726; 6 Ob 587/93 = EF 72.346; 3 Ob 331/99v; 6 Ob 46/03p), sodass eine Änderung der Verhältnisse zu einer Unterhaltsneufestsetzung führen kann. Die materielle Rechtskraft eines Urteils hält also erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetretenen Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhalts nicht stand (1 Ob 8/75; 1 Ob 592/82 = SZ 55/54; 6 Ob 653/93 = EF 73.833), was auch für einen – während aufrechter Ehe durchaus zulässigen (vgl Rz 267) – Unterhaltsvergleich gilt (8 Ob 543/77 = EF 29.634; 6 Ob 18/99m = EF 90.400; 4 Ob 42/01g = JBl 2001, 645). Eine nachträgliche Sachverhaltsänderung rechtfertigt eine Neubemessung, so- 275 fern die Umstandsklausel nicht (zulässigerweise; vgl dazu Rz 279 ff) ausgeschlossen worden ist (1 Ob 217/75 = SZ 48/113; 4 Ob 528/91), und ermöglicht eine Klage auf Erhöhung oder Herabsetzung des zugesprochenen oder ver221
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Gitschthaler
glichenen Unterhalts, woran selbst die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel nichts zu ändern vermag (vgl 1 Ob 690/90 = RZ 1991/72; 1 Ob 109/ 00m = EF 96.295; 3 Ob 64/03p). Grundvoraussetzung ist zwar, dass es sich um eine wesentliche (erhebliche bzw bedeutende) Änderung handelt (vgl Rz 283 ff); ist diese jedoch gegeben, kann die Umstandsklausel auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden (5 Ob 610/89 = EF 61.502; 6 Ob 159/ 02d). 276 Eine rückwirkende Neufestsetzung, Unterhaltsherabsetzung oder -enthebung setzt eine Änderung der Verhältnisse seit der letzten Unterhaltsentscheidung oder vergleichsweisen Unterhaltsregelung voraus; der Entscheidung oder dem Vergleich nachfolgende Ereignisse können somit berücksichtigt werden (6 Ob 159/02d; 3 Ob 43/07 f; 6 Ob 126/07h; 3 Ob 189/08b). Auch wenn daher ein bestehender Unterhaltstitel, der laufenden Unterhalt für die Zukunft zuspricht, im Klageweg (Änderungsklage) bei wesentlicher Änderung anspruchsbegründender Tatsachen den tatsächlichen Verhältnissen angepasst werden kann, gilt dies doch nur so lange, als hinsichtlich des von der beantragten Veränderung betroffenen Zeitraums noch keine gerichtliche Entscheidung nach Durchführung eines Verfahrens zur Überprüfung der Sachlage ergangen ist (4 Ob 204/02g = EF 100.967; 3 Ob 43/07 f; 3 Ob 189/ 08b). 277 Ohne Sachverhaltsänderung ist eine Erhöhung eines Unterhaltstitels grundsätzlich nur dann zulässig, wenn mit dem Vortitel lediglich über ein Unterhaltsteilbegehren entschieden worden ist (vgl ausführlich Rz 290). 278 Dass dem Unterhaltsberechtigten bzw dem Gericht entscheidungswesentliche Tatsachen im Vorverfahren nicht bekannt gewesen sind bzw irrtümlich oder sonst unwissentlich von unrichtigen Tatsachenvorstellungen ausgegangen worden ist, vermag hingegen für sich allein (also ohne Anfechtung des Titels) eine Unterhaltserhöhung über den Vortitel hinaus nicht zu begründen, wenn im Vorverfahren nicht nur über ein Unterhaltsteilbegehren entschieden worden ist (6 Ob 159/02d; 6 Ob 46/03p), weil dem die Rechtskraft bzw Rechtswirksamkeit des Vortitels entgegen steht. Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für Herabsetzungs- oder Enthebungsbegehren; maßgeblich ist also, ob im Vorverfahren über das konkrete Begehren bereits entschieden worden ist (vgl LG Krems EF 104.063). 2. Ausschluss der Umstandsklausel
279 Grundsätzlich kann in einem Unterhaltsvergleich auf die Geltendmachung der Umstandsklausel – ganz oder teilweise – auch für den für die Zeit der aufrechten Ehe vereinbarten Unterhalt verzichtet werden. Den Ehegatten steht es – unbeschadet der Unwirksamkeit eines Vorausverzichts auf den Unterhaltsan222
Ehegattenunterhaltsrecht – Änderung der Verhältnisse
§ 94 ABGB
spruch an sich (§ 94 Abs 3 ABGB; vgl Rz 298 ff) – nämlich frei, für den Fall der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts ihre Unterhaltspflicht einvernehmlich zu regeln (1 Ob 663/80 = EF 35.242). Ein Ausschluss der Umstandsklausel ist somit zulässig, wirksam und auch nicht sittenwidrig (3 Ob 106/69 = EF 12.049; 7 Ob 1558/95 = EF 77.822; 10 Ob 77/97i = EF 83.660; 3 Ob 133/00 f = JBl 2001, 513). Die Umstandsklausel kann dabei allgemein oder für bestimmte Bereiche ausgeschlossen werden (2 Ob 541/76 = EF 29.636; 1 Ob 509/91; 3 Ob 39/01h = EF 97.296); dies muss aber ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erfolgen (3 Ob 253/57; 3 Ob 76/95 = EF 81.688; 3 Ob 331/99v = EF 93.888; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 50; aA [auch schlüssiger Verzicht ist möglich] LGZ Wien EF 97.296), weil die Umstandsklausel an sich Unterhaltsverträgen stillschweigend und grundsätzlich innewohnt (3 Ob 253/57; 2 Ob 541/ 76 = EF 29.636; 3 Ob 76/95 = EF 81.688). Die Vereinbarung eines geringeren Unterhalts, als er sich aus dem Gesetz ergeben würde, bedeutet daher noch nicht den Ausschluss der Umstandsklausel (1 Ob 509/91). Die beiderseitige bestimmte Erwartung einer Änderung – die Erwartung 280 eines allenfalls möglichen Eintritts reicht keinesfalls aus (1 Ob 218/67 = EF 8669; 7 Ob 685/84 = EF 46.273; vgl auch Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 52) – steht uU dem Ausschluss der Umstandsklausel gleich (5 Ob 53/62 = SZ 35/ 61; 1 Ob 218/67 = EF 8669; 7 Ob 685/84 = EF 46.273; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 24). Dies gilt aber nur dann und nur so weit, als die Annahme eines schlüssigen Verzichts auch auf die Geltendmachung der Änderungen gerechtfertigt ist, was nach den Grundsätzen des § 863 ABGB beurteilt werden muss (3 Ob 540/89 = EF 60.299; 3 Ob 1574/90 = EF 66.469). Änderungen der Leistungsfähigkeit oder der Bedürfnisse, auf die in einem Vergleich bereits Bedacht genommen worden ist, sind daher von der Anwendung der Umstandsklausel jedenfalls ausgenommen (1 Ob 218/67 = EF 8669; 6 Ob 142/02d = EF 100.073). Das Beharren auf einem ursprünglich nicht sittenwidrigen Unterhaltsver- 281 gleich kann unter geänderten Umständen sittenwidrig werden (1 Ob 663/80 = EF 35.242; 3 Ob 527/82 = EF 40.045; 3 Ob 229/98t = EF 90.401; 3 Ob 39/ 01h = EF 97.298; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 7, § 80 EheG Rz 7). Bei dieser Beurteilung ist aber ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass der an sich zulässige Ausschluss im Nachhinein ohne zwingenden Grund aufgehoben wird (5 Ob 737/78 = EF 34.072, 33.705; 3 Ob 133/00 f = JBl 2001, 513 = EF 97.252; 3 Ob 39/01h = EF 97.298; 4 Ob 180/03d). Hat der Unterhaltspflichtige auf die Geltendmachung der Umstandsklausel verzichtet und wird ihm nunmehr durch eine Sachverhaltsänderung (praktisch [vgl 1 Ob 592/83 = EF 43.726]) die Existenzgrundlage entzogen (4 Ob 622/75 = EF 25.102; 3 Ob 229/99t = EF 90.401; 3 Ob 133/00 f = JBl 2001, 513 = EF 97.253; 3 Ob 39/01h = EF 97.298; 4 Ob 180/03d), der Unterhalt anderer Un223
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terhaltsberechtigter gefährdet (3 Ob 106/69 = EF 12.049; 3 Ob 229/98t = EF 90.401) oder entsteht ein krasses Missverhältnis zwischen dem dem Unterhaltspflichtigen verbleibenden Einkommen und dem nunmehrigen Unterhalt des Unterhaltsberechtigten (6 Ob 113/75; 3 Ob 76/95 = EF 81.693; 4 Ob 180/ 03d), wird das Beharren des Unterhaltsberechtigten auf dem Ausschluss der Umstandsklausel sittenwidrig. Allerdings kann sich der Unterhaltspflichtige – im Allgemeinen (3 Ob 74/ 04k) – darauf nicht berufen, wenn ihm noch Einkünfte in Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG (3 Ob 60/89 = EF 59.971; 3 Ob 133/00 f = JBl 2001, 513 = EF 97.254) bzw des Existenzminimums nach § 291a EO (3 Ob 74/02g = EF 100.959; aA [Unterhaltsexistenzminimum] 3 Ob 39/ 01h = EF 97.301) – gemeint unter Außerachtlassung der Steigerungsbeträge nach § 291a EO – verbleiben; andernfalls müsste infolge Wegfalls der Unterhaltsvereinbarung – bis zur gerichtlichen Abänderungsentscheidung gilt allerdings der bisher festgesetzte oder vereinbarte Unterhalt (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 56) – angemessener Unterhalt festgesetzt werden. 282 Zum Unterhaltsverzicht und dem Beharren des Unterhaltspflichtigen darauf vgl Rz 302 und § 80 EheG Rz 17 ff.
3. Sachverhaltsänderungen
283 Ausgangsbasis für die Beurteilung, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, sind bei gerichtlicher Unterhaltsfestsetzung die aus dem Urteil ersichtlichen Tatsachen und bei Unterhaltsvergleichen sowohl die nachträglich feststellbaren und für die Unterhaltsbemessung bestimmenden Umstände als auch die von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzten oder zugrunde gelegten einzelnen Sachverhaltselemente (7 Ob 685/84 = EF 46.274; 3 Ob 77/ 90 = EF 63.491; 1 Ob 123/98i = EF 86.658; 4 Ob 129/02b = EF 100.072). Dabei muss es zu einer erheblichen (5 Ob 1509/91 = EF 65.745) bzw wesentlichen (4 Ob 587/78 = EF 33.379) bzw bedeutenden (7 Ob 685/84 = EF 46.272; 3 Ob 89/97b = JBl 1997, 647) Änderung dieser maßgeblichen Komponenten gekommen sein. 284 Maßgeblich sind auf Seiten des Unterhaltspflichtigen etwa Einkommensänderungen (mindestens 10% [6 Ob 45/02i = EF 100.075; 3 Ob 64/03p; 6 Ob 180/ 03v]), Arbeitsplatzverlust bzw Pensionierung oder Änderungen bei den ihn treffenden Sorgepflichten (vgl 3 Ob 69/91; 8 Ob 647/89; 1 Ob 549/95 = EF 77.819), auf Seiten des Unterhaltsberechtigten ebenfalls der Antritt der Pension (2 Ob 566/78 = EF 32.852; 6 Ob 587/93 = EF 72.348), die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (vgl 8 Ob 2213/96s = SZ 70/111) oder sonstige erhebliche Änderungen beim Eigeneinkommen sowie der Eintritt von Umständen, die zu einer Unterhaltsverwirkung führen (vgl Rz 310 ff), aber etwa auch der 224
Ehegattenunterhaltsrecht – Änderung der Verhältnisse
§ 94 ABGB
Wegfall der Befriedigung des Wohnbedarfs in der vom Unterhaltspflichtigen finanzierten Ehewohnung (7 Ob 528/91) oder uU berechtigtes Verlassen der Ehewohnung durch den Unterhaltsberechtigten zufolge Erhöhung seiner Lebenskosten (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 6). Eine maßgebliche Änderung kann aber auch eine solche der dem Unterhaltsanspruch zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen (6 Ob 45/02i = EF 100.038; 4 Ob 129/02b = EF 100.038; 6 Ob 159/02d) oder eine tiefgreifende Änderung der bisherigen den Unterhaltstitel bestimmenden Rechtsprechungsgrundsätze (6 Ob 159/02d) sein. Nach der Rsp soll eine Neubemessung des Unterhalts auch dann zulässig sein, 285 wenn die Parteien im Unterhaltsvergleich irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen sind, also etwa der Unterhaltspflichtige ein höheres als das von ihm angegebene Einkommen bezogen hat (LG Wels 21 R 126/06p unter Hinweis auf 1 Ob 524/90 = RZ 1990/117). Eine darauf beruhende Neubemessung kann sich dann aber nur auf Zeiträume beziehen, die zeitlich nach Abschluss des Unterhaltsvergleichs liegen (vgl 3 Ob 43/07 f; 6 Ob 126/07h); hinsichtlich davor liegender Zeiträume müsste der Vergleich angefochten werden. Keine maßgebliche Änderung stellt eine Kaufkraftminderung bei sonst gleich 286 bleibenden Verhältnissen dar, weil diese beide Ehegatten in gleichem Maß trifft (5 Ob 64/69 = EF 12.053; 8 Ob 525/80 = EF 35.240; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 46; aA [Geldentwertung verursacht nominelle Vermehrung des Geldbedarfs] Reinl, JBl 1977, 179; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 6). Dies gilt aber dann nicht, wenn eine Wertsicherungsklausel vereinbart wurde (OLG Wien EF 47.511; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 6; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 47), durch welche es zu einer fortlaufenden Anpassung des Unterhalts kommt. Steigt aufgrund der Kaufkraftminderung letztlich die Unterhaltsbemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen, weil es zu Lohnerhöhungen kommt, liegt schließlich eine (sonstige) wesentliche Änderung vor. Wurde die Umstandsklausel ausgeschlossen und die Gefahrtragung bei Geld- 287 entwertung durch den Unterhaltsberechtigten nicht ausdrücklich vereinbart (6 Ob 778/81 = EF 38.811, 38.812; 1 Ob 572/85 = EF 48.862; 8 Ob 603/91), kann eine Kaufkraftminderung nur im Fall einer erheblichen Beeinträchtigung des Unterhaltsberechtigten in seiner wirtschaftlichen Existenz mangels Aufwertung zum Anlass für eine Unterhaltserhöhung genommen werden (1 Ob 572/85 = EF 48.862); ein (lediglich) auffallendes Missverhältnis des Kaufkraftwerts zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses reicht nicht aus (idS wohl auch 3 Ob 74/02g = EF 100.959; aA 6 Ob 778/81 = EF 38.811, 38.812; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 24), dh die Unterhaltserhöhung ist erst zulässig, 225
§ 94 ABGB
Gitschthaler
wenn der Unterhaltsbeitrag den Richtsatz für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG bzw das Existenzminimum unterschreitet (vgl Rz 281). Soweit in jüngerer Zeit (8 Ob 603/91) eine Unterhaltserhöhung bei einem (aufsummierten) Kaufkraftverlust von 20% seit dem Unterhaltsvergleich für zulässig angesehen wurde, stellt dies eine Umgehung des Umstandsklauselausschlusses jedenfalls dann dar, wenn sich die Verbraucherpreissteigerungsraten in den dem Vergleichsabschluss nachfolgenden Jahren im Rahmen des nach der Entwicklung während der letzten Jahrzehnte anzunehmenden und daher auch dem Vergleichsabschluss zugrunde zu legenden Ausmaßes hielten (1 Ob 572/85 = EF 48.862).
4. Änderungszeitpunkt
288 Kommt es zu einer Änderung der Verhältnisse, verringert sich für den Monat, in dem die Änderung eintritt, die Unterhaltspflicht jedenfalls dann noch nicht, wenn nicht dargetan wird, dass der nach § 1418 Satz 2 ABGB am 1. des Monats schon fällig gewesene Unterhaltsbetrag wegen der neu eingetretenen Umstände die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten erheblich übersteigen würde (3 Ob 69/91; 3 Ob 2/98k = EF 90.378; vgl auch 3 Ob 204/99t = EF 93.845). 289 Rückwirkende Änderungen können grundsätzlich nur bis zum Zeitpunkt des Vortitels zurück vorgenommen werden (1 Ob 74/02t = EF 100.046; 3 Ob 43/07 f), konkret also bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren, allenfalls bis zum Schluss der Berufungsverhandlung bei Beweiswiederholung oder -ergänzung durch das Berufungsgericht (6 Ob 159/02d), bei gerichtlicher Festsetzung bzw bis zum Vergleichszeitpunkt; ansonsten ist res iudicata anzunehmen (4 Ob 204/02g = EF 100.967; 3 Ob 43/07 f; 3 Ob 189/08b). Entscheidet das Gericht dennoch über einen Zeitraum vor der vorangegangenen Unterhaltsentscheidung, liegt Nichtigkeit vor (3 Ob 189/08b; LGZ Wien EF 104.061), was von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu beachten ist. Eine Änderung über diesen Zeitpunkt hinaus bedarf einer Wiederaufnahmsklage oder einer Anfechtung des Vergleichs, sofern die Voraussetzungen dafür gegeben sind (vgl 6 Ob 159/02d). 290 Ohne Sachverhaltsänderung ist eine Erhöhung eines Unterhaltstitels grundsätzlich nur dann zulässig, wenn mit dem Vortitel lediglich über ein Unterhaltsteilbegehren entschieden worden ist, konkret also der Unterhaltsberechtigte den gesamten eingeklagten Unterhalt auch tatsächlich zugesprochen erhalten hat. Dann war ja der nunmehr geltend gemachte (erhöhte) Unterhalt noch nicht Verfahrensgegenstand (vgl 4 Ob 2393/96g; 6 Ob 159/02d; 2 Ob 296/02x; 6 Ob 46/03p; 6 Ob 126/07h). In der Unterlassung der Geltendma226
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chung eines höheren Unterhaltsanspruchs im Vorverfahren lag nämlich kein (schlüssiger) Verzicht auf den Restanspruch, wenn nicht (zweifelsfrei) über den gesamten Unterhaltsanspruch – vor allem durch Teilabweisung bzw durch einen Vergleich, mit dem der Unterhalt „nach oben und nach unten hin“ ausgemessen worden ist (LG Feldkirch EF 100.048; LG Salzburg EF 104.067) – entschieden wurde; nur in diesem Fall läge das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vor (6 Ob 46/03p). Dies gilt sinngemäß auch für Herabsetzungsund Enthebungsbegehren (vgl LG Linz EF 96.287; LG Krems EF 104.063). Bei Änderungen der Rsp besteht kein Rückwirkungsverbot, wie dies § 5 291 ABGB für Gesetze anordnet; derartige Änderungen erfassen daher auch davor verwirklichte Sachverhalte (9 Ob 312/00y; 2 Ob 153/02t; 6 Ob 159/02d). Bei Gesetzesänderungen kommt es hingegen auf die konkreten Anordnungen in den Übergangsbestimmungen an (vgl Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 51; 6 Ob 159/02d; 10 Ob 18/04a).
5. Neufestsetzung der Unterhaltsverpflichtung
Fällt infolge Sachverhaltsänderung der Unterhaltstitel weg – bis zur gericht- 292 lichen Abänderungsentscheidung gilt allerdings der bisher festgesetzte oder vereinbarte Unterhalt (Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 56) –, kommt es zu einer Neubemessung aufgrund aller zur Zeit der Entscheidung gegebenen Verhältnisse (vgl 5 Ob 1582/93 = EF 71.472; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 56). Handelte es sich beim Vortitel allerdings um einen Vergleich, darf die Neube- 293 messung auch bei erheblicher Änderung der Verhältnisse seit Vergleichsabschluss nicht völlig losgelöst von der bisherigen vertraglichen Regelung und der in dieser unter Bedachtnahme auf die in diesem Zeitpunkt gegebenen Verhältnisse zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze durch die Parteien lediglich aufgrund der abstrakten gesetzlichen Regelung geschehen. Vielmehr hat diese – anknüpfend an den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich – unter Berücksichtigung sowohl dieser durch die Parteien konkretisierten Bemessungsgrundsätze als auch der inzwischen eingetretenen Änderung der Verhältnisse zu erfolgen, wobei nötigenfalls eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen ist (5 Ob 681/81 = EF 37.611; 1 Ob 631/91 ua = EF 65.760; 6 Ob 57/03 f). Dies gilt aber dann nicht, wenn die Parteien von vornherein die Absicht gehabt haben, nur eine einvernehmliche Ausmittlung des aktuellen gesetzlichen Anspruchs ohne vorsätzliche Vernachlässigung oder Überbewertung einzelner Bemessungsfaktoren vorzunehmen (9 Ob 502/95 = EF 76.717); ebenso wenig, wenn sie den seinerzeit vereinbarten Unterhaltsbetrag zu keiner Bemessungsgröße in eine bestimmte Relation stellen wollten bzw dies nicht 227
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mehr erweislich ist (6 Ob 675/81 = EF 37.612). In diesen Fällen ist auf die seinerzeitigen Verhältnisse ebenso wenig Bedacht zu nehmen wie im Fall vielschichtiger Änderungen (vgl 6 Ob 629/83; 4 Ob 129/02b = EF 100.061; vgl auch 6 Ob 57/03 f; 5 Ob 258/05k; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 49). Wurde in den Vergleich ausdrücklich auch die Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgenommen, kann es wiederum grundsätzlich nicht zweifelhaft sein, dass weitere Unterhaltsfestsetzungen an die im Vergleich festgehaltenen Bemessungsparameter gebunden werden sollten (vgl 6 Ob 57/03 f). Entscheidend ist regelmäßig, was die Parteien mit ihrem Unterhaltsvergleich für die Zukunft regeln wollten; nur daraus kann nämlich letztlich erschlossen werden, ob die Vergleichsrelationen trotz Änderungen beibehalten werden müssen (7 Ob 241/00t = EF 96.312).
F. Verlust des Unterhaltsanspruchs 1. Verschweigung
294 Grundsätzlich bildet nur die Verjährungsfrist (vgl Rz 305 ff) die Grenze für die Verfolgbarkeit eines Unterhaltsanspruchs (7 Ob 623/89; 4 Ob 533/90 = EF 63.306; 4 Ob 319/98k = ÖA 1999, 121/U 270), doch lässt das Untätigbleiben durch Jahre uU den Schluss zu, dass der Unterhaltsberechtigte für diese Zeit keinen Unterhalt ansprechen wollte (7 Ob 813/82 = EF 42.573; vgl auch 1 Ob 171/02g). Es muss sich aber aus den Umständen zweifelsfrei (!) ergeben, dass er sich als voll befriedigt erachtete (7 Ob 171/99v; vgl 1 Ob 171/02g [der Unterhaltsberechtigte hat nicht nur auf keine höheren Unterhaltsleistungen bestanden, sondern sich mit den erbrachten Leistungen begnügt, indem er sich damit abgefunden und den gewährten Unterhalt subjektiv als die von ihm zu beanspruchende Leistung akzeptiert hat]; krit Berka-Böckle, JBl 2004, 233). 295 Ausreichend ist auch, dass der Unterhaltsberechtigte dem Unterhaltspflichtigen ausdrücklich erklärte, mit einem bestimmten monatlichen Unterhaltsbetrag einverstanden zu sein (7 Ob 214/98s = EF 85.865); dies gilt allerdings nur bis zum Widerruf der Erklärung (3 Ob 35/81 = EF 37.567; vgl auch Rz 303). Keine eindeutigen Erklärungen des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen wären dabei etwa, „er brauche von ihm nichts“ (3 Ob 624/80 = EF 35.203), „er brauche keine Almosen“ (1 Ob 601/ 85 = EF 47.459) oder „er lehne das Unterhaltsanbot als zu gering ab“ (7 Ob 544/77 = EF 28.605), ebenso wenig der Abschluss einer provisorischen Unterhaltsvereinbarung (6 Ob 624/80 = EF 35.203) oder einer Vereinbarung in Unkenntnis der wahren Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen (1 Ob 636/81 = EF 37.568).
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Ehegattenunterhaltsrecht – Verlust des Unterhaltsanspruchs
§ 94 ABGB
Dass der Unterhaltspflichtige jahrelang dem Unterhaltsberechtigten (gleich- 296 mäßig) Wirtschaftsgeld (das sind Leistungen des Unterhaltspflichtigen an den den Haushalt führenden Unterhaltsberechtigten, um Mittel anzuschaffen, die allen im gemeinsamen Haushalt wohnenden Personen gleichermaßen zugute kommen [Deixler-Hübner, Scheidung Rz 22; Koch/KBB § 94 ABGB Rz 2]) zur Verfügung gestellt und der Unterhaltsberechtigte nie eine andere Zahlung begehrt hat, kann zwar – auch bei kurzer Ehedauer (LGZ Wien EF 99.193) – eine schlüssige Vereinbarung über Art und Höhe des Unterhalts sein (vgl OLG Wien EF 16.562, 21.034; LGZ Wien EF 47.457; idS auch 1 Ob 171/02g; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 47; krit Schwimann/Kolmasch 159). Maßgeblich ist aber der tatsächliche Wille des Unterhaltsberechtigten und vor allem auch seine nicht nur theoretische Möglichkeit, sich gegen die vom Unterhaltspflichtigen gewählte Art der Unterhaltsgewährung wehren zu können („wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit“ des Unterhaltsberechtigten vom Unterhaltspflichtigen, aber auch Resignation, Furcht udgl [Kerschner, JBl 2004, 47]). Ob sich dabei die den Unterhaltsberechtigten tatsächlich erreichende Unterhaltszuwendung aus dem Wirtschaftsgeld „in den Dimensionen des gesetzlichen Unterhalts bewegt“ (so aber Purtscheller/Salzmann Rz 281; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 5), spielt zwar keine Rolle, weil der Unterhaltsberechtigte ja auch (teilweise) auf Unterhalt verzichten kann. Die Auffassung, der Unterhaltsberechtigte, der den Haushalt geführt hat, ohne einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, habe (allein) damit zum Ausdruck gebracht, bereit zu sein, die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse den Einkommensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen anzupassen (idS 1 Ob 663/82), erscheint jedoch nicht mehr zeitgemäß. Im Hinblick auf die – wie im Kindesunterhaltsrecht (vgl dazu LGZ Wien EF 297 53.103, 61.777; LG Salzburg EF 103.373) – besondere familienrechtliche Nahebeziehung zwischen den Ehegatten und den Umstand, dass § 72 EheG auf Unterhaltsansprüche für einen Zeitraum vor der Ehescheidung nicht anwendbar ist (7 Ob 614/92 = EF 69.308; 1 Ob 570/95 = JBl 1996, 442; 3 Ob 78/05z), ist eine Einmahnung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen entbehrlich; auch der Grundsatz von Treu und Glauben oder die Verkehrssitte verlangen nicht, dass der Gläubiger seine Forderung einmahnt (LG Salzburg EF 103.373; vgl auch 4 Ob 319/98k). Damit kann aber auch die Unterlassung einer Einmahnung für sich allein nicht zur Verschweigung führen. 2. Verzicht
Für die Vergangenheit kann auch während aufrechter Ehe auf Unterhalt un- 298 beschränkt verzichtet werden (6 Ob 722/77 = EF 28.600; 6 Ob 684/81 = EF 40.003; 7 Ob 214/98s = EF 85.865). Dass der Verzicht dabei weder in einem gerichtlichen Vergleich enthalten noch schriftlich beurkundet wird, schadet 229
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Gitschthaler
nicht, weil der Verzicht auch formfrei erklärt werden kann (8 Ob 119/03p; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 7). Brauneder/Schwimann (§ 1217 ABGB Rz 8) hält allerdings unter Hinweis auf 8 Ob 568/91 (= EF 66.246) einen Unterhaltsverzicht für „ehepaktsfähig“, wohl weil der Verzicht eine Regelung der „vermögensrechtlichen“ Verhältnisse der Ehegatten darstellt und auch Ehepakte der Vertragsfreiheit unterliegen (vgl Brauneder/Schwimann § 1217 ABGB Rz 7; M. Bydlinski/Rummel § 1217 ABGB Rz 7). Voraussetzung für einen Unterhaltsverzicht ist der Abschluss eines Notariatsakts (§ 1 Abs 1 lit a NotaktsG) aber dennoch nicht. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass der Unterhaltsverzicht völlig unentgeltlich erfolgen würde. Zur Verschweigung durch Untätigbleiben vgl Rz 294 ff. 299 Für die Zukunft ist gem § 94 Abs 3 Satz 2 ABGB während aufrechter Ehe der Unterhaltsanspruch als solcher dem Grunde nach unverzichtbar, wobei allerdings vor dem 1.1.1976 abgegebene Unterhaltsverzichtserklärungen aufrecht bleiben (6 Ob 684/81 = EF 40.004; LG Salzburg 21 R 503/02w). Zulässig wäre nur ein umfänglich beschränkter Verzicht auf zukünftigen Unterhalt, nämlich ein Verzicht auf (konkretisierte oder konkretisierbare) zukünftige Einzel- oder Teilleistungen (6 Ob 722/77 = SZ 50/128; 6 Ob 684/81 = EF 40.003; 7 Ob 214/98s = EF 85.865; 3 Ob 74/02g = EF 100.958, 8 Ob 119/ 03p; vgl auch Rabl, ÖJZ 2001, 591; Schwimann/Kolmasch 186), oder ein Verzicht bei aufgehobener Gemeinschaft (1 Ob 378/55) bzw für den Fall einer solchen Aufhebung (6 Ob 722/77 = SZ 50/128; vgl Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 21 mwN), wenn angenommen werden kann, dass die Ehe zerrüttet ist (1 Ob 378/55). 300 Aus der Unterlassung der Geltendmachung eines (höheren) Unterhaltsanspruchs während längerer Zeit allein kann noch nicht auf einen Verzicht für alle Zukunft geschlossen werden (5 Ob 625/80 = EF 36.395; 7 Ob 813/82 = EF 42.573; 8 Ob 532/92 = ÖA 1992, 86; 3 Ob 222/98p = EF 87.513; LG Salzburg EF 97.287 [3 Jahre reichen nicht]; vgl auch Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 69), und zwar auch dann nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte durch viele Jahre hindurch ohne Widerspruch Beträge entgegengenommen hat, die nicht dem verglichenen Umfang entsprochen haben (3 Ob 141/90). Zu berücksichtigen ist nämlich, dass ein Recht durch Nichtausübung vor Ablauf der Verjährungsfrist an und für sich nicht verloren geht (2 Ob 601/51; 1 Ob 978/52; 1 Ob 171/02g; 6 Ob 46/03p), und zwar auch dann nicht, wenn die Geltendmachung des (restlichen) Anspruchs nicht ausdrücklich vorbehalten (LGZ Wien EF 78.436, 95.299) oder sogar ein ursprünglich höheres Begehren eingeschränkt worden ist (LGZ Wien EF 103.376; vgl auch 6 Ob 46/03p). Ein konkludenter Unterhaltsverzicht dürfte nur angenommen werden, wenn sich dies zweifelsfrei (!) aufgrund aller Umstände ergibt (7 Ob 544/77 = EF 28.602; 5 Ob 625/80; 1 Ob 601/85; 8 Ob 653/88). Bei Annahme eines stillschweigenden Verzichts ist also besondere Vorsicht geboten (8 Ob 532/92 = 230
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ÖA 1992, 86; Rummel/Rummel § 863 ABGB Rz 14), und zwar sowohl hinsichtlich eines generellen Unterhaltsverzichts als auch eines Verzichts auf Erhöhung (3 Ob 222/98p = EF 87.513). Während aufrechter Ehe steht ein Unterhaltsverzicht insofern unter dem Vor- 301 behalt der Sittenwidrigkeit, als es zwar seit dem EheRwG 1975 nicht (mehr) darauf ankommt, ob der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhalt aus eigenem Einkommen bestreiten kann (6 Ob 684/81 = EF 40.004; Purtscheller/Salzmann Rz 126; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 9; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 21; aA [Selbsterhaltungsfähigkeit als Voraussetzung] 1 Ob 645/77 = EF 28.601). Von Sittenwidrigkeit kann aber nicht gesprochen werden, wenn (ungeachtet der Geldentwertung) seit der Verzichtserklärung das Einkommen des Unterhaltsberechtigten nach wie vor über dem Existenzminimum liegt, weil dann kein der Entscheidung 3 Ob 229/98t (= EF 90.401, 90.402; vgl Näheres bei § 80 EheG Rz 19) vergleichbarer Notfall vorliegt (3 Ob 74/02g = EF 100.959). In dieser Entscheidung war der OGH zum Ergebnis gelangt, ein Verzicht auf Unterhalt, auch für den Fall der Not, sei nicht jedenfalls wirksam (zum umgekehrten Fall des notleidenden Unterhaltsschuldners vgl spiegelbildlich 3 Ob 133/ 00 f = JBl 2001, 513 [Richtsatz für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG]; 3 Ob 74/04k), welcher Grundgedanke insofern auch für den Ehegattenunterhalt übernommen werden kann, als ein Verzicht auf Teile von Unterhaltsleistungen (nur) dann nicht gegen den Sittenwidrigkeitsvorbehalt verstößt, wenn Unterhalt in einer Höhe geleistet wird oder der Unterhaltsberechtigte Einkünfte erzielt, die über dem Existenzminimum bzw dem Richtsatz für die Ausgleichszulage liegen (vgl auch Ent/Hopf 135 sowie die darauf basierende hA, zit bei Rabl, ÖJZ 2000, 594 FN 34, 39, 40, wo von der Unzulässigkeit eines Verzichts die Rede ist, wenn sich der verzichtende Ehegatte dadurch der notdürftigen Grundlagen seiner Lebensführung begeben würde). Hat die Vereinbarung der Ehegatten auch andere (vermögensrechtliche) Regelungen enthalten, werden im Fall der Beseitigung der Unterhaltsregelung aufgrund Sittenwidrigkeit auch diese Regelungen ungültig (5 Ob 526/88; 6 Ob 2155/96x). Hat der Unterhaltsberechtigte zunächst wirksam auf Unterhalt verzichtet, tritt 302 dann aber eine Umstandsänderung ein, die zu seiner Existenzgefährdung führt, wird unter denselben Voraussetzungen (Unterschreiten des Existenzminimums) das Beharren auf einem allfälligen Ausschluss der Umstandsklausel sittenwidrig; ist auf die Geltendmachung der Umstandsklausel nicht verzichtet worden (vgl Rz 274 ff), liegt somit ein „schlichter Unterhaltsverzicht“ vor, ist er ohnehin unbeachtlich (vgl 9 Ob 1504/95 = EF 78.709). In der L (Purtscheller/Salzmann Rz 288; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB 303 Rz 8; Schwimann2, 153), die sich – nach Rabl (ÖJZ 2000, 594) zu Unrecht – auf 231
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Rsp (6 Ob 722/77 = SZ 50/128, 3 Ob 35/81 = SZ 54/83, 8 Ob 516/89 = JBl 1989, 717) beruft, wird die Auffassung vertreten, ein Widerruf des (teilweisen) Verzichts (auch ohne Sachverhaltsänderung) sei möglich, wenn eine Terminierung dieses Verzichts nicht vorgenommen wurde (vgl Rz 299). Für die Gültigkeit eines (teilweisen) Unterhaltsverzichts komme es (auch) darauf an, ob eine zeitliche Beschränkung erfolgte, die von Anfang an feststand; es müsse also eine datumsmäßige (dies könne auch eine Zeitspanne sein) oder eine von sonstigen Umständen abhängige Terminierung des Verzichts vorgenommen werden. Auch der OGH (7 Ob 214/98s) hielt dazu ausdrücklich fest, sei ein Verzicht auf zukünftigen Unterhalt nicht eindeutig terminiert, sei Widerruflichkeit anzunehmen, weil Verzichtserklärungen jedenfalls eng auszulegen seien (idS auch Schwimann/Kolmasch 186). Damit ist aber bei einer zeitlich unbefristeten Unterhaltsregelung mit (teilweisem) Verzicht oder überhaupt bei einem Unterhaltsverzicht bei aufrechter Ehe und Ehegemeinschaft die Zulässigkeit eines Widerrufs durch den verzichtenden Ehegatten anerkannt (krit dazu Rabl, ÖJZ 2000, 594; zweifelnd nunmehr auch Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 9). 304 Ein während der Ehe – ausdrücklich oder stillschweigend – erklärter Unterhaltsverzicht verliert mit der Ehescheidung seine Wirksamkeit, es sei denn er wurde auch für den Scheidungsfall erklärt oder dem Unterhaltsberechtigten steht ein (nachehelicher) Anspruch nach § 69 Abs 2 EheG zu (6 Ob 684/81 = EF 41.332). Und auch bei „Doppelverdienerehen“ können Vereinbarungen über die Tragung der gemeinsamen Lebenshaltungskosten nicht als ein über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus wirksamer teilweiser Unterhaltsverzicht gewertet werden, weil dieser Übereinkunft die bis zum Beweis des Gegenteils zu unterstellende Bedingung des gemeinsamen Wirtschaftens zugrunde liegt (1 Ob 288/98d = JBl 1999, 725 = EF 90.396). 3. Verjährung
305 Grundsätzlich muss Unterhalt nicht sofort nach dem Entstehen des jeweiligen Anspruchs geltend gemacht werden, sondern lediglich innerhalb der Verjährungsfrist des § 1480 ABGB (LGZ Wien 45 R 561/06t; vgl auch 4 Ob 533/90 = EF 63.306; 4 Ob 253/97b; 4 Ob 319/98k). Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann aber auch eine Ausdehnung des Klagebegehrens auf einen höheren Betrag nicht mehr mit Erfolg vorgenommen werden; die Verjährung ist bei einer Teileinklagung nur hinsichtlich des eingeklagten Teilbetrags unterbrochen. Der Vorbehalt der späteren Ausdehnung des Klagebegehrens ist bedeutungslos; die Klageausdehnung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Klageeinbringung zurück (6 Ob 51/05a = EF 111.148).
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Nach § 1495 ABGB kann zwischen Ehegatten die Verjährung jedoch weder 306 anfangen noch fortgesetzt werden, wobei diese Verjährungshemmung grundsätzlich für alle Forderungen zwischen Ehegatten, also auch für Unterhaltsforderungen (3 Ob 17/94 = SZ 67/62; 8 ObA 250/95; 8 ObA 76/08x) gilt. Es wird eine Fortlaufshemmung normiert, die Beginn und Lauf der Verjährung hindert (5 Ob 265/02k = EF 100.807; Klang/Klang VI2, 647). Vor der Scheidung der Ehe kann eine Verjährung von Ansprüchen grundsätzlich nicht beginnen (5 Ob 265/02k = EF 100.807); damit ist es aber auch unerheblich, ob dem Unterhaltsberechtigten möglicherweise eine Klagsführung deshalb zumutbar gewesen wäre, weil er bereits eine Ehescheidungsklage gegen den Unterhaltspflichtigen eingebracht hatte (vgl 8 ObA 67/97d; 5 Ob 265/02k). Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Verjährung von Unterhaltsansprüchen 307 selbst dann gehemmt, wenn die Ehegatten schon viele Jahre getrennt leben (so auch 3 Ob 17/94 = SZ 67/62; 8 ObA 76/08x). Unter Bedachtnahme auf den Gesetzeszweck scheint einem Ehepartner die Klagsführung aber nur so lange nicht zumutbar, als er durch seine Klage das eheliche Verhältnis (zusätzlich) gefährden oder die Klage die von ihm angestrebte Rettung des gefährdeten ehelichen Verhältnisses beeinträchtigen könnte. Wurde daher die häusliche Gemeinschaft bereits aufgehoben, scheint es zu weit zu gehen, das Ende der Verjährungshemmung stets an die Rechtskraft der Scheidung zu knüpfen. Daher ist im Hinblick auf die 3-Jahresfrist des § 55 Abs 1 EheG in einem solchen Fall die Verjährungshemmung auf 6 Jahre zu begrenzen (8 ObA 250/95 = EF 81.600; Eypeltauer, RZ 1991, 28; Reischauer, JBl 1991, 562; Schwimann2, 155; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 69; Mader/Schwimann § 1495 ABGB Rz 1; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 92). Anerkennt der Unterhaltspflichtige vor Ablauf der Verjährungsfrist den Un- 308 terhaltsanspruch zumindest dem Grunde nach, beginnt die Verjährungsfrist gem § 1497 ABGB neu zu laufen. Dabei reicht ein deklaratives Anerkenntnis aus (LGZ Wien 48 R 347/06v), welches außerdem zu einer Beweislastumkehr führt, dh der Unterhaltspflichtige hat nunmehr zu beweisen, dass die Unterhaltspflicht nicht besteht (vgl [verstSenat] 1 Ob 27/01d = SZ 74/80). Da für die Zukunft fällig werdende Unterhaltsansprüche auch dann in drei 309 Jahren (§ 1480 ABGB) verjähren, wenn es sich um eine Judikatsschuld oder eine ihr gleichzuhaltende Verbindlichkeit aus einem gerichtlichen Vergleich handelt (3 Ob 141/90; LGZ Wien 45 R 561/06t; Schubert/Rummel2 § 1478 ABGB Rz 7; ähnlich M. Bydlinski/Rummel3 § 1478 ABGB Rz 7 unter Hinweis auf GlU 5177; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 69/5; Mader/Janisch/ Schwimann § 1480 ABGB Rz 6), kann der Unterhaltsberechtigte grundsätzlich auch exekutiv lediglich Rückstande aus den letzten drei bzw (unter Bedachtnahme auf § 1495 ABGB; vgl Rz 307) sechs Jahren vor Einbringung seines Exekutionsantrags geltend machen; der mit Urteil zugesprochene (kapi233
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talisierte) Unterhaltsrückstand bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz kann hingegen 30 Jahre lang betrieben werden (vgl M. Bydlinski/Rummel3 § 1478 ABGB Rz 7).
4. Verwirkung
310 Ein grundsätzlicher Unterhaltsverwirkungstatbestand ist dem österreichischen Recht nicht immanent (LGZ Wien EF 95.215; vgl auch 6 Ob 228/01z = EF 95.221). Es ist ihm aber auch eine unterhaltsrechtlich sanktionierte Folgepflicht, wie sie etwa das türkische Recht kennt (§ 164 tZGB), fremd; eine solche wäre mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar, weil nach türkischem Recht die Rückkehraufforderung ohne Sachprüfung auf Vortrag eines Ehegatten ergeht, dass seit 4 Monaten ein Getrenntleben besteht – ob tatsächlich ein Verlassen (rechtswidrig und von entsprechender Dauer) vorliegt, wird hingegen erst im folgenden Scheidungsverfahren geprüft (LG Salzburg 21 R 377/06x). 311 Allerdings kann der Unterhaltspflichtige gegen gesetzliche – ein rein vertraglicher Unterhaltsanspruch kann hingegen abgesehen von den allgemeinen Regeln über die Ungültigkeit bzw Auflösung von Verträgen nur im Fall einer nachträglichen wesentlichen Umstandsänderung beendet oder angepasst werden (LGZ Wien EF 103.228) – Unterhaltsansprüche sowohl vor als auch nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts und unabhängig von der (früheren) Haushaltsführung durch den Unterhaltsberechtigten (2 Ob 566/78 = EF 32.741; 6 Ob 653/81 = EF 37.542; 8 Ob 563/90), also gegen alle Ehegattenunterhaltsansprüche (3 Ob 48/97y = EF 83.045; Gamerith, ÖA 1988, 65; Pichler/Rummel2 § 94 ABGB Rz 8; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 30; aA [nur bei Aufhebung des gemeinsamen Haushalts] 6 Ob 262/62; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 16, 18; [nur bei früherer Haushaltsführung durch den Unterhaltsberechtigten] 5 Ob 708/78 = EF 30.646; 5 Ob 682/79 = EF 32.740; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 72 f) mittels Klage oder Einrede (1 Ob 608/95) und ausdrücklich (LG Salzburg EF 103.170; vgl auch 6 Ob 228/01z = EF 95.229) den Rechtsmissbrauchseinwand (9 Ob 226/99x) nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB erheben. 312 Der Rechtsmissbrauchseinwand führt bei Vorliegen der vom Unterhaltspflichtigen zu behauptenden und zu beweisenden (1 Ob 663/82 = EF 39.980; 5 Ob 569/93; 4 Ob 9/01d ua = EF 95.228) Voraussetzungen (vgl Rz 314 ff) seit Inkrafttreten des § 68a EheG zur Schmälerung (2 Ob 193/06 f = EF-Z 2007/65; 2 Ob 152/07b = iFamZ 105/08; aA [immer gänzlicher Verlust] LGZ Wien EF 106.927, 44 R 340/06k; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 16; Verschraegen, EF-Z 2008, 39 [Rezension]; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 68a EheG s 6 Ob 630/87 = EF 53.017; 1 Ob 608/95 = EF 76.684; 1 Ob 303/00s; 234
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Purtscheller/Salzmann Rz 102) bis hin zum gänzlichen Erlöschen des Unterhaltsanspruchs. Dabei richtet sich die an die Bejahung der Frage rechtsmissbräuchlichen Unterhaltsbegehrens anknüpfende Entscheidung, ob der Rechtsmissbrauch den Verlust oder die Minderung des Unterhaltsanspruchs zur Folge hat bzw in welchem Ausmaß der Anspruch allenfalls zu mindern ist, nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Es bedarf einer umfassenden Interessenabwägung, in welche – ohne dass ein „theoretisches Unterhaltsverfahren nach § 68a EheG“ erforderlich wäre – neben den zur Bejahung des Rechtsmissbrauchs führenden Eheverfehlungen jedenfalls auch das Verhalten des unterhaltspflichtigen Ehepartners, die Dauer und die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, das Wohl vorhandener Kinder sowie der Bedarf des Unterhalt ansprechenden Ehegatten einzubeziehen sind (2 Ob 193/06 f = EF-Z 2007/65; 2 Ob 152/07b = iFamZ 105/08; Ferrari/Hopf 63; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 593; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 74). Wurde der Unterhaltsanspruch während aufrechter Ehe (teilweise) verwirkt, 313 ist dies an sich endgültig; ein erloschener Anspruch kann nicht wieder aufleben (1 Ob 303/00s = EF 95.231; 5 Ob 177/09d; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 21; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 30); allerdings kann der Unterhaltsberechtigte – bei zumindest überwiegendem Schuldausspruch zu Lasten des Unterhaltspflichtigen – dennoch (vollen) nachehelichen Unterhalt begehren (vgl § 74 EheG Rz 3). Auch während aufrechter Ehe fällt die Verwirkung zwar wohl wieder weg, wenn es zur Versöhnung der Ehegatten kommt (Gitschthaler, EF-Z 2010, 112 [Entscheidungsanmerkung]); zeitweilig gemeinsamer Haushalt reicht hiefür jedoch nicht aus, ebenso wenig die Zurückziehung eines Antrags nach § 382b EO durch einen Ehegatten, wenn dies nicht im Hinblick auf eine Verbesserung der Beziehung, sondern im Hinblick auf die Bereitschaft des anderen Ehegatten zu einer einvernehmlichen Ehescheidung erfolgte (5 Ob 177/09d = EF-Z 2010/75). Schließlich können Unterhaltszahlungen trotz Kenntnis des ehewidrigen Verhaltens des anderen Ehegatten zwar nicht ohne Weiteres als Anerkenntnis eines Unterhaltsanspruchs dem Grunde nach gewertet werden (6 Ob 630/87 = EF 53.028); nach den Umständen des Einzelfalls kann aber vorbehaltlosen Unterhaltsleistungen über einen längeren Zeitraum der Erklärungswert eines stillschweigenden Anerkenntnisses zukommen (§ 863 ABGB; LGZ Wien EF 103.229). Die Gründe, die zur Verwirkung führen, müssen zunächst einmal nicht kau- 314 sal für die (allfällige) Aufhebung des gemeinsamen Haushalts (ehelichen Lebensgemeinschaft) gewesen sein (6 Ob 228/01z = EF 95.221; vgl auch 8 Ob 563/90 = EF 64.905; Aicher/Ostheim 118; ders, FamRZ 1980, 640; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB Rz 18; aA [Verfehlung des Unterhaltsberechtigten muss zur Folge haben, dass der Unterhaltspflichtige die Gemeinschaft nicht 235
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fortsetzt] 3 Ob 70/62 = EvBl 1962/433; [Unterhaltspflichtiger muss ehezerstörerische Wirkung beweisen] Berka-Böckle, JBl 2004, 233). Es kommt grundsätzlich auch nicht darauf an, ob bereits ein Scheidungsverfahren anhängig ist (3 Ob 48/97y = EF 83.048, 85.443). 315 Allerdings berechtigt die Verfehlung des Unterhaltsberechtigten nicht mehr zur Geltendmachung einer Unterhaltsverwirkung, wenn sie bereits jahrelang zurückliegt (7 Ob 1668/93 [1,5 Jahre]; 1 Ob 9/66 = EF 7413; 1 Ob 608/95 = EF 76.688) – ohne dass es auf die Frist des § 57 EheG ankäme (vgl Hopf/Kathrein Anm 32) –, auf den Einwand verzichtet (6 Ob 228/01z = EF 95.230) oder die Verfehlung verziehen wurde (vgl 3 Ob 575/81 = EF 37.556; OLG Wien EF 26.066). Nach der Rsp soll außerdem eine Verfehlung eine Verwirkung nicht mehr begründen können, wenn die Ehe im Tatzeitpunkt aufgrund schwerwiegender Ehewidrigkeiten des Unterhaltspflichtigen bereits zerrüttet war (1 Ob 306/03m = EF 106.924 [Ehebruch samt fortgesetztem sexuellen Liebesverhältnis]; 2 Ob 193/06 f = EF-Z 2007/65 [Ehebruch]; 2 Ob 152/07b = iFamZ 105/ 08; 2 Ob 152/07b; vgl auch 9 Ob 32/04b = EF 106.925). Allerdings kann eine Verwirkung nach der Ehescheidung (wieder) gem § 74 EheG (s dort) geltend gemacht werden. Warum soll nun ein Verhalten, das nach Ehescheidung zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führt (etwa ein Mordanschlag), zwischen Zerrüttung und Scheidung unbeachtlich sein? Zu beachten ist vielmehr, dass die Verwirkungstatbestände des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB und des § 74 EheG in ihrem Zusammenspiel ein durchgängiges Rechtsschutzsystem zugunsten von Unterhaltspflichtigen darstellen, das verhindern soll, dass ein (vormaliger) Ehegatte vom anderen die Erfüllung dessen Verpflichtungen aus dem (früheren) Eheverhältnis – also Unterhaltsleistungen – begehrt, obwohl er selbst nicht nur einzelne dieser Verpflichtungen hintansetzt, sondern sich schlechthin über alle Bindungen aus der (früheren) ehelichen Partnerschaft zu seinem persönlichen Eigennutzen hinwegzusetzen bereit ist (vgl die Nachweise bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 589/2). Die durch die Rsp eröffnete „Rechtsschutzlücke“ lässt sich nur dadurch schließen, dass ein Unterhaltsberechtigter seinen Anspruch trotz vorangegangener Zerrüttung der Ehe durch den Unterhaltspflichtigen jedenfalls auch dann verwirkt, wenn sein Verhalten den Verwirkungstatbestand des § 74 EheG erfüllen würde (also Mordanschlag ja, Ehebruch nein). Der OGH hat sich dem nunmehr sogar in einem Fall angeschlossen, in welchem der Unterhaltspflichtige die Ehe im gleichen Ausmaß zerrüttet hatte wie der Unterhaltsberechtigte (6 Ob 108/08p). Auf die Zerrüttung der Ehe, die der Unterhaltsberechtigte selbst überwiegend (Umkehrschluss aus 6 Ob 108/08p) vor dem (späteren) Verwirkungstatsbestand herbeigeführt hat, kann er sich idZ überhaupt nicht berufen; dies ergibt sich bereits aus allgemeinen Billigkeitsüberlegungen, könnte er sich doch sonst auf einen „Freibrief“ berufen, den er sich selbst ausgestellt hat. 236
Ehegattenunterhaltsrecht – Verlust des Unterhaltsanspruchs
§ 94 ABGB
§ 94 Abs 2 Satz 2 ABGB lässt keine Einschränkung auf den Tatbestand des 316 schuldhaften Verlassens zu (9 Ob 158/01b = EF 95.227). Vielmehr ist grundsätzliche Voraussetzung der Unterhaltsverwirkung, dass besonders schwere („krasse“ [2 Ob 1/01p ua = EF 95.216; 1 Ob 171/02g]) Eheverfehlungen, die gegen wichtigste Grundsätze der Ehe verstoßen (1 Ob 608/95; 5 Ob 38/99w = EF 88.835), die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen grob unbillig erscheinen lassen würden (3 Ob 48/97y ua = EF 85.442; 8 Ob 307/98z = EF 88.829; 4 Ob 9/01d; 9 Ob 158/01b ua = EF 95.217). Insofern soll Gleichklang mit der „Verwirkung“ von nachehelichen Unterhaltsansprüchen gem § 74 EheG (1 Ob 303/00s) und der Unbilligkeit verschuldensunabhängigen Unterhalts nach § 68a EheG bestehen (1 Ob 171/02g = JBl 2004, 45 [zust Kerschner]; Kerschner, Familienrecht Rz 2/139; DeixlerHübner, Scheidung Rz 21; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 593/1; BerkaBöckle, JBl 2004, 228, 232); vgl dazu allerdings auch § 68a EheG Rz 32 ff). Jedenfalls in den Fällen des § 94 Abs 2 ABGB und des § 68a EheG soll nämlich ein Zuspruch von Unterhalt verhindert werden, wenn der Unterhaltsberechtigte eklatant gegen eheliche Gebote verstößt und dieser Verstoß nach dem objektiven Gerechtigkeitsempfinden aller vernünftig denkenden Menschen mit dem Zuspruch von Unterhalt unvereinbar ist (1 Ob 171/02g = JBl 2004, 45 [krit Kerschner]; Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 712; Berka-Böckle, JBl 2004, 232), also ein Zuspruch von Unterhalt objektiv unerträglich erscheint (Berka-Böckle, JBl 2004, 232; Schwimann/Kolmasch 170). Bei dieser vorzunehmenden Wertung muss berücksichtigt werden, dass die Un- 317 terhaltspflicht nur eine Teilbeziehung aus dem vielseitigen Komplex der den Ehegatten wechselseitig obliegenden Rechtspflichten darstellt und es sittenwidrig erschiene, dass ein Ehegatte, der selbst die gebotene eheliche Gesinnung vermissen lässt, finanziellen Vorteil zieht, ohne gleichzeitig auch grundsätzlich die Bereitschaft zu bekunden, die ihn selbst treffenden Verbindlichkeiten aus der Ehe zu erfüllen (6 Ob 653/81; 8 Ob 563/90; 4 Ob 9/01d). Entscheidend ist somit der völlige Verlust oder eine dem nahekommende Verflüchtigung des Ehewillens des Unterhaltsberechtigten (6 Ob 653/81 = EF 37.542; 4 Ob 92/ 97a = EF 83.042; 4 Ob 9/01d; 9 Ob 158/01b = EF 95.218; 2 Ob 152/07b), wenn also der Unterhaltsberechtigte erkennen lässt, dass er nicht bloß einzelne aus dem ehelichen Verhältnis entspringende Verpflichtungen hintansetzt, sondern sich schlechtweg über alle Bindungen aus der ehelichen Partnerschaft zu seinem persönlichen Eigennutzen hinwegzusetzen bereit ist, dennoch aber vom anderen Ehepartner die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Eheverhältnis begehrt (6 Ob 580/83 = JBl 1986, 524; 5 Ob 38/99w = EF 88.834; 2 Ob 152/07b), und insofern ein Dauerzustand eingetreten ist (6 Ob 2/05w = EF 110.069; 2 Ob 152/07b). Es ist – im Einzelfall (6 Ob 61/74; 4 Ob 542/74; 1 Ob 608/95 = EF 76.689; 318 1 Ob 171/02g) – ein strenger Maßstab zu fordern (5 Ob 600/84 = EF 237
§ 94 ABGB
Gitschthaler
44.856; 2 Ob 624/87 = EF 53.012; 5 Ob 38/99w = EF 88.831). Dabei sind nicht nur das objektive Gewicht der ehewidrigen Verhaltensweise (vgl etwa LG Salzburg EF 116.208 [außereheliche Beziehung der Frau mit einem anderen Mann, in welcher es auch öffentlich zum Austausch von Zärtlichkeiten kam, jedoch ein Ehebruch oder gar ein fortgesetztes sexuelles Liebesverhältnis nicht „als vollständig bescheinigt“ angenommen werden konnte, führt nicht zur Verwirkung] oder LGZ Wien EF 116.209 [Verweigerung des Geschlechtsverkehrs durch die Frau und deren Forderung nach einem höheren Brautgeld – nach iranischem Recht – keine Verwirkungstatbestände]), sondern auch das Maß der subjektiven Verantwortlichkeit des Unterhaltsberechtigten (sein Verschulden) zu berücksichtigen (6 Ob 717/77 = EF 28.588; 3 Ob 48/97y = EF 85.442; 4 Ob 92/97a = EF 83.044). Daher kann etwa ein auf Geisteskrankheit, einer geistigen Störung, Alkoholismus (3 Ob 5/88 = EF 55.918) und/oder sonstigen Herabsetzung der intellektuellen Fähigkeiten des Unterhaltsberechtigten beruhendes Verhalten Verwirkung ausschließen (6 Ob 717/77 = EF 28.589), wird doch die Fähigkeit vorausgesetzt, die Rechts- und Ehewidrigkeit des eigenen Verhaltens zu erkennen und dieser Einsicht gem zu handeln (LG Linz EF 103.167; Schwimann/Schwimann2 § 94 ABGB Rz 32). Wurde Unzurechnungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten (etwa) in einem Scheidungsverfahren bereits festgestellt, besteht Bindungswirkung (LGZ Wien EF 110.073). 319 Andererseits darf aber auch das Verhalten des anderen Teiles nicht vernachlässigt werden (2 Ob 575/77 = EF 28.587; 8 Ob 563/90 = EF 64.904; 5 Ob 569/93 = 5 Ob 570/93; 9 Ob 32/04b; 6 Ob 186/09k; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 21). Es ist also zu berücksichtigen, ob der Unterhaltspflichtige die schwere Pflichtverletzung seines Ehepartners etwa gebilligt, veranlasst oder gefördert (8 Ob 563/90; 3 Ob 48/97y = EF 83.048, 85.443) und damit seinen ernstlichen Willen, die Ehe ihrem Wesen gemäß fortzusetzen, aufgegeben hat (1 Ob 171/02g = JBl 2004, 45 [Kerschner]) oder das Verhalten des Unterhaltsberechtigten eine Reaktion auf ein vorangegangenes Verhalten des Unterhaltspflichtigen gewesen ist (LGZ Wien EF 95.226, 99.138; Berka-Böckle, JBl 2004, 232; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 26). In diesen Fällen kommt eine Verwirkung ebenso wenig in Betracht wie in jenen Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige zuvor körperliche Gewalt gegen den Unterhaltsberechtigten ausgeübt hat (LG Wels EF 110.077). 320 Einmaliger Ehebruch (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 21 unter Hinweis auf LGZ Wien EF 61.748; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 596 [One-NightStand]) oder auch eine „kurze sexuelle Beziehung“ (2 Ob 141/10i = EF-Z 2010/159) stellen seit dem EheRÄG 1999 (vgl zur Aufhebung des § 47 EheG bei § 49 EheG) zwar für sich allein keinen Verwirkungstatbestand mehr dar (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 21; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 593/1, 596/4; Kerschner, JBl 2004, 47; Berka-Böckle, JBl 2004, 232; aA LGZ Wien 238
Ehegattenunterhaltsrecht – Verlust des Unterhaltsanspruchs
§ 94 ABGB
EF 95.234), handelt es sich doch beim Ehebruch nicht mehr um einen absoluten Scheidungsgrund, und zwar selbst dann nicht, wenn er zur Zerrüttung der Ehe und/oder zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft geführt hat (vgl auch LG Salzburg EF 99.143). Dies gilt aber nicht für einen Ehebruch iVm einem „fortgesetzten sexuellen Liebesverhältnis“ (vgl 3 Ob 48/97y = EF 83.048, 85.443; 1 Ob 171/02g = JBl 2004, 45 [Kerschner]; 7 Ob 104/03z; 7 Ob 158/04t; 2 Ob 152/07b; 7 Ob 211/07s = EF 116.206; 2 Ob 152/07b; Hopf/ Kathrein § 94 ABGB Anm 31; ebenso LG Linz EF 99.144 und LGZ Wien EF 103.174 [fortgesetzte „empfindliche“ eheliche Untreue]; LGZ Wien EF 110.084 [sexuelle Beziehung zu einem anderen samt gelegentlichen Übernachtungen in dessen Wohnung]) oder die Aufnahme einer – wenn auch nur kurzen (6 Ob 550/83 = EF 42.563) oder homosexuellen (6 Ob 531/80 = EF 36.957; 1 Ob 717/86 = EF 53.026; vgl auch 6 Ob 28/07x = iFamZ 105/07 [Deixler-Hübner]) – „Lebensgemeinschaft“ (3 Ob 81/76; 6 Ob 698/81 = EF 37.558; 6 Ob 550/83 = EF 42.564; LG Salzburg EF 103.170). Es kommt also im Einzelfall auf die näheren Umstände des Ehebruchs an (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 21). Jedenfalls nicht maßgeblich iS des § 94 Abs 3 ABGB ist ein Ehebruch des Unterhaltsberechtigten nach dem Scheitern der Ehe und der Aufnahme einer Beziehung zu einem Dritten durch den Unterhaltspflichtigen (1 Ob 679/84 = EF 44.866; 1 Ob 306/03m) oder ein solcher, der erst längere Zeit nach dem Verlassen durch den Unterhaltspflichtigen begangen wurde (LGZ Wien EF 64.906; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 33 [viele Jahre danach]). Dies gilt auch dann, wenn der andere Ehegatte ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig zu erkennen gegeben hatte, dass er seinen ernstlichen Willen, die Ehe ihrem Wesen gemäß fortzusetzen, aufgegeben und dadurch die andernfalls zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führende schwere Pflichtverletzung seines Ehepartners gebilligt, veranlasst oder gefördert hat (7 Ob 211/07s = EF 116.207). Auch bei (sonstigem) Verlassen des Unterhaltspflichtigen durch den Unter- 321 haltsberechtigten kann grundsätzlich ein Verwirkungstatbestand angenommen werden, wenn die Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft ohne objektiv vorhandenen Grund und subjektiv eindeutig vorwerfbar erfolgte (3 Ob 582/ 81 = EF 37.551; 5 Ob 534/89 = EF 58.685; 7 Ob 674/89 = RZ 1990/49; 8 Ob 1679/93; 1 Ob 171/02g), der Unterhaltspflichtige den Unterhaltsberechtigten ernstlich – und unter Setzung einer angemessenen Überlegungsfrist (LGZ Wien EF 99.146) – zur Rückkehr aufgefordert, dieser jedoch die Aufforderung ohne triftigen Grund abgelehnt hat (3 Ob 634/81; 1 Ob 568/82; 4 Ob 9/01d = EF 95.235, 95.236; 6 Ob 186/09k) und sich darin der völlige Verlust oder eine ihm nahekommende Verflüchtigung des Ehewillens manifestiert (5 Ob 569/93 = EF 73.178). Hat hingegen der Unterhaltsberechtigte einen Beschluss nach § 92 Abs 2 ABGB zu seinen Gunsten erwirkt (1 Ob 679/78 = EF 30.639; 7 Ob 239
§ 94 ABGB
Gitschthaler
582/91 ua = EF 64.900), war ihm sonst der Verbleib in der Gemeinschaft mit dem Unterhaltspflichtigen im Hinblick auf dessen Verhalten unzumutbar (4 Ob 2019/96g = JBl 1997, 231 = EF 79.831; vgl auch 2 Ob 548/79 = EF 32.762; 7 Ob 321/01h = EF 99.147 [nach Tätlichkeiten und Misshandlungen]; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 21) oder ist er mit dessen Zustimmung an einen anderen Wohnort übersiedelt (vgl 5 Ob 642/77 = EvBl 1978/64), liegt kein Rechtsmissbrauch vor. 322 Beweispflichtig für eine Unterhaltsverwirkung ist grundsätzlich der unterhaltspflichtige Ehegatte (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 592/4), ein Umstand, der in älteren Entscheidungen auch iZm der Grundlosigkeit des Verlassens der Haushaltsgemeinschaft betont wurde (5 Ob 635/89; 5 Ob 569/93). In der jüngeren Rsp wurde jedoch iZm Ehescheidungsverfahren mehrfach hervorgehoben, dass derjenige Ehegatte, der die Ehewohnung verlässt, zu behaupten und zu beweisen hat, dass die Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft zu Recht erfolgte (3 Ob 313/97v; 2 Ob 170/98h). Damit muss aber der unterhaltspflichtige Ehegatte bei der Beurteilung der Grundlosigkeit des Verlassens der Haushaltsgemeinschaft durch den unterhaltsberechtigten Ehegatten iZm einer (allfälligen) Verwirkung dessen Unterhaltsansprüchen im Hinblick auf die Eheleute treffende Pflicht zu gemeinsamem Wohnung nur das Verlassen der Ehewohnung und die Rückkehraufforderung beweisen; der Unterhaltsberechtigte hat hingegen den Beweis für jene Tatsachen zu erbringen, aus denen er die Unzumutbarkeit des Verbleibs in der gemeinsamen Wohnung bzw der Rückkehr dahin ableiten will (vgl 3 Ob 188/07d; 6 Ob 186/09k). Dieser Grundsatz gilt auch im Provisorialunterhaltsverfahren (6 Ob 186/09k). 323 Die Verletzung der Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen stellt – wie jede andere Eheverfehlung – nur dann einen Scheidungsgrund dar, wenn sie schuldhaft erfolgt. Ein Verschulden ist jedoch nicht gegeben, wenn die Weigerung zum (weiteren) gemeinsamen Wohnen zwar objektiv gesehen unberechtigt war, aber im guten Glauben an ihre Berechtigung erfolgte, wenn also der Ehegatte aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte das Recht zum Getrenntleben in Anspruch nahm und der subjektiv begründete Verdacht bestimmend oder wenigstens mitbestimmend für die Entscheidung war (RIS-Justiz RS0047213, insb 4 Ob 533/88; 5 Ob 580/89; 1 Ob 514/90; zuletzt 6 Ob 186/09k). 324 Der Unterhaltsberechtigte verliert den Unterhaltsanspruch, wenn er den Unterhaltspflichtigen grundlos – und trotz Zumutbarkeit weiteren Zusammenlebens (LGZ Wien EF 99.148) – aus der Ehewohnung (nicht jedoch aus dem ehelichen Schlafzimmer [7 Ob 608/77 = EF 28.597]) aussperrt (LGZ Wien EF 103.179). Diesem ist es auch nicht zumutbar, die Wiederaufnahme der Ehegemeinschaft zu erbitten (5 Ob 708/78 = EvBl 1979/83; 5 Ob 534/89). 325 Die Verletzung sonstiger ehelicher (Beistands-)pflichten wird idR lediglich unter dem Gesichtspunkt eines allfälligen Scheidungsverschuldens zu prüfen 240
Ehegattenunterhaltsrecht – Verlust des Unterhaltsanspruchs
§ 94 ABGB
sein (vgl 6 Ob 626/82 = EF 39.994). Verwirkung wird also meist nicht schon bei lieblosem Verhalten (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 31) oder bei Unzulänglichkeiten in der Haushaltsführung (vgl 5 Ob 635/77 = EF 28.594 [beim Kochen]; 1 Ob 785/79 [bei der Wäschereinigung]; LGZ Wien EF 95.239 [beim Bügeln und Geschirrspülen]) bzw Kinderbetreuung oder im Sexualleben (LGZ Wien EF 64.907; LG Linz EF 99.153 [Verweigerung geschlechtlichen Zusammenseins]; auch nicht bei Verweigerung bestimmter Sexualpraktiken) gegeben sein. Bei konsequenter und nachhaltiger Unterbindung des Kontakts des Unterhaltspflichtigen zu seinen leiblichen Kindern wird allerdings der Unterhalt ebenso verwirkt (2 Ob 578/95 = JBl 1996, 402; 10 Ob 35/02y = EF 100.977; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 772/3; aA 7 Ob 699/83 = EF 46.327) wie bei Imstichlassen der Familie (4 Ob 566/80 = EF 35.195) oder des Unterhaltspflichtigen bei schweren Erkrankungen oder Operationen (vgl 7 Ob 158/04t) oder gar bei Ermordung des gemeinsamen Kindes (3 Ob 20/ 05w = EF 111.328). Verfehlungen gegen die wirtschaftliche Sphäre des Unterhaltspflichtigen 326 können zwar zur Verwirkung führen (5 Ob 38/99w = EF 88.842; 3 Ob 147/ 04w = EF 106.932). Ein Ehegatte, der am wirtschaftlichen Erfolg des anderen in Form eines Unterhaltsanspruchs partizipieren will, hat eine Schädigung dieses wirtschaftlichen Erfolg zu unterlassen (LGZ Wien 44 R 591/06x). Die Verfehlungen müssen aber von erheblicher Bedeutung sein (3 Ob 147/04w [sehr strenger Maßstab anzulegen]; 3 Ob 90/07z [massive Gefährdung des wirtschaftlichen Fortkommens]), auch wenn es nicht der Gefährdung der Existenz des Unterhaltspflichtigen bedarf (LGZ Wien EF 64.908) und außerdem ein einmaliger Verstoß ausreicht (3 Ob 90/07z). Eine Unterhaltsverwirkung bewirken daher zwar Diebstähle, (nicht nur un- 327 bedeutende) Sachbeschädigungen, Betrügereien und Veruntreuungen zu Lasten des Unterhaltspflichtigen (vgl 3 Ob 221/73). Nimmt der Unterhaltsberechtigte jedoch etwa Sparbücher oder Bargeld des Unterhaltspflichtigen „zur Sicherung für das Aufteilungsverfahren“ an sich, soll dies keine besonders krasse Verfehlung darstellen (8 Ob 160/06x). Tatbestandsmäßig ist auch nicht die Geltendmachung überhöhter finanzieller Forderungen (1 Ob 663/82 = EF 39.991) oder nicht zustehender Unterhaltsansprüche (1 Ob 601/85 = EF 47.455; aA 6 Ob 506/82 = EF 39.993; 7 Ob 505/87 = EF 53.010), es sei denn die Forderungen werden lediglich geltend gemacht, um den Unterhaltspflichtigen (etwa kostenmäßig) zu schädigen. Das Unterschieben eines Kindes und die damit verbundene Veranlassung des Unterhaltspflichtigen zur Leistung von Naturalunterhalt sind rechtsmissbräuchlich (LGZ Wien EF 95.237).
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§ 94 ABGB
Gitschthaler
328 Einschlägig sind Verleumdungen und sonstige falsche Anschuldigungen (LGZ Wien EF 97.305) bei Straf- oder Abgabenbehören sowie sachlich unbegründete Vorwürfe (vgl 7 Ob 699/83 = EF 46.326) bzw das Inverrufbringen bei Dienstgebern oder Vorgesetzten (vgl 2 Ob 516/76; 3 Ob 38/77), um den Unterhaltspflichtigen bewusst in seinem beruflichen Fortkommen zu beeinträchtigen (1 Ob 341/58; 2 Ob 554/88 = EF 57.285), ebenso bewusst unrichtige Anzeigen bei Dienst- oder Standesbehörden (vgl 3 Ob 126/74). Zu einer Unterhaltsverwirkung führen kann auch die Weitergabe von an sich richtigen Informationen wie das Vorhandensein von „Schwarzgeldkonten“ an die Abgabenbehörde (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 770/5), früherer Verurteilungen des Unterhaltspflichtigen an politische oder berufliche Gegner (3 Ob 7/77 = EF 29.660; vgl auch 1 Ob 60/73) oder sonstiger für den Unterhaltspflichtigen nachteiliger Umstände (etwa sexuelle Vorlieben udgl) an dritte Personen (3 Ob 7/77 = EF 29.660; 6 Ob 549/84; 3 Ob 115/90 = JBl 1991, 589), wenn dies praktisch ausschließlich zwecks Schädigung des Unterhaltspflichtigen erfolgt (LG Wels EF 111.326, 111.327 [aus feindlicher Einstellung oder Rachegefühl, außerdem muss eine Schädigung des Unterhaltspflichtigen eingetreten sein]); hier geht es um den Verstoß gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen durch Verbreitung vertraulicher Tatsachen (3 Ob 90/07z; Stabentheiner/Rummel § 94 ABGB § 74 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 6), wobei Kriterium die Erlangung der Kenntnis aufgrund der Ehegemeinschaft sein wird. 329 Beleidigungen und Beschimpfungen des Unterhaltspflichtigen werden idR nicht zur Unterhaltsverwirkung führen, weil immer auch die Begleitumstände (3 Ob 602/56; 1 Ob 54/63) und das Milieu (8 Ob 20/67 = EF 8514) zu berücksichtigen sind und sich diese Vorfälle wohl meist im Zuge von Auseinandersetzungen iZm der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft abspielen werden (s jüngst 6 Ob 108/08p). Verletzungen der körperlichen Integrität (8 Ob 503/83 = EF 42.569), körperliche Misshandlungen (5 Ob 619/82 = EF 39.995) und Drohungen gegen die körperliche und seelische Integrität des Unterhaltspflichtigen (LGZ Wien EF 103.182) können hingegen schon beachtlich sein, wenn sie ein gewisses Erheblichkeitsniveau (LGZ Wien EF 103.181 [schwere Misshandlungen]) erreichen. Nach Schwind (/Klang I/12 898 FN 6) und Zankl(/Schwimann § 74 EheG Rz 10) reicht es aus, wenn sich diese Verhaltensweisen nicht gegen den Unterhaltspflichtigen selbst, sondern gegen ihm nahestehende Personen richten, also etwa seine Kinder, Eltern, nunmehrigen Ehegatten oder auch Lebensgefährten (vgl idS auch 3 Ob 20/05w).
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Ehegattenunterhaltsrecht – Verfahrensfragen
§ 94 ABGB
G. Verfahrensfragen Zur Frage der inländischen Gerichtsbarkeit bzw internationalen Zuständig- 330 keit Österreichs in Unterhaltsstreitigkeiten betreffend Ehegatten vgl bei § 76 JN und Artt 2, 5 Z 2 EuGVVO, zur örtlichen Zuständigkeit bei § 76a JN. Auch nach den diesbezüglichen Änderungen durch das AußStr-BegleitG sind Ehegattenunterhaltsansprüche weiterhin auf dem streitigen Rechtsweg geltend zu machen (zu Provisorialansprüchen vgl § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO; vgl auch Schwimann/Kolmasch 187; Koch/KBB § 94 ABGB Rz 22; Hinteregger/ Klang3 § 94 ABGB Rz 5). Unterhaltsansprüche von Ehegatten sind § 18 IPRG zu unterstellen (2 Ob 331 144/06z; 1 Ob 1717/09t; 6 Ob 164/10a). Danach richtet sich die Frage der Anwendung des konkreten Sachrechts nach dem gemeinsamen bzw dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer der beiden beibehalten hat, hilfsweise nach dem gemeinsamen bzw dem letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt – auch in diesem Fall kommt es aber darauf an, ob er von einem der beiden Ehegatten beibehalten wurde. Das gemeinsame Personalstatut muss während der Ehe bestanden haben und der Ehegatte muss es beibehalten (dh nicht zwischenzeitlich verloren) haben (6 Ob 164/10a). Sind beide Ehegatten ausländische Staatsangehörige, haben sie aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, sind die Unterhaltsansprüche daher nach dem ausländischen Sachrecht zu beurteilen (3 Ob 2399/96g = ZfRV 1997/31). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn sie Angehörige eines Staates sind, der Vertragsstaat des Haager Unterhaltsstatutübereinkommens vom 2.10.1973 ist (etwa die Türkei); auch wenn Österreich kein Vertragsstaat ist, ist dessen Art 4 maßgeblich, wonach auf Ehegattenunterhaltsansprüche das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Unterhaltsberechtigten anzuwenden ist (LG Feldkirch = EF 85.012; LGZ Wien 44 R 696/06p). Haben die Ehegatten verschiedene Staatsbürgerschaften, jedoch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, ist österreichisches Unterhaltsrecht anzuwenden (6 Ob 548/79 = ZfRV 1980, 220 [Schwind]). Dass (lediglich) einer der beiden Österreicher ist, führt somit bei fehlendem österreichischen Aufenthaltsbezug noch nicht zur Anwendung österreichischen Sachrechts (vgl LGZ Wien 43 R 695/06h). Unterhaltsansprüche sind bei Ermittlung des Entscheidungsgegenstands 332 (§ 502 Abs 4 ZPO; ebenso § 62 Abs 3 AußStrG) mit dem dreifachen (strittigen) Jahresbetrag der begehrten Festsetzung oder Erhöhung/Herabsetzung (§ 58 Abs 1 JN; RIS-Justiz RS0103147) bzw mit dem Gesamtunterhaltsbetrag zu bewerten, wenn sich die Entscheidung auf einen ganz konkreten (wenn auch mehr als drei Jahre umfassenden) Zeitraum bezieht (3 Ob 170/06 f; 7 Ob 257/08g; 7 Ob 263/08i). Übersteigen diese Beträge 30.000 Euro und lässt die zweite Instanz die ordentliche Revision nicht zu, kann eine außerordentliche 243
§ 94 ABGB
Gitschthaler
Revision erhoben werden; andernfalls ist ein Antrag an die zweite Instanz zu stellen, sie möge ihren Zulassungsausspruch abändern (§ 508 ZPO; ebenso § 63 AußStrG [Zulassungsvorstellung]). Bereits fällig gewordene Unterhaltsansprüche sind nach der jüngeren überw Rsp dem laufenden Unterhaltsbetrag grundsätzlich nicht hinzuzurechnen (6 Ob 126/07h = EF-Z 2007/133 [Gitschthaler]; 10 Ob 82/07t; 1 Ob 119/07t; 3 Ob 279/07m; 5 Ob 10/08v; 4 Ob 214/08m; ebenso Mayr/Rechberger § 58 JN Rz 2 und Zechner/Fasching/Konecny § 502 ZPO Rz 185; vgl auch § 9 Abs 3 RATG). Vereinzelt (1 Ob 242/09h; 4 Ob 157/10g) wurde in jüngerer Zeit allerdings auch die ältere Rsp (3 Ob 503/ = SZ 69/33) bemüht, wonach gesondert begehrte, bereits fällige Unterhaltsansprüche zusätzlich neben dem dreifachen Jahresbetrag zu berücksichtigen seien, wenn der Durchschnitt dreier Jahre bereits fälliger Unterhaltsbeiträge höher ist als das Dreifache der Jahresleistung des laufenden Unterhalts (krit gegenüber der jüngeren Rsp bereits auch Gitschthaler/Gitschthaler/Höllwerth § 94 ABGB Rz 204 mit eingehender Begründung). Richtigerweise muss sich der maßgebliche Entscheidungsgegenstand (§ 502 Abs 4 ZPO; § 62 Abs 3 AußStrG) bei Geltendmachung laufenden und rückständigen Unterhalts (Stichtag hiefür ist der Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz [Pimmer/Fasching/Konecny § 500 ZPO Rz 9; Zechner/Fasching/Konecny § 502 ZPO Rz 134]) nach der Sume des 36fachen laufenden Unterhalts und dem gesamten rückständigen Unterhalt richten. Diese Vorgangsweise entspricht nicht nur § 15 Abs 5 GGG (der eine ähnliche Sachverhaltskonstellation regelt, nämlich die Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren, was ja nichts Anderes als der Entscheidungsgegenstand sein kann), sondern auch § 58 Abs 1 JN; darüber hinaus vermeidet sie gegenüber der jüngeren Rsp Unbilligkeiten, wenn etwa tatsächlich strittig ein sehr hoher rückständiger Unterhalt ist, gleichzeitig jedoch auch niedriger laufender Unterhalt geltend gemacht wird. Bezieht sich die Entscheidung hingegen auf einen ganz konkreten (wenn auch mehr als drei Jahre umfassenden Zeitraum, ist der Entscheidungsgegenstand mit dem Gesamtunterhaltsbetrag zu bewerten (3 Ob 170/06 f; 7 Ob 257/08g; 7 Ob 263/08i; 1 Ob 178/10y; 2 Ob 170/10d). Hat der Unterhaltspflichtige den Unterhaltserhöhungsantrag mit der Begründung bestritten, für bestimmte Unterhaltsperioden habe eine Anrechnung von Naturalleistungen zu erfolgen, ist die Frage, ob dieser Einwand berechtigt ist, im Rahmen der Gesamtentscheidung über den Erhöhungsantrag zu prüfen, stellt aber keinen selbständigen, der (Teil-)Rechtskraft fähigen Entscheidungsgegenstand dar (8 Ob 81/08g). Ansprüche mehrerer Unterhaltsberechtiger sind für die Bewertung nicht zusammenzurechnen (1 Ob 292/04d ua = EF 111.786; 2 Ob 26/05w ua = EF 111.787; 6 Ob 126/07h; 4 Ob 214/08m). Dass der Unterhaltsberechtigte sich zur Begründung seines Anspruchs auf einen Unterhaltsvergleich stützt, ändert an der Qualifikation „gesetzlicher Unterhalt“ nichts (6 Ob 227/08p; vgl auch 6 Ob 165/08w; 9 Ob 45/08w). 244
Ehegattenunterhaltsrecht – Verfahrensfragen
§ 94 ABGB
Hinsichtlich des Anwaltshonorars ist es im Hinblick auf § 9 Abs 3 RATG stRsp, dass Bemessungsgrundlage (höchstens) eine Jahresleistung sein kann, ein Unterhaltsrückstand hingegen nicht erhöhend wirkt (1 Ob 25/04i; 7 Ob 225/04w; 7 Ob 37/07b = EF-Z 2007/134; aA LGZ Wien EF 111.789). Anders ist dies hingegen bei der Ermittlung der Gerichtsgebühren; nach § 15 Abs 5 GGG sind laufender und künftiger Unterhalt zusammenzurechnen (vgl ausführlich Stabentheiner, Die Gerichtsgebühren9 [2010] § 15 Anm 7). Gesetzliche Unterhaltsansprüche für die Zeit nach der Eröffnung eines Insol- 333 venzverfahrens sind nicht Insolvenzforderungen und können daher auch während des Verfahrens gegen den unterhaltspflichtigen Gemeinschuldner geltend gemacht werden (5 Ob 605/88 = EF 55.956; 10 Ob 41/08i). Hinsichtlich rückständigen Unterhalts kommt es hingegen ex lege zur Unter- 334 brechung des Verfahrens gem § 159 ZPO (RIS-Justiz RS0037149), und zwar auch bei Eröffnung (nur) eines Schuldenregulierungsverfahrens (10 Ob 41/ 08i; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 474) mit Eigenverwaltung des Gemeinschuldners (8 Ob 52/08t mwN); letzteres trifft nur dann nicht zu, wenn es sich um ein Unterhaltsherabsetzungsverfahren handelt (8 Ob 120/08t). Diese Grundsätze gelten auch für einstweiligen Unterhalt (7 Ob 169/04k). Jedenfalls ist auf § 1418 letzter Satz ABGB Bedacht zu nehmen, dh der für das Monat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, fällig gewordene Unterhalt ist zur Gänze Insolvenzforderung (1 Ob 86/04k; Schubert/Konecny/Schubert § 5 KO Rz 7; Pichler, ÖA 1995, 43; G. Kodek, Handbuch Privatkonkurs Rz 224). Der sich aufgrund bisheriger Unterhaltstitel ergebende Rückstand ist als Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren des Unterhaltspflichtigen anzumelden. Das Unterhaltsverfahren kann nur aufgenommen werden, wenn der Anspruch im Insolvenzverfahren angemeldet, dort der Prüfung unterzogen und bestritten worden ist; die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens bedarf eines Aufnahmeantrags und eines aufgrund eines solchen Antrags gefassten Gerichtsbeschlusses. Bis ein solcher Aufnahmebeschluss gefasst wird, besteht die durch die Insolvenzeröffnung eingetretene Unterbrechungswirkung fort; daran ändert auch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nichts, weil auch in diesem Fall die Aufnahme des Verfahrens eines Parteiantrags und eines Aufnahmebeschlusses bedarf (9 Ob 40/03b; 8 Ob 14/07b = EF-Z 2007/108 [Gitschthaler]). Wird das Unterhaltsverfahren trotz eingetretener Unterbrechung ohne Aufnahmeantrag und -beschluss weitergeführt, ist es ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung für nichtig zu erklären (8 Ob 14/07b = EF-Z 2007/108 [Gitschthaler]). Die unterschiedliche Behandlung von Unterhaltsforderungen durch das Ab- 335 stellen auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung benachteiligt Unterhaltsgläubiger umso mehr, je später die Eröffnung erfolgt, ist doch laufender Unter245
§ 94 ABGB
Gitschthaler
halt auch während des Insolvenzverfahrens festzusetzen (vgl Rz 147 ff), während rückständiger Unterhalt als Insolvenzforderungen lediglich mit der Quote berücksichtigt wird (vgl Neuhauser, Zak 2008, 89). Macht sich dabei der Unterhaltspflichtige einer Insolvenzverschleppung im Hinblick auf § 69 IO schuldig, kann ihm allerdings nach § 215 IO im Abschöpfungsverfahren die Restschuldbefreiung verweigert werden; ähnliches gilt auch für das Sanierungsverfahren. In all diesen Fällen wird aber zu Lasten der Unterhaltsgläubiger zu fragen sein, warum sie nicht selbst Insolvenzantrag gestellt haben; trifft sie diesbezüglich auch nur ein geringes Mitverschulden, tritt Restschuldbefreiung ein (vgl G. Kodek, Privatkonkurs2, 78). 336 Nach § 222 Abs 2 Z 4 ZPO idF BudgetbegleitG 2011 stellen alle Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt, also nicht nur solche auf Leistung, sondern auch solche auf Herabsetzung, Einstellung usw gerichtete Streitigkeiten sowie Feststellungsbegehren auf Ruhen des Unterhaltsanspruchs (vgl noch zur alten Rechtslage 3 Ob 115/84; 8 Ob 506/88), Ferialsachen dar (vgl noch zur alten Rechtslage 1 Ob 699/85; 7 Ob 115/98g; 6 Ob 113/00m). Damit werden in diesen Verfahren Rechtsmittel- und sonstige Fristen durch die Zeiträume vom 15. 7. bis 17. 8. und vom 24. 12. bis 6. 1. eines jeden Jahres nicht gehemmt; auch die Durchführung von Tagsatzungen ist in diesen Verfahren uneingeschränkt möglich (vgl § 222 Abs 3 ZPO nF). Die Neuregelung der (früher) verhandlungsfreien Zeit bzw der „Gerichtsferien“ durch das BudgetbegleitG 2011 im dargestellten Sinn ist erstmals auf die Zeit vom 15. 7. bis 17.8.2011 anzuwenden. Bei Häufung mehrerer Ansprüche in einer Klage, von denen einer bei gesonderter Geltendmachung die Rechtssache zur Ferialsache machen würde, ist der gesamte Rechtsstreit einheitlich Ferialsache, weshalb auch Unterhaltssachen, die mit anderen Sachen verbunden sind, nicht anders zu behandeln sind als andere Ferialsachen (8 Ob 573/87 = EF 55.026; 6 Ob 113/00m). Dass der Unterhaltsberechtigte sich zur Begründung seines Anspruchs auf einen Unterhaltsvergleich stützt, ändert an der Qualifikation „gesetzlicher Unterhalt“ nichts (9 Ob 45/08w; 7 Ob 257/08g; vgl auch 6 Ob 165/08w; 6 Ob 227/08p). 337 Wie im Kindesunterhaltsrecht (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 448) trifft den Unterhaltspflichtigen auch im Ehegattenunterhaltsrecht eine Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung der maßgeblichen Unterhaltsbemessungsgrundlage (Beibringungsgrundsatz; Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 52), und zwar insb hinsichtlich solcher Umstände, die in seiner Sphäre liegen (vgl 3 Ob 609/90; 6 Ob 41/00y). Dies ergibt sich aus der im Rahmen der persönlichen Ehewirkungen anerkannten Verpflichtung, sich gegenseitig über alle wesentlichen Umstände des Berufs- und Privatlebens aufzuklären (Hopf/ Kathrein § 94 ABGB Anm 57; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 72; vgl auch LGZ Wien EF 40.702, 56.596; aA [keine Offenlegungspflicht] Koch/KBB § 94 ABGB Rz 22). Dazu gehört auch die Verpflichtung zur Vor246
Ehegattenunterhaltsrecht – Verfahrensfragen
§ 94 ABGB
lage der erforderlichen Unterlagen an den SV (vgl 4 Ob 1611/94; 1 Ob 2040/ 96y = EF 80.903). Verletzt der Unterhaltspflichtige diese Mitwirkungspflicht, kann sein Einkommen jedenfalls nach freier Würdigung geschätzt werden (vgl 3 Ob 553/91; 6 Ob 238/98p). Zu verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des Unterhaltsberechtigten, der Schwierigkeiten hat, eine entsprechende Unterhaltsbemessungsgrundlage nachzuweisen, vgl ausführlich Rassi, EF-Z 2010/149 und EF-Z 2011/4. Es gilt aber auch in Unterhaltsverfahrens der Grundsatz, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat; lediglich in Ausnahmefällen, in denen die Nähe zum Beweis in dem Umstand liegt, dass Tatfragen zu klären sind, die tief in die Sphäre des Unterhaltspflichtigen hineinführen, kann es zu einer Verschiebung der Beweislast kommen (6 Ob 198/10a EF-Z 2011/20). Eine unmittelbare Durchsetzung außerhalb des Unterhaltsverfahrens im 338 Wege des Art XLII EGZPO wird zwar von älterer Rsp (3 Ob 341/21 = SZ 3/ 65; 1 Ob 418/57 = SZ 30/54; LGZ Wien EF 31.982, 72.855, 88.027) und einem Teil der L (Hopf/Kathrein § 94 ABGB Anm 57; Schwimann2, 156; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 72) abgelehnt, weil Abs 1 1. Fall dieser Bestimmung keinen eigenen Anspruch auf Auskunft schaffe, sondern eine materiellrechtliche Verpflichtung voraussetze (Konecny/Fasching Art XLII EGZPO Rz 4, 21 mwN; vgl auch 6 Ob 206/02s = EF 101.711) und die Unterhaltspflicht eine solche nicht enthalte (LGZ Wien EF 72.855) bzw Abs 1 2. Fall nicht die bloße Rechtsbestreitung durch den Schuldner verbunden mit dem Schweigen über für den Anspruchwerber günstige Tatsachen durch diesen meine (Konecny/Fasching Art XLII EGZPO Rz 75; ebenso OLG Linz EF 94.422); mit dem gemeinsamen Verbrauch der dafür vorgesehenen Mittel während der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sei ein Rechnungslegungsverzicht verbunden (8 Ob 255/99d = JBl 2000, 671; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 94 ABGB Rz 72). Im Hinblick auf die rechtliche Sonderbeziehung von Ehegatten (auch) in Un- 339 terhaltsfällen muss allerdings eine derartige Auskunftspflicht bejaht werden, wenn es dem Unterhaltsberechtigten gelingt, das grundsätzliche Bestehen seines Anspruchs zu beweisen und die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfällt, was mangels Einsichtsmöglichkeiten insb in die Gehaltssituation des Unterhaltspflichtigen durchwegs der Fall sein wird (Harrer-Hörzinger 47; BienertNießl 182; Konecny/Fasching Art XLII EGZPO Rz 68; vgl auch 2 Ob 217/04g zu Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder vor dem AußStrG 2003; krit zu dieser Argumentationslinie Rassi, EF-Z 2011, 14, der auf ausreichende verfahrensrechtliche Möglichkeiten der Parteien im Unterhaltsprozess hinweist). Auch bei vertraglichen Unterhaltsansprüchen hält der OGH (8 Ob 35/62 = SZ 35/14; 6 Ob 255/04z) im Hinblick auf die aus dem Vertrag abzuleitende Auskunftspflicht, auf Treu und Glauben und auf das anders nicht zu befriedi247
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Beck
gende Informationsbedürfnis des Unterhaltsberechtigten einen Anspruch nach Art XLII Abs 1 EGZPO für gegeben. Schließlich hat die Rsp auch ein Rechnungslegungsbegehren zwischen geschiedenen Ehegatten ausdrücklich zugelassen (10 Ob 47/07w = EF-Z 2007/131 = iFamZ 2007/129 [DeixlerHübner]; 4 Ob 175/07z = EF 117.478; vgl dazu auch § 66 EheG Rz 30); die dort vorgenommenen Wertungen (wechselseitige Informationspflichten während aufrechter Ehe als Begründung für das Rechnungslegungsbegehren für die Zeit nach der Ehescheidung) müssen aber erst recht für den Ehegattenunterhalt während aufrechter Ehe gelten (so nun auch C. Graf, Zak 2007, 243). 340 Die Gerichte sind nicht verpflichtet, zur Wahrung der Steuergerechtigkeit schon bei Bekanntwerden allfälliger möglicher steuerlicher Umgehungskonstruktionen des Unterhaltspflichtigen amtswegig das zustände Finanzamt zu verständigen, das Ergebnis der finanzbehördlichen Recherchen abzuwarten und erst dann ein Urteil zu fällen (LGZ Wien EF 104.919). Ausgeschlossen ist eine derartige Vorgangsweise im Hinblick auf § 190 ZPO aber wohl nicht, wenn das Ergebnis des Verwaltungsverfahren tatsächlich Einfluss auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage haben kann. 341 Der Gläubiger des Unterhaltsberechtigten kann dessen Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen pfänden, sich überweisen lassen und dann – mangels Zahlung – allenfalls im Wege einer Drittschuldnerklage geltend machen. Gläubiger können dabei auch seine Kinder, aber auch ein geschiedener Ehegatte sein, wenn sie eine titulierte Unterhaltsforderung haben. Diese Exekutionsführung hängt zwar nicht von der gerichtlichen Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs ab. In der Drittschuldnerklage muss aber das Vorliegen eines Unterhaltsanspruchs schlüssig behauptet werden. Der Hinweis auf § 94 ABGB allein reicht im Allgemeinen nicht aus, weil die gesetzliche Regelung gegenüber der autonomen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft subsidiär ist (9 Ob 83/06 f).
Haushaltsführung § 95. Die Ehegatten haben an der Führung des gemeinsamen Haushalts nach ihren persönlichen Verhältnissen, besonders unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Belastung, mitzuwirken. Ist jedoch ein Ehegatte nicht erwerbstätig, so obliegt diesem die Haushaltsführung; der andere ist nach Maßgabe des § 91 zur Mithilfe verpflichtet. [Zuletzt geändert durch EheRÄG BGBl I 1999/125] Lit: Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 821 [828].
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§ 95 ABGB
Haushaltsführung
Inhaltsübersicht A. B. C. D. E.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haushaltsführung . . . . . . . . . . . . . . Berufstätigkeit beider Ehegatten . . . „Hausfrauen- bzw Hausmännerehe“ Scheidungsgrund . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Allgemeines Für die Aufgabenverteilung im gemeinsamen Haushalt der Ehegatten gilt gem 1 § 91 Abs 1 ABGB vorrangig deren einvernehmliche Gestaltung, weil es dem Konsens der Ehegatten überlassen bleibt, welche einzelnen Beiträge sie im Rahmen ihrer wechselseitigen Beistandspflicht in der ehelichen Lebensgemeinschaft (daher auch in Bezug auf Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit) leisten. § 95 ABGB kommt als dispositive Gesetzesbestimmung nur insoweit zur Anwendung, als die Ehegatten keine oder keine andere (wirksame) Regelung über die Haushaltsorganisation (ausdrücklich oder konkludent, vor allem durch eine jahrelange Umsetzung im Alltag) treffen (s auch § 94 ABGB Rz 191). Für Gestaltungsabsprachen im Hinblick auf die Haushaltsführung gelten dieselben Grenzen, die auch in den sonstigen Bereichen des ehelichen Zusammenlebens die autonome Regulierbarkeit durch die Ehegatten beschränken. Aufgrund des Partnerschaftsgedankens im Eherecht und in Anbetracht des Gleichbeteiligungsprinzips des § 91 Abs 1 ABGB ist daher eine diesen eherechtlichen Grundsätzen gänzlich widersprechende und damit nach den gesetzlichen Vorgaben und ihrem zeitgemäßen Verständnis völlig unausgewogene Regelung der Ehegatten über die Verpflichtungen im Zusammenleben unwirksam (vgl dazu § 91 ABGB Rz 7; iglS Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 824 f).
B. Haushaltsführung Die Haushaltsführung ist ein vom Gesetz nicht definierter Begriff und umfasst 2 nach der Rsp die hauptverantwortliche Erledigung der Alltagsversorgung der Familie (des „Haushalts“), somit die Organisation und tatsächliche Verrichtung aller regelmäßig anfallenden Tätigkeiten, die zur Versorgung der Ehegatten und weiterer Familienmitglieder notwendig sind, wie etwa Einkäufe von Lebensmitteln und Haushaltsgegenständen, die Essenszubereitung und die Reinigung des gemeinsamen privaten Lebensbereichs einschließlich der Wäsche (4 Ob 2019/96g = JBl 1997, 231 = EF 79.831; 6 Ob 137/97h; LGZ 249
§ 95 ABGB
Beck
Wien EF 99.106, 110.048). Auf die Größe des Haushalts und das Ausmaß der Belastungen durch die Hausarbeit kommt es nicht an. Näheres dazu s § 94 ABGB Rz 190. 3 Führen die Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt und haben sie über die Pflichten im hauswirtschaftlichen Bereich keine andere einvernehmliche Regelung iS des § 91 Abs 1 ABGB getroffen, obliegt dem nicht erwerbstätigen Ehegatten die Haushaltsführung. Diese gesetzliche Anordnung bedeutet aber nicht, dass dieser Ehegatte sämtliche Hausarbeiten allein verrichten müsste und den erwerbstätigen Ehegatten keine Mithilfepflicht treffen würde. Das Gesetz sieht nach dem partnerschaftlichen Ehemodell eine beiderseitige Mitwirkung nach den jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten – wenn auch unter besonderer Bedachtnahme auf die berufliche Belastung eines Ehegatten – vor. Diese Beitragspflichten bestehen nur für die Dauer eines gemeinsamen Haushalts; mit der Beendigung des Zusammenlebens erlöschen sie (OLG Wien EF 35.165).
C. Berufstätigkeit beider Ehegatten 4 Vor allem in jenen Fällen, in denen beide Ehegatten berufstätig sind oder keiner von ihnen einer Erwerbstätigkeit nachgeht (zB Pensionisten, Studenten), sind beide Ehegatten zur Mitwirkung an der Hausarbeit verpflichtet. Bei diesen Konstellationen haben die Ehegatten den Haushalt gemeinsam zu führen. Der Umfang der Mitwirkungspflicht jedes Ehegatten richtet sich nach den persönlichen Verhältnissen wie Alter, Gesundheitszustand sowie Belastung durch Kinderbetreuung und Berufsausübung, wobei die Inanspruchnahme durch eine Erwerbstätigkeit bereits nach dem Gesetzeswortlaut besonders zu berücksichtigen ist. In welchem Ausmaß die Ehegatten im Haushalt mitzuwirken haben, bestimmt sich somit nach ihren „Kräften“ im Begriffsverständnis des § 94 Abs 1 ABGB (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 95 ABGB Rz 3; vgl auch Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 828); dem Gesetz kann daher auch keine Beitragspflicht iS einer strikten Hälfteteilung der Aufgaben und Lasten, wie sie in der politischen Diskussion immer wieder unter dem Schlagwort „HalbeHalbe“ thematisiert wird, entnommen werden. Einem Ehegatten, dessen Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt ist, soll dabei nur ein geringerer Anteil an der Haushaltsführung zugemutet werden. Der bloße Verweis auf die mangelnde Eignung eines Ehegatten kann ihm hingegen die Hausarbeit nicht ersparen. In diesem Fall hat er einfache Tätigkeiten im Haushalt zu verrichten, die jedem Erwachsenen zumutbar sind, wie etwa das Putzen der Wohnung oder die Erledigung von Einkäufen (vgl dazu Deixler-Hübner, Scheidung Rz 15).
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§ 95 ABGB
Haushaltsführung
D. „Hausfrauen- bzw Hausmännerehe“ Ist nur einer der beiden Ehegatten erwerbstätig, so ist die Haushaltsführung 5 dem anderen gem § 95 zweiter Satz ABGB zugewiesen. Der berufstätige Ehegatte ist aber nach Maßgabe des § 91 ABGB zur Mithilfe im Haushalt in seiner Freizeit verpflichtet, wie das Gesetz in § 95 zweiter Satz zweiter Halbsatz ABGB ausdrücklich hervorhebt. Diese Pflicht zur Unterstützung bei der Haushaltsführung wurde durch das EheRÄG 1999 in den Wortlaut des § 95 ABGB eingefügt; in der Lehre wurde eine solche Mithilfepflicht schon zur früheren Rechtslage vertreten (Nachweise bei Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 828 FN 67). Der nicht erwerbstätige Ehegatte hat folgerichtig den größeren Teil der Hausarbeit zu verrichten, der berufstätige Ehegatte muss aber im Haushalt mithelfen, soweit ihm diese Mitarbeit unter Berücksichtigung der sonstigen Lastenverteilung und vor allem unter Bedachtnahme auf seine Berufstätigkeit zumutbar ist. Der Verweis auf § 91 ABGB bedeutet zum einen, dass für die Aufgabenzuordnung im gemeinsamen Haushalt grundsätzlich die Gestaltungsautonomie der Ehegatten bestimmend ist; zum anderen sind die Ehegatten auch in diesem Bereich zur Rücksichtnahme aufeinander verpflichtet (KW I 476), sodass die jeweiligen Belastungen aus der Haushaltsführung und allfälligen Kinderbetreuung des nicht erwerbstätigen Ehegatten und aus der Berufstätigkeit des anderen zu beachten sind (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 828). Die Art und das Ausmaß der Mithilfe im Haushalt orientieren sich somit insb an der Zumutbarkeit dieser Arbeiten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Nach denselben Kriterien – Alter, Gesundheitszustand, Kinderbetreuung, Versorgung weiterer Angehöriger, berufliche Belastung – ist auch der Fall einer bloß teilweisen Erwerbstätigkeit zu lösen, wobei das Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme durch die Berufstätigkeit maßgebende Bedeutung für die Beitragspflicht iZm dem gemeinsamen Haushalt hat. Der Ehegatte, der nur einer Halbtagsbeschäftigung nachgeht, wird daher den größeren Teil der Haushaltsführung übernehmen müssen (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 15).
E. Scheidungsgrund Weder das Zustandekommen einer Einigung über die Aufgabenverteilung bei 6 der Haushaltsführung noch die tatsächliche Erledigung dazugehöriger Besorgungen durch einen Ehegatten können mit gerichtlichen Mitteln durchgesetzt werden. Die in § 95 ABGB genannten Pflichten als Teil der persönlichen Ehewirkungen sind demnach nicht gesondert gerichtlich erzwingbar (zum Erlöschen dieser Pflichten mit Haushaltstrennung s Rz 3).
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Eine erhebliche, über einen längeren Zeitraum anhaltende Verletzung der Pflicht zur gemeinsamen Haushaltsführung gem § 95 ABGB bildet jedoch eine schwere Eheverfehlung iS des § 49 EheG (4 Ob 520/88 = EF 57.113; 2 Ob 543/89 = EF 60.151; LG Salzburg EF 114.179, 120.315; LGZ Wien EF 104.821, 111.190 [die Vernachlässigung des Haushalts ist nur dann eine schwere Eheverfehlung, wenn sie längere Zeit andauert und auf Böswilligkeit beruht]; vgl dazu auch § 49 EheG Rz 23). Ebenso kann die jahrelange Passivität im Haushalt und bei der Kindererziehung eine scheidungsrelevante Ehewidrigkeit darstellen (5 Ob 198/03h = EF 104.885 [gleichteiliges Verschulden an der Ehezerrüttung bei jahrelanger Weigerung des Mannes, die berufstätige Frau im Haushalt und bei der Kinderbetreuung zu unterstützen und die Freizeit mit ihr und dem Kind zu verbringen, einerseits und einem von der Frau eingestandenen Ehebruch andererseits]; LGZ Wien EF 75.518). Im Einzelfall ist für die Wertung als Eheverfehlung entscheidend, ob die Ehegatten Vereinbarungen über die Haushaltsführung getroffen haben und ob solche Absprachen eingehalten wurden bzw ob die tatsächliche Gestaltung des Zusammenlebens in diesem Bereich im Fall, dass die Ehegatten keine andere Übereinkunft erzielt haben, mit den Vorgaben des § 95 ABGB übereinstimmte. 7 Die Pflicht zur gemeinsamen Haushaltsführung iS des § 95 ABGB kann nur gemeinsam abbedungen werden. Das grundlose einseitige Abgehen von dieser Vorschrift stellt daher ebenfalls eine schwere Eheverfehlung dar (DeixlerHübner, Scheidung Rz 15).
Schlüsselgewalt § 96. Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und keine Einkünfte hat, vertritt den anderen bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er für den gemeinsamen Haushalt schließt und die ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigen. Dies gilt nicht, wenn der andere Ehegatte dem Dritten zu erkennen gegeben hat, dass er von seinem Ehegatten nicht vertreten sein wolle. Kann der Dritte aus den Umständen nicht erkennen, dass der handelnde Ehegatte als Vertreter auftritt, dann haften beide Ehegatten zur ungeteilten Hand. [Zuletzt geändert durch EheRwG BGBl 1975/412] Lit: Deixler-Hübner, Scheidung Rz 16; Rummel, Die Schlüsselgewalt nach neuem österreichischen Recht, JBl 1976, 136.
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§ 96 ABGB
Schlüsselgewalt
Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haushaltsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkünfte des den Haushalt führenden Ehegatten Lebensverhältnisse der Ehegatten . . . . . . . . . . . . Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens . . . . . . . . . . Vertretung und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Allgemeines Gem § 96 ABGB vertritt der Ehegatte, der den gemeinsamen (vgl Rz 2) Haus- 1 halt (zur Haushaltsführung s § 95 ABGB Rz 2) führt und keine erheblichen Einkünfte hat (Rz 3 ff), den anderen Ehegatten schon kraft Gesetzes bei bestimmten Alltagsgeschäften mit Dritten (Schlüsselgewalt). Nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung soll die Haushaltsführung durch den einkommenslosen Ehegatten, dem dieser Aufgabenbereich gem § 95 zweiter Satz ABGB zukommt und der die üblichen Geschäfte für den Haushalt abwickelt, durch die Vertretungsregelung erleichtert werden. Gleichzeitig steht der Geschäftspartner bei solchen Vertragsabschlüssen rechtlich nicht dem einkommenslosen den Haushalt führenden Ehegatten gegenüber, sondern kann die Zahlung vom anderen Ehegatten verlangen, der regelmäßig das Familieneinkommen erwirtschaftet. Anlässlich der Regelung persönlicher Rechte und Pflichten zwischen eingetragenen Partnern mit dem EPG (BGBl I 2009/135) verankerte der Gesetzgeber die gesetzliche Regelung über die Schlüsselgewalt in § 10 EPG auch für eingetragene Partnerschaften („gesetzliche Vertretungsmacht“). Aus diesem Umstand muss wohl abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber nach wie vor einen relevanten Anwendungsbereich für diese gesetzliche Vertretungsbefugnis sieht.
B. Haushaltsführung Die Vertretung iS des § 96 ABGB setzt voraus, dass der rechtsgeschäftlich han- 2 delnde Ehegatte den gemeinsamen Haushalt führt. Führt kein Ehegatte den Haushalt oder tun dies beide Ehegatten zu annähernd gleichen Teilen, so kommt eine Vertretung nach § 96 ABGB nicht in Betracht (LGZ Wien EF 76.723; Hopf/Kathrein § 96 ABGB Anm 2; abwägend für das Handeln des einkommenslosen Ehegatten bei gleichteiliger Haushaltsführung Schwimann/ Ferrari/Schwimann § 96 ABGB Rz 3). Gleiches gilt für den Fall, dass die Ehegatten getrennte Haushalte führen (LGZ Wien EF 47.515, 76.723). 253
§ 96 ABGB
Beck
Mit der Haushaltstrennung erlischt das Vertretungsverhältnis (6 Ob 116/58 = SZ 31/85; LGZ Wien EF 47.515). Wenn die Ehegatten nach langer Ehegemeinschaft einige Monate vor Geschäftsabschlüssen der Frau die Benützung der einzelnen Räume in ihrem Einfamilienhaus regeln und gleichzeitig vereinbaren, dass sich jeder selbst versorgt, wird dadurch die Schlüsselgewalt aber noch nicht aufgehoben (6 Ob 116/58 = SZ 31/85); die Benützungsregelung betrifft nur den unmittelbaren Lebensbereich, in den der Dritte keinen Einblick hat und über den ihm keine Nachforschungen auferlegt werden können (s Rz 13).
C. Einkünfte des den Haushalt führenden Ehegatten 3 Die Schlüsselgewalt steht nach dem Gesetzestext dem allein den gemeinsamen Haushalt führenden Ehegatten nur dann zu, wenn dieser keine Einkünfte hat, weil es zu seinem Schutz und zur Wahrung der Interessen des Dritten im Allgemeinen nicht erforderlich ist, die Rechtsfigur der Schlüsselgewalt heranzuziehen, wenn der den Haushalt führende Ehegatte ein Einkommen hat (LGZ Wien EF 37.621; s aber Rz 5). Verfügen beide Ehegatten über eigene Einkünfte, scheidet ein Rechtsgeschäft im Rahmen der Schlüsselgewalt daher grundsätzlich aus (10 Ob 526/94 = JBl 1995, 324 = EF 73.840; LGZ Wien EF 76.722; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 16); § 96 ABGB kommt in diesem Fall nicht zur Anwendung. Ohne rechtsgeschäftliches Vollmachtsverhältnis verpflichtet sich dann jeder Ehegatte auch bei Vertragsabschlüssen für den gemeinsamen Haushalt selbst. 4 Bei der Prüfung der Einkommenssituation des den Haushalt führenden Ehegatten kommt es darauf an, ob dieser Ehegatte zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses tatsächlich Einkünfte hat. Ein solches Einkommen kann etwa auch ein Arbeitslosengeld sein. Eine bloße Gehaltsforderung, die allenfalls uneinbringlich ist, ist hingegen nicht zu berücksichtigen (LGZ Wien EF 70.626). Dem Vertragspartner kann nicht zugemutet werden, ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft abzuschließen, weil abgewartet werden müsste, ob die Gehaltsforderung des handelnden Ehegatten einbringlich gemacht werden kann. In diesem Fall wäre für den Dritten beim Vertragsabschluss nicht absehbar, welcher Ehegatte nach Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse als Vertragspartner aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet wird. 5 Die Voraussetzung eines fehlenden eigenen Einkommens des handelnden Ehegatten darf aber nach der Rsp nicht zu streng gesehen werden; geringfügige oder gelegentliche Einkünfte schaden nicht, weil sie die Haftungsfondsgrenzen nicht wesentlich verschieben (5 Ob 535/81 = SZ 54/148; 10 Ob 526/94 = JBl 1995, 324; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 96 ABGB Rz 3 mwN; KW I 477). 254
§ 96 ABGB
Schlüsselgewalt
Der handelnde Ehegatte darf jedoch keine im Verhältnis zum Einkommen des anderen ins Gewicht fallenden Einkünfte haben. Eine betragsmäßige und damit objektive Grenze lässt sich dabei nicht angeben, weil es auf die Lebensverhältnisse der Ehegatten ankommt (Hopf/Kathrein § 96 ABGB Rz 2; aA Koch/KBB § 96 ABGB Rz 1 [objektive Sicht geboten, nicht Lebensumstände der Ehegatten entscheidend]) und überdies die Einkünfte des den Haushalt führenden Ehegatten in Relation zum Wert der angeschafften Sache gesetzt werden müssen. Schon deshalb sind auch die jeweiligen Pfändungsfreigrenzen nach § 291a EO iVm der jeweiligen ExMinVO nur sehr eingeschränkt geeignete Orientierungshilfen (aA Hopf/Kathrein § 96 ABGB Anm 2; Stabentheiner/Rummel § 96 ABGB Rz 2). Ob ein Einkommen des den Haushalt führenden Ehegatten, welches das Existenzminimum übersteigt, die Schlüsselgewalt ausschließt, hängt vom Einzelfall ab. Verfügt der vertretene Ehegatte über besonders hohe Einkünfte, wird etwa ein Rechtsgeschäft über kostspielige Haushaltsgeräte auch dann von der Schlüsselgewalt gedeckt sein, wenn der handelnde Ehegatte ein Einkommen bezieht, das zwar über dem Existenzminimum liegt, jedoch nur einen geringen Anteil des Familieneinkommens darstellt. Wenn hingegen seine Einkünfte im Verhältnis zu jenen des anderen Ehegatten nicht mehr als geringfügig bezeichnet werden können, scheidet die Schlüsselgewalt von Vornherein aus.
D. Lebensverhältnisse der Ehegatten Die gesetzliche Vertretungsmacht iS des § 96 ABGB gilt schon nach dem Ge- 6 setzeswortlaut nur für Rechtsgeschäfte, die ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigen; das Geschäft darf daher nicht einen erheblichen Teil des Einkommens des vertretenen Ehegatten betreffen (LGZ Wien EF 44.901 [Rechtsgeschäfte machen zum Zeitpunkt der Bestellungen durch die Frau nur einen geringen Teil des Monatseinkommens des Mannes aus und sind daher von der Schlüsselgewalt gedeckt]; vgl auch 7 Ob 537/95 [Verträge, die ein Monatsgehalt des Ehegatten übersteigen, sind nicht von der Schlüsselgewalt umfasst]; Stabentheiner/Rummel § 96 ABGB Rz 2). Wenn der nicht berufstätige Ehegatte aber Bestellungen etwa bei einem Versandhaus tätigt, die nicht dem Lebensstandard der Ehegatten entsprechen (s auch hier 7 Ob 537/95 [die Bestellung übersteigt ein Monatsgehalt des Ehegatten]), muss der andere Ehegatte die Rechnung nicht bezahlen. Das Familieneinkommen ist allerdings nur ein Indiz für die Lebensverhältnisse der Ehegatten, die für den Umfang der Rechtsgeschäfte kraft Schlüsselgewalt maßgebend sind (vgl 5 Ob 535/81 = SZ 54/148); auf die Leistungsfähigkeit des vertretenen Ehegatten kommt es nicht an (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 96 ABGB Rz 4; Koch/KBB § 96 ABGB Rz 1). In angespannten finanziellen Verhältnissen (wie bei Gehaltspfändungen [LGZ Wien EF 44.904]) kann die ge255
§ 96 ABGB
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setzliche Vertretungsbefugnis aber von Vornherein stets nur ein geringes Spektrum von Rechtsgeschäften abdecken.
E. Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens 7 Der Umfang der Vertretung aufgrund der Schlüsselgewalt iS des § 96 ABGB ist gesetzlich begrenzt: sie gilt nur für Verträge, die eine Haushaltsführung gewöhnlich mit sich bringt (7 Ob 565/83; OLG Wien EF 64.938; LGZ Wien EF 44.901, 73.839) und die für den gemeinsamen Haushalt abgeschlossen werden (10 Ob 526/94 = JBl 1995, 324). Beispiele für solche Geschäfte, die dem täglichen Bedarf dienen, sind der Kauf von Lebensmitteln oder Produkten für die Hausarbeit, die Bestellung von Zeitungsabonnements mit einem nicht unüblichen Kostenaufwand (LGZ Wien EF 61.771 [bei Kosten von 840 Euro hängt die Deckung durch die Schlüsselgewalt vom Einkommen des anderen Ehegatten ab]), die Anschaffung geringwertiger Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände (1 Ob 726/54 = SZ 27/304; LGZ Wien EF 44.901, 64.937; s aber Rz 8) und Werkverträge über kleinere Reparaturen (8 Ob 88/63 = SZ 36/64 [Waschmaschine]). Sofern sich eine Bestellung im Rahmen des § 96 ABGB hält, sind auch übliche Zinsenvereinbarungen (OLG Wien EF 44.903) und die näheren Vertragsbestimmungen (LGZ Wien EF 39.108 [zB Erfüllungsort]) davon umfasst. 8 Sämtliche Verträge, die objektiv nicht Anschaffungen oder Leistungen für den Haushalt zum Gegenstand haben, sind von der Schlüsselgewalt nicht gedeckt. Keine Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens sind etwa der Abschluss eines Kontoeröffnungs- oder Kreditvertrags (selbst dann, wenn über das Konto in der Folge die Geldgebarung für den Haushalt abgewickelt werden soll, weil dem Bankinstitut idR der Rechtsgrund der über das Konto verlaufenden Geldbewegungen unbekannt ist und es daher gar nicht erkennen kann, dass hier Geschäfte in Vertretung des anderen Ehegatten abgeschlossen werden sollen [OLG Wien EF 64.936]), der Abschluss oder die Auflösung von Mietverträgen (3 Ob 68/51 = EF 1619), der Abschluss von Versicherungsverträgen (1 Ob 1090/31 = SZ 13/248), die Anschaffung von größeren Einrichtungs- und Ausstattungsgegenständen wie Möbel und kostspielige Haushaltsgeräte (1 Ob 142/ 67 [Wert im Verhältnis zum Lebensstandard entscheidend]), der Kauf einer Kücheneinrichtung (LGZ Wien EF 58.715), eine größere Reparatur (LGZ Wien EF 73.841 [Küchenreparatur im Kostenumfang von rund 3.150 Euro]) und die Einstellung oder Entlassung von Hauspersonal, weil sie nicht mit der gewöhnlichen Haushaltsführung verbunden ist, sodass es auf die konkreten Lebensumstände der Ehegatten idZ nicht ankommt (Schwimann/Ferrari/ Schwimann § 96 ABGB Rz 4; aA Stabentheiner/Rummel § 96 ABGB Rz 3 256
§ 96 ABGB
Schlüsselgewalt
[für Schlüsselgewalt bei Aufnahme einer Haushaltshilfskraft bei gehobenen Lebensverhältnissen]; iglS Hinteregger/Klang3 § 96 ABGB Rz 10). Bei solchen Vertragsgegenständen handelt es sich unabhängig von der Höhe des Einkommens des erwerbstätigen Ehegatten nicht um Rechtsgeschäfte, die eine Haushaltsführung alltäglich mit sich bringt. Ebenso wenig besteht eine Haftung infolge einer Schlüsselgewalt für Prozess- und Exekutionskosten, die dem Dritten im Verfahren gegen den handelnden Ehegatten entstehen (LGZ Wien EF 47.516), weil sie nicht aus einem Rechtsgeschäft des täglichen Lebens resultieren. Die Begründung und Bezahlung von Kosten ärztlicher Behandlungen sind 9 nach neuerer Rsp keine Rechtsgeschäfte, die für den gemeinsamen Haushalt abgeschlossen werden, sondern Leistungen von Unterhalt durch Dritte (LGZ Wien EF 47.517, 58.714; vgl auch 6 Ob 1/70 = JBl 1970, 426; differenzierend noch LGZ Wien EF 44.904 [keine Schlüsselgewalt bei Inanspruchnahme einer Privatordination bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten]). Die Entstehung von Krankheitskosten kann jedoch Verwendungsansprüche nach § 1042 ABGB unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Unterhaltspflicht iS des § 94 ABGB zum Zeitpunkt des Aufwands begründen (LGZ Wien EF 47.517; vgl auch Koziol/KBB § 1042 ABGB Rz 2; Apathy/Schwimann § 1042 ABGB Rz 3); der Arzt kann sein Honorar demnach gem § 1042 ABGB von dem zum Unterhalt (und damit auch zur Tragung der Kosten der ärztlichen Versorgung) verpflichteten Ehegatten verlangen (so auch Hopf/Kathrein § 96 ABGB Anm 3; Stabentheiner/Rummel § 96 ABGB Rz 3; 10 Ob 526/94 = JBl 1995, 324 für den Unterhalt nach § 140 ABGB [ohne gültige Bevollmächtigung der Mutter zum Abschluss eines Behandlungsvertrags für das Kind durch den unterhaltspflichtigen Vater kann dieser vom Arzt nach § 1042 ABGB insoweit in Anspruch genommen werden, als seine Unterhaltspflicht zeitlich und inhaltlich reicht]). Bereits begrifflich nicht für den gemeinsamen Haushalt iS des § 96 ABGB 10 bestimmt sind Käufe von Geschenken für Familienmitglieder (1 Ob 726/54 = SZ 27/304 [Ledermantel; bei Anschaffungen, die als Geschenke für den anderen Ehegatten deklariert werden, ist ein Handeln in dessen Namen aber wohl von Vornherein nicht denkbar]), die Anschaffung persönlicher Kleidungsstücke (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 96 ABGB Rz 4; aA 6 Ob 147/70; LGZ Wien EF 44.901 [Wert der gekauften Waren wie Kleidung, Schuhe und kleinere Einrichtungsgegenstände im Vordergrund]) und der Kauf von Spielzeug für die Kinder (aA 7 Ob 537/95; LGZ Wien EF 44.901 [standesgemäße Haushaltsführung bringt den Ankauf von Spielzeug „in kleinerem Umfang“ gewöhnlich mit sich]). Diese Verträge können zwar Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens darstellen, sie werden aber nicht „für den Haushalt“ gem § 96 erster Satz ABGB abgeschlossen, zumal dieser Begriff nicht auf alle Gegenstände ausgedehnt werden kann, die im gemeinsamen Haushalt der Ehegatten 257
§ 96 ABGB
Beck
Verwendung finden, sondern sich an den Erfordernissen der Haushaltsführung im engeren Sinn (zum Begriff § 95 ABGB Rz 2) orientieren muss. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Schlüsselgewalt iS des § 96 ABGB sind kumulativ zu sehen; der Vertrag muss daher im Zuge der Alltagsbesorgungen für den gemeinsamen Haushalt geschlossen werden und darf ein dem Lebensstandard der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigen. Auch die Anmeldung eines gemeinsamen Kindes in einem vom Wohnort 300 km entfernten Internat mit beträchtlichem Kostenaufwand (7 Ob 537/95 = EF 76.721) ist nicht von der Schlüsselgewalt umfasst, weil sie die Bedürfnisse im Rahmen einer üblichen Haushaltsführung übersteigt, sodass die konkreten Lebensverhältnisse der Ehegatten gar nicht weiter geprüft werden müssen. Der einkommenslose Ehegatte ist im Rahmen der Obsorge zwar berechtigt, das Kind in einer Schule anzumelden, durch diese Vorgangsweise wird aber nicht der andere Ehegatte gesetzlich zur Zahlung verpflichtet.
F. Vertretung und Haftung 11 § 96 ABGB begründet eine gesetzliche Bevollmächtigung und direkte Stellvertretung des nicht handelnden Ehegatten durch den Handelnden (LGZ Wien EF 44.898, 47.515). Geschäftspartner wird nur der erwerbstätige (nicht handelnde) Ehegatte; der handelnde Ehegatte kann aus dem Vertrag nicht in Anspruch genommen werden, der andere Ehegatte muss das Rechtsgeschäft so gegen sich gelten lassen, wie es sein Ehegatte für ihn abgeschlossen hat. 12 Die Haftung des vertretenen Ehegatten wird dadurch ausgelöst, dass die Voraussetzungen des § 96 erster Satz ABGB erfüllt sind. Wenn aber der Dritte aus den Umständen nicht erkennen kann, dass der handelnde Ehegatte als Vertreter des anderen auftritt, haften beide Ehegatten gem § 96 dritter Satz ABGB aus dem Rechtsgeschäft solidarisch (krit KW I 433; Koch/KBB § 96 ABGB Rz 2). Der Geschäftspartner kann den geschuldeten Betrag in diesem Fall von einem der beiden Ehegatten oder von beiden gemeinsam verlangen. Die gesetzliche Regelung bildet einen Kompromiss zwischen schwer in Einklang zu bringenden Zielsetzungen: zum einen soll der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und kein Einkommen hat, vor der Inanspruchnahme durch den Dritten, mit dem er im Rahmen seiner Haushaltsführung ein Rechtsgeschäft abschließt, geschützt werden, zum anderen müssen die Gläubigerrechte dieses Dritten gewahrt werden (5 Ob 535/81 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). 13 Eine wirksame Vertretung aufgrund der Schlüsselgewalt setzt demnach voraus, dass der Dritte aus den Umständen weiß oder erkennen kann, dass der handelnde Ehegatte „als Vertreter auftritt“. Die für die Verpflichtung des anderen Ehegatten bedeutsame Erkennbarkeit der Vertretereigenschaft muss sich 258
§ 96 ABGB
Schlüsselgewalt
aber nicht auf sämtliche gesetzliche Voraussetzungen der Schlüsselgewalt beziehen, weil dazu Belange gehören, die der Dritte bei Vertragsabschlüssen im Geschäftsverkehr in aller Regel weder erfährt noch feststellen kann, wie etwa die Aufgabenverteilung im Haushalt oder die Einkommenslosigkeit des handelnden Ehegatten (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 96 ABGB Rz 5). Die ggt Ansicht (etwa Hopf/Kathrein § 96 ABGB Anm 6; Stabentheiner/ Rummel § 96 ABGB Rz 5), wonach dem Dritten alle Voraussetzungen, die die Vertretungsmacht erfordert (Handeln durch den allein den Haushalt führenden Ehegatten ohne eigenes Einkommen bei einem Alltagsgeschäft für den gemeinsamen Haushalt), zumindest erkennbar sein müssen, ist abzulehnen. Die Schlüsselgewalt müsste dann nämlich in der Praxis regelmäßig verneint werden, wenn vom Dritten Fragen nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten verlangt werden könnten und bei dessen Zweifeln über die Haushaltsführung und Einkommenslosigkeit des Ehegatten die Solidarhaftung gem § 96 dritter Satz ABGB nicht eintreten würde. Zweitinstanzliche Rsp (etwa LGZ Wien EF 64.937, 70.627) meint dazu zwar, der Dritte handle sorgfaltswidrig, wenn er sich beim Vertragsabschluss nicht erkundigt, ob der Ehegatte verheiratet ist, den Haushalt führt und eigene Einkünfte hat (für eine Nachforschungspflicht des Dritten in Zweifelsfällen auch Hopf/Kathrein § 96 ABGB Anm 6). Die Schlussfolgerung, § 96 dritter Satz ABGB sei regelmäßig unanwendbar, weil Erkundigungen über die Haushaltsführung und Einkünfte des handelnden Ehegatten dem Dritten ganz grundsätzlich zumutbar seien (so LGZ Wien EF 64.937), kann aber nicht zutreffend sein: es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass gesetzliche Anordnungen für die Beurteilung davon erfasster Sachverhalte geradezu regelmäßig nicht herangezogen werden können. Zur Verwirklichung eines sinnvollen Anwendungsbereichs des § 96 ABGB 14 wird es daher ausreichen, wenn der Dritte aus den Umständen weiß oder erkennen kann, dass der handelnde Ehegatte den Vertrag nicht für sich allein, sondern im Rahmen der Führung eines mit dem anderen Ehegatten gemeinsamen Haushalts abschließt (10 Ob 526/94 = JBl 1995, 324; Schwimann/Ferrari/ Schwimann § 96 ABGB Rz 5). Nur dann können Haushaltsgeschäfte von Besorgungen des handelnden Ehegatten für sich allein unterschieden werden. Entscheidend ist also die Kenntnis oder Erkennbarkeit des Geschäftsabschlusses für die Versorgung einer Haushaltsgemeinschaft. Wenn dem Dritten diese Kenntnis oder Erkennbarkeit fehlt, ist die Vertretung und Verpflichtung des anderen Ehegatten aufgrund einer Schlüsselgewalt des handelnden Ehegatten ausgeschlossen; der andere Ehegatte wird dann nicht Vertragspartner und ist aus dem Rechtsgeschäft nicht berechtigt. Vertragspartner ist in diesem Fall der handelnde Ehegatte. Gem § 96 dritter Satz ABGB haften aber beide Ehegatten (daher auch der nicht vertretene Ehegatte!) für die Vertragserfüllung zur ungeteilten Hand. Diese Solidarhaftung weicht deutlich vom allge259
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Beck
meinen Stellvertretungsrecht ab, das vorrangig ein Handeln im Namen des Vertretenen iS des Offenlegungsgrundsatzes verlangt (vgl auch KW I 200 f, 476); die Regelung dient dem Schutz des Dritten, der beim Vertragsabschluss über die Vertretereigenschaft schuldlos nicht informiert ist. Auf seinen guten Glauben kommt es nicht an, sodass seine allfälligen Zweifel über Ehe, Haushaltsführung und Einkommenslosigkeit des handelnden Ehegatten die Solidarhaftung nicht ausschließen (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 96 ABGB Rz 5; aA [keine Solidarhaftung bei Zweifel des Dritten über Haushaltsführung und Verdienstsituation] LGZ Wien EF 70.627; s Rz 13). Der handelnde Ehegatte kann sich seiner Mithaftung aber jedenfalls dadurch entziehen, dass er das Vertretungsverhältnis offenlegt. 15 Die Vertretung des einen Ehegatten durch den anderen gem § 96 ABGB ist überdies dann ausgeschlossen, wenn dieser Ehegatte die Vertretung gegenüber dem Dritten iS des § 96 zweiter Satz ABGB zumindest konkludent (und jedenfalls vor dem Abschluss des Rechtsgeschäfts) abgelehnt hat. 16 § 96 ABGB kann außerdem nicht herangezogen werden, wenn der den Haushalt führende Ehegatte eindeutig im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft abschließt oder wenn beide Ehegatten gemeinsam mit dem Dritten in eine Vertragsbeziehung treten und etwa gemeinsam die Ware aussuchen und den ihnen genannten Kaufpreis akzeptieren (auch dann Solidarhaftung der Ehegatten [5 Ob 535/81 = SZ 54/148]; ob die gemeinsam gekauften Waren von dem einen oder anderen Ehegatten verwendet werden sollen, hat auf die Verpflichtung als Gesamtschuldner keinen Einfluss). 17 § 96 ABGB verdrängt das allgemeine Stellvertretungsrecht nicht; diese Regelungen sind daher etwa bei ausdrücklicher Berufung eines Ehegatten auf eine erteilte Vollmacht des anderen heranzuziehen (10 Ob 526/94 = JBl 1995, 324 [Ehefrau beruft sich bei der Auftragserteilung auf eine Vereinbarung mit dem Ehemann und seine Verpflichtung zur Kostentragung und legt damit nach allgemeinen Stellvertretungsregeln offen, für den Mann im Rahmen einer erteilten Vollmacht zu kontrahieren]). Überdies bleiben weitergehende Vertretungsvorschriften, vor allem § 1029 Abs 1 zweiter Satz ABGB über die Anscheinsvollmacht unberührt (10 Ob 526/94 = JBl 1995, 324; Rummel, JBl 1976, 139).
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§ 97 ABGB
Wohnungserhaltungsanspruch
Wohnungserhaltungsanspruch § 97. Ist ein Ehegatte über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt, so hat dieser einen Anspruch darauf, dass der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Dies gilt nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird. [Fassung gem Art I Z 1 EheRwG BGBl 1975/412] Lit: Aigner, Erst den Schlüssel, dann die ganze Wohnung, EF-Z 2007/127; Binder, Der Wohnungsschutz des Ehegatten und des Kindes, in Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992) 53; Giefing, Die familien- und exekutionsrechtlichen Aspekte des ehelichen Wohnens (1998); Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 872 ff; Jensik, Die Ehewohnung, NZ 1976, 65; Jesser, Der Anspruch des Ehegatten auf Ausschluss anderer Personen, auch eigener Kinder, vom Aufenthalt in der Ehewohnung, in Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992) 729; Koch-Hipp, Das rechtliche Schicksal der Ehewohnung im Überblick, EF-Z 2007/29; Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte (1967); Schwimann, Die nicht vermögensrechtlichen Ehewirkungen im neuen Eherecht, ÖJZ 1976, 365. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Höchstpersönlicher Anspruch des Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verhältnis zwischen Wohnungserhaltungsanspruch und Unterhaltsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anrechnung als Naturalunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungspflicht für die Wohnkosten neben dem Ehegattenunterhalt? D. Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Dringendes Wohnbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Anspruchsbindung an die Ehewohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang des dringenden Wohnbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eingeschränkte Benützbarkeit der Ersatzwohnung . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtliche Gleichwertigkeit des Wohnungsschutzes . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Pflicht zum Wohnungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Behauptungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Kenntnis von den Verkaufsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatsächliches oder rechtliches Handeln des verfügungsberechtigten Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterlassungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anspruchshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wohnungserhaltungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9–11 9 10–11 12–13 14–23 14 15–18 19–20 21–22 23 24 25 26 27–38
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27 28 29–30 31–33 34 35
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J. K. L. M. N.
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7. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . Drittwirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz gegen dritte Personen . . . . . . . . . 2. Schlechtgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Nachforschungspflicht . . . . . . . . . 4. Wiederherstellung des früheren Zustands 5. Keine Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tod des Verfügungsberechtigten . . . . . . . . . Scheidung und Aufteilungsverfahren . . . . . . Zulässige Wohnungsaufgabe . . . . . . . . . . . . 1. Zwangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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36–38 39–43 39 40 41 42 43 44 45–47 48 49–51 52–58 52–53 54–57 58 59
A. Allgemeines 1 § 97 ABGB räumt dem auf die weitere Benützung einer Wohnung angewiesenen Ehegatten gegen den über diese Wohnung dinglich oder obligatorisch verfügungsberechtigten anderen Ehegatten einen familienrechtlichen Anspruch auf Erhaltung der Wohnmöglichkeit ein. Der Bestimmung liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Ehegatte durch die Eheschließung ein Wohnrecht an der ihm nicht oder nicht allein gehörenden Wohnung, die seinem dringenden Wohnbedürfnis dient, erwirbt; § 97 ABGB soll den berechtigten Ehegatten, dessen Wohnrecht nicht durch einen anderen Rechtstitel gesichert ist, in seinem Anliegen auf Erhaltung dieser Wohnmöglichkeit und vor Willkürakten des anderen schützen (1 Ob 559/81 = SZ 54/29; 2 Ob 274/03p = Miet 55.005; 7 Ob 100/04p = EF 106.984; 1 Ob 90/05z = EF 110.122; 4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 = JBl 2008, 171; 4 Ob 71/09h = EvBl 2009/159; 2 Ob 173/09v = EF 122.545; 2 Ob 183/09i uva) und ihm – und zwar auch nach einer allfälligen Beendigung des Zusammenlebens – jenen räumlichen Lebensbereich bewahren, der ihm bisher zur Deckung der den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechenden Bedürfnisse diente und den er weiter benötigt. Das Wohnrecht besteht demnach aufgrund des Gesetzes im Umfang des dringenden Wohnbedürfnisses. Auf der Grundlage des § 97 ABGB kann dem verfügungsberechtigten Ehegatten aber nicht nur die Verfügung über die Wohnung verboten, sondern vor allem auch die Zahlung von Wohnungserhaltungskosten (insb Mietentgelt und Rückzahlungsraten für einen Wohnungskredit) aufgetragen werden. 2 Der Unterlassungs- und allenfalls auch Leistungsanspruch (zum Anspruchsinhalt s Rz 27 ff) ist Ausfluss einer spezifischen Beistandspflicht während auf262
§ 97 ABGB
Wohnungserhaltungsanspruch
rechter Ehe (6 Ob 727/80 = EvBl 1981/95; 4 Ob 71/09h = EvBl 2009/159) und vom Bestehen eines Unterhaltsanspruchs unabhängig, wenn er sich mit diesem auch häufig überschneiden wird (6 Ob 611/95 = AnwBl 1996/6148; 6 Ob 151/97t = EF 85.449; 9 Ob 226/02d; 4 Ob 61/10i = EF-Z 2010/134 = iFamZ 2010/208; Aichhorn 144; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 97 ABGB Rz 3; aA Binder 63 ff). Der Umstand, dass sich nach der von der Rsp entwickelten Prozentwertmethode im Fall eines Einkommens beider Ehegatten ein Geldunterhaltsanspruch des auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten nicht ergibt, hindert daher dessen Leistungsanspruch auf Zahlungen des Verfügungsberechtigten zur Erhaltung der Ehewohnung nicht, wenn der wohnungsbedürftige Ehegatte andernfalls nicht in der Lage wäre, seine Unterhaltsbedürfnisse aus dem eigenen Einkommen zu bestreiten (vgl dazu Rz 10). Umgekehrt kann ein Geldanspruch nach § 97 ABGB nicht bestehen, wenn der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte die Wohnung ohne Gefährdung seiner sonstigen Bedürfnisse ohnehin mit jenen Mitteln (insb eigene Einkünfte und Unterhaltsleistungen) erhalten kann, die ihm unabhängig von einem Anspruch nach § 97 ABGB zur Verfügung stehen (4 Ob 55/07b mwN; 4 Ob 71/ 09h = EvBl 2009/159; 4 Ob 61/10i = EF-Z 2010/134 [Gitschthaler] = iFamZ 2010/208). Die Frage eines allfälligen Verschuldens an der Scheidung ist für den Anspruch nach § 97 ABGB nicht erheblich (LGZ Wien EF 91.908; Hopf/Kathrein § 97 ABGB Anm 1). Der Anspruch des bedürftigen Ehegatten auf die Erhaltung der bisherigen 3 Ehewohnung nach § 97 ABGB richtet sich grundsätzlich gegen den anderen Ehegatten und nur ausnahmsweise auch gegen schlechtgläubige dritte Personen, die mit dem Ehegatten zusammenwirken (3 Ob 61/01v = Miet 53.009; 3 Ob 202/06m = Miet 58.008; 3 Ob 27/09 f = iFamZ 2009/170; zur Drittwirkung Rz 39 f). Die Bestimmung verschafft dem auf eine Wohnung angewiesenen Ehegatten aber nicht mehr Rechte, als dem verfügungsberechtigten Ehegatten selbst zustehen (6 Ob 507/96 = wobl 1998/82; 1 Ob 221/99b = EF 91.912). Daher vermittelt das familienrechtliche Wohnverhältnis dem Ehegatten, der nicht auch Mieter der Wohnung ist, keine dem Bestandnehmer gleichzuhaltende Stellung gegenüber Dritten und insb keine Rechte, die über die Erhaltung der Wohnung hinausgehen (4 Ob 324/98w = EvBl 1999/103); das von seinem Ehegatten abzuleitende Nutzungsrecht erlaubt es ihm allerdings, sich gegen einschränkende Maßnahmen des verfügungsbefugten Ehegatten zur Wehr zu setzen, und schützt ihn vor einer Räumung, solange nicht auch gegen den anderen Ehegatten infolge einer Auflösung seines Bestandverhältnisses ein Räumungsanspruch besteht. Gleiches gilt für Benützungsrechte an Eigentumswohnungen und Häusern. Befindet sich eine Liegenschaft im Eigentum einer dritten Person (etwa einer Gesellschaft oder Stiftung) und steht einem 263
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Ehegatten die Dienstbarkeit der Wohnung am Gebäude iS des § 521 ABGB zu, kann der andere Ehegatte nicht die Begründung eines eigenen Wohnungsgebrauchsrechts gem § 521 ABGB unter Berufung auf eine Gefährdung seiner Wohnmöglichkeit auf der Grundlage des § 97 ABGB durchsetzen (vgl auch 5 Ob 731/79 = EF 32.861; 1 Ob 741/82 = EF 40.052 [kein Anspruch auf Einräumung dinglicher Rechte gem § 97 ABGB]). 4 Die aus § 97 ABGB abzuleitenden Ansprüche sind im ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen und können gem § 382h EO (bis zum Inkrafttreten des 2. GeSchG mit 1.6.2009: § 382e EO) auch vor Klagseinbringung gesichert werden. Diese Bestimmung umfasst sowohl Ansprüche eines Ehegatten auf Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses als auch Forderungen, die aus der Verletzung dieses Wohnungserhaltungsanspruchs resultieren. Dies können neben Unterlassungsansprüchen auch Leistungsansprüche sein (2 Ob 173/09v). Hingegen sind Ansprüche des Ehegatten gegen dritte Personen, die mit dem verfügungsberechtigten Ehegatten zusammenwirken, um dem anderen die Wohnmöglichkeit zu entziehen, nicht nach § 382h EO, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 381 EO sicherungsfähig (Kodek/Angst § 382e EO Rz 9 mwN). 5 Während der Ehe gehört die Benützung von Ehewohnung und ehelichem Gebrauchsvermögen zu den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (6 Ob 727/ 80). In Fällen mit Auslandsberührung ist deshalb an das Ehewirkungsstatut gem § 18 IPRG anzuknüpfen (1 Ob 583/81 = JBl 1983, 652; s auch LG Linz EF 121.539). Demnach sind die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe und somit auch Ansprüche der Ehegatten gem § 97 ABGB in erster Linie nach dem gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten im Zeitpunkt des zu prüfenden Sachverhalts (Ofner, Abgrenzungsfragen zwischen Güterrechtsstatut gem § 19 IPRG und Scheidungsstatut gem § 20 IPRG, ZfRV 2006/13) zu beurteilen. Mangels eines solchen gemeinsamen Personalstatuts der Ehegatten kommt es auf ihr letztes gemeinsames Personalstatut an, sofern es einer von ihnen beibehalten hat. Ist auch diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist die Rechtsordnung jenes Staats anzuwenden, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen (und nicht zwingend gemeinsamen) Aufenthalt haben bzw zuletzt hatten, sofern ein Ehegatte noch dort lebt. 6 Im EPG (BGBl I 2009/135) wurde der familienrechtliche Wohnungserhaltungsanspruch iS des § 97 ABGB im Wesentlichen wortgleich in § 9 Abs 1 EPG (Überschrift „Wohnen“) übernommen, sodass die Positionen der eingetragenen Partner jenen der Ehegatten entsprechen. Gem § 43 Abs 1 Z 3 EPG ist § 382h EO auf eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden. Die Rsp zu § 97 ABGB und zu § 382h EO ist daher auch für eingetragene Partnerschaften maßgebend.
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B. Höchstpersönlicher Anspruch des Ehegatten Der Anspruch auf Wohnungsbenützung ist höchstpersönlich und kann vom 7 berechtigten Ehegatten weder unter Lebenden noch von Todes wegen auf dritte Personen übertragen werden (Stabentheiner/Rummel § 97 ABGB Rz 2; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 97 ABGB Rz 15). Daher steht auch den Kindern des über die Wohnung verfügungsberechtigten Ehegatten grundsätzlich kein allgemeiner familienrechtlicher Anspruch zu, etwa bis zu ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit in der (früheren) Ehewohnung verbleiben zu dürfen (1 Ob 122/07h = EF-Z 2008/39 [Gitschthaler] = iFamZ 2008/43; 3 Ob 202/08i = EFZ 2009/78 = iFamZ 2009/85 [Deixler-Hübner]; Beck Rz 186); sonst wären bei mj ehelichen Kindern die weiteren Ergebnisse eines Aufteilungsverfahrens nach der Scheidung der Eltern völlig bedeutungslos. Für die Frage, ob ein Ehegatte als Alleineigentümer der Liegenschaft oder Hauptmieter einer Wohnung mit einer Räumungsklage gegen volljährige und selbsterhaltungsfähige Kinder durchdringt, kommt es darauf an, ob der Elternteil, von dem das Kind seinen Benützungsanspruch ableitet, selbst noch Rechte an der (früheren) Ehewohnung hat: Nach den Feststellungen zu 1 Ob 212/03p (= JBl 2004, 579) lebte die Tochter mit Zustimmung ihrer Mutter in einem Teil der bisherigen Ehewohnung, die im Eigentum ihres Vaters stand und von der Mutter weiterhin benützt wurde. Die wohnungsbedürftige Mutter war gem § 97 ABGB berechtigt, die Wohnung zu gebrauchen, und verfügte somit über einen rechtlichen Schutz vor einer Räumungsklage des Mannes. Überdies hatte sie der Tochter – aufgrund ihres eigenen familienrechtlichen, durch § 97 ABGB gesicherten Anspruchs berechtigterweise – gestattet, auch künftig die Wohnung zu benützen und weiterhin im Familienverband zu leben. In Anbetracht des von der Mutter abgeleiteten Gebrauchsrechts stand dem grundsätzlich verfügungsberechtigten Vater gegen die Tochter kein Räumungsanspruch zu. Das Recht des Ehegatten auf Beibehaltung der Ehewohnung gem § 97 ABGB deckt daher unter gewissen Umständen auch den Weiterverbleib eines volljährigen, selbsterhaltungsfähigen Kindes im bisherigen Umfang und ermöglicht diesem, ein Nutzungsrecht vom nach § 97 ABGB berechtigten Ehegatten abzuleiten. Anders ist die Situation, wenn jener Elternteil, auf den sich das Kind bei der Behauptung seiner Befugnis zum Wohnen beruft, selbst keinen Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB mehr hat. Nach den Feststellungen zu 1 Ob 85/08v (= EF-Z 2009/6 = iFamZ 2009/11 = EvBl 2009/45) wendete der selbsterhaltungsfähige Sohn nach einer Räumungsklage seiner Mutter als Liegenschaftseigentümerin einen Benützungsanspruch mit dem Vorbringen ein, dass sich die Ehewohnung der Eltern im Haus befinde, sein Vater die Räumung nicht „mittrage“ und von den Eltern ein Scheidungsprozess geführt würde, ein Aufteilungsverfahren, in dem das rechtliche Schicksal der Ehewoh265
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nung geklärt werden könnte, jedoch noch nicht anhängig sei. Seinem Vater war der Aufenthalt auf der Liegenschaft mit EV iS des § 382b Abs 1 EO verboten worden. Dem Räumungsbegehren der Mutter wurde stattgegeben. Nach Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit kann ein Kind keinen Anspruch auf Benützung der bisherigen Ehewohnung seiner Eltern gegen einen Elternteil durchsetzen, wenn der andere Elternteil, von dem es sein Recht ableitet, diese Wohnung selbst nicht mehr bewohnt. Die Mutter, der die Wohnung gehörte, drang daher mit der Räumungsklage gegen das volljährige Kind durch, zumal das Kind keinen eigenen Rechtsanspruch iS des § 97 ABGB hat und von seinem Vater, der die Wohnung verlassen hat bzw sie sogar infolge einer EV verlassen musste, kein Benützungsrecht an der früheren Ehewohnung ableiten kann. Dass der Elternteil, der nicht mehr in der Wohnung lebt, die Räumung des Kindes durch den anderen nicht „mitträgt“, ist nicht entscheidungsrelevant, wenn er an der Wohnung keinen Anspruch nach § 97 ABGB mehr hat. 8 Der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte ist schon auf der Grundlage des § 97 ABGB berechtigt, bestimmte dritte Personen (etwa Pflegekräfte bei beeinträchtigtem Gesundheitszustand) in der Wohnung aufzunehmen (zum grundsätzlichen Recht des Ehegatten, Besuche in der Ehewohnung zu erhalten, und zu dessen Grenze s § 90 ABGB Rz 14). Rechtsgrundlage für die Benützung der Wohnung durch familienfremde Personen kann aber auch eine Vereinbarung sein, mit welcher der verfügungsberechtigte Ehegatte dem wohnungsbedürftigen Ehegatten das Recht einräumt, die Wohnung gemeinsam mit dritten Personen zu nutzen. In seiner Entscheidung 1 Ob 198/06h (= EF-Z 2007/9 [Gitschthaler]) sah der OGH den Auszug des Ehemannes mit (entscheidungswesentlicher!) Übergabe der Wohnungsschlüssel an die Ehefrau auf deren Verlangen als konkludente Vereinbarung an, wodurch der Ehemann als Eigentümer der Wohnung auf sein Benützungsrecht an der Wohnung verzichtet und der in der Wohnung verbliebenen Ehefrau das Recht eingeräumt haben soll, Besucher, aber auch – und zwar noch während aufrechter Ehe – ihren Lebensgefährten in die Wohnung aufzunehmen, ohne dass dies schutzwürdige Interessen des weichenden Ehemannes berühren würde. Die Räumungsklage des Ehemannes gegen den Lebensgefährten der Ehefrau wurde abgewiesen. Bei solchen Konstellationen muss genau geprüft werden, ob ein Nutzungsrecht der dritten Person tatsächlich aus dem familienrechtlichen Wohnrecht nach § 97 ABGB abgeleitet wird oder ob der Ehegatte, der die Wohnung verlassen hat, auf sein Gebrauchsrecht (ausdrücklich oder konkludent) verzichtet hat. Dabei darf nicht übersehen werden, dass Benützungsrechte nicht „verwirkt“ werden können und die bloße Nichtausübung von Rechten grundsätzlich noch nicht zu ihrem Verlust führt. Ein Verhalten eines Ehegatten, das als schlüssige Erklärung iS des § 863 ABGB angesehen wird, muss jedenfalls einen Erklärungswert aufweisen (vgl auch Aigner, EF-Z 2007/127), sodass aus der 266
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unterbliebenen Ausübung von Nutzungsrechten nur bei Vorliegen weiterer dafür sprechender Sachverhaltselemente ein konkludenter Verzicht abgeleitet werden darf. IdZ ist auch die Frage diskussionswürdig, ob aus der vom in der Wohnung verbliebenen Ehegatten geforderten Herausgabe der Wohnungsschlüssel tatsächlich die Besitzaufgabe des anderen mit derartig weitreichenden Konsequenzen gefolgert werden kann (vgl dazu auch § 339 ABGB Rz 26 f). Die Übergabe der Schlüssel mag durchaus das Einverständnis des Ehemannes zum Ausdruck bringen, dass die Ehefrau (mit den Kindern) weiterhin die in seinem Eigentum befindliche Wohnung benützen kann. Mit seinem Verhalten die Schlussfolgerung zu begründen, der Ehemann habe nach seinem Auszug der Ehefrau damit auch gleich das Alleinbenützungsrecht an der Wohnung in der Form eingeräumt, dass sie in seiner Wohnung während aufrechter Ehe eine Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner führen dürfe, ist aber doch eine allzu großzügige Deutung seines Tuns und dessen Erklärungswerts und daher abzulehnen.
C. Verhältnis zwischen Wohnungserhaltungsanspruch und Unterhaltsanspruch 1. Anrechnung als Naturalunterhalt
Soweit der nach § 97 ABGB verfügungsberechtigte Ehegatte gem § 94 Abs 2 9 ABGB zum Unterhalt verpflichtet ist, wird er auch die Kosten der Weiterbenützung der Wohnung durch den berechtigten Ehegatten zu tragen haben, zumal der Unterhalt auch die Deckung der Wohnbedürfnisse umfasst (s § 94 ABGB Rz 4). Die Erfüllung des Vorkehrungsanspruchs durch den geldunterhaltspflichtigen Ehegatten, der die Ehewohnung nicht mehr benützt (daher die Zahlung von Wohnkosten wie Mietzins und Betriebskosten, aber etwa auch Kreditraten für die Anschaffung der Ehewohnung), ist als ausnahmsweise anrechenbarer Naturalunterhalt zu werten und vermindert den Geldunterhaltsanspruch als Folge der Deckung eines Teils der Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten durch direkte Zahlungen (9 Ob 49/04b = EF 106.907; 4 Ob 142/06w). Dabei können aber nur Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen, mit denen die Wohnung in benützungsfähigem Zustand erhalten wird (zB Betriebskosten, Kosten für elektrische Energie, Gas, Heizung, Aufwendungen für die Reparatur bzw den Austausch eines Warmwasserboilers), als Naturalunterhalt gegenüber diesem Ehegatten berücksichtigt werden, weil ausschließlich sie der Beistellung von Wohnraum für den Unterhaltsberechtigten dienen (7 Ob 171/99v = EF 91.792; 2 Ob 259/00b = EF 93.811; 2 Ob 1/01p = EF 95.201). Näheres dazu vgl § 94 ABGB Rz 253 ff.
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2. Zahlungspflicht für die Wohnkosten neben dem Ehegattenunterhalt?
10 Zur Frage, ob ein Ehegatte, der nach dem Auszug des anderen weiterhin die Ehewohnung benützt, ein Einkommen oder Unterhaltsbeiträge bezieht und sich diese Wohnung – neben der notwendigen Deckung seiner sonstigen Bedürfnisse – dennoch nicht leisten kann, gegen den anderen Ehegatten neben einem Unterhaltsanspruch auch die Zahlung der Wohnungskosten auf der Grundlage des § 97 ABGB durchsetzen kann, trat in der neueren Rsp ein Judikaturwandel ein. In älteren, inhaltlich überholten Entscheidungen wurde der Anspruch auf Wohnungskosten auf § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB gestützt und dem Ehegatten – unter dem Stichwort „Vorrang des einstweiligen Unterhalts“ vor einer EV nach § 382h EO (bis zum 2. GeSchG: § 382e EO) – zusätzlich zu jenem Unterhaltsbetrag gewährt, der aus der Anwendung der Prozentwertmethode resultierte (so etwa 1 Ob 514/94 = EF 73.800 [der unterhaltsberechtigte Ehegatte kann im Rahmen seines Unterhaltsanspruchs auch nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts vom anderen die Bestreitung der Wohnungskosten im gleichen Ausmaß wie vorher zur Sicherung seiner Wohngelegenheit verlangen]; iglS 7 Ob 629/94; 9 Ob 49/04b = EF 106.907). Der einstweilen zu leistende Unterhalt sollte so bemessen werden, dass dem berechtigten Ehegatten auch die Mittel zur Erhaltung der Wohnung zur Verfügung stehen (3 Ob 520/87 = EvBl 1987/174 = EF 55.232). Die Entscheidungen 9 Ob 49/04b und 7 Ob 191/05x (= FamZ 2006/21) betrafen die Anrechnung von Naturalunterhalt auf den nach der Prozentwertmethode ermittelten Geldunterhalt im Rahmen der Unterhaltsbemessung, ohne dass dem Unterhaltspflichtigen eine zusätzliche Leistungspflicht aufgetragen wurde. In Abkehr von der bisherigen Rsp betonte der OGH in seiner Entscheidung 4 Ob 55/07b (= EF-Z 2007/136 [Gitschthaler] = JBl 2008, 171), dass die Rechtsgrundlagen für den Unterhaltsanspruch und den Wohnungserhaltungsanspruch klar getrennt werden müssen, und gab die aktuellen Richtlinien für die Lösung der Rechtsfrage nach dem Verhältnis zwischen Unterhaltsanspruch und Geldanspruch nach § 97 ABGB vor. Einen allgemeinen Grundsatz, dass der Unterhaltspflichtige, der die Ehewohnung verlassen hat, zusätzlich zum Unterhalt nach der Prozentwertmethode noch einen bestimmten Anteil der Wohnungskosten zahlen müsste, gibt es demnach nicht. Die Kosten der Wohnversorgung sind Teil der allgemeinen Lebenshaltungskosten und begründen daher im Allgemeinen keinen Sonderbedarf, den der Unterhaltsschuldner – neben dem nach allgemeinen Gesichtspunkten der Leistungsfähigkeit und des Unterhaltsbedarfs bemessenen Unterhaltsbeitrag – noch zusätzlich zu tragen hat (1 Ob 123/04a = SZ 2004/ 121; 4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler] = JBl 2008, 171). Daher können die Wohnungskosten dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten nicht als Mehrbetrag aus dem Titel des Ehegatten- oder Scheidungsunterhalts zuerkannt werden. Wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte über die Wohnung 268
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verfügungsberechtigt ist, kann ihm aber die Zahlung von Wohnungserhaltungskosten (insb Mietentgelt) auf der Grundlage des § 97 ABGB aufgetragen werden, und zwar zusätzlich zu den Unterhaltsleistungen bzw auch bei Nichtbestehen eines Geldunterhaltsanspruchs nach der Prozentwertmethode, sofern der andere Ehegatte nicht in der Lage ist, diese Kosten ohne Gefährdung seiner über den Wohnbedarf hinausgehenden übrigen Unterhaltsbedürfnisse zu tragen. Damit wird im Rahmen des § 97 ABGB ein Zahlungsanspruch begründet, der getrennt vom eigentlichen Unterhaltsanspruch zu sehen ist (4 Ob 71/09h; 4 Ob 61/10i = EF-Z 2010/134 = iFamZ 2010/208). Die Leistungsfähigkeit des verfügungsberechtigten Ehegatten ist dabei aber auch iS des § 97 Abs 2 ABGB jedenfalls zu berücksichtigen. Zur Anspruchshöhe s Rz 31; zur Sicherungsmöglichkeit mit EV vgl § 382h EO Rz 15. Eine allenfalls auch langjährige Zahlung von Wohnkosten durch einen Ehe- 11 gatten kann nicht als (konkludente) Unterhaltsvereinbarung für die Zeit nach der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft gedeutet werden und führt daher zu keiner Abweichung von den aufgezeigten Grundsätzen (Rz 10) und vor allem zu keinem zusätzlichen Geldunterhaltsanspruch, der von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und dem Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten losgelöst wäre. Vereinbarungen über das Tragen der gemeinsamen Lebensführungskosten stehen bis zum Beweis des Gegenteils unter der Bedingung des gemeinsamen Wirtschaftens (1 Ob 288/98d = SZ 72/74 = JBl 1999, 725; 4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 = JBl 2008, 171); der Auszug eines Ehegatten stellt idZ eine erhebliche Sachverhaltsänderung dar (vgl ausführlich § 94 ABGB Rz 6). Daher kann in aller Regel nicht davon ausgegangen werden, dass eine während aufrechter ehelicher Gemeinschaft verwirklichte Gestaltung der einzelnen Zahlungspflichten nach der Beendigung des Zusammenlebens der Ehegatten – unabhängig von § 97 ABGB – nur wegen der bisherigen Übung einen Geldunterhaltsanspruch in gleicher Höhe begründen könnte und die Einkommensverhältnisse der Ehegatten bei der Unterhaltsbemessung keine Bedeutung haben sollten. Durch die Aufhebung der Lebensgemeinschaft entsteht vielmehr ein Geldunterhaltsanspruch, der nach allgemeinen Grundsätzen zu bemessen ist.
D. Verfügungsbefugnis Der Benützungsanspruch an der Wohnung setzt eine Verfügungsberechtigung 12 des anderen Ehegatten über die Wohnmöglichkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung in erster Instanz (LG Linz EF 109.405; LGZ Wien EF 85.476, 109.405) voraus; auf welchem Titel diese Befugnis beruht, ist nicht relevant. Das Verfügungsrecht über die Wohnung kann sowohl dinglicher als auch obligatorischer Natur sein. In Betracht kommen insb Eigentum (und zwar auch 269
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Miteigentum der Ehegatten an einem Haus [OLG Wien EF 26.097]), Wohnungseigentum, persönliche Dienstbarkeit der Wohnung (3 Ob 70/00s = JBl 2001, 583; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927; 1 Ob 90/05z = EF 110.121), Fruchtgenussrecht (7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927; 1 Ob 90/05z = EF 110.121), Baurecht, ein Anspruch aus einer Benützungsregelung, ein Bestand- oder Genossenschaftsrecht, Leihe, Prekarium (6 Ob 507/96 = wobl 1998/82; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927), ein familienrechtlicher Anspruch gegen Verwandte (zB Unterhaltsanspruch gegen Eltern [1 Ob 221/99b; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927]) und das aus einem Dienstvertrag abgeleitete Nutzungsrecht (1 Ob 221/99b = EF 91.901; 3 Ob 70/00s = JBl 2001, 583). Auch die mittelbare Verfügungsbefugnis des anderen Ehegatten im Rahmen einer Gesellschaft (hier: KG), in der ihm (bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise) aufgrund seiner organschaftlichen Stellung ein beherrschender Einfluss zusteht, genügt für die Annahme einer Verfügungsberechtigung über die Wohnung, die im Eigentum der Gesellschaft steht, iS des § 97 ABGB (7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927). 13 Wie sich bereits aus dem Zweck des § 97 ABGB, einem Ehegatten die Wohnung zu erhalten, wenn er sie dringend benötigt, und ihn vor Willkürakten des anderen durch eine einseitige, für den wohnungsbedürftigen Ehegatten nachteilige Ausübung seines Verfügungsrechts zu schützen (Rz 1), ergibt, geht die Bestimmung vom Sachverhalt aus, dass der eine Ehegatte über die Wohnung – etwa infolge seiner Position als alleiniger Hauptmieter – rechtlich verfügen kann und der andere Ehegatte auf diese Wohnung angewiesen ist. Anders ist die Situation, wenn beide Ehegatten Mieter der Wohnung sind. Die Anwendung des § 97 ABGB setzt ein Recht des in besonderer Weise – durch das dringende Wohnbedürfnis – auf die von ihm zu Wohnzwecken benützte Wohnung angewiesenen Ehegatten voraus, dass der andere Ehegatte von seiner Verfügungsmacht über diese Wohnung nicht ohne Notwendigkeit zu Lasten der Nutzungsmöglichkeiten des wohnungsbedürftigen Ehegatten Gebrauch macht. Mehrere Mitmieter bilden eine Rechtsgemeinschaft bürgerlichen Rechts nach § 825 ABGB und im Kündigungsprozess eine notwendige Streitgenossenschaft iS des § 14 ZPO, weil sich die Wirkungen des Urteils kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstrecken (8 Ob 349/99b; 1 Ob 89/06d mwN = Miet 58.046; 5 Ob 142/08 f = Miet 60.059 ua). Ein Mitmieter allein ist nur dann zur Aufkündigung legitimiert, wenn ein Verzicht des anderen auf seine Mitmietrechte gegenüber dem Vermieter feststeht (1 Ob 89/06d). Ohne Zustimmung des wohnungsbedürftigen Ehegatten kann der andere Ehegatte daher das Rechtsverhältnis, das der Wohnungsbenützung zugrundeliegt, nicht beenden und den Wohnungsverlust, den § 97 ABGB verhindern will, nicht herbeiführen. Mitmietrechte der Ehegatten an der Wohnung lassen daher keine erfolgreiche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen auf der Grundlage des § 97 ABGB zu.
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Überlegenswert ist jedoch, ob ein Ehegatte als Mitmieter Leistungsansprüche iS des § 97 ABGB, insb die Zahlung des Mietzinses an den Bestandgeber, gegen den anderen Ehegatten geltend machen kann, wenn während aufrechter Lebensgemeinschaft stets nur der andere Ehegatte sämtliche Kosten für die Wohnung trug, diese Zahlungen aber nach seinem Auszug beendet und der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Aufwendungen für die Wohnungserhaltung nicht aus Eigenem leisten kann. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 97 erster Satz ABGB („damit er diese [die Wohnung] nicht verliere“) fallen unter den Sicherungsanspruch ausschließlich Aufwendungen, deren Unterbleiben einen Verlust der Wohnung unmittelbar zur Folge haben kann (Rz 34); gerade diese Konsequenz liegt bei einem Rechtsverhältnis mit Mitmietrechten der Ehegatten nicht vor, sodass einem Ehegatten als Mitmieter auch die Geltendmachung von Leistungsansprüchen wegen Verletzung des Wohnungserhaltungsanspruchs verwehrt bleiben müsste. Damit wäre aber ein Ehegatte, dem keine Mietrechte an der Wohnung zustehen und der bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen Unterlassungs- und Zahlungsansprüche gem § 97 ABGB geltend machen kann, besser geschützt als ein Ehegatte, der Mitmieter der Wohnung ist. Da diese Konsequenz nicht Telos des § 97 ABGB sein kann und ansonsten eine nicht zu rechtfertigende Rechtsschutzlücke zu Lasten des lediglich mitmietenden Ehegatten bestehen würde, bietet sich für diese Konstellation eine analoge Anwendung des § 97 ABGB an; der wirtschaftlich stärkere Ehegatte übt seine Verfügungsbefugnis iS des § 97 ABGB (die darin besteht, dass der andere Ehegatte gegen seinen Willen rechtlich nicht über die Wohnung verfügen kann) ja dergestalt aus, dass er seine Zahlungen einstellt und damit den Mitmieter zur Zustimmung zur (gemeinsamen) Aufgabe der Wohnung zwingt. Ist der schwächere, auf die Wohnung angewiesene Ehegatte allerdings Alleinmieter der Wohnung, lässt sich eine analoge Anwendung des § 97 ABGB nicht mehr argumentieren.
E. Dringendes Wohnbedürfnis 1. Keine Anspruchsbindung an die Ehewohnung
Voraussetzung des Anspruchs auf Erhaltung der Wohnmöglichkeit ist zu- 14 nächst ein dringendes Wohnbedürfnis eines Ehegatten an einer bestimmten Wohnung. Dass die Wohnung die gemeinsame Ehewohnung war oder ist, wird für die Anwendbarkeit des § 97 ABGB nicht vorausgesetzt (4 Ob 529/94 = NZ 1995, 178 = EF 73.845; 9 Ob 226/02d = Miet 54.005; 7 Ob 100/04p; 2 Ob 274/03p = EF 103.237). § 97 ABGB spricht, anders als § 81 Abs 2 EheG, nicht von der Ehewohnung, sondern nur von einer Wohnung, die dem anderen Ehegatten zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient. 271
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Die Bestimmung gilt daher auch für eine Wohnung, die von den Ehegatten nicht mehr oder überhaupt nie gemeinsam bewohnt wurde, wenn sie nur ursprünglich als Ehewohnung bestimmt wurde (7 Ob 558/80 = SZ 53/48; 2 Ob 274/03p = EF 103.237; 2 Ob 240/09x = iFamZ 2010/159) und nun von einem Ehegatten, der nicht über sie verfügen kann, dringend benötigt wird. Diese Widmung der Räumlichkeiten durch den verfügungsberechtigten Ehegatten (1 Ob 35/97x = Miet 49.004) darf während aufrechter Ehe nicht einseitig widerrufen werden (LG Salzburg EF 95.313). Auf ein Ferienhaus, das weder in der Vergangenheit noch für die Zukunft als Ehewohnung bestimmt wurde, kann § 97 ABGB jedoch nicht angewendet werden (2 Ob 274/03p = EF 103.238). Wurde nie eine gemeinsame Ehewohnung gewählt, sondern übernachten die Ehegatten schon seit Beginn der Ehe in verschiedenen Wohnungen und fallweise gemeinsam in der einen oder anderen Wohnung, so fällt das Schutzbedürfnis des nicht verfügungsberechtigten Ehegatten weg (LGZ Wien Miet 52.005). § 97 ABGB ist in einem derartigen Fall nicht anwendbar. 2. Umfang des dringenden Wohnbedarfs
15 § 97 ABGB verpflichtet den über die Wohnung verfügungsberechtigten Ehegatten, zum einen dafür zu sorgen, dass dem wohnungsbedürftigen Ehegatten weiterhin eine ungeschmälerte Benützung der Wohnung möglich ist, und zum anderen jede Beeinträchtigung dieses Wohnungsgebrauchs zu vermeiden. Das dringende Wohnbedürfnis des Ehegatten, zu dessen Befriedigung die Wohnung dienen soll, ist in dieser Bestimmung allerdings nicht näher umschrieben. Nach der Rsp liegt ein solches dringendes Wohnbedürfnis vor, wenn der Ehegatte keine andere den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechende, ausreichende und rechtlich gleichwertige Wohnmöglichkeit hat und gerade auf diese Wohnung angewiesen ist (4 Ob 541/95 = wobl 1996, 201; 1 Ob 90/ 05z uva). Wesentliche Kriterien für die Beurteilung des Wohnbedarfs sind die Lage der Wohnung, ihre Größe und Ausstattung, ihr Zustand und das Rechtsverhältnis, das ihrer Benützung durch den wohnungsbedürftigen Ehegatten zugrunde liegt. Dabei dürfen die Lebensverhältnisse der Ehegatten, soweit sie das angemessene Bedürfnis bestimmen, nicht vernachlässigt werden (7 Ob 760/80 = EF XVIII/6 = JBl 1983, 89; 1 Ob 90/05z). Überdies kommt gewissen persönlichen Umständen, wie etwa dem Gesundheitszustand des Ehegatten oder seinen beruflichen Interessen, idZ schon deshalb Bedeutung zu, weil das dringende Wohnbedürfnis des klagenden Ehegatten an gerade dieser Wohnung – und kein nach allgemeinen Erwägungen für den „Durchschnittsmenschen“ bestehender Wohnbedarf – für die Entscheidung maßgebend ist. Dass es beim Wohnbedürfnis, das § 97 ABGB schützen will, um ein existenzielles
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Interesse gehen muss, macht schon der Gesetzeswortlaut deutlich; der Ehegatte muss „auf die Wohnung angewiesen“ sein. Das Wohnbedürfnis besteht im Umfang der Angemessenheit, zumindest aber im Umfang der letzten ungestörten Wohnungsbenützung (7 Ob 760/80 = EF XVIII/6 = JBl 1983, 89; 4 Ob 529/94 = NZ 1995, 178; Koch/KBB § 97 ABGB Rz 1). Dem betroffenen Ehegatten soll ja jene Wohnmöglichkeit erhalten bleiben, die bisher seine den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Bedürfnisse deckte. Da im Fall des Ausziehens des verfügungsberechtigten Ehegatten idR Räume frei werden, muss sich der wohnungsbedürftige Ehegatte grundsätzlich auf die von ihm weiter benötigten Räume beschränken lassen, weil sein Wohnbedürfnis nicht großzügiger als bisher befriedigt werden darf. Dies gilt allerdings nur dann, wenn eine Möglichkeit zur Abtrennung selbstständiger Wohnungsteile besteht, wenn die vorliegende Raumgestaltung also eine solche Abtrennung erlaubt und diese auch durchgeführt worden ist (4 Ob 529/94 = NZ 1995, 178); durch den Auszug des anderen Ehegatten frei werdende Räume sind nur in diesem Fall von der Benützung des wohnungsbedürftigen Ehegatten ausgeschlossen. Wurde eine theoretisch in Betracht kommende, jedoch mit erheblichen Kosten verbundene Abtrennung einzelner Zimmer eines Hauses bisher vom verfügungsbefugten Ehegatten als Eigentümer der Liegenschaft nicht durchgeführt, steht dem im Haus verbliebenen Ehegatten die volle Nutzung zu. Steht eine ausreichende Ersatzwohnung zur Verfügung, fehlt die Anspruchs- 16 voraussetzung des dringenden Wohnbedürfnisses (6 Ob 124/00d; 1 Ob 559/ 81 = SZ 54/29; 7 Ob 760/80 = EF XVIII/6 = JBl 1983, 89). Die Frage der Zumutbarkeit einer solchen Ersatzwohnung ist am Maßstab jenes Wohnkomforts zu messen, der den Lebensverhältnissen der Ehegatten zur Zeit der aufrechten ehelichen, zumindest häuslichen Gemeinschaft entspricht (1 Ob 90/ 05z = EF 110.124; vgl auch §§ 382b bis 382e EO Rz 44). Die in Betracht kommenden Ersatzwohnungen müssen dabei der bisherigen Wohnsituation zumindest sehr nahekommen. Nicht die Verhältnisse am Wohnungsmarkt, sondern die persönlichen Umstände des wohnungsbedürftigen Ehegatten (zB sein Alter und die Vertrautheit der bisherigen Wohngegend oder die besondere Adaptierung der Wohnung für einen behinderten Ehegatten) sind entscheidend. Der geschützte Ehegatte braucht sich dabei nicht auf irgendeine andere Wohnmöglichkeit verweisen zu lassen (7 Ob 760/80 = EF XVIII/6 = JBl 1983, 89; 7 Ob 529/93 = EvBl 1993/161; 7 Ob 171/99v), weil die Ersatzwohnung das nach § 94 Abs 1 ABGB angemessene Wohnbedürfnis im bisherigen Benützungsumfang befriedigen muss und den Standard der Ehegatten nicht erheblich unterschreiten darf (7 Ob 2061/96 f = Miet 48.005; 6 Ob 124/00d = EF 91.905). Es genügt daher nicht, dass eine andere Wohnung überhaupt vorhanden ist. Vgl auch Rz 20.
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Der Umzug in eine Ersatzwohnung muss dem Ehegatten nach den konkreten Umständen des Falls (Lage und Größe der Ersatzwohnung, Umfang und Dauer der bisherigen Benützung, Gesundheit, Beruf, Verankerung der Familie und dergleichen) überdies zumutbar sein (7 Ob 760/80 = EF XVIII/6 = JBl 1983, 89). Unzumutbar ist eine (wenn auch hinsichtlich ihrer Größe ausreichende) Ersatzwohnung etwa dann, wenn ihre Benützung mit einer erheblichen Erschwerung der Wege zur Arbeitsstelle oder Schule der Kinder verbunden wäre oder ein behindertengerechtes Wohnen im benötigten Ausmaß ausschließen würde (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 97 ABGB Rz 3). Zur Behauptungs- und Beweislast iZm dem dringenden Wohnbedürfnis s Rz 24. 17 Am dringenden Wohnbedürfnis fehlt es, wenn ein Ehegatte im Einvernehmen mit dem anderen aus der Wohnung ausgezogen ist (1 Ob 559/81 = SZ 54/29). Ab diesem Zeitpunkt steht ihm daher kein Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB zu. Überlegt es sich der Ehegatte, der die Wohnung aufgrund einer diesbezüglichen Einigung der Ehegatten verlassen hat, später anders und will dorthin etwa mit der Begründung zurückkehren, der andere leiste die vereinbarten Geldunterhaltszahlungen nicht regelmäßig, mangelt ihm ein tatsächliches dringendes Wohnbedürfnis (LGZ Wien 42 R 487/09t). 18 Die Beurteilung der Frage, ob ein Wohnbedürfnis ein „dringendes“ ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und wirft – von einer erheblichen Fehlbeurteilung abgesehen – keine Rechtsfrage iS des § 528 Abs 1 ZPO auf (9 Ob 286/01a; 2 Ob 173/09v mwN ua).
3. Eingeschränkte Benützbarkeit der Ersatzwohnung
19 Der Anspruch auf Erhaltung einer bestehenden Wohnmöglichkeit ist von der aktuellen Benützbarkeit der Wohnung unabhängig (2 Ob 173/09v = EF 122.546). Solange also der Zustand einer Wohnung oder eines Hauses die Nutzung zu Wohnzwecken nicht auf Dauer ausschließt, sodass das Objekt dadurch den Charakter einer „Wohnung“ überhaupt verlieren würde, bleibt diese Wohnmöglichkeit grundsätzlich geeignet, das dringende Wohnbedürfnis des auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten zu erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn dieser ohne Gefährdung seiner sonstigen Bedürfnisse (vorübergehend) nicht in der Lage sein sollte, die zur Herstellung der vollen Benützbarkeit der Wohnung erforderlichen Kosten aus Eigenem zu tragen und deshalb eine andere, kurzfristig verfügbare, wenn auch rechtlich nicht eigenständige Unterkunftsmöglichkeit in Anspruch nimmt. Für das Vorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses kommt es auch bei einem solchen Sachverhalt nur darauf an, ob dem wohnungsbedürftigen Ehegatten eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft zur Verfügung steht (2 Ob 173/09v; vgl auch 2 Ob 72/05k). 274
§ 97 ABGB
Wohnungserhaltungsanspruch
Darunter ist keine Gleichwertigkeit in tatsächlicher Hinsicht, sondern nur in der rechtlichen Absicherung zu verstehen (s Rz 21). Wenn ein Antragsteller angesichts einer nur eingeschränkten Benützbarkeit des Hauses oder der Wohnung (etwa als Folge einer fehlenden Beheizbarkeit des Gebäudes in den Wintermonaten und gravierender Schäden) auf andere, sein Wohnbedürfnis rechtlich nicht absichernde Übernachtungsmöglichkeiten (beispielsweise bei Verwandten) ausweicht, wird dadurch sein dringendes Wohnbedürfnis an der vorhandenen Wohnung, auf die er grundsätzlich angewiesen ist, nicht beseitigt. Auch aus dem Umstand, dass ein Ehegatte zeitweise eine andere Wohnmög- 20 lichkeit benützt (weil er sich gelegentlich angesichts erheblicher Spannungen zwischen den Ehegatten etwa in eine wenig geräumige, nur spärlich ausgestattete Unterkunftsmöglichkeit wie ein Kleingartenhaus zurückzieht), kann für sich allein noch nicht abgeleitet werden, dass er die bisherige Wohnung endgültig aufgegeben hat und ihm das dringende Wohnbedürfnis daran fehlt (vgl dazu auch 7 Ob 760/80 = EF XVIII/6 = JBl 1983, 89; 2 Ob 173/09v). In einem solchen Fall muss geprüft werden, ob das adäquate Wohnbedürfnis des Ehegatten in der zweiten Wohnung gedeckt ist; wenn ihm dort ein dauerndes Wohnen nicht zugemutet werden kann, ist sein Wohnbedarf durch diese Alternative nur unzureichend befriedigt, sodass ihm weiterhin ein Wohnungserhaltungsanspruch an der bisherigen Wohnung nach § 97 ABGB zusteht. 4. Rechtliche Gleichwertigkeit des Wohnungsschutzes
Eine Ersatzwohnung, die den Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB 21 zum Erlöschen bringt, muss im rechtlichen Schutz, nicht aber hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse (und daher auch nicht im Hinblick auf die relevanten Wohnflächen) gleichwertig sein (7 Ob 760/80 = EF XVIII/6 = JBl 1983, 89; 2 Ob 173/09v = EF 122.548; vgl auch § 382h EO Rz 10). Der Ehegatte, dem das Wohnrecht in der früheren Ehewohnung oder sonstigen Wohnung zusteht, müsste demnach über eine Ersatzwohnung kraft eigenen Rechts verfügen (9 Ob 286/01a = EF 102.492; 2 Ob 72/05k = EF 112.594). Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann auch eine 150 m2 große Wohnung an Stelle der 400 m2 großen Ehewohnung zumutbar sein, wenn sie nach den Verfahrensergebnissen zur Deckung des Wohnbedarfs des Ehegatten ausreicht, wovon bei einer Wohnung dieser Größenordnung jedenfalls grundsätzlich auszugehen ist (6 Ob 124/00d = EF 91.905; vgl auch 4 Ob 608/87 = EF 58.024 [eine zur Verfügung stehende Mietwohnung, die etwa die Hälfte der Wohnfläche des bisher als Ehewohnung dienenden Einfamilienhauses hat und die der Ehemann gemeinsam mit seiner Tochter benützt, ist eine hinreichende Ersatzwohnung]). Bei der Beurteilung, ob eine Ersatzwohnung das angemessene Wohnbedürfnis 275
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des Ehegatten befriedigt, darf auch nicht übersehen werden, dass die bisherige Ehewohnung regelmäßig von der ganzen Familie oder zumindest von beiden Ehegatten benützt wurde und dem Ehegatten unter Berücksichtigung der Anzahl der dort lebenden Familienangehörigen häufig verhältnismäßig keine größere Wohnfläche zur Verfügung stand als in einer deutlich kleineren Wohnung, die der Ehegatte künftig allein benützen könnte. Ebenso wenig kann das Fehlen einzelner Einrichtungsgegenstände für sich allein schon dazu führen, dass eine verfügbare Ersatzwohnung als unzureichend beurteilt werden müsste (4 Ob 608/87 = EF 58.024). Wenn die zweite Wohnmöglichkeit nicht komplett möbliert und ausgestattet ist, betrifft dieser Umstand nicht die Wohnung selbst, sondern deren Einrichtung und kann keine gleich große Bedeutung für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Ersatzunterkunft erlangen. 22 Auf die Möglichkeit, bei seinen Eltern, sonstigen Verwandten oder Freunden zu übernachten, muss sich der bedürftige Ehegatte aber nicht verweisen lassen (1 Ob 615/77 = SZ 50/81; 4 Ob 278/98 f = EvBl 1999/86 = EF 88.350; 7 Ob 86/ 03b = JBl 2003, 927; 2 Ob 72/05k; 2 Ob 173/09v = EF 122.548). Ebenso wenig stellt eine bloß prekaristische anderweitige Unterkunft eine ausreichende und in rechtlicher Hinsicht gleichwertige Wohnung dar (5 Ob 721/79 ua = EF 34.690). Ein Ehegatte kann zudem nicht auf eine Wohnmöglichkeit bei einer anderen Person verwiesen werden, wenn ihm dieses Wohnen zugleich im Scheidungsverfahren als schwere Eheverfehlung angelastet wird (5 Ob 721/79 = EF 34.694). Dies gilt auch dann, wenn die Ehe bereits zerrüttet ist. Nur wenn ein Ehegatte seinen Anspruch auf Sicherung der Wohnmöglichkeit verwirkt hat (vgl Rz 45), kann er ihn nicht mehr zielführend geltend machen. 5. Keine Pflicht zum Wohnungserwerb
23 Ob die Ersatzwohnung für den wohnungsbedürftigen Ehegatten aus eigenem Recht zur Benützung bereitsteht oder vom anderen Ehegatten aus dessen Vermögen zur Verfügung gestellt wird, ist unerheblich, weil es nur auf die Wohnmöglichkeit ankommt (7 Ob 760/80 = SZ 54/37). Die Schaffung einer solchen Möglichkeit mit eigenen Mitteln kann aber selbst vom finanziell leistungsfähigen Wohnungsbenützer nicht verlangt werden (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 97 ABGB Rz 3), sodass diesem Ehegatten das Wohnrecht an der bisherigen Wohnung nicht nur deshalb entzogen werden kann, weil er genügend Geld hat, sich eine ausreichende Ersatzwohnung zu verschaffen; entscheidend für die Anwendbarkeit des § 97 ABGB ist die konkrete Wohnsituation des geschützten Ehegatten, nicht sein finanzieller Unterstützungsbedarf. Überdies besteht keine im streitigen Verfahren durchsetzbare Verpflichtung eines Ehegatten, in eine bestimmte, vom Wohnsitz des anderen getrennte Wohnung zu ziehen (8 Ob 523/76 = JBl 1977, 644); zur umfassenden ehelichen 276
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Wohnungserhaltungsanspruch
Lebensgemeinschaft iS des § 90 Abs 1 ABGB gehört vielmehr eine Wohngemeinschaft der Ehegatten, die während aufrechter Ehe nur ausnahmsweise aufgehoben werden darf (vgl dazu § 92 ABGB). 6. Behauptungs- und Beweislast
Dass das Wohnbedürfnis des Ehegatten ein dringendes ist, ist grundsätzlich so 24 lange anzunehmen, als der andere Ehegatte nicht den Ausnahmefall der anderweitigen Deckung des Wohnbedarfs beweist (7 Ob 760/80 = EF XVIII/6; 4 Ob 503/94 = EF 73.843; 9 Ob 286/01a; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927 = EF 106.261; vgl § 382b bis 382e EO Rz 47). Der verfügungsberechtigte Ehegatte muss daher behaupten und beweisen, dass der andere Ehegatte nicht auf die Ehe- oder sonstige Wohnung zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses angewiesen ist.
F. Kenntnis von den Verkaufsbemühungen Solange der nach § 97 ABGB abgesicherte Ehegatte auf die Wohnung angewie- 25 sen ist, ist ihm gegenüber eine Veräußerung durch den verfügungsberechtigten Ehegatten ohne Wahrung seiner Rechte an der Wohnung rechtswidrig und stellt eine Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte dar, die zum Schadenersatz – primär auf Wiederherstellung gerichtet (s Rz 35) – verpflichtet. Dies gilt unabhängig davon, ob der wohnbedürftige Ehegatte von den Veräußerungsbemühungen des anderen gewusst und sie sogar unterstützt hat (4 Ob 16/04p = EF 106.988; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 97 ABGB Rz 3; vgl auch § 382h EO Rz 12). Schon diese doch recht weitgehende Rsp, die es dem Ehegatten ermöglicht, zunächst dem anderen bei der Realisierung seines Plans, die Wohnung zu verkaufen, behilflich zu sein und dann einen Anspruch gem § 97 ABGB gegen ihn geltend zu machen, zeigt, dass es bei der Anwendung dieser Bestimmung ausschließlich auf die Erhaltung der bisherigen Wohnverhältnisse während aufrechter Ehe ankommt und diesem Anliegen des in der Wohnung verbliebenen und auf sie angewiesenen Ehegatten ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt wird. Die zulässige Wohnungsaufgabe durch den verfügungsberechtigten Ehegatten ist – von einer einvernehmlichen Vorgangsweise der Ehegatten abgesehen – auf die Fälle des § 97 zweiter Satz ABGB beschränkt (näher dazu Rz 52 ff).
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G. Zwangsversteigerung 26 Wenn die Ehegatten Miteigentümer einer Eigentumswohnung sind, kann der Ehegatte, der gegen den anderen einen Exekutionstitel über eine Geldforderung hat, nur dann in das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt, in dem der verpflichtete Ehegatte wohnt, durch Pfändung des dem Verpflichteten zustehenden Anspruchs auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an der Wohnung und Zwangsversteigerung des Mindestanteils der Liegenschaft iS des § 13 Abs 3 WEG 2002 Exekution führen, wenn er gleichzeitig im Exekutionsantrag behauptet, dass der verpflichtete Ehegatte kein dringendes Wohnbedürfnis im zu versteigernden Wohnungseigentumsobjekt befriedigt (3 Ob 304/04h = JBl 2005, 522 = EF 111.634 f), zumal die Zwangsversteigerung den Wohnungserhaltungsanspruch des Verpflichteten nach § 97 ABGB gefährdet.
H. Anspruchsinhalt 1. Tatsächliches oder rechtliches Handeln des verfügungsberechtigten Ehegatten
27 Der Anspruch des berechtigten Ehegatten gegen den verfügungsberechtigten Ehegatten umfasst die Erhaltung der Wohnmöglichkeit und damit die ungeschmälerte Weiterbenützung der Wohnung (6 Ob 621/86 = JBl 1987, 518; 1 Ob 162/00 f = Miet 53.004; 10 Ob 14/06s = EF 113.180). Der verfügungsbefugte Ehegatte hat das qualifizierte Interesse des anderen am Wohnungsgebrauch so zu wahren, wie ein verständiger und vorsorglicher Benützer die eigenen Wohnungsinteressen wahrnähme (6 Ob 727/80; 4 Ob 503/94 = EF 73.849; 1 Ob 162/00 f = EF 95.319; 1 Ob 102/01h = Miet 53.007; Schwimann/Ferrari/ Schwimann § 97 ABGB Rz 6); er darf nicht in einer Form über die Wohnung verfügen, dass sie dem bedürftigen Ehegatten ganz oder teilweise entzogen wird. Die Wohnungserhaltungsverpflichtung kann sowohl durch tatsächliche Beeinträchtigungen, wie die Verdrängung des Wohnungsbenützers, ein Aussperren aus der Wohnung (1 Ob 559/81 = SZ 54/29; 3 Ob 231/04y = EF 106.986) oder einzelnen Räumen (7 Ob 760/80 = SZ 54/37) und die Aufnahme dritter Personen, deren Anwesenheit zu unzumutbaren Konfliktsituationen führt (8 Ob 529/88 = EF 55.891; LGZ Wien EF 61.772 [der Ehemann gestattete einer Frau, mit der er eine ehewidrige Beziehung hatte, den Aufenthalt in dem ihm allein gehörenden und als Ehewohnung dienenden Haus], EF 64.883; vgl aber auch 7 Ob 760/80 = EF XVIII/6 = JBl 1983, 89 [keine Beeinträchtigung des Wohnungserhaltungsanspruchs bei Aufnahme der Freundin des Mannes im Fall geräumiger Wohnverhältnisse (Schloss) und Vorhandensein einer adäquaten Ersatzwohnung]; Aichhorn 146; Giefing, Eheliches Wohnen 145 ff; 278
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Wohnungserhaltungsanspruch
vgl auch § 90 ABGB Rz 20, § 339 ABGB Rz 25), als auch durch rechtliche Verfügungen (insb Veräußerung oder Belastung der Wohnung, Aufkündigung des Mietverhältnisses, Setzung von Kündigungsgründen bzw Unterlassung der Kündigungsabwehr, Verzicht auf ein Gebrauchsrecht) verletzt werden. 2. Unterlassungspflichten
Der Anspruch richtet sich auf die Unterlassung einseitiger tatsächlicher und 28 rechtlicher Veränderungen, welche die Wohnmöglichkeit des anderen Ehegatten gefährden. Vom verfügungsberechtigten Ehegatten kann etwa verlangt werden, dass er die Veräußerung der Wohnung oder die Umwandlung des Eigentumsrechts in ein Fruchtgenussrecht unterlässt (bei Tod des Eigentümers fällt die Liegenschaft in den Nachlass, während das Fruchtgenussrecht gem § 529 erster Satz ABGB idR mit dem Tod erlischt [4 Ob 503/94 = EF 73.849; 1 Ob 162/00 f = Miet 53.004], weshalb die Veränderung der Rechtsposition gegen § 97 ABGB verstoßen kann). Überdies kann dieser Ehegatte nach § 97 ABGB an der Aufkündigung des Bestandverhältnisses oder der Verweigerung des Zutritts zur Wohnung oder zu einzelnen Räumlichkeiten gehindert werden. Bei Verletzung dieser Unterlassungspflichten steht dem anderen Ehegatten ein Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustands zu (1 Ob 559/ 81 = SZ 54/29; 6 Ob 727/80 = EvBl 1981/95). Hat der verfügungsberechtigte Ehegatte das Mietverhältnis bereits aufgekündigt, so bleiben dem wohnungsbedürftigen Ehegatten nur Unterlassungsund Schadenersatzansprüche (s Rz 35). Eine allfällige Übertragung der Mietrechte an ihn ist nicht Prozessgegenstand. Bei einer solchen Konstellation sind daher Einwendungen des auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten gegen die Aufkündigung durch den anderen schon mangels Parteistellung zurückzuweisen (LGZ Wien Miet 59.004). 3. Leistungspflichten
Dem verfügungsberechtigten Ehegatten können aufgrund des familienrechtli- 29 chen Benützungsverhältnisses auch bestimmte Handlungen aufgetragen werden, die zur Erhaltung der Wohnung erforderlich sind, beispielsweise die Erhebung von Einwendungen gegen eine Aufkündigung des Mietvertrags (1 Ob 368/98v = JBl 1999, 728; 9 Ob 226/02d = Miet 54.005; 3 Ob 231/04y = EF 106.991), die Zahlung des Mietzinses, sofern der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Zahlungen nicht aus Eigenem leisten kann und ihm dadurch ein Verlust der Wohnung droht (9 Ob 226/02d = Miet 54.005; 7 Ob 100/04p ua = EF 106.990; 3 Ob 231/04y = EF 106.990; 4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler] = JBl 2008, 171 = EF 116.250; 4 Ob 71/09h = EvBl 2009/159), die Begleichung der in § 15 MRG genannten Betriebskosten (LGZ Wien EF 279
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116.253), Leistungen iZm einem Wohnungskredit (9 Ob 226/02d = EF 99.204; 3 Ob 231/04y = EF 106.991), die Zahlung von Versicherungsprämien und Gemeindeabgaben, Beiträge an die Wohnungseigentümergemeinschaft (3 Ob 231/04y = EF 106.991) sowie die Übergabe eines Wohnungsschlüssels (1 Ob 559/81 = SZ 54/29; 1 Ob 368/98v = JBl 1999, 728). 30 Ein weitergehender Leistungsanspruch, wie etwa jener auf Übertragung von Mietrechten an der strittigen Wohnung, kann aus § 97 ABGB nicht abgeleitet werden (1 Ob 368/98v = JBl 1999, 728; s auch Rz 3). Die gerichtliche Anordnung einer solchen Übertragung ist erst in einem späteren Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG und somit nur nach der Scheidung der Ehe zulässig. Ebenso wenig rechtfertigt die bloß abstrakt bestehende Möglichkeit, der andere Ehegatte könnte seine Wohnrechte zurückgeben, eine Vorgangsweise iS des § 97 ABGB (LGZ Wien EF 76.727).
4. Anspruchshöhe
31 Leistungspflichten können den verfügungsbefugten Ehegatten auch dann treffen, wenn der andere zwar keinen Geldunterhaltsanspruch nach der Prozentwertmethode hat, aber nicht in der Lage ist, die Kosten der Wohnungserhaltung ohne Gefährdung seiner über den Wohnbedarf hinausgehenden übrigen Unterhaltsbedürfnisse zu tragen (4 Ob 71/09h = EvBl 2009/159; 4 Ob 61/10i = EF-Z 2010/134 [Gitschthaler] = iFamZ 2010/208; vgl Rz 10). Damit wird im Rahmen des § 97 ABGB ein Zahlungsanspruch begründet, der getrennt vom eigentlichen Unterhaltsanspruch zu beurteilen ist und nach § 382h EO (bis zum Inkrafttreten des 2. GeSchG: nach § 382e EO) gesichert werden kann. Ein Rückgriff auf einen (erhöhten) einstweiligen Unterhalt nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO ist daher nicht mehr erforderlich (4 Ob 71/09h = EvBl 2009/159). Der in 9 Ob 226/02d = SZ 2002/179 unter Hinweis auf 3 Ob 520/87 = SZ 60/97 aufrechterhaltene Vorrang des einstweiligen Unterhalts vor einer EV nach § 382h EO (damals: § 382e EO) ist lediglich dahin zu verstehen, dass – iS einer klaren Trennung der Anspruchsgrundlagen – ein Geldanspruch nach § 97 ABGB dann nicht bestehen kann, wenn die Erhaltung der Wohnung ohnehin mit jenen Mitteln möglich ist, die dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten unabhängig davon zur Verfügung stehen (4 Ob 55/07b mwN = EF-Z 2007/136 = JBl 2008, 171; 4 Ob 71/09h = EvBl 2009/159). 32 Der Regelungszweck des § 97 ABGB (vgl dazu Rz 1) begründet einen Zahlungsanspruch, wenn der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Wohnungskosten nicht aus Eigenem leisten kann, weil ihm nur dann ein Verlust der Wohnung droht, den abzuwehren der verfügungsberechtigte Ehegatte verpflichtet ist. Es mag schon sein, dass sich der Zahlungsanspruch nach § 97 ABGB mit einem Unterhaltsanspruch des antragstellenden Ehegatten häufig 280
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überschneidet; dennoch ist der auf § 97 ABGB gestützte Leistungsanspruch nicht ein bloßer Teil des Unterhaltsanspruchs, sondern ein eigenständiger familienrechtlicher Anspruch, der Ausfluss der spezifischen Beistandspflicht während aufrechter Ehe ist. Zur Zuordnung solcher Klagen zu den anderen aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringenden Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 2b JN s Rz 38. Die Höhe des Zahlungsanspruchs nach § 97 ABGB hängt von den Umständen 33 des Einzelfalls ab. Maßgebend für die Beurteilung des Wohnungserhaltungsanspruchs sind die finanzielle Leistungsfähigkeit beider Ehegatten und der Umfang der Wohnungserhaltungskosten im Verhältnis zu den Mitteln, die dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten (einschließlich des ihm zustehenden Unterhalts) zur Verfügung stehen (4 Ob 61/10i = EF-Z 2010/134 [Gitschthaler]). Diese Erwägung schließt jede starre Formel für die Bemessung der Anspruchshöhe aus; entscheidend ist vielmehr der konkrete Bedarf zur Erhaltung der Wohnung im Einzelfall (4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler] = JBl 2008, 171 = EF 116.250; 4 Ob 61/10i = EF-Z 2010/134 [Gitschthaler]), sodass im Prozess zu klären ist, in welchem Ausmaß dem weiterhin in der Wohnung lebenden und auf sie angewiesenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch zusteht und ob er die Wohnung neben seinen sonstigen Bedürfnissen mit den Geldbeträgen, die ihm als Einkünfte und Unterhaltsleistungen (für sich und allfällige Kinder) zufließen, erhalten kann. Nur wenn er dazu nicht in der Lage ist, können dem anderen Ehegatten gem § 97 ABGB Geldleistungen für die Wohnungskosten zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag aufgetragen werden. Kann sich der in der Wohnung zurückgebliebene Ehegatte die von ihm zu tragenden Wohnkosten mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln leisten, muss der andere Ehegatte bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwar Geldunterhaltszahlungen erbringen, aber – unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit – keinen zusätzlichen Beitrag zu den Wohnungserhaltungskosten bezahlen. Besteht nach der Prozentwertmethode kein Anspruch auf Geldunterhalt, so wird der nach § 97 ABGB verpflichtete Ehegatte idR keinen größeren Anteil der Wohnungserhaltungskosten leisten müssen, als es dem Verhältnis zwischen den Einkommen der Ehegatten entspricht (4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/ 136 [Gitschthaler] = JBl 2008, 171; vgl auch 6 Ob 611/95; 7 Ob 629/94), weil davon auszugehen ist, dass die Ehegatten die Lebenshaltungs- und damit insb die Wohnkosten auch während aufrechter Ehe etwa in diesem Verhältnis getragen haben. Bei Doppelverdienerehen kann es idZ nicht darauf ankommen, von wessen Konto welche Kosten beglichen wurden, weil diese Aufteilung der Zahlungen in vielen Fällen nur zufällig und ohne Absicht einer weitergehenden Bindung an diese Leistungsmodalitäten erfolgt. Muss der über die Wohnung verfügungsberechtigte Ehegatte ohnehin Geldunterhalt nach der Prozentwertmethode leisten, ist überdies zu beach281
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ten, dass schon dadurch eine grundsätzlich angemessene Neuverteilung des Familieneinkommens herbeigeführt wird. Dem unterhaltspflichtigen Ehegatten steht ja nicht mehr sein gesamtes Einkommen für die Zahlung der Wohnkosten zur Verfügung, während der in der Wohnung verbliebene Ehegatte Unterhaltsbeiträge für sich und häufig auch für die gemeinsamen Kinder sowie allenfalls die Familienbeihilfe erhält. Ein bloßer Rückgriff auf das Verhältnis der Einkünfte ist in einem solchen Fall daher nicht mehr angebracht. Im Prozess sind vielmehr die gesamten finanziellen Verhältnisse der Ehegatten, die konkrete Höhe der Wohnungserhaltungskosten im Verhältnis zu sämtlichen Mitteln, die dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten (einschließlich des ihm zustehenden Unterhalts und der für den Bedarf der Kinder bezogenen Beträge [die ja zumindest zum Teil auch für die Wohnversorgung bestimmt sind]) zur Verfügung stehen, und die Leistungsfähigkeit des verfügungsberechtigten Ehegatten festzustellen. Nach der jüngeren Rsp des OGH (4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler] = JBl 2008, 171) ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn der den Unterhalt ergänzende eigene Anspruch nach § 97 ABGB höchstens mit der Hälfte der Wohnungskosten ausgemessen wird. Ob dieser Rahmen ausgeschöpft (oder allenfalls sogar überschritten) wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Der gem § 97 ABGB gebührende Betrag kann daher in Ausnahmefällen auch die gesamten Wohnungserhaltungskosten umfassen. Im Anlassfall zu 4 Ob 55/07b bezog der Ehemann Pensionseinkünfte von 1.280 Euro monatlich und die Ehefrau solche von 665 Euro monatlich; der Ehefrau stand nach dem Auszug des Ehemannes ein Geldunterhaltsanspruch in Höhe von ca 130 Euro monatlich zu, während mit der Ehewohnung Mietkosten von ca 440 Euro monatlich und Nebenkosten (Strom, Gas, Telefon- und Rundfunkgebühren, Versicherungsprämien) von 165 Euro monatlich verbunden waren. Als der Ehemann nach der Trennung die Zahlungen für die Wohnungskosten einstellte, wurde der Ehefrau eine ergänzende, auf § 97 ABGB gestützte Leistung in Form des Hälftebetrags der Wohnungserhaltungskosten (vgl Rz 34), also ein Betrag von 220 Euro monatlich zugesprochen.
5. Wohnungserhaltungskosten
34 Der Anspruch nach § 97 ABGB umfasst nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („damit er diese [die Wohnung] nicht verliere“) nur die zur Beschaffung und Erhaltung der Wohnung nötigen Aufwendungen, nicht aber auch Kosten für Strom, Heizung, Haushaltsversicherung usw (3 Ob 231/04y = SZ 2004/ 150; 1 Ob 65/05y = EF 110.125; 2 Ob 173/09v = EF 122.552). Anspruchsinhalt ist der Erhalt der Wohnung an sich, nicht auch der Erhalt deren Benützbarkeit zu Wohnzwecken, sodass zwischen Wohnungserhaltungskosten und Wohnungsbenützungskosten unterschieden werden muss. Nur die Nichtzahlung 282
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Wohnungserhaltungsanspruch
des Mietzinses und der Betriebskosten kann nämlich zum Verlust der Wohnung führen, den abzuwehren der verfügungsberechtigte Ehegatte nach § 97 ABGB vorkehren muss; bei unbeglichenen Energiekosten und dergleichen ist dies nicht der Fall (vgl auch § 382h EO Rz 13). 6. Schadenersatz
Beim Anspruch nach § 97 ABGB handelt es sich vorrangig um einen klagbaren 35 Unterlassungsanspruch gegenüber dem anderen Ehegatten. Kündigt dieser aber vor der erfolgreichen gerichtlichen Geltendmachung des Wohnungserhaltungsanspruchs das Mietverhältnis für die Wohnung unrechtmäßig auf, so bleibt dem auf diese Wohnmöglichkeit angewiesenen Ehegatten nur ein Schadenersatzanspruch, der ihm infolge der schuldhaften Verletzung des § 97 ABGB zusteht und wegen des Aufwands für die Erlangung einer anderen Wohnmöglichkeit gebührt (LGZ Wien EF 58.719, Miet 59.004). Gegenüber einer dritten Person (etwa dem Vermieter) setzt ein Schadenersatzanspruch deren Schlechtgläubigkeit voraus. Schadenersatzansprüche sind so wie der Anspruch gegen bösgläubige dritte Personen (vgl Rz 40) primär auf Naturalrestitution gerichtet (3 Ob 155/87 = SZ 60/281; 3 Ob 541/91 = JBl 1992, 704). Falls eine Wiederherstellung des früheren Zustands nicht mehr in Betracht kommt, weil die beanstandete Handlung bereits gesetzt wurde, richtet sich der Anspruch auf die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzwohnung oder den Ersatz des Beschaffungswerts einer solchen Wohnung (LGZ Wien EF 76.729, 113.179 [der angewiesene Ehegatte kann vom anderen den Beschaffungswert einer vergleichbaren Wohnmöglichkeit – inkl Ablöse – verlangen]). Dies gilt etwa dann, wenn der verfügungsberechtigte Ehegatte bereits eine gerichtliche Aufkündigung eingebracht hat, welche dem Kündigungsgegner schon zugestellt wurde, sodass die Zurücknahme der Aufkündigung bis zur Erhebung von Einwendungen nach stRsp unzulässig ist (7 Ob 2149/96x = wobl 1997/79). Sofern der Kündigungsgegner keine Einwendungen geltend macht, können dem verfügenden Ehegatten keine Handlungen oder Unterlassungen zur erfolgreichen Vermeidung der Beendigung des Mietverhältnisses aufgetragen werden. Eine Wiederherstellung der früheren Verhältnisse ist daher untunlich; der wohnungsbedürftige Ehegatte kann aber in diesem Fall vom anderen den Beschaffungswert einer vergleichbaren Ersatzwohnung verlangen. 7. Rechtsdurchsetzung
Der Anspruch nach § 97 ABGB ist mit Klage im streitigen Rechtsweg selbst- 36 ständig (also nicht im Scheidungs- oder Aufteilungsverfahren), allenfalls im Exekutionsverfahren durchzusetzen (6 Ob 727/80 = EvBl 1981/95 = EF XVII/ 283
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6; 10 Ob 14/06s = FamZ 2006/60 = EF 113.180). Er kann unter den Voraussetzungen der §§ 381 ff EO auch schon vor der Einbringung einer Klage mit EV nach § 382h EO gesichert werden. Eine solche EV kann ohne Gefährdungsbescheinigung gem § 381 EO erlassen werden, wenn zwischen den Ehegatten ein Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe anhängig ist (vgl 1 Ob 62/03d = EF 103.242; s dazu § 382h EO Rz 23). Taugliche Sicherungsmittel sind insb die in § 382 Abs 1 Z 4 bis 7 EO angeführten Maßnahmen. 37 Das Klagebegehren muss nach den Gegebenheiten des Einzelfalls die Verhaltensweisen des Beklagten, dem eine Unterlassung aufgetragen werden soll, so genau und bestimmt wie möglich bezeichnen (LG Salzburg 21 R 35/09g). Auch allfällige Leistungspflichten, wie etwa die Zahlung des Mietzinses an den Bestandgeber oder Leistungen an die Wohnungseigentümergemeinschaft, müssen im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen an einen Exekutionstitel iS des § 7 EO konkret begehrt werden. 38 Die Anspruchsgrundlagen für einen Leistungsanspruch nach § 97 ABGB und einen Unterhaltsanspruch nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO müssen strikt getrennt und gesondert beurteilt werden (vgl Rz 10). Ansprüche nach § 97 ABGB werden dabei den anderen aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringenden Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 2b JN und nicht den Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt nach § 49 Abs 2 Z 2 JN zugeordnet. Der Anspruch auf Fortzahlung anteiliger Wohnungsfinanzierungskosten (hier: Rückzahlungsraten für ein Hypothekardarlehen) zum Zweck der Erhaltung der vom Ehegatten dringend benötigten Wohnmöglichkeit nach § 97 ABGB besteht unabhängig von einem Unterhaltsanspruch des klagenden Ehegatten (s Rz 2, 31) und ist deshalb auch nicht als Unterhaltsanspruch iS des § 224 Abs 1 Z 4 ZPO zu werten (4 Ob 71/09h = EF-Z 2010/56 = JBl 2010, 120 = EvBl 2009/159). Die Klage eines Ehegatten zur Durchsetzung des Wohnungserhaltungsanspruchs ist somit keine Ferialsache, sodass für sie die Bestimmungen über die verhandlungsfreie Zeit gelten.
I. Drittwirkung? 1. Schutz gegen dritte Personen
39 Der Sicherungsanspruch nach § 97 ABGB ist grundsätzlich nur im Verhältnis der Ehegatten zueinander durchsetzbar und vermittelt keinen Rechtsschutz gegenüber dritten Personen (4 Ob 529/94 = EF 73.844; 1 Ob 221/99b = EF 91.913; 3 Ob 61/01v = NZ 2002, 181; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927; 3 Ob 202/ 06m = Miet 58.008). Insb besteht gegenüber gutgläubigen Vertragspartnern des Ehegatten kein Anspruch; der gutgläubige Erwerber der Liegenschaft 284
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kann sein Eigentumsrecht ohne Rücksicht auf ihm unverschuldet nicht bekannte Rechte eines wohnungsbedürftigen Ehegatten geltend machen (1 Ob 221/99b = Miet 52.003; 3 Ob 70/00s = JBl 2001, 583). Anders ist die Rechtslage nur dann, wenn die dritte Person das fremde Forderungsrecht beeinträchtigt (1 Ob 221/99b = Miet 52.003; 5 Ob 88/01d; 4 Ob 16/04p = EF 106.988; 3 Ob 202/06m; vgl dazu auch 1 Ob 503/95 = SZ 68/22). Der Ehegatte, der ein dringendes Wohnbedürfnis hat, ist somit gegenüber dem schlechtgläubigen Erwerber der Wohnung bei einem Eingriff in seine Rechte geschützt und kann diesem, etwa dessen Räumungsklage, seinen familienrechtlichen Wohnungsbewahrungsanspruch mit Erfolg entgegenhalten (4 Ob 529/94 = NZ 1995, 178 = EF 73.847; 1 Ob 221/99b = EF 91.916; 3 Ob 27/09 f = iFamZ 2009/170 uva). Er ist auch berechtigt, gegen die Versteigerung einer im Miteigentum des Ehegatten und einer dritten Person stehenden Liegenschaft Widerspruch zu erheben, wenn die Miteigentümer im bösgläubigen Zusammenspiel das Exekutionsverfahren durch die Versteigerung der gemeinschaftlichen Liegenschaft zum Zweck missbrauchen, den auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten um diese Wohnmöglichkeit zu bringen (3 Ob 155/87 = EvBl 1988/57; 4 Ob 537/91; 3 Ob 113/91; s auch Rz 40). Kann hingegen ein doloses Verhalten des Dritten nicht erwiesen werden, stehen dem Ehegatten keine berechtigten Ansprüche gegen die Exekutionsführung zu. § 97 ABGB ist daher die Grundlage für einen Schadenersatzanspruch gegen dritte Personen, die mit dem verfügungsberechtigten Ehegatten zusammenwirken, um dem anderen die Ehewohnung zu entziehen, und die dadurch schuldhaft dessen Wohnungserhaltungsanspruch beeinträchtigen (zB durch Erwerb der Eigentumswohnung oder Auflösung des Wohnungsverhältnisses; 4 Ob 529/94 = NZ 1995, 178; 3 Ob 61/01v = NZ 2002, 181; 7 Ob 86/ 03b = JBl 2003, 927; 3 Ob 27/09 f; zur erforderlichen Schuldform Schwimann/ Ferrari/Schwimann mit einer Darstellung des Meinungsstands § 97 ABGB Rz 11).
2. Schlechtgläubigkeit
Eine Schlechtgläubigkeit der dritten Person liegt nach der jüngeren Rsp aller- 40 dings nicht erst bei arglistigem Zusammenwirken mit dem über die Wohnung verfügenden Ehegatten, sondern schon dann vor, wenn der Dritte das dringende Wohnbedürfnis des auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten kennt und die Wohnung oder Rechte daran dennoch erwirbt (7 Ob 522/83 = EF 42.629 [fahrlässige Unkenntnis des Rechts nach § 97 ABGB; s auch Rz 39]; 4 Ob 529/94 = NZ 1995, 178 = EF 73.847 [Kenntnis vom dringenden Wohnbedürfnis des auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten ausreichend]; 4 Ob 16/04p [Kenntnis des Dritten, dass der nicht verfügungsbefugte Ehegatte 285
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keine andere Wohnung hat, genügt]). Gegen einen Dritten steht dem Ehegatten demnach ein klagbarer Anspruch auf Unterlassung des bewussten Eingriffs in ein fremdes Forderungsrecht bzw eine nachträgliche Verpflichtung zum Schadenersatz durch Naturalrestitution nicht nur bei dolosem Zusammenwirken oder bei Verleitung zum Vertragsbruch, sondern schon bei Verletzung eines durch den Besitz verstärkten und damit erkennbaren Forderungsrechts zu (6 Ob 621/86 = JBl 1987, 518; 5 Ob 25/89 = EF 58.721; 1 Ob 221/99b = EF 91.917; vgl auch Rz 41).
3. Keine Nachforschungspflicht
41 Die Gutgläubigkeit bzw Bösgläubigkeit des Dritten ist nicht allein aufgrund des Grundbuchstands zu beurteilen. Entscheidend ist vielmehr, ob für den Dritten, insb aus der Art der rechtsgeschäftlichen Abwicklung und deren Begleitumständen, der Eingriff in den Anspruch des Ehegatten erkennbar ist (7 Ob 522/83 = EF 42.629). Der Dritte muss aber ohne konkrete Anhaltspunkte nicht von sich aus Nachforschungen anstellen, um das Bestehen eines Anspruchs nach § 97 ABGB zu prüfen, der durch sein Verhalten beeinträchtigt werden könnte (3 Ob 94/90 = JBl 1991, 719; 1 Ob 221/99b = Miet 52.003; 3 Ob 61/01v = NZ 2002, 181; 1 Ob 125/05x). Eine solche Forderung nach einer Verpflichtung zu Erhebungen wäre mit der alltäglichen Abwicklung des Rechtsverkehrs unvereinbar und auch sachlich nicht gerechtfertigt. Bei einem besitzverstärkten Forderungsrecht (vgl auch 1 Ob 125/05x zur Funktion des Besitzes als Mittel zum Ausdruck der typischen Erkennbarkeit von Forderungsrechten) genügt zur Durchsetzung des schadenersatzrechtlichen Restitutionsanspruchs jedoch bereits der Umstand, dass der rechtsgeschäftliche Erwerber die obligatorische Position kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste (1 Ob 221/99b = EF 91.917; 3 Ob 70/00s; 7 Ob 225/03v = ecolex 2005/85; 1 Ob 125/05x; weitergehend 4 Ob 529/94 = NZ 1995, 178); ein doloses Verhalten, wie es zur Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs wegen Verletzung eines nicht besitzverstärkten Forderungsrechts verlangt wird, ist hier nicht notwendig. Dies gilt freilich nur für den rechtsgeschäftlichen Erwerb. Bei der Erlangung des Eigentums im Weg einer Zwangsversteigerung kommt es für die Frage, welche Lasten der Ersteher der zwangsversteigerten Liegenschaft zu übernehmen hat, dagegen auf den Inhalt der Versteigerungsbedingungen an. Wird dort das Recht des Ehegatten nicht erwähnt und hat es im Schätzwert keinen Niederschlag gefunden, schadet dem Dritten die Kenntnis nicht (3 Ob 70/ 00s = JBl 2001, 583). Auch in einem solchen Fall kann der Schadenersatzanspruch gegen den Dritten allerdings bei arglistigem Zusammenwirken mit dem verfügungsberechtigten Ehegatten geltend gemacht werden. Hat der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte einen Anspruch auf Mitbenützung der im Ei286
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gentum einer Gesellschaft stehenden Ehewohnung auf Grund einer gesellschaftsrechtlichen Absprache des anderen Ehegatten, so hat die Gesellschaft alle Handlungen zu unterlassen, die das aus dem Gesellschaftsvertrag abgeleitete Wohnungsbenützungsrecht dieses Ehegatten beeinträchtigen könnten (7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927). 4. Wiederherstellung des früheren Zustands
Der Anspruch gegen den Dritten ist auf Schadenersatz (vor allem auf Natu- 42 ralrestitution iS des § 1323 ABGB) gerichtet; der beeinträchtigte Ehegatte kann seinen Anspruch auch in einem vom Dritten eingeleiteten Räumungsprozess einredeweise geltend machen (3 Ob 155/87 = EvBl 1988/57; 4 Ob 529/94 = NZ 1995, 178; 3 Ob 70/00s = JBl 2001, 583). Überdies ist er berechtigt, gegen die kollusive Übertragung der Hauptmietrechte des anderen etwa auf das gemeinsame Kind die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Mietrechtsübergangs ihm gegenüber, nicht aber die Feststellung, dass der andere Ehegatte (weiter) Hauptmieter und das Kind nicht Hauptmieter geworden sei, zu verlangen (3 Ob 541/91 = JBl 1992, 704). Der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte kann sein Recht außerdem durch Exszindierungsklage nach § 37 EO in einer Zwangsversteigerung einer Liegenschaft, die im Miteigentum seines Ehegatten und eines Dritten steht, wahren, wenn ihn die Miteigentümer in bösgläubigem Zusammenwirken in seinen Rechten beeinträchtigen wollen (3 Ob 155/87 = EvBl 1988/57; 3 Ob 61/01v = EF 95.340); zur rechtsmissbräuchlichen Vereitelung eines obligatorischen Wohnrechts durch den Ersteher s auch 8 Ob 547/93 = JBl 1994, 613. 5. Keine Rückabwicklung
Dagegen hat der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte keinen Anspruch auf 43 Rückabwicklung eines vom anderen mit einem schlechtgläubigen Dritten abgeschlossenen Kaufvertrags über den Hälfteanteil des Hauses, in dem sich die Ehewohnung befindet (3 Ob 121/97h = EF 83.061). Der Schadenersatzanspruch des wohnungsbedürftigen Ehegatten ist auf Naturalrestitution gerichtet, worunter die tunlichste Wiederherstellung des früheren Zustands und die Duldung der ungeschmälerten Wohnungsbenützung zu verstehen ist, während die Wirksamkeit einer Veräußerung der Wohnung oder einer Mietrechtsübertragung schon im Interesse des Verkehrsschutzes unberührt bleiben muss (3 Ob 87/93).
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J. Verzicht 44 Der Anspruch auf Sicherung der Wohnmöglichkeit besteht nur während aufrechter Ehe. Darauf kann wirksam und formlos verzichtet werden (LGZ Wien EF 44.905; Koch/KBB § 97 ABGB Rz 1; Stabentheiner/Rummel § 97 ABGB Rz 3).
K. Verwirkung 45 Ähnlich wie der Unterhaltsanspruch gem § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB findet auch der Anspruch des wohnungsbedürftigen Ehegatten seine Grenze im Rechtsmissbrauch. Da sich der Wohnungserhaltungsanspruch auf die eheliche Beistandspflicht gründet, ist Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn der wohnungsbedürftige Ehegatte seine Beistandspflicht selbst gröblich vernachlässigt (Hinteregger/Klang3 § 97 ABGB Rz 25). Davon kann allerdings nicht gesprochen werden, wenn der berechtigte Ehegatte den ihm möglichen Eintritt in das Mietverhältnis des anderen ablehnt und auf der Beibehaltung des bestehenden Rechtszustands beharrt. Nach den Feststellungen in der Entscheidung 6 Ob 727/80 kündigte der Ehemann das Mietverhältnis für die Ehewohnung und ersuchte die Hausverwaltung, die Ehefrau über die Kündigung zu informieren, damit sie die Möglichkeit habe, in den Mietvertrag an Stelle des Mannes „einzutreten“. Das Beharren der Ehefrau auf der Aufrechterhaltung der vor der Aufkündigung des Ehemannes bestandenen Mietrechte an der Wohnung, damit der Mann wie bisher als Mieter der von ihr nach wie vor benötigten Wohnung die Voraussetzung dafür schaffe, dass ihr die Wohnungsbenützung ohne zusätzliche eigene rechtliche Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter gesichert bleibe, stellt keinen Rechtsmissbrauch dar. Ein Ehegatte kann sich berechtigt gegen den Versuch des anderen Ehegatten wehren, bestehende Verpflichtungen ohne ersichtlichen Grund auf ihn zu überwälzen. Der Ehemann wurde daher mit EV verpflichtet, zur Sicherung des Anspruchs der Ehefrau auf Aufrechterhaltung des Mietrechts an der Wohnung binnen drei Tagen gegenüber der Hausverwaltung nach deren Wahl das Anbot zu stellen, entweder die Kündigung des Mietverhältnisses einvernehmlich als zurückgenommen zu betrachten oder neuerlich einen Mietvertrag mit dem Inhalt des aufgekündigten Rechtsverhältnisses abzuschließen. 46 Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 382b Abs 1 EO führt nicht gleichsam „automatisch“ zur (endgültigen) Verwirkung des Wohnungserhaltungsanspruchs des Weggewiesenen gem § 97 ABGB (2 Ob 183/09i = EF-Z 2010/139 [Beck] = iFamZ 2010/205 = JBl 2010, 576 = EvBl 2010/116; Stabentheiner/Rummel § 97 ABGB Rz 3; aA [ein Verhalten, das einen Auftrag 288
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an einen Ehegatten zum Verlassen der Ehewohnung rechtfertigt, ist als Verwirkung des Rechts auf Benützung der Wohnung durch diesen zu werten] LGZ Wien EF 44.905, 122.554; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 97 ABGB Rz 14). Wenn der Ehegatte, der sich auf einen Anspruch gem § 97 ABGB beruft, dem anderen Ehegatten das weitere Zusammenleben iS des § 382b Abs 1 EO unzumutbar macht und gegen ihn für einen gesetzlich bestimmten Zeitraum einstweilen ein Betretungsverbot angeordnet wird, verwirkt er damit noch nicht den Wohnungserhaltungsanspruch, weil nicht aus dem nur provisorischen Charakter einer (regelmäßig ohne Anhörung des Weggewiesenen vor der Entscheidung erlassenen) EV bereits ein definitiver Verlust des Rechts auf den Wohnungsgebrauch abgeleitet werden darf. Sachverhaltselemente, die einen Wegweisungstatbestand nach § 382b EO erfüllen, werden idR zwar gleichzeitig geeignet sein, bei der Frage des Rechtsmissbrauchs der Geltendmachung eines Wohnungserhaltungsanspruchs gem § 97 ABGB eine gewichtige Rolle zu spielen, sie sind aber idZ nicht das einzige Beurteilungskriterium. Während infolge der Zielsetzung einer EV gem § 382b Abs 1 EO als Instrument der vorläufigen Konfliktregelung eine Gegenüberstellung der Interessen der Ehegatten schon grundsätzlich zu unterbleiben hat (vgl §§ 382b bis 382e EO Rz 58), lässt erst ein solcher Interessenvergleich eine Feststellung der Verwirkung des Wohnungserhaltungsanspruchs zu (Rz 47). Die Beurteilung, ob die Berufung des wohnungsbedürftigen Ehegatten auf sei- 47 nen Anspruch nach § 97 ABGB rechtsmissbräuchlich ist, setzt eine umfassende Interessenabwägung voraus, in welcher die Gesamtumstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (2 Ob 183/09i = EF-Z 2010/139 [Beck] = JBl 2010, 576 = EvBl 2010/116). Dazu gehören insb die Wohnsituation der Ehegatten und die Qualität jener Verhaltensweisen, die als Verwirkungstatbestand geltend gemacht werden.
L. Tod des Verfügungsberechtigten Der Anspruch nach § 97 ABGB erlischt mit dem Tod des verfügungsberech- 48 tigten Ehegatten (1 Ob 733/83 = JBl 1984, 552; 4 Ob 503/94 = EF 73.849; 8 Ob 513/94 = JBl 1994, 750). Dem Räumungsbegehren der Rechtsnachfolger kann der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte infolge des Erlöschens des familienrechtlichen Benützungstitels daher keine Einwendungen entgegensetzen; § 97 ABGB gewährt kein Recht auf Weiterbenützung der früheren Ehewohnung nach dem Tod des Verfügungsberechtigten. Der überlebende Ehegatte ist aber zur Räumung nur auf Verlangen des Eigentümers verpflichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt muss er auch kein Benützungsentgelt leisten; erst nach dem „Widerruf“ der Gebrauchsbefugnis liegt eine titellose Benützung vor (4 Ob 523/87 = JBl 1988, 237). 289
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An die Stelle des aus § 97 ABGB abgeleiteten Anspruchs auf Weiterbenützung der Wohnung kann gem § 758 ABGB der schuldrechtliche Anspruch des überlebenden Ehegatten gegen den Erben oder Legatar, die Ehewohnung als gesetzliches Vorausvermächtnis weiter zu benützen, treten (vgl dazu §§ 757– 759 ABGB Rz 10 ff), weil der Ehegatte, der bisher im Haus seines verstorbenen Ehegatten lebte, nach dessen Tod nicht seine gewohnte Umgebung verlieren soll. Überdies kann der Ehegatte nach dem Tod des Verfügungsberechtigten die Hauptmietrechte nach § 14 Abs 2 MRG erwerben. Dieser Eintritt in das Hauptmietverhältnis erfolgt kraft Gesetzes, sofern der Ehegatte nicht binnen 14 Tagen nach dem Tod des Hauptmieters dem Vermieter bekannt gibt, dass er das Mietverhältnis nicht fortsetzen will.
M. Scheidung und Aufteilungsverfahren 49 Der aus § 97 ABGB ableitbare Anspruch auf Wohnungsbenützung ist grundsätzlich auf die Dauer der Ehe beschränkt und erlischt daher mit Auflösung der Ehe (5 Ob 88/01d = Miet 53.008; 8 Ob 39/04z = EF 109.403; 2 Ob 164/ 04p = FamZ 2006/18 = EF 112.644; 2 Ob 240/09x = iFamZ 2010/159). Veräußert der verfügungsberechtigte Ehegatte vor der Scheidung die Wohnung ohne Zustimmung des auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten, so ist dieser auf den Ausgleich der Benachteiligungen iS des § 91 Abs 1 EheG unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung von solchen einseitigen Vermögensverringerungen im Aufteilungsverfahren beschränkt (7 Ob 691/85 = EF 50.260), wobei der Frage, ob die eigenmächtige Vermögensveränderung frühestens zwei Jahre vor der Scheidungsklage bzw vor Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgte, maßgebende Bedeutung zukommt. Der Ehegatte, der das eheliche Vermögen einseitig zum Nachteil des anderen verminderte, muss sich bei der Aufteilungsentscheidung so behandeln lassen, als wäre ihm der verringerte Wert bei der gerichtlichen Vermögensteilung bereits zugekommen (vgl § 91 EheG Rz 10). Sachen, die im Eigentum dritter Personen stehen, unterliegen grundsätzlich nicht der nachehelichen Vermögensteilung. Ein Herausgabeanspruch gegen den dritten Erwerber steht dem Ehegatten nicht zu (7 Ob 691/85 = EF 50.260). Hat der verfügungsberechtigte Ehegatte über die Wohnung aber noch nicht disponiert, so wirkt der Unterlassungs- und Benützungsanspruch des wohnungsbedürftigen Ehegatten nach § 97 ABGB im Fall einer rechtzeitigen Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG im Aufteilungsanspruch fort, sodass der auf diese Wohnmöglichkeit angewiesene Ehegatte bis zur rechtskräftigen Aufteilungsentscheidung nicht zur Räumung gezwungen werden kann (1 Ob 68/ 00g = EF 91.911; 3 Ob 51/03a = EF 103.247; 10 Ob 14/06s = EF 113.180; 6 Ob 290
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164/06w; 1 Ob 203/08x = JBl 2009, 693 uva; zur Einschränkung der Weitergeltung des Anspruchs nach § 97 ABGB auf die Einleitung eines im Inland geführten Aufteilungsverfahrens s Rz 51; zur Problematik iZm der Beschränkung des Anspruchs auf die Ehedauer und seinem Weiterwirken bei Einleitung eines Aufteilungsverfahrens s auch § 382h EO Rz 9). Der geschiedene Verfügungsberechtigte kann dem auf titellose Benützung gestützten Räumungsbegehren vielmehr das im Aufteilungsanspruch fortlebende Benützungsrecht an der Ehewohnung wirksam einwenden, solange über den Aufteilungsanspruch noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Mit dem ungenutzten Ablauf der Frist des § 95 EheG nach einer Scheidung bzw mit der Beendigung eines Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG endet die Bindung durch § 97 ABGB aber jedenfalls (3 Ob 51/03a = JBl 2003, 929; 10 Ob 14/06s; 4 Ob 142/06w = FamZ 2007/5 = Miet 58.010). Danach steht dem auf die Wohnung angewiesenen geschiedenen Ehegatten auch nicht die Möglichkeit offen, dem auf Räumung dringenden Verfügungsbefugten eine Zug-um-Zug-Verknüpfung mit einer von diesem geschuldeten und noch nicht geleisteten Ausgleichszahlung aus dem Aufteilungsverfahren entgegenzuhalten. Auf außervertragliche Rechtsbeziehungen ist § 1052 ABGB anwendbar, sofern sie zueinander in einem Austauschverhältnis stehen; eine solche Verbindung der Leistungspflichten liegt zwischen dem Anspruch eines Ehegatten auf Räumung seines Hauses wegen titelloser Benützung und dem Anspruch des anderen Ehegatten auf Zahlung des Ausgleichsbetrages nach den §§ 81 ff EheG aber nicht vor. Der verfügungsbefugte geschiedene Ehegatte kann daher vom anderen nach rechtskräftiger Beendigung der nachehelichen Vermögensteilung nach den §§ 81 ff EheG die Räumung der Liegenschaft auch dann verlangen, wenn er die ihm auferlegte Ausgleichszahlung noch nicht geleistet hat. Auch in diesem Stadium der Rechtsverfolgung ist der Wohnungserhaltungsan- 50 spruch gegen schlechtgläubige Dritte geschützt (7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927). Wenn der Aufteilungsanspruch eines Ehegatten durch einen Dritten schlechtgläubig verletzt wird, kann der Außerstreitrichter, unbeschadet des Eigentums des Dritten, im Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG Rechte und Pflichten begründen (1 Ob 221/99b = EF 91.914). Im Kündigungsstreit gegen den geschiedenen Ehegatten kommt dem anderen Ehegatten, der einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung gestellt hat, die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten zu (LGZ Wien Miet 48.577). Da der nacheheliche Aufteilungsanspruch nicht unter die EuGVVO und die 51 EuEheVO fällt, kann ein im Ausland anhängiges Aufteilungsverfahren jedenfalls dann nicht den Anspruch eines Ehegatten nach § 97 ABGB über die Rechtskraft der Scheidung hinaus verlängern, wenn ein im Ausland geschaffener Titel aus einem Aufteilungsverfahren in Österreich nicht vollstreckbar wäre (2 Ob 240/09x [Aufteilungsverfahren in Rumänien] = EF-Z 2010/71 = 291
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iFamZ 2010/159 = JBl 2010, 575). In einem solchen Fall kann ein Anspruch auf Verbleib in der Ehewohnung nach der Eheauflösung nicht mehr auf § 97 ABGB gegründet werden.
N. Zulässige Wohnungsaufgabe 1. Zwangslage
52 Der Wohnungserhaltungsanspruch des wohnbedürftigen Ehegatten besteht nach § 97 zweiter Satz ABGB nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des anderen Ehegatten, welches zum Wohnungsverlust führt, durch die Umstände erzwungen wird, wenn also dem verfügungsberechtigten Ehegatten eine Erhaltung der Wohnung unter Abwägung aller Interessen nicht zumutbar ist (1 Ob 162/00 f = EF 95.322; 4 Ob 49/01m = EF 95.325; 7 Ob 100/04p = EF 106.987; 2 Ob 240/09x). In diesem Fall ist die Aufgabe der Wohnrechte infolge Vorliegens berücksichtigungswürdiger Umstände ausnahmsweise zulässig. Befindet sich demnach der verfügungsbefugte Ehegatte selbst in einer gewissen Zwangslage, die ihn zur Aufgabe der Wohnung nötigt, kann er nicht dazu verpflichtet werden, den Wohnungsschutz des anderen sicherzustellen (4 Ob 49/01m = EF 95.325). Das Gesetz verlangt dabei aber keine echte „Zwangslage“ iS fehlender Alternativen (4 Ob 529/94; 1 Ob 162/00 f = EF 95.322; 7 Ob 100/04p = EF 106.987; 7 Ob 72/08a = EF-Z 2009/47 [Beck] = JBl 2009, 301 ua). Daher können auch wirtschaftliche Gründe wie die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit des verfügungsberechtigten Ehegatten den Anspruch nach § 97 ABGB einschränken bzw sogar aufheben (4 Ob 49/01m = Miet 53.006; 7 Ob 100/04p = EF 106.987; 7 Ob 72/08a = EF-Z 2009/47 [Beck] = iFamZ 2009/48 [Deixler-Hübner] = JBl 2009, 301; Stabentheiner/ Rummel § 97 ABGB Rz 7). 53 Wenn sich die Ehewohnung auf einer Liegenschaft des Unternehmens des Ehegatten befindet, der Betrieb existenzgefährdende Schwierigkeiten hat und die Hausbank des Ehegatten zur Verbesserung der finanziellen Situation schon eine Verwertung der vom Unternehmen nicht benötigten Liegenschaften gefordert hat, stellt der vom Ehegatten geplante Verkauf der Ehewohnung mit dem Ziel einer Unternehmenssanierung ein wirtschaftlich begründetes, berechtigtes Anliegen und auch ohne unmittelbare Konkursgefahr keinen Willkürakt dar (6 Ob 124/00d = EF 91.903). Die Zulässigkeit der Aufgabe der Wohnung durch den Ehegatten ist unter solchen Umständen jedenfalls ernsthaft zu prüfen und im Ergebnis vom anzustellenden Interessenvergleich abhängig.
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2. Interessenabwägung
Ob der verfügungsberechtigte Ehegatte in einer konkreten Situation einseitige 54 Veränderungen, die zum Wohnungsverlust für den anderen Ehegatten führen, vornehmen darf oder ob von ihm trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Erhaltung der Wohnung weiterhin gefordert werden kann, ist anhand eines umfassenden und auf den Einzelfall abgestellten Interessenvergleichs mit einer Gegenüberstellung des dringenden Wohnbedürfnisses des einen Ehegatten und der Zwangslage des anderen zu beurteilen (1 Ob 162/00 f = EF 95.322; 4 Ob 49/01m; 7 Ob 100/04p = EF 106.987; 7 Ob 72/08a = EF-Z 2009/47 [Beck] = iFamZ 2009/48 [Deixler-Hübner] = JBl 2009, 301 ua). Bei dieser Gewichtung des Interesses des einen Ehegatten, auch künftig in der Wohnung bleiben zu können, und des Interesses des anderen Ehegatten, diesen Vermögensbestandteil zu verwerten und etwa durch den Verkauf der Eigentumswohnung die Forderungen seiner Gläubiger entweder zur Gänze oder zumindest in einem erheblichen Ausmaß zu befriedigen, ist aber zu bedenken, dass es sich bei § 97 zweiter Satz ABGB um eine schon grundsätzlich restriktiv anzuwendende Ausnahmebestimmung (4 Ob 529/94; 7 Ob 100/ 04p; 3 Ob 304/04h = JBl 2005, 522) handelt, sodass jedenfalls im Zweifel das mit § 97 erster Satz ABGB geschützte Wohnungserhaltungsinteresse des in dieser Wohnung lebenden und auf sie dringend angewiesenen Ehegatten gegenüber dem Veränderungsinteresse des verpflichteten Ehegatten Vorrang haben muss (LG Wels EF 119.101; LGZ Wien EF 113.175; Stabentheiner/ Rummel § 97 ABGB Rz 7; ggt (im Allgemeinen Vorrang der Interessen der Gläubiger des verfügungsberechtigten Ehegatten vor den Interessen des wohnungsbedürftigen Ehegatten) 7 Ob 72/08a = EF-Z 2009/47 [Beck] = JBl 2009, 301). Insofern besteht nämlich ein Gleichklang zwischen dem Regelungsmechanismus des § 92 Abs 1 ABGB und dem Schutzbereich des § 97 ABGB (LG Wels EF 119.101; LGZ Wien EF 113.174, 116.257). Andernfalls könnte der Schutz des wohnbedürftigen Ehegatten schon dadurch unterlaufen werden, dass der über die Wohnung verfügungsberechtigte Ehegatte eigenmächtig und damit unrechtmäßig aus der bisherigen, gemeinsam benützten Wohnung in eine neue Wohnung übersiedelt und sich dann darauf beruft, die Kosten dieser Wohnsitzverlegung würden ihn in eine solche wirtschaftliche Zwangslage bringen, dass er die Wohnung, aus der er ausgezogen und auf die sein Ehegatte angewiesen ist, noch während aufrechter Ehe aufgeben müsste (LG Wels EF 119.101; LGZ Wien EF 113.174, 116.257). In einem solchen Fall der unrechtmäßigen Wohnsitzverlegung ist aber das Interesse des wohnungsbedürftigen Ehegatten an der Erhaltung seiner bisherigen Wohnmöglichkeit deutlich stärker als das Veränderungsinteresse des verfügungsberechtigten Ehegatten (vgl auch 4 Ob 529/94 = NZ 1995, 178). Der Verzicht auf die Wohnung ohne rechtfertigende Gründe kann den verfügungsberechtigten Ehegatten unter der Voraussetzung des Verschuldens überdies schadenersatzpflichtig machen. 293
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55 Wirtschaftliche Gründe können die Erhaltung der Wohnung für den verfügungsbefugten Ehegatten also nur dann unzumutbar machen, wenn sie im Zusammenhang mit seiner rechtmäßigen Wohnsitzverlegung oder etwa auch einer Verletzung von Zahlungspflichten des anderen Ehegatten aufgetreten sind (4 Ob 529/94). Gehen die Probleme einer Frau, die sie zum Verkauf der Ehewohnung veranlasst haben, darauf zurück, dass der Mann vereinbarungswidrig und trotz wiederholter Aufforderung weder Kreditrückzahlungen noch sonstige Beiträge zu den Wohnungskosten leistete und auch keinen Unterhalt für das Kind erbrachte, obwohl er ausreichend verdiente und ihm bewusst war, dass die Frau die fälligen Zahlungen für die Wohnung nicht bestreiten kann, so kann von der Frau die Erhaltung der Wohnung billigerweise nicht mehr verlangt werden (4 Ob 49/01m = Miet 53.006). Ihr darf daher kein Vorwurf aus dem Umstand gemacht werden, dass sie die für sie allein nicht mehr leistbare Ehewohnung veräußerte; die auf § 97 ABGB gestützte Forderung des Mannes nach Schadenersatz bleibt unter solchen Umständen unerfüllt, weil bei Vorliegen rechtfertigender Gründe für die Aufgabe der Wohnung dieses Vorgehen nicht rechtswidrig ist. 56 Auch dann, wenn die Aufgabe der Wohnrechte durch erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten erzwungen wird, die die Wohnung nicht mehr finanzierbar machen und während der aufrechten Lebensgemeinschaft dadurch verursacht wurden, dass die Ehegatten mehr Geld ausgaben als sie verdienten, ist der Ausnahmetatbestand des § 97 zweiter Satz ABGB verwirklicht (7 Ob 100/ 04p). Das familienrechtliche Benützungsverhältnis endet in diesem Fall mit dem im Kaufvertrag festgesetzten Übergabezeitpunkt (5 Ob 88/01d). 57 Für die Beurteilung der Frage, ob der verfügungsberechtigte Ehegatte in der Lage ist, den Wohnungserhaltungsanspruch des anderen weiterhin zu erfüllen, müssen der Grund für seine finanziellen Schwierigkeiten festgestellt und seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse jedenfalls so weit abgeklärt werden, dass klar wird, ob er den Wohnungsschutz des anderen tatsächlich infolge prekärer wirtschaftlicher Probleme nicht mehr sicherstellen kann oder das dringende Wohnbedürfnis des anderen – etwa angesichts der Zerwürfnisse und Spannungen im Rahmen eines Scheidungsverfahrens – subjektiv vorwerfbar schädigt, obwohl ihm eine Sicherstellung der Wohnmöglichkeit für den anderen objektiv zumutbar wäre. 3. Beispiele
58 Umstände, die die Aufgabe der Wohnung erzwingen, können tatsächliche Ereignisse, wie die Zerstörung der Wohnung durch Brand und ähnliches (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 97 ABGB Rz 5), oder rechtliche und wirtschaftliche Zwangslagen sein, etwa die trotz zumutbarer Abwehr unvermeid294
§ 97 ABGB
Wohnungserhaltungsanspruch
bare Kündigung durch den Vermieter (5 Ob 88/01d) und die Notwendigkeit, die betriebszugehörige Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befindet, zur Unternehmenssanierung zu verwerten (6 Ob 124/00d = EF 91.903; vgl Rz 53) oder sie aufgrund einer Unternehmensübernahme hypothekarisch zu belasten (LGZ Wien EF 83.062). In solchen Fällen ist die Verfügung über die Wohnung rechtmäßig, und zwar auch dann, wenn die Wohnung dem wohnungsbedürftigen Ehegatten auf Grund einer (rechtskräftigen) EV gem § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO zur alleinigen Nutzung zugewiesen war (4 Ob 49/01m = EF 95.325); da das Gesetz vorsieht, dass unter bestimmten berücksichtigungswürdigen Umständen die Aufgabe der Ehewohnung durch den verfügungsberechtigten Ehegatten zulässig ist, kann – zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen – auch für eine im Provisorialverfahren mittels EV geschaffene vorläufige Rechtslage nichts anderes gelten. Wenn rechtfertigende Gründe vorliegen, fehlt es an der Rechtswidrigkeit der zum Wohnungsverlust führenden Handlung oder Unterlassung; ein Schadenersatzanspruch des Ehegatten kann aus diesem Verhalten des anderen somit nicht abgeleitet werden.
O. Konkurs Mit der Eröffnung des Konkurses verliert der Gemeinschuldner sein Verfü- 59 gungs- und Gebrauchsrecht an einer in die Konkursmasse fallenden Eigentumswohnung (bzw an einem Haus) zunächst. Da der familienrechtliche Anspruch nach § 97 ABGB von der Berechtigung des verpflichteten Ehegatten abhängt und nur in Ausnahmefällen (insb bei Kollusion) gegenüber Dritten durchsetzbar ist, kann ihn der Ehegatte des Gemeinschuldners, der in dessen Wohnung wohnt, nicht gesondert dem Insolvenzverwalter entgegensetzen. Das dem Ehegatten eines Gemeinschuldners zustehende Weiterbenützungsrecht kann nach Konkurseröffnung daher erst dann wieder aufleben, wenn das Konkursgericht dem Gemeinschuldner die Benützung der Wohnräume iS des § 5 Abs 3 IO ausdrücklich eingeräumt hat (9 Ob 148/03 = SZ 2004/85; für den Bereich der Zwangsverwaltung iglS 3 Ob 87/87 = JBl 1988, 463). Solange eine solche Verfügung durch das Konkursgericht nicht erfolgt ist, steht dem Ehegatten des Gemeinschuldners kein Benützungsanspruch nach § 97 ABGB zu, welcher der Räumungsklage des Insolvenzverwalters wegen titelloser Benützung wirksam entgegengehalten werden kann.
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§ 98 ABGB
Beck
Mitwirkung im Erwerb § 98. Wirkt ein Ehegatte im Erwerb des anderen mit, so hat er Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der Art und Dauer der Leistungen; die gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten, besonders auch die gewährten Unterhaltsleistungen, sind angemessen zu berücksichtigen. [Fassung gem Art I Z 1 EheRÄndG BGBl 1978/280]
Lit: Deixler-Hübner, Ehevertrag 57; Ent, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 117; Fenyves, Zur Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen nach § 98 ABGB, in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979) 141; Goriany, Gesellschaftsrechtliche Aspekte des neuen Ehegüterrechts, AnwBl 1978, 498; Holzer, Zivilrechtliche Konsequenzen der Angehörigenmitarbeit, in Ruppe, Handbuch der Familienverträge2 (1985) 159; Knell, Die neuen vermögensrechtlichen Ansprüche von (ehemaligen) Ehegatten, RPflSlgA 5997; Linder, Die Mitwirkung im Erwerb gemäß § 98 ABGB, EF-Z 2007, 126; Neumayr, Zur Höhe des Abgeltungsanspruchs nach § 98 ABGB, in Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992) 479; ders, Sind die Regelungen über die Verjährung und das anzuwendende Verfahren beim Abgeltungsanspruch (§ 98 ABGB) sachgerecht? in Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992) 499; Torggler, Zur steuerlichen Behandlung des Entgelts für die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten (§§ 98 ff ABGB), ÖStZ 1980, 124.
Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . Mitwirkung im Erwerb . . . . Gewinnbeteiligungsanspruch Höhe der Abgeltung . . . . . . Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . .
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1–2 3–6 7–9 10–13 14 15–18
A. Allgemeines 1 Gem § 90 Abs 2 ABGB hat ein Ehegatte im Erwerb des anderen mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar und es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich ist und nichts anderes vereinbart wurde (zur Zumutbarkeit und Üblichkeit der Mithilfe im Erwerb des Ehegatten § 90 ABGB Rz 36 ff). Die – disponible (dazu näher § 90 ABGB Rz 39) – Verpflichtung zur Mitarbeit ist eine Form der materiellen Beistandspflicht. § 98 ABGB verschafft dem Ehegatten, der im Erwerb des anderen mitwirkt, einen Anspruch auf angemessene Abgeltung dieser Unterstützung. Dieser subsidiäre (vgl § 100 ABGB Rz 1) familienrechtliche Vergütungsanspruch beruht unmittelbar auf dem Gesetz und entspricht nicht der Entgeltforderung aufgrund eines Arbeitsverhältnisses. 296
§ 98 ABGB
Mitwirkung im Erwerb
Der im Außerstreitverfahren (§§ 93 f AußStrG) geltend zu machende Anspruch nach § 98 ABGB kann schon während aufrechter Ehe erhoben werden (7 Ob 595/81 = EF 37.637) und ermöglicht es somit dem mitwirkenden Ehegatten, am Erwerbserfolg des anderen teilzuhaben. Zuständig für die Klärung eines gesetzlichen Abgeltungsanspruchs ist gem § 114a Abs 1 JN iVm § 76 Abs 1 JN idR das BG, in dessen Sprengel die Ehegatten den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben. Bereits im Ministerialentwurf zum EheRÄG 1999 wurde vorgeschlagen, die 2 Mitwirkungspflicht unter Berücksichtigung des modernen Verständnisses einer Partnerschaft aufzuheben, weil eine solche Pflicht nicht mehr zeitgemäß sei und der sozialen Realität nicht entspreche. Die RV befürwortete aber dann die Beibehaltung dieser Gesetzesvorschriften. Die Mitwirkungsverpflichtung hat bis heute vor allem im landwirtschaftlichen Bereich eine gewisse Bedeutung, wobei die Interessen der durchaus schützenswerten Personengruppe auch durch Regelungen im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht gewahrt werden könnten; in der Gerichtspraxis sind die Verfahren über einen Abgeltungsanspruch iS des § 98 ABGB selten. § 11 Abs 1 EPG sieht für eingetragene Partner eine subsidiäre Mitwirkungspflicht nach Zumutbarkeit und Üblichkeit vor und knüpft daran einen Abgeltungsanspruch, der den Bestimmungen der §§ 98 ff ABGB folgt.
B. Mitwirkung im Erwerb Voraussetzung für den familienrechtlichen Abgeltungsanspruch ist ein „Er- 3 werb“. Darunter sind alle Tätigkeiten zu verstehen, aus denen der Ehegatte seinen Lebensunterhalt bestreitet; der Unternehmensbegriff des § 1 Abs 2 KSchG und § 1 Abs 2 UGB ist nicht maßgeblich, weil der Erwerb iS des § 98 ABGB keine auf Dauer angelegte Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit erfordert (Linder, EF-Z 2007, 126). Der Anspruch auf Abgeltung besteht sowohl bei einem selbstständigen als auch bei einem unselbstständigen Erwerb des anderen (Hopf/Kathrein § 98 ABGB Anm 1; Stabentheiner/Rummel § 98 ABGB Rz 1; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 98 ABGB Rz 2). Die Mitwirkung im Erwerb aufgrund der Beistandspflicht nach § 90 Abs 2 ABGB steht dem Abgeltungsanspruch nach § 98 ABGB nicht entgegen, sondern kann nur bei der Festsetzung der Höhe des Abgeltungsbetrags und bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mitwirkung berücksichtigt werden (7 Ob 671/87 = EF 53.090; 6 Ob 550/89 = EF 58.726). Unter Mitwirkung im Erwerb wird jede gezielte und direkte Unterstützung 4 der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten verstanden (Schwimann/Ferrari/ Schwimann § 98 ABGB Rz 2; Linder, EF-Z 2007, 126), vor allem durch die Er297
§ 98 ABGB
Beck
bringung von Arbeiten in seinem Unternehmen, aber auch durch die Bereitstellung von Kapital oder Sachgütern oder die Einräumung von Rechten, etwa zum Gebrauch einer Sache (1 Ob 636/83 = SZ 56/95; 3 Ob 292/04v = EF 110.127; vgl auch 1 Ob 224/07h = EF-Z 2008/54 = iFamZ 2008/77; KW I 426 mwN; Linder, EF-Z 2007, 126). Die Anspruchsvoraussetzung ist auch dann verwirklicht, wenn die Mitwirkung im Erwerb des anderen darin besteht, dass der eine Ehegatte das dem anderen gehörige Unternehmen führt (1 Ob 636/83 = NZ 1984, 83 = EF 42.634); entscheidend ist nach der Rsp die Stellung des anderen als Unternehmer. Überdies soll die Mitwirkung an der Ausweitung und Verbesserung eines Betriebs nach § 98 ABGB abgegolten werden. Werden Investitionen durch Beiträge des anderen Ehegatten ermöglicht oder erleichtert, so ist es gerechtfertigt, ihn auch an den Erfolgen dieser Investitionen zu beteiligen (7 Ob 671/ 87 = EF 53.093). Nur wenn der Kapitaleinsatz völlig erfolglos bleiben sollte, kommt die Berücksichtigung der Investitionen bei der Ausmessung eines Betrags nach § 98 ABGB nicht in Frage. Eine gänzlich zweckverfehlende Mitwirkung kann demnach keinen Abgeltungsanspruch begründen, wenn auch an die Kausaliät von Leistung und Erfolg keine sehr hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (Linder, EF-Z 2007, 126; Deixler-Hübner, Ehevertrag 59). Keine Mitwirkung iS des § 98 ABGB ist außerdem die bloß mittelbare Unterstützung des anderen Ehegatten, etwa in der Haushaltsführung oder Kindererziehung, durch die der erwerbstätige Ehegatte entlastet wird (Fenyves in Ostheim, Familienrechtsreform 141 [146]; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 98 ABGB Rz 2). Eine anspruchsbegründende Mitwirkung im Erwerb ist ferner nicht gegeben, wenn die Leistungen des Ehegatten keinen geschäftlichen Zwecken dienen (etwa gemeinsamer Hausbau für das eigene Wohnen). 5 Eine Mithilfe im Betrieb iS des § 98 ABGB liegt regelmäßig nur bei einer unterstützenden Tätigkeit im Erwerb des anderen Ehegatten vor, nicht aber, wenn – etwa bei einer Landwirtschaft – beide Ehegatten als Unternehmer anzusehen sind (1 Ob 555/89 = EF 58.723; 4 Ob 281/00b = JBl 2001, 309), weil bei der Mitwirkung im Erwerb die Unternehmerstellung des anderen Ehegatten entscheidend ist (s auch Rz 4). 6 Im Fall einer Gütergemeinschaft unter Ehegatten kann kein Ehegatte ein Entgelt für die Mitwirkung im Erwerb gem § 98 ABGB verlangen (4 Ob 281/00b = SZ 73/172). Zweck der Gütergemeinschaft unter Lebenden ist die Zusammenlegung der Güter zur Erleichterung der Ehe- und Wirtschaftsführung; jeder Ehegatte erhält Miteigentum am Gesamtgut nach – im Zweifel – gleich großen Quoten. Eine Gütergemeinschaft, die den Ehegatten nicht nur Miteigentum am Betriebsvermögen, sondern auch ein gemeinsames Einkommen verschafft, hat zur Folge, dass beide Ehegatten als Unternehmer anzusehen sind und eine Mitwirkung im Betrieb nicht nur als Unterstützung der Er298
§ 98 ABGB
Mitwirkung im Erwerb
werbstätigkeit des anderen Ehegatten betrachtet werden kann. Eine Abgeltung der Tätigkeit nach § 98 ABGB ist damit aber ausgeschlossen (vgl auch Rz 4 f).
C. Gewinnbeteiligungsanspruch Als Gewinnbeteiligungsanspruch ist die Abgeltung nach § 98 ABGB – im Ge- 7 gensatz zum Entgeltanspruch aus einem Arbeitsverhältnis – nach der Rsp erfolgsabhängig. Voraussetzung für den Ausgleich nach § 98 ABGB ist nicht nur die Erbringung von Leistungen, sondern auch der Eintritt eines wirtschaftlichen Erfolgs (6 Ob 550/89 = EF 58.724; 7 Ob 618/95; 3 Ob 292/04v = EF 110.128; 8 Ob A 44/05m [mit einer Darstellung der divergierenden Ansichten in der Lehre]; aM Neumayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 483 [für eine erfolgsunabhängige Abgeltung], und Koch/KBB § 98 ABGB Rz 1). Die angemessene Abgeltung für die Mitwirkung iS des § 98 ABGB zielt auf eine der tatsächlichen Mitwirkung ihrer Art, ihrer Intensität und ihrem Umfang entsprechende Quote vom erzielten Gewinn (Details dazu s Rz 8), sodass es entscheidend auf das gewinnschöpfende Potenzial der Mitwirkung ankommt (1 Ob 224/07 f = EF-Z 2008/54 [Beck] = iFamZ 2008/77 = EF 119.103). Maßgeblich ist dabei der Nettogewinn aus dem Erwerb und nicht etwa der abgabenrechtliche Gewinn (6 Ob 550/89 = EF 58.725; 3 Ob 292/04v = EF 110.129). Vom Bruttoerlös sind daher nicht nur die Ausgaben für die Betriebsführung, sondern auch alle Aufwendungen zur Tilgung eines aufgenommenen Kapitals, die Ausgaben für die Erhaltung oder Erneuerung des Anlagevermögens und die öffentlichen Abgaben abzuziehen (LG Linz EF 113.183; s auch Rz 11). Ob ein erwirtschafteter Gewinn aus dem Betrieb entnommen wurde oder im Unternehmen verblieb, ist für den Umfang der Mitwirkungsvergütung unerheblich. Dem mitarbeitenden Ehegatten steht auch ein adäquater Anteil an nicht ausgeschütteten Gewinnen zu, sofern sie aus dem Unternehmen entnommen werden können; auf die Motivation des unternehmerisch tätigen Ehegatten, erzielte Gewinne nicht oder zumindest in gewissen Zeiträumen nicht zu entnehmen, kann es bei der Bemessung des Ausgleichs nach § 98 ABGB nicht ankommen. Ein Abgeltungsanspruch kommt hingegen nicht in Betracht, wenn die Bemü- 8 hungen der Ehegatten zu keinem Gewinn geführt haben (7 Ob 514/88 = EF 55.958; LGZ Wien EF 113.181). Deshalb ist es unerheblich, welches Einkommen der mitarbeitende Ehegatte bei Ausübung einer vergleichbaren Tätigkeit außerhalb seiner Mitwirkung auf dem Arbeitsmarkt hätte erzielen können (1 Ob 636/83 = EF 42.635; 3 Ob 505/86 = EF 50.269). Der Abgeltungsanspruch ist auch nicht mit dem fiktiven Lohnanspruch oder dem Betrag begrenzt, der den ersparten Lohnaufwendungen für einen ohne die Mitarbeit 299
§ 98 ABGB
Beck
des Ehegatten im Betrieb allenfalls beschäftigten Arbeitnehmer entspricht. Zweck der Gesetzesbestimmung des § 98 ABGB ist nicht eine Entlohnung des mitarbeitenden Ehegatten oder die Sicherung seines Unterhalts, sondern eine Beteiligung am Gewinn des anderen Ehegatten, die auf die gesamten familienrechtlichen Verhältnisse Bedacht nimmt. Demnach gibt es zum einen Fälle, in denen durch die Mitwirkung ein Gewinn erzielt wird, dessen Anteil über den Wert der erbrachten Leistungen am Arbeitsmarkt weit hinausgeht; die partnerschaftliche Struktur der Ehe führt dann dazu, dass der Abgeltungsanspruch höher als der rein betragsmäßige Wert der erbrachten Arbeitsleistungen sein kann (3 Ob 505/86 = EF 50.269). Zum anderen bedeutet die Bindung der Mitwirkungsabgeltung an den unternehmerischen Erfolg zwangsläufig, dass die mitunter jahrelangen Arbeitsleistungen dem mitwirkenden Ehegatten bei einem geschäftlichen Misserfolg (auch dann, wenn dieses Betriebsergebnis auf das Verhalten des anderen Ehegatten zurückzuführen ist [etwa auf sein geringes berufliches Engagement oder hohe Privatentnahmen]) unter Umständen kein Entgelt verschaffen. Diese Auswirkung der Qualifizierung der Mitwirkungsabgeltung als reiner Gewinnbeteiligungsanspruch kann in der Praxis zu unbilligen Ergebnissen führen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der unternehmerisch tätige Ehegatte beträchtliche Privatentnahmen nicht für die gemeinsame Lebensführung der Ehegatten, sondern beispielsweise zur Finanzierung seiner Spielleidenschaft verbraucht oder wenn das ungünstige Betriebsergebnis von ihm durch völlig abwegige Geschäftsentscheidungen veranlasst wurde. In solchen Konstellationen bleibt die – mitunter jahrelange und intensive – Mithilfe des anderen Ehegatten, der auf die unternehmerischen Entscheidungen keinen wesentlichen Einfluss hatte, ohne Gegenleistung gem § 98 ABGB. Für eine Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen dieses Ehegatten besteht aber angesichts des Umstands, dass es sich bei dieser Gewinnbeteiligungsregel um eine speziell ausgeformte Gesetzesbestimmung mit klarer Zielsetzung handelt und Rechtswidrigkeit des Handelns in aller Regel nicht vorliegen wird, wohl keine rechtliche Möglichkeit. Dass einem Ehegatten – über die Sonderregelungen der §§ 98 bis 100 ABGB hinaus – aus einer Mitarbeit bzw Zusammenarbeit, die aus Gründen in der Sphäre des unternehmerischen Ehegatten nicht zu einem Gewinn führt, durchsetzbare bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Abgeltung gem § 1435 ABGB zustehen (idS Hopf/Kathrein § 100 ABGB Anm 1; Deixler-Hübner, Ehevertrag 58), ist zumindest diskussionswürdig, wenn auch dadurch wesentlichen Grundsätzen für die gesetzlich ausdrücklich geregelte Abgeltung solcher Leistungen der Anwendungsbereich entzogen würde (vgl auch § 90 ABGB Rz 7). 9 Der von einer Vielzahl unbestimmter Gesetzesbegriffe gekennzeichnete Wortlaut des § 98 ABGB (s auch Rz 10) lässt einen beträchtlichen Ermessensspielraum bei der Gerichtsentscheidung zu. Zur Beurteilung der Höhe des An300
§ 98 ABGB
Mitwirkung im Erwerb
spruchs nach § 98 ABGB sind daher „einigermaßen konkrete Feststellungen“ zu den jeweiligen Beiträgen der Ehegatten, die gemeinsam die Erzielung eines bestimmten Gewinns ermöglicht haben, besonders bedeutungsvoll (1 Ob 224/ 07h = EF-Z 2008/54 [Beck] = EF 119.103). Vor allem muss im Verfahren geklärt werden, welche Auswirkungen die Leistungen der Ehegatten (Arbeitskraft, Kapitalbeiträge, Sachleistungen) auf den Unternehmenserfolg hatten und in welchem Verhältnis die Beitragsleistungen beider Ehegatten zur Schaffung des Betriebsvermögens stehen.
D. Höhe der Abgeltung Die Höhe der Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen richtet sich 10 gem § 98 zweiter Satz ABGB nach der Art und Dauer der Leistungen und muss gleichzeitig die gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten, insb die erbrachten Unterhaltsleistungen angemessen berücksichtigen. Ausgehend vom Wesen der Ehe als einer umfassenden Lebens- und Risikogemeinschaft betont die Gesetzesformulierung den familienrechtlichen Charakter des Abgeltungsanspruchs. Der mitwirkende Ehegatte hat daher keinen Vergütungsanspruch wie bei einem Arbeitsverhältnis, sondern Anspruch auf einen angemessenen (prozentuellen: Linder, EF-Z 2007, 126; Deixler-Hübner, Ehevertrag 59) Anteil am gemeinsam erzielten Gewinn, ähnlich dem Anspruch aus einem Gesellschaftsverhältnis (6 Ob 550/89 = EF 58.724; 6 Ob 643/95 = EF 76.731; 3 Ob 292/04v; 9 Ob A 169/93 = RdA 1994/35 [Kerschner]). Maßgeblich für den Beteiligungsbetrag ist somit der konkrete Nutzen der Mitarbeit. Bei arbeitsintensiven Unternehmen, etwa Beherbergungs- oder Buschenschankbetrieben, kann allerdings der Arbeitseinsatz höher bewertet werden als der Kapitaleinsatz (7 Ob 671/87 = EF 53.091; 6 Ob 550/89), sodass bei solchen Verhältnissen keine gleichteilige Gewinnaufteilung erfolgen muss. Das Ausmaß der Einzelfallbezogenheit von Entscheidungen über Abgeltungsansprüche nach § 98 ABGB zeigt bereits die Unterscheidung zwischen der Mitarbeit eines Ehegatten in einer Fremdenpension (mit voller Verpflegung der Gäste) und der Mitwirkung im Betrieb einer Frühstückspension (3 Ob 292/04v): der OGH billigte nur der Fremdenpension eine besondere Arbeitsintensität zu, die gegenüber dem Kapitaleinsatz des anderen Ehegatten eine höhere Beteiligung am Unternehmenserfolg rechtfertigte. Grundlage für die Bemessung der Höhe der Abgeltung ist der tatsächlich er- 11 zielte Gewinn, bei dessen Ermittlung die Betriebsausgaben (wie Kredittilgungen, Aufwendungen zur Erhaltung oder Erneuerung des Betriebs, Steuern und Abgaben) abzuziehen sind (1 Ob 636/83 = SZ 56/95). Dass der unternehmerische Ehegatte bei größerer Anstrengung einen höheren Ertrag hätte erreichen können, ist nach der Rsp unerheblich, weil der im Unterhaltsrecht geltende 301
§ 98 ABGB
Beck
Anspannungsgrundsatz nicht auf den mehr gesellschaftsrechtlich zu beurteilenden Abgeltungsanspruch bzw die unternehmerischen Bemühungen angewendet werden kann (3 Ob 510/85 = EF 47.525; 7 Ob 618/95; 6 Ob 137/97h). Soweit vertragliche Entlohnungsansprüche bestehen, schließen sie Forderungen nach § 98 ABGB grundsätzlich aus. Nur bei Bestehen eines Vertragsanspruchs aus einem Dienstverhältnis gebührt der Abgeltungsanspruch auch für den Differenzbetrag zwischen dem erzielten Arbeitsentgelt und dem darüber hinausgehenden Gewinnanteil, der dem mitarbeitenden Ehegatten zusteht (vgl § 100 ABGB Rz 1 f). 12 Das Gesetz umschreibt die Kriterien für die Bemessung der Abgeltung mit zahlreichen unbestimmten Gesetzesbegriffen. Die „Mitwirkung“ soll vergütet werden, die „angemessene Abgeltung“ richtet sich nach „Art und Dauer der Leistungen“, die „gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten“ sind „angemessen zu berücksichtigen“. Diese Gestaltung der gesetzlichen Vorgaben lässt einen verhältnismäßig großen Spielraum für Wertungen und Ermessensentscheidungen zu; dazu kommt noch, dass die Gerichtsprozesse über Ansprüche nach § 98 ABGB relativ selten bis zum OGH ausgetragen werden, sodass für die Beurteilung der Vergütung im Wesentlichen nur allgemeine Richtlinien und eine recht kasuistische Rsp zur Verfügung stehen. Aufgrund der Qualifikation als Gewinnbeteiligungsanspruch ist die Abgeltungshöhe vorrangig von der Ertragslage bzw von einer durch die Mitarbeit herbeigeführten Wertsteigerung (LGZ Wien EF 70.632) abhängig. Weitere Bemessungsfaktoren sind die Art der Mitarbeit, ihre Intensität und ihr zeitliches Ausmaß. Außerdem sind für die Abgeltung nach § 98 ABGB – anders als bei vertraglichen Ansprüchen – die Lebensverhältnisse der Ehegatten, insb die Unterhaltsleistungen „angemessen zu berücksichtigen“. Wenn die Erwerbstätigkeit der Ehegatten erfolgreich war, ist überdies zu prüfen, ob und inwieweit der mitwirkende Ehegatte nicht ohnehin schon Vorteile aus dem Gewinn des Unternehmens in einem Ausmaß hatte, das seiner Mitarbeit gerecht wurde (3 Ob 501/84 = EF 44.907; 6 Ob 550/89; Hopf/Kathrein § 98 ABGB Anm 6). Hat etwa der Mann aus seinen Betriebsgewinnen nicht nur die gesamten Kosten der Lebensführung beider Ehegatten, sondern auch alle Aufwendungen zur Errichtung und Erhaltung des im Miteigentum befindlichen Hauses bestritten, kann die Summe dieser Leistungen für Unterhalt und Vermögensbildung einen weitergehenden Anspruch der Frau auf Barzahlungen des Mannes zur Abgeltung ihrer Mitwirkung in seinem Unternehmen ausschließen (3 Ob 501/84 = EF 44.907; 7 Ob 671/87 = EF 53.092). In einem solchen Fall haben beide Ehegatten die gemeinsam erwirtschafteten Mittel dazu verwendet, um jeweils zur Hälfte Eigentum an dem neu errichteten Haus zu erlangen; ein Abgeltungsanspruch der Frau kann nicht losgelöst von dieser Vermögensbildung betrachtet werden.
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§ 98 ABGB
Mitwirkung im Erwerb
Darüber hinaus sind geleistete Unterhaltsleistungen zwar unter Bedacht- 13 nahme auf die Umstände des Einzelfalls angemessen zu berücksichtigen, aber nicht „linear“ vom Abgeltungsanspruch abzuziehen (3 Ob 505/86 = EF 50.268; 7 Ob 618/95; 6 Ob 137/97h; Hopf/Kathrein § 98 ABGB Anm 6; Deixler-Hübner, Ehevertrag 59). Ein Naturalunterhalt, der der Frau zugekommen ist, ist zu bewerten und bei der Bemessung des Abgeltungsanspruchs nach § 98 ABGB in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen (1 Ob 636/83 = SZ 56/95). Enthält demnach ein mitwirkender Ehegatte zunächst zwar keine Gegenleistung, aber den vollen Unterhalt nach § 94 ABGB, so muss darauf bei einer nachträglichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 98 ABGB Bedacht genommen werden (1 Ob 636/83 = SZ 56/95; 6 Ob 550/89 = EF 58.728; KW I 428). Bei einer späteren Forderung nach Abgeltung iS des § 98 ABGB ist somit abzuklären, ob der mitwirkende Ehegatte in dem Zeitraum, für den er diesen Anspruch erhebt, allenfalls einen verminderten Unterhaltsanspruch iS des § 94 Abs 2 ABGB infolge einer Berücksichtigung der eigenen Einkünfte aus der Mithilfe gehabt hätte. Der Betrag, den der mitarbeitende Ehegatte bei dieser Berechnung als Unterhalt mehr erhalten hat, als er bekommen hätte, wenn ihm schon damals eine Abgeltung zugeflossen wäre, ist dann von dem zunächst ermittelten Abgeltungsbetrag in Abzug zu bringen (LGZ Wien EF 64.941). Wenn die Unterhaltsleistungen des einen Ehegatten an den anderen hingegen nicht die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs erreichten, kann der ermittelte Abgeltungsanspruch durch die erbrachten Unterhaltsleistungen nicht geschmälert werden.
E. Verzicht Die Ehegatten können über den gesetzlichen Entgeltanspruch für die Mitar- 14 beit im Erwerb abweichende Vereinbarungen treffen (§ 100 ABGB). Auf die Abgeltung kann überdies wirksam verzichtet werden, zumal die Mitwirkung im Erwerb und deren Entlohnung der Gestaltungsautonomie der Ehegatten iS des § 91 Abs 1 ABGB unterliegen (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 98 ABGB Rz 7; Hopf/Kathrein § 98 ABGB Anm 7; vgl aber Stabentheiner/Rummel § 98 ABGB Rz 6 [analog zu § 94 Abs 3 ABGB wirksamer Verzicht nur hinsichtlich einzelner, zeitlich abgegrenzter und konkretisierter Mitwirkungsleistungen]). Während die Gültigkeit eines formlosen nachträglichen Verzichts nicht zweifelhaft sein kann, ist die Form eines im Vorhinein erklärten Verzichts umstritten. Die hM verlangt für einen wirksamen Vorausverzicht die Form des Notariatsakts (Fenyves in Ostheim, Familienrechtsreform 157 f; Koch/KBB § 98 ABGB Rz 1; Linder, EF-Z 2007, 126) und geht dabei offenbar vom Vorliegen eines Ehepakts aus. Diese Qualifikation scheitert aber bereits daran, dass ein Verzicht auf die Mitwirkungsabgeltung keine umfassende 303
§ 98 ABGB
Beck
Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten darstellt und nicht das eheliche Güterrecht generell modifiziert, wie es dem Begriff des Ehepakts entspricht. Der Anspruch ist auch nicht als Unterhaltsanspruch anzusehen und nicht mit dem Aufteilungsanspruch nach den §§ 81 ff EheG zu vergleichen. Eine Beschränkung der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten ist im Fall eines Verzichts auf den Abgeltungsanspruch daher aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht abzuleiten (vgl auch Deixler-Hübner, Ehevertrag 60). Der in einem Scheidungsvergleich enthaltene (nachträgliche) Verzicht auf allfällige Ansprüche nach § 98 ABGB schließt auch ohne ausdrückliche Bezugnahme den Verzicht auf etwaige vertragliche Ansprüche nach § 100 ABGB mit ein (LG Feldkirch Arb 10.403). Ein Anspruch nach § 98 ABGB besteht nämlich neben Vertragsansprüchen nur insoweit, als dieser die Entlohnungsansprüche aus einem Dienstverhältnis übersteigt. Wenn dies nicht der Fall ist, besteht kein Anspruch nach § 98 ABGB, sodass ein diesbezüglicher Verzicht sinnwidrig und unverständlich wäre.
F. Verjährung 15 Nach § 1486a ABGB idF EheRÄG 1999 beträgt die Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch sechs Jahre ab dem Ende des Monats, in dem die Leistung erbracht worden ist. Die grundsätzlich für Forderungen zwischen Ehegatten während aufrechter Ehe (und unabhängig von einer Beendigung des Zusammenlebens und der Einleitung eines Scheidungsprozesses) zur Vermeidung einer Störung des Familienfriedens vorgesehene Verjährungshemmung des § 1495 erster Satz ABGB gilt nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesvorschrift nicht für die Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten, weil für sie ja eigene Verjährungsregeln normiert sind. Zur Verjährungshemmung iZm einem anhängigen Gerichtsverfahren über einen Abgeltungsanspruch iS des § 100 ABGB s Rz 16. Die spezielle Verjährungsregelung des § 1486a ABGB gilt demgegenüber nicht für Ansprüche zwischen Ehegatten aus Arbeitsverträgen (8 Ob A 250/ 95; 8 Ob A 76/08x = EF-Z 2009/48 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/128 = JBl 2009, 461); für Forderungen aus solchen Vertragsbeziehungen zwischen Ehegatten gilt jedoch die Verjährungshemmung des § 1495 erster Satz ABGB. Eine analoge Anwendung dieser Verjährungshemmung auf Ansprüche eines Ehegatten aus einem Dienstverhältnis mit einer GmbH, für die er Arbeitsleistungen erbracht hat, ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (Ansprüche „zwischen Ehegatten“) auch dann ausgeschlossen, wenn der andere Ehegatte Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der als Arbeitgeber fungierenden Gesellschaft ist (8 Ob A 76/08x = EF-Z 2009/48 [Gitschthaler] = iFamZ 2009/ 304
§ 98 ABGB
Mitwirkung im Erwerb
128 = JBl 2009, 461 = EF 120.021). Eine GmbH ist als juristische Person gem § 61 Abs 1 GmbHG selbstständiger Träger von Rechten und Pflichten und von ihren Gesellschaftern und deren Einzelinteressen streng zu unterscheiden. Für die Beurteilung der Frage, ob § 1495 erster Satz ABGB anzuwenden ist, kommt es nicht auf die subjektive Zumutbarkeit der Prozessführung, sondern ausschließlich auf die Erfüllung der personellen Voraussetzungen dieser Bestimmung an; nach dieser Gesetzesvorschrift kann die Verjährungshemmung aber nur zwischen den darin genannten natürlichen Personen und nicht im Verhältnis zwischen einem Ehegatten und einer juristischen Person eintreten. Wenn also ein Ehegatte einige Jahre lang bei einer GmbH angestellt war, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der andere Ehegatte ist, muss er seine Entgeltforderungen auch während aufrechter Ehe binnen drei Jahren (§ 1486 ABGB) geltend machen; sonst sind seine Ansprüche mangels Fortlaufshemmung nach § 1495 ABGB verjährt. Ist ein Ehegatte hingegen beim anderen Ehegatten etwa im Rahmen seines Einzelunternehmens angestellt, wird die Verjährung seiner Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis gehemmt, solange die Ehe besteht, weil es sich in diesem Fall um Ansprüche „zwischen Ehegatten“ iS des § 1495 erster Satz ABGB handelt. Wenn auch der klare Gesetzeswortlaut keine Differenzierungen nach den Rechtsverhältnissen der konkreten GmbH als Arbeitgeber im Einzelfall vorsieht, ist die in der Entscheidung 8 Ob A 76/08x getroffene Aussage zweifellos dann berechtigt, wenn der Ehegatte nur Geschäftsführer oder auch Minderheitsgesellschafter der GmbH ist. Wenn ihm hingegen die Position eines Mehrheitsoder überhaupt Alleingesellschafters (Einpersonengesellschaft) zukommt, ist jedoch zwischen den Interessen der GmbH und jenen ihres entscheidenden oder gar einzigen Gesellschafters idR kein Unterschied erkennbar; angesichts der gleichen wirtschaftlichen Ausrichtung zwischen dem Ehegatten und der Gesellschaft und seiner dominierenden Stellung im Unternehmen ist es in solchen Fällen nicht unproblematisch, die Frage der Verjährungshemmung ausschließlich nach der (ursprünglichen oder auch erst im Verlauf der Ehe geänderten) Rechtsform der Gesellschaft, die dem Ehegatten zunächst als Vertragspartner des Dienstverhältnisses und dann bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus seinen Arbeitsleistungen gegenübersteht, zu beurteilen. Gem § 1495 zweiter Satz zweiter Halbsatz ABGB wird die Verjährung des 16 Anspruchs eines Ehegatten auf Abgeltung seiner Mitwirkung im Erwerb des anderen für die Dauer eines Verfahrens zur Abklärung vertraglicher Entlohnungsansprüche nach § 100 ABGB gehemmt. Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass der mitwirkende Ehegatte, der im Prozess keine vertraglichen Abgeltungsansprüche durchsetzen konnte, im Verlauf dieses Verfahrens auch noch seine Ansprüche nach § 98 ABGB infolge ihrer dann eingetretenen Verjährung verliert. 305
§ 99 ABGB
Beck
17 § 1486a ABGB gilt nur für Ansprüche nach § 98 ABGB. Vertragliche Ansprüche, die gem § 100 ABGB die gesetzlichen Ansprüche verdrängen, verjähren nach den allgemeinen Bestimmungen (idR nach § 1486 ABGB). 18 Ungeachtet einer allfälligen Verjährung sind Abgeltungsansprüche nach § 98 ABGB nach einer späteren Ehescheidung im Aufteilungsverfahren gem § 83 Abs 2 EheG in billiger Weise zu berücksichtigen, sofern sie nicht schon anders abgegolten worden sind (8 Ob 695/89 = JBl 1991, 458; vgl dazu §§ 83, 84 EheG Rz 9).
§ 99. Ansprüche auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98) sind vererblich, unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar, soweit sie durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind. [Fassung gem Art I Z 1 EheRÄndG BGBl 1978/280] Lit: s zu § 98 ABGB.
1 Aufgrund seines familienrechtlichen Charakters (vgl § 98 ABGB Rz 1) ist die Verkehrsfähigkeit des Anspruchs auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen gem § 99 ABGB beschränkt. Der Anspruch soll erst dann zum Gegenstand des Rechtsverkehrs werden, wenn eindeutig feststeht, dass der mitarbeitende Ehegatte sein Recht auch tatsächlich geltend machen will. Der gesetzliche Entgeltanspruch ist somit enger mit der Person verknüpft als vertragliche Ansprüche iS des § 100 ABGB (KW I 428), für die § 99 ABGB konsequenterweise nicht gilt. Der Vergütungsanspruch iS des § 98 ABGB kann demnach nur dann übertragen, verpfändet und aktiv vererbt werden, wenn er bereits durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wurde; eine gerichtliche Geltendmachung erfolgt dabei durch einen Antrag im Außerstreitverfahren, aber auch durch die Einbringung einer Klage beim (unzuständigen) Prozessgericht (das die Rechtssache gem § 44 JN dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen hat) oder durch Anmeldung im Konkurs, nicht jedoch durch eine Aufrechnungseinrede. Die passive Vererblichkeit des Anspruchs wird durch § 99 ABGB nicht begrenzt (Fenyves in Ostheim, Familienrechtsreform 151 f). 2 Die Anerkennung des Anspruchs muss in Form einer zweiseitigen Vereinbarung erfolgen, das bloß einseitige Anerkenntnis genügt nicht (Hopf/Kathrein § 99 ABGB Anm 1). Während aufrechter Ehe ist der Vertrag über die Anerkennung nach § 1 Abs 1 lit b NotaktsG notariatsaktspflichtig, nach der Ehescheidung genügt eine formlose Vereinbarung.
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§ 100 ABGB
Mitwirkung im Erwerb
Die Pfändbarkeit des Abgeltungsanspruchs ist hingegen seit der Aufhebung 3 des § 291 EO aF durch die EO-Nov 1991 nicht an eine dieser Voraussetzungen geknüpft und damit von einer vertraglichen Anerkennung oder gerichtlichen Geltendmachung unabhängig. Während die Übertragbarkeit des Abgeltungsanspruchs und seine Verpfändbarkeit in § 99 ABGB geregelt werden, richtet sich die Pfändbarkeit der Forderung nach dem Exekutionsrecht. Mit der EONov 1991 wurde iZm der Einführung des heute anwendbaren § 292e EO die bis dahin in § 291 EO aF normierte Unpfändbarkeit des Anspruchs nach § 98 ABGB beseitigt. § 292e EO erfasst jene Fälle, in denen der Verpflichtete dem Drittschuldner in einem ständigen Verhältnis Arbeitsleistungen erbringt, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden. Wenn für diese Arbeitsleistungen keine oder nur eine unverhältnismäßig geringe Gegenleistung erbracht wird, gilt im Verhältnis zwischen dem betreibenden Gläubiger und dem Drittschuldner ein angemessenes Entgelt als geschuldet. § 292e EO ist auch dann anwendbar, wenn der Drittschuldner Ehegatte des Verpflichteten war und der Verpflichtete seine Tätigkeit im Rahmen der Mitwirkung im Erwerb des Ehegatten verrichtet (9 Ob A 109/99s), weil es für den Gläubiger keinen Unterschied machen soll, ob der Schuldner bei seinem Ehegatten oder bei einer dritten Person arbeitet. Leistungen, die sich noch im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht halten (wie etwa die gelegentliche stundenweise Mithilfe im Betrieb), begründen keinen Entgeltanspruch iS des § 292e EO. Wenn der Verpflichtete aber seinem Ehegatten in dessen Betrieb einen Arbeitnehmer ersetzt, werden solche Leistungen üblicherweise ohne Rücksicht auf familiäre Beziehungen vergütet, weshalb das dafür angemessene Entgelt (zu den Kriterien vgl § 292e Abs 2 EO) gepfändet werden kann.
§ 100. Der § 98 berührt nicht vertragliche Ansprüche eines Ehegatten an den anderen aus einem Mit- oder Zusammenwirken im Erwerb. Solche Ansprüche schließen einen Anspruch nach § 98 aus; bei einem Dienstverhältnis bleibt dem Ehegatten jedoch der Anspruch nach § 98 gewahrt, soweit er seine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis übersteigt. [Fassung gem Art I Z 1 EheRÄndG BGBl 1978/280] Lit: s zu § 98 ABGB. Inhaltsübersicht A. Vorrang der vertraglichen Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Besonderheit des Dienstvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vertragliche Rechtsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 100 ABGB
Beck
A. Vorrang der vertraglichen Ansprüche 1 Soweit für ein Mit- oder Zusammenwirken im Erwerb zwischen Ehegatten vertragliche Entlohnungsansprüche bestehen, gehen sie den auf dem Gesetz beruhenden familienrechtlichen Abgeltungsansprüchen nach § 98 ABGB grundsätzlich vor; haben die Ehegatten somit die Mitarbeit des einen im Erwerb des anderen vertraglich geregelt, so ist idR für die Ansprüche des mitwirkenden Ehegatten ausschließlich der Vertrag maßgebend. Der Vereinbarung der Ehegatten im Rahmen der einvernehmlichen autonomen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft kommt daher auch im Bereich eines „Familienbetriebs“ prinzipiell der Vorrang gegenüber gesetzlichen Ansprüchen zu.
B. Besonderheit des Dienstvertrags 2 Bereits nach dem klaren Gesetzeswortlaut gehen vertragliche Ansprüche dem Anspruch nach § 98 ABGB auch dann vor, wenn sie für den im Erwerb mitwirkenden Ehegatten ungünstiger sind. Aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des § 100 zweiter Satz zweiter Halbsatz ABGB – für die der Gesetzgeber allerdings keine Begründung nennt – kann lediglich bei einem „Dienstverhältnis“ mit den Merkmalen der persönlichen und und daraus zwangsläufig folgenden wirtschaftlichen Abhängigkeit ein Abgeltungsanspruch nach § 98 ABGB, der die vertragliche Entlohnung übersteigt, neben dem Vertragsanspruch geltend gemacht werden (8 Ob 642/85 ua = EF 50.270; 8 Ob 695/89 = JBl 1991, 458; 7 Ob 618/95; krit Schwimann/Ferrari/Schwimann § 100 ABGB Rz 3; Stabentheiner/Rummel § 100 ABGB Rz 2). Die grundsätzliche Subsidiarität des gesetzlichen Abgeltungsanspruchs besteht daher nicht gegenüber Ansprüchen aus Dienstverträgen, soweit der Abgeltungsanspruch höher als der vertragliche Anspruch ist. Für einen Differenzbetrag zwischen dem höheren Abgeltungsanspruch nach § 98 ABGB und dem für die erbrachten Arbeitsleistungen vereinbarten Entgelt bleibt es in derartigen Fällen demnach bei der Regelung des § 98 ABGB. Die Ungleichbehandlung von Dienstverträgen mit anderen Vertragstypen kann dadurch gerechtfertigt werden, dass gerade beim Dienstvertrag infolge der häufig niedrigen Entgeltvereinbarungen eine besondere Schutzwürdigkeit des mitarbeitenden Ehegatten vorliegt (Kerschner, RdA 1994, 398; Linder, EFZ 2007, 126). Bei allen anderen Vertragsmodellen verdrängt der vertragliche Abgeltungsanspruch nach der Rsp den gesetzlichen Anspruch nach § 98 ABGB hingegen auch dann, wenn der Vertragsanspruch geringer ist (Nachweise zu Lehrmeinungen für eine generelle Analogie bei Schwimann/Ferrari/ Schwimann § 100 ABGB Rz 3).
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§ 100 ABGB
Mitwirkung im Erwerb
Auch verjährte Entlohnungsansprüche verdrängen die Abgeltung nach § 98 ABGB (Hopf/Kathrein § 100 ABGB Anm 1), während Vertragsansprüche, auf die im Voraus wirksam verzichtet worden ist, diese Ausschlusswirkung nicht haben, sodass bei einem Verzicht auf vertragliche Ansprüche für den Zeitraum des Verzichts subsidiär § 98 ABGB anwendbar ist (7 Ob 602/86 = EF 50.271; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 100 ABGB Rz 1; Linder, EF-Z 2007, 126).
C. Vertragliche Rechtsansprüche Als Grundlage für – im streitigen Verfahren geltend zu machende – vertrag- 3 liche Leistungsansprüche aus einer Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten kommen vor allem Arbeits- oder Gesellschaftsverträge (1 Ob 636/83 = EF 42.632; 6 Ob 634/86 = EF 53.094; 8 Ob 695/89 = JBl 1991, 458), aber auch Auftrag, Werkvertrag, Bestandvertrag, Darlehen und andere Vertragskonstellationen in Betracht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein solcher Vertrag ausdrücklich oder schlüssig iS des § 863 ABGB abgeschlossen wurde (1 Ob 636/83 = EF 42.632; 9 Ob A 169/93 = ecolex 1994, 115); allerdings sind strenge Anforderungen an die Schlüssigkeit zu stellen. Im Gegensatz zum Abgeltungsanspruch nach § 98 ABGB ist ein vertraglicher Entgeltanspruch für die Mithilfe im Erwerb nicht vom wirtschaftlichen Erfolg der gemeinsamen Bemühungen der Ehegatten abhängig. Zur Verjährung von Ansprüchen aus Vertragsverhältnissen zwischen Ehegatten bzw zwischen einem Ehegatten und einer Gesellschaft, an welcher der andere Ehegatte beteiligt ist, vgl § 98 ABGB Rz 15. Die bloße Anmeldung eines Ehegatten zur Sozialversicherung erfolgt häufig 4 aus betriebsinternen Gründen bzw zur Erlangung eines kostengünstigen „Zugangs“ zu einem Versicherungsschutz, ohne dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis zwischen den Ehegatten besteht. Eine solche Anmeldung ist für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses daher nicht entscheidend (9 Ob A 25/01 f = RdA 2002/30; 8 Ob A 44/05m). Maßgebend für die Beurteilung eines Lohnanspruchs eines Ehegatten ist nämlich nicht die Form, in der die Ehegatten ihr Verhältnis gegenüber einem Außenstehenden (der Gebietskrankenkasse) deklariert haben, sondern die zwischen den Ehegatten getroffene Vereinbarung. Diese Willenseinigung kann auch die Übereinkunft umfassen, nach außen hin das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses anzugeben, intern aber keinen solchen Vertrag abzuschließen (7 Ob 681/85 = EF 47.526; 7 Ob 514/88 = EF 55.960). Erfolgte also eine Meldung bei der Gebietskrankenkasse ohne tatsächliche Absicht, ein Arbeits- oder Dienstverhältnis zu begründen, so hat der eine Ehegatte gegen den anderen keinen vertraglichen Lohnanspruch, weshalb ihm ein Abgeltungsanspruch nach § 98 ABGB verbleibt (7 Ob 602/86 = EF 50.271). 309
§ 100 ABGB
Beck
5 Durch die Mitarbeit eines Ehegatten, der infolge einer familiären Beistandspflicht im Erwerb des anderen tätig wird, entsteht idR kein Arbeitsvertrag. Den Ehegatten steht es allerdings frei, eine gegenteilige Absprache zu treffen. Die §§ 98 und 100 ABGB räumen ihnen die Wahlmöglichkeit ein, es im Hinblick auf die Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen bei familienrechtlichen Entgeltansprüchen zu belassen oder eine vertragliche Regelung, die solche gesetzliche Ansprüche im Allgemeinen ausschließt, zu finden; bei Begründung eines Dienstverhältnisses bleibt jedoch dem mitarbeitenden Ehegatten der Anspruch nach § 98 ABGB gewahrt, soweit er seine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis übersteigt (Rz 2). Da somit die Ehegatten mehrere Varianten zur Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen aus der Mithilfe im Erwerb des anderen zur Verfügung haben und das äußere Erscheinungsbild eines Leistungsaustausches bei einer familiären Mitarbeit und dem Abschluss eines Dienstvertrags im Wesentlichen gleich ist, muss, wenn ein Arbeitsverhältnis angenommen werden soll, dessen Abschluss hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen (9 Ob A 169/93 = RdA 1994/35 [Kerschner]; 8 Ob A 44/05m; OLG Linz SVSlg 36.306). Ohne ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Ehegatten setzt ein solches Arbeitsverhältnis jedenfalls die Eingliederung des einen Ehegatten in den Betrieb des anderen mit dessen funktionaler Autorität bzw eine vereinbarte Bindung an bestimmte sachliche Erfordernisse und Grundsätze voraus (vgl Rz 6). Sofern die konkreten Umstände der Mitarbeit iS des § 863 ABGB nicht ausreichend geklärt werden können, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Leistungen des einen Ehegatten im Erwerb des anderen der Erfüllung familiärer Beistands- und Mitwirkungspflichten dienen und zwischen den Ehegatten kein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist. Trotz Vollzeitbeschäftigung und Anmeldung zur Sozialversicherung besteht etwa dann kein Dienstverhältnis zum Mann iZm seiner Mitarbeit im Hotelbetrieb der Frau, wenn er seine Arbeit und Zeit völlig frei einteilen und über alle Betriebskonten frei verfügen kann (8 Ob A 44/05m = RdW 2006/347). 6 Wesentliches Abgrenzungskriterium des Arbeitsvertrags iS des § 1151 Abs 1 ABGB von anderen Vertragstypen ist die persönliche Abhängigkeit des Arbeitsnehmers, also dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitsgebers, die sich in der organisatorischen Gebundenheit insb im Hinblick auf Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle äußert (8 Ob A 20/04 f; 8 Ob A 44/05m). Als typisch werden die persönliche, auf Zeit abgestellte Arbeitspflicht, die Fremdbestimmung und die organisatorische Eingliederung in den Betrieb einschließlich der Kontrollunterworfenheit angesehen. Der Arbeitgeber kann über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers verfügen, trägt dafür aber auch das wirtschaftliche Risiko des Betriebserfolgs. Nicht das Vorliegen der einzelnen Merkmale, sondern das Überwiegen der für den Bestand eines abhängigen Arbeitsverhältnisses sprechenden Merkmale ist entscheidend. 310
§ 100 ABGB
Mitwirkung im Erwerb
Bei der Abgrenzung zwischen einer bloßen Mitwirkung im Erwerb und einer 7 die Abgeltung nach § 98 ABGB verdrängenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalls darauf abzustellen, ob – vom Standpunkt einer verständigen dritten Person aus – die Vereinigung der Beiträge der Ehegatten zu einem gemeinsamen Nutzen iS des § 1175 ABGB samt einer zumindest losen Gemeinschaftsorganisation mit gewissen Einwirkungs- und Mitwirkungsrechten des anderen auf das Unternehmen (vgl 3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516 [Kerschner]) oder die bloße Unterstützung im Erwerb des anderen überwiegt (Hopf/Kathrein § 100 ABGB Anm 2). Wird zwischen Ehegatten ausdrücklich oder schlüssig eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, so kann der daran mitwirkende Ehegatte nicht eine Abgeltung seiner Arbeitsleistungen nach § 98 ABGB verlangen, wenn diese Gegenleistung für ihn günstiger wäre. Für Ansprüche des mitarbeitenden Ehegatten sind in einem solchen Fall ausschließlich die vertraglichen Bestimmungen bzw die Regeln über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts maßgebend (1 Ob 636/83 = NZ 1984, 83; 6 Ob 634/86 = EF 53.094). Bei im Firmenbuch eingetragenen Gesellschaften kann ein Missverhältnis zwischen einem bloß geringen Gesellschaftsanteil eines Ehegatten und dessen Beitragsleistung infolge des Vorrangs des Gesellschaftsvertrags zu Unbilligkeiten führen (vgl auch Hopf/Kathrein § 100 ABGB Anm 2 unter Hinweis auf Schwind 89). Im Fall der Beteiligung an einer eingetragenen Gesellschaft wie insb einer GmbH ist der Ehegatte Gesellschafter, seine Ansprüche sind nach Gesellschaftsrecht zu beurteilen, ein Anspruch nach § 98 ABGB ist ausgeschlossen. Schwind erachtet aaO diese Konsequenz dann als problematisch, wenn sich ein Ehegatte, der bisher im einzelkaufmännischen Unternehmen des anderen Ehegatten mitgearbeitet hat, nach der Gründung einer GmbH zur Fortführung dieses Unternehmens an der Gesellschaft mit einer geringen Stammeinlage beteiligt und er damit auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche beschränkt wird. Für einen solchen Fall schlägt Schwind die Annahme eines stillschweigenden Treuhandverhältnisses in Ansehung des diesem Ehegatten materiell (nach dem Verhältnis seiner wirklichen Beteiligung) zustehenden Beteiligungsrechts vor; Ansprüche aus einem solchen Treuhandverhältnis könnten aber wohl nur im streitigen Verfahren geltend gemacht werden (1 Ob 630/ 83 = EF 42.633). Die Ausschließungswirkung des § 100 ABGB gilt angesichts des Wortlauts der 8 Bestimmung und im Hinblick auf ihren Zweck, (nur) der vertraglichen Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten den Vorrang einzuräumen (vgl JAB 916 BlgNR 14. GP 5), nicht für sog „gesetzliche Schuldverhältnisse“ wie Geschäftsführung ohne Auftrag, Bereicherung oder Schadenersatz (Koch/KBB § 100 Rz 1). Unbeachtlich sind ferner Ansprüche aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck außerhalb des „Erwerbs“ (vgl § 98
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§§ 757–759 ABGB
Gitschthaler
ABGB Rz 4) liegt, wie zB beim gemeinsamen Hausbau für eigene Wohnzwecke (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 100 ABGB Rz 2). 9 Im Zweifel wird zwischen Ehegatten auch durch regelmäßige Arbeitsleistungen ein Dienstverhältnis nicht begründet (9 Ob A 87/88 = SZ 61/107; Hopf/ Kathrein § 100 ABGB Anm 3; s auch Rz 5). Wurde aber ein Dienstvertrag abgeschlossen, so ist im Allgemeinen anzunehmen, dass die Ehegatten die Tätigkeit des einen im Unternehmen des anderen zur Gänze dem Dienstvertragsrecht unterwerfen wollten; mangels eindeutig abweichender Vereinbarung gebühren dann, wenn im Rahmen eines solchen Dienstverhältnisses Leistungen erbracht werden, die über das vertraglich vereinbarte Ausmaß hinausgehen (etwa Überstunden), grundsätzlich die aus dem Arbeitsrecht abgeleiteten Ansprüche (9 Ob A 169/93 = ecolex 1994, 115; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 100 ABGB Rz 2; krit Kerschner, RdA 1994, 397). Eine exakte Grenzziehung zwischen vertraglichen und gesetzlichen Abgeltungsansprüchen ist vor allem wegen der stark abweichenden Behandlung von Vertragsansprüchen (zB Geltendmachung im Prozessweg, keine Verjährung während der Ehe, keine Beschränkungen der Übertragbarkeit und Belastbarkeit) notwendig. Der in einem Scheidungsvergleich vereinbarte (nachträgliche) Verzicht auf die Abgeltung nach § 98 ABGB schließt auch ohne ausdrückliche Bezugnahme den Verzicht auf etwaige Ansprüche nach § 100 ABGB ein (LG Feldkirch Arb 10.403; vgl auch § 98 ABGB Rz 14).
Von der gesetzlichen Erbfolge Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten § 757. (1) Der Ehegatte des Erblassers ist neben Kindern des Erblassers und deren Nachkommen zu einem Drittel des Nachlasses, neben Eltern und Geschwistern des Erblassers oder neben Großeltern zu zwei Dritteln des Nachlasses gesetzlicher Erbe. Sind neben Großeltern Nachkommen verstorbener Großeltern vorhanden, so erhält überdies der Ehegatte von dem restlichen Drittel des Nachlasses den Teil, der den Nachkommen der verstorbenen Großeltern zufallen würde. Gleiches gilt für jene Erbteile, die den Nachkommen verstorbener Geschwister zufallen würden. In den übrigen Fällen erhält der Ehegatte den ganzen Nachlass. (2) In den Erbteil des Ehegatten ist alles einzurechnen, was dieser durch Ehepakt oder Erbvertrag aus dem Vermögen des Erblassers erhält. [Abs 1 neu gefasst durch FamErbRÄG 2004; Abs 2 neu gefasst durch ErbRÄG 1989]
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§§ 757–759 ABGB
Gesetzliches Ehegattenerbrecht
§ 758. Sofern der Ehegatte nicht rechtmäßig enterbt worden ist, gebühren ihm als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. [neu gefasst durch ErbRÄG 1989]
§ 759. (1) Ein aus seinem Verschulden geschiedener Ehegatte hat kein gesetzliches Erbrecht und keinen Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis. (2) Das gesetzliche Erbrecht und der Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis ist dem überlebenden Ehegatten auch dann versagt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe gemäß dem Ehegesetz vom 6. Juli 1938 (Reichsgesetzbl. I S. 807) zu klagen berechtigt war und die Klage erhoben hatte, sofern im Falle der Scheidung oder Aufhebung der Ehegatte als schuldig anzusehen wäre. [Abs 1 neu gefasst durch 1. TN, Abs 2 neu gefasst durch 1. DVEheG]
Lit: Adensamer, Das Erbrechtsänderungsgesetz 1989, WR 1991 H 25, 18; Beclin, Das Familien- und Erbrechtsänderungsgesetz – Teil II Erbrecht, JAP 2004/2005, 51; Binder, Der Schutz der Familienwohnung in Österreich, in Henrich/Schwab, Der Schutz der Familienwohnung in Europäischen Rechtsordnungen (1995) 79; Böhm/Fuchs, Zum Eintritt der zivilrechtlichen Wirkungen des Ehescheidungsbeschlusses, ÖJZ 2002, 628; Bolla, Die erbrechtliche Anrechnung innerhalb des Vermögensrechtes zwischen Eltern und Kindern, ÖJZ 1951, 289; Deixler-Hübner, Die nichteheliche Partnerschaft. Rechtswirklichkeit und Forderungen an den Gesetzgeber, in Gaisbauer (Hrsg), Lebenspartnerschaft (2002) 33; Eccher, Antizipierte Erbfolge (1980); ders, Zum neuen Wohnrecht des überlebenden Ehegatten, WoBl 1991, 1; Ent, Die Neuordnung des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten und des gesetzlichen Güterstandes als Teil der Gesamtreform des österreichischen Familienrechts, ÖJZ 1972, 29; ders, Das neue Ehegattenerbrecht und eheliche Güterrecht, NZ 1972, 183; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Zum gesetzlichen Erbrecht der Verwandten seit dem Erbrechtsänderungsgesetz 1989, NZ 1991, 245; Fischer-Czermak, Die erbrechtliche Anrechnung und ihre Unzulänglichkeiten, NZ 1998, 2; dies, Verträge auf den Todesfall zwischen Ehegatten und Scheidung, NZ 2001, 3; dies, Vereinbarungen nach § 14 Abs 4 und 5 WEG – rechtliche Beurteilung und Verhältnis zum Erwerb des halben Mindestanteils im Erbweg, FS Welser (2004) 189; dies, Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbrecht, JBl 2005, 2; Frei, Wohnungseigentum von Partnern im Todesfall nach der WRN 2006, NZ 2006, 292; Grabenwarter, Überlegungen zu einer Reform des Pflichtteilsrechts, NZ 1994, 174; ders, Ist der Erbvertrag ein Auslaufmodell? ecolex 1996, 589; Hauser/Peham, Das gesetzliche Vorausvermächtnis bei der Ermittlung der Erb- und Pflichtteilsansprüche, NZ 2000, 27; Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und Tod, Unvereinbarkeit zweier Auseinandersetzungsmodelle (1998); Jaksch-Ratajczak, Miteigentumsgemeinschaft und Wohnrecht nach § 758 ABGB, NZ 2001, 421; ders, Ehewohnung im Todesfall: Das Spannungsverhältnis zwischen schlichtem Miteigentum und Wohnrecht nach § 758 ABGB, EF-Z 2011/2; Jensik, Die Ehewohnung, NZ 1976, 65; Kletecˇ ka, Die Eigentümerpartnerschaft nach dem WEG 2002, immolex 2002, 174; ders, Wohnungseigentumsgesetz
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§§ 757–759 ABGB
Gitschthaler
2002 (2002); Koch-Hipp, Das rechtliche Schicksal der Ehewohnung im Überblick, EF-Z 2007, 44; Konopatsch, Englische Lösungen für österreichische Probleme im gesetzlichen Erbrecht. Ist in Österreich ein Wechsel zu einem beweglichen Erbrechtssystem geboten? – Eine rechtsvergleichende Untersuchung anhand des österreichischen und englischen Ehegattenerbrechts, ZfRV 2006/2; Loebenstein, ÖJZ 1990, 142 (Wichtige Gesetzesvorhaben); Markl, Die Eigentümerpartnerschaft – §§ 13 bis 15 WEG 2002, wobl 2002, 129; Markl/Hechenbichler, Eigentümerpartnerschaft im Todesfall, EF-Z 2007, 16; Mell, Erbrechtsreform wozu? JBl 1988, 669 (Korrespondenz); Migsch, Persönliche Rechtswirkungen, gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht, in Floretta, Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979) 17, 51 ff; Ostheim, Zur erbrechtlichen Stellung des Ehegatten nach dem BG 15.6.1978, BGBl 280, in Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979) 57; Paliege, Neues im österreichischen Erbrecht, NZ 1991, 169; Pichler, Wann wird der Scheidungsbeschluß rechtskräftig? RZ 1994, 32; Reinl, Der Besitzschutz der Ehegattin an der Ehewohnung, JBl 1969, 370; Samek, Das österreichische Pflichtteilsrecht (2004); Schauer, Rechtsprobleme bei der Anrechnung im Erbrecht, JBl 1980, 449; ders, Zum Ministerialentwurf über die Änderung des Erbrechts des unehelichen Kindes und des Ehegatten, NZ 1988, 274; ders, Neues Erbrecht ab 1991, RdW 1990, 70; Simotta, Die Zurücknahme des Antrags auf einvernehmliche Scheidung, BeitrZPR III 252; dies, Der Tod eines Ehegatten während eines Eheprozesses, FS Welser (2004) 1015; Spitzer, Verlust des Ehegattenerbrechts durch Eröffnung des Scheidungsverfahrens, JBl 2003, 837; ders, § 14 WEG neu: Tod des Eigentümerpartners, ecolex 2006, 818; Tedeschi, Das Wohnrecht des überlebenden Gatten, Haus & Grund 2004, H 7/8, 23; Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht (2001); Vonkilch, Mietzinsvorauszahlungen, Baukostenbeiträge und wohnrechtliche Sondererbfolge (§ 14 MRG), NZ 2000, 321; Watzl, Das Vorausvermächtnis des Wohnrechtes, JBl 1992, 613; Welser, Neue Rechenaufgaben vom Gesetzgeber, NZ 1978, 161; ders, Die Erbrechtsreform 1989, NZ 1990, 137; Zankl, Das neue Erbrecht im Überblick, JAP 1990/91, 118; ders, Die Stellung des Ehegatten nach dem Erbrechtsänderungsgesetz, in Harrer/Zitta (Hrsg) Familie und Recht (1992) 545; ders, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (1996); ders, Das Wohnrecht des überlebenden Ehegatten nach § 758 ABGB, immolex 1997, 145; ders, Rechtsvergleichende Gedanken zu einer Reform der Anrechnung? NZ 1998, 35; ders, Entwicklungen im Erbrecht, FS Welser (2004) 1233; Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform (1981) 181 ff; ders, Zur Kürzung der Vermächtnisse nach § 783 ABGB, ÖJZ 1985, 65; ders, Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten, ÖJZ 1987, 231. Inhaltsübersicht A. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten bzw eingetragenen Partners . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufrechter Bestand der Ehe bzw eingetragenen Partnerschaft . . . . . . 3. Erbquote und Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesetzliches Vorausvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subsidiarität des gesetzlichen Vorausvermächtnisses . . . . . . . . . . . . . 3. Erbrechtlicher Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ehewohnung bzw gemeinsame Wohnung der eingetragenen Partner a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Gesetzliches Ehegattenerbrecht
b) Benutzung und dringendes Wohnbedürfnis c) Umfang des Wohnrechts . . . . . . . . . . . . . d) Aufwendungen für die Wohnung . . . . . . . e) Sicherung der Wohnung . . . . . . . . . . . . . . 7. Haushaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten bzw eingetragenen Partners 1. Allgemeines
Das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten kennt im Gegensatz zu 1 jenem sonstiger Erbberechtigter mehrere Besonderheiten. Während andere Erbberechtigte ihre (gemeinsame) Erbquote teilen müssen, kommt dem Ehegatten eine fixe Erbquote (Hopf/Kathrein § 757 ABGB Anm 3; s Rz 6) zu, dh sie wird auch dann nicht geschmälert, wenn der Erblasser über mehrere Kinder verfügt, mit denen der Ehegatte konkurriert (Eccher/Schwimann § 757 ABGB Rz 1). Konkret ist der überlebende Ehegatte also begünstigt, wenn der Erblasser mehr als zwei Kinder hinterlässt (Apathy/KBB § 757 ABGB Rz 1). Hingegen kommt dem Ehegatten kein Eintritts- oder Repräsentationsrecht zu (Eccher/Schwimann § 757 ABGB Rz 1), dh der überlebende Ehegatte tritt gegenüber Erblassern des vorverstorbenen Ehegatten nicht in dessen Erbenstellung. Stirbt also etwa der Ehegatte vor den Eltern, kann das Schwiegerkind gegenüber den Schwiegereltern nicht erben. Weiters wird der überlebende Ehegatte auch nicht durch seine Kinder repräsentiert (Hopf/Kathrein § 757 ABGB Anm 2; Eccher/Schwimann § 757 ABGB Rz 1). Stirbt also etwa der eigene Elternteil vor dem Stiefelternteil, haben die Kinder diesem gegenüber kein gesetzliches Erbrecht; im umgekehrten Fall vererbt allerdings der eigene Elternteil sein gesetzliches Ehegattenerbrecht an seine Kinder weiter (Transmission gem § 537 ABGB; Kralik/Ehrenzweig 71; Hopf/Kathrein § 757 ABGB Anm 2). Gem § 537a ABGB gilt § 757 ABGB auch für eingetragene Partner und Partnerschaften; die nachstehenden Ausführungen kommen daher auch iZm eingetragenen Partnern zur Anwendung. 2. Aufrechter Bestand der Ehe bzw eingetragenen Partnerschaft
Voraussetzung für das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ist der aufrechte Be- 2 stand der Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls, also zum Todeszeitpunkt des Ehegatten (Hopf/Kathrein § 757 ABGB Anm 2). Aufrecht ist die Ehe, wenn sie noch nicht rechtskräftig geschieden (für nichtig erklärt oder aufgehoben) ist. Stirbt daher der Ehegatte während laufender Rechtsmittelfrist gegen ein die 315
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Gitschthaler
Scheidung aussprechendes Urteil, erbt der überlebende Ehegatte, es sei denn das Urteil wäre nur wegen des Schuldausspruchs angefochten worden (vgl 6 Ob 52/07a = EF-Z 2007/110 [Gitschthaler]; Apathy/KBB § 757 ABGB Rz 2). Auch ein mündlich verkündeter Scheidungsbeschluss gem § 55a EheG hat noch nicht das Erlöschen des gesetzlichen Erbrechts zur Folge; den Antrag auf Scheidung im Einvernehmen kann jeder Ehegatte gem § 94 Abs 3, § 43 AußStrG ja noch bis zum Eintritt der Rechtskraft zurücknehmen. Dies gilt nach hA (Spitzer, JBl 2003, 837; Hopf/Kathrein § 757 ABGB Anm 2; DeixlerHübner/Rechberger § 94 AußStrG Rz 7) sogar dann, wenn bereits auf Zurücknahme des Scheidungsantrags und auf Rechtsmittel verzichtet, der Scheidungsbeschluss aber noch nicht an beide Ehegatten zugestellt wurde; auf die Zustellung des Scheidungsbeschlusses kann dabei nicht wirksam verzichtet werden (§ 38 Satz 2 AußStrG; Rechberger/Rechberger § 38 AußStrG Rz 1; unzutr daher Apathy/KBB § 757 ABGB Rz 2, der offensichtlich eine Verzichtsmöglichkeit unterstellt). Schließt man sich allerdings der jüngeren L zu § 759 Abs 2 ABGB (s Rz 3) an, sind all diese Überlegungen hinfällig; durch das Scheidungsurteil bzw den Scheidungsbeschluss ist ja hinreichend nachgewiesen, dass die Ehe tatsächlich geschieden worden wäre (so auch Spitzer, JBl 2003, 837). Soweit § 759 Abs 1 ABGB anordnet, dass ein „aus seinem Verschulden“ geschiedener Ehegatte kein gesetzliches Erbrecht und keinen Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis (s Rz 10 ff) hat, gilt dies nach hA (Weiß/Klang III2, 789; Welser/Rummel § 759 ABGB Rz 1; Hopf/Kathrein § 759 ABGB Anm 1; Eccher/Schwimann § 759 ABGB Rz 1; Apathy/KBB § 759 ABGB Rz 1) nur (mehr) für die praktisch bedeutungslose Scheidung von Tisch und Bett. 3 Auch bei aufrechtem Bestand der Ehe kann dem überlebenden Ehegatten das gesetzliche Erbrecht und das gesetzliche Vorausvermächtnis (s Rz 10 ff) genommen werden. Voraussetzung ist nach § 759 Abs 2 ABGB, dass der andere Ehegatte vor seinem Tod bereits eine Ehescheidungs- oder Aufhebungsklage erhoben hatte (die Geltendmachung eines Scheidungsgrundes zur Stützung eines bloßen Mitverschuldensantrags reicht nicht aus [Schwind/Klang I2, 839; Welser/Rummel § 759 ABGB Rz 3]) und dass der überlebende Ehegatte im Falle der Scheidung oder Aufhebung der Ehe als schuldig anzusehen wäre; dabei entzieht § 759 Abs 2 ABGB (jedenfalls) schon dem (bloß) mitschuldigen Ehegatten das Erbrecht (Weiß/Klang III2, 759; Spitzer, JBl 2003, 837; 7 Ob 153/07m = EF 117.202). Es ist über den hypothetischen Ausgang des Scheidungsverfahrens zu entscheiden, wobei jedoch nur solche Gründe geltend gemacht werden können, die der Erblasser selbst bereits geltend gemacht hat oder deren Geltendmachung seinem Willen entsprochen hätte (7 Ob 153/07m = EF 117.203; Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 95; Welser/Rummel § 759 ABGB Rz 3). Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 759 Abs 2 ABGB trägt derjenige, der das Erbrecht des Ehegatten bestreitet, also der Klä316
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Gesetzliches Ehegattenerbrecht
ger, für ein Verschulden des Erblassers hingegen der Beklagte (7 Ob 153/07m = EF 117.203). Die jüngere L (Spitzer, JBl 2003, 837; Eccher/Schwimann § 759 ABGB Rz 3; Apathy/KBB § 759 ABGB Rz 2; ohne eigene Stellungnahme Hopf/Kathrein § 759 ABGB Anm 2; aA OLG Wien EvBl 1950/296) will diese Bestimmung auf alle Ehescheidungsverfahren analog anwenden und – soweit nicht tatbestandsmäßig vorgesehen – den Beweis des Verschuldens an der Scheidung durch den Beweis ersetzen, dass die Ehe tatsächlich geschieden worden wäre. Damit wären von § 759 Abs 2 ABGB auch alle (streitigen) Ehescheidungsverfahren nach §§ 50 ff EheG sowie Verfahren über die einvernehmliche Ehescheidung nach § 55a EheG erfasst. Dem ist im Hinblick auf die Grundidee des § 759 Abs 2 ABGB, den Ehegatten, dem der Ausschluss vom Erbrecht bevorsteht, nicht durch den Zufall des zu frühen Todes seines Ehegatten zu begünstigen, zuzustimmen. Diese Gefahr der Begünstigung eines Ehegatten bestand ursprünglich ja nur bei der Scheidung aus Verschulden hinsichtlich des Schuldigen, heute aber hinsichtlich jedes in Scheidung lebenden Ehegatten (Spitzer, JBl 2003, 837). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Möglichkeit der Quasi-Fortsetzung des Schei- 4 dungsverfahrens iS des § 759 Abs 2 ABGB ist jener der Gerichtshängigkeit; dass auch die Zustellung an den „gegnerischen Ehegatten“ bereits erfolgt sein muss, kann dem Gesetz, das ursprünglich den Begriff „Anbringen“ verwendet hat und nun vom „Erheben“ der Klage spricht, nicht entnommen werden (Spitzer, JBl 2003, 837). Allerdings ist nicht das Scheidungsverfahren meritorisch fortzusetzen; § 460 Z 8 ZPO lässt ja eine Fortsetzung lediglich wegen der Verfahrenskosten zu (Simotta/Fasching/Konecny § 460 ZPO Rz 135 ff; Fucik/Rechberger § 460 ZPO Rz 10; vgl auch bei § 460 ZPO). Die Frage, ob den überlebenden Ehegatten das Verschulden an der Scheidung getroffen hätte bzw ob die Ehe tatsächlich geschieden worden wäre, ist vielmehr im „Erbrechtsstreit“ zu lösen (3 Ob 40/65 = JBl 1965, 588; 7 Ob 526/87 = NZ 1987, 283), nunmehr also im Verfahren über das Erbrecht nach §§ 161 ff AußStrG (Hopf/Kathrein § 759 ABGB Rz 2; Apathy/KBB § 759 ABGB Rz 2). Formelle Voraussetzung dafür ist, dass widersprechende Erbantrittserklärungen abgegeben wurden und sich die anderen Erben auf den Verlust des gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Ehegatten gem § 759 Abs 2 ABGB berufen haben (Apathy/KBB § 759 ABGB Rz 2); die anderen Erben trifft dann auch die Nachweispflicht für den Verlust (Welser/Rummel § 759 ABGB Rz 3; Hopf/Kathrein § 759 ABGB Anm 2; vgl auch OLG Wien EvBl 1950/296). Ob das Scheidungsverfahren nach dem Tod des einen Ehegatten – über Antrag des überlebenden Ehegatten (2 Ob 557/86 = EF 52.207; 10 Ob 36/04y = EF 109.052) – gem § 460 Z 8 ZPO fortgesetzt wurde oder nicht, ist für den Verlust des Erbrechts nicht maßgeblich (7 Ob 526/87 = NZ 1987, 283; 7 Ob 317
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153/07m = EF 117.203; Eccher/Schwimann § 759 ABGB Rz 4). Dies gilt selbst dann, wenn vor der Entscheidung im Verfahren über das Erbrecht im Scheidungsverfahren eine Kostenentscheidung ergeht, die in ihrer Begründung die Verschuldensfrage behandelt. Eine Bindungswirkung kann nämlich nicht angenommen werden: einerseits bestehen im Kostenersatzverfahren nach der ZPO gegenüber dem AußStrG weitestgehend eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeiten, andererseits wird im Kostenersatzverfahren die „Scheidungsfrage“ ja auch nur als Vorfrage behandelt, und schließlich besteht keine Parteienidentität. 5 Nach stRsp (RIS-Justiz RS0005817) findet sich keine gesetzliche Bestimmung, der entnommen werden könnte, dass ein geschiedener Ehegatte nacheheliche Aufteilungsansprüche nach §§ 81 ff EheG nicht auch gegen die Verlassenschaft nach dem anderen Ehegatten (im Verfahren außer Streitsachen) geltend machen könnte; daher kann ein Aufteilungsantrag nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil der andere Ehegatte nach der Ehescheidung verstorben ist. In diesem Fall steht dem überlebenden Ehegatten damit zwar kein gesetzliches Erbrecht, wohl aber ein Aufteilungsanspruch zu. War die Ehe zum Zeitpunkt des Todes hingegen noch aufrecht, besteht kein Aufteilungsanspruch, wohl aber ein gesetzliches Erbrecht des überlebenden Ehegatten. Berufen sich nun die anderen Erben gem § 759 Abs 2 ABGB erfolgreich auf den Verlust dieses gesetzlichen Erbrechts, verliert der überlebende Ehegatte beide Ansprüche. Da ihm aber auch im Fall einer Verschuldensscheidung zu seinen Lasten ein Aufteilungsanspruch zugestanden wäre, bedeutet dies eine unsachliche Ungleichbehandlung (Holzner 161; Welser/Rummel § 759 ABGB Rz 3a; Apathy/ KBB § 759 ABGB Rz 3). Diese lässt sich nur dadurch verhindern, dass dem überlebenden Ehegatten ein Aufteilungsanspruch nach §§ 81 ff EheG gewährt wird, wenn sich die übrigen Erben auf § 759 Abs 2 ABGB berufen (Holzner 161; Apathy/KBB § 759 ABGB Rz 3; Koch-Hipp, EF-Z 2007, 49). Die Frist des § 95 EheG beginnt in diesem Fall mit der Abgabe von – der Erbantrittserklärung des überlebenden Ehegatten widersprechenden – Erklärungen der anderen Erben unter Berufung auf § 759 Abs 2 ABGB. 3. Erbquote und Pflichtteilsrecht
6 Die fixe Erbquote des überlebenden Ehegatten beträgt neben Nachkommen des Erblassers ein Drittel, neben Eltern und Geschwistern sowie neben Großeltern zwei Drittel des Nachlasses. Hat der Erblasser keine Nachkommen, Eltern oder Geschwister hinterlassen, so wird das für die Großeltern vorgesehene Drittel auf den oder die hinterbliebenen Großelternteile und fiktiv auf die Nachkommen verstorbener Großelternteile verteilt. Dieser fiktiv den Nachkommen zuwachsende Erbteil gebührt aber dem überlebenden Ehegatten des Erblassers. In gleicher Weise schließt er die Nachkommen der vorverstorbenen 318
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Geschwister aus. Damit geht der Ehegatte – vereinfacht ausgedrückt – den Nichten und Neffen vor (Hopf/Kathrein § 757 ABGB Anm 3; Apathy/KBB § 757 ABGB Rz 3). Aus diesem gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten folgt sein Pflichtteilsrecht (§ 762 ABGB); auch in diesem Fall gilt aber die Anrechnungsvorschrift des § 757 Abs 2 ABGB (Fischer-Czermak, NZ 1998, 3; Umlauft 119; Eccher/ Schwimann § 757 ABGB Rz 4), könnte doch sonst – bei hohen Anrechnungswerten – der auf den Pflichtteil gesetzte Ehegatte günstiger gestellt sein, als wenn er erbberechtigt wäre. 4. Anrechnung
Macht der überlebende Ehegatte sein Recht auf durch Ehepakt eingeräumte 7 (Hopf/Kathrein § 1258 ABGB Anm 1) Fruchtnießung der ganzen Verlassenschaft oder eines Teils davon geltend (Advitalitätsrecht), verliert er gem § 1258 ABGB sein gesetzliches Erbrecht ebenso wie das gesetzliche Vorausvermächtnis (Eccher/Schwimann § 757 ABGB Rz 5). Das Advitalitätsrecht (§ 1258 ABGB) wurde zwar durch das FamRÄG 2009 beseitigt, nach dessen Art 18 § 4 sind jedoch auf vor dessen Inkrafttreten geschlossene Ehepakte die bis dahin geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Ansonst kann jeder Miterbe Anrechnung iS des § 757 Abs 2 ABGB verlangen (Weiß/Klang III2, 935; Faistenberger 82; Welser/Rummel § 757 ABGB Rz 3; Apathy/KBB § 757 ABGB Rz 4; Eccher/Schwimann § 757 ABGB Rz 7). Diese erfasst nach der klaren Anordnung des Gesetzes aber nur Zuwendungen, die dem überlebenden Ehegatten beim Tod des anderen aus Ehepakt oder Erbvertrag zukommen, nicht jedoch letztwillige Zuwendungen, Leistungen, die der überlebende Ehegatte aus Anlass des Todes des anderen Ehegatten erhält, wie etwa eine Witwenrente, anerbenrechtliche Versorgungsansprüche (Hopf/Kathrein § 757 ABGB Anm 4) oder Leistungen aus Lebensversicherungsverträgen (Welser/Rummel § 757 ABGB Rz 5) – diese wären nur bei allfälligen Unterhaltsansprüchen des überlebenden Ehegatten gegen den Nachlass bzw die Erben zu berücksichtigen (s § 796 ABGB Rz 7; § 78 EheG Rz 11) – oder Zuwendungen unter Lebenden (Welser/Rummel § 757 ABGB Rz 5). Grundgedanke der Anrechnungsvorschrift ist die Vermeidung einer Doppelversorgung (Umlauft 114; Apathy/KBB § 757 ABGB Rz 4). Der Erblasser kann zwar die Anrechnung letztwillig erlassen, Noterben dürfen dadurch aber nicht verkürzt werden (Kralik/Ehrenzweig 341; Hopf/ Kathrein § 757 ABGB Anm 4). Anzurechnen sind daher etwa eine Widerlage (R II 963/10 = GlUNF 5713), 8 ein in einem Erbvertrag vereinbartes Ausgedinge (GlU 7044), der Witwengehalt (Apathy/KBB § 757 ABGB Rz 4; Eccher/Schwimann § 757 ABGB Rz 5), das dem Ehegatten zufallende Heiratsgut (Kralik/Ehrenzweig 342; Umlauft 319
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114; Eccher/Schwimann § 757 ABGB Rz 5) und Zuwendungen, die der überlebende Ehegatte gem § 1234 ABGB aus einer Gütergemeinschaft erhält (Hopf/ Kathrein § 757 ABGB Anm 4; vgl aber auch Welser/Rummel § 757 ABGB Rz 2 mwN); Grundvoraussetzung dafür ist aber immer, dass die Zuwendung aus dem Vermögen des Erblassers stammt (Umlauft 115; Hopf/Kathrein § 757 ABGB Anm 4; Eccher/Schwimann § 757 ABGB Rz 5; Apathy/KBB § 757 ABGB Rz 5). § 1230 ABGB (Widerlage), § 1242 ABGB (Witwengehalt) und das Heiratsgut (§§ 1218 ff ABGB aF) wurden zwar durch das FamRÄG 2009 beseitigt, nach dessen Art 18 § 4 sind jedoch auf vor dessen Inkrafttreten geschlossene Ehepakte die bis dahin geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden; im Übrigen könnten auch nach nunmehriger Rechtslage derartige Ehepakte abgeschlossen werden (große praktische Relevanz kommt dem jedoch nicht zu). Nicht anzurechnen sind hingegen Zuwendungen durch einseitige letztwillige Verfügungen, vor allem durch Vermächtnisse, es sei denn, der Erblasser ordnet die Anrechnung ausdrücklich an (Welser/Rummel § 757 ABGB Rz 2), und auch nicht das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB (Welser/ Rummel § 757 ABGB Rz 4; Hopf/Kathrein § 757 ABGB Anm 4; Eccher/ Schwimann § 757 ABGB Rz 6), ebenso wenig Schenkungen (Welser/Rummel § 757 ABGB Rz 5), das Heiratsgut iS einer Mitgift gem § 1218 ABGB (Hopf/ Kathrein § 757 ABGB Anm 4) oder die Morgengabe (Welser/Rummel § 757 ABGB Rz 5) sowie der Zuwachs nach § 14 WEG 2002 (Hopf/Kathrein § 757 ABGB Rz 4); letzteres ist jedenfalls damit zu begründen, dass der überlebende Eigentümerpartner kein gesetzlicher Erbe sein muss (Eccher/Schwimann § 684 ABGB Rz 12). Die Morgengabe (§ 1232 ABGB) wurde zwar durch das FamRÄG 2009 beseitigt, nach dessen Art 18 § 4 sind jedoch auf vor dessen Inkrafttreten geschlossene Ehepakte die bis dahin geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden; im Übrigen könnten auch nach nunmehriger Rechtslage derartige Ehepakte abgeschlossen werden (große praktische Relevanz kommt dem jedoch nicht zu). 9 Je nachdem, ob die anzurechnenden Werte im Nachlass vorhanden sind oder nicht, differiert die Methode der Anrechnung: Im ersteren Fall wird der anzurechnende Wert vom Wert des Erbteils des überlebenden Ehegatten abgezogen. Im letzteren Fall, in dem die Zuwendung direkt an den überlebenden Ehegatten fällt (etwa Gütergemeinschaft auf den Todesfall), ist der anzurechnende Wert dem Nachlass hinzuzurechnen; von diesem erhöhten Wert sind dann die Erbquoten zu bestimmen (Fischer-Czermak, NZ 1998, 3; Umlauft 121; Apathy/KBB § 757 ABGB Rz 6; vgl auch RIS-Justiz RS0107857).
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B. Gesetzliches Vorausvermächtnis 1. Allgemeines
Das gesetzliche Vorausvermächtnis (gesetzlicher Voraus) des § 758 ABGB in 10 der heutigen Form wurde durch das EheRÄG 1989 eingeführt. Es hat Unterhalts- und Pflichtteilscharakter (1 Ob 25/06t; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 1), wobei eher den Pflichtteilscharakter Welser/Rummel (§ 758 ABGB Rz 1) und Hopf/Kathrein (§ 758 ABGB Anm 2), den Unterhaltscharakter hingegen Paliege (NZ 1991, 180) und Eccher/Schwimann (§ 758 ABGB Rz 2, 7) betonen; es ist hinsichtlich der Ehewohnung (s Rz 16 ff) dem im Familienrecht begründeten Wohnrecht vergleichbar (1 Ob 25/06t; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 5). Dem überlebenden Ehegatten sollen die bisherigen Lebensverhältnisse erhalten werden, er soll also nicht die vertrauten Dinge des Alltags verlieren; vielmehr soll er seine gewohnte Umgebung („sein Dach über dem Kopf“ [Hopf/Kathrein § 758 ABGB Rz 1]) beibehalten können (6 Ob 184/99y = SZ 72/174; 6 Ob 13/02h = NZ 2002, 240; Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 3; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 1). Im Hinblick auf § 537a ABGB gelten die Bestimmungen über den gesetzlichen Voraus auch für eingetragene Partner; die nachstehenden Ausführungen kommen daher auch iZm eingetragenen Partnern zur Anwendung. Die hinter dem gesetzlichen Voraus stehenden Gedanken ließen sich zwar auch beim langjährigen Lebensgefährten vertreten; bei diesem vielleicht sogar noch eher als beim Ehegatten, der ja ohnehin meist (zumindest Mit-)erbe ist. Allerdings ist der Lebensgefährte nach – derzeit – eindeutiger Wertung des Gesetzgebers nicht erbberechtigt, was auch eine analoge Anwendung des § 758 ABGB mangels Regelungslücke ausschließt; dem Gesetzgeber kann auch nicht unterstellt werden, dass ihm dieses Problem im Zuge der mehrfachen Novellierungen des ABGB in den letzten Jahren unbekannt gewesen wäre. Damit benutzt aber der überlebende Lebensgefährte die Wohnung ohne Rechtstitel (RIS-Justiz RS0009546) und ist der Räumungsklage der Verlassenschaft bzw der Erben ausgesetzt. Haben die Ehegatten die Wohnung zwar lediglich als Lebensgefährten benützt und kam es nach der Eheschließung wegen des Todes des Erblassers nicht mehr zu einer gemeinsamen Nutzung, ist § 758 ABGB allerdings dennoch anzuwenden (7 Ob 295/03p = JBl 2004, 380; Koch-Hipp, EF-Z 2007, 48 FN 88; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 4).
2. Subsidiarität des gesetzlichen Vorausvermächtnisses
Der gesetzliche Voraus hat lediglich subsidiären Charakter (RIS-Justiz 11 RS0012820; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 10; Koch-Hipp, EF-Z 2007, 47). Er kommt also nicht zur Anwendung, wenn der überlebende Ehegatte be321
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Gitschthaler
reits selbst (Allein)eigentümer der Ehewohnung (Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 4) bzw der Haushaltssachen (s Rz 24 f) ist (5 Ob 125/09g) oder aufgrund des Erbfalls daran (Allein)eigentümer wird (als Erbe [6 Ob 615/95 = NZ 1996, 308; 5 Ob 125/09g; Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2011/2], als Vermächtnisnehmer [Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 4] oder aufgrund einer Schenkung auf den Todesfall) oder die Ehewohnung kraft eigenen Rechts benützt (Hopf/ Kathrein § 758 ABGB Anm 3) bzw zu deren Weiterbenützung berechtigt ist (§ 14 MRG [Hopf/Kathrein § 758 ABGB Rz 3], § 14 WEG 2002 [Näheres s dort], § 20 WGG [Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 4; 6 Ob 132/97y = SZ 70/ 122]); dies gilt auch dann, wenn der überlebende Ehegatte schon bisher zum Teil aus eigenem Recht (Eigentum) die Wohnung bewohnen konnte und eine derartige Berechtigung im Übrigen mit dem Tod des bisher berechtigten Ehegatten kraft Erbrechts erwirbt (5 Ob 125/09g; ebenso Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2011/2). Verzichtet der überlebende Ehegatte auf sein Eintrittsrecht nach § 14 WEG, steht ihm ebenfalls kein gesetzlicher Voraus zu (Zankl, Vorausvermächtnis 196; Koch-Hipp, EF-Z 2007, 48). Wenn der überlebende Ehegatte hingegen erst nach dem Erbfall Miteigentümer des Hauses wird, gelangt § 758 ABGB zur Anwendung, sodass die (anderen) Erben als Vermächtnisschuldner weder eine vom gesetzlichen Wohnrecht abweichende gerichtliche Benützungsregelung noch die Aufhebung der Rechtsgemeinschaft erwirken können (Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2011/2). § 758 ABGB bietet keine Grundlage für ein Verschaffungsvermächtnis (RIS-Justiz RS0030742; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 4), dh die Erben oder sonst Belasteten (Vermächtnisnehmer, Beschenkte auf den Todesfall) sind nicht verpflichtet, dem überlebenden Ehegatten Sachen oder Rechte zu verschaffen, die der Erblasser nicht hatte (Adensamer, ÖA 1991, 8; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 2; 8 Ob 17/07v). Die Ehewohnung oder zumindest das Recht auf ihre Benützung müssen daher in den Nachlass fallen (7 Ob 2303/96v = NZ 1997, 291 [Zankl]; 6 Ob 132/97y = SZ 70/122; vgl auch Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2011/2); erlischt das bisherige Benützungsrecht des Erblassers mit seinem Tod (etwa ein lebenslanges Wohnrecht [6 Ob 580/95 = NZ 1996, 243; RIS-Justiz RS0030723; Koch-Hipp, EF-Z 2007, 48] oder eine sonstige persönliche Dienstbarkeit [8 Ob 17/07v], eine Benützungsregelung [Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 2] oder ein Prekarium [Koch-Hipp, EF-Z 2007, 48]), besteht an der Wohnung kein gesetzlicher Voraus. Umgekehrt ist der gesetzliche Voraus aber auf Unterhaltsansprüche des überlebenden Ehegatten gem § 796 ABGB anzurechnen (§ 796 ABGB Rz 11).
3. Erbrechtlicher Bezug
12 Der Pflichtteilscharakter des gesetzlichen Voraus bewirkt, dass der überlebende Ehegatte ihn im Fall seiner (rechtmäßigen) Enterbung verliert; der Erb322
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Gesetzliches Ehegattenerbrecht
lasser kann ihn entziehen (vgl auch Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2011/2). Umgekehrt kann der überlebende Ehegatte auf den gesetzlichen Voraus auch verzichten (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 9); sein (allfälliger) Erb- und Pflichtteilsverzicht erstreckt sich im Zweifel auch auf den gesetzlichen Voraus (7 Ob 2303/96v = NZ 1997, 291 [Zankl]). Der Erblasser kann testamentarisch die Anrechnung des gesetzlichen Voraus auf den Erbteil des überlebenden Ehegatten anordnen (Hineinvermächtnis; Ostheim 58; Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 1; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 2); ansonsten hat eine Anrechnung zwar nicht auf den gesetzlichen Erbteil (Ostheim 58; Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 1; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 2), wohl aber – kapitalisiert – auf den Pflichtteil zu erfolgen (2 Ob 60/99h = NZ 1999, 378; Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 1; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Rz 2). Ist dem überlebenden Ehegatten der Verbleib in der Ehewohnung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen, etwa wegen altersoder krankheitsbedingter Pflegebedürftigkeit, unzumutbar oder unmöglich, kann er den für ihn nutzlosen gesetzlichen Voraus ohne Minderung seines Pflichtteils ausschlagen (1 Ob 2364/96w = NZ 1998, 60 [Zankl]; 5 Ob 14/ 02y; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 2; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 2). Für diese Erklärung ist ihm vom Abhandlungsgericht eine Frist zu setzen (Eccher, wobl 1991, 4; ders/Schwimann § 758 ABGB Rz 9).
4. Verbindlichkeiten
Der gesetzliche Voraus geht anderen Vermächtnissen vor und unterliegt erst 13 nach diesen einer allfälligen Kürzung (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 7). Grundsätzlich gehen ihm selbst aber jedenfalls Erblasser- (RIS-Justiz RS0115037) und Erbgangsschulden (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 6) vor; ist der Nachlass also überschuldet, verliert der überlebende Ehegatte den gesetzlichen Voraus (3 Ob 220/00z = immolex 2001/155 [Zankl]). Anders wäre die Situation lediglich, wenn der Erbe eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 6); dann haftet nämlich er für die Verbindlichkeiten. Der gesetzliche Voraus macht auch nicht anfechtungsfest (1 Ob 25/06t). Ob der gesetzliche Voraus auch Pflichtteilsansprüchen nachgeht, ist umstritten: Ein Teil der L meint – durchaus zutr –, im Hinblick auf den Unterhalts- und Pflichtteilscharakter gehe der gesetzliche Voraus auch Pflichtteilsansprüchen vor (Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 1; Apathy/KBB § 783 ABGB Rz 1); andere vertreten hingegen den Nachrang des gesetzlichen Voraus gegenüber Pflichtteilsansprüchen (Zankl, Vorausvermächtnis 127; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 6; wohl auch Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 2). Die Rsp scheint sich letzterer Auffassung angeschlossen zu haben (6 Ob 184/99y = SZ 72/174; 2 Ob 211/99i = EF 93.314, 93.315; 6 Ob 248/00i). Jedenfalls ist eine 323
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Gitschthaler
Kürzung des gesetzlichen Voraus ausgeschlossen, wenn er selbst der Pflichtteilsdeckung dient (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 6). 14 Kommt es zur Exekutionsführung gegen den (nunmehrigen) Eigentümer der Ehewohnung, an der der gesetzliche Voraus besteht, muss der überlebende Ehegatte zwar grundsätzlich weichen, wenn der gesetzliche Voraus nicht (auch) gegen den Ersteher der Ehewohnung wirkt (3 Ob 220/00z = immolex 2001/155 [Zankl]; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 8), die Versteigerungsbedingungen nichts Anderes vorsehen (3 Ob 220/00z = immolex 2001/155 [Zankl]) und die Verlassenschaft bzw die Erben dem überlebenden Ehegatten nicht ein dingliches Recht eingeräumt haben (Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 4). Den Eigentümer trifft aber die Verpflichtung, alles zu versuchen, um die Exekutionsführung abzuwehren (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 8); unterlässt er dies, ist er Schadenersatzansprüchen ausgesetzt (Zankl, Vorausvermächtnis 235). Als Miteigentümer der Ehewohnung ist er aber auch verpflichtet, einem Teilungsbegehren eines anderen Miteigentümers Unzeit iS des § 830 ABGB entgegen zu halten (6 Ob 233/04i = SZ 2004/179; vgl auch 5 Ob 125/09g), und zwar jedenfalls dann, wenn Eigentumsgemeinschaft auch schon mit dem Erblasser bestanden hat (6 Ob 132/97y = SZ 70/122; Hopf/ Kathrein § 758 ABGB Anm 4; krit dazu Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2011/2). Einer Exekutionsführung in die Haushaltssachen kann der überlebende Ehegatte den Pfändungsschutz nach § 251 Z 1 EO entgegenhalten (Eccher/ Schwimann § 758 ABGB Rz 8).
5. Anspruchsgegner
15 Die – sofort fälligen (5 Ob 191/03d = EvBl 2005/31) – Ansprüche auf den gesetzlichen Voraus richten sich zunächst gegen die Verlassenschaft und dann gegen die Erben bzw gegen einen bestimmten Erben, dem Ehewohnung oder die Haushaltssachen gehören (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 4; Apathy/ KBB § 758 ABGB Rz 5). Die Verpflichtung kann auch einen Vermächtnisnehmer treffen, dann läge ein Sublegat vor (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 5; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 5; aA Zankl, Vorausvermächtnis 192), oder einen auf den Todesfall Beschenkten (7 Ob 561/93 = SZ 66/102; Hopf/ Kathrein § 758 ABGB Anm 2; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 5), nicht aber einen sonstigen Geschenknehmer unter Lebenden (6 Ob 580/95 = EvBl 1996/ 45; 6 Ob 615/95 = NZ 1996, 308; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 2; Eccher/ Schwimann § 758 ABGB Rz 4). Letzterer könnte ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund geltend machen (7 Ob 295/03p = JBl 2004, 380; Zankl, Vorausvermächtnis 247). Die Ansprüche sind im Prozessweg zu verfolgen (4 Ob 607/74; 5 Ob 191/ 03d = EvBl 2005/31). Hat der überlebende Ehegatte einen Anspruch auf den 324
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gesetzlichen Voraus, kann er nicht auf eine Ersatzwohnung verwiesen werden (Zankl, Vorausvermächtnis 191; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 15). 6. Ehewohnung bzw gemeinsame Wohnung der eingetragenen Partner a) Allgemeines
Der gesetzliche Voraus erfasst die Ehewohnung iS des § 81 Abs 2 EheG, also 16 jene Wohnung, in der die Ehegatten im gemeinsamen Haushalt gelebt haben (2 Ob 187/06y = EvBl 2007/95; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 4; vgl zum Begriff der Ehewohnung ausführlich Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2011/2). Es muss sich damit nicht zwangsläufig um eine Wohnung handeln, es kann vielmehr auch ein Einfamilienhaus erfasst sein (7 Ob 561/93 = SZ 66/102; 2 Ob 187/ 06y = EvBl 2007/95; 5 Ob 125/09g; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 3). Kommen mehrere Wohnungen in Betracht, ist maßgeblich, welche die „Hauptwohnung“ war (7 Ob 644/95 = NZ 1996, 304 [Zankl]; Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 7; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 3). Sollte es mehrere „Hauptwohnungen“ der Ehegatten (etwa einen Sommer- und einen Wintersitz) gegeben haben, wird sich der überlebende Ehegatte für eine entscheiden müssen; da der gesetzliche Voraus ohnehin bereits zu Lasten der Erben bzw Miterben geht, kommt eine ausdehnende Auslegung insofern nicht in Betracht (idS auch 7 Ob 644/95 = NZ 1996, 304 [Zankl]; Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 7; ebenso Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2011/2 [nur 1 Ehewohnung]; aA Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 12). Umstritten ist die rechtliche Qualifikation des Wohnrechts in der Ehewoh- 17 nung (Vindikations- oder Damnationslegat [vgl ausführlich Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 2 und die dortigen Nachweise] sowie Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 8). Praktisch ist dies aber bedeutungslos, weil der überlebende Ehegatte ohnehin in der Wohnung lebt und es daher keines Übertragungsakts bedarf. Es besteht jedenfalls ein schuldrechtliches Verhältnis zwischen dem überlebenden Ehegatten und dem Erben oder Vermächtnisnehmer der Wohnung; ein Anspruch auf Einräumung eines dinglichen Titels besteht nicht (RIS-Justiz RS0012822; Koch-Hipp, EF-Z 2007, 49). Dieses Dauerschuldverhältnis kann aus wichtigem Grund beendet werden (7 Ob 295/03p = JBl 2004, 380; KochHipp, EF-Z 2007, 49; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 6). b) Benutzung und dringendes Wohnbedürfnis
Hat der Erblasser vor seinem Tod die Ehewohnung nicht mehr benutzt, hin- 18 dert dies deren Einstufung als gesetzlicher Voraus nicht (Eccher, wobl 1994, 2; Zankl, Vorausvermächtnis 186; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Rz 4). Maßgeblich ist aber die Kontinuität der Benutzung der Ehewohnung durch den über325
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lebenden Ehegatten. Hat nämlich dieser die Ehewohnung vor dem Tod des Erblassers endgültig (kein Urlaub, Krankenhaus- oder Kuraufenthalt [vgl dazu 2 Ob 187/06y = EvBl 2007/95]) verlassen, kann er dorthin nicht mehr zurückkehren (Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 4; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 11); er hat schlüssig verzichtet (2 Ob 187/06y = EvBl 2007/95). Dieser Verzicht muss allerdings freiwillig geschehen sein, was nicht anzunehmen ist, wenn das Verlassen „im Zusammenhang mit einer drohenden Ehescheidung“ erfolgte (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 11; Koch-Hipp, EFZ 2007, 48) und vom Erblasser veranlasst worden war (2 Ob 187/06y = EvBl 2007/95 [„Hinausekeln“; feindseliges und gewalttätiges Verhalten, welches dem überlebenden Ehegatten das weitere Zusammenleben mit dem Erblasser und in der bisherigen Umgebung „verunmöglichte“]; ebenso Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2011/2); eine Trennungsvereinbarung oder ein Beschluss nach § 92 Abs 2 ABGB (Näheres s dort) reichen jedoch nicht aus. 19 Ein dringendes Wohnbedürfnis des überlebenden Ehegatten ist nach überwL nicht erforderlich (Zankl, Vorausvermächtnis 194; Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 11; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 6; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 5; Koch-Hipp, EF-Z 2007, 48; aA Schauer, RdW 1990, 72; Eccher, wobl 1991, 6); es reicht, dass er die Ehewohnung persönlich beansprucht und nicht darauf verzichtet (Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 6; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 5) oder sie endgültig verlässt (Zankl, Ehegattenerbrecht 552; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 14). Berücksichtigt man, dass der gesetzliche Voraus vor allem dann zu Lasten der Erben bzw Miterben geht, wenn neben der Ehewohnung sonstiges Nachlassvermögen nicht oder nur in geringem Umfang vorhanden ist, begegnet die überwL auf der einen Seite gewissen Bedenken, wenn der überlebende Ehegatte über eine sonstige eigene Wohngelegenheit verfügt. Auf der anderen Seite bezweckt der gesetzliche Voraus dem überlebenden Ehegatten den Erhalt seiner gewohnten Umgebung, ein Umstand, der nichts damit zu tun hat, ob er auch noch über andere Wohngelegenheiten verfügt oder nicht, und der insb bei Personen höheren Alters von besonderer Bedeutung sein wird. ME wäre es daher durchaus denkbar, bei entsprechendem Einwand (und Beweispflicht) durch die Erben bzw Miterben eine konkrete Interessenabwägung vorzunehmen, die insb die Dauer der bisherigen Benützung der Ehewohnung, das Alter und die Gesundheit des überlebenden Ehegatten, die Lage, den Zustand, die Größe usw der Ersatzwohnmöglichkeit, den Wert des übrigen Nachlasses udgl miteinbeziehen müsste. Bei Wiederverheiratung erlischt das Wohnrecht ex lege (vgl § 75 EheG; ebenso Schauer, RdW 1990, 72; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 6; Eccher/ Schwimann § 758 ABGB Rz 14; aA Welser, NZ 1990, 142; Zankl, Vorausvermächtnis 242). Bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft samt anderweitiger Befriedigung des Wohnbedürfnisses schadet missbräuchliches Aufrechterhalten des Wohnbedürfnisses (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 14); ein solches 326
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wird jedoch regelmäßig zu verneinen sein, besteht doch in einer Lebensgemeinschaft weder eine Fortsetzungspflicht noch eine Absicherung der Lebensgefährten in unterhalts- oder wohnrechtlicher Hinsicht. Das Wohnrecht des überlebenden Ehegatten ist höchstpersönlich; er kann es 20 also nicht vererben oder übertragen, wohl aber andere Personen (etwa einen Lebensgefährten) in der Wohnung aufnehmen (Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 11; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 6; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 5 [„im Rahmen der normalen Beanspruchung“]). Es erlischt mit seinem Tod (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 18; Koch-Hipp, EF-Z 2007, 49). c) Umfang des Wohnrechts
Der Anspruch des überlebenden Ehegatten bleibt in Ansehung der Ehewoh- 21 nung inhaltlich gleich; sein bisheriges, gegen den Ehegatten zustehendes Benützungsrecht setzt sich als Anspruch gegen den „Vermächtnisschuldner“ fort (RIS-Justiz RS0012824; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 4; Eccher/ Schwimann § 758 ABGB Rz 13; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 5). Der durch die tatsächlichen Benützungsverhältnisse bestimmte Umfang des gesetzlichen Voraus an der Ehewohnung kann daher auch nicht durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Erblasser und dem mit diesem Vermächtnis Belasteten eingeschränkt werden (RIS-Justiz RS0012824). Der gesetzliche Voraus des überlebenden Ehegatten an der Ehewohnung setzt entsprechende Rechte des Erblassers an der Wohnung als Grundlage des Vermächtnisses voraus (Nachlasszugehörigkeit). Wenn der Erblasser nur Miteigentümer der Liegenschaft war, auf der sich die Ehewohnung befand, und er die Wohnung nur aufgrund einer Benützungsregelung unter Miteigentümern benützte, kann der überlebende Ehegatte der Teilungsklage der Miteigentümer nicht den gesetzlichen Voraus als Teilungshindernis entgegenhalten. Die Benützungsregelung ist auch nicht als Vereinbarung iS des § 831 ABGB, also als Verzicht auf den Teilungsanspruch, anzusehen (6 Ob 132/97y = SZ 70/122). Der Umfang der Ehewohnung richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen zum Todeszeitpunkt (5 Ob 125/09g), sie kann also auch einen Garten umfassen, ja selbst ein (großes) Haus sein; der überlebende Ehegatte muss sich nicht auf einen „angemessenen“ Teil bescheiden (6 Ob 13/02h). Tatsächlich nicht benützte Teile eines Hauses oder einer größeren Wohnung sind nicht erfasst; es muss aber eine akzeptable Abgrenzung von Wohneinheiten möglich sein (Zankl, Ehegattenerbrecht 550; Welser/Rummel § 758 ABGB Rz 11; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 12).
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d) Aufwendungen für die Wohnung
22 Der überlebende Ehegatte hat die Kosten der Wohnung zu tragen, also Betriebskosten und die Erhaltungskosten (Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 6). Ein Benützungsentgelt (5 Ob 191/03d = EvBl 2005/31) oder Mietzins (Eccher/ Schwimann § 758 ABGB Rz 16; aA Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 7) hat er aber ebenso wenig zu bezahlen, wie Kreditrückzahlungen zu leisten (Zankl, JAP 1990/91, 120; Adensamer, ÖA 1991, 8; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 6; aA Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 7). e) Sicherung der Wohnung
23 Der überlebende Ehegatte ist Besitzer der Wohnung und genießt damit Besitzesschutz nach § 339 ABGB gegenüber jedermann (Reinl, JBl 1969, 370; Jensik, NZ 1976, 68; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 17). Gegenüber dem Eigentümer der Wohnung steht ihm das petitorische Recht auf Duldung der Benützung zu. Dieses Recht kann durch Einverleibung eines Veräußerungsund Belastungsverbots nach § 382 Z 6 EO im Fall der Gefährdung der Wohnungsbenützung gesichert werden (Hopf/Kathrein § 758 ABGB Rz 5; Eccher/ Schwimann § 758 ABGB Rz 17). Veräußert der Eigentümer die Wohnung zum Nachteil des überlebenden Ehegatten, stehen diesem Schadenersatzansprüche gegen den Eigentümer und – bei dessen Kenntnis vom Wohnrecht – auch gegen den erwerbenden Dritten zu (Zankl, Vorausvermächtnis 227; Eccher/ Schwimann § 758 ABGB Rz 17; Koch-Hipp, EF-Z 2007, 49). Dies gilt nur dann nicht, wenn der überlebende Ehegatte keine Aufwendungen für eine anderweitige Wohnversorgung zu tätigen hat (1 Ob 216/98s = immolex 1999/ 110 [Zankl]). Erörtert wird auch die Möglichkeit, dem überlebenden Ehegatten einen Anspruch nach § 97 ABGB für den Fall der Gefährdung der Wohnmöglichkeit zu gewähren (Watzl, JBl 1992, 617; Zankl, Ehegattenerbrecht 549; ders, Vorausvermächtnis 224; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 17). Aufgrund vergleichbarer Interessenlage ist dem einiges abzugewinnen. Damit stünde dem überlebenden Ehegatten aber auch die Möglichkeit einer EV nach § 382 h EO offen (Näheres zu dieser EV vgl dort).
7. Haushaltssachen
24 Der gesetzliche Voraus ist hinsichtlich der beweglichen Sachen durchaus umfassend; er erfasst alle Sachen, die der überlebende Ehegatte zur Fortführung des Haushalts im bisherigen Rahmen braucht. Sie gehen – als Vermächtnis – ins Eigentum des überlebenden Ehegatten über (Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 3, 19). Erfasst sind somit zwar nicht alle zum Haushalt gehörenden 328
Anspruch des Noterben auf den notwendigen Unterhalt
§ 795 ABGB
Sachen, sondern nur diejenigen, die zur Fortführung des Haushalts entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind; auf den persönlichen Bedarf des überlebenden Ehegatten kommt es aber nicht an (Hopf/ Kathrein § 758 ABGB Anm 8; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 19). Erfasst sind idR Möbel, Haushaltsgeräte und Hausrat einschließlich auch kostbaren Tafelsilbers und -geschirrs (Loebenstein, ÖJZ 1990, 142), zur Wohnungsausstattung gehörende Teppiche und Bilder, Rundfunk- und Fernsehgeräte und ein privater Computer. Nicht erfasst sind hingegen Bargeld (Apathy/ KBB § 758 ABGB Rz 3; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 20), ein PKW (aA Zankl, Vorausvermächtnis 261 und Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 20 „bei abgelegener Wohnung“), eine Wertanlage darstellende Gemälde und Sachen, die der Berufsausübung des Erblassers dienten (Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 3; Eccher/Schwimann § 758 ABGB Rz 20; aA Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 8), etwa eine Fachbibliothek. Der Erblasser kann im Hinblick auf den Pflichtteilscharakter des gesetzlichen 25 Voraus (s Rz 10) grundsätzlich über die Haushaltssachen nicht letztwillig verfügen (Adensamer, ÖA 1991, 8; Hopf/Kathrein § 758 ABGB Anm 8), es sei denn die Lebensverhältnisse des überlebenden Ehegatten werden dadurch nicht berührt, insb weil ihm angemessener Ersatz geboten wird (Welser, NZ 1990, 142; Apathy/KBB § 758 ABGB Rz 3).
Anspruch des Noterben auf den notwendigen Unterhalt § 795. Einem Noterben, der von seinem Pflichtteile selbst gesetzmäßig ausgeschlossen wird, muß doch immer der notwendige Unterhalt ausgemessen werden. [Stammfassung] Lit: Samek, Das österreichische Pflichtteilsrecht (2004); Zankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (1996).
Wurde der überlebende Ehegatte gem §§ 768 ff ABGB rechtmäßig enterbt 1 oder ist er erbunfähig bzw -unwürdig, stehen ihm keine Pflichtteilsansprüche zu. In diesem Fall hat er dann aber auch keinen Anspruch nach § 796 ABGB gegen den Erben des Unterhaltspflichtigen (Apathy/KBB § 795 ABGB Rz 1). Soweit sein Unterhalt allerdings nicht anders gedeckt wird, kann er „notwendigen Unterhalt“ nach § 795 ABGB verlangen, es sei denn, er hat darauf verzichtet; entzogen werden kann ihm dieser Unterhalt vom verstorbenen Ehegatten aber nicht (Welser/Rummel § 795 ABGB Rz 3; Apathy/KBB § 795 329
§ 795 ABGB
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ABGB Rz 1). Hat sich der überlebende Ehegatte mit den Erben über seine Pflichtteilsansprüche verglichen, steht ihm ein weiterer Anspruch nach § 795 ABGB nicht zu (1 Ob 370/30 = SZ 12/92; Apathy/KBB § 795 ABGB Rz 1). § 795 ABGB gilt nicht bei einem Verzicht auf den Pflichtteil (8 Ob 568/91 = NZ 1992, 2; Weiß/Klang III2, 957; Welser/Rummel § 795 ABGB Rz 2; Eccher/ Schwimann § 795 ABGB Rz 2; Apathy/KBB § 795 ABGB Rz 1), bei dessen Ausschlagung (Eccher/Schwimann § 795 ABGB Rz 2) oder im Fall dessen Verjährung (6 Ob 114/62 = SZ 35/48). 2 „Notwendiger Unterhalt“ ist iS des „notdürftigen Unterhalts“ des § 73 EheG zu verstehen (vgl Eccher/Schwimann § 795 ABGB Rz 1). Es geht um das physische Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten; auf Stand und gesellschaftliche Verhältnisse ist nicht Rücksicht zu nehmen (3 Ob 104/64 = SZ 37/ 124; Welser/Rummel § 795 ABGB Rz 4; Apathy/KBB § 795 ABGB Rz 2). Zuzuerkennen ist daher grundsätzlich Unterhalt in Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG bzw des Existenzminimums nach § 291a EO unter Außerachtlassung der Steigerungsbeträge nach § 291a Abs 2 und 3 EO (vgl § 73 EheG Rz 6). Der Anspruch, der anderen Pflichtteilsansprüchen nicht vorgeht (Welser/ Rummel § 795 ABGB Rz 8; aA Zankl, Vorausvermächtnis 140 FN 247; vgl auch § 796 ABGB Rz 7) und binnen 3 Jahren verjährt (Welser/Rummel § 795 ABGB Rz 6; Samek 93; Eccher/Schwimann § 795 ABGB Rz 5), ist mit der Höhe des hypothetischen Pflichtteils (1 Ob 370/30 = SZ 12/92; Welser/Rummel § 795 ABGB Rz 4; Eccher/Schwimann § 795 ABGB Rz 3), nicht aber mit dem Wert der Verlassenschaft (Welser/Rummel § 795 ABGB Rz 4; Eccher/ Schwimann § 795 ABGB Rz 3; Apathy/KBB § 795 ABGB Rz 2) begrenzt. Er ist im Rechtsweg durchzusetzen (Weiß/Klang III2, 954; Welser/Rummel § 795 ABGB Rz 5). 3 Ein Anspruch nach § 795 ABGB setzt grundsätzlich voraus, dass der Erblasser letztwillig über den Nachlass anderweitig verfügte. Er besteht also nicht, wenn der Erblasser dies mit seinem Vermögen bereits zu Lebzeiten getan hat (1 Ob 229/57). 4 Gem § 537a ABGB gilt § 795 ABGB auch für eingetragene Partner und Partnerschaften; die vorstehenden Ausführungen kommen daher auch iZm eingetragenen Partnern zur Anwendung.
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§ 796 ABGB
Ehegattenunterhalt im Todesfall
Anspruch des Ehegatten auf den Unterhalt im Todesfall § 796. Der Ehegatte hat, außer in den Fällen der §§ 759 und 795, solange er sich nicht wiederverehelicht, an die Erben bis zum Wert der Verlassenschaft einen Anspruch auf Unterhalt nach den sinngemäß anzuwendenden Grundsätzen des § 94. In diesen Anspruch ist alles einzurechnen, was der Ehegatte nach dem Erblasser durch vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlicher Erbteil, als Pflichtteil, durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält; desgleichen eigenes Vermögen des Ehegatten oder Erträgnisse einer von ihm tatsächlich ausgeübten oder einer solchen Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann. [neu gefasst durch EheRÄG 1978] Lit: Ent, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 117, 149, 165; Ent/Hopf, Das neue Eherecht (1979); Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und bei Tod (1998); Kostner, Die Unterhaltsschuld des Erben (§ 142 ABGB), NZ 1978, 171; Migsch, Persönliche Ehewirkungen, gesetzlicher Güterstand und Ehegattenerbrecht, in Floretta, Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht, 61 ff; Ostheim, Zur Unterhaltsschuld des Erben, NZ 1979, 49; ders, Zur erbrechtlichen Stellung des Ehegatten nach dem BG 15.6.1978 BGBl 280, in Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979) 57; Schauer, Rechtsprobleme bei der Anrechnung im Erbrecht, JBl 1980, 449; Samek, Das österreichische Pflichtteilsrecht (2004); Zankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (1996); Zdesar, Die Vererblichkeit des Unterhaltes des Kindes und ihre Behandlung im Verlassenschaftsverfahren, NZ 1979, 23; Zemen, Unterhaltsschuld des Erben und Pflichtteilsansprüche, JBl 1984, 337; ders, Zur Kürzung der Vermächtnisse nach § 783 ABGB, ÖJZ 1985, 65. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Allgemeines . . . . . . . Unterhaltsanspruch Kapitalisierung . . . . Leistungspflichtiger .
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1–3 4–7 8 9–12
A. Allgemeines Ist die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Unterhaltspflichtigen aufrecht (Wel- 1 ser/Rummel § 759 ABGB Rz 2; Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 1; Eccher/ Schwimann § 796 ABGB Rz 2; zum Geschiedenenunterhalt vgl § 78 EheG), steht dem überlebenden Ehegatten einerseits das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB (Wohnrecht an der Ehewohnung sowie Eigentum an den zur Fortführung des Haushalts nach den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlichen beweglichen Sachen; Näheres s dort) und andererseits – neben 331
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Gitschthaler
Pflichtteilsansprüchen (Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 1) – ein Unterhaltsanspruch nach den Grundsätzen des § 94 ABGB zu. Grundvoraussetzung ist, dass der überlebende Ehegatte zumindest pflichtteilsberechtigt ist (§ 795 ABGB; Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 1; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 2; Apathy/KBB § 796 ABGB Rz 3). Gem § 537a ABGB gilt § 796 ABGB auch für eingetragene Partner und Partnerschaften; sämtliche Ausführungen kommen daher auch iZm eingetragenen Partnern zur Anwendung. 2 Der Anspruch nach § 796 ABGB stellt trotz seiner Regelung iZm dem Erbrecht keinen erbrechtlichen Anspruch dar, sondern einen (gesetzlichen) unterhaltsrechtlichen; er ist Erbfall- und nicht Erblasserschuld (Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 1). Der Unterhaltsanspruch wird daher von einem vertraglichen Verzicht auf Erbrecht und gesetzlichen Voraus im Zweifel nicht umfasst (2 Ob 538/57; 8 Ob 568/91 = EF 66.246; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 4; Apathy/KBB § 796 ABGB Rz 2). Umgekehrt sind aber auf letztwilliger Verfügung beruhende Ansprüche des überlebenden Ehegatten nicht als Ansprüche auf gesetzlichen Unterhalt anzusehen (1 Ob 652/92), weshalb sich das Abhandlungsgericht um diese „Unterhaltsansprüche“ nicht zu sorgen hat. Sie bilden nicht den Gegenstand der Abhandlung, sondern sind bei Bestreitung auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen (5 Ob 52/70; 7 Ob 546/88 = RZ 1988/38; 7 Ob 290/00y = EF 92.888). Aber auch die Ansprüche nach § 796 ABGB sind im Rechtsweg – allerdings ohne Möglichkeit einer Unterhalts-EV nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO (1 Ob 678/79 = EF XVI/1) – geltend zu machen (Purtscheller/Salzmann Rz 122; Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 4; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 6). 3 Der Anspruch kann nur auf eine Geldrente gerichtet sein, es sei denn, dem überlebenden Ehegatten ist durch Vertrag oder letztwillige Verfügung eine Naturalversorgung zugewendet worden (6 Ob 8/81 = SZ 54/145; 1 Ob 733/ 83 = JBl 1984, 552; 4 Ob 523/87 = JBl 1988, 237); zur Ehewohnung vgl bei § 758 ABGB. Eine zeitliche Beschränkung ist nicht vorgesehen, insb nicht durch die voraussichtliche Dauer der Leistungsfähigkeit oder gar durch die statistische Lebenserwartung des (etwa durch einen Unfall früher) verstorbenen Ehegatten (8 Ob 346/67 = SZ 41/1; 7 Ob 553/87 = EF 54.138; Apathy/KBB § 796 ABGB Rz 1). Beendet wird der Anspruch vielmehr erst durch den Tod des Unterhaltsberechtigten (vgl § 94 ABGB Rz 17) oder durch seine Wiederverheiratung (vgl § 75 EheG). Geht der Unterhaltsberechtigte eine Lebensgemeinschaft ein, ruht der Anspruch wie jener auf nachehelichen Unterhalt (Schwind/Ehrenzweig 99; Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 3; vgl dazu aber auch § 75 EheG Rz 7 ff). Eine Verwirkung des Anspruchs durch den Unterhaltsberechtigten nach dem Tod des Unterhaltspflichtigen ist im eingeschränkten Maße möglich (vgl § 78 EheG Rz 5; vgl auch Ehrenzweig/Schwind 101; aA [Verwirkung 332
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nicht möglich] Hopf/Kathrein Anm 3). War der Unterhalt bereits zu Lebzeiten des Unterhaltspflichtigen verwirkt, steht ohnehin kein Unterhalt nach § 796 ABGB zu (Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 3). Der Anspruch kann allenfalls auch rückwirkend – unter Bedachtnahme auf die Verjährungsfrist des § 1480 ABGB – geltend gemacht werden (Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 4; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 6).
B. Unterhaltsanspruch Der Unterhaltsanspruch besteht nur, sofern (Grund) und soweit (Höhe) der 4 überlebende Ehegatte gegenüber dem Erblasser tatsächlich unterhaltsberechtigt war (7 Ob 560/85 = EF 48.523; Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 1). Stand ihm also ein Unterhaltsanspruch nicht zu, kann ein solcher auch nicht durch § 796 ABGB begründet werden. Der Auffassung, die Abweisung einer Unterhaltsklage zu Lebzeiten des Unterhaltspflichtigen stehe einem Anspruch nach § 796 ABGB nicht entgegen (GlU 3653; Purtscheller/ Salzmann Rz 123), kann daher lediglich für den Fall einer Sachverhaltsänderung zugestimmt werden (idS auch 6 Ob 131/01k = EF 100.184). Ist der überlebende Ehegatte nicht pflichtteilsberechtigt, gebührt ihm lediglich der notwendige (vgl dazu § 795 ABGB Rz 2) Unterhalt (Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 1). Hat der überlebende Ehegatte auf Unterhalt verzichtet, steht diesem Verzicht § 94 Abs 3 ABGB grundsätzlich (vgl § 94 ABGB Rz 298 ff) nicht entgegen; er ist also gültig, und zwar sowohl vor dem Tod des Unterhaltspflichtigen als auch danach (Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 5; Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 2; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 4; krit Apathy/KBB § 796 ABGB Rz 2). Dem überlebenden Ehegatten steht nicht nur der „anständige Unterhalt“ zu. 5 Durch die Verweisung auf § 94 ABGB soll vielmehr sichergestellt werden, dass der Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten den Lebensverhältnissen entspricht, in denen die früheren Ehegatten bis zum Tode des Erblassers gelebt haben (Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 4). Dem überlebenden Ehegatten gebührt daher der Unterhalt aber nur so weit, als dies im Falle des Fortlebens des verstorbenen Ehegatten nach der konkreten Situation der Eheleute im Rahmen des § 94 ABGB der Fall gewesen wäre (vgl Näheres bei § 94 ABGB). Dies muss jedoch nicht zu einer Fixierung des zuletzt bestandenen Anspruchs führen, weil immer die angemessenen Bedürfnisse des überlebenden Ehegatten zu berücksichtigen sind (7 Ob 560/85 = EF 48.523; 7 Ob 553/ 87 = EF 54.138; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 3). Unter Beachtung der Umstandsklausel können sich diese ja erhöhen oder vermindern (7 Ob 560/85 = EF 48.523; Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 2). Eine hypothetische Ein333
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schätzung der Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ist allerdings nicht vorzunehmen (8 Ob 346/67; 7 Ob 553/87 = NZ 1988, 107; Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 2; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 3; Apathy/KBB § 796 ABGB Rz 1). 6 Da der Unterhaltsanspruch nach § 796 ABGB nur hilfsweise besteht, soll er nur dann gegeben sein, wenn die angemessene Versorgung des Unterhaltsberechtigten nicht durch andere Mittel, gleich woher diese kommen mögen, gesichert ist (1 Ob 592/82 = SZ 55/54; 7 Ob 560/85 = EF 48.523; vgl auch Welser/ Rummel § 796 ABGB Rz 11). Den überlebenden Ehegatten trifft die Beweispflicht für seinen Unterhaltsbedarf (Purtscheller/Salzmann Rz 122). 7 Damit ist auf (allenfalls nach Anspannungsgrundsätzen ermitteltes [vgl § 94 ABGB Rz 221 ff) Einkommen des überlebenden Ehegatten (dies gilt auch für den früher den Haushalt führenden Ehegatten [Hopf/Kathrein Anm 6]), auf Vermögenserträgnisse und das Vermögen selbst (Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 6) Bedacht zu nehmen, desgl aber auch auf das, was der überlebende Ehegatte als Erb- oder Pflichtteil bzw als sonstige Zuwendung erhalten hat, und auf das gesetzliche Vorausvermächtnis gem § 758 ABGB (Eccher/ Schwimann § 796 ABGB Rz 5 [„selbstverständlich“ einzurechnen]; aA Zankl, Vorausvermächtnis 138; Apathy/KBB § 796 ABGB Rz 4). Zu berücksichtigen sind weiters sowohl öffentlich- als auch privatrechtliche Leistungen (Apathy/ KBB § 796 ABGB Rz 4), die der überlebende Ehegatte nach dem Erblasser erhält, also etwa eine Witwer/Witwenpension nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (1 Ob 592/82 = SZ 55/54; 7 Ob 560/85 = EF 48.523; 3 Ob 160/10s) und Lebensversicherungen nach dem VersVG (7 Ob 290/00y = EF 92.884). Einkommen des überlebenden Ehegatten ist nicht nur angemessen, sondern zur Gänze anzurechnen (Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 6).
C. Kapitalisierung 8 Die Einrechnungsbestimmung (vgl Rz 7) erfordert es, den ermittelten Unterhaltsbetrag zu kapitalisieren, um gegenüber den in Kapitalbeträgen bestehenden Einrechnungsposten eine kommensurable Größe zu schaffen (7 Ob 560/ 85 = EF 48.523; Purtscheller/Salzmann Rz 122; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 3; Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 14). Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn der Unterhalt durch laufende eigene Einkünfte des überlebenden Ehegatten hinreichend gedeckt ist. Auf diesen kapitalisierten Unterhaltsbetrag, der auch auf die Lebenserwartung des Unterhaltsberechtigten Bedacht zu nehmen hat, sind dann die angeführten Werte anzurechnen. Erreichen sie die Höhe des kapitalisierten Unterhaltsbetrags, steht dem überlebenden Ehegatten kein Unterhaltsanspruch 334
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gegen die Erben zu, andernfalls haften diese für den durch die Einrechnungswerte nicht gedeckten Teil dem Unterhaltsberechtigten bis zum Wert des reinen Nachlasses (7 Ob 560/85 = EF 48.523; Zemen, JBl 1984, 337; Hopf/Kathrein Anm 5). Der Anspruch besteht erst ab dem Zeitpunkt, ab dem der Unterhaltsberechtigte voraussichtlich aus den einrechnungspflichtigen Posten keine Deckung mehr erlangen kann (Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 11). Eine Kapitalabfindung kann nicht begehrt werden (Ob I 489/28 = NZ 1928, 136; Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 6; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 3); in der Praxis wird dies jedoch häufig eine durchaus vernünftige Vorgangsweise sein, um eine endgültige Bereinigung zwischen überlebendem Ehegatten und den Erben herbeiführen zu können.
D. Leistungspflichtiger Der auf § 796 ABGB gestützte Anspruch des überlebenden Ehegatten richtet 9 sich gegen den Nachlass des Unterhaltspflichtigen und nach der Einantwortung gegen den Erben (7 Ob 158/65; 6 Ob 131/01k = EF 100.183); ein Vermächtnisnehmer haftet nicht (7 Ob 158/65; vgl jedoch Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 5, 6). Der Erbe haftet ohne Rücksicht auf die Art seiner Erbantrittserklärung dem Unterhaltsberechtigten immer nur wie ein Vorbehaltserbe (7 Ob 560/85 = EF 48.523; 4 Ob 523/87 = EF 54.140; 6 Ob 131/01k = EF 100.183; Hopf/Kathrein Anm 5; Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 7), also (nur) mit dem gesamten Nachlass (1 Ob 372/26 = SZ 8/165; 8 Ob 346/67 = SZ 41/1; 7 Ob 560/85 = EF 48.523). Maßgeblich ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt der Einantwortung 10 (7 Ob 290/00y = EF 92.881; 6 Ob 131/01k = EF 100.183; Purtscheller/Salzmann Rz 119; Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 7). Unter dem Wert des Nachlasses wird der Wert des Reinnachlasses verstanden, also jene Vermögensposition, die sich nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallsschulden) ergibt, wobei auch die Ertragsfähigkeit des Nachlasses zu berücksichtigen ist (7 Ob 290/00y = EF 92.882; 6 Ob 131/01k = EF 100.183). Nachlassgläubiger gehen grundsätzlich dem Anspruch nach § 796 ABGB vor (Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 2, 7; Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 8). Damit besteht der Anspruch etwa nicht gegenüber einem überschuldeten Nachlass (4 Ob 523/87 = EF 54.140; 6 Ob 131/01k = EF 100.183; Ostheim 70; Apathy/KBB § 796 ABGB Rz 1). Nach älterer Rsp (1 Ob 372/26 = SZ 8/165; 8 Ob 346/67 = SZ 41/1; 5 Ob 647/ 11 81 = SZ 54/107; 7 Ob 553/87 = NZ 1988, 107; ebenso Kostner, NZ 1978, 171; Zdesar, NZ 1979, 24) sollte der Anspruch des überlebenden Ehegatten nicht nur den Ansprüchen aller Vermächtnisnehmer und Erben (ebenso Apathy/ 335
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KBB § 796 ABGB Rz 5; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 5), sondern auch jenen der Noterben vorgehen. Dem gegenüber meinen die jüngere Rsp (7 Ob 290/00y = EF 92.883) und die hL (Zemen, JBl 1984, 343; Purtscheller/Salzmann Rz 120; Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 9, 12; Hopf/Kathrein § 796 ABGB Anm 7; Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 5), die Ansprüche der Noterben seien grundsätzlich zunächst vom reinen Nachlass zu berechnen und davon in Abzug zu bringen, weil die Unterhaltsforderung des überlebenden Ehegatten nunmehr ebenfalls eine Erbfallschuld sei. Dem ist beizupflichten, weil die Novellierung des § 796 ABGB tendenziell die Unterhaltsrechte des überlebenden Ehegatten abschwächen wollte (vgl auch Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 10; aA nunmehr aber wieder Apathy/KBB § 796 ABGB Rz 5). Da also die Pflichtteilsansprüche der Unterhaltsschuld vorgehen, bildet die tatsächliche Haftungsobergrenze der um die Pflichtteilslast verminderte Reinnachlass (Eccher/Schwimann § 796 ABGB Rz 5). 12 Ist der Unterhaltsberechtigte selbst einer von mehreren Erben, ist zunächst zu kapitalisieren (Rz 8) und einzurechnen (Rz 7) und sodann der (allfällige) Überhang nach den Erbquoten aufzuteilen (vgl dazu auch Welser/Rummel § 796 ABGB Rz 14). Mehrere Erben haften nicht solidarisch, sondern anteilig bis zur Höhe der jeweiligen Erbquote (7 Ob 290/00y = EF 92.887).
Von den Ehepakten Ehepakte § 1217. (1) Ehepakte heißen diejenigen Verträge, welche in der Absicht auf die eheliche Verbindung über das Vermögen geschlossen werden. Sie haben vorzüglich die Gütergemeinschaft und den Erbvertrag zum Gegenstand. (2) Die Bestimmungen dieses Hauptstücks sind auf eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden. [Überschrift und Abs 1 idF gem Art 1 Z 9 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75; Abs 2 angefügt durch Art 2 Z 5 EPG BGBl I 2009/135]
§§ 1218 bis 1219. Samt Randschriften aufgehoben durch Art 1 Z 10 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75.
Ausstattung § 1220. Besitzt ein Kind kein eigenes, zu einer angemessenen Ausstattung hinlängliches Vermögen, so sind Eltern oder Großeltern nach der Reihenfolge und nach den Grundsätzen, nach denen sie für den Unterhalt der 336
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Von den Ehepakten
Kinder zu sorgen haben, verpflichtet, den Kindern oder Enkelkindern bei ihrer Verehelichung eine Ausstattung zu geben oder dazu verhältnismäßig beizutragen. [Fassung samt Überschrift gem Art 1 Z 11 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75]
§ 1221. Berufen sich Eltern oder Großeltern auf ihr Unvermögen zur Bestellung einer angemessenen Ausstattung, so hat das Gericht auf Antrag des Ausstattungsberechtigten, jedoch ohne strenge Untersuchung des Vermögensstands, darüber zu entscheiden. [Fassung gem Art 1 Z 11 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75]
§ 1222. Wenn ein Kind ohne Wissen oder gegen den Willen seiner Eltern geheiratet hat und das Gericht die Ursache der Missbilligung begründet findet, sind die Eltern selbst in dem Falle, dass sie in der Folge die Ehe genehmigen, nicht schuldig, ihm eine Ausstattung zu geben. [Fassung gem Art 1 Z 11 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75]
§§ 1224 bis 1232. Samt Randschriften aufgehoben durch Art 1 Z 12 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75.
Gütergemeinschaft § 1233. Die eheliche Verbindung allein begründet noch keine Gemeinschaft der Güter zwischen den Eheleuten. Dazu wird ein besonderer Vertrag erfordert, dessen Umfang und rechtliche Form nach den §§ 1177 und 1178 des vorigen Hauptstückes beurteilt wird. [Stammfassung; Randschrift ersetzt durch Überschrift gem Art 1 Z 13 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75]
§ 1234. Die Gütergemeinschaft unter Ehegatten wird in der Regel nur auf den Todesfall verstanden. Sie gibt dem Ehegatten das Recht auf die Hälfte dessen, was von den der Gemeinschaft wechselseitig unterzogenen Gütern nach Ableben des anderen Ehegatten noch vorhanden sein wird. [Stammfassung]
§ 1235. Bei einer Gemeinschaft, die sich auf das ganze Vermögen bezieht, sind vor der Teilung alle Schulden ohne Ausnahme; bei einer Gemeinschaft aber, die bloß das gegenwärtige, oder bloß das künftige Vermögen zum Gegenstande hat, nur diejenigen Schulden abzuziehen, die zum Nutzen des gemeinschaftlichen Gutes verwendet worden sind. [Stammfassung]
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Höllwerth
§ 1236. Besitzt ein Ehegatte ein unbewegliches Gut, und wird das Recht des andern Ehegatten zur Gemeinschaft in die öffentlichen Bücher eingetragen; so erhält dieser durch die Eintragung auf die Hälfte der Substanz des Gutes ein dingliches Recht, vermöge dessen der eine Ehegatte über diese Hälfte keine Anordnung machen kann; auf die Nutzungen aber während der Ehe erhält er durch die Einverleibung keinen Anspruch. Nach dem Tode des Ehegatten gebührt dem überlebenden Teile sogleich das freie Eigentum seines Anteiles. Doch kann eine solche Einverleibung den auf das Gut früher eingetragenen Gläubigern nicht zum Nachteile gereichen. [Stammfassung]
Gesetzlicher ehelicher Güterstand § 1237. Haben Eheleute über die Verwendung ihres Vermögens keine besondere Übereinkunft getroffen, so behält jeder Ehegatte sein voriges Eigentumsrecht, und auf das, was ein jeder Teil während der Ehe erwirbt, und auf was immer für eine Art überkommt, hat der andere solange die Ehe besteht, keinen Anspruch. [Überschrift gem Art 1 Z 14 und Fassung gem Art 1 Z 15 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/ 75]
§§ 1238 bis 1241. Aufgehoben durch Art I Z 13 EheRÄndG BGBl 1978/280. § 1242. Samt Randschrift aufgehoben durch Art 1 Z 16 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75. § 1243. Aufgehoben durch Art I Z 4 EheRwG BGBl 1975/412. §§ 1244 und 1245. Samt Randschriften aufgehoben durch Art 1 Z 16 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75.
Schenkungen unter Ehegatten und Verlobten § 1246. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Schenkungen zwischen Ehegatten wird nach den für die Schenkungen überhaupt bestehenden Gesetzen beurteilt. [Stammfassung]
§ 1247. Was ein Mann seiner Ehegattin an Schmuck, Edelsteinen und anderen Kostbarkeiten zum Putze gegeben hat, wird im Zweifel nicht für ge338
§§ 1217–1266 ABGB
Von den Ehepakten
lehnt; sondern für geschenkt angesehen. Wenn aber ein verlobter Teil dem andern; oder auch ein Dritter dem einen oder andern Teile in Rücksicht auf die künftige Ehe etwas zusichert oder schenket; so kann, wenn die Ehe ohne Verschulden des Geschenkgebers nicht erfolgt, die Schenkung widerrufen werden. [Stammfassung]
Wechselseitige Testamente § 1248. Den Ehegatten ist gestattet, in einem und dem nämlichen Testamente sich gegenseitig, oder auch andere Personen als Erben einzusetzen. Auch ein solches Testament ist widerruflich; es kann aber aus der Widerrufung des einen Teiles auf die Widerrufung des andern Teiles nicht geschlossen werden (§ 583). [Stammfassung]
Erbverträge Erfordernisse zur Gültigkeit des Erbvertrages § 1249. Zwischen Ehegatten kann auch ein Erbvertrag, wodurch der künftige Nachlaß, oder ein Teil desselben versprochen, und das Versprechen angenommen wird, geschlossen werden (§ 602). Zur Gültigkeit eines solchen Vertrages ist jedoch notwendig, daß er schriftlich mit allen Erfordernissen eines schriftlichen Testamentes errichtet werde. [Stammfassung]
§ 1250. Ein pflegebefohlener Ehegatte kann zwar die ihm versprochene, unnachteilige Verlassenschaft annehmen; aber die Verfügung über seine eigene Verlassenschaft kann, ohne Genehmhaltung des Gerichtes, nur insofern bestehen, als sie ein gültiges Testament ist. [Stammfassung]
Vorschrift über die eingerückten Bedingungen § 1251. Was von Bedingungen bei Verträgen überhaupt gesagt worden ist, muß auch auf Erbverträge zwischen Ehegatten angewendet werden. [Stammfassung]
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Wirkungen des Erbvertrages § 1252. Ein selbst den öffentlichen Büchern einverleibter Erbvertrag hindert den Ehegatten nicht, mit seinem Vermögen, solange er lebt, nach Belieben zu schalten. Das Recht, welches daraus entsteht, setzt den Tod des Erblassers voraus; es kann von dem Vertragserben, wenn er den Erblasser nicht überlebt, weder auf andere übertragen, noch der künftigen Erbschaft willen eine Sicherstellung gefordert werden. [Stammfassung]
§ 1253. Durch den Erbvertrag kann ein Ehegatte auf das Recht, zu testieren, nicht gänzlich Verzicht tun; ein reiner Vierteil, worauf weder der jemanden gebührende Pflichtteil, noch eine andere Schuld lasten darf, bleibt kraft des Gesetzes zur freien letzten Anordnung immer vorbehalten. Hat der Erblasser darüber nicht verfügt; so fällt er doch nicht dem Vertragserben, obschon die ganze Verlassenschaft versprochen worden wäre, sondern den gesetzlichen Erben zu. [Stammfassung]
Erlöschung desselben § 1254. Der Erbvertrag kann zum Nachteile des andern Gatten, mit dem er geschlossen worden ist, nicht widerrufen; sondern nur nach Vorschrift der Gesetze entkräftet werden. Den Noterben bleiben ihre Rechte, wie gegen eine andere letzte Anordnung vorbehalten. [Stammfassung]
§§ 1255 bis 1261. Samt Randschriften aufgehoben durch Art 1 Z 17 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75. § 1262. Ist zwischen den Ehegatten eine Gemeinschaft der Güter bedungen; so hört dieselbe durch den Konkurs des einen oder des andern Ehegatten auf, und das zwischen ihnen gemeinschaftliche Vermögen wird, wie bei dem Tode, geteilt. [Stammfassung]
§§ 1263 und 1264. Samt Randschriften aufgehoben durch Art 1 Z 17 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75.
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Von den Ehepakten
Nichtigerklärung der Ehe § 1265. Wird eine Ehe für ungültig erklärt; so zerfallen auch die Ehepakte; das Vermögen kommt, insofern es vorhanden ist, in den vorigen Stand zurück. Der schuldtragende Teil hat aber dem schuldlosen Teile Entschädigung zu leisten. [Fassung gem Art 1 Z 19 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75]
Scheidung oder Aufhebung der Ehe § 1266. Im Fall einer Scheidung oder Aufhebung der Ehe mit gleichteiligem oder ohne Verschulden oder einer Scheidung im Einvernehmen sind die Ehepakte für beide Teile erloschen, sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde. Ansonsten gebührt dem schuldlosen oder minderschuldigen Ehegatten nicht nur volle Genugtuung, sondern ab dem Zeitpunkt der Scheidung alles dasjenige, was ihm in den Ehepakten auf den Fall des Überlebens bedungen worden ist. Das Vermögen, worüber eine Gütergemeinschaft bestanden hat, wird wie im Falle des Todes geteilt, und das Recht aus einem Erbvertrag bleibt dem Schuldlosen oder Minderschuldigen auf den Todesfall vorbehalten. Die gesetzliche Erbfolge (§§ 757–759) kann ein geschiedener, obgleich schuldloser oder minderschuldiger Ehegatte nicht ansprechen. [Überschrift und Fassung gem Art 1 Z 20 FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75] Lit: Arnold, Ehegüterrechtliche Vereinbarungen aus steuerlicher Sicht, in Ruppe (Hrsg), Handbuch der Familienverträge (1985) 777; Bittner, Verträge im Ehegüterrecht – Regelungen für die aufrechte Ehe und für den Fall der Scheidung2 (1995); Brauneder, Zu Auslegung und Reform des 28. Hauptstückes des ABGB „Von den Ehepakten“, NZ 1973, 67; ders, Freiheit des Vertragsinhalts und Typenbindung im Ehegüterrecht, ZfRV 1974, 1; Bubak, Das Aufgriffsrecht, NZ 1962, 149; F. Bydlinski, Zur Neuordnung des Ehegüterrechts, FS Schwind (1978) 27; Cholewa, Aufgriffsrecht, Übernahmspreis und Anerbengesetz, NZ 1959, 100, 114; Duller, Zweiseitige Rechtsgeschäfte auf den Todesfall, NZ 1954, 21; ders, Zum Übergabsvertrag auf den Todesfall, NZ 1954, 136; Erdmann, Der reformbedürftige Erbvertrag, NZ 1949, 65; Fenyves, Ehegüterrechtliche Vereinbarungen aus zivilrechtlicher Sicht, in Ruppe (Hrsg), Handbuch der Familienverträge (1985) 749; Fischer-Czermak, Verträge auf den Todesfall zwischen Ehegatten und Scheidung, NZ 2001, 3; dies, Die Ausstattung nach dem FamRÄG 2009, EF-Z 2010/1, 8; Grabenwarter, Zur Rechtsnatur des Aufgriffsrechts, NZ 1988, 317; ders, Ist der Erbvertrag ein Auslaufmodell? ecolex 1996, 589; Grillberger, Eheliche Gütergemeinschaft (1982); Haunschmidt, Der Einfluß von Kodizill und Aufgriffsrecht auf den Erbvertrag, NZ 1968, 40; Höllwerth, Adoption und Ehepakte nach dem FamRÄG 2009, EF-Z 2010/3, 7; Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und bei Tod (1998); G. Hopf, Neues im Ehe- und Kindschaftsrecht, ÖJZ 2010/19, 154; Jud, Ausgewählte Fragen zu Heiratsgut und Ausstattung (§§ 1220, 1231 ABGB), NZ 1999, 37; Jud/ Grünwald, Zivilrechtliche Probleme der Anerkennung von Personalgesellschaftsverträgen
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zwischen Familienangehörigen, in Ruppe (Hrsg), Handbuch der Familienverträge (1985) 277; Kindler, Das Aufgriffs-Übernahmsrecht, JBl 1947, 270; ders, Zwei Mustervorlagen von Ehepakten, NZ 1952, 86; Kostka, Die Auswirkungen des EherechtsänderungsG 1978 auf ehegüterrechtliche Vereinbarungen, NZ 1988, 320; Kralik/Benedikt, Familienrechts-Änderungsgesetz, NetV 2009, 51; M. Mohr, Wirkungen und Gefahren der Gütergemeinschaft auf den Todesfall, NZ 1995, 7; Nademleinsky, Das FamRÄG 2009 – die wichtigsten Änderungen, Zak 2009/531, 326; Ofner, Internationales Ehegüterrecht – Abgrenzungsfragen zwischen Güterrechtsstatut gem § 19 IPRG und Scheidungsstatut gem § 20 IPRG, NZ 2006/13; Ostheim, Familienrechtsreform und Ausstattungsanspruch, ÖJZ 1978, 505; Pesendorfer, Das Familienrechts-Änderungsgesetz 2008, iFamZ 2008, 232; Rechberger, Nochmals: Die Begründung des Ehegattenwohnungseigentums – ein Ehepakt? NZ 1978, 129; Rummel, Zur Auswirkung der Ehescheidung auf die Gütergemeinschaft unter Lebenden, JBl 1968, 406; ders, Eheliche Gütergemeinschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts, FS Demelius (1973) 451; Schauer, Rechtsprobleme der erbrechtlichen Nachfolge bei Personenhandelsgesellschaften (1999); Schellander, Die verschiedenen Rechtstitel zur Verwaltung des gütergemeinschaftlichen Vermögens, ÖJZ 1957, 596, 622; Schneidergruber, Gütergemeinschaft und Aufgriffsrecht, NZ 1963, 168; Schramböck, Das Ehegüterrecht in Österreich und Deutschland im Rechtsvergleich (1997); Staufer, Gütergemeinschaft und Handelsrecht, NZ 1953, 161; Stöckl, Die grundbücherliche Anmerkung des Gutsübernahmsrechtes, ÖJZ 1950, 296; ders, Option und Aufgriffsrecht, NZ 1963, 113; Süssner, Noch einmal Erbvertrag und Aufgriffsrecht, NZ 1968, 177; Täubel-Weinreich, Neuigkeiten aus dem Familienrecht, NetV 2009, 53; Tiefenthaller, Keine Vermächtnisse oder Auflagen bei Erbverträgen? NZ 1949, 157; Vesely, Der bäuerliche Ehevertrag, NZ 1954, 42; Weissberger, Ist der Erbvertrag des österreichischen Rechtes wirklich reformbedürftig? NZ 1949, 189; Welser, Ehepakt, Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts und Formzwang, GesRZ 1976, 34; Winklhofer, Lebenspartnerschaft – Liberalisierung des Ehegüterrechtes, NZ 2002/114; Zankl, Schenkung auf den Todesfall, Vermächtnisvertrag und „reines Viertel“, NZ 1997, 311; Zarl, Das Gutsübernahmsrecht als Erbsitte des Salzkammergutes und seine rechtlichen Auswirkungen, ÖJZ 1950, 540; Zemen, Erbvertrag, reines Viertel und Pflichtteilsansprüche, NZ 1988, 29. Inhaltsübersicht A. Ehegüterrecht, Bedeutung und Rechtsentwicklung 1. Ehevermögensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Rechtsentwicklung . . . . . . . . . B. Gesetzlicher Güterstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ehepakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Wechselseitiges Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Ehegüterrecht, Bedeutung und Rechtsentwicklung 1. Ehegüterrecht
Die – teilweise auch vermögensrechtliche Aspekte (Unterhalt, Schlüsselgewalt 1 und Abgeltungsansprüche) betreffenden – persönlichen Rechtswirkungen der Ehe sind in den §§ 89 ff ABGB geregelt (s Vor § 89 ABGB Rz 1 ff). Demgegenüber enthält das 28. Hauptstück (zu historischen Aspekten s Brauneder/Schwimann § 1217 ABGB Rz 1; zu gesetzlichen Novellierungen s Rz 3 und M. Bydlinski/Rummel § 1217 ABGB Rz 1) Regelungen über die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe, und zwar (nunmehr noch) betreffend die Ehepakte im Allgemeinen (§§ 1217, 1265 f ABGB), die Gütergemeinschaft (§§ 1233 bis 1236, § 1262 ABGB) und den gesetzlichen ehelichen Güterstand (§ 1237 ABGB). Weiters finden sich im 28. Hauptstück – nicht unmittelbar das Eherecht betreffende – Vorschriften über die Ausstattung der Kinder (§§ 1220 bis 1222 ABGB), Regelungen über Schenkungen an oder unter Verlobten sowie unter Ehegatten (§§ 1246 f ABGB) und erbrechtliche Normen, nämlich betreffend das wechselseitige Testament (§ 1248 ABGB) und die Erbverträge (§§ 1249 bis 1254 ABGB). Weitere Regelungen über die Vermögensverhältnisse der Ehegatten beinhalten die Vorschriften über die ehelichen Ersparnisse und das eheliche Gebrauchsvermögen nach Auflösung der Ehe (§§ 81 ff EheG), über das Ehegattenerbrecht (§§ 757 ff ABGB), ferner über das Veräußerungs- und Belastungsverbot (§ 364c ABGB) sowie über das Wohnungseigentum von Ehegatten bzw Eigentümerpartnern (§§ 9 ff WEG 1975 bzw §§ 13 ff WEG 2002). Gem § 19 IPRG ist das Ehegüterrecht nach dem Recht zu beurteilen, das die 2 Parteien ausdrücklich bestimmen, mangels einer solchen Rechtswahl nach dem zur Zeit der Eheschließung für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht. Das Güterrechtsstatut des § 19 IPRG gilt sowohl für das vertragliche als auch für das gesetzliche Ehegüterrecht (ErläutRV 784 BlgNR 14. GP 36). Der Anwendungsbereich des § 19 IPRG erstreckt sich nicht auf die Form güterrechtlicher Vereinbarungen, die nach § 8 IPRG anzuknüpfen ist (Verschraegen/Rummel § 19 IPRG Rz 1; M. Bydlinski/Rummel § 1217 ABGB Rz 8). 2. Bedeutung und Rechtsentwicklung
Die im 28. Hauptstück noch enthaltenen, insb aber die ursprünglich enthalten 3 gewesenen und durch das FamRÄG 2009 beseitigten (s Rz 4) Rechtsinstitute haben, soweit diese überhaupt eherechtliche (nunmehr auch partnerschaftliche iS des EPG) Regelungen darstell(t)en, stark an praktischer Bedeutung verloren (vgl M. Bydlinski/Rummel § 1217 ABGB Rz 1), ist (war) doch deren Inhalt 343
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wesentlich mit der Vertragspraxis zur Zeit der Entstehung des ABGB verbunden (Brauneder/Schwimann § 1217 ABGB Rz 1). Bereits mit dem – später nicht Gesetz gewordenen – FamRÄG 2006 sollte deshalb eine „Durchforstung der Regelungen des ABGB über Ehepakte“ erfolgen, wobei vorgesehen war, die §§ 1218, 1219, 1225 bis 1230, 1231 erster Satz, §§ 1232, 1242, 1244, 1245, 1248, 1255 bis 1260, 1261, 1263 und 1264 (jeweils aF) samt Randschriften aufzuheben. 4 Die seinerzeitige Ankündigung einer Überarbeitung des 28. Hauptstücks im Entwurf des FamRÄG 2006 wurde mit dem FamRÄG 2009 BGBl I 2009/75 umgesetzt (vgl dazu auch ErläutIA 673/A 24. GP 18 f). Heiratsgut ieS (zum Begriff und zur Abgrenzung von der Heiratsausstattung [Dotierung] s M. Bydlinski/Rummel § 1218 ABGB Rz 1; Pesendorfer, iFamZ 2009, 261; FischerCzermak, EF-Z 2010/4 [8]; §§ 1218 f, 1224 bis 1229, 1245 ABGB aF), Widerlage (§§ 1230 f ABGB aF), Morgengabe (§ 1232 ABGB aF), Witwengehalt (§§ 1242, 1244 ABGB aF), Advitalitätsrecht (Fruchtnießung auf den Todesfall; §§ 1255 bis 1258 ABGB aF) und Einkindschaft (§ 1259 ABGB aF) sind als gesetzliche Rechtsinstitute ersatzlos entfallen. Diesen weggefallenen Rechtsinstituten entsprechende vertragliche Vereinbarungen können allerdings auch künftig – im Rahmen privatautonomer Gestaltung – getroffen werden. Die Regelungen über den (gesetzlichen) Güterstand von Ehegatten blieben inhaltlich praktisch unverändert aufrecht (vgl ErläutIA 673/A 24. GP 26; Höllwerth, EFZ 2010/3, 7 [8]). Da nach Beseitigung der veralteten Vertragstypen nur noch die Gütergemeinschaft und der Erbvertrag als im Gesetz ausdrücklich geregelte Ehepakte verblieben, nahm der Gesetzgeber den Ausstattungsanspruch in die Überschrift des 28. Hauptstückes auf (ErläutIA 673/A 24. GP 26). 5 Nach der übergangsrechtlichen Bestimmung des Art 18 § 4 FamRÄG sind auf vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (1.1.2010) geschlossene Ehepakte die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden (Pesendorfer, iFamZ 2009, 261 [262]; Täubel-Weinreich, NetV 2009, 53). 6 Mit Art 2 Z 5 EPG BGBl I 2009/135 wurde dem § 1217 ABGB ein Abs 2 angefügt, wonach die Bestimmungen des 28. Hauptstücks des ABGB auf eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden sind. Nach den ErläutRV (485 BlgNR 24. GP 16) sollen damit „die Bestimmungen über Ehepakte“ auch für eingetragene Partner und für Personen gelten, die eine eingetragene Partnerschaft begründen wollen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut gilt allerdings die sinngemäße Anwendbarkeit für eingetragene Partner und für Personen, die eine eingetragene Partnerschaft begründen wollen, hinsichtlich aller Rechtsinstitute des 28. Hauptstücks (idS schon zur Ausstattung Fischer-Czermak, EF-Z 2010/4 [8 f]).
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B. Gesetzlicher Güterstand Nach § 1233 Satz 1 ABGB begründet die eheliche Verbindung allein noch 7 keine Gemeinschaft der Güter zwischen den Eheleuten (eingetragenen Partnern). Haben Ehegatten (eingetragene Partner) über die Verwendung ihres Vermögens keine besondere Übereinkunft getroffen, so behält nach dem – durch das FamRÄG inhaltlich nicht geänderten – § 1237 ABGB jeder Ehegatte (eingetragene Partner) sein Eigentumsrecht; auf das, was ein Teil während der Ehe (eingetragenen Partnerschaft) erwirbt, hat der andere keinen Anspruch. Der gesetzliche Güterstand ist daher jener der Gütertrennung (1 Ob 591/82 = SZ 55/70 = Miet 34.605/17; 10 ObS 54/96 = SZ 69/81 = SSV-NF 10/31). Allerdings bestehen diverse gesetzliche Regelungen, mit denen schon der Gesetzgeber in Einzelbereichen vom Grundsatz strenger Gütertrennung mehr oder weniger stark abweicht (zB § 98 ABGB; §§ 81 ff EheG; §§ 13 ff WEG 2002; §§ 24 ff EPG; s dazu näher Hopf/Kathrein § 1233 ABGB Anm 3; Koch/KBB § 1233 ABGB Rz 1). Letztgenannten Umstand hat der Gesetzgeber des FamRÄG 2009 im Hinblick auf das nacheheliche Aufteilungsverfahren (§§ 81 ff EheG) dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 1237 ABGB nach den Worten „hat der andere“ die Wendung „solange die Ehe besteht“ einfügte.
C. Ehepakte 1. Allgemeines
Nach § 1217 Abs 1 Satz 1 ABGB nF handelt es sich bei Ehepakten um Ver- 8 träge, welche in der Absicht auf die eheliche (partnerschaftliche) Verbindung über das Vermögen geschlossen werden. Diese Definition der Ehepakte entspricht jener des ersten Halbsatzes in § 1217 Abs 1 Satz 1 ABGB aF. Am Wesen und am Verständnis der Ehepakte hat daher das FamRÄG 2009 nichts geändert (ErläutIA 673/A 24. GP 26; zur sinngemäßen Anwendbarkeit auf eingetragene Partner s § 1217 Abs 2 ABGB und Rz 6). Ehepakte sind – entsprechend bisherigem Verständnis vor dem FamRÄG 9 2009 – formgebundene Vereinbarungen zwischen gegenwärtigen oder künftigen Ehegatten (eingetragenen Partnern) oder zwischen (einem von) diesen und Dritten, mit denen vom gesetzlichen Güterstand (Gütertrennung) abweichende oder ergänzende vermögensrechtliche Regelungen über das gesamte Vermögen (allgemeine Gütergemeinschaft) oder bestimmte Vermögensteilbereiche (beschränkte Gütergemeinschaft) für die Zeit der Ehe oder für den Fall der Auflösung der Ehe (bzw eingetragenen Partnerschaft) getroffen (geändert bzw aufgehoben) werden (M. Bydlinski/Rummel § 1217 ABGB Rz 2; Koch/ KBB § 1217 ABGB Rz 2). 345
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10 Da es sich bei Ehepakten um Verträge handelt, gelten für diese, soweit Sonderregelungen fehlen, die allgemeinen vertragsrechtlichen Bestimmungen, was etwa auf Fragen der Geschäftsfähigkeit, der Stellvertretung, sowie des Vorliegens und der Geltendmachung von Willensmängeln zutrifft (Brauneder/ Schwimann § 1217 ABGB Rz 1; M. Bydlinski/Rummel § 1217 ABGB Rz 2). 11 Nach der Bereinigung des 28. Hauptstücks durch das FamRÄG 2009 werden in § 1217 Abs 1 Satz 2 ABGB nF nur mehr die beiden verbliebenen, gesetzlich ausdrücklich geregelten Rechtsinstitute, nämlich die Gütergemeinschaft (s Rz 15 f) und der Erbvertrag (s Rz 17 ff) namentlich erwähnt. Es bleibt allerdings den Ehe- oder Brautleuten (eingetragenen Partnern oder Personen, die eine eingetragene Partnerschaft begründen wollen) unbenommen, im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit nicht (mehr) gesetzlich geregelte Vereinbarungen, die etwa einem Heiratsgut gleichkommen, zu treffen (vgl Rz 4; ErläutIA 673/ A 24. GP 26; M. Bydlinski/Rummel § 1217 ABGB Rz 2 ff und Rz 7). Auch insoweit entspricht die geltende Rechtslage jener vor dem FamRÄG 2009, weil schon bis dahin die gesetzlich vorgeschlagenen Vertragstypen abweichenden Regelungen der Parteien nicht entgegenstanden und es diesen frei stand, die vorhandenen Typen zu modifizieren oder neue zu entwickeln (6 Ob 590/76 = EvBl 1977/141, 301 = SZ 49/160; 7 Ob 561/95 = SZ 68/198 = EF XXXII/3). 12 Für Ehepakte besteht – dem Übereilungsschutz dienende (vgl RIS-Justiz RS0001130) – Notariatsaktspflicht (§ 1 Abs 1 lit a NotAktsG). Nicht formgültig geschlossene Ehepakte sind zwar grundsätzlich unwirksam, der Formmangel wird aber durch beidseitige Erfüllung geheilt (vgl RIS-Justiz RS0070861, RS0017183, RS0017190; zur Wirkung von Ehepakten gegenüber Unternehmensgläubigern bei Eintragung im Firmenbuch s § 36 UGB). 13 Keine Ehepakte sind zweckbegrenzte, nicht den Ehegüterstand (Güterstand der eingetragenen Partner) betreffende Verträge, mit denen (nur) einzelne Vermögensverschiebungen zwischen den Ehegatten (eingetragenen Partnern) herbeigeführt werden sollen (zB Kauf-, Tausch-, Schenkungs- oder Darlehensverträge) und die Ehe (eingetragene Partnerschaft) dafür nur Anlass oder Bedingung ist (7 Ob 561/95 = SZ 68/198 = EF XXXII/3). Ehepakte müssen zwar nicht das gesamte Vermögen betreffen, sondern können auch bloß das Eigentumsrecht an einer bestimmten Sache (zB Wohnung) zum Gegenstand haben, doch ist dabei Voraussetzung, dass der Vertrag „in der Absicht auf die eheliche Verbindung geschlossen wurde“ (5 Ob 240/64 = Miet 16.624), also vermögensrechtliche Verhältnisse während und nach der Ehe (eingetragenen Partnerschaft) geregelt werden sollten (6 Ob 590/76 = EvBl 1977/141, 301 = JBl 1977, 419 = SZ 49/160 = ZfRV 1978, 136 [Schwind]). 14 Für den Fall der Nichtigerklärung der Ehe sieht § 1265 ABGB vor, dass die Ehepakte zerfallen und das vorhandene Vermögen in den vorigen Stand zurückkommt (Ehepaktauflösung und Rückabwicklung), was freilich nur dann 346
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gilt, wenn nicht zufolge § 31 EheG Scheidungsrecht maßgeblich ist (s dazu § 31 EheG Rz 2 ff sowie zur eingetragenen Partnerschaft § 42 EPG). Bei einvernehmlicher Scheidung und streitiger Scheidung mit gleichteiligem Verschulden oder ohne Schuldausspruch gelten die Ehepakte analog § 1266 Satz 1 ABGB als ex nunc erloschen (RIS-Justiz RS0022405); es kommt zur Rückstellung des in die Ehe Eingebrachten (6 Ob 585/82 = EF 41.069). Die Wertsteigerung während der Dauer der Gemeinschaft ist deren Gewinn, der beiden Ehegatten zugute kommt, so wie diese eine Wertminderung gemeinsam zu tragen haben. Zur Frage, in welchem Verhältnis die Aufteilung des Zugewinns und der Wertsteigerung vorzunehmen ist, s 1 Ob 197/99y = JBl 2000, 666 = EvBl 2000/156; 4 Ob 281/00b = NZ 2002/43 = JBl 2001, 309. Bei alleinigem oder überwiegendem Verschulden eines Ehepartners hat der schuldlose oder minder schuldige geschiedene Ehegatte nach der Regelung des § 1266 Satz 2 und 3 ABGB Anspruch auf alles, was ihm nach den Ehepakten für den Fall des Überlebens zusteht, aber auch auf das, was ihm für diesen Fall aus dem Gesetz gebührt, sowie auf Teilung des Vermögens, worüber eine Gütergemeinschaft bestanden hat, wie beim Tod, di idR auf die Hälfte des Gesamtguts; das Recht aus einem Erbvertrag bleibt dem schuldlosen oder minder schuldigen geschiedenen Ehegatten – im Unterschied zum gesetzlichen Erbrecht (§ 1266 letzter Satz ABGB) – auf den Todesfall vorbehalten (4 Ob 504/ 84 = EvBl 1986/28, 112 = SZ 58/63; 5 Ob 542/88 = SZ 61/111). Soweit bei der Vermögensaufteilung infolge Scheidung die §§ 81 ff EheG (bei eingetragener Partnerschaft §§ 24 ff EPG) greifen, gehen diese als leges speciales dem § 1266 ABGB vor (4 Ob 281/00b mzN = NZ 2002/43 = JBl 2001, 309). Für das eheliche Gebrauchsvermögen sind daher auch bei Vorliegen einer Gütergemeinschaft die Regelungen der §§ 81 ff EheG (bei eingetragener Partnerschaft §§ 24 ff EPG) anzuwenden (vgl RIS-Justiz RS0022395, RS0022434).
2. Gütergemeinschaft
Soll grundsätzlich vom gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung abgegan- 15 gen werden, ist dazu ein (notariatsaktspflichtiger) Ehepakt (s Rz 9 und 12) erforderlich. Die von den Ehegatten (eingetragenen Partnern) vertraglich begründete Gütergemeinschaft steht deren Gestaltungswünschen offen (s Rz 4), wobei das Gesetz aber inhaltliche und formelle Zweifelsregeln bereitstellt (s dazu näher Hopf/Kathrein § 1233 ABGB Anm 4). Mögliche Modelle der Gütergemeinschaft lassen sich nach Umfang und Gestaltung unterscheiden. Allgemeine Gütergemeinschaft umfasst das gesamte gegenwärtige und künftige Vermögen. Die beschränkte Gütergemeinschaft kann sich auf quantitativ bestimmte Vermögensteile oder auf den Erwerbszeitpunkt (gegenwärtiges oder künftiges Vermögen [s auch § 1177 ABGB]) beziehen und in der 347
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Zukunft erworbenes (Errungenschaftsgemeinschaft) oder auch Ererbtes umfassen (s dazu näher Hopf/Kathrein § 1234 ABGB Anm 5). Bei vereinbarter Gütergemeinschaft können auch verschiedene Gütermassen bestehen (Gesamt-, Eigen-, Sonder- und Vorbehaltsgut; s Koch/KBB § 1233 ABGB Rz 5). 16 Um dingliche Wirkung zu erlangen, muss die Gütergemeinschaft unter Lebenden im Grundbuch in der Weise ersichtlich gemacht werden, dass für jeden Ehegatten (eingetragenen Partner) das Eigentumsrecht mit der Beschränkung einverleibt wird, dass während der Dauer der Gütergemeinschaft kein Teil einseitig über seinen ideellen Anteil verfügen kann (RIS-Justiz RS0022373). 3. Erbvertrag
17 Der Erbvertrag ist ein – (nur) zwischen Ehegatten und Brautleuten sowie (künftigen) eingetragenen Partnern [vorbehaltlich deren späterer Heirat bzw Begründung der eingetragenen Partnerschaft] zulässiger (5 Ob 644/88 = SZ 62/11) – Ehepakt (vgl § 1217 ABGB; aA Brauneder/Schwimann § 1248 ABGB Rz 3 [nur Testament]). Gegenstand des Erbvertrags ist die Erbeinsetzung eines oder beider Ehegatten (Brautleute) bzw eingetragenen Partner (§ 1249 Satz 1 ABGB) zu höchstens drei Viertel des Nachlasses (§ 1253 ABGB). Die Rechtsnatur des Erbvertrags als Ehepakt und Testamtent macht diesen einerseits notariatsaktspflichtig (5 Ob 644/88 = SZ 62/11) und erfordert andererseits die Einhaltung der Testamentsform (doppelte Formstrenge). 18 Der Erbvertrag ist – wegen des notwendigerweise frei bleibenden Viertels – nie einziger, aber stärkster Erbrechtstitel, der den anderen Berufungsgründen (Testament und Gesetz) vorgeht. Ein Ehegatte kann aufgrund eines Erbvertrags und – zB hinsichtlich des freien Viertels – gleichzeitig aufgrund letztwilliger Verfügung (etwa durch wechselseitiges Testament; s Rz 20 f) oder aufgrund des Gesetzes Erbe sein (vgl § 534 ABGB). Der Erbvertrag kann auch letztwillige Verfügungen zugunsten Dritter enthalten, die von der Rsp allerdings als frei widerruflich angesehen werden (7 Ob 692/84 mwN = SZ 58/141; zust M. Bydlinski/Rummel § 1249 ABGB Rz 3; aA Gschnitzer/Klang IV/12, 234). 19 Wesentlicher Unterschied zum Testament und kennzeichnend für den Erbvertrag ist dessen Bindungswirkung in der Form, dass er nicht einseitig widerrufen werden kann (§ 1254 ABGB). Allerdings sind einvernehmliche Aufhebung des Erbvertrags in Form eines Notariatsakts sowie „Widerruf“ durch gegenseitige Erbverzichte (§ 551 ABGB; 6 Ob 766/78 = SZ 52/58) möglich. „Entkräftung“ des Erbvertrags ist einerseits durch vertragsrechtliche Anfechtung und andererseits durch Geltendmachung erbrechtlicher Unwirksamkeitsgründe möglich (s dazu Hopf/Kathrein § 1254 ABGB Anm 3).
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D. Wechselseitiges Testament In einem gemeinschaftlichen Testament können Ehegatten und eingetragene 20 Partner sowie Brautleute und Personen, die eine eingetragene Partnerschaft begründen wollen – letztere unter der Bedingung der späteren Heirat (5 Ob 21/67 = EF 8416 = EvBl 1967/346, 489) bzw Begründung der eingetragenen Partnerschaft –, sich selbst gegenseitig (wechselseitiges Testament) und/oder einen Dritten (gemeinsames Testament) als Erben einsetzen (§ 1248 ABGB). Das Wesen des wechselseitigen Testaments liegt darin, dass die letztwillige Erklärung in – einer – Urkunde (Verfügung) erfolgt (1 Ob 560/78 = RIS-Justiz RS0022305). Das gemeinschaftliche Testament ist nicht Ehepakt, sondern Testament und er- 21 fordert daher keinen Notariatsakt, sondern (nur) die Einhaltung der Formvorschriften für letztwillige Verfügungen (M. Bydlinski/Rummel § 1248 ABGB Rz 1; Koch/KBB § 1248 ABGB Rz 1). Das gemeinschaftliche Testament ist – weil letztwillige Verfügung – frei widerruflich. Der Widerruf eines Ehegatten (eingetragenen Partners) wirkt sich idR (Ausnahme: wechselbezügliches Testament [1 Ob 774/55 = EvBl 1956/198 = SZ 29/13]) nicht auf die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung des anderen aus. Im Zweifel wird nicht angenommen, das gemeinschaftliche Testament stehe unter der Bedingung des Fortbestands der Ehe (eingetragenen Partnerschaft), weshalb es im Fall der Scheidung (Auflösung) angezeigt sein kann, das Testament zu widerrufen, um die Weitergeltung der letztwilligen Verfügung auszuschließen (M. Bydlinski/Rummel § 1248 ABGB Rz 1; Hopf/Kathrein § 1248 ABGB Anm 2; Koch/KBB § 1248 ABGB Rz 3).
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Kapitel 2 Ehegesetz
E. Gitschthaler et al. (eds.), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht © Springer-Verlag/Wien 2011
Vorbemerkungen Lit (mit Hinweisen) zur historischen Entwicklung: Baumgartner, Familienrecht und Gewissensfreiheit in Österreich, ÖJZ 2000, 781; Blasius, Ehescheidung in Deutschland 1794–1945. Scheidung und Scheidungsrecht in historischer Perspektive (1987); Bosch, Das „Ehegesetz“ von 1938/1946: Seine Weiterentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich, ZfRV 1984, 241; Breycha, Über die Nichtigkeit der Arbeitsbewilligungsehe, RZ 1994, 98; Burkart, Ehetrennung und der Staatsvertrag von St. Germain, ZBl 1924/534; Conrad, Staatliche Theorie und kirchliche Dogmatik im Ringen um die Ehegesetzgebung Josephs II., FS Schmaus II (1967), 1171 ff; Demelius, Zur Geschichte des Eheversprechens nach österreichischem Recht, JBl 1948, 277; Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte4 (2001), 69 ff; Fuhrmann, Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe in Deutschland und Österreich seit Mitte des 19. Jahrhunderts (1998); Haring, Kommentar zum neuen österreichischen Konkordat (1934); ders, Kommentar zur österreichischen EheInstruktion (1937); Harmat, Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918–1938 (1999); Hollnsteiner/Hajek/Grimeisen, Das Konkordat (1934); Kalb, „Dispensehen“ und die Innsbrucker Juristenfakultät: Das Fakultätsgutachten vom 27. November 1919, in: Österreich und Hl. Stuhl im 19. und 20. Jh. (2001), 273; Knoll, Um den Nationalsozialismus bemühte Rechtsauslegung, RZ 1999, 2; Köstler, Das österreichische Konkordats-Eherecht (1937); Lackner, Die obligatorische Ziviltrauung ist konkordatswidrig und unzeitgemäß (§ 15 EheG), RZ 2010, 66; Mühlsteiger, Der Geist des josephinischen Eherechtes (1967); Neschwara, Rezeption als Reform: Das ungarische Eherecht im österreichischen Burgenland nach 1921, ZNR 1989, 39 ff; Pichler, Ehelichkeitsbestreitung durch den Staatsanwalt: Wer hat welches Interesse zu prüfen? ÖJZ 1996, 549; Primetshofer, Ehe und Konkordat (1960); Satter, Die österreichische Gerichtsbarkeit in Ehesachen, JBl 1946, 293; Schima, Die religionsrechtlichen Aspekte des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes 1999 (Teil II), öarr 2002, 190; Schwab, Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (1967); Sturm, Das Personenstandsrecht. Ein geschichtlicher Rückblick, ÖStA 1992, 14 (Teil 1), 20 (Teil 2) und 27 (Teil 3); Schwind, Verrechtlichung und Entrechtlichung der Ehe, FamRZ 1982, 1053; ders, Familienrecht3 (1984), 5; ders, Die Entwicklung des Eherechts in Österreich, ÖStA 1993, 3; Spitzer, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten im Zivilprozess, ÖJZ 2003/4; Teschner, Siebzig Jahre obligatorische Zivilehe in Österreich, (Teil I und II), ÖStA 2008/12, 165 und 2009/1, 4; WeinzierlFischer, Die österreichischen Konkordate von 1855 und 1933 (1960); Zankl, Verschiedenheiten und Anregungen im Eherecht der neuen EU-Staaten, ZfRV 1996, 20; Zeyringer, Standesbeamter und Eheschließung, ÖStA 1993, 49. Lit allgemein zum EheG: Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? Der Schutz des Familienlebens (Art 8 MRK) im Lichte der Rechtsprechung – Vorgaben für das österreichische Familienrecht, ÖJZ 1998, 761; Baumgartner, Familienrecht
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und Gewissensfreiheit in Österreich, ÖJZ 2000, 781; Bosch, Ein österreichisches Familienrechts-System aus der Sicht eines Nicht-Österreichers, ZfRV 1987, 168; Ent, Die Familienrechtsreform und das Notariat, NZ 1987, 253; ders, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 117, 149 und 165; Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2000); Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979); Heidenthaler, Schwerpunkte der Kindschaftsrechtsreform 2001 – Ein Vergleich der früheren mit der neuen Rechtslage, JBl 2001, 622; Hinteregger, Die Bedeutung der Grundrechte für das Privatrecht, ÖJZ 1999, 741; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999 (Teil I und II), ÖJZ 1999, 821 und 861; Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des KindRÄG 2001, ÖJZ 2001, 485 und 530; Köhler, Ehe- und Ehescheidungsrecht (1984); Kostka, Die Auswirkungen des Eherechtsänderungsgesetzes 1978 auf ehegüterrechtliche Vereinbarungen, NZ 1988, 320; Köstler, Eherechtsreform? ÖJZ 1946, 81; ders, Das Österreichische Eherecht4 (1948); ders, Weg und Ziel einer Eherechtsreform, JBl 1948, 577; ders, Die Angelpunkte der österreichischen Eherechtsreform, JBl 1950, 541; ders, Entwurf für ein neues österreichisches Eherecht (1951); Lanz, Anregungen zur Reform des Eherechtes, NZ 1950, 52; Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/78 (1979); Pichler, Einige Probleme des neuen Eherechts, JBl 1981, 281; Schwind, Studien zum Eherecht, JBl 1946, 285 und 320; ders, Eine Grundfrage der Eherechtsreform, JBl 1947, 253; ders, Zur Problematik des Eherechts, ÖJZ 1948, 122; ders, Reformbestrebungen im Eherecht, JBl 1951, 130; ders, Die Reform des österreichischen Eherechts, FamRZ 1979, 649; ders, Verrechtlichung und Entrechtlichung der Ehe, FamRZ 1982, 1053; Winklhofer, Lebenspartnerschaft – Liberalisierung des Ehegüterrechtes, NZ 2002/114; Zankl, Verschiedenheiten und Anregungen im Eherecht der neuen EU-Staaten, ZfRV 1996, 20.
1 Die geschichtliche Entwicklung des Eherechts ist gekennzeichnet durch die Konkurrenz ethisch-religiöser, christlich-katholischer und politisch-sozialer Vorstellungen vom Wesen der Ehe sowie ihren (rechtlich) relevanten Zwecken. Lange Zeit war das Eherecht durch kirchliche Regelungen geprägt. Nachdem bereits Maria Theresia einzelne eherechtliche Bestimmungen erlassen hatte, regelte Josef II. mit dem Ehepatent vom 16.1.1783 JGS 117 das gesamte Eherecht; danach war zwar keine obligatorische Zivilehe vorgesehen, sondern es galt weiterhin die kirchliche Eheschließungsform, doch es wurde bereits „die Ehe an sich selbst als ein bürgerlicher Vertrage (Kontrakt) betrachtet“ (§ 1 Ehepatent vom 16.1.1783 JGS 117) und es unterlagen nunmehr die Ehestreitigkeiten der staatlichen Gerichtsbarkeit und nicht mehr der Ehegerichtsbarkeit der Diözesangerichte (§§ 1, 57 Ehepatent vom 16.1.1783 JGS 117; Zeyringer, ÖStA 1993, 49). Das josephinische Ehepatent war dann auch wesentliche Grundlage für die eherechtlichen Bestimmungen des ABGB, das allerdings noch spezifische Regelungen für Katholiken, Protestanten und Juden vorsah. 2 Das Konkordat 1855 (RGBl 1855/195) führte für Katholiken kurzzeitig wieder zur ausschließlichen Ehehoheit der katholischen Kirche. 3 Nach Anerkennung der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art 14 StGG RGBL 1867/142) folgten insb die Gesetze über die Wiederherstellung des ABGB für die Ehen der Katholiken und über die Wiederherstellung der welt354
Vorbemerkungen – EheG lichen Ehegerichtsbarkeit für die Katholiken und bedingte Zulässigkeit der Zivilehe (RGBl 1868/47) sowie das Gesetz über die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger (RGBl 1868/49). Diese Regelungen widersprachen klar dem Konkordat 1855, das dann auch durch das Gesetz zur Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche RGBl 1874/50 (Katholikengesetz) gekündigt wurde. Mit der Wiederherstellung des Eherechts des ABGB für Katholiken erfolgte für diese auch die Einführung einer Notzivilehe für den Fall, dass ihnen die Kirche aus einem staatlich nicht anerkannten Grund die Eheschließung verweigerte; dennoch galt in wesentlichen Punkten weiterhin konfessionelles Eherecht, insb der strenge Grundsatz der Untrennbarkeit der Katholikenehe. In Umgehung dieser Untrennbarkeit erhielten Katholiken ab 1919 immer wieder durch verwaltungsbehördlichen Dispens Befreiung vom Hindernis des bestehenden Ehebands, was zu den sog Dispens- oder Severehen führte (näher dazu Schwind, ÖStA 1993, 3; s auch die Übergangsbestimmungen der §§ 121 ff EheG), deren Gültigkeit OGH und VfGH durchaus unterschiedlich beurteilten (näher dazu Teschner/Schwimann Vor §§ 121–127 EheG Rz 1 ff). Mit dem zweiten österreichischen Konkordat 1934 (BGBl 1934 II/2; Durch- 4 führungsG vom 7.5.1934 BGBl 1934 II/8) idF BGBl 1935/131 anerkannte der Staat im Wesentlichen wieder die eherechtliche Kompetenz der Kirche für Katholiken. Im Burgenland war dagegen von 1922 bis 1938 ungarisches Eherecht in Kraft geblieben, das bereits die obligatorische Zivilehe und die Scheidungsmöglichkeit kannte. Das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der 5 Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet“ vom 6.7.1938 (dRGBl I 807) samt DurchführungsVO vom 27.7.1938 trat im Wesentlichen am 1.8.1938 in Kraft; es derogierte dem Konkordatseherecht, dem Eherecht des ABGB sowie dem ungarischen Eherecht des Burgenlands, schuf eine neue Struktur des österreichischen Eherechts und führte insb zum Grundsatz der obligatorischen Zivilehe (§ 15 EheG). Das EheG blieb dann auch nach 1945 – von nationalsozialistischem Gedankengut gesäubert – weiter in Kraft. Ab den 70er Jahren erfolgten laufend Familienreformgesetze, die zu mehr 6 oder weniger einschneidenden Änderungen in der Grundstruktur des EheG führten. Änderungen des EheG brachten das BG, mit dem Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit und die Ehemündigkeit geändert wurden, BGBl 1973/108 (VolljG), das BG über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe BGBl 1975/412 (EheRwG), das BG über die Neuordnung des Kindschaftsrechts, BGBl 1977/403 (KindG), das BG über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts, BGBl 1978/280 (EheRÄndG), das BG über eine Änderung des Ehegesetzes, BGBl 355
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1978/303, das BG über die Sachwalterschaft für behinderte Personen, BGBl 1983/136 (SachwG), das BG über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechts, BGBl 1983/566 (PersRÄndG), das BG, mit dem Bestimmungen zum Schutz des für einen Kredit mithaftenden Ehegatten getroffen wurden, BGBl 1985/481, das BG, mit dem Regelungen über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung getroffen (FMedG) sowie das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz und die Jurisdiktionsnorm geändert wurden, BGBl 1992/275, das BG, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Außerstreitgesetz, das Personenstandsgesetz, das Namensänderungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert wurden, BGBl 1995/25 (NamRÄG), das BG, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Außerstreitgesetz, die Zivilprozeßordnung, die Exekutionsordnung und die Strafprozeßordnung geändert wurden, BGBl I 1999/ 125 (EheRÄG 1999), und das BG, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Unterhaltsvorschussgesetz, die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozeßordnung, das Außerstreitgesetz, das Rechtspflegergesetz, die Exekutionsordnung, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht, das Gerichtsgebührengesetz, die Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz, das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, das Bankwesengesetz und das Krankenanstaltengesetz geändert wurden, BGBl I 2000/135, (KindRÄG 2001). Das neue AußStrG 2003, BGBl I 2003/111, welches das AußStrG 1854 ablöste, enthält wesentliche Verfahrensbestimmungen (ua) für Eheangelegenheiten. Das FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58, hatte vornehmlich abstammungsrechtliche Regelungen zum Gegenstand. Mit dem FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, wurden insb erste legistische Schritte zur Berücksichtigung von Patchwork-Familien unternommen, das Ehegüterrecht von überholten Rechtsinstituten befreit, erweiterte Möglichkeiten der Vorausverfügung über eheliches Gebrauchsvermögen geschaffen, ein fakultatives Anerkennungsverfahren für ausländische Adoptionsentscheidungen eingeführt und Verbesserungen bei der Unterhaltsbevorschussung vorgesehen.
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Erster Abschnitt Recht der Eheschließung A. Ehefähigkeit Vor § 1 Lit: Arnold, Das neue Gerichtsgebührengesetz (unter besonderer Berücksichtigung des außerstreitigen Verfahrens), NZ 1985, 86; Beclin, Die wichtigsten Neuerungen durch das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 (KindRÄG 2001), JAP 2001/2002, 121; F. Bydlinski, Gutachten zu „Der Gleichheitsgrundsatz im österreichischen Privatrecht“ für den 1. ÖJT 1961 I/1; Ent, Hat das BG BGBl Nr 108/1973 (Herabsetzung des Volljährigkeitsalters) etwas am Anwendungsbereich des § 3 EheG geändert, ÖStA 1973, 71; ders, Das neue Kindschaftsrecht, besonders die Regeln über die Vermögensverwaltung und die gesetzliche Vertretung, NZ 1978, 177; Fischer-Czermak, Zur Handlungsfähigkeit Minderjähriger nach dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, ÖJZ 2002, 293; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen (Teil II), ÖJZ 2004/7, 121; Heidenthaler, Schwerpunkte der Kindschaftsrechtsreform 2001 – Ein Vergleich der früheren mit der neuen Rechtslage, JBl 2001, 622; Hintermüller, Ehefähigkeitszeugnis – Familienstandsbestätigung – Affidavit. Zur Prüfung der Ehefähigkeit von Ausländern, ÖStA 1992, 37; Hopf/ Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 (Teil II), ÖJZ 2001, 530; Nademleinsky, Anerkennung eheauflösender Entscheidungen durch die Personenstandsbehörde. Zu den Unterschieden zwischen europäischem und österreichischem Recht, Zak 2007/699, 409; Oberhofer, Die Ehefähigkeit im Österreichischen Recht ÖA 1997, 179; Pichler, Bemerkenswertes im neuen Recht der Geschäftsfähigkeit und der Ehemündigkeit, ÖA 1973, 50; Simotta, Die Prozeßfähigkeit in Ehesachen und sonstigen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, ÖJZ 1989, 321; dies, Die Prozeßfähigkeit in (außerstreitigen) Eheangelegenheiten, ÖJZ 1989, 577; Steinbauer, Die Handlungsfähigkeit geistig Behinderter nach dem neuen Sachwalterrecht, ÖJZ 1985, 358; V. Steininger, Zum Mitspracherecht Pflegebefohlener, FS Kralik (1986), 535; Teschner, Das Ehefähigkeitszeugnis – und ähnliche Urkunden – aus österreichischer und internationaler Sicht, ÖStA 1995, 73; ders, Inzidentanerkennung ausländischer eheauflösender Entscheidungen, ÖStA 2005, 29 und 37; Welser, die Neuordnung der Geschäftsfähigkeit und ihre Problematik, VersRdSch 1973, 146; Zeyringer, Das neue Personenstandsgesetz, ÖJZ 1984, 1; ders, Standesbeamter und Eheschließung, ÖStA 1993, 49.
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Inhaltsübersicht A. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ehefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eheverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Administratives Eherecht – Ermittlung der Ehefähigkeit
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A. Begriffsbestimmungen 1. Ehefähigkeit
1 Ehefähigkeit im engeren Sinn des EheG ist ein spezifischer Teilbereich der Rechtsfähigkeit (vgl Wentzel/Klang I/12 438), der Ehemündigkeit (vgl dazu auch § 1 EheG Rz 1 f) und Ehegeschäftsfähigkeit (vgl dazu § 2 EheG) erfordert (Oberhofer, ÖA 1997, 179; KW I13, 450); demnach fehlt die Ehefähigkeit (iS des EheG) dann, wenn eine Person nicht ehemündig oder/und nicht ehegeschäftsfähig ist (Schwind 18). Ehefähigkeit im weiteren Sinn des PStG ist ganz allgemein die rechtliche Eignung einer Person zum Eingehen einer – von Ehehindernissen freien – Ehe (Schwind/Ehrenzweig 16; Oberhofer, ÖA 1997, 179; vgl §§ 42, 45 Abs 2 PStG); dazu gehört die Ehefähigkeit ieS des EheG, aber auch das Fehlen von Eheverboten (§§ 6–10 EheG) und Nichtigkeitsgründen (§§ 22–25 EheG). 2 Absolute Ehefähigkeit ist die generelle Fähigkeit zur Eheschließung, also das Fehlen von allgemeinen Ehehindernissen, wie etwa des bestehenden Ehebands. Die relative Ehefähigkeit ist dagegen die Fähigkeit zur Schließung der Ehe mit einem bestimmten Partner, also das Fehlen von relativen Ehehindernissen gerade gegenüber jener Person, mit der die Ehe geschlossen werden soll; ein solches relatives Ehehindernis ist etwa die Blutsverwandtschaft (Teschner, ÖStA 1995, 74 f). 2. Eheverbote
3 Durch Eheverbote sollen vom Gesetzgeber aus bestimmten Gründen nicht gewünschte Eheschließungen verhindert werden; nach ihren Voraussetzungen und Wirkungen können Eheverbote im engeren und weiteren Sinn sowie schlichte und qualifizierte Eheverbote unterschieden werden. Eheverbote im engeren Sinn sind jene Tatbestände, die im EheG ausdrücklich als Eheverbote bezeichnet sind, nämlich die Verwandtschaft (§ 6 EheG), das bestehende Eheband (§ 8 EheG) und die Wahlkindschaft (§ 10 EheG). Eheverbote im weiteren Sinn sind überhaupt alle Ehehindernisse, bei deren Vorliegen der Standesbeamte keine Eheschließung vornehmen darf (Feil § 6 EheG Rz 1); dazu gehören neben den im EheG ausdrücklich als Eheverbote bezeichneten Tatbe358
Vor § 1 EheG ständen etwa auch die aus den gesetzlichen Voraussetzungen für die Eheschließung (zB aus den Vorschriften über die Ehefähigkeit [§§ 1–3 EheG]) oder aus den Regeln über die Ehenichtigkeit ableitbaren Ehehindernisse (vgl KW I13, 451). Schlichte Eheverbote (aufschiebende Eheverbote; impedimenta impedientia) 4 sind solche, deren Übertretung die Gültigkeit der dennoch geschlossenen Ehe nicht beeinträchtigen, wie etwa die mangelnde Ehemündigkeit (§ 1 Abs 1 EheG). Liegen derartige Hindernisse vor, darf zwar die Trauung nicht erfolgen; der Gesetzgeber hält die Gründe für diese Verbote aber nicht für so schwerwiegend, dass eine dennoch geschlossene Ehe wieder aufgelöst werden könnte. Werden dagegen qualifizierte Eheverbote (trennende Ehehindernisse; impedimenta dirimentia) übertreten, dann führt dies zur Auflösbarkeit der Ehe, und zwar entweder zu ihrer Nichtigkeit (iS von Vernichtbarkeit), wie etwa bei Geschäftsunfähigkeit (§§ 2, 22 Abs 1 EheG) im Zeitpunkt der Eheschließung, oder zu ihrer Aufhebbarkeit, wie etwa beim Fehlen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Eheschließung (§§ 3 Abs 1, 35 Abs 1 EheG).
B. Administratives Eherecht – Ermittlung der Ehefähigkeit Legt der Staat mit dem Rechtsinstitut der obligatorischen Zivilehe zur Gewähr 5 besonderer Rechtssicherheit Regeln und Form für die Ziviltrauung fest, dann bedarf es auch eines staatlichen Organs, das in einem behördlichen Verfahren das Vorliegen der gesetzlichen Ehevoraussetzungen (Ehefähigkeit) prüft und die Einhaltung der Formvorschriften sowie die Beurkundung der Eheschließung gewährleistet (Zeyringer, ÖStA 1993, 49; Näheres zur Form der Eheschließung bei § 15 EheG und zur Beurkundung der Ehe Vor § 15 EheG Rz 8). Vergleichbares gilt seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die eingetragene Partnerschaft (EPG), BGBl I 2009/135, auch für die Fähigkeit von Partnerschaftswerbern, eine eingetragene Partnerschaft begründen zu können (Partnerschaftsfähigkeit; § 20a PStV; s dazu auch § 6 EPG Rz 4 f). Die Ermittlung der Ehefähigkeit ist Aufgabe der Personenstandsbehörde 6 (§§ 42, 46 Abs 1 PStG); Personenstandsbehörde („Standesamt“) ist idZ die Gemeinde im übertragenen Wirkungsbereich (§ 59 PStG). Die Ermittlung der Fähigkeit, eine eingetragene Partnerschaft begründen zu können (Partnerschaftsfähigkeit), obliegt dagegen der Bezirksverwaltungsbehörde (§§ 42, 46 Abs 1a PStG). Örtlich zuständig ist (wahlweise) die Personenstandsbehörde (Bezirksverwaltungsbehörde), in deren Amtsbereich einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, hilfsweise die Personenstandsbehörde des letzten Wohnsitzes eines Verlobten im Inland; ergibt sich auch danach keine 359
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Zuständigkeit, ist die Gemeinde (der Magistrat der Stadt) Wien zuständig (§ 46 Abs 1 PStG; s dazu auch § 6 EPG Rz 4 f). 7 Da § 46 Abs 1 PStG nicht an den – gewöhnlichen – Aufenthalt anknüpft (Michel/Weitzenböck/Lenhard, PStR § 46 PStG Anm 4), reicht es für die Zuständigkeit der Personenstandsbehörde aus, wenn sich der (die) Verlobte(n) nur vorübergehend im Amtsbereich der betreffenden Behörde aufhält (aufhalten); so genügt bereits ein – etwa durch die Kopie des Gästeblatts des Beherbergungsbetriebs nachweisbarer – Kurzurlaub zur Begründung der Zuständigkeit der Personenstandsbehörde (FA 2/2003 = ÖStA 2003, 62). 8 Das Verfahren zur Ermittlung der Ehefähigkeit ist auch trotz der Mitteilung der Verlobten, die Ehe vor einer anderen Personenstandsbehörde schließen zu wollen, fortzuführen (Michel/Weitzenböck/Lenhard, PStR § 46 PStG Anm 8); das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ist in einem Aktenvermerk festzuhalten (§ 27 Abs 1 PStV) und die Unterlagen sind nach Durchführung der Ermittlungen der anderen Personenstandsbehörde abzutreten (§ 46 Abs 3 PStG). 9 Materiell-rechtlich erfordert die Prüfung der Ehefähigkeit im dazu bestimmten Verfahren nach den §§ 44 ff PStG zunächst die Ermittlung des anzuwendenden Rechts (Zeyringer, ÖStA 1993, 49); die Voraussetzungen der Eheschließung sind nämlich für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut zu beurteilen (§ 17 Abs 1 IPRG). Bis zum 31.12.1983 war im früheren, mit BGBl 1983/566 aufgehobenen § 16 EheG mit dem sog Aufgebot ein Ediktalverfahren zur Ermittlung allfälliger Ehehindernisse vorgesehen gewesen. An dessen Stelle trat ab 1.1.1984 ein in den §§ 42 ff PStG, §§ 21 ff PStV geregeltes Verfahren zur Ermittlung der Ehefähigkeit der Brautleute (Verlobten). Zur Ermittlung der Partnerschaftsfähigkeit von Partnerschaftswerbern s § 20a PStV und § 6 EPG Rz 4 f. 10 Die Personenstandsbehörde hat nunmehr gem § 42 PStG vor der Eheschließung die Ehefähigkeit der Verlobten idR in einer mündlichen Verhandlung zu ermitteln, bei der grundsätzlich beide Verlobten anwesend sein müssen (§ 44 Abs 1 PStG) und über die eine Niederschrift aufzunehmen ist, die alle für die Ermittlung der Ehefähigkeit, die Eintragung im Ehebuch und die Erfüllung der Mitteilungspflichten erforderlichen Angaben enthält (§ 24 Abs 1 PStV). Von der Anwesenheit eines Verlobten oder überhaupt von der Durchführung einer Verhandlung kann abgesehen werden, wenn die Ehefähigkeit des (der) Verlobten auch trotz dessen (ihrer) Abwesenheit durch schriftliche Erklärungen und Urkunden ermittelt werden kann und dem (den) Verlobten das persönliche Erscheinen nicht zumutbar ist (§ 44 Abs 2 und 3 PStG); letzteres wird etwa im Fall einer Erkrankung oder dann zutreffen, wenn die Verlobten im entfernten Ausland wohnen und nur zur Trauung nach Österreich kommen (vgl Zeyringer, ÖJZ 1984, 11).
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Vor § 1 EheG Nach § 43 Abs 1 PStG haben die Verlobten – bei der mündlichen Verhandlung 11 oder, wenn diese ausnahmsweise entfällt, im schriftlichen Weg (§ 44 Abs 4 PStG) – diejenigen Erklärungen abzugeben und diejenigen Urkunden vorzulegen, die für die Beurteilung der Ehefähigkeit und für die Eintragungen in den Personenstandsbüchern benötigt werden. Welche Urkunden die Verlobten zur Ermittlung ihrer Ehefähigkeit vorzulegen haben, ist in § 21 Abs 1 PStV (für Verlobte, deren Personalstatut das österreichische Recht ist) und § 21 Abs 2 PStV (für Verlobte, deren Personalstatut nicht das österreichische Recht ist, und für Asylwerber [vgl Erl BMI 15.6.1990, 2197/509-IV/4/90]) detailliert geregelt (zum Beschluss über die Ehemündigerklärung s auch § 1 EheG Rz 2 und 15; zur Prüfung der Ehefähigkeit eines in Deutschland bzw in der Türkei geborenen, mittlerweilen österreichischen Staatsbürgers vgl FA 42/ 2002 = ÖStA 2003, 47 bzw FA 9/2004 = ÖStA 2004, 26). Die Behörde kann aber auch weitere Urkunden oder Nachweise abfordern, wenn die allgemein verlangten Urkunden zur Beurteilung der Ehefähigkeit nicht ausreichen (§ 21 Abs 3 PStV). Im Übrigen kommt dafür aber gem § 46 AVG auch alles andere als Beweismittel in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falls zweckdienlich ist (VwGH 95/01/0061, VwSlg 14748 A/1997 = ÖJZ 1998/80 A [VwGH A] = ZfRV 1999, 185 = JBl 1998, 461 = ZfVB 1998/1630; Zeyringer, ÖJZ 1984, 11); dies kann etwa eine eidesstattliche Erklärung des Verlobten sein oder die Aufnahme von Niederschriften mit informierten Angehörigen und sonstigen Auskunftspersonen (vgl FA 9/2004 = ÖStA 2004, 26). Die Pflicht zur Vorlage von Urkunden zur Beurteilung der Ehefähigkeit ent- 12 fällt, wenn und soweit die maßgeblichen Tatsachen und Rechtsverhältnisse durch Einsicht in die bei der ermittelnden Behörde (Dienststelle) befindlichen Personenstandsbücher festgestellt werden können. Schließlich kann die Behörde nach § 43 Abs 2 PStG von der Urkundenvorlage absehen, wenn diese nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten beschafft und wenn die Ehefähigkeit und die für Eintragungen notwendigen Angaben auf andere Weise ermittelt werden können. Die Beschaffung von Urkunden zum Nachweis der Ehefähigkeit etwa aus dem Ausland wird regelmäßig mit einem gewissen Aufwand verbunden sein. Schon üblicherweise erforderliche Bemühungen stellen aber allein noch keine erheblichen Schwierigkeiten iS des § 43 Abs 2 PStG dar (vgl Zeyringer, ÖJZ 1984, 10); solche dürfen erst dann angenommen werden, wenn sie das normale Maß übersteigen, was zB bei Flüchtlingen oder Kommunikationsproblemen zu Behörden des betreffenden Staats etwa in (Nach-) Kriegszeiten oder im Gefolge von Elementarereignissen zutreffen kann. Voraussetzung für den Verzicht auf die Urkundenvorlage gem § 43 Abs 2 13 PStG ist neben erheblichen Schwierigkeiten der Urkundenbeschaffung, dass auch ohne Vorlage der in § 21 Abs 1 und 2 PStV vorgesehenen Urkunden die Ehefähigkeit ermittelt werden kann; dies ist etwa dann der Fall, wenn statt der 361
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fehlenden Urkunden sonstige Unterlagen vorgelegt werden, die die für die Ermittlung der Ehefähigkeit wichtigen Umstände erkennen lassen (VwGH 95/ 01/0061, VwSlg 14748 A/1997 = ÖJZ 1998/80 A [VwGH A] = ZfRV 1999, 185 = JBl 1998, 461 = ZfVB 1998/1630). Sieht die Behörde trotz erheblicher Schwierigkeiten bei der Urkundenbeschaffung und obwohl die Ermittlung der Ehefähigkeit auch auf andere Weise möglich ist, nicht iS des § 43 Abs 2 PStG von der Urkundenvorlage ab, kann dies eine Verletzung des durch Art 12 EMRK gesicherten Rechts auf Eheschließung darstellen. Bleiben im Ermittlungsverfahren – rechtliche – Zweifel an der Ehefähigkeit eines Verlobten oder beider Verlobter, so ist gem § 50 Abs 2 PStG, § 21 Abs 4 PStV eine Rechtsauskunft des Landeshauptmanns einzuholen. Diese Rechtsauskunft dient allein der Klärung rechtlicher Zweifelsfragen; sie ist nicht Ersatz für die Vorlage notwendiger Urkunden (idS auch Zeyringer, ÖJZ 1984, 11; Michel/Weitzenböck/Lenhard, PStR § 43 PStG Anm 6 und § 21 PStV Anm 16), weil andernfalls dem Landeshauptmann gleichsam ein Recht auf Dispens von der Urkundenbeibringung zukäme, wofür jedoch PStG und PStV keine gesetzliche Grundlage bieten (näher zur Rechtsauskunft [und einer ebenfalls möglichen Weisung] des Landeshauptmanns s Zeyringer, ÖJZ 1984, 12). 14 Verlobte, deren Personalstatut nicht das österreichische Recht ist, haben außer den in § 21 Abs 1 Z 1 PStV angeführten Urkunden insb auch eine Bestätigung ihrer Ehefähigkeit (Ehefähigkeitszeugnis) ihres Heimatstaats vorzulegen, wenn sie nach dem Recht, das für sie nach ihrem Personalstatut maßgebend ist, eine solche Bestätigung erlangen können (§ 21 Abs 2 Z 1 PStV). Zwei Fremde verschiedener Staatsangehörigkeit, die in Österreich heiraten wollen, benötigen das Ehefähigkeitszeugnis aus beiden Heimatstaaten (vgl FA 10/ 2004 = ÖStA 2004, 47). Das Ehefähigkeitszeugnis dient dem Nachweis der Ehefähigkeit des Verlobten nach dessen Heimatrecht (Teschner, ÖStA 1995, 74) und soll gewährleisten, dass der Verlobte im Ausland nicht nur eine der Form nach wirksame, sondern auch eine materiell gültige Ehe schließen kann (vgl Michel/Weitzenböck/Lenhard, PStR § 45 PStG Anm 2). Das Fehlen eines Ehefähigkeitszeugnisses ist zwar seit der Aufhebung des § 14 EheG durch das PersRÄndG (BGBl 1983/566) per 1.1.1984 kein Eheverbot mehr, von dem – nach den ebenfalls durch das PersRÄndG aufgehobenen §§ 7 und 8 1. DVEheG – eine formelle Befreiung erteilt werden müsste, doch wird eine Bestätigung der Ehefähigkeit in § 21 Abs 1 Z 1 PStV weiterhin verlangt, um das Zustandekommen ungültiger Ehen zu vermeiden und die Ermittlung der Ehefähigkeit ausländischer Verlobter zu erleichtern (Michel/Weitzenböck/Lenhard, PStR § 21 PStV Anm 11). 15 Ehefähigkeitszeugnisse iS des § 21 Abs 1 Z 1 PStV sind – unabhängig von ihrer Bezeichnung durch den ausländischen Staat – (nur) solche Dokumente, in denen beide Verlobten namentlich genannt sind und zugleich bescheinigt wird, dass nach dem Recht des Heimatstaats des ausländischen Verlobten kein 362
Vor § 1 EheG Ehehindernis besteht (s die Aufzählung von Staaten, die solche [echten] Ehefähigkeitszeugnisse ausstellen, und die Angaben über bilaterale Abkommen mit einzelnen Staaten betreffend die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen bei Teschner, ÖStA 1995, 76; s auch das CIEC-Übereinkommen über Ehefähigkeitszeugnisse = Übereinkommen vom 5.9.1980, BGBl 1985/417, über die Ausstellung von Ehefähigkeitszeugnissen). Neben echten Ehefähigkeitszeugnissen kommen aber auch noch ähnliche Ur- 16 kunden als möglicher Nachweis der Ehefähigkeit des ausländischen Nupturienten in Betracht; es sind dies namentlich sog Familienstandsbescheinigungen und Affidavite (vgl dazu auch FA 12/2002 = ÖStA 2002, 73). Eine Familienstandsbescheinigung ist eine von einer Behörde des Heimatstaats ausgestellte Urkunde, die die Personaldaten des Verlobten und dessen Familienstand ausweist. Ein Affidavit ist eine idR von der ausländischen Vertretungsbehörde nach den eigenen Angaben des Verlobten ausgestellte Urkunde, mit der (nur) dessen Unterschrift beglaubigt, nicht aber die Richtigkeit des Erklärungsinhalts bestätigt wird (vgl Teschner, ÖStA 1995, 76). Bei Ehefähigkeitszeugnissen und ähnlichen Urkunden ist die von der ausländi- 17 schen Behörde allenfalls vermerkte Gültigkeitsdauer zu beachten. Liegen nur einem Ehefähigkeitszeugnis ähnliche Urkunden vor, kann die Prüfung der Ehefähigkeit des ausländischen Nupturienten weitere Nachweise erfordern, etwa eidesstättige Erklärungen informierter Angehöriger oder die Aufnahme von Niederschriften mit diesen oder sonstigen Auskunftspersonen. Legt ein Verlobter eine Bestätigung der Ehefähigkeit nicht vor, obwohl er sie erlangen könnte, oder bleiben trotz der vorgelegten Urkunden noch – rechtliche – Zweifel an der Ehefähigkeit, ist gem § 50 Abs 2 PStG eine Rechtsauskunft des Landeshauptmanns einzuholen (§ 21 Abs 4 PStV; vgl dazu schon oben Rz 13). Bestehen bei einer Beurkundung oder bei der Prüfung der Ehefähigkeit Zweifel, ob eine ausländische Entscheidung über die Auflösung einer Ehe anzuerkennen ist, so kann – außerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel II a-VO – gem dem durch das AußStr-BegleitG 2003, BGBl I 2003/112, eingefügten § 50a PStG derjenigen Partei, die sich darauf beruft, die Vorlage einer gerichtlichen Entscheidung über die Anerkennung (§§ 97 bis 99 AußStrG) aufgetragen werden (s dazu auch § 97 AußStrG Rz 3; Teschner, ÖStA 2005, 37 [38]; Nademleinsky, Zak 2007/699, 409; § 45 EheG Rz 6). Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens kann der Nachweis der Ehefähig- 18 keit der Verlobten sein, wonach die Eheschließung bei einem zu vereinbarenden Termin erfolgen kann (§ 27 Abs 2 PStV), oder es ist das Ermittlungsergebnis an diejenige Personenstandsbehörde abzutreten, vor der die Verlobten die Ehe schließen wollen (§ 46 Abs 3 PStG; zur Weiterleitung des Ermittlungsergebnisses an ein drittes Standesamt vgl FA 37/2002 = ÖStA 2003, 44); in diesem Fall obliegt dann dem Heiratsstandesbeamten die abschließende Beurtei363
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lung der Ehefähigkeit (§ 46 Abs 4 PStG; Zeyringer, ÖJZ 1984, 11). Ergibt sich zwischen dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens und der Trauung eine längere Verzögerung (von mehr als 6 Monaten; vgl § 21 Abs 1 Z 1 lit a PStV), ist ein neues Ermittlungsverfahren durchzuführen (§ 27 Abs 2 PStV; Michel/Weitzenböck/Lenhard, PStR § 46 PStG Anm 12). 19 Ergibt das Ermittlungsverfahren ein Ehehindernis, beharren aber die Verlobten dennoch auf Trauung, hat die Personenstandsbehörde den Antrag mit Bescheid abzuweisen (Teschner, ÖStA 1995, 74; Zeyringer, ÖJZ 1984, 11); dagegen kann der Landeshauptmann angerufen und gegen dessen Entscheidung kann Beschwerde beim VwGH und beim VfGH erhoben werden (Michel/ Weitzenböck/Lenhard, PStR § 47 PStG Anm 4 und § 67 PStG Anm 2).
Ehemündigkeit § 1. (1) Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind ehemündig. (2) Das Gericht hat eine Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, auf ihren Antrag für ehemündig zu erklären, wenn der künftige Ehegatte volljährig ist und sie für diese Ehe reif erscheint. [Fassung Art II Z 1 KindRÄG BGBl I 2000/135; Überschrift Stammfassung] Lit: wie Vor § 1. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Ehemündigkeit . . . . . . . Fehlende Ehemündigkeit Ehemündigerklärung . . Verfahrensrechtliches . .
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A. Ehemündigkeit 1 Die Ehemündigkeit war mit dem VolljG, BGBl 1973/108, – wie früher geschlechtsspezifisch (zu den historischen Gründen und den Bedenken vgl Oberhofer, ÖA 1997, 179; F. Bydlinski, Gutachten für den 1. ÖJT 1961 I/1, 138 f) – beim Mann mit Vollendung des 19. und bei der Frau mit Vollendung des 16. Lebensjahrs festgesetzt worden. Nach dem am 1.7.2001 in Kraft getretenen KindRÄG 2001 tritt seither die Ehemündigkeit geschlechtsneutral mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs ein; damit fallen nunmehr idR der Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit (§ 21 Abs 2 ABGB), der Ehemündigkeit und der Ehegeschäftsfähigkeit zusammen (Hopf/Weitzenböck, ÖJZ 2001, 530). 364
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Das Vorliegen der Ehemündigkeit ist von der Personenstandsbehörde im Er- 2 mittlungsverfahren betreffend die Ehefähigkeit (vgl dazu näher Vor § 1 EheG Rz 5 ff) zu prüfen; dazu hat ein Verlobter im Alter zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr der Personenstandsbehörde den Gerichtsbeschluss über die Ehemündigerklärung vorzulegen (§ 21 Abs 1 Z 2 lit a PStG). Zur Ehemündigkeit von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit s § 17 Abs 1 IPRG, Vor § 1 EheG Rz 9 ff, § 21 Abs 2 PStV.
B. Fehlende Ehemündigkeit Das Fehlen der Ehemündigkeit ist ein spezifischer Mangel in der Rechtsfä- 3 higkeit (Wentzel/Klang I/12 438; Oberhofer, ÖA 1997, 179; vgl auch Vor § 1 EheG Rz 1); dieser Mangel bildet ein (aufschiebendes) Ehehindernis (iwS; Wentzel/Klang I/12, 438), also ein vom Standesbeamten zu beachtendes schlichtes Eheverbot (Trauungshindernis; Weitzenböck/Schwimann § 1 EheG Rz 1; zum Begriff vgl Vor § 1 EheG Rz 4). Die Missachtung dieses Trauungsverbots ist sanktionslos (Wentzel/Klang I/12, 437 f); die trotz fehlender Ehemündigkeit eines oder beider Verlobter geschlossene Ehe ist voll gültig und – allein wegen des Verstoßes gegen dieses Trauungsverbot – weder mit einem Nichtigkeits- noch mit einem Aufhebungsgrund behaftet (5 Ob 165/68 = EF 10.201; Weitzenböck/Schwimann § 1 EheG Rz 1). Von jenem Fall, dass (bloß) die Ehemündigkeit fehlt, sind freilich die Rechtsfolgen der Geschäftsunfähigkeit und der mangelnden Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zu unterscheiden (vgl dazu § 2 EheG Rz 4; § 3 EheG Rz 11 ff).
C. Ehemündigerklärung Zur Beseitigung des Trauungsverbots fehlender Ehemündigkeit dient die Ehe- 4 mündigerklärung. Nach dem VolljG, BGBl 1973/108, konnten ein Mann, der das 18. Lebensjahr, und eine Frau, die das 15. Lebensjahr vollendet hatten – demnach ein Jahr vor dem jeweiligen Erreichen der Ehemündigkeit –, für eine bestimmte Ehe als ehemündig erklärt werden, wenn er (sie) für diese Ehe reif erschien. Mit dem KindRÄG 2001 erfolgte auch eine Neuregelung der Ehemündigerklärung; nunmehr können Mann und Frau geschlechtsneutral jeweils ab Vollendung des 16. Lebensjahrs – demnach jeweils 2 Jahre vor dem Erreichen der Ehemündigkeit – für eine bestimmte Ehe als ehemündig erklärt werden, wenn der künftige Ehegatte volljährig ist und er (sie) für diese Ehe reif erscheint. Mit der notwendigen Volljährigkeit des anderen Ehegatten hat das KindRÄG 2001 neben der Vereinheitlichung der Altersgrenze ein zusätz365
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liches Erfordernis für die Ehemündigerklärung vorgesehen; damit sind seither reine „Minderjährigenehen“ ausgeschlossen. 5 Mit der Ehemündigerklärung wird die Ehemündigkeit nicht generell, sondern (nur) für die konkret beabsichtigte Eheschließung mit dem bestimmten Partner vermittelt (arg.: „. . . für diese Ehe . . .“; LGZ Wien EF 104.796; Weitzenböck/Schwimann § 1 EheG Rz 4). Wird die betreffende Ehe aufgelöst, aber neuerlich eine Ehe vor Erreichung des 18. Lebensjahrs angestrebt, muss daher auch die Ehemündigerklärung nochmals erwirkt werden. 6 Nähere Kriterien zur – stark einzelfallbezogenen (vgl LGZ Wien EF 104.797) – Beurteilung der Reife für die beabsichtigte Eheschließung nennen/nannten weder § 1 EheG noch der – früher verfahrensrechtlich maßgeblich gewesene – § 266a AußStrG 1854. In § 266a Abs 1 AußStrG 1854 war lediglich vorgesehen, dass sich das Gericht über alle maßgebenden Umstände ausreichende Kenntnis zu verschaffen hatte; welche Umstände maßgebend sein sollten, zeigte diese Bestimmung nicht auf. Das AußStrG 2003 enthält überhaupt keine dem § 266a AußStrG 1854 vergleichbare Bestimmung mehr. 7 Bei der Reifeprüfung ist zu klären, ob der Eheunmündige in insb geistiger, charakterlicher und sittlicher Hinsicht fähig ist (vgl LGZ Wien EF 117.317), die wesentlichen Grundsätze des Rechtsinstituts der Ehe und die daraus resultierenden Pflichten zu erfassen (vgl LGZ Wien EF 104.798, 111.150), und ob er gerade mit dem vorgesehenen Partner voraussichtlich auch praktisch in der Lage sein wird, ein gemeinsames Zusammenleben demgemäß zu gestalten. Dabei sind die Persönlichkeit sowie das soziale und wirtschaftliche Umfeld der Partner, aber auch der Kulturkreis zu berücksichtigen, dem sie angehören (vgl LGZ Wien EF XXX1/10), und es sind allfällige besondere Motive für die beabsichtigte Eheschließung zu erforschen. 8 IdR werden eine gefestigte Persönlichkeitsstruktur des Eheunmündigen, konkrete Vorstellungen der Partner über die gemeinsame Zukunft (vgl LG Feldkirch EF 114.132) sowie stabile Lebensverhältnisse, eine gewisse wirtschaftliche Absicherung (vgl LGZ Wien EF 117.318) für eine Ehemündigerklärung sprechen (vgl dazu auch Feil, Verfahren außer Streitsachen2 § 266a AußStrG [1854] Rz 1); dass dem Minderjährigen – über die Möglichkeit der Eheschließung hinaus – noch besondere Vorteile zukämen, ist für die Ehemündigerklärung nicht erforderlich (Stabentheiner/Rummel § 1 EheG Rz 2). Nach den Gesetzmaterialien soll allein die Schwangerschaft der Eheunmündigen deren Ehereife nicht erweisen (vgl ErläutRV 93 BlgNR 13. GP 23). Unzutr ist es, den Umstand, dass der Eheunmündige bislang noch nicht allein lebte, gegen eine Ehemündigerklärung ins Treffen zu führen (so aber LGZ Wien EF 117.318), weil Personen der betreffenden Altersgruppe typischerweise noch (größtenteils) bei den Eltern leben und deren Haushalt erst am Beginn einer fest(er)en Beziehung (zur Gänze) verlassen (zutr idS LG Feldkirch EF-Z 2007/35, 60 [Höllwerth]). 366
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Da Frauen vor der Änderung der Altersgrenzen durch das KindRÄG 2001 9 bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahrs ehemündig waren und sich seit dieser Gesetzesänderung die Entwicklung der persönlichen Reife tendenziell sicher nicht verzögert hat, sollte einer Frau ab diesem Alter die angestrebte Ehemündigerklärung nur aus besonderen Gründen verweigert werden (zutr LG Feldkirch EF-Z 2007/35, 60 [Höllwerth]). Ist die für die betreffende Ehe gebotene Reife gegeben, steht dem Gericht kein 10 Ermessensspielraum zu; die eheunmündige Person hat dann einen Anspruch auf die Ehemündigerklärung (arg.: „. . . hat . . . als ehemündig zu erklären . . .“; idS wohl auch LGZ Wien EF XXXI/10). Die Ehemündigerklärung beseitigt den Mangel der Eheunmündigkeit nur für 11 die betreffende Ehe, nicht aber einen Mangel der Geschäftsfähigkeit und sie ersetzt auch nicht die nach § 3 EheG erforderlichen Einwilligungen des gesetzlichen Vertreters und des Erziehungsberechtigten (Hopf/Kathrein § 1 EheG Anm 3). Die minderjährige Person steht dann aber mit der Eheschließung – allerdings nur hinsichtlich ihrer persönlichen Verhältnisse, nicht aber betreffend ihre vermögensrechtliche Verfügungs- und Verpflichtungsfähigkeit (vgl dazu Stabentheiner/Rummel § 175 ABGB Rz 2) und auch nur solange die Ehe dauert – einer volljährigen Person gleich (§ 175 ABGB). Die frühere Streitfrage, ob eine Volljährigerklärung nach dem (früheren) § 174 ABGB die Ehemündigerklärung ersetzt oder letztere dennoch erforderlich bleibt (zum seinerzeitigen Meinungsstand vgl Oberhofer, ÖA 1997, 180 FN 24; Hopf/ Kathrein1 § 1 EheG Anm 4), hat sich erledigt, weil § 174 ABGB mit dem KindRÄG 2001 aufgehoben wurde und seither das Rechtsinstitut der Volljährigerklärung nicht mehr existiert.
D. Verfahrensrechtliches Die Ehemündigerklärung ist im Verfahren außer Streitsachen beim Be- 12 zirksgericht zu erwirken; dies folgt trotz fehlender Erwähnung dieses Verfahrens im AußStrG 2003 und trotz des § 1 Abs 2 AußStrG aus der historischen Zuordnung dieser Materie ins Verfahren außer Streitsachen (§§ 266, 266a AußStrG 1854) sowie aus den insoweit unverändert gebliebenen § 19 Abs 2 Z 1 RPflG und TP 12 F. lit c 1. GGG (Höllwerth EF-Z 2007/35, 60 [61] Entscheidungsanmerkung). Die inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit ergeben sich aus den §§ 109, 110 JN. Die für die Erklärung der Ehemündigkeit anfallende Pauschalgebühr ist in TP 12 F. lit c 1. GGG festgesetzt und beträgt nach der Verordnung BGBl II 2009/188 derzeit 35 Euro. Verfahren und Entscheidung sind gem § 19 Abs 2 Z 1 RPflG dem Richter vorbehalten und fallen nicht in den Wirkungskreis des Rechtspflegers. 367
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13 Antragsrecht und Parteistellung hat allein die eheunmündige Person und nicht etwa auch der präsumtive Ehepartner, weil der Zweck des Verfahrens zur Reifeprüfung (nur) der Klärung der Rechtsstellung des Eheunmündigen dient (vgl § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG). Die strenge Orientierung an § 2 Abs 3 AußStrG iVm dem allein auf die rechtsgeschäftliche Verpflichtungsfähigkeit abstellenden § 2 ZPO und die Unanwendbarkeit des § 2a ZPO könnte zur Annahme führen, dass die eheunmündige Person im Verfahren zur Ehemündigerklärung der Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters bedürfte. Da zur Ehemündigerklärung aber ohnehin schon das 16. Lebensjahr erreicht sein muss und die Reifeprüfung eine höchstpersönliche Frage betrifft, liegt in Analogie zu den §§ 104, 90 Abs 2 AußStrG die Annahme voller Verfahrensfähigkeit des Minderjähriger auch im Verfahren zur Ehemündigerklärung nahe. Dass der Antrag auf Ehemündigerklärung nicht der Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters bedarf, steht überdies im Einklang mit dem Wortlaut des § 1 Abs 2 EheG (arg.: „. . . auf ihren Antrag . . .“; idS auch Weitzenböck/Schwimann § 1 EheG Rz 3). 14 Besondere Verfahrensbestimmungen für die Prüfung der Ehemündigkeit enthält das AußStrG 2003 nicht mehr. Nach der eher kursorischen Regelung des § 266a Abs 1 AußStrG 1854 hatte sich das Gericht über alle maßgeblichen Umstände ausreichende Kenntnis zu verschaffen, und es waren die Verlobten persönlich zu vernehmen; dies wird nunmehr auch im Licht des § 16 Abs 1 AußStrG 2003 gelten. IdR wird auch die Einvernahme der Eltern des Eheunmündigen angezeigt sein und nach den Umständen könnte auch die Befragung weiterer Angehöriger, Lehrer und Arbeitgeber sowie die Einholung eines ärztlichen/psychologischen Gutachtens geboten sein (vgl Oberhofer, ÖA 1997, 179; Schwind 97). Die Entscheidung über die Ehemündigerklärung ergeht mit Beschluss; im Falle der Antragsabweisung ist allein der Eheunmündige rekurslegitimiert. 15 Verlobte zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr, deren Personalstatut das österreichische Recht ist, haben dem Standesbeamten nach § 21 Abs 1 Z 2 lit a PStV zur Beurteilung ihrer Ehefähigkeit den Gerichtsbeschluss über die Ehemündigerklärung vorzulegen.
Geschäftsunfähigkeit § 2. Wer geschäftsunfähig ist, kann eine Ehe nicht eingehen. [Stammfassung] Lit: Baumgartner, Familienrecht und Gewissensfreiheit in Österreich, ÖJZ 2000, 781; Ent, Das neue Kindschaftsrecht, besonders die Regeln über die Vermögensverwaltung und die gesetzliche Vertretung, NZ 1978, 177; Fischer-Czermak, Zur Handlungsfähigkeit Minder-
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jähriger nach dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, ÖJZ 2002, 293; Gamerith, Drei Jahre Sachwalterrecht (Die bisherige Rechtsprechung des OGH) NZ 1988, 61; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen (Teil II), ÖJZ 2004/7, 121; Pichler, Probleme, Erfreuliches und gesetzgeberische Fehlleistungen im neuen Sachwalterrecht, JBl 1984, 225; Steinbauer, Die Handlungsfähigkeit geistig Behinderter nach dem neuen Sachwalterrecht, ÖJZ 1985, 385; V. Steininger, Zum Mitspracherecht Pflegebefohlener, FS Kralik (1986), 535; Simotta, Die Prozeßfähigkeit in Ehesachen und sonstigen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, ÖJZ 1989, 321; dies, Zweifelsfragen der „Eigenberechtigung“, ÖJZ 1990, 661 u 724; Ofner, Widerruf einer Privatstiftung durch den Sachwalter des Stifters, NZ 2001, 270; Zeyringer, Die gesetzliche Vertretung nicht voll geschäftsfähiger Personen, ÖStA 1993, 73.
Regelungsgegenstand des § 2 EheG ist das vollständige Fehlen der Geschäfts- 1 fähigkeit (volle Geschäftsunfähigkeit; vgl 7 Ob 178/73 = EF 20.305; Feil § 2 EheG Rz 1); mit der (bloß) beschränkten Geschäftsfähigkeit befasst sich dagegen § 3 EheG. Wann volle Geschäftsunfähigkeit iS des § 2 EheG vorliegt, definiert § 102 Abs 1 EheG idF SachwG BGBl 1983/136; unter (voll) Geschäftsunfähigen sind demnach Kinder unter 7 Jahren und Personen über 7 Jahren zu verstehen, „die den Gebrauch der Vernunft nicht haben“. § 2 EheG erfasst also zwei Gruppen von Personen, nämlich die Kinder iS des § 21 Abs 2 ABGB, denen altersbedingt die Geschäftsfähigkeit zur Gänze fehlt, und jene Personen, die – unabhängig von ihrem Alter – an einer derart schwerwiegenden Geistes- oder Sinnesstörung leiden, „dass sie deswegen den Vorgang der Eheschließung nicht erfassen“ können (6 Ob 4/70 = SZ 43/14 = EF 13.767). Die die Geschäftsunfähigkeit begründende Geistes- oder Sinnesstörung kann ein Dauerzustand sein oder etwa zufolge Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauchs nur zeitweilig vorliegen; im letztgenannten Fall ist dann der Zustand im Zeitpunkt der Eheschließung entscheidend (7 Ob 261/64 = EF 2144) und die Trauung im lichten Moment (lucidum intervallum) voll gültig (Schwind 97; Weitzenböck/Schwimann § 2 EheG Rz 1). Nach § 102 Abs 2 EheG gelten Personen, denen ein Sachwalter nach § 268 2 ABGB bestellt ist, (nur) als beschränkt geschäftsfähig (vgl dazu auch § 3 EheG Rz 1 f). Für § 2 EheG folgt daraus, dass die Bestellung eines Sachwalters nicht – per se – zur (vollen) Geschäftsunfähigkeit führt (Stabentheiner/Rummel § 2 EheG Rz 1); dies gilt nach dem insoweit uneingeschränkten Wortlaut des § 102 Abs 2 EheG selbst für Fälle des § 268 Abs 3 Z 3 ABGB, in denen sich die Sachwalterschaft auf alle Angelegenheiten erstreckt (Oberhofer, ÖA 1997, 180; Hopf/Kathrein § 2 EheG Anm 2; Weitzenböck/Schwimann § 2 EheG Rz 2). Selbst voll besachwaltete Personen sind daher – allein aus diesem Grund – nicht nach § 2 EheG von einer wirksamen Ehe ausgeschlossen (aA wohl Baumgartner, ÖJZ 2000, 783). Andererseits rechtfertigt die erfolgte Bestellung eines Sachwalters (oder ein Ausspruch nach § 154b ABGB) allein nicht jedenfalls die Annahme einer – die Anwendbarkeit des § 2 EheG ausschließenden – 369
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zumindest beschränkten Geschäftsfähigkeit (Stabentheiner/Rummel § 273 ABGB Rz 7; ders, 1. EB, § 154b ABGB Rz 4); unabhängig von einer bestehenden Sachwalterschaft muss nämlich auch für besachwaltete Personen gelten, dass die gegebenenfalls aus ihrem Geisteszustand resultierende volle Geschäftsunfähigkeit iS des § 102 Abs 1 2. Fall EheG dem wirksamen Abschluss einer Ehe entgegensteht (vgl V. Steininger, FS Kralik 541). 3 Die Prüfung der Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung obliegt dem Standesbeamten (vgl Schwind 97 f), der bei vorliegender Geschäftsunfähigkeit iS des § 102 Abs 1 EheG die Trauung nicht vornehmen darf. Freilich wird der Standesbeamte die Trauung nur dann verweigern dürfen, wenn das Vorliegen der Geschäftsunfähigkeit evident ist; mit derartigen Fällen wird in der Praxis kaum zu rechnen sein. 4 Die Geschäftsunfähigkeit iS des § 102 Abs 1 EheG stellt ein qualifiziertes Ehehindernis (qualifiziertes Eheverbot [iwS]; zum Begriff vgl Vor § 1 EheG Rz 3 f) dar. Die im Zeitpunkt der Eheschließung vorliegende Geschäftsunfähigkeit auch nur eines Verlobten macht die Ehe – selbst bei vorliegender Einwilligung des gesetzlichen Vertreters – nach § 22 Abs 1 EheG nichtig, dh durch Klage iS des §§ 27 f EheG vernichtbar. Die Geschäftsunfähigkeit ist nicht dispensabel und nicht ersetzbar (Weitzenböck/Schwimann § 2 EheG Rz 3; LGZ Wien EF 111.151). Der Mangel der fehlenden Geschäftsfähigkeit ist allerdings – bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe – durch Bestätigung (Konvalidation) gem § 22 Abs 2 EheG sanierbar (s § 22 EheG Rz 2 ff; LGZ Wien EF 111.151).
Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und des Erziehungsberechtigten § 3. (1) Wer minderjährig oder aus anderen Gründen in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, bedarf zur Eingehung einer Ehe der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. (2) Außerdem bedarf er der Einwilligung desjenigen, dem seine Pflege und Erziehung zustehen. (3) Werden die nach den Abs. 1 und 2 erforderlichen Einwilligungen verweigert, so hat das Gericht sie auf Antrag des Verlobten, der ihrer bedarf, zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen. [Fassung der Überschrift sowie der Abs 2 und 3 gem Art II Z 1 und 2 KindG BGBl 1977/ 403; Abs 1 Stammfassung] Lit: Baumgartner, Familienrecht und Gewissensfreiheit in Österreich, ÖJZ 2000, 781; Ent, Hat das BG BGBl Nr 108/1973 (Herabsetzung des Volljährigkeitsalters) etwas am Anwen-
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Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
dungsbereich des § 3 EheG geändert, ÖStA 1973, 71; ders, Das neue Kindschaftsrecht, besonders die Regeln über die Vermögensverwaltung und die gesetzliche Vertretung, NZ 1978, 177; Gamerith, Drei Jahre Sachwalterrecht (Die bisherige Rechtsprechung des OGH), NZ 1988, 61; Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen (Teil II), ÖJZ 2004/7, 121; Hainzl, Die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und der Sorgeberechtigten zur Eheschließung, ÖStA 1953, 25, 33; Hintermüller, Die Einwilligungserklärung zur Eheschließung der minderjährigen Braut, deren Eltern geschieden sind, ÖStA 1963, 62; Pichler, Einige Probleme des neuen Eherechts, JBl 1981, 281; ders, Probleme, Erfreuliches und gesetzgeberische Fehlleistungen im neuen Sachwalterrecht, JBl 1984, 225; ders, Neues im Kindschaftsrecht, JBl 1989, 678; Steinbauer, Die Handlungsfähigkeit geistig Behinderter nach dem neuen Sachwalterrecht, ÖJZ 1985, 385; V. Steininger, Zum Mitspracherecht Pflegebefohlener, FS Kralik (1986), 535; Simotta, Die Prozeßfähigkeit in Ehesachen und sonstigen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, ÖJZ 1989, 321; dies, Die Prozeßfähigkeit in (außerstreitigen) Eheangelegenheiten, ÖJZ 1989, 577; dies, Zweifelsfragen der „Eigenberechtigung“, ÖJZ 1990, 661 und 724; Welser, die Neuordnung der Geschäftsfähigkeit und ihre Problematik, VersRdSch 1973, 146; Zeyringer, Die gesetzliche Vertretung nicht voll geschäftsfähiger Personen, ÖStA 1993, 73. Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F. G. H.
Beschränkte Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . Gesetzlicher Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . Pflegschaftsgerichtliche Genehmigung . . . Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlende Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . Ersetzen der Einwilligung . . . . . . . . . . . . Verfahren zur Ersetzung der Einwilligung
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1–4 5 6 7 8–10 11–13 14–21 22–27
A. Beschränkte Geschäftsfähigkeit Im Gegensatz zu § 2 EheG, der das vollständige Fehlen der Geschäftsfähigkeit 1 (die volle Geschäftsunfähigkeit) betrifft, bezieht sich § 3 EheG auf die (nur) beschränkte Geschäftsfähigkeit. Wann beschränkte Geschäftsfähigkeit iS des § 3 EheG vorliegt, definiert § 102 Abs 2 EheG idF SWRÄG 2006, BGBl I 2006/92; demnach sind unter beschränkt Geschäftsfähigen zwei Personengruppen, nämlich Minderjährige über sieben Jahre (bis 18 Jahre; vgl § 21 Abs 2 ABGB) und Personen zu verstehen, denen ein Sachwalter nach § 268 ABGB bestellt ist. § 3 EheG erfasst damit diejenigen Personen, die zwar nicht voll geschäftsunfähig, aber doch nicht eigenberechtigt sind (vgl Weitzenböck/ Schwimann § 3 EheG Rz 1; Stabentheiner/Rummel § 3 EheG Rz 1). Einer Adaption des § 102 Abs 2 EheG im Hinblick auf den durch das KindRÄG 2001 eingefügten § 154b ABGB bedurfte es deshalb nicht, weil Minderjährige, hinsichtlich derer ein Ausspruch nach § 154b ABGB vorliegt, ohnehin schon von § 102 Abs 2 1. Fall EheG angesprochen werden. 371
§ 3 EheG
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2 Nach dem Wortlaut des § 102 Abs 2 EheG müsste § 3 EheG für alle besachwalteten Personen gelten, und zwar unabhängig vom Wirkungskreis des Sachwalters, also ohne Unterschied, ob die Sachwalterbestellung nach § 268 Abs 3 Z 1, 2 oder 3 ABGB (§ 273 Abs 3 Z 1, 2 oder 3 ABGB aF) erfolgte (idS Baumgartner, ÖJZ 2000, 783 FN 14; Maurer, Sachwalterrecht 95, Gamerith, Drei Jahre Sachwalterrecht, NZ 1988, 66; Maurer/Tschugguel, Sachwalterrecht2 § 102 EheG Rz 8; Oberhofer, ÖA 1997, 181 f). 3 Das zu Rz 2 dargestellte Regelungsverständnis ist verfassungswidrig (idS schon Steinbauer, ÖJZ 1985, 391; diesem folgend Simotta, ÖJZ 1989, 323 FN 32; dies, ÖJZ 1990, 668; vgl auch die Aufhebung des § 24 NRWO durch den VfGH VfSlg 11.489 = ÖJZ 1988, 315 [BGBl 1988/19]): Die unterschiedslose Anwendung des § 3 EheG auf alle Fälle einer bestehenden Sachwalterschaft unabhängig vom Ausmaß einer gegebenen psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung führt zu einer unsachlichen Gleichbehandlung aller betroffenen Personen und widerspricht zunächst einmal dem – das Sachwalterrecht prägenden – Subsidiaritätsprinzip (vgl dazu zB LGZ Wien EF 100.466). Personen, denen ein Sachwalter für alle Angelegenheiten (§ 268 Abs 3 Z 3 ABGB [§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB aF]) bestellt wurde, würden dann genauso wie Personen, die einen Sachwalter nur für die Besorgung einzelner Angelegenheiten (§ 268 Abs 3 Z 3 ABGB [§ 273 Abs 3 Z 1 ABGB aF]) erhalten haben, etwa nur zur Abwicklung eines bestimmten Rechtsgeschäfts oder zur Vertretung in einem bestimmten Behördenverfahren, die Zustimmung des Sachwalters zur Eheschließung benötigen. Im letztgenannten Fall ist die Einwilligung des Sachwalters auch nur durch § 3 Abs 1 iVm § 102 Abs 2 EheG, nicht aber durch seinen Bestellungsbeschluss gedeckt, was § 280 Abs 1 ABGB (§ 273a Abs 1 Satz 1 ABGB aF) widerspricht, aus dem folgt, dass sich die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit nur nach dem Wirkungskreis des Sachwalters richtet (zutr Oberhofer, ÖA 1997, 182; allg dazu Simotta, ÖJZ 1990, 662). Schließlich fällt eine Person mit derselben psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung wie eine besachwaltete, der aber mangels zu besorgender Angelegenheiten oder wegen bestehender anderweitiger Hilfe iS des § 268 Abs 2 Z 1 ABGB (§ 273 Abs 2 Satz 1 ABGB aF) kein Sachwalter bestellt wurde, überhaupt aus dem Anwendungsbereich des § 3 EheG und kann, sofern sie nur des Vernunftsgebrauchs fähig ist (§ 2 EheG), ohne die Einwilligung einer dritten Person die Ehe schließen. Diese unterschiedlichen Rechtsfolgen erscheinen noch bedenklicher als die – ebenfalls unabhängig vom Umfang des Wirkungskreises des Sachwalters – durch § 568 ABGB aF vorgesehen gewesenen Formvorschriften für die Testamentserrichtung (dazu ebenfalls krit Steinbauer, ÖJZ 1985, 390; ebenso Simotta, ÖJZ 1989, 323 FN 31; vgl aber nunmehr § 568 Satz 1 ABGB idF FamErbRÄG 2004), nur die äußere Form der Willensbekundung durch den Besachwalteten, also das „Wie“ betrafen, während dagegen das Einwilligungserfordernis des § 3 Abs 1 EheG die inhaltliche 372
§ 3 EheG
Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
Willensbestimmung, also das „Ob“, betrifft. Der letzte Halbsatz des § 102 Abs 2 EheG idF der RV des SachwG hatte insoweit noch die Möglichkeit vorgesehen, dass das Pflegschaftsgericht die unbeschränkte Ehefähigkeit im Einzelfall zuerkennen hätte können, doch hat der JA – wie bei der Testierfähigkeit nach § 568 ABGB aF – diesen Passus gestrichen (JAB 1420 BlgNR 15. GP 3). Der in den ErläutRV zum SachwG zu § 102 EheG (742 BlgNR 15. GP 22) vertretene Standpunkt, „auch einem Behinderten, dem ein Sachwalter bloß für eine Einzelangelegenheit bestellt ist (§ 268 Abs 3 Z 1 ABGB [§ 273 Abs 3 Z 1 ABGB aF]) kann die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit zur Eingehung einer Ehe fehlen“, überzeugt nicht; diese Ansicht mag zwar im Einzelfall zutreffen, kann aber nicht generell unterstellt werden (zutr Steinbauer, ÖJZ 1985, 391). Ein verfassungskonformes Verständnis der §§ 102 Abs 2, 3 Abs 1 EheG erfor- 4 dert eine teleologische Reduktion dahin, dass die Einwilligung des Sachwalters zur Eheschließung nur dann erforderlich ist, wenn eine Sachwalterschaft nach § 268 Abs 3 Z 3 ABGB (§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB aF) vorliegt oder im Falle einer Sachwalterschaft nach § 268 Abs 3 Z 1 oder 2 ABGB (§ 273 Abs 3 Z 1 oder Z 2 ABGB aF) die Einwilligung zur Eheschließung konkret zum Wirkungskreis des Sachwalters gehört (idS allenfalls 7 Ob 199/04x = SZ 2004/181 = EvBl 2005/92; Schwind/Ehrenzweig 20; Oberhofer, ÖA 1997, 182; Stabentheiner/ Rummel § 3 EheG Rz 1a; Aichhorn 3 FN 2; Gitschthaler, ÖJZ 2004/7, 122; aA V. Steininger, FS Kralik 542 f; Hopf/Kathrein § 3 EheG Anm 1).
B. Gesetzlicher Vertreter Beschränkt Geschäftsfähige (iS der Rz 1) bedürfen zur Eingehung einer Ehe 5 der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 3 Abs 1 EheG) und des (sonstigen) Erziehungsberechtigten (§ 3 Abs 2 EheG). Gesetzlicher Vertreter sind – im Fall ungeteilter (beidseitiger) Obsorge nach den §§ 144, 167, 177 ABGB – jeder Elternteil (§ 154 Abs 1 ABGB) eines ehelichen Kindes sowie die Mutter und der – festgestellte (§ 163 ABGB) – Vater, im Fall getrennter (eingeschränkter) Obsorge der für die Vertretung im Pflege- und Erziehungsbereich zuständige Elternteil, die Großeltern gem § 145 ABGB, die Wahleltern (der Wahlelternteil) nach Maßgabe des § 182 ABGB und die Pflegeeltern (der Pflegeelternteil) entsprechend § 186a ABGB, allenfalls der Jugendwohlfahrtsträger und sonstige mit der gesetzlichen Vertretung im Bereich der Pflege und Erziehung betraute Personen (§§ 187, 211 ABGB) sowie bei besachwalteten Personen deren Sachwalter. Sind mehrere Personen gesetzliche Vertreter (zB Eltern, Großeltern), dann gilt Einzelvertretung (vgl § 154 Abs 1 ABGB); es reicht also die Einwilligung nur eines Teils selbst gegen den offenen Widerspruch des anderen (Weitzenböck/Schwimann § 3 EheG Rz 3). 373
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C. Erziehungsberechtigter 6 Erziehungsberechtiger iS des § 176 Abs 4 ABGB (idF KindRÄG 2001) ist jene Person, der im Innenverhältnis die tatsächliche Betreuung und Versorgung des Kindes zukommt (Stabentheiner/Rummel § 3 EheG Rz 2; ders, 1. EB, § 176 ABGB Rz 15; vgl auch ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 65). Der Sachwalter einer behinderten Person ist nicht Erziehungsberechtigter iS des § 3 Abs 2 EheG.
D. Pflegschaftsgerichtliche Genehmigung 7 Einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Eheschließung oder der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder des Erziehungsberechtigten – unterscheide davon das Ersetzen der Einwilligung nach § 3 Abs 3 EheG (vgl dazu Rz 14 ff) – bedarf es nicht (vgl 2 Ob 440/56 = SZ 29/57); eine solche Genehmigung wird aber regelmäßig nach § 154 Abs 3 ABGB im Falle des Abschlusses von Ehepakten oder Vorwegvereinbarungen nach § 97 EheG durch den beschränkt Geschäftsfähigen erforderlich sein (Oberhofer, ÖA 1997, 182).
E. Einwilligung 8 Die Einwilligung nach § 3 Abs 1 bzw Abs 2 EheG ist eine – einseitige, höchstpersönliche (vgl Wentzel/Klang I/12, 451; Schwind/Klang I/12, 662; Schwind/ Ehrenzweig 20) – Willenserklärung, die sich auf die vom beschränkt Geschäftsfähigen konkret beabsichtigte Ehe beziehen muss. Die Einwilligung ist dem Standesbeamten gegenüber abzugeben, dem sie spätestens zum Zeitpunkt der Eheschließung vorliegen muss. § 3 Abs 1 bzw Abs 2 EheG verlangen für die Einwilligung keine bestimmte Form (Schwind 103). Verlobte unter 18 Jahren bzw Verlobte, denen ein Sachwalter bestellt worden und deren Personalstatut das österreichische Recht ist, haben aber dem Standesbeamten nach § 21 Abs 1 Z 2 lit b und c PStV zur Beurteilung ihrer Ehefähigkeit die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (des Sachwalters) und der Person, der Pflege und Erziehung zustehen (oder den Gerichtsbeschluss, mit dem diese Einwilligungen ersetzt werden), vorzulegen (zur Überprüfung der Geschäftsfähigkeit durch den Standesbeamten s auch FA 23/2003 = ÖStA 2003, 90); die betreffenden Erklärungen sind vom Standesbeamten gem § 53 Abs 1 Z 2 PStG zu beurkunden und zu beglaubigen. 9 Die Einwilligung kann mit einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung versehen werden (Schwind/Klang I/12, 663; Schwind/Ehrenzweig 20; aA Wentzel/Klang I/12, 450; Hainzl, ÖStA 1953, 36); dann muss zur Zeit der 374
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Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
Trauung die Bedingung erfüllt bzw die Frist gewahrt sein (2 Ob 440/56 = SZ 29/57). Bis zum Zeitpunkt der Eheschließung kann auch noch der Widerruf erfolgen (Schwind 103; Weitzenböck/Schwimann § 3 EheG Rz 2; aA Wentzel/ Klang I/12, 450), was als Verweigerung der Einwilligung zu werten ist und wonach der beschränkt Geschäftsfähige nach § 3 Abs 3 EheG vorgehen kann (2 Ob 440/56 = SZ 29/57). Nach hM kann die Einwilligung nach allgemeinen Regeln – nach erfolgter 10 Eheschließung (bis dahin Widerrufsmöglichkeit) – wegen vorliegender Willensmängel angefochten werden (Schwind 103; Weitzenböck/Schwimann § 3 EheG Rz 2); dies hat mittels Aufhebungsklage nach § 35 EheG zu erfolgen, wobei dann die Rechtswirksamkeit der Einwilligung als Vorfrage zu beurteilen ist (Oberhofer, ÖA 1997, 184; Stabentheiner/Rummel § 3 EheG Rz 3).
F. Fehlende Einwilligung Die fehlende (und auch nicht iS der Rz 14 ff ersetzte) Einwilligung des gesetz- 11 lichen Vertreters zur Eheschließung stellt ein qualifiziertes Ehehindernis (qualifiziertes Eheverbot [iwS]; zum Begriff vgl Vor § 1 EheG Rz 3) dar. Dessen Missachtung führt zwar nicht zur Nichtigkeit der Ehe (5 Ob 165/68 = EF 10.201), bildet aber nach § 35 Abs 1 EheG einen Aufhebungsgrund (Wentzel/ Klang I/12, 454). Eine Dispens von diesem Ehehindernis ist nicht möglich; der Mangel der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist aber sanierbar (s dazu § 35 Abs 2 EheG), und die verweigerte Einwilligung kann auch ersetzt werden (s dazu unten Rz 14 ff). Die fehlende Einwilligung des Erziehungsberechtigten ist (bloß) ein auf- 12 schiebendes Ehehindernis (iwS), also ein vom Standesbeamten zu beachtendes schlichtes Eheverbot (Trauungshindernis; Schwind 104; Oberhofer, ÖA 1997, 184; zum Begriff vgl Vor § 1 EheG Rz 3). Die Missachtung dieses Trauungsverbots ist sanktionslos (§ 35 Abs 1 EheG e contrario; Schwind/Ehrenzweig 22; Aichhorn 4); die trotz fehlender Einwilligung des Erziehungsberechtigten geschlossene Ehe ist also voll gültig und – allein wegen des Verstoßes gegen dieses Trauungsverbot – weder mit einem Nichtigkeits- noch mit einem Aufhebungsgrund behaftet. Die Heirat ohne (bzw gegen den Willen der Eltern) kann zum Verlust des 13 Ausstattungsanspruchs (Anspruch auf Heiratsgut) führen (§ 1222 ABGB; RIS-Justiz RS0022274). An dieser Rechtslage ist durch das FamRÄG 2009 keine inhaltliche Änderung eingetreten.
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G. Ersetzen der Einwilligung 14 Wenn ein Berechtigter iS des § 3 Abs 1 und/oder Abs 2 EheG seine Einwilligung zur Eheschließung – ohne gerechtfertigte Gründe – verweigert, so hat das Gericht gem § 3 Abs 3 EheG diese Einwilligung auf Antrag desjenigen Verlobten, der ihrer bedarf, zu ersetzen. Für die Verweigerung der Einwilligung müssen – entgegen der Diktion des Gesetzes – nicht mehrere gerechtfertigte Gründe vorliegen, sondern es genügt ein solcher. Welche Umstände anerkennenswert oder ungerechtfertigt sein könnten, ist der Bestimmung nicht zu entnehmen. Aus der dazu vorliegenden – hauptsächlich älteren Rsp (s dazu insb Rz 16 f) – lassen sich bestimmte Grundsätze ableiten, denen freilich soziale Wertvorstellungen zugrunde liegen, die einem zeitlichen Wandel unterworfen sind. Ältere Judikaturgrundsätze können daher gerade in einem solchen Fall nur mit Vorbehalt auf die heutigen Verhältnisse angewendet werden. 15 § 3 EheG beruft zwar primär den gesetzlichen Vertreter und den Erziehungsberechtigten dazu, über die Einwilligung zu der vom beschränkt Geschäftsfähigen beabsichtigten Ehe zu entscheiden; daraus folgt aber weder, dass das Gericht nur die subjektive Plausibilität der Einwilligungsverweigerung zu beurteilen hätte, noch dass bei Ersetzungsentscheidungen generell ein besonders strenger Maßstab anzulegen wäre, die verweigerte Einwilligung also nur in besonders krassen Fällen ersetzt werden dürfte (so aber die h[ältere]Rsp 6 Ob 49/ 59 = EvBl 1959/142, 243; LGZ Wien EF 2139; LG Eisenstadt EF 6823; LGZ Wien EF 11.829; LG Eisenstadt EF 15.730). 16 Der Entscheidungsmaßstab für das Ersetzen der Einwilligung ist allein und beurteilt nach objektiven Gesichtspunkten das Wohl des beschränkt Geschäftsfähigen (idS wohl LGZ Wien EF 4778, EF 27.295; Oberhofer, ÖA 1997, 182). Dabei ist zu beachten, dass die beabsichtigte Ehe gerade die vom Minderjährigen oder Besachwalteten gewünschte künftige Lebensgestaltung darstellt; diesem Wunsch sollte deshalb nur dann nicht gefolgt werden, wenn dies dessen wohlverstandenen eigenen Interessen widerspricht. Zu ersetzen ist die verweigerte Einwilligung daher schon im „non-liquet“-Fall, wenn also konkrete und plausible Umstände, nach denen die beabsichtigte Eheschließung Interessen und Wohl des beschränkt Geschäftsfähigen relevant beeinträchtigen könnten, nicht erweislich sind. Ergeben sich dagegen Bedenken dieser Art, dann müssen Minderjährige das Erreichen des 18. Lebensjahrs abwarten, um in eigener Verantwortung die Tragfähigkeit der beabsichtigten Verbindung zu beurteilen und sich dementsprechend für oder gegen die Eheschließung zu entscheiden. 17 Verweigerungsgründe können grundsätzlich nur dann beachtlich sein, wenn sie Wesen und Zweck der Ehe (stRsp, etwa 7 Ob 343/57 = EvBl 1957/362, 576 = EF 2131; LGZ Wien EF 4775, EF 4778; LG Eisenstadt EF 6823; 8 Ob 86/75 376
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Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
= EvBl 1975/274, 631 = EF 24.916; LGZ Wien EF 43.586, EF 63.340) sowie das voraussichtliche künftige Verhältnis der Brautleute zueinander betreffen (stRsp, etwa 1 Ob 184/53 = SZ 26/73 = JBl 1953, 550 = EF 2126; LGZ Wien EF 4776; LGZ Wien EF 63.341). Daraus folgt zunächst, dass persönliche Umstände, Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den oder einem Verlobten einerseits und insb den (einwilligungsberechtigten) Eltern (einem Elternteil) oder sonstigen Angehörigen des künftigen Partners andererseits idR keine Rolle spielen dürfen (vgl 1 Ob 184/53 = SZ 26/73 = EF 2126; LGZ Wien EF 4776; LGZ Wien EF 4777; LG Eisenstadt EF 6823, EF 63.341). Selbstverständlich kann die Verweigerung der Einwilligung auch dann nicht gerechtfertigt sein, wenn sie der Berechtigte missbräuchlich, aus Schikane, persönlicher Animosität gegenüber dem präsumtiven Partner oder sonstigen selbstsüchtigen Motiven nicht erteilt. Beachtlich für die Ersetzungsentscheidung sind grundsätzlich all jene Um- 18 stände, die für/gegen die frühzeitige Eheschließung und für/gegen die künftige Beständigkeit dieser Ehe sprechen. Es wird zunächst der Grad der seelischen und geistigen Reife des beschränkt Geschäftsfähigen eine Rolle spielen (7 Ob 343/57 = EvBl 1957/362, 576 = EF 2131; LG Eisenstadt EF 6823), weil die Einsicht in die wesentlichen Grundsätze des Rechtsinstituts der Ehe und die daraus resultierenden Pflichten vorhanden sein soll. Freilich ist die Ersetzung der verweigerten Einwilligung kein Privileg frühreifer Minderjähriger; es genügt, dass der beschränkt Geschäftsfähige die wesentlichen Pflichten, die ihn aufgrund der Eheschließung treffen, einzuschätzen und damit voraussichtlich umzugehen vermag. Eine gewisse wirtschaftliche Grundlage für die geplante Ehe kann ein nicht unwesentlicher Faktor für deren Haltbarkeit sein, weshalb auch das Vorliegen einer materiellen Basis für die künftige eheliche Lebensgemeinschaft einen beachtlichen Aspekt darstellt (vgl 7 Ob 343/57 = EvBl 1957/ 362, 576 = EF 2131; LG Eisenstadt EF 6823; LGZ Wien EF 43.586). Mögliche Unsicherheiten des Einwilligungsbedürftigen oder beider Partner im Umgang mit Einkommen und Vermögen müssen der Eheschließung aber nicht unbedingt entgegenstehen, weil der gesetzliche Vertreter ohnehin die vermögensrechtlichen Interessen des nur beschränkt Geschäftsfähigen weiter kontrollieren kann und auch eine Absicherung des Einwilligungsbedürftigen durch Ehepakte oder Vorwegvereinbarungen möglich ist (vgl KG Krems EF 11.827). Eingehend zu hinterfragen ist eine mit der Eheschließung verbundene grund- 19 legende Änderung der Lebensverhältnisse des Einwilligungsbedürftigen, die zu seinen bisherigen persönlichen und sozialen Verhältnissen stark kontrastiert (vgl dazu 6 Ob 145/68 = JBl 1968, 570 = EF 10.202/21; KG Krems EF 8468); insb bei einem Wechsel in einen fremdartigen Kulturkreis ist genau zu prüfen, ob der beschränkt Geschäftsfähige die daraus resultierenden Probleme zu erkennen und sich diesen voraussichtlich erfolgreich zu stellen vermag. Die bloße ausländische Staatsangehörigkeit des künftigen Ehegatten 377
§ 3 EheG
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wird dagegen allein idR keine entscheidungswesentliche Rolle spielen; ebenso wenig wird der vom Einwilligungsbedürftigen im Gefolge der Eheschließung beabsichtigte Wechsel der Religionszugehörigkeit (oder der „nicht bekenntnismäßigen Weltanschauung“) allein einen gerechtfertigten Grund gegen die Eheschließung darstellen, weil auch sonst schon ab dem 14. Lebensjahr Religionsmündigkeit besteht (vgl §§ 5 f RelKEG). 20 Ein (sehr) großer Altersunterschied zwischen den künftigen Ehegatten war nach bisheriger (älterer) Rsp idR ein gerechtfertigter Grund für die verweigerte Einwilligung zur Eingehung der Ehe (vgl dazu 6 Ob 49/59 = EvBl 1959/ 142, 243 = EF 2132 [40 Jahre Altersunterschied – Verweigerungsgrund]; LGZ Wien EF 2133 [30 Jahre – Verweigerungsgrund]; LG Eisenstadt EF 2135 [mehr als 27 Jahre – Verweigerungsgrund]; LGZ Wien EF 2128 [21 Jahre – kein Grund]; LGZ Wien EF 4778 [17 Jahre – kein Grund]); dies wird nach heutigen sozialen Vorstellungen wohl nur mehr in besonders krassen Fällen gelten oder wenn sonstige, gegen eine Eheschließung sprechende Umstände dazukommen. 21 Schließlich können auch Geschehnisse aus dem Vorleben des künftigen Ehepartners (vgl LGZ Wien EF 11.828, EF 11.829; 8 Ob 86/75 = EvBl 1975/274, 631 = EF 24.917), etwa Vorstrafen (vgl dazu LGZ Wien EF 2138; KG Krems EF 13.768) oder dessen frühere (gescheiterten) Beziehungen (vgl dazu 8 Ob 86/75 = EvBl 1975/274, 631 = EF 24.916 mwN) eine beachtliche Rolle spielen, sofern daraus konkrete Folgewirkung für oder Bedenken gegen die beabsichtigte Eheschließung mit dem Einwilligungsbedürftigen abzuleiten sind. Eine bereits vorliegende Schwangerschaft der Einwilligungsbedürftigen oder eine schon bestehende Lebensgemeinschaft (vgl dazu 1 Ob 661/77 = EF 29.480) der Verlobten können für sich allein keine Gründe darstellen, die verweigerte Einwilligung zur Eheschließung zu ersetzen, weil sonst die Verlobten die Ersetzungsvoraussetzungen allzu leicht selbst herbeiführen könnten.
H. Verfahren zur Ersetzung der Einwilligung 22 Das Verfahren zur Ersetzung der verweigerten Einwilligung zur Eheschließung wird im AußStrG 2003 – anders als noch in §§ 266, 266a AußStrG 1854 – nicht (ausdrücklich) erwähnt; doch folgt – trotz des § 1 Abs 2 AußStrG – aus der früheren Zuordnung dieser Materie ins außerstreitige Verfahren und auch aus der insoweit unverändert gebliebenen Regelung der funktionellen Zuständigkeit in § 19 Abs 2 Z 2 RPflG, dass die Ersetzung der Einwilligung (weiterhin) im Verfahren außer Streitsachen beim Bezirksgericht zu erwirken ist (s auch § 1 EheG Rz 12). Die inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit ergeben sich aus den §§ 109, 110 JN. Verfahren und Entscheidung 378
§ 3 EheG
Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
sind gem § 19 Abs 2 Z 2 RPflG dem Richter vorbehalten und gehören nicht zum Wirkungskreis des Rechtspflegers. Besondere Verfahrensbestimmungen für die Ersetzungsentscheidung enthält 23 das AußStrG nicht. Aus § 2 Abs 3 AußStrG iVm dem allein auf die rechtsgeschäftliche Verpflichtungsfähigkeit abstellenden § 2 ZPO und infolge Unanwendbarkeit des § 2a ZPO würde folgen, dass der beschränkt Geschäftsfähige im Verfahren zur Ersetzung der Einwilligung der Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters bedürfte; soweit gerade über dessen verweigerte Einwilligung zu entscheiden ist, kommt eine solche Vertretung jedenfalls nicht in Frage. Im Übrigen ist Personen ab Vollendung des 14. Lebensjahrs – in Analogie zu den §§ 104, 90 Abs 2 AußStrG – selbstständige Verfahrensfähigkeit zuzuerkennen. Das Antragsrecht hat allein der beschränkt Geschäftsfähige und nicht etwa 24 auch der künftige Ehepartner; Zweck des Verfahrens (vgl § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG 2003) ist nämlich (nur) die Klärung der Frage, ob dem Wohl des Einwilligungsbedürftigen widersprechende Gründe gegen die beabsichtigte Eheschließung vorliegen. Angesichts dieses Verfahrenszwecks ist neben dem beschränkt Geschäftsfähigen auch der Einwilligungsberechtigte, dessen verweigerte Zustimmung ersetzt werden soll, am Verfahren zu beteiligen und zu hören. Diesem muss – zum Wohl des beschränkt Geschäftsfähigen – die Möglichkeit offen stehen, die für seine Einwilligungsverweigerung sprechenden Gründe darzustellen und im Fall ihrer Berechtigung auch zum Durchbruch zu verhelfen. Im Verfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz iS des § 16 Abs 1 AußStrG; 25 demnach wird sich das Gericht über alle maßgeblichen Umstände ausreichende Kenntnis zu verschaffen und dazu insb den beschränkt Geschäftsfähigen selbst, dessen gesetzliche(n) Vertreter und die Erziehungsberechtigten sowie den künftigen Ehepartner zu vernehmen haben. Abhängig von dem vom Einwilligungsberechtigten behaupteten Verweigerungsgrund kann die Befragung weiterer Personen oder auch die Einholung ärztlicher/psychologischer Gutachten erforderlich sein. Ist der vom gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten behauptete Verweigerungsgrund nicht erweislich, ergibt sich aber im Rahmen der amtswegigen Prüfung ein anderer Verweigerungsgrund, so muss dieser, weil die materielle Richtigkeit des Ergebnisses den Vorrang hat, berücksichtigt und dann die Ersetzung der Einwilligung verweigert werden. Die Entscheidung ergeht mit Beschluss, der im Falle der Antragsabweisung 26 nur vom beschränkt Geschäftsfähigen mit Rekurs angefochten werden kann. Nach Antragsstattgebung hat die Rsp – auf der Grundlage des AußStrG 1854 – dem Einwilligungsberechtigten, dessen verweigerte Zustimmung ersetzt wurde, ebenfalls (idR implicite) ein Rekursrecht eingeräumt (vgl etwa 1 Ob 379
§§ 4–6 EheG
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184/53 = SZ 26/73 = JBl 1953, 550; 7 Ob 343/57 = EvBl 1957/362, 576; 6 Ob 49/59 = EvBl 1959/142, 243; 6 Ob 145/68 = JBl 1968, 570 = EF V/21). 27 Fraglich erscheint, ob im Verfahren über die Ersetzung der Einwilligung Kostenersatz gem § 78 Abs 2 AußStrG stattfindet. Eine Ausnahme von dieser Kostenersatzregelung ist für dieses Verfahren zwar nicht verfügt, doch lässt sich daraus für die Frage der Kostenersatzpflicht schon deshalb nichts ableiten, weil der Gesetzgeber – trotz § 1 Abs 2 AußStrG – nicht einmal die Notwendigkeit eines Hinweises auf den maßgeblichen Rechtsweg erkannt hat (s Rz 22). Der für die Entscheidung nach § 3 Abs 3 EheG allein beachtliche Grundgedanke, das Wohl des Einwilligungsbedürftigen durchzusetzen, und der Umstand, dass der Einwilligungsberechtigte dabei recte keine eigenen (subjektiven) Ansprüche, sondern nur wohlverstandene Interessen des Minderjährigen geltend machen kann, sprechen eher gegen die Annahme eines „Streitverhältnisses“ iS des § 78 Abs 2 AußStrG. Außerdem würde eine Kostenersatzpflicht in einem Verfahren nach § 3 Abs 3 EheG auch einen Wertungswiderspruch zu den – einen Kostenersatz Minderjähriger ausschließenden – Regelungen der §§ 83 Abs 4, § 90 Abs 2, § 92 Abs 4, § 101 Abs 2, § 107 Abs 3, § 114 Abs 6 AußStrG darstellen (s zur Frage des Kostenersatzes auch § 78 AußStrG Rz 26 ff).
B. Eheverbote [Blutsverschiedenheit] § 4. aufgehoben durch § 1 Z 1 des G StGBl 1945/31.
[Mangel der Ehetauglichkeit] § 5. aufgehoben durch § 1 Z 1 des G StGBl 1945/31.
Verwandtschaft § 6. Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen Blutsverwandten gerader Linie und zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern, gleichgültig ob die Blutsverwandtschaft auf ehelicher oder unehelicher Geburt beruht. [Stammfassung] Lit: Bauerecker, Das Eheverbot der Verwandtschaft, ÖStA 1963, 23; Böhmer, Sind noch alle Eheverbote zeitgemäß? StAZ 1991, 125; Breiteneder, Das Eheverbot wegen Verwandtschaft
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§ 6 EheG
Verwandtschaft
und Schwägerschaft, ÖStA 1949, 57; Gschnitzer, Die Vaterschaft, ZBl 1928, 648; Hoyer, Familienrecht und System, FS Schwind II (1993), 157; Lüke, Die Eheverbote wegen Schwägerschaft und Ehebruch, NJW 1962, 2177; Mader, Die Geschwister in der Familie, in Harrer/ Zitta, Familie und Recht (1992), 85; Marcks, Verwandtschaft und Schwägerschaft als Eheverbote, StAZ 1966, 245; Michel, Eheähnliche Lebensgemeinschaften und Reproduktionsmedizin, JBl 1993, 297; Schmoller, Unzureichendes oder überzogenes Sexualstrafrecht, JRP 2001, 64; Wilflingseder, Familie und Strafrecht, in Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992), 121.
Das Eheverbot der Verwandtschaft ist als Inzestverbot sozial, ethisch, religiös 1 und kulturell – mit freilich unterschiedlicher Reichweite in seiner historischen Entwicklung (vgl dazu Faistenberger 18) – weithin anerkannt. Sein Zweck besteht in eugenischer Hinsicht in der Vermeidung von Erbkrankheiten (vgl dazu auch Schick in Höpfel/Ratz, WK2 [2007] § 211 StGB Rz 2; ferner 11 Os 176/76 = SSt 48/8 = EvBl 1977/165, 360) und in sozialer Hinsicht (Schutz der Familie) im Unterbinden von Geschlechtskonkurrenz innerhalb der Kernfamilie durch Zwang zur Exogamie (vgl Müller-Gindullis in MünchKomm5 [2010], § 1307 BGB Rz 1; Strätz in Staudinger, 4. Buch [2007] § 1307 BGB Rz 5). Der Beischlaf zwischen nahen Verwandten steht auch unter strafrechtlicher Sanktion (§ 211 StGB [Blutschande]). Das Eheverbot der Verwandtschaft besteht – unabhängig von ehelicher oder 2 unehelicher Geburt – zwischen allen Verwandten gerader Linie unabhängig vom Verwandtschaftsgrad, also zwischen allen Vorfahren und Nachkommen sowie in der Seitenlinie zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern. Halbbürtige Geschwister sind solche, die nur einen Elternteil gemeinsam haben, also von verschiedenen Müttern oder Vätern abstammen (Bauerecker, ÖStA 1963, 24). Adoption begründet oder beendet Blutsverwandtschaft nicht (Stabentheiner/ 3 Rummel § 6 EheG Rz 3 und § 182 ABGB Rz 1; zum Eheverbot der Wahlkindschaft s § 10 EheG). Eine Ehe zwischen einem leiblichen Kind der Wahleltern und einem Wahlkind ist daher genauso wenig verboten wie zwischen zwei Wahlkindern, die miteinander nicht blutsverwandt sind (LGZ Wien EF 100.811, 104.799). Ob beim Eheverbot nach § 6 EheG rechtliche oder natürliche (tatsächliche, 4 biologische, genetische) Verwandtschaft entscheidet, ist nach (ö)L str; die erstgenannte Meinung, nach der die – nicht durch eine Statusentscheidung beseitigte – eheliche oder uneheliche (rechtliche) Abstammung iS der §§ 138, 163 (idF FamErbRÄG, 2004 BGBl I 2004/58) ABGB maßgeblich sei, vertreten Wentzel/Klang I/12, 465, Schwind 107, Schwind/Ehrenzweig 24 f, Pichler/ Rummel2 § 6 EheG Rz 2, und Weitzenböck/Schwimann § 6 EheG, Rz 3 (zweifelnd allerdings bei heterologer Insemination in den Fällen der §§ 156a, 163 Abs 3 ABGB); die zweite Variante (natürliche Verwandtschaft) präferieren Lehnhof/Klang I/11, 474, Ehrenzweig, System II/2, 36, KW13, 451, wohl auch 381
§ 6 EheG
Höllwerth
Hoyer 160 und „eher“ Stabentheiner/Rummel § 6 EheG Rz 2 (vgl auch LGZ Wien EF 100.811). Für die Relevanz primär der tatsächlichen (genetischen) Verwandtschaft und der zusätzlichen Berücksichtigung der rechtlichen Verwandtschaft treten – zutr – Mader 101 f, ähnlich Hinteregger, Familienrecht 41, nunmehr wohl auch Hopf/Kathrein § 6 Anm 1 und – bei vergleichbarer Rechtslage die deutsche L (Strätz in Staudinger, 4. Buch [2007] § 1307 BGB Rz 8; Müller-Gindullis in MünchKomm5 [2010], § 1307 BGB Rz 5) ein. 5 Die (primäre) Relevanz der natürlichen (tatsächlichen, biologischen, genetischen) Verwandtschaft, wobei Samen- oder Eispende genügen, hat den Wortlaut des § 6 EheG (arg: „Blutsverwandte“) und überdies den eugenischen Normzweck für sich; warum unter diesen Gesichtspunkten etwa bei heterologer Insemination in den Fällen der §§ 156a, 163 Abs 3 und 4 ABGB oder bei verbotswidriger Verwendung eines fremden Eies (vgl § 137b ABGB; 7 Ob 212/97w = EvBl 1998/2, 23 = SZ 70/155 = EF 83.063) – trotz evident unrichtiger rechtlicher Verwandtschaft – die genetische Verwandtschaft nach § 6 EheG unbeachtet bleiben sollte, ist nicht begründbar. Freilich ist zusätzlich zur genetischen auch die rechtliche Verwandtschaft zu berücksichtigen – zur daraus resultierenden Erweiterung des Eheverbots vgl das Beispiel bei Mader 101 –, weil sich diese ihrem Konzept nach ohnehin an der biologischen Abstammung orientiert, damit idR auch die Vermutung der genetischen Richtigkeit für sich hat und deshalb erst durch eine Statusentscheidung beseitigt werden muss. 6 Bestehende Verwandtschaft ist ein qualifiziertes Eheverbot ([ieS]; trennendes Ehehindernis; relatives Ehehindernis; zu den Begriffen vgl Vor § 1 EheG Rz 2 und 3 ff) und Nichtigkeitsgrund (s dazu Rz 7). Dispens und Sanierung sind grundsätzlich ausgeschlossen (Stabentheiner/Rummel § 6 EheG Rz 1; Weitzenböck/Schwimann § 6 EheG Rz 1), doch kann sich durch Statusentscheidungen die nach § 6 EheG maßgebliche Verwandtschaftsbeziehung rückwirkend ändern; dies kann zum späteren Wegfall, aber auch zum späteren Entstehen des Ehehindernisses führen. 7 Die entgegen dem Eheverbot der Verwandtschaft abgeschlossene Ehe ist nach § 25 Abs 1 EheG nichtig, dh durch Klage iS des §§ 27 f EheG vernichtbar. Auch dann, wenn das Eheverbot erst „rückwirkend“ durch eine der Eheschließung nachfolgende Statusentscheidung entsteht (s Rz 6), folgt daraus die Nichtigkeit der Ehe nach § 25 EheG (Wentzel/Klang I/12, 465; Stabentheiner/ Rummel § 6 EheG Rz 3; Weitzenböck/Schwimann § 6 EheG Rz 3). Ob die Ehegatten vom Vorliegen des Eheverbotes Kenntnis hatten, ist für die Vernichtbarkeit der Ehe unerheblich. Die Kenntnis von der Nichtigkeit der Ehe zum Zeitpunkt der Eheschließung ist allerdings für die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten nach § 31 EheG relevant.
382
§§ 7–8 EheG
Doppelehe
§ 7. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/ 566.
Doppelehe § 8. Niemand darf eine Ehe eingehen, bevor seine frühere Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. [Stammfassung] Lit: Andrae, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen, FÜR 2004, 292; Boele-Woelki, Brüssel II: Die Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, ZfRV 2001, 121; Böhmer, Rechtsmißbräuchliche Erhebung der Nichtigkeitsklage bei Doppelehe, NJW 1959, 2185; Coester-Waltjen, Anerkennung im Internationalen Personen-, Familien- und Erbrecht und das Europäische Kollisionsrecht, IPRax 2006, 392; Dornblüth, Die europäische Regelung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Ehe- und Kindschaftsentscheidungen (2003); Fellner, Die Wiederaufnahmsklage in Ehesachen, ÖJZ 1946, 255; Helms, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2001, 257; Herz, Wiederaufnahmsklage auch bei rechtskräftig ausgesprochener Ehescheidung, ÖJZ 1946, 215; Jelinek, Die Wiederaufnahmsklage wegen neuer Tatsachen und Beweismittel im Eheprozeß, JBl 1968, 510 und 555; Koch-Hipp, Die einvernehmliche Scheidung. Voraussetzungen, Verfahren und Rechtskraft, FamZ 2006, 100; Neuhaus, Heilung von Nichtehen, in FS Schwind I (1978), 223; Nademleinsky, Anerkennung eheauflösender Entscheidungen durch die Personenstandsbehörde, Zak 2007, 409; Neumayr, Scheidung im internationalen Kontext, iFamZ 2008, 362; Nunner-Krautgasser, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen – Rechtsenwicklung im Überblick, ÖJZ 2009, 533; Pagenstecher, Liegt eine gültige Ehe vor, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in ungültiger Ehe lebte? DJZ 1929, 492; Schütz, Zwischenstaatliche Vereinbarungen, die für Familienrichter bedeutsam sein könnten, RZ 2001, 54; Schwind, Prinzipien eines europäischen Eherechts, in FS Broda (1976), 301; Sturm, Brüssel II und der europäische Standesbeamte; Teschner, Inzidentanerkennung ausländischer eheauflösender Entscheidungen, ÖStA 2005, 29 und 37; Wagner, Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach der Brüssel II-Verordnung, IPRax 2001, 73; Winkler v. Mohrenfels, Hinkende Doppelehe, Vorfragenanknüpfung und Gestaltungswirkung inländischer Scheidungsurteile, IPRax 1988, 341; Zeyringer, Standesbeamter und Eheschließung, ÖStA 1993, 49. Inhaltsübersicht A. Allgemeines und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausländische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Nachträgliches Entstehen und nachträglicher Wegfall des Eheverbots . . . .
383
1–6 7–11 12–16
§ 8 EheG
Höllwerth
A. Allgemeines und Normzweck 1 Die Einehe ist im österreichischen Eherecht und im gesamten Gesellschaftssystem tragendes Ordnungsprinzip. Aus diesem Grundsatz der Monogamie folgt als Konsequenz das Verbot der Doppelehe, mit dem Bi- und Polygamie verhindert werden soll; damit wird freilich auch der Bestand der (bisherigen) Ehe samt den darauf beruhenden persönlichen und materiellen Rechten der in aufrechter Ehe lebenden Ehepartner geschützt (vgl Markel in Höpfel/Ratz, WK2 [2007] § 192 StGB Rz 1). Die Mehrfachehe steht auch unter strafrechtlicher Sanktion; die Eheschließung einer bereits verheirateten Person und die Eheschließung mit einer bereits verheirateten Person sind nach § 192 StGB strafbar. S auch das nunmehrige Eheverbot des § 9 EheG resultierend aus dem neuen Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft und § 5 Abs 1 Z 2 EPG, wonach eine eingetragene Partnerschaft nicht mit einer Person begründet werden darf, die bereits verheiratet ist oder mit einer anderen Person eine noch aufrechte eingetragene Partnerschaft begründet hat. 2 Das Verbot der Doppelehe ist ein qualifiziertes Ehehindernis (Eheverbot [ieS]; trennendes Ehehindernis; relatives Ehehindernis; zum Begriff vgl Vor § 1 EheG Rz 3 f) und Nichtigkeitsgrund (s dazu Rz 14); eine Befreiung von diesem Eheverbot und eine Sanierung der späteren Ehe sind grundsätzlich ausgeschlossen (Stabentheiner/Rummel § 8 EheG Rz 1; Weitzenböck/Schwimann § 8 EheG Rz 1); doch kann es – nach hA – zur Konvalidation kommen (s Rz 16; § 24 EheG Rz 5). 3 Das Eheverbot der Doppelehe verbietet einer bereits verheirateten Person das Eingehen einer weiteren Ehe, bevor die frühere Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist (vgl auch das Begründungshindernis des § 5 Abs 1 Z 2 EPG). Ein Verstoß gegen § 8 EheG liegt demnach (nur) dann vor, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der zweiten (späteren) Eheschließung mit einer dritten Person in gültiger Ehe lebt (2 Ob 267/98y = ZfRV 1999, 114; ferner 5 Ob 297/70 = SZ 43/239 = EvBl 1971/180, 324 = EF 13.770). 4 Eine (erste) wirkungslose Trauung (Nichtehe; s dazu § 15 EheG Rz 12 ff) kann das Eheverbot nicht begründen (2 Ob 267/98y = ZfRV 1999, 114 = EF 87.439; Müller-Gindullis in in MünchKomm5 [2010], § 1306 BGB Rz 1), und zwar unabhängig von einem – freilich möglichen (s § 15 EheG Rz 15) – Feststellungserkenntnis über das Vorliegen einer Nichtehe (Weitzenböck/Schwimann § 8 EheG Rz 1). Auch die Wiederholung einer Eheschließung – wegen bestehender Zweifel an der Gültigkeit oder am Fortbestand der bisherigen Ehe – iS des § 13 der 1. DVEheG ist (nur) eine doppelte Eheschließung gerade zum Zweck der Sicherung (des Fortbestands) der bestehenden Ehe und kann daher schon begrifflich keine Doppelehe nach § 8 EheG sein (6 Ob 2275/96v = ZfRV 1997/ 54, 155 = EvBl 1997/168, 828 = EF 84.539 = EF 84.723). 384
§ 8 EheG
Doppelehe
Eine nichtige Ehe, also eine (nur) iS der §§ 27 f EheG vernichtbare Ehe, steht 5 einer weiteren Eheschließung solange entgegen, bis diese mit rechtskräftigem Urteil beseitigt ist (Wentzel/Klang I/12, 590; Stabentheiner/Rummel § 24 EheG Rz 1; aA Köstler, Eherecht4, 13 f, der aus der vernichtbaren ersten Ehe für die zweite Ehe nur ein schlichtes Eheverbot ableitet), weil sich bis dahin niemand wirksam auf eine vorliegende Nichtigkeit berufen kann (§ 27 EheG; Feil § 8 EheG Rz 1). Zeitlich besteht das Eheverbot ab der ersten Eheschließung bis zu deren Nich- 6 tigerklärung oder Auflösung. Die Nichtigerklärung ist eine solche nach den §§ 27 f EheG; die Auflösung der Ehe kann durch den Tod eines Partners, durch Wiederverehelichung nach der Todeserklärung (oder der Beweisführung des Todes) hinsichtlich eines Partners (dazu näher bei §§ 43 f EheG), durch ein Erkenntnis auf Aufhebung (§ 34 EheG) oder Scheidung (§ 46 EheG) der Ehe erfolgen. Bei Nichtigerklärung und bei Auflösung der (ersten) Ehe durch gerichtliche Entscheidung ist der Zeitpunkt deren Rechtskraft maßgeblich (vgl 1 Ob 324/49 = SZ 22/174; Weitzenböck/Schwimann § 8 EheG Rz 2).
B. Ausländische Entscheidungen Bei ausländischen Entscheidungen, mit denen die (erste) Ehe für nichtig (un- 7 gültig) erklärt bzw deren Auflösung oder Scheidung ausgesprochen wird, kommt es auf die Entscheidungsanerkennung im Inland an (s dazu auch Vor §§ 97 ff AußStrG Rz 1 ff). Früher hatte das BMJ gem § 24 der 4. DVEheG über Anträge auf Anerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe zu entscheiden; diese Regelung wurde mit dem KindRÄG, BGBl I 2000/135, beseitigt. Handelt es sich um eine Entscheidung über den Bestand der Ehe durch einen 8 Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft, so ist für die Frage deren Anerkennung im Inland die Brüssel II a-VO (EuEheVO; Verordnung[EG] Nr 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung[EG] Nr 1347/2000) maßgeblich, die in ihrem Geltungsbereich – ausgenommen ist insb Dänemark (Art 2 Z 3 Brüssel II a-VO; näher zum räumlichen Geltungsbereich s Nademleinsky/Neumayr IFR Rz 05.02) – unmittelbar anwendbares Recht darstellt und der lex fori vorgeht (s Vor §§ 97 ff AußStrG Rz 1). Nach Art 21 Abs 1 Brüssel II a-VO sind nun die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen über den Bestand der Ehe ipso iure anzuerkennen, ohne dass es hierfür eines besonderen Anerkennungsverfah385
§ 8 EheG
Höllwerth
rens bedürfte (vgl Fuchs, Internationale Zuständigkeit [2004] Rz 342 mwN). Zum Entscheidungsnachweis sieht Art 39 Brüssel II a-VO vor, dass das zuständige Gericht (die zuständige Behörde) des Erststaats auf Antrag einer berechtigten Partei eine Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang I (Entscheidungen in Ehesachen) ausstellt. Art 21 Abs 3 Brüssel II aVO räumt allerdings jeder Partei, die ein Interesse hat, auch die Möglichkeit ein, im Rahmen eines Verfahrens die Feststellung zu beantragen, dass die betreffende Entscheidung über den Bestand der Ehe anzuerkennen (oder nicht anzuerkennen) sei (zur ipso-iure-Anerkennung und den Gründen zur Verweigerung der Anerkennung s § 97 AußStrG Rz 1 ff). 9 Außerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel II a-VO war eine ausländische Entscheidung über den Bestand der Ehe nach § 228a Abs 1 AußStrG 1854 nur wirksam, wenn deren Anerkennung vom Gericht in einem Verfahren nach dem § 228b AußStrG 1854 ausgesprochen worden war. Eine gerichtliche Entscheidung über die Anerkennung war nur dann nicht erforderlich, wenn beide Ehegatten im Zeitpunkt der Erlassung der ausländischen Entscheidung ausschließlich dem Staat, dessen Behörde entschieden hatte, angehörten. Im AußStrG 2003 ist die Frage der Anerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe in dessen 5. Abschnitt (§§ 97 bis 100 AußStrG) geregelt; demnach wird nunmehr eine solche Entscheidung in Österreich anerkannt, wenn sie rechtskräftig ist und kein Grund – iSd § 97 Abs 2 AußStrG – zur Verweigerung der Anerkennung vorliegt. Die Frage der Anerkennung kann also jetzt selbstständig als Vorfrage beurteilt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Allerdings sieht § 98 Abs 1 AußStrG 2003 – vergleichbar dem 21 Abs 3 Brüssel II a-VO – auch die Möglichkeit vor, dass derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, die Anerkennung der Entscheidung in einem selbstständigen Verfahren beantragen kann. Die Neuregelung des AußStrG 2003 stellt insoweit eine deutliche Änderung gegenüber der Rechtslage nach dem AußStrG 1854 dar, als nunmehr auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel II a-VO kein obligatorisches Anerkennungsverfahren mehr vorgesehen ist; damit kann insb auch im Rahmen der Prüfung durch den Standesbeamten eine inzidente Anerkennung erfolgen. Bestehen bei einer Beurkundung oder bei der Prüfung der Ehefähigkeit Zweifel, ob eine ausländische Entscheidung über die Auflösung einer Ehe anzuerkennen ist, so kann der Partei, die sich darauf beruft, gem § 50a PStG die Vorlage einer gerichtlichen Entscheidung über die Anerkennung (§§ 97 bis 100 AußStrG) aufgetragen werden (s dazu auch § 97 AußStrG Rz 3). § 50a PStG wurde mit dem AußStr-BegleitG BGBl I 2003/112 eingefügt und ist seit 1.1.2005 anwendbar. 10 Im Verhältnis zur Türkei kann für die Anerkennung von Entscheidungen über den Bestand einer Ehe dem EheÜ (samt DGEheÜ) Bedeutung zukommen (vgl dazu näher Fuchs, Internationale Zuständigkeit [2004] Rz 351 und 323).
386
§ 8 EheG
Doppelehe
Zur Möglichkeit einer für den österreichischen Rechtsbereich wirksame Dop- 11 pelehe im Fall des Vorliegens einer nicht anerkennungsfähigen, daher nicht eheauflösend wirkenden (ausländischen) Entscheidung und einer infolge Wiederverheiratung neuen Ehe mit zumindest einem gutgläubigen Ehepartner s § 45 EheG Rz 5 f.
C. Nachträgliches Entstehen und nachträglicher Wegfall des Eheverbots Ist die erste Ehe mit Urteil für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden 12 worden, dann kann selbst derjenige, der inzwischen neuerlich eine Ehe eingegangen ist, gegen das die erste Ehe beseitigende Urteil mit Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage vorgehen (vgl 2 Ob 243/52 = SZ 25/91; SZ 25/331 = JB 57; 2 Ob 567/82 = SZ 55/130 = RZ 1983/54, 230 = EF 41.823; vgl auch die Nachweise bei Wentzel/Klang I/12, 478). Ist diese erfolgreich und kommt es dann im erneuerten Verfahren (Hauptverfahren) zur Abweisung des gegen die erste Ehe gerichteten Klagebegehrens, bleibt (ist) die erste Ehe (wieder) wirksam, woraus dann das nachträgliche Entstehen des Eheverbots und die Nichtigkeit der zweiten Ehe resultiert (1 Ob 211/67 = JBl 1969, 93 = EF 8472; 2 Ob 567/82 = SZ 55/130 = RZ 1983/54, 230 = EF 41.823; Schwind 111 und 146; Stabentheiner/Rummel § 24 EheG, Rz 2; s ferner Schwind in FS Broda 313). AA sind Jelinek, JBl 1968, 560 und wohl auch Faistenberger 20, die wegen vermeintlich gleicher Interessenlage § 43 EheG analog anwenden und durch das Eingehen der zweiten Ehe die erste Ehe als endgültig aufgelöst sehen wollen (s dazu auch OLG Wien EF 2140). Diese Ansicht ist deshalb angreifbar, weil schon das Vorliegen einer die Analogie erst ermöglichenden Gesetzeslücke zweifelhaft ist und mit dem gewonnenen Ergebnis das seinerzeit zur Beseitigung der Erstehe führende Verfahren saniert würde, obwohl dieses mit schwersten, die Nichtigkeits- bzw Wiederaufnahmsklage begründenden Verfahrensfehlern behaftet war. Problematisch sind im gegebenen Zusammenhang diejenigen Fälle, in denen 13 zwar im Erneuerungsverfahren der Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage stattgegeben, im folgenden, erneuerten Verfahren in der Hauptsache aber wiederum die erste Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden wird; auch in diesen Fällen wird nämlich die erste Ehe erst mit Rechtskraft des neuen Urteils beseitigt, sodass die zweite Ehe bei deren Eingehung eine Doppelehe war. Unter diesen Umständen erscheint eine teleologische Reduktion des § 24 EheG geboten, weil der Wirksamkeit der zweiten Ehe bei dieser Konstellation der Zweck des Eheverbots nach § 8 EheG nicht entgegen steht und überdies die materielle Richtigkeit der die erste Ehe beseitigenden Entscheidung erwiesen ist. 387
§ 8 EheG
Höllwerth
14 Die entgegen dem – allenfalls auch erst nachträglich entstandenen (s zuvor Rz 12) – Eheverbot der Doppelehe abgeschlossene Ehe ist nach § 24 EheG nichtig, also durch Klage iS der §§ 27 f EheG vernichtbar (vgl OLG Wien EF 2147); dabei spielt es keine Rolle, ob die Ehegatten vom Vorliegen des Eheverbots Kenntnis hatten (Wentzel/Klang I/12, 477; Hopf/Kathrein § 24 EheG Anm 1; zur Bedeutung dieser Kenntnis zum Zeitpunkt der Eheschließung für die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten s § 31 EheG). Zwecks Vermeidung einer Doppelehe müssen Verlobte, die bereits verheiratet waren, dem Standesbeamten gem § 21 Abs 1 Z 3 bzw Abs 2 Z 2 PStV vor der Eheschließung die Heiratsurkunden aller früheren Ehen und den Nachweis über deren Auflösung oder Nichtigerklärung (Sterbeurkunde; gerichtliche Entscheidung über die Todeserklärung, die Herstellung des Todesbeweises oder über die Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der früheren Ehe[n] vorlegen; s dazu auch Zeyringer, ÖStA 1993, 51). Liegt ein solches, die frühere Ehe beseitigendes inländisches Erkenntnis oder eine ausländische Entscheidung samt Ausspruch über die inländischen Anerkennung vor, dann ist der Standesbeamte nicht berechtigt, eine solche Entscheidung noch selbstständig inhaltlich zu überprüfen und wegen deren vermeintlicher Unrichtigkeit die Eheschließung zu verweigern (vgl 1 Ob 324/49 = SZ 22/174; zur inzidenten Prüfung einer ausländischen Entscheidung durch den Standesbeamten s auch oben Rz 7 ff). 15 Nach dem Eingehen der zweiten Ehe kann durch Nichtigerklärung, Aufhebung, Scheidung oder durch den Tod des ersten Partners die erste Ehe nachträglich beseitigt (aufgelöst) werden. Die spätere Aufhebung oder Scheidung der ersten Ehe oder der Tod des ersten Ehepartners heilt nach hA die Nichtigkeit der bei aufrechter erster Ehe geschlossenen zweiten Ehe nicht (5 Ob 297/70 = SZ 43/239 = EvBl 1971/180 = EF 13.770; OLG Linz EF 22.676; OLG Wien EF 27.297; Wentzel/Klang I/12, 591; Faistenberger 20; Schwind 146; Schwind/Ehrenzweig 23 f; Feil § 8 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 24 EheG Anm 2; Weitzenböck/Schwimann § 24 EheG Rz 1; Stabentheiner/ Rummel § 24 EheG Rz 3; KW I13, 457). Für das Vorliegen dieses Eheverbots ist nämlich nach den §§ 8, 24 EheG grundsätzlich auf den Zeitpunkt der zweiten Eheschließung abzustellen; die Auflösung der ersten Ehe durch ein rechtskräftiges auf Aufhebung oder Scheidung lautendes Urteil bzw durch den Tod des ersten Ehepartners wirkt (nur) ex nunc und nicht zurück auf den Zeitpunkt der Schließung der zweiten Ehe. Diese Einschätzung entspricht auch dem Verständnis des historischen Gesetzgebers (vgl dazu Wentzel/Klang I/12, 591 f). 16 Anders als bei Aufhebung oder Scheidung der ersten Ehe geht die hM davon aus, dass die Nichtigkeit der zweiten Ehe nachträglich heilt (Konvaleszenz), wenn – vor deren Nichtigerklärung – die erste Ehe ihrerseits für nichtig erklärt wird (Wentzel/Klang I/12, 590 f; Faistenberger 20; Schwind 146; Schwind/Eh388
§§ 9–10 EheG
Annahme an Kindes Statt
renzweig 23; Stabentheiner/Rummel § 8 EheG Rz 2; KW I13, 457; aA Weitzenböck/Schwimann § 8 EheG Rz 1 und § 24 EheG Rz 1). Diese hA folgt wohl nicht wirklich eindeutig aus dem Wortlaut der §§ 8, 24 und 27 EheG; sie hat aber immerhin den Willen des historischen Gesetzgebers (vgl dazu Wentzel/ Klang I/12, 590 f), den Grundsatz des favor matrimonii (Hopf/Kathrein § 24 EheG Anm 2), die auch in anderen Fällen der Nichtigkeit mögliche rückwirkende Sanierung (vgl §§ 21 Abs 2, 22 Abs 2, 23 Abs 2 EheG) und den Umstand für sich, dass nach erfolgter Nichtigerklärung der ersten Ehe die Berufung darauf nach § 27 EheG zulässig ist und idZ auch im Licht des § 24 EheG insoweit gerechtfertigt erscheint, als nach letztgenannter Bestimmung wohl die materielle Wirksamkeit der Erstehe die argumentative Grundlage für die Nichtigkeit der Zweitehe darstellt. Die teleologische Reduktion des § 24 EheG im genannten Fall erscheint also legitim, kann doch der Zweck des Eheverbots nach § 8 EheG nicht darin gesehen werden, dass eine materiell unwirksame Erstehe sogar noch nach deren Nichtigerklärung auch die Zweitehe angreifbar macht und damit zur Vernichtbarkeit beider Ehen führt.
§ 9. Eine Person darf keine Ehe eingehen, bevor ihre eingetragene Partnerschaft für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. [Fassung gem Art 3 Z 1 EPG BGBl I 2009/135]
Der neue § 9 EheG sieht eine dem Verbot der Doppelehe (s dazu § 8 EheG) 1 entsprechende Bestimmungen in Bezug auf die eingetragene Partnerschaft vor.
Annahme an Kindes Statt § 10. Eine Ehe soll nicht geschlossen werden zwischen einem angenommenen Kinde und seinen Abkömmlingen einerseits und dem Annehmenden andererseits, solange das durch die Annahme begründete Rechtsverhältnis besteht. [Stammfassung]
Durch die Annahme an Kindesstatt wird die Wahlkindschaft begründet 1 (§ 179 Abs 1 Satz 2 ABGB); sie erfordert, dass eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll (§ 180a Abs 1 Satz 1 ABGB), und sie bewirkt, dass zwischen dem Annehmenden und dessen Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits mit diesem Zeitpunkt die gleichen Rechte entste389
§ 10 EheG
Höllwerth
hen, wie sie durch die eheliche Abstammung begründet werden (§ 182 Abs 1 ABGB). Die im Hinblick auf die Wahlkindschaft bestehende oder zumindest angestrebte Eltern-Kind-Beziehung widerspricht einem gleichzeitigen Eheverhältnis. Mann/Frau soll nicht zugleich Gatte/Gattin und Sohn/Tochter sein; diese familienrechtlich nicht harmonierenden Rechtspositionen sollen durch das Eheverbot der Wahlkindschaft verhindert werden. Die Adoption bildet zwar die Blutsverwandtschaft nach, bewirkt allerdings kein so weitreichendes Eheverbot wie diese. 2 Das Eheverbot nach § 10 EheG erfasst einerseits die Adoptiveltern und andererseits das Adoptivkind sowie dessen Nachkommen, und zwar – nach hM – sowohl die ehelichen als auch die unehelichen Abkömmlinge (Weitzenböck/ Schwimann § 10 EheG Rz 3; Stabentheiner/Rummel § 10 EheG Rz 2; Feil § 10 EheG Rz 1; aA Wentzel/Klang I/12, 495 allerdings nach der Rechtslage vor dem KindG). 3 Das Eheverbot nach § 10 EheG gilt nicht zwischen den Verwandten der Adoptiveltern und dem Adoptivkind sowie dessen Verwandten (Schwind 117; Hintermüller, ÖStA 1962, 9) und nach hA – wegen des auf die Blutsverwandtschaft hinweisenden Begriffs „Abkömmlinge“ – auch nicht für die Wahlkinder des Adoptivkindes (Hopf/Kathrein § 10 EheG Anm 1; Stabentheiner/Rummel § 10 EheG Rz 2; aA Schwind 117, der – wie von ihm auch zu § 6 EheG vertreten [dazu näher bei § 6 EheG Rz 4] – auf die rechtliche Verwandtschaft abstellen will). 4 Zeitlich gilt das Eheverbot der Wahlkindschaft nur solange, als das Adoptivverhältnis besteht (Feil § 10 EheG Rz 1; Schwimann/Schwimann2 § 10 EheG Rz 1). 5 Das Eheverbot der Wahlkindschaft ist ein schlichtes Eheverbot (Trauungshindernis; relatives Ehehindernis; Schwimann/Schwimann2 § 10 EheG Rz 2; zum Begriff vgl Vor § 1 EheG Rz 3), dessen Missachtung sanktionslos ist. Die entgegen diesem Eheverbot geschlossene Ehe ist weder nichtig noch aufhebbar. Eine Befreiung vom Eheverbot ist nicht möglich, doch ist die Wahlkindschaft nach § 184a Abs 1 Z 4 ABGB aufzuheben, wenn der Adoptivelternteil und das eigenberechtigte Wahlkind dies beantragen. Wird die gerichtliche Bewilligung des Annahmevertrags nach § 184 Abs 1 ABGB widerrufen, so hat dies rückwirkende Kraft und führt daher auch zur rückwirkenden Beseitigung des Eheverbots.
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§§ 11–14, Vor §§ 15–19 EheG
Eheschließung
§ 11. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/ 566. § 12. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/ 566. § 13. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/ 566. § 14. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/ 566.
C. Eheschließung Vor §§ 15–19 Lit: Bachmann, Scheinehen, ÖStA 1991, 19; V. Hoyer, Die Form der Eheschließung nach österreichischem Recht im Inland und im Ausland, insbesondere Ferntrauung und Eheschließung durch Stellvertretung, ÖJZ 1948, 221; ders, Die Form der Eheschließung im Inland und im Ausland nach österreichischem Recht, ÖStA 1952, 61; Lackner, Die obligatorische Ziviltrauung ist konkordatswidrig und unzeitgemäß (§ 15 EheG), RZ 2010, 66; Neuhaus, Heilung von Nichtehen, FS Schwind (1978), 223; Ratzenhofer, Die österreichische Form der Eheschließung, JBl 1951, 171; Schwind, Studien zum Eherecht, JBl 1946, 285 und 320; ders, Die Scheidung der Nichtehe, RabelsZ 1974, 523; Teschner, Örtlichkeitsgrundsatz, örtliche Zuständigkeit und Sonderbeurkundungsformen im PStG, ÖStA 1997, 90; ders, Trauung durch einen österreichischen Standesbeamten auf einem Schiff in internationalen Gewässern, ÖStA 2003, 65; Zeyringer, Das neue Personenstandsgesetz, ÖJZ 1984, 1; ders, Verhinderung von „Scheinehen“ durch den Standesbeamten? ÖStA 1990, 25; ders, Die Unterschrift des Standesbeamten, ÖStA 1992, 36; ders, Standesbeamter und Eheschließung, ÖStA 1993, 49; ders, Der Scheinstandesbeamte, ÖStA 1999, 32.
Das im Wesentlichen am 1.8.1938 in Kraft getretene „Gesetz zur Vereinheitli- 1 chung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet“ vom 6.7.1938 dRGBl I 807 samt DurchführungsVO vom 27.7.1938 brachte auf Dauer die obligatorische Zivilehe (zur geschichtlichen Entwicklung der standesamtlichen Trauung in Europa und in Österreich siehe Wentzel/Klang I/12, 531 ff; Schwind, JBl 1946, 285 ff und 320 ff). Diese erfordert zu ihrem wirksamen (formgültigen) Zustandekommen grundsätzlich, dass die Brautleute das Eheversprechen vor einem Standesbeamten abgegeben. Andere, dem staatlichen Gesetzgeber durchaus offen stehende Regelungsmodelle, wie etwa die (bloß) fakultative Zivilehe wären mit Art 12 EMRK ebenfalls vereinbar, sind aber – genauso wie die Notzivilehe (Nottrauung) – nicht (mehr) vorgesehen.
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Höllwerth
2 Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs ergingen mehrere Sondergesetze, mit denen Eheschließungen vor dafür nicht zuständigen Behörden, Organen oder Institutionen nachträglich saniert wurden; dies betraf vor einem Seelsorger zwischen 1.4.1945 und 29.6.1945 (StGBl 1945/31 und StGBl 1945/55) bzw 30.4.1946 (BGBl 1959/208) geschlossene Ehen (vgl dazu auch OLG Wien ZAS 1971, 184), Trauungen vor Funktionären der Besatzungsmächte in der Zeit zwischen 10.4.1945 und 1.8.1947 (BGBl 1947/117) sowie formnichtige Ehen infolge rassischer oder politischer Verfolgung aus der Zeit zwischen 13.3.1938 und 31.3.1945 BGBl (1954/14). Die aufgrund eines aus dem Jahr 1943 stammenden Erlasses des deutschen Reichsministers mögliche „nachträgliche Eheschließung“ mit einem gefallenen Soldaten („Stahlhelmehe“) wurde für Österreich mit Wirkung vom 1.11.1945 (BGBl 1946/105) außer Kraft gesetzt (näher zu diesen Sondergesetzen Schwind 126 ff; Schwind/Ehrenzweig 32 f; V. Hoyer, ÖJZ 1948, 221; ders, ÖStA 1952, 61, 68; Köstler, Österreichs Eherecht4 (1948) 6 ff; Wentzel/Klang I/12, 540 f, 550 f; Neuhaus, FS Schwind 223; zur postmortalen Eheschließung mit einem „gefallenen“, aber wieder zurückgekehrten Soldaten s OLG Nürnberg, FamRZ 1965, 380 und FamRZ 1970, 246). Die Personenstandverordnung der Wehrmacht (dRGBL 1939 I 2163 idF dRGBL 1942 I 597) kannte überdies die Ferntrauung, welche Regelung gem § 73 Abs 1 Z 13 PStG mit 1.1.1984 ihre Wirksamkeit verloren hat. 3 Da das (deutsche) Personenstandsgesetz vom 3.11.1937 in Österreich (Provinz Ostmark) erst ab 1.1.1939 galt, waren von 1.8.1938 bis zum 31.12.1938 ausschließlich die Bezirksverwaltungsbehörden zur Vornahme von Trauungen zuständig, die auch heute noch die Eheregister für diesen Zeitraum verwahren. Ab 1.1.1939 war dann den Gemeinden die Personenstandsverzeichnung übertragen. 4 Jedes Standesamt hat ein Geburten-, Ehe-, und Sterbebuch zu führen (zu den verschiedenen Arten der Personenstandsbücher s § 3 PStG). Die Personenstandsbücher sind nach Kalenderjahren und unter fortlaufender Nummer anzulegen (§ 5 Abs 1 PStG). Sie dienen der Beurkundung der Geburt, der Eheschließung und des Todes von Personen sowie ihres Personenstands (§ 1 Abs 1 PStG; zum Begriff „Personenstand“ s § 1 Abs 2 PStG). 5 Von 1939 bis 1983 war bei den Standesämtern ein Familienbuch zu führen, in welches die Eheschließung, die Vorfahren (Eltern) und die Nachkommen (Kinder) der Eheschließenden einzutragen waren. Seit 1984 wird nur noch ein Ehebuch geführt, in dem die Eheschließung beurkundet wird (zum vorangehenden Verfahren zur Ermittlung der Ehefähigkeit s Vor § 1 EheG Rz 5 ff; näher zum Ehebuch s Zeyringer, ÖJZ 1984, 1 [8]). Der Inhalt der in das Ehebuch aufzunehmenden Eintragungen, Vermerke und Hinweise ist in den §§ 24–26 PStG geregelt. 392
Vor §§ 15–19 EheG
Eheschließung
Nach dem Örtlichkeitsgrundsatz (Territorialitätsprinzip) des § 2 Abs 1 PStG 6 ist jeder im Inland eingetretene Personenstandsfall (hier: Eheschließung) in die Personenstandsbücher einzutragen (näher zum Örtlichkeitsgrundsatz Teschner, ÖStA 1997, 90 ff). Ein im Ausland eingetretener Personenstandsfall ist auf Antrag einer Person, die ein rechtliches Interesse daran glaubhaft macht, in ein inländisches Personenstandsbuch einzutragen, wenn der Personenstandsfall 1. einen österreichischen Staatsbürger, 2. einen Staatenlosen oder eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit betrifft, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, oder 3. einen Konventionsflüchtling betrifft, wenn dieser seinen Wohnsitz, mangels eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (§ 2 Abs 2 PStG; vgl auch den Personenkreis des § 9 IPRG). Die örtliche Zuständigkeit zur Vornahme von Eintragungen in das Personenstandsbuch richtet sich nach dem Ort des Personenstandsfalls (hier: Eheschließung; § 4 Abs 1 PStG). Zum Trauungsort bestimmt § 46 Abs 2 PStG, dass die Ehe vor jeder Perso- 7 nenstandsbehörde geschlossen werden kann (zur Zuständigkeit zur Ermittlung der Ehefähigkeit s Vor § 1 EheG Rz 6 ff; zur Trauung auf hoher See s Teschner, ÖStA 2003, 65). Die Eheschließung ist in Anwesenheit der Verlobten und der Zeugen zu be- 8 urkunden (§ 24 Abs 1 PStG). In das Ehebuch sind einzutragen 1. die Familiennamen und die Vornamen der Verlobten, ihr Wohnort, der Tag, der Ort und die Eintragung ihrer Geburt sowie ihre Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft; 2. die Erklärung der Verlobten über den Ehewillen; 3. der Ausspruch des Standesbeamten; 4. der Tag und der Ort der Eheschließung; 5. die Familiennamen und die Vornamen der Zeugen sowie ihr Wohnort; 6. Erklärungen der Verlobten über die Bestimmung des gemeinsamen Familiennamens oder die Weiterführung des bisherigen Familiennamens durch einen Ehegatten, über die Voran- und Nachstellung des bisherigen Familiennamens und über die Bestimmung des Familiennamens der aus der Ehe stammenden Kinder; 7. die Angabe, welchen Familiennamen die Ehegatten zu führen haben, gegebenenfalls Angaben nach § 10 Abs 2 zweiter Satz PStG (§ 24 Abs 2 PStG). Die Eintragung ist von den Ehegatten, den Zeugen, einem allenfalls zugezogenen Dolmetscher und dem Standesbeamten zu unterschreiben (§ 24 Abs 3 PStG). Die durch staatliche Gesetze nicht eingeschränkte Möglichkeit konfessionel- 9 ler Eheschließungen hat nur Wirkung für den jeweiligen kirchlichen Bereich. Das Verbot des § 67 PStG 1937, die religiöse Eheschließung vor der standesamtlichen vorzunehmen, hat der VfGH (G 9/55, G 17/55, VfSlg 2944 [BGBl 1956/46]), als verfassungswidrig aufgehoben.
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§ 15 EheG
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§ 15. (1) Eine Ehe kommt nur zustande, wenn die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattgefunden hat. (2) Als Standesbeamter im Sinne des Abs. 1 gilt auch, wer, ohne Standesbeamter zu sein, das Amt eines Standesbeamten öffentlich ausgeübt und die Ehe in das Ehebuch eingetragen hat. [Fassung Abs 2 gem Art II Z 2 PersRÄG, BGBl 1983/566; sonst Stammfassung] Lit: wie Vor §§ 15–19. Inhaltsübersicht A. Obligatorische Zivilehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Standesbeamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Standesbeamte nach § 15 Abs 1 EheG . . . . . 2. Der trauungsbereite Standesbeamte . . . . . . . . . 3. Der Scheinstandesbeamte nach § 15 Abs 2 EheG C. Die Nichtehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–4 5–11 5–6 7–9 10–11 12–15
A. Obligatorische Zivilehe 1 § 15 EheG normiert den Grundsatz der obligatorischen Zivilehe; das wirksame Zustandekommen einer Ehe iS ihrer staatlichen (nicht etwa kirchlichen) Anerkennung erfordert demnach grundsätzlich die Abgabe der Ehekonsenserklärungen vor einem Standesbeamten (Scheinstandesbeamten). Dieser Grundsatz gilt, weil die Form einer Eheschließung im Inland nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen ist (§ 16 Abs 1 IPRG), für alle Eheschließungen auf österreichischem Staatsgebiet. Eine Ehe im Inland kann daher formgültig nur vor dem Standesbeamten (Scheinstandesbeamten) geschlossen werden, was auch dann gilt, wenn nach dem ausländischen Personalstatut der (eines) Verlobten eine andere Eheschließungsform zulässig wäre. 2 Diplomatische Missionen oder konsularische Räumlichkeiten mögen im Inland Immunität genießen (vgl Art 22 Abs 3 WDK; Art 31 Abs 4 WKK), sind aber Teil des österreichischen Staatsgebiets, sodass dort keine Ausnahme von der durch § 15 EheG normierten Eheschließungsform gilt (zutr LGZ Wien EF 75.500). 3 Die Form einer Eheschließung im Ausland ist dagegen gem § 16 Abs 2 IPRG nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen, wobei jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung genügt. 4 Die Voraussetzungen der „Eheschließung“, nämlich die Anforderungen an die Ehekonsenserklärungen, werden in § 15 EheG nicht bestimmt. Die Eheschließung selbst ist auch nicht staatlicher Hoheitsakt, sondern hat Vertragscharak394
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Eheschließung
ter (vgl § 44 ABGB); die vorgeschriebene Mitwirkung des Standesbeamten leistet jedoch durch die Überprüfung des Vorliegens der gesetzlichen Ehevoraussetzungen, durch die Befragung der Nupturienten über den Ehekonsens (§ 47 Abs 2 PStG) und die Eintragung der Ehe in das Ehebuch einen wesentlichen Beitrag für das rechtmäßige und durch die Publizität jederzeit überprüfbare Zustandekommen der Ehe.
B. Der Standesbeamte 1. Der Standesbeamte nach § 15 Abs 1 EheG
Der Standesbeamte ist gem § 59 Abs 2 PStG die Funktionsbezeichnung für das 5 Organ der Gemeinde (wie der Bürgermeister; Art 119 Abs 2 B-VG) oder des Gemeindeverbands (§ 60 Abs 1 PStG) oder den von diesem herangezogenen Organwalter, welche die im PStG geregelten Personenstandsangelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen haben (vgl Michel/Weitzenböck/Lenhard, PStR § 59 PStG Anm 6 und 8; zu den fachlichen Anforderungen an den Standesbeamten § 59 Abs 3 PStG). Den Nupturienten steht zwar die Wahl des Eheschließungsorts frei, weil die 6 Ehe vor jeder Personenstandsbehörde geschlossen werden kann (§ 46 Abs 2 PStG); allerdings richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Organs (Organwalters) zur in Anwesenheit der Verlobten und der Zeugen vorzunehmenden Beurkundung der Ehe (§ 24 PStG) gem § 4 Abs 1 PStG nach dem Ort der Eheschließung. Standesbeamter iS des § 15 Abs 1 EheG ist daher (nur) das Organ (der Organwalter) gem § 59 Abs 2 PStG der örtlich zuständigen Personenstandsbehörde (Zeyringer, ÖStA 1999, 32). Standesbeamte außerhalb ihres örtlichen Zuständigkeitsbereichs und Personen ohne wirksame Bestellung (Beauftragung) zum Organ (Organwalter) gem § 59 Abs 2 PStG sind keine Standesbeamten nach § 15 Abs 1 EheG, können aber Scheinstandesbeamte nach § 15 Abs 2 EheG sein. 2. Der trauungsbereite Standesbeamte
In der L wird für die Wirksamkeit der Eheschließung bisweilen auch die Be- 7 reitschaft des Standesbeamten zur Mitwirkung verlangt (Wentzel/Klang I/ 12, 531; Stabentheiner/Rummel § 15 EheG Rz 1; Weitzenböck/Schwimmann § 15 EheG Rz 3). Dieses Erfordernis geht auf eine frühere Fassung des § 1317 Abs 1 (d)BGB zurück, der ausdrücklich vorsah: „Der Standesbeamte muß zur Entgegennahme der Erklärungen bereit sein“. Gemeint ist damit die nach seinem äußeren Verhalten zu beurteilende – zumindest passive – Mitwirkung des Standesbeamten durch Entgegennahme der Ehekonsenserklärungen; die Ein395
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haltung der in § 47 PStG für die Trauung vorgesehenen Förmlichkeiten (s dazu § 17 EheG Rz 12) ist dagegen keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Eheschließung. Bei diesem Verständnis kommt der „Trauungsbereitschaft“ des Standesbeamten in praxi keine nennenswerte Bedeutung zu ([theoretische] Beispiele fehlender Trauungsbereitschaft zu vergleichbarer Rechtslage bei Müller-Gindullis in MünchKomm5 [2010], § 1310 BGB Rz 6). 8 Mit der Frage, ob der Standesbeamte in bestimmten Fällen, namentlich zur Verhinderung von „Scheinehen“, seine Mitwirkung an der Eheschließung ablehnen darf oder gar muss, fehlt in Österreich bislang – wohl mangels praktischer Relevanz – eine eingehende Auseinandersetzung (vgl dazu Zeyringer, ÖStA 1990, 25). Zunächst garantiert zwar Art 12 EMRK das Recht auf Eheschließung, doch steht dieses Grundrecht Vorkehrungen nicht entgegen, die die Verhinderung von Scheinehen bezwecken, die insb zur Erlangung von Staatsbürgerschaft, Aufenthalts- und/oder Arbeitsbewilligung eingegangen werden (Gutknecht in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 12 EMRK Rz 47 mwN). Der Grundrechtsschutz erweist demnach die Mitwirkungsverweigerung durch den Standesbeamten zumindest nicht als generell unzulässig (aA offenbar Zeyringer, Standesbeamter und Eheschließung, ÖStA 1993, 49 [52]), erfordert allerdings eine sensible Prüfung möglicher Konstellationen, die dem Standesbeamten allenfalls die Ablehnung an der Mitwirkung der Eheschließung erlauben könnten. 9 Grundsätzlich kann ein Standesbeamter nicht verpflichtet sein, am Abschluss einer gerade nicht auf die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft gerichteten und deshalb iS des § 23 EheG nichtigen Ehe mitzuwirken. Eine auf diesen Nichtigkeitsgrund gestützte Mitwirkungsweigerung des Standesbeamten wird allerdings nur dann zulässig sein, wenn dem Standesbeamten der parate Nachweis einer auf den Abschluss einer „Scheinehe“ gerichteten Absicht der Verlobten möglich ist oder die dafür maßgeblichen Umstände offenkundig sind (vgl auch § 1310 Abs 1 letzter Halbsatz (d)BGB, wonach der Standesbeamte seine Mitwirkung verweigern muss, wenn offenkundig ist, dass die Ehe aufhebbar wäre). Indizien könnten sein, dass sich die Brautleute kaum kennen, sprachlich nicht verständigen können, unterschiedlichen Kulturkreisen und Religionsbekenntnissen angehören und über keinen gemeinsamen Wohnsitz verfügen (s dazu auch Bachmann, ÖStA 1991, 19 [21]). In der Praxis wird freilich ein konkreter Nachweis für eine „Scheinehe“ nur schwer möglich sein, setzen doch solche nichtigen Ehen typischerweise voraus, dass die Brautleute gegenüber Dritten, insb auch gegenüber dem Standesbeamten die wahren Motive ihres Handelns verschleiern. Gegen eine unberechtigte Mitwirkungsweigerung des Standesbeamten kann auf dem Verwaltungsweg vorgegangen werden (Zeyringer, ÖJZ 1984, 11).
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3. Der Scheinstandesbeamte nach § 15 Abs 2 EheG
War das an der Trauung mitwirkende Organ (der Organwalter) nicht Standes- 10 beamter iS des § 15 Abs 1 EheG (vgl dazu oben Rz 5), etwa weil es an einer gesetzmäßigen Bestellung (Beauftragung) fehlte oder der Beamte außerhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereichs auftrat, hat er aber doch „das Amt eines Standesbeamten öffentlich ausgeübt“, dann war dieser als Scheinstandesbeamter tätig. Öffentliche Ausübung liegt dann vor, wenn der Scheinstandesbeamte Ehekonsenserklärungen zum Zweck der Eheschließung in vorgeblich amtlicher Funktion zur Kenntnis genommen hat (vgl dazu auch Müller-Gindullis in MünchKomm5 [2010] § 1310 BGB Rz 9). Ein funktioneller Mangel im Bereich des Organs (des Organwalters) soll nicht 11 zu Lasten der Nupturienten gehen; vielmehr wird zugunsten der Verlobten der für das wirksame Zustandekommen der Ehe sprechende Vertrauenstatbestand dann berücksichtigt, wenn dem Publizitätsgedanken dadurch Rechnung getragen wurde, dass der Scheinstandesbeamte die Ehe in das Ehebuch eingetragen hat. Die Eintragung ins Ehebuch ist (nur) im Fall der Beteiligung eines Scheinstandesbeamten konstitutive Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen der Ehe (Zeyringer, ÖstA 1990, 25 [26]). Eine Frist, innerhalb welcher der Scheinstandesbeamte diese Eintragung vornehmen muss, sieht das Gesetz nicht vor. Ob die Brautleute den Mangel der amtlichen Funktion des vermeintlichen Standesbeamten kannten, spielt keine Rolle; die Wirksamkeit der Ehe soll nicht vom nur schwer nachweisbaren subjektiven Kenntnisstand der Nupturienten abhängen (Wentzel/Klang I/12, 539).
C. Die Nichtehe Das Erfordernis der Eheschließung „vor einem Standesbeamten“ gem § 15 12 Abs 1 EheG ist nicht bloße Förmlichkeit, sondern Wirksamkeitserfordernis, also unabdingbare Voraussetzung für das rechtmäßige Zustandekommen der Ehe. Geben die Nupturienten die Ehekonsenserklärungen nicht „vor einem Standesbeamten“ (oder Scheinstandesbeamten iS des § 15 Abs 2 EheG) ab, kommt nicht etwa (nur) eine vernichtbare Ehe zustande; vielmehr liegt eine – absolut unwirksame – Nichtehe vor, der – ohne dass sie gerichtlich angefochten werden müsste – jede Rechtswirksamkeit fehlt. Infolge Nichteinhaltung der Voraussetzungen des § 15 EheG liegt eine Nicht- 13 ehe dann vor, wenn (eine) Ehekonsenserklärung(en) überhaupt fehlt (fehlen; 2 Ob 267/98y = EF 87.431), die Ehekonsenserklärungen nicht vor einem Standesbeamten iS des § 15 Abs 1 EheG (zB vor dem Organ einer Religionsgemeinschaft; LGZ Wien EF 2143; Faistenberger 16; vgl auch BGH IX ZR 181/ 99; „Ehekonsenserklärungen“ in Theaterstücken oder Filmen unter Schau397
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spielern) oder (nur) vor einem Scheinstandesbeamten iS des § 15 Abs 2 EheG abgegeben werden und letzterer die Ehe nicht in das Ehebuch eingetragen hat. Eine Nichtehe ist überdies dann anzunehmen, wenn eine bloß religiöse Zeremonie vorliegt (vgl OLG Innsbruck IPRE 3/113), oder „Ehekonsenserklärungen“ von Personen desselben Geschlechts abgegeben werden (Stabentheiner/ Rummel § 15 EheG Rz 1a; vgl auch Müller-Gindullis in MünchKomm5 [2010], § 1310 BGB Rz 23); Letzteres folgt aus § 44 ABGB, welcher Eheversprechen von „zwei Personen verschiedenen Geschlechtes“ verlangt (vgl dazu auch Wentzel/Klang I/12, 570) und auch § 2 EPG sieht nunmehr in diesem Sinn für zwei Personen gleichen Geschlechts (nur) die Möglichkeit der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft vor. 14 Die Anforderungen des § 15 EheG lassen keinen Spielraum dahin zu, dass abgesehen von dem in Abs 2 geregelten Fall der Mitwirkung eines Scheinstandesbeamten der bloße „äußere Schein“ einer Eheschließung für eine wirksame Ehe ausreichen könnte. Verfehlt ist deshalb die in 3 Ob 153/56 = ÖStA 1956, 50 vertretene Ansicht, dass bei einer vor einem evangelischen Pfarrer erfolgten Heirat infolge Eintragung im Familienbuch „nicht mehr von einer Nichtehe, sondern höchstens von einer nichtigen Ehe die Rede sein“ könne. Entgegen 1 Ob 189/72 (= SZ 45/116 = ZfRV 1973, 143 [Schwind]) war die im Jahr 1949 zwischen einem britischen Offizier und einer Österreicherin vor einem Funktionär der britischen Besatzungsmacht in Österreich geschlossene Ehe für den österreichischen Rechtsbereich keine „kranke“ („hinkende“) Ehe, sondern eine Nichtehe. Zu 6 Ob 65/97w (= EvBl 1997/187, 903 = ZfRV 1997, 213) wird unzutr ausgeführt, eine Nichtehe liege nur dann vor, wenn nicht einmal der äußere Schein einer Ehe gegeben sei (so auch schon 6 Ob 333/67 = EF 8470), wobei bereits der Auszug aus dem (ausländischen) Eheregister einen solchen äußeren Schein vermittle, weshalb es jedenfalls einer Nichtigerklärung einer solchen Ehe bedürfe. In all diesen Fällen lag – auf Grundlage österreichischen Rechts – wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 15 EheG eine Nichtehe vor. In 2 Ob 267/98y (= ZfRV 1999, 114) wird dies zutr erkannt; die weitere Ansicht, auch die fehlende Beurkundung führe zur Nichtehe, ist dagegen nur im Anwendungsbereich des § 15 Abs 2 EheG, nicht aber bei Mitwirkung eines (ordnungsgemäß bestellten) Standesbeamten zutreffend, weil in diesem Fall die Beurkundung nicht konstitutiv wirkt. Richtig erkannte das OLG Innsbruck (IPRE 3/113), dass die Familienfeier unter Ausländern anlässlich des Eingehens einer außerehelichen Verbindung eines jungen Paares weder Hochzeit noch (sofern die Vereinbarung zukünftiger Eheschließung fehlt) Verlöbnis ist, sondern bloß das Zeichen für das Eingehen einer außerehelichen Lebensgemeinschaft. 15 Die Nichtehe kann nicht, etwa durch langes Zusammenleben der Partner geheilt werden (vgl Faistenberger 16; BGH IX ZR 181/99), sie bewirkt keine rechtlichen Bindungen zwischen den Beteiligten und begründet auch nicht 398
§§ 16–17 EheG
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das Eheverbot nach § 8 EheG. Die Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung einer Nichtehe ist ausgeschlossen (vgl BGH IX ZR 181/99). Auf das Vorliegen einer bloßen Nichtehe kann sich jeder berufen, und die Prüfung dieses Umstands kann in einem Rechtsstreit, etwa in einem Erbrechtsstreit (Schwind 125), auch als Vorfrage erfolgen (vgl dazu auch Stabentheiner/Rummel §§ 27, 28 EheG Rz 2; Müller-Gindullis in MünchKomm5 [2010] § 1310 BGB Rz 24). Als Hauptfrage kann die Unwirksamkeit einer nicht nach § 15 EheG erfolgten Eheschließung, also das Vorliegen einer Nichtehe mit Feststellungsklage geltend gemacht werden (2 Ob 158/49 = SZ 22/60; zur Möglichkeit eines Zwischenfeststellungsantrags vgl 2 Ob 143/73 = SZ 46/97). Über eine solche Klage auf Feststellung des Nichtbestands einer Ehe ist im Eheverfahren zu verhandeln (2 Ob 158/49 = SZ 22/60; § 49 Abs 2 Z 2a JN). Die Feststellungsklage kann nur einer der (Nicht-)Ehegatten erheben (Schwind 125), weil die Klärung von Statusfragen mit allseitiger Wirkung außenstehenden Dritten nicht zusteht. Die örtliche und die internationale Zuständigkeit für eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe ergeben sich aus § 76 JN.
§ 16. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/ 566.
Form der Eheschließung § 17. (1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, daß die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. (2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden. [Stammfassung] Lit: Köhler, Frage der Wiedereinführung der Eheschließung durch Stellvertretung, ÖStA 1953, 15, 33; Lackner, Die obligatorische Ziviltrauung ist konkordatswidrig und unzeitgemäß (§ 15 EheG), RZ 2010, 66; Schwab, Die Negierung von gesetzlichen Strukturelementen der Ehe im Eheschließungswillen nach kanonischem und bürgerlichem Recht, FamRZ 1965, 474; Sturm, Eheschließungsformen im Ausland, ihre Wirksamkeit und Nachweisbarkeit in Österreich, ÖStA 1996, 120 (Teil 1) und 127 (Teil 2); Zeyringer, Verhinderung von „Scheinehen“ durch den Standesbeamten? ÖStA 1990, 25.
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§ 17 EheG
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Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F. G. H.
Erfordernisse der Ehekonsenserklärungen Mitwirkung des Standesbeamten . . . . . . . Persönliche Anwesenheit . . . . . . . . . . . . . Gleichzeitige Anwesenheit . . . . . . . . . . . . Keine Bedingung oder Befristung . . . . . . . Form der Ehekonsenserklärungen . . . . . . Verstoß gegen § 17 EheG . . . . . . . . . . . . . Weitere Förmlichkeiten . . . . . . . . . . . . . .
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A. Erfordernisse der Ehekonsenserklärungen 1 § 17 EheG normiert förmliche und inhaltliche Erfordernisse, die von den Verlobten bei der Abgabe der Ehekonsenserklärungen einzuhalten sind. Für die Form der Eheschließung im Inland sind gem § 16 Abs 1 IPRG die inländischen Formvorschriften maßgeblich, während die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen ist, jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung genügt. Die Folgen der Verletzung der Vorschriften des § 17 EheG ergibt sich aus der Zusammenschau mit den §§ 15, 21 EheG (dazu näher Rz 9 ff). 2 § 17 Abs 1 EheG verlangt, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. § 17 Abs 2 EheG untersagt, dass die Eheabschlusserklärungen unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden. Das Erfordernis der persönlichen und gleichzeitigen Anwesenheit der Nupturienten vor dem Standesbeamten verbessert die Gewähr für die Ernstlichkeit der Erklärungen, die Freiheit von Willensmängeln sowie den Schutz vor Übereilung und Verwechslungen (vgl Wentzel/Klang I/12, 548).
B. Mitwirkung des Standesbeamten 3 Schon aus dem Grundsatz der obligatorischen Zivilehe folgt, dass das wirksame Zustandekommen einer Ehe die Mitwirkung des Standesbeamten erfordert. Die daraus resultierenden Anforderungen normiert § 15 EheG. Demnach muss die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattfinden (dazu näher § 15 EheG Rz 5 ff); gewisse funktionelle Mängel der Organstellung des Standesbeamten (Scheinstandesbeamter) bleiben gem § 15 Abs 2 EheG im Fall erfolgter Eintragung der Ehe ins Ehebuch unschädlich (dazu näher § 15 EheG Rz 10 f). 400
§ 17 EheG
Form der Eheschließung
C. Persönliche Anwesenheit Die Verlobten müssen gem § 17 Abs 1 EheG bei Abgabe ihrer Eheabschlusser- 4 klärungen persönlich anwesend sein. Durch die Notwendigkeit persönlicher Anwesenheit kommt die Eheschließung durch einen Stellvertreter „im Willen“ oder „in der Erklärung“ (Bote) nicht in Frage; damit ist die seinerzeit kriegsbedingt zulässige Ferntrauung genauso ausgeschlossen (dazu näher Vor § 15 EheG Rz 2; Wentzel/Klang I/12, 550 ff) wie die Abgabe der Ehekonsenserklärungen in Schriftform (ohne persönliche Anwesenheit), per Telefon, Telefax, E-Mail oder auf sonstigen – die Möglichkeit der Identitätsprüfung beeinträchtigenden – elektronischen (digitalen) Wegen.
D. Gleichzeitige Anwesenheit Die Verlobten müssen gem § 17 Abs 1 EheG bei Abgabe ihrer Eheversprechen 5 gleichzeitig anwesend sein; damit ist untersagt, dass die Verlobten ihre Ehekonsenserklärungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten einzeln, etwa nacheinander und/oder verschiedenen Standesbeamten gegenüber, erklären.
E. Keine Bedingung oder Befristung Die Ehe ist ein bedingungs- und befristungsfeindliches Rechtsgeschäft; die vor 6 dem Standesbeamten abgegebenen Eheabschlusserklärungen dürfen daher weder mit einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung noch mit einem Anfangs- oder Endtermin verbunden werden, weil dies dem Wesen der Ehe widersprechen würde.
F. Form der Ehekonsenserklärungen Abgesehen von den Anforderungen des § 17 EheG sind die Abschlusserklä- 7 rungen an keine besondere Form gebunden; sie können mündlich oder – persönliche Anwesenheit der Verlobten vorausgesetzt – schriftlich, ausdrücklich oder schlüssig (Kopfnicken) auch in fremder Sprache (mit Dolmetsch) erfolgen und sind wirksam, sofern sie den Anforderungen des § 863 ABGB entsprechen (vgl Wentzel/Klang I/12, 547). Werden Eheversprechen abgegeben, welche den Anforderungen der §§ 15, 17 8 EheG entsprechen, liegen also Abschlusserklärungen vor dem Standesbeamten (Scheinstandesbeamten mit anschließender Eintragung im Ehebuch) bei gleichzeitiger, persönlicher Anwesenheit der Verlobten ohne Bedingung oder 401
§ 17 EheG
Höllwerth
Befristung vor, kommt die Ehe zustande. Allenfalls vorgelegene Willensmängel, Scheinerklärungen oder Mentalreservationen können (nur) nach Maßgabe der §§ 23, 36 bis 39 EheG geltend gemacht werden.
G. Verstoß gegen § 17 EheG 9 Die Eheschließung „vor einem Standesbeamten“ ist schon gem § 15 Abs 1 EheG keine bloße Förmlichkeit, sondern Wirksamkeitserfordernis für das Zustandekommen der Ehe. Erfolgen die Eheabschlusserklärungen nicht vor einem Standesbeamten (Scheinstandesbeamten mit anschließender Eintragung im Ehebuch) führt dies zu einer – absolut unwirksamen – Nichtehe, die keiner Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung zugänglich ist (s dazu näher § 15 EheG Rz 12 ff). 10 Geben die Verlobten die Ehekonsenserklärungen nicht persönlich, nicht gleichzeitig ab oder fügen sie diesen Bedingungen oder Befristungen bei, dürfen solche Eheabschlusserklärungen vom Standesbeamten nicht entgegengenommen werden. Geschieht dies doch, ist die Ehe nicht absolut unwirksam, sondern (nur) nach § 21 Abs 1 EheG nichtig (anfechtbar; vernichtbar), aber auch gem § 21 Abs 2 EheG heilbar. Zwischen den Verlobten bloß intern vereinbarte und nicht vor dem Standesbeamten erklärte Einschränkungen des Eheversprechens oder einseitige (mentale) Vorbehalte schaden dem wirksamen Zustandekommen der Ehe nicht und führen insb zu keiner Nichtigkeit. 11 Tritt bei der Eheschließung – gegenüber dem Standesbeamten verdeckt – ein Stellvertreter auf, entscheidet der Kenntnisstand des anderen Verlobten; ist diesem das Vertretungsverhältnis bekannt, kommt es mangels persönlicher Anwesenheit eines Verlobten zur – nach § 21 Abs 1 EheG nichtigen (anfechtbaren) – Ehe mit dem Vertretenen, bei Unkenntnis des anderen Teiles vom Vertretungsfall zur – wirksamen – Ehe mit dem Anwesenden. Werden die Eheabschlusserklärungen (nur) unter falschem Namen abgegeben, schadet dies nicht; die Ehe kommt gültig zwischen den anwesenden Verlobten zustande, doch könnte mit einem Namensirrtum auch ein allenfalls nach § 36 Abs 1 EheG relevanter Identitätsirrtum verbunden gewesen sein.
H. Weitere Förmlichkeiten 12 Die §§ 42 bis 46 PStG regeln das Verfahren vor der Personenstandsbehörde zur Ermittlung der Ehefähigkeit (dazu näher Vor § 1 EheG Rz 5 ff). § 47 PStG normiert Formvorschriften für die Durchführung der eigentlichen Trauungs402
§§ 18–19, Vor §§ 20–25 EheG
Nichtigkeit der Ehe
zeremonie, deren Einhaltung allerdings für die rechtliche Wirksamkeit der Ehe keinerlei Bedeutung zukommt. Nach § 47 Abs 1 PStG hat die Personenstandsbehörde die Trauung in einer 13 Form und an einem Ort vorzunehmen, die der Bedeutung der Ehe entsprechen. Ob dieser Anforderung bei der bisweilen praktizierten Wahl „exotischer“ Trauungsorte (zB im Rahmen eines Tauchgangs) entsprochen wird, mag fraglich sein, ist rechtlich allerdings irrelevant. Gem § 47 Abs 2 PStG hat der Standesbeamte die Verlobten in Gegenwart von 14 zwei Zeugen einzeln und nacheinander zu fragen, ob sie die Ehe miteinander eingehen wollen, und nach Bejahung der Frage auszusprechen, dass sie rechtmäßig verbundene Eheleute sind. Die Einhaltung dieser Vorgangsweise ist für das mangelfreie Zustandekommen der Ehe freilich nicht zwingend; dafür reichen Eheabschlusserklärungen, die dem § 17 EheG entsprechen, also persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit ohne Beisetzung einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden, während im Übrigen § 863 ABGB gilt (vgl dazu Rz 7). § 18. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/ 566. § 19. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/ 566.
D. Nichtigkeit der Ehe Vor §§ 20–25 Lit: Bachmann, Scheinehen, ÖStA 1991, 19; Köstler, Die „nichtige“ Ehe, JBl 1952, 231; Novak, Die Amtswegigkeit im österreichischen Eheverfahren und ihre Grenzen (1949); ders, Der eheverfahrensrechtliche Untersuchungsgrundsatz in der neueren Judikatur, ÖJZ 1951, 82; Schalich, Das neue streitige Eheverfahren, RZ 1985, 13, 26, 50; Schoibl, Neues Verfahrensrecht in Ehesachen, ÖJZ 1984, 540; Simotta, Die sachliche Zuständigkeit in Ehe- und Familiensachen, JBl 1980, 348; dies, Die Änderungen der Zuständigkeit in Ehe- und Familiensachen in der geplanten „Zivilverfahrens-Novelle“, ÖJZ 1982, 29, 66; dies, Die einvernehmliche Scheidung während eines anhängigen Eheprozeßes (§ 460 Z 10 ZPO), ÖJZ 1987, 129, 167; dies, Die Prozeßfähigkeit in Ehesachen und sonstigen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, ÖJZ 1989, 321; dies, Was sind Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis? – Eine Judikaturanalyse, BeitrZPR IV (1991), 191; dies, Die internationale Zuständigkeit in Ehe- und Abstammungsstreitigkeiten, Broniewicz-FS (1998), 331; dies, Die internationale Zuständigkeit Österreichs in eherechtlichen Angelegenheiten – Ein Vergleich zwischen der EheVO und dem autonomen österreichischen Recht, Geimer-FS (2002), 1115; dies, Der Tod eines Ehegatten während eines Eheprozesses (§ 460 Z 8 ZPO), Welser-FS (2004), 1015; Zeyringer, Verhinderung von „Scheinehen“ durch den Standesbeamten? ÖStA 1990, 25.
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Vor §§ 20–25 EheG
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Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Ehenichtigkeit – allgemeine Grundsätze . Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönliches Erscheinen der Parteien 3. Untersuchungsgrundsatz . . . . . . . . 4. Weitere Verfahrensvorschriften . . . .
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A. Ehenichtigkeit – allgemeine Grundsätze 1 Das wirksame Eingehen einer Ehe ist an bestimmte positive und negative Voraussetzungen geknüpft (allgemein zur Ehefähigkeit s Vor § 1 EheG Rz 1 f; allgemein zu den Ehehindernissen s Vor § 1 EheG Rz 3), deren Fehlen – je nach Art des Hindernisses – unterschiedliche Rechtsfolgen für das Zustandekommen oder den Bestand der Ehe zeitigt. Es ist dabei zwischen einer Nichtehe (dazu näher § 15 EheG Rz 12 ff), einer nichtigen Ehe iS der §§ 20 ff EheG und einer mit einem Aufhebungsgrund behafteten Ehe nach den §§ 33 ff EheG zu unterscheiden. Eine nichtige Ehe ist – im Gegensatz zur Nichtehe – keine absolut unwirksame, sondern (nur) eine vernichtbare Ehe (Wentzel/Klang I/12, 565) und setzt daher eine bestehende Ehe voraus (Schwind 135), deren Nichtigkeit mit Klage geltend gemacht werden muss. Mit Rechtskraft des Nichtigkeitsurteils wird die nichtige Ehe, die bis dahin nicht nur den äußeren Schein einer Ehe vermittelt (aA 6 Ob 333/67 = EF 8470), sondern voll wirksam ist (7 Ob 674/89 = RZ 1990/49, 101; 2 Ob 294/02b; Faistenberger 16), ex tunc beseitigt (vgl Schwind 135), doch wirken nicht alle Rechtsfolgen der Nichtigkeit einer Ehe zurück (s dazu auch Vor §§ 31 bis 32 EheG Rz 1 ff und § 32 EheG Rz 1 ff). 2 Da Ehescheidung (Eheaufhebung) und Ehenichtigerklärung unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen und die Ehescheidung (Eheaufhebung) nicht zurückwirkt, kann auch eine bereits rechtskräftig geschiedene (aufgehobene) Ehe für nichtig erklärt werden (5 Ob 297/70 = EvBl 1971/180, 324 = EF 13.771; 2 Ob 294/02b = EF 100.860; OLG Wien EF 43.587, 51.563; LGZ Wien EF 114.144); demgegenüber kann die rechtskräftig – demnach rückwirkend – für nichtig erkannte Ehe nicht mehr geschieden (aufgehoben) werden. 3 Die §§ 21 bis 25 EheG stellen grundsätzlich eine taxative Aufzählung aller in Frage kommenden Ehenichtigkeitsgründe dar (dazu näher § 20 EheG Rz 1 und zu den „Aufenthalts- bzw Arbeitsbewilligungsehen“ s § 23 EheG Rz 6). Ehenichtigkeitsgründe (impedientia publica) begründen so gravierende Mängel, dass deren Wahrnehmung auch im öffentlichen Interesse liegt und daher durch den Staatsanwalt erfolgen kann (s dazu § 28 EheG Rz 1 f). 404
Vor §§ 20–25 EheG
Nichtigkeit der Ehe
Ehenichtigkeitsgründe verjähren nicht (1 Ob 78/72 = EF 18.084/4; LGZ 4 Wien EF 114.134) und der Staatsanwalt kann sich ihrer auch nicht verschweigen (LGZ Wien EF 114.134). Für die Nichtigkeitsklage sieht das Gesetz keine Befristung vor, doch kann diese Klage nicht mehr erhoben werden, wenn beide Ehegatten verstorben sind (§ 28 Abs 3 EheG). Die Nichtigkeit aus den Gründen der mangelnden Form (§ 21 Abs 1 EheG) sowie der mangelnden Geschäfts- oder Urteilsfähigkeit (§ 22 Abs 1 EheG) kann heilen und auch die Nichtigkeit einer Namens- und Staatsangehörigkeitsehe (§ 23 Abs 1 EheG) kann nachträglich wegfallen, während die Nichtigkeit infolge Doppelehe (§ 24 EheG) und Verwandtschaft (§ 25 EheG) nicht sanierbar ist.
B. Internationales Privatrecht Die Voraussetzungen der Ehenichtigkeit sind gem § 17 Abs 1 IPRG für 5 jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut, also iS des § 9 IPRG nach dem Recht des Staates, dem die Person angehört, zu beurteilen. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht. Entscheidend ist das Personalstatut der Verlobten im Zeitpunkt der Eheschließung. Ein späterer Statutenwechsel ist gem § 7 IPRG unbeachtlich. § 17 IPRG regelt (ua) alle Rechtsfolgen, die an die Missachtung der sachlichen 6 Ehevoraussetzungen des maßgeblichen Rechts geknüpft sind. Über die Folgen der Verletzung materieller Ehevoraussetzungen entscheidet demnach das „verletzte“ Recht, also jenes Personalstatut, dessen Vorschriften nicht eingehalten wurden (8 Ob 700/88 = EvBl 1990/8, 55). Dieses Recht bestimmt nicht nur Art und Umfang der eherechtlichen Sanktion, sondern auch die Einzelheiten ihrer Geltendmachung, etwa die Klageberechtigung des Staatsanwalts (4 Ob 554/94 = ZfRV 1995, 35). Bei Verletzung der Personalstatuten beider Ehegatten ist zunächst zu prü- 7 fen, welche Sanktionen – entweder unmittelbar kraft Gesetzes (etwa die Nichtehe) oder infolge gerichtlicher Geltendmachung durch die dazu berechtigten Personen – ausgelöst werden. Bleibt der Mangel nach einem Personalstatut mangels Geltendmachung ohne Folgen und kommt deshalb die Sanktion nur eines der Personalstatuten zum Tragen, tritt keine Konkurrenz der beiden an sich vorgesehenen Mangelfolgen ein (8 Ob 700/88 = EvBl 1990/8, 55). Hängt die Sanktion der beiden Statuten von der Geltendmachung ab, entscheidet zunächst das zeitliche Zuvorkommen (8 Ob 700/88 = EvBl 1990/8, 55), wenn dann auch etwa die schwerere Sanktion einer leichteren nachfolgen kann. 405
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8 Zu einer echten Konkurrenz kommt es nur dann, wenn durch zweiseitige Ehehindernisse abweichende Rechtsfolgen beider Personalstatute gleichzeitig ausgelöst werden; in diesem Fall gilt der – in der deutschen L einhellig anerkannte – Grundsatz „des ärgeren Rechts“, demzufolge das Recht mit der strengeren Sanktion den Ausschlag gibt. Von der Wirkung der Verletzung eines Personalstatuts wird dann immer das gesamte Eheverhältnis erfasst, und zwar unabhängig davon, ob die Verletzung beide Personalstatuten – wenn auch allenfalls aus verschiedenen Gründen – oder nur eines von ihnen betrifft (8 Ob 700/88 = EvBl 1990/8, 55; 5 Ob 609/89 = JBl 1990, 531 = SZ 62/159; 2 Ob 267/98y).
C. Internationale Zuständigkeit 9 Österreich ist Mitgliedstaat der – in allen ihren Teilen verbindlichen und in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden – Brüssel IIa-VO („Verordnung [EG] Nr 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung [EG] Nr. 1347/2000“), deren wesentlicher – verfahrensrechtlich relevanter – Teil seit dem 1. März 2005 gilt. In den Anwendungsbereich der Brüssel II a-VO fallen (ua) die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebands und die Ungültigerklärung einer Ehe (Art 1 Abs 1 lit a Brüssel II a-VO). Die (ausschließliche) internationale Zuständigkeit für diese Eheverfahren folgt aus den Art 3 ff Brüssel II a-VO und orientiert sich am gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats bzw am Besitz der Staatsangehörigkeit (näher dazu bei Art 1 und 3 Brüssel II a-VO). 10 Außerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel II a-VO besteht die internationale Zuständigkeit (inländische Gerichtsbarkeit) österreichischer Gerichte für die Nichtigerklärung einer Ehe nach § 76 Abs 2 JN (zum abschließenden Charakter dieser Regelung s 5 Ob 530/91) dann, wenn einer der Ehegatten österreichischer Staatsbürger ist (Z 1) oder der Beklagte, im Fall der Nichtigkeitsklage gegen beide Ehegatten zumindest einer von ihnen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Z 2) oder der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und entweder beide Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt haben oder der Kläger staatenlos ist oder zur Zeit der Eheschließung österreichischer Staatsbürger gewesen ist (Z 3; dazu näher bei § 76 JN Rz 4 f; vgl auch Simotta/Fasching § 76 JN Rz 32).
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Nichtigkeit der Ehe
D. Verfahrensrecht 1. Zuständigkeit
Die (ausschließliche) Zuständigkeit für Streitigkeiten (ua) über die Nichtiger- 11 klärung einer Ehe folgt grundsätzlich aus § 76 Abs 1 JN. Örtlich zuständig ist primär das Gericht, in dessen Sprengel die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben. Hat zur Zeit der Erhebung der Klage keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Sprengel oder haben sie im Inland einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nicht gehabt, so ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Sprengel der gewöhnliche Aufenthalt des beklagten Ehegatten oder, falls ein solcher gewöhnlicher Aufenthalt im Inland fehlt, der gewöhnliche Aufenthalt des klagenden Ehegatten liegt, sonst das Bezirksgericht Innere Stadt Wien (näher dazu bei § 76 JN Rz 1). Der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten liegt dort, wo diese 12 den Mittelpunkt ihres gemeinsamen ehelichen Lebens haben (Simotta/Fasching § 76 JN Rz 7 f; zum Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ s § 66 JN). Der gewöhnliche Aufenthalt wird durch eine vorübergehende Ortsabwesenheit etwa aus beruflichen oder familiären Gründen nicht aufgehoben; derartige Umstände können auch zur Annahme mehrerer gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalte führen, was für den Kläger gem § 102 JN zur Wahlmöglichkeit führt (näher dazu bei § 76 JN Rz 2). § 76 Abs 1 JN regelt die örtliche Zuständigkeit für die genannten Ehestreitig- 13 keiten zwischen den Parteien. Die Zuständigkeit für die Ehenichtigkeitsklage des Staatsanwalts gegen beide Ehegatten wird darin nicht behandelt. Die Bestimmung ist auch für ein gegen zwei Beklagte geführtes Verfahren unanwendbar, wenn sich beide Beklagte in den Sprengeln verschiedener Gerichte aufhalten. Ein daraus folgendes Wahlrecht des klagenden Staatsanwalts erachtete der OGH mit einem ausschließlichen Gerichtsstand für unvereinbar (4 Ob 39/00i = EvBl 2000/126, 565 = SZ 73/27), leitete daraus aber nicht die subsidiäre Auffangzuständigkeit des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien ab (so noch 7 Ob 347/98z); vielmehr hat der Staatsanwalt die Ehenichtigkeitsklage beim allgemeinen Gerichtsstand des (der) Beklagten einzubringen (§§ 65, 66 JN; gegen eine unnötige Belastung des BG Innere Stadt Wien auch Simotta/Fasching § 76 JN Rz 15). Für den Ehegatten, für den das angerufene Gericht nicht das Gericht seines allgemeinen Gerichtsstands ist, wird der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (§ 93 Abs 1 JN) begründet (4 Ob 39/00i = EvBl 2000/ 126, 565 = SZ 73/27; s dazu auch § 76 JN Rz 3).
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2. Persönliches Erscheinen der Parteien
14 Das Gericht soll die Parteien gem § 460 Z 1 ZPO zum persönlichen Erscheinen auffordern (näher zum Normzweck des § 460 Z 1 ZPO s Schalich, RZ 1985, 26 [29]), wenn nicht wichtige Gründe dagegen sprechen. Das Erscheinen der Parteien ist erforderlichenfalls nach § 87 GOG durchzusetzen (näher dazu § 460 ZPO Rz 4 ff). Da in Verfahren (ua) über die Nichtigerklärung einer Ehe das Gericht gem § 460 Z 4 ZPO von Amts wegen dafür zu sorgen hat, dass alle für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Umstände aufgeklärt werden, muss es in solchen Verfahren der Regelfall sein, das persönliche Erscheinen und die Einvernahme beider Parteien sicherzustellen. Davon wird nur ganz ausnahmsweise abgesehen werden können, etwa wenn das persönliche Erscheinen einer Partei nachweislich aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen ist oder aufgrund des früheren Verhaltens des anderen Ehegatten unzumutbar erscheint. Dann muss freilich die Einvernahme im Rechtshilfeweg versucht werden. Zur Würdigung des Nichterscheinens einer Partei nach § 381 ZPO soll es nur dann kommen, wenn ein bemühtes Vorgehen des Gerichts zur Durchsetzung der Beteiligung der Partei am Beweisverfahren erfolglos bleibt oder etwa wegen des Aufenthalts der Partei im Ausland nicht möglich ist. 15 Dass in Ehesachen ein einseitiges Verfahren tunlichst vermieden werden soll (stRsp; jüngst LGZ Wien EF 112.198; LG Salzburg EF 124.939), gebietet die Bedeutung derartiger Statusverfahren und die sonst bestehende Gefahr, dass die Tatsachengrundlage einseitig nur auf den Angaben einer Partei aufbaut. Die Einhaltung der Vorgaben des § 460 Z 1 ZPO ist unverzichtbar, weshalb dessen Verletzung – die üblicherweise anzunehmende Entscheidungsrelevanz vorausgesetzt – einen Verfahrensmangel begründet, der nicht nach § 196 ZPO gerügt werden muss. Die Partei, die ihre Vernehmung selbst verhindert hat, kann sich jedoch nicht dadurch beschwert erachten, dass diese nicht mit Zwang durchgesetzt wurde (stRsp; jüngst LGZ Wien EF 112.201).
3. Untersuchungsgrundsatz
16 Für das Verfahren (ua) über die Nichtigerklärung einer Ehe enthält § 460 Z 4 ZPO Verfahrensvorschriften, welche in gewissem Umfang ein amtswegiges Vorgehen des Gerichts vorsehen. Demnach sind alle für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Umstände von Amts wegen aufzuklären. In Ansehung von Urkunden und Zeugen dürfen die in § 183 Abs 1 ZPO normierten diskretionären richterlichen Befugnisse infolge ausgeschlossener Geltung des § 183 Abs 2 ZPO auch dann ausgeübt werden, wenn sich beide Parteien dagegen ausgesprochen haben. Die Gerichte sind aber auch durch den Untersuchungsgrundsatz weder in ihrer freien Beweiswürdigung beschränkt noch 408
§ 20 EheG
Nichtigkeitsgründe
verpflichtet, unnötige Beweise aufzunehmen (RIS-Justiz RS0043368 [T11]; näher zu Reichweite und Grenzen des Untersuchungsgrundsatzes s Simotta/ Fasching § 460 ZPO Rz 64 ff). Die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes begründet einen Verfahrensmangel, der – weil Stoffsammlungsmangel – nicht nach § 196 ZPO gerügt werden muss. Revisibel ist in einem Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz die Unterlassung von Beweisaufnahmen (nur) dann, wenn die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens zur amtswegigen Wahrheitserforschung verkannt wurden (RIS-Justiz RS0043113; RS0048243; näher zum Untersuchungsgrundsatz s § 460 ZPO Rz 18 ff).
4. Weitere Verfahrensvorschriften
§ 460 ZPO enthält (ua) für das Verfahren über die Nichtigerklärung einer Ehe 17 weitere spezifische verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen, die insb die vorbereitende Tagsatzung (§ 460 Z 2 ZPO), die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung (§ 460 Z 3 ZPO) und Säumnisfolgen (§ 460 Z 5 und Z 9 ZPO) zum Gegenstand haben. Zu § 460 Z 8 ZPO s § 84 der 1. DVEheG Rz 1 ff.
I. Nichtigkeitsgründe § 20. Eine Ehe ist nur in den Fällen nichtig, in denen dies in den §§ 21 bis 25 dieses Gesetzes bestimmt ist. [Fassung gem Art II Z 3 PersRÄG, BGBl 1983/566]
Lit: wie Vor §§ 20–25 EheG.
Nach dem Gesetzeswortlaut enthalten die §§ 21 bis 25 EheG eine taxative 1 Aufzählung der Ehenichtigkeitsgründe (4 Ob 554/94 = ZfRV 1995, 35). Die Aufzählung wird aber als nicht vollständig bezeichnet (so Hopf/Kathrein § 20 EheG Anm 2), weil auch § 43 Abs 1 EheG (Wiederverheiratung im Falle der Todeserklärung) einen Nichtigkeitsgrund normiert, der freilich als Sonderfall des § 24 EheG (Doppelehe) verstanden werden kann (idS wohl auch Weitzenböck/Schwimann § 20 EheG Rz 1). § 20 EheG verbietet grundsätzlich die Erweiterung der Nichtigkeitgründe 2 um im Gesetz nicht angelegte Fälle. Eine taxative Aufzählung schließt aber Analogie (zur Lückenfüllung) nicht aus (4 Ob 554/94 = ZfRV 1995/10, 35; aA 6 Ob 564/92 = JBl 1993, 245), was im Fall der Ehenichtigkeit bei den „Aufenthalts- bzw Arbeitsbewilligungsehen“ zum Tragen kommt (s dazu näher § 23 EheG Rz 3 ff). 409
§ 21 EheG
Höllwerth
3 Aus § 20 EheG folgt, dass Mängel oder Einschränkungen des Ehekonsenses, etwa Scheinerklärungen, Mentalreservationen (s dazu 1 Ob 187/67 = EvBl 1968/234, 394 = EF 8471; 6 Ob 232/69 = EF 11.830) und sonstige Vorbehalte, die keinem gesetzlichen Nichtigkeitsgrund entsprechen, die Nichtigerklärung einer Ehe nicht rechtfertigen können (vgl Wentzel/Klang I/I2, 574).
Mangel der Form § 21. (1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch § 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat. (2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, daß bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist. [Stammfassung] Lit: wie Vor §§ 20–25 EheG. Inhaltsübersicht A. Mangel der Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Heilungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wiederholung der Eheschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Mangel der Form 1 Nach § 17 Abs 1 EheG erfolgt die Eheschließung dadurch, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Die Ehekonsenserklärungen können gem § 17 Abs 2 EheG nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden. Die Nichtigkeitssanktion des § 21 EheG erfasst die Nichteinhaltung sowohl der förmlichen Erfordernisse des § 17 Abs 1 EheG als auch – entgegen der insoweit etwas zu engen Überschrift des § 21 EheG – der inhaltlichen Anforderungen der Ehekonsenserklärungen nach § 17 Abs 2 EheG. 2 Eine Ehe ist nach § 21 Abs 1 EheG nichtig, wenn die Verlobten ihre Ehekonsenserklärungen nicht persönlich vor dem Standesbeamten, nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit abgeben oder diesen eine Bedingung oder Zeitbestimmung beigefügt haben. Nichtigkeit liegt daher etwa dann vor, wenn die 410
§ 21 EheG
Mangel der Form
Eheschließung durch einen Stellvertreter oder Boten, die Ehekonsenserklärungen in Schriftform oder fernmündlich ohne persönliche Anwesenheit abgegeben, mit einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung oder mit einem Anfangs- oder Endtermin verbunden werden (s dazu näher § 17 EheG Rz 1 ff).
B. Heilungsmöglichkeit Nach § 21 Abs 2 EheG ist die Ehe – trotz Vorliegens der Nichtigkeit nach § 21 3 Abs 1 EheG – als von Anfang an gültig anzusehen, also geheilt, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung für längere Zeit miteinander gelebt haben. Konvalidation tritt dann ein, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft iS des § 90 Abs 1 ABGB – gerechnet ab der Eheschließung – mindestens fünf Jahre, bei früherem Ableben eines Ehegatten bis zu dessen Tod mindestens drei Jahre gedauert hat und bis zum Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten keine Nichtigkeitsklage erhoben ist. Die Nichtigkeitsklage ist iS des § 21 Abs 2 EheG „erhoben“, sobald sie bei 4 Gericht eingelangt (überreicht) ist; auf die Streitanhängigkeit, also die Zustellung der Klage an den Beklagten, kommt es nicht an. Die Erhebung der Nichtigkeitsklage vor Ablauf der drei- bzw fünfjährigen Frist führt nicht zur Fristunterbrechung, sondern schließt (nur) die Heilung der nichtigen Ehe aus. Nach Klagezurücknahme oder rechtskräftiger Abweisung der Nichtigkeitsklage ist die Heilung durch Fristablauf wieder möglich (Wentzel/Klang I/I2, 575).
C. Wiederholung der Eheschließung Nach § 13 der 1. DVEheG steht das Verbot der Doppelehe (§ 8 EheG) einer 5 Wiederholung der Eheschließung nicht entgegen, wenn die Ehegatten Zweifel an der Gültigkeit ihrer Ehe hegen. Die von § 21 EheG mit Nichtigkeit bedrohten Mängel können daher auch durch eine formgerechte – den Erfordernissen des § 17 EheG entsprechende – Wiederholung der Eheschließung beseitigt werden. Die mangelfreie Eheschließung erfolgt dann freilich erst durch die wiederholte Trauung und bewirkt daher keine rückwirkende Heilung (str; idS auch Weitzenböck/Schwimann § 21 EheG Rz 2; [wohl auch] Stabentheiner/Rummel § 21 EheG Rz 2; aA iS der Rückwirkung LGZ Wien EF 60.127 = ÖA 1990, 76), die nur unter den Voraussetzungen des § 21 Abs 2 EheG eintritt. § 13 der 1. DVEheG stellt nämlich schon systematisch betrachtet eine „Durchführungsbestimmung“ (im gegebenen Zusammenhang zu § 8 EheG) dar und keine – materiell-rechtliche – Konvalidationsregelung zu § 17 EheG. 411
§ 22 EheG
Höllwerth
Mangel der Geschäfts- oder Urteilsfähigkeit § 22. (1) Eine Ehe ist nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung geschäftsunfähig war oder sich im Zustand der Bewußtlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befand. (2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn der Ehegatte nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit, der Bewußtlosigkeit oder der Störung der Geistestätigkeit zu erkennen gibt, daß er die Ehe fortsetzen will. [Stammfassung] Lit: wie zu § 2 EheG und Vor §§ 20–25 EheG. Inhaltsübersicht A. Fehlende Geschäfts- oder Urteilsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Heilungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Fehlende Geschäfts- oder Urteilsfähigkeit 1 Gem § 2 EheG kann, wer – im entscheidenden Zeitpunkt der Eheschließung (7 Ob 261/64 = EF 2144) – geschäftsunfähig ist, eine Ehe nicht eingehen. § 22 Abs 1 EheG sanktioniert den Verstoß gegen das qualifizierte Ehehindernis – voller – Geschäftsunfähigkeit (s dazu näher § 2 EheG Rz 1 und die Definition des vollständigen Fehlens der Geschäftsfähigkeit in § 102 Abs 1 EheG). Die besondere Erwähnung der – nach österreichischem Rechtsverständnis ohne weiteres der Geschäftsunfähigkeit (§ 865 ABGB) zuzuordnenden Zustände der – Bewusstlosigkeit und der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit geht auf deutsches Recht zurück (s § 105 Abs 2 (d)BGB; dazu näher Wentzel/ Klang I/I2, 577 f).
B. Heilungsmöglichkeit 2 Nach § 22 Abs 2 EheG ist die Ehe – trotz Nichtigkeit nach § 22 Abs 1 EheG – als von Anfang an gültig anzusehen und demnach geheilt, wenn der Ehegatte nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit, der Bewusstlosigkeit oder der Störung der Geistestätigkeit zu erkennen gibt, die Ehe fortsetzen zu wollen. 3 Notwendige Voraussetzung für die Möglichkeit der Konvalidation ist zunächst der Wegfall der Geschäftsunfähigkeit; bis dahin ist die Heilung jedenfalls ausgeschlossen. Erlangt der betroffene Ehegatte volle Geschäftsfähigkeit, tritt die Heilung der Ehe dann ein, wenn dieser seinen Fortsetzungswillen „zu er412
Mangel der Geschäfts- oder Urteilsfähigkeit
§ 22 EheG
kennen gibt“. Rechtsnatur und notwendige Qualität dieser sog „Bestätigung“ sind str; teils wird ein bloß faktisches Verhalten (idS wohl Schwind 140 f) oder eine Rechtshandlung ieS (K/W I13, 457) als ausreichend erkannt, teils eine Willenserklärung gefordert (Stabentheiner/Rummel § 22 EheG Rz 2), auch eine „Mittellösung“ vorgeschlagen („eine Art Nachholung der Eheschließungserklärung, nicht aber im technischen Sinn“; Weitzenböck/Schwimann § 22 EheG Rz 2) oder dazu nicht Stellung genommen (Hopf/Kathrein § 2 EheG Anm 3). Kein Zweifel kann zunächst daran bestehen, dass eine ausdrückliche oder schlüssige „Bestätigung“ gegenüber dem anderen Ehepartner in Kenntnis des Nichtigkeitsgrundes zur Heilung führt. Der erklärte, dann die Heilung bewirkende Fortsetzungswille ist nachträglich nicht mehr widerrufbar. Wird der Erklärung eine Bedingung oder Befristung beigefügt, ist es Auslegungsfrage, ob die Bestätigung deshalb wirkungslos bleibt oder unter Entfall der den Fortsetzungswillen aufhebenden Beschränkungen dennoch zur Heilung führt. Fasste man die „Bestätigung“ funktionell als spätere Nachholung der Ehe- 4 schließungserklärung auf, dann erschiene es konsequent, auch für diese „Bestätigung“ alle Anforderungen einer Willenserklärung zu verlangen. Tatsächlich spricht aber schon der Gesetzeswortlaut gegen die Notwendigkeit einer solchen nachträglichen Konsenserklärung. Vielmehr lässt sich die „Bestätigung“ als Rechtshandlung ieS (vgl auch Müller-Gindullis in MünchKomm5 [2010] § 1315 BGB Rz 5) und inhaltlich als Ausdruck dafür verstehen, den seinerzeitigen Mangel des Ehekonsenses endgültig nicht mehr geltend machen und weiter zur Ehe stehen zu wollen. Unter diesem Blickwinkel, vor allem aber zum Schutz der Willensfreiheit des betroffenen Ehegatten, wird eine „Bestätigung“ nur dann in Frage kommen, wenn der Ehegatte zumindest Zweifel am rechtswirksamen Zustandekommen der Ehe haben musste, sich aber dennoch zu deren Weiterführung bekannte (vgl auch Henrich in Johannsen/ Henrich, Familienrecht5 [2010] § 1315 BGB Rz 4). Typische Handlung, die als Bestätigung des Fortsetzungswillens in Frage kommt, ist – abgesehen von ausdrücklichen Erklärungen – das weitere Zusammenleben mit dem Ehepartner in der bisher geübten Form (näher dazu Henrich in Johannsen/Henrich, Familienrecht5 [2010], § 1315 BGB Rz 9). Erlangt der bestätigende Ehegatte (nur) die beschränkte Geschäftsfähigkeit 5 und gibt er danach zu erkennen, dass er die Ehe fortsetzen will, ist zusätzlich die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Ehe erforderlich (§ 3 Abs 1 EheG). Fehlt diese, ist die Ehe infolge Bestätigung zwar nicht mehr nichtig, aber es liegt der Aufhebungsgrund nach § 35 Abs 1 EheG vor.
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§ 23 EheG
Höllwerth
Namensehe und Staatsangehörigkeitsehe § 23. (1) Eine Ehe ist nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau die Führung des Familiennamens des Mannes oder den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. (2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu seinem Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, daß bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist. [Stammfassung] Lit: Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung, ÖJZ 1998, 761; Breycha, Über die Nichtigkeit der Arbeitsbewilligungsehe, RZ 1994, 98; Schwimann, Ist der Staatsanwalt verpflichtet, in Kenntnis einer Namens- oder Staatsangehörigkeitsehe die Ehenichtigkeitsklage zu erheben? ÖJZ 1957, 425; ders, Zur Auslegung des § 19 EheG 1946 (Namensehe), FamRZ 1958, 45; Teschner, Scheinehen sind gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht, ÖStA 1998, 73; Zeyringer, Verhinderung von „Scheinehen“ durch den Standesbeamten? ÖStA 1990, 25 und wie Vor §§ 20–25 EheG. Inhaltsübersicht A. Namens- oder Staatsbürgerschaftsehe . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines und Entwicklung des Normverständnisses . 2. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wahrnehmung der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Heilungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Namens- oder Staatsbürgerschaftsehe 1. Allgemeines und Entwicklung des Normverständnisses
1 § 23 Abs 1 EheG sanktioniert eine Eheschließung, mit der nicht primär eine eheliche Lebensgemeinschaft angestrebt, sondern allein oder doch vorwiegend andere Rechtsfolgen bezweckt sind, nämlich einem Ehepartner den Erwerb des Familiennamens oder der Staatsangehörigkeit des anderen Ehepartners zu vermitteln. Die beiden Verlobten wollen dabei nur den Anschein einer Ehe („scheineheähnlicher Tatbestand“; vgl 3 Ob 18/05a = EF 111.159) erwecken, streben aber in Wahrheit gerade kein dem umfassenden Wesen einer Ehe entsprechendes Verhältnis an. Gesetzgeberisches Ziel des § 23 Abs 1 EheG war es, jenen eherechtlichen Formalerklärungen die Rechtswirksamkeit zu nehmen, die als übereinstimmende Scheinerklärungen der Partner nicht auf 414
§ 23 EheG
Namensehe und Staatsangehörigkeitsehe
eine Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern zumindest vorwiegend darauf zielen, einem der Partner den Erwerb der Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, die der andere bereits besitzt (6 Ob 720/88 = JBl 1989, 306 = EvBl 1989/104, 375 = SZ 61/262 = EF 57.069/6). Zur Zeit der Rezeption des EheG in den österreichischen Rechtsbestand war 2 nach dem damals geltenden Staatsbürgerschaftsrecht nur ein Erwerb der Staatsbürgerschaft des Mannes durch die Frau („Ausländerin“ im § 4 StbG 1949 oder „eine Fremde“ in § 9 StbG 1965) und nicht auch umgekehrt vorgesehen. Die gesetzliche Nichtigkeitsdrohung erfasste damit alle möglichen Fälle, weil eben damals die Eheschließung eines Fremden mit einer Inländerin staatsbürgerschaftsrechtlich ohne Belang war. Die Nichtigerklärung einer Ehe gem § 23 Abs 1 EheG führte dazu, die aufgrund einer Erklärung gem § 9 Abs 2 StbG 1965 bescheinigte österreichische Staatsbürgerschaft als nicht erworben anzusehen. Die Verwaltungsbehörde konnte dies gem § 39 StbG 1965 feststellen, ohne in die Rechtskraft eines Bescheids einzugreifen, weil die Bescheinigung iS des § 9 Abs 3 StbG 1965 lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen von § 9 Abs 1 und 2 StbG 1965 beurkundete, aber keinen der Rechtskraft fähigen, die Staatsbürgerschaft verleihenden Bescheid darstellte (VwGH 85/01/ 0145 = VwSlg 11921 A). Es folgte aus dieser Rechtslage kein Anhaltspunkt dafür, der Ehegesetzgeber habe mit seiner Nichtigkeitsanordnung einseitig nur den Staatsbürgerschaftserwerb über die Eheschließung durch den weiblichen Ehepartner erfassen wollen. Seit dem Inkrafttreten der StbG-Novelle 1983 ist die Eheschließung eines in- 3 ländischen Staatsbürgers mit einer Person, die diese Staatsbürgerschaft nicht besitzt, für deren Staatsbürgerschaftserwerb nicht nur dann Tatbestandsmerkmal, wenn es sich bei dem Fremden um eine Frau handelt, sondern auch dann, wenn der Fremde der männliche Ehepartner ist („Ehegatte“ geschlechtsneutral in § 11a StbG [1985] idgF). Aus dieser Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts kam es für den Nichtigkeitsgrund nach dem 2. Fall des § 23 Abs 1 EheG nachträglich zu einer unbeabsichtigten und systemwidrigen Lücke, die – ungeachtet des § 20 EheG – aufgrund des verfassungsgesetzlichen Gleichbehandlungsgebots durch Analogie zu schließen war (4 Ob 554/94 = ZfRV 1995/10, 35; 3 Ob 535/95 = ZfRV 1996/29 120; 7 Ob 2176/96t; 7 Ob 2179/96h = EF 83.017). § 23 Abs 1 EheG ist daher in seinem 2. Regelungsfall so zu lesen, dass „eine Ehe nichtig (ist), wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, einem Ehegatten . . . den Erwerb der Staatsbürgerschaft des anderen zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll“ (6 Ob 720/88 = JBl 1989, 306 = EvBl 1989/ 104, 375 = SZ 61/262 = EF 57.069/6). Der Umstand, dass die Eheschließung inzwischen nicht mehr kraft Gesetzes 4 (§ 4 StbG 1949) zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führt oder durch Erklä415
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rung des Fremden, der einen Inländer geheiratet hat (§ 9 StbG 1965), erlangt werden kann, hat den 2. Anwendungsfall des § 23 Abs 1 EheG nicht gegenstandslos gemacht, weil die Eheschließung auch nach § 11a StbG (1985) idgF immer noch ein staatsbürgerschaftsrechtlich erhebliches Tatbestandselement darstellt und idS den Erwerb der Staatsbürgerschaft ermöglicht (6 Ob 564/92 = JBl 1993, 245 = ZfRV 1993/24, 82 = EF 69.178 = ÖStA 1993, 41). Durch die strengen weiteren, für die Erlangung der Staatsbürgerschaft nach § 11a StbG (1985) idgF noch zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen hat aber die Eheschließung in diesem Kontext die früher Bedeutung verloren. 5 Nach Art 12 EMRK haben Männer und Frauen mit Erreichung des heiratsfähigen Alters gem den einschlägigen nationalen Gesetzen das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. Art 12 EMRK enthält demnach einen Ausübungsvorbehalt, wonach das staatliche Recht das Recht der Eheschließung ausgestalten, dabei aber keine diskriminierenden Schranken iS des Art 14 EMRK festlegen darf (1 Ob 389/97 f = ZfRV 1998/32, 157). Gem Art 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff bewirkt eine Verletzung dieses Grundrechts, wenn er nicht gem Art 8 Abs 2 EMRK im nationalen Recht gesetzlich vorgesehen und, als in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz eines der in dieser Bestimmung genannten Ziele notwendig und gerechtfertigt ist. Es obliegt der innerstaatlichen Gesetzgebung, die gesetzlichen Regeln, denen zufolge eine Ehe ungültig ist, aufzustellen. Die Nichtigerklärung einer lediglich zur Erlangung der Staatsbürgerschaft geschlossenen Ehe verstößt nicht gegen Art 8 EMRK (7 Ob 2179/96h = EF 83.017). 6 Der OGH hatte in der Entscheidung 6 Ob 564/92 (= JBl 1993, 245 = ZfRV 1993/24, 82) zu beurteilen, ob eine Ehe auch dann der Nichtigkeitssanktion des § 23 EheG zu unterstellen ist, wenn die primäre Absicht der Eheschließenden auf die Erreichung anderer Zwecke, namentlich die Erlangung einer Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigung, gerichtet ist. Der OGH verneinte diese Frage unter Berufung auf Pichler/Rummel 2 (§ 23 EheG Rz 1), weil Ehen nur in den im Gesetz genannten Fällen nichtig seien (§ 20 EheG). Nach § 23 Abs 1 EheG sei aber die Ehe nur dann nichtig, wenn sie – ohne die Absicht, eine Lebensgemeinschaft zu begründen – ausschließlich oder vorwiegend zum Zweck des Erwerbs (des Familiennamens oder) der Staatsbürgerschaft geschlossen werde. Andere ehefeindliche Absichten könnten nicht zu einer Aufhebung der Ehe wegen Nichtigkeit führen, wenn nicht der im § 23 EheG verpönte Zweck überwiege. Die Absicht, durch die Eheschließung nur einen Befreiungsschein zur Arbeitsbewilligung im Inland zu erlangen, ohne auch nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, sei für eine Nichtigerklärung der Ehe nicht ausreichend. Allerdings wurde das Streben nach einem solchen Befreiungsschein als mögliches Indiz dafür erkannt, dass damit nur der erste Schritt zur Erfüllung der Vorausset416
§ 23 EheG
Namensehe und Staatsangehörigkeitsehe
zungen des § 11a StbG getan werden solle, um in der Zukunft die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen (idS auch noch 5 Ob 547/94 = ZfRV 1995/ 8, 34). In 8 Ob 577/93 (= SZ 67/56 = EvBl 1995/2 = JBl 1995, 55 [Pichler] = ZfRV 7 1994, 210 = IPrax 1995, 179, 189 [Schwind]) hat dann der OGH – unter ausdrücklicher Ablehnung von 6 Ob 564/92 und der ggt Meinung Pichlers (/Rummel 2 § 23 EheG Rz 1) – die Ansicht vertreten, auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung (nur) die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den unbehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, reiche für die Nichtigerklärung der Ehe aus. Dies entspricht inzwischen – zutr – stRsp (1 Ob 30/01w ua = EF 97.119; 7 Ob 312/04i ua = EF 111.155; 7 Ob 13/05w mwN; aA Koch/KBB § 23 EheG Rz 2) und wird auch damit begründet, dass es sich insoweit um eine planwidrige Gesetzeslücke handelt, die im Wege der Gesetzesanalogie zu schließen sei, der auch die taxative Aufzählung des § 20 EheG nicht entgegen stehe (dazu näher 4 Ob 554/94 = ZfRV 1995/10, 35; 3 Ob 535/95; vgl auch LGZ Wien EF 87.437, 111.157). Die in Art 8 Abs 2 EMRK für einen Grundrechtseingriff vorgesehenen Ein- 8 schränkungen nach dem Prinzip der Demokratie und sachlicher Notwendigkeit müssen zwar zu einer einschränkenden Auslegung der das Grundrecht begrenzenden Normen führen; die analoge Anwendung des Nichtigkeitstatbestands der Staatsbürgerschaftsehe auf eine Eheschließung, mit der nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder der unbehinderte Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt angestrebt werden/wird, kann aber nicht gegen das verfassungsmäßig gewährleistete Grundrecht auf Schutz der Familie oder der Eheschließung verstoßen und ist daher nicht konventionswidrig, weil in solchen Fällen die Eheschließung gerade nicht auf die Gründung einer umfassenden Lebensgemeinschaft gerichtet ist (7 Ob 2176/96t; 7 Ob 2179/96h; 7 Ob 312/04i mwN = EF 111.158; näher dazu auch 3 Ob 18/05a = EF 111.159). An dieser Rsp zur Nichtigkeit der „Aufenthalts- bzw Arbeitsbewilligungsehen“ hat sich weder durch die ausdrückliche Aufnahme der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf eine Scheinehe als Ausweisungsgrund und als Grund für ein Aufenthaltsverbot in § 34 Abs 1 Z 3 und § 36 Abs 2 Z 9 FrG 1997 (6 Ob 142/00a = EF 93.709; 1 Ob 30/01w ua = EF 97.120; LGZ EF 114.139) noch durch den Beschluss des Assoziationsrats EWG-Türkei vom 19.9.1990 Nr 1/80 (7 Ob 2179/96h) oder die Entschließung des Rates vom 4.12.1997 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen, 97/C382/01, (7 Ob 312/04i ua = EF 111.161; 4 Ob 16/05i) etwas geändert.
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§ 23 EheG
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2. Tatbestandsvoraussetzungen
9 Der Nichtigkeitsgrund nach § 23 Abs 1 EheG setzt voraus, dass bei der Eheschließung die Absicht beider Ehegatten nicht auf die Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern ausschließlich oder vorwiegend darauf gerichtet ist, einem Ehegatten den Erwerb des Familiennamens bzw der Staatsangehörigkeit des anderen Partners (OLG Wien EF 57.074 mwN) oder die Erlangung der Aufenthalts- bzw der Arbeitsbewilligung zu ermöglichen (10 ObS 157/93; 7 Ob 13/05w; 7 Ob 137/05w ua = EF 111.153; 9 Ob 48/05g = EF 111.153; 8 Ob 101/06w = EF 114.136; LGZ Wien EF 117.319; LG Wels EF 120.023; LG Salzburg EF 123.697; zur Nichtigkeit im Fall der Eheschließung zum Zweck der Erlangung eines Visums: LGZ Wien EF 104.804). 10 „Ermöglichen“ iS des § 23 Abs 1 EheG heißt, durch die Eheschließung die verpönten Zwecke zu begünstigen oder wenigstens zu erleichtern (8 Ob 700/ 88 = EvBl 1990/8 = EF 60.128; LGZ Wien EF 114.137, 120.024). 11 Ist das Ziel der Eheschließung nicht ausschließlich oder vorwiegend die Verschaffung des Familiennamens, der Staatsangehörigkeit, einer Aufenthalts- und/oder Arbeitsbewilligung, sondern der Abschluss einer ernst gemeinten Ehe, wenngleich auch mit dem Zweck, einem Ehegatten fremdenrechtliche Vorteile zu verschaffen, so reicht dies nicht aus, um die Nichtigkeit der Ehe zu begründen (LGZ Wien EF 104.805). Die Absicht, dem ausländischen Ehegatten auch einen Aufenthalt im Inland und/oder den Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt zu verschaffen, schadet also nicht, wenn es sich dabei bloß um eines von mehreren Motiven für die Eheschließung handelt und zur Zeit der Eheschließung auch die Absicht zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft bestand (vgl LGZ Wien EF 97.122). Umso weniger können – nicht zuletzt wegen der taxativen Aufzählung der Nichtigkeitsgründe (s dazu Vor §§ 20–25 EheG Rz 3) – andere, von § 23 Abs 1 EheG nicht erfasste ehefremde Motive, wie etwa der Wunsch nach einer (reinen) Versorgungsehe (OLG Wien EF 57.072; LGZ Wien EF 72.254) oder das Streben nach einer Gewerbeberechtigung (LG Salzburg EF 114.135) Nichtigkeit nach dieser Bestimmung begründen. 12 War ein Verlobter niemals in der Wohnung des anderen und hatte er keinen Kontakt zu den Verwandten des Partners, wurden anlässlich der Trauung keine Fotos gemacht, nahmen an der Hochzeit neben dem Brautpaar nur die beiden Trauzeugen teil, wobei es sich um Freunde eines Verlobten handelte, deren Namen dem anderen nicht bekannt waren, verständigte(n) der (die) Verlobte(n) weder Freunde noch ihre Familie von der beabsichtigten Eheschließung, so sind dies Umstände, die auf eine nach § 23 EheG nichtige Ehe hinweisen (5 Ob 155/02h = JBl 2003, 320 = JAP 2003/2004, 177 [Ortner]). Aus 418
§ 23 EheG
Namensehe und Staatsangehörigkeitsehe
geschlechtlichen Beziehungen der Ehegatten (vgl LGZ Wien EF 114.141), aus zeitweiligem Zusammenleben (8 Ob 700/88; LGZ Wien 93.710; LG Linz EF 108.179 f) oder aus von den (einem) Ehegatten organisierten und finanzierten Hochzeitsfeierlichkeiten (vgl LGZ Wien EF 97.124) muss sich noch nicht die Absicht ergeben, auch tatsächlich eine eheliche Lebensgemeinschaft aufnehmen zu wollen (zum „Brauch des Ringwechsels“ s 5 Ob 619/78 = RIS-Justiz RS0056161). Ob die von § 23 Abs 1 EheG sanktionierte Absicht bei Eheschließung vorlag, 13 ist Tatfrage, die mit Revision nicht mehr aufgegriffen werden kann (vgl 8 Ob 523/86; 7 Ob 13/05w; 9 Ob 48/05g). Die in § 23 Abs 1 EheG beschriebene Absicht muss bei beiden Ehegatten vor- 14 liegen (3 Ob 18/05a = EF 111.162; LGZ Wien EF 108.177, EF 117.321). Die Absicht nur eines Ehegatten auf Abschluss einer bloßen „Scheinehe“ ist nicht ausreichend (LGZ Wien EF 108.178). Hat nur ein Verlobter die vom Gesetz verpönte Absicht, liegt keine Nichtigkeit nach § 23 Abs 1 EheG vor, doch ist die Ehe allenfalls nach den §§ 37, 38 EheG aufhebbar (5 Ob 284/05h = EF 111.154; OLG Wien EF 57.073; LGZ Wien EF 114.143, 117.323; LG Wels EF 120.028; Hopf/Kathrein § 23 EheG Anm 4 mwN; Stabentheiner/Rummel § 23 EheG Rz 1). Für das Vorliegen der Nichtigkeitsvoraussetzungen ist ausschließlich der Zeit- 15 punkt der Eheschließung maßgeblich (6 Ob 534/85 = EF 48.716; 5 Ob 609/ 89 ua = EF 60.130; 3 Ob 18/05a mwN = EF 111.162; OLG Wien EF 66.394; LGZ Wien EF 117.321). Die nachfolgende Entwicklung ist rechtlich bedeutungslos (zutr LGZ Wien EF 117.322). Sind die Voraussetzungen des § 23 Abs 1 EheG bei Eheschließung gegeben, ändert sich daher am Bestehen des Nichtigkeitsgrundes nichts, wenn danach die österreichische Staatsbürgerschaft, die Aufenthalts- oder die Arbeitsbewilligung doch nicht angestrebt (10 Ob 2052/96d; 1 Ob 209/03x ua = EF 108.176; 1 Ob 111/04m; 7 Ob 312/ 04i mwN ua = EF 111.156) oder tatsächlich eine eheliche Lebensgemeinschaft begründet wird (LGZ Wien EF 108.181). Auch eine Konvaleszenz der Ehe kommt bei einem späteren Wegfall der Nichtigkeitsvoraussetzungen nicht schon durch die der Eheschließung unmittelbar nachfolgende Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern nur unter den im § 23 Abs 2 EheG angeführten Umständen, also bei qualifizierter Dauer der ehelichen Gemeinschaft in Betracht (6 Ob 534/85 = EF 48.716; 3 Ob 18/05a = EF 111.163; LGZ Wien EF 60.126, EF 114.142). Andererseits liegt keine Nichtigkeit nach § 23 Abs 1 EheG vor, wenn eine zum Zeitpunkt der Eheschließung bestandene Absicht zur Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft infolge geänderter Umstände später tatsächlich nicht verwirklicht wird (vgl LGZ Wien 97.123).
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§ 24 EheG
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3. Wahrnehmung der Nichtigkeit
16 Die Nichtigkeit der Ehe nach § 23 Abs 1 EheG kann nicht einer der Ehepartner, sondern gem § 28 Abs 1 EheG nur der Staatsanwalt geltend machen (s auch § 28 EheG Rz 1).
B. Heilungsmöglichkeit 17 Die nach § 23 Abs 1 EheG nichtige Ehe heilt nicht schon durch den späteren Wegfall der Umstände, die bei Abschluss der Ehe deren Nichtigkeit begründeten (dazu näher Rz 15). Zur Konvaleszenz kommt es vielmehr nur dann, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu seinem Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, und bei Fristablauf die Nichtigkeitsklage nicht erhoben war (vgl LGZ Wien EF 114.142). Diese Konvaleszenzvoraussetzungen entsprechen jenen des § 21 Abs 2 EheG (zu diesen näher § 21 EheG Rz 3 f). 18 § 13 der 1. DVEheG ist keine – materiell-rechtliche – Konvalidationsregelung, sodass eine rückwirkende Heilung der nach § 23 Abs 1 EheG nichtigen Ehe durch eine wiederholte Trauung – unter Umgehung der Anforderungen des § 23 Abs 2 EheG – ausgeschlossen ist (so auch Weitzenböck/Schwimann § 21 EheG Rz 5; aA LGZ Wien = EF 60.127 = ÖA 1990, 76).
Doppelehe § 24. Eine Ehe ist nichtig, wenn ein Teil zur Zeit ihrer Schließung mit einer dritten Person in gültiger Ehe oder eingetragener Partnerschaft lebte. [Fassung gem Art 3 Z 2 EPG BGBl I 2009/135] Lit: wie zu § 8 EheG und wie Vor §§ 20–25 EheG.
1 § 8 EheG verbietet die Doppelehe. Dieses Eheverbot ieS (Grundsätzliches zu Norm und Zweck bei § 8 EheG Rz 1 ff) soll verhindern, dass eine in aufrechter Ehe lebende Person eine weitere Ehe eingeht, bevor die erste Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. Dem Eheverbot des § 8 EheG entsprechend sieht nunmehr § 9 EheG idF des EPG vor, dass eine Person keine Ehe eingehen darf, bevor ihre eingetragene Partnerschaft für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. Der Regelung des § 9 EheG entsprechend wurde auch § 24 EheG – bei unveränderter und daher (nunmehr) irreführender Überschrift – angepasst (s auch §§ 5 Abs 1 Z 2, 19 Abs 1 Z 3 EPG). Die folgend in Rz 2 bis 6 enthalte420
§ 24 EheG
Doppelehe
nen Ausführungen gelten nunmehr sinngemäß betreffend den Verstoß gegen § 9 EheG. Eine Doppelehe und damit ein Verstoß gegen § 8 EheG liegt (nur) dann vor, 2 wenn bereits eine Ehe aufrecht besteht und (zumindest) ein Partner eine zweite (weitere) Ehe eingeht (vgl 5 Ob 297/70 = EvBl 1971/180, 324 = EF 13.770). Eine Nichtehe (s dazu näher § 15 EheG Rz 12 ff) führt daher nicht zum Vorliegen des Ehenichtigkeitsgrundes des § 24 EheG (2 Ob 267/98y = EF 87.439). Ob die erste oder zweite (weitere) Ehe im Inland oder im Ausland geschlossen wird, spielt grundsätzlich keine Rolle, doch besteht das Ehehindernis nur dann, wenn es sich jeweils um für den österreichischen Rechtsbereich wirksame Eheschließungen handelt (Schwind 145; zur Form einer Eheschließung im Ausland s § 16 Abs 2 IPRG; zur Prüfung durch den Standesbeamten s § 8 EheG Rz 9). Dass keiner „der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in 3 gültiger Ehe“ leben darf, bedeutet, dass die Verlobten entweder ledig sein müssen oder deren frühere (früheren) Ehe(n) rechtskräftig für nichtig erklärt, aufgehoben, geschieden oder aus anderen Gründen, insb durch Tod des früheren Partners aufgelöst worden sein muss (zum nachträglichen Entstehen des Ehehindernisses infolge erfolgreicher Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage gegen das die erste Ehe beseitigende Urteil s § 8 EheG Rz 12 ff). Zeitlich besteht demnach das Ehehindernis nach § 8 EheG ab der (ersten) wirksamen Eheschließung bis zu deren für den österreichischen Bereich rechtswirksamen Beendigung (Schwind 145; s dazu auch § 8 EheG Rz 6). Dass die (erste) Ehe mit einem (noch) nicht wahrgenommenen Nichtigkeits- 4 oder Aufhebungsgrund behaftet ist, ein Scheidungsgrund vorliegt oder dass die Ehepartner (der ersten Ehe) nicht in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammen leben, beseitigt allein das Eheverbot nicht (vgl 5 Ob 297/70 = SZ 43/239 = EvBl 1971/180, 324). Da die Nichtigkeit nach § 24 EheG an den rein objektiven Tatbestandskriterien einer verbotenen Doppelehe (§ 8 EheG) anknüpft, kommt es auch auf die Gut- oder Schlechtgläubigkeit der Ehegatten nicht an (LGZ Wien EF 104.806). Eine Befreiung vom Eheverbot des § 8 EheG und eine Sanierung der späteren 5 Ehe sind grundsätzlich ausgeschlossen, widersprechen die Doppel- oder Mehrehe doch einem tragenden Grundsatz des österreichischen Familienrechts. Eine Konvalidation ist allerdings möglich, geht doch die hA davon aus, dass – anders als im Fall der Aufhebung oder Scheidung der ersten Ehe – die Nichtigkeit der zweiten Ehe nachträglich heilt, wenn – vor deren Nichtigerklärung – die erste Ehe für nichtig erklärt wird (näher zum Meinungsstand s § 8 EheG Rz 16).
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§§ 25–27 EheG
Höllwerth
6 Die Nichtigkeit einer Ehe nach § 24 EheG kann gem § 28 Abs 2 EheG vom Staatsanwalt, von jedem der Ehegatten (der zweiten Ehe) und auch vom Ehegatten der ersten Ehe geltend gemacht werden. 7 Zum freilich nur ausnahmsweise möglichen Fall einer wirksamen Doppelehe s § 45 EheG Rz 5.
Verwandtschaft § 25. Eine Ehe ist nichtig, wenn sie dem Verbot des § 6 zuwider zwischen Blutsverwandten geschlossen ist. [Fassung gem Art II Z 4 PersRÄG, BGBl 1983/566] Lit: wie zu § 6 EheG und wie Vor §§ 20–25 EheG.
1 § 6 EheG verbietet die Eheschließung zwischen Blutsverwandten gerader Linie und zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern, gleichgültig ob die Blutsverwandtschaft auf ehelicher oder unehelicher Geburt beruht (dazu näher § 6 EheG Rz 1 ff; zum Eheverbot der Wahlkindschaft s § 10 EheG). Maßgeblich ist allein das objektive Vorliegen des verbotenen Verwandtschaftsverhältnisses. Auf die Kenntnis der Verlobten um das Vorliegen des Eheverbots kommt es nicht an. Durch Statusentscheidungen kann das Eheverbot des § 6 EheG später entstehen, aber auch entfallen (s dazu § 6 EheG Rz 6 f). 2 Zur Nichtigkeitsklage befugt sind gem § 28 Abs 2 EheG der Staatsanwalt und beide vom Nichtigkeitsgrund betroffenen Ehegatten.
§ 26. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II Z 5 PersRÄndG BGBl 1983/ 566.
II. Berufung auf die Nichtigkeit Berufung auf die Nichtigkeit § 27. Niemand kann sich auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen, solange nicht die Ehe durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist. [Stammfassung] Lit: Seiler, Die Bedeutung der Vorfrage für den Strafrichter, JBl 1981, 561; Scheucher, ZfRV 1967, 160 (Entscheidungsbesprechung); Welser, Das Verschulden bei der Aufhebung und Nichtigerklärung der Ehe, RZ 1973, 185.
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§ 27 EheG
Berufung auf die Nichtigkeit
Im Licht des § 27 EheG ist zunächst zwischen einer Nichtehe (dazu näher § 15 1 EheG Rz 12 ff) und einer nichtigen Ehe zu unterscheiden. Die Nichtehe ist absolut unwirksam und bewirkt keine rechtlichen Bindungen. Die Nichtigerklärung (auch Aufhebung oder Scheidung) einer Nichtehe ist ausgeschlossen, und auf das Vorliegen einer bloßen Nichtehe kann sich jeder berufen (s § 15 EheG Rz 15). § 27 EheG ist demnach nur auf eine iS der §§ 21 bis 25 EheG nichtige Ehe, jedoch nicht auf die Nichtehe anwendbar. Die Formulierung des § 27 EheG wird teils als zu weit (Weitzenböck/Schwi- 2 mann § 27 EheG Rz 2), teils überhaupt als verunglückt (Schwind 148) kritisiert. Der Normgehalt des § 27 EheG erschließt sich freilich recht naheliegend aus seiner systematischen Stellung im Kontext mit der Regelung der Klagebefugnis (§ 28 EheG). Aus dem Zusammenhalt der §§ 27, 28 EheG folgt, dass eine nichtige Ehe eine bloß vernichtbare Ehe ist (Wentzel/Klang I/12, 565), deren Nichtigkeit nicht von jedem Dritten (9 Ob 46/01g), sondern nur von einer dazu nach § 28 EheG legitimierten Person (1 Ob 335/50 = SZ 23/205) mit Klage geltend gemacht werden kann und die bis zur Rechtskraft des rechtsgestaltenden Nichtigkeitsurteils voll wirksam ist (7 Ob 674/89 = RZ 1990/49, 101; 2 Ob 294/02b; Faistenberger 16). Im Übrigen bedeutet das von § 27 EheG ausgeschlossene „Berufen“ das un- 3 mittelbare Ableiten von Rechtsfolgen aus der behaupteten Nichtigkeit einer Ehe (7 Ob 674/89 = RZ 1990/49, 101), zB bei der Abgabe von Erbantrittserklärungen (vgl 3 Ob 177/51 = SZ 24/103). Ein solches Berufen auf eine (noch) nicht rechtskräftig für nichtig erklärte Ehe steht keinem Dritten, aber auch nicht einem Ehegatten im Verhältnis zum anderen zu (6 Ob 171/60). Daraus folgt zB die aufrecht bleibende Unterhaltspflicht während des Verfahrens auf Nichtigerklärung der Ehe (7 Ob 674/89 = RZ 1990/49, 101 mwN). Ob eine Ehe nichtig ist, darf nicht als Vorfrage in einem anderen Zivilprozess 4 beurteilt werden (4 Ob 530/67 = EF 8473; 6 Ob 333/67 = EF 8474; 5 Ob 155/ 02h; LGZ Wien EF 117.324; LG Wels EF 120.025), weil ein Ehe(nichtigerklärungs)verfahren besonderen Verfahrensanforderungen unterliegt (Schwind 148 f; s auch Vor §§ 20–25 EheG Rz 11 ff). Allenfalls ist ein anhängiger Rechtsstreit zur Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung der Ehe zu unterbrechen (§ 190 ZPO); bis zur rechtskräftigen Klärung dieser Frage im Statusverfahren ist jedenfalls vom aufrechten Bestand der Ehe auszugehen. Die auf Nichtigkeit der Ehe erkennende Entscheidung ist Rechtsgestaltungs- 5 urteil (OLG Wien EF 43.587). Die (jeweilige) Kenntnis vom Nichtigkeitsgrund ist für die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten bedeutsam (dazu und zum Schuldausspruch im Nichtigkeitsurteil s § 31 EheG Rz 2 ff). Aus Ehescheidung einerseits und Ehenichtigerklärung andererseits ergeben 6 sich unterschiedliche Rechtsfolgen, und die Ehescheidung wirkt auch nicht 423
§ 28 EheG
Höllwerth
zurück. Es kann deshalb eine bereits rechtskräftig geschiedene Ehe für nichtig erklärt werden (5 Ob 297/70 = SZ 43/239 = EvBl 1971/180, 324 = EF 13.771; 5 Ob 619/78; 2 Ob 294/02b = EF 100.860; OLG Wien EF 43.587, 51.563). Da eine nichtige Ehe eine bloß vernichtbare und zunächst wirksame Ehe ist, kann auch eine nichtige Ehe geschieden werden, solange die Nichtigerklärung nicht erfolgt ist (5 Ob 155/02h = JBl 2003, 320 = JAP 2003/2004, 177 [Ortner]). Eine rechtskräftig – daher rückwirkend – für nichtig erklärte Ehe kann dagegen nicht mehr geschieden werden.
Klagebefugnis § 28. (1) Ist eine Ehe auf Grund des § 23 dieses Gesetzes nichtig, so kann nur der Staatsanwalt die Nichtigkeitsklage erheben. (2) In allen übrigen Fällen der Nichtigkeit kann die Staatsanwaltschaft und jeder der Ehegatten, im Fall des § 24 auch der frühere Ehegatte oder eingetragene Partner die Nichtigkeitsklage erheben. Ist die Ehe aufgelöst, so kann nur die Staatsanwaltschaft die Nichtigkeitsklage erheben. (3) Sind beide Ehegatten verstorben, so kann eine Nichtigkeitsklage nicht mehr erhoben werden. [Fassung gem Art II Z 4 PersRÄG, BGBl 1983/566; Abs 2 idF gem Art 3 Z 2 EPG BGBl I 2009/135] Lit: Novak, Die Amtswegigkeit im österreichischen Eheverfahren und ihre Grenzen (1949); Schalich, Das neue streitige Eheverfahren, RZ 1985, 13, 26, 50; Scheucher, ZfRV 1967, 160 (Entscheidungsbesprechung zu ZfRV 1967, 157); Schoibl, Neues Verfahrensrecht in Ehesachen, ÖJZ 1984, 540; Schwimann, Ist der Staatsanwalt verpflichtet, in Kenntnis einer Namens- oder Staatsangehörigkeitsehe die Ehenichtigkeitsklage zu erheben? ÖJZ 1957, 425. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Aktive Klagslegitimation . . . . . . . . . . . Klageerhebung durch den Staatsanwalt Passive Klagslegitimation . . . . . . . . . . . Verfahrensrechtliches . . . . . . . . . . . . .
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A. Aktive Klagslegitimation 1 Zur Klage aktiv legitimiert ist gem § 28 Abs 1 EheG im Fall der Nichtigkeit nach § 23 EheG (Namens- oder Staatsangehörigkeitsehe; 1 Ob 335/50 = SZ 23/205; 7 Ob 347/98z; 4 Ob 39/00i; 5 Ob 155/02h = JBl 2003, 320; 2 Ob 294/ 02b) und gem § 28 Abs 2 EheG nach Auflösung der Ehe (durch Tod, Scheidung oder Aufhebung; 5 Ob 619/78) allein der Staatsanwalt (allg zur prozes424
§ 28 EheG
Klagebefugnis
sualen Funktion des Staatsanwalts s Schubert/Fasching Vor § 1 ZPO Rz 11). Bei Nichtigkeit nach § 21 EheG (Mangel der Form), § 22 EheG (Mangel der Geschäfts- oder Urteilsfähigkeit) und § 25 EheG (Verwandtschaft) sind der Staatsanwalt und – bis zur Auflösung der Ehe (durch Tod, Scheidung oder Aufhebung) – jeder Ehegatte der vom Nichtigkeitsgrund betroffenen Ehe aktiv klagslegitimiert. Bei Nichtigkeit nach § 24 EheG (Doppelehe bzw eingetragene Partnerschaft) sind der Staatsanwalt, jeder Ehegatte der Doppelehe sowie der Ehegatte der Vorehe (die Ehegatten der Vorehen bei beidseitiger Doppelehe bzw der [die] eingetragene[n] Partner) klagebefugt. Sind beide Ehegatten verstorben, so ist nach § 28 Abs 3 EheG niemand mehr zur Nichtigkeitsklage legitimiert. § 28 EheG eröffnet keinem Dritten die Möglichkeit, die Nichtigkeit einer Ehe geltend zu machen (9 Ob 46/01g; s auch § 27 EheG Rz 2).
B. Klageerhebung durch den Staatsanwalt Str ist, ob der zur Klage legitimierte Staatsanwalt (zur verfassungsrechtlichen 2 Unbedenklichkeit seiner Mitwirkung s OLG Wien EF 43.588) zur Erhebung der Nichtigkeitsklage nicht nur berechtigt, sondern – nach amtswegiger Kenntnis von einem entsprechenden Sachverhalt – dazu auch verpflichtet ist. Für diese Pflicht treten Schwind (149), Schwimann (ÖJZ 1957, 425 ff), diesem folgend Schalich (RZ 1985, 50 [51]), und zwar die beiden letztgenannten für den Fall der Nichtigkeit des § 23 EheG, und Weitzenböck (/Schwimann § 28 EheG Rz 4) für den Fall unheilbarer Nichtigkeitsgründe nach §§ 24, 25 EheG ein. Gegen eine Pflicht zur Klageerhebung sind Novak (36), Wentzel (/Klang I/12, 607 ff), Schoibl (ÖJZ 1984, 541), Hopf/Kathrein (§ 28 EheG Anm 2) und Stabentheiner (/Rummel §§ 27, 28 EheG Rz 6). Die Rsp verneint ebenfalls eine unbedingte Pflicht des Staatsanwalts zur Klageerhebung; diesem obliege vielmehr die Prüfung, ob das öffentliche Interesse (die Belange der Allgemeinheit die Erhebung der Nichtigkeitsklage erfordert (5 Ob 297/70 = SZ 43/239 = EvBl 1971/180, 324 = EF 13.771; 5 Ob 619/78 = EF 31.623). Der letztgenannten Ansicht ist beizupflichten, weil weder für eine „Klagepflicht“ des Staatsanwalts noch für eine insoweit differenzierte Behandlung der Nichtigkeitsgründe eine gesetzliche Grundlage zu erkennen, insb nicht aus § 28 EheG ableitbar ist. Gem § 86 Abs 1 der 1. DVEheG ist zur Mitwirkung in Ehesachen der Staats- 3 anwalt am Sitz des Prozessgerichts zuständig; in Wien ist es der Staatsanwalt beim Landesgericht für Strafsachen Wien.
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§ 29 EheG
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C. Passive Klagslegitimation 4 Zur Klage passiv legitimiert sind gem § 82 Abs 1 der 1. DVEheG bei der Nichtigkeitsklage des Staatsanwalts beide Ehegatten oder, wenn einer von ihnen verstorben ist, der überlebende Ehegatte. Wird die Nichtigkeitsklage von einem Ehegatten erhoben, ist diese gegen den anderen zu richten (7 Ob 347/ 98z). Im Falle der Doppelehe (§ 24 EheG) ist die Nichtigkeitsklage des Ehegatten der früheren Ehe gem § 82 Abs 2 der 1. DVEheG gegen beide Ehegatten der späteren Ehe zu erheben. Die beiden beklagten Ehegatten bilden eine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO (5 Ob 297/70 = SZ 43/239 = EvBl 1971/ 180, 324; 4 Ob 39/00i = EvBl 2000/126, 565 = SZ 73/27; 1 Ob 39/00t = ZfRV 2001, 33). Entsprechendes muss – trotz des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung – für den Fall der Erhebung der Nichtigkeitsklage durch den eingetragenen Partner gelten.
D. Verfahrensrechtliches 5 Nach § 83 der 1. DVEheG kann der Staatsanwalt im Verfahren über eine Nichtigkeitsklage, auch wenn er die Klage nicht erhoben hat, den Rechtsstreit betreiben, insb selbstständig Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen (s dazu näher § 83 der 1. DVEheG Rz 1). 6 Hat der Staatsanwalt die Nichtigkeitsklage zu Lebzeiten beider Ehegatten erhoben, so findet gem § 84 der 1. DVEheG, wenn ein Ehegatte stirbt, § 460 Z 8 ZPO keine Anwendung. Das Verfahren wird gegen den überlebenden Ehegatten fortgesetzt (s dazu näher § 84 der 1. DVEheG Rz 1). 7 In den Fällen, in denen der als Partei auftretende Staatsanwalt unterliegt, sind nach § 85 der 1. DVEheG Kostenersätze dem Staat aufzuerlegen (s dazu näher § 85 der 1. DVEheG Rz 1 f).
III. Folgen der Nichtigkeit § 29. (samt Überschrift), § 30. aufgehoben durch Art II Z 3 KindG BGBl 1977/403. § 29 EheG lautete:
Rechtliche Stellung der Kinder § 29. (1) Ein Kind aus einer Ehe, die auf Grund des § 23 dieses Gesetzes nichtig ist, ist unehelich. 426
Vor §§ 31–32 EheG
Rechtliche Stellung der Kinder
(2) Auf die Unehelichkeit des Kindes kann sich niemand berufen, solange nicht die Ehe der Eltern für nichtig erklärt oder die Unehelichkeit des Kindes durch gerichtliches Urteil festgestellt ist. (3) Die Klage auf Feststellung der Unehelichkeit kann nur der Staatsanwalt erheben. Die Klage ist ausgeschlossen, solange auch nur einer der Ehegatten aus der nichtigen Ehe noch lebt. (4) Ein Kind, das nach Abs. 1 unehelich ist, kann gleichwohl von dem Vater, solange er lebt, Unterhalt wie ein eheliches Kind verlangen. § 29 EheG ist zufolge Art XVIII § 2 KindG BGBl 1977/403 noch auf vor dem 1 1.1.1978 geborene Kinder aus einer Namens- oder Staatsangehörigkeitsehe iS des § 23 EheG anzuwenden. Die mit § 29 EheG zusammenhängende, in § 86 Abs 2 der 1. DVEheG enthal- 2 ten gewesene Zuständigkeitsvorschrift für den Staatsanwalt ist ebenfalls aufgehoben worden.
Vor §§ 31–32 Lit: Dullinger/Kerschner, Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse bei für nichtig erklärter Ehe? ÖJZ 1984, 281; Gschnitzer, Eheaufhebung, JBl 1950, 445; Köstler, Die „nichtige“ Ehe, JBl 1952, 231; Mottl, Ein Jahr neues Namensrecht, NZ 1996, 321; Schauer, Zur Anwendung der §§ 81 ff EheG auf die nichtigerklärte Ehe, ÖJZ 1982, 147; Welser, Das Verschulden bei der Aufhebung und Nichtigerklärung der Ehe, RZ 1973, 185.
Aus § 27 EheG ist abzuleiten, dass die Rechtsfolgen der Nichtigkeit einer Ehe 1 (erst) mit der Rechtskraft des darüber ergehenden Rechtsgestaltungsurteils eintreten. Diese Rechtsfolgen einer für nichtig erklärten Ehe sind dann im EheG nur sehr punktuell geregelt (Koch/KBB § 32 EheG Rz 1). § 31 EheG enthält einzelne Vorschriften betreffend die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten. § 32 EheG stellt überhaupt keine materielle Rechtsfolgenregelung dar, sondern schränkt nur die Wirkungen der Nichtigerklärung der Ehe Dritten gegenüber in gewissem Umfang ein. Durch die Nichtigerklärung der Ehe enden deren persönliche Rechtswirkun- 2 gen und es fallen auch die gesetzlichen erbrechtlichen Beziehung zwischen den Ehegatten – bei Tod eines Ehegatten vor Nichtigerklärung rückwirkend (Wentzel/Klang I/12, 619) – weg (Stabentheiner/Rummel §§ 31, 32 EheG Rz 7; s auch § 1266 ABGB). Im Namensrecht gilt für den Fall der Nichtigerklärung der Ehe § 93a ABGB 3 nicht. Der Ehegatte, der seinen Familiennamen aus der für nichtig erklärten Ehe ableitete (§ 93 Abs 1 ABGB), erhält seinen vor der Ehe geführten Namen wieder (Hopf/Kathrein §§ 29, 30 EheG Anm 2; Stabentheiner/Rummel §§ 31, 427
§ 31 EheG
Höllwerth
32 EheG Rz 7 mwN). Hatten die Ehegatten in der Ehe ihre bis dahin geführten Namen behalten (§ 93 Abs 3 ABGB), so bleibt es auch nach Nichtigerklärung der Ehe dabei (Schwimann/Ferrari/Schwimann § 93a ABGB Rz 5; Schwind 152). Zur Ehenichtigerklärung und der anschließend begehrten Namensänderung auf den während der nichtigen Ehe geführte Familiennamen s VwGH 92/ 01/0934 = ZfRV 1994, 30. 4 Die (früher) ex lege oder durch Erklärung erworbene Staatsbürgerschaft geht durch die Nichtigerklärung der Ehe ipso iure und mit Wirkung ex tunc verloren (1 Ob 585/88 mwN; Stabentheiner/Rummel §§ 31, 32 EheG Rz 7; Wentzel/Klang I/12, 621). 5 Kinder aus einer für nichtig erklärten Ehe bleiben gem § 138c Abs 2 ABGB ehelich (für vor dem 1.1.1978 geborene Kinder s § 29 EheG Rz 1). Wird die Ehe der Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes für nichtig erklärt, so bleibt gem § 177 Abs 1 Satz 1 ABGB die Obsorge beider Eltern aufrecht. Die Eltern können jedoch dem Gericht eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge vorlegen, wobei die Betrauung eines Elternteils allein oder beider Eltern vereinbart werden kann. 6 Die Nichtigkeit einer Ehe kann auch für vermögensrechtliche Beziehungen der Ehegatten, die nicht unmittelbar auf der Eheschließung oder dem daraus resultierenden Güterstand aufbauen, eine Rolle spielen. So können Schenkungen und sonstige Zuwendungen, für welche der aufrechte Bestand der Ehe wesentliches Motiv oder Beweggrund war, zurückgefordert werden (Motivirrtum [§ 901 ABGB], condictio causa finita [§ 1435 ABGB]; vgl 8 Ob 38/75 = SZ 48/59; Wentzel/Schwind/Klang I/12, 652 f).
Vermögensrechtliche Beziehungen der Ehegatten § 31. (1) Hat auch nur einer der Ehegatten die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung nicht gekannt, so finden auf das Verhältnis der Ehegatten in vermögensrechtlicher Beziehung die im Falle der Scheidung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Dabei ist ein Ehegatte, dem die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung bekannt war, wie ein für schuldig erklärter Ehegatte zu behandeln. (2) Ein Ehegatte, der die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung nicht gekannt hat, kann binnen sechs Monaten, nachdem die Ehe rechtskräftig für nichtig erklärt ist, dem anderen Ehegatten erklären, daß es für ihr Verhältnis in vermögensrechtlicher Beziehung bei den Folgen der Nichtigkeit bewenden solle. Gibt er eine solche Erklärung ab, so findet die Vorschrift des Abs. 1 keine Anwendung. [Stammfassung]
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§ 31 EheG
Vermögensrechtliche Beziehungen der Ehegatten
Lit: wie Vor §§ 31–32 EheG. Inhaltsübersicht A B. C. D.
Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der Nichtigkeits- oder Scheidungsfolgen Nichtigkeitsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scheidungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Anwendungsbereich § 31 EheG enthält keine umfassende Regelung der vermögensrechtlichen Fol- 1 gen einer für nichtig erklärten Ehe (s auch Vor §§ 31–32 EheG Rz 1 und 6; Stabentheiner/Rummel §§ 31, 32 EheG Rz 2). Für eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse gelten – infolge ausdrücklicher Anordnung in § 81 Abs 1 EheG, und zwar auch bei beidseitiger Kenntnis des Nichtigkeitsgrunds – die Aufteilungsregeln der §§ 81 ff EheG (Dullinger/Kerschner, ÖJZ 1984, 281 ff; Hopf/Kathrein § 31 EheG Anm 1; Stabentheiner/Rummel §§ 31, 32 EheG Rz 9; aA Schauer, ÖJZ 1982, 147). § 31 EheG gilt dann für die übrigen vermögensrechtlichen Beziehungen, namentlich für die Ehepakte (iVm §§ 1265 f ABGB) und für den Unterhalt (iVm §§ 66 ff EheG).
B. Voraussetzungen der Nichtigkeits- oder Scheidungsfolgen Die Nichtigkeitsfolgen treten dann ein, wenn beide Ehegatten die Nichtigkeit 2 bei der Eheschließung gekannt haben (§ 31 Abs 1 EheG) oder einer sie nicht gekannt hat und dieser binnen sechs Monaten, nachdem die Ehe rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, dem anderen erklärt, dass es bei den Folgen der Nichtigkeit bleiben soll (§ 31 Abs 2 EheG). Zu den Scheidungsfolgen kommt es daher bei Gutgläubigkeit beider Ehegatten und bei Gutgläubigkeit eines Ehegatten, wenn dieser keine Erklärung iS des § 31 Abs 2 abgegeben hat (Wentzel/Schwind/Klang I/12, 641 f; Schwind 152 f; Stabentheiner/Rummel §§ 31, 32 EheG Rz 2; Weitzenböck/Schwimann § 31 EheG Rz 2; aA Dullinger/Kerschner, ÖJZ 1984, 282 f [Wahlrecht auch bei Gutgläubigkeit beider Ehegatten]). Die für die Folgen der Ehenichtigkeit maßgebliche Gut- oder „Schlechtgläu- 3 bigkeit“ eines Partners hängt nach dem Wortlaut des § 31 EheG davon ab, ob der betreffende Ehegatte „die Nichtigkeit der Ehe bei der Eheschließung nicht gekannt“ hat. Die gegebene „Kenntnis“ soll dann dazu führen, dass der betreffende Ehegatte „wie ein für schuldig erklärter Ehegatte zu behandeln“ ist. Insb 429
§ 31 EheG
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im Hinblick auf die erheblichen Rechtsfolgen, die in diesem Kontext aus Gutoder Schlechtgläubigkeit resultieren, genügt allein die positive Kenntnis vom vorliegenden Nichtigkeitsgrund nicht. Schlechtgläubigkeit erfordert vielmehr eherechtliche Verschuldensfähigkeit, die dann gegeben ist, wenn die betreffende Person die Fähigkeit hat einzusehen, dass die konkrete Ehe mangels ihrer gesetzlichen Voraussetzungen bzw wegen des vorliegenden Nichtigkeitsgrunds (Formmangel, Geschäftsunfähigkeit, Namens- oder Staatsangehörigkeitsehe, Doppelehe, Blutsverwandtschaft) nicht geschlossen werden durfte und die Person außerdem in der Lage war, dieser Einsicht gemäß zu handeln (10 ObS 157/93 = SSV-NF 7/82; Hopf/Kathrein § 31 EheG Anm 5; Stabentheiner/Rummel §§ 31, 32 EheG Rz 3; Weitzenböck/Schwimann § 31 EheG Rz 3; Welser, RZ 1973, 185 [190]; aA OLG Wien EF 15.747). Ob dem Ehegatten die Nichtigkeit bekannt sein musste, ist unerheblich, weil eine (bloß) fahrlässige Unkenntnis des Nichtigkeitsgrundes nicht schadet (10 ObS 157/93 = SSV-NF 7/82; vgl auch Wentzel/Schwind/Klang I/12, 638). Relevanter Zeitpunkt für das Vorliegen der Schlechtgläubigkeit ist jener der Eheschließung; nachträgliche Kenntnisnahme vom Nichtigkeitsgrund ist nicht maßgeblich (7 Ob 189/71 = RZ 1972, 54 = EF 15.737). 4 Für einen Ausspruch im Nichtigkeitsurteil dahin, wer iS des § 31 Abs 1 EheG als schuldig anzusehen ist, fehlt an sich eine gesetzliche Grundlage. Die Rsp hält allerdings einen solchen Ausspruch auf Antrag einer Partei für zulässig (8 Ob 244/62 = SZ 35/95 = EvBl 1963/86, 129; RIS-Justiz RS0009615), wodurch für Folgeprozesse eine mehrfache „Verschuldensprüfung“ mit allenfalls sogar unterschiedlichen Ergebnissen vermieden wird (idS schon Schwind 154). Ein derartiger Ausspruch ohne Parteiantrag wird aber als Verstoß gegen § 405 ZPO zu werten sein. 5 Die Erklärung nach § 31 Abs 2 EheG, mit der der gutgläubige Ehegatte die Nichtigkeitsfolgen geltend machen kann, ist befristet (bis 6 Monate nach Rechtskraft des Nichtigerklärungsurteils), empfangsbedürftig, formfrei, als Vermögensrecht aktiv und passiv vererblich, unwiderruflich und wegen Willensmängeln anfechtbar (Schwind 152; Stabentheiner/Rummel §§ 31, 32 EheG Rz 4 mwN).
C. Nichtigkeitsfolgen 6 Treten (nur) die Nichtigkeitsfolgen ein (zu den Voraussetzungen Rz 2 ff), so „zerfallen“ gem § 1265 ABGB die Ehepakte, was zu deren Rückabwicklung führt. Für Gebrauchsvermögen und Ersparnisse gelten die §§ 81 ff EheG (dazu oben Rz 1). 7 Die Unterhaltspflicht zwischen den Ehegatten entfällt. Rückständiger Unterhalt kann nicht mehr geltend gemacht werden (Weitzenböck/Schwimann § 31 430
§ 32 EheG
Schutz gutgläubiger Dritter
EheG Rz 4). Ob vor Nichtigerklärung der Ehe geleisteter Unterhalt (ganz oder teilweise) wieder zurück verlangt werden kann, ist str (abl etwa Faistenberger 46; Schwind 152 f; bejahend – aber offenbar nur im Umfang der Differenz zum geleisteten Beistand – Wentzel/Klang I/12, 618 f; idS wohl auch Stabentheiner/Rummel §§ 31, 32 EheG Rz 7 mwN zum Meinungsstand). Eine schadenersatzrechtliche Konstruktion wird jedenfalls nur gegenüber jenem Partner in Frage kommen, der iS des § 31 Abs 1 Satz 2 EheG als schuldig anzusehen ist und insgesamt wird der Höhe nach nur die allfällige Mehrleistung eines Partners zum gemeinsamen Lebensunterhalt während der später für nichtig erklärten Ehe zurückgefordert werden können.
D. Scheidungsfolgen Treten die Scheidungsfolgen ein (zu den Voraussetzungen Rz 2 ff), ist für Ehe- 8 pakte § 1266 ABGB maßgeblich. Nach § 1266 Satz 2 und 3 ABGB hat der schuldlos geschiedene Ehegatte Anspruch auf alles, was ihm in den Ehepakten für den Fall des Überlebens bedungen worden ist, aber auch auf das, was ihm für diesen Fall aus dem Gesetz gebührt, sowie auf Teilung des Vermögens, worüber eine Gütergemeinschaft bestanden hat, wie beim Tod, dh idR auf die Hälfte des Gesamtgutes. Das Recht aus einem Erbvertrag bleibt dem schuldlos geschiedenen Ehegatten – zum Unterschied vom gesetzlichen Erbrecht (§ 1266 letzter Satz ABGB) – auf den Todesfall vorbehalten (5 Ob 542/88 = SZ 61/ 111). Für Gebrauchsvermögen und Ersparnisse kommen die §§ 81 ff EheG in Betracht (dazu oben Rz 1). Für die Unterhaltspflicht gilt, dass jener Ehegatte, der den Nichtigkeitsgrund 9 nicht gekannt hat, vom schlechtgläubigen Partner Unterhalt nach den §§ 66, 67 EheG verlangen kann. Bei Schuldlosigkeit beider Ehegatten gilt § 69 Abs 3 EheG, wobei gem § 16 der 1. DVEheG auch der Kläger Unterhalt nach dieser gesetzlichen Bestimmung verlangen kann.
Schutz gutgläubiger Dritter § 32. Einem Dritten gegenüber können aus der Nichtigkeit der Ehe Einwendungen gegen ein zwischen ihm und einem der Ehegatten vorgenommenes Rechtsgeschäft oder gegen ein zwischen ihnen ergangenes rechtskräftiges Urteil nur hergeleitet werden, wenn die Ehe bereits zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit für nichtig erklärt oder die Nichtigkeit dem Dritten bekannt war. [Stammfassung] Lit: wie Vor §§ 31–32 EheG.
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Vor §§ 33–34 EheG
Höllwerth
1 § 32 EheG erklärt sich daraus, dass einerseits eine nichtige Ehe keine absolut unwirksame, sondern nur eine vernichtbare Ehe darstellt, welche bis zu ihrer rechtskräftigen Nichtigerklärung voll wirksam ist. Andererseits kann sich aber, ist die Ehe einmal mit Urteil für nichtig erklärt, ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich jeder, daher auch der frühere Ehegatte auf diesen Umstand berufen (vgl auch § 27 EheG). § 32 EheG schützt in dieser Situation gutgläubige Dritte vor Einwendungen aus der Ehenichtigkeit. 2 Ausgangspunkt ist, dass ein Dritter aus einem zwischen diesem und einem (beiden) Ehegatten abgeschlossenen Rechtsgeschäft oder aus einem gegen einen (beide) Ehegatten erlangten Urteil Ansprüche gegen einen Ehegatten geltend macht. In einem solchen Fall kann der in Anspruch genommene Ehegatte dem Dritten die Nichtigkeit der Ehe nur entgegenhalten, wenn diese bereits bei Abschluss des Rechtsgeschäfts bzw bei Eintritt der Rechtshängigkeit rechtskräftig für nichtig erklärt worden oder die Ehenichtigkeit dem Dritten bei Abschluss des Rechtsgeschäfts bzw bei Rechtshängigkeit des dem Dritten später zuerkannten Anspruchs bereits bekannt war. 3 Relevant kann der Einwendungsausschluss des § 32 EheG freilich nur für solche Ansprüche gegen einen (beide) Ehegatten sein, die den aufrechten Bestand der Ehe voraussetzen, wie insb für Rechtsgeschäfte, die in Ausübung der „Schlüsselgewalt“ iS des § 96 ABGB geschlossen wurden (Stabentheiner/ Rummel §§ 31, 32 EheG Rz 8; Hopf/Kathrein § 32 EheG Anm 1). 4 Entscheidender Zeitpunkt für die fragliche Kenntnis des Dritten vom Nichtigkeitsgrund ist jener der Vornahme des Rechtsgeschäfts bzw der gerichtlichen Geltendmachung des gegen einen (beide) Ehegatten erhobenen Anspruchs. Wenn der Dritte spätestens bis zu diesem Zeitpunkt vom Nichtigkeitsgrund Kenntnis hatte, dann fehlt dessen Schutzwürdigkeit. Eine erst nachträglich erlangte Kenntnis des Dritten vom Nichtigkeitsgrund schadet diesem dagegen nicht (Schwind 156).
E. Aufhebung der Ehe Vor §§ 33–34 Lit: Gschnitzer, Eheaufhebung, JBl 1950, 445; Schalich, „Die streitige Scheidung vor dem Bezirksgericht“. Ein Überblick über die häufigsten Eheaufhebungs- und Scheidungsgründe, WR 1987 H 17, 9; Welser, Das Verschulden bei der Aufhebung und Nichtigerklärung der Ehe, RZ 1973, 185. Inhaltsübersicht A. Eheaufhebung – allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–2 3
Vor §§ 33–34 EheG
Aufhebung der Ehe
C. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 5–6
A. Eheaufhebung – allgemeine Grundsätze Die §§ 33 ff EheG regeln die Voraussetzungen für die Aufhebung der Ehe. Im 1 Gegensatz zu den Nichtigkeitsgründen, die schwerwiegende, auch im öffentlichen Interesse wahrzunehmende Mängel beim Eingehen der Ehe betreffen, handelt es sich bei den Aufhebungsgründen um gleichsam „private Willensmängel“ (Schwind 157), die dem Ehekonsens anhaften. Aus diesem Grund kann die Aufhebung der Ehe auch nicht vom Staatsanwalt, sondern nur von dem vom Aufhebungsgrund betroffenen Ehegatten, im Fall des § 35 EheG von dessen gesetzlichem Vertreter begehrt werden. Die Aufhebung der Ehe erfolgt – ebenfalls anders als deren Nichtigerklärung – (nur) mit Wirkung ex nunc. Im Unterschied zu den Scheidungsgründen müssen die Aufhebungsgründe bereits im Zeitpunkt der Eheschließung vorgelegen sein (Schwind 157). Die nach den §§ 35 bis 39 EheG relevanten Willensmängel sind heilbar, und die Aufhebungsklage ist überdies fristgebunden. Die Konkurrenz von Aufhebungs- und Scheidungsbegehren regelt § 18 der 2 1. DVEheG. Wird demnach sowohl Aufhebung als auch Scheidung der Ehe begehrt, ist nur auf Aufhebung der Ehe zu erkennen, doch ist das Scheidungsverschulden im Schuldausspruch zu berücksichtigen (näher dazu bei § 18 der 1. DVEheG Rz 1). Zum Verhältnis zwischen Aufhebung und Nichterklärung der Ehe s Vor §§ 20–25 EheG Rz 2.
B. Internationales Privatrecht Die Voraussetzungen der Eheaufhebung sind – wie jene der Ehenichtigkeit – 3 gem § 17 Abs 1 IPRG für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut, di gem § 9 IPRG das Recht jenes Staats, dem die Person angehört, zu beurteilen (s dazu auch Vor §§ 20–25 EheG Rz 5 ff).
C. Internationale Zuständigkeit Österreich ist Mitgliedstaat der Brüssel II a-VO („Verordnung [EG] Nr 2201/ 4 2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung [EG] Nr. 1347/2000“), in deren Anwendungsbereich (ua) die 433
§ 33 EheG
Höllwerth
Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe (Art 1 Abs 1 lit a Brüssel II a-VO) fallen. Die (ausschließliche) internationale Zuständigkeit für diese Eheverfahren folgt aus den Artt 3 ff Brüssel II a-VO und richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats bzw nach dem Besitz der Staatsangehörigkeit (dazu näher bei Art 1 und 3 Brüssel II a-VO). Soweit die Brüssel II a-VO nicht anwendbar ist, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit (inländische Gerichtsbarkeit) österreichischer Gerichte zur Aufhebung einer Ehe nach § 76 Abs 2 JN (näher dazu auch Vor §§ 20–25 EheG Rz 9 f).
D. Verfahrensrecht 5 Die (ausschließliche) Zuständigkeit für Streitigkeiten (ua) über die Aufhebung einer Ehe regelt § 76 Abs 1 JN. Örtlich zuständig ist primär das Gericht, in dessen Sprengel die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben (näher dazu Vor §§ 20–25 EheG Rz 11 ff). 6 § 460 ZPO enthält (ua) für das Verfahren auf Aufhebung einer Ehe spezifische verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen (näher dazu bei § 460 ZPO und Vor §§ 20–25 EheG Rz 14 ff).
I. Allgemeine Vorschriften § 33. Die Aufhebung einer Ehe kann nur in den Fällen der §§ 35 bis 39 und 44 dieses Gesetzes begehrt werden. [Stammfassung] Lit: wie Vor §§ 33–34 EheG.
1 Die §§ 35 bis 39 und § 44 EheG enthalten eine taxative Aufzählung der Eheaufhebungsgründe (Schwind 157; Hopf/Kathrein § 33 EheG Anm 2). 2 Die §§ 35 ff EheG sind spezifische Regelungen über die Rechtsfolgen beim Vorliegen von Willensmängeln, die den Ehekonsenserklärungen anhaften. Die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen des ABGB über Willensmängel (insb §§ 870 ff ABGB) sind daneben nicht anwendbar (Stabentheiner/Rummel §§ 33, 34 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 33 EheG Anm 2).
434
Mangel der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
§§ 34–35 EheG
§ 34. Die Ehe wird durch gerichtliches Urteil aufgehoben. Sie ist mit der Rechtskraft des Urteils aufgelöst. [Stammfassung] Lit: wie Vor §§ 33–34 EheG.
Zur Aufhebungsklage legitimiert ist nur jener Ehegatte, der vom Aufhe- 1 bungsgrund betroffen ist, und im Fall des § 35 EheG dessen gesetzlicher Vertreter (Schwind 161; zum Zusammentreffen von Aufhebungs- und Scheidungsbegehren s Vor §§ 33–34 EheG Rz 2 und § 18 der 1. DVEheG). Die Aufhebungsklage ist befristet und kann gem § 40 Abs 1 EheG nur binnen eines Jahres erhoben werden. Die Ehe wird durch das klagestattgebende Urteil mit dessen Rechtskraft aufgehoben. Diese Entscheidung ist ein – ex nunc wirkendes (Stabentheiner/Rummel §§ 33, 34 EheG Rz 2) – Rechtsgestaltungsurteil (Weitzenböck/Schwimann § 34 EheG Rz 2). Zum Schuldausspruch im Aufhebungsurteil s § 17 der 1. DVEheG sowie § 42 EheG. Das Bestehen eines Aufhebungsgrundes ist keiner Vorfragenbeurteilung in 2 einem anderen Zivilrechtsstreit zugänglich (Stabentheiner/Rummel §§ 33, 34 EheG Rz 2). Bis zum rechtskräftigen stattgebenden Aufhebungsurteil kann sich daher niemand wirksam auf das Vorliegen eines Eheaufhebungsgrundes berufen (Weitzenböck/Schwimann § 34 EheG Rz 2). Auch nach rechtskräftiger Aufhebung der Ehe kann, solange noch zumindest 3 ein Ehegatte lebt, die Klage auf Nichtigerklärung der Ehe erhoben werden (s Vor §§ 20–25 EheG Rz 2; Schwind 158; Stabentheiner/Rummel §§ 33, 34 EheG Rz 2).
II. Aufhebungsgründe Mangel der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters § 35. (1) Ein Ehegatte kann Aufhebung der Ehe begehren, wenn er zur Zeit der Eheschließung oder im Falle des § 22 Abs. 2 zur Zeit der Bestätigung in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war und sein gesetzlicher Vertreter nicht die Einwilligung zur Eheschließung oder zur Bestätigung erteilt hatte. Solange der Ehegatte in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann nur sein gesetzlicher Vertreter die Aufhebung der Ehe begehren. (2) Die Aufhebung ist ausgeschlossen, wenn der gesetzliche Vertreter die Ehe genehmigt oder der Ehegatte, nachdem er unbeschränkt geschäftsfähig geworden ist, zu erkennen gegeben hat, daß er die Ehe fortsetzen will.
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§ 35 EheG
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(3) Verweigert der gesetzliche Vertreter die Genehmigung ohne triftige Gründe, so kann das Pflegschaftsgericht sie auf Antrag eines Ehegatten ersetzen. [In Abs 3 durch Art II Z 2 KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 die Worte „der Vormundschaftsrichter“ ersetzt durch „das Pflegschaftsgericht“; im Übrigen Stammfassung] Lit: wie zu § 3 EheG und Vor §§ 33–34 EheG. Inhaltsübersicht A. Aufhebungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Heilung des Aufhebungsgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Aufhebungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1–4 5–10 11–13
A. Aufhebungsgrund 1 Die Möglichkeit der Aufhebungsklage nach § 35 EheG knüpft an zwei unterschiedlichen Fälle an, in denen jeweils die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters eines beschränkt geschäftsfähigen Ehegatten fehlte, und zwar entweder zur Eheschließung oder zur Bestätigung des Ehefortsetzungswillens. Auch dieser Aufhebungsgrund ermöglicht im Ergebnis – wie die übrigen Aufhebungsgründe (s Vor §§ 33–34 EheG Rz 1) – die Wahrnehmung mangelhafter Willensbildung (Schwind/Klang I/12, 661). 2 Beschränkt geschäftsfähige Personen iS des § 102 Abs 2 EheG, also Minderjährige im Alter von 7 bis 18 Jahren und Personen, denen ein Sachwalter nach § 268 ABGB bestellt ist, bedürfen zur Eingehung einer Ehe der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters (§ 3 Abs 1 EheG). Fehlt diese Einwilligung des gesetzlichen Vertreters liegt der erste Fall des Aufhebungsgrundes nach § 35 Abs 1 EheG vor. 3 War ein Ehegatte bei der Eheschließung geschäftsunfähig und hat er nach Erlangung beschränkter Geschäftsfähigkeit iS des § 22 Abs 2 EheG zu erkennen gegeben, die Ehe fortsetzen zu wollen (sog „Bestätigung“; s dazu § 22 EheG Rz 2 ff), braucht er die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters auch zur Bestätigung. Letztgenannter Fall kann aber nur auf besachwaltete Personen zutreffen, weil auch ein Ehegatte, der ohne die notwendigen Einwilligungen nach § 3 Abs 1 und 2 EheG die Ehe geschlossen hat, gem § 175 ABGB hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse, zu denen auch der (fragliche) Bestand der Ehe gehört, einem Volljährigen gleich steht (str; zum Meinungsstand s die Nachweise bei Stabentheiner/Rummel § 3 EheG Rz 4). § 35 Abs 1 EheG ist überdies dahin zu verstehen, dass es auch dann der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Bestätigung der Ehe durch den beschränkt Geschäftsfähi436
Mangel der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
§ 35 EheG
gen bedarf, wenn der gesetzliche Vertreter vormals der Eingehung der Ehe zugestimmt hatte (idS auch Weitzenböck/Schwimann § 35 EheG Rz 2; aA Schwind/Klang I/12, 663 f; diesem folgend Stabentheiner/Rummel § 35 EheG Rz 2). Dies folgt aus dem Umstand, dass die bisherige Entwicklung der (aufhebbaren) Ehe eine neue Tatsachengrundlage schafft, aufgrund derer dem gesetzlichen Vertreter die Neubewertung der Ehe und damit ihrer vom beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommenen Bestätigung ermöglicht werden muss. Fehlt es unter den dargestellten Prämissen an der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, dann liegt der zweite Fall des Aufhebungsgrundes nach § 35 Abs 1 EheG vor. Die fehlende Einwilligung des Erziehungsberechtigten ist nur ein vom Stan- 4 desbeamten zu beachtendes schlichtes Eheverbot (Trauungshindernis), dessen Missachtung sanktionslos bleibt und weder einen Nichtigkeits- noch einen Aufhebungsgrund darstellt (§ 3 EheG Rz 12; Schwind/Klang I/12, 661).
B. Heilung des Aufhebungsgrundes Die Heilung des Aufhebungsgrundes nach § 35 Abs 1 EheG kann durch den 5 davon betroffenen Ehegatte selbst erfolgen, indem dieser – nach dem Erlangen voller Geschäftsfähigkeit – zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen will (§ 35 Abs 2 EheG). Die Bestätigung des Fortsetzungswillens hat entsprechend den zu § 22 Abs 2 EheG maßgeblichen Voraussetzungen zu erfolgen (s dazu § 22 EheG Rz 2 ff). Solange der vom Aufhebungsgrund betroffene Ehegatte nicht die volle Ge- 6 schäftsfähigkeit erlangt hat, kann die Konvalidation nur durch den gesetzlichen Vertreter bzw mit dessen Mitwirkung erfolgen. Die Heilung ist zunächst dadurch möglich, dass der gesetzliche Vertreter die vom beschränkt geschäftsfähigen Ehegatten geschlossene Ehe „genehmigt“. Diese Genehmigung des gesetzlichen Vertreters unterscheidet sich insofern von der nach § 3 Abs 1 EheG erforderlichen Einwilligung (s dazu § 3 EheG Rz 6 ff), als letztere dem Standesbeamten gegenüber zu erklären ist (§ 3 EheG Rz 6; Schwind 160). Die Genehmigung der Ehe durch den gesetzlichen Vertreter nach § 35 Abs 2 EheG ist dagegen jedes – an keine besondere Form gebundenes – Verhalten, mit dem der gesetzliche Vertreter – ähnlich wie der Ehegatte durch die „Bestätigung“ – unzweifelhaft zum Ausdruck bringt, dass er den Mangel des Ehekonsenses endgültig nicht mehr geltend machen, sondern den Fortbestand der Ehe ermöglichen will. Die einmal erfolgte Genehmigung führt zur Heilung des Aufhebungsgrunds 7 und kann vom gesetzlichen Vertreter danach, also nachträglich nicht mehr widerrufen werden (Schwind 160). Der Erklärung anhaftende Willensmängel 437
§ 35 EheG
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können allerdings im Wege der Aufhebungsklage geltend gemacht werden (Schwind 160; Stabentheiner/Rummel § 35 EheG Rz 3; Weitzenböck/Schwimann § 35 EheG Rz 2). Erfolgt die Genehmigung der Ehe in Form einer Erklärung, der eine Bedingung oder Befristung beigefügt ist, ist diese auszulegen und danach zu prüfen, ob die Genehmigung deshalb als wirkungslos anzusehen ist oder ohne Beschränkung zur Heilung führt. 8 Gibt der nicht voll geschäftsfähige, unter Sachwalterschaft stehende (s dazu Rz 2) Ehegatte seinen Ehefortsetzungswillen zu erkennen (sog „Bestätigung“; s dazu § 22 EheG Rz 2 ff) und erteilt der gesetzliche Vertreter die Einwilligung zu dieser Bestätigung, kommt es ebenfalls zur Heilung der Ehe. 9 Verweigert der gesetzliche Vertreter die Genehmigung der Ehe bzw der Bestätigung ohne triftige Gründe, so kann das Pflegschaftsgericht sie auf Antrag eines Ehegatten ersetzen (§ 35 Abs 3 EheG), wodurch es ebenfalls zur Heilung der aufhebbaren Ehe kommt. Für die Entscheidung über das Ersetzen der Einwilligung gelten die dafür zu § 3 EheG maßgeblichen Grundsätze (dazu ausführlich § 3 EheG Rz 14 ff; Schwind/Klang I/12, 667 f). 10 Antragsberechtigt ist – im Gegensatz zur Rechtslage nach § 3 EheG (s § 3 EheG Rz 24) – nicht nur der betroffene, sondern auch der andere Ehegatte (vgl LGZ Wien EF 100.813; Schwind 161; Stabentheiner/Rummel § 35 EheG Rz 4; Weitzenböck/Schwimann § 35 EheG Rz 3). Dies folgt eindeutig bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen, weil in § 3 Abs 3 EheG vom Antrag „des Verlobten, der ihrer (der Einwilligung) bedarf“, die Rede ist, während § 35 Abs 3 EheG die Möglichkeit der Ersetzung der vom gesetzlichen Vertreter verweigerten Genehmigung „auf Antrag eines Ehegatten“ vorsieht. Die unterschiedliche Rechtslage lässt sich überdies mit dem Grundsatz des „favor matrimonii“ erklären, der im Fall der bereits geschlossenen (aber aufhebbaren) Ehe auch dem vom Aufhebungsgrund nicht betroffenen Ehegatten die Heilung der Ehe ermöglichen soll. Die Umstände, die vom Pflegschaftsgericht bei seiner Entscheidung zu beachten sind, entsprechen grundsätzlich jenen, die dafür auch nach § 3 EheG maßgeblich sind (s § 3 EheG Rz 16; Weitzenböck/Schwimann § 35 EheG Rz 3; vgl dazu auch LGZ Wien EF 100.814). Wird der Antrag auf Ersetzung der vom gesetzlichen Vertreter verweigerten Genehmigung gegen den Willen des Betroffenen vom anderen Ehegatten gestellt, wird allerdings von der Ersetzungsbefugnis – weil dabei die Interessen des Betroffenen im Vordergrund stehen müssen – nur in ganz besonderen Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden können (zutr LGZ Wien EF 100.815).
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§ 36 EheG
Irrtum über die Eheschließung
C. Aufhebungsklage Zur Erhebung der Aufhebungsklage ist nur der vom Aufhebungsgrund be- 11 troffene (inzwischen) voll geschäftsfähige, nicht jedoch der andere Ehegatte legitimiert. Solange der betroffene Ehegatte in seiner Geschäftsfähigkeit noch beschränkt ist, steht das – grundsätzlich auch gegen den Willen des Ehegatten wahrnehmbare – Klagerecht nur dem gesetzlichen Vertreter zu, der für die Klageerhebung allerdings der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf (§§ 282, 216, 154 ABGB). Die Aufhebungsklage kann gem § 40 Abs 1 EheG nur binnen eines Jahres er- 12 hoben werden. Die Klagefrist beginnt nach § 40 Abs 2 EheG mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem die Eingehung oder die Bestätigung der Ehe dem gesetzlichen Vertreter bekannt wird oder der Ehegatte die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erlangt (s § 40 EheG Rz 6 ff). Zum Verschulden s § 42 Abs 2 EheG.
13
Irrtum über die Eheschließung oder über die Person des anderen Ehegatten § 36. (1) Ein Ehegatte kann Aufhebung der Ehe begehren, wenn er bei der Eheschließung nicht gewußt hat, daß es sich um eine Eheschließung handelt, oder wenn er dies zwar gewußt hat, aber eine Erklärung, die Ehe eingehen zu wollen, nicht hat abgeben wollen. Das gleiche gilt, wenn der Ehegatte sich in der Person des anderen Ehegatten geirrt hat. (2) Die Aufhebung ist ausgeschlossen, wenn der Ehegatte nach Entdeckung des Irrtums zu erkennen gegeben hat, daß er die Ehe fortsetzen will. [Stammfassung] Lit: wie Vor §§ 33–34 EheG.
§ 36 EheG regelt drei – forensisch bedeutungslose – Irrtumsfälle. Diese unter- 1 scheiden sich von den §§ 37 f EheG prima facie dadurch, dass die dort notwendige spezifische Kausalität, nämlich dass der betroffene Ehegatte „bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe“ diese nicht eingegangen wäre, hier nicht – ausdrücklich – gefordert wird, doch liegt hier die Irrtumsrelevanz der erfassten Fälle für die betroffene Willensbildung auf der Hand. Der Irrtum muss zur Zeit der Eheschließung vorgelegen haben. Sowohl Tatsachen- als auch Rechtsirrtum kann tatbestandsmäßig sein. Ob es sich um verschuldeten oder unverschuldeten, einseitigen oder gemeinsamen Irrtum handelt, macht ebenfalls keinen Unterschied. Unerheblich sind auch die 439
§ 37 EheG
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Gründe, die zum Irrtum führten, wie etwa fehlende Sprachkenntnisse oder körperliche Gebrechen (zB Taub- oder Blindheit). 2 Erster Fall des § 36 Abs 1 EheG ist der Irrtum über den Akt der Eheschließung. Der Verlobte erkennt nicht, dass es sich beim betreffenden Vorgang um den Abschluss einer Ehe handelt. Praktisch denkbar erscheint ein solcher Irrtum allenfalls bei einer Eheschließung im Ausland und mangelnden Sprachkenntnissen des betroffenen Ehegatten (vgl Schwind 162). 3 Zweiter Fall des § 36 Abs 1 EheG ist der – wohl am wenigsten praktische – Irrtum über den Inhalt der abgegebenen Ehekonsenserklärung. Dass jemand vor dem Standesbeamten erscheint, um dort „nein“ zu sagen, ist schon wenig wahrscheinlich, noch unwahrscheinlicher ist es dann, dass der Heiratsunwillige dem Standesbeamten irrtümlich mit „ja“ antwortet. 4 Dritter Fall des § 36 Abs 1 EheG ist der Irrtum über die Identität des Ehepartners. Erfasst wird damit der Irrtum über die Person (vgl die wenig praktischen Beispiele bei Schwind 163), nicht über deren Namen oder bestimmte persönliche Eigenschaften. 5 Die Heilung des Mangels ist durch Bestätigung des Fortsetzungswillens möglich (s dazu § 22 EheG Rz 2 ff und § 35 EheG Rz 5 ff). Zur Konvalidation kann allerdings nur ein Verhalten des irrenden Ehegatten führen, das dieser „nach Entdeckung des Irrtums“, also nach sicherer Kenntnis von der wahren Sachlage, setzt. 6 Zur Aufhebungsklage ist nur der irrende Ehegatte legitimiert. Die Aufhebungsklage muss binnen Jahresfrist erhoben werden (§ 40 Abs 1 EheG). Die Klagefrist beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem der Ehegatte den Irrtum entdeckt. Wie für die Konvalidation (s Rz 5) ist auch für den Beginn der Klagefrist der Zeitpunkt gesicherter Kenntnis der wesentlichen Tatsachen maßgeblich. Bloße Zweifel über die wahre Sachlage oder auch selbst verschuldete Unkenntnis des Irrtums lösen den Beginn der Klagefrist nicht aus (OLG Wien EF 36.278; s § 40 EheG Rz 10 ff). 7 Zum Verschulden s § 42 Abs 2 EheG.
Irrtum über Umstände, die die Person des anderen Ehegatten betreffen § 37. (1) Ein Ehegatte kann Aufhebung der Ehe begehren, wenn er sich bei der Eheschließung über solche die Person des anderen Ehegatten betreffende Umstände geirrt hat, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. 440
§ 37 EheG
Irrtum über die Person
(2) Die Aufhebung ist ausgeschlossen, wenn der Ehegatte nach Entdeckung des Irrtums zu erkennen gegeben hat, daß er die Ehe fortsetzen will, oder wenn sein Verlangen nach Aufhebung der Ehe mit Rücksicht auf die bisherige Gestaltung des ehelichen Lebens der Ehegatten sittlich nicht gerechtfertigt erscheint. [Stammfassung] Lit: Jaksch-Ratajczak, Gibt es in Österreich eine Ehe unter Gleichgeschlechtlichen? EF-Z 2006/64, 111; sonst wie Vor §§ 33–34 EheG. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Aufhebungsgrund . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . 2. Kausalität des Irrtums . . . . . . . . 3. Objektive eherechtliche Relevanz 4. Eherelevante Umstände . . . . . . . C. Heilung des Aufhebungsgrundes . . . D. Aufhebungsklage . . . . . . . . . . . . . . .
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1–4 5–14 5–8 9 10 11–14 15–18 19–21
A. Allgemeines Für die Wahl des Ehepartners sind typischerweise dessen persönliche Eigen- 1 schaften in geistiger und körperlicher Hinsicht sowie – in gewissen Umfang – dessen soziales Umfeld von maßgeblicher Bedeutung. Von den für die Partnerwahl entscheidenden Umständen soll sich jeder Verlobte ein der wahren Sachlage entsprechendes, also objektiv richtiges Bild machen können (vgl LGZ Wien EF 111.164). § 37 EheG ermöglicht für den Fall, dass sich ein Partner über die eherelevanten Umstände des anderen in Irrtum befand, die Wahrnehmbarkeit einer daraus resultierenden mangelhaften Willensbildung (vgl 3 Ob 596/77 = RZ 1978/56, 130 = EF 29.481). Die Ehe beruht auf einem intensiven Vertrauensverhältnis, das bereits vor Ehe- 2 schließung Offenheit und Ehrlichkeit gebietet, was eine vorvertragliche „Mitteilungs- oder Aufklärungspflicht“ über eherelevante Umstände und Eigenschaften beim bzw des Ehepartner(s) nahe legt (iS einer Mitteilungspflicht bei Vorstrafen: 2 Ob 211/57 = SZ 30/31 = EvBl 1957/320, 495; OLG Wien EF 43.590; für eine Mitteilungspflicht bei Mehrverkehr vor der Geburt eines [vermeintlich vom Partner stammenden] Kindes: 1 Ob 507/85 = JBl 1985, 611 [Pichler]; für eine generelle Mitteilungspflicht [auch] 1 Ob 507/85 = JBl 1985, 611 [Pichler]; 9 Ob 29/01g mwN = EF 97.125; Schwind 167; aA Weitzenböck/ Schwimann § 37 EheG Rz 1). Das im Fall eines bekundeten Informationswun441
§ 37 EheG
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sches des Partners bewusste Verschweigen relevanter Umstände offenbart überdies einen bedenklichen Charakterzug, der dem auf wechselseitigen Vertrauen aufbauenden Eheverhältnis (vgl 3 Ob 596/77 = RZ 1978/56, 130 = EF 29.481) nicht entspricht und unter den Voraussetzungen des § 37 EheG (allenfalls auch nach § 38 EheG) als Aufhebungsgrund relevant sein kann. 3 Für die Anwendbarkeit des § 37 EheG spielt es keine Rolle, ob der Irrtum des betroffenen Ehegatten selbst verschuldet ist (Weitzenböck/Schwimann § 37 EheG Rz 2). Tatbestandsmäßig sind sowohl Tatsachen- als auch Rechtsirrtum (Stabentheiner/Rummel §§ 36–38 EheG Rz 1). 4 War eine im Licht des § 37 EheG relevante Eigenschaft des Partners im Zeitpunkt der Eheschließung im vollen Umfang erkennbar und konnte daher darüber beim anderen Ehegatten keine Fehlvorstellung bestehen, ist auch die Aufhebung der Ehe aus dem betreffenden Grund ausgeschlossen. Einschränkend wird dies in der Rsp zutr dann beurteilt, wenn es sich beim Kläger nicht um einen geistig normalen, sondern um eine (leicht) schwachsinnige Person handelt, die nicht ohne weiteres das gleiche Urteilsvermögen besitzt wie ein geistig gesunder Mensch (3 Ob 633/82 = EF 41.167). Zu streng erscheint dagegen die in 1 Ob 594/57 vertretene Ansicht, wonach bereits Zweifel über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines für den Eheabschluss wesentlichen Umstands genüge, um das Recht der Aufhebung der Ehe gem § 37 (bzw § 38) EheG auszuschließen; ein bestehender Zweifel begründet nämlich noch keine „Kenntnis der Sachlage“ und auch keine Akzeptanz der fraglichen Eigenschaft des Partners.
B. Aufhebungsgrund 1. Maßgeblicher Zeitpunkt
5 Der Irrtum über die von § 37 EheG erfassten, die Person des anderen Ehegatten betreffenden Umstände muss zur Zeit der Eheschließung vorliegen (2 Ob 602/86 = EF 51.564; 7 Ob 297/74 = SZ 48/1; OLG Linz EF 43.592 mwN; Schwind/Klang I/12, 676 und 685; Stabentheiner/Rummel §§ 36–38 EheG Rz 1; Weitzenböck/Schwimann § 37 EheG Rz 2). Der Zeitpunkt der Eheschließung ist entscheidend für das (zumindest in seiner Anlage gegebene) Vorliegen des eherelevanten Umstands sowie für das Erfordernis seiner Kausalität (Eignung zum Abhalten von der Eheschließung) und für dessen objektive Relevanz (9 Ob 303/01a = SZ 2002/24). 6 War der die Aufhebung begründende Umstand im Zeitpunkt der Eheschließung vorhanden, rechtfertigt dies nach der Rsp das Aufhebungsbegehren auch dann, wenn dieser Umstand oder die später konkret eingetretenen Aus442
§ 37 EheG
Irrtum über die Person
wirkungen des Aufhebungsgrundes (zB die infolge einer Geisteskrankheit gesetzten Handlungen) bei Eheschließung objektiv noch nicht erkannt werden konnten (vgl 9 Ob 303/01a = SZ 2002/24; Schwind/Klang I/12, 676). Für das Zusammenleben der Ehegatten relevante Umstände, die sich erst nach 7 der Eheschließung zu entwickeln beginnen, können nicht als Aufhebungsgrund geltend gemacht werden, aber allenfalls als Scheidungsgrund relevant sein (Schwind/Klang I/12, 676; Hopf/Kathrein § 37 EheG Anm 3). In Rsp (OLG Wien EF 51.565) und L (Schwind/Klang I/12, 676; Stabenthei- 8 ner/Rummel §§ 36–38 EheG Rz 4; Hopf/Kathrein § 37 EheG Anm 3) wird die Ansicht vertreten, der die Aufhebung (grundsätzlich bzw zunächst) rechtfertigende „Umstand“ (genauer: die betreffende Eigenschaft des Ehegatten) müsse bis zum Aufhebungsurteil andauern. Diese Meinung ist so im Gesetzeswortlaut nicht angelegt und widerspricht dem üblichen Verständnis von der zeitlichen Relevanz von Willensmängeln. Diese müssen (nur) bei Geschäftsabschluss, hier zum Zeitpunkt der Eheschließung vorliegen (vgl 3 Ob 596/77 = EF 29.481 = RZ 1978/56, 130). Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass (vorerst) aufhebungstaugliche Umstände, die im Verlauf der Ehe für den Irrenden ihre Bedeutung verloren haben, (nur) bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs 2 EheG, namentlich bei inzwischen fehlender sittlicher Rechtfertigung, nicht mehr geltend gemacht werden können (7 Ob 297/74 = SZ 48/1; Weitzenböck/Schwimann § 37 EheG Rz 2). 2. Kausalität des Irrtums
Ein Irrtum über einen eherelevanten Umstand kann nur dann nach § 37 EheG 9 geltend gemacht werden, wenn dieser für den irrenden Ehepartner kausal war. Dies trifft dann zu, wenn der irrende Ehepartner bei Kenntnis der wahren Sachlage die Ehe nicht eingegangen wäre. Dieses Erfordernis orientiert sich allein an der subjektiven Bedeutung des betreffenden Umstands für den irrenden Ehepartner zur Zeit der Eheschließung. Praktisch kann die Klärung dieser Aufhebungsvoraussetzung deshalb schwierig sein, weil der (vermeintliche) irrende und (nunmehr) die Aufhebung der Ehe anstrebende Ehepartner die subjektive Bedeutung des geltend gemachten Umstands besonders (und allenfalls übertrieben) darstellen wird. Ausschlaggebend werden bei dieser Beurteilung deshalb insb die Lebensverhältnisse des irrenden Ehegatten zur Zeit der Eheschließung sein (vgl OLG Linz EF 43.592), aus denen die eherechtliche Relevanz des geltend gemachten Aufhebungsgrundes erschlossen werden muss (vgl dazu auch Schwind/Klang I/12, 675 f).
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§ 37 EheG
Höllwerth
3. Objektive eherechtliche Relevanz
10 Ein Irrtum über einen die Person des anderen Ehegatten betreffenden, subjektiv den Ehewillen bestimmenden Umstand rechtfertigt die Aufhebung nur dann, wenn diesem auch nach einem an den gesetzlichen Wertvorstellungen der Ehe (nach dem gesetzlichen Ehebild; 9 Ob 271/99i; 9 Ob 303/01a = SZ 2002/24 = EvBl 2002/133, 507 = JBl 2003, 50 [Hoyer]; LGZ Wien EF EFSlg 111.165, 117.325) orientierten objektiven Maßstab („bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe“) entscheidendes Gewicht zukommt (vgl 3 Ob 91/08s = EF-Z 2009/11, 17; OLG Wien EF 43.589; LG Wels EF 120.026). Unter dem Gesichtspunkt behaupteter subjektiver Kausalität in Betracht kommende Aufhebungsgründe erfahren durch das Erfordernis objektiver eherechtlicher Relevanz eine Begrenzung durch eine an durchschnittlichen Erfahrungssätzen orientierte Prüfung. Dabei sind zwar die Eigenheiten (die Individualität, die Interessen, Vorlieben und Abneigungen) des betreffenden Ehepartners zu berücksichtigen, doch ist die angebliche Relevanz einer Eigenschaft als Aufhebungsgrund am Verhalten eines mit rechter ehelicher Gesinnung ausgestatteten Ehepartners („bonus et diligens pater/mater familias“; Schwind/Klang I/ 12, 684) zu messen. Auf diese Weise werden Umstände als Aufhebungsgründe ausgeschlossen, die nur aufgrund besonderer, übertriebener Sensibilität eines Ehegatten Bedeutung erlangen, von einem Durchschnittsmenschen aber nicht als eherechtlich relevant empfunden würden.
4. Eherelevante Umstände
11 Als eherelevante, einen Aufhebungsgrund bildende, die Person des anderen Ehegatten betreffende Umstände kommen im Allgemeinen negative – körperliche, geistige und charakterliche – Eigenschaften des Partners in Betracht (OLG Wien EF 43.590; LGZ Wien EF 111.164), die zur Zeit der Eheschließung vorliegen oder zumindest in ihrer Anlage vorhanden sein müssen (s dazu Rz 5 ff) und sich auch durch bereits frühere Ereignisse im Vorleben des Partners manifestiert haben können. Da die Bedeutung negativer persönlicher Eigenschaften als Aufhebungsgrund auch unter objektiven Gesichtspunkten anhand durchschnittlicher eheorientierter Wertvorstellungen zu prüfen ist (s dazu Rz 10), unterliegt diese Beurteilung in gewissem Maße dem sozialen Wertewandel. Daraus folgt, dass Einzelfallentscheidungen insb der älteren Rsp nur mehr bedingte Aussagekraft zukommt. 12 Nach der Rsp kann ein Irrtum über bestimmte, für das Eheleben bedeutsame, nachteilige Verhaltensweisen oder dauerhaft eheschädliche Charaktereigenschaften die Aufhebung der Ehe rechtfertigen. Dies gilt etwa für die Neigung zu Kriminalität mit daraus resultierenden Vorstrafen aus der Zeit vor der Eheschließung (vgl 2 Ob 602/86; OLG Wien EF 43.591), sofern es sich um mas444
§ 37 EheG
Irrtum über die Person
sive, entehrende und – idR mehrfache oder einmalige, (besonders) gravierende – Straftaten handelt (4 Ob 1588/94), die Verschweigung zahlreicher und erheblicher (weiterer; 9 Ob 29/01g = EF 97.127) Vorstrafen (2 Ob 211/57 = SZ 30/ 31 = EvBl 1957/320, 495 [Diebstahl]; 8 Ob 233/68 [Diebstahl und Schändung]; 3 Ob 596/77 = EF 29.481 = RZ 1978/56, 130; 9 Ob 29/01g; OLG Wien EF 43.590; LGZ Wien EF 114.145 [sexueller Missbrauch der eigenen minderjährigen Töchter]), massiver Hang zur Lügenhaftigkeit und Prahlsucht (vgl 7 Ob 304/55 = RZ 1955/166), ein Irrtum über den Wunsch des Partners bloß nach einem Aufenthaltstitel oder einer Arbeitsbewilligung anstatt nach einer ehelichen Lebensgemeinschaft (vgl OLG Wien EF 57.073; LGZ Wien EF 69.180; s dazu näher § 23 EheG Rz 14), wohl auch eine das gemeinsame Eheleben belastende, extreme religiöse Einstellung, Prostitution vor der Ehe, voreheliche Schwangerschaft, (mögliche) Abstammung des vermeintlich gemeinsamen Kindes von einem anderen Mann oder die (mögliche) Schwangerschaft von einem anderen Mann (vgl 1 Ob 507/85 = EF 48.717 = JBl 1985, 611 [Pichler]; s auch die Nachweise bei Weitzenböck/Schwimann § 37 EheG Rz 3), eine jahrelange inzestiöse Beziehung (5 Ob 275/69 = SZ 42/192 = EvBl 1970/125, 209 [Pfersmann]), die – mit dem Charakter der Ehe als heterosexuelle Gemeinschaft nicht vereinbare – Neigung zur gleichgeschlechtlichen Sexualität (vgl 1 Ob 119/63 = EvBl 1963/466, 630) und eine (zwanghafte) transsexuelle Veranlagung (zum Meinungsstand s Jaksch-Ratajczak, EF-Z 2006/64, 111 ff) oder dauerndes sexuelles Unvermögen (vgl 2 Ob 451/38 = SZ 20/230). Aufhebungsgründe sind weiters ein Irrtum über eine bei Eheschließung be- 13 reits bestehende oder zumindest angelegte (7 Ob 415/55 = EvBl 1955/413, 677) Geisteskrankheit (7 Ob 297/74 = SZ 48/1 [Schizophrenie]) oder eine schwere seelische Erkrankung (OLG Wien EF 36.276), deren Ausbruch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten und deren Heilung unmöglich oder sehr unwahrscheinlich ist (7 Ob 297/74 = SZ 48/1 = EF 24.921; 9 Ob 271/99i; 9 Ob 303/01a = SZ 2002/24 = EvBl 2002/133, 507 = JBl 2003, 50 [Hoyer]), mittel- bis höhergradiger Schwachsinn mit mangelhafter und eingeschränkter praktischer Lebensbewährung sowie selbstaggressiver Verhaltensweise wie Selbstmordversuchen (3 Ob 633/82 = EF 41.166) und schwere, unheilbare, das Eheleben beeinträchtigende körperliche Krankheiten (OLG Wien EF 51.565; 3 Ob 91/08s [HIV-Infektion] = EF-Z 2009/11, 17). Keinen Aufhebungsgrund werden idR Vorstrafen von Verwandten des Ehe- 14 partners oder der Irrtum über die richtige strafrechtliche Subsumtion einer in tatsächlicher Hinsicht bekannten Straftat (vgl 1 Ob 187/67 = EvBl 1968/234, 394 = EF 8480) darstellen. Fragwürdige Motive für die Eheschließung, etwa die Enttäuschung über eine zuvor gescheiterte Beziehung (vgl 3 Ob 641/53), werden nur ausnahmsweise, etwa wegen sich in diesem Kontext manifestierender Neigung zur Unehrlichkeit einen Aufhebungsgrund bilden. Ob ein Ehegatte vor der neuerlichen Eheschließung einmal oder mehrfach geschieden 445
§ 37 EheG
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wurde, wird idR keine erhebliche Bedeutung haben (OLG Wien EF 43.593). Körperliche Krankheiten, die das eheliche Verhältnis nicht erheblich belasten, bilden ebenfalls keinen Aufhebungsgrund.
C. Heilung des Aufhebungsgrundes 15 Bei Vorliegen des Aufhebungsgrunds nach § 37 EheG kann es auf zwei Arten zur Heilung kommen, nämlich durch Bestätigung des Fortsetzungswillens (§ 37 Abs 2 1. Halbsatz EheG) oder durch Bewährung der Ehe (§ 37 Abs 2 2. Halbsatz EheG). Zur Konvalidation durch „Bestätigung“ kommt es dann, wenn der vom Aufhebungsgrund betroffene Ehegatte nach Entdeckung des Irrtums zu erkennen gibt, die Ehe fortsetzen zu wollen (grundsätzlich zum Wesen der Bestätigung des Fortsetzungswillens s § 22 EheG Rz 2 ff), wobei der Fortsetzungswille auf eine echte eheliche Lebensgemeinschaft gerichtet sein muss (7 Ob 395/65; OLG Linz EF 43.594). Zur Heilung kann nur ein Verhalten führen, welches der irrende Ehegatte „nach Entdeckung des Irrtums“ setzt. Der Irrtum ist erst dann „entdeckt“ iS des § 37 Abs 2 1. Halbsatz EheG, wenn dem irrenden Ehegatten die wahren Umstände, also die die Aufhebung begründenden Tatsachen und auch deren Tragweite sowie Auswirkungen gesichert bekannt geworden sind (7 Ob 297/74 mwN = SZ 48/1; 3 Ob 633/82 = EF 41.168; OLG Wien EF 36.277). 16 Wird der Aufhebungsgrund aus einer im Zeitpunkt der Eheschließung bereits bestandenen oder in ihrer Anlage schon vorhandenen Geisteskrankheit abgeleitet, die dazu unheilbar oder deren Heilung hochgradig unwahrscheinlich sein muss (s Rz 13), dann ist der Irrtum so lange noch nicht entdeckt, als der irrende Ehegatte – etwa infolge einer vorübergehend günstigen Krankheitsphase (3 Ob 633/82 = EF 41.169) – noch Heilungsaussichten annehmen darf (7 Ob 297/74 = SZ 48/1; s auch § 40 EheG Rz 11). 17 Dass fehlende Kenntnis von der Rechtslage das Recht auf Eheaufhebung erhält, kann aus § 37 Abs 2 EheG nicht abgeleitet werden (Stabentheiner/Rummel §§ 36–38 EheG Rz 1 mN zur teilweise ggt Rsp; Weitzenböck/Schwimann § 37 EheG Rz 4; s auch § 40 EheG Rz 13). 18 „Bewährung“ der Ehe iS des § 37 Abs 2 2. Halbsatz EheG liegt dann vor, wenn „das Verlangen nach Aufhebung der Ehe mit Rücksicht auf die bisherige Gestaltung des ehelichen Lebens der Ehegatten sittlich nicht gerechtfertigt erscheint“. Dem Eheaufhebungsbegehren fehlt dann die sittliche Rechtfertigung, wenn der Aufhebungsgrund im Lauf der Jahre seine Bedeutung verloren oder wenn sich dieser auf die Gestaltung der Ehe nicht ungünstig ausgewirkt hat (7 Ob 395/65; 7 Ob 297/74 mwN = SZ 48/1; 3 Ob 91/08s = EF 120.030 = 446
§ 38 EheG
Arglistige Täuschung
EF-Z 2009/11, 17; Weitzenböck/Schwimann § 37 EheG Rz 5). Eine bis zur Entdeckung des Aufhebungsgrunds lange Zeit problemlos verlaufene Ehe soll nicht aufgelöst werden. Die Annahme der Bewährung der Ehe hängt daher nicht unwesentlich von der bisherigen Ehedauer ab. Bei erst kurzer Ehedauer wird Bewährung idR nicht angenommen werden können (vgl 3 Ob 596/77 = EF 29.481 = RZ 1978/56, 130; 3 Ob 91/08s = EF 120.030 = EF-Z 2009/11, 17). Der Ausschluss des Aufhebungsbegehrens wegen mangelnder sittlicher Rechtfertigung ist nicht schon – allein – dann anzunehmen, wenn die Aufhebung der Ehe den beklagten Ehegatten (besonders) hart treffen würde, weil diese (verkürzte) Abwägung iS der Härteklausel des § 54 Satz 2 EheG in § 37 Abs 2 EheG nicht Eingang gefunden hat (vgl 3 Ob 91/08s = EF 120.030 = EFZ 2009/11, 17).
D. Aufhebungsklage Zur – binnen Jahresfrist (§ 40 Abs 1 EheG) zu erhebenden – Aufhebungsklage 19 ist nur der irrende Ehegatte legitimiert. Die Klagefrist läuft ab dem Zeitpunkt der Entdeckung des Irrtums (s § 40 EheG Rz 10 ff). Für den Beginn der Klagefrist ist grundsätzlich der Zeitpunkt gesicherter Kenntnis der wesentlichen Tatsachen maßgeblich (s dazu näher Rz 15 und § 40 EheG Rz 11 ff). Der Kläger hat sämtliche, sein Aufhebungsbegehren begründenden Vorausset- 20 zungen und daher auch die Kausalität des Irrtums, also den Umstand nachzuweisen, dass er bei Kenntnis der wahren Sachlage die Ehe nicht eingegangen wäre (unzutr, zumindest irreführend RIS-Justiz RS0056197). Zum Verschulden s § 42 Abs 2 EheG.
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Arglistige Täuschung § 38. (1) Ein Ehegatte kann Aufhebung der Ehe begehren, wenn er zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. (2) Die Aufhebung ist ausgeschlossen, wenn die Täuschung von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist, oder wenn der Ehegatte nach Entdeckung der Täuschung zu erkennen gegeben hat, daß er die Ehe fortsetzen will. (3) Auf Grund einer Täuschung über Vermögensverhältnisse kann die Aufhebung der Ehe nicht begehrt werden. [Stammfassung]
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§ 38 EheG
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Lit: wie Vor §§ 33–34 EheG. Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Willensmangel . . . . . . . . . . . . . . Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . Eherelevante Umstände . . . . . . . Heilung des Aufhebungsgrundes Aufhebungsklage . . . . . . . . . . . .
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1–3 4–6 7–11 12 13–14 15–17
A. Allgemeines 1 § 38 EheG ermöglicht die Wahrnehmung von Willensmängeln, die bei einem Ehepartner bei Eingehung der Ehe vorlagen und die Umstände betreffen, die für die Partnerwahl maßgeblich sind; insoweit bestehen Gemeinsamkeiten zu § 37 EheG (Schwind/Klang I/12, 687). Der entscheidende Unterschied zu § 37 EheG ergibt sich iZm dem Zustandekommen des Willensmangels, der nach § 38 EheG auf arglistiger Täuschung durch den anderen Ehepartner oder – mit dessen Kenntnis – durch einen Dritten beruhen muss. Außerdem ist im Anwendungsbereich des § 38 EheG – anders als nach § 37 EheG – eine Heilung des Aufhebungsgrundes durch „Bewährung“ ausgeschlossen. 2 Im Rahmen des § 38 EheG können – wie nach § 37 EheG – sowohl Tatsachenals auch Rechtsirrtum geltend gemacht werden (s § 37 EheG Rz 3 mN). 3 Zur Verpflichtung des Partners, dem anderen die jeweils vorliegenden eigenen eherelevanten Umstände mitzuteilen und darüber aufzuklären s § 37 EheG Rz 2.
B. Willensmangel 4 Für die – die Aufhebung der Ehe nach § 38 EheG rechtfertigende – Qualität eines Willensmangels gelten grundsätzlich, namentlich für den Zeitpunkt, zu dem der Willensmangel vorliegen muss, sowie für dessen Kausalität und objektive eherechtliche Relevanz dieselben Anforderungen wie nach § 37 EheG (s § 37 EheG Rz 5 bis 14). 5 Der Irrtum über einen eherelevanten Umstand muss zur Zeit der Eheschließung vorliegen (dazu näher § 37 EheG Rz 5 ff). Ein Irrtum ist nur dann nach § 38 EheG relevant, wenn er für die Eheschließung durch den Getäuschten kausal war (1 Ob 507/85 = JBl 1985, 611 [Pichler] = EF 22/1; dazu näher § 37 EheG Rz 9; Hopf/Kathrein § 38 EheG Anm 1), der Getäuschte also bei Kennt448
§ 38 EheG
Arglistige Täuschung
nis der wahren Sachlage die Ehe nicht geschlossen hätte (zur Aufklärungs- und Mitteilungspflicht s § 37 EheG Rz 2). Steht fest, dass der Kläger auch bei Kenntnis des Aufhebungsgrundes diesen nicht zum Anlass einer Aufhebungsklage gemacht hätte, und die Aufdeckung der Täuschung kein Motiv für die beabsichtigte Lösung der Ehe bildet, muss diesem Vorgehen wohl nicht mit der Annahme von Rechtsmissbrauch begegnet werden (iS des Rechtsmissbrauchs aber: 1 Ob 507/85 = JBl 1985, 611 [Pichler] = EF XXII/1; aA Weitzenböck/Schwimann § 38 EheG Rz 4); vielmehr wird schon die Kausalität des Irrtums zu verneinen sein. Der Irrtum muss objektiv, also „bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe“ 6 eherechtlich relevante Umstände und Eigenschaften im Bereich des anderen Ehepartners betreffen (5 Ob 275/69 = SZ 42/192 = EvBl 1970/125, 209 [Pfersmann]; 9 Ob 29/01g = EF 97.126; dazu näher § 37 EheG Rz 11 ff).
C. Täuschung Eine arglistige Täuschung besteht im vorsätzlichen Vorspiegeln falscher Tat- 7 sachen oder dem vorsätzlichen Verschweigen (9 Ob 240/00k) wahrer Tatsachen (Hopf/Kathrein § 38 EheG Anm 1), womit der Täuschende erreichen will, dass der Getäuschte infolge Unkenntnis der wahren Sachlage die Ehe schließt und gerade nicht von ihrer Eingehung Abstand nimmt (5 Ob 275/69 = SZ 42/192 = EvBl 1970/125, 209 [Pfersmann]; 1 Ob 507/85 = JBl 1985, 611 [Pichler] = EF XXII/1; Schwind 170). Vorsatz erfordert das Wissen bzw die Annahme ernstlicher Möglichkeit be- 8 treffend die Eignung, den Getäuschten bei Kenntnis der wahren Sachlage von der Eheschließung abzuhalten, und hinsichtlich der Täuschungseignung des eigenen Handelns oder Unterlassens (Verschweigens) bzw jenes des Dritten (vgl dazu auch Schwind/Klang I/12, 687; Schwind 170 f; Stabentheiner/Rummel §§ 36–38 EheG Rz 8; Weitzenböck/Schwimann § 38 EheG Rz 3). Eine Schädigungsabsicht des Täuschenden ist nicht erforderlich (1 Ob 507/ 9 85 = JBl 1985, 611 [Pichler] = EF XXII/1). Auf das Motiv für die Täuschung kommt es ebenfalls nicht an (RIS-Justiz RS0056303). Es liegt daher der Aufhebungsgrund nach § 38 EheG etwa auch dann vor, wenn der Täuschende mit seinem Verhalten einen glücklichen Verlauf der Ehe sichern will (5 Ob 275/69 = SZ 42/192 = EvBl 1970/125, 209 [Pfersmann]; 1 Ob 507/85 = JBl 1985, 611 [Pichler] = EF XXII/1; Hopf/Kathrein § 38 EheG Anm 3). Eine allfällige Fahrlässigkeit des Getäuschten iS eines „Kennenkönnens“ des betreffenden eherelevanten Umstands schadet diesem nicht (LGZ Wien EF 69.180) und steht daher der Aufhebung der Ehe nicht entgegen.
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§ 38 EheG
Höllwerth
10 Eine Täuschung ist dann tatbestandsmäßig iS des § 38 EheG, wenn sie entweder vom Ehepartner oder mit dessen Wissen von einem Dritten ausgegangen ist (Hopf/Kathrein § 38 EheG Anm 1). Es genügt, wenn der Verlobte eine (objektiv vorliegende) Irreführungshandlung des Dritten wissentlich durch Unterlassung der notwendigen Aufklärung ausnützt (Schwind 171; Weitzenböck/Schwimann § 38 EheG Rz 3). 11 Die Täuschung über Vermögensverhältnisse stellt nach § 38 Abs 3 EheG an sich keinen Aufhebungsgrund dar. Es kann sich aber in der Täuschung über Vermögensverhältnisse eine die Aufhebung der Ehe allenfalls rechtfertigende negative Charaktereigenschaft manifestieren (vgl LGZ Wien EF 72.259).
D. Eherelevante Umstände 12 Als Umstände, die die Aufhebung der Ehe nach § 38 EheG rechtfertigen, kommen all jene negativen – körperlichen, geistigen und charakterlichen – Eigenschaften des Partners in Betracht, die iS des § 37 EheG irrtumsrelevant sind (dazu ausführlich samt Beispielen aus der Rsp § 37 EheG Rz 11 ff).
E. Heilung des Aufhebungsgrundes 13 Der Aufhebungsgrund nach § 38 Abs 1 EheG heilt durch „Bestätigung“, indem der getäuschte Ehegatte nach Entdeckung der Täuschung, also nach Erlangung sicherer Kenntnis der wahren Sachlage, – ausdrücklich oder konkludent (Hopf/Kathrein § 38 EheG Anm 5) – zu erkennen gibt, die Ehe fortsetzen zu wollen (s § 37 EheG Rz 15 und grundsätzlich zum Wesen der Bestätigung des Fortsetzungswillens § 22 EheG Rz 2 ff). 14 Bei arglistiger Täuschung gibt es keine „Bewährung“ iS des § 37 Abs 2 2. Halbsatz EheG, fehlt doch § 38 EheG eine entsprechende Klausel. Der Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, das Verlangen nach Aufhebung der Ehe sei mit Rücksicht auf die bisherige Gestaltung des ehelichen Lebens der Ehegatten sittlich nicht gerechtfertigt (1 Ob 507/85 = JBl 1985, 611 [Pichler] = EF XXII/1; Schwind 172; Schwind/Klang I/12, 691).
F. Aufhebungsklage 15 Zur Aufhebungsklage ist nur der getäuschte Ehegatte legitimiert. Die Klage ist binnen Jahresfrist zu erheben (§ 40 Abs 1 EheG). Die Klagefrist läuft ab dem Zeitpunkt der Entdeckung der Täuschung (s § 40 EheG Rz 13). 450
§ 39 EheG
Drohung
Der Kläger hat alle sein Klagebegehren begründenden Aufhebungsvorausset- 16 zungen, insb auch die Kausalität des vom Täuschenden veranlassten Irrtums 5 nachzuweisen (s dazu auch § 37 EheG Rz 20). Zum Verschulden s § 42 Abs 2 EheG. Zur strafrechtlichen Relevanz der „Ehe- 17 täuschung“ s § 193 Abs 2 StGB.
Drohung § 39. (1) Ein Ehegatte kann Aufhebung der Ehe begehren, wenn er zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. (2) Die Aufhebung ist ausgeschlossen, wenn der Ehegatte nach Aufhören der durch die Drohung begründeten Zwangslage zu erkennen gegeben hat, daß er die Ehe fortsetzen will. [Stammfassung] Lit: wie Vor §§ 33–34 EheG. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heilung des Aufhebungsgrundes Aufhebungsklage . . . . . . . . . . . .
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A. Allgemeines § 39 EheG soll die Freiheit des Willensentschlusses zur Eheschließung sichern 1 (Schwind/Klang I/12, 692; Weitzenböck/Schwimann § 39 EheG Rz 2). Der durch Willensbeugung infolge Drohung zum Eingehen der Ehe genötigte Partner soll die Aufhebung der Ehe begehren können.
B. Drohung Eine „Drohung“ iS des § 39 EheG ist jede von einer bestimmten Person an 2 eine andere bestimmte Person gerichtete Ankündigung irgendeines körperlichen, psychischen, vermögensrechtlichen oder gesellschaftlichen Übels im weitesten Sinn. Da der freie Willensentschluss des Verlobten gewährleistet werden soll, genügt es, dass der Bedrohte den angekündigten Schritt subjektiv als Übel empfindet (6 Ob 232/69 = EF 11.838). Es kann daher eine in den Anwendungsbereich des § 39 EheG fallende Drohung auch dann vorliegen, wenn 451
§ 39 EheG
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diese vom Äußernden nur als „Scherz“ gedacht, vom Verlobten aber ernst genommen wird (Schwind/Klang I/12, 692). Eine Drohung muss auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, sondern kann auch durch faktisches Verhalten vermittelt werden. 3 Drohung ist (nur) dann ein Grund zur Aufhebung der Ehe, wenn dem betroffenen Verlobten oder Dritten für den Fall, dass es nicht zur Heirat kommen sollte, ein subjektiv spürbarer Nachteil in Aussicht gestellt wurde. Eine durch andere Umstände herbeigeführte (bestehende) subjektive allgemeine Furcht oder Zwangslage, von der der Verlobte glaubt, ihr durch die Eheschließung entkommen zu können (zB Angst vor strengen Eltern), reicht nicht (vgl 6 Ob 232/69 = EF 11.838). In 1 Ob 99/46 (= JBl 1946, 372 = EF 2168) wurde dagegen eine zur Vermeidung politischer Verfolgung geschlossene Ehe gem § 39 EheG aufgehoben; dies ist unzutr, weil eine Drohung nur ein bestimmtes Verhalten einer (einzelner) Person(en) sein kann, das auf Abschluss der Ehe gerichtet sein muss (zutr Stabentheiner/Rummel § 39 EheG Rz 2; aA Hopf/ Kathrein § 38 EheG Anm 1). 4 Gleichgültig ist, wer die Drohung geäußert hatte und gegen wen sie unmittelbar gerichtet war. Tatbestandsmäßig ist daher auch die – selbst ohne Kenntnis des anderen Verlobten erfolgte – Drohung durch Dritte, zB auch durch den eigenen Vater (3 Ob 552/38), und auch die Bedrohung Dritter, zB von Personen, die dem betroffenen Verlobten emotional nahe stehen sowie die Drohung mit Selbstmord durch den anderen Verlobten (Weitzenböck/Schwimann § 39 EheG Rz 1; Stabentheiner/Rummel § 39 EheG Rz 1). 5 Die Drohung muss für die Eheschließung kausal sein, was dann zutrifft, wenn die Ehe ohne Drohung nicht eingegangen worden wäre (Schwind/Klang I/12, 693). Die Drohung muss bis zur Eheschließung anhalten (Stabentheiner/ Rummel § 39 EheG Rz 1), weil bei einer schon davor endenden Zwangslage die freie Willensbildung wieder gegeben ist. 6 Nach dem Gesetzeswortlaut muss die Drohung „widerrechtlich“ sein. Dies wird idR immer zutreffen, wenn die Eheschließung durch das in Aussicht stellen eines Nachteils erzwungen werden soll. Auch die Ankündigung der Wahrnehmung von – selbst allgemein gesetzlich vorgesehenen – Ansprüchen (zB Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüchen aus der vorangegangenen Lebensgemeinschaft) oder Befugnissen (zB der Erstattung einer – wahrheitsgemäßen – Strafanzeige) ist rechtswidrig, wenn dies zwecks Willensbeugung, also mit dem Ziel erfolgt, die Eheschließung zu erzwingen (Weitzenböck/ Schwimann § 39 EheG Rz 2). Die Drohung ist im gegebenen Zusammenhang nur dann nicht widerrechtlich, wenn für den Fall der abgelehnten Eheschließung genau die von der Rechtsordnung selbst unmittelbar für diesen Fall vorgesehenen und damit gesetzlich gebilligten Ansprüche, namentlich jene nach 452
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Klagefrist
§ 46 ABGB angesprochen werden (ausführlich dazu Schwind 173 f; Stabentheiner/Rummel § 39 EheG Rz 3).
C. Heilung des Aufhebungsgrundes Der Aufhebungsgrund nach § 39 Abs 1 EheG heilt durch „Bestätigung“, 7 wenn der bedrohte Ehegatte nach Aufhören der durch die Drohung begründeten Zwangslage – ausdrücklich oder konkludent – zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen will (s § 37 EheG Rz 15 und grundsätzlich zum Wesen der Bestätigung des Fortsetzungswillens § 22 EheG Rz 2 ff). Im Fall einer durch Drohung herbeigeführten Eheschließung ist ein Entfall des Aufhebungsrechts infolge „Bewährung“ iS des § 37 Abs 2 2. Halbsatz EheG nicht möglich (s dazu auch § 38 EheG Rz 14).
D. Aufhebungsklage Zur Aufhebungsklage ist nur der bedrohte Ehegatte legitimiert. Die Klage ist 8 binnen Jahresfrist zu erheben (§ 40 Abs 1 EheG). Die Klagefrist läuft ab dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört (s § 40 EheG Rz 14). Der Kläger hat alle die Aufhebungsklage begründenden Voraussetzungen nachzuweisen (s dazu auch § 37 EheG Rz 20). Zum Verschulden s § 42 Abs 2 EheG.
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III. Erhebung der Aufhebungsklage Klagefrist § 40. (1) Die Aufhebungsklage kann nur binnen eines Jahres erhoben werden. (2) Die Frist beginnt in den Fällen des § 35 mit dem Zeitpunkt, in welchem die Eingehung oder die Bestätigung der Ehe dem gesetzlichen Vertreter bekannt wird oder der Ehegatte die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erlangt, in den Fällen der §§ 36 bis 38 mit dem Zeitpunkt, in welchem der Ehegatte den Irrtum oder die Täuschung entdeckt, in dem Falle des § 39 mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. (3) Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange der klageberechtigte Ehegatte innerhalb der letzten sechs Monate der Klagefrist durch einen unabwendbaren Zufall an der Erhebung der Aufhebungsklage gehindert ist. 453
§ 40 EheG
Höllwerth
(4) Hat ein klageberechtigter Ehegatte, der geschäftsunfähig ist, keinen gesetzlichen Vertreter, so endet die Klagefrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, von dem an der Ehegatte die Aufhebungsklage selbständig erheben kann oder in dem der Mangel der Vertretung aufhört. [Stammfassung]
Lit: wie Vor §§ 33–34 EheG.
Inhaltsübersicht A. Allgemeine Grundsätze . B. Fristbeginn . . . . . . . . . . 1. Nach § 35 EheG . . . . 2. Nach §§ 36, 37 EheG 3. Nach § 38 EheG . . . . 4. Nach § 39 EheG . . . . C. Fortlaufshemmung . . . . D. Ablaufshemmung . . . . .
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1–5 6–15 6–10 11–13 14 15 16–17 18–20
A. Allgemeine Grundsätze 1 Die Aufhebungsklage aus den Gründen der §§ 35 ff EheG ist fristgebunden. Die Klagefrist beträgt für alle Aufhebungsgründe einheitlich ein Jahr gerechnet ab den in § 40 Abs 2 EheG näher bezeichneten Zeitpunkten. Die Frist ist nach den Grundsätzen des § 902 ABGB zu berechnen (Stabentheiner/Rummel §§ 40, 41 EheG Rz 1). Jener Tag, an dem das frisauslösende Ereignis stattfindet, zählt nicht (Schwind/Klang I/12, 695). Zur Fristwahrung muss die Klage innerhalb der Frist bei Gericht einlangen bzw überreicht werden (Schwind/ Klang I/12, 695). Eine absolute Klagefrist – wie etwa nach § 57 Abs 2 EheG für die Scheidung – sieht das Gesetz für die Aufhebungsklage nicht vor. 2 Die Frist für die Aufhebungsklage ist eine Präklusivfrist (Ausschlussfrist; Fallfrist). Der ungenutzte Ablauf der Klagefrist führt zum Verlust des Klagerechts (Weitzenböck/Schwimann § 40 EheG Rz 1). 3 Die Klagefrist ist nicht nur auf Einwendung, sondern von Amts wegen wahrzunehmen. Auf die Einhaltung der Klagefrist kann nicht verzichtet und sie kann nicht durch Parteienvereinbarung verlängert werden (Schwind 175; Hopf/Kathrein § 40 Anm 1). 4 Damit der vom Aufhebungsgrund betroffene Ehegatte selbst die Aufhebungsklage erheben kann, muss dieser im Fall des § 35 EheG voll geschäftsfähig, für 454
§ 40 EheG
Klagefrist
die Geltendmachung aller übrigen Aufhebungsgründe dagegen (nur) beschränkt geschäftsfähig sein. Für den Beginn der Klagefrist sieht § 40 Abs 2 EheG je nach Aufhebungs- 5 grund unterschiedliche Zeitpunkte vor. Für die Klagefrist kann bei allen Aufhebungsgründen nach § 40 Abs 3 EheG eine Fortlaufshemmung und nach § 40 Abs 4 EheG eine Ablaufshemmung zum Tragen kommen.
B. Fristbeginn 1. Nach § 35 EheG
§ 35 Abs 1 EheG ermöglicht ein Aufhebungsbegehren in zwei Fällen, nämlich 6 bei fehlender Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Eheschließung des zu diesem Zeitpunkt beschränkt geschäftsfähigen Ehegatten und bei Bestätigung des Ehefortsetzungswillens durch den zu diesem Zeitpunkt beschränkt geschäftsfähigen, bei Eheschließung dagegen geschäftsunfähigen Ehegatten (s § 35 EheG Rz 1 f). Dementsprechend sieht § 40 Abs 2 EheG auch für den Beginn der Klagefrist unterschiedliche Zeitpunkte vor. Im Fall des § 35 EheG kann die Aufhebungsklage vom betroffenen Ehegatten überdies nur dann selbst erhoben werden, wenn (sobald) dieser voll geschäftsfähig ist, sodass auch dieser Umstand für den Beginn der Klagefrist eine Rolle spielt. Solange der vom Aufhebungsgrund betroffene Ehegatte nicht voll geschäftsfä- 7 hig ist, hängt der Beginn der Klagefrist nur vom Kenntnisstand des gesetzlichen Vertreters ab. Die Frist für die Erhebung der Aufhebungsklage beginnt je nach der vorliegenden Variante dieses Aufhebungsgrundes mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des gesetzlichen Vertreters von der erfolgten Eheschließung bzw der Bestätigung der Ehe durch den betroffenen, beschränkt geschäftsfähigen Ehegatten. Die Frist beginnt mit positiver (definitiver) Kenntnis dieser Umstände zu laufen. Der Beginn des Fristlaufs gegenüber dem – bei fehlender voller Geschäftsfä- 8 higkeit des Ehegatten allein klagslegitimierten (§ 35 EheG Rz 11) – gesetzlichen Vertreter wirkt auch für den vom Aufhebungsgrund betroffenen, (zumindest) beschränkt geschäftsfähigen Ehegatten. Diesem steht – je nach dem, ob die Frist für dessen gesetzlichen Vertreter zur Zeit der Erlangung voller Geschäftsfähigkeit schon (noch nicht) zu laufen begonnen hat, teilweise bereits verstrichen oder bereits abgelaufen ist – noch die volle, nur mehr die restliche Klagefrist oder keine Klagemöglichkeit mehr zur Verfügung (Schwind/ Klang I/12, 695 f; Schwind 176 f; Hopf/Kathrein § 40 EheG Anm 2). Hat demnach der gesetzliche Vertreter des nicht voll geschäftsfähigen Ehegatten von der Eheschließung bzw von der Bestätigung der Ehe keine Kenntnis erlangt 455
§ 40 EheG
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oder im Fall erlangter Kenntnis die Klagefrist noch nicht (zur Gänze) verstreichen lassen und erlangt der betroffene Ehegatte volle Geschäftsfähigkeit, so beginnt oder läuft die gesamte oder restliche Klagefrist ab diesem Zeitpunkt (weiter). 9 Hatte der (nur) beschränkt geschäftsfähige Ehegatte, der aber nicht geschäftsunfähig geworden ist, während der letzten sechs Monate der Klagefrist keinen gesetzlichen Vertreter und konnte deshalb die Aufhebungsklage nicht erhoben werden, dann gilt Fortlaufshemmung iS des § 40 Abs 3 EheG und dem später voll geschäftsfähigen Ehegatten stehen dann für die Klageerhebung jedenfalls noch restliche sechs Monate zur Verfügung (Schwind/Klang I/12, 700). 10 Nur dann, wenn der vom Aufhebungsgrund des § 35 Abs 1 EheG betroffene, zunächst (nur) beschränkt geschäftsfähige Ehegatte zumindest zeitweilig (voll) geschäftsunfähig wird und keinen gesetzlichen Vertreter hat, kann diesem im Fall bereits ausgelöster Klagefrist die Ablaufshemmung zugute kommen (Schwind/Klang I/12, 700).
2. Nach §§ 36, 37 EheG
11 Beim Aufhebungsgrund nach § 36 EheG (Irrtum über die Eheschließung oder über die Person des anderen Ehegatten) und nach § 37 EheG (Irrtum über Umstände, die die Person des anderen Ehegatten betreffen) beginnt die Klagefrist jeweils mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem der Ehegatte den Irrtum entdeckt. Die Ermittlung dieses Zeitpunkts wird in den – wenig praktischen – Irrtumsfällen des § 36 EheG unproblematisch, kann aber im Anwendungsbereich des § 37 EheG deshalb schwierig sein, weil sich dort ein Irrtumsverdacht auch erst im Verlauf der Zeit so weit konkretisieren und verfestigen kann, dass es zur Fristauslösung kommt. Rechtlich relevant kann die Entdeckung des Irrtums für den betroffenen Ehegatten jedenfalls nur bei gegebener, auch die Möglichkeit der Klageerhebung vermittelnder (zumindest) beschränkter Geschäftsfähigkeit sein (Schwind/Klang I/12, 696). 12 Bei einem Irrtum über eherelevante Eigenschaften iS des § 37 EheG ist die Kenntnis ihrer Tragweite relevant. Bei einer Krankheit des anderen Ehegatten beginnt die Klagefrist erst mit konkreter Kenntnis von Krankheitsbild, Grad, Entwicklungsmöglichkeiten und Heilungschancen des Leidens zu laufen (8 Ob 662/87 = EF 57.077; OLG Wien EF 36.278). 13 Für den Beginn der Klagefrist ist der Zeitpunkt einigermaßen gesicherter Kenntnis der wahren Verhältnisse maßgeblich. Schlichter Verdacht (9 Ob 240/00k = EF 97.129), bloße Zweifel über die Sachlage oder auch selbstverschuldete Unkenntnis des Irrtums lösen den Beginn der Klagefrist nicht aus (OLG Wien EF 36.278; Schwind/Klang I/12, 696). Es bedarf zwar nicht exak456
§ 40 EheG
Klagefrist
ten Wissens um die Rechtslage, aber der Kenntnis aller Umstände und ihrer Tragweite, sodass der Informationsstand bei vernünftiger Überlegung für die Geltendmachung der Aufhebungsklage als hinreichend angesehen werden kann (6 Ob 333/67 = EF 8481; 6 Ob 259/69 = EF 11.841; 8 Ob 662/87 = EF 57.076; 9 Ob 240/00k = EF 97.128; 9 Ob 303/01a = SZ 2002/24 = JBl 2003, 50 [Hoyer] = EvBl 2002/133, 507). 3. Nach § 38 EheG
Beim Aufhebungsgrund nach § 38 EheG (arglistige Täuschung) beginnt die 14 Klagefrist mit dem Zeitpunkt, in welchem der Ehegatte die Täuschung entdeckt. Die Kenntnis vom Aufhebungsgrund muss im Fall des § 38 EheG nicht nur den Irrtum, also die Fehlvorstellung über eherelevante Umstände, sondern auch die Täuschung und die Arglist umfassen (Schwind 177). Bloße Zweifel, Verdachtsmomente (9 Ob 240/00k) oder auch selbstverschuldete Unkenntnis der Sachlage lösen – wie in den Fällen der §§ 36, 37 EheG – den Beginn der Klagefrist nicht aus (Schwind/Klang I/12, 697). Die Klagefrist beginnt mit gesicherter Kenntnis der wahren Sachlage (9 Ob 240/00k = EF 97.128). 4. Nach § 39 EheG
Beim Aufhebungsgrund nach § 39 EheG (Drohung) beginnt die Klagefrist mit 15 dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Für diesen Zeitpunkt ist primär die subjektive Einschätzung des bedrohten Ehegatten maßgeblich. Solange dieser noch ernstlich mit dem Eintritt (der Verwirklichung) des angedrohten Nachteils rechnen muss, kann von ihm die Klageerhebung nicht verlangt werden (ähnlich Schwind/Klang I/12, 698; Schwind 177).
C. Fortlaufshemmung § 40 Abs 3 EheG sieht eine Fortlaufshemmung vor. Mit Eintritt des Hem- 16 mungsgrundes wird der weitere Lauf der Frist gestoppt und nach dessen Wegfall die Frist über die restliche Dauer fortgesetzt. § 40 Abs 3 EheG schließt den weiteren Lauf der Klagefrist aus, sofern und so- 17 lange der klageberechtigte Ehegatte innerhalb der letzten sechs Monate dieser Frist „durch einen unabwendbaren Zufall an der Erhebung der Aufhebungsklage gehindert ist“. „Unabwendbar“ ist ein Ereignis, welches mit üblicherweise zu erwartendem Bemühen nicht verhindert werden kann. Unfälle oder Krankheiten können solche Ereignisse sein, sofern sie derart gravierende Folgen zeitigen, dass bei durchschnittlichem Engagement eine zweckdienliche 457
§ 41 EheG
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Rechtsverfolgung nicht erwartet werden kann. Solche unabwendbaren Umstände dürfen nicht (allzu) leichtfertig angenommen werden, wird doch sonst der Zweck der Klagefrist, nämlich die möglichst rasche Klärung der Rechtslage umgangen.
D. Ablaufshemmung 18 Durch Ablaufshemmung wird nicht der Lauf der Frist gestoppt, sondern nur deren Ablauf verhindert. Die Ablaufshemmung kann nur dann zum Tragen kommen, wenn die Frist für die Aufhebungsklage bereits zu laufen begonnen hat. Dies ist insb dann nicht der Fall, wenn der betroffene Ehegatte zur Zeit der Entdeckung des Irrtums geschäftsunfähig war (s Rz 10). 19 § 40 Abs 4 EheG schützt einen vom Aufhebungsgrund betroffenen Ehegatten vor dem frühzeitigen Fristablauf, sofern er irgendwann während laufender Klagefrist voll geschäftsunfähig wird und über keinen gesetzlichen Vertreter verfügt, folglich in dieser Zeit die Aufhebungsklage nicht erheben kann. In einem solchen Fall ist danach zu differenzieren, ob der betroffene Ehegatte die (zumindest beschränkte) Geschäftsunfähigkeit oder den gesetzlichen Vertreter innerhalb der ersten oder erst innerhalb der zweiten Jahreshälfte der Klagefrist (wieder) erlangt. Wenn der Ehegatte die Aufhebungsklage noch innerhalb der ersten Jahreshälfte selbstständig erheben kann oder noch innerhalb dieses Zeitraums der Vertretungsmangel beseitigt wird, dann steht für die Klageerhebung der gesamte verbleibende, mindestens sechsmonatige Rest der Klagefrist offen. Wird die fehlende Klagemöglichkeit erst innerhalb der zweiten Jahreshälfte der Klagefrist beseitigt, dann steht für die Erhebung der Aufhebungsklage gem § 40 Abs 4 EheG jedenfalls noch ein Zeitraum von sechs Monaten zur Verfügung. 20 § 40 Abs 4 EheG kommt nur dem innerhalb der Klagefrist (zumindest zeitweilig) voll geschäftsunfähigen Ehegatten zugute. Auf den während der (gesamten) Klagefrist (nur) beschränkt geschäftsfähigen Ehegatten ist diese Regelung nicht anzuwenden.
Versäumung der Klagefrist durch den gesetzlichen Vertreter § 41. Hat der gesetzliche Vertreter eines geschäftsunfähigen Ehegatten die Aufhebungsklage nicht rechtzeitig erhoben, so kann der Ehegatte selbst innerhalb von sechs Monaten seit dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit die Aufhebungsklage erheben. [Stammfassung] Lit: wie Vor §§ 33–34 EheG.
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Die Aufhebungsklage kann vom betroffenen Ehegatten – abgesehen vom Auf- 1 hebungsgrund des § 35 EheG, bei dem dazu volle Geschäftsfähigkeit erforderlich ist – dann selbst erhoben werden, wenn dieser (zumindest) beschränkt geschäftsfähig ist. Ist der betroffene Ehegatte dagegen geschäftsunfähig, muss der gesetzliche Vertreter die Klage erheben. Wird in diesem Fall die Aufhebungsklage vom gesetzlichen Vertreter „nicht rechtzeitig erhoben“, dh lässt der gesetzliche Vertreter die Klagefrist ungenützt verstreichen, dann hat der betroffene Ehegatte selbst noch die Möglichkeit, innerhalb von sechs Monaten ab dem Erreichen der (zumindest beschränkten) Geschäftsfähigkeit selbst die Klage zu erheben. Durch § 41 EheG wird dem gesetzlichen Vertreter eines geschäftsunfähigen 2 Ehegatten praktisch die Möglichkeit eröffnet, mit der Entscheidung über die Klageerhebung nach den §§ 36 ff EheG bis zum Eintritt der beschränkten Geschäftsfähigkeit des betroffenen Ehegatten zuzuwarten (s dazu auch Schwind/Klang I/12, 699).
IV. Folgen der Aufhebung Folgen der Aufhebung § 42. (1) Die Folgen der Aufhebung einer Ehe bestimmen sich nach den Vorschriften über die Folgen der Scheidung. (2) In den Fällen der §§ 35 bis 37 ist der Ehegatte als schuldig anzusehen, der den Aufhebungsgrund bei Eingehung der Ehe kannte, in den Fällen der §§ 38 und 39 der Ehegatte, von dem oder mit dessen Wissen die Täuschung oder die Drohung verübt worden ist. [Stammfassung] Lit: Gschnitzer, Eheaufhebung, JBl 1950, 445; Welser, Das Verschulden bei der Aufhebung und Nichtigerklärung der Ehe, RZ 1973, 185, sonst wie Vor §§ 33–34 EheG.
§ 42 EheG stellt ganz generell die Folgen der Eheaufhebung jenen der Ehe- 1 scheidung gleich (Schwind 178). Diese Gleichstellung erstreckt sich grundsätzlich auf die personenstands-, namens-, kindschafts-, unterhalts- und sonstigen vermögensrechtlichen Wirkungen der Eheaufhebung (Stabentheiner/Rummel § 42 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 42 EheG Anm 1; Weitzenböck/Schwimann § 42 EheG Rz 1; zu den namensrechtlichen Folgen der Scheidung s § 62 EheG und § 93a ABGB). Die Aufhebung der Ehe wirkt dabei ex nunc, also ab Rechtskraft des Aufhebungsurteils (s Vor §§ 33–34 EheG Rz 1; § 34 EheG Rz 1).
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§ 42 EheG
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2 Da für die Scheidungsfolgen das Verschulden entscheidende Bedeutung hat, wird mit § 42 EheG auch für die Eheaufhebung der Verschuldensbegriff eingeführt (Schwind 179; s auch die Regelung des § 31 EheG für den Fall der Ehenichtigkeit). Wird die Ehe aufgehoben und ist ein Ehegatte iS des § 42 Abs 2 EheG als schuldig anzusehen, so ist dies gem § 17 der 1. DVEheG im Urteil auszusprechen. Der Verschuldensausspruch ist im Anwendungsbereich des § 42 EheG nach hA von Amts wegen in die Entscheidung aufzunehmen (7 Ob 199/04x = SZ 2004/181 = EvBl 2005/92 [für die Aufhebung nach § 35 EheG]; 5 Ob 214/63 = JBl 1964, 211 = EF 2171 [für die Aufhebung nach § 38 EheG]; Schwind/Klang I/12, 704; Stabentheiner/Rummel § 42 EheG Rz 1; Hopf/ Kathrein § 42 EheG Anm 2). Dies folgt aus dem unterschiedlichen Wortlaut von § 17 der 1. DVEheG und § 61 Abs 2 EheG; in letzterem wird – anders als in § 17 der 1. DVEheG – ausdrücklich ein Antrag verlangt. Bei Konkurrenz von Aufhebungs- und Scheidungsbegehren und der Berechtigung beider Begehren ist gem § 18 der 1. DVEheG nur auf Aufhebung der Ehe zu erkennen, doch ist das Scheidungsverschulden im Schuldausspruch zu berücksichtigen (§ 18 der 1. DVEheG; dazu näher Stabentheiner/Rummel § 42 EheG Rz 1; Weitzenböck/Schwimann § 42 EheG Rz 4). 3 § 42 Abs 2 EheG knüpft das Verschulden an die positive Kenntnis des Aufhebungsgrundes – zum Zeitpunkt der Eheschließung (7 Ob 199/04x = SZ 2004/ 181 = EvBl 2005/92) –, wobei der ein Verschulden begründende Informationsstand je nach dem vorliegenden Aufhebungsgrund variiert. Voraussetzung ist in jedem Fall eherechtliche Verschuldensfähigkeit (7 Ob 199/04x = SZ 2004/ 181 = EvBl 2005/92; s dazu näher § 31 EheG Rz 3). Der Schuldvorwurf muss dahin gehen, dass dem Ehepartner bei Eingehung der Ehe ein rechtswidriges Verhalten vorgeworfen und ihm persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann (7 Ob 199/04x = SZ 2004/181 = EvBl 2005/92). Dagegen ist nach hA die Kenntnis der rechtlichen Bedeutung der den Aufhebungsgrund darstellenden Umstände für einen Schuldausspruch nicht erforderlich (Schwind/Klang I/12, 704; Stabentheiner/Rummel § 42 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 42 EheG Anm 3; Weitzenböck/Schwimann § 42 EheG Rz 3;). Fahrlässige Unkenntnis des maßgeblichen Sachverhalts reicht für den Verschuldensvorwurf nicht (Schwind 179). 4 Beim Aufhebungsgrund nach § 35 EheG setzt der Verschuldensausspruch die positive Kenntnis von der beschränkten Geschäftsfähigkeit eines Ehepartners und der fehlenden Zustimmung des gesetzlichen Vertreters voraus. Maßgeblicher Zeitpunkt ist jener der Eheschließung bzw im Fall des § 22 Abs 2 EheG jener der Bestätigung (Schwind 179). 5 Beim Aufhebungsgrund nach § 36 EheG erfordert der Verschuldensausspruch die positive Kenntnis des – nicht irrenden – Ehepartners, dass der andere nicht wusste, es handle es sich um eine Eheschließung, dass dieser eine Erklärung, 460
Wiederverheiratung im Falle der Todeserklärung
§ 43 EheG
die Ehe eingehen zu wollen, nicht hat abgeben wollen oder dass dieser sich in der Person des anderen Ehegatten geirrt hat. Entscheidend ist positive Kenntnis zum Zeitpunkt der Eheschließung. Beim Aufhebungsgrund nach § 37 EheG kann sich der Verschuldensvorwurf 6 nur gegen den Partner des irrenden Ehegatten richten (Schwind/Klang I/12, 706). Der Verschuldensausspruch setzt voraus, dass der betreffende Ehegatte um die den Aufhebungsgrund bildenden Tatsachen, den Irrtum des Partners und die Kausalität des Irrtums, also den Umstand Bescheid wusste, dass der Partner bei Kenntnis der wahren Sachlage und richtiger Würdigung des Wesens der Ehe diese nicht eingegangen wäre (5 Ob 476/59 = EvBl 1959/406, 660 = EF 2170; 2 Ob 571/82 = EF 41.170; Schwind/Klang I/12, 706; Schwind 180; Weitzenböck/Schwimann § 42 EheG Rz 3; Hopf/Kathrein § 42 EheG Anm 3). Ein auf geistiger Erkrankung beruhender Aufhebungsgrund schließt einen Verschuldensausspruch nicht grundsätzlich aus, doch muss dann der Aufhebungsbeklagte – wegen der erforderlichen eherechtlichen Verschuldensfähigkeit (s Rz 3) – seine Erkrankung, deren Ursächlichkeit für das äußere Erscheinungsbild der Krankheit und dessen eheliche Relevanz erkannt haben (vgl 6 Ob 585/78 = EF 31.624; 2 Ob 571/82 = EF 41.171; OLG Linz EF 43.595; Weitzenböck/Schwimann § 42 EheG Rz 3). Bei den Aufhebungsgründen nach den §§ 38, 39 EheG kommt es zum Au- 7 spruch des Verschuldens des Beklagten, wenn dessen eigene Täuschungshandlung oder Drohung zur Ehe führte oder der Beklagte von Täuschung oder Drohung durch Dritte wusste. Wird die Ehe nach § 44 Abs 1 EheG aufgehoben (Aufhebung der neuen Ehe 8 nach Wiederverheiratung im Falle der Todeserklärung), ist gem § 19 Abs 2 der 1. DVEheG der beklagte Ehegatte für schuldig zu erklären, wenn dieser bei Eingehen der Ehe mit dem Gatten des für tot Erklärten wusste, dass Letzterer zu diesem Zeitpunkt noch lebte (s dazu näher bei § 44 EheG).
F. Wiederverheiratung im Falle der Todeserklärung § 43. (1) Geht ein Ehegatte, nachdem der andere Ehegatte für tot erklärt worden ist, eine neue Ehe ein, so ist die neue Ehe nicht deshalb nichtig, weil der für tot erklärte Ehegatte noch lebt, es sei denn, daß beide Ehegatten bei der Eheschließung wissen, daß er die Todeserklärung überlebt hat. (2) Mit der Schließung der neuen Ehe wird die frühere Ehe aufgelöst. Sie bleibt auch dann aufgelöst, wenn die Todeserklärung aufgehoben wird. [Stammfassung]
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§ 43 EheG
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Lit: Deschka, Welchen Familienstand hat ein Ehegatte, dessen Ehe nach § 43 EheG aufgelöst ist? ÖStA 1977, 62; Hainzl, Auflösung einer Ehe durch Eingehung der späteren Ehe, ÖStA 1956, 17, 25 ff, 44 f, sonst wie Vor §§ 33–34 EheG. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflösung der früheren Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtigkeit der zweiten Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung oder Berichtigung der Todeserklärung
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1–2 3–6 7–8 9–10
A. Allgemeines 1 Gem § 2 TEG kann ein Verschollener unter den Voraussetzungen der §§ 3 bis 7 TEG im Aufgebotsverfahren für tot erklärt werden. Die Todeserklärung begründet gem § 9 Abs 1 TEG die Vermutung, dass der Verschollene in dem im Beschluss festgestellten Zeitpunkt gestorben ist. Wenn der Beweis des Todes eines Verschollenen nicht durch öffentliche Urkunden herzustellen ist, so kann gem § 21 Abs 1 TEG der Beweis des Todes geführt und der Ausspruch erwirkt werden, dass dieser Beweis als hergestellt anzusehen ist. §§ 43 ff EheG enthalten Regelungen darüber, wie sich eine – unrichtige – Todeserklärung auf die bestehende und eine neue Ehe auswirkt. Diese Regelungen gelten für die Todeserklärung (§ 9 TEG) und die Beweisführung des Todes (§ 21 TEG) gleichermaßen (3 Ob 190/49 = SZ 22/81 = JBl 1949, 455; Stabentheiner/Rummel §§ 43, 44 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 43 EheG Anm 1; Weitzenböck/Schwimann § 43 EheG Rz 1). §§ 43 f EheG gelten dagegen nicht im Fall einer zu Unrecht, also für einen noch Lebenden ausgestellten Sterbeurkunde, aufgrund welcher die erste Ehe bei einer folgenden zweiten Eheschließung jedenfalls nicht aufgelöst wird, sondern eine nichtige Doppelehe (§§ 8, 24 EheG) vorliegt (Schwind 182). 2 Die Todeserklärung (Beweisführung des Todes) führt zwar zur Nachfolge von Todes wegen, zur Unehelichkeit eines später als (nunmehr) 300 Tage (§ 138c Abs 1 ABGB) nach dem festgestellten Todeszeitpunkt von der Gattin geborenen Kindes (3 Ob 190/49 = SZ 22/94) und beendet die Ehewirkung insofern, also sie einer neuerlichen Eheschließung des überlebenden Ehegatten nicht entgegen steht; das Eheband an sich wird jedoch – abgesehen vom Fall des tatsächlichen Ablebens des für tot Erklärten – nur durch die neuerliche Eheschließung im Fall der Gutgläubigkeit zumindest eines Partners der neuen Ehe aufgelöst (Stabentheiner/Rummel §§ 43, 44 EheG Rz 1; Weitzenböck/ Schwimann § 43 EheG Rz 2; anders § 13 EPG).
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Wiederverheiratung im Falle der Todeserklärung
§ 43 EheG
B. Auflösung der früheren Ehe Nach § 8 EheG darf niemand eine Ehe eingehen, bevor seine frühere Ehe für 3 nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist, und gem § 24 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in gültiger Ehe lebte. § 43 Abs 1 EheG bestimmt nun zunächst, obwohl §§ 8, 24 EheG gerade das Gegenteil nahe legen würden, dass die vom Ehegatten des für tot Erklärten abgeschlossene neue Ehe nicht schon deshalb jedenfalls nichtig ist, weil sich nachträglich die Todeserklärung (Beweisführung des Todes) als objektiv unrichtig erweist. Aus § 43 Abs 2 Satz 1 EheG folgt vielmehr als Regelfall die Auflösung der früheren Ehe durch die Schließung der neuen Ehe immer dann, wenn zumindest einer der Partner der zweiten Ehe zum Zeitpunkt der Wiederverehelichung keine Kenntnis davon hat, dass der für tot Erklärte (nicht den festgestellten Todeszeitpunkt überlebt hat, sondern zur Zeit der neuerlichen Heirat) noch lebt (s dazu Rz 7). Die Auflösung der früheren Ehe nach § 43 Abs 2 Satz 1 EheG ist weder Nich- 4 tigkeiterklärung noch Scheidung, sondern stellt einen Auflösungsgrund sui generis dar, der kein gerichtliches Auflösungserkenntnis voraussetzt. Die Eheauflösung erfolgt mit Wirkung ex nunc und zwar mit dem Zeitpunkt der Wiederverehelichung. Ab diesem Zeitpunkt gilt nach hA Unterhaltsrecht wie nach Ehescheidung (Schwind 183; Stabentheiner/Rummel §§ 43, 44 EheG Rz 4; Weitzenböck/Schwimann § 43 EheG Rz 4) und es finden außerdem die Aufteilungsregelungen der §§ 81 ff EheG Anwendung. Hat der Ehegatte des fälschlich für tot Erklärten von dessen Überleben bei 5 Wiederverehelichung keine Kenntnis, so steht ihm gem § 44 Abs 1 EheG das Recht auf Aufhebung der zweiten Ehe zu. Wird die zweite Ehe – aus welchen Gründen immer – für nichtig erklärt, fällt 6 auch (rückwirkend) deren Auflösungswirkung hinsichtlich der Ehe mit dem zu Unrecht für tot Erklärten weg. Ist der für tot Erklärte inzwischen wieder eine Ehe eingegangen, so ist diese dann eine nichtige Doppelehe (§§ 8, 24 EheG; Stabentheiner/Rummel §§ 43, 44 EheG Rz 5).
C. Nichtigkeit der zweiten Ehe Die Schlechtgläubigkeit beider Partner der zweiten Ehe führt als Ausnahmefall 7 nicht zur Auflösung der Ehe mit dem für tot Erklärten, sondern zur Nichtigkeit der zweiten Ehe nach den §§ 8, 24 EheG (Doppelehe). Schlechtgläubigkeit ist Kenntnis davon, dass der für tot Erklärte überlebt hat. Entscheidend ist dabei – entgegen dem Wortlaut des § 43 Abs 1 EheG – nicht das Wissen vom Überleben des festgestellten Todeszeitpunkts, sondern vom Leben des für tot 463
§ 44 EheG
Höllwerth
Erklärten im Zeitpunkt der Wiederverehelichung (Stabentheiner/Rummel §§ 43, 44 EheG Rz 1; Weitzenböck/Schwimann § 43 EheG Rz 3). Fahrlässige Unkenntnis von der Unrichtigkeit der Todeserklärung (Beweisführung des Todes) zur Zeit der zweiten Eheschließung schadet dagegen nicht (Weitzenböck/ Schwimann § 43 EheG Rz 3). 8 Liegt Nichtigkeit der zweiten Ehe infolge Schlechtgläubigkeit beider Ehegatten vor, so können gem § 28 Abs 2 EheG der fälschlich für tot Erklärte, jeder Ehegatte der zweiten Ehe sowie der Staatsanwalt den Nichtigkeitsgrund mit Klage geltend machen (s dazu § 28 EheG Rz 1).
D. Aufhebung oder Berichtigung der Todeserklärung 9 Die §§ 23 ff TEG sehen die Möglichkeiten der Aufhebung und Berichtigung der Todeserklärung bzw der Beweisführung des Todes vor. Tritt ein solcher Fall ein, ändert dies allein an der durch die Wiederverehelichung ausgelösten Wirkung der Auflösung der früheren Ehe nichts. 10 Dass § 43 Abs 2 Satz 2 EheG (nur) von der Aufhebung der Todeserklärung und nicht auch von der Berichtigung spricht, erklärt sich aus dem Bezug zur dZPO bei Inkrafttreten des EheG am 1.8.1938 (s dazu § 104 EheG Rz 1).
§ 44. (1) Lebt der für tot erklärte Ehegatte noch, so kann sein früherer Ehegatte die Aufhebung der neuen Ehe begehren, es sei denn, daß er bei der Eheschließung wußte, daß der für tot erklärte Ehegatte die Todeserklärung überlebt hat. (2) Macht der frühere Ehegatte von dem ihm nach Abs. 1 zustehenden Recht Gebrauch und wird die neue Ehe aufgehoben, so kann er zu Lebzeiten seines Ehegatten aus der früheren Ehe eine neue Ehe nur mit diesem eingehen. Im übrigen bestimmen sich die Folgen der Aufhebung nach § 42. [Stammfassung] Lit: Deschka, Welchen Familienstand hat ein Ehegatte, dessen Ehe nach § 43 EheG aufgelöst ist? ÖStA 1977, 62; Hainzl, Auflösung einer Ehe durch Eingehung der späteren Ehe, ÖStA 1956, 17, 25 ff, 44 f, sonst wie Vor §§ 33–34 EheG.
1 Die §§ 43 ff EheG regeln die Auswirkungen einer – unrichtigen – Todeserklärung (Beweisführung des Todes) auf die bestehende Ehe mit dem für tot Erklärten und eine von dessen Partner neu eingegangene Ehe. Aus § 43 EheG folgt, dass eine neuerliche Eheschließung bei Gutgläubigkeit zumindest eines Partners der neuen Ehe, wenn also zum Zeitpunkt der Wiederverehelichung 464
Wiederverheiratung nach Auslandsentscheidung
§ 45 EheG
zumindest ein Partner keine Kenntnis vom Überleben des für tot Erklärten hatte, die frühere Ehe mit dem für tot Erklärten aufgelöst ist (s § 43 EheG Rz 3). Lebt in dieser Konstellation der für tot erklärte Ehegatte noch, so kann sein früherer Ehegatte, sofern er bei der Eheschließung nicht wusste, dass der für tot erklärte Ehegatte den Zeitpunkt der Wiederverehelichung (und nicht der Todeserklärung; s dazu § 43 EheG Rz 7) überlebt hat, die Aufhebung der neuen Ehe begehren. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs 1 EheG hat der Ehegatte des 2 für tot Erklärten sein Aufhebungsrecht gem § 19 Abs 1 der 1. DVEheG innerhalb Jahresfrist ab Kenntnis vom Überleben des für tot Erklärten mit Aufhebungsklage gegen den Partner der zweiten Ehe geltend zu machen. Der Beklagte, der Ehegatte aus der zweiten Ehe, ist nach § 19 Abs 2 der 1. DVEheG im Scheidungsurteil dann – von Amts wegen – für schuldig zu erkennen, wenn er bei Abschluss der zweiten Ehe gewusst hat, dass der für tot erklärte Ehegatte der ersten Ehe (zur Zeit der Wiederverehelichung, nicht zur Zeit der Todeserklärung; s § 43 EheG Rz 7) noch lebte. Ein Schuldausspruch gegen den Ehegatten des für tot Erklärten kommt im Aufhebungsfall des § 44 Abs 1 EheG nicht in Betracht, weil dessen Gutgläubigkeit bereits Voraussetzung für dessen Klagerecht ist (Hopf/Kathrein § 44 EheG Anm 2). Kommt es zur Aufhebung der Ehe mit dem für tot Erklärten iS des § 44 Abs 1 3 EheG, so besteht für dessen Ehegatten ein spezifisches Eheverbot dahin, dass er, so lange der für tot Erklärte lebt, eine neuerliche Ehe nur mit diesem eingehen kann. Dem wiederverheirateten Ehegatten soll also primär die Möglichkeit eröffnet werden, zu seinem totgeglaubten Partner zurückkehren zu können. § 44 Abs 2 EheG begründet allerdings nur ein schlichtes Eheverbot (Weitzenböck/Schwimann § 44 EheG Rz 2), das insb – mangels Erwähnung in den §§ 21 ff EheG – nicht zur Nichtigkeit einer verbotswidrig abgeschlossenen Ehe führt (Stabentheiner/Rummel §§ 43, 44 EheG Rz 9). Das Eheverbot besteht bis zum tatsächlichen Ableben des fälschlich für tot Erklärten und gilt selbst dann, wenn dieser seinen (früheren) Partner nicht mehr wieder heiraten will oder – infolge eigener Wiederverehelichung – nicht mehr wieder heiraten kann.
G. Wiederverheiratung nach Auflösung der Vorehe durch eine ausländische Entscheidung § 45. Geht ein Ehegatte nach Auflösung seiner Ehe durch eine ausländische Entscheidung eine neue Ehe ein, so ist die neue Ehe nicht deswegen nichtig, weil die Voraussetzungen für eine Anerkennung der ausländischen Entscheidung nicht gegeben sind. Dies gilt nicht, wenn beide Gatten der 465
§ 45 EheG
Höllwerth
neuen Ehe bei ihrer Eheschließung wussten, dass die ausländische Entscheidung im Inland nicht anerkannt werden kann. [Fassung gem Art X Z 1 AußStr-BegleitG BGBl I 2003/112] Lit: Musger, Internationales Zivilverfahrensrecht in der Brüssel-II-Verordnung und im KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf, Reform des Kindschaftsrecht (2001), 131 ff.
1 Die geltende Fassung des § 45 EheG beruht auf Art X Z 1 AußStr-BegleitG BGBl I 2003/112. Die Bestimmung ist gem Art XXXII §§ 1, 9 AußStr-BegleitG seit 1.1.2005 in Kraft und ist in ab diesem Zeitpunkt bei Gericht anhängig gemachten Verfahren auch auf vor dem Inkrafttreten geschlossene Ehen anzuwenden. 2 Österreich ist Mitgliedstaat der – in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden – Brüssel II a-VO („Verordnung [EG] Nr 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung [EG] Nr. 1347/2000“), deren wesentlicher – verfahrensrechtlich relevanter – Teil seit dem 1.3.2005 gilt (zur früheren Rechtslage s Weitzenböck/Schwimann § 45 EheG Rz 2). In den Anwendungsbereich der Brüssel II a-VO fallen (ua) die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe (Art 1 Abs 1 lit a Brüssel II a-VO). Art 21 Brüssel II a-VO regelt die Anerkennung von Entscheidungen (ua) über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe (zur Begriffsbestimmung s Art 2 Z 4 Brüssel II a-VO) und sieht dabei vor, dass solche Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Allerdings kann gem Art 21 Abs 3 Brüssel II a-VO jede Partei, die ein Interesse hat, eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung beantragen. Art 22 Brüssel II a-VO enthält die Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung über eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe (näher dazu bei Art 1 und 3 Brüssel II a-VO). 3 Soweit nach Völkerrecht oder in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft – zu letzteren gehört im gegebenen Zusammenhang insb die Brüssel II a-VO – nichts Anderes bestimmt ist, gelten für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe die §§ 97 bis 99 AußStrG (s § 100 AußStrG). Auch nach § 97 Abs 1 AußStrG wird eine ausländische Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, die Ehescheidung oder die Ungültigerklärung einer Ehe sowie über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe in Österreich anerkannt, wenn sie rechtskräftig ist und kein Grund zur Verweigerung der Anerkennung vorliegt. Die 466
Wiederverheiratung nach Auslandsentscheidung
§ 45 EheG
Anerkennung kann als Vorfrage selbstständig beurteilt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. § 98 Abs 1 AußStrG normiert – vergleichbar dem Art 21 Abs 3 Brüssel II a-VO –, dass, wer ein rechtliches Interesse daran hat, die Anerkennung der Entscheidung in einem selbstständigen Verfahren beantragen kann, und § 99 AußStrG sieht einen entsprechenden Antrag auf Nichtanerkennung vor. § 97 Abs 2 AußStrG enthält die Gründe, bei deren Vorliegen der Entscheidung die Anerkennung zu verweigern ist (s dazu näher Vor und bei §§ 97 ff AußStrG; zum weiten Verständnis des Begriffs der ausländischen „Entscheidung“ s § 97 AußStrG Rz 4 und jüngst 1 Ob 138/09i mwN = EF-Z 2010/70, 109 [Höllwerth]). Aus der Rechtslage nach Art 21 Brüssel II a-VO (s Rz 2) bzw nach den §§ 97 ff 4 AußStrG (s Rz 3) folgt insb als Ergebnis eines fakultativen Anerkennungsverfahrens die Möglichkeit, dass eine ausländische Entscheidung über die Auflösung einer Ehe in Österreich nicht anerkannt werden kann. Ist ein Ehegatte oder sind beide Ehegatten der Vorehe inzwischen „wiederverehelicht“, würde es sich bei der (den) Folgeehen um (eine) nach den §§ 8, 24 EheG nichtige Doppelehe(n) handeln. § 45 EheG folgt bei der Regelung dieser Situation dem Konzept des § 43 Abs 1 EheG für den Fall einer Wiederverheiratung nach einer falschen Todeserklärung (Beweisführung des Todes). Geht demnach ein Ehegatte nach Auflösung seiner Ehe durch eine ausländische Entscheidung eine neue Ehe ein, so ist diese neue Ehe (nur) dann eine nichtige Doppelehe (§§ 8, 24 EheG), wenn beide Gatten der neuen Ehe bei ihrer Eheschließung wussten, dass die ausländische Entscheidung im Inland nicht anerkannt werden kann. Wie nach § 43 EheG (s § 43 EheG Rz 7) wird auch im Anwendungsbereich des § 45 EheG positive Kenntnis aller für die Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung maßgeblichen Fakten vorliegen müssen, während fahrlässige Unkenntnis der Nichtanerkennungstauglichkeit nicht reicht. Liegt der Fall der Nichtigkeit der zweiten Ehe infolge Schlechtgläubigkeit beider Ehegatten vor, so können in sinngemäßer Anwendung des § 28 Abs 2 EheG wohl jeder der beteiligten Ehegatten sowie der Staatsanwalt den Nichtigkeitsgrund mit Klage geltend machen. Für den Fall, dass auch nur einem Ehegatten zum Zeitpunkt der Wiederverhei- 5 ratung nicht bekannt war, die ausländische Entscheidung könne im Inland nicht anerkannt werden, kommt es nicht zu der in § 43 Abs 2 EheG für die vergleichbare Situation vorgesehenen Ipso-iure-Auflösung der durch die ausländische Entscheidung nicht wirksam aufgelösten Ehe. Dies lässt sich damit begründen, dass die Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung – sei es zufolge der Gründe des Art 22 Brüssel II a-VO oder des inhaltlich durchaus ähnlichen § 97 Abs 2 AußStrG – auf schwerwiegenden Entscheidungs- oder Verfahrensdefiziten beruht. Dieser deshalb für den inländischen Rechtsbereich nicht anerkennungsfähigen Entscheidung würde dann aber durch eine dem § 43 Abs 2 EheG folgende Ipso-iure-Auflösungswirkung gerade (mittelbare) 467
§ 45 EheG
Höllwerth
Rechtswirksamkeit verliehen. Aus dieser Konfliktlage, nämlich einerseits dem Vorliegen einer nicht anerkennungsfähigen und daher nicht eheauflösend wirkenden (ausländischen) Entscheidung und andererseits einer infolge Wiederverheiratung neuen Ehe mit zumindest einem gutgläubigen Ehepartner, folgt als – eherechtlich überraschende – Konsequenz eine für den österreichischen Rechtsbereich wirksame Doppelehe. Nach den Mat (ErläutRV 225 Blg NR 22. GP 13 f) wurde diese Rechtsfolge offenbar bewusst in Kauf genommen, weil „die Nichtanerkennung einer ausländischen eheauflösenden Entscheidung einen sehr seltenen Ausnahmefall darstellen wird“. In diesem Fall „einer nicht nichtigen Doppelehe (. . .), wird der zweifach verheiratete Gatte eine auch für das Inland wirksame Auflösung der alten Ehe anstreben müssen“, wobei die Mat (ErläutRV 225 Blg NR 22. GP 13 f) freilich verschweigen, wie er dabei Erfolg versprechend vorgehen soll. 6 In anerkennungsrechtlich bedenklichen Fällen bieten aber immerhin die fakultativen Anerkennungsverfahren die Möglichkeit, schon vorsorglich Zweifel an der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen eheauflösenden Entscheidung im einen oder anderen Sinn zu beseitigen und auf diese Weise unliebsame Überraschungen wie eine legale Doppelehe zu vermeiden. Im Anwendungsbereich der §§ 97 bis 99 AußStrG steht auch dem Standesbeamten zur Klärung von anerkennungsrechtlichen Zweifelsfragen nach § 50a PStG die Möglichkeit offen der Partei, die sich auf eine ausländische Entscheidung über die Auflösung einer Ehe beruft, die Vorlage einer gerichtlichen Entscheidung über deren Anerkennung (§§ 97 ff AußStrG) aufzutragen (s dazu auch Höllwerth, EF-Z 2010/70, 111 [Entscheidungsanmerkung]).
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Zweiter Abschnitt Recht der Ehescheidung A. Allgemeine Vorschriften § 46. Die Ehe wird durch gerichtliche Entscheidung geschieden. Sie ist mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Die Voraussetzungen, unter denen die Scheidung begehrt werden kann, ergeben sich aus den nachstehenden Vorschriften. [Fassung gem BGBl 1978/280] Lit: Aicher, Ehescheidung und Scheidungsfolgen, in Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979) 83; ders, Die Reform des Rechts der Ehescheidung und der unterhaltrechtlichen Scheidungsfolgen, FamRZ 1980, 426, 637; Beclin, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz im Lichte des Eherechts, EF-Z 2010/34; Beck, Vorwegvereinbarung über die Aufteilung ehelicher Ersparnisse und ehelichen Gebrauchsvermögens, EF-Z 01/2010, 43; Benke, Zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft 2009: Weder Ehe noch Familie, EF-Z 01/2001, 19; L. Berka, Scheidung und Scheidungsreform 2000 (2000); Böhm/Fuchs, Zum Eintritt der Rechtskraft und der zivilrechtlichen Wirkungen des Ehescheidungsbeschlusses, ÖJZ 2002, 618; Breycha, Die nackte Scheidung, RZ 1999, 190; Gitschthaler, Die neuen Vorwegvereinbarungen nach dem FamRÄG 2009, EF-Z 01/2010, 9; Harrer, Verschuldensprinzip und Scheidungsrecht, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992) 553; Heckenast, Zum Anspruch auf Witwenpension von Geschiedenen gem § 258 Abs 4 lit d ASVG, RdA 2003, 78; Schalich, Das neue streitige Eheverfahren, RZ 1985, 13, 26, 50; Schüch, Das geltende österreichische Scheidungsrecht, ÖA 1983, 2; Schwind, Verschulden als Scheidungsgrund, Zerrüttungsursache und Faktor im Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1983, 197.
Scheidung ist die Auflösung der Ehe durch eine gerichtliche Entscheidung ab 1 Rechtskraft der Gerichtsentscheidung (ex nunc). Die Scheidung erfolgt durch Urteil aufgrund einer Klage (§§ 49–55 EheG) oder durch Beschluss auf gemeinsamen Antrag der Ehepartner (§ 55a EheG; § 96 AußStrG). Zu den Bestrebungen, das Verschuldensprinzip im österreichischen Ehescheidungsrecht durch das Zerrüttungsprinzip zu ersetzen, s Feil § 46 EheG Rz 1.
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§ 46 EheG
Aichhorn
2 Die Scheidung setzt ein aufrechtes Eheband voraus und ist an taxative Scheidungsgründe (§§ 49–55a EheG) geknüpft. Die Ehepartner können nicht über die Scheidungsgründe disponieren, also weder nicht bestehende Scheidungsgründe wirksam vereinbaren noch auf künftige wirksam verzichten (vgl näher Rz 4). Im Gegensatz zu den Nichtigkeits- und Aufhebungsgründen beruhen die Scheidungsgründe immer auf einem Verhalten eines Ehepartners, das nach der Eheschließung während der Ehe gesetzt wurde (9 Ob 247/97g = EF 84.595). 3 Grundsätzlich kann die klagende Partei verschiedene Scheidungsgründe gleichwertig nebeneinander oder in bestimmter Reihenfolge geltend machen. Bei einer Reihung sind die Gerichte daran gebunden (6 Ob 521/86; 7 Ob 303/00k = RIS-Justiz RS0056372). Werden Ehescheidungsgründe nach § 49 EheG und § 55 EheG nebeneinander geltend gemacht, dann ist nach hM mangels gegenteiliger Erklärung des Klägers in erster Linie über den Klagegrund nach § 49 EheG zu entscheiden, weil in diesem Fall die rechtliche Stellung des obsiegenden Klägers günstiger ist (8 Ob 170/70 = SZ 43/150; 8 Ob 571/88 = EF 57.078; 7 Ob 303/00k; Hopf/Kathrein § 46 EheG Anm 4). Wird die Ehe stattdessen nach § 55 EheG geschieden und der Rechtsschutzantrag nach § 49 EheG gänzlich übergangen, so stellt dies (nur) einen (schlichten) Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 ZPO dar, der mit Verfahrensrüge oder mit einem Ergänzungsantrag gem § 423 ZPO geltend zu machen ist. Erhebt die Partei keine Verfahrensrüge und stellt sie auch keinen Ergänzungsantrag, ist das auf § 49 EheG gestützte Begehren aus dem Verfahren ausgeschieden; im Berufungsverfahren ist nur mehr die auf § 55 EheG gestützte Entscheidung zu beurteilen (LG Wels 21 R 386/05x). Wurde das Scheidungsbegehren nur auf Eheverfehlungen iSd § 49 EheG gestützt, kommt eine Scheidung der Ehe nach § 55 EheG nicht in Betracht. Es ist allein zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Verschuldensscheidung vorliegen (LGZ Wien 42 R 595/05v). 4 Ein Verzicht auf künftige Scheidungsgründe – und zwar auch auf das Recht, die Scheidung nach § 55 EheG zu begehren – ist zwar unwirksam, doch kann ein bereits bestehender Verschuldensscheidungsgrund einseitig verziehen oder auf die weitere Geltendmachung (auch aller) bestehender Scheidungsgründe einseitig oder in Vertragsform wirksam verzichtet werden (RIS-Justiz RS0016541). 5 Die (umstrittene) Einheitlichkeit des Eheverfahrens (Stabentheiner/Rummel § 46 EheG Rz 5 und Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 46 EheG Rz 4 jeweils mwN) hindert nicht die nachträgliche, iSd §§ 57 und 59 EheG fristgerechte Geltendmachung weiterer Verschuldensgründe nach bereits erfolgter Ehescheidung mit selbstständiger Klage („Ergänzungsklage“) zur Ergänzung des Urteils durch einen bisher nicht vorhandenen oder nur den Kläger betreffenden Schuldausspruch bezüglich der beklagten Partei. Die Ergänzungsklage betrifft Fälle, in denen es der Kläger bei der im Vorprozess ausgespro470
§ 46 EheG
Recht der Ehescheidung
chenen Ehescheidung belassen, das Urteil des Vorprozesses aber durch einen Verschuldens- oder Mitverschuldensausspruch ergänzt haben will. Werden Tatsachen geltend gemacht, die vor Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind, und Beweismittel, die zum Nachweis solcher Tatsachen dienen, dann ist Wiederaufnahmsklage zu erheben, sofern diese Tatsachen und Beweismittel dem Wiederaufnahmskläger im Vorprozess nicht bekannt oder benutzbar waren. Die Ergänzungsklage hat hingegen zur Voraussetzung, dass die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, jedenfalls vor Schluss der mündlichen Verhandlung der Hauptklage entstanden und dem Ergänzungskläger auch vor diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind (1 Ob 520/90 = JBl 1991, 509 = EF 63.437; LGZ Wien EF 91.079). Die Rechtskraft einer bereits erfolgten Ehescheidung steht also der nachträglichen Geltendmachung weiterer Verschuldensgründe mit einer selbstständigen „Ergänzungsklage“ nicht im Weg. Diese Gründe können sich jedoch nur auf Tatsachen beziehen, die im Vorprozess noch nicht über den Weg der gerichtlichen Feststellung und Beweiswürdigung Eingang in die mittlerweile rechtskräftige Entscheidung gefunden haben. Andernfalls würde die Ergänzungsklage zu einem willkürlich einsetzbaren Instrument zur Umgehung der Rechtskraft von Scheidungsurteilen, was unweigerlich zu einer Verletzung der diesbezüglich eingetretenen Teilrechtskraft des Scheidungsurteils führen würde. Es können daher zulässigerweise nur solche Umstände zur Klärung der Verschuldensfrage oder Änderung des Schuldausspruchs mit Ergänzungsklage geltend gemacht werden, die dem Ergänzungskläger vor Schluss der mündlichen Verhandlung der Hauptklage bekannt waren, die aber noch nicht erörtert und somit noch nicht in der rechtskräftigen Entscheidung berücksichtigt wurden (LGZ Wien EF 90.998). Bei der Ergänzungsklage geht es stets um Gestaltungsmöglichkeiten des im Scheidungsverfahren beklagten Ehepartners durch einen Verschuldens- oder Mitverschuldensantrag, weil der Scheidungskläger den Ausspruch eines Verschuldens der beklagten Partei nur durch die Geltendmachung eines darauf abzielenden Scheidungsgrunds (§ 49 EheG) erwirken kann und seine prozessualen Möglichkeiten zur gerichtlichen Erörterung der Verschuldensfrage endgültig vergibt, wenn er sich auf einen anderen Scheidungsgrund festlegt. Es geht darum, das im Vorprozess nach Maßgabe des Klagebegehrens ergangene, durch die Unterlassung eines Mitverschuldens- oder Verschuldensantrags der beklagten Partei jedoch unvollständig gebliebene Scheidungsurteil zu ergänzen, und nicht um die Gewährung eines zusätzlichen Rechtsschutzanspruchs an den, der mit seinem frei gewählten, die Verschuldensfrage ausklammernden Scheidungsbegehren bereits durchgedrungen ist. In dieser Beschränkung des Klagerechts liegt keine gleichheitswidrige Bevorzugung der im Ehescheidungsstreit beklagten Partei. Für sie lässt sich ins Treffen führen, einen Verschuldens- oder Mitverschuldensantrag nur deshalb unterlassen zu haben, weil sie an der Ehe festhalten wollte und ihr primäres Prozessziel die Abweisung des Scheidungsbegehrens war. Die Geltendmachung von Eheverfehlungen des Prozessgeg471
§ 49 EheG
Aichhorn
ners, mit dem sie in der Ehe verbunden bleiben wollte, konnte dabei den eigenen Interessen widersprechen und folglich unzumutbar sein (9 Ob 157/99z = EF 90.291). 6 Die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe sind gem § 20 Abs 1 IPRG nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht „im Zeitpunkt der Ehescheidung“ zu beurteilen. Maßgeblich wird damit nach § 20 IPRG das Recht, das für die persönlichen Ehewirkungen im Zeitpunkt der Ehescheidung, und zwar zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, durch das (Berufungs-)gericht in einem allfälligen Scheidungsverfahren heranzuziehen ist (7 Ob 173/00t = ZfRV 2002/24). Damit wird an das Ehewirkungsstatut des § 18 IPRG angeknüpft (unwandelbares Statut); dieser Zeitpunkt ist nicht jener des Ausspruchs der letztinstanzlichen Entscheidung, sondern der Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz. Nach § 18 Abs 1 IPRG sind die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe nach dem gemeinsamen, mangels eines solchen nach dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehepartner, sofern es einer von ihnen beibehalten hat, sonst nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehepartner ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, mangels eines solchen nach dem Recht des Staates, in dem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat, zu beurteilen (3 Ob 564/95 = ZfRV 1996/17).
B. Ehescheidungsgründe I. Scheidung wegen Verschuldens (Eheverfehlungen) § 47. aufgehoben samt Überschriften durch Art II Z 1 EheRÄG 1999, BGBl I 1999/125 § 48. aufgehoben samt Überschriften durch Art II Z 1 EheRÄG 1999, BGBl I 1999/125 1 Hat sich eine Scheidungsklage vor dem Inkrafttreten des EheRÄG 1999 (1.1.2000) auf die Scheidungsgründe der §§ 47 oder 48 EheG gestützt, dann sind diese noch auf die anhängigen Scheidungsverfahren anzuwenden (Art VII Z 3 EheRÄG 1999, BGBl I 1999/125).
§ 49. Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere durch eine schwere Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet hat, daß die Wiederherstellung einer ihrem 472
§ 49 EheG
Scheidung wegen Verschuldens
Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann. Eine schwere Eheverfehlung liegt insbesondere vor, wenn ein Ehegatte die Ehe gebrochen oder dem anderen körperliche Gewalt oder schweres seelisches Leid zugefügt hat. Wer selbst eine Verfehlung begangen hat, kann die Scheidung nicht begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhangs der Verfehlung des anderen Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist. [Fassung gem EheRÄG 1999, BGBl I Nr 125/1999) Lit: Aicher, Ehescheidung und Scheidungsfolgen, in Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979) 83; Aichhorn, Das EheRÄG 1999, in Aichhorn (Hrsg), Unterhalt – Obsorge – Kinderbetreuungsgeld (2003) 25; Beclin, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz im Lichte des Eherechts, EF-Z 2010/34; L. Berka, Scheidung und Scheidungsreform 2000 (2000); Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2000); C. Graf, Auskunftspflichten im Unterhaltsrecht, Zak 2007, 243; Harrer, Verschuldensprinzip und Scheidungsrecht, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992) 553; Höllwerth, Detektiveinsatz nach Ehezerrüttung, EF-Z 2009/139; Hopf, Eherechts-Änderungsgesetz 1999 im Überblick, in Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2000) 10; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 821 (Teil I) und 861 (Teil II); Mader, Ehebruch als Scheidungstatbestand (2002); Schwind, Verschulden als Scheidungsgrund, Zerrüttungsursache und Faktor im Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1983, 197. Inhaltsübersicht A. B. C. D. E.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unheilbare Ehezerrüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zerrüttungskausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scheidungsrelevante Eheverfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schwere Eheverfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ehrloses oder unsittliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Reaktionshandlungen – Verwirkungsklausel – Scheidungsausschluss mangels sittlicher Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechtigte, entschuldbare Reaktionshandlungen . . . . . . . . . . . . 3. Unberechtigte, nicht entschuldbare Reaktionshandlungen . . . . .
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1–3 4–5 6–10 11–12 13–31 13–14 15–26 27–31
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32–36 32–34 35 36
A. Allgemeines Mit dem EheRÄG 1999 wurden durch die Aufhebung der §§ 47 und 48 EheG 1 die absoluten Scheidungsgründe des Ehebruchs und der Verweigerung der Fortpflanzung beseitigt, um diese den „relativen“ Scheidungsgründen des § 49 EheG unterzuordnen, dh nur dann als Eheverfehlungen zu werten, wenn da473
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Aichhorn
raus eine unheilbare Zerrüttung der Ehe folgt (zum EheRÄG 1999 s ausführlich Aichhorn, EheRÄG 1999, 25; Deixler-Hübner, Eherecht 24; Ferrari/Hopf, Eherechtsreform 1; Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 861). Nach den Mat sollte nur die als Anachronismus empfundene Konstruktion dieser beiden Tatbestände als absolute Scheidungsgründe beseitigt werden, was selbstverständlich nicht bedeuten sollte, dass ein Scheidungsbegehren nicht mehr auf die beiden Gründe gestützt werden kann. Vielmehr soll nach dem Wortlaut der Mat Ehebruch und Verweigerung der Fortpflanzung – der erste Scheidungsgrund sogar unter ausdrücklicher Nennung – gleichsam in den Rechtsbestand des § 49 EheG über die schwere Eheverfehlung aufgenommen werden, sodass künftig alle an ein Verschulden anknüpfenden Gründe für die Scheidung einer Ehe in dieser Bestimmung konzentriert sind (9 Ob 13/04h = EF 108.186). Auch wenn der Gesetzgeber den Scheidungstatbestand der Verweigerung der Fortpflanzung nicht ausdrücklich – so wie Ehebruch – in § 49 EheG erwähnte, so besteht dennoch kein Zweifel daran, dass die ungerechtfertigte Ablehnung von Nachwuchs nach wie vor grundsätzlich als scheidungsrelevante Eheverfehlung anzusehen ist (RV 1653 BlgNR 20. GP 13, 23). Auf die Rsp zum aufgehobenen § 48 EheG kann daher zurückgegriffen werden; vgl auch Rz 25 f. 2 Aus dem Text des § 49 Satz 2 EheG ergibt sich eindeutig (arg: „insbesondere“), dass die dort aufgezählten Eheverfehlungen (Ehebruch, körperliche Gewalt oder Zufügung schweren seelischen Leids) demonstrativer Natur sind (9 Ob 13/04h = EF 108.186). Mit der ausdrücklichen Nennung der psychischen Gewalt wollte der Gesetzgeber die Bedeutung dieses Fehlverhaltens im Rahmen des Scheidungsrechts besonders betonen. Psychoterror, Beschimpfungen, lang dauernde, gezielte Ausübung subtilen Drucks sind daher ebenso schwere Eheverfehlungen wie körperliche Gewalt, Drohungen mit physischer Gewalt oder Ehebruch (JMZ 4.440/97-I 1/1998, 34). Da § 49 EheG somit keinen Katalog kennt, kann nur im Einzelfall beurteilt werden, ob eine Eheverfehlung schwer ist und zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt hat (9 Ob 13/04h = EF 108.186). Es ist das Gesamtverhalten der Ehepartner während der Ehe zu prüfen (LGZ Wien EF 93.715; 108.191). Eheverfehlungen ieS sind Verletzungen der gesetzlichen Ehepflichten, wie sie sich aus den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe ergeben (LG Krems EF 114.152; LG Linz EF 120.039). Eine Eheverfehlung kann in einer Handlung oder in einer Unterlassung bestehen und richtet sich gegen das Wesen der Ehe und der damit verbundenen Pflichten und ist mit dem Wesen der Ehe als eine alle Lebensbereiche umfassende Lebensgemeinschaft unvereinbar (1 Ob 514/90 = EF 63.348; LG Wels EF 120.038). Bei weniger schwerwiegenden Beschimpfungen, Streitereien udgl kommt manchmal den einzelnen Handlungen für sich allein nicht das Gewicht einer schweren Eheverfehlung zu, wohl aber dem Gesamtverhalten, der längeren Dauer und der Wiederholung eines solchen Verhaltens, etwa wenn die damit verbundene nervliche Belastung unerträglich wird (LG Salzburg EF 93.722). 474
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Die Ehe kann wegen eines schweren schuldhaften Fehlverhaltens (Ehever- 3 fehlung iwS) des anderen Ehepartners geschieden werden, wenn diese Eheverfehlung zu einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt hat. Die Verfehlung muss objektiv schwer sein und subjektiv als ehezerstörend empfunden werden (LGZ Wien EF 108.191). Das ehewidrige Verhalten muss neben der subjektiven Wertung die objektive Eignung aufweisen, einen bedeutenden Beitrag zur unheilbaren Ehezerrüttung zu leisten (1 Ob 514/90 = EF 36.292; LG Wels EF 120.041). Ob der gekränkte Ehepartner eine Eheverfehlung als ehezerstörend empfunden hat, ist rein subjektiv zu beurteilen (LG Salzburg EF 120.069). Eine Eheverfehlung gem § 49 EheG muss ein während aufrechter Ehe gegen den Partner gerichteter Verstoß gegen die sich aus den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe ergebenden Pflichten sein, der eine schuldhafte tief greifende Ehezerrüttung bewirkt, aufgrund derer eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist (2 Ob 570/84 = EF 46.149; 1 Ob 514/90 = EF 63.348). Der Begriff „schwere Eheverfehlung“ wird allgemein durch das Wesen der Ehe, weiters durch die konkrete Gestaltung des ehelichen Verhältnisses der Ehepartner bestimmt (LGZ Wien EF 93.714). Die Eheverfehlung verlangt objektiv einen Verstoß gegen die Pflicht der Ehepartner, die Ehegemeinschaft zu erhalten und zu vertiefen. Ein Verhalten, das dem sich aus dem Wesen der Ehe ergebenden, jeder Ehe immanenten inneren Gesetz widerstreitet, ist objektiv eine Eheverfehlung, wenn es ohne Rücksicht darauf, wie es von den Ehepartnern empfunden worden ist, seiner Natur nach mit dem Wesen der Ehe unvereinbar ist (LGZ Wien EF 84.550). Eine Eheverfehlung ist aber nur dann ein Scheidungsgrund, wenn sie kausal für die unheilbare Zerrüttung der Ehe war, wobei es ausreichend ist, wenn sie dazu zumindest beigetragen hat. War die Ehe bereits unheilbar zerrüttet, als das Verhalten gesetzt wurde, fehlt es am Kausalzusammenhang und eine Scheidung ist dann nach § 49 EheG nicht mehr möglich (9 Ob 102/01t = EF 97.219; 10 Ob 6/03k = EF 104.836). Eheverfehlungen, die nicht zur Zerrüttung geführt haben, bilden keinen Scheidungsgrund (1 Ob 518/90 = RZ 1990/ 78; LG Wels EF 104.827). Unheilbare Ehezerrüttung iSd § 49 EheG ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehepartnern und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehepartner auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (6 Ob 138/04v). Ist die Ehe bereits unheilbar zerrüttet, dann stellt das nachfolgende Verhalten eines Ehepartners grundsätzlich keinen Scheidungsgrund mehr dar. Zu diesem Grundsatz gibt es zwei Einschränkungen. Einerseits sind Eheverfehlungen auch nach bereits eingetretener Zerrüttung noch zu berücksichtigen, wenn sie für eine noch tiefere Ehezerrüttung geeignet sind und vom anderen auch so empfunden werden konnten („vertiefende Zerrüttung“; 8 Ob 311/98p = EF 90.286). Andererseits gibt die eingetretene unheilbare Zerrüttung der Ehe dem an der Zerrüttung schuldigen Ehepartner keinen „Freibrief“, danach folgenlos weitere, 475
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womöglich noch schwerere Eheverfehlungen setzen zu können. Der schuldlose Ehepartner kann weitere schwere Eheverfehlungen desjenigen Ehepartners, der die unheilbare Ehezerrüttung allein bewirkt hat, trotz der bereits eingetretenen Zerrüttung geltend machen, weil eine Berufung auf die Verwirkung des Scheidungsrechts nach § 49 EheG wegen unheilbarer Zerrüttung der Ehe, die man selbst allein verschuldet hat, unzulässig ist (8 Ob 2119/96t = JBl 1997, 787). Der Zeitpunkt der Ehezerrüttung ist bei Verschuldens- und Zerrüttungsscheidungen von wesentlicher Bedeutung. Für Erfolg und Misserfolg im Scheidungsstreit wird dabei schon auf Tatsachenebene der Grundstein gelegt. Dass dabei jedes einzelne Wort der erstgerichtlichen Feststellungen den Ausschlag geben kann, dafür ist die Entscheidung 7 Ob 284/08b ein beredtes Beispiel (EF-Z 2010/43 Höllwerth).
B. Verschulden 4 Zum Wesen der schweren Eheverfehlung nach § 49 EheG gehört ihre Zurechenbarkeit kraft Verschuldens. Das Verschulden ist also Begriffsmerkmal der Eheverfehlung und nicht erst iZm der Zerrüttung relevant (LG Linz EF 120.032). Der Scheidungstatbestand des § 49 EheG verlangt schuldhaftes – vorsätzlich oder fahrlässiges – Verhalten (10 Ob 314/02b = EF 100.818). Einlassungsfahrlässigkeit, etwa bei Trunkenheit, genügt; es kann also auch ein Verhalten im Zustand der Volltrunkenheit eine schwere Eheverfehlung sein (8 Ob 575/78 = EF 33.904; 1 Ob 512/82 = EF 41.182). Ob die Neigung des Ehepartners zum Alkoholmissbrauch bei der Eheschließung dem anderen bekannt war, ist unerheblich, weil jeder Ehepartner erwarten darf, dass der Partner Neigungen, die ein gedeihliches Zusammenleben stören, soweit wie möglich unterdrückt (1 Ob 68/98a = EF 87.440; 10 Ob 234/02p = EF 100.819; LG Salzburg EF 120.059). Krankhafte, nicht zum Wahn gesteigerte Eifersucht schließt die Schuldfähigkeit eines Ehepartners nach § 49 EheG nicht aus (4 Ob 528/87 = 54.338; LG Wels EF 111.188). Das Verschulden an der Eheverfehlung fehlt bei Schuldunfähigkeit (Zurechnungsunfähigkeit), die immer dann vorliegt, wenn das ehebelastende Verhalten in einem die erforderliche Einsichtsund Urteilsfähigkeit ausschließenden Geisteszustand erfolgt, wie etwa während einer geistigen Störung iSd § 50 EheG (LG Wels EF 120.045). Entscheidend ist, dass durch den pathologischen Geisteszustand die Fähigkeit, die ehebelastende Wirkung des Verhaltens zu erkennen und dieser Einsicht gemäß zu handeln, entweder ausgeschlossen oder erheblich herabgesetzt ist (LG Linz EF 120.034). Im Verfahren über eine Scheidungsklage nach § 49 EheG hat das Gericht bei Vorhandensein ausreichender Indizien von Amts wegen zu untersuchen, ob das Verhalten auf einer geistigen Störung iSd § 50 EheG beruht, da für Umstände, die eheerhaltend sind, der Untersuchungsgrundsatz gilt (OLG Wien EF 29.551; LGZ Wien EF 120.091). 476
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Die Beweislast, dass kein Verschulden iSd § 49 EheG vorliegt bzw das Ver- 5 schulden wesentlich gemindert ist, trifft den Beklagten; grundsätzlich wird Handlungsfähigkeit vermutet. Der Scheidungskläger muss das Vorliegen schwerer Eheverfehlungen beweisen, nicht aber den Gesundheitszustand seines Gegners; der Gegner hat den Gesundheitszustand zu beweisen, der den nachgewiesenen Eheverfehlungen die Qualifikation eines Scheidungsgrunds nimmt (6 Ob 635/89 = EF 60.135; 7 Ob 115/03t = EF 104.807; LG Wels EF 120.047). Ein Verschulden an der Eheverfehlung fehlt insb dann, wenn das ehebelastende Verhalten in einem die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit ausschließenden Zustand gesetzt wurde, zB während einer geistigen Störung iS des § 50 EheG (LG Wels EF 120.045). Ist dem Gegner der Beweis gelungen, dass er an einer geistigen Störung leidet, die seinem Verhalten allgemein die Qualifikation von Ehescheidungsgründen aus Verschulden nehmen würde, muss im Fall eines Mitverschuldensantrags der andere Teil beweisen, dass im Einzelfall bestimmte Verfehlungen nicht von diesem Ausschluss betroffen sind (LG Wels EF 111.211).
C. Unheilbare Ehezerrüttung Eine Zerrüttung der Ehe liegt dann vor, wenn die geistige, seelische oder kör- 6 perliche Gemeinschaft zwischen den Ehepartnern zu bestehen aufgehört hat, sodass die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann (LG Salzburg EF 120.070). Der Wille, die Ehe fortzuführen, muss verloren gegangen sein. Die Ehezerrüttung ist ein auch nur bei einem Ehepartner (Kläger) psychisch eingetretener Zustand, der den unwiederbringlichen Verlust der ehelichen Gesinnung bedeutet. Eine unheilbare Zerrüttung der Ehe ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehepartnern objektiv und wenigstens bei einem Ehepartner (Kläger) subjektiv zu bestehen aufgehört hat (7 Ob 254/04k = EF 111.193; 2 Ob 152/07b = EF 120.071). Die klagende Partei muss den Ehewillen endgültig, nicht nur derzeit verloren haben und auch in Zukunft eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft ablehnen. Ein Fortsetzungswille auf Seite des Beklagten ist unerheblich (LGZ Wien 42 R 595/05v; 2 Ob 152/07b = EF 120.071). Die Ehe ist unheilbar zerrüttet, wenn die Gemeinschaft der Ehepartner objek- 7 tiv beendet und dieser Umstand einem von ihnen subjektiv bewusst ist (LGZ Wien EF 90.276). Es genügt, dass der Kläger die eheliche Gesinnung verlor (3 Ob 503/90 = EF 63.384; LG Salzburg EF 120.075). Wesentlich ist, dass das Verhalten des schuldigen Ehepartners geeignet ist, dem anderen Ehepartner die Fortsetzung der Ehe unerträglich zu machen und diese Wirkung eingetreten ist (2 Ob 615/86 = EF 51.603). Für den endgültigen Verlust des Ehewillens 477
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auf Seite des Klägers spricht idR die Klagseinbringung (LG Salzburg EF 108.210; LGZ Wien EF 111.197; LG Salzburg EF 120.076). Die unheilbare Zerrüttung ist also zumindest mit der Einbringung der Scheidungsklage erreicht, wenngleich sich daraus nicht notwendigerweise die objektive Zerrüttung der Ehe ergibt, weil es nicht ungewöhnlich ist, dass eine solche Zerrüttung erst nach der Klageerhebung eintritt (LG Salzburg EF 111.199). 8 Es ist nicht notwendig, dass die Eheverfehlung alleinige und ausschließliche Ursache für die Ehezerrüttung war, aber sie muss diese letztlich ausgelöst haben. Auch eine bereits zerrüttete Ehe kann durch weitere, schwere Eheverfehlungen noch tiefer zerrüttet werden (OLG Wien EF 69.224; 8 Ob 2119/96t = EF 84.573). Die objektive Zerrüttung kann auch erst nach Klagseinbringung eintreten, das ehewidrige Verhalten muss aber grundsätzlich während aufrechter Ehe begangen worden sein, dh bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (LG Salzburg EF 120.080; Koch/KBB § 49 EheG Rz 4; aA OLG Linz EF 36.300, wonach auch ein ehewidriges Verhalten, das nach einem noch nicht rechtskräftigen Scheidungsurteil erster Instanz gesetzt wurde, eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG sein kann). 9 Die Beurteilung der Unheilbarkeit der Zerrüttung sowie des Zeitpunkts ihres Eintritts muss darauf abstellen, ob in einem bestimmten Zeitpunkt ungeachtet einer bestehenden Ehekrise für die Zukunft angenommen werden konnte, dass der Ehepartner, der subjektiv die Bereitschaft zur Fortsetzung der Ehe abgelehnt hat, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufnehmen werde, ob es den Eheleuten somit möglich sein werde, eine entsprechende Form des Zusammenlebens erneut zu finden (LG Salzburg EF 108.215; 111.204; LGZ Wien 120.074). Die Frage, ob eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, ist umsichtiger zu prüfen, wenn die Ehepartner während des Scheidungsstreits räumlich nicht getrennt leben (LG Salzburg EF 114.188; LGZ Wien EF 120.072). 10 Die Frage, ob und ab wann eine Ehe objektiv unheilbar zerrüttet ist, ist eine auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen nach objektiven Maßstäben zu beurteilende Rechtsfrage (8 Ob 597/92 = EF 69.216; 1 Ob 45/02b = EF 100.849; 9 Ob 144/03x = EF 104.830; 2 Ob 152/07b = EF 120.079). Ob die Ehe subjektiv unheilbar zerrüttet ist (Verlust des Ehewillens), stellt eine irrevisible Tatsachenfrage dar (1 Ob 45/02b = EF 100.851; 9 Ob 52/03 = EF 104.831; LG Salzburg EF 120.077). Zu prüfen ist insb, ob die klagende Partei den Ehewillen endgültig verloren hat und nicht nur derzeit, sondern auch in Zukunft eine Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft ablehnt. Wenn die Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung übereinstimmend keinen Ehewillen hatten und niemals eine geistig-körperliche-seelische Gemeinschaft der Ehepartner bestanden hatte, so stellt dies alleine keinen Scheidungsgrund dar. Ein Scheidungsbegehren kann dann zwar auch auf § 49 EheG gestützt werden, wenn eine derartige Gemeinschaft nie bestanden hat, und es genügt 478
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in diesem Fall ein als schwere Eheverfehlung zu wertendes Verhalten, um die von § 49 EheG geforderte Zerrüttungswirkung herbei zu führen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Ehe allein wegen einer von Anfang an bestandener unheilbarer Ehezerrüttung geschieden werden könnte, weil die Zerrüttung allein kein tauglicher Scheidungsgrund ist, sondern hiezu weitere Umstände hinzu treten müssen (LG Wels EF 120.033).
D. Zerrüttungskausalität Eine Eheverfehlung bildet nur dann einen Scheidungsgrund, wenn sie kausal 11 für die unheilbare Zerrüttung gewesen ist (LG Salzburg EF 111.176; 120.067). Dabei genügt es, wenn die geltend gemachten Eheverfehlungen zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe beigetragen haben. Die Zerrüttung kann auch allmählich eingetreten sein (LG Salzburg EF 111.176). Keine Ursächlichkeit liegt vor, wenn zB die verletzte Ehefrau selbst das Verhalten ihres Mannes gar nicht als Eheverfehlung empfindet, sondern sich nur infolge des Einflusses dritter Personen, etwa der Eltern, von ihm abwendet (Feil § 49 EheG Rz 6). Ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Ehezerrüttung und der Eheverfehlung ist nicht zwingend. Es ist also durchaus möglich, die Ehe nach außen hin noch einige Zeit aufrecht zu erhalten und erst nach einiger Zeit die Scheidungsklage einzureichen. Letztlich sind im Scheidungsprozess nicht nur objektive Tatsachen bedeutsam, sondern auch ihre Wirkung auf die seelische Verfassung der Eheleute und deren Verhältnis zueinander für das Vorhandensein eines Scheidungsgrunds maßgebend. Gerade bei Beurteilung der Zerrüttungskausalität einer Eheverfehlung und des Ursachenzusammenhangs muss die gesamte Geschichte der Ehe, deren Verlauf sowie die Entstehung und die Entwicklung der Konflikte betrachtet werden (LG Salzburg EF 111.205). Eheverfehlungen iSd § 49 EheG müssen während aufrechter Ehe begangen 12 worden sein. Verfehlungen, die nach der Trennung der Ehepartner oder während des Scheidungsverfahrens begangen wurden, müssen dahingehend beurteilt werden, ob und inwieweit sie noch eine ehezerrüttende Wirkung haben konnten. So ist eine derartige Verfehlung dann noch zu berücksichtigen, wenn eine weitere Vertiefung der Zerrüttung nicht ausgeschlossen ist und der andere Partner das Verhalten des Ehepartners noch als Ehe zerrüttend empfinden konnte (7 Ob 511/83 = EF 43.635; 3 Ob 149/01k = EF 97.177; LG Linz EF 120.085). Hingegen spielen Eheverfehlungen, die nach der endgültigen und unheilbaren Zerrüttung und nach dem völligen Erlöschen der ehelichen Gesinnung begangen wurden, mangels Kausalität für das Scheitern der Ehe keine entscheidende Rolle (3 Ob 149/01k = EF 97.179; 3 Ob 287/05k = EF 111.206; 4 Ob 31/08z = EF 120.083). So kann beispielsweise ein Ehebruch, der erst nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen wurde, bei der 479
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Verschuldensabwägung und insb bei der Frage der Zuweisung eines überwiegenden Verschuldens keine (entscheidende) Rolle mehr spielen (9 Ob 102/01t = EF 97.219; LG Salzburg EF 111.208; 3 Ob 158/07t = ZAK 2008/15). Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob eine Eheverfehlung noch eine weitere Vertiefung der Ehezerrüttung verursacht hat oder nicht (LGZ Wien EF 104.834; weitere Nachweise s Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 49 EheG Rz 6; vgl auch Rz 3).
E. Scheidungsrelevante Eheverfehlungen 1. Allgemeines
13 Eine Eheverfehlung ist eine Handlung bzw Unterlassung, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richtet und die mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist (LG Wels EF 120.038). Eine Eheverfehlung ist dann schwer, wenn sie im Allgemeinen und objektiv bei Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Ehepartner bei einem selbst mit rechter ehelicher Gesinnung erfüllten und daher auch zur Nachsicht bereiten Ehepartner eine völlige Entfremdung herbeiführen würde (6 Ob 555/90 = EF 63.350; LGZ Wien EF 111.174; 120.046). Die Eheverfehlung ist im Zusammenhang mit den ehelichen Pflichten (§§ 90, 91 ABGB) zu bewerten, insb der Pflicht zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, zur Haushaltsführung, zum gemeinsamen Wohnen, der Unterhaltspflicht, der Treuepflicht, der Pflicht zur anständigen Begegnung, der Beistandspflicht, usw. Eheverfehlungen, die sowohl aktiv als auch passiv erfolgen können, müssen, um als Scheidungsgrund zu gelten, neben der subjektiven Wirkung auch grundsätzlich objektiv schwer sein (7 Ob 513/89 = EF 60.148) und gravierend vom durchschnittlichen ehelichen Verhalten bzw vom Wesen einer Ehe abweichen (1 Ob 688/89 = EF 60.146; LG Wels EF 120.041). Bei der Beurteilung der Schwere einer Verfehlung wird einerseits vom Empfinden eines Durchschnittsmenschen ausgegangen, andererseits finden aber auch die Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung (1 Ob 688/89 = EF 60.146; 3 Ob 503/90 = EF 63.349; LGZ Wien EF 93.714; 120.046). 14 Auch eine Mehrheit an sich zunächst nicht allzu schwerer Eheverfehlungen kann in ihrer Gesamtheit einen Ehescheidungsgrund bilden, sei es durch eine Ansammlung verschiedener Verfehlungen, sei es durch Wiederholungen oder Andauern derselben Eheverfehlung (4 Ob 137/01b = EF 97.141; LGZ Wien EF 120.043). Bei fortgesetzten Eheverfehlungen beginnt die Präklusivfrist nach § 57 Abs 1 EheG erst mit der letzten Handlung zu laufen (3 Ob 158/07t = Zak 2008/15). Die Wirkung, dass dem einen oder auch beiden Ehepartnern die Fortsetzung der Ehe unerträglich wird, kann auch erst allmählich 480
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und im Zusammenhang mit weiteren Eheverfehlungen eintreten (LG Salzburg EF 111.176; 120.068). Einzelne Handlungen und Unterlassungen, die für sich allein nicht das Gewicht einer schweren Eheverfehlung haben, können durch Dauer und Wiederholung in ihrer Gesamtheit schwere Eheverfehlungen darstellen (8 Ob 516/86 = EF 51.579; LGZ Wien 120.040).
2. Schwere Eheverfehlungen Körperliche Gewalt, Misshandlungen
Der Gesetzgeber hat durch das GewaltschutzG und die Neufassung des § 49 15 EheG zu erkennen gegeben, dass körperliche Gewalt in Ehe und Familie prinzipiell verpönt sein soll. Daher kommt es auf die Schwere der Beeinträchtigung grundsätzlich nicht an und das gewalttätige Verhalten eines Ehepartners kann auch nicht als bloß „milieubedingte Entgleisung“ entschuldigt werden (LG Salzburg EF 120.055). Jede Gewalt in Ehe und Familie ist prinzipiell verpönt und jede körperliche Misshandlung steht außerhalb des Rahmens, in dem Reaktionshandlungen auf vorangegangenes ehewidriges Verhalten des anderen Ehepartners im Zusammenleben eines Ehepaars noch verständlich und entschuldbar sein können. Sie ist als schwere Eheverfehlung zu werten (9 Ob 33/ 03y = JBl 2004, 171; LGZ Wien EF 111.180; 8 Ob 24/08z = Zak 2008/422; 8 Ob 39/08 f = EF 120.036; 7 Ob 124/08y = EF 120.054). Die Misshandlung der Ehepartnerin und eines Kindes sind schwere Eheverfehlungen und können auch aus Gründen des Milieus nicht entschuldigt werden (9 Ob 261/00y = EF 93.742; LGZ Wien EF 108.198). Die Alkoholisierung des einen Ehepartners vermag selbst einen nur einmaligen Gewaltexzess des anderen Ehepartners nicht zu rechtfertigen oder dessen Unwert als erheblichen Eingriff in die körperliche Integrität wesentlich zu mildern (LGZ Wien EF 111.185). Auch die Drohung mit Misshandlungen stellt eine schwere Eheverfehlung dar (LGZ Wien EF 84.555). Schweres seelisches Leid
Eine schwere Eheverfehlung liegt insb vor, wenn ein Ehepartner dem anderen 16 schweres seelisches Leid zugefügt hat (LGZ Wien EF 111.178). Nicht jede psychische Beeinträchtigung ist schon als schwere Eheverfehlung zu werten. Von einem scheidungsrelevanten schweren seelischen Leid kann erst die Rede sein, wenn die psychische Beeinträchtigung eines Ehepartners durch den anderen im Hinblick auf Zielrichtung, Dauer und Intensität von dessen Verhalten eine ins Gewicht fallende Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung darstellt. Wiederholte Beschimpfungen, Psychoterror oder lang andauernde gezielte Anwendung subtilen psychischen Drucks können in diesem Sinn 481
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Aichhorn
schwere Eheverfehlungen sein. Bei einem gelegentlichen Streit, einer gelegentlichen verbalen Kränkung, einem „bösen Wort“ wird es hingegen im Allgemeinen an der vom Gesetz geforderten Schwere des psychischen Leides fehlen (RV 1623 BlgNR 20. GP 23).
Ehewidrige Beziehung, Ehebruch
17 Es genügt schon der Schein ehewidriger Beziehungen für die Annahme einer iSd § 49 EheG qualifizierten Verletzung der geschlechtlichen Treuepflicht, wobei durch ehewidrige Beziehungen zum anderen Geschlecht, aber auch durch jeden engeren Umgang mit dem anderen Geschlecht, der objektiv den Schein ehewidriger Beziehungen erwecken muss, oder der zwar ohne Ehewidrigkeitsschein, aber gegen den Willen des Ehepartners fortgesetzt wird, eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG gesetzt wird (LG Salzburg EF 120.052). Die Ehepartner sind verpflichtet, alles zu unterlassen, was geeignet ist, einen objektiv begründeten Schein ehewidriger Beziehungen zu erwecken (1 Ob 807/82 = EF 43.617; 9 Ob 62/05s = EF 111.186; 7 Ob 179/08m = EF 120.049). Zumindest der Schein einer ehewidriger Beziehung liegt dann vor, wenn Kontakte zu Personen des anderen Geschlechts verheimlicht oder gegen den Willen des anderen aufrecht erhalten werden und dies nach den Umständen objektiv geeignet ist, eine Entfremdung zwischen den Ehepartnern herbeizuführen (LG Linz EF 114.166). Ständige Beziehungen zu anderen Partnern sind demnach auch dann schwere Eheverfehlungen, wenn Ehebruch oder Ehestörung nicht erweislich sind (1 Ob 523/86 = EF 51.588; LG Salzburg EF 120.050). Es besteht die Verpflichtung des den Anschein einer ehewidrigen Beziehung erweckenden Ehepartners, den anderen aktiv über alle relevanten Umstände aufzuklären (9 Ob 76/03x = EF 104.823; LG Salzburg EF 120.052). Da die eheliche Treuepflicht nicht auf den sexuellen Bereich beschränkt ist, können auch rein freundschaftliche Beziehungen Eheverfehlungen sein, wenn sie gegen den Willen des anderen Ehepartners gepflogen werden oder wenn ein Ehepartner sie dem anderen trotz ihrer über das Übliche hinausgehenden Intensität verheimlicht (LG Salzburg EF 120.051). Eine schwere Eheverfehlung liegt insb vor, wenn ein Ehepartner die Ehe gebrochen hat (LGZ Wien EF 108.192). Da mit dem EheRÄG 1999 der Ehebruch seinen Charakter als absoluter Scheidungsgrund verloren hat, muss er nunmehr ehezerrüttende Wirkung haben, um ein tauglicher Scheidungsgrund zu sein (2 Ob 152/07b = EF 120.048). Ehebruch ist dabei die „Vereinigung der Geschlechtsteile von Personen verschiedenen Geschlechts“ (8 Ob 694/89 = EF 60.133). Die Rsp hielt bislang bei Ehebruch an der Verschiedengeschlechtlichkeit fest. Um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, – und auch aufgrund einer zunehmend veränderten Haltung der Gesellschaft gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensformen – ist hier jedoch eine Trendumkehr zu 482
§ 49 EheG
Scheidung wegen Verschuldens
erwarten. So wurde 2007 (6 Ob 28/07x = EF-Z 2007/130 [Aichhorn] = iFamZ 2007/105 [Deixler-Hübner] uö) erstmals das Ruhen des nachehelichen Unterhalts aufgrund einer homosexuellen Lebensgemeinschaft judiziert und somit verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft gleich behandelt. Das hat auch beim Ehebruch zu gelten. Ein Ehebruch, der erst nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen wurde, kann bei der Verschuldensabwägung und insb bei der Frage der Zuweisung eines überwiegenden Verschuldens keine (entscheidende) Rolle mehr spielen; somit kommt einem Ehebruch, der keine zerrüttungskausale Wirkung mehr entfalten kann, letztlich keine ausschlaggebende rechtliche Relevanz mehr zu (9 Ob 102/01t = EF 97.219; 3 Ob 158/07t = EF-Z 2008/32; LG Wels EF 120.084). Ein rein freundschaftlicher, harmloser Umgang mit Personen des anderen Geschlechts ist keine Eheverfehlung, wenn er sich im Rahmen des Anstands und der Sitte hält, auch nicht gelegentliche Besuche eines Bekannten (3 Ob 124/99b = EF 90.258; LGZ Wien EF 120.066). Wird eine freundschaftliche Beziehung gegen den Willen des Partners aufrechterhalten und führt sie eine Entfremdung des Ehepaars herbei, kann jedoch eine Eheverfehlung vorliegen (OLG Wien EF 51.592; LG Salzburg EF 120.051). Grundlose Eifersucht ist eine schwere Eheverfehlung (6 Ob 695/86 = EF 54.368; LG Linz EF 93.735). Wer aber der Tendenz des Ehepartners zur Eifersucht nicht sachlich entgegentritt, sondern etwa durch Verheimlichung des nächtlichen Aufenthalts die Eifersucht noch nährt, begeht seinerseits eine schwere Eheverfehlung (LGZ Wien EF 93.736). Nach stRsp können Detektivkosten auch unabhängig von einem allenfalls gleichzeitig geführten Ehescheidungsprozess eingeklagt werden, weil ein Ehepartner, dessen Ehe durch ehewidrige Beziehungen seines Partners zu einer dritten Person gestört wird, ein besonderes Interesse daran hat, sich Klarheit über den Sachverhalt zu verschaffen. Die Kosten, die einem Ehepartner durch Überwachung des verdächtigen anderen Ehepartners entstehen, können aus dem Titel des Schadenersatzes sowohl von diesem als auch vom beteiligten Dritten verlangt werden (RIS-Justiz RS0022943, RS0022959). Bei berechtigtem Interesse darf die Beauftragung der Detektei – ohne Verlust des Ersatzanspruches – auch erst nach eingetretener unheilbarer Zerrüttung der Ehe erfolgen (1 Ob 114/09k = EF-Z 2009/139 [Höllwerth]). Das Recht, sich durch einen Detektiv Gewissheit zu verschaffen, findet seine Grenze aber dort, wo die Überwachung offenkundig überflüssig, von vornherein aussichtslos und erkennbar unzweckmäßig ist oder aber Rechtsmissbrauch vorliegt, weil die Ehepartner bereits jedes Interesse daran verloren hatten, wie der andere sein Leben gestaltet (7 Ob 382/98x = EF 90.112; 4 Ob 166/02v = EF 100.726). Besteht eine besondere Vertrauenslage (hier: ein früheres „Dreiergespräch“ zur Beendigung vormaliger ehewidriger Kontakte) zwischen der vermeintlich störenden Dritten und der Ehefrau, kann dies zur Verpflichtung der 483
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Aichhorn
Dritten führen, die Ehefrau über eine neu entstandene, aber nur mehr „freundschaftliche“ Beziehung aufzuklären. Wird dies unterlassen, liegt ein rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in das geschützte Rechtsgut Ehe vor, der schadenersatzpflichtig machen kann. Zwar kann ein vorwerfbares Mitwirken an einer Eheverfehlung bei engen, aber nicht sexuellen Kontakten (einer „freundschaftlichen Beziehung“) idR nur vorliegen, wenn die Dritte diese Kontakte gegenüber der Ehefrau wahrheitswidrig bestreitet oder eine darauf gerichtete Frage nicht beantwortet; wenn die Dritte in einem solchen Fall die Ehefrau im Unklaren über die Beziehung lässt und dadurch einen Nachforschungsaufwand verursacht, haftet sie für die Überwachungskosten (4 Ob 52/06k = EF-Z 2007/63). Für psychische Schäden wegen der Verletzung ehelicher Pflichten durch Ehebruch gebührt kein Schmerzensgeld (6 Ob 124/02g = ZVR 2004/5). Beschimpfungen
18 Beschimpfungen sind schwere Eheverfehlungen (LGZ Wien EF 84.554; 111.182; 120.056). Sie sind jedoch dann nicht als schwere Eheverfehlungen zu werten, wenn es sich bloß um milieubedingte Äußerungen handelt. Dies mag für gelegentliche Beschimpfungen unter vier Augen zutreffen, wenn ein verständlicher Anlass zugrunde liegt. Gravierende Herabsetzungen der Würde des Ehepartners in der Öffentlichkeit (in Anwesenheit vieler Personen) können dagegen nicht als milieubedingte Unmutsäußerungen gewertet werden (LGZ Wien EF 114.185). Alkoholmissbrauch
19 Alkoholmissbrauch und Trunkenheitsexzesse sind schwere Eheverfehlungen (5 Ob 560/89 = EF 60.149; LGZ Wien EF 87.453; LG Linz EF 120.058). Dass die Neigung des Partners zu Alkoholmissbrauch bei der Eheschließung bekannt war, ist unerheblich (4 Ob 502/90 = EF 63.376). Beruft sich die beklagte Partei darauf, dass der Alkoholmissbrauch auf eine Krankheit zurückzuführen sei, ist es Sache des Beklagten, sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf zu berufen (LG Salzburg EF 120.090). Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung
20 Ein Ehepartner, der keine Fühlung mit dem anderen sucht und nur seinen eigenen Interessen lebt, handelt ehewidrig (4 Ob 520/88 = EF 57.105). Eine übermäßige Hinwendung zum Beruf und damit verbundenes unverhältnismäßiges Alleinlassen des Ehepartners kann eine schwere Eheverfehlung darstellen (LGZ Wien EF-Z 2010/9 [Höllwerth]; 1 Ob 30/08 f = iFamZ 2008/135 484
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Scheidung wegen Verschuldens
= EF-Z 2008/106 [Höllwerth]). Grundsätzlich ist die Berufsausübung so einzuschränken, dass auch die Belange des anderen Ehepartners und der Familie gewahrt werden (LG Wels EF 120.063). Der drohende Arbeitsplatzverlust kann aber eine berufsbedingte lange Abwesenheit vom Familienwohnsitz, zB Auslandsmontageeinsätze, rechtfertigen (LGZ Wien EF 111.184; 1 Ob 30/08 f = iFamZ 2008/135 = EF-Z 2008/106 [Höllwerth]). Vernachlässigt der Ehemann die Familie völlig und verbringt seine Freizeit grundsätzlich nicht mit ihr, liegt ehewidriges Verhalten vor. Bei der Freizeitgestaltung sind Kompromisse zu schließen, damit die Interessen und Wünsche beider Ehepartner berücksichtigt werden (2 Ob 521/90 = EF 63.364; LGZ Wien EF 72.289). Den Ehepartner im Zuge von Streitigkeiten aus der Ehewohnung zu werfen ist eine schwere Eheverfehlung; eine noch schwerere Verfehlung ist es aber, eine Person des anderen Geschlechts in die Ehewohnung aufzunehmen, um mit dieser zusammen zu leben (7 Ob 179/08m = EF 120.053). Ein Verstoß gegen die eheliche Pflicht zur anständigen Begegnung, wie die üblichen Höflichkeitsformen des täglichen Grüßens, der täglichen Ansprache, das Respektieren der beiderseitigen Rechte im Haus und den Kindern gegenüber, ist eine schwere Eheverfehlung (5 Ob 736/81 = EF 41.183). Auch die Gesprächsverweigerung über wichtige Angelegenheiten ist eine schwere Eheverfehlung (LGZ Wien EF 72.288), ebenso liebloses Verhalten (LGZ Wien EF 120.061). „Hemmungslose Flatulenz“ ist offensichtlich respektlos und verstößt gegen die Pflicht der Ehepartner zu gegenseitigem Respekt (9 Ob 60/05x = EF-Z 2006/8). Das Installieren einer Abhöranlage in den vom Ehepartner bewohnten Räumen ohne dessen Wissen und Einverständnis bzw das Abhören der Telefongespräche ist eine Eheverfehlung (1 Ob 193/75; OLG Wien EF 38.684). Das Bekenntnis zu einer religiösen Anschauung stellt weder ein ehrloses noch ein unsittliches Verhalten dar und bildet auch keine sonstige schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG. Auch bei einem Wechsel der Glaubensgemeinschaft (hier Übertritt zu den Zeugen Jehovas) eines Ehepartners besteht weiterhin die Pflicht, einander in gegenseitiger Achtung und Liebe verbunden zu bleiben (5 Ob 577/78 = EF 31.655). Dies setzt aber voraus, dass die persönliche Würde des Ehepartners nicht verletzt, insb seine Stellung und sein Ansehen innerhalb der Ehe- und Familiengemeinschaft nicht erschüttert und sein eheliches Empfinden, wie überhaupt das gesamte Ehe- und Familienleben, nicht Belastungen ausgesetzt werden, die auch für einen verständigen und religiös duldsamen Ehepartner nicht tragbar sind. Eine fanatische oder unduldsame religiöse Einstellung, durch die der andere Ehepartner oder Familienangehörige in einer für sie unerträglichen Weise beeinflusst werden sollen, durch die die ehelichen Pflichten ernsthaft vernachlässigt würden oder durch die es sonst zur Verletzung der Pflicht zur toleranten und achtungsvollen Begegnung
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käme, könnte eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG verwirklichen (8 Ob 275/01a = EF 100.844). Stellt sich der Ehemann nicht der dominanten Einflussnahme seiner Mutter auf familieninterne Angelegenheiten entgegen, kann dies ein ehewidriges Verhalten darstellen (LGZ Wien EF-Z 2010/40). Das fortgesetzte Betrachten von Aktfotos nackter Frauen in Gegenwart der Ehefrau ist eine schwere Eheverfehlung und stellt in Anbetracht der von der Ehefrau verbalisierten Ablehnung ein rücksichtsloses Verhalten dar. Ob das Betrachten derartiger Bilder in der „Mechaniker-Zunft“ üblich ist, spielt dabei keine Rolle (LGZ Wien EF-Z 2010/40).
Verletzung der Unterhaltspflicht
21 Die gravierende und länger dauernde Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehepartner und den ehelichen Kindern ist eine schwere Eheverfehlung (2 Ob 521/90 = EF 63.371; LGZ Wien EF 108.197; 120.057). Es sind aber nur grobe Verletzungen der Unterhaltspflicht als Eheverfehlung zu werten. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Scheidungsverfahrens, als Vorfrage eine allfällige Unterhaltsverletzung durch den Ehepartner abschließend zu beurteilen, sofern es sich nicht um eine flagrante Unterhaltsverletzung handelt. Müssen die Gerichte zur Abklärung von Unterhaltsansprüchen bemüht werden und ist nicht von vorne herein eine grobe Verletzung der Unterhaltspflicht ersichtlich, so scheidet die Geltendmachung einer allfälligen Unterhaltsverletzung als schwere Eheverfehlung gem § 49 EheG im Scheidungsverfahren aus (LG Salzburg EF 114.173).
Ungerechtfertigtes Verlassen der Ehewohnung (böswilliges Verlassen)
22 Die Verletzung der Pflicht zum gemeinsamen Wohnen, insb durch nicht gerechtfertigtes Aufheben der ehelichen Gemeinschaft („böswilliges Verlassen“), stellt eine schwere Eheverfehlung dar (2 Ob 170/98h = EF 87.450; LG Wels EF 104.824). Die Beweislast für die gerechtfertigten Gründe der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft trägt der beklagte Partner (3 Ob 188/07d = iFamZ 2008/78 = EF 120.089) Keine Eheverfehlung ist die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft dann, wenn besondere schwere Eheverfehlungen des anderen Ehepartners vorliegen, die das Zusammenleben unzumutbar erscheinen lassen oder soweit das ehewidrige Verhalten eine entschuldbare Reaktionshandlung auf das Verhalten des anderen Ehepartners ist, zB bei schweren Beschimpfungen und Tätlichkeiten oder Drohungen und Streitlust des anderen Partners (LG Salzburg EF 100.824; LGZ Wien EF 111.172). Wer das Vorliegen eines Rechtferti486
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Scheidung wegen Verschuldens
gungsgrundes behauptet, hat dies zu beweisen (2 Ob 170/98h = EF 87.450; LG Wels EF 104.82). Vgl zur gesonderten Wohnungsnahme bei § 92 ABGB. Ist der Ehepartner endgültig ausgezogen und hat er auch seinen Hausrat aus der Wohnung geschafft, ist das Auswechseln der Türschlösser zulässig (1 Ob 504/88 = EF 57.124). Vernachlässigung des Haushalts
Die Vernachlässigung des Haushalts ist dann ein Scheidungsgrund, wenn sie 23 auf Böswilligkeit beruht und sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Liegt dagegen eine bloße Nachlässigkeit vor, so kann die Scheidung nur verlangt werden, wenn es sich um eine arge Vernachlässigung des Haushalts handelt (7 Ob 536/90 = EF 63.368; LGZ Wien EF 111.190). Aus Meinungsverschiedenheiten betreffend die Haushaltsführung und die Zubereitung der Speisen ist eine Eheverfehlung noch nicht abzuleiten, weil diese in einer Vielzahl von Beziehungen vorkommen (LGZ Wien EF 111.190). Verletzung der ehelichen Beistandspflicht
§ 44 ABGB postuliert die Ehepflicht zum wechselseitigen Beistand. Die Er- 24 füllung der Beistandspflicht verlangt die umfassende physische und psychische Unterstützung des Partners in allen Schwierigkeiten des Lebens, egal ob persönlicher, beruflicher, finanzieller oder sonstiger Art, insb bei Krankheit (1 Ob 628/84 = EF 46.158). Verletzungen der Beistandspflicht sind etwa die grundlose Verweigerung zumutbarer, üblicher und nicht abbedungener Mitwirkung im Erwerb des anderen, ebenso die unterlassene Unterstützung des Ehepartners in persönlichen, beruflichen, finanziellen oder anderen Schwierigkeiten (LG Krems a d Donau EF 114.161), das Liegenlassen nach einem Selbstmordversuch (RIS-Justiz RS0056444) und die Ehefrau während ihrer Schwangerschaft mit Zwillingen nicht im Geringsten seelisch zu unterstützen (LG Wels EF 120.060). Auch das fehlende gemeinsame Wirtschaften ist eine schwere Eheverfehlung (LGZ Wien EF 120.062) sowie das Verheimlichen von für beide Ehepartner wichtigen Umständen, etwa das Verschleiern einer kritischen Wirtschaftslage des eigenen Unternehmens (LGZ Wien EF 120.065). Verweigerung des ehelichen Geschlechtsverkehrs, Verweigerung der Fortpflanzung
Mit dem EheRÄG 1999 wurde der frühere § 48 EheG (Verweigerung der 25 Fortpflanzung) mit Wirkung vom 1.1.2000 aufgehoben und in den § 49 EheG transferiert. Die Verweigerung der Fortpflanzung stellt trotz Aufhe487
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Aichhorn
bung des § 48 EheG grundsätzlich einen Scheidungsgrund dar (LGZ Wien EF-Z 2010/42). Wenn auch seit Jahrzehnten keine höchstgerichtlichen Entscheidungen zu diesem Scheidungsgrund mehr ergangen sind, ist die Verweigerung der Fortpflanzung grundsätzlich ein Scheidungsgrund, weil gem § 44 ABGB die Fortpflanzung zum Wesen der Ehe gehört, weshalb kein Ehepartner berechtigt ist, die Empfängnis gegen den Willen des anderen zu verhindern. Eine Vereinbarung der Ehepartner, die Ehe solle kinderlos bleiben, ist zulässig. Bei Fehlen einer solchen Vereinbarung ist die beharrliche und unbegründete, als nicht etwa durch das legitime Streben der Frau nach beruflicher Aus- und Fortbildung gerechtfertigte Fortpflanzungsverweigerung ein Scheidungsgrund (LGZ Wien EF-Z 2010/42; zur Zulässigkeit des Scheidungsgrundes Verweigerung der Fortpflanzung zu Recht krit Hinteregger, Familienrecht 95, die das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung als grundlegendes Persönlichkeitsrecht auch gegenüber dem Ehepartner postuliert; gegen diese Position Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 49 EheG Rz 13). Eine gelegentliche Ablehnung des ehelichen Geschlechtsverkehrs ist kein Scheidungsgrund, erst die beharrliche und grundlose Verweigerung des ehelichen Verkehrs ist eine schwere Eheverfehlung (3 Ob 524/89 = EF 60.153). Grundlos meint „ohne triftige Gründe“ (LGZ Wien EF 93.740). Bei ständiger Herabsetzung der Ehefrau durch ihren Ehemann liegt keine grundlose Weigerung vor (LGZ Wien EF-Z 2010/41). Nach der Einbringung einer berechtigten Scheidungsklage ist die Verweigerung des ehelichen Geschlechtsverkehrs nicht grundlos und daher keine Eheverfehlung mehr (2 Ob 691/86 = EF 51.594). Eine Eheverfehlung ist auch das eigene unberechtigte Ausziehen aus dem ehelichen Schlafzimmer (OLG Wien EF 29.502). Wird man wiederholt vom Ehepartner dazu aufgefordert, das eheliche Schlafzimmer zu verlassen, ist der Auszug aus dem Schlafzimmer jedoch keine Eheverfehlung (1 Ob 567/ 79 = EF 36.331). Das Verlassen des ehelichen Schlafzimmers auf Dauer zwecks Hundebetreuung ist eine schwere Eheverfehlung, auch wenn eine frühere solche Vereinbarung bestand, weil es dem Wesen einer Ehe widerspricht, auf Dauer die Betreuung eines Hundes dem gemeinsamen Verbringen der Schlafenszeit vorzuziehen (LGZ Wien EF 97.158). 26 Liegen für die Kinderlosigkeit triftige Gründe vor, besteht keine Eheverfehlung. Ein triftiger Grund wären etwa das legitime Streben der Ehefrau nach beruflicher Fort- und Ausbildung (LGZ Wien EF-Z 2010/42) oder gesundheitliche Risiken. Die rein abstrakte Besorgnis ohne konkrete Grundlage, dass ein Kind möglicherweise behindert oder missgebildet sein könnte, stellt aber keinen ausreichenden Grund für die Verweigerung der Fortpflanzung dar (LGZ Wien EF 84.544). Auch wirtschaftliche Notlage oder die Überforderung durch die drohende Doppelbelastung können gegen den Scheidungsgrund sprechen. Wenn sich etwa die berufstätige Ehefrau nach 10-jähriger Ehe im Hinblick auf 488
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Scheidung wegen Verschuldens
die in Aussicht stehende Doppelbelastung weigert, Nachkommenschaft zu bekommen, so liegt in dieser Verweigerung der Fortpflanzung kein Scheidungsgrund. Dies ist im Zusammenhang mit den sonstigen Lebensverhältnissen zu sehen und kann nicht zur Überforderung eines Partners führen (LGZ Wien EF 78.607). Liegen etwa beengte räumliche Verhältnisse vor, in denen noch zwei Kinder der Frau aus erster Ehe leben, ferner bald nach der Eheschließung aufgekommene Zerwürfnisse und überhaupt eine triste wirtschaftliche Situation, ist die Weigerung der Frau, in dieser Ehe ein Kind zu empfangen, nicht dem § 49 EheG zu unterstellen (LGZ Wien EF 63.343). Die Weigerung der Ehefrau, nachdem bereits zwei geistig behinderte Kinder aus der Ehe entstammten, noch ein weiteres Kind zur Welt zu bringen, ist berechtigt und ist keine Entschuldigung für das Verhalten des Ehemannes, der seine Frau völlig vernachlässigt und seiner Beistandspflicht nicht mehr nachkommt (1 Ob 525/ 77 = EF 29.492). Ein Schwangerschaftsabbruch kann eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG darstellen, wenn er grundlos und nicht einverständlich erfolgt, auch wenn die Abtreibung strafrechtlich erlaubt ist (2 Ob 702/87 = EF 57.126; LGZ Wien EF 84.545). Gleiches hat für eine nicht einverständliche Vasektomie zu gelten; vgl auch Rz 25 f. Die Verweigerung einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung ist aber keine Eheverfehlung (RV 1653 BlgNR 20. GP 23).
3. Ehrloses oder unsittliches Verhalten Allgemeines
Die Regelung des § 49 EheG unterscheidet zwischen „schwerer Eheverfeh- 27 lung“ (im engeren Sinn) und „ehrlosem oder unsittlichen Verhalten“ (die Unterscheidung ist in der Praxis nicht von Bedeutung [Hopf/Kathrein § 49 EheG Anm 1]). Eheverfehlungen sind Verstöße gegen die sich aus den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe ergebenden Pflichten und ein Verhalten, das sich unmittelbar gegen den Ehepartner richtet. Das ehrlose oder unsittliche Verhalten verstößt zwar nicht gegen eheliche Pflichten und richtet sich auch nicht primär und direkt gegen den anderen Ehepartner, es umfasst aber andere Verstöße gegen rechtliche und sittliche Normen, wodurch für den anderen Ehepartner die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft unerträglich werden kann (LG Salzburg EF 93.729; LGZ Wien EF 97.146; LG Salzburg EF 120.042; Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 49 EheG Rz 22). Ein (schuldhaftes) ehrloses oder unsittliches Verhalten kann also einen Scheidungsgrund darstellen, wenn es nicht primär gegen den Ehepartner gerichtet ist, sondern anderen Personen gegenüber an den Tag gelegt wurde (OLG Linz EF 33.915). Es wird insb dann zum Scheidungsgrund, wenn es die Grundlage der Ehe untergräbt und auch 489
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bei einem selbst von echter ehelicher Gesinnung erfüllten, also zur Nachsicht bereiten Ehepartner eine völlige Entfremdung herbeiführen muss (6 Ob 513/ 88 = EF 57.088 f). IdR wird davon auszugehen sein, dass ehrloses und unsittliches Verhalten ehezerrüttend wirkt, solange nicht besondere Anhaltspunkte gegen diese Annahme sprechen. Die Aufrechterhaltung der häuslichen Gemeinschaft spricht nicht in jedem Fall für das Fehlen der vom Gesetz geforderten Zerrüttung; sie kann bloßen Zweckmäßigkeitsgründen entsprechen (OLG Wien EF 31.658). Beispiele
28 Die wiederholte Begehung strafrechtlich relevanter Delikte gegen Dritte, sofern sie so schwer sind, dass sie zur völligen Entfremdung der Ehepartner führen, etwa Betrug oder Diebstahl, nicht aber eine strafbare Handlung mit Billigung des anderen Ehepartners (LGZ Wien EF 97.147), stellen ein ehrloses oder unsittliches Verhalten dar. 29 Trunksucht und Alkoholismus, selbst wenn sie nicht öffentlich in Erscheinung treten, stellen grundsätzlich ehrloses und unsittliches Verhalten und damit einen Scheidungsgrund nach § 49 EheG dar. Es kommt dabei allerdings sehr wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an, etwa darauf, ob dadurch der Unterhalt der Familie gefährdet oder beeinträchtigt wird, ob der andere Teil die Achtung verliert oder verlieren musste. Ebenso kann von entscheidender Bedeutung sein, ob und in welchem Ausmaß das Laster auf das Verhalten des anderen Ehepartners zurückzuführen ist (6 Ob 539/88 = EF 57.096; OLG Wien EF 48.732) 30 Ein Verkehrs-, Steuer- oder Abgabendelikt (Schwimann/Weitzenböck/ Schwimann § 49 EheG Rz 23) oder auch eine strafbare Handlung mit Beteiligung oder Billigung des anderen Ehepartners (LGZ Wien EF 97.147) sind nicht als ehrloses oder unsittliches Verhalten zu werten. 31 Das Bekenntnis zu einer Religion stellt grundsätzlich kein ehrloses oder unsittliches Verhalten dar. Es könnte nur dann eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG verwirklichen, wenn aus einer fanatischen oder unduldsamen Einstellung heraus der andere Ehepartner oder die Familienangehörigen in einer für sie unerträglichen Weise beeinflusst werden sollen, die ehelichen Pflichten ernsthaft vernachlässigt würden oder es sonst zur Verletzung der Pflicht zur toleranten und achtungsvollen Begegnung käme (5 Ob 577/78 = EF 31.655; 8 Ob 275/01a = EF 100.844; 8 Ob 107/04z). Vgl auch Rz 20.
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Scheidung wegen Verschuldens
F. Reaktionshandlungen – Verwirkungsklausel – Scheidungsausschluss mangels sittlicher Rechtfertigung 1. Allgemeines
§ 49 Satz 3 EheG normiert einen speziellen Ausschließungsgrund für die 32 Scheidung. Demnach kann man trotz Vorliegens einer unheilbaren, durch eine Eheverfehlung oder ein ehrloses oder unsittliches Verhalten bewirkten Ehezerrüttung die Scheidung dann nicht begehren, wenn man selbst auch eine Eheverfehlung begangen hat, die nach ihrer Art, insb wegen des Zusammenhangs zur Verfehlung des anderen Ehepartners, das Scheidungsbegehren sittlich nicht rechtfertigt (s zur im Schrifttum dazu geäußerten Kritik Hopf/Kathrein § 49 EheG Anm 11 mwN). An der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens mangelt es, wenn die zur Zerrüttung der Ehe beitragende schwere Eheverfehlung des beklagten Ehepartners erst durch das schuldhafte Verhalten des klagenden Teils hervorgerufen worden ist oder wenn sonst ein Zusammenhang zwischen den von beiden Teilen gesetzten Verfehlungen besteht oder wenn die Verfehlungen des Klägers unverhältnismäßig schwerer wiegen als die des beklagten Ehepartners. Dabei kommt es auf das Gesamtverhalten der Ehepartner und die besonderen Umstände des Einzelfalls an (9 Ob 110/02w = EF 100.857). Eine entschuldbare Reaktionshandlung setzt voraus, dass die Reaktion als 33 verständliche Gemütsbewegung zeitlich unmittelbar auf grobe Ehewidrigkeiten des Partners erfolgt und ein angemessenes Verhältnis zu diesem nicht überschreitet (LGZ Wien EF 111.168; 120.035). An die zeitliche Nähe und Dauer der entschuldbaren Reaktionshandlung sind aber keine allzu strengen Maßstäbe anzusetzen (LGZ Wien EF 120.035). Einem Scheidungsbegehren ist umso mehr die sittliche Rechtfertigung abzusprechen, je mehr sich der Kläger selbst gegen die Ehe vergangen hat, je tiefer er den Partner verletzt hat und je größer die seelische Notlage ist, in der dieser seine Verfehlung begangen hat (LGZ Wien EF 97.180; LG Linz EF 120.087). Eine Kompensation beiderseitiger, nicht im Zusammenhang stehender Eheverfehlungen wird in stRsp abgelehnt (LG Linz EF 120.087). Nur wenn die Eheverfehlungen des beklagten Ehepartners durch die Verfehlungen des Klägers derart beeinflusst wurden, dass sie etwa nur eine Reaktion darstellten, oder wenn sie in ihrer Bedeutung hinter die Verfehlungen des Klägers völlig zurücktreten, könnte das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt sein (1 Ob 4/98i = EF 87.463). Die Verwirkungsklausel bedeutet aber nicht, dass die Eheverfehlungen des einen Ehepartners dem anderen Partner einen Freibrief für Eheverfehlungen ausstellen (7 Ob 742/83 = EF 43.641).
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34 Der Scheidungsausschlussgrund des § 49 Satz 3 EheG ist amtswegig wahrzunehmen (6 Ob 684/88 = EF 57.139; LG Linz EF 108.226; 120.086), es bedarf keiner diesbezüglichen Einwendung der beklagten Partei (6 Ob 684/88 = EF 57.139; LG Salzburg EF 104.840). Billigkeitserwägungen bleiben bei der Verwirkungsklausel außer Betracht (10 Ob 391/97s = EF 84.576). Da es bei der Beurteilung der sittlichen Rechtfertigung auf das Gesamtverhalten der Ehepartner und auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommt, lassen sich Konstellationen aus der Spruchpraxis nur sehr beschränkt für konkret zu beurteilende Fälle nutzbar machen. Einige Beispiele für berechtigte bzw unberechtigte Reaktionshandlungen seien aber exemplarisch als Orientierungshilfe angeführt (weitere Beispiele s Schwimann/Weitzenböck/ Schwimann § 49 EheG Rz 26 f): 2. Berechtigte, entschuldbare Reaktionshandlungen
35 Verlassen der Ehewohnung nach Beschimpfungen und Misshandlungen durch den anderen Ehepartner (7 Ob 321/01h = EF 99.147; LGZ Wien EF 111.172); Verlassen der Ehewohnung durch die Ehefrau, wenn der Partner regelmäßig die Nächte auswärts verbringt und seinen Aufenthaltsort nicht bekannt gibt (LGZ Wien EF 93.758); Einstellen der Haushaltspflichten durch die Ehefrau als Reaktion auf das Geständnis des Ehemanns, eine Freundin zu haben (LGZ Wien EF 69.230); kurzfristiges Versperren der Wohnungstüre und Festhalten der Klägerin, als diese auf den Balkon flüchten wollte – nach vorausgegangener Zertrümmerung von Einrichtungsgegenständen durch sie und tätlichen Angriffen gegen den Beklagten (8 Ob 559/90 = EF 63.395); das Einschlagen des Seitenfensters des PKWs des Klägers, um an die vom Kläger dort eingesperrte Handtasche der Beklagten zu gelangen (8 Ob 102/04i = RIS-Justiz RS0056787 [T8]). 3. Unberechtigte, nicht entschuldbare Reaktionshandlungen
36 Ehebruch ist niemals eine zulässige Reaktionshandlung (1 Ob 116/06z = Zak 2006/630), ebenso wenig eine körperliche Misshandlung (LGZ Wien EF 111.179; 120.037; 9 Ob 33/03y = JBl 2004, 171; 8 Ob 39/08 f = iFamZ 2008/ 104]). Beschimpfungen können einen einmaligen Gewaltexzess nicht rechtfertigen oder dessen Unwert als erheblichen Eingriff in die körperliche Integrität des Partners wesentlich mildern (9 Ob 111/03v = EF 104.810).
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§ 50 EheG
Scheidung aus anderen Gründen
II. Scheidung aus anderen Gründen Auf geistiger Störung beruhendes Verhalten § 50. Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn die Ehe infolge eines Verhaltens des anderen Ehegatten, das nicht als Eheverfehlung betrachtet werden kann, weil es auf einer geistigen Störung beruht, so tief zerrüttet ist, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann. [Stammfassung]
Lit: Deixler-Hübner, Grundfragen des neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruchs nach § 68a EheG, ÖJZ 2000, 707; Dullinger, Zur Prozessfähigkeit minderjähriger und geistig behinderter Personen, RZ 1989, 6; Dunz, Schuldlose Eheverfehlungen, NJW 1961, 1793; Göppinger, Die geistige Störung iSd § 44 deutsches Ehegesetz, NJW 1957, 44; Mikat, Die Ehescheidung wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, FamRZ 1964, 1; Schwind, Verschulden als Scheidungsgrund, Zerrüttungsursache und Faktor im Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1983, 197; Simotta, Die Prozeßfähigkeit in Ehesachen und sonstigen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, ÖJZ 1989, 321.
Beim Scheidungstatbestand des § 50 EheG geht es um ein Verhalten, das an 1 sich eine Eheverfehlung nach § 49 EheG darstellen würde, dem Ehepartner aber, weil es auf einer geistigen Störung beruht, nicht als Verschulden angerechnet werden kann (7 Ob 507/91 = EF 66.420; LGZ Wien EF 108.233). Die Tatbestände der §§ 49 und 50 EheG haben also große Ähnlichkeit und unterscheiden sich nur hinsichtlich der Kausalität der „geistigen Störung“. § 50 EheG setzt ein dem § 49 EheG objektiv zu unterstellendes Verhalten voraus, das aber subjektiv nicht vorwerfbar ist. Die übrigen Voraussetzungen des § 49 EheG müssen auch bei § 50 EheG erfüllt sein. Es genügt, dass die erforderliche unheilbare Ehezerrüttung auch nur bei einem Ehepartner (Kläger) eingetreten ist (7 Ob 576/92 = EF 69.234; OLG Wien EF 31.677). Die subjektive Komponente besteht in einer erheblichen Beeinträchtigung der Willensbildung und -kontrolle, die nicht den Grad der Unzurechnungsfähigkeit erreicht haben muss (7 Ob 507/91 = EF 66.420). Es ist also nicht erforderlich, dass die Verantwortlichkeit des Kranken gänzlich ausgeschlossen ist, es genügt, wenn sie herabgemindert oder seine freie Willensbildung in einer erheblichen Weise beeinträchtigt ist (1 Ob 582/89 = EF 60.207; 7 Ob 507/91 = EF 66.420; LG Wels EF 120.092). Eine Konkurrenz der Scheidungsgründe nach § 49 und § 50 EheG ist nur 2 dann möglich, wenn einige Eheverfehlungen vorsätzlich oder fahrlässig, andere hingegen in einem Zustand der geistigen Störung iSd § 50 EheG gesetzt wurden (1 Ob 582/89 = EF 60.209). Andernfalls schließen einander § 49 und 493
§ 50 EheG
Aichhorn
§ 50 EheG aus (RIS-Justiz RS0056437). In Fällen, in denen eine geistige Störung nicht ausgeschlossen werden kann, empfiehlt sich eine kumulative Geltendmachung von Scheidungsgründen nach § 49 und nach § 50 EheG bzw ein entsprechendes Eventualbegehren (Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 50 EheG Rz 30). 3 Scheidungsgrund des § 50 EheG ist nicht die Unheilbarkeit der geistigen Störung an sich, sondern die Unheilbarkeit der Ehezerrüttung, die auf einem durch die geistige Störung hervorgerufenen Verhalten basiert, selbst wenn die Krankheit geheilt wurde (7 Ob 576/92 = EF 69.234). Entscheidend ist, dass die geistige Störung zu einem Zustand führt, in dem die freie Willensbildung des Ehepartners herabgesetzt ist; die subjektive Komponente besteht also in einer erheblichen Beeinträchtigung der Willensbildung und Willenskontrolle (7 Ob 507/91 = EF 66.420). Voraussetzung für eine geistige Störung ist eine von der Norm abweichende Beschaffenheit des Seelenlebens, ein krankhafter Geistes- oder Gemütszustand, bei dem der Erkrankte nicht mehr vollständig Herr seines Vorstellungswillens oder Trieblebens ist (LG Wels EF 120.092). 4 Der Begriff der geistigen Störung iSd § 50 EheG deckt sich nicht mit dem medizinischen Begriff der Geisteskrankheit. Für die Annahme einer geistigen Störung genügt das Vorliegen eines vom geistigen Normalzustand abweichenden Geisteszustands. Voraussetzung ist aber, dass die Verantwortlichkeit des Ehepartners für sein objektiv ehewidriges Verhalten zufolge dieser geistigen Beschaffenheit entweder ganz ausgeschlossen oder seine Fähigkeit, die Ehewidrigkeit seines Verhaltens zu erkennen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln, erheblich herabgesetzt ist (5 Ob 672/80 = EF 36.348). Geistige Störungen sind Geisteskrankheiten minderer Stufe; eine Geisteskrankheit (§ 51 EheG; zur Abgrenzung der Ehescheidung nach den §§ 50 und 51 EheG vgl 5 Ob 594/90 = EF XXVII/4) oder Unzurechnungsfähigkeit müssen nicht vorliegen (7 Ob 576/92 = EF 69.234). Regelmäßig fallen unter geistige Störung iSd § 50 EheG geistig-seelische Anomalien, Formen von Psychopathien, Psychoneurosen, Zwangsneurosen, Hysterie sowie unwiderstehliche Drogen- oder Alkoholsucht, wahnhafte Einbildungen, so etwa Eifersuchtswahn, aber auch geistige Anomalien wie Hysterie, psychopathische Zustände, Zwangshandlungen udgl, die alle gemeinsam haben, dass sie zwar die moralische Kraft des Betroffenen in einer seine freie Willensbildung erheblich beeinträchtigenden Weise herabsetzen, aber sein sonstiges Geistes- und Seelenleben nicht so beeinflussen, dass die geistige Gemeinschaft zwischen ihm und dem anderen Ehepartner iSd § 51 EheG aufgehoben wäre (8 Ob 508/90 = EF 63.399; 7 Ob 576/ 92 = EF 69.233; LG Wels EF 120.092). Vorsätzlich oder fahrlässig begründete Zustände des Vollrauschs oder des Dämmerzustands durch Suchtgift zählen nicht als geistige Störung gem § 50 EheG, sondern wären Eheverfehlungen gem § 49 EheG (Stabentheiner/Rummel § 50 EheG Rz 2). Die Wertung, dass 494
§ 50 EheG
Scheidung aus anderen Gründen
eine Verhaltensweise einer geistigen Störung entspringt, wird selbst durch eine strafgerichtliche Verurteilung wegen dieser Verhaltensweise und somit angenommener strafrechtlicher Zurechnungsfähigkeit nicht ausgeschlossen (1 Ob 555/85 = EF 48.782; 8 Ob 508/90 = EF 63.401). Es ist grundsätzlich unerheblich, ob die geistige Störung selbst verschuldet wurde oder nicht (Schwind/Klang I/12, 792). Liegt zeitlich oder umfänglich eine partielle geistige Störung nach § 50 5 EheG vor, sind jene schweren Eheverfehlungen, die davon nicht erfasst sind, aber kausal zur Zerrüttung beitrugen, gesondert zu bewerten und können entweder einen Scheidungsgrund nach § 49 EheG oder einen Ausspruch der Mitschuld nach § 60 EheG rechtfertigen (1 Ob 696/82 = EF 41.177; 1 Ob 582/89 = EF 60.209; LG Wels EF 120.093). Besteht etwa beim Ehepartner eine ausgeprägte Alkoholkrankheit dergestalt, dass sie zu bestimmten Zeiten psychiatrischen Krankheitswert hat, zu anderen Zeiten eine weitestgehende Einschränkung der Kritik-, Diskretions- und Handlungsfähigkeit gegeben ist, und schließlich zu wieder anderen Zeiträumen von einer derartigen Aufhebung oder Einschränkung der genannten Fähigkeiten nicht gesprochen werden kann, dann muss geprüft werden, in welchem dieser Zeiträume der Ehepartner die ihm vorgeworfenen Eheverfehlungen gesetzt hat (7 Ob 507/91 = EF 66.420). Im Rahmen der Verschuldensabwägung hat das Gericht bei einem Verhalten, das zT § 49 EheG und zT § 50 EheG zu unterstellen ist, nur die schuldhaft gesetzten Komponenten zu berücksichtigen (LG Wels EF 120.093). Die Frage, ob eine geistige Störung iSd § 50 EheG vorliegt bzw der Grad der 6 Beeinträchtigung der Willensbildung oder der Kritikfähigkeit einer Person ist eine Tatfrage (7 Ob 576/92 = EF 69.908; LG Wels EF 120.095). Hat der Kläger eine schwere Eheverfehlung nach § 49 EheG nachgewiesen, 7 trifft die Beweislast dafür, dass nicht Verschulden iSd § 49 Ehe vorliegt, die beklagte Partei (6 Ob 635/89 = EF 60.135; LGZ Wien EF 108.233). Wenn der beklagten Partei der Beweis gelungen ist, dass sie an einer geistigen Störung leidet, die ihrem Verhalten allgemein die Qualifikation von Ehescheidungsgründen aus Verschulden nehmen würde, so muss der Kläger beweisen, dass im Einzelfall bestimmte Verfehlungen nicht von diesem Ausschluss betroffen sind (3 Ob 177/97v = EF 84.578). Die Beweislast dafür, dass das sonst als Eheverfehlung zu wertende Verhalten eines Ehepartners auf einer geistigen Störung beruht, liegt bei jenem Ehepartner, der daraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten möchte (LG Salzburg EF 120.094). Ein auf geistiger Störung beruhendes Verhalten berechtigt dann nicht zur 8 Scheidungsklage gem § 50 EheG, wenn die Voraussetzungen der Verwirkungsklausel gem § 49 Satz 3 EheG vorliegen (RIS-Justiz RS0056655) oder die Scheidung ein sittlich nicht gerechtfertigter Härtefall gem § 54 EheG wäre (1 Ob 338/57); vgl auch § 49 EheG Rz 32. So ist die Scheidung nach § 50 EheG 495
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idR aufgrund der Härteklausel des § 54 EheG abzulehnen, wenn den Scheidungskläger an der geistigen Störung des Beklagten ein wie immer geartetes Verschulden trifft (5 Ob 533/79 = EF 33.993); allenfalls ist ein Mitverschuldensantrag des Kranken möglich. Bei einer Scheidung nach § 50 EheG können Verzeihung (§ 56 EheG) und Fristablauf (§ 57 EheG) keinen Verlust des Scheidungsrechts nach sich ziehen (RIS-Justiz RS0056708; aA Koch/KBB § 59 EheG Rz 3, der für analoge Anwendung plädiert). 9 Im Scheidungsprozess nach § 50 EheG schreitet für den Beklagten, weil dieser aufgrund seiner geistigen Störung prozessunfähig ist, dessen gesetzlicher Vertreter ein. Der Beklagte ist unbeschadet seiner Prozessunfähigkeit aber Partei des Verfahrens; er wird von der Rechtskraft des Urteils erfasst.
Geisteskrankheit § 51. Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere geisteskrank ist, die Krankheit einen solchen Grad erreicht hat, daß die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben ist, und eine Wiederherstellung dieser Gemeinschaft nicht erwartet werden kann. [Stammfassung]
1 Ist die Geisteskrankheit eines Ehepartners so schwer, dass ihretwegen die geistige Gemeinschaft mit dem anderen Ehepartner aufgehoben ist, so kann dieser die Scheidung verlangen. Für eine Scheidung genügt bereits die Geisteskrankheit als solche, der Kranke muss keine ehewidrigen Handlungen gesetzt haben. Die geistige Gemeinschaft ist nicht gleichbedeutend mit der ehelichen Lebensgemeinschaft, weil nicht die physische Nähe, sondern die wechselseitige Anteilnahme am Leben der Familie und am anderen ausschlaggebend ist. Die Aufhebung der geistigen Gemeinschaft der Ehepartner aufgrund der Geisteskrankheit des Beklagten hängt davon ab, ob dieser trotz der Erkrankung noch fähig und willens ist, im Rahmen der Ehe an dem Lebensund Gedankenkreis des Ehepartners teilzunehmen, ob er die Vorgänge in der Familie zu erfassen vermag, seelisch darauf reagieren würde und in der Lage wäre, dieser Anteilnahme aktiv Ausdruck zu verleihen (OLG Linz EF 29.560; OLG Wien EF 29.561). Der Gradmesser der Geisteskrankheit ist der Verlust der „geistigen Gemeinschaft“ des Ehepaares. Diese geistige Gemeinschaft kann auch weiter bestehen, wenn die körperliche/räumliche Gemeinschaft nicht besteht. Sie ist die verstehende Teilnahme am Lebens- und Gedankenkreis des Partners bzw der Familie (OLG Wien EF 33.985). Um eine geistige Gemeinschaft zu verwirklichen, ist es nicht notwendig, dass der kranke Ehepartner noch zu allen Bereichen der Erlebniswelt des gesunden Ehepartners eine bewusste Beziehung und ein teilnehmendes Interesse aufrecht erhalten 496
§ 51 EheG
Scheidung aus anderen Gründen
kann; es genügt, wenn die Ehepartner in einem seelischen Kernbereich ihrer Existenz noch zu einem gemeinsamen Erleben kommen können. Dieses kann, wenn einer der Eheleute an einer geistigen Störung leidet, nicht mit dem gleichen Maß gemessen werden wie die Ehe zweier Gesunder; vom gesunden Ehepartner muss eine erhöhte Anpassungs- und Verständigungsbereitschaft erwartet werden (OLG Wien EF 29.561). Bei der Zukunftsprognose kann es nur darauf ankommen, welche künftige 2 Entwicklung absehbar eintreten wird. Es kann wohl nie eine Heilung ausgeschlossen werden; kann aber eine solche nach Lage der konkreten Umstände in übersehbarer Zeit nicht erwartet werden, wird § 51 EheG eine Scheidung wegen Geisteskrankheit zulassen (5 Ob 594/90 = EF XXVII/4). Der gesunde Ehepartner hat grundsätzlich das Recht auf Scheidung (6 Ob 741/88 = EF 60.210). Die vom Gesetz geforderten Scheidungsvoraussetzungen liegen schon vor, wenn es unwahrscheinlich ist, dass der kranke Ehepartner geheilt wird oder sich sein Zustand so wesentlich bessert, dass er eine geistige Gemeinschaft aufnehmen kann, also die Aufhebung der Gemeinschaft nach menschlicher Voraussicht von Dauer sein wird (OLG Linz EF 29.564). In Frage kommende Geisteskrankheiten sind grundsätzlich alle der Medizin 3 bekannten, die negative Auswirkungen auf die geistige Gemeinschaft der Ehepartner haben, wie etwa Schizophrenie, Idiotie oder hochgradige Demenz (Stabentheiner/Rummel § 51 EheG Rz 2). Die Gefahr der Vererbung einer Geisteskrankheit ist hingegen kein Scheidungsgrund iSd § 51 EheG (5 Ob 38/ 59 = EvBl 1959/159 = EF 2307). Die Beweislast für die Geisteskrankheit liegt beim klagenden Ehepartner (Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 51 EheG Rz 3). Ob eine Krankheit einen solchen Grad erreicht hat, dass die geistige Gemein- 4 schaft zwischen den Ehepartnern aufgehoben ist und eine Wiederherstellung dieser Gemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann, entscheidet der Psychiater (OLG Wien EF 38.731; OLG Linz EF 43.649). Das medizinische Gutachten ist in einem solchen Fall die wichtigste Grundlage des Urteils, und das Schwergewicht der Entscheidung liegt in diesen Fällen nicht beim Richter, sondern beim Arzt (4 Ob 528/87 = EF 54.415; 3 Ob 642/82 = EF 41.218; 4 Ob 528/87 = EF 54.415). Bei einer Scheidung wegen Geisteskrankheit kommen die Scheidungsaus- 5 schließungsgründe der Verzeihung (§ 56 EheG) und des Fristablaufs (§ 57 EheG), die nur für Verschuldensscheidungen gelten, nicht in Betracht (2 Ob 202/59 = SZ 32/66; 3 Ob 524/76). Die Härteklausel des § 54 EheG kommt bei einer Scheidung wegen Geistes- 6 krankheit jedoch grundsätzlich zur Anwendung (6 Ob 616/83 = JBl 1985, 489). 497
§ 52 EheG
Aichhorn
7 Bei einer auf § 51 EheG gestützten Klage hat der beklagte Ehepartner vielfach überhaupt nicht die Möglichkeit, die Scheidung aus dem Verschulden des klagenden Partners zu begehren, weil er infolge geistiger Umnachtung gar nicht in der Lage ist, ein grob ehewidriges Verhalten seines Partners wahrzunehmen oder gar als ehestörend zu empfinden. Man kann daher in diesem Fall nicht davon sprechen, dass der Geisteskranke ein Scheidungsrecht „bereits verloren“ hat, weil er es nicht wirksam ausüben konnte. Mit Rücksicht auf den „besonderen Schutz des Gesetzes“, den § 21 ABGB verspricht, hat man auch in solchen Fällen daher einen Verschuldensantrag zuzulassen, schon allein um den Geisteskranken vor den unter Umständen schwerwiegenden finanziellen Folgen zu bewahren, die eine Unterlassung eines solchen Antrags für ihn mit sich bringen könnte (OLG Wien EF 60.289). 8 Da ein Geisteskranker nicht prozessfähig ist, führt sein gesetzlicher Vertreter den Scheidungsprozess. Das Ausmaß der Prozessunfähigkeit ergibt sich aus dem Umfang des Wirkungskreises des Sachwalters. Die geisteskranke Person ist aber Partei des Verfahrens.
Ansteckende oder ekelerregende Krankheit § 52. Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere an einer schweren ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit leidet und ihre Heilung oder die Beseitigung der Ansteckungsgefahr in absehbarer Zeit nicht erwartet werden kann. [Stammfassung]
1 Bestimmte körperliche Krankheiten können unter Umständen eine Scheidung rechtfertigen. Eine Krankheit iSd § 52 EheG muss entweder eine schwere ansteckende oder eine ekelerregende Krankheit sein (ob letztere auch schwer sein muss, ist str; dafür Stabentheiner/Rummel § 52 EheG Rz 3; aA Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 52 EheG Rz 4). Auch wenn § 52 EheG dies nicht explizit anführt, muss nach hL auch das Tatbestandsmerkmal der unheilbaren Zerrüttung der Ehe (auch nur einseitig) gegeben sein – hervorgerufen durch die Krankheit (Stabentheiner/Rummel § 52 EheG Rz 1 mwN; aA Feil § 52 EheG Rz 1). 2 Eine schwere Krankheit mit Ansteckungsgefahr ist eine Krankheit, die mit der ernsten Gefahr einer dauernden und erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit des Ehepartners verbunden ist, wie etwa AIDS, Geschlechtskrankheiten, offene Tuberkulose und Lepra. Die Ansteckungsgefahr der schweren Krankheit muss erheblich sein; eine bloße Ansteckungsmöglichkeit oder eine nur vorübergehende Ansteckungsgefahr, zB bei Tropenkrankheiten, oder die 498
§ 52 EheG
Scheidung aus anderen Gründen
Gefahr der Ansteckung mit einer leichten Krankheit (Grippe, Pilzerkrankung) genügen nicht als Scheidungsgrund (Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 52 EheG Rz 2). Erbkrankheiten sind keine Krankheiten iSd § 52 EheG (Stabentheiner/Rummel § 52 EheG Rz 2). Ist eine Heilung der Krankheit zu erwarten oder eine Beseitigung der Ansteckungsgefahr in absehbarer Zeit in Aussicht, ist die Scheidung nach § 52 Ehe ausgeschlossen. Besteht die Möglichkeit einer Heilung, hat sich der Kranke einer zumutbaren Behandlung zu unterziehen, andernfalls kann der andere Ehepartner die Scheidung nach § 52 EheG begehren (Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 52 EheG Rz 4). Bei der Beurteilung der Schwere der Erkrankung iSd § 52 EheG kommt es 3 nicht auf das subjektive Empfinden des Ehepartners, sondern nur auf den medizinisch objektiven Tatbestand an (3 Ob 500/56). Bei einer ekelerregende Krankheit muss der Ekel aus der körperlichen Be- 4 schaffenheit der Krankheit resultieren, nicht aber aus mangelhafter Pflege des Kranken (3 Ob 469/58 = JBl 1959, 344 = EF 2311). Körperliche Missbildungen, Narben oder Verstümmelungen der Gliedmaßen fallen nicht unter § 52 EheG (Schwind/Klang I/12, 797), ebenso wenig die Notwendigkeit, eine Leibschüssel benützen zu müssen (3 Ob 469/58 = JBl 1959, 344). Bei der Beurteilung, ob eine Krankheit ekelerregend ist, haben besondere individuelle Sensibilitäten des gesunden Partners außer Acht zu bleiben; es ist also ein objektiver Maßstab anzulegen (3 Ob 469/58 = JBl 1959, 344). In den Fällen des § 52 EheG ist das medizinische Gutachten die wichtigste 5 Grundlage des Urteils (3 Ob 642/82 = EF 41.220). Bestand eine Erkrankung bereits im Zeitpunkt der Eheschließung, ist eine 6 Scheidung gem § 52 EheG nicht gerechtfertigt (Hopf/Kathrein, § 52 EheG Anm 3). Es kann dann aber uU ein Aufhebungsgrund iSd § 37 EheG vorliegen (Schwind/Klang I/12, 798). Bei einer Scheidung wegen ansteckender oder ekelerregender Krankheit kom- 7 men die Scheidungsausschließungsgründe der Verzeihung und des Fristablaufs, die nur für Verschuldensscheidungen gelten, nicht in Betracht (OLG Wien EF 6946). Die Härteklausel (§ 54 EheG) ist jedoch anwendbar (6 Ob 176/72 = SZ 45/93 = EF 18.194).
§ 53. aufgehoben durch Art I § 1 Z 1 StGBl 1945/31
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Vermeidung von Härten § 54. In den Fällen der §§ 50 bis 52 darf die Ehe nicht geschieden werden, wenn das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt ist. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die Auflösung der Ehe den anderen Ehegatten außergewöhnlich hart treffen würde. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen, namentlich auch nach der Dauer der Ehe, dem Lebensalter der Ehegatten und dem Anlaß der Erkrankung. [Fassung gem StGBl 1945/31]
1 Die eheliche Beistandspflicht gem § 90 ABGB, die gerade auch in Zeiten schwerer Krankheit gilt, steht in einem Spannungsverhältnis zu den Scheidungstatbeständen der ehezerstörerischen Krankheiten der §§ 50 bis 52 EheG. Hier soll die Generalklausel des § 54 EheG ein Korrektiv zur Vermeidung grober Unbilligkeiten zulasten des kranken Ehepartners sein. Die Härteklausel gibt dem Gericht die Möglichkeit zu verhindern, dass ein Ehepartner den unbequem gewordenen anderen Partner zur Seite schiebt und die Ehe auflöst, obwohl vom Standpunkt der sittlichen Wertung der Ehe deren Auflösung nicht verantwortet werden könnte. Dabei muss besonders auf das Gebot der Treue Gewicht gelegt werden, das gerade dann offenbar wird, wenn der eine Teil durch eine Krankheit in Not geraten ist (OLG Wien EF 29.573). 2 Nach § 54 EheG darf in den Fällen der §§ 50 bis 52 EheG die Ehe nicht geschieden werden, wenn das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt ist. Dies ist idR dann anzunehmen, wenn die Auflösung der Ehe den anderen Ehepartner außergewöhnlich hart treffen würde. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich nach der Dauer der Ehe, insb der Dauer der wirklich lebendigen Ehegemeinschaft, Zahl und Alter der der Ehe entstammenden Kinder und der Auswirkung der Aufrechterhaltung oder Scheidung der Ehe auf die Kinder, dem Lebensalter der Ehepartner und ihrem Gesundheitszustand sowie dem Anlass der Erkrankung. Nach stRsp geben die Bestimmungen der §§ 50 bis 52 EheG dem gesunden Ehepartner grundsätzlich ein Recht auf Scheidung. Die Bestimmung des § 54 EheG ist daher nur bei besonders ungünstigen Auswirkungen der Ehescheidung anzuwenden. Die Anwendung dieser Bestimmung ist nicht als Regel, sondern als einschränkend auszulegende Ausnahme zu verstehen (7 Ob 635/87 = EF 54.420; 5 Ob 528/88 = EF 57.147; 6 Ob 741/88 = EF 60.211; LGZ Wien EF 108.234). 3 Unter die Generalklausel fallen etwa Fälle, in denen der klagende Ehepartner durch seine Rücksichtslosigkeit und fehlende Fürsorge oder sonstige schwere Verfehlungen die geistige Störung (mit)verursacht hat (5 Ob 533/79 = EF 33.993; LGZ Wien EF 108.238), oder wenn er an der Krankheit der beklagten Partei schuld ist (OLG Wien EF 46.199). Nach der Rsp ist dem Scheidungsbe500
§ 55 EheG
Auflösung der häuslichen Gemeinschaft
gehren nach § 50 EheG die sittliche Rechtfertigung iSd § 54 EheG auch dann abzusprechen, wenn die Voraussetzungen des § 49 Satz 3 EheG vorliegen. Demnach ist das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt, wenn die zerrüttungskausalen Eheverfehlungen des beklagten Partners erst durch das schuldhafte Verhalten des klagenden Ehepartners hervorgerufen wurden, ein enger Zusammenhang zwischen den beiderseitigen Eheverfehlungen besteht und die Verfehlungen des klagenden Ehepartners unverhältnismäßig schwerer wiegen als jene des Beklagten (LGZ Wien EF 104.838). Kein Härtefall liegt hingegen vor, wenn auf Seiten der beklagten Partei ledig- 4 lich wirtschaftliche Gründe gegen eine Scheidung sprechen, soweit der Beklagte nicht durch die Scheidung in eine wirtschaftliche Notlage gerät (stRsp, etwa 4 Ob 176/04t = EF 108.236). Weder der Umstand, dass der kranke Ehepartner nach der Scheidung aus der bisherigen Wohnung weichen muss, noch die Tatsache, dass Unterhalt im Falle der Scheidung nur mehr nach Billigkeit iSd § 69 Abs 3 EheG zusteht, sind Anwendungsfälle des § 54 EheG (4 Ob 176/04t = EF 108.237; LGZ Wien EF 108.235). Ebenso wenig kann allein die Schwierigkeit der nachehelichen Aufteilung des ehelichen Vermögens nach Billigkeit zur Annahme führen, dass die Auflösung der Ehe den Ehepartner außergewöhnlich hart treffen würde (5 Ob 594/90). § 54 EheG kann einer Scheidung dann nicht mit Erfolg entgegen gehalten wer- 5 den, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 3 EheG vorliegen, also die häusliche Gemeinschaft seit sechs Jahren aufgehoben ist (5 Ob 528/88 = EF 57.151; Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 54 EheG Rz 3; aA Hopf/ Kathrein § 54 EheG Anm 8; Stabentheiner/Rummel § 54 EheG Rz 6; Koch/ KBB § 54 EheG Rz 2). Verzeihung oder Verfristung sind bei § 54 EheG nicht vorgesehen. Die Voraussetzungen des § 54 EheG sind von Amts wegen zu prüfen (6 Ob 6 741/88 = EF 60.214; OLG Wien EF 43.650).
Auflösung der häuslichen Gemeinschaft § 55. (1) Ist die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit drei Jahren aufgehoben, so kann jeder Ehegatte wegen tiefgreifender unheilbarer Zerrüttung der Ehe deren Scheidung begehren. Dem Scheidungsbegehren ist nicht stattzugeben, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zu erwarten ist. (2) Dem Scheidungsbegehren ist auf Verlangen des beklagten Ehegatten auch dann nicht stattzugeben, wenn der Ehegatte, der die Scheidung begehrt, die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat und den beklagten Ehegatten die Scheidung härter träfe als den klagenden Ehegat501
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Aichhorn
ten die Abweisung des Scheidungsbegehrens. Bei dieser Abwägung ist auf alle Umstände des Falles, besonders auf die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft, das Alter und die Gesundheit der Ehegatten, das Wohl der Kinder sowie auch auf die Dauer der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft, Bedacht zu nehmen. (3) Dem Scheidungsbegehren ist jedenfalls stattzugeben, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit sechs Jahren aufgehoben ist. [Fassung gem BGBl 1978/303] Lit: Aicher, Die Reform des Rechts der Ehescheidung und der unterhaltsrechtlichen Scheidungsfolgen, FamRZ 1980, 426; ders, Die Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (§ 55 EheG) und ihre unterhaltsrechtlichen Folgen, in Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979), 81; ders, Ehescheidung und Scheidungsfolgen, in Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979) 83; Aichhorn, Das Ehescheidungsrecht, in Aichhorn (Hrsg), Frauen & Recht (1997), 395; Beclin, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz im Lichte des Eherechts, EF-Z 2010/34; M. Bydlinkski/ Nowakowski, Streitwert und Anwaltszwang beim Bezirksgericht, RZ 1990, 164; DeixlerHübner, Grundfragen des neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruchs nach § 68a EheG, ÖJZ 2000, 707; Dullinger, Zur Prozessfähigkeit minderjähriger und geistig behinderter Personen, RZ 1989, 6; Ent, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 117 (Teil 1) und 149 (Teil 2); Gitschthaler, Handlungsfähigkeit minderjähriger und besachwalteter Personen. Eine Darstellung aus materiellrechtlicher Sicht, ÖJZ 2004/4 (Teil I) und ÖJZ 2004/7 (Teil II); Harrer, Verschuldensprinzip und Scheidungsrecht, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 553; Höllwerth, Staatsbürgerschaftsehe – wie werde ich (rechtlich) den Mann los? EF-Z 2009/138; Hoyer, Das neue Scheidungsrecht, JBl 1981, 11; Kerschner, Zum Unterhalt nach Scheidung nach neuem Recht, JBl 1979, 561; Krejci, Neues Scheidungsrecht und soziale Sicherung, JBl 1979, 169; Schwind, Verschulden als Scheidungsgrund, Zerrüttungsursache und Faktor im Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1983, 197; Stoiber, Ein nicht eingehaltenes Versprechen, AnwBl 1981, 246; Verschraegen, Mitversicherungsbeitrag und Unterhalt, ÖJZ 2003/16. Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreijährige Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft Tiefgreifende unheilbare Zerrüttung . . . . . . . . . . . . Widerspruchsrecht – Härteklausel . . . . . . . . . . . . . . Beispiele zur Härteklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-Jahres-Frist (§ 55 Abs 3 EheG) . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 2–9 10–12 13–17 18–26 27–32
A. Allgemeines 1 Ist die häusliche Gemeinschaft der Ehepartner seit mindestens drei Jahren aufgehoben und die Ehe unheilbar zerrüttet, kann jeder Ehepartner auf Scheidung klagen, unabhängig davon, wer die Zerrüttung verschuldet hat oder wer die 502
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Auflösung der häuslichen Gemeinschaft
häusliche Gemeinschaft aus welchen Gründen auch immer aufgehoben hat (§ 55 Abs 1 EheG). Auf eine Scheidungsklage nach § 55 EheG mit einem Verschuldensausspruch kann in einer Trennungsvereinbarung nicht wirksam verzichtet werden (4 Ob 31/08z = ZAK 2008/332). Die Grundvoraussetzungen für eine Scheidung nach § 55 EheG, die kumulativ vorliegen müssen, sind somit die mindestens dreijährige Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft und die unheilbare Ehezerrüttung, die spätestens bei Prozessbeginn vorliegen muss. Zwischen Heimtrennung und Ehezerrüttung muss kein zeitlicher oder ursächlicher Zusammenhang bestehen (LGZ Wien EF 97.191). Im Rahmen der Härteabwägung des § 55 Abs 2 EheG kann der beklagte Ehepartner aber die Scheidung abwehren, wenn der klagende Ehepartner die Ehezerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat und die Scheidung den Beklagten erheblich härter träfe als den Kläger die Fortsetzung der Ehe. Durch die Härteabwägung kann aber lediglich ein „Scheidungsaufschub“ für die Dauer von insgesamt sechs Jahren erreicht werden, danach ist der Scheidungsklage jedenfalls stattzugeben (§ 55 Abs 3 EheG). Der Beklagte hat bei einer Scheidung nach § 55 EheG das Benefiz einer günstigen unterhaltsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Besserstellung (Feststellung des alleinigen oder überwiegenden Zerrüttungsverschuldens nach § 61 Abs 3 EheG).
B. Dreijährige Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft Der Begriff „häusliche Gemeinschaft“ wird als Wohn-, Wirtschafts- und Ge- 2 schlechtsgemeinschaft verstanden (2 Ob 516/90 = EF 63.404; LGZ Wien EF 90.292). Der Begriff „häusliche Gemeinschaft“ ist auch bei verheirateten, gemeinsam tätigen Gewerbetreibenden grundsätzlich nicht anders zu beurteilen als bei unselbstständig berufstätigen Eheleuten, so dass rein geschäftliche Kontakte der Eheleute nicht dem Begriff „Wirtschaftsgemeinschaft“ (von Eheleuten) unterstellt werden können (1 Ob 1594/95 = EF 78.643; 8 Ob 21/06 f = EF 114.209). Von einer Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft kann erst dann gesprochen werden, wenn alle drei Voraussetzungen weggefallen sind, ohne dass aber jeder persönliche Kontakt der Ehepartner abgebrochen werden müsste (1 Ob 1594/95 = EF 78.644; 8 Ob 21/06 f = EF 114.208; LGZ Wien EF 90.292). Das Verständnis der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft der Ehepartner iSd § 55 Abs 1 EheG kann mit Modifikation als Grundlage für die Auslegung des Begriffs Leben in häuslicher Gemeinschaft iSd § 382b Abs 3 EO angesehen werden (10 Ob 103/98i = SZ 71/52; RIS-Justiz RS0109529). Es ist weder eine „Aufhebungserklärung“ noch Einvernehmen über die Aufhebung notwendig (Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 55 EheG Rz 8).
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3 Der gesetzliche Tatbestand des Scheidungsgrunds der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft nach § 55 Abs 1 EheG ist mit demjenigen nach § 55 Abs 3 EheG identisch. Ein nach § 55 Abs 1 EheG anhängiges Scheidungsverfahren begründet für eine nach Ablauf der Sechsjahresfrist des § 55 Abs 3 EheG eingebrachte, auf diese Gesetzesstelle gestützte Scheidungsklage das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit nach den §§ 232 f ZPO (6 Ob 47/98z = EvBl 1998/ 134). 4 Stets bedarf es bei der Prüfung der Frage, ob die Beziehung der Ehepartner noch als Gemeinschaft anzusehen ist, einer wertenden Beurteilung aller äußeren und inneren Umstände, die für die zwischen den Ehepartner (noch) bestehenden Kontakte maßgeblich sind (LGZ Wien EF 90.293). Maßgebend für die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft ist, wieweit die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehepartnern objektiv und zumindest bei einem Ehepartner subjektiv im Wesentlichen nicht mehr besteht (OLG Wien EF 54.425). Bei Beurteilung des Begriffs „Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft“ muss ein subjektives Element mitbedacht werden. Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft setzt voraus, dass der eheschädliche Wille zumindest eines Ehepartners erkennbar wird, dass also wenigstens ein Partner zeigt, dass er unabhängig von den rein äußerlichen Ereignissen die eingetretene Trennung so empfindet, als hätte er selbst diese herbeigeführt oder gebilligt. Erst dann kann von der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft gesprochen werden (8 Ob 565/86 = EF 51.621; LGZ Wien EF 69.236). Eine durch äußere Umstände bedingte Trennung bewirkt für sich allein also noch nicht die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft (LGZ Wien EF 97.192). Aus dem verschuldensunabhängigen Zerrüttungstatbestand des § 55 Abs 1 und 3 EheG ist eine Scheidung auch dann möglich, wenn eine häusliche Gemeinschaft vereinbarungsgemäß nicht aufgenommen wurde, da nach vorliegender Rsp die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft ihrer bereits anfänglichen Nichtbegründung gleichgehalten wird (7 Ob 88/02w = EF 100.868; LGZ Wien = EF-Z 2009/138 [Höllwerth]). 5 Unter häuslicher Gemeinschaft ist nach der Rsp die Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft zu verstehen (8 Ob 657/89 = EF 60.215; LGZ Wien EF 90.292). Sind alle drei Voraussetzungen weggefallen, nimmt man eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft an (8 Ob 657/89 = EF 60.218; LGZ Wien EF 90.292). Daher ist eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft auch bei einem Verbleib beider Ehepartner in derselben Wohnung möglich, wenn persönliche Kontakte zwischen ihnen praktisch nicht mehr bestehen und sie in ihrer Lebensführung mehr oder weniger vollständig getrennt leben (getrennte Anschaffung von Lebensmitteln, Zubereitung der Mahlzeiten und Versorgung der Wäsche; 8 Ob 657/89 = EF 60.217; LGZ Wien EF 90.294; 75.537; LG Salzburg EF 93.761).
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Vorübergehende, gelegentliche Besuche, auch wenn es dabei zur Aufnahme 6 geschlechtlicher Beziehungen kommt, stellen keine Fortsetzung oder Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft dar (LGZ Wien EF 78.647; 97.194; LG Salzburg EF 120.098), ebenso wenig die Unterstützung des Ehepartners bei der Pflege von Angehörigen (LGZ Wien EF 97.195). Umgekehrt sind kurzfristige Unterbrechungen des ehelichen Zusammenlebens bei grundsätzlich aufrechtem gemeinsamen Wohnsitz für die Annahme eines Lebens im gemeinsamen Haushalt nicht schädlich (VwGH 6.5.2008, 2005/01/0368). Ob die Voraussetzungen zur Annahme der Auflösung der häuslichen Gemein- 7 schaft vorlagen, stellt wegen der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (1 Ob 1594/95 = EF 78.645). Sowohl die Dreijahresfrist des § 55 Abs 1 EheG also auch die Sechsjahresfrist 8 des § 55 Abs 3 EheG beginnt mit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zu laufen, es kommt nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt eine tiefgreifende unheilbare Zerrüttung der Ehe eingetreten ist (5 Ob 568/80 = EF 36.372; LG Salzburg EF 120.097). Eine Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft bewirkt, dass die Frist erneut von vorne zu laufen beginnt, auch wenn die häusliche Gemeinschaft nur für kurze Zeit wieder aufgenommen wurde. Die Zeiten von mehreren Trennungen werden nicht addiert (OLG Wien EF 51.619; LGZ Wien EF 90.302). Die dreijährige Frist muss spätestens bei Schluss der mündlichen Streitver- 9 handlung erster Instanz und nicht bereits im Zeitpunkt der Klage abgelaufen sein (LG Salzburg EF 120.097).
C. Tiefgreifende unheilbare Zerrüttung Die in § 55 Abs 1 EheG geforderte „tiefgreifende Zerrüttung“ ist eine überflüs- 10 sige tautologische Beifügung. Nach hA und stRsp wird auch hier – wie in § 49 EheG – eine unheilbare Ehezerrüttung gefordert (LGZ Wien EF 90.303; Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 55 EheG Rz 5). Die Ehe ist dann tiefgreifend unheilbar zerrüttet, wenn die tragenden Ausprägungen der Ehegemeinschaft zu bestehen aufgehört haben (LGZ Wien EF 90.298) und wenn nach objektiven Kriterien die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden geistigen, seelischen und körperlichen Lebensgemeinschaft zwischen den Ehepartnern nicht mehr zu erwarten ist (LGZ Wien EF 90.299). In dem Fall, dass die häusliche Gemeinschaft innerhalb von sechs Jahren ab Eheschließung erst gar nicht aufgenommen wurde, weil der Ehemann unmittelbar nach der Trauung verschwunden ist, ist ex lege unheilbare Zerrüttung anzunehmen (5 Ob 155/02h = RZ-EÜ 2003/164). Es genügt, dass die Grundlage der Ehe objektiv weggefallen ist und bei einem Ehepartner subjektiv die eheliche Ge505
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sinnung auf Dauer nicht mehr besteht (1 Ob 501/88 = EF 57.156; 4 Ob 550/88 = EF 57.158). Es kommt nicht darauf an, dass beide Ehepartner der Ansicht sind, dass ihre Ehe unheilbar zerrüttet ist (LGZ Wien EF 90.301). Die stRsp begnügt sich bei der Annahme der unheilbaren Zerrüttung mit dem endgültigen Verlust des Ehewillens auf Seiten des klagenden Ehepartners, wofür idR schon die Erhebung der Scheidungsklage spricht (LGZ Wien EF 90.304). 11 Ob die für den Scheidungstatbestand nach § 55 Abs 1 EheG geforderte Zerrüttung tiefgreifend und unheilbar ist, ist keine Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage (OLG Wien EF 36.362). Das Gericht hat sorgfältig zu prüfen, ob im Einzelfall ungeachtet der mehr als dreijährigen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft nicht dennoch mit der Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zu rechnen ist. Trifft dies zu, ist die Scheidungsklage abzuweisen (OLG Wien EF 36.361). Bei der für die Beurteilung der Unheilbarkeit der Zerrüttung anzustellenden Prognose kommt es auf die vom Richter als außenstehenden Dritten vorzunehmende Überprüfung der Möglichkeiten an, ob ungeachtet der bestehenden Ehekrise in Zukunft angenommen werden kann, dass der Ehepartner, der subjektiv die Bereitschaft zur Fortsetzung der Ehe derzeit ablehnt, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufnehmen wird, ob es den Ehepartnern somit möglich sein wird, eine entsprechende Form des Zusammenlebens erneut zu finden. Im Rahmen einer Prognose muss ausgeschlossen werden können, dass das seinerzeit vorhandene Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Ehepartnern wieder entstehen wird, sodass es wesentlich darauf ankommt, ob der Ehepartner, würde ihm die Scheidung versagt, wieder den Weg in die Ehe zurück finden wird (LG Wels EF 114.206). 12 Während die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zum Zeitpunkt der Urteilsfällung (vgl Rz 9) bereits seit drei Jahren bestehen muss, reicht es aus, wenn die unheilbare Zerrüttung der Ehe spätestens zu diesem Zeitpunkt („wenn auch erst seit drei Tagen“) vorliegt (LGZ Wien EF 90.305). Zwischen Heimtrennung und Ehezerrüttung muss kein zeitlicher oder ursächlicher Zusammenhang bestehen (LGZ Wien EF 97.191). Bei § 55 Abs 1 EheG kommt es auf das Verschulden überhaupt nicht an; es ist unerheblich, wodurch und durch wen die Ehezerrüttung verschuldet wurde. Daher ist § 55 EheG auch bei Ehezerrüttung durch einen geistig Kranken anzuwenden (8 Ob 70/62 = SZ 35/31).
D. Widerspruchsrecht – Härteklausel 13 Auch wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist, kann die Schei506
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dung durch die Härteabwägung des § 55 Abs 2 EheG abgewendet werden. Der Sinn der Härteklausel liegt darin, dass der schuldlose Ehepartner nicht plötzlich mit der vollen Härte der Scheidung konfrontiert werden soll, sondern ihm in Ausnahmefällen eine Anpassungsfrist gewährt wird (1 Ob 1594/ 95 = EF 78.649; 6 Ob 627/95 = EF 78.650; LG Salzburg EF 120.099). Dies bedeutet aber aufgrund der Bestimmung des § 55 Abs 3 EheG bestenfalls einen Scheidungsaufschub von (weiteren) drei Jahren. Denn ist die häusliche Gemeinschaft seit sechs Jahren aufgehoben, ist eine Härteabwägung nicht mehr zulässig (4 Ob 524/79 = EvBl 1980/51; 1 Ob 610/81 = EvBl 1982/194). Die Rsp sieht die Härteklausel nur als äußerst selten zum Tragen kommen- 14 des Instrument zur Gewährung einer Anpassungsfrist an. Sie soll nur dann zur Abweisung der Scheidungsklage führen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Scheidung für den beklagten Partner eine besondere Härte mit sich brächte, die über die allgemein mit einer Scheidung verbundenen Härte hinausgeht (2 Ob 56/10i; 1 Ob 1594/95 = EF 78.653; LGZ Wien EF 104.849; LG Salzburg EF 120.100). Das Vorliegen eines besonderen Härtefalls ist anhand der gesamten Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen (2 Ob 56/10i; 8 Ob 70/05k = EF 111.217). Es ist auf die subjektiven Verhältnisse gerade der betreffenden Ehepartner abzustellen (1 Ob 1594/95 = EF 78.654). Bei der richterlichen Abwägung, wen die Scheidung bzw Nichtscheidung 15 härter träfe, hat das Gericht die gesamten Lebensumstände der Ehepartner zu berücksichtigen, sowohl materieller als auch immaterieller Natur. Das Gesetz führt einige relevante Umstände an, nämlich die Dauer der Ehe, das Alter und den Gesundheitszustand der Ehepartner, das Wohl der Kinder und die Dauer der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft. Diese beispielsweise Aufzählung in § 55 Abs 2 EheG stellt für sich alleine noch keine besondere Härte dar (LGZ Wien EF 78.655). Das alleinige Verschulden des Scheidungsklägers an der Zerrüttung der Ehe rechtfertigt für sich allein nicht die Anwendung der Härteklausel des § 55 Abs 2 EheG (7 Ob 736/87 = EF 57.170). Den für die Abwägung maßgebenden Umständen ist ein umso geringeres Gewicht beizumessen, je mehr sich der Ablauf der Frist des § 55 Abs 3 EheG von sechs Jahren nähert (LGZ Wien EF 78.648, 100.872). Die Härteklausel ist nicht anwendbar, wenn die Härte nicht die für den schuldlosen Teil durchschnittlich zu erwartende erheblich übersteigt (LGZ Wien EF 97.196). Im Fall gleicher Härte für beide Ehepartner ist die Ehe zu scheiden (LGZ Wien EF 81.634; LG Krems EF 111.218). Der Untersuchungsgrundsatz gilt gem § 460 Z 4 ZPO nur in Verfahren über 16 die Nichtigerklärung oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe, demnach nicht im Ehescheidungsverfahren. Aufgrund der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime hat das Gericht den Sachverhalt 507
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grundsätzlich nur im Rahmen der Klagsgründe und der dagegen ausdrücklich erhobenen Einwendungen zu prüfen. Demnach ist auch ein Härteeinwand gem § 55 Abs 2 EheG nicht von Amts wegen, sondern nur auf ausdrücklichen Antrag des Beklagten zu prüfen (LGZ Wien EF 111.215; LG Salzburg EF 120.104). Dieser Antrag ist nicht Widerspruch, sondern ein Antrag auf Klageabweisung, der begründet sein muss. Die beklagte Partei ist also behauptungsund beweispflichtig (LGZ Wien EF 100.873; LG Salzburg EF 120.104). 17 Ein Vorausverzicht auf die Härteabwägung ist unwirksam (Stabentheiner/ Rummel § 55 EheG Rz 8 mwN).
E. Beispiele zur Härteklausel 18 Der Umstand, dass die beklagte Ehefrau im Fall der Scheidung vorzeitig einem Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG ausgesetzt wäre, ist keine solche außergewöhnliche Härte, dass sie eine Verweigerung der Scheidung nach § 55 Abs 2 EheG rechtfertigen würde (LG Krems EF 111.218). 19 Die üblichen sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Ehescheidung bilden keinen Härtefall, wenn nicht durch besondere Umstände eine Verschlechterung der Anwartschaft auf eine Witwenversorgung besteht (LGZ Wien EF 87.467; 97.197; LG Salzburg EF 120.103). 20 Mögliche pensionsrechtliche Nachteile der Witwe aus der Scheidung nach § 55 Abs 1 EheG können für sich allein keinen Einwand nach § 55 Abs 2 EheG rechtfertigen, weil derartige Nachteile den Normalfall darstellen und nur eine besondere, über die typischen Scheidungsfolgen hinausgehende Härte tatbestandsmäßig ist. Die Verschlechterung bei der Anwartschaft auf die Witwenpension wird von der Rsp aber dann als besonderer Härtefall anerkannt, wenn die der Scheidung widersprechende Ehefrau durch die einvernehmliche eheliche Lebensgestaltung gehindert war, eine entsprechende Vorsorge für ihre Altersversorgung zu treffen (5 Ob 41/99m = EF 90.310; 8 Ob 70/05k = EF 111.219). 21 Religiöse und moralische Motive für die Hoffnung der Beklagten auf eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft sind keine Rechtfertigung einer besonderen Härte der Scheidung (LGZ Wien EF 90.308). 22 Das Wohl der Kinder fällt nicht entscheidend ins Gewicht, wenn sich der Kläger bemüht, den persönlichen Kontakt aufrecht zu erhalten, und das Ende der Frist des § 55 Abs 3 EheG bereits nahe liegt (6 Ob 750/82 = EF 41.254). 23 Unterhaltsansprüche der Kinder spielen bei der Interessenabwägung keine Rolle, weil die Durchsetzung dieser Ansprüche ohne Ehescheidung um nichts leichter ist als danach (LGZ Wien EF 63.412). 508
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Befürchtungen erbrechtlicher Nachteile bilden keinen Grund für die Anwen- 24 dung der Härteklausel, weil man keinem Ehepartner ein Recht darauf zubilligen kann, dass ihm auch bei zerrütteter Ehe der Nachlass des anderen Ehepartners verbleibt (LGZ Wien EF 63.414). Der Verlust einer Naturalwohnung des Dienstgebers stellt keine besondere 25 Härte dar, wenn deren Benützung jedenfalls noch solange gestattet wird, dass innerhalb der Frist dem Scheidungsbegehren gem § 55 Abs 3 EheG stattzugeben wäre (4 Ob 542/94 = SZ 67/104). Der drohende Verlust des Aufenthaltstitels kann die Annahme einer beson- 26 deren Härte rechtfertigen (2 Ob 56/10i = JusGuide 2010/30/7753 (OGH)).
F. 6-Jahres-Frist (§ 55 Abs 3 EheG) Mit der Vorschrift des § 55 Abs 3 EheG wurde ein von den Voraussetzungen 27 der Abs 1 und 2 des § 55 EheG unabhängiger absolut wirkender Scheidungstatbestand normiert. Nach Ablauf der in dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Frist von 6 Jahren entfällt nicht nur die im § 55 Abs 2 EheG für den Fall eines Widerspruchs des beklagten Ehepartners vorgeschriebene Prüfung des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe sowie die Abwägung der beiderseitigen Lebensumstände, sondern auch die Verpflichtung des Richters, sich iSd § 55 Abs 1 EheG davon zu überzeugen, ob nach den Umständen des Falls die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zu erwarten ist. Insoweit kommt die Bestimmung des § 55 Abs 3 EheG in ihrer Auswirkung einer unwiderlegbaren Rechtsvermutung gleich (aA Hopf/ Kathrein § 55 EheG Anm 18), wonach bei mehr als sechsjähriger Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft die tiefgreifende unheilbare Zerrüttung der Ehe ohne weitere Prüfung schon nach dem Gesetz anzunehmen und der Scheidungsklage vom Gericht jedenfalls ohne weitere Voraussetzungen stattzugeben ist. Der Wille des Gesetzgebers ging dahin, mit der Sechsjahresfrist des § 55 Abs 3 EheG eine absolute Grenze zu setzen, nach deren Ablauf dem Scheidungsbegehren eines Ehepartners unter allen Umständen („in jedem Fall“) stattzugeben ist, ohne dass dabei noch weitere, insb die in den Abs 1 und 2 dieser Gesetzesstelle angeführten Umstände zu prüfen wären (4 Ob 524/79 = EvBl 1980/51; 5 Ob 661/81 = EF 38.755; 6 Ob 47/98z = JBl 1998, 659). Auch bei einer Scheidung nach § 55 Abs 3 EheG ist die Zerrüttung der Ehe 28 Tatbestandsmerkmal, das aber nach Verstreichen der Sechsjahresfrist infolge der Gesetzesvermutung unwiderruflich feststeht. Deshalb ist im Verhältnis zu einer anhängigen Scheidungsklage nach § 55 Abs 1 EheG die Identität des Tatbilds und des rechtserzeugenden Sachverhalts zu bejahen. In der Behauptung 509
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des Ablaufs der Sechsjahresfrist liegt keine Klageänderung; einer neuerlichen Klage steht das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit entgegen (6 Ob 47/ 98z = JBl 1998, 659). 29 Bei § 55 EheG ist Anspruchskonkurrenz möglich. Hat die klagende Partei mehrere Scheidungstatbestände geltend gemacht, dann kann sie ihre Rangordnung festlegen. Mangels Festlegung geht die Verschuldensscheidung gem § 49 EheG einer Scheidung nach den §§ 50 bis 55 EheG vor. Auf einen nicht vorrangig geltend gemachten Scheidungsgrund ist daher erst einzugehen, wenn ein Verschulden der beklagten Partei nicht feststellbar ist (OLG Wien EF 34.014). 30 Anders als das Antragsrecht auf einvernehmliche Scheidung gem § 55a EheG ist das Recht auf Erhebung einer Scheidungsklage nicht höchstpersönlich. Ein gem § 268 Abs 3 Z 3 ABGB zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellter Sachwalter ist somit grundsätzlich zur Erhebung einer auf § 55 EheG gestützten Scheidungsklage für den Betroffenen befugt (5 Ob 94/05t = JBl 2005, 781 = EF 111.871; LGZ Wien 120.107). Eine derartige Klage bedarf aber der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (5 Ob 94/05t = JBl 2005, 781; 5 Ob 2/08t = Zak 2008/231). 31 Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 55 Abs 3 EheG bestehen keine Bedenken; insb verletzt er nicht den Gleichheitssatz des Art 7 Abs 1 B-VG oder das Recht des Art 12 EMRK, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen (1 Ob 641/79 = EvBl 1979/234). Zum Verschuldensausspruch s § 61 EheG; zur Ergänzungsklage § 46 EheG Rz 5. 32 Eine Vereinbarung der Ehepartner, wonach eine Scheidung gem § 55 EheG unmöglich gemacht werden soll, ist nicht wirksam, da sie dem Regelungszweck des EheG widerspricht (4 Ob 31/08z = EF-Z 2008/136 [Beck]).
Einvernehmen § 55a. (1) Ist die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben, gestehen beide die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zu und besteht zwischen ihnen Einvernehmen über die Scheidung, so können sie die Scheidung gemeinsam begehren. (2) Die Ehe darf nur geschieden werden, wenn die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt der Kinder oder die Obsorge, die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr und die Unterhaltspflicht hinsichtlich ihrer gemeinsamen Kinder sowie ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrecht510
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Einvernehmliche Ehescheidung
lichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Scheidung dem Gericht unterbreiten oder vor Gericht schließen. Hinsichtlich des Rechtes auf persönlichen Verkehr mit gemeinsamen Kindern können die Ehegatten vereinbaren, daß sie sich die Regelung vorbehalten. (3) Einer Vereinbarung nach Abs. 2 bedarf es nicht, soweit über diese Gegenstände bereits eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Daß die für eine solche Vereinbarung allenfalls erforderliche gerichtliche Genehmigung noch nicht vorliegt, ist für den Ausspruch der Scheidung nicht zu beachten. [Fassung gem BGBl I 2000/135] Lit: Aicher, Die Reform des Rechts der Ehescheidung und der unterhaltsrechtlichen Scheidungsfolgen in Österreich, FamRZ 1980, 430; Arnold, Die „Scheidungsfolgen-Vereinbarung“ (§ 55a Abs 2 EheG) in gebührenrechtlicher Sicht, RdW 1984, 287; ders, Die Scheidungsfolgenvereinbarung (Scheidungsfolgenentscheidung) in grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht, RdW 1984, 351; Beclin, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz im Lichte des Eherechts, EF-Z 2010/34; Breycha, Sind nicht genehmigte Vergleiche im Pflegschaftsverfahren wirklich schwebend unwirksam? RZ 1992, 86; Deixler-Hübner, Grundfragen des neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruchs nach § 68a EheG, ÖJZ 2000, 707; dies, Unterhaltsverzicht und Änderung der Umstände. Zugleich eine Besprechung von 3 Ob 229/98t, ecolex 2000, 638; Edlbacher, „Vermögenskurator für die Scheidungswaise“, ÖJZ 1985, 675; Ent, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 117 und 149; Fenyves, Unterhalt- und vermögensrechtliche Vereinbarungen bei der Auflösung der Ehe aus zivilrechtlicher Sicht, in Ruppe (Hrsg), Handbuch der Familienverträge2 (1985) 831; Ferrari, Die Obsorge bei Trennung und Scheidung der Eltern nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf (Hrsg), Reform des Kindschaftsrechts (2001) 53; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Ausgestaltung und Mangelhaftigkeit von Vereinbarungen im Zuge einer einvernehmlichen Scheidung, JBl 1992, 409; Flendrovsky, Außergerichtliche Vereinbarung über die Scheidungsfolgen und Gebührengesetz, AnwBl 1983, 61; Fucik, Außerstreitverfahren in Abstammungs-, Adoptions-, Ehe- und Sachwalterschaftssachen, ecolex 2004, 922; Gantner, Das rechtliche Schicksal der Eigentumswohnung im Scheidungsfall, immolex 2001, 236; Gründler, Die gemeinsame Obsorge nach dem KindRÄG 2001, ÖJZ 2001, 701; Haidenthaller, Schwerpunkte der Kindschaftsrechts-Reform 2001. Ein Vergleich der früheren mit der neuen Rechtslage, Teil I, 2001, 622; Teil II, JBl 2001, 633; Hopf, Die Rechtsstellung des Elternteils, bei dem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, nach dem KindRÄG 2001, in Ferrari/Hopf (Hrsg), Reform des Kindschaftsrechts (2001) 69; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 821 (Teil I) und 861 (Teil II); Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 485, 530; Hoyer, Das neue Scheidungsrecht, JBl 1981, 11; ders, Gesetzlicher Unterhalt nach einverständlicher Scheidung? Besprechung von OGH 20.3.1985, 1 Ob 532/85 und OGH 26.11.1985, 5 Ob 604/84, JBl 1986, 772; Knoll, Aus dem Rechtsalltag des Außerstreit- und Familienrichters, RZ 1992, 246 (Teil I) und 271 (Teil II); Koch-Hipp, Die einvernehmliche Scheidung – Voraussetzungen, Verfahren und Rechtskraft, FamZ 07/2006, 100; Kohler, Gesetzlicher Unterhalt bei eigenen Einkünften des geschiedenen Ehegatten; RdW 1984, 290; Konecny, Wiederaufnahme im Außerstreitverfahren, insbesondere im Verfahren zur einvernehmlichen Scheidung, JBl 1983, 20; Kostka, Die Änderung der Entscheidungsgrundlage des Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG, RZ 1989, 29; ders, Die Auswirkungen des Eherechtsänderungsgesetzes 1978 auf ehegüter-
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rechtliche Vereinbarungen, NZ 1988, 320; Ladurner, Vermögenskurator für die Scheidungswaise, ÖJZ 1985, 673; Langer, Außerstreitgesetz 20032 (2007); Mänhardt, Die Scheidung im Einvernehmen, in Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979) 125; Mayr/Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen (2004); Neuhauser, Unterhaltserhöhung durch Einleitung des Abschöpfungsverfahrens? Zak 2007, 83; Philp, Neuester Stand der Rechtsprechung des LG für ZRS Wien in Kindschaftssachen und zur Praxis des § 55a EheG, AnwBl 1981, 20; H. Pichler, Wann wird der Scheidungsbeschluß rechtskräftig? RZ 1994, 32; ders, Probleme der gemeinsamen Obsorge, ÖJZ 1996, 92; Simotta, Das „Zerrüttungsgeständnis“ im Verfahren über die einvernehmliche Scheidung, FS Kralik (1986) 329; dies, Die einvernehmliche Scheidung während eines anhängigen Eheprozesses (§ 460 Z 10 ZPO), ÖJZ 1987, 167; dies, Die Zurücknahme des Antrags auf einvernehmliche Scheidung, in Buchegger/Holzhammer (Hrsg), Beiträge zum Zivilprozeß III (1989) 253; dies, Die Unterbrechung des Verfahrens über die einvernehmliche Scheidung wegen Aussicht auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 223 AußStrG), in Buchegger/Holzhammer (Hrsg), Beiträge zum Zivilprozeß III (1989) 281; dies, Zum Nichtigkeitsantrag im Außerstreitverfahren, insbesondere im Verfahren über die einvernehmliche Scheidung, JBl 1989, 154; dies, Die Prozessfähigkeit in (außerstreitigen) Eheangelegenheiten, ÖJZ 1989, 577; Stabentheiner, Scheidungsvergleich und pflegschaftsgerichtliche Genehmigung, RZ 1991, 250 ff; Thomasberger, Das KindRÄG 2000: Schwerpunkt gemeinsame Obsorge. Ein kurzer Überblick über die zentralen Regelungen, infas 2001, 3; Verschraegen, Die einverständliche Scheidung in rechtsvergleichender Sicht (1991); dies, Mitversicherungsbeitrag und Unterhalt, ÖJZ 2003/16. Inhaltsübersicht A. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft 3. Unheilbare Ehezerrüttung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Scheidungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gemeinsamer Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Voraussetzungen 1. Allgemeines
1 Die kumulativen Tatbestandsvoraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung sind: die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehepartner ist seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben; beide Ehepartner gestehen die unheilbare Zerrüttung der Ehe zu; das Ehepaar legt eine schriftliche Vereinbarung über die wichtigsten Scheidungsfolgen vor bzw schließt diesen Scheidungsvergleich bei Gericht; beide Ehepartner begehren einvernehmlich und gemeinsam die Scheidung.
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2. Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft
Die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft seit mindestens einem hal- 2 ben Jahr ist materiell-rechtliche Voraussetzung für den Scheidungsausspruch, nicht prozessrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung; eine Zurückweisung des Antrags ohne Verhandlung ist daher nichtig (LGZ Wien EF 104.853). Maßgebend ist nicht die Aufhebung der häuslichen, sondern der ehelichen Gemeinschaft (LGZ Wien EF 46.213). Die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft muss nicht zwangsläufig getrennte Wohnungen bedeuten. Auch wenn das Ehepaar noch gemeinsam in der Ehewohnung lebt, kann die umfassende Lebensgemeinschaft aufgehoben sein, wenn sie etwa beide getrennte Wege gehen, die Freizeit, den Urlaub nicht miteinander verbringen und die Treue- und Beistandspflicht aufgehoben haben. Das weitere Wohnen im gemeinsamen Haushalt allein steht dem Scheidungsbegehren somit nicht entgegen (LGZ Wien EF 66.424). Wird die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufgenommen, beginnt die Frist des § 55a Abs 1 EheG ab der neuerlichen (letzten) Aufhebung der Ehegemeinschaft erneut zu laufen, abgelaufene „Fristteile“ werden nicht addiert (LGZ Wien EF 34.017). 3. Unheilbare Ehezerrüttung
Beide Ehepartner müssen die unheilbare Zerrüttung der Ehe zugestehen. Das 3 Zerrüttungsgeständnis ist für das Gericht nicht bindend (LGZ Wien EF 41.260; Stabentheiner/Rummel § 55a EheG Rz 3 mwN; differenzierend Schwimann/Weitzenböck/Schwimann § 55a EheG Rz 7; aA [das diesbezüglich übereinstimmende Vorbringen der Ehepartner im Verfahren wegen Ehescheidung im Einvernehmen ist nicht mehr weiter beweisbedürftig] LGZ Wien EF 104.854). In der Praxis findet eine Überprüfung des Wahrheitsgehalts eines Zerrüttungsgeständnisses aber kaum statt. 4. Scheidungsvereinbarung
Gem § 55a Abs 2 EheG darf die Ehe nur geschieden werden, wenn die Ehe- 4 partner eine schriftliche Vereinbarung über die wesentlichen Scheidungsfolgen dem Gericht unterbreiten oder vor Gericht schließen. Weitere Formpflichten, insb Notariatspflicht, bestehen nicht (aA Stabentheiner/Rummel § 55a EheG Rz 8). Diese Vereinbarung kann entfallen, wenn über die klärungsbedürftigen Gegenstände bereits eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Dass die für eine solche Vereinbarung allenfalls erforderliche gerichtliche Genehmigung noch nicht vorliegt, ist für den Ausspruch der Scheidung nicht zu beachten (§ 55a Abs 3 EheG). Mit der Regelung des § 55a Abs 2 EheG soll vermieden werden, dass nach der Scheidung zwischen den Ehepart513
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nern langwierige und aufwändige Verfahren über die Scheidungsfolgen geführt werden (9 Ob 47/99y = EF 90.314; JAB 916 BlgNR 14. GP 8 f). Legen die Ehepartner keine Scheidungsfolgenvereinbarung vor, hat sie das Gericht zur Schließung einer solchen anzuleiten (§ 95 Abs 2 Satz 1 AußStrG). Solange die Scheidungsfolgenvereinbarung nicht schriftlich vorliegt, ist ein Verzicht auf die Zurücknahme des Scheidungsantrags oder auf ein Rechtsmittel gegen den Beschluss auf Ehescheidung wirkungslos (§ 95 Abs 2 Satz 2 AußStrG). 5 Das Gesetz macht die Vorlage oder den Abschluss einer Vereinbarung zur Voraussetzung für die Scheidung, dies ist aber insofern eine lex imperfecta, als ein trotz Fehlens einer Vereinbarung ergangener Scheidungsbeschluss dennoch wirksam ist (OLG Wien EF 57.180). 6 Die Vereinbarung gem § 55a Abs 2 EheG hat obligatorisch die Regelung der im Gesetz aufgeführten wesentlichen Scheidungsfolgen zu beinhalten, nämlich über den hauptsächlichen Aufenthalt der Kinder oder die Obsorge (§ 177 ABGB), die Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr (§ 148 ABGB) und die Unterhaltspflicht hinsichtlich der gemeinsamen, nicht selbsterhaltungsfähigen Kinder (§ 140 ABGB) sowie über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis der Ehepartner zueinander. Hinsichtlich des Rechts auf persönlichen Verkehr mit gemeinsamen Kindern können die Ehepartner vereinbaren, dass sie sich die Regelung vorbehalten; Schwimann/Weitzenböck/Schwimann (§ 55a EheG Rz 14) kritisieren zurecht diese fakultative Regelung, weil sie in der Praxis oftmals dazu führt, dass sich die Eltern anlässlich der Scheidung keine oder nur oberflächliche Gedanken über das zukünftige Besuchsrecht machen. Spätere Konflikte sind die häufige Folge. Die Vereinbarung muss sich nur auf Ansprüche auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse erstrecken, nicht aber auf Ansprüche, die mit der Ehe in keinem Zusammenhang stehen (LGZ Wien EF 84.583). 7 An eine gem § 55a EheG abgegebene Erklärung, sich in vermögensrechtlicher Hinsicht völlig geeinigt zu haben und gegenseitig keine vermögensrechtlichen Ansprüche zu stellen (2 Ob 634/87 = EF 54.437), sind die Ehepartner gebunden, so dass eine nachträgliche Ergänzung eines solchen Scheidungsvergleichs im Verfahren außer Streitsachen nicht möglich ist, insb nicht mittels Rekurses gegen den Scheidungsbeschluss (LGZ Wien EF 66.423). Auch eine „Berichtigung“ eines Vergleichs, den die Parteien dem Gericht anlässlich der Scheidung unterbreitet hatten, ist nach rechtskräftiger Scheidung nicht mehr zulässig (LGZ Wien EF 54.439; VwGH 29.11.1988, 87/14/0198). Ein Vergleich im Rahmen eines Scheidungsverfahrens erledigt im Zweifel auch ohne Generalklausel alle mit dem Eheverhältnis im Zusammenhang stehenden Streitigkeiten, an die eine Partei denken konnte und von denen der andere 514
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Teil annehmen durfte, dass sie mitbereinigt wurden (9 Ob 47/99y = EF 90.314). Wird eine Vereinbarung vorgelegt, die nur zum Schein abgeschlossen wurde, 8 um die Scheidung der Ehe zu erwirken, ist der rechtskräftige Scheidungsbeschluss dennoch wirksam (LGZ Wien EF 54.438). Der Vergleich selbst, etwa ein Unterhaltsvergleich, der nur dazu dienen soll, dem angeblich Berechtigten künftig einen Pensionsanspruch zu sichern, während eine Leistung des Verpflichteten in Wahrheit nicht erfolgen soll, ist als Scheingeschäft aber nichtig (LGZ Wien EF 120.106). Der Zweck eines solchen Scheingeschäfts wird oft in der Täuschung eines Dritten oder einer Behörde gelegen sein. Das bloß zum Schein geschlossene Geschäft wirkt zwischen den Parteien nicht, weil es nicht gewollt ist. Wollten die Parteien überhaupt kein Rechtsgeschäft abschließen, hat es mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit sein Bewenden. Steht im Hintergrund ein verdecktes (dissimuliertes) Geschäft, ist dieses nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen (3 Ob 7/95 = JBl 1996, 578). Die Scheidungsvereinbarung stellt einen Prozessvergleich dar, der ab Rechts- 9 kraft des Scheidungsbeschlusses Exekutionstitel iS der EO ist, ausgenommen die Obsorge- und Besuchsrechtsregelungen für die Kinder (§§ 148, 177 ABGB), für die der Außerstreitvollzug gilt (§ 79 Abs 2, § 110 AußStrG). Eine dem Gericht von den Ehepartnern unterbreitete außergerichtliche schriftliche Vereinbarung kommt nur dann der Charakter eines Exekutionstitels iS der EO zu, wenn der Inhalt zum gerichtlichen Vergleich erhoben und die vorgelegte Urkunde zum integrierenden Bestandteil des protokollierten gerichtlichen Vergleichs wurde (5 Ob 530/83 = SZ 56/22; 3 Ob 5/89 = RZ 1989/53). Der Scheidungsvergleich ist nicht nur Scheidungsvoraussetzung und allenfalls 10 Exekutionstitel, sondern auch privatrechtlicher Vertrag, der die Ehepartner auch ohne Einhaltung der im § 55a Abs 2 EheG geforderten Form an die Vereinbarung privatrechtlich bindet. Die Besonderheit des Scheidungsfolgenvergleichs liegt aber darin, dass er als solcher für den Fall der Ehescheidung geschlossen wird und daher durch diese bedingt ist; mit Unwirksamwerden oder bei Nichtzustandekommen der einvernehmlichen Scheidung – ein Fall ist etwa die Antragsrücknahme nach § 94 Abs 3 AußStrG – verliert deshalb auch der Scheidungsfolgenvergleich in aller Regel seine Wirksamkeit und zieht mangels Bedingungseintritts keine Rechtsfolgen nach sich (9 Ob 76/04y = NZ 2006/49; 1 Ob 178/07v = iFamZ 2008/21 [Deixler-Hübner]). Ein Scheidungsvergleich ist ein Vergleich iS des § 1380 ABGB und unterliegt 11 der Umstandsklausel, weshalb bei einer Unterhaltsvereinbarung der Unterhaltsanspruch bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu bestimmt werden kann (9 Ob 137/03t = EF 107.592). Der Ausschluss der sog „clausula rebus sic stantibus“ insb bei Unterhaltsvergleichen ist aber prinzipiell zulässig (VwGH 14.3.2008, 2006/10/0218). Auf die Umstandsklausel kann also ver515
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zichtet werden, allerdings kann das Beharren auf einem solchen Verzicht uU sittenwidrig sein (3 Ob 229/98t = JBl 2000, 513 [F. Bydlinski]; 6 Ob 163/04w = EF 108.322; 7 Ob 98/05w = EF 111.316). Ein solcher Fall ist besonders dann gegeben, wenn der der Existenzbedrohung ausgesetzte Partner bei vormals hypothetischer Durchführung eines Scheidungsverfahrens nach § 49 EheG Unterhaltsansprüche nach §§ 66 f EheG hätte (3 Ob 229/98t = JBl 2000, 609 [Ferrari] = ecolex 2000, 638 [Deixler-Hübner] = RZ 2000, 267 [Maurer] ua; s dazu im Übrigen § 80 EheG Rz 10 ff). Die Sittenwidrigkeit eines Unterhaltsverzichts kann dann bejaht werden, wenn der Unterhaltsberechtigte in existenzbedrohende Not gerät, bei einem hypothetisch nachzuvollziehenden Scheidungsverfahren zumindest ein gleichteiliges Verschulden des anderen Ehepartners festgestellt worden wäre und wenn krasse Einkommensunterschiede bestehen (6 Ob 212/08g = JusGuide 2009/52/7141). Wird in einem Scheidungsvergleich für einen bestimmten Zeitraum ein bestimmter Unterhalt und für die Folgezeit Unterhaltsverzicht vereinbart, ist im Fall einer später eintretenden Notlage nicht der ursprüngliche Unterhaltsbetrag zu leisten, sondern das Existenzminimum in Höhe der Ausgleichszulagenrichtsatzes (6 Ob 83/08m = Zak 2008/463). 12 Ein Vergleich über die Scheidungsfolgen nach § 55a Abs 2 EheG kann wegen bestehender Willensmängel angefochten werden (2 Ob 608/88 = EF 57.182; LGZ Wien EF 84.580). Die im Rahmen eines Scheidungsverfahrens nach § 55a EheG getroffene Vereinbarung kann nicht mit Rekurs, sondern nur im Klageweg angefochten werden (LGZ Wien EF 70.245). Die Anfechtung des Ehescheidungsvergleichs berührt nicht die Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses (LGZ Wien EF 84.582). 13 Die Regelung über den hauptsächlichen Aufenthalt der Kinder oder die Obsorge für sie ist obligatorischer Inhalt einer Scheidungsvereinbarung. Die Verfügungsmacht der Eltern ist in diesen Angelegenheiten beschränkt, ihre Vereinbarungen sind nicht ohne Weiteres gerichtlich durchsetzbar, sondern bedürfen einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Kriterium für die Genehmigung ist allein das Kindeswohl. Im Genehmigungsverfahren sind die Kinder zu hören (§ 105 Abs 1 Satz 1 AußStrG). Minderjährige, die das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, können auch durch den Jugendwohlfahrtsträger, durch Einrichtungen der Jugendgerichtshilfe oder in anderer geeigneter Weise, etwa durch Sachverständige, gehört werden, wenn dies die Entwicklung oder der Gesundheitszustand des Minderjährigen erfordert oder wenn sonst eine Äußerung der ernsthaften und unbeeinflussten Meinung des Minderjährigen nicht zu erwarten ist (§ 105 Abs 1 Satz 2 AußStrG). Die Befragung des Minderjährigen hat zu unterbleiben, soweit durch sie oder durch einen damit verbundenen Aufschub der Verfügung das Wohl des Minderjährigen gefährdet wäre oder im Hinblick auf die Verständnisfähigkeit des Minderjährigen offenbar eine überlegte Äußerung zum Verfahrensgegenstand nicht zu erwarten ist 516
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(§ 105 Abs 2 AußStrG). Der Jugendwohlfahrtsträger kann vor Verfügungen über Pflege und Erziehung oder über das Recht auf persönlichen Verkehr sowie vor der Genehmigung von Vereinbarungen über diese Angelegenheiten gehört werden (§ 106 AußStrG). Mündige Minderjährige haben im Genehmigungsverfahren hinsichtlich Obsorge/hauptsächlicher Aufenthalt und Besuchsrecht selbstständige Parteistellung (§ 104 AußStrG). Die Protokollierung einer Besuchsrechtsregelung im Scheidungsvergleich ersetzt nicht die Genehmigung des Pflegschaftsgerichts (2 Ob 568/92 = RZ 1993/100). Das Gericht hat die Pflicht, über Vereinbarungen über die Obsorge oder das Recht auf persönlichen Verkehr eine Niederschrift aufzunehmen (§ 109 AußStrG). Obsorge- und Besuchsrechtsvereinbarungen sind nach § 79 Abs 2, § 110 AußStrG vollstreckbar. Seit dem KindRÄG 2001 ist die gemeinsame Obsorge auch nach Scheidung 14 möglich (§ 177 ABGB). Die Eltern müssen in diesem Fall eine Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes treffen („Heim erster Ordnung“). Über eine Obsorgevereinbarung bzw über eine Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes hat das Gericht eine Niederschrift aufzunehmen (§ 109 AußStrG). Auch die Vereinbarung über Obsorge bzw hauptsächlichen Aufenthalt ist pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen. Die Ehe darf dann nicht nach § 55a EheG geschieden werden, wenn zu erwar- 15 ten ist, dass die Vereinbarung, welche die Ehepartner hinsichtlich der gemeinsamen minderjährigen Kinder dem Gericht unterbreiten oder vor Gericht schließen, gerichtlich nicht genehmigt werden wird (3 Ob 506/92 = EF 69.237). Beide Elternteile haben ein Rekursrecht gegen die Versagung der Genehmigung des Scheidungsfolgenvergleichs (4 Ob 112/02b = SZ 2002/74). Aus der Rsp kann nicht abgeleitet werden, ein Scheidungsvergleich dürfe nur 16 als Ganzes oder gar nicht pflegschaftsgerichtlich genehmigt werden (3 Ob 28/01s = EF 96.565). Eine Abänderung des Vergleichs kann in der Versagung der Genehmigung nur der Regelung der Ausübung des persönlichen Verkehrs des Vaters mit dem Kind nicht gesehen werden (RIS-Justiz RS0114986). Es ist eine zulässige Unterhaltsvereinbarung, wenn sich ein Elternteil gegen- 17 über dem anderen verpflichtet, für den Unterhalt des Kindes allein aufzukommen, und den anderen Elternteil bei Inanspruchnahme schadlos halten will, sofern nicht in rechtlich geschützte Interessen mj Kinder eingegriffen wird (6 Ob 37/03i = NZ 2005/62). Wenn die Regelung des Kindesunterhalts im Scheidungsfolgenvergleich kein Vertrag mit dem Kind, sondern nur einer der Eltern untereinander ist, sind die Rechte des Kindes nicht berührt, weshalb eine solche demnach auch keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf (1 Ob 571/95 = SZ 68/146). Unterhaltsrechtlich kann zwischen den Ehepartnern entweder ein (wechselsei- 18 tiger) Anspruchsverzicht vereinbart oder ein Unterhaltsanspruch einver517
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nehmlich festgelegt werden (LG Salzburg EF 108.240). Der aufgrund einer Vereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG geschuldete Unterhalt ist einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten, soweit er den Lebensverhältnissen des Ehepaars angemessen ist. Diese Fiktion des § 69a Abs 1 EheG bewirkt, dass auf den vereinbarten Unterhalt alle den gesetzlichen Unterhalt betreffenden Regelungen anzuwenden sind. Dabei ist das Unterhaltsniveau während aufrechter Ehe maßgebend (3 Ob 186/07k = iFamZ 2008/45 = RIS-Justiz RS0122822). 19 Da der vergleichsweise vereinbarte Unterhalt den Regeln für den gesetzlichen unterliegt, gelangte der OGH folgerichtig zu dem Schluss, dass auch die für den Unterhaltsberechtigten nachteilige Regelung des § 72 EheG zur Anwendung zu kommen hat (6 Ob 83/08m = EvBl 2008/178). Für die Vergangenheit gebühren daher nur jene Unterhaltsbeträge, die auf die Zeit nach Rechtshängigkeit fallen oder mit denen der Unterhaltspflichtige in Verzug ist (6 Ob 83/08m = EvBl 2008/178). Wird nach einem partiellen Unterhaltsverzicht im Scheidungsfolgenvergleich wegen des ausgenommen Falls unverschuldeter Not Unterhalt begehrt, steht dieser nicht rückwirkend zu, sondern erst ab dem Tag der Klagseinbringung (6 Ob 83/08m = EvBl 2008/178). 20 Trotz einer Einigung des Ehepaares über die wesentlichen Folgen der Scheidung ihrer Ehe nach § 55a EheG kann innerhalb der gesetzlichen Fristen ein Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG eingeleitet werden, wenn eine vergleichsweise Aufteilung wegen Irrtums oder Unkenntnis eines Teils oder beider Teile unvollständig geblieben und hierüber kein Einvernehmen zu erzielen ist (1 Ob 568/92 = NRsp 1992/191). Die Möglichkeit einer Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG besteht jedenfalls dann, wenn die im Rahmen eines Scheidungsverfahrens abgeschlossene Aufteilungsregelung unvollständig blieb, weil ein Ehepartner an das Vorhandensein von ehelichen Ersparnissen nicht denken konnte (2 Ob 73/99w = EF 91.741; RIS-Justiz RS0008585). Eine Mahnklage auf Leistung einer vereinbarten Ausgleichszahlung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung fällt als eherechtliche Streitigkeit in die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts (1 Ob 46/08h = Zak 2008/404).
5. Gemeinsamer Antrag
21 Ein gemeinsames Begehren auf Scheidung im Einvernehmen gem § 55a EheG setzt nicht zwingend einen gemeinsamen Antrag voraus. Vielmehr genügt auch die Zustimmung des einen Ehepartners zu dem vom anderen gestellten Antrag (OLG Wien EF 57.178; aA LGZ Wien EF 60.231 [ein nur von einem Ehepartner eingebrachter Antrag auf Ehescheidung nach § 55a EheG ist mangels Schlüssigkeit abzuweisen]; LGZ Wien EF 78.661 [bei einer einvernehmlichen Scheidung, die ohne Verschuldensausspruch erfolgt, ist das Einverständnis beider Ehepartner begriffsimmanent; ein nur von einem Ehepartner 518
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eingebrachter Antrag auf Ehescheidung nach § 55a EheG ist mangels Schlüssigkeit abzuweisen]). Eine ohne Antrag durchgeführte einvernehmliche Scheidung ist nichtig (8 Ob 505–508/94 = RZ 1995/41). Wer in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, bedarf gem § 3 Abs 1 EheG zur 22 Eingehung einer Ehe – und damit auch zur Erhebung eines Scheidungsbegehrens – der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Die Erklärung des Einvernehmens über die Scheidung nach § 55a EheG ist nach stRsp Ausübung eines höchstpersönlichen Rechts, wofür die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit erforderlich ist (LGZ Wien EF 120.107). Fehlt diese Einsicht oder verweigert der Ehepartner das Einvernehmen, so kann letzteres weder durch einen Sachwalter noch durch das Pflegschaftsgericht ersetzt werden (1 Ob 518/96 = NZ 1996, 339; LGZ Wien EF 93.763). Fehlen die Einsichtsund Urteilsfähigkeit ist eine Scheidung nur im streitigen Verfahren zulässig (5 Ob 94/05t = EF 111.871; LGZ Wien EF 120.107).
C. Ausschluss des Scheidungsrechts Verzeihung § 56. Das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens besteht nicht, wenn sich aus dem Verhalten des verletzten Ehegatten ergibt, daß er die Verfehlung des anderen verziehen oder sie als ehezerstörend nicht empfunden hat. [Stammfassung] Lit: Fucik, Kann ein Verzicht auf Verschuldensscheidung sittenwidrig sein? RZ 2000, 266; Schwind, Verschulden als Scheidungsgrund, Zerrüttungsursache und Faktor im Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1983, 197.
Das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens gem § 49 EheG ist dann ausge- 1 schlossen, wenn der verletzte Ehepartner die Eheverfehlung verziehen oder sie nicht als ehestörend empfunden hat (LGZ Wien EF 108.242; LG Salzburg EF 120.109). Der Ausschließungsgrund der Verzeihung gem § 56 EheG gilt nur für die Scheidungsgründe des § 49 EheG, nicht aber für eine Scheidung gem § 50 EheG und eine Scheidung wegen auf geistiger Störung beruhenden Verhaltens. Für die Scheidungsgründe gem §§ 51 und 52 EheG, Geisteskrankheit und ansteckende oder ekelerregende Krankheit, besteht der Ausschließungsgrund per se nicht, weil eine Krankheit nicht verziehen werden kann. Auch bei der Beurteilung der Frage des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe iS des § 61 Abs 3 EheG findet die Vorschrift des § 56 EheG keine Anwendung (RIS-Justiz RS0057121). 519
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2 Jede Verzeihung setzt die Kenntnis des Verzeihenden von der zu verzeihenden Eheverfehlung des anderen voraus. Sie setzt also im Allgemeinen eine als solche empfundene Beleidigung und deren innere seelische Überwindung sowie darüber hinaus noch den Willen voraus, trotz der erlittenen Kränkung die Ehe mit dem schuldtragenden Ehepartner fortzusetzen. Die Verzeihung kann auch konkludent erfolgen (8 Ob 526/85 = EF 48.804; LGZ Wien EF 108.245; LG Salzburg EF 120.113). Wenn eines dieser Elemente fehlt, kann von Verzeihung keine Rede sein. Verzeihung ist einerseits ein subjektiver innerer Vorgang, der ohne Rücksicht auf sein Motiv nicht durch Willensmängel beeinflusst sein darf, andererseits aber auch die Äußerung dieses Vorgangs, nicht notwendigerweise gegenüber dem anderen Ehepartner, und zwar bei voller Kenntnis der Verfehlung. Diese Äußerung muss dahin gehen, die Ehe fortsetzen zu wollen (7 Ob 23/97a = EF 84.584). Bei einer Verzeihung bringt der verletzte Ehepartner bei vollständiger Kenntnis der Eheverfehlung zum Ausdruck, dass er die Verfehlung nicht mehr als solche empfindet und dass er vorbehaltlos zur Fortsetzung der Ehe bereit ist (1 Ob 170/99b = EF 90.316; LGZ Wien EF 120.120). Allerdings kann ausnahmsweise auch eine Verzeihung solcher Eheverfehlungen, von denen der Verzeihende keine sichere Kenntnis hatte, hinsichtlich derer er aber einen mehr oder weniger bestimmten Verdacht hegte, oder auch von denen er überhaupt nichts wusste, angenommen werden, wenn die Verzeihung idS erklärt wurde, dass sie auf jeden Fall, wie auch immer es sich mit der Verfehlung verhalten habe, gegeben wird. Dies lässt sich aber nur annehmen, wenn besondere dafür sprechende Umstände vorliegen (4 Ob 247/01d = EF 100.884). Die erlittene Kränkung muss innerlich überwunden sein (9 Ob 76/03x = EF 104.856). Dass die Eheverfehlung indes nicht vergessen wird, schränkt die rechtlichen Folgen der Verzeihung (Ausschluss der Scheidungsklage) nicht ein (LGZ Wien EF 66.428). Der Verzeihende muss zumindest beschränkt geschäftsfähig sein (Schwind 244). 3 Die Verzeihung ist ein innerer Vorgang, der in erster Linie nach freier Beweiswürdigung festzustellen ist (8 Ob 514/84 = EF 46.219; 8 Ob 1577/92 = EF 69.238; 9 Ob 76/03x = EF 104.855; LG Salzburg EF 120.111). Bei der Beurteilung, ob die Eheverfehlung verziehen wurde, ist immer vom Gesamtverhalten des beleidigten Ehepartners auszugehen. Die Beweispflicht für die Verzeihung trifft den schuldigen Ehepartner (4 Ob 247/01d = EF 100.886; 9 Ob 76/03x = EF 104.857; LG Salzburg EF 120.125; 120.127). Das Gericht hat ohne entsprechendes Vorbringen nicht von Amts wegen zu prüfen, ob die Eheverfehlung verziehen oder nicht als ehezerstörend empfunden wurde (3 Ob 149/01k = EF 97.199; Hopf/Kathrein, § 56 EheG Anm 6) weil seit dem PersRÄndG (BGBl 1983/566) gem § 460 Z 4 ZPO der Untersuchungsgrundsatz nur mehr für das Verfahren über die Nichtigerklärung oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe aufrechterhalten wurde (7 Ob 519/90 = EF 63.429). 520
§ 56 EheG
Verzeihung
Vereinzelte Entscheidungen (LGZ Wien EF 78.666; 7 Ob 608/88 = EF 57.195), wonach die Verzeihung von Amts wegen zu prüfen sei, sind abzulehnen, weil diese offenbar verkennen, dass die gesetzliche Grundlage für die amtswegige Berücksichtigung von Verzeihung (Untersuchungsgrundsatz) im Eheverfahren seit 1983 nicht mehr existiert (LGZ Wien EF 120.126). Allerdings hat jüngst der OGH in einem Verfahren die Auffassung, wonach Verzeihung iSd § 56 EheG nicht von Amts wegen zu prüfen sei, dahingehend relativiert, dass der Umstand, ob ein Ehepartner dem anderen das zur Last gelegte Verhalten verziehen hat, dann (wohl nur ausnahmsweise) von Amts wegen wahrzunehmen sei, wenn sich aufgrund des Verhaltens des Ehepartners für eine Verzeihung Anhaltspunkte ergeben, die man nicht unberücksichtigt lassen kann (6 Ob 162/08d = iFamZ 2009/45 [Deixler-Hübner]). Allein daraus, dass über lange Zeit das Verhalten des Ehepartners ertragen 4 wurde, kann weder geschlossen werden, dass die Eheverfehlungen verziehen noch dass diese nicht als ehezerstörend empfunden wurden (OLG Wien EF 46.218). Es kann durchaus vorkommen, dass sich ein Ehepartner mit dem Verhalten des anderen eine Zeitlang abfindet, es schließlich aber doch als ehezerstörend empfindet (7 Ob 761/82 = EF 41.262; LG Salzburg EF 120.118). Auch die bloße Fortsetzung der ehelichen Wohngemeinschaft, selbst über einen längeren Zeitraum, lässt nicht für sich alleine betrachtet auf Verzeihung schließen (3 Ob 590/88 = EF 57.192; LGZ Wien EF 120.119; 120.120). Aus der Tatsache, dass beide Parteien den Ehescheidungsprozess im Hinblick 5 auf ihre Antragstellung nach § 55a EheG ruhend gestellt haben, kann auf eine Verzeihung der dem Beklagten zur Last gelegten Eheverfehlungen geschlossen werden (1 Ob 301/00x = EF 97.202; aA LGZ Wien EF 111.220, wonach Ruhenlassen keine Verzeihung bedeutet). Die Zurücknahme der Scheidungsklage ist regelmäßig als – zumindest konkludente – Verzeihung zu werten (LGZ Wien EF 108; RIS-Justiz RS0039656). Die Verzeihung ist bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils möglich (LGZ Wien EF 78.665). Ehelicher Geschlechtsverkehr allein ist nicht zwangsläufig als Verzeihung zu 6 werten (9 Ob 76/03x = EF 104.858; RIS-Justiz RS0057075). Der Geschlechtsverkehr bedeutet nur dann eine (konkludente) Verzeihung, wenn aus dem Gesamtverhalten des gekränkten Ehepartners unzweideutig hervorgeht, dass er die Eheverfehlung des anderen nicht mehr als solche empfindet. Daher deutet zwar idR ein fortgesetzter Verkehr, nicht aber ein einmaliges „triebhaftes“ Handeln auf Verzeihungswillen hin (LG Salzburg EF 120.115). Es kommt daher auf den durch den Geschlechtsverkehr ausgedrückten Verzeihungswillen an (10 Ob 314/02b = EF 100.888; LG Salzburg EF 111.221). Wenn es über Monate hinweg regelmäßig (zumindest einmal wöchentlich) zu Geschlechtsverkehr zwischen den Ehepartnern gekommen ist, der Ehemann seine Frau finanziell unterstützte und ihr bei Arbeitsplatz- und Wohnungssuche behilflich 521
§ 56 EheG
Aichhorn
war, ist die (konkludente) Annahme einer Verzeihung des Mannes vertretbar (6 Ob 162/08d = EF 120.114, 120.117) und diese Verzeihung ausnahmsweise auch von Amts wegen zu berücksichtigen (6 Ob 162/08d = iFamZ 2009/45 [Deixler-Hübner]). 7 Die Beifügung einer Bedingung widerspricht dem Wesen der Verzeihung nicht, sondern diese begreift sogar begrifflich die Bedingung in sich, dass neue Anlässe zur Beschwerde nicht gegeben werden. So kann etwa die Verzeihung an die Bedingung geknüpft sein, dass der andere Ehepartner seine ehewidrige Beziehung aufgibt und die häusliche Gemeinschaft mit dem Ehepartner wieder aufnimmt. Tritt keine Besserung ein, dann ist die Verzeihung rechtlich bedeutungslos (LG Salzburg EF 120.122). Eine Verzeihung, die an Bedingungen geknüpft wurde, liegt somit erst dann vor, wenn die Bedingungen eingetreten sind (7 Ob 524/86 = EF 51.635). Ein Widerruf der Verzeihung ist nicht möglich (7 Ob 23/97a = EF 84.584; OLG Wien EF 63.424). 8 Die Verzeihung hat ihre Grenze dort, wo der Scheidungsverzicht dem Wesen der Ehe oder den guten Sitten widerspricht. Die Verzeihung eines Mordes soll aber nicht sittenwidrig sein (1 Ob 73/98m = EF 87.474). 9 Verziehene Eheverfehlungen können gem § 59 Abs 2 EheG zur Unterstützung eines auf nicht verziehene Verfehlungen gestützten Scheidungsbegehrens herangezogen werden (7 Ob 720/83 = EF 43.673). Verziehene Eheverfehlungen können auch bei einer Verschuldensabwägung gem § 60 Abs 3 EheG oder bei einem Schuldausspruch nach § 61 Abs 3 EheG berücksichtigt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht (4 Ob 563/95 = EF 78.679). 10 Die Regelung des § 56 EheG ist auf Verschuldensanträge nach § 61 Abs 3 EheG nicht anwendbar, da § 56 EheG und § 61 Abs 3 EheG jeweils unterschiedliche Zwecke verfolgen. Auf den Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG kann daher nicht verzichtet werden (4 Ob 31/08z = JusGuide 2008/27/5820). An der Rsp zur Unanwendbarkeit von § 56 EheG auf Verschuldensanträge nach § 61 Abs 3 EheG ist festzuhalten (4 Ob 31/08z = EF 120.157). 11 Nach stRsp können Ehepartner wirksam auf die Geltendmachung bereits verwirklichter Scheidungsgründe verzichten (RIS-Justiz RS0016541[T1], [T2]; 4 Ob 31/08z = EF 120.123). Die Wirksamkeit eines Verzichts für künftige Scheidungsgründe wurde hingegen bisher verneint (RIS-Justiz RS0016541). Offen ist bislang, ob der Verzicht auf die Geltendmachung künftiger, aber bereits absehbarer Eheverfehlungen wirksam vereinbart werden kann. Bejahend dazu LGZ Wien 44 R 265/07v, der 4. Senat hält einen derartigen Verzicht jedenfalls für nicht ausgeschlossen (4 Ob 31/08z = EF-Z 2008/136 [Beck]). Eine durch Vereinbarung gänzlich unscheidbare Ehe widerspräche aber dem Regelungskonzept des EheG (4 Ob 31/08z = EF 120.124). 522
§ 57 EheG
Verfristung
Fristablauf § 57. (1) Das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens erlischt, wenn der Ehegatte nicht binnen sechs Monaten die Klage erhebt. Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Scheidungsgrundes. Sie läuft nicht, solange die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist. Fordert der schuldige Ehegatte den anderen auf, die Gemeinschaft herzustellen oder die Klage auf Scheidung zu erheben, so läuft die Frist vom Empfang der Aufforderung an. (2) Die Scheidung ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Eintritt des Scheidungsgrundes zehn Jahre verstrichen sind. (3) aufgehoben durch BGBl I 2000/135 (4) Für die Sechs- und die Dreimonatsfrist gilt § 40 Abs. 3 und 4 entsprechend. [Fassung gem BGBl I 2000/135]
§ 57 EheG über den Fristablauf gilt nur für Scheidungsgründe wegen Ver- 1 schuldens, nicht aber für eine Scheidungsklage gem §§ 50 bis 55 EheG (LGZ Wien EF 66.430) oder nach § 55 EheG (LGZ Wien EF 100.893) und auch nicht für den Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG (OLG Wien EF 63.482). Scheidungsgründe müssen innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Kenntnis des Scheidungsgrunds geltend gemacht werden (relative Frist gem § 57 Abs 1 EheG). Bei fortgesetztem Verhalten beginnt die Frist erst zu laufen, sobald die letzte Verfehlung gesetzt wurde (1 Ob 243/01v = EF 97.205; LGZ Wien EF 100.895). Bei aufgehobener häuslicher Gemeinschaft ist die Frist gehemmt (§ 57 2 Abs 1 Satz 3 EheG). Die Hemmung endet, sobald der schuldige Ehepartner den anderen auffordert, die häusliche Gemeinschaft wieder herzustellen oder die Scheidungsklage zu erheben. Die Aufforderung muss beide Alternativen enthalten (1 Ob 561/83 = EF 43.671). Der Fristenlauf ist weiters gehemmt, wenn der klageberechtigte Ehepartner durch einen unabwendbaren Zufall an der Klage gehindert ist. Ist er geschäftsunfähig und hat er keinen gesetzlichen Vertreter, endet die Klagsfrist sechs Monate nach Erreichen der Geschäftsfähigkeit bzw ab Bestellung eines gesetzlichen Vertreters (§ 57 Abs 4 iVm § 40 Abs 3 und 4 EheG). Auch der Beginn und die Fortsetzung einer Mediation durch einen eingetragenen Mediator hemmen Anfang und Fortlauf der Frist (§ 22 Abs 1 ZivMediatG). Die Parteien können schriftlich vereinbaren, dass die Hemmung auch andere zwischen ihnen bestehende Ansprüche, die von der Mediation nicht betroffen sind, umfasst. Betrifft die Mediation Rechte und Ansprüche aus dem Familienrecht, so umfasst die Hemmung auch ohne schriftliche Vereinbarung sämtliche wechselseitigen oder von den Parteien gegeneinander wahrzunehmenden Rechte und Ansprüche familienrechtlicher 523
§ 57 EheG
Aichhorn
Art, sofern die Parteien nichts anderes schriftlich vereinbaren (§ 22 Abs 2 ZivMediatG). 3 Nach Ablauf der absoluten Frist von zehn Jahren kann unabhängig von der Kenntnis des Scheidungsgrunds die Scheidung nicht mehr verlangt werden (§ 57 Abs 2 EheG). Die Zehnjahresfrist des § 57 Abs 2 EheG wird – im Gegensatz zur Sechsmonatsfrist des § 57 Abs 1 EheG – durch die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft nicht gehemmt (4 Ob 31/08z = EF 120.133). Die absolute Zehnjahresfrist beginnt mit dem Eintritt des Scheidungsgrunds, also mit dem Zeitpunkt, in dem die Eheverfehlung gesetzt wird, zu laufen (1 Ob 307/02g = EF 104.860; LGZ Wien EF 100.894), auf die Kenntnis des anderen Ehepartners kommt es nicht an (4 Ob 101/05i = EF 111.222). Bei fortgesetztem Verhalten beginnt die 10-Jahresfrist erst zu laufen, sobald die letzte Verfehlung gesetzt wurde (1 Ob 307/02g = EF 104.861; LGZ Wien EF 100.896). Die Sechsmonatsfrist des § 57 Abs 1 EheG beginnt also mit Kenntnis des Scheidungsgrunds, die Zehnjahresfrist des § 57 Abs 2 EheG dagegen mit Eintritt des Scheidungsgrunds unabhängig von der Kenntnis desselben (LGZ Wien EF 100.894). Bei Sachverhalten, die erst in einer Gesamtschau einen Scheidungsgrund ergeben, läuft der Fristbeginn des § 57 EheG von der letzten einzelnen Verfehlung an (LGZ Wien EF 120.130; 3 Ob 158/07t = Zak 2008/15). Denn fortgesetztes ehewidriges Verhalten bildet eine Einheit, weshalb über den Fristbeginn des § 57 EheG die letzte Verfehlung entscheidet (1 Ob 243/01v = EF 97.205; 4 Ob 133/05w = EF 111.224; LGZ Wien = EF 120.128). Dies gilt auch dann, wenn das letzte einzelne Fehlverhalten erst nach Eintritt der objektiven Zerrüttung gesetzt wurde (LG Salzburg EF 120.129). 4 Die Frist des § 57 EheG ist keine Verjährungsfrist, sondern eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, die von Amts wegen wahrzunehmen ist (2 Ob 592/89 = EF 60.236; 1 Ob 301/00x = EF 97.204; LG Salzburg EF 100.891; 120.132). Innerhalb der Fristen des § 57 EheG muss die Scheidungsklage bei Gericht eingebracht werden (§ 232 Abs 1 Satz 2 ZPO). Da es sich um eine materiellrechtliche Präklusivfrist handelt, zählen die Tage des Postlaufs für das Einhalten der Frist mit (Fristberechnung nach § 902 ABGB; s auch Europäisches Übereinkommen über die Berechnung von Fristen, BGBl 1983/254, BG über die Hemmung des Fristenablaufes durch Samstage und den Karfreitag, BGBl 1961/37 und BG über die Hemmung des Fristenlaufes durch den 31. Dezember 2001, BGBl I 2001/64). 5 Eine Kenntnis des Scheidungsgrunds wird erst dann angenommen werden können, wenn die wesentlichen objektiven Umstände unzweifelhaft feststehen (LG Linz EF 93.765). Es genügt das positive Wissen um den Sachverhalt, das ehezerstörende Empfinden muss nicht hinzutreten (LGZ Wien EF 66.431). Eine exakte Feststellung des Zeitpunkts der Kenntnis ist nicht erfor524
§ 57 EheG
Verfristung
derlich; es ist ausreichend, wenn sich aus den Feststellungen zweifelsfrei ergibt, dass der Scheidungsgrund innerhalb von sechs Monaten vor der Klagseinbringung bekannt geworden ist (LG Linz EF 108.247). Die Feststellung, der Ehebruch der Beklagten sei ein „offenes Geheimnis“ gewesen, lässt noch nicht zwingend darauf schließen, dass und ab wann auch der Kläger davon gewusst hat (LG Linz EF 93.766). Eheverfehlungen gelten im Zweifel als nicht verfristet (10 Ob 29/08z = EF 6 120.131 = iFamZ 2008/103 [Deixler-Hübner]). Der Kläger muss die Einhaltung der Frist nicht beweisen (LG Linz EF 108.248). Der an der Zerrüttung der Ehe allein Schuldige, der nach Eintritt der Ehezer- 7 rüttung weitere Eheverfehlungen gesetzt hat, kann sich nicht auf Verwirkung des Scheidungsrechts durch den an der Zerrüttung schuldlosen Teil mit der Begründung berufen, dieser habe nicht binnen sechs Monaten nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung die Ehescheidungsklage eingebracht (1 Ob 170/99b = EF 90.320). Verfristete Eheverfehlungen können nur noch zur Unterstützung eines auf 8 eine andere, nicht verfristete Eheverfehlung gestützten Scheidungsbegehrens im Rahmen des § 59 Abs 2 EheG herangezogen werden, wobei diese neuen Eheverfehlungen zwar nicht vollkommen belanglos sein dürfen, für sich allein aber auch für eine Scheidung nicht ausreichen müssen. Es genügt vielmehr, dass alle Eheverfehlungen insgesamt schwer sind und einen Scheidungsgrund bilden (8 Ob 526/85 = EF 48.814). Auch verziehene Eheverfehlungen können gem § 59 Abs 2 EheG zur Unterstützung eines auf nicht verziehene Verfehlungen gestützten Begehrens herangezogen werden (7 Ob 720/83 = EF 43.673). Verfristete und verziehene Eheverfehlungen können auch bei der Verschuldensabwägung gem § 60 EheG (1 Ob 514/90 = EF 63.457; 4 Ob 563/95 = EF 78.679) oder bei einem Schuldausspruch nach § 61 Abs 2 oder 3 EheG (9 Ob 52/03t = EF 104.893) berücksichtigt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Anwendung des § 1497 ABGB kommt aufgrund der Fassung der §§ 57, 59 9 EheG, welche nur auf die Klageerhebung abstellen, nicht in Betracht. Zur Abwendung der Verfristung kommt es also nur auf die Erhebung der Klage (oder Widerklage) an, nicht auf deren „gehörige Fortsetzung“ (1 Ob 301/00x = EF 97.208; LGZ Wien EF 111.226). Die Klagerhebung wahrt die Frist und unterbricht diese nicht bloß, sodass weder ein Ruhen des Scheidungsverfahrens einen Fristablauf bewirken kann (LGZ Wien EF 111.225) noch die Erstreckung der Tagsatzung auf unbestimmte Zeit (LGZ Wien EF 108.255). Die sechsmonatige Frist des § 57 Abs 1 EheG gilt auch für die Ergänzungs- 10 klage eines Scheidungsbeklagten (1 Ob 520/90 = EF 63.437). Scheidet ein ausländisches Gericht eine Ehe ohne Verschuldensausspruch, so kann in Öster525
§ 59 EheG
Aichhorn
reich ein Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG nachgetragen werden. Die Frist des § 57 Abs 1 EheG beginnt dann mit der österreichischen Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteils zu laufen (2 Ob 521/95 = EF 78.671 = SZ 68/57).
§ 58. aufgehoben durch Art I § 1 Z 1 StGBl 1945/31.
Nachträgliche Geltendmachung von Scheidungsgründen bei Scheidung wegen Verschuldens § 59. (1) Nach Ablauf der im § 57 bezeichneten Fristen kann während eines Scheidungsstreites ein Scheidungsgrund noch geltend gemacht werden, wenn die Frist bei der Klageerhebung noch nicht verstrichen war. (2) Eheverfehlungen, auf die eine Scheidungsklage nicht mehr gegründet werden kann, können nach Ablauf der Fristen des § 57 zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden. [Fassung gem Art I § 1 Z 1 StGBl 1945/31]
1 § 59 EheG ist Auffangtatbestand zu § 57 EheG, durch den verfristete Eheverfehlungen dennoch als Scheidungsgrund (§ 59 Abs 1 EheG) oder zur Unterstützung anderer Scheidungsgründe (§ 59 Abs 2 EheG) geltend gemacht werden können. Der Fall des Abs 1 ist jener, in dem die Frist während eines Scheidungsverfahrens vor der Geltendmachung des Scheidungsgrunds abläuft, aber im Zeitpunkt der Klagseinbringung noch nicht verstrichen war. Im Fall des Abs 2 ist die Frist schon bei Klagseinbringung verstrichen. Auf die nachträgliche Geltendmachung von Eheverfehlungen kann nicht verzichtet werden (Schwind 250). Die Bestimmung des § 59 EheG gilt nur für eine Verschuldensscheidung gem § 49 EheG (und auch für das Aufhebungsverfahren, weil gem § 18 1. DVEheG die Möglichkeit besteht, Scheidungs- und Aufhebungsverfahren zu verbinden), nicht aber für Verfahren aufgrund anderer Scheidungsgründe (Gruber/Schwimann § 59 EheG Rz 2 mwN). 2 Gem § 59 Abs 1 EheG kann während eines Scheidungsverfahrens eine Eheverfehlung noch als Scheidungsgrund geltend gemacht werden, wenn diese Verfehlung zwar bei ihrer Geltendmachung während des Verfahrens schon verfristet ist, die Frist nach § 57 EheG aber bei Klagseinbringung noch nicht verstrichen war. In diesem Fall kann die Eheverfehlung als weiterer Scheidungsgrund zur Unterstützung bei einer auf eine andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage bzw Widerklage herangezogen oder – im Unterschied zu § 59 Abs 2 EheG – auch als alleiniger Scheidungsgrund geltend 526
Nachträgliche Geltendmachung von Scheidungsgründen
§ 59 EheG
gemacht werden. Nach Rechtskraft des Scheidungsurteils ist die Geltendmachung im Wege einer Ergänzungsklage möglich (Gruber/Schwimann § 59 EheG Rz 3). War die Eheverfehlung auch zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits 3 verfristet, kann sie als eigenständiger Scheidungsgrund nicht mehr geltend gemacht, aber weiterhin zur Unterstützung einer Scheidungsklage (Widerklage), die sich auf andere (nicht verfristete) Eheverfehlungen stützt, herangezogen werden (§ 59 Abs 2 EheG). Zur Unterstützung eines Scheidungsverfahrens, das sich nicht auf Verschulden stützt, kann die verfristete Eheverfehlung nicht herangezogen werden (4 Ob 133/05w = EF 111.227). Analog zu § 59 Abs 2 EheG können auch verziehene Eheverfehlungen zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Klage geltend gemacht werden (LG Salzburg EF 93.768). Die Einheitlichkeit des Eheverfahrens hindert nicht die nachträgliche, iSd 4 §§ 57 und 59 EheG fristgerechte Geltendmachung weiterer Verschuldensgründe nach bereits erfolgter rechtskräftiger Ehescheidung mit selbstständiger Klage („Ergänzungsklage“) zur Ergänzung des Urteils durch einen bisher nicht vorhandenen oder nur den Kläger betreffenden Schuldausspruch bezüglich der beklagten Partei. Die Ergänzungsklage betrifft Fälle, in denen es der Kläger bei der im Vorprozess ausgesprochenen Ehescheidung belassen, das Urteil des Vorprozesses aber durch einen Verschuldens- oder Mitverschuldensausspruch ergänzt haben will. Werden Tatsachen geltend gemacht, die vor Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind, und Beweismittel, die zum Nachweis solcher Tatsachen dienen, dann ist Wiederaufnahmsklage zu erheben, sofern diese Tatsachen und Beweismittel dem Wiederaufnahmskläger im Vorprozess nicht bekannt oder benützbar waren. Die Ergänzungsklage hat hingegen zur Voraussetzung, dass die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, jedenfalls vor Schluss der mündlichen Verhandlung der Hauptklage entstanden und dem Ergänzungskläger auch vor diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind (1 Ob 520/90 = EF 63.437 = JBl 1991, 50). § 59 Abs 2 EheG bezieht sich auf jene Fälle, in denen die Eheverfehlung auch 5 zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits verfristet war. Diese Verfehlung kann zur Unterstützung einer Klage bzw Widerklage herangezogen werden, die wegen anderer, nicht verfristeter Scheidungsgründe erhoben wurde (4 Ob 133/05w = EF 111.227). Diese nicht verfristete andere Eheverfehlung darf nicht ganz belanglos sein, denn nur bei Vorliegen nicht verfristeter oder nicht verziehener Eheverfehlungen, die nicht belanglos sind, kann zur Stützung des Scheidungsbegehrens dann auch auf solche zurückgegriffen werden, die allein bereits verfristet wären oder verziehen wurden (6 Ob 539/88 = EF 57.204; LGZ Wien EF 108.256). Die nicht verfristete Eheverfehlung muss aber für sich allein nicht zur Scheidung ausreichen. Es genügt, wenn alle verfristeten und unverfristeten 527
§ 59 EheG
Aichhorn
Eheverfehlungen zusammen genommen insgesamt schwer sind und einen Scheidungsgrund bilden (8 Ob 526/85 = EF 48.814; OLG Wien EF 46.224). Es ist dann das aus den früheren und den neuen Eheverfehlungen sich ergebende Gesamtverhalten zu prüfen, ob es insgesamt einen Scheidungsgrund wegen Verschuldens bietet. Verziehene und verjährte Eheverfehlungen sind dabei grundsätzlich geringer zu werten als die nicht ausgeschlossenen. Die früheren Eheverfehlungen können aber dazu dienen, die späteren in einem anderen Licht erscheinen zu lassen und die Frage zu beeinflussen, ob dieses spätere Verhalten eine Eheverfehlung darstellt (OLG Wien EF 38.772). 6 Verfehlungen, die in einer rechtskräftig abgewiesenen Scheidungsklage bereits ohne Erfolg geltend gemacht wurden, können auch nicht unterstützungsweise in einem späteren Scheidungsverfahren iSd § 59 Abs 2 EheG herangezogen werden, wenn über diese Verfehlungen entweder iS der Ablehnung eines anrechenbaren Verschuldens oder mangels Erweisbarkeit bereits rechtskräftig abgesprochen wurde. Dies muss auch gelten, wenn die das Scheidungsbegehren abweisende Entscheidung zwar im Ausland ergangen ist, aber in Österreich anerkannt wird (OLG Wien EF 34.040). Es gilt jedoch nicht, wenn eine Scheidungsklage trotz festgestellter und zurechenbarer schwerer Eheverfehlungen nur deshalb abgewiesen wurde, weil die Ehe dadurch noch nicht unheilbar zerrüttet war, weil damit über die Beachtlichkeit der Eheverfehlungen als Scheidungsgrund noch nicht entschieden wurde (1 Ob 651/80 = EF 36.382; LGZ Wien EF 114.220). 7 Analog zu § 59 EheG können auch gem § 56 EheG verziehene und verzichtete Eheverfehlungen zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Klage geltend gemacht werden (7 Ob 681/80 = EF 36.381; 1 Ob 561/83 = EF 43.674), weil die Verzeihung meist nur in der Erwartung erfolgt, dass dadurch die Ehe gerettet werden kann. Wenn sich diese Erwartung als trügerisch erweist, wäre es eine aus dem System heraus nicht gerechtfertigte Härte, solche Verfehlungen nun nicht mehr zusätzlich zu neuen berücksichtigen zu können (LG Salzburg EF 93.768). Die analoge Anwendung wird in der Rsp nur für § 59 Abs 2 EheG ausdrücklich vertreten; aber auch die Fälle des Abs 1 kommen für eine analoge Anwendung auf verziehene und verzichtete Eheverfehlungen in Betracht, denn die Verzeihung ist bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils möglich (Gruber/Schwimann § 59 EheG Rz 6).
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§ 60 EheG
Schuldausspruch
D. Schuldausspruch Bei Scheidung wegen Verschuldens § 60. (1) Wird die Ehe wegen Verschuldens des Beklagten geschieden, so ist dies im Urteil auszusprechen. (2) Hat der Beklagte Widerklage erhoben und wird die Ehe wegen Verschuldens beider Ehegatten geschieden, so sind beide für schuldig zu erklären. Ist das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer als das des anderen, so ist zugleich auszusprechen, daß seine Schuld überwiegt. (3) Auch ohne Erhebung einer Widerklage ist auf Antrag des Beklagten die Mitschuld des Klägers auszusprechen, wenn die Ehe wegen einer Verfehlung des Beklagten geschieden wird und dieser zur Zeit der Erhebung der Klage oder später auf Scheidung wegen Verschuldens hätte klagen können. Hatte der Beklagte bei der Klageerhebung das Recht, die Scheidung wegen Verschuldens des Klägers zu begehren, bereits verloren, so ist dem Antrag gleichwohl stattzugeben, wenn dies der Billigkeit entspricht. Abs. 2 Satz 2 gelten entsprechend. [Fassung gem KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135] Lit: Gruber, Mitverschuldensantrag des Klägers bei Scheidung aus anderen Gründen? in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 565; Schwind, Verschulden als Scheidungsgrund, Zerrüttungsursache und Faktor im Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1983, 197; Verschraegen, Mitversicherungsbeitrag und Unterhalt, ÖJZ 2003/16. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verschuldensabwägung . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Alleinverschulden . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beiderseitiges Verschulden . . . . . . . . . 4. Überwiegendes Verschulden . . . . . . . . C. Mitschuldantrag (Mitverschuldensantrag)
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1–3 4–24 4–9 10–12 13–18 19–24 25–28
A. Allgemeines Bei einer Scheidung gem § 49 EheG sowie bei einer mit Aufhebungsbegehren 1 verbundenen Scheidungsklage (§ 18 1. DVEheG) hat das Scheidungsurteil im Urteilstenor von Amts wegen einen Verschuldensausspruch zu enthalten (Schwind/Klang I/12, 837), wenn ein Verschulden durch Klage (Abs 1), Widerklage (Abs 2) oder Mitverschuldensantrag (Abs 3) durch die Parteien geltend gemacht wurde. Die Parteien haben einen Rechtsanspruch auf Feststellung 529
§ 60 EheG
Aichhorn
des Verschuldens (2 Ob 570/84 = EF 46.225; RIS-Justiz RS0057561). Im Verschuldensausspruch wird entweder das Alleinverschulden eines Ehepartners festgestellt (Abs 1), ein Verschulden beider Ehepartner (Abs 2 Satz 1), das überwiegende Verschulden eines Ehepartners (Abs 2 Satz 2) oder ein Mitverschulden des Klägers (Abs 3). Der ausdrückliche Ausspruch einer Scheidung aus „gleichteiligem“ Verschulden ist im Gesetz nicht vorgesehen; wird demnach die Ehe im Fall einer Widerklage oder eines Mitverschuldensantrags der beklagten Partei aus beiderseitigem Verschulden geschieden, so sind beide Parteien für schuldig zu erkennen (6 Ob 271/01 = EF 97.222; LGZ Wien EF 100.904). 2 Die Verschuldenszumessung bei der Scheidung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalls und bildet – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO; sie rechtfertigt daher nicht die Zulässigkeit der Revision (8 Ob 72/02z = EF 100.898; 5 Ob 248/03m = EF 104.874; 8 Ob 94/04p = ÖJZ-LSK 2005/40; 8 Ob 39/08 f = iFamZ 2008/104). 3 Der Verschuldensausspruch hat zwischen den Parteien überall dort Bindungswirkung, wo das Verschulden Tatbestandsmerkmal ist, insb im Unterhaltsrecht (§§ 66 ff EheG; Schwind 251).
B. Verschuldensabwägung 1. Allgemeines
4 Bei der Verschuldensabwägung sind vom Gericht nur Eheverfehlungen zu berücksichtigen, die die klagende Partei als Ehescheidungsgrund (allenfalls auch nach § 59 EheG) geltend gemacht oder die die beklagte Partei zur Begründung ihres Mitverschuldensantrags vorgebracht hat (6 Ob 632/87 = EF 54.453; 3 Ob 313/97v = EF 84.590). Diese Verfehlungen dürfen nur berücksichtigt werden, wenn sie einen Verschuldenstatbestand gem § 49 EheG verwirklichen. Im Rahmen der Verschuldensabwägung hat das Gericht bei einem Verhalten, das zum Teil § 49 EheG und zum Teil § 50 EheG zu unterstellen ist, nur die schuldhaft gesetzten Komponenten zu berücksichtigen, auch wenn dies zum überwiegenden Verschulden eines Teils führt (1 Ob 582/ 89 = EF 60.254; LG Wels EF 111.229). Bei der Verschuldensabwägung nach § 60 Abs 2 EheG können nur die von den Parteien behaupteten Eheverfehlungen berücksichtigt werden (LG Wels EF 120.147). 5 Bei der Verschuldensabwägung müssen die beiderseitigen Eheverfehlungen in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei das Gesamtverhalten und nicht eine Gegenüberstellung der einzelnen Eheverfehlungen maßgeblich ist (9 Ob 33/03y = EF 104.866; 7 Ob 254/04k = EF 111.230; LGZ Wien EF 530
§ 60 EheG
Schuldausspruch
120.135). Abwägungskriterien sind der Grad der Vorwerfbarkeit und der Schuldgehalt der Eheverfehlungen, das Gewicht der einzelnen Eheverfehlungen, wieweit die Eheverfehlungen einander bedingten, das Ausmaß der Ursächlichkeit der Eheverfehlungen am Scheitern der Ehe sowie ein allfälliges Kausalverhältnis zwischen den Verfehlungen des einen und des anderen Ehepartners (10 Ob 44/03y = EF 104.867; 9 Ob 60/05x = EF 108.264; 4 Ob 133/ 05w = EF 111.234; LG Wels EF 120.138). Maßgeblich ist auch, wer mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe begonnen hat (9 Ob 33/03y = EF 104.870), wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung geleistet hat (9 Ob 71/98a = EF 87.508) und inwieweit die Verfehlungen eines Ehepartners nur eine Reaktion auf die vom anderen Teil bereits eingeleitete Ehezerrüttung darstellten. Hat das schuldhafte Verhalten eines Teils das des anderen nach sich gezogen, so ist dem Beitrag des Ersten idR größeres Gewicht beizumessen (4 Ob 133/05w = EF 111.250). Das Maß der Schuld hängt nicht nur davon ab, ob ein Verstoß gegen eine we- 6 sentliche oder geringere Pflicht vorliegt, sondern insb von den Umständen, unter denen es zu den Verfehlungen gekommen ist (8 Ob 33/03s = EF 104.863; RIS-Justiz RS0057464). So kommt es auch bei der Beurteilung des Ehebruchs darauf an, ob und inwieweit er zur Zerrüttung der Ehe beigetragen hat und welches Gewicht ihm im Vergleich zu den Eheverfehlungen des anderen Ehepartners zukommt. Ein Ehebruch muss nicht immer zum überwiegenden Verschulden führen. Es gelten für die Bewertung des Ehebruchs die allgemeinen Grundsätze (2 Ob 152/07b = EF 120.146). Es kann sogar sein, dass dem an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe schuldlosen Teil aus einem nachfolgenden Ehebruch kein oder nur ein geringerer Vorwurf zu machen ist (5 Ob 198/03h = EF 104.875). Nach der Zerrüttung der Ehe gesetzte Eheverfehlungen spielen grundsätz- 7 lich nur in der Gesamtschau der Zerrüttungsursachen eine Rolle, weil eine Vertiefung der bereits eingetretenen Zerrüttung unmöglich ist, es sei denn, dass der verletzte Ehepartner bei verständiger Würdigung diese Eheverfehlung noch als zerrüttend empfinden durfte oder eine Vertiefung der Zerrüttung durch die Verfehlungen nicht ausgeschlossen werden kann (7 Ob 382/98x = EF 90.340; 7 Ob 4/00i = EF 93.792). Bei der Verschuldensabwägung können im Rahmen der Billigkeit auch ver- 8 fristete (§ 57 EheG) und verziehene (§ 56 EheG) Eheverfehlungen einbezogen werden (4 Ob 133/05w = EF 111.240; LG Salzburg EF 120.144). Der Gesetzgeber hat dem Gericht nicht die Pflicht auferlegt, hinsichtlich des 9 Verschuldensausmaßes subtile Abwägungen vorzunehmen; nur das erhebliche schwere Verschulden eines Teils soll im Scheidungsurteil zum Ausdruck kommen (LG Wels EF 104.881; LGZ Wien EF 120.145).
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2. Alleinverschulden
10 Nur wenn das gesamte Verhalten eines Ehepartners nicht das Gewicht eines Scheidungsgrunds erreicht, der für eine selbstständige Scheidungsklage ausgereicht hätte, kann das Alleinverschulden des anderen Ehepartners festgestellt werden (LGZ Wien EF 111.241; 120.148). Exemplarische Beispiele sind etwa: 11 Wird die Ehe durch Aufnahme ehewidriger Beziehungen des Mannes zu einer anderen Frau, zu der er zog, unheilbar zerrüttet, so ist die Aufnahme von Beziehungen der Frau zu einem Mann ein Jahr später nicht mehr entscheidend, und es liegt Alleinverschulden des Mannes vor (LGZ Wien EF 66.452; LG Salzburg EF 97.223). 12 Der Beklagte hat der Klägerin wiederholt bei und nach schweren Erkrankungen weder psychischen Beistand noch tatsächliche Unterstützung im Haushalt angedeihen lassen, die Klägerin seit Jahren bei Gesprächen auch im Beisein Dritter herabgesetzt und in diversen Briefen und Notizen beleidigt, sich mehr für Glaubensfragen („His People“) als die familiäre Situation interessiert sowie der Klägerin zwei Fußtritte versetzt und damit noch gegenüber der ältesten Tochter geprahlt. Von einer „grundlosen“ Weigerung der Klägerin, Annäherungen und Zärtlichkeiten des Beklagten zuzulassen, konnte dann in Anbetracht der laufenden Herabsetzungen durch den Beklagten keine Rede sein. Die Ehe wurde aus dem Alleinverschulden des Mannes geschieden (9 Ob 107/ 98w = EF 87.501).
3. Beiderseitiges Verschulden
13 Der Ausspruch des beiderseitigen Verschuldens der Parteien an der Zerrüttung der Ehe bedeutet nicht, dass dieses Verschulden gleichwertig ist; es kann aber nur ein sehr unterschiedlicher Grad des Verschuldens den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehepartners begründen. Unterschiede in der Schwere des Verschuldens, die keinen solchen Grad erreichen, dass das Verschulden eines Teils fast völlig in den Hintergrund tritt, führen zum Ausspruch des beiderseitigen Verschuldens (LGZ Wien EF 114.236). 14 Ungefähr gleiches Verschulden führt zum Ausspruch gleichteiligen Verschuldens (7 Ob 531/88 = EF 57.233; 7 Ob 13/00p = EF 93.803; LGZ Wien EF 120.149). Exemplarische Beispiele dafür sind: 15 Der Beklagte beging jahrelang schwere und scheidungsrelevante Eheverfehlungen, indem er sich weigerte, die berufstätige Klägerin im Haushalt und bei der Kindererziehung zu unterstützen und mit ihr und dem gemeinsamen Kind die Freizeit zu verbringen. Dem gegenüber steht der von der Klägerin eingestandene Ehebruch, der letztlich zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt 532
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hat. Die Annahme beiderseitigen Verschuldens stellt in diesem Fall keine krasse Fehlbeurteilung dar (5 Ob 198/03h = EF 104.885). Wenn der Kläger sein Leben so gestaltet, dass es hauptsächlich auf die Befrie- 16 digung seiner eigenen Bedürfnisse ausgerichtet ist, indem er die Freizeit nur dort verbringt, wo es der Beklagten nicht gefällt, ihr die Hausarbeit weitgehend allein überlässt, sich einer zeitintensiven Betriebsratstätigkeit widmet, sein Hobby allein betreibt, mit einem überholten Erziehungsstil Streitigkeiten auslöst, so bleibt sein Verhalten keinesfalls hinter den Eheverfehlungen der Beklagten zurück, die sich überhaupt nicht an der Freizeitgestaltung des Klägers beteiligen wollte und mit ihrem nörgelnden Verhalten für die Zerrüttung auslösend war (LGZ Wien EF 100.909). Der Beklagte hat durch Jahre hindurch schwere Eheverfehlungen durch Alko- 17 holmissbrauch, Nichtbeheben der Zeugungsunfähigkeit, Herabsetzen der Klägerin vor Gästen etc begangen; erst dann ist es zum Ehebruch der Klägerin gekommen. Ihr Verschulden wiegt unter diesen Umständen nicht oder jedenfalls nicht erheblich schwerer als das des Beklagten (4 Ob 563/95 = EF 78.690). Beiden Ehepartnern ist generell eine von wenig Toleranz geprägte Grundhal- 18 tung vorzuwerfen, was die Achtung der Persönlichkeit des anderen betrifft. Die Beklagte lieferte ihrem Mann, teilweise vor Augen dritter Personen, massive Eifersuchtsszenen, so zB an der Arbeitsstelle des als Zahnarzt tätigen Klägers, wo sie ihn in Anwesenheit einer Arbeitskollegin und anderer Personen beschuldigte, mit dieser Arbeitskollegin ein Verhältnis zu haben, und warf ihm zu Unrecht homosexuelle Beziehungen vor. Auf der anderen Seite stehen der hohe Alkoholkonsum des Mannes, seine anfangs der Ehe gegebenen Aggressionen gegen seine Ehefrau, ehewidrige Beziehungen und die Aufnahme einer Beziehung mit einer anderen Frau. Die Ehe wurde aus beiderseitigem Verschulden geschieden (LGZ Wien EF 72.336).
4. Überwiegendes Verschulden
Ein überwiegendes Verschulden eines der Ehepartners ist nur dann auszuspre- 19 chen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile offenkundig, augenscheinlich und evident hervor- und das mindere Verschulden fast völlig in den Hintergrund tritt (9 Ob 185/01y = EF 97.226; 7 Ob 254/04k = EF 111.246 f; RIS-Justiz RS0057325; LGZ Wien EF 120.153). Die Schuld des einen Ehepartners muss erheblich schwerer wiegen als die des anderen (7 Ob 254/04k = EF 111.245; LGZ Wien EF 120.150; 120.152). Weil das überwiegende Verschulden, insb bei den Scheidungsfolgen, vielfach 20 dem alleinigen Verschulden gleichgestellt wird, ist ein strenger Maßstab anzulegen (LGZ Wien EF 111.244). Nur das erheblich schwerere Verschulden 533
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eines Ehepartners soll im Scheidungsurteil zum Ausdruck kommen (6 Ob 107/03h = EF 104.878 = JBl 2003, 171). Maßgebend ist nicht nur der Grad der Verwerflichkeit, das Gewicht der einzelnen Eheverfehlungen, sondern auch, wieweit die Eheverfehlungen einander bedingt haben und welchen ursächlichen Anteil diese an der Zerrüttung der Ehe hatten (6 Ob 650/82 = EF 41.270; LG Wels EF 120.143; LGZ Wien EF 120.141). Maßgeblich ist auch der Grad der Vorwerfbarkeit und ihr Schuldgehalt (9 Ob 33/03y = EF 104.865; LG Wels EF 120.138). 21 Der Ehepartner, der mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe den Anfang gemacht hat, ist bei sonst gleichen Umständen als der gegenüber dem anderen in hohem Grad Schuldige zu werten (LGZ Wien EF 111.249; LG Salzburg EF 120.137). Hat das schuldhafte Verhalten eines Teils das des anderen nach sich gezogen, so ist dem Beitrag des Ersten idR größeres Gewicht beizumessen (9 Ob 60/05x = EF-Z 2006/8; LGZ Wien EF 120.142). Für den Verschuldensausspruch ist zu berücksichtigen, inwieweit die Verfehlungen eines Ehepartners eine zulässige Reaktionshandlung auf die Verhaltensweise des anderen darstellen (LGZ Wien 111.232; LG Salzburg EF 120.140). Körperliche Misshandlungen können niemals eine zulässige Reaktionshandlung auf vorangegangenes ehewidriges Verhalten des anderen sein (8 Ob 39/08 f = iFamZ 2008/104). 22 Im Hinblick darauf, dass es der Kläger war, der sich immer mehr vom Familienleben zurückzog und jegliches Interesse an gemeinsamen Aktivitäten vermissen ließ, während der Beklagten lediglich ein jahrelanges passives Verhalten gegenüber diesem Zustand vorzuwerfen ist, liegt in der Zuteilung des überwiegenden Verschuldens an der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft an den Kläger keine zur Korrektur Anlass gebende Fehlbeurteilung (6 Ob 169/ 03a = EF 104.888). 23 Ist Hauptursache des Zerrüttungsprozesses einer Ehe ein beherrschendes und durch das Fehlen von Respekt gekennzeichnetes Verhalten des Mannes, das den Zerrüttungsprozess auch eingeleitet hat, treten Reaktionshandlungen der Frau bei der Gewichtung der wechselseitigen Eheverfehlungen demgegenüber in den Hintergrund. Sie sind aber nicht gänzlich unbeachtlich (9 Ob 60/ 05x = EF-Z 2006/8). 24 Die Einleitung der Ehezerrüttung durch die Aufnahme ehebrecherischer Beziehungen zu einer anderen Frau gegenüber späteren Beschimpfungen und alleinigem Verfügen der Frau über ein gemeinsames Wertpapierdepot rechtfertigt die Annahme des überwiegenden Verschuldens des Mannes (LGZ Wien EF 66.454).
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C. Mitschuldantrag (Mitverschuldensantrag) Will die beklagte Partei grundsätzlich an der Ehe festhalten und hat der Kläger 25 selbst Eheverfehlungen gesetzt, ist es günstig, neben dem Antrag auf Abweisung des Scheidungsbegehrens hilfsweise einen Mitverschuldensantrag zu stellen, in dem die Eheverfehlungen des Klägers angeführt werden. Ein Mitverschuldensantrag kann sich nur auf Umstände stützen, derentwegen die nun beklagte Partei selbst den Kläger auf Scheidung wegen Verschuldens klagen hätte können. Ein Verschulden fehlt insb dann, wenn das ehebelastende Verhalten in einem die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit ausschließenden Zustand gesetzt wurde, wie etwa während einer geistigen Störung iSd § 50 EheG (LG Salzburg EF 100.897; LG Wels EF 111.228). Bei einem Mitverschuldensantrag können bereits verfristete (§ 57 EheG) oder verziehene (§ 56 EheG) Verfehlungen berücksichtigt werden (4 Ob 571/94 = EF 75.565). Nach der Rsp hindert eine Klagsrücknahme unter Verzicht auf die geltend gemachten Scheidungsgründe deren abermalige Geltendmachung im Rahmen eines Mitverschuldensantrags nicht (8 Ob 514/84 = EF 46.240; OLG Linz EF 38.789). Eheverfehlungen, deren Geltendmachung iS des § 49 Satz 3 EheG sittlich nicht gerechtfertigt ist, können auch nicht mit Mitverschuldensantrag geltend gemacht werden (2 Ob 513/89 = EF 60.242; Stabentheiner/Rummel § 60 EheG Rz 5; aA OLG Wien EF 46.229; Gruber/Schwimann § 60 EheG Rz 25). Der Mitverschuldensantrag kann nur in 1. Instanz gestellt werden (7 Ob 28/ 26 99i = EF 90.322). Im Berufungsverfahren kann ein Mitschuldantrag nicht mehr gestellt werden, da Neuerungen im Berufungsverfahren unzulässig sind und nach § 482 Abs 1 ZPO keine neuen Einreden erhoben werden dürfen (LG Salzburg EF 120.134). Ein nicht ausdrücklich gestellter Mitverschuldensantrag muss sich aus dem Vorbringen der Partei zweifelsfrei entnehmen lassen (7 Ob 27/99i = EF 90.325). Im Vortrag von Eheverfehlungen des Klägers durch den beklagten Ehepartner kann ein Mitverschuldensantrag erblickt werden (7 Ob 28/99i = EF 90.324). Hingegen ist ein bloßer Antrag auf Abweisung des Klagebegehrens nicht ausreichend (LGZ Wien EF 97.209). Nach Rechtskraft des Scheidungsurteils kann (unter Belassung des Ausspruchs über die Scheidung) das Mitverschulden auch im Rahmen einer Wiederaufnahmsklage oder mit Ergänzungsklage – wenn das Mitverschulden auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon zur Zeit des Vorbringens bekannt und benutzbar waren – geltend gemacht werden (Hopf/Kathrein § 60 Anm 9; RISJustiz RS0044432). Der Mitverschuldensantrag alleine kann nicht zur Scheidung führen. Wird die Scheidungsklage abgewiesen, ist über den Mitverschuldensantrag nicht abzusprechen (Gruber/Schwimann § 60 EheG Rz 14). Ein Mitverschuldensantrag, mit dem nicht die Feststellung des überwiegen- 27 den, sondern bloß des gleichteiligen Verschuldens des Scheidungsklägers be535
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gehrt wird, ist zulässig und bindet das Gericht gem § 405 ZPO insofern, als nicht über den Antrag hinaus auf überwiegendes Verschulden erkannt werden darf (6 Ob 568/89 = JBl 1989, 593 = RZ 1989/109). 28 Stehen sich Klage und Widerklage gegenüber, so kann die Ehe entweder aus dem Alleinverschulden eines Ehepartners oder aus dem Mitverschulden beider Teile geschieden werden. Bei einem bloßen Mitverschuldensantrag des Beklagten ist jedoch eine Scheidung aus dem Alleinverschulden des Klägers nicht möglich. Eine auf § 49 EheG gestützte Scheidungsklage ist abzuweisen, wenn keine einzige schwere Eheverfehlung des Beklagten erwiesen wird (LGZ Wien EF 114.221).
Bei Scheidung aus anderen Gründen § 61. (1) Wird die Ehe auf Klage und Widerklage geschieden und trifft nur einen Ehegatten ein Verschulden, so ist dies im Urteil auszusprechen. (2) Wird die Ehe lediglich auf Grund der Vorschriften der §§ 50 bis 53 geschieden und hätte der Beklagte zur Zeit der Erhebung der Klage oder später auf Scheidung wegen Verschuldens des Klägers klagen können, so ist auch ohne Erhebung einer Widerklage auf Antrag des Beklagten auszusprechen, daß den Kläger ein Verschulden trifft. Hatte der Beklagte bei der Klageerhebung das Recht, die Scheidung wegen Verschuldens des Klägers zu begehren, bereits verloren, so ist dem Antrag gleichwohl stattzugeben, wenn dies der Billigkeit entspricht. (3) Wird die Ehe nach § 55 geschieden und hat der Kläger die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet, so ist dies auf Antrag des Beklagten im Urteil auszusprechen. [Fassung gem KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135]
1 Begehren beide Ehepartner die Scheidung mit Klage und Widerklage und beruft sich einer auf einen verschuldensunabhängigen Scheidungsgrund (§§ 50 bis 52, 55 EheG), der andere hingegen auf eine Eheverfehlung (§ 49 EheG), muss das Gericht auch bei Abweisung der letzteren (Wider-)Klage über das Verschulden absprechen (Stabentheiner/Rummel § 61 EheG Rz 1). Der spruchmäßigen Anführung von Absätzen des § 61 EheG bedarf es beim Verschuldensausspruch nicht (7 Ob 86/97s = EF 84.611; 2 Ob 31/98t = EF 87.502). 2 Ein unberechtigter Schuldantrag ist spruchmäßig abzuweisen (LGZ Wien EF 108.279). Die Fällung eines Teilurteils nur über das Scheidungsbegehren ist bei einer Scheidung nach § 55 EheG dann unzulässig, wenn ein Verschuldensantrag nach § 61 Abs 3 EheG vorliegt, um die vom Gesetzgeber für den 536
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Fall eines Verschuldensausspruchs gewünschte Kontinuität der Unterhaltsberechtigung des Beklagten wie bei aufrechter Ehe nicht zu gefährden (LGZ Wien EF 111.257; RIS-Justiz RS0040724; 4 Ob 31/08z = EF 120.105). Stützt sich die Scheidungsklage des Klägers auf § 50 EheG (Scheidung wegen 3 auf geistiger Störung beruhenden Verhaltens), auf § 51 EheG (Scheidung wegen Geisteskrankheit) oder auf § 52 EheG (Scheidung wegen ansteckender oder Ekel erregender Krankheit), kann der beklagte Ehepartner, sofern er die Scheidung ablehnt und deshalb keine Widerklage erhebt, einen Verschuldensantrag gem § 61 Abs 2 EheG stellen, wenn er auf Scheidung wegen Verschuldens hätte klagen können (für diesen gilt das zum Mitverschuldensantrag gem § 60 EheG Angeführte). Dem Verschuldensantrag ist dann stattzugeben, wenn der Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung oder später während des Scheidungsverfahrens (§ 59 EheG) auf Scheidung wegen Verschuldens nach § 49 EheG klagen hätte können (Abs 2 Satz 1). Hatte der Beklagte sein Klagerecht durch Verfristung, Verzeihung oder Verzicht bereits verloren, so ist dem Verschuldensantrag dennoch stattzugeben, wenn dies der Billigkeit entspricht (Abs 2 Satz 2; 8 Ob 662/87 = EF 57.444; OLG Wien EF 60.282). Der Sinn liegt darin, dass jemand, dessen eigenes Verhalten als schwere Eheverfehlung zu bewerten wäre, die Krankheit des anderen nicht zum Anlass einer Scheidung nehmen können soll, in der sein eigenes erhebliches Verschulden nicht berücksichtigt wird und dadurch der andere Ehepartner um sonst berechtigte Unterhaltsansprüche gebracht würde (6 Ob 741/88 = EF 60.281). Auf diesen Verschuldensantrag des Beklagten kann der Kläger seinerseits nicht mehr mit (Mit-)Verschuldensantrag reagieren (weder bei § 61 Abs 2 noch bei Abs 3 EheG). Wenn der Beklagte wegen geistiger Störung bzw Geisteskrankheit eherechtlich nicht schuldfähig ist, jedoch sein Verhalten verglichen mit dem des Klägers zur Ehezerrüttung genauso oder schwerer beigetragen hat, wäre es grob unbillig, das für die Ehezerrüttung wesentliche Verhalten des Beklagten völlig außer Acht zu lassen und die Ehe auf eine Art zu scheiden, die den Kläger als allein Schuldigen behandelt (LG Linz EF 120.159). Ein Verschuldensantrag des Beklagten (ebenso wie eine auf Verschulden ge- 4 stützte Widerklage) ist rechtsmissbräuchlich und sittlich nicht gerechtfertigt, wenn sein eigenes Verschulden an der Zerrüttung mindestens gleich schwer wiegt wie das vom Kläger behauptete (RIS-Justiz RS0057233; RS0057224; LGZ Wien EF 108.278). Wird die Klage auf § 55 EheG (Auflösung der häuslichen Gemeinschaft) ge- 5 stützt, kann der beklagte Ehepartner beantragen, dass das alleinige oder überwiegende Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe im Scheidungsurteil ausgesprochen wird (§ 61 Abs 3 EheG). Dieser Schuldausspruch löst eine besonders privilegierte Unterhaltsregelung aus (dazu ausführlich Aichhorn 279). Als impliziter Schuldantrag nach § 61 Abs 3 EheG ist auch zu wer537
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ten, wenn der beklagte Ehepartner dem Scheidungsbegehren iSd § 55 Abs 2 EheG widerspricht und wenn nicht besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass ein solcher Antrag absichtlich unterlassen wurde (LGZ Wien EF 104.895; RIS-Justiz RS0057285). 6 Stützen beide Ehepartner ihre Klagebegehren auf § 55 EheG (Klage, Widerklage), ist eine Verschuldenserörterung nicht möglich, weil der Verschuldensantrag nur der beklagten Partei offen steht. Der Vorschlag, auch dem Kläger in Analogie zu § 60 Abs 3 EheG einen Verschuldensantrag zu ermöglichen, wurde bislang von der Rsp nicht aufgegriffen (LGZ Wien EF 69.270; Hinteregger, Familienrecht 101). 7 Anders als in § 61 Abs 2 EheG geht es bei der Regelung in § 61 Abs 3 EheG nicht um einen Verschuldensgrund, der selbst zur Scheidung berechtigen würde, sondern um das Verschulden des Klägers an der Ehezerrüttung. Nach Abs 3 reicht eine Eheverfehlung des Klägers aus, die nicht den notwendigen Grad an Schwere für § 49 EheG erreicht. Für den Verschuldensausspruch gem § 61 Abs 3 Ehe ist maßgebend, ob dem klagenden Ehepartner Schuld an der Zerrüttung der Ehe anzulasten ist, und nicht, ob er einen Scheidungstatbestand verwirklicht hat. Ausschlaggebend ist somit das Zerrüttungsverschulden und nicht das durch Eheverfehlungen bedingte Verschulden an der Scheidung (9 Ob 52/03t = EF 104.890; LG Linz EF 111.253; 7 Ob 8/08i = EF 120.154). Das ehezerrüttende Verhalten des Klägers muss von der Beklagten als ehezerstörend empfunden worden sein, damit ein Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG möglich ist (4 Ob 2031/96 = ZfRV 1996, 254 [Hoyer]; 9 Ob 52/ 03t = EF 104.892). 8 Mittels Verschuldensantrags nach § 61 Abs 3 EheG können auch Eheverfehlungen geltend gemacht werden, die bereits verziehen worden oder verfristet sind (4 Ob 2031/96 = ZfRV 1996, 254 [Hoyer]; 9 Ob 52/03t = EF 104.893; LG Linz EF 111.252; 4 Ob 31/08z = EF 120.156). Ein an der Ehe festhaltender Ehepartner muss den Antrag nach § 61 Abs 3 EheG im Allgemeinen auch dann stellen können, wenn er auf den Schuldausspruch ausdrücklich oder konkludent, zB durch Verzeihung, verzichtet hat oder wenn dieser Anspruch durch Verfristung erloschen ist (4 Ob 31/08z = iFamZ 2008/102 [DeixlerHübner]). 9 Für die Beurteilung, ob der die Scheidung der Ehe nach § 55 EheG begehrende Kläger die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat, ist das Gesamtverhalten beider Ehepartner während der gesamten Dauer der Ehe relevant (7 Ob 536/86 = EF 51.668; LG Linz EF 111.252; LGZ Wien EF 87.504; 7 Ob 8/08i = EF 120.154). Abwägungskriterien sind die Verwerflichkeit und das Gewicht der Eheverfehlungen, das Ausmaß ihrer Ursächlichkeit für das Scheitern der Ehe und ein allfälliges Kausalverhältnis zwischen den Verfehlungen des einen und des anderen Ehepartners, wer mit dem zur Zerrüttung füh538
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renden Verhalten begonnen hat, aber auch, wer entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Ehe unheilbar zerrüttet ist (LG Linz EF 111.254). Das Zerrüttungsverschulden des Klägers muss deutlich überwiegen, also der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile sehr erheblich bzw augenscheinlich hervor- und das Verschulden des anderen fast völlig bzw ganz in den Hintergrund treten (LGZ Wien EF 93.808; 7 Ob 8/08i = EF 120.155; 2 Ob 164/07t = iFamZ 2008/46 [Deixler-Hübner]). So wie nach dem auch bei der Beurteilung des Zerrüttungsverschuldens anzuwendenden allgemeinen Grundsatz des § 60 Abs 2 Satz 2 EheG muss ein sehr erheblicher gradueller Unterschied im beiderseitigen Verschulden bestehen, der offenkundig hervortritt; subtile Erwägungen sind dabei nicht vorzunehmen. Ein verschiedener Verschuldensgrad alleine vermag den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens, geschweige denn des alleinigen Verschuldens, nicht zu rechtfertigen (7 Ob 8/08i = EF 120.155). Eheverfehlungen, die nach dem Eintritt der Zerrüttung gesetzt wurden, sind 10 im Rahmen der Verschuldensabwägung nicht völlig bedeutungslos, wenngleich ihnen für den Verschuldensausspruch gem § 61 Abs 3 EheG nur mehr geringes Gewicht zukommt (8 Ob 601/88 = EF 57.240; LG Linz EF 111.255; 2 Ob 164/07t = iFamZ 2008/46). Der Kausalzusammenhang zwischen Eheverfehlung des einen Teils und der Zerrüttung ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn die Ehe zu diesem Zeitpunkt aus Verschulden des anderen Teils schon so tief zerrüttet war, dass die eheliche Gesinnung völlig erloschen ist und eine weitere Zerrüttung nicht mehr eintreten konnte (1 Ob 45/02b = EF 100.853; RIS-Justiz RS0056939; RS0056921). Nach hM ist der Ausspruch eines Verschuldens des Beklagten nicht vorge- 11 sehen (8 Ob 548/88 = EF 57.246; LGZ Wien EF 69.270; Stabentheiner/Rummel § 61 EheG Rz 3 mwN), ebenso wenig der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehepartners (Gruber/Schwimann § 61 EheG Rz 9). Es ist nur der Ausspruch des Alleinverschuldens des Klägers möglich. Selbst bei beiderseitigem, gleichteiligem Verschulden an der Zerrüttung der Ehe ist kein diesbezüglicher Ausspruch vorgesehen, sondern ist dann der Antrag des Beklagten, das überwiegende Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen, abzuweisen (8 Ob 548/88 = EF 57.246; LG Wels 21 R 386/05x). Ein Mitverschuldensantrag des Klägers als Reaktion auf den Antrag des Beklagten ist – ebenso wie nach § 61 Abs 2 EheG – auch nach § 61 Abs 3 EheG nicht möglich (LGZ Wien EF 84.606, 93.810; Stabentheiner/Rummel § 61 EheG Rz 19; aA Gruber/Schwimann § 61 EheG Rz 19). Wird eine Ehe von einem ausländischen Gericht aus einem § 55 EheG ver- 12 gleichbaren Grund geschieden und ist über die Folgen gem § 20 IPRG nach inländischem Recht zu entscheiden, kann ein Verschuldensausspruch gem § 61 Abs 3 EheG auch erst nachträglich beantragt werden. Es besteht ein selbststän539
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diger Rechtsschutzanspruch auf einen solchen Ausspruch (6 Ob 592/84 = EF 46.263; 6 Ob 586/85 = EvBl 1987/99 = ZfRV 1987, 151 [Hoyer]). Die Fristen des § 57 EheG laufen spätestens mit Anerkennung der Scheidung im Inland gem § 97 AußStrG (2 Ob 521/95 = EF 78.671 = SZ 68/57). 13 Wurde die Ehe durch ehewidrige Beziehungen des Mannes zu einer anderen Frau, Verbringen der Freizeit außer Haus sowie Verletzung der Unterhaltspflicht und unleidliches und ekelhaftes Verhalten zerrüttet, und erklärte er gegenüber seinen Saunafreunden, sie könnten ruhig mit seiner Frau (geschlechtlich) verkehren, doch wolle er dabei zuschauen, so ändert die Aufnahme ehewidriger Beziehungen der Frau zu einem anderen Mann nichts mehr am überwiegenden Verschulden des Mannes an der Zerrüttung (LGZ Wien EF 66.461). 14 Wurden durch ein auf den Kläger nicht Rücksicht nehmendes und aggressives Verhalten der Beklagten, die mehr die Interessen ihrer Mutter und deren negative Einstellung gegenüber dem Kläger berücksichtigte, die Grundlagen für eine Entfremdung der Ehepartner geschaffen und die Zerrüttung der Ehe eingeleitet, die dazu führte, dass der Kläger nach Aggressionsakten der Beklagten aus der ehelichen Wohnung auszog, so kann die Aufnahme von geschlechtlichen Beziehungen des Klägers zu einer anderen Frau und der Auszug aus der Ehewohnung und Übersiedlung zu dieser Frau nicht mehr als überwiegendes Verschulden des Klägers qualifiziert werden (OLG Wien EF 66.462). 15 Ein Verzicht auf die Erhebung eines Verschuldensantrages nach § 61 Abs 3 EheG ist grundsätzlich zulässig, Willensfreiheit und Kenntnis der Rechtsfolgen vorausgesetzt (4 Ob 31/08z = EF 120.158). Ein Verzicht auf den Scheidungsanspruch umfasst aber nicht auch den Verzicht auf den Verschuldensantrag (4 Ob 31/08z = EF-Z 2008/136 [Beck]). Eine Vereinbarung, wonach eine allfällige Scheidung nur im Einvernehmen durchzuführen sei und auf gegenseitige Schuldzuweisungen verzichtet würde, widerspricht dem Regelungszweck des EheG und ist nicht wirksam. Den Ehepartnern muss die Möglichkeit offen stehen, sich durch einen Verschuldensantrag auch in sozialrechtlicher Hinsicht absichern zu können (4 Ob 31/08z = JusGuide 2008/27/5820). Bei der Auslegung einer Parteienvereinbarung, wonach auf gegenseitige Schuldzuweisungen im Falle einer Scheidung verzichtet werden soll, ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein derartiger Verzicht nur dann gelten soll, wenn auch eine Einigung über die Scheidungsfolgen erzielt wird (4 Ob 31/08z = iFamZ 2008/ 102 [Deixler-Hübner]).
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§ 62 EheG
Name der geschiedenen Frau
E. Folgen der Scheidung I. Name der geschiedenen Frau Grundsatz § 62. Die geschiedene Frau behält den Familiennamen des Mannes. [Stammfassung] Lit: wie zu § 93 ABGB.
§ 62 EheG bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf die geschiedene Frau, gilt 1 jedoch zufolge Art II Z 1 EheRwG BGBl 1975/412 „sinngemäß auch für den geschiedenen Ehemann“. Die Rechtsfolgen des § 62 EheG gelten aufgrund des § 42 Abs 1 EheG auch für die Aufhebung der Ehe. § 93 ABGB enthält die am 1.5.1995 in Kraft getretene Neuregelung des Na- 2 mensrechts der Ehegatten. Demnach führen die Ehegatten dann den gleichen Familiennamen, wenn sie entweder einen solchen nach § 93 Abs 1 ABGB gewählt haben oder die Frau auf die Weiterführung ihres Verlobtennamens gem § 93 Abs 3 ABGB verzichtet hat. Wird der Familienname eines Verlobten gemeinsamer Ehename, so hat der andere Verlobte nach § 93 Abs 2 ABGB das Recht, einen „Doppelnamen“ aus beiden Verlobtennamen zu führen. Derjenige Ehegatte, der seinen Familiennamen – infolge Bestimmung zum ge- 3 meinsamen Familiennamen oder ohne diese kraft gesetzlicher Regelung – vom anderen Ehegatten abgeleitet hat, behält gem § 62 EheG diesen Familiennamen auch nach der Scheidung (Aufhebung) der Ehe. Auch der geschiedene Ehegatte, der einen nach § 93 Abs 2 ABGB gebildeten Doppelnamen führt, behält diesen nach der Scheidung (Aufhebung) der Ehe. Ändert sich der Familienname, von dem der Ehegatte gem § 93 ABGB seinen Familiennamen abgeleitet und den dieser nach § 62 EheG beibehalten hat, nach der Scheidung (Aufhebung) der Ehe, so folgt der beibehaltene Familienname dieser Änderung nicht (zur Namensberichtigung s Gruber/Schwimann § 62 EheG Rz 3). Zur Wiederannahme eines früheren Familiennamens nach Auflösung einer 4 Ehe durch Tod, Scheidung oder Aufhebung der Ehe s § 93a ABGB. Zu den namensrechtlichen Konsequenzen der Nichtigerklärung der Ehe s Vor §§ 31–32 EheG Rz 3 und § 93a ABGB Rz 2.
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§§ 63–65. aufgehoben durch Art II NamRÄG BGBl 1995/25. 1 Die §§ 63–65 EheG wurden durch Art II NamRÄG BGBl 1995/25 mit Wirkung zum 1.5.1995 aufgehoben. Die früher in § 63 EheG geregelte Wiederannahme eines früheren Familiennamens nach Scheidung (Aufhebung) der Ehe ist nunmehr in § 93a ABGB geregelt. Die Möglichkeit der Untersagung der Weiterführung des Ehenamens (vormals §§ 64 f EheG) ist ersatzlos entfallen.
II. Unterhalt a) Unterhaltspflicht bei Scheidung wegen Verschuldens § 66. Der allein oder überwiegend schuldige Ehegatte hat dem anderen, soweit dessen Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen, den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren. [neu gefasst durch EheRÄG 1978] Lit: Aicher, Ehescheidung und Scheidungsfolgen, in Floretta (Hrsg), Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht (1979), 83; ders, Die Reform des Rechts der Ehescheidung und der unterhaltsrechtlichen Scheidungsfolgen in Österreich, FamRZ 1980, 637; Apathy, Schadenersatz wegen entgangenen Unterhalts und Wiederverheiratung, JBl 1983, 397; Binder, Die Problematik der Geschiedenen-Pensionsregelung, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 669; Gitschthaler, Neue Betreuungsmodelle – neue Unterhaltsmodelle, EF-Z 2010, 172; Cl. Hirsch, Der Billigkeitsbegriff im nachehelichen Unterhaltsrecht, JBl 2008, 545; dies, Zur Höhe des nachehelichen Unterhalts in §§ 68, 69 Abs 3 und § 69a Abs 2 EheG, EF-Z 2009, 204; Hoyer, Das neue Scheidungsrecht, JBl 1981, 11; ders, Betreuung eines Kindes aus einer Beziehung mit einem anderen Mann und Unterhaltsanspruch, EF-Z 2010, 187; Kerschner, Zum Unterhalt nach Scheidung nach neuem Recht, JBl 1979, 561; Knoll, Die rechtliche Umschreibung und Erfassung der Bedarfslage des Unterhaltsansprechers im Ehescheidungsfolgenrecht (mit Blick zum dBGB), RZ 1996, 234, Krejci, Neues Scheidungsrecht und soziale Sicherung, JBl 1979, 169; Lichtl/Kunz, Der Scheidungsvergleich (2003); Litterst, Das Recht der Zerrüttungsscheidung und der Scheidungsfolgen in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich (1983); H. Pichler, Einige Probleme des neuen Eherechts, JBl 1981, 281 und 1997, 2; Pittl/Sander, Zum Eintrittsrecht des homosexuellen Lebensgefährten in den Mietvertrag, wobl 2007, 33; K. Schwarz, Zum Ehegattenunterhalt infolge der Geburt eines nachehelichen Kindes, ÖJZ 2010, 499; Wilhelm, Der Lebensbedarf des schuldig Geschiedenen, ecolex 1999, 378; Wischounig, Die Reform des österreichischen Geschiedenenunterhaltsrechts – rechtsvergleichend angereicherte kritische Bemerkungen, ÖA 1999, 148; vgl im Übrigen bei § 94 ABGB.
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Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Schuldausspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Unterhaltshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozentwertmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einkommen/Vermögen des Unterhaltsberechtigten 4. Anspannung des Unterhaltsberechtigten . . . . . . . . D. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–3 4–5 6–28 6–9 10–13 14–16 17–28 29–31
A. Allgemeines Die an verschiedene Voraussetzungen geknüpften Ansprüche eines Ehegatten 1 während aufrechter Ehe (§ 94 ABGB) bzw eines wegen überwiegenden Verschuldens des anderen Teils geschiedenen Ehegatten (§ 66 EheG) bestehen zwar grundsätzlich unabhängig voneinander, weshalb es ohne Bedeutung ist, ob dem geschiedenen Ehegatten während aufrechter Ehe ein Unterhaltsanspruch zustand, ob dieser letzteren verwirkt hatte oder ob eine solche Verwirkung rechtskräftig festgestellt wurde (1 Ob 521/83; 5 Ob 644/83 = EF 43.707, 43.708; 2 Ob 554/88 = EF 57.248). Jedoch wurzelt auch der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten – ebenso wie der während des Bestehens der Ehe – in dem Ehegelöbnis und der darauf begründeten ehelichen Gemeinschaft und ist typische Nachwirkung der Ehe (5 Ob 695/76 = SZ 49/ 127; 3 Ob 585/78 = EF 33.874; 8 Ob 247/80 = SZ 54/17; 8 Ob 210/02v = EF 100.920; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 3). Er ist ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch, und zwar auch bei vergleichsweiser Festsetzung, solange sich die Vereinbarung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bewegt (vgl auch § 69a EheG Rz 1 f; § 94 ABGB Rz 268). Andernfalls wird durch die Vereinbarung ein rein vertraglicher Unterhaltsanspruch begründet (s § 80 EheG). Damit können aber grundsätzliche Fragen der Unterhaltsbemessung bei Er- 2 mittlung nachehelichen Unterhalts nach § 66 EheG nach denselben Grundsätzen wie bei der Ermittlung ehelichen Unterhalts nach § 94 ABGB beurteilt werden (Schwind 274; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 4). Dies gilt insb bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage (vgl § 94 ABGB Rz 36 ff) einschließlich der Anspannung des Unterhaltspflichtigen und der allfälligen Berücksichtigung seines Vermögens bzw der Erträgnisse daraus, bei der Festsetzung einer absoluten Belastbarkeitsgrenze des Unterhaltspflichtigen (§ 94 ABGB Rz 231 ff) und bei der Berücksichtigung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen (§ 94 ABGB Rz 146 ff, 174 ff), bei der Beurteilung von Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts (Umstandsklausel; vgl § 94 ABGB Rz 274 ff), bei der Einschätzung des kon543
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kreten Unterhaltsbedarfs einschließlich einer allenfalls vorhandenen Wohnversorgung (vgl § 94 ABGB Rz 4 ff) sowie der Vermeidung einer Doppelversorgung bei Bezug öffentlich-rechtlicher Leistungen (vgl § 94 ABGB Rz 7) und bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Unterhaltsverletzung (vgl § 94 ABGB Rz 239 ff), aber auch für die Rückforderbarkeit von Unterhaltsleistungen (§ 94 ABGB Rz 26 ff), die Aufrechnung gegen Unterhaltsforderungen (§ 94 ABGB Rz 31 ff) und die Verjährung (vgl § 72 EheG, aber auch § 94 ABGB Rz 305 ff). Sonderregelungen nicht nur für Ansprüche nach § 66 EheG, sondern grundsätzlich für nachehelichen Unterhalt gelten für die Vereinbarung (§ 80 EheG), den Verzicht (vgl § 80 EheG Rz 17 ff) und die Verwirkung (§§ 73, 74 EheG) sowie iZm der Anrechnung von Naturalunterhaltsleistungen (§ 70 EheG). 3 Zum Beginn des Unterhaltsanspruchs vgl § 94 ABGB Rz 16 ff.
B. Schuldausspruch 4 Grundvoraussetzung für einen Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG ist ein Verschuldensausspruch nach § 60 (Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 2) oder nach § 61 Abs 1 EheG, wobei es allerdings lediglich auf den im Urteilstenor enthaltenen (Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 2) Schuldausspruch, nicht aber auf die Feststellungen im Scheidungsurteil über das (allfällige) Verschulden der Ehegatten an der Zerrüttung ankommt (2 Ob 632/55; 1 Ob 601/85 = EF 48.884; vgl auch 5 Ob 669/81 = EF 41.378). Es ist also im Unterhaltsverfahren untersagt, auf die wahren Ursachen der Auflösung unter Abgehen vom Verschuldensausspruch Bedacht zu nehmen (Stabentheiner/Rummel § 60 EheG Rz 1). Ist versehentlich ein Schuldausspruch unterblieben, muss daher zunächst eine Urteilsergänzung nach § 423 ZPO angestrebt werden (Schwind/ Klang I/22, 868; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 2). Ist diese bereits verfristet oder wurde (lediglich) übersehen, alleiniges oder überwiegendes Verschulden auszusprechen, soll im Unterhaltsverfahren auf die Entscheidungsgründe Bedacht genommen werden können, wenn mit vollkommener Sicherheit klar ist, dass das Scheidungsgericht eine diesbezügliche Entscheidung treffen wollte (vgl 7 Ob 135/65 = EF 5248; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 2). Diese Auffassung erscheint aber bedenklich, weil damit sowohl § 60 EheG als auch § 423 ZPO unterlaufen werden. Denkbar wäre allenfalls, beim Scheidungsgericht eine – unbefristet mögliche – Urteilsberichtigung gem § 419 ZPO anzustreben. Ansonsten steht dem Unterhaltsberechtigten kein Unterhalt aufgrund einer Verschuldensscheidung zu. Vgl allerdings zu einem Sonderfall bei § 78 EheG Rz 3.
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Im Scheidungsurteil muss das alleinige oder überwiegende Verschulden des 5 Unterhaltspflichtigen ausgesprochen worden sein, um eine Unterhaltsverpflichtung nach § 66 EheG zu begründen. Nach hA ist dabei zwar eine quotenmäßige Anwendung der Mitverschuldenregeln nicht vorgesehen (LGZ Wien EF 60.297; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 2); allerdings erscheint es nicht billig, dem Unterhaltsberechtigten, den ein Mitverschulden an der Zerrüttung trifft, Unterhalt in derselben Höhe zu gewähren wie dem völlig schuldlosen. Eine Reduzierung des Unterhaltsanspruchs aufgrund eines Mitverschuldens des Unterhaltsberechtigten an der Zerrüttung der Ehe sollte damit jedenfalls im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung nicht völlig ausgeschlossen sein.
C. Unterhaltshöhe 1. Allgemeines
§ 66 EheG enthält zwar unbestimmte Gesetzesbegriffe, aber keine Verweisung 6 auf Billigkeitserwägungen (Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 1). An sich ist der konkrete Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten daher nach denselben Grundsätzen und in derselben Höhe (Anwendung der Prozentwertmethode unter Berücksichtigung des Umstands, ob der Unterhaltsberechtigte ein Eigeneinkommen bezieht oder nicht, und allfälliger weiterer Sorgepflichten) zu ermitteln wie jener bei aufrechter Ehe (Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 16, 18; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 4). Jedoch ist der nacheheliche Unterhalt kein unbedingter, sondern davon abhängig, dass die Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, zur Deckung des angemessenen Unterhalts nicht ausreichen (7 Ob 561/82 = EF 41.300; LGZ Wien EF 27.485; vgl auch Schwind/Klang I/22, 868; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 2). Damit ist der Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG gegenüber eigenen Einkünften und Vermögenserträgnissen subsidiär (8 Ob 639/91; 6 Ob 46/97a; 6 Ob 233/98b ua = EF 87.511; 8 Ob 210/02v = EF 100.913). Bei lediglich teilweiser eigener Deckung des angemessenen Unterhalts trifft den Unterhaltspflichtigen eine Ergänzungspflicht (LGZ Wien EF 27.485; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 2). Der Unterhaltsanspruch geht nicht allein deshalb verloren, weil der Unter- 7 haltsberechtigte seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt (OLG Wien EvBl 1948/657; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 77), und zwar selbst dann nicht, wenn dadurch für den Unterhaltspflichtigen die Kontaktausübung zu den Kindern erschwert und/oder verteuert wird (vgl 5 Ob 642/77 = EvBl 1978/64; Gitschthaler, EF-Z 2010, 172). 545
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8 Der nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessene Unterhalt muss zur Deckung der angemessenen Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten ausreichen, wobei sich die Angemessenheit nach den Lebensverhältnissen (dem Lebensstandard) beider Ehegatten richtet. Angemessen sind alle Bedürfnisse, die im Rahmen der Lebensverhältnisse über die Existenzerhaltung hinaus ein lebenswertes Dasein ermöglichen. Dafür sind zwar in erster Linie die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten maßgeblich, der jedoch aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft auch Anspruch auf angemessene Teilhabe am Lebenszuschnitt des Partners hat und nicht etwa auf seine individuelle Genügsamkeit verwiesen werden darf. Wesentlicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist zunächst jener der Scheidung, dh der Unterhaltsberechtigte braucht etwa selbst dann keinen sozialen Abstieg nach der Scheidung hinzunehmen, wenn er vor der Eheschließung in schlechteren Lebensverhältnissen gelebt hatte (10 Ob 2326/96y = EF 82.464; 6 Ob 212/02y). Allerdings kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Gemeinschaft über die Scheidung hinaus wirksam wäre (8 Ob 210/02v = EF 100.920). Es darf nach hA jedoch nicht zu einer Versteinerung der konkreten Verhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung kommen, dh die zu diesem Zeitpunkt zu leistenden Unterhaltsbeiträge sind weder ein Minimum noch ein Maximum (vgl 6 Ob 752/80 = EF 38.836; 1 Ob 288/98d = EF 90.397). Vielmehr sind seit der Scheidung geänderte Verhältnisse bei der Unterhaltsneubemessung zu berücksichtigen (vgl 1 Ob 568/93 = EF 72.375; 6 Ob 212/02y), sodass der Unterhaltsberechtigte etwa auch am sozialen Aufstieg des Unterhaltspflichtigen nach der Scheidung teilnehmen können soll (Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 1; vgl auch 6 Ob 212/02y). Maßgeblich sind letztlich daher die jeweilige Stellung und das jeweilige Einkommen des Unterhaltspflichtigen (Purtscheller/Salzmann Rz 128; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 17; vgl ausführlich auch Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 11). Wurden daher etwa die Lebensverhältnisse der Ehegatten während der Ehe durch Einkünfte aus Berufstätigkeit, aus Kapital- und Rentenerträgen bestimmt, steht der Anspannungsgrundsatz der schuldhaften Verminderung jeder der beiden Einkunftsarten entgegen (6 Ob 212/02y). 9 Die Teilnahme des Unterhaltsberechtigten am besseren, erst nach der Scheidung erzielten Lebensstandard des Unterhaltspflichtigen wird in der L zunehmend und zutr kritisiert (Zankl, ecolex 2001, 272; ders/Schwimann § 66 EheG Rz 11; Hinteregger/Klang3 § 94 ABGB Rz 43; Gitschthaler, EF-Z 2009, 191 [Entscheidungsanmerkung]); der Unterhaltsberechtigte trägt ja nichts mehr zum Lebensstandard des anderen bei, insb fehlt es auch an dessen Unterstützung bei Erzielung zusätzlicher Einkünfte und der Schaffung von Vermögenswerten (diese hat sich der Unterhaltspflichtige ja aus seinem – bereits um die Unterhaltsbeiträge gekürzten – Einkommen erwirtschaftet). Besonders be546
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denklich ist außerdem die unterhaltsrechtliche „Teilhabe“ an Vermögenszuwächsen, die überhaupt nichts mit den Nachwirkungen der Ehe zu tun haben (Lottogewinn, Erbschaft udgl). Nach zutr Auffassung des LGZ Wien (EF-Z 2009/125 [Gitschthaler]) kann ein Unterhaltspflichtiger daher jedenfalls nicht auf Vermögenserträgnisse daraus angespannt werden, wenn er einige Jahre nach der Ehescheidung ein Erbe ausschlägt und der andere Ehegatte – unter Außerachtlassung dieser zusätzlichen Einkünfte – aufgrund Eigeneinkommens keinen Unterhaltsanspruch hat (der OGH hat diese Entscheidung zwar iS der Anspannungstheorie abgeändert [1 Ob 104/09i = EF-Z 2010/76]; die Frage der grundsätzlichen Berücksichtigung von nach der Ehescheidung erworbenem Vermögen war allerdings im Revisionsverfahren nicht releviert worden). 2. Prozentwertmethode
Unter Heranziehung der Prozentwertmethode als Orientierungshilfe (vgl 10 dazu § 94 ABGB Rz 182) stehen nach der Rsp (zur Problematik des Halbteilungsgrundsatzes vgl § 94 ABGB Rz 214 ff) dem einkommenslosen Unterhaltsberechtigten rund 33% des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen zu (8 Ob 635/90 = EF 66.475; 7 Ob 581/91 = EF 69.291; 1 Ob 226/99p = EF 90.364; 3 Ob 130/00i; 1 Ob 3/06g). Der Unterhaltsanspruch des verdienenden Geschiedenen beträgt grundsätzlich 40% des gemeinsamen Einkommens abzüglich des eigenen Einkommens (8 Ob 635/90 = SZ 64/135; 2 Ob 584/91 = EF 66.478; 1 Ob 288/98d = EF 90.391; 6 Ob 217/00 f; 3 Ob 130/ 00i), und zwar auch bei wesentlich niedrigerem Einkommen des Unterhaltsberechtigten (7 Ob 194/98z). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Berücksichtigung des Einkommens des Unterhaltsberechtigten dazu führen würde, dass der Unterhaltspflichtige mehr zu bezahlen hätte, als wenn man das Einkommen des Unterhaltsberechtigten außer Betracht lässt und den Unterhalt mit 33% des Einkommens des Unterhaltspflichtigen bemisst; in einem solchen Fall ist der Unterhalt nach der 33%-Regel zu ermitteln, das Einkommen des Unterhaltsberechtigten hat außer Betracht zu bleiben (vgl dazu ausführlich § 94 ABGB Rz 209). Auch beim Geschiedenenunterhalt gibt es keine – der Luxusgrenze des Kin- 11 desunterhalts vergleichbare – Obergrenze (LGZ Wien EF 108.290; Zankl/ Schwimann § 66 EheG Rz 12), was – im Unterschied zum Ehegattenunterhalt (vgl § 94 ABGB Rz 185) – unbillig erscheint, weil der Unterhaltsberechtigte zwar uU exorbitant hohe Unterhaltsbeiträge lukriert, dafür aber keinerlei Gegenleistungen (Unterstützung, Beistand udgl) erbringen muss (vgl DeixlerHübner, iFamZ 2009, 358 [Entscheidungsanmerkung]). Fraglich ist allerdings, wo die Luxusgrenze gezogen werden sollte.
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12 Bei entsprechendem Bedarf (7 Ob 581/91 = EF 69.291), also bei Sonderbedarf (vgl § 94 ABGB Rz 8 ff), oder wenn dies zur Sicherung des Existenzminimums notwendig ist (vgl § 94 ABGB Rz 9), können uU auch höhere Grundprozentsätze angenommen werden. IdZ wird auch die Auffassung vertreten, zwar seien nur die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, nicht aber auch jene von Personen zu berücksichtigen, denen der Unterhaltsberechtigte gegenüber unterhaltspflichtig ist, aus Einkünften des Unterhaltsberechtigten seien aber vor der Anrechnung auf die Unterhaltsansprüche allfällige eigene Unterhaltspflichten zu erfüllen und die Unterhaltspflicht zu erhöhen, wenn die danach verbleibenden Mittel den Unterhaltsbedarf nicht decken (OLG Wien EF 5229; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 2; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 14). Diese Auffassung stellt aber letztlich eine Umgehung des Grundsatzes dar, dass Unterhaltspflichten des Unterhaltsberechtigten Dritten gegenüber nicht zu einer Verpflichtung zur Bereitstellung zusätzlicher Barmittel führen können und den (geschiedenen) Ehegatten keine „mittelbare“ Unterhaltspflicht trifft. Richtigerweise hat daher die Ermittlung des Unterhalts gegenüber dem Unterhaltspflichtigen ohne Berücksichtigung allfälliger eigener Unterhaltspflichten des Unterhaltsberechtigten zu erfolgen. Vgl allerdings auch § 94 ABGB Rz 47, 341. 13 Zur Berücksichtigung weiterer Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen vgl grundsätzlich § 94 ABGB Rz 211 ff. Nach älterer Rsp sollte eine Sorgepflicht für einen nicht berufstätigen weiteren Ehegatten mit 4% Abzug zu berücksichtigen sein (6 Ob 587/93 = SZ 66/114; 8 Ob 595/93; 3 Ob 183/94; 10 ObS 205/94 = SZ 68/241); es wurden aber durchaus auch 2% für gerechtfertigt angesehen (8 Ob 635/90 = EF 66.475), insb wenn der weitere Ehegatte bereits in den Ruhestand getretenen war (6 Ob 587/93 = EF 72.362). Jüngere Rsp nimmt – wie bei einem einkommenslosen früheren Ehegatten (2 Ob 318/99z) – als Höchstgrenze 3% an (6 Ob 191/97z = EF 84.641; 9 Ob 28/10y). Der Tendenz zur Vereinheitlichung der verschiedenen Unterhaltspflichten für frühere und nunmehrige unterhaltsberechtigte Ehegatten ist zu folgen, weil eine Differenzierung nicht wirklich sachgerecht erscheint (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 688a/6; idS wohl auch Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 18; nunmehr ebenso Koch/KBB § 66 EheG Rz 3). Zur Problematik, dass die Abzüge für Ehegatten und Kinder in keinem logischen Verhältnis zueinander stehen, vgl ausführlich § 94 ABGB Rz 211. Verfügt der Unterhaltspflichtige über zahlreiche weitere Sorgepflichten und/oder lediglich eine geringe Unterhaltsbemessungsgrundlage, darf seine Belastbarkeitsgrenze nicht unterschritten werden (§ 67 EheG; vgl dazu auch § 94 ABGB Rz 146).
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3. Einkommen/Vermögen des Unterhaltsberechtigten
Der Unterhaltsberechtigte muss zwar nicht seinen Vermögensstamm angreifen 14 (3 Ob 130/00i; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 8; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 39; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 2), es sei denn es liegt ein Anwendungsfall des § 67 Abs 2 EheG vor (Näheres s § 67 EheG Rz 8 f). Er muss sich aber Vermögenserträgnisse (vgl § 94 ABGB Rz 56 ff) und relevantes Eigeneinkommen (vgl § 94 ABGB Rz 197 ff) anrechnen lassen, und zwar nicht nur – wie bei aufrechter Ehe der den Haushalt führende Ehegatte (vgl § 94 ABGB Rz 198) – angemessen, sondern in vollem Umfang (8 Ob 210/02v = EF 100.920). Tatsächlich erzielte Erwerbseinkünfte des Unterhaltsberechtigten sind auch dann anzurechnen, wenn er an sich – etwa aufgrund Erreichens der Voraussetzungen für eine (vorzeitige) Alterspension – die Erwerbstätigkeit gar nicht mehr ausüben müsste (10 Ob 92/04h = EF 111.266). Hat sich der Unterhaltsberechtigte einen Teil der Kapitaldeckungssumme sei- 15 ner Pension auszahlen lassen („lump-sum“), was eine dauerhafte Reduktion seiner Pension bewirkte, tangieren den Unterhaltspflichtigen weder diese Einmalzahlung noch ihre (pensionsrechtlichen) Auswirkungen (vgl 9 Ob 60/03v; aA [dem Unterhaltsberechtigten kann die Pensionskürzung entgegen gehalten werden] LGZ Wien EF 48.866; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 2). Der Grundsatz, dass Einkommen, das der Unterhaltsberechtigte nur aus der 16 durch die Unterhaltsverletzung entstandenen Not erworben hat, nicht zu berücksichtigen ist (s § 94 ABGB Rz 200), gilt auch für die Zeit nach Ehescheidung (6 Ob 311/05m = EF-Z 2006/69); idZ wird es aber einer strengen Prüfung der Motivenlage des Unterhaltsberechtigten bedürfen (irrevisible Tatfrage).
4. Anspannung des Unterhaltsberechtigten
Während bei aufrechter Ehe vom den Haushalt führenden Ehegatten auch im 17 Fall der Auflösung des gemeinsamen Haushalts nicht verlangt werden kann, dass er einem eigenen Erwerb nachgeht und für seinen Unterhalt selbst sorgt (vgl § 94 ABGB Rz 221 f), steht dem schuldlos oder minder schuldig geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch nur zu, wenn von ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann. Er ist also im Umfang der Zumutbarkeit zur Erwerbstätigkeit verpflichtet (1 Ob 678/86 = EF 51.677; 3 Ob 2307/96b = EF 81.665; 6 Ob 219/98v = EF 87.516; 6 Ob 87/ 05w = EF 111.271, 111.272; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 15, 16; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 3) und hat seine Arbeitskraft primär für die Beschaffung des eigenen Unterhalts einzusetzen (8 Ob 639/91; 6 Ob 46/97a). Ob der Unterhaltsberechtigte während der Ehe einem Erwerb nachgegangen ist (8 Ob 639/91; 8 Ob 1576/92) oder ob er nach der Ehescheidung 549
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einen solchen zunächst gar nicht mehr angestrebt hat (6 Ob 46/97a = EF 84.623), ist grundsätzlich belanglos. 18 Auch wenn der Unterhaltsberechtigtige in früheren Jahren seiner Verpflichtung zur Aufnahme einer geregelten Erwerbstätigkeit nicht nachkam, können der Unterhaltsbemessung nicht fiktiv errechnete Pensionseinkünfte zugrundegelegt werden, die er bei durchlaufender Erwerbstätigkeit in der Vergangenheit nunmehr beziehen könnte; es ist immer auf den zum Zeitpunkt der Bemessung des Unterhaltes vorliegenden Sachverhalt abzustellen (6 Ob 620/93 = EF 75.581). Der Unterhaltspflichtige kann vom Unterhaltsberechtigten auch nicht jede beliebige Tätigkeit verlangen (2 Ob 342/53); es kommt auf die Zumutbarkeit an. Einen gravierenden sozialen Abstieg muss der Unterhaltsberechtigte also nicht hinnehmen (6 Ob 87/05w = EF 111.273), etwa die Annahme einer Hilfsarbeitertätigkeit bei eigenem Maturaabschluss (8 Ob 1576/92), nicht jedoch, wenn im Wesentlichen Tätigkeiten zu verrichten sind, die den früheren Beruf kennzeichneten (LG Salzburg 21 R 324/06b). 19 Maßgebend für die Beurteilung der Zumutbarkeit sind insb Alter, Gesundheitszustand, Berufsausbildung, bisherige, auch länger zurückliegende Berufsausübung, die Pflicht zur Erziehung von Kindern, deren Alter sowie die Vermittlungsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt (8 Ob 639/91; 1 Ob 570/95 = SZ 68/157; 4 Ob 2232/96 f = EF 84.624; 6 Ob 46/97a = EF 84.623), ebenso die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, die bisherige Erwerbstätigkeit, die Dauer der Berufsaufgabe sowie die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse während und nach der Ehe; schließlich auch der Umstand, ob die Einkünfte nach den konkreten Verhältnissen mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf Dauer als gesichert angenommen werden können (LG Linz 15 R 300/06b; LG Salzburg 21 R 324/06b; LGZ Wien 45 R 636/05w; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 693; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 19). Eine unterschiedliche Behandlung von Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigtem in Anspannungsfragen ist zwar grundsätzlich nicht vorgesehen (vgl 7 Ob 321/01h); bei einem völligen Neubeginn soll aber ein strengerer Maßstab zugunsten des Unterhaltsberechtigten anzulegen sein (LG Linz 15 R 300/06b; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 10). 20 Der Unterhaltsberechtigte hat zwar nachzuweisen, dass er sich seinen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit nicht verschaffen kann (6 Ob 87/05w = EF 111.274). Ist er aufgrund seiner persönlichen Situation jedoch nicht vermittelbar, kommt eine Anspannung ebenso wenig in Betracht wie bei Erreichen der Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension (6 Ob 587/93 = EF 72.345; 3 Ob 271/97t). 21 Dem Unterhaltsberechtigten kann jedenfalls die Fortsetzung einer schon während der Ehe ausgeübten oder rechtens auszuübenden Erwerbstätigkeit zugemutet werden (8 Ob 601/89 = JBl 1991, 714 [Ferrari-Hofmann-Wellen550
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hof]; 6 Ob 46/97a = EF 84.623; Koch/KBB § 66 EheG Rz 4; idS auch Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 3). Es kann auch nicht so ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass eine während der Ehe ausdrücklich oder konkludent gewählte Rollenverteilung (konkret: Hausfrauenehe) nach der Ehescheidung weitergelten soll (vgl 8 Ob 210/02v = EF 100.920; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 11; aA [Rollenverteilung bleibt aufrecht] 8 Ob 601/89 = EF 66.464; LGZ Wien EF 90.348, 97.244). Auch in einem solchen Fall kann dem Unterhaltsberechtigten die Wiederaufnahme einer – etwa wegen der Kinderbetreuung – aufgegebenen Beschäftigung oder ein beruflicher (erstmaliger) Neubeginn zugemutet werden (aA offensichtlich Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 3; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 17; Koch/KBB § 66 EheG Rz 4). § 66 Abs 1 EheG spricht ja generell von einer Erwerbstätigkeit, die vom Unterhaltsberechtigten den Umständen nach erwartet werden kann (vgl auch LGZ Wien EF 97.243; LG Linz EF 100.928, wo bei einem Neubeginn lediglich von einem strengen Maßstab bei der Zumutbarkeitsprüfung die Rede ist). Auch der OGH (8 Ob 210/02v = EF 100.929) hat bereits ausgeführt, allein die Tatsache, dass der Unterhaltsberechtigte während der Ehe keiner Berufstätigkeit nachgegangen ist, könne ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht dazu führen, dass ihm auf Dauer keine Arbeitstätigkeit zugemutet werden kann. Auch in diesen Fällen hat der Unterhaltsberechtigte daher Eigeninitiative zur Erlangung eines Arbeitsplatzes zu entfalten (vgl LGZ Wien EF 34.082, 97.242; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 9). Dies gilt auch dann, wenn er während der Ehe im Betrieb des Unterhaltspflichtigen mitgearbeitet hat (aA [eine Tätigkeit in einem anderen Betrieb als Arbeiter kann nicht „erwartet“ werden] LGZ Wien EF 57.258; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 10). Bei bestehenden Kinderbetreuungspflichten (vgl dazu § 94 ABGB Rz 227 ff) 22 soll es nach der Rsp (7 Ob 237/99z = EF 90.370 = ecolex 2000/248 [Spunda]; 3 Ob 134/09s) und einem Teil der L (Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 3; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 22; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 12; Schwimann/Kolmasch 192; Deixler-Hübner, Scheidung 112) nach der Ehescheidung nicht darauf ankommen, ob das Kind, dessen Betreuungsnotwendigkeit eine Anspannung verhindert, aus 1. Ehe (mit einem anderen Mann) oder aus 2. Ehe (mit dem Unterhaltspflichtigen) stammt oder unehelich ist; maßgeblich soll vielmehr nur sein, ob die Betreuungspflicht durch den Unterhaltsberechtigten in der Absicht und zum Zwecke herbeigeführt wurde, dem Unterhaltspflichtigen damit zu schaden. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen (ebenso Spunda, ecolex 2000, 642; 23 Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 694/6; Berka-Böckle, JBl 2004, 234; K. Schwarz, ÖJZ 2010, 499; Hoyer, EF-Z 2010, 187). Sie lässt nämlich die Ehe zu einem reinen Versicherungsvertrag verkommen, weil der Unterhaltspflichtige – möglicherweise Jahre nach der Scheidung – plötzlich zu Unterhaltsleistungen 551
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etwa dann verpflichtet werden kann, wenn die Unterhaltsberechtigte von einem anderen Mann ein uneheliches Kind bekommt und deshalb ihre bisherige Erwerbstätigkeit aufgeben muss. Die Entscheidungen verkennen die wahre Problemstellung, nämlich die Frage, wen die Folgen des Zufalls (der Geburt eines Kindes, dessen Beeinträchtigungen, die daraus resultierende Betreuungsnotwendigkeit) treffen (dass dies nicht der Nichtvater dieses Kindes sein kann, müsste an sich auf der Hand liegen); es geht dabei nicht darum, ob sich die geschiedene Frau intimer Kontakte enthalten oder im Fall einer Schwangerschaft diese beenden müsste (derartige Forderungen wären unzulässige Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Frau), sondern schlicht um Risikoverteilung. Daran vermag das Argument, auch der Unterhaltsberechtigte müsse Lebensentscheidungen des Unterhaltspflichtigen (in Form von weiteren Sorgepflichten) unterhaltsrechtlich hinnehmen, nichts zu ändern; zu Lasten des Unterhaltsberechtigten kommt es dabei ja lediglich zu einem (geringen) Prozentabzug von der ansonsten aber weiterhin bestehenden Unterhaltspflicht, während im umgekehrten Fall die Unterhaltspflicht überhaupt erst entsteht. Ebenso wenig lässt sich die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten mit dem Kindeswohl begründen, handelt es sich doch bei dem später geborenen Kind gerade nicht um ein solches des Unterhaltspflichtigen; für das Wohl dieses Kindes kann also nicht der geschiedene Ehegatte verantwortlich gemacht werden. Im Übrigen hat der OGH bereits ausdrücklich betont (3 Ob 202/08i = EF-Z 2009/78 = iFamZ 2009/85), dass mit dem Kindeswohlargument allein nicht in das der Privatautonomie unterliegende Rechtsverhältnis zwischen den Eltern eingegriffen werden darf. Hoyer (EF-Z 2010, 187) hat die Frage aufgeworfen, ob die Entscheidungen 7 Ob 237/99z und 3 Ob 134/09s auch dann anzuwenden wären, sollte der an sich selbsterhaltungsfähige vormalige Ehegatte ein Kind adoptieren. Sollte dieser tatsächlich vom geschiedenen Ehegatten Unterhalt begehren können, wenn das adoptierte Kind betreuungsbedürftig wird? Oder bereits bei der Adoption behindert war? Hoyer bezeichnet dieses Ergebnis als absurd, womit er wohl Recht hat. Zugegebenermaßen wäre es aber Konsequenz der beiden Entscheidungen, kann es doch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes keinen Unterschied machen, ob der vormalige Ehegatte das Kind geboren oder adoptiert hat; es sei denn die Adoption erfolgte (rechtsmissbräuchlich) gerade zu dem Zweck, einen Unterhaltsanspruch (wieder) zu begründen (Adoption eines behinderten Kindes). Dieser Beweis würde wohl nur schwer gelingen. Dass die Auffassung des OGH aber uU Problemstellungen schaffen könnte, die unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten nahezu unlösbar wären, zeigt der denkbare Einwand des Unterhaltspflichtigen, seine vormalige Ehegattin, die sich auf die Betreuung eines schwer behinderten Kindes beruft, hätte dessen Abtreibung vornehmen lassen müssen, sei sie doch im Rahmen der Pränataldiagnostik über die bestehende Behinderung des Fötus aufgeklärt worden. Die dann auf Tatsachenebene zu treffende Wertung, ob die Frau die 552
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Abtreibung lediglich deshalb unterlassen hat, um den Unterhaltspflichtigen zu schädigen, oder ob sie andere Gründe dazu veranlassten, würde wohl an die Grenzen richterlicher Kognition gelangen. Der Entscheidung 3 Ob 134/09s ist neben all diesen Argumenten noch entgegen zu halten, dass hier der Unterhaltsverpflichtung ein Scheidungsfolgenvergleich zugrunde gelegen war. Da die (vormaligen) Ehegatten die Frage der mangelnden Erwerbsfähigkeit der unterhaltsberechtigten Frau aufgrund eines später von einem anderen Mann gezeugten Kindes damals nicht bedacht hatten, hätte eine ergänzende Vergleichsauslegung stattfinden müssen; dabei wäre aber wohl nicht davon auszugehen gewesen, dass es der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) entsprechen würde, eine Unterhaltspflicht des vormaligen Ehegatten auch iZm einem später geborenen Kind zu übernehmen. All diese Überlegungen lassen sich nun dahin zusammenfassen, dass der ge- 24 schiedene Ehegatte im Fall einer grundsätzlichen Unterhaltsverpflichtung nach § 66 EheG Unzumutbarkeit eigener Erwerbstätigkeit der Unterhaltsberechtigten hinnehmen muss, wenn diese ein Kind zu betreuen hat, das der Ehe mit dem Unterhaltspflichtigen entstammt, das sie vor dieser Ehe unehelich oder in einer Ehe mit einem anderen Mann geboren hatte (diese Kinder meinte offensichtlich auch Schwind/Klang2 I/1, 870; vgl Hoyer, EF-Z 2010, 187) oder das sie vor oder während der Ehe mit dem Unterhaltspflichtigen adoptierte. Nach Hoyer (EF-Z 2010, 187) soll dies auch (aber nur) in jenen Fällen gelten, in denen das Kind zwar nicht vom Unterhaltspflichtigen stammt oder nicht gemeinsam mit ihm adoptiert wurde, der Unterhaltspflichtige die Wahrnehmung der Unterhaltsverpflichtung (des anderen, später selbst unterhaltsberechtigten Ehegatten) diesem Kind gegenüber aber während der Ehe hingenommen hat. ME reicht demgegenüber die Kenntnis des Unterhaltspflichtigen vom Vorhandensein derartiger Verpflichtungen des anderen Ehegatten bei Eingehen der Ehe. Auf eine Billigung durch den Unterhaltspflichtigen kann es hingegen nicht ankommen; vielmehr übernimmt er durch die Eheschließung dieses Kind in seine Risikosphäre. Außerhalb dieser Risikosphäre liegen jedoch Betreuungsnotwendigkeiten des anderen Ehegatten, die durch nach der Ehescheidung von diesem geborene oder adoptierte Kinder begründet werden. Da der OGH trotz der erwähnten Kritik von Spunda und Gitschthaler an der 25 Vorentscheidung 7 Ob 237/99z (vgl Rz 22) in der Entscheidung 3 Ob 134/09s (diese Entscheidung wiederum ablehnend K. Schwarz und vor allem Hoyer mit ausführlicher, völlig zutr Argumentation [vgl Rz 23]) jedoch ausdrücklich an dem Grundsatz festgehalten hat, dass es kein Kriterium für die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des unterhaltsberechtigten (geschiedenen) Ehegatten darstellt, ob das von ihm zu betreuende Kind aus erster Ehe mit einem an553
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deren Mann oder aus zweiter Ehe mit dem Unterhaltspflichtigen stammt oder unehelich ist, ist in künftigen ähnlich gelagerten Fällen – zumindest – eine genaue Prüfung der Betreuungs“notwendigkeiten“ vorzunehmen. Handelte es sich nämlich in dem der Entscheidung 7 Ob 237/99z (= EF 90.370 = ecolex 2000/248 [Spunda]) zugrunde liegenden Fall tatsächlich um ein schwerstbehindertes Kind, reichte in der Entscheidung 3 Ob 134/09s bereits die „Hyperaktivität“ des Kindes aus, um der betreuenden Mutter vollen Unterhalt gegen den vormaligen Ehegatten zu verschaffen. Darüber hinaus wird – den Grundgedanken der Anspannungstheorie folgend – nicht gänzlich außer Acht gelassen werden können, ob die Mutter mit dem (außerehelichen) Vater des zu betreuenden Kindes zusammenlebt; jedenfalls bei dieser Konstellation wird es dann ihre Sache sein darzulegen, warum sie ihn nicht heiratet, um so eine Absicherung zu erhalten, bzw warum nicht der Vater das Kind betreut. 26 Bei Berücksichtigung von Kinderbetreuungspflichten ist bei einer Berufstätigenehe außerdem zu berücksichtigen, wie die Kinderbetreuung bislang organisiert gewesen ist, dh der Unterhaltsberechtigte kann sich nicht im Zuge der Scheidung darauf berufen, nunmehr das Kind, welches bislang etwa einen Hort besucht hat, selbst betreuen zu wollen (vgl Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 12). Soweit es umgekehrt um die Aufnahme einer bisher nicht ausgeübten Erwerbstätigkeit geht, wird deren Zumutbarkeit jedoch regelmäßig bereits bei Betreuung eines einzigen (pflegebedürftigen Kindes zu verneinen sein, weil der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen nicht verpflichtet ist, den Unterhaltspflichtigen dadurch zu entlasten, dass er das Kind Dritten in Pflege gibt, um einer (zumindest teilweisen) Berufstätigkeit nachgehen zu können (LG Wels EF 104.914; vgl auch Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 22). 27 Zur Anspannung des Unterhaltsberechtigten auf fiktive Vermögenserträgnisse s § 94 ABGB Rz 136. 28 Insgesamt kann gesagt werden, dass der Unterhaltsberechtigte verpflichtet ist, alles zu tun, um die Unterhaltspflicht nicht wider Treu und Glauben aufrecht zu erhalten; er muss daher auch ihm eindeutig zustehende Ansprüche, welche die Unterhaltspflicht schmälern würden, geltend machen (LGZ Wien EF 57.255; krit Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 15; vgl dazu auch § 94 ABGB Rz 108).
D. Verfahrensfragen 29 Zur Frage der inländischen Gerichtsbarkeit bzw internationalen Zuständigkeit Österreichs in Unterhaltsstreitigkeiten vgl bei §§ 76, 76a JN. Die Unterhaltsansprüche sind im streitigen Rechtsweg geltend zu machen (Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 7); daran hat die Außerstreitreform 2003 nichts geändert. 554
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Mit der Ehescheidungsklage können nur jene Ansprüche aus dem Eheverhältnis verbunden werden, die sich aus dessen mit dem Scheidungsbegehren angestrebten Auflösung ergeben, also zwar Unterhaltsansprüche für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung der Ehe, nicht aber für die Zeit des noch aufrechten Bestehens der Ehe (1 Ob 615/76 = SZ 49/69). Werden jedoch gleichzeitig Scheidung gem § 49 EheG und Unterhalt begehrt, dann kann idR kein Zweifel darüber bestehen, dass damit, soweit es um die Zeit nach der Scheidung geht, ein Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG geltend gemacht wird (4 Ob 509/92). Zum Problem der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens während eines anhängigen Unterhaltsverfahrens und zum Umstand, dass Unterhaltsverfahren Ferialsachen sind, vgl § 94 ABGB Rz 333 ff. Zur Mitwirkungspflicht des Unterhaltspflichtigen bei der Ermittlung der 30 Unterhaltsbemessungsgrundlage und deren Durchsetzung vgl § 94 ABGB Rz 337. Diese Regelungen sind beim Geschiedenenunterhalt nur eingeschränkt anwendbar (vgl 10 Ob 47/07w = EF-Z 2007/131 [eine Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen, aktiv an der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse im Verfahren mitzuwirken, besteht zwischen geschiedenen Ehegatten nicht]; aA Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 1, 7). Der OGH hat allerdings bereits früher entschieden, dass der Unterhaltsberechtigte zur Durchsetzung seines durch einen Titel gesicherten Unterhaltsbegehrens direkt gegen den nunmehrigen Ehegatten des Unterhaltspflichtigen ein Rechnungslegungsbegehren nach Art XLII EGZPO stellen kann, wenn dieser vorsätzlich bei der Verheimlichung bzw Verbringung des Vermögens des Unterhaltspflichtigen etwa dadurch mitgewirkt hat, dass er scheinhalber als Eigentümer eines Unternehmens auftritt (1 Ob 119/57). Nach der jüngeren Rsp wurde nicht nur Kindern (2 Ob 217/04g) die Stufenklage nach Art XLII Abs 1 1. Fall EGZPO bei Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ermöglicht, sondern auch Ehegatten für den Fall der Geltendmachung vertraglicher Ansprüche (8 Ob 35/62 = SZ 35/14; 6 Ob 255/04z = EF 108.296); letzteres wurde mit der aus dem Vertrag abzuleitenden Auskunftspflicht, mit Treu und Glauben und dem anders nicht zu befriedigenden Informationsbedürfnis des Unterhaltsberechtigten begründet. Zuletzt hat der OGH den Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Auskunft und Rechnungslegung betreffend die für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Umstände auch bei geschiedenen Ehegatten ausdrücklich anerkannt (10 Ob 47/07w = EF-Z 2007/131 = iFamZ 2007/129 [Deixler-Hübner]; 4 Ob 175/07z = EF 117.478); dem ist zu folgen, weil es wohl ein Wertungswiderspruch wäre, einzig bei nicht vertraglichen Ansprüchen zwischen (geschiedenen) Ehegatten die Stufenklage zu verweigern. In jedem Fall bedarf es aber zunächst der Prüfung, ob der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach überhaupt besteht. Zur Verjährungsfrage idZ vgl bei § 72 EheG.
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§ 67 EheG
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31 Das Unterhaltsverfahren ist zu unterbrechen, wenn die Ehe zwar schon geschieden, über das Verschulden aber noch nicht endgültig abgesprochen wurde (7 Ob 709/88 = SZ 61/242; 4 Ob 284/97m; Koch/KBB § 66 EheG Rz 2; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 9). In diesem Fall stehen jedoch Provisorialunterhaltsansprüche zu (vgl § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Rz 19).
§ 67. (1) Würde der allein oder überwiegend schuldige Ehegatte durch Gewährung des im § 66 bestimmten Unterhalts bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden, so braucht er nur so viel zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Hat der Verpflichtete einem minderjährigen unverheirateten Kind oder einem neuen Ehegatten oder eingetragenen Partner Unterhalt zu gewähren, so sind auch die Bedürfnisse und die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Personen zu berücksichtigen. (2) Ein Ehegatte ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 von der Unterhaltspflicht ganz befreit, wenn der andere den Unterhalt aus dem Stamm seines Vermögens bestreiten kann. [neu gefasst durch EheRÄG 1978; Abs 1 Satz 2 neu gefasst durch EPG] Lit: Gitschthaler, Das Ende der Differenzmethode und der generellen Abzugsfähigkeit von Zahlungsplanraten und Abschöpfungsbeträgen – Eine Kurzbesprechung der E 1 Ob 160/ 09z, EF-Z 2010, 146; A. Simma, Vorhang für Differenzmethode zu und alle Fragen offen, ZIK 2010, 122; Kolmasch, Unterhaltsbemessung während der Insolvenz: Rückkehr zur früheren Judikatur, Zak 2010, 289; vgl im Übrigen bei § 66 EheG.
A. Allgemeines 1 Besteht an sich ein Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG, würde der Unterhaltspflichtige aber unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden, kommt es zu einer Reduzierung seiner Unterhaltspflicht unter Heranziehung von Billigkeitsabwägungen; einen eigenen Unterhaltsanspruch kann § 67 EheG aber nicht begründen (aA möglicherweise Cl. Hirsch, JBl 2008, 545, wonach anstatt der Bemessungskriterien des § 66 EheG Billigkeitserwägungen heranzuzuiehen sein sollen). Eine tatsächliche Beeinträchtigung des Unterhaltspflichtigen ist nicht Voraussetzung (Hopf/Kathrein § 67 EheG Anm 4; Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 7); es reichen vielmehr eine sichere Prognose des Deckungsmangels oder die dauernde Notwendigkeit der Heranziehung des Vermögensstamms einerseits und das Fehlen einer langfristigen Änderung dieser Situation andererseits (Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 7). 556
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Da bereits im Rahmen der Ausmittlung des Unterhaltsanspruchs nach § 66 EheG sowohl Eigeneinkünfte des Unterhaltsberechtigten als auch das Einkommen und weitere Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen ebenso angemessen berücksichtigt werden wie bestimmte sonstige Verbindlichkeiten (vgl § 94 ABGB Rz 161 ff), hat § 67 EheG zwar nur wenig praktische Bedeutung (Hopf/Kathrein § 67 EheG Anm 7; Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 1). Er setzt aber andererseits sowohl im Geschiedenen- als auch im Ehegattenunterhalt (vgl dazu § 94 ABGB Rz 231 ff) eine Belastbarkeitsgrenze für den Unterhaltspflichtigen fest. Dies ergibt sich schon aus der Wortfolge „braucht er nur so viel zu leisten“. Daher muss es bei Anwendbarkeit des § 67 EheG immer zu einer Reduzierung des an sich nach § 66 EheG zustehenden Unterhalts kommen (idS auch Purtscheller/Salzmann Rz 174; Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 12; aA [es ist auch denkbar, dass der Unterhalt nach § 67 EheG dem angemessenen Unterhalt entspricht] VwGH EF 27.490). § 67 EheG kann aber auch eine Rolle dort spielen, wenn der Unterhaltsberechtigte zusätzliche Bedürfnisse (Sonderbedarf; vgl dazu § 66 EheG Rz 12; § 94 ABGB Rz 8 ff) geltend macht und dadurch der angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen erst gefährdet wird (vgl LGZ Wien EF 90.382). Das Verhalten der Ehegatten vor der Ehescheidung fließt nicht in die Erwägungen nach § 67 EheG ein (Cl. Hirsch, JBl 2008, 545). Sind die Voraussetzungen des § 67 EheG gegeben, haben gem § 71 Abs 1 Satz 2 und 3 EheG (Näheres vgl dort) die Verwandten des Unterhaltsberechtigten für ihn einzustehen (Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 1).
B. Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts Die Belastbarkeitsgrenze liegt beim eigenen angemessenen Unterhalt des Un- 2 terhaltspflichtigen, der jedenfalls mehr als der notdürftige Unterhalt iS des § 73 Abs 1 EheG (Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 6; Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 3) ist, verwendet der Gesetzgeber doch hier 2 verschiedene unbestimmte Begriffe (aA Schwind/Klang I/12, 878; Faistenberger 42). Er liegt damit über dem Richtsatz für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG (vgl 3 Ob 133/00 f = JBl 2001, 513; 3 Ob 74/04k) bzw dem Existenzminimum nach § 291a EO (LGZ Wien EF 81.681; vgl auch 3 Ob 74/02g = EF 100.959) – letzteres ohne die Steigerungsbeträge nach § 291a Abs 4 bis 5 EO –, welche Beträge der OGH dem notdürftigen Unterhalt gleichgesetzt hat (idS auch Zankl/Schwimann § 73 EheG Rz 4; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 4; Koch/ KBB § 67 EheG Rz 1) und die auch für die beiden Varianten des Billigkeitsunterhalts nach § 69 Abs 3, § 69a Abs 2 EheG angenommen werden (vgl jeweils dort). Diese Beträge stellen fixe bzw statische Größen dar, während § 67 Abs 1 EheG letztlich (auch) auf die konkreten Lebensverhältnisse Bedacht nimmt 557
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Gitschthaler
(LGZ Wien EF 81.681 unter Hinweis auf Pichler/Rummel2 § 67 EheG Rz 1, 2 und § 66 EheG Rz 2; LGZ Wien EF 111.286). 3 Nach der L (Pichler/Rummel2 § 67 EheG Rz 2; Purtscheller/Salzmann Rz 173; Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 3; Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 6; Hopf/Kathrein § 67 EheG Anm 4; nunmehr auch LGZ Wien EF 111.286) soll angemessen jener Betrag sein, den der Unterhaltspflichtige selbst fordern könnte, wäre er Unterhaltsberechtigter eines leistungsfähigen Unterhaltspflichtigen. Dies ist aber eine Scheinlösung, wird doch nicht darlegt, was ein „leistungsfähiger“ Unterhaltspflichtiger sein soll. Soweit auf das Bezug genommen werden soll, was der Unterhaltspflichtige für ein standesgemäßes Leben braucht (Schwimann2, 160), stellt sich die Frage der Praktikabilität im Einzelfall. Der OGH hat nunmehr (wenn auch zu Kindesunterhaltsansprüchen) in verallgemeinerungsfähiger Form (also auch für Ehegatten- und Geschiedenenunterhaltsansprüche [vgl Gitschthaler, EF-Z 2010, 146; A. Simma, ZIK 2010, 122; aA offensichtlich Kolmasch, Zak 2010, 289]) klargestellt, dass sich die Belastbarkeit des Unterhaltspflichtigen grundsätzlich nach dem (einkommensabhängigen) Unterhaltsexistenzminimum gem § 291b EO richtet, das ausnahmsweise in den Grenzen des § 292b EO unterschritten werden kann (1 Ob 160/09z [verstSenat] = EF-Z 2010/107). Dieser Ansatz ist zutr und berücksichtigt den Grundgedanken, dass auch jenem Unterhaltspflichtigen, der in angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, ein Anreiz geboten werden soll, ein höheres Einkommensniveau anzustreben (vgl die ErläutRV zur EO Nov 1991, 181 BlgNR 18. GP 28 f), was dadurch gewährleistet wird, dass der Unterhaltspflichtige nicht seinen gesamten Mehrverdienst den Unterhaltsgläubigern zuwenden muss, sondern auch ihm etwas davon in Gestalt einer höheren Belastbarkeitsgrenze verbleibt. Näheres vgl dazu § 94 ABGB Rz 231 ff. Dass damit der Unterhaltsberechtigte bei Anwendung des § 67 EheG uU besser gestellt ist als bei allen anderen Varianten des (finanziellen [zu Begriffsbildung vgl Cl. Hirsch, JBl 2008, 545]) Billigkeitsunterhalts (§§ 68, 69 Abs 3, § 69a EheG; vgl jeweils dort), erscheint durchaus sachgerecht, trifft den Unterhaltspflichtigen doch einzig in diesem Fall das überwiegende Verschulden an der Scheidung der Ehe. 4 Bei Prüfung der Frage, ob der eigene angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen gefährdet wird, sind nach § 67 Abs 1 EheG (auch) seine sonstigen Verpflichtungen sowie Unterhaltspflichten für Kinder (vgl dazu Rz 5 f) und den nunmehrigen Ehegatten zu berücksichtigen. Dies entspricht aber lediglich dem ohnehin allgemeinen Grundsatz, dass einerseits konkurrierende Sorgepflichten (vgl § 66 EheG Rz 13; § 94 ABGB Rz 210 ff) und andererseits bestimmte Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage (vgl § 94 ABGB Rz 161 ff) bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sind (idS auch Hopf/Kathrein § 67 EheG Anm 2); diese Berücksichtigung müsste daher 558
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an sich schon bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage und des konkreten Unterhaltsanspruchs geschehen sein. Daher meint Zankl/Schwimann (§ 67 EheG Rz 2) zutr, zur Unterhaltspflicht gegenüber dem geschiedenen Ehegatten müssten weitere Verpflichtungen hinzutreten und gerade dadurch der eigene angemessen Unterhalt des Unterhaltspflichtigen gefährdet werden; ansonsten habe es bei § 66 EheG zu bleiben hat. Es entsprach der hA vor dem Inkrafttreten des EPG, dass unter den in § 67 5 Abs 1 Satz 2 EheG erwähnten Kindern nicht voll selbsterhaltungsfähige Kinder gemeint seien (vgl Schwind 276; Pichler/Rummel2 § 67 EheG Rz 1; Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 3; Hopf/Kathrein § 67 EheG Anm 3; Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 10); vor allem auf die Frage der Volljährigkeit kommt es im Unterhaltsrecht ja nicht an, auch durch die Heirat des Kindes erlischt nicht immer die elterliche Unterhaltspflicht. Zwar hat der Gesetzgeber des EPG Satz 2 völlig neu formuliert und dabei neuerlich eine Berücksichtigung lediglich minderjähriger unverheirateter Kinder angeordnet. Da er aber gleichzeitig in der korrespondierenden Bestimmung des § 20 Abs 2 Satz 2 EPG nur von den Kindern spricht, sich eine Begründung für eine derartige Differenzierung im Ehegatten- und Partnerunterhaltsrecht in den ErläutRV nicht finden lässt und eine solche auch durch nichts gerechtfertigt wäre, ist wohl hinsichtlich der Neuformulierung des § 67 Abs 1 Satz 2 EheG ein Redaktionsversehen anzunehmen; es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in beiden Bestimmungen grundsätzlich Unterhaltspflichten für Kinder des unterhaltspflichtigen Ehegatten bzw eingetragenen Partners meint. In der L wird danach differenziert, ob es sich bei den nach § 67 EheG zu be- 6 rücksichtigenden Verpflichtungen des Unterhaltspflichtigen um gesetzliche (Schwind 276; Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 2 [zu berücksichtigen]), um auf Gesetz beruhende, gerichtlich festgelegte (Schwind 276; Stabentheiner/ Rummel § 67 EheG Rz 2 [zu berücksichtigen]) oder um vertragliche (Schwind 276; Pichler, JBl 1981, 286; Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 2; Koch/KBB § 67 EheG Rz 1 [nicht zu berücksichtigen]; aA Hopf/Kathrein § 67 EheG Anm 2) bzw um ohne Verschulden (Schwind 276; Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 2) oder gar um solche Verpflichtungen, die nicht zur Vereitelung von Unterhaltsansprüchen eingegangen worden sind (Kerschner2, 2/133 [nicht „fraudolös“]), handelt. Eine derartige Differenzierung lässt sich aber § 67 EheG nicht entnehmen und ist auch dem Kindes- sowie dem Ehegattenunterhaltsrecht eher fremd; sie erscheint auch sachlich nicht gerechtfertigt. § 67 EheG kommt idZ wohl eher die Bedeutung einer gesetzlichen Belegstelle dafür zu, dass konkurrierende Sorgepflichten und bestimmte sonstige Verbindlichkeiten bei der Unterhaltsbemessung zu Gunsten des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen sind (idS wohl auch Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 2; vgl nunmehr auch § 20 Abs 3 EPG, der dem § 68 EheG entspricht und den dort 559
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Gitschthaler
enthaltenen Hinweis auf § 67 Abs 1 Satz 2 EheG kurz durch den Begriff „Unterhaltspflichten“ ersetzt). Damit sind aber (auch schuldhaft eingegangene) Verbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen generell zu berücksichtigen (vgl nunmehr auch LGZ Wien EF 111.286 [zu berücksichtigen sind alle Verpflichtungen, es sei denn sie wurden nur zum Zweck der Unterhaltsvereitelung, zur Finanzierung von Luxusaufwendungen oder zur Eigenheimfinanzierung eingegangen]). Die zu berücksichtigenden Verpflichtungen sind nicht einfach von der Unterhaltsbemessungsgrundlage oder dem dem Unterhaltspflichtigen verbleibenden Einkommen in Abzug zu bringen; vielmehr ist ein „vernünftiger“ Tilgungsplan zu erstellen. Die Tilgungsraten sind den Einkünften gegenüber zu stellen (Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 9).
C. Einkommen/Vermögen des Unterhaltsberechtigten 7 Wird der angemessene Unterhalt gefährdet, braucht der Unterhaltspflichtige nur so viel zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Grundsätzlich sind aber – und zwar im Rahmen der Prozentwertmethode (vgl § 66 EheG Rz 10 ff; § 94 ABGB Rz 182) – diese Bedürfnisse schon bei der Unterhaltsbemessung nach § 66 EheG ebenso berücksichtigt wie die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse beider Ehegatten (idS wohl auch die Schwind/Klang I/12, 880; Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 4; Hopf/ Kathrein § 67 EheG Anm 5; Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 14). § 67 Abs 1 EheG lässt sich allerdings bei Anwendung der Anspannungstheorie eine Verschärfung der Zumutbarkeitsgrenzen auf beiden Seiten (Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 14) ebenso entnehmen wie die Verpflichtung des Unterhaltsberechtigten, etwa auch freiwillige Zuwendungen Dritter (vgl dazu § 94 ABGB Rz 48 f) grundsätzlich zur Unterhaltsdeckung zu verwenden (Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 14), desgleichen geringfügiges Einkommen, welches bei der Unterhaltsbemessung an sich unberücksichtigt geblieben wäre (Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 4). Die Ansicht, bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67 EheG hätten die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Unterhaltsberechtigten außer Betracht zu bleiben (Schwind/Klang I/12, 880; Zankl/ Schwimann § 67 EheG Rz 14), erscheint daher verfehlt (vgl Stabentheiner/ Rummel § 67 EheG Rz 4; Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 5). 8 § 67 Abs 2 EheG bringt auch insofern eine wesentliche Änderung der allgemeinen Regelungen, als sich der Unterhaltsberechtigte nicht nur allfällige Vermögenserträgnisse (vgl § 66 EheG Rz 14; § 94 ABGB Rz 89 ff), sondern sogar den Stamm seines Vermögens anrechnen lassen muss, wenn er den Unterhalt daraus bestreiten kann (Voraussetzung ist aber auch hier, dass der angemessene 560
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Geschiedenenunterhalt
Unterhalt des Unterhaltspflichtigen gefährdet ist [„. . . unter den Voraussetzungen des Abs 1 . . .“]). Dabei ist zunächst einmal auf die tatsächlichen (Vorhandensein von Kaufinteressenten), wirtschaftlichen (aufgrund der Marktlage erzielbarer Erlös) und rechtlichen (etwa Fehlen eines Belastungs- und Veräußerungsverbots) Möglichkeiten einer Verwertung ebenso Bedacht zu nehmen wie auf deren Zumutbarkeit (Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 5; Hopf/ Kathrein § 67 EheG Anm 6; vgl auch Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 15), auch wenn letzteres in § 67 Abs 2 EheG nicht ausdrücklich angeordnet ist. Unzumutbar wird dabei die Verwertung von Vermögensstücken sein, die der angemessenen Lebensführung (Wohnung) oder der Berufsausübung (Unternehmen, Werkzeuge udgl) dienen (Pichler/Rummel2 § 67 EheG Rz 3; Stabentheiner/Rummel § 67 EheG Rz 5; Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 15). Voraussetzung für die Anrechnung des Vermögensstamms auf Seiten des Unterhaltsberechtigten ist außerdem, dass der Unterhaltspflichtige sein Vermögen – zumutbarerweise – bereits zur Gänze aufgebraucht hat (Zankl/Schwimann § 67 EheG Rz 15). Umstritten ist, ob das Vermögen des Unterhaltsberechtigten auch zu berück- 9 sichtigen ist, wenn der Vermögensstamm selbst bei gänzlicher Aufzehrung unter Berücksichtigung der Lebenserwartung des Unterhaltsberechtigten voraussichtlich nicht ausreichen wird, um den (gesamten) Unterhalt aufzubringen. Schwind (/Klang I/12, 880) und Pichler (/Rummel2 § 67 EheG Rz 3) stellen darauf ab, ob der Vermögensstamm nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ausreichen wird, den Unterhaltsberechtigten unter Berücksichtigung seiner voraussichtlichen Lebenserwartung für den Rest seines Lebens zu erhalten, andernfalls seine Verwertung nicht gefordert werden könnte. Zankl (/Schwimann § 67 EheG Rz 16) tritt hingegen dafür ein, dass die Unterhaltspflicht nur für die Zeit ruhen soll, in der der Unterhaltsberechtigte vom Stamm seines Vermögens leben kann, um anschließend wieder aufzuleben. Auch das LGZ Wien (EF 90.382) meinte, der Unterhaltsberechtigte habe zunächst sein Barvermögen heranzuziehen; erst danach könne er einen höheren Unterhaltsanspruch geltend machen. Mit Stabentheiner (/Rummel § 67 EheG Rz 5) wird aber § 67 Abs 2 EheG dahingehend zu verstehen sein (vgl den Verweis auf § 67 Abs 1 EheG), dass lediglich die Unterhaltspflicht unter anteiliger und angemessener Berücksichtigung des Vermögensstamms des Unterhaltsberechtigten reduziert wird. Diese Ansicht entspricht auch am Ehesten der Auffassung, dass es sich bei § 67 EheG lediglich um die Anordnung einer Belastbarkeitsgrenze des Unterhaltspflichtigen handelt (vgl Rz 1; idS wohl auch Koch/KBB § 67 EheG Rz 2 [es darf keinesfalls zu einer vorzeitigen Aufzehrung des Vermögens kommen]). Jedenfalls trifft den Unterhaltspflichtigen die Beweislast für die Beeinträchti- 10 gung seiner Leistungsfähigkeit und dafür, inwieweit der Unterhaltsberechtigte vom Stamm seines Vermögens leben kann (LGZ Wien EF 111.285; Zankl/ Schwimann § 67 EheG Rz 3). 561
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§ 68. Sind beide Ehegatten schuld an der Scheidung, trägt aber keiner die überwiegende Schuld, so kann dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, ein Beitrag zu seinem Unterhalt zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögensund Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Die Beitragspflicht kann zeitlich beschränkt werden. § 67 Abs. 1 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. [Satz 1 neu gefasst durch EheRÄG 1999; sonst Stammfassung] Lit: Ferrari, Verschuldensunabhängiger Scheidungsunterhalt nach den §§ 68a und 69b EheG, in Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2000), 37; Fischer-Czermak, Zum Unterhalt nach Scheidung bei gleichem und ohne Verschulden, NZ 2001, 254; Cl. Hirsch, Der Billigkeitsbegriff im nachehelichen Unterhaltsrecht, JBl 2008, 545; dies, Zur Höhe des nachehelichen Unterhalts in §§ 68, 69 Abs 3 und § 69a Abs 2 EheG, EF-Z 2009, 204; vgl im Übrigen bei § 66 EheG.
A. Allgemeines 1 § 68 EheG sollte im Gesamtgefüge der Gesetzesbestimmungen über den nachehelichen Unterhalt durch das EheRÄG 1999 aufgewertet werden (vgl Stabentheiner/Rummel § 68 EheG Rz 1 unter Hinweis auf die Mat), ohne dass aber die Kriterien der Billigkeitsüberlegungen geändert worden wären (LGZ Wien EF 97.257). Fehlt es aufgrund gleichteiligen Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe an sich an einem unterhaltspflichtigen Ehegatten (idS 3 Ob 562/ 81 = SZ 54/140; 6 Ob 551/86; 3 Ob 603/86 = EF XXIV/4; 5 Ob 620/88 = EF XXV/2), gewährt § 68 EheG dennoch einen gesetzlichen – zu seinen allgemeinen Voraussetzungen udgl vgl daher § 66 EheG Rz 2 – Unterhaltsanspruch (3 Ob 102/78 = EF 31.765; 7 Ob 620/83 = EF 43.746; 3 Ob 603/86 = EF XXIV/4; 5 Ob 620/88 = EF XXV/2; Oberhammer/Angst § 291b EO Rz 2; Hopf/Kathrein § 68 EheG Anm 7; Stabentheiner/Rummel § 68 EheG Rz 3; Cl. Hirsch, JBl 2008, 545). 2 Auch bei vergleichsweiser Festsetzung handelt es sich um gesetzlichen Unterhalt nach § 68 EheG, wenn der Unterhalt im Wesentlichen jenen Leistungen entspricht, die in einem Unterhaltsprozess billigerweise nach Höhe und Zeitdauer zugesprochen worden wären (5 Ob 620/88 = EF XXV/2; 5 Ob 1582/93 = EF 72.372; 3 Ob 2232/96y = EF 81.682; Stabentheiner/Rummel § 68 EheG Rz 3, 5, § 78 EheG Rz 4; vgl dazu auch § 69a EheG Rz 1). Verpflichtet sich der Unterhaltspflichtige im Verfahren über seine auf § 49 EheG gestützte Klage für die Zeit nach der Scheidung zu einer Unterhaltsleistung an den Unterhaltsberechtigten und wird in der Folge über dessen Mitschuldantrag die Ehe aus gleichteiligem Verschulden geschieden, soll der Unterhaltsanspruch aus562
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Geschiedenenunterhalt
schließlich auf dem Vergleich beruhen (vertraglicher Unterhalt); eine subsidiäre oder analoge Anwendung des § 68 EheG soll dann nicht in Betracht kommen (5 Ob 80/68; 1 Ob 1504/85 = ÖA 1986, 50). Dieser Auffassung ist allerdings nur dann beizupflichten, wenn dem Unterhaltsberechtigten unter den Voraussetzungen des § 68 EheG kein Unterhalt zustehen würde. Der Zuspruch einstweiligen Unterhalts ist möglich (7 Ob 52/70 = SZ 43/77; 3 5 Ob 209/73; 7 Ob 673/80; vgl Näheres bei § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO).
B. Entstehung des Anspruchs Der Anspruch auf Billigkeitsunterhalt nach § 68 EheG entsteht – frühestens 4 (vgl § 94 ABGB Rz 16) – mit der (formellen) Rechtskraft des Scheidungsausspruchs dem Grunde nach (7 Ob 52/70 = SZ 43/77; 7 Ob 620/83 = EF 43.746; 5 Ob 620/88 = EF XXV/2; Stabentheiner/Rummel Rz 3; Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 1; aA [erst durch Richterspruch] 3 Ob 562/81 = SZ 54/ 140; 6 Ob 551/86; 3 Ob 603/86 = SZ 60/71 = EF XXIV/4; Schwind 280). Liegen die im Gesetz geforderten Voraussetzungen für einen Zuspruch vor, entsteht der konkrete Anspruch nicht erst mit Klagszustellung (so aber 1 Ob 696/54 = SZ 27/303; 3 Ob 562/81 = SZ 54/140) an den Unterhaltspflichtigen oder gar erst mit Urteilsfällung, sondern sofort (8 Ob 247/80 = EF 38.626). Er kann daher – unter Berücksichtigung des § 72 EheG (Näheres s dort) – auch für die Vergangenheit zugesprochen werden (Stabentheiner/Rummel § 68 EheG Rz 3, § 72 EheG Rz 7; Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 9; ebenso wohl Hopf/Kathrein § 68 EheG Anm 2; aA 1 Ob 696/54 = SZ 27/303; 3 Ob 562/81 = SZ 54/140; LGZ Wien EF 13.996, 75.592). Im Gegensatz zu sonstigen Unterhaltsansprüchen kann Unterhalt nach § 68 5 Satz 2 EheG zeitlich befristet werden (ebenso allerdings auch jener nach § 68a EheG), maßgeblich sind aber auch hier die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz. Auf ungewisse, in Zukunft möglicherweise eintretende Änderungen kann daher nicht Bedacht genommen werden (8 Ob 63/02a = EF 100.941 [befürchteter Arbeitsplatzverlust]). Allerdings gilt die Umstandsklausel auch für einen Anspruch nach § 68 EheG (vgl Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 12), sodass der Anspruch mit dem Wegfall der Billigkeitsvoraussetzungen endet (Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 11). Bei vergleichsweiser Regelung kann die Umstandsklausel auch abbedungen werden (Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 12; vgl § 94 ABGB Rz 279 ff). Zur Frage einer allfälligen Doppelversorgung des Unterhaltsberechtigten 6 bei Bezug öffentlich-rechtlicher Leistungen, insb Sozialhilfe oder Ausgleichszulage, vgl § 94 ABGB Rz 7. Das Ziel der Verhinderung einer Doppelversor563
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Gitschthaler
gung einerseits und der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe andererseits gelten auch bei einem Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG (3 Ob 603/86 = EF XXIV/4; 8 Ob 550/89 = EF XXVI/2; 8 Ob 63/02a = EF 100.937; vgl auch Stabentheiner/Rummel § 68 EheG Rz 6; Hopf/Kathrein § 68 EheG Anm 6; Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 4). Die frühere Subsidiarität des Anspruchs gegenüber Unterhaltspflichten von Verwandten wurde durch das EheRÄG 1999 beseitigt (Hopf/Kathrein § 68 EheG Anm 5; Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 3; vgl dazu bei § 71 EheG), wobei dies für Unterhaltsansprüche nach dem 31.12.1999 gelten soll, auch wenn die Ehe schon davor geschieden worden ist (4 Ob 235/00g = EF 93.857; aA [analog Art VII Z 4 EheRÄG 1999 nur auf Unterhaltsansprüche anzuwenden, wenn im Scheidungsverfahren die Verhandlung erster Instanz nach diesem Zeitpunkt geschlossen worden ist] Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 745/ 2). Maßgebend für das Verhältnis der Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten einerseits und der Verwandten des Unterhaltsberechtigten andererseits ist nunmehr § 71 EheG (Ferrari 63; Hopf/Kathrein § 68 EheG Anm 5).
C. Billigkeitsüberlegungen 7 Grundsätzlich sind dafür, ob und in welcher Höhe und für welche Zeit eine Unterhaltsleistung nach § 68 EheG zu erbringen ist, ausschließlich Billigkeitserwägungen maßgebend (7 Ob 620/83 = EF 43.746). In der Praxis wird allerdings auch idZ die Prozentwertmethode als Orientierungshilfe (vgl dazu allgemein § 94 ABGB Rz 182 ff) angewendet (vgl 2 Ob 318/99z; 4 Ob 278/ 02i; LGZ Wien EF 57.274, 75.590). Im Gegensatz zum Anspruch nach § 66 EheG ist jener nach § 68 EheG aber nur ein „Beitrag zum Unterhalt“, also „relativ bescheiden“ (LGZ Wien EF 31.766, 69.297, 72.364, 104.920; vgl auch 8 Ob 63/02a = EF 100.934; Schwind/Klang2 I/1, 883; Stabentheiner/Rummel Rz 2; Cl. Hirsch, EF-Z 2009, 204). Der Billigkeitsunterhalt soll nur einen Teil der Lebensbedürfnisse decken (Hinteregger, Familienrecht 102; Cl. Hirsch, EF-Z 2009, 204) und kann daher weder den angemessenen Unterhalt nach § 66 EheG (LGZ Wien EF 31.766, 72.364, 108.302; Schwind 281; Stabentheiner/Rummel § 68 EheG Rz 2) noch jenen nach § 68a EheG (LGZ Wien EF 108.303) erreichen. Letzteres ist allerdings dann nicht ganz einsichtig, wenn den Unterhaltsberechtigten das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft; bei einem Anspruch nach § 68 EheG trifft ja auch den Unterhaltspflichtigen ein (gleichteiliges) Verschulden: Warum soll in einem solchen Fall der Anspruch des nur teilweise schuldigen Unterhaltsberechtigten nach § 68 EheG jedenfalls geringer sein als jener des alleinschuldigen nach § 68a EheG? 8 Die hA sieht die bei § 68 EheG vorzunehmenden Billigkeitsüberlegungen grundsätzlich als mit jenen des § 69 Abs 3 EheG ident an (3 Ob 109/97v; 6 Ob 564
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9/01v = EF 97.258, 97.289; 6 Ob 131/01k = EF 100.960; Schwind 283; Pichler/ Rummel2 § 68 EheG Rz 2; Fischer-Czermak, NZ 2001, 254; Stabentheiner/ Rummel § 69 EheG Rz 8; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 19), weshalb in der Praxis eine schematische Halbierung des Anspruchs nach § 66 EheG abgelehnt wird (LGZ Wien EF 31.766, 108.302; ebenso Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 8; Stabentheiner/Rummel § 68 EheG Rz 2). Tatsächlich werden jedoch idR 15% des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen als Unterhaltsbeitrag nach § 68 EheG zugesprochen (LGZ Wien EF 31.766, 57.274, 75.590; vgl auch 4 Ob 278/02i; 7 Ob 61/03a; 3 Ob 246/03b = EF 108.308; 7 Ob 2/04a = EF 108.307). Dieser Zuspruch erfolgt offensichtlich unabhängig von der Höhe allfälliger Eigeneinkünfte des Unterhaltsberechtigten (vgl LGZ Wien EF 57.274, 75.590) – sofern er nicht selbsterhaltungsfähig ist (vgl dazu Rz 10) – und ohne schematische Berücksichtigung konkurrierender Sorgepflichten. Nach Schwimann2 (161), Schwimann/Kolmasch (195) und LGZ Wien (EF 104.921) sollen „durchschnittlich 10 bis 15%“ zugesprochen werden (nunmehr auch Hopf/Kathrein § 68 EheG Anm 4; Koch/KBB § 68 EheG Rz 2; Cl. Hirsch, JBl 2008, 545), wohl je nachdem, ob den Unterhaltspflichtigen noch weitere Sorgepflichten treffen oder nicht. Da allerdings § 68 EheG auf dem Grundgedanken beruht, dass bei einer Schei- 9 dung aus gleichteiligem Verschulden jeder nun selbst für sein Fortkommen Sorge zu tragen hat (Cl. Hirsch, EF-Z 2009, 204), steht jedenfalls bei einem monatlichen Einkommen des Unterhaltsberechtigten über der „Bedürftigkeitsgrenze“ ein Unterhaltsanspruch nicht mehr zu (LGZ Wien EF 108.300). Damit lässt sich jedoch eine schematische Anwendung von Prozentwerten nicht rechtfertigen, können doch bei einem hohen Einkommen des Unterhaltspflichtigen auch 15% (weit) über der Bedürftigkeitsgrenze liegen. Dazu kommt, dass § 68 EheG ausdrücklich nur von einem „Beitrag“ zum Unterhalt spricht (vgl dazu Rz 7). Und schließlich hat im Fall des § 68 EheG auch der Unterhaltsberechtigte ein erhebliches (= gleichteiliges) Mitverschulden an der Zerrüttung der Ehe zu verantworten; dies im Gegensatz zu den Fällen der § 69 Abs 3 und § 69a EheG. Richtigerweise kann daher dem Unterhaltsberechtigten im Anwendungsfall des § 68 EheG (als Richtgröße) nur ein Unterhalt höchstens im Ausmaß des Unterhaltsexistenzminimums nach § 292a EO zustehen (vgl auch LGZ Wien EF 100.935 [das Existenzminimum ist nicht maßgebend]), und zwar das „niedrigste“ Unterhaltsexistenzminimum nach der Existenzminimumstabelle 2 bm, Spalte 0 (vgl auch 1 Ob 160/09z [verstSenat] = EF-Z 2010/107). Der Unterhaltsberechtigte muss seinen Bedarf zunächst aus (sämtlichen) eige- 10 nen Einkünften (einschließlich öffentlich-rechtlicher Leistungen wie etwa der Notstandshilfe [LGZ Wien 100.938]) und Vermögenserträgnissen selbst decken. Weiters hat er auch eine (im Vergleich zu § 66 EheG [Zankl/Schwimann 565
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§ 68 EheG Rz 4]) unzumutbare Erwerbstätigkeit annehmen (8 Ob 127/03i; Stabentheiner/Rummel Rz 1), wobei Kinderbetreuungsnotwendigkeiten zu berücksichtigen sind (6 Ob 599/91 = EF XXVIII/12; zum Sonderfall eines erst nach der Scheidung geborenen Kindes eines anderen Mannes vgl § 66 EheG Rz 22 ff). 11 Während der Ehe erfolgte Eheverfehlungen sind für die Bemessung des Billigkeitsunterhalts nach § 68 EheG unerheblich (LGZ Wien EF 108.299; Cl. Hirsch, JBl 2008, 545), wesentlich sind jedoch die Dauer der Ehe und der Grund der Selbsterhaltungsunfähigkeit des Unterhaltsberechtigten (8 Ob 63/ 02a = EF 100.936), der Umstand, ob der Unterhaltsberechtigte bereits wohnversorgt ist (LGZ Wien EF 104.920), sowie alle sonstigen Lebensumstände (Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 7). 12 Nach hA (5 Ob 620/88 = EF XXV/2; 6 Ob 131/01k = EF 100.963; 8 Ob 127/ 03i; Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 4; Stabentheiner/Rummel § 68 EheG Rz 1) muss der Unterhaltsberechtigte grundsätzlich auch seinen Vermögensstamm (einschließlich einer Ausgleichszahlung nach § 94 EheG [6 Ob 131/ 01k = EF 100.963; 8 Ob 127/03i = EF 108.301] und einer Pauschalabfindung aus einer Personenversicherung [8 Ob 127/03i = EF 108.301]) angreifen, obwohl § 68 EheG – im Gegensatz zu § 69 Abs 3 EheG – an sich nicht auch auf § 67 Abs 2 EheG verweist (vgl zutr Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 19) und eine grammatikalische Interpretation dieser Auffassung daher entgegen steht. Allerdings werden die vorzunehmenden Billigkeitsüberlegungen grundsätzlich mit jenen des § 69 Abs 3 EheG als ident angesehen (Rz 8). Eine Berücksichtigung des Vermögensstamms des Unterhaltsberechtigten setzt voraus, dass dieser daraus seinen Unterhaltsbedarf decken kann (LGZ Wien EF 108.298); dies ist jedenfalls etwa so lange nicht der Fall, als der von beiden Seiten ohnehin beabsichtigten Veräußerung der gemeinsamen Eigentumswohnung tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten entgegenstehen. Dabei entspräche es nicht der Billigkeit, den Unterhaltsberechtigten zur Deckung seiner Bedürfnisse so lange auf eine Kreditaufnahme zu verweisen (6 Ob 9/01v). 13 Ist der Unterhaltsberechtigte dennoch (Rz 9 ff) außer Stande, für den eigenen Unterhalt aufzukommen, was er zu beweisen hat (LGZ Wien EF 97.260, hat er Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag. Völlige Erwerbsunfähigkeit ist dabei wohl nicht Voraussetzung (LGZ Wien EF 57.274, 75.590; aA [Unterhaltsberechtigter kann seinen Unterhalt „überhaupt“ nicht selbst decken] Stabentheiner/Rummel § 68 EheG Rz 1; Zankl/Schwimann § 68 EheG Rz 5; Koch/KBB § 68 EheG Rz 1; 8 Ob 127/03i ua = EF 108.297). Vielmehr steht auch ein Ergänzungsanspruch zu, wenn der Unterhaltsberechtigte zwar Einkünfte bezieht, diese aber nicht ausreichen, um sich damit selbst erhalten zu können. 566
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Nach der Auffassung des LGZ Wien (EF 111.288) soll es nicht sittenwidrig 14 sein, wenn der Unterhaltsberechtigte einerseits Hilfeleistungen eines Kindes ablehnt, andererseits aber Billigkeitsunterhalt vom Unterhaltspflichtigen „erzwingen“ will; der Unterhalt komme ihm trotz der Unterstützungsleistungen des Kindes daher zu. Dem ist nicht zu folgen: Nach der ebenfalls vom LGZ Wien (s § 66 EheG Rz 28) sogar zu einem Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG zutr vertretenen Auffassung ist der Unterhaltsberechtigte verpflichtet, alles zu tun, um die Unterhaltspflicht nicht wider Treu und Glauben aufrecht zu erhalten. Der eigene angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen darf nicht ge- 15 fährdet werden (5 Ob 620/88 = EF XXV/2; vgl dazu bei § 67 EheG). Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige bereits seine eigene Familie nur unter Beschränkung auf die notwendigsten Bedürfnisse erhalten kann (LGZ Wien EF 27.499).
§ 68a. (1) Soweit und solange einem geschiedenen Ehegatten auf Grund der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes unter Berücksichtigung dessen Wohles nicht zugemutet werden kann, sich selbst zu erhalten, hat ihm der andere unabhängig vom Verschulden an der Scheidung Unterhalt nach dessen Lebensbedarf zu gewähren. Die Unzumutbarkeit der Selbsterhaltung wird vermutet, solange das Kind das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Wird der Unterhaltsanspruch gerichtlich festgesetzt, so ist er jeweils entsprechend zu befristen, über das fünfte Lebensjahr des jüngsten Kindes hinaus jeweils auf längstens drei Jahre. Ist auf Grund der besonderen Umstände des Falles, insbesondere einer besonderen Betreuungsbedürftigkeit des Kindes, nicht abzusehen, wann der geschiedene Ehegatte in der Lage sein wird, sich selbst zu erhalten, so kann das Gericht von einer Befristung absehen. (2) Hat sich ein Ehegatte während der Ehe auf Grund der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Haushaltsführung sowie gegebenenfalls der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes oder der Betreuung eines Angehörigen eines der Ehegatten gewidmet und kann ihm auf Grund des dadurch bedingten Mangels an Erwerbsmöglichkeiten, etwa wegen mangelnder beruflicher Aus- oder Fortbildung, der Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft, seines Alters oder seiner Gesundheit, nicht zugemutet werden, sich ganz oder zum Teil selbst zu erhalten, so hat ihm insoweit der andere Ehegatte unabhängig vom Verschulden an der Scheidung den Unterhalt nach dessen Lebensbedarf zu gewähren. Wird der Unterhaltsanspruch gerichtlich festgesetzt, so hat ihn das Gericht jeweils auf längstens drei Jahre zu befristen, wenn erwartet werden kann, dass der geschiedene Ehegatte danach in der Lage sein wird, 567
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seinen Unterhalt, insbesondere durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit, zu sichern. (3) Der Unterhaltsanspruch nach Abs. 1 oder 2 vermindert sich oder besteht nicht, soweit die Gewährung des Unterhalts unbillig wäre, weil der Bedürftige einseitig besonders schwerwiegende Eheverfehlungen begangen oder seine Bedürftigkeit grob schuldhaft herbeigeführt hat oder ein gleich schwerwiegender Grund vorliegt, im Fall des Abs. 2 auch, weil die Ehe nur kurz gedauert hat. Je gewichtiger diese Gründe sind, desto eher ist vom Bedürftigen zu verlangen, seinen Unterhalt durch die Erträgnisse einer anderen als einer zumutbaren Erwerbstätigkeit oder aus dem Stamm seines Vermögens zu decken. (4) § 67 Abs. 1 findet entsprechende Anwendung. [eingefügt durch EheRÄG 1999] Lit: Berka, Scheidung und Scheidungsreform 2000 (2000); Berka-Böckle, Der verschuldensunabhängige Anspruch nach § 68a EheG, JBl 2004, 223; Deixler-Hübner, Grundfragen des neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruchs nach § 68a EheG, ÖJZ 2000, 707; Ferrari, Verschuldensunabhängiger Scheidungsunterhalt nach den §§ 68a und 69b EheG, in Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2000), 37; Fischer-Czermak, Zum Unterhalt nach Scheidung bei gleichem und ohne Verschulden, NZ 2001, 254; Cl. Hirsch, Der Billigkeitsbegriff im nachehelichen Unterhalt, JBl 2008, 545; dies, Zur Höhe des nachehelichen Unterhalts in §§ 68, 69 Abs 3 und § 69a Abs 2 EheG, EF-Z 2009, 204; Knoll, Verschuldensunabhängiger Unterhalt im Ehescheidungsfolgenrecht nach dem EheRÄG 1999, RZ 2000, 104; ders, Zum neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruch, ÖJZ 2001, 386; Wilhelm, Der Lebensbedarf des schuldig Geschiedenen, ecolex 1999, 378; vgl im Übrigen bei § 66 EheG. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betreuung von Kindern sowie Haushaltsführung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerbslosigkeit aufgrund früherer Betreuung von Kindern oder Angehörigen sowie Haushaltsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mangel der Erwerbsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Alter des Unterhaltsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gesundheit des Unterhaltsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Unzumutbarkeit der Selbsterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Unterhaltshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. (Un)billigkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–6 7–22 7–9 10–15 16 17–18 19 20 21–22 23–27 28–31 32–40 41
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A. Allgemeines § 68a EheG – iVm § 69b EheG – statuiert für alle Varianten der Scheidung 1 einer Ehe (Berka 183; vgl auch Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 1), und zwar für die Zeit nach der Scheidung (1 Ob 303/00s = EF 97.261) und nur für bestimmte Härtefälle (7 Ob 61/03a; 7 Ob 158/04t), einen vom Verschulden an der Scheidung grundsätzlich unabhängigen Unterhaltsanspruch beider Ehegatten (vgl Ferrari 59; Stabentheiner/Rummel § 69b EheG Rz 1) unter bestimmten Voraussetzungen (vgl Rz 7 ff). Aufgrund der Übergangsbestimmungen (Art VII Z 1 EheRÄG 1999) sind die §§ 68a, 69b EheG nur auf Unterhaltsansprüche aufgrund von Scheidungen anzuwenden, bei denen die mündliche Streitverhandlung erster Instanz am 1.1.2000 noch nicht geschlossen war. Die Rsp, wonach bei Dauerrechtsverhältnissen wie der wechselseitigen Unterhaltspflicht von Ehegatten die nach Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Tatbestände nach der neuen Gesetzeslage zu beurteilen wären, schlägt demnach hier nicht durch (8 Ob 63/02a = EF 100.943, 100.976; 3 Ob 170/02z), dh bei „früheren Ehescheidungen“ ist § 68a EheG nicht zu berücksichtigen (vgl 7 Ob 158/04t; 6 Ob 163/04w). Mit § 68a EheG, der aber nicht außer Acht lässt, dass zunächst dem Anspan- 2 nungsgrundsatz entsprechend der Unterhaltsberechtigte grundsätzlich selbst für seinen Unterhalt (teilweise) zu sorgen hat (Berka 184; ebenso nunmehr 9 Ob 87/09y), wollte der Gesetzgeber einen Unterhaltsanspruch schaffen, der dem Grundsatz der Gegenseitigkeit Rechnung trägt und Ausfluss nachehelicher Beistands- und Solidaritätsverpflichtung ist (4 Ob 278/02i = JBl 2003, 526; Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 710). Es sollte (auch) die Überlegung mitberücksichtigt werden, dass der während der Ehe nicht im Arbeitsleben eingegliedert war und daher seine Versorgung für spätere Notfälle nicht in dem Maß gedeckt ist, wie dies der Fall wäre, wäre er durchgehend berufstätig gewesen (7 Ob 2/04a = EF 108.304, 108.306). Von der L (Schwimann2, 163; Berka 184) wird dieser Unterhaltsanspruch daher als „Billigkeitsanspruch für Familienopfer“ bezeichnet. Welche Lebensstellung der Unterhaltsberechtigte vor der Ehe hatte bzw jetzt haben würde, hätte er nicht geheiratet, ist jedoch nicht maßgebend (aA LG Salzburg EF 97.265; Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 868), dh es ist bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs nach § 68a EheG nicht auf jenes Einkommen abzustellen, welches der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Eheschließung erzielt hätte (9 Ob 87/09y; ebenso bereits 4 Ob 278/02i). Bei einem Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG handelt es sich um einen ge- 3 setzlichen, sodass für ihn auch die allgemeinen Voraussetzungen udgl gelten (Koch/KBB § 68a EheG Rz 1; vgl daher § 66 EheG Rz 2), und zwar auch bei vergleichsweiser Festsetzung (vgl dazu § 69a EheG Rz 1 ff). Durch § 68a Abs 3 EheG (vgl dazu Rz 32 ff) wurde für diesen Unterhaltsanspruch auch 569
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nicht den §§ 73, 74 EheG materiell derogiert (Ferrari 53; aA Knoll, RZ 2000, 113; ohne eigene Stellungnahme Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10), weil sich dafür kein Anhaltspunkt finden lässt und außerdem die §§ 73, 74 EheG nacheheliches Verhalten betreffen, § 68a Abs 3 EheG hingegen die Voraussetzungen festlegt, bei denen es überhaupt nicht zu einem Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG kommt. Im Übrigen gilt auch der Vorbehalt der Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts des Unterhaltspflichtigen nach § 67 Abs 1 EheG infolge ausdrücklicher Verweisung (vgl Näheres dazu bei § 67 EheG) und des § 67 Abs 2 EheG infolge Analogie (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 868 FN 141; Ferrari 54 FN 59; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 12; Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 707 FN 59; Fischer-Czermak, NZ 2001, 254; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 11; Zankl/Schwimann § 68a EheG Rz 38; Berka 190; Koch/KBB § 68a EheG Rz 7; diese Frage zuletzt ausdrücklich offen lassend 8 Ob 60/10x; vgl dazu auch bei Rz 25). 4 Warum auf einen Unterhaltsanspruch nach § 68a Abs 1 EheG nicht verzichtet werden können soll (so aber Ferrari 58; unklar Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 2), ist nicht nachvollziehbar (im hier vertretenen Sinn auch Zankl/ Schwimann § 68a EheG Rz 14). Das Argument, dieser Unterhaltsanspruch diene dem Interesse des Kindes, ist nur eingeschränkt tragfähig, weil das Kind ja ohnehin selbst einen Unterhaltsanspruch hat (zum Unterhaltsverzicht grundsätzlich vgl § 80 EheG Rz 17 ff). 5 Auch der Unterhalt nach § 68a EheG unterliegt der Umstandsklausel, dh bei Änderung wesentlicher Umstände kann er neu festgesetzt, herabgesetzt oder der Unterhaltspflichtige auch zur Gänze von seinen Verpflichtungen entbunden werden (Deixler-Hübner Rz 153a; vgl § 94 ABGB Rz 274 ff). 6 Der Anspruch nach § 68a EheG ist nicht subsidiär gegenüber der Unterhaltspflicht der Verwandten des Unterhaltsberechtigten. Dies ist nicht nur rechtspolitisch fragwürdig, sondern steht auch in einem Wertungswiderspruch zu § 69 Abs 3 EheG (Fischer-Czermak, NZ 2001, 354; ebenso Zankl/Schwimann § 68a EheG Rz 8).
B. Voraussetzungen 1. Betreuung von Kindern oder Angehörigen sowie Haushaltsführung
7 Der nach § 68a Abs 1 EheG zustehende Unterhalt hat grundsätzlich lediglich temporären Charakter (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 4) und hängt von der tatsächlich ausgeübten Betreuung gemeinsamer (leiblicher oder adoptierter) Kinder ab (nicht aber von Pflege- [Knoll, RZ 2000, 104; Ferrari 570
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44; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 2; Schwimann/Kolmasch 200; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 2] oder Stiefkindern [daran hat wohl auch die Berücksichtigung von Patchwork-Familien durch das FamRÄG 2009 nichts geändert]). Damit reicht eine bloß rechtliche Betrauung mit der Pflege und Erziehung ohne faktische Betreuung nicht aus (Knoll, RZ 2000, 105; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 2). Verfügt der Unterhaltsberechtigte daher zwar über die Obsorge nach §§ 144, 177a ABGB, werden die Kinder aber tatsächlich vom Unterhaltspflichtigen, von Großeltern oder in einem Internat bzw Hort betreut, mangelt es an den Anspruchsvoraussetzungen für einen Unterhalt nach § 68a Abs 1 EheG. Dabei ist allerdings ein anderer Maßstab anzulegen als bei Beurteilung der Frage, ob der (Kindes-)Unterhaltspflichtige noch Betreuungsleistungen erbringt oder ob sich die Kinder bereits in Dritt- oder Eigenpflege befinden (vgl dazu Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 23–28). Kriterium des § 68a Abs 1 EheG ist ja die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit; eine solche ist aber auch schon dann zumutbar, wenn sich die Kinder auch nur tagsüber bei den Großeltern oder in einem Internat bzw Hort aufhalten. Umgekehrt bedingt ein Unterhaltsanspruch nach § 68a Abs 1 EheG nicht das 8 Vorliegen einer (teilweisen) rechtlichen Betreuung, sondern reicht die faktische Betreuung aus (Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 708; Ferrari 43; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 2; aA [zumindest gemeinsame Obsorge ist Voraussetzung] Knoll, RZ 2000, 105). Maßgeblich ist immer die Betreuungsnotwendigkeit nach der Scheidung, auf die Gestaltung der ehelichen Verhältnisse und die dort tatsächlich geübten Betreuungsmodalitäten kommt es hingegen nicht an (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 2). Notwendigkeit der Kinderbetreuung allein reicht für einen Unterhaltsan- 9 spruch nach § 68a Abs 1 EheG nicht aus; Voraussetzung ist vielmehr, dass es dadurch dem Unterhaltsberechtigten unmöglich oder unzumutbar ist, sich selbst zu erhalten. Tatsächliche Einkünfte und – unter Berücksichtigung von Billigkeitsüberlegungen – der Vermögensstamm des Unterhaltsberechtigten sind zu berücksichtigen. Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten wird (widerleglich; Beweislastumkehr [Berka 184 FN 876]) vermutet, wenn ein Kind das 5. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Gibt es aber andere – unter Berücksichtigung des Kindeswohls auch zumutbare – Betreuungsmöglichkeiten (etwa im Kindergarten), was der Unterhaltspflichtige zu beweisen hat, besteht kein Unterhaltsanspruch (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 865; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 3; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 3). Bei älteren Kindern kann auf die Rsp zur Anspannung des Unterhaltsberechtigten zurückgegriffen werden (vgl § 94 ABGB Rz 227 ff; § 66 EheG Rz 22 ff).
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2. Erwerbslosigkeit aufgrund früherer Betreuung von Kindern oder Angehörigen sowie Haushaltsführung
10 Im Unterschied zu § 68a Abs 1 EheG knüpft Abs 2 an der früheren (einvernehmlichen) Haushaltsführung durch den Unterhaltsberechtigten an (vgl dazu § 94 ABGB Rz 190 ff), dh der Unterhaltsberechtigte durfte während der Ehe entweder gar nicht oder zumindest nicht in dem zur Unterhaltsdeckung nötigen Ausmaß berufstätig gewesen sein, könnte er doch sonst seine Erwerbstätigkeit fortführen (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 5; ähnlich Schwimann/Kolmasch 200 [der Unterhaltsberechtigte muss während der Ehe auf eine – jedenfalls volle – Berufstätigkeit verzichtet haben]). Bereits dieser Umstand allein kann zu einem Anspruch führen (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 5; vgl auch Knoll, RZ 2000, 107), wobei es unerheblich ist, ob der Unterhaltsberechtigte tatsächlich seine Ausbildung abgebrochen oder früher eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hatte (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 5). Insoweit nähert sich der Anspruch nach § 68a Abs 2 EheG jenem des § 69 Abs 2 EheG an. Keine Voraussetzung ist allerdings eine „überwiegende“ Hausfrauenehe. Der Anspruch kann auch bestehen, wenn der Unterhaltsberechtigte nur während eines Teils der ehelichen Lebensgemeinschaft am Erwerb von Versicherungszeiten gehindert war und deswegen eine unzureichende Pension bezieht (LGZ Wien EF 111.290). 11 Da es auf die Frage der Betreuung eines gemeinsamen Kindes (vgl Rz 7 oder eines Angehörigen eines der Ehegatten (etwa ein Elternteil eines der beiden Ehegatten oder ein Stiefkind des Unterhaltspflichtigen, das der Unterhaltsberechtigte in die Ehe mitgebracht, das vom Unterhaltspflichtigen aber nicht adoptiert worden ist [vgl auch Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 5]) gar nicht (mehr) ankommt und insofern die Anführung dieser Betreuungspflichten in § 68a Abs 2 EheG überflüssig wäre, ist mit Knoll (RZ 2000, 107; idS wohl auch Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 5) davon auszugehen, dass ein Unterhaltsanspruch auch zustehen kann, wenn zwar nicht der Haushalt geführt wurde, die Betreuung aber so belastend gewesen ist, dass daneben eine Haushaltsführung nicht mehr möglich war. 12 Bei einem Anspruch nach § 68a Abs 2 EheG muss zur früheren tatsächlichen Betreuung von Kindern oder Angehörigen die nunmehrige Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der teilweisen oder gänzlichen Selbsterhaltung kommen sowie entweder der dadurch bedingte Mangel an Erwerbsmöglichkeiten (vgl Rz 16), die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft (vgl Rz 17 f), das Alter des Unterhaltsberechtigten (vgl Rz 19) oder seine Gesundheit (vgl Rz 20).
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§ 68a Abs 2 EheG enthält bei früherer Haushaltsführung und/oder früheren Be- 13 treuungspflichten für Kinder oder Angehörige sowie dadurch bedingter Absenz vom Berufsleben bei einvernehmlicher Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft iS des § 91 ABGB nach hM (7 Ob 2/04a = EF 108.304, 108.306; 2 Ob 117/06d; LG Salzburg EF 97.266, 97.267; Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 866; Ferrari 50; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 5, 6; Schwimann/Kolmasch 200; Cl. Hirsch, JBl 2008, 545; wohl auch Deixler-Hübner Rz 153a) vier selbstständige und gleichrangige Kriterien, die zu einem Unterhaltsanspruch führen können. Es sind dies der durch die frühere Haushaltsführung und/oder früheren Betreuungspflichten bedingte Mangel an Erwerbsmöglichkeiten, die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft, das Alter des Unterhaltsberechtigten und seine Gesundheit. Nach dieser Auffassung sollen die 3 letztgenannten Fälle „aus systematisch-logischen Gründen“ (vgl Ferrari 50) keinen Kausalzusammenhang mit der Ehegestaltung erfordern, um einen Unterhaltsanspruch begründen zu können. Der OGH (7 Ob 2/04a = EF 108.304, 108.306; 2 Ob 117/ 06d) betonte aber, es sei klar, dass die Unzumutbarkeit ihre Wurzeln in der einvernehmlichen ehebedingten Lebensgestaltung haben müsse. Gegen diese hM sprechen allerdings die grammatikalische Auslegung (vgl den 14 Beistrich nach dem Wort „Gesundheit“ [Berka 185; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 7; Limberg, ecolex 2005/41; Zankl/Schwimann § 68a EheG Rz 27]), der Grundansatz des § 68a EheG, dass die Gründe für die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Aufbringung der für den Unterhalt erforderlichen Mittel durch den Unterhaltsberechtigten in der Ehe selbst wurzeln müssen (vgl 7 Ob 2/04a = EF 108.304, 108.306; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 1) – Letzteres mag dabei zwar noch für die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft (= Absenz vom Berufsleben) gelten, allenfalls auch noch für die Gesundheit des Unterhaltsberechtigten, keinesfalls aber für sein Alter – und schließlich der Widerspruch dieser hM zum Gleichheitsgrundsatz, weil Alter und (schlechter) Gesundheitszustand des (schuldigen) Unterhaltsberechtigten allein schon die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit begründen können sollen, was ihm sonst ja nach §§ 66, 68 und 69 Abs 1 und 2 EheG versagt bliebe (Berka 185). Damit ist aber der Ansicht Knolls (RZ 2000, 170) der Vorzug zu geben, mangelnde Aus- und Fortbildung, Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft, Alter und Gesundheit des Unterhaltsberechtigten seien (lediglich) exemplarisch angeführte Gründe für den allein maßgeblichen Mangel an Erwerbsmöglichkeiten und nicht eigenständige Anspruchsgrundlagen. Auch Stabentheiner (/Rummel § 68a EheG Rz 7) verweist letztlich zutr auf das Zusammenspiel der einzelnen Anspruchsvoraussetzungen. IdR wird auch ein Mangel an Erwerbsmöglichkeiten auf die angeführten Umstände zurückzuführen sein, nämlich die mangelnde Aus- oder Fortbildung, die Absenz vom Berufsleben (= Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft), das Alter und/ oder die Gesundheit des Unterhaltsberechtigten. 573
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15 Grundvoraussetzung ist in allen Fällen aber, dass der Unterhaltsberechtigte nicht in der Lage ist oder es ihm nicht zugemutet werden kann, sich ganz oder zum Teil selbst zu erhalten, dh es darf ihm die Aufbringung der für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel aus eigenem Erwerb aus Gründen, die in der Ehe selbst wurzeln, nicht zumutbar sein (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 1). Der Unterhaltsanspruch kann dabei auch dann bestehen, wenn der Unterhaltsberechtigte erst nach der Ehescheidung die (volle) Selbsterhaltungsfähigkeit verliert (7 Ob 2/04a = EF 108.304, 108.306; Koch/KBB § 68a EheG Rz 3, 4; vgl auch Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 7, der zutr einen zeitlichen Konnex mit der Ehescheidung fordert; aA Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 707 FN 4; Knoll, RZ 2000, 108) oder die Notwendigkeit der Kinderbetreuung infolge etwa eines Unfalls oder einer Krankheit des Kindes eintritt (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 867; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 3). Dies lässt sich damit begründen, dass den Unterhaltspflichtigen gewissermaßen eine Mitverantwortung für die Unterhaltsbedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten aufgrund der einvernehmlichen Lebensgestaltung trifft (7 Ob 2/04a = EF 108.304, 108.306). Zur Beurteilung der Zumutbarkeit vgl Rz 21 f.
3. Mangel der Erwerbsmöglichkeit
16 Die Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Selbsterhaltung muss sich aus dem – durch die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft bedingten – Mangel an Erwerbsmöglichkeiten ergeben (7 Ob 2/04a = EF 108.304, 108.306), wobei nach hM (vgl Rz 13) mangelnde berufliche Aus- und Fortbildung exemplarisch angeführt ist und weder die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft noch das Alter des Unterhaltsberechtigten oder seine Gesundheit eine Rolle spielen sollen.
4. Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft
17 Zur Frage des – nach hM nicht notwendigen – Kausalzusammenhangs der Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Ehegestaltung vgl zunächst Rz 13. 18 Je länger die Gemeinschaft gedauert hat, desto eher steht dem Unterhaltsberechtigten ein Anspruch nach § 68a Abs 2 EheG zu (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 7). Im Rahmen der Billigkeitsüberlegungen (vgl Rz 32 ff) ist wiederum zu berücksichtigen, ob die Ehe (richtigerweise: die eheliche Lebensgemeinschaft [Ferrari 53; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 9]; Koch/KBB § 68a EheG Rz 5; aA [auch die Zeiten einer vorehelichen Lebensgemeinschaft sind miteinzubeziehen] Cl. 574
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Hirsch, JBl 2008, 545) allenfalls nur kurz gedauert hat, wobei die Festlegung einer starren Grenze (vgl Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10; Hopf/ Kathrein § 68a EheG Anm 9; Koch/KBB § 68a EheG Rz 5; Cl. Hirsch, JBl 2008, 545 [3 Jahre]; Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 711; Knoll, RZ 2000, 114 [6 Jahre]) wohl dem Gesetzgeber vorbehalten gewesen wäre und daher auf den Einzelfall Bedacht genommen werden muss (ebenso Zankl/Schwimann § 68a EheG Rz 35, 37), auch wenn zugegebenermaßen aus Gründen der Rechtssicherheit ein fester Zeitraum vorteilhaft wäre.
5. Alter des Unterhaltsberechtigten
Zur Frage des – nach hM nicht notwendigen – Kausalzusammenhangs des Al- 19 ters des Unterhaltsberechtigten mit der Ehegestaltung vgl zunächst Rz 13. Je näher der Unterhaltsberechtigte dem Pensionsantrittsalter ist, desto eher wird ihm ein Unterhaltsanspruch zustehen; eine konkrete Altersgrenze hat der Gesetzgeber idZ allerdings nicht vorgesehen.
6. Gesundheit des Unterhaltsberechtigten
Zur Frage des – nach hM nicht notwendigen – Kausalzusammenhangs der Ge- 20 sundheit des Unterhaltsberechtigten mit der Ehegestaltung vgl zunächst Rz 13. Hat der Unterhaltsberechtigte während der Ehe den Haushalt geführt und – gegebenenfalls – Kinder oder Angehörige betreut und ist ihm nach der Scheidung wegen seines schlechten Gesundheitszustands ein (Wieder-)einstieg ins Berufsleben nicht möglich, kann dies anspruchsbegründend sein; dass das gesundheitliche Leiden in einem Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung in der Ehe steht, soll nach der hM (vgl Rz 13) hingegen nicht erforderlich sein. Mögliche gesundheitliche Probleme können neben körperlichen Gebrechen auch Suchtkrankheiten, Neurosen oder Depressionen sein (Knoll, RZ 2000, 109; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 7).
7. Unzumutbarkeit der Selbsterhaltung
Dem Unterhaltsberechtigten kann die Selbsterhaltung umso weniger zugemu- 21 tet werden, je intensiver und länger er während der Ehe durch Haushaltsführung, durch Pflege und Erziehung eines Kindes oder durch die Betreuung eines Angehörigen gebunden war, je länger die Ehe gedauert hat, je älter er im Zeitpunkt der Erhebung des Unterhaltsanspruchs oder je schlechter sein Gesundheitszustand ist (LG Salzburg EF 104.924). Allerdings muss auch berücksichtigt werden, ob der Unterhaltsberechtigte nicht in der Lage sein könnte, 575
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etwa (lediglich) eine Teilzeitbeschäftigung anzunehmen (Berka 184). Die Wiederaufnahme einer früher ausgeübten Erwerbstätigkeit ist eher zumutbar als der völlige Neubeginn; zu berücksichtigen sind auch die Art der Ausbildung und die Qualität der früher ausgeübten Tätigkeit (LG Salzburg EF 104.924; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 7). 22 Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit kann auf die Rsp zu § 66 EheG (2 Ob 117/06d) bzw auf die in vergleichbaren Rechtsgebieten – etwa im Sozialversicherungsrecht – herausgebildeten Grundsätze zurückgegriffen werden (LG Salzburg EF 104.924; Stabentheiner/Rummel Rz 7; vgl auch Knoll, RZ 2000, 108; krit dazu Berka 186), dh dem Unterhaltsberechtigten soll nicht eine weit unter seinem Ausbildungsniveau liegende Erwerbstätigkeit zugesonnen werden. Allerdings müssen bei der Beurteilung auch die Unbilligkeitsüberlegungen des § 68a Abs 3 EheG miteinbezogen werden. Je gewichtiger daher die Unbilligkeitsgründe sind, umso eher muss der Unterhaltsberechtigte auch eine im sozialrechtlichen Sinn an sich nicht zumutbare Beschäftigung, dh eine Erwerbstätigkeit, die seiner wesentlich qualifizierteren Berufsausbildung nicht entspricht, aufnehmen (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 7, 10; vgl aber Knoll, RZ 2000, 114 und ÖJZ 2001, 386).
C. Unterhaltshöhe 23 Der OGH hat sich in stRsp (4 Ob 278/02i = JBl 2003, 526; 7 Ob 61/03a; 3 Ob 246/03b; 7 Ob 2/04a = EF 108.307; 1 Ob 200/05a ua = EF 111.293; 7 Ob 84/ 06p = EF-Z 2007/11; 6 Ob 108/08p; 9 Ob 87/09y) zur Höhe des zustehenden Unterhalts der Auffassung von Deixler-Hübner (ÖJZ 2000, 710; Rz 153a; idS nunmehr auch Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 11; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 10; Zankl/Schwimann § 68a EheG Rz 11; Koch/KBB § 68a EheG Rz 8, Schwimann/Kolmasch 201; aA [verschuldensunabhängiger Abschlag in Höhe von 30% vom angemessenen Unterhalt nach § 66 EheG] Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 868; iglS LGZ Wien EF 100.944; [grundsätzlich Anspruch in Höhe des angemessenen Unterhalts nach § 66 EheG] Knoll, RZ 2000, 109; [Zuspruch von rund 25% des Nettoeinkommens] Schwimann/ Kolmasch3, 172; Berka 189; dies, JBl 2004, 232) angeschlossen und geht davon aus, dass der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG nach dem konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten in einem Zwischenbereich der Prozentsätze nach § 68 EheG (vgl § 68 EheG Rz 8) und § 66 EheG (vgl § 66 EheG Rz 10) von 15 bis 33% des Einkommens des Unterhaltspflichtigen auszumitteln ist. Dabei soll der angemessene Unterhalt gem § 66 EheG tunlichst nicht erreicht werden. Zur Untergrenze vgl aber Rz 7. Von dem so ermittelten Grundbetrag sind allenfalls im Hinblick auf die in der Billigkeitsklausel des § 68a Abs 3 EheG genannten Kriterien Abschläge 576
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nach der Lage des Einzelfalls zu machen. Nach 3 Ob 246/03b (= EF 108.308; ebenso 1 Ob 200/05a ua = EF 111.294) hat sich dieser Unterhalt – anders als jener nach § 94 ABGB oder § 66 EheG – nicht (auch) an den Lebensverhältnissen der (vormaligen) Ehegatten und dem danach angemessenen Unterhalt zu orientieren, sondern – deutschem Recht folgend, das vom angemessenen Lebensbedarf ausgeht (§ 1578 dBGB) – bloß am Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten (ebenso Deixler-Hübner Rz 153a). Berka-Böckle (JBl 2004, 230) hat idZ kritisiert, dass bei Bedachtnahme auf eine „eheunabhängige Unterhaltsgröße“ das Einkommen des Unterhaltspflichtigen weder einen Richtnoch einen Kontrollwert spielen kann. Sie übersieht dabei aber, dass ja in einem 2. Schritt zu prüfen ist, ob der Unterhaltsbedarf zwischen 15 und 33% des Einkommens des Unterhaltspflichtigen ausmacht. Im Einzelfall ist also in einem ersten Schritt konkret zu fragen, welchen Betrag 24 der Unterhaltsberechtigte zur Deckung seines Lebensbedarfs monatlich benötigt (3 Ob 246/03b = EF 108.308; 7 Ob 84/06p = EF-Z 2007/11; 6 Ob 108/ 08p [„Grundlebensbedarf“]; 9 Ob 87/09y). Hiebei sind sowohl die Wohnungs- als auch die Nebenkosten (Gas, Strom, Telefon, Radio, Fernsehen udgl), allfällige gesundheitsbedingte Ausgaben (etwa Behandlungs- und Massagekosten, Ausgaben für Zahnersatz udgl), die Kleidungskosten (4 Ob 278/ 02i = JBl 2003, 526), Nahrungskosten und wohl auch Freizeitaufwendungen in angemessenem Umfang zu berücksichtigen. Umgekehrt ist zu berücksichtigen, welche Leistungen der Unterhaltsberech- 25 tigte von dritter Seite bezieht, die seinen Bedarf mindern, so etwa ein Sozialhilfebezug (1 Ob 200/05a ua = EF 111.295), Wohn- bzw Mietzinsbeihilfen (6 Ob 108/08p), Heizungspauschalen (LGZ Wien EF 111.296) und eine Berufsunfähigkeitspension (9 Ob 87/09y) oder auch Leistungen des Unterhaltspflichtigen für die vom Unterhaltsberechtigten verwendete Wohnung (LGZ Wien EF 111.298). Hinsichtlich des Sozialhilfebezugs gilt dies allerdings nur, wenn dem Sozialhilfeträger vom Gesetzgeber nicht Ersatzansprüche eingeräumt werden und auch eine Legalzession nicht normiert ist (1 Ob 200/05a; 7 Ob 284/06z; 6 Ob 108/08p). Da sowohl § 68a Abs 1 als auch Abs 2 EheG Teilunterhaltszusprüche vorsehen (vgl Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 11), sind weiters vom Unterhaltsberechtigten tatsächlich bezogene Einkünfte auf diesen Unterhaltsanspruch anzurechnen, also sowohl Einkommen (6 Ob 108/08p; vgl § 94 ABGB Rz 197 ff) als auch Vermögenserträgnisse (vgl § 66 EheG Rz 4; § 94 ABGB Rz 89 ff). Auf den Stamm seines Vermögens muss der Unterhaltsberechtigte schließlich zurückgreifen, soweit dies Billigkeitserwägungen entspricht (8 Ob 60/10x; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 9; Schwimann/Kolmasch 203) oder der Unterhaltspflichtige durch die Unterhaltsleistungen seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde (8 Ob 60/10x; Schwimann/Kolmasch 203; vgl dazu auch bei § 67 577
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EheG). § 67 Abs 2 EheG ist nämlich analog auch auf Unterhaltsansprüche nach § 68a EheG anzuwenden, soll durch diese Bestimmung der unschuldige Unterhaltspflichtige doch nicht schlechter gestellt werden als der (überwiegend oder allein) schuldige (vgl die Nachweise bei Rz 3). 26 In einem weiteren Schritt ist sodann eine Kontrollrechnung dahin anzustellen, ob der als Grundlebensbedarf ermittelte Betrag in der Größenordnung zwischen 15 und 33% (bzw bei weiteren Sorgepflichten dem konkreten Prozentsatz nach § 66 EheG [6 Ob 108/08p]) des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen liegt (9 Ob 87/09y mwN). Weiters ist zu prüfen, welche finanziellen Mittel dem Unterhaltspflichtigen zur angemessenen Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse verbleiben (3 Ob 246/03b). Diese Kontrollrechnung hat sich zwar nach der Rsp an dem Zwischenbereich der Unterhaltsansprüche nach § 68 EheG und nach dem § 66 EheG zu orientieren; damit sind aber nur die nach diesen Bestimmungen entwickelten Prozentsätze gemeint. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Kontrollrechnung muss vielmehr, weil eben der Unterhaltsberechtigte nicht an einer Einkommenserhöhung des Unterhaltspflichtigen teilhaben soll, das nach dem VPI valorisierte Einkommen des Unterhaltspflichtigen im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft sein (7 Ob 84/06p = EF-Z 2007/11; 6 Ob 108/08p). Haben sich hingegen die Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen seit diesem Zeitpunkt verschlechtert, muss sich dies der Unterhaltsberechtigte anrechnen lassen, weil immer die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (nach unten hin; Belastungsgrenze; vgl auch bei § 67 EheG) maßgeblich ist (6 Ob 108/08p; Zankl/Schwimann § 68a EheG Rz 12). 27 Liegt der Grundlebensbedarf unterhalb von 15% der maßgeblichen Bemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen, stehen dennoch nicht diese, sondern lediglich der Grundlebensbedarf zu. 15% der Unterhaltsbemessungsgrundlage sind somit kein Mindestbetrag. Dies könnte vor allem dann eine Rolle spielen, wenn der Unterhaltspflichtige über überdurchschnittliches Einkommen verfügt, der Unterhaltsberechtigte jedoch in eher bescheidenen Verhältnissen lebt. Dieses Ergebnis ist jedoch schon allein deshalb nicht zu beanstanden, soll § 68a EheG doch überhaupt nur in Härtefällen (vgl Rz 1) Unterhalt gewähren. Überschreitet der ermittelte Grundlebensbedarf – regelmäßig bei unteren und mittleren Einkommen – den oberen Wert von 33% bzw den nach § 66 EheG maßgeblichen Wert, tritt zweitinstanzliche Rsp (LGZ Wien EF 100.944) für einen Mindestbetrag in Höhe des Existenzminimums nach § 291a EO bzw des Richtsatzes für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG ein. Der OGH hält es hingegen „im Sinne eines ausgewogenen Unterhaltssystems, das auch eine gewisse Gleichbehandlung von Unterhaltspflichtigen und Unterhaltsberechtigten in Grundsatzfragen – wie etwa der Deckung des eigenen Grundlebensbedarfs voraussetzt“, für angemessen, in einem solchen Fall dem Unterhaltsberechtigten lediglich jenen Betrag zukommen zu lassen, wie er auf Seiten des Unterhalts578
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pflichtigen als „absolute Belastbarkeitsgrenze“ judiziert wird (6 Ob 108/08p; s dazu § 94 ABGB Rz 231 ff), vereinfacht also das Unterhaltsexistenzminimum ohne Steigerungsbeträge („niedrigstes Unterhaltsexistenzminimum“; vgl 1 Ob 160/09z [verstSenat] = EF-Z 2010/107).
D. Befristung Ein Unterhaltszuspruch nach § 68a Abs 1 EheG ist bei gerichtlicher Festset- 28 zung grundsätzlich und von Amts wegen (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 865 FN 118; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 4) „entsprechend“ zu befristen, dh auf die voraussichtliche Dauer der künftig noch bestehenden Betreuungsbedürftigkeit (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 4). Soll Unterhalt über das 5. Lebensjahr des Kindes hinaus festgesetzt werden, darf dies „jeweils auf längstens 3 Jahre“ geschehen; maßgeblicher Zeitpunkt ist Schluss der Verhandlung erster Instanz. Wird der Unterhalt bereits vor Erreichen dieser Lebensaltersgrenze festgesetzt, soll nach den Mat und einem Teil der L (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 865; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 4) Fristbeginn bereits mit der Entscheidung angenommen werden, während eine grammatikalische Auslegung für einen Fristbeginn mit Erreichen des 5. Lebensjahrs spricht (so auch Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 708). Soweit die Dreijahresfrist als „Terminempfehlung“ bzw Orientierungswert (Knoll, RZ 2000, 106 und ÖJZ 2001, 386) oder als überhaupt nicht bindend (vgl Berka 189) verstanden wird, widerspricht dies der klaren gesetzlichen Anordnung (so auch Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 4). Sind mehrere Kinder zu betreuen, richten sich diese Altersgrenzen nach dem jüngsten Kind (Schwimann/Kolmasch 200). Eine wiederholte Verlängerung des Unterhaltszuspruchs ist möglich (Hopf/ 29 Stabentheiner, ÖJZ 1999, 865; Stabentheiner/Rummel Rz 4). Nach § 68a Abs 1 letzter Satz EheG kann aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls sogar von einer Befristung gänzlich abgesehen werden, also etwa wenn wegen der körperlichen, geistigen oder sozialen Behinderung des Kindes (überhaupt) nicht einschätzbar ist, wann das Hindernis für eine Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten wegfallen wird (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 866; Knoll, RZ 2000, 106; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 4; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 4). Die Ansicht, dass lediglich in Anbetracht der Anzahl der Betreuungspflichten von einer Befristung abgesehen werden können soll, weil dem Unterhaltsberechtigten auch dann, wenn alle Kinder bereits die Schule besuchen, nicht einmal eine Teilzeitbeschäftigung zumutbar sein wird, erscheint hingegen bedenklich (idS aber Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 866; Ferrari 45; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 4). Ab dem Wegfall der Betreuungspflichten steht 579
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der Unterhaltsanspruch ja nicht mehr nach § 68a Abs 1, sondern nach Abs 2 EheG zu; dann müssen die Voraussetzungen aber erneut geprüft werden (vgl idS auch Berka 194; ein „Umspringen“ von Abs 1 auf Abs 2, wie dies Hopf/ Stabentheiner/Rummel [ÖJZ 1999, 867] für möglich halten, scheint aufgrund der unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht möglich). Im Übrigen wird es im Einzelfall nicht immer so eindeutig sein, dass dem Unterhaltsberechtigten tatsächlich nach dem Wegfall der Betreuungspflichten keine Erwerbstätigkeit zumutbar sein wird. Und schließlich ist zu berücksichtigen, dass ein Unterhaltszuspruch nach § 68a EheG ja nur die Ausnahme – in Härtefällen (vgl Rz 1) – sein soll. 30 Ein Unterhaltszuspruch nach § 68a Abs 2 EheG kann befristet werden, wenn erwartet werden kann, dass der Unterhaltsberechtigte nach Ablauf dieser Frist (wieder) in der Lage sein wird, seinen Unterhalt aus eigenem zu decken, also wenn er etwa Umschulungs- oder Ausbildungsmaßnahmen vornimmt, deren Ende absehbar ist (vgl Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 8). Bestehen hingegen aufgrund seiner konkreten Situation praktisch keine Aussichten, dass er je wieder Einkünfte erzielen wird können, befindet er sich nahe dem Pensionsantrittsalter (LG Eisenstadt EF 117.454) oder wurde bereits wiederholt lediglich ein befristeter Unterhalt zugesprochen, ist von einer (weiteren) Befristung Abstand zu nehmen (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 8). Kommt es zu einer Befristung, so darf diese Frist 3 Jahre nicht übersteigen (Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 8; aA [lediglich ein Orientierungswert] Knoll, RZ 2000, 115). 31 Ungeachtet einer Befristung endet der Unterhaltsanspruch, wenn seine materiellrechtlichen Voraussetzungen wegfallen (Zankl/Schwimann § 68a EheG Rz 13). Der Unterhaltspflichtige kann dies mit Feststellungs- bzw Oppositionsklage geltend machen (Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 5).
E. (Un)billigkeitserwägungen 32 Der an sich zu gewährende Unterhalt nach § 68a Abs 1 und 2 EheG besteht nicht, soweit dies unbillig wäre, weil der Unterhaltsberechtigte einseitig besonders schwerwiegende Eheverfehlungen begangen hat. Der andere Ehegatte kann somit nicht zum Unterhalt verhalten werden, wenn dem Unterhaltsberechtigten solche schweren Eheverfehlungen zur Last fallen, die unter Zugrundelegung des § 94 Abs 2 ABGB die Verwirkung des Unterhalts zur Folge hätten (1 Ob 303/00s; 7 Ob 158/04t = EF 108.310). Der Tatbestand der „Verwirkung“ an sich soll den in § 74 EheG und § 94 Abs 2 ABGB geregelten Fällen entsprechen (vgl § 94 ABGB Rz 316; so auch Deixler-Hübner Rz 153a), dh besonders schwere Eheverfehlungen führen 580
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zum (teilweisen) Erlöschen des Unterhaltsanspruchs (1 Ob 303/00s = EF 97.268; vgl auch 1 Ob 171/02g = JBl 2004, 45 [Kerschner]; 7 Ob 104/03z). Es soll also der Zuspruch von Unterhalt verhindert werden, wenn der Unterhaltsberechtigte eklatant gegen eheliche Gebote verstößt, und dieser Verstoß nach dem objektiven Gerechtigkeitsempfinden aller vernünftig denkenden Menschen mit dem Zuspruch von Unterhalt unvereinbar ist (1 Ob 171/02g = JBl 2004, 45 [krit Kerschner]; 7 Ob 158/04t; 6 Ob 108/08p; DeixlerHübner, ÖJZ 2000, 712; dies, Das neue Eherecht 32; Ferrari 53; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 9; Cl. Hirsch, JBl 2008, 545), also ein Zuspruch von Unterhalt objektiv unerträglich erscheint (Berka-Böckle, JBl 2004, 232; Schwimann/Kolmasch 202) oder wenn der Unterhaltsberechtigte gar ein Verhalten gesetzt hat, welches ihn erbunwürdig machen bzw den Unterhaltspflichtigen berechtigten würde, ihn zu enterben (Cl. Hirsch, JBl 2008, 545; RV 1653 BlgNR 20. GP 25). Das überwiegende oder alleinige Verschulden des Unterhaltsberechtigten be- 33 gründet als solches noch keine Unbilligkeit, weil ja sonst diesem Unterhaltstatbestand insgesamt der Anwendungsbereich entzogen wäre (vgl Schwimann/Kolmasch3, 170; Cl. Hirsch, JBl 2008, 545); es geht vielmehr darum, in Fällen, in denen sich die Verfehlungen etwa gerade auch im Licht des Unterhaltsbegehrens als krass erweisen, zu verhindern, dass das Opfer dieses Fehlverhaltens dem für die Ehezerstörung verantwortlichen Ehegatten eine auch nach objektiven Maßstäben als Ungerechtigkeit zu wertende Unterhaltsleistung erbringen muss (LG Salzburg EF 104.928; vgl auch Berka 191). Zur Frage, ob Eheverfehlungen, die nach Eintritt der unheilbaren Zerrüt- 34 tung der Ehe gesetzt worden sind, einen Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB noch verhindern können, s ausführlich § 94 ABGB Rz 315. Nach der nunmehrigen Rsp gilt dies auch für den Anwendungsbereich des § 68a EheG (6 Ob 108/08p; LG Wien EF 111.300, 111.303; LG Wels 21 R 278/07t). Während § 74 EheG von „schweren Verfehlungen nach der Scheidung“ spricht, 35 setzt § 68a Abs 3 EheG „einseitig besonders schwerwiegende Eheverfehlungen“ voraus und bezieht sich § 94 Abs 2 ABGB ganz allgemein auf „Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben“ und auf einen „Missbrauch des Rechts“ – die Rsp geht hier von „besonders schweren bzw krassen Eheverfehlungen“ aus (vgl § 94 ABGB Rz 316). Damit ist es aber naheliegend, auf der einen Seite (§ 94 ABGB, § 68a Abs 3 EheG) von besonders schwerwiegenden Eheverfehlungen und auf der anderen Seite (§ 74 EheG) von schweren Verfehlungen nach der Ehe auszugehen (auf diesen Unterschied hinweisend auch Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10; vgl auch Lukasser, ÖJZ 2000, 303; LGZ Wien EF 111.299). Warum der Maßstab des § 74 EheG für § 68a EheG maßgeblich sein (so aber Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 713) bzw umgekehrt das „enge Unbilligkeitsverständnis des § 68a EheG in die Interpre581
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tation des rechtspolitisch ohnedies fragwürdigen § 74 EheG einfließen“ soll (so aber Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10; vgl auch Knoll, Rz 2000, 113), ist unter diesem Gesichtspunkt nicht nachvollziehbar; vgl auch Rz 40. Mit dieser Auslegung lässt sich dann aber auch das Problem, inwieweit nacheheliches Verhalten des Unterhaltsberechtigten Auswirkungen auf seinen Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG haben kann, lösen: Bei Beurteilung der Frage, ob dem Unterhaltsberechtigten ein Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG überhaupt zusteht, kommt es darauf an, ob er (während der Ehe) besonders schwerwiegende Eheverfehlungen begangen hat. Wird dies verneint, begeht er aber nach der Scheidung (lediglich) schwere Verfehlungen, verwirkt er den Unterhaltsanspruch gem § 74 EheG. Dies erscheint auch insofern billig, als es bei Beurteilung eines Verhaltens des Unterhaltsberechtigten nach der Scheidung als unterhaltsverwirkend nicht darauf ankommen kann, welcher konkrete Unterhaltsanspruch tatsächlich gegeben ist. Eine derartige Unterscheidung lässt sich § 74 EheG, der vom „Berechtigten“ spricht, nicht entnehmen. Im Übrigen erschiene es auch nicht sachgerecht, dass ein Unterhaltsanspruch des schuldlos oder minderschuldig geschiedenen Unterhaltsberechtigten nach § 66 EheG leichter verwirkt werden könnte (gem § 74 EheG bei schweren Verfehlungen) als ein Anspruch des (möglicherweise) schuldig geschiedenen Unterhaltsberechtigten (gem § 68a Abs 3 EheG bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen). Wurde hingegen umgekehrt dem Unterhaltsberechtigten während noch aufrechter Ehe ein Unterhalt nicht zuerkannt, weil er als verwirkt beurteilt wurde, besteht für ein auf § 68a EheG gestütztes Unterhaltsbegehren keine Rechtsgrundlage; insoweit entfaltet nämlich die zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs rechtskräftige Entscheidung Bindungswirkung (vgl § 411 ZPO) auch für das den nachehelichen Unterhalt betreffende Unterhaltsverfahren (7 Ob 104/03z). Dass trotz Verwirkung des Unterhaltsanspruchs während aufrechter Ehe nachehelicher Unterhalt nach § 66 EheG zustehen kann (s § 94 ABGB Rz 313; § 74 EheG Rz 3), stellt dazu keinen Widerspruch dar: § 68a EheG ist grundsätzlich ein „Fremdkörper“ im nachehelichen Unterhaltssystem. 36 Eine grundsätzliche Gleichsetzung aller 3 Tatbestände (vgl Rz 32) ist damit nur hinsichtlich des Ergebnisses (grundsätzlich endgültige [vgl 1 Ob 303/00s = EF 97.268] Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, der somit nicht wieder aufleben kann) zulässig. Allerdings gibt es auch idZ insofern einen Unterschied, als die Verwirkung ehelicher Unterhaltsansprüche – in Ausnahmefällen – durch eine Versöhnung wieder wegfallen kann (vgl § 94 ABGR Rz 313), während dies im Fall einer nachehelichen Verwirkung gem § 74 EheG wohl nicht denkbar sein wird. Schwimann/Kolmasch3 (172) wollen zwar einen Unterschied zwischen den 3 Verwirkungstatbeständen insofern erkennen, als nach § 74 EheG, § 94 Abs 2 582
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ABGB Unterhalt nur zur Gänze, nach § 68a Abs 3 EheG jedoch auch teilweise verwirkt werden kann; dieser Auffassung hat jedoch der OGH bereits eine Absage erteilt (2 Ob 193/06 f = EF-Z 2007/65; vgl § 94 ABGB Rz 312). Da die schwerwiegenden Eheverfehlungen des § 68a Abs 3 EheG jenen des 37 § 94 Abs 2 ABGB entsprechen (vgl Rz 31, 35), kann auf die reichhaltige Rsp dazu verwiesen werden (§ 94 ABGB Rz 310 ff); im Übrigen ist auch im Anwendungsbereich des § 68a Abs 3 EheG zu berücksichtigen, ob nicht die Ehe bereits weitgehend zerrüttet oder das Verhalten des Unterhaltsberechtigten lediglich eine Reaktion auf vorangegangene schwere Eheverfehlungen des Unterhaltspflichtigen war (LGZ Wien EF 111.300, 111.303). Ein Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG wird auch verweigert, wenn der Un- 38 terhaltsberechtigte seine Bedürftigkeit grob schuldhaft herbeigeführt hat oder ein gleich schwerwiegender Grund vorliegt (vgl Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10; ausführlich auch Cl. Hirsch, JBl 2008, 545). Ersteres wäre etwa gegeben, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsbedarf dadurch ausgelöst hat, dass er ohne anerkennenswerten Grund eine adäquate Erwerbsmöglichkeit ausgeschlagen oder aufgegeben hat (LG Wels EF 111.302; Hopf/Kathrein § 68a EheG Anm 9; krit Zankl/Schwimann § 68a EheG Rz 33) oder aus eigenem Verschulden erwerbsunfähig geworden ist (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 867; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10). Absicht und Zweck des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten muss dabei also nicht darin liegen, dem Unterhaltspflichtigen zu schaden; es kommt vielmehr auf die zu § 73 EheG entwickelten Kriterien an (vgl dort). Was gleich schwerwiegende Gründe sein können, lässt sich dem Gesetz nicht 39 entnehmen. Sie werden idR ohnehin unter die Eheverfehlungen gereiht werden können, wenn sich ein Verhalten des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltspflichtigen gerichtet hat. Dies gilt etwa für die von Deixler-Hübner (ÖJZ 2000, 711) unter Bezugnahme auf § 1579 dBGB angeführte „gröbliche, länger dauernde Verletzung der Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen“ (vgl dazu 4 Ob 566/80 = EF 35.195 [Imstichlassen der Familie]) – der diesbezügliche Einwand Stabentheiners (§ 68a EheG Rz 10), der Gesetzgeber habe § 1579d BGB nicht übernommen, überzeugt im Hinblick auf die Generalklausel nicht (ggt auch Cl. Hirsch, JBl 2008, 545) –, aber auch für die konsequente und nachhaltige Unterbindung des Kontakts des Unterhaltspflichtigen zu seinen leiblichen Kindern (vgl 2 Ob 578/95 = JBl 1996, 402; 10 Ob 35/02y = EF 100.977; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 772/3; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10; aA 7 Ob 699/83 = EF 46.327), die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz durch haltlose Verleumdungen, die grundlose Verweigerung der Mitarbeit im Unternehmen des Unterhaltspflichtigen oder den Umstand, dass der Unterhaltsberechtigte in keiner Weise seinen Verpflichtungen im Haushalt nachkommt (Cl. Hirsch, JBl 2008, 545). 583
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40 Nach der L (Knoll, RZ 2000, 105; Ferrari 53; Stabentheiner/Rummel § 68a EheG Rz 10) soll der Beurteilungsmaßstab von Unbilligkeitsgründen bei einem Anspruch nach § 68a Abs 1 EheG (Notwendigkeit der Kinderbetreuung) großzügiger sein und die Unbilligkeitsklausel nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu einer Versagung des Unterhalts führen. Dies wird damit begründet, dass der Unterhaltsanspruch nach Abs 1 „im Interesse des betreuungsbedürftigen Kindes gewährt wird“. Dem Gesetzestext lässt sich dies aber nicht entnehmen. Außerdem kann doch wohl die Kinderbetreuung nicht gleichsam einen Freibrief für nacheheliches Verhalten des Unterhaltsberechtigten darstellen.
F. Verfahrensfragen 41 Während bei sonstigen Unterhaltspflichten bei Scheidung wegen Verschuldens maßgeblich der formelle Schuldausspruch im Tenor des Scheidungsurteils ist (vgl bei § 60 EheG), fehlt ein solcher hier gerade bzw ist ein Schuldausspruch zu Lasten des Unterhaltsberechtigten nicht bindend. Allerdings wird man auf bereits festgestellte Scheidungsverschuldenskomponenten zurückgreifen können, liegt doch Parteienidentität vor (Berka-Böckle, JBl 2004, 233).
b) Unterhaltspflicht bei Scheidung aus anderen Gründen § 69. (1) Ist die Ehe allein aus einem der in den §§ 50 bis 52 bezeichneten Gründen geschieden worden und enthält das Urteil einen Schuldausspruch, so finden die Vorschriften der §§ 66 und 67 entsprechende Anwendung. (2) Ist die Ehe nach § 55 geschieden worden und enthält das Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3, so gilt für den Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten auch nach der Scheidung der § 94 ABGB. Der Unterhaltsanspruch umfasst jedenfalls auch den Ersatz der Beiträge zur freiwilligen Versicherung des beklagten Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruches ist die Unterhaltspflicht des Verpflichteten für einen neuen Ehegatten nicht zu berücksichtigen, es sei denn, dies ist bei Abwägung aller Umstände, besonders des Lebensalters und der Gesundheit des geschiedenen und des neuen Ehegatten, der Dauer ihres gemeinsamen Haushaltes mit dem Verpflichteten und des Wohles ihrer Kinder, aus Gründen der Billigkeit geboten. (3) Enthält das Urteil keinen Schuldausspruch, so hat der Ehegatte, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen Unterhalt zu gewähren, wenn 584
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und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der nach § 71 unterhaltspflichtigen Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entspricht. § 67 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. [Abs 1 und 2 neu gefasst durch EheRÄG 1978, Abs 3 Stammfassung] Lit: Aicher, Die Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (§ 55 EheG) und ihre unterhaltsrechtlichen Folgen, in Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979), 81; Binder, Die Problematik der Geschiedenen-Pensionsregelung, in Harrer/Zitta (Hrsg) Familie und Recht (1992), 669; Deixler-Hübner, Grundfragen des neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruchs nach § 68a EheG, ÖJZ 2000, 707; Ferrari, Verschuldensunabhängiger Scheidungsunterhalt nach den §§ 68a und 69b EheG, in Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2000), 37; Fischer-Czermak, Zum Unterhalt nach Scheidung bei gleichem und ohne Verschulden, NZ 2001, 254; Gruber, Mitverschuldensantrag des Klägers bei Scheidung aus anderen Gründen? in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 565; Cl. Hirsch, Zur Höhe des nachehelichen Unterhalts in §§ 68, 39 Abs 3 und § 69a Abs 2 EheG, EF-Z 2009, 204; Hoyer, Gutachten der Familienrechtskommission zur Familienrechtsreform, 3. Teil: Kleine Scheidungsreform (1977); Kerschner, Zum Unterhalt nach Scheidung nach neuem Recht, JBl 1979, 561; ders, ZAS 1982, 110 (Entscheidungsanmerkung); Langer, Vorrangige Unterhaltspflicht der Verwandten der geschiedenen Ehegattin: Privileg für Ausländer – Diskriminierung von Ausländerinnen, iFamZ 2008, 339; Mittag, Erlischt der bisherige Unterhaltstitel im Fall einer Scheidung nach § 55 Abs 3 EheG? AnwBl 1979, 255; ders, Unterhaltstitel bei Ehescheidung nach § 55 Abs 3 EheG, AnwBl 1981, 257; Verschraegen, Mitversicherungsbeitrag und Unterhalt, ÖJZ 2003, 16; Welser, Die Reform des Ehegüterrechts, Ehescheidungsrechts und Ehegattenerbrechts, Wirtschaftsberichte der CA-BV 1978/3, 14; vgl im Übrigen bei § 66 EheG. Inhaltsübersicht A. Scheidung nach §§ 50 bis 52 EheG mit Schuldausspruch . . . . B. Scheidung nach § 55 EheG mit Schuldausspruch . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterhaltstitel während aufrechter Ehe . . . . . . . . . . . . . 3. Privilegierung gegenüber § 66 EheG . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einkommen/Anspannung des Unterhaltsberechtigten . b) Vermögen des Unterhaltsberechtigten . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Sorgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Krankenversicherungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Änderung der Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausspruch gleichteiligen Verschuldens . . . . . . . . . . . . . . C. Scheidung nach §§ 50 bis 52, 55 EheG ohne Schuldausspruch
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A. Scheidung nach §§ 50 bis 52 EheG mit Schuldausspruch Wurde die Ehe nach § 50 (Geistesstörung), § 51 (Geisteskrankheit) oder § 52 1 EheG (ansteckende oder ekelerregende Krankheit) geschieden und im Schei585
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dungsurteil – insofern allein maßgeblich (vgl § 66 EheG Rz 5; 1 Ob 340/58 = SZ 31/106; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 1) – über Antrag des Scheidungsbeklagten gem § 61 Abs 2 EheG ein Verschulden des Scheidungsklägers (zur Zulässigkeit eines Mitschuldantrags des im Scheidungsverfahren Beklagten vgl bei § 61 EheG) ausgesprochen, steht dem Scheidungsbeklagten als Unterhaltsberechtigtem nach § 69 Abs 1 EheG ein Unterhaltsanspruch nach §§ 66, 67 EheG zu. § 69 Abs 2 EheG kommt hier nicht – und zwar auch nicht analog – ergänzend zur Anwendung (Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 2; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 1; aA Kerschner, JBl 1979, 570), weil § 69 Abs 1 und 2 EheG zwei völlig unterschiedliche Konzeptionen enthalten.
B. Scheidung nach §§ 55 EheG mit Schuldausspruch 1. Allgemeines
2 Enthält das Scheidungsurteil nach § 55 EheG (Auflösung der häuslichen Gemeinschaft) einen Ausspruch des alleinigen oder überwiegenden Verschuldens des Scheidungsklägers – dies gilt aber nicht auch für den Scheidungswiderkläger (vgl dazu ausführlich Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 3, 15 f; zur Zulässigkeit eines Mitschuldantrags des im Scheidungsbeklagten vgl bei § 61 EheG) –, ist der Scheidungsbeklagte so gestellt, wie wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre (2 Ob 565/94 = EF 78.708; 7 Ob 303/00k ua = EF 97.271; 7 Ob 178/02 f ua = EF 100.945; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 3; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 3). Auch wenn die Scheidung auf den Unterhaltsanspruch grundsätzlich keine Auswirkungen hat (1 Ob 740/80 = EvBl 1981/147; 8 Ob 543/83 = EF 46.315; 7 Ob 303/00k = EF 72.270) und der Unterhaltsberechtigte durch die Scheidung nicht einen neuen, auf einem anderen Rechtsgrund beruhenden Unterhaltsanspruch erwirbt (3 Ob 156/79 = SZ 52/182; 3 Ob 142/84 = EF 48.880; 7 Ob 303/00k = EF 97.269), so gelten aber doch für ihn die allgemeinen Regeln der §§ 66 bis 80 EheG, also insb auch § 72 EheG (8 Ob 532/92 = JBl 1992, 705; 6 Ob 545/91 = EF 66.490), und die Rsp, wonach bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft durch den Unterhaltsberechtigten der Unterhaltsanspruch ruht (Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 8; vgl dazu § 75 EheG Rz 3 ff). 3 Der Rechtsmissbrauchsvorbehalt des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB steht wohl neben jenem des § 74 EheG, hinsichtlich welcher Bestimmungen im Übrigen ja auch Gleichklang bestehen soll (vgl § 94 ABGB Rz 316 und § 68a EheG Rz 32; aA Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 8). Selbstverständlich muss aber berücksichtigt werden, dass bestimmte Verhaltensweisen, die während aufrechter Ehe pönalisiert sind, nach der Scheidung nicht mehr beanstandet werden können, wie etwa der „Ehebruch“.
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Hat der Scheidungsbeklagte seinen Unterhaltsanspruch während aufrechter Ehe gem § 94 Abs 2 ABGB verwirkt, soll ihm dennoch ein Unterhalt nach § 69 Abs 2 EheG zustehen können (Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 4, der auf jene Rsp [5 Ob 644/83 = EF 43.708; 2 Ob 554/88 = EF 57.248] verweist, wonach trotz Verwirkung ein Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG besteht). Allerdings gründet der Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG auf einer anderen Rechtsgrundlage als der Ehegattenunterhaltsanspruch (dies ausdrücklich betonend 5 Ob 644/83 = EF 43.708), während dies bei § 69 Abs 2 EheG gerade nicht der Fall ist. Es überzeugt auch nicht wirklich, warum sich lediglich durch die Scheidung am Verwirkungstatbestand etwas ändern soll. Hat daher der Scheidungsbeklagte während aufrechter Ehe einen Verwirkungstatbestand gesetzt, wirkt dieser über die Ehescheidung hinaus. Dies erscheint auch sachlich durchaus gerechtfertigt, ist doch der Scheidungsbeklagte so gestellt, wie wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre (vgl Rz 2); als solchem kommen ihm ja auch die zahlreichen Vergünstigungen des § 69 Abs 2 EheG zugute. Im Übrigen gelten umgekehrt ja auch während der Ehe geschaffene Unterhaltstitel über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus weiter, ja sogar ein Unterhaltsverzicht (vgl Rz 5). Der Anspruch nach § 69 Abs 2 EheG ist grundsätzlich ein gesetzlicher, und 4 zwar auch dann, wenn sich der Scheidungskläger nur in einem Vergleich zu einer Unterhaltsleistung an den Unterhaltsberechtigten verpflichtet hat (2 Ob 65/49 = SZ 22/36; vgl dazu auch § 69a EheG Rz 1). Soweit sein notwendiger Unterhalt aus eigenen Einkünften gedeckt ist, kann der Unterhaltsberechtigte trotz § 94 Abs 3 ABGB auf den Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 2 EheG verzichten; dies ist dann der Fall, wenn seine Einkünfte über dem Existenzminimum bzw dem Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 ASVG liegen (3 Ob 74/02g = EF 100.958, 100.959). 2. Unterhaltstitel während aufrechter Ehe
Einen von der Grundregel, dass die Ehegattenunterhaltspflicht nach § 94 5 ABGB mit der durch die (rechtskräftige) Ehescheidung (bzw Aufhebungsoder Nichtigkeitsurteil) bewirkten Auflösung der Ehe endet (vgl § 94 ABGB Rz 18 ff), abweichenden Sonderfall stellt § 69 Abs 2 EheG zu Lasten des (unterhaltspflichtigen) Scheidungsklägers dar. Demnach gelten hier sowohl eine gerichtliche Entscheidung (6 Ob 90/01 f = EF 95.300) als auch ein Unterhaltsvergleich (3 Ob 142/84 = EF 48.881; 3 Ob 101/89 = EF 60.322) – und zwar auch ein außergerichtlicher (LGZ Wien EF 36.431; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 3) –, welche während aufrechter Ehe die Unterhaltsansprüche festgelegt haben, weiter (Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 5). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Unterhaltspflicht im Titel ausdrücklich auf die Dauer der (aufrechten) Ehe beschränkt, also befristet wurde (3 Ob 142/84; Staben587
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theiner/Rummel § 69 EheG Rz 3). Derartige Titel sind somit nach zutr hA (3 Ob 156/79 = EF 34.094; 3 Ob 648/79 ua = EF 36.430; 3 Ob 142/84 = EF 48.881; 6 Ob 90/01 f = EF 95.300; Ent 1979, 150; Aicher in Floretta 129; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 5; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 3; aA Mittag, AnwBl 1979, 255; Kerschner, JBl 1979, 562 FN 15) Grundlage einer Exekutionsbewilligung; ihre materielle Rechtskraft erlaubt die Einrede der entschiedenen bzw verglichenen Rechtssache und führt gem § 230 ZPO zur Prozesssperre (vgl Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 3). Sie halten allerdings relevanten Sachverhaltsänderungen nicht stand (Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 3; vgl Rz 21). Auch ein während aufrechter Ehe abgegebener Unterhaltsverzicht (vgl § 94 ABGB Rz 298 ff) behält seine Wirksamkeit (6 Ob 684/81 = EF 41.332; Hopf/ Kathrein § 69 EheG Anm 5).
3. Privilegierung gegenüber § 66 EheG a) Einkommen/Anspannung des Unterhaltsberechtigten
6 Nach hRsp soll durch § 69 Abs 2 EheG der Unterhaltsberechtigte besser als nach § 66 EheG gestellt und dadurch sichergestellt werden, dass der bisherige Unterhalt des gegen seinen Willen geschiedenen Ehegatten keine Schmälerung erfährt (7 Ob 563/80 = SZ 53/57; 2 Ob 565/94 = EF 78.708; 7 Ob 303/ 00k = EF 97.272). Der Anspruch nach § 69 Abs 2 EheG soll dabei gegenüber jenem nach § 66 EheG zunächst einmal deshalb „privilegiert“ sein – dies ist im Übrigen nicht gleichheits- und damit auch nicht verfassungswidrig (VfGH VfSlg 11.997; Koch/KBB § 69 EheG Rz 3) –, weil nach letzterer Bestimmung sich der Unterhaltsberechtigte Einkünfte aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit, die er tatsächlich aber gar nicht erzielt (vgl § 66 EheG Rz 17 ff), anrechnen lassen muss, während dies nach § 69 Abs 2 EheG nur dann vorgesehen ist, wenn schon nach § 94 ABGB die Verweisung auf eine Erwerbstätigkeit Platz greifen würde (2 Ob 565/94 = EF 78.708; 1 Ob 2266/96h = RZ 1997/64; 7 Ob 303/00k = EF 97.272; Pichler/Rummel2 § 69 EheG Rz 5; aA [keine Anspannung selbst bei zumutbarem Erwerb] LGZ Wien EF 46.311; vgl § 94 ABGB Rz 221 ff). 7 Damit käme eine Anspannung des Unterhaltsberechtigten, der früher den Haushalt geführt hat, bei einem Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 2 EheG grundsätzlich nicht in Betracht (vgl § 94 ABGB Rz 140). Nach hL (Kerschner, JBl 1979, 563; Aicher in Floretta 134; Stabentheiner/Rummel Rz 4; Hopf/ Kathrein § 69 EheG Anm 8; Zankl/Schwimann Rz 7) verhält sich der Unterhaltsberechtigte aber rechtsmissbräuchlich iS des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB, wenn er keine Kinder (mehr) zu betreuen hat und trotzdem die Ausübung einer ihm nach den Umständen (insb nach seinem Lebensalter und Gesund588
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heitszustand, seiner Ausbildung und seinem beruflichen Vorleben) zumutbaren und möglichen Erwerbstätigkeit ablehnt. Diese Auffassung ist bei einer ergebnisorientierten Betrachtungsweise zutr (idS nun auch 9 Ob 147/03p; ebenso LG Salzburg EF 117.462), darf doch letztlich auch im Rahmen des § 69 Abs 2 EheG nicht übersehen werden, dass durch die Auflösung der Ehe die persönlichen Rücksichtnahmen vermindert worden sind (vgl 6 Ob 545/ 91); dass diese Auffassung letztlich eine Annäherung an § 66 EheG vornimmt, ist durchaus richtig. Bei Zumutbarkeitserwägungen sind jedoch geringere Anforderungen an den Unterhaltsberechtigten zu stellen als bei einem Anspruch nach § 66 EheG, so etwa auch bei der Berücksichtigung von Kinderbetreuungspflichten (idS auch 6 Ob 671/82 = EF 41.336 [Betreuung eines 16-jährigen Kindes zu berücksichtigen]; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 4). Hier lebt die ursprüngliche Vereinbarung einer Hausfrauen(Hausmänner)ehe weiter. Aber auch wenn der Unterhaltsberechtigte bis zur Aufhebung des gemeinsa- 8 men Haushalts diesen geführt hat und keiner eigenen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, kann eine weitere Anspannung gefordert werden, wenn erwiesen ist, dass nach der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse auch bei aufrechter Lebensgemeinschaft nach einer bereits abgelaufenen Zeit oder unter bereits eingetretenen Voraussetzungen eine Änderung hätte eintreten sollen (6 Ob 671/82; LG Salzburg EF 111.304); denkbar wäre etwa die Vereinbarung, nach Schuleintritt der Kinder wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Bezieht der Unterhaltsberechtigte tatsächlich Einkünfte – auf die Motive, 9 die ihn zur Erschließung von Einkommensquellen bestimmten, kommt es nicht an (6 Ob 641/90 = EF 63.520) – sind diese wie bei aufrechter Ehe entweder angemessen zu berücksichtigen oder voll anzurechnen (§ 94 ABGB Rz 197 ff); nach § 66 EheG kommt es hingegen grundsätzlich zur vollen Anrechnung (8 Ob 210/02v = EF 100.920). Soweit die Auffassung vertreten wird, eigene Einkünfte aus Erwerb oder Vermögen seien (offensichtlich immer) angemessen zu berücksichtigen (6 Ob 641/90 = EF 63.520; 1 Ob 507/92 = EF XXIX/1; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 7), also nicht schlechthin anzurechnen (7 Ob 531/93 = EF 70.606), ist dies in dieser Allgemeinheit unrichtig und gilt nur für frühere Hausfrauen(Hausmänner)ehen (idS wohl auch Zankl/ Schwimann § 69 EheG Rz 6), wäre es doch nicht einsichtig, dass während aufrechter Berufstätigenehe das Einkommen des Unterhaltsberechtigten voll angerechnet, nach der Scheidung aber nur mehr angemessen berücksichtigt wird. Nicht anzurechnen sind Zuwendungen an den Unterhaltsberechtigten von 10 dritter Seite, die als „Zubuße“ mit der Absicht gegeben wurden, dass sie ihm
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neben den Unterhaltsleistungen zusätzlich zur Verfügung stehen (1 Ob 507/92 = EF XXIX/1; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 7). b) Vermögen des Unterhaltsberechtigten
11 Einkünfte aus Vermögen muss sich der Unterhaltsberechtigte sowohl im Fall des § 66 EheG als auch im Fall des § 69 Abs 2 EheG anrechnen lassen, wenn es sich um Erträgnisse daraus handelt (vgl § 94 ABGB Rz 69 ff; § 66 EheG Rz 14). Dies gilt auch für solche Erträgnisse, die der Unterhaltsberechtigte vertretbarer Weise hätte ziehen können; was vertretbar oder unvertretbar ist, bestimmt sich nach den konkreten Lebensverhältnissen unter Bedachtnahme auf die Entscheidung, die partnerschaftlich eingestellte Ehegatten im gemeinschaftlichen Interesse unter den gegebenen Umständen getroffen hätten (7 Ob 614/92; 8 Ob 588/93; 2 Ob 230/00p = EF 97.273). Den Vermögensstamm hat der nach § 69 Abs 2 ABGB Unterhaltsberechtigte erst anzugreifen, wenn die Belastbarkeitsgrenze des Unterhaltspflichtigen erreicht wird (vgl § 94 ABGB Rz 231 ff), der nach § 66 EheG Unterhaltsberechtigte im Hinblick auf § 67 EheG (schon) dann, wenn er den Unterhalt daraus bestreiten kann und der angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen gefährdet ist (vgl § 67 EheG Rz 8 f). c) Weitere Sorgepflichten
12 Während Sorgepflichten für sämtliche unterhaltsberechtigten Kinder des Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsbemessung ohne Heranziehung von Billigkeitsüberlegungen zu berücksichtigen sind (vgl § 66 EheG Rz 13; LGZ Wien EF 93.874; Kerschner, JBl 1979, 567; Aicher in Floretta 138; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 6), gilt dies für eine weitere Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten grundsätzlich nicht; der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten geht also vor (Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 6; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 11). Der Unterhaltspflichtige hat den neuen Ehegatten aus dem ihm Verbliebenen zu alimentieren, und zwar auch dann, wenn auch diese Ehe geschieden worden sein und den Unterhaltspflichtigen auch hier eine Unterhaltspflicht treffen sollte. 13 Allerdings ist im Rahmen von Billigkeitserwägungen (diese betreffen nicht den Grund des Anspruchs, sondern nur dessen Höhe, die allerdings auch gleich Null sein kann [3 Ob 196/53]) zu fragen, ob nicht doch unter Berücksichtigung aller Umstände eine Berücksichtigung des neuen Ehegatten stattzufinden hat. Dabei soll es sich nicht um eine reine Interessenabwägung zwischen den beiden Unterhaltsberechtigten handeln (Schwind 286; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 6; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 13); vielmehr ist auf die Dauer der jeweiligen Haushaltsgemeinschaft des Unterhaltspflichtigen mit 590
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den Unterhaltsberechtigten als Ehegatten (nicht als Lebensgefährten [Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 6]), das Alter und den Gesundheitszustand der beiden, auf das Wohl allfälliger der Pflege und Erziehung bedürftiger Kinder aus der früheren und der neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen (LGZ Wien EF 46.314) sowie auf vergleichbare Umstände Bedacht zu nehmen und dabei zu Gunsten des geschiedenen Ehegatten ein strenger Maßstab anzulegen (Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 6). Nach hA (LGZ Wien EF 46.313, 81.687, 93.874; Schwind 286; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 6) ist Voraussetzung für die Berücksichtigung des neuen Ehegatten, dass dieser der ernstlichen Existenzbedrohung ausgesetzt wäre, während eine wesentliche Schlechterstellung allein nicht reicht (vgl auch Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 11; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 13). d) Krankenversicherungsbeiträge
Genießt der Unterhaltsberechtigte während aufrechter Ehe als Angehöriger 14 des pflichtversicherten Unterhaltspflichtigen Krankenversicherungsschutz, so soll er auch nach der Scheidung, ohne dass ihm dadurch ein zusätzlicher Aufwand erwächst, in dieser Beziehung geschützt sein. Als Lösung sehen die Sozialversicherungsgesetze die freiwillige Versicherung des schuldlos Geschiedenen in der Krankenversicherung vor. Die von diesem hiefür benötigten Beträge sind aber iS der Formel von der unveränderten unterhaltsrechtlichen Stellung des schuldlos nach § 55 EheG geschiedenen Ehegatten dem anderen früheren Ehegatten im Rahmen seiner Unterhaltspflicht aufzuerlegen. Um darüber keinen Zweifel aufkommen zu lassen, wurde dies ausdrücklich angeordnet (1 Ob 577/82 = EF 41.340). Die Beiträge können sowohl im Vorhinein (LGZ Wien EF 38.837; Hopf/Ka- 15 threin § 69 EheG Anm 9) als auch für die Vergangenheit (7 Ob 563/80 = SZ 53/57; 1 Ob 577/82 = EF 41.340; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 5; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 10) geltend gemacht werden. Die Regelung ist auf Beiträge, die der Unterhaltsberechtigte aufgrund einer ge- 16 setzlichen Pflichtversicherung zu leisten hat, nicht anwendbar (1 Ob 180/01d = EF 97.286; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 5); denkbar wäre allerdings uU eine Reduzierung des Geldunterhalts durch Anrechnung von vom Unterhaltspflichtigen für den Unterhaltsberechtigten geleisteten Behandlungsbeiträgen etwa nach § 63 B-KUVG (vgl § 94 ABGB Rz 34). Durch § 69 Abs 2 EheG wird hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversiche- 17 rung kein neben dem allgemeinen Unterhaltsanspruch bestehender gesonderter Unterhaltsanspruch auf Bezahlung dieser Beiträge normiert (6 Ob 671/82; 1 Ob 577/82 = EF 41.339; 10 Ob 1519/88 = EF 57.279; 1 Ob 568/93 = EF 72.373; 7 Ob 517/94 = EF 75.596; 1 Ob 180/01d = EF 97.283; aA [die vom 591
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Unterhaltsberechtigten geleisteten Beiträge sind zusätzlich zum Unterhalt zu ersetzen] 7 Ob 563/80 = SZ 53/57). Nach hA (7 Ob 576/82 = EF 41.338; 10 Ob 1519/88 = EF 57.279; 1 Ob 568/93 = RZ 1994/65; 7 Ob 170/06k; Schwind 285; Faistenberger 49; Aicher in Floretta 136; Kerschner, JBl 1979, 565; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 5) bildet der Ersatz der Beiträge aber eine absolute Untergrenze des zustehenden Unterhalts, also ein Unterhaltsprivileg, das selbst dann zukommt, wenn sonst keinerlei oder nicht einmal dieser Unterhalt geleistet werden kann. Darüber hinaus steht der Anspruch auch zu, wenn die Beiträge zwar im nach allgemeinen Kriterien zu berechnenden Unterhalt Deckung fänden, der Unterhaltsberechtigte aber, müsste er sie aus eigenen Mitteln tragen, auf geringere Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts als das Existenzminimum beschränkt wäre (1 Ob 180/01d; 7 Ob 170/06k). Die Krankenversicherungsbeiträge sind also dann jedenfalls zu ersetzen, wenn der Berechtigte nur über Mittel verfügt, die unter dem – unter sinngemäßer Anwendung des § 292b Z 1 EO nach dem Ausgleichszulagenrichtsatz zu ermittelnden – Existenzminimum liegen (7 Ob 170/06k). Dies wird damit begründet, dass es dem Unterhaltspflichtigen dank seiner sozialversicherungsrechtlichen Parteistellung (§ 76 Abs 2 lit b ASVG ua) bei Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse möglich ist, selbst eine Herabsetzung der Versicherungsbeiträge beim Krankenversicherungsträger zu erreichen (1 Ob 577/82 = EF 41.340; 1 Ob 180/01d = EF 97.284) und außerdem § 69 Abs 2 EheG die Beiträge „jedenfalls“ zuerkennt. 18 Grundvoraussetzung für eine Unterhaltspflicht auch in diesem eingeschränkten Ausmaß ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (vgl idS auch 7 Ob 170/06k). Seine Belastbarkeitsgrenze (vgl § 94 ABGB Rz 231 ff) darf also nicht unterschritten werden (vgl auch Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 10; aA [„Mindestunterhalt“ unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen] Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 9), sodass ein Anspruch nur bestehen kann, wenn rechnerisch überhaupt ein Unterhaltsanspruch besteht. Verfügt daher der Scheidungsbeklagte über ein höheres Einkommen als der Scheidungskläger und reicht dieses Einkommen auch zur Deckung der Beiträge zur freiwilligen Versicherung aus, steht ihm deren Ersatz nicht zu (1 Ob 180/01d = EF 97.285; vgl auch Kerschner, JBl 1979, 566; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 5; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 9). 19 Schließlich ist Voraussetzung, dass der Unterhaltsberechtigte die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung auch tatsächlich nützt (LGZ Wien EF 38.838; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 10; aA Kerschner, JBl 1979, 565; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 11), spricht § 69 Abs 2 EheG doch ausdrücklich vom „Ersatz“ der Beiträge. Es wäre jedoch nicht einsichtig, dem Unterhaltsberechtigten Ersatzleistungen für etwas zukommen zu lassen, das er gar nicht in Anspruch nimmt. 592
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Durch § 69 Abs 2 Satz 2 EheG werden weitergehende unterhaltsrechtliche An- 20 sprüche auf Abdeckung durch Versicherungsleistungen nicht gedeckter Krankheitskosten nicht ausgeschlossen (Ent, NZ 1979, 150; Kerschner, JBl 1979, 565; Pichler/Rummel2 § 69 EheG Rz 4; Aicher in Floretta 137; Zankl/ Schwimann § 69 EheG Rz 10; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 5); zum krankheitsbedingten Sonderbedarf vgl § 94 ABGB Rz 13. 4. Änderung der Verhältnisse
§ 69 Abs 2 EheG ordnet nicht an, dass der Ehegatte nach der Scheidung 21 nicht schlechter gestellt werden dürfte, als er vor der Scheidung tatsächlich gestellt war; die Bestimmung besagt lediglich, dass für den Unterhaltsanspruch auch nach der Scheidung § 94 ABGB gilt, dass sich also die unterhaltsrechtliche Stellung des Scheidungsbeklagten durch die Scheidung nicht ändert, dh der Anspruch nach § 94 ABGB besteht dem Grunde nach weiter (Hopf/ Kathrein § 69 EheG Anm 4; idS auch 7 Ob 303/00k = EF 97.269). Damit kann aber auch ein im Falle der Scheidung bereits bestehender Unterhaltsanspruch später zufolge Änderung der nach § 94 ABGB maßgeblichen Umstände wegfallen bzw kann umgekehrt dem Scheidungsbeklagten auch erst später zufolge Eintritts der Voraussetzungen des § 94 ABGB ein Unterhaltsanspruch erwachsen. Schließlich können beide Teile aber auch geltend machen, dass schon vor der Scheidung eine Änderung eingetreten sei und dem Unterhaltsberechtigten daher auch bei Aufrechtbleiben der Ehe Unterhalt in anderer Höhe, als sie bisher festgesetzt war, gebührt hätte (1 Ob 740/80 = EF 36.436; 1 Ob 522/87 = EF 54.516; 3 Ob 1520/91). Es kommt somit nicht zu einer Versteinerung des zum Scheidungszeitpunkt bestehenden Unterhaltsanspruchs, sondern lediglich zu einer Weitergeltung der Regelungen des § 94 ABGB (3 Ob 197/02w; LG Krems EF 100.946; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 4). Für den Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 2 EheG sind nicht die früheren, sondern die nunmehr gegebenen beiderseitigen Beitragsmöglichkeiten maßgeblich (3 Ob 197/02w); eines Rückgriffs auf die finanzielle Gebarung während der aufrechten ehelichen Gemeinschaft bedarf es nicht (1 Ob 288/98d; 3 Ob 197/02w). Zur Frage, wann geänderte Verhältnisse vorliegen, vgl § 94 ABGB Rz 274 ff. 5. Ausspruch gleichteiligen Verschuldens
Enthält das Scheidungsurteil nach § 55 EheG keinen Ausspruch des alleinigen 22 oder überwiegenden Verschuldens des Scheidungsklägers (Rz 2 f), sondern eines gleichteiligen Verschuldens, so wäre dies zwar an sich nicht vorgesehen 593
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(vgl bei § 61 EheG). Anerkannt ist aber, dass dem Scheidungsbeklagten dennoch auch in einem solchen Fall ein Unterhalt zusteht (LG Feldkirch EF 100.942; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 14), und zwar entweder ein Billigkeitsunterhalt nach § 68 EheG (Schwind 284; Feil/Holeschofsky 26; Zankl/ Schwimann § 69 EheG Rz 14) oder nach § 69 Abs 3 EheG (Pichler, JBl 1981, 284). Seit dem EheRÄG 1999 ist aber auch ein Anspruch nach § 68a EheG denkbar, weil dieser gem § 69b EheG entsprechend anzuwenden ist, wenn die Ehe aus einem der in §§ 50 bis 52, 55 EheG bezeichneten Gründe geschieden worden ist (LG Feldkirch EF 100.942; Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 715; vgl auch Stabentheiner/Rummel § 69b EheG Rz 1).
C. Scheidung nach §§ 50 bis 52, § 55 EheG ohne Schuldausspruch 23 Enthält ein Scheidungsurteil nach § 50 (Geistesstörung), § 51 (Geisteskrankheit), § 52 (ansteckende oder ekelerregende Krankheit) oder § 55 EheG (Auflösung der häuslichen Gemeinschaft) überhaupt (vgl Rz 22) keinen Ausspruch des Verschuldens (auf die Urteilsbegründung kommt es nicht an [vgl § 66 EheG Rz 4; 1 Ob 340/58 = SZ 31/106]) oder wurde eine Ehe nach ausländischem Recht geschieden, welches lediglich eine Scheidung ohne Verschuldensausspruch kennt (8 Ob 280/00k = EF 93.880; 7 Ob 208/04w = EF 108.314; 1 Ob 190/06g = EF-Z 2007/38; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 9; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 20, 21; aA [§ 69 Abs 3 EheG ist auf ausländische Scheidungen nicht anwendbar] 3 Ob 578/54 = EvBl 1956/53), steht gem § 69 Abs 3 EheG ein Billigkeitsunterhalt nach denselben Kriterien wie nach § 68 EheG zu (LGZ Wien EF 111.308). 24 Ein Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 3 EheG steht zwar grundsätzlich nur dem Scheidungsbeklagten gegenüber jenem Ehegatten zu, der die Scheidung verlangt hat (LGZ Wien EF 36.443); dies entspricht der insofern klaren Gesetzesregelung. Bei Scheidung über Klage und Widerklage können jedoch beide Ehegatten Unterhalt begehren, wobei es nicht darauf ankommt, wer als erster geklagt hat (1 Ob 950/54 = SZ 27/326; OLG Wien EF 29.655; Schwind 283; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 8; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 14; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 17); dies gilt auch für den Fall der ausländischen Scheidung ohne Schuldausspruch (1 Ob 190/06g = EF-Z 2007/38). Unterhaltsberechtigt ist in diesen Fällen vielmehr jener Ehegatte, bei dem die Billigkeitsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen (5 Ob 604/84 = SZ 58/192; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 17). Bei Beurteilung des Unterhaltsanspruchs gem § 69 Abs 3 EheG ist gewöhnlich auch nicht zu prüfen, welchem der geschiedenen Ehegatten das alleinige oder überwiegende Verschulden an der Ehezerrüttung anzulasten ist (1 Ob 190/06g = EF-Z 2007/38). 594
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Der Anspruch nach § 69 Abs 3 EheG ist ein gesetzlicher, der endet, sobald die 25 Billigkeitsvoraussetzungen wegfallen (Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 16; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 21); er kann auch rückwirkend geltend gemacht werden. Daran ändert auch nichts, wenn eine vergleichsweise Regelung vorliegt (vgl dazu § 69a EheG Rz 1). Wurde aber im Zug eines gem § 55 EheG anhängigen Scheidungsprozesses, der zu einer Scheidung ohne Verschuldensausspruch geführt hat, ein Unterhaltsvergleich geschlossen, stellt dies eine vertragliche Unterhaltsregelung dar, die nicht den gesetzlichen Unterhalt betrifft (6 Ob 159/61; 8 Ob 2213/96s = EF XXXIV/6); dieser Ansicht ist allerdings nur dann beizupflichten, wenn selbst Billigkeitserwägungen zu keinem Unterhaltsanspruch geführt hätten. Der Anspruch unterliegt der Umstandsklausel (vgl § 94 ABGB Rz 274 ff). Auch wenn der Anspruch nach § 69 Abs 3 EheG nach denselben Kriterien zu- 26 stehen soll wie jener nach § 68 EheG (vgl dazu § 68 EheG Rz 7 ff), so soll doch der Unterhaltsberechtigte hier nicht lediglich auf einen „Beitrag zum Unterhalt“ verwiesen sein (1 Ob 289/47 = JBl 1948, 163 = EF 2522–2524; LGZ Wien EF XXI/14; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 8; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 19). Vielmehr soll ihm ein höherer Unterhalt als nach § 68 EheG zustehen (Deixler-Hübner 92), was auch damit begründbar ist, dass im Anwendungsfall des § 68 EheG auch den Unterhaltsberechtigten ein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, im Fall des § 69 Abs 3 EheG jedoch nicht, und dass der Unterhaltspflichtige aus der Ehe drängt. Dabei soll der Unterhaltsanspruch uU auch bis zum (vollen) angemessenen Unterhalt iS des § 66 EheG reichen können (1 Ob 289/47 = JBl 1948, 163 = EF 2522–2524; 1 Ob 190/06g = EF-Z 2007/38; Schwind 283; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 8; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 13; Koch/KBB § 69 EheG Rz 4), keinesfalls jedoch darüber hinaus (LGZ Wien 8689, 57.278, 69.304; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 13; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 19). Der Differenzierung zwischen § 68 EheG einerseits und § 69 Abs 3 EheG an- 27 dererseits ist beizupflichten, nicht jedoch der möglichen Annäherung des Billigkeitsunterhalts nach § 69 Abs 3 EheG an den (vollen) angemessenen Unterhalt nach § 66 EheG, weil § 66 EheG zumindest überwiegendes Verschulden voraussetzt und der Unterhaltsberechtigte nur in diesem Fall praktisch so alimentiert werden soll wie bei aufrechter Ehe (33%- bzw 40%-Regel). Gerade dieses Verschulden fehlt aber in jenen Fällen, in denen das Gesetz Billigkeitsunterhalt gewährt (§§ 68, 69 Abs 3, § 69a Abs 2 EheG). Darauf weist auch Cl. Hirsch (EF-Z 2009, 204) zutr hin. Der OGH hat in jüngerer Zeit (6 Ob 163/04w; 6 Ob 212/08g) eine Gleichstellung des Unterhaltsanspruchs nach § 69 Abs 3 EheG mit jenem Billigkeitsunterhalt vorgenommen, der bei Unwirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung nach § 55a EheG gem § 69a Abs 2 EheG zusteht; die beiden Anwendungsfälle von Billigkeitsunterhalt seien identisch, weshalb für die Höhe dieser Unter595
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haltsansprüche die Begrenzung auf den notwendigen Unterhalt spreche, für den der Ausgleichszulagenrichtsatz als Maßstab dienen könne (ebenso wohl OLG Linz EF 31.767; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 19). Der Unterhaltsberechtigte braucht sich somit nicht mit dem Unterhaltsexistenzminimum bescheiden, er hat aber auch nur Anspruch auf (höchstens den) notdürftigen Unterhalt, also auf das Existenzminimum nach § 291a EO bzw den Richtsatz für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG. Auch Cl. Hirsch (EF-Z 2009, 204) hat diese jüngere Rsp gebilligt, will sie jedoch auf den Regelfall beschränken; im Ausnahmefall sollte jedoch trotz fehlenden Schuldausspruchs ein Unterhaltsanspruch bis zum (vollen) angemessenen Unterhalt nach § 66 EheG hin möglich sein; sie denkt dabei vor allem an die fehlende Geschäftsfähigkeit eines Ehegatten anlässlich einer einvernehmlichen Scheidung. Auch in diesem Fall kann aber keineswegs unterstellt werden, dass den in Anspruch genommenen anderen Ehegatten das – zumindest überwiegende – Verschulden an der Zerrüttung der Ehe getroffen hätte. Wieso er dann aber zur Zahlung des (vollen) angemessenen Unterhalts nach § 66 EheG verhalten werden sollte, ist nicht recht verständlich. Eine Erklärung dafür bleibt auch der Gesetzgeber des EheRÄG 1999 schuldig, selbst wenn er in den ErläutRV zu § 69a Abs 2 EheG meinte, die Unterhaltsansprüche nach § 69 Abs 3 und § 69a Abs 2 EheG seien ident, wobei „je nach den Umständen des Einzelfalles auch die Höhe des – vollen – angemessenen Unterhalts [erreicht werden könne]“ (vgl Cl. Hirsch, EF-Z 2009, 204). Tatsächlich steht dem betroffenen Ehegatten in einem solchen Fall (oder auch in anderen Fällen, in denen es eben zu keinem Verschuldensausspruch gekommen ist) ein Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 3, § 69a Abs 2 EheG in Höhe des Existenzminimums nach § 291a EO zu oder ein Anspruch nach § 68a EheG, der sich am Bedarf des Unterhaltsberechtigten orientiert und nicht primär an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. 28 Da selbstverständlich auch bei Zuspruch von Billigkeitsunterhalt die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten berücksichtigt werden muss, steht dem Unterhaltsberechtigten das Existenzminimum nicht jedenfalls, sondern nur höchstens zu; ansonsten ließe sich (unter Gegenüberstellung der niedrigeren Ansprüche nach § 68 EheG [10 bis 15%]) ein Anspruch von 20% der Bemessungsgrundlage argumentieren. 29 Nach § 69 Abs 3 EheG ist die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten gegenüber jener sonstiger Verwandter subsidiär (1 Ob 190/06g = EF-Z 2007/ 38 [kein Redaktionsversehen]; Koch/KBB § 69 EheG Rz 4; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 18; aA [Redaktionsversehen] Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 864 FN 112; Deixler-Hübner, ÖJZ 2000, 715; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 8; Hopf/Kathrein § 69 EheG Anm 12). Allerdings unterliegt auch dieser Grundsatz der Subsidiarität dem Vorbehalt der Billigkeit, dh er gilt dann nicht mehr, wenn der Unterhaltspflichtige 596
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über ein derart hohes Einkommen verfügt, das jenes der primär unterhaltspflichtigen Kinder des Unterhaltsberechtigten um ein Vielfaches übersteigt (8 Ob 570/93; 6 Ob 9/01v = EF 97.290; 6 Ob 131/01k = EF 100.962; 6 Ob 163/04w = EF 108.324). Es sind ja die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und jene der primär unterhaltspflichtigen Verwandten wie auch deren jeweiligen Sorgepflichten für die Beurteilung der Frage maßgeblich, ob es der Billigkeit entspricht, den Unterhaltsbetrag ganz oder teilweise dem Unterhaltspflichtigen anzulasten oder ob die ehelichen Kinder für den Unterhalt des Unterhaltsberechtigten ganz oder teilweise aufzukommen haben (6 Ob 9/01v = EF 97.290; 6 Ob 131/01k = EF 100.962). Wird aber der angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen gefährdet (vgl § 67 EheG Rz 2 ff) und gestatten die Verhältnisse der Verwandten eine Unterhaltsleistung, sind diese primär in Anspruch zu nehmen (LGZ Wien EF 34.097; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 18). Bei Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gem § 69 Abs 3 EheG hat 30 grundsätzlich der klagende geschiedene Ehegatte unzureichende Vermögensund Einkommensverhältnisse seiner unterhaltspflichtigen Verwandten als Voraussetzung des Eingreifens der subsidiären Unterhaltspflicht des Prozessgegners zu behaupten und zu beweisen; lediglich im Fall unverhältnismäßiger Schwierigkeiten für den Unterhaltskläger, solche Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, und einer nach den Umständen des Einzelfalls größeren Nähe des Prozessgegners zum Beweis trifft insofern diesen die Behauptungs- und Beweislast (1 Ob 190/06g = EF-Z 2007/38). Eine Vorausklage gegen die Verwandten ist nicht notwendig (LGZ Wien EF 63.519); vielmehr sind die Voraussetzungen einer primären Haftung des Unterhaltspflichtigen im Unterhaltsverfahren gegen ihn selbst zu prüfen.
§ 69a. (1) Der auf Grund einer Vereinbarung nach § 55a Abs. 2 geschuldete Unterhalt ist einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten, soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist. (2) Mangels einer rechtswirksamen Vereinbarung über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten im Fall einer Scheidung im Einvernehmen hat ein Ehegatte dem anderen Unterhalt zu gewähren, soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der nach § 71 unterhaltspflichtigen Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entspricht; § 67 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. [Abs 1 neu gefasst durch EheRÄG 1978; Abs 2 eingefügt durch EheRÄG 1999] Lit: Aicher, Die Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (§ 55 EheG) und ihre unterhaltsrechtlichen Folgen, in Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsre-
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form 1977/1978 (1979), 81; Fenyves, Unterhalts- und vermögensrechtliche Vereinbarungen bei der Auflösung der Ehe aus zivilrechtlicher Sicht, in Ruppe (Hrsg), Handbuch der Familienverträge2 (1985), 831; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Ausgestaltung und Mangelhaftigkeit von Vereinbarungen im Zuge einer einvernehmlichen Scheidung, JBl 1992, 409; Cl. Hirsch, Zur Höhe des nachehelichen Unterhalts in §§ 68, 69 Abs 3 und § 69a Abs 2 EheG, EF-Z 2009, 204; Hoyer, Gesetzlicher Unterhalt nach einverständlicher Scheidung? JBl 1986, 772; Mänhardt, Die Scheidung im Einvernehmen, in Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979), 125; Verschraegen, Die einverständliche Scheidung in rechtsvergleichender Sicht (1991), 449; vgl im Übrigen bei § 66 EheG.
A. Einvernehmliche Scheidung nach § 55a EheG 1. Allgemeines
1 § 69a Abs 1 EheG trägt dem Umstand Rechnung, dass nach einer einvernehmlichen Scheidung gem § 55a EheG grundsätzlich kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zwischen den geschiedenen Gatten besteht (5 Ob 604/84 = SZ 58/ 192; 1 Ob 122/97s = EF 84.651; 6 Ob 113/03s; Purtscheller/Salzmann Rz 176; Pichler/Rummel2 § 69a EheG Rz 1; Zankl/Schwimann § 69a EheG Rz 1). Unterhalt nach § 55a EheG ist nämlich grundsätzlich ein vertraglicher, ansonsten die Fiktion des § 69a Abs 1 EheG überflüssig wäre (3 Ob 115/00h; 6 Ob 113/ 03s; 6 Ob 83/08m). Daher wird der vereinbarte Unterhalt einem gesetzlichen gleichgestellt (Stabentheiner/Rummel § 69a EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 69a EheG Anm 1); er genießt die Privilegien eines gesetzlichen Unterhalts (LG Feldkirch ua EF 100.964). 2 Diese Gleichstellung gilt schlechthin (3 Ob 186/07k; 9 Ob 73/07m; Pichler/ Rummel2 § 69a EheG Rz 2; Stabentheiner/Rummel § 69a EheG Rz 1; Zankl/ Schwimann § 69a EheG Rz 1; vgl auch Verschraegen 483), sodass auf die allgemeinen Regelungen verwiesen werden kann (Koch/KBB § 69a EheG Rz 1; vgl § 66 EheG Rz 2) und die Anspannungstheorie ebenso zu berücksichtigen ist (3 Ob 186/07k = EF 117.468; LG Feldkirch EF 100.974) wie die Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen, in zumutbarer Weise seine Vermögenssubstanz heranzuziehen, oder die Geltung der Umstandsklausel sowie steuerrechtliche Fragen (9 Ob 73/07m); Maßstab ist auch hier der pflichtbewusste Ehegatte (LG Feldkirch EF 100.975; Näheres dazu vgl § 94 ABGB Rz 102 ff). 3 Die getroffene Unterhaltsregelung kann auch in einem Unterhaltsverzicht bestehen (vgl dazu ausführlich § 80 EheG Rz 7 ff). Sie stellt – unter den in Rz 4 genannten Voraussetzungen – keine Schenkung dar (Purtscheller/Salzmann Rz 176; Hopf/Kathrein § 69a EheG Anm 1; Zankl/Schwimann § 69a EheG Rz 1), ist kein Ehepakt und auch nicht unentgeltlich (7 Ob 671/85 = EvBl 1986/106). 598
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Grundvoraussetzung für die Gleichstellung mit einem gesetzlichen Unterhalt 4 ist nach § 69a Abs 1 EheG aber eine Angemessenheitsprüfung. Der vereinbarte Unterhalt muss also den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen sein (6 Ob 83/08m). Diese Frage ist nach § 94 ABGB zu beurteilen. Es ist auf das Unterhaltsniveau während aufrechter Ehe abzustellen (Schwind 286; Stabentheiner/Rummel § 69a EheG Rz 2; Zankl/Schwimann § 69a EheG Rz 2) und nicht etwa zu fragen, in welcher Höhe der Unterhalt nach streitiger Scheidung gerichtlich bemessen würde (Fenyves 856; Zankl/Schwimann § 69a EheG Rz 2). Da aber § 94 ABGB schon an sich erhebliche Wertungsspielräume offen lässt, ist auch bei der Beurteilung der Angemessenheit nach § 69a EheG kein „kleinlicher Maßstab“, sondern eine „großzügige Betrachtungsweise“ angezeigt (5 Ob 527/86 = SZ 60/31; 1 Ob 122/97s = EF 84.651; Schwind 286; Fenyves 856; Stabentheiner/Rummel § 69a EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 69a EheG Anm 1; Zankl/Schwimann § 69a EheG Rz 2). Daher kann als den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen durchaus auch ein Unterhalt von 36% des Familieneinkommens angesehen werden (vgl 1 Ob 122/97s; 6 Ob 113/03s). Wird die Angemessenheitsgrenze allerdings überschritten, liegt (lediglich) ein vertraglicher Unterhalt vor (vgl dazu bei § 80 EheG). Zur Auslegung einer Unterhaltsvereinbarung vgl § 80 EheG Rz 7 ff.
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2. Änderung der Verhältnisse
Bei dem unter den nie restlos vorhersehbaren unterschiedlichsten Lebensver- 6 hältnissen zu erfüllenden Versorgungszweck eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs ist mangels Anhaltspunkts für einen konkreten gegenteiligen Parteiwillen (zum Ausschluss der Umstandsklausel vgl § 94 ABGB Rz 279 ff) jeder betraglichen Festsetzung einer periodisch wiederkehrenden Unterhaltszahlung die stillschweigend vereinbarte Abänderbarkeit iS der Umstandsklausel zu unterstellen (6 Ob 558/92 = EF XXIX/7; 3 Ob 331/99v = EF 93.881; vgl dazu grundsätzlich § 94 ABGB Rz 274 ff). Mangels gesetzlicher Regelung eines Unterhaltsanspruchs bei einvernehmlicher Scheidung hat die Neubemessung im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu erfolgen (zur Auslegung von Unterhaltsvereinbarungen vgl § 80 EheG Rz 7 ff). Ändern sich dabei lediglich die Einkommensverhältnisse der geschiedenen 7 Ehegatten, ist davon auszugehen, dass diese bei Kenntnis dieser Änderung den Unterhalt ebenfalls in der Höhe vereinbart hätten, wie es der aus dem Vergleich hervorgehenden Relation zwischen Einkommen und Unterhalt entspricht (3 Ob 69/91 = EF 66.488; 6 Ob 558/92 = EF XXIX/7; 7 Ob 525/94 = EF 75.598; 3 Ob 2202/96m = EF 81.689; 7 Ob 208/98h = EF 90.405; 3 Ob 113/04w ua = EF 108.316; 9 Ob 28/10y), und zwar auch dann, wenn diese Relation im Vergleich nicht zum Ausdruck kommt (3 Ob 69/91 = EF 66.488; 599
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7 Ob 208/98h = EF 90.405; 3 Ob 115/00h); erkennbar aus dem Scheidungsfolgenvergleich muss die Relation aber schon sein. Wurde daher etwa im Scheidungsfolgenvergleich weniger als der nach der 33%- oder 40%-Regel (vgl § 94 ABGB Rz 182, § 66 EheG Rz 10 ff) zustehende Unterhalt vereinbart, führt eine Einkommenserhöhung auf Seiten des Unterhaltspflichtigen nicht zu einem diesbezüglichen „Nachziehen“, sondern lediglich zu einer Erhöhung des Unterhalts im selben prozentuellen Ausmaß wie die Einkommenserhöhung. Bei der Vertragsauslegung kann den Parteien des Vergleichs nicht unterstellt werden, sie hätten mit der vertraglichen Regelung der Neuberechnung des Unterhalts im Fall der Reduzierung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen auch den Fall der vorsätzlichen „Unterhaltsflucht“ einbezogen, also auch den absichtlich herbeigeführten Mindererwerb; eine solche Auslegung widerspräche der im Unterhaltsrecht heranzuziehenden Maßstabfigur eines familien- und pflichtenbewussten Ehegatten (4 Ob 181/98s; 3 Ob 99/ 07s), der mit einem Ehepartner einen Unterhaltsvergleich schließt, der berechtigterweise erwarten lässt, dass nur eine unverschuldete Reduzierung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zu einer Unterhaltsminderung führen kann (3 Ob 186/07k = EF 117.469). 8 Ändern sich allerdings auch weitere für die Unterhaltsbemessung maßgebliche Umstände – etwa weil der Unterhaltspflichtige nunmehr eine weitere Sorgepflicht hat –, wird bisweilen die Auffassung vertreten, die Vergleichsrelationen sollten für die Neubemessung keine Rolle mehr spielen (vgl 7 Ob 1576/ 93 = EF 71.471; 9 Ob 261/97s ua = EF 83.698; 3 Ob 142/00d = EF 93.886; Hopf/Kathrein § 69a EheG Anm 3; einschränkend 10 Ob 35/04a = EF 108.315 [„Vergleichsrelation tritt in den Hintergrund“]); vielmehr soll mangels anderer eindeutiger Anhaltspunkte die Unterhaltsbemessung so vorzunehmen sein, als ob von den Parteien Regeln für den gesetzlichen Unterhalt berücksichtigt worden wären (7 Ob 525/94 = EF 75.598; 3 Ob 115/00h; iglS auch 1 Ob 123/98i = EF 87.534 [die Neufestsetzung hat nach sämtlichen gesetzlichen Bemessungskriterien zu erfolgen]). 9 Eine derartige Vorgangsweise kann allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn sich dem Scheidungsfolgenvergleich Anhaltspunkte dahin entnehmen lassen, dass die Ehegatten tatsächlich (zumindest annähernd) gesetzlichen Unterhalt iS des § 66 EheG vereinbaren wollten. Ansonsten kommt es darauf an, was redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen nicht bedachten Fall der geänderten Verhältnisse vereinbart hätten (3 Ob 69/91 = EF 66.488; 7 Ob 208/98h = EF 90.405; 3 Ob 115/00h; 9 Ob 28/10y); dies ergibt sich schon allein daraus, dass der Unterhalt nach § 69a Abs 1 EheG an sich ein vertraglicher ist und damit den allgemeinen Vertragsgrundsätzen unterliegt (LG Feldkirch EF 100.964) und außerdem dem Scheidungsfolgenvergleich ja auch nicht zu entnehmen ist, wen das (überwiegende) Verschulden an der Zer600
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rüttung der Ehe getroffen hat. Es ist somit unzulässig, bei der Auslegung eines Scheidungsvergleichs nachträglich auf die §§ 66 ff EheG zurück zu greifen (3 Ob 773/54; 6 Ob 159/61; 8 Ob 2213/96s = EF XXXIV/6); es sind auch keine Billigkeitserwägungen etwa nach § 69 Abs 2 EheG anzustellen (6 Ob 294/68; 2 Ob 565/94 = EF 78.708). Der OGH hat daher erst jüngst (2 Ob 93/06z = EF-Z 2007/39 [Gitschthaler]) zutr darauf hingewiesen, dass es sich selbst dann um einen vertraglichen Unterhaltsanspruch handelt, wenn die Ehegatten im Scheidungsfolgenvergleich Unterhalt nach § 66 EheG vereinbarten; bei Sachverhaltsänderungen richte sich auch ein solcher Unterhaltsanspruch nach den vertraglichen Vereinbarungen. Werden also Detailfragen strittig, geht den allgemeinen (gesetzlichen) Regelungen samt dazu ergangener Rsp die durch Auslegung des Scheidungsfolgenvergleichs zu ermittelnde Parteienabsicht vor (Gitschthaler, EF-Z 2007, 65 [Entscheidungsanmerkung]). Dies muss aber erst recht gelten, wenn die Parteien nicht einmal „Unterhalt nach § 66 EheG“ vereinbarten. Zutr meint daher das LG Wels (15 R 350/05d), Zulässigkeit, Voraussetzung und Ausmaß der Abänderbarkeit richteten sich grundsätzlich nach dem erklärten Willen der Vertragsparteien und mangels eines solchen nach dem nach vertrauenstheoretischen Grundsätzen von den Vertragspartnern anzunehmenden und letztlich bei Vorliegen einer Regelungslücke nach dem hypothetischen Parteiwillen (idS auch LG Salzburg 21 R 398/06k). Wurde im Scheidungsvergleich keine Unterhaltspflicht festgesetzt, hat der 10 Unterhaltsberechtigte aber lediglich für den Fall wesentlich geänderter Verhältnisse, unverschuldeter Not oder Krankheit nicht auf Unterhalt verzichtet, liegt eine Vergleichsrelation von Vorneherein nicht vor, welche beibehalten werden könnte. Entgegen LGZ Wien (EF 97.295) ist in einem solchen Fall aber nicht ein angemessener Unterhalt gem § 66 EheG zuzuerkennen, auch wenn § 69a EheG auf die angemessenen Lebensverhältnisse abstellt. Dies würde dem Grundsatz widersprechen, wonach ein Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG nur zusteht, wenn ein Schuldausspruch nach § 60 EheG vorliegt (vgl § 66 EheG Rz 4 f). Es ist vielmehr nach § 69a Abs 2, § 69 Abs 3 EheG vorzugehen, dh der Unterhaltsberechtigte hat nur einen Anspruch auf die Differenz zwischen dem eigenen Einkommen und dem Existenzminimum nach § 291a EO bzw dem Richtsatz für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG (LG Wels EF 104.949; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 738/2; Hopf/Kathrein § 69a EheG Anm 4; vgl auch 1 Ob 144/57; 2 Ob 99/98t = EF 87.292, 87.293). Näheres vgl dazu Rz 12 ff. Irrte der Unterhaltspflichtige bei Vergleichsabschluss über seine eigene künf- 11 tige Leistungsfähigkeit, lag dies ausschließlich in seiner eigenen Sphäre, wenn er seine prognostizierten Kalkulationsgrundlagen nicht gegenüber dem Unterhaltsberechtigten offengelegt hatte und dieser eine sich nachträglich etwa als trügerisch erwiesene optimistische Erwartung des Unterhaltspflichtigen weder veranlasste noch als solche erkannte oder auch nur teilte (6 Ob 558/92 = EF 601
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XXIX/7). War hingegen dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich unbekannt, dass der Unterhaltsberechtigte im Zeitpunkt des Scheidungsfolgenvergleichs ein Eigeneinkommen erzielte, kann ihm auch nicht der hypothetische Wille unterstellt werden, mit einer Erhöhung des Unterhaltsbeitrags in der Relation zu einer späteren Einkommenssteigerung seinerseits ungeachtet dessen, ob und in welcher Höhe der Unterhaltsberechtigte Eigeneinkünfte erzielen werde, einverstanden gewesen zu sein (7 Ob 208/98h = EF 90.406, 90.407). Irrte umgekehrt der Unterhaltsberechtigte über die für die Unterhaltsvereinbarung maßgeblichen Umstände auf Seiten des Unterhaltspflichtigen, steht der abgeschlossene Vergleich über die Unterhaltsbemessung einer darüber hinausgehenden Erhöhung des Unterhalts für die Vergangenheit nicht entgegen (7 Ob 208/98h = EF 90.407).
B. Fehlen einer rechtswirksamen Vereinbarung 12 Vor dem EheRÄG 1999 war es strittig, aufgrund welcher Bestimmung ein Ehegatte Unterhaltsansprüche haben sollte, wenn eine ursprüngliche Unterhaltsvereinbarung nach § 55a EheG wegen Willensmängeln oder Sittenwidrigkeit „weggefallen“ war. Ein Teil der Rsp (1 Ob 532/85 = EF 48.882; 6 Ob 568/ 94) meinte, ein nach § 69 Abs 3 EheG zu beurteilender und zu bemessender Unterhalt könne nicht gewährt, sondern es könne bei Irreführung lediglich Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden. Die hM (5 Ob 604/84 = JBl 1986, 778 [zust Hoyer]; 3 Ob 550/90; 9 Ob 1504/95 = EF 78.709; 1 Ob 2131/ 96 f = SZ 69/146 = EF 81.684; Ferrari-Hofmann-Wellenhof, JBl 1992, 416; Verschraegen 569; Zankl/Schwimann2 § 69 EheG Rz 21) ging jedoch davon aus, dass eine einvernehmliche Scheidung nach § 55a EheG nicht anders zu werten sei als eine Scheidung aufgrund von Klage und Widerklage iS des § 55 Abs 3 EheG; außerdem dauere nach Auflösung des Ehebands die gegenseitige Beistandspflicht fort; damit stehe aber bei Wegfall der Unterhaltsvereinbarung dem Unterhaltsberechtigten ein Unterhaltsanspruch nach Billigkeit in analoger Anwendung des § 69 Abs 3 EheG zu. § 69a Abs 2 EheG idF des EheRÄG 1999 hat die hM übernommen und insoferne erweitert, als ein Billigkeitsunterhalt nach § 69 Abs 3 EheG (vgl Näheres dazu § 69 EheG Rz 23 ff) – die Formulierung der beiden Bestimmungen ist nahezu ident (vgl 6 Ob 163/04w = EF 108.322) – nicht nur bei erfolgreicher Anfechtung wegen Willensmängeln oder Sittenwidrigkeit, sondern auch dann zusteht, wenn eine Unterhaltsvereinbarung – entgegen § 55a EheG – überhaupt nicht getroffen worden sein sollte (Stabentheiner/Rummel § 69a EheG Rz 3). 13 § 69a Abs 2 EheG ist auch dann anzuwenden, wenn Sittenwidrigkeit des Beharrens auf einem Unterhaltsverzicht anzunehmen ist und der Unterhalts602
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verzicht daher keinen Bestand hat (6 Ob 163/04w = EF 108.322; LG Wels EF 104.949; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 738/2; Hopf/Kathrein § 69a EheG Anm 4). Zur Frage, wann ein Unterhaltsverzicht idS unbeachtlich ist, vgl § 80 EheG Rz 19 f. Soweit von der Rsp dabei als Voraussetzung ua das hypothetische Scheidungsverschulden geprüft wird (3 Ob 229/98t = JBl 2000, 513 [zust F. Bydlinski]; 6 Ob 163/04w = EF 108.322; 7 Ob 98/05w = EF 111.316; aA die L [Ferrari, JBl 2000, 609; Fucik, RZ 2000, 266; Deixler-Hübner, ecolex 2000, 638; Maurer, RZ 2000, 267; Spunda, ecolex 2000, 642; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 738/2; Berka-Böckle, JBl 2004, 235]), erscheint dies nicht nachvollziehbar: § 69a Abs 2 EheG regelt ja seit 1.1.2000 (EheRÄG 1999) gerade jene Fälle, in denen es weder eine Unterhaltsregelung noch einen Ausspruch über die Verschuldensfrage gibt. Diese Rechtsprechungslinie sollte daher aufgegeben werden. Die Rsp, die Notlage des einen Unterhaltsbeitrag ansprechenden Ehegatten sei 14 nicht nur für die Bejahung der Sittenwidrigkeit des Beharrens auf einem vereinbarten Unterhaltsverzicht, sondern auch für die Höhe des allfälligen Unterhaltsanspruchs entscheidend (6 Ob 163/04w), ist dahin zu verstehen, dass mit der Bezahlung des notwendigen Unterhalts (vgl § 80 EheG Rz 20) die Notlage beseitigt wird. Zu mehr kann der Unterhaltspflichtige nicht verhalten werden, weil einem darüber hinausgehenden Unterhaltsbegehren der berechtigte Einwand der Vereinbarung eines Unterhaltsverzichts entgegensteht, der in diesem Bereich nicht mehr als sittenwidrig angesehen werden kann. Damit steht bei Wegfall eines Unterhaltsverzichts infolge Sittenwidrigkeit des Beharrens auf dem Ausschluss der Umstandsklausel grundsätzlich Unterhalt iS des § 69a Abs 2 EheG, höchstens aber in Höhe des Existenzminimums nach § 291a EO bzw des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 ASVG zu (vgl dazu auch Cl. Hirsch, EF-Z 2009, 204). Der OGH ging in der Entscheidung 7 Ob 84/06p iZm einem vor Eheschlie- 15 ßung erklärten Unterhaltsverzicht samt Ausschluss der Umstandsklausel davon aus, dass das Beharren auf diesem Verzicht sittenwidrig sein könne, wenn etwa ohne Berücksichtigung der nachfolgenden Umstände dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage entzogen wäre; ein Verzicht auf Unterhalt auch unter gemeinsam beschlossenen geänderten Verhältnissen (gemeinsame Kinder nach Eheschließung samt Berufsaufgabe des Unterhaltsberechtigten) sei daher bei krass ungleichen Einkommenssituationen der Ehepartner und Existenzgefährdung des Unterhalt Ansprechenden nichtig; es bestehe wegen der geänderten Verhältnisse Anspruch „auf den gesetzlichen Unterhalt“. Diese Auffassung übersieht allerdings, dass sie die Rechtsfolgen einer nichtigen Unterhaltsvereinbarung (gesetzlicher Unterhalt) auf den Fall deren späterer Nichtigkeit infolge Beharrens auf dem Ausschluss der Umstandsklausel (an sich Billigkeitsunterhalt) anwendet.
603
§§ 69b–70 EheG
Gitschthaler
16 Vgl im Übrigen auch, dass im Hinblick auf § 69b EheG dem einvernehmlich geschiedenen Unterhaltsberechtigten bei Wegfall einer rechtswirksamen Unterhaltsvereinbarung auch ein Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG zustehen kann (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 728/2; Koch/KBB § 69b EheG Rz 1; ebenso 6 Ob 163/04w); Anspruchskumulation besteht aber nicht (Zankl/ Schwimann § 69b EheG Rz 3). Dabei kann der Unterhaltspflichtige den Unbilligkeitseinwand trotz einvernehmlicher Scheidung erheben (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 870; Stabentheiner/Rummel § 69b EheG Rz 1; Hopf/ Kathrein § 69b EheG Anm 1). Vgl dazu auch bei § 80 EheG.
§ 69b. § 68a ist entsprechend anzuwenden, wenn die Ehe aus einem der in den §§ 50 bis 52 und 55 bezeichneten Gründe geschieden worden ist oder es im Fall einer Scheidung im Einvernehmen an einer wirksamen Vereinbarung über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten fehlt. [eingefügt durch EheRÄG 1999]
Lit: Vgl bei § 68a EheG.
1 § 69b EheG stellt klar, dass § 68a EheG, der an sich nur für Verschuldensscheidungen eine Sonderregelung enthält, auf alle Scheidungsfälle anzuwenden ist. Diese Regelung führt dazu, dass in den Fällen des § 69 EheG erstmals – unter den Voraussetzungen des § 68a EheG – auch der Scheidungskläger einen Unterhaltsanspruch geltend machen kann (Ferrari 59; Stabentheiner/Rummel § 69b EheG Rz 1; Zankl/Schwimann § 69b EheG Rz 1). Ob die Scheidung nach §§ 50 bis 52 EheG mit oder ohne Schuldausspruch erfolgte, ist an sich belanglos (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 870; Stabentheiner/Rummel § 69b EheG Rz 1); allerdings kann darauf im Rahmen des Unbilligkeitskalküls gem § 68a Abs 3 EheG Bedacht genommen werden (Zankl/Schwimann § 69b EheG Rz 2). Zur Frage der Anwendbarkeit des § 69b EheG auf Scheidungen nach dem 31.12.1999 vgl § 68a EheG Rz 1.
c) Art der Unterhaltsgewährung § 70. (1) Der Unterhalt ist durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Die Rente ist monatlich im voraus zu entrichten. Der Verpflichtete hat Sicherheit zu leisten, wenn die Gefahr besteht, daß er sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen sucht. Die Art der Sicherheitsleistung bestimmt sich nach den Umständen. 604
§ 70 EheG
Geschiedenenunterhalt
(2) Statt der Rente kann der Berechtigte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird. (3) Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Berechtigte im Lauf des Monats stirbt. [Stammfassung] Lit: Thöni, Geldunterhalt und Naturalunterhalt, in Harrer/Zitta (Hrsg) Familie und Recht (1992), 3; vgl im Übrigen bei § 66 EheG.
Während nach § 94 ABGB bei aufrechter Ehe die Alimentierung des Unter- 1 haltsberechtigten sowohl durch Natural- als auch durch Geldunterhaltsleistungen möglich ist (vgl dazu § 94 ABGB Rz 239 ff), ist im Hinblick auf § 70 Abs 1 EheG der gesamte angemessene (Geschiedenen)Unterhalt in Geld zuzusprechen. Diese Vorgangsweise soll der Klärung der Verhältnisse dienen, weil der Unterhaltsberechtigte auf diese Weise gänzlich frei über den ihm zustehenden Unterhaltsbeitrag verfügen kann und nicht genötigt ist, im Fall des Ausbleibens „freiwilliger“ Unterhaltsleistungen erneut eine Unterhaltsklage einbringen zu müssen (6 Ob 700/90 = EF 64.326, 64.353). Zur Frage der rechtzeitigen Überweisung des Geldunterhalts s § 94 ABGB Rz 241. Dies hat aber nichts damit zu tun, dass sich auch der nachehelichen Unterhalt 2 schuldende Unterhaltspflichtige Naturalunterhaltsleistungen unter denselben Voraussetzungen wie im Ehegattenunterhaltsrecht (vgl dazu § 94 ABGB Rz 244 ff) auf den an sich in Geld festgesetzten Unterhalt anrechnen lassen kann (vgl 6 Ob 700/90; 7 Ob 529/93 = EvBl 1993/161 [Anrechnung anteiliger Darlehensrückzahlungen bei Weiterbenützung der vormaligen Ehewohnung durch den Unterhaltsberechtigten und deren Tragung durch den Unterhaltspflichtigen]; 6 Ob 95/99k = EF 90.349 [Krankenweiterversicherung des Unterhaltsberechtigten auf Kosten des Unterhaltspflichtigen]; 3 Ob 306/98s = EF 90.350 [Anrechnung des 20%-igen Behandlungsbeitrags gem § 63 Abs 4 B-KUVG für den Unterhaltsberechtigten bei Tragung durch den Unterhaltspflichtigen]; aA [grundsätzlich keine Anrechnung von Naturalunterhaltsleistungen, außer bei Vereinbarung] LGZ Wien EF 29.630; Purtscheller/Salzmann Rz 270; Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 1; [ausnahmslos in Geld zu leisten] Schwimann2, 163; [Anrechnung nur für die Vergangenheit] LGZ Wien EF 111.317–111.319). Gehen Unterhaltsberechtigter und Unterhaltspflichtiger nach der Scheidung 3 wieder eine Lebensgemeinschaft ein und erfüllt der Unterhaltspflichtige seine Unterhaltspflicht naturaliter, kann ein Geldunterhaltsanspruch exekutiv nicht durchgesetzt werden (3 Ob 7/61; Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 1). Zur
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§ 70 EheG
Gitschthaler
Frage der Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten mit einem Dritten vgl § 75 EheG Rz 5 ff. 4 Nachehelicher Unterhalt ist – entsprechend § 1418 ABGB – mangels sonstiger Vereinbarung monatlich im Voraus zu entrichten, damit der Unterhaltsberechtigte nie an Mangel leide. Die Verpflichtung beginnt mit dem ersten Tag nach Rechtskraft des Schuldausspruchs des Scheidungsurteils (Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 2; vgl auch Schwind/Klang I/12, 886, der allerdings auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils abstellt; vgl dazu ausführlich § 94 ABGB Rz 16 ff). Da – allfälliger – Unterhalt nach § 94 ABGB allerdings bis zum Ende dieses Monats zusteht, ist eine Doppelverpflichtung zu vermeiden; konkret steht für den betreffenden Monat wohl der höhere Betrag zu. 5 Stirbt der Unterhaltsberechtigte während des Monats (§ 70 Abs 3 EheG), tritt ein Verwirkungstatbestand ein (vgl § 74 EheG), geht der Unterhaltsberechtigte eine Lebensgemeinschaft ein (vgl auch § 75 EheG Rz 5 f) oder heiratet er wieder (§ 75 EheG), steht für diesen (ganzen) Monat noch der Unterhalt zu. Weder die Erben noch der Unterhaltsberechtigte selbst sind zur anteilsmäßigen Rückzahlung verpflichtet (vgl 3 Ob 32/67 = 40/45; 6 Ob 549/84; 3 Ob 204/ 99t; Schwind/Klang I/12, 886 FN 1; Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 7). 6 Unterhaltsansprüche können entweder mittels EV nach der EO (vgl bei § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO) oder mittels (Leistungs-, nicht Rechtsgestaltungs- [3 Ob 128/66 = EF III/5])Klage nach § 70 Abs 1 EheG gesichert werden (3 Ob 128/ 66 = EF III/5; Stabentheiner/Rummel § 70 EheG Rz 2). Letztere muss dabei zwar nicht zwingend auf Geld gerichtet sein; vielmehr kann die Sicherheitsleistung etwa auch durch Bestellung von Hypotheken oder Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren erfolgen (Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 3); sie ist aber praktisch bedeutungslos (auch wenn der Gesetzgeber mit 1.1.2010 in § 22 Abs 1 EPG eine völlig idente Regelung für eingetragene Partnerschaften geschaffen hat), weil das österreichische Recht durch die Unterhalts-EV probatere Mittel kennt (Feil/Holeschofsky 39; Pichler/Rummel2 § 70 EheG Rz 2; Stabentheiner/Rummel § 70 EheG Rz 3; Koch/KBB § 70 EheG Rz 3; Zankl/ Schwimann § 70 EheG Rz 3), denen durch § 70 Abs 1 EheG nicht derogiert wurde (3 Ob 128/66 = EF III/5; Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 3). Darüber hinaus kommt die Klage nur bei Anhaltspunkten für einen bösen Willen des Unterhaltspflichtigen zum Tragen (Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 3). Besteht bereits ein Unterhaltstitel, kann der Unterhaltsberechtigte im Übrigen Exekution nach § 291c EO auch wegen erst künftig fällig werdender Unterhaltsraten führen (Dauerbewilligung, Vorratspfändung; Schwimann2, 164). 7 Die in § 70 Abs 2 EheG vorgesehene Kapitalabfindung beendet die Unterhaltspflicht für immer (Hopf/Kathrein § 70 EheG Anm 2), hat aber wenig praktische Bedeutung (vgl aber die Möglichkeit der „Absicherung“ eines Unterhaltsverzichts durch Verbindung mit einer Kapitalabfindung; s § 80 EheG 606
§ 70 EheG
Geschiedenenunterhalt
Rz 21). Im Hinblick auf ihre weitreichende Bedeutung für den Unterhaltsberechtigten darf die (vereinbarte) Kapitalabfindung nicht zur Umgehung unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen missbraucht werden; auf das Vorliegen von Willensmängeln (Zwang, wirtschaftlicher Druck, Drohung mit der Wegnahme der Kinder usw) ist besonders Bedacht zu nehmen, wenn die Kapitalabfindung in keinerlei Relation zur an sich bestehenden Unterhaltspflicht steht. In diesen Fällen ist sie anfechtbar. Die Kapitalabfindung unterliegt nicht der Umstandsklausel (2 Ob 568/50 = 8 SZ 23/244; LGZ Wien EF 66.489; Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 6). Ihre Höhe richtet sich nach Dauer und Umfang der bisherigen Unterhaltsleistungen und hat auf Alter, Lebenserwartung und Bedarf des Unterhaltsberechtigten einerseits sowie auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen andererseits Bedacht zu nehmen (Schwind/Klang I/12, 887; Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 4). Sie kann in Teilbeträgen und Raten geleistet (Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 4) – in diesem Fall endet die Ratenzahlungsverpflichtung auch nicht bei Wiederverheiratung des Unterhaltsberechtigten (6 Ob 584/92 = ÖA 1993, 106; LGZ Wien EF 66.489; Zankl/Schwimann Rz 6) – und vom Unterhaltspflichtigen auch nicht mehr zurückgefordert werden, wenn sich die Dinge anders entwickeln, als die Parteien sich dies bei Vereinbarung vorgestellt haben (Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 6). Wurde die Kapitalabfindung allerdings in Kenntnis des baldigen Wegfalls der Unterhaltspflicht (etwa infolge bevorstehender Verehelichung des Unterhaltsberechtigten) erschlichen, kann die Vereinbarung vom Unterhaltspflichtigen angefochten (Schwind 288; Stabentheiner/Rummel § 70 EheG Rz 3; Hopf/Kathrein § 70 EheG Anm 2; Zankl/ Schwimann § 70 EheG Rz 6) bzw bei gerichtlichem Zuspruch nach § 530 ZPO dagegen vorgegangen werden (Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 6). Eine Kapitalabfindung kann formfrei vereinbart werden (Pichler/Rummel2 9 § 70 EheG Rz 3; Stabentheiner/Rummel § 70 EheG Rz 3), es sei denn, sie ist durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der (geschiedenen) Ehegatten nicht gerechtfertigt (Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 4). In diesem Fall wäre dann von einer notariatsaktspflichtigen Schenkung auszugehen ist (vgl § 80 EheG Rz 4 f), die nach konkursrechtlichen Bestimmungen auch angefochten werden kann (2 Ob 286/52 = SZ 25/178; Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 4). Die Kapitalabfindung kann vom Unterhaltsberechtigten aus wichtigem 10 Grund zwar verlangt, ihm jedoch nicht aufgedrängt werden (Schwind 288; Stabentheiner/Rummel § 70 EheG Rz 3). Ein solcher Grund kann sowohl auf Seiten des Unterhaltspflichtigen (Gefahr der Erschwerung der Rechtsverfolgung infolge Änderung seiner Verhältnisse [etwa Wohnsitzverlegung ins Ausland] oder einmalige Verfügbarkeit von Kapital [etwa aufgrund eines Liegen607
§ 71 EheG
Gitschthaler
schaftsverkaufs oder eines Lottogewinns]; vgl Pichler/Rummel2 § 70 EheG Rz 3; Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 4) als auch auf Seiten des Unterhaltsberechtigten (einmaliger Kapitalbedarf wegen Auswanderung, Gründung einer neuen Existenz oder Hausbau, nicht aber Wiederverheiratung; vgl Schwind/ Klang I/12, 887; Stabentheiner/Rummel § 70 EheG Rz 3; Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 4) gegeben sein. Der Unterhaltspflichtige darf aber nicht unbillig belastet werden, dh es darf seine wirtschaftliche Stellung nicht gefährdet und er darf auch nicht dazu gezwungen werden, zum Zweck der Abfindungsleistung Vermögensteile mit erheblichen Einbußen zu veräußern (Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 4). Würde die an sich zustehende Kapitalabfindung den Unterhaltspflichtigen unbillig belasten, ist nicht eine Herabsetzung der Abfindung anzuordnen, sondern das Abfindungsbegehren zur Gänze abzuweisen (Zankl/Schwimann § 70 EheG Rz 5), allenfalls Ratenzahlung anzuordnen.
§ 71. (1) Der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte haftet vor den Verwandten des Berechtigten. Soweit jedoch der Verpflichtete bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde, haften die Verwandten vor dem geschiedenen Ehegatten. Soweit einem geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten nicht zusteht, haben die Verwandten des Berechtigten nach den allgemeinen Vorschriften über die Unterhaltspflicht den Unterhalt zu gewähren. (2) Die Verwandten haften auch, wenn die Rechtsverfolgung gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. In diesem Falle geht der Anspruch gegen den Ehegatten auf den Verwandten über, der den Unterhalt gewährt hat. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden. [Stammfassung] Lit: Vgl bei § 66 EheG.
1 § 71 EheG drückt den allgemeinen Grundsatz aus, dass der (geschiedene) Ehegatte grundsätzlich vor sonstigen Verwandten des Unterhaltsberechtigten (insb den Kindern, aber auch den Eltern und Großeltern) für den Unterhalt zu haften hat. Dieser Grundsatz wurde durch das EheRÄG 1999 ausdrücklich betont und die Auffassung vertreten, eine Subsidiarität des Anspruchs gegenüber Unterhaltspflichten von Verwandten sei nicht mehr adäquat und zeitgemäß (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 863; vgl auch 6 Ob 9/ 01v). Demgemäß wurde sie auch in § 68 EheG beseitigt. Damit haftet der Unterhaltspflichtige grundsätzlich vor den Verwandten des Unterhaltsbe608
§ 71 EheG
Geschiedenenunterhalt
rechtigten in den Fällen der §§ 66, 68, 68a, 69 Abs 1 und 2, § 69a Abs 1 und § 69b EheG. In § 69 Abs 3 EheG wurde die Subsidiarität belassen und in § 69a Abs 2 EheG 2 sogar (neu) verankert. Diese Vorgangsweise des Gesetzgebers wird von Teilen der L (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 864 FN 112; Deixler-Hübner, Das neue Eherecht 33; dies, ÖJZ 2000, 715; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 717/1; Stabentheiner/Rummel § 69 EheG Rz 8, § 71 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 71 EheG Anm 2; vgl auch Fischer-Czermak, NZ 2001, 256) im Hinblick auf das ausdrückliche Vorhaben der Beseitigung der Subsidiarität als Redaktionsversehen gesehen. Dem hat sich die Rsp (6 Ob 9/01v = EF 97.289; 6 Ob 131/01k = ecolex 2002/247 [krit Wilhelm]; 1 Ob 190/06g = EF-Z 2007/38; ebenso Ferrari 63; Koch/KBB § 69 EheG Rz 4, § 71 EheG Rz 1; Zankl/Schwimann § 69 EheG Rz 18) allerdings nicht angeschlossen und lässt im Anwendungsbereich der § 69 Abs 3, § 69a Abs 2 EheG grundsätzlich (weiterhin) die Verwandten vor dem Unterhaltspflichtigen haften. Auch in jenen Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige an sich vor den Ver- 3 wandten haften würde, können die Verwandten jedoch zum Zug kommen, wenn er unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde (LGZ Wien EF 34.097; Schwind/ Klang I/12, 888; Stabentheiner/Rummel § 71 EheG Rz 3; vgl dazu § 67 EheG Rz 2 f). In einem solchen Fall haften (iS von schulden) die Verwandten – bei Teilgefährdung des Unterhaltspflichtigen nur für den Teilausfall (Stabentheiner/Rummel § 71 EheG Rz 3) – in Erfüllung (allfälliger) eigener Unterhaltspflicht (vgl § 71 Abs 1 Satz 2 EheG). Maßgeblich sind ihre eigenen Lebensverhältnisse (Stabentheiner/Rummel § 71 EheG Rz 3; Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 3), nach denen sich dann die konkrete Unterhaltspflicht richtet. Mehrere Unterhaltspflichtige haften anteilig (Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 3). Kommt später der Unterhaltspflichtige (wieder) zu Einkommen oder Vermö- 4 gen, soll den Verwandten, die tatsächlich geleistet haben, kein Bereicherungsanspruch zustehen, weil sie eine eigene Unterhaltsschuld erfüllt haben (Schwind/Klang I/12, 889; Hopf/Kathrein § 71 EheG Anm 3; Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 1). Dies erscheint aber zumindest fraglich, haben sie doch einen Aufwand getätigt, den an sich ein anderer, nämlich der Unterhaltspflichtige, hätte tätigen müssen (§ 1042 ABGB). Hat der „Unterhaltsberechtigte“ von vorneherein keinen Unterhaltsan- 5 spruch gegen den anderen Ehegatten, etwa weil ihn das Verschulden an der Scheidung trifft, haften seine Verwandten nach § 71 Abs 1 Satz 3 ABGB. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn der Unterhaltsberechtige einen an sich bestehenden Unterhaltsanspruch verwirkt hat (§ 74 EheG) oder sein Anspruch wegen sittlichen Verschuldens (§ 73 EheG) auf den notdürftigen Unterhalt be609
§ 71 EheG
Gitschthaler
schränkt wird; der Anspruch gegenüber den eigenen Verwandten ist somit unabhängig vom sittlichen Lebenswandel des Unterhaltsberechtigten (Schwind/ Klang I/12, 897, 901; Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 4). Gegenüber den Eltern muss der Unterhaltspflichtige sich aber uU die Rsp (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 72, 73) entgegen halten lassen, wonach der Unterhalt eines Kindes auf das notdürftige Ausmaß beschränkt werden kann, wenn es eine Handlung setzt, welche die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigt; dabei kann insb § 768 Z 4 ABGB („beharrliche Führung einer gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart“) einschlägig sein (vgl Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 4; vgl auch § 795 ABGB), desgleichen die Vernachlässigung der Eltern. 6 § 71 Abs 1 Satz 3 ABGB bildet keinen eigenen Unterhaltsanspruchstatbestand gegen die Verwandten, sondern verweist inhaltlich lediglich auf §§ 140 bis 143 ABGB. 7 Ist (lediglich) die Rechtsdurchsetzung gegen den Unterhaltspflichtigen im Inland unmöglich oder sehr erschwert, haften die Verwandten des Unterhaltsberechtigten für den Unterhaltspflichtigen. Durch eigene Leistung tritt Legalzession des Unterhaltsanspruchs auf den leistenden Verwandten ein (§ 71 Abs 2 Satz 1 und 2 EheG), dh die Unterhaltspflicht richtet sich nach den Lebensverhältnissen der (geschiedenen) Ehegatten. Die Verwandten können die legalzedierten Ansprüche gegen den Unterhaltspflichtigen geltend machen, dies allerdings ohne Exekutionsprivilegien (2 Ob 29/55 = SZ 28/33), dh der Anspruch verliert seinen Unterhaltscharakter (Hopf/Kathrein § 71 EheG Anm 4; Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 6). Taucht ein Befriedigungsobjekt auf (also insb Einkommen), gehen die laufenden Unterhaltsansprüche des Unterhaltsberechtigten den legalzedierten Ansprüchen vor (§ 72 Abs 2 Satz 3 EheG; vgl Stabentheiner/Rummel § 71 EheG Rz 5; Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 7). Da es hier nicht um eigene Unterhaltspflichten der Verwandten geht, sondern diese lediglich (zwangsweise) zu Solidarschuldnern des Unterhaltspflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen werden, stehen ihnen alle Einwendungen des Unterhaltspflichtigen gegen den Unterhaltsberechtigten zu. Sie können also auch mangelnde Einkünfte und das Fehlen der Voraussetzungen für eine Anspannung des Unterhaltspflichtigen geltend machen, desgleichen Verwirkungstatbestände (Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 6; idS wohl auch Stabentheiner/Rummel § 71 EheG Rz 4). Voraussetzung für ihre Haftung ist daher immer die Unmöglichkeit (oder Erschwerung) der Rechtsdurchsetzung, nicht aber die Unmöglichkeit einer Unterhaltsfestsetzung. 8 Da es auf die Lebensverhältnisse der Verwandten nicht ankommt, spielen diese erst bei allfälligen exekutiven Maßnahmen des Unterhaltsberechtigten gegen sie eine Rolle (Sicherung des Unterhaltsexistenzminimums; § 292a EO). 610
§ 72 EheG
Geschiedenenunterhalt
Voraussetzung einer Haftung der Verwandten nach Rz 7 sind etwa ein Aus- 9 landsaufenthalt des Unterhaltspflichtigen ohne zurückgelassenes inländisches Vermögen, es sei denn es ist die Exekutionsführung im Ausland nicht aussichtslos (aA [auch bei Vorhandensein einer Rechts- und Vollstreckungshilfe] Schwind/Klang I/12, 889; Pichler/Rummel2 § 71 EheG Rz 3; Stabentheiner/Rummel § 71 EheG Rz 4; Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 5). Insofern kann – infolge ähnlicher Interessenlage – auf die Rsp zu § 4 Z 1 UVG zurückgegriffen werden, können die Verwandten doch nicht schlechter gestellt sein als die Republik Österreich bei der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen. Damit kommt es kumulativ darauf an, ob Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels durch Behördenpraxis im Ausland gesichert und der Aufenthalt des Unterhaltspflichtigen sowie sein Beschäftigungsverhältnis bekannt sind (6 Ob 262/00y = EF 94.075). Weitere Voraussetzungen sind unbekannter oder unsteter Aufenthalt im In- 10 land, fruchtlose, aber auch aussichtlose Exekutionsführung oder ständiger Dienstgeberwechsel des Unterhaltspflichtigen (Stabentheiner/Rummel § 71 EheG Rz 4; Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 5). Sind die Voraussetzungen für eine Anspannung des Unterhaltspflichtigen gegeben, führt letztlich auch sein mangelnder Arbeitswille zur Haftung der Verwandten (idS auch Schwind/Klang I/12, 889; Zankl/Schwimann § 71 EheG Rz 5; krit Stabentheiner/Rummel § 71 EheG Rz 4); dieser hat ja idR eine fruchtlose Exekutionsführung zur Folge.
§ 72. Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung erst von der Zeit an fordern, in der der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. [teilweise aufgehoben durch VfGH BGBl I 2004/52; sonst Stammfassung] Lit: Koziol, Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit und Regreßansprüche des Drittzahlers, JBl 1978, 626; H. Pichler, Die Verjährung von Unterhaltsansprüchen, ÖA 1986, 67; ders, Wie lange noch: „Kein Unterhalt für die Vergangenheit“? JBl 1986, 335; ders, Gedanken zum Unterhalt für die Vergangenheit, ÖA 1988, 68; Reischauer, Unterhalt für die Vergangenheit und materielle Rechtskraft, JBl 2000, 421; vgl im Übrigen bei § 66 EheG.
Im Hinblick auf die Aufhebung des § 72 2. Halbsatz EheG durch den VfGH 1 (vgl Rz 9 ff) weist die Verjährung nachehelichen Unterhalts gegenüber der Verjährung von Kindes- oder Ehegattenunterhalt nur mehr eine Besonderheit auf: Nach nunmehr hA (8 Ob 532/92 = JBl 1992, 705; 8 Ob 584/93 = EF 75.600; 6 Ob 2190/96v = EF 81.697; 6 Ob 217/00 f = EF 93.891; 6 Ob 113/03s; 3 Ob 611
§ 72 EheG
Gitschthaler
78/05z = EF 111.321; 10 Ob 47/07w = EF-Z 2007/131; 8 Ob 151/09b; Purtscheller/Salzmann Rz 188; Hopf/Kathrein § 72 EheG Anm 3; Schwimann2, 164; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 751/3; Stabentheiner/Rummel § 72 EheG Rz 4) muss für ein in die Vergangenheit gerichtetes Unterhaltsbegehren jedenfalls Verzug vorliegen, dh es bedarf regelmäßig einer durch eine außergerichtliche, inhaltlich (betrags- und fälligkeitsmäßig genau [vgl 10 Ob 90/05s; 8 Ob 151/09b) bestimmte Mahnung erfolgten Zahlungsaufforderung an den Unterhaltspflichtigen (aA [Unterhalt kann immer für ein Jahr vor Rechtshängigkeit begehrt werden] 5 Ob 534/90 = EF 63.522; 1 Ob 585/93 = EF 72.379; 1 Ob 570/95 = EF 78.713; 5 Ob 1572/95; Zankl/Schwimann § 72 EheG Rz 6). Verzug ausgelöst wird selbstverständlich auch durch eine Unterhaltsklage (vgl 10 Ob 47/07w = EF-Z 2007/131; 8 Ob 151/09b), doch setzt dies auch deren Zustellung an den Unterhaltspflichtigen voraus (8 Ob 151/ 09b). Allerdings genügt, sofern nicht der Unterhaltsberechtigte einen durch Vereinbarung betrags- und fälligkeitsmäßig genau bestimmten Unterhaltsanspruch geltend macht (vgl 10 Ob 90/05s), auch eine Aufforderung des Unterhaltspflichtigen „zur Auskunftserteilung zum Zweck der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs“ (10 Ob 47/07w = EF-Z 2007/131; 2 Ob 17/10d; 8 Ob 151/09b), wenn der Zeitraum, für den die Rechnungslegung eingeklagt wird, annähernd mit dem Datum des Aufforderungsschreibens des Unterhaltsberechtigten begann (2 Ob 17/10d [ein Abstand von etwa 3 Jahren ist jedenfalls zu lang]). 2 Der Unterhaltsberechtigte hat den eingetretenen Verzug zu behaupten und zu beweisen. Es ist seine Sache, nach einiger Zeit eine Einkommenserhöhung zu vermuten und darüber Auskunft zu verlangen; das muss er zur Vermeidung der Verfristung des § 72 EheG tun (6 Ob 113/03s). Es reicht aber aus, dass der Verzug objektiv vorliegt, dh es kommt nicht auf das Vorliegen eines Umstands an, den der Unterhaltspflichtige zu vertreten hat (Schwind 291; Stabentheiner/ Rummel § 72 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 72 EheG Anm 2; Koch/KBB § 72 EheG Rz 1; aA [subjektiver Verzug ist Voraussetzung] Koziol, JBl 1978, 629 FN 24). 3 Die Schlechterstellung des geschiedenen Unterhaltsberechtigten durch die Notwendigkeit des Inverzugsetzens gegenüber anderen ist verfassungskonform (5 Ob 534/90 = EF 63.522; VfGH G 76/01; Hopf/Kathrein § 72 EheG Anm 1; aA Pichler/Rummel2 § 72 EheG Rz 1) und durchaus damit zu rechtfertigen, dass der (geschiedene) Unterhaltspflichtige idR über die Lebensverhältnisse des Unterhaltsberechtigten nicht informiert ist und es daher dem Unterhaltsberechtigten durchaus zumutbar erscheint, sich um seine unterhaltsrechtlichen Belange selbst zu kümmern; im Übrigen ist § 72 EheG mit dem Wegfall der ehelichen Fürsorgepflicht durch die Scheidung zu erklären (6 Ob 2190/96v = EF 81.697; 3 Ob 78/05z). 612
§ 72 EheG
Geschiedenenunterhalt
Die Befristung des § 72 EheG wiederum hat durchaus auch sachliche Gründe. Der Gesetzgeber will dem Unterhaltspflichtigen relativ rasch Sicherheit verschaffen, dass er nicht mit einer hohen Rückstandsforderung konfrontiert wird. Wenn Kinder bei ihren Unterhaltsforderungen demgegenüber privilegiert sind, weil sie nicht außergerichtlich mahnen und Unterhaltsrückstände für die Vergangenheit fordern können, so kann dies damit erklärt werden, dass es nicht zu Lasten der Kinder gehen soll, wenn ihr gesetzlicher Vertreter bei der Verfolgung der Ansprüche säumig wird. Beim Ehegattenunterhalt wäre der Rechtsverlust hingegen in der Säumigkeit der Partei selbst begründet (6 Ob 83/08m). Unter Bedachtnahme auf § 1480 ABGB iVm § 72 EheG kann der Unterhalts- 4 berechtigte ab dem Zeitpunkt der Mahnung, jedoch höchstens bis zu 3 Jahre vor „Rechtshängigkeit“ rückständigen Unterhalt begehren (vgl Schwimann2, 164; Stabentheiner/Rummel § 72 EheG Rz 4, 6; 8 Ob 626/87 = EF 57.281); „Rechtshängigkeit“ ist dabei iS von Gerichtsanhängigkeit gem § 41 JN zu verstehen (8 Ob 626/87 = EF 57.281; 1 Ob 585/93 = 72.379; 8 Ob 584/ 93 = AnwBl 1994, 710; Schwind/Klang I/12, 893; Schwimann2, 164; Stabentheiner/Rummel § 72 EheG Rz 3; Hopf/Kathrein § 72 EheG Anm 2; Zankl/ Schwimann § 72 EheG Rz 6; aA [Streitanhängigkeit gem § 232 ZPO] 6 Ob 2190/96v = EF 81.697; Schwind 292; Koch/KBB § 72 EheG Rz 1). Ab Rechtshängigkeit wird nicht mehr Unterhalt für die Vergangenheit, sondern laufender Unterhalt begehrt (8 Ob 151/09b). Die 3-Jahresfrist gilt auch dann, wenn der Unterhalt bereits durch Urteil oder 5 Vereinbarung betragsmäßig festgesetzt wurde, der Unterhaltspflichtige seiner Leistungspflicht aber nicht nachkommt; in einem solchen Fall bedarf es der Einmahnung nicht (3 Ob 78/05z = EF 111.322; LGZ Wien EF 48.886; Hopf/ Kathrein § 72 EheG Anm 2). Der Unterhaltsberechtigte kann in diesem Fall sofort Exekution führen. Die in § 72 EheG angeordnete Berechtigung des Unterhaltsberechtigten, statt 6 Unterhalt Schadenersatz verlangen zu können, ist praktisch ohne Relevanz (vgl Zankl/Schwimann § 72 EheG Rz 3). Allerdings kann der Unterhaltsberechtigte nach allgemeinen Grundsätzen Verzugszinsen für rückständigen Unterhalt verlangen (6 Ob 540/94 = RZ 1995/18; Zankl/Schwimann § 72 EheG Rz 3), bei Verschulden an der verspäteten Zahlung etwa auch Kreditzinsen (vgl Zankl/Schwimann § 72 EheG Rz 3). § 72 EheG ist nicht nur auf gesetzliche Unterhaltsansprüche, sondern auch auf 7 vertragliche anzuwenden, die das gesetzliche Schuldverhältnis in Vertragsform fassen und nur unwesentlich ändern (6 Ob 113/03s; 6 Ob 83/08m; Stabentheiner/Rummel § 72 EheG Rz 7; vgl dazu auch bei § 80 EheG), desgleichen aber auch auf Unterhaltsansprüche gem § 69a Abs 1 EheG (6 Ob 113/ 03s) bzw § 69 Abs 2 EheG (6 Ob 545/91 = 66.490; 8 Ob 532/92 = JBl 1992, 613
§ 72 EheG
Gitschthaler
705; Stabentheiner/Rummel § 72 EheG Rz 7), auf die Haftung von Verwandten gem § 71 EheG und deren Rückersatzanspruch (Hopf/Kathrein § 72 EheG Anm 4; Zankl/Schwimann § 72 EheG Rz 1) sowie auf Erhöhungsbegehren (LGZ Wien EF 34.100; Hopf/Kathrein § 72 EheG Anm 4; Zankl/Schwimann § 72 EheG Rz 1) und Rückersatzansprüche des Sozialhilfeträgers (5 Ob 582/78 = JBl 1979, 543; Zankl/Schwimann § 72 EheG Rz 1). Die Anwendbarkeit des § 72 EheG auf ein Begehren auf Erhöhung des nach § 55a EheG vereinbarten Unterhalts wird in Rsp (6 Ob 113/03s; 9 Ob 87/03i; 6 Ob 83/08m) und L (Pichler/Rummel2 § 69a EheG Rz 2; Stabentheiner/ Rummel3 § 69a EheG Rz 1; Zankl/Schwimann3 § 69a EheG Rz 1; Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 749/4, 5) bejaht. Dies gilt aber auch für ein nach einem zunächst abgegebenen Unterhaltsverzicht erstmals gestelltes Begehren auf Unterhalt wegen einer eingetretenen Notlage (6 Ob 83/08m). 8 § 72 EheG ist nicht anzuwenden auf rein vertragliche Unterhaltsansprüche, auf Gläubiger nach § 1042 ABGB (Stabentheiner/Rummel § 72 EheG Rz 7), auf Unterhaltsnachzahlungen nach der Scheidung für den Zeitraum davor (7 Ob 614/92 = EF 69.308; 1 Ob 570/95 = SZ 68/157) und auf einstweiligen Unterhalt, der generell nicht für die Vergangenheit gewährt werden kann (7 Ob 810/81; 2 Ob 608/90 = EF 64.385; 6 Ob 2/97 f = EF 85.427; Stabentheiner/Rummel § 72 EheG Rz 7; Zankl/Schwimann § 72 EheG Rz 2; vgl auch § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Rz 35). 9 Soweit § 72 2. Halbsatz EheG in seiner Stammfassung vorsah, für eine länger als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit könne Unterhalt nur gefordert werden, soweit anzunehmen ist, dass der Unterhaltspflichtige sich der Leistung absichtlich entzogen habe, wurde diese Einschränkung bzw zusätzliche Voraussetzung vom VfGH mit Ablauf des 31.7.2004 als verfassungswidrig aufgehoben (G 76/01 = BGBl I 2004/52). Die Position von Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigtem hänge sehr stark von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb nicht schematisiert werden könne; es sei sachlich nicht gerechtfertigt, gerade geschiedene Unterhaltsberechtigte in den gesetzlichen Regelungen über die Durchsetzbarkeit ihres Unterhaltsanspruchs anders zu behandeln als alle übrigen und sie für die Geltendmachung von Unterhalt aus der Vergangenheit auf ein Jahr ab Rechtshängigkeit zu beschränken, somit die Geltendmachung ihrer Ansprüche ungünstiger zu regeln, als es § 1480 ABGB für alle anderen Unterhaltsberechtigten normiere. Dem ist beizupflichten, weil sich durch die Rsp-Wende zum Unterhalt für die Vergangenheit (vgl 6 Ob 544/87 [verstSenat] = SZ 61/143 = EF XXV/3) die ursprüngliche Besserstellung geschiedener Unterhaltsberechtigter gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten plötzlich in ihr Gegenteil verkehrte, indem § 72 2. Halbsatz EheG neben dem Verzug (vgl Rz 1) noch das absichtliche Entziehen als weitere Voraussetzung verlangte (idS auch Hopf/Kathrein § 72 EheG Anm 1).
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§ 72 EheG
Geschiedenenunterhalt
Eine Übergangsregelung hat der VfGH nicht vorgesehen, wohl aber ausge- 10 sprochen, dass zwar eine Aufhebung unter Fristsetzung an und für sich nicht notwendig wäre, weil § 72 EheG unter Bedachtnahme auf § 1480 ABGB vollziehbar bleibe, die Aufhebung erfolge aber (erst) mit 31.7.2004, um allenfalls Übergangsregelungen zu ermöglichen. Setzt aber der VfGH in einem aufhebenden Erkenntnis eine Frist, hat dies die Wirkung, dass das aufgehobene Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls – für den eine zwingende, nicht auszuschließende Rückwirkung gilt – anzuwenden ist (Art 140 Abs 7 Satz 3 B-VG); in einem solchen Fall ist das „aufgehobene“ Gesetz auf alle Sachverhalte, die sich vor oder nach der Kundmachung bis zum Fristablauf ereignet haben, anzuwenden, sodass die Wirkung der Frist eine Art „negative Legisvakanz“ ist, die der Rechtsklarheit und -sicherheit dient (8 Ob 139/03d). Damit ist aber auf Unterhaltszeiträume vor dem 1.8.2004 § 72 2. Halbsatz 11 EheG weiterhin anzuwenden, wenn diese mehr als 1 Jahr vor Rechtshängigkeit liegen, dh für diese Zeiträume steht – bei rückwirkender Geltendmachung – Unterhalt weiterhin nur zu, wenn dem Unterhaltspflichtigen ein zweckgerichtetes Verhalten (Tun oder Unterlassen) vorgeworfen werden kann, das die zeitnahe Realisierung der Unterhaltsschuld verhindert oder zumindest wesentlich erschwert hat; aktives Hintertreiben ist aber nicht erforderlich (5 Ob 534/90 = EF 63.522; 6 Ob 2190/96v; Stabentheiner/Rummel § 72 EheG Rz 5). Tatbestandsmäßig sind etwa das Verschweigen einer Abfertigung (4 Ob 1515/ 90 = EF 63.523; 8 Ob 542/90 = EF 66.491), einer Jubiläumszuwendung (8 Ob 542/90 = EF 66.492) bzw sonstigen Einkommens (6 Ob 113/03s), aber auch die Verweigerung der Beantwortung der Frage, wie er seinen Anteil am Kauferlös einer Liegenschaft verwendet hat, durch den Unterhaltspflichtigen im Verfahren selbst (6 Ob 180/03v). Den Unterhaltsberechtigten trifft lediglich ein erleichterter Anscheinsbeweis für das absichtliche Entziehen (6 Ob 113/ 03s; vgl auch Stabentheiner/Rummel § 72 EheG Rz 5). Im Hinblick auf die Aufhebung des § 72 2. Halbsatz EheG wird an dieses Erfordernis aber ohnehin kein allzu strenger Maßstab mehr zu stellen sein. Zur allfälligen Verschweigung des Unterhaltsberechtigten durch Untätigblei- 12 ben bei der Geltendmachung des Unterhalts vgl § 94 ABGB Rz 294 ff.
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§ 73 EheG
Gitschthaler
d) Begrenzung und Wegfall des Unterhaltsanspruchs Selbstverschuldete Bedürftigkeit § 73. (1) Ein Unterhaltsberechtigter, der infolge sittlichen Verschuldens bedürftig ist, kann nur den notdürftigen Unterhalt verlangen. (2) Ein Mehrbedarf, der durch grobes Verschulden des Berechtigten herbeigeführt ist, begründet keinen Anspruch auf erhöhten Unterhalt. [Stammfassung] Lit: Hoyer, Betreuung eines Kindes aus einer Beziehung mit einem anderen Mann und Unterhaltsanspruch, EF-Z 2010, 187; Jesser-Huß, Ehegattenunterhalt während aufrechter Ehe und nach der Scheidung, in Deixler-Hübner (Hrsg), Die rechtliche Stellung der Frau (1998), 13; vgl im Übrigen bei § 66 EheG.
1 Während es bei den Verwirkungstatbeständen des § 74 EheG (ausschließlich) um nacheheliches Verhalten (vgl dazu auch § 68a EheG Rz 35) geht – es kommt dabei grundsätzlich auf den Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Scheidungsverfahren an (Stabentheiner/Rummel § 74 EheG Rz 1) –, sind tatbestandsmäßiges „sittliches Verschulden“ iS des § 73 Abs 1 EheG und „Verschulden des Unterhaltsberechtigten“ iS des § 73 Abs 2 EheG nur maßgeblich, wenn sie vor der Ehescheidung gesetzt wurden und ihre Auswirkungen in die Zeit nach der Scheidung hineinreichen (Schwimann2, 166; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 694/6; aA [Verhalten vor oder nach der Scheidung] Stabentheiner/Rummel § 73 EheG Rz 1, § 74 EheG Rz 1; Hopf/ Kathrein § 73 EheG Anm 4; unklar Purtscheller/Salzmann Rz 196; Zankl/ Schwimann § 73 EheG Rz 2). Dies ergibt sich aus einer grammatikalischen Auslegung des § 73 EheG („ist“) und aus einer Gegenüberstellung mit § 74 EheG („sich nach der Scheidung . . . schuldig macht“). Führt daher ein nacheheliches sittliches Verschulden zur Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten, ist diese nicht zu berücksichtigen (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 694/6), Mehrbedarf aufgrund groben Verschuldens steht ohnehin nicht zu. Zur Problematik des Entstehens von Betreuungspflichten des Unterhaltsberechtigten für Kinder mit einem Dritten nach Ehescheidung vgl § 66 EheG Rz 22 ff. 2 Diese Auslegung entspricht wohl auch insofern einer moderneren und „gleichberechtigteren“ Sichtweise der Ehe und ihrer – unterhaltsrechtlichen – Nachwirkungen. Es ist zwar nicht zu bezweifeln, dass etwa bei langjähriger Haushaltsführung und/oder Kinderbetreuung durch den Unterhaltsberechtigten samt dadurch bedingten fehlenden oder geringeren Einkommensmöglichkeiten oder bei (schicksalshaft, weil krankheitsbedingt) eingeschränkten oder fehlenden Erwerbsmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten nacheheliche Unterhaltspflichten im Ehegelöbnis und der darauf begründeten ehelichen Ge616
§ 73 EheG
Geschiedenenunterhalt
meinschaft wurzeln und typische Nachwirkung der Ehe sind (vgl § 66 EheG Rz 1). Es ist jedoch schwer argumentierbar, warum ein bei Scheidung selbsterhaltungsfähiger Ehegatte lange Zeit danach – auch nur notdürftige – Unterhaltsansprüche stellen können soll, wenn er seine Selbsterhaltungsfähigkeit – ohne Zusammenhang mit der Ehe – verliert. Gerade aus § 68a EheG lässt sich nämlich erschließen, dass die Gründe für das Bestehen einer nachehelichen Unterhaltspflicht einen – wenn auch nur losen, jedenfalls aber über das ehemalige Eheband allein hinausgehenden – Zusammenhang mit der früheren Ehe, aus der sich die Unterhaltspflicht ja schließlich ableitet, haben müssen (Spunda, ecolex 2000, 642; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 694/6). Andernfalls verkommt die Ehe ja zu einem reinen Versicherungsvertrag, der es dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten nahezu (lediglich die – „zahnlose“ – Anspannungstheorie und § 74 EheG stellen Beschränkungen auf) gänzlich freistellt, wie er sein nacheheliches Leben gestalten will; er darf nur nicht den Fehler machen, wieder zu heiraten (§ 75 EheG). Jedenfalls muss § 73 EheG dahin verstanden werden, dass er eine verantwor- 3 tungslose Lebensführung des Unterhaltsberechtigten (letztlich zu Lasten des Unterhaltspflichtigen) verhindern soll (vgl Jesser-Huß 23; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 694/6; Zankl/Schwimann § 73 EheG Rz 3). Der Unterhaltsberechtigte hat also Eigenverantwortung wahrzunehmen und kann ein verantwortungsloses Verhalten (unterhaltsrechtlich) nicht auf den Unterhaltspflichtigen abwälzen (vgl auch Spunda, ecolex 2000, 642, der von einer nachehelichen „Schadensminderungspflicht“ spricht; vgl Hoyer, EF-Z 2010, 187). Sittliches Verschulden ist ein vom Standpunkt der Moral (Zankl/Schwimann 4 § 73 EheG Rz 3 [verantwortungslose Lebensführung]) bzw vom Standpunkt der Sittlichkeit (Stabentheiner/Rummel § 73 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 73 EheG Anm 1) zu missbilligendes Verhalten wie Verschwendungs-, Spiel-, Alkohol- und Drogensucht (Stabentheiner/Rummel § 73 EheG Rz 2; Koch/KBB § 73 EheG Rz 1), nicht jedoch Arbeitsscheu oder der Arbeitsplatzverlust wegen begangener Straftaten (aA [wenn sie zum Verlust künftiger Versorgungsansprüche führt] Schwind/Klang I/12, 895; Stabentheiner/Rummel § 73 EheG Rz 2; Koch/KBB § 73 EheG Rz 1) oder „Aussteigen“ (so aber Zankl/ Schwimann § 73 EheG Rz 3; Jesser-Huß 23); diesen Fällen ist vielmehr mit der Anspannungstheorie zu begegnen. Auch das Betreiben von Risikosportarten (Bungeejumping, Rafting, Iceclimbing udgl [Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 694/6]), ungeschützter Geschlechtsverkehr im Risikobereich oder Mehrfachverwendung von Spritzen beim Drogenkonsum (HIV-Infektion; vgl Zankl/Schwimann § 73 EheG Rz 2), erhebliche Streitsucht, die immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit anderen Personen führt, leichtfertige Spekulationen (Schwind 292) und sonstige gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen erheblicheren Ausmaßes (etwa auch starker Nikotinkonsum) können tatbestandsmäßig sein, 617
§ 73 EheG
Gitschthaler
widersprechen sie doch alle einer verantwortungsvollen Lebensführung (vgl Rz 2). 5 Grundvoraussetzung ist zwar im Bereich des § 73 Abs 1 EheG nicht grobes Verschulden, wohl aber Fahrlässigkeit (Stabentheiner/Rummel § 73 EheG Rz 2) – Einlassungsfahrlässigkeit reicht (Koch/KBB § 73 EheG Rz 1) – und außerdem der Umstand, dass das Verhalten des Unterhaltsberechtigten kausal für seine Bedürftigkeit war bzw ist. 6 Der Zuspruch lediglich notdürftigen Unterhalts nach § 73 Abs 1 EheG kann grundsätzlich bei sämtlichen Unterhaltsansprüchen (§§ 66–69b EheG) in Betracht kommen und liegt in Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG bzw des Existenzminimums nach § 291a EO unter Außerachtlassung der Steigerungsbeträge (2 Ob 99/98t; 6 Ob 83/08m; Purtscheller/ Salzmann Rz 194; Hopf/Kathrein § 73 EheG Anm 2; Zankl/Schwimann § 73 EheG Rz 4). 7 Grobes Verschulden iS des § 73 Abs 2 EheG (vorsätzlich oder grob fahrlässig, nicht zwingend unsittlich [Stabentheiner/Rummel § 73 EheG Rz 3]) ändert im Gegensatz zu § 73 Abs 1 EheG nichts am Grund des Unterhaltsanspruchs, dem Unterhaltsberechtigten steht jedoch kein Anspruch auf einen Mehrbedarf an Sonderausgaben (vgl dazu § 94 ABGB Rz 8 ff) zu (LGZ Wien EF 90.409; Stabentheiner/Rummel § 73 EheG Rz 3; krit Schwind/Klang I/12, 897). Derartiger Mehrbedarf wären etwa Kosten für ärztliche Leistungen, Medikamente, Pflegeleistungen, Krankhaus- und Kuraufenthalte (LGZ Wien EF 90.409; Hopf/Kathrein § 73 EheG Anm 3; Zankl/Schwimann § 73 EheG Rz 6). 8 Ein Anwendungsfall des § 73 Abs 2 EheG wäre etwa, wenn der Unterhaltspflichtige in alkoholisiertem Zustand einen Verkehrs- oder Arbeitsunfall verursacht, der zu seiner Erwerbsunfähigkeit führt (Hopf/Kathrein § 73 EheG Anm 3; Stabentheiner/Rummel § 73 EheG Rz 3), oder unsachgemäß mit einer Waffe hantiert und dabei schwer und dauerhaft verletzt wird (Zankl/Schwimann § 73 EheG Rz 6). Kein Anwendungsfall soll hingegen sein, wenn sich der Unterhaltsberechtigte seinen Pensionsanspruch durch eine einmalige Zahlung abfinden lässt und daher in weiterer Folge nur mehr die Mindestpension erreicht (LGZ Wien EF 48.887; Hopf/Kathrein § 73 EheG Anm 3; Zankl/Schwimann § 73 EheG Rz 6). Dies erscheint aber fraglich: Warum soll der Unterhaltspflichtige dadurch belastet werden, dass der Unterhaltsberechtigte – vorsätzlich – seine eigene Einkommenssituation verschlechtert; verringert sich daher mit Pensionsantritt des Unterhaltsberechtigten sein Eigeneinkommen, ist dies kein Grund für eine Unterhaltserhöhung (idS auch 9 Ob 60/03v).
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§ 74 EheG
Geschiedenenunterhalt
Verwirkung § 74. Der Berechtigte verwirkt den Unterhaltsanspruch, wenn er sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Verpflichteten schuldig macht oder gegen dessen Willen einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt. [Stammfassung]
Lit: Lüdtke, Verwirkung des Unterhaltsanspruches der geschiedenen Ehefrau durch „wilde Ehe“, MDR 1954, 587; Lukasser, Zum „ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel“ iS des § 74 EheG, ÖJZ 2000, 301; vgl im Übrigen bei § 66 EheG.
Zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen von (geschiedenen) Ehegatten vgl 1 zunächst ausführlich § 94 ABGB Rz 310 ff. Allerdings greift nicht jeder Missbrauchstatbestand, der nach § 94 Abs 2 ABGB ehelichen Unterhalt ausschließen würde, auch bei nachehelichem Unterhalt (Hopf/Kathrein § 66 EheG Anm 4; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 5). Durch die Scheidung ist ja etwa die Treuepflicht weggefallen (1 Ob 521/83 = EF 43.707; LG Wels EF 108.325; vgl dazu auch § 68a EheG Rz 35), desgleichen das Gebot der anständigen Begegnung (3 Ob 245/05h; LG Wels EF 108.325; Stabentheiner/Rummel § 74 EheG Rz 2). Vielmehr soll die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nur die Folge eines be- 2 sonders gravierenden Verhaltens des Unterhaltsberechtigten sein, durch das er sich der Unterstützung des Unterhaltspflichtigen unwürdig gemacht hat (6 Ob 264/69 = EvBl 1970/126; 2 Ob 516/76; 1 Ob 728/85; 1 Ob 303/00s = EvBl 2001/109; Deixler-Hübner Rz 162; Stabentheiner/Rummel § 74 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 74 EheG Anm 5, 8; Zankl/Schwimann § 74 EheG Rz 7). Dabei ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände zu prüfen, ob die Verfehlung so schwer wiegt, dass dem Unterhaltspflichtigen die Unterhaltsleistung für alle Zukunft nicht mehr zumutbar ist (2 Ob 457/49 = SZ 22/160; 6 Ob 549/84 = EF 46.324; 2 Ob 554/88 = EF 57.284; 2 Ob 578/95 = SZ 68/243; 3 Ob 245/05h). Geprüft werden soll außerdem, ob dem Unterhaltspflichtigen trotz der Verfehlung die Unterhaltsleistung eher zuzumuten ist als dem Berechtigten der dauernde Verlust des Anspruchs (LG Wels EF 108.326; LGZ Wien 42 R 498/05d). Umstände, die bereits im Scheidungsverfahren einer Bewertung unterwor- 3 fen worden sind, können nicht nachträglich als Rechtsmissbrauch geltend gemacht werden (6 Ob 504/89 = EF 60.325). Hat hingegen der Unterhaltsberechtigte während aufrechter Ehe seinen Unterhaltsanspruch gem § 94 Abs 3 ABGB verwirkt, hindert dies – bei zumindest überwiegendem Schuldausspruch zu Lasten des Unterhaltspflichtigen – nicht die Festsetzung nacheheli619
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Gitschthaler
chen Unterhalts (5 Ob 644/83 = EF 43.708; 2 Ob 554/88 = EF 57.248; Hopf/ Kathrein § 66 EheG Anm 4). 4 § 74 EheG ist auch auf vergleichsweise geregelte Unterhaltsansprüche anwendbar (1 Ob 216/61 = EvBl 1961/338; Hopf/Kathrein § 74 EheG Anm 1). 5 Das Verhalten nach § 74 1. Fall EheG muss gravierender sein als eine schwere Verfehlung iS des § 49 EheG (1 Ob 469/61 = EvBl 1962/136; 3 Ob 7/77 = EF 29.657; 2 Ob 578/95 = SZ 68/243; Stabentheiner/Rummel § 74 EheG Rz 2; Zankl/Schwimann § 74 EheG Rz 7), auch wenn weder ein Verbrechen oder Vergehen im strafrechtlichen Sinn vorliegen noch die Intensität eines Enterbungs- bzw Erbunwürdigkeitsgrundes erreicht sein muss (2 Ob 578/95 = SZ 68/243; 3 Ob 245/05h). 6 Die schwere Verfehlung kann einerseits in einem Verstoß gegen die nacheheliche Bindung (Verbreitung etwa aus der Ehe herrührendes Wissens über persönliche Umstände [3 Ob 7/77 = EF 29.661; vgl ausführlich § 94 ABGB Rz 328), andererseits aber auch in der Verletzung an sich geschützter Rechtsgüter des anderen (etwa Gesundheit, Vermögen, Ehre) liegen (Stabentheiner/ Rummel § 74 EheG Rz 2). Von den zu § 94 Abs 2 ABGB entwickelten Fallgruppen (vgl § 94 ABGB Rz 320 ff) sind daher – bei entsprechender Schwere der Verfehlung einerseits und der Auswirkung auf die Interessensphäre des Unterhaltspflichtigen andererseits – Verfehlungen gegen die wirtschaftliche Sphäre des Unterhaltspflichtigen (§ 94 ABGB Rz 326 f) sowie Beleidigungen, Beschimpfungen und Tätlichkeiten (§ 94 ABGB Rz 329) einschlägig, darüber hinaus die konsequente und nachhaltige Unterbindung des Kontakts des Unterhaltspflichtigen zu seinen leiblichen Kindern bzw deren Ermordung und ähnlich schwere Straftaten (§ 94 ABGB Rz 325). Gelegentliche Beleidigungen oder bloße (negative) Beeinflussung der Kinder sind jedoch nicht tatbestandsmäßig (Schwimann/Kolmasch 206). 7 § 74 2. Fall EheG setzt einen anstößigen und den allgemeinen Moralbegriffen widersprechenden Lebenswandel des Unterhaltsberechtigten voraus (1 Ob 699/47 = JBl 1948, 187; 1 Ob 300/53; 2 Ob 345/67 = EF 10.382/3; 1 Ob 60/73; 3 Ob 38/77). Es ist aber nicht jedes Verhalten, das gegen die allgemeinen Moralbegriffe verstößt, ausreichend; der Unterhaltspflichtige muss vielmehr selbst bei Zubilligung einer großzügigen Einstellung geradezu in Verruf gebracht worden sein (2 Ob 516/76; 3 Ob 38/77; Zankl/Schwimann § 74 EheG Rz 13 [„Beschmutzung des Namens“]). 8 Da sich im Lebenswandel eine Grundhaltung ausdrückt, die durch äußerliches, idR fortgesetztes Verhalten manifestiert wird, muss ein tatbestandsmäßiges Gebaren somit entweder von einer gewissen Dauer sein und in der Lebensführung Ausdruck gefunden haben oder in einer Handlung hervortreten, die wegen ihrer besonderen Art den Schluss zulässt, dass der Unterhaltsberech620
§ 74 EheG
Geschiedenenunterhalt
tigte sich einem ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel ergeben hat. Jedenfalls kann von einem „Lebenswandel“ nur dann gesprochen werden, wenn aus dem bisherigen Verhalten der Hang zu gleichartigem Verhalten oder aus einer Einzelhandlung (etwa einer Straftat, insb einer gewerbs- oder gewohnheitsmäßigen Straftat) ein Rückschluss auf eine ehrlose Gesinnung möglich ist (6 Ob 264/69 = EvBl 1970/126). Bei der sittlichen Bewertung des Verhaltens ist kein allzu strenger Maßstab anzulegen (2 Ob 516/76; 3 Ob 38/77 = EF 29.659; 2 Ob 578/95 = SZ 68/ 243), im Einzelfall kann auch eine vorangehende Abmahnung des Unterhaltsberechtigten durch den Unterhaltspflichtigen erforderlich sein. In der L (Lukasser, ÖJZ 2000, 303; Stabentheiner/Rummel § 74 EheG Rz 3; 9 Koch/KBB § 74 EheG Rz 3) wird § 74 2. Fall EheG bisweilen als anachronistisch und gegen Art 8 EMRK verstoßend angesehen. Vielleicht weniger das Beispiel der Prostitution (vgl 1 Ob 699/47 = JBl 1948, 187; Schwind 295; Stabentheiner/Rummel § 74 EheG Rz 3), vor allem aber jene der Zuhälterei (Schwind 295; Stabentheiner/Rummel § 74 EheG Rz 3; Zankl/Schwimann § 74 EheG Rz 14), des Bezugs von kinderpornografischen Material oder des Drogenhandels (Schwimann/Kolmasch 174) zeigen jedoch seine aktuelle Bedeutung. Derartige Verhaltensweisen des Unterhaltsberechtigten machen seine weitere nacheheliche Alimentierung durch den Unterhaltspflichtigen unzumutbar. Sie können aber nicht als schwere Verfehlungen nach § 74 1. Fall EheG behandelt werden, weil sie sich ja nicht „gegen den Unterhaltspflichtigen“ richten (vgl dazu Zankl/Schwimann § 74 EheG Rz 16); im Übrigen wurde auch die früher in § 65 EheG vorgesehene Möglichkeit, dem Ehegatten den Namen zu entziehen, durch das NamRÄG beseitigt (vgl auch Zankl/ Schwimann § 74 EheG Rz 3). Im Übrigen kann auch nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, dass der Gesetzgeber in § 23 Abs 2 EPG mit 1.1.2010 eine inhaltsgleiche Norm für eingetragene Partnerschaften geschaffen hat. Nicht übersehen werden darf hingegen, dass sich doch die Moralvorstellungen der Gesellschaft gewandelt haben. Deshalb lässt sich heute etwa Alkohol- und Drogenkonsum oder Spielleidenschaft nicht mehr unter § 74 2. Fall EheG subsumieren (anders noch Schwind 295; vgl aber auch Hopf/Kathrein § 74 EheG Anm 8; Zankl/Schwimann § 74 EheG Rz 14), ebenso wenig ein ehebrecherisches Verhältnis des Unterhaltsberechtigten (anders offensichtlich noch Zankl/Schwimann § 74 EheG Rz 14, vgl aber Rz 15). Bisweilen (Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 65) wird als eigener Tatbestand 10 das Schikaneverbot erwähnt, also etwa der Unterhaltsberechtigte begibt sich nicht in medizinische Behandlung, um infolge seines schlechten Gesundheitszustands die Anwendbarkeit der Anspannungstheorie auszuschließen. Dabei wird es sich idR aber ohnehin um eine schwere Verfehlung des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltspflichtigen iS des § 74 1. Fall EheG handeln; vgl im Übrigen zur „Behandlungspflicht“ § 94 ABGB Rz 101. 621
§ 74 EheG
Gitschthaler
11 Beiden Fällen des § 74 EheG ist gemein, dass der Unterhaltsberechtigte schuldhaft gehandelt haben muss. Ein Verhalten, das seine Ursache in einer psychischen Krankheit oder geistigen Störung (6 Ob 116/67 = EvBl 1968/ 299) oder in einem seelischen Ausnahmezustand (6 Ob 549/84 = EF 46.324) des Unterhaltsberechtigten zum Zeitpunkt seines Handelns hat, kann daher nicht maßgeblich sein (Stabentheiner/Rummel § 74 EheG Rz 1). Es kommt demnach darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte zur Zeit der Begehung in seiner freien Willensbildung und Fähigkeit zu rechtmäßigem Verhalten in einem solchen Maß eingeschränkt war, dass bei aufrechter Ehe iS des § 50 EheG ein Verschulden ausgeschlossen wäre. Maßgeblich ist allerdings nicht, ob er geistesschwach oder geisteskrank ist, sondern es genügt bereits, wenn sein Verhalten seine Wurzel in einem krankhaften Zustand gehabt hat, der die freie Willensbildung oder die moralische Widerstandskraft zu untergraben geeignet war (6 Ob 116/67 = EvBl 1968/299; 6 Ob 549/84 = EF 46.324; 3 Ob 20/05w = EF 111.329). Regelmäßig fallen unter „geistige Störungen“ geistig-seelische Anomalien, Formen von Psychopathien, Psychoneurose, Zwangsneurose, Hysterie oder unwiderstehliche Drogen- oder Alkoholsucht, psychopathische Zustände, Zwangshandlungen udgl, die alle gemeinsam haben, dass sie zwar die moralische Kraft des Betroffenen in einer seine freie Willensbildung erheblich beeinträchtigenden Weise herabsetzen, aber sein sonstiges Geistes- und Seelenleben nicht so beeinflussen, dass etwa die geistige Gemeinschaft zwischen ihm und dem anderen Ehegatten iS des § 51 EheG aufgehoben werden würde (LG Wels EF 108.327). 12 Eine Haftung des Unterhaltsberechtigten für das Verhalten eines anderen als eigene schwere Verfehlung kommt nur unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung oder der mitwirkenden Billigung in Betracht (7 Ob 699/83 = EF 46.326). Denkbar wäre diese Konstellation etwa, wenn nicht die unterhaltsberechtigte Mutter, sondern die bei ihr lebenden Kinder einschlägige Verhaltensweisen setzen. 13 Es ist auch das Verhalten des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen (2 Ob 299/57 = EvBl 1957/295; 1 Ob 469/61; 2 Ob 554/88 = EF 57.284); an sich zulässige (Hopf/Kathrein § 74 EheG Anm 4; Koch/KBB § 74 EheG Rz 2) Reaktionshandlungen, die aber das Maß des Zulässigen überschreiten, sind nur dann zu entschuldigen, wenn es sich beim Unterhaltsberechtigten etwa um einen Psychopathen oder Hysteriker handelt (3 Ob 602/56); vgl auch § 94 ABGB Rz 319. 14 § 74 EheG stellt nicht auf die Gesinnung, sondern auf das tatsächliche Verhalten des Unterhaltsberechtigten ab (3 Ob 512/54); darüber hinaus muss es sich um ein Verhalten nach der Scheidung handeln (vgl § 73 EheG Rz 1).
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§ 75 EheG
Geschiedenenunterhalt
Die Verwirkung ist einrede- oder klagsweise geltend zu machen (4 Ob 593/ 15 70 = EF 14.000) und tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem ihre Voraussetzungen gegeben sind; ab diesem Zeitpunkt können Unterhaltsansprüche für die Zukunft nicht mehr geltend gemacht werden (6 Ob 549/84 = EF 46.325; 4 Ob 593/70 = SZ 43/196). Im Hinblick auf § 70 Abs 3 EheG ist die für den konkreten Monat fällige Unterhaltsrate aber noch zu leisten. Die Beweislast für das Verhalten des Unterhaltsberechtigten und auch für dessen Verschulden daran trifft den Unterhaltspflichtigen (4 Ob 593/70 = SZ 43/196; 7 Ob 699/83 = EF 46.326; 6 Ob 549/84).
Wiederverheiratung des Berechtigten § 75. Die Unterhaltspflicht erlischt mit der Wiederverheiratung oder Begründung einer eingetragenen Partnerschaft des Berechtigten. [neu gefasst durch EPG] Lit: Apathy, Schadenersatz wegen entgangenen Unterhalts und Wiederverheiratung, JBl 1983, 397; Beclin, Sind nicht verheiratete Eltern einander zu Unterhalt verpflichtet? EF-Z 2006, 10; Binder, Die Problematik der Geschiedenen-Pensionsregelung, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 669; Deixler-Hübner, Probleme der Leistungsabgeltung im Zusammenhang mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 201; GimpelHinteregger, Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 633; Klaar, Rechtsfragen nichtehelicher Lebensgemeinschaft, AnwBl 1989 (Sondernummer zu Heft 7), 18; Lammer, Zum „Ruhen“ des Unterhaltsanspruchs bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 53; Memmer, Eheähnliche Lebensgemeinschaften und Reproduktionsmedizin, JBl 1993, 297; Meissel, Zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, EF-Z 2007, 209; ders, Unterhaltsansprüche aus Lebensgemeinschaft, EF-Z 2008, 13; Meissel/Preslmayr, Die Abgeltung von Leistungen in der Lebensgemeinschaft, in Harrer/ Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 515; Mell, Lebensgemeinschaft und Familienrecht in Österreich, Demelius-FS (1973), 155; Piegler, Die „wilde Ehe“ im österreichischen Zivilrecht, FamRZ 1955, 243; Rummel, Ehe, Familie, Lebensgemeinschaft – Rechtsdogmatisches und Rechtspolitisches (Vortragsbericht), ÖJZ 1991, 60; Schneider, Die rechtliche Stellung der Lebensgefährten, ÖJZ 1965, 174; Stabentheiner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – ein Überblick, NZ 1995, 49; Verschraegen, „Samenleven Buiten Huwelijk“, „Cohabitation“ oder die „nichteheliche Lebensgemeinschaft“ in niederländischer, englischer und österreichischer Theorie und Praxis, ZfRV 1983, 85; dies, Die einverständliche Scheidung in rechtsvergleichender Sicht (1991), 482; Wischounig, Die Reform des österreichischen Geschiedenenunterhaltsrechts – rechtsvergleichend angereicherte kritische Bemerkungen, ÖA 1999, 109. Vgl im Übrigen bei § 74 und § 66 EheG.
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§ 75 EheG
Gitschthaler
A. Wiederheiratung des Unterhaltsberechtigten bzw Eingehen einer eingetragenen Partnerschaft 1 Nach § 75 EheG erlischt ein nachehelicher (auch rein vertraglicher [3 Ob 509/79 = EF 34.102; LGZ Wien EF 41.342; Zankl/Schwimann § 75 EheG Rz 2]) Unterhaltsanspruch bei (staatlicher oder in Österreich anerkannter ausländischer) Wiederverheiratung des Unterhaltsberechtigten mit Ablauf des Monats der Eheschließung (3 Ob 32/67 = SZ 40/45) idR endgültig. Durch § 75 EheG idF EPG sowie durch § 23 Abs 1 EPG ist klargestellt, dass der Unterhaltsberechtigte einerseits seinen nachehelichen Unterhaltsanspruch jedenfalls dann verliert, wenn er wieder heiratet oder eine eingetragene Partnerschaft begründet, und anderseits diese Rechtsfolgen auch dann eintreten, wenn er über einen nachpartnerschaftlichen Unterhaltsanspruch verfügt. 2 Dies gilt nur dann nicht, wenn diese Ehe in weiterer Folge für nichtig erklärt wird (Hopf/Kathrein § 75 EheG Anm 2; vgl §§ 21–25 EheG) und der gutgläubige Ehegatte die Erklärung gem § 31 Abs 2 EheG abgibt, „es bei den Folgen der Nichtigkeit bewenden lassen zu wollen“ (vgl Deixler-Hübner Rz 93; Zankl/Schwimann § 75 EheG Rz 6). Damit kann sich in einem solchen Fall der gutgläubige (nichtig) wiederverheiratete Unterhaltsberechtigte aussuchen, ob er den Ehegatte aus erster (geschiedener) oder aus zweiter (nichtiger) Ehe in Anspruch nehmen will (Zankl/Schwimann § 75 EheG Rz 6). Eine dem § 31 Abs 2 EheG entsprechende Bestimmung findet sich für eingetragene Partnerschaften in § 42 Abs 3 EPG. Zu einem Wiederaufleben der Unterhaltspflicht des (bisher) unterhaltspflichtigen Ehegatten kommt es jedoch auch im Fall der Scheidung oder Aufhebung der neuen Ehe bzw der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft oder des Todes des neuen Ehegatten bzw eingetragenen Partners nicht (Schwind 296; Purtscheller/Salzmann Rz 204; Stabentheiner/Rummel § 75 EheG Rz 1). 3 Auch wenn dies als Folge eines vom Gesetzgeber typischerweise angenommenen Fortfalls des Unterhaltsbedarfs auf Seiten des Unterhaltsberechtigten, nicht aber als ein Entfall seiner Unterhaltswürdigkeit angesehen wird (6 Ob 630/81 = RZ 1982/3), erlischt die Unterhaltspflicht unabhängig davon, ob dem Unterhaltsberechtigten in der neuen Ehe ausreichend Unterhalt geleistet oder ob er auch gar nicht versorgt wird (1 Ob 17/54 = SZ 27/134; LGZ Wien EF 46.304; Purtscheller/Salzmann Rz 205). 4 § 75 EheG ist dispositiv, kann also im Rahmen einer Vereinbarung abbedungen werden. Dies verstößt nicht gegen die guten Sitten (3 Ob 509/79 = EF 34.102; Feil/Holeschofsky 59; Stabentheiner/Rummel § 75 EheG Rz 1; Zankl/Schwimann § 75 EheG Rz 3).
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§ 75 EheG
Geschiedenenunterhalt
B. Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten mit einem Dritten Geht der Unterhaltsberechtigte mit einem Dritten eine Lebensgemeinschaft 5 ein (zu deren Voraussetzungen vgl Lebensgemeinschaft – Allgemeines Rz 10 ff), kommt es nicht zum endgültigen Verlust der Unterhaltsansprüche (10 ObS 53/90; 3 Ob 115/90 = JBl 1991, 589). Das Eingehen einer Lebensgemeinschaft ist nämlich grundsätzlich nicht sittenwidrig (6 Ob 630/81 = EF 38.842; aA 1 Ob 17/54 = SZ 27/134; vgl auch Rz 6), sie kann auch nicht (analog) zur Wiederverheiratung (3 Ob 61/88 = EF 57.264; 3 Ob 76/95 = EF 81.692) oder Begründung einer eingetragenen Partnerschaft behandelt werden und sie führt schließlich auch nicht zur Verwirkung gem § 74 EheG (3 Ob 61/ 88 = EF 57.264; 10 ObS 244/98z = EF 87.525; 3 Ob 209/99b = RZ 2001/5; 4 Ob 204/02g = EF 100.978 [trotz Annahme von Unterhalt durch den Unterhaltsberechtigten]). Dies gilt selbst dann, wenn die Lebensgemeinschaft ehebrecherisch ist (1 Ob 699/47 = JBl 1948, 187; 1 Ob 521/83 = EF 43.748; Schwind 294; Stabentheiner/Rummel § 75 EheG § 74 EheG Rz 3), weshalb es sich nicht um eine rechtlich mögliche Lebensgemeinschaft handeln muss, die ja nicht gegeben wäre, wenn der Dritte noch verheiratet ist (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 784/2). Nach derzeit hRsp (3 Ob 115/90 = JBl 1991, 589; 7 Ob 237/99z = EF 90.375; 6 3 Ob 209/99b = RZ 2001/5) ruhen sowohl gesetzliche als auch vertragliche (anderslautende Vereinbarung ausgenommen [vgl Rz 4]) Unterhaltsansprüche ab dem dem Beginn der Lebensgemeinschaft folgenden Monatsersten (vgl § 70 EheG Rz 5) bis zur Einforderung (Einmahnung) von Unterhalt durch den Unterhaltsberechtigten nach ihrer Beendigung. Beendigung muss dabei nicht eine völlige Trennung, sondern die Reduzierung auf ein Maß sein, das die Kriterien einer Lebensgemeinschaft nicht mehr erfüllt (Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 64). Dieses Ruhen wird damit begründet, dass ein in Lebensgemeinschaft lebender Geschiedener nicht besser gestellt sein dürfe als ein Wiederverheirateter, dessen Unterhaltsanspruch nach § 75 EheG ja erlischt (10 ObS 244/98z = EF 87.525; 10 ObS 301/98g; 3 Ob 204/99t = JBl 2000, 530 [unter ausdrücklicher Ablehnung der krit L; vgl Rz 7]; 3 Ob 274/04x = EF 111.276); es sei gleichgültig, ob der Unterhaltsberechtigte aus dieser Lebensgemeinschaft seinen Unterhalt ganz oder teilweise bezieht (1 Ob 17/54 = SZ 27/134; 6 Ob 49/65 = RZ 1965, 148; 6 Ob 504/93 = ÖA 1995, 158/U 136; 4 Ob 305/97z). Zu 6 Ob 28/ 07x (= iFamZ 105/07 [Deixler-Hübner]) wurde zuletzt wieder (vgl bereits 1 Ob 17/54 = SZ 27/134) betont, im Hinblick auf das Eingehen einer Lebensgemeinschaft sei das Beharren auf dem Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Gatten als sittenwidrig einzustufen, wenn eine derart intensive und umfassende Beziehung gegeben sei, die „den Rückgriff auf die Fortwirkungen 625
§ 75 EheG
Gitschthaler
der Ehe ächte und den Unterhaltspflichtigen der Lächerlichkeit preisgebe“ (allerdings hatten in diesem Fall die Parteien ohnehin vereinbart gehabt, bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft solle der Unterhaltsanspruch ruhen). 7 Insb die fehlende Bedachtnahme auf die tatsächliche Versorgung des Unterhaltsberechtigten in der Lebensgemeinschaft sowie das Fehlen einer positivrechtlichen Anordnung des Ruhens werden jedoch zum Teil in der L (Verschraegen, ZfRV 1983, 134; Gimpl-Hinteregger 640; Kerschner2 Rz 2/134; Wischounig, ÖA 1999, 112; Stabentheiner/Rummel § 75 EheG Rz 2; Hopf/ Kathrein § 66 EheG Anm 19; Koch/KBB § 75 EheG Rz 2; unklar Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 57) kritisiert, die bei tatsächlicher Gewährung von „Unterhalt“ durch den Dritten dem Unterhaltsberechtigten einen Differenzanspruch nach Bedarfskriterien zubilligen und (lediglich) die tatsächlichen Leistungen des Dritten auf den Unterhaltsanspruch anrechnen will. Im Übrigen werden auch verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und die Diskriminierung von Frauen geäußert; vom Ruhen des nachehelichen Unterhaltsanspruchs seien praktisch ausschließlich Frauen betroffen. Auch Art 8 EMRK soll tangiert sein; ruhe der Unterhaltsanspruch, werde dadurch das Eingehen einer Lebensgemeinschaft behindert (vgl GimplHinteregger 640; Binder 684; Lammer, ÖJZ 1999, 53). 8 Wie in 3 Ob 204/99t (= JBl 2000, 530) zutr ausgeführt worden ist, kann von einer Diskriminierung der Frauen durch diese Rsp nicht ausgegangen werden. Der Grund dafür, warum überwiegend Frauen davon betroffen sind, liegt vielmehr darin, dass de facto auch heute noch Männer nur in den allerseltensten Fällen nach Scheidung ihrer Ehe einen Unterhaltsanspruch haben, auch wenn die entsprechenden Gesetzesbestimmungen geschlechtsneutral sind. Auch eine Verletzung von Art 8 EMRK ist zu verneinen. Dies müsste dann ja auch für § 75 EheG gelten, der ebenfalls uU für den Unterhaltsberechtigten zur Folge haben kann, dass das Eingehen einer weiteren Ehe finanziell erschwert wird, weil dadurch der Scheidungsunterhalt erlischt. Umgekehrt kann ja auch nicht gesagt werden, dass für den nach Scheidung Unterhaltspflichtigen die Möglichkeit, eine neue Ehe oder eine Lebensgemeinschaft zu begründen, in einer Art 8 EMRK widersprechenden Weise behindert würde, weil etwa § 66 EheG eine – zeitlich nicht befristete – Unterhaltspflicht auferlegt. Richtig ist außerdem, dass nach § 75 EheG der Unterhaltsanspruch unabhängig davon erlischt, ob der Unterhaltsberechtigte nunmehr ausreichend alimentiert wird oder nicht (vgl Rz 3). Und schließlich kann es auch nicht das Ziel sein, dafür Anreize zu schaffen, aus finanziellen Gründen die Lebensgemeinschaft der Ehe vorzuziehen (vgl 3 Ob 115/90 = JBl 1991, 589). 9 Problematisch ist allerdings, dass es tatsächlich keinen positivrechtlichen Ansatz für das Ruhen des Unterhaltsanspruchs gibt und auch eine Analogie zu § 75 EheG schwer zu ziehen ist, weil der Unterhaltsanspruch ja gerade nicht 626
§ 75 EheG
Geschiedenenunterhalt
(endgültig) erlöschen soll; im Gegensatz zur Wiederverheiratung wird bei einer Lebensgemeinschaft auch kein Anspruch gegen einen Dritten erworben (3 Ob 61/88 = EF 57.264; 3 Ob 76/95 = EF 81.692), sodass es tatsächlich an der Analogiebasis fehlt. Damit ergibt sich aber aus § 75 EheG der Umkehrschluss, dass bei einer (bloßen) Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten sein nachehelicher Unterhaltsanspruch weder endgültig noch für die Dauer der Lebensgemeinschaft ohne weitere Voraussetzungen beseitigt wird. Maßgeblich muss vielmehr sein, inwieweit sich der Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten infolge der Lebensgemeinschaft tatsächlich verringert. Die vom Lebensgefährten erbrachten Leistungen sind also gleichsam als Naturalunterhaltsleistungen, die von einem Dritten erbracht werden, anzusehen. Auch die Entscheidung 6 Ob 27/07x betont, dass es für das Ruhen des Unterhaltsanspruchs nicht so sehr auf das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft, sondern darauf ankomme, ob das konkrete Verhältnis das Unterhaltsbegehren sittenwidrig erscheinen lässt; sittenwidrig sei eine derart intensive und umfassende Beziehung, die den Rückgriff auf die Fortwirkungen der Ehe ächtet und den Unterhaltspflichtigen der Lächerlichkeit preisgibt (vgl auch Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 57); dies müsse umso mehr dann gelten, wenn die Parteien ausdrücklich vertraglich ein Ruhen der Unterhaltspflicht bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft vorgesehen haben. Wenn aber tatsächlich der Lebensgefährte keine Alimentationsleistungen erbringt, kann Sittenwidrigkeit nicht erkannt werden. Da nun bei diesem Ergebnis der Gestaltungsfreiheit des Unterhaltsberechtigten 10 und des Dritten weite, den Beweismöglichkeiten des Unterhaltspflichtigen aber sehr enge Grenzen gesteckt sind, muss unter Heranziehung der Grundsätze des Anscheinsbeweises oder sogar einer Beweislastumkehr dem Unterhaltsberechtigten der Beweis dafür auferlegt werden, dass sein an sich bestehender Unterhaltsanspruch gegenüber dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich nicht oder lediglich zum Teil durch den Dritten erfüllt wird; auf dessen Freiwilligkeit kann es jedenfalls nicht ankommen. Das LGZ Wien (EF 111.278) meint mit durchaus beachtlichen Argumenten, dass den Partnern, deren Lebensgemeinschaft durch äußere Umstände vermutet wird, eine Offenlegungspflicht im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Nachweisbarkeit für den Unterhaltspflichtigen aufzuerlegen ist; aA [„bedenklich“] Koch/KBB2 § 75 EheG Rz 2). Der Gesetzgeber des Jahres 2006 hat zwar letztlich eine geschlechtsneutrale 11 Definition der Lebensgemeinschaft nicht geschaffen (vgl MinEntw zum FamRÄG 2006; vgl dazu Reiter, Aktuelles, EF-Z 2006, 36); bei verfassungs- und EMRK-konformer Interpretation ist aber bereits de lege lata davon auszugehen, dass unter Lebensgemeinschaft (auch) im hier interessierenden Zusammenhang grundsätzlich sowohl hetero- als auch homosexuelle Verbindungen zu verstehen sind. So hat der EGMR (ecolex 2003, 799 [Karner/Österreich]) klargestellt, dass Differenzierungen aufgrund der sexuellen Ausrichtung nur durch besonders schwerwiegende Gründe zu rechtfertigen sind; daher müsse 627
§§ 76–77 EheG
Gitschthaler
das Eintrittsrecht in ein Mietverhältnis nach § 14 MRG auch homosexuellen Lebensgefährten zustehen (ebenso nunmehr 5 Ob 70/06i = EF-Z 2006/52; vgl dazu allerdings krit Pittl/Sander, wobl 2007, 33). Darüber hinaus hat der VfGH (RdA 2006, 54) das Wort „Andersgeschlechtlichkeit“ in § 123 ASVG als verfassungswidrig aufgehoben. Und jüngst hat der OGH (6 Ob 28/07x = iFamZ 105/07 [Deixler-Hübner]; 3 Ob 132/07v) ausdrücklich klargestellt, dass (auch) eine homosexuelle Lebensgemeinschaft zum Ruhen des nachehelichen Unterhaltsanspruchs führt (vgl zur grundsätzlichen Kritik an dieser „Ruhensrechtsprechung“ Rz 7). 12 Enthält (umgekehrt) der Scheidungsfolgenvergleich die (eher ungewöhnliche) Klausel, wonach entgegen der stRsp das Eingehen einer Lebensgemeinschaft durch die unterhaltsberechtigte vormalige Ehegattin den Unterhaltsanspruch nicht berührt, kann sich der Unterhaltspflichtige nunmehr selbst dann nicht auf Rechtsmissbrauch seiner vormaligen Ehegattin berufen, wenn diese eine über eine „reine“ Lebensgemeinschaft hinausgehende Beziehung mit einem anderen Mann, dessen Namen sie angenommen und mit dem sie ein Kind hat, führt und ihn nur deshalb nicht heiratet, um weiter Unterhalt beziehen zu können (3 Ob 234/07v). Jedenfalls keine Lebensgemeinschaft idS – auch nicht „sui generis“ – ist dann anzunehmen, wenn etwa die Mutter und der von ihr betreute und gepflegte behinderte Sohn zusammen wohnen (10 ObS 121/07b = EF-Z 2008/38). 13 Zu den Möglichkeiten einer Rückforderung von Unterhaltsleistungen, die der Unterhaltspflichtige in Unkenntnis der Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten mit einem Dritten erbrachte, vgl § 94 ABGB Rz 26 ff, insb Rz 28; zu den Möglichkeiten der Aufrechnung mit derartigen Bereicherungsansprüchen gegen laufenden Unterhalt vgl § 94 ABGB Rz 31 ff.
Wiederverheiratung des Verpflichteten § 76. [gem § 107 EheG in Österreich nicht anzuwenden]
Tod des Berechtigten § 77. (1) Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem Tode des Berechtigten. Nur soweit er auf Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit gerichtet ist oder sich auf Beträge bezieht, die beim Tode des Berechtigten fällig sind, bleibt er auch nachher bestehen. (2) Der Verpflichtete hat die Bestattungskosten zu tragen, soweit dies der Billigkeit entspricht und die Kosten nicht von den Erben zu erlangen sind. [Stammfassung]
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§ 77 EheG
Geschiedenenunterhalt
Lit: Vgl bei § 66 EheG.
Durch den Tod (Näheres vgl dazu § 94 ABGB Rz 7) des Unterhaltsberechtig- 1 ten erlischt grundsätzlich sein Unterhaltsanspruch, und zwar konkret alle künftigen Unterhaltsansprüche (1 Ob 635/83 = EF 43.555; Stabentheiner/ Rummel § 77 EheG Rz 1). Soweit noch rückständiger Unterhalt offen (und unter Bedachtnahme auf § 72 EheG noch nicht verjährt [Zankl/Schwimann § 77 EheG Rz 2]) ist, handelt es sich dabei um einen Aktivposten des Nachlasses (4 Ob 134/08x; vgl auch 1 Ob 635/83 = EF 43.555; Welser/Rummel § 531 ABGB Rz 8; Hopf/Kathrein § 77 EheG Anm 1). Für den Todesmonat besteht noch Anspruch auf den vollen Unterhalt (§ 70 Abs 3 iVm § 77 Abs 1 Satz 2 letzter Fall EheG). Primär sind im Hinblick auf § 549 ABGB die Verlassenschaft oder (nach der 2 Einantwortung) die Erben zur Tragung der Bestattungskosten (als Erbfallschulden [Purtscheller/Salzmann Rz 213; Koch/KBB § 77 EheG Rz 1]) verpflichtet, also jener Kosten, die sich nach Ortsgebrauch sowie Stand und Vermögen des Unterhaltsberechtigten ergeben. Dazu gehört alles, was nach der Sitte mit der Bestattung eines Toten verbunden ist (2 Ob 212/69 = EF 11.768; LGZ Wien EF 48.510; vgl auch Welser/Rummel § 549 ABGB Rz 6; Zankl/ Schwimann § 77 EheG Rz 3), also Todesanzeigen und Beileidsdanksagungen (2 Ob 212/69 = EF 11.768; OLG Wien EF 72.017), Blumenschmuck (LGZ Wien EF 54.121), Leichenbegängnis, Totenmahl (1 Ob 112/28 = SZ 10/25; 5 Ob 305/64; 2 Ob 212/69), Trinkgelder (LGZ Wien EF 13.586) und Taxikosten (LGZ Wien EF 15.545), Erwerb der Grabstelle (LGZ Wien EF 51.397) bzw Gruft (5 Ob 305/64 = JBl 1965, 423) und des Grabsteins (2 Ob 546/56; 2 Ob 58/71 = SZ 44/95) sowie Trauerkleidung (6 Ob 297/98i = EF 87.167), allenfalls auch die Kosten der Totenbeschau (Zankl/Schwimann § 77 EheG Rz 3). Für Art und Ort der Bestattung ist vor allem der mutmaßliche Wille des verstorbenen Unterhaltsberechtigten und (wenn sich dieser nicht ermitteln lässt) der Wille der nächsten Angehörigen entscheidend, idR also der Kinder oder des neuen Ehegatten. Die Bestattungskosten sind zunächst aus Sterbe-, aber auch aus Ablebensversi- 3 cherungen zu Gunsten der Erben zu decken, des Weiteren aus dem Nachlassvermögen. Der Unterhaltspflichtige kann nach Billigkeit zu deren Tragung herangezogen werden, wenn die Kosten weder gegenüber der Verlassenschaft noch gegenüber den Erben und weder durch Klage noch durch Exekutionsführung zu erlangen sind (Hopf/Kathrein § 77 EheG Anm 2). Billigkeitskriterien sind dabei einerseits die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen, andererseits aber auch das Ausmaß seiner Unterhaltspflicht an sich, dh je umfänglicher seine Unterhaltspflicht ist (etwa volle Unterhaltspflicht nach § 66 EheG gegenüber lediglich Beitragspflicht nach § 68 EheG), desto größer ist auch seine „Beitragspflicht“ zu den Bestattungs629
§ 78 EheG
Gitschthaler
kosten (Stabentheiner/Rummel § 77 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 77 EheG Anm 2; Zankl/Schwimann § 77 EheG Rz 5). Hatte der Unterhaltspflichtige nur notdürftigen Unterhalt zu leisten, braucht er auch nur die Kosten einer einfachen Bestattung zu tragen (Hopf/Kathrein § 77 EheG Anm 2; Zankl/ Schwimann § 77 EheG Rz 5). 4 Die Rsp vertritt im Eltern- und Großeltern- bzw im Kindesunterhaltsrecht die Auffassung, die Unterhaltspflicht des Kindes umfasse auch die Begräbniskosten der Eltern bzw Großeltern, jedenfalls ergebe sich die Verpflichtung der Eltern zur Tragung der Begräbniskosten des Kindes aus der nahen Verwandtschaft, die gegenseitige Rechte und Pflichten begründe (4 Ob 204/99z = EvBl 2000/40). Das Verhältnis dieser Leistungspflichten zueinander ist aber jedenfalls nach den Grundsätzen des § 71 EheG zu lösen.
Tod des Verpflichteten § 78. (1) Mit dem Tode des Verpflichteten geht die Unterhaltspflicht auf die Erben als Nachlaßverbindlichkeit über. (2) Der Erbe haftet ohne die Beschränkungen des § 67. Der Berechtigte muß sich jedoch die Herabsetzung der Rente auf einen Betrag gefallen lassen, der bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Erben und der Ertragsfähigkeit des Nachlasses der Billigkeit entspricht. (3) Eine nach § 68 einem Ehegatten auferlegte Beitragspflicht erlischt mit dem Tode des Verpflichteten. [Stammfassung]
Lit: Vgl bei § 66 EheG.
1 Während der Tod des Unterhaltsberechtigten dessen Unterhaltsanspruch ab diesem Zeitpunkt zum Erlöschen bringt (vgl § 77 EheG), modifiziert ihn der Tod des Unterhaltspflichtigen (vgl zum Todeszeitpunkt § 94 ABGB Rz 17) lediglich (Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 1), und zwar insb hinsichtlich des Verpflichteten (vgl Rz 6 f), nicht aber hinsichtlich seiner Anspruchsgrundlage. Der Unterhaltsanspruch bleibt also ein gesetzlicher (3 Ob 587/51; 1 Ob 592/82 = SZ 55/54; Schwind 299; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 2) Anspruch etwa nach § 66 EheG (Verschuldensunterhalt) oder nach § 69 EheG (Billigkeitsunterhalt) oder ein vertraglicher nach § 80 EheG. All diese Ansprüche bleiben grundsätzlich über den Tod des Unterhaltspflichtigen hinaus aufrecht, so auch ein Anspruch nach § 68a EheG (verschuldensunabhängiger Unterhalt; Fischer-Czermak, NZ 2001, 257; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 13); sie erlöschen nicht. 630
§ 78 EheG
Geschiedenenunterhalt
Bei einem vereinbarten Unterhalt iS des § 69a Abs 1 EheG ist es grundsätz- 2 lich belanglos, ob er einem gesetzlichen gleich zu halten ist, weil er den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprach, sich also im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bewegt (vgl § 69a EheG Rz 1), oder aber (zumindest teilweise) ein rein vertraglicher Unterhalt vereinbart wurde; auch in diesem Fall findet nämlich ein Übergang auf die Verlassenschaft statt (6 Ob 214/03v; vgl auch 3 Ob 60/65; 1 Ob 592/82 = SZ 55/54). Einziger Unterschied: Auf rein vertragliche Ansprüche ist das Mäßigungsrecht des Abs 2 auch nicht analog anwendbar (Hopf/Kathrein § 78 EheG Anm 6). Eine Ausnahme macht § 78 Abs 3 EheG ausdrücklich für einen Unterhaltsan- 3 spruch nach § 68 EheG; dieser erlischt mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn er – im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen – vertraglich festgesetzt worden ist (vgl § 68 EheG Rz 2); überschreitet er hingegen diesen gesetzlichen Rahmen, wird er als rein vertraglicher Anspruch iS des § 80 EheG nicht vom Ausschluss des § 78 Abs 3 EheG erfasst (5 Ob 620/88 = EF XXV/2). Dies sowie der Umstand, dass ein – ebenfalls Billigkeits- – Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 3 EheG nicht mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen erlischt, legt die Frage nahe, ob die Sonderbehandlung des Anspruchs nach § 68 EheG durch § 78 Abs 3 EheG sachlich gerechtfertigt ist; da eine solche Rechtfertigung nicht erkennbar ist, scheint § 78 Abs 3 EheG gleichheitswidrig zu sein. Nicht nur ein vertraglicher (vgl bei § 80 EheG), sondern auch ein gesetzlicher 4 Unterhaltsanspruch genießt nach dem Tod des Unterhaltspflichtigen nicht mehr die Privilegien nach § 291b EO (6 Ob 91/58 = EvBl 1958/249; Purtscheller/Salzmann Rz 215; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 2) und kann auch nicht mehr mittels Unterhalts-EV gesichert werden (6 Ob 91/58 = EvBl 1958/249; 8 Ob 238/70 = EF VII/5; 1 Ob 678/79 = EF XVI/1; Hopf/Kathrein § 78 EheG Rz 2). Der Unterhaltsanspruch kann vom Unterhaltsberechtigten (weiterhin) ver- 5 wirkt werden; dies etwa bei Verunglimpfung des Andenkens an den Verstorbenen oder bei Führung eines ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandels gegen den Willen des Erben (Schwind 299; Zankl/Schwimann § 78 EheG Rz 14). Dass der Unterhaltsberechtigte vor dem Tod des Unterhaltspflichtigen keine Ansprüche geltend gemacht hat, bedeutet hingegen im Zweifel keinen Unterhaltsverzicht (8 Ob 532/92 = JBl 1992, 705; Hopf/Kathrein § 78 EheG Anm 6). Die Unterhaltspflicht geht auf den Erben als Nachlassverbindlichkeit über, 6 sodass es keiner Titelschöpfung gegen die Verlassenschaft bedarf; gegen diese kann bereits aufgrund des bestehenden Titels Exekution geführt werden (§ 9 EO; 5 Ob 620/88 = EF XXV/2; 6 Ob 214/03v). Der Unterhaltsanspruch kann jedoch auch erstmals gegen den Erben geltend gemacht werden (8 Ob 631
§ 78 EheG
Gitschthaler
532/92 = JBl 1992, 705). In diesem Fall ist dem Unterhaltsverfahren das (spruchmäßige) Ergebnis des Ehescheidungsverfahrens zugrunde zu legen (insb die Verschuldensfrage). Nach der Rsp (6 Ob 707/80 = EF 36.506; 6 Ob 52/07a = EF-Z 2007/110 [Gitschthaler]; vgl auch Simotta/Fasching/Konecny § 460 ZPO Rz 141) gilt § 460 Z 8 ZPO, wonach bei Tod eines Ehegatten vor Rechtskraft des Urteils im Ehescheidungsverfahren dieses nicht mehr in der Hauptsache, sondern nur mehr wegen der Kosten fortgeführt werden kann, auch in jenen Fällen, in denen der Ehegatte nach Rechtskraft des Ausspruchs über die Scheidung der Ehe (infolge Teilurteils oder lediglich eingeschränkter Anfechtung des Scheidungsurteils), jedoch vor endgültiger Klärung der Verschuldensfrage stirbt; es sei jedoch die eingetretene Teilrechtskraft der Ehescheidung zu beachten. Dies hat zur Konsequenz, dass der andere Ehegatte sowohl um seine erb- (die Scheidung ist ja rechtskräftig) als auch um seine unterhalts- (ein [zumindest überwiegendes] Verschulden des verstorbenen Ehegatten steht ja nicht fest) und demzufolge auch um seine pensionsrechtlichen (vgl § 258 Abs 4 ASVG) Ansprüche „umfällt“. Dass ihm möglicherweise ein Billigkeitsunterhaltsanspruch analog § 69 Abs 3 EheG zusteht, befriedigt jedenfalls in jenen Fällen nicht, in denen tatsächlich die Voraussetzungen für eine Verschuldensscheidung nach § 49 EheG zulasten des verstorbenen Unterhaltspflichtigen vorgelegen wären und dieser auch über relevantes Einkommen verfügt hatte, aufgrund dessen dem Unterhaltsberechtigten ein Anspruch nach § 66 EheG zugestanden wäre. In diesen Fällen scheint es daher sachgerecht, dem Unterhaltsberechtigten im Verfahren gem §§ 78, 69 Abs 3 EheG gegen den Nachlass bzw den Erben des verstorbenen Unterhaltspflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, (als Vorfrage) das alleinige oder überwiegende Verschulden des verstorbenen Unterhaltspflichtigen an der Zerrüttung der Ehe zu beweisen. Nach der Rsp des OGH (1 Ob 190/06g = EF-Z 2007/38; aA LGZ Wien EF XXI/14) ist zwar bei einem auf § 69 Abs 3 EheG gestützten Unterhaltsanspruch gewöhnlich nicht auf ein Verschulden an der Zerrüttung Bedacht zu nehmen; der OGH hat jedoch selbst darauf hingewiesen, dass auch andere Fallkonstellationen denkbar sein könnten. Eine solche liegt hier vor. Außerdem ist es hA zu § 759 Abs 2 ABGB, dass im „Erbrechtsstreit“, also nunmehr im Verfahren über das Erbrecht nach §§ 161 ff AußStrG, (als Vorfrage) zu prüfen ist, ob den überlebenden Ehegatten das Verschulden an der Scheidung getroffen bzw ob die Ehe tatsächlich geschieden worden wäre, wenn sich die anderen Erben im Verlassenschaftsverfahren auf den Verlust des gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Ehegatten oder seines gesetzlichen Voraus gem § 759 Abs 2 ABGB berufen (vgl §§ 757–759 ABGB Rz 4); dabei handelt es sich aber um eine durchaus vergleichbare Interessenlage (wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen). Zur Frage der – zu verneinenden – Bindungswirkung der Kostenentscheidung für das Unterhaltsverfahren gegen den Erben vgl §§ 757–759 ABGB Rz 4. 632
§ 78 EheG
Geschiedenenunterhalt
Vor Erlassung des Einantwortungsbeschlusses haftet für die Nachlassver- 7 bindlichkeit des Unterhalts ohne Rücksicht auf Erbantrittserklärungen nur der ruhende Nachlass, nicht aber der (erklärte) Erbe selbst, weil die Universalsukzession erst mit der Einantwortung des Nachlasses eintritt (5 Ob 620/ 88 = EF XXV/2; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 78 EheG Anm 1). Mehrere Erben haften sodann nach den Anteilen ihres Erbes (vgl Ostheim, NZ 1979, 50 FN 11; Zankl/Schwimann § 78 EheG Rz 2; aA [solidarisch] Schwind 298 FN 608). Der Erbe kann sich zwar nicht auf § 67 EheG berufen, wenn er wirtschaftlich 8 schwächer als der verstorbene Unterhaltspflichtige ist; der Umfang der Unterhaltspflicht des Verstorbenen bildet aber die Obergrenze dessen, was der Erbe schulden könnte. Durch § 78 EheG wird also die Gesamtrechtsnachfolge des Erben zu seinen Gunsten eingeschränkt (6 Ob 198/67 = EF 8696). Nach § 78 Abs 2 EheG unterliegt der Übergang der Unterhaltsverbindlichkeit 9 einer Einschränkungsmöglichkeit sowohl im Hinblick auf die allenfalls verminderte Ertragsfähigkeit des Nachlasses als auch im Hinblick auf die Verhältnisse des Erben, dem insoweit ein materiellrechtlicher Gestaltungsanspruch auf Unterhaltsherabsetzung zusteht (5 Ob 537/78 = EF 31.768; 1 Ob 592/82 = SZ 55/54; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 1). Auf eine durch den Tod des Unterhaltspflichtigen eingetretene Änderung der Verhältnisse auf Seiten des Unterhaltsberechtigten nimmt § 78 Abs 2 EheG zwar nicht Bezug (1 Ob 592/82 = SZ 55/54). Es ist aber stets die Umstandsklausel zu berücksichtigen, weil durch den Tod des Unterhaltspflichtigen idR einschneidende wirtschaftliche Veränderungen eintreten (5 Ob 537/78 = EvBl 1979/11; 1 Ob 592/82 = SZ 55/54). Diese Gestaltungsansprüche hat (nur [6 Ob 190/59]) der Erbe, und zwar auch für die Vergangenheit (5 Ob 537/78 = EvBl 1979/11; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 1; aA Schwind/ Klang I/12, 904). Dem Erben steht die Herabsetzungsklage oder die Einrede offen; eine amtswegige Wahrnehmung findet nicht statt (8 Ob 532/92 = JBl 1992, 705; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 1). Dabei sind Billigkeitsüberlegungen anzustellen, die die wirtschaftliche Lage des Erben, seine Sorgepflichten und seine eigenen – uU alters- und krankheitsbedingten – Bedürfnisse den Verhältnissen des Unterhaltsberechtigten gegenüber zu stellen haben (LGZ Wien EF 27.506; Schwind 298; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 78 EheG Anm 4; Zankl/ Schwimann § 78 EheG Rz 8). Zu berücksichtigen ist auch die „Ertragsfähigkeit des Nachlasses“, was aber 10 nicht bedeutet, dass nicht auch der Stamm des vererbten Vermögens heran zu ziehen wäre (LGZ Wien EF 46.328; Schwind 298; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 1). Es kommt vielmehr darauf an, ob der Nachlass durch wirtschaftlich zumutbare Veräußerungen (etwa Kunstgegenstände oder Sammlungen) 633
§§ 79–80 EheG
Gitschthaler
ertragsfähig gemacht werden kann, die Veräußerung keinen erheblichen Verlust bringt und der Unterhaltsberechtigte auf den Unterhalt angewiesen ist (Hopf/Kathrein § 78 EheG Anm 4). 11 Zur Einrechnung von Leistungen zu Lasten des Unterhaltsberechtigten vgl § 796 ABGB, der auf den geschiedenen Ehegatten analog anzuwenden ist (1 Ob 592/82 = SZ 55/54; 7 Ob 560/85; 3 Ob 160/10s; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 3; Hopf/Kathrein § 78 EheG Anm 3; Koch/KBB § 78 EheG Rz 1). 12 Der Erbe schuldet – selbst bei unbedingter Erbantrittserklärung – nach hA (8 Ob 38/08h JEV 2009, 26 [Seidl]; LGZ Wien EF 29.662; Schwind 298; Stabentheiner/Rummel § 78 EheG Rz 1 unter Hinweis auf § 142 ABGB; Hopf/ Kathrein § 78 EheG Anm 2; Zankl/Schwimann § 78 EheG Rz 5) keinesfalls mehr, als der reine Nachlass ausmacht; es gibt nämlich keinerlei rechtspolitische Begründung dafür, den Erben aus seinem eigenen Vermögen Unterhaltsleistungen erbringen zu lassen (8 Ob 38/08h JEV 2009, 26 [Seidl]). Dies gilt auch dann, wenn der Erbe eine „Haftungs- und Zahlungserklärung auch für die vereinbarten Alimente“ abgegeben hat (1 Ob 225/56 = JBl 1957, 46; vgl auch 3 Ob 160/10s [Schuldbeitritt]). Allerdings ist es nicht Sache des Unterhaltsberechtigten, im Verfahren zu behaupten und zu beweisen, dass der Nachlass zur Befriedigung seiner Forderung ausreicht; es muss vielmehr der Erbe die Unzulänglichkeit des Nachlasses einwenden und beweisen (8 Ob 532/92 = JBl 1992, 705).
e) Beitrag zum Unterhalt der Kinder § 79. [gem § 107 EheG in Österreich nicht anzuwenden]
f) Unterhaltsverträge § 80. Die Ehegatten können über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung der Ehe Vereinbarungen treffen. Ist eine Vereinbarung dieser Art vor Rechtskraft des Scheidungsurteils getroffen worden, so ist sie nicht schon deshalb nichtig, weil sie die Scheidung erleichtert oder ermöglicht hat; sie ist jedoch nichtig, wenn die Ehegatten im Zusammenhang mit der Vereinbarung einen nicht oder nicht mehr bestehenden Scheidungsgrund geltend gemacht hatten oder wenn sich anderweitig aus dem Inhalt der Vereinbarung oder aus sonstigen Umständen des Falles ergibt, daß sie den guten Sitten widerspricht. [Stammfassung]
634
§ 80 EheG
Geschiedenenunterhalt
Lit: Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2006); Deixler-Hübner, Unterhaltsverzicht und Änderung der Umstände, ecolex 2000, 638; Fenyves, Unterhalts- und vermögensrechtliche Vereinbarungen bei der Auflösung der Ehe aus zivilrechtlicher Sicht, in Ruppe (Hrsg), Handbuch der Familienverträge2 (1985), 831; Ferrari, Nochmals zum Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, JBl 2000, 609; dies, Vereinbarungen von Ehegatten über Scheidungsfolgen, ARS Forum Familienrecht (2004); Fucik, Kann ein Verzicht auf Verschuldensscheidung sittenwidrig sein? RZ 2000, 266; Kohler, Unterhalts- und vermögensrechtliche Vereinbarungen bei der Auflösung der Ehe aus steuerlicher Sicht, in Ruppe (Hrsg), Handbuch der Familienverträge2 (1985), 857; Marek, Die Wirksamkeit gerichtlicher Vergleiche im Ehescheidungsverfahren, ÖJZ 1964, 505; M. Mayr, Unterhaltsverzicht und seine Folgen für Sozialleistungen, iFamZ 2010, 31; Maurer, Unwirksamer Unterhaltsverzicht als Denkanstoß für eine neue Ehereform, RZ 2000, 267; Spunda, ecolex 2000, 642 (Entscheidungsanmerkung); vgl im Übrigen bei § 66 EheG. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegung einer Unterhaltsvereinbarung . Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhaltsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–6 7–9 10–16 17–22
A. Allgemeines Nicht nur im Zuge einer einvernehmlichen Ehescheidung (§§ 55a, 69a Abs 1 1 EheG), sondern auch im Rahmen eines streitigen Scheidungsverfahrens oder selbst unabhängig davon, also während der Ehe, ja sogar vor Eingehen der Ehe (Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 6; Ferrari, Vereinbarungen 14; Schwimann/Schwimann, TaKomm § 80 EheG Rz 1; idS wohl auch Deixler-Hübner, Ehevertrag 133, die allerdings etwas unpräzise von „zu Beginn der Ehe“ spricht, offensichtlich jedoch einen Zeitpunkt vor Eheschließung meint; auch Schwimann/Kolmasch 209 machen keine Einschränkung etwa auf die Zeit der Ehe; vgl dazu allerdings auch Rz 3) – in letzterem Fall ist die Vereinbarung selbstverständlich zweifach bedingt: einmal mit der Eheschließung und einmal mit der Eheauflösung – können für die Zeit nach der Scheidung die Ehegatten Vereinbarungen über den zu leistenden Unterhalt – etwa auch in Form einer Kapitalabfindung (1 Ob 26/60; 5 Ob 242/63; vgl § 70 Abs 2 EheG) – treffen. Dieser Unterhalt ist ein gesetzlicher (1 Ob 397/35 = SZ 17/85; 7 Ob 727/78 = EF 2 32.367; 3 Ob 136/82 = SZ 55/140; 7 Ob 115/98g = EF 87.512; vgl 5 Ob 527/86 = EF 54.520 [„unechter gesetzlicher Unterhalt“ iS der deutschen Terminologie]), wenn sich die Unterhaltsvereinbarung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen über den Unterhalt bewegt und nur in diesem Rahmen eine Fixierung und Konkretisierung des gesetzlichen Unterhalts der Höhe und den Leistungsmodalitäten nach bedeutet (1 Ob 8/75; 3 Ob 102/78 = EF 31.765; 1 Ob 592/82 = SZ 55/54; 5 Ob 620/88 = EF XXV/2; 8 Ob 2213/96s = EF 635
§ 80 EheG
Gitschthaler
XXXIV/6; 10 ObS 80/98g; Schwind 300; Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 80 EheG Anm 2; Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 16). Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (5 Ob 527/86 = SZ 60/31; 8 Ob 2213/96s = EF XXXIV/6; 10 ObS 80/98g; Schwind 301; Stabentheiner/ Rummel § 80 EheG Rz 2), dh der vereinbarte Unterhalt kann auch etwas höher sein als bei gerichtlicher Bemessung (6 Ob 113/03s; aA [er muss der Höhe nach mit dem aktuellen gesetzlichen Unterhaltsanspruch deckungsgleich sein] 3 Ob 5/94 = SZ 67/47) oder eine Wertsicherungsklausel enthalten (3 Ob 88/ 74). Im Zweifel ist eher anzunehmen, dass bloß eine Konkretisierung des gesetzlichen Unterhalts vorliegt (6 Ob 113/03s). Voraussetzung für die Annahme eines gesetzlichen Unterhalts ist allerdings weiters, dass im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die gesetzlichen Grundlagen, wie etwa der Verschuldensausspruch, bereits vorgelegen sind oder zumindest von den Parteien erkennbar dem Unterhaltsvertrag zugrunde gelegt wurden, weil nur dann davon ausgegangen werden kann, dass die Parteienabsicht der Streitteile bei Abschluss des Vergleichs von vornherein nur auf die einvernehmliche Ausmittlung des maßgeblichen gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gerichtet war (8 Ob 2213/96s = EF XXXIV/6; Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 16; Schwimann/Schwimann, TaKomm § 80 EheG Rz 4); wird daher ein Unterhaltsvergleich nur von der Rechtskraft der Scheidung, nicht aber von einem bestimmten Verschuldensausspruch abhängig gemacht, liegt rein vertraglicher Unterhalt vor (8 Ob 2213/96s = EF XXXIV/6). 3 Sind diese Voraussetzungen (vgl Rz 2) nicht gegeben, ist der vereinbarte Unterhalt als rein vertraglicher Anspruch anzusehen (5 Ob 620/88 = EF XXV/ 2; 3 Ob 2232/96y = EF 81.682; 10 ObS 80/98g; 6 Ob 113/03s; Stabentheiner/ Rummel § 80 EheG Rz 3; Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 16), und zwar der gesamte vereinbarte Unterhalt und nicht nur der den gesetzlichen übersteigende Teil. Dies gilt etwa auch dann, wenn der Unterhaltsberechtigte auf Unterhalt nach der Scheidung wirksam verzichtet hat, trotz eines solchen Verzichts der Unterhaltspflichtige ihm nachträglich aber eine Unterhaltsleistung verspricht (2 Ob 461/37 = SZ 19/169; 2 Ob 648/54). Ebenso, wenn bei einer Scheidung aus dem alleinigen Verschulden des Unterhaltspflichtigen vereinbart wird, dass der arbeitsfähige und vermögende Unterhaltsberechtigte trotzdem einen bestimmten Unterhalt erhalten soll (3 Ob 60/65 = EF 5252; 3 Ob 106/72 = EF 18.286; 8 Ob 2213/96s = EF XXXIV/6) bzw der Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten ohnehin durch eigenes Einkommen gedeckt ist (6 Ob 113/03s). In all diesen Fällen muss aber für beide Parteien unzweifelhaft feststehen, dass durch den Vergleich ein Unterhaltsanspruch für einen Ehegatten begründet wird, welcher nach dem Gesetz nicht zustünde (6 Ob 564/77; 3 Ob 20/80; 5 Ob 681/81; 6 Ob 113/03s). Im Hinblick auf die Rsp, wonach die Parteien ihrer Unterhaltsvereinbarung erkennbar zumindest auch eine Verschuldensteilung zugrunde gelegt haben 636
§ 80 EheG
Geschiedenenunterhalt
müssen (vgl Rz 2), handelt es sich wohl auch bei einer Vereinbarung vor Eheschließung um eine solche, mit der (lediglich) vertraglicher Unterhalt zugestanden wird. Zum – ausdrücklichen oder konkludenten, gerichtlichen oder außergerichtli- 4 chen – Abschluss von Unterhaltsvereinbarungen vgl § 94 ABGB Rz 267 ff. Diese Grundsätze gelten auch für den gesetzlichen nachehelichen Unterhalt. Für eine Unterhaltsvereinbarung nach § 80 EheG besteht daher grundsätzlich keine Notariatsaktspflicht (3 Ob 274/57; 7 Ob 205/68 = SZ 41/149). Auch solche Vereinbarungen sind nämlich nicht unentgeltlich und daher formfrei (3 Ob 648/37 = SZ 19/246; 3 Ob 468/53 = SZ 26/222; 7 Ob 205/68 = SZ 41/149; 8 Ob 603/91 = EF 66.494; Pichler/Rummel2 § 80 EheG Rz 1; Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 2), und zwar selbst dann, wenn sie erst zwischen dem Ausspruch der Scheidung und dem Eintritt seiner Rechtskraft getroffen wurden, weil sie iZm der Scheidung gesehen werden müssen (8 Ob 603/91 = EF 66.494). Aber auch ein vertraglicher Unterhalt muss nicht zwingend mittels Notariatsakts vereinbart werden, und zwar dann nicht, wenn irgendeine, wenn auch nicht vermögenswerte, Gegenleistung erbracht oder vorgesehen wurde, etwa das Fallenlassen eines Scheidungsgrundes oder die Unterlassung einer Widerklage (Schwind/Klang I/12, 912; Hopf/Kathrein § 80 EheG Anm 2; Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 3). Nur wenn es der Vereinbarung an jedem Entgeltcharakter mangelt, handelt es sich um ein Schenkungsversprechen, das einen Notariatsakt voraussetzt (§ 1 Abs 1 lit d NotAktG; Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 4; Hopf/Kathrein § 80 EheG Anm 2; vgl auch 2 Ob 461/37 = SZ 19/169; 2 Ob 648/54). Bei einer vorehelichen Unterhaltsvereinbarung empfiehlt sich daher jedenfalls die Einhaltung der Notariatsaktsform, um derartige Zweifelsfragen von vorneherein auszuschließen. Auf den vertraglichen Unterhalt sind die Bestimmungen der §§ 66 bis 69b 5 EheG unanwendbar (vgl 3 Ob 106/72 = EF 18.286; 8 Ob 2213/96s = EF XXXIV/6; Schwind/Klang I/12, 908), desgleichen § 70 Abs 2, § 71 Abs 1 Satz 2, § 72 (5 Ob 527/86 = EF 54.520, 54.521; 8 Ob 626/87 = EF 57.282), § 73 Abs 1, § 74 (2 Ob 210/48 = SZ 22/65), § 77 Abs 2 und § 78 Abs 2 (5 Ob 607/81 = EF 41.344) EheG (vgl Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 5); auch die Exekutionsprivilegien nach § 291b EO kommen nicht zur Anwendung (Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 5; Hopf/Kathrein § 80 EheG Anm 3; Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 18), der vertragliche Unterhalt ist schließlich auch nicht mit Unterhalts-EV sicherbar. Analog angewendet werden hingegen § 70 Abs 1 und 3 (Zahlung einer Geld- 6 rente; Sicherheitsleistung; Tod des Unterhaltsberechtigten während des Monats), § 71 Abs 1 Satz 1 (Haftung des Unterhaltspflichtigen vor den Verwandten des Unterhaltsberechtigten; 8 Ob 2213/96s = EF XXXIV/6) sowie Abs 2 637
§ 80 EheG
Gitschthaler
Satz 1 (Haftung der Verwandten des Unterhaltsberechtigten bei erschwerter Rechtsverfolgung gegen den Unterhaltspflichtigen), § 73 Abs 2 (grob schuldhaft herbeigeführter Mehrbedarf), § 75 (Wiederverheiratung des Unterhaltsberechtigten; 3 Ob 509/79 = EF 34.102), § 77 Abs 1 (Tod des Unterhaltsberechtigten), § 78 Abs 1 (Tod des Unterhaltspflichtigen; 1 Ob 592/82 = SZ 55/54) EheG, die Rsp zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs wegen des Eingehens einer Lebensgemeinschaft durch den Unterhaltsberechtigten (vgl aber § 75 EheG Rz 5 ff) und die Umstandsklausel (vgl Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 5; Hopf/Kathrein § 80 EheG Anm 3; Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 17).
B. Auslegung einer Unterhaltsvereinbarung 7 Eine – auch durch gerichtlichen Vergleich getroffene – Vereinbarung ist der Auslegung gem § 914 ABGB zugänglich (ZVR 1966/155, 1980/161; Rummel/ Rummel § 914 ABGB Rz 2). Danach ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Es hat die wörtliche Auslegung am Anfang des Interpretationsvorgangs zu stehen, wobei eigentliches Ziel der einfachen Auslegung die Feststellung der Absicht der Parteien ist (5 Ob 553/76 = SZ 49/59; 1 Ob 1/86 = JBl 1986, 782; Rummel/Rummel § 914 ABGB Rz 4) und iS der Vertrauenstheorie der objektive Erklärungswert entscheidet (1 Ob 617/91 = SZ 64/160; 9 Ob A 145/92 = RdW 1993, 46). Allerdings darf erst, wenn die vom klaren Wortlaut der Urkunde abweichende Parteienabsicht durch Aufnahme von Beweismitteln zu erforschen ist und eine übereinstimmende Parteienabsicht nicht als erwiesen gilt, der Gehalt der schriftlichen Willenserklärung im Wege der rechtlichen Beurteilung durch Auslegung ermittelt werden (8 Ob 504/92 = SZ 65/17; 4 Ob 546/79 = EvBl 1980/99; 7 Ob 116/98d; Rummel/Rummel § 914 ABGB Rz 23). Dabei kann außer der Vertragsurkunde etwa auch die Vernehmung der Ehegatten Erkenntnisquelle des Vertragsinhalts sein (3 Ob 2/98k = EF 90.376, 90.377). Wird dadurch eine vom Wortlaut des Vertrags abweichende übereinstimmende Absicht festgestellt, ist diese maßgeblich (3 Ob 2016/96h = EF 81.406). 8 Konnte daher etwa ein anlässlich der Ehescheidung geschlossener Vergleich unter Berücksichtigung der seinem Abschluss vorangegangenen Stellungnahmen und Entwürfe nur dahin verstanden werden, dass damit alle sich aus einem Vertrag ergebenden gegenseitigen Beziehungen endgültig gelöst werden sollten, erstreckt er sich dennoch (nur) auf diejenigen Streitigkeiten, an die die Parteien denken konnten; hätten sie allerdings daran denken können, taten dies aber nicht, werden sie vom Vergleich erfasst (5 Ob 697/79 = EF 34.103). Aber 638
§ 80 EheG
Geschiedenenunterhalt
auch Zulässigkeit, Voraussetzungen und Ausmaß der Abänderbarkeit eines in bestimmter Höhe vertraglich festgelegten Geschiedenenunterhalts bestimmen sich – innerhalb der durch die Wahrung der guten Sitten gezogenen Grenzen – grundsätzlich nach dem eindeutig erklärten realen, mangels eines solchen nach dem nach vertrauenstheoretischen Grundsätzen vom Vertragspartner anzunehmenden und letztlich bei Vorliegen einer Regelungslücke nach dem hypothetischen Parteiwillen (6 Ob 558/92 = EF XXIX/7). Zu beachten ist, ob die Vereinbarung nicht bloß ein Scheingeschäft gem § 916 9 ABGB gewesen ist, wenn also beide Ehegatten die Vereinbarung so nicht wollten und auch keiner von ihnen auf die Wirksamkeit der Erklärungen vertraute (7 Ob 617/86 = JBl 1986,786 = NZ 1987,131 = RZ 1986/66; jüngst 1 Ob 95/10t = EF-Z 2011/14); in einem solchen Fall bedarf es keiner Anfechtung der Vereinbarung mittels Rechtsgestaltungsklage, weil die Nichtigkeit bereits aus dem Scheincharakter resultiert (1 Ob 95/10t = EF-Z 2011/14). Dies wird im Zweifel jedoch eher nicht anzunehmen sein; den Verzichtenden trifft eine strenge Beweislast.
C. Sittenwidrigkeit Liegt bei einer Unterhaltsvereinbarung (dies gilt auch für einen Scheidungsfol- 10 genvergleich) ein auffallendes Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen vor, fehlt es aber an einem der subjektiven Elemente von Wucher, so liegt dennoch Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 1 ABGB vor, wenn ein zusätzliches, dieses ausgleichendes Element der Sittenwidrigkeit hinzutritt. Das kann dann vorliegen, wenn die Erfüllung des Vergleichs die wirtschaftliche Existenz des Anfechtenden bedroht (1 Ob 532/85 = JBl 1986, 777; 1 Ob 678/86; 8 Ob 73/ 01w; 1 Ob 193/02t; 4 Ob 240/08k), und zwar grundsätzlich auch dann, wenn der Anfechtende dies bei Vertragsabschluss gewusst hat (8 Ob 73/01w). Zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer vergleichsweisen Unterhaltsverpflichtung sind aber nicht nur die im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses herrschenden Verhältnisse maßgebend, sondern auch die Einkommens- und Vermögensentwicklung in der Vergangenheit und die Erwartung in der Zukunft (4 Ob 240/08k), nicht aber tatsächliche Entwicklungen nach Abschluss der Unterhaltsvereinbarung. Im Allgemeinen wird dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage nicht 11 entzogen, wenn ihm mindestens noch Einkünfte in der Höhe des Existenzminimums nach § 291a EO bzw des Richtsatzes für die Ausgleichszulage verbleiben, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Rechtsordnung, auf deren Wertungsgesichtspunkte es bei der Sittenwidrigkeit ankommt, dem Unterhaltspflichtigen dieselben Einschränkungen zumutet, die sie von einem Pensionsberechtigten verlangt (4 Ob 240/08k). 639
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Gitschthaler
12 Wenn aufgrund Sittenwidrigkeit eine Unterhaltsvereinbarung nach § 55a EheG unwirksam ist, steht nur der Billigkeitsunterhalt nach dem hier anzuwendenden § 69a Abs 2 EheG idFd EheRÄG 1999 zu, der identisch ist mit demjenigen nach § 69 Abs 3 EheG, wie dies in LuRsp auch schon zur alten Rechtslage vor dem Inkrafttreten des § 69a Abs 2 EheG vertreten wurde. Dann gilt für die Höhe des Unterhaltsanspruchs aber die Begrenzung auf den notwendigen Unterhalt, für den der Ausgleichszulagenrichtsatz als Maßstab dienen kann. Die Notlage des einen Unterhaltsbeitrag ansprechenden Ehegatten ist nämlich nicht nur für die Bejahung der Sittenwidrigkeit des Beharrens auf einem vereinbarten Unterhaltsverzicht (vgl § 94 ABGB Rz 281), sondern auch für die Höhe des allfälligen Unterhaltsanspruchs entscheidend. Mit der Bezahlung des notwendigen Unterhalts wird die Notlage beseitigt. Zu mehr kann der Unterhaltpflichtige nicht verhalten werden, weil darüber hinausgehenden Unterhaltsbegehren der berechtigte Einwand der Vereinbarung eines Unterhaltsverzichts entgegensteht, der in diesem Bereich nicht mehr als sittenwidrig angesehen werden kann (6 Ob 163/04w = EF 108.322; 4 Ob 240/ 08k; aA, die abzulehnen ist, zum Billigkeitsunterhalt nach § 69 Abs 3 EheG 1 Ob 190/06g, wonach dieser auch den angemessenen Unterhalt wie nach § 66 EheG erreichen können soll; vgl dazu § 69 EheG Rz 27). 13 Zum Sittenwidrigkeitsvorbehalt vgl außerdem § 94 ABGB Rz 270, 301 (§ 80 Satz 2 3. Fall EheG). 14 Unterhaltsvereinbarungen können grundsätzlich zwar auch zur Abgeltung bestimmter Verfahrensschritte im Scheidungsverfahren abgeschlossen werden (Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 6; Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 8). Die Vereinbarung ist nach § 80 Abs 2 2. Fall EheG aber dann sittenwidrig und nichtig, wenn dadurch die Scheidung einer Ehe ermöglicht worden ist, die nicht hätte geschieden werden können (3 Ob 274/57). Dabei ist in jedem einzelnen Fall zu untersuchen, ob die Parteien mit ihrer Vereinbarung die Scheidung einer Ehe erzielen wollten, die nicht scheidungsreif war, oder ob sie durch die Vereinbarung nur die Scheidung erleichtern wollten (2 Ob 147/ 56 = EvBl 1956/311). Sie ist ebenso sittenwidrig und nichtig, wenn sie die Abrede enthält, es solle die Scheidung durch das Vorbringen eines nicht oder nicht mehr bestehenden Scheidungsgrundes erwirkt werden, unabhängig davon, ob der Scheidungsprozess entsprechend dieser Abrede geführt wird (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 722/3; vgl auch Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 9). Bei der Beurteilung der Gültigkeit einer solchen Vereinbarung darf kein allzu strenger Maßstab angewendet werden (2 Ob 147/56 = EvBl 1956/311). Darauf hinzuweisen ist aber, dass § 80 Abs 2 2. Fall EheG seit der Einführung der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG ohnehin ohne praktische Bedeutung ist (Schwind 299; Stabentheiner/Rummel § 80 EheG Rz 6; Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 9; Hopf/Kathrein § 80 EheG Anm 4; Koch/ KBB § 80 EheG Rz 4). 640
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Die Nichtigkeit einer Unterhaltsvereinbarung ist nicht von Amts wegen 15 wahrzunehmen (1 Ob 331/61 = SZ 34/117), regelmäßig ist dann aber die ganze Vereinbarung nichtig (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 722/3; vgl auch Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 12). Auch Vereinbarungen, die nachehelichen Unterhalt betreffen, unterliegen der 16 Umstandsklausel (Koch/KBB § 80 EheG Rz 1; vgl dazu ausführlich § 94 ABGB Rz 274 ff). Diese kann zwar grundsätzlich ausgeschlossen werden (vgl § 94 ABGB Rz 279 f), unter bestimmten Voraussetzungen kann das Beharren auf dem Ausschluss der Umstandsklausel aber sittenwidrig sein (vgl § 94 ABGB Rz 281).
D. Unterhaltsverzicht So wie im Zuge einer einvernehmlichen Ehescheidung (§§ 55a, 69a Abs 1 17 EheG; 5 Ob 604/84 = SZ 58/192; 3 Ob 550/90; 1 Ob 95/10t = EF-Z 2011/14) kann gem § 80 EheG auch im Rahmen eines streitigen Scheidungsverfahrens oder unabhängig davon, ja sogar vor Eingehen der Ehe (Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 2; Ferrari, Vereinbarungen 14) – in letzterem Fall ist der Verzicht selbstverständlich zweifach bedingt: einmal mit der Eheschließung und einmal mit der Eheauflösung; außerdem besteht wohl Notariatsaktspflicht (vgl Rz 4) – für die Zeit nach der Scheidung grundsätzlich ein (auch wechselseitiger) Unterhaltsverzicht vereinbart werden (2 Ob 568/50 = SZ 23/244; 1 Ob 144/ 57; 8 Ob 603/91; 2 Ob 99/98t = EF 87.292, 87.293; Schwind/Klang I/l2, 692). Der Verzicht kann auch formfrei erklärt werden (8 Ob 119/03p; Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 7; Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 5). Es schadet also nicht, wenn er weder im gerichtlichen Vergleich noch schriftlich beurkundet wurde (8 Ob 119/03p). Zur Frage, ob ein Unterhaltsverzicht (als Unterhaltsvereinbarung) einen Ehepakt darstellt, vgl § 94 ABGB Rz 298. Die mögliche Reichweite all dieser Unterhaltsverzichtserklärungen ist dabei gleich, dh ein gem § 80 EheG abgeschlossener Verzicht kann nicht weiter reichen als ein solcher im Rahmen eines Scheidungsvergleichs (Ferrari, Vereinbarungen 14). Erhebliche Unterschiede bestehen allerdings zu einem Verzicht auf Ehegattenunterhalt bei aufrechter Ehe (vgl § 94 ABGB Rz 298 ff), weil nach der Scheidung dem Verzicht auf Unterhalt das Verbot des § 94 Abs 3 Satz 2 ABGB nicht entgegen steht und auch ein Widerruf des Unterhaltsverzichts bei mangelnder Terminierung nicht wirksam ist. Da in Ansehung eines Unterhaltsverzichts die für eine neuerliche Beurteilung 18 notwendige nachträgliche Änderung der Verhältnisse nicht denkbar ist, kann die Zulässigkeit des Unterhaltsverzichts nicht mehr aufgerollt werden (8 Ob 119/03p). Er soll jedoch unzulässig sein, wenn „eine besondere, sittenwidrige 641
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Gitschthaler
Fallgestaltung vorliegt“, wobei konkrete Kriterien nicht genannt werden (vgl 5 Ob 529/84 = EF 46.285; Schwind/Klang I/12, 906). Zankl (/Schwimann § 80 EheG Rz 6) verweist insb bei Unterhaltsvereinbarungen, die vor Eheschließung für die Zeit nach der Scheidung abgeschlossen wurden, auf die „Notwendigkeit besonderer Prüfung“, weil sie dem „Verdacht der Sittenwidrigkeit ausgesetzt“ seien. Abgesehen davon, dass die Frage der (allfälligen) Sittenwidrigkeit der Vereinbarung an sich nicht mit der Frage der (allfälligen) Sittenwidrigkeit des Beharrens auf dem Ausschluss der Umstandsklausel verwechselt werden darf (vgl Rz 6), kann es hier nur auf die Problematik des Ungleichgewichts der wirtschaftlichen Stärke der geschiedenen Ehegatten ankommen. 19 Nach der Entscheidung 3 Ob 229/98t (= EF 90.402, 90.403 = JBl 2000, 513 [zust F. Bydlinski]; aA [Unterhaltsverzicht bleibt Unterhaltsverzicht] Maurer, RZ 2000, 267; Spunda, ecolex 2000, 642; Deixler-Hübner, ecolex 2000, 638; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 738/2; ohne eigene Stellungnahme Stabentheiner/Rummel § 66 EheG Rz 7; M. Mayr, iFamZ 2010, 31) sind die den Entscheidungen, in denen nach einer Unterhaltsvereinbarung der Unterhaltsberechtigte zu Lasten des Unterhaltspflichtigen auf dem vereinbarten Ausschluss der Umstandsklausel beharrt (vgl § 94 ABGB Rz 281), zugrunde liegenden Wertungen auch auf einen Fall anzuwenden, in dem wechselseitig auf Unterhalt verzichtet und die Umstandsklausel auch für den Fall der Not ausgeschlossen wurde, nachträglich aber eine der auf Unterhalt verzichtenden Parteien – gegenüber der Erwartungshaltung anlässlich des Vergleichsabschlusses – unerwartet (wegen schwerer Erkrankung oder ähnlicher Umstände) in Not verfällt. Das Beharren des vom Verzicht auf die Umstandsklausel Begünstigten auf diesem Verzicht könne dann sittenwidrig sein, wenn dadurch der von diesem Verzicht betroffene Unterhaltsberechtigte ohne eine unterstützende „Unterhaltsleistung“ des vormaligen Ehegatten, gegen den er bei Durchführung eines Scheidungsverfahrens nach § 49 EheG allenfalls Unterhaltsansprüche nach §§ 67 oder 68 EheG gehabt hätte, der Existenzbedrohung (Not) ausgesetzt wäre; sehe man den Ehegattenunterhalt als Nachwirkung der personenrechtlichen Fürsorgeverpflichtung zwischen vormaligen Ehegatten an, wie er der Neufassung des Ehegattenunterhalts nach dem EheRÄG 1999 zugrunde liege (Billigkeitsunterhalt gem § 68a EheG selbst für den schuldig geschiedenen Ehegatten), könne bei einer nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführten, allenfalls überhaupt ohne Verschulden erfolgten völligen Erwerbsunfähigkeit des Unterhaltsberechtigten ein Bestehen des Unterhaltspflichtigen auf den vereinbarten Unterhaltsverzicht für den Notfall als sittenwidrig angesehen werden. Nach 6 Ob 163/04w soll ein Unterhaltsverzicht daher unwirksam sein, wenn der Unterhaltsberechtigte in existenzbedrohende Not gerät, bei einem hypothetisch nachzuvollziehenden Scheidungsverfahren zumindest ein gleich642
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teiliges Verschulden des anderen Ehegatten festgestellt worden wäre und krasse Einkommensunterschiede bestehen (ebenso 7 Ob 98/05w; 6 Ob 212/08g). Wurde im Scheidungsfolgenvergleich auf jeden Unterhalt, ausgenommen 20 für den Fall unverschuldeter Not, verzichtet, ist „Not“ dann gegeben, wenn das Existenzminimum nicht erreicht wird. Der Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage ist jener Betrag, der das Existenzminimum garantiert, weil durch die Ausgleichszulage Leistungen garantiert werden sollen, die dem Rentenberechtigten eine bescheidene Existenz ermöglichen (1 Ob 144/57; 2 Ob 99/98t = EF 87.292; 6 Ob 83/08m). Unter Not ist in einem solchen Fall auch krankheitsbedingte Einkommenslosigkeit zu subsumieren (6 Ob 83/08m). Allerdings kann sich der Unterhaltsberechtigte auf eine Existenzgefährdung nicht berufen, wenn ihm noch Einkünfte in Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage nach § 293 ASVG (3 Ob 60/89 = EF 59.971; 3 Ob 133/ 00 f = JBl 2001, 513 = EF 97.254; 6 Ob 163/04w; 3 Ob 74/04k; 6 Ob 83/08m) bzw des Existenzminimums nach § 291a EO (3 Ob 74/02g = EF 100.959) – gemeint unter Außerachtlassung der Steigerungsbeträge – verbleiben (insofern der Rsp zust Ferrari, JBl 2000, 609; Fucik, RZ 2000, 266; Deixler-Hübner, ecolex 2000, 638). Zu berücksichtigen ist auch, dass bei Vereinbarung des Ausschlusses der Umstandsklausel auch für den Fall der Not eine Bedachtnahme auf diese grundsätzlich nicht in Betracht kommen kann, wenn sie erwartet war; war sie hingegen unerwartet, dann ging der Unterhaltsberechtigte eben irrtümlich davon aus, dass er nie in Not geraten werde, was aber einen (gem § 901 ABGB unbeachtlichen) Motivirrtum darstellen würde (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 737/3). Formulierungsvorschlag für eine umfassende Verzichtsvereinbarung, also 21 einen Verzicht, der auch den Fall der Not erfasst und den an sich unterhaltspflichtigen Ehegatten zur Gänze von Unterhaltsleistungen für die Zeit nach der Ehescheidung befreit; eine derartige Vereinbarung könnte auch vor Eheschließung getroffen werden: Die Ehegatten erklären in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung des OGH (3 Ob 229/98t; 6 Ob 163/04w; 7 Ob 98/05w; 6 Ob 212/08g) und ihrer jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, wechselseitig auf jegliche Unterhaltsansprüche aus welchem Titel auch immer zu verzichten. Dies gilt auch für den Fall geänderter Verhältnisse, insbesondere auch für den Fall der erwarteten oder unerwarteten, der verschuldeten oder unverschuldeten sowie der bedachten oder derzeit nicht bedachten Not eines der beiden. Sie nehmen diesen Unterhaltsverzicht wechselseitig an. Soll der Unterhaltsverzicht während der Ehe, anlässlich einer Trennungsvereinbarung der Ehegatten oder im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung (§ 55a EheG) erfolgen, empfiehlt sich folgende Ergänzung:
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Vor §§ 81 ff EheG
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Die Ehegatten erklären außerdem, wechselseitig auf die Geltendmachung allenfalls gesetzter Eheverfehlungen zu verzichten bzw diese einander mit Rechtskraft der Scheidung der zwischen ihnen geschlossenen Ehe zu verzeihen. Beide Ehepartner erklären also, auch in Zukunft aus einem allfälligen, bewusst nicht geprüften Verschulden am Scheitern der Ehe keine Rechtsfolgen ableiten zu wollen. Bestehen dafür im konkreten Fall die finanziellen und tatsächlichen Möglichkeiten, könnte diese Vereinbarung noch durch eine Unterhaltsabfindung „abgesichert“ werden (erreichbar etwa dadurch, dass die Ausgleichszahlung nach § 94 EheG verringert, dafür aber eine Abfindung [vgl dazu ausführlich bei § 70 EheG] vereinbart wird): In Ergänzung zu diesem vereinbarten Unterhaltsverzicht erklärt sich der Ehegatte X bereit, dem Ehegatten Y gem § 70 Abs 2 EheG einen angemessenen Betrag von Z Euro zu bezahlen, den der Ehegatte Y als solchen auch annimmt. 22 Zu den Folgen der Sittenwidrigkeit des Beharrens auf dem Unterhaltsverzicht vgl § 94 ABGB Rz 281. Darüber hinaus ist dann, wenn unterhalts- und weitreichende vermögensrechtliche Regelungen Gegenstand des Übereinkommens der Ehegatten gewesen sind, deren einzelne Punkte nicht voneinander getrennt werden können, das ganze Übereinkommen als ungültig anzusehen, wenn dies bei einem Punkt der Fall ist (5 Ob 526/88; 6 Ob 2155/96x; DeixlerHübner, ecolex 2000, 638; Zankl/Schwimann § 80 EheG Rz 12; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 737/3;). Zu den Folgen eines Unterhaltsverzichts für den Anspruch des an sich Unterhaltsberechtigten auf Sozialleistungen vgl M. Mayr, iFamZ 2010, 31.
Vor §§ 81 ff EheG Lit: Bittner, Verträge im Ehegüterrecht2 (1995); Csoklich, Privatstiftung und Scheidung, RdW 2000, 402; Deixler-Hübner, Die Aufteilung des Ehevermögens nach Billigkeit – oder die stille Geltung des § 1378 BGB in Österreich, NZ 2002, 257; Dullinger/Kerschner, Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse bei für nichtig erklärter Ehe – eine Replik, ÖJZ 1984, 281; Edlbacher, Das Unternehmen in der scheidungsrechtlichen Vermögensaufteilung, FS Wagner (1987), 97; Fenyves, Unterhalts- und vermögensrechtliche Vereinbarungen bei der Auflösung der Ehe aus zivilrechtlicher Sicht, in Ruppe (Hrsg), Handbuch der Familienverträge2 (1985), 831; Gantner, Das rechtliche Schicksal der Eigentumswohnung im Scheidungsfall, immolex 2001, 236; Gimpel-Hinteregger, Billigkeitserwägungen bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, JBl 1986, 553; Hackl, Richterliche Anordnungsbefugnisse um das Verfahren bei der Aufteilung von ehelichen Gebrauchsvermögen und Ersparnissen, in Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979), 159; Holeschofsky, Aufteilung von ehelichem Gebrauchsvermögen, RZ 1982, 4; Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und bei Tod (1998); Honsell, Die Aufteilung des Vermögens bei der Scheidung, in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979), 169; ders, Vermögensteilung nach der Scheidung und Billigkeit in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992),
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Vor §§ 81 ff EheG 613; Kostka, Die Auswirkungen des Eherechtsänderungsgesetzes 1978 auf ehegüterrechtliche Vereinbarungen, NZ 1988, 320; ders, Die Änderung der Entscheidungsgrundlage des Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG, RZ 1989, 29; Chr. Nowotny, Ehescheidung und Unternehmensvermögen, ÖJZ 1988, 609; Rummler, Die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse: ein Vergleich der vermögensrechtlichen Folgen der Ehescheidung nach dem gesetzlichen ehelichen Güterrecht in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland (1982); Schumacher, Die Anfechtung der nachehelichen Vermögensaufteilung, ÖBA 2003, 288; Taucher, Auseinandersetzungen im Zuge der Scheidung, SWK 1998, 490; Wilhelm, Das Unternehmen in der Vermögensaufteilung nach Scheidung, RdW 1983, 2; Winklhofer, Lebenspartnerschaft – Liberalisierung des Ehegüterrechtes, NZ 2002, 294.
A. Ziele Die §§ 81 ff EheG wurden mit dem EheRÄG (BGBl 1978/280) neu eingefügt. 1 Anders als die Vorgängerbestimmung, die 6. DVEheG, die bei der Aufteilung das Hauptaugenmerk auf die zukünftige Versorgung der Ehegatten legte, basieren die §§ 81 ff EheG vor allem auf dem Beitragsgedanken. Zwischen den geschiedenen Ehegatten soll ein Zugewinnausgleich getroffen werden, mithin eine gerechte Beteiligung beider Ehegatten an dem von ihnen während der Ehe, also in der Vergangenheit erworbenen Vermögen. Die 6. DVEheG hatte aber vor allem das Schicksal der Ehewohnung und des Hausrats, wie es den augenblicklichen Bedürfnissen der Ehegatten nach Eheauflösung entspricht, im Auge. Dabei war vor allem auch das Kindeswohl zu berücksichtigen. Diese Versorgungskriterien spielen zwar auch nach nunmehriger Gesetzeslage bei den Gegenausnahmen Hausrat und Ehewohnung eine gewisse Rolle, doch wird der Beitragsgedanke zu Gunsten des Versorgungsgedankens weitgehend in den Hintergrund gedrängt. Allerdings wird auch hierbei keine entschädigungslose Enteignung angestrebt; die Zuweisung der Sachen soll idR durch eine nachträgliche Beitragsleistung – also eine Ausgleichszahlung – substituiert werden. Der Gesetzgeber des Jahres 1978 hatte dabei nicht angestrebt, die Aufteilung – wie etwa in Deutschland gem § 1378 BGB – streng rechnerisch im Verhältnis 1 : 1, sondern nach Billigkeit vorzunehmen. Die Verweisung der Aufteilung ins Verfahren außer Streitsachen nach Billigkeit verfolgt den Zweck, dort eben die Einzelfallgerechtigkeit sicher zu stellen.
B. Zuständigkeit 1. Sachliche und örtliche Zuständigkeit
Vgl dazu bei §§ 104a, 114a JN.
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2. Internationale Zuständigkeit
3 Die EuEheVO regelt die internationale Zuständigkeit in Ehesachen und Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung der Kinder. Davon ausgenommen ist allerdings die Aufteilung des Ehevermögens. Für dieses Rechtsgebiet besteht bislang im Bereich der EU-Vertragsstaaten noch keine Verordnung über die Zuständigkeit und Anerkennung der idZ erlassenen Entscheidungen. Die internationale Zuständigkeit richtet sich daher nach wie vor nach § 114a Abs 4 JN (vgl ausführlich auch dort). Danach ist die internationale Zuständigkeit Österreichs gegeben, wenn einer der geschiedenen Ehegatten die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Nach der Rsp soll daran die inländische Gerichtsbarkeit für das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen anknüpfen (4 Ob 242/00t = ZfRV 2001, 152; 6 Ob 7/02a = JBl 2003, 54). Diese Auffassung ist aber insofern problematisch, als die Einbeziehung von im Ausland befindlichen unbeweglichem Vermögen in das österreichische Aufteilungsverfahren den Grundsätzen des internationalen Verfahrensrechts widerspricht und wohl auch eine österreichische Entscheidung, die ausländisches, unbewegliches Vermögen betrifft, im Ausland nicht anerkannt wird (idS auch Simotta/Fasching/Konecny § 114a JN Rz 78). Weil die §§ 81 ff EheG dem Scheidungsfolgenrecht zugewiesen werden, ist für die materiell-rechtliche internationale Anknüpfung § 20 und nicht § 19 IPRG maßgebend (Hopf/Kathrein Vor § 81 EheG Anm 6).
C. Grundsätze des Aufteilungsverfahrens 4 Das Aufteilungsverfahren ist besonders gekennzeichnet durch den Grundsatz der Billigkeit (§ 83 EheG). Dabei nennt der Gesetzgeber in § 83 Abs 1 EheG eine Reihe von Bemessungsrichtlinien, wie das Gewicht und den Umfang des Beitrags eines Ehegatten zum Vermögenserwerb sowie die Unterhaltsleistungen, die Haushaltsführung und Kindererziehung, die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten, das Kindeswohl und sonstige eheliche Beistandsleistungen. Diese Aufzählung ist nur demonstrativ. Das Gericht hat sich vor allem an der Einzelfallgerechtigkeit zu orientieren (6 Ob 94/04y = EF 108.392; 6 Ob 187/06b). IdZ berücksichtigt die Rsp vor allem den Grundsatz des „Wohlbestehenkönnens“ (10 Ob 2089/96w = EF 81.726; 9 Ob 35/00p; 3 Ob 107/06s; vgl § 83 EheG Rz 20). Einen weiteren Grundsatz des Aufteilungsverfahrens verkörpert der Trennungsgrundsatz, wonach bei der Entscheidung auch darauf zu achten ist, dass sich in Zukunft die Lebensbereiche der Geschiedenen möglichst wenig berühren (vgl § 84 EheG Rz 21; LGZ Wien EF 108.393). Darüber hinaus ist bei der gerichtlichen 646
Vor §§ 81 ff EheG Entscheidung auch der Bewahrungsgrundsatz zu berücksichtigen, wonach Eigentumsübertragungen an unbeweglichen Sachen oder die Begründung von dinglichen Rechten daran nur die ultima ratio darstellen sollen (§ 90 EheG). Das Scheidungsverschulden (s dazu etwa LG Salzburg EF 108.388) stellt grundsätzlich kein erhebliches Aufteilungskriterium dar, sondern spielt nur eine untergeordnete Rolle; vor allem wird dem schuldlosen Teil eine Option bei der Auswahl der zu verteilenden Gegenstände eingeräumt (vgl dazu eingehend § 84 EheG Rz 16). Der Gesetzgeber geht überdies von der Subsidiarität eines gerichtlichen Ver- 5 fahrens aus: § 85 EheG normiert ausdrücklich, dass das Gesetz eine einvernehmliche Aufteilungsvereinbarung der geschiedenen Ehegatten gegenüber einem Gerichtsverfahren den Vorzug gibt.
D. Abgrenzungsfragen Die §§ 81 ff EheG lassen den gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung un- 6 berührt. So behält grundsätzlich jeder Ehegatte sowohl das in die Ehe eingebrachte als auch das von ihm während der Ehe erworbene Vermögen als sein Eigentum (§ 1237 ABGB). Es kann insofern auch jeder Ehegatte während der Ehe über die in seinem Eigentum befindlichen Gegenstände verfügen und auch gegen den anderen Ehegatten Ansprüche – wie etwa Bereicherungsansprüche – geltend machen (1 Ob 591/82 = SZ 55/70). Erst im Rahmen der nachehelichen Vermögensaufteilung findet ein Zugewinnausgleich statt, wonach die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erworbenen und nicht in den Ausnahmekatalog des § 82 EheG fallenden Gegenstände der (gerichtlichen) Aufteilung unterliegen. Nach hA finden die §§ 81 ff EheG auch Anwendung auf jene Sachen, die durch 7 Ehepakte – vor allem im Hinblick auf eine Gütergemeinschaft – geregelt sind (§§ 1233 ff, 1265 f ABGB; 8 Ob 502/83 = SZ 56/90; 4 Ob 565/94 = NZ 1996, 65; 4 Ob 281/00b = JBl 2001, 309; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 3; Bernat/Schwimann § 81 EheG Rz 25; aA Honsell 181). Von den durch Ehepakte betroffenen Gegenständen waren bislang nach Maßgabe des § 97 EheG aF nur die ehelichen Ersparnisse ausgenommen, weil insofern § 97 Abs 1 nur eine Vorausvereinbarung in Notariatsaktform zugelassen hat (Kostka, NZ 1988, 321; aA 1 Ob 506/84 = EF 46.334; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 3). Nach der Rechtslage des FamRÄG 2009 können die Ehegatten nun über das gesamte Ehevermögen Vorwegvereinbarungen treffen, diese unterliegen aber weitgehend der aufteilungsrichterlichen Nachkontrolle. Im Abschluss eines Ehepakts kann grundsätzlich zumindest eine konkludente Vorwegvereinbarung gem § 97 Abs 1 bis 4 EheG erblickt werden, sodass die darin 647
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getroffenen Regelungen nach Maßgabe der Abs 2 und 3 vom Aufteilungsverfahren unberührt bleiben (vgl § 97 EheG Rz 3). Sachen, die der Aufteilung nicht unterliegen – wie etwa Unternehmen und diesen gewidmete Vermögenswerte – verbleiben ebenfalls im Anwendungsbereich des § 1266 ABGB. Auch nach Präklusion des Aufteilungsanspruchs gem § 95 EheG behalten die Ehepakte ihre volle Gültigkeit (4 Ob 281/00b = JBl 2001, 309). Das eheliche Gebrauchsvermögen wird hingegen auch bei Bestehen einer Gütergemeinschaft der gerichtlichen Aufteilung unterworfen. 8 Betrifft ein Kondiktionsanspruch die Aufteilungsmasse, ist dieser Vermögensgegenstand in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen (1 Ob 591/82 = SZ 55/70; Bernat/Schwimann § 81 EheG Rz 3). 9 Auch eine nach rechtskräftiger Scheidung eingebrachte Teilungsklage, die eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse betrifft, ist innerhalb der Frist des § 95 EheG unzulässig (7 Ob 730/80 = SZ 54/36; 5 Ob 528/95 = EF 79.800; 1 Ob 35/97x = NZ 1998, 206; 4 Ob 263/00 f = NZ 2002/42). Eine dennoch im streitigen Verfahren eingebrachte Klage ist an das Außerstreitgericht zu überweisen (§ 40a JN; vgl dazu § 85 EheG Rz 14). 10 Auf die Abgeltung der Ansprüche nach Auflösung einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft finden die §§ 81 ff EheG keine analoge Anwendung (7 Ob 584/83 = EvBl 1984/12; 6 Ob 135/99t = EF 90.432; LG Linz EF 104.972; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 2 mwN; Winkelhofer, NZ 2002, 297). Nach Auflösung eines Verlöbnisses kommen die §§ 46 und 1247 ABGB bzw bereicherungsrechtliche Ansprüche zur Anwendung.
III. Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse Gegenstand der Aufteilung § 81. (1) Wird die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt, so sind das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse unter die Ehegatten aufzuteilen. Bei der Aufteilung sind die Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen, in Anschlag zu bringen. (2) Eheliches Gebrauchsvermögen sind die beweglichen oder unbeweglichen körperlichen Sachen, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider Ehegatten gedient haben; hierzu gehören auch der Hausrat und die Ehewohnung. (3) Eheliche Ersparnisse sind Wertanlagen, gleich welcher Art, die die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesam648
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Nacheheliche Aufteilung
melt haben und die ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmt sind. (BGBl 1978/280) Lit: Gantner, Das rechtliche Schicksal der Eigentumswohnung im Scheidungsfall, immolex 2001, 236; Ladurner, Vermögenskurator für die Scheidungswaise, ÖJZ 1985, 673; Palten, Die Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und an anderen Wohnungen nach dem neuen Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1979, 375; Schauer, Zur Anwendung der §§ 81 ff EheG auf die nichtig erklärte Ehe, ÖJZ 1982, 147; Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und bei Tod (1998); Wilhelm, Die Aufteilung des ehelichen Vermögens nach den §§ 81 ff EheG in der Rechtsprechung, NZ 1986, 145. Inhaltsübersicht A. Aufteilung nach Rechtskraft der Eheauflösung . . . . . . . . . . . . . . . B. Aufteilungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von der Aufteilung ausgenommene Sachen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stichtag für die Zugehörigkeit zur Aufteilungsmasse und für die Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse . . . . . . . . . 1. Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eheliches Gebrauchsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hausrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ehewohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Eheliche Ersparnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Wertveränderungen der Aufteilungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Konnexe Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–3 4–11 4 5–8
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9–11 12–22 12 13–22 13–16 17 18–22 23–27 28–29 30 31–33
A. Aufteilung nach Rechtskraft der Eheauflösung Voraussetzung der Aufteilung ist, dass die Ehe rechtskräftig geschieden, aufge- 1 hoben oder für nichtig erklärt ist. Die gerichtliche Aufteilung erfolgt ab formeller Rechtskraft der eheauflösenden Entscheidung (1 Ob 281/97 = NZ 1999, 86; 1 Ob 362/99p; 1 Ob 45/05g = EF 111.416); dabei wird auf die Rechtskraft eines allfälligen Teilurteils über die Eheauflösung abgestellt (6 Ob 1660/95 = EF 78.761; 7 Ob 325/01x; 8 Ob 11/03 f = EF 105.004; 3 Ob 169/06h = EF 117.552; vgl dazu eingehend § 95 EheG Rz 10 ff). Da § 81 Abs 1 EheG explizit auch an die Nichtigerklärung oder Aufhebung 2 der Ehe anknüpft, sind sämtliche Fälle sowohl einer Nichtigerklärung als auch Aufhebung der Ehe der gerichtlichen Aufteilung des während der „Ehe“ angesammelten Vermögens zugänglich (Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 2; 649
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Bernat/Schwimann § 81 EheG Rz 4; aA Schauer, ÖJZ 1982, 147). Auch nach einer einvernehmlichen Scheidung eröffnet sich den geschiedenen Ehegatten das Aufteilungsverfahren, wenn über bestimmte Aufteilungsgegenstände noch keine Vereinbarung getroffen wurde und auch nicht im Rahmen einer dort getroffenen Generalklausel auf allfällig offen gebliebene Aufteilungsgegenstände verzichtet wurde (5 Ob 581/84 = SZ 57/139; 1 Ob 568/92 = EF 69.350; 7 Ob 67/99z). Auch dann, wenn der Scheidungsvergleich angefochten wird, steht den geschiedenen Ehegatten ein Aufteilungsverfahren zur Verfügung. Die Frist des § 95 EheG beginnt in diesem Fall erst mit Rechtskraft des Urteils im Anfechtungsprozess zu laufen (7 Ob 51/07m). Auf die Eröffnung eines Aufteilungsverfahrens selbst kann jedoch schon zufolge Art 6 EMRK nicht rechtsgültig verzichtet werden (7 Ob 99/98d = RZ 1999, 183; vgl § 85 EheG Rz 10). Auch bei erfolgreicher Anfechtung des Scheidungsfolgenvergleichs – sei es aufgrund eines Irrtums oder einer Täuschung eines Ehepartners – steht jedem Ehegatten binnen offener Frist der Aufteilungsantrag offen (vgl § 97 EheG Rz 17). 3 Ist die Ehe durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst worden, kommt eine gerichtliche Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG nicht in Betracht; die Entscheidung über die Nachlassmasse erfolgt im Verlassenschaftsverfahren (krit Holzner, Ehevermögen 167 ff).
B. Aufteilungsmasse 1. Allgemeines
4 Gegenstand der Aufteilung ist dasjenige Vermögen, das die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft gemeinsam geschaffen bzw zu dessen Erwerb sie gemeinsam beigetragen haben (LG Salzburg EF 93.893, 104.962 uva; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 1 mwN). Nach der Legaldefinition der Abs 2 und 3 sind dies das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse. Dies betrifft dasjenige Vermögen, das die Ehegatten während der Dauer der Ehe geschaffen bzw erspart haben, ungeachtet der Tatsache, ob die Ehegatten dabei gemeinsam tätig wurden (LG Linz EF 120.251). Der Aufteilung unterliegt daher die eheliche Errungenschaft (LG Linz EF 120.250). 2. Von der Aufteilung ausgenommene Sachen
5 Der Aufteilung unterliegen nur Sachen iS des § 81 EheG, soweit sie nicht gem § 82 EheG ausdrücklich davon ausgenommen sind. Werden diese Sachen bzw Geldmittel aber ausdrücklich bzw schlüssig umgewidmet – etwa zur Anschaf650
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fung ehelichen Gebrauchsvermögens oder zur Bildung ehelicher Ersparnisse –, ändern sie dadurch ihre aufteilungsrechtliche Eigenschaft und fallen trotzdem in die Aufteilungsmasse (LGZ Wien EF 108.346). Zuerkannte Entschädigungen an Schmerzensgeld und Verunstaltungsent- 6 schädigung bilden aufgrund ihrer Höchstpersönlichkeit keinen Gegenstand der nachehelichen Aufteilung (6 Ob 882/82 = RZ 1983/73; 8 Ob 519/93 = EF 72.384;). Ansprüche aus einem während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erlittenen Verdienstentgang stellen aufteilungsrechtlich hingegen eheliche Ersparnisse dar (6 Ob 882/82 = EF 43.755). Allerdings fallen Verdienstentgangsleistungen insoweit nicht in die Aufteilungsmasse, als es an der zeitlichen Kongruenz mit der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft mangelt (LGZ Wien EF 108.347). Die während der Ehe erworbenen Anwartschaften auf zukünftige Werte oder 7 Optionen – etwa ein künftiger Pensionsanspruch – bleiben von der Aufteilung ausgeklammert, weil im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft noch nicht feststeht, ob ein aus der Anwartschaft resultierender Geldbetrag überhaupt anfallen wird (1 Ob 53/02d = EvBl 2003/142; 3 Ob 122/04v = EF 111.337). Daher fallen auch zukünftige Abfertigungsansprüche nicht in die Aufteilungsmasse, und zwar auch dann nicht, wenn sie für eine zum Teil vor der Ehe geleistete Tätigkeit erworben wurden (3 Ob 1/99i = EF 93.907). Ebenso wenig unterliegen Einzahlungen in eine Pensionskasse, die in der Erwartung eines späteren Pensionsbezugs geleistet wurden, der Aufteilung, wenn keine Früchte aus diesen Zahlungen angefallen sind (9 Ob 42/99p; 6 Ob 85/02x = EF 100.988; 3 Ob 122/04v = EF 111.337). Reine Zukunfsvorsorgeprodukte fallen somit nach der Rsp nicht in die Aufteilungsmasse. Bestimmte Mischformen von solchen Anlagen können nach Auffassung des OGH nicht auf den ersten Blick als der Aufteilungsmasse unterliegend oder von ihr ausgenommen qualifiziert werden. Im Einzelfall ist daher zu entscheiden, ob sie typischerweise der Altersvorsorge dienen oder aber für eine zukünftige Verwertung bestimmt sind. Die der Altersvorsorge dienenden Finanzprodukte sind – abgesehen von Missbrauchsfällen – von der Aufteilung ausgenommen (1 Ob 187/09w = iFamZ 2010/72 = EF-Z 2010/10 = Zak 2010/13). Nur eine bereits angefallene Abfertigung ist in die Aufteilungsmasse einzubeziehen (LGZ Wien EF 111.340; LGZ Wien EF 120.256). Pensionsabfindungen stellen an sich keinen aufzuteilenden Vermögenswert 8 dar, weil im österreichischen Recht – im Gegensatz zu Deutschland – ein Versorgungsausgleich unbekannt ist. Überdies steht der Pensionsvorauszahlung (Abfindung) im Allgemeinen ein künftiger Pensionsverzicht und damit korrespondierend ein Konsumverzicht gegenüber. Nach zutr Ansicht des OGH ist auch eine erst knapp vor Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erlangte Pensionsabfindung grundsätzlich nicht in die Aufteilungsmasse einzu651
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beziehen. Eine solche könnte bloß aus Billigkeitserwägungen dann angemessen in Anschlag zu bringen sein, wenn der durch die Pensionsreduktion bewirkte Konsumverzicht beide Ehegatten durch längere Zeit gemeinsam getroffen hat (1 Ob 53/02d = NZ 2004, 26 = EF 104.964). Wurde die Abfindung längere Zeit vor Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft ausbezahlt und wurden damit andere Vermögenswerte angeschafft, so entspricht ihre Einbeziehung uU ebenfalls der Billigkeit (LGZ Wien EF 108.352). 3. Stichtag für die Zugehörigkeit zur Aufteilungsmasse und für die Bewertung
9 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zugehörigkeit einer Sache zum aufzuteilenden Vermögen ist auf der einen Seite die Eheschließung und auf der anderen Seite der Zeitpunkt der Scheidung bzw der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft (3 Ob 122/04v = EF 111.332; 9 Ob 155/03i = EF 108.331; LGZ Wien EF 120.247). Die Tatsache der Auflösung der Ehegemeinschaft ist nicht nach äußeren Maßstäben – wie der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft oder der bloßen Wirtschaftsgemeinschaft – zu beurteilen, sondern richtet sich idR nach dem Zeitpunkt der Ehezerrüttung (LG Salzburg EF 120.249). Gegenstände, die die Ehegatten im Rahmen ihrer vorehelichen Lebensgemeinschaft angeschafft bzw Ersparnisse, die sie vorher angesammelt haben, unterliegen nicht der Aufteilung (10 Ob 71/98h = EF 87.540; OLG Wien EF 101.004; LG Salzburg EF 97.333; 7 Ob 239/07h = EF-Z 2008/ 33 = Zak 2008/83). Stichtag für die Zugehörigkeit einer Sache zur Aufteilungsmasse ist daher der Tag der Eheschließung. Einbezogen werden können in die Aufteilungsmasse auch nur jene Gegenstände, die zum Stichtag der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft noch vorhanden sind (LGZ Wien EF 100.982; LGZ Wien EF 120.256 ua). Hat jedoch nur ein Ehegatte die Wertverringerung einseitig zu verantworten, so schafft die Umgehungsnorm des § 91 Abs 1 EheG Abhilfe (vgl § 91 EheG Rz 2 ff). 10 Der Stichtag für die Bewertung des der Aufteilung unterliegenden Vermögens ist der Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (8 Ob 202/02t = EF 100.989; 2 Ob 6/04b = EF 108.353; 6 Ob 187/06b; LGZ Wien EF 120.270; 1 Ob 36/09i = NZ 2009/71). Davon ausgenommen sind allerdings Wertveränderungen zwischen Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft und Entscheidung erster Instanz, die nur einem Ehegatten zuzurechnen sind (8 Ob 202/02t = EF 100.990; 2 Ob 6/04b = EF 108.353; LG Salzburg EF 104.968). Aber auch Geldentwertungen dürfen idZ nicht unberücksichtigt bleiben (4 Ob 208/01v = EF 97.327; 6 Ob 245/01z = EF 100.999). Welche Wertermittlungsmethode hier die zielführendste bzw gerechteste darstellt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. Die konkrete Methode hat der gerichtliche Sachverständige auszuwählen, der dabei den je652
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weiligen Stand der Wissenschaft sowie die im redlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten zu beachten hat (9 Ob 276/01 f = EF 97.321; 6 Ob 245/01z = EF 100.993; 4 Ob 152/04p = EF 108.354). Grundsätzlich ist bei Liegenschaften der Verkehrswert anzusetzen (7 Ob 605/88 = EF 57.297; 8 Ob 202/02t = EF 100.995; 1 Ob 162/08t = AnwBl 2009/8179 = EF 120.274 f); das ist jener Preis, der bei Veräußerung der Sache üblicherweise erzielt werden kann (LGZ Wien 100.996). Abweichungen vom, vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert sind allerdings dann möglich, wenn dies aufgrund besonderer Umstände der Billigkeit entspricht (1 Ob 162/08t = AnwBl 2009/8179 = EF 120.274 f). Ein Abschlag für Miteigentum ist allerdings nicht vorzunehmen, wenn einem Ehegatten die bisher in beiderseitigem Miteigentum stehende Liegenschaft zur Gänze übertragen wurde (1 Ob 36/09i = NZ 2009/71). Bei der Wertermittlung eines Wohnhauses stellt die Belastung mit einem Wohn- 11 recht einen wertmindernden Umstand dar (6 Ob 94/94y = EF 108.356; vgl dazu auch § 94 EheG Rz 7). Es kommt bei der Werterhöhung aber auch auf den Umstand des Nutzens gerade für denjenigen an, der das Haus zugewiesen bekommt; so hat etwa ein ausgebauter Partykeller für einen Alleinstehenden nicht die gleiche Bedeutung wie für eine Familie, sodass die Rsp hier einen Abschlag von 20% für die Wertsteigerung angenommen hat (LGZ Wien EF 100.998).
C. Eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse 1. Legaldefinition
Für diese Begriffe finden sich in § 81 Abs 2 und 3 EheG Legaldefinitionen. Als 12 eheliches Gebrauchsvermögen definiert Abs 2 EheG jene beweglichen oder unbeweglichen körperlichen Sachen, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider Ehegatten gedient haben (LGZ Wien EF 120.255). Dazu zählen vor allem Hausrat und die eheliche Wohnung. Unter ehelichen Ersparnissen versteht Abs 3 EheG Wertanlagen gleich welcher Art, die die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaften angesammelt haben und die ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmt sind. 2. Eheliches Gebrauchsvermögen a) Begriff
Die Legaldefinition des ehelichen Gebrauchsvermögens verweist sowohl bei 13 beweglichen als auch unbeweglichen Sachen auf die Körperlichkeit. Zu Recht meint Bernat (/Schwimann § 81 EheG Rz 10), dass dieser Begriff in 653
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deutlichem Widerspruch zu § 86 Abs 1 und § 87 Abs 2 EheG steht, wonach auch Anwartschaften und Mietrechte der Aufteilung unterliegen. Auch ein bloßes Anwartschaftsrecht auf Übertragung von Wohnungseigentum stellt daher einen Bestandteil der Aufteilungsmasse dar (5 Ob 516/81 = SZ 54/79 = EvBl 1981/217), nicht jedoch ein erst in Zukunft entstehender Anspruch (3 Ob 122/04v = EF 111.337; LGZ Wien 44 R 80/06z). Die Legaldefinition ist somit insoweit teleologisch zu reduzieren. 14 Das Gesetz stellt weiters auf den gemeinsamen Gebrauch durch die Ehegatten ab, sodass Sachen, die im Gebrauch nur eines Ehegatten gestanden sind, schon von Vornherein ausscheiden. Die Bestimmung des § 82 Abs 1 Z 2 EheG ist damit an sich überflüssig. Keine Rolle spielt das Ausmaß des Gebrauchs. Der gemeinsame Gebrauch liegt daher auch dann vor, wenn ein Ehegatte den Gegenstand weit häufiger benutzt hat als der andere. Ganz ausnahmsweiser Gebrauch durch den anderen Ehegatten schließt allerdings den Charakter des gemeinsamen Gebrauchs aus (Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 6). Auch abwechselnder Gebrauch durch die Ehegatten fällt unter den Begriff des gemeinsamen Gebrauchs (JAB 916 BlgNR 14. GP 13; 8 Ob 508/85 = JBl 1986, 118 = EF 48.889; LGZ Wien EF 84.659; LGZ Wien EF 120.255). Sachen, die bloß zum Gebrauch beabsichtigt sind – wie etwa ein erst im Bau befindliches Haus – erfüllen die legal definierten Merkmale hingegen nicht. Solche Sachen sind daher den ehelichen Ersparnissen zuzuordnen (6 Ob 688/ 79 = SZ 52/129 = EF 34.106; 1 Ob 692/84 = EF 48.907; 6 Ob 137/99m = SZ 73/59 = EF 93.902; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 6; Hopf/Kathrein § 81 EheG Anm 4; aA OLG Linz EF 36.452; JAB 916 BlgNR 14. GP 13). Unter Benutzung eines PKW ist nicht nur dessen Lenken, sondern auch das Mitfahren zu verstehen (LGZ Wien EF 60.333, 84.660; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 6). 15 Auch Gegenstände, die einer gehobenen Lebensführung dienen, zählen zum ehelichen Gebrauchsvermögen – wie etwa ein privater Weinvorrat (LG Salzburg EF 100.987), eine Burg (8 Ob 508/85 = JBl 1986, 118) oder eine Segelyacht (vgl OLG Wien EF 93.905; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 6; Hopf/Kathrein § 81 Ehe Anm 5). 16 Auch Tiere sind Bestandteil des Gebrauchsvermögens – etwa Reitpferde (7 Ob 700/82 = EvBl 1983/40 = 41.350) oder Hunde (LGZ Wien EF 104.963). Steht allerdings ein Tier – etwa ein Blindenhund – im „alleinigen Gebrauch“ eines Ehegatten oder ist er zur Berufsausübung erforderlich – etwa ein Lawinenhund –, so ist er von der Aufteilung ausgenommen. Aus § 285a ABGB ist abzuleiten, dass bei der Zuweisung eines Haustiers nicht nur dessen Vermögenswert zu berücksichtigen ist, sondern auch die gefühlsmäßige Bindung sowohl der Ehegatten zum Tier als auch die des Tieres zu ihnen (LGZ Wien EF 104.963; Hopf/Kathrein § 81 EheG Anm 3). 654
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b) Hausrat
Dazu sind vor allem die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sa- 17 chen iS des § 758 ABGB zu zählen. Zur Auslegung kann sowohl die Rsp zu § 758 ABGB als auch jene zur 6. DVEheG herangezogen werden (Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 9). Alle zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind, zählen wie die der gemeinsamen Lebensführung der Ehegatten gewidmeten Gebrauchsgegenstände zum Hausrat (6 Ob 545/90 = EF 63.555; Hopf/Kathrein § 81 Anm 6). Unter den Hausratsbegriff fallen daher Möbel, elektrische Haushaltsgeräte, wenn sie zum Nutzen beider Ehegatten verwendet werden, aber auch Luxusgegenstände wie wertvolle Teppiche oder Gemälde (OLG Wien EF 93.905). Ein PKW unterfällt allerdings nicht dem engen Begriff des Hausrats (7 Ob 502/84 = EF 46.347; Hopf/Kathrein § 81 EheG Anm 6; aA Bernat/Schwimann § 81 EheG Rz 13).
c) Ehewohnung
Als Ehewohnung sind jene Wohnung bzw jenes Haus anzusehen, in denen die 18 Ehegatten im gemeinsamen Haushalt leben bzw zuletzt gelebt haben (7 Ob 506/87 = EF 54.526; 7 Ob 644/95 = EvBl 1996/121 = JBl 1997, 99; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 7). Darunter versteht die Rsp jenen Ort, an dem sich der Schwerpunkt der gemeinsamen Lebensführung befindet (7 Ob 699, 700/81 = SZ 54/114; 8 Ob 544/81 = EF 51.712; 6 Ob 246/99s = EF 90.444 = immolex 2000/49; LG Linz EF 120.303); dies auch dann, wenn ein Ehegatte die eheliche Wohnung bereits verlassen hat (7 Ob 558/80 = SZ 53/48 = JBl 1980, 536; 4 Ob 605/88 = EF 57.304; LGZ Wien EF 75.612). Vom Begriff der Ehewohnung sind auch Freiflächen, die üblicherweise mitbenutzt werden, erfasst – etwa Hausgärten, Wege usw (8 Ob 568/90 = EF 66.504; 9 Ob 201/01a = EF 100.986). Treffen allerdings die Definitionsmerkmale auf zwei Wohnungen zu – etwa weil die Ehegatten die Sommermonate in ihrem Landhaus verbringen, die Wintermonate in der Stadtwohnung –, sind beide Wohnsitze iS des Gesetzes Ehewohnungen (6 Ob 680/81 = SZ 54/126; 1 Ob 698/85; LGZ Wien EF 108.371). Strittig ist, ob die Wohnung während aufrechter ehelicher Lebensgemein- 19 schaft gemeinsam benützt worden sein muss, um Ehewohnung zu sein (so 1 Ob 767/83 = EF 46.331; 6 Ob 639/85 = 48.908; 6 Ob 137/99m = 93.902; Palten, ÖJZ 1979, 376; 1 Ob 119/07t = EF 120.305; Wilhelm, NZ 1986, 148; Gantner, immolex 2001, 236; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 7), oder ob auch eine Widmung iS des § 97 ABGB bzw § 758 ABGB als ausreichend anzusehen ist (so 6 Ob 680/81 = JBl 1983, 435; 8 Ob 544/86 = EF 51.714; 655
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LGZ Wien EF 108.371; Bernat/Schwimann § 81 EheG Rz 14; Hopf/Kathrein § 81 EheG Anm 7). Weil die beiden letztgenannten Bestimmungen anderen Schutzzwecken dienen und daher nicht unreflektiert ins Aufteilungsverfahren übernommen werden können, ist ersterer Auffassung zuzustimmen. 20 Wohnungen und Zweithäuser, die nur zu Urlaubs- und Freizeitzwecken verwendet werden, sind keine Ehewohnungen iS des § 81 EheG, können aber bei gemeinsamem Gebrauch eheliches Gebrauchsvermögen darstellen; sonst sind sie den ehelichen Ersparnissen zuzuzählen (SZ 9 Ob 517/95 = 68/164; 7 Ob 644/95 = NZ 1996, 304 = JBl 1997, 99; 2 Ob 5/04 f; LGZ Wien EF 108.372; LG Linz EF 120.304). Ist die Ehewohnung nach diesem Zeitpunkt verkauft worden, können vom Gericht Ausgleichszahlungen (§ 94 EheG) auferlegt werden (10 Ob 15/04k). Haben Ehegatten iS des § 91 ABGB getrennte Wohnungsnahme vereinbart, gibt es keine Ehewohnung iS des § 81 EheG mehr (6 Ob 680/81 = SZ 54/126). 21 Unerheblich ist, aufgrund welchen Rechtsverhältnisses die Ehewohnung benützt wird (10 Ob 2089/96w = EF 81.705; 6 Ob 246/99s = EF 90.445; Hopf/Kathrein § 81 EheG Anm 9; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 7). Mitbenützungsrechte Dritter lassen den Begriff der Ehewohnung ebenfalls unberührt (1 Ob 541/85 = EF 48.905), doch ist die Ehewohnung, die sich nicht zumindest noch in der Verfügungsmacht eines Ehegatten befindet, von der Aufteilung ausgenommen (3 Ob 148/89 = EvBl 1990/95 = EF 60.965; LGZ Wien EF 29.730). 22 Nicht ausschlaggebend für den Begriff der Ehewohnung ist der Umstand, ob die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses eines der Ehegatten dient (Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 7; Hopf/Kathrein § 81 EheG Anm 8; aA Bernat/Schwiman § 81 EheG Rz 14). Auch die Tatsache, dass ein Ehegatte seinen Beruf in der Ehewohnung ausübt, ändert nichts an ihrer definitionsgemäßen Eigenschaft (8 Ob 653/85 = EF 51.717; 3 Ob 523/87 = EF 57.306; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 7). Die Ehewohnung ist auch dann in die Aufteilung einzubeziehen, wenn sie sich auf einer dem Unternehmen gewidmeten Liegenschaft befindet (2 Ob 577/85 = EF 48.938; 7 Ob 533/92 = EF 69.315 = EvBl 1992/157). Diejenigen Flächen, die für die Unternehmensführung benutzt werden – etwa im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs – gehören jedoch idR nicht zur Ehewohnung (6 Ob 611/89 = EF 60.337). Dient ein Haus teilweise der Unternehmensführung bzw Berufsausübung eines Ehegatten, so ist es dennoch als Ehewohnung in die Aufteilung einzubeziehen (7 Ob 699, 700/81 = SZ 54/114; 1 Ob 756/83 = JBl 1985, 365), wenn der dem Unternehmen gewidmete Teil nicht eindeutig vom Wohnteil abgrenzbar ist (5 Ob 517/94 = EF 78.734; 1 Ob 94/ 99a). Eigentum an der Ehewohnung ist dabei nicht erforderlich (7 Ob 276/ 02t = ZIK 2003, 96). 656
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D. Eheliche Ersparnisse Eheliche Ersparnisse sind Wertanlagen jeder Art, die objektiv einer Verwer- 23 tung zugänglich sind (1 Ob 804/82 = JBl 1983, 488; 6 Ob 639/85; 1 Ob 542/95). Die Legaldefinition der ehelichen Ersparnisse gem § 81 Abs 3 EheG verweist auf körperliche, unkörperliche, bewegliche und unbewegliche, verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen. Rechte können auch dann eheliche Ersparnisse darstellen, wenn sie verwertbar sind (2 Ob 580/91 = EF 66.297; LG Salzburg EF 120.254) – etwa Fruchtgenussrechte (6 Ob 563/89 = EF 60.331). Auch Ersparnisse, die ein Ehegatte aus seinen persönlichen Einkünften bildet, fallen unter den Legalbegriff des § 81 Abs 3 EheG (7 Ob 679/86 = EF 51.720). Mitunter sind auch Mietzinsvorauszahlungen zu den ehelichen Ersparnissen zu rechnen, wenn die zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zur ehelichen Errungenschaft zählen (LG Salzburg EF 120.257). Der Begriff der ehelichen Ersparnisse ist im umfassenden Sinn zu verstehen 24 (2 Ob 18/00m). Der Akt des Ansparens oder der Zweck der Vermögensbildung sind für die Zuordnung zu den ehelichen Ersparnissen unmaßgeblich. Entscheidend für die Beurteilung von Wertanlagen als eheliche Ersparnisse ist, dass sie ihrem Wesen nach – dh nach der Verkehrsauffassung – für eine Verwertung bestimmt sind. Diese Verwertung kann entweder substanziell möglich sein – etwa durch Veräußerung – oder der Erzielung von Erträgnissen dienen. Auch die Tatsache, dass die Ersparnisse aus den Einkünften nur eines Ehegatten stammen, hindert die Zugehörigkeit zu den ehelichen Ersparnissen nicht (7 Ob 679/86 = EF 51.720). Ein Lottogewinn, der aus dem Einsatz eines Ehegatten erzielt wurde, fällt nicht in den Ausnahmekatalog des § 82 Abs 1 EheG und ist daher als eheliches Ersparnis ausgleichspflichtig; dies auch dann, wenn der Tipp nur von einem Ehegatten gespielt wurde (6 Ob 2227/96 = EF 81.710; LGZ Wien EF 108.346, 111.339, 43 R 247/05z). Typische Beispiele ehelicher Ersparnisse sind etwa Bargeld, Spareinlagen, 25 Wertpapiere, Kunstgegenstände (LG Wels EF 111.344), nicht benützte Liegenschaften (7 Ob 699, 700/81 = SZ 54/114; 9 Ob 517/95 = SZ 68/164; 9 Ob 132/98x = EF 87.544; LG Salzburg EF 120.254) und Edelmetalle. Zu den ehelichen Ersparnissen zählen aber auch Sammlungen – wie Briefmarken – (1 Ob 804/82 = JBl 1983, 488; LGZ Wien EF 108.349) oder Spielkartensammlungen (7 Ob 1597/95). Guthaben auf Girokonten oder Bausparverträge fallen ebenso unter den Begriff der ehelichen Ersparnisse (Bernat/Schwimann § 81 EheG Rz 16; 5 Ob 20/05k = EF 111.346; aA offenbar Ladurner, ÖJZ 1985, 674); dies aber nur dann, wenn den Ehegatten ein Verfügungsrecht über die Kapitalanlagen zusteht (LGZ Wien EF 100.983). Auch die auf die Namen der Kinder lautenden Bausparverträge (5 Ob 20/ 05k = EF 111.346) sind daher, wenn wirtschaftlich die Absicht bestand, eheli657
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che Ersparnisse zu bilden, in die Aufteilungsmasse mit einzubeziehen (5 Ob 20/05k = EF 111.338). Der Umstand, dass ein Bausparvertrag auf den Namen eines Kindes lautet, kann allerdings ein Indiz dafür sein, dass es sich um Kindesvermögen handelt (2 Ob 614/83 = SZ 57/10). Ein solches liegt aber nur dann vor, wenn der Bausparvertrag mit dem Rechtsfolgewillen der Eltern abgeschlossen worden war, dass die angesparten Guthaben auch wirklich Kindesvermögen sein sollen, mithin Schenkungsabsicht vorlag (5 Ob 737/82; 4 Ob 562/91 = RdW 1992; LGZ Wien EF 108.344). 26 Die Frage, ob Wertanlagen eheliche Ersparnisse darstellen, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. Dabei kommt es auf die Verkehrsauffassung an, ob es sich um Wertanlagen handelt, die für eine Verwertung bestimmt sind (LGZ Wien EF 108.348); auf die ursprüngliche Widmung ist nicht abzustellen (5 Ob 20/05k = EF 111.345). Lebensversicherungsverträge sind eine zur Verwertung bestimmte Sparform und daher mit dem Rückkaufswert zum Aufteilungszeitpunkt in die Aufteilung einzubeziehen; dies selbst dann, wenn ein Dritter Begünstigter ist (6 Ob 551/88; 6 Ob 85/02x = RdW 2003/17; LGZ Wien EF 108.350; LG Linz 15 R 178/06m; LG Salzburg EF 120.258); nicht aber eine vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer im Rahmen einer Gruppenversicherung abgeschlossene Lebensversicherung, wenn diesem während aufrechter Ehe keinerlei Verfügungsrecht über die Versicherungssumme zusteht (LGZ Wien EF 100.985). Die Absicht, Wertanlagen künftig zu veräußern, schließt die Zurechnung zu den ehelichen Ersparnissen nicht aus; ebenso wenig jene, diese zu vererben (2 Ob 581/90; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 10) oder sie später den gemeinsamen Kindern zu übertragen (7 Ob 561/84 = EF 46.335). Die Verwertung iS des § 81 Abs 3 EheG muss nicht zwangsläufig eine solche der Substanz nach sein; auch die Erzielung von Erträgnissen aus derartigen Wertanlagen stellt Sparabsicht dar (5 Ob 20/05k = EF 111.348). Rentenversicherungspolizzen sind ein Surrogat für den Verlust des Firmenpensionsanspruchs und bilden daher einen der Aufteilung unterliegendem Vermögenswert (LGZ Wien EF 108.351). 27 Ein Unfallversicherungsvertrag stellt zwar für sich genommen, keinen Vermögenswert dar, weil dieser weder verwertet werden kann, noch Gewissheit darüber besteht, ob jemals ein Anspruch entstehen wird; doch verdichtet sich dieser mit Eintritt des Versicherungsfalls zu einem konkreten Vermögenswert, ist er den ehelichen Ersparnissen zuzurechnen (7 Ob 168/03m = EF 104.965). Auch die Tatsache, dass die Prämien (auch) schon vor der Eheschließung bezahlt wurden und die Auszahlung aus dem Versicherungsvertrag erst nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt, lässt diese Eigenschaft unberührt. Im Einzelfall ist zu entscheiden, ob bestimmte Finanzprodukte typischerweise der Altersvorsorge dienen oder aber für eine zukünftige Verwertung 658
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bestimmt sind. Die der Altersvorsorge dienenden Anlageprodukte sind – abgesehen von Missbrauchsfällen – nicht den ehelichen Ersparnissen zuzurechenen und daher von der Aufteilung ausgenommen (1 Ob 187/09w = iFamZ 2010/72 = EF-Z 2010/10 = Zak 2010/13). Zu Pensionsabfindungen und Zukunftsvorsorgeprodukten vgl Rz 7 f.
E. Wertveränderungen der Aufteilungsmasse Auch der Wertzuwachs, der von der Aufteilung gem § 82 EheG ausgenom- 28 menen Sachen fällt unter die Aufteilungsmasse, wenn er durch Investitionen, Arbeitsleistungen oder Konsumverzicht eines Ehegatten bewirkt wurde (3 Ob 83/73 = SZ 46/42; 2 Ob 501/88 = EF 57.290; 6 Ob 31/07p; 10 Ob 74/08t = EF 120.263; 7 Ob 105/09 f = iFamZ 2010/126 uva). Jene Wertsteigerungen, die nur auf allgemeine Preissteigerungen zurückzuführen sind, werden dem gegenüber nicht in die Aufteilung einbezogen (3 Ob 267/99g = EvBl 2000/156 = JBl 2000, 666 = EF 93.909; LG Salzburg EF 120.271). Die Wertänderung eines Wohnrechts, die darauf beruht, dass der Wohnberechtigte nunmehr über eine geringere Lebenserwartung verfügt, ist daher nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht auf Investitionen oder Arbeitsleistungen der Ehegatten zurückzuführen ist, wenn die Liegenschaft selbst nicht der Aufteilung unterliegt (6 Ob 245/ 01z; LG Salzburg EF 111.333; LG Salzburg EF 120.271). Das Ausmaß der Wertsteigerungen kann im Einzelfall auch gem § 34 AußStrG ermittelt werden (3 Ob 101/07k; 6 Ob 31/07p). Es muss sich um einen Wertzuwachs im Vermögen eines der Ehegatten han- 29 deln (3 Ob 541/88 = EvBl 1989/166 = EF 60.332). Ein Wertzuwachs im Vermögen eines Dritten, stellt grundsätzlich kein aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten dar (6 Ob 94/04y; 10 Ob 66/05m; 1 Ob 88/05 f = EF 111.342; 1 Ob 30/06b; 10 Ob 74/08t = EF 120.266). Dies gilt aber dann nicht, wenn aus besonderen Gründen anzunehmen ist, dass ein geschiedener Ehegatte auch ohne einen konkreten Rechtsanspruch in den vollen Genuss der Wertsteigerung im Vermögen eines Dritten kommt, etwa weil sich dieser im Vermögen der Mutter befindet und von dem geschiedenen Ehegatten (mit)benützt wird. Nach Billigkeit hat daher in diesem Fall eine angemessene Berücksichtigung dieses Umstands stattzufinden (3 Ob 541/88 = EvBl 1989/166; 7 Ob 30/ 00p; 9 Ob 56/05h = EF 111.343; 6 Ob 164/06w; 10 Ob 74/08t = EF 120.267). Diese Wertsteigerung kann aber nicht als Aktivum in die Aufteilung einbezogen werden (10 Ob 74/08t = EF 120.269).
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F. Abgrenzungsfragen 30 Teilweise können begriffsgemäß Gegenstände sowohl unter das eheliche Gebrauchsvermögen als auch unter die ehelichen Ersparnisse fallen – etwa wenn wertvolle Gegenstände einer Sammlung auch tatsächlich für Wohnzwecke benützt werden. Diese Abgrenzungsfrage ist deshalb von praktischer Bedeutung, weil es iZm den gerichtlichen Aufteilungsanordnungen gem §§ 86 bis 89 EheG und im Hinblick auf die Vorwegvereinbarungen iS des § 97 Abs 1 EheG zu Differenzierungen beider Begriffe kommt. Wird eine Wertanlage (später) tatsächlich zum gemeinsamen Gebrauch verwendet, so ist diese unter dem Begriff des ehelichen Gebrauchsvermögens einzuordnen. Auch im Zweifel ist aufgrund der erhöhten Schutzwirkung eine Einordnung unter das eheliche Gebrauchsvermögen vorzunehmen.
G. Konnexe Schulden 31 Gem § 81 Abs 1 Satz 2 EheG sind in die Aufteilung jene Schulden einzubeziehen, die mit dem aufzuteilenden Vermögen in einem inneren Zusammenhang stehen. Solche so genannten konnexen Schulden, stellen jene Schulden dar, die zur Herstellung, Anschaffung, Instandhaltung oder Verbesserung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse eingegangen worden sind (6 Ob 94/04y = 108.338; 1 Ob 88/05 f = EF 111.334). Auch bei Einbeziehung der Schulden ist idR als Stichtag der Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft heranzuziehen. Die vorehelichen Ersparnisse, die zur Bezahlung von ehelichen Schulden verwendet wurden, stellen demnach keine Schulden dar, die wertmindernd in Rechnung zu stellen sind (LGZ Wien EF 120.260). Hat ein Ehegatte aus seinen vorehelichen Ersparnissen Steuerschulden seines Ehepartners bezahlt, so ist das nicht im Rahmen des Aufteilungsverfahrens in Anschlag zu bringen, sondern allenfalls nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückzuerstatten (vgl auch LGZ Wien EF 120.261). Diese konnexen Schulden sind in „Anschlag zu bringen“, dh sie vermindern die aufzuteilenden Aktiven wertmäßig (1 Ob 68/00g = RdW 2000/647; 10 Ob 15/04k = EF 108.337; 1 Ob 36/09i = NZ 2009/71). Sie sind selbst dann einer Aufteilung zugänglich, wenn die Sachen, auf die sie sich beziehen, nicht (mehr) der Aufteilung unterliegen, weil sie nicht mehr in der Verfügungsmacht der Ehegatten sind bzw dann, wenn die Schulden nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft bereits getilgt wurden (6 Ob 667/83 = SZ 56/193; 10 Ob 15/04k = EF 108.337; LGZ Wien EF 66.507; LG Salzburg EF 104.971; Stabentheiner/Rummel § 81 EheG Rz 5). Ein Aufteilungsverfahren kann auch bloß zur Berücksichtigung von Schulden eingeleitet werden, selbst dann, wenn gar kein aufzuteilendes Vermögen 660
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Nacheheliche Aufteilung
mehr vorhanden ist (1 Ob 605/88 = SZ 61/206 = RZ 1990/2; 5 Ob 601/89 = EF 60.341; LG Salzburg EF 104.971). Auf eine nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgte Schuldentilgung ist Bedacht zu nehmen (2 Ob 674/84 = EF 49.009; LG Salzburg EF 120.262), nicht jedoch auf den offenen Saldo des Bankkredits, wenn nach wie vor beide Parteien für diesen Kredit haften (LG Salzburg EF 108.342). Hat nur einer der beiden Ehegatten die Schulden nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft beglichen, so sind sie nach dem Verbraucherpreisindex aufzuwerten (6 Ob 552/88 = EF 57.301; LG Salzburg EF 120.262; Koch/KBB § 81 EheG Rz 8). Auch Bankschulden, die der Finanzierung nunmehr weitgehend entwerteter Sachwerte gedient haben, sind nach Billigkeit nicht nach dem Verkehrswert dieser Sachen, sondern nach deren andauerndem Gebrauchswert nach den für Ersatzinvestitionen erforderlichen Aufwendungen aufzuteilen (1 Ob 159/04w = EF 108.340). Geschäftskredite sind – mangels eines inneren Zusammenhangs mit dem ehe- 32 lichen Gebrauchsvermögen oder den ehelichen Ersparnissen – nicht zu berücksichtigen (Hopf/Kathrein § 81 EheG Anm 14). Auch wenn Kreditverbindlichkeiten für das Unternehmen deshalb entstanden sind, weil überhöhte Privatentnahmen der Finanzierung des ehelichen Lebensaufwands gedient haben, stellen diese Verbindlichkeiten keine Schulden iS des § 81 Abs 1 EheG dar (1 Ob 246/05s = EF 111.336). Kreditrückzahlungen, Betriebskosten und öffentliche Abgaben sind idR dem Unterhaltsbereich zuzuordnen und unterliegen dann nicht dem Aufteilungsverfahren (1 Ob 155/08p = EF-Z 2009/12 = EF 120.265). Einnahmen aus „Kick-Back-Geschäften“, die für Privatzwecke umgewidmet wurden, sind grundsätzlich der Aufteilung zu unterziehen (9 Ob 99/01a = EF 97.343). Insoweit diese „Einkünfte“ das Ergebnis eines gerichtlich strafbaren Verhaltens eines Ehegatten darstellen und den Unternehmer-Ehegatten eine Zahlungsverpflichtung der Steuerschulden trifft, sind diese in Anschlag zu bringen (3 Ob 541/88 = EvBl 1989/166; 6 Ob 245/01z; 1 Ob 88/05 f = EF 111.335). Die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldstrafe kann selbst dann nicht im Aufteilungsverfahren in Anschlag gebracht werden, wenn der andere Ehegatte vom strafbaren Verhalten gewusst oder es gar gebilligt hat (LGZ Wien EF 108.339). Sonstige Schulden – unter der Voraussetzung, dass sie mit dem gemeinsamen 33 ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen (§ 83 Abs 1 Satz 2 EheG) – etwa Konsumkredite, deren Äquivalent nicht in Sachwerten vorhanden ist – sind ebenfalls bei der Aufteilung zu berücksichtigen. Solche Schulden sind im Innenverhältnis aufzuteilen (10 Ob 15/04k = EF 108.337). Dienten diese Kredite aber zum größten Teil nur Zwecken eines Ehegatten und weniger dem ehelichen Lebensaufwand und hat der andere Ehegatte den überwiegenden Beitrag 661
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zur gemeinsamen Lebensgestaltung beigetragen, so ist diesem Teil nach Billigkeit auch nicht die Rückzahlungsverpflichtung aufzuerlegen (LGZ Wien EF 120.259). Sind das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse bereits einvernehmlich aufgeteilt worden oder waren Vermögenswerte nie vorhanden, so kann diesbezüglich auch eine Aufteilungsentscheidung nur über die Schulden ergehen (LG Salzburg EF 104.971). Können eindeutige Feststellungen zur Frage, in welchem Ausmaß die Schulden beide Ehegatten gemeinsam oder nur einen allein betreffen, nicht getroffen werden, so ist auch eine Feststellung möglich, in welchem Verhältnis eine Zuordnung der Schulden nach Billigkeit angenommen werden kann (6 Ob 646/86; 10 Ob 15/04k = EF 108.341). Zur Regelung der Schuldentragung im Innenverhältnis vgl § 92 EheG, im Außenverhältnis vgl § 98 EheG.
§ 82. (1) Der Aufteilung unterliegen nicht Sachen (§ 81), die 1. ein Ehegatte in die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder ihm ein Dritter geschenkt hat, 2. dem persönlichen Gebrauch eines Ehegatten allein oder der Ausübung seines Berufes dienen, 3. zu einem Unternehmen gehören oder 4. Anteile an einem Unternehmen sind, außer es handelt sich um bloße Wertanlagen. (2) Die Ehewohnung, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht oder von Todes wegen erworben oder die ihm ein Dritter geschenkt hat, ist in die Aufteilung dann einzubeziehen, wenn dies vereinbart wurde, wenn der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist oder wenn ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat. Gleiches gilt für den Hausrat, wenn der andere Ehegatte auf seine Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist. [BGBl 1978/280, BGBl I 1999/125; Abs 2 BGBl 2009/75, seit 1.1.2000 anzuwenden auf Ansprüche auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse aufgrund von Scheidungen, bei denen die mündliche Streitverhandlung erster Instanz im Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht geschlossen war, ansonsten aber in der bisher in Geltung gestandenen Fassung anzuwenden] Lit: Deixler-Hübner, Probleme der Leistungsabgeltung im Zusammenhang mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 201; Deixler-Hübner, Auswirkung der Scheidung auf Schenkungen zwischen Ehegatten, EF-Z 2008/131; Edlbacher, Das Unternehmen in der scheidungsrechtlichen Vermögensaufteilung, FS Wagner (1987), 97; Gimpel-Hinteregger,
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Nacheheliche Aufteilung
Billigkeitserwägungen bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse in der Rechtsprechung des OGH, JBl 1986, 553; Grass, Kritik an „Das Unternehmen in der Vermögensteilung nach Scheidung“ (RdW 1983, 2), RdW 1984, 6; Honsell, Die Neuordnung des gesetzlichen Güterrechts in Österreich, FamRZ 1980, 93; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999 ÖJZ 1999, 861; Hopf, Eherechts-Änderungsgesetz 1999 im Überblick in Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2000) 28; Linder, Das Unternehmen in der Ehescheidung, GesRZ 2007, 7; Nowotny, Ehescheidung und Unternehmensvermögen, ÖJZ 1988, 650; Nimmerrichter, Die Abgrenzung der Aufteilungsmasse nach §§ 81 ff EheG, iFamZ 2009, 296; Olscher, Ehescheidung und Unternehmen, SWK 1993, 317; Rummel, Schenkungen unter Ehegatten und Scheidung, JBl 1976, 626; Rummler, Die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse: ein Vergleich der vermögensrechtlichen Folgen der Ehescheidung nach dem gesetzlichen ehelichen Güterrecht in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland (1982); Wilhelm, Das Unternehmen in der Vermögensteilung nach Scheidung, RdW 1983, 2; ders, Die Aufteilung des ehelichen Vermögens nach den §§ 81 ff EheG in der Rechtsprechung, NZ 1986, 145. Inhaltsübersicht A. Von der Aufteilung ausgenommene Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht in der Ehe geschaffene oder erworbene Vermögenswerte . . . . . . a) In die Ehe eingebrachte Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Von Todes wegen erworbene Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschenke von dritter Seite an einen der Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . d) Kriterien für die Zugehörigkeit einer eingebrachten, ererbten oder geschenkten Sache zur Aufteilungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erträgnisse und Wertsteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Surrogationsprinzip/Umwidmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dem persönlichen Gebrauch oder der Berufsausübung dienende Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zu einem Unternehmen gehörende Sachen und Unternehmensanteile a) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dem Unternehmen gewidmete Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewinne aus einem Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unternehmensanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Private Nutzung von Unternehmensvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gegenausnahmen: Hausrat und Ehewohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Existenzieller Bedarf eines Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berücksichtigungswürdiger Bedarf eines gemeinsamen Kindes . . . . . .
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1–26 1–2 3–13 4 5 6–8 9 10–11 12–13 14 15–26 15 16–18 19–21 22 23–25 26 27–34 27–30 31–32 33–34
§ 82 EheG
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A. Von der Aufteilung ausgenommene Sachen 1. Allgemeines
1 Der Aufteilung gem § 81 EheG unterliegen nur solche Sachen, die nicht von § 82 EheG ausdrücklich ausgenommen sind. § 81 EheG wird daher von § 82 EheG noch einmal negativ abgegrenzt. Nach dem JAB 14 wird § 82 Abs 1 Z 2 bis 4 EheG bloß klarstellende Funktion beigemessen, weil diese dort normierten Sachen schon definitionsgemäß nach § 81 EheG nicht der Aufteilungsmasse unterfallen. Dies ist aber schon deshalb zu kurz gegriffen, weil § 82 EheG die dort angeführten Gegenstände im Hinblick auf die ehelichen Ersparnisse konstitutiv abgrenzt (vgl Bernat/Schwimann § 82 EheG Rz 4). Der Umkehrschluss, dass jene Sachen, die in § 82 EheG nicht angeführt sind, jedenfalls der Aufteilung unterliegen, darf daher nicht unbesehen gezogen werden. Nur dann, wenn eine Sache weder unter § 81 EheG noch unter § 82 EheG fällt, ist sie nicht aufzuteilen. Diese doppelgleisige Regelung in § 81 EheG und § 82 EheG wurde daher zu Recht von der Lehre kritisiert, indem sie als „ausgesprochenes Verwirrspiel“ bezeichnet wurde (vgl Honsell, FamRZ 1980, 94; Bernat/Schwimann § 82 EheG Rz 2 mwN). Der Grundgedanke des Gesetzgebers ist, dass nur dasjenige Vermögen aufgeteilt werden soll, zu dessen Erwerb die Ehegatten während der Ehe gemeinsam beigetragen haben, also das, was eheliche Errungenschaft darstellt (1 Ob 643/82 = SZ 55/163; 2 Ob 581/90 = EF 63.528; LG Linz EF 120.250). 2 Gem § 82 Abs 1 Z 1 bis 4 EheG unterliegen jedenfalls folgende Sachen nicht der Aufteilung: Die in die Ehe eingebrachten, von Todes wegen erworbenen oder von Dritten geschenkte Sachen, Sachen die dem persönlichen Gebrauch eines Ehegatten allein oder dessen Berufsausübung dienen, zu einem Unternehmen gehörende Sachen oder Unternehmensanteile, wenn es sich nicht um bloße Wertanlagen handelt. § 82 Abs 2 EheG nennt als Gegenausnahmen wiederum die Ehewohnung und den Hausrat, auch wenn es sich hierbei um eingebrachte, von Todes wegen erworbene oder geschenkte Sachen handelt. Hinsichtlich der in § 82 Abs 1 Z 1 bis 4 EheG normierten Kategorien bleibt es auch im Fall der Eheauflösung beim gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung, sodass eine Zuordnung nach rein sachenrechtlichen Kriterien vorzunehmen ist (LG Salzburg EF 108.358). 2. Nicht in der Ehe geschaffene oder erworbene Vermögenswerte
3 Gemäß dem Gedanken des Zugewinnausgleichs sollen Vermögenswerte, die nicht in der Ehe gemeinsam erworben oder gemeinsam erspart wurden, von der Aufteilung ausgeklammert sein, sodass in die Ehe eingebrachte, von Todes wegen erworbene und geschenkte Sachen vom Aufteilungsverfahren unbe664
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Nacheheliche Aufteilung
rührt bleiben. Auszuscheiden sind daher nicht nur die vor der Eheschließung erworbenen Sachen, sondern auch jene, die nach der Eheschließung nur einem Ehegatten von dritter Seite zugewendete Sachen. a) In die Ehe eingebrachte Sachen
Diese in § 82 Abs 1 Z 1 EheG normierten Sachen können – abgesehen von einer 4 vergleichsweisen Regelung (6 Ob 2229/96d = EF 81.707) – auch nicht durch Parteiendisposition in das Aufteilungsverfahren miteinbezogen werden. Sind Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Eheschließung in der alleinigen wirtschaftlichen Sphäre eines Ehegatten gestanden, behalten sie weiterhin ihre rechtliche Zuordnung und sind nicht in die Aufteilungsmasse einzubeziehen. Das gilt auch im Fall, dass die geschiedenen Ehegatten im Rahmen ihrer vorehelichen Lebensgemeinschaft Vermögenswerte angesammelt und dann in die Ehe eingebracht haben (7 Ob 129/05d = EF 111.350; OLG Wien EF 101.004; LGZ Wien EF 120.281). Hochzeitsgeschenke, die anlässlich einer der standesamtlichen vorangegangenen „traditionellen“ Hochzeitsfeier zugewendet wurden, fallen ebenfalls nicht in die Aufteilungsmasse (7 Ob 239/07h = EF-Z 2008/33 = Zak 2008/83). Auch wenn diese Sachen gemeinsam als gemeinschaftliches Eigentum erworben (LGZ Wien EF 111.351) bzw Schulden für die Anschaffung der (späteren) Ehewohnung gemeinsam eingegangen wurden (LG Linz EF 104.973), fallen diese nicht in die Aufteilungsmasse. Stichtag ist dabei der Tag der Eheschließung (3 Ob 314/98t = EF 93.927; vgl auch vor §§ 81 ff EheG Rz 9). Anders liegen die Dinge nur dann, wenn der Kaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der späteren Eheschließung gemeinsam abgeschlossen wird (7 Ob 750/80 = EvBl 1981/49; 3 Ob 588/82 = EF 41.358; 5 Ob 29/98w = EF 87.539; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 2). Wertsteigerungen von eingebrachten Sachen unterliegen jedoch der richterlichen Aufteilung, wenn sie auch auf Arbeitsleistungen oder Investitionen des anderen Ehegatten zurückgehen (stRsp: RIS-Justiz RS0057308; RS0114449; 6 Ob 31/07p = EF 120.280; 7 Ob 105/09 f = iFamZ 2010/126 uva; vgl dazu auch § 81 Rz 28). Eine eingebrachte Sache ist nach der Rsp dann in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen, wenn die überwiegende Wertschöpfung während der Ehe stattgefunden hat (1 Ob 119/09w = iFamZ 2010/33 ua; vgl dazu Rz 9). b) Von Todes wegen erworbene Sachen
Alle Vermögenswerte, die ein Ehegatte allein im Erbweg erhält – etwa als Erb- 5 teil, Pflichtteil, Legat, Schenkung auf den Todesfall usw –, sind von der Aufteilung ausgenommen. Auch Zuwendungen an einen Ehegatten gegen Abgabe eines Erbverzichts bleiben von der Aufteilung ausgeklammert (6 Ob 632/88 = 665
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Deixler-Hübner
EF 57.338 = Miet 40.698; 3 Ob 149/03p = EF 104.975; Hopf/Kathrein § 82 EheG Anm 4). Solche Zuwendungen sind schon deshalb ausgenommen, weil sie auch Z 1 Fall 3 zugeordnet werden können. Von der Aufteilung ausgenommen sind daher auch Geldbeträge, die ein Ehegatte als Pflichtteilsabfertigung erhalten hat (LG Linz EF 120.291). c) Geschenke von dritter Seite an einen der Ehegatten
6 Von der Aufteilung ausgenommen sind nur jene Sachen, die einem Ehegatten allein von dritter Seite geschenkt wurden. (Hochzeits)Geschenke unterliegen daher dann nicht der Aufteilung, wenn sie aufgrund ihrer Widmung nur dem Gebrauch eines Ehegatten dienen können – etwa geschlechtsspezifisch ausgestaltete Schmuckstücke (5 Ob 516/81 = SZ 54/79 = EF 38.861; Gimpel-Hinteregger, JBl 1986, 556). Im Zweifel – sofern kein anderer Wille des Dritten erkennbar ist – ist davon auszugehen, dass eine Zuwendung, die während der Ehe beiden Ehegatten zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse zu Gute kommen soll, auch ein Geschenk an beide darstellt (2 Ob 5/04 f = EF 111.353; 6 Ob 164/06w; Hopf/Kathrein § 82 EheG Anm 5). Dies gilt aber dann nicht, wenn die Zuwendung des Dritten als Erbteil eines der Ehegatten bestimmt war (3 Ob 149/03p = EF 104.975). Diese Zweifelsregel dreht die jüngere Rsp bei Angehörigen um; sie geht davon aus, dass die nicht ausdrücklich gewidmete Zuwendung nur jenem Ehegatten zu Gute kommen soll, zu dem der Leistende in verwandtschaftlicher Beziehung steht (9 Ob 163/02i = EF 101.008; 9 Ob 162/02i = RZ 2003, 89; 6 Ob 178/03z = EF 108.360; 2 Ob 5/04 f = EF 111.353; 6 Ob 164/06w; 6 Ob 31/07p = EF 120.285; LGZ Wien EF 120.284). Haben etwa die Eltern ihrer Tochter Geldbeträge ohne Widmung auf ihr Konto überwiesen, so gelten diese Empfänge als deren Geschenke und vermindern die Aufteilungsquote des Ehemanns, wenn sie zum gemeinsamen Hausbau verwendet wurden. Diese Zweifelsregel ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn das Geschenk eindeutig beiden Ehegatten gewidmet wurde – etwa wenn eine Liegenschaft von den Eltern der geschiedenen Ehegattin in das Miteigentum beider Ehegatten übergeben worden ist (9 Ob 162/02i = RZ 2003/6 = EF 101.009; 6 Ob 31/07p = EF 120.285; vgl auch 3 Ob 149/03p = EF 104.974). Anders lägen die Dinge daher etwa auch im zuletzt genannten Fall, wenn der Betrag von den Eltern auf ein ausdrücklich auf beide Ehegatten lautendes Konto eingezahlt wurde, außer der Wille war eindeutig darauf gerichtet, diese Geldempfänge dennoch nur der Tochter zuzuwenden. Auch Werterhöhungen des Gebrauchsvermögens durch Leistungen von Verwandten eines Ehegatten, wenn nicht hinreichend deutlich eine Widmung zu Gunsten beider Ehegatten erfolgt ist, sind bei der Aufteilung als Beitrag desjenigen Ehegatten anzusehen, mit dem der Leistende verwandt ist (LG Wels EF 111.352). 666
§ 82 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Bei einer gemischten Schenkung ist nur jener Teil der Sache, der mangels 7 äquivalenter Gegenleistung als Geschenk anzusehen ist, unter § 82 Abs 1 Z 1 EheG zu subsumieren (Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 4 mwN). Eine gemischte Schenkung liegt aber dann nicht vor, wenn die Schenkung unter einer Auflage gemacht wird – etwa indem dem Geschenkgeber ein lebenslängliches Wohnrecht eingeräumt wurde. Auch eine Schenkung unter einer Auflage behält ihre rechtliche Eigenschaft als Schenkung; allerdings wird ihr Wert durch die Auflage vermindert (7 Ob 264/00z = NZ 2001, 308; 2 Ob 184/04a = EF 108.361; 7 Ob 23/09x = JBl 2010, 56). Geschenke eines Ehegatten an den anderen sind nicht der Ausnahme des 8 § 82 Abs 1 Z 1 EheG unterzuordnen und unterliegen daher der Aufteilung, sofern es sich um eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse handelt (10 Ob 66/05m = EF 111.354; LG Salzburg EF 120.287; 1 Ob 155/08p = iFamZ 2009/83; 9 Ob 20/09w = Zak 2009/663 uva). Dies gilt besonders auch für Liegenschaften und Eigentumswohnungen (1 Ob 197/99y = JBl 2000, 666; 10 Ob 66/05m = EF 111.354; 7 Ob 23/09x = JBl 2010, 56). Über das Schicksal der geschenkten Sache an sich ist daher im außerstreitigen und nicht im streitigen Rechtsweg abzusprechen – etwa über die Geltendmachung eines Motivirrtums nach § 901 ABGB (4 Ob 565/94 = NZ 1996, 65). Die Rsp geht davon aus, dass § 1266 ABGB analog auf Schenkungen anzuwenden ist, weil ihr Zweck mit dem von Ehepakten vergleichbar ist, daher die Schenkung regelmäßig in der Erwartung erfolgt, die Ehe werde Bestand haben (1 Ob 10/75 = SZ 48/9; 4 Ob 504/84 = SZ 58/63; 2 Ob 501/88 = EF 56.968; 4 Ob 565/94 = NZ 1996, 65; 1 Ob 158/08d = EF-Z 2009/49 = EF 120.290). Damit schließt sich die Rsp wohl auch der Ansicht Rummels (JBl 1976, 626) an, wonach nach einer Ehescheidung Schenkungen zurückgefordert werden können, die unter der Voraussetzung gemacht wurden, dass die Ehe aufrecht bleibt, sodass hier der Motivirrtum anscheinend stets durchschlägt. Wie auch bei den Ehepakten (vgl 1 Ob 197/99y = JBl 2000, 666 = EvBl 2000/156) bleibt der Wert des Geschenkes selbst bei Bestimmung der Ausgleichszahlung weitgehend außer Betracht (1 Ob 158/08d = EF-Z 2009/49 = EF 120.290; vgl auch Deixler-Hübner, EFZ 2008/131; nur eine allenfalls erzielte Wertsteigerung des Geschenkes zwischen Schenkung und Bewertungsstichtag ist aufzuteilen (4 Ob 281/00b = JBl 2001, 309; 6 Ob 245/01z = EF 100.997; 6 Ob 94/04y; 1 Ob 159/04w = EF 108.334; 10 Ob 66/05m; 1 Ob 155/08p = iFamZ 2009/83; 9 Ob 20/09w = Zak 2009/663; 7 Ob 23/09x = JBl 2010, 56; vgl dazu auch Rz 9). d) Kriterien für die Zugehörigkeit einer eingebrachten, ererbten oder geschenkten Sache zur Aufteilungsmasse
Ob eine in die Ehe eingebrachte, von Todes wegen erworbene oder geschenkte 9 Sache in die Ingerenz des Außerstreitrichters fällt, bestimmt sich nach wirt667
§ 82 EheG
Deixler-Hübner
schaftlichen Gesichtspunkten (vgl Gimpel-Hinteregger, JBl 1986, 556; Hopf/ Kathrein § 82 EheG Anm 2; 7 Ob 750/80 = EvBl 1981/49 = EF 36.465). Die jüngere Meinung differenziert für die Einbeziehung in das Aufteilungsverfahren danach, ob die überwiegende Wertschöpfung vor dem Zeitpunkt der Eheschließung oder während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erfolgt ist. Ist die erheblich überwiegende Wertschöpfung während der Ehe bewirkt worden, ist der eingebrachte, geerbte oder geschenkte Vermögenswert in die Aufteilungsmasse einzubeziehen, im umgekehrten Fall bleibt er ausgeklammert (8 Ob 690/88; 2 Ob 314/01t = EF 101.007 = ecolex 2002/132 [Stefula]; 3 Ob 148/08y; 1 Ob 119/09w = iFamZ 2010/33; vgl dazu auch Nimmerrichter, iFamZ 2009, 296). Selbst dann, wenn über diesen konkreten Gegenstand nicht im Aufteilungsverfahren zu entscheiden ist, ist die Wertsteigerung des Gegenstands selbst mit einzubeziehen, wonach diese nach Billigkeit – nach der Rsp wohl meist im Verhältnis 1 : 1 (vgl § 85 EheG Rz 8) – aufzuteilen ist. e) Erträgnisse und Wertsteigerungen
10 Erträge eines in die Ehe eingebrachten, von Todes wegen erworbenen oder geschenkten Vermögenswerts sind grundsätzlich in die Aufteilung einzubeziehen (1 Ob 643/82 = SZ 55/163 = JBl 1983, 316; 8 Ob 549/88 = EF 60.357; LGZ Wien EF 108.363; 1 Ob 158/08d = EF-Z 2009/49 = EF 120.290; 7 Ob 195/09 f = iFamZ 2010/126 [Deixler-Hübner]; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 5; Hopf/Kathrein § 82 EheG Anm 7; Bernat/Schwimann § 82 EheG Rz 5). Dies gilt aber dann nicht, wenn die Wertsteigerung nur auf dem Beitrag des einbringenden Ehegatten beruht (6 Ob 667/83 = SZ 56/193; 1 Ob 159/ 04w = EF 108.334) bzw die Wertsteigerung bloß auf eine bestimmte Preisentwicklung zurückzuführen ist (1 Ob 197/99y = JBl 2000, 666 = EvBl 2000/156; 6 Ob 245/01z = EF 100.997; 6 Ob 75/03d; ebenso offenbar Wilhelm, NZ 1986, 146; missverständlich aber Bernat/Schwimann § 82 EheG Rz 5). Beruhen die Wertsteigerungen allerdings auf Investitionen oder Arbeitsleistungen des anderen Ehegatten – etwa auf Leistungen eines Ehegatten in den vom anderen Ehegatten in die Ehe eingebrachten Rohbau eines Hauses –, ist dieser Wertzuwachs nach dem Gewicht der Beiträge – im Zweifel im Verhältnis 1 : 1 – aufzuteilen (vgl zu den Werterhöhungen durch Leistungen von Verwandten eines Ehegatten LG Wels EF 111. 352 und Rz 6). 11 Arbeits- und Materialleistungen während der vorehelichen Lebensgemeinschaft behalten ihre rechtliche Zuordnung bei, können daher nicht im Aufteilungsverfahren berücksichtigt werden (1 Ob 209/04y; LG Salzburg 21 R 126/ 06k; 7 Ob 239/07h = = EF-Z 2008/33 = Zak 2008/83); sie sind nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen abzugelten (vgl Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 201). Sie können nur ausnahmsweise in Anschlag gebracht werden, wenn Aufwendungen für die spätere Ehewohnung gemacht wurden und ein Ehegatte 668
§ 82 EheG
Nacheheliche Aufteilung
zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse auf diese angewiesen ist (vgl § 82 Abs 2 EheG; 7 Ob 1506/95; 1 Ob 209/04y; vgl dazu Rz 28). f) Surrogationsprinzip/Umwidmung
Unter die Ausnahmebestimmung des § 82 Abs 1 Z 1 EheG fallen grundsätzlich 12 auch jene Sachen, die aus den eingebrachten, von Todes wegen erworbenen oder geschenkten Gegenständen angeschafft wurden (Surrogationsprinzip). Werden die eingebrachten Gegenstände veräußert und damit andere Vermögenswerte geschaffen bzw wird der Veräußerungserlös auf ein Sparbuch gelegt, so bleibt dieses Äquivalent dann von der Aufteilung ausgenommen, wenn es noch klar abgrenzbar ist (9 Ob 29/00 f = EF 93.925; 6 Ob 164/06w; LGZ Wien EF 108.362, 111.349; LGZ Wien EF 120.278; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 8; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 184; Nimmerrichter, iFamZ 2009, 296). Ist das Surrogat nicht mehr eindeutig abgrenzbar oder hat der „einbringende Ehegatte“ eine deutliche Umwidmung vorgenommen, so fällt der Vermögenswert in die Aufteilungsmasse (6 Ob 560/84 = EvBl 1986/13; 6 Ob 162/ 99p = EF 90.436; 9 Ob 29/00 f = EF 93.924; 9 Ob 155/03i = EF 108.359; LGZ Wien EF 120.278 ua); das Außerstreitgericht hat darüber zu befinden – etwa voreheliche Ersparnisse eines Ehegatten, die zur Bezahlung der Hochzeitsaufwendungen herangezogen wurden (LGZ Wien EF 120.278). Aber auch in diesem Fall ist der Vermögenswert im Rahmen der Billigkeitsentscheidung wertverfolgend zu berücksichtigen (6 Ob 807/82 = SZ 56/42; 1 Ob 516/90 = RZ 1991/3; 9 Ob 155/03i = EF 108.359), weil er ja nur auf den Beitrag eines Ehegatten zurückzuführen ist. Hat daher ein Ehegatte einen geschenkten Geldbetrag – nicht abgesondert – bei sich behalten, sondern durch Übergabe an den anderen Ehegatten zumindest schlüssig den gemeinsamen wirtschaftlichen Zwecken gewidmet, kommt eine reale Aussonderung aus der Aufteilungsmasse nicht mehr in Betracht (9 0b 155/03i = EF 108.359; vgl zum Fall der teilweisen Finanzierung von ehelichem Gebrauchsvermögen oder ehelichen Ersparnissen durch eingebrachte, von Todes wegen erworbene oder geschenkte Mittel Rz 29). Eine der Aufteilung entzogene Sache, die zu Ehevermögen umgewidmet wurde, ist idR durch einen allfälligen Scheidungsfolgenvergleich mitbereinigt (4 Ob 115/10 f = iFamZ 2011/39, Deixler-Hübner). Ob das Surrogationsprinzip nur im Hinblick auf die Fälle des § 82 Abs 1 Z 1 13 EheG oder auch auf die anderen Fälle des Negativkatalogs Anwendung findet, ist umstritten. Es ist aber davon auszugehen, dass schon aufgrund der Gesetzesteleologie bloß die Surrogate bei den eingebrachten, von Todes wegen erworbenen oder geschenkten Gegenständen von der Aufteilung ausgenommen sind, weil die anderen Ausnahmeregelungen andere Zwecke verfolgen. Der Surrogationsgedanke gilt daher etwa für Unternehmen grundsätzlich 669
§ 82 EheG
Deixler-Hübner
nicht (Hopf/Kathrein § 82 EheG Anm 19; aA Gimpel-Hinteregger, JBl 1986, 558). 3. Dem persönlichen Gebrauch oder der Berufsausübung dienende Sachen
14 Sachen, die dem persönlichen Gebrauch eines Ehegatten allein dienen, sind schon aufgrund der Legaldefinition des § 81 Abs 2 EheG von der Aufteilung ausgenommen. Darunter fallen Gegenstände, die bloß für die Ausübung der Freizeitgestaltung eines Ehegatten allein verwendet werden – etwa ein von ihm allein benütztes Segelboot, ein Reitpferd oder eine Fotoausrüstung. Auch die der (Wieder)Ausübung des Berufs eines Ehegatten dienenden Sachen – etwa ein PC eines freiberuflich Tätigen, der PKW eines Handelsvertreters oder medizinische Geräte eines Zahnarztes fallen nicht in die Aufteilungsmasse. Auf die rechtliche Zuordnung der Gegenstände kommt es dabei nicht an. Diese bleiben selbst dann von der Aufteilung ausgeklammert, wenn sie im Eigentum des anderen Ehegatten stehen (Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 7; Bernat/Schwimann § 82 EheG Rz 9; aA Rummler 54). Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen hier insofern, als fraglich ist, ob eine von einem Ehegatten stets allein benützte Sache auch dann ausgenommen ist, wenn sie zwar primär zu Zwecken der Bildung von ehelichen Ersparnissen angeschafft wurde, dann aber aufgrund der einvernehmlichen, anders lautenden Widmung bloß einem Ehegatten gedient hat – etwa ein wertvolles Gemälde, das in dem von einem Ehegatten in die Ehe eingebrachten und von ihm allein benützten Ferienhaus an der Wand hängt, was eher zu verneinen ist, weil allein diese Widmung noch nicht die Zustimmung beinhaltet, dass die Sache im Scheidungsfall dem anderen Ehegatten gänzlich entzogen wird. Die nur von einem Ehegatten verwendeten Geldmittel für die Ausübung eines teuren Hobbys – etwa Pferdesport – können im Rahmen des § 91 Abs 1 EheG berücksichtigt werden (vgl aber LGZ Wien EF 120.312). 4. Zu einem Unternehmen gehörende Sachen und Unternehmensanteile a) Zweck
15 Trotz der engen Definition des Gesetzes sind nicht nur die zum Unternehmen gehörenden Sachen (Z 3) und Unternehmensanteile (Z 4) sondern unter Anwendung eines Größenschlusses auch das Unternehmen selbst von der Aufteilung ausgenommen (3 Ob 595/87 = EF 57.328; LGZ Wien EF 81.716; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 9; Gimpel-Hinteregger, JBl 1986, 558). Mit der Herausnahme des Unternehmens vom Aufteilungsverfahren verfolgt der Gesetzgeber vor allem sozialpolitische Zwecke, nämlich die mögliche Erhaltung von Arbeitsplätzen (3 Ob 528/88 = EF 57.327; LG Salzburg 21 R 624/05v). 670
§ 82 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Diese Regelung wurde bereits anlässlich ihrer Verankerung von der Lehre heftig kritisiert; einerseits aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, anderseits aufgrund der vielfältigen Manipulationsmöglichkeiten für den Unternehmerehegatten (vgl Gimpel-Hinteregger, JBl 1986, 557; Wilhelm, NZ 1986, 147; Hopf/ Kathrein § 82 EheG Anm 24 mwN; 9 Ob 163/02i = RZ 2003/6 = EF 101.011). Der OGH hat jedoch bereits die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Bestimmung bejaht(6 Ob 694/85 = EF 48.931). Die gröbsten Unbilligkeiten und Manipulationsmöglichkeiten wurden durch das EheRÄG 1999 durch Schaffung des neuen § 91 Abs 2 EheG weitgehend abgemildert. b) Unternehmensbegriff
Das EheG enthält keinen eigenen Unternehmensbegriff. Der Unternehmens- 16 begriff ist § 1 KSchG und auch dem UGB entnommen und wird nach hA als wirtschaftlich selbstständig organisierte Erwerbsgelegenheit definiert (1 Ob 501/84 = JBl 1984, 606; 7 Ob 645/88 = EF 57.334; LGZ Wien EF 120.292; 6 Ob 87/10b = iFamZ 2010/241; Edlbacher, FS Wagner 100; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 9 ua). Danach ist jede auf Dauer angelegte Organisation wirtschaftlicher Tätigkeit, auch wenn sie nicht auf Gewinn gerichtet ist, als Unternehmen von der Aufteilung ausgenommen. Die Größe ist nicht ausschlaggebend; auch Klein- und Kleinstunternehmen fallen unter die Regelung der Z 3 (1 Ob 501/84 = SZ 57/19 = JBl 1984, 606; 3 Ob 595/87 = EF 57.330; 4 Ob 2312/96w = EF 81.714; 9 Ob 46/06i; LGZ Wien EF 120.292; 6 Ob 87/10b = iFamZ 2010/241; Hopf/Kathrein § 82 EheG Anm 17; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 9; aA Schwind 316). Daher gehören etwa auch landwirtschaftliche Betriebe (5 Ob 593/85 = JBl 1986, 119; 9 Ob 155/03i = EF 108.366; LG Linz 15 R 15/06s; 7 Ob 23/09x = JBl 2010, 56), der Betrieb von Heurigen (6 Ob 642/84 = EvBl 1985/121; LGZ Wien EF 120.292) und Almhütten (9 Ob 155/03i = EF 108.367) oder freiberufliche Tätigkeiten wie zB Arztpraxen (7 Ob 533/92 = EvBl 1992/157 = EF 69.323; 3 Ob 122/04v = EF 111.356; LGZ Wien EF 120.293) bzw Privatzimmervermietungen (4 Ob 588/88 = EF 57.332; LGZ Wien EF 120.292) nicht in die Aufteilungsmasse. Auch die Vermietung von Wohnungen kann dem Unternehmerbegriff unterfallen, wenn diese Tätigkeit auf Dauer angelegt ist und eine gewisse Größe erreicht hat (7 Ob 102/09i = iFamZ 2010/30; 6 Ob 87/10b = iFamZ 2010/ 241). Dieser Umstand äußert sich etwa durch eine entsprechende Verwaltung (1 Ob 89/01x = EF 97.348; 6 Ob 87/10b = iFamZ 2010/241; Stabentheiner/ Rummel § 82 EheG Rz 9). Ein Privatgeschäft könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn nicht mehr als fünf Wohnungen vermietet werden (vgl 5 Ob 570/80 = SZ 53/103; 6 Ob 87/10b = iFamZ 2010/241). Die Ausnahmen der Z 3 und 4 EheG gelten auch dann, wenn der andere Ehe- 17 gatte im Unternehmen mitgearbeitet hat, weil dieser seine Mitwirkung gem 671
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§ 98 ABGB abgelten lassen kann (LG Salzburg EF 104.977; Stabentheiner/ Rummel § 82 EheG Rz 13). Haben die Ehegatten iS einer GesBR im Unternehmen gleichberechtigt zusammengewirkt, hat also der andere Ehegatte nicht bloß im Unternehmen in abhängiger Weise mitgewirkt, kann ein billiger Ausgleich auch unter Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Teilungsvorschriften nach §§ 1175 ff ABGB erreicht werden (8 Ob 541/87 = WBl 1987, 192; 8 Ob 61/06p = RdW 2006/643, 695; LG Salzburg EF 104.977; Hopf/ Kathrein § 82 EheG Anm 24; Edlbacher, FS Wagner 110). 18 Von der Aufteilung ausgenommen ist ein Unternehmen selbst dann, wenn es aus ehelichen Ersparnissen angeschafft wurde (5 Ob 593/85 = JBl 1986, 119; LG Salzburg EF 104.977; vgl aber zu Investitionen in ein Unternehmen aus ehelichen Ersparnissen § 91 Abs 2 EheG). Ein sich noch nicht in Betrieb befindliches oder stillgelegtes Unternehmen erfüllt dagegen den Unternehmensbegriff nicht. Dabei kommt es daruf an, ob das Unternehmen noch vor dem Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Betrieb gegangen ist (8 Ob 508/85 = JBl 1986, 118). Diese Sachen sind daher in die Aufteilung mit einzubeziehen, es sei denn, es handelt sich um ganz kurze Betriebsstilllegungen mit der Absicht auf baldige Wiederaufnahme des Betriebs (5 Ob 548/89 = EF 60.372; LG Krems EF 93.941; Edlbacher, 108; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 9; aA OLG Wien GesRZ 1984, 171). Auch bei Verpachtung des Unternehmens bleibt dieses von der Aufteilung ausgenommen; einzubeziehen sind allenfalls die Pachtzinszahlungen, sofern sie nicht reinvestiert werden oder dem Unternehmen gewidmet bleiben (6 Ob 506/95 = ecolex 1995, 718; LG Krems EF 93.939; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 13). Wird das Unternehmen veräußert, stellt der Veräußerungserlös eheliche Ersparnis dar, sofern dieser Betrag nicht in ein anderes Unternehmen investiert wird (8 Ob 653/86 = EvBl 1988/11; 8 Ob 683/88 = EF 60.363; Rummler 65; Edlbacher 109; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 13). c) Dem Unternehmen gewidmete Sachen
19 Auch die einem Unternehmen gewidmeten Sachen fallen nicht in die Aufteilungsmasse (3 Ob 595/87 = EF 57.326; 4 Ob 547/95 = SZ 68/127 = EvBl 1995/190). Bei Beurteilung der Frage, welche Sachen als Unternehmensbestandteile zu betrachten sind, ist die Zugehöreigenschaft gem § 294 ABGB maßgebend (LG Salzburg EF 108.365; LG Salzburg EF 120.294; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 10; Hopf/Kathrein § 82 EheG Anm 21; aA Nowotny, ÖJZ 1988, 650). Ist auf diese Weise keine einwandfreie Abgrenzung möglich, können auch die steuerlichen Bewertungsvorschriften herangezogen werden (3 Ob 541/88 = EvBl 1989/166 = EF 60.364; LG Salzburg EF 120.294). Eine Liegenschaft gilt etwa dann als dem Unternehmen gewidmet, 672
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Nacheheliche Aufteilung
wenn sich darauf der Unternehmenssitz, Betriebsgebäude, Maschinen, der Lagerplatz, die Werksätte oder die Verkaufsräume befinden (LG Salzburg EF 120.296). Zu einem Unternehmen gehören aber etwa auch ein Firmenauto (1 Ob 756/83 = JBl 1985, 365; LG Salzburg EF 120.294), sowie eine Liegenschaft, auf der Betriebsmittelkredite für ein Unternehmen hypothekarisch sichergestellt sind (1 Ob 756/83 = EF 46.345; 1 Ob 516/90 = RZ 1991/3 = EF 63.549; 6 Ob 85/02x = EF 101.012; 6 Ob 178/03z = EF 108.368; LG Salzburg EF 120.294; 2 Ob 186/08d = EF 120.297) oder eine für das Unternehmen vinkulierte Lebensversicherung zur Kreditsicherung (5 Ob 134/01v = ZIK 2002, 172; 2 Ob 185/04a = EF 108.369). Die letztgenannten Ausnahmen greifen aber nur, wenn das Unternehmen dieser Kreditsicherungen bedarf (6 Ob 178/03z = EF 108.368; 2 Ob 186/08d). Ob eine Sache zum Unternehmen gehört, bestimmt sich nach deren Widmung (4 Ob 2272/96p = EF 81.719; 6 Ob 85/02x = EF 101.012; 6 Ob 87/10b = iFamZ 2010/241), die nach außen klar in Erscheinung treten muss (LG Salzburg EF 120.295). Bei der Beurteilung der Frage der Widmung ist von einer betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise auszugehen (LG Salzburg EF 120.296). Die bloße Absicht, eine Sache einem zu gründenden Unternehmen zu widmen, führt jedoch noch nicht zur Ausnahmeregelung des § 82 Abs 1 Z 3 (8 Ob 508/85 = JBl 1986, 118; Stabentheiner/Rummel § 82 Rz EheG 10). Nur Sachen, die eindeutig einem Unternehmen gewidmet sind, sind von der 20 Aufteilung ausgenommen. Dies gilt selbst für eine im Miteigentum der Ehegatten stehende Liegenschaft, wenn diese zu einem Unternehmen gehört (1 Ob 756/83 = JBl 1985, 365; 3 Ob 292/04v = EF 111.357; Stabentheiner/Rummel § 82 Rz 10; Koch/KBB § 82 EheG Rz 6). Die Sache muss dem Unternehmen bereits bei Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft gewidmet gewesen sein; eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte Widmung ist unbeachtlich (6 Ob 606/81 = SZ 54/149 = EF 38.867; Gimpel-Hinteregger, JBl 1986, 558, Hopf/ Kathrein § 82 EheG Anm 21). Befinden sich auf einem gemeinsamen Liegenschaftsbesitz sowohl die Ehewohnung als auch der Hausteil, der zum Unternehmen eines Ehegatten gehört oder seiner Berufsausübung dient, ist dieser Teil der Liegenschaft nur dann von der Aufteilung ausgenommen, wenn er von der Ehewohnung eindeutig abgrenzbar ist (1 Ob 94/99a mwN; 6 Ob 178/03z = EF 108.370). Eine Umwidmung von Unternehmensgewinnen für private Zwecke kann 21 ausdrücklich oder schlüssig iS des § 863 Abs 1 ABGB erfolgen. Die Beweislast trägt jener Ehegatte, der die Zugehörigkeit zur Aufteilungsmasse behauptet (3 Ob 122/04v = JBl 2005, 789; vgl dazu auch Rz 22).
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§ 82 EheG
Deixler-Hübner
d) Gewinne aus einem Unternehmen
22 Gewinne aus einem Unternehmen gelten als eheliche Ersparnisse und unterliegen grundsätzlich der Aufteilung (7 OB 700/81 = SZ 54/114; 1 Ob 643/82 = SZ 55/163; 6 Ob 506/95 = EF 78.729); dies aber nur dann, wenn sie für unternehmensfremde Zwecke umgewidmet wurden. Auf nicht entnommene Gewinne trifft dies nicht zu (1 Ob 643/82 = JBl 1983, 316; 6 Ob 555/84 = RdW 1985, 246; 3 Ob 122/04v = EF 111.360 = JBl 2005, 789; LGZ Wien EF 120.301). Es kommt dabei nicht darauf an, ob es sich um „Schwarzgeld“ handelt (LG Salzburg EF 120.302). Voraussetzung für eine Einbeziehung in die Aufteilungsmasse ist daher eine Umwidmung. Werden die Erträgnisse eines Unternehmens auf ein Sparbuch einbezahlt, so sind sie bis zur Umwidmung für unternehmensfremde – vor allem private Zwecke – dem Aufteilungsverfahren entzogen. Ein schlüssiger Umwidmungsakt liegt etwa vor, als die Einlage eines „Unternehmenssparbuchs“ für private Anschaffungen des Unternehmers oder Gesellschafters oder seiner Angehörigen verwendet wurde; für das Restguthaben wird dies dann nicht zutreffen, wenn dieses als Rücklage für zukünftig zu erwartende Betriebsausgaben verwendet werden soll (3 Ob 122/ 04v = EF 111.360 = JBl 2005, 789; idS auch LGZ Wien EF 120.299; und EF 120.300; vgl zum Problem der nicht entnommenen Gewinne auf einem zweiten Kapitalkonto eines Gesellschafters 1 Ob 643/82 = SZ 55/163; 6 Ob 555/84 = RdW 1986, 246 = EF 48.942; Wilhelm, RdW 1983, 2; Grass, RdW 1984, 6). e) Unternehmensanteile
23 Auch Unternehmensanteile – wie Anteile an einer GmbH, Personengesellschaft, Genossenschaft oder AG – sind von der Aufteilung ausgenommen. Ein Unternehmensanteil ist nur dann in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen, wenn es sich um eine bloße Wertanlage handelt, die zu den ehelichen Ersparnissen zu zählen ist. Als Abgrenzungskriterium dient der Umstand, ob mit dem Unternehmensanteil auch eine Mitwirkung an der Unternehmensführung oder ein maßgeblicher Einfluss darauf verbunden ist (8 Ob 653/86 = EvBl 1988/11 = EF 54.563; 3 Ob 122/04v = EF 111.361 = JBl 2005, 789). Unternehmensanteile iS des § 82 Abs 1 Z 4 EheG sind etwa Aktien, Anteile an einer GmbH, einer Genossenschaft, einer Personenhandelsgesellschaft, einer GesBR oder die Einlage eines stillen Gesellschafters (Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 11; 3 Ob 122/04v = EF 111.362 = JBl 2005, 789). Ein maßgeblicher Einfluss kommt jedenfalls dem Geschäftsführer einer GmbH zu (8 Ob 653/86 = EvBl 1988/11 = EF 54.564), ebenso demjenigen, der eine Anteilsmehrheit an einer Gesellschaft hält; dafür wird aber wohl auch eine Sperrminorität ausreichen (Schwind 317; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 11; aA Edlbacher 107). Die Ausnahmeregelung der Z 3 EheG ist allerdings nicht damit verknüpft, dass der Ehegatte auch die Geschäftsführertätigkeit ausüben 674
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Nacheheliche Aufteilung
muss (1 Ob 643/82 = SZ 55/163 = JBl 1983, 316; 8 Ob 653/86 = EvBl 1988/11 = EF 54.563; Hopf/Kathrein § 82 EheG Anm 22). Auch die Beteiligung an einer Verlustgesellschaft verkörpert einen Unterneh- 24 mensanteil und fällt dann, wenn damit maßgebender Einfluss verbunden ist, samt seinem späteren (abgabenrechtlichen) Ertrag nicht in die Aufteilungsmasse (3 Ob 122/04v = EF 111.362 = JBl 2005, 789). Ein nicht ausbezahlter Gewinnanteil als stiller Gesellschafter, der nicht der 25 berichtigten Einlage zuzuzählen ist, stellt eine bloße Wertanlage iS des § 82 Abs 1 Z 4 EheG dar (1 Ob 643/82 = SZ 55/163; 9 Ob 248/01p; 3 Ob 122/04v = EF 111.363). f) Private Nutzung von Unternehmensvermögen
Wird Betriebsvermögen ganz oder teilweise privat genutzt, so fällt es zwar 26 nicht in die Aufteilungsmasse, das Gericht hat es allerdings bei der Aufteilung zu Gunsten des anderen Ehegatten angemessen zu berücksichtigen (§ 91 Abs 3 EheG; vgl § 91 EheG Rz 21).
B. Gegenausnahmen: Hausrat und Ehewohnung 1. Allgemeines
In § 82 Abs 2 EheG werden für die Ehewohnung und den Hausrat Gegenaus- 27 nahmen statuiert; zur Definition vgl § 81 EheG Rz 17 ff. Wenn die Liegenschaft etwa von einem Ehegatten eingebracht und während der Ehe darauf die Ehewohnung errichtet wurde, ist diese zur Gänze in die Aufteilung einzubeziehen (6 Ob 245/01z = EF 101.014; vgl im Allgemeinen zur Qualifikation als eingebrachte Ehewohnung Rz 4). Da die bisherige Fassung des § 82 Abs 2 EheG im Hinblick auf den Relativsatz „. . . auf dessen Weiterbenützung ein Ehegatte zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist . . .“ zu unterschiedlichen Auslegungen dahingehend geführt hat, ob sich die Bestimmung nur auf den Hausrat oder auch auf die Ehewohnung bezieht, erfolgte durch das EheRÄG 1999 eine Klarstellung. Die Ehewohnung ist daher – der bisherigen Rsp folgend – nur dann in die Aufteilung einzubeziehen, wenn die Voraussetzungen des § 82 Abs 2 EheG vorliegen. Eine Wohnung – bzw ein Haus – ist als Ehewohnung auch dann einzubeziehen, wenn sie nicht im Eigentum der Ehegatten steht, sondern diese daran nur ein verbüchertes Wohnrecht haben (6 Ob 33/04b = EF 108.376). Unter nunmehr drei Voraussetzungen sind diese Gegenstände, obwohl sie in 28 die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder von einem Dritten geschenkt wurden, in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen. 675
§ 82 EheG
Deixler-Hübner
Seit dem FamRÄG 2009 wurde im Hinblick auf die Vorwegvereinbarungen zwischen Ehegatten gem § 97 EheG durch die Einfügung der Wortfolge „wenn dies vereinbart wurde“ auch eine „opt-in“ Möglichkeit geschaffen. Das äußerst sich insofern, als die Ehegatten nun auch vereinbaren können, dass die von einem Ehegatten eingebrachte, von ihm geerbte oder ihm geschenkte Ehewohnung ohne weitere Voraussetzungen in die Entscheidungskompetenz des Aufteilungsgerichts fallen soll (§ 82 Abs 2 Satz 2 erster Fall EheG). Wurde diesbezüglich keine Vereinbarung getroffen, so kommt es nur dann zu einer Einbeziehung der Ehewohung in das Aufteilungsverfahren, wenn der andere Ehegatte auf deren Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist (§ 82 Abs 2 Satz 2 zweiter Fall EheG) oder wenn ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat (§ 82 Abs 2 Satz 2 dritter Fall EheG). 29 Die Ausnahme liegt nicht vor, wenn beide Ehegatten zur Errichtung des als Ehewohnung dienenden Hauses während aufrechter Ehe beigetragen und damit dieses Gebrauchsvermögen geschaffen haben; dies auch dann, wenn das Grundstück allein vom einen Ehegatten stammt und dieser einen Teil davon in der Folge dem anderen Ehegatten geschenkt hat. Dieser Umstand ist allerdings im Rahmen der Billigkeit zu berücksichtigen (1 Ob 197/99y mwN; LG Salzburg 21 R 29/06w). 30 Wird die von der Seite eines Ehegatten stammende Wohnung in die Aufteilung einbezogen, bedeutet dies jedoch keineswegs, dass diese Wohnung stets auch auf den anderen Ehegatten zu übertragen ist. Auch in diesem Fall ist der Bewahrungsgrundsatz iS des § 90 EheG insoweit zu beachten, als nur dann eine Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen angeordnet werden darf, wenn eine billige Regelung in einer anderen Weise nicht erzielt werden kann (5 Ob 20/05k = EF 111.369; LGZ Wien EF 108.377). Vgl zu den gesetzlichen Möglichkeiten des Aufteilungsgerichts § 87 EheG. 2. Existenzieller Bedarf eines Ehegatten
31 Die sonst von der Aufteilung ausgenommene Ehewohnung ist nur dann einzubeziehen, wenn der andere Ehegatte darauf zur Sicherung seines Wohnbedürfnisses existenziell angewiesen ist; es müssen daher vitale Fragen der Existenz auf dem Spiel stehen (9 Ob 4/04k = 108.378; 5 Ob 20/05k = EF 111.364; 7 Ob 145/06h uva; Schwind 318; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 14). Ein dringendes Wohnbedürfnis des einbringenden Ehegatten schließt die Einbeziehung der Ehewohnung dabei nicht aus (2 Ob 2042/96z = EF 81.709). Die Rsp nimmt hier einen sehr strengen Standpunkt ein: die Existenzfrage wird nur dann berührt, wenn sonst eine länger dauernde Obdachlosigkeit dro676
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hen würde (4 Ob 605/88 = EF 57.343; 3 Ob 314/98t = EF 93.947; 5 Ob 20/05k = EF 111.366; 7 Ob 145/06h), nicht jedoch, wenn sich der zunächst auf die Weiterbenützung angewiesene Ehepartner durch Leistung einer Ausgleichszahlung des anderen Teiles ohne unbillige Einschränkung der Wohnqualität eine Ersatzwohnmöglichkeit schaffen kann (9 Ob 4/04k = 108.378; 5 Ob 20/ 05k = 111.364). Nach der Rsp kann dem bedürftigen Ehegatten aber im Einzelfall sogar ein Wahlrecht zwischen einer Ausgleichszahlung und der Zuweisung der Wohnung zuerkannt werden (RIS-Justiz RS0057414; 9 Ob 80/08t = EF 120.311). Ein solches Wahlrecht ist mE zu weitgehend, weil mit der Ausgleichszahlung die existenzielle Angewiesenheit auf eine Wohnung ja gerade beseitigt wird. Auch wenn noch weitere Billigkeitsgründe iSd § 83 EheG hinzutreten – etwa das Scheidungsverschulden des anderen Ehegatten – kann das für die Frage der Einbeziehung der eingebrachten Ehewohnung in das Aufteilungsverfahren keine Rolle spielen, weil diese Kriterien erst dann greifen, wenn eine Sache bereits in die Aufteilungsmasse fällt (idS offenbar auch 5 Ob 192/08h = EF 120.310). Eine Einbeziehung der Ehewohnung scheidet auch dann aus, wenn der andere Ehegatte mit den derzeit für zwei getrennte Wohnungen aufgewendeten Mitteln eine zumutbare Standard-Ersatzwohnmöglichkeit schaffen könnte (9 Ob 56/05h = EF 111.365; 7 Ob 145/06h) oder wenn er aufgrund seines Eigeneinkommens bzw der Unterhaltsempfänge die Miete für eine Ersatzwohnung bezahlen kann. Der andere Ehegatte ist auf die Ehewohnung auch dann nicht angewiesen, 32 wenn ihm eine Ersatzwohnung zur Verfügung steht bzw gestellt wird (RV 28; LGZ Wien EF 72.391; LG Salzburg EF 104.978, 21 R 126/06k; Stabentheiner/Rummel § 82 EheG Rz 14). Von keiner solchen Zur-Verfügung-Stellung einer Ersatzwohnung ist auszugehen, wenn dem bedürftigen Ehegatten bloß eine derzeit an die Eltern vermietete Wohnung unter der Bedingung des Verzichts der Eltern auf ihr Mietrecht und bloß als prekaristische Nutzungsmöglichkeit in Aussicht gestellt wird (LGZ Wien EF 120.308). Auch der Verweis auf eine familienrechtliche Mitbenützungmöglichkeit eines Hauses beseitigt nicht per se das dringende Wohnbedürfnis (9 Ob 80/08t = EF 120.307). Verfügt der betroffene Ehegatte aber über eine weitere Wohnmöglichkeit (vgl LGZ Wien EF 69.365) oder lebt er bereits bei seinem neuen Lebensgefährten (LGZ Wien EF 72.392), sind die Voraussetzungen des § 82 Abs 2 EheG nicht erfüllt. Ist die Ehewohnung nicht in die Aufteilung einzubeziehen, scheidet auch eine Einbeziehung des zugunsten des Antragsgegners bestehenden Benützungsrechts aus (LG Salzburg EF 104.979).
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3. Berücksichtigungswürdiger Bedarf eines gemeinsamen Kindes
33 Mit dem EheRÄG 1999 wurde noch ein weiterer Fall der Einbeziehung der eingebrachten, von Todes wegen erworbenen oder geschenkten Ehewohnung neu eingeführt, nämlich der Fall, dass ein gemeinsames Kind der geschiedenen Ehegatten einen berücksichtigungswürdigen Bedarf an der Ehewohnung hat. Da der Gesetzgeber hier auf die Tatsache abstellt, dass es sich um ein gemeinsames Kind handeln muss, genügt es wohl nicht, dass dieser Bedarf bei einem „in die Ehe eingebrachten“ Kind oder einem nach Eheauflösung geborenen außerehelichen Kind besteht. Ein berücksichtigungswürdiger Bedarf liegt dann vor, wenn der Umzug in eine Ersatzwohnung für das Kind eine untragbare Änderung seiner Lebensumstände bedeuten würde – etwa der völlige Wechsel seines sozialen Umfelds damit verbunden ist (1653 BlgNR 20. GP 28) – oder die neuen Wohnverhältnisse für das Kind nicht zumutbar sind – etwa bei einer erheblichen Lärmbelästigung, abgelegenen Wohnlage oder beengten Wohnverhältnissen. Eine gravierende Verschlechterung der Wohnsituation muss das Kind daher nicht hinnehmen (5 Ob 20/05k = EF 111.367; LGZ Wien EF 108.377). Der Begriff des berücksichtigungswürdigen Bedarfs erfordert nicht die Gefährdung des Kindeswohls; allerdings liegt eine solche nicht jedenfalls bei einem Umzug vor. Dieser Umstand ist daher nicht per se anzunehmen, vielmehr sind dazu genauere Feststellungen zu treffen (5 Ob 20/05k = EF 111.368). Es müssen allerdings hinreichende Gründe vorliegen, dass das Verlassen der Ehewohnung zumindest mit gewissen Beeinträchtigungen des Kindes im persönlichen und sozialen Lebensalltag verbunden wäre, die über die allgemeinen Nachteile eines Umzugs hinausgehen (5 Ob 192/08h = iFamZ 2009/82). Ein berücksichtigungswürdiger Bedarf eines Kindes ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn das Kind bereits mit der Mutter aus der Ehewohnung ausgezogen ist (1 Ob 209/04y = EF 108.380). Bei Auslegung dieses Begriffs ist dem Gericht ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt (5 Ob 192/08h = iFamZ 2009/82 = EF 120.309 f). Die Interpretation kann allerdings mE nicht soweit gehen, als der Verlust von Freizeiteinrichtungen, die dem Kind bisher zur Verfügung standen, auch dann einen berücksichtigungswürdigen Bedarf darstellt, wenn in der neuen Wohngegend ausreichende Möglichkeiten vorliegen (aM 5 Ob 192/08h = iFamZ 2009/82). 34 Im Hinblick auf § 82 Abs 2 Fall 3 EheG ist die Ansicht des OGH, der auch nach einem Scheidungsvergleich, in dem sich die geschiedene Ehegattin zum Auszug mit den Kindern aus der Ehewohnung verpflichtet hat, dem Räumungsbegehren des anderen Ehegatten mit dem Argument nicht stattgegeben hat, dass die Kinder ebenfalls ein familienrechtliches Wohnrecht an der bisherigen Ehewohnung haben, unstimmig (vgl 2 Ob 158/02b = wobl 2004/10 [Deixler-Hübner]). Die jüngere OGH-Rsp verneint allerdings nun zu Recht 678
§§ 83–84 EheG
Nacheheliche Aufteilung
einen familienrechtlichen Wohnanspruch des Kindes an einer bestimmten Wohnung (1 Ob 122/07h = iFamZ 2008/43 = EF-Z 2008/39; 3 Ob 202/08i = iFamZ 2009/85; 1 Ob 203/08x = JBl 2009, 693).
Aufteilungsgrundsätze § 83. (1) Die Aufteilung ist nach Billigkeit vorzunehmen. Dabei ist besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse sowie auf das Wohl der Kinder Bedacht zu nehmen; weiter auf Schulden, die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen, soweit sie nicht ohnedies nach § 81 in Anschlag zu bringen sind. (2) Als Beitrag sind auch die Leistung des Unterhalts, die Mitwirkung im Erwerb, soweit sie nicht anders abgegolten worden ist, die Führung des gemeinsamen Haushalts, die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder und jeder sonstige eheliche Beistand zu werten. [BGBl 1978/280]
§ 84. Die Aufteilung soll so vorgenommen werden, dass sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig möglichst wenig berühren. Lit: Deixler-Hübner, Die Aufteilung des Ehevermögens nach Billigkeit – oder Die stille Geltung des § 1378 BGB in Österreich, NZ 2002, 257; Gamerith, Die Kreditmithaftung geschiedener Ehegatten nach § 98 EheG, RdW 1987, 183; Gimpel-Hinteregger, Billigkeitserwägungen bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, JBl 1986, 553; Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und Tod (1998); Honsell, Die Aufteilung des Vermögens bei der Scheidung in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979), 169; Rummler, Die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse: ein Vergleich der vermögensrechtlichen Folgen der Ehescheidung nach dem gesetzlichen ehelichen Güterrecht in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland (1982); Wilhelm, Die Aufteilung des ehelichen Vermögens nach den §§ 81 ff EheG in der Rechtsprechung, NZ 1986, 145. Inhaltsübersicht A. Begriff der Billigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Aufteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der Beiträge der Ehegatten . . . . 3. Haushaltsführung und Kindererziehung 4. Beiträge von dritter Seite . . . . . . . . . . . . 5. Kindeswohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Scheidungsverschulden . . . . . . . . . . . . . 7. Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–2 3–19 3–4 5–10 11 12–14 15 16 17–19
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C. Grundsatz des Wohlbestehenkönnens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Trennungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aufteilungsquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20 21–22 23–25
A. Begriff der Billigkeit 1 Tragender Grundsatz des Aufteilungsverfahrens ist die Billigkeit. Es soll daher nicht nach streng rechnerischen Prinzipien vorgegangen werden, die Aufteilung ist vielmehr angepasst an die Lage des Einzelfalls durch einen billigen Ausgleich durchzuführen. Die Verweisung der Aufteilung ins außerstreitige Verfahren nach Billigkeit verfolgt daher den Zweck, die Einzelfallgerechtigkeit sicher zu stellen. Die nach dem Grundsatz der Billigkeit vorzunehmende Aufteilung hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab, stellt daher idR keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (6 Ob 94/04y ua = EF 108.392; 6 Ob 164/06w; 7 Ob 145/06h; 9 Ob 13/06m; 6 Ob 31/07p = EF 120.325). Eine solche kann nach der Rsp allenfalls dann vorliegen, wenn dem Rekursgericht eine krass fehlerhafte Ermessensüberschreitung vorzuwerfen ist (4 Ob 183/05y mwN). Wie dieses Billigkeitsgebot anzuwenden ist, drückt die Rsp mit den regelmäßig zitierten Stehsätzen aus: Das Billigkeitsgebot hat die Anpassung der Rechtsfolgen an die besondere Lage des Einzelfalls zum Ziel, damit die durch die Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse notwendigen Differenzierungen vorgenommen und eine dem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden entsprechende Entscheidung gefällt werden kann. Die Folgen der Scheidung sollen in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Teile möglichst ausgeglichenen Weise geregelt werden (etwa 9 Ob 201/01a = EF 101.018 mwN). Die Vermögensaufteilung hat aber auch zukünftige Aspekte zu beachten: Die bisherigen Lebensgrundlagen der Ehegatten sollen durch die Billigkeitsentscheidung möglichst gewahrt werden. Der Beginn eines neuen Lebensabschnitts soll den bisherigen Ehegatten daher tunlichst erleichtert werden (7 Ob 530/93 = EF 75.614; 4 Ob 2272/96p = EF 81.719; 3 Ob 30/03p = EF 108.383). 2 Neben den in § 83 Abs 1 EheG demonstrativ aufgezählten Kriterien berücksichtigt die Rsp vor allem auch den Grundsatz des „Wohlbestehenkönnens“ (10 Ob 2089/96w = EF 81.726; LGZ Wien EF 101.020; LG Linz EF 111.370; 3 Ob 107/06s) sowie das Scheidungsverschulden. Bei der Billigkeitsentscheidung ist aber auch der Trennungsgrundsatz iS des § 84 EheG bedeutsam, wonach bei der Verteilung der Vermögenswerte darauf zu achten ist, dass sich die Lebensbereiche der Geschiedenen in Zukunft wenig berühren (9 Ob 201/01a = EF 101.018; LGZ Wien 109.393 uva). Der zweifellos vorliegende Ermessensspielraum des Gerichts hat jedenfalls durch eine klar nachvollziehbare 680
§ 84 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Einzelfallentscheidung dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip zu entsprechen.
B. Aufteilungskriterien 1. Allgemeines
§ 83 Abs 1 EheG nennt zunächst in seinem ersten Satz das Grundprinzip der 3 Billigkeitsentscheidung und führt im zweiten Satz beispielsweise die konkreten Kriterien an, nach denen bei der Billigkeitsentscheidung vorzugehen ist. Die Aufteilung ist in erster Linie nach Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten vorzunehmen (7 Ob 662/82 = JBl 1983, 648 [Huber]; 7 Ob 267/ 98k = EF 90.470; LG Salzburg EF 93.968, 21 R 624/05v; Holzner, Ehevermögen 96). § 83 Abs 2 EheG gibt Auskunft darüber, was abgesehen von den unmittelbaren Beiträgen zum Vermögenserwerb überdies als Beitrag zu werten ist. Als solche mittelbaren Leistungen gelten vor allem die Unterhaltsleistung und die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten (§ 98 ABGB), sofern diese noch nicht abgegolten wurde und das Kindeswohl. Aber auch jede sonstige Beistandsleistung ist als Beitrag zu werten (LG Salzburg 21 R 624/05v). Darunter fallen sowohl vermögenswerte Leistungen – etwa die Beistellung einer Wohnung (5 Ob 516/81 = SZ 54/79) oder die Mitwirkung beim Hausbau (6 Ob 688/79 = SZ 52/129) – als auch nicht vermögenswerte Leistungen – wie etwa die über das übliche Maß hinausgehende seelische Beistandsleistung oder Krankenpflege. Im Gesetz werden weiters noch andere Billigkeitskriterien erwähnt, wie etwa 4 der Bewahrungsgrundsatz gem § 90 EheG. Dieser will eine leichtfertige Übertragung von Eigentum eines Ehegatten an unbeweglichen Sachen an den anderen hintanhalten. Die Eigentumsübertragungen an Liegenschaften oder die Begründung von sachlichen Rechten daran, können nach der Gesetzesintention wohl nur als ultima ratio angeordnet werden, wenn keine sonstige billige Regelung erzielt werden kann. Auch der Trennungsgrundsatz gem § 84 EheG ist bei der Entscheidung zu beachten. Dieser genießt nach der Rsp Vorrang vor dem Bewahrungsgrundsatz (LG Salzburg EF 97.372). Daneben hat die Rsp noch einen weiteren Billigkeitsaspekt, nämlich den Grundsatz des „Wohlbestehenkönnens“ – entnommen aus dem Anerbenrecht – entwickelt (vgl Rz 20). 2. Umfang der Beiträge der Ehegatten
Entscheidend ist vor allem, in welchem Umfang die Ehegatten jeweils zur 5 Schaffung der Vermögenswerte beigetragen haben (3 Ob 1/99i = EF 93.969; Bernat/Schwimann § 83 EheG Rz 2). Diesem primären Grundsatz trägt das 681
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Gesetz dadurch Rechnung, dass es in § 83 Abs 1 Satz 2 EheG darauf hinweist, dass „. . . besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten . . . Bedacht zu nehmen ist“ (aA offenbar 3 Ob 542/92 = RZ 1994, 16; 7 Ob 47/99h = EF 93.953 [die Aufteilungskriterien stehen in keiner bestimmten Reihenfolge]; 6 Ob 164/06w). Diese quantitativen oder qualitativen (JAB 14) Beiträge sind zwar im Hinblick auf die gesamte Aufteilungsmasse festzustellen; es ist daher nicht nur darauf abzustellen, worauf sich die jeweiligen Aufteilungsanträge beziehen. Jedoch kommen Billigkeitserwägungen nur dort zum Tragen, wo ein Konnex zur Aufteilungsmasse besteht (6 Ob 22/98y = ZfRV 1999, 155; LG Salzburg EF 120.313; Bernat/Schwimann § 83 EheG Rz 2). 6 Ausgangspunkt sind zunächst die unmittelbaren Vermögenswerte der gegenseitigen Beitragsleistungen. Bei der Feststellung der Beiträge ist daher primär vom Einkommen beider Ehegatten auszugehen. Dieses ist zwar nicht für die gesamte Ehedauer ziffernmäßig exakt zu erfassen, doch stellt es einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der gegenseitigen Beitragsleistungen dar und ist vom Gericht amtswegig zu erheben (LG Salzburg EF 120.313). Zu Recht geht daher die stRsp davon aus (3 Ob 503/87 = EF 54.611; LGZ Wien EF 81.728, 93.973 ua), dass im Hinblick auf Billigkeitsaspekte unnötiger Verfahrensaufwand tunlichst zu vermeiden ist, doch bedeutet das nicht, dass zu den einzelnen Beitragsleistungen konkrete Feststellungen überhaupt unterbleiben können und das Gericht nur nach seinem persönlichem Ermessen entscheiden kann (Deixler-Hübner, NZ 2002, 261). Um eine billige, an den Umständen des Einzelfalls gemessene und gerechte Lösung zu erzielen, bedarf es daher im Vorfeld genauerer Untersuchungen zu den einzelnen Beitragsleistungen. Nur dort, wo der Feststellungsaufwand in keinem Verhältnis zum erzielten Ergebnis steht, ist gem § 34 AußStrG von prozessunökonomischen Erhebungen Abstand zu nehmen. Die Beiträge können auch überschlagsmäßig bewertet werden (LG Salzburg EF 117.519). Eine unrichtige Gewichtung der Beiträge ist solange zu vernachlässigen, als sich der ermittelte Ausgleichsbeitrag innerhalb eines Ermessensspielraums bewegt (6 Ob 31/07p = EF 120.326). 7 Daneben sind allerdings auch alle mittelbaren Beitragsleistungen überschlagsmässig zu kapitalisieren und zu gewichten. Die jeweiligen Beitragsleistungen sind nicht in Geld zu bewerten, sondern durch pauschale Quoten zu erfassen (2 Ob 501/81 = EF 57.354; LGZ Wien EF 90.471; Stabentheiner/ Rummel § 83 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 83 EheG Anm 7; aA Honsell 177 f). 8 Auch eine sparsame Lebensführung iS eines Konsumverzichts ist bei der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen – etwa, dass ein Ehegatte den ihm von Gesetzes wegen zustehenden Unterhalt nicht im vollen Umfang gefordert und somit dadurch zum Vermögensaufbau beigetragen hat (6 Ob 535/80 = JBl 1981, 429 = EF 36.468; 7 Ob 564/85 = EF 48.965; 7 Ob 23/09x = JBl 2010, 56). Der Konsumverzicht kann sich aber auch dadurch äußern, dass ein Ehe682
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Nacheheliche Aufteilung
gatte einen eher verschwenderischen Lebensstil unterhält, während der andere im Hinblick auf seine persönlichen Lebensverhältnisse sehr sparsam wirtschaftet (5 Ob 669/81 = JBl 1983, 598 = EF 41.394; LG Wels EF 114.391). Ist die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten – etwa wegen Verjäh- 9 rung – noch nicht abgegolten worden, so ist diese Leistung bei der Billigkeitsentscheidung ebenfalls zu berücksichtigen (8 Ob 695/89 = JBl 1991, 458 = EF 66.517); dies jedoch nicht als linearer Abzugposten, sondern nur insofern, als sie bei der Ermittlung der Quoten auf Seite des mitwirkenden Ehegatten zu Buche schlägt (vgl dazu 8 Ob 695/89 = JBl 1991, 458; Stabentheiner/Rummel § 83 EheG Rz 4). Stehen die Quoten der Beitragsleistungen fest, greifen erst dann die im Gesetz 10 weiters erwähnten Billigkeitskriterien – wie das Kindeswohl oder das Scheidungsverschulden bzw die von der Rsp entwickelten Billigkeitsgrundsätze – oder das „Wohlbestehenkönnen“ ein. Diese sollen idR jedoch nicht die Verteilungsquote selbst ändern, sondern bloß sicherstellen, dass die Aufstellung in einer bestimmten Weise vorzunehmen ist (Deixler-Hübner, NZ 2002, 257 mwN). Diese Billigkeitsparameter sind somit erst ex post bei der Art der Aufteilung zu berücksichtigen.
3. Haushaltsführung und Kindererziehung
Der Umstand, dass § 83 Abs 2 EheG als Beitragsleistung auch die Haushalts- 11 führung und Kindererziehung erwähnt, darf nicht dazu verleiten, diese unbesehen – dh ohne genauere Feststellungen über deren Ausmaß – mit allen anderen Beitragsleistungen des erwerbstätigen Ehegatten gleichzusetzen. Dennoch greift nach stRsp stets dann eine Aufteilung im gleichem Verhältnis, wenn ein Ehegatte erwerbstätig ist, der andere aber den Haushalt führt und für die Kinder sorgt (4 Ob 230/97w = EF 84.690; 3 Ob 1/99i = EF 93.970; 7 Ob 297/03g = EF 108.384; 6 Ob 65/05k = EF 111.373; 1 Ob 158/08d = iFamZ 2009/84 = EF-Z 2009/49; 1 Ob 36/09i = NZ 2009/71; 7 Ob 23/09x = JBl 2010, 56; krit Deixler-Hübner, NZ 2002, 257, 262 mwN). Die Gleichwertigkeit von Haushaltsführung und der Erwerbstätigkeit kann allerdings nicht – wie die Rsp meint – aus § 94 Abs 2 ABGB abgeleitet werden, weil diese Bestimmung eine Unterhaltsnorm darstellt (so offenbar auch Wilhelm, NZ 1986, 145). Haushaltsführung und Kindererziehung stehen idZ vielmehr der Unterhaltsleistung des anderen Ehegatten gegenüber, die ebenfalls als Beitragsleistung in die Billigkeitsentscheidung einzufließen hat. Diese Tätigkeiten können allerdings dann als Beitrag iS des § 83 Abs 2 EheG gewertet werden, wenn sie kausal für den Vermögensaufbau waren (DeixlerHübner, NZ 2002, 257). Es sind daher darüber Feststellungen zu treffen, inwieweit die häusliche Tätigkeit – und auch ob mit oder ohne Kindererziehung 683
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Deixler-Hübner
– tatsächlich für den Vermögensaufbau kausal war (vgl etwa 9 Ob 192/00a). Hat der haushaltsführende Ehegatte den anderen nicht nur von der Haushaltsführung und Kindererziehung selbst, sondern auch von sämtlichen anderen alltäglichen Besorgungen freigehalten, so ist mit Recht davon auszugehen, dass er diesem dadurch ein ungestörtes Nachgehen einer Erwerbstätigkeit ermöglicht hat und daher gleichwertig am Vermögensaufbau mitgewirkt hat. Zu einer Hälfteteilung wird man dann gelangen, wenn die Zeiträume der geleisteten Beiträge ungefähr gleich sind und von einem Durchschnittseinkommen auszugehen ist (ebenso offenbar Holzner, Ehevermögen 99). Weiters ist zu berücksichtigen, inwieweit auch die anderen Bewertungskriterien auf der einen oder anderen Seite gleichwertig zu Buche schlagen. Obwohl noch einige Senate der Rsp hartnäckig an einer unreflektierten Gleichsetzung von Erwerbstätigkeit – auch wenn sehr hohe Einkünfte erzielt werden – festhalten, ohne der Vielfalt der Lebenswirklichkeit gerecht zu werden (vgl etwa 1 Ob 158/ 08d = iFamZ 2009/84 = EF-Z 2009/49; 1 Ob 36/09i = NZ 2009/71; LGZ Wien EF 120.321), entscheiden auch immer mehr Senate iSd Einzelfallgerechtigkeit (etwa LG Salzburg EF 120.320: im Verhältnis 2 : 1 bei Kindererziehung, Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit oder gar LGZ Wien EF 120.324 von 1:5 bei Vorliegen dieser Tätigkeiten neben diversen zusätzlichen Aufwendungen für den Antragsgegner). Vgl zu den Aufteilungsquoten Rz 23 ff. 4. Beiträge von dritter Seite
12 Als Beiträge eines Ehegatten sind auch Leistungen Dritter zu werten, die diesem zuzurechnen sind. Während die ältere Rsp unzutr davon ausging, dass freiwillige, unentgeltliche Leistungen Dritter im Zweifel als Zuwendungen zu gleichen Teilen anzusehen sind (5 Ob 669/81 = JBl 1983, 598; 7 Ob 506/87 = EF 54.606; 7 Ob 605/88 = EF 57.360), nimmt die jüngere Rsp zu Recht den Standpunkt ein, dass idZ auf das Verwandtschaftsverhältnis abzustellen ist. IdR ist dieser Beitrag daher nur jenem Eheteil zuzurechnen, zu dem die familienrechtliche Beziehung besteht (3 Ob 524/94 = EF 75.608; 9 Ob 195/97k = EF 84.687; 6 Ob 164/06w). Es wird nämlich nicht der Zweckwidmung des Dritten entsprechen, dass derjenige Ehegatte, zu dem das Schwägerschaftsverhältnis erloschen ist, nach Scheitern der Ehe durch diese Leistungen bereichert sein soll. Leistungen von Verwandten sollen idR die Beitragsleistungen des anderen Ehegatten nur substituieren; sie sind daher so zu betrachten, als ob sie der Ehegatte selbst vorgenommen hätte (vgl auch zum Fall des Ausgleichs von Leistungen nach Scheitern der Lebensgemeinschaft 4 Ob 2021/96a = SZ 69/89 = EF 81.586; 7 Ob 40/00h). 13 Auch bei Qualifizierung der Leistung als Schenkung tritt diese Rechtsfolge ein; danach sind Schenkungen Dritter an einen Ehegatten von der Aufteilung ausgenommen (vgl dazu § 82 EheG Rz 6). Sollte jedoch keine Schenkungsabsicht be684
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Nacheheliche Aufteilung
standen haben, sondern die Leistung ohne gültige causa, aber in Hinblick auf einen bestimmten Zweck – nämlich das Fortbestehen der Ehe – erbracht worden sein, so hätte auch der Leistende selbst einen Kondiktionsanspruch gegen den geschiedenen Ehegatten. Diesen kann er dem anderen Ehegatten auch formell abtreten (1 Ob 637/84 = JBl 1985, 679 [Wilhelm]). Der OGH geht aber zutr außerdem davon aus, dass sich aus Leistungen von Angehörigen ein eigener Kondiktionsanspruch des Lebensgefährten – wohl auch Ehegatten – ergibt (7 Ob 40/00h). Nur dann, wenn Leistungen von einem Dritten ausdrücklich oder doch zwei- 14 felsfrei schlüssig beiden Ehegatten erbracht wurden, sind diese Werte beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zuzurechnen (vgl § 82 EheG Rz 6). Als unbeachtlich hatte der OGH in älterer Rsp unreflektiert die Beiträge der Eltern der Ehegattin bewertet, die zur gemeinsamen Haushaltsführung beigesteuert wurden (5 Ob 669/81 = EvBl 1982/106). Das kann nur dann zutreffend sein, wenn sich die Schenkungsabsicht auf beide Ehegatten bezogen hat. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte wird hier aber wohl von der Zweifelsregel für Angehörige auszugehen sein (vgl § 82 Rz 6). 5. Kindeswohl
Das Kindeswohl ist bloß im Hinblick auf die qualitative Form der Auftei- 15 lung zu berücksichtigen. Für die Aufteilungsquote selbst oder die Bemessung der Höhe einer Ausgleichszahlung gem § 94 EheG hat es keine Bedeutung (5 Ob 669/81 = JBl 1983, 598; 10 Ob 505/87 = EF 53.881; 1 Ob 542/95 = 78.743; LG Salzburg EF 93.963; vgl auch § 94 EheG Rz 4). Weil § 82 Abs 2 EheG von einem gemeinsamen Kind spricht, ist im Rahmen der Aufteilung idR nicht explizit auch auf das Wohl von Kindern aus einer anderen Beziehung Bedacht zu nehmen; dies ergibt sich auch aus der Teleologie der Aufteilungsbestimmungen (Pichler/Rummel2 §§ 83, 84 EheG Rz 4; Deixler-Hübner, NZ 2002, 258; aA Stabentheiner/Rummel § 83 EheG Rz 3; Bernat/Schwimann § 83 EheG Rz 3). Das Ehevermögen ist daher so aufzuteilen, dass damit die Sachbedürfnisse der Kinder bestmöglich gewahrt werden. Grundsätzlich hat das Gericht daher demjenigen Ehegatten die Ehewohnung und die für die Kinder notwendigen Haushaltsgegenstände zuzuteilen, der in Zukunft die Kinder in seinem Haushalt betreuen wird (5 Ob 669/81 = JBl 1983, 598; 4 Ob 11/03a = EF 104.986; LGZ Wien EF 117.521; EF 120.337). Dies darf jedoch nicht ohne genaue Überprüfung der sonstigen Umstände von vornherein verfügt werden (LGZ Wien EF 72.411), sonst würde dieses Argument zu einer unreflektierten Anwendung in der Überzahl der Fälle führen.
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Deixler-Hübner
6. Scheidungsverschulden
16 Das Scheidungsverschulden stellt nach der Rsp zwar ein gewisses Wertungskriterium dar, doch kommt diesem nur untergeordnete Bedeutung zu, weil der Gesetzgeber die Aufteilung nicht zu einem Instrument der Bestrafung oder Belohnung für ehewidriges oder ehegerechtes Verhalten machen wollte (7 Ob 52/04d = EF 108.386; LGZ Wien EF 111.375; 1 Ob 172/04g = EF 108.386 ua). Das Scheidungsverschulden stellt nur dann ein Kriterium für die Billigkeitsentscheidung dar, wenn es für die vermögensrechtliche Entwicklung während der Ehe im weitesten Sinn bedeutsam war (LG Wels EF 111.377; 7 Ob 23/09x). Dann soll es bei der Vermögensauseinandersetzung auch eine gewisse Berücksichtigung finden. Dabei ist etwa an den Fall zu denken, dass Scheidungsgründe in der Absicht gesetzt werden, bei der Aufteilung gerade gut abzuschneiden (7 Ob 515/94; 6 Ob 164/06w), bzw wenn ein Ehegatte besonders verschwenderisch mit dem Ehevermögen umgegangen ist oder der mangelnde Vermögensaufbau auf kostenverursachende Vernachlässigung der Haushaltsführung oder Kindererziehung zurückzuführen ist (6 Ob 164/ 06w = EF 114.395; LG Wels EF 111.376). Auch die Tatsache, dass die Kräfte eines Ehegatten durch eine außereheliche Beziehung gebunden waren und daher nicht im notwendigen Ausmaß dem Hausbau zur Verfügung gestellt werden konnten, hat die Rsp als maßgebend bewertet (LGZ Wien EF 72.416). Auch ein Alleinverschulden führt jedoch grundsätzlich nicht zu einer Erhöhung der Aufteilungsquoten (LGZ Wien EF 93.974; LG Salzburg EF 108.388; LG Wels EF 111.378, vgl aber 6 Ob 31/07p). Für die Rsp ist das Scheidungsverschulden vor allem im Hinblick auf eine Option des schuldlosen Ehegatten maßgebend, wonach dieser bei der Auswahl der zu verteilenden Gegenstände bevorzugt werden soll (4 Ob 121/97s = RZ 1998/26; LGZ Wien EF 108.389; LG Salzburg EF 111.379 uva). Dieses Wahlrecht stellt jedoch kein absolutes dar (6 Ob 590/86; LGZ Wien EF 108.389; LG Salzburg EF 111.379; LG Krems EF 114.397). Der Aufteilungswunsch des schuldlos Geschiedenen kann daher nur dann berücksichtigt werden, wenn nicht Umstände des Einzelfalls eine andere Regelung billig erscheinen lassen. Vor allem darf dieser Wunsch nicht dazu führen, dass der schuldig geschiedene Ehegatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen unverhältnismäßig geringe Gegenleistungen aufgeben müsste (4 Ob 183/05y = EF 111.380). Ein existentielles Bedürfnis des Schuldigen ist daher bei der Aufteilungsentscheidung ebenfalls maßgebend (LGZ Wien EF 87.567, 108.389; LG Salzburg EF 111.379).
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7. Schulden
Schulden, die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen und 17 nicht als konnexe Schulden gem § 81 Abs 1 EheG bereits in Anschlag gebracht wurden (vgl dazu § 81 EheG Rz 33), sind im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen. Zu diesen Schulden zählen vor allem Konsumkredite – etwa Schulden, die die Ehegatten für eine Urlaubsreise aufgenommen haben, oder Schulden, die mit einem sonstigen aufwändigen Lebensstil der Ehegatten zusammenhängen. Es handelt sich hier daher um Verbindlichkeiten, die zwar noch bestehen, deren Äquivalent aber nicht mehr in Sachwerten vorhanden ist. Sonstige Schulden, die weder unter § 81 Abs 1 EheG noch unter § 83 EheG 18 einzuordnen sind, sind auch hier weder in Anschlag zu bringen noch bei der Aufteilung zu berücksichtigen; allerdings können sie ein gewisses, jedoch nachrangiges Billigkeitsmerkmal darstellen (Rummler 66 f; Stabentheiner/ Rummel § 83 EheG Rz 6). Auf Schulden für das Unternehmen eines Ehegatten ist – wie auch gem § 81 Abs 1 EheG – ebenfalls nicht Bedacht zu nehmen (Gimpel-Hinteregger, JBl 1986, 559; Gamerith, RdW 1987, 186; Stabentheiner/Rummel § 83 EheG Rz 6; zweifelnd Bernat/Schwimann § 83 EheG Rz 5). Doch sind Schulden gem § 83 Abs 1 Satz 2 EheG auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erst nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft bezahlt worden sind (6 Ob 667/83 = SZ 56/193). Steuerschulden sind dann zu berücksichtigen, wenn sie mit dem ehelichen 19 Gebrauchsvermögen oder den ehelichen Ersparnissen bzw dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen (3 Ob 541/88 = EvBl 1989/166; Stabentheiner/Rummel § 83 EheG Rz 6), nicht aber Schulden aus deliktischem Verhalten eines Ehegatten (3 Ob 541/88 = EvBl 1989/166 = EF 60.346). Schulden, die bei der Aufteilung vergessen wurden, können – so lange die Präklusivfrist des § 95 EheG noch nicht abgelaufen ist – noch im Aufteilungsverfahren geltend gemacht werden, weil es hier keine strenge Antragsbindung iS des § 405 ZPO gibt (§ 9 AußStrG; vgl dazu auch § 85 EheG Rz 6). Die Aufteilungsmasse ist daher – entgegen der bisherigen Rsp (7 Ob 662/82 = SZ 55/192 = JBl 1983, 648; 7 Ob 605/88 = EF 57.442; 6 Ob 2130/96w = EF 81.750; 1 Ob 237/98d = JBl 2000, 252 [krit Deixler-Hübner]) – nicht bindend festgelegt. Im weiteren Verfahren können die Parteien jederzeit neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen, die für die Billigkeitsentscheidung maßgebend sind, auch wenn sie den ursprünglich eingebrachten Antrag überschreiten. Ist die Aufteilungsentscheidung allerdings rechtskräftig, so können bestehende, aber nicht vorgebrachte Schulden, einen Abänderungsgrund gem § 46 AußStrG darstellen (ebenso Stabentheiner/Rummel § 83 EheG Rz 6).
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C. Grundsatz des Wohlbestehenkönnens 20 Auch der von der Rsp aus dem Anerbenrecht übernommene Grundsatz des Wohlbestehenkönnens fließt – wenngleich grundsätzlich erst bei einer abschließenden Betrachtung – in die Billigkeitsentscheidung mit ein. Im Hinblick auf einen billigen und gerechten Ausgleich soll jeder Ehegatte so gestellt werden, dass die bisherigen Lebensgrundlagen möglichst gewahrt werden und jedem der beiden vormaligen Ehegatten der Beginn eines neuen Lebensabschnitts erleichtert wird (6 Ob 31/07p = EF 120.325 f; LG Linz EF 120.328). Dieser Grundsatz ist ebenfalls ex post bei der Art der Aufteilung zu berücksichtigen: So kann vom Gericht etwa im Hinblick auf den Grundsatz des Wohlbestehenkönnens eine Ausgleichszahlung unter dem Verkehrswert einer Liegenschaft angeordnet werden, wenn der zahlungspflichtige Ehegatte trotz äußerster Anspannung seiner Kräfte den angemessenen Marktpreis auch in Teilzahlungen nicht aufbringen kann (5 Ob 736/80 = EF 36.464; 3 Ob 1/99i = EF 93.966; 9 Ob 35/00p; 3 Ob 107/06s = EF 114.421; Deixler-Hübner, NZ 2002, 259; vgl dazu auch Rz 1).
D. Trennungsgrundsatz 21 Als negativer Aufteilungsgrundsatz ist in § 84 EheG normiert, dass sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten in Zukunft möglichst wenig berühren sollen (7 Ob 23/09x = JBl 2010, 56). Dieser Trennungsgrundsatz ist nach der Rsp noch vor dem Bewahrungsgrundsatz gem § 90 Abs 1 EheG vorrangig zu berücksichtigen (3 Ob 589/87 = EF 57.383; 3 Ob 2224/96x = EF 84.698; LGZ Wien EF 108.393; LG Salzburg EF 111.383; LG Wels EF 120.329). Im Hinblick auf den Trennungsgrundsatz soll eine gemeinsame Benützung der bisher bewohnten Ehewohnung tunlichst vermieden werden (6 Ob 2229/96d = EF 81.729). Steht daher ein als Ehewohnung dienendes Haus oder eine Eigentumswohnung im grundbücherlichen Miteigentum der geschiedenen Ehegatten, so soll wenn möglich der Eigentumsanteil des einen Ehegatten dem anderen übertragen werden (LG Salzburg EF 111.383; LG Wels EF 120.330). Ist allerdings der Parteiwille darauf gerichtet, das Miteigentum zu wahren, so kann bis zu einem bestimmten Zeitpunkt – etwa bis zur Erreichung der Ausbildungsgrenze der Kinder – auch einem Ehegatten ein Benützungsverhältnis eingeräumt werden (LG Wels EF 120.330). Hälfteeigentum an einem Zweifamilienhaus mit getrennten Wohnbereichen ist allerdings in Kauf zu nehmen (EF 72.319 bis EF 72.411; LGZ Wien EF 108.393), ebenso eine bloße Grund- bzw Wohnungsnachbarschaft (6 Ob 667/ 83 = EF 43.780; 9 Ob 42/99p = EF 90.479; LGZ Wien EF 108.393; Stabentheiner/Rummel § 84 EheG Rz 1b). 688
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Mit dem Billigkeitsgrundsatz ist sogar Miteigentum vereinbar, wenn die Lie- 22 genschaft nicht gemeinsam benützt wird und keine gemeinsamen Verwaltungsmaßnahmen zu setzen sind (3 Ob 541/88 = EvBl 1989/166 = EF 60.409; vgl auch LG Wels EF 120.330). Ist das Verhältnis der geschiedenen Ehegatten noch freundschaftlicher Natur und nehmen sie ein weiteres Zusammenleben in Kauf, so kann diesem Wunsch – trotz der Anordnung des § 84 EheG – vom Gericht entsprochen werden (1 Ob 506/84 = EF 46.381; 7 Ob 598/88 = EF 57.386; Koch/KBB § 84 EheG Rz 1). Dazu wird aber vom Gericht uU eine Zukunftsprognose zu treffen sein.
E. Aufteilungsquoten Die Aufteilungsquoten sind nach § 83 EheG nicht streng rechnerisch, son- 23 dern nach Billigkeit vorzunehmen, wobei die vorgenannten Billigkeitsparameter in einem beweglichen System stehen, die das Gericht in Relation setzen muss, sodass bei der Aufteilung des Ehevermögens je nach Lage des Einzelfalls eine ausgewogene und gerechte Lösung gefunden werden kann (7 Ob 530/93 = SZ 67/38; LGZ Wien EF 72.400 uva; Gimpel-Hinteregger, JBl 1986, 560). Eine lediglich andere Billigkeitsbetrachtung stellt daher grundsätzlich keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Einzelfalls dar, sodass der OGH idR im Hinblick auf die Aufteilungsquoten kaum erfolgreich angerufen werden kann (7 Ob 297/03g; 4 Ob 152/04p; 6 Ob 94/04y = EF 108.392; 6 Ob 65/05k = EF 111.382; 6 Ob 164/06w). Die Rsp geht freilich meist zu Unrecht – trotz zum Teil weitgehender Erhebungen – von einer Aufteilungsquote von 1 : 1 aus; dies vor allem im Zweifel (3 Ob 30/03p = EF 108.383; 6 Ob 65/06k; LGZ Wien EF 81.727; LG Salzburg 21 R 624/05v), und zwar unreflektiert – dh ohne genauere Überprüfung der einzelnen Billigkeitsaspekte, vor allem ohne diese zueinander in Relation zu setzen – auch bei einer Hausfrauenehe (7 Ob 297/03g; 2 Ob 185/04a; 7 Ob 297/03g = 108.384; 6 Ob 65/05k = EF 111.373 uva). Diese Vorgangsweise ist schon deshalb unbillig, weil sie oft dem Einzelfall dadurch nicht gerecht wird, dass dieser Schlüssel unbesehen offenbar auf sämtliche Fälle angewendet wird, ohne Rücksicht darauf, ob die geschiedene Ehefrau neben ihrer Haushaltsführung auch erwerbstätig war, wie hoch das Einkommen beider Ehegatten gewesen ist und in welchem Ausmaß die Ehegatten jeweils durch die Haushaltsführung und Kindererziehung belastet waren (vgl dazu Rz 11; Deixler-Hübner, NZ 2002, 262). Aber auch der OGH betont, dass nach den Umständen des Einzelfalls bei einer Hausfrauenehe von der Hälfteteilung abgewichen werden könne, wenn eine Leistung als gewichtiger zu werten sei (6 Ob 1513/96; 4 Ob 230/97w; 5 Ob 288/01s).
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24 Nur Einzelentscheidungen bestimmen andere Aufteilungsquoten – wie etwa ein Schlüssel von 60 : 40 zu Gunsten der Frau bei Berufstätigkeit und Haushaltsführung und Kinderbetreuung (LGZ Wien EF 101.023), im Verhältnis von 2 : 1 bei besonders hoher Finanzkraft des einen Ehegatten über viele Jahre hinweg sowie bei unentgeltlicher Nutzung von dessen Liegenschaft durch die Frau und eine gegenwärtig angespannte finanzielle Situation des Mannes (4 Ob 11/99t), eine Aufteilungsquote von 60 : 40 zu Gunsten des Mannes, der erwerbstätig war und in seiner Freizeit gemeinsam mit seinem Bruder beträchtliche Arbeiten am Hausbau geleistet hat, während die Frau den Haushalt versorgt und die Kinder betreut hat oder eine Aufteilungsquote von 2 : 1 bei Erziehung von drei Kindern und Mitarbeit im Unternehmen des anderen Ehegatten (2 Ob 185/04a = EF 108.385). Nach der jüngeren Rsp rechtfertigt daher zunehmend ein erheblich größerer (finanzieller) Beitrag eines Ehegatten eine Aufteilung in einem individuell gerechtfertigten Verhältnis – etwa 2 : 1 (2 Ob 98/97m = EF 117.525). Vgl dazu auch Rz 11. 25 Zuzustimmen ist der Rsp, dass bei der Aufteilung von Luxuswerten keine „Luxusregelung“ anzuwenden ist, etwa eine Aufteilung im Verhältnis von 3 : 1 zu Gunsten des einkommensstärkeren Ehegatten. Eine solche Luxusregelung kann nur im Unterhaltsrecht Berücksichtigung finden, ist aber nicht ohne Beachtung anderer Billigkeitsaspekte auf die Vermögensaufteilung gem §§ 81 EheG ff übertragbar (1 Ob 88/05 f = EF 111.381).
Gerichtliche Aufteilung § 85. Soweit sich die Ehegatten über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nicht einigen, hat hierüber auf Antrag das Gericht zu entscheiden. [BGBl 1978/280]) Lit: Jelinek, Allgemeine Auswirkungen der Konkurseröffnung auf außerstreitige Verfahren, FS Wagner (1987) 203; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht (1973); Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht (1973). Inhaltsübersicht A. Subsidiarität des Aufteilungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . B. Zuständigkeit – Aufteilungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behauptungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antragsbindung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verzicht auf das Aufteilungsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . D. Abgrenzung des außerstreitigen vom streitigen Rechtsweg . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–2 3–8 3 4–5 6–8 9–10 11–14 11
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E. F. G. H.
2. Streitigkeiten hinsichtlich der Aufteilungsgegenstände . . . . . . . . . . 3. Unzulässigkeit des Rechtswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebenintervention und Streitverkündung im Aufteilungsverfahren? . . Entscheidung – Teilrechtskraft der Aufteilungsentscheidung – Abänderungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Benützungs- bzw Sicherungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurs über das Vermögen eines Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkurseröffnung vor der Scheidung der Ehegatten . . . . . . . . . . . 2. Konkurseröffnung nach Einleitung des Aufteilungsverfahrens . . . .
.. .. ..
12–13 14 15
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16 17 18–21 18 19–21
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A. Subsidiarität des Aufteilungsverfahrens Das Gesetz geht davon aus, dass sich die Ehegatten nach ihrer Scheidung über 1 die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse einvernehmlich auseinandersetzen, so dass das außerstreitige Aufteilungsverfahren nur subsidiär Anwendung findet (9 Ob 125/04d = JBl 2005, 520; 5 Ob 43/07w = EF-Z 2007/106 mwN). Haben sich die Ehegatten außergerichtlich über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung geeinigt, ist ein Aufteilungsantrag unzulässig und daher abzuweisen (5 Ob 525/82 = EvBl 1982/160 = EF 41.435; 2 Ob 557/88 = EF 57.393; 2 Ob 77/90 = EF 66.534; 8 Ob 572/92 = EF 69.348; 2 Ob 73/99w = 91.741). Haben die Ehegatten nur über einen Teil der Aufteilungsmasse eine einvernehmliche Vereinbarung erzielt, kann über die restlichen aufzuteilenden Vermögenswerte ein Aufteilungsverfahren eingeleitet werden (2 Ob 654/86 = EF 51.785; 6 Ob 582/90 = EF 64.860). Die geschiedenen Ehegatten können aber auch von vornherein das Aufteilungsverfahren nur bezüglich bestimmter Aufteilungsgegenstände einleiten (1 Ob 643/82 = SZ 55/163; 9 Ob 35/00t; 9 Ob 35/00p = Miet 52.623; 10 Ob 222/00w = EF 98.990; Koch/KBB § 85 EheG Rz 1). Wenn sich die Ehegatten bloß auf die Aufteilungsart, nicht aber auf die zu leistenden Ausgleichszahlungen geeinigt haben, kann die gerichtliche Aufteilung ebenso begehrt werden (1 Ob 596/87 = SZ 60/95; 9 Ob 35/00p = Miet 52.623). Wurde das Gericht nur hinsichtlich einzelner Vermögensgegenstände angerufen, hat es bei seiner Entscheidung auch die übrigen Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten nach Billigkeit zu berücksichtigen (3 Ob 553/83 = EF 43.782; 3 Ob 548/85 = 48.987; Hopf/Kathrein § 85 EheG Anm 5). Ein Aufteilungsverfahren kann sogar trotz Einigung der Ehegatten über die 2 vermögensrechtlichen Folgen ihrer Scheidung nach § 55a EheG eingeleitet werden, wenn der Scheidungsfolgenvergleich wegen Irrtums oder Unkenntnis eines Teils oder beider Teile unvollständig geblieben ist und darüber auch im nachhinein kein Einvernehmen erzielt werden kann (2 Ob 73/99w = EF 91.741; 7 Ob 26/04 f; LGZ Wien EF 111.385 ua; Stabentheiner/Rummel § 85 EheG Rz 1); dies gilt selbst dann, wenn die Ehegatten einen Generalverzicht 691
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auf weitere Aufteilung vereinbart hätten, der Scheidungsfolgenvergleich aber unvollständig geblieben ist (5 Ob 43/07w = EF-Z 2007/106). Die Frist läuft hier ebenfalls ab Rechtskraft der Scheidung, sodass ein Aufteilungsantrag mitunter bei Entdeckung der Unvollständigkeit schon verfristet sein kann. Wird die Scheidungsfolgenvereinbarung aber wegen Willensmängel – Irrtum bzw List – angefochten, kommt eine Anpassung im Aufteilungsverfahren nicht in Betracht; die Anfechtung hat vielmehr im streitigen Verfahren zu erfolgen. Das Aufteilungsverfahren ist dann bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu unterbrechen (1 Ob 751/80 = SZ 53/150; 7 Ob 2199/96z; 7 Ob 2199/96z = SZ 69/174; Koch/KBB § 85 EheG Rz 1). Ist das Aufteilungsverfahren noch nicht eingeleitet worden, so beginnt die Frist des § 95 EheG erst mit Rechtskraft des Urteils im Anfechtungsprozess zu laufen (7 Ob 99/98d; 7 Ob 51/07m). Durch die Neuerungen in § 97 Abs 2 und 3 EheG nF mit dem FamRÄG 2009 sind die Grenzen der Rechtswege im Einzelfall allerdings nicht immer so klar zu ziehen, doch ist diese Rsp dadurch nicht überholt (vgl dazu § 97 Rz 27 ff).
B. Zuständigkeit – Aufteilungsantrag 1. Allgemeines
3 Sachlich zuständig für das Aufteilungsverfahren sind die Bezirksgerichte (§ 104a AußStrG), die örtliche Zuständigkeit für das Aufteilungsverfahren richtet sich gem § 114 Abs 1 JN nach der sinngemäß anzuwendenden Regelung des § 74 Abs 1 JN (= Gerichtsstand des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts). Weil zur Zeit der Antragstellung kein eheliches Zusammenleben mehr bestehen kann, gilt als Gerichtsstand nur jener gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt, den die ehemaligen Ehegatten während der Ehe zuletzt hatten (6 Ob 180/08a = Zak 2009/456). Das Aufteilungsverfahren wird nur über Antrag eingeleitet. Dieser kann sich auch als Teilantrag bloß auf bestimmte Gegenstände oder eine Ausgleichzahlung beziehen (10 Ob 222/00w = EF 98.990; 1 Ob 596/87 = EF 54.621; vgl auch Gitschthaler, Aufteilung Rz 416). Der Antrag kann ab formeller (Teil) Rechtskraft des Scheidungsurteils erfolgen (vgl dazu vor §§ 81 ff EheG Rz 1 ff und § 95 EheG Rz 10). Zwar genügt der Antrag eines geschiedenen Ehegatten, doch ist dieser ungeachtet der formellen Antragstellung des anderen Ehegatten als gemeinschaftlicher Antrag beider vormaliger Ehegatten aufzufassen (4 Ob 242/00t; 9 Ob 125/04d = JBl 2005, 520; 9 Ob 125/04d = EF 111.388; 5 Ob 63/05h uva; Stabentheiner/Rummel § 85 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 85 EheG Anm 6). Der Zurücknahme des Antrags müssen jedenfalls beide Ehegatten zustimmen; ohne Einvernehmen ist daher die einseitige Antragsrückziehung rechtlich wir692
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kungslos (4 Ob 242/00t = EF 97.366; 9 Ob 125/04d = EF 111.389; Hopf/ Kathrein § 85 EheG Anm 6). Diese Rsp gilt nunmehr trotz § 11 AußStrG weiter, der Rücknahmemöglichkeiten hinsichtlich Anträgen im Verfahren außer Streitsachen vorsieht (vgl auch Gitschthaler, Aufteilung Rz 427). Das Gericht ist in qualitativer Hinsicht nicht an die Vorschläge der Parteien gebunden, darf diesen aber ohne nähere Erörterung auch keine ungewollte Rechtsgestaltung aufdrängen (LGZ Wien 120.333). Die Parteien müssen bei Verhandlungsschluss Kosten gem § 78 AußStrG verzeichnen, ansonsten können sie nach der Rsp nicht zugesprochen werden (4 Ob 76/07s; 1 Ob 162/08t). Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach dem Entscheidungsgegenstand, daher nach dem Wert der Aufteilungsmasse (LGZ Wien 42 R 322/08a; vgl auch Gitschthaler, Aufteilung Rz 462). Es gilt das Erfolgshaftungsprinzip (1 Ob 162/08t; LG Feldkirch EF 118.856; LG Steyr EF-Z 2009/35 uva). Ohne entsprechende Einrede kann das Gericht auch im Aufteilungsverfahren eine Zug-um-Zug-Verpflichtung nicht von Amts wegen anordnen (8 Ob 91/07a = EF-Z 2008/56). Vor allem besteht keine Zug-um-Zug-Verpflichtung zwischen dem Räumungsbegehren der Ehewohnung und der Leistung der Ausgleichszahlung gem § 94 EheG (1 Ob 203/08x = JBl 2009, 693). Vgl zu den Verfahrensregeln §§ 93, 94 und 96 AußStrG. 2. Behauptungs- und Beweislast
Aus dem Untersuchungsgrundsatz, der im Aufteilungsverfahren gilt, resultiert 4 keineswegs, dass für die Parteien keine Beweislast besteht. Die Parteien trifft daher die Behauptungslast, die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen vorzubringen; diese Parteibehauptungen muss das Gericht aufgrund seiner Untersuchungsverpflichtung bloß ergänzen. Stehen sich nämlich auch in den von den Untersuchungsmaximen beherrschten Verfahren zwei oder mehrere Parteien kontradiktorisch gegenüber, so finden die Beweislastregeln auch dort Anwendung (1 Ob 683/90 = RZ 1991/35; 1 Ob 207/98t = SZ 72/47; Fasching, ZPR Rz 883). Das Gericht hat daher bei einem non liquet an Hand der Beweislastregeln zu bestimmen, zu wessen Lasten die Unmöglichkeit der Beweisführung geht (1 Ob 556/80 = SZ 53/54; 6 Ob 171/03w; 1 Ob 88/05 f = EF 111.392). Sind jedoch Umstände beweisbedürftig, die allein im Bereich eines Ehegatten 5 liegen, sodass diesem die Beweisführung leichter möglich ist, während der andere Ehegatte vor unverhältnismäßigen Beweisschwierigkeiten steht, entscheidet nach der Rsp die Nähe zum Beweis (4 Ob 1638/95; 2 Ob 156/99a; 1 Ob 88/05 f = EF 111.392). Die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts geht jedenfalls dann zu Lasten des Antragsgegners, wenn dieser jegliche Mitwirkung an der Entscheidungsfindung verweigert oder wenn er Informationen wider Treu 693
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und Glauben zurückhält (1 Ob 88/05 f = EF 111.392). Kennt der antragstellende Ehegatte die genauen Vermögensverhältnisse nicht, weil sich wichtige Unterlagen in Händen des Gegners befinden, so hält die Rsp einen analoge Anwendung des Art XLII EGZPO für grundsätzlich zulässig (8 Ob 255/ 99d = JBl 2000, 671 = SZ 73/45). Jedoch gewähren die §§ 81 ff EheG keinen selbstständigen Anspruch auf Rechnungslegung (Hopf/Kathrein § 85 EheG Anm 10; Stabentheiner/Rummel § 85 EheG Rz 3; Koch/KBB § 85 EheG Rz 3). Ein eigener Anspruch auf Auskunftserteilung analog zu Art XLII Abs 1 Fall 2 EGZPO besteht wohl aber dann, wenn ein konkreter Verdacht auf Verschweigung oder Verheimlichung von Aufteilungsgegenständen besteht. Darüber ist im Aufteilungsverfahren zu entscheiden (7 Ob 2199/96z = SZ 69/174). Weil es keinen bloßen Erkundungsbeweis gibt, muss die betroffene Partei ihre Behauptung jedenfalls konkret substantiieren (5 Ob 30/01z = SZ 74/164). 3. Antragsbindung?
6 Die Rsp ging bis in jüngste Zeit von dem Grundsatz aus, dass der Aufteilungsantrag für das Gericht quantitativ bindend sei (6 Ob 586/80 = SZ 53/81 = EvBl 1980/215; 8 Ob 695/98 = JBl 1991, 458; 1 Ob 237/98d = JBl 2000, 252; 1 Ob 30/06b; idS auch noch LGZ Wien EF 120.332). Lediglich qualitativ sei das Gericht nicht an den Antrag gebunden; es könne daher nach freiem Ermessen bestimmen, nach welchen Kriterien es die Aufteilung vornehmen wird; der Aufteilungsantrag stelle insoweit bloß einen das Gericht nicht bindenden Vorschlag dar. Diese Auffassung ist in dieser Strenge – jedenfalls nunmehr vor dem Hintergrund des § 9 AußStrG – abzulehnen, weil zum einen im Außerstreitverfahren keine strenge Antragsbindung besteht und das Aufteilungsverfahren zum anderen vom Billigkeitsgrundsatz getragen wird. Eine strenge Antragsbindung iS des § 405 ZPO verbietet sich nämlich auch iZm dem Billigkeitsgrundsatz. Dass auf Antragserweiterungen im Rahmen der Billigkeit jedenfalls einzugehen ist, ergibt sich schon daraus, dass nach der Rsp auch auf rechtsungültige Vereinbarungen im Rahmen der Billigkeitsentscheidung Bedacht zu nehmen ist (vgl etwa 7 Ob 47/99h = EF 94.032; § 97 EheG Rz 27). Teilweise zeigt sich der OGH daher etwas großzügiger, indem er zugesteht, dass die bei Fristablauf noch nicht geltend gemachten Ansprüche bei der Billigkeitsentscheidung noch berücksichtigt werden können (1 Ob 154/99z = EvBl 2000/ 62; 1 Ob 30/06b). 7 Gem § 9 Abs 1 AußStrG muss der Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten, sondern nur hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung angestrebt wird. Unbestimmte Begehren müssen – mit Ausnahme von Geldleistungsbegehren – im weiteren Verfahren auch nicht präzisiert werden (vgl 694
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Fucik/Kloiber § 9 AußStrG Rz 1). Bei Rechtsgestaltungs- oder Regelungsverfahren ist ein bestimmtes Begehren auch nur schwer möglich, wobei selbst der Gesetzgeber idZ besonders auf das Aufteilungsverfahren verweist (vgl auch Maurer/Schrott/Schütz § 9 AußStrG Rz 2). Die Parteien können sich daher darauf beschränken, bloß die „billige Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse“ zu beantragen. Im Zweifel ist ohnehin anzunehmen, dass sich der Antrag auf das gesamte Vermögen bezieht (2 Ob 285/ 97v = NZ 1998, 338 = EF 84.694). Diese Argumentation hat jüngst auch der OGH aufgegriffen und zutreffend und explizit klargestellt, dass eine Bezifferung einer Ausgleichszahlung auch nach Ablauf der Jahresfrist zulässig ist (1 Ob 158/08d = iFamZ 2009/84 = EF-Z 2009/49; ebenso Gitschthaler, Aufteilung Rz 423; vgl dazu Rz 8). Es bleibt zu hoffen, dass sich auch andere Senate des OGH dieser Auffassung anschließen werden. Haben die Parteien eine bestimmte Rechtsgestaltung nicht beantragt, darf 8 das Gericht eine solche erst anordnen, nachdem es den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme geboten hat (6 Ob 586/80 = SZ 53/81; 5 Ob 736/80 = EvBl 1981/71; 4 Ob 78/97t = NZ 1998, 275; 9 Ob 162/02i = RZ 2003/6 = EF 101.025). Zu Unrecht ging die Rsp aufgrund ihrer strengen Auslegung des Antragsgrundsatzes (vgl Rz 6) bisher auch davon aus, dass ein beziffertes Begehren auf Ausgleichszahlung nach Fristablauf nicht ausgedehnt werden kann (1 Ob 237/98d = JBl 2000, 252 [Deixler-Hübner]; 2 Ob 6/04b = ecolex 2004/209 = EF 108.395; 5 Ob 63/05h = RZ-EÜ 2005/128; 7 Ob 317/03y = EF 108.423; aM nun aber 1 Ob 158/08d = iFamZ 2009/84 = EF-Z 2009/49) oder dass die Aufteilungsmasse bei Ablauf der Jahresfrist durch die vorliegenden Anträge bindend festgelegt ist (8 Ob 695/89 = JBl 1991, 458; 5 Ob 1557/92 = EF 69.371; 4 Ob 285/01t; 1 Ob 102/04p = EF 108.396; 9 Ob 125/04d = EF 111.387). Wohl aber könne ein Antrag nach § 98 EheG noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden (5 Ob 63/05h = RZ-EÜ 2005/ 128; vgl dazu § 98 EheG Rz 4). Wenn die Anträge der Parteien aber – wie auch der OGH zugesteht (5 Ob 736/80 = EvBl 1981/71) – als das Gericht nicht bindende Aufteilungsvorschläge anzusehen sind, muss es den Parteien wohl im weiteren Verfahren noch möglich sein, neue Tatsachen vorzubringen, die für die Billigkeitsentscheidung maßgebend sind; dies auch dann, wenn sie den ursprünglich eingebrachten Antrag quantitativ überschreiten. Werden etwa im Verfahrensverlauf neue Sparbücher aufgefunden, ist diese Tatsache für die Billigkeitsentscheidung maßgebend und muss vom Gericht auch berücksichtigt werden. Dieser Umstand ist entweder dadurch aufzugreifen, dass diese Sachen zum aufzuteilenden Vermögen gezählt werden, oder – wenn sie keine Aufteilungsmasse bilden – darauf als Billigkeitskriterium Bedacht zu nehmen ist (vgl dazu etwa 3 Ob 541/88 = EvBl 1989/166; Deixler-Hübner, NZ 2002, 263). 695
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C. Verzicht auf das Aufteilungsverfahren? 9 Auf den materiellen Aufteilungsanspruch kann zufolge des Einvernehmlichkeitsgebots des § 85 EheG von den Ehegatten iZm mit ihrer Scheidung formlos verzichtet werden (§ 97 Abs 2 EheG). Dies ist im Zug der einvernehmlichen Scheidung im Hinblick auf die Aufnahme eines Generalverzichts in den Scheidungsfolgenvergleich bezüglich der nicht vereinbarten Aufteilungsgegenstände auch durchaus üblich (vgl auch § 97 EheG Rz 7). 10 Ein Verzicht auf das Aufteilungsverfahren ist dem gegenüber schon aufgrund Art 6 Abs 1 EMRK, der auch die Unzulässigkeit eines pactum de non petendo (Rechtschutzverzichtsvertrag) beinhaltet, gesetzwidrig und daher nichtig (1 Ob 568/92 = SZ 65/65; 7 Ob 99/98d = RZ 1999/45; 2 Ob 73/99w = EF 91.740; 5 Ob 43/07w = EF-Z 2007/106; LGZ Wien EF 120.331; Stabentheiner/ Rummel § 85 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 85 EheG Anm 2; vgl auch Gitschthaler, Aufteilung Rz 410). Trotz einer Vereinbarung, auf ein allfälliges Aufteilungsverfahren zu verzichten, können die Parteien daher innerhalb der gesetzlichen Frist ein Aufteilungsverfahren gem §§ 81 ff EheG einleiten. Freilich wird das Außerstreitgericht prüfen, ob damit auch auf den materiellen Aufteilungsanspruch verzichtet wurde und bejahendenfalls den Aufteilungsantrag abweisen.
D. Abgrenzung des außerstreitigen vom streitigen Rechtsweg 1. Allgemeines
11 Die Abgrenzung des streitigen vom außerstreitigen Rechtsweg erfolgt danach, ob die Sache überhaupt einen Aufteilungsgegenstand darstellt oder ob darüber bereits eine gültige außergerichtliche Vereinbarung getroffen wurde. Die Rechtszuständigkeit kann auch im Außerstreitverfahren geklärt werden (7 Ob 25/99y). Im Zweifel gehört eine Sache aber ins außerstreitige Verfahren (NZ 2002/42 mwN; 10 Ob 16/08p = EF-Z 2008/107; LG Salzburg EF 120.334; 6 Ob 98/09v = iFamZ 2010/31; 1 Ob 177/09z; 10 Ob 29/10b; Gitschthaler, Aufteilung Rz 393; aM 7 Ob 687/80 = SZ 53/153; 4 Ob 546/90 = EvBl 1990/153; vgl auch § 97 EheG Rz 28). Die Abgrenzung der Rechtswege ist durch die Möglichkeit der Nachprüfung der Vorwegvereinbarungen durch das Aufteilungsgericht gem § 97 Abs 2 und 3 EheG nach dem FamRÄG 2009 aufgeweicht worden (vgl dazu § 97 Rz 27 ff). Dabei kommt es nach stRsp auf den Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen an (3 Ob 187/07g; 8 Ob 54/97k; 6 Ob 98/09v = iFamZ 2010/31 ua). 696
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2. Streitigkeiten hinsichtlich der Aufteilungsgegenstände
Über Aufteilungsgegenstände ist im außerstreitigen Rechtsweg abzusprechen. 12 Ist die Frist des § 95 EheG noch offen, können daher die auf Miteigentum gestützten Ansprüche eines Ehegatten auf die Ehewohnung nicht im streitigen Verfahren geltend gemacht werden (4 Ob 2018/96 = RZ 1997, 36; 1 Ob 177/ 09z). Auch über Bereicherungsansprüche an Gegenständen, die die Aufteilungsmasse betreffen ist – solange die Frist der § 95 EheG nicht verstrichen ist – im außerstreitigen Verfahren abzusprechen (1 Ob 177/09z; vgl auch Gitschthaler, Aufteilung Rz 398). Auch die Teilungsklage gem § 830 ABGB über einen noch im Miteigentum der geschiedenen Ehegatten stehenden Aufteilungsgegenstand ist daher während eines anhängigen Aufteilungsverfahrens nicht zulässig. Die Teilungsklage kann erst nach Verstreichen der Präklusivfrist des § 95 EheG bzw nach rechtskräftiger Beendigung des Aufteilungsverfahrens geltend gemacht werden (7 Ob 730/80 = JBl 1982, 264 = EvBl 1981/ 200 = SZ 54/36; 7 Ob 591/82 = EvBl 1982/195 = EF 41.367; 3 Ob 25/99v = ecolex 2000/261). Vom OGH wurde gar ein Aufteilungsantrag abgewiesen, damit eine Zivilteilung durchgeführt werden kann, wenn keiner der Ehegatten zu einer Ausgleichszahlung fähig ist und auch keine zwingenden Gründe bestehen, die Sache einem Ehegatten zuzuweisen (3 Ob 25/99 f = ecolex 2000/ 261). Diese Vorgangsweise ist schon deshalb abzulehnen, weil auch der Außerstreitrichter im Aufteilungsverfahren nach den Regeln der Zivilteilung vorgehen kann. Nach zutreffender Auffassung sind daher gerade umgekehrt Rechtsgestaltungsansprüche der Ehegatten auf Zivilteilung ins außerstreitige Verfahren verwiesen und dort auch nach Billigkeit zu klären (1 Ob 767/83; 1 Ob 35/97x; 1 Ob 177/09z). Der Umstand, dass mit der Entscheidung im Teilungsverfahren über den (allgemeinen) Teilungsanspruch mit bindender Wirkung abgesprochen wird, steht einem Aufteilungsanspruch gem §§ 81 ff EheG zwischen denselben Parteien betreffend die Ehewohnung auf dieser Liegenschaft nicht entgegen (4 Ob 191/06a = iFamZ 20/07). Auch während der Ehe entstandene Wechselverbindlichkeiten der Ehegatten sind von der Aufteilung erfasst, wenn sich diese als persönliche Haftung der Ehegatten zur Sicherung ihrer gem §§ 81 ff EheG unterliegenden Kreditverbindlichkeiten darstellen (8 Ob 9/93 = SZ 66/107). Über Schadenersatzansprüche an diesen ist im Außerstreitverfahren abzusprechen (10 Ob 29/ 10b). Auch Benützungsentgelte für die Ehewohnung können nach der OGHRsp idR nur im Aufteilungsverfahren geltend gemacht werden (10 Ob 16/08p = iFamZ 2008/138 = EF-Z 2008/107). Stützt der Antragsteller seinen Antrag jedoch auf Ausgleichszahlungen ua auf Mietzinszahlungen, die er für die Antragsgegnerin für Zeiten nach der Aufhebung der ehelichen Lebengemeinschaft geleistet hat, liegt Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs vor. 697
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Dieser Rechtsstreit ist im streitigen Verfahren durchzuführen (3 Ob 187/07g = EF-Z 2008/82 = Zak 2008/192). Erfolgt allerdings zwischenzeitig – auch noch im Rechtsmittelverfahren – eine Antragsrückziehung im Aufteilungsverfahren, so ist diese Änderung der Sachlage auch noch vom OGH wahrzunehmen und damit wird der streitige Rechtsweg zuständig (6 Ob 98/09v = iFamZ 2010/31). 13 Eine Benützungsregelung gem § 838a ABGB an ehelichen Ersparnissen ist ebenfalls im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden (7 Ob 48/10z = iFamZ 2010/203). Benützungsrechte eines Dritten an einem zur Aufteilungsmasse gehörenden Gegenstand können allerdings im streitigen Rechtsweg geklärt werden (4 Ob 273/97v = EvBl 1998/51). Eine Räumungsklage gegen einen Dritten in Bezug auf eine in das Aufteilungsverfahren einzubeziehende Wohnung, die nicht die Ehewohnung darstellt, ist jedoch im streitigen Rechtsweg einzubringen (4 Ob 273/97v = EvBl 1998/51; vgl auch Gitschthaler, Aufteilung Rz 401). Auch dann, wenn den Leistungen eines Ehegatten für Kreditrückzahlungen, Betriebskosten oder öffentliche Abgaben betreffend der Ehewohnung Unterhaltscharakter zukommt, unterliegen sie nicht dem Aufteilungsverfahren (1 Ob 155/08p = EF-Z 2009/12).
3. Unzulässigkeit des Rechtswegs
14 Macht ein Ehegatte innerhalb der Präklusivfrist des § 95 EheG Ansprüche auf einen Gegenstand, der zur Aufteilungsmasse gehört, im streitigen Verfahren geltend, hat das Prozessgericht die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszusprechen und die Rechtssache dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen. Bislang war diese Anordnung explizit in § 235 Abs 1 AußStrG aF enthalten gewesen. Im neuen Außerstreitgesetz findet sich dafür keine eigene Norm mehr; die Vorgangsweise ergibt sich aber schon aus § 44 Abs 1 und §§ 40a, 42 JN (10 Ob 16/08p = EF-Z 2008/107; 6 Ob 98/09v = iFamZ 2010/ 31; 1 Ob 177/09z; 7 Ob 48/10z = iFamZ 2010/203; 10 Ob 29/10b). Haben die Unterinstanzen die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs bejaht, kann der OGH die Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens nicht mehr aufgreifen (1 Ob 197/99y = JBl 2000, 666).
E. Nebenintervention und Streitverkündung im Aufteilungsverfahren? 15 Da sich gem § 2 Abs 1 Z 1 und 2 AußStrG das Verfahren idR ohnehin einem sehr weiten Beteiligtenkreis eröffnet, besteht weder für das Institut der Neben698
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intervention, noch jenes der Streitverkündung Raum. Der Gesetzgeber des neuen Außerstreitgesetzes hat daher bewusst von einer Verankerung dieses Rechtsinstituts abgesehen (10 Ob 29/06x = FamZ 2006/63 [Deixler-Hübner, Zak 2006/445]; 6 Ob 236/06h). Dem die Aufteilungsvereinbarung errichtenden Notar kann daher im Aufteilungsverfahren nicht mit dem Ziel der Streit verkündet werden, sich am Verfahren zu beteiligen (6 Ob 236/06h).
F. Entscheidung – Teilrechtskraft der Aufteilungsentscheidung – Abänderungsantrag Das Gericht entscheidet über den Aufteilungsantrag bzw die widerstreitenden 16 Anträge mit Beschluss. Werden darin Gegenstände begehrt, die nicht der Aufteilung unterliegen, dann ist der Antrag abzuweisen (RIS-Justiz RS0008462). Dabei kann auch ein Teilbeschluss gefällt werden. Ein solcher ist nun in § 36 Abs 2 AußStrG explizit erwähnt, wurde aber auch schon bisher von der Rsp als zulässig erachtet (5 Ob 65/07 f = EF 117.551). Wenn zwischen den Parteien strittig ist, ob bestimmte Sachen in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen sind, so hat das Gericht darüber nicht mit negativem Zwischenbeschluss gem § 36 Abs 2 AußStrG zu entscheiden, sondern in der Sache selbst mit Teilabweisung (9 Ob 46/06i = iFamZ 2006/62; LG Salzburg EF 120.355; 6 Ob 87/10b = iFamZ 2010/241). Vgl dazu auch § 94 Rz 15 f. Ob auch ein Zwischenantrag auf Feststellung möglich ist, ist fraglich (verneinend Fucik/Kloiber § 36 Rz 2 und Rechberger in Rechberger, AußStrG § 36 Rz 3), wird aber zu bejahen sein, weil ein solcher vom Gesetz nicht ausgeschlossen ist (vgl vielmehr § 37 Abs 3 Z 11 MRG, § 52 Abs 2 WEG) und keine sachlichen Gründe dagegen sprechen. Auch die im außerstreitigen Regelungsverfahren gem §§ 81 ff EheG ergangenen Entscheidungen sind der Teilrechtskraft fähig, doch sind deren Grenzen unter Wahrung des Funktionszusammenhangs mit dem Privatrecht von der regelnden Aufgabe des Gerichts her zu bestimmen (3 Ob 292/04v = EF 111.390; 3 Ob 107/06s; 7 Ob 23/09x). Eine solche Teilregelung ist allerdings nur dann zulässig, wenn diese nur einen unstrittigen oder einen geringen Teil der Aufteilungsmasse betrifft, um zu vermeiden, dass die Entscheidung in Ansehung des verbleibenden Restvermögens keine Ausgleichsmöglichkeiten verschließt (4 Ob 242/00t; 7 Ob 129/05d = EF 111.391). Durch die Anfechtung des Ausspruchs über die Ausgleichszahlung wird auch der Eintritt der Rechtskraft hinsichtlich der Aufteilungsanordnungen verhindert. Die Tatsache, dass die restliche Entscheidung unangefochten bleibt, lässt keinen zwingenden Schluss auf eine diesbezügliche Einigung der geschiedenen Ehegatten zu (5 Ob 548/81; 3 Ob 292/047v; 3 Ob 107/06s). Gem § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG kann nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses eine Abänderung mit der Behauptung beantragt werden, eine nach699
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folgende Zeugenaussage ist nunmehr benützbar und hätte im Verfahren eine günstigere Entscheidung herbeigeführt. Ein Verschulden des Antragstellers iSd § 73 Abs 3 AußStrG schließt ein Abänderungsverfahren aus. IdZ stellt es keine Überspannung der prozessualen Diligenzpflicht dar, vom Antragsteller zu verlangen, er hätte bereits im Aufteilungsverfahren erster Instanz ausdrücklich geltend machen müssen, dass die von der Antragstellerin behauptete Vereinbarung nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Scheidung steht (aM offenbar 10 Ob 12/09a = iFamZ 2009/208).
G. Einstweilige Benützungs- bzw Sicherungsregelung 17 Vor bzw neben dem Aufteilungsverfahren ist auch eine EV im Hinblick auf eine Benützungsregelung der Aufteilungsgegenstände gem § 81 Abs 2 und 3 EheG oder die einstweilige Sicherung dieser Gegenstände (§ 382 Abs 1 Z 8 lit c EO) möglich (vgl 1 Ob 10/94 = SZ 67/266; Stabentheiner/Rummel § 85 EheG Rz 3; Bernat/Schwimann § 85 EheG Rz 5); dies gilt auch für eine Benützungsregelung (4 Ob 263/00 f = NZ 2002/42 = Miet 52.625; Hopf/Kathrein § 85 EheG Anm 7). Gesichert wird hier bloß die gerichtliche Durchsetzung des Aufteilungsanspruchs, nicht die Vermögensgegenstände selbst (1 Ob 10/ 94 = SZ 67/166; 4 Ob 18/99x = EvBl 1999/171; vgl dazu § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO Rz 12). Im Provisorialverfahren gelten ebenfalls die Aufteilungsgrundsätze der §§ 83 und 84 EheG (4 Ob 508/84 = SZ 57/89; LGZ Wien EF 82.500; LG Linz EF 94.714; LG Salzburg EF 112.430; vgl dazu eingehend bei § 382 Abs 1 lit c EO).
H. Insolvenzverfahren betreffend das Vermögen eines Ehegatten 1. Insolvenzeröffnung vor der Scheidung der Ehegatten
18 Wird die Insolvenz über das Vermögen eines Ehegatten vor der Scheidung eröffnet, schließt dies nach der hA ein Aufteilungsverfahren nicht aus, weil im Insolvenzverfahren nur Ansprüche gegen den Schuldner, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung schon bestanden haben, zu den Insolvenzforderungen zählen, nicht aber jene, die erst während des Insolvenzverfahrens entstehen und nicht Masseforderungen gem § 46 IO darstellen. Zugewiesen werden können allerdings nur jene Gegenstände, die nicht zur Insolvenzmasse gehören – etwa Hausrat iS des § 250 Z 1 EO, soweit dieser zu einer bescheidenen Lebensführung notwendig ist (7 Ob 623/93 = SZ 67/18 = JBl 1994, 764; 6 Ob 315/99p = EvBl 2001/23; 7 Ob 322/01 f = ZIK 2002/227; 2 Ob 184/03b = NZ 700
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Nacheheliche Aufteilung
2004/64). Der Aufteilungsanspruch stellt ein höchstpersönliches Recht des Schuldners dar, ist daher nicht vom Insolvenzverwalter, sondern von diesem selbst geltend zu machen (6 Ob 315/99p = EvBl 2001/23 = NZ 2002/16 = EF 93.896; Schubert/Konecny/Schubert § 6 KO Rz 38 mwN). 2. Insolvenzeröffnung nach Einleitung des Aufteilungsverfahrens
Ist das Aufteilungsverfahren bei Insolvenzeröffnung bereits anhängig, wird es 19 insoweit unterbrochen, als es verfangenes Vermögen betrifft (§ 7 Abs 1 KO; 8 Ob 645/89 = EF XXVII/7; 7 Ob 623/93 = SZ 67/18 = JBl 1994, 564 = EF 76.636; Schubert/Konecny/Schubert § 6 KO Rz 39; aA 1 Ob 588/93 = SZ 62/ 79 = EF 71.360; Buchegger/Bartsch/Pollak/Buchegger § 6 KO Rz 43, § 7 KO Rz 13). Aufteilungsansprüche gehören zur Insolvenzmasse und sind nach den Grundsätzen der Insolvenzordnung zu behandeln und, soweit sie nicht von vornherein auf Geldleistungen gerichtet sind, gem § 14 Abs 1 IO nur als Geldforderungen zum Schätzwert anzumelden (7 Ob 623/93 = SZ 67/18; 2 Ob 261/05d = EF-Z 2006/45). In diesem Fall ist der Aufteilungsanspruch daher als Insolvenzforderung gem 20 § 109 IO geltend zu machen; im Bestreitungsfall ist gem § 110 IO ein Prüfungsverfahren im außerstreitigen Rechtsweg durchzuführen (2 Ob 261/05d = EF-Z 2006/45). Das unterbrochene Verfahren kann insoweit fortgesetzt werden (Jelinek, FS Wagner 207; Schubert/Konecny/Schubert § 6 KO Rz 39 und § 7 KO Rz 20; Hopf/Kathrein § 85 EheG Anm 9; 5 Ob 309/86 = SZ 59/90 = EvBl 1987/20 = EF 52.080; vgl auch Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht 582; Wegan, Insolvenzrecht 139). Dem Schuldner sind von dem zur Insolvenzmasse gehörenden Haus bzw der 21 Eigentumswohnung gem § 5 Abs 3 IO die für ihn und seine im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebenden Mitglieder unentbehrlichen Wohnräume zu überlassen (5 Ob 192/71 = SZ 44/124). Das Aufteilungsverfahren kann daher in diesem Umfang durchgeführt werden. Auch Aufteilungsgegenstände, die sich im freien Vermögen des Schuldners befinden, sind gem §§ 81 ff EheG aufzuteilen.
Vor §§ 86 bis 90 EheG Die §§ 86 bis 90 EheG, die mit „Gerichtliche Anordnungen“ übertitelt sind, räumen dem Gericht weitreichende Befugnisse ein, auf welche Art es die Teilung der Aufteilungsmasse konkret vorzunehmen hat. § 86 EheG regelt die Anordnungen beim ehelichen Gebrauchsvermögen, § 89 EheG hingegen im Bezug auf die ehelichen Ersparnisse. § 87 EheG enthält Sonderregelungen für die Ehewohnung im Allgemeinen und § 88 EheG im Hinblick auf die Ehe701
§ 86 EheG
Deixler-Hübner
wohnung, die aufgrund eines Dienstverhältnisses benützt wird. § 90 EheG beschränkt das Gericht iS des Bewahrungsgrundsatzes in seinem Ermessen insofern, als es die Eigentumsübertragung bloß als subsidiäres Mittel vorsieht.
Gerichtliche Anordnungen § 86. (1) Bei der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens kann das Gericht die Übertragung von Eigentum an beweglichen körperlichen Sachen oder eines Anwartschaftsrechts darauf und die Übertragung von Eigentum und sonstigen Rechten an unbeweglichen körperlichen Sachen von einem auf den anderen Ehegatten sowie die Begründung von dinglichen Rechten oder schuldrechtlichen Rechtsverhältnissen zugunsten des einen Ehegatten an unbeweglichen körperlichen Sachen des anderen anordnen. (2) Steht eheliches Gebrauchsvermögen im Eigentum eines Dritten, so darf das Gericht die Übertragung von Rechten und Pflichten, die sich auf die Sache beziehen, nur mit Zustimmung des Eigentümers anordnen. [BGBl 1978/28]
Lit: Hackl, Richterliche Anordnungsbefugnisse und das Verfahren bei der Aufteilung von ehelichen Gebrauchsvermögen und ehelichen Ersparnissen, in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979), 159.
A. Allgemeines 1 § 86 EheG regelt die gerichtlichen Anordnungsbefugnisse hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens mit Ausnahme der Ehewohnung, für die in den §§ 87 und 88 EheG Sondervorschriften gelten. Im Hinblick auf die konkret möglichen Anordnungen differenziert § 86 Abs 1 EheG zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen. Die in §§ 86 ff EheG normierten Anordnungen bilden idR nur den Titel für die Begründung oder Übertragung von Rechten, besitzen daher keine verfügende Wirkung (5 Ob 124/01y = NZ 2002/533= SZ 74/99 = EF 104.988; Stabentheiner/Rummel § 86 EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 86 Anm 3). Für die Änderung dinglicher Rechte bedarf es daher noch eines entsprechenden Modus, der sich nach allgemeinen Normen richtet. Bei der Übertragung von dinglichen Rechten an Liegenschaften ist allerdings eine Aufsandungserklärung nicht erforderlich (5 Ob 124/01y = SZ 74/99 = EF 104.988; Koch/KBB § 86 EheG Rz 1). Die konkrete Durchführung der in §§ 86 ff EheG normierten Gestaltungsbefugnisse des Richters sind in § 93 EheG geregelt. 702
§ 86 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Ob das Gericht iS des § 86 EheG auch eine Zivilteilung anordnen darf, geht 2 aus dem Gesetz nicht eindeutig hervor, wird aber zu bejahen sein (3 Ob 1/99i = EF 93.986; LGZ Wien EF 38.898, 104.989; Hopf/Kathrein § 86 EheG Anm 6; Bernat/Schwimann § 86 Rz 6). Eine solche Anordnung – etwa des Verkaufs von ehelichem Gebrauchsvermögen – ist vor allem dann in Betracht zu ziehen, wenn die Zivilteilung die einzige Möglichkeit einer Aufteilung darstellt, weil keiner der vormaligen Ehegatten in der Lage ist, eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten (3 Ob 1/99i = EF 93.986; LGZ Wien EF 104.989). Nicht vertretbar scheint jedoch in diesem Fall die Abweisung des Aufteilungsantrags und Verweisung auf den Zivilrechtsweg (vgl dazu § 85 EheG Rz 12). Die Ehewohnung ist idR nicht jenem Ehegatten zu überlassen, der auf keinen Fall eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten vermag (3 Ob 203/ 08m = iFamZ 2009/129). Lässt ein Ehegatte die Übertragung seines Miteigentumsanteils an einer Lie- 3 genschaft auf den anderen Ehegatten unbekämpft, indem er sich ausdrücklich nur gegen die Höhe der dafür vorgesehenen Ausgleichszahlung wendet, so wird die Übertragung nicht teilrechtskräftig, weil die Anfechtung der Ausgleichszahlung auch den Eintritt der Rechtskraft hinsichtlich der nicht angefochtenen Aufteilungsanordnungen verhindert (3 Ob 107/06s = Zak 2006/ 528).
B. Bewegliche Sachen Hinsichtlich beweglicher körperlicher Sachen kann das Gericht nur das Ei- 4 gentumsrecht oder ein Anwartschaftsrecht – etwa der Kauf unter Eigentumsvorbehalt – darauf übertragen, nicht jedoch ein anderes dingliches Recht daran – etwa eine Servitut – oder ein obligatorisches Recht – etwa ein Mietverhältnis – anordnen. Sonstige Forderungsrechte – abgesehen vom Anwartschaftsrecht – können somit nicht übertragen werden (JAB 916 BlgNR 14. GP 16). Andere dingliche oder obligatorische Rechte können auch nicht zu Gunsten eines Ehegatten begründet werden (krit Schwind 326; Bernat/ Schwimann § 86 EheG Rz 2).
C. Unbewegliche Sachen Hinsichtlich unbeweglicher Sachen ist dem Gericht ein weiter reichender Ge- 5 staltungsspielraum eingeräumt, wonach daran sowohl Eigentum als auch sonstige Rechte von einem auf den anderen Ehegatten übertragen werden können und auch sämtliche dingliche Rechte und obligatorischen Rechtsverhält703
§ 86 EheG
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nisse zu Gunsten des anderen Ehegatten begründet werden können – etwa Servitute (LGZ Wien EF 93.987) oder ein Pfandrecht (Schwind 326; Stabentheiner/Rummel § 86 EheG Rz 3) bzw Fruchtgenuss- oder Miet- und Pachtrechte. Das Ermessen zur Anordnung der Begründung bzw Übertragung von dinglichen oder schuldrechtlichen Rechtsverhältnissen impliziert auch deren inhaltliche Ausgestaltung. So kann das Gericht etwa Umfang und Dauer eines Mietverhältnisses und die Höhe des Mietzinses festlegen (Schwind 326; Hopf/Kathrein § 86 EheG Anm 7). Gem § 86 Abs 1 EheG steht dem Gericht auch die Befugnis zu, Wohnungseigentum zu begründen (8 Ob 590/92 = EF 72.424; Hopf/Kathrein § 86 EheG Anm 6; Stabentheiner/Rummel § 86 EheG Rz 1). 6 Unzulässig ist die Aufhebung oder Anordnung eines bücherlichen Veräußerungs- und Belastungsverbots (3 Ob 521/85 = EF 48.994; 7 Ob 530/93 = SZ 67/38 = EF 75.618), zulässig jedoch die Anordnung der Löschung des zu Gunsten des einen Ehegatten eingetragenen Veräußerungs- und Belastungsverbots als Durchführungsmaßnahme bei der Übertragung von dessen Liegenschaftshälfte an den anderen Ehegatten (4 Ob 522/93 = EF 72.431; Stabentheiner/Rummel § 86 EheG Rz 1).
D. Rechte Dritter 7 Steht gem § 86 Abs 2 EheG ein Aufteilungsgegenstand im Eigentum eines Dritten oder hat dieser Rechte daran, so kann eine Übertragung eines Rechts nur mit Zustimmung des Dritten erfolgen (7 Ob 536/85 = EF 48.993; 2 Ob 501/88 = EF 57.398). Aufgrund des Zustimmungsrechts verstößt § 86 EheG daher nicht gegen Artikel 4 und 6 StGG und ist insofern nicht verfassungswidrig (8 Ob 502/83 = SZ 56/90; Hopf/Kathrein § 86 EheG Anm 5). Der von der Aufteilungsentscheidung tangierte Dritte besitzt Parteistellung im Aufteilungsverfahren gem § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG (LGZ Wien EF 108.400, 43 R 132/ 05p). Wirkt der Dritte hingegen mit einem Ehegatten zu Lasten des anderen dolos zusammen, so bestehen Schadenersatzansprüche (7 Ob 691/85 = EF 51.795) und das Gericht kann am Aufteilungsgegenstand ohne Rücksicht auf das formelle Eigentum des Dritten Rechte und Pflichten begründen (1 Ob 221/99b = EF 91.912 ff; Hopf/Kathrein § 86 EheG Anm 5). Ein zugunsten eines Dritten verbüchertes Belastungs- und Veräußerungsverbot verhindert eine Übertragung des Aufteilungsgegenstands in das Alleineigentum eines Ehegatten; dies auch dann, wenn der andere Ehegatte zustimmt (LGZ Wien EF 101.026).
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§ 87 EheG
Nacheheliche Aufteilung
§ 87. (1) Für die Ehewohnung kann das Gericht, wenn sie kraft Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechtes eines oder beider Ehegatten benützt wird, die Übertragung des Eigentums oder des dinglichen Rechtes von einem auf den anderen Ehegatten oder die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zugunsten eines Ehegatten anordnen. Die Übertragung des Eigentums oder eines dinglichen Rechts an einer Ehewohnung nach § 82 Abs. 2 können die Ehegatten durch Vereinbarung ausschließen. (2) Sonst kann das Gericht ohne Rücksicht auf eine Regelung durch Vertrag oder Satzung anordnen, dass ein Ehegatte an Stelle des anderen in das der Benützung der Ehewohnung zugrunde liegende Rechtsverhältnis eintritt oder das bisher gemeinsame Rechtsverhältnis allein fortsetzt. [BGBl 1978/280; Abs 1 letzter Satz idF BGBl I 2009/75, anzuwenden, wenn der verfahrenseinleitende Antrag oder die Klage nach dem 31.12.2009 bei Gericht eingebracht wird] Lit: Deixler-Hübner, Einige offene Fragen zum reformierten § 97 EheG, Zak 2010, 11; Gantner, Das rechtliche Schicksal der Ehewohnung im Scheidungsfall, immolex 2001, 236; Jensik, Die Ehewohnung, NZ 1976, 65; Palten, Die Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und anderen Wohnungen nach dem neuen Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1979, 375; Pesendorfer, Das Familienrechts-Änderungsgesetz 2009: Änderungen im Eherecht, iFamZ 2009, 261.
A. Allgemeines § 87 EheG regelt gesondert die Gestaltungsbefugnisse des Gerichts im Hin- 1 blick auf die Ehewohnung, die nicht als Dienstwohnung iS des § 88 EheG benutzt wird (vgl zur Definition der Ehewohnung § 81 EheG Rz 18 ff). Auch wenn ein Ehegatte vor der Scheidung die eheliche Gemeinschaft in der Absicht aufgehoben hat, nicht mehr in die Ehewohnung zurückzukehren, ändert dieser Umstand nichts an deren Qualifikation als Ehewohnung (LGZ Wien EF 93.991). Für ein Ehepaar können auch mehrere Ehewohnungen bestehen (LGZ Wien EF 93.992; vgl § 81 EheG Rz 18). In Abs 1 sind die Anordnungsbefugnisse hinsichtlich jener Ehewohnung gere- 2 gelt, die aufgrund eines dinglichen Rechts eines oder beider Ehegatten benutzt wird. Absatz 2 fasst hingegen die Gestaltungsmöglichkeiten bei Benutzung der Ehewohnung aufgrund eines obligatorischen Rechts zusammen. Im Hinblick auf die Ehewohnung werden dem Gericht weitergehende Befugnisse eingeräumt, als hinsichtlich des übrigen ehelichen Gebrauchsvermögens. Dritte, deren Rechte tangiert werden, sind im Aufteilungsverfahren stets Verfahrensbeteiligte gem § 2 Z 3 AußStrG (6 Ob 725/83 = EvBl 1984/92 = EF 44.788; LGZ Wien EF 108.400, 111.393; vgl auch § 86 EheG Rz 7). 705
§ 87 EheG
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Hinsichtlich der Ehewohnung kann jede Verfügung gerichtlich angeordnet werden; es bedarf hier nicht der Zustimmung des Dritten (6 Ob 586/80 = SZ 53/81 = EvBl 1980/215; 5 Ob 736/80 = JBl 1982, 321 = Miet 32.558; 1 Ob 286/ 00s = EvBl 2001/174 = ecolex 2001/237 [Reidinger]). Nach Ansicht des OGH sind auch die in § 87 Abs 1 EheG angeordneten Gestaltungsbefugnisse verfassungsrechtlich unbedenklich (1 Ob 286/00s = EvBl 2001/174= EF 97.367 = ecolex 2001/237 [Reidinger]; vgl § 86 EheG Rz 7). 3 Die Zuweisung der Ehewohnung wirkt ex nunc. Das Außerstreitgericht kann daher nur mit Wirksamkeit der Entscheidung, nicht auch rückwirkend Rechtsverhältnisse gestalten. Ist etwa ein Verhältnis bereits rechtswirksam gekündigt worden, so kann es nur in diesem Zustand übertragen werden (3 Ob 148/89 = EvBl 1990/95 = EF 60.965; Hopf/Kathrein § 87 EheG Anm 8).
B. Benützung der Ehewohnung aufgrund eines dinglichen Rechts eines oder beider Ehegatten 4 Wird die Ehewohnung kraft Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechts eines oder beider Ehegatten benützt, kann das Gericht folgende Rechte anordnen: · die Übertragung des Eigentums von einem auf den anderen Ehegatten · die Übertragung eines Miteigentumsanteils von einem auf den anderen Ehegatten · die Übertragung von Wohnungseigentum bzw des Anteils eines Ehegatten am Mindestanteil von einem auf den anderen Ehegatten (die Eigentumspartnerschaft könnte auch bei geschiedenen Ehegatten theoretisch aufrecht bestehen bleiben, wird aber schon wegen des Trennungsgrundsatzes nicht möglich bzw nicht tunlich sein [vgl zu einem solchen Fall aber § 15 WEG]; richtet sich der Antrag eines Ehegatten aber auf die Übertragung des Anteils des anderen Ehegatten am Mindestanteil an ihn, so ist ein Weiterbestehen der Eigentümerpartnerschaft ausgeschlossen) · die Übertragung eines Anwartschaftsrechts auf Einräumung von Wohnungseigentum von einem auf den anderen Ehegatten (5 Ob 516/81 = SZ 54/79 = EvBl 1981/217 = EF 38.899; Hopf/Kathrein § 87 EheG Anm 2) · die Übertragung eines sonstigen dinglichen Rechts – etwa eines Fruchtgenussrechts, einer Dienstbarkeit (6 Ob 586/80 = SZ 53/81 = EvBl 1980/215; 1 Ob 645/83 = EF 43.788 = Miet 35.688) oder eines Baurechts von einem auf den anderen Ehegatten zu Gunsten eines Ehegatten an der im Alleinoder Mieteigentum stehenden Ehewohnung · die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zu Gunsten eines Ehegatten an der Wohnung, die von den Ehegatten kraft Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechts des anderen benützt wird. 706
§ 87 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Die Anordnungsbefugnisse iS des Abs 1 stehen dem Gericht auch dann zu, 5 wenn an der Miteigentumsgemeinschaft Dritte beteiligt sind. Die Miteigentümer haben im Hinblick auf den Neueintritt in die Benützungsregelung eines Ehegatten kein Zustimmungsrecht (JAB 16; Bernat/Schwimann § 87 EheG Rz 2). Nicht zulässig sind hingegen Belastungs- und Veräußerungsverbote mit Drittwirkung (1 Ob 645/83 = EF 43.788). Ist ein Ehegatte nur Miteigentümer an einer Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befindet, kommt ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer keine Einräumung einer Wohnungsservitut gem § 521 ABGB an ideellen Anteilen in Frage. Derjenige Miteigentümer, der bloß mit einer ideellen Quote beteiligt ist – etwa ein Wohnrecht in einem Stock eines Hauses –, kann daran nämlich keinen Fruchtgenuss einräumen (2 Ob 520/95 = JBl 1996, 256; aA 5 Ob 34/ 92 = NZ 1993, 19; Bernat/Schwimann § 87 EheG Rz 3). Nicht in Betracht kommt daher die Einräumung einer Wohnungsservitut am bloßen ideellen Miteigentumsanteil eines Ehegatten (2 Ob 520/95 = SZ 68/70 = JBl 1996, 256). Bei Einräumung einer bloßen Benützungsbefugnis ist der Ehegatte trotz dinglicher Eintragung gem § 828 Abs 2 ABGB bei einem Eigentümerwechsel nur dann geschützt, wenn beide Ehegatten Miteigentümer der Liegenschaft sind (1 Ob 645/83 = EF 43.787; 6 Ob 593/85 = EF 51.796; Stabentheiner/ Rummel § 87 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 87 EheG Anm 4). Bei der gerichtlichen Anordnung eines Mietverhältnisses über die Ehewoh- 6 nung sind dementsprechend auch gerichtliche Verfügungen möglich, die im Fall einer rechtsgeschäftlichen Begründung unwirksam wären (1 Ob 286/ 00s = ecolex 2001/237 [Reidinger] = EF 97.370; LGZ Wien EF 104.990; 120.340; Deixler-Hübner, Ehevertrag2 159 f). Der begünstigte Ehegatte kann allerdings nur dadurch hinreichend abgesichert werden, dass ihm ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit eingeräumt wird, weil er damit auch gegenüber künftigen Liegenschaftserwerbern insofern geschützt ist, als ihm der Kündigungsschutz des MRG zu Gute kommt (1 Ob 286/00s = ecolex 2001/237 = EF 97.368). IdZ kann das Gericht nach Anhörung der Beteiligten auch nicht beantragte, jedoch nicht gegen den Willen der dadurch begünstigten Parteien verstoßende Anordnungen treffen (1 Ob 286/00s = EF 97.369 = ecolex 2001/237 [Reidinger]). Wird die Begründung eines Mietverhältnisses an der Ehewohnung zu einem angemessenen Mietzins angeordnet, so kann diese gerichtliche Verfügung keinesfalls als „Vermietung zu unüblichen Konditionen“ bzw als „außerhalb der ordentlichen Bewirtschaftung“ gelegen betrachtet werden. Der Pfandgläubiger hat daher keine Unterlassungsansprüche zur Abwehr drohender Zwangsverschlechterung (1 Ob 286/00s = EF 97.368 = ecolex 2001/237 [Reidinger]). Durch das FamRÄG 2009 ist dem Abs 2 ein weiterer Satz eingefügt worden. 7 Danach können die Ehegatten vereinbaren, dass die Übertragung des Eigen707
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tums oder eines dinglichen Rechts an der Ehewohnung ausgeschlossen ist. Diese Vereinbarung ist bindungsfest, sodass das Aufteilungsgericht nicht davon abweichen darf (§ 97 Abs 2 Satz 1 EheG nF). Dies wird auch für den Fall der Begründung eines Nutzungsverhältnisses gelten, das das Eigentumsrecht praktisch aushöhlt – etwa die Einräumung eines unbefristeten Mietverhälntisses (Pesendorfer, iFamZ 2009, 261; Deixler-Hübner, Zak 2010, 11). Strittig ist, ob auch bindungsfeste Rechtsübertragungen festgelegt werden können und ob die Bestimmung nur für die eingebrachte Ehewohnung oder auch für die in der Ehe geschaffene Ehewohnung gilt (vgl dazu eingehend § 97 Rz 10).
C. Benützung der Ehewohnung aufgrund obligatorischer Rechte 8 Wird die Ehewohnung aufgrund obligatorischer Rechte – etwa Miet- oder Genossenschaftsrechte – benützt, kann das Gericht gem § 87 Abs 2 EheG anordnen, dass ein Ehegatte an Stelle des anderen in dieses Benützungsverhältnis eintritt oder das bisher gemeinsame Rechtsverhältnis allein fortsetzt (LG Salzburg EF 120.340). In Bezug auf die Ehewohnung ist das Gericht auch ausnahmsweise befugt, in Rechte Dritter einzugreifen. Der Dritte – etwa der Vermieter – muss diesen Anordnungen zwar nicht zustimmen (6 Ob 246/99s = EF 90.480; LGZ Wien EF 93.990; 120.339), doch ist diese Norm eng auszulegen (4 Ob 585/87 = EvBl 1989/29). Durch die gerichtliche Anordnung kann nur die Person des Berechtigten geändert werden, jedoch kein gänzlich neues Rechtsverhältnis gegenüber dem Dritten begründet werden (1 Ob 715/80 = JBl 1982, 212; 4 Ob 485/87 = EF 36.479). Von § 87 Abs 2 EheG ist vor allem nicht die Anordnung erfasst, dass beiden Ehegatten statt des früheren alleinigen Mietverhältnisses eines Ehegatten Mitmietrechte eingeräumt werden; diese Anordnung ist ohne Zustimmung des Dritten daher unzulässig (6 Ob 246/99s = EvBl 1989/29 = EF 54.630). Überdies würde dies auch dem Trennungsgrundsatz (§ 84 EheG) widersprechen. 9 Die gerichtliche Anordnung einer realen Teilung der Ehewohnung, wonach jedem der Ehegatten bestimmte Räumlichkeiten zugewiesen werden, ist nach § 87 Abs 2 EheG grundsätzlich möglich, wird aber wegen des Trennungsgrundsatzes gem § 84 EheG in der Praxis eher selten in Betracht gezogen (1 Ob 534/82 = RZ 1983/16; 2 Ob 559/88 = EF 60.403; Stabentheiner/Rummel § 87 EheG Rz 4; Palten, ÖJZ 1979, 382).
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D. Unzulässigkeit von gerichtlichen Anordnungen Nicht mehr vorhandene Sachen können nicht Gegenstand der Aufteilung sein 10 (7 Ob 514/88 = EF 57.292; 8 Ob 255/99d = JBl 2000, 671 = 93.910; vgl auch § 81 EheG Rz 9), so etwa ein nach § 1118 ABGB – mit Zustellung der Räumungsklage – wirksam aufgelöstes Bestandrecht; dieses kann also auch nicht mehr Gegenstand einer gerichtlichen Anordnung nach § 87 Abs 2 EheG sein, auch wenn der Antrag schon vor der Auflösungserklärung gestellt worden ist (3 Ob 7/91; 1 Ob 197/99y = EF 93.989). Auch dann, wenn das Verfügungsrecht eines Ehegatten über ein Haus, in 11 dem sich die Ehewohnung befindet, mit der Zwangsversteigerung der ihm gehörenden Liegenschaftsanteile untergegangen ist, können keine gerichtlichen Verfügungen gem § 87 Abs 2 EheG getroffen werden, weil dieser die Liegenschaft dann titellos benützt (1 Ob 221/99b = EF 93.988). Wird die Ehewohnung aufgrund eines Prekariums oder eines familienrechtli- 12 chen Verhältnisses benutzt, kann das Gericht ebenfalls keine Verfügungen gem § 87 Abs 2 EheG treffen, weil dieses Benützungsverhältnis keinen Rechtsanspruch einräumt (LGZ Wien EF 69.318; Stabentheiner/Rummel § 87 EheG Rz 3; vgl auch Palten, ÖJZ 1979, 382). Vgl aber hinsichtlich der Auferlegung einer Ausgleichszahlung § 94 Rz 7.
§ 88. (1) Wird die Ehewohnung aufgrund eines Dienstverhältnisses benützt oder das Rechtsverhältnis daran im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis begründet, so darf das Gericht eine Anordnung hinsichtlich der Benützung einer solchen Wohnung nur mit Zustimmung des Dienstgebers oder des für die Vergabe der Dienstwohnung zuständigen Rechtsträgers treffen, wenn 1. die Zuweisung der Wohnung deswegen, weil sie überwiegend der Erfüllung der Dienstpflicht dient, wesentliche Interessen des Dienstgebers verletzen könnte oder 2. die Wohnung unentgeltlich oder gegen ein bloß geringes, wesentlich unter dem ortsüblichem Maß liegendes Entgelt benützt wird oder 3. die Wohnung vom Dienstgeber als Teil des Entgelts für die geleisteten Dienste zur Verfügung gestellt wird. [BGBl 1978/280]
(2) Wird die Ehewohnung nach Abs. 1 dem Ehegatten zugesprochen, der nicht der Dienstnehmer ist, so hat das Gericht ein angemessenes Benützungsentgelt festzusetzen. Das Wohnrecht dieses Ehegatten besteht nur so lange, als er sich nicht wieder verheiratet oder eine eingetragene 709
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Partnerschaft begründet, und kann von ihm nicht auf andere Personen übergehen oder übertragen werden. [idF Art 3 Z 7 BGBl I 2009/135] Lit: Ent, Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 149; Hofmann-Wellenhof, Dienstwohnungen im Aufteilungsverfahren nach der Ehescheidung, JBl 1984, 464; Palten, Die Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und anderen Wohnungen nach dem neuen Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1979, 375; O. Schuppich, Welche Auswirkungen hat das MRG auf Dienst- und Werkswohnungen? ImmZ 1983, 247 und 265; Wachter, Rechtsprobleme bei Dienst-, Natural-, Werks- und Mietwohnungen von Arbeitnehmern (1983). Inhaltsübersicht A. Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zustimmung des Dienstgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verletzung wesentlicher Interessen des Dienstgebers . . . . . . . . . . . . . . 3. Unentgeltliches bzw gegen geringfügiges Entgelt Benützen der Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Benützung der Wohnung als Entgeltsbestandteil . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gesetzliche Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Angemessenes Benützungsentgelt – Erlöschen des Wohnrechts mit der Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuweisung der Dienstwohnung nur im Aufteilungsverfahren . . . . . . . D. Ausgleichszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1–5 6–10 6–7 8 9 10 11–13 11–12 13 14
A. Definitionen 1 Aufgrund der vom Gesetzgeber des MRG (auch beabsichtigten) Übereinstimmung des Begriffs Dienstwohnung können zu seiner Auslegung auch § 1 Abs 2 Z 2 MRG und die dazu ergangene Spruchpraxis herangezogen werden (5 Ob 68/99g = wobl 2000, 225; LGZ Wien EF 45.193; Stabentheiner/Rummel § 88 EheG Rz 1; Koch/KBB § 88 EheG Rz 1). Danach wird zwischen Dienst-, Natural- und Werkswohnung differenziert, freilich ohne dass dieser Unterscheidung normative Kraft zukommen würde. Von Dienstwohnung ieS wird dann gesprochen, wenn diese unbedingt benötigt wird, damit der Dienstnehmer seine Dienstleistung erbringen kann, von einer Werkswohnung dann, wenn diese gegen ein bloß geringfügiges Entgelt überlassen wird, und von einer Naturalwohnung dann, wenn sie dem Dienstgeber als Entgeltteil zur Verfügung gestellt wird. 2 Als Dienstwohnung iS des § 88 Abs 1 EheG gilt eine Wohnung jedenfalls dann, wenn sie dem Dienstgeber als Geschäftsgrundlage des Dienstverhältnisses zur Verfügung gestellt wird (9 ObA 82/93 = SZ 66/71; Koch/KBB § 88 EheG 710
§ 88 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Rz 1). Das Dienstverhältnis muss zwar nicht den einzigen Grund für die Wohnungsüberlassung darstellen (2 Ob 508/93 = Miet 45.190; 3 Ob 95/98m = wobl 2001/21; Stabentheiner/Rummel § 88 EheG Rz 1), doch reicht die bloße Dienstnehmereigenschaft als einziges Motiv dafür nicht aus (3 Ob 95/98m = Miet 51.215; Koch/KBB § 88 EheG Rz 1; Bernat/Schwimann § 88 EheG Rz 1; aA 3 Ob 614/86 = SZ 60/4 = EF 54.632). Ein Weiterbenützungsrecht des Dienstnehmers nach seiner Pensionierung ändert nichts an deren definitionsgemäßen Verknüpfung (7 Ob 538/94 = wobl 1994/23 = Miet 46.202; 5 Ob 68/ 99g = wobl 2000, 225 = Miet 51.216 = immolex 2000/94; Stabentheiner/Rummel § 88 EheG Rz 1). Für die rechtliche Qualifikation als Dienstwohnung macht es auch keinen Un- 3 terschied, ob die Wohnung dem Dienstnehmer unmittelbar vom Dienstgeber oder von einem anderen Rechtsträger im Interesse des Dienstgebers überlassen wird. Hierher zählen vor allem die von gemeinnützigen Wohnungsvereinigungen im Auftrag des Dienstgebers zur Benützung überlassen Dienstwohnungen (JAB 17; 2 Ob 507/86 = NZ 1987, 181 = EF 51.797; 3 Ob 614/86 = SZ 60/4 = EF 54.632; 3 Ob 95/98m = wobl 2001, 41), also etwa die BUWOG-Wohnungen für Bundesbedienstete oder die von den ÖBB mitfinanzierten – der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft gehörenden – Wohnungen. Dabei stellt das Ausscheiden des Dienstnehmers aus dem Dienstverhältnis einen Kündigungsgrund dar (4 Ob 552/83 = EF 43.791 = Miet 35.689; Hopf/Kathrein § 88 EheG Anm 3). Wird die Dienstwohnung allerdings aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Ti- 4 tels benützt – also etwa einem Beamten mit Bescheid überlassen –, so soll auf diese Wohnung nach einem Teil der Lehre und insb der Rsp § 88 EheG keine Anwendung finden (1 Ob 633/87 = EvBl 1988/12 = JBl 1988, 170; 4 Ob 542/ 94 = SZ 67/104 = EF 75.628; Palten, ÖJZ 1979, 381; Ent, NZ 1979, 155; Schwind 331; Hopf/Kathrein § 88 EheG Anm 4). Diese Auffassung findet jedoch in § 88 Abs 1 EheG keine gesetzliche Deckung und ist daher abzulehnen (ebenso Hofmann-Wellenhof, JBl 1984, 474; Bernat/Schwimann § 88 EheG Rz 9; bloß referierend Stabentheiner/Rummel § 88 EheG Rz 7); die hier vertretene Auffassung widerspricht auch nicht der Teleologie des § 88 EheG. Wurde die Ehewohnung vom Dienstgeber beiden Ehegatten überlassen, weil 5 beide Dienstnehmer sind, findet § 88 EheG darauf keine Anwendung, sodass die allgemeine Regel des § 87 Abs 2 EheG entsprechend anzuwenden ist (Hofmann-Wellenhof, JBl 1984, 468).
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§ 88 EheG
Deixler-Hübner
B. Zustimmung des Dienstgebers 1. Allgemeines
6 Unter den in § 88 Abs 1 Z 1 bis 3 EheG aufgezählten Voraussetzungen darf die Dienstwohnung dem anderen Ehegatten nicht gegen den Willen des Dienstgebers übertragen werden; deren Zuweisung bedarf daher seiner bzw der Zustimmung des für die Vergabe zuständigen Rechtsträgers (7 Ob 558/80 = SZ 53/48 = JBl 1980, 536; 3 Ob 524/91 = SZ 64/186 = EvBl 1992/66; HofmannWellenhof, JBl 1984, 466). Diese erforderliche Zustimmung stellt eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Zuweisung der Dienstwohnung im Aufteilungsverfahren dar; das Erfordernis ist amtswegig zu beachten, führt daher bei einer verweigerten Zustimmung zur Abweisung des entsprechenden Antrags (8 Ob 643/84 = EF 49.002; 8 Ob 633/86 = EF 51.803). Erklärt sich der Dienstgeber nicht innerhalb offener bzw angemessener Frist, ist davon auszugehen, dass er seine Zustimmung nicht erteilt (8 Ob 633/86 = EF 51.804; Hopf/Kathrein § 88 EheG Anm 8; Koch/KBB § 88 EheG Rz 3). Wenn keine der zustimmungspflichtigen Fälle der Z 1 bis 3 vorliegen, kann die Dienstwohnung – wie nach § 87 Abs 2 EheG – auch gegen den Willen des Dienstgebers zugewiesen werden (LGZ Wien EF 120.339). 7 Da aus § 88 EheG nicht ableitbar, kann eine verweigerte Zustimmung nicht in analoger Anwendung der §§ 154, 176 Abs 1 und § 181 Abs 3 ABGB ersetzt werden. Eine analoge Anwendung dieser Ersetzungsbefugnis ist schon deshalb abzulehnen, weil hier keinerlei Parallelen zu den Bestimmungen im Kindschaftsrecht erkennbar sind, die eine solche Vorgangsweise rechtfertigen würden (Stabentheiner/Rummel § 88 EheG Rz 5a; Hopf/Kathrein § 88 EheG Anm 8; aA Hofmann-Wellenhof, JBl 1984, 468; Bernat/Schwimann § 88 EheG Rz 1). Der Dienstgeber bzw der für die Vergabe zuständige Rechtsträger genießt jedenfalls im Aufteilungsverfahren Parteistellung (7 Ob 558/80 = SZ 53/48 = EvBl 1980/154 = EF 37.491; vgl auch § 87 EheG Rz 2). 2. Verletzung wesentlicher Interessen des Dienstgebers
8 Dient die Ehewohnung überwiegend der Erfüllung von Dienstpflichten, weil der Dienstnehmer die Wohnung gerade dazu benötigt, um seine Dienstpflichten überhaupt erfüllen zu können – wie etwa ein Hausbesorger, ein Nachtwächter oder ein Portier (1 Ob 527/84 = EF 46.394; LG Linz Miet 31.582), verletzt eine Zuweisung an den anderen Ehegatten schon aufgrund dieses Umstands die Interessen des Dienstgebers und kann dem anderen Ehegatten nicht ohne dessen Zustimmung überlassen werden. Ein solcher Ausnahmefall nach Ziffer 1 liegt aber dann nicht vor, wenn die räumliche Nähe 712
§ 88 EheG
Nacheheliche Aufteilung
der Wohnung zum Dienstplatz vorwiegend den Interessen des Dienstnehmers dient (Stabentheiner/Rummel § 88 Rz 3 mwN) oder die Dienstwohnung nach der Pensionierung weiter bewohnt wird (7 Ob 558/80 = SZ 53/48 = JBl 1980, 536). 3. Unentgeltliches bzw gegen geringfügiges Entgelt Benützen der Wohnung
Wird die Wohnung dem Dienstgeber entweder unentgeltlich oder gegen ein 9 bloß geringfügiges, wesentlich unter dem ortsüblichen Maß liegendes Entgelt (7 Ob 651/86 = EF 51.799) zur Verfügung gestellt (Werkswohnung [vgl Wachter, Rechtsprobleme 11]), kann das Gericht diese dem anderen Ehegatten ebenfalls nicht gegen den Willen des Dienstgebers zuweisen. Nach der gerichtlichen Spruchpraxis ist dieser Umstand dann anzunehmen, wenn nicht einmal die Hälfte des ortüblichen Entgelts geleistet wird (3 Ob 614/86 = SZ 60/4 = EF 54.634; 3 Ob 524/91 = SZ 64/186 = JBl 1992, 458; 4 Ob 1527/95 = EF 78.752; vgl auch Bernat/Schwimann § 88 EheG Rz 3). 4. Benützung der Wohnung als Entgeltsbestandteil
Wird die Wohnung dem Dienstnehmer als Entgeltsbestandteil zur Verfügung 10 gestellt, wobei auch Fälle erfasst sind, in denen die unentgeltliche Wohnungsbenützung durch einen geringeren Lohn ausgeglichen (missverständlich aber Bernat/Schwimann § 88 EheG Rz 4) wird (Naturalwohnung; Hopf/Kathrein § 88 EheG Anm 7; Stabentheiner/Rummel § 88 EheG Rz 5), so ist ebenfalls die Zustimmung des Dienstgebers erforderlich. Die Leistungen für Betriebskosten – wie Strom und Heizkosten – zählen dabei nicht zum Benützungsentgelt (2 Ob 516/86 = EF 51.798).
C. Gesetzliche Beschränkungen 1. Angemessenes Benützungsentgelt – Erlöschen des Wohnrechts mit der Wiederverheiratung
Wird eine Dienstwohnung – unabhängig davon, ob es sich um eine zustim- 11 mungsbedürftige Konstellation (3 Ob 524/91 = SZ 64/186 = EvBl 1992/66 = EF 66.539) handelt oder nicht – dem anderen Ehegatten vom Gericht zugewiesen, ist dieses Benützungsrecht gem Abs 2 in zweierlei Hinsicht beschränkt: Die Wohnung kann nur gegen ein Benützungsentgelt überlassen werden und auch dies nur solange, als sich der geschiedene Ehegatte nicht wieder verheiratet. 713
§ 89 EheG
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12 Wird keine Einigung mit dem Dienstgeber erzielt, hat das Gericht ein angemessenes Benützungsentgelt festzusetzen. Dabei ist der ortsübliche Mietzins heranzuziehen; für Billigkeitserwägungen ist hier kein Raum (2 Ob 528/ 81 = EF 38.900; Hopf/Kathrein § 88 EheG Anm 9). Das Benützungsrecht an der Dienstwohnung erlischt mit der Wiederverheiratung des anderen Ehegatten. Obzwar § 88 Abs 2 Satz 2 EheG als Beendigungsgrund bloß die Wiederverheiratung explizit anspricht, ist diese Bestimmung aufgrund der nahezu gleich laufenden Konstellation analog – wie gem § 75 EheG beim Unterhaltsanspruch (vgl § 75 EheG Rz 1 ff) – auch auf das Eingehen einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft anzuwenden (aA Schwind 331; Hopf/Kathrein § 88 EheG Anm 12), wenn nicht überhaupt Verfassungswidrigkeit aufgrund Art 12 EMRK bzw Art 7 B-VG anzunehmen ist (Hofmann-Wellenhof, JBl 1984, 474; Bernat/Schwimann § 88 EheG Rz 7). 2. Zuweisung der Dienstwohnung nur im Aufteilungsverfahren
13 Die Zuweisung der Dienstwohnung kann gegen den Willen des Dienstgebers nur im Aufteilungsverfahren erfolgen; der streitige Rechtsweg ist daher ausgeschlossen und eine allfällig dort anhängig gemachte Rechtssache an das zuständige Außerstreitgericht zu überweisen (6 Ob 725/83 = EvBl 1984/92 = EF 44.788). Wird dem Ehegatten die Wohnung im Aufteilungsverfahren zugewiesen, kann der Dienstgeber diesen weder nach § 30 Abs 2 Z 10 MRG noch mit der Begründung kündigen, er sei nicht Dienstnehmer (4 Ob 9/84 = RdA 1985, 41 [Hofmann-Wellenhof] = Arb 10.329; Hopf/Kathrein § 88 EheG Anm 11).
D. Ausgleichszahlung 14 Auch wenn eine Zuweisung der Dienstnehmerwohnung an den anderen Ehegatten mangels der Zustimmung des Dienstgebers nicht in Betracht kommt, kann dem Antragsgegner hinsichtlich des mit der Dienstwohnung verbundenen Vermögenswertes eine Ausgleichszahlung gem § 94 EheG auferlegt werden. Dabei hat das Aufteilungsgericht jenen Vorteil zu berücksichtigen, der darin liegt, dass das für die Wohnung geleistete Entgelt unter dem ortsüblichen Mietzins liegt (LGZ Wien EF 108.401; vgl dazu § 94 EheG Rz 7).
§ 89. Bei der Aufteilung ehelicher Ersparnisse kann das Gericht die Übertragung von Vermögenswerten, gleich welcher Art, von einem auf den anderen Ehegatten und die Begründung eines schuldrechtlichen Benützungsrechts an einer Wohnung zugunsten eines Ehegatten anordnen. [BGBl 1978/280]
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§ 89 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Lit: Hackl, Richterliche Anordnungsbefugnisse um das Verfahren bei der Aufteilung von ehelichem Gebrauchsvermögen und ehelichen Ersparnissen, in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979) 159; Palten, Die Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und anderen Wohnungen nach dem neuen Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1979, 375.
A. Übertragung von Rechten an ehelichen Ersparnissen von einem Ehegatten an den anderen Bei ehelichen Ersparnissen iS des § 81 Abs 3 EheG kann das Gericht gem § 89 1 1. HS EheG die Übertragung von – dinglichen oder schuldrechtlichen – Vermögenswerten von einem auf den anderen Ehegatten anordnen. Dabei kann sowohl die Übertragung von Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen als auch die Übertragung von Forderungsrechten verfügt werden (JAB 18). Bei dinglichen Rechten bildet die gerichtliche Anordnung – wie auch gem § 86 EheG – bloß den Titel für die Eigentumsübertragung. Der Modus richtet sich nach allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen (Schwind, 331; Stabentheiner/Rummel § 89 EheG Rz 1; Hopf/Kathrein § 89 EheG Anm 1); dh bei beweglichen Sachen muss sich die Übertragung, bei unbeweglichen Sachen hingegen die Eintragung im Grundbuch anschließen. Da § 89 1. HS EheG nur von der Übertragung von Vermögenswerten von einem auf den anderen Ehegatten spricht, kommt eine Neubegründung von Rechten – etwa von obligatorischen Rechtsverhältnissen wie Miete oder Pacht – an ehelichen Ersparnissen nicht in Betracht.
B. Begründung eines schuldrechtlichen Benützungsverhältnisses an einer Wohnung Gem § 89 2. HS EheG kann das Aufteilungsgericht an einer Wohnung, die 2 bloß zu den ehelichen Ersparnissen zählt, die Begründung eines obligatorischen Benützungsrechts verfügen. Dies gilt vor allem für eine Wohnung, die nur eine Wertanlage bildet, die also zur Verwertung (etwa spätere Veräußerung zur Existenzabsicherung [OLG Wien EF 34.108]) bestimmt oder vermietet ist, nicht aber von den Ehegatten bewohnt wird. In der Praxis wird es meist dazu kommen, dass ein Mietverhältnis neu begründet wird. Dabei kann das Gericht auch Verfügungen im Hinblick auf die Mietdauer, den Mietzins sowie den Umfang des Mietgegenstands treffen (3 Ob 542/92 = RZ 1994/4 = EF 69.353; Bernat/Schwimann § 89 EheG Rz 3). Da von § 89 2. HS EheG nicht gedeckt, kann das Gericht nicht die Begründung anderer dinglicher Rechte – wie etwa ein Fruchtgenussrecht oder eine Wohnungsservitut – anordnen (Schwind, 332; Stabentheiner/Rummel § 89 715
§ 90 EheG
Deixler-Hübner
EheG Rz 2; Hopf/Kathrein § 89 EheG Anm 2; aA Palten, ÖJZ 1979, 385; 1 Ob 645/83 = Miet 35.688 und offenbar auch Koch/KBB § 89 EheG Rz 2).
§ 90. (1) Die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen oder die Begründung von dinglichen Rechten daran darf nur angeordnet werden, wenn eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann. (2) Für gemeinsames Wohnungseigentum der Ehegatten kann das Gericht nur die Übertragung des Anteils eines Ehegatten am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum auf den anderen anordnen. [BGBl 1978/280] Lit: Gantner, Das rechtliche Schicksal der Eigentumswohnung im Scheidungsfall, immolex 2001, 236; Gimpel-Hinteregger, Billigkeitserwägungen bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, JBl 1986, 553; Rummel, Schenkungen unter Ehegatten und Scheidung, JBl 1976, 626; Stefula, Der gemeinsame Hausbau bei der Auflösung von Ehe- und Lebensgemeinschaft, JAP 2001/2002, 138, 203; Ziehensack, Materiell- und verfahrensrechtliche Aspekte des allgemeinen und ehescheidungsrechtlichen Teilungsanspruchs, wobl 1996, 230.
A. Bewahrungsgrundsatz 1 Da gem § 90 Abs 1 EheG die Übertragung von Eigentum an unbeweglichen Sachen oder die Begründung von dinglichen Rechten daran nur dann angeordnet werden soll, wenn eine andere billige Regelung nicht erzielt werden kann, ist im Aufteilungsverfahren darauf zu achten, dass jedem Ehegatten sein Eigentum an Grund und Boden nach Möglichkeit erhalten bleibt (Schwind 322). Die Eigentumsverhältnisse sind dann aber weniger entscheidend, wenn eine Sache während der Ehe aufgrund von Beitragsleistungen beider Ehegatten angeschafft wurde (3 Ob 551/82 = EF 41.411; Hopf/Kathrein § 90 EheG Anm 2). Auch Anwartschaftsrechte sind idZ der Eigentumsübertragung gleichzuhalten (5 Ob 516/81 = SZ 54/79 = EvBl 1981/217; 8 Ob 519/88 = EF 57.401; Stabentheiner/Rummel § 90 EheG Rz 1). Die Rsp spricht meist davon, dass die Eigentumsübertragung nur als ultima ratio in Frage kommt (3 Ob 542/92 = RZ 1994/4 = EF 69.353; LGZ Wien EF 90.481; LG Salzburg EF 111.394; ebenso Bernat/Schwimann § 90 EheG Rz 1; krit Stabentheiner/Rummel § 90 EheG Rz 1 und Koch/KBB § 90 EheG Rz 1). Eine Umverteilung von dinglichen Rechten oder die Neubegründung dinglicher Rechte an einer Liegenschaft soll also nur dann in Betracht gezogen werden, wenn eine andere billige Lösung nicht gefunden werden kann (5 Ob 736/80 = JBl 1982, 321). Freilich können Billigkeitserwägungen auch ein Abgehen vom Grundsatz des § 90 Abs 1 EheG rechtfertigen (LG Salzburg 716
§ 90 EheG
Nacheheliche Aufteilung
EF 97.373); vor allem hinsichtlich der Ehewohnung hat der Bewahrungsgrundsatz dann zurückzutreten, wenn diese der Befriedigung existenzieller Wohnbedürfnisse eines Ehegatten dient (5 Ob 52/87 = SZ 61/68 = EF 57.402; 3 Ob 2224/96x = EF 84.698). Im Hinblick darauf ist mit den Parteien vor allem zu erörtern, ob ohne Änderung der Eigentumsverhältnisse an einer Liegenschaft die Begründung eines Mietverhältnisses zwischen den Parteien – allenfalls auf einen abgesonderten Teil des Hauses – bzw ein Fruchtgenuss oder dingliches Wohnrecht auf einen abgesonderten Teil des Hauses besser geeignet wäre, um einen billigen Interessensausgleich zu schaffen (LG Salzburg EF 111.395; vgl auch 1 Ob 645/83 = EF 43.794). Von mehreren Möglichkeiten der konkreten Aufteilung ist nach § 90 iVm § 85 2 EheG diejenige zu wählen, die am wenigsten in die bestehenden Eigentumsverhältnisse eingreift (Gimpel/Hinteregger, JBl 1986, 568; JAB 18). Der Bewahrungsgrundsatz steht mitunter mit dem Trennungsgrundsatz gem § 84 EheG, wonach die Aufteilung so vorzunehmen ist, dass sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten möglichst wenig berühren, in einem Spannungsverhältnis. Nach der Rsp hat der Bewahrungsgrundsatz in diesem Fall regelmäßig hinter dem Trennungsgrundsatz zurückzutreten (5 Ob 669/ 81 = SZ 55/45; 8 Ob 590/92 = EF 72.419; 7 Ob 530/93 = SZ 67/38; LG Salzburg EF 97.372; 8 Ob 56/07d = EF 117.565 ua; vgl auch § 83 EheG Rz 21). Das bedeutet, dass im Hinblick auf den Trennungsgrundsatz etwa eine Eigentumsgemeinschaft tunlichst aufgehoben werden soll. Eine Übertragung des Eigentumsrechts soll aber freilich nur dann in Betracht gezogen werden, wenn dafür eine (angemessene) Ausgleichszahlung iS des § 94 EheG geleistet werden kann (6 Ob 658/84 = EF 49.004).
B. Verfügungen bei Wohnungseigentum § 90 Abs 2 EheG ist im Licht des neuen WEG 2002 idF WRN 2006 eng auszu- 3 legen, weil danach auch eine Eigentumspartnerschaft zwischen zwei Personen möglich ist, die nicht miteinander verheiratet sind. Bis zum Inkrafttreten des WEG 2002 konnten nur Ehegatten gemeinsam Eigentümer eines Mindestanteils sein; der Ausnahmetatbestand war daher nach der Scheidung stets nicht mehr gegeben. Das Gericht konnte daher nur die Übertragung des Anteils eines Ehegatten am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum auf den anderen Ehegatten anordnen. Nach den §§ 13 ff WEG 2002 idF WRN 2006 können nun aber auch geschiedene Ehegatten Eigentumspartner sein, sodass die Eigentumspartnerschaft auch aufrecht bleiben kann, wenn dies mit § 84 EheG vereinbar ist. Dabei darf aber grundsätzlich auch nicht unbeachtet bleiben, dass das Gericht auch die Begründung obligatorischer Rechte am Wohnungseigentum 717
§ 91 EheG
Deixler-Hübner
gem § 87 Abs 1 EheG anordnen kann, weil diese Vorgangsweise von § 90 Abs 2 EheG unberührt bleibt (Gantner, immolex 2001, 238; Stabentheiner/Rummel § 90 EheG Rz 2). 4 Bei gemeinsamen Wohnungseigentum kommt gem Abs 2 keine Übertragung des ganzen Mindestanteils an einen Dritten bzw eine öffentliche Feilbildung in Betracht (Gantner, immolex 2001, 239; 5 Ob 574/85 = EF 51.807; Hopf/ Kathrein § 90 EheG Anm 4). Weil der Mindestanteil am Wohnungseigentumsobjekt aber nicht ideell geteilt werden kann, kann das Gericht nur die Übertragung des Hälfteanteils des einen auf den anderen geschiedenen Ehegatten anordnen. Das hat zur Folge, dass dann, wenn kein Einvernehmen zwischen den geschiedenen Ehegatten erzielt werden kann, in der Praxis ein Ehegatte stets auf seine Hälfte am Mindestteil verzichten muss. Kann von einem Teil jedoch keine entsprechende Ausgleichszahlung aufgebracht werden und behält dieser Teil – meist ist das in der Praxis die Frau – die Obsorge über die Kinder, so könnte insofern ein billiger Ausgleich erzielt werden, als dem finanzkräftigeren Ehegatten das Alleineigentum am Mindestanteil zuzuweisen ist und dem anderen bloß obligatorische oder dingliche Benützungsrechte an der Wohnung eingeräumt werden (Gantner, immolex 2001, 239; vgl auch 5 Ob 52/87 = EF 57.402). 5 Die Teilungsklage ist jedenfalls gegenüber dem Aufteilungsanspruch subsidiär und kann vor Ablauf der Präklusivfrist des § 95 EheG nicht erhoben werden. Wird binnen offener Frist auf Zivilteilung geklagt, so hat das Prozessgericht die Unzulässigkeit des Rechtswegs auszusprechen und die Sache an das zuständige Außerstreitgericht zu überweisen (vgl auch Ziehensack, wobl 1996, 233 und § 85 EheG Rz 12).
Ausgleich von Benachteiligungen § 91. (1) Hat ein Ehegatte ohne ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des anderen frühestens zwei Jahre vor Einbringung der Klage auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe oder, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft vor Einbringung der Klage aufgehoben worden ist, frühestens zwei Jahre vor dieser Aufhebung eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse in einer Weise verringert, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten während der ehelichen Lebensgemeinschaft widerspricht, so ist der Wert des Fehlenden in die Aufteilung einzubringen. (2) Wurde eheliches Gebrauchsvermögen oder wurden eheliche Ersparnisse in ein Unternehmen, an dem einem oder beiden Ehegatten ein Anteil zusteht, eingebracht oder für ein solches Unternehmen sonst verwendet, so ist der Wert des Eingebrachten oder Verwendeten in die Aufteilung ein718
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Nacheheliche Aufteilung
zubeziehen. Bei der Aufteilung ist jedoch zu berücksichtigen, inwieweit jedem Ehegatten durch die Einbringung oder Verwendung Vorteile entstanden sind und inwieweit die eingebrachten oder verwendeten ehelichen Ersparnisse aus den Gewinnen des Unternehmens stammten. Der Bestand des Unternehmens darf durch die Aufteilung nicht gefährdet werden. [BGBl I 1999/125, ab 1.1.2000, s Anm zu § 82 Abs 2]
(3) Gehört eine körperliche Sache, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider Ehegatten gedient hat, zu einem Unternehmen, an dem einem oder beiden Ehegatten ein Anteil zusteht, und bleibt nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe nur einem Ehegatten der Gebrauch dieser Sache erhalten, so hat das Gericht dies bei der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse zugunsten des anderen Ehegatten angemessen zu berücksichtigen. [BGBl 1978/280]) Lit: Csoklich, Privatstiftung und Scheidung, RdW 2000, 402; Hopf/Stabentheiner; Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 861; Hopf, Eherechtsänderungsgesetz 1999 im Überblick, in Ferrari/Hopf (Hrsg), Eherechtsreform in Österreich (2001); Linder, Gedanken zum Ausgleich von Benachteiligungen gemäß § 91 EheG, iFamZ 2007, 249. Inhaltsübersicht A. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einseitige Vermögensverringerungen eines Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeiträume der einseitigen Vermögensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fiktion der Einbeziehung des fehlenden Vermögenswerts . . . . . . . . . . . . D. Berücksichtigung von in ein Unternehmen eingebrachtem Ehevermögen 1. Neuregelung durch EheRÄG 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berücksichtigung von nicht vermögenswerten Beiträgen . . . . . . . . . E. Dem Unternehmen gewidmetes eheliches Gebrauchsvermögen . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
1 2–9 2–3 4–6 7–9 10–11 12–20 12 13–16 17–18 19–20 21
A. Ziele Ziel des § 91 EheG ist es, manipulative Verschiebungen von ehelichem Ge- 1 brauchsvermögen oder ehelichen Ersparnissen eines Ehegatten zum Nachteil des anderen Ehegatten dadurch hintanzuhalten, dass diese Umschichtungen im Aufteilungsverfahren durch wertmäßige Einbeziehung berücksichtigt werden, um einen billigen Vermögensausgleich zwischen den Ehegatten herbeizu719
§ 91 EheG
Deixler-Hübner
führen (JAB 18 f; 1 Ob 551/85 = EF 49.007/2; LGZ Wien EF 101.027). Gem § 91 Abs 1 EheG sollen einseitige Vermögensverringerungen eines Ehegatten und gem § 91 Abs 2 EheG benachteiligenden Verschiebungen von Ehevermögen in ein Unternehmen entgegen gewirkt werden. Die Zielsetzung des § 91 Abs 2 EheG wurde erst mit dem EheRÄG 1999 neu formiert und soll vor allem Vermögensverschiebungen zwischen privater Lebensgestaltung und unternehmerischen Dispositionen ausgleichen. Gem § 91 Abs 3 EheG soll bei der Aufteilung weiters der Umstand angemessen berücksichtigt werden, dass eine eigentlich dem ehelichen Gebrauchsvermögen unterfallende Sache dem Unternehmen gewidmet ist und sich deshalb im Ausnahmekatalog des § 83 Abs 1 Z 3 EheG befindet.
B. Einseitige Vermögensverringerungen eines Ehegatten 1. Allgemeines
2 § 91 Abs 1 EheG will einseitigen Vermögensverschiebungen von ehelichem Gebrauchsvermögen und ehelicher Ersparnisse entgegenwirken. Verringert ein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen gemeinsames Vermögen in einer Weise, die der Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft widerspricht, ist der Wert des Fehlenden in die Aufteilung einzubeziehen (7 Ob 676/86; LG Wels EF 111.396; LGZ Wien 120.341). § 91 Abs 1 EheG kommt demnach dann zur Anwendung, wenn ein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen eine den gemeinsamen Lebensverhältnissen widersprechende Gestaltung der Vermögenslage getroffen hat, der der andere Ehegatte nicht zugestimmt hat. Auch eine konkludente Zustimmung schließt die Anwendung des § 91 Abs 1 EheG aus, doch reicht hier eine rein resignative Haltung nicht aus (Schwind 336). Ob eine solche schlüssige Zustimmung vorliegt, ist nach § 863 ABGB in Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. 3 Steht die einseitige Vermögensverringerung aber mit den bisherigen Lebensverhältnissen der Ehegatten im Einklang, so kommt es auf eine Zustimmung des anderen Ehegatten nicht an (JAB 18; Hopf/Kathrein § 91 EheG Anm 4). Auf ein Verschulden wird nicht abgestellt (Schwind 335) ebenso wenig auf eine Verschleuderungs- oder Benachteiligungsabsicht (5 Ob 549/85 = EF 51.808; 8 Ob 615/88 = EF 60.412; LGZ Wien EF 101.028).
2. Beispiele
4 Eine Vermögensverringerung kann etwa durch eine besonders aufwändige Lebensführung eines Ehegatten, die den gemeinsamen Lebensverhältnissen widerspricht (Schwind, 335; 3 Ob 588/82 = EF 41.412; LG Salzburg EF 720
§ 91 EheG
Nacheheliche Aufteilung
108.402), oder durch Verbringen bzw Veräußern von Ehevermögen (6 Ob 535/80 = JBl 1981, 429; 3 Ob 588/82 = EF 41.412) erfolgen. Unter § 91 Abs 1 EheG können aber auch Verpfändungen von Ehevermögen fallen (4 Ob 552/ 91 = EF 66.541; 6 Ob 181/01p = EF 97.374) oder Aktienfehlinvestitionen, die ein Ehegatte gegen den Willen des anderen Ehegatten trifft (3 Ob 11/99t = EF 90.482; 8 Ob 188/01g = EF 97.377). § 91 Abs 1 EheG erfasst auch den Fall, dass ein Ehegatte eheliche Ersparnisse 5 dem eigenen Bedarf widmet, ohne dass der andere Ehegatte einer solchen Widmung zugestimmt hätte (7 Ob 676/86; 4 Ob 11/99t = EF 90.482; LG Wels EF 111.396) – etwa die Finanzierung einer gemeinsamen Urlaubsreise des Ehemanns mit seiner neuen Freundin (7 Ob 129/05d = EF 111.397). Eine Vermögensverringerung kann aber auch im Hinblick auf eine einseitige Abnützung von Hausratsgegenständen angenommen werden – etwa wenn ein Ehegatte die Ehewohnung gegen den Willen des anderen Ehegatten mit der neuen Lebensgefährtin benutzt (3 Ob 588/82 = EF 41.413). Eine einseitige Vermögensverringerung iS des § 91 Abs 1 EheG findet schließlich dann statt, wenn Ehevermögen gegen den Willen des anderen in eine Privatstiftung eingebracht (vgl auch Csoklich, RdW 2000, 403; vgl auch Rz 9) oder verschenkt wird (LGZ Wien EF 120.342). Der Tatbestand des § 91 Abs 1 EheG ist vor allem dann erfüllt, wenn die im 6 Hälfteeigentum der geschiedenen Ehegatten gestandene Liegenschaft nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft verkauft und der Verkaufserlös einseitig verwendet wird (10 Ob 3/01 f = EF 97.376). Wird ein gemeinsamer Vermögensgegenstand einseitig einem gemeinsamen Kind geschenkt, sind ebenfalls die Voraussetzungen des § 91 Abs 1 EheG erfüllt, nicht aber dann, wenn die Schenkung dem gemeinsamen Willen der Ehegatten entsprochen hat (8 Ob 657/84 = EF 49.008; 3 Ob 505/91 = 66.540; 8 Ob 519/93 = 72.428; LGZ Wien EF 120.343; Stabentheiner/Rummel § 91 EheG Rz 2).
3. Zeiträume der einseitigen Vermögensgestaltung
§ 91 Abs 1 EheG setzt voraus, dass die einseitige Vermögensverringerung inner- 7 halb der letzten zwei Jahre vor Einbringung der Eheauflösungsklage oder vor Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorgenommen wurde (8 Ob 568/97 = EF 54.637). Als beendet gilt die eheliche Lebensgemeinschaft nicht nur dann, wenn die Ehegatten ihre häusliche Gemeinschaft aufheben, sondern auch dann, wenn die geistig seelische, körperliche und wirtschaftliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist (8 Ob 568/97 = EF 54.637; Bernat/ Schwimann § 91 EheG Rz 2). § 91 Abs 1 EheG ist ungeachtet des engen Gesetzeswortlauts auch auf Vermö- 8 gensverringerungen nach der Scheidung oder Aufhebung der ehelichen Le721
§ 91 EheG
Deixler-Hübner
bensgemeinschaft anzuwenden (7 Ob 662/82 = SZ 55/192 = JBl 1983, 648, [Huber]; 8 Ob 590/92 = EF 72.427; LGZ Wien EF 101.029; LG Wels EF 111.398; LGZ Wien EF 120.344). Diese Auffassung ist schon deshalb zutreffend, weil das Gesetz nur den frühesten Termin bestimmt, ab dem Vermögensverschiebungen erfahrungsgemäß bedenklich erscheinen, zumal sich in diesen Zeiträumen die Ehekrisen bereits abzeichnen (LG Wels EF 111.398). Hierher zählt etwa der Fall, dass ein geschiedener Ehegatte gemeinsame Ersparnisse zur Befriedigung von Scheidungsfolgenansprüchen verwendet (1 Ob 551/85 = EF XXII/2; Hopf/Kathrein § 91 EheG Anm 5). 9 Bei Einbringen von Ehevermögen in eine Privatstiftung ohne Zustimmung des anderen Ehegatten berechnet sich die Zwei-Jahres-Frist mit Csoklich (RdW 2000, 402) nur dann mit dem Zeitpunkt der Stiftungserrichtung, wenn der Stifter auf das Recht der Änderung der Stiftungserklärung oder auf Widerruf der Privatstiftung verzichtet hat; dies auch dann, wenn in der Stiftungsurkunde der andere Ehegatte (noch) begünstigt ist (idS wohl auch 6 Ob 180/01s). Sonst beginnt die Zwei-Jahres-Frist erst zu jenem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Stifter auf diese Rechte verzichtet oder eine nachteilige Änderung vorgenommen hat.
C. Fiktion der Einbeziehung des fehlenden Vermögenswerts 10 Die Rechtsfolge einer einseitigen Verringerung iS des § 91 Abs 1 EheG ist die Einbeziehung des fehlenden Vermögenswerts insofern, als das Gesetz fingiert, dieser verringerte Wert wäre dem Ehegatten bei der Aufteilung bereits zugekommen (1 Ob 520/88 = EF 57.403; LG Wels EF 111.399 ua). Unter dem Wert des Fehlenden ist der gemeine Wert zu verstehen, den der fehlende Vermögensgegenstand zum Zeitpunkt der Aufteilung gehabt hätte (4 Ob 1618/94 = EF 75.630; 7 Ob 74/09x = iFamZ 2009/246), wobei auch fiktive Wertsteigerungen zu berücksichtigen sind (7 Ob 662/82 = JBl 1983, 648; 1 Ob 551/85 = EF XXII/2; 5 Ob 549/85 = EF 51.810; 6 Ob 677/87 = EF 54.638; Bernat/Schwimann § 91 EheG Rz 6). Grundsätzlich sind nicht die seinerzeitigen Kosten ausschlaggebend (7 Ob 74/09x = iFamZ 2009/246). Resultiert dieser fehlende Vermögenswert aus Fehlspekulationen, so ist nicht der Wert des Höchststands des Aktiendepots in die Aufteilungsmasse einzubeziehen, sondern nur jener Vermögenswert, der für die Vermögenstransaktion verwendet worden ist (8 Ob 188/01g = EF 97.377). Auch dann, wenn gar kein aufzuteilendes Ehevermögen mehr vorhanden ist, weil der andere Ehegatte alles einseitig für seine Zwecke verwendet hat, wird fingiert, diese Vermögenswerte wären zum Zeitpunkt der Aufteilung 722
§ 91 EheG
Nacheheliche Aufteilung
noch vorhanden, sodass dem anderen Ehegatten – zumindest die Hälfte – dieser Werte zuzuteilen ist. Werden allerdings gemeinsame Mittel für die Erhaltung des auch noch nach 11 der Trennung im gemeinsamen Eigentum stehenden Hauses entsprechend den bisherigen Gepflogenheiten verwendet, so sind diese Mittel nicht gem § 91 Abs 1 EheG fiktiv einzubeziehen (9 Ob 206/01m = EF 97.375).
D. Berücksichtigung von in ein Unternehmen eingebrachtem Ehevermögen 1. Neuregelung durch EheRÄG 1999
Bis zur Einführung des § 91 Abs 2 EheG durch das EheRÄG 1999 war es um- 12 stritten, ob auch Umschichtungen von gemeinsamem ehelichen Vermögen in ein Unternehmen den Tatbestand des § 91 Abs 1 EheG unterliegen (vgl etwa LG Linz EF 93.993). Vor allem die bereits seit der Neuregelung der Aufteilung des Ehevermögens gem §§ 81 EheG bestehende Kritik der Lehre an der Exzeption des Unternehmens – im Hinblick auf solche manipulativen Umschichtungen – hat der Gesetzgeber zum Anlass genommen, diese umstrittene Vorgangsweise auf eine explizite gesetzliche Grundlage zu stellen.
2. Voraussetzungen
Abs 2 erfasst sämtliche Umschichtungen aus ehelichem Gebrauchsvermögen 13 oder ehelichen Ersparnissen in ein Unternehmen, an dem ein oder beide Ehegatten zumindest eine anteilige Einflussnahme haben und das sonst gem § 82 Abs 1 Z 3 EheG nicht in die Aufteilungsmasse fallen würde (vgl Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 871). Der Wert dieses dem Unternehmen zugeführten Ehevermögens ist in die Aufteilung ohne zeitliche Beschränkung einzubeziehen. Das Einbringen von ehelichem Gebrauchsvermögen oder ehelichen Ersparnissen in ein Unternehmen ist insofern bei der Aufteilungsentscheidung zu berücksichtigen, als dem anderen Ehegatten dieser in sein Unternehmen geflossene Mehrwert vom vorhandenen Vermögen zuzuteilen ist. Wurde die eheliche Errungenschaft weitgehend in Werten angelegt, die zu 14 einem Unternehmen gehören und daher der ehelichen Aufteilung entzogen sind, so konnte es auch nach der älteren Rsp der Billigkeit entsprechen, dem anderen Ehegatten einen größeren Anteil an den der Aufteilung unterliegenden Ersparnissen zuzuerkennen (SZ 55/163; 5 Ob 593/95 = EF 48.966 ua). In welcher Höhe sich dieser Ausgleich nun gem § 91 Abs 2 EheG zu bewegen hat, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden (2 Ob 98/07m; 723
§ 91 EheG
Deixler-Hübner
LGZ Wien 45 R 333/05m; LG Salzburg 21 R 624/05v). Dabei ist es zwar nicht notwendig, die Unternehmensgebarung im Detail zu prüfen, doch kann es relevant sein, dass der an einem Unternehmen beteiligte Ehegatte die ihm zustehenden Gewinne bzw Entlohnungen nicht für private gemeinsame Ersparnisse verwendet, sondern wieder seinem Unternehmen zuführt (LGZ Wien 45 R 333/05m). 15 Der Unternehmensbegriff ist weit auszulegen, sodass auch das der Privatstiftung gewidmete Ehevermögen in analoger Anwendung des § 91 Abs 2 EheG in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen ist, wenn diese unternehmerisch tätig ist bzw zumindest mittelbar als Unternehmensträger fungiert (vgl Csoklich, RdW 2000, 402). Im Gegensatz zu § 91 Abs 1 EheG schließt daher hier weder die Zustimmung des anderen Ehegatten noch der Ablauf einer Zwei-JahresFrist die Anwendung des § 91 Abs 2 EheG aus (2 Ob 166/04g = EF 108.403). 16 Trotz des engen Gesetzeswortlauts, der davon spricht, dass „einem oder beiden Ehegatten am Unternehmen ein Anteil zusteht“, sind von dieser Bestimmung sämtliche Unternehmensformen, also sowohl Gesellschafts- als auch Einzelunternehmen, erfasst (Stabentheiner/Rummel § 91 EheG Rz 5). Die unternehmerische Beteiligung eines Ehegatten fällt dann unter § 91 Abs 2 EheG, wenn es sich nicht bloß um eine Wertanlage handelt, sondern damit unternehmerischer Einfluss verbunden ist (vgl § 82 EheG Rz 23). 3. Beschränkungen
17 Bei dieser Einbeziehung sind jedoch im Gegensatz zu Abs 1 drei Umstände zu berücksichtigen, nämlich: Inwieweit jedem Ehegatten durch die Vermögenseinbringung auch Vorteile entstanden sind, inwieweit das eingebrachte Ehevermögen aus Gewinnen des Unternehmens stammt und schließlich ob die Existenz des Unternehmens gefährdet wird (7 Ob 246/07p = EF 120.345). Haben daher die Investitionen aus ehelichen Vermögen die Gewinnsituation des Unternehmens verbessert und diese Tatsache zur Hebung des Lebensstandards der Ehegatten und somit auch zu einer höheren Unterhaltsleistung an den Nicht-Unternehmerehegatten geführt, so sind diese Vorteile bei der Aufteilungsentscheidung angemessen zu berücksichtigen (2 Ob 98/07m). 18 Auch die Tatsache, dass Unternehmensgewinne zunächst für private Zwecke umgewidmet, aber dann später in das Unternehmen reinvestiert werden, hat insofern Einfluss auf die Entscheidung, als diese Mittel unter dem Beitragsgedanken anders zu beurteilen sind (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 871; 2 Ob 98/07m). In einem beweglichen System betrachtet, können diese Umstände etwa zu einer Minderung oder gar zu einer Nichteinbeziehung führen (RV 28 f; Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 871). Die Ausmittlung des Betrags stellt eine Frage des Einzelfalls dar (2 Ob 98/07m). 724
§ 91 EheG
Nacheheliche Aufteilung
4. Berücksichtigung von nicht vermögenswerten Beiträgen
Sind in das Unternehmen keine unmittelbaren Vermögenswerte geflossen, son- 19 dern haben sich die Beiträge eines Ehegatten nur in nicht geldwerten Leistungen erschöpft, so könnten diese nach dem strengen Gesetzeswortlaut dieser Bestimmung, die bloß von ehelichen Ersparnissen oder ehelichem Gebrauchsvermögen spricht, nicht ausgeglichen werden. Zu denken ist vor allem an den in der Praxis häufig vorkommenden Fall, wonach maßgebliche Unterstützungsleistungen eines Ehegatten in der Aufbauphase des Unternehmens erbracht werden und dafür einerseits Einschränkungen in der privaten Lebensführung in Kauf genommen werden und andererseits auch kein nennenswertes Ehevermögen geschaffen werden kann. Haben die Ehegatten etwa schon von Beginn ihrer Ehe an – ohne dass eheliche Vermögenswerte vorhanden waren – das Unternehmen gemeinsam aus dem „Nichts“ aufgebaut und konnte auch nie Ehevermögen geschaffen werden, weil jeder verdiente Euro im Unternehmen verblieben ist, so wäre der Tatbestand des § 91 Abs 2 EheG nicht explizit erfüllt. In diesen Fällen gibt es während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft keine Aufteilungsmasse, die in das Unternehmen verschoben worden ist. Dies würde sogar bei guter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens gelten, weil aufgrund fehlender Aufteilungsmasse und mangels expliziter Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands des § 91 Abs 2 EheG kein Aufteilungsverfahren eingeleitet werden kann. Der andere Ehegatte leistet aber ebenso wesentliche, jedoch nicht geldwerte Beiträge zum Vermögensaufbau und nimmt Einschränkungen auf sich, um dem anderen das Betreiben des Unternehmens zu ermöglichen. Es geht nun nicht an, dass dieser Ehegatte sowohl während aufrechter Ehe, als auch im Scheidungsfall letztlich leer ausgeht. Die Norm ist daher auch in solchen Fällen in Hinblick auf den Aspekt der Billigkeit sowie der Teleologie des § 91 Abs 2 EheG analog anzuwenden. Einerseits sind nämlich auch mittelbare Beiträge – wie Entlastung von der Haushaltsführung und Kindererziehung, Konsumverzicht, Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten sowie über die eheliche Beistandspflicht hinausgehende Leistungen an den anderen Ehegatten – etwa persönliche Haftungsübernahmen – usw bei der Aufteilungsentscheidung zu berücksichtigen (§ 83 EheG). Andererseits will diese Norm ihrem Zweck nach Benachteiligungen eines Ehegatten und Manipulationen des Unternehmerehegatten verhindern und durch Berücksichtigung der Beitragsleistungen des Nicht-Unternehmerehegatten zum Unternehmensaufbau einen billigen Ausgleich schaffen (vgl dazu auch Linder, iFamZ 2007, 249). Die Höhe eines solchen Ausgleichsanspruchs ist anhand der konkreten Lage 20 des Einzelfalls festzusetzen. Dabei ist derjenige Wert heranzuziehen, der aufgrund der unternehmerischen Tätigkeit an privatem Gebrauchsvermögen und Ersparnissen nicht angesammelt werden konnte. Es ist daher zu fragen, welches fiktive Gebrauchsvermögen bzw Ersparnisse dann vorhanden wären, 725
§ 92 EheG
Deixler-Hübner
wenn die Erträgnisse nicht sofort wieder in das Unternehmen investiert worden wären. Diese Lösung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn durch die Ausgleichszahlung das Unternehmen an sich nicht gefährdet wäre.
E. Dem Unternehmen gewidmetes eheliches Gebrauchsvermögen 21 Mit § 91 Abs 3 EheG sollen jene Nachteile eines Ehegatten ausgeglichen werden, die dadurch entstehen, dass eine dem Unternehmen gewidmete Sache von beiden Teilen wie eheliches Gebrauchsvermögen benutzt wird, aber im Zug der Aufteilung eigentlich ausgeklammert wäre und in Hinkunft nur mehr einem Ehegatten zur Verfügung steht. In diesem Fall ordnet Abs 3 an, dass der Gebrauchsverlust des Nicht-Unternehmerehegatten bei der Aufteilungsentscheidung angemessen zu berücksichtigen ist (7 Ob 533/92 = EvBl 1992/ 157). Hierher zu zählen ist vor allem das in JAB (19) angeführte plakative Beispiel des privat genutzten Firmen-Pkws. Der angemessene Ausgleich dieses Gebrauchsverlusts wird in der Praxis meist durch eine Ausgleichszahlung gem § 94 EheG erfolgen (Schwind 336; Bernat/Schwimann § 91 EheG Rz 8).
Schulden § 92. Bezüglich der im § 81 Abs. 1 und im § 83 Abs. 1 genannten Schulden kann das Gericht bestimmen, welcher Ehegatte im Innenverhältnis zu ihrer Zahlung verpflichtet ist. [BGBl 1978/280] Lit: Gamerith, Die Kreditmithaftung geschiedener Ehegatten nach § 98 EheG, RdW 1987, 183.
1 § 92 EheG regelt die Frage der richterlichen Zuweisung von Schulden im Innenverhältnis. Danach kann das Gericht Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen (§ 81 Abs 1 Satz 2 EheG) oder Schulden, die „mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen“ (§ 83 Abs 1 EheG; vgl zu den Begriffen § 83 Rz 17 ff) bestimmen, welcher der Ehegatten diese im Innenverhältnis zu übernehmen hat. Im Außenverhältnis bleibt die Frage der Schuldentragung unberührt. Es haftet daher derjenige Ehegatte weiter, der die Verpflichtung übernommen hat (vgl zu den Verfügungen im Außenverhältnis § 98 EheG). Ungeachtet der Rückzahlungsverpflichtung im Außenverhältnis, hat aber der im Innenverhältnis zur Schuldentragung verpflichtete Ehegatte den 726
§ 93 EheG
Nacheheliche Aufteilung
anderen schad- und klaglos zu halten (JAB 19; Schwind 337; Stabentheiner/ Rummel § 92 EheG Rz 1). Die Zahlungslast der Schulden ist regelmäßig demjenigen Ehegatten aufzuerle- 2 gen, der die mit der Schuld im Zusammenhang stehenden Vermögensgegenstände erhält (7 Ob 634/86 = EF 51.815; 4 Ob 11/03a = EF 104.992). Hat das Gericht etwa die Ehewohnung einem Ehegatten zugewiesen, so hat dieser im Innenverhältnis auch die für die Sanierung der Ehewohnung aufgenommenen Kredite zu tilgen (7 Ob 634/86 = 51.815; 4 Ob 11/03a = EF 104.993). Bei Gebrauchsgegenständen entspricht es der Billigkeit, den andauernden Gebrauchswert und nicht den Verkehrswert der Sache als Richtwert für die Schuldenaufteilung heranzuziehen (1 Ob 159/04w). Dabei ist va zu prüfen, aus welcher Sphäre – etwa kostspieliger Lebensstil eines Ehegatten – die Schulden stammen (10 Ob 15/04k; 1 Ob 88/05 f; 1 Ob 246/05s). Das Aufteilungsverfahren kann auch nur zu dem Zweck beantragt werden, 3 um eine gerichtliche Regelung der Schuldenstilgung herbeizuführen; dies auch dann, wenn das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse bereits einvernehmlich aufgeteilt wurden (5 Ob 534/80 = EF 36.471; 3 Ob 597/86 = EF 51.813) oder wenn überhaupt nur Schulden vorhanden sind (1 Ob 605/88 = SZ 61/206 = EF 57.313; 5 Ob 601/89 = EF 60.341; LGZ Wien EF 120.346; Gamerith, RdW 1987, 185). Unternehmensschulden sind keiner gerichtlichen Zuweisung gem § 92 EheG 4 zugänglich, weil dies dem eindeutigen Gesetzeswortlaut widerspricht (1 Ob 525/84 = EF 46.398; 8 Ob 512/85 = EF 48.913; Stabentheiner/Rummel § 92 EheG Rz 4). Auch Schulden, die ein Ehegatte nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sind von der gesetzlichen Möglichkeit des § 92 EheG ausgenommen (7 Ob 634/86 = EF 51.815; Bernat/Schwimann § 92 EheG Rz 4).
Durchführung der Aufteilung § 93. In seiner Entscheidung hat das Gericht auch die zu ihrer Durchführung nötigen Anordnungen zu treffen und die näheren Umstände, besonders in zeitlicher Hinsicht, für deren Erfüllung zu bestimmen. Sind mit der Durchführung der Entscheidung Aufwendungen verbunden, so hat das Gericht nach billigem Ermessen zu entscheiden, welcher Ehegatte sie zu tragen hat. [BGBl 1978/280]
§ 93 EheG regelt die konkreten Durchführungsanordnungen, dh wie, wo 1 und wann die in der Aufteilungsentscheidung festgelegten Maßnahmen vorzu727
§ 93 EheG
Deixler-Hübner
nehmen sind. Den Anordnungsmaßnahmen iS der §§ 86 ff EheG haben daher die konkreten Durchführungsmaßnahmen iS des § 93 EheG zu folgen (5 Ob 124/01y = SZ 74/99 = EF 104.988). Gem § 93 Satz 1 EheG kann das Gericht daher festlegen, wie und wo eine Sache zu übergeben bzw die Aufsandungserklärung abzugeben ist (5 Ob 124/01y = NZ 2002/533). Die Durchführungsmaßnahmen sind vor allem im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung von Aufteilungsentscheidungen zu verfügen, wobei gem § 80 AußStrG die Aufteilungsentscheidungen nach der Exekutionsordnung zu vollstrecken sind; dies gilt auch für gerichtliche Vergleiche iS des § 1 Z 5 EO (6 Ob 2229/96d = EF 81.733; Hopf/Kathrein § 93 EheG Anm 1). Haben sich die Ehegatten nur über die Vermögensaufteilung an sich, nicht aber über die konkreten Durchführungsmodalitäten geeinigt, so kann zu diesem Zweck ein Aufteilungsantrag gestellt werden (6 Ob 791/80 = SZ 53/178 = EF 37.485). 2 Auch für diese tatsächlichen Umsetzungsmaßnahmen gilt der Billigkeitsgrundsatz (6 Ob 791/80 = SZ 53/178 = EF 37.485; 6 Ob 2151/96h = EF 81.735). IdZ hat das Gericht etwa festzulegen, wann die einem Ehegatten zugewiesene Ehewohnung zu räumen und in welchem Zustand sie zu übergeben ist. Für die Räumungsfrist hat sich das Gericht an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren (4 Ob 1527/95 = EF 78.754). Nach der Rsp soll die Räumung tunlichst erst nach einer angemessenen Frist nach Erhalt der Ausgleichszahlung festgesetzt werden (6 Ob 714/82 = EF 41.427), wobei etwa eine 6-wöchige (8 Ob 520/87 = EF 54.640) bzw 3-monatige Frist (6 Ob 590/ 86 = EF 51.816) angemessen sind (Hopf/Kathrein § 93 EheG Anm 2). Auch die Übergabemodalitäten sind zu regeln – etwa die Ausfolgung der Wohnungsschlüssel (LGZ Wien EF 69.354). Erfolgte die Zuweisung des Inventars nicht präzise in einer exequierbaren Weise, so ist ein Streit darüber im streitigen Rechtsweg auszutragen (LGZ Wien EF 120.347). Es sollte daher stets – auch bei scheinbarem Einvernehmen der Parteien – auf eine exakte Festlegung dieser Gegenstände im Beschluss gedrungen werden. Bei Übertragung eines Hälfteeigentums einer Liegenschaft an den anderen Ehegatten ist auch die Löschung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots iSd § 93 AußStrG von Amts wegen anzuordnen (1 Ob 33/10z = EF-Z 2010/ 106 = iFamZ 2010/201). 3 § 93 Satz 2 EheG hat die mit der Durchführung der Entscheidung verbundenen Aufwendungen zum Inhalt. Dazu zählen etwa Übersiedlungs- und Transportkosten, die Kosten für die Durchführung baulicher Maßnahmen (1 Ob 534/82 = RZ 1983, 66; Koch/KBB § 93 EheG Rz 1) oder die Übernahme von grundbücherlichen Eintragungsgebühren. Auch diese Kosten sind den Parteien nach billigem Ermessen aufzuerlegen. Nicht unter § 93 Satz 2 EheG fallen hingegen die Verfahrenskosten, die den Parteien gem § 78 AußStrG aufzuerlegen sind. 728
§ 94 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Ausgleichszahlung § 94. (1) Soweit eine Aufteilung nach den vorstehenden Bestimmungen nicht erzielt werden kann, hat das Gericht einem Ehegatten eine billige Ausgleichszahlung an den anderen aufzuerlegen. (2) Das Gericht kann eine Stundung der Ausgleichszahlung oder deren Entrichtung in Teilbeträgen, tunlich gegen Sicherstellung, anordnen, wenn dies für den Ausgleichspflichtigen wirtschaftlich notwendig und dem Ausgleichsberechtigten zumutbar ist. [BGBl 1978/280] Lit: Oberhammer, Aufrechnung mit Forderungen auf Rückzahlung von verbotenen Leistungen und Entgelten im streitigen Verfahren, wobl 1994, 203; Rummel, Schenkungen unter Ehegatten und Scheidung, JBl 1976, 626; Wilhelm, Das Unternehmen in der Vermögensaufteilung nach Scheidung, RdW 1983, 2. Inhaltsübersicht A. Vorrang der Naturalteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anrufung des Gerichts zwecks Auferlegung einer Ausgleichszahlung? . . C. Bemessung der Ausgleichszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung der Billigkeitsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertausgleich für die dem anderen Ehegatten überlassene (Ehe)Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wertverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Leistungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Verzinsung – Wertsicherung der Ausgleichszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . F. Aufrechnung mit Gegenforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Teil- und Zwischenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
1–2 3 4–9 4–6
. . . . . .
7 8–9 10–12 13 14 15–17
A. Vorrang der Naturalteilung Eine Ausgleichszahlung kommt nur dann in Betracht, wenn das eheliche Ge- 1 brauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse nicht nach Billigkeit real teilbar sind (1 Ob 237/98d = EF 90.483; 4 Ob 21/01v = EF 97.378; 10 Ob 42/03d = EF 104.994; 9 Ob 13/06m = EF 114.410; 7 Ob 145/06h). Kann daher durch Zuweisung der Vermögenswerte ein billiger Ausgleich zwischen den Ehegatten nicht erreicht werden, soll die Anordnung einer Ausgleichszahlung ein gerechtes Aufteilungsergebnis herbeiführen (9 Ob 13/06m mwN). Der durch Zuweisung der Vermögenswerte nicht zu überbrückende Wertunterschied ist durch eine billige Ausgleichszahlung auszugleichen (9 Ob 35/00p = EF 93.995). Die Auferlegung einer Ausgleichszahlung kommt nur wegen der Differenz der den Parteien zukommenden Sachwerte in Betracht – etwa bei Unteilbarkeit einer wertvollen Sache (9 Ob 125/04d) –, nicht aber aus allgemeinen 729
§ 94 EheG
Deixler-Hübner
Billigkeits- oder gar Verschuldenserwägungen (2 Ob 541/88 = EF 57.409; 9 Ob 125/04d = EF 111.400). Nach dem Gesetzeswortlaut besteht ein Vorrang der Naturalteilung, eine Ausgleichszahlung ist daher nur subsidiär aufzuerlegen. 2 Eine Ausgleichszahlung kann auf Antrag auferlegt werden (1 Ob 643/82 = SZ 55/163 = EF 41.419). Die Auferlegung einer Ausgleichszahlung ist aber auch ohne einen darauf abzielenden Antrag (der Gegenpartei) zulässig, kann daher auch von Amts wegen verfügt werden (7 Ob 651/87 = EF 54.641; Hopf/Kathrein § 94 Anm 1; Stabentheiner/Rummel § 94 EheG Rz 1). Den Parteien bleibt es in jedem Verfahrensstadium – daher auch noch nach Ablauf der Frist des § 95 EheG – unbenommen, dem Gericht einen Aufteilungsvorschlag zu unterbreiten (4 Ob 21/01v = EF 97.379). Nach der Rsp bindet allerdings ein bezifferter Antrag das Gericht (vgl dazu § 85 Rz 6).
B. Anrufung des Gerichts zwecks Auferlegung einer Ausgleichszahlung? 3 Wurde das Ehevermögen von den geschiedenen Ehegatten bereits einvernehmlich aufgeteilt, so kann das Gericht auch zur Auferlegung einer Ausgleichszahlung angerufen werden, wenn darüber keine Einigkeit besteht (1 Ob 685/80 = SZ 53/125 = JBl 1981, 599 = EF 36.477; 1 Ob 596/87 = SZ 60/ 95 = EF 54.621; Stabentheiner/Rummel § 94 EheG Rz 2). Fehlt es aber schon von vornherein an einer Aufteilungsmasse, kommt die gerichtliche Auferlegung einer Ausgleichszahlung nicht mehr in Betracht (1 Ob 501/84 = SZ 57/ 19 = EF 46.411; 4 Ob 547/95 = SZ 68/127 = EF 78.759; 1 Ob 89/01x = EF 97.380). Die Rsp betonte bislang vor allem, dass die einem Unternehmen gewidmete Sache nicht über eine Ausgleichszahlung in das Aufteilungsverfahren einbezogen werden könne, wenn sonst keinerlei Ehevermögen vorhanden ist (1 Ob 685/80 = JBl 1986, 119; 5 Ob 593/85 = EF 49.024; 4 Ob 547/95 = SZ 68/127 = EvBl 1995/190 = EF 78.759; aA Wilhelm, RdW 1983, 6). Eine Ausgleichszahlung kann allerdings stets dann auferlegt werden, wenn die Tatbestände des § 91 Abs 1 EheG und seit dem EheRÄG 1999 auch Abs 2 erfüllt sind, wonach das Ehevermögen einseitig verringert bzw in ein Unternehmen eingebracht wurde und es nun an einer Aufteilungsmasse mangelt (Stabentheiner/Rummel § 94 EheG Rz 3; Hopf/Kathrein § 94 EheG Anm 2). Kommt den Leistungen eines Ehegatten für Kreditrückzahlungen, Betriebskosten oder öffentliche Abgaben betreffend der Ehewohnung Unterhaltscharakter zu, unterliegen sie nicht dem Aufteilungsverfahren und können zu keiner Ausgleichszahlung führen (1 Ob 155/08p = EF-Z 2009/12). Die Ehewohnung ist idR nicht jenem Ehegatten zu überlassen, der auf keinen Fall eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten vermag (7 Ob 695/85 730
§ 94 EheG
Nacheheliche Aufteilung
= EF 51.769; 3 Ob 107/06s; 3 Ob 203/08m = iFamZ 2009/129), weil dies auf eine (ersatzlose) Enteigung des anderen Ehegatten hinausliefe.
C. Bemessung der Ausgleichszahlung 1. Anwendung der Billigkeitsgrundsätze
Da auch eine Ausgleichszahlung nach Billigkeit auszumitteln ist, sind die in 4 § 83 EheG genannten Kriterien heranzuziehen, um ein der Lage des Einzelfalls angepasstes Aufteilungsergebnis zu erzielen (4 Ob 559/89 = EF 60.426; 10 Ob 15/04k = EF 108.411; LGZ Wien EF 120.348; 7 Ob 48/10z = iFamZ 2010/203 vgl dazu Gitschthaler, Aufteilung Rz 359 ff). Ein einigermaßen billiger Ausgleich soll vor allem dadurch zustande kommen, dass der Geldbetrag dem Vorteil des Teils entspricht, der bei der sonstigen Aufteilung besser abgeschnitten hat (9 Ob 35/00p = EF 93.996). Die Ausgleichszahlung ist daher nicht streng rechnerisch festzusetzen (9 Ob 186/00v = EF 93.997; 7 Ob 297/ 03g = EF 108.414; LGZ Wien EF 111.405; 7 Ob 145/06h), sondern nach billigem Ermessen, wobei insb auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse, aber auch auf die Möglichkeit zur Aufbringung der Ausgleichszahlung Bedacht zu nehmen ist (10 Ob 86/00w = EF 93.998; 10 Ob 15/04k = EF 108.411; LG Wels EF 111.402) iSd Grundsatzes des Wohlbestehenkönnens (LGZ Wien EF 120.358; 6 Ob 31/07p = EF 120.359). Da auch das Kindeswohl bei Festsetzung der Ausgleichszahlung mit zu berücksichtigen ist, kommt diesem zwar im Hinblick auf die Leistung der Ausgleichszahlung eine gewisse Bedeutung zu, doch steht dabei der Beitragsgedanke im Vordergrund (5 Ob 669/81 = JBl 1983, 598 = EF 41.432; Hopf/Kathrein § 94 EheG Anm 5). Das Scheidungsverschulden ist – wie auch gem § 83 EheG – bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung nur von marginaler Bedeutung (7 Ob 536/85 = EF 49.025; 6 Ob 31/07p; vgl dazu auch § 83 EheG Rz 16). Der schuldlose Ehegatte ist nur insoweit zu bevorzugen, als er durch die Leistung der Ausgleichszahlung nicht in unzumutbare Bedrängnis kommt und keine „schmerzlich empfundenen Einschränkung seines Lebensstandards“ auf sich nehmen muss (5 Ob 669/81 = JBl 1983, 598 = EF 41.425; 3 Ob 624/85 = EF 49.027; Hopf/Kathrein § 94 EheG Anm 4; Bernat/Schwimann § 94 EheG Rz 9). Auch ist ihm ein Optionsrecht insofern einzuräumen, als er regelmäßig zwischen der Aufgabe des Aufteilungsgegenstands und der Leistung einer Ausgleichszahlung wählen kann (4 Ob 588/88 = EF 57.421; 4 Ob 121/97s = RZ 1998/26). Mitunter kann nach der Rsp aber auch bei der Festsetzung der Höhe der Ausgleichszahlung die Verschuldensentscheidung von Bedeutung sein (7 Ob 591/82 = EvBl 1982/195 mwN; 6 Ob 31/07p). 731
§ 94 EheG
Deixler-Hübner
Die Eigentumsverhältnisse an unbeweglichen Sachen sollen gem § 90 EheG tunlichst aufrechterhalten werden (9 Ob 13/06m; LGZ Wien EF 120.361). 5 Bei Bemessung der Ausgleichszahlung ist auch darauf Rücksicht zu nehmen, dass eine dem Standard der beiderseitigen Lebensverhältnisse entsprechende wirtschaftliche Grundlage für beide Teile gesichert bleibt (Wohlbestehensgrundsatz [3 Ob 1/99i = EF 93.966 = EF 94.000; 1 Ob 197/99y = EF 94.001; 3 Ob 107/06s; 9 Ob 13/06m; 6 Ob 31/07p = EF 120.359; 2 Ob 110/09d]). Eine allfällige Vermögenslosigkeit oder geringes Einkommen dürfen jedoch nicht dazu führen, dass der andere Ehegatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen unverhältnismäßig geringe Gegenleistung aufgeben muss (2 Ob 664/84 = EF 46.409; 2 Ob 574/90 = EF 63.610; 3 Ob 107/06s; 7 Ob 73/07x; 2 Ob 110/ 09d); es sollen auch die Interessen des weichenden geschiedenen Ehegatten berücksichtigt werden (9 Ob 35/00p = EF 94.002). So kann etwa ein geringes Einkommen dazu führen, dass ein Ehegatte fast das gesamte Gebrauchsvermögen übernimmt, aber keine Ausgleichszahlung leisten muss (6 Ob 52/97a). 6 Ist eine Ausgleichszahlung für Liegenschaftsübertragungen zu entrichten, hat nicht eine Verurteilung zur Zustimmung in die Aufsandungserklärung zu erfolgen, weil es im Hinblick auf die Übertragungsanordnung einer solchen nicht mehr bedarf. Die Rechtsfolge des § 367 EO tritt auch mit Rechtswirkung der Gegenleistung ein. Eine Exekution nach § 350 EO ist bei Vorlage des Nachweises der Leistung einer Ausgleichszahlung möglich (5 Ob 124/01y = SZ 74/99 = EF 104.997). 2. Wertausgleich für die dem anderen Ehegatten überlassene (Ehe) Wohnung
7 Nach der Rsp ist dem Ehegatten, der dem anderen – vor allem auch während des Aufteilungsverfahrens (10 Ob 16/08p = EF-Z 2008/107; LGZ Wien EF 120.356) – die Wohnung überlassen hat, nach Billigkeit eine Ausgleichszahlung zuzuerkennen (6 Ob 545/89 = EF 60.432; 9 Ob 35/00p = EF 94.015; 6 Ob 178/03z; 6 Ob 164/06w = EF-Z 2007/7 ua). Zu Lasten des ausgleichspflichtigen Ehegatten, dem die Ehewohnung überlassen wird, ist bei der Ermittlung der Ausgleichszahlung vor allem zu berücksichtigen, dass sich dieser den Aufwand für eine anderweitige Wohnmöglichkeit erspart (5 Ob 770/81; 9 Ob 579/83). Bei der Ermittlung des Betrags ist auch der Vorteil zu berücksichtigen, wonach das für die Wohnung geleistete Entgelt unter jenem liegt, das auf dem Wohnungsmarkt üblicherweise geleistet werden müsste (8 Ob 143/03t = EF 104.995; 6 Ob 33/04b = EF 108.409). Auch dann, wenn die Ehewohnung aufgrund eines prekaristischen Verhältnisses benutzt wird und daher nicht dem bedürftigen Ehegatten zugewiesen werden kann, ist dieser Vorteil durch Leistung einer Zahlung auszugleichen (8 Ob 503/88 = EF 60.434; vgl 732
§ 94 EheG
Nacheheliche Aufteilung
auch Gitschthaler, Aufteilung Rz 106). Die Tatsache, dass sich der weichende Ehegatte bereits anderweitig wohnversorgt (LGZ Wien EF 117.560 und EF 120.354) hat, ist ebenso unbeachtlich, wie die Tatsache, ob die Mietrechte verwertbar sind – etwa bei einer Gemeindewohnung (LGZ Wien EF 120.353). Die Rsp ist bei der Frage der Bemessung der Ausgleichszahlung für die Überlassung der Wohnung nicht ganz einheitlich (vgl 1 Ob 237/98d). Bei den idZ zu treffenden Billigkeitserwägungen zieht die Rsp sowohl den Ertragswert, nämlich den Mietwert einer gleichartigen Wohnung bezogen auf die konkret mögliche Nutzungsdauer (1 Ob 505/92) als auch den „Schattenwert“ heran. Hatte es die Rsp früher weitgehend abgelehnt, bei der Aufgabe einer Mietwohnung zur Bemessung der Ausgleichszahlung den „Schattenwert“ heranzuziehen (LGZ Wien EF 72.450, 81.744, 90.495; 1 Ob 237/98d = EF 90.496; aM LGZ Wien EF 97.390; EF 101.034; EF 120.356), ist die jüngere OGH-Rsp (1 Ob 68/00g; 6 Ob 94/04y = EF 108.412; 6 Ob 164/06w; vgl auch LGZ Wien 45 R 579/04m EF 105.001) offenbar nun eher geneigt, diesen als Bemessungsparameter heranzuziehen. Daher wird nun als Bemessungsgrundlage der Ausgleichszahlung immer häufiger jener Geldbetrag auferlegt, der erforderlich ist, um eine am Wohnungsmarkt nach Größe, Ausstattung, Lage und Mietzinshöhe gleichwertige Mietwohnung zu beschaffen (LGZ Wien EF 81.736; EF 87.586; EF 101.036; 6 Ob 33/04b = EF 108.410; 7 Ob 74/09x = iFamZ 2009/246). Bei dieser ist die tatsächlich bezahlte Miete in Relation zum ortsüblichen Mietzins zu setzen und die Differenz auf die voraussichtliche Dauer des Mietverhältnisses – im Einzelfall auch die durchschnittliche Lebenserwartung der Parteien – zu kapitalisieren (vgl etwa 6 Ob 322/99t). Wenn kein Mietzins für die Ehewohnung zu leisten ist, kann dieser mit dem fiktiven „Mietwert“ gleichgesetzt werden (6 Ob 33/04b = EF 108.410; aA LGZ Wien EF 108.412). Nach einem Teil der Rsp des OGH ist die Tatsache, dass ein Teil die Wohnung während des Verfahrens nutzen konnte, bei der Festsetzung der Höhe der Ausgleichszahlung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu beachten (4 Ob 195/01g; 6 Ob 178/03z = EF 108.413; LG Salzburg 21 R 126/06k; LGZ Wien EF 120.356); andere Entscheidungen lehnen dies ab, weil der Ehegatte noch bis zum Ende des Aufteilungsverfahrens einen Wohnungserhaltungsanspruch gem § 97 ABGB hat (vgl etwa 6 Ob 164/06w = iFamZ 2007/22 = EF-Z 2007/7 mwN). Diese Auffassung kann schon deshalb nicht greifen, weil der Wohnungserhaltsanspruch die Tatsache unberührt lässt, wie die finanziellen Vorteile im Innenverhältnis auszugleichen sind. Überdies würde es der Billigkeit widersprechen, wenn nur dem einen Ehegatten diese Vorteile zugute kämen. Freilich gilt dies dann nicht, wenn die Tatsache der Wohnversorgung bereits unterhaltsrechtlich ausgeglichen wurde, weil es nicht zu einer doppleten Anrechnung kommen kann.
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§ 94 EheG
Deixler-Hübner
3. Wertverhältnisse
8 Bei der Festsetzung der Höhe der Ausgleichszahlung ist nicht von den Anschaffungskosten der Aufteilungsgegenstände auszugehen, sondern deren Wert bei Verhandlungsschluss maßgebend (7 Ob 662/82 = SZ 55/192 = JBl 1983, 648; 1 Ob 237/98d = EF 90.484; 6 Ob 187/06b). Die Ausgleichszahlung ist in Form einer Pauschalsumme festzusetzen (6 Ob 178/03z; 7 Ob 52/04d = EF 108.414; 7 Ob 145/06; 7 Ob 73/07x). 9 Wurde ein Aufteilungsgegenstand – etwa eine Liegenschaft – dem anderen Ehegatten geschenkt, ist dieser zwar in das Aufteilungsverfahren mit einzubeziehen, doch bleibt bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung der Wert dieses Geschenks weitestgehend außer Acht (6 Ob 667/83 = SZ 56/193; 7 Ob 596/ 95; vgl dazu § 82 Rz 8). Die nicht auf Investitionen oder Arbeitsleistungen der Ehegatten zurückzuführende Wertsteigerung dieser Sache, wird nur dann nicht als eheliche Errungenschaft angesehen, wenn sie nicht in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen ist (7 Ob 267/98k = EF 90.421). Besteht zwischen den Ehegatten eine Gütergemeinschaft, sind Liegenschaften aber gem §§ 81 ff EheG aufzuteilen, so unterwirft die Rsp die Ermittlung der Höhe der Ausgleichszahlung prinzipiell denselben Grundsätzen, wie die Abwicklung im Rahmen des § 1266 ABGB (1 Ob 197/99y = EF 93.513 = JBl 2000, 666 = EvBl 2000/156; vgl auch Rummel, JBl 1976, 626; vgl dazu § 82 Rz 8).
D. Leistungsmodalitäten 10 Bei Ermittlung der Ausgleichszahlung ist dem geschiedenen Ehegatten nicht jener Betrag aufzuerlegen, den er bequem aufbringen kann, vielmehr muss der, der die Übernahme von Sachwerten anstrebt, seine Kräfte bis zum Äußersten anspannen. Es gilt daher der Anspannungsgrundsatz (1 Ob 197/99y = EF 97.387; 3 Ob 44/03x = EF 104.998; 10 Ob 15/04k = EF 108.417; LGZ Wien EF 111.407; LG Salzburg 21 R 501/06g; 8 Ob 56/07d = EF 117.566). Bei langer Verfahrensdauer bzw wenn sonst damit zu rechnen ist, muss der Zahlungspflichtige für die Leistung der Ausgleichszahlung entsprechende Vorsorge treffen (6 Ob 31/07p = EF 120.363). UU ist ihm auch die äußerste Einschränkung seiner Lebensbedürfnisse zumutbar (3 Ob 1/99i = EF 94.004; LG Salzburg EF 111.408; LGZ Wien 43 R 109/06g; 2 Ob 110/09d) – etwa die Veräußerung von anderen Sachwerten (3 Ob 505/88 = EF 57.430; 3 Ob 44/03x = EF 104.998). Auch die Möglichkeiten zur Aufbringung einer Ausgleichszahlung sind in die Billigkeitserwägungen einzubeziehen (10 Ob 86/00w = EF 93.998; 10 Ob 15/04k = EF 108.417; 1 Ob 172/04g; 6 Ob 31/ 07p). Im Rahmen der Anspannung kann dem zur Ausgleichszahlung Verpflichteten auch eine Kreditaufnahme zugemutet werden (3 Ob 44/03x = 734
§ 94 EheG
Nacheheliche Aufteilung
EF 105.000; 10 Ob 15/04k = EF 108.417; 8 Ob 56/07d = EF 117.566). Bei Festsetzung der Zahlungsfrist ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, dass dem Zahlungspflichtigen genügend Zeit für die Kreditbeschaffung zur Verfügung steht – idR wird von der Rsp ein Zeitraum von einigen Monaten als ausreichend angesehen (3 Ob 44/03x = EF 105.000; Hopf/Kathrein § 94 EheG Anm 7). Die Berücksichtigung der Zinsenbelastung kommt regelmäßig nicht in Betracht (3 Ob 1/99i). Trotz Anwendung des Anspannungsgrundsatzes kann im Einzelfall die Festsetzung einer Ausgleichszahlung in der vollen rechnerischen Höhe für den zahlungspflichtigen Ehegatten unzumutbar oder unbillig sein (9 Ob 33/00v; 6 Ob 322/04b = EF 111.409; 3 Ob 107/06s). Ist eine Kreditaufnahme im Einzelfall unzumutbar, kann auch die Aufbrin- 11 gung einer Ausgleichszahlung in Teilbeträgen gestattet werden (7 Ob 515/84 = JBl 1986, 116; 4 Ob 121/97s = EF 84.707; 9 Ob 155/03i = EF 108.416). Auch eine Stundung kann in einem solchen Fall in Betracht gezogen werden (4 Ob 121/97s = EF 84.707; 9 Ob 155/03i = EF 108.416 ua). Es ist allerdings darauf zu achten, dass Ratenzahlung oder Stundung möglichst mit einer Sicherstellung verbunden werden (7 Ob 591/82 = EF 41.438 = Miet 34.608; Hopf/ Kathrein § 94 EheG Anm 8). Die Frage, ob eine Partei zur Leistung einer Ausgleichszahlung (weiter) ange- 12 spannt werden kann, stellt eine solche des Einzelfalls dar (6 Ob 322/04b = EF 111.411; 7 Ob 145/06h; 10 Ob 4/06w). Die Festsetzung der Ausgleichszahlung ist nur dann anfechtbar, wenn die Billigkeitsentscheidung außerhalb der Ober- und Untergrenzen liegt, die sich nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ergeben (6 Ob 187/06b; 7 Ob 73/07x ua). Nach der Rsp kann dabei sogar eine unrichtig angewandte Ermittlungsart oder unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente vernachlässigt werden, so lange der ausgemittelte Betrag innerhalb des erwähnten Spielraums bleibt (7 Ob 297/03g = EF 108.418; 1 Ob 111/03k; 7 Ob 212/04h; 4 Ob 183/05y; 6 Ob 322/04b = EF 111.410; 6 Ob 187/06b).
E. Verzinsung – Wertsicherung der Ausgleichszahlung Der Anspruch auf Ausgleichszahlung entsteht erst mit der Rechtskraft des 13 entsprechenden gerichtlichen Beschlusses; dabei handelt es sich mithin um einen rechtsbegründenden Akt des Gerichts. Erst zu diesem Zeitpunkt tritt daher die Fälligkeit des Anspruchs ein (4 Ob 195/01g = EvBl 2002/33; 3 Ob 169/06h). Grundsätzlich stehen Verzögerungszinsen erst ab Fälligkeit der Ausgleichszahlung zu und können daher für den Zeitraum zwischen Rechtskraft des Ehescheidungsurteils und Rechtskraft der die Ausgleichszahlung anordnenden Entscheidung nicht begehrt werden, weil die Ausgleichszahlung 735
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in diesem Zeitraum noch nicht fällig ist (7 Ob 297/03g = EF 108.415; 6 Ob 164/06w). Im Einzelfall kann es allerdings der Billigkeit entsprechen – besonders bei langer Verfahrensdauer – die Ausgleichszahlung ab einem bestimmten Zeitpunkt zu verzinsen und damit einen höheren als den sich rechnerisch ergebenden Ausgleichsbetrag zuzuerkennen (8 Ob 1597/95 = EF 78.760; 1 Ob 89/01x; 7 Ob 297/03g = EF 108.415; 3 Ob 292/04v = EF 111.406; 6 Ob 164/ 06w = EF 114.420). Bei besonders langer Verfahrensdauer oder besonders langen Zahlungsfristen kann es nämlich nach den konkreten Umständen billig erscheinen, einen höheren Ausgleichsbetrag festzusetzen und damit einen möglichen Kaufkraftverlust und/oder notwendige Finanzierungskosten durch eine Verzinsung auszugleichen (1 Ob 68/00g; 2 Ob 110/09d). Vor allem kann dann ein höherer Ausgleichsbetrag angeordnet werden, wenn unstrittig ist, dass ein solcher zu bezahlen ist, der Verpflichtete aber auch auf diesen unstrittigen Betrag keine Teilzahlungen leistet (1 Ob 68/00g = EF 94.018; LG Salzburg EF 97.385). Auch eine Wertsicherung der Ausgleichszahlung für die Zeit der Stundung ist daher in Betracht zu ziehen (4 Ob 195/01g = EF 97.384). Wurde die Ausgleichszahlung hingegen vertraglich festgelegt, so kann das Gericht nicht wegen einer allfälligen Stundung angerufen werden (5 Ob 525/82 = EvBl 1982/160 = EF 41.435; vgl auch Rz 11).
F. Aufrechnung mit Gegenforderungen 14 Nach der Rsp ist es unzulässig, gegen den Anspruch auf Ausgleichszahlung mit einer Gegenforderung, die auf den Zivilrechtsweg gehört – etwa einer Unterhaltsforderung – aufzurechnen (8 Ob 519/93 = EF 72.448; 3 Ob 169/ 06h; LGZ Wien EF 97.382, 104.996, 45 R 333/05m; 1 Ob 155/08p = EF-Z 2009/12). Wohl aber ist eine außergerichtliche Aufrechnung möglich, die auch in einem allfälligen Exekutionsverfahren als Oppositionsklagegrund geltend gemacht werden kann (LGZ Wien EF 97.382, 104.996). Diese Auffassung ist zu eng. Es kann nämlich nicht bloß das formaljuristische Argument der Verfahrensart den Ausschlag geben, sondern vor allem Unterschiede in der Stoffsammlung. Wird mit einer auf dem außerstreitigen Rechtsweg zu verfolgenden Forderung im streitigen Verfahren aufgerechnet, begibt sich der Beklagte aus dem umfassenden Rechtsschutz des Außerstreitverfahrens, weil dort der Untersuchungsgrundsatz gilt. Umgekehrt spricht jedoch nichts dagegen, im außerstreitigen Rechtsweg Gegenforderungen geltend zu machen, die im streitigen Verfahren zu behandeln sind, weil ja im Verfahren außer Streitsachen der Rechtsschutz nicht beschnitten wird. Daher kann gegen den Anspruch auf Ausgleichszahlung eine auf dem Zivilrechtsweg gehörende Gegenforderung sehr wohl aufgerechnet werden (Deixler-Hübner/Fasching/ Konecny § 391 ZPO Rz 36 und FS Rechberger, 91; differenzierend auch Ober736
§ 94 EheG
Nacheheliche Aufteilung
hammer, wobl 1994, 203; vgl auch LGZ Wien EF 90.485). Auch das Argument, das Verfahren außer Streitsachen kenne keine Aufrechnungseinrede (8 Ob 519/93 = EF 72.448), greift als rein formaler Einwand zu kurz, weil zum einen auch die ZPO eine solche nicht ausdrücklich normiert, sondern bloß in den §§ 188, 391 Abs 3 und § 411 Abs 1 ZPO impliziert und zum anderen das Außerstreitgesetz eine Aufrechnungseinrede auch nicht ausdrücklich ausschließt, sodass die Bestimmungen der ZPO in diesem Bereich wohl sinngemäß anzuwenden sind.
G. Teil- und Zwischenentscheidungen Über die Ausgleichszahlung ist auch eine Teilentscheidung zulässig (4 Ob 15 516/84 = EF 46.416; 5 Ob 65/07 f; Bernat/Schwimann § 94 EheG Rz 15). Im Aufteilungsverfahren sind daher Teilentscheidungen dahingehend möglich, wonach bei Spruchreife nach richterlichem Ermessen bereits vorweg ein Teilbeschluss über die Zuweisung eines bestimmten Aufteilungsgegenstands erfolgen kann bzw ein Teilbeschluss über die Abweisung des Antrags auf Übertragung des Alleineigentums gefasst wird, aber über die endgültige Höhe der Ausgleichszahlung noch weiter verhandelt wird (5 Ob 65/07 f). Nach bisheriger Rsp wurden Zwischenentscheidungen im Außerstreitverfah- 16 ren, wonach bestimmte Sachen in die Aufteilung einzubeziehen sind, als unzulässig erachtet (4 Ob 540/88 = EvBl 1988/114; 1 Ob 154/99z = EvBl 2000/62; 9 Ob 125/04d; aA Deixler-Hübner/Fasching/Konecny § 393 ZPO Rz 13). Nach § 36 Abs 2 AußStrG werden nunmehr aber sowohl Teil- als auch Zwischenbeschlüsse im Außerstreitverfahren ausdrücklich zugelassen, um die Verfahrensgestaltung nicht unnötig zu beschränken. Im Hinblick auf § 36 Abs 2 AußStrG ist nun jedenfalls auch ein Zwischenbe- 17 schluss etwa dahingehend zulässig, dass die Ausnahmeregelung des § 82 Abs 1 Z 3 EheG nicht besteht, sondern ein bestimmter Gegenstand in die Aufteilungsmasse fällt. Ein solcher Zwischenfeststellungsbeschluss kann freilich nur dann ergehen, wenn der Anspruchsgrund bejaht wird. Über den Antrag auf Zuweisung, der von der Aufteilung ausgeschlossener Gegenstände gem § 82 Abs 1 Z 3 EheG, ist allerdings nicht mit einem negativen Zwischenbeschluss zu entscheiden, sondern mit Teilbeschluss abzuweisen (9 Ob 46/06i = FamZ 2006/62 [Deixler-Hübner]; vgl auch Deixler-Hübner/Rechberger § 96 AußStrG Rz 12; Fucik/Kloiber § 36 AußStrG Rz 3). Ein Zwischenbeschluss oder Zwischenanträge auf Feststellung sind im Aufteilungsverfahren nach wie vor – im Gegensatz zum wohnrechtlichen Verfahren – unzulässig (Fucik/Kloiber § 36 AußStrG Rz 3).
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§ 95 EheG
Deixler-Hübner
Erlöschen des Aufteilungsanspruchs § 95. Der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse erlischt, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird. [BGBl 1978/280]
Lit: Bauer, Zum Ehegattenunterhalt zwischen Rechtskraft des Scheidungsausspruchs und Rechtskraft der Verschuldensentscheidung, iFamZ 2009, 354; Breycha, Die nackte Scheidung, RZ 1999, 190.
Inhaltsübersicht A. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Aufteilungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fristenlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beginn der Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bei mangelnder Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . b) Formelle Rechtskraft der Eheauflösungsentscheidung c) Verfrühter Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung des Scheidungsfolgenvergleichs . . . . . . . 3. Analoge Anwendung der Verjährungsbestimmungen . 4. Replicatio doli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Umstandsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–2 3–4 5–19 5–8 9–15 9 10–13 14 15 16–18 19 20
A. Zweck 1 Die einjährige Frist des § 95 EheG hat der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die eheste Klärung der Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten festgesetzt. Die zeitliche Beschränkung der Geltendmachung von Aufteilungsansprüchen soll insb Beweisschwierigkeiten vermeiden, daher zwingt § 95 EheG den Antragsteller, seinen Antrag zu einer Zeit einzubringen, zu der beiden Ehegatten die notwendigen Beweismittel noch zur Verfügung stehen (1 Ob 281/97y = NZ 1999, 86; 1 Ob 113/99w; 1 Ob 362/99p = EF 94.021; 4 Ob 21/01v = EF 97.395; 4 Ob 285/01d = EF 101.045). Die Bestimmung bezweckt aber auch, dass dritte Personen, die an Aufteilungsgegenständen Rechte ableiten, möglichst bald nach der Scheidung der Vertragspartner, die Wahrheit über deren Schicksal erlangen (4 Ob 21/01v = EF 97.395; Stabentheiner/Rummel § 95 Rz 1). 738
§ 95 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Der Anspruch eines Mieters gegen den Vermieter, einer der beiden geschiede- 2 nen Ehegatten soll aufgrund einer nach § 55a EheG getroffenen Vereinbarung das Mietverhältnis allein fortsetzen, kann ebenfalls nur innerhalb der einjährigen Jahresfrist geltend gemacht werden (1 Ob 584/91 = RdW 1992, 179; LG Feldkirch EF 101.052).
B. Aufteilungsantrag Die Frist des § 95 EheG wird durch das Anbringen eines Aufteilungsantrags 3 bei Gericht gewahrt (LGZ Wien EF 84.711). Der Antrag muss nicht bestimmt gefasst sein – auch keine konkreten Teilungsvorschläge enthalten –, sondern nur iS des § 9 AußStrG hinreichend erkennen lassen, dass die Aufteilung des Ehevermögens angestrebt wird (vgl dazu auch § 85 EheG Rz 7). Es genügt daher, dass die geschiedenen Ehegatten in diesem Antrag etwa folgendes Begehren stellen: „Es wird die Aufteilung des gesamten ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach Billigkeit begehrt“. Freilich können auch Teilanträge gestellt werden, wenn das Restvermögen schon einvernehmlich aufgeteilt wurde bzw nur Schulden zu verteilen sind. Haben die Parteien ihr Begehren beziffert, so ging die Rsp bislang zu Unrecht davon aus, dass der Aufteilungsantrag nach Verfristung nicht ausgedehnt werden könne (6 Ob 118/97i = EF 84.712; 1 Ob 237/98d = JBl 2000, 252; 1 Ob 154/99z = EvBl 2000/62; 4 Ob 21/01v = EF 97.399; 9 Ob 248/01p = EF 97.397). Die Aufteilungsmasse sei daher durch die bei Ablauf der Jahresfrist vorliegenden Parteienanträge – zumindest quantitativ – bindend festgelegt (1 Ob 286/00s = EF 97.396; 6 Ob 322/01y = EF 101.047; 9 Ob 125/04d uva). Die außerhalb der Jahresfrist in das Verfahren einbezogenen Gegenstände, Forderungen oder Verbindlichkeiten, seien daher nicht aufzuteilen, sondern nur bei der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen (1 Ob 154/ 99z; LGZ Wien EF 108.421; 5 Ob 63/05h). Hat der Antragsteller im Aufteilungsverfahren detailliert aufgelistet, welche Vermögensgegenstände ihm zuzuteilen sind und dort eine bestimmte Liegenschaft nicht aufgenommen, so bezieht die Rsp etwa diese Vermögensteile wegen Verfristung nicht mehr in die Aufteilungsmasse ein (4 Ob 285/01t = EF 101.051). Qualitativ grenze der Aufteilungsantrag den Aufteilungsumfang nur relativ bindend insofern ab, als das Gericht einem Beteiligten eine Rechtstellung nicht zu dessen Gunsten aufdrängen dürfe (etwa 6 Ob 322/01v = EF 101.048). Diese Rsp ist kritikwürdig, weil sie übersieht, dass es im Verfahren außer 4 Streitsachen keine strenge Antragsbindung gibt (vgl §§ 9, 36 Abs 3 und 4 AußStrG) und das Gericht ohnehin nicht an die Aufteilungsvorschläge der Parteien gebunden ist, sondern nach Billigkeit einen gerechten Ausgleich zu treffen hat (vgl Deixler-Hübner, JBl 2000, 252 [Entscheidungsanmerkung]; 739
§ 95 EheG
Deixler-Hübner
dies, Scheidung Rz 180; Koch/KBB § 95 EheG Rz 4; krit auch Huber, JBl 1983, 648 [Entscheidungsanmerkung]; ebenso offenbar Hopf/Kathrein § 95 EheG Anm 4). Die jüngere Rsp lässt zumindest eine Präzisierung des Begehrens nach Ablauf der Frist zu (1 Ob 286/00s = EF 97.396 = ecolex 2001/237 [Reidinger]; 10 Ob 222/00w; 9 Ob 248/01p = EF 97.397; 4 Ob 21/01v = EF 97.399). Dieser Linie hat sich der OGH jüngst angeschlossen und ausgeführt, dass auch ein beziffertes Begehren auf Ausgleichszahlung noch nach Fristablauf ausgedehnt werden kann (1 Ob 158/08d = iFamZ 2009/84 = EF-Z 2009/ 49) Vgl dazu auch die Ausführungen zu § 85 EheG Rz 6.
C. Fristenlauf 1. Allgemeines
5 Die einjährige Frist des § 95 EheG stellt eine materiellrechtliche Präklusivfrist dar (1 Ob 237/98d = JBl 2000, 252; 1 Ob 154/99z = EvBl 2000/62 = EF 90.509; 1 Ob 362/99p = EF 94.022; 1 Ob 286/00s = 97.392; 1 Ob 45/05g = EF 111.413; 7 Ob 211/06i; 3 Ob 205/08 f = EF 120.364 uva). Daher muss der Aufteilungsantrag innerhalb der einjährigen Frist bei Gericht eingelangt sein; die Tage des Postlaufs sind in die Frist einzurechnen. Präklusivfristen sind von Amts wegen wahrzunehmen. Bei Fristablauf tritt Anspruchsverlust ein, ohne dass auch nur eine Naturalobligation bestehen bleibt (4 Ob 21/01v = EF 97.393; 7 Ob 317/03y = EF 108.419; 1 Ob 45/05g = EF 111.413; 5 Ob 63/05h; 7 Ob 211/06i; 3 Ob 205/08 f = EF 120.364). Wird die Jahresfrist nicht eingehalten, führt dies zur sachlichen Antragsabweisung (1 Ob 362/99p = EF 94.024; LG Salzburg EF 108.420; LGZ Wien EF 111.414). Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer materiellrechtlichen Frist kommt daher auch bei Verfristung des Aufteilungsantrags nicht in Betracht (6 Ob 180/97g = RZ 1999/15; 4 Ob 285/04x; LG Salzburg EF 94.027). 6 Die zur „Wiedereinbringung“ des verbesserten Schriftsatzes gesetzte Frist stellt auch dann eine prozessuale Frist dar, wenn sie der Mängelbehebung eines in einer materiellrechtlichen Frist einzubringenden Antrags dient (6 Ob 653/90 = wobl 1991/99, 165; Gitschthaler/Rechberger §§ 84–85 ZPO Rz 19 mwN). Die Fristenbestimmungen der ZPO sind gem § 23 AußStrG auch im Verfahren außer Streitsachen anzuwenden. Ein rechtzeitig innerhalb der einjährigen Frist des § 95 EheG eingebrachter, unschlüssiger bzw unbestimmter Aufteilungsantrag kann daher auch noch außerhalb der Präklusivfrist verbessert werden (6 Ob 118/97i = EF 84.713; 4 Ob 285/04x = EvBl 2005/153). Die Tage des Postlaufs sind hier somit nicht einzurechnen. Die Frist ist auch dann gewahrt, wenn der Aufteilungsantrag zwar beim unzuständigen Gericht eingebracht wurde, dieses aber die Rechtssache 740
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Nacheheliche Aufteilung
(wenn auch) nach deren Ablauf an das zuständige Gericht überweist (3 Ob 23/ 10v = iFamZ 2010/162). Da auch aus dem nur von einem Ehegatten gestellten Aufteilungsantrag dem 7 anderen ein verfahrensrechtlicher Entscheidungsanspruch erwächst, kann dieser nur im Einvernehmen mit dem anderen Ehegatten zurückgenommen werden (4 Ob 242/00t = EF 97.366; 9 Ob 125/03b = EF 105.005; 9 Ob 125/ 04d = JBl 2005, 520; vgl dazu auch § 85 Rz 4). Bei Zurückziehung des Aufteilungsantrags kann der Antragsgegner das Aufteilungsverfahren daher fortsetzen, doch hat die Antragsrückziehung nach der Rsp für den Antragssteller zur Folge, dass dieser nicht mehr die von ihm beantragte Aufteilung begehren kann (LGZ Wien EF 105.006). Weil das Gericht aber ohnehin nach Billigkeit vorgehen muss, sind die Aufteilungswünsche des Antragstellers nach wie vor zu berücksichtigen, sodass diese Vorgangsweise zu keiner formellen Verfristung führen kann. Die Frist gilt nur für Aufteilungsansprüche – mithin Ansprüche auf Rechts- 8 gestaltung –, nicht aber für damit möglicherweise aus dem Zivilrecht ableitbare konkurrierende alternative Ansprüche – wie etwa Bereicherungsansprüche (LG Salzburg EF 108.420; 7 Ob 23/08w = iFamZ 2008/172) oder Ansprüche auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft. Jede Leistung des einen Ehegatten an den anderen, die über die eheliche Beistandspflicht hinausgeht, kann gem § 1435 ABGB zurückverlangt werden, wenn der Leistungsgrund weggefallen ist und dieser dem Bereicherten auch erkennbar war. Diese Forderungen stellen idR keine mit dem Aufteilungsanspruch konkurrierenden Ansprüche dar. Haben allerdings etwa Ehegatten während der Ehe zur Errichtung eines als Ehewohnung dienenden Hauses beigetragen, so ist darüber im Aufteilungsverfahren zu entscheiden. Wird die Frist versäumt, so führt dies zum Anspruchsverlust (7 Ob 23/08w = iFamZ 2008/172). Die Teilungsklage gem § 830 ABGB kann allerdings erst nach rechtskräftigem Abschluss des Aufteilungsverfahrens eingebracht werden (LGZ Wien EF 101.053; vgl § 85 EheG Rz 12). 2. Beginn der Frist a) Bei mangelnder Geschäftsfähigkeit
Ist der antragstellende Ehegatte nicht geschäftsfähig, beginnt der Fristenlauf 9 auch hier in analoger Anwendung zu § 1494 ABGB ab Bestellung eines gesetzlichen Vertreters (5 Ob 556/87 = SZ 60/116; 1 Ob 412/97p = SZ 71/87; 8 Ob 155/99d = SZ 73/45; LG Wels EF 120.368).
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§ 95 EheG
Deixler-Hübner
b) Formelle Rechtskraft der Eheauflösungsentscheidung
10 Die Frist beginnt mit Rechtskraft der Entscheidung über die Scheidung der Ehe zu laufen, wobei darunter die formelle Rechtskraft iS des § 411 ZPO zu verstehen ist (8 Ob 11/03 f = EF 105.004; 1 Ob 45/05g = EF 111.416; 7 Ob 211/06i; 9 Ob 76/08d = iFamZ 2009/86 = EF 120.365 f; 8 Ob 62/10s = iFamZ 2011/40, Deixler-Hübner). Bei beiderseitigem Rechtsmittelverzicht gegen ein mündlich verkündetes Scheidungsurteil (Scheidungsbeschluss) tritt die formelle Rechtskraft mit mündlicher Verkündung ein (7 Ob 325/01x = EF 101.040; LGZ Wien 44 R 492/05m). Auch eine unrichtige Rechtskraftbestätigung ändert am Eintritt der formellen Rechtskraft nichts. Ergibt sich daher aus dem Akteninhalt zwingend etwas anderes als in der Rechtskraftbestätigung beurkundet ist, gilt der tatsächliche Vorgang und nicht der unrichtig bezeugte (1 Ob 281/97y = NZ 1999, 86 = EF 84.710; LGZ Wien EF 101.044; Stabentheiner/ Rummel § 95 EheG Rz 2). 11 Bei Verschuldensscheidung gem § 49 EheG beginnt die Präklusivfrist nach der Rsp bereits dann zu laufen, wenn in einem Teilurteil zunächst nur über das Scheidungsbegehren erkannt wurde und über die endgültige Verschuldensabwägung noch mit Endurteil abzusprechen ist (7 Ob 211/06i). Auch wenn das Scheidungsurteil nur hinsichtlich der Verschuldensabwägung bekämpft wird, ist mangels der Anfechtung des Scheidungsausspruchs in diesem Umfang Teilrechtskraft eingetreten, die aufgrund eines konkludenten Rechtsmittelverzichts die formelle Rechtskraft auslöst (1 Ob 281/97y = NZ 1999, 86 = EF 84.709; 1 Ob 362/99p = EF 94.023; 8 Ob 11/03 f = EF 105.004; 7 Ob 317/ 03y = EF 108.423; vgl auch 9 Ob 76/08d = iFamZ 2009/86 = EF 120.365 f; 8 Ob 62/10s = iFamZ 2011/40, Deixler-Hübner). Diese Auffassung ist kritikwürdig: Zu Recht lehnt nämlich sogar ein Teil der Rsp ein Teilurteil bei einer Klage nach § 49 EheG grundsätzlich ab, weil ja hier der Verschuldensausspruch einen notwendigen Urteilsbestandteil bildet (8 Ob 661/85 = EF 52.180; vgl auch Breycha, RZ 1999, 190; Bauer, iFamZ 2009, 354). Ebenso ist ein Teilurteil unzulässig, wenn noch strittig ist, ob der Tatbestand des § 49 EheG oder § 50 EheG verwirklicht ist bzw ein Eventualbegehren nach § 55 Abs 3 EheG gestellt wurde und das Hauptbegehren nach § 49 EheG noch nicht rechtskräftig abgewiesen wurde (2 Ob 702/86 = EF 52.181; 6 Ob 194/99y = EF 90.507). Die Fällung eines Teilurteils steht aber auch im Widerspruch zur Notwendigkeit, das Gesamtverhalten der Ehegatten einheitlich zu würdigen. Weil die Rechtsfolgen, die an die verschiedenen Eheauflösungsgründe geknüpft sind, unterschiedlich ausfallen, bringt ein Teilurteil über die Eheauflösung auch keine materiellrechtlichen Vorteile für die Parteien (vgl dazu Deixler-Hübner/Fasching/Konecny § 391 ZPO Rz 8). Überdies ist den Parteien, wenn sie den Ausspruch über die Eheauflösung unangefochten lassen, auch gar nicht bewusst, dass damit ein konkludenter Rechtsmit742
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Nacheheliche Aufteilung
telverzicht verknüpft ist, sodass die Verfristung zu einem für die Parteien nicht zu rechtfertigenden Nachteil durch Anspruchsverlust eines Aufteilungsantrags führt. Wurde die Scheidung im Einvernehmen geschieden und der Scheidungsvergleich in der Folge angefochten, so läuft die Frist erst ab Rechtskraft des Urteils im Anfechtungsprozess (7 Ob 51/07m). Nach der Rsp tritt die formelle Rechtskraft der Entscheidung über die Schei- 12 dung im Fall eines beiderseitigen Rechtsmittelverzichts schon zu diesem Zeitpunkt ein, nicht erst mit Zustellung der schriftlichen Ausfertigung (2 Ob 612/85 = EF 49.035; LG Feldkirch EF 101.042; LGZ Wien 44 R 492/05m; vgl aber § 43 Abs 4 AußStrG; vgl auch Rz 10). Wurde eine Entscheidung über die Scheidung im Ausland erlassen, so ist diese 13 nun sowohl in als auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuEheVO automatisch anzuerkennen, ohne dass es eines eigenen Anerkennungsverfahrens in Österreich bedarf. Die Frist läuft daher ebenfalls ab Rechtskraft der ausländischen Entscheidung. Die Rsp, wonach eine im Ausland ergangene Eheauflösungsentscheidung in Österreich wirkungslos sei, solange sie hier nicht anerkannt wurde – die Frist daher erst mit Rechtskraft der Anerkennungsentscheidung zu laufen beginne – ist daher überholt (vgl 1 Ob 17/05i = EF 111.419). c) Verfrühter Antrag
Ein verfrühter Antrag ist nach der Rsp zulässig (9 Ob 158/99y; LGZ Wien EF 14 105.007); dies vor allem dann, wenn der verfrühte Aufteilungsantrag bereits zu Verfahrenshandlungen des Gegners geführt hat (vgl auch 8 Ob 663/89). Dies gilt jedoch nicht, für einen vor Rechtskraft der Scheidung eingebrachten Antrag (LGZ Wien EF 108.425). d) Anfechtung des Scheidungsfolgenvergleichs
Wird der Scheidungsfolgenvergleich gem § 55a Abs 2 EheG angefochten 15 bzw für nichtig erklärt, beginnt die Frist erst ab Rechtskraft dieser Entscheidung zu laufen (6 Ob 180/97g = RZ 1999, 76; Koch/KBB § 95 EheG Rz 2); vor Beseitigung des Scheidungsfolgenvergleichs (etwa aufgrund von Geschäftsunfähigkeit oder Irrtums eines früheren Ehegatten) ist die Einleitung des Aufteilungsverfahrens jedoch unzulässig (7 Ob 51/07m = EF-Z 2007/82). Ansprüche aus einem Scheidungsfolgenvergleich fallen nur dann in die Zuständigkeitsvorschrift des § 49 Abs 2 Z 2b JN, wenn sie ehekausal und ehebedingt sind, daher ohne das Eheverhältnis nicht denkbar sind (5 Ob 527/93; 1 Ob 46/08h = iFamZ 2008/139). 743
§ 95 EheG
Deixler-Hübner
Nach Zurückziehung des Scheidungsantrags wird nach dem Parteiwillen idR die getroffene Scheidungsfolgenvereinbarung unwirksam (1 Ob 178/07v = iFamZ 2008/21 = EF-Z 2008/57 = Zak 2008/16; vgl dazu auch § 97 Rz 20)
3. Analoge Anwendung der Verjährungsbestimmungen
16 Die Verjährungsbestimmungen sind nach der Rsp auf die Präklusivfrist des § 95 EheG analog anzuwenden (1 Ob 45/05g = EF 111.420). Dies gilt auch für § 1497 ABGB (8 Ob 255/99d = SZ 73/45; 1 Ob 102/04p = EF 108.427; 1 Ob 45/05g = EF 111.422; 7 Ob 48/10z = iFamZ 2010/203). 17 Gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechts bloß vorbereiten – etwa der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe –, führen grundsätzlich zu keiner Verjährungsunterbrechung. Nur dann, wenn der Verfahrenshilfeantrag bereits als verfahrenseinleitender Schriftsatz zu beurteilen ist, weil dort der Aufteilungsanspruch hinreichend deutlich dargestellt ist (vgl dazu Rz 5), wird der Lauf der einjährigen Frist nach der Rsp unterbrochen (9 Ob 143/99s; 8 Ob 12/01z; 7 Ob 325/01x = EF 101.043; 1 Ob 45/05g = EF 111.422). Außergerichtliche Vergleichsgespräche bewirken nach stRsp eine Hemmung des Fristablaufs gem § 95 EheG, sofern der Aufteilungsantrag ohne unnötigen Aufschub bei Gericht eingebracht wird (1 Ob 536/92 mwN; 6 Ob 209/07i = EF-Z 2008/9; 3 Ob 205/08 f = iFamZ 2009/127 = EF 120.369; 7 Ob 48/10z = iFamZ 2010/203; 4 Ob 44/10i = iFamZ 2011/41). Der Zeitpunkt, ab wann Vergleichsgespräche als abgebrochen gelten, richtet sich danach, wann bei objektiver Betrachtung des Verhaltens des Gegners zu erkennen ist, dass weitere Vergleichsversuche aussichtslos sind (5 Ob 130/72; 3 Ob 205/08 f = iFamZ 2009/127 = EF 120.369). Auch eine Mediation führt zur Hemmung der Frist (§ 22 Abs 1 ZivMediatG; Koch/KBB § 95 EheG Rz 3). 18 Die Präklusivfrist des § 95 EheG läuft auch dann ab, wenn die Parteien das Verfahren nicht gehörig fortsetzen bzw weiter betreiben (6 Ob 66/10i = iFamZ 2010/207). Eine Untätigkeit kann allerdings nur dann zum Anspruchsverlust führen, wenn die Parteien konkrete Verfahrenshandlungen zu setzen gehabt hätten (LGZ Wien EF 97.401). Von einer „nicht gehörigen Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens“ kann aber dann nicht gesprochen werden, wenn die Verfahrensfortsetzung dem Gericht obliegt. Aus einer von der Partei unterlassenen Urgenz kann nämlich nicht zwangsläufig gefolgert werden, dass dieser an der Erreichung des angestrebten Ziels nichts mehr liegen würde (1 Ob 89/01x = EF 97.402). Auch dann wenn außergerichtliche Vergleichsgespräche nach der Parteienvereinbarung nur Motiv für die Innehaltung mit dem Aufteilungsverfahren waren und sich dies auch aus dem Innehaltungbeschluss ergibt, besteht die Unterbrechungswirkung auch nach dem Abbruch der Vergleichsgespräche fort (7 Ob 48/10z = iFamZ 2010/203). 744
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Nacheheliche Aufteilung
4. Replicatio doli
Der durch den Fristablauf begünstigte geschiedene Ehegatte muss die Rechts- 19 ausübung auch nach verstrichener Frist noch zulassen oder bereits erloschene Rechte als bestehend hinnehmen, wenn seine Berufung auf diese Ausschlussfrist gegen Treu und Glauben verstoßt (replicatio doli [1 Ob 281/97y = NZ 1999, 86; 1 Ob 154/99z = EvBl 2000/62 = EF 90.501; 4 Ob 285/01t = EF 101.050; 1 Ob 45/05g = EF 111.422]). Dabei ist ein Verhalten des Antragsgegners erforderlich, wodurch der Antragsteller veranlasst wurde, seine Forderung nicht fristgerecht geltend zu machen; dies wäre etwa der Fall, wenn der Antragsgegner den Antragsteller durch Scheinverhandlungen so lange hingehalten hat, bis die Frist verstrichen war, oder wenn er beim Antragsteller nach objektiven Maßstäben den Eindruck erweckt hat, es würden dessen Ansprüche auch ohne gerichtliches Aufteilungsverfahren befriedigt werden, oder wenn ein Ehegatte das Vorhandensein von Vermögenswerten verheimlichte (2 Ob 6/04b = EF 108.429; 1 Ob 102/04p; Stabentheiner/Rummel § 95 EheG Rz 4).
D. Umstandsänderungen Haben die Ehegatten eine Aufteilungsvereinbarung geschlossen und sich da- 20 nach die Verhältnisse geändert, so können sie aus diesem Umstand keinerlei Möglichkeit für einen Aufteilungsantrag ableiten, wenn der Anspruch gem § 95 EheG bereits verfristet ist (JAB 20; 8 Ob 541/84 = EF 49.039; LGZ Wien EF 84.711; Hopf/Kathrein § 95 EheG Anm 8; Stabentheiner/Rummel § 95 EheG Rz 4). Ihnen bleibt nur die Möglichkeit, ihre Aufteilungsvereinbarung wegen Willensmängel bzw Nichtigkeit – etwa wegen einer sich im Nachhinein ergebenden Sittenwidrigkeit – im streitigen Verfahren anzufechten. Hat allerdings das Aufteilungsgericht bereits über die Vermögensauseinandersetzung rechtskräftig abgesprochen, und ergeben sich in der Folge nova reperta – etwa wenn weitere Aufteilungsgegenstände aufgefunden bzw beweisbar werden –, so steht den Parteien ein Abänderungsantrag gem §§ 72 ff AußStrG offen.
Übergang des Aufteilungsanspruchs § 96. Der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse ist vererblich, unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar, soweit er durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden ist. [BGBl 1978/280]
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Lit: Berger, Verfahrensrechtliches zu den neuen eherechtlichen Gesetzen, RZ 1978, 257; Goriany, Gesellschaftsrechtliche Aspekte des neuen Ehegüterrechtes, AnwBl 1978, 498; Hackl, Richterliche Anordnungsbefugnisse um das Verfahren bei der Aufteilung von ehelichem Gebrauchsvermögen und ehelichen Ersparnis, in Ostheim (Hrsg), Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979), 159; Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und bei Tod (1998).
A. Allgemeines 1 § 96 EheG regelt die Übertragbarkeit des Aufteilungsanspruchs. Nacheheliche Aufteilungsansprüche stellen rein vermögensrechtliche Ansprüche dar, sind jedoch auch dann, wenn der Antragsteller eine Ausgleichszahlung begehrt, keine bloßen Geldansprüche (1 Ob 362/99p mwN; 3 Ob 169/06h). Aufteilungsansprüche sind – wie auch die Abgeltungsansprüche gem § 98 ABGB – nur dann unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar, wenn sie durch Vertrag bzw durch Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind. Eine vertragliche Regelung kommt nur nach Maßgabe von § 97 EheG in Betracht. Für die gerichtliche Geltendmachung ist es ausreichend, dass wenigstens ein Ehegatte den Aufteilungsantrag bei Gericht eingebracht hat. Fällig wird der Aufteilungsanspruch hingegen erst mit der Rechtskraft des entsprechenden gerichtlichen Beschlusses auf Auferlegung einer Zahlung bzw sonstigen Leistung (6 Ob 535/80 = JBl 1981, 429; 3 Ob 169/06h).
B. Dispositionen über Aufteilungsgegenstände 2 Über den Aufteilungsanspruch kann erst ab Rechtskraft der Eheauflösung disponiert werden, weil er erst zu diesem Zeitpunkt entsteht (3 Ob 169/06h mwN; Bernat/Schwimann § 96 EheG Rz 1). Wird aber von einem Ehegatten gegen den anderen über ein zur Aufteilungsmasse gehörige Sache im Zeitraum zwischen der Rechtskraft der Scheidung und dem Ablauf der Präklusivfrist nach § 95 EheG ein streitiges Verfahren eingeleitet, so hat das Prozessgericht die Sache an das Außerstreitgericht zu überweisen. Dessen Entscheidungen über Aufteilungsgegenstände wirken analog § 234 ZPO auch für und gegen Einzelrechtsnachfolger der geschiedenen Ehegatten, soweit diese nicht an diesen Gegenständen gutgläubig Eigentum erworben haben (6 Ob 602/85 = SZ 58/103 = EF 49.040). 3 Wurde der Titel an einem Aufteilungsgegenstand bereits vor Rechtskraft der Scheidung geschaffen, so kann er daraus gegen den anderen Ehegatten oder einen Dritten Exekution führen. Wird diese dem ehelichen Gebrauchsvermö746
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Nacheheliche Aufteilung
gen oder den ehelichen Ersparnissen zugehörende Sache allerdings dem anderen Ehegatten nachfolgend im Aufteilungsverfahren zugewiesen, so kann sich dieser gegen die unzulässige Exekutionsführung mit Oppositionsantrag bzw Oppositionsklage zur Wehr setzen (Berger, RZ 1978, 261; Hackl 167; Hopf/ Kathrein § 96 EheG Anm 4).
C. Tod eines Ehegatten Der Tod eines ehemaligen Ehegatten lässt das Aufteilungsverfahren unberührt. 4 Das Schicksal der Aufteilungsmasse folgt nicht erbrechtlichen Regeln (krit dazu aber Holzner, Ehevermögen 117 ff), ändert somit nichts an der Anwendung der §§ 81 ff EheG (6 Ob 719/81 = SZ 54/166 = EF 38.856; 5 Ob 52/87 = SZ 61/68 = EF 57.402). Das Aufteilungsverfahren ist gegen den Nachlass des verstorbenen Ehegatten einzuleiten bzw gegen diesen weiter zu verfolgen. Dort ist aber die Tatsache des Todes eines Ehegatten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen (LGZ Wien EF 84.716; Stabentheiner/ Rummel § 96 EheG Rz 1).
D. Unpfändbarkeit des Aufteilungsanspruchs Der Aufteilungsanspruch ist höchstpersönlicher Natur und gem § 330 EO 5 unpfändbar. Unpfändbar ist allerdings nur der Aufteilungsanspruch an sich, nicht auch die Gegenstände, die zum ehelichen Gebrauchsvermögen oder zu den ehelichen Ersparnissen gehören. Obwohl der Aufteilungsanspruch gem § 330 EO nicht der Pfändung unterliegt, kann auf Sachen, die zum ehelichen Gebrauchsvermögen oder zu den ehelichen Ersparnissen gehören, exekutiv gegriffen werden (Berger, RZ 1978, 261; Hackl 167; Frauenberger/Burgstaller/Deixler-Hübner § 330 EO Rz 1). Liegen die Voraussetzungen des § 330 EO für die Pfändbarkeit des Anspruchs 6 vor, so ist die Exekution gem §§ 331 ff EO zu führen (LG Feldkirch ExS 1997/82 = EF 85.418; Frauenberger/Burgstaller/Deixler-Hübner, § 330 EO Rz 3); dies gilt auch dann, wenn der Verpflichtete im Aufteilungsverfahren bloß eine Ausgleichszahlung beansprucht. Die Zwangsvollstreckung ist daher nicht nach den §§ 294 ff EO zu führen (LG Klagenfurt EF 61.036).
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§ 97 EheG
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Verträge § 97. (1) Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung ehelicher Ersparnisse oder die Aufteilung der Ehewohnung regeln, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatsaktes. Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung des übrigen ehelichen Gebrauchsvermögens regeln, bedürfen der Schriftform. (2) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens mit Ausnahme der Ehewohnung kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit die Vereinbarung in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteiligt, sodass ihm die Zuhaltung unzumutbar ist. (3) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Nutzung der Ehewohnung durch einen Ehegatten kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit der andere Ehegatte oder ein gemeinsames Kind seine Lebensbedürfnisse nicht hinreichend decken kann oder eine deutliche Verschlechterung seiner Lebensverhältnisse hinnehmen müsste. (4) Weicht das Gericht von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung ab, ist insbesondere auf die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse, die Dauer der Ehe sowie darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit der Vereinbarung eine rechtliche Beratung vorangegangen ist und in welcher Form sie geschlossenen wurde. (5) Die Abs. 1 bis 4 gelten nicht für solche Vereinbarungen, die die Ehegatten im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geschlossen haben. [BGBl I 2009/75, ab 1.1.2010, anzuwenden, wenn der verfahrenseinleitende Antrag oder die Klage nach dem 31.12.2009 bei Gericht eingebracht wird] Lit: Deixler-Hübner, Einige offene Fragen zum reformierten § 97 EheG, Zak 2010, 11; Gitschthaler, Die neuen Vorwegvereinbarungen nach dem FamRÄG 2009, EF-Z 2010, 9; Hopf, Neues im Ehe- und Kindschaftsrecht, ÖJZ 2010, 154; Pesendorfer, Das Familienrechts-Änderungsgesetz 2009: Änderungen im Eherecht, iFamZ 2009, 261; Schwimann, Neues Recht für Vereinbarungen über die nacheheliche Vermögensaufteilung, Zak 2009, 323. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vorwegvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eheliches Gebrauchsvermögen . . . . . . . . . . . . . 2. Eheliche Ersparnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Richterliche Nachkontrolle der Vereinbarungen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–3 4–16 5–7 8 9–16 9
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C.
D. E.
F.
b) Vereinbarungen hinsichtlich der Übertragung dinglicher Rechte an der Ehewohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarungskontrolle hinsichtlich des (übrigen) ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse . . . . . . . . . . . . . . . d) Vereinbarungskontrolle hinsichtlich der Nutzung der Ehewohnung . . Vereinbarung im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Eheauflösung . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ursächlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarungen nach der Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen der Vertragsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wahl des Rechtswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtliche Schritte gegen die Aufteilungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . .
10 11–14 15–16 17–25 17–21 22 23–25 26 27–32 27–30 31 32 33–34
A. Allgemeines Um den Schutz sozial Schwächerer sicherzustellen, hat der Gesetzgeber § 97 1 EheG zwingenden Charakter verliehen und die Gestaltungsmöglichkeit von Aufteilungsvereinbarungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Eheauflösung der Ehegatten stehen, noch bis zum In-Kraft-Treten des FamRÄG 2009 mit 1.1.2010 weitgehend eingeschränkt. Die Tatsache, dass es bislang nicht möglich war, Vorausverfügungen über die Ehewohnung und sonstiges eheliches Gebrauchsvermögen rechtswirksam zu treffen, hat sich – besonders bei bereits geschiedenen Partnern – als ehehindernd erwiesen. Das erklärte Ziel des Reformgesetzgebers war es daher, diese engen Grenzen zu lockern. Nach der neuen Rechtslage sind nun auch vertragliche Vorwegregelungen über das eheliche Gebrauchsvermögen grundsätzlich zulässig. Damit soll gewährleistet werden, dass die von einem Ehegatten eingebrachte bzw von dessen Familie stammende Ehewohnung nicht in die Hände des anderen Ehegatten gelangt. Freilich unterliegen die Vorwegvereinbarungen im Hinblick auf die Existenzsicherung des schwächeren Ehegatten idR einer gerichtlichen Nachkontrolle, was den Gestaltungsspielraum der Ehegatten wieder einschränkt. § 97 EheG unterscheidet aber nach wie vor zwischen Vorwegvereinbarungen, die nur unter Formzwang möglich (Abs 1 bis 4) sind, und den Vereinbarungen gem Abs 5 im ursächlichen Zusammenhang mit der Scheidung, die formfrei getroffen werden können. Hierbei geht der Gesetzgeber schon gem § 85 EheG – auch nach der neuen Rechtslage – davon aus, dass sich die geschiedenen Ehegatten primär ohne gerichtliche Anrufung über die Aufteilung des Ehevermögens außergerichtlich einigen sollen. Bei den Vorwegvereinbarungen ist hinsichtlich der unterschiedlichen gesetzlichen Formvorschriften zwischen dem ehelichen Gebrauchsvermögen – 749
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hier aber besonders der Ehewohnung – und den ehelichen Ersparnissen zu unterscheiden. 2 Gem Art 18 § 3 FamRÄG 2009 ist § 97 EheG nF auch anzuwenden, wenn der verfahrenseinleitende Antrag oder die Klage nach dem 31.12.2009 bei Gericht eingebracht wurde. Auch die vor diesem Zeitpunkt getroffenen Vereinbarungen sind daher rechtsgültig, wenn sie iSd Bestimmungen getroffen wurden – daher etwa auch Vereinbarungen über die Ehewohnung. Das bedeutet aber auch, dass das Aufteilungsgericht auch noch „Altvereinbarungen“ einer gerichtlichen Nachkontrolle iSd § 97 Abs 2 bis 4 EheG unterziehen kann. Insoweit ist sogar hinsichtlich der Rechtssicherheit eine Verschlechterung der Rechtslage eingetreten. 3 Mit Vereinbarungen nach § 97 EheG kann nur das Vertragsverhältnis der Ehegatten geregelt, nicht aber in Rechte Dritter eingegriffen werden – etwa in die des Vermieters (6 Ob 725/83 = EF 44.788; 1 Ob 584/91 = EF 67.628; Stabentheiner/Rummel § 97 EheG Rz 5). Ein solcher Eingriff in Rechte Dritte kommt nur im Zug des Aufteilungsverfahrens gem § 87 und 88 EheG in Betracht. § 97 EheG gilt nicht für Abgeltungsansprüche auf Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen gem § 98 ABGB. Vereinbarungen betreffend dieser Ansprüche sind daher nicht gem § 97 EheG beschränkt (8 Ob 232/99x = EF 94.037).
B. Vorwegvereinbarungen 4 Seit dem FamRÄG 2009 sind nun Vorwegvereinbarungen sowohl über die ehelichen Ersparnisse, als auch über das eheliche Gebrauchsvermögen grundsätzlich zulässig, doch bestehen dafür unterschiedliche Formvorschriften. Um allen Interessengruppen möglichst gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Ehewohnung sowohl ein „opt-in“, als auch ein „opt-out-Modell“ geschaffen. In Hinkunft kann nun einerseits vereinbart werden, dass die von einem Ehegatten in die Ehe eingebrachte Ehewohnung auch ohne die Voraussetzungen des § 82 Abs 1 EheG in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen ist, andererseits können die Ehegatten aber auch gem § 87 Abs 1 Satz 2 EheG die Übertragung des Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechts an der Ehewohnung ausschließen. Liegt eine rechtsgültige Vorwegvereinbarung vor, so ist grundsätzlich auch nach neuer Rechtslage ein Aufteilungsverfahren im Rahmen der Vereinbarung unzulässig. Die Auslegung der – auch in einem gerichtlichen Vergleich – getroffenen Vereinbarung richtet sich nach § 914 ABGB. Diese ist so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (1 Ob 102/68 = SZ 41/55; 3 Ob 2/98k; 8 Ob 232/99x = EF 94.037). Enthält die Vereinbarung in Form einer Punktation alle wesentlichen Umstände in einer endgültigen 750
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Form, dann liegt idR kein Vorvertrag, sondern ein verbindlicher Vertrag vor (8 Ob 232/99x = EF 94.037). 1. Eheliches Gebrauchsvermögen
Gem § 97 Abs 1 Satz 1 EheG aF konnte bislang von vornherein auf die Auftei- 5 lung von ehelichem Gebrauchsvermögen und diesbezüglichen Ausgleichszahlungen nicht verzichtet werden. Nach der Rechtslage seit dem FamRÄG 2009 können die Ehegatten nun im Voraus über jegliches Ehevermögen Vereinbarungen treffen, wenn die gesetzlichen Formvorschriften eingehalten werden. Beziehen sich diese Vorwegvereinbarungen bloß auf das sonstige eheliche Gebrauchsvermögen, so kann dies in Schriftform, mithin unterschriftlich iSd § 886 ABGB geschehen. Ist jedoch die Ehewohnung – bzw auch die ehelichen Ersparnisse – von der vertraglichen Regelung betroffen, so ist die Notariatsaktform einzuhalten (§ 97 Abs 1 Satz 1 EheG). Es ist allerdings dringend zu raten, stets diese verschärfte Formvorschrift zu beachten, will man auf der sicheren Seite sein. Einerseits werden die Ehegatten wohl in der Mehrzahl der Fälle eine Gesamtregelung anstreben, andererseits kann sich die rechtliche Gestalt einer Sache im Lauf der Zeit ändern. Eine zunächst als eheliches Gebrauchsvermögen definierte Sache, über die in Schriftform disponiert wurde, kann sich somit im Nachhinein als rechtsungültig erweisen, wenn diese zum Aufteilungszeitpunkt den ehelichen Ersparnissen zuzurechenen ist, bzw eine Vereinbarung über eine Ferienwohnung, die später als Ehewohnung benutzt wird (vgl zu diesem Problem 3 Ob 187/07g = Zak 2008/ 192; 1 Ob 119/09w = Zak 2009/662). Es stellt sich aber auch die Frage, wie zu verfahren ist, wenn schon von Vornherein in bloß einfacher Schriftform neben der Aufteilungsvereinbarung über eheliches Gebrauchsvermögen auch Verfügungen über eheliche Ersparnisse oder die Ehewohnung getroffen worden sind. In diesem Fall wird man in den überwiegenden Fällen die Rechtsungültigkeit der Gesamtvereinbarung annehmen müssen, weil sich diese Teilvereinbarungen gegenseitig bedingen bzw meist zusammenhängen – etwa wenn ein Ehegatte Großteile des Gebrauchsvermögens, der andere Teil aber die gesamten ehelichen Ersparnisse erhalten soll (ebenso Gitschthaler, EF-Z 2010, 10 [12]). Aber auch dann, wenn die Ehegatten form- und damit rechtsgültige Vereinbarungen getroffen haben, können sie sich nicht darauf verlassen, dass diese vertraglichen Regelungen im Fall eines Falles auch tatsächlich halten, weil diese stets einer Nachkontrolle durch das Aufteilungsgericht unterliegen, wenn deren Einhaltung für den anderen Ehegatten grob unbillig und damit unzumutbar ist. Hinsichtlich der Ehewohnung können die (zukünftigen) Ehegatten sowohl 6 Vereinbarungen zu deren sachenrechtlichen Schicksal – etwa ein Ausschluss einer Eigentumsübertragung – oder über deren Nutzung treffen, etwa durch 751
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Vereinbarung eines zeitlich befristeten Bestandverhältnisses. Vgl zu den Unterschieden in der richterlichen Vereinbarungskontrolle Rz 9 ff. Im Zusammenhang mit der Vorwegvereinbarung über die Ehewohnung stellen sich mehrere Fragen: Weil § 87 Abs 1 Satz 2 EheG nF davon spricht, dass „die Übertragung des Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechts“ an einer Wohnung von den Ehegatten durch Vereinbarung ausgeschlossen werden kann, ist fraglich, ob auch das Gegenteil – also die Übertragung des Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechts – vom Gesetz erfasst wird. Dies ist zu bejahen. Zwar war es primärer Gesetzestenor zu verhindern, dass es hinsichtlich eingebrachter Wohnungen zu ungerechtfertigten Eigentumsübertagungen kommt, doch kann durch einen Größenschluss auch der weniger problematische gegenteilige Fall von Rechtsübertragungen einbezogen werden (vgl Deixler-Hübner, Zak 2010/8). Auch die Mat sprechen eher für diese Auslegung (vgl IA 673/A 24. GP 34). Weiters ist umstritten, ob diese bindungsfeste Vorwegvereinbarung bloß die eingebrachte Ehewohnung betrifft oder auch jene, die während der Ehegemeinschaft geschaffen bzw erworben wurde (vgl dazu Rz 10). 7 Obwohl bislang nach dem Wortlaut des § 97 Abs 1 aF nur ein Verzicht auf den Aufteilungsanspruch ausgeschlossen war, wurde diese Vorschrift nach bisher hA so ausgelegt, dass bezüglich des ehelichen Gebrauchsvermögens im Vorhinein keine rechtswirksame vertragliche Vereinbarung getroffen werden kann (7 Ob 119/98w = EF 87.596; Stabentheiner/Rummel § 97 EheG Rz 1; Bernat/Schwimann § 97 EheG Rz 2; aA offenbar Hopf/Kathrein § 97 EheG Anm 1; Koch/KBB § 97 EheG Rz 2). Dem war nicht zuzustimmen, weil diese Auffassung dem klaren Gesetzeswortlaut widersprach. Die Ehegatten konnten daher schon bisher zwar Dispositionen über das eheliche Gebrauchsvermögen treffen, dies jedoch mit der Maßgabe, dass sich der (im Nachhinein) übervorteilte Ehegatte an das Aufteilungsgericht wenden konnte, weil ja auf den Aufteilungsanspruch an sich – sowie auf das gerichtliche Verfahren – nicht verzichtet werden konnte. Machte kein Ehegatte seinen Aufteilungsanspruch binnen der Präklusivfrist des § 95 EheG im Aufteilungsverfahren geltend, so erlangte sie damit volle Rechtswirksamkeit, sodass im streitigen Verfahren auf Zuhaltung dieser Vereinbarung geklagt werden konnte (Hopf/ Kathrein § 97 EheG Anm 2; Hinteregger, Familienrecht 115; K/W I 472; aA Stabentheiner/Rummel § 97 EheG Rz 1; Bernat/Schwimann § 97 EheG Rz 2; 7 Ob 47/99h = EF 94.033). Der OGH sprach sich gegen die Einklagbarkeit auf dem ordentlichen Rechtsweg nach Fristablauf vor allem mit dem Argument aus, dies führe zu einem Unterlaufen der Ungültigkeitsanordnung in § 97 Abs 1 EheG aF. Dieses Argument war schon deshalb verfehlt, weil eine Ungültigkeitsanordnung weder aus dem Wortlaut des § 97 Abs 1 Satz 1 EheG aF noch aus den Gesetzesmaterialien ableitbar war (vgl JAB 20). Wurde eine Vorwegvereinbarung im 752
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Hinblick auf eheliches Gebrauchsvermögen getroffen, so konnte das Außerstreitgericht unter Abwägung aller Billigkeitsaspekte eine andere Entscheidung treffen, doch hatte es auch die von den Ehegatten getroffene Vereinbarung nach Maßgabe der Billigkeit bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen (7 Ob 761/79 = JBl 1980, 538; 7 Ob 47/99h = EF 94.032 ua). Das Außerstreitgericht hatte daher bei der Beurteilung der Frage, auf welche Weise das Vermögen nach Billigkeit aufzuteilen ist, auf den Inhalt der von den Ehegatten geschlossenen, aber rechtsungültigen Vereinbarungen und die Gründe, warum sie zu dieser Vereinbarung gekommen sind, Bedacht zu nehmen. Diese Frage stellt sich auch noch nach neuer Gesetzeslage und wird von Gitschthaler iSd bisherigen Rsp beantwortet (EF-Z 2010, 9 [15]; aM offenbar Schwimann, Zak 2009, 323): Nach alter Rechtslage sei die gerichtliche Durchsetzbarkeit der rechtsungültigen Vereinbarung daran gescheitert, dass gem § 97 Abs 1 EheG aF eben auf die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Voraus nicht rechtswirksam verzichtet werden konnte; aber auch nach neuer Rechtslage könne aus formungültigen Vereinbarungen nicht geklagt werden, weil gesetzliche Bestimmungen nicht noch ausdrücklich die Ungültigkeit einer Vereinbarung anordnen müssen, wenn ohnehin die Notariatsaktform vorgesehen sei. Dieses Argument ändert mE aber nichts daran, in einem solchen Fall eine schwebende Rechtsunwirksamkeit anzunehmen, wenn der Aufteilungsantrag verfristet ist. Es ist immer noch – vor allem verfahrensökonomisch – besser, sich zwar auf eine formungültige Vereinbarung berufen zu können, die aber den eindeutigen Willen der Ehegatten bekundet, als im Nachhinein aufwändige Verfahren führen zu müssen. Überdies steht dem Aufteilungsgericht nach Verfristung des Antrags ohnehin nicht mehr die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle zu. Im streitigen Verfahren können die Parteien aber freilich Willensmängel oder Sittenwidrigkeit einwenden.
2. Eheliche Ersparnisse
Die Ehegatten konnten auch schon nach alter Gesetzeslage vorweg, ohne dass 8 der Aufteilungsanspruch bereits entstanden war, vereinbaren, wie im Fall der Eheauflösung das derzeit vorhandene, als eheliches Ersparnis zu wertende Vermögen aufzuteilen sein wird. Daran ändert sich hinsichtlich der grundsätzlichen Vereinbarkeit auch nach dem FamRÄG 2009 nichts. Die Ehegatten können aber auch über zukünftiges Vermögen disponieren. Bereits vor oder während aufrechter Ehe geschlossene Vereinbarungen über die Aufteilung dieser ehelichen Ersparnisse bedürfen allerdings zur Wirksamkeit gem § 97 Abs 1 Satz 1 EheG eines Notariatsakts (4 Ob 33/99b = EF 90.514, 94.028; 5 Ob 173/06m = FamZ 46/07). Ungeachtet der grundsätzlichen Rechtswirksamkeit dieser Vereinbarung, kann das Aufteilungsgericht davon abweichen, wenn die Zuhaltung dieser Vereinbarung bei einer Gesamtbetrachtung der Vermögens753
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lage der Ehegatten den anderen Teil unzumutbar benachteiligen würde. Es hat sich also insofern die Rechtslage nach dem FamRÄG 2009 verschärft, als diese Vereinbarungen bislang – innerhalb der Grenzen der guten Sitten – absolut unangreifbar waren (vgl auch Gitschthaler, EF-Z 2010, 10). Aus einer formgültigen Vereinbarung konnte das Aufteilungsgericht daher nicht angerufen werden.
3. Richterliche Nachkontrolle der Vereinbarungen a) Allgemeines
9 Nach Rechtslage des FamRÄG 2009 ist den Ehegatten zwar nun die grundsätzliche Befugnis eingeräumt, unter Einhaltung bestimmter Formvorschriften vertraglich über das gesamte Ehevermögen vorweg formell verfügen zu können, doch besteht keinerlei Rechtssicherheit, dass diese getroffenen Regelungen im Ernstfall auch halten. Je nachdem, um welche Sachen es sich dabei handelt und ob an der Ehewohnung eine bloße Nutzungsvereinbarung oder eine sachenrechtliche Zuordnung getroffen wurde, bestehen teils komplizierte und unübersichtliche Bestimmungen zur richterlichen Nachkontrolle im Rahmen des Aufteilungsverfahrens. b) Vereinbarungen hinsichtlich der Übertragung dinglicher Rechte an der Ehewohnung
10 Werden Vereinbarungen über dingliche Rechte an der Ehewohnung getroffen, so kann das Aufteilungsgericht gem § 97 Abs 2 Satz 1 EheG davon nicht abgehen. Strittig ist, ob diese bindungsfeste Vorwegvereinbarung bloß die eingebrachte Ehewohnung betrifft oder auch jene, die während der Ehegemeinschaft geschaffen wurde. ME ist auch der zweite Fall hier einzubeziehen. ISd § 97 Abs 1 EheG nF ist davon auszugehen, dass über jegliches Gebrauchsvermögen und somit auch den Spezialfall der in der Ehe angeschafften Ehewohnung entsprechende Vereinbarungen getroffen werden können, weil das Gesetz sonst zweifelsohne von der „eingebrachten“ Ehewohnung ausgegangen wäre (Deixler-Hübner, Zak 2010, 11; idS auch Hopf, ÖJZ 2010, 154 [160] und offenbar auch Pesendorfer, iFamZ 2009, 261). Auch in den Mat findet sich kein Hinweis auf eine solche Interpretation contra legem (JA 673/A 24. GP 34). Schwimann will jedoch mittels teleologischer Reduktion des § 97 Abs 2 EheG nF die Ausnahme von der richterlichen Nachkontrolle bloß auf die eingebrachte, ererbte oder geschenkte Ehewohnung beschränken (Zak 2009, 323; ebenso Gitschthaler, EF-Z 2010, 11). ME ist diese Auffassung abzulehnen. Neben der Wortinterpretation ergibt auch der Gesetzestenor keine Anhaltspunkte, hier bloß die eingebrachte Ehe754
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wohnung einzubeziehen. Es war ja nicht einziger Gesetzeszweck, bloß die formell eingebrachte Ehewohnung vor dem „richterlichen Gestaltungszugriff“ zu schützen, obgleich dies die Mehrzahl der Fälle betrifft. Auch im Hinblick auf die in aufrechter Ehe geschaffene Ehewohnung kann der Grund für eine bindungsfeste Vorwegvereinbarung darin liegen, dass das Geld dafür von einem Ehegatten bzw dessen Verwandten stammt. Eine andere Auslegung führte auch zu Wertungswidersprüchen: Wird die Wohnung noch kurz vor der Eheschließung angeschafft, wäre die Vereinbarung bindungsfest; geschieht dies erst kurze Zeit später, nicht mehr. Im Übrigen sind die richterlichen Anordnungsbefugnisse schon wegen des Grundsatzes des Eigentumserhalts gem § 90 Abs 1 EheG in der Praxis ohnehin weitgehend auf die Einräumung eines Nutzungsverhältnisses gerichtet. Die Vermeidung existenzieller Gefährdung des anderen Ehegatten ist somit durch § 97 Abs 3 EheG nF ausreichend gesichert. Vgl auch § 87 EheG Rz 7. c) Vereinbarungskontrolle hinsichtlich des (übrigen) ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse
Von einer getroffenen Vorwegvereinbarung über das sonstige eheliche Ge- 11 brauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse kann das Gericht gem § 97 Abs 2 EheG hingegen abweichen, soweit die Vereinbarung in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteiligt, sodass ihm die Zuhaltung unzumutbar ist. Die Mat gehen davon aus, dass das Aufteilungsgericht nur bei einer über die allgemeine Unbilligkeit iSd § 83 EheG hinausgehenden groben Ungleichgewichtslage einschreiten und hier korrigierend eingreifen kann, weil anderenfalls ja die eingeräumte Privatautonomie wieder konterkarriert würde. Nur grob benachteiligende Vereinbarungen unterliegen der aufteilungsrichterlichen Nachkontrolle, ohne dass freilich das Maß der Sittenwidrigkeit erreicht ist. Letztlich bestehen daher nun drei verschiedene Maßstäbe: „die schlicht unbilligen“ Vereinbarungen, die bindungsfest sind, die grob benachteiligenden Vereinbarungen, die das Aufteilungsgericht im Sinne einer Anpassung zu korrigieren hat, und die sittenwidrigen Vereinbarungen, die im streitigen Verfahren angefochten werden können (so auch offenbar Pesendorfer, iFamZ 2009, 261). Die Grenzen sind hier aber fließend und nicht immer klar zu ziehen. Hinsichtlich der Abgrenzung der Rechtswege bestehen daher nun freilich gewisse Rechtsunsicherheiten (vgl dazu Rz 27 ff). Nach der neuen Gesetzeslage kann das Gericht nicht nur dann korrigierend 12 eingreifen, wenn die vertragliche Regelung bereits ursprünglich grob unausgewogen war, etwa wenn ein Ehegatte im Verhältnis zu seinem Partner mit „Almosen abgefertigt wird“ (Mat; Schwimann, Zak 2009, 323), sondern auch 755
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dann, wenn sich eine ursprünglich ausgewogene Vereinbarung im Nachhinein als grob unbillig herausstellt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung auch eine Umstandsklausel bei den Aufteilungsvereinbarungen installiert hat (Schwimann, Zak 2009, 323; Gitschthaler, EFZ 2010, 9). Das Gericht kann nunmehr – im Gegensatz zur alten Rechtslage – auch bei ungünstigen ehelichen Entwicklungen eingreifen – eine Tatsache die die Rechtssicherheit einer Vereinbarung noch zusätzlich beeinträchtigt. 13 § 97 Abs 4 EheG nF nennt dabei die Kriterien, die das Gericht zu beachten hat: Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse, die Dauer der Ehe, die Form der Vereinbarung und die Tatsache, ob der Vereinbarung eine rechtliche Beratung vorausgegangen ist. Hat man daher die Vereinbarung in Notariatsaktform getroffen, so sind vor allem die beiden erstgenannten Umstände maßgebend. In den Mat findet sich jedoch kein Hinweis darauf, welche Personen oder Stellen als solche geeigneten Informationsquellen infrage kommen, um von einer informierten Zustimmung ausgehen zu können. Weil die Tatsache der rechtlichen Beratung aber auch auf verfahrensrechtlicher Ebene – nämlich in § 460 Z 6a ZPO und § 95 Abs 1 AußStrG – eine Rolle spielt, können idZ auch die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen herangezogen werden (vgl JA 673/A 24. GP 31). Hier werden in erster Linie die rechtsberatenden Berufe – mithin Rechtsanwälte und Notare –, aber auch Familienberatungsstellen genannt. Offen bleibt, ob noch andere Informationsquellen – wie richterliche Aufklärung im Rahmen des Amtstags oder Beratungen durch andere Einrichtungen – etwa universitäre Institute – iSd Bestimmungen ausreichende Beratung bieten (vgl dazu Deixler-Hübner, Zak 2010, 11). 14 Das lässt freilich – wegen des demonstrativen Charakters des § 97 Abs 4 EheG nF – die Tatsache unberührt, dass das Gericht auch alle anderen Billigkeitskriterien heranziehen kann, etwa das Kindeswohl oder ein allfälliges Verschulden eines Ehegatten, das sich benachteiligend auf die Vermögensentwicklung ausgewirkt hat. Diese benachteiligenden Veränderungen dürfen allerdings erst nach Eheschließung und vor dem Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft eingetreten sein (aM offenbar Gitschthaler, EF-Z 2010, 9, der idZ erst den Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung als Begrenzungskriterium heranziehen will). Veränderungen nach diesem Zeitpunkt können aber mE schon deshalb keine Rolle mehr spielen, weil die Aufhebung der Ehegemeinschaft auch schon für die Beurteilung der Aufteilungsmasse gem § 81 Abs 2 und 3 EheG abgrenzend wirkt (stRsp; vgl auch § 81 Rz 4).
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d) Vereinbarungskontrolle hinsichtlich der Nutzung der Ehewohnung
Vereinbarungen über die Wohnungsnutzung unterliegen jedenfalls bei Vorlie- 15 gen bestimmter Unzumutbarkeitskriterien der nachfolgenden aufteilungsrichterlichen Kontrolle. Gem § 97 Abs 3 EheG nF kann das Gericht von der getroffenen Vereinbarung vor allem dann abweichen, wenn der andere Ehegatte oder ein gemeinsames Kind seine Lebensbedürfnisse nicht hinreichend decken kann oder eine deutliche Verschlechterung seiner Lebensverhältnisse hinnehmen müsste. Dabei ist dem Gericht – wie auch bei der Interpretation des Begriffs „berücksichtigender Bedarf eines gemeinsamen Kindes“ in § 82 Abs 2 EheG (vgl dazu 5 Ob 192/08h = iFamZ 2009/82) ein Ermessensspielraum einzuräumen. Die Mat (IA 673/A 24. GP 35) nennen hier vor allem den Fall des Verlusts des Arbeitsplatzes oder den Schul- bzw Ausbildungswechsel für das Kind, Umstände, die die Rsp auch bei der Auslegung des Begriffs des berücksichtigungswürdigen Bedarfs des gemeinsamen Kindes heranzieht. Aufgrund der schärferen Diktion des Gesetzes ist mE zwar davon auszugehen, dass das in § 82 Abs 2 EheG angeführte Kriterium die eingriffsschwächere Norm darstellt, doch kann auch die dazu ergangene Rsp hier als unteres Limit der Nachkontrollmöglichkeit herangezogen werden. Diese Tatsache beschränkt aber die Vereinbarungsbindung noch weiter. Die Mat verweisen darauf (JA 673/A 24. GP 35), dass das Gericht auch hier die 16 in § 97 Abs 4 EheG nF angeführten Paramenter heranzuziehen hat (vgl Rz 13 f). Schwimann (Zak 2009, 323) verneint allerdings, dass hier trotz des klaren Gesetzeswortlauts andere Kriterien – wie Anzahl, Alter, Persönlichkeitsstruktur, Ausbildung und Gesundheit der bedürftigen Personen oder ein Vermögensausgleich zwischen den Ehegatten – zu gelten haben. Freilich kann das Gericht aufgrund des demonstrativen Charakters der Bestimmung auch diese Maßstäbe – allerdings neben den in § 97 Abs 4 EheG nF erwähnten – heranziehen.
C. Vereinbarung im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Eheauflösung 1. Voraussetzungen
Die Schranken des § 97 Abs 2 bis 4 EheG fallen auch nach neuer Rechtslage 17 weg, sobald eine Vereinbarung über die Aufteilungsmasse im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geschlossen wird (§ 97 Abs 5 EheG). In diesem Fall kommt es auch auf die Formvorschriften des § 97 Abs 1 bis 4 EheG nicht an (2 Ob 111/01i = EF 97.403). Für eine Aufteilungsvereinbarung nach § 97 Abs 5 EheG ist auch die 757
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Schriftform nicht gesetzlich vorgeschrieben (7 Ob 47/99h = EF 94.030; 10 Ob 63/07y). § 97 Abs 5 EheG wird durch die Bestimmung des § 55a Abs 2 EheG, wonach die Ehegatten dem Gericht bei der einvernehmlichen Scheidung eine schriftliche Vereinbarung über ihre vermögensrechtlichen Ansprüche zueinander zu unterbreiten oder vor Gericht zu schließen haben, nicht eingeschränkt (2 Ob 111/01i; 6 Ob 37/03i = EF 105.011). Ein Formzwang gem Abs 5 besteht selbst dann nicht, wenn in der Aufteilungsvereinbarung der Ehegatten eine Schenkung auf den Todesfall zu Gunsten eines gemeinsamen Kindes geregelt wird, weil diese Vereinbarung nicht unentgeltlich erfolgt ist (4 Ob 569/89 = NZ 1991, 11; Bernat/Schwimann § 97 EheG Rz 10). 18 In einem Eheauflösungsverfahren kann gem § 97 Abs 5 EheG auf sämtliche Aufteilungsansprüche auch zur Gänze verzichtet werden (6 Ob 531/88 = SZ 61/54). Weil die Regelung exakt jener des § 97 Abs 2 EheG aF entspricht, gilt diese auch für sämtliche Vereinbarungen, sodass die Regelungen des § 97 Abs 2 bis 4 hier unanwendbar sind. Darauf weist ja auch der klare Gesetzeswortlaut eindeutig hin. Nach Gitschthaler (EF-Z 2010, 10 [14]) sollte die Ausschlussanordnung allerdings teleologisch auf die Formvorschriften des Abs 1 reduziert werden. Nach der bisherigen Rechtslage betraf § 97 Abs 1 aF ja deshalb bloß die Formvorschriften, weil Vereinbarungen über das eheliche Gebrauchsvermögen schon per se ausgeschlossen waren. Für eine teleologische Reduktion besteht mE daher keinerlei Anlass; der Ausschluss der Anwendung der Abs 1 bis 4 auf Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Scheidung ist im Übrigen auch erklärter Wille des Gesetzgebers (idS offenbar auch Schwimann, Zak 2009, 323 und Hopf, ÖJZ 2010, 154 [163]). Treffen die Ehegatten nämlich Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren, so besteht mE keinerlei Notwendigkeit, mündigen Bürgern auch noch in diesem Stadium, in dem sie die Rechtsfolgen bereits überblicken können, diesen gesetzlichen Schutz angedeihen zu lassen, wie er für Vorwegvereinbarungen und somit für schwer überblickbare Zeiträume angemessen sein mag. Neben der Gesetzesteleologie sind aber noch andere Erwägungen anzuführen: Ist die Vereinbarung tatsächlich unter Willensmängeln bzw sittenwidrig zustande gekommen, so kann sie vom übervorteilten Ehegatten ohnehin noch angefochten werden. Gitschthalers Auffassung würde zudem dazu führen, dass der Zweck des § 85 EheG und § 55a Abs 2 EheG völlig konterkarriert und die Gerichte mit nachfolgenden Aufteilungsverfahren überfrachtet würden; stets könnte ein Ehegatte im Nachhinein auf die Idee kommen, vielleicht doch übervorteilt worden zu sein – ein unhaltbares Ergebnis im Hinblick auf die Prozessökonomie wie auch die Eigenverantwortung der Parteien! Wie auf den Unterhaltsanspruch, kann auch auf den Aufteilungsanspruch im Rahmen der Scheidung gänzlich verzichtet werden (6 Ob 531/88 = SZ 61/54). Dieser Verzicht wäre aber nach 758
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Nacheheliche Aufteilung
Gitschthaler in den überwiegenden Fällen offenbar durch das Aufteilungsgericht nachprüfbar. So wie im Unterhaltsbereich kann das Gericht im Nachhinein auch bei der Aufteilungsvereinbarung nur allenfalls dann eingreifen, wenn Sittenwidrigkeit anzunehmen ist. Diese Rechtslage sollte nicht durch überzogene Ansprüche in Frage gestellt und damit der Rechtsunsicherheit noch weiter Vorschub geleistet werden! Auch im Rahmen der einvernehmlichen Scheidung wird von den Parteien in 19 der Praxis häufig – meist in Form einer Generalklausel – auf weitere Aufteilungsansprüche verzichtet. Freilich kann dieser Verzicht nicht als „pactum de non petendo“ ausgestaltet sein, daher auf die Einleitung des Aufteilungsverfahrens selbst nicht rechtsgültig verzichtet werden (1 Ob 568/92 = SZ 65/65; 5 Ob 43/07w = EF-Z 2007/106; vgl auch § 85 EheG). Im Übrigen genügt eine in den Scheidungsfolgenvergleich aufgenommene allgemeine Klausel, nach der weitere aufzuteilende Werte nicht vorhanden bzw bereits aufgeteilt worden seien, den Anforderungen an eine schriftliche Vereinbarung iS des § 55a Abs 2 EheG nur dann, wenn sie auf einer außergerichtlich zustande gekommenen vermögensrechtlichen Vereinbarung bzw einer bereits tatsächlich vollzogenen Teilung beruht (1 Ob 596/87 = SZ 60/95; 5 Ob 43/07w). Die Generalklausel „indiziert“ regelmäßig jedoch eine umfassende Aufteilungsregelung (5 Ob 43/ 07w). Schließen Ehegatten iZm einem Verfahren zur einvernehmlichen Scheidung 20 eine vermögensrechtliche Vereinbarung, so ergibt die Vertragsauslegung idR, dass bei Scheitern einer einvernehmlichen Scheidung die Vereinbarung mangels Bedingungseintritts keine Rechtsfolgen nach sich ziehen soll (1 Ob 178/ 07v = iFamZ 2008/21 = EF-Z 2008/57 = Zak 2008/16). Aus dieser ursprünglichen Vereinbarung kann daher idR nicht auf Zuhaltung geklagt werden. Der von § 97 Abs 5 EheG geforderte Zusammenhang tritt unter zwei Aspek- 21 ten zutage, nämlich als zeitlicher und als ursächlicher Zusammenhang. Er wird somit durch ein sachliches und ein zeitliches Naheverhältnis dieser zwei Ereignisse begründet (7 Ob 47/99h = EF 94.038; 10 Ob 63/07y mwN). 2. Zeitlicher Zusammenhang
In einem zeitlichen Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren stehen 22 jedenfalls Vereinbarungen, die unmittelbar vor Einleitung eines solchen Verfahrens abgeschlossen worden sind. Obwohl auch die ältere Rsp nicht primär die Länge des Zeitraums, der zwischen der Vereinbarung und der Scheidung liegt, als ausschlaggebend erachtet, diesem daher nur Indizfunktion zugemessen hat (etwa 7 Ob 47/99h = EF 94.040), wurde dennoch bislang ein längerer Zeitraum – etwa von 9 Monaten – zwischen Vereinbarung und Scheidungsklage nicht mehr toleriert (7 Ob 47/99h = EF 94.039). Nach der jüngeren Rsp 759
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ist allerdings das Zeitmoment nicht mehr relevant, wenn der ursächliche Zusammenhang bejaht werden kann (10 Ob 2402/96z; 7 Ob 26/04 f = EF 108.430; vgl auch Rz 25). Ein Zeitraum von 15 Jahren zwischen der Aufteilungsvereinbarung und der Scheidung kann allerdings keinen unmittelbaren Zusammenhang mehr darstellen (1 Ob 33/10z = iFamZ 2010/201). 3. Ursächlicher Zusammenhang
23 Der ursächliche Zusammenhang stellt darauf ab, ob bereits bei Abschluss der Vereinbarung die konkrete Absicht bestanden hat, sich in absehbarer Zeit scheiden zu lassen. Ab dem Entstehen der Scheidungsabsicht ist eine außergerichtliche Vereinbarung – aufschiebend bedingt durch die künftige Eheauflösungsentscheidung – rechtswirksam (6 Ob 37/03i = EF 105.009 = ecolex 2004, 446; LGZ Wien EF 120.371). Diese Absicht kann bei beiden Ehegatten vorgelegen sein, wenn sie sich einvernehmlich scheiden lassen wollen (9 Ob 234/00b = EF 94.042; 6 Ob 36/03i = EF 105.009 = ecolex 2004, 446), oder auch nur bei einem von ihnen; im letzteren Fall muss die Absicht vom Scheidungswilligen auch verwirklicht werden können (7 Ob 398/97y), welche Voraussetzung jedenfalls dann gegeben ist, wenn die Scheidungsklage bereits überreicht war (8 Ob 35/07s). Die Ehegatten dürfen somit die Wiederaufnahme der Ehegemeinschaft nicht mehr ernsthaft angestrebt haben (LGZ Wien EF 120.371). Steht aber ein solcher Zusammenhang fest, ist es unerheblich, ob die Scheidung nach § 49 EheG oder § 55a EheG erfolgt (7 Ob 47/99h = EF 94.036; 8 Ob 232/99x). Haben die Ehegatten allerdings ausdrücklich bzw nach dem Parteiwillen nur eine Vereinbarung für den Fall einer einvernehmlichen Scheidung getroffen, dann hat eine solche für den Fall einer streitigen Scheidung keine Rechtswirksamkeit mehr. Mit dem Nichtzustandekommen einer einvernehmlichen Scheidung ist daher der Scheidungsfolgenvergleich mangels Bedingungseintritts nicht wirksam geworden, sodass die Ehegatten eine gerichtliche Aufteilung beantragen können (9 Ob 76/04y = NZ 2006/49; 1 Ob 178/07v = iFamZ 2008/21 = EF-Z 2008/57 = Zak 2008/16). An diesem ursächlichen Zusammenhang ändert auch idR die Tatsache nichts, dass die Parteien das Verfahren ruhen lassen (LGZ Wien EF 120.371). 24 Kein ursächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn keine konkrete Scheidungsabsicht zum Vereinbarungszeitpunkt bestanden hat, sondern eine solche Vereinbarung nur für den abstrakten Fall einer eventuellen Scheidung in fernerer Zukunft getroffen wurde (3 Ob 590/81 = EF 38.914; 7 Ob 398/97y = EF 87.595; Stabentheiner/Rummel § 97 EheG Rz 3). Dieser ursächliche Zusammenhang besteht auch dann nicht mehr, wenn er durch Zwischenursachen unterbrochen wurde – etwa eine vorübergehende Versöhnung der Ehegatten (9 Ob 360/97z = EF 84.717, 7 Ob 398/97y = EF 760
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87.595; 7 Ob 26/04 f = EF 108.430; LGZ Wien EF 120.371). Eine solche wird anzunehmen sein, wenn die Ehegatten wieder zusammenziehen, gemeinsame Urlaube verbringen oder nach außen wieder als Liebespaar auftreten. Fallweise Intimitäten werden idR – wie auch nach § 56 EheG – nicht als Wiederversöhnung aufzufassen sein, wenn damit nicht der Wille verbunden ist, die Beziehung wieder umfassend aufzunehmen. Voraussetzung des § 97 Abs 5 EheG ist daher primär, dass die Ehegatten nach Vertragsabschluss die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr ernsthaft anstreben. Dieser ursächliche Zusammenhang kann stets nur im konkreten Einzelfall beurteilt werden (2 Ob 111/01i = EF 97.405). Ist es nicht zu einer Wiederversöhnung der Ehegatten gekommen, so ist nach 25 der jüngeren Rsp das zeitliche Moment von keiner rechtlichen Bedeutung mehr. Ab dem Entstehen der Scheidungsabsicht ist eine außergerichtliche formlose Vereinbarung wirksam, sofern nur zwischen dem Abschluss einer solchen Vereinbarung und dem später geltend gemachten Scheidungsgrund ein Zusammenhang besteht. Dann ist es unwesentlich, ob bis zur tatsächlichen Ehescheidung einige Monate verstreichen oder ob die Scheidung letztlich erst nach dreijähriger Trennung gem § 55 Abs 3 EheG angestrebt wird (10 Ob 2402/96z; 7 Ob 26/04 f = EF 108.430; LGZ Wien EF 120.371; vgl aber 10 Ob 63/07y, wo dem zeitlichen Moment doch noch gewisse Relevanz zugemessen wird).
D. Vereinbarungen nach der Scheidung Eine Vereinbarung nach der Ehescheidung erfüllt nach Auffassung der Rsp die 26 Voraussetzungen des § 97 Abs 5 EheG nicht. Eine Aufteilungsvereinbarung über eheliche Ersparnisse könne nur unter Beachtung der Formvorschriften des Abs 1 getroffen werden und vermag im Hinblick auf das eheliche Gebrauchsvermögen den Aufteilungsanspruch nicht auszuschließen (6 Ob 531/ 88 = SZ 61/54 = EF XXV/4; Stabentheiner/Rummel § 97 EheG Rz 3; aA [für die während eines Aufteilungsverfahrens außergerichtlich geschlossene Vereinbarung] 1 Ob 751/80 = SZ 53/150; 8 Ob 572/92 = EF 69.373; 8 Ob 611/92 = EF 70.554; 10 Ob 63/07y). Dies ist fragwürdig, weil unter Anwendung eines Größenschlusses auch jedenfalls Vereinbarungen nach der Scheidung von § 97 Abs 5 EheG mitumfasst sein müssten.
E. Rechtsfolgen der Vertragsregelungen Die zwischen den Ehegatten geschlossene Vereinbarung über die Aufteilung 27 des Ehevermögens unterliegt den allgemeinen Gültigkeitserfordernissen 761
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schuldrechtlicher Verträge (7 Ob 67/99z; 8 Ob 232/99x; 7 Ob 26/04 f = EF 108.431). 1. Wahl des Rechtswegs
Die bisherige Rechtslage war im Hinblick auf die Wahl des Rechtswegs klar und eindeutig. Nach alter Rechtslage war daher die Zulässigkeit der Rechtswege eindeutig abgegrenzt. Während für Vereinbarungen über Gegenstände, die nicht die Aufteilungsmasse betroffen haben bzw über rechtswirksam getroffene Vereinbarungen über die ehelichen Ersparnisse oder Scheidungsfolgenvereinbarungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Scheidung auf dem streitigen Rechtsweg auszutragen waren, stand den Parteien sonst ein Aufteilungsantrag innerhalb der Frist des § 95 EheG offen. Die Wahl des unrichtigen Rechtswegs hatte zur Folge, dass das Streitgericht die Sache – unter Aufhebung des bisher geführten Verfahrens – auf den außerstreitigen Rechtsweg zu überweisen hatte (§§ 40a, 44, 46 JN; vgl zB 10 Ob 16/08p = iFamZ 2008/138 = EF-Z 2008/107; 6 Ob 98/09v = iFamZ 2010/31). Ansprüche auf Zuhaltung zulässigerweise geschlossener Vereinbarungen über eheliches Gebrauchsvermögen oder ehelicher Ersparnisse (§ 97 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 EheG aF) waren somit nach bisheriger Rsp stets im Klageweg geltend zu machen (8 Ob 232/99x ua). 28 Die Regelung nach der Gesetzeslage seit dem FamRÄG 2009 wirft idZ allerdings einige Fragen auf (vgl Deixler-Hübner, Zak 2010, 11). Klar ist mE, dass Streitigkeiten über Vereinbarungen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren iSd § 97 Abs 5 EheG bzw über die Rechtswirksamkeit von Vereinbarungen über die dinglichen Rechte an der Ehewohnung jedenfalls im streitigen Rechtsweg auszutragen sind. Nicht mehr ganz so eindeutig liegen die Dinge bei den übrigen Vereinbarungen. Weil diese ja das Aufteilungsgericht gem § 97 Abs 2 und 3 EheG nicht mehr jedenfalls binden, kann innerhalb der Präklusivfrist stets ein Aufteilungsantrag mit der Behauptung eingebracht werden, die Vereinbarung sei iSd Bestimmungen grob benachteiligend. Liegt daher eine solche konkrete Behauptung einer Partei vor, so ist diese Frage im außerstreitigen Rechtsweg zu klären (ebenso Gitschthaler, EF-Z 2010, 10 [14]). In diesem Sinn kann daher auch die bisherige Judikaturlinie beibehalten werden: In welcher Verfahrensart eine Rechtssache zu behandeln ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens. Ist zweifelhaft, welches Verfahren anzuwenden ist, hat das Gericht darüber zu entscheiden (§ 40a JN; vgl Mayr/Rechberger § 40a JN Rz 2 mwN). Das falsch bezeichnete Rechtschutzgesuch ist umzudeuten und in der richtigen Verfahrensart zu behandeln.
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Behaupten die Parteien eine rechtswirksame Vereinbarung idS, schließt diese, 29 soweit sie reicht, eine Aufteilung nach §§ 81 ff EheG aus (6 Ob 137/99m = SZ 73/59 = EF 94.029; 7 Ob 47/99h = EF 94.031; Koch/KBB § 97 EheG Rz 5). Über eine iSd § 97 Abs 2 und 3 EheG ausgewogene und rechtsgültige Vereinbarung kann sich das Außerstreitgericht daher nach wie vor nicht hinwegsetzen. Werden allerdings von Vornherein Sittenwidrigkeit iSd § 879 ABGB bzw Willensmängel der ansonsten rechtsgültigen Vereinbarung behauptet, so hat das Streitgericht darüber zu befinden. Auch in diesem Zusammenhang kann auf die bisherige Rsp zurückgegriffen werden. Vgl dazu auch § 85 Rz 11 ff. Die Rechtsfrage, ob eine zulässige und wirksame Vereinbarung vorliegt, kann 30 sowohl im streitigen Verfahren geklärt werden als auch als Vorfrage im Außerstreitverfahren (7 Ob 99/98d; aA offenbar LGZ Wien 108.432). Ist die Vereinbarung nicht rechtsgültig und ist das angerufene Gericht durch die Umdeutung unzuständig geworden, so hat das Prozessgericht die Rechtssache gem § 44 JN an das zuständige Außerstreitgericht zu überweisen (4 Ob 342/97 = SZ 70/237). Befindet das Außerstreitgericht wiederum, dass eine rechtsgültige Vereinbarung vorliegt, hat es den in eine Klage umgedeuteten Aufteilungsantrag wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen und die Parteien auf den streitigen Rechtsweg zu verweisen (1 Ob 751/80 = SZ 53/150; 5 Ob 330/98k = Miet 51.617/5; 7 Ob 28/02x = EF 103.089; Koch/KBB § 97 EheG Rz 5; vgl zum Meinungsstreit, ob auch hier eine Überweisung zulässig ist, Mayr/Rechberger § 40a JN Rz 4 mwN). Wurde eine Sache im außerstreitigen Rechtsweg entschieden, die aber im streitigen Verfahren abzuhandeln gewesen wäre, ist das Verfahren – soweit noch nicht Rechtskraft eingetreten ist – als nichtig aufzuheben und der vorangegangne Antrag zurückzuweisen (10 Ob 51/06g). 2. Entscheidungskompetenz
Fraglich scheint, ob das Außerstreitgericht auch weiter zuständig bleibt, wenn 31 zunächst zwar die grundsätzliche Unausgewogenheit der Vereinbarung substantiiert behauptet wird, sich dann aber im Zug der Überprüfung heraustellt, dass Sittenwidrigkeit iSd § 879 ABGB oder gar Willensmängel – etwa durch bewusste Täuschung eines Ehegatten – vorliegen. Die Grenze von der bloßen Unausgewogenheit bis zur tatsächlichen Sittenwidrigkeit ist aber mitunter fließend. Die Rechtszuständigkeit soll jedoch schon aus prozessökonomischen Gründen zunächst vom Außerstreitgericht geklärt werden (vgl 7 Ob 26/04 f = ZRinfo 2004/387; 6 Ob 98/09v = iFamZ 2010/31 uva). Weil das außerstreitige Verfahren aber weniger formstreng, flexibler und mehr auf Billigkeitsgründe bedachtnehmend ausgestaltet ist, ist es mE zweckmäßiger – zumindest bei Vorliegen von Willensmängeln –, den Antrag auf Vertragsanfechtung bezüglich der Vereinbarung zurückzuweisen, sodass die vertragliche Regelung für die Parteien (zunächst) bindend ist. Über eine allfällige Rechtsunwirksamkeit 763
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des Aufteilungsvertrags hat daher das Streitgericht zu entscheiden. Stellt sich aber heraus, dass die Vereinbarung im Sinne einer Gesamtbetrachtung grob unausgewogen ist, so hat das Außerstreitgericht idR auch dann zu entscheiden, wenn im Einzelfall die Grenze der Sittenwidrigkeit erreicht sein sollte. Das Gericht hat die betroffene Sache in einer Gesamtbetrachtung mit der übrigen Aufteilungsmasse in das Verfahren einzubeziehen. Nur dann, wenn bereits von Vornherein Sittenwidrigkeit der Gesamtvereinbarung offenbar ist, hat das Streitgericht darüber zu befinden. Dies wird im Einzelfall aber nicht immer eindeutig zu beantworten sein, sodass die Frage der Zulässigkeit der Rechtswege – und damit auch die Rechtssicherheit – zunehmend verwischt wird. Mit dieser fließenden Grenze verliert aber auch § 85 EheG seinen ursprünglichen Sinn. 3. Rechtsunwirksamheit der Vereinbarung
32 Vereinbarungen gem § 97 Abs 1 bis 4 EheG, die nicht den Formvorschriften gemäß geschlossen wurden, sind nicht schlechthin rechtsunwirksam, sondern nur „schwebend“ – mit Ablauf der Präklusivfrist zeitlich begrenzt – unwirksam. Treffen die Ehegatten in dieser Zeit weder einvernehmlich eine andere Lösung, noch leiten sie ein Aufteilungsverfahren gem §§ 81 ff EheG ein, so erlangt damit die Vorwegvereinbarung nachträglich Rechtswirksamkeit, so dass dann jeder Ehegatte auf Zuhaltung dieser Vereinbarung klagen kann. Vgl dazu auch Rz 7.
F. Gerichtliche Schritte gegen die Aufteilungsvereinbarung 33 Wurden bei einer Vereinbarung über das Ehevermögen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Verfahren auf Eheauflösung steht, die notwendigen Formvorschriften nicht beachtet, ist diese mit Willensmängel behaftet – etwa Irrtum oder Täuschung –, sittenwidrig oder fällt im Nachhinein die Geschäftsgrundlage weg, so kann die Aufteilungsvereinbarung im Rechtsweg angefochten werden. Die Befürchtung, die Ehe werde nicht zustande kommen, wenn der Notariatsakt über den Vorausverzicht auf die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse nicht unterzeichnet wird, stellt keine Zwangslage iS des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB dar, bewirkt daher nicht dessen Sittenwidrigkeit (5 Ob 173/06m = FamZ 46/07). Ist sie freilich von vornherein nicht rechtswirksam – weil nicht in der vorgeschriebenen Form – zustande gekommen, ist nicht das Prozessgericht anzurufen, sondern ein Aufteilungsantrag gem §§ 81 ff EheG geltend zu machen. Ist die Frist des § 95 EheG noch offen, kann mangels Rechtswirksamkeit einer solchen Vereinbarung das Aufteilungsverfahren eingeleitet werden. Ob dem 764
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Antragsteller allenfalls ein rechtsgeschäftlich relevanter Irrtum unterlaufen oder er bei Abschluss über einen Umstand getäuscht worden ist, ist vor der Entscheidung des Außerstreitgerichts über den Aufteilungsantrag zu klären (7 Ob 26/04 f = EF 108.431). Vor Rechtskraft der eheauflösenden Entscheidung kommt die Durchsetzung 34 der gem § 97 EheG getroffenen Vereinbarung nicht in Betracht (Stabentheiner/Rummel § 97 EheG Rz 4).
Haftung für Kredite § 98. (1) Entscheidet das Gericht (§ 92) oder vereinbaren die Ehegatten (§ 97 Abs. 5, gegebenenfalls § 55a Abs. 2), wer von beiden im Innenverhältnis zur Zahlung von Kreditverbindlichkeiten, für die beide haften, verpflichtet ist, so hat das Gericht auf Antrag mit Wirkung für den Gläubiger auszusprechen, dass derjenige Ehegatte, der im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist, Hauptschuldner, der andere Ausfallsbürge wird. Dieser Antrag muss in der Frist nach § 95 gestellt werden. (2) Der Ausfallsbürge nach Abs. 1 kann – vorbehaltlich des § 1356 ABGB – nur wegen des Betrags belangt werden, der vom Hauptschuldner nicht in angemessener Frist hereingebracht werden kann, obwohl der Gläubiger gegen ihn nach Erwirkung eines Exekutionstitels 1. Fahrnis- oder Gehaltsexekution und 2. Exekution auf eine dem Gläubiger bekannte Liegenschaft des Hauptschuldners, die offensichtlich für die Forderung Deckung bietet, geführt sowie 3. Sicherheiten, die dem Gläubiger zur Verfügung stehen, verwertet hat. Müsste der Exekutionstitel im Ausland erwirkt oder müssten die angeführten Exekutionsmaßnahmen im Ausland durchgeführt werden, bedarf es ihrer nicht, soweit sie dem Gläubiger nicht möglich oder nicht zumutbar sind. (3) Überdies kann der Bürge, dem der Rechtsstreit gegen den Hauptschuldner rechtzeitig verkündet worden ist (§ 21 ZPO), dem Gläubiger Einwendungen, die nicht in seiner Person begründet sind, nur entgegenhalten, soweit sie auch der Hauptschuldner erheben kann. [BGBl 1985/481; Abs 1 BGBl I 75/2009]) Lit: M. Bydlinski; Verfahrens- und materiellrechtliche Fragen bei der Ehegattenbürgschaft, ÖBA 1988, 468; ders, Entscheidung nach § 98 EheG und anhängiges Verfahren Probleme in der Zwangsvollstreckung und im Prozeß, ÖBA 1991, 106; Eigner, Interzedentenschutz unter besonderer Berücksichtigung der Ehegattenhaftung (2004); Ferner, Pfandhaftung und § 98 EheG, RdW 1991, 256; ders, Vorsicht bei Anträgen nach § 98 EheG in Fällen reiner
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Sachhaftung! RdW 1993, 104; Fink, Zur Ehegattenbürgschaft, AnwBl 1986, 629; Gamerith, Die Kreditmithaftung geschiedener Ehegatten nach § 98 EheG, RdW 1987, 183; Gruber, Kredithaftung von Ehegatten – Zivilrechtliche Folgen einer unterlassenen Aufklärung nach § 31a KSchG, ÖBA 1991, 560; Iro, Zum Bürgenregress gegenüber dem Ausfallsbürgen gem § 98 EheG, RdW 1996, 154; Koziol, Die Ausfallsbürgschaft des geschiedenen Ehegatten kraft Richterspruchs – zum neuen § 98 EheG, RdW 1986, 5; ders, Zur Haftung des geschiedenen Ehegatten für Kredite (§ 98 EheG), RdW 1990, 243; Rabl, Risiko Angehörigenbürgschaft: Schlaglichter aus Judikatur und KSchG-Novelle, ecolex 1996, 443; ders, Die Bürgschaft (2000); Unger, Rechtliche Unterschiede bei Aufnahme von Krediten durch Ehegatten und Lebensgefährten, ÖBA 2004, 680. Inhaltsübersicht A. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Definition des Begriffs „Kreditverbindlichkeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . E. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Subsidiäre Heranziehung des Ausfallsbürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zumutbare Maßnahmen des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der Haftung des Ausfallsbürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einwendungen des Ausfallsbürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Verfahrensbeteiligung des Kreditgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Auskunftspflicht des Kreditgebers und Sittenwidrigkeit der Haftung
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1–2 3–9 3–6 7–9 10–11 12–14 15–16 17–23 17–20 21–22 23 24–25 26–27
A. Regelungszweck 1 § 98 EheG wurde erst nachträglich mit 1.1.1986 (BGBl 1985/481) angefügt. Zweck dieser Regelung war es, eine gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, um der im Innenverhältnis der Ehegatten vereinbarten Schuldentragung auch Wirkungen im Außenverhältnis zu verleihen und damit für den sozial schwächeren Ehegatten die aus der Solidarverpflichtung resultierenden Härten auszugleichen (LG Salzburg 21 R 460/05a). Ohne Rücksicht auf die im Innenverhältnis getroffene Schuldentragungsvereinbarungen greifen Gläubiger nämlich in der Praxis sonst auf denjenigen Schuldner, der besser fassbar ist oder leichter verwertbares Vermögen besitzt (vgl Fink, AnwBl 1986, 629). 2 Diese Bestimmung ist aber – trotz der für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten positiven Rechtswirkungen – von der Lehre zum Teil wegen des Eingriffs in den Grundsatz der Vertragstreue kritisiert worden (vgl etwa Koziol, RdW 1986, 7).
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B. Voraussetzungen 1. Sachliche Voraussetzungen
Um eine Entscheidung durch Richterspruch gem § 98 EheG herbeiführen zu 3 können, bedarf es entweder einer Vereinbarung der Ehegatten über die Schuldentragung im Innenverhältnis gem § 97 Abs 5 EheG (vgl dazu § 97 EheG Rz 17) bzw im Zug einer einvernehmlichen Scheidung nach § 55a Abs 2 EheG oder einer in einem Aufteilungsverfahren gefällten Entscheidung gem § 92 EheG. Nur auf dieser in § 98 Abs 1 Satz 1 EheG normierten Grundlage ist ein gerichtlicher Beschluss nach § 98 EheG möglich. Haben es die Ehegatten daher sowohl verabsäumt, eine entsprechende Vereinbarung entweder außergerichtlich oder im Rahmen der einvernehmlichen Scheidung zu treffen und wurde auch das Aufteilungsverfahren ohne Ausspruch nach § 92 EheG beendet bzw die Frist des § 95 EheG versäumt, so kann § 98 EheG nicht mehr angewendet werden (6 Ob 531/88 = SZ 61/54 = EF XXV/4; Hopf/Kathrein, § 98 EheG Anm 3; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 2). Nicht zugestimmt werden kann der Auffassung, wonach ein Verzicht, auf den 4 Aufteilungsanspruch auch per se einen solchen auf eine Antragstellung gem § 98 EheG impliziert (6 Ob 531/88 = SZ 61/54 = RdW 1988, 351 = EF XXV/4; Hopf/Kathrein, § 98 EheG Anm 3; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 2; Bernat/Schwimann § 98 EheG Rz 5). Haben die Ehegatten daher im Zug ihrer einvernehmlichen Scheidung – wie in der Praxis meist üblich – auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche verzichtet, jedoch die Frage der Schuldentragung nicht geregelt, so steht ihnen im Rahmen der noch offenen Präklusivfrist des § 95 EheG eine Antragstellung gem § 98 EheG frei. Dies ist schon deshalb zu bejahen, weil der Aufteilungsanspruch an sich nicht deckungsgleich mit dem Anspruch nach § 98 EheG ist und damit auch völlig unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Ein Verzicht auf den Aufteilungsanspruch lässt überdies sämtliche verfahrensrechtliche Möglichkeiten unberührt, weil ja auf die Einleitung des Aufteilungsverfahrens selbst schon zufolge Art 6 EMRK nicht rechtsgültig verzichtet werden kann (vgl dazu § 85 EheG Rz 10). Abgesehen von diesen dogmatischen Überlegungen ist es aber auch nicht sachgerecht, Ehegatten, die die Lösung dieser Rechtsfrage in der einvernehmlichen Scheidung schlichtweg übersehen haben, die rechtlichen Möglichkeiten des § 98 EheG zu verwehren. Wird allerdings erst nach der Eheauflösung, ohne dass ein Aufteilungsverfahren eingeleitet wird und die Frist des § 95 EheG verstrichen ist, eine interne Schuldenregelung getroffen, so steht den Ehegatten diese Möglichkeit nicht mehr zu (Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 2; LGZ Wien EF 111.424). Haben die Ehegatten jedoch im Zug der einvernehmlichen Scheidung eine Vereinbarung der Schuldentragung übersehen, diese dann erst nachträglich nachgeholt, so sind die Voraussetzungen des 767
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§ 98 Abs 1 EheG nicht erfüllt, weil diese Vereinbarung erst nach der Scheidung getroffen wurde und damit nicht den Formvorschriften des § 97 Abs 5 EheG entspricht (8 Ob 300/01b; LGZ Wien EF 111.427). In diesem Hinblick ist daher eine ausdehnende Interpretation des § 98 EheG abzulehnen (LGZ Wien EF 111.427). Nicht gefolgt werden kann aber dem LGZ Wien in der äußerst strengen Auslegung, wonach auch eine gerichtliche Ergänzung des Scheidungsfolgenvergleichs nicht die Voraussetzungen des § 98 Abs 1 Satz 1 EheG erfüllt, weil diesfalls noch von einer Vereinbarung gem § 55a Abs 2 EheG ausgegangen werden kann. 5 Ein Vorausverzicht auf den Anspruch auf die gerichtliche Gestaltung nach § 98 EheG ist sowohl gegenüber den Gläubigern als auch zwischen den Ehegatten unwirksam (Gamerith, RdW 1987, 190, Stabentheiner/Rummel, § 98 EheG Rz 3). Eine Regelung der Schuldentragung, die sich auf eheliche Ersparnisse bezieht, ist zwar grundsätzlich zulässig, doch hat eine solche Vereinbarung auch nach der Rechtslage des FamRÄG 2009 in Notariatsform zu erfolgen (§ 97 Abs 1 Satz 1 EheG). 6 § 98 EheG kann auch nicht analog auf Vereinbarungen angewendet werden, die zwar im Zug einer faktischen Trennung der Ehegatten, aber noch während aufrechter Ehe getroffen wurden oder auf Vereinbarungen im Zug einer außerehelichen Lebensgemeinschaft (Gamerith, RdW 1987, 185; Hopf/ Kathrein § 98 EheG Anm 2; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 2).
2. Persönliche Voraussetzungen
7 Voraussetzung der Anwendung des § 98 EheG ist weiters, dass es sich um eine Schuld handelt, für die im Außenverhältnis beide Ehegatten haften (8 Ob 300/01b = EF 101.054; LG Salzburg EF 105.012; LGZ Wien EF 111.426; Hopf/Kathrein § 98 EheG Anm 6; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 5). § 98 EheG ist nicht anwendbar, wenn nur ein Ehegatte im Außenverhältnis haftet (8 Ob 300/01b; LGZ Wien EF 120.377). Solche Schulden können bloß gem § 92 EheG dem anderen Ehegatten im Innenverhältnis auferlegt werden (LG Salzburg EF 105.012). Haftet daher nur ein Ehegatte im Außenverhältnis, so kann der andere Ehegatte auch dann, wenn es zu einer internen anders lautenden Schuldenregelung gekommen ist, nicht im Außenverhältnis zum Hauptschuldner erklärt werden (LGZ Wien EF 57.448). Bei einer beiderseitigen Haftung kommt es nicht darauf an, ob die Haftung in einem Solidarschuldverhältnis besteht oder als Hauptschuldner und Bürge. § 98 EheG ermöglicht nur die Umgestaltung eines bestehenden Rechtsverhältnisses dergestalt, dass aus einem Mitschuldner oder Bürgen ein Ausfallsbürge wird, nicht aber die Begründung eines Schuldverhältnisses (OLG Wien EF 81.763). 768
§ 98 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Der Begriff der Kreditverbindlichkeit ist in einem sehr weiten Umfang zu ver- 8 stehen (LGZ Wien EF 120.375). Die Bestimmung ist selbst dann anwendbar, wenn ein Ehegatte für die Schulden des anderen rein sachlich haftet (Hopf/ Kathrein § 98 EheG Anm 7). Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Sachhaftung durch einen Ausspruch gem § 98 EheG unberührt bleiben muss, dh der Pfandbesteller nicht aus seiner Pfandhaftung entlassen werden kann. Auch die Subsidiarität der Pfandhaftung gegenüber der persönlichen Haftung kommt idZ nicht in Betracht, doch kann der bislang nur mit einer Sache haftende Ehegatte nun zum Hauptschuldner und der andere Ehegatte zum Ausfallsbürgen bestimmt werden (1 Ob 636/90 = SZ 63/200 = RdW 1991, 262 = EF 63.632; 6 Ob 520/82 = EvBl 1993/67 = EF 69.388; 6 Ob 114/97a = EF 84.722; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 5; Bernat/Schwimann § 98 EheG Rz 8; Hopf/Kathrein § 98 EheG Anm 7; vgl auch Gamerith, RdW 1987, 188 und Ferner, RdW 1993, 105). Die Voraussetzung für die Anwendung des § 98 EheG ist auch erfüllt, wenn ein 9 Ehegatte für die Schulden des anderen im Außenverhältnis bloß mit einem Teil haftet (§ 889 ABGB). In diesem Fall hat das Gericht auszusprechen, dass es den im Innenverhältnis zahlungspflichtigen Ehegatten zum Hauptschuldner erklärt und den anderen Ehegatten nur zum Ausfallsbürgen im Hinblick auf seinen Anteil (Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 5; Gamerith, RdW 1987, 187). Die Schuldentragung kann daher zwischen ihnen auch betraglich geteilt werden und so kann jeder Ehegatte jeweils für seinen Anteil zum Hauptschuldner, der jeweils andere für diesen Teil zum Ausfallsbürgen bestellt werden (8 Ob 604/90 = EvBl 1990/154 = JBl 1991, 319 = EF 63.633; Koziol, RdW 1986, 7; Stabenheiner/Rummel § 98 EheG Rz 6; Hopf/Kathrein § 98 EheG Anm 6). Ansonsten handelt es sich beim geschuldeten Betrag iSd § 98 EheG nicht bloß um einzelne Raten, sondern stets um die gesamte offene Schuld (LGZ Wien EF 120.375).
C. Anwendungsbereich § 98 EheG gilt nur für solche Kreditverbindlichkeiten, die mit dem ehelichen 10 Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen im inneren Zusammenhang stehen (§ 81 Abs 1 Satz 2 EheG) oder die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen (§ 83 Abs 1 letzter HS EheG; 4 Ob 610/89 = SZ 62/193 = JBl 1990, 593; 2 Ob 44/00m = EF 94.044), daher nur für jene Schulden, die gem § 92 EheG im Innenverhältnis aufzuteilen sind. Unternehmensschulden eines Ehegatten können kein Gegenstand des Ausspruchs nach § 98 Abs 1 EheG sein (LGZ Wien EF 97.410, 101.060, 108.433, 111.425; LGZ Wien EF 120.376; 8 Ob 22/09g; Gamerith, RdW 1987, 186). Schulden, die zur Herstellung, Anschaffung, Instandhaltung, Verwaltung oder Verbesserung des 769
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Gebrauchsvermögens oder der Ersparnisse eingegangen wurden – so genannte konnexe Schulden (5 Ob 621/88 = EF 57.316) –, stellen nicht nur die Anschaffungskredite dar; darunter fallen auch Rückstände für aufgelaufene Auslagen wie Miet-, Strom-, Rundfunkkosten usw. Diese Verbindlichkeiten und auch Schulden, die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen – etwa Konsumkredite (6 Ob 545/89 = EF 60.343) – sind einem Antrag nach § 98 EheG zugänglich (LG Eisenstadt EF 97.408). Von § 98 EheG sind daher nur die in § 92 EheG genannten Schulden erfasst (8 Ob 22/09g). 11 Infolge der Vertragsfreiheit können Ehegatten zwar auch die in § 92 EheG nicht explizit normierten Schulden regeln, dies jedoch nur mit Wirksamkeit im Innenverhältnis, ohne dass diese Vereinbarung einer Drittwirkung gem § 98 EheG zugänglich wäre (6 Ob 651/89 = EF 60.450; 3 Ob 536/92 = ÖBA 1993, 239 = EF 69.379). Ebenso wenig einem Ausspruch gem § 98 EheG zugänglich sind Deliktschulden (Gamerith, RdW 1987.186; Hopf/Kathrein § 98 EheG Anm 4).
D. Definition des Begriffs „Kreditverbindlichkeiten“ 12 Der Begriff „Kreditverbindlichkeiten“ iS des § 98 Abs 1 Satz 1 EheG wird von L u Rsp (vgl auch JAB 3) in einem sehr ausdehnenden Sinn verstanden (Gamerith, RdW 1987, 185, Fink, AnwBl 1986, 630; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 4; Hopf/Kathrein § 98 Anm 5; 7 Ob 192/02i = ecolex 2003/11 = EF 101.056; LGZ Wien EF 120.375). Von einem Ausspruch gem § 98 EheG können daher alle Verträge betroffen sein, in denen die Leistungspflicht des einen Partner gegenüber der des anderen hinausgeschoben ist (2 Ob 2141/96a = SZ 69/171 = RdW 1997, 70; 7 Ob 192/02i = ecolex 2003/11 = EF 101.056). Das trifft etwa auf Ratengeschäfte (Gamerith, RdW 1987, 185, Hopf/Kathein § 98 EheG Anm 5; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 4; aA Koziol, RdW 1986, 5) oder auf Werk- und Lohnschulden zu, die gem § 1170 ABGB erst nach Werkvollendung fällig werden (4 Ob 610/89 = SZ 62/193 = RdW 1990, 251 = EF 60.453; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 4). Unter § 98 EheG fallen auch Leasing-Verträge, allerdings nur jene, die in Form eines Finanzierungsleasings (7 Ob 192/02i = ecolex 2003/11 = EF 101.057; Bernat/Schwimann § 98 EheG Rz 7; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 4) ausgestaltet sind. Bei diesen Verträgen ist dem Leasingnehmer nämlich wirtschaftlich die Stellung eines Kreditgebers eingeräumt. Handelt es sich hingegen um ein „Operating-Leasing“, welches als Mietvertrag zu qualifizieren ist, kann nicht von einer Kreditverbindlichkeit iS des § 98 EheG gesprochen werden (7 Ob 526/92 = ÖBA 1992/351; 2 Ob 2141/96a = SZ 69/171; 7 Ob 192/02i = ecolex 2003/11 = EF 101.057; Bernat/Schwimann § 98 EheG Rz 7; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 4). 770
§ 98 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Auch Betriebskostenrückstände können nicht unter den Begriff „Kreditverbindlichkeiten“ subsumiert werden. Dies ungeachtet der Tatsache, ob es sich dabei um rückständige Betriebskosten-Akontierungen oder um einen aufgrund einer Abrechnung des Verwalters bestehenden Betriebskostenrückstand handelt (LG Salzburg EF 94.046). § 98 EheG gilt aber auch für Wechselschulden. Ist gem § 98 EheG ein Ehegatte 13 bloß zum Ausfallsbürgen bestimmt worden, so muss der erste Wechselnehmer primär auf den anderen Ehegatten greifen. Wurde der Wechsel allerdings indossiert, so kann sich der aus der primären Haftung entlassene Ehegatte nicht auf § 98 EheG berufen, weil es sich dabei um einen Einwand aus dem Grundverhältnis handelt. Ein solcher wäre nur zulässig, wenn der Dritte dolos vorgegangen ist (8 Ob 22/88 = SZ 61/243 = RdW 1989, 98; 8 Ob 9/93 = SZ 66/107 = EvBl 1994/34; Koziol, RdW 1986, 6; Hopf/Kathrein § 98 EheG Anm 8). Nur der Kreditgeber selbst gilt als Gläubiger iS des § 98 EheG, nicht aber der 14 Bürge, der später durch eine Legalzession Gläubiger wird. Diesem steht daher auch gegen den Ehegatten, der zum Ausfallsbürgen bestimmt wird, der volle Rückgriffsanspruch zu (4 OB 589/95 = EvBl 1996/56 = RdW 1996, 164).
E. Antrag Der Ausspruch gem § 98 EheG kann nur auf Antrag erfolgen. Der Antrag 15 eines Ehegatten ist hier ausreichend; dies schon deshalb, weil die Rsp auch einen einseitigen Antrag als gemeinsamen Antrag der Ehegatten interpretiert (vgl § 85 EheG Rz 3; ebenso Gamerith, RdW 1987, 181; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 3). Dieser Antrag ist innerhalb der einjährigen Präklusivfrist des § 95 EheG einzubringen und kann auch dann gestellt werden, wenn bereits einvernehmlich über das Aufteilungsvermögen und die Schulden disponiert wurde. Haben die Ehegatten allerdings ein Aufteilungsverfahren eingeleitet und dort eine interne Schuldenregelung gem § 92 EheG beantragt, so erscheint es unbillig und auch der Intention des Gesetzgebers nicht entsprechend, den Antrag gem § 98 EheG dann abzuweisen, wenn dieser nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG gestellt wurde. Der Antrag gem § 98 EheG kann daher grundsätzlich auch nach Verfristung stets dann gestellt werden, wenn die Verbindlichkeit Gegenstand der Aufteilungsentscheidung ist (5 Ob 63/ 05h = EF 111.429; idS auch Fink, AnwBl 1986, 632; Gamerith, RdW 1987, 191; Hopf/Kathrein § 98 EheG Anm 11; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 3). Die Tatsache, dass bezüglich der Kreditverbindlichkeiten bereits ein Exeku- 16 tionstitel erwirkt bzw Exekutionsschritte gesetzt wurden, steht einem Antrag nach § 98 EheG nicht entgegen (8 Ob 604/90 = EvBl 1990/154 = JBl 771
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Deixler-Hübner
1991, 319 = EF 63.633; 3 Ob 3/93 = EvBl 1993/107 = EF 73.071; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 3). Der als Hauptschuldner entlassene Ehegatte kann sich im Exekutionsverfahren mit Oppositionsklage bzw Oppositionsgesuch gem §§ 35, 40 EO zur Wehr setzen (3 Ob 3/93 = EvBl 1993, 107 = EF 73.071).
F. Subsidiäre Heranziehung des Ausfallsbürgen 1. Zumutbare Maßnahmen des Gläubigers
17 § 98 Abs 2 EheG normiert, welche Maßnahmen der Gläubiger treffen muss, bevor er den Ausfallsbürgen in Anspruch nehmen darf. Diese Norm ist nicht mit § 1356 ABGB deckungsgleich und stellt insofern eine Ausfallsbürgschaft sui generis dar (vgl Gamerith, RdW 1987, 189; ders/Rummel § 1348 ABGB Rz 2, § 1356 ABGB Rz 3 und 5). Der Gläubiger kann sofort auf den Ausfallsbürgen greifen, wenn über das Vermögen des Hauptschuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet bzw der Insolvenzantrag mangels Kostendeckung abgewiesen wurde (§ 72 Abs 2 IO) oder der Hauptschuldner zum Fälligkeitszeitpunkt unbekannten Aufenthalts ist (8 Ob 9/93 = SZ 66/107 = EvBl 1994/ 34). Entgegen dem Wortlaut des § 98 Abs 2 EheG kann nach hA auch bereits dann auf den Bürgen gegriffen werden, wenn eine Zwangsvollstreckung von vornherein aussichtslos ist, wobei der Gläubiger die Beweislast für die Tatsache der Aussichtslosigkeit trägt (6 Ob 561/93 = SZ 66/99 = EvBl 1994/14 = EF 72.470; 8 Ob 9/93 = SZ 66/107 = EvBl 1994/34; 4 Ob 589/95 = SZ 68/219 = EvBl 1996/56; Gamerith, RdW 1987, 189; Hopf/Kathrein § 98 EheG Anm 13; Stabentheiner/Rummel 98 EheG Rz 8; aA M. Bydlinski, ÖBA 1988, 470). 18 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ist eine Inanspruchnahme des Ausfallsbürgen gem § 98 Abs 3 EheG erst dann zulässig, wenn der Gläubiger gegen den Hauptschuldner einen Exekutionstitel erwirkt hat (LGZ Wien EF 120.375), aufgrund dessen er Fahrnis- oder Gehaltsexekution oder Exekution auf eine ihm bekannte Liegenschaft des Hauptschuldners geführt hat, die offensichtlich für die Forderung Deckung bietet, sowie die ihm zur Verfügung stehenden Sicherheiten verwertet hat (Abs 2 Z 1 bis 3). Umstritten ist, ob unter den Begriff „Sicherheit“ grundsätzlich nur Sachhaftungen oder auch Bürgen fallen. Schon aus systematischen Überlegung wird der zweiten Auffassung vor der reinen Wortinterpretation der Vorzug zu geben sein (Hopf/ Kathrein § 98 EheG Anm 12; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 8; aA Pichler/Rummel2 § 98 EheG Rz 8). Ein ausländischer Exekutionstitel muss nur dann erwirkt werden bzw nur dann Schritte der Exekutionsführung gesetzt werden, wenn diese Vorgangsweise dem Gläubiger möglich und zumutbar ist. Im Hinblick auf die EuGVVO wird darunter aber nunmehr bloß das 772
§ 98 EheG
Nacheheliche Aufteilung
Ausland außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Verordnung verstanden werden können, soweit nicht besondere Schwierigkeiten im Einzelfall vorliegen (vgl Mayr/Rechberger § 28 JN Rz 4). Hat der Gläubiger alle zumutbaren Exekutionsschritte gesetzt und auch alle 19 Sicherheiten verwertet, liegt die Behauptungs- und Beweislast beim Ausfallsbürgen, wonach weitere erfolgversprechende Exekutionsschritte gesetzt werden müssen (8 Ob 9/93 = SZ 66/107 = EvBl 1994/34 = NZ 1994, 62). Gem § 98 Abs 2 Satz 1 EheG darf der Ausfallsbürge nur wegen des Betrags be- 20 langt werden, der vom Hauptschuldner nicht in angemessener Frist hereingebracht werden kann. Die Angemessenheit der Frist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist auch die Höhe der betriebenen Forderung ins Verhältnis zu setzen, mit dem Aufwand der Exekutionsführung. Stellt etwa eine Liegenschaft das einzige Vermögen des Hauptschuldners dar und ist der Betrag der Verbindlichkeit äußerst gering, so wird diese Voraussetzung erfüllt sein (vgl JAB 4).
2. Umfang der Haftung des Ausfallsbürgen
Wie weit die Haftung des Ausfallsbürgen reicht – vor allem in Hinblick auf 21 Zinsen und Kosten – ist umstritten. Während Stabentheiner (Rummel § 98 EheG Rz 8) die volle Haftung bejaht (ebenso Gamerith/Rummel § 1353 ABGB Rz 5) lehnt M. Bydlinski (ÖBA 1988, 471) aufgrund der mangelnden gesetzlichen Anordnung eine Haftung für Verfahrenskosten ab. Dem ist zuzustimmen. Während die Haftung für Zinsen schon durch die Rechtsnatur der Verbindlichkeit bedingt ist, können Verfahrenskosten nur dann auf eine andere Person überwälzt werden, wenn dies gesetzlich normiert ist. Gegen den gem § 214 Abs 2 Satz 2 IO durch die Restschuldbefreiung gegen- 22 über dem rückgriffsberechtigten Ehegatten befreiten Schuldner kann nicht Rückgriff genommen werden. Nur wenn eine solche Restschuldbefreiung noch nicht erfolgt ist, ist eine Schad- und Klagloshaltung zulässig. Für die Dauer des Abschöpfungsverfahrens ist der begünstigte Ehegatte durch § 208 Satz 2 IO geschützt (2 Ob 190/03k = EF 105.013).
3. Einwendungen des Ausfallsbürgen
§ 98 Abs 3 EheG ordnet an, dass dem Bürgen, dem der Rechtsstreit gegen den 23 Hauptschuldner rechtzeitig verkündet worden ist (§ 21 ZPO), dem Gläubiger nur jene in seiner Person begründeten Einwendungen entgegenhalten kann, die auch der Hauptschuldner noch erheben kann. Wurde dem Ausfallsbürgen der Streit verkündet oder ist dieser dem Streit als Nebenintervenient bei773
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Deixler-Hübner
getreten, so trifft ihn nach der Rsp eine Bindungswirkung für ein allfälliges weiteres Verfahren mit dem Gläubiger, sodass er dort von sämtlichen Einwendungen abgeschnitten ist, die er bereits im Verfahren gegen den Hauptschuldner hätte vorbringen können. Nach der Rsp wird er auch von der Rechtskraft des dort erwirkten Urteils erfasst.
G. Verfahrensbeteiligung des Kreditgebers 24 Dem Kreditgeber kommt im Aufteilungsverfahren hinsichtlich eines Antrags nach § 98 EheG Beteiligtenstellung zu. Gem § 93 Abs 3 AußStrG soll er aber tunlichst erst mit Zustellung der Entscheidung erster Instanz in das Verfahren einbezogen werden. Weil der Kreditgeber erst dann dadurch berührt wird, dass ein solcher Antrag gestellt wird, würde es einen unnötigen Verfahrensaufwand bedeuten, ihn bereits zu Beginn des Eheverfahrens als Partei zuzuziehen. Auch aufgrund der erweiterten Neuerungserlaubnis gem § 49 AußStrG besteht kein Spannungsverhältnis zu Art 6 EMRK (5 Ob 31/87 = RZ 1988/ 14), weil er seinen Rechtsstandpunkt auch noch im Rekurs vertreten kann (8 Ob 300/01b = ÖBA 2002/1081; Deixler-Hübner/Rechberger § 93 AußStrG Rz 4; Bernat/Schwimann § 98 EheG Rz 2). Da das Aufteilungsgericht uU durch Einbeziehung des Kreditgebers erst klären muss, ob die Verbindlichkeit der Aufteilung unterliegt, soll diesem durch die Verankerung des Wortes „tunlichst“ die Möglichkeit gewahrt bleiben, den Kreditgeber am Verfahren zu beteiligen oder von einer Beteiligung Abstand zu nehmen (RV 71). 25 Der Kreditgeber kann die Entscheidung des Gerichts nur eingeschränkt bekämpfen. Ihm steht daher nur ausnahmsweise ein Rechtschutzinteresse zu (8 Ob 300/01b mwN). Dem Kreditgeber soll vor allem grundsätzlich – abgesehen von sittenwidrigen Regelungen – kein Einfluss auf die Entscheidung zukommen, wer von den ehemaligen Ehegatten Ausfallsbürge wird (4 Ob 589/ 95; LGZ Wien EF 111.430; LGZ Wien EF 120.378; Gamerith, RdW 1987, 189). Einwendungen des Gläubigers, die darauf abzielen, dass die Regelung gem § 98 EheG zu Verzögerungen oder Erschwernissen bei der Geltendmachung und Durchsetzung der Gläubigerrechte führt, sind nicht erfolgversprechend. Insb stellt es nicht die Aufgabe des Außerstreitgerichts dar, im Verfahren nach § 98 EheG die Bonität der Ehegatten zu überprüfen (5 Ob 571/87 = RIS-Justiz RS0057661). Dem Gläubiger ist etwa dann ein Rechtschutzinteresse einzuräumen, wenn nur ein Ehegatte haftet und dieser durch die Entscheidung zum bloßen Ausfallsbürgen gemacht wurde (8 Ob 300/01b = ÖBA 2002, 1025). Darüber hinaus kann der Gläubiger auch die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung iS des § 1295 Abs 2 ABGB geltend machen (4 Ob 589/95 = SZ 68/219; 8 Ob 604/90 = ecolex 1990, 606; Gamerith, RdW 1987, 183). Sittenwidrigkeit 774
§ 98 EheG
Nacheheliche Aufteilung
liegt etwa dann vor, wenn die Vereinbarung und die darauf folgende Antragstellung nach § 98 EheG „eindeutig überwiegend“ (vgl Reischauer/Rummel § 1295 ABGB Rz 59) den Zweck verfolgt, den Gläubiger zu schädigen – etwa weil nicht der zahlungsfähige, sondern der zahlungsunfähige Ehegatte zum Hauptschuldner gemacht wird (LGZ Wien 75.651, EF 81.768, 108.434). Eine solche Sittenwidrigkeit liegt aber dann nicht vor, wenn dieser Umstand zwar eintritt, gleichzeitig damit aber auch andere rechtlich gebilligte Zwecke – zB eine Bereinigungswirkung zwischen den Ehegatten – verfolgt werden (LGZ Wien EF 108.434; Stabentheiner/Rummel § 98 EheG Rz 12).
H. Auskunftspflicht des Kreditgebers und Sittenwidrigkeit der Haftung Mit der KSchG-Novelle 1996 wurden Schutzbestimmungen unter der Über- 26 schrift „Kreditgeschäfte von Ehegatten“ eingeführt. Diese Fälle betreffen den Begriff „Interzession“. Dabei sind alle Fälle erfasst, in denen ein Verbraucher einer materiell fremden Verbindlichkeit beitritt (7 Ob 65/04s). Nach § 25a KSchG muss der Kreditgeber den Kreditwerber zunächst ausdrücklich darauf hinweisen, dass im Fall einer solidarischen Haftung die Ehegatten in beliebiger Reihenfolge in Anspruch genommen werden können. Diese sind auch darauf hinzuweisen, dass die Haftung grundsätzlich auch bei Auflösung der Ehe aufrecht bleibt und dass ein Antrag gem § 98 EheG gestellt werden kann (8 Ob 73/03y = ÖBA 2004, 307; 8 Ob 100/03v = ÖBA 2004, 635; vgl auch Deixler-Hübner/Mitgutsch 176 ff; Eigner, Interzendentenschutz 27 ff). Darüber hinaus besteht eine allgemeine Informationsverpflichtung gem § 25c KSchG bei Eingehen einer Bürgschaftsverpflichtung, wonach der potentielle Bürge auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen ist, wenn der Gläubiger erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Diese Bestimmung ist auf alle Verbraucher anwendbar, gleichgültig ob sie Angehörige sind oder nicht. Der OGH hat sich erstmals im Jahr 1995 mit der Problematik der Sittenwid- 27 rigkeit einer Bürgschaftsübernahme im Familienkreis befasst und eine solche dann als gegeben erachtet, wenn eine massive Schutzwürdigkeit des Bürgen vorliegt, die vor allem dann bejaht werden kann, wenn der Bürge selbst einkommens- und vermögenslos ist. In sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbots nimmt der OGH daher in Ausnahmefällen eine Nichtigkeit des begründeten Rechtsgeschäfts an, wenn bestimmte Kriterien vorliegen, die in einem beweglichen System zu überprüfen sind – etwa ein grobes Missverhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit des Bürgen und der übernommen Haftung, die Verharmlosung des Risikos, die Überrumpelung 775
§ 99 EheG
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des Angehörigen, die Ausnutzung einer seelischen Zwangslage oder der Unerfahrenheit des Bürgen oder die Sinnlosigkeit der Bürgschaft für den Kreditgeber (stRsp, 1 Ob 87/98w = SZ 71/117; 1 Ob 107/00t = EvBl 2001/10; 6 Ob 117/00z; 1 Ob 29/01y; vgl auch Rabl, ecolex 1998, 8; Eigner, Interzendentenschutz 273 ff).
§ 99. (samt Überschrift) aufgehoben durch Art II ZivMediatG BGBl I 2003/ 29. Lit: Fuchshuber, Mediation im Zivilrecht (2004); Hopf, Das Zivilrechts-Mediations-Gesetz, ÖJZ 2004/3, 41; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 861.
1 Die §§ 99, 100 EheG trugen ursprünglich die gemeinsame Überschrift „A. Standesbeamte“ und § 99 EheG idF des dRGBl I 1938, 807 regelte, welche Behörden als „Standesbeamte“ zuständig waren. Diese Regelung war allerdings bereits ab dem Inkrafttreten des (deutschen) Personenstandsgesetzes vom 3.11.1937 (dRGBl I 1937, 1146) in Österreich (Provinz Ostmark) ab 1.1.1939 faktisch überholt (s dazu auch Vor §§ 15–19 EheG Rz 3) und wurde dann durch Art II Z 5 PersRÄndG BGBl 1983/566 aufgehoben. 2 Die zuletzt maßgebliche Fassung des § 99 EheG samt dessen Überschrift („IV. Mediation“) war mit dem EheRÄG 1999 (BGBl I 1999/125) mit Wirkung vom 1.1.2000 neu eingefügt worden. Diese Bestimmung enthielt die erste gesetzliche Grundlage für die Mediation in Scheidungsfällen (näher zum Inhalt s Stabentheiner/Rummel § 99 EheG Rz 1 ff). 3 Mit dem am 1.5.2004 in Kraft getretenen Zivilrechts-Mediations-Gesetz (ZivMediatG BGBl I 2003/29) erfolgte eine umfassende sondergesetzliche Regelung der Mediation. Daher wurde § 99 EheG samt Überschrift aufgehoben.
776
Dritter Abschnitt Sondervorschriften für [das Land] Österreich Vor §§ 100–108 Lit (mit Hinweisen) zur historischen Entwicklung: s Vorbemerkungen zum EheG.
Der dritte Abschnitt des Ehegesetzes begann ursprünglich vor § 99 EheG. Mit 1 Art II Z 10 EheRÄG 1999 BGBl I 1999/125 wurden die Abschnittsbezeichnung und die Überschrift vor den §§ 99 ff EheG nach § 99 EheG eingereiht. Die in der Überschrift enthaltene Wortfolge „das Land“ ist zufolge Eigenstaatlichkeit Österreichs obsolet.
A. Standesbeamte § 100. aufgehoben durch Art II Z 5 PersRÄndG BGBl 1983/566. Die Bestimmung untersagte die Durchführung der konfessionellen Trauung 1 vor erfolgter standesamtlicher Trauung (Teschner/Schwimann § 100 EheG Rz 1). Dieses später in § 67 PStG 1937 enthaltene Verbot, die religiöse Eheschließung vor der standesamtlichen vorzunehmen, hat der VfGH (G 9/55, G 17/55, VfSlg 2944, [BGBl 1956/46]), als verfassungswidrig aufgehoben (s dazu auch Vor §§ 15–19 EheG Rz 9).
B. Ergänzungsvorschriften § 101. aufgehoben durch Art II Z 5 PersRÄndG BGBl 1983/566. § 102. (1) Unter Geschäftsunfähigen sind Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben Jahre, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, zu verstehen. 777
§ 104 EheG
Höllwerth
(2) Unter beschränkt Geschäftsfähigen sind Minderjährige über sieben Jahre und Personen zu verstehen, denen ein Sachwalter nach § 268 ABGB bestellt ist. [Fassung Art II SachwG BGBl 1983/136; Bezeichnung „§ 273“ ersetzt durch „§ 268“ mit Art II SWRÄG 2006 BGBl I 2006/92] Lit: wie zu § 2 EheG.
1 Wer geschäftsunfähig ist, kann gem § 2 EheG eine Ehe nicht eingehen. Eine Ehe ist nach § 22 Abs 1 EheG nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung geschäftsunfähig war oder sich im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befand. Wer minderjährig oder aus anderen Gründen in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, braucht gem § 3 Abs 1 und 2 EheG zur Eingehung einer Ehe die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters und des Erziehungsberechtigten. Ein Ehegatte kann nach § 35 Abs 1 EheG die Aufhebung der Ehe begehren, wenn er zur Zeit der Eheschließung oder im Fall des § 22 Abs 2 EheG zur Zeit der Bestätigung in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war und sein gesetzlicher Vertreter nicht die Einwilligung zur Eheschließung oder zur Bestätigung erteilt hatte. § 102 Abs 1 und Abs 2 EheG definieren in diesem Kontext und im inhaltlichen Einklang mit dem insb zu § 21 ABGB entwickelten Verständnis der (fehlenden, abgestuften bzw eingeschränkten) Geschäftsfähigkeit, welche Personengruppen als geschäftsunfähig bzw als beschränkt geschäftsfähig anzusehen sind.
§ 103. aufgehoben durch Art II Z 4 KindG BGBl 1977/403. § 104. § 43 Abs 2 Satz 2 gilt für den Fall, daß die Todeserklärung durch gerichtlichen Beschluß aufgehoben oder berichtigt wird. [Stammfassung Art II SachwG BGBl 1983/136] Lit: wie zu § 43 EheG.
1 §§ 43 f EheG regeln die Rechtsfolgen nach einer Wiederverheiratung im Fall der Todeserklärung eines Ehegatten. § 43 Abs 2 EheG sieht vor, dass mit der Schließung einer neuen Ehe die frühere Ehe aufgelöst wird und nach dessen Satz 2 auch dann aufgelöst bleibt, wenn die Todeserklärung aufgehoben wird. Die Formulierung des § 43 Abs 2 Satz 2 EheG orientiert sich an den bei Inkrafttreten des EheG (1.8.1938) in Geltung gestandenen Bestimmungen über das Todeserklärungsverfahren nach der dZPO. Durch § 104 EheG erfolgte die Anpassung an die in den §§ 23 ff TEG vorgesehenen Möglichkeiten der Aufhe778
Vor §§ 109–128 EheG
Sondervorschriften für Österreich
bung und Berichtigung der Todeserklärung bzw der Beweisführung des Todes.
§ 105. aufgehoben durch Art II Z 5 PersRÄndG BGBl 1983/566. § 106. aufgehoben durch § 1 Z 1 Gesetz vom 26.6.1945 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Eherechtes, des Personenstandsrechtes und des Erbgesundheitsrechtes StGBl 1945/31. § 107. Die §§ 76 und 79 sind nicht anzuwenden. [Fassung Art IX Z 2 AußStr-BegleitG BGBl I 2003/112]
Der mehrfach geänderte § 107 EheG erklärte einzelne Bestimmungen des Ehe- 1 gesetzes mangels ausreichender Rechtseinheitlichkeit im „Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet“ für nicht anwendbar. Mit dem AußStr-BegleitG entfiel die Nennung des früher in § 107 EheG ebenfalls enthalten gewesenen § 45 EheG, weil dort nunmehr die Wiederverheiratung nach Auflösung der Vorehe durch eine ausländische Entscheidung geregelt ist.
C. Verfahrensvorschriften § 108. aufgehoben durch Art II Z 7 PersRÄndG BGBl 1983/566.
D. Übergangsbestimmungen Vor §§ 109–128 Mit der Einführung des EheG war die weitere Behandlung bereits nach dem 1 bis dahin in Geltung gestandenen Eherecht (zur österreichischen Rechtsentwicklung s Vorbemerkungen Rz 1 ff; Teschner/Schwimann Vor §§ 120–120 EheG Rz 1 ff) verwirklichter, eherechtlich relevanter Rechtsverhältnisse zu regeln. Die §§ 107 bis 127 EheG dienten dieser Rechtsüberleitung. Aufgrund der seit Inkrafttreten des EheG am 1.8.1938 verstrichenen Zeit sind die Übergangsbestimmungen praktisch bedeutungslos.
779
§§ 109–112 EheG
Höllwerth
I. Trennung der Ehe dem Bande nach § 109. Die Trennung der Ehe dem Bande nach gemäß den bisherigen Gesetzen gilt als Scheidung der Ehe nach den Vorschriften dieses Gesetzes. Der Trennung der Ehe dem Bande nach steht die richterliche Lösung einer Ehe nach dem bisherigen burgenländischen Eherecht und die vollstreckbar erklärte kirchliche Verfügung über die Nachsicht von einer nicht vollzogenen Ehe gleich. [Stammfassung]
§ 110. Ein Urteil, das auf Grund des bisherigen Rechts ergangen ist, steht in einem Scheidungsverfahren nach diesem Gesetz der Geltendmachung solcher Tatsachen nicht entgegen, die nach früherem Recht eine Trennung der Ehe dem Bande nach nicht rechtfertigen. [Stammfassung]
§ 111. (1) Für die Leistung des Unterhalts getrennter Ehegatten gelten, wenn darüber nichts vereinbart worden ist, für die Zukunft die Vorschriften dieses Gesetzes über den Unterhalt geschiedener Ehegatten. Dabei ist der im Trennungsurteil enthaltene Schuldausspruch zugrunde zu legen. Die bezeichneten Vorschriften gelten nicht, wenn beide Ehegatten für schuldig erklärt sind. Sind beide Ehegatten für schuldlos erklärt und wurde das Trennungsverfahren auf Antrag beider Ehegatten eingeleitet, so hat ein Ehegatte dem anderen Unterhalt zu gewähren, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der nach § 71 unterhaltspflichtigen Verwandten der Billigkeit entspricht. § 67 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Ein vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangenes Urteil steht einer neuen Regelung des Unterhalts nicht entgegen. (2) Die Vorschriften des Abs. 1 gelten auch für vollstreckbar erklärte kirchliche Verfügungen über die Nachsicht von einer nicht vollzogenen Ehe. Ist eine Entscheidung über das Verschulden noch nicht gefällt worden, so steht sie den Gerichten zu, die über vermögensrechtliche Ansprüche zu entscheiden haben. [Stammfassung]
§ 112. (1) Für anhängige Verfahren wegen Trennung einer Ehe dem Bande nach gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Ein neuer Scheidungsgrund im Sinne dieses Gesetzes kann auch noch im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht und ein einverständlicher Antrag in eine Klage umgeändert werden. 780
§§ 113–115 EheG
Sondervorschriften für Österreich
(2) Anhängige Anträge auf einverständliche Trennung von Judenehen sind abzuweisen. (3) Eine kirchliche Verfügung über die Nachsicht von einer nicht vollzogenen Ehe kann nicht mehr vollstreckbar erklärt werden. [Stammfassung]
§ 113. Die Fristen des § 57 enden frühestens sechs Monate, die Fristen des § 58 frühestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes. [Stammfassung]
Der Hinweis auf § 58 EheG ist zufolge dessen Aufhebung durch § 1 Z 1 Gesetz 1 vom 26.6.1945 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Eherechtes, des Personenstandsrechtes und des Erbgesundheitsrechtes StGBl 1945/31 gegenstandslos.
II. Scheidung der Ehe von Tisch und Bett § 114. Die Wirkung der Scheidung einer Ehe von Tisch und Bett wird durch das Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht berührt. Der Scheidung der Ehe von Tisch und Bett steht die Trennung der Ehe von Tisch und Bett nach dem bisherigen burgenländischen Eherecht gleich. [Stammfassung]
§ 115. (1) Jeder Ehegatte einer von Tisch und Bett geschiedenen Ehe kann den Antrag stellen, daß die Scheidung der Ehe im Sinne dieses Gesetzes ausgesprochen werde. Zuständig ist das Bezirksgericht, in dessen Sprengel einer der Ehegatten seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen im [Lande] Österreich hat, wenn es an einem solchen fehlt, das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Eine Klage auf Scheidung der Ehe nach den Vorschriften dieses Gesetzes ist ausgeschlossen. (2) Über den Antrag ist nach den Vorschriften des Verfahrens außer Streitsachen zu verhandeln und zu entscheiden. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn feststeht, daß die Ehegatten sich nicht wieder vereinigt haben. Eine Prüfung des Verschuldens findet nicht statt. Der stattgebende Beschluß steht einem Scheidungsurteil im Sinne dieses Gesetzes gleich. Eine Ausfertigung des Beschlusses ist dem Amte des Reichsstatthalters in Österreich zu übermitteln. Dieses veranlaßt die Anmerkung im Eheregister (Trauungsmatrik). (3) In Ansehung der Vermögensverhältnisse bleibt es bei der anläßlich der Scheidung von Tisch und Bett getroffenen Regelung. Jedoch gelten 781
§§ 116–117 EheG
Höllwerth
für die Leistung des Unterhalts der nicht einverständlich von Tisch und Bett geschiedenen Ehegatten, wenn darüber nichts vereinbart worden ist, für die Zukunft die Vorschriften dieses Gesetzes. Dabei ist der im Scheidungsurteil enthaltene Schuldausspruch zugrunde zu legen. Ein vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangenes Urteil steht einer neuen Regelung des Unterhalts nicht entgegen. (4) Der nicht aus seinem Verschulden von Tisch und Bett geschiedene Ehegatte behält das gesetzliche Erbrecht. Dem Ehegatten aus einer späteren Ehe steht es nur zu, wenn ein Ehegatte aus einer früheren Ehe nicht vorhanden oder wenn er nicht erbberechtigt ist. (5) An einem kraft Gesetzes, Satzung oder Vertrags einem Ehegatten zustehenden Anspruch (Anwartschaft) auf einen Versorgungsgenuß wird nichts geändert. Ein Verzicht auf den Versorgungsgenuß ist wirksam, wenn er dem eigenen Ehegatten oder dessen Ehegatten aus der späteren Ehe oder der Stelle gegenüber erklärt worden ist, die zur Anweisung der Dienst- und Ruhebezüge des eigenen Ehegatten berufen ist; einer ausdrücklichen Annahme des Verzichts bedarf es nicht. [Stammfassung]
1 Der in § 115 Abs 2 EheG enthaltene Bezug auf das „Amte des Reichsstatthalters in Österreich“ gilt nunmehr für das Bundesministerium für Inneres. § 116. Die Feststellung des Ehebruchs in einem Urteil auf Scheidung der Ehe von Tisch und Bett hat die gleiche Wirkung wie nach § 9 die Feststellung eines Ehebruchs in einem Scheidungsurteil. [Stammfassung]
1 Der Bezug auf § 9 EheG ist gegenstandslos, weil diese Bestimmung (samt Überschrift) mit Art II Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/566 aufgehoben wurde. § 117. (1) Anhängige Verfahren wegen nicht einverständlicher Scheidung der Ehe von Tisch und Bett sind als Verfahren wegen Scheidung der Ehe nach den Vorschriften dieses Gesetzes fortzusetzen, wenn das Begehren danach geändert wird. Ein neuer Scheidungsgrund im Sinne dieses Gesetzes kann noch geltend gemacht werden. Beides ist auch noch im Rechtsmittelverfahren zulässig. Andernfalls ist die Klage abzuweisen. (2) Anhängige Anträge auf einverständliche Scheidung einer Ehe von Tisch und Bett sind abzuweisen. [Stammfassung]
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§§ 118–120 EheG
Sondervorschriften für Österreich
III. Ungültigerklärung der Ehe § 118. (1) Die Gültigkeit einer vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossenen Ehe bestimmt sich nach den bisherigen Gesetzen. Für die vor dem 1. Mai 1934 vor einem Priester der katholischen Kirche geschlossenen Ehen gelten ausschließlich die Vorschriften, die vor diesem Tage in Kraft standen. Sie sind auch maßgebend, wenn die Ehegatten einer vor dem staatlichen Trauungsorgan abgeschlossenen Ehe ihre Eheerklärung nach dem 30. April 1934 vor einem katholischen Priester erneuert haben. (2) Ist der Ungültigkeitsgrund einem der Gründe gleichartig, die nach diesem Gesetz die Aufhebung der Ehe rechtfertigen, so finden jedoch die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Aufhebung der Ehe Anwendung. Die Frist für die Klage auf Aufhebung endet frühestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes. (3) Eine nach den bisherigen Gesetzen ungültige Ehe ist als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten am 1. April 1938 noch als Ehegatten miteinander gelebt haben und der Grund, auf dem die Ungültigkeit beruht, nach den Vorschriften dieses Gesetzes weder zur Nichtigerklärung noch zur Aufhebung der Ehe führen könnte. [Stammfassung]
§ 119. Wurde vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Ehe für ungültig erklärt, wurden ihr die bürgerlichen Rechtswirkungen aberkannt oder wurde eine kirchliche Ungültigkeitsentscheidung für vollstreckbar erklärt, so gilt dies als Nichtigerklärung im Sinne dieses Gesetzes. § 31 ist nicht anzuwenden. [Stammfassung]
§ 120. (1) Ein anhängiges Ungültigkeitsverfahren (Verfahren zur Aberkennung der bürgerlichen Rechtswirkungen) ist als Verfahren zur Nichtigerklärung oder zur Aufhebung der Ehe nur fortzusetzen, wenn ein am Verfahren bereits Beteiligter, der nach den Vorschriften dieses Gesetzes zur Einleitung eines solchen Verfahrens befugt wäre, dies begehrt. Andernfalls ist das Verfahren einzustellen. (2) Eine kirchliche Ungültigkeitsentscheidung kann nicht mehr vollstreckbar erklärt werden. [Stammfassung]
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§§ 121–122 EheG
Höllwerth
IV. Besondere Bestimmungen über die mit Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes geschlossenen Ehen § 121. (1) Eine mit Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes geschlossen und nicht bereits rechtskräftig für ungültig erklärte Ehe gilt als eine von Anfang an gültige Ehe, es sei denn, daß auf Grund eines vor dem 1. Jänner 1939 gestellten Antrags gerichtlich festgestellt wird, daß die Ehegatten am 1. April 1938 nicht mehr als Ehegatten miteinander gelebt haben. In diesem Falle ist die Ehe für nichtig zu erklären. Ist ein Ehegatte vor dem 1. April 1938 gestorben, so tritt an die Stelle dieses Tages der Todestag des Ehegatten. Der Nichtigerklärung steht nicht entgegen, daß die Ehe vor Inkrafttreten dieses Gesetzes von den Gerichten etwa für gültig erklärt worden sein sollte. (2) Der Antrag kann von jedem der beiden Ehegatten und von dem Ehegatten der früheren Ehe gestellt werden. Zuständig ist das Bezirksgericht, in dessen Sprengel der letzte gemeinsame Wohnsitz der Ehegatten der späteren Ehe im Lande Österreich gelegen ist, wenn es an einem solchen fehlt, das Bezirksgericht Innere Stadt in Wien. Das Gericht hat nach den Vorschriften des Verfahrens außer Streitsachen zu verhandeln und zu entscheiden. (3) Anhängige Verfahren zur Untersuchung der Gültigkeit einer mit Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes geschlossenen Ehe wegen dieses Ehehindernisses sind einzustellen. [Stammfassung]
§ 122. (1) Wird in der Frist des § 121 ein Antrag nicht gestellt oder wird er rechtskräftig abgewiesen, so gilt die frühere Ehe, von deren Bande Nachsicht erteilt wurde, mit der Eingehung der späteren Ehe als im Sinne dieses Gesetzes geschieden. (2) Ist die frühere Ehe, von deren Bande Nachsicht erteilt worden ist, von Tisch und Bett geschieden, so finden die Vorschriften des § 115 Abs. 3 bis 5 Anwendung. Diese Vorschriften sind sinngemäß in den Fällen anzuwenden, in denen die frühere Ehe, von deren Bande Nachsicht erteilt wurde, nicht von Tisch und Bett geschieden war. Für die Leistung des Unterhalts gelten in diesen Fällen, soweit darüber nichts vereinbart worden ist, für die Zukunft die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Entscheidung steht den Gerichten zu, die über vermögensrechtliche Ansprüche zu entscheiden haben, wobei die Frage des Verschuldens maßgebend ist, welcher der Ehegatten einen Tatbestand gesetzt hat, der als Scheidungsgrund in 784
§§ 123–125 EheG
Sondervorschriften für Österreich
Betracht käme. Wird die Schuldlosigkeit beider Ehegatten festgestellt, so gilt § 111 Abs. 1 Satz 4 und 5 sinngemäß. [Stammfassung]
§ 123. (1) Beschlüsse auf Grund von Anträgen nach § 121 sind den antragsberechtigten Personen zuzustellen. (2) Eine Ausfertigung der rechtskräftigen Beschlüsse ist dem Amte des Reichsstatthalters in Österreich mitzuteilen. Dieses veranlaßt, daß, wenn dem Antrag stattgegeben wurde, im Eheregister (Trauungsmatrik) die Nichtigerklärung der mit Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes geschlossenen Ehe, wenn aber der Antrag abgewiesen wurde, die Scheidung der früheren Ehe im Sinne dieses Gesetzes angemerkt wird. [Stammfassung]
Der in § 123 Abs 2 EheG enthaltene Verweis auf das „Amte des Reichsstatthal- 1 ters in Österreich“ bezieht sich nunmehr auf das Bundesministerium für Inneres. Die Bestimmung ist aber infolge Zeitablaufs bereits gegenstandslos.
§ 124. (1) Beim Bezirksgericht Innere Stadt in Wien wird eine Sammelstelle für die nach § 121 gestellten Anträge und für die auf Grund dieser Anträge ergangenen Beschlüsse errichtet. Der Sammelstelle ist von jedem Antrag eine Abschrift und von jedem rechtskräftigen Beschluß über einen solchen Antrag eine Ausfertigung zu übermitteln. (2) Das Nähere über die Einrichtung der Sammelstelle regelt der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien. (3) In die Sammlung kann jedermann Einsicht nehmen. Auf Antrag ist vom Bezirksgericht Innere Stadt in Wien eine schriftliche Bestätigung darüber auszustellen, daß vor dem 1. Jänner 1939 ein Antrag nicht eingelangt ist oder daß ein Antrag eingelangt ist und welcher rechtskräftige Beschluß darüber ergangen ist. [Stammfassung]
§ 125. (1) Wurde vor dem 1. Jänner 1939 in einem Falle des § 121 ein Antrag nicht gestellt, so hat der Ehegatte, der die spätere Ehe mit Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes geschlossen hat, und wenn er nicht mehr am Leben ist, sein Ehegatte aus der späteren Ehe die Pflicht, ohne Verzug beim Bezirksgericht Innere Stadt in Wien den Antrag zu stellen, die Anmerkung der Scheidung der früheren Ehe gemäß diesem Gesetz im Eheregister (Trauungsmatrik) zu veranlassen. Liegen die Voraussetzungen für diese Eintragung vor, so hat das Bezirksgericht Innere Stadt in Wien den Antrag 785
§§ 126–128 EheG
Höllwerth
mit einem dies bestätigenden Vermerk dem Amte des Reichsstatthalters zur weiteren Verfügung zu übermitteln. Zur Antragstellung berechtigt ist auch der Ehegatte aus der früheren Ehe. Dem Antrag sind Trauungsscheine über beide Ehen und der Bescheid über die Nachsicht vom Bande der früheren Ehe anzuschließen oder doch darin genaue Angaben über die Eheschließungen und die Nachsichterteilung zu machen. (2) Ein Ehegatte, der schuldhaft der ihm nach Abs. 1 obliegenden Verpflichtung nicht nachkommt, begeht eine Übertretung und wird vom Gerichte an Geld bis zu einhundertfünfzig Reichsmark oder mit Arrest bis zu sechs Wochen bestraft. [Stammfassung]
1 Der in § 125 Abs 1 EheG enthaltene Verweis auf das „Amte des Reichsstatthalters in Österreich“ bezieht sich nunmehr auf das Bundesministerium für Inneres. Die Bestimmung ist aber infolge Zeitablaufs bereits gegenstandslos. § 126. Eingaben, Protokolle und Beilagen gemäß den §§ 124 und 125 sind gebührenfrei. [Stammfassung]
§ 127. Ist eine Ehe, die mit Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes geschlossen worden ist, wegen dieses Hindernisses für nichtig erklärt worden, so sind die Ehegatten, wenn darüber nichts vereinbart worden ist, unter denselben Voraussetzungen zum Unterhalt verpflichtet, wie wenn die Ehe gültig geschlossen und geschieden worden wäre. Für die Zeit vor Inkrafttreten dieses Gesetzes kann auf Grund dieser Vorschrift ein Unterhalt nicht begehrt werden. Das Gericht, das über die vermögensrechtlichen Ansprüche zu entscheiden hat, hat festzustellen, ob sich ein Ehegatte während der Dauer der Ehe eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das als Scheidungsgrund anzusehen wäre, wenn die Ehe gültig wäre. § 111 Abs. 1 Satz 4 und 5 gilt sinngemäß. [Stammfassung]
V. Aufhebung bisheriger Vorschriften § 128. Vorschriften des österreichischen Rechts, die Gegenstände betreffen, die in diesem Gesetz geregelt sind, verlieren mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ihre Wirksamkeit. [Stammfassung]
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Vierter Abschnitt Schlußbestimmungen § 129. Dieses Gesetz tritt am 1. August 1938 in Kraft. Die Vorschriften des § 112 Abs. 2 und 3, des § 117 Abs. 2, des § 120 Abs. 2 und des § 121 Abs. 3 treten mit dem auf die Verkündung folgenden Tage in Kraft. [Stammfassung]
§ 130. (1) Wo auf Vorschriften verwiesen wird, die durch dieses Gesetz oder die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Bestimmungen aufgehoben oder geändert werden, erhält die Verweisung ihren Inhalt aus den entsprechenden neuen Vorschriften. (2) Einer Verweisung steht es gleich, wenn die Anwendbarkeit der im Abs. 1 bezeichneten Vorschriften stillschweigend vorausgesetzt wird. [Stammfassung]
§ 131. Der Reichsminister der Justiz wird ermächtigt, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze, soweit erforderlich, zu ändern und zu ergänzen, um sie mit den Bestimmungen dieses Gesetzes in Einklang zu bringen, sowie Vorschriften zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes zu erlassen. [Stammfassung]
§ 131 EheG ist durch Art 18 Abs 2 B-VG die Grundlage insoweit entzogen, als 1 nach letztgenannter Bestimmung eine Verwaltungsbehörde nur „echte“ Durchführungsverordnungen erlassen, aber keine Gesetzesänderungen oder -ergänzungen vornehmen darf. Insgesamt existier(t)en 6 Durchführungsverordnungen zum Ehegesetz. Die 2 1. DVEheG vom 27.7.1938 dRGBI I 1938, 923 enthält (noch) einige relevante Bestimmungen. Die 2. DVEheG vom 28.9.1938 dRGBl I 1938, 1323 hatte in Österreich nie Geltung. Die 3. DVEheG vom 29.10.1940 dRGBl I 1940, 1488 787
§ 131 EheG
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ist zufolge § 1 Z 1 Gesetz vom 26.6.1945 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Eherechtes, des Personenstandsrechtes und des Erbgesundheitsrechtes StGBl 1945/31 aufgehoben. Die 4. DVEheG vom 25.10.1941 dRGBl I 1941, 654 enthielt ursprünglich erbrechtliche Regelungen und später das österreichische internationale Familienrecht. Dieses fand mit Wirkung ab 1.1.1979 seine Regelung im IPRG (BGBl 1978/304). Zuletzt war nur noch § 2 der 4. DVEheG betreffend im Ausland von Tisch und Bett geschiedene österreichische Staatsbürger (in geringem Umfang) bedeutsam (dazu näher Teschner/Schwimann § 131 EheG Rz 3; Hopf/Kathrein Vor § 1 4. DVEhG Anm). Mit § 200 Abs 1 Z 1 AußStrG 2003 ist die 4. DVEheG aufgehoben worden. Die 5. DVEheG vom 18.3.1943 dRGBl I 1943, 145 wurde durch Art IV PersRÄndG BGBl 1983/566 mit Wirkung vom 1.1.1984 aufgehoben. Die 6. DVEheG vom 21.10.1944 dRGBl I 1944, 256 wurde mit Art XXIII § 2 EheRÄndG BGBl 1978/280 mit Wirkung vom 1.7.1978 aufgehoben.
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1. DVEheG (Erste) Verordnung vom 27. Juli 1938, dRGBl I, 923, zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet idF dRGBl 1941 I, 654, StGBl 1945/31, BGBl 1973/108, BGBl 1976/331, BGBl 1977/403, BGBl 1978/280 und BGBl 1983/566 (1. DVEheG) I. Befreiung von Ehevoraussetzungen und Eheverboten §§ 1. und 2. aufgehoben durch Art III Z 1 VolljG BGBl 1973/108. §§ 3. bis 12. aufgehoben durch Art III Z 2 PersRÄndG BGBl 1983/566.
II. Weitere Durchführungsbestimmungen Wiederholung der Eheschließung § 13. Das Verbot der Doppelehe (§ 8 des Ehegesetzes) steht einer Wiederholung der Eheschließung nicht entgegen, wenn die Ehegatten Zweifel an der Gültigkeit oder an dem Fortbestand ihrer Ehe hegen. [Stammfassung] Lit: wie zu § 8 EheG und Edlbacher, Wiederholung der Eheschließung, ÖStA 1956, 42.
§ 8 EheG normiert, dass niemand eine Ehe eingehen darf, bevor seine frühere 1 Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist, und nach § 24 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in gültiger Ehe lebte. S auch § 5 Abs 1 Z 2 EPG, wonach eine eingetragene Partnerschaft nicht mit einer Person begründet werden darf, die bereits 789
§§ 13–15 DVEheG
Höllwerth
verheiratet ist oder mit einer anderen Person eine noch aufrechte eingetragene Partnerschaft begründet hat. 2 Eine Doppelehe und damit ein Verstoß gegen § 8 EheG kann nur dann vorliegen, wenn bereits eine Ehe aufrecht besteht und (zumindest) ein Partner eine zweite (weitere) Ehe eingeht (vgl 5 Ob 297/70 = EvBl 1971/180, 324 = EF 13.770). Die Wiederholung einer Eheschließung aufgrund von Zweifeln an der Gültigkeit oder am Fortbestand der Ehe iS des § 13 der 1. DVEheG erfolgt zwischen den bisherigen Ehepartnern, also gerade nicht mit einer weiteren (dritten) Person, und ist daher (nur) eine doppelte Eheschließung. Die Wiederholung einer Eheschließung kann daher schon begrifflich keine Doppelehe iS des § 8 EheG sein (6 Ob 2275/96v = ZfRV 1997/54, 155 = EvBl 1997/168, 828 = EF 84.539, 84.723). 3 § 13 der 1. DVEheG sieht die Möglichkeit der Wiederholung der Eheschließung in zwei Fällen vor, nämlich bei Zweifeln an der Gültigkeit oder am Fortbestand der Ehe. Da es darauf ankommt, dass die Ehegatten „Zweifel . . . hegen“, genügen dafür subjektive Bedenken der Partner (so auch Teschner/ Schwimann § 13 1. DVEheG Rz 3). Praktisch könnten solche, die Wiederholung der Eheschließung nahe legende Zweifel, insb an der Gültigkeit der Ehe, dann vorliegen, wenn die Einhaltung notwendiger Förmlichkeiten bei einer im Ausland geschlossenen Ehe zweifelhaft erscheint (s dazu auch § 21 EheG Rz 5). Nach – weitherziger Auslegung – in der Entscheidung 6 Ob 2275/96v (= ZfRV 1997/54, 155 = EvBl 1997/168) sollen sich Zweifel iS des § 13 der 1. DVEheG auch daraus ergeben können, dass keine ordnungsgemäße Registrierung der Ehe erfolgt oder es den Ehegatten nicht möglich ist, sich einen Registerauszug (eine Abschrift) zu beschaffen. 4 Ist die betreffende Ehe nicht gültig zustande gekommen, so führt die „Wiederholung“ der Eheschließung nach § 13 der 1. DVEheG (erst) zur wirksamen Begründung der Ehe, also ex nunc, und nicht zur rückwirkenden Sanierung (str; s dazu näher § 21 EheG Rz 5). § 13 der 1. DVEheG ist keine generelle – materiell-rechtliche – Konvalidationsregelung. Die Möglichkeit der Wiederholung der Eheschließung nach § 13 der 1. DVEheG darf nicht dazu verwendet werden, die für einzelne Nichtigkeitsgründe vorgesehenen (strikten) Heilungsvoraussetzungen zu umgehen (s dazu § 23 EheG Rz 18). § 14. aufgehoben durch § 1 Z 1 G vom 26.6.1945 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Eherechtes, des Personenstandsrechtes und des Erbgesundheitsrechtes StGBl 1945/31. § 15. aufgehoben durch Art V Z 2 BG über Änderungen auf dem Gebiete des Personenstandsrechtes BGBl 1976/331.
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§§ 16–17 DVEheG
Durchführungsbestimmungen
Vermögensrechtliche Beziehungen der Ehegatten aus einer nichtigen Ehe § 16. Soweit auf die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten aus einer für nichtig erklärten Ehe die im Falle der Scheidung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung finden (§ 31 Abs. 1 des Ehegesetzes), kann im Falle des § 69 Abs. 3 des Ehegesetzes jeder Ehegatte Unterhalt ohne Rücksicht darauf verlangen, wer die Nichtigkeitsklage erhoben hatte. [Fassung Art III Z 1 PersRÄndG BGBl 1983/566]
Im Fall der Nichtigkeit einer Ehe kann es unter bestimmten, in § 31 EheG nä- 1 her geregelten Voraussetzungen hinsichtlich der vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten zur Geltung des Scheidungsfolgenrechts kommen (s dazu näher § 31 EheG Rz 2 ff). Es kann dann jener Ehegatte, der den Nichtigkeitsgrund nicht gekannt hat, vom schlechtgläubigen Partner Unterhalt nach den §§ 66, 67 EheG verlangen. Bei Schuldlosigkeit beider Ehegatten gilt § 69 Abs 3 EheG, wobei gem § 16 der 1. DVEheG auch der Kläger Unterhalt nach dieser gesetzlichen Bestimmung verlangen kann.
Schuldausspruch im Aufhebungsurteil § 17. Wird die Ehe aufgehoben und ist ein Ehegatte im Sinne des § 42 Abs. 2 des Ehegesetzes oder des § 19 Abs. 2 dieser Verordnung als schuldig anzusehen, so ist dies im Urteil auszusprechen. [Stammfassung]
Nach § 42 EheG bestimmen sich die Folgen der Aufhebung einer Ehe nach 1 den Vorschriften über die Folgen der Scheidung; dabei ist in den Fällen der §§ 35 bis 37 EheG der Ehegatte als schuldig anzusehen, der den Aufhebungsgrund bei Eingehung der Ehe kannte, in den Fällen der §§ 38, 39 EheG jener Ehegatte, von dem oder mit dessen Wissen die Täuschung oder die Drohung verübt worden ist. Nach Wiederverheiratung im Fall der Todeserklärung kann es ebenfalls zur Aufhebung der neuen Ehe kommen, und auch § 44 Abs 2 EheG verweist hinsichtlich der Rechtsfolgen der Eheaufhebung auf § 42 EheG. Ist in den zuvor genannten Konstellationen ein Ehegatte als schuldig anzuse- 2 hen, so ist dies gem § 17 der 1. DVEheG im Urteil auszusprechen. Liegen die Voraussetzungen dafür vor, hat der Schuldausspruch von Amts wegen zu erfolgen (5 Ob 214/63 = JBl 1964, 211; 7 Ob 199/04x = EF 108.182).
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§§ 18–19 DVEheG
Höllwerth
Zusammentreffen von Aufhebungs- und Scheidungsbegehren § 18. Wird in demselben Rechtsstreit Aufhebung und Scheidung der Ehe begehrt und sind die Begehren begründet, so ist nur auf Aufhebung der Ehe zu erkennen. Die Schuld eines Ehegatten, welche das Scheidungsbegehren oder einen Schuldantrag gegenüber diesem Begehren rechtfertigt, ist im Schuldausspruch (§ 17 dieser Verordnung, §§ 60 und 61 des Ehegesetzes) zu berücksichtigen. Ist hiernach jeder der Ehegatten als schuldig anzusehen, so sind beide für schuldig zu erklären. Ist das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer als das des anderen, so ist zugleich auszusprechen, daß seine Schuld überwiegt. [Stammfassung]
1 Wird mit Klage im selben Prozess oder infolge Klage und Widerklage (1 Ob 9/ 68 = EF 10.383; OLG Wien EF 46.421) sowohl Aufhebung als auch Scheidung der Ehe begehrt, besteht also Konkurrenz von Aufhebungs- und Scheidungsbegehren und sind beide Begehren berechtigt, ist gem § 18 der 1. DVEheG nur auf Aufhebung der Ehe zu erkennen, doch ist das Scheidungsverschulden im Schuldausspruch (zum Schuldausspruch s auch § 17 der 1. DVEheG) zu berücksichtigen. Zur Verschuldensabwägung s § 60 EheG.
Wiederverheiratung im Falle der Todeserklärung § 19. (1) In den Fällen des § 44 des Ehegesetzes kann die Aufhebung der Ehe nur binnen eines Jahres begehrt werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Ehegatte aus der früheren Ehe Kenntnis davon erlangt hat, daß der für tot erklärte Ehegatte noch lebt. (2) Soweit sich in den Fällen des § 44 des Ehegesetzes die Folgen der Aufhebung nach den Vorschriften über die Folgen der Scheidung bestimmen, ist der beklagte Ehegatte als schuldig anzusehen, wenn er bei der Eheschließung gewußt hat, daß der für tot erklärte Ehegatte die Todeserklärung überlebt hat. [Stammfassung]
1 Im Fall einer Wiederverheiratung nach der Todeserklärung eines Ehepartners kann es nach Maßgabe des § 44 Abs 1 EheG zur Aufhebung der neuen Ehe kommen. Diese muss der Ehegatte aus der früheren Ehe allerdings gem § 19 Abs 1 der 1. DVEheG binnen Jahresfrist, und zwar ab Kenntnis davon, dass der für tot erklärte Ehegatte noch lebt, geltend machen. § 19 Abs 2 der 1. DVEheG regelt – vergleichbar mit den §§ 31 Abs 2, 42 Abs 2 1. Fall EheG –, wann der Aufhebungsbeklagte als schuldig anzusehen ist (s dazu näher bei § 44 EheG). 792
§§ 49–52 DVEheG
Durchführungsbestimmungen
§§ 20. bis 48. aufgehoben samt Überschriften durch Art III Z 2 PersRÄndG BGBl 1983/566.
VI. Sondervorschriften für [das Land] Österreich A. Durchführungsvorschriften zum Ehegesetz § 49. aufgehoben durch § 1 Z 1 G vom 26.6.1945 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Eherechtes, des Personenstandsrechtes und des Erbgesundheitsrechtes (StGBl 1945/31). § 50. Ob ein Kind aus einer vor Inkrafttreten des Ehegesetzes für ungültig erklärten Ehe unehelich ist oder als ehelich gilt, bestimmt sich nach den bisherigen Gesetzen. [Stammfassung]
Das EheG ist am 1.8.1938 in Kraft getreten. § 50 EheG betrifft demnach Per- 1 sonen, die aus einer Ehe stammen, die vor dem 1.8.1938 für ungültig erklärt worden ist. Das „bisherige Gesetz“ iS des § 50 EheG ist insb § 160 ABGB in der bis 31.7.1938 maßgeblichen Fassung (s dazu Adler/Höller/Klang I/12, 126 ff; s auch § 29 EheG). § 51. Wer das Recht, die Scheidung der Ehe zu begehren, durch Verzeihung oder durch Fristablauf verloren hat, kann allein aus der Tatsache, die das Scheidungsrecht begründet hat, ein Recht, die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft zu verweigern, nicht herleiten. [Stammfassung]
Zum Ausschluss des Scheidungsrechts durch Verzeihung s § 56 EheG bzw 1 durch Fristablauf s § 57 EheG. § 52. War für eine Ehe bisher das im Burgenland geltende Eherecht maßgebend und konnte ein nach diesem Recht bestehender Grund zur Nichtigerklärung oder zur Lösung der Ehe im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ehegesetzes wegen Ablaufs der Klagefrist nicht mehr geltend gemacht werden, so hat es dabei sein Bewenden. Ein Grund zur Lösung der Ehe, der einem Grunde gleichartig ist, der nach den Vorschriften des Ehegesetzes die Scheidung der Ehe rechtfertigt, kann jedoch zur Unterstützung einer nach dem Ehegesetz erhobenen Scheidungsklage geltend gemacht werden. [Stammfassung]
Zur nachträglichen Geltendmachung von Scheidungsgründen s § 59 EheG. 793
1
§§ 53–56 DVEheG
Höllwerth
§ 53. Soweit, abgesehen von den Fällen des § 111, die Vorschriften des Ehegesetzes über den Unterhalt geschiedener Ehegatten für maßgebend erklärt sind (§ 115 Abs. 3, § 122 Abs. 2 und § 127), sind sie nicht anzuwenden, wenn beide Ehegatten für schuldig erklärt sind oder wenn festgestellt wird, daß jeder Ehegatte sich während der Dauer der früheren Ehe oder der mit Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes geschlossenen, wegen dieses Hindernisses für nichtig erklärten Ehe eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das als Eheverfehlung im Sinne des Ehegesetzes anzusehen wäre. [Stammfassung]
§ 54. (1) Die Aufhebung einer vor Inkrafttreten des Ehegesetzes geschlossenen Ehe kann auch aus den Gründen des Ehegesetzes begehrt werden, soweit nach den bisherigen Gesetzen ein Ungültigkeitsgrund, der gemäß § 118 Abs. 2 des Ehegesetzes die Aufhebung der Ehe begründen würde, nicht gegeben ist. Die Frist für die Klage auf Aufhebung endet in diesem Falle frühestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Ehegesetzes. (2) Abs. 1 gilt nicht für den Aufhebungsgrund des § 35 des Ehegesetzes. [Stammfassung]
§ 55. Eine Klage auf Nichtigerklärung einer vor Inkrafttreten des Ehegesetzes geschlossenen Ehe wegen eines Ungültigkeitsgrundes des bisherigen Rechts, der nach den Vorschriften des Ehegesetzes weder zur Nichtigerklärung noch zur Aufhebung der Ehe führen könnte, kann nur vom Staatsanwalt oder mit seiner Genehmigung eingebracht oder fortgeführt werden. § 118 Abs. 3 des Ehegesetzes bleibt unberührt. [Stammfassung]
§ 56. (1) Steht der Gültigkeit einer vor Inkrafttreten des Ehegesetzes geschlossenen Ehe ein Ehehindernis entgegen, so kann von diesem Befreiung erteilt werden, wenn sie nach den bisherigen Gesetzen oder nach den Bestimmungen des Ehegesetzes zulässig wäre oder nach diesem Gesetz ein Eheverbot mit Nichtigkeitsfolge nicht vorliegen würde. Wird die Befreiung erteilt, so ist die Ehe als von Anfang an gültig anzusehen. (2) Über die Befreiung entscheidet, wenn der Mann seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen Aufenthalt im [Lande] Österreich hat, der Präsident des Oberlandesgerichts, in dessen Sprengel der Wohnsitz oder Aufenthalt gelegen ist. Hat nur die Ehefrau Wohnsitz oder Aufenthalt im [Lande] Österreich, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach ihrem Wohnsitz oder Aufenthalt. Hat keiner der Beteiligten Wohnsitz oder Aufenthalt im [Lande] Österreich, so ist der Präsident des Oberlandesge794
§§ 57–82 DVEheG
Durchführungsbestimmungen
richts Wien zuständig. § 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 findet Anwendung. Ich behalte mir vor, in Fällen bestimmter Art selbst zu entscheiden oder im Einzelfall die Entscheidung an mich zu ziehen. [Stammfassung]
§ 57. aufgehoben durch Art III Z 2 PersRÄndG BGBl 1983/566. § 58. Ist auf Grund einer Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes nach dem 1. April 1938 eine Ehe geschlossen worden, so gilt sie als eine von Anfang an gültige Ehe. § 121 Abs. 3, und die §§ 122, 125 und 126 des Ehegesetzes finden entsprechende Anwendung. [Stammfassung]
§ 59. (1) § 759 Abs. 2 ABGB erhält folgende Fassung: . . . (s § 759 Abs 2 ABGB). (2) Ist der Erbfall vor Inkrafttreten des Ehegesetzes eingetreten, so ist § 759 Abs. 2 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs in seiner bisherigen Fassung anzuwenden; das Verfahren über die Klage kann gemäß den Bestimmungen in den §§ 112 und 117 des Ehegesetzes fortgeführt werden. [Stammfassung]
B. Ergänzungsvorschriften zu den Abschnitten I bis V dieser Verordnung § 60. aufgehoben durch Art III Z 2 PersRÄndG BGBl 1983/566. § 61. aufgehoben durch Art III Z 3 VolljG BGBl 1973/108. §§ 62. bis 64. aufgehoben durch Art III Z 2 PersRÄndG BGBl 1983/566. §§ 65. bis 67. aufgehoben durch § 1 Z 1 G vom 26.6.1945 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Eherechtes, des Personenstandsrechtes und des Erbgesundheitsrechtes StGBl 1945/31. §§ 68. bis 81a. aufgehoben (samt Überschriften) durch Art III Z 2 PersRÄndG BGBl 1983/566. § 82. (1) Die Nichtigkeitsklage des Staatsanwalts ist gegen beide Ehegatten und, wenn einer von ihnen verstorben ist, gegen den überlebenden Ehegatten zu richten. Die Nichtigkeitsklage des einen Ehegatten ist gegen den anderen Ehegatten zu richten. 795
§ 83 DVEheG
Höllwerth
(2) Im Falle der Doppelehe ist die Nichtigkeitsklage des Ehegatten der früheren Ehe gegen beide Ehegatten der späteren Ehe zu richten. [Stammfassung]
1 Die aktive Klagslegitimation zur Erhebung der Nichtigkeitsklage ist in § 28 Abs 1 und 2 EheG geregelt. Demnach ist im Fall der Nichtigkeit nach § 23 EheG und nach Auflösung der Ehe nur der Staatsanwalt, bei Nichtigkeit nach §§ 21, 22 und 25 EheG sind der Staatsanwalt und – bis zur Auflösung der Ehe – jeder Ehegatte und bei Nichtigkeit nach § 24 EheG sind der Staatsanwalt, jeder Ehegatte der Doppelehe sowie der Ehegatte der Vorehe (die Ehegatten der Vorehen bei beidseitiger Doppelehe) klageberechtigt (dazu näher bei § 28 EheG Rz 1 und § 23 EheG Rz 16). 2 Die passive Klagslegitimation bei Erhebung der Nichtigkeitsklage ist in § 82 der 1. DVEheG geregelt. Demnach ist die Nichtigkeitsklage des Staatsanwalts gegen beide Ehegatten oder, wenn einer von ihnen verstorben ist, gegen den überlebenden Ehegatten, die nach § 24 EheG (Doppelehe) erhobene Nichtigkeitsklage des Ehegatten der früheren Ehe gegen beide Ehegatten der späteren Ehe und im Übrigen die von einem Ehegatten erhobene Nichtigkeitsklage gegen den anderen zu richten (dazu näher bei § 28 EheG Rz 4). § 83. Im Verfahren über eine Nichtigkeitsklage kann der Staatsanwalt, auch wenn er die Klage nicht erhoben hat, den Rechtsstreit betreiben, insbesondere selbständig Anträge stellen und Rechtsmittel einlegen. [Stammfassung]
1 Dem Staatsanwalt, der von seinem Betreibungsrecht iS des § 83 der 1. DVEheG Gebrauch macht, kommt die Rechtsstellung eines einheitlichen Streitgenossen (streitgenössischen Nebenintervenienten; §§ 14, 17, 20 ZPO) zu (RISJustiz RS0035576; Simotta/Fasching/Konecny § 460 ZPO Rz 129 ff; s ferner Schubert/Fasching /Konecny § 14 ZPO Rz 4). Er hat ein selbstständiges Anfechtungsrecht. Die Rechtsmittelfrist beginnt für den Staatsanwalt erst mit der Zustellung des Urteils an diesen zu laufen (1 Ob 579/50 = EvBl 1950/516, 523 = SZ 23/293; 1 Ob 214/55; 7 Ob 192/62). Der Staatsanwalt ist auch zur Erhebung von Rechtsmittelklagen legitimiert (dazu näher Simotta/Fasching/Konecny § 460 ZPO Rz 129).
796
§ 84 DVEheG
Durchführungsbestimmungen
§ 84. Hat der Staatsanwalt die Nichtigkeitsklage zu Lebzeiten beider Ehegatten erhoben, so findet, wenn ein Ehegatte stirbt, § 460 Z 8 ZPO keine Anwendung. Das Verfahren wird gegen den überlebenden Ehegatten fortgesetzt. [Fassung gem Art III Z 3 PersRÄndG BGBl 1983/566]
Stirbt einer der Ehegatten vor Rechtskraft des Urteils (vgl dazu ausführlich 1 6 Ob 52/07a), ist der Rechtsstreit gem § 460 Z 8 ZPO in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen (s § 460 ZPO Rz 32 ff; allgemein dazu Hopf/Kathrein § 460 ZPO Anm 11); er kann nur mehr wegen der Verfahrenskosten fortgesetzt werden, und ein bereits ergangenes Urteil ist wirkungslos. § 460 Z 8 ZPO stellt eine dem § 155 ZPO vorgehende Sonderregel für Eheverfahren dar, die sich aus der Höchstpersönlichkeit des Eheauflösungsbegehrens und nicht zuletzt daraus erklärt, dass die Ehe ohnehin durch den Tod eines Partners beendet ist, sodass es keiner Verfahrensfortsetzung mehr bedarf (dazu näher Simotta/Fasching/Konecny § 460 ZPO Rz 104 f). Diese Überlegung gilt allerdings nicht uneingeschränkt für die Ehenichtigkeitsklage, weil deren rechtskräftige Stattgebung die Ehe (grundsätzlich; dazu näher Vor §§ 20–25 EheG Rz 1) ex tunc beseitigt, der Staatsanwalt gem § 28 Abs 2 und 3 EheG die Nichtigkeitsklage auch nach Auflösung der Ehe (LGZ Wien EF 114.144) und nach dem Tod eines Ehegatten erheben kann (dazu näher § 28 EheG Rz 1) und dafür öffentliche Interessen maßgeblich sind (vgl dazu auch Simotta/Fasching/ Konecny § 460 ZPO Rz 106). Hat daher der Staatsanwalt die Ehenichtigkeitsklage gegen beide Ehegatten erhoben, so kommt bei Tod eines Ehegatten § 460 Z 8 ZPO nicht zur Anwendung; das Verfahren wird gegen den überlebenden Ehegatten fortgesetzt (s auch § 460 ZPO Rz 34). Ist der Staatsanwalt dem Verfahren auf Nichtigerklärung der Ehe auf Seiten 2 des klagenden Ehegatten beigetreten, so führt dessen Tod – schon aufgrund der Stellung des Staatsanwalts als streitgenössischer Nebenintervenient (s dazu § 83 der 1. DVEheG Rz 1) – ebenfalls nicht zur Verfahrensbeendigung iS des § 460 Z 8 ZPO. Es wird auch in diesem Fall das Verfahren gegen den überlebenden Ehegatten fortgesetzt. Die Befugnis des Staatsanwalts, die Nichtigkeitsklage auch nach Auflösung 3 der Ehe und nach dem Tod eines Ehegatten erheben zu können, sowie sein selbstständiges Betreibungsrecht nach § 83 der 1. DVEheG sind aber auch dann beachtlich, wenn das Verfahren auf Nichtigerklärung der Ehe nur zwischen den Ehegatten geführt worden war und der klagende Ehegatte stirbt. In diesem Fall wird dem Staatsanwalt die Möglichkeit einzuräumen sein, das Verfahren auf Klagsseite fortzusetzen (zutr und näher dazu Simotta/Fasching/ Konecny § 460 ZPO Rz 114). Stirbt in dem nur zwischen den Ehegatten geführten Verfahren dagegen der beklagte Ehegatte, kann der Staatsanwalt, der 797
§§ 85–86 DVEheG
Höllwerth
immer nur Kläger sein kann, nicht auf Beklagtenseite eintreten, weshalb der Rechtsstreit in dieser Konstellation in der Hauptsache iS § 460 Z 8 ZPO erledigt ist, dem Staatsanwalt allerdings selbst noch die Klageerhebung gegen den überlebenden Ehegatten offen steht (vgl Simotta/Fasching/Konecny § 460 ZPO Rz 117). 4 Wenn beide Ehegatten (vor Rechtskraft des Urteils) versterben, ist nach § 28 Abs 3 EheG der Staatsanwalt nicht mehr zur Nichtigkeitsklage und daher auch nicht mehr zur Weiterführung des Verfahrens berechtigt, was zur Erledigung des Verfahrens iS des § 460 Z 8 ZPO führt. § 85. In den Fällen, in denen der als Partei auftretende Staatsanwalt unterliegt, sind Kostenersätze dem Staate aufzuerlegen (§§ 40 ff. der österreichischen Zivilprozessordnung). [Stammfassung]
1 In jenen Fällen, in denen der als Partei auftretende Staatsanwalt unterliegt, ist nach § 85 der 1. DVEheG der Staat zum Kostenersatz an den (die) obsiegenden Ehegatten zu verpflichten. Aus dieser Bestimmung über die Kostenersatzpflicht des Staates ist nach 6 Ob 65/97w (= EvBl 1997/187 = ZfRV 1997, 213) zu folgern, dass dem Staatsanwalt im Fall seines Obsiegens kein Kostenersatzanspruch zusteht (ebenso OLG Innsbruck EF 51.851 = EvBl 1987/84 mwN; aA LGZ Wien EF 90.850, 117.944; Simotta/Fasching/Konecny § 460 ZPO Rz 120 [jeweils für die Kostenersatzpflicht der unterlegenen Beklagten gegenüber dem Bund]). 2 Der Normgehalt des § 85 der 1. DVEheG ist – abgesehen vom ausdrücklich geregelten Fall – prima facie zweifelhaft. Wäre allerdings eine ganz generelle Anwendung der §§ 40 ff ZPO und damit auch die Kostenersatzpflicht der (des) unterlegenen Ehegatten bei Obsiegen des Staatsanwalts angestrebt worden, hätte es dazu überhaupt keiner besonderen Regelung bedurft, oder es wäre ein allgemeiner Verweis auf die §§ 40 ff ZPO nahe gelegen. Bei dieser Sachlage lässt sich dann aber § 85 der 1. DVEheG durchaus als kostenersatzrechtliche Sondernorm auffassen, nach der eben nur im geregelten Fall, also bei Unterliegen der Staatsanwalts, nicht jedoch bei dessen Obsiegen Kostenersatz stattfinden soll. § 86. (1) Zur Mitwirkung in Ehesachen ist der Staatsanwalt am Sitze des Prozeßgerichts zuständig, in Wien der Staatsanwalt beim Landesgericht für Strafsachen Wien [I]. (2) aufgehoben. [Stammfassung; Abs 2 aufgehoben durch Art III KindG BGBl 1977/403]
798
§§ 87–90 DVEheG
Durchführungsbestimmungen
VII. Inkrafttreten, Übergangsvorschriften § 87. (1) Diese Verordnung tritt, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, am 1. August 1938 in Kraft. Mit dem gleichen Zeitpunkt treten außer Kraft . . . die Vorschriften des österreichischen Rechts, die Gegenstände betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind. (2) gegenstandslos. [Stammfassung]
§§ 88. bis 90. gegenstandslos. Diese Bestimmungen enthalten – wegen der inzwischen verstrichenen Zeit 1 praktisch obsolete – Übergangsbestimmungen oder betrafen die dZPO, sodass ihnen insgesamt kein Anwendungsbereich (mehr) zukommt.
799
Kapitel 3 Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG)
E. Gitschthaler et al. (eds.), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht © Springer-Verlag/Wien 2011
1. Abschnitt Allgemeine Bestimmungen Geltungsbereich § 1. Dieses Bundesgesetz regelt die Begründung, die Wirkungen und die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (im Folgenden „eingetragene Partnerschaft“). [Stammfassung] Lit: Aichhorn, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz in Österreich – Ein kritischer Überblick, FPR 2010, 216; Aichinger, Heterosexuelles Paar will Homosexuellen-Pakt schließen, Die Presse vom 10.2.2010, 2; ders, Schwule wollen am Bauernhof heiraten, Die Presse vom 26.7.2010, 2; Aspöck, Die kollisionsrechtliche Regelung der eingetragenen Partnerschaft, Zak 2010, 223; Beclin, Das Eingetragene-Partnerschafts-Gesetz im Lichte des Eherechts, EF-Z 2010, 52; Benke, Zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft 2009: Weder Ehe noch Familie, EF-Z 2010, 19; ders, Keine Ehe, aber ein Stück Familie – Bemerkungen zu EGMR 24.6.2010, Appl Nr 30141/04, Schalk und Kopf gg Österreich, iFamZ 2010, 244; Cornides, Ehe(r) nicht!, 2010 (noch unveröffentlich); Deixler-Hübner, Die Regelung gleichund verschiedengeschlechtlicher Lebenspartnerschaften – Unterschiede im europäischen Rechtsvergleich, iFamZ 2008, 199; dies, Das neue EPG – gesetzlicher Meilenstein oder kleinster gemeinsamer Nenner? – Überblick und kritische Würdigung der zivilrechtlichen Bestimmungen, iFamZ 2010, 93; Dethloff, Adoption und Sorgerecht – Problembereiche für die eingetragenen Lebenspartner; FPR 2010, 208; Fischer-Czermak, Ehe oder Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare?, NZ 2008, 99; dies, Beistandspflichten und Vertretung in Obsorgeangelegenheiten nach dem FamRÄG 2009, EF-Z 2010, 4; Graupner, Sexuelle Orientierung im europäischen Recht, RZ 2009, 178; Gröger, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, iFamZ 2008, 195; dies, Das Eingetragene Partnerschafts-Gesetz (EPG), ÖJZ 2010/23; Grünberger, Die Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Zusammenspiel von Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht, FPR 2010, 203; A. Haunschmidt, Gelockerte Treuepflicht bei der eingetragenen Partnerschaft? – Was bedeutet der Begriff „Vertrauensbeziehung“? iFamZ 2010, 97; Hilber, Die eingetragene Partnerschaft im Steuerrecht, ecolex 2010, 288; Hofmann/Grüblinger, Ehebruch und Schadenersatz, EF-Z 2009, 138 (I), 169 (II); Holzleithner, Gleichheit vor dem Gesetz: Die Ehe ist für alle offen – U.S. District Court for the Northern District of California 4.8.2010, No C 09–2292 VRW, Perry v. Schwarzenegger, iFamZ 2010, 256; Holzner, § 364c ABGB: Ende der Stiefkindeigenschaft mit dem Tod des leiblichen Elternteils, JBl 2010, 134; G. Hopf, Neues im Ehe- und Kindschaftsrecht, ÖJZ 2010, 154; Jud/Aspöck, Internationales Privat-
803
§ 1 EPG
Gitschthaler
recht (2009); Th. Kloiber, Keine Ehe für gleichgeschlechtliche Partner – zur Bindung des Gesetzgebers an fundamentale Strukturprinzipien, iFamZ 2008, 209; Lutz, Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft, DRdA 2010, 171; Rosenmayer, Die eingetragene Partnerschaft, Zak 2010, 83; Rupp, Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften; Stefula, Die Neuerungen zur Patchworkfamilie – Anwendungsbereich und Reichweite von § 90 Abs 3 und § 137 Abs 4 ABGB, iFamZ 2009, 266; Traar, Internationale Aspekte der Lebenspartnerschaft – Kollisions- und Zuständigkeitsrecht im Überblick, iFamZ 2008, 206; ders, Internationale Aspekte der eingetragenen Partnerschaft – internationales Verfahrensrecht und internationales Privatrecht, iFamZ 2010, 102; Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte VII/1 (Österreich) § 190.
1 Das österreichische Recht bot bis zum 31.12.2009 homosexuellen Paaren keinen rechtlichen Rahmen für ihr Zusammenleben. Und dies, obwohl bereits zuvor zahlreiche – vor allem europäische – Staaten in ihren Rechtsordnungen einen derartigen rechtlichen Rahmen geschaffen hatten, der mehr oder minder an die Rechtsposition verheirateter Personen heranreichte (etwa Dänemark, Deutschland, England, Schweiz oder Tschechien); in einigen Staaten hatten und haben gleichgeschlechtlich orientierte Menschen sogar die Möglichkeit zu heiraten (dazu gehören etwa Belgien, Niederlande, Spanien, Norwegen, Schweden, Kanada, Südafrika und zahlreiche US-amerikanische Bundesstaaten; vgl Graupner, RZ 2009, 178; Benke, EF-Z 2010, 19 FN 16; Gröger/Haller, EPG 9 ff). 2 Auch wenn nach derzeitiger Rsp von EuGH, EGMR und VfGH (vgl jew die Nachweise bei Wiederin Rz 56 und auch Benke, EF-Z 2010, 24; Cornides 8; Beclin, EF-Z 2010, 52) der Gesetzgeber die Ehe verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten darf, ohne sich grundrechts- oder verfassungswidrig zu verhalten (zuletzt EGMR Nr 30.141/04 [Schalk und Kopf/Österreich] = Zak 2010/387 = iFamZ 2010/169 = ecolex 2010, 915; offensichtlich zweifelnd Graupner, RZ 2009, 178; ebenso Benke, iFamZ 2010, 244), war es mE nicht mehr länger zu rechtfertigen, gleichgeschlechtlichen Paaren keinen (legalisierten) Rahmen für ihre Beziehung zur Verfügung zu stellen (abl dazu Cornides 10). Dies war letztlich offensichtlich zwar auch den maßgeblichen politischen Lagern in Österreich bewusst, durch die Beteiligung einer bürgerlich-katholisch-konservativen Partei an der Regierungskoalition war aber der – gesetzestechnisch einfachste – Weg versperrt, nämlich die Streichung der Wortfolge „verschiedenen Geschlechtes“ in § 44 ABGB. Damit wäre es nämlich zu einer völligen gesetzlichen Gleichstellung homo- und heterosexueller Beziehungen als Ehe gekommen. 3 Nach dem aus den ErläutRV klar hervortretenden Willen des Gesetzgebers soll die eingetragene Partnerschaft den Menschen, die eine solche eingehen, zwar eine adäquate Rechtsstellung verschaffen. Das EPG enthält aber absichtlich keine Bestimmungen, die sich auf Kinder beziehen oder die das Kindschaftsrecht ändern (Beclin, EF-Z 2010, 52). Demnach sollen auch die Adop804
§ 1 EPG
Geltungsbereich
tion eines Kindes durch die beiden eingetragenen Partner ebenso wie die Adoption des Kindes einer Partnerin oder eines Partners durch den anderen Teil ausgeschlossen bleiben. Andererseits soll die eingetragene Partnerschaft nach ihren Wirkungen auch keine „Ehe light“ oder eine „Schmalspurehe“ sein. Zwecks Abgrenzung der Ehe von der eingetragenen Partnerschaft wurde daher nicht der Weg von Verweisungen zum geltenden Eherecht gewählt, sondern wurden die entsprechenden zivilrechtlichen Regelungen über die wechselseitigen Rechte und Pflichten in einem eigenen Sondergesetz zusammengefasst, dem EPG. Dabei sollte unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung der geltenden Regelungen auch eine neue Terminologie sowohl für die „betroffenen Personen“ als auch für einige Rechtsinstitute geschaffen werden (Beclin, EF-Z 2010, 52). Mit Ausnahme der Adoptionsproblematik muss allerdings festgehalten, dass die eingetragene Partnerschaft in Österreich sich weitestgehend der Ehe annähert (Beclin, EF-Z 2010, 52) – trotz aller Lippenbekenntnisse des Gesetzgebers in den ErläutRV (aA Aichhorn, FPR 2010, 217, die die eingetragene Partnerschaft für eine „Art Ehe der zweiten oder gar dritten Güteklasse“ hält). Der Gesetzgeber des EPG hat selbst erkannt, dass auch eine solche Partner- 4 schaft den grundrechtlichen Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art 8 Abs 1 EMRK genießt (etwa EGMR ÖJZ 2004/2 [Karner/Österreich]; EGMR Nr 30.141/04 [Schalk und Kopf/Österreich] = Zak 2010/387 = iFamZ 2010/ 169 = ecolex 2010, 915; vgl die weiteren Nachweise bei Graupner, RZ 2009, 178; Benke, EF-Z 2010, 24). Darüber hinaus bedeutet die erlaubte Privilegierung der Ehe nicht, dass Homosexuelle in beliebiger Weise anders behandelt werden dürften als verheiratete Personen; vielmehr muss ein Andersbehandeln Homosexueller auf seine sachliche Rechtfertigung hin geprüft werden (Benke, EF-Z 2010, 24 unter Hinweis auch auf Entscheidungen der Verfassungsgerichte Sloweniens und Deutschlands [etwa dBGH FamRZ 2009, 1977]; Beclin, EF-Z 2010, 52; Gröger, ÖJZ 2010/23; vgl ausführlich auch Grünberger, FPR 2010, 203). Dennoch hat der österreichische Gesetzgeber eine erhebliche Zahl von Unterschieden zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft festgelegt, meist ohne dies näher zu begründen. Diese Unterschiede liegen zum Teil an der unteren Wahrnehmungsschwelle (etwa iZm einer Wiederverheiratung bzw Wiederbegründung einer eingetragenen Partnerschaft im Fall einer unrichtigen Todeserklärung [vgl § 13 EPG Rz 2] oder hinsichtlich der unterschiedlichen Altersgrenzen [§ 4 EPG Rz 1]), zum Teil werden eherechtliche Bestimmungen, die nahezu als totes Recht angesehen werden können, nicht übernommen (etwa die Härteklausel des § 55 Abs 2 EheG [vgl § 15 EPG Rz 3] oder das Verlöbnis nach §§ 45, 46 ABGB [vgl Deixler-Hübner, iFamZ 2010, 94]). Zum Teil handelt es sich um handwerkliche Fehler des Gesetzgebers, die im Analogieweg oder mittels teleologischer Reduktion bereinigt werden kön805
§ 1 EPG
Gitschthaler
nen (etwa die Nichtübernahme des § 87 Abs 2 EheG [vgl §§ 24 bis 41 EPG Rz 2]). Die erheblichsten und mE auch in ihren Auswirkungen bedeutendsten Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft liegen wohl in den unterschiedlichen Namensfolgen (vgl bei § 7 EPG) und der für die Begründung der Ehe bzw der eingetragenen Partnerschaft zuständigen Behörden (vgl bei § 6 EPG), dem Fehlen einer dem § 69 Abs 2 EheG vergleichbaren Unterhaltsbestimmung (samt pensionsrechtlichen Auswirkungen; vgl §§ 20 bis 23 EPG Rz 9), dem Verbot der medizinisch unterstützten Fortpflanzung (§ 2 Abs 1 FMG) sowie der Fremd- bzw der Stiefkindadoption (vgl § 8 EPG Rz 6 ff) und schließlich der (angeblichen) Verweigerung des Familienstatus für eingetragene Partnerschaften (vgl Benke, EF-Z 2010, 22; vgl Rz 6). 5 Diese Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Partnerschaft macht das EPG in verfassungsrechtlicher Hinsicht gleichsam von beiden Seiten her angreifbar. Zum einen werden seine Bestimmungen, soweit sie eingetragene Partner gegenüber Ehegatten benachteiligen, dahin zu überprüfen sein, ob diese Andersbehandlung eine sachliche Rechtfertigung für sich in Anspruch nehmen kann. Dem wird mE in den allermeisten Fällen nicht so sein (idS wohl auch Beclin, EF-Z 2010, 52); einzig hinsichtlich Adoption und medizinisch unterstützter Fortpflanzung scheint die Frage offen zu sein (vgl dazu ausführlich § 8 EPG Rz 6 ff). Lässt sich eine sachliche Rechtfertigung nicht argumentieren, wird der VfGH die benachteiligenden Normen beseitigen und auf diese Weise die eingetragene Partnerschaft schrittweise immer näher an die Ehe heranführen (idS wohl auch Benke, EF-Z 2010, 19; ebenso Cornides 6 [„Salamitaktik“]). Es ist anzunehmen, dass die unterschiedlichen Namensregelungen, die divergierenden Behördenzuständigkeiten bei der Begründung der eingetragenen Partnerschaft und die Adoptionsfrage als erstes einer Überprüfung unterzogen werden könnten (vgl auch Aichinger, Heterosexuelles Paar 2). Misst man hingegen den vom Gesetzgeber gemachten Unterschieden zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft argumentativ größere Bedeutung zu (was offensichtlich auch die Intention des Gesetzgebers war), stellt sich die Frage, warum nicht auch Heterosexuelle, die eine Ehe nicht eingehen wollen, eine eingetragene Partnerschaft begründen können sollen (Fischer-Czermak, NZ 2008, 100; Benke, EF-Z 2010, 25), auch wenn praktisch gesehen nicht ganz einleuchtend ist, weshalb Heterosexuelle ein derartiges Ansinnen haben sollten. Die Verpflichtungen sind im Wesentlich gleich groß wie im Eherecht, eingetragene Partner haben nur gewisse Rechte nicht (vgl allerdings Aichinger, Heterosexuelles Paar 2, der bereits am 10.2.2010 von einem heterosexuellem Paar berichtet, das eine eingetragene Partnerschaft begründen will; ders, Schwule 2). 6 Ersten Literaturstimmen (etwa Benke, EF-Z 2010, 22; Deixler-Hübner, iFamZ 2010, 94; idS wohl eher auch Beclin, EF-Z 2010, 52; die Frage offen lassend 806
§ 1 EPG
Geltungsbereich
Gröger, ÖJZ 2010/23) und Äußerungen von Interessenvertretungen der Homosexuellen zufolge hat der Gesetzgeber beabsichtigt, der eingetragenen Partnerschaft keinen Familienstatus (gemeint sind damit „Regenbogenfamilien“, also schwule oder lesbische Partner mit Kindern [vgl Aichhorn, FPR 2010, 217]) zuzuerkennen. Dies habe zur Folge, dass eingetragenen Partnern Familienförderungsmaßnahmen (etwa der Länder) versagt bleiben könnten (Benke, EF-Z 2010, 22; Aichhorn, FPR 2010, 217). Als Belegstelle wird regelmäßig die unterschiedliche Formulierung von § 92 Abs 3 ABGB und § 9 Abs 4 EPG (jew letzter Satz) angeführt; demnach ist iZm der gesonderten Wohnungnahme nach § 9 Abs 4 EPG auf die gesamten Umstände der eingetragenen Partnerschaft Bedacht zu nehmen, während § 92 Abs 3 letzter Satz ABGB die Bedachtnahme auf die gesamten Umstände der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder, anordnet. Als weitere Belegstelle für die Annahme, eine eingetragene Partnerschaft sei keine Familie, ließe sich die Namensbildungsvorschrift (vgl bei § 7 EPG) heranziehen, die für eingetragene Partner – nach entsprechender Namensänderung – einen gemeinsamen Nachnamen, jedoch keinen Familiennamen vorsehen. ME liegt es jedoch keineswegs auf der Hand, dass eine eingetragene Partnerschaft keine Familie wäre. Dies auszuschließen hätte es wohl einer deutlicheren Stellungnahme des Gesetzgebers bedurft, als sie sich in § 9 Abs 3 und in § 7 EPG finden lässt. Soweit ersichtlich, nimmt der Gesetzgeber darauf auch in den ErläutRV nirgendwo Bezug; er verweist vielmehr im Gegenteil darauf, das eingetragene Partnerschaften ua den grundrechtlichen Schutz des Familienlebens nach Art 8 EMRK genießen und dass die Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft im Wesentlichen den Rechten und Pflichten verheirateter Personen entsprechen (vgl dazu auch EGMR Nr 30.141/04 [Schalk und Kopf/Österreich] = Zak 2010/387 = iFamZ 2010/169 = ecolex 2010, 915). Dazu kommt, dass etwa der zeitgleich mit dem EPG in Kraft getretene § 137 Abs 4 ABGB auch auf homosexuelle Lebensgemeinschaften anzuwenden ist (Fischer-Czermak, EF-Z 2010, 6 unter Hinweis auf die ErläutRV zum FamRÄG 2009; Beclin, EF-Z 2010, 52); in § 137 Abs 4 ABGB ist aber ausdrücklich vom „familiären Verhältnis“ die Rede. Damit ist es nun zwar richtig, dass der Gesetzgeber (dem Natürlichkeitsparadigma verhaftet [vgl Benke, EF-Z 2010, 23]) im EPG den Grundgedanken verfolgte, eingetragenen Partnern „gemeinsame“ (aufgrund einer Adoption [vgl § 8 Abs 4 EPG] oder einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung [vgl § 2 Abs 1 FMedG]) Kinder zu verweigern (vgl dazu bei § 8 EPG Rz 6 ff), also zu verhindern, dass sie sich „eine künstliche Familie“ verschaffen (Cornides 4). Richtig ist auch, dass damit sämtliche Bezugnahmen auf Kinder (wie sie in den „eherechtlichen“ Bestimmungen enthalten sind) entfallen mussten (konnten). Eine eingetragene Partnerschaft, insb dann, wenn in deren Haushalt tatsächlich Kinder leben (für die ein eingetragener Partner vielleicht sogar obsorgeberechtigt ist), ist jedoch durchaus als „Familie“ (auch iS der Familienför807
§ 3 EPG
Gitschthaler
derungsmaßnahmen) zu verstehen. Dass es einer „institutionellen Einbindung von Kindern“ bedürfte, um eine Familie zu begründen, kann in heutigen Zeiten (entgegen Benke, EF-Z 2010, 20) nicht mehr wirklich vertreten werden. Gerade das – zeitgleich mit dem EPG in Kraft getretene – FamRÄG 2009 zeigt durch die Einfügung von § 90 Abs 3, § 137 Abs 4 ABGB, dass bei Patchwork„Familien“ von einem viel offenerem Verständnis und von einer Minderbedeutung institutioneller Bindungen ausgegangen werden kann und muss. 7 Nach einem früheren Entwurf eines Lebenspartnerschaftsgesetzes sollten die (nunmehr) eingetragenen Partner „Lebenspartner“ heißen; dieser Begriff wird auch in Deutschland verwendet. Nach den ErläutRV zum EPG haben vor allem die Interessenvertreter eine Angleichung an die in anderen Staaten am meisten übliche Bezeichnung gefordert, also „eingetragene Partnerschaft“. Benke (EF-Z 2010, 19) versteht diese Bezeichnung hingegen – und wohl zu Recht – als „neutralisierendes Zeichen“.
Wesen der eingetragenen Partnerschaft § 2. Eine eingetragene Partnerschaft können nur zwei Personen gleichen Geschlechts begründen (eingetragene Partner). Sie verbinden sich damit zu einer Lebensgemeinschaft auf Dauer mit gegenseitigen Rechten und Pflichten. [Stammfassung]
1 § 2 EPG wiederholt den schon aus § 1 EPG bekannten gesetzgeberischen Willen, dass heterosexuelle Personen (also Lebensgefährten im klassischen Sinne) eine eingetragene Partnerschaft nicht begründen können. Zur Frage der Verfassungskonformität dieses Umstands vgl § 1 EPG Rz 5. Im Übrigen stellt § 2 EPG wohl eine lediglich programmatische Bestimmung dar.
§ 3. Aus dem Versprechen, eine eingetragene Partnerschaft begründen zu wollen, kann nicht geklagt werden. [Stammfassung]
1 Die ErläutRV verweisen hinsichtlich § 3 EPG auf den „freien Willen beider potenzieller Partner“. Die Bestimmung entspricht in ihrer Aussage daher durchaus dem nur auf Ehegatten anzuwendenden § 45 ABGB. Da eine dem § 46 ABGB vergleichbare Bestimmung in das EPG nicht aufgenommen wurde, können eingetragene Partner aus dem Rücktritt eines von ihnen vom 808
§ 3 EPG
Wesen der eingetragenen Partnerschaft
vereinbarten Vorhaben, eine eingetragene Partnerschaft begründen zu wollen, zwar keine schadenersatzrechtlichen Forderungen ableiten. Allerdings kommt § 46 ABGB in der gerichtlichen Praxis ohnehin kaum mehr Bedeutung zu. Eine nicht nachvollziehbare und wohl auch kaum begründbare Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Partnerschaft bedeutet diese Unterscheidung aber allemal (vgl auch Benke, EF-Z 2010, 19). Daran vermag auch der in den ErläutRV enthaltene Hinweis darauf, dass es künftigen eingetragenen Partnern freistehe, ihre rechtlichen Beziehungen vor Eingehung der eingetragenen Partnerschaft durch einen – auch konkludenten – Vertrag frei zu regeln, nichts Wesentliches zu ändern; dieses Recht steht ja auch künftigen Ehegatten frei (Partnerschaftsvertrag).
809
2. Abschnitt Begründung der eingetragenen Partnerschaft Vor § 4 1 Nach § 27a IPRG sind die Voraussetzungen einer eingetragenen Partnerschaft nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie begründet wird, konkret also nach österreichischem Recht, wenn die Partnerschaft in Österreich begründet wird; eine Verweisung auf ausländisches Recht findet nicht statt. Die künftigen eingetragenen Partner müssen dabei nicht Österreicher sein; es ist auch nicht maßgeblich, ob in ihrem Herkunfts- oder Aufenthaltsstaat eine einer eingetragenen Partnerschaft vergleichbare Legalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen überhaupt möglich wäre (vgl RV zu § 27a IPRG). 2 Nach den ErläutRV ist es denkbar, dass eingetragene Partner ihre Partnerschaft nacheinander in mehreren Staaten registrieren lassen und nach dem Recht einiger dieser Staaten die Partnerschaft erst durch die Registrierung in diesem Staat begründet wird. In einem solchen Fall handelt es sich dennoch nur um eine eingetragene Partnerschaft, die als solche hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Anfechtbarkeit als einheitliche personenstandsrechtliche Beziehung zu beurteilen ist. Entscheidend sind nicht die Wirksamkeit oder die Mängel einzelner in unterschiedlichen Staaten nacheinander erfolgter Begründungs- und Registrierungsakte, sondern die Wirksamkeit und allfällige Mängel der Partnerschaft an sich. Eine eingetragene Partnerschaft, die nach dem Recht des Staates der ersten Registrierung unwirksam oder vernichtbar ist, nach dem Recht des Staates, in dem sie später registriert worden ist, jedoch wirksam und mängelfrei, ist aus österreichischer Sicht wirksam und bestandfest; die spätere Registrierung heilt die mangelhafte frühere. Die eingetragene Partnerschaft ist daher wirksam und bestandfest, wenn sie es nach einem der maßgebenden Rechte ist. Einer eigenen Bestimmung zum maßgebenden Recht (für die Wirksamkeit der eingetragenen Partnerschaft und deren Anfechtung wegen Nichtigkeit oder Mängeln bei der Eingehung) bei Mehrfachregistrierung einer Partnerschaft bedurfte es – anders als bei § 27c IPRG – nach den ErläutRV daher nicht.
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§ 4 EPG
Begründung
Näheres zu internationalen und kollisionsrechtlichen Aspekten der einge- 3 tragenen Partnerschaft bei Traar (iFamZ 2008, 206 und iFamZ 2010, 102), Aspöck (Zak 2010, 223) und Gröger/Haller (Seiten 103 bis 124).
Volljährigkeit und Geschäftsfähigkeit § 4. (1) Eine eingetragene Partnerschaft kann nicht begründen, wer minderjährig oder zwar volljährig, aber geschäftsunfähig ist. (2) Eine volljährige Person, die in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, bedarf zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft der Einwilligung der mit der gesetzlichen Vertretung betrauten Person. (3) Wird die nach Abs. 2 erforderliche Einwilligung verweigert, so hat das Gericht sie auf Antrag der beschränkt geschäftsfähigen Person zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen. [Stammfassung]
EPG und EheG entsprechen einander zwar in der Festlegung der Ehe- bzw 1 Partnerschaftsmündigkeit (vgl § 1 Abs 1 EheG) mit dem Erreichen der Volljährigkeit. Das EPG kennt allerdings keine dem § 1 Abs 2 EheG vergleichbare „Partnerschaftsmündigkeits“erklärung; unter 18-Jährige können daher keinesfalls eine eingetragene Partnerschaft begründen (vgl auch Benke, EF-Z 2010, 19). Die ErläutRV begründen dies damit, dass in der Praxis „– soweit überblickbar –“ nur dann von der Möglichkeit einer Ehemündigkeitserklärung Gebrauch gemacht werde, wenn es darum geht, eine Ehe zu schließen, bevor das gemeinsame Kind auf die Welt kommt. Ob dieser Befund richtig ist, sei dahin gestellt (an dessen Richtigkeit zweifelnd auch Aichhorn, FPR 2010, 217). Fraglich erscheint es mE zwar ohnehin, die Mündigkeit, eine eingetragene Partnerschaft zu begründen, gegenüber dem Eintritt der Geschäftsfähigkeit vorzuziehen; dieses Argument gilt jedoch auch für (eigentlich: gegen) die Vorverlagerung der Ehemündigkeit. Sinnvoller wäre es daher mE gewesen, auch § 1 Abs 2 EheG zu beseitigen. Nunmehr besteht jedoch eine wohl nicht wirklich zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen mj künftigen Ehegatten und mj künftigen eingetragenen Partnern; das Schwangerschaftsargument zählt nicht wirklich, können doch auch mj künftige Ehegatten heiraten, selbst wenn keine Schwangerschaft besteht und sie auch gar keine Kinder bekommen wollen (Aichhorn, FPR 2010, 217). Abs 2 und 3 übernehmen praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzu- 2 wendende Bestimmung der § 2, § 3 Abs 1 und 3 EheG iZm volljährigen Personen, die in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, im Wesentlichen also Personen, denen ein Sachwalter nach § 268 ABGB bestllt wurde. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann insoweit übernommen werden. Vgl daher insoweit die Kommentierung zu § 3 EheG. 811
§ 5 EPG
Gitschthaler
Nach hA zu § 3 EheG (vgl dort Rz 2) ist die Einwilligung des Sachwalters zur Eheschließung nur dann erforderlich, wenn eine Sachwalterschaft nach § 268 Abs 3 Z 3 ABGB vorliegt oder im Fall einer Sachwalterschaft nach Z 1 oder 2 die Einwilligung zur Eheschließung konkret zum Wirkungskreis des Sachwalters gehört. Diese dem Gesetzgeber wohl bekannte Diskussion hat ihn trotzdem nicht veranlasst, nunmehr in § 4 EPG eine verfassungskonforme Regelung zu finden. Gleichwohl wird auch § 4 EPG einschränkend im dargestellten Sinn verstanden werden müssen, erschiene doch eine Ungleichbehandlung von (potenziellen) Ehegatten und eingetragenen Partnern in dieser Frage sachlich nicht gerechtfertigt.
Begründungshindernisse § 5. (1) Eine eingetragene Partnerschaft darf nicht begründet werden 1. zwischen Personen verschiedenen Geschlechts; 2. mit einer Person, die bereits verheiratet ist oder mit einer anderen Person eine noch aufrechte eingetragene Partnerschaft begründet hat; 3. zwischen Verwandten in gerader Linie und zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern sowie zwischen einem an Kindesstatt angenommenen Kind und seinen Abkömmlingen einerseits und dem Annehmenden andererseits, solange das durch die Annahme begründete Rechtsverhältnis besteht. (2) Das Verbot des Abs. 1 Z 2 steht einer Wiederholung der Begründung der eingetragenen Partnerschaft nicht entgegen, wenn die eingetragenen Partner Zweifel an der Gültigkeit oder dem Fortbestand ihrer eingetragenen Partnerschaft hegen. [Stammfassung]
1 Die in dieser Bestimmungen enthaltenen Begründungshindernisse entsprechen in ihrer Bedeutung den (qualifizierten) Eheverboten nach dem EheG. Ihre Missachtung führt in nahezu allen Fällen (Ausnahme: Abs 1 Z 1) zur Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft (vgl Näheres bei § 19 EPG). 2 § 5 Abs 1 Z 1 EPG wiederholt – nahezu in formelhafter Beschwörung – den bereits aus §§ 1 und 2 Abs 1 EPG bekannten Umstand, dass heterosexuelle Partner (also Lebensgefährten im klassischen Sinne) eine eingetragene Partnerschaft nicht begründen können. Zur Frage der Verfassungskonformität dieses Umstands vgl § 1 EPG Rz 5. Im Gegensatz zu den Fällen der Z 2 und 3 ist eine – trotz des Verbots – eingetragene Partnerschaft zwischen Mann und Frau nicht nichtig; dieses Begründungshindernis ist daher dem schlichten Eheverbot des § 10 EheG vergleichbar, dessen Missachtung sanktionslos ist. 812
§ 6 EPG
Begründung
Abs 1 Z 2 entspricht – zusammengefasst – §§ 8 und 9 EheG, die auch den Ab- 3 schluss einer Ehe verbieten, solange eine bestehende Ehe oder eingetragene Partnerschaft nicht für nichtig erklärt oder aufgelöst worden sind. Abs 1 Z 3 Fall 1 übernimmt weitestgehend die nur auf Ehegatten anzuwen- 4 dende Bestimmung des § 6 EheG. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann insoweit übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 6 EheG. Dass Abs 1 Z 3 Fall 1 nur von Verwandtschaft und nicht wie § 6 EheG von Blutsverwandtschaft spricht, hat allerdings zur Folge, dass für eingetragene Partner allein die rechtliche Verwandtschaft maßgeblich ist; auf reine Blutsverwandtschaft (etwa nach – wohl regelmäßig rechtsirriger – Aufhebung einer Statusentscheidung) kommt es hingegen nicht an (zur Problematik des Eheverbots der Verwandtschaft vgl § 6 EheG Rz 4 ff). Auffällig ist idZ allerdings, dass der Gesetzgeber, der ja an zahlreichen Stellen nahezu krampfhaft versucht hat, Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft zum Nachteil letzterer zu statuieren (vgl § 1 EPG Rz 4), die „Chance“ ausgelassen hat, einen Unterschied – diesmal zugunsten der eingetragenen Partner – zu machen, indem er eingetragene Partnerschaften auch von Blutsverwandten zuließ. Das Eheverbot der Verwandtschaft nach § 6 EheG bezweckt ja primär in eugenischer Hinsicht die Vermeidung von Erbkrankheiten (vgl § 6 EheG Rz 1); ein Zweck, der bei – gleichgeschlechtlichen – eingetragenen Partner nicht in Betracht kommt (ebenso Cornides 12). Nicht ausgelassen hat der Gesetzgeber jedoch die Chance, die eingetragenen 5 Partner gegenüber Ehegatten insofern zu benachteiligen, als § 10 EheG hinsichtlich des Verbots einer Eheschließung zwischen Wahlelternteil und Wahlkind (und dessen Nachkommen) sanktionslos ist (vgl § 10 EheG Rz 3), während § 5 Abs 1 Z 3 iVm § 19 Abs 2 Z 4 EPG derartige eingetragene Partnerschaften der Nichtigkeitssanktion unterwirft. Warum ein solcher Unterschied gemacht wurde, begründen die ErläutRV nicht. Abs 2 übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendende 6 Bestimmung des § 13 DVEheG. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 13 DVEheG.
Form der Begründung § 6. (1) Eine eingetragene Partnerschaft kann nur unter persönlicher und gleichzeitiger Anwesenheit beider Partner vor der im Personenstandsgesetz, BGBl. Nr. 162/1987, als sachlich zuständig bezeichneten Behörde begründet werden. (2) Die gemäß Abs. 1 zuständige Behörde protokolliert die Erklärungen der beiden Partner, eine eingetragene Partnerschaft begründen zu wollen, 813
§ 6 EPG
Gitschthaler
wodurch die eingetragene Partnerschaft zustande kommt. Die Behörde lässt das Protokoll von beiden unterschreiben. (3) Die eingetragene Partnerschaft kann nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung begründet werden. [Stammfassung]
1 Wie die Eheschließung (vgl § 17 Abs 1 EheG) setzt die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft die persönliche und gleichzeitige Anwesenheit beider (künftiger) Partner vor der zuständigen Behörde voraus (vgl dazu § 17 EheG Rz 4, 5; zur zuständigen Behörde vgl Rz 4). 2 Ebenso wie bei der Eheschließung erklären die künftigen eingetragenen Partner gegenüber der zuständigen Behörde, die eingetragene Partnerschaft begründen zu wollen. Während allerdings die Ehe bereits mit dieser Erklärung zustande kommt (§ 17 Abs 1 EheG), erfordert die Begründung der eingetragenen Partnerschaft noch die Unterfertigung eines von der Behörde zu errichtenden Protokolls (§ 6 Abs 2 EPG, § 26a Abs 1 PStG), dem gem § 47a Abs 3 PStG auch das Amtssiegel beigefügt werden muss. Dieser – an sich unnotwendige formelle Unterschied – wird allerdings in der Praxis wohl keine größeren Auswirkungen haben. 3 § 6 Abs 3 EPG entspricht § 17 Abs 2 Ehe; vgl daher die Kommentierung zu § 17 EheG Rz 6. 4 Ein wesentlicher – und im Gesetzwerdungsprozess auch in den Boulevardmedien breit kommentierter und insgesamt heftig umstrittener – Unterschied zwischen Eheschließung und Begründung einer eingetragenen Partnerschaft liegt in der jeweils zuständigen Behörde. Während die Ehe vor dem Standesbeamten nach § 59 Abs 2 PStG (Bürgermeister bzw von diesem herangezogener Organwalter bzw Standesamtsverband) geschlossen wird (§ 15 Abs 1 EheG), wird die eingetragene Partnerschaft vor der Bezirksverwaltungsbehörde begründet (§ 6 Abs 1 EPG; § 59a Abs 1 PStG), die sich dabei eines ihres Bediensteten zu bedienen hat, der die für die Besorgung dieser Aufgaben notwendigen Fachkenntnisse besitzt (§ 59a Abs 2 PStG). Dies sind die Bezirkshauptmannschaften sowie in den Statuarstädten die Magistrate. Die Bezirksverwaltungsbehörden haben dabei nicht nur die Begründung eingetragener Partnerschaften zu beurkunden, sondern auch Partnerschaftsurkunden nach § 34a PStG auszustellen und die Partnerschaftsbücher zu führen (§ 59a Abs 1 PStG). Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass den eingetragenen (richtig eigentlich: „einzutragenden“) Partnern die für Ehegatten nach § 47 PStG vorgesehene Zeremonie vorenthalten wird (vgl dazu ausführlich Gröger, ÖJZ 2010/ 23; Gröger/Haller, EPG § 6 Anm 1); Unterschiede gibt es auch bezüglich der 814
§ 6 EPG
Begründung
Notwendigkeit der Begründung der eingetragenen Partnerschaft (nur) in Amtsräumen, während Ehegatten auch außerhalb derselben heiraten können. Und schließlich bedürfen Ehegatten bei der Eheschließung der Anwesenheit von Zeugen, eingetragene Partner hingegen nicht. Selbst wenn man diesen Regelungen nicht die Absicht einer bewussten Ausgrenzung der Homosexuellen unterstellt (vgl idS jedoch Beclin, EF-Z 2010, 52 und die in FN 48 und 49 genannten Beispiele), liegt auch mE eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Partnerschaft vor (ebenso Deixler-Hübner, iFamZ 2010, 94). §§ 42 ff PStG regeln – deckungsgleich für Ehen und eingetragene Partnerschaf- 5 ten – die Ermittlung der Ehefähigkeit bzw der Fähigkeit, eine eingetragene Partnerschaft zu begründen. Auch dafür sind bei eingetragenen Partnerschaften allerdings gem § 46 Abs 1a PStG die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig; durch die unterschiedlichen Zuständigkeiten (vgl Rz 4) entstehen an sich vermeidbare Doppelgleisigkeiten, müssen doch nunmehr die Bezirksverwaltungsbehörden ein Knowhow aufbauen, das bei den Standesämtern aufgrund der von ihnen seit Jahrzehnten durchgeführten Ehefähigkeitsermittlungen bereits vorhanden ist.
815
3. Abschnitt Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft Vor § 7 1 Die persönlichen Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft sind gem § 27b IPRG zunächst nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die eingetragenen Partner ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, mangels eines solchen nach dem Recht des Staates, in dem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt (während aufrechter eingetragener Partnerschaft [vgl 6 Ob 164/10a]) gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat (Z 1). In weiterer Folge ist das gemeinsame, mangels eines solchen das letzte gemeinsame Personalstatut der eingetragenen Partner beachtlich, sofern es einer von ihnen beibehalten hat, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des in Z 1 bestimmten Rechts nicht vorliegen oder soweit dieses Recht die persönlichen Rechtswirkungen der eingetragenen Partnerschaft nicht regelt (Z 2). Schließlich ist österreichisches Recht anzuwenden, und zwar auch insoweit, als das nach Z 2 maßgebende Recht die persönlichen Rechtswirkungen der eingetragenen Partnerschaft nicht regelt. 2 Zu den § 27b IPRG unterliegenden Materien gehören etwa die Verletzung von die eingetragenen Partner bei aufrechter Partnerschaft im Verhältnis zueinander treffenden Pflichten (vgl 3 Ob 505/96 = JBl 1998, 243), Unterhaltsansprüche gem § 12 EPG (vgl 6 Ob 674/87 = IPRE 2/129; 10 Ob 2284/96x = ZfRV 1998/32; 2 Ob 144/06z = EF 117.746) und die Folgen der Auflösung oder Nichtigkeit einer eingetragenen Partnerschaft nach §§ 20 ff EPG (vgl zu nachehelichem Unterhalt 8 Ob 280/00k = EvBl 2001/101 und 7 Ob 208/04w sowie zu nachehelicher Aufteilung 1 Ob 544/93 = ZfRV 1993/86; 7 Ob 239/ 07h = ZfRV-LS 2008/[Ofner]).
816
§ 7 EPG
Wirkungen
Namen § 7. Die eingetragenen Partner behalten ihren bisherigen Namen bei. [Stammfassung]
Nach § 93 Abs 1 ABGB führen Ehegatten (grundsätzlich) den gleichen Fami- 1 liennamen. Um den Begriff „Familie“ auch in diesem Zusammenhang zu vermeiden (vgl § 1 EPG Rz 6), behalten eingetragene Partner zwar nach § 7 EPG ihren bisherigen Namen, ein eingetragener Partner kann jedoch nach § 2 Abs 1 Z 7a NÄG den Nachnamen erhalten, der gleich lautet wie der seines eingetragenen Partners; diesen Antrag hat er gemeinsam mit der Begründung der eingetragenen Partnerschaft zu stellen. Außerdem kann er damit auch den Antrag verbinden, als höchstpersönliches, nicht ableitbares Recht seinen Nachnamen voran- oder nachzustellen. Damit sind – jedenfalls im Ergebnis – die namensrechtlichen Konsequenzen 2 einer Ehe und einer eingetragenen Partnerschaft insoferne gleich, als in beiden Fällen die Lebenspartner einen gemeinsamen Namen oder einen gemeinsamen Namen, dem ein Lebenspartner seinen ursprünglichen Namen voran- oder nachstellt, oder jeder seinen bisherigen Namen tragen können. Unterschiede bestehen darin, dass eingetragene Partner einer – mit Kosten verbundenen – Namensänderung bedürfen, während Ehegatten lediglich dem Standesbeamten gegenüber eine Erklärung abgeben müssen (§ 93 Abs 2 EheG). Außerdem haben Ehegatten, die einen Doppelnamen führen wollen, diesen durch Bindestrich zu verbinden (§ 93 Abs 2 ABGB), während dies für eingetragene Partner nicht gilt (§ 2 Abs 1 Z 7a NÄG; Beclin, EF-Z 2010, 52). Weiters besteht für eingetragene Partner für den Fall der Auflösung ihrer Partnerschaft keine dem § 93a ABGB vergleichbare Anordnung; sie führen also auch in diesem Fall den voran- oder nachgestellten Namen weiter, können dies aber wohl – wieder mit Kosten verbunden – durch eine weitere Namensänderung vermeiden. Und schließlich führen Ehegatten einen gemeinsamen Familiennamen, eingetragene Partner jedoch einen gemeinsamen Nachnamen, wobei gerade diese Regelung besonders absurd erscheint, hat doch jedermann zunächst einen Familiennamen (vgl §§ 139, 165 ABGB). Da der Gesetzgeber des EPG in zahlreichen Bestimmungen des PStG Rege- 3 lungen über den „Familiennamen“ dahin abgeändert hat, dass es sich nunmehr um Regelungen über den „Familiennamen, Nachnamen“ handelt und die ErläutRV ausdrücklich von der „Einführung der Unterscheidung von Familienund Nachnamen“ sprechen, enthalten die namensrechtlichen Bestimmungen des EPG eine – sachlich nicht zu rechtfertigende (aA offensichtlich [Ablehnung der Beschwerde] VfGH B 582/10; Deixler-Hübner, iFamZ 2010, 94, die das Ehenamensrecht für nicht mehr zeitgemäß hält und daher fordert, die namensrechtlichen Bestimmungen des EPG in ein „moderneres Eherecht Ein817
§ 8 EPG
Gitschthaler
gang finden“ zu lassen) – Stigmatisierung von eingetragenen Partnern; diese führen ja offensichtlich selbst dann nicht mehr einen Familiennamen, sondern einen (unterschiedlichen) Nachnamen, wenn sie keinen gemeinsamen Namen wählen (vgl § 26a PStG; Beclin, EF-Z 2010, 52; aA Gröger, ÖJZ 2010/ 23, wonach der Partner, der seinen Namen behält, einen Familiennamen führt, der andere Partner jedoch einen Nachnamen). Mit Gröger (ÖJZ 2010/23) ist vom Gesetzgeber eine baldestmögliche Beseitigung dieser Ungleichbehandlungen zu verlangen, die ja im übrigen zu einem enormen Verwaltungsaufwand führen (müssten), sind doch alle amtlichen Dokumente, Formulare udgl um die Rubrik „Nachname“ zu ergänzen; abgesehen von der befürchteten Stigmatisierung gleichgeschlechtlicher Partner, die auf diese Art und Weise uU ihre sexuelle Orientierung ohne Notwendigkeit offen legen müssen.
Rechte und Pflichten § 8. (1) Die persönlichen Rechte und Pflichten der eingetragenen Partner im Verhältnis zueinander sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gleich. (2) Die eingetragenen Partner sind einander zur umfassenden partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft und Vertrauensbeziehung, besonders zum gemeinsamen Wohnen, zur anständigen Begegnung und zum Beistand, verpflichtet. (3) Die eingetragenen Partner sollen ihre Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten. Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein eingetragener Partner abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des einen Partners als gewichtiger anzusehen sind. (4) Die eingetragenen Partner dürfen nicht gemeinsam ein Kind an Kindesstatt oder die Kinder des jeweils anderen an Kindesstatt annehmen. [Stammfassung]
1 § 8 Abs 1 EPG übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendende Bestimmung des § 89 ABGB. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 89 ABGB. Ebenso wie im Eherecht hat auch diese Bestimmung im Wesentlichen programmatischen Charakter und dient als Auslegungsregel für eingetragene Partnerschaften betreffende Bestimmungen (vgl auch § 89 ABGB Rz 2). 2 Abs 2 übernimmt zum Teil praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendende Bestimmung des § 90 Abs 1 ABGB. Die zu dieser Bestimmung 818
§ 8 EPG
Wirkungen
ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 90 ABGB. Eine Differenzierung macht der Gesetzgeber allerdings insofern, als § 90 Abs 1 ABGB die Ehegatten zur Treue verpflichtet, während eingetragene Partner eine Vertrauensbeziehung zu wahren haben. Die ErläutRV legen weder offen, warum dieser begriffliche Unterschied gewählt wurde (vermutlich aus politischen Gründen, möglicherweise als Reaktion auf Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren zum Entwurf eines LebPartG [so A. Haunschmidt, iFamZ 2010, 97]), noch worin er liegen soll. Da wechselseitiges Vertrauen regelmäßig auch das Einhalten der Treue umfasst (Beclin, EF-Z 2010, 52), ist der griffige Spruch „In der Ehe gibt es zwar Treue, aber kein Vertrauen, in der eingetragenen Partnerschaft hingegen Vertrauen, aber keine Treue“ insoweit inhaltlich unrichtig. Im Übrigen ist die Wahrung eines Vertrauensverhältnisses auch im Rahmen des Ehegattenrecht nichts Neues (Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 7; Beclin, EF-Z 2010, 52; A. Haunschmidt, iFamZ 2010, 97), hat doch der OGH bereits festgehalten, aus dem Wesen der Ehe als umfassender Lebensgemeinschaft und dem ihren gesetzlichen Regelungen zugrunde liegenden Gleichberechtigungs- und Partnerschaftsgedanken folge, dass die Ehegatten zur Aufrechterhaltung des für eine solche Gemeinschaft erforderlichen Vertrauensverhältnisses verpflichtet sind (1 Ob 224/01z; 9 ObA 50/03y = SZ 2004/39). Es ließe sich daher durchaus überlegen, ob nicht sogar die Vertrauensbeziehung mehr umfasst – und daher weitergehend ist – als eine Treueverpflichtung, die eingetragenen Partner somit sogar mehr bindet als eine Ehe. In die gegenteilige Richtung denkt hingegen Beclin (EF-Z 2010, 52), die aus dem Fehlen der Treueverpflichtung in § 8 Abs 2 EPG den Schluss ziehen will, der Gesetzgeber erlaube damit eingetragenen Partnern eine rechtsgültige Vereinbarung sexueller Freiheit, werde doch in einem solchen Fall die Vertrauensbeziehung nicht gestört. Nach A. Haunschmidt (iFamZ 2010, 97 mwN) sollen insb homosexuelle Männer in einer Paarbeziehung Seitensprünge des Partners zumeist tolerieren und vom Partner keine sexuelle Treue erwarten. Das alles mag nun zwar durchaus möglich sein, doch ist auch zwischen Ehegatten die Zustimmung des Partners zur Untreue insoweit von Bedeutung, als ein auf ihrer Basis gesetztes Verhalten jedenfalls nicht als Scheidungsgrund geltend gemacht werden kann; andere unmittelbare Rechtsfolgen hat ein Verstoß eines Ehegatten gegen die Treuepflicht des § 90 ABGB regelmäßig aber ohnehin nicht (vgl Hofmann/Grüblinger, EF-Z 2009, 138 mwN). Jenseits all dieser nahezu philosophischen bzw soziologischen Überlegungen erscheint es daher gerechtfertigt, die den Ehegatten in § 90 Abs 1 EheG und die den eingetragenen Partnern in § 8 Abs 2 EPG überbundenen Pflichten zur Einhaltung der Treue und zur Erhaltung einer Vertrauensbeziehung tendenziell als inhaltsgleich zu sehen (so auch A. Haunschmidt, iFamZ 2010, 97; Gröger, ÖJZ 2010/23; Gröger/Haller, EPG § 8 Anm 3); die von DeixlerHübner (iFamZ 2010, 94) gesehene sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbe819
§ 8 EPG
Gitschthaler
handlung von Ehegatten und eingetragenen Partnern besteht hier nicht. Soweit daher LuRsp auf schadenersatzrechtlicher Basis Ansprüche gehörnter Ehegatten (insb aus der Betrauung eines Detektivs) entwickelt haben (vgl wiederum Hofmann/Grüblinger, EF-Z 2009, 138, 169), besteht mE kein Anlass, diese Problematik bei eingetragenen Partnern anders zu sehen. 3 Soweit das EPG (im Gegensatz zu §§ 91, 95 ABGB) keine ausdrückliche Verpflichtung der eingetragenen Partner zur Haushaltsführung bei nicht gleichmäßig aufzuteilenden Lasten der Gemeinschaft kennt und auch nicht den Wunsch nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei den Gründen für eine Neugestaltung der Lebensgemeinschaft nennt, begründet der Gesetzgeber dies damit, dass die damit angesprochenen Konflikte in der traditionellen Rollenverteilung der Geschlechter in der heterosexuellen Beziehung ihren Ursprung hätten; ein Befund, dem nicht so ohne Weiteres entgegen getreten werden kann. Praktische Auswirkungen wird diese unterschiedliche Behandlung von Ehen und eingetragenen Partnern aber wohl nicht haben. 4 Das EPG kennt keine dem erst durch das FamRÄG 2009 eingefügten § 90 Abs 3 ABGB (Näheres vgl dort) vergleichbare Bestimmung, obwohl auch eingetragene Partner Kinder aus früheren Beziehungen haben und für diese auch obsorgeberechtigt sein können, abgesehen davon, dass es auf den letztgenannten Umstand in § 90 Abs 3 ABGB genauso wenig ankommt wie auf die Frage einer Haushaltsgemeinschaft zwischen Stiefelternteil und Kind (Fischer-Czermak, EF-Z 2010, 4; G. Hopf, ÖJZ 2010, 154). Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf eingetragene Partner dürfte im Hinblick auf den insoweit klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers ausscheiden (Fischer-Czermak, EF-Z 2010, 4; G. Hopf, ÖJZ 2010, 154). Zwar kann auch für die eingetragene Partnerschaft aus der Generalklausel des § 8 Abs 2 EPG eine entsprechende Pflicht zum Beistand in der Ausübung der Obsorge abgeleitet werden, deren Ausmaß sich nach der einvernehmlichen Gestaltung der eingetragenen Partnerschaft richtet (Beclin, EF-Z 2010, 52). Die Vertretungsregelung des § 90 Abs 3 letzter Satz ABGB ist jedoch nicht anwendbar. Für diese Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Partnern gibt es mE keinerlei sachliche Rechtfertigung, weshalb deren Verfassungskonformität bezweifelt werden muss. 5 Abs 3 Satz 1 übernimmt das Einvernehmensprinzip des § 91 Abs 1 ABGB, lässt jedoch die dort genannten Beispielsfälle (Haushaltsführung, Erwerbstätigkeit, Beistandspflicht, Ausübung der Obsorge für Kinder) weg. Da allerdings § 91 Abs 1 ABGB diese Beispielsfälle nur „besonders“ erwähnt und § 8 Abs 3 Satz 1 EPG generell von den Beiträgen der eingetragenen Partner spricht, ist mE ein inhaltlicher Unterschied nicht wirklich erkennbar bzw wird ein solcher nicht relevant werden. Abs 3 Satz 2 entspricht im Wesentlichen § 91 Abs 2 Satz 1 ABGB, es entfällt jedoch die Bedachtnahme auf die Kinder. Diese Differenzierung beruht auf 820
§ 8 EPG
Wirkungen
dem Grundgedanken des EPG, eingetragenen Partnern „gemeinsame“ (aufgrund einer Adoption [vgl § 8 Abs 4 EPG] oder einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung [vgl § 2 Abs 1 FMedG]) Kinder zu verweigern (vgl jedoch zur Frage der Berücksichtigung des Kindeswohls von zwar nicht gemeinsamen, jedoch im gemeinsamen Haushalt der eingetragenen Partner lebenden Kindern bei § 9 EPG Rz 3). Während § 91 Abs 2 letzter Satz ABGB die Ehegatten für den Fall, dass einer von ihnen von der einvernehmlichen Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft abgehen will, verpflichtet, sich um ein Einvernehmen über die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen (vgl bei § 91 ABGB), trifft eine solche Pflicht die eingetragenen Partner nicht; jedenfalls ist dem EPG eine korrespondierende Bestimmung nicht zu entnehmen. Da die ErläutRV eine Begründung für diese – an sich durch nichts gerechtfertigte – unterschiedliche Behandlung vermissen lassen, ist an ein Redaktionsversehen zu denken, das durch Analogie zu beseitigen ist. An relativ versteckter Stelle enthält das EPG eine der bedeutendsten Ungleich- 6 behandlungen von Ehe und eingetragener Partnerschaft. Im Gegensatz zu Ehegatten dürfen nämlich eingetragene Partner weder gemeinsam ein Kind noch einer das Kind des anderen (Stiefkind) adoptieren (Adoptionsverbot). „Unterstützt“ wird diese Absicht des Gesetzgebers, gleichgeschlechtlichen Paaren (rechtlich) gemeinsame Kinder zu verweigern, durch § 2 Abs 1 FMG, wonach eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nur in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts zulässig ist. Der Gesetzgeber begründet die Verweigerung von Adoptionsmöglichkeiten mit seiner Freiheit, die Zustimmung zur Adoption durch einen Einzelnen an die Zustimmung des Ehegatten zu knüpfen (vgl § 181 Abs 1 Z 2 ABGB); er müsse dann aber auch in der Frage des „im Begutachtungsverfahren vielfach geforderten Adoptionsverbots“ frei entscheiden können. Im Übrigen wäre eine Stiefkind- oder Paaradoption nach dem österreichischen Adoptionsrecht schon deshalb ausgeschlossen, weil dieses Konstellationen, bei denen das Kind zwei rechtliche Väter oder zwei rechtliche Mütter hat, nicht zulässt. Dass es sich bei dieser Argumentation letztlich um eine Scheinbegründung handelt, liegt auf der Hand. Abgesehen davon, dass es der Gesetzgeber ja ohnehin jederzeit in der Hand hätte, das „österreichische Adoptionsrecht“ zu ändern, erlaubt § 179 Abs 2 ABGB ausdrücklich sowohl die Adoption durch Ehegatten als auch die Stiefkindadoption. Stellt aber nun die eingetragene Partnerschaft eine – zumindest im Wesentlichen – der Ehe vergleichbare Legalisierung einer Beziehung gleichgeschlechtlicher Personen dar, erschöpft sich letztlich die Begründung des § 8 Abs 4 EPG in der im Begutachtungsverfahren (?) gewonnenen Erkenntnis, dass gleichgeschlechtlichen Paaren (auch wenn sie in einer eingetragenen Partnerschaft leben) keine (rechtlich) gemeinsamen Kinder zugestanden werden sollen. Ob dies jedoch auch der hA in der Bevölkerung 821
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Gitschthaler
oder lediglich jener in der den bürgerlich-katholisch-konservativen Teil der Regierungskoalition bildenden politischen Partei entspricht, erscheint zumindest fraglich. 7 Der Gesetzgeber ist nicht berechtigt, gleichgeschlechtliche Paare in beliebiger Weise anders zu behandeln als verschiedengeschlechtliche (vgl § 1 EPG Rz 4). Nach der derzeitigen Rsp des EGMR dürfte es dem nationalen Gesetzgeber aus grundrechtlicher Sicht jedoch tatsächlich (noch?) freistehen zu entscheiden, ob er gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption erlauben will oder nicht (idS wohl auch Beclin, EF-Z 2010, 52; Deixler-Hübner, iFamZ 2010, 94; zweifelnd Graupner, RZ 2009, 178). So führte der EGMR etwa in der Entscheidung Nr. 36515/97 (Fretté/Frankreich) bei Prüfung der Frage, ob die von der Behörde verweigerte Adoption eines Kindes durch einen Homosexuellen eine Diskriminierung war, aus, eine Adoption bedeute, dass „ein Kind mit einer Familie versorgt werden soll und nicht eine Familie mit einem Kind“. Es sei Aufgabe eines Staates, im Falle der Adoption dem Kind das in jeder Beziehung am besten geeignete Heim zu bieten. Nicht zuletzt im Hinblick auf die großen Unterschiede in der nationalen und internationalen Meinung über die möglichen Konsequenzen einer Kindesadoption durch einen oder mehrere homosexuelle Eltern und im Hinblick, dass es nicht genügend Kinder gäbe, um der Nachfrage zu entsprechen, sei den Staaten in diesem Bereich ein großer Beurteilungsspielraum einzuräumen (vgl idS auch 9 Ob 62/06t = EF-Z 2007/15). Allerdings lässt sich mE aus der Entscheidung Nr 43546/02 (Raptis) = EF-Z 2008/30 möglicherweise ein gewisser Meinungsumschwung erkennen (vgl dazu auch Beclin aaO; idS wohl auch Verfassungsdienst BKA zum Entwurf eines LPartG [vgl Benke, EF-Z 2010, 19 FN 77]). Dazu kommt, dass der österreichische Gesetzgeber nunmehr mit dem EPG durchaus eine der Ehe vergleichbare Institutionalisierung einer gleichgeschlechtlichen Beziehung zulässt, womit sich das Adoptionsverbot völlig auf die „Geschlechtsproblematik“ reduziert (vgl § 2 Abs 1 FMG, wonach auch verschiedengeschlechtliche Lebensgefährten eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung in Anspruch nehmen können). Und auch der in der Rsp des OGH erkennbare, dem Natürlichkeitsparadigma (vgl dazu Benke, EF-Z 2010, 23) verhaftete Ansatz, „das Leitbild der kindschaftsähnlichen Beziehung für die Minderjährigenadoption [sei] von der spezifischen sozialen und psychischen Beziehung von Eltern zu heranwachsenden Jugendlichen geprägt, wozu neben dem sozialtypischen örtlichen und persönlichen Naheverhältnis (Haushaltsgemeinschaft, leibliche und mentale Betreuung durch die Eltern) eine der Eltern- und Kindesliebe gleichkommende emotionale Beziehung sowie eine spezifisch erzieherische Leitungs- und Vorbildrolle der Eltern gehören“ (6 Ob 179/05z; 9 Ob 62/06t = EF-Z 2006/15), gerät angesichts jüngerer Studien zunehmend ins Wanken. So hat etwa erst jüngst (Sommer 2009) eine vom deutschen BMJ in Auftrag gegebene Studie des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg zur Situation von 822
§ 8 EPG
Wirkungen
Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften ergeben, dass „entscheidend eine gute Beziehung zwischen Kind und Eltern und nicht deren sexuelle Orientierung“ sei (Näheres auf www.bmj.de/lebenspartnerschaft unter „Familie ist dort, wo Kinder sind – Zypries stellt Forschungsprojekt vor“; vgl auch Graupner, RZ 2009, 178). Deshalb bestehen in Deutschland auch seit 2005 keine Bedenken gegen Stiefkindadoptionen (vgl § 9 Abs 7 dLPartG; vgl zur deutschen Rechtslage außerdem Dethloff, FPR 2010, 208). Schließlich haben EMRK (Entscheidung Nr. 36515/97 [Fretté/Frankreich]) und OGH (3 Ob 21/09y) zwar betont, Ziel des Art 8 EMRK sei es (lediglich), gegen unberechtigte und willkürliche Eingriffe in das Familienleben zu schützen; für staatliche Behörden folgten aus Art 8 EMRK negative und positive Verpflichtungen, durch deren Beachtung ein gerechter Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Einzelpersonen und der Gemeinschaft gefunden werden soll; dem Staat komme dabei ein Beurteilungsspielraum zu, der nach den Umständen, dem Gegenstand und Hintergrund variiert (vgl auch Meyer-Ladewig, EMRK2 Art 8 Rz 20); die Regelung, unter welchen Voraussetzungen Adoptionsverträge zu genehmigen sind, stehe im Rahmen dieses Ermessensspielraums allein dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber zu (ebenso Gutknecht in Korinek-Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 12 EMRK Rz 48); die EMRK als solche räume kein Recht auf Adoption ein. Dabei ging es jedoch – insb in der Entscheidung des OGH – um die Frage der Zulässigkeit einer Beschränkung von Erwachsenenadoptionen. ME lässt sich mit dieser Rsp demnach eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts nicht rechtfertigen. Völlig über das Ziel schießt § 8 Abs 4 EPG jedenfalls insoweit, als er auch eine 8 Adoption des Kindes durch den eingetragenen Partner im Fall des Todes des Elternteils zu verbieten scheint, bleibt doch das leibliche Kind des einen eingetragenen Partners auch nach dessen Tod das Stiefkind des anderen Partners. Nach § 8 Abs 4 EPG darf ja ein Partner nicht „die Kinder des jeweils anderen an Kindesstatt annehmen“; das Eltern-Kind-Verwandschaftsverhältnis endet jedoch nicht mit dem Tod (idS auch Holzner, JBl 2010, 134 [iZm § 364c ABGB]; 5 Ob 170/02i [iZm § 382b EO]; aA allerdings 5 Ob 519/79 [iZm § 26 Abs 1 EntmO]; 5 Ob 253/08d = JBl 2009, 512 [iZm § 364c ABGB]. Diese Regelung kann massiv gegen Kindeswohlinteressen verstoßen (etwa wenn das Kind weder über unterhaltspflichtige Personen verfügt noch sonst erbberechtigt ist). Außerdem wird sie selbst durch den dem EPG zugrunde liegenden Grundgedanken, eingetragenen Partnern „gemeinsame“ (aufgrund einer Adoption [vgl § 8 Abs 4 EPG] oder einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung [vgl § 2 Abs 1 FMedG]) Kinder zu verweigern, nicht gerechtfertigt, ist doch im Fall des Todes eines eingetragenen Partners eine rechtliche Lebensgemeinschaft zwischen den Partnern und dem Kind denkunmöglich. Damit erscheint es aber – unter restriktiver Auslegung des § 8 Abs 4 823
§ 8 EPG
Gitschthaler
EPG – naheliegend, insb den Umstand hervorzuheben, dass es nach dem Tod des einen eingetragenen Partners keine Partnerschaft mehr gibt, der „andere“ (verstorbene) Partner also kein eingetragener Partner mehr ist (vgl auch § 5 Abs 1 Z 3 EPG, wonach das Begründungshindernis Wahlkindschaft ebenfalls nur solange besteht, als das durch die Annahme begründete Rechtsverhältnis besteht; idS auch Gröger, ÖJZ 2010/23). Nach Beclin (EF-Z 2010, 52) soll § 8 Abs 4 EPG auch nicht die Einzeladoption des Kindes des eingetragenen Partners ausschließen, wenn der Wahlelternteil den eingetragenen Partner ersetzen soll. Abgesehen davon, dass diese Fälle praktisch wohl sehr selten sein werden, lässt sich eine solche Auffassung mit dem klaren Wortlaut des § 8 Abs 4 EPG nur sehr schwer in Einklang bringen. 9 Fraglich ist, ob eingetragene Partner durch gemeinsame Adoptionen im Ausland (auch) für Österreich rechtswirksam eine Adoptivfamilie begründen können. Dabei ist zu fragen, ob es sich um eine Auslandsadoption handelt, die dem Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Internationalen Adoption (BGBl III 45/1999) unterliegt. Ist dies nicht der Fall, ist die Frage anhand der mit 1.1.2010 durch das FamRÄG 2009 eingeführten Bestimmungen über die fakultative Anerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen durch ein österreichisches Gericht zu beantworten (§§ 91a ff AußStrG). § 43 Abs 1 Z 2 EPG verweist auf konkrete Bestimmungen des AußStrG, die sinngemäß anzuwenden sind. Von diesem Verweis sind zwar die Anerkennungsbestimmungen nicht erfasst. Allerdings ist in §§ 91a ff AußStrG auch nicht von Ehegatten oder Lebensgefährten die Rede, sondern ganz allgemein von einer „ausländischen Entscheidung über die Annahme an Kindes statt“ bzw von den Wahleltern und dem Wahlkind. Da damit die §§ 91a ff AußStrG auch auf gemeinsame ausländische Adoptionen durch eingetragene Partner anzuwenden sind, stellt sich die weitere Frage, ob eine derartige Fremdkindadoption dem Kindeswohl oder anderen Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) offensichtlich widerspricht (§ 91a Abs 2 Z 1 AußStrG). Dies ist schwer zu beantworten. Einerseits gibt es den diesbezüglich klar ausgedrückten ablehnenden Willen des Gesetzgebers des EPG (§ 8 Abs 4 EPG), andererseits findet sich in den ErläutRV zum zeitgleich in Kraft getretenen FamRÄG 2009 keinerlei Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber derartige Adoptionen als gegen den ordre public verstoßend ansieht; angesichts der zum Zeitpunkt der Gesetzwerdung heftig geführten Adoptionsdiskussion wäre ein solcher Hinweis in den ErläutRV zu § 91a AußStrG jedoch naheliegend gewesen. Und schließlich verstößt nicht alles gegen den ordre public, was in Österreich unzulässig ist. Zur Frage der – nach neueren Studien wohl nicht vorliegenden – Kindeswohlgefährdung vgl Rz 7. Ist das Adoptionsübereinkommen anzuwenden und soll der Adoptionsvertrag in Österreich genehmigt werden, kann es wohl im Hinblick auf § 8 Abs 4 824
§ 9 EPG
Wirkungen
EPG eine derartige Genehmigung nicht geben. Liegt hingegen eine im Ausland genehmigte Adoption vor, ist diese zwar nach Art 23 in Österreich wirksam; die Genehmigung setzt jedoch die Mitwirkung auch der österreichischen Zentralen Behörde voraus. Und diese muss unter anderem entschieden haben, dass die künftigen Adoptiveltern für eine Adoption in Betracht kommen und dazu geeignet sind (Art 5 lit a, Art 15), wobei eine derartige positive Entscheidung wohl nicht möglich sein wird (vgl auch Art 24, wonach sogar die Anerkennung einer ausländischen Adoption in Österreich versagt werden kann, wenn diese der öffentlichen Ordnung offensichtlich widerspricht, was wohl weniger als ein Verstoß gegen den ordre public meint). Damit können eingetragene Partner zwar (wenn auch sonst die Voraussetzungen vorliegen) einer ausländischen Fremdkindadoption für den österreichischen Rechtsbereich Wirksamkeit verschaffen, dies aber nur dann, wenn auf diese Adoption nicht das Adoptionsübereinkommen 1999 Anwendung findet (teilweise aA Graupner, RZ 2009, 178, der meint, im Ausland gültig vorgenommene Adoptionen seien in Österreich generell anzuerkennen, wobei er sich auf das Europäische Adoptionsübereinkommen und Rsp des EGMR [28.6.2007 Nr 76240/01 – Wagner et alteri/Luxemburg] dazu beruft). Nicht richtig ist der von Interessenvertretungen bisweilen geäußerte Vorwurf, 10 eingetragene Partner würden hinsichtlich der Adoptionsmöglichkeiten auch gegenüber nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Paaren benachteiligt, könnten diese doch gemeinsam bzw der eine das Kind des anderen adoptieren. Der OGH hat nämlich in der Entscheidung 9 Ob 62/06t (EF-Z 2007/15) die Adoption des Kindes durch die Lebenspartnerin der leiblichen Mutter als rechtlich unmöglich bezeichnet; durch die Kindesannahme sollen die Verhältnisse in einer natürlichen Familie möglichst nachgebildet werden.
Wohnen § 9. (1) Ist ein eingetragener Partner über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen dient, verfügungsberechtigt, so hat dieser einen Anspruch darauf, dass der Verfügungsberechtigte alles unterlässt und vorkehrt, damit der auf die Wohnung Angewiesene diese nicht verliert. Dies gilt nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des Verfügungsberechtigten durch die Umstände erzwungen wird. (2) Verlangt ein eingetragener Partner aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, so hat der andere diesem Verlangen zu entsprechen, es sei denn, er habe gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen. (3) Ein eingetragener Partner kann vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen, beson825
§ 9 EPG
Gitschthaler
ders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. (4) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann jeder der eingetragenen Partner vor oder auch nach der Verlegung der Wohnung oder der gesonderten Wohnungnahme die Entscheidung des Gerichtes beantragen. Das Gericht hat im Verfahren außer Streitsachen festzustellen, ob das Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung oder die Weigerung mitzuziehen oder die gesonderte Wohnungnahme durch einen eingetragenen Partner rechtmäßig war oder ist. Es hat bei der Entscheidung auf die gesamten Umstände der eingetragenen Partnerschaft Bedacht zu nehmen. [Stammfassung]
1 § 9 Abs 1 EPG übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendende Bestimmung des § 97 ABGB. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann „ohne Probleme“ – wie die RV meint – übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 97 ABGB. 2 § 9 Abs 2 bis 4 EPG übernimmt – ebenso praktisch wortwörtlich – die Bestimmung des § 92 ABGB (vgl daher dessen Kommentierung). Der Verweis des Abs 4 auf die Fälle der Abs 1 und 2 ist ein offensichtliches Redaktionsversehen; gemeint sind selbstverständlich die Fälle der Abs 2 und 3. 3 Ein inhaltlicher Unterschied zum Ehegatten(wohn)recht findet sich im letzten Satz des Abs 4: Nach dieser Bestimmung ist auf die gesamten Umstände der eingetragenen Partnerschaft Bedacht zu nehmen, während § 92 Abs 3 letzter Satz ABGB die Bedachtnahme auf die gesamten Umstände der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder, anordnet. Diese Differenzierung beruht auf dem Grundgedanken des EPG, eingetragenen Partnern „gemeinsame“ (aufgrund einer Adoption [vgl § 8 Abs 4 EPG] oder einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung [vgl § 2 Abs 1 FMedG]) Kinder zu verweigern (vgl dazu bei § 8 EPG Rz 6 ff). Da § 92 Abs 3 letzter Satz ABGB (ebenso wie § 91 Abs 1 Satz 1 ABGB) nach modernerem Verständnis nicht nur gemeinsame Kinder meint (vgl nunmehr Koch/KBB § 91 ABGB Rz 1) und § 9 Abs 4 letzter Satz EPG ohnehin von den „gesamten Umständen der eingetragenen Partnerschaft“ spricht, kann mE der unterschiedlichen Formulierung von § 92 Abs 3 letzter Satz ABGB und § 9 Abs 4 letzter Satz EPG nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass bei einer Entscheidung über die Verlegung der gemeinsamen Wohnung von eingetragenen Partnern oder über eine gesonderte Wohnungnahme das Wohl von Kindern nicht zu berücksichtigen wäre, die ebenfalls in dieser Wohnung leben, etwa weil einem der eingetragenen Partner die Obsorge zukommt. Für diese Auffassung kann zwar nicht § 13 Abs 2 AußStrG unmittelbar herangezogen werden, handelt es sich doch nicht um ein das Kind betref826
§ 10 EPG
Wirkungen
fendes Verfahren; allerdings „strahlt“ der in § 137 Abs 1 ABGB programmatisch hervorgehobene Grundsatz der Förderung des Kindeswohls über das Kindschaftsrecht (weit) hinaus auch auf andere Rechtsbereiche aus (vgl 2 Ob 557/93 = EvBl 1994/127; Barth/Klang3 § 137 ABGB Abs 5). Dazu kommt, dass § 137 Abs 4 ABGB eine Beistandspflicht gegenüber mj Kindern anordnet, die volljährige Personen trifft, die zu einem Elternteil des Kindes in einem familiären Verhältnis stehen und mit den beiden nicht nur vorübergehend in einem gemeinsamen Haushalt leben; inhaltlich besteht die Beistandspflicht im Schutz des Kindeswohls (Fischer-Czermak, EF-Z 2010, 6). Diese Bestimmung ist auch auf den homosexuellen Lebensfährten des Elternteils anzuwenden (Stefula, iFamZ 2009, 270; Fischer-Czermak, EF-Z 2010, 6), damit aber auch auf dessen eingetragenen Partner, weshalb die Stiefkinder dieses Partners durchaus zu den zu beachtenden gesamten Umständen der eingetragenen Partnerschaft gehören. Im Übrigen erscheint es ohnehin fraglich, ob vor dem Hintergrund des FamRÄG 2009, welches ja insb auch die Rechte und Pflichten von Stiefeltern klarstellen wollte, § 91 Abs 2 Satz 1, § 92 Abs 3 letzter Satz ABGB tatsächlich (weiterhin) dahin verstanden werden können, dass nur die gemeinsamen Kinder der Ehegatten und nicht auch jedenfalls (Stief)kinder zu verstehen sind, die im gemeinsamen Haushalt mit den (Stief)eltern leben (vgl § 90 Abs 3 ABGB; idS auch Benke, EF-Z 2010, 22). Zur Frage, ob der Gesetzgeber bewusst die eingetragene Partnerschaft nicht 4 als „Familie“ ansehen wollte (wozu die unterschiedlichen Formulierungen von § 92 Abs 3 ABGB und § 9 Abs 4 EPG [jew letzter Satz] als Belegstelle herangezogen werden könnten), vgl die Ausführungen bei § 1 EPG.
Gesetzliche Vertretungsmacht § 10. Der eingetragene Partner, der den gemeinsamen Haushalt führt und keine Einkünfte hat, vertritt den anderen bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er für den gemeinsamen Haushalt schließt und die ein den Lebensverhältnissen beider Teile entsprechendes Maß nicht übersteigen. Dies gilt nicht, wenn der andere dem Dritten zu erkennen gegeben hat, dass er von seinem eingetragenen Partner nicht vertreten sein wolle. Kann der Dritte aus den Umständen nicht erkennen, dass der handelnde eingetragene Partner vertretend auftritt, dann haften beide zur ungeteilten Hand. [Stammfassung]
§ 10 Abs 1 EPG übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten an- 1 zuwendende Bestimmung des § 96 ABGB. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 96 827
§ 12 EPG
Gitschthaler
ABGB. Die Bestimmung soll nach der RV insb dem Schutz des (Rechts-)Verkehrs dienen.
Mitwirkung im Erwerb § 11. (1) Ein eingetragener Partner hat im Erwerb des anderen mitzuwirken, soweit dies zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen beider üblich und nichts anderes vereinbart ist. (2) Für die Mitwirkung besteht ein Anspruch auf angemessene Abgeltung. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der Art und Dauer der Leistungen; die gesamten Lebensverhältnisse der eingetragenen Partner, besonders auch die gewährten Unterhaltsleistungen, sind angemessen zu berücksichtigen. (3) Ansprüche auf Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb sind vererblich, unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar, soweit sie durch Vertrag anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind. Der Anspruch auf Abgeltung verjährt in sechs Jahren vom Ende des Monats, in dem die Leistung erbracht worden ist. (4) Die Abs. 2 und 3 berühren nicht vertragliche Ansprüche aus einem Mit-oder Zusammenwirken im Erwerb. Solche Ansprüche schließen einen Anspruch nach Abs. 2 aus; bei einem Dienstverhältnis bleibt dem eingetragenen Partner jedoch der Anspruch nach Abs. 2 gewahrt, soweit dieser die Ansprüche aus dem Dienstverhältnis übersteigt. [Stammfassung]
1 § 11 Abs 1 EPG übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendende Bestimmung des § 90 Abs 2 ABGB, die Abs 2 bis 4 entsprechen den §§ 98 bis 100 ABGB. Die zu diesen Bestimmungen ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 90 Abs 2, §§ 98 bis 100 ABGB.
Unterhalt § 12. (1) Die eingetragenen Partner haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. (2) Wer den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch den Beitrag nach Abs. 1; bei dem dadurch entstehenden Anspruch auf Unterhalt sind eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, 828
§ 12 EPG
Wirkungen
besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechts wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem eingetragenen Partner auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag. (3) Auf Verlangen des Unterhaltsberechtigten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den Unterhaltsanspruch an sich kann im Vorhinein nicht verzichtet werden. [Stammfassung]
§ 12 EPG übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwen- 1 dende Bestimmung des § 94 ABGB. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 94 ABGB.
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4. Abschnitt Auflösung der eingetragenen Partnerschaft Gründe der Auflösung § 13. Die eingetragene Partnerschaft wird durch den Tod oder die Todeserklärung eines eingetragenen Partners oder durch eine gerichtliche Auflösungsentscheidung aufgelöst. [Stammfassung]
1 § 13 EPG legt als ersten Fall einer Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft den Tod eines Partners fest. Dies bedeutet gegenüber den Bestimmungen des EheG eine Klarstellung, findet sich doch dort eine ausdrückliche Aussage über die Beendigung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten nicht. Dass dem jedoch tatsächlich so ist, lässt sich durchaus aus einer Zusammenschau verschiedener eherechtlicher Bestimmungen entnehmen (etwa §§ 43, 77, 78 EheG) und ist wohl auch nicht strittig (vgl § 8 EheG Rz 6). 2 Auch die Erklärung des Todes eines Partners führt zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, und zwar unabhängig davon, ob der eingetragene Partner tatsächlich tot ist und ob der andere Partner heiratet oder eine neue eingetragene Partnerschaft begründet; die eingetragene Partnerschaft soll somit auch dann aufgelöst bleiben, wenn die Todeserklärung zu einem späteren Zeitpunkt aufgehoben wird (RV zu § 13 EPG). Insofern unterscheidet sich § 13 EPG von den Regelungen des EheG, wird das Eheband an sich doch – abgesehen vom Fall des tatsächlichen Ablebens des für tot erklärten Ehegatten – nur durch die neuerliche Eheschließung im Fall der Gutgläubigkeit zumindest eines Partners der neuen Ehe aufgelöst (vgl ausführlich bei §§ 43, 44 EheG). Der Gesetzgeber begründet diese derzeitige Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Partnerschaft damit, dass die Regelungen über die Wiederverheiratung im Fall der unrichtigen Todeserklärung in bestimmten – sicher seltenen – Fallkonstellationen zu einem Wiederverehelichungsverbot führen können, das in Zukunft aus grundrechtlicher Sicht zu überdenken sein werde (RV). Gemeint ist damit § 44 Abs 2 EheG, wonach jener Ehegatte, der seine weitere Ehe wegen der Rückkehr des für tot erklärten (früheren) Ehegatten, 830
§ 14 EPG
Auflösung
zu dessen Lebzeiten nur (mehr) diesen heiraten kann, worunter eine Beschränkung des Rechts auf Eheschließung (Art 12 EMRK) erblickt werden könnte. Diese Bedenken sind mE durchaus begründet, hätten aber wohl zu einer Beseitigung dieser Beschränkungen auch im EheG führen müssen. Die derzeitige Regelung führt hingegen dazu, dass eingetragene Partner – im Gegensatz zu Ehegatten – nach dem Wiederauftauchen ihres früheren, zu Unrecht für tot erklärten Partners erst eine Auflösung ihrer neuen eingetragenen Partnerschaft nach §§ 14 oder 15 EPG herbeiführen und dann mit dem früheren Partner eine neue eingetragene Partnerschaft begründen müssen, während der Ehegatte nach § 44 Abs 1 EheG lediglich die Aufhebung der weiteren Ehe unter Hinweis auf das Wiederauftauchen seines früheren Ehegatten begehren muss. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Unterscheidung (das Band aus der eingetragenen Partnerschaft wird für schwächer angesehen als jenes aus der Ehe) besteht mE nicht. Der dritte Anwendungsfall des § 13 EPG ist die gerichtliche Auflösungsent- 3 scheidung. Darunter sind jene nach § 14 (wegen Willensmängeln) und § 15 (wegen Verschuldens oder Zerrüttung) EPG zu verstehen; dies entspricht den § 34 (Eheaufhebung) und § 46 (Ehescheidung) EheG.
Auflösung wegen Willensmängeln § 14. (1) Ein eingetragener Partner kann mit Klage die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft begehren, wenn er 1. zur Zeit der Begründung oder im Falle des § 19 Abs. 2 Z 2 zur Zeit der Bestätigung in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war und die mit seiner gesetzlichen Vertretung betraute Person nicht die Einwilligung zur Begründung der eingetragenen Partnerschaft oder zur Bestätigung erteilt hat; 2. bei der Begründung nicht wusste, dass es sich um die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft handelt, oder dies zwar wusste, aber eine Erklärung, die eingetragene Partnerschaft begründen zu wollen, nicht abgeben wollte; 3. sich in der Person des anderen irrte; 4. sich bei der Begründung der eingetragenen Partnerschaft über solche die Person des anderen betreffende Umstände irrte, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der eingetragenen Partnerschaft von der Begründung abgehalten hätten; 5. zur Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit Wissen des anderen durch arglistige Täuschung über solche Umstände, ausgenommen solche über Vermögensverhältnisse, bestimmt wurde, die ihn bei Kennt831
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nis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der eingetragenen Partnerschaft von der Begründung abgehalten hätten, oder 6. zur Begründung der eingetragenen Partnerschaft widerrechtlich durch Drohung bestimmt wurde. (2) Die Auflösung ist ausgeschlossen, wenn 1. der eingetragene Partner nach Wegfall des Irrtums oder der Zwangslage oder nach der Entdeckung der Täuschung oder nach Erlangung der vollen Geschäftsfähigkeit zu erkennen gegeben hat, dass er die eingetragene Partnerschaft dennoch fortsetzen will; 2. im Fall des Abs. 1 Z 1 die mit seiner gesetzlichen Vertretung betraute Person die eingetragene Partnerschaft genehmigt hat, oder 3. im Fall des Abs. 1 Z 4 das Verlangen mit Rücksicht auf die Gestaltung der bisherigen Lebensgemeinschaft sittlich nicht gerechtfertigt erscheint. (3) Im Fall des Abs. 1 Z 1 kann, solange der eingetragene Partner in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, nur die mit seiner gesetzlichen Vertretung betraute Person die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft begehren. (4) Die Auflösungsklage nach Abs. 1 kann nur binnen eines Jahres erhoben werden. Die Frist beginnt in den Fällen des Abs. 1 Z 1 mit dem Zeitpunkt, in dem die Begründung oder die Bestätigung der eingetragenen Partnerschaft dem gesetzlichen Vertreter bekannt wird oder der eingetragene Partner die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erlangt, in den Fällen des Abs. 1 Z 2 bis 5 mit dem Zeitpunkt, in dem er den Irrtum oder die Täuschung entdeckt, im Fall des Abs. 1 Z 6 mit dem Zeitpunkt, in dem die Zwangslage aufhört. (5) Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange der klageberechtigte Teil innerhalb der letzten sechs Monate der Klagefrist durch einen unabwendbaren Zufall an der Erhebung der Auflösungsklage gehindert ist. Hat ein klageberechtigter Teil, der geschäftsunfähig ist, keinen gesetzlichen Vertreter, so endet die Klagefrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, von dem an er die Auflösungsklage selbständig erheben kann oder in dem der Mangel der Vertretung aufhört. Hat der gesetzliche Vertreter eines geschäftsunfähigen Teils die Auflösungsklage nicht rechtzeitig erhoben, so kann der eingetragene Partner selbst innerhalb von sechs Monaten seit dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit die Auflösungsklage erheben. [Stammfassung]
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§ 14 Abs 1 EPG übernimmt hinsichtlich der Voraussetzungen der Auflösung 1 einer eingetragenen Partnerschaft praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendenden Bestimmungen der § 35 (Mangel der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters [in Z 1]), § 36 (Irrtum über die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft [in Z 2] sowie Irrtum über die Person des anderen eingetragenen Partners [in Z 3]), § 37 (Irrtum über Umstände, die die Person des anderen eingetragenen Partners betreffen [in Z 4]), § 38 (Arglistige Täuschung [in Z 5]) und § 39 (Drohung [in Z 6]) EheG. Die Abs 2 und 3 enthalten materiellrechtliche Detailregelungen, die – zum 2 Teil wortwörtlich – die §§ 35 bis 39 EheG kompilieren. Inhaltliche Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft sind insoweit im Wesentlichen nicht zu erkennen. Zu erwähnen ist allerdings, dass § 35 Abs 3 EheG dem beschränkt geschäftsfähigen Ehegatten die Möglichkeit einräumt, die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters durch das Gericht ersetzen zu lassen, wenn dieser ohne triftigen Grund die Genehmigung der Ehe oder deren Bestätigung verweigert (vgl dazu ausführlich § 35 EheG Rz 8, 9). Dieses Recht steht dem beschränkt geschäftsfähigen eingetragenen Partner nicht zu; nach § 14 Abs 2 Z 2 EPG ist sein gesetzlicher Vertreter offensichtlich ohne Kontrollmöglichkeit durch das Gericht befugt, über die Frage einer Genehmigung zu entscheiden. Eine Begründung für diese Ungleichbehandlung ist den ErläutRV nicht zu entnehmen; es dürfte sich daher um ein Redaktionsversehen handeln. Da der Gesetzgeber in § 14 EPG das Eheaufhebungsrecht der §§ 35 bis 41 EheG nahezu wortwörtlich übernommen hat, ist dieses Redaktionsversehen durch analoge Anwendung des § 35 Abs 3 EheG zu sanieren. Die Abs 4 und 5 übernehmen die §§ 40 und 41 EheG praktisch wortwörtlich.
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Die zu all diesen Bestimmungen ergangene Rsp kann übernommen werden. 4 Vgl daher insgesamt die Kommentierung zu § 35 bis 41 EheG. Nach § 27a IPRG ist die Auflösung wegen Mängeln bei der Begründung einer 5 eingetragenen Partnerschaft nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie begründet wurde; es geht dabei um eine Auflösung nach § 14 EPG (RV zu § 27a IPRG).
Auflösung wegen Verschuldens oder wegen Zerrüttung § 15. (1) Ein eingetragener Partner kann mit Klage die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft begehren, wenn der andere Teil durch eine schwere Verfehlung die eingetragene Partnerschaft schuldhaft so tief zerrüttet hat, dass die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann. Eine schwere Verfehlung 833
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liegt insbesondere vor, wenn ein eingetragener Partner dem anderen körperliche Gewalt oder schweres seelisches Leid zugefügt hat. Wer selbst eine Verfehlung begangen hat, kann die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft nicht begehren, wenn nach der Art der Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhangs der Verfehlung des anderen Teils mit dem eigenen Verschulden, das Auflösungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der eingetragenen Partnerschaft sittlich nicht gerechtfertigt ist. (2) Ein eingetragener Partner kann mit Klage die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft begehren, wenn 1. die eingetragene Partnerschaft infolge eines Verhaltens des anderen, das nicht als schuldhafte Verfehlung betrachtet werden kann, weil es auf einer geistigen Störung beruht, so tief zerrüttet ist, dass die Wiederherstellung einer dem Wesen der eingetragenen Partnerschaft entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann, 2. der andere geisteskrank ist, die Krankheit einen solchen Grad erreicht hat, dass die geistige Gemeinschaft zwischen den beiden aufgehoben ist, und eine Wiederherstellung dieser Gemeinschaft nicht erwartet werden kann, oder 3. der andere an einer schweren ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit leidet und deren Heilung oder die Beseitigung der Ansteckungsgefahr in absehbarer Zeit nicht erwartet werden kann. (3) Ist die häusliche Gemeinschaft der eingetragenen Partner seit drei Jahren aufgehoben, so kann jeder Teil wegen tiefgreifender unheilbarer Zerrüttung der eingetragenen Partnerschaft deren Auflösung mit Klage begehren. Dem Begehren ist jedenfalls stattzugeben. (4) In den Fällen des Abs. 2 darf die eingetragene Partnerschaft nicht aufgelöst werden, wenn das Auflösungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt ist. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die Auflösung den anderen außergewöhnlich hart träfe. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen, namentlich auch nach der Dauer der eingetragenen Partnerschaft, dem Lebensalter beider und dem Anlass der Erkrankung. (5) Ist die Lebensgemeinschaft der eingetragenen Partner seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben, gestehen beide die unheilbare Zerrüttung des partnerschaftlichen Verhältnisses zu und besteht zwischen ihnen Einvernehmen über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, so können sie die Auflösung gemeinsam beantragen. Die eingetragene Partnerschaft darf nur aufgelöst werden, wenn beide eine schriftliche Vereinbarung über ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Auflösung dem Gericht unterbreiten oder vor Gericht schließen. [Stammfassung]
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§ 15 Abs 1 EPG übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten an- 1 zuwendende Bestimmung des § 49 EheG. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 49 EheG. Das Fehlen der Wortfolge „oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten“ in § 15 Abs 1 EPG gegenüber § 49 EheG begründen die ErläutRV nicht. Auch wenn in der Praxis Scheidungsklagen von Ehegatten selten ausschließlich auf ehrloses oder unsittliches Verhalten gegründet werden, zeigen doch die bei § 49 EheG Rz 27 ff aufgezählten Beispiele, dass insoweit keineswegs totes Recht gegeben ist (vgl auch Hopf/Kathrein § 49 EheG Anm 1). Sollte daher ein Verhalten eines eingetragenen Partners tatsächlich zwar ehrlos oder unsittlich, jedoch keine schwere Verfehlung (= Eheverfehlung iS der eherechtlichen Bestimmungen) sein, sich also nicht gegen Pflichten aus der eingetragenen Partnerschaft und auch nicht direkt gegen den anderen Partner richten, wohl aber die Fortsetzung der partnerschaftlichen Gemeinschaft unerträglich machen (vgl § 49 EheG Rz 27), wäre es mE nicht zu rechtfertigen, warum in einem solchen Fall die eingetragene Partnerschaft nicht nach § 15 Abs 1 EPG aufgelöst werden können sollte. Da – wie erwähnt – diese Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Partnern nicht begründet wird, wäre auch hier an ein durch Analogie zu beseitigendes Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu denken (ebenso Gröger, ÖJZ 2010/23). Auffallend ist auch, dass § 49 EheG als Scheidungsgrund beispielhaft den Ehebruch anführt, § 15 Abs 1 EPG jedoch nicht den „Partnerschaftsbruch“. Rein gesetzestechnisch lässt sich dies damit begründen, dass § 8 Abs 2 EPG im Gegensatz zu § 90 Abs 1 EheG die eingetragenen Partner nicht zur Treue, sondern zum Einhalten einer Vertrauensbeziehung verpflichtet. Da allerdings eine Vertrauensbeziehung – jedenfalls auch – Treue gegenüber dem Partner beinhaltet (vgl § 8 EPG Rz 2) und die Auflösungsgründe in § 15 Abs 1 EPG lediglich demonstrativ aufgezählt sind, wäre mE der Schluss nicht zu rechtfertigen, ein Bruch der eingetragenen Partnerschaft durch Aufnahme einer geschlechtlichen Beziehung zu einer Person des gleichen Geschlechts (vgl zum Ehebruch mit einer gleichgeschlechtlichen Person § 49 EheG Rz 17) oder einer Person des anderen Geschlechts könnte kein Auflösungsgrund iS des § 15 Abs 1 EPG sein; den ErläutRV lässt sich jedenfalls ein Hinweis in diese Richtung weder zu § 15 Abs 1 noch zu § 8 Abs 2 EPG entnehmen. Der Bruch der eingetragenen Partnerschaft (Verletzung der Treue) führt zur Verletzung der Vertrauensbeziehung und damit zur möglichen Auflösung der Partnerschaft gem § 15 Abs 1 EPG (idS auch Gröger, ÖJZ 2010/23; Gröger/Haller, EPG § 8 Anm 3; aA Deixler-Hübner, iFamZ 2010, 94, die offensichtlich den Partnerschaftsbruch nicht für einen Auflösungsgrund hält). Abs 2 fasst die weiteren Auflösungsgründe zusammen, die den § 50 (auf geisti- 2 ger Störung beruhendes Verhalten [in Z 1]), § 51 (Geisteskrankheit [in Z 2]) 835
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und § 52 (Ansteckende oder ekelerregende Krankheit [in Z 3]) EheG entsprechen. Die zu diesen Bestimmungen ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu §§ 50 bis 52 EheG. 3 Abs 3 übernimmt für den Fall der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft der eingetragenen Partner § 55 Abs 1 EheG, nicht jedoch dessen Abs 2 und 3. Der Gesetzgeber begründet dies mit Forderungen jener Interessenvertretungen, die ein liberales Auflösungsrecht befürworten, und jenen Stimmen, die dem Element der Dauer mehr Gewicht beimessen wollen (RV). Damit ist – wie § 15 Abs 3 Satz 2 EPG auch ausdrücklich anordnet – dem Begehren auf Auflösung der eingetragenen Partnerschaft nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft vor mehr als 3 Jahren (maßgeblich ist der Schluss der Verhandlung erster Instanz) jedenfalls stattzugeben. Eine Härteklausel wie in § 55 Abs 2 EheG (vgl die Beispiele bei § 55 EheG Rz 18 ff) gibt es im Partnerschaftsrecht nicht. Dies ist durchaus als unsachliche Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Partnerschaft zu sehen (vgl etwa Benke, EF-Z 2010, 19), hat doch damit die eingetragene Partnerschaft gegenüber der Ehe eine geringere Bestandskraft. Die Härteklausel des § 55 Abs 2 EheG kommt zwar nach heutiger RspPraxis nur mehr äußerst selten zum Tragen (vgl § 55 EheG Rz 14), weshalb man die Nichtübernahme der Härteklausel und der 6-Jahresfrist auch damit begründet könnte, dass diese ohnehin praktisch totes Recht sind (idS wohl auch Deixler-Hübner, iFamZ 2010, 94; ähnlich auch Gröger/Haller, EPG § 16 Anm 1); allerdings hat der OGH erst jüngst (2 Ob 56/10i) die Rechtsansicht, der drohende Verlust des Aufenthaltstitels des beklagten Ehegatten im Fall der Ehescheidung rechtfertige die Annahme einer besonderen Härte, für vertretbar gehalten. Warum sollte dies nicht auch für einen eingetragenen Partner gelten? 4 Abs 4 übernimmt praktisch wortwörtlich § 54 EheG (Vermeidung von Härten) für den Fall der Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft ohne Verschulden. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu §§ 54 EheG. 5 Abs 5 regelt die einvernehmliche Auflösung der eingetragenen Partnerschaft. Von § 55a EheG unterscheidet sich Abs 5 – naturgemäß – dadurch, dass der Auflösungsfolgenvergleich gegenüber dem Scheidungsfolgenvergleich keine Regelungen betreffend die gemeinsamen Kinder enthalten muss, angesichts der Unmöglichkeit gemeinsamer Kinder ja gar nicht enthalten kann (vgl dazu bei § 1 EPG). Aus diesem Grund dürfte der Gesetzgeber auch auf die Rezeption des § 55a Abs 3 EheG verzichtet haben, wonach es keiner Vereinbarung bedarf, wenn über die zu regelnden Gegenstände bereits eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Da die eingetragenen Partner Vereinbarungen lediglich über ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen 836
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vermögensrechtlichen Ansprüche (also über die nachpartnerschaftliche Aufteilung) treffen müssen, spielt dies weiters keine Rolle: eine Vorwegvereinbarung gem § 40 EPG ist keine gerichtliche Entscheidung, vor der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft kann eine gerichtliche Entscheidung über die Aufteilung nicht ergehen, was auch für nachpartnerschaftlichen Unterhalt gilt. Für die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft aus anderen Gründen als 6 wegen Mängeln bei der Eingehung der Partnerschaft, also für die Auflösung iS des § 15 EPG, übernimmt § 27d IPRG die Kollisionsregelung des § 20 IPRG (Ehescheidung). Danach kommt es primär auf das Recht des Staates an, in dem die eingetragenen Partner im Zeitpunkt der Auflösung ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, mangels eines solchen nach dem Recht des Staates, in dem beide davor ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben (während aufrechter eingetragener Partnerschaft [6 Ob 164/10a]), sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat (Z 1). In weiterer Folge maßgeblich ist das im Zeitpunkt der Auflösung gemeinsame, mangels eines solchen das davor letzte gemeinsame Personalstatut der eingetragenen Partner, sofern es einer von ihnen beibehalten hat, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des in Z 1 bestimmten Rechts nicht vorliegen oder wenn die eingetragenen Partnerschaft nach diesem Recht auf Grund der geltend gemachten Tatsachen nicht aufgelöst werden kann (Z 2). Und sonst ist österreichisches Recht anzuwenden, und zwar auch dann, wenn nach dem nach Z 2 maßgebenden Recht die eingetragene Partnerschaft aufgrund der geltend gemachten Tatsachen nicht aufgelöst werden kann (Z 3). Z 3 orientiert sich demnach an § 20 Abs 2 IPRG, führt jedoch in Anlehnung an § 27b IPRG nicht zur Anwendung des Personalstatuts des Klägers, sondern des österreichischen Sachrechts.
Ausschluss der Auflösung § 16. (1) Das Recht auf Auflösung der eingetragenen Partnerschaft wegen Verschuldens (§ 15 Abs. 1) besteht nicht, wenn sich aus dem Verhalten des verletzten eingetragenen Partners ergibt, dass er die Verfehlung des anderen verziehen oder sie nicht als die eingetragene Partnerschaft zerstörend empfunden hat. (2) Das Recht auf Auflösung der eingetragenen Partnerschaft wegen Verschuldens erlischt, wenn die Klage nicht binnen sechs Monaten erhoben wird. Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Auflösungsgrundes. Sie läuft nicht, solange die häusliche Gemeinschaft der eingetragenen Partner aufgehoben ist. Fordert der schuldige eingetragene Partner den anderen auf, die Gemeinschaft herzustellen oder die Klage auf Auflösung der eingetragenen Partnerschaft zu erheben, so läuft die Frist vom Empfang der Aufforderung an. Die Auflösung ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Eintritt des 837
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Auflösungsgrundes zehn Jahre verstrichen sind. Für die Sechsmonatsfrist gilt § 14 Abs. 5 entsprechend. (3) Nach Ablauf der im Abs. 2 bezeichneten Fristen kann während eines Auflösungsstreites ein Auflösungsgrund noch geltend gemacht werden, wenn die Frist bei der Klageerhebung noch nicht verstrichen war. Verfehlungen, auf die eine Auflösungsklage nicht mehr gegründet werden kann, können nach Ablauf der Fristen zur Unterstützung einer auf andere Verfehlungen gegründeten Klage geltend gemacht werden. [Stammfassung]
1 § 16 EPG übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendenden Bestimmungen der § 56 (Verzeihung [in Abs 1]), § 57 (Fristablauf [in Abs 2]) und § 59 (nachträgliche Geltendmachung der Auflösungsgründe [in Abs 3]) EheG. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu §§ 57 bis 59 EheG.
Schuldausspruch bei Auflösung wegen Verschuldens § 17. (1) Wird die eingetragene Partnerschaft wegen Verschuldens der beklagten Partei aufgelöst, so ist dies im Urteil auszusprechen. (2) Hat die beklagte Partei Widerklage erhoben und wird die eingetragene Partnerschaft wegen Verschuldens beider Teile aufgelöst, so sind beide für schuldig zu erklären. Ist das Verschulden des einen Teiles erheblich schwerer als das des anderen, so ist zugleich auszusprechen, dass seine Schuld überwiegt. (3) Auch ohne Erhebung einer Widerklage ist auf Antrag der beklagten Partei die Mitschuld der klagenden Partei auszusprechen, wenn die eingetragene Partnerschaft wegen einer Verfehlung der beklagten Partei aufgelöst wird und diese zur Zeit der Erhebung der Klage oder später auf Auflösung wegen Verschuldens hätte klagen können. Hatte die beklagte Partei bei der Klageerhebung das Recht, die Auflösung wegen Verschuldens der klagenden Partei zu begehren, bereits verloren, so ist dem Antrag gleichwohl stattzugeben, wenn dies der Billigkeit entspricht. Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. [Stammfassung]
1 § 17 EPG übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendende Bestimmung des § 60 EheG. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 60 EheG.
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Schuldausspruch bei Auflösung wegen Willensmängeln oder Zerrüttung § 18. (1) Wird die eingetragene Partnerschaft nach § 15 Abs. 2 oder 3 auf Klage und Widerklage aufgelöst und trifft nur einen Teil ein Verschulden, so ist dies im Urteil auszusprechen. (2) Wird die eingetragene Partnerschaft lediglich auf Grund des § 15 Abs. 2 aufgelöst und hätte die beklagte Partei zur Zeit der Erhebung der Klage oder später auf Auflösung wegen Verschuldens der klagenden Partei klagen können, so ist auch ohne Erhebung einer Widerklage auf Antrag der beklagten Partei auszusprechen, dass die klagende Partei ein Verschulden trifft. Hatte die beklagte Partei bei der Klageerhebung das Recht, die Auflösung wegen Verschuldens der klagenden Partei zu begehren, bereits verloren, so ist dem Antrag gleichwohl stattzugeben, wenn dies der Billigkeit entspricht. (3) Wird die eingetragene Partnerschaft nach § 15 Abs. 3 aufgelöst und hat die klagende Partei die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet, so ist dies auf Antrag der beklagten Partei im Urteil auszusprechen. (4) Wird die eingetragene Partnerschaft aus den Gründen des § 14 Abs. 1 aufgelöst, so ist in den Fällen der Z 1 bis 4 derjenige eingetragene Partner als schuldig zu erklären, der den Auflösungsgrund bei Begründung der eingetragenen Partnerschaft kannte, in den Fällen der Z 5 und 6 derjenige eingetragene Partner, von dem oder mit dessen Wissen die Täuschung oder die Drohung verübt worden ist. (5) Wird in demselben Rechtsstreit Auflösung aus Gründen des § 14 und des § 15 begehrt, so ist die Schuld des eingetragenen Partners, die das Auflösungsbegehren nach § 15 oder einen Schuldantrag gegenüber diesem Begehren rechtfertigt, im Schuldausspruch zu berücksichtigen. [Stammfassung]
§ 18 Abs 1 bis 3 EPG übernimmt für den Fall der Auflösung der eingetragenen 1 Partnerschaft wegen Verschuldens oder Zerrüttung praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendende Bestimmung des § 61 EheG, Abs 4 für den Fall der Auflösung wegen Willensmängeln jene des § 42 Abs 2 EheG und Abs 5 für den Fall des Zusammentreffens von Auflösungsbegehren wegen Verschuldens oder Zerrüttung einerseits und wegen Willensmängeln andererseits jene des § 18 DVEheG (vgl RV zu § 18 EPG). Die zu diesen Bestimmungen ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu §§ 61, 42 Abs 2 EheG, § 18 DVEheG. Abs 3 entspricht dem § 61 Abs 3 EheG. Im Unterschied zum Ehegattenunter- 2 haltsrecht ist hier jedoch zu beachten, dass im EPG eine dem § 69 Abs 2 EheG vergleichbare Bestimmung fehlt (vgl zu den Folgen §§ 20 bis 23 EPG Rz 9). 839
5. Abschnitt Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft § 19. (1) Eine eingetragene Partnerschaft ist nur in den Fällen nichtig, in denen dies in den folgenden Absätzen bestimmt ist. Niemand kann sich auf die Nichtigkeit einer eingetragenen Partnerschaft berufen, solange diese nicht durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist. Einer dritten Person gegenüber können aus der Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft Einwendungen gegen ein zwischen der dritten Person und einem eingetragenen Partner vorgenommenes Rechtsgeschäft oder gegen ein zwischen ihnen ergangenes rechtskräftiges Urteil nur hergeleitet werden, wenn die eingetragene Partnerschaft bereits zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit für nichtig erklärt oder die Nichtigkeit der dritten Person bekannt war. (2) Eine eingetragene Partnerschaft ist nichtig, wenn 1. ihre Begründung nicht in der durch § 6 Abs. 2 und 3 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat; sie ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn beide eingetragenen Partner nach ihrer Begründung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tod, jedoch mindestens drei Jahre, als eingetragene Partner miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Teils die Nichtigkeitsklage erhoben ist; 2. ein eingetragener Partner zur Zeit der Begründung der eingetragenen Partnerschaft geschäftsunfähig war oder sich im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befand; die eingetragene Partnerschaft ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn er nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit, der Bewusstlosigkeit oder der Störung der Geistestätigkeit zu erkennen gibt, die eingetragene Partnerschaft fortsetzen zu wollen; 3. ein eingetragener Partner zur Zeit ihrer Begründung mit einer dritten Person in gültiger Ehe oder in gültiger eingetragener Partnerschaft lebte; 4. sie den Verboten des § 5 Abs. 1 Z 3 zuwider zwischen Verwandten begründet worden ist, oder 840
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5. sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck begründet worden ist, dem einen eingetragenen Partner die Führung des Namens des anderen oder den Erwerb der Staatsangehörigkeit des anderen zu ermöglichen, ohne dass die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll; sie ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn beide eingetragenen Partner nach ihrer Begründung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tod, jedoch mindestens drei Jahre, als eingetragene Partner miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Teils die Nichtigkeitsklage erhoben ist. (3) Die Nichtigkeit kann jeder eingetragene Partner oder die Staatsanwaltschaft, im Fall des Abs. 2 Z 3 auch der frühere Ehegatte oder eingetragene Partner, durch Klage geltend machen. Ist die eingetragene Partnerschaft aufgelöst, so kann nur die Staatsanwaltschaft die Nichtigkeitsklage erheben. Sind beide eingetragenen Partner verstorben, so kann eine Nichtigkeitsklage nicht mehr erhoben werden. (4) Die Nichtigkeitsklage der Staatsanwaltschaft ist gegen beide eingetragenen Partner und, wenn einer von ihnen verstorben ist, gegen den überlebenden Teil zu richten. Die Nichtigkeitsklage des einen eingetragenen Partners ist gegen den anderen zu richten. Für den Fall, dass zur Zeit der Begründung der eingetragenen Partnerschaft ein eingetragener Partner mit einer dritten Person in gültiger Ehe oder eingetragener Partnerschaft lebte, ist die Nichtigkeitsklage des ersten Ehegatten oder eingetragenen Partners gegen beide Teile der späteren Ehe bzw. eingetragenen Partnerschaft zu richten. (5) Begründet ein eingetragener Partner nach Auflösung einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft durch eine ausländische Entscheidung eine neue eingetragene Partnerschaft, so ist die neue eingetragene Partnerschaft nicht deswegen nichtig, weil die Voraussetzungen für eine Anerkennung der ausländischen Entscheidung nicht gegeben sind. Dies gilt nicht, wenn beide Teile der neuen eingetragenen Partnerschaft bei ihrer Begründung wussten, dass die ausländische Entscheidung im Inland nicht anerkannt werden kann. [Stammfassung]
§ 19 Abs 1 EPG kompiliert und übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf 1 Ehegatten anzuwendenden Bestimmungen der § 20 (in Satz 1), § 27 (in Satz 2) und § 32 (in Satz 3) EheG. Abs 2 übernimmt § 21 (Mangel der Form [in Z 1]), § 22 (Mangel der Geschäfts- 2 oder Urteilsfähigkeit [in Z 2]) und § 24 („Doppelehe“ [in Z 3])
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Durch das EPG wurde auch § 24 EheG geändert und Nichtigkeitssanktion für jene Fälle angeordnet, in denen ein Teil zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in gültiger Ehe oder eingetragener Partnerschaft lebte. Auffällig ist dabei, dass die Überschrift „Doppelehe“ ausdrücklich unverändert gelassen wurde, woraus der (tatsächlich wohl nicht beabsichtigte) Schluss gezogen werden könnte, dass der Gesetzgeber doch Eheschließung und Begründung einer eingetragenen Partnerschaft unter dem Oberbegriff „Ehe“ subsumieren wollte; rechtliche Konsequenzen hat diese terminologische Unschärfe jedoch nicht. Aus einer Zusammenschau von § 24 EheG und § 19 Abs 2 Z 3 EPG ergibt sich jedenfalls, dass sowohl Ehe als auch eingetragene Partnerschaft nichtig sind, wenn einer der Ehegatten bzw eingetragenen Partner bereits aufrecht verheiratet ist oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat; durch § 192 StGB („Mehrfache Ehe oder Partnerschaft“) ist eine derartige Vorgangsweise auch strafrechtlich sanktioniert. 3 Die zu all diesen Bestimmungen ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu §§ 20 bis 22, §§ 24, 27 und 32 EheG. 4 Abs 2 Z 4 ist zwar an sich eine Übernahme des § 25 EheG. Durch die unterschiedliche Definition der Verwandtschaft in § 6 EheG und in § 5 Abs 1 Z 3 EPG hinsichtlich adoptierter Kinder ergeben sich jedoch insoweit Unterschiede (vgl Näheres bei § 5 EPG Rz 4). 5 Abs 2 Z 5 entspricht inhaltlich § 23 EheG in dem diesem von der hA gegebenen Normverständnis (§ 23 EheG Rz 3); danach wird bei § 23 Abs 1 EheG trotz dessen differenzierender Formulierung nicht danach unterschieden, welcher der beiden Ehegatten dem anderen Namen oder Staatsangehörigkeit verschaffen soll. Zur Problematik des gemeinsamen Nachnamens der eingetragenen Partner vgl bei § 7 EPG. Nach den ErläutRV sollte „aufgrund vielfacher Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren auch die Regelung des § 23 EheG übernommen werden“. Nach nunmehr hRsp (vgl § 23 EheG Rz 6 ff) zu dieser Bestimmung reicht für die Nichtigerklärung der Ehe auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung (nur) die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den unbehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen. Wohl in Kenntnis dieser Rsp hat der Gesetzgeber zwar dennoch § 19 Abs 2 Z 5 EPG ausdrücklich wieder nur auf Namensführung und Staatsbürgerschaft beschränkt; da allerdings in den ErläutRV von der Übernahme der „Regelung des § 23 EheG“ die Rede ist, wird wohl einer inhaltsgleichen Auslegung der beiden Bestimmungen nichts entgegen stehen. 6 § 19 Abs 3 EPG übernimmt die nur auf Ehegatten anzuwendende Bestimmung des § 28 Abs 2 und 3 EheG. Dass nunmehr von der Staatsanwaltschaft und nicht mehr vom Staatsanwalt die Rede ist, entspricht der Geschlechtsneutrali842
§ 19 EPG
Nichtigkeit
tät, soll jedoch nach den ErläutRV keine inhaltliche Änderung bewirken (vgl dazu auch § 28 EheG Rz 2, 3). Ohne dass die ErläutRV dies offen legen würden, unterscheiden § 19 Abs 3 EPG und § 28 EheG bezüglich der Klagslegitimation iZm Namensehe/partnerschaft und Staatsbürgerschaftsehe/partnerschaft. Während § 28 Abs 1 EheG die Klagslegitimation bei der Ehe nur der Staatsanwaltschaft einräumt, kann nach § 19 Abs 3 EPG bei eingetragenen Partnerschaften auch der andere Partner klagen (solange die Partnerschaft nicht ohnehin bereits aufgelöst wurde). Da der Gesetzgeber des EPG auch § 28 Abs 2 EheG neu formuliert und die Klagebefugnis bei einer Doppelehe (so die ErläutRV ausdrücklich [vgl zu dieser Begriffsbildung Rz 2], tatsächlich gemeint jedoch der Fall einer Eheschließung trotz eingetragener und noch nicht aufgelöster Partnerschaft) auf den früheren eingetragenen Partner ausgedehnt hat, lässt sich schwer ein Redaktionsversehen argumentieren (ein solches annehmend jedoch Gröger/Haller, EPG § 19 Anm 2); eine unterschiedliche Behandlung dieser Fälle erscheint jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Da nach hA (vgl § 28 EheG Rz 2) die Staatsanwaltschaft zur Klageerhebung nicht verpflichtet ist, sondern sie nur zu prüfen hat, ob das öffentliche Interesse die Erhebung der Nichtigkeitsklage erfordert, hat der andere Ehegatte keine Möglichkeit, die Nichtigkeit seiner Ehe mit jenem Ehegatten feststellen zu lassen, der mit der Eheschließung ausschließlich oder überwiegend Namen, Staatsangehörigkeit bzw Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigung anstrebte; der eingetragene Partner kann dies hingegen durch eigene Klage tun. Es ist damit davon auszugehen, dass dadurch Ehegatten gegenüber eingetragenen Partnern benachteiligt sind und daher ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt. Abs 4 übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwen- 7 dende Bestimmung des § 82 DVEheG. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 82 DVEheG. Abs 5 entspricht § 45 EheG, allerdings erwähnt zwar § 19 Abs 5 EPG die Auf- 8 lösung einer Ehe oder einer eingetragenen Partnerschaft durch eine ausländische Entscheidung, § 45 EheG jedoch (unverändert) nur eine Ehe. Dass der Gesetzgeber hier tatsächlich Unterschiede machen wollte, lässt sich den ErläutRV nicht entnehmen, sodass § 19 Abs 5 EPG, § 45 EheG insgesamt auf jene Fälle anzuwenden sind, in denen ein Ehegatte oder ein eingetragener Partner nach Auflösung dieser (legalisierten) Beziehungen durch eine ausländische Entscheidung eine weitere Ehe oder eingetragene Partnerschaft eingeht. Begründet der eingetragene Partner nach Auflösung seiner Ehe oder seiner eingetragenen Partnerschaft durch eine ausländische Entscheidung eine (neue) eingetragene Partnerschaft, so ist diese nichtig (vernichtbar), wenn beide eingetragenen Partner von der mangelnden Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung wussten. Andernfalls ist sowohl die alte Ehe bzw einge843
§ 19 EPG
Gitschthaler
tragene Partnerschaft als auch die neue eingetragene Partnerschaft nach österreichischem Recht wirksam (vgl 1 Ob 138/10i = EF-Z 2010/70 [Höllwerth]). 9 Nach § 27a IPRG ist die Nichtigkeit einer eingetragenen Partnerschaft nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie begründet wurde.
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6. Abschnitt Folgen der Auflösung oder der Nichtigkeit Unterhalt § 20. (1) Der allein oder überwiegend schuldige eingetragene Partner hat dem anderen, soweit dessen Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen, den nach den Lebensverhältnissen der eingetragenen Partner angemessenen Unterhalt zu gewähren. (2) Wenn der allein oder überwiegend schuldige eingetragene Partner durch Gewährung des in Abs. 1 bestimmten Unterhalts bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährdet, braucht er nur so viel zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse beider Teile der Billigkeit entspricht. Hat der Verpflichtete einem Kind, einem neuen Ehegatten oder einem neuen eingetragenen Partner Unterhalt zu gewähren, so sind auch die Bedürfnisse und die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Personen zu berücksichtigen. Ein eingetragener Partner ist bei Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts von der Unterhaltspflicht ganz befreit, wenn der andere den Unterhalt aus dem Stamm seines Vermögens bestreiten kann. (3) Sind beide eingetragenen Partner schuldig, trägt aber keiner die überwiegende Schuld, so kann dem eingetragenen Partner, der sich nicht selbst erhalten kann, ein Beitrag zu seinem Unterhalt zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse sowie Unterhaltspflichten des anderen Teils der Billigkeit entspricht. Die Beitragspflicht kann zeitlich beschränkt werden. (4) Hat sich ein eingetragener Partner während eingetragener Partnerschaft auf Grund ihrer einvernehmlichen Gestaltung der Haushaltsführung oder der Betreuung eines Angehörigen eines der eingetragenen Partner gewidmet und kann ihm auf Grund des dadurch bedingten Mangels an Erwerbsmöglichkeiten, etwa wegen mangelnder beruflicher Aus- oder Fortbildung, der Dauer der eingetragenen Partnerschaft, seines Alters oder sei845
§§ 20–21 EPG
Gitschthaler
ner Gesundheit, nicht zugemutet werden, sich ganz oder zum Teil selbst zu erhalten, so hat ihm insoweit der andere Teil unabhängig vom Verschulden den Unterhalt nach dessen Lebensbedarf zu gewähren. Wird der Unterhaltsanspruch gerichtlich festgesetzt, so hat ihn das Gericht jeweils auf längstens drei Jahre zu befristen, wenn erwartet werden kann, dass der bedürftige eingetragene Partner danach in der Lage sein wird, seinen Unterhalt, insbesondere durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit, zu sichern. Der Unterhaltsanspruch vermindert sich oder besteht nicht, soweit die Gewährung des Unterhalts unbillig wäre, weil der bedürftige eingetragene Partner einseitig besonders schwerwiegende Verfehlungen begangen oder seine Bedürftigkeit grob schuldhaft herbeigeführt hat oder ein gleich schwerwiegender Grund vorliegt oder weil die eingetragene Partnerschaft nur kurz gedauert hat. Je gewichtiger diese Gründe sind, desto eher ist vom bedürftigen eingetragenen Partner zu verlangen, seinen Unterhalt durch die Erträgnisse einer anderen als einer zumutbaren Erwerbstätigkeit oder aus dem Stamm seines Vermögens zu decken. Abs. 2 erster und zweiter Satz gilt entsprechend.
§ 21. (1) Enthält das Urteil keinen Schuldausspruch, so hat der eingetragene Partner, der die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft verlangt hat, dem anderen Unterhalt zu gewähren, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse beider Teile und der unterhaltspflichtigen Verwandten des berechtigten eingetragenen Partners der Billigkeit entspricht. § 20 Abs. 2 gilt entsprechend. (2) Der auf Grund einer Vereinbarung nach § 15 Abs. 5 geschuldete Unterhalt ist einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten, soweit er den Lebensverhältnissen beider eingetragener Partner angemessen ist. Mangels einer rechtswirksamen Vereinbarung über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen beider Teile im Fall einer Auflösung nach § 15 Abs. 5 hat ein eingetragener Partner dem anderen Unterhalt zu gewähren, soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse beider Teile und der unterhaltspflichtigen Verwandten des berechtigten Teils der Billigkeit entspricht. § 20 Abs. 2 gilt entsprechend. (3) Ein unterhaltsberechtigter eingetragener Partner, der infolge eigenen Verschuldens bedürftig ist, kann nur den notdürftigen Unterhalt verlangen. Ein Mehrbedarf, der durch grobes Verschulden des unterhaltsberechtigten eingetragenen Partners herbeigeführt ist, begründet keinen Anspruch auf erhöhten Unterhalt.
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§§ 22–23 EPG
Folgen der Auflösung oder der Nichtigkeit
§ 22. (1) Der Unterhalt ist durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Die Rente ist monatlich im Voraus zu entrichten. Der Verpflichtete hat Sicherheit zu leisten, wenn die Gefahr besteht, dass er sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen sucht. Die Art der Sicherheitsleistung bestimmt sich nach den Umständen. (2) Statt der Rente kann der Berechtigte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird. (3) Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Berechtigte im Lauf des Monats stirbt. (4) Der Verpflichtete haftet vor den Verwandten des anderen. Soweit er jedoch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährdete, haften die Verwandten vor ihm. Soweit einem eingetragenen Partner kein Unterhaltsanspruch gegen den anderen zusteht, haben ihm seine Verwandten nach den allgemeinen Vorschriften über die Unterhaltspflicht den Unterhalt zu gewähren. Die Verwandten haften auch, wenn die Rechtsverfolgung gegen den Verpflichteten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. In diesem Falle geht der Anspruch gegen den Verpflichteten auf den Verwandten über, der den Unterhalt gewährt hat. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Berechtigten geltend gemacht werden. (5) Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung erst von der Zeit an fordern, in der der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist.
§ 23. (1) Die Unterhaltspflicht erlischt mit der Schließung einer Ehe oder der Begründung einer neuen eingetragenen Partnerschaft des Berechtigten. (2) Der Berechtigte verwirkt den Unterhaltsanspruch, wenn er sich nach der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft einer schweren Verfehlung gegen den Verpflichteten schuldig macht oder gegen dessen Willen einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt. (3) Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem Tod des Berechtigten. Nur soweit er auf Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit gerichtet ist oder sich auf Beträge bezieht, die beim Tod des Berechtigten fällig sind, bleibt er auch nachher bestehen. Der Verpflichtete hat die Bestattungskosten zu tragen, soweit dies der Billigkeit entspricht und die Kosten nicht von den Erben zu erlangen sind. (4) Mit dem Tod des Verpflichteten geht die Unterhaltspflicht auf die Erben als Nachlassverbindlichkeit über. Der Erbe haftet ohne die Beschränkungen des § 20 Abs. 2. Der Berechtigte muss sich jedoch die Herab847
§ 23 EPG
Gitschthaler
setzung der Rente auf einen Betrag gefallen lassen, der bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Erben und der Ertragsfähigkeit des Nachlasses der Billigkeit entspricht. Eine Beitragspflicht nach § 20 Abs. 3 erlischt mit dem Tod des Verpflichteten. (5) Die eingetragenen Partner können über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft Vereinbarungen treffen. Ist eine Vereinbarung dieser Art vor Rechtskraft der Auflösungsentscheidung getroffen worden, so ist sie nicht schon deshalb nichtig, weil sie die Auflösung erleichtert oder ermöglicht hat; sie ist jedoch nichtig, wenn die eingetragenen Partner im Zusammenhang mit der Vereinbarung einen nicht oder nicht mehr bestehenden Auflösungsgrund geltend gemacht haben oder wenn sich anderweitig aus dem Inhalt der Vereinbarung oder aus sonstigen Umständen des Falles ergibt, dass sie den guten Sitten widerspricht. [§§ 20 bis 23 Stammfassung]
1 §§ 20 bis 23 EPG übernehmen praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten anzuwendenden Bestimmungen der §§ 66 bis 80 EheG und regeln die Unterhaltsansprüche nach Auflösung der Partnerschaft. Die zu diesen Bestimmungen ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu §§ 66 bis 80 EheG (dies allerdings unter Berücksichtigung der nachstehend, ab Rz 3 angeführten Besonderheiten) wie folgt: § 20 Abs 1 EPG § 20 Abs 2 EPG § 20 Abs 3 EPG § 20 Abs 4 EPG § 21 Abs 1 EPG § 21 Abs 2 EPG § 21 Abs 3 EPG § 22 Abs 1 EPG § 22 Abs 2 EPG § 22 Abs 3 EPG § 22 Abs 4 EPG § 22 Abs 5 EPG § 23 Abs 1 EPG § 23 Abs 2 EPG § 23 Abs 3 EPG § 23 Abs 4 EPG § 23 Abs 5 EPG
§ 66 und § 69 Abs 1 EheG § 67 Abs 1 und 2 EheG § 68 EheG § 68a Abs 2 bis 4 EheG § 69 Abs 3 EheG § 69a Abs 1 und 2 EheG § 73 Abs 1 und 2 EheG § 70 Abs 1 EheG § 70 Abs 2 EheG § 70 Abs 3 EheG § 71 Abs 1 und 2 EheG § 72 EheG § 75 EheG § 74 EheG § 77 Abs 1 und 2 EheG § 78 Abs 1 bis 3 EheG § 80 EheG
2 Die §§ 20 bis 23 EPG sind gem dessen § 42 Abs 2 auch dann anzuwenden, wenn die eingetragene Partnerschaft für nichtig erklärt wurde, jedoch auch 848
§ 23 EPG
Folgen der Auflösung oder der Nichtigkeit
nur einer der eingetragenen Partner die Nichtigkeit der Partnerschaft bei deren Begründung nicht kannte. Dies entspricht der Regelung des § 31 Abs 1 EheG (vgl dort). § 20 Abs 2 EPG entspricht dem § 67 EheG, welche Bestimmung durch das 3 EPG angepasst wurde. Allerdings sind nach § 20 Abs 2 Satz 2 EPG bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit ua die Bedürfnisse und wirtschaftlichen Verhältnisse von Kindern des unterhaltspflichtigen eingetragenen Partners zu berücksichtigen, während nach § 67 Abs 1 Satz 2 EheG unter anderem die Bedürfnisse und wirtschaftlichen Verhältnisse von „minderjährigen unverheirateten“ Kindern zu berücksichtigen sind. Eine Begründung dieser unterschiedlichen Behandlung kann den ErläutRV dazu nicht entnommen werden (vgl dazu näher bei § 67 EheG Rz 5). § 20 Abs 3 EPG übernimmt § 68 EheG in etwas „modernerer“ (etwa „erhal- 4 ten“ anstelle von „unterhalten“), inhaltlich aber unveränderter Form. Die Ersetzung des Verweises in § 68 EheG auf § 67 Abs 1 Satz 2 EheG durch den Begriff „Unterhaltspflichten“ bringt keinen Unterschied, wohl aber eine Hilfe bei der Auslegung des § 67 EheG (vgl dazu § 67 EheG Rz 6). § 20 Abs 4 EPG entspricht § 68a EheG, lässt jedoch sämtliche Bezugnahmen 5 auf gemeinsame Kinder – und damit insb eine dem § 68a Abs 1 EheG vergleichbare Regelung – weg. Diese Differenzierung beruht auf dem Grundgedanken des EPG, eingetragenen Partnern „gemeinsame“ (aufgrund einer Adoption [vgl § 8 Abs 4 EPG] oder einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung [vgl § 2 Abs 1 FMedG]) Kinder zu verweigern (vgl dazu bei § 8 EPG Rz 6 ff). § 21 Abs 1 EPG spricht von jenen Fällen, in denen das Urteil (über die Auflö- 6 sung der eingetragenen Partnerschaft) keinen Schuldausspruch enthält, meint damit jedoch ganz offensichtlich nur die Fälle des § 15 Abs 2 Z 1 bis 3 und Abs 3 EPG. Aus seiner Formulierung ergibt sich nämlich ganz eindeutig, dass damit § 69 Abs 3 EheG übernommen werden soll, der – wie sich aus einer Gesamtschau des § 69 EheG ergibt – die Fälle einer Ehescheidung nach §§ 50 bis 52 und § 55 EheG erfasst. § 21 Abs 3 EPG übernimmt inhaltsgleich § 73 EheG über selbstverschuldete 7 Bedürftigkeit. Ein Unterschied ergibt sich dabei jedoch insofern, als § 73 EheG aufgrund seiner „Alleinstellung“ für sämtliche Unterhaltsansprüche nach den §§ 66 bis 69a EheG gilt, § 21 Abs 3 EPG jedoch nur für jene nach § 20 Abs 1 und 2 EPG, also für Unterhaltsansprüche bei Auflösung der eingetragenen Partnerschaft ohne Schuldausspruch (vgl Rz 6) und bei Unterhaltsansprüchen nach einvernehmlicher Auflösung der eingetragenen Partnerschaft. Da die ErläutRV in diesem Zusammenhang eine Begründung für diese Differenzierung vermissen lassen und eine solche auch nicht erkennbar ist, scheint 849
§ 23 EPG
Gitschthaler
wohl ein Redaktionsversehen vorzuliegen. In den Fällen des § 20 EPG ist daher § 21 Abs 3 EPG analog anzuwenden. 8 § 23 Abs 5 EPG entspricht nahezu wörtlich dem § 80 EheG. Zu dieser Bestimmung ist es hA (vgl § 80 EheG Rz 14), dass dessen Abs 2 Fall 2 seit der Einführung der einvernehmlichen Ehescheidung ohne praktische Bedeutung ist. Nun hat der Gesetzgeber zwar in § 15 Abs 5 EPG auch eine einvernehmliche Auflösung der eingetragenen Partnerschaft vorgesehen, dennoch aber in § 23 Abs 5 EPG den Fall des § 80 Abs 2 Satz 2 EheG übernommen; mE kann jedoch – angesichts der legistischen Vorgehensweise, die als äußerst fehleranfällig bezeichnet werden kann – mit Grund bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber damit irgendetwas ausdrücken wollte. 9 Wesentlicher Unterschied zwischen den nachehelichen bzw nachpartnerschaftlichen Unterhaltsregeln ist das Fehlen einer dem § 69 Abs 2 EheG vergleichbaren Bestimmung im EPG. Der nach dreijähriger Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der eingetragenen Partner als Beklagter geschiedene Partner ist daher dem klagenden Partner gegenüber unterhaltsrechtlich nicht so zu stellen, wie wenn die Partnerschaft nicht aufgelöst worden wäre (vgl § 69 EheG Rz 2), und er hat auch keinen Anspruch auf Ersatz der Beiträge zur freiwilligen Versicherung des beklagten eingetragenen Partners in der gesetzlichen Krankenversicherung. Rechtsfolge einer Auflösung der eingetragenen Partnerschaft nach § 18 Abs 3 EPG ist daher ein (Verschuldens)unterhaltsanspruch nach § 20 Abs 1 EPG, wenn ein entsprechender Ausspruch zu Lasten des Klägers getätigt wurde, ansonsten ein Anspruch auf Billigkeitsunterhalt nach § 20 Abs 4 oder nach § 21 Abs 1 EPG. Damit unterscheiden sich aber auch die pensionsrechtlichen Folgen (vgl dazu bei § 264 ASVG). Im Unterschied zu anderen Ungleichbehandlungen enthalten die ErläutRV idZ eine Begründung des Gesetzgebers. Er bezieht sich dabei auf den Umstand, dass es nach wie vor Ehen gebe, die vor dem Inkrafttreten der Scheidungsreformgesetze 1978 geschlossen wurden. § 69 Abs 2 EheG sei damals erlassen worden, um jene Ehegatten zu schützen, die vor 1978 im Vertrauen darauf geheiratet hatten, dass die Ehe nicht gegen ihren Willen geschieden werden konnte, wenn sie schuldlos und an der Scheidung nicht interessiert waren. Da insoweit § 55 EheG eine wesentliche Änderung brachte, habe der Gesetzgeber diese Personen in unterhalts-, krankenversicherungs- und pensionsrechtlicher Hinsicht aufrecht Verheirateten gleichstellen wollen. Es handle sich dabei um eine „spezielle unterhaltsrechtliche Folge, die ihre Wurzel in der Geschichte des österreichischen Scheidungsrecht hat“; es solle daher für eingetragene Partner nicht übernommen werden. Diese (allerdings nur) auf den ersten Blick einleuchtende Argumentation übersieht jedoch schlicht, dass die „spezielle unterhaltsrechtliche Folge“ des § 69 Abs 2 EheG nicht nur auf vor dem Inkrafttreten der Scheidungsreformgesetze 1978 geschlossene Ehen anzuwenden ist, sondern auf jede Ehe, also auch auf solche, die nach dem 850
§ 24 EPG
Folgen der Auflösung oder der Nichtigkeit
31.12.2009 geschlossen werden (ebenso Gröger/Haller, EPG § 20 Anm 1). Damit hätte die Argumentation des Gesetzgebers jedoch dazu führen müssen, entweder (auch) § 69 Abs 2 EheG zu beseitigen oder eingetragenen Partnern eine vergleichbare „spezielle unterhaltsrechtliche Folge“ zu bieten. Die nunmehr entstandene Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Partner, die infolge der eindeutigen Äußerungen des Gesetzgebers in den ErläutRV auch kein Redaktionsversehens ist und daher zugunsten der eingetragenen Partner auch nicht durch Analogie gelöst werden kann, ist verfassungsrechtlich jedenfalls äußerst bedenklich (vgl VfGH G 87–88/05, V 65–66/05; ebenso Gröger/Haller, EPG § 20 Anm 1). Dabei liegt die unsachliche Ungleichbehandlung wohl primär im Krankenversicherungs- und im Pensionsrecht, entgegen ersten Stellungnahmen in der Lit (etwa Benke, EF-Z 2010, 22) jedoch weniger im Unterhaltsrecht; da § 69 Abs 2 EheG einen Unterhalt wie bei aufrechter Ehe, also nach § 94 ABGB gewährt, die Ermittlung der Unterhaltshöhe nach § 94 ABGB und nach § 66 EheG jedoch im Wesentlichen gleich vorgenommen wird, ist insoweit nicht erkennbar, weshalb der nachpartnerschaftliche Unterhalt niedriger sein sollte als nachehelicher Unterhalt.
Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse Gegenstand der Aufteilung § 24. (1) Wird die eingetragene Partnerschaft, außer im Fall des Todes oder der Todeserklärung, aufgelöst oder für nichtig erklärt, so sind das partnerschaftliche Gebrauchsvermögen und die partnerschaftlichen Ersparnisse zwischen beiden eingetragenen Partnern aufzuteilen. Bei der Aufteilung sind die Schulden, die mit dem Gebrauchsvermögen und den Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen, in Anschlag zu bringen. (2) Partnerschaftliches Gebrauchsvermögen sind die beweglichen oder unbeweglichen körperlichen Sachen, die während aufrechter Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider Teile gedient haben; hierzu gehören auch der Hausrat und die gemeinsame Wohnung. (3) Partnerschaftliche Ersparnisse sind Wertanlagen, gleich welcher Art, die beide Teile während aufrechter Lebensgemeinschaft angesammelt haben und die ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmt sind.
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§§ 25–28 EPG
Gitschthaler
§ 25. (1) Der Aufteilung unterliegen nicht Sachen (§ 24), die 1. ein Teil in die eingetragene Partnerschaft eingebracht, von Todes wegen erworben oder ihm ein Dritter geschenkt hat, 2. dem persönlichen Gebrauch eines Teils allein oder der Ausübung seines Berufes dienen, 3. zu einem Unternehmen gehören oder 4. Anteile an einem Unternehmen sind, außer es handelt sich um bloße Wertanlagen. (2) Die partnerschaftliche Wohnung, die ein Teil in die eingetragene Partnerschaft eingebracht oder von Todes wegen erworben oder die ihm ein Dritter geschenkt hat, ist in die Aufteilung dann einzubeziehen, wenn dies vereinbart wurde oder wenn der andere Teil auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist. Gleiches gilt für den Hausrat, wenn der andere Teil auf seine Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist.
Aufteilungsgrundsätze § 26. (1) Die Aufteilung ist nach Billigkeit vorzunehmen. Dabei ist besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes eingetragenen Partners zur Anschaffung des Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der Ersparnisse Bedacht zu nehmen; weiter auf Schulden, die mit dem gemeinsamen Lebensaufwand zusammenhängen, soweit sie nicht ohnedies nach § 24 in Anschlag zu bringen sind. (2) Als Beitrag sind auch die Leistung des Unterhalts, die Mitwirkung im Erwerb, soweit sie nicht anders abgegolten worden ist, die Führung des gemeinsamen Haushalts und jeder sonstige Beistand zu werten.
§ 27. Die Aufteilung soll so vorgenommen werden, dass sich die Lebensbereiche beider Teile künftig möglichst wenig berühren.
Gerichtliche Aufteilung § 28. Soweit sich die eingetragenen Partner über die Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse nicht einigen, hat hierüber auf Antrag das Gericht zu entscheiden.
852
§§ 29–31 EPG
Folgen der Auflösung oder der Nichtigkeit
Gerichtliche Anordnungen § 29. (1) Bei der Aufteilung des Gebrauchsvermögens kann das Gericht die Übertragung von Eigentum an beweglichen körperlichen Sachen oder eines Anwartschaftsrechts darauf und die Übertragung von Eigentum und sonstigen Rechten an unbeweglichen körperlichen Sachen von einem auf den anderen eingetragenen Partner sowie die Begründung von dinglichen Rechten oder schuldrechtlichen Rechtsverhältnissen zugunsten des einen eingetragenen Partners an unbeweglichen körperlichen Sachen des anderen anordnen. (2) Steht Gebrauchsvermögen im Eigentum einer dritten Person, so darf das Gericht die Übertragung von Rechten und Pflichten, die sich auf die Sache beziehen, nur mit Zustimmung des Eigentümers anordnen.
§ 30. Für die partnerschaftliche Wohnung kann das Gericht, wenn sie kraft Eigentums oder einesanderen dinglichen Rechtes eines oder beider Teile benützt wird, die Übertragung des Eigentums oder des dinglichen Rechtes von einem auf den anderen eingetragenen Partner oder die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zugunsten eines eingetragenen Partners anordnen. Die Übertragung des Eigentums oder eines dinglichen Rechts an einer partnerschaftlichen Wohnung nach § 25 Abs. 2 können die eingetragenen Partner durch Vereinbarung ausschließen.
§ 31. (1) Wird die Wohnung auf Grund eines Dienstverhältnisses benützt oder das Rechtsverhältnis daran im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis begründet, so darf das Gericht eine Anordnung über die Benützung einer solchen Wohnung nur mit Zustimmung des Dienstgebers oder des für die Vergabe der Dienstwohnung zuständigen Rechtsträgers treffen, wenn 1. die Zuweisung der Wohnung deswegen, weil sie überwiegend der Erfüllung der Dienstpflicht dient, wesentliche Interessen des Dienstgebers verletzen könnte, oder 2. die Wohnung unentgeltlich oder gegen ein bloß geringfügiges, wesentlich unter dem ortsüblichen Maß liegendes Entgelt benützt wird oder 3. die Wohnung vom Dienstgeber als Teil des Entgelts für die geleisteten Dienste zur Verfügung gestellt wird. (2) Wird die Wohnung nach Abs. 1 dem eingetragenen Partner zugesprochen, der nicht der Dienstnehmer ist, so hat das Gericht ein angemessenes Benützungsentgelt festzusetzen. Das Wohnrecht dieses eingetragenen Partners besteht nur so lange, als er sich nicht verheiratet oder wieder 853
§§ 32–34 EPG
Gitschthaler
eine eingetragene Partnerschaft begründet, und kann von ihm nicht auf andere Personen übergehen oder übertragen werden.
§ 32. Bei der Aufteilung der Ersparnisse kann das Gericht die Übertragung von Vermögenswerten, gleich welcher Art, von einem auf den anderen eingetragenen Partner und die Begründung eines schuldrechtlichen Benützungsrechts an einer Wohnung zugunsten eines eingetragenen Partners anordnen.
§ 33. (1) Die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen oder die Begründung von dinglichen Rechten daran darf nur angeordnet werden, wenn eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann. (2) Für gemeinsames Wohnungseigentum der eingetragenen Partner kann das Gericht nur die Übertragung des Anteils eines eingetragenen Partners am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum auf den anderen anordnen.
Ausgleich von Benachteiligungen § 34. (1) Hat ein eingetragener Partner ohne ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des anderen frühestens zwei Jahre vor Einbringung der Klage oder des Antrags auf Auflösung der eingetragenen Partnerschaft oder, wenn die Lebensgemeinschaft vor Einbringung der Klage oder des Antrags aufgehoben worden ist, frühestens zwei Jahre vor dieser Aufhebung Gebrauchsvermögen oder Ersparnisse in einer Weise verringert, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse beider Teile während der Lebensgemeinschaft widerspricht, so ist der Wert des Fehlenden in die Aufteilung einzubeziehen. (2) Wurden Gebrauchsvermögen oder Ersparnisse in ein Unternehmen, an dem einem oder beiden eingetragenen Partnern ein Anteil zusteht, eingebracht oder für ein solches Unternehmen sonst verwendet, so ist der Wert des Eingebrachten oder Verwendeten in die Aufteilung einzubeziehen. Bei der Aufteilung ist jedoch zu berücksichtigen, inwieweit jedem eingetragenen Partner durch die Einbringung oder Verwendung Vorteile entstanden sind und inwieweit die eingebrachten oder verwendeten Ersparnisse aus den Gewinnen des Unternehmens stammten. Der Bestand des Unternehmens darf durch die Aufteilung nicht gefährdet werden. (3) Gehört eine körperliche Sache, die während aufrechter Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider eingetragener Partner gedient hat, zu einem Unternehmen, an dem einem oder beiden eingetragenen Partnern 854
§§ 35–38 EPG
Folgen der Auflösung oder der Nichtigkeit
ein Anteil zusteht, und bleibt nach Auflösung der eingetragenen Partnerschaft nur einem von ihnen der Gebrauch dieser Sache erhalten, so hat das Gericht dies bei der Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse zugunsten des anderen angemessen zu berücksichtigen.
Schulden § 35. Bezüglich der in § 24 Abs. 1 und in § 26 Abs. 1 genannten Schulden kann das Gericht bestimmen, welcher Teil im Innenverhältnis zu ihrer Zahlung verpflichtet ist.
Durchführung der Aufteilung § 36. In seiner Entscheidung hat das Gericht auch die zu ihrer Durchführung nötigen Anordnungen zu treffen und die näheren Umstände, besonders in zeitlicher Hinsicht, für deren Erfüllung zu bestimmen. Sind mit der Durchführung der Entscheidung Aufwendungen verbunden, so hat das Gericht nach billigem Ermessen zu entscheiden, welcher eingetragene Partner sie zu tragen hat.
Ausgleichszahlung § 37. (1) Soweit eine Aufteilung nach den vorstehenden Bestimmungen nicht erzielt werden kann, hat das Gericht einem eingetragenen Partner eine billige Ausgleichszahlung an den anderen aufzuerlegen. (2) Das Gericht kann eine Stundung der Ausgleichszahlung oder deren Entrichtung in Teilbeträgen, tunlich gegen Sicherstellung, anordnen, wenn dies für den ausgleichspflichtigen eingetragenen Partner wirtschaftlich notwendig und dem Ausgleichsberechtigten zumutbar ist.
Erlöschen des Aufteilungsanspruchs § 38. Der Anspruch auf Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse erlischt, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird.
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§§ 39–41 EPG
Gitschthaler
Übergang des Aufteilungsanspruchs § 39. Der Anspruch auf Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse ist vererblich, unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar, soweit er durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden ist.
Verträge § 40. (1) Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung der Ersparnisse oder die Aufteilung der Wohnung regeln, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatsaktes. Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung des übrigen Gebrauchsvermögens regeln, bedürfen der Schriftform. (2) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Aufteilung der Ersparnisse und des Gebrauchsvermögens mit Ausnahme der Wohnung kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit die Vereinbarung in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteiligt, sodass ihm die Zuhaltung unzumutbar ist. (3) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Nutzung der Wohnung durch einen Partner kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit der andere Partner seine Lebensbedürfnisse nicht hinreichend decken kann oder eine deutliche Verschlechterung seiner Lebensverhältnisse hinnehmen müsste. (4) Weicht das Gericht von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung ab, so ist insbesondere auf die Gestaltung der partnerschaftlichen Lebensverhältnisse, die Dauer der Partnerschaft sowie darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit der Vereinbarung eine rechtliche Beratung vorangegangen ist und in welcher Form sie geschlossen wurde. (5) Die Abs. 1 bis 4 gelten nicht für Vereinbarungen, die die eingetragenen Partner im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Auflösung oder Nichtigerklärung der eingetragenen Partnerschaft geschlossen haben.
Haftung für Kredite § 41. (1) Entscheidet das Gericht (§ 35) oder vereinbaren die eingetragenen Partner (§ 40 Abs. 5, gegebenenfalls § 15 Abs. 5), wer von ihnen im Innenverhältnis zur Zahlung von Kreditverbindlichkeiten, für die beide haften, verpflichtet ist, so hat das Gericht auf Antrag mit Wirkung für den Gläubiger auszusprechen, dass derjenige eingetragene Partner, der im Innenver856
§ 41 EPG
Folgen der Auflösung oder der Nichtigkeit
hältnis zur Zahlung verpflichtet ist, Hauptschuldner, der andere Ausfallsbürge wird. Dieser Antrag muss in der Frist nach § 38 gestellt werden. (2) Der Ausfallsbürge nach Abs. 1 kann -vorbehaltlich des § 1356 ABGB – nur wegen des Betrags belangt werden, der vom Hauptschuldner nicht in angemessener Frist hereingebracht werden kann, obwohl der Gläubiger gegen ihn nach Erwirkung eines Exekutionstitels 1. Fahrnis- oder Gehaltsexekution und 2. Exekution auf eine dem Gläubiger bekannte Liegenschaft des Hauptschuldners, die offensichtlich für die Forderung Deckung bietet, geführt sowie 3. Sicherheiten, die dem Gläubiger zur Verfügung stehen, verwertet hat. Müsste der Exekutionstitel im Ausland erwirkt oder müssten die angeführten Exekutionsmaßnahmen im Ausland durchgeführt werden, bedarf es ihrer nicht, soweit sie dem Gläubiger nicht möglich oder nicht zumutbar sind. (3) Überdies kann der Bürge, dem der Rechtsstreit gegen den Hauptschuldner rechtzeitig verkündet worden ist (§ 21 ZPO), dem Gläubiger Einwendungen, die nicht in seiner Person begründet sind, nur entgegenhalten, soweit sie auch der Hauptschuldner erheben kann. [§§ 24 bis 41 Stammfassung]
§§ 24 bis 41 EPG übernehmen praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten 1 anzuwendende Bestimmung der §§ 81 bis 98 EheG. Die zu diesen Bestimmungen ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu §§ 81 bis 98 EheG. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung des § 24 Abs 1 EPG sind diese Regelungen – unabhängig vom Kenntnisstand der eingetragenen Partner über den Nichtigkeitsgrund (anders als nach § 42 Abs 2 EPG, der hier nicht anwendbar ist) – auch auf für nichtig erklärte eingetragene Partnerschaften anzuwenden. § 24 EPG § 25 EPG § 26 EPG § 27 EPG § 28 EPG § 29 EPG § 30 EPG § 31 EPG § 32 EPG § 33 EPG § 34 EPG § 35 EPG
§ 81 EheG § 82 EheG § 83 EheG § 84 EheG § 85 EheG § 86 EheG § 87 Abs 1 EheG § 88 EheG § 89 EheG § 90 EheG § 91 EheG § 92 EheG 857
§ 41 EPG § 36 EPG § 37 EPG § 38 EPG § 39 EPG § 40 EPG § 41 EPG
Gitschthaler
§ 93 EheG § 94 EheG § 95 EheG § 96 EheG § 97 EheG § 98 EheG
2 Dem Konzept des EPG folgend weichen § 25 Abs 2 EPG (von § 82 Abs 2 EheG) sowie § 26 Abs 1 und 2 EPG (von § 83 Abs 1 und 2 EheG) insoweit von den eherechtlichen Bestimmungen ab, als dort auf die gemeinsamen Kinder Bezug genommen wird (vgl dazu bei § 1 EPG). Allerdings erwähnen die ErläutRV ausdrücklich, dass bei eingetragenen Partnerschaften, in denen tatsächlich Kinder betreut worden sind, die Betreuungsarbeit und das Kindeswohl zu berücksichtigen sein könnten; dies gelte insb iZm den Aufteilungsgrundsätzen (vgl auch Beclin, EF-Z 2010, 52). 3 Das EPG enthält keine dem § 87 Abs 2 EheG entsprechende Anordnung. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht ohne Rücksicht auf eine Regelung durch Vertrag oder Satzung anordnen, dass ein Ehegatte an Stelle des anderen in das der Benützung der Ehewohnung zugrunde liegende Rechtsverhältnis eintritt oder das bisher gemeinsame Rechtsverhältnis allein fortsetzt. Da diese Bestimmung auch im Partnerschaftsrecht eine ganz wesentliche Bedeutung hat (vgl dazu § 87 EheG Rz 8 ff) und den ErläutRV zum EPG nicht zu entnehmen ist, warum § 87 Abs 2 EheG nicht übernommen werden sollte, liegt ein offensichtliches, durch Analogie zu beseitigendes Redaktionsversehen des Gesetzgebers vor (Gröger/Haller, EPG § 30 Anm 1). 4 Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass nach § 30 Abs 2 EPG der frühere eingetragene Partner eine Dienstwohnung des anderen Partners, die ihm anlässlich der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft zugewiesen wurde, dann wieder verliert, wenn er heiratet oder wieder eine eingetragene Partnerschaft begründet. Wurde hingegen einem früheren Ehegatten eine Dienstwohnung zugewiesen, verliert er sie gem § 88 Abs 2 EheG nur für den Fall einer neuerlichen Eheschließung, nicht jedoch bei Begründung einer eingetragenen Partnerschaft. Auch hier lassen die ErläutRV eine Begründung vermissen, weshalb wohl von einem (durch Analogie zu beseitigenden) Redaktionsversehen durch Nichtanpassung des § 88 Abs 2 EheG auszugehen ist. 5 Die Aufteilungsvorschriften des EheG verwenden den Begriff der Ehewohnung bzw der ehelichen Wohnung. Das EPG nennt die dem vergleichbare Wohnung von eingetragenen Partnern in § 24 Abs 2 EPG „gemeinsame Wohnung“, ansonsten lediglich Wohnung. Gemeint ist damit jedoch jeweils die gemeinsame Wohnung der eingetragenen Partner (vergleichbar der Ehewohnung der Ehegatten). 858
§ 42 EPG
Folgen der Auflösung oder der Nichtigkeit
Auch die Ersparnisse und das übrige Gebrauchsvermögen der eingetragenen Partner sind die gemeinsamen Ersparnisse bzw Gebrauchsvermögen, also die Errungenschaft der eingetragenen Partner während partnerschaftlicher Lebensgemeinschaft (bis zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft [vgl zu dieser Terminologie § 15 Abs 3 EPG]).
Folgen der Nichtigkeit § 42. (1) Wird die eingetragene Partnerschaft für nichtig erklärt, so fallen alle ihre Wirkungen auf die persönlichen Verhältnisse der eingetragenen Partner zum Zeitpunkt der Begründung der eingetragenen Partnerschaft weg. (2) Hat auch nur einer der eingetragenen Partner die Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft bei deren Begründung nicht gekannt, so finden auf ihr Verhältnis in vermögensrechtlicher Beziehung die im Fall der gerichtlichen Auflösung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Dabei ist ein eingetragener Partner, dem die Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft bei der Begründung bekannt war, wie ein für schuldig erklärter Teil zu behandeln. (3) Ein eingetragener Partner, dem die Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft bei der Begründung nicht bekannt war, kann binnen sechs Monaten, nachdem die eingetragene Partnerschaft rechtskräftig für nichtig erklärt wurde, dem anderen Teil erklären, dass es für ihr Verhältnis in vermögensrechtlicher Beziehung bei den Folgen der Nichtigkeit bleiben solle. Gibt er eine solche Erklärung ab, so findet Abs. 2 keine Anwendung. (4) Im Fall des Abs. 2 ist für den Unterhaltsanspruch nach § 21 Abs. 1 nicht ausschlaggebend, welcher eingetragene Partner die Nichtigkeitsklage erhoben hat. [Stammfassung]
§ 42 Abs 1 EPG legt im Gegensatz zum EheG ausdrücklich fest, dass die Nich- 1 tigerklärung einer eingetragenen Partnerschaft auf den Zeitpunkt deren Begründung zurückwirkt (ex-tunc-Wirkung). Ein inhaltlicher Unterschied zur Nichtigerklärung einer Ehe kann darin aber nicht gesehen werden (vgl Vor §§ 20 bis 25 EheG Rz 1). Abs 2 und 3 EPG übernimmt praktisch wortwörtlich die nur auf Ehegatten 2 anzuwendenden Bestimmung des § 31 Abs 1 und 2 (Vermögensrechtliche Beziehungen). Die zu dieser Bestimmung ergangene Rsp kann übernommen werden. Vgl daher die Kommentierung zu § 31 EheG. Abs 2 bedeutet dabei hinsichtlich der vermögensrechtlichen Beziehung der eingetragenen Partner eine Ausnahme von der Grundregel der ex-tunc-Wirkung einer Auflösung 859
§ 42 EPG
Gitschthaler
der eingetragenen Partnerschaft. War auch nur ein eingetragener Partner hinsichtlich des Nichtigkeitsgrundes gutgläubig, gilt Auflösungs- und nicht Nichtigkeitsfolgenrecht; der andere Partner, der den Nichtigkeitsgrund kannte, ist als schuldig erklärter Teil zu behandeln. Für die unterhaltsrechtlichen Folgen (Billigkeitsunterhalt nach § 21 Abs 1 EPG) kommt es nach Abs 4 nicht darauf an, wer die Nichtigkeitsklage erhoben hat.
860
7. Abschnitt Sinngemäß anwendbares Bundesrecht § 43. (1) Folgende, für Ehegatten, Ehesachen oder Eheangelegenheiten maßgebende Bestimmungen in der jeweils geltenden Fassung sind auf eingetragene Partner, Partnersachen oder Partnerangelegenheiten sinngemäß anzuwenden: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.
§§ 2 und 4 der Anfechtungsordnung, RGBl. Nr. 337/1914; §§ 93 bis 98 und 99 Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003; §§ 382 und 382b bis 382h Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896; § 4 Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991; § 26 Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896; § 6a GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906; §§ 3, 10, 14, 15 Kleingartengesetz, BGBl. Nr. 6/1959; §§ 28, 32, 56 Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914; § 25a Konsumentenschutzgesetz, BGBl. Nr. 140/1979; §§ 12, 14, 46 Mietrechtsgesetz, BGBl. Nr. 520/1981; § 1 Notariatsaktsgesetz, RGBl. Nr. 76/1871; §§ 33, 36 f und 60 Notariatsordnung, RGBl. Nr. 75/1871; § 28 Notariatstarifgesetz; BGBl. Nr. 576/1973; § 15 Privatstiftungsgesetz, BGBl. Nr. 694/1993; §§ 8 f, 21c und 50 Rechtsanwaltsordnung, BGBl. Nr. 96/1868; §§ 9 und 10 Rechtsanwaltstarifgesetz, BGBl. Nr. 189/1969; §§ 6, 72, 99, 100 Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 1969/144; § 12 Todeserklärungsgesetz 1950, BGBl. Nr. 23/1951; § 25 Übernahmegesetz, BGBl. Nr. 127/1998; § 28 Unterbringungsgesetz, BGBl. Nr. 155/1990; § 36 Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897; §§ 55, 75, 77 Urheberrechtsgesetz, BGBl. Nr. 520/1981; § 177 Versicherungsvertragsgesetz 1958, BGBl. Nr. 2/1959; §§ 3, 13, 15 Wohnungseigentumsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 70/2002; §§ 29, 45a, 57, 321, 322, 460, 483a, 502 Zivilprozessordnung, RGBl. Nr. 113/1895; 861
§ 43 EPG
Gitschthaler
26. die Regelungen des Gerichtsgebührengesetzes, BGBl. Nr. 501/1984, über die Gebühren für das Verfahren über den Ehegattenunterhalt und für die in § 49 Abs. 2 Z 2a und 2b JN angeführten Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, für das Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, für das Verfahren der Scheidung einer Ehe nach § 55a EheG, für das Verfahren zur Anerkennung oder Nichtanerkennung ausländischer Eheentscheidungen, für das Verfahren über die Abgeltung der Mitwirkung des Ehegatten im Erwerb des anderen und für das Verfahren über die Rechtmäßigkeit gesonderter Wohnungnahme. (2) Die bundesgesetzlichen Sonderbestimmungen über das bäuerliche Erbrecht, die für Eheangelegenheiten oder Ehegatten anwendbar sind, sind auf eingetragene Partnerschaften oder eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden. (3) Bundesgesetzliche Bestimmungen, die auch auf eingetragene Partner anzuwenden sind und die Schwägerschaft betreffen, gelten in den für die Schwägerschaft maßgeblichen Linien und Graden auch für die Verwandten des eingetragenen Partners. [Stammfassung]
1 Nach § 537a ABGB sind die für Ehegatten maßgebenden und auf das Eherecht Bezug nehmenden Bestimmungen auf eingetragene Partner und eingetragene Partnerschaften sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nach § 43 Abs 2 EPG auch für die – das Erbrecht ergänzenden – Bestimmungen über das bäuerliche Erbrecht (AnerbenG, TirHöfeG, Kärtner HöfeG). § 43 Abs 3 EPG wurde erst im parlamentarischen Prozess in das Gesetz aufgenommen (vgl Gröger, ÖJZ 2010/23).
862
8. Abschnitt Übergangs- und Schlussbestimmungen § 44. Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter. § 45. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2010 in Kraft. § 46. Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden. § 47. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Justiz, hinsichtlich des § 6 im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Inneres, betraut. [§§ 44 bis 47 Stammfassung]
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Kapitel 4 Ehe- und partnerschaftliche Verfahrensbestimmungen
E. Gitschthaler et al. (eds.), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht © Springer-Verlag/Wien 2011
Jurisdiktionsnorm Sachliche Zuständigkeit – Streitsachen Bezirksgerichte § 49. (2) Ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes gehören vor die Bezirksgerichte: ... 2.
2a.
2b. 2c.
2d.
Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt, mit Ausnahme der Angelegenheiten des gesetzlichen Unterhalts zwischen in gerader Linie verwandten Personen; Streitigkeiten über die Scheidung, die Aufhebung oder die Nichtigerklärung einer Ehe oder über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien; die anderen aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringenden Streitigkeiten; Streitigkeiten über die Auflösung oder die Nichtigerklärung einer eingetragenen Partnerschaft oder über das Bestehen oder Nichtbestehen einer eingetragenen Partnerschaft zwischen den Parteien; die anderen aus dem gegenseitigen Verhältnis der eingetragenen Partner entspringenden Streitigkeiten;
(3) Die im Abs. 2 Z 1 bis 2d begründete Zuständigkeit besteht auch in Fällen, in denen der Rechtsstreit vom Rechtsnachfolger einer Partei oder von einer Person geführt wird, die kraft Gesetzes anstelle der ursprünglichen Person hiezu befugt ist. Fassung BGBl. I 2009/135 Lit: Fucik, Die Zuständigkeit nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983, RZ 1985, 206, 234, 258; Maurer, Was sind familienrechtliche Streitigkeiten gemäß § 49a JN? RZ 1983, 116; Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, ÖJZ 1989, 743; Simotta, Die sachliche Zuständigkeit in Ehe- und Familiensachen, JBl 1980, 348; dies, Die Änderungen der Zuständigkeit in Ehe- und Familiensachen in der geplanten „Zivilverfahrens-Novelle“, ÖJZ 1982, 29, 66; dies, Die Entwicklung der Gerichtsbarkeit in Fami-
867
§ 49 JN
Nademleinsky
liensachen in Österreich, Nakamura-FS (1996) 539; dies, Was sind Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis? – eine Judikaturanalyse, BeitrZPR IV (1991) 191; Stanicki, Die funktionelle Zuständigkeit des Familiengerichts, FamRZ 1977, 683; Verschraegen, Die einverständliche Scheidung in rechtsvergleichender Sicht (1991).
1 Nach stRsp umfasst § 49 Abs 2 Z 2 JN in Einklang mit den ErläutRV zum EheRÄG 1978 (916 BlgNr 14. GP 23) iS einer weiten Auslegung alle Rechtsfragen des gesetzlichen Unterhalts (RIS-Justiz RS0046467; 2 Ob 80/98y; 1 Ob 1/ 98y; 6 Ob 279/99v; 7 Ob 98/05w). Daher fallen Unterhaltsstreitigkeiten zwischen Ehegatten sowohl bei aufrechter Ehe (§ 94 ABGB) wie auch nach Auflösung der Ehe (§§ 66 ff EheG) in die sachliche (Eigen-)Zuständigkeit der Bezirksgerichte, ebenso wie Unterhaltsstreitigkeiten eingetragener Partner (vgl ErläutRV 485 BlgNR 24. GP Art 6 Z 1 – 3, 5). Erfasst sind nicht nur Klagen auf erstmaligen Zuspruch eines Unterhalts oder auf Erhöhung oder Herabsetzung eines schon titulierten Unterhaltsanspruchs (2 Ob 80/98y; 2 Ob 155/ 00h), sondern auch solche auf Feststellung des Erlöschens (4 Ob 210/01p; 7 Ob 98/05w) sowie Klagen aus einem Unterhaltsvergleich (stRsp, etwa 3 Ob 262/01b; 10 Ob 85/04d; 6 Ob 115/04m; zuletzt 9 Ob 45/08w; 6 Ob 227/08p) einschließlich des Verfahrens auf Wiederaufnahme eines solchen Rechtsstreites (2 Ob 80/98y), die Anfechtung eines Unterhaltsvergleichs (7 Ob 257/97p; 6 Ob 279/99v; 4 Ob 210/01p; 6 Ob 115/04m) und Klagen auf Rückzahlung zu viel bezahlten (Ehegatten-)Unterhalts (ausdrücklich 1 Ob 1/98y). 2 Auch Oppositionsklagen, mit denen das (allenfalls nur teilweise) Erlöschen des Unterhaltsanspruchs dem Grunde nach geltend gemacht wird, fallen unter § 49 Abs 2 Z 2 JN (stRsp, etwa 3 Ob 82/90 = IPrax 1992, 103; zuletzt 3 Ob 49/ 07p; 3 Ob 253/07p; 3 Ob 235/08t; 3 Ob 44/10g; wohl auch LG Wels EF 120.788 unter Berufung auf 3 Ob 68/93 = EF 73.023, mit offenbar unrichtigem Rechtssatz), nicht aber solche, in denen nur zu prüfen ist, ob der Unterhaltsanspruch infolge Aufrechnung oder Zahlung erloschen ist (3 Ob 68/93; 3 Ob 216/00m = EF 97.896; 3 Ob 291/01t; 3 Ob 181/05x; 3 Ob 138/08b), oder eine Impugnationsklage, mit der der Ausspruch der Unzulässigkeit einer bestimmten Exekution (beispielsweise wegen eines Exekutionsverzichts) angestrebt wird und in der daher materiellrechtliche Fragen des Unterhaltsrechts nach dem geltend gemachten Klagegrund nicht von Bedeutung sind (3 Ob 2084/96h). 3 Für Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 2 JN gilt weder die Berufungsbeschränkung des § 501 ZPO („Bagatellberufung“, § 501 Abs 2 ZPO) noch ist die Revision deshalb jedenfalls unzulässig, weil der Entscheidungsgegenstand € 5.000 nicht übersteigt (§ 502 Abs 4 ZPO; 3 Ob 44/10g). Spricht das Berufungsgericht aber aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes € 30.000 nicht übersteigt (§ 500 Abs 2 ZPO) und lässt es die ordentliche Revision nicht zu, so gibt es zwar keine ao Revision (§ 505 Abs 4 ZPO), doch ist gem § 508 Abs 1 868
Sachliche Zuständigkeit – Streitsachen
§ 49 JN
ZPO ein Abänderungsantrag möglich, mit dem zugleich die ordentliche Revision auszuführen ist (vgl zuletzt 4 Ob 188/09i; 6 Ob 180/10d; 3 Ob 203/10i). Maßgeblich ist dabei jener – nach § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung bewertete – Unterhaltsbetrag, der noch in zweiter Instanz strittig war (6 Ob 180/10d mN der früheren tw gegenteiligen Rsp; aA auch 3 Ob 203/10i: Hinzurechnen des Rückstandes). Gem § 224 Abs 1 Z 4 ZPO (bzw § 222 Abs 2 Z 4 ZPO idF BGBl 2010/111) sind Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt Ferialsachen (vgl 4 Ob 210/01p; 3 Ob 65/06i), dh eine Fristenhemmung während der verhandlungsfreien Zeit findet nicht statt. Für Rechtsstreitigkeiten eingetragener Partner gilt Entsprechendes. Z 2a verweist alle streitigen Ehesachen (§§ 20 ff EheG) in die Eigenzuständig- 4 keit der Bezirksgerichte. Eine Wiederaufnahmeklage gehört allerdings nicht dazu (6 Ob 115/04m; Mayr/Rechberger § 49 JN Rz 5). Für die außerstreitigen Ehesachen ergibt sich die sachliche Zuständigkeit der Bezirksgerichte aus § 104a JN. Gem § 502 Abs 5 Z 1 ZPO ist die Revision in Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 5 Z 2a (und b) JN nicht jedenfalls unzulässig, sodass auch bei Nichtzulassung der ordentlichen Revision eine ao Revision immer möglich ist (§ 505 Abs 4 ZPO). § 502 Abs 5 ZPO gilt sinngemäß auch für Streitigkeiten aus dem Partnerschaftsverhältnis nach Z 2c und d (§ 43 Abs 1 Z 25 EPG). Nach Z 2b fallen auch andere aus dem Eheverhältnis entspringende Strei- 6 tigkeiten in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte. Gemeint sind damit solche Ansprüche, die im Familienrecht wurzeln und ohne das Eheverhältnis gar nicht denkbar sind, die sich also spezifisch aus dem (ehemaligen) Eheband der Streitteile ergeben (stRsp zuletzt 1 Ob 271/05t; 10 Ob 22/07v; 1 Ob 46/08h; 2 Ob 269/08k; 5 Ob 134/10g uva; Simotta/Fasching § 49 JN Rz 38 f; Mayr/ Rechberger § 49 JN Rz 7), wobei nicht die individuell-tatsächliche Beziehung unter den Ehegatten, sondern die normativ-abstrakte Regelung der Rechtsbeziehungen von Ehegatten entscheidet (6 Ob 620/90; 5 Ob 1540/93; 6 Ob 584/ 93). Die ehelichen Rechte und Pflichten müssen für den anspruchsbegründenden Sachverhalt bestimmend (oft unglücklich formuliert: „zumindest mitbestimmend“) sein; ist das Rechtsverhältnis auch zwischen anderen Personen denkbar, fällt es nicht unter Z 2b (stRsp, statt vieler 6 Ob 620/90; zuletzt 1 Ob 271/05t; 1 Ob 46/08h; 2 Ob 269/08k; 5 Ob 134/10g). Bejaht wurde die Zuständigkeit beispielsweise für Klagen, die Ansprüche auf Erhaltung der Ehewohnung nach § 97 ABGB betreffen (3 Ob 541/91; OLG Wien EF 94.349; vgl auch 4 Ob 206/07h) oder eine Klage auf Duldung des Zutritts zur Ehewohnung (OLG Wien EF 72.801). Zu befürworten ist sie ferner für Streitigkeiten, die sich aus der Schlüsselgewalt ergeben (Simotta/Faschung § 49 JN Rz 41 f; Mayr/Rechberger § 49 JN Rz 7) sowie für die Ergän869
§ 49 JN
Nademleinsky
zungsklage zur Geltendmachung weiterer Verschuldensgründe nach erfolgter Scheidung (Mayr/Rechberger § 49 JN Rz 7). Verneint wurde die Zuständigkeit etwa für Kondiktionsansprüche wegen Zuwendungen sowohl vor der Eheschließung als auch während aufrechter Ehe (6 Ob 584/93; LGZ Wien EF 111.767); die Klage auf anteiligen Aufwandsersatz für die im Miteigentum stehende ehemalige Ehewohnung (2 Ob 561/95); Herausgabeklagen, die auf das (alleinige) Eigentum gestützt werden (stRsp, zuletzt LGZ Wien EF 117.849 f; 2 Ob 269/08k; 2 Ob 85/09b); ebenso auf das Miteigentum gestützte Klagen (5 Ob 527/93; 8 Ob 52/04m; 2 Ob 269/ 08k), außer der Anspruch rührt aus einem aufgelösten Ehepakt her (1 Ob 205/ 01 f); eine Darlehensklage zwischen Ehegatten (6 Ob 620/90; LGZ Wien EF 94.348); Klagen aus dem Titel des Schadenersatzes zwischen Ehegatten (3 Ob 337/99a); die Klage über den Bezug aus einer Lebensversicherung (5 Ob 134/ 10g); einen Streit um die ungestörte Benützung von Geschäftsräumlichkeiten einer GesbR, die von den geschiedenen Ehegatten weitergeführt worden war (1 Ob 287/99h); Klagen auf Feststellung des Bestehens einer GesbR zwischen den Ehegatten (OLG Wien EF 41.600); Klagen auf Rückforderung nach Auflösung einer Lebensgemeinschaft (OLG Wien EF 94.350; Mayr/Rechberger § 49 JN Rz 7); oder Klagen auf Ersatz von Detektivkosten gegenüber dem Ehestörer (5 Ob 45/01 f; 2 Ob 102/03v entgegen LGZ Wien EF 69.729 und Simotta/Fasching § 49 JN Rz 41; zust Mayr/Rechberger § 49 JN Rz 7). 7 Ansprüche aus einer anlässlich der Scheidung geschlossenen Vereinbarung („Scheidungsfolgenvergleich“) lassen sich grundsätzlich nicht unter Z 2b subsumieren, weil sie rein vertraglicher Natur sind (4 Ob 512/95ua; zuletzt 1 Ob 271/05t; 1 Ob 57/07z; 9 Ob 88/09w; Simotta/Fasching § 49 JN Rz 40; Mayr/Rechberger § 49 JN Rz 7; aA 1 Ob 160/01p; 2 Ob 227/03a; 1 Ob 46/ 08h; LGZ Wien EF 117.847, 120.783; Fucik, ÖJZ 1994, 287). Allein dass eine Scheidungsvereinbarung ohne (geschiedene) Ehe nicht denkbar ist, reicht für die Eigenzuständigkeit nicht, denn auf die Bezeichnung der Vereinbarung (auch in der Klage) kommt es nicht an, ebenso wenig auf mögliche Einwendungen des Beklagten, sondern allein auf das Klagsvorbringen (ausdrücklich 5 Ob 549/94; 2 Ob 269/08k; offenbar aA 1 Ob 46/08h). Nur wenn das Klagsvorbringen geradezu zwingend dahin zu verstehen ist, dass die Umstände der Ehescheidung die Wirksamkeit der Vereinbarung ernstlich in Frage stellen, va wenn der Einwand der Sittenwidrigkeit nach dem Klagsvorbringen greifbar nahe liegt (vgl 4 Ob 232/07g) und daher familienrechtliche Spezialkenntnisse erforderlich sein werden, lässt sich die Streitigkeit ausnahmsweise unter Z 2b subsumieren. Ob dazu schon die Bezeichnung der (Mahn)Klage mit dem Fallcode „Familiensache“ ausreicht (so 1 Ob 46/08h; vgl aber 7 Ob 6/02m), muss allerdings bezweifelt werden. Auch Streitigkeiten aus einer Vorwegvereinbarung über die Aufteilung von (ehelichen) Ersparnissen und des Gebrauchsvermögens bzw der (Ehe) 870
Sachliche Zuständigkeit – Streitsachen
§ 49 JN
Wohnung (§ 97 EheG bzw § 40 EPG) werden nach den vorgenannten Kriterien regelmäßig nicht unter Z 2b fallen, zumal die Überprüfung der Vereinbarung jedenfalls auch im (außerstreitigen) Aufteilungsverfahren erfolgen kann (vgl dazu auch bei § 97 EheG Rz 27 ff). Wird dies nicht begehrt, tritt der eherechtliche Charakter der Vereinbarung insofern in den Hintergrund und vermag auch nicht mehr die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte zu begründen. Klagen eines Dritten auf Ersatz des Unterhaltsaufwandes nach § 1042 ABGB 8 (wie auch Klagen gegen den anderen Elternteil auf Rückzahlung von irrtümlich in Erfüllung einer vermeintlichen Unterhaltspflicht geleisteter Zahlungen) wurden von der Rsp (2 Ob 81/98w; 2 Ob 155/00h; 6 Ob 115/04m; LGZ Wien EF 120.780) vor dem Außerstreit-Begleitgesetz (BGBl I 2003/112) unter Z 2c subsumiert (in 7 Ob 6/02m unter Z 2). Die Begründung wurde darin gesehen, dass das entscheidungsrelevante Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Kind familienrechtlicher Natur sei. In der Fassung vor dem Außerstreit-Begleitgesetz erfasste Z 2c – das ist die nunmehrige Z 2b – nämlich auch die „aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern entspringenden Streitigkeiten“ (die seither auch für volljährige Kinder in das Außerstreitverfahren gehören). Infolge der teilweisen Streichung in Z 2b lassen sich Klagen auf Ersatz des für ein Kind geleisteten Unterhalts aber nicht mehr unter Z 2b subsumieren (so auch Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht4, 79). Das LG St. Pölten (EF-Z 2006/82 [krit, aber im Ergebnis doch zustimmend Gitschthaler]) hat sich darüber mit dem Hinweis, es handle sich um ein Redaktionsversehen, hinweggesetzt. Der OGH (10 Ob 22/07v) hat jedoch mittlerweile für die vergleichbare Streitigkeit auf Herausgabe der Familienbeihilfe bzw zu Unrecht bezogener Kinderabsetzbeträge, die nach alter Rechtslage mit derselben Begründung ebenfalls unter Z 2c subsumiert wurde (9 Ob 713/91; 6 Ob 321/00z), die Zuständigkeit nach Z 2b ausdrücklich abgelehnt. In diesem Sinn fällt auch die Klage aus einer zwischen den Eheleuten über den Kindesunterhalt geschlossenen Schad- und Klagloshaltung, vormals ebenfalls unter Z 2c subsumiert (4 Ob 232/07g; LGZ Wien EF 120.783), nicht mehr unter Z 2b. Z 2c und Z 2d – mit dem EPG (BGBl. I Nr. 135/2009) eingeführt – sollen für 9 die eingetragenen Partner auch im Bereich der JN dieselben Regelungen bereitstellen, wie sie für Ehegatten vorgesehen sind (ErläutRV 485 BlgNR 24. GP Art 6). Unter die Streitigkeiten nach Z 2c fallen demnach Klagen auf Auflösung der Partnerschaft wegen Willensmängeln (§ 14 Abs 4 EPG) und wegen Verschuldens oder Zerrüttung (§ 15 Abs 1 bis 3 EPG) sowie die Nichtigkeitsklage (§ 19 Abs 3 EPG), unter Z 2d im Wesentlichen Ansprüche auf Erhaltung der Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Partners dient (§ 9 Abs 1 EPG).
871
§ 76 JN
Nademleinsky
10 Abs 3 will gewährleisten, dass über die in § 49 Abs 2 genannten familienrechtlichen Ansprüche – ganz gleich wer als Kläger oder Beklagter auftritt – immer nur das Bezirksgericht entscheidet (Simotta, JBl 1980, 354; Mayr/Rechberger § 49 JN Rz 8), und erstreckt dazu die Eigenzuständigkeit auf jene Fälle, in denen der Rechtsstreit von oder gegen den Rechtsnachfolger einer Partei bzw von oder gegen eine Person geführt wird, die kraft Gesetzes anstelle der ursprünglichen Person hierzu befugt ist (näher Simotta/Fasching § 49 JN Rz 117). Zur Prozessnachfolge bei Ableben einer Partei während des Verfahrens s aber §§ 155 ff ZPO.
Örtliche Zuständigkeit – Streitsachen 1. Ausschließliche Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis oder der eingetragenen Partnerschaft § 76. (1) Für Streitigkeiten über die Scheidung, die Aufhebung, die Nichtigerklärung oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe sowie über die Auflösung, die Nichtigerklärung oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer eingetragenen Partnerschaft zwischen den Parteien ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Sprengel die Parteien ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben. Hat zur Zeit der Erhebung der Klage keine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Sprengel oder haben sie im Inland einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nicht gehabt, so ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Sprengel der gewöhnliche Aufenthalt der beklagten Partei oder, falls ein solcher gewöhnlicher Aufenthalt im Inland fehlt, der gewöhnliche Aufenthalt der klagenden Partei liegt, sonst das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. (2) Die inländische Gerichtsbarkeit für die im Abs. 1 genannten Streitigkeiten ist gegeben, wenn 1. eine der Parteien die österreichische Staatsbürgerschaft hat oder 2. die beklagte Partei, im Fall der Nichtigkeitsklage gegen beide Ehegatten oder beide eingetragenen Partner zumindest eine beklagte Partei, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat oder 3. die klagende Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und entweder beide Ehegatten oder beide eingetragenen Partner ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt haben oder die klagende Partei staatenlos ist oder zur Zeit der Schließung der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft gehabt hat. 872
Örtliche Zuständigkeit – Streitsachen
§ 76 JN
(3) Die inländische Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten über die Auflösung oder Nichtigerklärung sowie die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer eingetragenen Partnerschaft ist für in Österreich eingetragene Partnerschaften jedenfalls gegeben. Fassung gem BGBl I 2009/135
Lit: Loewe, Erneuerung des österreichischen internationalen Zivilverfahrensrechts, ZfRV 1983, 180; Matscher, Die internationalrechtlichen Bestimmungen der Zivilverfahrens-Novelle 1983, in BMJ, Neuerungen im zivilgerichtlichen Verfahrensrecht, Richterwoche 1983 (1984) 201; Simotta, Die Änderungen der Zuständigkeit in Ehe- und Familiensachen in der geplanten „Zivilverfahrens-Novelle“, ÖJZ 1982, 29, 66; dies, Die internationale Zuständigkeit in Ehe- und Abstammungsstreitigkeiten, Broniewicz-FS (1998) 331; Schwimann, Inländische Gerichtsbarkeit für Personenrechts-, Familienrechts- und Unterhaltssachen, JBl 1990, 760; Traar, Internationale Aspekte der Lebenspartnerschaft, Kollisions- und Zuständigkeitsrecht im Überblick, iFamZ 2008, 206; ders, Internationale Aspekte der eingetragenen Partnerschaft, iFamZ 2010, 102.
§ 76 Abs 1 JN regelt die örtliche Zuständigkeit für die in § 49 Abs 2 Z 2a und c 1 JN genannten streitigen Ehe- und Partnerschaftssachen. Primärer Anknüpfungspunkt ist der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Parteien. Besteht bei Klagseinbringung kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, ist das Gericht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten oder Partner örtlich zuständig, sofern einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Sprengel beibehalten hat (6 Ob 180/08a; Mayr/Rechberger § 76 JN Rz 2). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des letzten gemeinsamen Aufenthalts ist die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (6 Ob 94/72; 6 Ob 180/08a; Simotta/Fasching § 76 JN Rz 12). Mangels gemeinsamen letzten gewöhnlichen Aufenthalts ist das Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts des Beklagten, hilfsweise das des Klägers und zuletzt das BG Innere Stadt Wien zuständig. Der allgemeine Gerichtsstand (§ 66 JN) ist ausgeschlossen (unstr; ausdrücklich 1 Ob 39/00t), eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung in den Grenzen des § 104 Abs 2 und 5 JN aber zulässig (Simotta/Fasching § 76 JN Rz 4). Der „Aufenthalt“ einer Person bestimmt sich durch ihre körperliche Anwe- 2 senheit an einem bestimmten Ort, also ausschließlich nach tatsächlichen Umständen (§ 66 Abs 2 Satz 2 JN; stRsp, statt vieler 6 Ob 2021/96s; 7 Ob 9/02b; zuletzt LG Salzburg EF 114.777; LGZ Wien EF 120.805), die Meldeauskunft ist bloß ein Indiz (LGZ Wien EF 105.503, 111.800, 114.785; LG Feldkirch 114.785; vgl auch 1 Ob 662/86). Der Aufenthalt ist „gewöhnlich“, wenn er auf Dauer angelegt ist und dadurch den Mittelpunkt des Lebens, der wirtschaftlichen Existenz und der sozialen Beziehungen bildet (§ 66 Abs 2 Satz 2 JN; stRsp, etwa 6 Ob 2021/96s; 9 Ob 174/00d; zuletzt 6 Ob 180/08a; LGZ 873
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Wien EF 120.806; LG Eisenstadt EF 120.807 ff). Dass eine bestimmte Wohnung den Lebensmittelpunkt eines Menschen bildet, wird umso eher zu bejahen sein, wenn dieser keinen anderen Ort hat, der während der zu beurteilenden Zeitspanne für sein Privat- und Berufsleben zumindest annähernd gleich hohe Bedeutung hat (1 Ob 115/09g). „Gemeinsam“ ist der Aufenthalt, wenn die Ehegatten (Partner) zusammenleben, also der betreffende Ort zum Mittelpunkt des gemeinsamen Lebens gemacht wurde (6 Ob 261/69; 6 Ob 180/08a; LG Salzburg EF 90.754; LGZ Wien EF 101.624 ua; Simotta/Fasching § 76 JN Rz 6, 8; Mayr/Rechberger § 76 JN Rz 2). So wie eine einzelne Person an mehreren Orten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben kann, insb wenn Wohnort und Arbeitsort dauerhaft auseinanderfallen (vgl 6 Ob 318/99d; LG Feldkirch EF 114.787; LG Eisenstadt EF 120.809; LGZ Wien EF 120.810 [Notar]), oder auch im Inland und Ausland zugleich (9 Ob 22/00a; 5 Ob 535/03z; 7 Ob 199/06z = FamZ 2007/56 [Fucik]), können Ehegatten (Partner) auch mehr als einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben, sodass jeder derselben zur Begründung der Zuständigkeit nach § 76 Abs 1 JN herangezogen werden kann (6 Ob 261/69 = EF 12.222 f; 6 Ob 94/72; 6 Ob 180/08a [Wochenendhaus]; Simotta/Fasching § 76 JN Rz 11; Mayr/Rechberger § 76 JN Rz 2). Da es auf das gemeinsame eheliche Leben ankommt, kann ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten vor ihrer Eheschließung aber kein letzter gemeinsamer iS des § 76 Abs 1 JN sein (6 Ob 180/08a). 3 Die Ehenichtigkeitsklage des Staatsanwalts (§§ 23, 28 EheG) unterliegt § 76 Abs 1 JN nicht; sie ist beim Gericht am allgemeinen Gerichtsstand (§§ 65, 66 JN) des bzw der beklagten Ehegatten einzubringen (4 Ob 39/00i; 1 Ob 39/ 00t; 8 Ob 69/04m; Mayr/Rechberger § 76 JN Rz 1; aA 7 Ob 347/98z). Für den Ehegatten, für den das angerufene Gericht nicht das Gericht seines allgemeinen Gerichtsstands ist, ist der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft gem § 93 Abs 1 JN begründet (1 Ob 39/00t; Mayr/Rechberger § 76 JN Rz 1). Hält sich keiner der Ehegatten in Österreich auf, ist nach § 28 JN vorzugehen (1 Ob 39/00t). Das gilt sinngemäß für die Nichtigkeitsklage des Staatsanwalts gem § 19 Abs 4 EPG. 4 Abs 2 regelt die internationale Zuständigkeit („inländische Gerichtsbarkeit“) österreichischer Gerichte für die in Abs 1 genannten Streitigkeiten aus der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft. Für Ehestreitigkeiten ist jedoch der Vorrang der Brüssel IIa-VO zu beachten (dazu Brüssel IIa-VO Vor Art 1 ff Rz 2). Die Zuständigkeit nach § 76 Abs 2 JN ist nicht „ausschließlich“, dh die Ehegatten bzw Partner können auch eine ausländische Zuständigkeit in Anspruch nehmen. Die ausländische Rechtshängigkeit ist zu berücksichtigen, sofern die Entscheidung im Inland voraussichtlich anerkannt wird (dazu Brüssel IIa-VO Art 19 Rz 4).
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Örtliche Zuständigkeit – Streitsachen
§ 76 JN
Voraussetzung der internationale Zuständigkeit nach § 76 Abs 2 JN ist, dass 5 einer der Ehegatten bzw Partner österreichischer Staatsbürger ist (dann ist es gleich, wo er sich aufhält) oder der Beklagte – bzw im Fall der Nichtigkeitsklage wenigstens einer von ihnen – seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Der inländische gewöhnliche Aufenthalt des Klägers begründet die Zuständigkeit nur, wenn er entweder staatenlos ist oder zur Zeit der Schließung der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft gehabt hat, oder wenn beide Ehegatten oder beide registrierten (eingetragenen) Partner ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt haben (ohne dass einer von ihnen in beibehalten haben müsste). Durch Gerichtsstandsvereinbarung lässt sich die internationale Zuständigkeit nicht begründen (1 Ob 579/50; 4 Ob 603/75 = ZfVB 1976, 214 [Schwind]). Fällt der Anknüpfungspunkt während des Verfahrens weg, schadet dies iS der perpetuatio fori nicht (Mayr/Rechberger § 29 JN Rz 2, § 76a JN Rz 3). Ob die Entscheidung im Ausland anerkannt wird, ist unbeachtlich. Auch der Einwand des forum non conveniens ist dem österreichischen Zivilprozessrecht fremd. Die bloße Eheschließung oder Eintragung der Partnerschaft im Inland genü- 6 gen nach § 76 Abs 2 nicht zur Begründung der internationalen Zuständigkeit. Abs 3 sichert allerdings den in Österreich registrierten (eingetragenen) Partnern den Zugang zur österreichischen Gerichtsbarkeit, weil ihre Beziehung womöglich mangels Anerkennung im Aufenthaltsstaat sonst unauflösbar wäre (vgl ErläutRV 485 BlgNR 24. GP §§ 76, 76a JN). Demgegenüber kann die Zuständigkeit nach Abs 2 zur Auflösung aller im Ausland eingetragenen Partnerschaften in Anspruch genommen werden, wobei der Begriff der „registrierten Partnerschaft“ in einem weiten Sinn zu verstehen sein wird, sodass auch verschiedengeschlechtliche Partnerschaften – etwa eingetragene Lebenspartner nach deutschem Recht – erfasst sind. Wer Österreicher iS des § 76 Abs 2 JN ist, beurteilt sich nach dem StbG; eine 7 Doppelstaatsbürgerschaft schadet nicht (vgl Simotta/Fasching § 76 JN Rz 19; Mayr/Rechberger § 76 JN Rz 3). Anerkannten Konventionsflüchtlingen steht nach Art 16 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1955/55) die österreichische Gerichtsbarkeit offen; sie können daher wie Österreicher den Gerichtsstand nach § 76 JN in Anspruch nehmen (mit tw anderer Begründung 1 Ob 517/90 = EF 63.938; LG Krems EF 90.755). Im Zwischenstreit über die internationale Zuständigkeit besteht Kostener- 8 satzpflicht (1 Ob 115/09g).
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§ 76a JN
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§ 76a. Das Gericht, bei dem eine im § 76 Abs. 1 genannte Streitigkeit anhängig ist oder gleichzeitig anhängig gemacht wird, ist für die aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten oder eingetragenen Partner entspringenden sonstigen Streitigkeiten einschließlich jener über den gesetzlichen Unterhalt (§ 49 Abs. 2 Z 2, 2b und 2d sowie Abs. 3) ausschließlich zuständig. Das gilt nicht, wenn die Verhandlung über die Scheidung, die Aufhebung, die Auflösung, die Nichtigerklärung oder das Bestehen oder Nichtbestehen in erster Instanz bereits geschlossen ist. Fassung gem BGBl. I 2009/135
Lit: Wie § 76 JN; zur internationalen Zuständigkeit in Unterhaltssachen Botur, Aktuelle Probleme der grenzüberschreitenden Vollstreckung europäischer Unterhaltstitel nach der Brüssel I-VO, FamRZ 2010, 1860; Faetan, Internationale Rechtsgrundlagen im Unterhaltsrecht sowie Europäische und Internationale Vollstreckungsübereinkommen, ÖA 2005, 296; A. Fuchs, Begriff „Unterhaltsberechtigter“ in Art 5 Nr 2 EuGVO geklärt, IPRax 1998, 327; L. Fuchs, Internationale Zuständigkeit in Außerstreitverfahren (2004); Fucik, Rechtsdurchsetzung von Unterhalt im Ausland, iFamZ 2008, 356; Geimer, Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von ex parte-Unterhaltsentscheidungen aus EuGVÜ-Vertragsstaaten, IPRax 1992, 5; Loewe, Erneuerung des österreichischen internationalen Zivilverfahrensrechts, ZfRV 1983, 180; Looschelders/Boos, Das grenzüberschreitende Unterhaltsrecht in der internationalen und europäischen Entwicklung, IPRax 2006, 364; Martiny, Unterhaltsrückgriff durch öffentliche Träger im europäischen Privat- und Verfahrensrecht, IPRax 2004, 195; ders, Grenzüberschreitende Unterhaltsdurchsetzung nach europäischem und internationalen Recht, FamRZ 2008, 1681; Matscher, Die internationalrechtlichen Bestimmungen der Zivilverfahrens-Novelle 1983, in BMJ, Neuerungen im zivilgerichtlichen Verfahrensrecht (1984) 201; Schulze, Internationale Annexzuständigkeit nach dem EuGVO, IPRax 1999, 21; Weller, Zur Abgrenzung von ehelichem Güterrecht und Unterhaltsrecht im EuGVÜ, IPRax 1999, 14. Zur internationalen Zuständigkeit nach der neuen UnterhaltsVO: Fucik, Habemus Regulationem!, iFamZ 2009, 126; ders, Die neue Europäische Unterhaltsverordnung – gemeinschaftsrechtlichr Zuständigkeits- und Kooperationsmechanismen, iFamZ 2009, 245; ders, Die Europäische Unterhaltsverordnung – gemeinschaftsrechtliche Anerkennungs- und kooperationsmechanismen, iFamZ 2009, 305; ders, Gewaltschutz neu – Europäische Unterhaltsverorndung, ÖJZ 2009/6; ders, Auf dem Weg zur Implementierung der Haager Unterhaltsinstrumente – Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Spezialkonferenz, iFamZ 2010, 112; Mansel/Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2009, IPRax 2010, 1 [6 ff]; Martiny, Grenzüberschreitende Unterhaltsdurchsetzung nach europäischem und internationalem Recht, FamRZ 2008, 1681; Pietsch, Vom großen Vorschlag zum kleinen Rückschlag, AnwBl 2009, 486.
1 § 76a JN normiert aus Gründen der Verfahrenskonzentration (vgl AB 528 BlgNR 16. GP 2; Mayr/Rechberger § 76a JN Rz 1) eine örtliche Verbundszuständigkeit für alle sonstigen aus dem Ehe- oder Partnerschaftsverhältnis entspringenden Streitigkeiten (beispielsweise Unterhalt), die während einer anhängigen Streitigkeit nach § 76 Abs 1 JN oder gleichzeitig mit dieser vor 876
Örtliche Zuständigkeit – Streitsachen
§ 76a JN
Gericht gebracht werden, solange die Verhandlung in erster Instanz noch nicht geschlossen ist (2 Ob 86/99g). Unter denselben Voraussetzungen sieht § 114a Abs 3 JN für alle außerstreitigen Ehe- oder Partnerschaftsangelegenheiten die Verbindung mit dem nach § 76 Abs 1 JN zuständigen Gericht vor. Der Gerichtsstand nach § 76a JN ist ausschließlich, die Vereinbarung eines 2 anderen Gerichtsstandes aber zulässig (Mayr/Rechberger § 76a JN Rz 1; krit Simotta/Fasching § 76a JN Rz 3). Ist keine Streitigkeit nach § 76 Abs 1 JN anhängig bzw wird sie nicht gleich- 3 zeitig anhängig gemacht, oder ist das Verfahren in erster Instanz bereits geschlossen, richtet sich die Zuständigkeit nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten (2 Ob 86/99g; Simotta/Fasching § 76a JN Rz 11). Diesfalls kann gem § 100 JN für nicht rein vermögensrechtliche Streitigkeiten auch der Gerichtsstand nach § 76 Abs 1 JN als Wahlgerichtsstand herangezogen werden (Simotta/Fasching § 76a JN Rz 11; Mayr/Rechberger § 76a JN Rz 3). Wird erst später auch eine Streitigkeit nach § 76 Abs 1 JN anhängig gemacht, versagt die Verbindung und wäre allenfalls eine amtswegige Überweisung zu erwägen (Simotta/Fasching § 76a JN Rz 12). § 76a JN enthält keine eigene Regelung über die internationale (Verbund-) 4 Zuständigkeit (Schwimann, JBl 1990, 762; 2 Ob 535/94). Die hM zieht jene für streitige Ehesachen (§ 76 Abs 2 JN) analog heran (Simotta/Fasching § 76a JN Rz 35; Mayr/Rechberger § 76a JN Rz 2; Anzinger/Burgstaller/Burgstaller, IZVR 4.4; Nademleinsky/Neumayr, IFR Rz 10.28; LGZ Wien EF 72.813; aA Schwimann, JBl 1990, 762 und diesem folgend 2 Ob 535/94). Das hat auch für streitige Partnerschaften zu gelten. Zu beachten ist insgesamt jedoch der Vorrang völker- oder europarechtlicher Vorschriften (s Rz 5 ff). Die internationale Zuständigkeit in Unterhaltssachen ergibt sich (derzeit 5 noch, s Rz 10 f) aus der EuGVVO (3 Ob 20/02s; 3 Ob 104/03w; zuletzt 5 Ob 41/09d), die am 1.3.2002 an die Stelle des EuGVÜ/LGVÜ getreten ist und seit 1.7.2007 auch im Verhältnis zu Dänemark gilt (ABl EG L 299 2005, 62). Im Verhältnis zu Norwegen, Island und der Schweiz ist weiterhin das LGVÜ anzuwenden, das in Fragen des Unterhaltsrechts aber mit der EuGVVO ident ist (vgl Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3, Einleitung Rz 48 ff, Art 5 Rz 73). Auch das LGVÜ hat allerdings schon wieder einen Nachfolger, nämlich das revidierte LGVÜ (Übereinkommen vom 30.10.2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [ABl Nr L 339 vom 21.12.2007]), das seit dem 1.1.2010 gegenüber Norwegen und im Verhälntis zur Schweiz ab dem 1.1.2011 anzuwenden ist (vgl Botur, FamRZ 2010, 1862 mwN). Die Brüssel IIa-VO findet auf Unterhaltsansprüche keine Anwendung (Art 1 Abs 3 lit e Brüssel IIa-VO).
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6 Der Begriff der Unterhaltssache iS der EuGVVO ist weit zu verstehen und erfasst sogar den Anspruch auf Bestellung des Heiratsguts (nunmehr: Ausstattung gem §§ 1220 ff ABGB; 3 Nd 506/97; 4 Ob 12/06b), die im französischen Scheidungsrecht vorgesehene Ausgleichsleistung (EuGH 6.3.1980, Rs 120/79, de Cavel I, Slg 1979, 1055) oder die unterhaltssubstituierende Kapitalabfindung durch Zahlung eines Pauschalbetrags nach englischem Recht (EuGH 27.2.1997, Rs C-220/95, Boogard/Laumen, Slg 1997, I-1147; BGH XII. ZS vom 12.8.2009 = FamRZ 1659 [Henrich]). Maßgeblich ist der an der Bedürftigkeit orientierte Versorgungscharakter der Leistung (3 Nd 506/97; BGH XII. ZS vom 12.8.2009 = FamRZ 1659 [Henrich]; Simotta/Fasching § 76a JN Rz 23; Nademleinsky/Neumayr Rz 10.04; Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 5 Rz 68). 7 Nicht erfasst sind erbrechtliche und ehegüterrechtliche Ansprüche (Art 1 Abs 2 lit a EuGVVO/Art 1 Z 1 LGVÜ), zu denen auch alle vermögensrechtlichen Beziehungen zählen, die sich unmittelbar aus der Ehe oder ihrer Auflösung ergeben (EuGH 6.3.1980, Rs 120/79, de Cavel I; 2 Ob 288/99p; 1 Ob 140/02y; 7 Ob 267/03w; 3 Ob 259/09y), einschließlich Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse bzw Nutzung der Ehewohnung (Simotta/Fasching § 76a JN Rz 27). Ist der Beklagte grundbücherlicher Eigentümer einer im Inland gelegenen Liegenschaft, vermag der Vermögensgerichtsstand gem § 99 JN die internationale Zuständigkeit für Ansprüche aus einer anlässlich der Eheauflösung getroffenen Vereinbarung zu begründen (Simotta/Fasching § 99 JN Rz 95 mwN; 3 Ob 259/09y). 8 Art 2 Abs 1 EuGVVO sieht eine allgemeine Zuständigkeit am Wohnsitz des Beklagten vor. Der Wohnsitz des Klägers (Unterhaltsgläubigers) spielt keine Rolle und kann daher auch in einem Drittstaat liegen (EuGH 13.7.2000, Rs C-412/98, Group Josi, Slg 2000 I-5925, Nr 33 ff = IPRax 2000, 520 [Staudinger 483]; Nademleinsky/Neumayr 10.12 mwN). Daneben schafft Art 5 Nr 2 EuGVVO einen besonderen Klägergerichtsstand: der Unterhaltsschuldner kann vom Unterhaltsberechtigten in jenem Mitgliedsstaat geklagt werden, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder ein Gericht über eine Personenstandssache zu entscheiden hat, es sei denn diese Zuständigkeit beruht allein auf der Staatsangehörigkeit einer Partei. Voraussetzung ist, dass der Beklagte (Unterhaltsschuldner) seinen Wohnsitz in einem anderen Mitglieds- bzw Vertragsstaat hat (9 Ob 22/00a; 4 Ob 12/06b). Auf die Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (LGZ Wien EF 94.407, 101.694). 9 Für eine neuerliche Klage (etwa auf Herabsetzung des Unterhalts bzw für eine Unterhaltsoppositionsklage) muss die Zuständigkeit nach der EuGVVO erneut bestimmt werden, dh es besteht keine internationale Zuständigkeit des Staates, dessen Gericht die abzuändernde Unterhaltsentscheidung gefällt hat, 878
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und zwar selbst dann nicht, wenn das autonome Recht des Gerichtsstaats das Abänderungsverfahren als Rechtsbehelfsverfahren gegen die abzuändernde Entscheidung auffasst (4 Ob 7/02m; 5 Ob 41/09d; LG Klagenfurt EF-Z 2008/ 96; Nademleinsky/Neumayr Rz 10.19 mwN). Wendet sich der Verpflichtete des Exekutionsverfahrens allerdings als Oppositionskläger gegen den betriebenen Anspruch mit der Begründung, er habe Zahlung geleistet, fällt das darüber abzuführende Oppositionsverfahren insoweit (nicht aber hinsichtlich der Behauptung, der Anspruch sei erloschen!) in den Anwendungsbereich des Art 22 Nr 5 EuGVVO (zutr 3 Ob 12/10a = iFamZ 2010, 291 [Nimmerrichter]). Auch im internationalen Unterhaltsrecht kommt es zur Reform. Auf Unter- 10 haltsverfahren, die ab dem 18.6.2011 eingeleitet werden, findet die VO (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (UnterhaltsVO) Anwendung (Art 75 Abs 1 UnterhaltsVO). Die Voraussetzung für die Anwendung der VO wurden mit der Ratifikation des Haager Unterhaltsprotokolls durch die EU am 8.4.2010 geschaffen, allerdings muss bis zum 18.6.2011 auch noch das Haager Unterhaltsprotokoll vom 23.11.2007 zum anwendbaren Recht in Kraft treten, andernfalls die UnterhaltsVO erst ab dem Tag des Beginns der Anwendbarkeit jenes Protokolls in der Union anzuwenden sein wird (Art 76 Abs 3 UnterhaltsVO; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 6). Die UnterhaltsVO gilt in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks. Dä- 11 nemark hat allerdings von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, an der UnterhaltsVO teilzuhaben, soweit diese in ihrem zuständigkeits- und anerkennungsrechtlichen Teil die EuGVVO ersetzt (ABl EU 2009, L 149/80; Mansel/Thorn/ Wagner, IPRax 2010, 7). Irland nimmt an der Verordnung teil (vgl Erwägungsgrund 46), ebenso das Vereinigte Königreich kraft ausdrücklicher Erklärung (vom 3.2.2009, Nr. 5810 Justciv 29) gegenüber der Europäischen Kommission (s Fucik, iFamZ 2009, 245). Anzuwenden ist die VO auf alle Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen (Art 1 Abs 1). Was unter „Unterhalt“ zu verstehen ist, definiert die VO nicht; dies bleibt der Auslegung durch die Rsp überlassen. Man wird sich aber wohl an dem zur EuGVVO entwickelten Unterhaltsbegriff orientieren können. Die primären Zuständigkeitsregeln der VO weichen von jenen der EuGVVO nur geringfügig ab. Zuständig ist gem Art 3 lit a–c das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit a), oder das Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit b), oder das Gericht, das nach seinem Recht für ein Verfahren in Bezug auf den Personenstand zuständig ist, wenn in der Nebensache zu diesem Verfahren über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist, es sei denn, diese Zuständigkeit begründet sich einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien (lit c). Der Wohnsitz ist hingegen nicht 879
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mehr (alternativ) zuständigkeitsbegründend. Darüber hinaus können die Parteien nach Maßgabe des Art 4 Abs 1 auch eine (schriftliche) Gerichtsstandsvereinbarung treffen (Art 4 Abs 2). Art 5 sieht eine Gerichtsstandsbegründung durch rügelose Einlassung vor. Art 6 schafft eine Auffangzuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Parteien (danach sind beispielsweise österreichische Gerichte für ein Unterhaltsverfahren zwischen österreichischen Ehegatten zuständig, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den USA haben) und Art 7 sieht eine „Notzuständigkeit“ vor, wenn sich sonst gar keine Zuständigkeit nach der VO ergibt und ein ausreichender Bezug (insb die Staatsangehörigkeit einer Partei) zum angerufenen Forum besteht. Eine subsidiäre Zuständigkeit nach der lex fori lässt die VO (abgesehen für einstweilige Maßnahmen, Art 14) nicht zu (Erwägungsgrund 15; Fucik, iFamZ 2009, 248). Art 8 („Verfahrensbegrenzung“) sieht grundsätzlich vor, dass die Gerichte des Staates, die eine Unterhaltsentscheidung gefällt haben, auch für einen Abänderungsantrag des Unterhaltsschuldners ausschließlich zuständig bleiben, wenn der Unterhaltsberechtigte (weiterhin) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat hat.
Klagen aus dem Ehe- oder Partnerschaftsverhältnis § 100. Das im § 76 Abs. 1 bezeichnete Gericht ist auch für andere Klagen wegen nicht rein vermögensrechtlicher Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis oder aus der eingetragenen Partnerschaft zuständig. Fassung BGBl I Nr. 135/2009 Lit: Loewe, Neue Fehlleistungen in der Beurteilung der Gesetzgebung durch Theoretiker? ÖJZ 1982, 197; ders, Erneuerung des österreichischen internationalen Zivilverfahrensrechts, ZfRV 1983, 180; Mänhardt, Das internationale Personen- und Familienrecht Österreichs (1971); Matscher, Die internationalrechtlichen Bestimmungen der Zivilverfahrens-Novelle 1983, in BMJ, Neuerungen im zivilgerichtlichen Verfahrensrecht, Richterwoche 1983 (1984) 201; Schwimann, Vor neuen Fehlleistungen des Gesetzgebers? ÖJZ 1981, 628; ders, Inländische Gerichtsbarkeit für Personenrechts-, Familienrechts- und Unterhaltssachen, JBl 1990, 760; Simotta, Die internationale Zuständigkeit in Ehe- und Abstammungsstreitigkeiten, Broniewicz-FS (1998) 331.
1 Nicht rein vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis (bzw der eingetragenen Partnerschaft) sind beispielsweise Klagen auf Unterlassung oder Zulässigkeit der Führung des Ehenamens, auf Unterlassung ehewidriger Beziehungen, auf Unterlassung bzw Schadenersatz nach § 97 ABGB, oder auf Zutritt zur Ehewohnung (näher Simotta/Fasching § 100 JN Rz 2). Für sie bietet § 100 JN einen Wahlgerichtsstand, der allerdings nur zur Anwendung kommen kann, wenn der ausschließliche Gerichtsstand nach § 76a JN nicht 880
Zuständigkeit – Außerstreitsachen
§ 114a JN
greift (s § 76a JN Rz 2). Diesfalls kann der Kläger zwischen dem Gerichtsstand nach § 100 JN und dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten wählen (Simotta/Fasching § 100 JN Rz 3; Mayr/Rechberger § 100 JN Rz 1). Die internationale Zuständigkeit für die in Abs 1 genannten Streitigkeiten 2 richtet sich nach § 76 Abs 2 JN analog (Simotta/Fasching § 100 JN Rz 6; Mayr/Rechberger § 100 JN Rz 2).
Sachliche Zuständigkeit – Außerstreitsachen § 104a. Soweit nicht anderes bestimmt ist, sind in Geschäften außer Streitsachen die Bezirksgerichte sachlich zuständig. Aus § 104a JN ergibt sich die sachliche Zuständigkeit der Bezirksgerichte für 1 außerstreitige Ehe- und Partnerschaftsangelegenheiten. Zu den erfassten Materien s § 114a JN Rz 2.
Örtliche Zuständigkeit – Außerstreitsachen § 114a. (1) Für die Zuständigkeit in Eheangelegenheiten und Angelegenheiten eingetragener Partnerschaften gelten die §§ 76 Abs. 1 und 104 sinngemäß. Für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über den Bestand einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Sprengel die antragstellende Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Fehlt ein solcher im Inland, so ist das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der gewöhnliche Aufenthalt der gegnerischen Partei liegt, sonst das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. (2) Ist bei einem Gericht ein Antrag auf Feststellung der Rechtmäßigkeit des Verlangens auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung, der Weigerung mitzuziehen oder der gesonderten Wohnungnahme durch einen Ehegatten oder eingetragenen Partner, ein Antrag auf angemessene Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb oder auf Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse oder ein Antrag auf Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über den Bestand einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft anhängig und ist das Verfahren hierüber in erster Instanz noch nicht beendet, so ist dieses Gericht auch für jeden weiteren derartigen Antrag zuständig; dies schließt jedoch die Zulässigkeit einer Vereinbarung über die Zuständigkeit eines anderen Gerichtes nicht aus. (3) Der Abs. 2 gilt sinngemäß für ein Gericht, bei dem eine im § 76 Abs. 1 genannte Streitigkeit anhängig, die mündliche Streitverhandlung in erster Instanz aber noch nicht geschlossen ist. 881
§ 114a JN
Nademleinsky
(4) Die inländische Gerichtsbarkeit in Eheangelegenheiten und Angelegenheiten eingetragener Partnerschaften ist gegeben, wenn eine der Parteien die österreichische Staatsbürgerschaft hat oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über den Bestand einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft ist die inländische Gerichtsbarkeit auch dann gegeben, wenn eine örtliche Zuständigkeit hiefür besteht. Die inländische Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten der Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft ist für in Österreich eingetragene Partnerschaften jedenfalls gegeben. Fassung gem BGBl I 2009/135. Lit: L. Fuchs, Internationale Zuständigkeit in Außerstreitverfahren (2004); Loewe, Erneuerung des österreichischen internationalen Zivilverfahrensrechts, ZfRV 1983, 180; Mänhardt, Die Scheidung im Einvernehmen, in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979); Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und im internationalen Zivilprozeßrecht (1967); ders, Die internationalrechtlichen Bestimmungen der Zivilverfahrens-Novelle 1983, in BMJ, Neuerungen im zivilgerichtlichen Verfahrensrecht, Richterwoche 1983 (1984) 201; Schwimann, Inländische Gerichtsbarkeit für Personenrechts-, Familienrechts- und Unterhaltssachen, JBl 1990, 760; Simotta, Die sachliche Zuständigkeit in Ehe- und Familiensachen, JBl 1980, 348; dies, Die Änderung der Zuständigkeit in Ehe- und Familiensachen in der geplanten „Zivilverfahrens-Novelle“, ÖJZ 1982, 29, 66; dies, Wann treten in Ehe- und Familiensachen die neuen Zuständigkeitsbestimmungen in und die alten außer Kraft?, ÖJZ 1986, 705; dies, Die einvernehmliche Scheidung während eines anhängigen Eheprozesses, ÖJZ 1987, 129, 167; dies, Die Prozeßfähigkeit in außerstreitigen Eheangelegenheiten, ÖJZ 1989, 577; dies, Die internationale Zuständigkeit in Ehe- und Abstammungsstreitigkeiten, FS Broniewicz (1998) 331; Teschner, Die Inzidenanerkennung eheauflösender Entscheidungen, ÖStA 2005, 29, 37.
1 § 114a JN regelt in Abs 1 bis 3 die örtliche Zuständigkeit für außerstreitige Ehe- und Partnerschaftsangelegenheiten. Im Verhältnis zueinander wird der Gerichtsstand nach Abs 1 von den in Abs 2 und 3 geregelten Attraktionsgerichtsständen verdrängt (Simotta/Fasching § 114a JN Rz 10; Mayr/Rechberger § 114a JN Rz 2). Gegenüber dem Gerichtsstand nach Abs 2 hat jener nach Abs 3 Vorrang (Simotta/Fasching § 114a JN Rz 11 f). Abs 4 regelt die internationale Zuständigkeit. 2 Außerstreitige Eheangelegenheit ist gem § 93 Abs 1 AußStrG die Scheidung im Einvernehmen (§ 55a EheG), die Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98 ABGB) sowie die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (§§ 81 ff EheG; 6 Ob 7/ 02a; 8 Ob 82/05z; 6 Ob 180/08a) sowie zufolge stRsp (etwa 4 Ob 601/87; 6 Ob 610/89; 4 Ob 518/90; 1 Ob 526/91; zuletzt 1 Ob 219/08z) die Feststellung der Rechtmäßigkeit gesonderter Wohnungnahme (§ 92 Abs 3 ABGB).
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Zuständigkeit – Außerstreitsachen
§ 114a JN
Da gem § 43 Abs 1 Z 2 EPG die §§ 93 bis 98 und 99 AußStrG auf eingetragene 3 Partnerschaften sinngemäß anzuwenden sind, ist außerstreitige Partnerschaftsangelegenheit die einvernehmliche Auflösung (§ 15 Abs 5 EPG), die Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen Partners (§ 11 Abs 3 EPG), die Aufteilung des partnerschaftlichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse (§ 28 EPG), das Verfahren nach § 41 EPG (Haftung für Kredite) sowie zufolge ausdrücklicher Anordnung auch die Feststellung gerechtfertigter gesonderter Wohnungnahme (§ 9 Abs 4 EPG). Abs 1 verweist auf § 76 Abs 1 JN und ordnet damit die primäre Zuständigkeit 4 desjenigen Bezirksgerichts an, in dessen Sprengel die Ehegatten bzw Partner ihren gemeinsamen Aufenthalt (dazu § 76 JN Rz 2) haben oder zuletzt gehabt haben, sofern ihn einer der Parteien beibehalten hat. Nach Scheidung der Ehe (Auflösung der Partnerschaft) besteht kein eheliches (partnerschaftliches) Zusammenleben mehr, sodass – für den Aufteilungsantrag nach §§ 81 ff EheG bzw § 28 EPG – als Gerichtsstand des letzten gemeinsamen Aufenthalts iS des § 76 Abs 1 JN iVm § 114a JN nur jener in Frage kommt, den die Ehegatten (Partner) während aufrechter Ehe (Partnerschaft) zuletzt hatten (6 Ob 180/ 08a). Gab es bei Auflösung der ehelichen (partnerschaftlichen) Gemeinschaft mehrere gemeinsame gewöhnliche Aufenthaltsorte, kann jeder derselben zur Begründung der Zuständigkeit herangezogen werden (LGZ Wien EF 85.198). Besteht danach keine Zuständigkeit, ist subsidiär jenes Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel der gewöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners gelegen ist, mangels eines solchen der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers. Für eine einvernehmliche Scheidung (bzw Aufhebung der Partnerschaft) ist wahlweise der gewöhnliche Aufenthalt jedes Ehegatten (Partners) zuständigkeitsbegründend (Simotta/Fasching § 114a JN Rz 17; Mayr/Rechberger § 114a JN Rz 2; LGZ Wien EF 52.124, 54.983). Ergibt sich aus dem zuvor Gesagten keine Zuständigkeit (weil kein Ehegatte bzw Partner seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat), ist zuletzt das BG Innere Stadt Wien örtlich zuständig. Die Zuständigkeit nach Abs 1 wird aus Gründen der Verfahrenskonzentration 5 durch den Attraktionsgerichtsstand nach Abs 2 ausgeschlossen. Nach Abs 2 ist ein Gericht, bei dem bereits eine außerstreitige Angelegenheit anhängig ist, auch für alle weiteren derartigen Anträge zuständig. Erfasst sind dabei nicht nur die in Abs 2 ausdrücklich genannten Angelegenheiten, sondern über den Wortlaut der Bestimmung hinaus alle (außerstreitigen) Eheangelegenheiten, daher auch die einvernehmliche Scheidung und der Antrag nach § 98 EheG (Simotta/Fasching § 114a JN Rz 23; Mayr/Rechberger § 114a JN Rz 4) bzw die entsprechenden partnerschaftlichen Angelegenheiten. Nach § 187 ZPO (analog) können die jeweiligen Anträge zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden (Simotta/Fasching § 114a JN Rz 32; Mayr/Rechberger § 114a JN Rz 4). Abs 2 setzt allerdings voraus, dass das Ver883
§ 114a JN
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fahren in erster Instanz noch nicht beendet ist. Da es im Außerstreitverfahren keinen Schluss der mündlichen Verhandlung gibt, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Entscheidung rechtskräftig wird oder die Zuständigkeit auf das Rechtsmittelgericht infolge Vorlage des Rechtsmittels übergeht (vgl Mayr/ Fucik, Das Neue Verfahren außer Streitsachen3 Rz 233). 6 Ist zwischen den Eheleuten oder Partnern bereits eine streitige Angelegenheit anhängig (§ 76 Abs 1 JN) und die mündliche Verhandlung hierüber in erster Instanz noch nicht geschlossen (vgl dazu Rz 5), so ist das zuständige Gericht nicht nur für alle anderen streitigen (§ 76a JN), sondern auch für alle außerstreitigen Angelegenheiten ausschließlich zuständig (Attraktionsgerichtsstand nach Abs 3), insb etwa für den Antrag auf einvernehmliche Scheidung bzw Auflösung der Partnerschaft. Wird er gestellt, ist der anhängige Eheprozess bzw das Verfahren zur Auflösung der Partnerschaft zu unterbrechen (s weiters § 460 Z 10 ZPO; § 43 Abs 1 Z 25 EPG). Eine Verbindung von außerstreitigen und streitigen Verfahren ist zwar nicht möglich, doch stellt § 26 Abs 3 GOG immerhin sicher, dass alle dieselbe Personengruppe betreffenden familienrechtlichen Angelegenheiten derselben Gerichtsabteilung zugewiesen werden (Mayr/Rechberger § 114a JN Rz 5). 7 Eine Vereinbarung über die örtliche Zuständigkeit in außerstreitigen Ehe- und Partnerschaftsangelegenheiten ist kraft ausdrücklichen Verweises in Abs 1 Satz 1 auf § 104 JN zulässig. Auch Abs 2 und Abs 3 sehen in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich die Möglichkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung vor, wodurch allerdings die gewünschte Verfahrenskonzentration verloren gehen kann (krit daher Simotta/Fasching § 114a JN Rz 44 und Mayr/Rechberger § 114a JN Rz 6). 8 Für Anträge auf (Nicht-)Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über den Bestand einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft sind die Bezirksgerichte sachlich zuständig (§ 104a JN). Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 114a Abs 1 Satz 2 und 3 JN (soweit nicht die Attraktionszuständigkeit nach Abs 2 oder 3 greift). Zuständig ist also primär das Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des (eines) Antragstellers, mangels eines solchen im Inland das Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners, sonst das BG Innere Stadt Wien. Wird der Antrag von einer juristischen Person oder Behörde gestellt, soll statt des gewöhnlichen Aufenthalts ihr Sitz maßgebend sein (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP Art IV, Z 11, 12 und 13; Mayr/Rechberger, ZPO3 § 114a JN Rz 3 mit fraglichem Verweis auf § 109 Abs 1 letzter Halbsatz JN). Sachgerecht erscheint indes, am Wortlaut festzuhalten und den Interessen des Antragsgegners (insb bei Anträgen auf Nichtanerkennung) gegenüber jenen der Behörde den Vorzug zu geben; zuständig ist daher das Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners, sonst das BG Innere Stadt Wien. 884
Zuständigkeit – Außerstreitsachen
§ 114a JN
Mit der örtlichen Zuständigkeit geht automatisch die internationale Zustän- 9 digkeit für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über den Bestand einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft einher (Abs 4 Satz 2). Die Brüssel IIa-VO enthält keine „eigene“ Zuständigkeitsregelung für selbstständige Anerkennungsverfahren (vgl ErläutRV 296 BlgNR 21 GP, Art IV, Z 11, 12 und 13; Neumayr/Thoma-Twaroch, FamZ 2006, 113), sondern verweist vielmehr auf das nationale Verfahrensrecht (Art 21 Abs 3 iVm Art 30 Abs 1 Brüssel IIa-VO). IS des Art 21 Abs 3 Satz 2 und Art 68 der VO hat Österreich das Bezirksgericht namhaft gemacht (ABl der EU vom 17.2.2005, C 40/2), was wohl als umfassender Verweis (auch) auf § 114a JN zu verstehen ist. Nach Abs 4 Satz 1 genügen für die internationale Zuständigkeit in außerstrei- 10 tigen Ehe- und Partnerschaftsangelegenheiten die österreichischen Staatsangehörigkeit oder der gewöhnliche Aufenthalt eines (ehemaligen) Ehegatten bzw eingetragenen Partners im Inland (6 Ob 621/90). Dabei muss es sich nicht um den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt handeln; vielmehr reicht es auch, wenn ein Ehegatte bzw Partner nach der Scheidung bzw Auflösung der Partnerschaft seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Österreich verlegt hat. Für die einvernehmliche Scheidung ist allerdings auch hier der Vorrang der Brüssel IIa-VO zu beachten. Für das Aufteilungsverfahren bleibt es hingegen bei der Regelung des § 114a Abs 4 JN. Die Zuständigkeit gilt danach unabhängig davon, ob sich das bewegliche oder unbewegliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse (bzw jene der Partner) im Inland oder im Ausland befinden (stRsp, etwa 4 Ob 242/00t; 6 Ob 7/02a; 8 Ob 82/05z; LG Wels EF 120.850; krit Simotta/Fasching § 114a Rz 78). Das Aufteilungsverfahren selbst unterliegt stets der lex fori; es findet daher im Verfahren außer Streitsachen statt, auch wenn es im anzuwendenden ausländischen Recht als streitige Angelegenheit konzipiert sein sollte (RIS Justiz RS0008498). Abs 4 Satz 3 sieht eine erweiterte internationale Zuständigkeit (ausschließlich; 11 vgl ErläutRV 485 BlgNR 24. GP Art 6, Z 6) in Angelegenheiten der Auflösung einer in Österreich eingetragenen Partnerschaft vor. Wird eine solche Partnerschaft, die auch ohne Bezug zu Österreich registriert werden kann, von den Gerichten des gewöhnlichen Aufenthalts der Partner nicht anerkannt und daher auch nicht aufgelöst, kann sie jedenfalls noch in Österreich (auch einvernehmlich) aufgelöst werden.
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VERORDNUNG (EG) Nr. 2201/2003 DES RATES vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 ABl der EU vom 23.12.2003 (L 338/1) Lit: BMJ, Einführungserlass zur EheVO(alt) vom 10.1.2001, JABl 2001/14, sowie zur EheVO(neu) vom 17.2.2005, JABl 2005/2; Andrae, Internationales Familienrecht2 (2006); dies, Zur Abgrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs von EheVO, MSA, KSÜ und autonomem IZPR/IPR, IPRax 2006, 82; Andrae/Schreiber, Zum Ausschluss der Restzuständigkeit nach Art 7 EuEheVO über Art 6 EuEheVO, IPRax 2010, 79; A. Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union übre die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen, ABl 1998 Nr C 221, 27; Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (2004); ders, Stille Wasser gründen tief – die Cour de Cassation zur EheGVO a. F., IPRax 2006, 617; ders, EuEheVO: Identische Doppelstaater und forum patriae (Art 1 Abs 1 lit b), IPRax 2010, 54; Dörner, Internationale Scheidungszuständigkeit und Anerkennung von Scheidungsurteilen nach der EG-Verordnung Nr. 2201/2003, in: Großfeld/Yamauchi u. a., Probleme des deutschen, europäischen und japanischen Rechts, 2006, S. 17; Finger, Internationale Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-VO – Eine Übersicht anhand von Fallbeispielen, FamRBint 2008, 90; Fuchs, Internationale Zuständigkeit in Außerstreitverfahren (2004); Gruber, Die neue EheVO und die deutschen Ausführungsgesetze, IPRax 2005, 293; Hau, Internationales Eheverfahrensrecht in der Europäischen Union, FamRZ 1999, 484; ders, Das System der internationalen Entscheidungszuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2000, 1333; ders, Europäische und autonome Zuständigkeitsgründe in Ehesachen mit Auslandsbezug, ERAForum 1/2003, 9; ders, Doppelte Staatsangehörigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, IPRax 2010, 50; Helms, Internationales Verfahrensrecht für Familiensachen in der Europäischen Union, FamRZ 2002, 1953; Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Auflage (2000); ders, Internationales Scheidungsrecht, 2. Auflage (2005); ders, Kollisionsrechtliche Fragen der eingetragenen Lebenspartnerschaft, FamRZ 2002, 137; Höllwerth, Mehr Rechts-
886
Vor Art 1 ff VO
Internationale Zuständigkeit
sicherheit für „grenzüberschreitende Ehen“ in Aussicht, EF-Z 2010, 132; Kaller, Der Anwendungsbereich der Verordnung Brüssel IIa (nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur EU), iFamZ 2007, 169; Klauser/Horn, Brüssel IIa-Verordnung in Kraft, ecolex 2004, 910; Kohler, Internationales Verfahrensrecht für Ehesachen in der Europäischen Union, NJW 2001, 10; Looschelders, Scheidungsfreiheit und Schutz des Antragsgegners im internationalen Privat- und Prozessrecht, in: FS Jan Kropholler (2008), 263; Lurger, Zukunftsperspektiven für das europäische Familien- und Erbrecht, in Bäck (Hrsg), Familien- und Erbrecht – Europas Perspektiven, 18. Europäische Notarentage, Wien 2007, 53 ff; Mansel/ Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2008, IPRax 2009, 1; Musger, Internationales Zivilverfahrensrecht in der Brüssel-II-Verordnung und im KindRÄG 2001, in Ferrari/ Hopf, Reform des Kindschaftsrechts (2001), 131; Neumayr/Anzinger, Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen, in: Burgstaller (Hrsg.), Internationales Zivilverfahrensrecht (Kap. 41), 2001; Neumayr, Scheidung im internationalen Kontext, iFamZ 2008, 362; Rausch, Ehesachen mit Auslandsbezug vor und nach „Brüssel II a“, FuR 2004, 154; Rauscher (Hrsg) Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht (2010); Rausch, Ehesachen mit Auslandsbezug vor und nach „Brüssel IIa“, FuR 2004, 154; Rieck, Die Umwandlungskompetenz nach Art 5 EheEuGVVO 2003 und ihre Bedeutung im Verhältnis zu den weiteren Zuständigkeiten für Ehesachen, FÜR 2007, 427; ders, Scheidungsfolgenvereinbarungen gem § 630 ZPO und ihre Anerkennung und Vollstreckung nach der EheEuGVVO 2003, FÜR 2007, 425; A. Schulz, Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Brüssel II a) – eine Einführung, NJW 2004, Beil. zu H. 18; Schütz, Zwischenstaatliche Vereinbarungen, die für Familienrichter bedeutsam sein könnten, RZ 2005, 234; Siehr, Die Europäische Verordnung über das Verfahren in Ehesachen, in Reichelt/Rechberger (Hrsg), Europäisches Kollisionsrecht (2004); Simotta, Die internationale Zuständigkeit Österreichs in eherechtlichen Angelegenheiten – Ein Vergleich zwischen der EheVO und dem autonomen österreichischen Recht, FS Geimer (2002) 1115; Spellenberg, Der Anwendungsbereich der EheGVO („Brüssel II“) in Statussachen, FS Schumann, 2001, S. 423; ders., Die Zuständigkeit für Eheklagen nach der EheGVO, FS Geimer, 2002, S. 1257; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, 14. Bearb. 2005, S. 1 ff; Verschraegen, Die Brüssel II a-Verordnung: ein Danaer-Geschenk?, in: König/Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, 2007, S. 91.
Vor Art 1 ff Die VO (EG) Nr. 2201/2003 vom 27. November 2003 mit der im EU-Jargon 1 gebräuchlichen, aber nicht offiziellen Abkürzung „Brüssel IIa-VO“ trat formell am 1.8.2004 in Kraft und ersetzte mit Wirkung vom 1.3.2005 die VO (EG) Nr. 1347/2000 („Brüssel II-VO“), die noch keine Regeln über die elterliche Verantwortung enthielt. Auf Verfahren, die zwischen 1.3.2001 – bzw in den zehn „neuen“ Mitgliedstaaten ab dem 1.5.2004 (4 Ob 61/05g; 7 Ob 153/ 07m) – und 1.3.2005 eingeleitet worden sind, findet noch die „Brüssel-II-VO“ Anwendung (2 Ob 272/05x; Kaller, iFamZ 2007, 168 f), während für die Anerkennung unter den in Art 64 der VO genannten Voraussetzungen bereits die Brüssel IIa-VO gilt. Für Rumänien und Bulgarien trat die Brüssel IIa-VO mit 1.1.2007 in Kraft (dazu Kaller, iFamZ 2007, 168 ff). Zu Fragen doppelter 887
Vor Art 1 ff VO
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Rechtshängigkeit im Übergangszeitraum vgl das Vorabentscheidungsersuchen des Anotato Dikastirio (Zypern) vom 5.8.2009 (EuGH Rs C-312/09 – Giorgos Michalias/Christina Ioannou-Michalia). 2 Als Rechtsakt des sekundären Gemeinschaftsrechts ist die Brüssel IIa-VO unmittelbar anwendbar. Ihre Zuständigkeits- und Anerkennungsregeln verdrängen das nationale Recht, soweit die VO selbst nicht anderes vorsieht (unstr; Borras, Bericht Nr. 13 B). Die Gerichte der Mitgliedstaaten haben ihre internationale Zuständigkeit daher immer zuerst anhand der Brüssel IIa-VO zu prüfen (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 1 EheGVO Rn 35; Rauscher/ Rauscher, EuZPR3 Einl Brüssel IIa-VO Rn 29; Neumayr/Burgstaller, IZVR Vor Art 1 EheGVVO Rz 11; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.01). Ergänzend zur Prüfung der Zuständigkeit verpflichtet Art 18 das angerufene Gericht zur Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit ergeben sich grundsätzlich aus der lex fori (unstr; Borrás-Bericht Nr. 16). Ob das angerufene Gericht zuerst seine örtliche oder internationale Zuständigkeit prüft, entscheidet sich nach den Gesichtspunkten der Praktikabilität und Prozessökonomie; bereits das Fehlen einer der Voraussetzungen führt zur Zurückweisung, ohne dass über die andere entschieden werden müsste (vgl Winkler von Mohrenfels/MünchKomm5 Art 17 EGBGB Rz 279). Eine Überweisung an das Gericht eines anderen Mitgliedstaats kommt nicht in Betracht. 3 In räumlicher Hinsicht gilt die Brüssel IIa-VO in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks (Art 2 Z 3 Brüssel IIa-VO), das aufgrund seiner Sonderstellung die VO nicht angenommen hat (vgl Erwägungsgrund 31) und daher als Drittstaat zu behandeln ist. Da die Brüssel IIa-VO eine einheitliche Kompetenzordnung schafft, gelten ihre Zuständigkeitsregeln auch im Verhältnis zu Drittstaaten (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 1 EheGVO Rn 37; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Einl Brüssel IIa-VO Rn 28; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 1 Rz 11; Cour de cassation 22.2.2005 = IPRax 2006, 611 [Dilger, 617]; BGH 28.5.2008, XII ZR 61/06 = FamRZ 2008, 1409 [Henrich] = IPRax 2009, 332 [Siehr]; LGZ Wien EF 120.862). 4 Das Reformvorhaben (KOM [2006] 399, endg) zur Ersetzung der Brüssel IIaVO durch die sog Rom III-VO, die auch das Scheidungskollisionsrecht regeln würde, scheiterte am Widerstand Schwedens, das sich nicht auf die Anwendung ausländischen Rechts (Malta!) einlassen, sondern allein die lex fori anwenden will (vgl beispielsweise Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2009, 2 mwN). Derzeit wird an einer verstärkten Zusammenarbeit von zehn Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, gearbeitet (KOM [2010] 105 endg; vgl Höllwerth, EF-Z 2010, 132). Auch eine eigene Verordnung zum ehelichen Güterrecht, das von der Brüssel IIa-VO nicht erfasst wird, liegt noch auf Eis („Brüssel III888
Art 1 VO
Internationale Zuständigkeit
VO“, vgl Grünbuch zu den Kollisionsnormen im Güterrecht unter besonderer Berücksichtigung der gerichtlichen Zuständigkeit und der gegenseitigen Anerkennung vom 17.7.2006, KOM [2006], 400 endg).
Artikel 1. (1) Diese Verordnung gilt, ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit, für Zivilsachen mit folgendem Gegenstand: a) die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe, Art 1 Abs 1 lit a steckt den sachlichen Anwendungsbereich der VO im ehe- 1 rechtlichen Teil ab. Danach gilt die VO nur für statusändernde Verfahren in Ehesachen. Dazu zählen aus österreichischer Sicht die Klage auf Nichtigerklärung (§§ 20 bis 28 EheG), Aufhebung (§ 33 bis 44 EheG) und Scheidung der Ehe (§§ 46 bis 55 EheG) sowie die einvernehmliche Scheidung gem § 55a EheG (Simotta, FS Geimer 1144 ff; Mayr/Rechberger Nach § 27a JN Rz 28, § 76 JN Rz 4). Unter dem verordnungsautonom auszulegenden Begriff der Ehe ist nur die tra- 2 ditionelle Ehe zwischen Mann und Frau zu verstehen, nicht aber gleich- oder verschiedengeschlechtliche Verbindungungen anderer Art (Kohler, NJW 2001, 15; Spellenberg/Staudinger [2005] Art 1 EheGVO Rn 11 ff; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 1 Rn 6; Neumayr/Thoma-Twaroch, FamZ 2006, 112 f; Kaller, iFamZ 2007, 169 f; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.07; Gottwald/ MünchKomZPO3 Rn 5 zu Art 1; aA offenbar Winkler von Mohrenfels/MünchKomm5 Art 17 EGBGB Rn 299). Für deren Auflösung ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus § 76 Abs 2 JN bzw § 114a Abs 4 JN. Von der Brüssel IIa-VO ebenfalls nicht erfasst sind antrags- bzw klagsabwei- 3 sende Entscheidungen (Borrás-Bericht Nr 60; Neumayr/Thoma-Twaroch, FamZ 2006, 112) sowie (positive und negative) Feststellungsklagen (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 1 EheGVO Rn 8; Neumayr/Thoma-Twaroch, FamZ 2006, 112; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 1 Rn 29 ff; aA Gruber, FamRZ 2000, 1130; Hau, FamRZ 2000, 1333; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 1 Rn 13 ff, der positive Feststellungsklagen hinsichtlich der Zuständigkeitsregeln miteinbeziehen möchte; Gottwald/MünchKommZPO3 Art 1 EheGVO Rn 8), weil ihnen keine rechtsgestaltende Funktion zukommt. Der VO unterliegen auch keine „nichtstaatlichen“, etwa vor religiösen Instanzen geführte Verfahren oder reine Privatscheidungen (vgl Borrás-Bericht Nr 20 B; Gruber, FamRZ 2000, 1130; Spellenberg/Staudinger [2005] Art 1 EheGVO Rn 18 f; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 1 Rn 11 f; Kaller, iFamZ 2007, 170; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 1 Rn 24) wie beispielsweise das Verfahren von Muslimen griechischer Nationali889
Art 3 VO
Nademleinsky
tät vor dem Mufti in Griechenland (OLG Frankfurt a. M. 1 UF 40/04 = IPRax 2008, 352 [Jayme]). Die Wirkung dieser „Verfahren“, die zur Auflösung der Ehe ohne Mindestmaß an behördlicher Mitwirkung führen, sind nach den Vorschriften des IPR zu beurteilen. Das gilt etwa auch für die Wirkung von „Zeitehen“ im iranischen Recht (dazu zuletzt bspw Schulze, Die Zeitehe des iranischen Rechts, StAZ 2009, 197). 4 Auch Scheidungsfolgesachen wie insb Unterhalt und güterrechtliche Auseinandersetzung (auch das Provisorialverfahren zur Sicherung eines Aufteilungsanspruchs [1 Ob 140/02y]) sind von der VO ausgenommen (vgl Art 1 Abs 3 lit e und Erwägungsgrund 8). Für sie ergibt sich die Zuständigkeit aus dem nationalen Recht, soweit nicht europa- oder völkerrechtliche Quellen eingreifen. So ist insb gem Art 5 Nr 2 Halbsatz 2 EuGVVO für eine Unterhaltssache, über die iZm einem Verfahren über den Personenstand zu entscheiden ist, das für dieses Verfahren zuständige Gericht auch für die Unterhaltsentscheidung (wahlweise) zuständig. Die Zuständigkeit des im Statusverfahren entscheidenden Gerichts darf jedoch nicht allein auf der Staatsangehörigkeit einer der beiden Parteien beruhen (vgl § 76 Abs 2 Z 1 JN); sind beide Parteien einer Nationalität, schadet dies hingegen nicht (Kropholler, EuZPR8 Art 5 EuGVVO Rn 61 ff; Mankowski/Rauscher4 Art 5 Brüssel I-VO Rn 72). Die UntVO sieht in Art 3 lit c eine entsprechende Annexzuständigkeit vor.
Allgemeine Zuständigkeit Artikel 3. (1) Für Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe, sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, a) in dessen Hoheitsgebiet – beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder – die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder – der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder – im Fall eines gemeinsamen Antrags einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder – der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder – der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstel890
Art 3 VO
Internationale Zuständigkeit
lung aufgehalten hat und entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats ist oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, dort sein „domicile“ hat; b) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen, oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, in dem sie ihr gemeinsames „domicile“ haben. (2) Der Begriff „domicile“ im Sinne dieser Verordnung bestimmt sich nach dem Recht des Vereinigten Königreichs und Irlands. Abs 1 zählt sieben Zuständigkeitstatbestände auf, die gleichrangig nebenei- 1 nander stehen, dh die internationale Zuständigkeit kann auf jede einzelne dieser Alternativen gestützt werden (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 3 Rz 5; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rz 14; Geimer/Geimer/ Schütze, EZVR3 Art 3 Rn 1; LGZ Wien EF 105.507, 120.863; 1 Ob 168/09a). Auch die Unterscheidung zwischen lit a und lit b begründet keine Rangordnung (unstr; statt vieler Kohler, NJW 2001, 11). Der Zuständigkeitskatalog ist nach Maßgabe des Art 6 abschließend. Nur so- 2 weit sich aus der Verordnung keine Zuständigkeit (in irgendeinem Mitgliedstaat) ergibt, kann auf nationales (Rest-)Zuständigkeitsrecht gegriffen werden. Vgl dazu Art 6–7 Brüssel IIa-VO, Rz 1. Ein von Art 3 Abs 1 abweichender Gerichtsstand kann weder durch Parteien- 3 vereinbarung noch rügelose Einlassung begründet werden (Borrás-Bericht Rz 28 f; Neumayr, iFamZ 2008, 364; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 3 Rz 7; kritisch Gottwald/MünchKommZPO3 Art 3 EheGVO Rz 5); insofern handelt es sich um internationale Zwangszuständigkeiten, die – in jeder Lage des Verfahrens – von Amts wegen wahrzunehmen sind (vgl Art 17). Dass sich danach ein finnisch-schwedisches Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Irland in einem ihrer Heimatstaaten auch nicht einvernehmlich scheiden lassen kann, bleibt eine der Schwächen der VO; Art 3a der Rom III-V (O in der „Urfassung“) würde diesen Missgriff sanieren und eine Zuständigkeitsvereinbarung erlauben. Derzeit ist lediglich ein gemeinsamer Antrag nach Spiegelstrich 4 möglich, der allerdings den gewöhnlichen Aufenthalt eines Gatten im Forumstaat voraussetzt. Wird eine Zuständigkeit (wirksam) in Anspruch genommen, bleibt sie auch 4 nach einem Wegzug erhalten (perpetuatio fori; Spellenberg/Staudinger [2005] Art 3 Rn 125; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rn 17; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 3 Rn 48). Ist das Gericht unzuständig, sieht die Brüssel IIa-VO keine Möglichkeit der Überweisung vor. Der gewöhnliche Aufenthalt ist zentraler Anknüpfungspunkt nach der VO, 5 wird von dieser aber nicht näher definiert. Der Begriff ist daher (verordnungs891
Art 3 VO
Nademleinsky
autonom) nach objektiven Kriterien (LGZ Wien EF 114.845) auszulegen, unterscheidet sich aber im Ergebnis nicht von der Begriffsbestimmung im nationalen Recht. Es handelt sich also um den Ort, der mit einer bestimmten Dauerhaftigkeit den Lebensmittelpunkt der betreffenden Person bildet (vgl beispielsweise Gottwald/MünchKommZPO3 Art 3 EheGVO Rz 7; Nademleinsky/Neumayr Rz 01.33, 01.40 mwN; 1 Ob 115/09g). Der Wille, einen Ort zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen, dem nach den Mat (Borrás-Bericht, Nr 32) besondere Bedeutung zukommen soll, hat lediglich indirekten Einfluss auf die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts, insofern „freie und erwachsene Menschen“ ihren Lebensmittelpunkt aus eigenem Willen bestimmen können (1 Ob 115/09g; vgl auch EuGH 2.4.2009, C-523/07 = EF-Z 2009/153 [Nademleinsky]). Daher erfordert der gewöhnliche Aufenthalt zu seiner Erlangung auch keine Mindestzeit (statt vieler Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rz 24), wenn sich nur der Aufenthaltswille auch nach außen sichtbar manifestiert. Personen mit international wechselnden Arbeitsorten und mehreren Wohnsitzen können ihren gewöhnlichen Aufenthalt uU in verschiedenen Staaten haben (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 3 EheGVO Rz 44 f; Kropholler, IPR6 § 39 II 6a 1; M v H, Family Division [2005] EWHC 1186 [FAM], [2005] All ER [D] 38). 6 Spiegelstrich 1 knüpft an den (derzeitigen) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat an. Es ist weder eine Mindestdauer des Aufenthalts erforderlich noch ein Zusammenwohnen der Eheleute (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 3 EheGVO Rn 17; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rn 23; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 3 Rz 18). 7 Spiegelstrich 2 eröffnet einen besonderen Klägergerichtsstand, der es dem verlassenen Ehegatten erspart, dem Auswanderer das Scheidungsverfahren „hinterhertragen“ zu müssen (Hau, FamRZ 2000, 1335). Der verlassene Ehegatte (Kläger) braucht, anders als der wegziehende, nicht die Fristen des Art 3 Abs 1 lit a Spiegelstrich 5 oder 6 abzuwarten und kann somit dem Ausgewanderten das forum actoris blockieren. Voraussetzung für die Zuständigkeit nach Spiegelstrich 2 ist, dass es sich um den letzten, gemeinsamen Aufenthalt im selben Staat handelt, den einer der Ehegatten im Zeitpunkt der Antragstellung (Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 3 Rn 20) noch beibehalten hat. Dass irgendwann ein gemeinsamer Aufenthalt im selben Staat vorlag, reicht nicht. Hingegen schadet es nicht, wenn der im Staat verbleibende Ehegatte seinen Aufenthalt innerhalb des Landes wechselt (L. Fuchs 179 [Fn 19]; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.17). Es genügt auch, wenn beide Ehegatten nach ihrer Trennung in den Gerichtsstaat gezogen sind und einer den Staat sodann verlassen hat (Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 3 Rn 20).
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Art 3 VO
Internationale Zuständigkeit
Spiegelstrich 3 bildet einen reinen Beklagtengerichtsstand (actor sequitur fo- 8 rum rei), der aufgrund seines überkommenen Rollenverständnisses im Scheidungsverfahren international allerdings nicht unumstritten ist. Hat keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat und handelt es sich um ein gemischt-nationales Paar, so kann sich der Scheidungskläger nur auf eine Zuständigkeit nach Spiegelstrich 5 bzw 6 stützen. Dazu muss er aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt für ein halbes bzw ganzes Jahr in einen Mitgliedstaat verlegen. Bis dahin kann er seinen Ehegatten, selbst wenn dieser EU-Staatsangehöriger ist, in dessen Heimatstaat nach der dortigen lex fori klagen – so sie dies zulässt (s Erl zu Art 6–7 Brüssel IIa-VO, Rz 3; vgl 7 Ob 155/08g). Spiegelstrich 4 eröffnet ohne Einhaltung einer Mindestdauer des gewöhnlichen 9 Aufenthalts die internationale Zuständigkeit, wenn beide Ehegatten einen Antrag stellen. Ist nach dem anwendbaren Scheidungsstatut kein gemeinsamer Antrag vorgesehen, reicht ein sachliches Einverständnis über die einvernehmliche Scheidung (Hau, FamRZ 2000, 1334; Dilger, 171 ff; Spellenberg/Staudinger [2005] Art 3 EheGVO Rn 12 f; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rn 36; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.19; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 3 Rn 24). Ist der andere Ehegatte zwar mit der Rechtsfolge „Scheidung“ einverstanden, stützt er sich aber selbst auf einen (anderen) Scheidungsgrund, so ist indes nicht der Tatbestand des Spiegelstrichs 4 erfüllt, sondern liegt ein unter Art 4 (Gerichtsstand der Widerklage) zu subsumierender Antrag vor (statt vieler Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 3 Rn 25). Spiegelstriche 5 und 6 stellen echte Klägergerichtsstände dar, die (nur) eine 10 bestimmte Mindestdauer des gewöhnlichen Aufenthalts im Forumstaat voraussetzen. Der gewöhnliche Aufenthalt muss während der gesamten Dauer im Forumstaat gelegen sein, nicht bloß zur Zeit der Antragstellung (so nun auch Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rn 43). Auf die Staatsangehörigkeit des Beklagten kommt es nicht an. Dass Spiegelstrich 6 die Staatsangehörigen des Forumstaats privilegiert – die Staatsangehörigkeit ist sozusagen ein halbes Jahr Aufenthalt „wert“ –, verstößt möglicherweise gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot (Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 3 Rz 14 mwN). Lit b) sieht eine Heimatzuständigkeit für die Gerichte des Staats vor, dessen 11 Angehörigkeit beide Ehegatten besitzen bzw, im Fall des Vereinigten Königreichs oder Irland, dessen gemeinsames „domicile“ sie haben. Für die Scheidung von Briten oder Iren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats bleibt aber die Staatsangehörigkeit maßgeblich (Borrás-Bericht Nr. 33). Sind daher beispielsweise österreichische Ehegatten nach Irland ausgewandert und haben irisches domicile begründet, so sind sowohl österreichische als auch irische Gerichte nach lit b) zuständig. Ist umgekehrt ein irisches Paar nach Öster893
Art 4–5 VO
Nademleinsky
reich gezogen und hat österreichisches domicile erlangt, sind weder österreichische noch irische Gerichte nach lit b) zuständig. Ergibt sich diesfalls auch keine Zuständigkeit nach Abs 1 lit a), weil die Ehegatten mittlerweile in Australien leben, ist die nationale Restzuständigkeit eröffnet; eine Zuständigkeit in Österreich besteht danach für eine streitige Scheidung nicht (vgl § 76 Abs 2 JN). Der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten ist gänzlich unbeachtlich. Haben die Ehegatten eine gemeinsame doppelte Staatsangehörigkeit, ist ungeachtet der „Effektivität“ der Staatsangehörigkeit die Zuständigkeit in beiden Staaten gegeben (EuGH 16.7.2009, Rs C-168/08, Hadadi/Mesko = FamRZ 2009, 1571 [Kohler] = IPRax 2010, 50 [zust Hau]; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rn 49; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.23; Dilger, IPRax 2010, 56 f; krit Spellenberg/Staudinger [2005] Art 3 EheGVO Rn 90 ff, 104). Flüchtlingen und Staatenlosen kann der Gerichtsstand grundsätzlich nicht zugute kommen (Nademleinsky/Neumayr Rz 05.23; Rauscher/ Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rn 50).
Gegenantrag Artikel 4. Das Gericht, bei dem ein Antrag gemäß Artikel 3 anhängig ist, ist auch für einen Gegenantrag zuständig, sofern dieser in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt. 1 Da Art 19 Brüssel IIa-VO bei Rechtshängigkeit jedes weitere Verfahren zwischen denselben Parteien sperrt, sieht Art 4 eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für Gegenanträge (Widerklage) vor. Art 4 regelt daher ausnahmsweise auch die örtliche Zuständigkeit (Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 4 Rn 9). Voraussetzung ist, dass es sich ebenfalls um einen in den sachlichen Anwendungsbereich der VO fallenden Antrag handelt (Rauscher/ Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 4 Rn 3; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 4 Rn 2). Ob der Gegenantrag zulässig ist, beurteilt sich nach der lex fori (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 4 EheGVO Rn 3, 14 ff; Rauscher/ Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 4 Rn 10).
Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung Artikel 5. Unbeschadet des Artikels 3 ist das Gericht eines Mitgliedstaats, das eine Entscheidung über eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erlassen hat, auch für die Umwandlung dieser Entscheidung in eine Ehescheidung zuständig, sofern dies im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist. 894
Art 6–7 VO
Internationale Zuständigkeit
Selbst wenn keine Zuständigkeit (mehr) nach Art 3 gegeben sein sollte, ist das 1 Gericht, das auf eine Trennung von Tisch und Bett entschieden hat, auch für das (anschließende) Verfahren auf Scheidung der Ehe zuständig. Art 5 legt daher auch die örtliche Zuständigkeit („das Gericht“) fest. Der Verweis auf das „Recht dieses Mitgliedstaats“ zielt auch auf dessen IPR ab; 2 es genügt daher, wenn das anzuwendende ausländische Sachrecht die Umwandlung der Trennung in eine Scheidung zulässt (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 5 EheGVO Rn 6; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 5 Rn 3).
Ausschließliche Zuständigkeit nach den Artikeln 3, 4 und 5 Artikel 6. Gegen einen Ehegatten, der a) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder b) Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist oder im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands sein „domicile“ im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat, darf ein Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur nach Maßgabe der Artikel 3, 4 und 5 geführt werden.
Restzuständigkeit Artikel 7. (1) Soweit sich aus den Artikeln 3, 4 und 5 keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt, bestimmt sich die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Staates. (2) Jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, kann die in diesem Staat geltenden Zuständigkeitsvorschriften wie ein Inländer gegenüber einem Antragsgegner geltend machen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt oder im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands sein „domicile“ nicht im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat. Nach Art 6 sind die Zuständigkeiten der Art 3 bis 5 Brüssel IIa-VO „aus- 1 schließlich“, dh sie untersagen den Rückgriff auf nationales Zuständigkeitsrecht, wenn ein Verfahren gegen einen Ehegatten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat oder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats (bzw im Fall des Vereinigten Königreichs oder Irlands dessen domicile hat) ist, vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats (als des Aufenthalts895
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oder Heimatstaats) geführt werden soll (EuGH, 29.11.2007, Rs C-68/07 [Sundelind Lopez/Lopez Lizazo] = IPRax 2008, 257 [Borrás, 233]; 7 Ob 155/08g = EF-Z 2009/40 [Nademleinsky] = iFamZ 2009/53 [Fucik] = EvBl 2009/41 [Frauenberger-Pfeiler] = IPRax 2010, 74/3 [Andrae/Schreiber, 79]; 1 Ob 115/ 09g; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.34 mwN). Dieser Ehegatte ist vor der Inanspruchnahme einer möglicherweise exorbitanten, bloß auf die Staatsangehörigkeit des Klägers (vgl beispielsweise § 76 Abs 2 Z 1 JN) gestützten, nationalen Zuständigkeitsvorschrift „geschützt“. Ob dieser Schutz überhaupt notwendig wird, ergibt sich aber vorrangig aus Art 7. Denn nur wenn nach der VO keine Zuständigkeit – in irgendeinem Mitgliedstaat – besteht, erlaubt Art 7 den Rückgriff auf die nationale Restzuständigkeit. Deren Anwendung schränkt Art 6 dann im vorgenannten Sinn wieder ein (7 Ob 155/08g = EF-Z 2009/40 [Nademleinsky] = iFamZ 2009/53 [Fucik] = EvBl 2009/41 [Frauenberger-Pfeiler] = IPRax 2010, 74/3 [Andrae/Schreiber, 79]; 1 Ob 115/09g; Hau, FamRZ 2000, 1340 f; Simotta, FS Geimer (2002) 1119; Gruber, IPRax 2005, 295; Spellenberg/Staudinger [2005] Art 6 EheGVO Rn 1; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 7 Rn 4). Art 7 ist daher am besten vor Art 6 zu lesen. 2 Hat zum Beispiel ein kubanisch-schwedisches Ehepaar zuletzt gemeinsam in Frankreich gelebt, so kann die schwedische Ehefrau, wenn der kubanische Ehemann wieder nach Kuba gezogen ist, sie aber weiterhin in Frankreich lebt, nicht unter Berufung auf das schwedische Zuständigkeitsrecht in Schweden ein Scheidungsverfahren einleiten, ist doch nach Art 3 Abs 1 lit a) 2. Spiegelstrich in diesem Fall weiterhin die Zuständigkeit der französischen Gerichte gegeben (EuGH, 29.11.2007, Rs C-68/07 [Sundelind Lopez/Lopez Lizazo] = IPRax 2008, 257 [Borrás, 233]; zustimmend bspw Mansel/Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2008, IPRax 2009, 17). Zieht die Ehefrau aber nach Schweden, so „versagen“ die Zuständigkeiten nach der VO und sie kann (sofort) die Zuständigkeit nach der schwedischen lex fori beanspruchen (Art 7). Der beklagte Ehemann ist diesfalls nicht nach Art 6 „geschützt“. 3 Vor einer nationalen Restzuständigkeit im Heimatstaat des Beklagten schützt Art 6 allerdings nicht (obiter 7 Ob 155/08g = EF-Z 2009/40 [Nademleinsky] = iFamZ 2009/53 [Fucik] = EvBl 2009/41 [Frauenberger-Pfeiler] = IPRax 2010, 74/3 [Andrae/Schreiber, 79]; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.36 mwN). Lebt beispielsweise die österreichische Ehefrau mit ihrem italienischem Ehemann in der Schweiz (und gibt es daher keine Zuständigkeit nach der VO), so ist keiner der beiden Ehegatten davor geschützt, in seinem jeweiligen Heimatstaat nach der dortigen lex fori geklagt zu werden (vgl 7 Ob 155/ 08g). 4 Art 7 Abs 2 stellt für den Fall, dass nationales Restzuständigkeitsrecht zur Anwendung gelangt, die Inländergleichbehandlung von EU-Angehörigen sicher. 896
Art 19 VO
Internationale Zuständigkeit
Auch Antragsteller, die die Staatsangehörigkeit (bzw das domicile) eines anderen Mitgliedstaats besitzen, können die nationale Restzuständigkeit in Anspruch nehmen, wenn sie im Forumstaat ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Nademleinsky/Neumayr Rz 05.39 mwN).
Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren Artikel 19. (1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zwischen denselben Parteien gestellt, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist. (2) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren bezüglich der elterlichen Verantwortung für ein Kind wegen desselben Anspruchs anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist. (3) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig. In diesem Fall kann der Antragsteller, der den Antrag bei dem später angerufenen Gericht gestellt hat, diesen Antrag dem zuerst angerufenen Gericht vorlegen. Lit: Andrae/Schreiber, Zum Ausschluss der Restzuständigkeit nach Art 7 EuEheVO über Art 6 EuEheVO, IPRax 2010, 79; Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (2004); Gruber, Die neue „europäische Rechtshängigkeit“ bei Scheidungsverfahren, FamRZ 2000, 1129; Henrich, Zur Berücksichtigung der ausländischen Rechtshängigkeit von Privatscheidungen, IPRrax 1995, 86; Wagner, Ausländische Rechtshängigkeit in Ehesachen unter besonderer Berücksichtigung der EGVerordnung Brüssel II und Brüssel IIa, FPR 2004, 286.
Die Brüssel IIa-VO regelt die Rechtshängigkeit nach dem Grundsatz „prior 1 temporis“ (Borrás-Bericht Nr 53; 7 Ob 188/02a), wobei sich der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem ein Gericht als angerufen gilt, aus Art 16 der VO ergibt. Ein Gericht gilt nach Art 16 als angerufen a) zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht wurde, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken, oder b) falls die Zustellung an den Antragsgegner vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, 897
Art 19 VO
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dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen. Abgestellt wird sohin auf das nach dem jeweils anwendbaren Verfahrensrecht erste Element des Zivilprozesses unter der Voraussetzung, dass das Verfahren gehörig fortgesetzt wird. Das kann auch die Bekanntgabe einer zustellfähigen Adresse umfassen (vgl LGZ Wien EF 120.872). Ist, wie beispielsweise nach französischem Recht, ein Vor- oder Versöhnungsverfahren zwingend vorgesehen, so tritt Anhängigkeit schon mit Einleitung dieses Vorverfahrens ein (Gruber, FamRZ 2000, 1132; Spellenberg/Staudinger [2005] Art 19 EheGVO Rn 13). Zum Zeitpunkt des Anhängigwerdens müssen grundsätzlich auch die zuständigkeitsbegründenden Umstände, insb also der gewöhnliche Aufenthalt, vorliegen. Sofern es aus Gründen der Prozessökonomie ausreichen mag, dass die Voraussetzungen spätestens beim Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz vorliegen (vgl Rauscher/Rauscher EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rn 42), kann dies jedenfalls nur gelten, wenn die für den Antragsteller zuständigkeitsbegründenden Umstände früher eingetreten sind, als die für das ausländische Verfahren (Andrae/Schreiber, IPRax 2010, 82; Rauscher/Rauscher EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 3 Rn 42). 2 Die Rechtshängigkeitssperre erfasst alle statusrelevanten Ehesachen (s Art 1 Abs 1 lit a), ohne dass „innerhalb“ dieser Ehesachen Anspruchsidentität bestehen müsste, dh jedes Statusverfahren sperrt alle anderen (Borrás-Bericht Nr 54; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.47 mwN; krit Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 19 Rn 10 ff; aA AG Seligenstadt 32 F 695/5 S = IPRax 2008, 443) ungeachtet der jeweiligen Parteirolle (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 19 EheGVO Rn 10; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 19 Rn 17). Erfasst sind auch Verfahren vor einem (anderen) Mitgliedstaat, der seine internationale Zuständigkeit aus der Verweisung auf seine nationale Restzuständigkeit (Artt 6 f Brüssel IIa-VO) abgeleitet hat (Gruber, FamRZ 2000, 1131; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.46 mwN; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 1 Rn 15). Verfahren über einstweilige Maßnahmen begründen aber keine Sperrwirkung (Spellenberg/Staudinger [2005] Art 19 EheGVO Rn 7; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 19 Rn 21; Nademleinsky/ Neumayr Rz 05.47). 3 Eine frühere Rechtshängigkeit in einem Nicht-Mitgliedstaat kann nach dem reinen Wortlaut des Art 19 („bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten“) nicht berücksichtigt werden (vgl cour de cassation 22.2.2005 [1re civ. 02–20.409] = IPRax 2006, 611 [Dilger 617]; Jayme/Kohler, Europäisches Kollisionsrecht 2006, IPRax 2006, 537 [548]; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.46). Die hL erachtet Art 19 diesfalls als unanwendbar und beurteilt die Rechtshängigkeit vor einem Drittstaatsgericht nach der lex fori (dazu Rz 4), und zwar selbst dann, wenn das angerufene Gericht seine Zuständigkeit aus der VO ableitet (Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit, Rz 348; Neu898
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mayr, iFamZ 2008, 366; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 1 Rn 16). Im Ergebnis, aber ohne Begründung entspricht dies auch der Rsp (8 Ob 18/08t = EF-Z 2009/63 [Nademleinsky] = iFamZ 2008/144 [Fucik]; vgl auch OLG Nürnberg FamRZ 2009, 637). Nach den inländischen Bestimmungen über die Streitanhängigkeit (§§ 232 f 4 ZPO) entfaltet ein früher im Ausland eingeleitetes Verfahren dann das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit, wenn das zu erwartende ausländische Urteil im Inland anerkennungsfähig ist; dazu ist eine Anerkennungs- und Vollstreckungsprognose anzustellen (8 Ob 82/05z; 8 Ob 18/08t). Das gilt auch für das im außerstreitigen Verfahren zu führende Aufteilungsverfahren (8 Ob 82/05z). Bei positiver Anerkennungsprognose ist der Antrag vor dem österreichischen Gericht wegen Streitanhängigkeit zurückzuweisen (Mayr/Fasching3 §§ 232– 233 ZPO Rz 12 ff; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.50 f mwN). Mangels zwischenstaatlicher Verträge ist ein ausländisches Aufteilungsverfahren für die Zuständigkeit des österreichischen Gerichts unbeachtlich (LGZ Wien 45 R 426/ 08t; Gitschthaler, Aufteilung Rz 620). Ob und wann Streitanhängigkeit im Ausland eingetreten ist, entscheidet die dortige lex fori (dazu 8 Ob 18/08t mwN). Der Einwand ausländischer Streitanhängigkeit setzt – ebenso wie der Rechts- 5 krafteinwand – Identität des Streitgegenstands voraus (vgl zuletzt BGH XII ZR 61/06 = FamRZ 2008, 1409 [Henrich] = IPRax 2009, 332 [Siehr]). Streitgegenstand des Scheidungsverfahrens ist jedenfalls die Auflösung der Ehe, gleich auf wessen Antrag und aus welchem Grund. Auch eine auf Verschulden gestützte Klage steht daher einer auf Zerrüttung gestützten Klage des anderen Ehegatten (Partners) entgegen, und vice versa; ein fehlender Schuldausspruch kann bei Bedarf später nachgeholt werden (vgl Winkler v. Mohrenfels/MünchKomm5 Art 17 EGBGB Rn 337).
Einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen Artikel 20. (1) Die Gerichte eines Mitgliedstaats können in dringenden Fällen ungeachtet der Bestimmungen dieser Verordnung die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen in Bezug auf in diesem Staat befindliche Personen oder Vermögensgegenstände auch dann anordnen, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache gemäß dieser Verordnung ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. (2) Die zur Durchführung des Absatzes 1 ergriffenen Maßnahmen treten außer Kraft, wenn das Gericht des Mitgliedstaats, das gemäß dieser Verordnung für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, die Maßnahmen getroffen hat, die es für angemessen hält. 899
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1 Art 20 erlaubt für solche dringenden Maßnahmen, die sonst in den Anwendungsbereich der VO fallen würden (1 Ob 140/02y), eine Zuständigkeit auch jener Gerichte, die nicht in der Hauptsache zuständig sind, nach deren lex fori. Auch die Maßnahmen selbst unterliegen der lex fori. Im (eherechtlichen) Anwendungsbereich der VO (Art 1 Abs 1 lit a) hat die Bestimmung allerdings nur wenig Bedeutung. In Betracht kommen allenfalls Maßnahmen wie die Gestattung des Getrenntlebens oder solche, die der Sicherung des getrennt lebenden Ehegatten dienen (Rauscher/Rauscher, EuZPR13 Brüssel IIa-VO Art 20 Rn 13 mwN). Sie kommen aber nicht (mehr) in Betracht, wenn das nach der VO zuständige Gericht bereits eine entsprechende vollstreckbare Entscheidung erlassen hat (vgl EuGH 23.12.2009, C-403/09 PPU zur elterlichen Verantwortung).
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Zivilprozeßordnung Besondere Bestimmungen für das Verfahren in Ehesachen § 460 ZPO. In Ehesachen (§ 49 Abs 2 Z 2a JN) und Verfahren in anderen nicht rein vermögensrechtlichen aus dem gegenseitigen Verhältnis zwischen Ehegatten entspringenden Streitigkeiten (§ 49 Abs 2 Z 2b JN) gelten folgende besondere Bestimmungen: 1.
2. 3. 4.
5.
6.
Das Gericht soll die Parteien zum persönlichen Erscheinen auffordern, wenn nicht wichtige Gründe dagegen sprechen. Das Erscheinen der Parteien ist erforderlichenfalls nach § 87 GOG durchzusetzen. Zur vorbereitenden Tagsatzung ist die Partei, nicht aber eine informierte Person nach § 258 Abs 2 stellig zu machen. Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Im Verfahren über die Nichtigerklärung oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe hat das Gericht von Amts wegen dafür zu sorgen, dass alle für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Umstände aufgeklärt werden; der § 183 Abs 2 gilt nicht. Das Gericht kann nicht erwiesene Tatsachenvorbringen unberücksichtigt lassen und von der Aufnahme von Beweisen Abstand nehmen, wenn solche Tatsachen oder Beweise von einer Partei verspätet vorgebracht beziehungsweise angeboten werden und bei sorgfältiger Berücksichtigung aller Umstände kein vernünftiger Zweifel besteht, dass damit das Verfahren verschleppt werden soll und die Zulassung des Vorbringens oder der Beweise die Erledigung des Verfahrens erheblich verzögern würde. § 179 gilt nicht. Erscheint der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist die Klage auf Antrag des Beklagten vom Gericht als ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen zu erklären. Im Protokoll sind auch die Geburtsdaten und die Religion der Parteien, Anzahl und Alter ihrer Kinder und der Zeitpunkt des Abschlusses ihrer Ehe festzuhalten, sowie, ob Ehepakte errichtet worden sind. 901
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Beck
6a. Ist eine Partei nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten und hat sie keine Beratung über die gesamten Scheidungsfolgen, einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Folgen und der Voraussetzungen eines Ausspruchs über die Haftung für Kredite, in Anspruch genommen, so hat das Gericht auf entsprechende Beratungsangebote und allgemein auf die Nachteile hinzuweisen, die durch ungenügende Kenntnisse über diese Folgen entstehen können. Die Tagsatzung ist zu erstrecken, um der Partei Gelegenheit zur Einholung einer Beratung zu geben, es sei denn, dass dadurch der Prozess unverhältnismäßig verzögert oder offensichtlich verschleppt werden soll. Eine neuerliche Erstreckung aus diesem Grund ist unzulässig. Das Gericht hat die nächste Verhandlung für einen Termin tunlichst innerhalb von sechs Wochen anzuberaumen. 7. Im Verfahren wegen Scheidung der Ehe hat das Gericht am Beginn der mündlichen Streitverhandlung zunächst eine Versöhnung der Ehegatten anzustreben (Versöhnungsversuch) und überdies in jeder Lage des Verfahrens, soweit tunlich, auf eine Versöhnung hinzuwirken. 8. Stirbt einer der Ehegatten vor der Rechtskraft des Urteils (§ 416 Abs 1), so ist der Rechtsstreit in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen. Er kann nur mehr wegen der Verfahrenskosten fortgesetzt werden. Ein bereits ergangenes Urteil ist wirkungslos. 8a. Auf ihr Verlangen ist den Ehegatten jederzeit auch eine Ausfertigung der Entscheidung über die Auflösung der Ehe auszustellen, die keine Entscheidungsgründe enthält. 9. Urteile auf Grund eines Verzichtes oder eines Anerkenntnisses sowie Vergleiche sind unzulässig; der § 442 ist nicht anzuwenden. 10. Wird ein Antrag auf Scheidung nach § 55a EheG gestellt, so ist ein wegen Ehescheidung anhängiger Rechtsstreit zu unterbrechen. Wird dem Scheidungsantrag stattgegeben, so gilt die Scheidungsklage mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses als zurückgenommen; die Prozesskosten sind gegeneinander aufzuheben. Wird der Scheidungsantrag zurückgezogen oder rechtskräftig abgewiesen, so ist das unterbrochene Scheidungsverfahren auf Antrag wiederaufzunehmen. 11. Verliert ein Ehegatte durch eine Entscheidung über die Auflösung der Ehe offenbar den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung, so hat das Gericht mit Zustimmung dieses Ehegatten den zuständigen Sozialversicherungsträger im Weg des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger zu verständigen. Die Verständigung hat den Familien- und Vornamen, das Geburtsdatum, die Anschrift sowie die Sozialversicherungsnummer des Ehegatten zu enthalten. Der Versicherungsträger hat dem Ehegatten Informationen über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Eheauflösung 902
Verfahrensbestimmungen – Streitsachen
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und die Möglichkeit der Fortsetzung des Versicherungsschutzes zu übermitteln. [Nach Aufhebung der Stammfassung durch ZVN 1983 – eingefügt durch PersEheKindÄG BGBl 1983/566; Z 6a, 8a, 11 eingefügt mit EheRÄG 1999 BGBl I 1999/125, Z 2 und 4 idF ZVN 2002 BGBl I 2002/76, Z 6a idF FamRÄG 2009 BGBl I 2009/75, Z 8 idF EheRÄG 1999 BGBl I 1999/125]
§ 87 GOG. (1) Personen, die einer gerichtlichen Ladung nicht Folge leisten, können unter Androhung einer Ordnungsstrafe neuerlich geladen und durch die Verhängung dieser Strafe zum Erscheinen genötigt werden. Im Falle fortgesetzten Ausbleibens kann die Ordnungsstrafe innerhalb des gesetzlichen Ausmaßes verdoppelt und in dringenden Fällen die zwangsweise Vorführung durch den Gerichtsdiener angeordnet werden. (2) Für die Verhängung und Verwendung der Ordnungsstrafen gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über Strafen (§ 220). [RGBl 1896/217 idF BGBl 1989/343]
§ 381 ZPO. Welchen Einfluss es auf die Herstellung des Beweises habe, wenn die Partei ohne genügende Gründe die Aussage oder die Beantwortung einzelner Fragen ablehnt, wenn die zum Zwecke der unbeeideten oder beeideten Vernehmung geladene Partei nicht erscheint, oder wenn die eidliche Aussage einer Partei von den bei ihrer vorausgegangenen unbeeidigten Vernehmung abgegebenen Erklärungen in erheblichen Punkten abweicht, hat das Gericht unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurteilen. [Stammfassung] Lit: Ent/Hopf, Das neue Eherecht (1979); Ferrari/Hopf, Eherechtsreform in Österreich (2000); Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999, ÖJZ 1999, 861; Knoll, Kann eine Ehe im Berufungsverfahren gemäß § 55a EheG geschieden werden? RZ 1992, 271; Schalich, Das neue streitige Eheverfahren, RZ 1985, 13, 26, 50; Schoibl, Neues Verfahrensrecht in Ehesachen. Ein Überblick, ÖJZ 1984, 540; Simotta, Die Prozessfähigkeit in Ehesachen und sonstigen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, ÖJZ 1989, 321; dies, Die einvernehmliche Scheidung während eines anhängigen Eheprozesses (§ 460 Z 10 ZPO), ÖJZ 1987, 129, 167; dies, Was sind Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis? – Eine Judikaturanalyse, BeitrZPR IV (1991) 191; dies, Der Tod eines Ehegatten während eines Eheprozesses (§ 460 Z 8 ZPO), Welser-FS (2004) 1015; Spitzer, Verlust des Ehegattenerbrechts durch Eröffnung des Scheidungsverfahrens? Zugleich eine Besprechung von OGH 12.12.2002, 6 Ob 259/ 02k, JBl 2003, 837.
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Inhaltsübersicht A. Anwendungsbereich des § 460 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Persönliche Mitwirkung der Parteien (§ 460 Z 1 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zumindest zwei Ladungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Absehen vom persönlichen Erscheinen der Partei . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahrensmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Stelligmachen zur vorbereitenden Tagsatzung (§ 460 Z 2 ZPO) . . . . . . . . D. Nichtöffentlichkeit des Eheverfahrens (§ 460 Z 3 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . E. Verhandlungsgrundsatz – Untersuchungsgrundsatz (§ 460 Z 4 ZPO) . . . 1. Verhandlungsmaxime im Scheidungs- und Aufhebungsverfahren . . . 2. Untersuchungsgrundsatz im Ehenichtigerklärungs- und Feststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zurücknahmefiktion (§ 460 Z 5 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Personaldaten im Verhandlungsprotokoll (§ 460 Z 6 ZPO) und im Urteil . H. Belehrungserfordernisse in Ehesachen (§ 460 Z 6a ZPO) . . . . . . . . . . . . . I. Versöhnungsversuch (§ 460 Z 7 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Tod eines Ehegatten während des Eheverfahrens (§ 460 Z 8 ZPO) . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkungslosigkeit bereits ergangener Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensfortführung wegen Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . K. Urteilsausfertigung ohne Entscheidungsgründe (§ 460 Z 8a ZPO) . . . . . . L. Keine Verzichts- und Anerkenntnisurteile (§ 460 Z 9 ZPO) . . . . . . . . . . . M. Neuerungsverbot im Berufungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N. Einvernehmliche Scheidung während des Scheidungsprozesses (§ 460 Z 10 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O. Verständigung des Sozialversicherungsträgers (§ 460 Z 11 ZPO) . . . . . . .
. . . . . . . . . .
1–3 4–13 4 5–6 7–11 12–13 14 15–17 18–23 18
. . . . . . . . . . . .
19–23 24–27 28 29–32 33 34–40 34 35–37 38–40 41 42–45 46
. .
47–53 54
A. Anwendungsbereich des § 460 ZPO 1 Das Eheverfahrensrecht wurde durch das PersEheKindÄG (BGBl 1983/566) als bezirksgerichtliches Verfahren in die ZPO aufgenommen. Neben § 460 ZPO kommt noch einigen Bestimmungen der 1. DVEheG Bedeutung zu (§§ 17 [Schuldausspruch im Aufhebungsurteil], 18 [Zusammentreffen von Aufhebungs- und Scheidungsbegehren], 82 bis 86 [Ehenichtigkeitsklage des Staatsanwalts]; Näheres s dort). Das Verfahren über die einvernehmliche Scheidung gem § 55a EheG ist in den §§ 93 ff AußStrG geregelt. § 460 ZPO gilt für die (streitigen) Ehesachen iS des § 49 Abs 2 Z 2a JN (somit für Prozesse über Ehescheidungs- [§§ 46 bis 55 EheG], Eheaufhebungs[§§ 33 bis 44 EheG] und Ehenichtigerklärungsklagen [§§ 20 bis 28 EheG] sowie Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe) und für Verfahren in anderen nicht rein vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis iS des § 49 Abs 2 Z 2b JN. Hingegen ist § 460 ZPO nicht auf Unterhalts- und andere rein vermögensrechtliche Rechtssachen anzuwenden, und zwar auch dann nicht, wenn diese 904
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§ 460 ZPO
mit einer Ehesache verbunden sind (Fucik/Rechberger § 460 ZPO Rz 2; zu verfahrensrechtlichen Besonderheiten im Unterhaltsprozess s § 94 ABGB Rz 330 ff, § 66 EheG Rz 29 ff, § 68a EheG Rz 41). Gem § 43 Abs 1 Z 25 EPG (BGBl I 2009/135) gilt die Bestimmung für eingetragene Partner bzw Partnerangelegenheiten sinngemäß. Zur inländischen Gerichtsbarkeit für Ehestreitigkeiten s § 76 Abs 2 JN; zur Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte s § 49 Abs 2a JN; zur örtlichen Zuständigkeit s § 114a Abs 1 JN iVm § 76 Abs 1 JN; zur Eigenzuständigkeit des BG bei Anfechtung einer Scheidungsfolgenvereinbarung gem § 49 Abs 2 Z 2 lit b JN s 8 Ob 19/06m. Zur relativen Anwaltspflicht im erstinstanzlichen Eheverfahren s § 29 Abs 1 ZPO; zur absoluten Anwaltspflicht im Berufungs- und Revisionsverfahren s § 27 Abs 1 ZPO. Zu den Hinweis- und Verständigungspflichten des Gerichts im Scheidungsprozess s Rz 30 f und 54. Zur Kostenersatzpflicht in streitigen Ehesachen s §§ 41 ff ZPO; im außerstreitigen Verfahren s § 78 AußStrG. Ehesachen iS des § 49 Abs 2a JN und andere nicht rein vermögensrechtliche 2 Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis sind gem § 460 ZPO gleich zu behandeln, weil es in beiden Fällen um eine Gestaltung oder Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Eheverhältnisses bzw eine Klärung des Verschuldens am Scheitern der Ehe geht. Eine Streitigkeit aus dem Eheverhältnis ist dann nicht rein vermögensrechtlicher Natur, wenn höchstpersönliche, aus den Rechten und Pflichten der Ehegatten abgeleitete Leistungs-, Feststellungsoder Rechtsgestaltungsansprüche geltend gemacht werden (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 6, 13 f; Näheres vgl § 49 JN Rz 6). Die Sonderregeln des § 460 ZPO sind aber nur auf jene nicht rein vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis anzuwenden, die ein ähnliches Ziel wie die Ehesachen iS des § 49 Abs 2 Z 2a JN haben oder deren Anwendung der Zielsetzung der einzelnen Bestimmungen entspricht. Beispiele sind die Klage auf Unterlassung bzw Schadenersatz aufgrund des Wohnungserhaltungsanspruchs nach § 97 ABGB sowie die Ergänzungsklage, die – als Alternative zur Berufung aus dem Grund des § 496 Abs 1 Z 1 ZPO (unvollständige Erledigung der Sachanträge) – der ausnahmsweisen Nachholung eines Verschuldens- oder Mitverschuldensausspruchs im Rahmen einer Urteilsergänzung nach erfolgter Eheauflösung dient, wenn das Scheidungsurteil im Vorprozess unvollständig geblieben ist (§ 423 ZPO; vgl allerdings 5 Ob 515/94 = JBl 1995, 260 [Unschlüssigkeit der Ergänzungsklage eines Ehegatten, der das Scheidungsbegehren ausschließlich auf § 55 Abs 3 EheG gestützt hatte, ohne dass der andere Ehegatte den Antrag stellte, im Urteil das Verschulden des Klägers an der Ehezerrüttung gem § 61 Abs 3 EheG festzustellen]; zur Gerichtszuständigkeit für das Ergänzungsverfahren vgl Bydlinski/Fasching § 423 ZPO Rz 11; zur Abgrenzung von der Wiederaufnahmsklage vgl auch § 59 EheG Rz 4). 905
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Die Z 4, 6a, 7, 8a, 10 und 11 des § 460 ZPO sind auf die nicht rein vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis aber nicht anzuwenden, weil sie nur für ganz bestimmte, in diesen Regelungen ausdrücklich angeführte Eheklagen gelten. Zur Unanwendbarkeit der Z 5 und 6 des § 460 ZPO in Verfahren über solche eherechtlichen Ansprüche vgl Rz 24 und 28. 3 Zwischen dem Scheidungs- und Aufhebungsverfahren (vgl zu den Scheidungsgründen §§ 49 bis 55 EheG und zu den Eheaufhebungsgründen §§ 35 bis 39 EheG) auf der einen Seite und dem Verfahren auf Nichtigerklärung der Ehe (zu den Nichtigkeitsgründen vgl §§ 20 bis 25 EheG) und auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Ehegatten auf der anderen Seite bestehen zwei grundlegende Unterschiede. Die erstgenannten Prozesse werden vom Verhandlungsgrundsatz und somit von der vorrangigen Verantwortung der Parteien für die Sammlung des Prozessstoffes sowie vom Neuerungsverbot im Berufungsverfahren zufolge § 483a Abs 2 ZPO geprägt, während in den zweitgenannten Verfahren der Untersuchungsgrundsatz (§ 460 Z 4 ZPO), also die Verpflichtung des Gerichts zur Ermittlung des für die Entscheidung erheblichen Sachverhalts von Amts wegen, und die Neuerungserlaubnis im zweitinstanzlichen Verfahrensabschnitt gelten.
B. Persönliche Mitwirkung der Parteien (§ 460 Z 1 ZPO) 1. Zweck
4 § 460 Z 1 ZPO verlangt die persönliche Mitwirkung der Ehegatten an der Verhandlung in Ehesachen und ermöglicht es dem Gericht, ihre Teilnahme an einer Verhandlung erforderlichenfalls auch gegen ihren Willen mit Zwangsmitteln iS des § 87 GOG (also durch die Androhung und Verhängung einer Ordnungsstrafe [Höchstbetrag gem § 220 Abs 1 ZPO: 2.000 Euro], deren Verdopplung und die zwangsweise Vorführung) durchzusetzen. Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin sicherzustellen, dass das häufig einzige oder jedenfalls entscheidende Beweismittel in Eheverfahren, nämlich die Parteienvernehmung, soweit sie im Einzelfall zur Klärung des Sachverhalts erforderlich ist, in aller Regel auch durchgeführt wird (LGZ Wien EF 82.273, 115.112, 121.164 uva). Die Angaben der Ehegatten und der von ihnen im Verfahren vermittelte Eindruck bilden in diesen Prozessen regelmäßig die wichtigste Grundlage für die Tatsachenfeststellungen des Gerichts und damit für den Verfahrensausgang. Daher sind die Ehegatten auch grundsätzlich verpflichtet, am Eheverfahren persönlich mitzuwirken. Die Durchsetzbarkeit dieser Pflicht mit Zwangsmitteln soll ein Verfahren sicherstellen, das den Besonderheiten eines Eheprozesses gerecht wird und die Positionen beider Ehegatten bei der Urteilsfällung angemessen berücksichtigt. 906
Verfahrensbestimmungen – Streitsachen
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2. Zumindest zwei Ladungen
Aus § 460 Z 1 ZPO ist abzuleiten, dass in Ehesachen wegen ihrer besonderen 5 Bedeutung für die Lebensverhältnisse der Ehegatten ein einseitiges Verfahren tunlichst vermieden werden soll, sodass eine bloß einmalig erfolglose Ladung eines Ehegatten zur mündlichen Streitverhandlung im Regelfall nicht ausreicht (LG Salzburg EF 124.940; LGZ Wien EF 109.044, 112.198, 115.113, 121.166 uva) und das Gericht erst nach wiederholtem Fernbleiben des betroffenen Ehegatten von Verhandlungen § 381 ZPO über die Würdigung seines Verhaltens im Prozess anwenden darf (LGZ Wien EF 85.314, 121.170). Eine einzige formelle Ladung entspricht nämlich nicht der gesetzlichen Vorgabe, dass das Gericht auf die Mitwirkung der Parteien am Verfahren zu „dringen“ hat (LGZ Wien EF 67.040). Die in § 460 Z 1 ZPO letzter Satz vorgesehene Durchsetzung der Teilnahme der Parteien am Prozess bedeutet vielmehr, dass das Gericht den seiner geplanten Einvernahme in der Verhandlung einmal ferngebliebenen Ehegatten gem § 87 GOG unter Androhung einer Ordnungsstrafe neuerlich laden muss. Kommt dieser Ehegatte auch zur folgenden Verhandlung nicht, ist die angedrohte Ordnungsstrafe zu verhängen. Bleibt er dann von einem weiteren Verhandlungstermin aus, kann die Ordnungsstrafe innerhalb des gesetzlichen Rahmens (§ 220 ZPO) verdoppelt und in dringenden Fällen die zwangsweise Vorführung angeordnet werden. § 380 Abs 3 ZPO über die „Unstatthaftigkeit“ der Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen eine Partei, die zu Beweisführungszwecken im Prozess befragt werden soll, ist in Ehesachen infolge der spezielleren Bestimmung des § 460 Z 1 ZPO daher nicht anzuwenden (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 34 mwN). Das Gericht muss dem einmal unentschuldigt ferngebliebenen Beklagten somit jedenfalls die Möglichkeit einräumen, an einer weiteren Tagsatzung teilzunehmen und seine Aussage abzulegen. Wird nach seinem einmaligen Ausbleiben von seiner Befragung hingegen lediglich der Kläger als Partei vernommen und dann schon die Verhandlung geschlossen, ist das Verfahren mangelhaft, weil ohne Einvernahme des Beklagten nicht von Vornherein ausgeschlossen werden kann, dass sich bei seiner persönlichen Beteiligung am Verfahren aufgrund seines Vorbringens und seiner Aussage neue entscheidungswesentliche Tatsachen ergeben, die zu einem anderen Prozessergebnis führen (OLG Wien EF 55.057; LGZ Wien EF 85.317). Gleiches gilt, wenn das Gericht nur den Kläger befragt, die vom Beklagten am Verhandlungstag telefonisch abgegebene Entschuldigung für sein Fernbleiben von dieser Verhandlung iVm dem Vorbringen des Klägers als ungenügend ansieht und daraus schon ableitet, dass sich der Beklagte am Prozess nicht beteiligen will (LGZ Wien EF 72.994). Die Anwendung des § 87 GOG bewirkt aber immer nur die Erzwingung der Teilnahme eines Ehegatten an der Verhandlung. Verweigert er dann die Aussage, kann dieses Verhalten stets nur nach § 381 ZPO gewürdigt werden. Zum Erfordernis einer ordnungsgemäßen Ladung s Rz 13. 907
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6 Eine weitere zwingende Voraussetzung für eine Würdigung des Ausbleibens eines Ehegatten nach § 381 ZPO ist eine Rechtsbelehrung des Gerichts über die beabsichtigte Vorgangsweise bei Fortdauern der Säumigkeit. Angesichts der schwerwiegenden prozessualen Konsequenzen eines weiteren Ausbleibens des betroffenen Ehegatten von der Verhandlung und insb von seiner Parteienvernehmung genügt dabei ein allgemeiner Hinweis auf nicht näher konkretisierte „Säumnisfolgen“ bei einem weiteren unentschuldigten Fernbleiben nicht (OLG Wien EF 30.101, 36.822); eine solche Ankündigung von „Säumnisfolgen“ schlechthin kann die Androhung einer Ordnungsstrafe nicht ersetzen. Die Rechtsbelehrung muss daher den Hinweis enthalten, dass die folgende Verhandlung zur Befragung des Ehegatten bestimmt ist und im Fall seines Fernbleibens ohne zusätzliche Erhebungen geschlossen werden wird und dass das Gericht bei der Urteilsfällung aus dem Verhalten dieses Ehegatten die Schlussfolgerung ableiten wird, dass er dem Prozessvorbringen des anderen Ehegatten und dessen Aussagen keine relevanten Einwände entgegensetzen kann und sich deshalb am Verfahren nicht persönlich beteiligt.
3. Absehen vom persönlichen Erscheinen der Partei
7 Gem § 460 Z 1 letzter Satz ZPO ist die persönliche Mitwirkung der Ehegatten „erforderlichenfalls“ nach § 87 GOG durchzusetzen. Daher hat das Gericht nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob es die Teilnahme eines zunächst säumigen Ehegatten an der Verhandlung mit Zwangsmaßnahmen erwirkt oder nach seinem wiederholten Fernbleiben von seiner Vernehmung Abstand nimmt und sein Verhalten iS des § 381 ZPO dahingehend würdigt, dass er den gegnerischen Behauptungen nichts entgegensetzen kann (LG Salzburg EF 109.046, 124.941; LGZ Wien EF 102.064, 105.893, 112.200, 115.116, 121.167 uva). Dabei darf das Gericht aber nicht bloß die Klagebehauptungen in Umgehung des Verbots von Versäumungsurteilen in Ehescheidungssachen seiner Entscheidung zugrunde legen (LG Salzburg EF 109.045, 124.943; LGZ Wien EF 88.142, 102.065, 112.199, 115.122 uva), sondern muss konkrete Feststellungen treffen, bevor es nach neuerlichem Fernbleiben des Ehegatten § 381 ZPO anwendet. Bei Betrachtung der Entwicklung der jüngeren Rsp zu dieser Thematik wird deutlich, dass die Mitwirkungspflicht der Ehegatten in Eheverfahren heute nur noch ausnahmsweise gerichtlich durchgesetzt werden muss, wenn auch die Frage, wann die zwangsweise Durchsetzung der persönlichen Teilnahme eines Ehegatten am Verfahren gem § 87 GOG notwendig ist, in der Rsp nach wie vor nicht einheitlich gelöst wird. Zahlreiche Entscheidungen leiten aus der Verwendung des Wortes „erforderlichenfalls“ zutr ab, dass es im Regelfall nicht zu den Aufgaben des Gerichts gehört, einen Ehegatten, der sich offenbar am Eheverfahren nicht beteiligen will, mit Ordnungsstrafen oder durch seine zwangsweise Vorführung 908
Verfahrensbestimmungen – Streitsachen
§ 460 ZPO
dazu zu zwingen (6 Ob 715/89 = ÖJZ 1990/110 [NRsp] = EF 72.995; 7 Ob 569/93 = EvBl 1994/46; LGZ Wien EF 72.995, 121.168 ua). Daher soll grundsätzlich nur in Ausnahmefällen mit Zwangsmitteln nach § 87 GOG vorgegangen werden. Bei einem solchen Verständnis bleiben § 460 Z 1 ZPO und damit eine Vorgangsweise nach § 87 GOG im Wesentlichen auf die in § 460 Z 4 ZPO genannten, vom Untersuchungsgrundsatz bestimmten Verfahren, also auf Ehenichtigerklärungsprozesse und Verfahren über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe, beschränkt (6 Ob 715/89 = ÖJZ 1990/110 (NRsp) = EF 72.995; 7 Ob 569/93 = EvBl 1994/46; aA [§ 460 Z 1 ZPO gilt schon infolge seines Wortlauts in gleicher Weise für alle Eheverfahren] Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 36 f). Im Gegensatz dazu besteht im Ehescheidungs- und Eheaufhebungsprozess 8 in jenen Fällen, in denen die Mitwirkung eines offensichtlich aussageunwilligen Ehegatten am Verfahren ausschließlich Zwecken der Beweisaufnahme dienen soll, generell kein Bedarf, seine Anwesenheit in der Verhandlung zwangsweise durchzusetzen (6 Ob 715/89 = EF 72.995). In diesen Verfahren hat das Gericht das Ausbleiben eines – allerdings jedenfalls zweimal (Rz 5) – zu seiner Vernehmung geladenen Ehegatten somit (wie im allgemeinen Zivilprozess) nach § 381 ZPO zu würdigen (6 Ob 715/89 = ÖJZ 1990/110 [NRsp] = EF 72.995; LGZ Wien EF 72.995, 82.274, 88.140, 121.168). Dieselbe Vorgangsweise ist auch für den Fall zu wählen, dass ein Ehegatte zu erheblichen Streitpunkten im Prozess bereits befragt wurde und er sich einer weiteren Vernehmung beharrlich entzieht. Auch in diesem Fall wird die Anwendung von Zwangsmitteln zur Erlangung einer zweiten Aussage, von der keine besonders wichtigen neuen Erkenntnisse für die Sachverhaltsfeststellung zu erwarten sind, nicht gerechtfertigt werden können (7 Ob 752/79 = EF 34.534). Diese Rsp ist die konsequente Folge aus dem Wegfall des Untersuchungsgrundsatzes durch die ZVN 1983 (7 Ob 569/93 = EvBl 1994/46 = EF 72.996). Seither haben die Ehegatten in derartigen Verfahren die zur Durchsetzung ihres Prozessstandpunkts erforderlichen Beweise anzubieten und zu erbringen; sind sie in diesem Bereich säumig, muss die Anwendung der Beweislastregeln unweigerlich zum Prozessverlust jenes Ehegatten führen, der nicht einmal bereit ist, dem Gericht seine Darstellung des Eheverlaufs und allfälliger Eheverfehlungen des anderen Ehegatten im Rahmen seiner Vernehmung anzubieten. § 460 Z 1 ZPO soll dem Ehegatten, der gerichtlichen Ladungen zu seiner Vernehmung keine Folge leistet, in solchen Prozessen auch nicht zur Geltendmachung eines Verfahrensmangels verhelfen (OLG Wien EF 49.350; LGZ Wien EF 98.311, 105.896, 115.114, 121.171), sonst hätte er es trotz geltender Dispositionsmaxime im Scheidungs- und Aufhebungsverfahren (vgl Rz 42) in der Hand, einen Verfahrensmangel geltend zu machen und dadurch oder durch andere Aktionen (wie das Provozieren mehrmaliger vergeblicher Versuche, seine Mitwirkung am Prozess zu erreichen) das Scheidungsverfahren ungebührlich 909
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zu verzögern (7 Ob 569/93 = EvBl 1994/46 = EF 72.996). Die Anwendung von Zwangsmitteln soll aber nicht dem Säumigen, sondern jener Partei nützen, die ihre Behauptung nur mit Hilfe der Aussage des dazu unwilligen Gegners beweisen kann (Schalich, RZ 1985, 29). Die Möglichkeit, die Mitwirkung eines Ehegatten am Prozess iS des § 460 Z 1 ZPO durchzusetzen, dient somit der Beweisbarkeit von Behauptungen, für deren Feststellung die Angaben des ferngebliebenen, offenbar aussageunwilligen Ehegatten von Bedeutung sind (LGZ Wien EF 115.115). 9 Im Scheidungs- und Aufhebungsverfahren muss das Gericht demnach mit Zwangsmitteln grundsätzlich nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen und insb dann vorgehen, wenn es die persönliche Teilnahme eines Ehegatten an der Verhandlung zur Klärung von Amts wegen zu ermittelnder Umstände (wie etwa seiner Prozessfähigkeit oder anderer Prozessvoraussetzungen sowie Statusfragen iZm kollisionsrechtlicher Anknüpfung) und zur Vermeidung einer Nichtigkeit des Verfahrens als erforderlich ansieht (6 Ob 715/ 89 = ÖJZ 1990/110 [NRsp] = EF 72.995; 7 Ob 569/93 = EvBl 1994/46 = EF 72.996; LG Salzburg EF 109.047; LGZ Wien EF 105.897) oder wenn die Mitwirkung etwa an der Befundaufnahme durch einen Sachverständigen bei psychischer Krankheit eines Ehegatten und dem Erfordernis, seine Verantwortlichkeit für allfällige Eheverfehlungen zu klären, notwendig ist (LGZ Wien EF 76.091; vgl auch Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 40). In sonstigen Konstellationen kann die Verhandlung im Allgemeinen nach zwei erfolglosen Ladungen eines Ehegatten geschlossen werden. Die Rechtsansicht, die Unterlassung der Anwendung von Zwangsmitteln und das Absehen von der Vernehmung einer Partei sei auch im Scheidungs- und Aufhebungsverfahren nur zulässig, wenn wichtige Gründe der persönlichen Beteiligung einer Partei am Verfahren entgegenstehen (OLG Wien EF 55.056; LGZ Wien EF 76.089, 82.273, 88.143, 121.169 ua), ist mit den prozessualen Richtlinien jedenfalls seit Beseitigung des Untersuchungsgrundsatzes in diesen Prozessen nicht mehr vereinbar und daher abzulehnen. Ist die persönliche Mitwirkung einer Partei am Verfahren zur hinreichenden Klärung des Sachverhalts nicht erforderlich, kann das Fernbleiben einer Partei nach § 381 ZPO dahingehend gewürdigt werden, dass sie den Behauptungen der Gegenseite keine Einwendungen entgegenzusetzen hat. Zur selben Konsequenz kommt es in jenen Fällen, in denen die Bemühungen des Gerichts, die Partei zum Erscheinen bei Gericht zu zwingen, trotz Ausschöpfung der gem § 87 GOG verfügbaren Mittel erfolglos geblieben sind. 10 Zur Anwendung des § 460 Z 1 ZPO im Verfahren über die Nichtigerklärung der Ehe s Rz 7. In einem derartigen Rechtsstreit soll das Gericht demnach die persönliche Mitwirkung beider Ehegatten und ihre Einvernahmen im Regelfall sicherstellen, um die erhebliche Tatsachengrundlage feststellen zu können. Obwohl idZ der Untersuchungsgrundsatz gilt, ist die persönliche Teilnahme 910
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einer Partei gem § 460 Z 1 ZPO auch in diesem Verfahren nach der Rsp nur bei Wichtigkeit für die von Amts wegen durchzuführende Sachverhaltsklärung durchzusetzen (9 Ob 1502/96; 8 Ob 81/97p). Die Unterlassung der Ladung einer Partei oder der Anwendung von Zwangsmitteln iS des § 87 GOG begründet daher auch in diesen Prozessen nur unter der Voraussetzung der dadurch bewirkten abstrakten Eignung, die Unrichtigkeit der Entscheidung herbeizuführen, einen erheblichen Verfahrensmangel (Rz 12). Davon wird allerdings im Fall von Ehenichtigerklärungsverfahren regelmäßig auszugehen sein. Für die Beantwortung der Frage, wann ein wichtiger Grund vorliegt, der 11 gegen eine persönliche Teilnahme eines Ehegatten an einer Verhandlung bei Gericht spricht und daher ein Absehen von seinem Erscheinen iS des § 460 Z 1 ZPO rechtfertigt, bilden die in § 375 Abs 2 letzter Satz ZPO für die Zulässigkeit einer Parteienvernehmung durch einen ersuchten Richter aufgestellten Voraussetzungen (unübersteigliche Hindernisse oder unverhältnismäßige Kosten) zumindest gewisse Anhaltspunkte (vgl Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 24). Auch in Eheverfahren kommen nämlich nur sehr wenige Gründe für die Befreiung eines Ehegatten von der Pflicht zur persönlichen Teilnahme an einer Verhandlung bei Gericht in Betracht. Dazu zählen eine sehr weite und umständliche Anreise zum Gericht (OLG Wien EF 3319, 8699), wobei allerdings angesichts der heutigen Verkehrsmöglichkeiten ein strenger Maßstab anzulegen sein wird. Haftaufenthalte stellen grundsätzlich keinen Hinderungsgrund dar; auch die Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe wegen eines gegen den anderen Ehegatten gesetzten Delikts (etwa einer gefährlichen Drohung) ist nicht grundsätzlich ein wichtiger Grund idS (aA OLG Wien EF 2588). Wenn auch das Zusammentreffen mit einem gewalttätigen oder drohenden Ehegatten eine beträchtliche Belastung darstellt, kommt dennoch dem Gedanken, dass ein Eheverfahren grundsätzlich nicht nur die Prozessstandpunkte beider Ehegatten, sondern vor allem auch die von ihnen auf das Gericht vermittelten persönlichen Eindrücke berücksichtigen muss, eine übergeordnete Bedeutung zu. Eine krankheitsbedingte Verhinderung eines Ehegatten kommt prinzipiell als wichtiger Grund für ein Absehen von seiner persönlichen Teilnahme an der Verhandlung bei Gericht in Betracht, der Gesundheitszustand muss aber so stark beeinträchtigt sein, dass der Ehegatte die Wohnung bzw das Haus nicht verlassen kann. Eine ärztliche Bestätigung als Nachweis für eine gravierende Erkrankung wird idZ als Grund für das einmalige Fernbleiben genügen, nicht aber zwingend das Unterbleiben der persönlichen Mitwirkung des Ehegatten am gesamten Prozess bescheinigen können. Vereinzelt erhobene Forderungen nach amtsärztlichen Untersuchungen sind wenig realitätsnah und überschießend.
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Wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der gegen die persönliche Teilnahme eines Ehegatten an der Verhandlung spricht, bedeutet das auch nur, dass sein persönliches Erscheinen bei Gericht nicht mit den in § 87 GOG genannten Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann, nicht aber, dass deshalb von der Parteienvernehmung überhaupt Abstand zu nehmen ist (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 28). In einem solchen Fall muss das Gericht vielmehr – und allenfalls auch im Rechtshilfeweg – versuchen, den Ehegatten an dem Ort, an dem er sich befindet, als Partei einzuvernehmen. Dies kann etwa auch dazu führen, dass ein Ehegatte in seiner Wohnung oder in einem Krankenhaus vom erkennenden bzw von einem ersuchten Richter zu befragen ist, sofern er überhaupt vernehmungsfähig ist.
4. Verfahrensmangel
12 Ob das Gericht wegen des Ausbleibens eines Ehegatten berechtigt war, von seiner Vernehmung Abstand zu nehmen und sein Verhalten gem § 381 ZPO zu würdigen, ist eine Verfahrensfrage; die Unterlassung der Anwendung von Zwangsmitteln zur Durchsetzung des persönlichen Erscheinens eines Ehegatten stellt keine Nichtigkeit dar, sondern führt allenfalls zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Ein wesentlicher Verfahrensmangel infolge unrichtiger Anwendung des § 381 ZPO liegt aber nur dann vor, wenn die Vernehmung beider Ehegatten zur Klarstellung aller entscheidungserheblichen Umstände notwendig ist (LG Salzburg EF 109.047, 124.944; LGZ Wien EF 76.089, 85.316, 94.547, 115.120, 118.143 uva), wenn also die Unterlassung der Anwendung von Zwangsmitteln iS des § 87 GOG abstrakt geeignet ist, die Unrichtigkeit der Entscheidung herbeizuführen (8 Ob 81/97p). Den Rechtsmittelwerber trifft dabei im Hinblick auf die Entscheidungsrelevanz des Verfahrensverstoßes eine Behauptungspflicht. Von ihm muss verlangt werden, dass er seine Rüge durch die Darlegung der Erheblichkeit des Unterbleibens seiner Parteienvernehmung entsprechend konkretisiert. Wenn er nicht einmal behauptet, dass er den Ladungen zur Parteienvernehmung nicht Folge leisten konnte, und kein Vorbringen zur Frage erstattet, inwieweit er dem Prozess im Fall der Erzwingung seiner Teilnahme an einer Verhandlung durch seine Aussage eine für ihn günstigere Wendung hätte geben können, zeigt er nicht die Bedeutung seines persönlichen Erscheinens bei Gericht und somit keinen erheblichen Verfahrensmangel auf. Geht das Gericht unzutreffend davon aus, dass ein wichtiger Grund, der gegen die persönliche Mitwirkung eines Ehegatten an einer Verhandlung beim erkennenden Gericht spricht, vorliegt und ordnet es aus diesem Verständnis dessen Einvernahme im Rechtshilfeweg an, verstößt diese Vorgangsweise gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz und stellt somit eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 31). Der Verfahrensman912
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gel ist allerdings nicht gem § 196 ZPO rügepflichtig; die Parteien können ja über die Pflicht zum persönlichen Erscheinen bzw die Form der Beweisaufnahme nicht disponieren. Wenn hingegen das Gericht nicht vom Vorliegen eines wichtigen Grundes ausgeht und daher die persönliche Teilnahme eines zunächst säumigen Ehegatten mit den Zwangsmitteln des § 87 GOG durchsetzt, bildet diese Vorgangsweise keinen Verfahrensmangel, weil sie ja nicht abstrakt dazu geeignet ist, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 32). Wenn die Anordnung der Beweisaufnahme fehlerfrei war, ist die gebotene 13 Würdigung aller Umstände reine Beweisfrage (6 Ob 715/89 = ÖJZ 1990/110 [NRsp] = EF 72.995; LGZ Wien EF 82.274, 88.140, 90.995; vgl auch 7 Ob 569/93 = EvBl 1994/46 = EF 72.996) und daher nicht revisibel (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 46). Eine Ladung entspricht allerdings nur dann den gesetzlichen Vorgaben, wenn sie dem betroffenen Ehegatten realistische Möglichkeiten eröffnet, ihr auch Folge zu leisten (LGZ Wien EF 85.315). Die Ladung zur Parteienvernehmung muss daher rechtzeitig und ordnungsgemäß erfolgt sein. Ist der Beklagte ein in den USA berufstätiger Arzt und wurde ihm die Ladung für eine Verhandlung eine Woche vor dem Termin durch Hinterlegung zu Handen seines in Österreich bestellten Zustellungsbevollmächtigten zugestellt, kann unter den konkreten Umständen nicht davon ausgegangen werden, dass es ihm bei vorhandenen beruflichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung seiner privaten Sphäre und der notwendigen Reiseorganisation möglich war, der Ladung innerhalb dieser Frist nachzukommen (LGZ Wien EF 85.315). Das Unterbleiben einer weiteren Ladung stellt in einem solchen Fall einen Verfahrensmangel dar. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht aus der Mitteilung des Klägers weiß, dass sich der Beklagte berufsbedingt nicht an seinem Wohnort befindet, er nicht über allfällige Folgen des Ausbleibens von der Verhandlung belehrt wurde und er nicht neuerlich geladen wird (LGZ Wien EF 67.041), oder wenn der Beklagte nicht wegen Aussageunwilligkeit der Verhandlung fernblieb, sondern es ihm aufgrund seines aktenkundigen Aufenthalts in einer ausländischen Haftanstalt nicht möglich war, zur Verhandlung anzureisen oder nach Österreich zur Verhandlung überstellt zu werden (LGZ Wien EF 112.197). Die Erklärung des Rechtsvertreters des beklagten Ehegatten, er werde dessen Kommen zur nächsten Verhandlung ohne weitere Ladung veranlassen, kann eine Ladung zur Parteienvernehmung nicht ersetzen (2 Ob 532/80 = EF 36.723).
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C. Stelligmachen zur vorbereitenden Tagsatzung (§ 460 Z 2 ZPO) 14 Die Darstellung der Ehegatten im Prozess steht im Mittelpunkt eines Eheverfahrens und ist für seinen Ausgang idR von entscheidender Bedeutung. Überdies weist das Gesetz dem Gericht im Scheidungsverfahren die Aufgabe zu, in jeder Lage des Verfahrens auf eine Versöhnung (§ 460 Z 7 ZPO) oder zumindest auf eine einvernehmliche Lösung der familienrechtlichen Problematik hinzuwirken; derartige Bemühungen können angesichts der bedeutenden und unmittelbaren Auswirkungen solcher Regelungen auf die Lebensgestaltung der Ehegatten und in Anbetracht der erforderlichen Akzeptanz der Vereinbarungen durch die Ehegatten nur in deren persönlicher Anwesenheit – und im Allgemeinen nicht allein mit den Parteienvertretern – aussichtsreich besprochen und erarbeitet werden. Folgerichtig verlangt § 460 Z 2 ZPO von den Ehegatten, an der vorbereitenden Tagsatzung selbst mitzuwirken. Eine Vertretung durch eine informierte Person kommt in Eheverfahren nicht in Betracht, wobei idZ schon der Ausdruck „informierte Person“ die Untauglichkeit der diesbezüglichen Regelung aus dem allgemeinen Zivilprozess für Eheverfahren zeigt; gem § 258 Abs 2 ZPO ist eine informierte Person zur vorbereitenden Tagsatzung stellig zu machen, soweit die Partei zur Sachverhaltsklärung nicht beitragen kann, was in Eheverfahren von Vornherein nicht vorstellbar ist. Bleibt ein beklagter Ehegatte der vorbereitenden Tagsatzung fern und kommt nur sein Rechtsanwalt zu diesem Termin, hat das Gericht nach § 460 Z 1 ZPO vorzugehen. Zu den Rechtsfolgen, wenn weder der Kläger noch sein Rechtsvertreter an dieser Verhandlung mitwirkt, s Rz 24 ff.
D. Nichtöffentlichkeit des Eheverfahrens (§ 460 Z 3 ZPO) 15 In Eheverfahren ist die (Volks-)Öffentlichkeit schon deshalb kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil hier regelmäßig Tatsachen des Privat- und Familienlebens erörtert werden. Die Verhandlung in Ehesachen ist daher gem § 460 Z 3 ZPO nicht öffentlich. Bei den sonstigen nicht rein vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, die nicht unmittelbar die eherechtliche Beziehung zwischen den Parteien betreffen, muss das Bedürfnis nach Ausschluss der Öffentlichkeit nicht im gleichen Umfang verwirklicht sein. Die Öffentlichkeit dieser Verfahren hängt somit vom Verfahrensgegenstand ab, ohne dass die Öffentlichkeit bereits gesetzlich ausgeschlossen ist (vgl auch EGMR vom 3.10.2000, Beschw.Nr. 29.477/95 [Eisenstecken gegen Österreich] = ÖJZ 2001/7). Sind in solchen Verfahren Tatsachen des Familienlebens zu erörtern, ist die Öffentlichkeit auf Antrag gem § 172 Abs 2 ZPO auszuschließen. Ein solcher Aus914
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schluss der Öffentlichkeit für sämtliche oder auch nur einzelne Verhandlungen kann auch dann vorgenommen werden, wenn die im Rahmen des Verfahrens zu erörternden Tatsachen das Familienleben einer dritten Person betreffen (Fucik/Rechberger § 172 ZPO Rz 2); § 172 Abs 2 ZPO schränkt die Möglichkeit des Gerichts, die Öffentlichkeit auf Antrag einer Partei auszuschließen, nicht auf Beweisaufnahmen ein, die das Familienleben der Parteien zum Gegenstand haben. Im Ehescheidungsprozess können die Ehegatten verlangen, dass außer ihren 16 Bevollmächtigten noch jeweils eine Vertrauensperson bei der Verhandlung anwesend sein darf (Fucik/Rechberger § 460 ZPO Rz 9; aA [drei Vertrauenspersonen pro Partei zulässig] Fasching ZPR Rz 2340; Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 51). Diese Rechtsmeinung kann auf eine Analogie zu § 55 Abs 1 EO (eine Vertrauensperson pro Partei bei der Einvernahme) und § 19 Abs 5 AußStrG (bei Ausschluss der Öffentlichkeit durch das Gericht ist die Beiziehung einer Vertrauensperson pro Partei gestattet) gestützt werden. § 174 Abs 1 ZPO über die Zulässigkeit von drei Vertrauenspersonen pro Partei bei Ausschluss der Öffentlichkeit mit Gerichtsentscheidung im allgemeinen Zivilprozess ist in den nichtöffentlichen Eheverfahren nicht anwendbar, weil diese Bestimmung ausdrücklich an jene Fälle anknüpft, in denen der Prozess grundsätzlich öffentlich (§ 171 Abs 1 ZPO) ist, die Öffentlichkeit aber gem § 172 ZPO durch das Gericht im Einzelfall ausnahmsweise ausgeschlossen wird. Das LGZ Wien vertrat zu EF 82.210 (Fucik/Rechberger1 § 174 ZPO Rz 1 folgend) und zu EF 108.954 die Ansicht, dass in Eheverfahren überhaupt keine Vertrauenspersonen der Verhandlung beiwohnen dürfen; § 174 Abs 1 ZPO gelte nur für jene Fälle, in denen die Öffentlichkeit durch richterlichen Beschluss ausgeschlossen wird, und erlaube in von Vornherein nichtöffentlichen Prozessen keine Vertrauensperson. Dieser Umkehrschluss aus dem Gesetzeswortlaut ist aber nicht sachgerecht, weil es für die Zulässigkeit der Begleitung der Ehegatten durch Vertrauenspersonen und damit für die Parteiöffentlichkeit nicht darauf ankommt, ob die Volksöffentlichkeit durch Gesetz oder Gerichtsbeschluss ausgeschlossen ist; in beiden Fällen ist entscheidend, dass Tatsachen des Privatlebens in der Verhandlung erörtert werden und geheimgehalten werden sollen (zur Verletzung der Geheimhaltungspflicht s § 301 Abs 1 StGB). Dazu kommt noch, dass gerade Eheverfahren von den Ehegatten häufig als emotional sehr belastend erlebt werden, sodass in solchen Prozessen ihr Bedürfnis nach Beistand durch Vertrauenspersonen größer ist als in sonstigen Verfahren, in denen das Verlangen nach Vertrauten in der Verhandlung weniger stark ausgeprägt sein wird. Die Zulassung keiner Vertrauensperson in Eheverfahren ist somit zu weitgehend. Dass im allgemeinen Zivilprozess bei ausnahmsweisem Ausschluss der Öffentlichkeit drei Vertrauenspersonen pro Partei an der Verhandlung teilnehmen dürfen, während in Eheverfahren nur 915
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eine Vertrauensperson pro Partei – neben ihrem Rechtsvertreter – Zutritt zur Verhandlung hat, steht aber wiederum mit dem gesetzgeberischen Gesamtkonzept, das in Ehesachen von Vornherein gar keine Öffentlichkeit der Verhandlung vorsieht, durchaus im Einklang. 17 Eine Vertrauensperson muss keine besonderen Eigenschaften und kein Naheverhältnis zum Ehegatten, der sie beizieht, bescheinigen. Stört sie durch Äußerungen oder Verhaltensweisen den Verhandlungsablauf, sind – wie auch sonst in solchen Fällen – vom Gericht die Mittel der Sitzungspolizei (§ 197 ff ZPO) anzuwenden. Wird den Ehegatten die Zuziehung einer Vertrauensperson verweigert, wird dadurch die Parteiöffentlichkeit verletzt. Der Verstoß zieht aber keine Sanktionen nach sich, weil das Fehlen von Vertrauenspersonen weder das rechtliche Gehör der Ehegatten verletzt noch geeignet ist, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 54).
E. Verhandlungsgrundsatz – Untersuchungsgrundsatz (§ 460 Z 4 ZPO) 1. Verhandlungsmaxime im Scheidungs- und Aufhebungsverfahren
18 Im Gegensatz zu Ehenichtigerklärungs- und Feststellungsprozessen gilt im Ehescheidungsverfahren und im Verfahren auf Aufhebung der Ehe der Verhandlungsgrundsatz (4 Ob 611/88; 9 Ob 269/99w mwN; Fasching/Fasching Einl II/1 Rz 16; aM [im Scheidungs- und Aufhebungsverfahren gilt der abgeschwächte Untersuchungsgrundsatz] LGZ Wien EF 109.049). Die Untersuchungsmaxime – also die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts – wurde durch das PersEheKindÄG (BGBl 1983/566) beseitigt. In Ehescheidungs- und Eheaufhebungsverfahren sind daher jene Bestimmungen anzuwenden, welche auch die Stoffsammlung im allgemeinen Zivilprozess regeln und die Verantwortung für deren Vollständigkeit den Parteien zuweisen. Der Kläger bestimmt mit seiner Klage den Gegenstand des Prozesses und des Urteils. Die Ehegatten treffen die gleichen Behauptungs- und Beweisführungslasten wie im allgemeinen Zivilprozess; sie legen durch ihr Vorbringen und ihre Sachanträge den Prozessstoff und die Entscheidungsgrundlage fest, müssen die zum Nachweis ihrer Tatsachenbehauptungen benötigten Beweismittel anbieten und können das Verfahren ruhen lassen oder durch die Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels beenden. Der Sachverhalt ist nicht von Amts wegen aufzuklären (4 Ob 611/88 = EF 57.777; 9 Ob 269/99w = EF 90.994). Das Gericht darf seiner Entscheidung nur jene rechtlich bedeut916
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samen Tatsachen zugrundelegen, die von den Ehegatten vorgebracht werden (4 Ob 611/88 = EF 57.777; LG Salzburg EF 124.946; LGZ Wien EF 115.132, 121.174). Ohne entsprechendes Prozessvorbringen hat das Gericht daher auch nicht von Amts wegen zu prüfen, ob einem Ehegatten ein nicht geltend gemachter Scheidungsgrund anzulasten ist (7 Ob 608/77 = EF 30.096; 6 Ob 632/87 = EF 54.453) oder ob eine schwere Eheverfehlung in der Folge iS des § 56 EheG verziehen worden ist (8 Ob 157/68 = EF 10.3377 Ob 519/90 = EF 63.429; vgl aber 6 Ob 162/08d mwN = iFamZ 2009/45 [Deixler-Hübner], wonach auf eine Verzeihung ausnahmsweise von Amts wegen Bedacht genommen werden kann, wenn sich aufgrund des in Erscheinung getretenen Verhaltens des betreffenden Ehegatten Anhaltspunkte dafür ergeben; vgl § 56 EheG Rz 3]; iglS 7 Ob 608/88 = EF 57.195; 7 Ob 658/88). Zu den Fristen für die Geltendmachung von Scheidungsgründen wegen Verschuldens iS des § 49 EheG s § 57 EheG.
2. Untersuchungsgrundsatz im Ehenichtigerklärungs- und Feststellungsverfahren
Nur im Verfahren über die Ehenichtigerklärung und die Feststellung des Beste- 19 hens oder Nichtbestehens einer Ehe besteht der Untersuchungsgrundsatz (6 Ob 659/86 = EF 52.200; 7 Ob 519/90 = EF 63.429; 6 Ob 144/06d = EF 115.121). Dadurch ist zumindest in einem gewissen Umfang ein amtswegiges Vorgehen des Gerichts in solchen Eheverfahren gesetzlich – als Folge des öffentlichen Interesses an einer sachlich richtigen, nicht an das Prozessvorbringen der Parteien und die von ihnen angebotenen Beweismittel gebundenen Entscheidung (Fasching/Fasching Einl II/1 Rz 22) – normiert. Das Gericht hat in diesen Prozessen gem § 460 Z 4 ZPO von Amts wegen – und somit unabhängig von den Tatsachenbehauptungen und Beweisanboten der Parteien – alle für die Entscheidung maßgeblichen und rechtlich erheblichen tatsächlichen Umstände aufzuklären und sämtliche dazu notwendigen Beweise – auch ohne Parteienantrag – aufzunehmen. Dabei kann es die in § 183 Abs 1 ZPO vorgesehenen gerichtlichen Befugnisse im Hinblick auf Zeugen und Urkunden auch dann ausüben, wenn sich beide Ehegatten dagegen aussprechen; der Ausschluss dieser Gestaltungsmöglichkeiten iS des § 182 Abs 2 ZPO gilt in diesen Prozessen nicht. Der Untersuchungsgrundsatz bedeutet idZ jedoch nicht, dass das Gericht von Amts wegen jedenfalls Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der persönlichen Teilnahme eines Ehegatten an der Verhandlung zu seiner Einvernahme anzuwenden hat. Die Heranziehung der Beweisregeln des § 381 ZPO ist auch im Ehenichtigkeitsprozess zulässig (LGZ Wien EF 112.204; vgl Rz 10). Der Untersuchungsgrundsatz geht in solchen Prozessen allerdings so weit, dass das Gericht nicht an die geltend gemachten Ehenichtigkeitsgründe gebunden ist (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 65; aM Fasching ZPR Rz 2351): 917
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Wird im Verlauf der Erhebungen ein anderer als der vom Kläger geltend gemachte Ehenichtigkeitsgrund erwiesen, ist der Nichtigerklärungsklage Folge zu geben, ohne dass es darauf ankommt, ob die Feststellungen, die zur Bejahung des anderen Ehenichtigkeitsgrunds führen, durch ein entsprechendes Prozessvorbringen gedeckt sind (Rechberger/Rechberger Vor § 266 ZPO Rz 7). 20 Geständnissen und Außerstreitstellungen kommt in Ehenichtigerklärungsund Feststellungsprozessen – anders als in Ehescheidungs- und Eheaufhebungsverfahren – keine bindende, vom Beweis befreiende Wirkung zu (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 60 mwN; Fucik/Rechberger § 460 ZPO Rz 6). Das Gericht hat von sich aus – ohne Bindung an die Tatsachenbehauptungen und Prozesserklärungen der Parteien – sowohl alle Umstände zu erheben, die für das Vorliegen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds sprechen, als auch die Tatsachen festzustellen, welche für die Gültigkeit der Ehe in Betracht kommen. Trotzdem besteht auch im Ehenichtigerklärungsprozess die Behauptungslast der Ehegatten, weil ohne konkrete Anhaltspunkte für das Gericht keine Verpflichtung besteht, von sich aus alle nur irgendwie denkbaren Erhebungen durchzuführen (LGZ Wien EF 109.048, 115.124, 118.144). Der Untersuchungsgrundsatz findet in vom Prinzip der amtswegigen Wahrheitsforschung beherrschten Verfahren dort seine Grenze, wo eine weitere Beweisaufnahme nicht möglich ist oder deren Durchführung zu einer nicht absehbaren Prozessverschleppung führen würde (2 Ob 514/84; 7 Ob 615/85; 1 Ob 111/04m mwN = EF 109.050 [Abweisung des Antrags auf Ausforschung und Ladung eines Zeugen, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist]). 21 Auch in vom Untersuchungsgrundsatz gekennzeichneten Verfahren ist daher nicht jedem Beweisantrag stattzugeben (4 Ob 238/05m = EF 112.202; OLG Wien EF 41.827). Zwar ist der Grundsatz, dass ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens keinen Revisionsgrund bildet, in Ehenichtigerklärungsverfahren nicht anzuwenden (4 Ob 238/05m = EF 112.292; 5 Ob 144/06x = EF 115.127; 7 Ob 294/06w). Das Gericht ist aber durch die Untersuchungsmaxime weder in seiner freien Beweiswürdigung beschränkt noch verpflichtet, unnötige bzw unerhebliche Beweise aufzunehmen (4 Ob 238/05m = EF 112.202; 5 Ob 144/06x = EF 115.127). Revisibel ist in einem Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz die Unterlassung von Beweisaufnahmen (nur) dann, wenn die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens zur amtswegigen Wahrheitsforschung verkannt wurden (5 Ob 144/06x = EF 115.127; 7 Ob 294/06w). Zu prüfen ist idZ, ob dieses Ermessen des Gerichts im Zuge der Beweisaufnahme voll ausgeschöpft wurde und alle Beweise aufgenommen wurden, von welchen eine weitere Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts erwartet werden konnte. Wenn der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren keine auf die Einvernahme der Trauzeugen gerichteten Beweisanträge gestellt und diese auch in der Berufung 918
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nicht releviert hat, das Erstgericht aufgrund der Aussagen der Ehegatten und der zahlreichen Zeugen in der Lage war, die Hintergründe der angefochtenen Eheschließung aufzuklären, und berücksichtigt wird, dass eine Scheinehe geradezu voraussetzt, dass die Brautleute gegenüber dritten Personen (insb ihren Trauzeugen) die wahren Motive ihres Handelns verschleiern, dann kann unter solchen Umständen im unterbliebenen Einbeziehen der Trauzeugen in das Beweisverfahren keine aufzugreifende Überschreitung des Ermessens bei der Beweisaufnahme erblickt werden (5 Ob 144/06x = EF 115.128). Auch in vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Ehenichtigerklärungsver- 22 fahren kann ein grob schuldhaft verspätet erstattetes Vorbringen für unstatthaft erklärt und ein in einer weit fortgeschrittenen Verfahrensphase gestellter Beweisantrag abgewiesen werden. Für die Anwendung der Beweispräklusion iS des § 179 zweiter Satz ZPO bleibt daher auch in diesen Prozessen Raum, wenn entweder offensichtlich ist, dass das Gericht auch bei früherem Bekanntwerden dieser Umstände vernünftigerweise keinen Anlass gefunden hätte, von Amts wegen tätig zu werden, oder wenn das in einem späten Verfahrensstadium erstattete Vorbringen nicht so zwingend ist, dass auch ohne nähere Begründung für die Verspätung des Vorbringens für amtswegige Beweisaufnahmen in dieser Richtung kein Anlass bestand (9 Ob 190/99b = JBl 2000, 397; 7 Ob 294/06w = EF 118.145; LGZ Wien EF 109.051, 112.205, 115.125 ua). Wenn in einem Ehenichtigerklärungsverfahren laut Protokollen mit den Beklagten erörtert wurde, ob weitere Beweisanträge gestellt bzw weitere Beweismittel beantragt werden, liegt die Unterlassung der Namhaftmachung weiterer Zeugen (etwa zum Beweis der Eheschließung zum Zweck der Begründung einer ehelichen Gemeinschaft iS des § 44 ABGB) ausschließlich in der Sphäre der Beklagten und kann nicht als Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens geltend gemacht werden (LGZ Wien EF 115.126). Ist das Gericht hingegen der Ansicht, ein Tatsachenvorbringen, das den Abschluss des Verfahrens absehbar erheblich verzögern wird, oder Beweisanträge mit der gleichen Auswirkung seien inhaltlich doch berechtigt, steht es ihm schon infolge des geltenden Untersuchungsgrundsatzes im Verfahren auf Ehenichtigerklärung oder Feststellung des (Nicht-)Bestehens der Ehe frei, die Beweisaufnahme durchzuführen (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 73). Diese weitgehende Entscheidungsbefugnis des Gerichts über den Umfang der Beweisaufnahmen macht deutlich, dass in Wahrheit die Unerheblichkeit eines weiteren Vorbringens bzw Beweisanbots und nicht dessen schuldhaft unterbliebene frühere Erstattung in Verschleppungsabsicht zur Zurückweisung von verspätetem Vorbringen und verspäteten Beweisanboten nach § 460 Z 4 zweiter Satz ZPO führt. Verstößt das Gericht gegen seine Pflicht, im Verfahren auf Nichtigerklärung der 23 Ehe und Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe von Amts wegen die entscheidenden Tatsachen aufzuklären, ist das Verfahren mangelhaft. 919
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Dieser Verfahrensmangel ist aber nicht iS des § 196 ZPO rügepflichtig, weil es sich dabei um einen die Stoffsammlung betreffenden Mangel handelt. Das Verfahren ist etwa dann idS mangelhaft, wenn ein Ehegatte nicht angeleitet wurde, zu den Behauptungen des anderen Stellung zu nehmen, seine Parteienvernehmung unterblieb und nicht einmal feststeht, ob er überhaupt eine Ladung zur Parteienvernehmung bekommen hat (3 Ob 607/82 = EF 41.828).
F. Zurücknahmefiktion (§ 460 Z 5 ZPO) 24 In Eheverfahren sind nur wenige Säumnisfolgen vorgesehen. Versäumungsurteile sind schon gem § 460 Z 9 ZPO unzulässig. § 460 Z 5 ZPO ist eine spezielle Rechtsfolge für den Fall der Säumnis des klagenden Ehegatten, die zur Prozessbeendigung führt. Kommt der Kläger ohne begründete Entschuldigung nicht zur ersten Verhandlung, obwohl ihm die Ladung nachweislich ordnungsgemäß zugestellt wurde, wird widerlegbar (Rz 26) vermutet, dass er infolge eines Sinneswandels die Auflösung der Ehe – entgegen seiner ursprünglichen Absicht, die noch in der Klage zum Ausdruck kam – nicht mehr anstrebt. Gem § 238 ZPO hat die fingierte Klagszurücknahme dieselben Wirkungen wie eine tatsächlich erfolgte Klagszurückziehung; der säumige Kläger muss dem beklagten Ehegatten daher die verursachten Kosten im Fall der rechtzeitigen Geltendmachung des darauf gerichteten Anspruchs ersetzen (§ 237 Abs 3 ZPO), ohne dass es darauf ankommt, ob der Kläger mit seiner Klage eine Eheauflösung hätte durchsetzen können. Die Klage ist aber nur auf Antrag des Beklagten, der zur Verhandlung gekommen ist, als ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen zu erklären; dem Beklagten steht es dadurch frei, auf einer Fortsetzung des Eheverfahrens zur Widerlegung der gegen ihn erhobenen Prozessbehauptungen und zum Erreichen einer Klagsabweisung zu bestehen. Strebt der Beklagte keinen unverzüglichen Verfahrensabschluss durch einen von ihm beantragten Beschluss, mit dem die Klage als zurückgenommen gilt, an, muss er in der Verhandlung ein Prozessvorbringen erstatten; sonst tritt gem § 170 ZPO Ruhen des Verfahrens ein. Zum Ruhenseintritt im Verfahren kommt es auch dann, wenn beide Ehegatten (und ihre allfälligen Rechtsvertreter) nicht zur vorbereitenden Tatsatzung kommen. Wird mit der Klage ein sonstiger, nicht rein vermögensrechtlicher Anspruch aus dem Eheverhältnis geltend gemacht, kann das Ziel des § 460 Z 5 ZPO, die Ehe iS des favor matrimoii weiterhin aufrecht zu erhalten, nicht durch eine Zurücknahmefiktion verwirklicht werden; auf solche Verfahren ist die Bestimmung daher nicht anzuwenden. 25 Die in § 460 Z 5 ZPO normierte Säumnisfolge ist auf das Ausbleiben des Klägers von der ersten zur mündlichen Streitverhandlung anberaumten Tagsat920
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zung beschränkt (5 Ob 526/91 = ÖJZ 1991/217 [NRsp] = EF 67.042; LGZ Wien EF 82.271, 88.147, 90.996, 115.131). Bei im Zeitpunkt des Verhandlungsbeginns unerledigten Vertagungsanträgen darf dem Antrag des Beklagten allerdings nicht stattgegeben werden (OLG Wien EF 52.206; Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 83; Fucik/Rechberger § 460 ZPO Rz 4). Die Versäumung einer späteren Tagsatzung hat hingegen keine Zurücknahmefiktion zur Folge. Es besteht kein Grund, den Kläger im Scheidungsverfahren ungünstiger zu stellen als im allgemeinen Zivilprozess, in welchem die Versäumung einer späteren Tagsatzung ja nur bedeutet, dass ein Urteil nach § 399 ZPO gefällt werden kann; damit ist idR kein erheblicher Nachteil für den Kläger verbunden, weil auf den Inhalt der Klage und sein Vorbringen Bedacht genommen werden muss (5 Ob 526/91 = EF 67.042). Die gesetzliche Vermutung, dass der Kläger deshalb nicht zur Verhandlung 26 gekommen ist, weil er eine Eheauflösung nicht mehr anstrebt, kann mit einer neuerlichen Scheidungsklage, sofern die materiellrechtliche Frist für die Geltendmachung der Scheidungs- und Aufhebungsgründe noch nicht verstrichen ist (§§ 40, 57 EheG), mit einem Wiedereinsetzungsantrag (§§ 146 ff ZPO) oder im Fall der nicht ordnungsgemäßen Ladung mit einem auf § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (Verletzung des rechtlichen Gehörs) gestützten Rekurs gegen den Beschluss, mit dem die Klage auf Antrag des Beklagten als zurückgenommen erklärt wird, widerlegt werden (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 78). Schon nach bisheriger Rsp war das Rekursverfahren zweiseitig, wenn sich das Rechtsmittel gegen einen Beschluss richtete, mit dem die Klage auf Antrag des Beklagten vom Gericht als ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen erklärt oder ein solcher Antrag abgewiesen wurde (5 Ob 526/91 = EvBl 1991/ 159 = EF 67.063); § 521a Abs 1 ZPO idF ZVN 2009 (BGBl I 2009/30) normiert nunmehr diese Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens ausdrücklich. § 460 Z 5 ZPO stellt lediglich auf die nicht durch einen Rechtsanwalt vertre- 27 tene Partei ab und ist bei Teilnahme des Vertreters an der ersten Verhandlung nicht anzuwenden (LGZ Wien EF 112.207). Auch ein Versäumungsurteil gem § 396 ZPO kann ja bei der ersten Tagsatzung nicht erlassen werden, wenn eine Partei vertreten ist. Für eine Schlechterstellung des Klägers im Scheidungsverfahren gegenüber sonstigen Zivilprozessen besteht auch hier kein Grund.
G. Personaldaten im Verhandlungsprotokoll (§ 460 Z 6 ZPO) und im Urteil Die in § 460 Z 6 ZPO genannten Personaldaten sind in das Protokoll aufzu- 28 nehmen, weil die schriftliche Urteilsausfertigung in Personenstandssachen gem § 417 Abs 1 Z 2 ZPO ua Tag und Ort der Geburt der Parteien enthalten muss. Diese Gesetzesvorschrift gilt jedenfalls auch für ein Urteil des Beru921
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fungsgerichts, mit dem die Ehe in Abänderung der erstinstanzlichen Abweisung des Scheidungsbegehrens geschieden wird. Die in § 460 Z 6 ZPO angeführten Angaben sind nämlich zumindest überwiegend für die Eintragung in den Personenstandsbüchern nach Eheauflösung erforderlich. Schon aus diesem Verwendungszweck folgt, dass die Bestimmung über die Anführung zusätzlicher Personaldaten im Verhandlungsprotokoll und im Urteil auf sonstige, nicht rein vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, die keine Personenstandsverfahren sind, nicht anzuwenden ist. Gem § 460 Z 6 ZPO ist im Protokoll überdies festzuhalten, ob von den Ehegatten Ehepakte (§ 1217 ABGB, somit im Wesentlichen Notariatsakte über eine Gütergemeinschaft) errichtet wurden. Angesichts der geringen praktischen Bedeutung solcher Verträge im heutigen Rechtsleben wird es aber sinnvoller sein, mit den Ehegatten den allenfalls erfolgten Abschluss von Vorwegvereinbarungen iS des § 97 EheG und von unterhaltsrechtlichen Regelungen für den Scheidungsfall zu erörtern.
H. Belehrungserfordernisse in Ehesachen (§ 460 Z 6a ZPO) 29 Die durch das EheRÄG 1999 (BGBl I 1999/125) eingefügte und durch das FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) neu gefasste Z 6a des § 460 ZPO gilt nur für das Ehescheidungsverfahren, nicht für sonstige Eheverfahren und bezweckt eine Verbesserung des Kenntnisstands der Ehegatten in den Bereichen Scheidung und Scheidungsfolgen. Die Praxis zeigt, dass viele scheidungswillige Ehegatten vor allem über unterhaltsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen der Eheauflösung sowie über mögliche Haftungen für während der Ehe gemeinsam aufgenommene Kredite nur ungenügend informiert und mit einem bloß einmaligen juristischen Aufklärungsgespräch oft überfordert sind. Ausreichende Kenntnisse der Ehegatten über konkrete Problemstellungen können aber verhindern, dass ein Ehegatte berechtigte Ansprüche voreilig zurückstellt und eine für ihn nachteilige Scheidung in Kauf nimmt, um die Ehe innerhalb einer möglichst kurzen Zeit und ohne weitere Auseinandersetzung mit einem vielleicht übermächtig erscheinenden Partner zu beenden. Das Bestreben der meisten Ehegatten, möglichst rasch und ohne Komplikationen eine Auflösung der Ehe zu erreichen, lässt viele Ehegatten in der Scheidungsverhandlung von Fragen über konkrete Scheidungsfolgen Abstand nehmen und auch berechtigte Zweifel an der Günstigkeit gewählter Vergleichsformulierungen in den Hintergrund treten. Der Richter hat sich in der Prozesssituation auf die Darstellung der Rechtslage zu beschränken und kann und darf in keiner Phase des Verfahrens eine beratende Funktion ausüben, weil dies dem in § 57 Abs 1 RStDG normierten Grundsatz der Unparteilichkeit des richterlichen Handelns ganz massiv widersprechen würde (vgl auch Rz 31 f). 922
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§ 460 Z 6a ZPO idF EheRÄG 1999 normierte die Verpflichtung des Gerichts, sich durch die Befragung der im Scheidungsprozess nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen Ehegatten ein Bild von ihren Kenntnissen über die rechtlichen Konsequenzen der Scheidung zu machen und die Ehegatten auf Beratungsangebote hinzuweisen. Der Gesetzesentwurf für ein nicht in Kraft getretenes FamRÄG 2008 griff die Problematik auf, dass durch solche Hinweise des Gerichts für sich allein Informationsdefizite der Ehegatten mit nachteiligen Auswirkungen auf ihre tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nach der Scheidung nicht beseitigt und bei realitätsnaher Betrachtung der Intensität des Scheidungswunsches zahlreicher Ehegatten nicht einmal erheblich vermindert werden können. Der Entwurf sah daher vor, dass der nicht anwaltlich vertretene Kläger eine Bestätigung über eine vor Verfahrensbeginn in Anspruch genommene fachkundige Beratung über die vielfältigen Scheidungsfolgen (und damit insb über die Themenbereiche Unterhalt, sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen einer Eheauflösung und potenzielle Kredithaftungen) bereits der Klage hätte anschließen müssen. Diese verpflichtende rechtliche Aufklärung sollte zur Gewährleistung von Qualitätsstandards, die der rechtlichen Komplexität der Scheidungsfolgen gerecht werden, ausschließlich durch Rechtsanwälte, Notare oder rechtskundige, angemessen haftpflichtversicherte Mitarbeiter einer nach § 1 FamilienberatungsförderungsG geförderten Beratungsstelle erfolgen. Dieses Gesetzesvorhaben wurde jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht umgesetzt. § 460 Z 6a ZPO idF des FamRÄG 2009 verpflichtet das Gericht – im Unter- 30 schied zum Entwurf für das FamRÄG 2008 (s Rz 29) – nur noch dazu, einen Ehegatten, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten ist und vor dem Scheidungsprozess keine Beratung über die Rechtsfolgen einer Auflösung der Ehe in Anspruch genommen hat, auf „entsprechende“ Beratungsangebote und „allgemein auf die Nachteile“ hinzuweisen, die durch „ungenügende“ Kenntnisse über diese Folgen entstehen können, sowie die Tagsatzung allenfalls zur Einholung zusätzlicher Informationen durch die Ehegatten zu erstrecken. Verbessern die Ehegatten trotz Erstreckung der Verhandlung ihr Wissen über die Auswirkungen der Scheidung auf ihre Rechtsstellung nicht, wird der Scheidungsprozess mit den weiterhin fachbezogen nicht beratenen Ehegatten fortzusetzen sein. Wie die ErläutRV betonen, trifft das Gericht keine Verpflichtung, die Ehegatten über die Scheidungsfolgen zu informieren. Die vom Gesetzgeber normierte und im Vergleich zur üblichen Fassung der 31 ZPO-Bestimmungen überaus detaillierte Regelung dieser Hinweispflicht ist denkbar unglücklich gewählt. Mit bloßen „Hinweisen“ des Gerichts auf geeignete (wenn auch nicht näher spezifizierte) Beratungsangebote und auf mögliche Nachteile durch mangelndes Wissen über Scheidungsfolgen iS des § 460 Z 6a erster Satz ZPO wird auch weiterhin der Kenntnisstand der scheidungswilligen Ehegatten nicht signifikant verbessert werden können, zumal die 923
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Missachtung der richterlichen Anregung völlig sanktionslos bleibt. Nach dem gesetzgeberischen Konzept hat der Richter in jenen Fällen, in denen die Informationsdefizite der Ehegatten im Scheidungsverfahren zutage treten, die Ehegatten aber trotz Erstreckung der Tagsatzung beharrlich keine Beratung in Anspruch nehmen, die Ehe bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen im weiteren Prozesssverlauf (bzw schon in der folgenden Verhandlung bei Einigkeit der Ehegatten über eine Scheidung gem § 55a EheG) zu scheiden, und zwar auch dann, wenn die Kenntnisse der Ehegatten über die Scheidungsfolgen nach wie vor ungenügend und ungünstige Auswirkungen für einen Ehegatten (etwa iZm seinem Anspruch auf Sozialleistungen nach einem Unterhaltsverzicht oder im Hinblick auf die Beendigung seiner Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Rechtskraft des Scheidungsurteils bzw -beschlusses) bereits absehbar sind. § 460 Z 6a zweiter Satz ZPO, wonach die Tagsatzung zur Ermöglichung der Inanspruchnahme einer Beratung durch die Parteien zu erstrecken ist, dem Erstreckungsantrag einer Partei in einer solchen Situation bei offensichtlicher Verschleppungsabsicht aber nicht stattgegeben werden darf, deckt kein tatsächliches Regelungsbedürfnis; weder die Vorschrift über eine Verpflichtung des Gerichts, einen neuerlichen Verhandlungstermin anzuberaumen, noch die Ausnahme, dass dies bei eindeutiger Verschleppungsabsicht eines Ehegatten unterbleiben müsste, können auf Erfahrungswerte in der Praxis gestützt werden, die solche gesetzliche Anweisungen verlangen würden. 32 Den Richter trifft seit der Neufassung des § 460 Z 6a ZPO keine Belehrungspflicht (zur Einschränkung seiner Aufgabe auf eine bloße Darstellung der Rechtslage vgl Rz 29), gleichzeitig hat er aber auch nicht die Möglichkeit, die Durchführung der Scheidung davon abhängig zu machen, dass die Ehegatten im Vorfeld dieses für sie in aller Regel sehr bedeutsamen, ihre weiteren Lebensverhältnisse prägenden Einschnitts auch nur ein einziges Mal eine rechtliche Aufklärung über die Scheidungsfolgen in Anspruch nehmen. Dieser Zugang des Gesetzgebers mag damit erklärt werden, dass mündigen Prozessparteien die Verantwortung übertragen werden kann, selbst für ausreichende Informationen über ihre Verfahrensführung und deren rechtliche Konsequenzen zu sorgen bzw für diesbezügliche Nachlässigkeiten und Säumigkeiten im Schadensfall einzustehen. Eine solche Sicht hätte aber die Neuformulierung des § 460 Z 6a ZPO gänzlich überflüssig gemacht, zumal ein völliger Informationsmangel eines Ehegatten durchaus auch einem Tatbestand des § 134 ZPO über die Erstreckung einer Tagsatzung zugeordnet werden könnte. Zur gleichartigen Problematik bei einvernehmlichen Scheidungen vgl §§ 93 bis 96 AußStrG Rz 35; zu Überlegungen im Hinblick auf eine absolute Anwaltspflicht s auch §§ 93 bis 96 AußStrG Rz 17.
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I. Versöhnungsversuch (§ 460 Z 7 ZPO) Das Gericht hat gem § 460 Z 7 ZPO im Scheidungsprozess (und nicht auch in 33 sonstigen Eheverfahren) zu Beginn der mündlichen Verhandlung zunächst eine Versöhnung der Ehegatten anzustreben und das Ergebnis seiner Bemühungen zu protokollieren. Eine eigene Tagsatzung ist für den Versöhnungsversuch nicht anzuberaumen. Die Formulierung des Gesetzgebers, das Gericht müsse in jedem Verfahrensstadium, soweit es „tunlich“, also nach den Umständen des Einzelfalls mit einer gewissen Erfolgsaussicht verbunden sei, auf eine Versöhnung hinwirken, überträgt die Einschätzung, ob eine solche Versöhnung der Ehegatten angesichts des von ihnen im Prozess vermittelten Eindrucks überhaupt in Betracht kommt, dem Gericht und verschafft ihm einen gewissen Spielraum für seine Vorgehensweise. In der Praxis wird das Bemühen des Gerichts in zahlreichen Fällen weniger auf eine Versöhnung der Ehegatten als auf die Erzielung eines Einvernehmens über die Modalitäten für eine Scheidung gem § 55a EheG gerichtet sein. Das Unterbleiben eines Versöhnungsversuchs begründet grundsätzlich eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, kann aber nur dann als Verfahrensmangel geltend gemacht werden, wenn dies sofort vor Eingehen in die Hauptsache gem § 196 Abs 1 ZPO im Verfahren erster Instanz gerügt wurde (OLG Wien EF 49.351; LGZ Wien EF 118.147; Fasching ZPR Rz 2360; Fucik/Rechberger § 460 ZPO Rz 5; aA [der Mangel ist gem § 196 Abs 2 ZPO nicht rügepflichtig, weil die Parteien nicht auf die Vornahme des Versöhnungsversuchs verzichten können] Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 102). Das Unterlassen eines Versöhnungsversuchs führt zwar nicht zwingend zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, weil nach § 460 Z 7 ZPO das Gericht ja in jeder Lage des Verfahrens und damit auch noch im Berufungsverfahren bei „Tunlichkeit“ auf eine Versöhnung hinzuwirken hat (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 103). Diese Vorschrift kann aber für das Revisionsverfahren schon deshalb nicht gelten, weil es dort grundsätzlich (vgl jedoch § 509 Abs 2 ZPO) keine mündliche Verhandlung gibt (Fucik/Rechberger § 460 ZPO Rz 5).
J. Tod eines Ehegatten während des Eheverfahrens (§ 460 Z 8 ZPO) 1. Allgemeines
§ 460 Z 8 ZPO gilt nach seinem Einleitungssatz für alle Eheverfahren sowie für 34 Prozesse über nicht rein vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, sofern es sich nicht um Ansprüche handelt, die mit dem Tod eines Ehe925
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gatten erlöschen. Stirbt ein Ehegatte nach Schluss der mündlichen Verhandlung, ist in der Ehesache kein Urteil, sondern nur noch die Kostenentscheidung zu fällen (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 142). Wenn ein Ehegatte nach Urteilsfällung, jedoch vor materieller Rechtskraft der Entscheidung stirbt, hat das Gericht die Feststellung zu treffen, dass das Urteil mit Ausnahme der Kostenentscheidung wirkungslos ist. Vgl idZ auch § 759 Abs 2 ABGB, wonach ein Ehegatte sein gesetzliches Erbrecht und den Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis trotz aufrechten Bestands der Ehe verliert, wenn der andere Ehegatte die Scheidungsoder Eheaufhebungsklage einbrachte und im Verlauf des Prozesses (etwa auch während des Rechtsmittelverfahrens über den Scheidungsausspruch) stirbt, sofern der überlebende Ehegatte im Fall einer Eheauflösung als schuldig anzusehen wäre, weil dieser nicht durch den Zufall des frühen Todes des anderen begünstigt werden soll. Zur Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch auf Scheidungsverfahren nach §§ 50 ff EheG und die einvernehmliche Scheidung gem § 55a EheG, sofern bewiesen wird, dass die Ehe tatsächlich geschieden worden wäre, vgl §§ 757–759 ABGB Rz 3. Da § 460 Z 8 ZPO die Fortsetzung des Scheidungsprozesses in der Hauptsache ausschließt, muss die scheidungsrechtliche Frage, ob die Ehe gerichtlich aufgelöst worden wäre, in einem solchen Fall im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens – und zwar im Verfahren über das Erbrecht nach §§ 161 ff AußStrG – beurteilt werden. Zur Auswirkung einer erfolgreichen Berufung der weiteren Erben auf den Verlust des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten gem § 759 Abs 2 ABGB auf dessen Aufteilungsanspruch vgl §§ 757–759 ABGB Rz 5. § 460 Z 8 ZPO ist gem § 84 der 1. DVEheG nicht anzuwenden, wenn der Staatsanwalt die Ehenichtigerklärungsklage im öffentlichen Interesse zu Lebzeiten beider Ehegatten bei Gericht eingebracht hat und einer der beklagten Ehegatten in weiterer Folge stirbt; die Befugnis des Staatsanwalts, die Ehenichtigkeitsklage zu erheben, erlischt nämlich nicht schon mit dem Tod eines Ehegatten, sondern erst mit dem Tod beider Ehegatten (§ 28 Abs 3 EheG). Überdies kommt § 460 Z 8 ZPO nicht bei einer Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zur Anwendung, weil diese Klage nicht zur Eheauflösung führt (zu weiteren Details Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 109 ff). § 460 Z 8 ZPO geht in seinem Anwendungsbereich als speziellere Bestimmung allerdings der Regelung des § 155 ZPO über die prozessualen Rechtsfolgen des Todes einer Partei im Zivilprozess vor.
2. Wirkungslosigkeit bereits ergangener Urteile
35 Gem § 460 Z 8 ZPO ist in Ehesachen der Rechtsstreit in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen, wenn einer der Ehegatten vor Eintritt der materiellen Rechtskraft des Urteils (6 Ob 259/02k = JBl 2003, 530 = EF 103.081) 926
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stirbt (bzw wenn der Tag, an dem der Ehegatte laut Todeserklärung gestorben ist, vor der Eheauflösung lag [EF 2625]). Die Erledigungswirkung des § 460 Z 8 ZPO tritt daher auch dann ein, wenn die Ehegatten auf Rechtsmittel gegen das mündlich verkündete Urteil über die Eheauflösung verzichtet haben, die Entscheidung im Zeitpunkt des Todes eines Ehegatten aber noch nicht zugestellt und daher gem § 416 Abs 1 ZPO noch nicht wirksam ist (1 Ob 411/97s = EF 88.146; 6 Ob 259/02k = JBl 2003, 530 = EF 103.081). Der Rechtsmittelverzicht führt nur zur Unanfechtbarkeit des Urteils, nicht aber zur Auflösung der Ehe. Diese Rechtslage kann auch nicht durch einen allfälligen Verzicht auf die Ausfertigung und Zustellung des Urteils geändert werden, weil ein solcher Verzicht unwirksam ist (Fasching ZPR Rz 1473; Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 134; aM offenbar Spitzer, JBl 2003, 840). § 460 Z 8 ZPO ist die folgerichtige Auswirkung der materiellrechtlichen Verhältnisse; der Tod eines Ehegatten bringt die Ehe zur Auflösung, sodass dadurch eine Scheidungs- oder Eheaufhebungsklage, die auf dieselbe Rechtswirkung abzielt, hinfällig wird. Zum Schicksal von zusammen mit einer Eheklage geltend gemachten Ansprüchen aus dem Eheverhältnis bei Tod eines Ehegatten vgl Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 154 ff. Ein bereits ergangenes Urteil ist in Ansehung der Hauptsache (jedoch nicht im 36 Hinblick auf eine schon getroffene Kostenentscheidung) kraft Gesetzes wirkungslos (4 Ob 602/88 = EF 57.779; 10 Ob 36/04y = EF 109.052; 6 Ob 52/ 07a = EF-Z 2007/110 [Gitschthaler] ua), was das Gericht aus Gründen der Rechtssicherheit mit deklarativem Beschluss auszusprechen hat (LGZ Wien EF 112.206). Stirbt ein Ehegatte nach Erhebung einer Berufung, so ist für diese Entscheidung das Berufungsgericht zuständig (LGZ Wien EF 64.115, 112.206); das Rechtsmittel ist durch die Eheauflösung infolge des Todes eines Ehegatten gegenstandslos und zurückzuweisen (3 Ob 535/77 = EF 29.675), aber bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens inhaltlich zu berücksichtigen (Fasching ZPR Rz 2339). Nach Erhebung einer Revision ist der OGH für den Ausspruch der Wirkungslosigkeit aller bereits getroffenen Sachentscheidungen der Vorinstanzen zuständig. Die in § 460 Z 8 ZPO angeordnete Wirkungslosigkeit der in der Hauptsache 37 ergangenen Urteile erfasst freilich nicht jene Entscheidungen, die bereits in Teilrechtskraft erwachsen sind. Der Scheidungsausspruch, der als solcher von den Parteien nicht angefochten wurde, wird rechtskräftig (und zwar spätestens in jenem Zeitpunkt, in dem die Berufungsfrist verstrichen ist und die Ehegatten ein lediglich den Verschuldensausspruch bekämpfendes Rechtsmittel eingebracht haben [6 Ob 52/07a mwN]). Fechten die Ehegatten nur die im erstinstanzlichen Verfahren über eine Klage gem § 49 EheG vorgenommene Verschuldensabwägung an und stirbt ein Ehegatte während des Rechtsmittelverfahrens über den Verschuldensausspruch, darf das Berufungsgericht den Ausspruch über die Ehescheidung als solchen nicht mehr überprüfen, sofern 927
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feststeht, dass den beklagten Ehegatten ein Verschulden trifft und lediglich die Frage der Gewichtung der Verschuldensanteile noch erörterungsbedürftig ist (8 Ob 508/86; 9 Ob 258/01h; 6 Ob 52/07a = EF-Z 2007/110 [Gitschthaler]). Die in § 460 Z 8 ZPO angeordnete Rechtsfolge der Wirkungslosigkeit vorliegender Entscheidungen kann sich dann nur auf die im Zeitpunkt des Todes der Partei allein noch strittige Verschuldensfrage beziehen (6 Ob 52/07a = EF-Z 2007/110 [Gitschthaler] = EF 118.146). Wenn ein Ehegatte stirbt, ist bei Rechtskraft des Scheidungsausspruchs aber über das Verschulden an der Ehezerrüttung nicht mehr zu entscheiden. In einem solchen Fall ist das Urteil daher hinsichtlich des Scheidungsausspruchs rechtskräftig, umfasst aber keinen wirksamen Verschuldensausspruch, der auch nicht mehr nachgeholt werden kann. Dies bedeutet allerdings, dass der überlebende geschiedene Ehegatte infolge der rechtskräftigen Scheidung der Ehe kein gesetzliches Erbrecht und mangels eines Verschuldensausspruchs keinen Unterhaltstitel iS des § 258 Abs 4 ASVG als Anspruchsvoraussetzung für eine Witwen-(Witwer-)Pension hat und dass aufgrund des Fehlens eines Verschuldensausspruchs im Scheidungsurteil gegen die Verlassenschaft des verstorbenen früheren Ehegatten kein Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG, sondern nur ein Anspruch auf Billigkeitsunterhalt gem § 69 Abs 3 EheG in den sehr engen Grenzen dieser Bestimmung zusteht.
3. Verfahrensfortführung wegen Kosten
38 Nach dem Tod eines Ehegatten kann der Rechtsstreit nur mehr wegen der Verfahrenskosten fortgesetzt werden; die Fortsetzung setzt aufgrund dieser Kann-Bestimmung des § 460 Z 8 ZPO einen entsprechenden Antrag einer Prozesspartei voraus (5 Ob 764/80 = EF 38.923; 2 Ob 557, 558/86 = EF 52.207; 10 Ob 36/04y = EF 109.052), wobei die Verfahrensfortsetzung vom überlebenden Ehegatten und von der Verlassenschaft bzw den eingeantworteten Erben des verstorbenen Ehegatten verlangt werden kann (zur Antragslegitimation des Rechtsanwalts des Verstorbenen s Rz 39). Die Kostenersatzpflicht hängt weiterhin vom Ergebnis der Hauptsache (wenn es zu einer solchen Entscheidung gekommen wäre) ab (OLG Wien EF 34.141; Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 147). Für die – aufgrund der prozessualen Natur des Kostenersatzanspruchs in Beschlussform zu treffende (LGZ Wien EF 64.006; aA [Entscheidung mit einem – allerdings nur mit Rekurs bekämpfbaren – Urteil] OLG Linz EF 16.047; OLG Wien EF 34.141) – Kostenentscheidung muss daher die an sich bereits erledigte Hauptsache als Vorfrage geprüft werden. Die Verfahrenskosten bilden im fortgesetzten Verfahren den Streitgegenstand, sodass im Fall des Todes eines Ehegatten während des erst- oder zweitinstanzlichen Verfahrens die Anrufung des OGH zufolge § 528 Abs 2 Z 3 928
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ZPO unzulässig ist. Stirbt ein Ehegatte hingegen im Verlauf des Revisionsverfahrens, ist zur Verfahrensfortsetzung und damit zur Entscheidung über die Kostenersatzpflicht der OGH funktionell zuständig (6 Ob 707/80 = EF 36.506; 5 Ob 764/80 = EF 38.923), weil ja seine Zuständigkeit durch die Erhebung der Revision bereits begründet wurde und sie nicht nachträglich durch die Erledigung des Prozesses in der Hauptsache wieder wegfällt; nur die selbstständige Anfechtung von Kostenentscheidungen beim OGH ist unzulässig. Es bestehen keine Bedenken, dass der weiterhin bevollmächtigte Rechtsver- 39 treter einer verstorbenen Partei (nicht hingegen ein Sachwalter oder Verfahrenshelfer [deren Funktion mit dem Tod des von ihnen Vertretenen erlischt; vgl § 278 Abs 2 ABGB bzw § 68 Abs 1 ZPO]; vgl auch Rz 40) den Antrag auf Fortsetzung des Rechtsstreits hinsichtlich der Verfahrenskosten stellt. Der Anspruch auf Prozesskosten stellt einen Annex zum Scheidungsbegehren dar, welches als höchstpersönlicher Anspruch des verstorbenen Ehegatten nicht auf die Verlassenschaft übergeht. Auch wenn die Kostenentscheidung im Ergebnis auf den Umfang des Verlassenschaftsvermögens Einfluss haben kann, ist für den Antrag auf Verfahrensfortsetzung im Hinblick auf die Prozesskosten in einem schon anhängigen Rechtsstreit weder die Zustimmung des Verlassenschaftskurators noch die Genehmigung des Abhandlungsgerichts erforderlich (LGZ Wien EF 94.548). Ein Antrag eines bisher von einem frei gewählten Rechtsanwalt vertretenen 40 Ehegatten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Beigebung eines Rechtsanwalts ist jedenfalls dann als Anzeige der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses zum bisherigen Rechtsvertreter zu werten, wenn das Gericht den Ehegatten nach Einlangen seines Verfahrenshilfeantrags nicht eigens über die allfällige Beendigung der Bevollmächtigung seines bisherigen Rechtsvertreters befragt und ihn nicht zu einer Anzeige iS des § 36 Abs 1 ZPO anleitet (7 Ob 95/75 = SZ 48/93; 7 Ob 692/89; 1 Ob 354/98k = EF 90.823; 3 Ob 306/ 02z). In einem solchen Fall unterbricht der Verfahrenshilfeantrag gem § 464 Abs 3 ZPO auch die Berufungsfrist, die dann erst mit Zustellung des Bescheids über die Bestellung des Verfahrenshelfers und einer weiteren schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn wieder zu laufen beginnt (4 Ob 616/89 = JBl 1991, 195; 1 Ob 595/93; 3 Ob 306/02z). Ab der wirksamen Zustellung des Bestellungsbescheids an den Verfahrenshelfer kann dieser – solange die Verfahrenshilfe aufrecht bleibt – nur als Verfahrenshelfer und im selben Rechtsstreit nicht (mehr) als frei gewählter Rechtsvertreter für den Ehegatten einschreiten, zumal dieser durch seinen Verfahrenshilfeantrag klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er die mit den Handlungen seines frei gewählten Vertreters verbundenen Kosten nicht mehr tragen kann (1 Ob 699/85; 1 Ob 354/98k). Ein vor diesem Zeitpunkt bestehendes Bevollmächtigungsverhältnis endet mit Bestellung zum Verfahrenshelfer. Mit 929
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dem Tod eines Ehegatten ist der Scheidungsprozess gem § 460 Z 8 ZPO in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen. Gleichzeitig erlischt die Verfahrenshilfe gem § 68 Abs 1 ZPO; ein Vollmachtsverhältnis zum Verfahrenshelfer des Ehegatten kann in diesem Zeitpunkt nicht (mehr) bestanden haben. Ein vom Verfahrenshelfer im Namen der Verlassenschaft gestellter Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zwecks Zuspruchs der Prozesskosten ist daher mangels Vertretungsbefugnis zurückzuweisen (1 Ob 354/98k = EvBl 1999/ 119 = EF 90.999).
K. Urteilsausfertigung ohne Entscheidungsgründe (§ 460 Z 8a ZPO) 41 § 460 Z 8a ZPO ist nur bei einer Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, nicht aber im Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe anzuwenden. Ehegatten haben einen Anspruch auf eine Ausfertigung, in der die Entscheidungsgründe über die Auflösung der Ehe nicht enthalten sind, weil sie eine solche Gerichtsentscheidung häufig Behörden vorlegen müssen, aber ein berechtigtes Interesse daran haben, dass dritte Personen keine Kenntnis über Details ihres Familienlebens erlangen. Ein solcher Antrag auf Ausstellung einer Urteilsausfertigung ohne Entscheidungsgründe kann jederzeit und daher auch Jahre nach Urteilsfällung und mangels einer speziellen Übergangsbestimmung überdies auch für solche Entscheidungen, die vor dem Inkrafttreten des EheRÄG 1999, mit dem § 460 Z 8a ZPO eingefügt wurde, ergangen sind, gestellt werden. Für die Ausstellung einer Urteilsausfertigung ohne Entscheidungsgründe sind Gerichtsgebühren nach TP 15 lit a GGG zu entrichten, weil nach der Anmerkung 3 lit a zur TP 15 nur die erste Ausfertigung einer Entscheidung gebührenfrei ist (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 170; Fucik/Rechberger § 460 ZPO Rz 10; Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren7 TP 15 GGG Anm 11).
L. Keine Verzichts- und Anerkenntnisurteile (§ 460 Z 9 ZPO) 42 Die Dispositionsmaxime, also der Grundsatz der Verfügungsfreiheit über den Verfahrensgegenstand (Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 172) – als Gegensatz zur Offizialmaxime, wonach ein Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird –, kommt in Eheverfahren in zwei Bereichen zum Ausdruck. Zum einen wird ein Eheverfahren durch Klage bei Gericht anhängig gemacht und dadurch der Beginn und der Streitgegenstand des Prozesses vom Kläger festgelegt; zum anderen hängt die Fortsetzung des Verfahrens vom Willen der Ehegatten ab und kann insb durch die Vereinbarung des Ruhens des Verfahrens oder durch eine 930
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Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels verhindert werden. Die Parteien bestimmen dadurch den Umfang der Entscheidungskompetenz des Gerichts (vgl auch § 405 ZPO über die Bindung des Gerichts an den Urteilsantrag). § 460 Z 9 ZPO beschränkt die Dispositionsbefugnis der Ehegatten und damit ihre Verfügungsmöglichkeiten über den Verfahrensgegenstand in Ehesachen, während sie ihnen bei Geltendmachung sonstiger, nicht rein vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Eheverhältnis (etwa Klagen nach § 97 ABGB) unbeschränkt zusteht. In Eheverfahren sind vor allem Urteile aufgrund eines Verzichts oder eines Anerkenntnisses und Vergleiche (etwa über das Vorliegen eines Scheidungs- oder Eheaufhebungsgrunds) gem § 460 Z 9 ZPO unzulässig. Diese Unzulässigkeit auch eines Verzichtsurteils ist wenig konsequent und wird von Simotta (Fasching § 460 ZPO Rz 175) als Redaktionsversehen bezeichnet. Das materielle Eherecht kennt nämlich sehr wohl Verzichtserklärungen, etwa einen Verzicht auf Scheidungsgründe, aber auch eine Verzeihung gem § 56 EheG, die das Recht auf Verschuldensscheidung iS des § 49 EheG ausschließt. Überdies sind auch sonstige Gesetzesvorschriften vom favor matrimonii und somit vom Gedanken, dass Ehen möglichst aufrechterhalten bleiben sollen, geprägt. Unter diesen Gesichtspunkten spricht sich Simotta überzeugend für eine Auslegung des § 460 Z 9 ZPO dahin aus, dass nur Verzichtsurteile iS des § 394 ZPO unzulässig sind (Rechberger/Simotta ZPR Rz 786; Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 175 mwN). Hingegen ist die Abweisung der Scheidungsklage mit Urteil wegen Vorliegens eines materiellrechtlichen Verzichts nicht ausgeschlossen. § 460 Z 9 ZPO schließt überdies die Fällung von Versäumungsurteilen aus. Zur Erklärung der Klage als ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen bei Versäumung der vorbereitenden Tagsatzung durch den Kläger s § 460 Z 5 ZPO (Rz 24 ff). Eine Zurücknahme der Klage in Eheverfahren – auch unter Anspruchsver- 43 zicht – ist schon in Anbetracht des favor matrimonii zulässig und aus demselben Grund auch länger als im allgemeinen Zivilprozess möglich. Die Klage kann gem § 483a Abs 1 ZPO nämlich auch noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung bis zur (formellen) Rechtskraft des Urteils – wenn auch selbst bei Anspruchsverzicht in diesem Verfahrensstadium nur mit Zustimmung des Beklagten (6 Ob 697/85 = SZ 59/12 = EF 52.218; 9 Ob 2053/96v = EF 82.284; 6 Ob 216/00h = JBl 2001, 324 ua; vgl dazu auch Pimmer/Fasching § 483a ZPO Rz 2 f) – zurückgezogen werden. Wenn beide Parteien ihren Willen zur Fortsetzung der Ehe bekunden, ist die Zurücknahme der Klage daher bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens möglich. Infolge einer zulässigen Klagszurücknahme im Berufungs- oder Revisionsverfahren sind bereits ergangene Urteile der Vorinstanzen schon kraft Gesetzes wirkungslos, 931
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was gem § 483 Abs 3 ZPO mit einem deklarativen Beschluss des Berufungsgerichts bzw gem § 483 Abs 3 ZPO iVm § 513 ZPO mit einem gleichartigen Beschluss des OGH festzustellen ist (6 Ob 216/00h = JBl 2001, 324; 1 Ob 270/ 00p; 5 Ob 114/09i). § 483a Abs 1 ZPO erwähnt – im Gegensatz zu § 483 Abs 3 ZPO – allerdings ausschließlich die Klagszurücknahme mit Zustimmung des Beklagten und nicht die Klagszurückziehung unter gleichzeitigem Verzicht auf den Anspruch; die Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht, aber ohne oder sogar gegen den Willen des Beklagten ist nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in Eheverfahren daher nicht zulässig (6 Ob 697/85 = SZ 59/12 = EF 52.218 [mit ausdrücklicher Ablehnung älterer gegenteiliger Entscheidungen]; 6 Ob 216/00h = JBl 2001, 324 = EF 94.557; LGZ Wien EF 102.095). Auch eine zugleich mit der Berufung erklärte Zurücknahme der Klage bedarf zu ihrer Wirksamkeit daher der Zustimmung des Beklagten. Wenn allerdings der Ausspruch über die Scheidung und ein (zumindest teilweises) Verschulden des Beklagten an der Ehezerrüttung bereits rechtskräftig geworden ist, kann die Klage nicht mehr zurückgenommen werden (6 Ob 673, 674/86 = JBl 1987, 519 = EvBl 1987/111), wobei unter diesen Umständen auch mit wechselseitiger Zustimmung erfolgte Klagezurücknahmeerklärungen beider Parteien nach Klage und Widerklage wirkungslos sind (E. Kodek/Rechberger § 483a ZPO Rz 1 mwN). 44 Aus der Zulässigkeit einer Klagszurücknahme mit Zustimmung des Beklagten auch noch nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bis zur Rechtskraft des Urteils (Rz 43) wird abgeleitet, dass in Ehescheidungsverfahren auch die voll obsiegende Partei gegen die Entscheidung Rechtsmittel ergreifen kann, weil sie ja bis zur Rechtskraft des Urteils die Klage zurücknehmen und dadurch die Ehe aufrechterhalten kann (1 Ob 553/91 = EF 66.669; 6 Ob 216/00h = JBl 2001, 324 = EF 94.556; 2 Ob 179/02s). Die Ankündigung oder Erklärung der Klagszurückziehung in der Berufung des Klägers, der im erstinstanzlichen Verfahren mit seinem Scheidungsbegehren durchgedrungen ist, ist dabei keine Voraussetzung für die Bejahung seiner Beschwer für seine gegen das Scheidungsurteil erhobene Berufung und seiner Rechtsmittellegitimation, weil er bereits mit seinem Rechtsmittel die Aufhebung des Scheidungsausspruchs anstrebt und damit klarstellt, dass er an der Ehe nunmehr doch festhalten will. Im Übrigen würde die Wirksamkeit selbst einer gleichzeitig mit der Berufung erklärten Zurückziehung der Klage gem § 483a Abs 1 ZPO noch die Zustimmung des Beklagten voraussetzen. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der einen Partei kann aber nicht vom Willen der anderen Partei abhängen. 45 Geständnisse und Außerstreitstellungen werden in § 460 Z 9 ZPO nicht eigens angeführt. Ihre Relevanz hängt von der Verfahrensform und insb von der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes ab (vgl Rz 20). Jedenfalls für Verfahren auf Nichtigerklärung und Feststellung des Bestehens oder Nichtbeste932
Verfahrensbestimmungen – Streitsachen
§ 460 ZPO
hens einer Ehe ist daher von der Unbeachtlichkeit solcher Prozesserklärungen aufgrund der Untersuchungsmaxime auszugehen (OLG Wien EF 32.127, 36.821, 39.299; Fasching ZPR Rz 2330 und 2351; Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 178; Rechberger/Rechberger §§ 266 f ZPO Rz 1; Rechberger/Simotta ZPR Rz 786). Die Ansicht, dass Geständnisse und Außerstreitstellungen auch im Scheidungs- und Eheaufhebungsverfahren unbeachtlich seien (so offenbar Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 178), weil sonst das Verbot des Anerkenntnisund Versäumungsurteils ohne weiteres durch ein Zugeben der klagsbegründenden Tatsachen umgangen werden könnte, überzeugt hingegen nicht (so auch Fasching ZPR Rz 2330 und 2355; Hopf/Kathrein, Eherecht 426).
M. Neuerungsverbot im Berufungsverfahren Durch die Einführung des § 483a Abs 2 ZPO mit dem PersEheKindÄG 46 (BGBl 1983/566) gilt das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO) auch im Scheidungsund Eheaufhebungsverfahren, weil es nach dieser Bestimmung nur im Verfahren über die Ehenichtigerklärung und die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe nicht anzuwenden ist (7 Ob 526/87 = EF 55.073; LGZ Wien EF 112.248). Ein im Fall einer Scheidung gem § 49 EheG erstmals in der Berufung gestellter Mitschuldantrag iS des § 60 Abs 3 EheG ist daher unbeachtlich (7 Ob 582/86 = EF 52.217; 7 Ob 526/87 = EF 55.074; 8 Ob 642/ 89; LG Linz EF 102.063). Auch der erst im Rechtsmittelverfahren erhobene Härteeinwand gem § 55 Abs 2 EheG ist eine unzulässige und daher nicht relevante Neuerung (LGZ Wien EF 112.249).
N. Einvernehmliche Scheidung während des Scheidungsprozesses (§ 460 Z 10 ZPO) § 460 Z 10 ZPO regelt den Fall, dass ein Scheidungsverfahren durch Klage ein- 47 geleitet wird und die Ehegatten im Verlauf des Prozesses ein Einvernehmen über die Scheidung iS des § 55a EheG erzielen. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den Fall, dass die einvernehmliche Scheidung während eines Eheaufhebungsverfahrens oder eines von einem Ehegatten eingeleiteten Ehenichtigerklärungsverfahrens beantragt wird, scheitert bereits am klaren Wortlaut der Regelung, die ausdrücklich nur auf einen anhängigen Scheidungsprozess abstellt (Fasching ZPR Rz 2364; aA Simotta, ÖJZ 1987, 173; Simotta/ Fasching § 460 ZPO Rz 182). Bei Einigung der Ehegatten auf die Durchführung einer Scheidung gem § 55a EheG im Rahmen eines Eheaufhebungs- oder Ehenichtigkeitsverfahrens kommt allerdings eine Unterbrechung des Prozesses nach § 190 ZPO in Betracht. 933
§ 460 ZPO
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48 Der Antrag auf einvernehmliche Scheidung kann im Rahmen eines Scheidungsprozesses ab Gerichtsanhängigkeit (also schon vor Zustellung der Scheidungsklage) bis zur formellen Rechtskraft der Entscheidung über die Klage gestellt werden (Simotta, ÖJZ 1987, 129 und 173). Die Parteien müssen daher nicht bis zur Zustellung der Scheidungsklage oder Anberaumung einer Verhandlung warten, um die Durchführung einer einvernehmlichen Scheidung mit Unterbrechungswirkung (Rz 49) beantragen zu können. Für die Behandlung des Scheidungsantrags ist das Gericht, bei dem der Scheidungsprozess eingeleitet wurde, ausschließlich zuständig. Eine abweichende Gerichtsstandvereinbarung ist aber zulässig. Ist zum Zeitpunkt des Scheidungsantrags bereits das zweit- oder drittinstanzliche Verfahren eingeleitet, so richtet sich die Zuständigkeit für die einvernehmliche Scheidung nach §§ 104a und 114a Abs 1 JN, sodass bei Antrag auf einvernehmliche Scheidung nach Schluss des erstinstanzlichen Verfahrens die Zuständigkeit für die Scheidungsklage und jene für die einvernehmliche Scheidung auseinanderfallen können. Angaben der Parteien im Scheidungsantrag, wonach bereits ein Scheidungsprozess anhängig ist, sind nicht zwingend vorgesehen, sodass es in der Praxis dazu kommen kann, dass jenes Gericht, bei dem der Scheidungsprozess anhängig ist, zumindest vorerst gar keine Kenntnis davon hat, dass während dieses Verfahrens ein Antrag auf einvernehmliche Scheidung bei einem anderen Gericht eingebracht bzw eine solche Scheidung bereits durchgeführt wurde. Ein Antrag auf einvernehmliche Scheidung, der bei einem unzuständigen Gericht gestellt wird, ist gem § 44 JN von Amts wegen an das zuständige Gericht zu überweisen. 49 Wird ein Antrag auf einvernehmliche Scheidung während des anhängigen Scheidungsprozesses eingebracht, ist das Verfahren gem § 460 Z 10 erster Satz ZPO zu unterbrechen. Die Frage, ob die Ehe einvernehmlich geschieden wird, ist präjudiziell für die Scheidungsklage, weil die Ehe nur dann mit Urteil geschieden werden darf, wenn der während des Prozesses eingebrachte Antrag auf einvernehmliche Scheidung rechtkräftig ab- oder zurückgewiesen oder zurückgezogen wurde. Die Unterbrechungswirkung tritt schon nach dem Wortlaut des § 460 Z 10 erster Satz ZPO („ist . . . zu unterbrechen“) erst aufgrund eines Beschlusses des Prozessgerichts und nicht kraft Gesetzes ein (Simotta, ÖJZ 1987, 132). 50 Wird der Scheidungsantrag zurückgezogen oder rechtskräftig abgewiesen, so ist der unterbrochene Scheidungsprozess gem § 460 Z 10 letzter Satz ZPO – allerdings nur auf Antrag – wieder aufzunehmen. Gleiches gilt für den Fall der rechtskräftigen Zurückweisung des Scheidungsantrags (Simotta, ÖJZ 1987, 134). Wird dem Scheidungsantrag hingegen rechtskräftig stattgegeben und die Ehe dadurch aufgelöst, gilt die Scheidungsklage gem § 460 Z 10 zweiter Satz 934
Verfahrensbestimmungen – Streitsachen
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ZPO mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses bereits kraft Gesetzes als zurückgenommen. Mit diesem Zeitpunkt ist der Scheidungsprozess beendet, die Scheidungsklage gilt als iS des § 237 Abs 3 ZPO nicht eingebracht. Simotta (Fasching § 460 ZPO Rz 212) spricht sich für einen deklarativen Beschluss aus, in dem festgestellt wird, dass die Klage als zurückgenommen gilt und der Prozess beendet ist (vgl auch 3 Ob 550/86 = EF 57.778), und begründet dies damit, dass diese Vorgangsweise im Interesse der Rechtssicherheit sei und dasselbe auch bei einer tatsächlich erfolgten Klagszurücknahme geschehen müsste. Solange im zunächst eingeleiteten Rechtsstreit über die Scheidungsklage noch kein Urteil ergangen ist, wird ein solcher Beschluss in der Praxis allerdings nicht erforderlich sein; die Prozesssituation nach einer einvernehmlichen Scheidung im Rahmen eines streitigen Eheverfahrens ist mit der Klagszurücknahme, die zur Beendigung des Scheidungsverfahrens ohne Auflösung der Ehe führt und einen deklarativen Beschluss mit Feststellung der Rechtslage sinnvoll und geboten erscheinen lässt (vgl dazu Rz 43), nicht gänzlich vergleichbar. Anders wird die Ausgangslage bei Durchführung einer einvernehmlichen Scheidung erst nach Vorliegen erst- und zweitinstanzlicher Urteile zu betrachten sein; in einem solchen Fall ist eine beschlussmäßige Feststellung, dass die Klage als zurückgenommen anzusehen ist und die noch nicht rechtskräftigen Sachentscheidungen wirkungslos wurden, zur Klarstellung der Auflösung der Ehe und des Scheidungszeitpunkts angezeigt. Zum Schicksal der mit der Scheidungsklage zusammen geltend gemachten An- 51 sprüche aus dem Eheverhältnis bei Unterbrechung des Scheidungsprozesses gem § 460 Z 10 ZPO s Simotta/Fasching § 460 ZPO Rz 218 ff. Wurde eine EV nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a und lit c EO oder nach § 382h EO er- 52 lassen, fällt das Bedürfnis nach den dadurch erwirkten Sicherungsmaßnahmen im Fall der Rechtskraft eines Scheidungsbeschlusses gem § 55a EheG weg. Hingegen kann eine EV nach den §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO auch ohne Scheidungsverfahren gerechtfertigt sein, wenn sie dann auch nur für die Dauer von 6 Monaten im Fall des § 382b EO und für den Zeitraum eines Jahres im Fall des § 382e EO erlassen werden darf. Eine solche EV bleibt daher trotz Scheidung im Einvernehmen zunächst aufrecht. Der Antragsgegner kann allerdings eine Aufhebung der EV unter Berufung auf eine Änderung der maßgebenden Verhältnisse und einen dadurch bedingten Wegfall der Gefährdungslage des Antragstellers nach § 399 Abs 1 Z 2 EO beantragen (vgl dazu ausführlich §§ 382b bis 382e EO Rz 131 f). Die Prozesskosten sind im Fall einer einvernehmlichen Scheidung nach Ein- 53 leitung des Scheidungsprozesses gem § 460 Z 10 zweiter Satz ZPO gegeneinander aufzuheben. Davon ausgenommen sind allerdings jene Kosten, zu deren Tragung eine Partei bereits rechtskräftig verpflichtet wurde (Simotta, ÖJZ 935
§ 460 ZPO
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1987, 171). Überdies steht es den Parteien selbstverständlich frei, eine von § 460 Z 10 zweiter Satz ZPO abweichende Vereinbarung über die Prozesskosten zu treffen.
O. Verständigung des Sozialversicherungsträgers (§ 460 Z 11 ZPO) 54 IdR verliert ein während aufrechter Ehe bei seinem Ehegatten mitversicherter Ehegatte mit Rechtskraft des Scheidungsurteils oder -beschlusses seine Angehörigeneigenschaft im sozialversicherungsrechtlichen Verständnis und daher seinen Krankenversicherungsschutz (Ausnahme: § 56 Abs 7 B-KUVG). Daher ist es für ihn besonders wichtig, für eine fristgerechte Selbstversicherung zur Erlangung einer kontinuierlichen Krankenversicherung zu sorgen. Das für das Scheidungsverfahren zuständige Gericht hat dann, wenn ein Ehegatte durch die Eheauflösung offenbar den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung verliert, den zuständigen Sozialversicherungsträger zu verständigen. Der Krankenversicherungsträger muss in einem solchen Fall den betroffenen Ehegatten über die zur Selbst- bzw Weiterversicherung in der Krankenversicherung notwendigen Maßnahmen informieren. Voraussetzung für diese Aufklärung ist allerdings die Zustimmung des bisher mitversicherten Ehegatten zur Verständigung des Sozialversicherungsträgers durch das Gericht. Ist der Ehegatte bei einem ausländischen Sozialversicherungsträger (mit)versichert, trifft das Gericht keine Pflicht, diese Einrichtung über die Auflösung der Ehe in Kenntnis zu setzen.
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Außerstreitgesetz Besondere Verfahrensbestimmungen § 93. (1) In Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen, über die Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen sowie über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (Eheangelegenheiten) können sich die Parteien nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Vertretung beider Parteien durch denselben Rechtsanwalt ist unzulässig. (2) Im Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen sind nur die Ehegatten Parteien. (3) In das Verfahren nach § 98 EheG ist der Kreditgeber tunlichst erst durch die Zustellung der Entscheidung erster Instanz einzubeziehen. [AußStrG BGBl I 2003/111]
§ 94. (1) In Eheangelegengeiten ist mündlich zu verhandeln. (2) Erscheint im Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen ein Antragsteller zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist der Antrag von Amts wegen als zurückgenommen zu erklären. (3) Den Antrag auf Scheidung im Einvernehmen kann jeder Ehegatte bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses (§ 43) zurücknehmen. Die Zurücknahme des Antrags hat die Folge, dass ein schon ergangener Scheidungsbeschluss wirkungslos wird; dies hat das Gericht erster Instanz mit Beschluss festzustellen. Gleiches gilt, wenn ein Ehegatte vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses stirbt. [AußStrG BGBl I 2003/111]
§ 95. (1) Ist eine Partei im Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten und hat sie keine Beratung über die gesamten Scheidungsfolgen, einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Folgen und der Voraussetzungen eines Ausspruchs über die 937
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Haftung für Kredite, in Anspruch genommen, so hat das Gericht auf entsprechende Beratungsangebote und allgemein auf die Nachteile hinzuweisen, die durch ungenügende Kenntnisse über diese Folgen entstehen können. Der Partei ist Gelegenheit zur Einholung einer Beratung zu geben. Eine neuerliche Erstreckung aus diesem Grund ist unzulässig. Das Gericht hat die nächste Verhandlung für einen Termin tunlichst innerhalb von sechs Wochen anzuberaumen. (2) Legen die Ehegatten keine Vereinbarung vor, mit der sie die Scheidungsfolgen regeln, so hat sie das Gericht zur Schließung einer solchen anzuleiten. Solange die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen nicht schriftlich vorliegt, ist ein Verzicht auf die Zurücknahme des Scheidungsantrags oder auf Rechtsmittel gegen den Beschluss auf Ehescheidung wirkungslos. (3) Verliert ein Ehegatte durch die Scheidung offenbar den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung, so hat das Gericht, sofern dieser Ehegatte zustimmt und seine Sozialversicherungsnummer mitteilt, nach Rechtskraft des Beschlusses auf Scheidung den zuständigen Krankenversicherungsträger im Weg des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger automationsunterstützt zu verständigen. Die Verständigung hat Vor- und Familiennamen, Tag der Geburt, Anschrift sowie die Sozialversicherungsnummer des Ehegatten zu enthalten. Der Versicherungsträger hat dem Ehegatten Informationen über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Eheauflösung und die Möglichkeit der Fortsetzung des Versicherungsschutzes zu übermitteln. [AußStrG BGBl I 2003/111, Abs 1 idF FamRÄG 2009 BGBl I 2009/75]
§ 96. (1) Der Beschluss auf Scheidung hat zu enthalten: 1. Vor- und Familiennamen, Tag und Ort der Geburt, Staatsangehörigkeit, Beruf und Wohnort der Ehegatten; 2. den Tag der Eheschließung und die Behörde, vor der die Ehe geschlossen worden ist, samt einem Hinweis auf die diesbezügliche Eintragung im Ehebuch; 3. auf Antrag einer Partei sonstige Angaben, die zur vollständigen Erfassung der Ehescheidung durch ausländische Personenstandsbehörden erforderlich sind. (2) Der Beschluss ist zu begründen. (3) Der Scheidungsausspruch hat die Wirkung, dass die Ehe mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst ist. (4) Haben die Ehegatten einen Ausspruch nach § 98 EheG beantragt, so ist dieser tunlichst mit dem Beschluss auf Scheidung zu verbinden. 938
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§§ 93–96 AußStrG
(5) Auf Antrag ist den Parteien eine Ausfertigung des Beschlusses auf Scheidung ohne Begründung und ohne Ausspruch nach Abs 4 auszustellen. [Abs 1 neu gefasst durch FamErbRÄG 2004; Abs 2 neu gefasst durch ErbRÄG 1989; übernommen durch AußStrG 2003 BGBl I 2003/111] Lit: Deixler-Hübner, Scheidung Rz 91 ff, 137 ff, 180 ff; Fucik, Außerstreitverfahren in Abstammungs-, Adoptions-, Ehe- und Sachwalterschaftssachen, ecolex 2004,922; Koch-Hipp, Die einvernehmliche Scheidung – Voraussetzungen, Verfahren und Rechtskraft, FamZ 2006, 100; Mänhardt, Die Scheidung im Einvernehmen, in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978 (1979); Schwimann, Inländische Gerichtsbarkeit für Personenrechts-, Familienrechts- und Unterhaltssachen, JBl 1990, 760; Simotta, Die einvernehmliche Scheidung während eines anhängigen Eheprozesses (§ 460 Z 10 ZPO), ÖJZ 1987, 129, 167; dies, Die Prozessfähigkeit in (außerstreitigen) Eheangelegenheiten, ÖJZ 1989, 577; Zangl, Das neue Außerstreitverfahren – Verfahren erster Instanz, ÖJZ 2005/7. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Parteistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parteibegriff des AußStrG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Liegenschaftseigentümer und Vermieter der Ehewohnung 3. Pfandgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kinder der Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sonstige Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Relativer Anwaltszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Mündliche Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Scheidung im Einvernehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Scheidungsverfahren und Sachwalterschaft . . . . . . . . . . . 3. Zurücknahme des Scheidungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Scheidungsfolgenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hinweispflicht im Scheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 6. Beschränkung des Rechtsmittelverzichts . . . . . . . . . . . . . 7. Tod eines Ehegatten während des Scheidungsverfahrens . . 8. Verständigung des Sozialversicherungsträgers . . . . . . . . . F. Aufteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzicht auf das Aufteilungsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . 3. Subsidiarität des Aufteilungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 4. Anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Behauptungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechnungslegungsbegehren im Aufteilungsverfahren? . . . 8. Teilbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zwischenbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 2–13 2–4 5–7 8 9 10–12 13 14–19 20–21 22–39 22 23 24–31 32–34 35 36–37 38 39 40–64 40–43 44 45–46 47–48 49 50–54 55–57 58 59–60 61–64
§§ 93–96 AußStrG
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A. Allgemeines 1 Entgegen der Bezeichnung des 4. Abschnitts des AußStrG („Eheangelegenheiten“) und der Überschrift („Besondere Verfahrensbestimmungen“) sehen die §§ 93 bis 96 AußStrG nicht besondere Verfahrensvorschriften für sämtliche außerstreitige Eheangelegenheiten, sondern nur spezielle Regelungen für das Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen gem § 55a EheG, die Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb nach den §§ 98 bis 100 ABGB und die nacheheliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse iS der §§ 81 ff EheG vor; ohne besondere verfahrensrechtliche Gesetzesvorschriften bleibt hingegen etwa das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungnahme nach § 92 ABGB (zu den Vorgaben der Rsp für dieses Feststellungsverfahren s § 92 ABGB Rz 24 ff). Inhaltlich wurden mit dem AußStrG 2003 (BGBl I 2003/111) weitgehend die zuletzt idF EheRÄG 1978 (BGBl 1978/280) geltenden §§ 220 bis 235 AußStrG 1854 („Von dem Verfahren in Eheangelegenheiten“) übernommen, wenn auch einige Bestimmungen (insb § 222 AußStrG 1854 über die sinngemäße Anwendung bestimmter ZPO-Vorschriften [§ 22 AußStrG 2003] und § 227 AußStrG 1854 über die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens [§ 48 AußStrG 2003]) nunmehr im Allgemeinen Teil des AußStrG 2003 verankert sind. Gem § 43 Abs 1 Z 2 EPG (BGBl I 2009/135) sind die §§ 93 bis 96 AußStrG auf Verfahren zwischen eingetragenen Partnern sinngemäß anzuwenden. Zur sachlichen Zuständigkeit der BG in außerstreitigen Ehe- und Partnerschaftsangelegenheiten s § 104a JN; zur örtlichen Zuständigkeit s § 114a Abs 1 JN iVm § 76 Abs 1 JN und § 104 JN.
B. Parteistellung 1. Parteibegriff des AußStrG
2 § 229 Abs 1 AußStrG 1854 räumte dritten Personen, deren Rechte „berührt“ wurden, im Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG eine Beteiligtenstellung ein. Im Hinblick auf den weiten Parteibegriff, von dem das AußStrG 2003 ganz allgemein ausgeht, war eine solche ausdrückliche Gesetzesbestimmung nach der Novellierung des außerstreitigen Verfahrens nicht mehr erforderlich. § 2 Abs 1 Z 1 und 2 AußStrG 2003 bezeichnen den Antragsteller und seinen Gegner als Parteien im formellen Sinn. § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG definiert überdies jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die Entscheidung des Gerichts unmittelbar beeinflusst würde, als Partei im materiellen Sinn und schreibt damit die bisherige Rsp zum Parteibegriff im außerstreitigen 940
Verfahrensbestimmungen – Außerstreitsachen
§§ 93–96 AußStrG
Verfahren fort (vgl 4 Ob 50/08v = EF-Z 2008/118 [Höllwerth]; 3 Ob 128/08g = EF 121.806). Ob sich der Gerichtsbeschluss direkt auf eine rechtlich geschützte Position auswirkt, ergibt sich stets aus dem materiellen Recht. Durch die Entscheidung des Gerichts unmittelbar beeinflusst ist eine Person idS dann, wenn der in Aussicht genommene Beschluss ihre Rechte oder Pflichten ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss (Rechberger/Rechberger § 2 AußStrG Rz 9). Dabei ist es unerheblich, ob der spätere Beschluss tatsächlich in die Rechte einer bestimmten Person eingreift (LG Eisenstadt EF 118.633); es kommt lediglich darauf an, ob ein solcher Eingriff möglich wäre (Fucik/Kloiber § 2 AußStrG Rz 2). Der Begriff der „rechtlich geschützten Stellung“ ist somit enger als „Rechtsstellung“ oder „rechtliches Interesse“ (Zangl, ÖJZ 2005/7). Auch in Eheangelegenheiten sind – neben den Ehegatten – dritte Personen Partei des Verfahrens, wenn ihre rechtlich geschützte Stellung in dem in § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG 2003 beschriebenen Sinn durch die Gerichtsentscheidung unmittelbar beeinflusst wird; die zwingende Verfahrensbeteiligung des Dritten ist das Korrektiv für diese Eingriffsmöglichkeit des Gerichts in seine Rechtsposition. Eine Nebenintervention kommt im Außerstreitverfahren auch nach Inkraft- 3 treten des AußStrG 2003 nicht in Betracht. Die entsprechenden Bestimmungen der ZPO sind im außerstreitigen Verfahren nicht analog anzuwenden, weil der Gesetzgeber die Institute der Nebenintervention (§ 17 ZPO) und der Streitverkündigung (§ 21 ZPO) für das Außerstreitverfahren bewusst nicht eingeführt hat und somit keine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt (10 Ob 29/ 06x = FamZ 2006/63 [Deixler-Hübner] = EF 115.834; 6 Ob 282/07z = EF-Z 2008/90 = EF 121.825); nach den ErläutRV (224 BlgNR 22. GP) besteht schon aufgrund des Parteibegriffs des § 2 AußStrG keine Notwendigkeit für den Beitritt als Nebenintervenient im Außerstreitverfahren, weil Personen, deren rechtliche Interessen durch das Verfahren nicht unmittelbar beeinflusst werden, im Allgemeinen auch keine Rechtsstellung im Verfahren haben sollen. Der Antrag, eine Nebenintervention für zulässig zu erklären und etwa im Aufteilungsverfahren dem Vertragserrichter einer Vorwegvereinbarung iS des § 97 EheG einen Schriftsatz mit der Aufforderung, auf der Seite einer Partei in den Rechtsstreit einzutreten, zu übermitteln (6 Ob 236/06h), ist daher zurückzuweisen. Die Klarstellung des § 93 Abs 2 AußStrG, wonach im Verfahren über die ein- 4 vernehmliche Scheidung nur den Ehegatten Parteistellung zukommt, soll nach den ErläutRV im Hinblick auf die selbstständige familienrechtliche Verfahrensfähigkeit mündiger Minderjähriger in Verfahren über Pflege und Erziehung oder über das Recht auf persönlichen Verkehr gem § 104 Abs 1 AußStrG mit eigener Antrags- und Rekurslegitimation (vgl dazu Beck Rz 638) einer Auslegung vorbeugen, die Kindern auch im Scheidungsverfahren ihrer Eltern 941
§§ 93–96 AußStrG
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Parteistellung einräumt. Dass ein Scheidungsvergleich direkte und unvermeidbare Konsequenzen für die Rechtsstellung der gemeinsamen minderjährigen Kinder der Ehegatten hat, ändert nichts daran, dass den Kindern mit einer selbstständigen Verfahrensfähigkeit im Scheidungsverfahren völlig unnötige zusätzliche Belastungen aufgebürdet würden und solche Verfahrensrechte idZ nicht sachgerecht wären. § 93 Abs 2 AußStrG schränkt aber die Parteistellung der Kinder in Verfahren über die Genehmigung des Scheidungsvergleichs, soweit darin die Beziehungen zwischen den Kindern und den Eltern geregelt werden (Obsorge-, Kontaktregelungen), nicht ein. An einem nachehelichen Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG sind die Kinder der Ehegatten insb dann zu beteiligen, wenn dort auf die Kinder lautende Bausparverträge oder ähnliche Ersparnisse Verfahrensgegenstand sind (näher dazu Rz 9). 2. Liegenschaftseigentümer und Vermieter der Ehewohnung
5 Zur Zulässigkeit gerichtlicher Anordnungen in Fällen, in denen das dingliche Recht an der Ehewohnung einer dritten Person zukommt, aber die Benützung der Wohnung aufgrund eines obligatorischen Rechts einem Ehegatten zugeordnet ist, s § 87 EheG (zur Verfassungskonformität 1 Ob 286/00s = ecolex 2001/237 [Reidinger] = ÖJZ-LSK 2001/210 = EF 97.367). Wird die Ehewohnung von den Ehegatten etwa aufgrund eines Bestandrechts genützt, kann gem § 87 Abs 2 EheG ohne Rücksicht auf einen anders lautenden Vertrag mit Gerichtsbeschluss im Aufteilungsverfahren angeordnet werden, dass ein Ehegatte an Stelle des anderen Ehegatten in das der Benützung der Wohnung zugrundeliegende Rechtsverhältnis mit dem Vermieter eintritt oder das bisher gemeinsame Rechtsverhältnis allein fortsetzt. Durch den Aufteilungsbeschluss kann daher das den Wohnungsgebrauch legitimierende Rechtsverhältnis mit einem Dritten unmittelbar umgestaltet und der andere Ehegatte an die Stelle des früheren Vertragspartners des Dritten gesetzt werden. In einem solchen Fall wird aber nur die Person des Wohnberechtigten, nicht jedoch der sonstige Inhalt des Mietvertrags (insb nicht die Höhe des geschuldeten Mietentgelts) verändert. § 87 Abs 2 EheG bildet somit eine Ausnahme vom Grundsatz, dass das Gericht im Aufteilungsverfahren nicht in Rechte dritter Personen eingreifen darf (4 Ob 585/87; vgl auch 6 Ob 725/83 = EvBl 1984/92 = EF 44.788). Diese weitreichende Befugnis des Gerichts verlangt aber die Einbindung des Dritten in die gerichtliche Vermögensteilung zwischen den Ehegatten, sodass dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befindet (7 Ob 283/99i), und dem Vermieter der bisherigen Ehewohnung (6 Ob 668/89 = EF 61.045; 1 Ob 584/91 = EF 67.628; LG Salzburg EF 120.340; LGZ Wien EF 111.393, 110.002, 120.339 ua) im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens Parteistellung zukommt. Der Umstand, dass dann im konkreten Fall bei der späteren Billigkeitsent942
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§§ 93–96 AußStrG
scheidung des Gerichts keine Übertragung der Mietrechte an der früheren Ehewohnung an den geschiedenen Ehegatten des Vertragspartners stattfindet, vermag an der notwendigen Verfahrensbeteiligung des Vermieters nichts zu ändern (LGZ Wien EF 110.003), weil die Prüfung der Parteistellung ex ante im Hinblick auf eine auch nur mögliche unmittelbare Beeinflussung einer rechtlich geschützten Position und nicht erst im Nachhinein durch die Feststellung einer tatsächlichen Beeinflussung der rechtlichen Stellung erfolgt (zum Parteibegriff s auch Rz 2). Wenn auch die Übertragung der Bestandrechte an der Ehewohnung im Auftei- 6 lungsverfahren nicht der Zustimmung des Vermieters bedarf, kommt ihm gem § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG im Verfahren Parteistellung zu. Er kann sich iZm der Zuweisung der Wohnung aber nur gegen insoweit unzulässige Anordnungen des Gerichts, insb gegen solche Verfügungen wehren, die über den Rahmen des § 87 Abs 2 EheG hinausgehen. Eine sonstige Bedachtnahme auf die Interessen des Vermieters ist im Gesetz – anders als im Fall einer Dienstwohnung gem § 88 Abs 1 Z 1 bis 3 EheG – grundsätzlich nicht vorgesehen (3 Ob 646/80 = SZ 53/165). Ob dem Vermieter der geschiedene Ehegatte seines bisherigen Mieters als nunmehriger Vertragspartner genehm ist, ist nicht zu prüfen. Wurde der Vermieter der Ehewohnung am erstinstanzlichen Aufteilungsverfahren nicht beteiligt, haftet der Entscheidung infolge Verletzung des rechtlichen Gehörs einer Partei ein schwerer Verfahrensmangel iS des § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG an. Da sich ein solcher Beschluss weder ohne Eingriff in die Rechte eines bisher am Verfahren nicht Beteiligten iS des § 58 Abs 1 AußStrG bestätigen lässt noch in einem solchen Fall eine Abänderung ohne ergänzende Erhebungen gem § 58 Abs 3 AußStrG in Betracht kommt, sind unter solchen Umständen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und eine Verfahrensergänzung in aller Regel unvermeidlich (LG Salzburg EF 120.340). Vgl idZ auch § 87 EheG Rz 5. Während der Vermieter der Ehewohnung auf die Entscheidung über die Zu- 7 weisung der Wohnung im Aufteilungsverfahren im Allgemeinen keinen Einfluss nehmen kann (Rz 6), ist die Zuteilung einer Dienstwohnung (zum Begriff s § 88 EheG Rz 1 f) bei Vorliegen einer der in § 88 Abs 1 Z 1 bis 3 EheG umschriebenen Voraussetzungen ausschließlich mit Zustimmung des Dienstgebers (bzw des für die Vergabe der Dienstwohnung zuständigen Rechtsträgers) zulässig (vgl auch 1 Ob 630/85). Die neu begründete Rechtsposition des Ehegatten, der nicht Dienstnehmer ist, wird in diesen Fällen schon kraft Gesetzes auf die in § 88 Abs 2 EheG angeführte Weise beschränkt. Die Wohnung kann ihm nur gegen Festsetzung eines angemessenen Benützungsentgelts übertragen werden, und das Wohnrecht ist mit der neuerlichen Eheschließung des Ehegatten (bzw der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft) befristet (zur fraglichen Analogiefähigkeit der Bestimmung auf die Eingehung einer 943
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nichtehelichen Lebensgemeinschaft ungeachtet des eindeutigen Wortlauts und der Ergänzung des § 88 Abs 2 EheG mit dem EPG nur um die eingetragene Partnerschaft s § 88 EheG Rz 12). Willigt der Dienstgeber bei Vorliegen eines Tatbestands iS des § 88 Abs 1 Z 1 bis 3 EheG in die Übertragung der Dienstwohnung an den anderen Ehegatten nicht ein, ist der darauf gerichtete Aufteilungsantrag abzuweisen (8 Ob 643/84 = EF 49.002; 8 Ob 633/86 = EF 51.803). Wenn keiner dieser zustimmungsbedürftigen Fälle vorliegt, kann eine Dienstwohnung – wie bei einer Mietwohnung nach § 87 Abs 2 EheG – auch gegen den Willen des Dienstgebers jenem Ehegatten, der nicht Dienstnehmer ist, zugewiesen werden, wenn auch diese Übertragung gem § 88 Abs 2 EheG die Festsetzung eines angemessenen Benützungsentgelts verlangt. Der Dienstgeber ist daher jedenfalls als Partei iS des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG am Aufteilungsverfahren zu beteiligen (LG Salzburg EF 120.340; LGZ Wien EF 58.610).
3. Pfandgläubiger
8 Im Rahmen der richterlichen Gestaltungsmöglichkeiten gem § 87 EheG kann das Gericht im Aufteilungsverfahren auch ein Mietverhältnis zugunsten eines der früheren Ehepartner begründen (vgl Rz 5). Ein Pfandgläubiger, dessen Pfandrecht auf einer Liegenschaft, die einem der Ehegatten gehört und auf der sich die Ehewohnung befindet, einverleibt ist und der eine „Pfandverschlechterung“ dadurch erfährt, dass im Rahmen der gerichtlichen Vermögensteilung Bestandrechte an der Wohnung zugunsten eines Ehegatten geschaffen werden, kann eine gerichtlich angeordnete Vermietung zu marktüblichen Konditionen nicht verhindern (1 Ob 286/00s = ecolex 2001/237 (Reidinger) = EvBl 2001/174 = wobl 2003/76). Wenn auch einem Pfandgläubiger grundsätzlich ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch zur Abwehr einer drohenden Pfandverschlechterung durch Vermietung zu unüblichen Bedingungen oder sonst außerhalb der ordentlichen Bewirtschaftung auch gegen dritte Personen im Hinblick auf den Schutz absoluter Rechte zusteht (1 Ob 286/00s), erfüllt die Anordnung eines Mietverhältnisses an der Ehewohnung durch Gerichtsbeschluss im Aufteilungsverfahren iS der Sonderregelung des § 87 EheG diese Tatbestandsvoraussetzungen gerade nicht. Der Umstand, dass sich der Ehegatte anlässlich der Pfandbestellung gegenüber dem Pfandgläubiger vertraglich verpflichtete, die Liegenschaft nicht ohne dessen Zustimmung zu vermieten oder zu verpachten, ist für Regelungen des Gerichts über Aufteilungsansprüche nach den §§ 81 ff EheG ohne Bedeutung. Die Reduzierung des Liegenschaftswerts durch die Begründung eines Mietverhältnisses ist idZ ebenfalls unerheblich. Der Pfandgläubiger ist am Aufteilungsverfahren aber zu beteiligen, weil ihm gem § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG Parteistellung zukommt, zumal die Entscheidung seine rechtlich geschützte Position – und nicht etwa nur sein wirtschaft944
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liches Interesse – unmittelbar beeinflusst (zur Bedeutung dieser Differenzierung vgl auch Rz 13). 4. Kinder der Ehegatten
Den (minderjährigen oder volljährigen) Kindern der Ehegatten steht im Allge- 9 meinen keine Parteistellung im außerstreitigen Eheverfahren zu (vgl dazu Rz 4). Vermögensrechte können ihnen aber ausnahmsweise eine solche verfahrensrechtliche Position vermitteln. Der Umstand, dass ein Bausparvertrag auf den Namen eines minderjährigen Kindes der Ehegatten lautet, wird im Aufteilungsverfahren idR ein Indiz dafür sein, dass es sich beim angesparten Guthaben um Vermögen des Kindes handelt; unter besonderen Umständen des Einzelfalls ist es aber auch möglich, dass die von den Eltern namens ihrer minderjährigen Kinder abgeschlossenen Bausparverträge nur deren eigenen Vermögensbildung unter Inanspruchnahme der dafür vorgesehenen Steuerbegünstigung dienen sollten, sodass die Guthabensbeträge als eheliche Ersparnisse zu qualifizieren sind. Auch die auf die Namen der Kinder lautenden Bausparverträge können daher in die Aufteilungsmasse bei der gerichtlichen Vermögensteilung nach den §§ 81 ff EheG einzubeziehen sein (5 Ob 20/05k = EF 111.338). Bei der Beurteilung der Frage, ob solche Bausparguthaben der nachehelichen Aufteilung unterliegen oder nicht, wird dann, wenn die finanziellen Mittel in Anbetracht der aufgenommenen Beweise den Ehegatten rechtlich zugeordnet werden, durch die Aufteilungsentscheidung in mögliche Eigentumsrechte der Kinder unmittelbar eingegriffen, sodass sie schon angesichts der Umschreibung des materiellen Parteibegriffs in § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG zweifellos am Aufteilungsverfahren zu beteiligen sind, um ihnen die Möglichkeit einzuräumen, ihre diesbezüglichen Rechte geltend zu machen. Die Ehegatten scheiden infolge einer Interessenkollision als Vertreter der minderjährigen Kinder in diesem Verfahren allerdings aus, sodass das (Aufteilungs-)Gericht für die Kinder einen Kollisionskurator zu bestellen hat. 5. Kreditgeber
Entscheidet das Gericht im Aufteilungsverfahren (§ 92 EheG) oder vereinba- 10 ren die Ehegatten (§ 97 Abs 5, § 55a Abs 2 EheG), wer von beiden im Innenverhältnis zur Zahlung von Kreditverbindlichkeiten, für die beide im Außenverhältnis persönlich haften, verpflichtet ist, hat das Gericht gem § 98 Abs 1 EheG (zu den einzelnen Voraussetzungen s dort) auf Antrag der Ehegatten mit Wirkung für den Gläubiger auszusprechen, dass jener Ehegatte, der im Innenverhältnis zur Zahlung der gemeinsamen Schuld verhalten ist, Hauptschuldner und der andere Ausfallsbürge wird (zur Befristung des Antrags bzw zur Möglichkeit, ihn im Aufteilungsverfahren auch nach Ablauf der Jah945
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resfrist des § 95 EheG zu stellen, s 5 Ob 63/05h = EF 111.429). Der Gesetzgeber hatte dem Gläubiger, in dessen Rechte durch eine Entscheidung nach § 98 EheG eingegriffen wird, schon in § 229 Abs 1 zweiter Satz AußStrG 1854 eine, wenn auch abgeschwächte Parteistellung in dem Sinn eingeräumt, dass ihm die erstinstanzliche Entscheidung zuzustellen war. Das Unterbleiben dieser Zustellung verletzte das rechtliche Gehör des Kreditgebers und stand unter Nichtigkeitssanktion (8 Ob 406/97g mwN = EF 88.757). § 93 Abs 3 AußStrG 2003 entspricht dem § 229 Abs 1 zweiter Satz AußStrG 1854 und ist infolge der erweiterten Neuerungserlaubnis im Rekurs gem § 49 AußStrG (s auch Rz 12) unbedenklich. 11 Gem § 93 Abs 3 AußStrG ist der Kreditgeber in das Verfahren nach § 98 EheG tunlichst erst durch die Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung einzubeziehen, weil er von diesem Beschluss nur dann unmittelbar in seiner rechtlich geschützten Stellung betroffen ist, wenn die Ehegatten überhaupt einen Antrag gem § 98 EheG stellen; das Kreditinstitut unabhängig von einem solchen Begehren der Ehegatten als Partei in das Eheverfahren einzubeziehen, wäre ein überflüssiger Aufwand. Im Gegensatz zum normierten Regelfall, in dem der Kreditgeber durch die Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung in das Verfahren eingebunden wird, kann seine Einbeziehung im Einzelfall dennoch schon vor diesem Zeitpunkt sachgerecht sein. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn im Verfahren durch eine Beteiligung des Kreditgebers erst geklärt werden muss, ob eine bestimmte Verbindlichkeit überhaupt der Aufteilung unterliegt bzw ob beide Ehegatten im Außenverhältnis persönlich haften und § 98 EheG im zu beurteilenden Fall überhaupt anwendbar ist. Die Formulierung des Gesetzestextes („tunlichst“) lässt nach den ErläutRV eine solche Vorgangsweise zu und stellt die Bestimmung des Zeitpunkts der Einbeziehung des Kreditgebers in das Verfahren in das Ermessen des Gerichts. 12 Der mit Zustellung des Beschlusses über die Kredithaftung dem erstinstanzlichen Verfahren erstmals beigezogene Kreditgeber kann – bei Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses – gegen die Entscheidung nach § 98 EheG ein Rechtsmittel ergreifen, für das kein Neuerungsverbot gilt, sodass die im Rekurs erhobenen Einwendungen des Kreditgebers, die als Neuerungen vorgebracht werden, beachtlich sind (LGZ Wien EF 110.001, 122.236 f). Das erforderliche Rechtsschutzinteresse des Kreditgebers liegt vor allem darin, dass durch den Gerichtsbeschluss die Stellung des bisherigen alleinigen Hauptschuldners für während der Ehe aufgenommene Kredite auf jene eines Ausfallsbürgen beschränkt werden kann und dem Kreditinstitut dadurch ein neuer Hauptschuldner „aufgedrängt“ wird. Damit wird der Kreditgeber in seinen Rechten beschränkt und ist durch den erstinstanzlichen Beschluss beschwert. Dabei soll dem Gläubiger aber im Allgemeinen kein Einfluss auf die Entscheidung zukommen, welcher Ehegatte Ausfallsbürge wird. In diesem Verständnis kann er 946
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mit seinem Rekurs gegen die Entscheidung nach § 98 EheG hauptsächlich geltend machen, dass die Haftungsregelung überwiegend seine Benachteiligung bezweckt oder die Regelung sonst sittenwidrig iS des § 1295 Abs 2 ABGB ist (4 Ob 589/95 = SZ 68/219; 8 Ob 604/90; LGZ Wien EF 117.593). Da § 98 ABGB nur bei einer Haftung beider Ehegatten im Außenverhältnis anwendbar ist, besteht ein Grund für eine erfolgreiche Bekämpfung der Entscheidung durch den Kreditgeber überdies dann, wenn jener Ehegatte, der nunmehr Ausfallsbürge werden soll, bisher Alleinschuldner war. Wird dem Rekurs des Kreditgebers Folge gegeben, sind nach Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die behaupteten Umstände im Rahmen des zu ergänzenden erstinstanzlichen Verfahrens zu prüfen (LGZ Wien EF 117.592). Hingegen ist die Verschlechterung der Position des Kreditgebers durch die Umwandlung der Solidarhaftung des einen Ehegatten in eine Ausfallsbürgschaft bei der Entscheidung nach § 98 EheG nicht zu berücksichtigen (LGZ Wien EF 63.638). Der Kreditgeber kann gegen die Entscheidung nach § 98 EheG auch nicht erfolgreich einwenden, dass dadurch Erschwerungen und Verzögerungen bei der Geltendmachung und Durchsetzung der Gläubigerrechte zu befürchten seien (5 Ob 571/87). 6. Sonstige Dritte
Voraussetzung für die Parteistellung dritter Personen im Aufteilungsverfahren 13 ist die unmittelbare Beeinflussung einer rechtlich geschützten Stellung durch die Entscheidung des Gerichts (und nicht etwa nur ein „rechtliches Interesse“ [Rechberger/Rechberger § 2 AußStrG Rz 9]). Als bloßer Gläubiger eines Ehegatten, der nicht etwa auch Vermieter der Ehewohnung (Rz 5) oder Kreditgeber iS des § 98 EheG (Rz 10) ist, verfügt ein Dritter aber nur über ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang der gerichtlichen Vermögensteilung zwischen den Ehegatten (LGZ Wien EF 58.610). Mangels einer unmittelbaren Beeinflussung seiner rechtlich geschützten Stellung gem § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG steht einem solchen Dritten keine Parteistellung im Aufteilungsverfahren zu.
C. Relativer Anwaltszwang Grundsätzlich können verfahrensfähige Personen in erst- und zweitinstanz- 14 lichen Außerstreitverfahren gem § 4 Abs 1 AußStrG Verfahrenshandlungen selbst vornehmen und sich im erstinstanzlichen Verfahren durch jede eigenberechtigte Person vertreten lassen (zur relativen Anwaltspflicht im Rekursverfahren und zur absoluten Anwaltspflicht im Revisionsrekursverfahren s § 6 Abs 1 AußStrG). § 93 Abs 1 erster Satz AußStrG regelt abweichend davon den relativen Anwaltszwang in außerstreitigen Eheverfahren und wird iS eines 947
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verbesserten Rechtsschutzes durch das Verbot der Doppelvertretung in § 93 Abs 1 zweiter Satz AußStrG ergänzt. Gerade in Ehesachen und insb auch bei der Gestaltung von Scheidungsfolgenvereinbarungen stehen einander regelmäßig gegenläufige Interessen der Ehegatten gegenüber; die Vorstellung, dass es einem Rechtsvertreter gelingen könnte, die Bedürfnisse und Ansprüche der Ehegatten im Rahmen seiner Beratungsfunktion mit einer äquidistanten Position und einer neutralen Haltung bei rechtlich relevanten Streitfragen wahrzunehmen und in einen Vergleichstext zu verwandeln, der den Interessen beider Ehegatten bestmöglich gerecht wird, ist wenig realistisch. Eine allfällige außergerichtliche „Doppelvertretung“ durch einen Rechtsanwalt bei im Verfahren dann formal anwaltlich unvertretenen Ehegatten können prozessrechtliche Bestimmungen freilich kaum verhindern. Dass eine solche Vorgehensweise mit den Zielsetzungen des Gesetzgebers nicht vereinbar ist, ergibt sich aber schon daraus, dass es zur Gewährleistung eines möglichst weitgehenden Rechtsschutzes in der emotional ohnehin belastenden Scheidungssituation nicht zielführend sein kann, wenn sich die Ehegatten bei der Abfassung des Scheidungsvergleichs durch denselben Rechtsanwalt beraten und vertreten ließen und dieser dann nur nicht für beide Ehegatten in der Gerichtsverhandlung über die einvernehmliche Scheidung auftreten dürfte. Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass die Bemühungen um eine Scheidungsfolgenvereinbarung schon im Vorfeld des Gerichtstermins scheitern können; in diesen Fällen ist es nicht tolerierbar, dass der ursprünglich durch beide Ehegatten bevollmächtigte Rechtsanwalt – ausgestattet mit umfangreichen Informationen über deren Lebensverhältnisse und Interessen – im anschließenden gerichtlichen Scheidungsstreit einen Ehegatten gegen den anderen vertritt. 15 Sowohl die „eigentliche“ Doppelvertretung, bei der ein Rechtsanwalt beide Ehegatten im selben Prozess vertritt oder ihnen auch nur einen Rat erteilt (§ 10 Abs 1 zweiter Satz RAO), als auch die „uneigentliche“ Doppelvertretung, bei der ein Rechtsanwalt einen Ehegatten vertritt oder berät, nachdem er den anderen Ehegatten in derselben oder einer damit zusammenhängenden Sache vertreten oder beraten hatte (§ 10 Abs 1 erster Satz RAO), stellen aus standesrechtlicher Sicht den Kollisionstatbestand der Doppelvertretung dar (16 Bkd 1/06 = AnwBl 2007/8103 [Strigl]). Die Vertretung beider Ehegatten durch denselben Rechtsanwalt bei der Erarbeitung einer Vereinbarung, welche als Grundlage einer einvernehmlichen Scheidung bestimmt ist, und die spätere Vertretung eines der beiden Ehegatten in der Scheidungsverhandlung bewirkt nach stRsp der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) grundsätzlich (und somit auch bei Verstreichen von Jahren zwischen den Vertretungstätigkeiten des Rechtsanwalts: 16 Bkd 4/91; 16 Bkd 1/06) den Anschein eines „Frontwechsels“ und ist als formelle Doppelvertretung zu beurteilen (7 Bkd 3/04 = AnwBl 2005/7966 [Strigl]). Ein solches Verhalten kann daher die Disziplinarvergehen der Verletzung der 948
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Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes iS des § 10 RAO darstellen. Eine Doppelvertretung liegt nämlich bei jeder anwaltlichen Tätigkeit zunächst für und dann gegen den früheren Klienten vor; das Einverständnis eines Ehegatten mit der Vertretung des anderen Ehegatten durch den Rechtsanwalt entlastet diesen nicht, weil das Verbot der Doppelvertretung eine Vorschrift des öffentlichen Standesrechts ist, von der ein Klient den Rechtsanwalt nicht befreien kann (16 Bkd 12/00 mwN = AnwBl 1001/7739 [Strigl]). Eine Pflichtenkollision wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Vertretung jeweils durch einen anderen Kanzleipartner erfolgte (1 Bkd 3/93 = AnwBl 1994, 126; 16 Bkd 12/00 = AnwBl 2001/7739 [Strigl]) oder dem Klienten kein Schaden entstanden ist (2 Bkd 2/98 = AnwBl 1999/7603). Notare sind in außerstreitigen Eheverfahren grundsätzlich nicht vertretungs- 16 befugt. Eine Vertretung durch sie in den in § 93 Abs 1 AußStrG genannten Verfahren kommt nur unter der sehr eingeschränkten Voraussetzung des § 5 Abs 2 NO und daher ausschließlich dann in Betracht, wenn am Amtssitz des Notars nicht zumindest zwei Rechtsanwälte ihren Kanzleisitz haben. Diese Vertretungsbefugnis ist in der Praxis dadurch bedeutungslos. Immer wieder wird die Einführung einer absoluten Anwaltspflicht sowohl 17 für streitige als auch für außerstreitige Eheverfahren und insb für das Verfahren über die einvernehmliche Scheidung diskutiert. Durch eine solche Vorgangsweise des Gesetzgebers könnten Ehegatten wohl am besten vor voreiligen Entscheidungen und einer Übervorteilung in Scheidungsauseinandersetzungen bewahrt werden; ein solcher Anwaltszwang wäre auch insofern nicht überschießend, als sich die Parteien im allgemeinen Zivilprozess in bezirksgerichtlichen Verfahren gem § 27 Abs 1 ZPO bereits ab einem 5.000 Euro übersteigenden Streitwert durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen und die Bedeutung von Scheidungsfolgenvereinbarungen insb im Hinblick auf unterhalts- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen ihrer Gestaltung regelmäßig diesen Wertansatz überschreitet. Überdies ermöglicht die Mitwirkung eines Rechtsanwalts idR eine objektivere Vertretung der Interessen (vgl auch LG Salzburg EF 121.841), als dies unvertretenen Ehegatten, die häufig völlig in den Scheidungskonflikt verstrickt sind und sich bei der Verfolgung ihrer Interessen von zahlreichen unsachlichen Motiven und Überlegungen leiten lassen, möglich ist. Würde für die außerstreitigen Verfahren ein solcher Anwaltszwang normiert, müsste Gleiches zweifellos auch für das streitige Eheverfahren gelten. Das gegen die Einführung der absoluten Anwaltspflicht am häufigsten verwendete Argument betont die Eigenverantwortlichkeit der Ehegatten, die es nicht zulassen würde, den Ehegatten für die Durchführung einer einvernehmlichen Scheidung mit einem vielleicht verhältnismäßig einfach gelagerten Regelungsbedarf die Verpflichtung zur kostenpflichtigen Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts aufzudrängen. Mit demselben Argument lässt sich allerdings jeder Anwaltszwang bezweifeln. 949
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Es wäre daher de lege ferenda zu überlegen, ob in streitigen und außerstreitigen Eheverfahren die in der Praxis unübersehbaren Informations- und Beratungsdefizite zahlreicher Ehegatten nicht ausschließlich mit der Einführung einer absoluten Anwaltspflicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren am verlässlichsten ausgeglichen werden können. Die rechtliche Komplexität der Scheidungsfolgen und der häufig unzureichende Kenntnisstand der Ehegatten insb über unterhalts-, sozial- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen der Scheidung (bzw die Auswirkungen einer einvernehmlichen Scheidung etwa im Vergleich mit den Rechtsfolgen einer Scheidung gem § 55 EheG iVm einem Verschuldensausspruch iS des § 61 Abs 3 EheG) lassen in vielen Fällen eine zweckmäßige und wirksame Interessenverfolgung durch nicht anwaltlich vertretene Ehegatten nicht zu. Für den Fall, dass sich der Gesetzgeber weiterhin zu einer solchen Neuregelung der Anwaltspflicht nicht entschließen kann, scheint jedenfalls die gesetzliche Normierung einer verpflichtenden fachkundigen Beratung vor Beginn des streitigen und außerstreitigen Scheidungsverfahrens, wie der Gesetzesentwurf für das nicht umgesetzte FamRÄG 2008 sie vorsah (vgl § 460 ZPO Rz 29), nicht länger verzichtbar (vgl auch Rz 35). 18 Die dem Rechtsanwalt für das Scheidungsverfahren gem § 55a EheG erteilte Prozessvollmacht erstreckt sich infolge des unmittelbaren Sachzusammenhangs auch auf seine Tätigkeit in einem anschließenden Verfahren nach § 98 EheG, und zwar auch dann, wenn der Antrag nach § 98 EheG erst Monate nach Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung eingebracht wird. Der Beschluss über die Kredithaftung nach der Scheidung ist daher nicht dem Ehegatten, sondern seinem im Scheidungsverfahren bevollmächtigten Rechtsvertreter zuzustellen; erst die an ihn erfolgte Zustellung der Entscheidung löst die Rechtsmittelfrist aus (1 Ob 115/03y = ÖJZ-LSK 2004/157 = RZ 2004/19). 19 § 93 Abs 1 AußStrG hindert selbstverständlich nicht die Mitwirkung von Zivilmediatoren aus dem Berufsstand der Rechtsanwälte an der Erarbeitung eines Scheidungsvergleichs im Rahmen außergerichtlicher Konfliktregelungen und -lösungen. Das Funktionsverständnis eines Mediators ist schon infolge seiner Allparteilichkeit, als einem der grundlegenden Prinzipien der Mediation, nicht mit der Aufgabenstellung des Rechtsvertreters in Gerichtsverfahren oder im Bereich der Rechtsberatung gleichzusetzen.
D. Mündliche Verhandlung 20 § 18 AußStrG stellt es dem Gericht in außerstreitigen Verfahren grundsätzlich frei, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, sofern das Gesetz eine solche Tagsatzung nicht ausnahmsweise zwingend vorsieht, und ermöglicht dadurch eine flexible, an den konkreten Einzelfall angepasste Verfahrensführung. Die Entscheidung über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegt 950
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damit im Regelfall im Ermessen des Gerichts, das sie dann anzuberaumen haben wird, wenn es diese Vorgangsweise als zweckmäßig erachtet oder wenn eine Partei den Antrag auf Durchführung einer Tagsatzung mit einer nachvollziehbaren Begründung stellt (3 Ob 161/07h = EF 118.692). Im Gegensatz dazu ist in außerstreitigen Eheangelegenheiten gem § 94 Abs 1 AußStrG mündlich zu verhandeln, wobei sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung („ist mündlich zu verhandeln“) ergibt, dass diese Verfahrensvorschrift für Eheverfahren zwingend ist (3 Ob 140/99 f = EvBl 2000/17 = EF 91.743; vgl aber Rz 21). Die Ehegatten und ihre Vertreter sind zur Tagsatzung zu laden. § 94 Abs 1 AußStrG 2003 entspricht den §§ 221 Abs 1, 230 Abs 1 AußStrG 1854 und wird den Vorgaben des EGMR gerecht, der in seiner Entscheidung vom 21.9.2006, BeschwNr. 12643/02 (Moser gegen Österreich) = ÖJZ 2007/10, die Ansicht vertrat, dass Art 6 Abs 1 EMRK auch in außerstreitigen Verfahren und insb in Familienrechtssachen gelte, weshalb den Parteien grundsätzlich das Recht auf Anhörung und Erörterung in einer mündlichen Verhandlung zustehe. Durch die mündliche Verhandlung soll sich das Gericht einen persönlichen Eindruck von den Ehegatten verschaffen; gleichzeitig hat die mündliche Verhandlung auch den Zweck, die Bedeutung der Scheidung zu unterstreichen (s auch LGZ Wien EF 103.079; vgl für das streitige Eheverfahren § 460 Z 1 ZPO). Im Unterlassen einer mündlichen Rekursverhandlung (zwecks Einigungsmöglichkeit) liegt allerdings keine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens (4 Ob 200/01t = EF 98.991). Unterbleibt eine Ladung der Ehegatten bzw ihrer Rechtsvertreter zur mündlichen Verhandlung und wird dadurch das rechtliche Gehör verletzt, liegt zwar ein Verfahrensfehler vor, der in § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG ausdrücklich als Revisionsgrund normiert ist (vgl 3 Ob 140/99 f = EvBl 2000/17); dieser wirkt aber im Rechtsmittelsystem des AußStrG 2003, das den Begriff der Nichtigkeit vermeidet, gem § 58 Abs 1 AußStrG nicht absolut (wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO), sodass er nur dann wahrzunehmen ist, wenn er Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (§ 57 Z 4 AußStrG; 7 Ob 64/09a; 10 Ob 46/09a mwN ua), bzw im dargestellten Zusammenhang unbeachtlich ist, wenn auch durch eine mündliche Verhandlung kein anderes Verfahrensergebnis erzielt worden wäre (Deixler-Hübner/Rechberger § 94 AußStrG Rz 1). Die grundsätzliche Verpflichtung, in Verfahren über einen Scheidungsantrag 21 gem § 55a EheG, einen Antrag auf Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb nach den §§ 98 bis 100 ABGB und einen Aufteilungsantrag nach den §§ 81 ff EheG mündlich zu verhandeln, bedeutet nicht, dass eine Verhandlung auch über einen schon aus formalen Gründen zurückzuweisenden Antrag stattzufinden hat (LG Wels EF 116.045). § 94 Abs 1 AußStrG gilt auch dann nicht, wenn bereits aus dem Antrag das Fehlen der Voraussetzung für eine Scheidung im Einvernehmen erkennbar ist (LGZ Wien EF 103.078). Dies ist etwa dann 951
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der Fall, wenn zwischen Eheschließung und Scheidungsantrag erst drei Monate verstrichen sind und die begehrte Scheidung gem § 55a EheG jedenfalls zum aktuellen Zeitpunkt von Vornherein scheitert, weil das materiellrechtliche Tatbestandselement der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft seit mindestens einem halben Jahr nicht vorliegt. In solchen Fällen muss vor dem Beschluss keine Verhandlung durchgeführt werden.
E. Scheidung im Einvernehmen 1. Allgemeines
22 Zur örtlichen Zuständigkeit für die einvernehmliche Scheidung gem § 55a EheG s § 114a Abs 1 JN iVm § 76 Abs 1 JN; die Zuständigkeit wird durch den gewöhnlichen Aufenthalt jedes Ehegatten (bzw eingetragenen Partners) begründet (LGZ Wien EF 52.124, 54.983; Simotta/Fasching § 114a JN Rz 17; Mayr/Rechberger § 114a JN Rz 2). Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist gem § 114a Abs 1 JN iVm § 104 JN zulässig. Zur Eheprozessfähigkeit im außerstreitigen Scheidungsverfahren s § 2 Abs 3 AußStrG iVm § 2a ZPO. Für die Fähigkeit einer Partei, in Eheverfahren selbst oder durch bestellte Rechtsvertreter Verfahrenshandlungen vorzunehmen, gelten demnach die Bestimmungen der ZPO. Zum relativen Anwaltszwang s Rz 14; zu den Hinweispflichten des Gerichts gegenüber unvertretenen Ehegatten s Rz 35. Voraussetzung für die Durchführung einer Scheidung nach § 55a EheG ist die Anwendbarkeit des österreichischen Rechts. Zum anzuwendenden Sachrecht bei einvernehmlichen Scheidungen mit Auslandsbezug vgl § 20 Abs 1 IPRG iVm dem Ehewirkungsstatut des § 18 IPRG, wonach das anzuwendende Sachrecht nach dem gemeinsamen bzw nach dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer der beiden beibehalten hat, sonst nach dem gemeinsamen bzw dem letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, den einer der Ehegatten fortgeführt hat, zu ermitteln ist. Jedenfalls dann, wenn beide Ehegatten dieselbe ausländische Staatsangehörigkeit haben, scheidet demnach eine einvernehmliche Scheidung auf der Grundlage des § 55a EheG aus.
2. Scheidungsverfahren und Sachwalterschaft
23 Die Erklärung des Einvernehmens nach § 55a EheG ist die Ausübung eines höchstpersönlichen Rechts, wofür die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit jedes Ehegatten erforderlich ist (1 Ob 518/96 = NZ 1996, 339; 5 Ob 94/ 05t = JBl 2005, 781). Es mag durchaus vorkommen, dass die Interessen eines 952
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infolge einer geistigen Behinderung oder schweren psychischen Krankheit nicht ausreichend urteilsfähigen Ehegatten im Einzelfall am besten durch die Auflösung der Ehe gewahrt werden könnten; eine einvernehmliche Scheidung setzt aber unabdingbar voraus, dass zwischen den Ehegatten das Einvernehmen über die Scheidung besteht und sie gemeinsam die Auflösung der Ehe anstreben. Dieses Einvernehmen verlangt einen Willensentschluss und damit eine Einsichts- und Urteilsfähigkeit beider Ehegatten, die ausreicht, die Bedeutung einer einvernehmlichen Scheidung zu erkennen und eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Bei Zweifeln über das Ausmaß der Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist diese Frage im Rahmen des Sachwalterschaftsverfahrens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Psychiatrie/Neurologie zu klären. Wurde für einen Ehegatten ein Sachwalter gem § 268 ABGB mit einem Wirkungsbereich für die Vertretung in Gerichtsverfahren bestellt, ist er jedoch im Hinblick auf eine einvernehmliche Scheidung und deren Auswirkungen ausreichend einsichts- und urteilsfähig, muss der betroffene Ehegatte der Einbringung eines Scheidungsantrags durch seinen Sachwalter zustimmen, weil nicht gegen seinen Willen in seine höchstpersönlichen Rechte eingegriffen werden darf (idS auch 1 Ob 518/96 = SZ 69/75 = JBl 1996, 600; 7 Ob 355/97z = JBl 1998, 443; 5 Ob 94/05t = JBl 2005, 781; Deixler-Hübner/Rechberger § 93 AußStrG Rz 3). Fehlt dem unter Sachwalterschaft stehenden Ehegatten hingegen diese Einsicht in das Wesen und die Wirkungen einer einvernehmlichen Scheidung oder verweigert er das Einvernehmen, so kann diese Erklärung als höchstpersönliches Recht, das schon begrifflich eine Vertretung bei seiner Ausübung nicht zulässt, weder durch den Sachwalter noch durch das Pflegschaftsgericht ersetzt werden (1 Ob 518/96 = NZ 1996, 339; 7 Ob 355/97z = JBl 1998, 443; 6 Ob 106/03m = EvBl 2004/59; 5 Ob 94/05t = JBl 2005, 781 ua). Ein nicht einsichts- und urteilsfähiger Ehegatte kann daher keinen wirksamen Antrag auf einvernehmliche Scheidung stellen; mangels verfahrensrechtlich wirksamer Antragstellung kommt auch das Wirksamwerden eines Scheidungsfolgenvergleichs, der in einem trotz dieser Rechtlage doch eingeleiteten Scheidungsverfahren gem § 55a EheG geschlossen wird, nicht in Betracht (1 Ob 518/96 = NZ 1996, 339). Hingegen kann der Sachwalter, sofern sein Wirkungskreis die Vertretung der betroffenen Person in Gerichtsprozessen umfasst, mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung (§ 154 Abs 3 ABGB) eine Scheidungs- oder Eheaufhebungsklage bei Gericht einbringen, weil damit die Beurteilung der materiellen Berechtigung des Klagebegehrens in einem Zivilprozess eingeleitet wird und die Auflösung der Ehe nicht nur aufgrund einer höchstpersönlichen Willensbildung der Ehegatten erfolgt (vgl 8 Ob 4/63 = JBl 1964, 37; 7 Ob 94/03d = JBl 2004, 48).
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3. Zurücknahme des Scheidungsantrags
24 § 94 Abs 2 AußStrG normiert eine besondere Säumnisfolge im Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen und entspricht inhaltlich dem § 460 Z 5 ZPO. Kommt einer der Ehegatten trotz ordnungsgemäßer Ladung und ohne begründete Entschuldigung nicht zum Scheidungstermin, ist der Scheidungsantrag von Amts wegen gem § 94 Abs 2 AußStrG mit Beschluss für zurückgenommen zu erklären. Das Ausbleiben eines Ehegatten von diesem Gerichtstermin begründet die (durch berechtigten Rekurs gegen den Beschluss, mit dem der Scheidungsantrag als zurückgenommen erklärt wird, widerlegbare [LGZ Wien EF 122.238]) gesetzliche Vermutung, dass der betroffene Ehegatte infolge eines Sinneswandels die Auflösung der Ehe nicht mehr anstrebt. Nach einem solchen Verfahrensabschluss können die Ehegatten aber jederzeit einen neuerlichen Antrag auf Scheidung gem § 55a EheG bei Gericht einbringen. Der in der Vorgängerbestimmung des § 221 Abs 2 AußStrG 1854 noch enthaltene Hinweis, die Antragszurücknahme gelte bei Fernbleiben eines Ehegatten von der Scheidungsverhandlung „als ohne Verzicht auf den Anspruch“ zurückgenommen, musste durch das AußStrG 2003 nicht übernommen werden, weil auf einen Antrag auf einvernehmliche Scheidung ohnehin nicht wirksam verzichtet werden kann. § 94 Abs 2 AußStrG darf aber nur angewendet werden, wenn ein Ehegatte die mündliche Verhandlung über den Scheidungsantrag ohne ausreichende Entschuldigung versäumt. Wenn auch ein telefonischer Vertagungsantrag gesetzlich nicht vorgesehen ist (§ 10 Abs 1 AußStrG), ist es doch die Sache des Gerichts, den Ehegatten bei einem Anruf darauf hinzuweisen, dass er seinen Verlegungsantrag entweder schriftlich bei Gericht einbringen oder – in der Praxis wohl wenig sinnvoll – mündlich zu Protokoll erklären muss (LGZ Wien EF 122.238). Unterblieb ein solcher Hinweis auf die Rechtslage, kann dem Ehegatten die mangelhafte Form seines Vertagungsantrags nicht angelastet werden, sodass sein Fernbleiben von der Verhandlung nicht die Säumnisfolge des § 94 Abs 2 AußStrG auszulösen vermag. 25 Jeder Ehegatte kann den Scheidungsantrag gem § 94 Abs 3 AußStrG bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses – und nicht etwa nur bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über den Antrag, wie § 11 Abs 1 zweiter Satz AußStrG für sonstige Außerstreitverfahren vorsieht – zurücknehmen. Der Gesetzgeber hat § 94 Abs 3 AußStrG 2003 im Hinblick auf die maßgeblichen Zeitpunkte für die Zurücknahme des Scheidungsantrags und eine Auflösung der Ehe ganz offensichtlich iS der Rsp zu § 224 AußStrG 1854 (Zulässigkeit der Zurückziehung „bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses [§ 411 Abs 1 ZPO]“) verstanden und unterscheidet weiterhin zwischen der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts (und der damit eingetretenen formellen Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses) und dem Ein954
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tritt der Scheidungsfolgen (als Ergebnis der materiellen Rechtskraft [vgl auch § 460 ZPO Rz 35]). Unter Rechtskraft iS des § 94 Abs 3 AußStrG ist die formelle Rechtskraft (Rz 27) zu verstehen. Das (verfassungsrechtlich unbedenkliche: 6 Ob 259/02k = JBl 2003, 530) Aus- 26 einanderfallen des maßgebenden Zeitpunkts der formellen Rechtskraft der Entscheidung für die Zurücknahme des Scheidungsantrags und der Zustellung der schriftlichen Ausfertigungen des Scheidungsbeschlusses für die Auflösung der Ehe entspricht dem in den ErläutRV angeführten rechtspolitischen Anliegen des Gesetzgebers, einerseits Ehen möglichst lange aufrechtzuhalten, um darauf angewiesenen Ehegatten die damit verbundenen unterhalts-, erb- und sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche zu sichern, und andererseits ein Ende der prozessualen Dispositionsfähigkeit der Ehegatten mit Abgabe eines wirksamen Rechtsmittelverzichts (und damit dem Eintritt der formellen Rechtskraft) auch im Scheidungsverfahren vorzusehen. Eine einseitige Zurücknahme des Scheidungsantrags durch jeden Ehegatten 27 ist daher nur bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses möglich, während die Ehe bis zum Zeitpunkt der Zustellung der schriftlichen Beschlussausfertigungen an die Ehegatten – somit bis zu dem erst dadurch bewirkten Eintritt der materiellen Rechtskraft iS des § 43 Abs 4 AußStrG – aufrecht bleibt (6 Ob 259/02k = JBl 2003, 530 = EF 103.081 [unter ausdrücklicher Ablehnung der Rechtsansicht von Böhm/Fuchs, ÖJZ 2002, 628, wonach bei beiderseitigem Rechtsmittelverzicht die Entscheidung zugleich formell und materiell rechtskräftig und wirksam sei]; 2 Ob 181/06s mwN = iFamZ 2007/81 = JBl 2007, 590 = EF 118.870; vgl auch 7 Ob 596/79 = JBl 1980, 551; 5 Ob 558/94). Die formelle Rechtskraft, also die Unanfechtbarkeit der Entscheidung (§ 42 AußStrG), tritt bereits dann ein, wenn nach mündlich verkündetem Scheidungsbeschluss von beiden Ehegatten ein wirksamer Rechtsmittelverzicht abgegeben wird, obwohl auch in diesem Fall die Entscheidung über die einvernehmliche Scheidung erst mit der Zustellung der schriftlichen Beschlussausfertigungen an die Ehegatten wirksam wird und die Auflösung der Ehe somit auch nach einem Rechtsmittelverzicht von diesem Zustellvorgang abhängig ist. Einem solchen Rechtsmittelverzicht darf nicht die Bedeutung eines schlüssigen Verzichts auf die Zustellung des Scheidungsbeschlusses beigemessen werden (6 Ob 259/02k = JBl 2003, 530), zumal auf Beschlussausfertigung und -zustellung im Fall einer einvernehmlichen Scheidung gem § 38 dritter Satz AußStrG überhaupt nicht wirksam – und daher schon gar nicht schlüssig – verzichtet werden kann. Nach einem wirksamen beiderseitigen Rechtsmittelverzicht kann der Schei- 28 dungsantrag daher nicht mehr zurückgenommen werden; die Ehegatten haben mit diesem Zeitpunkt ihre prozessuale Dispositionsfähigkeit verloren 955
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(2 Ob 181/06s = JBl 2007, 590). Verzichten beide Ehegatten nach mündlicher Verkündung des Scheidungsbeschlusses auf Rechtsmittel gegen diese damit formell rechtskräftige Entscheidung (was wirksam nur bei Vorliegen einer schriftlichen Scheidungsfolgenvereinbarung in Betracht kommt: § 95 Abs 2 zweiter Satz AußStrG) und zieht ein Ehegatte vor Zustellung der Beschlussausfertigung an ihn dennoch den Antrag zurück, hat das Gericht diese Antragszurücknahme mit Beschluss zurückzuweisen. 29 Erhebt ein Ehegatte gegen den Scheidungsbeschluss einen Rekurs, darf das Rechtsmittel nicht in eine Zurücknahme des Scheidungsantrags umgedeutet werden (1 Ob 623/80 = EvBl 1980/207 = EF 37.477; 2 Ob 561/88 = EF 58.607; 1 Ob 67/04s). Gem § 94 Abs 3 AußStrG tritt der Scheidungsbeschluss bei Zurücknahme des Scheidungsantrags außer Kraft, wobei der Gesetzgeber für diese Rechtsfolge offensichtlich von einer ausdrücklichen und damit eindeutigen Erklärung, den Scheidungsantrag zurückzunehmen, ausgeht. Wäre es zulässig, erst im Auslegungsweg zu ermitteln, ob mit dem Rechtsmittel auch die (nicht ausdrücklich erklärte) Zurücknahme des Scheidungsantrags gewollt ist, würde dies dem Gebot der Rechtssicherheit zuwiderlaufen. 30 Die fristgerechte Antragszurückziehung (Rz 27) führt zur Wirkungslosigkeit des bereits ergangenen Scheidungsbeschlusses (5 Ob 558/94; 4 Ob 2220/96s). Diese Rechtsfolge hat das Gericht gem § 94 Abs 3 zweiter Satz AußStrG mit deklarativem Beschluss auszusprechen. Wenn ein Ehegatte nach Vorliegen der Rechtsmittelentscheidung über seinen Rekurs gegen den Scheidungsbeschluss gleichzeitig mit dem von ihm erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs und somit vor Eintritt der formellen Rechtskraft (5 Ob 558/94 = EF 76.403) den Scheidungsantrag zurückzieht, wird der Scheidungsbeschluss wirkungslos; der unzulässig gewordene Revisionsrekurs ist in einem solchen Fall mangels Beschwer zurückzuweisen. 31 Der Scheidungsfolgenvergleich wird für den Fall der rechtskräftigen Ehescheidung geschlossen und ist durch diese bedingt (2 Ob 70/09x mwN). Dass es sich dabei um eine aufschiebende Bedingung handelt, ergibt sich schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass ein gerichtlicher Vergleich nur suspensiv und nicht auflösend bedingt abgeschlossen werden kann. Wird der Scheidungsbeschluss infolge der Zurückziehung des Antrags auf einvernehmliche Scheidung vor Eintritt der Rechtskraft wirkungslos, sind die Ehegatten nach ihrem übereinstimmenden Parteiwillen iS des § 914 ABGB im Zweifel nicht mehr an die Scheidungsfolgenvereinbarung – etwa über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse – gebunden (1 Ob 178/07v = iFamZ 2008/21 [Deixler-Hübner]). Daher hat die Vereinbarung auch grundsätzlich keine Gültigkeit für eine später erfolgende Scheidung gem § 49 EheG, sodass eine Klage auf Zuhaltung der Vereinbarung nicht in Betracht kommt, sondern mangels Einigung ein gerichtliches Aufteilungsverfah956
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ren nach den §§ 81 ff EheG eingeleitet werden muss. Eine abweichende Parteienabsicht muss jener Ehegatte beweisen, der sich auf eine fortdauernde Bindung der Ehegatten an die Vereinbarung auch ohne Durchführung einer einvernehmlichen Scheidung beruft. 4. Scheidungsfolgenvereinbarung
Die Scheidungsfolgenvereinbarung gem § 55a Abs 2 EheG (zu ihrem Inhalt s 32 dort) ist zum einen Scheidungsvoraussetzung und bildet zum anderen in aller Regel einen gerichtlichen Vergleich, der nach Eintritt der materiellen Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses nach den Vorschriften der EO durchgesetzt werden kann und dessen materielle Gültigkeit nach den Bestimmungen des ABGB zu beurteilen ist (1 Ob 566/78 = JBl 1979, 266; 1 Ob 532/85 = EF 48.800; 6 Ob 192/98y = EF 87.469; Näheres in § 55a EheG Rz 4 ff). Zur Möglichkeit, von im Scheidungsfolgenvergleich getroffenen Regelungen vor oder nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses einvernehmlich abzugehen, s 2 Ob 70/09x; zur Unzulässigkeit einer Ergänzung oder „Berichtigung“ der Vereinbarung im außerstreitigen Verfahren nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses vgl § 55a EheG Rz 7 (s auch Rz 34). Soweit mit dem Scheidungsvergleich auch die Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten und ihren gemeinsamen minderjährigen Kindern (vgl ausführlich § 55a EheG Rz 13 ff) geregelt werden, setzt die Wirksamkeit dieser Vereinbarung ihre pflegschaftsgerichtliche Genehmigung voraus (vgl § 109 AußStrG). Zur Zugehörigkeit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Scheidungsfolgenvereinbarung zum Wirkungskreis des Rechtspflegers s § 19 Abs 2 Z 2 RpflG; dies schließt aber selbstverständlich eine Entscheidungsbefugnis des Richters über eine solche Genehmigung nicht aus. Das Scheidungsverfahren nach § 55a EheG wird durch die Rechtskraft des 33 Scheidungsbeschlusses beendet. Wenn die Scheidungsfolgenvereinbarung auch eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung einer einvernehmlichen Scheidung darstellt, bleibt der rechtskräftige Scheidungsbeschluss auch dann wirksam, wenn die Vereinbarung mit Willensmängeln zustandegekommen oder sittenwidrig ist und von einer Partei mit Erfolg angefochten wird (1 Ob 532/85 = EF 48.800; 2 Ob 608/88; 6 Ob 546/94 = SZ 67/183 = EF 79.196). Die Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses bleibt überdies auch dann unberührt, wenn das Pflegschaftsgericht die erforderliche Genehmigung jener Vergleichsbestimmungen, welche die Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern regeln (Rz 32), versagt (1 Ob 532/85 = EF 48.800; 1 Ob 67/04s). Dies gilt auch für den Fall, dass ein Ehegatte bei einer anderen als der vereinbarten Obsorgeregelung den Scheidungsfolgenvergleich nicht abgeschlossen und damit einer Scheidung nach § 55a EheG nicht zugestimmt hätte. 957
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34 Eine anlässlich einer Ehescheidung zustandegekommene Scheidungsfolgenvereinbarung erledigt im Zweifel alle aus dem Eheverhältnis entspringenden, den Parteien bekannten Ansprüche (1 Ob 568/92; 7 Ob 51/07m = EF-Z 2007/82 = EF 117.574; 5 Ob 43/07w mwN = EF-Z 2007/106). Solange der Vergleich nicht erfolgreich angefochten wurde, ist eine Antragstellung im Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG nicht zulässig. Wenn aber in einer Scheidungsvereinbarung gem § 55a EheG (etwa wegen Irrtums oder Unkenntnis eines Ehegatten oder beider Ehegatten) keine vollständige Aufteilung erfolgte und ein Einvernehmen nicht erzielt werden kann, steht den Ehegatten die Einleitung des Aufteilungsverfahrens über die noch unerledigten Ansprüche offen (5 Ob 43/07w mwN; zum Beginn der Ausschlussfrist des § 95 EheG erst mit Rechtskraft des Urteils im Anfechtungsprozess s 7 Ob 51/07m = EF-Z 2007/82 = EF 117.574); ein Vergleich über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse schließt eine Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG nur insoweit aus, als die wirksame Vereinbarung reicht (1 Ob 568/92 mwN). Für die Abgrenzung zwischen außerstreitigem und streitigem Verfahren sind der Wortlaut des Antrags, der Inhalt des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen des Antragstellers maßgeblich, während die Einwendungen des Gegners keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Verfahrensart haben (4 Ob 351/97i; 5 Ob 43/07w mwN = EF-Z 2007/106 = EF 118.630).
5. Hinweispflicht im Scheidungsverfahren
35 Entgegen seiner ursprünglichen Absicht, die noch im Entwurf für ein FamRÄG 2008 zum Ausdruck kam, nahm der Gesetzgeber anlässlich der Neuformulierung des § 95 Abs 1 AußStrG durch das FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/ 75) von einer Beratungspflicht für Ehegatten, die im außerstreitigen Scheidungsverfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, aus unverständlichen Gründen Abstand. Diese verpflichtende, auf den konkreten Fall Bezug habende Beratung durch darauf spezialisierte Personen und Institutionen – Rechtsanwälte, Notare und rechtskundige, angemessen haftpflichtversicherte Mitarbeiter einer nach § 1 FamilienberatungsförderungsG geförderten und dadurch die notwendigen Standards gewährleistenden Familienberatungsstelle – wäre die geeignete gesetzgeberische Vorgangsweise, um durch eine gesetzlich gewährleistete Qualität der rechtlichen Aufklärung Beratungsdefizite der Ehegatten insb über die unterhalts-, sozial- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Auflösung der Ehe und über Kredithaftungen im Zeitpunkt der Scheidung möglichst zu vermeiden oder sie zumindest gering zu halten. In der Scheidungssituation selbst wird der Richter häufig nicht einmal ausreichend Gelegenheit haben, sich ein umfassendes Bild vom Informationsstand der Ehegatten und von ihren wirtschaftlichen Gesamtverhältnissen zu 958
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verschaffen. Typischerweise sind die Ehegatten in der Tagsatzung, die für eine einvernehmliche Scheidung ihrer Ehe bestimmt ist, bestrebt, die Eheauflösung möglichst rasch und komplikationsfrei zu erreichen. Eine parteiorientierte, auf die Bedürfnisse des einzelnen Ehegatten ausgerichtete Aufklärung über die Vor- und Nachteile einzelner Bestimmungen der in Aussicht genommenen Scheidungsfolgenvereinbarung – im Gegensatz zu einer bloßen Darstellung der Rechtslage – ist dem Richter überhaupt verwehrt. § 95 Abs 1 AußStrG idF des FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) entspricht im Wesentlichen § 460 Z 6a Satz ZPO idF dieses Bundesgesetzes. Die in der Vorgängerbestimmung vorgesehene besondere Aufklärungspflicht des Gerichts über die Scheidungsfolgen im Allgemeinen wurde dabei durch eine bloße Hinweispflicht des Gerichts ersetzt. Nach den ErläutRV soll sich der Hinweis auf einen Beratungsbedarf für den Fall einer einvernehmlichen Scheidung überdies in einem der Ladung angeschlossenen Informationsblatt erschöpfen können. Zur problematischen Formulierung der Bestimmung s § 460 ZPO Rz 31. Die ErläutRV betonen, dass das Gericht keine Verpflichtung trifft, die Ehegatten über die Scheidungsfolgen zu informieren. Nutzen die Ehegatten trotz Erstreckung der Tagsatzung den Zeitraum bis zur nächsten Verhandlung nicht dazu, ihren Kenntnisstand über die rechtlichen Auswirkungen der Scheidung zu verbessern, wird die einvernehmliche Scheidung dennoch durchzuführen sein. Zielführende Bemühungen des Gesetzgebers um die Sicherstellung ausreichender Kenntnisse der scheidungswilligen Ehegatten über die Rechtsfolgen ihrer Verfahrensschritte würden andere Regelungen und insb zumindest eine verpflichtende Beratung der Ehegatten über die wesentlichen Rechtsfolgen der Eheauflösung im Vorfeld des Scheidungsverfahrens erfordern (zur nur relativen Anwaltspflicht vgl Rz 14 und 17). 6. Beschränkung des Rechtsmittelverzichts
§ 95 Abs 2 zweiter Satz AußStrG schränkt im Verfahren über die Scheidung im 36 Einvernehmen die Möglichkeit eines Verzichts auf die Zurücknahme des Scheidungsantrags und auf Rechtsmittel gegen den Scheidungsbeschluss gegenüber den allgemeinen Regeln ein. Liegt in der mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag keine schriftliche Scheidungsfolgenvereinbarung vor, ist ein Rechtsmittelverzicht wirkungslos, sodass den Ehegatten jedenfalls eine 14-tägige Rekursfrist zur Verfügung steht, in der sie auch den Scheidungsantrag zurückziehen können. Mit dieser Bestimmung soll ein scheidungswilliger Ehegatte im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes vor einem übereilten und nicht ausreichend überlegten Verzicht auf Rechtsmittel bewahrt werden. Wird ein Scheidungsvergleich erst in der Gerichtsverhandlung erarbeitet und lediglich auf Tonband protokolliert, steht die Textfassung den Ehegatten ja in dem Zeitpunkt, in dem sie überlegen müssen, ob sie mit den Scheidungsfolgen einverstanden sind, nicht zur Verfügung. In einem sol959
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chen Fall – der in der Praxis allerdings ohnedies vermieden werden soll – kommt kein wirksamer Rechtsmittelverzicht in Betracht. Ungleich sinnvoller als die bloße Tonbandaufzeichnung einer erst in der Verhandlung abgeschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung ist die schriftliche Abfassung des Scheidungsvergleichs vor dem Ausspruch der Scheidung. 37 Dass § 95 Abs 2 AußStrG auch auf jene Fälle anzuwenden wäre, in denen in der Verhandlung zwar eine schriftliche Scheidungsvereinbarung vorliegt, ihre Verständlichkeit aber durch handschriftliche und mitunter schwer lesbare Ausbesserungen oder Zusätze beeinträchtigt wird, kann jedenfalls aus dem Gesetzeswortlaut nicht abgeleitet werden (offenbar für eine Gleichbehandlung einer durch Streichungen und Einfügungen „unlesbar“ gewordenen Vereinbarung mit dem gänzlichen Fehlen einer schriftlichen Fassung Fucik/Kloiber § 95 AußStrG Rz 3; Deixler-Hübner/Rechberger § 95 AußStrG Rz 5; angesichts der Bedeutung der Scheidungsfolgen für die Rechtsverhältnisse der Ehegatten nach der Eheauflösung und im Hinblick auf die Funktion des Scheidungsvergleichs als Exekutionstitel sollte aber die Entstehung einer „unlesbaren“ Textierung ohnehin unterbleiben). Eine solche Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 95 Abs 2 AußStrG kommt aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht in Betracht und wäre in der Praxis wohl auch kaum umsetzbar, weil die dadurch notwendig werdenden Unterscheidungen zwischen gut lesbaren, schwer lesbaren und völlig unlesbaren Abfassungen des Vergleichstextes kaum nach einem objektiven Maßstab getroffen werden können. Bei zahlreichen handschriftlichen Zusätzen zu einem Vergleichsentwurf wird es aber sinnvoll sein, die Ehegatten vom Verzicht auf Antragszurücknahme und Rekurs abzuhalten und ihnen dadurch eine der 14-tägigen Rekursfrist entsprechende Überlegungsfrist einzuräumen, die ihnen zum Schutz vor vorschnellen Entscheidungen eine Zurücknahme des Scheidungsantrags nach Vorliegen der schriftlichen Vergleichsausfertigung ermöglicht. 7. Tod eines Ehegatten während des Scheidungsverfahrens
38 Stirbt ein Ehegatte nach einem – auch beidseitigen – Rechtsmittelverzicht bei mündlich verkündetem Scheidungsbeschluss, aber vor Zustellung der Beschlussausfertigung an beide Ehegatten und somit vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses, wird dieser gem § 94 Abs 3 letzter Satz AußStrG wirkungslos. In einem solchen Fall kommt dem überlebenden Ehegatten weiterhin ein gesetzliches Erbrecht gem § 757 ABGB (Näheres s dort) zu. Zu den unterschiedlichen Zeitpunkten des Eintritts der formellen und materiellen Rechtskraft s § 460 ZPO Rz 35.
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8. Verständigung des Sozialversicherungsträgers
Mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses endet grundsätzlich die Mitversi- 39 cherung des Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung (Ausnahme: § 56 Abs 7 B-KUVG). Nur wenn der davon betroffene Ehegatte binnen 6 Wochen ab Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses einen Antrag auf freiwillige Selbst- bzw Weiterversicherung in der Krankenversicherung (§ 16 ASVG, § 8 GSVG, § 8 BSVG) beim Sozialversicherungsträger stellt, ist ein kontinuierlicher Krankenversicherungsschutz gewährleistet, sodass Leistungen bereits ab dem Beginn der Selbstversicherung in Anspruch genommen werden können. Eine verspätete Antragstellung führt zu einer Wartefrist bei Leistungsverpflichtung (vgl § 16 ASVG Rz 3). Zur Antragstellung auf Herabsetzung des Beitrags s § 16 ASVG Rz 4. § 95 Abs 3 AußStrG entspricht der Regelung des § 460 Z 11 ZPO. Das Gericht hat demnach dann, wenn ein Ehegatte durch die Auflösung der Ehe offenbar den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung verliert, nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses mit seiner Zustimmung den zuständigen Sozialversicherungsträger zu verständigen. Dieser ist verpflichtet, dem betroffenen Ehegatten Informationen über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Scheidung und die Möglichkeiten der Fortsetzung des Versicherungsschutzes zu übermitteln. Voraussetzung für diese Aufklärung ist die Zustimmung des bisher mitversicherten Ehegatten zur Verständigung des Sozialversicherungsträgers durch das Gericht. Stellt ein Ehegatte seine Sozialversicherungsnummer dem Gericht nicht zur Verfügung, entfällt dessen Verständigungspflicht als Folge der verweigerten Mitwirkung des Ehegatten.
F. Aufteilungsverfahren 1. Rechtsweg
Nur jene Ansprüche, die Vermögenswerte betreffen, welche der nachehelichen 40 Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG unterliegen und demnach dem ehelichen Gebrauchsvermögen oder den ehelichen Ersparnissen (zu diesen Begriffen vgl ausführlich § 81 EheG Rz 12 ff) zuzurechnen sind, sind im außerstreitigen Aufteilungsverfahren zu behandeln (4 Ob 263/00 f = NZ 2002, 114 = EF 98.997; 10 Ob 16/08p = EF-Z 2008/107 [Gitschthaler] = iFamZ 2008/138; 1 Ob 155/08p = EF-Z 2009/12 [Gitschthaler] = EF 121.790 uva) und unterliegen materiellrechtlich der gerichtlichen Vermögensteilung. Die Zugehörigkeit zur Aufteilungsmasse ist somit nicht nur Voraussetzung dafür, dass das Gericht künftige Rechte dem einen oder anderen Ehegatten nach den §§ 81 ff EheG zuzuweisen hat, sondern gleichzeitig auch Voraussetzung für die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs (1 Ob 155/08p = EF-Z 2009/12 961
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[Gitschthaler]). Ist die Eigenschaft eines Vermögenswerts als Teil des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen strittig, hat das Gericht die für die Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen erforderlichen Erhebungen durchzuführen und über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden (7 Ob 25/99y = EF 91.756; 8 Ob 255/99d = JBl 2000, 671 = EF 95.166; 4 Ob 263/00 f = NZ 2002, 114 = EF 98.997; 1 Ob 155/08p = EF-Z 2009/12 [Gitschthaler] = EF 121.792). 41 Aufgrund des Vorrangs des Aufteilungsverfahrens ist, soweit ein nach den §§ 81 ff EheG aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen sein könnte, zuerst zu prüfen, ob der außerstreitige Rechtsweg einzuschlagen ist. Erst nach Klärung, dass einzelne Gegenstände, Ersparnisse oder Rechte nicht der Aufteilung unterliegen, können Rechtsstreitigkeiten der Ehegatten untereinander im Streitverfahren geführt werden. Damit soll verhindert werden, dass das in einem Zivilprozess gewonnene Ergebnis durch eine mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde (7 Ob 25/99y = EF 91.757; 1 Ob 294/99p = EF 95.173; 10 Ob 16/08p = EF-Z 2008/107 [Gitschthaler] = iFamZ 2008/138). Auch der Anspruch auf Erstattung von Rückzahlungen auf Kredite, die für die Errichtung des gemeinsamen Hauses aufgenommen wurden, ist im nachehelichen Aufteilungsverfahren zu verfolgen (1 Ob 294/99p = EF 95.174; vgl dazu auch 6 Ob 216/97a = EF 87.593). 42 Bringt ein Ehegatte gegen den anderen innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG eine Klage ein, deren Gegenstand Ansprüche nach den §§ 81 ff EheG sind, hat das Prozessgericht die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszusprechen und dieses Begehren von Amts wegen dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen (4 Ob 565/94 = EF 76.644; 1 Ob 294/99p = EF 95.175; vgl zum Vorrang des Aufteilungsverfahrens gegenüber einem Antrag auf Benützungsregelung nach § 838a ABGB iZm ehelichen Ersparnissen 7 Ob 48/10z = EF-Z 2010/143). Dies gilt insb auch für eine Teilungsklage, die eheliches Vermögen betrifft (vgl Vor §§ 81 ff EheG Rz 9 und § 85 EheG Rz 12). Eine solche Überweisung an das Außerstreitgericht ist nur innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG bzw bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Aufteilungsverfahrens zulässig (4 Ob 517/88 mwN = EF 58.645; 1 Ob 294/99p = EF 95.175). § 235 AußStrG 1854 über die Überweisung von im streitigen Verfahren geltend gemachten Aufteilungsansprüchen in das Außerstreitverfahren wurde zwar in das AußStrG 2003 nicht übernommen. Dennoch ist die bisher zu dieser Bestimmung ergangene Rsp weiterhin zu beachten; als Rechtsgrundlage für die Überweisung dienen die §§ 40a bzw 44 JN (10 Ob 16/08p = EF-Z [Gitschthaler] = iFamZ 2008/138; Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 407). Haben die Vorinstanzen die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs bejaht, kann der OGH die (allfällige) Unzulässigkeit des Außerstreitverfahrens nicht mehr wahrnehmen und hat daher auch über die an sich nicht dem Aufteilungsverfahren unterliegenden Ansprüche – wenngleich nach den sonst geltenden Bestim962
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mungen (hier: § 1266 ABGB) – in diesem Verfahren zu entscheiden (1 Ob 197/ 99y = JBl 2000, 666 = EF 94.341). Umgekehrt gibt es keine gesetzliche Vorschrift, die bei Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs die Überweisung der Rechtssache an das zuständige Prozessgericht zulässt (3 Ob 521/85 = EF 50.143; 4 Ob 596/88 = EF 58.647; 3 Ob 187/07g; Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 409 mwN). Die §§ 40a, 44 JN ändern daran nichts, weil der Antrag an das Außerstreitgericht zwar gem § 40a JN in eine Klage umgedeutet werden könnte, für eine Überweisung in das streitige Verfahren aber keine Rechtsgrundlage zur Verfügung steht. Ansprüche auf Durchsetzung oder Anfechtung von nach § 97 EheG zulässig 43 getroffenen Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sind im Streitverfahren geltend zu machen (1 Ob 568/92 = EF 70.555; 7 Ob 99/98d = EF 88.758; 5 Ob 43/07w mwN = EF-Z 2007/106 = EF 117.584 uva).
2. Verzicht auf das Aufteilungsverfahren?
Ein im Scheidungsvergleich – auch beidseitig – abgegebener Verzicht auf ein 44 Aufteilungsverfahren ist wegen der schon aus Art 6 Abs 1 erster Satz EMRK abzuleitenden generellen Unzulässigkeit eines Rechtsschutzverzichtsvertrags (pactum de non petendo) unwirksam und steht daher einer Antragstellung im außerstreitigen Verfahren nicht entgegen (1 Ob 568/92 = EF 69.374; 2 Ob 73/ 99w = EF 91.740; 7 Ob 99/98d = EF 91.740; 5 Ob 43/07w = EF-Z 2007/106 = iFamZ 2007/154 [Deixler-Hübner]; aA 6 Ob 531/88 = EF XXV/4 [im Fall einer Aufteilungsvereinbarung mit Verzicht auf Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG ist es den Ehegatten verwehrt, den Außerstreitrichter anzurufen]). Das Gericht darf daher einen Aufteilungsantrag nicht unter bloßer Berufung auf einen einseitigen oder vertraglichen Verzicht auf die Einleitung eines Aufteilungsverfahrens zurückweisen; wurden mit der Aufteilungsvereinbarung das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse vollständig geregelt, wird der Antrag aber abzuweisen sein.
3. Subsidiarität des Aufteilungsverfahrens
Aus den §§ 85, 97 Abs 5 EheG und § 30 AußStrG ergibt sich, dass der Gesetz- 45 geber einer Einigung der geschiedenen Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse den Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Aufteilung einräumt. Der Außerstreitrichter hat daher im Aufteilungsverfahren nur dann und insoweit über die Ansprüche der Ehegatten zu entscheiden, als eine solche Einigung nicht oder nicht wirksam 963
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erfolgte (2 Ob 73/99w = EF 91.741; 7 Ob 99/98d = EF 91.741; 7 Ob 67/99z = EF 91.741; 5 Ob 43/07w = EF-Z 2007/106 uva). Konnten die Ehegatten die Aufteilung des gesamten ehelichen Vermögens außergerichtlich regeln, ist ein dennoch eingebrachter Aufteilungsantrag abzuweisen (vgl Rz 44). Haben sie lediglich über einen Teil der Aufteilungsmasse eine Einigung erzielt, können sie aber die Entscheidung des Gerichts für die restlichen aufzuteilenden Vermögenswerte (2 Ob 654/86 = EF 51.785; 6 Ob 582/90 = EF 64.860) oder auch nur für einzelne Vermögensgegenstände begehren (9 Ob 35/00p; 10 Ob 222/ 00w = EF 98.990 ua). Bei Aufteilungsbeschlüssen über einzelne Vermögensgegenstände muss das Gericht allerdings stets die sonstigen Vermögensverhältnisse der Ehegatten im Rahmen der Billigkeitserwägungen mitberücksichtigen (3 Ob 553/83 = EF 43.782; 3 Ob 548/85 = EF 48.987). Zur Zulässigkeit eines prätorischen Vergleichs iZm der nachehelichen Vermögensteilung s § 30 Abs 3 AußStrG. 46 Trotz Einigung der Ehegatten über die wesentlichen Scheidungsfolgen (insb im Rahmen einer Scheidung gem § 55a EheG) kann innerhalb der gesetzlichen Fristen ein Aufteilungsverfahren eingeleitet werden, wenn eine solche Aufteilung wegen Irrtums oder Unkenntnis eines Teils oder beider Teile in Bezug auf einzelne Vermögensbestandteile unvollständig geblieben und hierüber kein Einvernehmen zu erzielen ist. Es widerspräche dem Zweck der gesetzlichen Aufteilungsanordnung, dem betroffenen Ehegatten die Durchsetzung des restlichen Aufteilungsanspruchs zu verweigern. In einem solchen Fall sind jene Vermögensgegenstände aufzuteilen, bezüglich deren Aufteilung das Gericht angerufen wurde (1 Ob 568/92; 2 Ob 73/99w = EF 91.741; 7 Ob 99/98d = EF 91.741; 7 Ob 67/99z = EF 91.741), sofern die Jahresfrist ab Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses gewahrt wurde. Zum Fristbeginn bei Anfechtung des Scheidungsfolgenvergleichs im streitigen Verfahren s Rz 34. 4. Anzuwendendes Recht
47 Für die nacheheliche Vermögensteilung – als ein zum Scheidungsfolgenrecht gehöriger Regelungsbereich – gilt bei Auslandsbezug die Kollisionsnorm des § 20 IPRG (5 Ob 43/07w = EF-Z 2007/106 = EF 117.747), wonach die Wirkungen der Scheidung einer Ehe nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Scheidung zu beurteilen sind (§ 18 IPRG). Das anzuwendende Sachrecht richtet sich daher nach dem gemeinsamen bzw nach dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es einer der beiden Ehegatten beibehalten hat; sonst ist der gemeinsame bzw der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten, sofern ihn einer der beiden fortgeführt hat, für das konkret heranzuziehende materielle Recht maßgebend. Wenn beide Ehegatten ausländische Staatsangehörige sind, hat die Beurteilung der Aufteilungs964
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ansprüche also unter Umständen nach ausländischem Sachrecht zu erfolgen. Von dessen Bestimmungen hängt dann auch ab, ob ein Aufteilungsanspruch (schon) besteht oder nicht. In einem solchen Fall lässt sich mit dem Hinweis, dass der Aufteilungsanspruch nach österreichischem materiellen Recht erst nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe geltend gemacht werden kann, eine Zurückweisung des Aufteilungsantrags nicht rechtfertigen (4 Ob 351/97i = EF 85.014). Unabhängig von der Frage des anzuwendenden materiellen Rechts gelten bei 48 der gerichtlichen Aufteilung des ehelichen Vermögens ausschließlich die österreichischen Verfahrensvorschriften des AußStrG (6 Ob 30/03k; 5 Ob 43/ 07w mwN uva). Über einen Aufteilungsanspruch haben die österreichischen Gerichte daher auch dann im Außerstreitverfahren abzusprechen, wenn der Aufteilungsanspruch nach ausländischem Sachrecht zu beurteilen ist (1 Ob 2117/96x = EF 83.007; 4 Ob 351/97i = EF 85.002). Die Frage, ob ein bestimmter Anspruch im Prozessweg oder im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen und zu behandeln ist, ist ausschließlich nach dem Inhalt des Begehrens und des Vorbringens des Antragstellers zu beurteilen (§ 40a JN) und hängt daher nicht von der nach materiellrechtlichen Bestimmungen zu prüfenden Berechtigung eines Entscheidungsbegehrens ab. Werden Ansprüche, die nach der österreichischen Zuständigkeitsordnung ins Außerstreitverfahren gehören, nach rechtskräftiger Scheidung im streitigen Verfahren geltend gemacht (etwa Räumung der früheren Ehewohnung), so sind sie in das Außerstreitverfahren zu verweisen (s auch Rz 41). Der Umstand, dass materiellrechtlich ausländisches Recht zur Anwendung kommen kann, hat somit keine ausschlaggebende Bedeutung für den heranzuziehenden Rechtsweg; dies gilt auch dann, wenn nach dem ausländischen Recht diesbezüglich keine Einbeziehung der Ehewohnung vorgesehen ist (EF 83.007; LGZ Wien EF 95.176) bzw das anzuwendende ausländische Sachrecht keine der nachehelichen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gleichzuhaltende Aufteilungsregelung iS der §§ 81 ff EheG normiert (6 Ob 621/90). 5. Behauptungs- und Beweislast
Im Aufteilungsverfahren haben die Ehegatten die entscheidungswesentlichen 49 Umstände zu behaupten und dafür Beweise anzubieten (LGZ Wien EF 76.293, 52.477; vgl auch 1 Ob 88/05 f = EF 111.392 mit weiteren Ausführungen zur Heranziehung der Behauptungs- und Beweislastregeln). Die subjektive Beweislast der Ehegatten, also die Verpflichtung der Parteien, den Beweis der für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu erbringen, wird durch die Verpflichtung des Gerichts, auch ohne Parteienbehauptungen die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachen zu erheben, nur ergänzt (1 Ob 641/94 965
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= EF 76.291; 1 Ob 88/05 f = EF 111.392). Das Gericht hat demnach erst aufgrund des entsprechenden Sachvorbringens alle für seine Billigkeitsentscheidung maßgeblichen Umstände von Amts wegen zu ermitteln (6 Ob 535/80 = EF 37.489; 6 Ob 730/80 = EF 37.495; 7 Ob 47/99h = EF 93.965). Wenn das Gericht mit seiner amtswegigen Tatsachenerhebung aber außerstande ist, eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zu gewinnen bzw der Beweis für entscheidungsrelevante Tatsachen im Verfahren nicht erbracht wird, kommen die Behauptungs- und Beweislastregeln zum Einsatz, nach denen das Gericht bestimmen muss, zu wessen Lasten die Unmöglichkeit der Beweisführung geht (1 Ob 641/94 = EF 76.291; 6 Ob 171/03w; 1 Ob 88/05 f = EF 111.392). Zur grundsätzlich zwingenden Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Aufteilungsverfahren s Rz 20; zu den Inhaltserfordernissen des Aufteilungsantrags und zum Umfang der Bindung des Gerichts an das Begehren vgl § 85 EheG Rz 6 ff; s auch § 95 EheG Rz 3. Zur Zurückziehung des Aufteilungsantrags, die zumindest nach der Rsp zum AußStrG 1854 – und damit vor Schaffung des § 11 AußStrG 2003 mit einer ausdrücklichen Regelung der Voraussetzungen und Wirkungen einer Antragszurückziehung – wirksam nur im Einvernehmen beider Ehegatten und nicht einseitig erfolgen konnte, s 9 Ob 125/03b = EF 105.005; 9 Ob 125/ 04d; 5 Ob 63/05h = EF 111.388. Diese Rsp ist auch nach Einfügung des § 11 AußStrG fortzuführen (vgl dazu Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 427). 6. Antragsfrist
50 Die Jahresfrist des § 95 EheG ist eine von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Ausschlussfrist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt, ohne dass auch nur eine Naturalobligation bestehen bleibt (6 Ob 216/97a = EF 87.593; 7 Ob 211/06i = EF 114.430; 3 Ob 205/08 f = EF 120.364; 7 Ob 64/09a; 6 Ob 66/10i = iFamZ 2010/207 uva). Der Zweck dieser Frist besteht darin, die Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten möglichst rasch zu klären (4 Ob 285/01t = EF 101.045; 2 Ob 6/04b = EF 108.424; 1 Ob 102/04p = EF 108.424 uva) und durch eine rasche Bereinigung der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung nach einem längeren Zeitraum nahezu unüberwindbare Beweisprobleme auszuräumen (OLG Wien EF 51.847). Die Frist beginnt mit formeller Rechtskraft der Entscheidung über die Scheidung der Ehe iS des § 411 ZPO (1 Ob 45/05g = EF 111.416; 7 Ob 211/06i = iFamZ 2007/45 = EF 114.431; 9 Ob 76/08d = iFamZ 2009/86 [Deixler-Hübner] = EF 120.365; 7 Ob 64/09a; 3 Ob 23/10v uva), also mit der Unanfechtbarkeit des Scheidungsurteils. Dabei kann der Scheidungsausspruch in Rechtskraft erwachsen, ohne dass bereits rechtskräftig über das Verschulden an der Ehezerrüttung entschieden ist. Diese Konstellation liegt etwa dann vor, wenn mit rechtskräftigem Teilurteil über das Scheidungsbegehren abgesprochen wurde und die Verschuldensfrage erst mit Endurteil zu klären ist oder 966
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wenn das Scheidungsurteil lediglich in seinem Verschuldensausspruch angefochten wurde (1 Ob 35/00d; 1 Ob 281/07y; 9 Ob 76/08d uva; Details bei Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 431 ff) oder wenn im Rechtsmittelverfahren der Scheidungsausspruch bestätigt, der Schuldausspruch jedoch zur Verfahrensergänzung aufgehoben wird. Infolge des materiellrechtlichen Charakters der Jahresfrist des § 95 EheG muss 51 der Aufteilungsantrag noch vor Ablauf der Frist beim Aufteilungsgericht eingelangt sein, weil § 89 Abs 1 GOG (keine Einrechnung des Postlaufs in die Frist; vgl aber 7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 [Beck]: Fristverlängerung auf den nächsten Werktag bei Fristende an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag]) nicht anzuwenden ist (Gitschthaler/Rechberger §§ 124 bis 126 ZPO Rz 11; ders, Aufteilungsrecht Rz 435). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Aufteilungsantrag zunächst fristgerecht zwar bei einem unzuständigen Gericht gestellt wird, dieses den Antrag aber gem § 44 JN an das zuständige Aufteilungsgericht überweist. Für eine analoge Anwendung des § 230a ZPO ist idZ mangels Gesetzeslücke kein Raum (4 Ob 513/94; 1 Ob 21/01x = EF 98.782; LGZ Wien EF-Z 2010/55), weil die Vorgangsweise bei Unzuständigkeit des in einem Außerstreitverfahren angerufenen Gerichts in § 44 JN abschließend geregelt ist. Im Anwendungsbereich des § 44 JN muss es allerdings nicht jedenfalls zu einer Überweisung kommen; wenn das unzuständige Gericht nach den Umständen des Einzelfalls das zuständige Gericht nicht bestimmen kann, hat es den Aufteilungsantrag zurückzuweisen. Nach Rechtskraft eines solchen Zurückweisungsbeschlusses kommt ein Überweisungsantrag nicht mehr in Betracht (1 Ob 21/01x). Besteht für eine solche Antragszurückweisung kein Grund, spricht das Gericht gem § 44 Abs 1 JN seine örtliche Unzuständigkeit aus und überweist die Rechtssache an das zuständige Aufteilungsgericht; in diesem Fall bleibt die Gerichtsanhängigkeit des – wenn auch beim unzuständigen Gericht – eingebrachten Aufteilungsantrags aufrecht, sodass die Jahresfrist gewahrt ist (LGZ Wien EF-Z 2010/55). Die Jahresfrist zur Geltendmachung eines Aufteilungsanspruchs wird auch ge- 52 wahrt, wenn während der Frist ein Verfahrenshilfeantrag gestellt wird. Dies gilt aber nur dann, wenn ein solcher Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe bereits als verfahrenseinleitender Schriftsatz zu beurteilen ist, wenn er also den Sachverhalt und das Begehren individualisiert und deutlich erkennen lässt. Bereits im Verfahrenshilfeantrag muss der Aufteilungsanspruch daher ausreichend deutlich klargestellt werden (7 Ob 325/01x = EF 101.043; 1 Ob 45/05g = EF 111.422). Diese Voraussetzung ist etwa dann erfüllt, wenn der Antragsteller dem Antrag samt Vermögensbekenntnis ein „Datenblatt“ anschließt, welches die der gerichtlichen Aufteilung unterliegenden Vermögensbestandteile auflistet und den Wunsch nach deren Zuweisung im Aufteilungsverfahren zum Ausdruck bringt; der Umstand, dass der Antrag daneben 967
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keinen formellen Aufteilungsvorschlag enthält, ist unerheblich. Wird hingegen ausdrücklich nur die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang (einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts) beantragt, so ist diesem Antrag kein Rechtsschutzziel zu entnehmen, das auf eine bestimmte Sachentscheidung gerichtet wäre, selbst wenn sich aus dem Verfahrenshilfeantrag ergibt, aus welchem Sachverhalt der Antragsteller Aufteilungsansprüche ableiten will (LG Salzburg EF 108.428). 53 Wird die Jahresfrist versäumt, hat das Gericht den Aufteilungsantrag abzuweisen (10 Ob 222/00b = EF 97.392; 4 Ob 285/01t = EF 101.038; 7 Ob 325/ 01x = EF 101.038; 6 Ob 66/10i = iFamZ 2010/207 uva). Auch die Geltendmachung eines der nachehelichen Aufteilung unterliegenden Anspruchs nach Ablauf der Frist oder nach Abschluss des Aufteilungsverfahrens im streitigen Rechtsweg führt nicht zur Zurückweisung der Klage, sondern zu einer Abweisung der Klage aus materiellrechtlichen Gründen (6 Ob 216/97a = EF 87.593). Gegen den Ablauf der materiellrechtlichen Ausschlussfrist ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iS des § 146 ZPO unzulässig (LG Salzburg EF 94.027). 54 Außergerichtliche Vergleichsgespräche über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sollen vor Einleitung der gerichtlichen Vermögensteilung nicht dadurch behindert werden, dass zur Wahrung der Frist ein Aufteilungsantrag bei Gericht gestellt werden muss, weil damit eine nicht erstrebenswerte und kostenintensive Zweigleisigkeit zwischen außergerichtlichen Verhandlungen und dem Gerichtsverfahren nach den §§ 81 ff EheG entstünde. Solche Vergleichsgespräche bewirken daher eine Hemmung des Ablaufs der Präklusivfrist des § 95 EheG, sofern der Aufteilungsantrag nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen ohne unnötigen Aufschub eingebracht wird (1 Ob 536/92 mwN; 6 Ob 209/07i = EF-Z 2008/9 = EF 117.575; 3 Ob 205/08 f = EF 120.369; vgl auch 6 Ob 66/10i = iFamZ 2010/ 207). Nach der Rsp dauert die durch Vergleichsverhandlungen bewirkte Ablaufhemmung zwei bis drei Monate über das Scheitern der Vergleichsgespräche hinaus (6 Ob 209/07i mwN= EF-Z 2008/9 = EF 117.575; vgl auch 1 Ob 542/90 = EF 63.621 [das Verstreichenlassen von mehr als sechs Monaten entspricht nicht dem Gebot, den Antrag nach Beendigung der Vergleichsverhandlungen unverzüglich bei Gericht einzubringen]). Der Zeitpunkt, wann Vergleichsverhandlungen als gescheitert oder abgebrochen anzusehen sind, richtet sich danach, zu welchem Zeitpunkt bei objektiver Beurteilung des Verhaltens des Gegners zu erkennen ist, dass weitere Vergleichsversuche aussichtslos sind (3 Ob 205/08 f mwN = EF 120.369); er hängt daher von den Umständen des Einzelfalls ab. Zur Hemmung des Fristablaufs infolge einer Mediation vgl § 22 Abs 1 ZivMediatG. 968
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7. Rechnungslegungsbegehren im Aufteilungsverfahren?
Die §§ 81 ff EheG normieren zwar einen Anspruch der Ehegatten auf Auftei- 55 lung des Ehevermögens, aber keinen Anspruch auf Rechnungslegung. Die analoge Anwendung des Art XLII EGZPO ist im Aufteilungsverfahren jedoch grundsätzlich zulässig (7 Ob 2199/96z = SZ 69/174 = EF 83.008; 8 Ob 255/99d = JBl 2000, 671 = EF 95.165; 5 Ob 30/01z = SZ 74/164), wenn dort auch – zumindest solange eine eigene zivilrechtliche Verpflichtung zur Vermögensangabe weder behauptet worden noch sonst ersichtlich ist – nur der zweite Fall dieser Bestimmung über die Auskunftspflicht zur Anwendung kommen kann (8 Ob 518/87 = EF 54.987; 8 Ob 255/99d = JBl 2000, 671 = EF 95.168). Die Frage, ob ein Ehegatte gegen den anderen Ehegatten im Hinblick auf eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse Anspruch auf Rechnungslegung oder beeidete Vermögensangabe hat, ist daher ebenfalls im Aufteilungsverfahren zu beurteilen. Voraussetzung dieses eigenen privatrechtlichen Anspruchs auf Angabe eines Vermögens ist demnach die vermutliche Kenntnis des Gegners von der Verschweigung oder Verheimlichung des anzugebenden Vermögens. Dabei ist allerdings kein strenger Maßstab anzulegen; schon der bloße Verdacht einer entsprechenden Kenntnis des Gegners genügt (8 Ob 255/99d mwN = JBl 2000, 671 = EF 94.419). Aus dem Wort „vermutlich“ leitet die Rsp ab, dass der Antragsteller die Kenntnis des Gegners lediglich zu bescheinigen hat (7 Ob 269/ 02p; 2 Ob 316/02p; 7 Ob 147/06b; Fucik/Rechberger Art XLII EGZPO Rz 3). Die Verschweigung oder Verheimlichung setzt hingegen kein deliktisches Verhalten voraus, muss aber absichtlich erfolgt sein (1 Ob 152/98d; 7 Ob 147/06b). Aus dieser auch für das Aufteilungsverfahren zugrunde zu legenden Bescheinigungspflicht im Manifestationsverfahren ergibt sich, dass eine nur unsubstanziierte Behauptung des Antragstellers, der Gegner verheimliche Vermögen, für die Durchführung des Eidesverfahrens nicht ausreicht. Die Position der Aufteilungsmasse, die der Gegner vermutlich unrichtig, unvollständig oder gar nicht angegeben hat, muss vielmehr so weit konkretisiert werden, dass sich der Antrag nicht als bloßer Erkundungsbeweis darstellt und zudem die Grundlage einer vom Gericht vorzunehmenden Zuständigkeitsprüfung bilden kann (8 Ob 255/99d = JBl 2000, 671 = EF 95.167). Der Auftrag zur eidlichen Vermögensbekanntgabe kann im Aufteilungsverfah- 56 ren allerdings nur im Hinblick auf Vermögenswerte erteilt werden, für die der außerstreitige Rechtsweg zulässig ist, die somit als Teil des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse anzusehen sind (8 Ob 255/99d mwN = JBl 2000, 671). Ist die Eigenschaft eines Vermögenswerts als Bestandteil des Ehevermögens idS aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen strittig, dann hat das angerufene Aufteilungsgericht bei der Prüfung der Verfah969
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rensvoraussetzungen vor Erteilung eines Offenlegungsauftrags die erforderlichen Erhebungen durchzuführen und über die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs zu entscheiden (7 Ob 25/99y; 8 Ob 255/99d = JBl 2000, 671 = EF 95.166; 1 Ob 155/08p; vgl dazu auch Rz 34). Ergibt sich hingegen schon aus dem Antrag auf Vermögensangabe, dass die anzugebenden Wertgegenstände gem § 82 Abs 1 EheG der Aufteilung entzogen ist, ist dieser Antrag zurückzuweisen. 57 Der Aufteilung unterliegen nur jenes eheliche Gebrauchsvermögen und jene ehelichen Ersparnisse, die im Aufteilungszeitpunkt noch vorhanden sind oder deren Wert gem § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen ist (1 Ob 756/83; 8 Ob 255/99d = JBl 2000, 671; 10 Ob 3/01s = EF 97.316; Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 18). Wenn sich auch Art XLII EGZPO grundsätzlich nicht nur auf einen statischen Vermögenszustand, sondern auch auf eine Vermögensentwicklung bezieht und periodenbezogene Abrechnungen zulässt (vgl Rechberger/Fucik/Rechberger Art XLII EGZPO Rz 5), kommt im Aufteilungsverfahren eine Auskunftspflicht ausschließlich im Hinblick auf das im Aufteilungszeitpunkt vorhandene Vermögen in Betracht. Eine Rechnungslegungspflicht über die Vermögensentwicklung besteht auch während aufrechter Ehe grundsätzlich nicht (8 Ob 255/99d = JBl 2000, 671). Nur besondere Vereinbarungen (wie etwa die Gütergemeinschaft) könnten eine Ausnahme darstellen. 8. Teilbeschluss
58 Wenn auch eine Billigkeitsentscheidung im Aufteilungsverfahren idR erst nach Klärung sämtlicher maßgebender Umstände möglich ist und ein Teilbeschluss für das Aufteilungsverfahren nach dem AußStrG 1854 nicht ausdrücklich vorgesehen war, wurde dieser von der Rsp schon vor dem AußStrG 2003 in besonderen Fällen als zulässig und zweckmäßig betrachtet (5 Ob 65/07 f mwN = EF 117.551). Demnach stand einer Teilentscheidung im Aufteilungsverfahren jedenfalls dann kein rechtliches Hindernis entgegen, wenn sie später nur noch in einer bestimmten Richtung eine Ergänzung erfahren konnte (7 Ob 668/83 = EF 43.811; 1 Ob 523/94 = EF 76.639; LGZ Wien EF 91.742). Dies war etwa dann der Fall, wenn das gesamte eheliche Gebrauchsvermögen einschließlich der Ehewohnung einem Ehegatten verblieb, was gem § 94 Abs 1 EheG zur Festsetzung einer Ausgleichszahlung führen musste, und nur der Wert des Hausrats noch strittig war (7 Ob 668/83). Dessen Wert konnte äußerstenfalls nur so gering sein, dass eine Ergänzung der Ausgleichszahlung für das Haus unterbleiben würde, sodass diese Ausgleichszahlung für das Haus bereits mit Teilentscheidung festgelegt werden konnte. Nunmehr ist der Teilbeschluss in § 36 Abs 2 AußStrG geregelt. Ein geeigneter Anwendungsfall für eine solche Entscheidung liegt insb dann vor, wenn 970
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§§ 93–96 AußStrG
die Ehegatten eine Aufteilung von Gegenständen, welche gem § 82 Abs 1 EheG nicht der Aufteilung unterliegen, verlangen; der darauf gerichtete Antrag ist – allenfalls mit selbstständig anfechtbarem Teilbeschluss – abzuweisen (LG Salzburg EF 120.335). 9. Zwischenbeschluss
Durch einen Zwischenbeschluss, der nur über den Grund des Anspruchs er- 59 gehen kann, erfolgt eine qualitative Teilung des Verfahrens (Rechberger/Rechberger Vor § 36 AußStrG Rz 3). Wenn zwischen den Ehegatten strittig ist, ob bestimmte Gegenstände oder Ersparnisse aufgrund ihrer Herkunft oder Verwendung in die Aufteilung des Ehevermögens einzubeziehen sind, ist gem § 36 Abs 2 AußStrG nunmehr (und in zutreffender Abkehr von der früheren Rsp [LGZ Wien EF 67.631]) ein Zwischenbeschluss zulässig. Mit einer solchen Entscheidung kann in einem relativ frühen Verfahrensstadium und vor Entstehen beträchtlicher Verfahrenskosten geklärt werden, ob ein geltend gemachter Anspruch überhaupt besteht; der Zwischenbeschluss ist selbstständig anfechtbar. Gelangt das Gericht allerdings zum Schluss, dass eine derartige Einbeziehung einzelner Sachen in die Aufteilungsmasse (etwa infolge ihrer Unternehmenszugehörigkeit) nicht stattfinden kann, hat es nicht etwa mit einem negativem Zwischenbeschluss, sondern in der Sache selbst mit Teilabweisung vorzugehen (9 Ob 46/06i = iFamZ 2006/62 = EF 115.912; 6 Ob 87/10b = EF-Z 2010/144; s auch Rz 58). Das bedeutet, dass das Gericht nur einen „positiven“ Zwischenbeschluss erlassen kann und sonst den Antrag mit Teilbeschluss abweisen muss. In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, wenn die Zulässigkeit eines Zwischenbeschlusses gem § 36 Abs 2 AußStrG relativ großzügig betrachtet würde. In der Praxis ist in zahlreichen Aufteilungsverfahren die Frage strittig, ob bestimmte Vermögenswerte (etwa Liegenschaften, die nach dem Vorbringen eines Ehegatten zum Vermögen seines Unternehmens gehören) Bestandteil der Aufteilungsmasse sind oder der Aufteilung des Ehevermögens nicht unterliegen (vgl auch Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 523). Bindende Gerichtsentscheidungen über die Zugehörigkeit einer Sache zum Aufteilungsvermögen könnten manche aufwändigen Aufteilungsverfahren vereinfachen oder überhaupt vermeiden helfen. Hingegen ist ein Antrag auf Erlassung eines Beschlusses, mit dem „neben“ 60 dem Aufteilungsbeschluss festgestellt werden soll, dass bestimmte Vermögenswerte nicht der Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG unterliegen, weiterhin nicht zulässig, weil der Gesetzgeber des AußStrG 2003 zwar in Abweichung von der früheren Rechtslage die Möglichkeit eines Zwischenbeschlusses über den Grund eines Anspruchs (Rz 59) – nach richterlichem Ermessen – eröffnet, einen Zwischenantrag auf Feststellung (mit Ausnahme bestimmter wohn971
§§ 93–96 AußStrG
Beck
rechtlicher Konstellationen) jedoch nach wie vor nicht vorsieht (1 Ob 42/09x = EF-Z 2009/122 [Gitschthaler]). Ein solcher Antrag ist daher als verfahrensrechtlich unzulässig zurückzuweisen. Die Problematik eines solchen Zwischenantrags auf Feststellung, der (ähnlich einem Begehren nach § 236 ZPO) ausdrücklich „neben“ einem Antrag auf Erlassung eines Aufteilungsbeschlusses als Rechtsgestaltungsbegehren gestellt wird, ist nach dieser Rsp daher von einem zulässigen Zwischenbeschluss gem § 36 Abs 2 AußStrG bzw einer Teilabweisung des Aufteilungsantrags klar zu unterscheiden. 10. Rechtsmittelverfahren
61 Der Rekurs gegen Sachentscheidungen im Aufteilungsverfahren ist zwei- bzw mehrseitig (vgl auch 7 Ob 28/02x = EF 103.089 [Abweisung des Aufteilungsantrags wegen Vorliegens einer wirksamen Vereinbarung – Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens]); die Rekursfrist beträgt gem § 46 Abs 1 AußStrG 14 Tage ab Zustellung der Beschlussausfertigung (s auch 1 Ob 113/03d = EF 106.844). Die Fristen für eine mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene Zulassungsvorstellung iS des § 63 AußStrG und für einen Revisionsrekurs gem § 65 AußStrG betragen 14 Tage ab Zustellung der Rekursentscheidung. 62 Die nach dem Grundsatz der Billigkeit vorzunehmende Aufteilung nach § 83 EheG hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn dargetan wird, dass das Rekursgericht bei Beurteilung dieses Einzelfalls von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen ist und so den Ermessensspielraum überschritten hat, oder dass ihm in anderer Weise eine krass fehlerhafte Ermessensausübung unterlaufen ist, die im Interesse der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den OGH bedarf (7 Ob 145/06h = EF 114.398; 6 Ob 187/06b = EF 114.398; 6 Ob 164/06w uva). Sollte lediglich eine andere Billigkeitsbetrachtung möglich sein, ist dies noch keine aufzugreifende Fehlbeurteilung (8 Ob 56/07d = EF 117.531; 3 Ob 230/07 f; 6 Ob 31/07p ua). 63 Auch im Aufteilungsverfahren sind im Revisionsrekursverfahren Neuerungen unzulässig (8 Ob 509/86 = EF 52.935; 8 Ob 1630/93 = EF 73.755; 1 Ob 57/98h = EF 88.766 ua). Ebenso wenig zulässig im Revisionsrekurs ist eine Mängelrüge (1 Ob 568/89; 3 Ob 533/89), eine Bekämpfung der Beweiswürdigung (7 Ob 679/86 = EF 52.928; 3 Ob 580/89 = EF 61.701) oder eine Bekämpfung der Tatfrage (8 Ob 536/86; 6 Ob 640/86). Die Wertermittlung gehört dem Tatsachenbereich an (7 Ob 614/83 = EF 44.797; 5 Ob 639/88 = EF 61.704); dies gilt etwa für die Ermittlung des Verkehrswerts einer Liegenschaft. Ob der gem § 34 AußStrG (vor dem AußStrG 2003: gem § 273 ZPO) im Rahmen einer Ermessensentscheidung vom Gericht festgelegte Wert der Wohnungseinrichtung richtig ermittelt wurde, ist hingegen im Rahmen der Rechtsrüge überprüfbar (6 Ob 623/84 = EF 47.401; 3 Ob 101/07k; 6 Ob 31/07p). 972
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Vor §§ 97 ff AußStrG
Der Aufteilungsanspruch ist ein in Geld bewertbarer Anspruch rein vermö- 64 gensrechtlicher Natur (6 Ob 192/99z; 7 Ob 276/92t; 8 Ob 39/04z = EF 109.278; aA [der Aufteilungsanspruch ist ein anderer Anspruch iS des § 381 EO, sodass das Rekursgericht den Entscheidungsgegenstand nicht zu bewerten hat] 1 Ob 86/99z = EF 91.268). Dies gilt auch dann, wenn der Aufteilungsvorschlag eines Antragstellers lediglich eine Ausgleichszahlung zum Gegenstand hat (1 Ob 209/04y). Das Rekursgericht hat den Wert seines Entscheidungsgegenstands daher zu bewerten. Lässt das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu und wird der Wert von 30.000 Euro überschritten, haben die Parteien gem § 62 Abs 5 AußStrG die Möglichkeit, einen außerordentlichen Revisionsrekurs zu erheben; andernfalls steht ihnen die Möglichkeit einer Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG offen (Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 484).
Vor §§ 97 ff AußStrG Lit: Andrae, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen, FPR 2004, 292; A. Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union übre die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen, ABl 1998 Nr C 221, 27; Boele-Woelki, Brüssel II: Die Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, ZfRV 2001, 121; Coester-Waltjen, Anerkennung im Internationalen Personen-, Familien- und Erbrecht und das Europäische Kollisionsrecht, IPRax 2006, 392 ff; Dornblüth, Die europäische Regelung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Ehe- und Kindschaftsentscheidungen (2003); Fuchs/Tölg, Die einstweiligen Maßnahmen nach der EheVO (EuGVVO II), ZfRV 2002, 95; Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, in: Jahrbuch Zivilverfahrensrecht (2009), 61; Helms, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2001, 257; Lippke, Der Status im Europäischen Zivilverfahrensrecht (2008); Musger, Internationales Zivilverfahrensrecht in der Brüssel-II-Verordnung und im KindRÄG 2001, RZ 2001, 89; Nademleinsky, Anerkennung eheauflösender Entscheidungen durch die Personenstandsbehörde, Zak 2007, 409; Neumayr/Thoma-Twaroch, Die elterliche Verantwortung im Europäischen Zivilverfahrensrecht – „Brüssel II“ und Unterhalt, FamZ 2006, 112; Neumayr, Scheidung im internationalen Kontext, iFamZ 2008, 362; Nunner-Krautgasser, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen – Rechtsentwicklung im Überblick, ÖJZ 2009, 533; dies, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen – Dogmatische Grundfrage, ÖJZ 2009, 793; Pfeiffer, Einheitliche unmittelbare und unbedingte Urteilsgeltung in Europa, FS Jayme (2004) 675; Schütz, Zwischenstaatliche Vereinbarungen, die für Familienrichter bedeutsam sein könnten, RZ 2001, 54; G. Schulze, Anerkennung von Drittlandscheidungen in Frankreich (zu Cass. 1.ère civ. 10.5.2007 – 06-12.476 [Marokko] und zu Cass. 1.ère civ. 10.5.2007 – 06-11.323 [Texas/USA]), IPRax 2009, 364; Spellenberg, Anerkennung eherechtlicher Entscheidungen nach der EheGVO, ZZPInt 6 (2001) 109; Sturm, Brüssel II und der europäische Standesbeamte, StAZ 2002, 193; Teschner, Inzidentanerkennung ausländischer eheauflösender Entscheidungen, ÖStA 2005, 29, 37; Wagner, Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach der Brüssel II-Verordnung, IPRax 2001, 73; ders, Aner-
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Vor §§ 97 ff AußStrG
Nademleinsky
kennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschen Recht, FamRZ 2006, 744.
1 Die Anerkennung eheauflösender Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten (außer Dänemark) richtet sich nach den Bestimmungen der Brüssel IIa-VO, die insofern die §§ 97 ff AußStrG als lex fori verdrängen. Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im Hinblick auf die ehegüterrechtliche Auseinandersetzung unterliegt weder §§ 97 ff AußStrG noch der Brüssel IIa-VO. Hierzu bedarf es eines eigenen zwischenstaatlichen Anerkennungs- und (oder) Vollstreckungsvertrags (8 Ob 82/05z). Als Anwendungsbereich der §§ 97 ff AußStrG bleibt somit die Anerkennung von eheauflösenden Entscheidungen aus Drittstaaten sowie jener Entscheidungen, die nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der VO fallen (vgl Erl zu Art 1 Brüssel IIaVO Rz 2 f). Dazu gehören insb Entscheidungen über die Auflösung eingetragener Partnerschaften, auf die gem § 43 Abs 1 Z 2 EPG die §§ 97 bis 99 AußStrG sinngemäß anzuwenden sind. Da aber die §§ 97 ff AußStrG (§§ 228a–228d AußStrG aF) den Anerkennungsregeln der Brüssel IIa-VO weitgehend nachgebildet wurden, sind die Unterschiede in den beiden Anerkennungsregimen gering und werden daher zur Vermeidung von Wiederholungen in der Kommentierung der §§ 97 ff AußStrG mitberücksichtigt (so auch Deixler-Hübner/Rechberger § 97 ff AußStrG; zustimmend Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, 63). Die entsprechenden Bestimmungen der Brüssel IIa-VO sind im Anhang zu § 100 AußStrG abgedruckt. 2 Anerkennung bedeutet sowohl nach der lex fori (vgl zuletzt 4 Ob 20/09h; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.58, 05.70 [Fn 96]) als auch der Brüssel IIaVO (vgl Spellenberg/Staudinger [2005] Art 21 Rn 44 ff; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 21 Rn 13; Kropholler, IPR6 § 60 VI 2; Geimer/ Geimer/Schütze, EZVR3 Art 21 Rz 2) Wirkungserstreckung, dh jede Person, deren Ehe (Partnerschaft) im Entscheidungsstaat geschieden (aufgelöst), getrennt oder für ungültig erklärt worden ist, kann sich im Anerkennungsstaat auf die Wirkungen berufen, wie sie der Entscheidung im Entscheidungsstaat zukommen; das umfasst die Gestaltungswirkung, materielle Rechtskraft (vgl 1 Ob 544/93; 7 Ob 208/04w) und allenfalls Tatbestandswirkungen. Sofern nach der Brüssel IIa-VO „die Scheidungsgründe“ von der Anerkennung ausgenommen sein sollen (vgl Erwägungsgrund 8; Borrás-Bericht Nr 22), sind damit lediglich Verurteilungen zu Schadenersatz aufgrund eines Scheidungsverschuldens odgl gemeint (vgl beispielsweise Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 1 Rn 41 mwN). Die der Anerkennung unterliegende Rechtskraft umfasst also nicht nur den Ausspruch über die Scheidung, sondern auch den Verschuldensausspruch und jene Teile der Begründung, die zur Individualisierung des Urteilsspruchs notwendig und damit entscheidungswesentlich sind (vgl Rech974
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
§ 97 AußStrG
berger/Rechberger § 411 ZPO Rz 9; Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIaVO Art 21 Rz 2; 7 Ob 587/86; LGZ Wien EF 102.044). Wird in der anzuerkennenden Entscheidung neben der Ehescheidung auch über andere, etwa vermögensrechtliche Ansprüche abgesprochen, so kann die Entscheidung über die Ehescheidung allein, gesondert von den anderen Entscheidungsteilen anerkannt werden (7 Ob 199/06z = FamZ 2007/56 [Fucik] = EF-Z 2007/37 [Höllwerth]). Im Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO unterliegt der Anerkennung auch 3 der Ausspruch über den zivilrechtlichen Kostenersatz zwischen den Parteien (Art 49). Nur insofern kommt auch eine Vollstreckung (Vollstreckbarerklärung) von Entscheidungen in Ehesachen in Betracht, weil derartige Entscheidungen im Übrigen bloß Gestaltungswirkung haben und mit ihrer Anerkennung ohne weiteres ein „Vermerk in den Personenstandsbüchern“ erfolgen kann (Borrás-Bericht Nr 80).
Anerkennung und Verweigerungsgründe § 97. (1) Eine ausländische Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, die Ehescheidung oder die Ungültigerklärung einer Ehe sowie über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe wird in Österreich anerkannt, wenn sie rechtskräftig ist und kein Grund zur Verweigerung der Anerkennung vorliegt. Die Anerkennung kann als Vorfrage selbständig beurteilt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. (2) Die Anerkennung der Entscheidung ist zu verweigern, wenn 1. sie den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) offensichtlich widerspricht; 2. das rechtliche Gehör eines der Ehegatten nicht gewahrt wurde, es sei denn, er ist mit der Entscheidung offenkundig einverstanden; 3. die Entscheidung mit einer österreichischen oder einer früheren die Voraussetzungen für eine Anerkennung in Österreich erfüllenden Entscheidung unvereinbar ist, mit der die betreffende Ehe getrennt, geschieden, für ungültig erklärt oder das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe festgestellt worden ist; 4. die erkennende Behörde bei Anwendung österreichischen Rechts international nicht zuständig gewesen wäre. Gem § 97 Abs 1 AußStrG werden ausländische Entscheidungen über den Be- 1 stand einer Ehe ipso iure anerkannt, ohne dass es der Verleihung solcher Wirkungen in einem eigenen Verfahren bedürfte. Es ist also kein obligatorisches 975
§ 97 AußStrG
Nademleinsky
Anerkennungsverfahren vorgesehen. Noch bedarf es einer Gegenseitigkeit der Anerkennung. Folge der automatischen Anerkennung ist (auch), dass die Präklusivfrist nach § 95 EheG für das in Österreich durchzuführende Aufteilungsverfahren bereits ab formeller Rechtskraft der ausländischen Entscheidung (und nicht ab einer allfällig im Inland ergangenen Anerkennungsentscheidung) zu laufen beginnt (1 Ob 17/05i). Ob allerdings § 95 EheG und nicht etwa eine verwandte Bestimmung des ausländischen Rechts anzuwenden ist, beurteilt sich nach Kollisionsrecht (vgl LGZ Wien EF 51.844; 6 Ob 66/10i; Gitschthaler, Aufteilung Rz 622). Die Nichtanerkennung bildet hingegen die Ausnahme und bedarf eines besonderen, in Abs 2 taxativ aufgezählten Verweigerungsgrundes. Bestehen Zweifel über die voraussichtliche Anerkennung, eröffnet § 98 AußStrG die Möglichkeit eines selbständigen Anerkennungsverfahrens. 2 Stellt sich die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung als Vorfrage (etwa im Unterhalts- oder Erbrechtsverfahren, im Sozialrechts- oder Verwaltungsverfahren etc), so kann die befasste Behörde in jeder Lage des Verfahrens (vgl cour de cassation IPRax 2009, 364) inzident über die Anerkennung selbst entscheiden (8 Ob 18/08t = EF-Z 2009/63 [Nademleinsky] = iFamZ 2008/144 [Fucik]). Sie ist dazu auch grundsätzlich verpflichtet, denn die Verweigerung einer Entscheidung liefe auf ein nach Abs 1 verpöntes obligatorisches Anerkennungsverfahren hinaus. Die inzidente Anerkennung erwächst aber nicht in Rechtskraft und wirkt auch „nur“ für die Parteien des Verfahrens. 3 Der Standesbeamte (bzw der in Sachen eingetragener Partnerschaften zuständige Beamte der Bezirksverwaltungsbehörde) kann in Anwendung der §§ 97 ff AußStrG bei Zweifeln über die Anerkennung den Parteien die Vorlage einer gerichtlichen Anerkennungsentscheidung auftragen (§ 50a PStG; Teschner, ÖStA 2005, 38; Deixler-Hübner/Rechberger § 97 AußStrG Rz 1; Nademleinsky, Zak 2007, 410) und bis dahin das bei ihm anhängige Verfahren aussetzen. Unter der Brüssel IIa-VO steht dem Standesbeamten diese Möglichkeit nicht offen, dh er muss jedenfalls selbst entscheiden, kann aber gem § 50 PStG eine Rechtsauskunft des Landeshauptmanns einholen (EB RV AußStr-BegleitG Arz XIX; Teschner, ÖStA 2005, 38; Nademleinsky, Zak 2007, 410). 4 Der Begriff der „Entscheidung“ ist im weitesten Sinn zu verstehen (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 106; 6 Ob 189/06x = ZfRV 2007/6, 35 [Nademleinsky] = FamZ 2007/30, 60 [Fucik]; 1 Ob 138/09i). Erfasst sind auch einvernehmliche Scheidungen, die durch Registrierung bei der Personenstandsbehörde erfolgen (RV 296 BlgNR 21. GP, 106; Deixler-Hübner/Rechberger § 97 AußStrG Rz 2), etwa die Scheidung durch den norwegischen Fylkesmann (OLG Schleswig FamRZ 2009, 609) oder Privatscheidungen, die unter Mitwirkung (sei es auch nur durch Beurkundung) einer Behörde zustande gekommen sind, wie regelmäßig bei der talaq-Scheidung (RV 296 BlgNR 21. GP 106; 6 Ob 189/ 976
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
§ 97 AußStrG
06x = ZfRV 2007/6, 35 [Nademleinsky] = FamZ 2007/30, 60 [Fucik]; 1 Ob 138/09i; krit Rauscher, IPRax 2000, 391). Davon abzugrenzen sind reine Privatscheidungen, deren Anerkennung (als Vorfrage) nach IPR zu beurteilen ist (vgl zuletzt zur Scheidung nach mosaischem Recht BGH XII ZR 61/06 = FamRZ 2008, 1409 [Henrich] = IPRax 2009, 332 [Siehr]). Auch Anerkennungsentscheidungen unterliegen nicht ihrerseits der Anerkennung (sog „Doppelexequatur“), denn über die Anerkennung soll das „eigene“ Anerkennungsrecht entscheiden (vgl Nademleinsky/Neumayr Rz 05.57 mwN). Im Gegensatz zur Brüssel IIa-VO, fallen in den Anwendungsbereich der §§ 97 ff AußStrG auch Feststellungsentscheidungen (Nademleinsky, Zak 2007, 409; Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, 68). Anders als § 97 Abs 1 AußStrG setzt Art 21 Abs 1 Brüssel IIa-VO keine for- 5 melle Rechtskraft der anzuerkennenden Entscheidung voraus; lediglich die „Beschreibung in den Personenstandbüchern“ kann erst aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung erfolgen (Art 21 Abs 2). Das Gericht kann jedoch nach Art 27 Abs 1 der VO ein Anerkennungsverfahren aussetzen, wenn im Ursprungsmitgliedstaat noch ein ordentliches Rechtsmittel gegen die Entscheidung, deren Anerkennung beantragt wird, möglich ist. Entscheidet das Gericht dennoch, hat dies keine Bindung für das laufende Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat (vgl Nademleinsky/Neumayr Rz 05.64). Inwiefern Rechtskraft eingetreten ist, beurteilt sich nach der ausländischen lex fori. Abs 2 zählt die Verweigerungsgründe abschließend auf. Die Rechtmäßigkeit 6 der ausländischen Entscheidung, also etwa die Frage, ob das „richtige“ Sachrecht angewendet wurde, ist danach nicht zu prüfen (Verbot der „revision au fond“). Auch allenfalls fehlende Gegenseitigkeit der Anerkennung ist kein Verweigerungsgrund. Beachtlich ist ein Verstoß gegen den inländischen ordre public, der bei einer 7 Verletzung grundlegender Wertungen des österreichischen Rechts vorliegt, wobei sich Verstöße des materiellen und solche des verfahrensrechtlichen ordre public unterscheiden lassen (Nademleinsky/Neumayr Rz 05.75 mwN; 8 Ob 18/08t = EF-Z 2009/63 [Nademleinsky] = iFamZ 2008/144 [Fucik]). Dem materiellen ordre public widerspricht etwa eine nach islamischem Recht zulässige Scheidung der Ehe durch Verstoßung der Frau durch den Ehemann („talaq“), mit der sie nicht einverstanden war (6 Ob 189/06x = ZfRV 2007/6 [Nademleinsky] = FamZ 2007/30 [Fucik]; 3 Ob 130/07z; 7 Ob 10/08h). Wenn die Ehefrau nachträglich einverstanden sein sollte, führt dies nicht zur Anerkennung, denn mit Ausnahme der Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl Rz 8), kann eine Verletzung des ordre public durch Parteienvereinbarung nicht saniert werden (3 Ob 130/07z; 7 Ob 10/08h). Ob dieser Grundsatz allerdings so unumstößlich auch für jene Fälle gelten soll, wo die Ehe nach österreichischem Recht hätte geschieden werden können, ist zu hinterfragen (vgl – jedoch 977
§ 97 AußStrG
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zur IPR-Problematik in diesen Fällen – BGH XII ZR 225/01 = FamRZ 2004, 1592; OLG Hamm IPRax 2008, 353; OLG Frankfurt FamRZ 2009, 1504). Ein Verstoß gegen den allgemeinen verfahrensrechtlichen ordre public kann etwa vorliegen, wenn eine Partei wegen Missachtung des Gerichts („contempt of court“) ohne weiteres vom Verfahren ausgeschlossen wurde. Hat das ausländische Gericht bloß die frühere inländische Rechtshängigkeit missachtet, stellt dies im Ergebnis keinen unerträglichen Verfahrensmangel dar (krit Anzinger/Burgstaller/Burgstaller, IZVR Rz 4.25 f), sondern ist hinzunehmen, denn auch in Österreich setzt sich die spätere inländische Entscheidung ungeachtet der (missachteten) ausländischen Rechtshängigkeit durch. 8 Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist eine besondere Ausprägung des verfahrensrechtlichen ordre public (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 107; 6 Ob 62/03s). Der Antragsgegner muss zumindest die Möglichkeit gehabt haben, sich am Verfahren zu beteiligen. Dies setzt voraus, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt wurde oder zumindest tatsächlich zugekommen ist (vgl 6 Ob 62/03s). Wer geladen wurde und die Möglichkeit hatte, sich am Verfahren zu beteiligen, kann sich – auch bei einer Entscheidung in seiner Abwesenheit – nicht auf die Verletzung seines rechtlichen Gehörs berufen (6 Ob 62/03s), vor allem nicht, wenn er im Ursprungstaat sogar durch einen selbst gewählten Anwalt vertreten war (7 Ob 199/06z = FamZ 2007/56 [Fucik] = EF-Z 2007/37 [Höllwerth]; 8 Ob 18/08t = EF-Z 2009/63 [Nademleinsky] = iFamZ 2008/144 [Fucik]). Ist eine Partei aber unbekannten Aufenthalts oder entzieht sie sich der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes, so sind die Voraussetzungen der Bestellung eines Abwesenheitskurators gegeben und das rechtliche Gehör wird durch diesen gewahrt (7 Ob 61/05d). Wird hingegen ohne entsprechende Voraussetzungen für eine Partei ein Kurator bestellt, so ist das rechtliche Gehör der Partei nicht gewahrt (7 Ob 61/05d; 10 Ob 91/08t). 9 Die Verletzung des rechtlichen Gehörs wird saniert, wenn der (die) Antragsgegner mit der anzuerkennenden Entscheidung „offenkundig einverstanden“ ist (sind). Dies ist insb anzunehmen, wenn der Antragsgegner bereits selbst wieder die Ehe geschlossen hat (offen gelassen in 7 Ob 10/08h), eine Eheschließung anstrebt oder auch nachehelichen Unterhalt verlangt (Rauscher/ Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 22 Rz 20; Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 22 Rz 8; Winkler v. Mohrenfels/MünchKomm5 Art 17 EGBGB Rn 374), nicht aber bei bloßer Abmeldung von der Ehewohnung (6 Ob 189/ 06x = ZfRV 2007/6 [Nademleinsky] = FamZ 2007/30 [Fucik]). Dass die betroffene Partei im Ursprungsstaat kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung erhoben hat, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre, schadet nicht (Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 22 Rz 19 f; aA Geimer/Geimer/Schütze, EZVR3 Art 22 Rz 9). 978
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
§ 98 AußStrG
Unvereinbarkeit einer anzuerkennenden Entscheidung liegt vor, wenn sie mit 10 einer österreichischen oder früheren ausländischen Entscheidung in Widerspruch steht. Österreichische Urteile setzen sich daher durch, auch wenn sie später erlassen wurden (und etwa die frühere Rechtshängigkeit vor dem ausländischen Gericht missachtet haben). Zwischen mehreren ausländischen Urteilen setzt sich das frühere durch. „Unvereinbarkeit“ bedeutet dabei, dass die anzuerkennende Entscheidung vor dem Hintergrund der österreichischen oder früheren ausländischen Entscheidung eine statusrechtliche Wirkung hat, die nicht (mehr) eintreten kann (statt vieler Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 22 Rz 22; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.62). Eine (auch spätere) inländische antragsabweisende Entscheidung steht der Anerkennung einer stattgebenden ausländischen Entscheidung nicht entgegen (DeixlerHübner/Rechberger § 97 AußStrG Rz 2 mwN; aA etwa Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 22 Rz 26 f). Die „weitergehende“ Entscheidung setzt sich insofern immer durch. Die Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Ursprungsstaats (Z 4) hat 11 durch eine spiegelbildliche Anwendung des österreichischen internationalen Zuständigkeitsrechtes, also insb der § 76 Abs 2 JN und § 114a Abs 4 JN zu erfolgen (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 107; 7 Ob 61/05d; 7 Ob 199/06z = FamZ 2007/56 [Fucik] = EF-Z 2007/37 [Höllwerth]; 8 Ob 18/08t = EF-Z 2009/63 [Nademleinsky] = iFamZ 2008/144 [Fucik]; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.74) – sog österreichische Jurisdiktionsformel. Danach reicht es bereits, wenn eine der Parteien die Staatsangehörigigkeit des angerufenen Forums besitzt, bzw werden Auflösungen von Partnerschaften durch den Registerstaat stets zu akzeptieren sein (vgl § 76 Abs 3 JN, § 114a Abs 4 letzter Satz JN). Zu beachten ist, dass nach Art 24 der Brüssel IIa-VO die Nachprüfung der (internationalen) Zuständigkeit des Gerichts im Ursprungsmitgliedstaat ausdrücklich untersagt ist. Das gilt auch, wenn das Gericht im Mitgliedstaat seine Zuständigkeit aus seinem nationalen Verfahrensrecht (allenfalls zu Unrecht) abgeleitet hat.
Verfahren der Anerkennung § 98. (1) Die Anerkennung der Entscheidung in einem selbständigen Verfahren kann beantragen, wer ein rechtliches Interesse daran hat. Der Staatsanwalt ist zur Antragstellung befugt, wenn die Entscheidung auf einen den §§ 21 bis 25 des Ehegesetzes vergleichbaren Nichtigkeitsgrund gegründet ist. (2) Dem Antrag sind eine Ausfertigung der Entscheidung und ein Nachweis ihrer Rechtskraft nach dem Recht des Ursprungsstaats anzuschließen. Im Fall der Nichteinlassung des Antragsgegners in das Verfah979
§ 98 AußStrG
Nademleinsky
ren des Ursprungsstaats ist überdies der Nachweis der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder eine Urkunde vorzulegen, aus der sich ergibt, dass die säumige Partei mit der ausländischen Entscheidung offenkundig einverstanden ist. (3) Das Gericht kann den Antragsgegner auch erst durch die Zustellung der Entscheidung in das Verfahren einbeziehen. (4) Richtet sich ein Rekurs gegen eine Entscheidung erster Instanz, so beträgt die Frist für Rekurs und Rekursbeantwortung einen Monat. Befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners im Ausland und stellt ein Rekurs oder eine Rekursbeantwortung seine erste Möglichkeit dar, sich am Verfahren zu beteiligen, so beträgt die Frist für den Rekurs oder die Rekursbeantwortung für ihn zwei Monate. Fassung BGBl. I 2003/111
1 Um Zweifel über die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung zu beseitigen, sieht § 98 Abs 1 AußStrG ein fakultatives Anerkennungsverfahren vor. Das Verfahren setzt einen Antrag voraus, der von beiden Ehegatten gemeinsam, von einem Ehegatten gegen den anderen (vgl 7 Ob 61/05d) oder von einem dazu legitimierten Dritten (s Rz 3) gegen beide Ehegatten zu stellen ist (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 108). Örtliche und internationale Zuständigkeit für den Antrag ergeben sich aus § 114a JN (s dort Rz 8 f). 2 Das rechtliche Interesse an der Klärung der Anerkennung ist ebenso wie der Kreis der möglichen Antragsteller großzügig zu beurteilen (vgl ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 106 f; Borrás-Bericht Nr 65; Helms, FamRZ 2001, 261; Spellenberg/Staudinger [2005] Art 21 EheGVO Rn 85). Ein rechtliches Interesse haben jedenfalls die (ehemaligen) Ehegatten (7 Ob 61/05d) und allenfalls der Erbe, der sich im Verfahren zur Feststellung des Erbrechts auf die rechtskräftige Eheauflösung stützt (LGZ Wien EF 106.837; Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, 64) oder im Hinblick auf ein erbrechtliches Rechtsgeschäft disponieren will (vgl Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 21 Rz 35). Auch die Staatsanwaltschaft (§ 98 Abs 1 Satz 2 AußStrG) oder der Sozialversicherungsträger, der bei Anerkennung der Entscheidung von seiner Leistungspflicht befreit wäre, kommen in Betracht (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 107; Deixler-Hübner/Rechberger § 98 AußStrG Rz 1), sowie der Verlobte, der mit einer Partei des ursprünglichen Eheauflösungsverfahrens nun die Ehe schließen will (Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, 64). Kein rechtliches Interesse an der Einleitung eines Anerkennungsverfahrens haben Behörden, soweit sie selbst befugt und verpflichtet sind, über die Anerkennung zu entscheiden. Die Personenstandsbehörde scheidet daher als Antragsteller grundsätzlich aus (Fucik/Kloiber, AußStrG § 98 Rz 1; Nademleinsky/Neumayr Rz 05.66; Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, 66, 70; aA Deixler-Hübner/Rechberger § 98 AußStrG Rz 1; Helms, 980
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
§ 98 AußStrG
FamRZ 2001, 261). Nur ausnahmsweise, wenn die Behörde von der (Nicht-) Anerkennung selbst „betroffen“ ist (wie etwa der Sozialversicherungsträger im genannten Fall), oder (etwa der JWTr) als Antragsteller in einem anderen Verfahren auftritt (vgl Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 21 Rz 37), ist ihr ein rechtlich relevantes Interesse an der Antragstellung zuzubilligen. Das Ergebnis eines selbständigen gerichtlichen Anerkennungsverfahrens ist für die Personenstandsbehörde verbindlich (Nademleinsky, Zak 2007, 410; Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, 70). Gem Abs 2 hat der Antragsteller eine Ausfertigung der Entscheidung und 3 einen Nachweis ihrer Rechtskraft nach dem Recht des Ursprungstaats anzuschließen. Die Entscheidungsausfertigung ist im Original vorzulegen, eine Fotokopie reicht nicht (LGZ Wien EF 103.085). Unter dem Begriff „Rechtskraft“ sind auch Erfordernisse zu verstehen, die allenfalls nach dem Recht des Ursprungsstaats zusätzlich zur Unanfechtbarkeit für die Wirksamkeit der Ehescheidung erforderlich sind, etwa die Registrierung in einem Standesregister (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 108). Weiters sind ein Nachweis über die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder eine Urkunde, aus der sich ergibt, dass der Antragsgegner mit der Entscheidung offenkundig einverstanden ist (etwa über eine neuerliche Eheschließung), vorzulegen, um den Verweigerungsgrund des § 97 Abs 1 Z 2 AußStrG ausschließen zu können (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 108). Die Urkunden bedürfen der Übersetzung ins Deutsche durch einen zertifizierten inländischen Dolmetscher (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 108). Das Gericht kann den Antragsgegner zwar auch erst durch Zustellung der Entscheidung in das Verfahren einbeziehen (Abs 3), doch empfiehlt sich in Fällen, die zweifelhaft sind, schon eine frühzeitige Einbeziehung. Abs 3 stellt klar, dass die Anerkennungsentscheidung ohne Anhörung des 4 Antragsgegners erfolgen kann; eine Anhörung ist aber freilich möglich. Das gilt kraft teleologischer Reduktion auch für die Anerkennung nach der Brüssel IIa-VO, nach der zufolge des Verweises in Art 21 Abs 3 auf den Abschnitt II der VO an sich keine Anhörung stattfinden dürfte (vgl Spellenberg/Staudinger [2005] Art 21 EheGVO Rn 88; Nademleinsky/Neumayr 05.67; aA allerdings RV 296 BlgNR 21. GP, 108; Deixler-Hübner/Rechberger § 98 AußStrG Rz 3, § 100 AußStrG Rz 1 und Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, 68). Wird der Antrag von Dritten gegen beide Ehegatten gerichtet, sollte auf eine Anhörung wohl nicht verzichtet werden. Nimmt (erst) das Rekursgericht neue Beweise auf, muss es den Parteien jedenfalls Gelegenheit geben, zu den gewonnenen Ergebnissen Stellung zu nehmen (2 Ob 257/05s = FamZ 2007/ 55 [Fucik]). Zufolge der ausdrücklichen Verweisung der (Nicht-)Anerkennung ausländi- 5 scher Entscheidungen in das Außerstreitverfahren, kann das strittige Rechts981
§§ 99–100 AußStrG
Nademleinsky
verhältnis nicht zum Gegenstand einer normalen Feststellungsklage (§ 228 ZPO) gemacht werden (Nademleinsky/Neumayr, IFR Rz 05.68; Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, 68). 6 Da von der Rechtskraft der ausländischen Entscheidung auch die Statuswirkung erfasst ist, erstreckt sich diese Wirkung mit der Anerkennung auch auf den Anerkennungsstaat. Die im Verfahren nach § 98 AußStrG anerkannte Entscheidung wirkt daher wie die ausländische Statusentscheidung regelmäßig erga omnes (überzeugend Rauscher/Rauscher, EuZPR3 Brüssel IIa-VO Art 21 Rz 33; aA etwa Helms, FamRZ 2001, 261 und auch noch Nademleinsky/Neumayr Rz 05.63). Einander möglicherweise widersprechende Entscheidungen sind hinzunehmen (vgl § 45 EheG) und können gegebenenfalls über Antrag der Staatsanwaltschaft beseitigt werden. 7 Der Rekurs ist zweiseitig (§ 48 AußStrG; Deixler-Hübner/Rechberger § 98 AußStrG Rz 4), die Frist für Rekurs und Rekursbeantwortung beträgt grundsätzlich einen Monat (Abs 4). Befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners im Ausland, beträgt die Frist für ihn zwei Monate, wenn der Rekurs bzw die Rekursbeantwortung seine erste Möglichkeit darstellt, sich am Verfahren zu beteiligen. Dies wird insb dann der Fall sein, wenn er erstmals mit der Zustellung der Entscheidung vom Verfahren Kenntnis erlangt. Art 33 Abs 5 Brüssel IIa-VO sieht diese Einschränkung nicht vor; danach beträgt die Rechtsmittelfrist für den im Ausland aufhältigen Antragsgegner jedenfalls zwei Monate, im Übrigen gilt ebenfalls eine einmonatige Frist. Neuerungen sind zulässig (ErläutRV 296 BlgNR 21 GP 98; Deixler-Hübner/Rechberger § 98 AußStrG Rz 5). Für Revisionsrekurs und -beantwortung bleibt es bei der Frist von 14 Tagen (ErläutRV 296 BlgNR 21 GP, 99; Fucik, Das Neue Verfahren außer Streitsachen3 Rz 398; Deixler-Hübner/Rechberger § 98 AußStrG Rz 5). 8 Mangels Ausschluss des Kostenersatzes gilt § 78 AußStrG, dh Kostenersatz gibt es (ab) dann, wenn der Antragsgegner tatsächlich in das Verfahren einbezogen wurde und dem Antrag entgegengetreten ist. Wird der Antrag von der Staatsanwaltschaft gestellt, empfiehlt sich eine analoge Anwendung des § 85 DVEheG.
Antrag auf Nichtanerkennung § 99. Die §§ 97 und 98 sind auf Anträge, mit denen die Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe geltend gemacht wird, entsprechend anzuwenden. Fassung BGBl. I 2003/111
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Anerkennung ausländischer Entscheidungen
§§ 99–100 AußStrG
Mit der Nichtanerkennung wird festgestellt, dass der ausländischen Entschei- 1 dung über den Bestand einer Ehe (Partnerschaft) für den inländischen Jurisdiktionsbereich keine Wirkung zukommt. Als Gründe für die Nichtanerkennung kommen ausschließlich jene in Betracht, die gem § 97 Abs 2 AußStrG zur Verweigerung der Anerkennung führen. Nach Nichtanerkennung der ausländischen Ehescheidung kann im Inland eine wirksame Doppelehe vorliegen, da gem § 45 EheG eine zweite Ehe nur nichtig ist, wenn beide Partner vom Nichtigkeitsgrund wussten (vgl 1 Ob 138/09i).
Vorrang des Völkerrechts § 100. Die §§ 97 bis 99 sind nicht anzuwenden, soweit nach Völkerrecht oder in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften Anderes bestimmt ist. Die autonomen Anerkennungsregeln der §§ 97 bis 99 AußStrG werden insb 1 durch die Vorschriften der Brüssel IIa-VO verdrängt. § 100 AußStrG macht dies – rechtlich an sich überflüssig – aus praktischen Erwägungen sichtbar (Fucik, Anerkennung ausländischer Ehescheidungen, 63 [Fn 9]). Im Verhältnis zur Türkei ist neben dem CIEC-Übereinkommen über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, BGBl 1978/43 (dazu Schwind, Übereinkommen der Internationalen Kommission für das Zivilstandswesen, ZfRV 1968, 161) insb das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in Zivil- und Handelssachen, BGBl 1992/571, zu beachten. An zwischenstaatlichen Verträgen kommen ferner jene mit Liechtenstein, BGBl 1975/114, der Schweiz, BGBl 1962/125, und Tunesien, BGBl 1980/305, in Betracht (s dazu L. Fuchs 186 ff). Mit den Nachfolgestaaten Jugoslawiens bestehen keine einschlägigen zwischenstaatlichen Vereinbarungen (8 Ob 18/08t = EF-Z 2009/63 [Nademleinsky] = iFamZ 2008/144 [Fucik]). Vom Generalverweis des § 43 Abs 1 Z 2 EPG ist § 100 AußStrG ausgenom- 2 men, dh für Partnerschaften bleibt es jedenfalls bei der Anwendung der §§ 97 bis 99 AußStrG. Die Brüssel IIa-VO gilt aber ohnedies nicht für Partnerschaften und auch für Österreich verbindliche völkerrechtliche Übereinkommen bestehen auf diesem Gebiet (noch) nicht.
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ANHANG – Brüssel IIa-VO Anerkennung einer Entscheidung Artikel 21. (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. (2) Unbeschadet des Absatzes 3 bedarf es insbesondere keines besonderen Verfahrens für die Beschreibung in den Personenstandsbüchern eines Mitgliedstaats auf der Grundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe, gegen die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats keine weiteren Rechtsbehelfe eingelegt werden können. (3) Unbeschadet des Abschnitts 4 kann jede Partei, die ein Interesse hat, gemäß den Verfahren des Abschnitts 2 eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung beantragen. Das örtlich zuständige Gericht, das in der Liste aufgeführt ist, die jeder Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 68 mitteilt, wird durch das nationale Recht des Mitgliedstaats bestimmt, in dem der Antrag auf Anerkennung oder Nichtanerkennung gestellt wird. (4) Ist in einem Rechtsstreit vor einem Gericht eines Mitgliedstaats die Frage der Anerkennung einer Entscheidung als Vorfrage zu klären, so kann dieses Gericht hierüber befinden.
Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung über eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe Artikel 22. Eine Entscheidung, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betrifft, wird nicht anerkannt, a) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht; 984
Anerkennung ausländischer Entscheidungen
Art 24–26 VO
b) wenn dem Antragsgegner, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, es wird festgestellt, dass er mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; c) wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist; oder d) wenn die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung beantragt wird.
Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats Artikel 24. Die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats darf nicht überprüft werden. Die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung gemäß Artikel 22 Buchstabe a) und Artikel 23 Buchstabe a) darf sich nicht auf die Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 3 bis 14 erstrecken.
Unterschiede beim anzuwendenden Recht Artikel 25. Die Anerkennung einer Entscheidung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, unter Zugrundelegung desselben Sachverhalts nicht zulässig wäre.
Ausschluss einer Nachprüfung in der Sache Artikel 26. Die Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.
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Art 27 VO
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Aussetzung des Verfahrens Artikel 27 (1) Das Gericht eines Mitgliedstaats, vor dem die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt wurde. (2) Das Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem die Anerkennung einer in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangenen Entscheidung beantragt wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn die Vollstreckung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt ist.
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Zivilprozeßordnung Prozeßkosten § 41. (1) Die in dem Rechtsstreite vollständig unterliegende Partei hat ihrem Gegner, sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten alle durch die Prozeßführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu ersetzen. Welche Kosten als notwendig anzusehen sind, hat das Gericht bei Feststellung des Kostenbetrages ohne Zulassung eines Beweisverfahrens nach seinem von sorgfältiger Würdigung aller Umstände geleiteten Ermessen zu bestimmen. ... [Abs 1 Stammfassung]
§ 43. (1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Der zu ersetzende Teil kann ziffernmäßig oder im Verhältnis zum Ganzen bestimmt werden. Die von der Partei getragenen Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren, Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichtes, Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer, Kosten der notwendigen Verlautbarungen sowie Kosten eines Kurators, die die Partei nach § 10 zu bestreiten hatte, sind ihr dabei verhältnismäßig mit dem Teil zuzusprechen, der dem Ausmaß ihres Obsiegens entspricht. ... [Abs 1 Abs 1 idF Art V Z 1 BGBl 1984/501] ...
§ 45a. (1) Wird auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe erkannt oder die Ehe für nichtig erklärt, ohne daß der unterlegene Teil hieran schuldig ist, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben. Hat eine Partei von den im 987
§§ 41 ff ZPO
Höllwerth
§ 43 Abs. 1 letzter Satz angeführten Barauslagen mehr als die Hälfte bestritten, so hat ihr der andere Ehegatte den Mehrbetrag zu ersetzen. (2) Wird die Ehe nach § 55 Ehegesetz geschieden und enthält das Scheidungsurteil einen Ausspruch über das Verschulden an der Zerrüttung, so hat der schuldige Ehegatte dem anderen die Kosten zu ersetzen. [Abs 1 idF BGBl 1984/501; Abs 2 idF BGBl 1978/280]
§ 50. (1) Die Bestimmungen der §§ 40 bis 48 sind auch für das Rechtsmittelverfahren und für die Entscheidungen maßgebend, welche von den Gerichten zweiter und dritter Instanz über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, sowie im Falle der Änderung einer untergerichtlichen Entscheidung, über die Kosten des gesammten vorausgegangenen Verfahrens zu fällen sind. Der Umstand, dass eine Partei Sprüche der unteren Instanzen für sich hat, ist für die Frage des Kostenersatzes nicht maßgebend. ... [Abs 1 idF Art III Z 3 ZVN 2009 BGBl I 2009/30] Lit: M. Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozeß (1992); ders, Neues vom OGH zum Kostenersatz, Zak 2005/76; Chvosta, Prozesskostenersatz (2001); Fucik, Mustereinwendungen gegen das Kostenverzeichnis, ÖJZ 2009/86; Höllwerth, Einwendungen gegen die Kosten – § 54 Abs 1a ZPO, ÖJZ 2009/80; P. Mayr, Zivilverfahrensrechtliche Neuerungen des Budgetbegleitgesetzes 2009, ecolex 2009, 562; ders, AnwBl 2010, 138 (Entscheidungsanmerkung); Obermaier, Kostenhandbuch (2005), insb 215 ff; ders, Die Verzinsung von Kostentiteln, AnwBl 2007,403; Rechberger, Die Anforderungen an ein neues Außerstreitverfahrensrecht, LBI XVI (1996) 7; Salficky, Gedanken zu § 54 Abs 1a ZPO, AnwBl 2009, 473; Simotta, Die einvernehmliche Scheidung während eines anhängigen Eheprozesses (§ 460 Z 10 ZPO), Teil I und II, ÖJZ 1987, 129 und 167; Steinhauer et alteri, Das Kostenersatzrecht im 21. Jahrhundert – Gedanken zur kommenden und zur übernächsten Zivilverfahrensnovelle (Teil II), RZ 2002, 126; Thiele, Anwaltskosten (2007); Woller, Budgetbegleitgesetz 2009: Auswirkungen auf das Zivilverfahren, ecolex 2009, 567. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klagen auf Nichtigerklärung der Ehe . Klagen auf Aufhebung der Ehe . . . . . Klagen auf Scheidung der Ehe . . . . . . 1. Scheidung aus Verschulden . . . . . 2. Scheidung nach §§ 50 bis 52 EheG . 3. Scheidung nach § 55 EheG . . . . . . E. § 45a ZPO – Einzelfragen . . . . . . . . . . F. Verfahrensrechtliches und Tarif . . . . .
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Kostenersatz – Streitsachen
§§ 41 ff ZPO
A. Allgemeines Ehesachen iS des § 49 Abs 2 Z 2a JN sind Streitverfahren über Klagen auf 1 Nichtigerklärung (§§ 20 bis 28 EheG), Aufhebung (§§ 33 bis 44 EheG) und Scheidung der Ehe (§§ 46 bis 55 EheG) sowie Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe. Auch für solche Ehesachen gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln des Kostenersatzrechts hinsichtlich der Ersatzfähigkeit lediglich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Kosten (zu [vorprozessualen] Detektivkosten s § 90 ABGB Rz 15 ff), der Kostenseparation (§§ 44, 48 ZPO), der Kostenverzeichnung (§ 54 ZPO), der Erhebung von Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis (§ 54 Abs 1a ZPO; dazu näher bei § 78 AußStrG Rz 63 ff) und der Bekämpfung von Kostenentscheidungen. Die Sonderregel des § 45a ZPO gilt allerdings nach dessen eindeutigem Wortlaut nur für Klagen auf Nichtigerklärung, Aufhebung und Scheidung der Ehe, spielt doch bei Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe die Verschuldensfrage keine Rolle. Das Grundkonzept des Erfolgsprinzips kommt auch bei der Entscheidung 2 über den Kostenersatz in Verfahren über Klagen auf Nichtigerklärung, Aufhebung und Scheidung der Ehe zum Tragen (vgl 6 Ob 150/02 f; LGZ Wien EF 90.845; LG Linz EF 120.900; aA allenfalls M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 45a ZPO Rz 1), stellt doch § 45a ZPO nur eine Ergänzung der §§ 41, 43 ZPO dar (LGZ Wien EF 101.802, 117.940; LG Linz ua EF 124.724; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 769) und verdrängt diese nicht (vgl LGZ Wien EF 111.919). § 45a ZPO legt dabei fest, was in den dort genannten Verfahren als Unterliegen zu werten ist (vgl LGZ Wien EF 90.845; LG Linz EF 120.900; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 769). Die §§ 43 und 45a ZPO können auch nebeneinander angewendet werden, was etwa dann geboten sein kann, wenn die klagende Partei mit dem auf Verschulden gestützten Begehren auf Scheidung der Ehe keinen Erfolg hat, wohl aber mit dem Eventualbegehren auf Scheidung ohne Verschuldensausspruch durchdringt (LGZ Wien EF 63.997).
B. Klagen auf Nichtigerklärung der Ehe In einem zwischen den betroffenen Ehegatten (eingetragenen Partnern) ge- 3 führten Verfahren über die Klage auf Nichtigerklärung der Ehe (zur Klagebefugnis s § 28 EheG), gilt für den Fall der Abweisung der Klage das Erfolgsprinzip. Enthält das Nichtigkeitsurteil im Fall der Stattgebung der Klage einen Ausspruch dahin, dass (nur) der beklagte Ehegatte (iS des § 31 Abs 1 EheG) als schuldig anzusehen ist (s dazu näher bei § 31 EheG Rz 4) oder ergibt sich dessen (alleiniges) Verschulden eindeutig aus den Entscheidungsgründen 989
§§ 41 ff ZPO
Höllwerth
(LGZ Wien EF 79.150; aA LGZ Wien 60.769, 82.173, 111.918 [nur ausdrücklicher Verschuldensausspruch zu berücksichtigen]), ist die beklagte Partei kostenersatzpflichtig; andernfalls ist mit Kostenaufhebung (§§ 43, 45a Abs 1 ZPO) vorzugehen. Zur Kostenaufhebung bei Zusammentreffen mit einem Scheidungsbegehren s LG St Pölten EF 98.074. 4 Tritt der Staatsanwalt als klagende Partei auf und unterliegt er, ist nach § 85 der 1. DVEheG der Staat zum Kostenersatz an den (die) obsiegenden Ehegatten verpflichtet. Für den Fall des Obsiegens des Staatsanwalts ist ein Kostenersatzanspruch des Bundes str (s dazu näher § 85 1. DVEheG Rz 1 f; gegen einen Kostenersatzanspruch des Bundes 6 Ob 65/97w = EvBl 1997/187 = ZfRV 1997, 213 und OLG Innsbruck EF 51.851 = EvBl 1987/84 mwN; für einen Kostenersatzanspruch LGZ Wien EF XXXVI/1, EF 90.849 f, 117.943 f; M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 45a ZPO Rz 8; Simotta/Fasching/Konecny § 460 ZPO Rz 120).
C. Klagen auf Aufhebung der Ehe 5 Im Fall der Abweisung einer auf Aufhebung der Ehe gerichteten Klage ist die klagende Partei nach § 41 Abs 1 ZPO kostenersatzpflichtig. Für den Fall der Stattgebung der Klage kommt es für die Kostenersatzpflicht auf das „Verschulden“ an (zum Verschulden und zum Verschuldensausspruch bei Aufhebung der Ehe s § 42 EheG und § 17 1. DVEheG). Liegt bei keinem der Ehegatten ein Verschulden iS des § 42 EheG vor, kommt es zur Kostenaufhebung (§§ 43, 45a Abs 1 ZPO).
D. Klagen auf Scheidung der Ehe 1. Scheidung aus Verschulden
6 Im Verfahren über die Klage auf Scheidung aus Verschulden gilt primär das Erfolgsprinzip (s Rz 2; LGZ Wien EF 90.845; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 769). Deutlich wird dabei der Anwendungsfall des § 41 Abs 1 ZPO bei Abweisung der Scheidungsklage (Obermaier, Kostenhandbuch Rz 769) und bei Klagsstattgebung infolge alleinigen Verschuldens der beklagten Partei, was zur Kostenersatzpflicht der klagenden bzw beklagten Partei führt (6 Ob 150/ 02 f). 7 Im Übrigen ist bei Verschuldensscheidungen hinsichtlich des Kostenersatzes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, insb auf den Grad des Verschuldens, Bedacht zu nehmen (stRsp, etwa 9 Ob 60/05x = EF 114.889; 3 Ob 990
Kostenersatz – Streitsachen
§§ 41 ff ZPO
218/08t = EF 124.719; LGZ Wien EF 111.910; LG Salzburg 120.896). Bei Scheidungen aus beiderseitigem Verschulden sind die Kosten gegeneinander aufzuheben (§ 43 Abs 1 ZPO; stRsp, etwa 4 Ob 247/01d; OLG Wien EF 20.747, 34.358; LGZ Wien 120.897, 124.720; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 769; M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 45a ZPO Rz 1). Bei überwiegendem Verschulden eines der Ehegatten ist die Ausmessung des Kostenersatzes dem begründeten Ermessen des Gerichts überlassen (stRsp, etwa 9 Ob 60/ 05x = EF 114.888; 3 Ob 218/08t = EF 124.718; LGZ Wien EF 108.811, 111.909; LG Salzburg EF 120.895). Bei nicht ganz geringfügigem Mitverschulden reicht die Ersatzquote vom halben Kostenersatz bis hin zur Kostenaufhebung (3 Ob 218/08t = EF 124.721 [Ersatz der halben Kosten]; LG Linz EF 124.723). Handelt es sich um ein ganz geringfügiges Mitverschulden, wenn also das überwiegende Scheidungsverschulden bereits einem Alleinverschulden nahe kommt, ist auf vollen Kostenersatz zu erkennen (OLG Wien EF 66.944; LGZ Wien EF 111.894, 117.935, 124.729; LG Linz ua EF 124.722), wobei allerdings relevant sein kann, inwieweit der Prozessaufwand der Frage der Eheauflösung an sich oder der Verschuldensfrage gedient hat (LGZ Wien EF 111.911, 117.935).
2. Scheidung nach §§ 50 bis 52 EheG
In Verfahren über Klagen auf Scheidung nach §§ 50 bis 52 EheG führt die 8 Klagsabweisung zur Kostenersatzpflicht der klagenden Partei. Bei Klagsstattgebung kommt es nach § 45a Abs 1 ZPO zur Kostenaufhebung. § 45a Abs 2 ZPO erfasst Scheidungen nach §§ 50 bis 52 EheG nicht (M. Bydlinski/ Fasching/Konecny § 45a ZPO Rz 3).
3. Scheidung nach § 55 EheG
In Verfahren über eine Klage auf Scheidung nach § 55 EheG trifft bei Klagsab- 9 weisung die klagende Partei die Kostenersatzpflicht. Im Übrigen kommt es auf das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe an. Enthält das Scheidungsurteil einen Ausspruch über dieses Verschulden an der Zerrüttung, so hat der schuldige Ehegatte dem anderen die Kosten zu ersetzen (vgl LGZ Wien EF 85.234, 124.728; M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 45a ZPO Rz 3). Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens (§ 61 Abs 3 EheG) ist dem Alleinverschulden gleichzuhalten (OLG Wien EF 46.637, 64.001; LGZ Wien EF 79.149). § 45a Abs 2 ZPO stellt ausdrücklich und allein auf einen im Scheidungsurteil 10 enthaltenen Verschuldensausspruch ab (LGZ Wien EF 124.728). Auf den Umstand, dass materiell ein Verschulden eines Ehegatten vorliegt oder aus 991
§§ 41 ff ZPO
Höllwerth
den Entscheidungsgründen abgeleitet werden könnte, kann sich die andere Partei im Anwendungsbereich des § 45a Abs 2 ZPO nicht mit Erfolg berufen (Obermaier, Kostenhandbuch Rz 769; M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 45a ZPO Rz 4).
E. § 45a ZPO – Einzelfragen 11 § 45a ZPO schafft keine Möglichkeit, dem die Scheidung verlangenden und sodann schuldig geschiedenen Ehegatten Kosten zuzusprechen (OLG Wien EF 36.686; LGZ Wien EF 90.843, 111.916), insb auch nicht für einen bestimmten Verfahrensabschnitt, um diese Kosten dann gegen den Kostenersatzanspruch des Prozessgegners für das übrige Verfahren aufzurechnen (LGZ Wien EF 117.941). Auch für einen Kostenzuspruch, lediglich um „Härten zu vermeiden“, also nach Billigkeit, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (LGZ Wien EF 101.803, 111.920). 12 Ob es bei der Anwendung des § 45a ZPO nur auf einen Verschuldensausspruch im Urteil oder (auch) auf ein sich aus den Entscheidungsgründen ergebendes Verschulden ankommt, wird in der Rsp unterschiedlich beurteilt (LGZ Wien EF 101.804 [nur Urteilsspruch maßgeblich]; LGZ Wien WR 547 = EF 69.801, AnwBl 1995/4947 [Lintl] = EF 76.030, 101.805, 111.921 [Kostenaufhebung, wenn Verschuldensausspruch deswegen fehlt, weil ein solcher nach dem anzuwendenden ausländischen Eherecht nicht vorgesehen ist]; aA LGZ Wien 85.236; LG Wels EF 124.731 [Berücksichtigung der Entscheidungsgründe bei fehlendem Verschuldensausspruch infolge Anwendung ausländischen Rechts]; s auch die Rechtsprechnungsnachweise bei Obermaier, Kostenhandbuch Rz 769). Die unterschiedlichen Formulierungen in Abs 1 und 2 dieser Bestimmung legen eine differenzierte Betrachtung nahe und sprechen dafür, im Anwendungsbereich des § 45a Abs 1 ZPO bei fehlendem Verschuldensausspruch auf die Entscheidungsgründe abzustellen (zutr Obermaier, Kostenhandbuch Rz 769), während es nach § 45a Abs 2 ZPO allein auf den Verschuldensausspruch ankommt (s Rz 10; M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 45a ZPO Rz 4). 13 § 45a ZPO ist im Rechtsmittelverfahren bei einem erfolglosen Rechtsmittel der schuldlos geschiedenen beklagten Partei nicht anzuwenden (stRsp, s RISJustiz RS0035862; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 770 mzwN; aA M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 45a ZPO Rz 7); eine gegenseitige Kostenaufhebung nach § 45a ZPO kommt in diesem Fall nicht in Frage (LGZ Wien 117.945). Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich (nur) dann auf §§ 45a, 50 ZPO, wenn das angefochtene Urteil in einen von der Bestimmung des § 45a ZPO erfassten Inhalt abgeändert wird (3 Ob 524/ 76; 1 Ob 641/79 = EvBl 1979/234, 638 = EF 34.361). 992
Kostenersatz – Streitsachen
§§ 41 ff ZPO
F. Verfahrensrechtliches und Tarif Bei Tod eines Ehegatten vor Rechtskraft des Urteils (§ 416 Abs 1 ZPO) ist der 14 Rechtsstreit in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen. Er kann gem § 460 Z 8 ZPO nur mehr wegen der Verfahrenskosten fortgesetzt werden (s § 460 ZPO Rz 36). Wird ein Antrag auf Scheidung nach § 55a EheG gestellt, so ist ein wegen 15 Ehescheidung anhängiger Rechtsstreit zu unterbrechen (s dazu näher § 460 ZPO Rz 47 ff). Wird dem Scheidungsantrag stattgegeben, so gilt die Scheidungsklage gem § 460 Z 10 ZPO mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses als zurückgenommen; die Prozesskosten sind in diesem Fall gegeneinander aufzuheben. Nach § 10 Z 4 RATG (idF BGBl I 2010/58) sind Ehesachen mit 4.360 Euro zu 16 bewerten.
993
Außerstreitgesetz Kostenersatz in Verfahren außer Streitsachen § 78. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz oder anderen gesetzlichen Vorschriften nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet ist, hat das Gericht ohne weitere Erhebungen und nach sorgfältiger Würdigung aller Umstände auszusprechen, inwieweit ein Kostenersatz auferlegt wird. Darüber ist in jedem die Sache erledigenden Beschluss zu entscheiden, sofern nicht das Erstgericht die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehält. (2) Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten sind einer Partei zu ersetzen, soweit sie mit ihrer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegenüber anderen Parteien, die entgegengesetzte Interessen verfolgt haben, Erfolg hatte. Davon ist nur abzuweichen, soweit dies nach Billigkeit, insbesondere wegen der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Sache oder wegen eines dem Verhalten einzelner Parteien zuzurechnenden Aufwands, erforderlich ist. (3) Soweit sich daraus keine Ersatzansprüche ergeben, sind die in § 43 Abs. 1 dritter Satz ZPO genannten Barauslagen den Parteien im Verhältnis ihrer Anteile am Verfahrensgegenstand, mangels Bestimmbarkeit der Anteile zu gleichen Teilen unter Berücksichtigung eines dem Verhalten einzelner Parteien zuzurechnenden Aufwands aufzuerlegen. Im Übrigen haben die Parteien ihre Kosten selbst zu tragen. (4) Auf die Verzeichnung der Kosten und ihre Verzinsung sind die Bestimmungen der ZPO sinngemäß anzuwenden. [Stammfassung]
Lit: M. Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozeß (1992); ders, Neues vom OGH zum Kostenersatz, Zak 2005/76; Chvosta, Prozesskostenersatz (2001); Fucik, Kostenersatz im Verfahren außer Streitsachen, ÖJZ 2007/57; ders, Mustereinwendungen gegen das Kostenverzeichnis, ÖJZ 2009/86; Höllwerth, Kostenersatz nach § 78 AußStrG 2003, ÖA 2005, 81; ders, Einwendungen gegen die Kosten – § 54 Abs 1a ZPO, ÖJZ 2009/80; Klicka, Zum Gutachten
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Kostenersatz – Außerstreitsachen
§ 78 AußStrG
über den Diskussionsentwurf „Allgemeiner Teil des Außerstreitgesetzes“, in: Das neue Außerstreitverfahren – Texte und Strukturen (Richterwoche 1997), Schriftenreihe des BMJ (1997) 76; ders, Bemerkungen zum Stand der Außerstreitreform, NZ 2001, 30; Lehmayer, Kostenersatz im Unterhaltsverfahren Volljähriger, RPfl 2006, 22; P. Mayr, Zivilverfahrensrechtliche Neuerungen des Budgetbegleitgesetzes 2009, ecolex 2009, 562; Obermaier, Die Verzinsung von Kostentiteln, AnwBl 2007,403; ders, Zur Nichthonorierung von Kosteneinwendungen und Kostenrekursen, Zak 2010, 150; Rechberger, Die Anforderungen an ein neues Außerstreitverfahrensrecht, LBI XVI (1996) 7; Salficky, Gedanken zu § 54 Abs 1a ZPO, AnwBl 2009, 473; Steinhauer et alteri, Das Kostenersatzrecht im 21. Jahrhundert – Gedanken zur kommenden und zur übernächsten Zivilverfahrensnovelle (Teil II), RZ 2002, 126; Thiele, Anwaltskosten (2007); Woller, Budgetbegleitgesetz 2009: Auswirkungen auf das Zivilverfahren, ecolex 2009, 567. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kostenverzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruchsverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt der Verzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt des Kostenverzeichnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einwendungsmöglichkeit des Gegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Erfolgsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Billigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die einzelnen Eheverfahren iwS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren über die Einwilligung zur Eheschließung bzw zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und über die Genehmigung einer Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung/Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft . . . . . . . 3. Gesonderte Wohnungnahme (§ 92 ABGB, § 9 EPG) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftung für Kredite (§ 98 EheG, § 41 EPG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfahren betreffend die (Ehe-)Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten bzw eingetragenen Partners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einvernehmliche Ehescheidung bzw Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kostenvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sofortige Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einwendungen des Gegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtung der Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verzinsung der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweckentsprechende Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorprozessuale Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Vollständige) Submission einer Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachträglicher Wegfall der Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nichtigerklärung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–3 4–11 4 5–7 8 9–11 12–18 19–25 26–57
26–28 29–31 32–33 34–45 46–48 49–50 51–54 55–57 58–78 58–60 61–62 63–69 70–76 77–78 79–88 79–81 82–83 84–86 87 88
§ 78 AußStrG
Gitschthaler
A. Allgemeines 1 Der Gesetzgeber hat mit § 78 AußStrG erstmals im Verfahren außer Streitsachen zwar ganz grundsätzlich eine Kostenersatzpflicht der Parteien untereinander eingeführt; einige Materien wurden aber von dieser Grundregel ausdrücklich wieder ausgenommen (praktisch ausschließlich Materien, die minderjährige Kinder betreffen [vgl die Übersicht bei Höllwerth, ÖA 2005, 83]), und bei einigen Materien wurde die Ersatzpflicht auf Barauslagen beschränkt. Gründe für die Einführung dieser weitgehenden Kostenersatzpflicht waren vor allem der Umstand, dass sich in zahlreichen „außerstreitigen“ Verfahren Parteien mit entgegengesetzten Interessen gegenüber stehen wie im Zivilprozess (dies gilt gerade auch in den Ehe- und Partnerschaftsverfahren im weitesten Sinne), die Verwirklichung des „Nettoprinzips der Rechtsverfolgung“ – der Erfolg in der Hauptsache soll nicht durch den Kostenaufwand der Rechtsdurchsetzung vermindert werden (M. Bydlinski, Kostenersatz 39; Chvosta, Prozesskostenersatz 13; Höllwerth, ÖA 2005, 81; LGZ Wien EF 122.183) – und wohl auch eine gewisse Abschreckung vor leichtfertigen Verfahrenseinleitungen und -einlassungen (Höllwerth, ÖA 2005, 82); letztere Tendenz hat der Gesetzgeber im Übrigen insb durch das BudgetbegleitG 2009 noch verstärkt, indem nunmehr in zahlreichen Verfahren außer Streitsachen – zum Teil erhebliche – Gerichtsgebühren zu leisten sind. Zweck des § 78 (Abs 2) AußStrG war somit die Einführung und nicht die Verhinderung einer Kostenersatzpflicht (LGZ Wien EF-Z 2009/149 [Gitschthaler] = EF 125.785). 2 Nach der Konzeption des § 78 AußStrG gibt es nunmehr Verfahren, in denen die Parteien einander Kostenersatz sowohl hinsichtlich der Barauslagen als auch der Vertretungskosten zu leisten haben (Abs 2). Grundvoraussetzung ist, dass die Parteien „entgegengesetzte Interessen verfolgt haben“. Dazu gehören im hier interessierenden Zusammenhang (Ehe- bzw Partnerschaftsverfahren iwS) Verfahren über die gesonderte Wohnungnahme nach § 92 ABGB bzw § 9 EPG (Rz 32 f), Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG bzw §§ 24 ff EPG (Rz 34 ff), Verfahren betreffend die Haftung für Kredite nach § 98 EheG bzw § 41 EPG (Rz 46 ff) sowie Verfahren über die Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten bzw eingetragenen Partners nach §§ 98 ff ABGB bzw § 11 EPG (Rz 51 ff) und (möglicherweise) Verfahren über die Einwilligung zur Eheschließung nach § 3 EheG bzw zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft nach § 4 EPG und über die Genehmigung einer Ehe nach § 35 Abs 3 EheG bzw einer eingetragenen Partnerschaft (Rz 26 ff). Lediglich Barauslagenersatz (§ 78 Abs 3 AußStrG) zwischen den Parteien gibt es im hier interessierenden Zusammenhang in Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen nach §§ 55a EheG bzw über die (einvernehmliche) Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft nach § 15 Abs 5 EPG (Rz 55 ff). 996
Kostenersatz – Außerstreitsachen
§ 78 AußStrG
In Verfahren über die Anerkennung oder die Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft (vgl § 43 Abs 1 Z 2 EPG) kommt es auf die jeweilige Interessenlage im einzelnen Verfahren an, ob Kostenersatzpflicht nach § 78 Abs 2 AußStrG oder lediglich Barauslagenersatzpflicht nach § 78 Abs 3 AußStrG besteht (Rz 29 ff). Da in Verfahren betreffend die Ehemündigerklärung (vgl dazu ausführlich § 1 EheG Rz 4 ff) zwar bestimmte Personen anzuhören sind, es jedoch neben dem Antragsteller keine weiteren Verfahrensparteien gibt, hat der Antragsteller die anfallenden Kosten (insb auch die Pauschalgebühr nach TP 12 F. lit c 1. GGG) endgültig selbst zu tragen; eine Kostenersatzpflicht findet nicht statt. § 78 AußStrG verweist zwar in seinem Abs 4 lediglich hinsichtlich der Kosten- 3 verzeichnung und der Verzinsung der Kosten auf die Bestimmungen der ZPO; allerdings wird man auch zur Lösung zahlreicher anderer Probleme auf die dort entwickelten Grundsätze zurückgreifen können, so etwa hinsichtlich der vorprozessualen Kosten, der Notwendigkeit von kostenverursachenden Handlungen, des Kostenersatzes in Zwischenstreitigkeiten, der Einschränkung des Begehrens auf Kosten, des nachträglichen Wegfalls der Beschwer oder hinsichtlich der Kostenersatzpflicht bei Nichtigerklärung des Verfahrens.
B. Kostenverzeichnung 1. Anspruchsverlust
Wie im Zivilprozess (§ 78 Abs 4 AußStrG) müssen auch im Verfahren außer 4 Streitsachen die Kosten von den Parteien verzeichnet werden, andernfalls sie nicht zugesprochen werden können (2 Ob 98/07m; 4 Ob 76/07s). Obermaier (Kostenhandbuch1 Rz 637) bezeichnet die Kostenverzeichnung daher zutr als die „Mutter des Ersatzanspruchs“. Davon kann auch unter dem Gesichtspunkt der in § 78 Abs 2 AußStrG angeordneten Billigkeit nicht abgegangen werden (LGZ Wien 45 R 298/09w [„Billigkeitserwägungen beim Verzeichnen von Kosten sind schon ihrer Natur nach denkunmöglich“]); lediglich unvertretene Parteien könnten mangelnde diesbezügliche Manuduktion (für eine solche zutr Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 637) durch das Gericht geltend machen, und zwar sowohl in einem Rekurs- als auch in einem Amtshaftungsverfahren. Unterlassene oder verspätete Kostenverzeichnung führen auch im Verfahren außer Streitsachen zum endgültigen Anspruchsverlust (Obermaier, Kostenhandbuch Rz 707; LG Linz EF 122.228 [„verwirkt“]), Verbesserungsverfahren sind nicht zulässig (Höllwerth, ÖA 2005, 88 mwN aus der Rsp; ebenso LGZ Wien EF 118.865).
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§ 78 AußStrG
Gitschthaler
2. Zeitpunkt der Verzeichnung
5 Nach § 54 Abs 1 und 2 ZPO, auf den § 78 Abs 4 AußStrG sinngemäß verweist, sind die Kosten so bald wie möglich zu verzeichnen. Bezweckt wird damit eine Erledigung der Kostenfrage gleichzeitig mit der Hauptsache. Für den Zeitpunkt der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs unterscheidet der Gesetzgeber nicht danach, ob in diesem Zeitpunkt für den Antragsteller schon hinreichend erkennbar ist, ob seinem Antrag auch Erfolg beschieden sein wird. Es kommt also nicht auf die subjektive Kenntnis des Antragstellers von den eine Kostenersatzpflicht begründenden Umständen an (LGZ Wien EF 122.227). 6 Anders als im Zivilprozess muss allerdings in Verfahren außer Streitsachen nicht immer mündlich verhandelt werden, sodass die Parteien die rechtzeitige Verzeichnung ihrer Kosten uU übersehen könnten. Durch den Verweis auf § 54 Abs 1 ZPO ist nämlich in einem solchen Fall festgelegt, dass die Kostenverzeichnung bei Einvernahme der Partei oder gleichzeitig mit dem der Beschlussfassung zu unterziehenden Antrag zu geschehen hat. Jedenfalls in Verfahren ohne Verhandlungspflicht ist somit ein sukzessives Verzeichnen der Kosten jeweils anlässlich der vorgenommenen Prozesshandlung ratsam (LG Linz EF 122.228; LGZ Wien 45 R 298/09w; idS auch Höllwerth, ÖA 2005, 88), wenn auch nicht zwingend: Folgen noch weitere Verfahrenshandlungen, können auch anlässlich dieser vorangegangene kostenmäßig berücksichtigt werden (idS auch Fucik, ÖJZ 2007/57; LGZ Wien EF 122.229), sofern das Gericht noch nicht über die Sache entschieden hat (LG Salzburg 21 R 341/09g). Dass die Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, ändert daran nichts, wenn eine solche nicht zwingend vorgesehen bzw nicht erforderlich ist (LGZ Wien EF 125.820). Dies gilt insb auch für die Pauschalgebühren. Kosten, die in einer Zahlungspflicht bestehen, gelten nach § 54 Abs 2 ZPO nämlich mit deren Begründung entstanden. Nach § 2 GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr jedoch bei Überreichung des Antrags bzw bei Protokollaranträgen mit dem Beginn der Niederschrift begründet (vgl LGZ Wien EF 122.227, 122.230). Verfahren ohne zwingende mündliche Verhandlung sind im hier interessierenden Zusammenhang jene über die Einwilligung zur Eheschließung bzw Begründung einer eingetragenen Partnerschaft, über die Genehmigung einer Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft und solche über die gesonderte Wohnungnahme nach § 92 ABGB bzw § 9 EPG; das AußStrG kennt für diese Verfahren keine Sonderregelungen, sodass der allgemeine Grundsatz des § 18 AußStrG gilt, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gewissermaßen ins Belieben des Richters oder Rechtspflegers gestellt ist. Ebenfalls keine Verhandlungspflicht besteht in Verfahren über die Anerkennung bzw Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand der 998
Kostenersatz – Außerstreitsachen
§ 78 AußStrG
Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft (vgl § 98 AußStrG; § 43 Abs 1 Z 2 EPG). In Verfahren über die einvernehmliche Scheidung bzw Auflösung der einge- 7 tragenen Partnerschaft, über die Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten bzw eingetragenen Lebenspartners im Erwerb des anderen sowie in Aufteilungsverfahren ist nach § 94 Abs 1 EheG mündlich zu verhandeln; auch ein Verfahren über die Haftung für Kredite ist – als Teil des Aufteilungsverfahrens – dieser Bestimmung zu unterstellen. Im Hinblick auf § 54 Abs 1 ZPO hat in diesen Verfahren die Kostenverzeichnung vor Schluss der der Entscheidung über den Kostenersatzanspruch unmittelbar vorangehenden Verhandlung zu erfolgen. Im Gegensatz zur ZPO kennt das AußStrG an sich keine ausdrückliche Anordnung eines Schlusses der Verhandlung, bevor das Gericht über die Sache entscheidet (LG Linz EF 122.228; LGZ Wien EF 125.821). Es erscheint daher durchaus ratsam, jeweils am Ende einer Tagsatzung eine Kostenverzeichnung vorzunehmen (so auch Höllwerth, ÖA 2005, 88). Allerdings ist durch die Einführung einer Kostenersatzpflicht durch das AußStrG 2003 hinsichtlich der Verkündung des Schlusses der Verhandlung eine echte Gesetzeslücke eingetreten ist (Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 10), die zu füllen ist: Das Gericht hat nunmehr auch in jenen Verfahren außer Streitsachen, in denen grundsätzlich Kostenersatzpflicht besteht, die Parteien zum Legen der Kostenverzeichnisse aufzufordern, wenn es beabsichtigt, nunmehr über die Sache zu entscheiden; dies lässt sich durchaus auch mit dem Grundsatz des fair trial des Art 6 EMRK begründen (Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 461/5; LGZ Wien EF 125.821; vgl auch LGZ Wien EF 37.488, das bereits vor der Außerstreitreform 2003 angesichts des „streitähnlichen“ Wesens des Aufteilungsverfahrens eine Verpflichtung des Außerstreitrichters angenommen hatte, den Schluss der Verhandlung zu verkünden). Hat das Gericht zum Legen der Kostenverzeichnisse aufgefordert oder den Schluss der Verhandlung verkündet, scheidet eine spätere Kostenverzeichnung (etwa außerhalb der Verhandlung) aus (idS wohl auch LGZ Wien EF 122.229). Andernfalls ist, solange das Gericht noch nicht entschieden hat, eine nachträgliche Verzeichnung auch außerhalb einer Tagsatzung zulässig (Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 10). Spätestmöglicher Zeitpunkt ist dann jener der Übergabe der Entscheidung durch den Richter oder Rechtspfleger an die Geschäftsstelle (§ 40 AußStrG); das LGZ Wien (EF 122.229, 125.821) will § 54 Abs 2, § 237 Abs 3 ZPO analog heranziehen und geht von einer „4-wöchigen Frist“ aus (aA Obermaier, Kostenhandbuch Rz 708).
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§ 78 AußStrG
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3. Inhalt des Kostenverzeichnisses
8 Kostenersatz muss durch die Vorlage eines Kostenverzeichnisses beansprucht werden (§ 78 Abs 4 AußStrG iVm § 54 ZPO); dem ist ein (nicht honorierungsfähiger) Antrag auf Kostenbestimmung gleichzuhalten (LGZ Wien EF 125.819). Ein solches Kostenverzeichnis hat gem § 54 Abs 1 ZPO insb Ansätze und Angaben zu enthalten, wobei unter den Angaben Behauptungen zu den jeweils kostenverursachenden Vorgängen zu verstehen sind. Unter den Ansätzen ist die mit den Angaben korrespondierende ziffernmäßige Aufstellung aller beanspruchten Kostenbeträge zu verstehen (vgl auch OLG Wien AnwBl 2010/ 8249 [Kostenrekurs]. Das notwendige Maß der Detaillierung ergibt sich dabei einerseits aus den Anwendungsvoraussetzungen für den jeweils begehrten Tarif und andererseits aus § 78 Abs 1 AußStrG, wenn es dort heißt, das Gericht habe über den Kostenersatzanspruch ohne weitere Erhebungen und nach sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu entscheiden (LGZ Wien EF 118.864; Fucik, ÖJZ 2007/57). Das Kostenverzeichnis hat somit die Tarifansätze samt Einheitssatz und Streitgenossenzuschlag, die Barauslagen, die Umsatzsteuer mit dem maßgeblichen Prozentsatz (dieser kann bei ausländischen Parteien differieren) sowie – allenfalls erforderliche (Höllwerth, ÖA 2005, 88) – Belege zu enthalten (Fucik, ÖJZ 2007/57). Eine Addition der einzelnen Ansätze hat nicht zu erfolgen (Fucik, ÖJZ 2007/57), zu allfälligen Rechenfehlern vgl Rz 66. Ausgenommen von diesen Grundsätzen sind nur jene Verfahrenshandlungen, welche durch eine vom BMJ erlassene V über Normalkosten erfasst werden (LGZ Wien EF 118.864; Fucik, ÖJZ 2007/57); allerdings bestehen derartige Normalkosten dzt für Verfahren außer Streitsachen nicht (Fucik, ÖJZ 2007/57).
4. Einwendungsmöglichkeit des Gegners
9 Der Verweis des § 78 Abs 4 AußStrG auf „die Verzeichnung der Kosten“ umfasst auch den durch das BudgetbegleitG 2009 eingefügten und durch das BudgetbegleitG 2011 modifizierten § 54 Abs 1a ZPO. Danach ist das Kostenverzeichnis gleichzeitig auch dem Gegner auszuhändigen. Dieser kann dazu – sofort zu Protokoll (Fucik, ÖJZ 2009/86) oder – binnen einer Notfrist von 14 Tagen (diese Frist wird trotz der Änderungen des § 54 Abs 1a ZPO durch das BudgetbegleitG 2011 durch die „Gerichtsferien“ vom 25. 7. bis 17. 8. nicht gehemmt; dies ergibt sich einerseits aus § 222 Abs 1 ZPO idF des BudgetbegleitG 2011 und andererseits im hier interessierenden Zusammenhang aus dem Umstand, dass auf Verfahren außer Streitsachen die „Gerichtsferien“ ganz grundsätzlich nicht anzuwenden sind [§ 23 AußStrG]) mittels Einwendungsschriftsatzes Stellung nehmen; erhebt der Gegner sofort zu Protokoll Einwendungen, kann er mE weitere Einwendungen auch noch innerhalb der 14tägigen Frist 1000
Kostenersatz – Außerstreitsachen
§ 78 AußStrG
schriftlich nachreichen, es sei denn das Gericht hätte bereits (auch) über die Kosten entschieden. Allerdings ist diese Regelung wohl nur auf jene außerstreitigen Verfahren anzuwenden, in denen das Gericht mündlich verhandelt, weil § 54 Abs 1a ZPO ausdrücklich nur von dem „am Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz dem Gericht zu übergebenden Kostenverzeichnis“ spricht, nicht aber von den sonstigen Fällen des § 54 Abs 1 ZPO (idS wohl auch Höllwerth, ÖJZ 2009/ 80; OLG Linz AnwBl 2010/8231 [Foglar-Deinhardstein] zu Beweissicherungsverfahren). Damit beginnt nicht mit jeder einzelnen Kostenverzeichnung durch eine Partei die 14-tägige Frist zu laufen, innerhalb welcher der Gegner bzw die Gegner in einem Mehrparteienverfahren Stellung nehmen müssten (idS wohl auch die ErläutRV zu § 78 AußStrG). Sie beginnt vielmehr – auch wenn eine Partei in einem Verfahren, in dem mündlich verhandelt wurde, mehrfach Kosten verzeichnet hat (vgl Rz 6) – hinsichtlich sämtlicher Kosten erst mit der letzten Verzeichnung vor dem „Schluss der Verhandlung“. Dabei hat das Gericht allerdings darauf zu achten, dass dem Gegner sämtliche Kostenverzeichnungen (in Schriftsätzen, anlässlich von Tagsatzungen udgl) auch tatsächlich ausgehändigt wurden; allenfalls hat es dies noch ergänzend zu veranlassen (eine derartige Verpflichtung eher verneinend jedoch Höllwerth, ÖJZ 2009/80). Die Forderung nach einer Einzelverzeichnung würde demgegenüber in vielen Fällen zu einem Chaos führen. Da die Frist des § 54 Abs 1a ZPO eine Notfrist ist, kommt § 112 ZPO nicht zur Anwendung, dh das Gericht hätte darauf zu achten, dass es auch jeden Schriftsatz mit einem Kostenverzeichnis oder anlässlich von Beweisaufnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung gelegte Kostenverzeichnisse den Gegnern zugestellt hat, bevor es eine Kostenentscheidung trifft. Dies würde einerseits zu einem nicht unbeträchtlichen Verfahrensaufwand führen und andererseits auch ein Fristendurcheinander auslösen, liefe die Frist doch hinsichtlich jeder einzelnen Kostenverzeichnung zu einem anderen Zeitpunkt ab. Darüber hinaus würde es die Kosten des Verfahrens massiv erhöhen, wären doch die Gegner hinsichtlich jeder einzelnen Kostenverzeichnung zu Einwendungsschriftsätzen gezwungen. § 54 Abs 1a ZPO war bereits in seiner Fassung BudgetbegleitG 2009 teleolo- 10 gisch dahin zu reduzieren, dass er auf unvertretene Parteien nicht anzuwenden war (was gerade in Verfahren außer Streitsachen immer wieder vorkommen wird). Es konnte nämlich nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, eine – im Verfahren – unvertretene Partei zu zwingen, sich (nur) für die Erhebung von Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der gegnerischen – anwaltlich vertretenen – Partei eines Rechtsanwalts zu bedienen bzw dafür um Verfahrenshilfe anzusuchen (unsinniger Kostenaufwand, Verfahrensverzögerung). Bleibt die Partei hingegen unvertreten, wird sie regelmäßig nicht in der Lage sein, begründete Einwendungen zu erheben; dann wäre Waffengleichheit zwischen den Parteien nicht mehr gewährleistet gewesen (idS auch Höllwerth, 1001
§ 78 AußStrG
Gitschthaler
ÖJZ 2009/80; aA LG Wels Zak 2009/650 = AnwBl 2010/8230 [P. Mayr], das diese Regelung jedoch für verfassungswidrig hält und daher den VfGH angerufen hat [vgl Zak 2009/650]; LGZ Wien 43 R 666/09y). Mit Höllwerth (ÖJZ 2009/80) war somit davon auszugehen, dass die unvertretene Partei nicht verpflichtet war, Einwendungen zu erheben; damit stimmte sie der gegnerischen Kostenverzeichnung auch nicht zu – und das Gericht hatte diese im Rahmen seiner Kostenentscheidung umfassend zu prüfen (aA, jedoch ohne Begründung Fucik, ÖJZ 2009/86; die Frage ausdrücklich offen lassend Woller, ecolex 2009, 567). Der Gesetzgeber hat nunmehr im BudgetbegleitG 2011 ausdrücklich klargestellt, dass § 54 Abs 1a ZPO nur auf durch einen Rechtsanwalt vertretene Parteien anzuwenden ist. 11 § 54 Abs 1a ZPO ist nicht auf im Rechtsmittelverfahren verzeichnete Kosten (etwa die Rekurskosten) anwendbar (idS wohl auch Höllwerth, ÖJZ 2009/ 80). Das soll zwar selbst dann gelten, wenn es zu einer mündlichen Rekursverhandlung kommt (vgl LG Linz AnwBl 2010/8225 [zust Salficky]), was sich zwar aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt. Dem Argument Salfickys (AnwBl 2010, 85 [Entscheidungsanmerkung]), das sei auch gerechtfertigt, weil der „im Berufungsverfahren entstehende Kostenaufwand deutlich geringer ist als jener im erstinstanzlichen Verfahren“, kann jedoch dann nicht gefolgt werden, wenn es zu einer Beweiswiederholung oder -ergänzung in zweiter Instanz kommt, was angesichts der Neuregelung des § 492 ZPO durch das BudgetbegleitG 2009 und insb in Verfahren außer Streitsachen nunmehr aber der Regelfall sein wird. Dann ist aber eine dem Verfahren erster Instanz durchaus vergleichbare Situation gegeben, die eine – zumindest analoge Anwendung des § 54 Abs 1a ZPO nahelegt. Jedenfalls von der Einwendungs„pflicht“ des § 54 Abs 1a ZPO erfasst sind Kosten des (gesamten) Rechtsmittelverfahrens, wenn es zu einer Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens infolge Aufhebung früherer Entscheidungen kommt (Salficky, AnwBl 2010, 85 [Entscheidungsanmerkung]). Keine Anwendung findet § 54 Abs 1a ZPO in Sicherungsverfahren (LG Innsbruck EF-Z 2011/24).
C. Erfolgsprinzip 12 § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG ordnet für jene Verfahren, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, explizit das Erfolgsprinzip an, das heißt die erfolgreiche Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten (Rz 79 ff) und Barauslagen (hM, Höllwerth, ÖA 2005, 84; Lehmayer, RPfl 2006, 22; Klicka/Rechberger § 78 AußStrG Rz 2; Obermaier, Kostenhand1002
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buch Rz 723; Fucik, ÖJZ 2007/57; Thiele 90; 2 Ob 143/07d; 1 Ob 42/09x; 1 Ob 56/10g; LG Linz EF 116.036, 125.790; LG Feldkirch EF 122.185; LG Wels EF 122.196, 122.197; LGZ Wien EF 122.196, 125.789, 48 R 113/09m; LGZ Graz EF-Z 2009/150 [Gitschthaler]; LG Salzburg 21 R 357/09k; vgl auch 1 Ob 162/08z; 1 Ob 36/09i). Der Grund dafür liegt im „Nettoprinzip der Rechtsverfolgung“, das heißt der Kostenersatz soll dafür Sorge tragen, dass der Erfolg in der Hauptsache nicht durch den Kostenaufwand zu seiner Durchsetzung vermindert wird (M. Bydlinski, Kostenersatz 39; Chvosta, Prozesskostenersatz 13; Höllwerth, ÖA 2005, 81; LGZ Wien EF 122.183; LG Salzburg 21 R 357/09k). Zwar wird dieses Erfolgsprinzip durch das Billigkeitsprinzip des § 78 Abs 2 Satz 2 AußStrG (Rz 19 ff) ergänzt bzw „abgemildert“ (LG Wels EF 122.196; LGZ Wien EF-Z 2009/149 [Gitschthaler]). Letzteres steht – anders als etwa in § 234 AußStrG 1854 – jedoch nicht im Vordergrund (LG Wels EF 122.197); vielmehr ergibt sich nach § 78 Abs 2 AußStrG ein zweistufiges Kostenbemessungsverfahren dahin, dass zunächst unter Außerachtlassung von Billigkeitsüberlegungen die Kostenersatzansprüche der Parteien nach deren Erfolg zu ermitteln sind und erst dann allenfalls eine Korrektur nach Billigkeit vorzunehmen ist (LG Linz 15 R 388/05t, EF 116.036 und LGZ Wien EF 118.850, 43 R 511/09d [„zweiter Schritt“]; idS wohl auch Klicka/Rechberger § 78 AußStrG Rz 3; Fucik, ÖJZ 2007/57). Nach Obermaier (Kostenhandbuch Rz 648; ebenso LGZ Wien EF 122.201, EF-Z 2009/149 [Gitschthaler] = EF 125.791) stellt § 78 Abs 2 AußStrG sogar noch mehr als § 41 Abs 1 ZPO auf den Erfolg ab, weil er diesen im Gegensatz zur ZPO sogar ausdrücklich nennt; allerdings ist eine insofern strengere Handhabung des Erfolgsprinzips als nach den §§ 41 ff ZPO kaum denkbar. Der Erfolg besteht darin, dass die Partei mit ihrer Rechtsverfolgung bzw -ver- 13 teidigung gegenüber anderen Parteien (in Ehe- bzw Partnerschaftsverfahren regelmäßig der andere Ehegatte bzw eingetragene Partner), die entgegengesetzte Interessen vertreten haben, erfolgreich war (Klicka/Rechberger § 78 AußStrG Rz 2; Fucik, ÖJZ 2007/57; LGZ Wien EF 122.184). Der Kostenzuspruch hängt also davon ab, ob bzw inwieweit der Kostenersatzwerber die Rechtsposition des anderen abgewehrt hat und dieser daher nicht durchgedrungen ist (Fucik, ÖJZ 2007/57). Dabei kommt es auf den Grund des Erfolgs nicht an, das heißt etwa, dass der Antragsgegner im Fall der Abweisung des gegnerischen Antrags vollen Kostenersatz auch dann erhält, wenn nur eine von mehreren Einreden erfolgreich war (OLG Graz ZBl 1931/254; OLG Wien EvBl 1953/118; Gitschthaler, EF-Z 2009, 233 [Entscheidungsanmerkung]; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 723; offensichtlich zweifelnd Fucik, ÖJZ 2007/57; unklar auch LGZ Wien EF-Z 2009/149 [Gitschthaler]), bzw der Antragsteller, der sein Begehren auf mehrere Anspruchsgründe gestützt hat, jedoch nur mit einem erfolgreich war. 1003
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14 Dringt der Antragsteller mit seinem gesamten Begehren durch, erhält er vollen Kostenersatz (Obermaier, Kostenhandbuch Rz 725; Fucik, ÖJZ 2007/ 57; 1 Ob 162/08t; LG Salzburg EF 116.035; LGZ Wien EF 116.037), ebenso der Antragsgegner, der die Abweisung des gesamten gegnerischen Begehrens erreicht (Fucik/Kloiber § 78 AußStrG Rz 23; LG Linz 15 R 356/07i und LG Wels 21 R 274/08 f [jeweils zu Rekursbeantwortungen]). Allerdings führt auch ein nicht gänzlicher Erfolg nicht zu einer Einschränkung des Kostenersatzanspruchs der an sich obsiegenden Partei, wenn der teilweise Misserfolg lediglich geringfügig war (vgl LGZ Wien 44 R 5/08y), insb wenn das geringfügige Teilbegehren, mit dem der Antragsteller unterlegen ist, überdies keine besonderen Kosten veranlasste (LGZ Wien EF 125.818). 15 Im Gegensatz zu § 43 Abs 1 ZPO enthält § 78 Abs 2 AußStrG keine ausdrückliche Möglichkeit der gegenseitigen Kostenaufhebung bei lediglich teilweisem Erfolg einer Partei (was denknotwendigerweise einen Teilerfolg auch der gegnerischen Partei mit sich bringt). Aufgrund dieses Umstands – und weil sich auch den ErläutRV zu dieser Frage keine konkreten Hinweise entnehmen lassen – hat sich in Lit und Rsp eine heftige Kontroverse zur Frage der (allfälligen) Zulässigkeit von Kosten- oder gar Quotenkompensationen entwickelt: 16 a) Nach einem Teil der Rsp sind Erfolg und Misserfolg der Parteien grundsätzlich nicht zu kompensieren (LG Linz EF 116.039, 122.186; LG Salzburg EF-Z 2006/83; LG Steyr EF-Z 2009/35 [Höllwerth], 1 R 86/08b; LGZ Wien EF 118. 854, 118.857, 122.198, 42 R 322/08a, EF 125.803); es soll also weder zu einer Kosten- noch zu einer Quotenkompensation kommen. Nach dieser Auffassung ist vielmehr der Erfolg im letzten Stadium maßgeblich, solange nicht einzelne Kostenpositionen einzelnen Parteien zuzurechnen sind, das heißt, dass der Antragsteller, der mit einem Teil seines Begehrens durchgedrungen ist, „volle Kosten“ auf Basis des Ersiegten erhält, „soweit das abgewiesene Mehrbegehren keine besonderen Kosten verursacht hat“ (LGZ Wien EF 118.854, 122.187, 125.802; LG Linz EF 125.802). Diese Auffassung wird auch von Fucik/Kloiber (§ 78 AußStrG Rz 16), Klicka(/Rechberger § 78 Rz 4), Lehmayer (RPfl 2006, 22) und Fucik (ÖJZ 2007/57) vertreten. Begründet wird sie einerseits mit dem Fehlen einer dem § 43 Abs 1 ZPO vergleichbaren Regelung in § 78 Abs 2 AußStrG (Fucik/Kloiber § 78 AußStrG Rz 15; LG Linz EF 116.039; LGZ Wien EF 125.803) und andererseits mit der nur so möglichen Gleichbehandlung von vorerst unbestimmten und vorerst überhöhten Begehren (Fucik/Kloiber § 78 AußStrG Rz 16; Klicka/Rechberger § 78 Rz 4). ME ist diese Auffassung schon allein deshalb abzulehnen, weil sie die Interessen des Antragsgegners völlig außer Acht lässt, erhält er doch auch bei einem lediglich geringen Erfolg des Antragstellers keinen Kostenersatz. Es ist auch nicht einsichtig, weshalb der Antragsteller bei gänzlichem Unterliegen dem Antragsgegner vollen Kostenersatz zu leisten hat, bei einem Erfolg von 1004
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bspw 1/10 jedoch Kosten auf Basis des Ersiegten erhält. Dem Argument der Gleichbehandlung von vorerst unbestimmten und vorerst überhöhten Begehren lässt sich wiederum mit dem Billigkeitsprinzip (Rz 19 ff) begegnen, wenn das überhöhte Begehren etwa auf einer mangelnden Informationsbereitschaft durch den Antragsgegner basierte (auf außergerichtliches Verhalten abstellend etwa auch LG Feldkirch EF 122.185). Und dem ins Treffen geführten Fehlen einer dem § 43 Abs 1 ZPO vergleichbaren Bestimmung im neuen AußStrG hält das LGZ Wien (EF 122.201; ebenso LG Krems 2 R 112/08w) zutr entgegen, dass § 78 Abs 2 AußStrG sowohl einen Ersatz der zur Rechtsverfolgung als auch der zur Rechtsverteidigung notwendigen Kosten vorsieht (vgl auch 9 Ob 2/07w, wo die Möglichkeit gegenseitiger Kostenaufhebung als geradezu selbstverständlich angesehen wird). Das LGZ Wien (EF 125.804) meinte jüngst – ebenfalls unter Hinweis auf die Interessen des Antragsgegners und des Kosten der Rechtsverteidigung –, dem Gedanken einer möglichst einfachen Regelung werde es am Ehesten gerecht, wenn man bei deutlichem Obsiegen des Antragstellers diesem volle Kosten auf Basis des ersiegten Betrags zuerkennt und im Zwischenbereich die Kosten gegeneinander aufhebt, um unnötige Hin- und Herrechnungen zu vermeiden. Diese eine Kompensation überhaupt ablehnende Auffassung ließe sich dahin 17 modifizieren, dass auf beiden Seiten der Erfolg ermittelt, jeweils Kosten auf Basis des Ersiegten bzw (aus der Sicht des Antragsgegners) Abgewehrten errechnet und diese Kostenbeträge kompensiert werden (Kostenkompensation). Diese Ansicht vertreten ausdrücklich das LG Linz (EF 122.186, 15 R 434/08m) und das LGZ Wien (EF 122.186). Das LGZ Wien (EF 122.200) versteht zwar die eine Kompensation völlig ablehnende Auffassung (Rz 16) aufgrund ihrer Einschränkung „soweit das abgewiesene Mehrbegehren keine besonderen Kosten verursacht hat“ ganz grundsätzlich in dieser Richtung. Es übersieht dabei aber, dass Fucik/Kloiber (§ 78 AußStrG Rz 15), auf die diese Auffassung zurückgeht, ausdrücklich nur vom „Berechtigten“, also vom Antragsteller sprechen (vgl idS auch LGZ Wien 48 R 72/08 f, 42 R 524/07 f). Gemeint ist vielmehr, dass das letztlich abgewiesene Mehrbegehren besonderen Verfahrensaufwand verursacht hat (etwa ein zusätzliches Sachverständigengutachten, weitere Tagsatzungen udgl), nicht jedoch der bloße „Tarifsprung“ bei den Vertretungskosten. Kostenkompensation würde zwar die Benachteiligung des Antragsgegners (Rz 16) vermeiden, jedoch zu einem erheblichen Mehraufwand bei der Ermittlung der endgültigen Kostenersatzpflicht führen, müssten doch nun mehrere Kostenverzeichnisse inhaltlich geprüft werden. Dass dies der Gesetzgeber gewollt hätte, lässt sich den ErläutRV nicht entnehmen und ist dem Gesetzgeber auch nicht zu unterstellen (LGZ Wien EF 122.200). Im Übrigen findet sich eine derartige Kostenkompensation in § 11 Abs 1 RATG, ohne dass sich diese 1005
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Bestimmung in § 78 Abs 2 AußStrG auch nur ansatzweise widerspiegeln würde. Damit ist auch die Kostenkompensation abzulehnen. 18 ME ist ganz grundsätzlich mit der zahlreich vertretenen Auffassung davon auszugehen, dass auch nach § 78 Abs 2 AußStrG bei teilweisem Obsiegen der Parteien eine Quotenkompensation vorzunehmen ist (Höllwerth, ÖA 2005, 81 FN 41; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 725; LG Klagenfurt 4 R 427/05v; LG Leoben 2 R 15/06i; LG Feldkirch EF 118.856; LG Korneuburg 23 R 50/07a; LG Wels EF 122.202; LGZ Wien 48 R 408/05p, RPflSlgA 9123, EF 122.207, 44 R 5/08y, 45 R 707/09t, EF 125.806 [mit ausführlicher Begründung]; LG Krems 2 R 112/08w); es sind Sachantrag und Zuspruch zu vergleichen und der auf diese Weise ermittelte Erfolg und Misserfolg in Prozentsätzen zu kompensieren (LGZ Wien EF 122.201), wobei nicht auf die tatsächlichen Kosten abgestellt, sondern eine vergleichbare Kostenstruktur auf beiden Seiten unterstellt wird (LG Linz EF 122.186; vgl allerdings Rz 23 für jene Fälle, in denen sich nur eine Partei einer rechtsfreundlichen Vertretung bedient). In der Entscheidung 1 Ob 36/09i ist nunmehr auch der OGH von Quotenkompensation ausgegangen (ohne sich allerdings näher mit den in Literatur und zweitinstanzlicher Rsp erörterten Fragen auseinander gesetzt zu haben). Haben damit die beiden Parteien annähernd gleich großen Erfolg, sind die Kosten gegenseitig aufzuheben (LGZ Graz 1 R 272/06m, 2 R 232/06m). Die Kompensation der Quoten muss (zumindest annähernd) nachvollziehbar sein und bei der Kostenentscheidung begründet werden. Die Quoten bestehen in einem bestimmten Anteil am Streitgegenstand (ein Drittel oä) oder in einem bestimmten (gerundeten) Prozentsatz. Abzulehnen ist daher etwa eine Vorgangsweise, bei der einem Ehegatten, der eine Ausgleichszahlung von bspw 43.000 Euro begehrte und dem 36.000 Euro zugesprochen wurden, trotz dieses teilweisen Unterliegens die gesamten auf Basis von 43.000 Euro verzeichneten Kosten mit der Begründung zugesprochen werden, der Verfahrensgegenstand sei durch den Aufteilungsantrag des Antragstellers beträchtlich ausgeweitet worden, ohne dass dieser mit seinem Begehren in nennenswerter Weise durchgedrungen wäre, sodass die Antragstellerin insoweit ebenfalls als obsiegend zu betrachten sei (LGZ Wien 42 R 452/08v; aA LGZ Wien 45 R 707/09t). Diese Kostenentscheidung erscheint willkürlich, jedenfalls aber nicht nachvollziehbar (zur richtigen Vorgangsweise im Aufteilungsverfahren vgl im Übrigen Rz 34 ff). War der Streitgegenstand von den Parteien zu bewerten und kam es zu einer erfolgreichen Bemängelung desselben gem § 7 RATG, so wirkt sich die Herabsetzung des Streitwerts nicht nur auf die Kostenbemessungsgrundlage, sondern auch auf die Berechnung der Obsiegensquote, also bei der Quotenkompensation, aus (OLG Wien EF-Z 2010/89 [Höllwerth] = Zak 2010/87; vgl auch 2 Ob 99/06g; Thiele 159; aA Obermaier Kostenhandbuch1 Rz 514; LG Feldkirch 2 R 223/06v). 1006
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D. Billigkeitsprinzip Nach der Billigkeitsklausel des § 78 Abs 2 Satz 2 AußStrG ist unter Abweichen 19 vom Erfolgsprinzip (vgl dazu Rz 12 ff) zu prüfen, ob aus Billigkeit der Partei trotz eines Erfolgs nicht oder trotz eines Misserfolgs doch Kosten zugesprochen werden sollen (LG Linz EF 122.190). Ihr Zweck ist jedoch (nur) die Abfederung eines zu starren Erfolgsprinzips durch Zumutbarkeitsgrenzen; das Billigkeitsprinzip kommt somit erst in einem zweiten Schritt nach dem Erfolgsprinzip zur Anwendung (vgl Rz 12 ff). Es rechtfertigt dabei keinesfalls ein Abweichen vom Erfolgsprinzip nach Belieben oder nach nebulösen Allgemeinplätzen (Höllwerth, ÖA 2005, 85; Thiele 90; LG Linz 15 R 388/05t, EF 116.036, 122.188; LG Salzburg EF-Z 2006/83, 21 R 357/09k; LGZ Wien EF 118.851, 122.188, EF-Z 2009/149 [Gitschthaler]; LG Feldkirch EF 122.188; LG Wels EF 122.188) und auch nicht eine Entschärfung einer erfolgsorientierten Kostenentscheidung in exzessiver Weise (LG Salzburg 21 R 357/09k); vielmehr hat eine normative Betrachtung zu erfolgen (Höllwerth, ÖA 2005, 85). Die Auffassung des LGZ Wien (EF-Z 2009/149 [Gitschthaler] = EF125.794), „ob nach Billigkeit gemildert wird, ist kein Muss, sondern eine Ermessensentscheidung im Einzelfall“, ist mE unrichtig; wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der Billigkeitsklausel gegeben sind, „muss“ sie auch angewendet werden. Bei der Billigkeitsklausel geht es nur um das „ob“, nicht auch um das „wieviel“, das heißt es kann nicht ein aufgrund des Erfolgsprinzips ermittelter Kostenersatzbetrag (etwa aus sozialen Erwägungen) der Höhe nach reduziert (Lehmayer, RPfl 2006, 22; Fucik, ÖJZ 2007/57; LG Salzburg 21 R 287/05k, 21 R 357/09k), sondern (lediglich) der obsiegenden Partei ein quotenmäßiger Anteil der Verfahrenskosten oder der Kostenersatz für bestimmte (einzelne) Verfahrensabschnitte oder -handlungen auferlegt werden (Höllwerth, ÖA 2005, 86; Fucik, ÖJZ 2007/57). Der Gesetzgeber erwähnt in § 78 Abs 2 Satz 2 AußStrG selbst zwei Anwendungsfälle für die Billigkeitsklausel; den ErläutRV ist zu entnehmen, dass die Billigkeitsklausel eng auszulegen ist (idS auch Höllwerth, ÖA 2005, 85; LGZ Wien EF 118.853). Dem ist auch vollkommen beizupflichten, bedeutet doch die Anwendung der Billigkeitsklausel bei der einen Partei eine kostenmäßige Schlechterstellung der anderen. Soweit Umstände, die für die – ausnahmsweise vom Erfolgsprinzip abweichende – Anwendung der Billigkeitsregel maßgeblich sein könnten, nicht ohnehin schon aus dem Akt zu entnehmen sind, müssen diese von der Partei, die solche Gründe in Anspruch nehmen will, behauptet und dargelegt werden (Höllwerth, ÖA 2005, 86). § 78 Abs 2 Satz 2 AußStrG nennt als erstes Beispiel für eine Anwendung der Bil- 20 ligkeitsklausel tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache. Dies ist 1007
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nicht neu, sondern bereits in der Kostenersatzregelung des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG enthalten; auf die zu dieser Bestimmung entwickelten Grundsätze kann daher durchaus zurückgegriffen werden (idS auch Höllwerth, ÖA 2005, 85). Tatsächliche Schwierigkeiten sind jedenfalls überall dort gegeben, wo es auf Umstände in der Sphäre des Gegners ankommt (Fucik/Kloiber § 78 AußStrG Rz 29). Demnach wäre iS der Billigkeitsklausel etwa zu berücksichtigen, dass der Antragsteller von Tatsachen ausgegangen ist, die letztlich nicht zutrafen, aber von denen er mangels Aufklärung durch die Gegenseite ausgehen durfte (Klicka/Rechberger § 78 AußStrG Rz 2; LG Salzburg EF 118.852, 21 R 357/09k; vgl durchaus anschaulich zu Unterhaltsverfahren Fucik/Kloiber § 78 AußStrG Rz 29, LGZ Wien 43 R 511/09d und LG Salzburg 21 R 357/ 09k). Ein Anwendungsfall der „tatsächlichen Schwierigkeiten“ wird aber regelmäßig auch dann gegeben sein, wenn diese sich außerhalb der Sphäre beider Parteien abspielen, wenn der Antragsteller also etwa von Tatsachen ausgegangen ist, die letztlich nicht zutrafen, deren Unrichtigkeit er allerdings auch aufgrund zumutbarer Nachforschungen nicht feststellen konnte (vgl zum Verfahren über das Erbrecht Gitschthaler, EF-Z 2009, 233 [Entscheidungsanmerkung]) oder die nach der zu § 43 Abs 2 ZPO entwickelten Rsp zur Annahme einer „nicht offenbaren Überklagung“ führen würden (vgl dazu etwa Fucik/ Rechberger § 43 ZPO Rz 11); diese Umstände könnten etwa in Aufteilungsverfahren iZm der Bewertung von Vermögensgegenständen (insb Liegenschaften) eine Rolle spielen. Rechtliche Schwierigkeiten sollen vor allem berücksichtigt werden, wenn etwa Ermessensentscheidungen des Gerichts „vorweg nicht prognostizierbar“ waren (Fucik/Kloiber § 78 AußStrG Rz 31; Klicka/Rechberger § 78 AußStrG Rz 2; LGZ Graz 1 R 257/06 f; LG Salzburg EF 118.852, 125.796; LGZ Wien EF 125.796); dies wird gerade in Aufteilungsverfahren häufig gegeben sein (vgl Rz 34 ff). Allerdings sind Ermessensentscheidungen regelmäßig vorweg nicht prognostizierbar, weshalb die Anwendung der Billigkeitsklausel Schwierigkeiten voraussetzt, die über das übliche Ausmaß hinausgehen (idS wohl LGZ 43 R 511/09d in einem Unterhaltsverfahren). Im Übrigen kann selbst in einem solchen Fall im Rechtsmittelverfahren nicht mehr von der Billigkeitsklausel ausgegangen werden; vielmehr kommt es dann auf das Erfolgsprinzip (Rz 12 ff) an, wenn die Grundlagen für die Ermessensentscheidung durch die erstinstanzliche Entscheidung ausreichend offengelegt wurden (LGZ Wien 43 R 511/09d). Ein Anwendungsfall für die „rechtlichen Schwierigkeiten“ könnte – unter Berücksichtigung der zu § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG ergangenen Rsp – auch dann gegeben sein, wenn sich der Antragsteller mit einer widersprüchlichen, jedoch auch seinen Standpunkt stützenden Judikatur konfrontiert sieht (9 ObS 4/91 = SZ 64/54; 10 ObS 215/95) oder wenn erhebliche Rechtsfragen zu beurteilen sind, Judikatur des OGH dazu jedoch noch fehlt (10 ObS 97/92 = SZ 65/79 uva). In diesen Fällen wären dann – bei beiderseitiger rechtsfreundli1008
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cher Vertretung – die Kosten gegenseitig aufzuheben; ist nur der Antragsteller rechtsfreundlich vertreten, hätte er Anspruch auf seine halben Kosten (vgl 10 ObS 119/07z; 10 ObS 3/04w; idS auch Höllwerth, ÖA 2005, 85). Als weiteres Beispiel für die Anwendung der Billigkeitsklausel verweist das 21 Gesetz auf einen wegen eines dem Verhalten einzelner Parteien zuzurechnenden Aufwand. Darunter ist die Sphärentheorie zu verstehen: Ist eine Kostenproduktion ausschließlich (aA LGZ Wien EF 118.851 [überwiegende Verursachung genügt]) dem Verhalten einer Partei zuzurechnen, so hat diese auch allein die Kosten dafür zu tragen (Fucik/Kloiber § 78 AußStrG Rz 12; Höllwerth, ÖA 2005, 86; Lehmayer, RPfl 2006, 22; Fucik, ÖJZ 2007/57; Thiele 90; LG Linz EF 116.040). „Zurechnen“ soll dabei mehr als „Verursachen“ sein, zumal es auf die Kausalität nicht ankomme, sondern ein normatives Element hinzutrete (LG Linz EF 116.040, 122.192). Das LG Linz (EF 122.203) schließt daraus, dass sich eine psychische Erkrankung einer Partei uU auch auf die Kostenentscheidung auswirken müsse, könne doch eine Zurechnung ihres – einen zusätzlichen Verfahrensaufwand begründenden – Verhaltens infolge ihrer mangelnden Zurechnungsfähigkeit nicht erfolgen; in einem derartigen Fall habe eine Anwendung des Sphärengedankens zu unterbleiben. Abgesehen davon, dass mE bereits fraglich ist, ob der Gesetzgeber durch die Verwendung des Wortes „zurechnen“ tatsächlich eine subjektive Komponente mitberücksichtigen wollte, kann maßgeblich lediglich sein, ob die Partei für das konkrete Verfahren eines Sachwalters bedurfte; war dies nicht der Fall, ist ihr ihr Verhalten zuzurechnen, andernfalls ist es ihrem Sachwalter – und damit wiederum der Partei – zuzurechnen. Eine eigene Kategorie an „Zurechnungsunfähigkeit“, die zwar die Kostenentscheidung beeinflusst, der Partei die Verfahrensfähigkeit jedoch nicht nimmt, kennt das AußStrG nicht. Damit geht aber auch der Hinweis des LG Linz auf § 45a ZPO fehl, geht es doch dort nicht um die Frage der Zurechnung von Verfahrenshandlungen, sondern um Verschulden iS von Scheidungsverschulden. Beispiele für einen derartigen, von einer Partei zu tragenden Aufwand sind: – die Kosten eines Zwischenstreits; dazu gehören etwa Verfahren über Prozesseinreden, über die gesondert verhandelt wurde, oder über einen Unterbrechungsantrag (Fucik, ÖJZ 2007/57; vgl auch 1 Ob 42/09x betreffend ein Rechtsmittelverfahren, welches sich „schwerpunktmäßig“ mit der Frage der Zulässigkeit des Rekurses befasste); – jene Kosten, welche nach den zur Kostenseparation gem §§ 44 und 48 ZPO entwickelten Grundsätzen einer Partei unabhängig vom Ausgang des Verfahrens aufzuerlegen wären (idS auch Höllwerth, ÖA 2005, 85), wie etwa jener Mehraufwand, der durch unvollständiges (6 Ob 286/99y), verspätetes bzw wahrheitswidriges Vorbringen (Höllwerth, ÖA 2005, 86), durch ver1009
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spätete Namhaftmachung eines Zeugen (OLG Wien WR 822), durch Namhaftmachung eines uninformierten Zeugen, wenn die Partei dies bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vorhersehen können (LGZ Wien EvBl 1935/ 559), oder durch verspätete Vorlage einer „ausschlaggebenden“ Urkunde (LG Salzburg EF 118. 852, 125.797; LGZ Wien EF 125.797; Klicka/Rechberger § 78 AußStrG Rz 2) entstand, weiters die durch die Verhinderung einer Partei (oder deren Vertreters [OLG Wien WR 798]) aufgelaufenen Kosten (OLG Wien AnwBl 1976, 464 [Strigl]); zu ersetzen wären in diesen Fällen etwa die Kosten einer weiteren Tagsatzung oder jene der neuerlichen Beiziehung eines Sachverständigen; im Gegensatz zur ZPO kann jedoch nach § 78 AußStrG die Kostenseparaton nur mit der Endentscheidung getroffen werden, ein gesonderter Kostenseparationsantrag ist nicht vorgesehen (LGZ Graz 1 R 133/10a); – unnötig verursachte Verfahrenskosten wie etwa eine substanzlose Bestreitung des gegnerischen Vorbringens oder unnütze Beweisanträge (LGZ Wien EF 118.851); mE wird man hier zwar einen strengen ex-ante-Maßstab anlegen müssen, weil man im Nachhinein ja immer weiß, ob ein Beweisantrag unnütz war oder nicht (vgl auch LG Salzburg 21 R 566/06s [„die Antragsgegnerin verkomplizierte das Verfahren nicht wesentlich, zumal es ihr zustehen muss, den Liegenschaftswert und den Wert der Modelleisenbahn zu objektivieren“]), einer substanzlosen Bestreitung wiederum kann das Gericht ohnehin gem § 33 Abs 1 AußStrG entgegen treten; denkbar wäre es jedoch uU, einer Partei die Kosten eines bestimmten Verfahrensabschnitts unabhängig vom Ausgang des Verfahrens aufzuerlegen, der ausschließlich dadurch verursacht worden war, dass die Partei durch Vorbringen und Anträge Beweisaufnahmen verursachte, deren Ergebnis (etwa der Wert eines bestimmten Gegenstands) in etwa ohnehin dem ursprünglichen Vorbringen der Gegenseite entsprach; – die Kosten des Antragsgegners, der die Antragstellung nicht veranlasst und den Anspruch sofort bei erster Gelegenheit anerkannt hat (vgl ausführlich Rz 86). 23 An sich stellt es keinen Anwendungsfall der Billigkeitsklausel dar, wenn die unterlegene Partei unvertreten, die obsiegende hingegen anwaltlich vertreten war; die Kosten der Zuziehung eines Rechtsanwalts sind stets als zweckmäßig anzusehen (LG Salzburg EF 125.799). § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG schreibt allerdings bei Anwendung des Erfolgsprinzips grundsätzlich Quotenkompensation vor (Rz 18). Diese stellt nicht auf die tatsächlichen Kosten der Parteien ab, sondern unterstellt eine vergleichbare Kostenstruktur auf beiden Seiten (LG Linz EF 122.186). Bedient sich somit etwa nur der Antragsteller einer rechtsfreundlichen Vertretung, während der Antragsgegner unvertreten blieb und dringt der Antragsteller nur mit seinem halben Begehren durch, wären die Kosten an sich gegenseitig aufzuheben. Dies erschient allerdings nicht bil1010
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lig – dem Antragsgegner sind ja keine Kosten entstanden; vielmehr sind nach dem Billigkeitsgrundsatz dem Antragsteller Kosten auf Basis des im letzten Verfahrensabschnitt Ersiegten zuzusprechen (vgl Rz 16). Hat eine Partei, um ihr Verfahrensrisiko zu minimieren, für den Fall einer Kostenbelastung Vorsorge getroffen, etwa durch Abschluss einer Rechtsschutzversicherung, kann dies die Regeln über den Kostenersatz nicht beeinflussen; eine bestehende Rechtsschutzversicherung hat auf Basis des abgeschlossenen Vertrags nur für Kosten einzutreten, die die versicherte Person selbst zu tragen hat. Die Ansicht, einer Partei sei deswegen kein Ersatz von Kosten zuzubilligen, weil sie über eine Rechtsschutzversicherung verfüge und deshalb kostenmäßig nicht belastet werde, ist daher verfehlt (LG Krems EF 125.800). Als Beispiel für die Anwendbarkeit der Billigkeitsklausel wurde bereits die all- 24 fällige Verpflichtung zum Kostenersatz an viele Verfahrensgegner genannt (LGZ Wien EF 118.851, das sich jedoch offensichtlich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG bezogen hat). Abgesehen davon, dass dieser Umstand in Ehe- bzw Partnerschaftsverfahren praktisch nicht denkbar ist, ist im Anwendungsbereich des § 78 Abs 2 AußStrG grundsätzlich zu beachten, dass hier doch wieder soziale Erwägungen zum Tragen kämen (vgl dazu Rz 25); abgesehen davon wäre es auch nur schwer argumentierbar, den Aspekt der vielen Verfahrensgegner auch im Kontext des § 78 Abs 2 AußStrG zu berücksichtigen, obwohl der Gesetzgeber zur selben Zeit (Außerstreit-BegleitG) für bestimmte Verfahren eine Sonderregel getroffen und dort andere Billigkeitserwägungen angeordnet hat (§ 37 Abs 3 Z 17 MRG; vgl auch Gitschthaler, EF-Z 2009, 233 [Entscheidungsanmerkung]). Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Parteien oder soziale Erwägun- 25 gen sind kein Kriterium für die Kostenbestimmung, erwähnt doch § 78 Abs 2 Satz 2 AußStrG im Gegensatz etwa zu § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht (Höllwerth, ÖA 2005, 85; LGZ Wien EF 118.853; LG Wels EF 122.189; LG Salzburg 21 R 357/09k). Die Schaffung eines Kostenersatztitels entsprechend dem Verfahrensausgang hat daher unabhängig davon zu erfolgen, ob der Verpflichtete zur Leistung des festgesetzten Kostenbetrags ohne Gefährdung seiner existenznotwendigen Bedürfnisse in der Lage ist (LGZ Wien EF 118.853). Das LGZ Wien (EF-Z 2009/149 [Gitschthaler]) hält die Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Rahmen der Billigkeitsklausel – im Ausnahmefall – dann für gerechtfertigt, wenn ein krasses Ungleichgewicht der Vermögenslagen der Parteien gegeben sein sollte; sein Verweis auf die Entscheidung 3 Ob 264/98i trägt mE allerdings nicht, weil § 234 AußStrG 1854 den Billigkeitsgrundsatz zur primären Kostenregel des Aufteilungsverfahrens gemacht hatte, die Billigkeitsklausel nunmehr jedoch subsidiär und eng auszulegen ist (vgl Rz 19). 1011
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E. Die einzelnen Ehe- bzw Partnerschaftsverfahren iwS 1. Verfahren über die Einwilligung zur Eheschließung bzw Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und über die Genehmigung einer Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft
26 Das Verfahren zur Ersetzung der verweigerten Einwilligung zur Eheschließung gem § 3 Abs 3 EheG wird im AußStrG 2003 – entgegen § 266 AußStrG 1854 – nicht mehr ausdrücklich erwähnt; dies gilt auch für das Verfahren zur Ersetzung der verweigerten Einwilligung zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft nach § 4 Abs 3 EPG. Es besteht dennoch kein Zweifel daran, dass es sich dabei um außerstreitige Verfahren handelt, auf die die Bestimmungen des allgemeinen Teils des AußStrG anzuwenden sind (vgl § 3 EheG Rz 16 ff; so bereits Höllwerth, ÖA 2005, 83 FN 24). Auch für Verfahren über die Genehmigung einer Ehe nach § 35 Abs 3 EheG bzw einer eingetragenen Partnerschaft (zur analogen Anwendbarkeit des § 35 Abs 3 EheG vgl bei § 14 EPG) kann es nicht zweifelhaft sein, dass diese im außerstreitigen Verfahren zu erledigen sind (vgl auch § 35 EheG Rz 8). 27 Da es zu einem Verfahren über die Einwilligung zur Eheschließung bzw Begründung einer eingetragenen Partnerschaft nur kommt, wenn der gesetzliche Vertreter des minderjährigen oder sonst beschränkt geschäftsfähigen künftigen Ehegatten (§ 3 Abs 1 EheG) bzw eingetragenen Partners (§ 4 Abs 1 EPG) und/ oder derjenige, dem Pflege und Erziehung des künftigen Ehegatten zustehen (§ 3 Abs 2 EheG), ihre Einwilligung verweigern, könnten diese Personen in dem vom künftigen Ehegatten bzw eingetragenem Partner eingeleiteten Verfahren als formelle Antragsgegner angesehen werden. Treten sie dem Antragsbegehren entgegen, liegen entgegengesetzte Interessen iS des § 78 Abs 2 AußStrG vor. Mangels Ausschlusses dieser Kostenersatzpflicht bestünde somit ein Ersatzanspruch der Parteien auch für die Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und für allfällige Barauslagen (so auch Höllwerth, ÖA 2005, 84). Es ließe sich allerdings auch vertreten, dass ein Antrag des Einwilligungsbedürftigen gar nicht formal gegen den Einwilligungsberechtigten gerichtet sein muss, würde es ja wohl auch genügen, wenn sich der Minderjährige einfach an das Gericht wendet mit der Behauptung, er bekäme von den Eltern keine Einwilligung. Dann lägen gar keine entgegen gesetzten Interessen vor; eine Kostenersatzpflicht nach § 78 Abs 2 AußStrG entfiele. Diese Überlegungen gelten auch für Verfahren über die Genehmigung einer Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft, wobei es in diesen Verfahren zudem möglich ist, dass auch der andere Ehegatte oder eingetragene Partner einen Antrag auf Ersetzung der Genehmigung der Ehe bzw eingetragenen Partnerschaft stellt. Als formelle Gegner könnten sich dann entweder die Ehegatten bzw eingetragenen Partner einerseits und der gesetzliche Vertreter an1012
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dererseits oder ein Ehegatte bzw eingetragener Partner einerseits und der gesetzliche Vertreter sowie der andere Ehegatte bzw eingetragene Partner andererseits gegenüber stehen. Vor dem Hintergrund des § 78 AußStrG bedürfen diese Fragen (vgl dazu allerdings § 3 EheG Rz 27) mE jedoch keiner endgültigen Lösung: Der Gesetzgeber ist nämlich bei Schaffung des AußStrG 2003 offensichtlich davon ausgegangen, dass in Verfahren, an denen minderjährige Kinder (vgl § 83 Abs 4, § 90 Abs 2, § 92 Abs 4, § 101 Abs 2, § 107 Abs 3, § 114 Abs 6 AußStrG) oder betroffene Personen iS des § 268 ABGB (§ 129 AußStrG) beteiligt sind, selbst dann eine Kostenersatzpflicht nicht bestehen soll, wenn ganz eindeutig entgegengesetzte Interessen vertreten werden (etwa den Unterhalt betreffende Verfahren). Dies hat der Gesetzgeber auch ganz konsequent in § 10a UVG (durch das FamRÄG 2009 eingefügt) fortgeführt; danach findet auch in Verfahren nach dem UVG ein Kostenersatz nicht statt. Dass eine gleichartige Regelung für Verfahren über die Einwilligung zur Eheschließung bzw zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und über die Genehmigung einer Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft fehlt, dürfte daher ein Redaktionsversehen gewesen sein, sodass es durchaus vertretbar erscheint, auch hier einen gänzlichen Kostenersatzausschluss anzunehmen (zum selben Ergebnis kommt auch Höllwerth, ÖA 2005, 84 mit der allerdings eher weniger überzeugenden Begründung, es lägen keine entgegengesetzten Interessen vor, weil es allen Beteiligten um ein „gemeinsames Ziel, nämlich das Wohl des Pflegebefohlenen“ gehe). Folgt man dieser Auffassung (Rz 27), haben die Parteien unabhängig vom 28 Ausgang des Verfahrens ihre Kosten einer allfälligen rechtsfreundlichen Vertretung ebenso selbst zu tragen wie der künftige oder beschränkt geschäftsfähige Ehegatte bzw eingetragene Partner als Antragsteller die (allenfalls) von ihm zu tragenden Pauschalgebühren gem GGG selbst dann, wenn die Einwilligung ersetzt wird. Hinsichtlich der Kosten eines beigezogenen Sachverständigen kommt es auf den Grundsatzbeschluss des Gerichts gem § 2 Abs 1 GEG an – dieser ist nämlich unabhängig von einer (fehlenden) Kostenersatzpflicht nach § 78 AußStrG anzuwenden (Höllwerth, ÖA 2005, 87) –, ansonsten werden der künftige oder beschränkt geschäftsfähige Ehegatte bzw eingetragene Partner und sein gesetzlicher Vertreter die Sachverständigengebühren wohl anteilig zu tragen haben. Nimmt man hingegen eine Kostenersatzpflicht gem § 78 Abs 2 AußStrG an, wäre es nach § 78 Abs 2 AußStrG maßgeblich, ob das Gericht die Einwilligung ersetzt oder nicht bzw die Genehmigung erteilt oder nicht; ein teilweiser Erfolg ist nicht denkbar und daher das Problem (allfälliger) Quotenkompensation (vgl Rz 18) nicht gegeben. Für ein Abweichen vom Erfolgsprinzip etwa mit der Begründung, es wäre nicht billig, dem (pflegebefohlenen) künftigen Ehegatten bzw eingetragenem Partner unabhängig vom Ausgang des Verfah1013
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rens Kosten aufzuerlegen, bestünde kein Raum; dies wären rein soziale Überlegungen (vgl dazu ausführlich Rz 25). Die Bemessungsgrundlage würde sich gem § 4 RATG nach dem Wert richten, den der künftige Ehegatte bzw eingetragene Partner als Antragsteller in seinem Antrag als Wert bezeichnet, ansonsten der Zweifelsstreitwert nach § 14 lit c RATG; eine Ehesache iS des § 10 Z 4 lit a RATG läge nicht vor, weil eine Ehe bzw eingetragene Partnerschaft ja gerade noch nicht besteht.
2. Anerkennung/Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe bzw eingetragenen Partnerschaft
29 Verfahren über die Anerkennung bzw Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe, also meist Ehescheidungsentscheidungen, bzw einer eingetragenen Partnerschaft sind im Anwendungsbereich der EuEheVO (Brüssel-IIa VO) immer und nach den §§ 97 ff AußStrG regelmäßig einseitig, sodass sich in diesen Fällen eine Kostenentscheidung erübrigt. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen. 30 Hinsichtlich Entscheidungen aus Drittstaaten sieht § 98 Abs 3 AußStrG allerdings die Möglichkeit vor, den (früheren) Ehegatten bzw eingetragenen Partner als Antragsgegner in das Verfahren einzubeziehen. Tritt dieser in einem solchen Fall dem Antrag auf Anerkennung bzw Nichtanerkennung entgegen, verfolgen die Parteien ab diesem Zeitpunkt entgegengesetzte Interessen iS des § 78 Abs 2 AußStrG; es gilt dann das Erfolgsprinzip (Rz 18). Da die Auflösung der Ehe bzw eingetragenen Partnerschaft nur anerkannt oder nicht anerkannt werden kann, kann sich hier die Frage der (allfälligen) Quoten- oder Kostenkompensation (vgl Rz 15 ff) nicht stellen. Der maßgebliche Wert des Streitgegenstands richtet sich nach § 10 Z 4 lit a RATG, handelt es sich doch um eine Ehe- bzw Partnerschaftssache (ebenso Obermaier, Kostenhandbuch Rz 774). 31 Antragsberechtigt werden in erster Linie die Partner der (aufgelösten) Ehe bzw eingetragenen Partnerschaft sein (Fucik/Kloiber § 98 AußStrG Rz 1). Wurde die ausländische Entscheidung allerdings auf einen den §§ 21 bis 25 EheG bzw § 19 EPG vergleichbaren Nichtigkeitsgrund gegründet, ist auch der Staatsanwalt zur Antragstellung befugt (§ 98 Abs 1 AußStrG). Er ist dann Legalpartei gem § 2 Abs 1 Z 4 AußStrG. Treten die Partner der „für nichtig erklärten“ Ehe bzw eingetragenen Partnerschaft – der Antrag hat sich immer gegen beide zu richten (vgl die ErläutRV zu § 98 AußStrG) – dem Antrag des Staatsanwalts (wohl meist) auf Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung entgegen und obsiegen sie, trifft die Republik Österreich die Kostenersatzpflicht nach § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG. § 85 DVEheG verweist zwar nur auf die §§ 44 ff ZPO, doch kann es angesichts des früheren Fehlens einer 1014
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Kostenersatznorm im Verfahren außer Streitsachen mE nicht zweifelhaft sein, hier von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers der Außerstreitreform 2003 auszugehen; § 85 DVEheG ist somit – zumindest analog – auch auf Verfahren über die Anerkennung bzw Nichtanerkennung von ausländischen Ehescheidungs- bzw Partnerschaftsauflösungsentscheidungen anzuwenden. Damit steht dem Staatsanwalt bzw der Republik Österreich jedoch kein Kostenersatz zu, wenn er im Verfahren obsiegt (Obermaier, Kostenhandbuch Rz 774; vgl dazu ausführlich auch § 85 DVEheG Rz 2). 3. Gesonderte Wohnungnahme (§ 92 ABGB, § 9 EPG)
Das AußStrG sieht auch hinsichtlich des Verfahrens über die gesonderte Woh- 32 nungnahme keine Sonderregelungen vor (vgl bei § 92 ABGB); § 92 Abs 3 ABGB und § 9 Abs 4 EPG ordnen ausdrücklich an, dass es sich bei diesem Verfahren um ein außerstreitiges handelt. Es sind somit (lediglich) die Bestimmungen des allgemeinen Teils des AußStrG anzuwenden, also auch § 78 AußStrG. Die Ehegatten vertreten in einem Verfahren über die gesonderte Wohnung- 33 nahme entgegengesetzte Interessen iS des § 78 Abs 2 AußStrG, geht es doch um die Feststellung gerechtfertigter Gründe für die Verlegung der gemeinsamen Wohnung oder um die Frage der Zumutbarkeit weiteren Zusammenlebens der Ehegatten bzw eingetragenen Partner. Es sind daher nach dem Erfolgsprinzip die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung sowie die Barauslagen, insb die Pauschalgebühren gem TP 12 GGG, vom unterlegenen Ehegatten bzw eingetragenen Partner zu ersetzen (LGZ Wien 43 R 236/09p). Die Kostenbemessungsgrundlage richtet sich nach § 10 Z 4 lit a RATG, handelt es sich doch bei diesem Verfahren um eine Ehesache. Es ist dabei unerheblich, ob der Antrag im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens bzw eines Verfahrens über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gestellt wird oder nicht; soweit die Rsp (vgl 7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 mwN) iZm einer Gewaltschutz-EV diesbezüglich differenziert, ist dies hier nicht einschlägig, weil die Frage der gesonderten Wohnungnahme im Gegensatz zu einer Gewaltschutz-EV denknotwendigerweise zwischen Ehegatten bzw eingetragenen Partnern geklärt werden muss. Da die gesonderte Wohnungnahme nur bewilligt oder eben nicht bewilligt werden kann, ist ein Teilerfolg unmöglich; die Problematik der (allfälligen) Quotenkompensation (Rz 15 ff) stellt sich hier somit nicht.
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4. Aufteilungsverfahren
34 Die hRsp hält Aufteilungsverfahren für „besonders streitähnlich“; daher seien sie ein Anwendungsfall des § 78 Abs 2 AußStrG (LG Feldkirch EF 118.856; LG Wels EF 122.194, 122.196; LGZ Wien EF 122.196, 42 R 124/ 09k, 45 R 707/09t; ebenso 1 Ob 162/08t; 1 Ob 36/09i). Richtig ist, dass § 78 Abs 2 AußStrG mit „entgegengesetzten Interessen“ eine widerstreitende Interessenlage meint, wobei dies grundsätzlich streng formell iS des Verfahrensrechts zu sehen ist, nämlich bei Bestreiten eines Parteienantrags (LG Wels EF 122.194; vgl auch Obermaier, Kostenhandbuch Rz 720; weitergehend 1 Ob 56/10g, wonach Kostenersatz in nahezu allen Verfahren möglich sei, soweit er dort nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, und auch außerprozessuales Verhalten eine entgegengesetzte Interessenlage begründen könne). Damit wird ein Aufteilungsverfahren tatsächlich regelmäßig streitähnlich sein und eine Kostenentscheidung nach § 78 Abs 2 AußStrG erfordern (sofern das Aufteilungsverfahren nach dem 31.12.2004 eingeleitet wurde [Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 694; 2 Ob 105/06i; 3 Ob 187/07g]). Nicht unerwähnt bleiben soll idZ allerdings, dass grundsätzlich auch ein bloßer Antrag auf umfassende Aufteilung ausreicht, um ein Aufteilungsverfahren einzuleiten (LGZ Wien EF 122.195, 122.204, 125.813). Dies ändert aber nichts daran, dass auch bei einem „sehr allgemein gehaltenen Aufteilungsantrag“ vom Erfolgsprinzip auszugehen ist (LGZ Wien 42 R 124/09k, 45 R 26/10x). 35 Die wohl überwM nimmt bei teilweisem Erfolg und Misserfolg der Parteien im Aufteilungsverfahren eine Quotenkompensation (vgl ausführlich Rz 18) vor (LG Feldkirch EF 118.856; LG Wels EF 122.202 mwN; aA LGZ Wien 122.198). Problematisch ist dabei allerdings regelmäßig die Beurteilung der Frage, was zwischen den ehemaligen Ehegatten bzw eingetragenen Partnern konkret strittig war. An sich reicht ja auch ein bloßer Antrag auf umfassende Aufteilung aus, um ein Aufteilungsverfahren einzuleiten; andererseits steht es den Ehegatten bzw eingetragenen Partnern auch frei, bestimmtere Anträge zu stellen. Und schließlich mangelt es in Aufteilungsverfahren häufig überhaupt an spiegelgleichen Sachanträgen (LGZ Wien EF 122.201). Damit kann der Erfolg in vielen Fällen aber nicht einfach nur durch den Vergleich des Sachantrags und der gerichtlichen Entscheidung ermittelt werden (LGZ Wien EF 122.195). 36 Soweit die Parteien auch keine Einigung in Teilbereichen erzielen, sind sämtliche in der Aufteilungsmasse befindlichen Gegenstände strittig und damit Gegenstand der Aufteilungsentscheidung (idS wohl auch LGZ Wien 42 R 124/09k, EF 125.813). Welche konkreten Sachanträge die ehemaligen Ehegatten dabei gestellt haben, ist an sich unmaßgeblich (vgl idS auch LGZ Wien 45 R 26/ 10x); zum Teil werden sie sich ja ergänzen, zum Teil einander widersprechen 1016
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(etwa der Antrag auf Zuweisung der Ehe- bzw partnerschaftlichen Wohnung und jener auf eine angemessene Ausgleichszahlung; vgl auch Obermaier, Kostenhandbuch Rz 695). An die Sachanträge ist das Gericht wiederum nicht gebunden. Konsequenterweise obsiegt eine Partei im Aufteilungsverfahren daher ohne Rücksicht auf ihren Sachantrag insoweit, als ihr Werte aus der Aufteilungsmasse zugewiesen werden (LGZ Wien EF 122.204, 42 R 124/09k, EF 125.813, 45 R 26/10x; idS wohl auch Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 695). Es erscheint daher zunächst einmal für das Erstgericht angezeigt, nicht sofort 37 über die Kosten zu entscheiden, sondern einen Kostenvorbehalt (Rz 58 ff) zu machen. Aufteilungsentscheidungen werden in der Praxis durch die Instanzgerichte häufig abgeändert, fließen doch sehr unterschiedliche Billigkeitserwägungen ein; durch den Kostenvorbehalt erübrigt sich eine mehrmalige Neuberechnung der Kosten. Da an sich sämtliche in der Aufteilungsmasse befindlichen Gegenstände strittig und damit Gegenstand der Aufteilungsentscheidung sind, werden die Parteien ihre Kosten auf einer Bemessungsgrundlage verzeichnen, die sich am Gesamtwert der (gesamten) Aufteilungsmasse orientiert; sie wissen ja nicht, wie das Gericht letztlich die Aufteilung vornehmen wird. Nur insoweit die Parteien Einigung in Teilbereichen erzielten, können sie die von dieser Teileinigung erfassten Werte aus der Bemessungsgrundlage herausnehmen. Bei der Kostenentscheidung selbst ist zunächst der Gesamtwert der beiden 38 Ehegatten bzw eingetragenen Partnern zugewiesenen Vermögenswerte zu ermitteln, also sowohl die Verkehrswerte der körperlichen Sachen (Gebrauchsvermögen, Wohnung usw), die Kurswerte von Wertpapieren, der Rückkaufswert von Lebensversicherungen, der Unternehmenswert udgl als auch eine zuerkannte Ausgleichszahlung (vgl 1 Ob 33/10z [sämtliche in einem Aufteilungsverfahren getroffene Anordnungen stehen in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang]). Die Feststellung dieser Werte für die Kostenentscheidung dürfte an sich auf keine besonderen Schwierigkeiten stoßen, musste sie doch das Gericht bereits für die Entscheidung in der Hauptsache (allenfalls auch durch Außerstreitstellung) ermittelt haben. Steht der Wert dennoch nicht fest, kommt es auf die Bewertung durch die Parteien an (§ 4 RATG; Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 695; LG Salzburg 21 R 580/08b, EF 125.813; LG Wels EF 122.194, 122.206), und zwar zunächst auf die Bewertung jener Partei, die die Zuweisung der Sache anstrebt (vgl LGZ Wien EF 122.213); fehlt eine solche, auf die Bewertung des anderen Ehegatten bzw eingetragenen Partners (vgl LG Wels EF 122.215). Wird der Wert von den Parteien unterschiedlich angegeben, ist dies einer Bemängelung der Bewertung nach § 7 Abs 1 RATG gleichzuhalten (LGZ Wien EF 122.213; vgl auch LG Wels EF 122.215). Fehlt eine Bewertung überhaupt, hat das Gericht den Wert gem § 34 AußStrG (ohne erheblichen Verfahrensaufwand zu tätigen) anzusetzen; die 1017
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Bemessungsgrundlage nach § 10 Z 4 lit a RATG ist ebenso wenig maßgeblich (idS auch LGZ Wien EF 122.205, 42 R 124/09k) wie jene nach § 14 RATG für bezirksgerichtliche Verfahren (so aber LG Salzburg 21 R 580/08b, EF 125.814; LG Wels EF 122.206, 122.215), weil es in beiden Fällen um den Streitgegenstand des gesamten Verfahrens, nicht jedoch um den Wert der einzelnen Sache geht. Streiten die Ehegatten ausschließlich um die Höhe einer Ausgleichszahlung, ist diese als Bemessungsgrundlage heranzuziehen (LGZ Wien 45 R 707/09t). 39 Hinsichtlich der Schulden ist zu unterscheiden: Konnexe Schulden (vgl § 81 EheG Rz 31; Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 196 ff) mindern den Wert der Sache und dürfen bei der Aufteilungsentscheidung nicht von der Sache getrennt zugewiesen werden; sie sind daher bereits bei der Ermittlung des Verkehrswerts zu berücksichtigen (idS wohl Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 695; aA LGZ Wien EF 122.204). Sonstige Schulden (§ 81 EheG Rz 33, §§ 83, 84 EheG Rz 17 ff; Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 201 ff) und Schulden, die überhaupt nicht aufzuteilen sind (Gitschthaler, Aufteilungsrecht Rz 204 ff) stellen hingegen im Rahmen der Kostenentscheidung einen eigenen Wert dar und „erhöhen“ daher die Aufteilungsmasse (LGZ Wien EF 122.204; aA Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 695, der Schulden nur dann als maßgeblich ansieht, wenn sie allein strittig sind). 40 Streiten die Ehegatten bzw eingetragenen Partner nicht nur um die Zuweisung der Aufteilungsmasse, sondern auch um die Höhe der Ausgleichszahlung, erhöht sich zwar die „strittige Masse“ über den Verkehrswert der Aufteilungsmasse hinaus; dies ändert aber nichts daran, dass eben beide Fragen zwischen den ehemaligen Ehegatten bzw eingetragenen Partnern strittig sind (idS auch LGZ Wien EF 122.205). Im Übrigen heben sich bei der Ermittlung der Erfolgsquoten (vgl Rz 18) der zugewiesene Aufteilungsgegenstand und die Ausgleichszahlung ja (zumindest teilweise) wieder auf. Dass die Ausgleichszahlung regelmäßig der halbe Verkehrswert der zugewiesenen Sache sein und somit derjenige Ehegatte bzw eingetragene Partner, dem die Sache zugewiesen wird, überwiegend erfolgreich sein wird, steht dieser Lösung nicht entgegen, ist dieser Ehegatte bzw eingetragene Partner doch auch mehrfach erfolgreich: einerseits erhält er die Sache und andererseits kann er eine höhere Ausgleichszahlung teilweise abwehren. 41 Von diesem Gesamtwert der Aufteilungsmasse (Rz 38) in Abzug zu bringen sind die Werte jener Sachen, hinsichtlich welcher die ehemaligen Ehegatten bzw eingetragenen Partner keine entgegengesetzten Rechtsstandpunkte eingenommen haben, um die sie also nicht „gestritten“ haben. Dies gilt bspw in folgenden Fällen: – die ehemaligen Ehegatten bzw eingetragenen Partner haben bereits außerhalb des Aufteilungsverfahrens die Zuweisung bestimmter Gegenstände 1018
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vorgenommen; da allerdings bei der Aufteilungsentscheidung auch darauf Bedacht zu nehmen ist, was den Ehegatten bzw eingetragenen Partnern bereits zugewiesen worden ist, mehren derartige Gegenstände die „Streitmasse“, wenn sich die Parteien im Aufteilungsverfahren etwa über deren Wert streiten – maßgeblich ist dann die Differenz der von den Ehegatten bzw eingetragenen Partnern behaupteten Werte dieses Gegenstands; – das Gericht hat zwar bestimmte Gegenstände den Ehegatten bzw eingetragenen Partnern zuzuweisen, während des Aufteilungsverfahrens war jedoch nie strittig, an wen die Zuweisung erfolgen soll und zu welchem Wert; diese Gegenstände haben bei der Kostenentscheidung unberücksichtigt zu bleiben (idS wohl auch 1 Ob 162/08t); – die Ehegatten bzw eingetragenen Partner streiten zwar um die (Ehe)Wohnung, sie sind sich jedoch hinsichtlich der zu leistenden Ausgleichszahlung einig; maßgeblich ist dann nur der Verkehrswert der Wohnung, nicht jedoch die Ausgleichszahlung; – zwischen den Ehegatten bzw eingetragenen Partnern ist zwar nicht strittig, wer welche Gegenstände zugewiesen erhalten soll, sie streiten jedoch über die Höhe der Ausgleichszahlung; in diesem Fall ist maßgeblich die Differenz zwischen der vom einen Ehegatten bzw eingetragenen Partner begehrten und vom anderen zugestandenen Ausgleichszahlung (6 Ob 55/74 = EvBl 1975/21; 1 Ob 685/80 = AnwBl 1981, 415; OLG Innsbruck AnwBl 1997, 746; LGZ Wien EF 122.205). Schließlich werden die Werte des von beiden Parteien Ersiegten (unter Außer- 42 achtlassung der unstrittigen Sachen [Rz 41]) summiert und daraus der Prozentsatz des jeweiligen Obsiegens errechnet; dann wird der niedrigere Prozentsatz vom höheren Prozentsatz abgezogen, wodurch sich die Ersatzquote ergibt. Der überwiegend Obsiegende erhält sodann den seiner Ersatzquote entsprechenden Anteil seiner Kosten rechtsfreundlicher Vertretung, wobei diese auf Basis der gesamten strittigen Masse zu errechnen sind (LGZ Wien EF 122.199, 122.204 [„modifiziertes System der Quotenkompensation“]). Für den Fall einer im wesentlichen gleichteiligen Aufteilung wird das im Ergebnis auch zu einer gegenseitigen Aufhebung der Kosten führen, nicht aber, wenn den ehemaligen Ehegatten bzw eingetragenen Partnern Vermögenswerte oder Schulden in unterschiedlichem Ausmaß zugewiesen werden (LGZ Wien EF 122.204); außerdem wird es zu von der Kostenaufhebung abweichenden Entscheidungen kommen, wenn die Ehegatten bzw eingetragenen Partner lediglich über einzelne Vermögenswerte oder über die Höhe der Ausgleichszahlung streiten. Beispiel: Der Mann erhält die Ehewohnung, deren Verkehrswert 400.000 Euro beträgt und auf der Schulden in Höhe von 50.000 Euro lasten, die er zurückzuzahlen hat. Die Wohnungseinrichtung, die ebenfalls der Mann erhält, hat einen Wert von 30.000 EUR. Außerdem erhält der Mann eine Ausgleichs1019
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zahlung von 100.000 EUR. Die Frau erhält den PKW mit einem Verkehrswert von 40.000 EUR, ein Wertpapierdepot mit einem Kurswert von 400.000 Euro und muss einen gemeinsamen Konsumkredit in Höhe von aushaftend 100.000 Euro tilgen. Einig waren sich die Ehegatten lediglich hinsichtlich des Wertes des PKW und des Umstands, dass ihn die Frau erhalten sollte. Strittig waren damit die Ehewohnung (Wert: 400.000 abzüglich 50.000), die Wohnungseinrichtung (30.000), das Wertpapierdepot (400.000), der Konsumkredit (100.000) und die Ausgleichszahlung (100.000); die strittige Masse betrug somit 980.000 EUR. Davon erhält der Mann 480.000 und obsiegt hinsichtlich der Schulden (100.000); seine Erfolgsquote beträgt daher ~59% (580.000 von 980.000). Die Frau erhält 400.000 und hat somit eine Erfolgsquote von ~41%. Die Ersatzquote des Mannes beträgt 18% (= 59 – 41), er erhält daher 18% seiner auf Basis 980.000 Euro ermittelten Kosten rechtsfreundlicher Vertretung. 43 Haben beide Ehegatten bzw eingetragene Partner die Aufteilung des Gebrauchsvermögen und der Ersparnisse sowie die Zuerkennung einer Ausgleichszahlung beantragt und wurden beide Anträge abgewiesen, haben die Ehegatten bzw eingetragenen Partner ihre Kosten jeweils selbst zu tragen (LGZ Wien 45 R 693/07 f). 44 In einem letzten Schritt ist sodann (allenfalls) die Billigkeitsklausel anzuwenden (Rz 19 ff). 45 Abgesehen davon, dass spätestens bei Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG bzw des § 38 EPG das Aufteilungsverfahren in quantitativer Hinsicht abgegrenzt sein muss, sodass eine spätere Ausdehnung der Begehren praktisch nicht denkbar ist, lässt das modifizierte System der Quotenkompensation (Rz 38–44) – durchaus gewollt – keine Bildung von Verfahrensabschnitten zu; es ist also bei der Kostenentscheidung grundsätzlich nicht darauf abzustellen, ob sich im Laufe des Verfahrens die „strittige Masse“ geändert hat. Es kommt ausschließlich auf das Endergebnis an (insoweit nähert sich dieses System der Auffassung jener an, die Kompensation im Rahmen des § 78 AußStrG überhaupt ablehnen [Rz 16]). Eine Ausnahme könnte lediglich im Rahmen der Billigkeitsklausel gemacht werden, wenn ein bestimmter Verfahrensabschnitt ausschließlich durch eine Partei verursacht wurde (etwa durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens samt dessen Erörterung in einer Tagsatzung, wenn sich das Ergebnis der Begutachtung in etwa mit dem ursprünglichen Vorbringen der Gegenseite deckt); dabei ist allerdings eher restriktiv vorzugehen, ist doch die Billigkeitsklausel eng auszulegen (Rz 19).
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Kostenersatz – Außerstreitsachen
§ 78 AußStrG
5. Haftung für Kredite (§ 98 EheG, § 41 EPG)
Allfällige Kostenersatzpflichten (vgl dazu auch Obermaier, Kostenhandbuch 46 Rz 779) knüpfen hier zunächst einmal an der Frage an, ob die ehemaligen Ehegatten bzw eingetragenen Partner die Änderung ihrer Haftung für einen Kredit im Außenverhältnis übereinstimmend anstreben oder ob sie diesbezüglich entgegengesetzte Interessen vertreten. Im erstgenannten Fall haben sie (allfällige) Barauslagen gem § 78 Abs 3 AußStrG jeweils zur Hälfte und (allfällige) Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung jeweils selbst zu tragen. Im zweitgenannten Fall kommt es auf das Ergebnis des Verfahrens an; einer der beiden Ehegatten bzw eingetragenen Partner muss als obsiegend angesehen werden, je nachdem, ob nun die Haftung gerichtlich geändert wird oder eben nicht. Da ein derartiger Ausspruch hinsichtlich eines Kredits wohl nur entweder/oder lauten kann, gilt das uneingeschränkte Erfolgsprinzip (Rz 12 ff). Haben die Ehegatten bzw eingetragenen Partner Anträge hinsichtlich mehrerer Kredite gestellt und entscheidet das Gericht unterschiedlich, ist als „strittige Masse“ die aushaftende Summe aller Kredite anzusehen (= Bemessungsgrundlage für die Verzeichnung der Kosten); der (teilweise) Erfolg der Ehegatten bzw eingetragenen Partner orientiert sich am Ausmaß des Haftungsänderungsausspruchs insgesamt. Schließlich sind die Obsiegensquoten zu kompensieren (Rz 18). Nach § 96 Abs 4 AußStrG ist ein Ausspruch nach § 98 EheG bzw § 41 EPG 47 (iVm § 43 Abs 1 Z 2 EPG) tunlichst mit dem Beschluss auf Scheidung bzw Auflösung zu verbinden; damit ist eine einvernehmliche Scheidung bzw Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gemeint. Da es hier schon rein begrifflich nicht zu entgegengesetzten Interessen kommen kann, findet ein Ersatz der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung nicht statt. Häufig wird hingegen ein Ausspruch nach § 98 EheG bzw § 41 EPG mit der Entscheidung im Aufteilungsverfahren verbunden werden. Verfolgten in einem solchen Fall die Ehegatten bzw eingetragenen Partner entgegengesetzte Interessen, vermehrt die Kreditsumme die „strittige Masse“ des Aufteilungsverfahren (vgl ausführlich Rz 36); andernfalls waren die Kredite eben nicht strittig und daher nicht Gegenstand des Aufteilungsverfahrens. Das Gericht hat jedenfalls eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen. Nach § 93 Abs 3 AußStrG ist der Kreditgeber tunlichst erst durch die Zustellung 48 der Entscheidung erster Instanz (mit der die Haftung geändert wird) einzubeziehen. Im Rekursverfahren bestehen dann zwischen dem Kreditgeber einerseits und den Ehegatten bzw eingetragenen Partnern andererseits entgegengesetzte Interessen; allenfalls auch zwischen dem Kreditgeber und einem Ehegatten bzw eingetragenem Partner auf der einen und dem anderen Ehegatten bzw eingetragenem Partner auf der anderen Seite. Zur Vorgangsweise bei der Kostenentscheidung vgl die in Rz 46 dargelegten Grundsätze, ebenso zur 1021
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anzunehmenden Bemessungsgrundlage. Soweit das LGZ Wien (EF 122.216) die Bemessungsgrundlage mit jenem Mehraufwand an Gerichtsgebühren und Vertretungskosten annahm, der dem Kreditgeber durch die (theoretisch notwendig werdende) gerichtliche Geltendmachung und Betreibung des Kredits gegenüber dem nunmehr primär haftenden Ehegatten entstehen würde, ist dem nicht zu folgen: Der Gegenstand des Verfahrens besteht letztlich aus einem Geldbetrag, sodass es gem § 4 RATG ausschließlich auf diesen ankommt.
6. Verfahren betreffend die (Ehe-)Wohnung
49 Die selben Grundsätze wie für Verfahren über die Haftung für Kredite nach § 98 EheG bzw § 41 EPG gelten auch für jene Verfahren, in denen die von einem Ehegatten bzw eingetragenem Partner in Bestand genommene (Ehe-) Wohnung auf den anderen übertragen werden soll (§§ 87, 88 EheG; § 31 EPG). Auch der Vermieter bzw Dienstgeber ist in diesen Fällen Partei des Verfahrens (LGZ Wien EF 111.393; LG Salzburg 21 R 129/08d). Allerdings wird der Dienstgeber regelmäßig bereits dem erstinstanzlichen Verfahren beigezogen werden, sind doch zahlreiche Sachverhaltsfragen iZm der Dienstwohnung zu klären. Treten der Vermieter oder der Dienstgeber der Übertragung der (Ehe-)Wohnung auf den anderen Ehegatten bzw eingetragenen Partner entgegen, liegen entgegengesetzte Interessen vor; die Kostenentscheidung hat dann dem Erfolgsprinzip zu folgen (Rz 12 ff). 50 Da in diesen Verfahren die Bestandrechte an der (Ehe-)Wohnung und damit kein Geldbetrag strittig ist, muss sich der Entscheidungsgegenstand (= Bemessungsgrundlage) gem § 4 RATG nach der Bewertung der antragstellenden Partei richten (bzw des Antragsgegners oder des Vermieters bzw Dienstgebers; vgl Rz 38). Maßstab für diese Bewertung ist aber nicht der Verkehrswert der Wohnung, sondern das 36-fache des (fiktiven) monatlichen Mietzinses (§ 58 JN).
7. Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten bzw eingetragenen Partners
51 Verfahren nach den §§ 98 ff ABGB, § 11 EPG sind gem § 93 Abs 1 AußStrG Ehe- bzw Partnerschaftsangelegenheiten und unterliegen daher den Verfahrensbestimmungen nach §§ 93 ff AußStrG sowie jenen des allgemeinen Teiles des AußStrG (LGZ Wien 42 R 433/08z). Die Interessen der Ehegatten bzw eingetragenen Partner sind in diesen Verfahren evident entgegengesetzt, sodass die Kostenersatzregel des § 78 Abs 2 AußStrG zur Anwendung zu kommen hat (Höllwerth, ÖA 2005, 82). 1022
Kostenersatz – Außerstreitsachen
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Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach der begehrten Geldsumme (§ 4 52 AußStrG; vgl allgemein LGZ Wien EF 122.213), die Gerichtsgebühren nach TP 12 GGG. Ist der Antragsteller lediglich teilweise erfolgreich, kommt es zur Quoten- 53 kompensation (vgl allgemein dazu Rz 18), dh der ersiegte Betrag ist dem Gesamtbegehren gegenüber zu stellen und von dieser Quote die Erfolgsquote des Gegners (der abgewehrte Betrag im Verhältnis zum Gesamtbegehren) abzuziehen (vgl LGZ Wien EF122.207 zum insoweit vergleichbaren [in beiden Fällen wird ein einmaliger Kapitalbetrag begehrt] Fall eines nur teilw erfolgreichen Ausstattungsbegehrens nach §§ 1220 ff ABGB). Hat der antragstellende Ehegatte bzw eingetragene Partner gem § 9 Abs 2 54 AußStrG erst im Laufe des Verfahrens sein vorher unbestimmtes Geldleistungsbegehren ziffernmäßig bestimmt, muss seine Erfolgsquote zwangsläufig – mangels anderer Anhaltspunkte – für das gesamte Verfahren, also auch für den vor der Antragspräzisierung liegenden Verfahrensabschnitt gelten (LG Feldkirch EF 118.855). Zur Antragsrücknahme vor Präzisierung vgl Rz 85. 8. Einvernehmliche Ehescheidung bzw Auflösung der eingetragenen Partnerschaft
In einem außerstreitigen Verfahren zur Herbeiführung einer einvernehmlichen 55 Scheidung bzw Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft bestehen bereits per definitionem keine entgegengesetzten Interessen iS des § 78 Abs 2 AußStrG. Da die §§ 93 ff AußStrG auch den Barauslagenersatz nicht ausschließen, ist diese Verfahrensart ein Anwendungsfall des § 78 Abs 3 AußStrG, dh die Parteien haben grundsätzlich die Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung selbst zu tragen (§ 78 Abs 3 letzter Satz AußStrG), die Barauslagen, also insb die Pauschalgebühr nach TP 12 GGG und die Vergleichsgebühr (Anmerkung 3 zu TP 12 GGG) müssen sie sich jedoch – wohl zu gleichen Anteilen – teilen (Höllwerth, ÖA 2005, 83 FN 16; Klicka/Rechberger § 94 AußStrG Rz 7). In der Praxis spielen Kostenersatzfragen bei einvernehmlichen Scheidungen 56 (bzw in Hinkunft bei der Auflösung von eingetragenen Partnerschaften) keine Rolle, weil die Ehegatten bzw eingetragenen Partner regelmäßig im Scheidungsfolgenvergleich auch die Kostentragung regeln (werden). Denkbar wären derartige Probleme allerdings in „gescheiterten“ Scheidungs- bzw Auflösungsverfahren, also dann, wenn ein Ehegatte bzw eingetragener Partner den Antrag zurückzieht oder in die Scheidung bzw Auflösung nicht einwilligt. Da in einem solchen Fall mangels ggt Vereinbarung ein bereits konzipierter oder vielleicht sogar abgeschlossener Scheidungs- bzw Auflösungsfolgenvergleich mangels Bedingungseintritts unwirksam ist (1 Ob 178/07v = EFZ 2008/57 = iFamZ 2008/21), sind die gesetzlichen Regelungen anzuwenden. 1023
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57 Wurde die Scheidung bzw Auflösung der eingetragenen Partnerschaft in erster Instanz (nicht rechtskräftig) ausgesprochen und bekämpft ein Ehegatte bzw eingetragener Partner diese Entscheidung, kann dies zwar nicht in eine Zurücknahme des Scheidungs- bzw Auflösungsantrags umgedeutet werden (vgl RIS-Justiz RS0008473; für die geltende Rechtslage ebenso Klicka/Rechberger § 94 AußStrG Rz 3). Der Ehegatte bzw eingetragene Partner kann allerdings gem § 94 Abs 3 EheG (iVm § 43 Abs 1 Z 2 EPG) auch noch in diesem Verfahrensstadium den Antrag zurücknehmen. Da im Rechtsmittelverfahren nunmehr eine entgegengesetzte Interessenlage gegeben ist, ist hinsichtlich der hier aufgelaufenen Kosten nach § 78 Abs 2 AußStrG vorzugehen (idS wohl auch Fucik, ÖJZ 2007/57). Zu den kostenmäßigen Folgen einer Antragsrücknahme vgl Rz 84 f. Die Bemessungsgrundlage für die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung richtet sich nach § 10 Z 4 lit a RATG.
F. Kostenentscheidung 1. Kostenvorbehalt
58 § 78 Abs 1 letzter Halbsatz AußStrG räumt dem Erstgericht – und nur diesem (so ausdrücklich die ErläutRV) – die Möglichkeit ein auszusprechen, dass „die Entscheidung über die Kosten bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehalten wird“. Nimmt das Erstgericht diese Möglichkeit wahr, bindet es damit auch die Instanzgerichte, die dann ebenfalls nicht über die Kosten entscheiden dürfen (Höllwerth, ÖA 2005, 88; Fucik, ÖJZ 2007/57; LGZ Wien 42 R 124/09k, EF 125.823), und zwar nicht nur (etwa im Fall einer inhaltlichen Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung) über die Kosten des Verfahrens erster Instanz, sondern auch nicht über jene des Rechtsmittelverfahrens (idS wohl auch LGZ Wien 42 R 140/09p; vgl nunmehr § 52 Abs 3 ZPO idF BudgetbegleitG 2011). 59 Die diesbezügliche Entscheidung des Erstgerichts ist eine Ermessensentscheidung (Höllwerth, ÖA 2005, 88; Fucik, ÖJZ 2007/57) und deshalb nicht durch das Rekursgericht überprüfbar (Fucik, ÖJZ 2007/57; vgl nunmehr § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO idF BudgetbegleitG 2011). Davon ist wohl auch das LG Korneuburg (23 R 56/06g, zit bei Fucik, ÖJZ 2007/57 FN 126) nicht abgegangen, entschied es doch entgegen dem Erstgericht auf Kostenvorbehalt im Rahmen eines Aufhebungsbeschlusses mit der Begründung, der Gesamtausgang des Verfahrens stehe noch nicht fest; dies entspricht jedoch dem Grundsatz des § 52 Abs 2 ZPO (ebenso LGZ Wien EF 118.859 zu den Kosten einer Rechtsmittelbeantwortung). § 78 Abs 1 AußStrG räumt dem Gericht jedoch nicht die Möglichkeit ein, eine Kostenentscheidung nur über einen Verfahrensteil, der im Streitverfahren als Zwischenstreit zu qualifizieren wäre, vor der Entscheidung in der Sache zu treffen (LG Salzburg EF 125.822). 1024
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Verfahrensökonomisch und daher sinnvoll wird ein Kostenvorbehalt in Fällen sein, in denen der bisherige Verfahrensverlauf die Erhebung eines Rechtsmittels durch die Parteien naheliegend erscheinen lässt (Thiele 91 [„in komplizierten und umstrittenen Verfahren“]) und die Kostenentscheidung sich etwa aufgrund vorzunehmender Quotenkompensation (vgl Rz 18), aufgrund der Notwendigkeit der Bildung mehrerer Verfahrensabschnitte oder aufgrund anzustellender Billigkeitserwägungen als schwierig und/oder aufwändig gestaltet; dies gilt insbesondere für Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG bzw §§ 24 ff EPG (vgl Rz 34 ff). Für den Kostenvorbehalt spricht im Übrigen, dass er der Rechtssicherheit dient, führt er doch zur Möglichkeit der Überprüfung der Kostenentscheidung hinsichtlich sämtlicher Kosten, während dies für Kostenentscheidungen der Instanzgerichte, insbesondere für jene des OGH, ansonsten nicht gilt (Höllwerth, ÖA 2005, 88; Fucik, ÖJZ 2007/57). Unterlässt das Erstgericht (begründungslos) jeglichen Ausspruch über die 60 Kosten, wollen Fucik (ÖJZ 2007/57) und die Rsp (LGZ Wien 43 R 544/09g, 42 R 342/09v; LG Salzburg 21 R 341/09g, 21 R 551/08p) der obsiegenden Partei wahlweise die Möglichkeit einräumen, entweder einen Ergänzungsantrag oder einen Berichtigungsantrag zu stellen oder Kostenrekurs zu erheben. Dem ist nicht zu folgen, würde ja das Rekursgericht, das dem Erstgericht unter Stattgebung des Kostenrekurses aufträgt, nunmehr über die Kosten zu entscheiden (wie im Fall LGZ Wien 43 R 544/09g), erst recht eine ihm nicht zustehende funktionelle Zuständigkeit in Kostenfragen beanspruchen (vgl Rz 58). Tatsächlich wäre in einem solchen Fall der Kostenrekurs als unzulässig zurückzuweisen, gibt es doch keine anfechtbare Kostenentscheidung. Sollte das Erstgericht in weiterer Folge nicht über die Kosten entscheiden, müsste Abhilfe mittels Fristsetzungsantrags gefunden werden. 2. Sofortige Entscheidung
Entscheidet sich das Erstgericht gegen einen Kostenvorbehalt (vgl Rz 58 ff), 61 hat es in jedem die Sache erledigenden Beschluss eine Kostenentscheidung zu fällen (§ 78 Abs 1 vorletzter Halbsatz AußStrG). Eine frühere Kostenentscheidung ist hingegen nicht zulässig (LG Salzburg 21 R 108/06p, zit bei Fucik, ÖJZ 2007/57 FN 124), es sei denn der Antrag würde zurückgenommen (vgl Rz 84 f). Auch mit dieser Vorgangsweise bindet das Erstgericht die Instanzgerichte (idS wohl auch Klicka/Rechberger § 78 AußStrG Rz 8); diese haben nun (ebenfalls) über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und bei Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz zu entscheiden (Ausnahmefall: das Instanzgericht hebt die angefochtenen Entscheidungen unter Rechtskraftvorbehalt auf).
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62 Mit Fucik (ÖJZ 2007/57) ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Billigkeitsregelung des § 78 Abs 2 AußStrG in „Zwischenstreiten“ (vgl Rz 22) keine Kostenentscheidung zu treffen ist (im Ergebnis wohl ebenso Höllwerth, ÖA 2005, 87, der darauf hinweist, dass die Entscheidung im Zwischenstreit regelmäßig kein die Sache erledigender Beschluss ist). Anders wäre die Situation nur dann, wenn im „Zwischenstreit“ der Antrag (etwa wegen internationaler Unzuständigkeit des Erstgerichts) von einem Instanzgericht zurückgewiesen wird; dann erledigt dieser Beschluss ja die Sache, und entscheidet das Instanzgericht über die Kosten. Zur Berücksichtigung des Ergebnisses des Zwischenstreits bei der Kostenentscheidung vgl Rz 22; es handelt sich regelmäßig um einen dem Verhalten einer Partei allein zuzurechnenden Aufwand (Fucik, ÖJZ 2007/57). 3. Einwendungen des Gegners
63 Nach § 54 Abs 1a ZPO idF BudgetbegleitG 2009 hat das Gericht, soweit der Gegner gegen die verzeichneten Kosten keine begründeten Einwendungen erhebt, diese seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Nach den ErläutRV ist damit eine amtswegige Wahrnehmung von Fehlern im Kostenverzeichnis nicht mehr vorgesehen; das Gericht habe nicht begründet bestrittene Positionen der Kostenentscheidung ungeprüft zu Grunde zu legen (so auch Fucik, ÖJZ 2009/86; Woller, ecolex 2009, 567). Damit verschiebt – im Fall fehlender Einwendungen des Gegners – die Neuregelung die Kostenprüfung letztlich ins anwaltliche Disziplinar-, Schadenersatz- oder vielleicht sogar Strafverfahren. Erhebt der Vertreter keine (an sich berechtigten) Einwendungen, schädigt er damit seine Partei, macht sich schadenersatzpflichtig und handelt disziplinär, wenn er Einwendungen etwa aus kollegialer Rücksicht unterlässt. Handelt er im Einvernehmen mit dem gegnerischen Vertreter (etwa wechselseitig keine Einwendungen gegen einer unrichtigen Tarifpost unterstellte Schriftsätze udgl), könnte auch ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt gegeben sein. Auch OLG Wien (Zak 2010/67) und LG Wels (Zak 2009/650 = AnwBl 2010/8230 [P. Mayr]) gehen von einer Bindung des Gerichts bei der Kostenentscheidung für den Fall aus, dass Einwendungen nicht erhoben werden; das LG Wels hält dies aber für einen Rechtsfolgenexzess, der gegen das Sachlichkeitsgebot und das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen könnte, und hat – formell ohne Erfolg (VfGH G 280/09) – daher den VfGH angerufen (vgl Zak 2009/650). 64 P. Mayr (ecolex 2009, 562 und AnwBl 2010, 138 [Entscheidungsanmerkung]; ihm zustimmend Salficky, AnwBl 2009, 473) hält eine Sichtweise, wonach das Gericht nicht begründet bestrittene Positionen der Kostenentscheidung ungeprüft zu Grunde zu legen habe, als mit § 21 RATG unvereinbar; nach dieser 1026
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Bestimmung bleibt die richterliche Befugnis, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen (verzeichneten) Leistungen zu prüfen, unberührt. Er übersieht dabei allerdings, dass § 54 Abs 1a ZPO die jüngere Norm ist und ausdrücklich festschreibt, dass das Gericht diese Kosten, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden, seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat; dass dem Gesetzgeber die Konsequenz dieser Regelung bewusst war, belegen die ErläutRV. Telos des BudgetbegleitG 2009 war ja im Justizbereich vornehmlich die Entlastung der Gerichte (ebenso Woller, ecolex 2009, 567). Salficky (AnwBl 2009, 473; idS wohl auch OLG Linz Zak 2009/688 = AnwBl 2010/8226 [Salficky]) möchte darauf abstellen, ob der Fehler im Kostenverzeichnis „offenkundig“ ist; in einem solchen Fall hätte das Gericht von Amts wegen eine Berichtigung vorzunehmen (so etwa bei Rechenfehlern, einem erhöhten Einheitssatz, unrichtigen Terminen, fehlerhaften Bemessungsgrundlagen oder Kostenansätzen), Konsequenzen für die Einwendungen unterlassende Partei bestünden nur in Kostenfolgen im Kostenrekursverfahren. Dieser Ansatz lässt sich jedoch weder mit dem Gesetzeswortlaut noch den Intentionen des Gesetzgebers in Einklang bringen; Salficky (aaO 474) beruft sich infolge der Gesetzesänderung durch das BudgetbegleitG 2009 daher auch zu Unrecht auf frühere Rsp. Das OLG Linz (Zak 2009/688 = AnwBl 2010/8226 [Salficky]) hält das Gericht auch bei Fehlen von Einwendungen für verpflichtet, das Kostenverzeichnis auf Schlüssigkeit hin zu prüfen, ebenso auf Übereinstimmung mit dem Akteninhalt und auf Vereinbarkeit mit zwingenden gesetzlichen Bestimmungen. Es verweist dazu auf – seiner Auffassung nach – vergleichbare Bestimmungen wie § 396 Abs 1, §§ 266, 267 ZPO, § 56 Abs 2 EO, § 17 AußStrG und insb § 39 Abs 1a und Abs 3, § 52 Abs 3 GebAG; auch nach diesen Bestimmungen dürfe das Gericht selbst bei Zustimmung des Gegners seiner Entscheidung einem Antrag nicht völlig ungeprüft stattgeben. Dagegen spricht allerdings die den ErläutRV zu § 54 Abs 1a ZPO eindeutig entnehmbare Absicht des Gesetzgebers, die Gerichte zu entlasten (idS auch Salficky, AnwBl 2010, 87 [Entscheidungsanmerkung), sodass fraglich ist, ob die den erwähnten Bestimmungen zugrunde liegenden Wertungen auch auf § 54 Abs 1a ZPO übertragen werden können. Aus rechtsstaatlichen Überlegungen, um eine allzu weitgehende Beschrän- 65 kung des richterlichen Entscheidungsmonopols zu verhindern und in verfassungskonformer Sicht war § 54 Abs 1a ZPO idF BudgetbegleitG 2009 (als Sondervorschrift) restriktiv auszulegen (so nunmehr auch VfGH G 280/09; idS wohl auch OLG Linz Zak 2009/688 = AnwBl 2010/8226 [Salficky]); aA Fucik, ÖJZ 2009/86; Woller, ecolex 2009, 567; LG Wels Zak 2009/650 = AnwBl 2010/8230 [P. Mayr]). Die „verzeichneten Kosten“, die der Entscheidung zu Grunde zu legen sind, bezogen sich daher zwar auf die Frage der Honorierung der erbrachten Leistungen der Höhe nach (Bemessungsgrundlage 1027
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[aA OLG Linz Zak 2009/688 = AnwBl 2010/8226 – Salficky], Tarifpost, Tarifansatz, Rechenfehler, doppelter Einheitssatz bei Betrauung eines auswärtigen Vertreters, Kostenseparation [weitere Beispiele bei Höllwerth, ÖJZ 2009/80, und Fucik, ÖJZ 2009/86]), nicht aber auf die Frage deren Zweckmäßigkeit gem § 41 ZPO (offensichtlich ggt Meinung jedoch Höllwerth, ÖJZ 2009/80 und Fucik, ÖJZ 2009/86), auf Fragen der Kostenseparation oder die Zulässigkeit von Schriftsätzen. Damit durfte das Gericht seiner Kostenentscheidung auch nicht eine verzeichnete Leistung zu Grunde legen, die aufgrund des Akteninhalts gar nicht erbracht worden war (etwa einen Schriftsatz oder eine zu lange bzw gar nicht stattgefundene Verhandlung udgl; OLG Linz Zak 2009/ 688 = AnwBl 2010/8226 [Salficky]; Mayr, ecolex 2009, 562; offensichtlich ggt Meinung jedoch wiederum Höllwerth, ÖJZ 2009/80, und Fucik, ÖJZ 2009/ 86); ebenso wenig durfte das Gericht – trotz fehlender Einwendungen des Gegners – Kosten zugunsten einer Partei berücksichtigen, wenn diese zuvor auf Kosten verzichtet hatte (aA OLG Graz Zak 2010/734). 66 Der Gesetzgeber hat – in offensichtlicher Kenntnis dieser Auffassungsunterschiede in Lit und Rsp – mit dem BudgetbegleitG 2011 § 54 Abs 1a ZPO dahin klargestellt, dass die verzeichneten Kosten (mangels Einwendungen des Gegners) vom Gericht „ungeprüft“ seiner Entscheidung zugrunde zu legen sind. Er wollte damit den einschränkenden Auslegungen des § 54 Abs 1a ZPO idF BudgetbegleitG 2009 den Boden entziehen; die in Rz 64 und 65 dargestellten Überlegungen sind somit weitgehend überholt bzw ist nunmehr klargestellt, dass der Gegner in nahezu all den dort genannten Fällen Einwendungen erheben muss. Diese Regelung ist verfassungswidrig (vgl VfGH G 280/09) und wird wohl in absehbarer Zeit aufgehoben werden. Allerdings wird § 54 Abs 1a ZPO auch idF BudgetbegleitG 2011 – bis zu seiner Aufhebung – jedenfalls dort nicht anwendbar sein, wo es bei der Kosten„entscheidung“ nicht lediglich um die Umwandlung eines Kostenverzeichnisses einer Partei in einen Kostentitel geht, sondern dem Gericht eine tatsächliche Entscheidungskompetenz zukommt. Damit steht aber etwa die Anwendbarkeit der Billigkeitkeitsklausel (Rz 19 ff) nicht in der Disposition der Parteien; ebenso wenig gebunden ist das Gericht in Fragen der Kostenaufteilung bzw der Kosten- oder Quotenkompensation (vgl dazu Rz 15 ff). Dies alles ergibt sich schon allein daraus, dass diese Punkte im Kostenverzeichnis gar nicht angesprochen werden, der Gegner sich dazu also auch nicht zu äußern braucht. Zu Recht hat Salficky (AnwBl 2009, 474) auch auf die Problematik der Verzeichnung von für Sachverständigengebühren erlegte Kostenvorschüsse verwiesen, die uU nicht zur Gänze verbraucht wurden, dies jedoch erst nach der Kostenverzeichnung feststeht. In diesem Fall brauchen die Parteien nicht wechselseitig die Verzeichnung des gesamten Vorschusses rügen, ist doch vor einer abweichenden Gebührenbestimmung die Verzeichnung des Kostenvorschusses nicht erweislich falsch und die unterbliebene Rüge daher auch keine 1028
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Genehmigung. Vielmehr hat das Gericht diesen Umstand von Amts wegen bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, es sei denn die Gebühren sind bereits bestimmt worden (Höllwerth, ÖJZ 2009/80; Salficky, AnwBl 2009, 473). Erhebt der Gegner Einwendungen – diese müssen detailliert begründet wer- 67 den, rechnerische Konsequenzen sind jedoch (außer bei Rechenfehlern) nicht darzustellen (Salficky, AnwBl 2009, 477; aA OLG Innsbruck Zak 2009/688 [„konkrete Bezifferung der angestrebten Kostenminderung“]) – gegen die verzeichneten Kosten, hat sich das Gericht bei seiner Kostenentscheidung damit auseinander zu setzen. Die Einwendungen des Gegners sind dem Kostenverzeichner nicht seinerseits wieder zur Stellungnahme zuzustellen (Höllwerth, ÖJZ 2009/80; Fucik, ÖJZ 2009/86; Salficky, AnwBl 2009, 478), würde dies doch uU zu einer Endlosspirale führen. § 54 Abs 1a ZPO idF BudgetbegleitG 2009 führte zur (damals gesetzlich nicht 68 geregelten) Frage, ob der Einwendungsschriftsatz des Gegners seinerseits zu honorieren war. Dabei bestand zwar eine gewisse Übereinstimmung dahin, dass der Schriftsatz nur bei Erfolg der Einwendungen nach TP 2 RATG (7 Ob 34/10s AnwBl 2010/8258 [Schmidt]; 6 Ob 216/10y; OLG Innsbruck Zak 2009/688, AnwBl 2010/8238 [Thellmann]); OLG Linz Zak 2009/688 = AnwBl 2010/8226 [Salficky]; LGZ Wien 43 R 657/09z; Fucik, ÖJZ 2009/86) zu honorieren (ebenso Woller, ecolex 2009, 567; Salficky, AnwBl 2009, 476) und dass dabei Bemessungsgrundlage für den Einwendungsschriftsatz analog § 11 RATG jener Kostenbetrag wäre, der dem Gegner aufgrund der Einwendungen nicht zugesprochen wird (OLG Innsbruck Zak 2009/688; vgl auch OLG Linz Zak 2009/688 = AnwBl 2010/8226 [Salficky]). Allerdings bestanden erhebliche Auffassungsunterschiede dahin, ob der Einwendungsschriftsatz überhaupt zu honorieren wäre; dies wurde von einigen jedenfalls für den Fall bejaht, dass dem in der Hauptsache unterliegenden Kostenverzeichner (berechtigte) Einwendungen entgegen gehalten wurden; dann seien von seinem Kostenersatzanspruch die Kosten des Einwendungsschriftsatzes abzuziehen (7 Ob 34/10s AnwBl 2010/8258 [Schmidt]; 6 Ob 216/10y; LGZ Wien 43 R 657/09z; OLG Innsbruck AnwBl 2010/8238 [Thellmann]; Obermaier, Zak 2010, 150 mwN). Das OLG Wien (Zak 2009/688, AnwBl 2010/8236) hingegen wollte in keinem Fall Kostenersatz für den Einwendungsschriftsatz mit der Begründung gewähren, beim Einwendungsschriftsatz handle es sich lediglich um „Anmerkungen zur Kostennote“, für die Kostennote könnten jedoch auch keine Kosten begehrt werden. Der Gesetzgeber hat diesen Streit nunmehr mit dem BudgetbegleitG 2011 69 durch einen neuen Satz 4 in § 54 Abs 1a ZPO dahin klargestellt, dass Kostenersatz für die Einwendungen nicht stattfindet; diese Bestimmung ist in Verfahren anzuwenden, in denen der Schluss der Verhandlung erster Instanz nach dem 31.12.2010 liegt. 1029
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4. Anfechtung der Kostenentscheidung
70 Entscheidet das Erstgericht im Rahmen des die Sache erledigenden Beschlusses über die Kosten, können die Parteien dagegen mit selbstständigem Kostenrekurs oder im Rahmen der Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache vorgehen (Kostenrüge; Anfechtung der Entscheidung im Kostenpunkt); wendet sich eine Partei sowohl gegen die Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache als auch gegen die Kostenentscheidung, wird sie dies regelmäßig in einem Schriftsatz zusammenfassen (Kostenrüge). Es bleibt ihr aber grundsätzlich unbenommen, zwei getrennte Schriftsätze (selbstständiger Kostenrekurs) zu überreichen. Entscheidet das Erstgericht aufgrund eines früheren Kostenvorbehalts (vgl Rz 58 ff) ausschließlich über die Kosten, steht (nur) der Kostenrekurs offen. 71 Auf den Kostenrekurs sind die Bestimmungen des allgemeinen Teiles des AußStrG über den Rekurs anzuwenden (§§ 45 ff AußStrG), dh die Rekursfrist beträgt 14 Tage (§ 46 AußStrG), das Kostenrekursverfahren ist zweiseitig (§ 48 AußStrG) und die Anrufung des OGH ist jedenfalls unzulässig (§ 62 ABs 2 Z 1 AußStrG); für die Kosten des Kostenrekursverfahrens gilt wiederum § 78 Abs 2 AußStrG (LG Salzburg 21 R 357/09k). Ein Kostenrekurs ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn er ziffernmäßig bestimmt erhoben wird, sodass er erkennen lässt, was angefochten und welche Abänderung beantragt wird (OLG Wien AnwBl 2010/8249 [Schimanko]; vgl auch 1 Ob 2049/96x; 3 Ob 159/02g). Bei Anfechtung der Kostenentscheidung iZm der Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache gelten für die Ehe- bzw Partnerschaftsverfahren im weitesten Sinn regelmäßig die gleichen Grundsätze; lediglich in Verfahren über die Anerkennung bzw Nichtanerkennung von ausländischen Entscheidungen über den Bestand einer Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft sieht § 98 Abs 4 AußStrG (§ 43 Abs 1 Z 2 EPG) eine ein- bzw in bestimmten Fällen sogar zweimonatige Rekursfrist vor, die dann auch für die Anfechtung der Kostenentscheidung zusammen mit der Hauptsachenentscheidung (!) gilt. 72 Hat der Gegner Einwendungen gegen die Kostenverzeichnung im Verfahren erster Instanz unterlassen und legte das Erstgericht seiner Entscheidung die verzeichneten Kosten zu Grunde, kann der Gegner seine Einwendungen im Kostenrekurs nicht mehr nachholen; er verstößt gegen das Neuerungsverbot (Woller, ecolex 2009, 567; Salficky, AnwBl 2009, 475; LGZ Wien EF 125.825 = EF-Z 2009/149 [Gitschthaler]; vgl zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 39 GebAG LG Salzburg EF 121.654; LGZ Wien EF 121.654), welches infolge Verweises des § 78 Abs 4 AußStrG auf § 54 ZPO auch im Kostenrekursverfahren nach dem AußStrG gilt (LGZ Wien EF-Z 2009/149 [Gitschthaler] [„keine Anwendbarkeit des § 49 AußStrG“]). Das Rekursgericht hat damit zwar meritorisch über den Kostenrekurs zu entscheiden, ein Erfolg wird ihm regelmäßig jedoch nicht beschieden sein. 1030
Kostenersatz – Außerstreitsachen
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Höllwerth (ÖJZ 2009/80), der von einer Fiktion der Zustimmung des Gegners zu den verzeichneten Kosten (vgl LG Linz EF 115.684; LGZ Wien EF 121.651 zu § 39 GebAG) und dem damit verbundenen Verlust seines Rechtsschutzinteresses (LGZ Wien EF 118.535, 121.651 zu § 39 GebAG) ausgeht, übersieht mE jene Fälle, in denen der Gegner im Rekurs einerseits die Höhe der verzeichneten Kosten (insoweit unzulässigerweise, weil er Einwendungen hätte erheben müssen, dies jedoch nicht getan hat) und andererseits (insoweit zulässigerweise) etwa die Kostenaufteilung bekämpft (vgl Rz 66). Dann müsste der Kostenrekurs teilweise zurückgewiesen, teilweise inhaltlich erledigt werden, was äußerst unpraktikabel erscheint. Folgte das Erstgericht erhobenen Einwendungen nicht, steht dem Gegner der Kostenrekurs zu, im umgekehrten Fall kann sich der Kostenverzeichner dagegen im Rekurs wehren. Bemessungsgrundlage für den Kostenrekurs ist nach § 11 Abs 1 RATG jener 73 Betrag, dessen Zuspruch oder Aberkennung im Kostenrekurs beantragt wird (LG Salzburg 21 R 357/09k). Zu honorieren sind (selbstständige) Kostenrekurse nach TP 3A RATG (LGZ Wien 42 R 124/09k), es sei denn der begehrte Betrag würde 100 Euro nicht übersteigen (nur Barauslagenersatz). Pauschalgebühren nach dem GGG fallen nicht an. Die Honorierung der Kostenrekursbeantwortung richtet sich nach densel- 74 ben Grundsätzen wie jene des Kostenrekurses). Für eine verspätete Rekursbeantwortung steht jedoch ebenso wenig ein Kostenersatzanspruch zu (LGZ Wien EF 122.223) wie für eine Rekursbeantwortung, in welcher auf die Verspätung des Kostenrekurses nicht hingewiesen wurde (LGZ Wien EF 118.859, 122.220; LG Salzburg EF 122.221), oder eine solche, in der lediglich kritiklos und ohne auf die im Rekurs aufgezeigten Widersprüchlichkeiten auch nur ansatzweise eingegangen und in knappen Sätzen die Ansicht des Erstgerichts wiederholt wird (LGZ Wien EF 122.222). Nach einem Teil der jüngeren Rsp (8 ObA 117/04a; 2 Ob 85/06y; 2 Ob 162/ 75 06x; 2 Ob 135/07b Zak 2007/715; ausdrücklich zu § 78 AußStrG LG Feldkirch EF 118.858; LGZ Wien 43 R 511/09d, 43 R 777/09x) sollen für einen nur im Kostenpunkt erfolgreichen Rekurs im Hinblick auf die (nunmehrige) Zweiseitigkeit des Kostenrekursverfahrens keine Kosten zustehen (ebenso M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 50 ZPO Rz 6; ders, Zak 2005/76); auf der Gegenseite müsse man ja eine in der Rekursbeantwortung (in der Hauptsache) enthaltene Kostenrekursbeantwortung berücksichtigen (M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 50 ZPO Rz 6). Eine Verschiedenbehandlung von selbstständigen Kostenrekursen und Kostenrügen in Rekursen gegen die Sachentscheidung erscheint jedoch weder zwingend noch wünschenswert (Fucik/Rechberger § 55 ZPO Rz 6; Obermaier, Zak 2010, 150). Gerade § 78 Abs 1 AußStrG zeigt, dass Rekurs gegen 1031
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die Sachentscheidung und Kostenrüge verfahrensrechtlich unterschiedlicher Natur sind und prozessual völlig verschiedene Entscheidungen des Erstgerichts betreffen; das Erstgericht kann ja auch einen Kostenvorbehalt machen (Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 278; LG Leoben 1 R 126/03a; LG Wels 23 R 195/04x). Für das Zivilverfahren ordnet § 54 Abs 2 JN lediglich an, dass ua Kosten bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleiben; hier geht es jedoch um die Frage der grundsätzlichen Honorierung der Kostenrüge. Es hat daher – jedenfalls für Verfahren außer Streitsachen – bei der früheren Rsp (etwa 4 Ob 27/94; 6 Ob 14/99y; 5 Ob 226/02z) zu bleiben, wonach die Kosten eines „angenommenen Kostenrekurses“ jenen der erfolgreichen Rekursbeantwortung in der Hauptsache gegenüber zu stellen sind (vgl Fucik/Rechberger § 55 Rz 6; Obermaier, Zak 2010, 150; ebenso 1 Ob 8/06t; 7 Ob 112/ 09k Zak 2009/554; 8 Ob 45/09i Zak 2010/54). Verzeichnet die Partei für die (durchaus zulässige) Beantwortung der im Rekurs des Gegners gegen die Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache enthaltene Kostenrüge die Kosten für eine Kostenrekursbeantwortung, sind diese hingegen bei völliger Erfolglosigkeit des Rekurses nicht gesondert zuzusprechen (2 Ob 85/06y; 2 Ob 221/08a; ausdrücklich zu § 78 AußStrG LGZ Wien EF 122.225, 43 R 511/09d). In diesem Fall erhält ja der Gegner ohnehin seine Rekursbeantwortung ersetzt (ebenso Obermaier, Zak 2010, 150). 76 Bei teilweisem Erfolg des Kostenrekurses stehen den Parteien im Hinblick auf § 11 RATG Kosten für Rekurs bzw Beantwortung auf Basis des jeweils ersiegten bzw abgewehrten Betrags zu; es ist somit eine Kostenkompensation vorzunehmen (M. Bydlinski/Fasching/Konecny § 50 ZPO Rz 6; LG Linz EF 125.824; LGZ Wien 42 R 124/09k). Die ggt Auffassung des LGZ Wien (EF 122.217), nur der Rekurswerber habe Anspruch auf Kostenersatz, geht von der abzulehnenden Prämisse aus, § 78 Abs 2 AußStrG verbiete Quotenkompensation (vgl dazu Rz 6). Ein Kostenersatz für einen überwiegend erfolglosen Rekurs steht jedoch nicht zu, wenn der Rekurs lediglich mit einem geringfügigen Teilbegehren erfolgreich war (LGZ Wien 44 R 464/09z). Ist die Partei zwar mit ihrem Rekurs in der Hauptsache erfolglos, jedoch mit ihrer Kostenrüge teilweise erfolgreich, stehen ihr Kosten auf Basis des ersiegten bzw abgewehrten Betrags zu; dass auch der Gegner teilweise erfolgreich war, bleibt unberücksichtigt, weil es nicht logisch wäre, ihm für die Beantwortung des („angenommenen“) Kostenrekurses keine Kosten zuzuerkennen, wenn er die Kostenrüge zur Gänze abwehrt (Rz 75), wohl aber bei lediglich teilweisem Erfolg.
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5. Verzinsung der Kosten
§ 78 Abs 4 AußStrG verweist auch auf die Bestimmungen über die Verzinsung 77 der Kosten, also auf § 54a ZPO. Danach ist die kostenersatzpflichtige Partei zur Vergütung der gesetzlichen Verzugszinsen, also von 4% (Obermaier, AnwBl 2007, 403; Fucik/Rechberger § 54a ZPO Rz 1; LG Linz AnwBl 2004/ 7929) vom Kostenbetrag, ab dem Datum der Kostenentscheidung verpflichtet, wenn der Kostenbetrag nicht vor Eintritt der Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung bezahlt wird. Dieser Anspruch bedarf keines Ausspruchs in der Kostenentscheidung, ist aber dennoch exequierbar (Fucik/Rechberger § 54a ZPO Rz 1). Im Verfahren außer Streitsachen richtet sich die Vollstreckbarkeit nach § 43 78 AußStrG, das heißt sie ist grundsätzlich erst mit Rechtskraft der Entscheidung gegeben, außer das Gericht erklärt diese gem § 44 AußStrG für vorläufig vollstreckbar (Obermaier, AnwBl 2007, 403). Entscheidet das Gericht über die Kosten unter einem mit der Sachentscheidung, ist auch die Kostenentscheidung bis zur Rechtskraft der gesamten Entscheidung nicht vollstreckbar. Erklärt das Gericht die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar, ohne zwischen Kosten- und Sachentscheidung zu differenzieren, sind (auch) die Kosten sofort vollstreckbar; zweckmäßigerweise wird das Gericht bei einer vorläufigen Vollstreckbarerklärung diesbezüglich jedoch eine Einschränkung auf die Hauptsachenentscheidung vornehmen, um eine (allenfalls nicht mehr mögliche) Rückforderungsnotwendigkeit hinsichtlich der Kosten zu vermeiden.
G. Einzelfragen 1. Zweckentsprechende Kosten
Wie nach der ZPO (vgl § 41 Abs 1) steht auch in Verfahren außer Streitsachen den 79 Kostenersatz begehrenden Parteien ein solcher nur hinsichtlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu (§ 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG). Daher können die zu § 41 Abs 1 ZPO von der Rsp entwickelten Grundsätze, welche Kosten notwendig sind und welche Maßnahmen eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder -verteidigung darstellen, sinngemäß herangezogen werden (LG Salzburg EF 122.218). Grundsätzlich ist eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung bzw – verteidigung in Handlungen zu sehen, die zur Erreichung der angestrebten Rechtsposition nach dem konkreten Verfahrensstand zielführend sein können. Diese Beurteilung ist für den Zeitpunkt der Handlung und nicht erst für den Zeitpunkt der Kostenbestimmung vorzunehmen. Notwendig zum Erfolg sind alle Handlungen, die verfahrenstechnisch nicht einfacher möglich gewesen wären (Lehmayer, RPfl 2006, 22). 1033
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Welche Kosten als notwendig anzusehen sind, hat das Gericht bei der Feststellung des Kostenbetrags ohne Zulassung eines Beweisverfahrens nach seinem Ermessen zu bestimmen. Nach hA (Höllwerth, ÖA 2005, 84; Fucik, ÖJZ 2007/57) ist dabei eine ökonomische Vorgangsweise zu fordern; weitwendige Erhebungen über die – regelmäßig von den Parteien zu dokumentierende – Notwendigkeit einzelner Verfahrenshandlungen haben zu unterbleiben. Zur Beschränkung des Gerichts im Fall fehlender Einwendungen der Gegenseite vgl aber Rz 66. 80 Zu den ersatzfähigen Kosten gehören zunächst einmal die Kosten der berufsmäßigen Parteienvertreter (Lehmayer, RPfl 2006, 22; LG Salzburg 21 R 287/ 05k), für deren Kosten primär das RATG maßgeblich ist (Fucik, ÖJZ 2007/57; LG Salzburg EF 122.218). Konkret zu § 78 AußStrG wurde dabei bereits entschieden, dass vorbereitende Schriftsätze im Verfahren erster Instanz nicht nach den Grundsätzen des § 257 Abs 3 ZPO, sondern (also auch nach der „ersten Tagsatzung“) danach zu beurteilen sind, ob sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (-verteidigung) notwendig waren und (!) gleichzeitig beträchtlich zur Straffung des Verfahren beitrugen (LGZ Wien EF 122.219). Verbesserungsschriftsätze sind idS regelmäßig nicht notwendig, hätte doch von Vorneherein ein mängelfreier Schriftsatz eingebracht werden können (Lehmayer, RPfl 2006, 22), ebenso wenig Fristerstreckungsanträge, weil deren Ursache in der Sphäre der antragstellenden Partei liegt (LG Linz EF 116.040; LG Salzburg 21 R 357/ 09k); dies gilt auch für Vertagungsanträge (Höllwerth, ÖA 2005, 86; Fucik, ÖJZ 2007/57; LGZ Graz EF-Z 2009/150 [Gitschthaler]). Die Kosten einer Revisionsrekursbeantwortung sind zu ersetzen, wenn darin auf die Unzulässigkeit des gegnerischen ordentlichen Revisionsrekurses hingewiesen wurde (1 Ob 42/09x), nicht jedoch, wenn der OGH die Beantwortung eines außerordentlichen Revisionsrekurses noch nicht freigestellt hatte und diesen zurückweist (7 Ob 211/06i; 9 Ob 149/06m) oder wenn die Revisionsrekursbeantwortung darin besteht, dass die bereits im Rekursverfahren erstattete Rekursbeantwortung vorgelegt wurde (5 Ob 288/08a). 81 Weiters ersatzfähig sind die von den Parteien getragenen Barauslagen (Thiele 90), die in Verfahren mit entgegengesetzten Interessen von den Parteien jedoch nicht im Verhältnis ihrer Anteile am Verfahrensgegenstand zu tragen sind (§ 78 Abs 3 AußStrG), sondern nach dem Erfolgsprinzip (§ 78 Abs 2 AußStrG; vgl Rz 12). Auch sie unterliegen daher allenfalls der Billigkeitsklausel (LGZ Wien EF 122.226). 2. Vorprozessule Kosten
82 Nach hL (Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 666; Höllwerth, ÖA 2005, 86; Fucik, ÖJZ 2007/57) sind Kosten, die zum Zweck der Vorbereitung der Ver1034
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fahrensführung schon vor dessen Einleitung aufgewendet wurden (vorprozessuale Kosten; Fasching2 Rz 461; M. Bydlinski, Kostenersatz 145; ders/ Fasching/Konecny § 41 ZPO Rz 36), im Anwendungsbereich des § 78 Abs 2 AußStrG nach den selben Grundsätzen zuzusprechen, wie sie für das streitige Verfahren entwickelt worden sind. Sie teilen also grundsätzlich das Schicksal der Prozesskosten, sind in die Kostennote aufzunehmen und werden nach den allgemeinen Regeln über den Verfahrenskostenersatz behandelt (Fucik, ÖJZ 2007/57). Eine selbstständige Geltendmachung der vorprozessualen Kosten ist, solange der Hauptanspruch noch (teilweise) offen ist, nicht zulässig (Akzessorietät; Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 46). Nur wenn die Hauptforderung vor Antragstellung zur Gänze wegfällt, können die vorprozessualen Kosten – nunmehr als Hauptsache – geltend gemacht werden, und zwar im hier interessierenden Zusammenhang (wohl) auf dem außerstreitigen Rechtsweg (Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 667, der die bisherige Akzessorietät betont); dafür spricht mE auch, dass das Gericht bei seiner Entscheidung den möglichen Ausgang des zugrunde liegenden Verfahrens theoretisch nachzuvollziehen hat, um die Kosten gem dem theoretischen Verfahrensausgang zusprechen zu können – bei dem zugrunde liegenden Verfahren handelt es sich aber eben um ein Verfahren außer Streitsachen. In diesem „Kostenverfahren“ kann – ohne mündliche Verhandlung – aufgrund der Schriftsätze der Parteien entschieden werden; die Anrufung des OGH ist im Hinblick auf § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG nicht zulässig (Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 667; vgl auch 8 ObS 12/94). Zu den vorprozessualen Kosten gehören etwa die Kosten außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen (OLG Innsbruck AnwBl 1973, 138), die Kosten einer Beweissicherung (eine solche ist auch in Verfahren außer Streitsachen zulässig [Rassi/Fasching/Konecny § 384 ZPO Rz 12; Rechberger/Rechberger § 35 AußStrG Rz 5; idS wohl auch Fucik, ÖJZ 2007/57] und vor allem in Aufteilungsverfahren denkbar), die Kosten einer einstweiligen Verfügung vor Verfahrensbeginn (Fucik, ÖJZ 2007/57) und (allenfalls) die Kosten einer notwendigen (strenge Beurteilung!) außergerichtlichen Sammlung von Beweismaterial (etwa Privatgutachten; Fucik, ÖJZ 2007/57; vgl auch 9 Ob 7/09h). Jene Partei, die den Ersatz derartiger Kosten begehrt, hat sie einerseits zu belegen und andererseits deren Notwendigkeit darzutun. Nach § 1333 Abs 3 ABGB kann der Gläubiger auch den Ersatz anderer, vom 83 Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insb die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungsoder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen. Dazu zählen die Mahn- und Inkassospesen (Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 77 ff; Danzl/KBB § 1333 ABGB Rz 5; Fucik, ÖJZ 2007/57). Diese Kosten, die iZm Ehe- bzw Partnerschaftsverfahren im weiteren Sinn wohl ohnehin kaum von Bedeutung sein werden, sind (nun1035
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mehr) als materiellrechtlicher Schadenersatzanspruch zu behandeln und auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen; sie sind also keine vorprozessualen Kosten (Danzl/KBB § 1333 ABGB Rz 5). Auf die unter Rz 82 genannten vorprozessualen Kosten ist § 1333 ABGB hingegen nicht anwendbar (9 Ob 7/09h). 3. (Vollständige) Submission einer Partei
84 § 11 AußStrG, der die Antragsrücknahme regelt, sieht – entgegen § 237 Abs 3 ZPO – keine ausdrückliche Kostenersatzregelung vor. Nach hA liegt darin eine planwidrige Unvollständigkeit, die durch analoge Anwendung des § 237 Abs 3 ZPO zu schließen ist (Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 638; Fucik, ÖJZ 2007/57; LG Salzburg 54 R 201/06g; LG Feldkirch EF 122.212; LGZ Wien 42 R 322/08a, EF 122.193; idS auch OLG Wien Zak 2010/8249 [Schimanko]). Die Zurücknahme des Antrags ist einer Niederlage im Verfahren gleich zu halten, es sei denn der Antragsgegner hätte den Antragsteller klaglos gestellt, etwa durch Erfüllung (LGZ Wien EF 116.036). Der Antragsgegner hat daher – sofern § 78 Abs 2 AußStrG anzuwenden ist, die Parteien also bis zur Antragsrücknahme entgegengesetzte Interessen verfolgt haben – Anspruch auf Ersatz seiner Kosten durch den Antragsteller einschließlich der Kosten des Kostenbestimmungsantrags; eine Stellungnahme des Antragstellers zum Kostenbestimmungsantrag ist hingegen gesetzlich nicht vorgesehen und eine solche daher auch nicht zu honorieren (OLG Wien Zak 2010/8249; Schimanko, AnwBl 2010, 376 [Entscheidungsanmerkung]). 85 Gem § 9 Abs 1 AußStrG hat der Antragsteller (auch) die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, der kein bestimmtes Begehren enthält, sondern nur hinreichend erkennen lässt, welche Entscheidung er anstrebt. Bei derartigen Geldleistungsbegehren hat es im Laufe des Verfahrens nach § 9 Abs 2 AußStrG zu einer Präzisierung des Begehrens durch den Antragsteller zu kommen. Zieht der Antragsteller seinen „unbestimmten“ Antrag (denkbar etwa in einem Aufteilungsverfahren) oder sein Geldleistungsbegehren (etwa in einem Verfahren über die Abgeltung der Mitwirkung nach §§ 98 ff ABGB, § 11 EPG) vor Präzisierung zurück, ändert dies nichts daran, dass dem Antragsgegner Kostenersatz zusteht. Die Frage der dabei anzuwendenden Bemessungsgrundlage stellt sich zwar in Verfahren über die Anerkennung bzw Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand der Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft (Rz 29 ff), über die gesonderte Wohnungnahme (Rz 32 f) und über die einvernehmliche Ehescheidung bzw Auflösung der eingetragenen Partnerschaft (Rz 55 ff) nicht, weil es hier immer auf den Wert nach § 10 Z 4 lit a RATG ankommt; in Verfahren über die Einwilligung zur Eheschließung bzw Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und über die Genehmigung einer Ehe bzw einer eingetragenen Partnerschaft findet ein Kos1036
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tenersatz überhaupt nicht statt (Rz 27 f). In Verfahren über die Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten bzw eingetragenen Partners richtet sich die Bemessungsgrundlage jedoch nach § 4 RATG (Rz 52), ebenso in Verfahren betreffend die Haftung für Kredite (Rz 48) oder die (Ehe-)Wohnung (Rz 50). In Aufteilungsverfahren ist auch im Fall der Rücknahme eines unbestimmten Begehrens vom Wert der „strittigen Masse“ auszugehen (vgl Rz 36 ff); da bei einer Antragsrücknahme allerdings häufig (noch) keine konkreten Verkehrswerte udgl bekannt sein werden, wird es zu einer verstärkten Anwendung des § 34 AußStrG kommen müssen. Anerkennt der Antragsgegner im Laufe des Verfahrens den Anspruch des An- 86 tragstellers, so gilt dieser als obsiegend und hat – von Ausnahmen aufgrund der Billigkeitsklausel (Rz 19 ff) abgesehen – Anspruch auf Ersatz seiner (gesamten) Kosten. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsgegner dem Begehren nicht entgegen tritt und eine „Säumnisentscheidung“ (§ 17 AußStrG) gegen sich ergehen lässt (Fucik, ÖJZ 2007/57). In diesem Fall haben die Parteien zwar mangels Bestreitung des Anspruchs durch den Antragsgegner im Verfahren keine entgegengesetzten Interessen verfolgt, womit § 78 Abs 2 AußStrG nicht zur Anwendung käme; allerdings ist es durchaus hA, dass der Antragsteller iS dieser Bestimmung auch dann Kosten beanspruchen kann, wenn der Gegner den Antrag außergerichtlich durch Nichterfüllung oder Gefährdung veranlasste (Fucik, Das neue Verlassenschaftsverfahren [2005] Rz 212; Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 646; LG Feldkirch EF 122.185; LGZ Wien EF 125.788). Hat der Antragsgegner allerdings nicht durch sein Verhalten Anlass zur Erhebung des Antrags gegeben und den im Antrag erhobenen Anspruch sofort bei erster Gelegenheit anerkannt, wendet er so seine Kostenersatzpflicht ab (keine entgegengesetzten Interessen; Obermaier, Kostenhandbuch1 Rz 646; LG Salzburg EF 122.191). Dass er seinerseits für sein Einschreiten im Verfahren einen Kostenersatzanspruch gegen den Antragsteller hat (haben soll), begründet das LG Salzburg (EF 122.191; ebenso LGZ Wien EF 125.787) mit einer analogen Anwendung des § 45 ZPO, während Obermaier (Kostenhandbuch1 Rz 646) die Billigkeitsklausel anwenden will; letzterer Auffassung ist mE der Vorzug zu geben, wurde doch das Verfahren durch die verfrühte Antragstellung ausgelöst und ist dies dem Antragsteller zuzurechnen. Ist das Verfahren in der Hauptsache erledigt, ohne dass es dazu einer Entscheidung des Gerichts bedurfte, ist dabei aber die Kostenfrage ungelöst geblieben, kann der Antragsteller in Verfahren, auf die § 78 Abs 2 AußStrG anzuwenden ist, sein Begehren auf Kostenersatz einschränken (Höllwerth, ÖA 2005, 87). Bemessungsgrundlage sind dann jene Kosten, deren Ersatz der Antragsteller begehrt.
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4. Nachträglicher Wegfall der Beschwer
87 Für den Fall, dass nach Überreichung eines Rechtsmittels die Beschwer wegfällt, ist im AußStrG keine dem § 50 Abs 2 ZPO entsprechende Regelung enthalten. Da in den Anwendungsfällen des § 78 Abs 2 AußStrG für die Kostenentscheidung grundsätzlich Erfolg und Misserfolg der Parteien maßgeblich sind, auf welcher Grundlage auch § 50 Abs 2 ZPO fußt, bestehen gegen dessen analoge Anwendung keine Bedenken (Höllwerth, ÖA 2005, 87). 5. Nichtigerklärung des Verfahrens
88 Kommt es infolge eines Rechtsmittels oder von Amts wegen zur Nichtigerklärung des Verfahrens samt einer die Sache erledigenden Antragszurückweisung, hat der Antragsteller nach dem Erfolgsprinzip (Rz 12 ff) dem Antragsgegner, der dem Begehren entgegengetreten war, die Kosten zu ersetzen (Höllwerth, ÖA 2005, 87). Nach der Entscheidung 6 Ob 51/09g (= EF 125.801) soll zwar eine Kostenaufhebung dann der Billigkeit entsprechen, wenn beide Parteien den entscheidenden Nichtigkeitsgrund im Rechtsmittelverfahren nicht erwähnt haben; dies kann aber wohl nur die Kosten des Rechtsmittelverfahrens betreffen. Kommt es allerdings nicht zur Antragszurückweisung, sondern (nur) zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens, ist nach der Sphärentheorie und in sinngemäßer Anwendung des § 51 Abs 1 ZPO darauf abzustellen, welcher Partei gegebenenfalls die Einleitung bzw Fortsetzung des Verfahrens trotz des vorliegenden Nichtigkeitsgrundes (vorrangig) zuzurechnen ist (Höllwerth, ÖA 2005, 87).
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Kapitel 5 Ehe- und partnerschaftliche einstweilige Verfügungen
E. Gitschthaler et al. (eds.), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht © Springer-Verlag/Wien 2011
Exekutionsordnung Einstweilige Verfügungen § 382. (1) Sicherungsmittel, die das Gericht je nach Beschaffenheit des im einzelnen Falle zu erreichenden Zweckes auf Antrag anordnen kann, sind insbesondere: 8. a) die Bestimmung eines einstweilen von einem Ehegatten oder einem geschiedenen Ehegatten dem anderen oder von einem Elternteil seinem Kind zu leistenden Unterhalts, jeweils im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhalts; handelt es sich um die Unterhaltspflicht des Vater eines unehelichen Kindes, so gilt dies nur, wenn die Vaterschaft festgestellt ist; im Fall des Unterhalts des Ehegatten oder eines ehelichen Kindes genügt der Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe. [geändert durch EheRwG 1975] Lit: Bauer, Zum Ehegattenunterhalt zwischen Rechtskraft des Scheidungsausspruchs und Rechtskraft der Verschuldensscheidung, iFamZ 2009, 354; Eypeltauer, Unterhaltspflicht der Großeltern gegenüber volljährigen Enkelkindern trotz Leistungsfähigkeit der Eltern? ÖJZ 1988, 641; Giefing, Die familien- und exekutionsrechtlichen Aspekte des ehelichen Wohnens (1998); Gitschthaler, Einige aktuelle Probleme des Kindesunterhaltsrechts, ÖJZ 1994, 10; ders, Zur Rückforderbarkeit zu Unrecht bezahlter Unterhaltsbeiträge, ÖJZ 1995, 652; Hoffmann, Einstweiliger Rechtsschutz im Familienrecht (§ 382 Z 8 EO), AnwBl 1984, 87; Huber, Endgültige Zuweisung bei einstweiligem Unterhalt, JBl 1984, 182; Kieninger, Einstweilige Verfügungen zur Sicherung von Rechtsverhältnissen (1991); Knoll, Kann der Unterhaltsanspruch gegen Großeltern durch einstweilige Verfügung nach § 382 Z 8 lit a EO gesichert werden? JBl 1985, 596; G. Kodek, Einstweilige Verfügungen im Familienrecht und Art 6 EMRK, EF-Z 2010, 58; Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung (1992); Rassi, Umgang mit Beweisschwierigkeiten im Unterhaltsverfahren, EF-Z 2010, 212 (I), 2011/Heft 1 (II); Thunhart, Die Einrede des gutgläubigen Verbrauchs, ZAS 2001, 102.
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§ 382 Abs 1 Z 8 lit a EO
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Inhaltsübersicht A. Laufender Provisorialunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielsetzung der Unterhalts-EV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherungsfähige Unterhaltansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anspruchsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Provisorialverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erhebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anhörung des Unterhaltspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens/Unterbrechungsgründe f) Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Geltungsdauer der Unterhalts-EV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Rückforderbarkeit einstweiligen Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . B. Prozesskostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedarf für ein konkretes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Provisorialverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–46 1 2–4 5–11 12–13 14–16 17–19 20–33 20–21 22–24 25–28 29 30 31–32 33 34 35–43 44–46 47–58 47 48–51 52–55 56 57–58 57 58
A. Laufender Provisorialunterhalt 1. Zielsetzung der Unterhalts-EV
1 Durch eine Leistungsverfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO (Unterhalts-EV), mit der ein Exekutionstitel geschaffen wird (3 Ob 300/99k = EF 94.690; 9 Ob 99/03d), sollen nicht ein Anspruch, sondern die Unterhaltsbedürfnisse der gefährdeten Parteien selbst gesichert werden. Damit ist die Unterhalts-EV an sich keine „eigentliche“ EV iS der EO (6 Ob 299/05x = EF-Z 2006/10 [Gitschthaler]; E. Kodek/Angst § 382 EO Rz 31; vgl dazu auch König3 Rz 116; Sailer/ Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 21). Es geht vielmehr um die rasche Durchsetzung von deren Unterhaltsforderungen (s Rz 5 ff), dh um die Sicherung der materiellen Bedürfnisse und damit der Existenz der gefährdeten Parteien (Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 7; LG Salzburg EF 94.692). Zugebilligt wird der gefährdeten Partei einstweiliger Unterhalt, der aber idR endgültig zusteht (8 Ob 585/93 = EvBl 1994/60; 2 Ob 94/02s ua = EF 102.366; E. Ko1042
Einstweilige Verfügung – Unterhalt
§ 382 Abs 1 Z 8 lit a EO
dek/Angst § 382 EO Rz 32). Daher gibt es auch nicht einen im Hauptverfahren durchzusetzenden „normalen“ Unterhaltsanspruch und daneben noch einstweiligen Unterhalt. Vielmehr wird in beiden Fällen derselbe Anspruch geltend gemacht (3 Ob 176/82 = EF 41.849; abw 6 Ob 629/83).
2. Anspruchsberechtigte
Gefährdet iS des § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO können sowohl der (geschiedene) 2 Ehegatte als auch die Kinder sein. Eine (etwa analoge) Anwendung auf andere Personen scheidet hingegen aus (1 Ob 678/79 = SZ 52/121). Ob die Kinder ehelich oder unehelich sind, ist unerheblich; hinsichtlich letzterer muss aber die Vaterschaft feststehen (Anerkenntnis, gerichtliche Entscheidung; vgl Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 25). Gem § 43 Abs 1 Z 3 EPG gilt § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO auch für eingetragene Partner sinngemäß. Es ist unerheblich, ob die Kinder voll- oder minderjährig sind (6 Ob 310/70 = 3 SZ 43/237). Nach zweitinstanzlicher Rsp (OLG Wien EF 41.936, 46.822, 49.521, 52.379; LGZ Wien EF 82.458, 88.318, erst jüngst wieder EF 109.235; idS wohl auch Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 25) sollen minderjährige Kinder, für die der betreuende Elternteil im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens einstweiligen Unterhalt (mit-)begehrt, im Provisorialverfahren keine eigene Parteistellung haben. Aus dieser Ansicht wird die fehlende Notwendigkeit einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung eines solchen Begehrens abgeleitet (OLG Wien EF 52.379; LGZ Wien EF 88.318). Tatsächlich sind minderjährige Kinder aber ebenso wie volljährige in dieser Situation (7 Ob 568/92 = EF 70.057) Partei des Provisorialverfahrens (OLG Wien EF 34.722; Konecny 306; König2 Rz 2/132; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 9; idS wohl auch Zechner § 382 EO Rz 10). Die Frage der Betreuung spielt ja lediglich hinsichtlich der Vertretungsbefugnis eine Rolle; diese wird – nach der Rsp (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 433) auch schlüssig – aber ohnehin durch Antragstellung – selbst bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft – begründet. Einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Antragstellung bedarf es ohnehin nicht, weil im Hinblick auf § 393 Abs 1 letzter Satz EO keine Kostenersatzfolgen drohen können (vgl zu einem ähnlichen Problemkreis 6 Ob 258/06v). Im Übrigen anerkennt ja auch dieselbe zweitinstanzliche Rsp, dass minderjährige Kinder bei exekutiver Durchsetzung einstweilig zuerkannten Unterhalts Partei des Exekutionsverfahrens sind (OLG Wien EF 41.936, 49.521). Es spielt keine Rolle, wer im Hauptverfahren (also insb im Ehescheidungsver- 4 fahren) Kläger und Beklagter ist (5 Ob 542/80 = EF 36.922); dies entspricht dem Charakter der Unterhalts-EV als Regelungsverfügung (E. Kodek/Angst § 382 EO Rz 42). 1043
§ 382 Abs 1 Z 8 lit a EO
Gitschthaler
3. Sicherungsfähige Unterhaltsansprüche
5 Eine Unterhalts-EV kann nur erlassen werden, wenn der gefährdeten Partei gesetzliche Unterhaltsansprüche zustehen (6 Ob 228/01z; 6 Ob 274/02s); um einen solchen handelt es sich auch beim Billigkeitsunterhalt nach § 68 EheG (1 Ob 571/77 = EF 30.210). Es ist aber auch die Erhöhung eines bereits festgelegten Unterhalts für die Zukunft mittels EV möglich (LG Salzburg EF 118.305). 6 Es muss sich nicht um laufenden Unterhalt handeln, sondern kann vielmehr auch Sonderbedarf mittels Unterhalts-EV geltend gemacht werden (LG Salzburg EF 118.306; aA [nur „laufender“ Unterhalt] Zechner § 382 EO Rz 8, S. 154), wie etwa die Kosten einer (zahn)ärztlichen Behandlung (1 Ob 548/80 = EF 36.968), die Kosten einer erst vorzunehmenden Operation oder ein Prozesskostenvorschuss (1 Ob 67/05t; 4 Ob 114/06b = EF-Z 2006/74 [Gitschthaler]). Voraussetzung ist aber, dass die angefallenen Kosten – etwa mangels Fälligkeit des Honoraranspruchs – bei Antragstellung noch nicht bezahlt waren und die gefährdete Person nicht in der Lage ist, die erforderlichen Geldmittel selbst aufzubringen (4 Ob 114/06b = EF-Z 2006/74 [Gitschthaler]). Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich die begehrte Unterhalts-EV stets im Rahmen des mit der Klage geltend gemachten Unterhaltsanspruchs halten muss; sie darf nur zur Sicherung dieses konkreten Anspruchs (Identitätserfordernis) angeordnet werden (8 Ob 518/77 = EF 30.192), dh der Sonderbedarfsanspruch muss auch zum Gegenstand des Hauptverfahrens gemacht werden. 7 Einstweiliger Unterhalt kann auch dann zugesprochen werden, wenn sich der Unterhaltsanspruch selbst nicht nach österreichischem Recht richtet (LGZ Wien EF 112.418). Es kann dabei sogar materielles österreichisches Recht angewendet werden, wenn sich die Auslegung der in Betracht kommenden Bestimmungen ausländischen Rechts nicht ohne erheblichen, für das Provisorialverfahren nicht vertretbaren Zeitaufwand erheben lässt (5 Ob 213/05t ua = EF 112.478); dies schließt vor allem Anfragen nach § 4 Abs 1 IPRG aus, „Erhebungen“ in der Gerichtsbibliothek durch die Gerichte sind aber wohl auch in einem Provisorialverfahren noch angemessen und daher zu tätigen (andernfalls Verfahrensmangel eigener Art [vgl 9 ObA 189/98d; 7 Ob 2/05b]). 8 Vertragliche Unterhaltsansprüche reichen für die Erlangung einer Unterhalts-EV nicht aus (Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 26), weil allein der Umstand, dass sich etwa der andere Ehegatte freiwillig zu Geldzahlungen verpflichtete, nicht ausschlaggebend dafür sein kann, den gefährdeten Ehegatten bei der Durchsetzung dieser zugestandenen Geldleistungen besser zu stellen als sonstige Gläubiger. Konkretisiert der Vertrag allerdings lediglich gesetzliche Ansprüche, steht einstweiliger Unterhalt zu (6 Ob 228/01z = EvBl 1044
Einstweilige Verfügung – Unterhalt
§ 382 Abs 1 Z 8 lit a EO
2002/62). Die Rsp geht bei dieser Beurteilung auch nicht allzu engherzig vor (6 Ob 274/02s = EF 102.381). Sonstige Ansprüche zwischen Ehegatten können nicht einstweilen zuer- 9 kannt werden (vgl 3 Ob 542/79 = EF 34.624; RIS-Justiz RS0005242). Dies gilt etwa für die Ansprüche des überlebenden Ehegatten (§ 796 ABGB, § 78 EheG) gegen den Nachlass/die Erben des verstorbenen Unterhaltspflichtigen (1 Ob 678/79 = SZ 52/121; Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 25) sowie von Eltern und Großeltern gegen die Kinder und Enkelkinder (1 Ob 207/ 53), von Enkeln gegen die Großeltern (Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 25) oder Rentenansprüche nach § 1327 ABGB (2 Ob 61/92 = EF 70.032; 6 Ob 228/01z = EvBl 2002/62) bzw Leibrentenforderungen (Sailer/ Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 26). Diese Ansprüche könnten allenfalls nach § 379 EO gesichert werden (RIS-Justiz RS0005191). Die gefährdete Partei darf noch nicht über einen Unterhaltstitel verfügen 10 (3 Ob 521/79 = EF 34.724; 8 Ob 3/10i; LG Salzburg EF 106.135). Könnte nämlich bereits aufgrund eines Titels Exekution geführt werden, liegt keine Gefährdung (s dazu Rz 14 ff) vor. Dies gilt aber dann nicht, wenn aufgrund eines geänderten Sachverhalts nunmehr ein höherer einstweiliger Unterhalt gefordert wird; desgl nicht, wenn eine Unterhalts-EV für die Zeit aufrechter Ehe besteht (§ 94 ABGB), nunmehr aber einstweiliger Unterhalt für die Zeit nach der Ehescheidung begehrt wird (§ 66 EheG; 7 Ob 172/02y = EF 102.383; vgl dazu auch Rz 19). Auch ein Kind ist als gefährdete Partei trotz Provisorialverfahrens iZm einem Ehescheidungsverfahren seiner Eltern nicht gehindert, (auch) ein (außerstreitiges) Unterhaltsverfahren einzuleiten (5 Ob 907/76 = EF 28.955; 7 Ob 317/01w = EF 102.378; vgl auch E. Kodek/Angst § 382 EO Rz 48; offensichtlich aA Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 9, wonach ein Unterhaltsbegehren abzuweisen wäre, soweit der begehrte Betrag bereits durch Unterhalts-EV zuerkannt wurde). Wurde ein Antrag auf Erlassung einer Unterhalts-EV abgewiesen, gilt an sich 11 der Grundsatz des ne bis in idem (vgl 4 Ob 333/00z = EvBl 2001/119). Die Abweisung steht aber einer Antragstellung für spätere Zeiträume jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die gefährdete Partei mit neuen und für den nunmehr maßgeblichen Zeitraum aktuellen Bescheinigungsmitteln, die im vorangegangenen Verfahren noch gar nicht entstanden waren, eine wesentliche Änderung im Anspruchssachverhalt darzulegen vermag (6 Ob 22/02g = EF 102.432). 4. Hauptverfahren
Eine Unterhalts-EV kann entweder iZm einem Unterhaltsverfahren der ge- 12 fährdeten Partei (Kind oder Ehegatte) gegen den Unterhaltspflichtigen oder 1045
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Gitschthaler
iZm einem Ehescheidungsverfahren zwischen den beteiligten Ehegatten bzw zwischen den Eltern eines ehelichen Kindes – dieses muss aber selbst einstweiligen Unterhalt begehren (vgl Rz 3) – und dem Unterhaltspflichtigen erlassen werden; im Fall eines Ehescheidungsverfahrens bedarf es keines Unterhaltsverfahrens (5 Ob 542/80 = EF 36.922; E. Kodek/Angst § 382 EO Rz 41). Unterhaltsverfahren idS kann auch ein außerstreitiges Unterhaltsfestsetzungsverfahren sein (9 Ob 80/01g; LGZ Wien EF 109.233; Zechner § 382 EO Rz 10). Das Ehescheidungsverfahren muss insofern noch anhängig sein, als zwar bereits über die Scheidung an sich, jedoch noch nicht über die Verschuldensfrage endgültig entschieden ist (vgl Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 12). Für ein uneheliches Kind kommt nur ein Unterhaltsverfahren als Hauptverfahren in Betracht. Unter Ehescheidungsverfahren sind nicht nur Verfahren auf Scheidung der Ehe nach §§ 49 ff EheG zu verstehen, sondern auch Klagen auf Nichtigerklärung (E. Kodek/Angst § 382 EO Rz 35) oder Aufhebung der Ehe. 13 Sind Ehescheidungs- oder Unterhaltsverfahren noch nicht anhängig, hat das Gericht die Rechtfertigung der Unterhalts-EV gem § 391 Abs 2 EO binnen angemessener Frist aufzutragen (1 Ob 571/77 = EF 30.332); eine Abweisung des Sicherungsbegehrens mangels Hauptverfahrens kommt nicht in Betracht (6 Ob 210/06k). Ist zwar bereits ein Unterhaltsverfahren anhängig, wird jedoch höherer einstweiliger Unterhalt begehrt, ist der gefährdeten Partei die Geltendmachung des Differenzbetrags binnen angemessener Frist aufzutragen, widrigenfalls Anspruchsverlust eintritt (7 Ob 166/98g = EF 88.308; 2 Ob 193/00x = EF 94.698).
5. Gefährdung
14 Die Unterhalts-EV bedarf zwar an sich keiner Gefährdungsbescheinigung. Dennoch kann auch nicht von einer Gefährdung als sachlicher Voraussetzung gänzlich abgesehen werden. Es wird daher ein spezifischer Nachteil für die gefährdete Partei verlangt. Dieser liegt darin, dass ihre Lebenshaltung gefährdet ist, weil die rechtmäßig zustehenden Unterhaltsleistungen nicht ordnungsgemäß erbracht werden (LG Salzburg ua = EF 109.229). Dennoch steht der gefährdeten Partei nicht nur notdürftiger Unterhalt, sondern angemessener (s Rz 18) zu (1 Ob 2082/96z = EF 82.437; 9 Ob 113/k = EF 98.560); der einstweilige Unterhalt kann sogar höher sein als der im Unterhaltsverfahren begehrte (7 Ob 166/98g = EF 88.308; 2 Ob 193/00x = EF 94.698; E. Kodek/ Angst § 382 EO Rz 30, 43; vgl jedoch auch Rz 13). 15 Ob tatsächlich angemessener Unterhalt – und nicht nur notdürftiger – zusteht (s Rz 14), ist aber zu hinterfragen: Das Provisorialverfahren ist ein Bescheinigungsverfahren mit eingeschränkten Verfahrensgarantien, manche Beweise (etwa die Beiziehung von Sachverständigen; s Rz 28) sind praktisch ausge1046
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schlossen. Hat der Unterhaltspflichtige aufgrund einer unrichtigen UnterhaltsEV zuviel Unterhalt bezahlt, scheidet aber eine Rückforderung regelmäßig aus (s Rz 44 ff). Gewährt man daher dem Unterhaltsberechtigten angemessenen, also Unterhalt nach der Prozentwertmethode (1 Ob 35/98y = EF 88.321), stellt dies letztlich eine Ungleichbehandlung dar. War nämlich der Provisorialunterhalt zu gering bemessen, kann ihn der Unterhaltsberechtigte durchaus nachfordern; zuviel bezogenen braucht er hingegen nicht herauszugeben. Da die Unterhalts-EV idR bis zur Beendigung des Hauptverfahrens erlassen wird, braucht der Unterhaltsberechtigte lediglich die Feststellung seiner Unterhaltsansprüche im Hauptverfahren hinauszuzögern. Es erschiene daher durchaus sachgerecht, bei Erlassung einer Unterhalts-EV verstärkt darauf zu achten, ob tatsächlich die Lebenshaltung des Unterhaltsberechtigten gefährdet scheint. Dies wird insb in jenen Fällen nicht der Fall sein, in denen der gefährdete Ehegatte Eigeneinkommen bezieht und lediglich Ergänzungsunterhalt geltend macht. Hiebei könnte man sich am Ausgleichszulagenrichtsatz bei Ehegatten und an den Regel- oder Durchschnittsbedarfssätzen bei Kindern orientieren. Auch König (Rz 127) meint zutr, Unterhalt könne aufgrund einer Unterhalts-EV nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß, soweit es zur bescheidenen Lebensführung erforderlich ist, gewährt werden. Voraussetzung für die Bewilligung der Unterhalts-EV ist die Verletzung der 16 Unterhaltspflicht. Diese muss im Antragszeitpunkt oder doch zumindest bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag vorliegen (RIS-Justiz RS0114824). Eine bereits unterlaufene Unterhaltsverletzung wird grundsätzlich nicht dadurch beseitigt, dass der Unterhaltspflichtige nach der Antragstellung auf Erlassung der Unterhalts-EV nun erst seine Verpflichtung erfüllt (3 Ob 300/99k = EF 94.701). Allerdings müssen bei vollständiger Zahlung zwischen Antragstellung und Entscheidung ein Verhalten und Eigenschaften des Unterhaltspflichtigen vom Antragsteller behauptet und bescheinigt werden, die den Antragsgegner in einem Licht zeigen, aus dem sich die hohe Wahrscheinlichkeit von weiteren Gefährdungshandlungen ableiten lässt (9 Ob 99/ 03d; LG Salzburg EF 118.307), dh dass er auch in Zukunft seinen Verpflichtungen nicht nachkommen wird (LGZ Wien EF 121.303). Diese Annahme soll vor allem gerechtfertigt sein, wenn der Unterhaltspflichtige (etwa während des Rechtsmittelverfahrens) neuerlich seine Unterhaltspflicht verletzt (3 Ob 300/ 99k = EF 94.701; 9 Ob 99/03d); vgl idZ aber das Problem des Neuerungsverbots (Rz 31). Einstweiliger Unterhalt kann dem Ehegatten auch dann zuerkannt werden, wenn ihm ein abgesonderter Wohnort nicht bewilligt wurde (3 Ob 338/28 SZ 10/273; 3 Ob 547/57 EvBl 1958/66; 8 Ob 222/63; 8 Ob 124/64; 1 Ob 159/ 09b), ja sogar, wenn die Ehegatten noch im gemeinsamen ehelichen Schlafzimmer schlafen (2 Ob 675/50). Frühere ggt Rsp (2 Ob 258/24 SZ 6/151; 3 Ob 699/52 JBl 1953, 295; 1 Ob 459/53; 2 Ob 66/53; 2 Ob 437/55) ist jedenfalls 1047
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Gitschthaler
seit dem EheRÄG 1999 als überholt anzusehen, weil nach § 94 Abs 2 letzter Satz ABGB nunmehr auch bei gemeinsamen Haushalt Geldunterhalt begehrt werden kann (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 818; 1 Ob 171/09t).
6. Anspruchsbescheinigung
17 Die gefährdete Partei hat zwar nicht die Gefährdung ihres Anspruchs (2 Ob 56/01a = EF 98.562) zu bescheinigen, wohl aber Unterhaltsanspruch und Unterhaltsverletzung (3 Ob 300/99k = EF 94.693; 4 Ob 9/01d = EF 98.563), dh sie hat auch die materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen darzutun (6 Ob 210/06k). Dazu gehören bei Ehegatten Grund und Höhe des Anspruchs, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, dessen Lebensumstände sowie die Unterhaltsgrundlagen des § 94 Abs 2 ABGB bei aufrechter Ehe bzw die Unzumutbarkeit eigener Erwerbstätigkeit und das Fehlen von Vermögenserträgnissen nach Scheidung der Ehe (RIS-Justiz RS0005947). Ohne Tatsachenbehauptungen zum zumindest erzielbaren Einkommen des Unterhaltspflichtigen einerseits und der Naturalleistungen andererseits kann ein einstweiliger Unterhalt nicht festgesetzt werden (LG Linz EF 121.311). Ebenfalls notwendig ist ein Vorbringen über die Gestaltung des gemeinsamen Lebens, also insb ob der Antragsteller den Haushalt führt (LG Linz EF 121.312; LG Wels EF 121.313), sowie dass der unterhaltspflichtige Ehegatte die den gemeinsamen Lebensverhältnissen entsprechenden Unterhaltsleistungen nicht oder nicht ausreichend erbringt (LGZ Wien EF 118.304; LG Linz EF 121.300). Macht die gefährdete Partei einen Ergänzungsanspruch gegen den besserverdienenden Unterhaltspflichtigen, der keinen Unterhalt leistet, geltend, reicht es aus, wenn sie nach Gegenüberstellung der wechselseitigen monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkünfte eine Einkommensdifferenz darlegt (6 Ob 299/05x = EF-Z 2006/10 [Gitschthaler]; 6 Ob 210/06k). Auf die Verwendung des Begriffs „Unterhaltsverletzung“ im Antragsvorbringen kommt es nicht an (6 Ob 210/06k). Bei Prüfung der Unterhaltsverletzung sind Naturalunterhaltsleistungen zu berücksichtigen, wobei zwischen Antragstellung und Schaffung der Unterhalts-EV erbrachte Leistungen im Titel berücksichtigt werden müssen (Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 14). Der gefährdete Ehegatte, der Unterhalt iS der §§ 68, 68a EheG begehrt, muss behaupten und bescheinigen, dass er sich durch eine – ihm zumutbare – Erwerbstätigkeit seinen angemessenen Unterhalt nicht verschaffen kann oder dass ihm die Ausübung einer Tätigkeit überhaupt nicht zumutbar ist (LG Wels ua EF 112.422). Auch Kinder haben nur Unterhaltsanspruch und Unterhaltsverletzung zu bescheinigen, nicht aber auch die Gefahr der Nichterfüllung ihrer Unterhaltsansprüche (7 Ob 761/78 = EF 34.645; LG Salzburg ua = EF 112.407); bei 1048
Einstweilige Verfügung – Unterhalt
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Nichtzahlung des Unterhalts ist die Gefährdung schon an sich gegeben (LG Salzburg ua = EF 112.408). Die materiellrechtlichen Grundlagen sind im Provisorialverfahren dieselben 18 wie im Hauptverfahren (1 Ob 2082/96z = EF 82.472; 6 Ob 22/02g = EF 102.368; 3 Ob 243/03m; Zechner § 382 EO Rz 8, S. 158; Sailer/Burgstaller/ Deixler-Hübner § 382 EO Rz 29); der Provisorialunterhalt ist daher idR nach der Prozentwertmethode zu ermitteln (1 Ob 35/98y = EF 88.321); s aber auch Rz 15. Die Bescheinigungslast im Provisorialverfahren ist gleich verteilt wie die Beweislast im Hauptverfahren (LGZ Wien EF 121.316). Die Behauptungen des Antragstellers im Sicherungsantrag sind allerdings die Grenzen, in deren Rahmen zu prüfen ist, inwieweit eine EV erlassen werden kann (LG Linz ua = EF 121.298). Auch wenn der Provisorialunterhalt im Vergleich zu sonstigen Provisorialverfahren eine Sonderstellung einnimmt, ist eine Erörterung des Parteivorbringens, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu geben, sein Vorbringen zu ergänzen, auch hier nicht zu fordern (LG Linz EF 121.301). Liegt bereits ein (rechtskräftiges) Teilurteil über die Ehescheidung vor, ist die 19 Verschuldensfrage aber noch nicht geklärt oder wurde lediglich der Verschuldensausspruch bekämpft, ist der einstweilige Unterhalt nicht nach § 94 ABGB, sondern nach § 66 EheG zu ermitteln (vgl § 94 ABGB Rz 19). Da allerdings in einem solchen Fall noch der nunmehr für die abschließende Beurteilung des Unterhaltsanspruchs nach der Scheidung wesentliche Verschuldensausspruch fehlt, kann zunächst nur ein einstweiliger Unterhalt festgesetzt werden (1 Ob 504/78 = EF 30.637; 1 Ob 2082/96z; 1 Ob 362/99p; 3 Ob 89/09y). Dabei sind zwar die anspruchsbegründenden Voraussetzungen im Rahmen des Provisorialverfahrens glaubhaft zu machen; es genügt jedoch, dass die Scheidung auch aus dem Verschulden des Unterhaltspflichtigen erfolgt ist (5 Ob 542/80 = EF 36.926; 6 Ob 815/81 = EF 39.366; 7 Ob 549/92 = EF 70.056; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 9). Vgl dazu ausführlich Bauer, iFamZ 2009, 354. Eine EV, die bereits vor der Ehescheidung Provisorialunterhalt zugesprochen hatte, tritt nicht schon mit der Rechtskraft des Teilurteils über den Scheidungsausspruch außer Kraft (1 Ob 643/79 = EF 34.719), sondern kann darüber hinaus aufrecht erhalten werden, wenn der Unterhaltsberechtigte behauptet und bescheinigt, dass ihm nach §§ 66 ff EheG weiterhin gesetzlicher Unterhalt zusteht (3 Ob 109/97v). Dies gilt nur dann nicht, wenn die EV ohnehin für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens bis zu seiner rechtskräftigen Beendigung erlassen wurde (8 Ob 349/65 = SZ 38/209). War die Unterhalts-EV bereits vor der Ehescheidung beantragt worden, soll aber erst danach darüber entschieden werden, muss der gefährdete Ehegatte für die Zeit nach der Ehescheidung auch Behauptungen im Hinblick auf § 66 EheG aufstellen (OLG Linz EF 91.234; vgl auch 3 Ob 109/97v); einer Belehrung durch das Gericht bedarf es dabei nicht (Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 12). 1049
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7. Provisorialverfahren a) Zuständigkeit
20 Zuständig für die Erlassung einer Unterhalts-EV ist das Scheidungsgericht, das auch zuständig bleibt, wenn die Ehe bereits mit Teilurteil geschieden wurde und nur mehr das Verschulden str ist (1 Ob 514/86 = SZ 59/64). Werden lediglich Unterhaltsansprüche geltend gemacht, richtet sich die Zuständigkeit bei Ehegatten und volljährigen Kindern nach den allgemeinen Zuständigkeitsbestimmungen der JN; bei minderjährigen Kindern ist das Pflegschaftsgericht zuständig. Ist noch kein Hauptverfahren anhängig, ist nicht das Bezirksgericht der Zwangsbereitschaft gem § 387 Abs 2 EO zuständig, sondern jenes Gericht, das in der Hauptsache zuständig wäre (§ 387 Abs 3 EO; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 3). 21 Nach zweitinstanzlicher Rsp (LGZ Wien EF 112.482; LG Salzburg EF-Z 2007/24 [Gitschthaler]), die sich auf Fucik/Kloiber (AußStrG Anhang XXIII Rz 6) berief, bestand für die Festsetzung einstweiligen Unterhalts für Kinder im Rahmen eines außerstreitigen Unterhaltsverfahrens keine Rechtspflegerzuständigkeit. Diese Ansicht war abzulehnen, weil sie den offensichtlichen Intentionen der Außerstreitreform 2003 widersprach (vgl ausführlich Gitschthaler, EF-Z 2007, 36). Der Gesetzgeber hat nunmehr mit der ZVN 2009 insofern eine Klarstellung iS der hier vertretenen Auffassung vorgenommen (§ 19 Abs 1 Z 3 RPflG). b) Verfahrensvorschriften
22 Es sind grundsätzlich die Bestimmungen der EO (allenfalls iVm Verweisungen auf die ZPO) anzuwenden (4 Ob 566/79 = EF 34.614; 2 Ob 541/87 = SZ 60/60) und nicht jene des Hauptverfahrens (1 Ob 628/80 = EF 37.041). Dies gilt auch für einstweiligen Unterhalt für Kinder, der im Verfahren außer Streitsachen geltend gemacht wird (1 Ob 97/99t = EF 91.272; 9 Ob 80/01g = EF 102.377; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 3); allerdings wird dieser Grundsatz hinsichtlich Kosten und Vertretungsregelung im Rechtsmittelverfahren durch § 393 Abs 1 letzter Satz, § 402 Abs 3a EO durchbrochen; diesbezüglich sind die Bestimmungen des außerstreitiges Hauptverfahrens maßgeblich. Fraglich scheint, ob durch diese Regelungen in jenen Fällen, in denen der gefährdete Ehegatte und gefährdete Kinder gemeinsam einstweiligen Unterhalt geltend machen, unterschiedliche Kosten- und Vertretungsregelungen zur Anwendung kommen. Im Hinblick auf die eigene Parteistellung (s Rz 3) der Kinder ist dies wohl zu bejahen.
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Einstweilige Verfügung – Unterhalt
§ 382 Abs 1 Z 8 lit a EO
Ein Antrag eines minderjährigen Kindes nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO darf – 23 ohne eine Grundlage im Antrag – nicht als solcher nach § 382a EO behandelt werden (LGZ Wien EF 109.236). Das Antragsvorbringen im Provisorialverfahren ist aus einem spätestens 24 gleichzeitigem Prozessvorbringen zu ergänzen, wobei es nicht der ausdrücklichen Berufung auf das Klagsvorbringen bedarf, wenn sich die den Antrag auf Erlassung einer Unterhalts-EV begründenden Tatsachen unmittelbar aus dem Klagevorbringen ergeben und Letzteres daher eine geeignete Grundlage für den Antrag im Provisorialverfahren bildet (LGZ Wien EF 112.454); auch die Bescheinigungsmittel müssen im Provisorialantrag nicht ausdrücklich genannt sein, es sind die im Hauptverfahren angebotenen Beweismittel heranzuziehen (6 Ob 299/05x = EF-Z 2006/10 [Gitschthaler]). Dies alles gilt aber nicht, wenn die Unterhalts-EV „nachgeschoben“ wird (Gitschthaler, EF-Z 2006, 22; idS nunmehr auch 1 Ob 186/06v; LG Wels EF 121.306) oder wenn Scheidungsklage und Unterhalts-EV nicht unter einem erhoben werden; in diesem Fall kann nämlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass bestimmte Tatsachenbehauptungen in der Scheidungsklage gleichzeitig auch zur Grundlage des Antrags auf einstweiligen Unterhalt gemacht werden sollen, sofern sich der Antragsteller nicht ausdrücklich auf das Klagsvorbringen bzw bestimmte Teile davon beruft (LG Wels EF 121.307). Der Antrag hat außerdem jedenfalls die begehrte Unterhalts-EV und die Zeit, für die sie gelten soll, bestimmt anzugeben (Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 4). c) Erhebungsverfahren
An sich ist auch das Unterhaltsprovisorialverfahren ein summarisches Eilver- 25 fahren mit beschränkter Stoffsammlung (LGZ Wien EF 109.268, 112.455) und ohne Manuduktionspflicht (LG St. Pölten ua = EF 112.459); das Gericht hat somit nicht auf ergänzendes Vorbringen (LG Salzburg EF 121.365) oder weitere Bescheinigungsanbote bzw Schlüssigstellung des Antragsvorbringens (LG Wels EF 121.368) zu dringen. Bei Einvernahmen der Parteien besteht nach der Rsp keine Anwaltspflicht (LGZ Wien EF 112.474). Nach früherer Rsp war die Aufnahme der Bescheinigungsmittel in einer zweiseitigen mündlichen Verhandlung unter Beiziehung der Parteien bzw ihrer Vertreter nicht geboten (LGZ Wien EF 82.249, 118.341). Dies wurde bereits früher und zutr von Hopf/Kathrein (§ 382 EO Anm 4 [zumindest auf Verlangen dürfen ein Rechtsanwalt und eine Vertrauensperson teilnehmen]) kritisiert. Insb seit der Entscheidung des EGMR 17056/06 (Micallef/Malta) muss überhaupt davon ausgegangen werden, dass iS des Art 6 EMRK das Provisorialgericht (jedenfalls mehr als bisher) zu verhandeln und dabei die Parteien bzw ihre Vertreter beizuziehen hat; die bislang übliche Vorgehensweise 1051
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Gitschthaler
einer Einvernahme von Parteien und Auskunftspersonen, ohne die Parteienvertretern dazu zu laden und/oder diesen ein Fragerecht zu verweigern, beschränkt die Parteienrechte in unzulässiger Weise; zu beachten ist ja auch, dass die in erster Instanz angenommene Bescheinigungslage bei unmittelbarer Aufnahme der Bescheinigungsmittel nicht mehr überprüfbar ist (vgl dazu G. Kodek, EF-Z 2010, 63). Es sind lediglich parate Bescheinigungsmittel zu berücksichtigen (LGZ Wien EF 109.270), also Urkunden, Parteienvernehmung (es sind beide Parteien zu vernehmen [LGZ Wien EF 118.344]) und Auskunftspersonen (LGZ Wien EF 109.271); letztere sind nicht nur namhaft zu machen, sondern zur Verhandlung mitzubringen (LG Salzburg EF 109.272; LGZ Wien EF 112.469). Parat sind auch Akten desselben Gerichts (LGZ Wien EF 112.468), nicht jedoch Anfragen an Arbeitsmarktservice etwa über Bewerbungen oder in Frage kommende Arbeitsplätze (LGZ Wien EF 112.471), Akten einer anderen Behörde oder eines anderen Gerichts (LGZ Wien EF 37.059, 106.196), Einvernahmen im Rechtshilfeweg (LGZ Wien EF 44.336; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 5) oder ein erst einzuholendes Sachverständigengutachten (LGZ Wien EF 118.345). Für das Bescheinigungsverfahren gilt § 274 ZPO; Vorbringen ist nur glaubhaft zu machen (LGZ Wien EF 112.467). 26 Insb im Hinblick darauf, dass der mit Unterhalts-EV festgelegte Unterhalt der gefährdeten Partei idR endgültig zusteht (s Rz 1, 44 ff), sind aber doch die materiellrechtlichen Anspruchsgrundlagen möglichst genau zu erheben (1 Ob 2082/96z = EF 82.437; 1 Ob 97/99t = EF 91.228; aus jüngerer Zeit LG Salzburg ua = 112.405; LGZ Wien EF 118.301; LG Linz ua = EF 121.297; Hopf/ Kathrein § 382 EO Anm 4) und die gesetzlichen Bemessungskriterien möglichst genau zu ermitteln (1 Ob 235/98k = EF 88.305; 1 Ob 179/00 f = EF 94.691). Dabei kommt vor allem den zweitinstanzlichen Gerichten eine bedeutende Rolle zu, legen sie doch den als bescheinigt anzunehmenden Sachverhalt endgültig fest und entscheiden auch darüber, ob das erstinstanzliche Verfahren mit Mängeln belastet war. Insofern kommt dem OGH lediglich eine äußerst eingeschränkte Kognition zu. Rechtssätze wie, der Unterhaltsanspruch sei nur ungefähr zu bemessen, weil eine exakte Unterhaltsberechnung den Rahmen des Provisorialverfahrens sprenge und dem Sinn der vorläufigen Unterhaltsfestsetzung widerspräche (idS aus jüngerer Zeit LGZ Wien EF 112.416, 118.315), oder, nicht jedes Detail eines umfangreichen Vorbringens müsse genau geprüft werden, die beiderseitigen Verfahrensstandpunkte seien unter dem Gesichtspunkt des Anscheins ihrer Richtigkeit zu prüfen (LGZ Wien EF 112.456), oder, die Entscheidung über die EV erfolge unter dem Gesichtspunkt der Wahrscheinlichkeit ohne genauere Untersuchung und Feststellung des Sachverhalts (LG Salzburg EF 118.347; LGZ Wien EF 118.347), dürfen daher nicht allzu großzügig angewendet werden. Völlig zutr ist daher die Entscheidung des LGZ Wien EF 112.473, es sei ein Bescheinigungsverfahren durchzu1052
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führen, das sich nicht nur an Behauptungen zu orientieren hat, sondern eine Würdigung der Bescheinigungsmittel ermöglichen und sich mit allen rechtserheblichen Einwendungen auseinander setzen muss. Ebenfalls zutr meint das LG Wels (EF 112.489), eine Unterhalts-EV sei nicht allein schon deshalb zu erlassen, weil gem § 56 EO die Zustimmung des Unterhaltspflichtigen zu ihrer Erlassung anzunehmen ist; das Erstgericht müsse vielmehr die Angemessenheit des begehrten einstweiligen Unterhalts auch in diesem Fall prüfen. Von besonderer Bedeutung ist die Feststellung der maßgeblichen Unterhalts- 27 bemessungsgrundlage. Diesbezüglich trifft die gefährdete Partei die Bescheinigungspflicht. Dem gegenüber hat der Unterhaltspflichtige etwa Unterhaltsverzicht oder -verwirkung bzw Ruhensvereinbarungen (vgl 4 Ob 9/01d = JBl 2001, 582) und alle sonstigen, gegen den Unterhalt streitenden Umstände (LGZ Wien EF 109.238) zu bescheinigen, insb auch allfälliges Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten; auch die Gegenbescheinigung muss mit den Mitteln des Provisorialverfahrens erfolgen (LG Wels EF 112.475). Diese Erhebungspflichten bedeuten aber nicht, dass im Unterhalts-Proviso- 28 rialverfahren Sachverständigengutachten eingeholt werden könnten oder gar müssten (1 Ob 12/98s = EF 88.365); der Zweck des Provisorialverfahrens, nämlich der gefährdeten Partei zu einer raschen Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche zu verhelfen, darf nämlich nicht völlig in den Hintergrund treten. Daraus folgt aber etwa für den Problemkreis der Anspannung: Die ausreichende Klärung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes erfordert idR die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens. Dieses ist zwar im Provisorialverfahren kein parates Bescheinigungsmittel, was aber nicht bedeutet, dass bei Festsetzung von einstweiligem Unterhalt die Anspannung generell unzulässig wäre. Es kommt vielmehr darauf an, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes mit den Mitteln des Bescheinigungsverfahrens (parate Bescheinigungsmittel) ausreichend bescheinigt werden können (LGZ Wien EF 112.477). Da dies oft nicht der Fall sein wird, kommt in diesem Bereich der „Beweis“lastverteilung eine erhebliche Rolle zu. Dabei gilt der Grundsatz, dass derjenige, der sich auf die Anspannung des anderen beruft, deren Voraussetzungen auch zu bescheinigen hat. Dieser Grundsatz wird nur dort durchbrochen, wo diese „Beweis“führung die Kenntnis von Umständen des anderen voraussetzen würde, die der „Beweis“führer nicht haben kann (vgl dazu aber auch Rassi, EF-Z 2010, 212 und EF-Z 2011/Heft 1).
d) Anhörung des Unterhaltspflichtigen
Der Unterhaltspflichtige als Antragsgegner ist zwingend anzuhören. Es wer- 29 den ja endgültige Verhältnisse geschaffen, außerdem besteht für den Unter1053
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haltspflichtigen praktisch keine Möglichkeit, zu Unrecht geleisteten Unterhalt tatsächlich wieder zurück zu erlangen (vgl Rz 44 ff; idS auch Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 5). Die Auffassung, über das Begehren auf Erlassung einer Unterhalts-EV sei idR allein aufgrund des Antrags und der von der gefährdeten Partei beigebrachten Bescheinigungsmittel zu entscheiden, dem Unterhaltspflichtigen stehe ohnehin die Möglichkeit des Widerspruchs offen (LGZ Wien EF 112.462), ist daher abzulehnen. Dies gilt aufgrund der Entscheidung des EGMR 17056/06 (Micallef/Malta) jetzt umso mehr, ist doch das früher gebrauchte Argument, eine unterlassene Anhörung könne nicht gegen Art 6 EMRK verstoßen (vgl LGZ Wien EF 112.487), weggefallen (vgl dazu ausführlich G. Kodek, EF-Z 2010, 58). Die ohne Anhörung erlassene Unterhalts-EV stellt ja bereits einen Titel dar; verzögert der Unterhaltsberechtigte in weiterer Folge das Widerspruchsverfahren, leistet der Unterhaltspflichtige uU zu Unrecht oder überhöhten Unterhalt. Da der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet, erscheint es daher äußerst fraglich, ob das Widerspruchsrecht tatsächlich dem Anhörungsgrundsatz des Art 6 EMRK ausreichend Rechnung trägt. Nach bisheriger Rsp bedeutete die Unterlassung der Anhörung des Antragsgegners keine Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung; ob dies nach der durch die Entscheidung des EGMR 17056/06 (Micallef/Malta) geänderten Rechtslage nach wie vor Gültigkeit hat, ist fraglich (dies bejahend allerdings G. Kodek, EF-Z 2010, 58).
e) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens/Unterbrechungsgründe
30 Gesetzliche Unterhaltsansprüche für die Zeit nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind keine Insolvenzforderungen und können daher – auch mittels Unterhalts-EV (7 Ob 169/04k; 7 Ob 291/05b) – gegen den unterhaltspflichtigen Gemeinschuldner geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0063824). Bestand bei Insolvenzeröffnung bereits eine Unterhalts-EV, ist mittels deklarativen Beschlusses auszusprechen, dass diese hinsichtlich der bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufenen Unterhaltsrückstände als aufgehoben zu gelten hat (7 Ob 169/04k = EF 109.267). Die Unterbrechung des Rechtsstreits wegen Präjudizialität eines anderen Rechtsstreits (§ 190 ZPO) ist mit dem Zweck des Provisorialverfahrens, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar. Das Sicherungsverfahren wird zwar ex lege unterbrochen, wenn über das Vermögen einer Partei das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder es zu einem Stillstand der Rechtspflege gem § 161 ZPO kommt; es kann aber nicht wegen Präjudizialität eines anderen Rechtsstreits unterbrochen werden. Dies gilt in gleicher Weise auch für den Fall des Verlusts der Prozessfähigkeit gem § 158 ZPO oder für den Fall des Vorgehens des Gerichts gem § 6a ZPO (4 Ob 10/05g; 7 Ob 286/08x). 1054
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f) Rechtsmittelverfahren
Im Rekursverfahren ist die Überprüfung der Beweiswürdigung so weit aus- 31 geschlossen, als das Erstgericht den Sachverhalt der Unterhalts-EV aufgrund unmittelbarer Beweisaufnahmen, nämlich vor ihm abgelegter Zeugen und Parteiaussagen als bescheinigt angenommen hat (6 Ob 650/93 [verst Senat] = EF 73.269); dies gilt auch dann, wenn die Bescheinigungsmittel nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar aufgenommen worden sind (8 Ob 114/07h = EF 118.350). Überprüfbar ist nur ein reines Urkundenverfahren (LG Wels EF 112.485). Damit kommt aber dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO erhebliche Bedeutung zu: Lässt sich die Begründung der Unterhalts-EV nicht überprüfen, kann dies als Nichtigkeit wahrgenommen werden (LGZ Wien EF 112.484, 118.351), so insb bei zur Gänze fehlender Beweiswürdigung (vgl auch LG Linz EF 112.486 [Verfahrensmangel]). Im Rechtsmittelverfahren gilt zwar grundsätzlich Neuerungsverbot (LG Salzburg EF 109.277; LGZ Wien EF 118.352); dieses steht Rechtsmittelausführungen jedoch nicht entgegen, die den zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung vorhandenen Akteninhalt betreffen (LGZ Wien EF 118.353). Das Rechtsmittelverfahren ist zweiseitig (§ 402 EO). Im Revisionsrekursverfahren können Tat- und Beweisfragen überhaupt 32 nicht aufgegriffen werden (1 Ob 182/03a = EF 106.213). Hat das Rekursgericht einen (angeblichen) Mangel des Verfahrens erster Instanz verneint, kann er beim OGH nicht mehr geltend gemacht werden (1 Ob 182/03a). Zur Streitwertermittlung, die sich auch im Provisorialverfahren (3 Ob 222/05a = EF 111.781; 1 Ob 171/09t) nach § 58 Abs 1 JN zu richten hat, s § 94 ABGB Rz 332. g) Kosten
Die Kosten hat der gefährdete Ehegatte gem § 393 Abs 1 EO vorläufig selbst 33 zu tragen, und zwar auch die Kosten eines erfolgreichen Rekurses oder einer Rekursbeantwortung. Die dem Unterhaltspflichtigen im Provisorialverfahren erwachsenen (und rechtzeitig verzeichneten) Kosten sind ihm, wenn der Antrag abgewiesen wird, zu ersetzen; kann er nur einen Teil der begehrten Unterhalts-EV abwehren, hat er insoweit Anspruch auf Ersatz seiner Kosten, als er im Provisorialverfahren erfolgreich war (Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 6; 1 Ob 237/99 f). Macht ein volljähriges Kind einstweiligen Unterhalt geltend, richtet sich die Kostenentscheidung nach Billigkeitsgrundsätzen (§§ 101, 78 AußStrG, § 393 Abs 1 letzter Satz EO); betrifft das Provisorialverfahren ein minderjähriges Kind, gibt es überhaupt keinen Kostenersatz.
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8. Sicherheitsleistung
34 Die Unterhalts-EV kann nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden (§ 390 Abs 4 EO; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 6). Dies ließe sich nicht mit dem Grundgedanken der Unterhalts-EV in Einklang bringen, die Gefährdung der Lebenshaltung des Unterhaltsberechtigten zu verhindern.
9. Geltungsdauer der Unterhalts-EV
35 Einstweiliger Unterhalt kann nur für die Zukunft (ab dem Tag der Antragstellung), nicht aber für die Vergangenheit gewährt werden (RIS-Justiz RS0005914; 6 Ob 2/97 f = EF 85.427; E. Kodek/Angst § 382 EO Rz 33). Dies gilt aber nicht ohne weiteres auch für die Geltendmachung einer Unterhaltserhöhung wegen Sonderbedarfs, wenn die gefährdete Partei die den Sonderbedarf bildenden, ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten übersteigenden besonderen Verbindlichkeiten noch nicht beglichen hat, sondern erst in (naher) Zukunft begleichen muss. Dann ist ein Geldbedarf jedenfalls noch gegeben (1 Ob 67/05t = EF 112.423; s auch Rz 6). Rückständiger Unterhalt kann allerdings durch EV nach § 379 Abs 2 EO gesichert werden (LGZ Wien EF 98.571). 36 Die Zeit, für die einstweiliger Unterhalt zu leisten ist, ist in der UnterhaltsEV festzulegen, und zwar monatlich im Voraus (LGZ Wien EF 106.133; Hopf/ Kathrein § 382 EO Anm 14). Der im Rechtsstreit des gefährdeten Ehegatten auf Scheidung und Unterhalt „für die Dauer des Rechtsstreits wegen Ehescheidung bis zu seiner rechtskräftigen Beendigung“ bewilligte einstweilige Unterhalt für den gefährdeten Ehegatten und die Kinder soll bezüglich des Ehegatten bis zur rechtskräftigen Beendigung des Unterhaltsstreits, bezüglich der Kinder aber nur bis zur rechtskräftigen Scheidung laufen (8 Ob 349/65 = SZ 38/209). Allerdings soll es auch zulässig sein, eine bis zur rechtskräftigen Beendigung des Unterhaltsverfahrens bewilligte Unterhalts-EV, mit welcher ein vorläufiger Ehegattenunterhalt nach § 94 ABGB bestimmt wurde, auch dann aufrecht zu erhalten, wenn das Klagebegehren in der Folge aufgrund der Rechtskraft der Ehescheidung auf die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs nach § 66 EheG geändert wird (LGZ Wien EF 109.239). 37 Wird in weiterer Folge die Klage im Hauptverfahren etwa wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen, ändert dies am Bestand der Unterhalts-EV nichts; sie kann in diesem Fall auch nicht mit Oppositionsklage bekämpft werden (3 Ob 176/82 = EF 41.849). Dies gilt auch dann, wenn die Entscheidung im Unterhalts(haupt)verfahren in höherer Instanz aufgehoben (Rv I 324/20 = ZBl 1920/126) oder – noch nicht rechtskräftig – ein geringerer Unterhalt zuerkannt wird (OLG Wien AnwZ 1933, 344). 1056
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Auch einstweiliger Unterhalt unterliegt der Umstandsklausel (OLG Wien 38 ZBl 1933/75). Während die gefährdete Partei in diesem Fall eine Erhöhung des einstweiligen Unterhalts begehren kann (Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 15), stehen dem Unterhaltspflichtigen Oppositionsklage nach § 35 EO (3 Ob 185/ 08i [kein summarisches Verfahren mit Beschränkung des Beweisverfahrens auf parate Bescheinigungsmittel]) und (teilweiser) Aufhebungsantrag nach § 399 Abs 1 Z 2 EO zur Verfügung (Hopf/Kathrein zu § 382 EO Anm 15; 2 Ob 541/87 = SZ 60/60). Die neuen Umstände müssen jedoch nach Erlassung der EV eingetreten sein. Hat sich der Unterhaltspflichtige zunächst nicht gegen die Erlassung der EV gewehrt, kann er später deren Einschränkung für die Zeit nach ihrer Erlassung daher nicht begehren, wenn sich die Umstände nicht geändert haben; ansonsten gilt die Umstandsklausel. Hinsichtlich „neuer“ Umstände vor Erlassung der Unterhalts-EV lässt die Rsp 39 eine Wiederaufnahme des Verfahrens (mittels Klage) aufgrund neuer Behauptungen und Bescheinigungsmittel auf Seiten des Unterhaltspflichtigen zu (8 Ob 585/93 = EvBl 1994/60; 9 Ob 46/08t; 7 Ob 50/09t EF-Z 2009/147 [Beck]; aA 1 Ob 61/10t = JBl 2010, 601 [König] = EF-Z 2011/16 [Beck]), verneint sie hingegen auf Seiten der gefährdeten Partei (6 Ob 626/93 = EF 73.159); letzteres mit der Begründung, bei Vorliegen neuer Beweise könne ohnehin eine neue Sicherung (ab neuem Antragstag) beantragt werden. Ob diese Differenzierung gerechtfertigt ist, scheint aus grundsätzlichen Überlegungen fraglich. Daher wollen auch Hopf/Kathrein (§ 382 EO Anm 15) darauf abstellen, ob ein besonderes Schutzbedürfnis besteht. Die praktische Bedeutung wird aber jedenfalls gering sein: Der gefährdeten Partei steht ohnehin das Unterhalts(haupt)verfahren zur Verfügung, in dem sie auch rückwirkend höheren Unterhalt geltend machen kann. Der Unterhaltspflichtige wiederum kann nach jüngerer Rsp eine rückwirkende Unterhaltsherabsetzung auch im Provisorialverfahren verlangen (s Rz 41). Die für eine ausdehnende Anwendung des Wiederaufnahmeverfahrens geltenden Grundsätze müssen wegen gleichgelagerter Interessen auch für eine analoge Anwendung des § 529 ZPO (Nichtigkeitsklage) Gültigkeit haben (9 Ob 46/08t). Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 399 EO – diese Bestimmung ist 40 nur auf gerichtlich festgesetzten, nicht aber auch auf vereinbarten einstweiligen Unterhalt anzuwenden (1 Ob 235/98k = EF 88.405) – erlischt die UnterhaltsEV nicht von selbst, sondern kann nur über Antrag (idR wohl des Unterhaltspflichtigen) aufgehoben werden. Dies gilt auch für den Fall des Zeitablaufs (vgl 7 Ob 696/78 = EF 32.379), nicht aber dann, wenn im Hauptverfahren ein höherer Unterhaltstitel geschaffen wurde; in diesem Fall soll die UnterhaltsEV „inhaltlich überholt“ sein (8 Ob 3/10i).
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Neben dem Aufhebungsantrag stehen dem Unterhaltspflichtigen allerdings auch die Oppositionsklage nach § 35 EO (4 Ob 534/95 = EF 79.268) und eine negative Feststellungsklage (4 Ob 2004/96a = SZ 69/61) zur Verfügung. In einem Aufhebungsverfahren kann der Unterhaltspflichtige nicht geltend machen, dass die EV zu Unrecht erlassen worden wäre (zuletzt 1 Ob 61/10t = JBl 2010, 601 [König] = EF-Z 2011/16 [Beck]). 41 Grundsätzlich wirkt die Aufhebung der Unterhalts-EV nur für die Zukunft (3 Ob 1091/94; 9 Ob 113/01k), wobei die EV für die Vergangenheit als Exekutionstitel bestehen bleibt (3 Ob 188/75; 3 Ob 99/07s = EF 118.318). Der Unterhaltspflichtige kann die Einschränkung bzw Aufhebung des für vergangene Perioden zu zahlenden einstweiligen Unterhalts allerdings auch mit der Behauptung einer geringeren Leistungspflicht nach den Beweisergebnissen des Hauptverfahrens verlangen. Damit wird der Grundsatz, dass der gesetzliche Unterhalt rückwirkend auch eingeschränkt bzw herabgesetzt werden kann, für den aus der gleichen materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage abgeleiteten einstweiligen Unterhalt nutzbar gemacht (1 Ob 179/00 f = EF 94.697; 9 Ob 113/01k = EF 98.747). 42 Wird die Klage im Hauptverfahren abgewiesen, etwa weil überhaupt kein Unterhaltsanspruch besteht, kann die Unterhalts-EV aufgehoben werden. Dies gilt auch dann, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden ist und feststeht, dass der mit Unterhalts-EV gesicherte Anspruch auf Unterhalt während aufrechter Ehe nicht mehr besteht (4 Ob 2004/96a = SZ 69/61; 6 Ob 26/99p), oder wenn der Unterhaltsanspruch (etwa infolge Eingehens einer Lebensgemeinschaft) verwirkt wird (2 Ob 256/97y = EF 85.516; 2 Ob 258/97y) oder ruht oder wenn die gefährdete Partei ihre Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht (2 Ob 541/ 87 = SZ 60/60). 43 Die gesetzliche Anordnung, dass eine EV – bei sonstiger Nichtigkeit – nur nach mündlicher Verhandlung aufgehoben werden darf, galt auch bei einstweiligem Unterhalt, und zwar selbst im Fall der Scheidung der Ehe (3 Ob 573/ 94); ein Verstoß gegen diese Bestimmung wurde als unvertretbar angesehen und konnte Amtshaftungsansprüche auslösen (1 Ob 55/95 = SZ 69/145). Seit 1.9.2005 bedarf es zwar keiner mündlichen Verhandlung mehr; vielmehr ist vor der Entscheidung die gefährdete Partei (lediglich) einzuvernehmen, wobei im Hinblick auf § 55 EO diese Einvernahme auch durch Aufforderung zur (schriftlichen) Äußerung erfolgen kann. Allerdings gilt dies aufgrund der Entscheidung des EGMR 17056/06 (Micallef/Malta) nunmehr nur mehr in solchen Fällen, in denen reine Rechtsfragen oder „in hohem Maß technische Fragen“ zu entscheiden sind (1 Ob 61/10t = JBl 2010, 601 [König] = EF-Z 2011/ 16 [Beck]); andernfalls hat das Gericht doch eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
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10. Rückforderbarkeit einstweiligen Unterhalts
Nachdem in der älteren Rsp (6 Ob 629/83 = EF XXI/5) die Auffassung von 44 der Endgültigkeit der rechtlichen Zuweisung einstweiligen Unterhalts bisweilen ausdrücklich abgelehnt und auch in der Lit Möglichkeiten einer Rückforderung erörtert worden waren (etwa nach § 394 EO ohne Bedachtnahme auf Verschulden der gefährdeten Partei [Deixler-Hübner, BeitrZPR V 14; Huber, 1994, 182; König2 Rz 2/138; Zankl/Schwimann § 66 EheG Rz 9; G. Kodek/ Burgstaller/Deixler-Hübner § 394 EO Rz 47; aA Zechner § 382 EO Rz 8, S. 157] oder nach § 399b EO aufgrund von Billigkeitsüberlegungen [Gitschthaler, ÖJZ 1995, 652; aA Zechner § 382 EO Rz 8, S. 156]), ist es nunmehr (wieder) stRsp, dass der mit Unterhalts-EV festgelegte Unterhalt der gefährdeten Partei (idR) endgültig zusteht (1 Ob 179/00 f = EF 94.695; 4 Ob 143/01k = EF 98.567; RIS-Justiz RS0005261) und dass daher überhöhter (4 Ob 143/01k) oder gar nicht zustehender (1 Ob 295/00i = JBl 2001, 381) einstweiliger Unterhalt (nur) zurückgefordert werden kann, wenn dieser von der gefährdeten Partei noch nicht gutgläubig verbraucht worden ist (vgl auch 3 Ob 195/02a = EvBl 2002/235; E. Kodek/Angst § 382 EO Rz 50–52; Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 31). Die Schwelle der Schlechtgläubigkeit ist allerdings nicht zu hoch anzusetzen. 45 So reichen etwa das Verschweigen eigener Einkünfte (3 Ob 2065/96 = JBl 1997, 727), Tätlichkeiten gegen den Unterhaltspflichtigen (1 Ob 295/00i = JBl 2001, 381), eine Lebensgemeinschaft des unterhaltsberechtigten Ehegatten mit einem Dritten (3 Ob 209/99b = RZ 2001/5), die Zustellung eines Urteils im Hauptverfahren, mit dem weniger als der einstweilen zuerkannte Unterhalt zugesprochen wird (4 Ob 217/99m = EF 90.233) uä, um Gutgläubigkeit beim Verbrauch zu verneinen. Es kommt also nicht darauf an, ob die gefährdete Partei (minderjährige Kinder haben sich das Verhalten ihres Vertreters zurechnen zu lassen [vgl 6 Ob 197/08a]) auffallend sorglos oder gar vorsätzlich gehandelt hat; maßgeblich ist, dass sie bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit der ihr rechtsgrundlos ausbezahlten Beträge (zumindest) hätte zweifeln müssen (1 Ob 295/00i = JBl 2001, 381; 3 Ob 195/02a). Die Rückforderungsansprüche sind mit Bereicherungsklage (3 Ob 195/02a) 46 geltend zu machen, bei (bedingtem) Vorsatz der gefährdeten Partei kann auch über die Pfändungsfreigrenzen hinaus gem § 293 Abs 3 EO gegen weitere Unterhaltsforderungen aufgerechnet werden (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 881). Vgl zur Rückforderbarkeit zu unrecht bezogener Unterhaltsbeiträge auch § 94 ABGB Rz 19 ff.
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B. Prozesskostenvorschuss 1. Zielsetzung
47 Der Prozesskostenvorschuss dient der Deckung notwendiger Prozess- und Anwaltskosten der gefährdeten Partei (LG Wels ua = EF 121.317). Er kann sowohl vom gefährdeten Ehegatten als auch von Kindern geltend gemacht werden (4 Ob 540/94). Die Rsp räumt Kindern allerdings insofern ein Wahlrecht ein, als diese den Prozesskostenvorschuss entweder – und zwar auch im Verfahren außer Streitsachen – wie einstweiligen Unterhalt (2 Ob 595/94) oder als Sonderbedarf (5 Ob 556/93; 4 Ob 2392/96k) begehren können. 2. Anspruchsgrundlage
48 Die Pflicht zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses ergibt sich als Ausfluss der gesetzlichen Unterhaltspflicht (7 Ob 738/79; 2 Ob 590/83; 1 Ob 67/ 05t = EF 112.423), und zwar entweder aus § 94 ABGB oder aus § 140 ABGB (7 Ob 2165/96z; 4 Ob 2392/96k). Nacheheliche Unterhaltspflichten sollen ihn offensichtlich (eher) nicht umfassen. Nach der Rsp (vgl etwa LGZ Wien EF 85.428) kann nach rechtskräftiger Beendigung des Scheidungsverfahrens ein Prozesskostenvorschuss die ihm zugedachte Funktion nämlich nicht mehr erfüllen und daher nicht mehr zugesprochen werden. Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass ja auch andere Verfahren des (geschiedenen) gefährdeten Ehegatten in Betracht kommen könnten (etwa Strafverfahren, aber auch weitere Unterhaltsverfahren). Am Ehesten ließe sich die Verweigerung damit begründen, dass Sonderbedarf bei Ehegatten- und insb bei Geschiedenenunterhaltsansprüchen äußerst restriktiv gehandhabt wird (s § 94 ABGB Rz 8 ff). 49 Grundsätzlich besteht bei Prozesskostenvorschüssen keine von der allgemeinen Unterhaltsfrage abweichende Sonderregelung (OLG Wien EF 41.906); unterhaltsrechtlich ist der Prozesskostenvorschuss aber – jedenfalls nach der jüngeren Rsp – als Sonderbedarf zu qualifizieren (vgl 1 Ob 67/05t = EF 112.423). Kinder können daher einen Anspruch gegen beide Elternteile haben, den diese dann nach dem Verhältnis ihrer Leistungsfähigkeit zu befriedigen haben (7 Ob 2165/96z = EF 80.057). Hat die gefährdete Partei aber ihre Unterhaltsansprüche verwirkt, steht ihr auch ein Prozesskostenvorschuss nicht zu (OLG Wien EF 49.518). 50 Die Leistung eines Prozesskostenvorschusses neben dem laufenden Unterhalt muss dem Unterhaltspflichtigen auch zumutbar sein, dh es ist auf seine Leistungsfähigkeit abzustellen (RIS-Justiz RS0013486). 51 Es müssen die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Unterhaltsverpflichtung nach materiellem Recht vorliegen; die gefährdete Partei hat daher sämtli1060
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che Voraussetzungen für das Vorliegen der Unterhaltsverpflichtung zu behaupten und zu bescheinigen (LGZ Wien EF 112.425). Sie hat nicht nur ihren Bedarf, sondern auch ihr Unvermögen und die Unterhaltsverletzung zu bescheinigen (OLG Wien EF 44.232). 3. Bedarf für ein konkretes Verfahren
Die gefährdete Partei darf nicht in der Lage sein, den sich aus der Prozessgefahr 52 oder -führung ergebenden besonderen Unterhaltsbedarf aus den laufenden Unterhaltsbeträgen (2 Ob 603/93 = EvBl 1994/148) oder aus eigenen Einkünften (OLG Wien EF 52.369) zu decken. An sich sind nämlich die Kosten grundsätzlich aus diesen der gefährdeten Partei zufließenden Beträgen zu bestreiten (LG Wels ua = EF 109.240). Damit kann insb bei hohen Naturalunterhaltsleistungen und einem relativ geringen Geldunterhalt ein besonderer Unterhaltsbedarf nach einem Prozesskostenvorschuss bestehen (LGZ Wien EF 109.241). Ob die Kosten bereits angefallen sind oder erst anfallen werden, ist unerheb- 53 lich (1 Ob 67/05t = EF 112.423; aA OLG Linz EF 39.376); sie dürfen allerdings noch nicht fällig, jedenfalls aber noch nicht bezahlt sein (1 Ob 67/05t = EF 112.423; 4 Ob 114/06b = EF-Z 2006/74 [Gitschthaler]), weil mit einer EV kein Unterhalt für die Vergangenheit zugesprochen werden kann (s Rz 35). Insofern ist der Begriff „Vorschuss“ untechnisch. Für die Bewilligung eines Prozesskostenvorschusses ist es nicht zwingend not- 54 wendig, dass in dem konkreten Verfahren Anwaltspflicht besteht (LG Wels EF 121.322); die Notwendigkeit ist im Einzelfall zu prüfen und vor allem darauf Bedacht zu nehmen, ob der Gegner (Unterhaltspflichtiger, Dritter) anwaltlich vertreten ist (OLG Wien EF 39.371) bzw ob auch andere vernünftige und sorgfältige Personen in der Lage der gefährdeten Partei ein ähnliches kostenverursachendes Verhalten gesetzt hätten (LG Wels EF 121.322). Unbilligkeiten sind zu vermeiden (OLG Wien EF 41.907, 44.225). Das Verfahren, für das ein Prozesskostenvorschuss gewährt werden soll, muss 55 die gefährdete Partei betreffen (5 Ob 556/93 = EF 73.291; 4 Ob 2392/96k = EF 83.250). Es ist aber ohne Belang, ob es sich gegen den Unterhaltspflichtigen oder gegen einen Dritten richtet (1 Ob 67/05t = EF 112.423) und um welche Art von Verfahren es sich handelt. Es muss also nicht zwingend ein Scheidungs- oder Unterhaltsverfahren sein; vielmehr kommen etwa auch die Kosten eines Strafverfahrens in Betracht (7 Ob 2165/96z = EF 80.057). Es muss auch nicht zwingend ein streitiges Verfahren sein (2 Ob 595/94 = EF 76.217).
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4. Alternativen
56 Sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Prozesskostenvorschusses gegeben, muss sich die gefährdete Partei nicht auf die Bewilligung der Verfahrenshilfe verweisen lassen (9 Ob 121/06v; 5 Ob 189/08t; LG Linz EF 106.149; LG Wels EF 121.321; Hoffmann, AnwBl 1984, 93; E. Kodek/Angst § 382 EO Rz 46; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 16; aA LGZ Wien EF 61.046); dies gilt nur dann nicht, wenn der Unterhaltspflichtige selbst durch einen Verfahrenshelfer vertreten wird (OLG Innsbruck EvBl 1985/142). Wurde der gefährdeten Partei bereits die Verfahrenshilfe rechtskräftig bewilligt und in deren Rahmen ein Verfahrenshelfer bestellt, soll sich nach einzelnen Entscheidungen aus der Prozessgefahr zumindest vorläufig kein besonderer Unterhaltsbedarf ergeben; solange die im Rahmen der bewilligten Verfahrenshilfe gewährte Begünstigung der unentgeltlichen Beigebung eines Rechtsanwalts nicht für erloschen erklärt oder entzogen wird, könne dem Unterhaltspflichtigen daher auch bei an sich bestehender Leistungsfähigkeit die Zahlung eines Prozesskostenvorschusses mangels besonderen Unterhaltsbedarfs des Unterhaltsberechtigten nicht auferlegt werden (LG Wels EF 109.240, 121.321; vgl auch 6 Ob 237/03a). Dem ist nicht beizupflichten, weil primär immer zu prüfen ist, ob der Unterhaltsberechtigte die Prozesskosten selbst decken kann (und sei es auch nur aufgrund seiner [Sonder-]Unterhaltsansprüche); erst in zweiter Linie ist auf Verfahrenshilfe abzustellen (LGZ Wien EF 115.372; vgl auch Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 292). Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Beantwortung der Frage Prozesskostenvorschuss oder Verfahrenshilfe davon abhängig sein soll, ob der Unterhaltsberechtigte zunächst Verfahrenshilfe beantragte oder nicht. Verfügt der unterhaltsberechtigte Ehegatte daher bereits über Verfahrenshilfe und liegen die Voraussetzungen für den Zuspruch eines Prozesskostenvorschusses vor, hat der Verfahrenshilfeanwalt diesen zu beantragen; sodann ist die Verfahrenshilfe zu entziehen. Bei Kindern ist zu überlegen, ob man sie in einem Unterhaltsverfahren gegen den Unterhaltspflichtigen nicht auf die Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger verweisen kann (idS wohl 2 Ob 357/99k); jedenfalls besteht ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss nur in Ausnahmefällen, also bei besonderer Schwierigkeit des Falles (6 Ob 183/06i = EF-Z 2006/77 [Gitschthaler]) und ausreichender Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, der dabei sein Vermögen regelmäßig nicht anzugreifen braucht (3 Ob 195/06g). 5. Provisorialverfahren a) Zuständigkeit
57 Grundsätzlich kommt für die Festsetzung eines Prozesskostenvorschusses das Scheidungsgericht in Betracht, das auch zuständig bleibt, wenn die Ehe bereits 1062
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mit Teilurteil geschieden und nur mehr das Verschulden str ist (1 Ob 514/86 = SZ 59/64); auch in diesem Fall kann ja noch ein Prozesskostenvorschuss begehrt werden (8 Ob 37/71). Werden lediglich Unterhaltsansprüche geltend gemacht, richtet sich die Zuständigkeit bei Ehegatten und volljährigen Kindern nach den allgemeinen Bestimmungen der JN; bei minderjährigen Kindern ist das Pflegschaftsgericht zuständig. Ist noch kein Hauptverfahren anhängig, ist nicht das Bezirksgericht der Zwangsbereitschaft gem § 387 Abs 2 EO zuständig, sondern jenes Gericht, das in der Hauptsache zuständig wäre (§ 387 Abs 3 EO). b) Bestimmungen
Es sind grundsätzlich die Bestimmungen der EO (allenfalls iVm Verweisun- 58 gen auf die ZPO) anzuwenden und nicht jene des Hauptverfahrens (s Rz 22). Dies gilt an sich auch für Prozesskostenvorschüsse für Kinder, die im Verfahren außer Streitsachen geltend gemacht werden (2 Ob 595/94 = EF 76.216). Wird dieser Anspruch allerdings ausdrücklich als Sonderbedarf begehrt, sind die Bestimmungen des AußStrG anzuwenden (5 Ob 556/93 = EF 73.291; 4 Ob 2392/96k).
§ 382. (1) Sicherungsmittel, die das Gericht je nach Beschaffenheit des im einzelnen Falle zu erreichenden Zweckes auf Antrag anordnen kann, sind insbesondere: 8. c) die einstweilige Regelung der Benützung oder die einstweilige Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Aufteilung dieses Vermögens oder im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe. Lit: Hoffmann, Einstweiliger Rechtschutz im Familienrecht (§ 382 Z 8 EO), AnwBl 1984, 87; Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung (1992); König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren2 (2000); Seibt, Einstweilige Verfügungen im Familienrecht, in Deixler-Hübner (Hrsg), Die rechtliche Stellung der Frau (1998) 31; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung (2000). Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Benützungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefährdungsbescheinigung . . . . . . . . . . . 3. Unterschiede zu § 382b EO und § 382e EO C. Sicherung des Aufteilungsanspruchs . . . . . . .
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1–5 6–11 6–8 9 10–11 12–18
§ 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 1. Regelungszweck . . . . . . . . 2. Regelungsgegenstand . . . . 3. Gefährdungsbescheinigung a) Allgemeines . . . . . . . . . b) Beispiele . . . . . . . . . . . . D. Sicherungsmittel . . . . . . . . . . .
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12 13–15 16–18 16 17–18 19–21
A. Allgemeines 1 § 382 Z 8 lit c EO enthält zwei verschiedene Tatbestände von EV, deren Zweck darin besteht, bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse Maßnahmen zur einstweiligen Benützungsregelung oder zur einstweiligen Sicherung des der Aufteilung unterliegenden Vermögens zu treffen. Sowohl die Regelungsals auch die Sicherungsverfügung stellen EV eigener Art dar. Vor allem die Regelungs-EV gem § 382 Z 8 lit c 1. Fall EO stellt eine rechtsgestaltende einstweilige Benützungsanordnung dar (7 Ob 509/92 = EF 70.090; 4 Ob 508/84 = SZ 57/89; 4 Ob 278/98 f = EvBl 1999/86; Zechner § 382 EO Rz 11). Diese EV sind nicht anspruchsgebunden. Beiden Verfügungen ist gemeinsam, dass sie nur iZm einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe oder einem Aufteilungsverfahren erlassen werden können. Die EV kann zwar bereits vor Einleitung des Hauptverfahrens bewilligt werden, doch hat das Gericht gem § 391 Abs 2 EO zur Einbringung der Rechtfertigungsklage oder des Antrags nach §§ 81 ff EheG eine angemessene Frist zu setzen (7 Ob 715/79 = JBl 1980, 268 = EF 34.717; 7 Ob 595/81 = EvBl 1981/171; 1 Ob 591/82 = SZ 55/70; 10 Ob 94/97i = EF 85.426; Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 32; Zechner § 382 Rz 11 EO). Behauptet der Antragsteller, kein Verfahren auf Eheauflösung anzustreben, ist der Verfügungsantrag sogleich abzuweisen (10 Ob 94/97i = EF 85.426). Wurde bereits ein Eheverfahren eingeleitet, kann die EV von beiden Ehegatten, mithin auch vom Beklagten oder Antragsgegner beantragt werden (1 Ob 601/82 = EF 42.008; 1 Ob 2230/96i = EF 82.545; Sailer/Burgstaller/ Deixler-Hübner § 382 EO Rz 32). Kommt es allerdings zu einer Klagerückziehung oder wird die Klage abgewiesen, ist dem Beklagten bzw Antragsgegner eine Rechtfertigungsfrist für die Aufrechterhaltung des Hauptverfahrens einzuräumen (7 Ob 715/79 = JBl 1980, 268 = EF 34.720; 1 Ob 2230/96i = EF 82.545). Stellt er keinen Antrag, wird die Scheidungsklage rechtskräftig abgewiesen, ist die Frist des § 95 EheG abgelaufen oder wurde über den vom Verfahren betroffenen Aufteilungsgegenstand eine Vereinbarung erzielt bzw dieser einem der Ehegatten vom Aufteilungsgericht zugewiesen, tritt die EV außer Kraft (LGZ Wien AnwBl 1997, 347; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 18). 1064
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§ 382 Abs 1 Z 8 lit c EO
Obwohl der Aufteilungsanspruch erst mit Rechtskraft der eheauflösenden 2 Entscheidung entsteht, kann idZ bereits ein zukünftiger möglicher Aufteilungsanspruch geregelt werden (4 Ob 508/84 = SZ 57/89; 1 Ob 10/94 = SZ 67/166; 2 Ob 502/96; 4 Ob 278/98 f = EvBl 1999/86; Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht Rz 507; Zechner § 382 EO Rz 11). Ungeachtet der Tatsache, dass die Aufteilung im Verfahren außer Streitsachen durchzuführen ist, folgt das Verfügungsverfahren den Bestimmungen der EO (2 Ob 541/87 = SZ 60/60; 1 Ob 10/94 = SZ 67/166; 7 Ob 122/08d = EF 121.344; Zechner, EV § 382 EO Rz 11; Deixler-Hübner, PraktZPR II5 402; König2 Rz 150 uva). Subsidiär sind gem § 402 Abs 4 iVm § 78 EO die Bestimmungen der ZPO anzuwenden (6 Ob 532/88 = EF 58.043; 1 Ob 10/94 = SZ 67/166; 1 Ob 90/98m = SZ 71/118; 7 Ob 122/08d; Sailer/Burgstaller/DeixlerHübner § 382 EO Rz 40). Die EV gem § 382 Z 8 lit c EO kann auch vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden (10 Ob 2433/96h; Zechner § 382 EO Rz 11). Da der Aufteilungsanspruch rein vermögensrechtlicher Natur ist, hat das Re- 3 kursgericht eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands vorzunehmen (3 Ob 206/97h; Zechner § 382 EO Rz 11). Da es sich bei den EV nach § 382 Z 8 lit c EO um keine familienrechtliche Streitigkeit iS des § 49 Abs 2 JN handelt, ist ein Revisionsrekurs bei einem Entscheidungsgegenstand unter 5.000 Euro absolut unzulässig. Die EV gem § 382 Z 8 lit c EO setzen voraus, dass das Aufteilungsvermögen 4 betroffen ist; dies hat der Antragsteller zu bescheinigen (2 Ob 2094/96x = EF 85.484; 4 Ob 18/99x = EvBl 1999/171; Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 34; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 18). Unterliegt der vom Verfahren betroffene Gegenstand nicht der Aufteilung oder wurde darüber bereits eine vertragliche Einigung getroffen, ist der Verfügungsantrag abzuweisen (2 Ob 2094/96x = EF 85.484; 1 Ob 119/09w = JBl 2010, 179; Zechner § 382 EO Rz 11). Das Gericht hat auch bei der vorläufigen Benützungsregelung bzw Siche- 5 rungsverfügung die Aufteilungsgrundsätze des § 83 EheG sinngemäß zu beachten, soweit dies mit dem Wesen der auf die vorläufige Regelung und nicht auf eine endgültige Aufteilung gerichteten Provisorialentscheidung vereinbar ist (4 Ob 508/84 = SZ 57/89; LG Salzburg EF 112.430; Zechner § 382 EO Rz 11; Seibt 41). Insb muss die einstweilige Regelung zur Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens das Wohl der Kinder berücksichtigen (4 Ob 508/ 84 = SZ 57/89 = EF 46.881; LG Salzburg EF 112.431 ua).
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B. Benützungsregelung 1. Regelungszweck
6 Hier hat der beeinträchtigte Ehegatte nach stRsp neben der Bescheinigung des Aufteilungsanspruchs ein Regelungsbedürfnis (4 Ob 278/98 f = EvBl 1999/ 86; 9 Ob 124/01b = EF 98.577; LGZ Wien EF 106.157, 112.429 uva) zu bescheinigen. Dieses Regelungsbedürfnis besteht regelmäßig in einem dringenden Benützungsbedürfnis – in der Praxis meist in Gestalt eines dringenden Wohnbedürfnisses (etwa LGZ Wien EF 112.429; LG Salzburg EF 121.328) – und eines Benützungshindernisses. Ein Benützungshindernis liegt vor allem dann vor, wenn der Antragsgegner den Antragssteller von der Benützung des Hausrats oder der Ehewohnung ausgeschlossen hat oder auszuschließen droht (Deixler-Hübner, PraktZPR II5, 402; Seibt 40). Der Einräumung der gemeinsamen Nutzung der Ehewohnung mittels Regelungsverfügung steht eine erlassene Gewaltschutz-EV entgegen, weil diese dadurch wieder außer Kraft gesetzt würde. § 382b EO stellt gegenüber § 382 Abs 1 Z 8 lit c 1. Fall EO nämlich eine lex specialis dar (6 Ob 55/08v = iFamZ 2008/134 [Deixler-Hübner] = Zak 2008/423; vgl auch Gitschthaler, Aufteilung Rz 540; und 7 Ob 157/07z; vgl dazu auch Rz 10. 7 Die vorläufige Benützungsregelung soll vor allem sicherstellen, dass die nacheheliche Vermögensauseinandersetzung ordnungsgemäß ablaufen kann (Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 19). Vor allem bezweckt sie die Hintanhaltung eines mit der Auflösung der bisher verbundenen Lebensbereiche im partnerschaftlichen Sinn offenbar unvereinbaren Zustands (6 Ob 57/97y = EF 85.475; 7 Ob 192/05y = EF 112.428; LGZ Wien EF 98.576; LG Wels EF 109.246; LG Salzburg EF 112.426; LGZ Wien EF 121.325). Insoweit dient § 382 Z 8 lit c 1. Fall EO der Sicherung des Anspruchs auf wechselseitige Wahrung persönlichkeitsbezogener Interessen während der Trennungsphase (3 Ob 203/02b = JBl 2004, 326 = EF 106.150; LG Salzburg EF 112.426; Hopf/ Kathrein § 382 EO Anm 19). 8 Die Regelungsverfügung kann keine die Exekution eines Dritten hindernde Wirkung entfalten. Das zu sichernde Interesse liegt somit in der Wahrung der persönlichen Bereiche und nicht darin, das Vermögen vor dem berechtigten Zugriff Dritter iS der Exszendierung zu schützen (3 Ob 203/02b = JBl 2004, 326).
2. Gefährdungsbescheinigung
9 Nach stRsp bedarf es bei dieser Regelungsverfügung keiner konkreten Gefährdungsbescheinigung (4 Ob 508/84 = SZ 57/89 = EF 46.880; 6 Ob 57/97v 1066
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= EF 85.473; 4 Ob 278/98 f = EF 88.347 = EvBl 1999/86; LGZ Wien EF 121.324; aA 1 Ob 724/82 = EF 42.000; König2 Rz 151; Rechberger/Oberhammer Rz 507; Deixler-Hübner, PraktZPR5, 402; Rechberger/Simotta ExV Rz 920; zweifelnd wohl auch Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 35). Dass diese Auffassung aber nur ein Lippenbekenntnis sein kann, zeigt schon die Tatsache, dass dann, wenn die Ehewohnung betroffen ist, von der Rsp die Bescheinigung der Beeinträchtigung des dringenden Wohnbedürfnisses iS einer Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens verlangt wird (früher Unerträglichkeit [vgl etwa 6 Ob 575/85 = SZ 58/68; 4 Ob 278/98 f = EF 88.349 = EvBl 1999/86; LGZ Wien EF 106.157; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 20]). Unzumutbar ist das Zusammenleben jedenfalls dann, wenn die Grenze zum Wohnungsschutz gem § 382b EO nF erreicht wird. Erfasst ist idZ jedenfalls ein Umstand, der die körperliche und seelische Integrität des anderen Ehegatten durch Angriffe oder Drohungen mit solchen massiv beeinträchtigt. Aber auch dann, wenn die Ehre, das Vermögen oder die Freiheit des Antragstellers durch das Verhalten des Antragsgegners unzumutbar tangiert wird, ist der EV gem § 382 Z 8 lit c 1. Fall EO stattzugeben (4 Ob 278/98 f = EvBl 1999/86). Bloße allgemeine Auseinandersetzungen im Zug des Scheidungsverfahrens reichen für die Annahme eines Regelungsbedürfnisses nicht aus (LGZ Wien EF 94.713). IdZ verlangt die Rsp vor allem auch den Nachweis, dass ein dringendes Wohnbedürfnis besteht. Ein solches wird nur dann bejaht, wenn dem Antragsteller keine ausreichende, gleichwertige Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht (4 Ob 278/98 f = EvBl 1999/86 = EF 88.350; LG Salzburg EF 106.182) oder wenn der bereits aus der Ehewohnung ausgezogene Antragsteller wieder in diese zurückkehren möchte, weil er sonst der Obdachlosigkeit ausgesetzt wäre (9 Ob 124/01b = EF 98.579; LGZ Wien EF 106.155). Liegt keine solche Benützungsabsicht vor, begründet die bloße abstrakte Möglichkeit des Einbringens einer Räumungsklage durch den Vermieter kein Benützungshindernis (LGZ Wien EF 91.250; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 20). Vor Erlassen der EV ist allerdings eine umfassende Interessensabwägung zwischen den Ehegatten durchzuführen (9 Ob 124/01b). Diese Interessensabwägung ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig (4 Ob 49/01m = EF 98.580; LGZ Wien EF 106.164; LG Salzburg EF 112.432; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 20).
3. Unterschiede zu § 382b EO und § 382e EO
Da § 382b EO eine lex specialis darstellt, kann im Rahmen einer EV gem § 382 10 Z 8 lit c 1. Fall EO weder verfügt werden, dass der Antragsteller von der unmittelbaren Umgebung der Wohnung ausgeschlossen wird, noch ein eigenes Rückkehrverbot erlassen werden. Die Benützungsregelung impliziert ein sol1067
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ches wohl schon per se (so offenbar auch Zechner § 382 EO Rz 11 und 6 Ob 55/08v = iFamZ 2008/134 [Deixler-Hübner] = Zak 2008/423; idS wohl auch Gitschthaler, Aufteilung Rz 538; aA Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 20). 11 Auch eine Benützungsregelung gem § 382 Z 8 lit c 1. Fall EO kann nicht verhindern, dass der verfügungsberechtigte Ehegatte die Wohnung verkauft. Gegen diese Vorgangsweise kann nur nach § 97 ABGB und § 382h nF EO vorgegangen werden (Näheres s dort). Die Benützungsregelung unterscheidet sich in mehreren Punkten von der EV des Wohnungserhaltungsanspruchs gem § 382h EO: Diese ist anspruchsgebunden, kann nur für die Dauer des Scheidungsverfahrens erlassen werden und setzt keine konkrete Gefährdungsbescheinigung voraus, wenn sie im Zug eines Verfahrens auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung beantragt wird (2 Ob 164/04p = iFamZ 2006/18 [Deixler-Hübner]). Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass nach § 382e Abs 3 EO bei Vereitelungsgefahr von der Anhörung des Gegners abgesehen werden kann.
C. Sicherung des Aufteilungsanspruchs 1. Regelungszweck
12 Zweck des § 382 Z 8 lit c 2. Fall EO ist es, eine einseitige Veränderung der Vermögenslage bis zur Durchführung des Aufteilungsverfahrens zu verhindern (4 Ob 18/99x = EF 91.252; LG Salzburg EF 112.432 ua). Konkret wird daher der Anspruch gesichert, dass die der Aufteilung unterliegenden Sachen nicht einseitig verbracht, eigenmächtig veräußert oder belastet werden dürfen (4 Ob 18/99x = EvBl 1999/171; 6 Ob 278/07m; 6 Ob 153/09g; 2 Ob 181/09w; Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 37; Zechner § 382 EO Rz 11). Gesichert wird dabei aber nicht das jeweilige Vermögensobjekt selbst, sondern die gerichtliche Durchsetzung des Aufteilungsanspruchs (4 Ob 18/99x = EvBl 1999/171 = EF 91.252; 3 Ob 203/02b = JBl 2004, 326 = EF 106.067; 5 Ob 100/06a; 6 Ob 278/07m = EF-Z 2008/55; 6 Ob 153/09g; 6 Ob 61/09b = JusGuide 2010/15/7448; 3 Ob 170/09k = Zak 2010/42 ua). Das Sicherungsverfahren richtet sich auch hier nach den Bestimmungen der EO bzw ZPO (4 Ob 527/88 EF 58.043; 7 Ob 122/08d). Die Anspruchsbescheinigung ist von Amts wegen zu prüfen (LG Salzburg EF 118.346; LGZ Wien EF 118.347). Die Sicherungsverfügung kann – wie auch die Regelungsverfügung gem § 382 Z 8 lit c 1. Fall EO – bis zur rechtskräftigen Beendigung des Aufteilungsverfahrens erlassen werden (8 Ob 39/04z). Im Gegensatz zur Regelungsverfügung ist die Sicherungsverfügung nach Fall 2 jedoch anspruchsgebunden (6 Ob 305/02z EF 102.396).
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Einstweilige Verfügung – Aufteilung
§ 382 Abs 1 Z 8 lit c EO
2. Regelungsgegenstand
Es genügt die Bescheinigung eines Aufteilungsanspruchs an sich; die konkrete 13 Art der Aufteilung muss nicht glaubhaft gemacht werden (4 Ob 18/99x = EvBl 1999/171; LGZ Wien EF 112.439). Obzwar es keiner Bescheinigung der konkreten Aufteilungsart bedarf, kann eine solche im Einzelfall zur Bescheinigung einer konkreten Gefährdung des Aufteilungsanspruchs dann erforderlich sein, wenn die Gefährdung auch von der Art und der Höhe des konkreten Aufteilungsanspruchs abhängig ist (LGZ Wien EF 112.441). Das Ergebnis der Aufteilung darf im Provisorialverfahren nicht vorweggenommen werden (1 Ob 571/94 = SZ 67/226 = EF 76.244; 1 Ob 368/98v = EvBl 1999/136 = JBl 1999, 728; LGZ Wien EF 112.440; 6 Ob 278/07m = EF-Z 2008/55; Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 38). Auch wenn ein Anspruch auf Leistung einer Ausgleichszahlung Gegenstand 14 einer solchen EV sein kann (5 Ob 100/06a; LGZ Wien EF 109.356, 112.435; LG Salzburg EF 112.436), handelt es sich bei der Sicherungsverfügung ebenfalls um einen „anderen Anspruch“ iS des § 381 EO (1 Ob 571/94 = SZ 67/ 226; 4 Ob 18/99x = EvBl 1999/171 = EF 91.268; 1 Ob 362/99p = EF 95.008; König2 Rz 152; Zechner § 382 EO Rz 11; Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382 EO Rz 37). Der Aufteilungsanspruch als solcher – unabhängig davon, ob der Antragsteller nach seinem Aufteilungsvorschlag nur eine Ausgleichszahlung anstrebt – stellt nämlich keine bloße Geldforderung iS des § 379 EO dar, sodass zu dessen Sicherung alle in § 382 EO angeführten Sicherungsmittel angeordnet werden können (LGZ Wien EF 109.266, 112.450). Weil das Gericht an den Aufteilungsanspruch auch qualitativ nicht gebunden ist (vgl dazu § 85 EheG Rz 6), ist der Anspruch auf Leistung einer Ausgleichszahlung nur als Vorschlag des Antragstellers zu interpretieren (vgl auch Sailer/Burgstaller/ Deixler-Hübner § 382 EO Rz 37) und ändert daher nichts an seiner rechtlichen Qualifikation. Entgegen der Auffassung des LGZ Wien hat die gefährdete Partei aber kein Vorbringen zu erstatten, welchen Betrag sie in Zukunft als Ausgleichszahlung beansprucht (LGZ Wien 43 R 457/090; zu Recht krit Gitschthaler). Der Abgeltungsanspruch nach § 98 ABGB kann nicht nach § 382 Z 8 lit c 2. 15 Fall EO gesichert werden (7 Ob 595/81 = EvBl 1981/171). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ehegatten führt gem § 1 Abs 1 IO zur Unterbrechung eines anhängigen Aufteilungsverfahrens. Mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gilt die EV zur Sicherung des Aufteilungsanspruchs als aufgehoben. Dies ist mit deklarativem Beschluss zu verdeutlichen (LG Salzburg EF 121.358; 6 Ob 61/09b = JusGuide 2010/15/7448).
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§ 382 Abs 1 Z 8 lit c EO
Deixler-Hübner
3. Gefährdungsbescheinigung a) Allgemeines
16 Bei der Sicherungsverfügung bedarf es allerdings nach der Rsp der Bescheinigung einer konkreten Gefährdung (1 Ob 152/99 f = EF 91.264; 7 Ob 34/01b; 8 Ob 55/01y = EvBl 2001/178; 10 Ob 74/06i; LGZ Wien EF 121.345). Maßgeblich für das Vorliegen einer solchen Gefährdung ist die konkrete Wahrscheinlichkeit, dass ohne EV die Befriedigung des Aufteilungsanspruchs vereitelt oder erheblich erschwert würde (7 Ob 613/88 = EF 58.040; LGZ Wien EF 112.443; 2 Ob 181/09w; 6 Ob 61/09b = JusGuide 2010/15/7448). Nicht schon jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Erschwerung, Vereitelung oder Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens begründet per se eine Anspruchsgefährdung (6 Ob 237/01v = EF 98.587; LGZ Wien EF 112.442; LG Salzburg EF 121.348; 7 Ob 122/08d = EF 121.344; 6 Ob 153/09g; 2 Ob 181/09w). Es müssen vielmehr Umstände vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Anspruchs ohne EV höchstwahrscheinlich erscheinen lassen (1 Ob 86/99z). Eine solche Anspruchsgefährdung ist nach der Rsp dann anzunehmen, wenn Eigenschaften oder ein Verhalten des Antragsgegners bescheinigt werden, von denen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Vereitelung des Aufteilungsanspruchs geschlossen werden kann (7 Ob 34/01b = EF 98.588; LGZ Wien EF 112.444; LGZ Wien EF 121.346). Auch dann, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Gefährdungstatbestand angenommen werden kann, ist dieser als bescheinigt anzusehen – etwa wenn ein sehr gut verdienender Ehegatte behauptet, es seien trotz äußerst bescheidener Lebenshaltung der Ehegatten keinerlei oder nur sehr geringe Ersparnisse vorhanden. An das Bescheinigungsmaß sind schon iS des § 274 ZPO und um den Schutz des sozial bedürftigeren Ehegatten sicherzustellen, keine allzu hohen Anforderungen anzulegen. Zur Bescheinigung der Vereitelung einer Ausgleichszahlung vgl Rz 14. Die Tatsache, ob sich aus einem konkreten Verhalten tatsächlich ein Gefährdungstatbestand ableiten lässt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher idR keine erhebliche Rechtsfrage dar (7 Ob 122/08d = EF 121.344). b) Beispiele
17 Eine konkrete Anspruchsgefährdung liegt etwa dann vor, wenn der Antragsgegner angedroht hat, die laufenden Kreditraten für das Haus nicht mehr zu bedienen (2 Ob 164/04t = EF 112.445; 10 Ob 74/06i) oder die Veräußerung bzw die pfandrechtliche Belastung der Ehewohnung (LGZ Wien EF 88.345; 1 Ob 86/99z = EF 91.255 ua) oder die Verbringung von Aufteilungsgegenständen ins Ausland oder die Verlegung seines Wohnsitzes ins Ausland 1070
Einstweilige Verfügung – Aufteilung
§ 382 Abs 1 Z 8 lit c EO
(LGZ Wien EF 91.257; LG Salzburg EF 118.329; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 22) angekündigt hat. Aber auch der (angedrohte) Verkauf von sonstigem ehelichen Gebrauchsvermögen (LG Linz EF 102.404; LGZ Wien EF 118.329) rechtfertigt Provisorialmaßnahmen iS dieser Bestimmung. Die Sicherungsverfügung kann auch dann erlassen werden, wenn der Antragsteller Teile des Ehevermögens verheimlicht oder gar bestreitet, dass es Ersparnisse gibt – etwa wenn er ohne Einverständnis des anderen Ehegatten Sparbücher für seine eigenen Zwecke angelegt hat oder eheliche Ersparnisse in sein eigenes Haus bzw sein Unternehmen steckt. Hat der Antragsteller heimlich den Code zum Tresor verstellt und auch Bargeld und ein Sparbuch daraus entnommen, so ist ebenfalls ein Gefährdungstatbestand anzunehmen (LG Salzburg EF 121.353). Weitere Beispiele vgl bei Gitschthaler, Aufteilung Rz 556 f. Selbst bei einem Verkauf von Teilen der Aufteilungsmasse liegt dann keine 18 Anspruchsgefährdung vor, wenn insgesamt genügend Vermögen vorhanden ist, um den Aufteilungsanspruch des Antragstellers zu decken (1 Ob 152/ 99 f = EF 91.259; LGZ Wien EF 106.180, 112.444; 6 Ob 278/07m = EF-Z 2008/55; 2 Ob 181/09w), wenn also so viel an Restvermögen besteht, dass die Befriedigungsmöglichkeit des Aufteilungsanspruchs erhalten bleibt (1 Ob 152/99 f). Ganz allgemein wird eine Anspruchsgefährdung dann nicht in Betracht kommen, wenn das Substrat des Aufteilungsgegenstands erhalten bleibt (LG Linz EF 102.404; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 22). So begründet etwa der Verkauf einer Liegenschaft dann keine Gefährdung, wenn keine zusätzlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Antragsgegner einen allenfalls erzielten Verkaufserlös verwirtschaften, verbringen bzw Verfügungen treffen wird, die die Realisierung des Aufteilungsanspruchs unmöglich machen (4 Ob 539/82 = Miet 34.881; 1 Ob 152/99 f = EF 91.258; LGZ Wien EF 112.447; 112.448; 6 Ob 153/09g; 6 Ob 61/09b = JusGuide 2010/15/7448). Auch bei einer Verpfändung wird eine Gefährdung des Antragsgegners dann nicht anzunehmen sein, wenn die Höhe der zugrunde liegenden Schuld den halben Wert der Liegenschaft wesentlich unterschreitet (LGZ Wien EF 112.449). Die bloße Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung stellt per se nach der Rsp noch keinen konkreten Gefährdungstatbestand dar (7 Ob 34/01b; LG Salzburg EF 121.358; 6 Ob 61/ 09b = JusGuide 2010/15/7448; aM 7 Ob 499/55), weil diese bloß einen gutgläubigen Erwerb der Liegenschaft bzw eines dinglichen Rechts daran verhindert. Das Recht der gefährdeten Partei auf Zuteilung der Liegenschaft im Aufteilungsverfahren stelle jedoch kein dingliches Recht dar und könne auch nicht durch eine EV zu einem solchen werden (6 Ob 61/09b = JusGuide 2010/15/ 7448). Kommen aber weitere Drohungen des Antragsgegners hinzu – etwa er werde die Liegenschaft veräußern und dann nach Togo auswandern, so liegt mE ein Gefährdungstatbestand vor.
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§ 382 Abs 1 Z 8 lit c EO
Deixler-Hübner
D. Sicherungsmittel 19 Weder die Sicherungsmittel zur vorläufigen Benützungsregelung noch jene für Sicherungsmaßnahmen nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c 2. Fall sind im Gesetz explizit erwähnt. In Betracht kommen daher alle in § 382 EO geregelten Provisorialmaßnahmen. Je nach Lage des konkreten Einzelfalls soll das Gericht das jeweils optimale Sicherungsmittel bestimmen (Deixler-Hübner, PraktZPR II5, 94, Seibt 42; Zechner § 382 EO Rz 12; 1 Ob 571/94 = SZ 67/226; LGZ Wien EF 109.266, 112.450). Unter den Sicherungsmitteln kann das Gericht aber nach Auffassung der Rsp nur im Rahmen des Antrags frei wählen (1 Ob 190/04d). Andere als die beantragten Sicherungsmittel dürfen nämlich zufolge § 405 ZPO nicht angeordnet werden (LG Salzburg EF 121.356). 20 Ein Drittverbot gem § 382 Z 7 EO kommt nur dann in Betracht, wenn der Anspruch des Antragsgegners gegen den Dritten gefährdet werden könnte (5 Ob 513/80 = EvBl 1980/104 = EF 36.919). Bei Sparbüchern kommt ein Drittverbot nicht in Frage (LGZ Wien EF 88.354), wohl aber bei einer Geldforderung auf Auszahlung des Meistbotrests gem § 217 Abs 2 EO (3 Ob 101/ 06h EF 115.387). Bei Sparbüchern und Wertpapieren kann deren Abnahme und Hinterlegung bei Gericht verfügt werden (LGZ Wien EF 73.245; Gitschthaler, Aufteilung Rz 567). Stets müssen diese Sachen aber eindeutig individualisiert werden, eine Totalsperre aller bei einem Geldinstitut vermuteten Konten, kommt daher nicht in Betracht (LGZ Wien EF 58.033). Bei Liegenschaften kommt als Sicherungsmaßnahme vor allem ein Belastungs- und Veräußerungsverbot gem § 382 Z 6 EO in Betracht (1 Ob 562/84 = EF 46.887; 4 Ob 18/99x = EvBl 1999/171 = EF 91.269; LG St. Pölten EF 112.451). Bei Erlassung eines solchen Verbots hat das Gericht auch die entsprechenden Grundbuchseintragungen zu verfügen (LG Salzburg EF 106.182). Das Veräußerungsverbot bewirkt, dass weitere grundbücherliche Eintragungen erst dann wirksam werden, wenn die EV aufgehoben wird. Wird das Rechtsverhältnis an der betreffenden Liegenschaft dem Antragsteller hingegen zuerkannt, so sind diese dem Verbot entgegenwirkenden Eintragungen zu löschen (5 Ob 193/98p; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 23). Voraussetzung der Verfügung eines Veräußerungs- und Belastungsverbots ist allerdings, dass der Antragsgegner noch grundbücherlich berechtigt ist (3 Ob 185/03g = EF 106.183). Die Übertragung der Mietrechte an der gesicherten Liegenschaft kommt nicht in Betracht (1 Ob 368/98v = EvBl 1999/136 = JBl 1999, 728). 21 Die bloße Inventarisierung der in der Wohnung vorhandenen Fahrnisse stellt kein geeignetes Mittel dar, die Verfügung über die Aufteilungsgegenstände zu verhindern (OLG Wien EF 49.591; LG St. Pölten EF 112.452). Desgleichen stellt eine „Treuhandvereinbarung“ keine geeignete Sicherungsmaßnahme 1072
Einstweilige Verfügung – Aufteilung
§ 382 Abs 1 Z 8 lit c EO
dar, wonach ein Dritter einen Geldbetrag verwahren soll (LGZ Wien EF 85.480; Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 23). Auch die Inventarisierung des Safeinhalts, in dem sich Dokumente über das eheliche Gebrauchsvermögen befinden sollen, kann nicht mit dieser EV gesichert werden, weil diese Maßnahme primär informativen Charakter über die Vermögenslage hat, die Verbringung oder Veräußerung des Vermögens aber nicht verhindern kann (3 Ob 170/09k = Zak 2010/42).
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Kapitel 6 Lebensgemeinschaft
E. Gitschthaler et al. (eds.), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht © Springer-Verlag/Wien 2011
LebG
Lebensgemeinschaft
Lit: Aichhorn, Vermögensaufteilung und Erbrecht bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft, in Gruber/Kalss/Müller/Schauer (Hrsg), Handbuch Erbrecht und Vermögensnachfolge (2010) § 38 (1160); Arnold, Unvereinbarkeitsbestimmung für Mitglieder des Stiftungsvorstands erweitert, GesRZ 2009, 287; Beclin, Sind nicht verheiratete Eltern einander zu Unterhalt verpflichtet? EF-Z 2007/3; Deixler-Hübner, Die nichteheliche Partnerschaft, in Gaisbauer/ Beck-Gernsheim (Hrsg), Lebenspartnerschaft (2003) 33; dies, Probleme der Leistungsabgeltung im Zusammenhang mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 201; Eigner, Interzedentenschutz unter besonderer Berücksichtigung der Ehegattenhaftung (2004); Engel, Rechtliche Probleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, JRP 1994, 160, 202; Fischer-Czermak, Ehe oder Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare? NZ 2008/ 28; dies, Beistandspflichten und Vertretung in Obsorgeangelegenheiten nach dem FamRÄG 2009, EF-Z 2010/2; Gimpel-Hinteregger, Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992) 633; Hora, Die Lebensgemeinschaft im Miet- und Wohnrecht, NetV 2006, 155; Iro, Weiterhin kein Eintrittsrecht homosexueller Lebensgefährten, RdW 1997, 187; Klaar, Rechtsfragen nichtehelicher Lebensgemeinschaft, AnwBl Sonderheft 1989, 18; Meissel, Unterhaltsansprüche aus Lebensgemeinschaft? Nichteheliche Lebensgemeinschaften und Unterhalt, EF-Z 2007/126, EF-Z 2008/4; Meissel/Preslmayr, Die Abgeltung von Leistungen in der Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992) 515; Memmer, Eheähnliche Gemeinschaften und Reproduktionsmedizin, JBl 1993, 300; Möschl, Der Ausgleich von Leistungen nach Auflösung der Lebensgemeinschaft, in Deixler-Hübner (Hrsg), Die rechtliche Stellung der Frau (1998) 97; Pittl/Sander, Zum Eintrittsrecht des homosexuellen Lebensgefährten in den Mietvertrag. Judikaturwende durch die Entscheidung des OGH 5 Ob 70/06i vom 16.5.2006, wobl 2007, 33; Rainer, Änderungen der Rechtsprechung des OGH zum Lebensgefährten, immolex 2006, 225; Resch, Rechtsfragen der Ausgleichszulage, RdA 2000, 370; Rummel, Wegfall des Rechtsgrundes und Zweckverfehlung als Gründe der Kondiktion nach § 1435 ABGB, JBl 1978; 449; ders, Schenkungen unter Ehegatten und Scheidung, JBl 1976, 626; Schoditsch, Zum Eintrittsrecht des (homosexuellen) Lebensgefährten gem § 14 Abs 3 MRG, ÖJZ 2007/30; ders, Schädigermehrheit und gesetzliches Haftungsprivileg, JBl 2004, 557; Schweighofer, Kein Eintrittsrecht für Homosexuelle, wobl 1998, 262; Stabentheiner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – ein Überblick, NZ 1995, 49; Stefula, Der gemeinsame Hausbau bei der Auflösung von Ehe und Lebensgemeinschaft, JAP 2001/ 2002, 138, 203; ders, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005, 609; Unger, Rechtliche Unterschiede bei Aufnahme von Krediten durch Ehegatten und Lebensgefährten, ÖBA 2004, 680; Verschraegen, „Samenleven Buiten Huwelijk“, „Cohabitation“ oder die „nichteheliche Lebensgemeinschaft“ in niederländischer, englischer und österreichischer Theorie und Praxis, ZfRV 1983, 85. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lebensgemeinschaft als soziales Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die rechtliche Anerkennung der Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . 3. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsfolgen einer aufrechten Lebensgemeinschaft im Innenverhältnis 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wechselseitige Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gemeinsames Wohnen und Beistandspflicht . . . . . . . . . . . . . . .
1077
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
1–22 1–4 5–9 10–22 1–39 1 2–15 5–8 9–13
LebG
Linder
c) Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinsame Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Namensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Obsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beistandspflicht gegenüber dem Stiefkind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtsfolgen einer aufrechten Lebensgemeinschaft im Außenverhältnis . 1. Unterhaltsansprüche eines Lebensgefährten gegen den geschiedenen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadenersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Recht der Interzessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Versicherungsvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Stiftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Sozial(versicherungs)recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Fortpflanzungsmedizingesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Rechtsfolgen der Beendigung der Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schenkungen zwischen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schenkungswiderruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irrtumsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lebensgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustandekommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ba) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bc) Gemeinschaftlicher Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bd) Gemeinschaftsorganisation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . be) Einzelfälle – Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen während aufrechter Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . e) Auflösung der GesbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ea) Ausscheiden eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eb) Auflösung der GesbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ec) Rechtsfolgen des Ausscheidens eines Gesellschafters . . . . . . . . . ed) Rechtsfolgen der Auflösung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 4. Bereicherungsansprüche zwischen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Grundtatbestand der condictio causa data causa non secuta . . . . ba) Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wegfall des angestrebten Leistungszweckes . . . . . . . . . . . . . . .
1078
. . . . . . .
14–15 16–39 18 19–29 30–38 39 1–36
. 2–6 . 7–10 . 11–12 . 13–14 . 15 . 16 . 17–18 . 19–20 . 21–24 . 25–26 . 27–28 . 29–33 . 34 . 35 . 36 . 1–123 . 1–2 . 3–14 . 4–11 . 12–14 . 15–83 . 15–17 . 18–34 . 18 . 19–21 . 22–26 . 27–29 . 30–34 . 35–40 . 41–45 . 46–83 . 47–51 . 52–63 . 64–68 . 69–83 . 84–123 . 84–85 . 86–94 . 86 . 87–89
LebG – Allgem
Lebensgemeinschaft – Allgemeines
bc) Erkennbarkeit des Leistungszweckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bd) Keine treuwidrige Zweckvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . be) Verhältnis zum Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Judikaturlinie zur Kondiktion von Leistungen nach Beendigung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zur Frage der Unentgeltlichkeit von Leistungen während der nichtehelichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . da) Abgrenzung von Schenkung und datio ob rem . . . . . . . . . . . . . . db) Schenkung und Schenkungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dc) Auslegungsregeln und Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kritik an der pauschalen Vermutung der Unentgeltlichkeit . . . . . e) Leistungszweck und Kondizierbarkeit von Leistungen . . . . . . . . . . . ea) Zur Bestimmung der Leistungszwecke bei Lebensgemeinschaften eb) Laufende Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ec) Außergewöhnliche Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Arbeitsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fb) Ansprüche aus Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fc) Kondiktion zweckverfehlender Arbeitsleistungen . . . . . . . . . . . . g) Die Höhe des Bereicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Lebensgemeinschaftsrechtliche Verfahrensbestimmungen . . . . . . . . . . . .
90 91–92 93–94 95–96 97–103 97 98 99–100 101–103 104–110 104–105 106–107 108–110 111–117 111–112 113 114–117 118–121 122–123 1–6
A. Allgemeines 1. Die Lebensgemeinschaft als soziales Phänomen
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft (im Folgenden nur „Lebensgemein- 1 schaft“) ist rechtlich nicht umfassend geregelt. Im Gegensatz zum Rechtsinstitut der Ehe, die ein familienrechtliches Band zwischen den Ehegatten und damit umfassende wechselseitige Rechte und Pflichte begründet, führt das Eingehen einer Lebensgemeinschaft nicht zu einer umfassenden Rechtsbeziehung. Lange Zeit erfuhr die Lebensgemeinschaft nur vereinzelt rechtliche Anerkennung. Die Bedeutung der Lebensgemeinschaft als gesellschaftliches Phänomen ist indessen stetig gewachsen (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 234). In der Zwischenzeit hat die Lebensgemeinschaft große gesellschaftliche Be- 2 deutung erlangt. Statistischen Erhebungen zufolge gab es im Jahr 2009 in Österreich 183.000 Lebensgemeinschaften ohne Kind/er und weitere 145.000 Lebensgemeinschaften mit Kind/ern (im Vergleich dazu: 734.000 Ehepaare ohne Kind/er und 980.000 Ehepaare mit Kind/ern; Statistik Austria, Mikrozensus Privathaushalte und Familien 1984 bis 2009, Stand 31.3.2010). Die Motive, in einer Lebensgemeinschaft zu leben, ohne eine Ehe einzugehen, 3 sind vielfältig (Stabentheiner, NZ 1995, 49; Meissel, EF-Z 2007, 209). Manche 1079
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Paare wählen diese Form des Zusammenlebens, um ihre Beziehung im Hinblick auf eine beabsichtigte Eheschließung (mit oder ohne Verlobung) zu erproben; in vielen Fällen wird die Eheschließung aus verschiedensten Fällen einfach nicht gewollt (zB aus ideologischen Motiven oder um die Rechtsfolgen einer allfälligen Ehescheidung, wie Vermögensaufteilung oder Unterhaltspflichten abzuwenden). Ferner sind Fälle zu nennen, in denen eine Eheschließung rechtlich unmöglich ist, etwa ein Partner mit einem Dritten verheiratet ist. In manchen Fällen betraf dies bisher gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften – für diese Personen steht seit 1.1.2010 die eingetragene Partnerschaft nach dem EPG zur Verfügung (s dazu die Kommentierung des EPG). 4 Die Vielfalt der Erscheinungsformen der Lebensgemeinschaft bedingt, dass es keine allgemeine gesetzliche Definition der Lebensgemeinschaft gibt; sie erschwert auch eine rechtliche Angleichung der Lebensgemeinschaft an die Ehe. In vielen Fällen wollen die Lebensgefährten die wechselseitigen Rechte und Pflichten einer Ehe gerade nicht begründen; dies sollte bei Bestrebungen zur Angleichung der Lebensgemeinschaft an die Ehe (sei es de lege lata oder de lege ferenda), vor allem was die Rechtsfolgen im Innenverhältnis betrifft, entsprechend berücksichtigt werden (Stabentheiner, NZ 1995, 60 f). 2. Die rechtliche Anerkennung der Lebensgemeinschaft
5 Mit zunehmender Bedeutung der Lebensgemeinschaft ging das Bedürfnis einher, die Lebensgemeinschaft in einzelnen Rechtsbereichen der Ehe anzugleichen. Die Judikatur stellt die Lebensgemeinschaft bereits seit einiger Zeit in manchen Bereichen der Ehe gleich, etwa im Versicherungsvertragsrecht (s unten LebG – Rechtsfolgen/Außen Rz 16). 6 Auch der Gesetzgeber konnte die Augen vor der gesellschaftlichen Realität nicht verschließen und anerkannte die Lebensgemeinschaft in einzelnen Rechtsbereichen (vgl die geschichtliche Rückblende bei Stabentheiner, NZ 1995, 49). Dabei handelt es sich stets um einzelne, punktuelle Regelungen, bei denen ein spezifisches Bedürfnis besteht, die Lebensgemeinschaft der Ehe gleich zu behandeln. Gleichwohl hat die Zahl dieser Einzelbestimmungen mit den Jahren zugenommen. Zuletzt hat es sich der Gesetzgeber mit dem FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) explizit zum Ziel gesetzt, das Familienrecht vor diesem Hintergrund zu modernisieren, die Lebensgemeinschaft in weiteren Bereichen der Ehe gleichzustellen und damit einhergehend auch spezifische Regelungen für „Patchwork-Familien“ zu normieren (s dazu auch LebG – Rechtsfolgen/Innen Rz 39). 7 Das Bedürfnis nach Angleichung von Ehe und Lebensgemeinschaft besteht in vielen Fällen dann, wenn eine Verschiedenbehandlung nicht mehr zeitgemäß und unsachlich erscheint (zB Aussageverweigerungsrecht gem § 321 1080
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Abs 1 Z 1 ZPO). Hier spielen ganz klar veränderte gesellschaftliche Wertvorstellungen eine zentrale Rolle. Dabei geht es einerseits um die Gewährung rechtlicher Privilegien (zB Aussageverweigerungsrechte, freie Werknutzung an Lichtbildwerken nach dem Tod gem §§ 55, 75 UrhG), andererseits auch um die Gleichstellung in für die Lebensgefährten potenziell nachteiliger Hinsicht (zB bei der Gläubigeranfechtung oder beim Ausschluss vom Stiftungsvorstand gem § 15 Abs 3 PSG). In wieder anderen Fällen ist die Gleichstellung im Wesentlichen wertfrei, etwa beim Ausschlussgrund von Richtern gem § 20 Abs 1 Z 2 JN. Die Gleichstellung von Ehe und Lebensgemeinschaft ist daher keineswegs stets im Sinn „positiver Gleichstellung“ (Gewährung rechtlicher Privilegien) besetzt; es geht vielmehr um die rechtliche Anerkennung von Lebensgemeinschaften zur Vermeidung potenziell gleichheitswidriger Resultate. In anderen Bereichen hat sich der Gesetzgeber noch nicht zu einer Gleichstel- 8 lung durchgerungen. Beispielsweise sei das Eintrittsrecht gem § 12 MRG genannt (dazu LebG – Rechtsfolgen/Außen Rz 14). Die Entwicklung ist daher keineswegs abgeschlossen. Die einzelnen auf die Lebensgemeinschaft bezogenen Bestimmungen haben 9 sich nicht derart verdichtet, dass von einer umfassenden Regelung der Lebensgemeinschaft gesprochen werden kann. Überhaupt betreffen sie überwiegend die Rechtsfolgen einer aufrechten Lebensgemeinschaft im Außenverhältnis, nicht jedoch im Innenverhältnis zwischen den Lebensgefährten. Die Statuierung solcher Rechte und Pflichten würde konsequent weitergedacht dazu führen, dass Rechtsfolgen vergleichbar einer Ehe ohne den Formalakt der Eheschließung eintreten würden. Es ist daher grundsätzlich auch nicht erstrebenswert, die Lebensgemeinschaft generell einer umfassenden Regelung im Innenverhältnis zuzuführen (Stabentheiner, NZ 1995, 60 f; vgl ferner Meissel/ Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 518). 3. Begriff
Eine allgemeine gesetzliche Definition der Lebensgemeinschaft (etwa im 10 ABGB) besteht nicht. Der Gesetzgeber hat den Begriff vereinzelt näher präzisiert bzw bestimmte Anforderungen an die Lebensgemeinschaft für das Eingreifen bestimmter Rechtsfolgen normiert (zB in § 14 Abs 3 MRG); diese Regelungen sind allerdings nur auf den spezifischen normativen Zusammenhang zugeschnitten und idR nicht verallgemeinerungsfähig. Die Rsp hat generelle Kriterien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft in 11 rechtlicher Sicht herausgearbeitet. Typischerweise besteht eine Lebensgemeinschaft aus einer Geschlechtsgemeinschaft, Wohnungsgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft (7 Ob 225/63; 3 Ob 61/88 = EF 57.268; RIS-Justiz 1081
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RS0047000; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 235). Dabei müssen nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein; im Sinn eines beweglichen Systems ist nach den Umständen des Einzelfalls eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Der Wegfall eines Kriteriums kann durch das Vorliegen der anderen oder die Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein und muss der Annahme einer Lebensgemeinschaft nicht entgegenstehen. 12 Das Erfordernis einer Geschlechtsgemeinschaft kann etwa bei älteren Personen (so schon 3 Ob 670/51; RIS-Justiz RS0047017) oder angesichts des Gesundheitszustands eines Partners (5 Ob 70/06i = wobl 2007/13) verzichtbar sein. Auch die freiwillige Enthaltung schließt noch nicht zwingend das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft aus (Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 203). Eine Geschlechtsgemeinschaft ist auch bei getrennten Schlafzimmern möglich (5 Ob 633/77 = EF 29.653). Eine Lebensgemeinschaft setzt grundsätzlich voraus, dass die Geschlechtsgemeinschaft mit nur einem Partner besteht. Obgleich ein Treuebruch nicht sanktionsfähig ist, erfordert eine Lebensgemeinschaft im rechtlichen Sinn eine den Grundsätzen der Monogamie entsprechende Ausgestaltung; polygame Lebensgemeinschaften sind nicht anerkennungsfähig (15 Os 170/97 = ARD 4948/24/98; Memmer, JBl 1993, 300; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 14). 13 Wohngemeinschaft liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Lebensgefährten tatsächlich in einer Wohnung leben, die ihr gemeinsamer Lebensmittelpunkt ist (7 Ob 44/88 = EvBl 1989/59; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 14). Die Wohngemeinschaft kann dahingehend gelockert sein, dass die Lebensgefährten nicht jeden Tag gemeinsam übernachten, zumal auch eine Ehe einvernehmlich so gestaltet sein kann, dass ein Partner zeitweilig eine andere Wohnung bewohnt (1 Ob 640/88 = EF 57.270 [3–5 gemeinsame Übernachtungen je Woche; allerdings waren die Partner beide bei einer Fluglinie angestellt]). Mindestkriterien für die Annahme einer Wohngemeinschaft sind allgemein nur schwer festzumachen. Eine Lebensgemeinschaft wurde beispielsweise angenommen, wenn die Partner intime Beziehungen unterhalten, der Mann drei bis fünf Tage wöchentlich bei der Frau nächtigt, zu der Wohnung einen Schlüssel besitzt und dort Bekleidung verwahrt und die Partner gemeinsam Urlaube verbringen (1 Ob 640/88 = EF 57.270). Eine Wohngemeinschaft wurde hingegen verneint bei bloßer Geschlechtsgemeinschaft, gemeinsamen Wochenendausflügen und zeitweiligem, wenn auch häufigem Aufenthalt des Mannes in der Wohnung der Frau (7 Ob 592/81 = EF 38.826; 3 Ob 57/81 = EF 38.827; 5 Ob 2104/96i = EF 81.680; KG Krems = EF 63.514). 14 In einer neueren Entscheidung hat der OGH zu Recht selbst bei Fehlen einer Wohngemeinschaft eine Lebensgemeinschaft angenommen, wenn die sonstigen Indizien für eine Lebensgemeinschaft sprechen (3 Ob 186/09p = EF-Z 2010/ 78 [Gitschthaler]: insb das seelische Zusammengehörigkeitsgefühl, Rz 17). Dies 1082
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kann mit veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (Fernbeziehungen, gestiegene Mobilität, Berufsausübung im Ausland) gerechtfertigt werden; mit dem OGH auch damit, dass ein Partner in einer Lebensgemeinschaft als einer rechtlich nicht gesicherten Beziehung sich nicht leicht entschließen wird, eine ihm zur Verfügung stehende Wohngelegenheit aufzugeben (1 Ob 640/88 = EF 57.270). Unter Wirtschaftsgemeinschaft versteht die Rsp, dass die beiden Partner 15 einander im Kampf gegen alle Nöte des Lebens beistehen und an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Gütern teilnehmen lassen (3 Ob 186/09p = EF-Z 2010/78; RISJustiz RS0047035, RS0021733; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 13). Die Lebensgefährten müssen die Lebenserhaltungskosten weitgehend gemeinsam tragen oder einer für den Lebensunterhalt des anderen aufkommen (2 Ob 258/97y = EF 85.516). Auch die Wirtschaftsgemeinschaft ist kein unverzichtbares Kriterium für die Annahme einer Lebensgemeinschaft, genügt andererseits allein auch noch nicht (1 Ob 188/72 = Miet 24.609; 1 Ob 62/73; RIS-Justiz RS00471430). Die Lebensgemeinschaft muss zudem auf bestimmte Dauer eingerichtet sein, 16 wobei dies nach der Rsp nicht nach Monaten oder Jahren zu konkretisieren oder bemessen ist (2 Ob 314/98k). Es kommt darauf an, ob die Lebensgefährten eine bestimmte Dauer beabsichtigen und sich dies auch an äußeren Umständen nachvollziehen lässt. Auf die tatsächliche Dauer der Lebensgemeinschaft kommt es nicht an (Stabentheiner, NZ 1995, 51). Eine Lebensgemeinschaft liegt umgekehrt im Zweifel nicht vor bei bloß auf kurze Zeitdauer angelegten „Affären“ oder Kurzzeitbeziehungen. Dies schließt nicht aus, dass sich solche Beziehungen zu Lebensgemeinschaften hin entwickeln können, sofern ab einem bestimmten Zeitpunkt das Element der Dauerhaftigkeit hinzutritt. Nach den Umständen des Einzelfalls kann auch nach kurzer Zeitdauer von einer Lebensgemeinschaft auszugehen sein, zB bei einem gemeinsamen Kind (Möschl, Lebensgemeinschaft 17; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 11). In solchen Fällen wird oft auch die nach außen erkennbare Absicht, die Gemeinschaft auf bestimmte Dauer einzugehen, zu bejahen sein. Als weiteres zentrales Kriterium sieht die Rsp zu Recht an, dass es sich bei der 17 Lebensgemeinschaft um eine aus einer seelischen Gemeinschaft und dem Zusammengehörigkeitsgefühl heraus entstandene Bindung handelt (zB 14 Ob 101/86 = RZ 1991/45; RIS-Justiz RS0047064). Die inneren Einstellungen der Partner lassen sich freilich im Allgemeinen nur aus äußeren Anzeichen erschließen (14 Ob 101/86 = RZ 1991/45; 2 Ob 314/98k ua). Als solches Indiz ist jedenfalls anzusehen, dass die Partner ihre Lebensführung aufeinander abgestimmt haben und die Beziehung insgesamt als Ausdruck eines gemeinsamen Lebensplans zu werten ist (1 Ob 640/88 = EF 57.270). 1083
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18 Die Rsp stellt bisweilen darauf ab, dass die Lebensgemeinschaft ein „eheähnlicher Zustand“ sei, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspreche (zB 3 Ob 209/99b = RZ 2001/5). Es müssen persönliche Bindungen zwischen den Beteiligten verwirklicht werden, die denen in einer eheähnlichen Gemeinschaft gleichkommen (LGZ Wien Miet 38.308; 5 Ob 70/ 06i = wobl 2007/13). Dies ist etwa bei Zusammenleben von Mutter und Sohn zu verneinen (10 ObS 121/07b = EF-Z 2008/38; 8 Ob 648/93 = Miet 46.255; 4 Ob 1568/95 = Miet 47.235; RIS-Justiz RS0069765). Nicht ausreichend ist ein rein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Beteiligten, das von gemeinsamen Interessen getragen und im Wesentlichen auf die Pflege, Versorgung und Unterstützung des fast 50 Jahre älteren Mitbewohners ausgerichtet ist (5 Ob 70/06i = wobl 2007/13). 19 Abzulehnen ist das vereinzelt erwähnte Kriterium der Rsp, dass die Lebensgemeinschaft auch „in gewissem Umfang das Fehlen eines Ehepartners“ kennzeichnet (8 Ob 127/02p = SZ 2002/110). Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen ein Ehegatte eine Lebensgemeinschaft mit einem Dritten eingeht, ohne jetzt oder in Zukunft die Scheidung der Ehe anzustreben (so auch 7 Ob 595/ 83 = EF 43.579; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 12; Vonkilch/Hausmann/ Vonkilch § 14 MRG Rz 13). 20 Nach einer rechtskräftigen Ehescheidung geht die Judikatur wohl zu Recht davon aus, dass im Zweifel durch die Aufrechterhaltung gemeinsamer Lebensbereiche zwischen den geschiedenen Ehegatten – etwa weil die Partner die Wohngemeinschaft wegen ihrer gemeinsamen Kinder fortsetzen – keine Lebensgemeinschaft zustande kommt oder fortbesteht (14 Ob 101/86 = RdA 1987, 143). Hier wird es oft am Zusammengehörigkeitsgefühl als Ausdruck einer seelischen Gemeinschaft mangeln. In bestimmten Einzelfällen ist es hingegen denkbar, dass sich die geschiedenen Ehegatten wieder versöhnen und eine Lebensgemeinschaft eingehen, ohne nochmals zu heiraten. Der OGH verlangt dafür „deutliche Hinweise“ (14 Ob 101/86 = RdA 1987, 143). 21 Eine Lebensgemeinschaft ist grundsätzlich auch zwischen Personen des gleichen Geschlechts möglich. Die Judikatur des OGH zu § 14 MRG (6 Ob 2325/ 96x = wobl 1997/39; Schweighofer, wobl 1998, 262), dass eine Lebensgemeinschaft im rechtlichen Sinn nur zwischen verschiedengeschlechtlichen Partnern möglich sei, qualifizierte der EGMR zu Recht als Verletzung von Art 14, Art 8 MRK (EGMR ÖJZ 2004/2, Karner gegen Österreich). Demgemäß hat der OGH das Eintrittsrecht gem § 14 Abs 3 MRG für gleichgeschlechtliche Lebensgefährten nunmehr bejaht (5 Ob 70/06i = wobl 2007/13). Mittlerweile hat der Gesetzgeber mit dem EPG eine Form des Zusammenlebens gleichgeschlechtlicher Partner vorgesehen (s dazu die Kommentierung des EPG). Fraglich ist, ob der Gesetzgeber damit mittelbar auch die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft anerkannt hat. Aus der gesetzlichen Wertung des EPG, eine 1084
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Lebensgemeinschaft – Innenverhältnis
Gleichstellung von Ehegatten und eingetragenen Partnern in zentralen Bereichen wie etwa Unterhalt oder der Vermögensaufteilung vorzusehen, könnte abgeleitet werden, dass in vielen normativen Zusammenhängen auch die homosexuelle der heterosexuellen Lebensgemeinschaft gleichzustellen sein wird (differenzierend Deixler-Hübner, Scheidung Rz 235a). Insb im Außenverhältnis wird dies mE im Zweifel zu vermuten sein. Eine Gleichstellung wird de lege lata weiterhin dann ausscheiden, wenn sich aus dem Gesetz explizit eine entsprechende Einschränkung ergibt, zB bei der Adoption gem § 179 Abs 2 ABGB (9 Ob 62/06t = EF-Z 2007/15) oder der Vereinbarung der gemeinsamen Obsorge gem § 167 ABGB (arg „Eltern“; LGZ Wien EF-Z 2007/14). Wird eine Lebensgemeinschaft nach den äußeren Umständen vermutet, trifft 22 die Lebensgefährten eine Offenlegungspflicht hinsichtlich ihrer inneren Einstellungen und einer über eine intime Beziehung hinausgehenden Bindung, weil die idR nicht feststellbaren inneren Einstellungen der Partner nur schwer nachweisbar sind (3 Ob 61/88 = EF 57.268; 7 Ob 289/03 f = SZ 2004/4; RISJustiz RS0047081). Dies bedeutet, dass die Lebensgemeinschaft vermutet wird, wenn die äußeren Umstände für das Vorliegen der Lebensgemeinschaft sprechen, und die Partner jene Umstände zu beweisen haben, die dem entgegenstehen. Es handelt sich um eine Beweislastumkehr (2 Ob 314/98k).
B. Rechtsfolgen einer aufrechten Lebensgemeinschaft im Innenverhältnis 1. Allgemeines
Das Eingehen einer Lebensgemeinschaft zieht bestimmte Rechtsfolgen nach 1 sich. Dabei können im Wesentlichen zwei Fragenkreise unterschieden werden: (i) Welche Rechtsfolgen treten im Innenverhältnis zwischen den Lebensgefährten ein? Hierunter fällt ganz allgemein die Frage, ob überhaupt rechtliche Beziehungen zwischen den Lebensgefährten bestehen (zB Unterhaltspflicht). Es stellt sich aber etwa auch die Frage nach der Bedeutung von gemeinsamen Kindern aus der Lebensgemeinschaft. (ii) Welche Rechtsfolgen zieht eine Lebensgemeinschaft im Außenverhältnis nach sich? Es geht darum, welche Anknüpfungspunkte an eine Lebensgemeinschaft die Rechtsordnung in verschiedenen Zusammenhängen vorsieht (zB Strafrecht, Verfahrensrecht etc) und damit verbunden Rechtsvorteile gewährt oder -nachteile normiert. 2. Wechselseitige Rechte und Pflichten
Die Lebensgefährten verbindet, im Gegensatz zu Ehegatten, kein umfassendes 2 familienrechtliches Band; die Lebensgemeinschaft vermag keine eheähnlichen 1085
LebG – Rechtsfolgen/Innen
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Rechtsfolgen im Innenverhältnis auszulösen (1 Ob 188/72 = Miet 24.609; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 44 ABGB Rz 6). Dies zeigt sich auch darin, dass die Lebensgemeinschaft eine jederzeit lösbare Verbindung ist. Es ist kein Partner zur Fortsetzung der Lebensgemeinschaft verpflichtet (3 Ob 259/54 = SZ 27/156; 3 Ob 560/79 = EF 36.270). 3 Die eherechtlichen Vorschriften sind nicht analog auf die Lebensgemeinschaft anzuwenden (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 234; Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 518). Auch im Weg einer Vereinbarung (sog Partnerschaftsvertrag) zwischen den Lebensgefährten können die eherechtlichen Bestimmungen nicht für anwendbar erklärt werden (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 234). Der OGH hat explizit die analoge Anwendung der Aufteilungsregelungen von §§ 81 ff EheG auf Lebensgemeinschaften abgelehnt (7 Ob 584/83 = EvBl 1984/12; 9 Ob 96/98b = EF 88.760). Auch die Bestimmungen über das Verlöbnis sind nicht analog anzuwenden (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 234; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 22; Stabentheiner/Rummel § 42 ABGB Rz 10). Punktuelle Analogien zum Eherecht sollten nicht von vornherein ausgeschlossen werden, doch ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Wertung spezifisch im Eheverhältnis wurzelt oder auf einem allgemeineren Grundgedanken beruht, der auf Lebensgemeinschaften übertragbar erscheint (Meissel, EF-Z 2008, 210 f). 4 Dies bedeutet nicht, dass eine Lebensgemeinschaft im Innenverhältnis überhaupt keine Rechtsfolgen nach sich zieht. Diese müssen allerdings besonders gesetzlich normiert sein oder auf allgemeine Rechtsgrundlagen gestützt werden; etwa können bei der Auflösung einer Lebensgemeinschaft vermögensrechtliche Folgen im Weg einer Schenkungsanfechtung, nach Bereicherungsrecht oder den Grundsätzen der GesbR eingreifen. a) Unterhalt
5 Unter Lebensgefährten besteht keine gesetzliche Unterhaltspflicht (DeixlerHübner, Scheidung Rz 240; Kissich/Klang3 § 44 ABGB Rz 11; Meissel, EF-Z 2008, 12; Stabentheiner, NZ 1995, 59). Die grundsätzlich auch zwischen Lebensgefährten anwendbare Bestimmung des § 168 ABGB, wonach der Vater des Kindes der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kosten des Unterhalts für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und weitere Auslagen, die durch die Entbindung notwendig werden, zu ersetzen hat, hat wegen des Eingreifens sozialrechtlicher Vorschriften praktisch wenig Bedeutung (Meissel, EF-Z 2008, 14). 6 Nach einer vereinzelten Ansicht könnte eine Unterhaltspflicht gegenüber dem anderen Lebensgefährten dann bestehen, wenn ein Lebensgefährte das gemeinsame Kind zu Hause betreut und dafür zeitweise die Berufstätigkeit 1086
LebG – Rechtsfolgen/Innen
Lebensgemeinschaft – Innenverhältnis
aufgibt. Begründet wird dies als Regress für den Verdienstentgang gem § 1042 iVm § 140 ABGB, wenn ein Lebensgefährte im Rahmen seiner Unterhaltsleistungen einen Beitrag erbringt, der seinen Anteil gem § 140 ABGB im Verhältnis zum anderen Elternteil übersteigt (Beclin, EF-Z 2007/3). Ein Ersatz des Verdienstentgangs nach § 1042 ABGB kommt allerdings wohl nur dann in Betracht, wenn er als Aufwand zu qualifizieren wäre, den der andere Partner zu tragen hätte. Der Ansatz würde somit eine gesetzliche Wertung voraussetzen, in welcher Weise die Kleinkinderbetreuung vorzunehmen ist (Meissel, EF-Z 2008, 17). Ferner wird ein befristeter Versorgungsanspruch erwogen, wenn das Ver- 7 trauen eines Lebensgefährten auf eine einvernehmlich getroffene Aufgabenverteilung (Aufgabe der eigenen Erwerbstätigkeit für die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder; [faktische] Leistung von Unterhalt durch den Lebensgefährten) enttäuscht wird (Meissel, EF-Z 2008, 15 ff). Es handelt sich um einen Ersatz des Vertrauensschadens. Der Schaden könnte etwa darin liegen, dass ein Partner auf eigenen Erwerb zugunsten der Betreuung gemeinsamer Kinder verzichtet hat (Meissel, EF-Z 2008, 18). Für den Ansatz könnte sprechen, dass das Vertrauen in einen erwarteten Erfolg in ähnlich gelagerten Konstellationen rechtlichen Schutz erfährt und bei Nichteintritt des Erfolgs die condictio causa data causa non secuta gewährt wird (Rummel, JBl 1978, 454 f; Rummel, JBl 1976, 626; 4 Ob 29/70 = JBl 1973, 320; 7 Ob 508/88 = JBl 1988, 320). Dieser Rechtsbehelf setzt allerdings an einer Bereicherung an, während für die Begründung eines Schadenersatzanspruchs eine spezifisch haftpflichtrechtliche Wertung erforderlich wäre. Gegen den Ansatz spricht mE, dass sich Lebensgefährten nicht wie Ehegatten zu einer umfassenden Beistandspflicht bekannt haben und die Rechtsfolgen einer Ehe (und Ehescheidung) gerade nicht begründen wollten (dies einräumend Meissel, EF-Z 2008, 17). Sollte ein Lebensgefährte dem anderen Unterhalt zugesagt haben und/ oder tatsächlich leisten, ist nach allgemeinen Regeln zu prüfen, ob eine vertragliche Unterhaltszusage auch für den Zeitraum nach Auflösung der Lebensgemeinschaft vorliegt (Rz 8). Ist eine (konkludente) rechtsgeschäftliche Erklärung zu verneinen, sollte mangels Regelungslücke auch eine analoge Anwendung der culpa in contrahendo-Haftung wegen Verletzung eines bloß rechtsgeschäftsähnlichen Vertrauenstatbestands ausscheiden. Ein Lebensgefährte kann sich jedenfalls vertraglich zur Leistung von Unter- 8 halt an den anderen verpflichten (Stabentheiner, NZ 1995, 59). Ein Schenkungscharakter wird überwiegend zu verneinen sein, es ist daher kein Notariatsakt erforderlich (Meissel, EF-Z 2008, 13 f). Nach allgemeinen Regeln ist an eine konkludente Verpflichtung ein strenger Maßstab anzulegen (7 Ob 104/ 06d = EF 114.069 [keine die Erben bindende Unterhaltsverpflichtung bei Leistung von freiwilligen Zuwendungen in unterschiedlicher Höhe]). Die Unterhaltsvereinbarung kann sowohl während aufrechter Lebensgemeinschaft, als 1087
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auch für die Zeit nach Auflösung der Lebensgemeinschaft getroffen werden. Ist in der Vereinbarung die Unterhaltspflicht für den Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft nicht (ausdrücklich oder konkludent) geregelt, so bedeutet nach der Rsp die Beendigung der Lebensgemeinschaft den Wegfall einer typischen Geschäftsgrundlage (3 Ob 1101/90 = EF 66.361; RIS-Justiz RS0017761). Zutreffend müssen im Regelfall wohl besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Lebensgefährte auch für den Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft einen Unterhaltsbeitrag zusichern wolle. Dies gilt auch dann, wenn die Lebensgemeinschaft durch den Tod eines Partners endet (vgl 7 Ob 104/06d = EF 114.069). b) Gemeinsames Wohnen und Beistandspflicht
9 Die Lebensgemeinschaft begründet keine Pflicht zum gemeinsamen Wohnen. Da die Lebensgemeinschaft keine familienrechtlichen Beziehungen begründet, hat ein Lebensgefährte umgekehrt auch keinen Anspruch, bei dem anderen zu wohnen. Der Lebensgefährte, der dem anderen die Benützung der Wohnung oder des Hauses ermöglicht, kann daher grundsätzlich jederzeit die Räumung verlangen (1 Ob 62/73; 1 Ob 122/07h = EF-Z 2008/39 [Gitschthaler]; 2 Ob 202/08i = iFamZ 2009/85 [Deixler-Hübner]; aA 2 Ob 158/02b = wobl 2004/10 [krit Deixler-Hübner] bei Einräumung eines Rechts der Kinder auf Weiterbenützung der Wohnung). Dies gilt auch für den Hauptmieter einer Wohnung (1 Ob 122/07h = EF-Z 2008/39 [Gitschthaler]). Eine solche Gebrauchsüberlassung stellt sich als Wohnungsbittleihe iS des § 974 ABGB dar (LGZ Graz Miet 49.006). Wird dem Benützer allerdings von Anfang an eine Räumungsfrist eingeräumt, ist mangels freier Widerruflichkeit nicht von einem Prekarium, sondern einem Leihvertrag iS des § 971 ABGB auszugehen (1 Ob 121/04g = Miet 56.111 [dreimonatige Räumungsfrist]). 10 Die Rückstellung des Objekts kann mit Räumungsklage und -exekution durchgesetzt werden (7 Ob 616/90 = Miet 42.006; Binder/Schwimann § 974 ABGB Rz 48). Die Sechs-Monats-Frist von § 575 Abs 2 ZPO für die Beantragung der Exekution ist nicht anwendbar (LGZ Wien Miet 28.631; Frauenberger/Rechberger § 575 ZPO Rz 3). Räumungsaufschub kann nur unter den allgemeinen Voraussetzungen von § 42 EO, nicht jedoch nach §§ 34 f MRG begehrt werden (LGZ Graz Miet 35.401; 3 Ob 1031/88 = Miet 40.490). Die Räumung kann nicht eigenmächtig durchgesetzt werden (etwa durch Austauschen des Türschlosses), da die Voraussetzungen zulässiger Selbsthilfe idR nicht vorliegen werden (LGZ Wien EF 30.611 [Schlossaustausch in der gemeinsamen Ehewohnung nur bei Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Eigentum und unverzüglicher Beantragung einer Einstweiligen Verfügung]; LGZ Wien EF 35.154; Reischauer/Rummel § 19 ABGB Rz 19). Eine rechtswidrige Aussperrung berechtigt zu Schadenersatzansprüchen (4 Ob 607/30 1088
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Lebensgemeinschaft – Innenverhältnis
= SZ 13/7; Posch/Schwimann § 19 ABGB Rz 14) und kann den Tatbestand einer Besitzstörung erfüllen (LGZ Wien Miet 34.014; Kodek/Fasching § 454 ZPO Rz 31; Kodek, Besitzstörung 177 f; Klicka/Schwimann § 312 ABGB Rz 10). Räumung kann nicht verlangt werden, wenn der (ehemalige) Lebensgefährte 11 einen von der Lebensgemeinschaft unabhängigen Titel zur Benützung der Wohnung oder des Hauses besitzt, etwa der Lebensgefährte selbst Mieter ist, zwischen den Lebensgefährten ein Mietvertrag zustande kam oder eine GesbR begründet wurde (LebG – Beendigung Rz 42). Es ist es Sache des Benützers, konkrete Umstände darzutun, die die Annahme eines vertraglichen Benützungstitels rechtfertigen (LGZ Graz Miet 49.006; 3 Ob 71/01i = wobl 2003/ 36). Die Räumungsklage ist auch dann abzuweisen, wenn sie schikanös erhoben 12 wurde (6 Ob 655/77 = SZ 50/123; RIS-Justiz RS0010345). Dies ist dann der Fall, wenn sie zu dem Zweck erhoben wird, den anderen zu schädigen, und andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (4 Ob 58/93 = RdW 1994, 102). Das unlautere Motiv der Rechtsausübung muss das lautere Motiv eindeutig überwiegen (3 Ob 155/87 = SZ 60/281; Reischauer/Rummel § 1295 ABGB Rz 63). Nach einer Judikaturlinie kommt es auch darauf an, dass zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigen Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht (3 Ob 7/90 = SZ 63/49; RIS-Justiz RS0026271; krit Reischauer/Rummel § 1295 ABGB Rz 65). Als Schikane wurde das dolose Zusammenspiel der Miteigentümer beurteilt, um den (Ehe-)Partner um die Wohnung zu bringen (3 Ob 155/ 87 = SZ 60/281 [allerdings zu § 97 ABGB]). Schikanös ist ferner die Räumungsklage des Vaters gegen die Tochter, um der gelähmten Gattin die Pflege zu entziehen und sie damit indirekt zum Verlassen der Wohnung zu zwingen (5 Ob 272/67 = JBl 1969, 89). Diese Wertungen lassen sich auch auf Lebensgemeinschaften übertragen. Die Lebensgemeinschaft begründet keine Beistandspflicht (5 Ob 1508/96 = 13 EF 80.159; Stefula, ÖJZ 2005, 618; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 240). Die bisher strittige Frage, ob eine Beistandspflicht zwischen den (unverheirateten) Elternteilen eines Kindes besteht (dazu Stefula, ÖJZ 2005, 619 ff mwN) hat der Gesetzgeber mit dem FamRÄG 2009 entschieden; mit § 137 Abs 4 ABGB wurde bloß eine Beistandspflicht gegenüber dem Kind des anderen Lebensgefährten normiert (Rz 39). Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollte eine Beistandspflicht zwischen den Lebensgefährten nicht begründet werden (ErläutIA 673/A 24. GP 18).
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c) Erbrecht
14 Im Erbrecht ist die Lebensgemeinschaft nicht weiter berücksichtigt. Insbesondere besteht kein gesetzliches Erbrecht des überlebenden gegenüber dem verstorbenen Lebensgefährten; er hat auch keinen Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis gem § 758 ABGB. Der Lebensgefährte zählt auch nicht zu den Pflichtteilsberechtigten. Die Lebensgefährten können keinen Erbvertrag abschließen, da dieser nur Ehegatten offen steht (Bydlinski/Rummel § 1249 ABGB Rz 3). 15 Möchte ein Lebensgefährte den anderen letztwillig bedenken, stehen ihm daher nur die Möglichkeiten offen, die auch gegenüber sonstigen Dritten bestehen, zB Einsetzung als Erbe, Vermächtnis oder Schenkung auf den Todesfall. Bei der Erbeinsetzung sind nach allgemeinen Regeln die Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen. Seit der Aufhebung des ErbStG durch den VfGH (G 54/06; G 23/07) trifft die Lebensgefährten nicht mehr der Nachteil, dass Erbschaftsteuer in der höchsten Steuerklasse anfällt (vgl zur bisherigen Rechtslage Deixler-Hübner, Scheidung Rz 241b). Die sonstigen erbrechtlichen Fragen richten sich nach allgemeinem Erbrecht.
3. Gemeinsame Kinder
16 Spezifische Fragen treten im Verhältnis zu Kindern auf, die die Lebensgefährten gemeinsam gezeugt haben oder die ein Partner in die Lebensgemeinschaft mitgebracht hat. 17 Hinsichtlich gemeinsamer Kinder der Lebensgefährten sind alle jene Rechtsfragen angesprochen, die das ABGB mit Blick auf uneheliche Kinder regelt (§§ 161 ff, 165 ff ABGB). Genau betrachtet sind dies keine spezifischen Fragen der Lebensgemeinschaft, weil die diesbezüglichen Rechtsfolgen an die gemeinsame Elternschaft anknüpfen und auch dann eingreifen, wenn die Eltern überhaupt nicht oder nicht mehr in einer Lebensgemeinschaft leben. Sofern dies jedoch der Fall ist, gelten jene Regelungen auch für Lebensgefährten und ihre gemeinsamen Kinder. a) Namensrecht
18 Gem § 165 ABGB erhält das uneheliche Kind den Familienname der Mutter. Diese Regelung gilt seit 1.5.1995 (BGBl 1995/25); davor führte das Kind den Geburtsnamen der Mutter, was zu verschiedenen Namen von Mutter und Kind führen konnte, wenn die Mutter geschieden war und nach der Scheidung ihren bisherigen Familiennamen beibehielt (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 243). Das Namensänderungsgesetz (NÄG) ermöglicht es, unter bestimmten Vorausset1090
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Lebensgemeinschaft – Innenverhältnis
zungen eine Namensänderung im Verwaltungsweg zu erreichen. So kann das Kind uU auch den Namen des Vaters („eines Elternteils“) annehmen (§ 2 Abs 1 Z 8 NÄG) oder der Person, der die Obsorge für das Kind zukommt, sofern der Antragsteller minderjährig ist (§ 2 Abs 1 Z 9 NÄG). Der Antrag ist gem § 1 Abs 1 NÄG zu bewilligen, wenn kein Versagungsgrund vorliegt. Als Versagungsgrund gilt generell, dass die beantragte Änderung dem Wohl einer nicht eigenberechtigten Person abträglich ist (§ 3 Abs 1 Z 6 NÄG). Für Minderjährige hat der gesetzliche Vertreter (Rz 30 ff) den Antrag einzubringen; der Zustimmung des Minderjährigen bedarf es, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat (§ 1 Abs 2 NÄG). b) Abstammung
Das Gesetz hat eine Lösung dafür vorzusehen, die Abstammung eines Kindes 19 von einer bestimmten Person als Vater festzustellen. Für eheliche Kinder normiert § 138 Abs 1 Z 1 ABGB, dass Vater des Kindes der Mann ist, der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet oder als Ehemann der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist (Stormann/Schwimann § 138 ABGB Rz 2). Besondere Regelungen bestehen für den Fall, dass ein Kind, das während aufrechter Ehe geboren wird, nicht vom Ehemann abstammt – dies ist vom Gericht auf Antrag festzustellen (§ 156 Abs 1 ABGB; s dazu nur Deixler-Hübner, Scheidung Rz 244a). Für Kinder aus einer Lebensgemeinschaft enthält das Gesetz keine entspre- 20 chende Regelung der Vaterschaft. Es bedarf vielmehr der Feststellung der Vaterschaft durch das Gericht (§ 138 Abs 1 Z 3 ABGB) oder eines Vaterschaftsanerkenntnisses (§ 138 Abs 1 Z 2 ABGB). Die Feststellung der Vaterschaft kann vom Kind gegen den Mann oder von 21 diesem gegen das Kind beantragt werden (§ 163 Abs 1 ABGB; Bernat/Schwimann § 163 ABGB Rz 2). Das Kind kann die Feststellung der Vaterschaft auch beantragen, wenn die Vaterschaft eines anderen Mannes bereits feststeht (§ 163b ABGB). Die Vaterschaftsfeststellung bedarf einer gerichtlichen Entscheidung auf- 22 grund eines Antrags (s dazu Hopf/KBB § 163 ABGB Rz 3). Das Gericht entscheidet im Außerstreitverfahren (§§ 82–85 AußStrG). Vermutet wird die Vaterschaft dann, wenn der Mann der Mutter innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt beigewohnt hat oder mit dessen Samen an der Mutter in diesem Zeitraum eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden ist (§ 163 Abs 2 Satz 1 ABGB). Dies stellt keine ex lege eintretende Vermutung der Vaterschaft dar, sondern ist eine Zweifelsregel für die Entscheidung des Gerichts, auf die sich der Vater stützen kann (Hopf/KBB § 163 ABGB Rz 4). Die Vaterschaftsfeststellung ist 1091
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grundsätzlich nur innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod des Mannes möglich (§ 163 Abs 2 zweiter Satz ABGB). 23 Besondere Regelungen gelten für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten. Dies ist eine Person, die ihren Samen mit dem Willen überlässt, nicht selbst als Vater eines mit diesem Samen gezeugten Kindes festgestellt zu werden (§ 163 Abs 4 Satz 2 ABGB). Als Vater ist festzustellen, wer innerhalb der Frist des § 163 Abs 2 ABGB (Rz 22) mit gerichtlichem Protokoll oder Notariatsakt der Fortpflanzung zugestimmt hat (§ 163 Abs 3 ABGB; Bernat/Schwimann § 163 ABGB Rz 6 ff). Unabhängig von § 2 Abs 1 FMedG, der das Bestehen einer Lebensgemeinschaft (oder Ehe) verlangt, ist es nicht entscheidend, ob der qualifiziert Zustimmende der Lebensgefährte der Mutter ist (Hopf/KBB § 163 ABGB Rz 6; V. Steininger, ÖJZ 1995, 126 ff). Dennoch ermöglicht die Regelung gerade auch die Feststellung der Vaterschaft des Lebensgefährten der Mutter, selbst wenn die Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten durchgeführt wurde. Der Dritte selbst kann nicht als Vater festgestellt werden (§ 163 Abs 4 ABGB). 24 Für die Feststellung der Vaterschaft hat der gesetzliche Vertreter (zB Mutter; Großeltern; Jugendwohlfahrtsträger) zu sorgen (§ 163a Abs 1 ABGB). Dies gilt nur dann nicht, wenn dies für das Kindeswohl nachteilig ist, zB bei Blutschande, Vergewaltigung oder Unfähigkeit des Vaters, seinen väterlichen Pflichten nachzukommen oder eine Beziehung zum Kind zu entwickeln (Bernat/Schwimann § 163a ABGB Rz 3; Stabentheiner/Rummel § 163a ABGB Rz 2). 25 Dies gilt ferner dann nicht, wenn die Mutter von ihrem Recht, den Namen des Vaters nicht bekannt zu geben, Gebrauch macht. Dieses höchstpersönliche Recht kann die Mutter nach eigenem Ermessen in Anspruch nehmen. Sie kann sich darauf auch im Vaterschaftsfeststellungsprozess berufen (Stabentheiner/Rummel § 163a ABGB Rz 3; aA Bernat/Schwimann § 163a ABGB Rz 4). Strittig ist, ob bei Ausübung des Schweigerechts der gesetzliche Vertreter dennoch die Vaterschaftsfeststellung betreiben kann. Die hL bejaht dies zu Recht (Hopf/KBB § 163b ABGB Rz 2; Bernat/Schwimann § 163a ABGB Rz 4; Stabentheiner/Rummel § 163a ABGB Rz 3a; aA ErläutRV 172 BlgNR 17. GP 15). Auch nach dem Gesetzeswortlaut entbindet die Ausübung des Schweigerechts den gesetzlichen Vertreter von seiner Pflicht, nimmt ihm aber nicht sein Recht. 26 Das Vaterschaftsanerkenntnis ist eine persönliche Erklärung in der Form einer inländischen öffentlichen oder öffentlich-beglaubigten Urkunde (§ 163c ABGB; Schwimann/Schwimann § 173c ABGB Rz 2 ff). Das Anerkenntnis muss bei sonstiger Unwirksamkeit persönlich abgegeben werden (4 Ob 501/96 = SZ 69/2 [keine Bevollmächtigung]). Das Anerkenntnis ist ab Einlangen beim zuständigen Standesbeamten wirksam (1 Ob 544, 545/91 = EF 66.015); bei 1092
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Abgabe vor einem Notar ist die Übermittlung an den Standesbeamten zu beantragen (4 Ob 501/96 = SZ 69/2). Gegen das Anerkenntnis können das Kind oder die Mutter binnen zwei Jah- 27 ren ab Kenntnis gerichtlich Widerspruch erheben. Der Lauf der Frist ist bis zur Erlangung der Eigenberechtigung des Kindes gehemmt; ferner bei einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis innerhalb des letzten Jahres der Frist (§ 163d Abs 2 ABGB [„materiell-rechtliche Wiedereinsetzung“]). Erforderlich ist entsprechende Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Widersprechenden; fehlt diese beim Kind, übt das Widerspruchsrecht der gesetzliche Vertreter ohne gerichtliche Zustimmung aus (§ 138b ABGB; Hopf/KBB § 163d ABGB Rz 1). Steht im Zeitpunkt des Anerkenntnisses die Vaterschaft eines anderen Mannes 28 fest, wird das Anerkenntnis erst rechtswirksam, sobald „mit allgemeiner verbindlicher Wirkung“ festgestellt ist, dass der andere Mann nicht der Vater ist (§ 163e Abs 1 ABGB). Dies geschieht durch Beseitigung der bestehenden Vaterschaft im Weg eines gerichtlichen Verfahrens nach §§ 72 ff AußStrG oder nach den §§ 156 oder 164 ABGB (Hopf/KBB § 163e ABGB Rz 1). Das Vaterschaftsanerkenntnis wird jedoch mit (formpflichtiger) Zustimmung des Kindes wirksam (§ 163e Abs 2 ABGB). Ist das Kind nicht eigenberechtigt, muss zudem die Mutter selbst (formpflichtig) den Anerkennenden als Vater bezeichnen („vaterschaftsdurchbrechendes Anerkenntnis“; ErläutRV 196 BlgNR 21. GP 62; Schwimann/Schwimann § 163e ABGB Rz 2 ff; Hopf/KBB § 163e ABGB Rz 2). In bestimmten Fällen ist das Anerkenntnis gem § 164 ABGB vom Gericht für 29 rechtsunwirksam zu erklären, zB (von Amts wegen) wenn die Zustimmung des Kindes gem § 163e Abs 2 ABGB fehlt, aufgrund eines berechtigten Widerspruchs oder auf Antrag des Anerkennenden etwa wegen Irrtums. c) Obsorge
Im Gegensatz zu ehelichen Kindern ist mit der Obsorge für das uneheliche 30 Kind die Mutter allein betraut (§ 166 ABGB). Die Rechte und Pflichten hinsichtlich Obsorge und Unterhalt richten sich gem § 166 Satz 2 ABGB nach den das eheliche Kind betreffenden Bestimmungen (§§ 140 ff [Unterhalt], §§ 144 ff [Obsorge] ABGB). Das Gesetz ermöglicht seit 2001 auch die „gemeinsame Obsorge“ (richtig: 31 Obsorge beider Eltern) der nicht verheirateten Eltern. Voraussetzung dafür ist gem § 167 Abs 1 ABGB, dass sie in häuslicher Gemeinschaft leben; die gemeinsame Obsorge kommt daher typischerweise für Lebensgefährten in Betracht. Erforderlich ist – abweichend von den Kriterien für eine Lebensge1093
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meinschaft – nur die häusliche Gemeinschaft. Da an das Erfordernis der „häuslichen Gemeinschaft“ geringere Anforderungen zu stellen sind als an eine umfassende Lebensgemeinschaft, ist die gemeinsame Obsorge daher auch dann möglich, wenn die sonstigen Voraussetzungen einer Lebensgemeinschaft nicht vorliegen (Haberl/Schwimann § 167 ABGB Rz 4). Voraussetzung ist ferner, dass die Vaterschaft nach den §§ 163 ff ABGB festgestellt ist (Rz 20 ff). Nicht möglich ist die gemeinsame Obsorge der Mutter und ihrem Lebensgefährten, wenn dieser nicht der Vater ist (7 Ob 144/02 f = RZ 2003/15), oder der Mutter und ihrer Lebensgefährtin. 32 Die Eltern müssen die gemeinsame Obsorge vereinbaren. Ohne Zustimmung der Mutter kann der Vater die gemeinsame Obsorge grundsätzlich nicht erzwingen (4 Ob 68/02g = EvBl 2002/143; vgl dazu nunmehr aber auch EGMR EF-Z 2010/37, Zaunegger gegen Deutschland [Stormann] = iFamZ 2010/1 [Verschraegen, 4]). Der Vater kann nur unter den Voraussetzungen von § 176 ABGB (insb bei Kindeswohlgefährdung) eine Obsorgeübertragung erreichen. 33 Die Vereinbarung bedarf der Zustimmung des Gerichts. Die Lebensgefährten können die Vereinbarung mündlich vor Gericht oder außergerichtlich in Schriftform abschließen und sie dem Gericht zur Genehmigung vorlegen. Das Kind ist gem § 105 AußStrG persönlich zu hören, ausgenommen in den Fällen von § 105 Abs 2 AußStrG, insb wenn „im Hinblick auf die Verständnisfähigkeit des Minderjährigen offenbar eine überlegte Äußerung nicht zu erwarten ist“. Dies wird regelmäßig bei zu geringem Alter des Kindes der Fall sein. 34 Die Vereinbarung ist zu genehmigen, wenn sie dem Kindeswohl entspricht (Haberl/Schwimann § 167 ABGB Rz 10). Die gerichtliche Entscheidung wirkt konstitutiv (Stabentheiner/Rummel § 167 ABGB Rz 5). 35 Die gemeinsame Obsorge ist inhaltlich so wie diejenige während aufrechter Ehe ausgestaltet (Haberl/Schwimann § 167 ABGB Rz 3). Es sind damit die Rechte und Pflichten zwischen Eltern und ehelichen Kindern nach den §§ 144 ff ABGB entsprechend anzuwenden. Im Innenverhältnis der Lebensgefährten greift das Einvernehmlichkeitsprinzip gem § 144 ABGB; im Außenverhältnis ist jeder Elternteil grundsätzlich in allen Angelegenheiten allein vertretungs- und entscheidungsbefugt (vorbehaltlich der Regelungen in § 154 Abs 2 und 3 ABGB). Es ist aber auch eine Vereinbarung zwischen den Lebensgefährten dahin möglich, dass der Vater nur teilweise mit der Obsorge betraut wird, selbst wenn die Eltern in häuslicher Gemeinschaft wohnen (Stabentheiner/Rummel § 167 ABGB Rz 4). 36 Wird die häusliche Gemeinschaft vorübergehend aufgehoben, schadet dies nicht. Hebt ein Elternteil die häusliche Gemeinschaft nicht bloß vorübergehend auf, bleibt die gemeinsame Obsorge zunächst aufrecht (§§ 167 Abs 1 Satz 3 iVm § 177 Abs 1 ABGB). Voraussetzung ist, dass die Eltern eine Verein1094
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Lebensgemeinschaft – Innenverhältnis
barung über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes treffen und diese gerichtlich genehmigt wird (Haberl/Schwimann § 167 ABGB Rz 11). Die Eltern können jedoch eine abweichende Vereinbarung dergestalt treffen, dass die Betrauung eines Elternteils alleine vereinbart wird. Es kann auch die Obsorge eines Elternteils auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt sein, wenn zugleich der hauptsächliche Aufenthalt bei dem mit der gesamten Obsorge berechtigten Elternteil liegt. Für die gerichtliche Genehmigung ist gem § 177a ABGB das Kindeswohl ausschlaggebend. Ist das Gericht mit der vorgeschlagenen alleinigen Obsorge eines Elternteils nicht einverstanden, weil sie dem Kindeswohl nicht entspräche, hat das Gericht gem § 177a ABGB zu entscheiden, welcher Elternteil künftig allein mit der Obsorge betreut ist. Dies wird idR – sofern dem Kindeswohl entsprechend – der andere Elternteil sein (Haberl/Schwimann § 167 ABGB Rz 13). Zu einer gerichtlichen Entscheidung über die alleinige Obsorge nach Maß- 37 gabe des Kindeswohls kommt es gem § 177a Abs 1 ABGB ferner dann, wenn die Eltern nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft binnen angemessener Frist eine Vereinbarung über die Obsorge nicht vorlegen. Gem § 177a Abs 2 ABGB kann jeder Elternteil zudem die Aufhebung der gemeinsamen Obsorge beantragen. In der Praxis wird das Gericht von der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft idR erst durch einen Antrag eines Elternteils auf Zuteilung der alleinigen Obsorge erfahren. Für die Frage des Kindeswohls ist das Verschulden am Scheitern der Lebens- 38 gemeinschaft im Übrigen unbeachtlich (1 Ob 552/85 = EF 48.438; LGZ Wien EF 43.359). Die Vereinbarung der gemeinsamen Obsorge kann bei Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft somit dazu führen, dass die Mutter die Obsorge auch ohne eigenes Verschulden an den Kindesvater verliert, sofern der Vater besser geeignet ist (Memmer, JBl 1993, 307).
d) Beistandspflicht gegenüber dem Stiefkind
Mit dem FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) hat der Gesetzgeber auf die zuneh- 39 mende Verbreitung von „Patchwork-Familien“ reagiert und erstmals eine Beistandspflicht des – ehelichen oder nichtehelichen – Stiefelternteils gegenüber dem Stiefkind (also auch des Lebensgefährten gegenüber Kindern des anderen Lebensgefährten) normiert. Der Gesetzgeber wollte nach seinem ausdrücklichen Willen hingegen keine persönlichen Rechte und Pflichten (insb nicht eine Beistandspflicht iS des § 90 Abs 3 erster Satz ABGB) zwischen den Lebensgefährten begründen (ErläutIA 673/A 24. GP 18). Gem § 137 Abs 4 ABGB trifft eine mit einem Elternteil und dessen minderjährigem Kind nicht nur vorübergehend im gemeinsamen Haushalt lebende volljährige Person, die in einem familiären Verhältnis zum Elternteil steht, die Pflicht alles den 1095
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Umständen nach Zumutbare zu tun, um das Kindeswohl zu schützen. Das familiäre Verhältnis richtet sich nach Art 8 EMRK und erfasst jedenfalls auch Lebensgefährten (ErläutIA 673/A 24. GP 25). Der Gesetzgeber intendierte mit dieser Bestimmung eine Pflicht zum Tätigwerden, wenn das Kindeswohl in Gefahr ist, zB bei Gewalt oder sexuellem Missbrauch durch den leiblichen Elternteil (Fischer-Czermak, EF-Z 2010/2). Grenze der Beistandspflicht ist die Zumutbarkeit (Stefula, ÖJZ 2005, 612); dabei ist zu berücksichtigen, ob das Tätigwerden zum Schutz des Kindeswohls überhaupt erforderlich ist. Jedenfalls soll ein „bewusstes Wegschauen“ vermieden werden. Nach allgemeinen Grundsätzen ist die Beistandspflicht zwar nicht gerichtlich durchsetzbar, deren Verletzung kann allerdings Rechtsfolgen nach sich ziehen, zB Schadenersatzansprüche des Kinds (s Hopf/KBB § 137 ABGB Rz 3; Stefula, ÖJZ 2005, 621 f; Fischer-Czermak, EF-Z 2010/2). Aus § 137 Abs 4 ABGB resultiert zudem die Garantenstellung iS des § 2 StGB (ErläutIA 673/A 24. GP 25).
C. Rechtsfolgen einer aufrechten Lebensgemeinschaft im Außenverhältnis 1 An das aufrechte Bestehen einer Lebensgemeinschaft knüpft die Rechtsordnung verschiedene Rechtsfolgen. Diese Rechtsfolgen treten insofern im „Außenverhältnis“ ein, als sie nicht die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Lebensgefährten im Innenverhältnis betreffen, sondern die Rechtspositionen Dritter, die mit einem oder beiden Lebensgefährten rechtlich in Berührung kommen, aber auch das Verhältnis des Staats zu den Lebensgefährten und die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen. 1. Unterhaltsansprüche eines Lebensgefährten gegen den geschiedenen Ehegatten
2 Geht nach einer Scheidung einer der ehemaligen Ehegatten eine Lebensgemeinschaft mit einem Dritten ein, stellt sich die Frage ob dies Auswirkungen auf seinen Unterhaltsanspruch gegen den ehemaligen Ehegatten hat. Der OGH judiziert in stRsp, dass der Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Gatten ruht, solange die Lebensgemeinschaft mit dem Dritten aufrecht ist, und zwar unabhängig davon, ob der ehemalige Ehegatte aus der Lebensgemeinschaft seinen Unterhalt ganz oder teilweise bezieht (RIS-Justiz RS0047108; Meissel, EFZ 2007/126). Die Rsp begründete dies zunächst mit der Sittenwidrigkeit der weiteren Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs (1 Ob 17/54 = SZ 27/134). Die neuere Rsp betont hingegen den Gedanken, dass ein in Lebensgemeinschaft lebender Geschiedener nicht besser gestellt sein darf als ein Wiederverheirateter, dessen Unterhaltsanspruch nach § 75 EheG erlischt (3 Ob 204/99t = JBl 1096
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Lebensgemeinschaft – Außenverhältnis
2000, 530; 10 ObS 244/98z). Die Lehre steht dem kritisch gegenüber (etwa Stabentheiner/Rummel § 75 EheG Rz 2; Gimpel-Hinteregger in Harrer/Zitta 633 ff; Lammer, ÖJZ 1999, 53; Meissel, EF-Z 2007, 211 ff; vgl dazu ausführlich auch § 75 EheG Rz 5 ff). In 6 Ob 28/07x bejahte der OGH im Anschluss an das EGMR-Urteil Karner (EGMR ÖJZ 2004/2) das Ruhen des Unterhaltsanspruchs in Gleichstellung mit heterosexuellen auch für homosexuelle Lebensgemeinschaften (LebG – Allgem Rz 21). Da die Wertung von § 75 EheG in diesem Fall nicht eingreifen konnte, rekurrierte das Höchstgericht auf das Argument der Sittenwidrigkeit der älteren Rsp. ME ist dem Grundgedanken zu folgen, dass die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs als Nachwirkung der ehelichen Beistandspflicht im konkreten Fall sittenwidrig sein kann. Zudem trägt das Argument der Nicht-Schlechterstellung gegenüber Wiederverheirateten nunmehr auch bei homosexuellen Lebensgemeinschaften: § 75 EheG normiert das Erlöschen der Unterhaltspflicht auch bei Begründung einer eingetragenen Partnerschaft des Berechtigten; § 23 Abs 1 EPG normiert analog das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs eines ehemaligen eingetragenen Partners bei Schließung einer Ehe oder der Begründung einer neuen eingetragenen Partnerschaft. Das Ruhen des Unterhaltsanspruchs kann daher auch bei einer homosexuellen Lebensgemeinschaft auf § 75 EheG, § 23 EPG gestützt werden. Das Ruhen des Unterhaltsanspruchs tritt jedoch dann nicht ein, wenn die Ehe- 3 gatten vertraglich die Umstandsklausel ausdrücklich ausgeschlossen haben (3 Ob 76/95 = RZ 1997/55) oder die Leistung von Unterhalt für diesen Fall vertraglich zugesagt wurde (6 Ob 630/81= RZ 1982/3). Das Ruhen des Unterhaltsanspruchs kann mit Feststellungsklage (vgl 1 Ob 4 146/98x = JBl 1998, 723) oder in einem laufenden Exekutionsverfahren mit Oppositionsklage geltend gemacht werden (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 239). Das Eingehen der Lebensgemeinschaft muss der Unterhaltsverpflichtete beweisen. Wenn äußere Anzeichen das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft indizieren, greift die Offenlegungspflicht (LebG – Allgem Rz 22). Nach neuerer Rsp können Detektivkosten, die zur Ausforschung von Tatsachen entstehen, die zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs führen (Bestehen einer Lebensgemeinschaft), als ersatzfähiger Schaden vom Unterhaltsberechtigten verlangt werden (1 Ob 146/98x = JBl 1998, 723). Im Gegensatz zu § 75 EheG, § 23 EPG erlischt der Unterhaltsanspruch nicht, 5 er ruht bloß. Nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft lebt der Anspruch wieder auf (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 239). Das Wiederaufleben des Anspruchs tritt jedoch nicht schon mit tatsächlicher Auflösung der Lebensgemeinschaft, sondern erst mit Geltendmachung (zB Einmahnung) durch den Unterhaltsberechtigten ein (3 Ob 115/90 = JBl 1991, 589; RIS-Justiz RS0047086).
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6 Den Gedanken des Ruhens des Unterhaltsanspruchs hat der OGH auch auf den Unterhaltsanspruch des Kinds angewendet (6 Ob 504/93 = EF 70.751; 4 Ob 305/97z = SZ 70/225; Meissel, EF-Z 2007, 214 ff). Geht das unterhaltsberechtigte Kind eine Lebensgemeinschaft ein, ist der Unterhaltsanspruch gegenüber dem unterhaltsverpflichteten Elternteil auf jenes Ausmaß zu beschränken, wie er einem verheirateten Kind zustünde (6 Ob 504/93 = EF 70.751). Maßgeblich ist nach der Rsp hier, inwieweit dem unterhaltsberechtigten Kind tatsächlich Unterhalt von seinem Lebensgefährten zufließt; in diesem Umfang vermindert sich der Anspruch gegenüber den Eltern. Es greift allerdings die Vermutung, dass die Lebensgefährten gemeinsam wirtschaften und ihre Einkünfte miteinander teilen (4 Ob 305/97z = SZ 70/225). 2. Schadenersatzrecht
7 Nach der Judikatur stellt es einen ersatzfähigen Schaden dar, wenn durch die Tötung eines nahen Angehörigen ein „Schockschaden“ mit Krankheitswert verursacht wird (2 Ob 45/93 = ZVR 1995/46; 2 Ob 79/00g = ZVR 2001/ 52 [Karner]). Als Angehörigen iS dieser Rsp hat der OGH auch den Lebensgefährten des Getöteten anerkannt (8 Ob 127/02p = SZ 2002/110; vgl Reischauer/Rummel § 1325 ABGB Rz 5b). 8 In neuer Judikatur bejaht der OGH einen ersatzfähigen (immateriellen) Schaden des nahen Angehörigen auch dann, wenn ein bloßer Trauerschaden ohne Krankheitswert vorliegt und den Schädiger grobes Verschulden trifft (2 Ob 84/01v = SZ 74/90). Auch diese Rsp erfasst zu Recht den betroffenen Lebensgefährten (2 Ob 212/04x = Zak 2006, 134; 2 Ob 15/07 f = Zak 2007, 297). 9 Ein am Körper Verletzter kann nach zutreffender Rsp als Heilungskosten iS des § 1325 ABGB auch die Kosten von Krankenhausbesuchen seines Lebensgefährten verlangen (2 Ob 103/01p = EvBl 2002/190; Reischauer/Rummel § 1325 ABGB Rz 16). 10 Allerdings hat ein Lebensgefährte bei Tötung des anderen mangels gesetzlicher Unterhaltsansprüche keinen Schadenersatzanspruch gem § 1327 ABGB gegen den Schädiger (8 Ob 127/02p = SZ 2002/110). Dies zu Recht auch dann nicht, wenn ihm der Verstorbene faktisch Unterhalt geleistet (2 Ob 64/92 = EF 69.125) oder sich vertraglich dazu verpflichtet hat (2 Ob 12/91 = JBl 1992, 44; 2 Ob 55/97w = EF 84.494; Reischauer/Rummel § 1327 ABGB Rz 16; Stabentheiner, NZ 1995, 60; aA Koziol, Haftpflichtrecht II 152).
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3. Recht der Interzessionen
Die Judikatur des OGH zu „Angehörigenbürgschaften“ ist auch auf die 11 Bürgschaft eines Lebensgefährten anwendbar (1 Ob 87/98w = SZ 71/117; 8 Ob 320/99p = ÖBA 2000/909). Die Bürgschaft ist daher nach den Umständen des Einzelfalls insb dann sittenwidrig, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bürgen in einem krassen Missverhältnis zur übernommenen Haftung steht, der Bürge die Haftung in einem Zustand verdünnter Willensfreiheit übernommen hat und Beides dem Gläubiger erkennbar war (zu den Details dieser Rsp siehe Eigner, Interzedentenschutz 273 ff; 1 Ob 544/95 = SZ 68/64; RIS-Justiz RS0048300, RS0048309, RS0038312). Dies gilt auch für andere Formen der Interzession (zB Mitschuldner oder Garant). Die Bestimmungen der §§ 25b, 25c und 25d KSchG sind ebenfalls auf Le- 12 bensgemeinschaften anwendbar, weil diese Normen allgemein immer dann gelten, wenn ein Verbraucher einer Verbindlichkeit als Interzedent beitritt; ein bestimmtes familiäres Naheverhältnis ist nicht erforderlich. Die Norm des § 25a KSchG ist hingegen ausdrücklich nur für Kreditgeschäfte von Ehegatten, nicht jedoch von Lebensgefährten anwendbar (Krejci/Rummel § 25a KSchG Rz 8; Unger, ÖBA 2004, 680).
4. Mietrecht
Das Eintrittsrecht in den Mietvertrag bei Tod des Hauptmieters steht gem 13 § 14 Abs 3 MRG auch dem Lebensgefährten des Hauptmieters zu, sofern dieser ein dringendes Wohnbedürfnis hat und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt hat. Lebensgefährte iS von § 14 Abs 3 MRG ist, wer mit dem bisherigen Mieter bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat; einem dreijährigen Aufenthalt ist es gleichzuhalten, wenn er die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat (vgl 7 Ob 665/84 = Miet 36.286). Diese Definition der Lebensgemeinschaft will das Eintrittsrecht in das Mietrecht jedenfalls nur dann eröffnen, wenn eine (besonders qualifizierte) Wohngemeinschaft besteht; im Übrigen müssen auch die sonstigen allgemeinen Voraussetzungen einer Lebensgemeinschaft vorliegen (s § 14 MRG Rz 16 ff; Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 13). Das Eintrittsrecht steht auch gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten zu (5 Ob 70/ 06i = wobl 2007/13; EGMR ÖJZ 2004/2; aA noch 6 Ob 2325/96x = wobl 1997/39; s LebG – Allgem Rz 21). Das Eintrittsrecht gem § 14 Abs 3 MRG besteht nur bei Tod des Mieters. Bei 14 Weitergabe unter Lebenden besteht kein Eintrittsrecht; § 12 MRG ist auf 1099
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Lebensgemeinschaften nicht anwendbar (Deixler-Hübner, Scheidung Rz 241). Allerdings wird durch die gänzliche Weitergabe des Mietgegenstands an den Lebensgefährten der Kündigungsgrund gem § 30 Abs 2 Z 4 MRG dann nicht erfüllt, wenn der Mieter den Mietgegenstand für sich oder die eintrittsberechtigten Personen iS des § 14 Abs 3 MRG dringend benötigt. Die Weitergabe an einen Lebensgefährten verwirklicht den Kündigungsgrund daher nicht, wenn im Zeitpunkt der Weitergabe die Voraussetzungen von § 14 Abs 3 MRG vorliegen, dh der Mieter mit seinem Lebensgefährten mindestens drei Jahre im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und der Lebensgefährte ein dringendes Wohnbedürfnis hat (1 Ob 526/82 = Miet 34.441; 8 Ob 2299/96p = Miet 49.357; Hausmann/Hausmann/Vonkilch MRG § 30 Rz 40). Der Kündigungsschutz fällt weg, wenn die Lebensgemeinschaft aufgehoben wird, und zwar auch dann, wenn sie gerade durch bzw im Zuge der Weitergabe der Wohnung aufgehoben wird (8 Ob 57/05y = Miet 57.365). Das Kündigungsrecht besteht daher nur dann nicht, wenn trotz gänzlicher Weitergabe die Lebensgemeinschaft fortbesteht (zB beruflich bedingt verschiedene Wohnsitze: 8 Ob 2299/96p = Miet 49.357). 5. Wohnrecht
15 § 5 Abs 1 WEG 2002 ermöglicht es zwei natürlichen Personen, deren Miteigentumsanteile jeweils dem halben Mindestanteil entsprechen, gemeinsames Wohnungseigentum zu erwerben. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage, die gemeinsames Wohnungseigentum nur Ehegatten eröffnete, steht diese Möglichkeit seit 1.7.2002 auch (gleich- und verschiedengeschlechtlichen) Lebensgefährten zu (vgl Deixler-Hübner, Scheidung Rz 241a). 6. Versicherungsvertragsrecht
16 Die Legalzession gem § 67 Abs 1 VersVG, wenn der Versicherungsnehmer gegen einen Dritten einen Schadenersatzanspruch hat und der Versicherer diesen ersetzt, tritt gem § 67 Abs 2 VersVG nicht ein, wenn sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen richtet. Davon ausgenommen ist vorsätzliche Schädigung. Ratio der Bestimmung ist es, den Versicherungsnehmer davor zu schützen, dass durch die Ersatzleistung des Angehörigen wirtschaftlich die Hausgemeinschaft (und damit mittelbar der Versicherungsnehmer) belastet wird (Schoditsch, JBl 2004, 557). Diese Ratio trägt auch bei Lebensgemeinschaften. Völlig zutreffend hat der OGH daher eine analoge Anwendung der Bestimmung auf Lebensgefährten bejaht (7 Ob 44/88 = SZ 61/258; aA noch 4 Ob 66/61 = SZ 34/75). Es müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Lebensgemeinschaft vorliegen (LebG – Allgem Rz 11 ff). 1100
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Lebensgemeinschaft – Außenverhältnis
Von zentraler Bedeutung ist dabei die Wirtschaftsgemeinschaft; der Regressanspruch gegen den Lebensgefährten würde genauso wie einen Ehegatten oder sonstigen Angehörigen indirekt den Versicherungsnehmer treffen und ihn wirtschaftlich belasten.
7. Stiftungsrecht
§ 15 Abs 3 PSG normiert eine spezifische Unvereinbarkeitsregelung für den 17 Stiftungsvorstand. Sie steht in Zusammenhang mit § 15 Abs 2 PSG, wonach ein Begünstigter oder bestimmte nahe Angehörige (dessen Ehegatte sowie in gerader Linie oder bis zum dritten Grad der Seitenlinie verwandte Personen) nicht Mitglied des Stiftungsvorstands sein können. § 15 Abs 3 PSG stellt auf die Konstellation ab, dass Begünstigter eine juristische Person ist, an der eine natürliche Person iS des § 244 Abs 2 UGB beteiligt ist (insb Mehrheit der Stimmrechte, Bestellungs- oder Abberufungsrechte oder beherrschender Einfluss). In diesem Fall können diese natürliche Person sowie ihr Lebensgefährte nicht Mitglied des Stiftungsvorstands sein. Diese Regelung wurde durch das FamRÄG 2009 in das PSG eingefügt und ist 18 nicht sehr geglückt (Arnold, GesRZ 2009, 287). § 15 Abs 3 PSG will Umgehungskonstruktionen zur Unvereinbarkeit von Begünstigten im Stiftungsvorstand gem § 15 Abs 2 PSG erfassen (Arnold, PSG § 15 Rz 38 ff). Mit Blick auf den Lebensgefährten des Begünstigten gelingt dies jedoch nicht, weil der Lebensgefährte in § 15 Abs 2 PSG nicht genannt ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes darf der Lebensgefährte des Begünstigten daher Stiftungsvorstand sein, der Lebensgefährte eines (beherrschenden) Gesellschafters einer begünstigten juristischen Person hingegen nicht. Es ist allerdings davon auszugehen, dass eine planwidrige Lücke vorliegt und der Gesetzgeber die Nichteinbeziehung von Lebensgefährten in § 15 Abs 2 PSG schlicht übersehen hat. Es ist somit in analoger Anwendung von § 15 Abs 3 PSG davon auszugehen, dass auch der Lebensgefährte eines Begünstigten von der Vorstandsfunktion ausgeschlossen ist (Arnold, GesRZ 2009, 287).
8. Urheberrecht
Mit dem FamRÄG 2009 wurden im UrhG in zwei Aspekten die Interessen des 19 Lebensgefährten berücksichtigt. Gem § 55 Abs 1 UrhG darf nach dem Tod einer Person ihr Lebensgefährte von einem auf Bestellung geschaffenen Bildnis des Verstorbenen einzelne Lichtbilder herstellen oder durch einen anderen herstellen lassen. Dieses freie Werknutzungsrecht kann allerdings abbedungen werden. Eine parallele Ausnahme vom Schutzrecht des Lichtbildherstellers enthält § 75 UrhG. 1101
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20 Nach dem in § 77 Abs 1 UrhG normierten Briefschutz dürfen Briefe, Tagebücher und ähnliche vertrauliche Aufzeichnungen weder öffentlich vorgelesen noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch nach dem Tod des Verfassers berechtigte Interessen naher Angehöriger verletzt würden (es sei denn der Verfasser hätte die Veröffentlichung gestattet oder angeordnet). Als naher Angehöriger gilt gem § 77 Abs 2 UrhG nunmehr auch der Lebensgefährte des Verfassers. Entsprechendes gilt für den Bildnisschutz gem §§ 78 iVm 77 Abs 2 UrhG. 9. Strafrecht
21 Gem § 72 Abs 2 StGB werden Personen, die miteinander in Lebensgemeinschaft leben, wie Angehörige iS des § 72 Abs 1 StGB behandelt; Kinder und Enkel einer von ihnen werden wie Angehörige auch der anderen behandelt. Immer dann, wenn das Strafrecht besondere Rechtsfolgen an die Angehörigeneigenschaft knüpft, sind davon auch Lebensgemeinschaften erfasst. Das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft ist dabei nach allgemeinen Kriterien zu prüfen (LebG – Allgem Rz 11 ff; vgl etwa 13 Os 39/85 = SSt 56/29; 9 Os 56/75 = SSt 46/45; RIS-Justiz RS0092249, RS0092256). Die strafrechtliche Judikatur stellt insbesondere auf das Vorliegen einer gemeinsamen Wohnstätte ab (12 Os 36/ 84; 14 Os 137/02). Eine Lebensgemeinschaft kommt grundsätzlich auch im Fall der Inhaftierung eines Partners in Betracht (14 Os 178/93; 14 Os 37/94). Im Fall der faktischen Trennung für viele Jahre (zB Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe) ist die zuvor bestandene Lebensgemeinschaft jedoch als beendet anzusehen (15 Os 69/06w = EvBl 2007/77). Eine Lebensgemeinschaft wurde zu Recht verneint, wenn sie dem Partner lediglich zur Erreichung krimineller Ziele vorgetäuscht wird (9 Os 18/81 = JBl 1981, 330; RIS-Justiz RS0092253). 22 § 72 Abs 2 StGB normiert die Angehörigeneigenschaft für die Anwendbarkeit strafrechtlicher Vorschriften umfassend; Eltern eines Lebensgefährten sind demnach nicht Angehörige des anderen Lebensgefährten (14 Os 175/87 = SSt 59/2). Manche der Privilegierungen des StGB setzen – im Gegensatz zu bestimmten anderen Angehörigen, etwa Ehegatten oder eingetragenen Partnern – voraus, dass die Lebensgefährten in Hausgemeinschaft leben (§§ 136 Abs 4, 141 Abs 3, 150 Abs 3, 166 Abs 1 StGB). Manche Privilegierungen bleiben – im Gegensatz zur Ehe oder eingetragenen Partnerschaft – nicht aufrecht, wenn die Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht (zB Aussagenotstand gem § 290 Abs 2 StGB e contrario). 23 Durch die Gleichstellung mit Angehörigen treten für Lebensgefährten insb folgende strafrechtlichen Folgen ein:
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Lebensgemeinschaft – Außenverhältnis
– Nach bisheriger Rsp resultierte aus der Lebensgemeinschaft allein noch keine Garantenstellung iS des § 2 StGB gegenüber Kindern des anderen Lebensgefährten (9 Os 111/86; 14 Os 3/91). Nunmehr kann sich eine diesbezügliche Garantenstellung aus § 137 Abs 4 ABGB ergeben (LebG – Rechtsfolgen/Innen Rz 39). – Der Begriff der gefährlichen Drohung iS des § 74 Z 5 StGB greift auch, wenn das angedrohte Übel gegen den Lebensgefährten des Bedrohten gerichtet ist (relevant etwa für § 102 Abs 1 oder § 105 Abs 1 StGB). – Eine Reihe von Strafausschließungsgründen greift auch dann, wenn die in ihren Rechtsgütern verletzte Person Lebensgefährte des Täters ist; dies betrifft § 88 Abs 2 StGB (Körperverletzung); § 136 Abs 4 StGB (unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen); § 141 Abs 3 StGB (Entwendung); § 150 Abs 3 StGB (Notbetrug). – Generell gilt die Privilegierung der Begehung im Familienkreis gem § 166 Abs 1 StGB auch dann, wenn der Täter die Tat zum Nachteil eines Lebensgefährten begeht, sofern er mit diesem in Hausgemeinschaft steht. – Ferner greifen Privilegierungen bei Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung gem § 286 Abs 2 Z 1 StGB; Aussagenotstand gem § 290 StGB; Begünstigung gem § 299 Abs 3 und Abs 4 StGB. In zwei Bereichen hat der Gesetzgeber mit dem Korruptionsstrafrechtsände- 24 rungsgesetz 2009 (BGBl I 98/2009) eine Gleichstellung von Ehegatten und Lebensgefährten auf andere Weise bewirkt: Er hat Privilegien für Ehegatten – die offenbar nicht mehr als zeitgemäß erachtet wurden – einfach gestrichen, nämlich das Recht des Ehegatten (nicht aber Lebensgefährten), bei Handlungen gegen die Ehre eines Verstorbenen oder Verschollenen gem § 117 Abs 5 StGB die Verfolgung zu verlangen, sowie das Recht gem §§ 282 Abs 1 Satz 1, 465 Abs 1 Satz 1 StPO, die Nichtigkeitsbeschwerde bzw Berufung zu erheben („Angehörigenprivileg“). 10. Strafprozessrecht
Auch das Strafprozessrecht nimmt in verschiedenen Zusammenhängen auf Le- 25 bensgemeinschaften Bezug. Teilweise finden sich ähnliche Wertungen wie im Zivilprozessrecht, wie etwa bei den Aussageverweigerungsrechten. In den meisten Fällen verwendet die StPO nicht den Begriff „Lebensgefährte(n)“, sondern verweist auf den Angehörigenbegriff des § 72 StGB, der nach dessen Abs 2 auch Lebensgefährten umfasst (Rz 21; explizit genannt ist der Lebensgefährte in § 65 Abs 1 lit b StPO). – Der Ausschlussgrund des Richters gem § 43 Abs 1 Z 1 StPO greift auch, wenn sein Lebensgefährte im Verfahren Staatsanwalt, Privatankläger, Privatbeteiligter, Beschuldiger, Verteidiger oder Vertreter ist oder durch die 1103
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Straftat geschädigt sein könnte. Im Gegensatz zur Ehe besteht der Ausschlussgrund nach Auflösung der Lebensgemeinschaft nicht fort. Analog dazu regelt § 47 Abs 1 Z 1 StPO die Befangenheit von Organen der Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft. Auch der Ausschlussgrund für Rechtsmittelgerichte gem § 43 Abs 3 StPO greift entsprechend. Bei Vorliegen eines Ausschließungsgrunds darf der Richter nicht einmal unaufschiebbare Handlungen vornehmen, wenn er gegen seinen Lebensgefährten einzuschreiten hätte (§ 44 Abs 1 StPO). Im 4. Hauptstück der StPO über die Opferrechte zählt als „Opfer“ iS des § 65 Abs 1 lit b StPO auch der Lebensgefährte jener Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte. Dem Lebensgefährten kommen daher unabhängig von der Stellung als Privatbeteiligtem die Opferrechte gem §§ 66 ff StPO zu. Gem § 156 Abs 1 Z 1 StPO besteht eine Aussagebefreiung für Personen, die im Verfahren gegen einen Angehörigen (§ 72 StGB) aussagen sollen. Im Gegensatz zur Ehe oder eingetragenen Partnerschaft besteht die Aussagebefreiung nach Auflösung der Lebensgemeinschaft nicht fort (15 Os 73/ 93; RIS-Justiz RS0097509). Ein Recht zur Aussageverweigerung besteht gem § 157 Abs 1 Z 1 StPO, wenn die Aussage den Lebensgefährten der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen würde. Die Beantwortung einzelner Fragen kann verweigert werden, soweit der Lebensgefährte der Schande oder der Gefahr eines unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils ausgesetzt würde (§ 158 Abs 1 Z 1 StPO). Im Fall der Festnahme hat der Beschuldigte das Recht, einen Angehörigen (damit auch einen Lebensgefährten) zu verständigen (§ 171 Abs 3 Z 1 StPO). Dies gilt auch bei Verhängung der Untersuchungshaft (§ 174 Abs 3 Z 6 StPO).
26 Im Finanzstrafverfahren besteht ein Aussageverweigerungsrecht des Lebensgefährten gem § 104 FinStrG. Lebensgefährten sind vom Begriff des Angehörigen gem § 25 Abs 1 Z 5 BAO umfasst. 11. Zivilprozessrecht
27 JN und ZPO berücksichtigen die Lebensgemeinschaft in mehreren Zusammenhängen; zuletzt wurden mit dem FamRÄG 2009 die einschlägigen Bestimmungen modernisiert (BGBl I 2009/75). Im Gegensatz zum Strafprozessrecht knüpfen die Zivilprozessgesetze an keinen explizit materiell-rechtlich definierten Begriff des „Angehörigen“ (wie § 72 Abs 2 StGB) an, sondern verwenden schlicht den Begriff des „Lebensgefährten“, der nach allgemeinen Kriterien zu bestimmen ist (LebG – Allgem Rz 11 ff). 1104
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Lebensgemeinschaft – Außenverhältnis
– Richter sind in Zivilsachen gem § 20 Abs 1 Z 2 JN in Sachen ihrer Lebensgefährten sowie solcher Personen, die mit diesen in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad verwandt sind, ausgeschlossen. Im Gegensatz zur StPO (Rz 25) besteht der Ausschlussgrund auch dann weiter, wenn das Naheverhältnis zu den genannten Personen nicht mehr besteht, mithin auch nach Auflösung der Lebensgemeinschaft (§ 20 Abs 2 JN). – Ein Zeuge hat seit dem FamRÄG 2009 ein Aussageverweigerungsrecht über Fragen, deren Beantwortung seinem Lebensgefährten sowie dessen Verwandten in gerader Linie oder bis zum zweiten Grad der Seitenlinie zur Schande gereichen oder diesen Personen die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung (§ 321 Abs 1 Z 2 ZPO) oder einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Nachteil zuziehen würde (§ 321 Abs 1 Z 2 ZPO; mit den Ausnahmen in § 322 ZPO); dies auch wenn das Naheverhältnis nicht mehr besteht (§ 321 Abs 2 ZPO). Ein Ausschlussgrund besteht gem § 33 Abs 1 NO im Übrigen auch für die 28 Aufnahme notarieller Urkunden, wenn ein Lebensgefährte des Notars oder bestimmte nahe Angehörige des Lebensgefährten beteiligt sind. Gem § 33 Abs 3 NO besteht der Ausschlussgrund fort, wenn das Naheverhältnis nicht mehr besteht, somit auch wenn die Lebensgemeinschaft aufgelöst wird.
12. Anfechtungsrecht
Das in den §§ 27 ff IO normierte Anfechtungsrecht sieht in einigen Tatbestän- 29 den eine Beweislastumkehr vor, wenn die anfechtbare Rechtshandlung zugunsten eines nahen Angehörigen vorgenommen wird. Als nahe Angehörige gelten gem § 32 Abs 1 IO auch Personen, die mit dem Schuldner in außerehelicher Gemeinschaft leben (gleichzustellen wohl auch: außerhalb einer eingetragenen Partnerschaft). Nach zutreffender Ansicht sind vom Begriff der nahen Angehörigen iS des § 32 Abs 1 IO auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften umfasst (Rebernig/Konecny/Schubert, § 32 KO Rz 14; Koziol/Bollenberger in Partsch/Pollak/Buchegger, § 32 KO Rz 17; allgemein LebG – Allgem Rz 21). Der Lebensgefährte muss etwa beweisen, dass ihm die Benachteiligungsab- 30 sicht (Absicht, einen Gläubiger des Schuldners zu benachteiligen) iS des § 28 IO weder bekannt war noch bekannt sein musste, wenn die Rechtshandlung in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber oder zugunsten des Lebensgefährten vorgenommen wurde. Gem § 30 Abs 1 Z 2 IO greift eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Begünstigungsabsicht. 1105
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31 § 31 Abs 1 Z 1 IO normiert einen Anfechtungstatbestand, wenn durch eine Rechtshandlung des Schuldners nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag der Lebensgefährte für seine Insolvenzforderung Sicherstellung oder Befriedigung erlangt oder der Schuldner mit dem Lebensgefährten ein für die Gläubiger nachteiliges Rechtsgeschäft eingeht. Der Lebensgefährte muss beweisen, dass bei der Sicherstellung oder Befriedigung oder bei einem unmittelbar nachteiligen Rechtsgeschäft die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag weder bekannt war noch bekannt sein musste und bei einem sonst nachteiligen Rechtsgeschäft zudem der Eintritt eines Nachteils objektiv nicht vorhersehbar war (zur Neufassung dieser Regelung durch das IRÄG 2010 vgl Konecny, ZIK 2010, 82 [87 f]). 32 Gelingt dieser Beweis nicht, ist der jeweilige Anfechtungstatbestand erfüllt. Die Rechtshandlung ist den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam, dh das, was der Insolvenzmasse entgangen ist, ist nach Maßgabe der §§ 37 ff IO an diese rückzuerstatten (Rebernig/Konecny/Schubert KO § 39 Rz 1). 33 Im Rahmen der AnfO gilt eine entsprechende Regelung für die Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht gem § 2 Z 3 iVm § 4 Abs 1 AnfO.
13. Steuerrecht
34 Das EStG normiert in § 106 Abs 3 einen spezifischen Begriff des „(Ehe-) Partners“. Dies ist eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist, in einer Partnerschaft iS des EPG eingetragen ist oder mit mindestens einem Kind in einer Lebensgemeinschaft lebt. Erfasst sind gem § 106 Abs 1 EStG nur solche Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr der Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 3 EStG zusteht. Das EStG stellt insb in folgenden Zusammenhängen auf die Lebensgemeinschaft ab: – Der Alleinverdienerabsetzbetrag gem § 33 Abs 4 Z 1 EStG steht auch zu, wenn der Alleinverdienende (der mindestens ein Kind hat) mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft lebt. Dabei bestehen bestimmte Höchstgrenzen an Einkünften, die der Lebensgefährte jährlich erzielen darf. – Der Alleinerzieherabsetzbetrag gem § 33 Abs 4 Z 2 EStG setzt voraus, dass der Alleinerzieher mit mindestens einem Kind mehr als 6 Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem Partner lebt. – Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe (und den Kinderabsetzbetrag) abgegolten und werden somit nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, was auch dann gilt, wenn nicht der Steuerpflichtige, sondern ein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender 1106
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Lebensgemeinschaft – Außenverhältnis
Partner Anspruch auf diese Beiträge hat (§ 34 Abs 7 Z 1 EStG; s ferner die Regelungen in § 34 Abs 7 Z 2 und Z 3 EStG). – In § 106a Abs 1 EStG besteht eine Sonderregelung, wenn zwei Lebensgefährten für dasselbe Kind den Kinderfreibetrag geltend machen. – Gem § 108 Abs 2 EStG erhöht sich die Bemessungsgrundlage für die Erstattung der ESt beim Bausparen für Beiträge für einen Partner iS des § 106 Abs 3 EStG. – Als Rentenleistung einer Pensionszusatzversicherung gilt auch eine mit dem Tod des Versicherungsnehmers beginnende, an den Lebensgefährten auf dessen Lebensdauer zu zahlende Rente (§ 108b Abs 1 Z 2 lit d EStG).
14. Sozial(versicherungs)recht
Auch im Sozial(versicherungs)recht gibt es eine Reihe von Anknüpfungs- 35 punkten an die Lebensgemeinschaft: – Als Angehöriger kann ein Lebensgefährte mit dem Versicherten in der Krankenversicherung gem § 123 Abs 7a ASVG mitversichert sein, wenn er mit dem Versicherten nicht verwandt ist und mit diesem seit mindestens 10 Monaten in Hausgemeinschaft lebt und ihm in dieser Zeit unentgeltlich den Haushalt führt. Entsprechende Regelungen enthalten § 83 Abs 8 GSVG, § 56 B-KUVG und § 78 Abs 6a BSVG. – Hingegen haben Lebensgefährten keinen pensionsversicherungsrechtlichen Schutz. Anspruch auf Witwen(Witwer)pension gem § 258 ASVG haben nur hinterbliebene Ehegatten und nach Maßgabe von § 259 ASVG auch hinterbliebene eingetragene Partner, nicht jedoch Lebensgefährten (10 ObS 276/90 = SSV-NF 4/115; 10 ObS 297/91 = JBl 1992, 268), weil die Hinterbliebenenpension Ersatz für den Entfall einer Unterhaltsleistung sein soll und eine Unterhaltsverpflichtung zwischen Lebensgefährten nicht besteht (10 ObS 2/06a = JBl 2006, 663 [Resch]). Diese Ungleichbehandlung ist nach Ansicht des OGH nicht verfassungswidrig (10 ObS 123/08y = EF-Z 2009/82). – Wird eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden, besteht unter den Voraussetzungen von § 258 Abs 4 lit d ASVG ein Anspruch auf Witwen (Witwer)Pension, wenn der Verstorbene dem hinterbliebenen ehemaligen Ehegatten regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs bis zu seinem/ ihrem Tod Unterhalt geleistet hat. Dies gilt gem § 259 ASVG auch für den hinterbliebenen ehemaligen eingetragenen Partner nach dem EPG. Der Tatbestand von §§ 258 Abs 4 lit d, 259 ASVG ist nach der Rsp dann nicht erfüllt, wenn die ehemaligen Ehegatten bzw. eingetragenen Partner weiter in einer Lebensgemeinschaft leben und bloß ihre Aufwendungen gemeinsam tragen (Wohnkosten, Kosten für Nahrung und Kleidung). Dies sind iZw keine 1107
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Zahlungen zur Deckung eines Unterhaltsbedarfs (10 ObS 70/02w = SSVNF 16/22; 10 ObS 370/01m = SSV-NF 16/41). Das Bestehen einer Lebensgemeinschaft kann für den Anspruch auf Witwen(Witwer)pension auch in anderer Hinsicht nachteilig sein: Ruht wegen des Bestehens einer Lebensgemeinschaft im Todeszeitpunkt der Unterhaltsanspruch (dazu Rz 2), besteht auch kein Anspruch auf Witwen(Witwer)pension (10 ObS 66/92= SSV-NF 6/43; RIS-Justiz RS0085336). Berücksichtigung findet eine Lebensgemeinschaft im OpferfürsorgeG: Ein Lebensgefährte hat Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente gem § 1 Abs 3 lit b OpferfürsorgeG, wenn das Opfer dessen Lebensunterhalt zur Gänze oder zum überwiegenden Teil bestritten hat oder bestreiten müsste (vgl Stabentheiner, NZ 1995, 54). Seit der Aufhebung der einschlägigen Bestimmungen durch den VfGH (VfSlg 15.819, 16.089) muss sich ein schuldlos geschiedener Ehegatte, der eine Lebensgemeinschaft eingeht, trotz Ruhens des Unterhaltsanspruchs den fiktiven Unterhalt für die Berechnung der Ausgleichszulage nicht mehr anrechnen lassen (10 ObS 271/03 f = SZ 2005/125; anders die frühere Rsp, etwa 10 ObS 244/98z = ZAS 1999/11 [krit Brodil] = RdA 1999/ 20 [Kerschner]; vgl auch Resch, RdA 2000, 370). Freiwillige Unterhaltsleistungen eines Lebensgefährten an den anderen, die nicht dazu gedacht sind, unterhaltsberechtigte Kinder (des anderen Partners) zu unterstützen, sind grundsätzlich nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 81a mwN). Ein Unterhaltsverpflichteter muss sich allerdings mögliche öffentlich-rechtliche Leistungen anrechnen lassen, wenn er diese aus in seiner Sphäre liegenden Gründen nicht erhält (1 Ob 559/92 = EF 68.035; 1 Ob 550/94 = EF 74.386; RIS-Justiz RS0047385). Solche Gründe sind auch freiwillige Unterhaltsleistungen eines Lebensgefährten (8 Ob 76/08x = iFamZ 2009, 142; 6 Ob 148/09x = Zak 2009, 374 [nicht beantragtes Arbeitslosengeld]). Umgekehrt führt das Eingehen einer Lebensgemeinschaft – im Gegensatz zur Wiederverheiratung oder Begründung einer eingetragenen Partnerschaft – nicht gem § 100 ASVG zum Erlöschen von Ansprüchen auf laufende Leistung in der Unfall- und Pensionsversicherung (2 Ob 118/89 = SZ 62/206). Gem § 20 Abs 3 AlVG ist unter bestimmten Voraussetzungen ein Familienzuschlag für Lebensgefährten zu gewähren, etwa wenn der Arbeitslose zu dessen Unterhalt tatsächlich wesentlich beiträgt. Bei der Entscheidung über die Notstandshilfe sind die wirtschaftlichen Verhältnisse auch des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten zu berücksichtigen (§ 36 Abs 2 AlVG). Gem §§ 2, 6 NotstandshilfeV ist das vom Lebensgefährten des Arbeitslosen erzielte Einkommen unter Berücksichtigung bestimmter Freigrenzen für die Beur-
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LebG – Beendigung teilung der Notlage heranzuziehen (Stabentheiner, NZ 1995, 54; DeixlerHübner, Scheidung Rz 241c). 15. Fortpflanzungsmedizingesetz
Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nach dem Fortpflanzungsmedi- 36 zingesetz (FMedG) ist nur in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts zulässig (§ 2 Abs 1 FMedG). Es dürfen nur die Eizellen und die Samen der Lebensgefährten verwendet werden, es sei denn der Lebensgefährte ist nicht fortpflanzungsfähig (§ 3 Abs 1 und Abs 2 FMedG). Die Lebensgefährten müssen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Form eines gerichtlichen Protokolls oder Notariatsakts zustimmen (§ 8 Abs 1 FMedG). Bei Lebensgemeinschaften hat der medizinisch unterstützten Fortpflanzung jedenfalls eine eingehende Beratung durch ein Gericht oder einen Notar über die rechtlichen Folgen der Zustimmung gem § 8 FMedG voranzugehen.
D. Rechtsfolgen der Beendigung der Lebensgemeinschaft Inhaltsübersicht 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schenkungen zwischen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schenkungswiderruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irrtumsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lebensgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustandekommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ba) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bc) Gemeinschaftlicher Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bd) Gemeinschaftsorganisation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . be) Einzelfälle – Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen während aufrechter Lebensgemeinschaft . . . . . . e) Auflösung der GesbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ea) Ausscheiden eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . eb) Auflösung der GesbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ec) Rechtsfolgen des Ausscheidens eines Gesellschafters . . . . . ed) Rechtsfolgen der Auflösung der Gesellschaft . . . . . . . . . . 4. Bereicherungsansprüche zwischen Lebensgefährten . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Grundtatbestand der condictio causa data causa non secuta ba) Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wegfall des angestrebten Leistungszweckes . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 1–2 . 3–14 . 4–11 . 12–14 . 15–83 . 15–17 . 18–34 . 18 . 19–21 . 22–26 . 27–29 . 30–34 . 35–40 . 41–45 . 46–83 . 47–51 . 52–63 . 64–68 . 69–83 . 84–123 . 84–85 . 86–94 . 86 . 87–89
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c) d)
e)
f)
g) h)
Linder
bc) Erkennbarkeit des Leistungszweckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bd) Keine treuwidrige Zweckvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . be) Verhältnis zum Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Judikaturlinie zur Kondiktion von Leistungen nach Beendigung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Frage der Unentgeltlichkeit von Leistungen während der nichtehelichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . da) Abgrenzung von Schenkung und datio ob rem . . . . . . . . . . . . . . db) Schenkung und Schenkungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dc) Auslegungsregeln und Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kritik an der pauschalen Vermutung der Unentgeltlichkeit . . . . . Leistungszweck und Kondizierbarkeit von Leistungen . . . . . . . . . . . ea) Zur Bestimmung der Leistungszwecke bei Lebensgemeinschaften eb) Laufende Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ec) Außergewöhnliche Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fb) Ansprüche aus Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fc) Kondiktion zweckverfehlender Arbeitsleistungen . . . . . . . . . . . . Die Höhe des Bereicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90 91–92 93–94 95–96 97–103 97 98 99–100 101–103 104–110 104–105 106–107 108–110 111–117 111–112 113 114–117 118–121 122–123
1. Allgemeines
1 Nach Auflösung der Lebensgemeinschaft stellt sich die Frage, ob und in welchem Ausmaß vermögensrechtliche Leistungen zwischen den ehemaligen Lebensgefährten rückabgewickelt werden können. Ein umfassendes Regelungsregime über die Aufteilung des Zugewinns wie in §§ 81 ff EheG, §§ 24 ff EPG existiert für Lebensgemeinschaften nicht. Eine analoge Anwendung der §§ 81 ff EheG hat der OGH zu Recht abgelehnt (7 Ob 584/83 = EvBl 1984/ 12). Der Grundgedanke dieser Regelungen ist, dass die Ehegatten bzw eingetragenen Partner ihre Mühen und Anstrengungen während aufrechter Ehe bzw Partnerschaft vereinen und Beiträge zum gemeinsamen Vermögensaufbau leisten, mögen sie im Regelfall der Gütertrennung auch zivilrechtlich Eigentümer der jeweiligen Vermögenswerte bleiben. Im Fall der Auflösung der Ehe oder Partnerschaft soll eine Aufteilung des Zugewinns stattfinden, um die beiderseitigen Beitragsleistungen entsprechend berücksichtigen zu können (vgl etwa Linder, GesRZ 2007, 7; Holzner, Ehevermögen 128; F. Bydlinski in FS Schwind 42). 2 Eine umfassende Berücksichtigung beiderseitiger Beitragsleistungen in Form einer Vermögensaufteilung nach Billigkeit ist bei Lebensgemeinschaften somit nicht möglich. Leistungen oder vermögenswerte Beiträge, die ein Lebensgefährte während aufrechter Gemeinschaft an den anderen erbracht hat, können allerdings nach allgemeinen Rechtsgrundlagen rückgefordert werden. Zu1110
LebG – Beendigung
Schenkungen
nächst ist zu fragen, unter welchem Rechtsgrund ein Lebensgefährte an den anderen eine Leistung erbracht hat. Denkbar sind etwa unentgeltliche Zuwendungen in Form von Schenkungen (Rz 3 ff) oder Leistungen im Rahmen einer GesbR (Rz 15 ff). Liegt der Leistung kein vertraglicher Titel zu Grunde, kommt eine Rückforderung nach Bereicherungsrecht in Betracht (Rz 84 ff).
2. Schenkungen zwischen Lebensgefährten Lit: F. Bydlinski, Zur Neuordnung des Ehegüterrechts, in FS Schwind (1978) 27; P. Bydlinski, Ausübung und Verjährung des Schenkungswiderrufsrechts, ÖJZ 1982, 515; Holzner, Ehevermögen bei Scheidung und Tod (1998); Kerschner, Irrtumsanfechtung insbesondere beim unentgeltlichen Geschäft (1984); Linder, Das Unternehmen in der Ehescheidung zwischen Ehe- und Gesellschaftsrecht, GesRZ 2007, 7; Rummel, Schenkungen unter Ehegatten und Scheidung, JBl 1976, 626; Scheffknecht, Der Widerruf im Schenkungsvertrag, NZ 1958, 129.
Nicht jede Leistung zwischen Lebensgefährten ist eine Schenkung. Erforder- 3 lich ist vielmehr die Freigebigkeit somit Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Zudem ist die zumindest konkludente Annahme durch den Beschenkten erforderlich. Mangels „wirklicher Übergabe“ bedarf der Schenkungsvertrag zu seiner Wirksamkeit eines Notariatsakts (§ 1 Abs 1 lit d NotaktG). Leistungen in Erwartung einer Gegenleistung sind im Zweifel nicht als Schenkung zu qualifizieren (Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 204). Hat ein Lebensgefährte dem anderen unentgeltliche Zuwendungen in Form einer Schenkung gewährt, stellt sich die Frage, ob nach Auflösung der Lebensgemeinschaft die geschenkte Sache zurückgefordert werden kann. Es ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Schenkungswiderruf vorliegen (Rz 4 ff) oder eine Anfechtung des Schenkungsvertrags wegen Irrtums in Betracht kommt (Rz 12 ff).
a) Schenkungswiderruf Unwiderruflichkeit der Schenkungen. § 946. Schenkungsverträge dürfen in der Regel nicht widerrufen werden. Ausnahmen: 1) wegen Dürftigkeit; § 947. Gerät der Geschenkgeber in der Folge in solche Dürftigkeit, daß es ihm an dem nötigen Unterhalte gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, insoweit die geschenkte Sache, oder derselben Wert noch vorhanden ist, und ihm der nötige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Aus mehreren Geschenknehmern ist der frühere nur insoweit verbunden, als die Beiträge der spätern zum Unterhalte nicht zureichen.
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LebG – Beendigung
Linder
2) Undankes; § 948. Wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohltäter eines groben Undankes schuldig macht, kann die Schenkung widerrufen werden. Unter grobem Undanke wird eine Verletzung am Leibe, an Ehre, an Freiheit, oder am Vermögen verstanden, welche von der Art ist, daß gegen den Verletzer von Amts wegen, oder auf Verlangen des Verletzten nach dem Strafgesetze verfahren werden kann. § 949. Der Undank macht den Undankbaren für seine Person zum unredlichen Besitzer, und gibt selbst dem Erben des Verletzten, insofern der letztere den Undank nicht verziehen hat, und noch etwas von dem Geschenke in Natur oder Werte vorhanden ist, ein Recht zur Widerrufungsklage auch gegen den Erben des Verletzers. 3) Verkürzung des schuldigen Unterhaltes; § 950. Wer jemanden den Unterhalt zu reichen schuldig ist, kann dessen Recht durch Beschenkung eines Dritten nicht verletzen. Der auf solche Art Verkürzte ist befugt, den Beschenkten um die Ergänzung desjenigen zu belangen, was ihm der Schenkende nun nicht mehr zu leisten vermag. Bei mehreren Geschenknehmern ist die obige (§ 947) Vorschrift anzuwenden. 4) des Pflichtteiles; § 951. (1) Wenn bei Bestimmung des Pflichtteiles Schenkungen in Anschlag gebracht werden (§ 785), der Nachlaß aber zu dessen Deckung nicht ausreicht, kann der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zur Deckung des Fehlbetrages verlangen. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrages abwenden. (2) Ist der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt, so haftet er dem andern nur so weit, als er infolge der Schenkung mehr als den ihm bei Einrechnung der Schenkungen gebührenden Pflichtteil erhalten würde. (3) Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte nur in dem Maße, als der später Beschenkte zur Herausgabe nicht verpflichtet oder nicht imstande ist. Gleichzeitig Beschenkte haften verhältnismäßig. [neu gefasst durch RGBl 1916/69] § 952. Besitzt der Beschenkte die geschenkte Sache oder ihren Wert nicht mehr; so haftet er nur insofern, als er sie unredlicher Weise aus dem Besitze gelassen hat. 5) der Gläubiger; § 953. Unter eben dieser (§ 952) Beschränkung können auch diejenigen Geschenke zurückgefordert werden, wodurch die zur Zeit der Schenkung schon vorhandenen Gläubiger verkürzt worden sind. Auf Gläubiger, deren Forderungen jünger sind, als die Schenkung, erstreckt sich dieses Recht nur dann, wenn der Beschenkte eines hinterlistigen Einverständnisses überwiesen werden kann.] [materiell derogiert durch die Regelung der Schenkungsanfechtung durch § 29 KO (ab 1.7.2010 IO) und § 3 der Anfechtungsordnung, beide RGBl 1914/337]
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LebG – Beendigung
Schenkungen
6) wegen nachgeborener Kinder. § 954. Dadurch, daß einem kinderlosen Geschenkgeber nach geschlossenem Schenkungsvertrage Kinder geboren werden, erwächst weder ihm, noch den nachgebornen Kindern das Recht, die Schenkung zu widerrufen. Doch kann er, oder das nachgeborne Kind, im Notfalle sowohl gegen den Beschenkten, als gegen dessen Erben das oben angeführte Recht auf die gesetzlichen Zinsen des geschenkten Betrages geltend machen (§ 947).
Bei Auflösung einer Lebensgemeinschaft können die Voraussetzungen für 4 einen Widerruf der Schenkung gem §§ 947 ff ABGB vorliegen. Das Gesetz sieht für bestimmte nach Vertragsabschluss eintretende Gründe eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass Schenkungen idR nicht widerrufen werden können (§ 946 ABGB). Gemeinsam ist den Tatbeständen, dass zur Auflösung der Lebensgemeinschaft ein besonderer Umstand hinzutreten muss: der Geschenkgeber gerät in eine Notlage, der Beschenkte macht sich eines groben Undanks schuldig, der Unterhalts- oder Pflichtteilsanspruch eines Dritten wird verkürzt oder dem kinderlosen Geschenkgeber werden nachträglich Kinder geboren. Der Schenkungswiderruf wird durch einseitige, empfangsbedürftige Wil- 5 lenserklärung ausgeübt (1 Ob 503/78 = SZ 51/25; 5 Ob 29/75 = SZ 48/68; Bollenberger/KBB § 946 ABGB Rz 2; aA Binder/Schwimann § 946 ABGB Rz 8 [nur gerichtliche Geltendmachung]). Zur Vermeidung der Verjährung verlangt die Rsp allerdings gem § 1497 ABGB gerichtliche Geltendmachung oder Anerkenntnis (1 Ob 503/78 = SZ 51/25; krit Binder/Schwimann § 946 ABGB Rz 8; P. Bydlinski, ÖJZ 1982, 515). Gem § 1487 ABGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre für einen Widerruf wegen Undanks und Pflichtteilsverkürzung. Vor Erfüllung der Schenkung ist eine Feststellungsklage zulässig (1 Ob 505/79 = SZ 52/36). Die Regeln über den Schenkungswiderruf gehen als speziellere Rechtsvor- 6 schriften einer Anfechtung wegen Motivirrtums vor (Kerschner, Irrtumsanfechtung 154 ff; Rummel/Rummel § 901 ABGB Rz 9). Wegen Dürftigkeit. Gem § 947 ABGB können Schenkungen wegen „Dürftig- 7 keit“ des Geschenkgebers widerrufen werden. Darunter ist zu verstehen, dass dem Geschenkgeber der nötige Unterhalt (nicht schon der angemessene Unterhalt) fehlt (Binder/Schwimann § 947 ABGB Rz 2). In diesem Fall kann der Geschenkgeber zwar nicht die geschenkte Sache, wohl aber die gesetzlichen Zinsen des noch vorhandenen Geschenkwerts verlangen (jährliche Rente iHv 4% gem § 1000 ABGB). Der Widerrufsgrund hat kaum praktische Bedeutung (Stanzl/Klang IV/12 619 f; Bollenberger/KBB § 947 ABGB Rz 1). Wegen groben Undanks. Ein Widerruf der Schenkung kommt in Betracht, 8 wenn der Beschenkte sich gegen seinen Wohltäter eines groben Undanks 1113
LebG – Beendigung
Linder
schuldig macht. Darunter versteht das Gesetz nur bestimmte gerichtlich strafbare Handlungen, nämlich eine Verletzung am Körper, an der Ehre, an der Freiheit oder am Vermögen (dazu Binder/Schwimann §§ 948, 949 ABGB Rz 11 ff). Es muss sich um ein strafrechtlich normiertes Offizial- oder Privatanklagedelikt handeln (Stabentheiner, NZ 1995, 59). Die strafbare Handlung muss einen Mangel an dankbarer Gesinnung bekunden (5 Ob 539/95 = EF 78.460). Ferner muss dem Beschenkten bewusst gewesen sein, dem Geschenkgeber eine Kränkung zuzufügen (5 Ob 508/86 = NZ 1988, 13; 10 Ob 1528/94 = EF 78.460; RIS-Justiz RS0079373). Entscheidend ist, ob die Verfehlung des Beschenkten so gravierend ist, dass sie nach den in den Kreisen der Beteiligten herrschenden Anschauungen als eine solche Vernachlässigung der Dankespflicht gegenüber dem Geschenkgeber anzusehen ist, die eine Entziehung des Geschenks rechtfertigt (10 Ob 2152/96k = EF 81.412; RIS-Justiz RS0079367t). Es sind die gesamten Umstände des Einzelfalls abzuwägen (insb bei einer Beleidigung [4 Ob 5/36 = SZ 18/39; 6 Ob 540/83]). Die Wendung „gegen seinen Wohltäter“ ist in einem weiteren Sinn zu verstehen; auch die Verletzung naher Familienangehöriger des Schenkers berechtigt zum Widerruf (10 Ob 2152/96k = EF 81.412 [gegen Enkelkinder]; 8 Ob 230/02k = EF 104.676 [gegen den Sohn des Geschenkgebers, wobei der Schadenserfolg im Vermögen des Geschenkgebers selbst eintrat]). Irrelevant ist es, ob der Beschenkte wegen der strafbaren Handlung tatsächlich strafgerichtlich verurteilt wird (3 Ob 590/53 = EvBl 1953/510). Auch die Einleitung eines Strafverfahrens ist nicht Voraussetzung für den Widerruf (Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 204). Das Zivilgericht hat diese Frage vielmehr selbständig als Vorfrage zu beurteilen (5 Ob 85/72 = JBl 1973, 204; 5 Ob 29/ 75 = SZ 48/68 [Ehebruch, seit dem StrÄG 1996 jedoch nicht mehr strafbar]; zur kontrovers beurteilten Frage, ob eine Bindung des Zivilgerichts an eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung besteht, vgl Fucik/Rechberger § 191 ZPO Rz 6; Binder/Schwimann §§ 948, 949 ABGB Rz 8). Jedenfalls ist ein Nachweis des Verschuldens des Beschenkten erforderlich (3 Ob 35/03y). Ein absolut untauglicher Versuch begründet kein Widerrufsrecht (5 Ob 508/86 = NZ 1988, 13); die strafrechtliche Verjährung der Tat ist unbeachtlich (Schubert/Rummel § 948 ABGB Rz 2). Das Widerrufsrecht steht nicht mehr zu, wenn der Geschenkgeber dem Beschenkten die strafbare Handlung verziehen hat (3 Ob 590/53, EvBl 1953/510; 5 Ob 29/75 = SZ 48/68). Der Beschenkte hat die Sache in natura zurückzustellen, sofern dies möglich und tunlich ist (6 Ob 252/71 = SZ 44/192; 5 Ob 29/75 = SZ 48/68). Sonst hat er die vorhandene Bereicherung herauszugeben (Stanzl/Klang IV/12 624; Bollenberger/KBB § 949 ABGB Rz 1). Der Beschenkte ist ab dem Zeitpunkt des Undanks unredlicher Besitzer (§ 949 ABGB). Seine Haftung richtet sich nach §§ 335 f ABGB; er hat alle durch die Schenkung erlangten Vorteile herauszugeben und den durch seinen Besitz verursachten Schaden zu ersetzen (5 Ob 910/76 = EvBl 1977/231 [Veräußerungserlös oder entgangene Miet1114
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Schenkungen
zinse]; s ferner Schubert/Rummel § 949 ABGB Rz 3; Binder/Schwimann §§ 948, 949 ABGB Rz 22 ff). Verkürzung des schuldigen Unterhalts. Gem § 950 ABGB kann eine Schen- 9 kung widerrufen werden, wenn dadurch die Unterhaltspflicht des Geschenkgebers gegenüber einem Dritten verletzt wird. Erfasst sind sowohl gesetzliche als auch vertragliche Unterhaltspflichten oder solche, die auf letztwilligen Verfügungen beruhen (Binder/Schwimann § 950 ABGB Rz 2). Das Widerrufsrecht steht dem Unterhaltsberechtigten zu. Er kann die Schenkung insoweit widerrufen, als dies erforderlich ist, um die Unterhaltsleistung auf jene Höhe zu bringen, zu der der Geschenkgeber ohne Schenkung verpflichtet gewesen wäre (1 Ob 768/76 = EF 29.344). Die Bestimmung erfasst insb unentgeltliche Arbeitsleistungen und ermöglicht, den fehlenden Unterhalt vom Arbeitgeber zu erlangen (Schubert/Rummel § 950 ABGB Rz 1; dieses Ergebnis kann auch durch die parallel eingreifenden §§ 292d und § 292e EO erreicht werden). Im Zusammenhang mit der Auflösung einer Lebensgemeinschaft kann der Tatbestand in zwei Konstellationen von Bedeutung sein. (i) Ein Lebensgefährte schuldet dem anderen – ausnahmsweise – Unterhalt, etwa aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung. Führt eine Schenkung an einen Dritten zu einer Verkürzung dieses Unterhalts, hat der unterhaltsberechtigte Lebensgefährte unmittelbar gegenüber dem Dritten einen selbständigen Leistungsanspruch (4 Ob 72/54 = SZ 27/133; Schubert/Rummel § 950 ABGB Rz 1). Der Dritte haftet auch für den maximal drei Jahre (§ 1480 ABGB) rückständigen Unterhalt (8 Ob 516/92 = SZ 65/98). Es wird somit nicht die Schenkung im Verhältnis Geschenkgeber – Geschenknehmer widerrufen, sondern der verkürzte Unterhaltsberechtigte (hier: der Lebensgefährte) hat einen Leistungsanspruch gegen den dritten Geschenknehmer, um seinen Unterhaltsanspruch zu sichern. (ii) Der einem Dritten zum Unterhalt Verpflichtete verkürzt durch eine Schenkung an seinen Lebensgefährten den Unterhalt (zB geschiedener Ehegatte; unterhaltsberechtigte Kinder). In diesem Fall hat der Verkürzte einen Leistungsanspruch gegen den beschenkten Lebensgefährten. Neben § 950 ABGB bestimmt § 1 USchG eine Haftung desjenigen, der einem erwerbslosen Unterhaltsverpflichteten (seinem Lebensgefährten) in Kenntnis dieser Pflicht freiwillig Unterhalt gewährt, gegenüber dem Unterhaltsberechtigten (vgl 3 Ob 170/50 = SZ 23/171; 4 Ob 72/54 = SZ 27/133). Die Anfechtung von den Unterhalt verkürzenden Leistungen kann auch auf die AnfO gestützt werden. Verkürzung des Pflichtteils. Verkürzt die Schenkung eines Lebensgefährten 10 nach dessen Tod den Pflichtteilsanspruch eines Noterben, kann dieser vom Beschenkten nach den Bestimmungen von §§ 785, 951 ABGB die Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil (bei Exekution nur in die geschenkte Sache) verlangen,
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Linder
sofern die Anrechnung gem § 785 ABGB nicht ausreicht (zu Details vgl nur Binder/Schwimann §§ 951, 952 ABGB Rz 6 ff). 11 Wegen nachgeborner Kinder. Werden dem kinderlosen Geschenkgeber nach Abschluss des Schenkungsvertrags Kinder geboren, können sowohl er als auch das Kind im Notfall vom Beschenkten die gesetzlichen Zinsen des noch vorhandenen Geschenkwerts iS des § 947 ABGB verlangen (§ 954 ABGB). b) Irrtumsanfechtung § 572. Auch wenn der von dem Erblasser angegebene Beweggrund falsch befunden wird, bleibt die Verfügung gültig; es wäre denn erweislich, daß der Wille des Erblassers einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrunde beruht habe. § 871. (1) War ein Teil über den Inhalt der von ihm abgegebenen oder dem anderen zugegangenen Erklärung in einem Irrtum befangen, der die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die Absicht vorzüglich gerichtet und erklärt wurde, so entsteht für ihn keine Verbindlichkeit, falls der Irrtum durch den anderen veranlaßt war, oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen mußte oder noch rechtzeitig aufgeklärt wurde. (2) Ein Irrtum eines Teiles über einen Umstand, über den ihn der andere nach geltenden Rechtsvorschriften aufzuklären gehabt hätte, gilt immer als Irrtum über den Inhalt des Vertrages und nicht bloß als solcher über den Bewegungsgrund oder den Endzweck (§ 901). [neu gefasst durch RGBl 1916/69; Absatz 2 neu gefasst durch BGBl 1979/140] § 872. Betrifft aber der Irrtum weder die Hauptsache, noch eine wesentliche Beschaffenheit derselben, sondern einen Nebenumstand; so bleibt der Vertrag, insofern beide Teile in den Hauptgegenstand gewilligt, und den Nebenumstand nicht als vorzügliche Absicht erklärt haben, noch immer gültig: Allein dem Irregeführten ist von dem Urheber des Irrtumes die angemessene Vergütung zu leisten. § 873. Eben diese Grundsätze sind auch auf den Irrtum in der Person desjenigen, welchem ein Versprechen gemacht worden ist, anzuwenden; insofern ohne den Irrtum der Vertrag entweder gar nicht, oder doch nicht auf solche Art errichtet worden wäre. Als Irrtum in der Person gilt jedenfalls der Irrtum über das Vorhandensein einer erforderlichen verwaltungsrechtlichen Befugnis zur Erbringung der Leistung. [Satz 2 neu gefasst durch BGBl 1979/140] § 901. Haben die Parteien den Bewegungsgrund, oder den Endzweck ihrer Einwilligung ausdrücklich zur Bedingung gemacht; so wird der Bewegungsgrund oder Endzweck wie eine andere Bedingung angesehen. Außerdem haben dergleichen Äußerungen auf die Gültigkeit entgeltlicher Verträge keinen Einfluß. Bei den unentgeltlichen aber sind die bei den letzten Anordnungen gegebenen Vorschriften anzuwenden.
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GesbR
Nach Beendigung der Lebensgemeinschaft ist die Möglichkeit einer Irrtums- 12 anfechtung wegen Motivirrtums zu prüfen. Bei unentgeltlichen Geschäften ist der Motivirrtum grundsätzlich beachtlich (§§ 901, 572 ABGB). Der Irrtum muss generell schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgelegen haben. Fraglich ist, ob ein Irrtum über das Motiv der absoluten Dauerhaftigkeit der Lebensgemeinschaft bei deren Auflösung zur Irrtumsanfechtung berechtigt. Der OGH hat ausgeführt, dass der zeitlich unbegrenzte Fortbestand der Lebensgemeinschaft mangels ausdrücklicher Vereinbarung bei einem entgeltlichen Geschäft nicht eine typische Erwartung ist, die jedermann mit einem solchen Geschäft verbindet; das Motiv wird daher nicht typische Geschäftsgrundlage und berechtigt nicht zu einer Irrtumsanfechtung (9 Ob 293/99z). Bei unentgeltlichen Geschäften ist ein Irrtum über das Fortbestehen der Le- 13 bensgemeinschaft hingegen grundsätzlich beachtlich (vgl 1 Ob 10/75 = SZ 48/9; Rummel, JBl 1976, 626; Deixler-Hübner, Scheidung Rz 254; offen lassend 6 Ob 44/02t = Miet 54.103; einschränkend Kerschner, Irrtumsanfechtung 154 ff; s ferner Schubert/Rummel § 946 ABGB Rz 2). Der Beweggrund muss allerdings einen bestimmten Grad der Sicherheit erreicht haben; sieht sich der Geschenkgeber bloß in Erwartungen, Hoffnungen und Vermutungen enttäuscht, liegt kein Irrtum vor (1 Ob 18/73 = EvBl 1974/29; RIS-Justiz RS0017750). An den Kausalitätsbeweis stellt die Rsp besonders strenge Anforderungen (5 Ob 551/93 = EF 72.156; 6 Ob 66/00z = EF 100.794; 6 Ob 44/02t = Miet 54.103). Eine Rückforderung ist zu versagen, wenn der Geschenkgeber selbst den Fortbestand der Lebensgemeinschaft wider Treu und Glauben vereitelt (Gschnitzer/Klang III2 672). Die bloß einseitige Aufhebung der Lebensgemeinschaft an sich ist jedoch noch nicht treuwidrig (4 Ob 2335/96b = EF 81.584; 1 Ob 703/88 = SZ 62/5 [zum Verlöbnis]; weitergehend OLG Wien EF 57.063; Rummel/Rummel § 1435 ABGB Rz 9). Die Rsp, die auf Zuwendungen unter Ehegatten in Erwartung des Fortbestands der Ehe im Scheidungsfall § 1266 ABGB analog anwendet (1 Ob 10/75 = SZ 48/9; 4 Ob 504/84 = SZ 58/ 63), ist auf Lebensgefährten nicht anwendbar. Bei der Anfechtung einer Schenkung wegen Irrtums muss zudem eine der Vor- 14 aussetzungen von § 871 ABGB vorliegen (1 Ob 551/94 = SZ 67/136; 7 Ob 395/97g; Kerschner, Irrtumsanfechtung 109 ff; Rummel/Rummel § 901 ABGB Rz 9; Apathy/Riedler/Schwimann § 901 ABGB Rz 5; aA Gschnitzer/Klang IV/12 332; Bollenberger/KBB § 901 Rz 5). 3. Die Lebensgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts Lit: F. Bydlinski, Der Ausschluss aus einer zweipersonalen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (am Beispiel einer anwaltlichen Regiegemeinschaft), GS Schönherr (1986) 155; Deixler-Hübner, Probleme der Leistungsabgeltung im Zusammenhang mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 201; Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis
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Linder
(1982); König, Das Gesellschaftsvermögen im Konkurs der GesBR, ZIK 1996, 73; Linder, Das Unternehmen in der Ehescheidung zwischen Ehe- und Gesellschaftsrecht, GesRZ 2007, 7; ders, Die Mitwirkung im Erwerb gem § 98 ABGB, EF-Z 2007, 127; Mayer-Maly, Gesellschaftsrechtliche Bindungen des Privatlebens, JBl 1966, 505; Meissel/Preslmayr, Die Abgeltung von Leistungen in der Lebensgemeinschaft, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992) 515; Möschl, Der Ausgleich von Leistungen nach Auflösung der Lebensgemeinschaft, in Deixler-Hübner (Hrsg), Die rechtliche Stellung der Frau (1998) 97; Nowotny, Ehescheidung und Unternehmensvermögen, ÖJZ 1988, 609, 650; Schauer, Nachfolge im Recht der Personengesellschaften, in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge (2010) § 31 (988); Stabentheiner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – ein Überblick, NZ 1995, 49; Stefula, Der gemeinsame Hausbau bei der Auflösung von Ehe und Lebensgemeinschaft, JAP 2001/2002, 138, 203; Strasser, Die Beendigung der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (1969); Welser, Ehepakt, Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts und Formzwang, GesRZ 1976, 34.
a) Allgemeines
15 Spezifische vermögensrechtliche Folgen zwischen den Lebensgefährten treten ein, wenn die Lebensgefährten gemeinsam eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) gründen. Insb bei Auflösung der Lebensgemeinschaft kann es auch zur Auflösung der GesbR kommen. Die damit einhergehenden Rechtsfolgen gehen – weil auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhend – bereicherungsrechtlichen Ansprüchen vor. 16 Die Judikatur nimmt in bestimmten Konstellationen regelmäßig das Bestehen einer GesbR zwischen Ehegatten oder Lebensgefährten an. Die Interessenlage von Ehegatten und Lebensgefährten ist in diesem Zusammenhang vergleichbar, es greifen (mit wenigen Ausnahmen, dazu Rz 21, 26) keine spezifisch eherechtlichen Wertungen ein. Die Judikatur ist, sofern sie sich auf eine GesbR zwischen Ehegatten bezieht, daher im Allgemeinen auch auf Lebensgefährten übertragbar. In der Folge wird daher teilweise auch die Rsp zu GesbR zwischen Ehegatten dargestellt. 17 In der Praxis häufig sind zwei typische Fallkonstellationen, in denen sich die Frage einer GesbR stellt: (i) Gemeinsamer Hausbau, gemeinsamer Erwerb einer Liegenschaft für den Hausbau (bzw Erwerb eines bestehenden Hauses) oder gemeinsamer Erwerb einer Eigentumswohnung zu Wohnzwecken. (ii) Gemeinsame Verfolgung einer unternehmerischen Tätigkeit. Darüber hinaus ist eine GesbR auch in anderen Fällen denkbar, in denen gemeinsam ein beschränkter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird (zB gemeinsame Anschaffung von Gegenständen, die einem gemeinsamen Hobby dienen, zB Segelyacht, Motorboot oder Reitpferd).
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b) Zustandekommen Von dem Vertrage über eine Gemeinschaft der Güter. Entstehung einer Erwerbsgesellschaft. Begriff. § 1175. Durch einen Vertrag, vermöge dessen zwei oder mehrere Personen einwilligen, ihre Mühe allein, aber auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen, wird eine Gesellschaft zu einem gemeinschaftlichen Erwerbe errichtet. Einteilung. § 1176. Je nachdem die Mitglieder einer Gesellschaft nur einzelne Sachen, oder Summen; oder eine ganze Gattung von Sachen, z. B. alle Waren, alle Früchte, alle liegende Gründe, oder endlich ihr ganzen Vermögen ohne Ausnahme der Gemeinschaft widmen, sind auch die Arten der Gesellschaft verschieden, und die Gesellschaftsrechte mehr oder weniger ausgedehnt. § 1177. Wenn ein Gesellschaftsvertrag auf das ganze Vermögen lautet; so wird doch nur das gegenwärtige darunter verstanden. Wird aber auch das künftige Vermögen mit begriffen; so versteht man darunter nur das erworbene, nicht das ererbte; außer es wäre beides ausdrücklich bedungen worden. Form der Errichtung. § 1178. Gesellschaftsverträge, welche sich nur auf das gegenwärtige, oder nur auf das zukünftige Vermögen beziehen, sind ungültig, wenn das von dem einen und dem andern Teile eingebrachte Gut nicht ordentlich beschrieben, und verzeichnet worden ist. § 1179. Wie der gesellschaftliche Vertrag unter Handelsleuten zu errichten, in die gehörigen Register einzutragen und öffentlich bekannt zu machen sei, bestimmen die besonderen Handels- und politischen Gesetze. [Werden nur einzelne Geschäfte gemeinschaftlich betrieben; so ist genug, wenn der darüber errichtete Vertrag in den Handlungsbüchern erscheint.] [2. Satz derogiert mit Wirkung vom 1.7.1863 durch § 1 EGAHGB in Verbindung mit Art 266 ff AHGB, beide RGBl 1863/1] § 1180. Der Vertrag über eine Gemeinschaft des ganzen sowohl gegenwärtig als künftigen Vermögens, welcher gewöhnlich nur zwischen Ehegatten errichtet zu werden pflegt, ist nach den in dem Hauptstücke von den Ehepakten hierüber erteilten Vorschriften zu beurteilen. Die gegenwärtigen Vorschriften beziehen sich auf die übrigen Arten der durch Vertrag errichteten Gütergemeinschaft.
ba) Begriff
Gem § 1175 ABGB entsteht eine GesbR durch einen Vertrag, vermögen dessen 18 zwei oder mehrere Personen einwilligen, ihre Mühe allein, oder auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen. Die GesbR ist daher durch die konstitutiven Merkmale des Gesellschaftsvertrags (Rz 19 ff) und 1119
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Linder
eines gemeinschaftlichen Nutzens, der durch die Vereinigung von Mühe und Kapital und sonstigen Sachwerten (Rz 22 ff) verfolgt wird, gekennzeichnet. Darüber hinaus verlangt die Rsp das Vorliegen einer Gemeinschaftsorganisation (Rz 27 ff). bb) Gesellschaftsvertrag
19 Der Gesellschaftsvertrag der GesbR bedarf keiner besonderen Form, es ist kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag und auch kein Notariatsakt erforderlich (LGZ Wien Miet 40.185; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 408). Eine GesbR kann zwischen Lebensgefährten ausdrücklich oder konkludent zustande kommen (5 Ob 588/82 = EF 43.484). Ein konkludenter Vertrag bedarf nach allgemeinen Regeln (§ 863 ABGB) einer zweifelsfreien Willenserklärung und deren Annahme (Nowotny, ÖJZ 1988, 615). Es ist zumindest eine schlüssige Willenseinigung der Lebensgefährten zu einer wechselseitigen Bindung mit konkreten Rechten und Pflichten erforderlich (6 Ob 135/99t = EF 90.093). Es muss zwischen den Parteien zumindest in grob bestimmbaren Zügen klar sein, wer was und in welcher Form zum gemeinsamen Ziel beizusteuern hat; der Rechtsfolgewille der Parteien muss auch die Durchsetzbarkeit der Regelungen umfassen (6 Ob 135/99t = EF 90.093). 20 Den Lebensgefährten muss aber nicht in jedem Fall positiv bewusst sein, dass sie eine Gesellschaft gründen (4 Ob 502/91 = JBl 1991, 789; Stefula, JAP 2001/ 2002, 138). Es genügt (unter den sonstigen von der Judikatur verlangten Voraussetzungen), dass sie einen beschränkten wirtschaftlichen Zweck verfolgen möchten und erklären, sich wechselseitigen Rechten und Pflichten unterwerfen zu wollen (Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 528; zurückhaltend Kerschner, JBl 1988, 518). Vertraut jedoch keiner der beiden Lebensgefährten auf den Vertragsabschluss, ist die Annahme einer GesbR unzulässig (Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 529). Bloß faktisches Zusammenwirken ohne vertragliche Festlegung von Rechten und Pflichten begründet daher keine GesbR (6 Ob 135/99t = EF 90.093; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 409). Bestehen Zweifel am Bindungswillen, ist kein Gesellschaftsvertrag anzunehmen (LGZ Wien Miet 46.168; 4 Ob 502/91 = JBl 1991, 789). 21 Es könnte erwogen werden, an den Bindungswillen von Lebensgefährten weniger strenge Anforderungen zu stellen als an jenen von Ehegatten. Ehegatten verbindet mit der Eheschließung ein umfassendes familienrechtliches Band; im Fall der Ehescheidung greift eine Vermögensaufteilung gem §§ 81 ff EheG. Die ehegesetzliche Vermögensaufteilung geht grundsätzlich gesellschaftsrechtlichen Aufteilungsansprüchen bei Auflösung einer GesbR vor (6 Ob 688/79 = SZ 52/129). Wechselseitige Beitragsleistungen von Ehegatten im Zusammenhang mit einem Hausbau können daher jedenfalls nach §§ 81 ff EheG berück1120
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sichtigt werden; bei einer Mitwirkung im Erwerb greift § 98 ABGB, wenn keine vertragliche Vereinbarung getroffen wird (Linder, EF-Z 2007, 129). Für Lebensgefährten bestehen keine vergleichbaren Regelungen. Lebensgefährten sind nicht wie Ehegatten in ein Netz familienrechtlicher Regelungen eingebettet, die einen Ausgleich solcher Leistungen – selbst wenn sie über die eheliche Beistandspflicht hinausgehen (Rz 26) – vorsehen. Es könnte daher argumentiert werden, dass im Zweifel eher nicht anzunehmen ist, dass Lebensgefährten einander vermögenswerte Leistungen ohne Rechtsgrund erbringen. Da ein unmittelbar auf dem Gesetz beruhender Rechtsgrund nicht besteht, könnte dies in vielen Fällen für eine konkludente vertragliche Vereinbarung sprechen. Dabei darf freilich nicht das Erfordernis eines zweifelsfreien Bindungswillens missachtet werden. Wenn beide Lebensgefährten klar davon ausgegangen sind, dass Rechte und Pflichten zwischen ihnen nicht entstehen, ist eine GesbR jedenfalls zu verneinen. bc) Gemeinschaftlicher Nutzen
In der bloßen Tatsache der Begründung einer Lebensgemeinschaft liegt noch 22 keine GesbR; nicht jede Lebensgemeinschaft ist als solche schon eine GesbR (LGZ Wien Miet 46.168; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 408). Eine GesbR setzt voraus, dass die Gesellschafter einen gemeinschaftlichen Nutzen festsetzen, den sie in Form der GesbR verfolgen möchten. Darunter ist zu verstehen, dass ein gemeinsamer Gesellschaftszweck verfolgt werden muss. Dies kann ein wirtschaftlicher Zweck sein; nach der Rsp und einem Teil der L steht die GesbR auch für ideelle Zwecke offen (3 Ob 640/50 = SZ 24/87; 2 Ob 50/89 = JBl 1989, 587; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/4; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1175 ABGB Rz 12; aA Grillberger/Schwimann §§ 1175 ABGB Rz 17 mwN). Dafür spricht mE auch die Zwecköffnung der Personengesellschaften im UGB mit dem HaRÄG; es wäre nicht zu rechtfertigen, wenn eine OG oder KG zu jedem erlaubten Zweck, die GesbR jedoch nur zu wirtschaftlichen Zwecken gegründet werden könnte. Die Verfolgung eines rein ideellen Zwecks durch Lebensgefährten wird in der Praxis wohl eher die Ausnahme sein; ausgeschlossen ist dies jedoch nicht (zB gemeinsame Verfolgung karitativer Zwecke; s Linder, GesRZ 2007, 21). Vom Zweck zu unterscheiden ist der konkrete Unternehmensgegenstand 23 (zB: gemeinsamer Hausbau oder gemeinsames Wirtschaften im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit). Die Rsp vermengt diese Begriffe häufig (zB 6 Ob 17/62 = SZ 35/8; 1 Ob 23/82 = SZ 55/117). An den gemeinschaftlich zu verfolgenden Zweck ist kein strenger Maßstab an- 24 zulegen. Grundsätzlich genügt der gemeinsame Erwerb oder der Ausbau eines Hauses oder der Kauf einer Eigentumswohnung (6 Ob 135/99t = EF 90.095; LGZ Wien Miet 46.168). Vom Gesellschaftszweck ist regelmäßig auch das ge1121
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meinsame Wohnen umfasst (6 Ob 318/62 = JBl 1963, 264; 8 Ob 507/80 = Miet 32.218). Die bloße Absicht, später im zu erwerbenden Haus zu wohnen, reicht jedoch nicht (6 Ob 135/99t = EF 90.091; OLG Wien EF 93.478). Ebenso unzureichend ist das bloße gemeinsame Wirtschaften und Wohnen (6 Ob 135/ 99t = EF 90.092). Im Zweifel ist auch die bloße Vermögensansammlung und -verwaltung kein ausreichender gemeinschaftlicher Zweck (1 Ob 23/10d = EF-Z 2010/111 [Abgrenzung zum Treuhandverhältnis]). 25 Die GesbR zeichnet sich dadurch aus, dass die Lebensgefährten einen beschränkten wirtschaftlichen Zweck verfolgen (Nowotny in Kalss/Nowotny/ Schauer, GesR Rz 2/4). Der beschränkte wirtschaftliche Zweck ist grundsätzlich das für die Abgrenzung zu Ehepakten (insb zur Gütergemeinschaft) maßgebliche Kriterium (1 Ob 1037/52 = JBl 1953, 416; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1175 ABGB Rz 37; Welser, GesRZ 1976, 35, 37 ff). Mit Blick auf Lebensgefährten – für die eine allgemeine Ordnung ihres Güterstands mit einem Ehepakt nicht offen steht – werden Überlegungen angestellt, bei entsprechendem Bindungswillen eine GesbR als Verfolgung eines umfassenden wirtschaftlichen Zwecks anzunehmen (Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 525 ff). Dies erforderte mE einen zweifelsfreien dahingehenden Willen (vergleichbar einem Ehepakt); die bloß eheähnliche Ausgestaltung einer Lebensgemeinschaft sollte noch kein Indiz sein, weil davon auszugehen ist, dass das Eingehen einer Lebensgemeinschaft an sich noch keine GesbR begründet. Allerdings kann je nach Einzelfall der Gesellschaftszweck enger oder weiter gefasst sein, je nachdem welche Zwecke die Gesellschafter im Rahmen der Gesellschaft anstreben und dazu ihre jeweiligen Einlagen (Kapital, Sachen, Arbeit) leisten. Im „Konditorei-Fall“ (3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516) hatten die Lebensgefährten sowohl die Finanzierung, Einrichtung und die laufenden Aufwendungen eines Reihenhauses als auch eine gemeinsame unternehmerische Tätigkeit (Betrieb einer Konditorei) in die Gesellschaft einbezogen (vgl Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 204 f; Meissel/Preslmayr in Harrer/ Zitta, Familie und Recht 527). Selbst wenn bei einem solchen weiten Gesellschaftszweck die wesentlichen Vermögenswerte der Lebensgefährten erfasst sind, können einzelne Vermögenswerte der Partner von der GesbR ausgenommen sein, bei denen kein Zusammenhang mit dem Gesellschaftszweck besteht (vgl § 1182 Satz 2 ABGB). 26 Bei Ehegatten muss die Vereinigung von Mühe, Kapital, Einkommen und sonstigen Sachen über die eheliche Beistands- und Unterhaltspflicht hinausgehen (7 Ob 635/86 = RdW 1987, 80; 3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516 [Kerschner]; Stefula, JAP 2001/2002, 139). Nach einer prägnanten Formel des OGH ist ein Gesellschaftsverhältnis dann anzunehmen, wenn „Ehegatten einen über den typischen Rahmen der ehelichen Gemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgen und durch den Einsatz von Arbeitsleistungen und Vermögenswerten eine gemeinsame gewerbliche Tätigkeit ausüben“ (5 Ob 179/75 = EvBl 1976/271; 1122
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8 Ob 541/87 = EF 54.192). Bei Lebensgefährten taugt dieses Abgrenzungskriterium hingegen nicht, weil zwischen Lebensgefährten von vornherein keine Beistands- oder Unterhaltspflichten bestehen (LebG – Rechtsfolgen/Innen Rz 5, 13). Grundsätzlich ist daher an das Zustandekommen einer GesbR zwischen Ehegatten ein strengerer Maßstab anzulegen als zwischen Lebensgefährten (Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 526; vgl ferner Rz 21). Wesentliche Beiträge etwa zum Hausbau sind nach der Rsp allerdings ohnehin nicht von der allgemeinen ehelichen Beistandspflicht erfasst (6 Ob 318/62 = JBl 1963, 264; 3 Ob 604/81= EF 38.516; Stefula, JAP 2001/2002, 139). bd) Gemeinschaftsorganisation?
Die Rsp verlangt, dass die Partner eine Organisation vereinbaren, die jedem 27 Partner bestimmte Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte einräumt (4 Ob 124/60 = SZ 33/112; 7 Ob 635/86 = RdW 1987, 80; 7 Ob 313/98z = RdW 1999, 201; 8 Ob 61/06p = RdW 2006/643). Der OGH verwendet auch die Formel, dass eine „wenn auch lose Gemeinschaftsorganisation“ vorliegen muss (3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516). Nach der Rsp müssen jedenfalls wichtige strategische Entscheidungen gemeinsam getroffen werden (8 Ob 707/89 = JBl 1991, 645). Gegen die vom OGH herausgearbeiteten Kriterien wird in der L eingewendet, 28 dass das Gesetz für die (konkludente) Gründung einer GesbR das Tatbestandsmerkmal einer „Gemeinschaftsorganisation“ nicht vorsieht (Grillberger/Rummel § 1175 ABGB Rz 21; Strasser/Rummel2 § 1175 ABGB Rz 11; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1175 ABGB Rz 15; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 204). Tatsächlich kann die Rsp kritisch hinterfragt werden. Von der gesetzlichen Konzeption her sind bestimmte Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte nicht Tatbestand, sondern Rechtsfolge der Vergesellschaftung (Kerschner, JBl 1988, 518; Stefula, JAP 2001/2002, 139). Zwar ist anzuerkennen, dass bei personalistischen Gesellschaftsformen mit der Vereinbarung einer gemeinsamen Zweckverfolgung mit gemeinsamem Mitteleinsatz typischerweise auch Mitspracherechte der Gesellschafter vorgesehen werden (Kastner/Doralt/Nowotny, GesR5 21 f; Wiedemann, Gesellschaftsrecht 308 ff). Diese Annahme ist aber nicht zwingend. Das Gesetz sieht für die GesbR grundsätzlich eine weitgehende Dispositionsfreiheit der Gesellschafter vor. Bestimmte Grundwertungen sind durch dispositive Organisationsregeln vorgeprägt (zB §§ 1188 iVm 833 ff ABGB). Haben die Parteien eine bestimmte, abweichende Organisation vereinbart, ist diese im Rahmen des gesetzlich Zulässigen maßgebend. Es steht den Gründern offen, die Mitwirkung eines Gesellschafters überhaupt auszuschließen, so dass dieser auf eine Rolle als reiner Kapitalgeber beschränkt ist (Nowotny, ÖJZ 1988, 615). Denkbar ist es aber auch, dass ein Gesellschafter seine Beiträge nur in Form von Arbeitsleistungen erbringt und ihm ebenfalls 1123
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keine Mitspracherechte zustehen. Dennoch ist in diesem Fall vom Bestehen einer Gesellschaft (und nicht etwa bloß von einem konkludenten Arbeitsvertrag) auszugehen, wenn die Einlagen zur Verfolgung eines gemeinsamen wirtschaftlichen Zwecks vereinbart werden und ein entsprechender Bindungswille besteht. 29 Allerdings ist zuzugestehen, dass die Vereinbarung von Einfluss- und Mitwirkungsrechten als Indiz für eine Gesellschaftsgründung dienen kann (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1175 ABGB Rz 15). Umgekehrt kann das Fehlen solcher Rechte als Indiz gegen eine GesbR gewertet werden (Wahle/Klang V2 540; Strasser/Rummel2 § 1175 ABGB Rz 11). Wird eine „Gemeinschaftsorganisation“ nicht vereinbart, sollte dies jedoch noch nicht zwingend gegen eine GesbR sprechen, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Ist der Bindungswille zweifelhaft, ist ohnehin kein Gesellschaftsvertrag anzunehmen (Rz 20). be) Einzelfälle – Judikatur Hausbau
30 Bejaht wurde eine GesbR, wenn ein Reihenhaus zwar im Alleineigentum des einen Lebensgefährten steht, der andere allerdings seine Wohnung aufgibt, den Erlös in das gemeinsame Unternehmen einbringt und weiters unmittelbar finanzielle Beiträge zur Einrichtung und Ausgestaltung des Reihenhauses leistet sowie zu den Betriebskosten und den Abzahlungen für das Reihenhaus beiträgt (3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516 [Kerschner] – „Konditorei-Fall“). Ferner liegt eine GesbR vor, wenn die Lebensgefährten nach Maßgabe ihrer finanziellen Möglichkeiten zur Schaffung einer Wohnung samt Einrichtung gemeinsam in der Absicht beitragen, darin gemeinsam zu wohnen, wenn alle für die Erhaltung und Nutzung der Wohnung erforderlichen Regelungen einvernehmlich getroffen werden (LGZ Wien Miet 36.201). In 8 Ob 507/80 (Miet 32.218) wurde eine GesbR angenommen, weil die Partner das Baugrundstück gemeinsam aussuchten, die Errichtung des Wohnhauses gemeinsam planten und während des Baufortschritts das jeweils notwendig Werdende gemeinsam besprachen, obwohl das Grundstück zunächst nur der Mann alleine erwerben, der Frau aber mit der Eheschließung Miteigentum zur Hälfte übertragen werden sollte. 31 Verneint wurde eine GesbR beim Erwerb eines Hauses, wenn nur der Kredit gemeinsam aufgenommen, aber keine konkrete Aufgabenteilung hinsichtlich der für die Renovierung erforderlichen Arbeiten und Investitionen („Gemeinschaftsorganisation“) vereinbart wurde (1 Ob 135/99t = EF 90.094). Keine GesbR liegt ferner vor, wenn ein Lebensgefährte Alleineigentümer der Liegenschaft ist, auf der mit Mitteln des anderen Lebensgefährten ein Wohnhaus mit angebautem Stall errichtet wird, dieser an der Liegenschaft aber nicht beteiligt 1124
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werden soll, ihm an der Liegenschaft bloß ein unentgeltliches Nutzungsrecht eingeräumt ist und er dort eine Gärtnerei allein führt und bewirtschaftet (6 Ob 655/77 = SZ 50/123; Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 524). Die bloße Tatsache des Erwerbs einer Wohnung durch einen Lebensgefährten in der Absicht, in Zukunft mit dem Partner dort gemeinsam zu leben, reicht ohne die Absicht, gemeinsame und gleiche Rechte beider Partner an der Wohnung zu begründen, noch nicht zur Annahme einer GesbR aus, selbst wenn der andere Lebensgefährte sich an den laufenden Aufwendungen (nicht jedoch den Anschaffungskosten) beteiligt (4 Ob 502/91 = JBl 1991, 789). Eine GesbR liegt ferner dann nicht vor, wenn einer der Partner nicht nur den überwiegenden Teil der Arbeitsleistungen erbringt, sondern auch selbst über sehr hohes Einkommen und Ersparnisse verfügt, mit denen der Großteil der Barauslagen des Hausbaus gedeckt werden können (8 Ob 265/67 = SZ 40/ 123). In mehreren Entscheidungen betont der OGH, dass von einem gemeinschaft- 32 lichen Zweck nur dann ausgegangen werden könne, wenn nach der Parteienabsicht beide Partner jetzt oder später (Mit-)Eigentumsrechte an der Liegenschaft (Haus, Wohnung) erwerben sollen (7 Ob 183/97 f = EF 84.415; 5 Ob 174/09p = iFamZ 2010, 160). Zu hinterfragen ist, ob dies in jeden Fall conditio sine qua non einer GesbR ist. Der OGH selbst hat im Konditorei-Fall (Rz 25, 30) eine GesbR angenommen, obwohl ein Lebensgefährte Alleineigentümer des Reihenhauses blieb. In dieser Entscheidung hat der OGH mE zu Recht ausgeführt, dass der gemeinschaftliche Zweck neben der gemeinsamen unternehmerischen Betätigung auch in der gemeinsamen Weiterfinanzierung des Reihenhauses lag. Nach den besonderen Umständen des Einzelfalls ist es somit möglich, ein im Alleineigentum eines Partners stehendes Haus in die GesbR einzubringen, wenn der gemeinschaftliche Zweck in der Weiterfinanzierung (gemeinsame Abzahlung des Kredits) liegt, ohne dass zukünftig Miteigentum eingeräumt werden soll. Soll ein Partner hingegen nur deshalb Alleineigentümer bleiben, um die Vermögenswerte gegen Gläubiger des anderen abzuschirmen (zB Unterhaltsberechtigte), spricht dies eher gegen eine GesbR und für ein Treuhandverhältnis (1 Ob 23/10d = EF-Z 2010/111). In vielen Fällen kann die Parteienabsicht, beiden Partnern dingliche Rechte einzuräumen, freilich ein Indiz für einen gemeinschaftlichen Zweck bzw umgekehrt das Fehlen einer solchen Absicht ein starkes Indiz gegen eine Gesellschaftsgründung sein. Werden bloß Haushalts- und Gartenarbeiten erbracht, ist eine GesbR jedenfalls zu verneinen (5 Ob 174/09p = iFamZ 2010, 160). Unternehmen
Eine GesbR nimmt der OGH an, wenn ein Ehegatte dem Unternehmen des 33 Partners erhebliche Geldmittel zur Verfügung stellt, zur Verfügung über die Betriebskonten des Unternehmens und zum Abschluss wichtiger Verträge be1125
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rechtigt ist und eine aussichtsreiche Arbeitsstelle aufgibt, um für das Unternehmen des Lebensgefährten zu arbeiten (3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516 [Kerschner]; s Rz 25, 30). Eine GesbR liegt ferner vor bei gemeinsamen Betriebs eines Gasthauses (Solidarhaftung für eine Getränkebezugsvereinbarung [2 Ob 608/92 = RdW 1993, 364]) oder etwa dann, wenn ein Lebensgefährte im Betrieb des anderen mithilft und alle Tätigkeiten verrichtet (zB Besorgung des Einkaufs, Vorbereiten und Servieren des Frühstücks, Ausschank an der Theke und Vermietung von Zimmern), er nach außen zwar nicht „in Erscheinung“ tritt, im Verhältnis zu seinem Partner jedoch den Betrieb führt und aus den gemeinsam erwirtschafteten Erträgnissen die Verbindlichkeiten rückgeführt werden und der Lebensunterhalt gesichert wird (7 Ob 313/98z = JBl 2000, 243). 34 Maßgeblich für die Annahme einer GesbR ist nach der Judikatur das Vorliegen von Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung (5 Ob 525/81 = EF 38.514; 5 Ob 588/82 = EF 43.484; Nowotny, ÖJZ 1988, 615). Allein dass ein Ehegatte dem anderen die Benutzung seiner Räume oder Liegenschaften für den Betrieb eines Unternehmens überlässt, genügt dabei noch nicht für den (konkludenten) Abschluss eines Gesellschaftsvertrags (7 Ob 527/77 = HS 10.252), ebenso wenig die Beisteuerung erheblicher finanzieller Mittel für den Erwerb von Betriebsliegenschaften (6 Ob 655/77 = SZ 50/123). Die tatkräftige Mitarbeit eines Ehegatten im Unternehmen des anderen allein, selbst wenn sie über die eheliche Beistandspflicht hinausgeht, spricht ebenfalls noch nicht eindeutig für eine Gesellschaft (6 Ob 770/79 = EF 36.111; 5 Ob 525/81 = EF 38.518). Kein Indiz für ein Gesellschaftsverhältnis ist auch die Verrichtung von Tätigkeiten, die üblicherweise von einem Angestellten ausgeübt werden, weil damit keine maßgebliche Einflussnahme auf die Betriebsführung verbunden ist (6 Ob 770/79 = EF 36.112; ebenso 5 Ob 588/82 = EF 43.484 trotz Übernahme persönlicher Haftungen durch die Ehegattin). c) Einlagen Wirkung des Vertrages und des wirklichen Beitrages. § 1181. Der Gesellschaftsvertrag gehört zwar unter die Titel, ein Eigentum zu erwerben; die Erwerbung selbst aber, und die Gemeinschaft der Güter oder Sachen kommt nur durch die Übergabe derselben zu Stande. Hauptstamm. § 1182. Alles, was ausdrücklich zum Betriebe des gemeinschaftlichen Geschäftes bestimmt worden ist, macht das Kapital, oder den Hauptstamm der Gesellschaft aus. Das Übrige, was jedes Mitglied besitzt, wird als ein abgesondertes Gut betrachtet.
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§ 1183. Wenn Geld, verbrauchbare, oder zwar unverbrauchbare, jedoch in Geldwert angeschlagene Sachen eingelegt werden; so ist nicht nur der daraus verschaffte Nutzen, sondern auch der Hauptstamm in Rücksicht der Mitglieder, welche hierzu beigetragen haben, als ein gemeinschaftliches Eigentum anzusehen. Wer nur seine Mühe zum gemeinschaftlichen Nutzen zu verwenden verspricht, hat zwar auf den Gewinn, nicht aber auf den Hauptstamm einen Anspruch (§ 1192). Rechte und Pflichten der Mitglieder; Vertrag zum Hauptstamme (Fonds) § 1184. Jedes Mitglied ist außer dem Fall einer besondern Verabredung, verbunden, einen gleichen Anteil zum gemeinschaftlichen Hauptstamme beizutragen.
Die Einlagen der Gesellschafter können grundsätzlich in Kapital (Bargrün- 35 dung), Sachen oder Arbeitsleistungen bestehen. Die Art und Höhe der Einlagenleistungen richtet sich nach der Vereinbarung. Gem § 1184 ABGB haben die Gesellschafter einen wertmäßig gleichen Anteil beizutragen; nach §§ 1188 iVm 839 ABGB wird vermutet, dass im Zweifel jeder Anteil als gleich groß angesehen wird. Wer eine abweichende Vereinbarung behauptet, muss sie beweisen (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1184 Rz 2). Ist ein Gesellschafter reiner Arbeitsgesellschafter, ist dies für das Stimmrecht (Rz 48) sowie bei Auflösung der GesbR für die Aufteilung von Bedeutung (Rz 78). Arbeitsleistungen beim gemeinsamen Hausbau können sich unmittelbar auf die Errichtung des Hauses beziehen; es sind aber auch mittelbare Beiträge denkbar, zB Kindererziehung und Haushaltsführung, wenn sie dem Partner seinen Aufwand für das gemeinsame Haus ganz oder teilweise ermöglichen (6 Ob 688/78 = GesRZ 1979, 116; RIS-Justiz RS0022383; aA Nowotny, ÖJZ 1988, 616). Bei Ehegatten kommen solche Beiträge nicht in Betracht, die im Rahmen der bestehenden Beistands- und Unterhaltspflichten erbracht werden (Stefula, JAP 2001/2002, 139). Unter Lebensgefährten ist zu berücksichtigen, dass es keine gesetzlichen Beistands- oder Unterhaltspflichten gibt (LebG – Rechtsfolgen/Innen Rz 5, 13). Allerdings sind mE an das konkludente Zustandekommen des Gesellschaftsvertrags besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil sich die Beiträge eben nicht unmittelbar auf den Gesellschaftszweck bzw -gegenstand beziehen und diesen nur mittelbar fördern. Insb wird Einwirkungs- und Mitwirkungsrechten besondere Indizwirkung zukommen (zB gemeinsames Planen des Hauses); ebenso ist zu berücksichtigen, ob neben den mittelbaren auch unmittelbare Beiträge geleistet werden (zB Haftung für Kredite) oder solche nach der Parteienabsicht zumindest zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden sollen, etwa wenn ein Lebensgefährte nach den Zeiten der Kindererziehung wieder erwerbstätig und sein Einkommen gleichfalls zur Kreditrückzahlung verwendet werden soll.
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36 Werden Sachwerte eingebracht, ist zu differenzieren, ob diese quoad usum, quoad dominium oder quoad sortem eingebracht werden. Die Art der Sacheinlage ist für die Aufteilung des Gesellschaftsvermögens maßgebend (Rz 69 ff). 37 Quoad usum eingebrachte Sachen dienen nur zum Gebrauch während der Dauer der Gesellschaft. Der Einbringende bleibt sowohl im Innen- als auch Außenverhältnis allein Eigentümer der Sache und überlässt sie der Gesellschaft zur Verwirklichung des gemeinsamen Zwecks. Die Gesellschaft hat nur ein Gebrauchsrecht (Grillberger/Rummel §§ 1182 ABGB Rz 5). Die Gefahr trägt weiterhin der Gesellschafter; bei Untergang der Sache hat er Ersatz nur bei Vereinbarung einer Nachschusspflicht zu leisten (Wünsch, GesRZ 1978, 3 ff). 38 Bei einer Einbringung quoad dominium soll die Sache ins gemeinschaftliche Eigentum der Gesellschafter übergehen. Bei Liegenschaften ist die Übertragung ins Miteigentum der Gesellschafter erforderlich (7 Ob 313/98z = JBl 2000, 243). Der nicht im Grundbuch eingetragene Partner hat Anspruch auf Einverleibung seines Miteigentumsanteils im Grundbuch (4 Ob 35/98w = HS 29.472; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 410 f; Möschl, Lebensgemeinschaft 58). 39 Wird die Einlage quoad sortem erbracht, behält der Einbringende nach außen hin sachenrechtlich das Eigentum und ist allein verfügungsberechtigt; nur im Innenverhältnis wird die Sache als (Mit-)Eigentum der Gesellschafter behandelt. Die Berechtigung der anderen Gesellschafter ist nur obligatorisch und wirkt nur inter partes (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1183 ABGB Rz 4). Bei Auflösung der Gesellschaft wird die Einlage wie bei einer Widmung quoad dominium behandelt (dazu Rz 73). 40 Die Art der Einbringung richtet sich nach der Vereinbarung; mangels ausdrücklicher Festlegung ist dies Frage der Auslegung des Gesellschaftsvertrags (7 Ob 563/92; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1183 ABGB Rz 5). Gerade bei einer GesbR unter Lebensgefährten greift nach zutr Ansicht keine Vermutung, dass eine Liegenschaft eher quoad usum als quoad dominium eingebracht wird (Grillberger/Rummel §§ 1182, 1183 ABGB Rz 5; aA DeixlerHübner, ÖJZ 1999, 206). Wird eine Liegenschaft etwa durch einen Partner zu dem Zweck angekauft, darauf gemeinsam ein Unternehmen zu betreiben und aus den gemeinsam erwirtschafteten Erträgen die Verbindlichkeiten für den Ankauf der Liegenschaft zurückzuführen, spricht dies für eine Einbringung quoad sortem (7 Ob 313/98z = JBl 2000, 243; vgl ferner 3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516). Bei einem gemeinsamen Hausbau könnte erwogen werden, im Zweifel eine Einbringung quoad dominium anzunehmen (Aichhorn, Lebenspartnerschaften 410 f). 1128
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d) Rechtsfolgen während aufrechter Lebensgemeinschaft Mitwirkung. § 1185. In der Regel sind alle Mitglieder verbunden, ohne Rücksicht auf ihren größern oder geringern Anteil, zu dem gemeinschaftlichen Nutzen gleich mitzuwirken. § 1186. Kein Mitglied ist befugt, die Mitwirkung einem Dritten anzuvertrauen; oder jemanden in die Gesellschaft aufzunehmen; oder ein der Gesellschaft schädliches Nebengeschäft zu unternehmen. § 1187. Die Pflichten der Mitglieder werden durch den Vertrag genauer bestimmt. Wer sich bloß zur Arbeit verbunden hat, der ist keinen Beitrag schuldig. Wer lediglich einen Geld- oder andern Beitrag verheißen hat, der hat weder die Verbindlichkeit, noch das Recht, auf eine andere Art zu dem gemeinschaftlichen Erwerbe mitzuwirken. § 1188. Bei der Beratschlagung und Entscheidung über die gesellschaftlichen Angelegenheiten sind, wenn keine andere Verabredung besteht, die in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentumes gegebenen Vorschriften anzuwenden (§§ 833–842). Nachschuß zum Hauptstamme; § 1189. Die Mitglieder können zu einem mehreren Beitrage, als wozu sie sich verpflichtet haben, nicht gezwungen werden. Fände jedoch bei veränderten Umständen ohne Vermehrung des Beitrages die Erreichung des gesellschaftlichen Zweckes gar nicht statt; so kann das sich weigernde Mitglied austreten, oder zum Austritte verhalten werden. Betrieb der anvertrauten Geschäfte; § 1190. Wird einem oder einigen Mitgliedern der Betrieb der Geschäfte anvertraut; so sind sie als Bevollmächtigte zu betrachten. Auf ihre Beratschlagungen und Entscheidungen über gesellschaftliche Angelegenheiten sind ebenfalls die oben (§§ 833–842) erwähnten Vorschriften anzuwenden. Haftung für den Schaden; § 1191. Jedes Mitglied haftet für den Schaden, den es der Gesellschaft durch sein Verschulden zugefügt hat. Dieser Schaden läßt sich mit dem Nutzen, den es der Gesellschaft sonst verschaffte, nicht ausgleichen. Hat aber ein Mitglied durch ein eigenmächtig unternommenes neues Geschäft der Gesellschaft von einer Seite Schaden, und von der andern Nutzen verursacht; so soll eine verhältnismäßige Ausgleichung stattfinden. Verteilung des Gewinnes; § 1192. Das Vermögen, welches nach Abzug aller Kosten und erlittenen Nachteile über den Hauptstamm zurück bleibt, ist der Gewinn. Der Hauptstamm selbst bleibt ein Eigentum derjenigen, welche dazu beigetragen haben; außer es wäre der Wert der Arbeiten zum Kapitale geschlagen und alles als ein gemeinschaftliches Gut erklärt worden.
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§ 1193. Der Gewinn wird nach Verhältnis der Kapitalsbeiträge verteilt, und die von allen Mitgliedern geleisteten Arbeiten heben sich gegeneinander auf. Wenn ein oder einige Mitglieder bloß arbeiten, oder nebst dem Kapitalsbeitrage zugleich Arbeiten leisten; so wird für die Bemühungen, wenn keine Verabredung besteht, und die Gesellschafter sich nicht vereinigen können, der Betrag mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Geschäftes, die angewendete Mühe und den verschafften Nutzen vom Gerichte bestimmt. § 1194. Besteht der Gewinn nicht in barem Gelde, sondern in andern Arten der Nutzungen; so geschieht die Teilung nach der in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentumes enthaltenen Vorschrift (§§ 840 – 843). § 1195. Die Gesellschaft kann einem Mitgliede, seiner vorzüglichen Eigenschaften oder Bemühungen wegen, einen größern Gewinn bewilligen, als ihm nach seinem Anteile zukäme; nur dürfen dergleichen Ausnahmen nicht in gesetzwidrige Verabredungen oder Verkürzungen ausarten. § 1196. [aufgehoben durch RGBl 1868/62] Verteilung des Verlustes; § 1197. Hat die Gesellschaft ihre Einlage ganz oder zum Teile verloren; so wird der Verlust in dem Verhältnisse verteilt, wie im entgegengesetzten Falle der Gewinn verteilt worden wäre. Wer kein Kapital gegeben hat, büßt seine Bemühungen ein. Rechnungslegung; § 1198. Die Mitglieder, denen die Verwaltung anvertraut ist, sind verbunden, über den gemeinschaftlichen Hauptstamm und über die dahin gehörigen Einnahmen und Ausgaben ordentlich Rechnung zu führen und abzulegen. § 1199. Die Schlußrechnung und Teilung des Gewinnes oder Verlustes kann vor Vollendung des Geschäftes nicht gefordert werden. Wenn aber Geschäfte betrieben werden, die durch mehrere Jahre fortdauern und einen jährlichen Nutzen abwerfen sollen; so können die Mitglieder, wenn anders das Hauptgeschäft nicht darunter leidet, jährlich sowohl die Rechnung, als die Verteilung des Gewinnes verlangen. Übrigens kann jedes Mitglied zu jeder Zeit auf seine Kosten die Rechnungen einsehen. § 1200. Wer sich mit der bloßen Vorlegung des Abschlusses (Bilanz) begnügt, oder auch seinem Rechte, Rechnung zu fordern, entsagt hat, kann, wenn er einen Betrug auch nur in einem Teile der Verwaltung beweiset, sowohl für den vergangenen Fall, als für alle künftige Fälle auf eine vollständige Rechnung dringen. Verhältnis gegen Nichtmitglieder. § 1201. Ohne die ausdrückliche oder stillschweigende, rechtliche Einwilligung der Mitglieder oder ihrer Bevollmächtigten kann die Gesellschaft einem Dritten nicht verbindlich gemacht werden. [Bei Handelsleuten begreift das kund gemachte, einem oder mehreren Mitgliedern erteilte Recht, die Firma zu führen, nämlich alle Urkunden und
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Schriften im Namen der Gesellschaft zu unterschreiben, schon eine allseitige Vollmacht in sich (§ 1028).] [2. Satz derogiert mit Wirkung vom 1.7.1863 durch § 1 EGAHGB in Verbindung mit Art 114 ff AHGB (für OHG), Art 167 AHGB (für KG) und Art 47 ff AHGB (für kaufmännische Gesellschaften bürgerlichen Rechts), alle RGBl 1863/1] § 1202. Ein Mitglied, welches nur mit einem Teile seines Vermögens in der Gesellschaft steht, kann ein von dem gemeinschaftlichen abgesondertes Vermögen besitzen, worüber es nach Belieben zu verfügen berechtigt ist. Rechte und Verbindlichkeiten, die ein Dritter gegen die Gesellschaft hat, müssen also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen einzelne Mitglieder unterschieden werden. § 1203. Was also jemand an ein einzelnes Mitglied, und nicht an die Gesellschaft zu fordern oder zu zahlen hat, kann er auch nur an das einzelne Mitglied, und nicht an die Gesellschaft fordern oder bezahlen. Ebenso hat aber bei gesellschaftlichen Forderungen oder Schulden jedes Mitglied nur für seinen Anteil ein Recht oder eine Verbindlichkeit zur Zahlung, außer in dem Falle, welcher bei Handelsleuten vermutet wird, daß alle für einen und einer für alle etwas zugesagt oder angenommen haben. [§ 1204. Die geheimen Mitglieder einer Handlungsgesellschaft, solche nämlich, welche ihr einen Teil des Fonds auf Gewinn und Verlust dargeliehen haben, aber nicht als Mitglieder angekündigt worden sind, haften in keinen Falle mit mehr als mit dem dargeliehenen Kapital. Die kund gemachten Mitglieder haften mit ihrem ganzen Vermögen.] [derogiert mit Wirkung vom 1.7.1863 durch § 1 EGAHGB in Verbindung mit Art 165 AHGB, beide RGBl 1863/1]
Kommt unter Lebensgefährten eine GesbR zustande, zeitigt dies während auf- 41 rechter Lebensgemeinschaft bestimmte Rechtsfolgen. Dabei ist zu beachten, dass die §§ 1175 ff ABGB grundsätzlich dispositives Recht sind und sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten nach der vertraglichen Vereinbarung richten (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1175 ABGB Rz 2). Eine GesbR mit dem Zweck gemeinsamen Hausbaus und Wohnens stellt einen 42 Rechtstitel zur Benutzung des Hauses dar. Solange die GesbR nicht aufgelöst ist, ist eine Räumungsklage des Eigentümers abzuweisen (3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516 [Kerschner]). Der Lebensgefährte kann daher selbst dann nicht die Räumung verlangen, wenn er Alleineigentümer der Liegenschaft ist, diese aber in die GesbR eingebracht hat (vgl Kerschner, JBl 1998, 516), und zwar unabhängig davon, ob die Einbringung quoad usum oder quoad sortem vorgenommen wurde (zum Fall der Auflösung der Gesellschaft s Rz 72). Hinzuweisen ist ferner auf die dispositiven Regelungen über die Gewinnver- 43 teilung und Verlustzuweisung (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/58 f). Die allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit sind zu beachten, insb § 879 ABGB (Grillberger/Rummel §§ 1195–1197 ABGB Rz 3). Eine Be1131
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teiligung nur am Verlust, nicht jedoch am Gewinn (societas leonina) ist in diesen Grenzen nicht grundsätzlich unzulässig (Nowotny in Kalss/Nowotny/ Schauer, GesR Rz 2/60; Grillberger/Rummel § 1175 ABGB Rz 18). Gem § 1199 ABGB kann Schlussrechnung und Teilung des Gewinns und Verlusts erst nach „Vollendung des Geschäfts“ (somit des Unternehmensgegenstands) gefordert werden. Diese Vorschrift ist nach hA nur für Gelegenheitsgesellschaften anwendbar (Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht II4 76; Jabornegg/ Resch/Schwimann § 1199 ABGB Rz 1). Dies würde mE etwa auf einen gemeinsamen Hausbau zutreffen. Werden hingegen Geschäfte betrieben, die mehrere Jahre dauern und einen jährlichen Nutzen abwerfen sollen, wie etwa eine gemeinsame unternehmerische Betätigung, besteht ein Anspruch auf jährliche Rechnungslegung und Gewinnverteilung (Jabornegg/Resch/ Schwimann § 1199 ABGB Rz 2). 44 Führt ein Gesellschafter hauptsächlich die Geschäfte („Mitglieder, denen die Verwaltung anvertraut ist“), hat der andere einen Anspruch auf Rechnungslegung gem § 1198 ABGB. Fraglich ist, ob diese Konstellation angesichts der erforderlichen „Gemeinschaftsorganisation“ unter Lebensgefährten überhaupt praktisch relevant ist (Rz 27 ff). Es ist aber immerhin denkbar, dass ein Lebensgefährte hauptsächlich die gemeinsamen Bücher führt und einen besseren Überblick über die Vermögensgestion hat; dieser Lebensgefährte würde mE gegenüber dem anderen rechnungslegungspflichtig iS des § 1198 ABGB sein. Relevant könnte diese Frage bei Auflösung der GesbR zur Berechnung eines Aufteilungsanspruchs oder bei Ausscheiden eines Gesellschafters zur Berechnung des Abfindungsanspruchs sein (Rz 67). Die Rechnungslegungspflicht ist mit Klage durchzusetzen (3 Ob 192/60 = RZ 1961, 13); die Stufenklage ist zulässig (1 Ob 276/50 = SZ 23/190). 45 Während aufrechter Gesellschaft besteht ein Konkurrenzverbot gem § 1186 ABGB. Einem Gesellschafter ist es untersagt, ein der Gesellschaft schädliches Nebengeschäft zu unternehmen (s Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/49; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1186 ABGB Rz 7). Dies könnte insb bei gemeinsamer unternehmerischer Betätigung von Relevanz sein. e) Auflösung der GesbR Auflösung der Gesellschaft, und Austritt aus derselben. § 1205. Die Gesellschaft löst sich von selbst auf, wenn das unternommene Geschäft vollendet; oder nicht mehr fortzuführen; wenn der ganze gemeinschaftliche Hauptstamm zu Grunde gegangen; oder wenn die zur Dauer der Gesellschaft festgesetzte Zeit verflossen ist. § 1206. Die gesellschaftlichen Rechte und Verbindlichkeiten gehen in der Regel nicht auf die Erben eines Mitgliedes über. Doch sind diese, wenn mit ihnen die Gesellschaft nicht
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fortgesetzt wird, berechtiget, die Rechnungen bis auf den Tod des Erblassers zu fordern und berichtigen zu lassen. Sie sind aber in entgegengesetzten Falle auch verbunden, Rechnungen zu legen, und zu berichtigen. § 1207. Besteht die Gesellschaft nur aus zwei Personen; so erlischt sie durch das Absterben der einen. Besteht sie aus mehreren, so wird von den übrigen Mitgliedern vermutet, daß sie die Gesellschaft noch unter sich fortsetzen wollen. Diese Vermutungen gilt auch überhaupt von den Erben der Handelsleute. § 1208. Lautet der von Personen, die keine Handelsleute sind, errichtete Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auch auf ihre Erben; so sind diese, wenn sie die Erbschaft antreten, verpflichtet, sich nach dem Willen des Erblassers zu fügen; allein auf die Erbeserben erstreckt sich dieser Wille nicht; noch weniger vermag er eine immerwährende Gesellschaft zu begründen (§ 832). § 1209. Wenn der Erbe die von dem Verstorbenen für die Gesellschaft übernommenen Dienste nicht im Stande ist; so muß er sich einem verhältnismäßigen Abzuge an dem ausgemessenen Anteile unterziehen. § 1210. Wenn ein Mitglied die wesentlichen Bedingungen des Vertrages nicht erfüllet; wenn es in Konkurs verfällt; wenn es durch eine oder mehrere gerichtlich strafbare Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, das Vertrauen verliert; so kann es vor Verlauf der Zeit von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. [neu gefasst durch BGBl 1974/496 und BGBl 1983/136] § 1211. Man kann den Gesellschaftsvertrag vor Verlauf der Zeit aufkündigen, wenn dasjenige Mitglied, von welchem der Betrieb des Geschäftes vorzüglich abhing, gestorben oder ausgetreten ist. § 1212. Wenn die Zeit zur Dauer der Gesellschaft weder ausdrücklich bestimmt worden ist, noch aus der Natur des Geschäftes bestimmt werden kann; so mag jedes Mitglied den Vertrag nach Willkür aufkündigen; nur darf es nicht mit Arglist oder zur Unzeit geschehen (§ 830). § 1213. Die Wirkungen einer zwar bestrittenen, aber in der Folge für rechtmäßig erklärten Ausschließung oder Aufkündung werden auf den Tag, wo sie geschehen sind, zurückgezogen. [§ 1214. Die Aufhebung einer Handlungsgesellschaft; die Aufnahme und der Austritt ihrer öffentlichen Mitglieder, muß ebenso, wie die Errichtung, öffentlich bekannt gemacht werden. Aus dieser Bekanntmachung wird auch die Kraft und die Dauer der Vollmachten beurteilt.] [derogiert durch § 1 EGHGB, RGBl 1863/1]
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Teilung des gesellschaftlichen Vermögens. § 1215. Bei der nach Auflösung einer Gesellschaft vorzunehmenden Teilung des gesellschaftlichen Vermögens sind nebst den obigen Bestimmungen die nämlichen Vorschriften zu beobachten, welche in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentumes über die Teilung einer gemeinschaftlichen Sache überhaupt aufgestellt worden sind. § 1216. Die in diesem Hauptstücke enthaltenen Anordnungen sind auch auf die Handlungsgesellschaften anzuwenden; insofern hierüber nicht besondere Vorschriften bestehen.
46 Die Auflösung einer Lebensgemeinschaft führt nicht eo ipso zur Auflösung der GesbR (Aichhorn, Lebenspartnerschaften 409). Umgekehrt kann es auch während aufrechter Lebensgemeinschaft zu einer Auflösung der Gesellschaft kommen. Es ist jeweils zu prüfen, ob ein gesetzlicher oder vertraglicher Auflösungsgrund vorliegt. Grundsätzlich ist zwischen dem Ausscheiden eines Gesellschafters und der Auflösung der GesbR zu unterscheiden (Jabornegg/ Resch/Schwimann § 1205 ABGB Rz 1). ea) Ausscheiden eines Gesellschafters
47 Zum Ausscheiden eines Gesellschafters kommt es bei der GesbR allgemein in mehreren Fällen (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/66 ff). Von Relevanz im hier behandelten Zusammenhang sind Austritt eines Gesellschafters aus wichtigem Grund und Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund. Zudem kann der Gesellschaftsvertrag das Ausscheiden eines Gesellschafters vorsehen (Rz 65). 48 Der Austritt eines Gesellschafters ist allgemein dann möglich, wenn er die auf ihn entfallende zusätzliche Einlage auf Grund einer von den anderen Gesellschaftern beschlossenen Kapitalerhöhung wegen geänderter Umstände nicht leisten will oder er einer sonstigen beschlossenen wichtigen Änderung nicht zustimmt (§§ 1189, 834 ABGB; 1 Ob 125/69 = SZ 42/117). In einer Zwei-Personen-Gesellschaft unter Lebensgefährten wird dieser Fall nur dann in Betracht kommen, wenn ein Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte aufgrund entsprechend höheren Kapitalanteils hat (zum Mehrstimmigkeitsprinzip 1 Ob 1052/52 = SZ 26/8; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1188 ABGB Rz 4). Grundsätzlich richtet sich das Stimmrecht nach dem Kapitalanteil. Gem §§ 1188 iVm 839 ABGB wird vermutet, dass im Zweifel jeder Anteil als gleich groß angesehen wird (Rz 35). Ist ein Lebensgefährte reiner Arbeitsgesellschafter, ist er grundsätzlich von der Willensbildung ausgeschlossen (Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht II4 52; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1188 Rz 2), so dass eine Austrittskonstellation grundsätzlich eintreten könnte. Allerdings wird oft ein Fall des § 1192 ABGB vorliegen, wonach der Arbeitsgesellschafter Anspruch auf den Hauptstamm hat (Rz 78). In diesem Fall wird auch davon auszugehen 1134
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sein, dass der Arbeitsgesellschafter stimmberechtigt iS des § 1188 ABGB ist. Str, aber zu bejahen ist darüber hinaus ein allgemeines Austrittsrecht aus wichtigem Grund (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1210 ABGB Rz 15). Der Austritt bedarf einer einseitigen Erklärung des austretenden Gesellschaf- 49 ters an die übrigen Gesellschafter und wird mit Zugang wirksam (Grillberger/ Rummel §§ 1211, 1212 ABGB Rz 1). Der Ausschluss eines Gesellschafters ist gem § 1210 ABGB möglich bei (i) 50 wesentlicher Vertragsverletzung, (ii) Konkurseröffnung, (iii) Verlust des Vertrauens durch eine strafbare Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Strafe bedroht ist, (iv) sowie gem § 1189 ABGB bei Verweigerung eines beschlossenen Nachschusses. Darüber hinaus ist ein Ausschluss nach hA auch bei gleich wichtigen Gründen möglich (Mayer-Maly, JBl 1966, 505; Strasser, Beendigung 48 f; Fenyves, Erbenhaftung 238; F. Bydlinski in GS Schönherr 156; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1210 ABGB Rz 2; aA Wahle/Klang V2 662; 1 Ob 204/72 = RZ 1973/38 [taxative Aufzählung in §§ 1210, 1189 ABGB]). Der Ausschluss ist ein Gestaltungsrecht der übrigen Gesellschafter, das diese einstimmig beschließen müssen (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/73). Er wird mit Zugang der Erklärung an den ausgeschlossenen Gesellschafter wirksam, sofern die Voraussetzungen für den Ausschluss erfüllt sind (5 Ob 264/67 = SZ 40/ 170). Die Wirksamkeit des Ausschlusses unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung mittels Feststellungsklage (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1210 ABGB Rz 11). Sowohl Austritt als auch Ausschluss eines Gesellschafters kommen auch bei 51 einer Zwei-Personen-Gesellschaft in Betracht (3 Ob 366/53 = SZ 26/162; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1210 ABGB Rz 1). Die Judikatur zu GesbR unter Ehegatten oder Lebensgefährten hat sich jedoch – soweit ersichtlich – meist mit der Auflösung der Gesellschaft infolge Ehescheidung oder Auflösung der Lebensgemeinschaft beschäftigt (Rz 54 ff, 61; vgl jedoch 7 Ob 523/81 = SZ 54/84; 1 Ob 23/10d = EF-Z 2010/111). Es ist allerdings ebenso denkbar, dass bei einer GesbR unter Lebensgefährten ein Austritts- oder Ausschlussgrund verwirklicht wird. Beispielsweise sei der Fall erwähnt, dass auf zusätzliche Ersparnisse zurückgegriffen werden muss, weil sich der Hausbau teurer als erwartet herausstellt, oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über einen der Lebensgefährten, worauf der andere beschließt, das Unternehmen mangels finanzieller Verlässlichkeit seines Partners alleine fortzuführen. eb) Auflösung der GesbR
Grundsätzlich ist die GesbR als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren. Es 52 greifen daher subsidiär die allgemeinen Regeln über die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, sofern die §§ 1189, 1205 ff ABGB als speziellere 1135
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Rechtsvorschriften nicht vorgehen (Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 529). 53 GrundsätzlichführtderTodeines Gesellschafters gem §§ 1206ABGB zumAusscheiden dieses Gesellschafters (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/74). Im Fall der Zwei-Personen-Gesellschaft bestimmt jedoch § 1207 ABGB, dass der Tod des einen die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat (1 Ob 607/52 = SZ 25/256; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1206 ABGB Rz 2; Grillberger/Rummel §§ 1206, 1207 ABGB Rz 5). Fraglich ist, ob § 1207 letzter Satz ABGB Abweichendes für „Erben der Handelsleute“ normiert (so 3 Ob 256/ 56 = EvBl 1956/326; Grillberger/Rummel §§ 1206, 1207 ABGB Rz 4). Die besseren Argumente sprechen dafür, dass dieser Bestimmung durch die Handelsrechtskodifikation in Form des AHGB materiell derogiert wurde (Thiery, Gesellschaft bürgerlichen Rechts 64 ff; Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss5 71 f; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1207 ABGB Rz 3). Auch nach dem HaRÄG 2006 würde es einen nicht gerechtfertigten Wertungswiderspruch bedeuten, wenn eine OG mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst ist (§ 131 Z 4 UGB), nicht jedoch eine unternehmerisch tätige GesbR (vgl § 178 UGB). Zu erwägen ist allerdings, bei unternehmerisch tätigen Gesellschaften in analoger Anwendung von § 141 Abs 1 Satz 2 UGB dem überlebenden Gesellschafter die Möglichkeit zur Fortsetzung der Tätigkeit als Einzelunternehmer einzuräumen (Schauer in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Vermögensnachfolge § 31 Rz 81 [1030]). 54 Abweichende Vereinbarung ist möglich, insb kann der Gesellschaftsvertrag generell die Auflösung vorsehen oder auch unter Nicht-Unternehmern den Erben oder sonstigen Personen ein Eintrittsrecht geben (Nowotny in Kalss/ Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/74; Strasser, Beendigung 19; Fenyves, Erbenhaftung 199, 218 f). Ebenso kann vereinbart werden, dass das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter übergeht und dieser die Erben abzufinden hat (Rz 65). § 1205 ABGB sieht im Übrigen mehrere Auflösungsgründe vor: 55 (i) Zu einer Auflösung der GesbR kommt es, wenn der Gesellschaftszweck erreicht ist (§ 1205 ABGB). Richtet sich die GesbR auf den gemeinsamen Hausbau, wird in vielen Fällen nicht nur der Erwerb bzw Bau, sondern auch das gemeinsame Wohnen vom Zweck erfasst sein (Rz 24). Die Auslegung des Gesellschaftsvertrags kann auch ergeben, dass vom Zweck die gemeinsame Abzahlung des zum Erwerb bzw zur Errichtung aufgenommenen Kredits umfasst ist. 56 (ii) Die Gesellschaft wird durch eine Vereitelung des Gesellschaftszwecks aufgelöst (§ 1205 ABGB). Dies könnte bei Auflösung der Lebensgemeinschaft der Fall sein, wenn der vorher gemeinschaftlich verfolgte Zweck durch einen Lebensgefährten allein nicht mehr verwirklicht werden kann (vgl 1 Ob 23/ 10d = EF-Z 2010/111). Dies kann etwa beim gemeinsamen Hausbau der Fall 1136
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sein. In diesen Fällen könnte zugleich ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegen (Rz 61). Anders könnte der vorher gemeinschaftliche Betrieb eines Unternehmens zu beurteilen sein, das nun von einem Lebensgefährten allein fortgeführt wird. Eine Zweckvereitelung könnte ferner im Untergang des gemeinsamen Hauses liegen (zB Brand, Hochwasser). (iii) Ein Auflösungsgrund ist der Verlust des ganzen Hauptstamms gem 57 § 1205 ABGB (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1205 ABGB Rz 6). Zur Auflösung kommt es in diesem Fall aber nur, wenn die Gesellschafter weder verpflichtet noch bereit sind, Nachschüsse zu leisten. Entscheiden sich die Lebensgefährten etwa, das abgebrannte oder von einem Hochwasser zerstörte Haus wieder aufzubauen, ist mE von einem Fortbestand der Gesellschaft auszugehen. Gleiches gilt bei einem verlustträchtigen Unternehmen, wenn die Gesellschafter sonstiges Privatvermögen zuführen. (iv) Als vierten Fall nennt § 1205 ABGB den Zeitablauf bei befristetem Ge- 58 sellschaftsvertrag. Damit verwandt ist der Eintritt einer auflösenden Bedingung. Die Auslegung des Gesellschaftsvertrags wird in vielen Fällen ergeben, dass die gemeinsame Zweckverfolgung an den Fortbestand der Lebensgemeinschaft gebunden war. In diesem Fall führt die Auflösung der Lebensgemeinschaft eo ipso auch zur Auflösung der GesbR (Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 531). Im Zweifel wird dies anzunehmen sein, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrags nicht anderes ergibt (vgl auch Rz 61 zur Kündigung). Darüber hinaus sind weitere Auflösungsgründe anerkannt. Praktisch wichtig 59 ist die Auflösung einer GesbR durch Kündigung (§ 1212 ABGB; zur Ausübung des Kündigungsrechts vgl Jabornegg/Resch/Schwimann § 1211 ABGB Rz 1). Str ist, ob die Kündigung zur Auflösung der Gesellschaft führt (Auflösungskündigung; 2 Ob 135/50, SZ 23/48; Nowotny in Kalss/Nowotny/ Schauer, GesR 2/77) oder nur zum Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters (Austrittskündigung; Strasser, Beendigung 28 ff; Grillberger/Rummel §§ 1211, 1212 ABGB Rz 2; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1212 ABGB Rz 3). Zu folgen ist der ersten Ansicht. Die Frage ist für die Zwei-Personen-GesbR unter Lebensgefährten allerdings nicht von Relevanz, weil es diesfalls stets zur Auflösung der Gesellschaft kommt (OLG Wien GesRZ 1984, 102; Jabornegg/ Resch/Schwimann § 1210 ABGB Rz 12, § 1211 ABGB Rz 6). Es kommen daher die Rechtsfolgen der Auflösung (Vermögensaufteilung) und nicht des Ausscheidens (Abfindung) zur Anwendung, sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt (Rz 65). Die ordentliche Kündigung (ohne wichtigen Grund) gem § 1212 ABGB ist 60 nach allgemeinen Regeln nur bei unbefristeten Gesellschaftsverträgen möglich; Gesellschaften auf Lebenszeit der Gesellschafter (3 Ob 814/54 = EvBl 1955/ 272) oder auf Dauer der Lebensgemeinschaft gelten nicht als unbefristet 1137
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(3 Ob 522/77 = Miet 29.197; 1 Ob 171/61 = JBl 1961, 634 zur Ehe). Die Kündigung darf nicht mit Arglist (iSv missbräuchlicher Rechtsausübung) oder zur Unzeit ausgesprochen werden (§§ 1212, 830 ABGB). Zur Unzeit ist eine Kündigung dann, wenn damit wesentliche Nachteile für die anderen Gesellschafter verbunden sind, die nur vorübergehend einzutreten drohen und die sich bei einem Aufschub für eine absehbare Zeit vermeiden lassen (Jabornegg/Resch/ Schwimann § 1212 ABGB Rz 6). 61 Bei Vorliegen eines wichtigen Grunds kann die GesbR mit sofortiger Wirkung außerordentlich gekündigt werden (vgl § 1211 ABGB; Jabornegg/ Resch/Schwimann § 1211 ABGB Rz 3; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 205). Ein wichtiger Grund kann in der Aufhebung der Lebensgemeinschaft liegen (6 Ob 135/99t = EF 90.097; Möschl, Lebensgemeinschaft 57 ff; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 205). Allerdings ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Lebensgefährten den Zweck über das Ende der Lebensgemeinschaft weiter hinaus gemeinsam verfolgen wollen (Aichhorn, Lebenspartnerschaften 409 f). Dies ist etwa dann denkbar, wenn die Lebensgefährten das Unternehmen weiter gemeinsam betreiben wollen (zB weil sie wirtschaftlich darauf angewiesen sind). 62 Der Einwand der Unzeit kann bei der Kündigung aus wichtigem Grund nach zutr Ansicht nicht erhoben werden (Grillberger/Rummel §§ 1211, 1212 ABGB Rz 5; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1211 ABGB Rz 2). Die Rsp lässt den Einwand der Unzeit hingegen zu und verneint mE zu Unrecht das Recht der außerordentlichen Kündigung, wenn ein Partner einseitig und ohne wichtigen Grund die Wohngemeinschaft aufhebt (3 Ob 522/77 = Miet 29.197; krit Jabornegg/Resch/Schwimann § 1211 ABGB Rz 2 Fn 5). Diese Entscheidung bezog sich auf eine GesbR zwischen Ehegatten; bei Lebensgefährten ist zu berücksichtigen, dass keine Fortsetzungspflicht besteht und die Lebensgemeinschaft jederzeit auflösbar ist (LebG – Rechtsfolgen/Innen Rz 2). Die Auflösung einer Lebensgemeinschaft stellt idR einen wichtigen Grund für die Auflösung der GesbR dar, wenn eine weitere gemeinsame Zweckverfolgung nicht möglich oder beabsichtigt ist, etwa die ehemaligen Partner (bzw auch nur einer von ihnen) getrennte Wohnsitze anstreben. Der Einwand der Unzeit ist in diesem Fall nicht statthaft. In krassen Ausnahmefällen könnte mE auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs iS des § 1295 Abs 2 ABGB zurückgegriffen werden, etwa wenn der Mann in Schädigungsabsicht die Frau mit einem oder mehreren kleinen Kindern im gerade in Bau befindlichen Haus verlässt. 63 Die (ordentliche oder außerordentliche) Kündigung ist ein Gestaltungsrecht und muss mit einseitiger, empfangsbedürftiger Willenserklärung geltend gemacht werden. Mangels besonderer Vereinbarung bedarf sie keiner besonderen Form (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1211 ABGB Rz 1).
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ec) Rechtsfolgen des Ausscheidens eines Gesellschafters
Das Ausscheiden eines Gesellschafters, ohne dass die Gesellschaft aufgelöst 64 wird, führt bei der GesbR ganz grundsätzlich dazu, dass das Vermögen auf die verbleibenden Gesellschafter übergeht und das ausscheidende Mitglied vermögensrechtlich abzufinden ist (Duursma/Duursma-Kepplinger/M. Roth, Handbuch GesR Rz 141; Krejci, Gesellschaftsrecht I 266). Eine Ausnahme erkennt die hA dann an, wenn der vorletzte Gesellschafter aus einer Zwei-Personen-Gesellschaft ausscheidet. Dies führt zur Auflösung der Gesellschaft, somit Umwandlung in schlichte Rechtsgemeinschaft und Aufteilung des Gesellschaftsvermögens (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1215 ABGB Rz 12; Grillberger/Rummel §§ 1211, 1212 ABGB Rz 2; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 410; Rz 69 ff). Die Rechtsfolgen des Ausscheidens eines Gesellschafters greifen allerdings in 65 bestimmten Fällen auch bei einer Zwei-Personen-Gesellschaft ein: (i) Nach zutr Ansicht ist dies bei einem Ausschluss eines Gesellschafters anzunehmen (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1215 ABGB Rz 12; Grillberger/ Rummel § 1210 ABGB Rz 13). (ii) Bei einer unternehmerisch tätigen GesbR sprechen gute Gründe dafür, nach dem Tod des vorletzten Gesellschafters dem überlebenden Gesellschafter die Fortführung der Tätigkeit als Einzelunternehmer einzuräumen (Rz 53). Es treten diesfalls die Rechtsfolgen des Ausscheidens des Gesellschafters gegenüber den Erben des Verstorbenen ein. (iii) Es kann grundsätzlich im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, dass bei einem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters zB aufgrund Tods oder der Verwirklichung eines Auflösungsgrunds (zB Beendigung der Lebensgemeinschaft) ein Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen übernimmt und den anderen (bzw seine Erben) abzufinden hat. Eine solche Vereinbarung kann auch konkludent getroffen werden (7 Ob 523/81 = SZ 54/84; OLG Wien GesRZ 1984, 102; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1215 ABGB Rz 8). Insb wenn der Gesellschaftsgegenstand im Betrieb eines gemeinsamen Unternehmens besteht, wird in vielen Fällen eine Aufteilung des Gesellschaftsvermögens nicht in Betracht kommen (Nowotny, ÖJZ 1988, 616; Wahle/Klang V2 674). Eine entsprechende konkludente Vereinbarung kann etwa dann vorliegen, wenn die Gesellschafter sich einig sind, dass einer der beiden das Geschäft weiterführen soll (7 Ob 523/81 = SZ 54/84). Als Rechtsfolge geht das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechts- 66 nachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über (6 Ob 206/58 = SZ 31/ 121; 7 Ob 523/81 = SZ 54/84; Wahle/Klang V2 665; Grillberger/Rummel § 1210 ABGB Rz 13; F. Bydlinksi in GS Schönherr 157 f). Dies entspricht der Rechtsfolge von § 142 UGB, wenn nur noch ein Gesellschafter einer Personengesellschaft verbleibt. Ein besonderer Übertragungsakt ist nicht erforder1139
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lich. An Liegenschaften kommt es zu einem außerbücherlichen Rechtserwerb; das Grundbuch ist bloß zu berichtigen (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1210 ABGB Rz 14). 67 Der ausscheidende Gesellschafter ist in Geld abzufinden. Zu diesem Zweck muss – mangels Vereinbarung – der Verkehrswert der Beteiligung geschätzt werden (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1215 ABGB Rz 10). Dabei ist auch der good will zu berücksichtigen, weil das Unternehmen fortgeführt wird (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/79). Die Abfindung zum Buchwert ist nicht zulässig (Wahle/Klang V2 652; Schauer in Kalss/Nowotny/ Schauer, GesR Rz 2/593). Dem ausscheidenden Gesellschafter stehen der Gewinnanteil und der Anteil an den im Zeitpunkt seines Ausscheidens schwebenden Geschäften zu (Reich-Rohrwig, ecolex 1990, 482; Jabornegg/Resch/ Schwimann § 1215 ABGB Rz 10). Der ausscheidende Gesellschafter kann seine quoad usum überlassenen Gegenstände zurückfordern (2 Ob 141/98v = wbl 1999/156). Der Abfindungsanspruch ist grundsätzlich erst dann fällig, wenn der ausscheidende Gesellschafter seine aus der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses zu erbringenden Verpflichtungen erfüllt hat (zB Rückgabe von Gegenständen des Gesellschaftsvermögens; 8 Ob 630/91 = JBl 1993, 108; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1215 ABGB Rz 10). Zur Durchsetzung seiner Ansprüche steht ihm – auch nach seinem Ausscheiden – der Rechnungslegungsanspruch gem § 1198 ABGB zu (1 Ob 151/72 = GesRZ 1974, 61; Reich-Rohrwig, ecolex 1990, 482 f). 68 Teilweise wird erwogen, aus einer Nachwirkung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht abzuleiten, dass bei der Auszahlung (Fälligkeit) der Abfindung die Liquiditätslage des Unternehmens zu berücksichtigen ist (Nowotny, ÖJZ 1988, 616). Ob die Treuepflicht so weit reicht, eine Stundung des Abfindungsanspruchs auch im Fall des Ausscheidens infolge Auflösung der Lebensgemeinschaft zu begründen, ist fraglich (vgl allgemein zur Treuepflicht Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/229 ff). Jedenfalls wäre wohl eine Abwägung mit den berechtigten Interessen des ausscheidenden Lebensgefährten vorzunehmen. Da das Interesse an der sofortigen Auszahlung der Abfindung grundsätzlich legitim ist, wird Stundung des Abfindungsanspruchs in vielen Fällen unbillig sein. ME kann sich allenfalls aus der Auslegung des Gesellschaftsvertrags eine Stundung des Abfindungsanspruchs ergeben, um die mit der Erfüllung verbundene Einbuße an Liquidität für die Gesellschaft erträglicher zu gestalten (vgl Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/585, 2/ 594 zur OG). Mangels besonderer Anhaltspunkte wird dies im Zweifel aber wohl eher zu verneinen sein.
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ed) Rechtsfolgen der Auflösung der Gesellschaft Umwandlung in schlichte Rechtsgemeinschaft
Wird die GesbR aufgelöst, kommt es zu einer vermögensrechtlichen Ausei- 69 nandersetzung des Gesellschaftsvermögens. Das Recht der GesbR sieht keine Liquidation vor (1 Ob 462/26 = SZ 8/199; 7 Ob 635/86 = GesRZ 1987, 41; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/85). Die GesbR gilt mit Auflösung sofort als vollbeendigt und wandelt sich in eine 70 schlichte Rechtsgemeinschaft iS der §§ 825 ff ABGB um (6 Ob 272/03b = JBl 2004, 712; 6 Ob 247/00w = GesRZ 2001, 190; Riedler/KBB § 1215 ABGB Rz 1). Diese „Umwandlung“ hat aber keine sachenrechtlichen Folgen, sondern bewirkt nur eine Veränderung der schuldrechtlichen Bindung im Verhältnis der Gesellschafter; es entsteht der Teilungsanspruch, und der Gesellschaftszweck soll nun nicht mehr verfolgt werden (Abweichendes kann dann gelten, wenn das Unternehmen als Ganzes veräußert werden soll [Nowotny in Kalss/ Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/85]). Die schlichte Rechtsgemeinschaft bleibt bestehen, bis sie durch Teilung des 71 gemeinschaftlichen Vermögens beendet wird (Verweis von § 1215 ABGB auf das 16. Hauptstück; 6 Ob 247/00w = GesRZ 2001, 190; 4 Ob 291/99v = EF 90.096). Strittig ist, ob nach Auflösung der GesbR die ehemaligen Gesellschafter quoad 72 usum eingebrachte Sachen titellos benutzen, bis die Teilung der Rechtsgemeinschaft abgeschlossen ist (so 3 Ob 147/02w = JBl 2003, 448; 6 Ob 61/05x = Miet 57.155; Jabornegg/Resch/Schwimann § 1215 ABGB Rz 4; aA 6 Ob 306/90 = Miet 41.144; LGZ Wien Miet 36.201; 3 Ob 545/87 = JBl 1988, 516; Aichhorn, Lebenspartnerschaften 412; Meissel/Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 531). Zu folgen ist der Ansicht, dass ab der Auflösung der Gesellschaft eine titellose Benützung vorliegt, weil die Sache idR bloß für die Dauer der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurde (3 Ob 147/02w = JBl 2003, 448 mit allerdings teilweise unzutr Begründung). Es ist davon auszugehen, dass quoad usum eingebrachte Sachen nicht Bestandteil der schlichten Rechtsgemeinschaft sind, in die sich die GesbR mit ihrer Auflösung umwandelt. Andernfalls würden sie schließlich der Aufteilung unterliegen; nach unbestrittener Ansicht sind sie allerdings dem Einbringenden zurückzustellen. Der Titel für die Benützung kann aber nur im Gesellschaftsvertrag liegen; mit Beendigung des Gesellschaftsvertrags fällt dieser Titel jedenfalls weg. Die quoad usum eingebrachte Sache kann daher mit Auflösung der GesbR und nicht erst nach Abschluss der Teilung des Gemeinschaftsvermögens zurück verlangt werden. Quoad sortem eingebrachte Sachen sind nach Auflösung der Gesellschaft so 73 zu behandeln, als wären sie im Eigentum der Gesellschafter gestanden. Die 1141
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ehemaligen Mitglieder können daher verlangen, dass diese durch einen Übertragungsakt auf sie quotenmäßig übertragen werden (8 Ob 655/86 = wbl 1987, 245). Es kann aber auch sogleich Real- oder Zivilteilung begehrt werden (Stefula, JAP 2001/2002, 140). Teilung des Gemeinschaftsvermögens
74 Mangels einvernehmlicher Einigung ist jeder Gesellschafter berechtigt, die Teilungsklage zu erheben. Die Teilungsklage kann auch der Gesellschafter erheben, der nicht bücherlicher Eigentümer der quoad sortem eingebrachten Liegenschaft ist (7 Ob 313/98z = JBl 2000, 243). 75 Über die Teilung entscheidet das Gericht im streitigen Verfahren (§§ 830, 841 ABGB). Die Teilung des Gesellschaftsvermögens bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte Gesellschaftsvermögen (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1215 ABGB Rz 5; zur Gewinn- und Verlustverteilung s unten Rz 80 ff). Im Fall des gemeinsamen Hausbaus bildet das Haus den Hauptstamm und nicht bloß Gewinn (6 Ob 47/63 = EvBl 1963/243; Grillberger/Rummel §§ 1192 ABGB Rz 3; Stefula, JAP 2001/2002, 140). Zur Aufteilungsmasse gehören quoad sortem und quoad dominium, nicht jedoch quoad usum eingebrachte Sachen (oben Rz 72). 76 Gem § 830 ABGB ist – unbeschadet § 1212 ABGB – der Einwand der Unzeit zulässig (3 Ob 242/55 = SZ 28/120; Wahle/Klang V2 675; Grillberger/Rummel § 1215 ABGB Rz 9). Die besseren Argumente sprechen jedoch gegen eine Zulässigkeit des Einwands (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1215 ABGB Rz 6). Dies insb dann, wenn die GesbR aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung aufgelöst wird, wobei der Einwand der Unzeit iS des § 1212 ABGB nicht statthaft ist (Rz 62). Die gesellschaftsrechtliche Wertung geht § 830 ABGB vor. 77 Die Teilungsklage ist primär auf Naturalteilung gerichtet. Nur wenn die Teilung in natura unmöglich oder untunlich ist, kann Zivilteilung im Weg der (gerichtlichen) Feilbietung verlangt werden (3 Ob 247/00w = Miet 53.186). Untunlichkeit wird vor allem dann vorliegen, wenn die Naturalteilung zu einem erheblichen Wertverlust führen würde (§ 843 ABGB; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, GesR Rz 2/85). Dies kann insb bei Unternehmen, aber auch bei Liegenschaften, einem Haus oder einer Wohnung der Fall sein. 78 Das Gesellschaftsvermögen bzw der Erlös aus der Zivilteilung werden nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile verteilt. Im Zweifel wird angenommen, dass diese gleich hoch sind (5 Ob 264/67 = SZ 40/170; 8 Ob 655/86 = NZ 1988, 48). Ein reiner Arbeitsgesellschafter ist im Zweifel allerdings nicht am Hauptstamm, sondern nur am Gewinn beteiligt (§ 1183 Satz 2 ABGB). Er hätte auf das den Hauptstamm bildende Haus daher gar keinen Anspruch. Hat er jedoch maßgebliche Arbeitsleistungen zur Errichtung des Hauses geleistet, 1142
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GesbR
ist dies wohl ein Fall des § 1192 ABGB, wonach der Wert der Arbeiten zum Kapital geschlagen und alles als ein gemeinschaftliches Gut erklärt worden ist. Dies wird beim gemeinsamen Hausbau der Regelfall sein, weil die Lebensgefährten gewöhnlich das Haus als eine gemeinsam geschaffene Einheit ansehen (Stefula, JAP 2001/20002, 141). Auch der Arbeitsgesellschafter hat demnach Anspruch auf den Hauptstamm (Wahle/Klang V2 583). Bei einem gemeinsamen Unternehmen ist mE zu differenzieren. Haben die 79 Lebensgefährten das Unternehmen gemeinsam aufgebaut und betrachten sie es als von ihnen geschaffene Einheit, hat auch der reine Arbeitsgesellschafter Anspruch auf den Hauptstamm. Hat ein Lebensgefährte hingegen Arbeitsleistungen im bestehenden Unternehmen des anderen erbracht, könnte es nach den Umständen des Einzelfalls gerechtfertigt sein, eine bloße Gewinnbeteiligung anzunehmen (vorausgesetzt, es liegt überhaupt eine GesbR vor). Haben die Arbeitsleistungen ein wesentliches Ausmaß angenommen (zB faktische Geschäftsführungstätigkeit) und zu einer Wertsteigerung des Unternehmens beigetragen, könnte hingegen eine Beteiligung am Hauptstamm iS des § 1192 ABGB zu bejahen sein. Dies alles unter der Voraussetzung, dass es zu einer Auflösung der GesbR und nicht zu einem Ausscheiden unter Vermögensübernahme durch den verbleibenden Gesellschafter kommt (Rz 65). Berechnung und Verteilung des Gewinns
Der Gewinn der Gesellschaft wird berechnet durch Abzug von Passiva und 80 Wert des Hauptstamms von den Aktiva (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1192 ABGB Rz 1; Riedler/KBB § 1192 ABGB Rz 1). Wertänderungen des Hauptstamms sind nicht Gewinn oder Verlust, sondern dem Hauptstamm zuzurechnen (Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss5, 69). Beim gemeinsamen Hausbau wird ein Gewinn iS des § 1192 ABGB idR nicht vorliegen (anders jedoch bei einem gemeinsamen, nicht verlustträchtigen Unternehmen). Gem §§ 1193, 1197 ABGB wird der Gewinn mangels abweichender Vereinba- 81 rung im Verhältnis der Kapitaleinlagen aufgeteilt, die im Zweifel als gleich hoch anzunehmen sind (5 Ob 264/67 = SZ 40/170; Grillberger/Rummel § 1193 ABGB Rz 1). Dies gilt allerdings nur, wenn alle Gesellschafter sowohl am Hauptstamm beteiligt als auch zur Mitwirkung verpflichtet sind (Meissel/ Preslmayr in Harrer/Zitta, Familie und Recht 532). Ist ein Lebensgefährte reiner Arbeitsgesellschafter oder sind beide am Hauptstamm beteiligt, aber nur einer zur Mitwirkung verpflichtet, wird der Gewinnanteil vom Gericht mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Geschäfts, die angewendete Mühe und den verschafften Nutzen bewertet (§ 1193 Satz 2 ABGB). Das Gericht hat den Wert der Arbeitsleistungen nach dem tatsächlichen zeitlichen Aufwand, dem Wert der Arbeit und dem Arbeitsergebnis zu schätzen (Möschl, Lebensgemeinschaft 167; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 205). 1143
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Meissel/Jungwirth
Zuweisung des Verlusts
82 Der Verlust wird wie der Gewinn berechnet (Rz 80); er entsteht dann, wenn der Abzug des Hauptstamms vom reinen Gesellschaftsvermögen ein Minus ergibt (Jabornegg/Resch/Schwimann § 1197 ABGB Rz 1). 83 Der Verlust wird auf dieselbe Weise wie der Gewinn zugewiesen (§ 1197 ABGB). Ein reiner Arbeitsgesellschafter ist von einer Verlustzuweisung überhaupt ausgeschlossen (§ 1197 Satz 2 ABGB), außer der Wert der Arbeitsleistung wurde iS des § 1192 ABGB dem Kapital zugeschlagen (Jabornegg/ Resch/Schwimann § 1197 ABGB Rz 2). 4. Bereicherungsansprüche zwischen Lebensgefährten § 1435 ABGB. Auch Sachen, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben worden sind, kann der Geber von dem Empfänger zurückfordern, wenn der rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört hat. [Stammfassung] Lit: Aichhorn, Das Recht der Lebenspartnerschaften (2003) 399 ff; F. Bydlinski, Lohn- und Kondiktionsansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen, FS Wilburg (1965) 45; Derselbe, Rückübereignungs- und Vergütungsansprüche bei zweckverfehlender Enteignung, JBl 1972, 129; Derselbe, Vorzeitige Gewährung von Heiratsgut oder Ausstattung und Tod des Dotierungspflichtigen, JBl 1985, 79; Derselbe, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 393 ff; Deixler-Hübner, Probleme der Leistungsabgeltung im Zusammenhang mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft, ÖJZ 1999, 201; Engel, Rechtliche Probleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, JRP 1994, 160 und 202; Ch. Huber, Endgültige Zuweisung bei einstweiligem Unterhalt, JBl 1984, 182; Meissel/Preslmayr, Die Abgeltung von Leistungen in der Lebensgemeinschaft, in: Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992) 515; Meissel, Zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft, EF-Z 2007, 209; Derselbe, Unterhaltsansprüche aus Lebensgemeinschaft?, EF-Z 2008, 13; Rummel, Schenkungen unter Ehegatten und Scheidung, JBl 1976, 626; Derselbe, Wegfall des Rechtsgrundes und Zweckverfehlung als Gründe der Kondiktion nach § 1435 ABGB, JBl 1978, 449; Schön, Entgeltforderungen von Kindern für die im elterlichen Unternehmen „unentgeltlich“ erbrachten Leistungen, NZ 2002, 289; Stabentheiner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – ein Überblick, NZ 1995, 46, 55 ff; Stefula, Der gemeinsame Hausbau bei der Auflösung von Ehe und Lebensgemeinschaft (Teil I), JAP 2001/2002, 138; Wilburg, Zusammenspiel der Kräfte im Aufbau des Schuldrechts, AcP 163 (1963) 346.
a) Allgemeines
84 Nach Beendigung einer Lebensgemeinschaft stellt sich regelmäßig die Frage der vermögensrechtlichen Abwicklung erfolgter Leistungen. Die analoge Anwendung der Regeln über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens (§§ 81 ff EheG) scheidet dabei schon aufgrund der Formvorschriften für den Abschluss der Ehe aus (7 Ob 584/83 = ÖJZ 1984/12; Meissel/Preslmayr 1144
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Bereicherung
520 f; punktuelle Analogien zum Eherecht sind aber nicht ausgeschlossen, vgl Meissel, EF-Z 2007, 210 f). Soweit jeder der Lebensgefährten Alleineigentümer von Sachen ist, können diese auch nach Ende der Lebensgemeinschaft grundsätzlich vindiziert werden. Liegen vertragliche Vereinbarungen über die erbrachten Leistungen vor, so sind diese maßgeblich. Fehlen aber vertragliche Regelungen, so kommt eine bereicherungsrechtliche Abwicklung in Betracht, für die va die Rückforderung von Leistungen wegen Zweckverfehlung (condictio causa data causa non secuta = condictio ob rem) einschlägig ist. § 1435 ABGB normiert die Rückforderung einer Leistung, deren Grund ur- 85 sprünglich vorlag, später aber weggefallen ist. Er bildet damit sowohl für die Fälle des nachträglichen Wegfalls eines ursprünglich intakten Leistungszweckes (Kondiktion wegen Wegfalls des Rechtsgrundes, condictio ob causam finitam), als auch wegen Nichtzustandekommen des vom Leistenden angestrebten Zweckes (Kondiktion wegen Zweckverfehlung, condictio causa data causa non secuta) die rechtliche Grundlage. Nach hA regelt § 1435 ABGB die condictio ob causam finitam und ist für die condictio causa data causa non secuta bloß analog heranzuziehen (Rummel/Rummel § 1435 ABGB Rz 4 ff; 4 Ob 2021/96a = SZ 69/89; RIS-Justiz RS0033855, RS0033952). Bedenkt man jedoch, dass der in Aussicht genommene Zweck der Leistung bzw die erwartete Entwicklung, auf die hin geleistet wurde, die Leistung zunächst rechtfertigt (und als Rechtstitel für den Eigentumserwerb fungiert [Rummel, JBl 1978, 454, Fn 34]) und erst bei Scheitern des Zweckes die Kondiktion Platz greift, so ergibt sich, dass der Wortlaut des § 1435 ABGB auch die Fälle der Zweckverfehlung unmittelbar erfasst.
b) Der Grundtatbestand der condictio causa data causa non secuta ba) Leistung
Allgemeine Voraussetzung des Anspruchs gem § 1435 ABGB ist das Vorliegen 86 einer Leistung, dh einer bewusst-gewollten Vermögensverschiebung durch Zuwendung von Geld-, Sach- oder Dienstleistungen. Liegt keine Leistung vor, kann ein Verwendungsanspruch gem § 1041 ABGB zu einer Vergütung führen (vgl 8 Ob 129/03h). Die Leistung kann auch darin bestehen, dass an einer bislang im Alleineigentum stehenden Sache Miteigentum der Lebensgefährten begründet wird. So ist die konkludente Begründung von Miteigentum an beweglichen Sachen durch gemeinsame Nutzung denkbar (vgl 1 Ob 703/88). Der Wille, an einer Sache Miteigentum zu begründen, kann durch die gemeinsame Anschaffung einer Sache zum Ausdruck kommen (8 Ob 560/90); auch der Modus kann bei beweglichen Sachen schlüssig, etwa durch gemeinsamen Gebrauch, erfüllt sein. 1145
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Meissel/Jungwirth
bb) Wegfall des angestrebten Leistungszweckes
87 Für die condictio causa data causa non secuta muss die Leistung in Erwartung eines Leistungszweckes erfolgt sein, der in der Folge nicht erreicht wird. Der Leistungszweck kann in einer erwarteten Gegenleistung bestehen, zu der sich der Empfänger aber nicht (in einer rechtlich durchsetzbaren Weise) verpflichtet hat, aber auch in der Erwartung eines sonstigen Zweckes oder einer bestimmten zukünftigen Entwicklung, die sich nicht erwartungskonform realisiert (Rummel, JBl 1978, 452 ff). Der Leistungszweck darf nicht von vornherein faktisch unmöglich oder unerlaubt sein. 88 Wird der vom Leistenden angestrebte Zweck bloß teilweise erreicht, so kommt eine Kondiktion im Hinblick auf die verfehlte „überschießende Zweckerwartung“ in Betracht. So etwa bei Aufwendungen von Lebensgefährten für eine gemeinsam genutzte Wohnung, bei der der angestrebte Erfolg („gemeinsame Nutzung“) während des Bestehens der Lebensgemeinschaft erreicht wird, bei Beendigung der Lebensgemeinschaft infolge des Auszuges aus der Wohnung aber wegfällt. Hier ist im Einzelfall unter Abwägung des Beitrags des ausgezogenen Lebensgefährten und der tatsächlich erfolgten teilweisen Zweckerreichung eine proportionale Kondiktion gem § 1435 ABGB zu gewähren (Meissel/Preslmayr 537). Wurden während einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von einem Partner dem anderen Leistungen erbracht, können bei Beendigung der Lebensgemeinschaft Ansprüche aus der condictio causa data causa non secuta bestehen, wenn die Leistung zunächst im Hinblick auf das Fortbestehen der Lebensgemeinschaft erfolgt und dieser Zweck später weggefallen ist (ausführlicher dazu Rz 104 ff). 89 Denkbar ist auch, dass eine Leistung teilweise in Schenkungsabsicht und teilweise in Erwartung eines Leistungszwecks erfolgt; diesfalls kommt bei Nichterreichung des Zwecks eine Kondiktion hinsichtlich des nicht unentgeltlich erfolgten Teils der Leistung in Betracht (Rummel, JBl 1978, 456). bc) Erkennbarkeit des Leistungszweckes
90 Für die condictio causa data causa non secuta muss dem Empfänger der vom Leistenden erwartete Zweck zumindest erkennbar gewesen sein (3 Ob 532/ 79 = Miet 31.270; 5 Ob 581/85; 6 Ob 44/02t; RIS-Justiz RS0033606, RS0033921, RS0033952; 3 Ob 145/06d EF-Z 2007/20, 30 [Höllwerth]). Nicht erforderlich ist es nach hA in Österreich, dass der Leistungszweck von den Parteien rechtsgeschäftlich vereinbart wurde (Meissel/Preslmayr 536). Eine Bedingung im technischen Sinn liegt daher nicht vor (Rummel, JBl 1976, 628). Einseitige, nicht unzweifelhaft erkennbare Motive des Leistenden bleiben aber unberücksichtigt (5 Ob 581/85 mwN). Nicht das Motiv des Leistenden an sich ist für den Rückforderungsanspruch ausschlaggebend, sondern die objektive 1146
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Bereicherung
Erkennbarkeit des Motivs (4 Ob 517/84 = EF 46.131; 6 Ob 725/87). Maßgeblich für die Zweckbestimmung ist der Empfängerhorizont (RIS-Justiz RS0020192). Für die Bestimmung der Kausa sind die Regeln des Zustandekommens von Verträgen (Vertrauenstheorie) bzw der Vertragsauslegung sinngemäß heranzuziehen.
bd) Keine treuwidrige Zweckvereitelung
§ 815 zweite Alternative BGB normiert den Ausschluss der Rückforderung 91 wegen Nichteintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolges, wenn dieser vom Leistenden wider Treu und Glauben verhindert wurde. Lehre und Judikatur nehmen an, dass dieser Rechtsgedanke auch in Österreich für die condictio causa data causa non secuta gilt (8 Ob 257/69 = SZ 43/16; Mader/Schwimann § 1435 ABGB Rz 23). Für die Frage der treuwidrigen Vereitelung des Leistungszweckes (vgl Rz 104) 92 ist zu beachten, dass in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft weder eine Treuepflicht noch eine Verpflichtung zum weiteren Zusammenleben besteht, sodass auch die einseitige Auflösung als solche nicht als Verschulden gewertet werden darf (F. Bydlinski, FS Wilburg 76; Meissel/Preslmayr 541 f). Selbst dort, wo familienrechtliche Verpflichtungen bestehen (Verlöbnis, Ehe), wird nach neuerer Auffassung die Kondiktion nur ausgeschlossen, wenn zusätzlich zum Verstoß gegen diese Pflichten qualifizierte Belastungsmomente auf Seiten des Leistenden hinzutreten (Honsell/Schwimann1 § 1435 ABGB Rz 9; 1 Ob 703/88 = JBl 1989, 591; 7 Ob 189/01x; RIS-Justiz RS0033759). So stellt die grundlose Auflösung eines Verlöbnisses für sich allein jedenfalls noch keine treuwidrige Zweckvereitelung dar (7 Ob 189/01x). Unter welchen Voraussetzungen eine Zweckvereitelung im Zusammenhang mit einer Lebensgemeinschaft überhaupt als Verstoß gegen Treu und Glauben anzusehen wäre, ist der Judikatur nicht zu entnehmen. be) Verhältnis zum Vertragsrecht
Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung setzt voraus, dass die Leistung 93 nicht aufgrund eines wirksamen Vertragsverhältnisses zwischen den Lebensgefährten erbracht wurde (sog Subsidiarität des Bereicherungsrechts). Wurde die Leistung im Rahmen der Erfüllung eines entgeltlichen (zB Dienstvertrag oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts) oder unentgeltlichen Vertrages (Schenkung) erbracht, kommt eine Rückforderung gem § 1435 ABGB nicht in Betracht. Die Rsp geht von der prinzipiellen Unentgeltlichkeit der während aufrechter Lebensgemeinschaft erbrachten Leistungen aus, und bejaht nur bei sog außergewöhnlichen Leistungen eine Rückforderung unter bestimmten Voraussetzungen (dazu ausführlicher unten Rz 108 ff). Die Kondiktion von 1147
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Beiträgen zum Ausbau eines gemeinsam bewohnten Hauses ist auch dann nicht möglich, wenn aufgrund eines aufrechten Vertrags dem Leistenden ein dingliches unentgeltliches Wohnrecht zukommt; diesfalls ist eine Kondiktion erst nach Auflösung des Wohnrechtsverhältnisses aus wichtigem Grund möglich (6 Ob 135/99t). 94 Die condictio causa data causa non secuta kommt regelmäßig bei Konstellationen zum Einsatz, in denen der Empfänger sich zu der von ihm erwarteten Gegenleistung nicht vertraglich verpflichten wollte oder (zB mangels Einhaltung von Formvorschriften) nicht wirksam verpflichten konnte. Eine Rückforderung der eigenen Leistung kommt aber auch in Betracht, wenn die Gegenleistung nicht ausreichend bestimmt ist, um auf vertraglicher Grundlage einklagbar zu sein. Nach § 869 ABGB setzt ein Vertrag „bestimmte“ Erklärungen der Parteien voraus. Es muss daher möglich sein, aus den Willenserklärungen – allenfalls durch ergänzende Auslegung nach § 914 ABGB – bestimmte oder zumindest bestimmbare Rechtsfolgen abzuleiten, dies insbesondere in Bezug auf die essentialia negotii. Wird eine Leistung in Erwartung einer Gegenleistung erbracht, die vom Empfänger zwar zugesagt wurde, die aber nicht näher bestimmt wurde und auch nicht ausreichend bestimmbar ist, so kann die erbrachte Leistung bei Nichteinhaltung der Zusage gem § 1435 ABGB kondiziert werden (4 Ob 84/09w: Im konkreten Fall hatte die Lebensgefährtin dem Partner während dessen Studium die Lebenshaltungskosten finanziert, damit dieser rasch sein Studium abschließen kann und er ihr dann eine „Auszeit“ finanzieren werde). In diesen Beispielen wird deutlich, dass die Fälle der condictio causa data causa non secuta in besonderer Nähe zum Vertragsrecht stehen. Die besondere Bedeutung für die Abwicklung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften besteht darin, dass Lebensgefährten nur selten klare vertragliche Regelungen ihrer Vermögensbeziehungen treffen, die wechselseitigen vermögensrechtlichen Beziehungen in der Regel aber auch nicht schlechthin unentgeltlich erfolgen (dazu ausführlicher Rz 97 ff). Gerade für solche vertraglich unvollkommen erfasste synallagmatische Verhältnisse bietet die condictio causa data causa non secuta ein probates Abwicklungsregime. c) Die Judikaturlinie zur Kondiktion von Leistungen nach Beendigung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften
95 In den letzten Jahrzehnten hat sich zur Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine umfangreiche Rsp herausgebildet. Die Judikaturlinie lässt sich anhand der folgenden Rechtssätze skizzieren: Aus den während der Dauer der Lebensgemeinschaft von einem Lebensgefährten erbrachten Leistungen und Aufwendungen können grundsätzlich keine Ersatzansprüche gegen den anderen Teil abgeleitet werden (4 Ob 610/ 1148
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87 = JBl 1988, 253; 4 Ob 2021/96a = SZ 69/89). Diese Leistungen sind in der Regel unentgeltlich und können daher nicht zurückgefordert werden. Ein Rückforderungsanspruch wird nur dann gewährt, wenn „eine Leistung in der erkennbaren Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft unentgeltlich erbracht wurde“ (RIS-Justiz RS0033914). Nicht rückforderbar sind Leistungen, die keinen weitergehenden Zweck verfolgen, also insbesondere laufende Zahlungen für den gemeinsamen Unterhalt oder für die Anschaffung von Sachen, die zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind (7 Ob 584/83 = EvBl 1984/12; RIS-Justiz RS0033701). Solche Leistungen erscheinen „ihrer Natur nach für den entsprechenden Zeitraum bestimmt“ und haben daher im Fall einer späteren Aufhebung der Lebensgemeinschaft ihren Zweck nicht verfehlt (7 Ob 584/83 = EvBl 1984/12; 4 Ob 610/87 = JBl 1988, 253). Außergewöhnliche Zuwendungen hingegen, zB der Erwerb einer Wohnung, die erkennbar in der Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft gemacht wurden, sind bei Zweckverfehlung rückforderbar (4 Ob 610/ 87 = EF 54.317 = JBl 1988, 253; RIS-Justiz RS0033921). Der Geschäftszweck fällt aber nur bezüglich eines die Auflösung überdauernden Nutzens weg. Waren die zur gemeinsamen Verwendung angeschafften Sachen von den Lebensgefährten zunächst gemeinsam genutzt worden und fällt der Geschäftszweck erst später weg, kann nur der verbleibende Restnutzen gefordert werden. Mit dieser Judikatur hat sich eine für eine Vielzahl von Fällen sachgerechte zi- 96 vilrechtliche Basis für die Abwicklung von aufgelösten Lebensgemeinschaften etabliert; dennoch ist davor zu warnen, diese Rechtssätze stereotyp einzusetzen. Letztlich ist in jedem Einzelfall zu prüfen, mit welcher Intention eine Leistung erbracht wurde und wie diese dogmatisch einzuordnen ist. Basis der stRsp ist kein spezifisches gesetzliches vermögensrechtliches Regime der nichtehelichen Lebensgemeinschaft (welches das österreichische Recht zur Zeit nicht kennt), sondern das allgemeine Zivilrecht. Die Prämissen der ständigen Judikatur können daher in Einzelfällen zu hinterfragen sein und sind daher nur mit Zurückhaltung anzuwenden. So hat jüngst der OGH völlig zu Recht aufgrund der besonderen Umstände des Falles auch eine Rückforderung von Aufwendungen für den laufenden Unterhalt zugelassen (4 Ob 84/09w). Im Folgenden werden die einzelnen Komponenten der stRsp unter dogmatischen Gesichtspunkten erörtert.
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d) Zur Frage der Unentgeltlichkeit von Leistungen während der nichtehelichen Lebensgemeinschaft da) Abgrenzung von Schenkung und datio ob rem
97 Bei Lebensgefährten geht die Rsp davon aus, dass laufende Leistungen an den Lebensgefährten „aus Gefälligkeit“ bzw „ihrer Natur nach unentgeltlich“ erbracht werden und qualifiziert solche Leistungen grundsätzlich als Schenkung (vgl Kissich/Klang3 § 44 ABGB Rz 38 mwN). Dass bei Lebensgefährten Leistungen „in der Regel“ unentgeltlich sein sollen, wird offenbar aus der emotionalen Bindung der Partner geschlossen. Die für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft typische Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft impliziert aber keineswegs, dass schlechthin alle wechselseitigen Leistungen unentgeltlich erfolgen (diesbezüglich kritisch bereits Meissel/Preslmayr 534, 539). Die Abgrenzung zwischen Leistung in Erwartung einer Gegenleistung (datio ob rem), die eine Rückforderung der Leistung bei Zweckverfehlung nach § 1435 ABGB ermöglicht, und Schenkung ist hinsichtlich der Rechtsfolgen bedeutsam, weil im Fall einer Schenkung abgesehen von der Irrtumsanfechtung nur bei Vorliegen der speziellen Widerrufsgründe (§§ 947 f ABGB) eine Rückforderung möglich und der Rückgriff auf die condictio causa data causa non secuta ausgeschlossen ist (Rummel/Rummel § 1435 ABGB Rz 5, der bei Schenkung auch die Geschäftsgrundlagenregeln verdrängt sieht). Die Rsp vermischt die beiden Rechtsinstitute zum Teil terminologisch und spricht gelegentlich von „vorläufig unentgeltlichen Leistungen“ bzw „bedingt unentgeltlichen“ Zuwendungen. Einer Leistung, die in der für den Empfänger erkennbaren Erwartung einer Gegenleistung erbracht wird, fehlt aber gerade das für die Schenkung begriffswesentliche Element der Unentgeltlichkeit (Bydlinski, FS Wilburg 57; Meissel/Preslmayr 534). db) Schenkung und Schenkungsabsicht
98 Von Schenkung kann nur bei freigiebiger, endgültiger Vermögensvermehrung des Empfängers ohne weitergehenden Zweck gesprochen werden (etwa 5 Ob 551/93). Die Schenkung ist ein unentgeltlicher Vertrag, der das (ausdrücklich oder schlüssig erklärte) Einverständnis beider Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung voraussetzt (RIS-Justiz RS0019217). Nur wenn also beide Parteien einig sind, dass eine Sache ohne Gegenleistung überlassen wird, liegt ein Schenkungsvertrag vor (RIS-Justiz RS0018852). Schenkungsabsicht ist nach stRsp für eine Schenkung begriffswesentlich (3 Ob 123/79 = NZ 1980, 128 = EF 33.707; 6 Ob 628/81 = EF 38.508; 2 Ob 104/97a), darunter ist die Absicht des Gebers zu verstehen, eine unentgeltliche, dh auf keine Gegenleistung bezogene und freiwillige, auch nicht durch sittliche 1150
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Pflicht verlangte, Leistung zu erbringen (RIS-Justiz RS0018833). Die Schenkungsabsicht kann sich konkludent auch aus dem Gesamtverhalten ergeben (RIS-Justiz RS0014168). Das Bestehen der Schenkungsabsicht hat derjenige zu beweisen, der darauf seinen Anspruch gründet (RIS-Justiz RS0019370). Die Feststellung der Schenkungsabsicht ist eine Tatsachenfeststellung (RISJustiz RS0043441). dc) Auslegungsregeln und Schenkung
Nach den vertraglichen Auslegungsregeln ist bei möglicher konkludenter 99 Schenkung nach der Vertrauenstheorie mit Hilfe der Auslegungsregeln (§§ 914, 915, 863 ABGB) vorzugehen: In erster Linie ist der Parteiwille zu ermitteln, bloße Inäquivalenz der Leistungen allein bedeutet noch keine Schenkung (6 Ob 128/05z zur gemischten Schenkung). Es ist zu fragen, ob der Erklärungsempfänger bei sorgfältiger Deutung von der Schenkungsabsicht des Erklärenden ausgehen durfte und auch tatsächlich davon ausging (1 Ob 209/05z). Im Zusammenhang mit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft schildert 8 Ob 560/90 die maßgeblichen Auslegungsgrundsätze: „Nach übereinstimmender Lehre und Rsp kommt es bei Vertragsabschluss grundsätzlich nicht auf den inneren Willen des Erklärenden sondern auf die Erklärung selbst an, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben auffassen durfte, dh wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war. Diese Auslegungsregel des § 914 ABGB gilt grundsätzlich auch für die Parteienerklärungen beim Abschluss unentgeltlicher Geschäfte, deren Zustandekommen und Gehalt primär nach § 914 ABGB und nur subsidiär gem § 915 ABGB zu ermitteln ist.“ Nach hA greift § 915 ABGB nur, um die Bedeutung zweifelhafter oder undeutlicher Äußerungen zu klären, wenn dies aus der Parteienabsicht oder aus der Verkehrsübung nicht möglich ist. § 915 setzt das Vorliegen eines unentgeltlichen Vertrages voraus (so auch Gschnitzer/Klang IV/12, 415). § 915 ABGB enthält keine Vermutung dafür oder dagegen, ob ein unentgeltlicher Vertrag geschlossen wurde (7 Ob 62/04z; 7 Ob 220/05m; Karollus, AnwBl 1996, 818 ff; anders Wilburg/Klang VI2, 470, der § 915 ABGB zumindest als Wertung, dass im Zweifel keine Schenkung vorliege, ansieht). Die Rsp tendiert dazu, die Frage der Unentgeltlichkeit von der Art der Leis- 100 tung in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft abhängig zu machen: So wird die Schenkungsabsicht bei sog außergewöhnlichen Zuwendungen a priori verneint, während Beiträge zum laufenden Aufwand „ihrer Natur nach unentgeltlich“ erbracht sein sollen (4 Ob 610/87; 3 Ob 36/05y; 4 Ob 84/09w; bei Arbeitsleistungen RIS-Justiz RS0033705). In der Rsp zum Ersatz der laufenden Aufwendungen zeigt sich, dass der Wert der erbrachten Leistung als wichtigstes Kriterium für die Annahme der Schenkungsabsicht herangezogen wird 1151
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(ausführlicher dazu Rz 106 ff). So werden außergewöhnliche Zuwendungen zum Erwerb einer gemeinsamen Wohnung eher als in Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft erbracht und bei Zweckverfehlung als kondizierbar angesehen (4 Ob 2012/96a; 7 Ob 189/01x; 3 Ob 36/05y); ebenso Leistungen beim Hausbau (1 Ob 502/92; RIS-Justiz RS0033709). Bedeutung kommt auch den Vermögensverhältnissen zu: selbst bei größeren Zuwendungen wird eine Schenkung bejaht, wenn der Leistende entsprechend vermögend ist und daher auf seine Großzügigkeit vertraut werden durfte (vgl 6 Ob 44/02t). dd) Kritik an der pauschalen Vermutung der Unentgeltlichkeit
101 Die von der Judikatur aufgestellte Vermutung der Unentgeltlichkeit der bei aufrechter Lebensgemeinschaft erfolgten Zuwendungen erscheint dogmatisch nur schwer begründbar. Eine allgemeine Vermutung der Unentgeltlichkeit besteht bekanntlich nicht; gem § 915 ABGB ist selbst bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften im Zweifel das geringere Verpflichtungsmaß zu vermuten; für Dienstleistungsverträge stellt § 1152 ABGB ausdrücklich eine Vermutung der Entgeltlichkeit auf. Die früher (vor BGBl Nr 280/1978) zur Begründung herangezogene Regel, dass Mitarbeit im Erwerb des Ehegatten auch nicht abgegolten werde, und die Lebensgefährten diesbezüglich nicht besser als Ehegatten gestellt werden dürften (exemplarisch SZ 27/156), ist mit der Neuformulierung des § 98 ABGB, der nun eine angemessene Abgeltung der Mitwirkung des Ehegatten vorsieht, obsolet geworden. 102 Die pauschale Unterstellung der Unentgeltlichkeit stellt eine Facette der nach wie vor umstrittenen familienrechtlichen Einordnung der Lebensgemeinschaft dar. Zu bedenken ist, dass die Lebensgemeinschaft an sich (anders als die Ehe) zwar keine Beistands- und Mitwirkungspflichten erzeugt, sondern durch den Charakter der Unverbindlichkeit und der jederzeitigen Lösbarkeit gekennzeichnet ist. Dennoch ist die Lebensgemeinschaft funktional dem Familienrecht (im weiteren Sinn) zuzurechnen (Meissel, EF-Z 2007, 210); die neuere Judikatur qualifiziert sie zu Recht als „familienrechtsnahes Rechtsverhältnis“ (vgl 9 Ob 69/10b). Die im Rahmen der gemeinsamen Wirtschaftsführung getätigten Aufwendungen werden dabei von den Partnern häufig als „wechselseitig abgegolten“ betrachtet, sind also durchaus in einem synallagmatischen Zusammenhang von „Reziprozitätserwartungen“ zu sehen (vgl F. Bydlinski, System 395; Meissel/Preslmayr 535). Es erscheint daher problematisch, aus der bloßen Tatsache der Lebensgemeinschaft eine Unentgeltlichkeitsvermutung abzuleiten. Vielmehr liegen häufig Leistungen in der Erwartung einer Gegenleistung oder eines sonstigen Leistungszweckes vor, der aber bei intakter Lebensgemeinschaft idR laufend erfüllt wird, sodass für Rückforderungsansprüche aus diesem Grund kein Raum bleibt. Im Ergebnis ist der Judikatur zuzustimmen, wenn diese an1152
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nimmt, dass laufende Zahlungen idR nicht rückforderbar sind. Die zutreffende Begründung dafür wird aber meist nicht in der Unentgeltlichkeit, sondern darin zu sehen sein, dass diese Leistungen keinen über den Alltag hinausreichenden weiteren Zweck verfolgen und „ihrer Natur nach für den entsprechenden Zeitraum bestimmt sind“, sodass sie im Fall einer späteren Aufhebung der Lebensgemeinschaft auch „ihren Zweck nicht verfehlt“ haben (7 Ob 584/83 = EvBl 1984/12; 4 Ob 610/87 = JBl 1988, 253). Die berechtigte Erwartung des unentgeltlichen Empfangs (Bydlinski FS Wilburg 61) stellt daher eher die Ausnahme dar und muss eigens bewiesen werden. Sofern Leistungen der Lebensgefährten aus sittlicher Pflicht erfolgen, können sie zwar nicht zurückgefordert werden, stellen aber keine Schenkungen dar (vgl RIS-Justiz RS0018833, RS0018852). Im Rahmen einer (häufig konkludent vereinbarten) Lastenverteilung ist bei Lebensgefährten idR von laufend wechselseitig erbrachten Leistungen auszugehen; die Nähe zum Gesellschaftsvertrag, der grundsätzlich nicht als unentgeltlich anzusehen ist (6 Ob 227/70 = JBl 1971, 197 = NZ 1971, 171; 8 Ob 507/80 = Miet 32.218; 5 Ob 70/90 = NZ 1991/202 [Hofmeister]), ist zumindest bei der eheähnlichen Lebensgemeinschaft evident. Nach der Rsp (RIS-Justiz RS0018852) ist eine Schenkung auch durch „jede synallagmatisch, konditional oder kausal verknüpfte Gegenleistung, die in einer Handlung oder Unterlassung bestehen kann und keinen Vermögenswert haben muss“, ausgeschlossen (so auch 6 Ob 205/62; 6 Ob 227/70 = JBl 1971, 197 = NZ 1971, 171; 6 Ob 628/81; RIS-Justiz RS0017193, RS0050235; zuletzt 8 Ob 3/09p). Leistungen, die vom gemeinsamen Beitragen zu den Lebensbedürfnissen inner- 103 halb der nichtehelichen Lebensgemeinschaft geprägt sind, fehlt grundsätzlich die „Freigiebigkeit“ bzw „Schenkungsabsicht“. Aufgrund der idR wechselseitig im Austauschverhältnis bestehenden Leistungen der Lebensgefährten ist auch eine Unterhaltsvereinbarung der Lebensgefährten nicht zwingend als Schenkung (so aber 7 Ob 104/06d) und daher nicht notwendigerweise als notariatsaktpflichtig zu qualifizieren (umfassender dazu Meissel, EF-Z 2008, 14 f).
e) Leistungszweck und Kondizierbarkeit von Leistungen ea) Zur Bestimmung der Leistungszwecke bei Lebensgemeinschaften
Besondere Bedeutung bei der rechtlichen Qualifizierung der Leistungen von 104 Lebensgefährten kommt der Erfassung des jeweiligen Leistungszwecks zu. Die Beurteilung der Frage, ob der Zweck verfehlt wurde, macht eine Bestimmung dieses Zwecks notwendig. In der Rsp findet sich dazu eine ganze Palette möglicher Zwecke. Dazu zählen sehr allgemeine Erwartungen wie jene der Aufnahme einer dauerhaften Beziehung (6 Ob 44/02t), der zukünftigen gemeinsamen Lebensführung 1153
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Meissel/Jungwirth
(5 Ob 550/79 = EF 33.856), des Fortbestandes der nichtehelichen Lebensgemeinschaft (2 Ob 509/87 = EF 54.320; 4 Ob 610/87 = JBl 1988, 253; 4 Ob 2021/96a = SZ 69/89 = Miet 48.176; 2 Ob 200/98w = NZ 2000, 19) oder der „langen Dauer“ (6 Ob 817/82 = EF 43.577). Als konkretere Zwecke begegnen das zukünftige gemeinsame Wohnen (im Haus) (3 Ob 515/91 = JBl 1991, 588; 2 Ob 200/98w = NZ 2000, 19 (21); 7 Ob 40/00h; 7 Ob 189/01x; 9 Ob 170/02v; 7 Ob 104/06d; 4 Ob 84/09w), die (zukünftige) Eheschließung (2 Ob 7/67 = EvBl 1967/302; 3 Ob 560/79 = EF 36.266; 4 Ob 2021/96a; 7 Ob 189/01x), die gemeinsame Verwendung einer Sache (7 Ob 600/81 = EF 38.658). Als spezifische Erwartung erscheint auch die spätere Ermöglichung einer eigenen „Auszeit“ der vorläufig die gemeinsamen Lebenserhaltungskosten allein tragenden Lebensgefährtin (4 Ob 84/09w). 105 Eine große Abgrenzungsschwierigkeit besteht häufig in der Frage, ob eine Leistung bloß auf den aktuellen Bestand der nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder aber längerfristig auf deren Fortbestand erbracht wird. Rummel (JBl 1978, 454) zufolge lässt sich diese Abgrenzung „konkret wohl nur anhand der Art der Leistung und deren Bewertung nach der Verkehrsauffassung“ treffen. Dem folgt die Judikatur insofern, als sie bei laufenden Aufwendungen annimmt, dass diese idR im Hinblick auf den bloßen Bestand der Lebensgemeinschaft erbracht werden, sodass die Rückforderung mangels Zweckvereitelung ausgeschlossen ist (4 Ob 2021/96a = SZ 69/89; 9 ObA 222/01i). Bei außergewöhnlichen Aufwendungen und solchen, deren Restnutzen das Ende der Lebensgemeinschaft überdauert, wird hingegen die Erwartung des Fortbestandes (oder ein ähnlicher weiter in die Zukunft reichender Zweck) angenommen (dazu ausführlicher Rz 108). eb) Laufende Aufwendungen
106 Laufende Aufwendungen von Lebensgefährten, worunter solche für das gemeinsame Wohnen, für den gemeinsamen Unterhalt sowie für zum sofortigen Verbrauch bestimmte Anschaffungen zu verstehen sind, können idR nicht zurückgefordert werden. Begründet wird dies von der Rsp zum Teil mit der Annahme der Unentgeltlichkeit (krit dazu schon Rz 101 ff), zum Teil (überzeugender) mit der Zweckerreichung derartiger Zuwendungen. Laufende Aufwendungen seien ihrer Natur nach für den entsprechenden Zeitraum bestimmt und haben daher im Falle einer späteren Aufhebung der Lebensgemeinschaft ihren Zweck – anders als die Aufwendungen für Dauerinvestitionen – nicht verfehlt (4 Ob 2021/96a = SZ 69/89; 9 ObA 222/01i). Aus der Art der Leistung auf den Zweck zu schließen, erscheint dann sachgerecht, wenn die laufenden Aufwendungen von beiden Teilen gemeinsam bestritten werden, sodass gleichsam eine Pauschalverrechnung wechselseitig einvernehmlich erbrachter Zuwendungen stattfindet. Eine Rückabwicklung kleinerer Posten im Nachhinein wäre äußerst unpraktisch. 1154
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Anderes gilt freilich, wenn die laufenden Aufwendungen ausschließlich oder 107 vorwiegend von einem Partner bestritten werden und damit erkennbar weiterreichende Zwecke als der bloße Bestand der Lebensgemeinschaft verfolgt werden. In solchen Fällen kann auch die Kondiktion laufender Aufwendungen sachlich gerechtfertigt sein (vgl 4 Ob 84/09w). Auch in Konstellationen, in denen nur der eine Lebensgefährte die laufenden Aufwendungen bestreitet, der andere hingegen die Mittel für Dauerinvestitionen verwendet, wird idR ein entsprechender Ausgleich im Rahmen der condictio causa data causa non secuta geboten sein, damit keine einseitige Besserstellung eines Lebensgefährten bloß aufgrund der Art des Mitteleinsatzes zustande kommt (nicht unproblematisch daher 6 Ob 60/99p, soweit darin die vom Berufungsgericht vorgenommene Aufrechnung der Arbeit des Klägers am Haus der Beklagten mit deren Arbeit in der Haushaltsführung abgelehnt wird). Zurecht wurde in 4 Ob 610/87 (= JBl 1988, 253) im Zusammenhang mit der Rückforderung einer Dauerinvestition (Inanspruchnahme aus Bürgschaft für Immobilie) auch auf den Einwand der Beklagten eingegangen, dass der Leistende keine Miete bezahlt habe; da dieser aber in anderer Form (neben dem Beitrag zur Dauerinvestition) zu den laufenden Aufwendungen beigetragen hatte, wurde letztlich die Kondiktion der Dauerinvestition ohne Abzug bejaht. Leistet der eine Partner einen erheblich höheren Beitrag zu den Alltagsleistungen, so ist eine Kondiktion denkbar, wenn er damit erkennbar dem anderen ermöglichen wollte, für eine Dauerinvestition anzusparen (vgl OLG Wien EF 90.226). Besondere Beweisprobleme können sich insb bei Geldleistungen des einen Lebensgefährten an den anderen ergeben, wenn im nachhinein strittig ist, ob diese für laufende Aufwendungen bestimmt waren oder aber für Dauerinvestitionen verwendet wurden (vgl 3 Ob 36/05y). Auch hier wird man die einzelnen Leistungen nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang betrachten müssen. ec) Außergewöhnliche Aufwendungen
Eine erkennbare Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft wird 108 von der Judikatur bei außergewöhnlichen Aufwendungen bzw Dauerinvestitionen der Lebensgefährten wie zB Anschaffung eines PKW (7 Ob 600/81 = EF 38.656), Anschaffung von Immobilien, dem Bau eines Hauses (1 Ob 99/73 = SZ 46/62, 8 Ob 38/75 = SZ 48/59, 7 Ob 802/79 = SZ 53/20; 3 Ob 512/79 = EvBl 1980/37 ua; vgl dazu Stefula, JAP 2001/2002, 138 ff) oder bei der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft für einen Kredit, der dem Erwerb eines Hauses dient (4 Ob 610/87 = JBl 1988, 253) angenommen. Im Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft wird davon ausgegangen, dass im Ausmaß des noch vorhandenen Restnutzens der erwartete Zweck nicht erreicht worden sei (4 Ob 610/87; 7 Ob 189/01x; Rummel/Rummel 1155
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§ 1435 ABGB Rz 8) und der noch vorhandene Restnutzen daher vom Leistenden beim Empfänger kondiziert werden könne (1 Ob 170/07t = Miet 59.203). So ist bei Zuwendungen zum Erwerb einer Wohnung, die im Eigentum eines der Lebensgefährten steht, ein Anspruch im Ausmaß des Restnutzens gegeben, da nur in diesem Ausmaß der Zweck (das gemeinsame Wohnen) nicht erreicht worden sei (1 Ob 170/07t = Miet 59.203; RIS-Justiz RS0033921; RS0033699). 109 Die Ersatzfähigkeit von Ausbildungskosten, die nur einem Teil zugute kommen, wurde von der Judikatur vereinzelt (OLG Wien EF 81.588; vgl nun aber 4 Ob 84/09w) mit dem wenig überzeugenden Argument verneint, es seien nur solche Zuwendungen kondizierbar, die beiden Lebensgefährten Nutzen bringen (zurecht krit Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 207; Aichhorn 415 f). 110 Bedeutung für die Art der Zweckerwartung und deren Erkennbarkeit aus der Warte des Empfängers kommt auch der wirtschaftlichen Lage des Leistenden und des Empfängers zu. So nahm der OGH in 6 Ob 44/02t trotz Vorliegens einer größeren Zuwendung aufgrund der Vermögensverhältnisse des Leistenden eine Schenkung an und verneinte die Rückforderung („Im Gegensatz zu der in bescheidenen Verhältnissen lebenden Beklagten war der Kläger finanziell sehr gut gestellt, sodass die Beklagte durchaus davon ausgehen durfte, diese Zuwendungen seien als Beweis seiner finanziellen Großzügigkeit und der Aufrichtigkeit seiner Gefühle erfolgt.“).
f) Arbeitsleistungen fa) Allgemeines
111 Besondere Schwierigkeiten bereitet immer wieder die Frage, ob die von einem Lebensgefährten dem anderen geleisteten Dienste nach Beendigung der Lebensgemeinschaft abzugelten sind. Auch hier kann es sich um Schenkung, Dienstvertrag oder aber einen Fall der condictio causa data causa non secuta handeln, wenn die Arbeitsleistung für den Empfänger erkennbar einen weitergehenden Zweck verfolgt, der dann nicht eintritt. 112 Die Judikatur vermutet bei Lebensgefährten allgemein die Unentgeltlichkeit von Dienstleistungen (RIS-Justiz RS0033705). Entgelt wurde von der Rsp häufig nur dann zugesprochen, wenn ein solches ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart wurde (RIS-Justiz RS0021746; nähere Nachweise bei Kissich/Klang3 § 44 ABGB Rz 36 Fn 197). Dies gilt nicht nur für den Fall des Dienstvertrags (bei dem nach der Judikatur die Entgeltlichkeitsvermutung des § 1152 ABGB unter Lebensgefährten nicht gelten soll), sondern auch bei der condictio causa data causa non secuta (vgl aber 6 Ob 60/99p, wo zurecht umgekehrt geprüft wurde, ob eine Unentgeltlichkeitsvereinbarung vorlag). 1156
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Die Vermutung der generellen Unentgeltlichkeit erscheint aus den bereits zu Rz 101 ff dargelegten Gründen problematisch (krit dazu bereits Meissel/ Preslmayr 539). Hinzuweisen ist auch darauf, dass Rsp und Lehre bei Arbeitsleistungen ansonsten (selbst unter Ehegatten!) einhellig dem Ansatz von F. Bydlinski (FS Wilburg 66 ff) folgen, demzufolge bei der Kondiktion zweckverfehlender Arbeitsleistungen gem § 1435 ABGB ein Entgeltanspruch auf § 1152 ABGB (analog) gestützt werden kann, sofern die Leistung vom Empfänger bewusst in Anspruch genommen wurde und dieser nach den Umständen nicht mit ihrer Unentgeltlichkeit rechnen durfte. fb) Ansprüche aus Arbeitsvertrag
Nach allgemeinen Regeln kann unter Lebensgefährten ein Arbeitsvertrag nicht 113 nur ausdrücklich, sondern auch konkludent zustande kommen. Das Vorliegen eines schlüssigen Vertragsabschlusses, bei dem zweifelsfrei auf einen entsprechenden Erklärungswillen geschlossen werden kann (§ 863 ABGB), gelingt bei Lebensgefährten aber angesichts des persönlichen Naheverhältnisses idR nur schwer. Wird im Rahmen einer Lebensgemeinschaft ein Arbeitsverhältnis begründet, so kommen die (zT zwingenden) Regelungen des Arbeitsrechts zur Anwendung (4 Ob 53/83 = Arb 10.269); aus diesen können sich auch unbedingte und nicht im Voraus verzichtbare Entgeltansprüche ergeben (9 Ob A 138/97b [Lebensgefährtin als Krankenbetreuerin]). Noch in der Monarchie wurden in Fällen, in denen ein Lebensgefährte (regelmäßig war das die Frau) dem anderen den Haushalt besorgte und keiner eigenen Berufstätigkeit nachging, konkludent zustandegekommene Ansprüche des haushaltsführenden Partners aus einem Dienstvertrag (§ 1151 ABGB) bejaht (GlU 6639; JBl 1918, 260 = ZBl 1918/237). Erst seit einer Judikaturwende in den 1930er Jahren (NZ 1932, 148) wird aus dem Begriff der Lebensgemeinschaft geschlossen, dass die Vorstellung einer Über- bzw Unterordnung eines der beiden Partner, wie sie für Dienstverträge typisch ist, auszuschließen sei. Damit wurden dienstrechtliche Ansprüche der Lebensgefährten untereinander mit dem Argument abgelehnt, dass es zur Idee einer gleichberechtigten Partnerschaft nicht passe, den einen als – gleichsam übergeordneten – Dienstgeber und den anderen Partner als weisungsunterworfenen, untergeordneten Dienstnehmer anzusehen (3 Ob 258/54 = EvBl 1954/372 = SZ 27/156). Die Idee der Gleichberechtigung führt damit zur zweifelhaften Errungenschaft, dass Arbeitsleistungen im Rahmen einer Lebensgemeinschaft in der Regel als unentgeltlich behandelt werden, was zB in Fällen, in denen der eine Partner auf eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der Führung des gemeinsamen Haushalts verzichtet oder im Erwerb des anderen mitarbeitet, durchaus nicht unproblematisch ist.
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fc) Kondiktion zweckverfehlender Arbeitsleistungen
114 Wurde die Arbeitsleistung im Hinblick auf einen weitergehenden Zweck erbracht, der in der Folge vereitelt wurde, so kommt für den Leistenden ein Anspruch aus der condictio causa data causa non secuta in Betracht. Im Allgemeinen begründen Arbeitsleistungen von Lebensgefährten nach der Judikatur aber keinen Bereicherungsanspruch, weil sie sich nach dem Parteiwillen oder nach den nach der Verkehrssitte zu beurteilenden Umständen als Gefälligkeit darstellen (RIS-Justiz RS0033705). Ähnlich wie bei den Sachzuwendungen tendiert die Rsp dazu, Arbeitsleistungen nur dann zu honorieren, wenn sie einen Nutzen erbracht haben, der die Lebensgemeinschaft überdauert (sog Dauerinvestition, vor allem im Rahmen des Hausbaus oder der Wohnungsrenovierung) oder aufgrund der besonderen Umstände als außergewöhnliche Zuwendungen erscheinen. Instruktiv dazu der 9 ObA 217/01d zugrunde liegende Fall: Hier hat ein Gastwirt 15 Jahre lang die uneingeschränkte Arbeitsleistung der Lebensgefährtin entgegengenommen, die diese in Erwartung der Eheschließung bzw einer gesicherten gemeinsamen Zukunft erbracht hat, ohne dafür finanzielle Gegenleistungen zu erhalten. Die Lebensgefährtin behielt nur die Trinkgelder, aus denen allerdings Wochenendeinkäufe und weitere Ausgaben für gemeinsame Zwecke bestritten wurden. Die Beurteilung des OLG Wien (7 Ra 35/ 01w), dass bei dieser Sachlage der Empfänger nicht auf die Unentgeltlichkeit vertrauen durfte und nach allgemeinen Regeln ein angemessenes Entgelt (analog § 1152 ABGB) schuldet, wird vom OGH als „jedenfalls nicht unvertretbar“ bezeichnet. 115 Aktivlegitimiert ist grundsätzlich derjenige, dessen Arbeitskraft zugewendet wurde. Unter Umständen kann ein Lebensgefährte aber auch den Wert jener Dienstleistungen kondizieren, die nahe Angehörige für ihn erbringen wollten (dh ihm allein gewidmet haben), die aber dem anderen Lebensgefährten zugute gekommen sind; so etwa bei der Mithilfe von Eltern und Geschwistern beim Bau eines Hauses auf dem Grundstück des anderen Lebensgefährten (7 Ob 40/ 00h unter Berufung auf Wilhelm, JBl 1985, 679). Hat ein Kind des Lebensgefährten auf dem Hof der Lebensgefährtin seines Vaters regelmäßig Arbeiten im Hinblick auf die Erbeinsetzung des Vaters erbracht und beerbt stattdessen eine andere Person als gesetzlicher Erbe die verstorbene Lebensgefährtin des Vaters, so können die vom Kind erbrachten Arbeitsleistungen von diesem gegenüber dem Hoferben kondiziert werden (1 Ob 134/08z). 116 Für die Höhe des Entgeltanspruchs folgt die neuere Judikatur (6 Ob 60/99p) auch bei Arbeitsleistungen von Lebensgefährten der von F. Bydlinski (FS Wilburg 63 ff) vorgeschlagenen Differenzierung: Wurde die zweckverfehlte Leistung auf Verlangen des Leistungsempfängers erbracht und trifft den Leistenden kein Verschulden an der Zweckverfehlung, so gebührt ihm ein ange1158
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Bereicherung
messener Lohn (§ 1152 ABGB), der vom verschafften Nutzen unabhängig ist. Hat aber der Leistende selbst den zunächst angestrebten Erfolg vereitelt, auch im Sinne von eigenem „Weggehen“, so kann er nur Ansprüche im Ausmaß des verschafften Nutzens für den Empfänger stellen. Bei beiderseitigem Anteil am Scheitern des Leistungszwecks ist die Differenz von Nutzen und angemessenem Entgelt in sinngemäßer Anwendung von § 1304 ABGB entsprechend zu teilen. Die erbrachte Arbeit bzw Arbeitszeit hat der zu beweisen, der die Arbeitsleis- 117 tung erbracht hat und abgegolten erhalten möchte (9 ObA 222/01i). Für das Vereiteln des Zweckes durch den Anspruchswerber trifft die Beweislast den Leistungsempfänger (9 ObA 222/01i, 6 Ob 29/06t). Auch eine Vereitelung des Geschäftszwecks wider Treu und Glauben und der damit verbundene Kondiktionsausschluss ist als rechtsvernichtende Tatsache vom Beklagten zu beweisen (6 Ob 29/06t). g) Die Höhe des Bereicherungsanspruchs
Nach § 1437 ABGB ist primär Naturalrestitution geschuldet, bei Unmöglich- 118 keit der Rückstellung in natura ein angemessenes Entgelt in der Höhe des verschafften Nutzens (Rummel/Rummel § 1435 ABGB Rz 10; 3 Ob 515/91 = JBl 1991, 588). Eine vom sonstigen Bereicherungsrecht abweichende Besonderheit der condictio causa data causa non secuta im Zusammenhang mit der Abwicklung beendeter Lebensgemeinschaften besteht darin, dass sich die Kondiktion grundsätzlich bloß auf den im Zeitpunkt des definitiven Scheiterns des Leistungszweckes vorhandenen Restnutzen erstreckt (vgl RIS-Justiz RS0033921; bei gemeinsamer Verwendung eines PKWs: 7 Ob 600/81; bei gemeinsamer Verwendung einer Wohnung: 1 Ob 170/07t). Dies folgt aus der Annahme, dass bis dahin der Wertverlust der Leistung durch die (teilweise) Zweckerreichung ausgeglichen worden sei. Auch die nachträgliche Zuerkennung von Benutzungsentgelten für Sachen des Lebensgefährten, die während der Lebensgemeinschaft verwendet wurden, wird von der Judikatur zugunsten eines (idR durchaus lebensnahen) Tabula-rasa-Prinzips abgelehnt (exemplarisch 4 Ob 2021/96a). Konsequent wäre es allerdings, auch einen durch die Leistung im Vermögen 119 des Bereicherungsschuldners eingetretenen Wertzuwachs kondizieren zu lassen (Meissel/Preslmayr 540 f; zust Engel, JRP 1994, 206; Deixler-Hübner, ÖJZ 1999, 208), was von der Rsp aber bislang abgelehnt wurde (7 Ob 802/79 = SZ 53/20; 2 Ob 509/87; 9 Ob A 222/01i und 9 Ob A 217/01d = RdW 2002, 421/ 416; 9 Ob 291/01m = EF 97.102). Ähnlich wie bei der Kondiktion von Arbeitsleistungen (ausführlicher dazu 120 Rz 116) spielt das „Verschulden“ an der Leistungsvereitelung für die Bemes1159
LebG – Beendigung
Meissel/Jungwirth
sung des Anspruchs eine Rolle: Hat der Kondiktionsgläubiger den Leistungszweck selbst vereitelt, so kann er nur ein Entgelt verlangen, das an dem beim Empfänger (subjektiv) verschafften Nutzen orientiert ist; ansonsten aber ist der objektive Leistungswert maßgeblich (8 Ob 538/89 = ecolex 1990, 747 [Knötzl]). 121 Nach allgemeinem Bereicherungsrecht wäre allerdings der gemeine Wert nur im Fall eines unredlichen Bereicherungsschuldners maßgeblich; das würde bedeuten, dass nur im Fall der schuldhaften Vereitelung des Leistungszwecks durch den Empfänger nicht der für ihn verschaffte subjektive Nutzen, sondern der objektive Wert zugrunde zu legen ist. Die von F. Bydlinski (FS Wilburg 63 ff) für die Arbeitsleistungen anhand von § 1152 ABGB entwickelten Grundsätze sind für sonstige Leistungen von Lebensgefährten (bei denen keine Vermutung der Verpflichtung zur Leistung eines angemessenen Entgelts besteht!) nicht einfach übertragbar. Sachgerecht erscheint es jedenfalls, das Risiko eines Wegfalls der Bereicherung, das mit einer Zweckvereitelung unmittelbar verbunden ist, demjenigen zuzuweisen, dem die Zweckvereitelung zuzurechnen ist. So ist zB das Risiko, durch einen „Notverkauf“ eines Hauses einen geringeren Wert zu erzielen, als es dem objektiven Wert entspräche, demjenigen zugewiesen, der den Wegfall des Leistungszwecks verursacht hat (1 Ob 568/80 = JBl 1981, 153 = SZ 53/71). h) Verjährung
122 Im Allgemeinen gilt für die condictio causa data causa non secuta die dreißigjährige Verjährungsfrist (§§ 1478 f ABGB). Die Kondiktion zweckverfehlter Arbeitsleistungen verjährt hingegen binnen drei Jahren (§ 1486 Z 5 ABGB). 123 Maßgeblich für den Beginn der Verjährung ist der Zeitpunkt, in dem die Erwartung endgültig wegfällt oder objektiv nicht mehr mit ihrem Eintreten gerechnet werden kann (4 Ob 6/84; 9 ObA 207/98a). Im Fall einer vergeblichen Erwartung einer Zuwendung von Todes wegen (die auch hinsichtlich der Leistungen von Lebensgefährten oder deren Angehörigen als erkennbarer Zweck von über die Beendigung der Lebensgemeinschaft hinauswirkenden Leistungen denkbar ist [vgl etwa 1 Ob 134/08z]), beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der Leistende im Abhandlungsverfahren vom Inhalt der letztwilligen Verfügung, die seine Erwartung zunichte macht, Kenntnis erlangt (OLG Innsbruck ZAS-Judikatur 2008/193).
1160
LebG – Verfahren
Verfahren
E. Lebensgemeinschaftsrechtliche Verfahrensbestimmungen Die zivilprozessualen Verfahrensgesetze (JN, ZPO) nehmen in mehrfacher 1 Hinsicht auf Lebensgemeinschaften Bezug. Die diesbezüglichen Regelungen wurden bereits bei den Rechtsfolgen der Lebensgemeinschaft im Außenverhältnis dargestellt (LebG – Rechtsfolgen/Außen Rz 27 ff). Hier geht es um Fragen der prozessualen Durchsetzung von Ansprüchen unter Lebensgefährten. Lebensgefährten können ihre Ansprüche grundsätzlich nur im streitigen 2 Rechtsweg durchsetzen; das Außerstreitverfahren steht dafür nicht offen (6 Ob 692/81 = EF 41.014; Ballon/Fasching § 1 JN Rz 278; Fucik/Rechberger/ Rechberger Art I EGZPO Rz 9). Die Gerichtszuständigkeit richtet sich nach allgemeinen Regeln; die JN kennt 3 keinen besonderen Gerichtsstand für Ansprüche unter Lebensgefährten. Insb besteht keine sachliche Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts gem § 49 Abs 2 Z 2b JN, weil kein Eheverhältnis vorliegt (Simotta/Fasching § 49 JN Rz 51). Ebenso wenig greift § 49 Abs 2 Z 2d JN über die aus dem Verhältnis der eingetragenen Partner entspringenden Streitigkeiten. Von Bedeutung könnte allerdings die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts 4 gem § 49 Abs 2 Z 1 JN für Streitigkeiten über die dem Vater des unehelichen Kindes gegenüber der Mutter des Kindes gesetzlich obliegenden Pflichten sein. Darunter fallen Ansprüche gem § 168 ABGB auf Ersatz der Kosten der Entbindung und Unterhalt für die ersten sechs Wochen und weiterer Auslagen, die durch die Entbindung notwendig werden (Fasching ZPR Rz 242; Simotta/Fasching § 49 JN Rz 13; zu § 168 ABGB s LebG – Rechtsfolgen/Innen Rz 5). Die Zuständigkeit greift auch bei der Klage der Mutter des unehelichen Kindes nach § 1042 ABGB auf Ersatz des zur Verpflegung des Kindes gemachten Aufwands (OLG Wien EF 46.610; LGZ Wien EF 49.255). Ferner ist der Tatbestand für die Schadenersatzklage gem § 1328 ABGB anwendbar, sofern es zu einer Schwängerung gekommen ist (OLG Wien EF 79.081; Fasching, ZPR Rz 242; Simotta/Fasching § 49 JN Rz 14; Mayr/Rechberger § 49 JN Rz 3). Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach allgemeinen Regeln, idR nach 5 dem allgemeinen Gerichtsstand gem §§ 65 ff JN. Der ausschließliche Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis oder der eingetragenen Partnerschaft gem § 76 JN ist nicht anwendbar. Auch die internationale Zuständigkeit ist nach allgemeinen Regeln zu beur- 6 teilen. Die EuEheVO Nr. 2201/2003 (Brüssel IIa-VO) ist auf Ehesachen beschränkt und auf Lebensgefährten nicht anwendbar (Klauser/Kodek Art 1 EuEheVO Anm 4). 1161
Kapitel 7 Gewaltschutz
E. Gitschthaler et al. (eds.), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht © Springer-Verlag/Wien 2011
Exekutionsordnung Schutz vor Gewalt in Wohnungen § 382b. (1) Das Gericht hat einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf deren Antrag 1. das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen und 2. die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten, wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient. (2) Bei einstweiligen Verfügungen nach Abs 1 ist keine Frist zur Einbringung der Klage (§ 391 Abs 2) zu bestimmen, wenn die einstweilige Verfügung für längstens sechs Monate getroffen wird. (3) Verfahren in der Hauptsache im Sinne des § 391 Abs 2 können Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse und Verfahren zur Klärung der Benützungsberechtigung an der Wohnung sein. [Eingefügt durch GeSchG BGBl 1996/759; zuletzt geändert durch 2. GeSchG BGBl I 2009/40]
Verfahren und Anordnung § 382c. (1) Von der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung der einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 ist insbesondere abzusehen, wenn eine weitere Gefährdung durch den Antragsgegner unmittelbar droht. Dies kann sich vor allem aus einem Bericht der Sicherheitsbehörde ergeben, den das Gericht von Amts wegen beizuschaffen hat; die Sicherheitsbehörden sind verpflichtet, solche Berichte den Gerichten unverzüg1165
§§ 382b–382e EO
Beck
lich zu übersenden. Wird jedoch der Antrag ohne unnötigen Aufschub nach einem Betretungsverbot gestellt (§ 38a Abs 7 SPG), ist dieser dem Antragsgegner unverzüglich zuzustellen. (2) Der Auftrag zum Verlassen der Wohnung ist, wenn der Antragsteller nichts anderes beantragt, dem Antragsgegner durch das Vollstreckungsorgan beim Vollzug zuzustellen. Dieser Zeitpunkt ist dem Antragsteller mitzuteilen. (3) Vom Inhalt des Beschlusses, mit dem über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b entschieden wird, und von einem Beschluss, mit dem die einstweilige Verfügung aufgehoben wird, sind auch 1. im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese, sonst die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde, 2. ist eine der Parteien minderjährig, auch der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger unverzüglich zu verständigen. (4) Hat der Antragsgegner gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus Anlass einer Wegweisung nach § 38a Abs 3 SPG eine Abgabestelle bekanntgegeben, so gilt diese als Abgabestelle für das gerichtliche Verfahren. Hat der Antragsgegner eine solche Bekanntgabe trotz Hinweises auf die Rechtsfolgen unterlassen, so können die Zustellungen im Verfahren über die einstweilige Verfügung durch Hinterlegung so lange ohne vorausgehenden Zustellversuch vorgenommen werden (§§ 8 und 23 Zustellgesetz), bis dem Gericht eine Abgabestelle bekanntgegeben wird. [Eingefügt durch GeSchG, Abs 1 idF der SPG-Nov 1999]
Vollzug § 382d. (1) Einstweilige Verfügungen nach § 382b sind sofort von Amts wegen oder auf Antrag zu vollziehen. (2) Beim Vollzug einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 hat das Vollstreckungsorgan den Antragsgegner aus der Wohnung zu weisen und ihm alle Schlüssel zur Wohnung abzunehmen und bei Gericht zu erlegen. Es hat dem Antragsgegner Gelegenheit zur Mitnahme seiner persönlichen Wertsachen und Dokumente sowie jener Sachen zu gewähren, die seinem alleinigen persönlichen Gebrauch oder der Ausübung seines Berufs dienen. (3) Ist der Antragsgegner beim Vollzug einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 nicht anwesend, so hat ihm das Vollstreckungsorgan auf seinen Antrag binnen zweier Tage Gelegenheit zu geben, seine Sachen 1166
§§ 382b–382e EO
Allgemeiner Schutz vor Gewalt
im Sinn des Abs 2 aus der Wohnung abzuholen. Auf dieses Recht ist der Antragsgegner vom Vollstreckungsorgan durch Hinterlassung einer Nachricht an der Wohnungstüre hinzuweisen. (4) Das Gericht kann auch die Sicherheitsbehörden mit dem Vollzug einer einstweiligen Verfügung nach § 382b durch die ihnen zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beauftragen. In diesem Fall sind diese Organe als Vollstreckungsorgane jeweils auf Ersuchen des Antragstellers verpflichtet, den einer einstweiligen Verfügung nach § 382b entsprechenden Zustand durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt herzustellen und dem Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat, darüber zu berichten. [Eingefügt durch GeSchG; zuletzt geändert durch EO-Nov 2003]
Allgemeiner Schutz vor Gewalt § 382e. (1) Das Gericht hat einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf deren Antrag 1. den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten und 2. aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden, soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen. (2) Bei einstweiligen Verfügungen nach Abs 1 ist keine Frist zur Einbringung der Klage (§ 391 Abs 2) zu bestimmen, wenn die einstweilige Verfügung für längstens ein Jahr getroffen wird. Gleiches gilt für eine Verlängerung der einstweiligen Verfügung nach Zuwiderhandeln durch den Antragsgegner. (3) Wird eine einstweilige Verfügung nach Abs 1 gemeinsam mit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 erlassen, so gelten § 382b Abs 3 und § 382c Abs 4 sinngemäß. (4) Das Gericht kann mit dem Vollzug von einstweiligen Verfügungen nach Abs 1 die Sicherheitsbehörden betrauen. § 382d Abs 4 ist sinngemäß anzuwenden. Im Übrigen sind einstweilige Verfügungen nach Abs 1 nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts im Ersten Teil zu vollziehen. [Eingefügt durch GeSchG; neue Überschrift und zuletzt geändert durch 2. GeSchG BGBl I 2009/40] Lit: Barth, Kann ein Rückkehrverbot nach § 382b Abs 1 Z 2 EO gegen jemanden erlassen werden, dessen Aufenthalt unbekannt ist? AnwBl 2002, 83; Bauer/Keplinger/Schwarz-
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§§ 382b–382e EO
Beck
Schlöglmann/Sorgo, Gewaltschutzgesetz (2009); Beck, Geltungsdauer der Gewaltschutz-EV – Eine Besprechung der Entscheidung 9 Ob 32/09k, EF-Z 2010/100; Deixler-Hübner, Vom Auftrag zum Verlassen der Ehewohnung zum 2. Gewaltschutzgesetz 2009, iFamZ 2009, 225; Hager-Rosenkranz, Das 2. Gewaltschutzgesetz 2009 – Änderungen im zivilgerichtlichen Verfahren, ecolex 2009, 560; Heissenberger, Straf- und zivilrechtliche Aspekte der „Beharrlichen Verfolgung“ gem § 107a StGB, AnwBl 2006, 634; Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz, ÖJZ 1999, 863; Kneihs/Preiß, Wegweiserecht und Rückkehrverbot: Sicherheitspolizeiliches Einschreiten bei Gewalt „in Wohnungen“, JRP 1997, 102; G. Kodek, Die Besitzstörung (2002); ders, Einstweilige Verfügungen im Familienrecht und Art 6 EMRK, EF-Z 2010/35; Konecny, Zur Wirksamkeit einstweiliger Verfügungen nach Ablauf der Verfügungsfrist, ÖBA 1997, 987; Löw, Zwei Jahre Gewaltschutzgesetz, ÖA 1999, 244; Mohr, Neuerungen bei den einstweiligen Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und Stalking – Änderungen durch das 2. Gewaltschutzgesetz, ÖJZ 2009/56; Mottl, Alte und neue rechtliche Instrumente gegen Gewalt in der Familie, ÖJZ 1997, 542; Neuhauser, Der gesetzliche Schutz vor Gewalt in der Familie und dessen Auswirkungen auf den Jugendwohlfahrtsträger, ÖA 1997, 45; Zackl, Einstweilige Verfügungen und (Un-)Zulässigkeit unwiederbringlicher Eilmaßnahmen, ÖJZ 2005/2. Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F.
G.
H. I. J. K. L. M.
N.
Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzeszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschützter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zwischen § 382b EO und § 382e EO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewaltschutz nach ausländischem Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens und Zusammentreffens 1. Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschulden des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewalt im Sinn der §§ 382b, 382e EO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Provokation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dringendes Wohnbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Angewiesen-Sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilausweisung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ersatzwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unmittelbare Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbsthilfe / Besitzstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufenthalts- und Kontaktverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungsbereich der Einstweiligen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geltungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstweilige Verfügung ohne Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einstweilige Verfügung im Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verlängerung der Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erweiterung der Einstweiligen Verfügung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antragsvorbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einseitigkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–2 3–9 10–14 15 16 17–37 17–22 23 24–36 37 38–47 38–41 42 43–47 48 49–52 53–57 58–67 68 69–88 69 70–72 73–74 75–89 90 91–130 91 92–97 98–99
§§ 382b–382e EO
Rechtsentwicklung
4. 5. 6. 7. 8.
Anhörung des Gegners . . . . . . . . . . . . . . . Bescheinigungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung der Einstweiligen Verfügung . . . Widerspruch und Rekurs . . . . . . . . . . . . . . a) Reihung der Anträge . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerspruchsverfahren . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . . . . 9. Strafdrohungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Durchsetzung der Einstweiligen Verfügung O. Aufhebung der Einstweiligen Verfügung . . . . . P. Antragstellung durch Kinder . . . . . . . . . . . . . . Q. Sicherheitspolizeigesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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100–105 106–111 112–114 115–116 117–126 117 118–121 122–126 127 128–130 131–136 137–139 140–154
A. Rechtsentwicklung Die mit dem GeSchG (BGBl 1996/759) eingeführten Bestimmungen der 1 §§ 382b bis 382d EO ermöglichten gefährdeten Personen den Schutz ihres in § 16 ABGB normierten Rechts auf physische und psychische Integrität ohne Bindung an eine Unterlassungsklage. Sie traten an die Stelle der früher in § 382 (Abs 1) Z 8 lit b und Abs 2 EO enthaltenen Regelungen über die Ausweisung eines Ehegatten. Ziel der Gesetzesänderung war der effektive Schutz eines größeren Personenkreises vor Gewalttätigkeiten in der Familie. Gewalttäter, die zum Opfer in einer gesetzlich definierten Angehörigenbeziehung standen, konnten aus der Wohnung weggewiesen und von ihr ferngehalten werden; gleichzeitig ermöglichten Kontaktaufnahme- und Aufenthaltsverbote Schutz vor Übergriffen an näher bestimmten Orten und vor weiteren Zusammentreffen mit solchen Personen. Mit der EO-Nov 2003 (BGBl I 2003/31) wurde die bis dahin taxative Aufzählung der geschützten Ehegatten, Lebensgefährten und Verwandten durch eine generelle Definition der nahen Angehörigen ersetzt, die es dem Gericht ermöglichen sollte, auf die tatsächlichen Lebensverhältnisse im Einzelfall Bedacht zu nehmen. Ab diesem Zeitpunkt konnte eine EV zum Schutz vor Gewalt in der Familie zugunsten von sämtlichen Personen erlassen werden, die mit dem Antragsgegner in einer familiären oder familienähnlichen Gemeinschaft lebten oder gelebt hatten. Die in der Stammfassung des § 382b Abs 3 EO vorgesehene weitere Voraussetzung, dass die Angehörigen im Zeitpunkt der Antragstellung in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebten oder innerhalb einer gesetzlichen Drei-Monate-Frist vor Einlangen des Sicherungsantrags bei Gericht zusammengelebt hatten, wurde mit der Änderung der Bestimmung durch die EO-Nov 2003 nicht mehr übernommen. Damit umfasste der Kreis der geschützten Personen auch Angehörige, die längere Zeit nach der Beendigung des Zusammenlebens gewalttätige Übergriffe erleiden oder 1169
§§ 382b–382e EO
Beck
befürchten mussten, wodurch der Schutzbereich über den engen Begriff der Lebensgefährten hinaus ausgedehnt und eine flexiblere Anwendung der Bestimmung ermöglicht wurden. Durch die allgemeine Umschreibung der nahen Angehörigen sollte der Rsp Gelegenheit gegeben werden, beim familienrechtlichen Gewaltschutz auf aktuelle Entwicklungen Bedacht zu nehmen (LGZ Wien EF 112.539). Der spezielle Schutz des § 382b EO aF war aber auch nach dieser Gesetzesänderung auf einen besonderen Personenkreis, nämlich auf solche Personen beschränkt, die mit dem Antragsgegner durch ein (früheres) Zusammenleben verbunden waren. Personen, die außerhalb des Familienbereichs Schutz vor Gewalt suchten und nicht nahe Angehörige nach der Legaldefinition des § 382b Abs 3 EO aF waren (wie etwa Arbeitskollegen, aber auch Personen, die miteinander ein im Wesentlichen unverbindliches, wenn auch sexuelle Kontakte einschließendes Verhältnis hatten), konnte ein Schutz vor Gewalt mittels EV weiterhin nicht zugute kommen (6 Ob 238/00v = JBl 2001, 390 = EF 94.803; 5 Ob 170/02i; 7 Ob 226/05v; vgl aber die mit dem StRÄG 2006 [BGBl I 2006/56] geschaffene Möglichkeit für diese Personen, eine EV zum Schutz vor Stalking nach § 382g EO zu erwirken). 2 Mit dem 2. GeSchG (BGBl I 2009/40) überarbeitete der Gesetzgeber die gesetzlichen Grundlagen für einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt gem § 382b Abs 1 und 2 EO aF und für Provisorialmaßnahmen zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre („Stalking“) gem § 382g EO. Die wesentlichen Neuerungen im Bereich der Gewaltschutz-Verfügungen betrafen den geschützten Personenkreis (vgl dazu Rz 10 ff) und die deutlich verlängerte Geltungsdauer der Sicherungsmaßnahmen. Überdies wurden die beiden Tatbestände des § 382b Abs 1 EO aF (gewaltbedingte Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens) und des § 382b Abs 2 EO aF (Unzumutbarkeit des weiteren Zusammentreffens) auf zwei gesonderte, wenn auch in den Tatbestandselementen inhaltlich gleichgebliebene Bestimmungen (§ 382b Abs 1 EO mit unverändertem Wortlaut und § 382e Abs 1 EO nF) aufgeteilt; nach den Gesetzesmaterialien sollte dadurch der unterschiedliche Charakter dieser einstweiligen Verfügungen deutlicher werden. Die Neufassung der gesetzlichen Bestimmungen trat mit 1.6.2009 in Kraft. Seither regeln die §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1, 382g Abs 1 EO die in Betracht kommenden gerichtlichen Anordnungen und die rechtlichen Voraussetzungen für diese Verfügungen; § 382c EO normiert nach wie vor besondere Verfahrensvorschriften für die Erlassung einer Gewaltschutz-EV, § 382d EO regelt auch weiterhin den Vollzug dieser Sicherungsmaßnahmen.
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§§ 382b–382e EO
Gesetzeszweck
B. Gesetzeszweck Gesetzeszweck der §§ 382b, 382e EO ist weiterhin der Schutz vor Gewalttä- 3 tigkeiten im weiteren Sinn, der bei Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens bzw Zusammentreffens durch Wegweisung, Rückkehr-, Aufenthaltsund Kontaktverbote gewährleistet werden soll. Die einstweiligen Verfügungen nach den §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO (zur Verfassungskonformität LGZ Wien EF 115.456) sollen demnach Gewaltopfer vor Eingriffen in ihre physische und psychische Integrität schützen; Gefahren fernzuhalten und rasche gerichtliche Hilfe in Auseinandersetzungen mit drohenden oder bereits erfolgten Gewalttaten zu ermöglichen, bevor tatsächlich schwerwiegende Folgen eintreten, ist auch nach der Neufassung der Regelungen durch das 2. GeSchG eine wichtige Zielsetzung dieser Bestimmungen (so schon LG Wels EF 112.537; LGZ Wien EF 88.385, 98.659, 115.458, 118.384). Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens ist – anders als etwa im Scheidungsrecht bei der Beurteilung allfälliger Eheverfehlungen – ein objektiver (LG Salzburg EF 121.442) und somit von der konkreten Lebenssituation der Beteiligten unabhängiger Maßstab anzuwenden; Gewalt im zwischenmenschlichen Bereich ist – gleichgültig, in welcher Intensität sie ausgeübt wird und welche konkreten Folgen sie im Einzelfall hat – nicht tolerierbar und rechtswidrig. Nach dem Grundgedanken des § 382b Abs 1 EO soll – unabhängig von der 4 materiellen Berechtigung an der Wohnung – nicht das Gewaltopfer, sondern der Gewalttäter aus der Wohnung weichen müssen (9 Ob 286/01a); die Eigentums- oder sonstigen Rechtsverhältnisse an der Wohnung sind unerheblich. Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens ist daher entsprechend der Intention des Gesetzes ein großzügiger Maßstab zugunsten der Opfer von Gewalttätigkeiten anzulegen, weil die Anwendung von Gewalt mit dem Wesen der Ehe und Familie nicht in Einklang zu bringen ist (9 Ob 33/03y = JBl 2004, 171; 1 Ob 285/03y = EF 123.709; 10 Ob 7/07p = EF-Z 2007/90 [Höllwerth] = EF 118.389; 3 Ob 218/08t). Ehegatten sind dabei schon gem § 90 Abs 1 ABGB zur „anständigen Begegnung“ und gem § 91 Abs 1 ABGB zu gegenseitigem Verständnis und Respekt verpflichtet und verhalten, ihre Konflikte mit Rücksichtnahme aufeinander auszutragen und nicht ausufern zu lassen; diese gesetzlichen Vorgaben verlangen von ihnen auch bei Zerwürfnissen und in Streitsituationen Umgangsformen, die von wechselseitiger Achtung geprägt sind und Abwertungen, Beleidigungen und Drohungen aussparen; Gewalt ist dabei jedenfalls unzulässig (9 Ob 33/03y). Wenn auch die Überschrift des § 382b EO seit dem 2. GeSchG „Schutz vor 5 Gewalt in Wohnungen“ lautet, wird damit selbstverständlich auch das Zusammenleben in einem Haus erfasst. Mit einem Schutz des „Wohnbereichs“ als 1171
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Beck
Überschrift hätte die Notwendigkeit solcher sprachlichen Klarstellungen freilich leicht vermieden werden können. 6 Die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten werden nicht dadurch beseitigt, dass einem Ehegatten durch EV nach § 382b Abs 1 EO aufgetragen wird, die Ehewohnung zu verlassen. Diese Provisorialmaßnahme kann nur für eine bestimmte Zeit erlassen werden (vgl Rz 70 ff) und vermag die wechselseitigen Pflichten der Ehegatten nicht zu ändern, wenn sie auch für die Zeit ihrer Geltung das Zusammenleben hindert. Die Verfügung erlaubt dem anderen Ehegatten daher nicht, sich über die Verpflichtungen aus der noch aufrechten Ehe (etwa durch die Gestattung das Eheleben störender Besuche dritter Personen in der Ehewohnung) hinwegzusetzen. Das Recht jedes Ehegatten, in der Ehewohnung Besucher zu empfangen, ist nämlich durch den Schutz des Ehe- und Familienlebens iS des § 90 ABGB begrenzt; dieser Schutz endet grundsätzlich erst mit der Auflösung der Ehe. Eine unheilbar zerrüttete Ehe ist allerdings nicht in demselben Maß schutzwürdig wie eine intakte Ehe. In einem solchen Fall ist das Interesse, dass die (definitiv gescheiterte) Ehe und das – durch die Wegweisung eines Ehegatten – nur mehr teilweise vorhandene Familienleben nicht durch Besuche einer dritten Person gestört werden, gegen das Interesse des Dritten abzuwägen, sich mit Zustimmung des anderen Ehegatten in der Ehewohnung aufzuhalten (4 Ob 223/02a = JBl 2003, 371 = EF 99.095; vgl auch § 339 ABGB Rz 25). Wenn sich der Dritte darauf beruft, seine Tochter aus einer Beziehung mit der Ehefrau in deren vertrauter Umgebung besuchen zu wollen, ist dieses Interesse nach dieser Entscheidung schutzwürdig, auch wenn nicht verkannt werden kann, dass das Umgangsrecht auch außerhalb der Ehewohnung ausgeübt werden könnte. Sofern aber die Ehe bereits unheilbar zerrüttet ist, hat das Interesse des Vaters, mit seiner Tochter in deren gewohntem Lebensraum zusammen zu sein, Vorrang vor dem Interesse des Ehemanns, dass das (in Wahrheit nicht mehr vorhandene) Ehe- und Familienleben nicht durch Besuche eines Dritten gestört wird. 7 Die EV nach § 382b Abs 1 EO ermöglicht zum einen eine Wegweisung des Antragsgegners aus der Wohnung und zum anderen das Verbot seiner Rückkehr in diese Wohnung. Beide Sicherungsmittel können gemeinsam angeordnet werden, wie schon der Ausdruck „und“ bei ihrer Anführung im Gesetzestext verdeutlicht (gegen eine Kumulierung beider Verbote Zechner § 382b EO Rz 5; krit auch Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382b EO Rz 13 mwN [kumulativ ausgesprochenes Verbot überflüssig, weil bereits der Auftrag zum Verlassen der Wohnung auf bestimmte Zeit notwendig ein Rückkehrverbot in sich schließt]). 8 Eine EV nach § 382b Abs 1 EO bietet schon infolge des in § 382d Abs 4 EO ausdrücklich auf Gewaltschutz-Verfügungen eingeschränkten Vollzugs durch die Sicherheitsbehörden einen besseren Rechtsschutz als die Exekution eines 1172
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auf Unterlassen des Betretens der Ehewohnung lautenden Vergleichs, die nach § 355 EO vorzunehmen ist. Die EV ist daher trotz eines solchen Unterlassungstitels zulässig (LGZ Wien EF 98.681). Den Parteien steht hingegen nicht die Möglichkeit offen, in einem Vergleich im Verfahren über den Sicherungsantrag zu vereinbaren, dass dieser Vergleich – wie eine EV – durch Sicherheitsbehörden vollzogen werden könnte, sodass der Antragsteller bei einem allfälligen Zuwiderhandeln des Antragsgegners nicht auf die Unterlassungsexekution verwiesen wäre. Die Wirkung eines solchen Vergleichs ist daher gegenüber der EV deutlich herabgestuft. § 382e Abs 1 EO idF des 2. GeSchG schützt ein Gewaltopfer vor weiteren un- 9 zumutbaren Zusammentreffen mit dem Gewalttäter und übernimmt damit die Zielsetzung des § 382b Abs 2 EO aF. Durch das Abgehen des Gesetzgebers von einer familiär orientierten Definierung des Anwendungsbereichs dieser EV wurde eine Bestimmung geschaffen, die einen allgemeinen Gewaltschutz bewirkt und – wie § 382g EO – keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis vorsieht. Im Gegensatz zu § 382g EO, der das Recht auf Achtung der Privatsphäre schützt (vgl § 382g EO Rz 5), stellt § 382e Abs 1 EO aber auf den Schutz der körperlichen und psychischen Integrität ab. Diese verschiedenen Anwendungsbereiche sind bei der Wahl der Sicherungsmaßnahme genau zu unterscheiden; § 382e Abs 1 EO ist daher nur dann anzuwenden, wenn die körperliche oder psychische Unversehrtheit des Antragstellers beeinträchtigt oder bedroht wird.
C. Geschützter Personenkreis Die Angehörigeneigenschaft iS des § 382b Abs 3 EO idF vor dem Inkrafttre- 10 ten des 2. GeSchG mit 1.6.2009 definierte das Opfer von Gewalt in der Familie und setzte auch nach der Erweiterung des persönlichen Schutzbereichs der Bestimmung mit der EO-Nov 2003 das tatsächliche Zusammenleben in einer Wohnung oder zumindest das frühere Zusammenleben voraus (7 Ob 226/ 05v = JBl 2006, 397; unzutr LGZ Wien EF 118.385 [das Gesetz fordert kein Zusammenleben der betroffenen Angehörigen]). Wenn ein Zusammenleben oder ein früheres Zusammenleben nicht bescheinigt werden konnte, war der Antrag auf Wegweisung des Antragsgegners bzw Erlassung von Rückkehr-, Aufenthalts- und Kontaktaufnahmeverboten gegen ihn ohne weitere Prüfung einer konkreten Gewaltausübung jedenfalls abzuweisen. Die Einschränkung der Gewaltschutz-EV auf „nahe Angehörige“ in Form ihrer Bindung an eine „familiäre oder familienähnliche Gemeinschaft“ führte zu Auslegungsproblemen. Da der Tatbestand des § 382b Abs 1 EO auch idF des 2. GeSchG eine „Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens“ voraussetzt, sollen nach den Gesetzesmaterialien ohnehin nur jene Personen als An1173
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tragsteller in Betracht kommen, die mit dem Antragsgegner zum Zeitpunkt der Antragstellung oder zumindest in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang in einer Wohnung gelebt haben, sodass der Anwendungsbereich der Bestimmung schon damit ausreichend abgegrenzt sei. Aus dieser Erwägung hielt es der Gesetzgeber für entbehrlich, den geschützten Personenkreis weiterhin ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal zu umschreiben oder auch nur das Bestehen oder das frühere Bestehen einer familiären oder familienähnlichen Gemeinschaft als explizites Tatbestandselement zu verlangen, sodass nunmehr allein das „weitere Zusammenleben“ entscheidend ist. Diese Neufassung der Bestimmung stand im Einklang mit § 38a SPG, der die polizeiliche Wegweisung und das Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen gleichfalls ohne Einschränkung auf nahe Angehörige regelt (vgl Rz 140 ff). Infolge des Wegfalls einer formalen Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs fallen nunmehr auch bloße Wohngemeinschaften, das Wohnen im Verhältnis zwischen Mieter und Untermieter oder das Zusammenleben in einem Seniorenheim in den Schutzbereich des § 382b Abs 1 EO. 11 Wenn auch die Absicht des Gesetzgebers – den Schutzbereich der EV auszuweiten – klar ist, bot seine Vorgangsweise dennoch Grund für unnötige Missverständlichkeiten. Soll es nach der Neufassung des § 382b Abs 1 EO zur Abgrenzung des geschützten Personenkreises ausschließlich auf die Unzumutbarkeit des „weiteren Zusammenlebens“ ankommen, wäre bei bloßer Heranziehung dieses Gesetzeswortlauts das Zusammenleben der Parteien im Antragszeitpunkt zwingende Voraussetzung für die Bewilligung der EV; ein früheres Zusammenleben bliebe unberücksichtigt, weil nur eine aktuelle Haushaltsgemeinschaft im Provisorialverfahren die Prognose über ein „weiteres“ Zusammenleben zuließe. Ein solches Verständnis der neu formulierten Gesetzesbestimmung würde allerdings ihren Anwendungsbereich gegenüber der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des 2. GeSchG, als ein wann auch immer erfolgtes und mitunter viele Jahre zurückliegendes Zusammenleben schon eine Gewaltschutz-EV ermöglichte, kleiner statt größer machen. Offenbar im Bewusstsein dieser Interpretationsmöglichkeit, die im deutlichen Widerspruch zur Zielsetzung des 2. GeSchG stünde, knüpfte der Gesetzgeber in den Mat die Antragslegitimation nicht an ein Zusammenleben bei Verfahrenseinleitung, sondern an einen ganz engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Zusammenleben und Gewaltausübung, ohne die Zeitspanne allerdings näher zu umschreiben. Mohr (ÖJZ 2009/56) geht davon aus, dass die frühere, mit dem GeSchG eingeführte und bis zur EO-Nov 2003 im Gesetz vorgesehene Drei-Monate-Frist ein Anhaltspunkt für diesen zeitlichen Zusammenhang sein könnte. Eine längere Trennung würde – so Mohr unter Berufung auf 3 Ob 293/99 f = EF 91.332 weiter – dann nicht schaden, wenn der Abwesende nach Belieben zurückkehren könnte und dies nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch machen würde (vgl dazu Rz 12). 1174
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Geschützter Personenkreis
Bei zutreffender Umsetzung der unzweifelhaften Intention des Gesetzgebers ist auch nach der Novellierung des § 382b EO davon auszugehen, dass ein aktuelles Zusammenleben der Parteien keine Voraussetzung für eine Antragslegitimation darstellt und dass zur Erlangung des Rechtsschutzes bei gewaltbedingter Unzumutbarkeit einer Wohnungsgemeinschaft auch ein früheres Zusammenleben ausreicht, sodass § 382b EO weiterhin auch dann angewendet werden kann, wenn ein Antragsteller nach Beendigung des Zusammenlebens mit Gewalt des Antragsgegners im weiteren Sinn konfrontiert ist. Die Definierung einer Höchstdauer, die zwischen dem Ende der Wohngemeinschaft und dem das Sicherungsbedürfnis des Antragstellers auslösenden Verhalten des Antragsgegners liegen darf, ist bei diesem Verständnis der Absicht des Gesetzgebers entbehrlich. Eine Absicht des Gesetzgebers, die schon mit der EO-Nov 2003 abgeschaffte Maximalfrist von drei Monaten zwischen Beendigung des Zusammenlebens und Sicherungsantrag wieder einzuführen, lässt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den Mat ableiten; die Rückkehr zu dieser überholten Einschränkung des Rechtsschutzes wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt. Im Allgemeinen genügt das gemeinsame Wohnen in einem Haus oder in einer 12 Wohnung für die Annahme einer häuslichen Gemeinschaft nahestehender Personen. § 382b Abs 1 EO schützt nach dem Zweck des Gesetzes, jede Art von Gewalt im Zusammenleben zu verhindern, aber auch Personen, die zwar nicht im selben Haus oder in derselben Wohnung, aber doch in einem solchen räumlichen Naheverhältnis leben, dass es zu regelmäßigen, insb täglichen Kontakten kommt (10 Ob 103/98i = JBl 1998, 593 = EF 88.390 [der Mann ist vor einigen Jahren „ausgezogen“, wohnt aber in einem nur wenige Meter vom Haus der Frau entfernten Nebengebäude und trifft mit ihr regelmäßig zusammen]; 4 Ob 126/04i = EF 109.326; 7 Ob 226/05v = EF 112.540). Haben die Ehegatten eine Wohnung in der Form benützt, dass jeder von ihnen ein eigenes Zimmer bewohnte und die Lebensbereiche weitestgehend getrennt waren, ändert diese Gestaltung nichts daran, dass damit eine typische familiäre Nahesituation vorliegt, die infolge regelmäßiger, unvermeidlicher persönlicher Berührungspunkte (etwa bei Begegnungen in gemeinsam benützten Räumen wie Vorzimmer oder Küche) Gewaltausübung ermöglicht. Besteht zwischen Ehegatten für einen bestimmten – wenn auch längeren – Zeitraum kein räumliches Naheverhältnis, weil sich etwa ein Ehegatte im Krankenhaus befindet, bewirkt diese Situation infolge der Verpflichtung zur umfassenden Lebensgemeinschaft gem § 90 Abs 1 ABGB und aufgrund des familienrechtlichen Rückkehrrechts noch keine Trennung der Lebensbereiche. Die häusliche Gemeinschaft von Ehegatten ist so lange nicht aufgehoben, als deren Lebensbereiche faktisch noch nicht durch eine weitgehende Beendigung der Haushalts- oder Wirtschaftsgemeinschaft getrennt sind und ein vorübergehend abwesender Partner nach Belieben in ein räumliches Naheverhältnis 1175
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mit seinem Ehegatten zurückkehren kann und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch zurückkehren wird (3 Ob 293/99 f = EF 91.332). 13 Dass über den Antragsgegner die Untersuchungshaft verhängt wurde, steht der Erlassung einer EV nach § 382b Abs 1 EO nicht entgegen, zumal der Ausgang des Strafverfahrens und der Zeitpunkt seiner Haftentlassung ungewiss sind (LG Salzburg EF 106.309). Solange ein Rückkehrrecht besteht und nicht feststeht, dass es aus bestimmten tatsächlichen, nicht unbedingt nur willensbezogenen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in Anspruch genommen wird, ist die Wiederherstellung der Wohngemeinschaft und damit auch die Wiederbegründung eines räumlichen Naheverhältnisses der Ehegatten möglich, aus dem wiederum familiäre Gewalt entstehen kann (3 Ob 293/99 f = EvBl 2000/98 = EF 91.331). 14 Im Hinblick auf den mit dem 2. GeSchG so formulierten „Allgemeinen Schutz vor Gewalt“ gem § 382e Abs 1 EO erweist sich der Entfall der Einschränkung des Rechtsschutzes auf „nahe Angehörige“ im Verständnis des § 382b Abs 3 EO aF hingegen nicht nur als unproblematisch, sondern geradezu als konsequente Fortentwicklung des gesetzgeberischen Konzepts, weil schon bisher sachlich kaum gerechtfertigt werden konnte, dass ein zivilrechtlicher Schutz vor weiteren, immerhin als unzumutbar qualifizierten Zusammentreffen mit Gewalttätern von der Zugehörigkeit zu einem mit Bezug auf eine familiäre Beziehung definierten Personenkreis und insb von einem (früheren) Zusammenleben der Parteien abhängig sein sollte. Entscheidend ist im Anwendungsbereich dieser Bestimmung ja die Unzumutbarkeit weiterer Kontakte mit einem Gewalttäter, nicht etwa jene eines weiteren Zusammenlebens. Dadurch wird ein allgemeiner Schutz vor der gesetzlich definierten Gewalt – ohne irgendeine Einschränkung des Personenkreises – verwirklicht.
D. Verhältnis zwischen § 382b EO und § 382e EO 15 Das Verhältnis zwischen § 382b Abs 1 EO und § 382e Abs 1 EO und damit vor allem die Frage, ob der Antragsteller seinen Schutz im Wohnbereich auch nach § 382e EO sicherstellen kann, werden weder im Gesetzeswortlaut noch in den Mat geklärt. Unter Bedachtnahme auf die Gesetzestechnik – der Gesetzgeber ließ den Schutz vor Gewalt in Wohnungen gem § 382b Abs 1 EO inhaltlich unverändert und fügte ihm eine neue, als „allgemeinen“ Schutz bezeichnete Bestimmung hinzu – ist davon auszugehen, dass es sich bei § 382b Abs 1 EO um eine Spezialnorm zur Verhinderung von Gewalt im Wohnbereich handelt; nur diese Regelung enthält auch die konkrete Möglichkeit, die Wegweisung des Antragsgegners anzuordnen. Überdies sieht ausschließlich § 382b Abs 1 EO einen uneingeschränkten, insb von der materiellen Benüt1176
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Gewaltschutz nach ausländischem Recht
zungsberechtigung an der Wohnung unabhängigen Rechtsschutz ohne Gegenüberstellung der Interessen der Beteiligten am Wohnungsgebrauch vor. Jedenfalls in den Fällen, in denen beide Parteien Rechte an der Wohnung haben oder haben könnten, kann nur diese Norm den Schutz vor Gewalt im Wohnbereich gewährleisten (so auch Mohr, ÖJZ 2009/56).
E. Gewaltschutz nach ausländischem Recht? Nach stRsp haben österreichische Gerichte Verfahrensfragen ausschließlich 16 nach österreichischem Recht zu lösen und stets nur inländische Verfahrensvorschriften anzuwenden (1 Ob 583/81 = JBl 1983, 652; 4 Ob 7/02m; 6 Ob 30/ 03k; 4 Ob 143/06t uva). Nach neueren Entscheidungen des LGZ Wien ist hingegen die Frage, ob der zu sichernde Anspruch auf Schutz vor Gewalt im weiteren Sinn materiellrechtlich besteht, nach jenem – allenfalls auch ausländischen – Recht zu beurteilen, welches sich nach den Regeln des IPR ergibt, somit nach dem Heimatrecht der Parteien, falls sie ein gemeinsames Personalstatut haben (LGZ Wien EF-Z 2009/104 [Beck], EF 125.197). Nur wenn der für die Ermittlung des ausländischen Rechts erforderliche Zeitaufwand den Anspruch vereitelt (vgl § 4 Abs 2 IPRG), habe jedenfalls für das Provisorialverfahren österreichisches Recht vorrangig zur Anwendung zu kommen. Gleiches gelte auch dann, wenn das Heimatrecht der Parteien Gewalttätigkeiten (insb im Familienbereich) toleriert. In diesem Fall widerspreche seine Anwendung dem ordre public (§ 6 IPRG), sodass unter solchen Umständen die Voraussetzungen einer Gewaltschutz-EV schon deshalb auch materiellrechtlich nach österreichischem Recht zu beurteilen seien; gewalttätige Übergriffe könnten nicht ohne rechtliche Konsequenzen bleiben, wenn die Ehegatten in Österreich leben und eine Entscheidung österreichischer Gerichte über familiäre Streitigkeiten anstreben, weil dem Schutz vor (körperlicher oder psychischer) Gewalt in der österreichischen Rechtsordnung eine besonders wichtige Stellung zukommt. Diesen Überlegungen kann nur teilweise beigepflichtet werden. Sind die Parteien nicht österreichische Staatsbürger, ist gem § 18 Abs 1 IPRG vorrangig ihr gemeinsames Heimatrecht – welches das Gericht von Amts wegen zu ermitteln und anzuwenden hat (§§ 2 f IPRG) – der Prüfungsmaßstab für die Entscheidung im Scheidungsprozess. Demgegenüber regeln die § 382b Abs 1 EO und § 382e Abs 1 EO – als (wenn auch in der EO angesiedelte) Spezialnormen (Eingriffsnormen) des Rechtsschutzes vor Gewalt im weiteren Sinn – sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen solcher einstweiligen Verfügungen als auch die Rechtsfolgen der Gewaltausübung abschließend, sodass keine weitere Anspruchsgrundlage für die Erwirkung derartiger Provisorialmaßnahmen erforderlich ist. Die Ermittlung einer vergleichbaren Norm in der ausländischen 1177
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Rechtsordnung und die ersatzweise Anwendung der österreichischen Gesetzesvorschriften, falls die Suche im fremden Sachrecht – noch dazu in der knapp zu bemessenden Zeit eines dringlichen Sicherungsverfahrens bei drohender oder ausgeübter Gewalt – erfolglos bleiben sollte, ist ein entbehrlicher Umweg. Mit der Einfügung der Gewaltschutzbestimmungen in das Regelwerk der EO machte der Gesetzgeber aber deutlich, dass die Verfahrensvorschriften der EO samt deren Weiterverweisung auf die ZPO – und nicht etwa die Vorgaben des AußStrG – anzuwenden sind (vgl auch LGZ Wien EF 125.198). Im Provisorialverfahren über einen Antrag nach § 382b Abs 1 EO oder nach § 382e Abs 1 EO sind daher diese Bestimmungen des österreichischen Rechts auch dann anzuwenden, wenn das Sicherungsbedürfnis eines Antragstellers nach Gewaltausübung zwischen Ausländern zu beurteilen ist. Im Gegensatz dazu sind im Scheidungsprozess bei gemeinsamem Personalstatut der Ehegatten schwere Eheverfehlungen regelmäßig nach dem ausländischen Sachrecht zu beurteilen. Diese verschiedenen Ansätze nehmen den §§ 382b, 382e EO jedoch nicht ihren Anwendungsbereich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
F. Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens und Zusammentreffens 1. Beurteilungsmaßstab
17 Mit der durch das (1.) GeSchG novellierten Regelung sollten ua die bis dahin zu strengen Anforderungen für den Schutz vor Gewalt in der Familie entschärft werden. Anders als nach § 382 (Abs 1) Z 8 lit b EO aF setzt die EV nach § 382b Abs 1 EO nicht voraus, dass der Antragsgegner dem Antragsteller das Zusammenleben unerträglich macht (vgl Mottl, ÖJZ 1997, 542 ff mwN; zum Begriff der Unerträglichkeit 1 Ob 608/93; 6 Ob 576/95 = EF 79.379). Beurteilungsmaßstab ist die Unzumutbarkeit, die im Zeitpunkt der Antragstellung verwirklicht sein muss (LG Linz, LG Salzburg EF 112.548; LGZ Wien EF 112.548, 112.565). Die erforderliche Gewaltintensität wurde damit gegenüber der früheren Rechtslage verringert (vgl Neuhauser, ÖA 1997, 45 ff) und auf das nach § 92 Abs 2 ABGB maßgebende Niveau herabgesetzt (s auch Rz 19). Neben der Prüfung der Unzumutbarkeit ist bei Gewalttätigkeiten und gefährlichen Drohungen, denen mittels EV gem § 382b Abs 1 EO und § 382e Abs 1 EO begegnet werden soll, überdies eine Zukunftsprognose erforderlich. Wesentlich ist die Frage, ob ohne Erlassung der beantragten EV in der Zukunft eine erhebliche Gefährdung zu erwarten ist. Wenn vom Antragsteller die Fortsetzung des Zusammenlebens aufgrund des Verhaltens des Antragsgegners unter Bedachtnahme auf eine realistische Abschätzung der zukünftigen 1178
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Unzumutbarkeit
Entwicklung bei objektiver und umfassender Sachverhaltsbeurteilung nicht verlangt werden kann (vgl 1 Ob 90/98m = EF 88.380 = Miet 50.850), ist das weitere Zusammenleben unzumutbar. Entscheidende Kriterien für die Unzumutbarkeit sind das Gesamtverhalten 18 des gewalttätigen Antragsgegners, vor allem Ausmaß, Häufigkeit und Intensität der bereits angedrohten oder gar verwirklichten Angriffe bzw bei Drohungen die Wahrscheinlichkeit der Ausführung (6 Ob 311/02g mwN = EF 106.282; 10 Ob 69/06d = EF 115.484; 3 Ob 235/09v = EF-Z 2010/162 = iFamZ 2010/127 uva), weiters die konkreten Lebensumstände der Beteiligten, ihre Persönlichkeitsstruktur sowie das Wohl der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder und deren Wohnbedürfnis (9 Ob 286/01a = EF 102.493; zum Begriff Kindeswohl idZ vgl § 92 ABGB Rz 7; zur Parteistellung der mj Kinder im Verfahren vgl Rz 137). Je massiver das Verhalten des Antragsgegners auf die körperliche und psychische Integrität des Antragstellers eingewirkt hat, je schwerwiegender die unmittelbaren Auswirkungen und die weiteren Beeinträchtigungen des Antragsgegners sind und je häufiger es zu solchen Vorfällen gekommen ist, desto eher wird unter den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls von einer Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens und -treffens auszugehen sein. Je leichtere Folgen das Verhalten des Antragsgegners gehabt hat und je länger es – ohne weitere „einschlägige“ Vorkommnisse – zurückliegt, desto eher werden dem Antragsteller ein weiteres Zusammenleben und weitere Kontakte zugemutet werden können (1 Ob 244/01s = EF 98.668; 1 Ob 65/04x = EF 109.361; 6 Ob 16/07g = EF-Z 2007/91 [Höllwerth] = EF 118.400; 3 Ob 235/09v = EF-Z 2010/162 = iFamZ 2010/127). Auch wenn die Anwendung von Gewalt ganz grundsätzlich unzulässig ist (vgl Rz 3 f, 25 f) und ein gewalttätiges Verhalten schon prinzipiell nicht als „Entgleisung“ entschuldigt werden kann (3 Ob 235/09v = EF-Z 2010/162 [Beck] = iFamZ 2010/127), müssen die konkreten Auswirkungen des Vorgehens eines Antragsgegners und das Zustandekommen allfälliger Verletzungen des Antragstellers im Einzelfall sorgfältig abgeklärt werden, um die strenge Maßnahme einer Gewaltschutz-EV begründen zu können. Wenn etwa die Verletzung des Fingers der Frau in einer Auseinandersetzung eher zufällig und von den Beteiligten nahezu unbemerkt erfolgt, die Frau danach weder die Polizei verständigt noch ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt, die Nähe des Mannes nicht meidet und den Mann geradezu verfolgt, benötigt sie unmittelbar nach dem Angriff des Mannes offenbar keinen Schutz vor Gewalt; dieses (isoliert betrachtet) unzumutbare Vorgehen des Mannes rechtfertigt (hier: fünf) Monate später dessen Ausweisung nicht (LGZ Wien EF 106.303). Selbst eine konfliktträchtige Zeitspanne wie die Phase vor der Scheidung kann jedoch niemals so massive Übergriffe wie Würgen oder einen Würgeversuch (LGZ Wien EF 118.402) bzw Schläge oder Fußtritte rechtfertigen.
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19 Im Allgemeinen sind die von der Rsp entwickelten Grundsätze, unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatte das Recht zur gesonderten Wohnungnahme nach § 92 Abs 2 ABGB infolge einer Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens wegen Gewalttätigkeiten in Anspruch nehmen kann (vgl dazu ausführlich § 92 ABGB Rz 12 ff), auch für die Beurteilung der Voraussetzungen von einstweiligen Verfügungen nach § 382b Abs 1 EO anwendbar (9 Ob 26/02t; 8 Ob 6/04x). Unzumutbar ist das Zusammenleben, wenn es unter Ehegatten vom belasteten Partner bei objektiver und umfassender Interessenabwägung billigerweise nicht verlangt werden kann (2 Ob 557/83 = EF 42.510; LG Salzburg EF 99.096, 119.030; LG Wels EF 113.078; LGZ Wien EF 112.555, 121.445). Die Kriterien für die Rechtfertigung einer gesonderten Wohnungnahme iS des § 92 ABGB und für die Erlassung einer EV nach § 382b Abs 1 EO sind allerdings nicht völlig deckungsgleich, weil § 382b EO die Unzumutbarkeit an – auch bloß drohende – physische oder psychische Gewalttätigkeiten knüpft (1 Ob 90/98m = EF 88.380). Die in § 92 Abs 2 ABGB nur demonstrativ hervorgehobene körperliche Bedrohung kann sowohl eine gesonderte Wohnungnahme als auch eine Wegweisung rechtfertigen; wenn das weitere Zusammenleben hingegen aus anderen Gründen als (angedrohten oder verwirklichten) Gewalttätigkeiten in der im Gesetz genannten Form unzumutbar ist – zB als Konsequenz einer sonstigen schweren Eheverfehlung (8 Ob 516/86 = EF 50.156), etwa bei einer Zerstörung der Vertrauensbasis durch das Verhalten eines Ehegatten (7 Ob 538/85 = EF 47.421 [Abhören der Telefongespräche über längere Zeit]) –, kommt eine EV nach § 382b EO nicht in Betracht (1 Ob 90/98m = SZ 71/118; 1 Ob 65/04x; vgl auch LGZ Wien EF 106.308 [der Ehegatte hat ein Verhältnis – kein Anwendungsfall des § 382b EO, weil dieses Rechtsinstitut nicht dazu dient, den Ehegatten nach Aufnahme einer ehewidrigen Beziehung aus der Wohnung zu bekommen]). In solchen Fällen kann die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens allerdings zur Grundlage eines Antrags gem § 92 Abs 3 ABGB gemacht werden. 20 Im Provisorialverfahren müssen das bisherige Verhalten des gewaltbereiten oder sogar gewalttätigen Antragsgegners, soweit es Schlussfolgerungen auf die zukünftigen Verhältnisse erlaubt, und die aktuelle Situation festgestellt und beurteilt werden, denn nur aufgrund gegebener Zustände und Ereignisse in der Vergangenheit sind Schlüsse auf die weitere Entwicklung möglich (LG Linz EF 125.171; LG Salzburg EF 94.819, 121.443; LGZ Wien EF 121.443). Das aktuelle Verhalten des Antragsgegners darf dabei nicht völlig isoliert betrachtet werden; vielmehr muss es unter Bedachtnahme auf ein früheres, wenn auch vielleicht Jahre zurückliegendes, gewalttätiges Verhalten des Antragsgegners beurteilt werden, weil für eine realistische Vorausschau der Grad früherer Vorfälle insb dann, wenn sie mit Alkohol- oder Suchtgiftmissbrauch verbunden waren, wesentlich sein kann.
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Unzumutbarkeit
Das „Milieu“ kann nicht iS der gesellschaftlichen Stellung der Parteien bedeut- 21 sam sein, kommt doch Gewalt in der Familie in allen gesellschaftlichen Schichten vor, sondern nur in dem Sinn, unter welchen konkreten Lebensumständen die Parteien miteinander leben (3 Ob 235/09v = EF-Z 2010/162 = iFamZ 2010/ 127; LGZ Wien 43 R 590/09x). Dazu gehören auch die Persönlichkeiten beider Parteien (1 Ob 244/01s; 3 Ob 235/09v) und jene Facetten ihrer Lebensverhältnisse, die Gewaltausübung nach den allgemeinen Erfahrungswerten wahrscheinlicher machen; dies trifft etwa auf Suchtmittelabhängigkeiten und bestimmte psychische Erkrankungen ohne Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft zu (vgl auch Rz 23). Die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens wird nicht dadurch besei- 22 tigt, dass der Antragsteller das Verhalten des anderen eine Zeitlang hinnimmt (1 Ob 90/98m = SZ 71/118 = EF 88.380; 3 Ob 21/99 f). Ebenso wenig nehmen wiederholte Zusammentreffen der Parteien dem Antragsteller das Schutzbedürfnis. Der Umstand, dass der Antragsteller Kontakte aus bestimmten Anlässen (etwa zur Übergabe der Kinder im Rahmen einer Kontaktregelung) an öffentlichen Orten bzw in Anwesenheit dritter Personen akzeptiert, lässt noch nicht die Schlussfolgerung zu, dass der Antragsteller keine Angst vor dem Antragsgegner haben kann bzw nicht psychisch beeinträchtigt ist (LGZ Wien 44 R 422/09y). 2. Verschulden des Antragsgegners
Die Gründe für die Unzumutbarkeit sind verschuldensunabhängig (1 Ob 90/ 23 98m = SZ 71/118 = EF 88.380; 3 Ob 21/99 f = JBl 2000, 45; 1 Ob 244/01s; 5 Ob 180/09w; 3 Ob 235/09v = EF-Z 2010/162 = iFamZ 2010/127). Für die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens oder Zusammentreffens kommt es auf die Auswirkungen des bescheinigten Verhaltens und nicht auf das Unrechtsbewusstsein des Antragsgegners oder auf seine Absichten an. Der Umstand, dass der Antragsgegner im Zeitpunkt der gewalttätigen Handlungen, die dem Tatbestand der §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO entsprechen, unter erheblichem Alkoholeinfluss stand, ist kein Hindernis für die Erlassung einer Gewaltschutz-EV, sondern macht sie idR besonders wichtig. Ebenso wenig schließt der Einwand des Antragsgegners, er sei psychisch krank, sodass ihm die Gewaltausübung subjektiv nicht angelastet werden könnte, die Bewilligung der EV aus. Ein Krankheitsbild wie etwa die paranoide Schizophrenie eines Antragsgegners, der – wenn auch häufig krankheitsbedingt – eine ausreichende fachärztliche Behandlung ablehnt und bei verhältnismäßig geringfügigen Angriffen aggressiv reagiert (vgl LGZ Wien EF 106.300), wird im Gegensatz dazu in aller Regel bei der Beurteilung der gewaltbedingten Unzumutbarkeit des künftigen Zusammenlebens oder Zusammentreffens unter Heranziehung
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einer realistischen Zukunftsprognose als zusätzliches Gefahrenmoment für den schutzbedürftigen Antragsteller zu berücksichtigen sein. 3. „Gewalt“ im Sinn der §§ 382b, 382e EO a) Einschränkung des Gewaltschutzes
24 In den Bestimmungen der §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO werden jene drei Formen von Gewalt im weiteren Sinn definiert, die zur Erlassung der EV und damit zur Sicherung des Rechts des Antragstellers auf körperliche und psychische Integrität führen können: ein körperlicher Angriff als unmittelbare Gewaltanwendung, die Drohung mit einem solchen Angriff und ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten. Kann im Verfahren über einen Sicherungsantrag nicht bescheinigt werden, dass der Antragsgegner ein Verhalten gesetzt hat, das einem der drei Tatbestände zuzuordnen ist, darf keine Gewaltschutz-EV erlassen werden. Die gewaltbedingte Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens als Voraussetzung einer EV nach § 382b Abs 1 EO und die gleichermaßen qualifizierte Unzumutbarkeit des weiteren Zusammentreffens als Voraussetzung einer EV nach § 382e Abs 1 EO wurden durch das 2. GeSchG inhaltlich nicht verändert, sodass die bisherige Rsp weiterhin zur Beurteilung des Vorliegens der gesetzlichen Tatbestandselemente herangezogen werden kann. b) Körperlicher Angriff
25 Ein körperlicher Angriff ist jede gezielte Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des Antragstellers, unabhängig von den allfälligen Folgen der Gewalttätigkeit (LG Wels EF 121.447 mwN, 125.194). Bei der Zufügung körperlicher Gewalt kommt es auf die Schwere des Eingriffs grundsätzlich nicht an, weil körperliche Gewaltakte in Ehe und Familie jedenfalls verpönt sind (9 Ob 33/03y = JBl 2004, 171; vgl auch LG Salzburg EF 112.558; LGZ Wien EF 115.486). Der Angriff muss daher, um eine EV rechtfertigen zu können, nicht zu einer Körperverletzung führen; auch eine Verletzungsabsicht ist nicht erforderlich (LG Linz EF 98.662, 121.462). 26 Nach älterer Rsp (4 Ob 541/94 = Miet 46.746; OLG Wien EF 49.572; LGZ Wien EF 58.017) sollten jedenfalls idR nur „wiederholte grundlose Misshandlungen“ oder Drohungen mit schweren Verletzungen die Ausweisung begründen; diese Auffassung ist überholt. Auch ein einmaliger Vorfall, der seiner Art nach nicht völlig unerheblich ist, kann eine EV rechtfertigen, weil das Gesetz der gewaltfreien Austragung familiärer Konflikte einen besonders hohen Stellenwert einräumt (vgl § 49 EheG, § 146a ABGB) und das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen auf Wahrung der körperlichen und psychischen Unversehrtheit absolut 1182
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Unzumutbarkeit
wirkt (9 Ob 33/03y = JBl 2004, 171; 8 Ob 6/04x = EF 109.358; 10 Ob 69/06d = EF 115.489; 3 Ob 198/08a = EF 121.449 uva; aA [eine einmalige Entgleisung rechtfertigt die Wegweisung nicht] LGZ Wien EF 118.408, 125.177). Jeder körperliche Angriff entspricht daher dem Unzumutbarkeitskriterium, sofern es sich nicht nur um eine ihrer Art nach völlig unbedeutende, restriktiv zu sehende Entgleisung handelt (LG Salzburg EF 125.174). Versuche, eine körperliche Attacke als „vereinzelte Fehlleistung“ oder „Ausrutscher“ abzutun, sind somit in aller Regel für den Verfahrensausgang unerheblich. Ebenso wenig kann ein gewalttätiges Verhalten eines Ehegatten als bloß „milieubedingte Entgleisung“ (vgl Rz 21) oder als entschuldbare Reaktion auf vorangegangene Ehewidrigkeiten gerechtfertigt werden (9 Ob 33/03y = JBl 2004, 171; Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 863; zur regelmäßigen Bedeutungslosigkeit einer „Provokation“ des Antragstellers für die Bewertung körperlicher Gewalt s Rz 37). Hingegen rechtfertigt eine verbale Eskalation eines in Scheidung lebenden, zu- 27 fällig zusammentreffenden Ehepaars, in deren Verlauf körperliche Berührungen über ein „Gerangel“ nicht hinausgehen, die Wegweisung nicht (LGZ Wien EF 118.409; 43 R 590/09x; vgl auch Rz 35). Ebenso wenig kann grundsätzlich bei fehlendem Misshandlungsvorsatz des – schuldfähigen – Antragsgegners bzw rein fahrlässigen Handlungsweisen, die zu einer Verletzung des Antragstellers führten, eine EV nach § 382b Abs 1 EO erlassen werden (LG Wels EF 121.455; vgl auch Rz 18). Bei ganz geringfügigen körperlichen Misshandlungen durch den Antragsgegner als Reaktion auf eine vom Antragsteller selbst ausgelöste Auseinandersetzung ist die Voraussetzung für eine solche Provisorialmaßnahme daher nicht erfüllt, wobei zu beachten ist, dass die ältere Rsp bei der Beurteilung von Angriffen ohne erhebliche Folgen relativ großzügig war, während die neuere Rsp zutr vom Grundsatz gekennzeichnet ist, dass körperliche Gewalt im zwischenmenschlichen Bereich an sich unzulässig ist. Sachverhalte, in denen der Mann die Frau an den Oberarmen erfasste und wegstieß, nachdem diese ihm seine Papiere auf den Boden geworfen hatte (1 Ob 244/01s), der Mann die Frau im Verlauf einer von dieser ausgelösten Auseinandersetzung fest an den Händen packte und auf den Boden drückte (LGZ Wien EF 88.395) oder der Mann die leicht erregbare Frau, als sie während einer der zahlreichen verbalen Auseinandersetzungen wegen ihrer Beziehung zu einem anderen Mann aggressiv wurde, ohne Misshandlungsabsicht an den Oberarmen ergriff und in Richtung eines Bettes stieß (2 Ob 538/86 = EF 50.162; vgl Rz 35), rechtfertigten daher unter Bedachtnahme auf die Gesamtsituation und das unmittelbar vorangegangene Verhalten der Frau noch nicht die Annahme einer durch das Verhalten des Mannes begründeten Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens und somit keine EV. Gerade in diesem Bereich muss die Anwendbarkeit solcher Leitsätze der Rsp aber besonders sorgfältig anhand der Einzelheiten der konkreten Ausei1183
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nandersetzung geprüft werden. Die Bewertung derartiger Sachverhalte als „unbedeutende Verhaltensweisen“ im Hinblick auf eine mögliche Wegweisung setzt selbstverständlich voraus, dass diese Handlungen keine schwerwiegenden Folgen nach sich ziehen. Wenn etwa der Mann die Frau an den Oberarmen festhielt und dann von sich stieß und sich die Frau – wenn auch von ihm unbeabsichtigt – im Stolpern oder Stürzen eine Verletzung zuzog, ist der Mann – gleichsam aufgrund einer Erfolgshaftung für die Konsequenzen seines körperlichen Angriffs – dafür verantwortlich. In einem solchen Fall wird schon nach den Intentionen des GeSchG, das Gewalt im zwischenmenschlichen Bereich verhindern will und verpönt, nicht von einer bedeutungslosen Handlung gesprochen werden können. c) Drohung
28 Die Drohung mit einem körperlichen Angriff ist einem körperlichen Angriff gleichgestellt. Bei einer solchen Drohung kommt es nicht darauf an, dass eine erhebliche körperliche Beeinträchtigung iS eines schwerwiegenden Eingriffs in die physische Unversehrtheit droht. Die Drohung muss aber erheblich sein (LG Wels EF 115.491, 125.194; LGZ Wien EF 85.467) und ernst gemeint sowie ernst genommen werden (LG Wels EF 125.194). Wenn auch nicht jede unüberlegte Äußerung in einer familiären Konfliktsituation eine Wegweisung bewirken soll, müssen Drohungen nach vorangegangenen Misshandlungen besonders genau geprüft werden (vgl 5 Ob 620/81 = EF 39.445; 4 Ob 541/94 = RZ 1995/35 = Miet 46.746). Hat der Mann die Frau einmal körperlich misshandelt und äußert er seither wiederholt die Drohung, er werde sie „vernichten“, kann die Gefahr neuerlicher körperlicher Attacken nicht zweifelhaft sein (5 Ob 620/81 = EF 39.445 = Miet 33.761). Der Frau ist deshalb ein weiteres Zusammenleben mit dem Mann nicht länger zuzumuten. Eine solche Unzumutbarkeit liegt auch bei einer Drohung des Mannes, er werde die Frau umbringen, falls diese die Polizei alarmiere, vor (LGZ Wien EF 118.405). 29 Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut rechtfertigt nicht jede Drohung, sondern nur eine Drohung mit einem körperlichen Angriff eine Gewaltschutz-EV. Die §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO sind Ausnahmebestimmungen, die nur bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen die Erlassung einer EV zulassen. Eine solche Provisorialmaßnahme darf nicht zur Routinemaßnahme bei Konflikten werden, weil sie dadurch in ihrer Akzeptanz und Effektivität erheblich geschwächt würde. Daher kann auch nicht jede unbedachte Äußerung in einem heftigen Streit schon eine EV rechtfertigen, weil ein solches gerichtliches Vorgehen eine völlig unangemessene Reaktion wäre. Nur die Drohung mit einem körperlichen Angriff und nicht etwa die Ankündigung, dass der Antragsteller mit künftigem Ärger oder einem Gerichtspro1184
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Unzumutbarkeit
zess rechnen müsse („du wirst schon sehen, was du davon hast“, „du hast im Prozess keine Chance“), kann zur Erlassung einer Gewaltschutz-EV führen. Die iZm der Ankündigung des Antragstellers, die Kinder entgegen einer getroffenen Vereinbarung eine Woche länger bei sich behalten zu wollen, vom Antragsgegner gemachte Aussage, der andere werde das noch teuer zu bezahlen haben, stellt keine Drohung mit einem Angriff auf die körperliche Integrität des Antragstellers dar und kann daher für sich allein nicht zur Anordnung eines Aufenthalts- und Kontaktaufnahmeverbots führen (LGZ Wien EF-Z 2010/82 [Beck]). d) Psychoterror
Neben der körperlichen Unversehrtheit schützen die §§ 382b Abs 1, 382e 30 Abs 1 EO auch die psychische Integrität. Wenn ein sonstiges, die psychische Gesundheit des Antragstellers erheblich beeinträchtigendes Verhalten des Antragsgegners eine Schwere erreicht, welche mit einem körperlichen Angriff oder einer Drohung mit einem solchen vergleichbar ist und die strenge Maßnahme der EV angemessen erscheinen lässt, kann auch diese Vorgehensweise eine gerichtliche Wegweisung bzw Aufenthalts- und Kontaktaufnahmeverbote begründen. Der „Psychoterror“ ist, weil die Zumutbarkeitsfrage entscheidet, nach subjektiven und nicht nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Für die Qualifikation eines Verhaltens als psychische Gewalt kommt es daher nicht auf das Empfinden des „Durchschnittsmenschen“, sondern auf die konkrete Wirkung dieses Vorgehens des Antragsgegners gerade auf die Psyche des Antragstellers an (1 Ob 65/04x = EF 109.364; 6 Ob 229/06d = EF-Z 2007/18 = FamZ 2007/21; 6 Ob 16/07g = EF-Z 2007/91 [Höllwerth] = EF 118.413; 10 Ob 7/07p = EF-Z 2007/90 [Höllwerth] = EF 118.413; 3 Ob 198/08a = EF 121.474). Damit sind aber stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Voraussetzung für eine solche Sicherungsmaßnahme ist immer eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung, die vom Antragsteller konkret behauptet und bescheinigt werden muss. Die bloße Glaubhaftmachung von Verhaltensweisen, die unter „Psychoterror“ subsumiert werden, ohne Bescheinigung einer signifikanten Gesundheitsschädigung, kann die Erlassung einer EV demnach nicht rechtfertigen. Die Ausübung von „Psychoterror“ lässt die Erlassung einer Gewaltschutz-EV nämlich nicht schlechthin, sondern nur dann zu, wenn dadurch die psychische Gesundheit des Antragstellers erheblich beeinträchtigt wird (7 Ob 237/07i; 6 Ob 16/07g = EF-Z 2007/91 [Höllwerth] = EF 118.412; vgl dazu auch § 92 ABGB Rz 18). Die Wegweisung darf keine unangemessene Reaktion auf das Verhalten des 31 Gegners sein und setzt eine Konkretisierung jener Handlungen und Vorfälle voraus, welche die zusammenfassende Wertung als Psychoterror rechtfertigen sollen (1 Ob 244/01s). Die bloße, nicht näher differenzierte Bezeichnung eines 1185
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bestimmten Verhaltens als psychische Gewalt erübrigt daher nicht eine Auseinandersetzung mit dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO. Wendet sich ein Ehegatte vom anderen grundlos ab und geht seiner eigenen Wege, so mag dies eine Eheverfehlung nach § 49 EheG darstellen; Psychoterror iS des § 382b Abs 1 EO kann darin aber noch nicht gesehen werden, dazu bedürfte es weiterer relevanter Verhaltensweisen (der Ehegatte unterhält ehewidrige Beziehungen in der Ehewohnung [OLG Wien EF 28.545; LGZ Wien EF 35.160]; Aufforderung an den Ehegatten sich umzubringen [1 Ob 711/77 = Miet 29.002; LG Krems EF 88.392]; mehrfaches Bedrohen des Ehegatten mit dem Umbringen [LG Salzburg ua EF 102.510]; fortwährende Kontrolle und Überwachung der Frau durch den Mann, der die Ehewohnung von Nachbarhäusern aus beobachtet, der Frau wiederholt mit dem Auto nachfährt und versucht, das Zylinderschloss der Ehewohnung aufzubohren [9 Ob 286/01a; vgl auch LGZ Wien EF 112.590 mit ähnlichem Sachverhalt]; das Aufbrechen von Fenstern und Türen in der Ehewohnung, deren unangemeldetes Aufsuchen und ein demütigendes Verhalten gegenüber dem Ehegatten [10 Ob 7/07p = EF-Z 2007/90 = EF 118.414]). 32 Die mit einem Scheidungsverfahren üblicherweise verbundenen Auseinandersetzungen und die daraus allenfalls resultierende nervliche Belastung sind hingegen noch keine erhebliche Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit. Die subjektive Auslegung des Begriffs „Psychoterror“ kann nicht so weit gehen, dass jegliches Verhalten, das nicht den üblichen Umgangsformen entspricht oder sonst wenig wünschenswert ist, aus einer subjektiven Sichtweise heraus die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens begründen könnte (6 Ob 229/06d = EF-Z 2007/18 = EF 115.512; 10 Ob 7/07p = EF-Z 2007/90 [Höllwerth] = EF 118.417; 7 Ob 237/07i = EF 118.417 f). Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die psychische Belastung, die – idR für beide Ehegatten – mit dem vorläufig weiteren Zusammenleben in der Scheidungssituation häufig verbunden ist, schon grundsätzlich als ausreichenden Grund für die Erlassung einer Gewaltschutz-EV betrachtete. Andernfalls würde die Ausnahmeregelung des § 382b Abs 1 EO zu einer Routinemaßnahme in zahlreichen Scheidungsverfahren werden. Folgerichtig wurde etwa das Versperren des Garagentors oder das behindernde Parken des Fahrzeugs auch unter Berücksichtigung einer subjektiven Empfindlichkeit nicht als Psychoterror eingestuft (1 Ob 65/04x). Auch die Feststellung, der Antragsgegner mache der Antragstellerin immer wieder haltlose Vorwürfe darüber, dass sie am Scheitern der Ehe schuld wäre, ließ die Erlassung einer EV nicht zu (LGZ Wien 48 R 100/09z). In diesem Verständnis rechtfertigen nur überdurchschnittlich starke gesundheitliche Reaktionen des Antragstellers auf besonders inakzeptable Verhaltensweisen des Antragsgegners dessen Wegweisung. Vor allem die jüngere Rsp legt an das Tatbestandselement der psychischen Gewalt – wohl zu Recht – schon angesichts der Schwere des Eingriffs in die 1186
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Unzumutbarkeit
Rechtssphäre des Antragsgegners durch eine (auch berechtigte) EV einen strengen Maßstab an, wie etwa das folgende Beispiel zeigt. Der Antragsgegner läutete an zwei Tagen mehrmals bei der Wohnung an, in der die Antragstellerin derzeit mit dem gemeinsamen Sohn lebt; er schlug mit der Faust gegen die Tür, schaute durch das Küchenfenster in die Wohnung und drohte der Antragstellerin mehrmals, sie „für verrückt zu erklären“ und den Behörden ein Video ihres Nervenzusammenbruchs vorzuspielen. Außerdem schrieb der Antragsgegner der Antragstellerin „permanent“ SMS. Die Verhaltensweisen des Antragsgegners wurden im Verfahren über den Sicherungsantrag zwar als für die Antragstellerin äußerst unangenehm und belastend bewertet, es wurde ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen, um die Erlassung einer EV nach § 382b Abs 1 EO zu rechtfertigen (LGZ Wien EF 121.478). Dieser Ansicht kann in Anbetracht des relativ kurzen Zeitraums von zwei Tagen, in denen der Antragsgegner die Antragstellerin behelligte, und unter Bedachtnahme auf den Gewaltbegriff des § 382b EO beigepflichtet werden; bei Vorliegen eines derartigen Sachverhalts wird aber ein Antrag auf Erlassung einer EV gem § 382g EO Rechtsschutz gewährleisten können. Die Beurteilung, wann ein die psychische Gesundheit des Antragstellers er- 33 heblich beeinträchtigendes Verhalten vorliegt, welches das weitere Zusammenleben oder Zusammentreffen unzumutbar macht, stellt keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 528 Abs 1 ZPO dar, weil dafür immer die Umstände des jeweiligen Einzelfalls entscheidend sind (7 Ob 237/07i; 3 Ob 191/08x).
e) Fallbeispiele
Die Rsp hat die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens zB bei fol- 34 genden Sachverhalten angenommen: bei wiederholten Aggressionshandlungen in alkoholisiertem Zustand (LGZ Wien EF 88.391, 106.299, 112.574, 118.404, 121.468, 125.182), bei Beschimpfungen und Schlägen mit nervlicher Zerrüttung des Antragstellers (4 Ob 278/98 f = EF 88.351; vgl aber LG Wels EF 112.581 [„bloße“ Beschimpfungen ohne psychische Auswirkungen rechtfertigen keine EV gem § 382b EO]), bei (einem) körperlichen Angriff mit Verletzungsfolgen (9 Ob 33/03y = JBl 2004, 171; 1 Ob 285/03y = Miet 55.816; 8 Ob 6/04x = EF 109.358; 10 Ob 7/07p = EF-Z 2007/90 [Höllwerth] = EF 118.397) oder bei der Drohung mit einem solchen Angriff (1 Ob 285/03y = EF 106.285; 6 Ob 229/06d; 10 Ob 7/07p = EF-Z 2007/90 [Höllwerth] = EF 118.397), bei wiederholten oder schweren Misshandlungen (7 Ob 538/85 = EF 47.421; 2 Ob 620/90 = EF 61.730), bei angedrohten Angriffen, die geeignet sind, die psychische Integrität des Antragstellers zu gefährden (LG Linz EF 112.572; LG Salzburg EF 98.672; LGZ Wien EF 125.170), bei einer Drohung mit dem Umbringen (LG Salzburg EF 102.510; LG Wels EF 121.469; LGZ Wien EF 121.469) oder mit einer körperlichen Attacke (LG Linz EF 121.471 1187
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[Drohung mit einem erhobenen Schnitzelklopfer]; LGZ Wien EF 102.511, 106.298, 112.573), bei einer niedrigen Reizschwelle des Antragsgegners und seiner dokumentierten Bereitschaft zu Gewalttätigkeiten, sodass aus geringfügigem Anlass weitere Vorfälle zu befürchten sind (LGZ Wien EF 94.828, 125.183) und bei Bedrohung der Kinder (LG Linz EF 112.575; LGZ Wien EF 106.294, 115.490, 121.466, 125.170) oder Übergriffen gegen sie, sofern sie im gemeinsamen Haushalt leben (LG Linz EF 121.465 [eine Ohrfeige, nach der sich die Finger des Vaters auf der Wange der Tochter abzeichneten]; LG Salzburg EF 125.181 [einmaliges Einschlagen auf ein Kind mit einem Holzstab]; LGZ Wien EF 118.403, 121.467 [Ohrfeigen]). Auch das Verhalten eines Ehegatten, der am Wochenende übermäßig Alkohol konsumiert, in erheblich alkoholisiertem Zustand nörgelt, schimpft und zur Ehefrau sagt, „wann hängst du dich endlich auf?“, kann das weitere Zusammenleben unzumutbar machen (LG Krems a d Donau EF 88.392). Generell sind Aggressionshandlungen, die der Antragsgegner im alkoholisierten Zustand setzt, wegen der alkoholbedingt verminderten Selbstkontrolle besonders gefährlich, weshalb der Antragsteller in dieser Situation in erhöhtem Maß schützenswert ist (LGZ Wien EF 88.391, 106.299, 112.574, 125.182). 35 Keine Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens und Zusammentreffens wurde in folgenden Fällen angenommen: bei einer nur einmaligen und unsubstanziierten Drohung (LGZ Wien EF 88.394), bei einer von der Frau ausgelösten Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Mann die Frau fest an den Händen packte und auf den Boden drückte (LGZ Wien EF 88.395; s auch Rz 27), bei Zerstörung der von der Frau hergestellten Skulpturen und Bilder mit einem Fleischhammer (LGZ Wien EF 94.824), bei einer einmaligen und längere Zeit zurückliegenden Gewalttätigkeit, wenn sich das weitere Zusammenleben seither problemlos gestaltet hat (LGZ Wien EF 102.515, 106.289, 118.407), und bei einer sehr geringfügigen Verletzung, die erst Monate nach der Tätlichkeit geltend gemacht worden ist (LG Linz EF 98.673; LGZ Wien EF 106.290; vgl Rz 18). Ebenso wenig erreichte ein Sachverhalt, bei dem die Feststellungen in einer bisher 17 Jahre dauernden Ehe eine einmalige Tätlichkeit ohne Verletzungsfolgen – der Antragsgegner versetzte der knapp an der Bettkante liegenden Antragstellerin im Verlauf einer Auseinandersetzung einen Stoß, wodurch sie aus dem Bett fiel – und ohne erhebliche Alkoholisierung des Antragsgegners sowie wechselseitige Beschimpfungen der Ehegatten beschrieben, das für die Erlassung einer EV erforderliche Maß der Unzumutbarkeit des bisherigen Verhaltens (LGZ Wien 44 R 145/09p). 36 Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person den an sie gerichteten Auftrag zum Verlassen der Wohnung gem § 382b Abs 1 EO rechtfertigt, stellt grundsätzlich keine Rechtsfrage iS des § 528 Abs 1 ZPO dar, weil diese Beurteilung immer nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Ein-
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zelfalls erfolgen kann (4 Ob 126/04i = EF 109.396; 1 Ob 238/08v; 5 Ob 180/ 09w; 3 Ob 235/09v ua). 4. „Provokation“
Auch die Frage, inwieweit eine vorangegangene Provokation des späteren Ge- 37 waltopfers bei der Entscheidung berücksichtigt werden soll, ist unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalls zu klären. Grundsätzlich kann allerdings ein gewalttätiges Verhalten nicht mit einer „Provokation“ des Opfers gerechtfertigt werden (3 Ob 235/09v = EF-Z 2010/162 [Beck] = iFamZ 2010/ 127); ein provozierendes Verhalten ist kein „Freibrief“ für den Gewalttäter und nimmt dem Opfer nicht den Schutz der EV (LG Salzburg EF 118.419, 121.479; LG Wels EF 112.587, 121.479 f; LGZ Wien EF 106.306, 118.419, 125.193), wenn einander beiderseitige Tätlichkeiten auch gegenübergestellt werden müssen. Die Rsp, wonach im Einzelfall im Hinblick auf die Lebensumstände und das „Milieu“ von Ehegatten bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit auch auf eine vorangegangene Provokation Bedacht genommen werden kann, ist nur dahin zu verstehen, dass in seltenen Ausnahmefällen, regelmäßig wohl nur bei bloß singulären und harmlosen Vorkommnissen und unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände der Ehegatten und ihrer Persönlichkeiten einer erheblichen Provokation durch den Angegriffenen oder Bedrohten bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit eine gewisse Bedeutung zukommen kann (1 Ob 90/98m = SZ 71/118 = EF 88.380; 3 Ob 21/99 f = JBl 2000, 45; 1 Ob 244/01s = EF 98.675; 3 Ob 235/09v = EF-Z 2010/162 [Beck] = iFamZ 2010/127). Die Provokation wird daher nur in besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen relevant sein. Massive Gewalttätigkeiten und insb körperliche Misshandlungen können hingegen keinesfalls mit vorangegangenen Provokationen gerechtfertigt werden, weil jede körperliche Misshandlung außerhalb des Rahmens steht, in dem Reaktionshandlungen auf Verhaltensweisen des anderen Ehegatten im Zusammenleben verständlich und entschuldbar sein können (8 Ob 39/08 f = iFamZ 2008/104 = EF 120.036; 7 Ob 124/08y; 3 Ob 218/08t = EF 123.709; vgl auch 9 Ob 33/03y = JBl 2004, 171). Ebenso wenig können wiederholte, unkontrollierte Gewaltausbrüche mit Provokationen gerechtfertigt werden, weil in solchen Fällen schon die Mehrzahl von zumindest gewaltbereiten Verhaltensweisen die Wertung als „einmalige“ Entgleisung nicht zulässt.
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G. Dringendes Wohnbedürfnis 1. Angewiesen-Sein
38 Das Rückkehrverbot iS des § 382b Abs 1 EO setzt voraus, dass der Antragsteller ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung hat, dass er also auf diese Wohnung angewiesen ist. Welches Rechtsverhältnis der Benützung der Wohnung zugrunde liegt, ist ohne Bedeutung. Eine materielle Berechtigung an der Wohnung ist daher keine Anspruchsvoraussetzung (vgl auch Rz 4). 39 Ein dringendes Wohnbedürfnis des Antragstellers liegt vor, wenn er nicht über eine andere ausreichende und gleichwertige Wohnmöglichkeit verfügt (9 Ob 286/01a = EF 102.492; 2 Ob 72/05k = EF 112.594; 3 Ob 235/09v; Details dazu Rz 44 ff; vgl auch § 97 ABGB Rz 15, 21 f). Darunter ist keine Gleichwertigkeit in tatsächlicher Hinsicht, sondern das Vorliegen einer rechtlich gesicherten Position zu verstehen; der Antragsteller müsste daher bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlussfassung in eine sofort benützbare Ersatzwohnung kraft eigenen Rechts ausweichen können. Eine Mietwohnung mit Kündigungsschutz wird dabei dem Wohnen im eigenen Haus als rechtlich gleichwertig angesehen (Bauer in Bauer/Keplinger/Schwarz-Schlöglmann/Sorgo 33). 40 Ob auch der Antragsgegner ein dringendes Wohnbedürfnis hat, ist bei seiner Ausweisung gem § 382b Abs 1 EO nicht zu prüfen (LG Salzburg EF 98.651, 106.268, 118.428, 125.196; LGZ Wien EF 112.600, 121.489, 125.489; s auch Rz 58), weil bereits der Sicherungszweck der EV und ihre Zielsetzung (vgl Rz 3) einen solchen Interessenvergleich nicht zulassen. Ebenso wenig ist zu berücksichtigen, ob der Weggewiesene in der Lage ist, eine neue Wohnung einzurichten. 41 Bei der Erlassung einer EV nach § 382b Abs 1 EO ist auch auf das Wohl und das Wohnbedürfnis der im Haushalt lebenden Kinder Bedacht zu nehmen (9 Ob 286/01a = EF 102.493; LGZ Wien EF 102.493, 118.423; zur Einbeziehung der Interessen von Kindern aus früheren Beziehungen vgl § 92 ABGB Rz 7). 2. Teilausweisung?
42 Nach der Rsp zu § 382 (Abs 1) Z 8 lit b EO aF war eine „Teilausweisung“ zulässig und als geringerer Eingriff in die persönliche Sphäre des Ausgewiesenen anzuordnen, wenn das dringende Wohnbedürfnis des gefährdeten Ehegatten in einem Teilbereich der Wohnung ausreichend befriedigt werden konnte und die Lebensbereiche der Ehegatten innerhalb der Wohnung mit dieser Absonderung der Ehegatten so getrennt wurden, dass eine weitere Beeinträchtigung des gefährdeten Ehegatten aufgrund der Größe der Wohnung und infolge der 1190
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Wohnbedürfnis
Anordnung ihrer Räume nicht zu erwarten war (1 Ob 615/77 = EF 30.259; 5 Ob 697/82 = EF 41.968; Hopf/Kathrein § 382b EO Anm 9). Sowohl die Wegweisung nach § 382b Abs 1 Z 1 EO als auch das Rückkehrverbot nach § 382b Abs 1 Z 2 EO erstrecken sich nach dem Gesetzeswortlaut und dem Regelungsziel dieser Maßnahmen auf die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung (vgl Rz 48); wenn der Antragsteller auch im unmittelbaren Umfeld der Wohnung vor Konfrontationen mit einem gewalttätigen Antragsgegner geschützt werden soll, muss der Sicherungszweck der EV, nämlich dem Antragsteller einen ausreichenden Schutz vor Aggressionshandlungen des Antragsgegners zu bieten, umso mehr in der Wohnung selbst verlässlich erfüllt werden. Eine Teilausweisung ist nach der neuen Rechtslage daher gesetzlich nicht mehr gedeckt und in Anbetracht des Grundsatzes, dass der Antragsteller keine unzumutbare Einschränkung seiner bisherigen Lebensführung in Kauf nehmen muss, keine geeignete Sicherungsmaßnahme. Die Frage, ob eine räumliche Trennung der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten in der Wohnung ausnahmsweise möglich und ausreichend ist (was etwa von Vornherein zu verneinen wäre, wenn die Wohnung nur über 1 Küche, 1 Badezimmer und 1 WC verfügt), braucht somit unabhängig von Größe und Ausstattung der konkreten Wohnung nicht geprüft werden (aA offenbar LG Salzburg EF 94.799 [keine Prüfung, wenn die Beschaffenheit der Wohnung eine räumliche Trennung der Ehegatten nicht zulässt]). 3. Ersatzwohnung
Verfügen die Ehegatten über zwei oder mehrere Wohnungen, könnte der 43 Antragsgegner gegen den Auftrag zum Verlassen einer der Wohnungen iS des § 382b Abs 1 EO immer einwenden, dass der Antragsteller sein dringendes Wohnbedürfnis in der anderen Wohnung bzw in einer der anderen Wohnungen decken könnte. Das Vorhandensein von zwei oder mehreren Wohnungen kann aber nicht dazu führen, dass eine Wegweisung aus der Ehewohnung unmöglich wäre; eine solche Schlussfolgerung würde dem Schutzgedanken des § 382b Abs 1 EO eindeutig widersprechen. Vielmehr muss der Antragsteller wählen können, welche Wohnung er als Hauptwohnsitz ansieht und damit zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses in Anspruch nimmt. Dem Antragsgegner kann in einem solchen Fall aber auch nicht automatisch der Aufenthalt am Zweitwohnsitz verboten werden, weil idZ gem § 382e Abs 1 EO seine schwerwiegenden Interessen zu berücksichtigen sind (LGZ Wien EF 106.267; vgl Rz 59). Das bloße Vorhandensein einer zweiten Wohnmöglichkeit führt daher noch 44 nicht zur Verneinung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers. Die Qualität einer zumutbaren Ersatzwohnung darf den angemessenen Wohnbedarf des Antragstellers nicht erheblich unterschreiten. Grundsätzlich 1191
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kann wie bei § 97 ABGB der Gedanke gelten, dass dem betroffenen Ehegatten, dem das Zusammenleben vom anderen unzumutbar gemacht wird, die ihm schon bisher zur Deckung des Wohnbedürfnisses dienende Wohnmöglichkeit erhalten bleiben soll (LGZ Wien EF 109.329; s auch § 97 ABGB Rz 15). Eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft liegt daher dann vor, wenn diese entweder der Ehewohnung entspricht oder wenigstens den nach § 94 Abs 1 ABGB angemessenen Bedarf des Ehegatten nicht erheblich unterschreitet oder ihm aus anderen Gründen zumutbar ist (LGZ Wien EF 118.426). Dabei ist eine geringfügige Verschlechterung des bisherigen Wohnkomforts immer hinzunehmen, solange eine in Betracht kommende andere Unterbringung noch als ausreichend zu qualifizieren ist (LGZ Wien EF 118.427). Die Möglichkeit, bei den Eltern, sonstigen Verwandten oder Freunden zu übernachten, deckt jedoch das dringende Wohnbedürfnis nicht (4 Ob 278/98 f = EvBl 1999/86 = EF 88.350; 2 Ob 72/05k). Dieser Grundsatz gilt etwa auch für den Umstand, dass ein Antragsteller die Möglichkeit hat, bei seiner Schwester zu schlafen, um dem alkoholbedingten Aggressionsverhalten des Antragsgegners ausweichen zu können (LG Krems EF 88.396). Ebenso wenig ist eine Wohnmöglichkeit in einem Gewaltschutzzentrum (LG Linz EF 112.598), in einem Seniorenheim (OLG Linz EF 44.279), in einem Dienstzimmer (OLG Wien EF 41.976) oder in Büroräumlichkeiten (LGZ Wien EF 118.424) eine gleichwertige Unterkunft. 45 Die Wohnungsalternative muss überdies in einer geographischen Distanz liegen, die eine weitere Ausübung der bisherigen Berufstätigkeit ermöglicht. Ein Antragsteller darf daher nicht auf eine weit entfernte Wohnung verwiesen werden (3 Ob 235/09v; LGZ Wien EF 98.678 [Lebensmittelpunkt im Inland, Zweitwohnsitz in 200 km Entfernung im Ausland]; LGZ Wien EF 106.266). Befindet sich die zweite Wohnung etwa zwei Stunden Fahrzeit vom bisherigen Lebensmittelpunkt und Arbeitsort des Antragstellers entfernt, kann ihm ihre Benützung nicht zugemutet werden (LGZ Wien 45 R 496/09p). Wesentlich für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Ersatzwohnung ist dabei die räumliche Distanz, nicht die Lage im Gebiet diesseits oder jenseits der Staatsgrenze. Deshalb kann ein Antragsteller durchaus auf eine ausreichende und gleichwertige Ersatzwohnung in unmittelbarer Nähe, wenn auch im Ausland verwiesen werden, wie dies etwa in der Entfernung Stadt Salzburg – Freilassing der Fall sein könnte. 46 Das dringende Wohnbedürfnis geht nicht allein dadurch verloren, dass der Antragsteller die bisher gemeinsam benützte Wohnung aus berechtigter Angst vor weiteren Übergriffen durch den Gewalttäter bereits vorübergehend verlassen hat (vgl 1 Ob 615/77 = SZ 50/81; 4 Ob 608/87; LGZ Wien EF 106.263, 109.332, 112.593, 118.430). Dieser Grundsatz kann aber nur in jenen Fällen gelten, in denen die EV noch nicht erlassen ist und der Antragsteller daher noch nachvollziehbar und berechtigt beim Verbleib in der Wohnung um seine 1192
§§ 382b–382e EO
Unmittelbare Umgebung
Gesundheit fürchten muss. Ist die EV hingegen bereits bewilligt und benützt der Antragsteller daraufhin die Wohnung nicht wieder (oder zieht überhaupt erst dann aus), so ist offensichtlich ein dringendes Wohnbedürfnis des Antragstellers nicht (mehr) gegeben. Berechtigte Furcht als Grund für den Auszug kann der Antragsteller dann jedenfalls nicht mehr ins Treffen führen, zumal er ja durch die EV bestmöglich geschützt ist (LGZ Wien EF 118.430). In einem solchen Fall, in dem das Gericht die EV zum Schutz des Antragstellers und zur Ermöglichung seines Verbleibs in der Wohnung bzw seiner Rückkehr dorthin erlassen hat, der Antragsteller nach Gewährung dieses Rechtsschutzes aber in die Wohnung nicht mehr zurückkommt oder sie überhaupt erst dann verlässt, steht dem Antragsgegner die Möglichkeit offen, mit einem Aufhebungsantrag die veränderten Umstände geltend zu machen und eine Aufhebung der EV infolge des Wegfalls des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers als wesentlichem Tatbestandselement zu erwirken (vgl dazu Rz 132). Dass das Wohnbedürfnis nach den Lebensverhältnissen der Parteien dringend 47 ist, ist grundsätzlich so lange anzunehmen, als der Antragsgegner nicht das Gegenteil darlegt (9 Ob 286/01a; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927 = EF 106.261). Einer besonderen Bescheinigung des dringenden Wohnbedarfs durch den Antragsteller bedarf es im Verfahren zur Erlassung einer EV daher dann nicht, wenn unstrittig ist, dass der Antragsteller seit Jahren in der Wohnung lebte und diese zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses diente (LGZ Wien EF 118.422). Die Behauptungs- und Bescheinigungslast dafür, dass der Antragsteller auf die gemeinsame Wohnung nicht angewiesen ist, trifft daher den Antragsgegner; er hat den Ausnahmefall der anderweitigen Deckung des Wohnbedarfs des Antragstellers darzutun (9 Ob 286/01a). Zur Einzelfallbeurteilung s § 97 ABGB Rz 18.
H. Unmittelbare Umgebung Mit einer „Bannmeile“ soll den in der Praxis nicht seltenen Fällen Rechnung 48 getragen werden, dass der Antragsgegner zwar nicht die Wohnung des Antragstellers aufsucht, ihn aber außerhalb der Wohnung in deren Umgebung angreift oder bedroht (LGZ Wien EF 115.464, 121.430). Der Schutzbereich einer EV nach § 382b Abs 1 EO hängt von den örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab und umfasst auch nach dem Inkrafttreten des 2. GeSchG nicht nur die Wohnung, sondern auch deren unmittelbare Umgebung, weil Gewalt in der Familie häufig nicht auf den Wohnbereich begrenzt ist, sondern einen weiter gefassten sozialen Lebensraum betrifft. Nach den Gesetzesmaterialien handelt es sich bei der unmittelbaren Umgebung um jenen Raum um die eigentliche Wohnung, in dem für den Antragsteller die Anwesenheit des Antragsgegners 1193
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auf Grund dessen bisherigen Verhaltens unzumutbar ist (vgl auch 6 Ob 55/08v = RZ-EÜ 2009/19; LGZ Wien EF 102.489). Gemeint sind mit diesem Begriff der unmittelbare Nahebereich der Wohnung bzw die gemeinschaftlichen Bereiche eines Wohnhauses (etwa Stiegenhaus, Garage, Innenhof, Garten) und angrenzende öffentliche Flächen (insb der Gehsteig vor dem Haus). Wenn der Antragsteller, um zur Wohnung gelangen zu können, zB auch den Garten mitbenützen muss, ist dieser der „unmittelbaren Umgebung“ zuzurechnen (6 Ob 55/08v = EF 121.431). Es entspricht auch durchaus der üblichen Gerichtspraxis, dass bei einer aus mehreren Stiegen bestehenden Wohnhausanlage der verbotene Umgebungsbereich nicht nur mit der betreffenden Stiege, sondern mit der gesamten Wohnhausanlage festgesetzt wird (LG Salzburg EF 121.434). Wenn auch die Definierung der unmittelbaren Umgebung von der Gefährdungslage des Antragstellers und seinem Sicherungsbedürfnis bestimmt sein muss, würde eine allzu restriktive Bezeichnung dieses erweiterten Schutzbereichs dem Gesetzeszweck eindeutig widersprechen. Dennoch ist die Abgrenzung zwischen der unmittelbaren Umgebung der Wohnung und sonstigen Orten, an denen sich der Antragsgegner laut EV vorläufig nicht mehr aufhalten darf, sorgfältig zu ziehen; dies schon deshalb, weil im Hinblick auf die Wohnung und ihr unmittelbares, im Beschluss zu konkretisierendes Umfeld keine Interessenabwägung in Betracht kommt, während einstweilige Verfügungen für einen weitergehenden Schutzbereich dem § 382e Abs 1 EO zuzuordnen sind und einen Interessenvergleich verlangen.
I. Selbsthilfe/Besitzstörung 49 Ob der Auszug eines Ehegatten aus der gemeinsamen Wohnung eine Aufgabe des Mitbesitzes bedeutet, ist immer nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen; im Zweifel ist eine Besitzaufgabe nicht zu vermuten (vgl § 339 ABGB Rz 25). Wenn ein Ehegatte die Wohnung infolge einer EV nach § 382b Abs 1 EO verlassen muss, erfolgt sein Auszug nicht freiwillig, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass mit der Ausweisung dieses Ehegatten eine neue Gebrauchsordnung geschaffen wurde. Falls der andere Ehegatte die Türschlösser austauschen lässt, sodass der weggewiesene Ehegatte die Wohnung auch nach Ablauf der Geltungsdauer der EV nicht mehr betreten kann, liegt eine Besitzstörung vor (s § 339 ABGB Rz 18). 50 Selbsthilfe nach § 344 ABGB ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn die staatliche Hilfe (und somit sogar eine Gewaltschutz-EV in einem Eilverfahren) zu spät käme und die Wiederherstellung oder Erhaltung des rechtmäßigen Zustands mit angemessenen eigenen Mitteln zur vorläufigen Interessenwahrung bis zum Schutz durch ein behördliches Eingreifen geschieht. Die Ehegatten 1194
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Selbsthilfe/Besitzstörung
haben nach der Rsp an der Ehewohnung Mitbesitz, der nicht durch die Wegweisung eines Ehegatten erlischt (vgl aber § 339 ABGB Rz 9 ff; s auch Rz 6). Die Abwehr gegen einen Mitbesitzer darf grundsätzlich nicht so weit gehen, dass diesem (etwa durch das Anbringen eines neuen Türschlosses unter Vorenthaltung des Schlüssels) die Rechtsausübung und insb der Zutritt zur gemeinsamen Wohnung eigenmächtig verwehrt würde. Selbst eine zunächst erlaubte Selbsthilfemaßnahme wird zur Besitzstörung, wenn nicht unverzüglich zur nachträglichen Rechtfertigung staatliche Hilfe in Anspruch genommen wird (s § 339 ABGB Rz 42; zur zeitlichen Dimension Rz 51). Ein solches Selbsthilferecht wird einem Ehegatten ausnahmsweise etwa dann zugestanden, wenn eine gerechtfertigte Sorge um Gesundheit und Eigentum besteht und gleichzeitig befürchtet werden muss, dass die Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer EV, mit der dem anderen Ehegatten das Betreten der Ehewohnung verboten wird, zu spät kommen würde. Wenn die Übergriffe eines Ehegatten aber nicht jene Intensität erreichen, die ein Selbsthilferecht rechtfertigen könnte, darf der Mitbesitz nicht eigenmächtig beeinträchtigt werden. Bei der Beurteilung der Selbsthilfe ist überdies zu beachten, dass die in der 51 bloßen Verfahrensdauer liegenden Nachteile idR nicht zur Selbsthilfe berechtigen, weil diese sonst immer zulässig wäre (G. Kodek, Besitzstörung 533). Gerade wenn die behaupteten gewalttätigen Übergriffe schon länger zurückliegen, ist es einem Ehegatten leicht zumutbar, staatlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, sodass sich dieser Ehegatte nicht auf eine begründete Selbsthilfe berufen kann (LGZ Wien 48 R 350/06k). Seit Geltung des GeSchG und der Möglichkeit eines unmittelbaren Eingreifens der Sicherheitsbehörden (vgl § 38a SPG, § 382c Abs 1 EO) kann eine eigenmächtige Gefahrenabwehr überhaupt nur mehr äußerst kurzfristig gerechtfertigt sein (vgl § 339 ABGB Rz 39), weil sich die Funktion der Selbsthilfe darauf beschränkt, die Zeit bis zum Eingreifen der zuständigen staatlichen Behörden zu überbrücken (G. Kodek aaO 538). Angesichts der relativ raschen Verfügbarkeit sicherheitspolizeilicher Maßnahmen wird somit nur in ganz seltenen Ausnahmefällen davon ausgegangen werden können, dass die behördliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann und ein eigenmächtiger Rechtsschutz zulässig ist; dies etwa dann, wenn sich ein Ehemann nach früheren Auseinandersetzungen durch lautstarkes und randalierendes Verhalten Zutritt zur gemeinsamen Wohnung verschaffen will und die Ehefrau ihn aus Angst nicht in die Wohnung lässt, während die Nachbarn die Polizei alarmieren (LGZ Wien EF 84.290). Wenn ein gewaltbereites Vorgehen durch die Einschaltung der Sicherheitsbehörden wirksam abgewendet werden kann, liegt hingegen kein gegenwärtiger oder unmittelbar bevorstehender Angriff vor, der die Anwendung privater Gewalt rechtfertigen kann. Wurde gegen den Antragsgegner ein Rückkehrverbot gem § 382b Abs 1 EO 52 erlassen, steht diese EV der von ihm angestrebten Einräumung der gemeinsamen Nutzung der Ehewohnung mittels Regelungsverfügung nach § 382 Abs 1 1195
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Z 8 lit c erster Fall EO schon deshalb entgegen, weil die EV durch eine solche Regelungsverfügung – zumindest zum Teil – wieder außer Kraft gesetzt werden würde (6 Ob 55/08v = iFamZ 2008/134); § 382b EO ist aber lex specialis gegenüber § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO, zumal er einerseits die engeren Tatbestandsvoraussetzungen (Gewalt gegenüber Unzumutbarkeit des Zusammenlebens) und andererseits die umfassenderen Rechtsfolgen (Erfassung auch der unmittelbaren Umgebung, Rückkehrverbot) aufweist. Eine EV gem § 382b Abs 1 EO schließt damit eine Regelung über die Mitbenützung der Ehewohnung aus.
J. Aufenthalts- und Kontaktverbot 53 Das Gericht hat einer gewalttätigen oder gewaltbereiten Person gem § 382e Abs 1 EO auf Antrag den Aufenthalt an möglichst genau bestimmten Orten zu verbieten und ihr allgemein aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden, soweit eine Interessenabwägung zu dessen Gunsten ausgeht. Der Antragsteller muss daher im Sicherungsantrag die Orte, für die er eine EV gem § 382e EO erwirken will, konkret und eindeutig bezeichnen und ein Vorbringen zum anzustellenden Interessenvergleich erstatten. 54 Das Verbot des Aufenthalts des Antragsgegners an näher beschriebenen Orten und der Auftrag an ihn, ein Zusammentreffen zu vermeiden, können auch kumulativ erlassen werden und sollen den Antragsteller davor schützen, an Orten, an denen er sich regelmäßig aufhält und die er im Alltag immer wieder aufsuchen muss, einem gewalttätigen, drohenden oder psychisch erheblich belastenden Verhalten des Antragsgegners ausgesetzt zu sein. Mit einem solchen Aufenthaltsverbot soll auch den Fällen, in denen ein gewalttätiger Antragsgegner zwar die Ausweisung aus der Wohnung respektiert, den Antragsteller dafür aber außerhalb der Wohnung attackiert oder in Angst versetzt, Rechnung getragen werden (6 Ob 77/99p = EF 91.318). Schutzbereiche dieser Bestimmung sind vor allem der Arbeitsplatz des Antragstellers (3 Ob 21/99 f = EF 91.319; 5 Ob 129/05i), der Weg zur Arbeit, Haltestellen der regelmäßig benützten Verkehrsmittel, die Schulen und Betreuungseinrichtungen für die Kinder oder frequentierte Geschäfte für Einkäufe des täglichen Bedarfs. 55 Aus der Verwendung des Wortes „Kontaktaufnahme“ in § 382e Abs 1 Z 2 EO neben dem nur den räumlichen Aspekt betreffenden Wort „Zusammentreffen“ kann abgeleitet werden, dass eine telefonische Kontaktaufnahme aus dem Anwendungsbereich der Norm nicht ausgeschlossen werden kann (LGZ Wien EF 109.369, 121.437). Die EV verbietet damit selbstverständlich auch Anrufe des Antragsgegners beim Antragsteller nach ihrer Erlassung. 1196
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Interessenabwägung
Auch das Zusenden von Text- und Bildnachrichten (SMS, MMS und E-Mail) 56 stellt als Kommunikationsmittel einen Verstoß gegen das Kontaktaufnahmeverbot dar (LG Krems a d Donau EF 121.438; LG Salzburg EF 109.368; 21 R 102/09k). Gleiches gilt für eine briefliche Kontaktaufnahme (LG Krems a d Donau EF 121.439). Stellt ein Antragsteller einen Sicherungsantrag nur im eigenen Namen und 57 nicht auch für die minderjährigen Kinder (zu deren Parteistellung vgl Rz 137) und erstattet er kein Vorbringen, das ein Kontaktaufnahmeverbot auch in Bezug auf die Kinder rechtfertigen könnte, hat das Gericht ein Aufenthalts- und Kontaktverbot iS des § 382e Abs 1 EO auf die Person des Antragstellers zu beschränken (10 Ob 426/01x). Ungeachtet dieser formalen Konsequenz, die eine Erstreckung der EV auf die Kinder in solchen Fällen bereits mangels Antragsvorbringens nicht erlaubt, kann die Ermittlung eines Sachverhalts, der eine Gefährdung der Kinder etwa durch körperliche Gewalttätigkeiten eines Elternteils befürchten lässt, pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen iS des § 176 ABGB auslösen. Ein solches Fehlverhalten von Eltern gegenüber Kindern ist nicht im Verfahren über die EV gem § 382b Abs 1 EO oder nach § 382e Abs 1 EO, sondern im Pflegschaftsverfahren mit den Eingriffsmöglichkeiten des Gerichts bei Kindeswohlgefährdung zu prüfen (LGZ Wien EF 109.371).
K. Interessenabwägung Im Gegensatz zu den Verboten nach § 382e Abs 1 EO ist bei Anordnung einer 58 EV nach § 382b Abs 1 EO eine Gegenüberstellung und Gewichtung der Interessen der Beteiligten nicht vorgesehen (10 Ob 426/01x = EF 102.487; 5 Ob 131/06k; 1 Ob 238/08v = EF 121.427; 3 Ob 235/09v; zur Ausnahme s Rz 67). Ob auch der Antragsgegner auf die Wohnung angewiesen ist, ist bei der Prüfung einer Wegweisung und eines Rückkehrverbots nicht entscheidungsrelevant. Die vom Antragsgegner eingewendete fehlende alternative Wohnmöglichkeit und seine allfällige Obdachlosigkeit im Fall der Bewilligung der EV hindern demnach seine Ausweisung nicht; das Wohnbedürfnis des Gegners kann nicht höher bewertet werden als das Sicherheitsbedürfnis des Antragstellers, weil bei einer derartigen Betrachtungsweise fast nie eine EV nach § 382b Abs 1 EO erlassen werden dürfte (vgl auch LG Salzburg EF 118.428). Daher ist es aus rechtlichen Gründen auch nicht möglich, die Geltungsdauer der EV etwa bis zum Zeitpunkt zu befristen, in welchem dem Antragsgegner bei Verkauf eines Hauses dort noch eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht (LGZ Wien 44 R 422/09y). Aufenthalts- und Kontaktaufnahmeverbote mittels EV gem § 382e Abs 1 EO 59 wegen gewaltbedingter Unzumutbarkeit des weiteren Zusammentreffens mit 1197
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dem Antragsgegner sind demgegenüber nur dann zulässig, wenn ihnen nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners entgegenstehen. Dabei muss die erhebliche Interessenverletzung bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlussfassung aktenkundig sein (LGZ Wien EF 125.163). Bei der zwingend vorzunehmenden Interessenabwägung iZm einstweiligen Verfügungen nach § 382e Abs 1 EO zielte der Gesetzgeber des GeSchG auf materielle Interessen des Antragsgegners ab (LG Salzburg EF 106.271, 21 R 186/09p; LGZ Wien EF 112.543). Wenn die Anordnung eines Aufenthaltsverbots gegen den Antragsgegner im Hinblick auf die von ihm bisher nicht benützte Wohnung des Antragstellers und dessen Arbeitsstelle geprüft werden muss, werden im Regelfall keine solchen materiellen Interessen des Antragsgegners in einer Weise beeinträchtigt werden, die das schützenswerte Interesse des Antragstellers am Fernbleiben des Antragsgegners von diesen Orten überwiegen und einer beantragten EV entgegenstehen würden. 60 Verhaltensweisen, die für den Antragsgegner (vor allem in Anbetracht seiner Arbeitstätigkeit bzw der Gestaltung seiner persönlichen Verhältnisse) nach dem Ergebnis der Einzelfallbeurteilung unbedingt notwendig sind und deren Verbot seine existenziellen Bedürfnisse verletzen würde, können ihm hingegen nicht untersagt werden. Ein Aufenthaltsverbot oder ein Auftrag zur Vermeidung der Kontaktaufnahme darf demnach nicht erteilt werden, wenn ihm schwerwiegende Interessen des Antragsgegners entgegenstehen. Dieser Tatbestand ist im Allgemeinen erfüllt, wenn beide Parteien im selben Betrieb einer dritten Person arbeiten oder beide, insb im ländlichen Bereich, zum Erreichen ihrer Arbeitsplätze auf bestimmte öffentliche Verkehrsmittel zu vorgegebenen Zeiten angewiesen sind; in diesen Fällen wird einem Aufenthaltsverbot für diese Bereiche idR ein schwerwiegendes Hindernis entgegenstehen, ohne dass die Verletzung von Interessen des Arbeitgebers des Antragsgegners durch eine solche EV näher geprüft werden müsste. Wenn aber beide Ehegatten gemeinsam einen Betrieb führen und dieses Unternehmen (auch) die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Antragstellers bildet, kann nach den Umständen des Einzelfalls die erforderliche Gegenüberstellung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien dennoch zur Anordnung des Aufenthaltsverbots mittels EV führen, sofern das Interesse des Antragstellers, weiterhin im eigenen Betrieb arbeiten zu können, das gleiche Interesse des Antragsgegners deutlich überwiegt. Sind etwa beide Ehegatten auf Einkünfte aus einem Gasthaus oder sonstigen Unternehmen angewiesen, das sich auf einer Liegenschaft befindet, welche im Eigentum des Mannes steht, und hat die Frau die Gewerbeberechtigung, während dem Mann am Unternehmen kein Recht zusteht, besteht für eine Wegweisung nach schweren Misshandlungen der Frau durch den Mann infolge der erforderlichen Interessenabwägung kein Hindernis (6 Ob 77/99p = SZ 72/101). Wenn die Frau Komplementärin und Geschäftsführerin und der Mann Kommanditist der ge1198
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Interessenabwägung
meinsamen KEG ist, der Mann gedroht hat, das Unternehmen zu zerstören, damit die Frau die Firma nicht bekomme, und die bereits bestehende Verschuldung des Betriebs nur durch die weitere Tätigkeit der Frau im Griff gehalten werden kann, so überwiegt das Interesse der Frau, weiter in der KEG zu arbeiten; die Bereichs-EV, mit der dem Mann der Aufenthalt in den Firmenräumlichkeiten sowie in einem Umkreis von 100m um das Geschäftslokal verboten wird, ist in einem solchen Fall berechtigt (LGZ Wien EF 106.275). Da die EV gem § 382e Abs 1 EO eine Feststellung und Abwägung der Interes- 61 sen beider Parteien voraussetzt, ist im Verfahren idR die Anhörung auch des Antragsgegners erforderlich; ohne seine Einbindung in die Sachverhaltsermittlung kann sein Interesse üblicherweise nicht geklärt und gewichtet werden, sofern nicht schon das Antragsvorbringen und die Aussage des Antragstellers deutlich machen, dass schwerwiegende Interessen des Antragsgegners durch die EV beeinträchtigt werden (vgl auch Kodek/Angst § 382c EO Rz 3). Daher betont § 382c Abs 1 EO die Möglichkeit des Absehens von der Anhörung des Antragsgegners auch nur im Hinblick auf eine EV nach § 382b Abs 1 EO und normiert für ein Verfahren über eine EV nach § 382e Abs 1 EO keinen Grundsatz, wonach auch dieses im Allgemeinen einseitig, also ohne Befragung des Antragsgegners vor der Entscheidung, zu führen wäre. Vgl auch Rz 102. Die Behauptungs- und Bescheinigungslast dafür, dass schwerwiegende Inte- 62 ressen des Antragsgegners die Erlassung einer EV hindern, trifft den Gegner. Die Frage, ob die Erlassung einer EV nach § 382e Abs 1 EO schwerwiegenden 63 Interessen des Antragsgegners zuwiderläuft, ist grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten und stellt daher idR keine erhebliche Rechtsfrage dar (5 Ob 131/06k; 1 Ob 238/08v). Immateriellen Interessen kommt grundsätzlich keine entscheidende Bedeu- 64 tung bei der Interessenabwägung zu; die Geltendmachung des Rechts des Antragsgegners auf Kontakte mit den gemeinsamen Kindern (§ 148 ABGB) hindert eine Verfügung nach § 382e Abs 1 EO nicht (LG Salzburg EF 106.272 f, 115.469, 118.388; LG Wels EF 125.165; LGZ Wien EF 112.544, 118.388, 125.165 uva). Der Schutz des verletzten Ehegatten hat Vorrang gegenüber der Verminderung der Kontakte mit den Kindern, zumal ohnehin davon ausgegangen werden muss, dass durch die im Rahmen des § 382e Abs 1 EO inkriminierten Verhaltensweisen des Antragsgegners das Wohl der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder auch dann berührt wird, wenn diese nicht unmittelbar das Ziel seiner Angriffe sind. Sollten (allenfalls bereits im Pflegschaftsverfahren rechtskräftig geregelte) Besuchskontakte, die etwa auch im Rahmen einer Besuchsbegleitung (§ 111 AußStrG) stattfinden können, vom Kontaktaufnahmeverbot ausgenommen sein, ist es sinnvoll, darauf im Spruch der EV Bedacht zu nehmen (Kontaktauf1199
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nahmeverbot mit Ausnahme der gerichtlich geregelten Zusammentreffen bei . . . in der Zeit von . . . bis . . .). 65 Durch die Unmöglichkeit einer direkten Kontaktaufnahme zur Besprechung einer einvernehmlichen Scheidung werden jedenfalls dann keine schwerwiegenden Interessen des Antragsgegners verletzt, wenn die Ehegatten durch Rechtsanwälte vertreten sind und auf diesem Weg Kontakte aufnehmen können (3 Ob 21/99 f = EF 91.339). Das durch die EV bedingte Erfordernis, Gespräche über die Scheidung durch die Beiziehung eines Rechtsanwalts zu führen und nicht unmittelbar mit dem Ehegatten darüber kommunizieren zu dürfen, ist aber auch dann, wenn die Ehegatten zunächst noch nicht anwaltlich vertreten sind, angesichts der Abwägung des Interesses des einen Ehegatten, vor Gewalthandlungen des anderen geschützt zu sein, und des Anliegens des anderen Ehegatten, mit ihm direkt ein Gespräch über eine einvernehmliche Scheidung zu führen, kein Hindernis für ein Kontaktaufnahmeverbot iS des § 382e EO. 66 Das Begehren eines Antragsgegners, seinen Eltern müsse es möglich sein, das Haus zu betreten und den mj Sohn zu sehen, weshalb ihnen ein Haustürschlüssel auszuhändigen sei, kann schon nach dem klaren Wortlaut des § 382e Abs 1 EO nicht Gegenstand einer „Ausweisungs-EV“ sein (LG Wels EF 115.471). Das ausgesprochene Aufenthalts- und Kontaktaufnahmeverbot kann sich im Verfahren nach § 382e EO immer nur auf den Antragsteller und den Antragsgegner erstrecken, dessen Eltern sind daher von der Provisorialmaßnahme ohnehin nicht betroffen (vgl 10 Ob 426/01x). Für die Eltern als vom Verfahren „nicht betroffene Dritte“ kann auch eine Interessenabwägung nicht in Betracht kommen (vgl 6 Ob 77/99p). 67 Obwohl ein Rückkehrverbot nach § 382b Abs 1 EO angestrebt wird und daher grundsätzlich kein Interessenvergleich vorzunehmen ist, wird dann, wenn beide Parteien gleichgerichtete Anträge auf Wegweisung des anderen stellen, beide Begehren berechtigt sind und beide Parteien ein dringendes Wohnbedürfnis an der gemeinsamen Wohnung haben, doch eine Interessenabwägung notwendig werden (vgl dazu auch 6 Ob 229/06d). Nur diese Vorgangsweise ermöglicht eine Verwirklichung der Zielsetzungen des GeSchG. Andernfalls würde eine solche „Pattstellung“ einen wirksamen Rechtsschutz verhindern und eine unvermeidbare Verlängerung der familiären Konfliktsituation bedeuten, weil keine Partei aus der gemeinsamen Wohnung weggewiesen werden könnte, obwohl in beiden Fällen die materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine Gewaltschutz-EV erfüllt sind. In einem solchen Fall hängt die Erlassung einer EV gem § 382b Abs 1 EO daher ausnahmsweise von der Frage ab, welche Partei auf die Wohnung stärker angewiesen ist. 1200
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Wirkungsbereich
L. Hauptverfahren Mit dem 2. GeSchG wurden die gesetzlichen Grundlagen für Gewaltschutz- 68 Verfügungen ohne Hauptverfahren klarer formuliert (§ 382b Abs 2 und 3 EO, § 382e Abs 2 und 3 EO), die Bestimmungen blieben inhaltlich aber unverändert. Die im Gesetzwerdungsprozess erörterte Erweiterung der Hauptverfahren (mit dem Gedanken, dass etwa auch während gerichtlicher Besuchsrechtsstreitigkeiten ein Rückkehr- oder Aufenthaltsverbot bis zum rechtskräftigen Abschluss solcher Verfahren aufrecht erhalten werden könnte) wurde nicht vorgenommen. Eine solche Neuregelung wäre mit dem bisherigen System des Gewaltschutzes auch nicht vereinbar. Sämtliche im Gesetz taxativ genannten Hauptverfahren führen mittelbar oder unmittelbar zur definitiven Zuweisung der Wohnung. Die fortwirkende Geltungsfrist einer EV ist in diesen Fällen gerechtfertigt, solange das Gerichtsverfahren, in dem über diese Wohnung entschieden wird, noch nicht abgeschlossen ist. Obsorge- oder Besuchsrechtsverfahren haben hingegen nie eine Zuweisung der Wohnung zum Gegenstand, sodass am Ende dieser Verfahren die Wohnverhältnisse rechtlich nicht geklärt sein müssen. Die Aufrechterhaltung einer EV für die Dauer von Verfahren, in denen die Wohnungsfrage nicht einmal behandelt wird, ist sachlich aber nicht zu rechtfertigen. Der Antragsteller muss daher nach der Erlassung einer EV gem § 382b Abs 1 EO innerhalb ihrer Geltungsfrist und damit binnen maximal sechs Monaten entscheiden, ob er ein Hauptverfahren, das auf eine rechtliche Klärung der Wohnsituation gerichtet ist, einleitet oder nicht. Nur bei Anhängigmachung eines solchen Hauptverfahrens kann die ursprünglich ohne Hauptverfahren erlassene EV auf einen Zeitraum ausgedehnt werden, der sechs Monate überschreitet. Werden einstweilige Verfügungen nach den §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO kombiniert beantragt, kommen für beide Provisorialmaßnahmen die in § 382b Abs 3 EO aufgezählten Verfahren als Hauptverfahren in Betracht. Zur Möglichkeit, die Geltungsdauer der EV bis zum rechtskräftigen Abschluss dieser Verfahren festzusetzen, s Rz 71.
M. Wirkungsbereich der einstweiligen Verfügung 1. Geltungsdauer
Jede EV gilt für die angeordnete Wirksamkeitsdauer. Die Geltungsfrist ist da- 69 her notwendiger Bestandteil des Spruchs einer EV und vom Gericht von Amts wegen – unter Bedachtnahme auf die vom Antragsteller im Antrag (wenn auch ohne Sanktion bei Unterlassen: 6 Ob 506/88) zu nennende angestrebte Frist1201
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setzung – festzulegen. Zum Erfordernis, die EV nach Ablauf der darin genannten Frist mit Gerichtsbeschluss ausdrücklich aufzuheben, s Rz 131. 2. EV ohne Hauptverfahren
70 Eine EV nach § 382b Abs 1 EO kann unabhängig von der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft und ohne inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem sonstigen Gerichtsprozess erlassen werden. Mit dem 2. GeSchG wurde die Schutzdauer dieser EV ohne Hauptverfahren von drei Monaten auf sechs Monate verlängert. Solange ein Eheverfahren bzw ein Verfahren zur Klärung der Benützungsberechtigung an der Wohnung iS des § 382b Abs 3 EO nicht geführt wird, darf die Gültigkeitsdauer der EV sechs Monate daher nicht überschreiten. Eine Klage- oder Antragsfrist für die Einleitung eines Hauptverfahrens ist in diesem Fall nicht festzusetzen, § 391 Abs 2 EO ist idZ nicht anwendbar (10 Ob 426/01x = EF 102.527). Die Möglichkeit, eine EV für die Dauer von sechs Monaten auch ohne Zusammenhang mit einem Hauptverfahren zu erlassen, entspricht dem Gedanken, dass der Sicherungswerber nicht gezwungen sein soll, eine Klage zu erheben. Wenn er aber eine Verlängerung der EV anstrebt, muss er ein Hauptverfahren einleiten, es sei denn, der Antragsgegner hätte in der Zwischenzeit bereits eine Klage eingebracht (vgl Rz 83). 71 Die Höchstdauer einer EV nach § 382e Abs 1 EO ohne Zusammenhang mit einem Hauptverfahren iS des § 382b Abs 3 EO wurde mit dem 2. GeSchG – mit der Absicht, damit einen Gleichklang zu § 382g EO herzustellen – von bisher drei Monaten auf ein Jahr erstreckt (zur Verlängerungsmöglichkeit nach Zuwiderhandeln durch den Antragsgegner s Rz 84 ff). Der maximale Geltungszeitraum von einem Jahr steht bei Erlassung einer EV nach § 382e Abs 1 EO dabei auch dann zur Verfügung, wenn sie gemeinsam mit einer EV gem § 382b Abs 1 EO, die höchstens für sechs Monate bewilligt werden darf, erlassen wird. Ohne Hauptverfahren und ohne Verstoß gegen die EV ist die Überschreitung dieses Geltungszeitraums unzulässig. Bei einer Kombination mit einer EV nach § 382b Abs 1 EO gelten die in § 382b Abs 3 EO genannten Hauptverfahren auch für die EV nach § 382e Abs 1 EO. Wurde bereits ein solches Hauptverfahren eingeleitet, können somit beide Formen der Gewaltschutz-EV bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss bewilligt werden. Ist bei Erlassung der EV hingegen noch kein Hauptverfahren anhängig, wird es aber innerhalb der festgelegten Geltungsfrist der Provisorialmaßnahmen eingeleitet, kann die Geltungsfrist beider Verfügungen auf Antrag bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Prozesses verlängert werden. Nach den Gesetzesmaterialien soll die EV gem § 382e Abs 1 EO in diesem Fall eine Ergänzung bzw Erweiterung der EV nach § 382b Abs 1 EO zum Schutz im Wohnbereich darstellen. 1202
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Wirkungsbereich
Die gesetzlichen Höchstfristen für einstweilige Verfügungen außerhalb eines 72 Hauptverfahrens sind freilich nicht in jedem Fall auszuschöpfen. Bei der Festlegung der Geltungsdauer kommt es im Einzelfall darauf an, wie lange voraussichtlich die Gefährdung fortdauern wird (Zechner § 382b EO Rz 5). 3. EV im Hauptverfahren
Wird das Hauptverfahren zugleich mit dem Antrag auf Erlassung der EV nach 73 § 382b Abs 1 EO eingeleitet oder ist es zu diesem Zeitpunkt schon anhängig, so ist keine Frist für die Klagseinbringung iS des § 391 Abs 2 EO festzusetzen. Die EV kann in diesem Fall aber bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens – und nicht nur für die Dauer von höchstens sechs Monaten – erlassen werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gewaltausübung, die zur Erlassung der EV führte, überhaupt Gegenstand dieses Prozesses ist; der Zweck des Hauptverfahrens besteht ja vielmehr darin, die materielle Berechtigung zur Wohnungsbenützung zu klären. Wenn die EV bis zur Beendigung des Hauptverfahrens erlassen und in der EV 74 nur diese Befristung festgelegt wird, endet ihr Geltungszeitraum bei kurzer Prozessdauer mit Verfahrensabschluss und damit unter Umständen zu einem Zeitpunkt, in dem die zulässige Höchstdauer der EV noch nicht verstrichen wäre. Dieser Nachteil für den Antragsteller kann dadurch vermieden werden, dass in der EV zwar die zeitliche Bindung an das Hauptverfahren verfügt, aber zusätzlich eine kalendermäßige Frist festgelegt wird (Bauer in Bauer/ Keplinger/Schwarz-Schlöglmann/Sorgo 37; Mohr, ÖJZ 2009/56). Eine solche Vorgangsweise ist schon deshalb gerechtfertigt, weil das Hauptverfahren iS des § 382b Abs 3 EO ja kein Rechtfertigungsprozess ist und es darin gar nicht um jenen Anspruch geht, welcher der EV zugrundeliegt. Zweck der EV ist aber – in den Gesetzesmaterialien klar deklariert – zum einen der Schutz vor Gewalt und zum anderen die Einräumung eines gewissen Zeitraums an das Gewaltopfer, um sich neu zu orientieren und etwa auch eine eigene Wohnmöglichkeit zu finden. 4. Verlängerung der EV a) Antrag innerhalb der Verfügungsfrist
Eine EV, die zunächst vor Einleitung eines Hauptverfahrens iS des § 382b 75 Abs 3 EO erlassen wurde und damit im Fall des § 382b Abs 1 EO mit höchstens sechs Monaten bzw im Fall des § 382e Abs 1 EO mit der Maximaldauer von einem Jahr befristet war, kann nur vor dem Ablauf der Frist und nach Einleitung eines Hauptverfahrens auf Antrag verlängert werden (6 Ob 11/98 f = SZ 71/13; 3 Ob 1/08 f; 9 Ob 32/09k = EF-Z 2010/112 = EF 125.122; zur 1203
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grundsätzlichen Zulässigkeit der Verlängerung 6 Ob 11/98 f = EF 88.384). Solange über einen Verlängerungsantrag noch nicht entschieden worden ist, darf eine EV nicht wegen Zeitablaufs aufgehoben werden (1 Ob 210/01s = EvBl 2002/27). Ohne Einleitung eines Hauptverfahrens kann eine solche Provisorialmaßnahme nicht über diese Verfügungsdauer hinaus wirksam sein. Nach Ablauf der Geltungsfrist ist eine Verlängerung der EV im Hinblick auf § 128 Abs 3 ZPO – auch dann, wenn die Verfügung noch nicht aufgehoben ist (2 Ob 247/01i = EF 98.733) – unzulässig (7 Ob 99/99 f = EF 91.352; 1 Ob 210/01s; 7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 [Beck] = EF 118.457; 9 Ob 32/09k = EF-Z 2010/112 = EF 125.222; Kodek/Angst § 391 EO Rz 6 mwN), weshalb der Verlängerungsantrag jedenfalls innerhalb der Verfügungsfrist gestellt werden muss. Nach Ende der Wirkungsdauer der EV kann der Antragsteller nur die Erlassung einer neuen EV beantragen, sofern der Antragsgegner wieder ein Verhalten setzt, das den Tatbeständen der §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO zuzuordnen ist. Die gesetzliche Höchstdauer von sechs Monaten bei einer EV gem § 382b Abs 1 EO bzw von einem Jahr bei einer EV nach § 382e Abs 1 EO steht einer weiteren (inhaltsgleichen) Gewaltschutz-EV nicht entgegen, wenn der Antragsgegner nach Ablauf der Geltungsdauer einer früheren EV zurückkehrt und neuerlich ein Verhalten iS der §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO setzt (6 Ob 99/06m = EF-Z 2006/26). Dies ist vielmehr als neuer Anlassfall zu qualifizieren, der auch einen neuerlichen Lauf der Höchstfrist für die Geltungsdauer auslöst (Neuhauser, ÖA 1997, 47; Zechner 182; iglS Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382b EO Rz 19). In diesem Fall kann auch nicht von einer – im Gesetzestext seit dessen Überarbeitung mit dem 2. GeSchG aber ohnehin nicht mehr nahegelegten – sog „Ketten-EV“, wie sie eine bloße Verlängerung der Verfügung nach Ablauf ihrer Wirkungsdauer ohne neuen Anlass darstellen würde, gesprochen werden. 76 Die Frage, ob es sich bei der Geltungsfrist einer Gewaltschutz-EV iZm einem Verlängerungsantrag um eine verfahrensrechtliche oder um eine materiellrechtliche Frist handelt, musste der OGH in seiner Entscheidung 7 Ob 157/ 07z (= EF-Z 2008/44 [Beck]) nicht abschließend beurteilen, weil der Verlängerungsantrag nach Art 5 des Europäischen Fristenübereinkommens (EuFrÜ, BGBl 1983/254, vgl auch § 903 dritter Satz ABGB) und dem dadurch bestimmten Fristablauf erst am nächstfolgenden Werktag nach Ende der Frist an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag jedenfalls rechtzeitig erfolgte. Der materiellrechtliche Charakter der Frist ergibt sich allerdings schon daraus, dass der Antragsteller bei Fristversäumnis seinen Anspruch, eine Verlängerung der EV zu erwirken, verliert. Der Verlängerungsantrag muss daher am letzten Tag der Frist bei Gericht einlangen, sodass die bloße Absendung eines solchen Antrags (die bei prozessualen Fristen bereits die Rechtzeitigkeit 1204
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sichert) nicht genügt; eine Telefaxeingabe an diesem Tag reicht allerdings zur Fristwahrung (7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 [Beck] = EF 118.457 mit Ausführungen auch zur Besonderheit einer Eingabe mit Telefax und dem Zusammenfallen von Postaufgabe und Einlangen bei Gericht bei dieser Übermittlungsform). b) Voraussetzungen für die Verlängerung der EV
Die Verlängerung der Wirksamkeitsdauer einer Gewaltschutz-EV nach An- 77 hängigmachung eines Hauptverfahrens setzt voraus, dass der Gefährdungstatbestand fortdauert oder zumindest in diesem Zeitpunkt verwirklicht ist (10 Ob 426/01x = EF 102.527; 9 Ob 41/06d). Durch die Einleitung des Hauptverfahrens fällt die Begrenzung der Geltungsdauer auf sechs Monate gem § 382b Abs 2 EO bei Fehlen eines Zusammenhangs mit einem Scheidungsverfahren weg (LGZ Wien EF 106.337). Die Unterbrechung des Scheidungsprozesses gem § 6a ZPO beseitigt dabei nicht dessen Anhängigkeit iS des § 382b Abs 2 EO (LGZ Wien EF 98.679 f), weil die Gesetzesbestimmung nicht nur vor prozessfähigen Personen Schutz bietet. Zur Erwirkung einer Verlängerung der EV muss der Antragsteller nicht die schon für den Zeitpunkt der Erlassung geprüften Voraussetzungen neuerlich bescheinigen, wohl aber den Sachverhalt, dass sich die entscheidungswesentlichen Umstände nicht nachträglich geändert haben (7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 [Beck] = EF 118.456) und die EV innerhalb der gesetzten Frist den beabsichtigten Zweck nicht erreichen konnte. Nur wenn sich aus der Aktenlage ergibt, dass die Voraussetzungen der Anspruchs- und Gefährdungsbescheinigung nicht mehr vorliegen, ist der Antrag auf Verlängerung abzuweisen. Aus dem bloßen Zeitablauf ist hingegen eine relevante Änderung des Sachverhalts insb dann nicht anzunehmen, wenn in der Zwischenzeit eine Scheidungsklage erhoben wurde und darin behauptet wird, dass sich am Gefährdungstatbestand nichts geändert hat (LG Linz EF 121.529). Nach der Rsp muss das rechtliche Gehör des Antragsgegners iZm der Verlänge- 78 rung der EV nicht gewahrt werden, weil ihm jedenfalls ein Aufhebungsantrag nach § 399 Abs 1 Z 2 EO zusteht, in dem er eine Änderung der Verhältnisse nachweisen kann, nach der dem Antragsteller ein Zusammenleben mit ihm wieder zumutbar ist (LGZ Wien EF 102.542 ua; s aber Rz 79). Die Verlängerung der Geltungsdauer der Anordnung ist auch keine neue EV, sondern schiebt nur ihre Wirksamkeitsfrist hinaus. Dem Antragsgegner steht gegen diesen Beschluss daher kein Widerspruch zu (LGZ Wien EF 102.543, 112.634, 118.482; aA Mohr, ÖJZ 2009/56). Da die Verlängerung des Geltungszeitraums der EV der Situation bei Erlassung einer neuen EV allerdings nahekommt und die Ablehnung einer Verlängerung die gleiche Wirkung wie die Aufhebung der EV hat, ist die analoge An1205
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wendung des § 402 Abs 1 EO auf den Verlängerungsbeschluss gerechtfertigt (4 Ob 2241/96d = EF 82.555; 6 Ob 11/98 f = JBl 1998, 662; 3 Ob 1/08 f = EFZ 2008/116 = EF 121.524). Der Anfechtungsausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO greift somit nicht (6 Ob 11/98 f = JBl 1998, 662 = EvBl 1998/113 = SZ 71/13; 3 Ob 1/08 f = EF-Z 2008/116). Die Verlängerung der EV durch das Erstgericht und die Bestätigung durch das Rekursgericht führen daher zu keiner unanfechtbaren Konformatsentscheidung. Auch im – zweiseitigen – Rechtsmittelverfahren über die Verlängerung der EV gilt aber das Neuerungsverbot (LG Linz EF 121.531). 79 Diese rechtlichen Rahmenbedingungen lassen es zumindest zweifelhaft erscheinen, ob der Rechtsschutz des Antragsgegners bei Verlängerung einer EV ausreichend gewährleistet ist. Wird eine EV erstmals erlassen, geht ihr zwar idR auch ein einseitiges Verfahren – ohne Anhörung des Antragsgegners – voraus; seine unterbliebene Einbindung in das Verfahren wird aber durch die Möglichkeit eines Widerspruchs gem § 397 Abs 1 EO ausgeglichen, wenn auch die Widerspruchsmöglichkeit mangels aufschiebender Wirkung des Widerspruchs kein gänzliches Äquivalent sein kann. Die Vorstellung, dass eine EV verlängert werden kann, ohne dem Antragsgegner auch nur eine Äußerungsmöglichkeit vor der Entscheidung einzuräumen und ihm dennoch ein nachträgliches Widerspruchsrecht zu versagen, wirkt hingegen unangemessen, dies umso mehr, als die Erfolgsaussichten eines Rekurses gegen die Verlängerung der EV idR sehr begrenzt sind. Die bloße Möglichkeit, die Beseitigung der EV mit einem Aufhebungsantrag zu erwirken, kann das Rechtsschutzdefizit kaum kompensieren, weil die Folgen ungleich sind. Ein berechtigter Einwand des Antragsgegners gegen die vom Antragsteller begehrte Verlängerung der Gültigkeitsdauer der EV führt zur Abweisung dieses Antrags und damit zum Ablauf der Wirksamkeitsfrist der Sicherungsmaßnahme; ein Aufhebungsantrag nach Verlängerung der EV ändert demgegenüber vorerst nichts an deren Bestand und lässt die EV bis zum Abschluss dieses Zwischenstreits unberührt. Das Argument, der Antragsgegner hätte den Aufhebungsantrag jederzeit und damit schon vor Einlangen eines Verlängerungsantrags bei Gericht stellen können, ist richtig, im aufgezeigten Zusammenhang jedoch keine hinreichende Begründung für einen doch sehr verkürzten Rechtsschutz. Zumindest idR wird es daher erforderlich sein, dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme zum Verlängerungsantrag des Antragstellers einzuräumen. Der Antragsgegner erhält dadurch die Möglichkeit zu bescheinigen, dass keine weitere Gefährdung des Antragstellers und daher kein Rechtsgrund für eine Verlängerung der EV besteht. Der Umstand, dass Verlängerungsanträge in der Praxis häufig erst unmittelbar vor Ablauf der Gültigkeitsfrist der EV gestellt werden, sodass vor ihrem Endtermin kein intensives Verfahren mehr durchgeführt werden kann, darf nicht zu Lasten des Antrags1206
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gegners gehen, weil der Antragsteller ja seinen Antrag auf Verlängerung der EV auch zu einem früheren Zeitpunkt hätte stellen können. Vermag der Antragsteller in der verbleibenden Geltungsdauer der EV nicht zu bescheinigen, dass die maßgebenden Umstände seit der erstmaligen Gewährung des Rechtsschutzes unverändert sind und die EV den intendierten Zweck bisher nicht erreichen konnte (vgl Rz 77), wird eine Verlängerung der EV nicht erfolgen können. Im Fall einer antragsgemäßen Verlängerung der EV nach Einleitung des Schei- 80 dungsprozesses während ihrer Gültigkeitsfrist ist der Formulierung, die EV gelte „bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe“, dem Wortlaut „bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens“ vorzuziehen, weil damit der Ablauf der Wirksamkeitsdauer klarer und im Einklang mit dem Gesamtkonzept des Gewaltschutzes definiert ist. Nach dieser Festlegung endet die Verfügungsfrist der verlängerten EV unmissverständlich mit Rechtskraft des Scheidungsurteils bzw eines Scheidungsbeschlusses iS des § 55a EheG und nicht erst mit der rechtskräftigen Klärung der Verschuldensfrage, falls nur sie Streitgegenstand im zweit- und drittinstanzlichen Verfahren ist. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer mit rechtskräftiger Eheauflösung kann der künftige Rechtsschutz bei neuerlicher Gewalt(androhung) nach diesem Zeitpunkt durch eine weitere EV sichergestellt werden (vgl auch Beck, EF-Z 2010/100). c) EV für künftige Hauptverfahren?
Die Geltungsdauer einer entweder außerhalb eines Scheidungsverfahrens oder 81 im Rahmen eines bereits eingeleiteten Scheidungsprozesses erlassenen Gewaltschutz-EV darf nur mit der rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens befristet und nicht etwa auch auf die Dauer eines daran anschließenden Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG ausgedehnt werden (7 Ob 253/ 03m; 9 Ob 41/06d). Die Bestimmung im Gerichtsbeschluss, dass die vor Beginn der gerichtlichen Scheidungsauseinandersetzung bewilligte EV für den Fall der Einleitung eines Hauptverfahrens über die Scheidung binnen einer vorgegebenen Frist bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsprozesses gelten soll, war jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. GeSchG gesetzlich nicht gedeckt; eine Gewaltschutz-EV darf nach der bisherigen Rechtslage nicht bis zum Abschluss eines Hauptverfahrens iS des § 382b Abs 3 EO erlassen werden, das im Zeitpunkt der Entscheidung über den Sicherungsantrag noch nicht gerichtsanhängig ist (10 Ob 426/01x = Miet 54.773; 6 Ob 180/ 02t = EF 102.526; 9 Ob 41/06d; aA Kodek/Angst § 382b EO Rz 17). Die Tatfrage, ob – nach Bewilligung der EV entweder überhaupt außerhalb des Scheidungsverfahrens oder im Scheidungsprozess – die Einleitung eines späteren Aufteilungsverfahrens nach den Umständen des Einzelfalls Anlass zur Befürchtung weiterer Gewalttätigkeiten oder Drohungen des ausgewiesenen 1207
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Ehegatten sein wird, kann nicht bereits vor oder während des Scheidungsverfahrens geprüft werden (7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 [Beck] = EF 118.456; s auch Rz 82). Ist die Verfügungsdauer verstrichen, kommt eine Verlängerung der EV nicht mehr in Betracht. Ab diesem Zeitpunkt (daher idR ab Rechtskraft des Scheidungsurteils) kann nur mehr eine neue EV beantragt und erlassen werden, sofern die erforderlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. 82 Der Hinweis in den Gesetzesmaterialien zum 2. GeSchG, wonach „schon bei Erlassung einer EV ohne Zusammenhang mit einem Hauptverfahren“ im Hinblick auf ihre Geltungsdauer „auf den Fall Bezug genommen“ werden könne, „dass ein solches Verfahren eingeleitet wird“ (idS auch LG Krems a d Donau EF 125.219), steht im Widerspruch zur einhelligen jüngeren Rsp (6 Ob 11/ 98 f = SZ 71/13; 10 Ob 426/01x = Miet 54.773; 6 Ob 180/02t = EF 102.526; 9 Ob 41/06d; 3 Ob 1/08 f; Beck, EF-Z 2010/100). Diese „Bezugnahme“ in der EV würde bedeuten, dass sich – jedenfalls auf Antrag am Beginn des Sicherungsverfahrens – die außerhalb des Hauptverfahrens und regelmäßig in einem einseitigen Verfahren ohne Anhörung des Antragsgegners erlassene EV bei Prozesseinleitung während ihrer Gültigkeitsdauer ohne neuerliche Antragstellung und damit automatisch bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Prozesses verlängert, ohne dass eine neue Entscheidung bei Einleitung des Hauptverfahrens notwendig wäre; auf das spätere Aufteilungsverfahren könnte schon bei einer EV während des Scheidungsprozesses oder sogar noch vor dessen Beginn „Bezug genommen“ werden. Als einzige Belegstelle für die in den Materialien trotz eines diesbezüglich unveränderten Gesetzeswortlauts angeführte Anregung ist die Entscheidung 7 Ob 338/99b angeführt. Mohr (ÖJZ 2009/56) vertritt dazu die Ansicht, dass in der EV eine – allerdings nur kurze – Frist zur Einleitung des Aufteilungsverfahrens nach Abschluss des Scheidungsprozesses festzulegen sei, innerhalb derer eine Aufhebung der EV nicht in Betracht käme (vgl aber 7 Ob 338/99b, wonach ein Aufhebungsantrag durchaus möglich ist und die Aufhebung der EV durch umgehende Stellung eines Aufteilungsantrags verhindert werden kann). Die Jahresfrist zur Geltendmachung des Aufteilungsanspruchs ab Rechtskraft des Scheidungsurteils (§ 95 EheG) sei als Schwebezustand jedenfalls zu lang. Eine idS mit Gerichtsbeschluss bewirkte Verkürzung der gesetzlich normierten Frist für die Einleitung des nachehelichen Aufteilungsverfahrens lässt sich aber zumindest mit dem Gesetzestext nicht begründen. Eine Abkehr von der bisher stRsp des OGH und die Möglichkeit, eine EV im Rahmen eines Scheidungsverfahrens oder sogar schon vor dessen Einleitung auch für die Dauer eines späteren Aufteilungsverfahrens (von dem nicht einmal klar ist, ob es überhaupt einmal anhängig sein wird) zu bewilligen, ist sachlich nicht gerechtfertigt, sodass an der bisherigen Rsp festzuhalten ist und eine Gewaltschutz-EV weiterhin nicht bis zur Beendigung eines Hauptverfahrens erlassen werden kann, das im Zeitpunkt ihrer Bewilligung noch nicht 1208
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eingeleitet ist (vgl auch Deixler-Hübner, iFamZ 2009, 225). Eine einseitig ergangene Provisorialmaßnahme, die bei realistischer Betrachtung des zeitlichen Aufwands für Scheidungs- und Aufteilungsverfahren und angesichts der für den Beginn der gerichtlichen Vermögensteilung zur Verfügung stehenden Jahresfrist des § 95 EheG unweigerlich mehrere Jahre wirksam wäre, ohne dass die ihr zugrundeliegenden Verhältnisse neuerlich überprüft würden, ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte des Antragsgegners auch im Fall einer berechtigten EV. Ist dem Antragsgegner nach Abschluss des Scheidungsprozesses ein weiteres Gewaltverhalten anzulasten, kann der Antragsteller unverzüglich ein sicherheitspolizeiliches Betretungsverbot und eine neue, häufig dann wohl inhaltsgleiche EV erwirken. Für den Fall, dass der Gesetzgeber – in Abkehr von der idZ entwickelten hRsp des OGH – tatsächlich die in den Mat zum 2. GeSchG angesprochene Möglichkeit einer mehrjährigen Geltungsdauer der EV auch für künftige Hauptverfahren vorsehen will, sollte er dies im Rahmen einer neuerlichen Gesetzesnovellierung im Wortlaut der Bestimmung klarstellen.
d) Verlängerung bei Klage des Antragsgegners
Eine zunächst auf die gesetzliche Höchstfrist begrenzte EV, mit der einem ein- 83 getragenen Partner oder Lebensgefährten das Betreten der Wohnung und die Rückkehr dorthin verboten wurde, kann auch nach Einbringung einer Räumungsklage durch den Antragsgegner (wegen titelloser Benützung durch den Antragsteller) bis zur Rechtskraft des Räumungsstreits verlängert werden (3 Ob 1/08 f = EF-Z 2008/116 [Beck] = iFamZ 2008/79 = JBl 2008, 665 = EvBl 2008/106 = EF 121.526). Die Verlängerung setzt daher nicht voraus, dass die durch die EV geschützte Person selbst den Hauptanspruch mit Klage geltend gemacht und das Verfahren zur Klärung der Benützungsberechtigung an der Wohnung eingeleitet hat; das Interesse am Schutz der körperlichen Sicherheit bei Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens hängt ja nicht von der Rollenverteilung im Hauptverfahren ab. Die Prozessaussichten des Antragstellers im Hauptverfahren sind für die Verlängerung der EV nicht maßgebend; die materielle Berechtigung an der Wohnung ist für die Antragslegitimation im Provisorialverfahren nicht entscheidend. Wesentlich ist ausschließlich die Identität der Parteien von Provisorial- und Hauptverfahren (Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382b EO Rz 18; Zechner 182). § 382b Abs 3 EO lässt auch nach der Neufassung durch das 2. GeSchG die Frage offen, wer eines der dort angeführten Verfahren zur Klärung der Wohnungsfrage einzuleiten hat, damit eine auf sechs Monate befristete EV längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens verlängert werden kann. Dieser Umstand wiegt nunmehr noch schwerer; die zitierte Entscheidung 3 Ob 1/08 f stammt vom 30.1.2008 und erging somit deutlich vor der Ge1209
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setzesänderung mit dem am 1.6.2009 in Kraft getretenen 2. GeSchG, die der Gesetzgeber – in Kenntnis dieser höchstgerichtlichen Rsp – nicht zum Anlass nahm, die Antragslegitimation zur Verlängerung der EV neu zu regeln. Die bisherige Rsp ist daher fortzuführen.
e) Zuwiderhandeln gegen eine EV gemäß § 382e EO
84 Mit dem 2. GeSchG wurde für den Fall der Unzumutbarkeit des weiteren Zusammentreffens die Möglichkeit geschaffen, die EV auch ohne Hauptverfahren um ein weiteres Jahr zu verlängern, sofern der Antragsgegner iS des § 382e Abs 2 EO gegen die Sicherungsverfügung verstoßen hat. Der Gesetzeswortlaut unterscheidet dabei nicht zwischen geringen und massiven Verletzungen der EV, sodass wohl jedes Zuwiderhandeln des Antragsgegners die Verlängerungsmöglichkeit zur Folge hat. 85 Bei einer Verlängerung der Geltungsdauer nach Missachtung der EV ab deren Wirksamwerden (somit ab Zustellung an den Antragsgegner) ist – wie bei der EV, die für längstens ein Jahr getroffen wird, selbst – keine Klagefrist nach § 391 Abs 2 EO festzusetzen. Ohne Einleitung eines Hauptverfahrens ist die Verlängerung der EV mit einem weiteren Jahr befristet; diese Frist erhöht sich nicht im Fall mehrerer Verstöße gegen die EV und ist mit der Dauer von höchstens einem Jahr ab dem Zeitpunkt des Zuwiderhandelns des Antragsgegners zu bemessen. Die maximale Verfügungsdauer für eine EV gem § 382e EO beträgt daher nicht grundsätzlich zwei Jahre; vielmehr ist bei der Verlängerung – wie bei der ursprünglichen EV – eine Geltungsfrist von höchstens einem (weiteren) Jahr festzulegen (so auch Mohr, ÖJZ 2009/56), wobei auch ein Verstoß, der nur wenige Tage nach Wirksamkeitsbeginn der EV erfolgt, zur Verlängerung führen kann und dies auch dann gilt, wenn die EV mit Widerspruch oder Rekurs bekämpft wurde. Im Einzelfall wird das zeitliche Ausmaß der Verlängerung der EV von der Intensität ihrer Missachtung und von der Frage abhängen, welche Frist dem Sicherungsbedürfnis des Antragstellers entspricht. 86 Aus dem Gesetzestext ist nicht eindeutig erkennbar, ob das Zuwiderhandeln gegen die EV für sich allein deren Verlängerung rechtfertigt. Allerdings wird nach den Gesetzesmaterialien durch das Zuwiderhandeln ein Fortbestehen der Gefahrenlage deutlich, ohne dass auf eine weitere Unzumutbarkeit des Zusammentreffens abgestellt werden müsste. Der Maßstab für eine Erweiterung des Geltungszeitraums einer Gewaltschutz-EV wurde mit dem 2. GeSchG nicht verändert. Für eine Verlängerung der EV musste der Antragsteller schon nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Neuordnung des Gewaltschutzes nicht die bereits für den Zeitpunkt der Erlassung geprüften Voraussetzungen neuerlich bescheinigen; er hatte nur glaub1210
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haft zu machen, dass sich die entscheidungswesentlichen Umstände nicht nachträglich geändert haben (vgl Rz 77). Die allgemeinen Voraussetzungen, die für eine Aufrechterhaltung einer EV notwendig sind, müssen also erfüllt sein. Dieser Grundsatz gilt aber auch für den Fall einer Verlängerung der EV nach Zuwiderhandeln. Der Unterschied besteht darin, dass im Fall eines Verstoßes gegen die EV vom Vorliegen der Voraussetzungen für ihre Verlängerung ohne weiteres auszugehen ist, weil ja gerade die Missachtung der EV das Fortdauern der Gefährdungslage unüberbietbar deutlich zeigt. Dies bedeutet idZ, dass zwar die allgemeinen Voraussetzungen für eine EV weiterhin verwirklicht sein müssen, dass der Antragsteller sie aber weder behaupten noch bescheinigen muss. Der Antragsteller hat im Verlängerungsantrag allerdings den Verstoß gegen die 87 EV konkret und schlüssig zu behaupten und zu bescheinigen und die angestrebte Geltungsdauer der verlängerten EV anzugeben. Nur ein Verhalten des Antragsgegners, das eindeutig gegen die Verbote verstößt, rechtfertigt die Verlängerung der EV (zu den vergleichbaren Erwägungen iZm der Bewilligung einer Unterlassungsexekution nach § 355 EO vgl Rz 129). Der Antragsgegner ist zum Verlängerungsantrag anzuhören, sofern dadurch der Zweck der Verlängerung der EV nicht vereitelt wird. Diese Wirkung ist aber auch bei einem Zuwiderhandeln des Antragsgegners unmittelbar vor Ablauf der Geltungsfrist und einem daraus resultierenden Verlängerungsantrag zu diesem Zeitpunkt nicht zu befürchten, weil die EV bei Vorliegen eines Verlängerungsantrags nicht wegen Zeitablaufs aufgehoben werden darf (1 Ob 210/01s = EvBl 2002/27; vgl Rz 75). Die Anhörung verschafft dem Antragsgegner die Möglichkeit zu bescheinigen, dass er nicht gegen die EV verstoßen hat und somit kein Rechtsgrund für ihre Verlängerung besteht. Überdies steht dem Antragsgegner auch die Glaubhaftmachung offen, dass das infolge seines Verstoßes gegen die EV grundsätzlich vermutete Fortdauern der Gefährdungslage nicht vorliegt. Eine Verlängerung der Wirksamkeitsdauer setzt generell einen Antrag inner- 88 halb der in der EV festgelegten Frist voraus (vgl Rz 75). Strebt der Antragsteller eine Verlängerung der ursprünglichen EV nach Einleitung eines Hauptverfahrens iS des § 382b Abs 3 EO an, muss er den Verlängerungsantrag jedenfalls innerhalb der Geltungsfrist stellen; mit Ablauf der Verfügungsdauer erlischt sein Anspruch auf Verlängerung der EV (s Rz 76). Bei einer Verlängerung nach Zuwiderhandeln iS des § 382e Abs 2 zweiter Satz EO wird jedoch ausnahmsweise ein Verlängerungsantrag auch nach Ablauf der Geltungsdauer, aber vor Aufhebung der EV zulässig sein, sofern der Verstoß gegen die EV während der Geltungsfrist erfolgte (so auch Mohr, ÖJZ 2009/56). Hingegen können Verhaltensweisen, die zwar dem Inhalt der EV zuwiderlaufen, aber erst nach Ende ihrer Wirksamkeitsfrist gesetzt wurden, – unabhängig davon, ob die EV bereits aufgehoben wurde oder noch besteht – nicht mehr zu ihrer Verlängerung führen. 1211
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Die Entscheidung über den Verlängerungsantrag muss jedenfalls nicht vor Ablauf der Geltungsfrist ergehen. Solange über einen Verlängerungsantrag noch nicht entschieden worden ist, darf eine EV nicht wegen Zeitablaufs aufgehoben werden (Rz 75). 89 Neben dieser Verlängerungsmöglichkeit des § 382e Abs 2 EO kann der Antragsteller eine Verlängerung der EV bei einer Unterlassungsklage erreichen. Auch idZ befürworten die Gesetzesmaterialien die Möglichkeit, dass auf eine solche Verlängerung der EV auf Antrag des Antragstellers schon bei ihrer Erlassung „Bezug genommen“ werden könnte (Näheres dazu Rz 82). Diese Unterlassungsklage ist aber eine Rechtfertigungsklage; im durch sie eingeleiteten Prozess wird – anders als bei einem Hauptverfahren iS des § 382 Abs 3 EO – die Berechtigung der EV beurteilt. Wird mit einem rechtskräftigen Urteil im Unterlassungsprozess ausgesprochen, dass dem Kläger (= Antragsteller im Verfahren über die EV) kein Unterlassungsanspruch zusteht, ist die EV von Amts wegen aufzuheben. Diese Vorgangsweise ist auch anzuwenden, wenn die EV für eine bestimmte Zeit bewilligt wurde und diese Dauer noch nicht verstrichen ist oder wenn die EV nach § 382e Abs 1 EO mit einer EV gem § 382b Abs 1 EO kombiniert wurde. 5. Erweiterung der EV?
90 Die „Ausdehnung“ einer EV ist der EO fremd. Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Gericht berechtigt ist, die durch eine EV rechtskräftig angeordneten Verbote und Beschränkungen aufgrund eines weiteren Sicherungsantrags mit neuer EV auszuweiten bzw abzuändern, ist anhand der allgemeinen Grundsätze über Streitanhängigkeit und materielle Rechtskraft zu beurteilen (2 Ob 101/08d = EF-Z 2009/23 = EF 121.502). Dabei liegt der gleiche Streitgegenstand nur dann vor, wenn der im neuen Antrag geltend gemachte Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch im Hinblick auf den rechtserzeugenden Sachverhalt mit jenem des Vorverfahrens identisch ist. Wenn hingegen nur teilweise eine Identität der maßgeblichen Umstände besteht, weil im Vergleich zu dem im ersten Antrag vorgebrachten Sachverhalt weitere rechtserzeugende Tatsachen (insb eine „Eskalation) behauptet werden, liegt keine Streitanhängigkeit vor, sodass in diesem Fall ein neuer Sicherungsantrag zulässig ist. Dies gilt etwa dann, wenn mit einer ersten EV ein Rückkehrverbot auf bestimmte Räume eines Hauses beschränkt war und dem Antragsgegner zu geschäftlichen Zwecken der Zugang zu einzelnen Teilen des Gebäudes weiterhin erlaubt wurde, nach einer neuerlichen Auseinandersetzung der Parteien aber mit einer weiteren EV ein Betretungsverbot für das gesamte Haus erreicht werden soll. Das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache steht der zweiten EV unter diesen Umständen nicht entgegen. 1212
§§ 382b–382e EO
Verfahren
M. Verfahren Inhaltsübersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Gerichtszuständigkeit . . . . Antragsvorbringen . . . . . . Einseitigkeit des Verfahrens Anhörung des Gegners . . . Bescheinigungsmittel . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung der EV . . . . . . . Widerspruch und Rekurs . . Strafdrohungen . . . . . . . . . Durchsetzung der EV . . . .
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91 92–97 98–99 100–105 106–111 112–114 115–116 117–126 127 128–130
1. Gerichtszuständigkeit
Für die Erlassung einer EV gem § 382b Abs 1 EO ist nach § 387 Abs 3 erster 91 Satz EO das BG zuständig, das für den Hauptprozess zuständig wäre, idR daher das BG, in dessen Sprengel der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, weil – wie auch die Gesetzesmaterialien darlegen – zumindest im Zeitpunkt der Antragstellung auf Anordnung einer Wegweisung bzw eines Rückkehrverbots mittels EV der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand noch in diesem Gerichtssprengel haben wird. Gem § 387 Abs 3 zweiter Satz EO idF des 2. GeSchG ist dann, wenn nur eine EV nach § 382e Abs 1 EO beantragt wird, das BG zuständig, in dessen Sprengel der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat.
2. Antragsvorbringen
Der Antragsteller hat die speziellen Voraussetzungen für eine Gewaltschutz- 92 EV vollständig zu behaupten und zu bescheinigen. In zahlreichen Fällen wird kein Hauptverfahren eingeleitet, sodass eine genauere, den strengen Regeln des Beweisverfahrens folgende Überprüfung der Ergebnisse des Sicherungsverfahrens häufig nicht stattfindet. Als Provisorialentscheidungen konzipierte Beschlüsse gestalten dadurch die Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien oft langfristig und haben die tatsächliche Wirkung einer Entscheidung in einem Hauptverfahren. Einstweilige Verfügungen nach den §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO bilden daher in vielen Fällen abschließende Entscheidungen aufgrund eines bloßen Bescheinigungsverfahrens. Die verfahrensrechtliche Selbstständigkeit des Sicherungsverfahrens ist dabei ein zentraler Vorteil des raschen und effizienten Schutzes von Persönlichkeitsrechten, birgt jedoch auch Gefahren in sich (Konecny in EvBl 2009/89; vgl auch Rz 102). Schon vor diesem 1213
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Hintergrund muss eine konkrete und ausreichende Behauptung und Bescheinigung des Sachverhalts auch dann gefordert werden, wenn ein schwerwiegender Verdacht wie etwa jener körperlicher Misshandlungen oder eines sexuellen Missbrauchs Gegenstand des Verfahrens ist. Die Behauptungen des Antragstellers bilden gleichzeitig die Grenzen, in deren Rahmen das Gericht zu prüfen hat, inwieweit eine EV erlassen werden kann (8 Ob 88/06h mwN = EF 115.578; LGZ Wien EF 121.498, 43 R 114/ 09x). Eine EV darf daher nicht auf Umstände gestützt werden, auf die sich der Antragsteller gar nicht beruft. 93 Unschlüssige Anträge sind abzuweisen, ohne dass dem Antragsteller ein weiteres Vorbringen zu ermöglichen wäre (7 Ob 1615/92 = EF 70.098; 3 Ob 262/ 05h = EF 112.651; 8 Ob 88/06h = EF 115.578). Dem Antragsteller die Möglichkeit der Verbesserung eines unschlüssigen oder unbestimmten Begehrens zu geben, würde dem Wesen des auf eine rasche Entscheidung abgestellten Provisorialverfahrens widersprechen. Ein fehlendes Vorbringen kann auch nicht durch die Aussage einer Partei oder eines Zeugen oder den Verweis auf eine Urkunde ersetzt werden. Ein Verbesserungsverfahren nach § 182 ZPO, das Inhaltsmängel in einem Antrag beseitigen könnte, ist im Sicherungsverfahren wegen dessen Dringlichkeit nicht statthaft (6 Ob 238/00v = JBl 2001, 390 = EF 94.823; aM LG Salzburg EF 94.731 [Manuduktionspflicht auch im Provisorialverfahren gegenüber unvertretenen Parteien]). Es ist daher nicht Sache des Gerichts, von Amts wegen auf die Stoffsammlung oder auf ein ergänzendes Vorbringen zu drängen (7 Ob 1615/92 = EF 70.098; LG Salzburg EF 115.528; LGZ Wien EF 115.527, 118.435). Fehlen im Antrag Tatsachenbehauptungen, die das Begehren begründen können, muss dieser Umstand zu dessen Abweisung führen. 94 Die Erlassung einer Gewaltschutz-EV setzt die Bescheinigung eines konkreten Verhaltens des Antragsgegners voraus, das Gewaltanwendung im weiteren Sinn beinhaltet und jedenfalls einen der drei gesetzlichen Tatbestände (körperlicher Angriff, Drohung mit einer solchen Attacke oder Psychoterror mit erheblicher Gesundheitsschädigung) verwirklicht. Die Ausübung sexueller Gewalt ist davon selbstverständlich umfasst (3 Ob 198/08a = EvBl 2009/89 [Konecny]). Das Gericht muss aber stets konkret einen Sachverhalt als bescheinigt annehmen und feststellen, wann welche Handlungen von den Parteien im vorliegenden Fall gesetzt wurden. Nur dann kann die Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens abschließend beurteilt werden. Die in der Entscheidung 3 Ob 198/08a geäußerte, grundsätzlich zweifellos richtige Ansicht des OGH, dass die Bescheinigung des bloßen Verdachts, der Antragsgegner verhalte sich gewalttätig, für die Annahme, sein Verhalten mache das weitere Zusammenleben und Zusammentreffen mit ihm unzumutbar, nicht ausreiche, führte in diesem Verfahren – trotz einer massiven Gefährdungslage der (als Antragsteller auftretenden) minderjährigen Kinder – aller1214
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dings zur Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und zur aufgetragenen Verfahrensergänzung. Wenn der OGH auch durchaus zutreffend konkrete Feststellungen zu den dem Antragsgegner vorgeworfenen Verhaltensweisen gegenüber den mj Antragstellern einmahnte, kann seiner Aussage, bestimmte Umstände bewirkten „den Schluss des Verdachts auf sexuellen Missbrauch“, dies könne die Erlassung einer EV nach § 382b EO aber nicht rechtfertigen, nicht beigepflichtet werden. Wenn erhebliche Verletzungen und Verhaltensauffälligkeiten der Kinder auf ihren sexuellen Missbrauch hinweisen und der Antragsgegner als Täter mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt, begründet diese Situation sehr wohl ein dringendes Sicherungsbedürfnis der Kinder im Provisorialverfahren, in dem die Gewaltausübung durch den Antragsgegner schon gem § 389 Abs 1 EO (nur) glaubhaft gemacht werden muss, ohne dass ein voller Beweis als Voraussetzung für eine EV verlangt würde. Selbstverständlich kann nur die Gewaltausübung und nicht lediglich der Verdacht von Übergriffen eine EV rechtfertigen; machen schwerwiegende Indizien im Bescheinigungsverfahren diese Gewalt aber wahrscheinlich, muss die EV erlassen werden. Freilich könnte der Verdacht von sexueller Gewalt – im vorliegenden Fall: über die Aussagen geschulter Personen und eingeholte ärztliche Befundergebnisse hinaus – durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden; ein solcher Sachverständigenbeweis hat im Provisorialverfahren nach stRsp aber zu unterbleiben, weil er kein parates Bescheinigungsmittel ist (s Rz 106, 109). Der Antragsteller hat gem § 389 Abs 1 EO auf Grund der ihn treffenden Be- 95 hauptungslast jene Tatsachen vorzubringen, die den Sicherungsantrag rechtfertigen sollen, und konkrete Umstände zu bescheinigen, welche die Voraussetzungen einer Anspruchsgefährdung begründen. Dass der Antrag die Inhalts- und Schlüssigkeitsanforderungen eines Provisorialantrags erfüllen muss, ergibt sich schon aus den allgemeinen Bestimmungen (Mohr, ÖJZ 2009/ 56 mwN). Vor allem jene Umstände, die ein weiteren Zusammenleben iS des § 382b EO bzw ein weiteres Zusammentreffen iS des § 382e EO unzumutbar machen, sind im Antrag darzulegen. Zur Abweisung unschlüssiger Anträge ohne Verbesserungsmöglichkeit vgl Rz 93. Wenn es auch der hRsp entspricht, dass das Antragsvorbringen im Provisorial- 96 verfahren aus einem spätestens gleichzeitigen Klagsvorbringen insoweit zu ergänzen ist, als eindeutig erkennbar ist, dass bestimmte Tatsachenbehauptungen gleichzeitig auch zur Grundlage des Provisorialantrags gemacht werden sollen (6 Ob 299/05x = EF-Z 2006/10; 8 Ob 107/07d = EF 118.432; LGZ Wien EF 125.204), darf diese Erwägung nicht leichtfertig verallgemeinert werden, weil sonst verfahrensrechtliche Nachteile für den Antragsteller drohen. Das Vorbringen und die Bescheinigungsmittel müssen nach zutreffender Ansicht in einem Sicherungsantrag, der gemeinsam mit der Scheidungsklage 1215
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bei Gericht eingebracht wird, nicht wiederholt werden. Die Besonderheit des Provisorialverfahrens rechtfertigt eine Ergänzung des Vorbringens im Sicherungsantrag aus dem gleichzeitig erstatteten Prozessvorbringen. Dieser Gedanke gilt aber ausschließlich für jene Fälle, in denen Klage und Sicherungsantrag miteinander verbunden sind und formalistische Wiederholungen entbehrlich wirken. Sind die beiden Begehren nicht miteinander (in einem Schriftsatz) verknüpft und liegen etwa zwischen der Scheidungsklage und dem Sicherungsantrag mehrere Wochen, bedarf der Sicherungsantrag eines konkreten, detaillierten Vorbringens und der Nennung von Bescheinigungsmitteln. 97 Selbst wenn ein neuer Sicherungsantrag wegen neuer Bescheinigungsmittel für zulässig erachtet wird, so kann dies jedenfalls im zweiseitig gewordenen Verfahren immer nur für Bescheinigungsmittel gelten, die der Antragsteller noch nicht beibringen konnte. Auch im Provisorialverfahren ist das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache (§ 411 ZPO) zu beachten, weshalb auch nicht gleichzeitig zwei identische Sicherungsanträge anhängig gemacht werden können. Ein neuer Antrag kann somit grundsätzlich nur bei Änderungen im Anspruchs- oder Gefährdungssachverhalt gestellt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob die rechtskräftige Abweisung eines Sicherungsantrags dessen neuerlicher Stellung und materiellen Prüfung entgegensteht, kommt es nicht auf die Begründung des abweisenden Beschlusses an, sondern auf das vom Antragsteller erhobene Begehren und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhalt (LGZ Wien EF 121.503). 3. Einseitigkeit des Verfahrens
98 Nach bisher einhelliger Rsp hat der Antragsgegner im Provisorialverfahren über einen Antrag nach § 382b Abs 1 EO keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, vor der Entscheidung über den Sicherungsantrag gehört zu werden (4 Ob 218/97 f; 4 Ob 132/05y; 3 Ob 74/09t uva). Die generell auf das Erkenntnisverfahren abstellenden Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK fanden nach dieser Rechtsansicht auf einstweilige Verfügungen – die zivilrechtliche Ansprüche und Pflichten nur für einen gewissen Zeitraum betreffen – schon grundsätzlich keine Anwendung (vgl etwa 4 Ob 132/05y = Miet 57.826; LG Salzburg EF 121.493, 21 R 331/09m; aM König, Einstweilige Verfügungen Rz 6/3; differenzierend Kodek/Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 390 Rz 8 [das Provisorialverfahren muss jedenfalls dem allgemeinen Fairnessgebot des Art 6 Abs 1 EMRK entsprechen, wozu die Möglichkeit gehört, das zunächst unterbliebene Gehör des Gegners ehestmöglich nachzuholen und dadurch gegebenenfalls eine Aufhebung der EVerwirken zu können]). Der EGMR änderte diesbezüglich allerdings mit seiner Entscheidung vom 15.10.2009, Beschw. Nr. 17056/06 (Micallef gegen Malta), seine Auffassung (ausführlich dazu G. Kodek, EF-Z 2010/ 35). Immer dann, wenn eine EV im Ergebnis den zivilrechtlichen Anspruch 1216
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Verfahren
oder die zivilrechtliche Verpflichtung (civil rights) entscheide, sei – unabhängig von der Dauer ihrer Wirksamkeit und ohne Unterscheidung einzelner Verfahren – auf das Provisorialverfahren grundsätzlich Art 6 EMRK voll anwendbar, wenn es auch in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn die Effektivität der Maßnahme von einer raschen Entscheidung abhänge, möglich sei, dass nicht alle Garantien des Art 6 EMRK sofort eingehalten würden. Wenn auch die einstweiligen Verfügungen nach § 382b Abs 1 EO und nach § 382e Abs 1 EO – wie auch jene gem § 382g EO – zweifellos Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche iS des Art 6 Abs 1 EMRK darstellen (1 Ob 61/ 10t = JBl 2010, 601 [König]), die überdies auch außerhalb eines Hauptverfahrens für eine doch beträchtliche Dauer von sechs Monaten bzw einem Jahr erlassen werden können, ist dennoch in diesen besonders dringlichen Verfahren über Eilmaßnahmen angesichts drohender oder sogar erfolgter Gewalt auch nach der zitierten Entscheidung des EGMR weiterhin ein in erster Instanz grundsätzlich einseitiges Verfahren ohne Anhörung des Antragsgegners vor der Erlassung der Provisorialmaßnahme zulässig, weil auch nach diesem Erkenntnis das rechtliche Gehör nicht ausnahmslos vor der Entscheidung gewährt werden muss. Das Urteil des EGMR führt demnach zu keiner Änderung der Rsp, wonach die Unterlassung der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung einer Gewaltschutz-EV keinen Nichtigkeitsgrund bildet, und lässt die Rechtslage, die das rechtliche Gehör durch die Möglichkeit eines nachträglichen (wenn auch nicht mit aufschiebender Wirkung verbundenen) Widerspruchs gem § 397 Abs 1 EO bei unterbliebener Anhörung des Antragsgegners vor der Entscheidung sicherstellt, unberührt. Das Provisorialverfahren richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen der EO (§§ 382c und 382d EO) und den nach diesem Gesetz anwendbaren Vorschriften der ZPO. Über das Begehren auf Erlassung der EV ist auch weiterhin in aller Regel allein aufgrund des Antrags des Antragstellers, der die seinen Antrag stützenden Tatsachen glaubhaft machen muss, und nach Verwertung der von ihm beigebrachten Bescheinigungsmittel zu erkennen. Näheres zur Anhörung des Antragsgegners s Rz 100 ff. Zur Frage der Einseitigkeit des Verfahrens über einen Antrag nach § 382e Abs 1 EO wegen des vorzunehmenden Interessenvergleichs s Rz 61. In einem Sicherungsverfahren ist die Durchführung einer mündlichen Ver- 99 handlung nicht zwingend geboten, sondern liegt im Ermessen des Gerichts (LGZ Wien 44 R 388/09y), sodass der einer abweisenden Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt grundsätzlich auch allein aufgrund des Akteninhalts ausreichend bescheinigt sein kann. Wenn es auch zutrifft, dass das Gericht gem § 182a ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer überraschenden Rechtsansicht konfrontieren darf, kann nicht jede abweisende Entscheidung schon als Überraschung in diesem Verständnis gewertet werden. 1217
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Zur Möglichkeit der Parteien, jeweils 1 Vertrauensperson zu einer Verhandlung im Rahmen des Provisorialverfahrens beizuziehen, vgl § 55 Abs 1 EO. 4. Anhörung des Gegners
100 Das Gericht hat einzelfallbezogen zu beurteilen, ob die Anhörung des Antragsgegners zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich ist und ihm daher die Gelegenheit eingeräumt wird, sich zum Antrag zu äußern. Diese Entscheidung liegt somit im Ermessen des Gerichts. Den Grundsatz, dass eine EV idR ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs an den Antragsgegner, dem dann der Widerspruch gem § 397 EO zusteht, bewilligt wird, betont der Gesetzgeber im Hinblick auf eine EV nach § 382b Abs 1 EO in § 382c Abs 1 EO nochmals ausdrücklich, wenn er für dieses Verfahren das Absehen von der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung der EV anordnet, sofern eine weitere Gefährdung durch den Antragsgegner unmittelbar droht. Aus dieser Bestimmung ist aber nicht der Umkehrschluss zu ziehen, dass der Antragsgegner vor der Entscheidung über einen auf § 382e Abs 1 EO gestützten Verfügungsantrag immer zu hören sei (LG Salzburg EF 94.836; LGZ Wien EF 121.533). Auch bei einer solchen EV ist die vorherige Anhörung des Antragsgegners nicht zwingend, sondern das Gericht hat nach den Umständen des Einzelfalls die Frage zu beurteilen, ob die Anhörung des Antragsgegners zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich ist (LG Salzburg EF 112.643; LGZ Wien EF 121.533 f). 101 Ein verfahrensrechtlicher Anspruch des Antragsgegners auf Anhörung vor Erlassung der EV besteht grundsätzlich nicht (vgl Rz 98); er wird auch durch eine allfällige Aufforderung zur Stellungnahme zum Sicherungsantrag bzw mit einer Ladung zur Einvernahme nicht begründet. Von der Anhörung ist jedenfalls abzusehen, wenn besondere Dringlichkeit geboten ist und insb eine weitere Gefährdung durch den Antragsgegner unmittelbar droht; dies kann sich vor allem aus dem Bericht der Sicherheitsbehörde ergeben, den das Gericht von Amts wegen beizuschaffen hat (LG Linz EF 112.637; LGZ Wien EF 106.340, 118.459 uva). Steht jedoch eine solche Polizeidokumentation nicht zur Verfügung, wird das Gericht, sollte sich der Antragsteller zur Bescheinigung seiner Behauptungen nur auf seine eigene Vernehmung berufen, kritisch abwägen müssen, ob die Glaubhaftmachung eines Gefährdungstatbestands wirklich gelang, stellt doch eine EV gem § 382b EO einen schweren Eingriff in die Rechtssphäre des Gegners dar (LGZ Graz EF-Z 2010/18 [Beck] = EF 125.226). Überdies darf nicht übersehen werden, dass eine solche Sicherungsmaßnahme etwa im Hinblick auf die künftige Scheidungsauseinandersetzung idR bestimmende Bedeutung hat. Wenn der entscheidende Richter den Sicherungsantrag nicht selbst aufgenommen hat und daher über keinen persönlichen Eindruck vom Antragsteller 1218
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verfügt und dessen Angaben insgesamt recht unklar bleiben (vgl etwa LGZ Wien EF 121.517), ist die Anhörung des Antragsgegners vor der Erlassung einer EV in aller Regel unvermeidbar. Wie sich aus dem Wort „insbesondere“ in § 382c Abs 1 erster Satz EO ergibt, kann von der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung einer EV nach § 382b Abs 1 EO aber auch aus anderen Gründen, etwa im Hinblick auf die damit verbundene zeitliche Verzögerung, abgesehen werden, zumal die Gesetzesstelle ein Beispiel für das Unterbleiben der Anhörung des Gegners nur demonstrativ anführt (6 Ob 11/98 f; 1 Ob 271/02p). In der Praxis ist die Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung einer solchen EV die Ausnahme. Das rechtliche Gehör des Antragsgegners bei unterbliebener Anhörung wird durch sein Widerspruchsrecht gem § 397 EO gewahrt; die Unterlassung der Vernehmung des Antragsgegners vor der Entscheidung stellt daher keinen Verfahrensmangel (LG Linz EF 121.514, 125.216; LG Salzburg EF 94.832, 106.312, 118.451, 125.216; LGZ Wien EF 102.521, 118.479 uva) und keinen Nichtigkeitsgrund gem § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (6 Ob 99/06m; LG Salzburg EF 121.371 ua) dar. Dies gilt auch dann, wenn dem Antragsgegner zwar zunächst eine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt wurde, die EV jedoch schließlich aufgrund eines neuen weiteren Sachvorbringens des Antragstellers erlassen wurde, ohne dass der Antragsgegner zu diesem ergänzenden Vorbringen gehört wurde (LG Salzburg EF 121.371). Auch bei einer EV nach § 382e Abs 1 EO ist die vorherige Anhörung des An- 102 tragsgegners durch das Gericht nicht zwingend, sondern von der gerichtlichen Einzelfallbeurteilung abhängig (Rz 100). Da bei einer EV ausschließlich nach § 382e EO jedenfalls eine Interessenabwägung vorzunehmen ist (vgl Rz 59) und im Regelfall keine Sachverhaltsdarstellung der Sicherheitsbehörde zur Frage eines Aufenthalts- und Kontaktverbots vorliegen wird, ist in diesem Fall aber eine Anhörung des Antragsgegners zur Sachverhaltsdarstellung im Allgemeinen schon deshalb notwendig, weil die vorgesehene Gegenüberstellung der schutzwürdigen Interessen sonst nicht vorgenommen werden kann und die Voraussetzungen für ein solches Verbot demnach nicht umfassend beurteilbar sind (so auch LG Wels EF 125.224; Hopf/Kathrein § 382c EO Anm 2; vgl aber LG Linz EF 112.642 [der Antragsgegner ist vor Entscheidung über einen solchen Verfügungsantrag nicht immer zu hören]). Zur Möglichkeit des Antragsgegners, eine Feststellungsklage bei einer EV ohne Hauptverfahren einzubringen, vgl § 382g EO Rz 24 mit den nicht nur für den Bereich des Stalkings geltenden Überlegungen. Wird der Gegner zur Äußerung zum Sicherungsantrag aufgefordert, darf 103 ihm nicht verwehrt werden, den vom Antragsteller behaupteten Anspruch durch geeignete Gegenbescheinigungsmittel zu entkräften zu versuchen, soweit dies mit den Mitteln und im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens möglich ist (4 Ob 366/79 = JBl 1980, 374; LGZ Graz EF-Z 2010/18 [Beck] = EF 1219
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125.205). Andernfalls hätte die vorherige Anhörung lediglich den Zweck, den Antragsgegner von der Erhebung des Widerspruchs gem § 397 EO auszuschließen, ohne ihm Mitwirkungsrechte im Verfahren zu eröffnen. Die angebotenen Gegenbescheinigungsmittel sind grundsätzlich iS eines fairen Verfahrens nach den Vorgaben der EMRK – bei sonstiger Mangelhaftigkeit des Verfahrens – aufzunehmen (LG Salzburg 121.569, 21 R 246/09m; LGZ Wien EF 98.696, 118.441, 48 R 14/09b; Kodek/Angst § 389 EO Rz 22), weil bei einer Äußerungsmöglichkeit des Antragsgegners vor der Erlassung der EV ein Widerspruch ausgeschlossen ist. Gegenbescheinigungsmittel sind aber nur zulässig, soweit die Gegenbescheinigung mit den Mitteln des Provisorialverfahrens möglich ist (LG Salzburg EF 121.569). Ob Gegenbescheinigungsmittel aufgenommen werden sollen, hängt daher davon ab, ob dies ausgeführt werden kann, ohne den Rahmen des Sicherungsverfahrens zu überschreiten (LG Linz EF 102.416; LG Salzburg EF 121.569; LGZ Wien EF 121.570). 104 Auch wenn sich der Antragsgegner nicht rechtzeitig äußerte und er gem § 56 Abs 2 und 3 EO als dem Antrag zustimmend anzusehen ist, ist das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für eine Provisorialmaßnahme infolge des zwingenden Charakters der Bestimmungen der EO über die Gewährung des beschleunigten Rechtsschutzes von Amts wegen zu prüfen (4 Ob 178/04m; 4 Ob 85/05m); dem Antrag auf Erlassung einer EV ist daher nicht allein aus diesem Grund stattzugeben, sondern es sind die Voraussetzungen für eine Provisorialmaßnahme nach dem GeSchG abzuklären. Daher darf nach Zustellung des Sicherungsantrags an den Antragsgegner zur Stellungnahme binnen vorgegebener Frist und ungenütztem Verstreichen dieses Zeitraums die EV nicht antragsgemäß mit der bloßen Begründung erlassen werden, dass keine Äußerung des Antragsgegners bei Gericht eingelangt und aus diesem Grund anzunehmen sei, dass der Antragsgegner dem Begehren keine Einwendungen entgegensetzt. Der Umstand, dass der Antragsgegner – warum auch immer – auf die Zustellung eines Sicherungsantrags nicht reagiert, befreit den Antragsteller nicht von seiner Behauptungs- und Bescheinigungspflicht und nimmt dem Gericht nicht die Aufgabe, die rechtlichen Voraussetzungen für eine beantragte Verfügung zu prüfen. Wenn auch das Provisorialverfahren als summarisches Eilverfahren in den meisten Fällen einseitig ist, hat dieser Grundsatz der Einseitigkeit doch seine Grenzen, weshalb das Gericht stets einzelfallbezogen beurteilen muss, ob die Anhörung des Antragsgegners zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich ist und ob der Antragsteller den behaupteten Sachverhalt ausreichend bescheinigen kann. 105 Das Gericht trifft aber auch gegenüber dem Antragsgegner keine Anleitungspflicht dahin, Beweise für seine Verantwortung anzubieten (LGZ Wien EF 106.314, 43 R 114/09x), wie im Provisorialverfahren generell keine Manuduktionspflicht des Gerichts gegenüber den Parteien gegeben ist (6 Ob 268/97y = EF 85.489; LGZ Wien EF 109.378, 43 R 114/09x). Auch der Antragsgegner 1220
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muss im Provisorialverfahren daher alle Umstände, die seinen Verfahrensstandpunkt begründen sollen, ebenso genau anführen und bescheinigen wie der Antragsteller sein Vorbringen zur Erwirkung einer EV. Aufgrund der Eilbedürftigkeit und des summarischen Verfahrenscharakters ist das Gericht auch nicht verpflichtet, dem Antragsgegner eine Verlängerung der Äußerungsfrist einzuräumen (LGZ Wien 44 R 270/09w).
5. Bescheinigungsmittel
Das Provisorialverfahren ist ein summarisches Eilverfahren, das nur parate 106 Bescheinigungsmittel iS des § 274 Abs 1 ZPO zulässt. Der Sinn des Provisorialverfahrens liegt darin, aufgrund bloßer Glaubhaftmachung ohne weitere weitläufige Erhebungen einstweilige Anordnungen für eine begrenzte Dauer zu treffen. Die Entscheidung über die EV erfolgt gem § 389 EO unter dem Gesichtspunkt der Wahrscheinlichkeit. Die damit angeordnete Gewinnung der Sachverhaltsgrundlagen in einer von den Förmlichkeiten der Beweisaufnahme befreiten Weise und die Beschränkung auf sofort ausführbare Beweisaufnahmen birgt zwangsläufig die Möglichkeit erweisbarer objektiver Unrichtigkeiten in sich. Dies nimmt der Gesetzgeber offenbar wegen der Dringlichkeit der Entscheidung und im Hinblick auf die zeitlich beschränkte Wirkungsdauer der zu erlassenden Verfügung bewusst in Kauf (LG Salzburg EF 118.440, 121.497, 21 R 246/09m). Wenn auch im Verfahren über einstweilige Verfügungen eine amtswegige Auf- 107 nahme von Beweismitteln nicht ausgeschlossen ist, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass das Gericht in diesen Verfahren ganz allgemein Beweise aufnehmen müsste, die gar nicht angeboten wurden (LGZ Wien 42 R 487/09t mwN). Hat eine Partei bestimmte Bescheinigungsmittel zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens angeboten, kann davon ausgegangen werden, dass dies abschließend gemeint ist, sodass auch kein Anlass besteht, die Partei zum Anbieten weiterer Beweismittel zur Durchsetzung bzw Bekräftigung ihres Standpunkts zu veranlassen (Kodek/Burgstaller/Deixler-Hübner § 389 EO Rz 13; vgl auch Rz 105). Gem § 274 Abs 1 ZPO, welcher aufgrund der Verweisungsnorm des § 78 EO 108 auch im Provisorialverfahren anzuwenden ist, eignen sich zur Glaubhaftmachung der relevanten Tatsachen lediglich solche Beweise, die sofort ausgeführt werden können. Nur solche angebotene taugliche Bescheinigungsmittel sind bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Die Frage, ob im Provisorialverfahren angebotene Bescheinigungsmittel in diesem Sinn parat sind, ist jeweils nach den Gegebenheiten des einzelnen Falls zu beurteilen. Die Vorladung von Zeugen und die Beischaffung von Urkunden und Akten sind nur dann zulässig, wenn dadurch keine dem Sinn und Zweck der im konkreten Fall beantragten 1221
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EV widersprechende Verzögerung eintritt. Wäre dazu eine Erstreckung der Tagsatzung erforderlich, handelt es sich dabei in aller Regel um einen nicht zulässigen Aufschub (LGZ Wien EF 112.610, 121.561). Eine Zeitverzögerung von einer Woche würde dem Zweck einer Gewaltschutz-EV zuwiderlaufen (LG Linz 15 R 16/06p). Gleiches gilt für die Ladung von Zeugen, deren Namen und Anschriften erst binnen zwei Wochen bekanntgegeben werden sollen; solche Zeugen können nicht als geeignete Gegenbescheinigungsmittel berücksichtigt werden (LG Salzburg EF 94.833; iglS LG Wels EF 115.534; LGZ Wien EF 109.380). IS dieser Leitlinien kann auch die Ablehnung eines pauschal zu einem gesamten Vorbringen beantragten Zeugen keinen Verfahrensmangel begründen (LGZ Wien 43 R 290/09d; vgl auch LGZ Wien EF 115.182). 109 Da die Anhörung des Antragsgegners in der Praxis die Ausnahme und die Beweiswürdigung nur eingeschränkt bekämpfbar ist (vgl Rz 125), kommt der Einvernahme des Antragstellers, bei der sich das Gericht zumindest einen gewissen persönlichen Eindruck verschaffen kann, besondere Bedeutung zu (daher keine Entscheidung nur auf Grund der Polizeidokumentation und des Parteienvorbringens [LGZ Wien EF 98.695]). Der Grundsatz der Unmittelbarkeit gilt im Provisorialverfahren nicht, sodass auch die Ergebnisse aus Verwaltungsakten herangezogen werden können (LG Linz EF 112.613). Verwertbar ist etwa auch ein Sachwalterschaftsakt, der das Krankheitsbild des Antragsgegners deutlich macht, insb dann, wenn die psychische Krankheit des Antragsgegners eine Ursache für seine gefährlichen Vorgangsweisen ist. Nicht sofort verwendbare Akten, die Beischaffung eines Aktes ohne Angabe eines Aktenzeichens (LG Linz EF 125.243), ein erst vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten und Auskunftspersonen, die dem Gericht nicht unverzüglich zur Vernehmung stellig gemacht werden können oder die nicht an der angegebenen Anschrift wohnen und einer Ladung demnach nicht Folge leisten können (OLG Wien EF 46.908; LGZ Wien EF 91.343), sind aber keine paraten Bescheinigungsmittel. Die „Einvernahme“ nur in Form einer telefonischen Befragung von Parteien oder Auskunftspersonen ist keine taugliche Vorgangsweise zur Sachverhaltsermittlung (LGZ Wien 109.382, 109.384). 110 Angesichts der Entscheidung des EGMR vom 15.10.2009, Beschw.Nr. 17056/ 06 (Micallef gegen Malta), wonach Art 6 Abs 1 EMRK grundsätzlich auch auf das Provisorialverfahren anzuwenden ist (vgl Rz 98), ist jedenfalls die in der Praxis bisher häufige – und ohnehin kritikwürdige – Vernehmung von Auskunftspersonen ohne Zuziehung der Parteien wohl nicht mehr zu rechtfertigen (vgl auch G. Kodek, EF-Z 2010/35). Der Umstand, dass Auskunftspersonen im Gerichtsverfahren einvernommen werden, ohne dass den Parteien auch nur ein Fragerecht eingeräumt würde, beschränkt die Parteirechte unverhältnismäßig, zumal die Beweiswürdigung im Rekursverfahren iZm unmittelbar aufgenommenen Bescheinigungsmitteln nicht anfechtbar ist und somit im Rechtsmittelverfahren auch nicht korrigiert werden kann (Rz 125). Die da1222
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Kosten
durch bereits im erstinstanzlichen Verfahren einzuhaltenden Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK müssen daher durch eine Wahrung der Parteirechte bei der Befragung von Auskunftspersonen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfüllt werden. Die analoge Anwendung der Vorschriften der ZPO über die Wiederaufnahms- 111 klage kommt im Provisorialverfahren (mit Ausnahme der Bestimmung eines einstweiligen Unterhalts) grundsätzlich nicht in Betracht (3 Ob 199/07x; 7 Ob 50/09t; 1 Ob 61/10t = JBl 2010, 601), weil Wiederaufnahmsanträge im Sicherungsverfahren nur dann zulässig sind, soweit eine die Sache endgültig erledigende Entscheidung ergangen ist. Im Verfahren über einen Antrag nach § 382b Abs 1 EO oder nach § 382e Abs 1 EO ist ein Antrag auf Wiederaufnahme abzuweisen. Bei Vorliegen eines dem Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO entsprechenden Sachverhalts kann allerdings grundsätzlich die Aufhebung oder Einschränkung der erlassenen EV beantragt werden. Dass im Wideraufnahmeantrag gegen eine EV Gründe geltend gemacht werden, die einen Aufhebungsantrag nach § 399 EO rechtfertigen würden, ersetzt aber nicht einen solchen Antrag, der ausdrücklich zu stellen ist (LGZ Wien EF 121.594). Eine inhaltliche Behandlung des Wiederaufnahmeantrags als Antrag gem § 399 Abs 1 EO ist daher nicht zulässig. 6. Kosten
Die Kostenentscheidung in Verfahren nach den §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 112 EO richtet sich gem § 393 Abs 2 EO nach den vom Erfolgsprinzip getragenen Bestimmungen der ZPO. Das Gericht hat anlässlich der Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer EV dem Zahlungspflichtigen den Kostenersatz aufzutragen, und zwar auch in jenen Verfahren, in denen ein Hauptverfahren iS des § 382b Abs 3 EO bereits eingeleitet ist; in solchen Verfahren geht es ja nicht um die Rechtfertigung einer erlassenen EV. Dabei sind im Provisorialverfahren die Kosten spätestens am Ende der Vernehmungstagsatzung zu verzeichnen (LG Salzburg EF 98.091; LGZ Wien EF 121.583). Die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels hat eine Partei selbst zu tragen. Einem Antragsgegner sind die Kosten einer erfolgreichen Rekursbeantwortung zuzusprechen (LG Salzburg EF 112.629; LGZ Wien 44 R 145/09p). Hat der Antragsgegner allerdings die EV zur Gänze bekämpft, aber lediglich hinsichtlich der Geltungsdauer Erfolg gehabt, fällt dieses Obsiegen kostenmäßig nicht ins Gewicht (LGZ Wien EF 121.521). Ein Ausspruch, der Antragsteller habe seine Kosten vorläufig selbst zu tragen, kommt in Verfahren über Anträge auf Erlassung einer Gewaltschutz-EV nicht in Betracht, weil § 393 Abs 2 EO als lex specialis zu Abs 1 dieser Bestimmung anzusehen ist (3 Ob 166/02m). 1223
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113 Der Antragsteller hat eine Bewertung des Streitgegenstands vorzunehmen; unterlässt er dies, ist für die Gerichtsgebühren vom Zweifelsstreitwert des § 17 lit a GGG (Bemessungsgrundlage 1.232 Euro) und für die Rechtsanwaltskosten vom Streitwert nach § 14 lit c RATG (730 Euro) – und nicht von jenem des § 56 Abs 2 dritter Satz JN – auszugehen (3 Ob 235/09v; LG Salzburg EF 106.332, 118.443; LG Wels EF 112.632; LGZ Wien EF 112.658, 118.443, 121.580, 48 R 100/09z, 48 R 194/09y). Nur dann, wenn eine EV im Rahmen eines Scheidungsverfahrens beantragt wird, gilt der Streitwert nach § 10 Z 4 lit a RATG (3 Ob 166/02m = ÖJZ-LSK 2003/36); sonst beträgt der Streitwert 4.360 Euro (LGZ Wien 44 R 145/09p). Das bloße Interesse am Kostenersatz begründet kein rechtliches Interesse an der Entscheidung über eine bedeutungslos gewordenen Hauptsache (7 Ob 253/03m = EF 105.907). Wird eine Verlängerung der EV gem § 382b EO im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens beantragt, beträgt die Kostenbemessungsgrundlage 4.360 Euro (§ 10 Z 4 lit a RATG; 7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 = EF 118.475). 114 Auf das Verfahren über die Aufhebung einer EV, das kostenrechtlich ein selbstständiger Zwischenstreit ist, ist § 393 EO nicht anzuwenden (LG Salzburg EF 121.582). 7. Zustellung der EV
115 § 382c Abs 4 EO soll verhindern, dass einstweilige Verfügungen nach einer polizeilichen Wegweisung des Antragsgegners mangels Zustellungsmöglichkeit an ihn nicht wirksam werden. Die Zustelladresse, die der Antragsgegner den Organen der Sicherheitsbehörde aus Anlass ihres Einschreitens gem § 38a Abs 3 SPG bekanntgibt, gilt auch als Abgabestelle für das Gerichtsverfahren über die EV nach § 382b Abs 1 EO und § 382e Abs 1 EO. Wenn der Antragsgegner den Sicherheitsbeamten eine solche Abgabestelle nicht nennt, obwohl er von ihnen über die Rechtsfolgen der Verweigerung einer solchen Bekanntgabe informiert wird, kann ihm die EV im Provisorialverfahren durch Hinterlegung bei Gericht ohne vorangehenden Zustellversuch zugestellt werden, bis dem Gericht eine Abgabestelle mitgeteilt wird. Diese Bekanntgabe kann nicht nur durch den Gegner selbst, sondern auch durch den Antragsteller oder die Sicherheitsorgane erfolgen. Wird eine Zustellung der EV an der vom weggewiesenen Antragsgegner genannten Abgabestelle angestrebt und das Gerichtsstück mit dem Vermerk „Empfänger verzogen“ an das Gericht retourniert, ist keine zusätzliche Hinterlegung erforderlich. Die Hinterlegung gem § 38 Abs 3 zweiter Satz SPG ist nur für den Fall vorgesehen, dass der Antragsgegner die Bekanntgabe einer Abgabestelle überhaupt unterlässt. 116 Wird die EV nach § 382b EO gemeinsam mit einer EV nach § 382e EO erlassen, verweist § 382e Abs 3 EO auf § 382c Abs 4 EO und stellt damit im Fall 1224
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Widerspruch und Rekurs
einer polizeilichen Wegweisung des Antragsgegners aus der Wohnung nach § 38a SPG eine wirksame Zustellung der EV im Gerichtsverfahren über diese EV sicher. Die vom Antragsgegner gegenüber den Sicherheitsorganen anlässlich der Wegweisung gem § 38a Abs 3 SPG bekannt gegebene Abgabestelle gilt dann als Zustelladresse für das gerichtliche Verfahren über die EV nach den §§ 382b, 382e EO. Hat der Antragsgegner die Bekanntgabe einer solchen Abgabestelle trotz Hinweises auf die Rechtsfolgen verweigert, so können die Zustellungen im Verfahren über beide Verfügungen so lange durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorgenommen werden, bis dem Gericht eine Abgabestelle bekanntgegeben wird. Diese Regelungen gelten aber ausschließlich bei gemeinsamer Beschlussfassung über die EV nach § 382b EO und nach § 382e EO.
8. Widerspruch und Rekurs a) Reihung der Anträge
Bei Rekurs und Widerspruch gegen die EV nach § 382b Abs 1 EO und nach 117 § 382e Abs 1 EO hat der Antragsgegner die Wahl festzulegen, über welchen Rechtsbehelf zunächst zu entscheiden ist. Er kann daher auch Widerspruch und nur für den Fall der Erfolglosigkeit Rekurs erheben. Erhebt der Antragsgegner gleichzeitig – und ohne bestimmte (ausdrückliche) Reihung – Widerspruch und Rekurs, so ist iS einer Verfahrensbeschleunigung zuerst über den Rekurs und dann (durch das Erstgericht) über den Widerspruch zu entscheiden (LG Linz EF 109.431, 115.591, 121.586; LG Salzburg EF 112.662; LGZ Wien EF 121.586; Kodek/Angst § 397 EO Rz 6). b) Widerspruchsverfahren
Das rechtliche Gehör des Antragsgegners, der sich vor der Entscheidung zum 118 Sicherungsantrag nicht äußern konnte, wird durch das Widerspruchsrecht nach § 397 Abs 1 EO gewahrt. Durch die Möglichkeit, Widerspruch zu erheben und im Rahmen dieses Rechtsbehelfs sämtliche Neuerungen vorzubringen, steht das im Rekursverfahren auch bei Unterbleiben der Anhörung des Antragsgegners im erstinstanzlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot im Einklang mit Art 6 EMRK (zweifelnd G. Kodek, EF-Z 2010/35). Eine dieser Verfahrensgarantie gerecht werdende Auslegung würde es nicht gestatten, das Neuerungsverbot für den Rekurs gegen einen Beschluss, der ohne Anhörung des Antragsgegners ergangen ist, auch dann gelten zu lassen, wenn kein anderes Rechtsmittel bzw kein sonstiger Rechtsbehelf mit Neuerungserlaubnis zur Nachholung des rechtlichen Gehörs zur Verfügung steht (LGZ Wien EF 125.209). 1225
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Die Unterlassung einer Befragung des Antragsgegners vor der EV kann daher weder den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (6 Ob 99/06m) noch einen Verfahrensmangel verwirklichen (vgl Rz 101). Maßgebend ist nur, ob das Gericht dem Gegner das rechtliche Gehör eingeräumt hat, nicht aber, ob dieser sich auch tatsächlich geäußert hat (LGZ Wien 48 R 14/09b; Kodek/ Angst § 397 EO Rz 2). Ein Widerspruch ist daher ausgeschlossen, wenn der Antragsgegner trotz Aufforderung zum Sicherungsantrag nicht Stellung genommen hat (6 Ob 366/97k = EF 85.512; LGZ Wien EF 115.592). Wurde die Aufforderung zur Äußerung zum Sicherungsantrag nicht gehörig zugestellt, kann die EV dennoch nicht wegen Nichtigkeit iS des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO angefochten werden; in diesem Fall steht dem Antragsgegner allerdings wiederum der Widerspruch zu (LGZ Wien 48 R 14/09b; Kodek/Angst § 397 EO Rz 2). 119 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens – in dem keine Anwaltspflicht besteht – ist nur die Überprüfung der objektiven Richtigkeit der erlassenen EV nach Maßgabe der zur Zeit ihrer Erlassung gegebenen Sach- und Rechtslage, ohne dass der Beschluss über den Widerspruch gegenüber der EV eine völlig neue und von ihr gänzlich unabhängige Entscheidung darstellen würde. Der Widerspruch dient der Nachholung des zunächst nicht gewährten rechtlichen Gehörs und ersetzt lediglich die vor der Erlassung der EV unterbliebene Vernehmung des Antragsgegners (LG Salzburg 21 R 261/09t; LGZ Wien 43 R 290/09d mwN). Mit der Entscheidung über seinen Widerspruch wird der Antragsgegner so gestellt, wie er stünde, wenn die EV erst nach Einholung seiner Äußerung erlassen worden wäre (4 Ob 257/05 f = EF 115.593). Die Überprüfung erfolgt aufgrund der Sachlage zur Zeit der Erlassung der EV (4 Ob 257/05 f = EF 115.593). Das Gericht kann diese Entscheidung bestätigen, abändern oder zur Gänze aufheben. Zur Unzulässigkeit des Widerspruchs bei einer Entscheidung über die Verlängerung der Geltungsdauer der EV s Rz 78. Der Antragsteller kann daher im Widerspruchsverfahren sein Sicherungsbegehren nicht auf neue Tatsachen und Rechtsgründe stützen (LG Wels EF 121.588). 120 Im Widerspruchsverfahren hat der Antragsgegner aber die Möglichkeit, neue Tatsachen und auch Rekursgründe wie etwa unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machen. Er kann vorbringen, dass der behauptete Anspruch nicht bescheinigt und dennoch die beantragte EV erlassen worden sei oder dass der Anspruch überhaupt nicht bestehe. Dem Antragsgegner steht es also offen, mit seinem Widerspruch alle (tatsächlichen) Umstände anzuführen, wonach die bewilligte EV unzulässig ist (LG Salzburg EF 118.481; LGZ Wien EF 115.590, 43 R 223/09a). Im Widerspruchsverfahren findet aber keine Umwürdigung unmittelbar im Sicherungsverfahren aufgenommener Beweise statt (LG Wels, LGZ Wien EF 121.589). Durch den Widerspruch wird die EV auch nicht außer Kraft gesetzt; 1226
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Widerspruch und Rekurs
vielmehr muss dadurch über die EV nur im Rahmen der Anfechtungspunkte neu entschieden werden. Die unterbliebene Einvernahme des säumigen Widerspruchswerbers begrün- 121 det keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (LG Salzburg EF 121.590). Da auch das Widerspruchsverfahren ein Teil des Provisorialverfahrens und damit ein summarisches Eilverfahren mit beschränkter Stoffsammlung (LGZ Wien EF 112.455, 118.483 uva) ist, sind nur parate Bescheinigungsmittel (Rz 105 ff) zu berücksichtigen und alle Beweisaufnahmen, die sich nicht sofort in derselben Verhandlung ausführen lassen, nach § 274 ZPO ausgeschlossen. Die Parteien haben daher die Bescheinigungsmittel zur Verhandlung mitzubringen oder durch Antragstellung vor der Verhandlung dafür zu sorgen, dass sie rechtzeitig vorhanden sind (LGZ Wien EF 118.483). Wenn sich ein Antragsteller mehrfach, wenn auch durchaus begründet, von der Vernehmung im Widerspruchsverfahren entschuldigt, ist seine Vernehmung nicht als parates Bescheinigungsmittel anzusehen (LGZ Wien EF 118.478). Auch die abermalige Ladung von – aus welchen Gründen immer – zur vorgesehenen Verhandlung nicht gekommenen Zeugen hat nicht zu erfolgen (LGZ Wien EF 118.483). c) Rechtsmittelverfahren
Die Entscheidung der ersten Instanz ist im Rechtsmittelverfahren aufgrund 122 der Sach- und Aktenlage zur Zeit ihrer Erlassung zu überprüfen, sodass das Rekursgericht auf der gleichen Sachverhaltsgrundlage zu entscheiden hat, wie sie dem Erstgericht vorlag. Im Rekursverfahren über eine Gewaltschutz-EV gilt das Neuerungsverbot, und zwar auch dann, wenn der Antragsgegner in erster Instanz nicht gehört wurde (9 Ob 37/01h = EF 98.707; 7 Ob 253/03m = EF 106.329; LG Feldkirch EF 115.551; LG Salzburg EF 106.328, 125.207; LG Wels EF 115.551, 125.208; LGZ Wien EF 106.329, 115.551, 125.208 uva). Auch wenn der Antragsgegner im Rekurs etwa erstmals die Einvernahme von Zeugen beantragt, scheitert dieses Begehren am Neuerungsverbot in diesem Verfahrensstadium (LGZ Wien 43 R 317/09z, 43 R 503/09b). Neue Umstände, die nach der Erlassung der EV zum Wegfall des Sicherungszwecks führen können, wie zB das Zulassen von Kontakten durch den Antragsteller oder eine Versöhnung der Parteien, können daher nur mit einem Widerspruch nach § 397 EO oder einem Antrag auf Aufhebung der Verfügung gem § 399 Abs 1 Z 2 EO geltend gemacht werden (LG Salzburg 21 R 331/09m; LGZ Wien EF 94.834, 112.625). Jedes Rechtsmittel setzt eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse voraus, 123 weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die von Amts wegen zu beachtende Beschwer muss zur Zeit des Einlangens des Rechtsmittels gegeben sein und im Zeitpunkt der Entschei1227
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dung über das Rechtsmittel fortbestehen. Erhebt der Antragsgegner erst nach Ablauf der Geltungsfrist der EV einen (ao) Revisionsrekurs, so ist dieser als unzulässig zurückzuweisen. Das bloße Interesse an allfälligen, dem Antragsgegner durch die EV entstehenden Folgeansprüchen für Vermögensschäden nach § 394 EO begründet keine Beschwer (6 Ob 36/08z = EvBl 2008/156; 9 Ob 52/08z = EF-Z 2009/83 [Beck]), weil sich das für die Sachentscheidung erforderliche Rechtsschutzinteresse aus dem Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens selbst ergeben muss und nicht von möglichen Folgeansprüchen abhängen kann, von denen zum Zeitpunkt der Beurteilung der Rekurslegitimation im Provisorialverfahren nicht einmal klar ist, ob sie jemals geltend gemacht werden. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels im Rechtsstreit über die EV darf aber nicht von einer vielleicht nie stattfindenden Geltendmachung von Ansprüchen in einem eigenständigen Schadenersatzverfahren abhängig sein. Die grundsätzliche Möglichkeit solcher Schadenersatzansprüche kann daher eine Überprüfung der EV gem § 382b Abs 1 EO durch die Rechtsmittelinstanzen nach Wegfall der Beschwer nicht rechtfertigen (gegen eine Abhängigkeit der Beschwer von potenziellen Folgeansprüchen nach § 394 EO auch König Rz 6/ 86; G. Kodek/Burgstaller/Deixler-Hübner § 402 EO Rz 25 f; aA 6 Ob 77/99p = RZ 2000/5; 3 Ob 198/08a = EF 121.504 [solange eine EV nach § 382b EO nicht aufgehoben ist, muss dem Antragsgegner ein Rechtsschutzinteresse für einen Rekurs gegen ihre Bewilligung selbst dann zugebilligt werden, wenn die Provisorialmaßnahme bereits durch Zeitablauf überholt ist]; LG Salzburg EF 118.444 [der Umstand, dass die EV wegen Zeitablaufs überholt ist, nimmt dem Antragsgegner schon im Hinblick auf Ersatzansprüche nach § 394 EO noch nicht die Beschwer]). 124 § 78 EO verweist ua darauf, dass die Bestimmungen der ZPO über das Rechtsmittel des Rekurses subsidiär heranzuziehen sind; demnach gelten im Rekursverfahren die §§ 514 bis 528a ZPO. Nach § 520 Abs 1 letzter Halbsatz ZPO müssen schriftliche Rekurse mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein. Erhebt ein unvertretener Antragsgegner schriftlich Rekurs gegen die Erlassung einer EV, hat das Erstgericht ein Verbesserungsverfahren nach § 84 ZPO – unter Setzung einer Frist – durchzuführen. Dem Rekursverfasser ist demnach unter angemessener Fristsetzung aufzutragen, den Mangel zu beheben, widrigenfalls das Rechtsmittel zurückzuweisen ist (LGZ Wien EF 125.206). 125 Die Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Rekursgericht ist im Sicherungsverfahren insoweit ausgeschlossen, als der Richter den strittigen Sachverhalt aufgrund bei ihm abgelegter Parteien- oder Zeugenaussagen als bescheinigt angenommen hat (6 Ob 650/93 [verst Senat] = JBl 1994, 549 = EF 73.269; 6 Ob 311/02g = EF 106.324; 5 Ob 129/05i = EF 112.618 uva). Dies gilt auch dann, wenn nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar aufgenommene Bescheinigungsmittel (etwa der Bericht der Sicherheitsbe1228
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Widerspruch und Rekurs
hörde) verwertet wurden (8 Ob 114/07h; LG Salzburg EF 121.510, 21 R 261/ 09t; LG Wels EF 121.510, 125.212; LGZ Wien EF 125.212). Die Unanfechtbarkeit der Beweiswürdigung im Provisorialverfahren ist darauf zurückzuführen, dass über den Rekurs gem § 526 Abs 1 ZPO ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden ist und damit eine mündliche Rekursverhandlung ausgeschlossen wird; dadurch sind dem Rekursgericht aber eine Beweisaufnahme und ein Abweichen von dem in der Entscheidung des Erstgerichts als bescheinigt angenommenen Sachverhalt verwehrt. Bei einer unmittelbaren Beweisaufnahme ist die Beweiswürdigung nur im Rahmen der Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO bekämpfbar (LG Salzburg EF 118.450; LGZ Wien 91.290, 112.620, 118.450, 121.512, 125.214 uva), also dann, wenn die Fassung der Entscheidung so mangelhaft ist, dass deren Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, die Entscheidung mit sich selbst in Widerspruch ist oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind und diesen Mängeln durch eine vom Rechtsmittelgericht angeordnete Berichtigung der Entscheidung nicht abgeholfen werden kann. Die Bekämpfung von Tatsachenfeststellungen, die auf der Würdigung der unmittelbar abgelegten Aussagen der Parteien und Auskunftspersonen beruhen, ist nur dann zulässig, wenn sie in der Aktenlage keine Deckung findet oder einen Verstoß gegen die Denkgesetze enthält (LG Salzburg EF 118.449; LGZ Wien EF 118.449, 121.511, 125.213 uva). Standen einander die Aussagen der Parteien unvereinbar gegenüber und musste sich demnach die Tatsacheninstanz unweigerlich für eine der beiden Darstellungen entscheiden, dann gehört dies geradezu zum Wesen der freien Beweiswürdigung und stellt keine einen Verfahrensmangel bildende Überraschung der Parteien dar (LGZ Wien EF 121.513). Werden hingegen Feststellungen allein aus Urkundenbeweisen abgeleitet, sind sie als Ergebnis einer mittelbaren Beweisaufnahme bekämpfbar (LG Wels EF 125.215; LGZ Wien EF 118.452, 125.215). Besteht ein Entscheidungsgegenstand nicht in einem Geldbetrag, ist er 126 grundsätzlich auch in einem Provisorialverfahren vom Rekursgericht zu bewerten. Dies gilt nicht iZm mit Gewaltschutz-Verfügungen. Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht ist hier nicht erforderlich, weil der Entscheidungsgegenstand zwar auch geldwerte Aspekte aufweist, im Wesentlichen jedoch durch den nicht geldwerten Gehalt, der in der Änderung der persönlichen Lebensgestaltung der Parteien gelegen ist, charakterisiert wird (1 Ob 90/98m = EF 91.344; 6 Ob 77/99p = EvBl 1999/198; 3 Ob 1/08 f = EF-Z 2008/116 = JBl 2008, 665). Dies gilt auch, wenn die EV eingetragene Partner und Lebensgefährten betrifft.
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9. Strafdrohungen
127 Die Androhung bestimmter Geld- und Haftstrafen in Gewaltschutz-Verfügungen ist nicht zulässig (5 Ob 129/05i = EF 112.615). Gleiches gilt für eine Androhung von Strafen bei der Exekutionsführung nach § 355 EO (LGZ Wien 45 R 353/09h). Solche Strafdrohungen sind rechtlich bedeutungslos und nicht bindend.
10. Durchsetzung der EV
128 Die einstweiligen Verfügungen nach den §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO können gem §§ 382d Abs 4, 382e Abs 4 EO durch die Sicherheitsbehörden vollzogen werden. Im Übrigen ist die EV nach § 382e EO nach den Bestimmungen des 3. Abschnitts im 1. Teil der EO zu vollziehen, sodass auf Antrag neben dem Vollzug durch die Sicherheitsbehörden oder an dessen Stelle eine gerichtliche Unterlassungsexekution mit Zwangsstrafen möglich ist. 129 Gem § 384 Abs 1 EO sind dann, wenn dem Antragsgegner die Vornahme oder die Unterlassung bestimmter Handlungen und Veränderungen zur Pflicht gemacht wurde, zur Durchsetzung dieser gerichtlichen Verfügungen die §§ 353 bis 358 EO entsprechend anzuwenden. Die Bewilligung der Unterlassungsexekution nach § 355 EO zur Durchsetzung einer Gewaltschutz-EV setzt voraus, dass der betreibende Gläubiger ein Zuwiderhandeln des Verpflichteten gegen den Exekutionstitel nach Eintritt der Vollstreckbarkeit im Exekutionsantrag konkret und schlüssig – mit näheren Angaben über Zeit, Ort und Art des Zuwiderhandelns (3 Ob 225/06v = EF 115.341) – behauptet. Nur ein Verhalten des Verpflichteten, welches eindeutig gegen das in der EV ausgesprochene Unterlassungsgebot verstößt, rechtfertigt die Exekutionsschritte gem § 355 EO (3 Ob 184/05p = EF 112.394; 3 Ob 159/06p = EF 115.342). Für diese Beurteilung ist allein der Wortlaut des Spruchs der EV maßgebend. Verbleibende Unklarheiten über den Umfang des Verbots bzw die Frage, welches Verhalten durch das aus dem Exekutionstitel hervorgehende Gebot oder Verbot noch gedeckt ist, gehen zu Lasten des betreibenden Gläubigers (4 Ob 1002/93). Wenn auch der betreibende Gläubiger gem § 358 Abs 1 EO den Antrag auf Bewilligung der Exekution und jeden Strafantrag zugleich dem Verpflichteten direkt zu übersenden hat, hindert das Unterbleiben dieser Verständigung nicht die Exekutionsbewilligung, weil das Gesetz bei einem Verstoß des betreibenden Gläubigers gegen die Verständigungspflicht nur indirekte Sanktionen vorsieht, etwa dass dieser Umstand bei der Strafzumessung zugunsten des Verpflichteten berücksichtigt werden kann (LGZ Wien 45 R 353/09h; Klicka/ Angst § 355 EO Rz 17 f). Gegenstand des Verfahrens, das dieser Entscheidung des LGZ Wien zugrundeliegt, war ein zeitlich befristetes Aufenthalts- und 1230
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Aufhebung
Kontaktaufnahmeverbot gegen den Antragsgegner mittels EV und ein Beschluss, mit dem über ihn wegen mehrerer Verstöße gegen diese Entscheidung eine Geldstrafe von 500 Euro verhängt und ihm für den Fall des weiteren Zuwiderhandelns eine Geldstrafe von weiteren 1.000 Euro angedroht wurde. Zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen ist gem § 355 EO das 130 Exekutionsmittel der Verhängung einer Geldstrafe vorgesehen, wobei für den ersten Strafbeschluss bereits ein einmaliges Zuwiderhandeln nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels reicht (LGZ Wien 45 R 353/09h). Die Strafe ist dabei vom Exekutionsgericht nach Art und Schwere des jeweiligen Zuwiderhandelns unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten auszumessen, wobei im Strafbeschluss gem § 355 Abs 1 letzter Satz EO (als Ausnahme von § 63 EO und § 78 EO iVm § 428 Abs 1 ZPO) auch die Gründe anzuführen sind, die für die Festsetzung der Höhe der Strafe maßgeblich sind. Ein Begründungsmangel führt unvermeidbar zur Aufhebung der bekämpften Entscheidung.
O. Aufhebung der EV Das Gericht muss den Zeitraum festlegen, für den die Sicherungsmaßnahmen 131 getroffen werden. Die Geltungsfrist einer EV kann dabei mit einem Enddatum oder anhand eines Ereignisses ausgemessen werden und etwa bis zum Eintritt der Rechtskraft eines Urteils in einem bestimmten Prozess dauern. Die EV erlischt durch den Ablauf der Frist, für die sie bewilligt wurde, aber nicht von selbst, sondern bleibt bis zu ihrer ausdrücklichen Aufhebung durch das Gericht gem § 399 Abs 1 Z 2 EO aufrecht (stRsp, zB 3 Ob 38/84 = EF 46.930 f; 3 Ob 522/86 = EF 52.464; 6 Ob 77/99p = EvBl 1999/198; 7 Ob 157/ 07z = EF-Z 2008/44 [Beck] = iFamZ 2008/19 = EF 118.484; 9 Ob 32/09k = EF-Z 2010/112 = EF 125.222), weil sich die Befristung nur auf die Sicherungsmaßnahme bezieht (Konecny, ÖBA 1997, 987 ff). Daher ist zwischen der Wirkung des Ablaufs der Verfügungsfrist auf die EV als Beschluss einerseits und auf die damit verhängten Sicherungsmaßnahmen andererseits zu unterscheiden (4 Ob 96/07g = EvBl 2007/174; Konecny, ÖBA 1997, 987 [988 ff]). Der Gerichtsbeschluss besteht bis zu seiner Aufhebung oder Abänderung durch eine gerichtliche Entscheidung und muss daher eigens aufgehoben werden; die Befristung bezieht sich somit nur auf die angeordneten Sicherungsmaßnahmen. Dies bedeutet, dass das ausgesprochene Verbot mit dem in der EV bestimmten Zeitpunkt endet (1 Ob 210/01s mwN; 7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 [Beck]) und mit dem Aufhebungsbeschluss in aller Regel sämtliche Sicherungsmaßnahmen ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Verfügungsfrist als rückwirkend beseitigt gelten, dass dem Antragsteller aber aufgrund der EV weiterhin 1231
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für ein Zuwiderhandeln vor Ablauf des festgesetzten Endigungstermins auch nachträglich noch die Exekution bewilligt werden kann, solange die EV nicht aufgehoben wurde (4 Ob 96/07g = EvBl 2007/174; 7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 [Beck] = EF 118.484). Die Aufhebung einer EV infolge Zeitablaufs nach § 399 Abs 1 Z 2 EO wirkt im Regelfall auch nicht auf den Zeitpunkt der Bewilligung der EV, sondern lediglich auf den Zeitpunkt des Fristablaufs zurück. Der Aufhebungsbeschluss – der keinen ausdrücklichen Ausspruch über die beschränkte Rückwirkung der Aufhebung einer EV umfassen muss – bezieht sich daher nur auf den Zeitpunkt ab dem Fristablauf (4 Ob 96/07g = EvBl 2007/174). Die Exekution aufgrund dieser EV bleibt davon somit unberührt. 132 Die Aufhebung einer EV gem § 399 Abs 1 Z 2 EO setzt voraus, dass sich die Verhältnisse, in Anbetracht derer die EV bewilligt wurde, derartig geändert haben, dass der Fortbestand der EV zur Sicherung des Antragstellers nicht mehr notwendig ist, dass also wegen veränderter Umstände keine Gefahr für den Antragsteller mehr besteht (6 Ob 312/98w = EF 88.399). Ein Antrag auf Aufhebung oder Einschränkung einer EV nach dieser Bestimmung kann daher nur auf einen Wegfall des Sicherungsbedürfnisses infolge einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse gestützt werden (3 Ob 199/07x mwN = JBl 2008, 464; 1 Ob 61/10t = JBl 2010, 601). Dies gilt etwa dann, wenn der Antragsteller nach einer Wegweisung des Antragsgegners gem § 382b Abs 1 EO eine gleichwertige Wohnung erwirbt und damit kein dringendes Wohnbedürfnis an der bisherigen Wohnung mehr hat oder wenn gegen den Antragsgegner gem § 382e Abs 1 EO ein Aufenthaltsverbot angeordnet wurde, das sich etwa auf den Kindergarten bezog, und das Kind diese Einrichtung später nicht mehr besucht. Die Aufhebung der EV setzt jedenfalls – und damit auch dann, wenn sie auf den Ablauf der Geltungsfrist gestützt wird (LG Salzburg EF 121.592) – einen Antrag voraus. 133 Während sich Rekurs und Widerspruch iS des § 397 EO gegen die Bewilligung einer EV richten, müssen die einen Aufhebungsantrag gem § 399 Abs 1 Z 2 EO rechtfertigenden Umstände der EV also nachfolgen. Hingegen bilden Umstände, die bereits vor Bewilligung der EV bestanden, aber im vorangegangenen Verfahren nicht oder erfolglos vorgebracht wurden, keinen Aufhebungsgrund. In einem Aufhebungsantrag kann auch nicht geltend gemacht werden, dass die EV seinerzeit zu Unrecht bewilligt worden wäre oder dass sich der damals als bescheinigt angenommene Sachverhalt nachträglich als unrichtig oder unvollständig herausgestellt hätte (3 Ob 515/83 = EF 44.362; LG Salzburg EF 115.596; LGZ Wien EF 115.595, 121.596, 44 R 378/09b). Stützt ein Antragsgegner seinen Aufhebungsantrag ausschließlich auf Umstände, die er schon im Verfahren vor Erlassung der EV hätte vorbringen können bzw erfolglos vorbrachte, bekämpft er in Wahrheit die ursprüngliche Richtigkeit der 1232
§§ 382b–382e EO
Aufhebung
EV und macht keine nachträgliche Änderung der Verhältnisse geltend, wie sie obligatorische Voraussetzung für die Aufhebung der Provisorialmaßnahme ist. Ebenso wenig stellt eine Änderung der Beweislage einen Aufhebungsgrund 134 dar (4 Ob 70/95; 6 Ob 26/99p; 3 Ob 199/07x = JBl 2008, 464; 1 Ob 61/10t = JBl 2010, 601; König Rz 8/17; Kodek/Angst § 399 EO Rz 2; zur Unanwendbarkeit der Bestimmungen der ZPO über die Wiederaufnahmsklage im Provisorialverfahren s Rz 111). Mit seinem Einwand der Änderung der Beweislage macht ein Antragsgegner nur geltend, dass die EV zu Unrecht bewilligt worden sei; dieses Vorbringen kann aber nur mit Widerspruch oder Rekurs erstattet werden. Ein Freispruch des mit EV weggewiesenen Antragsgegners im folgenden Strafverfahren vermag somit keine Aufhebung der EV zu rechtfertigen, sofern der Tatverdacht gegen den Antragsgegner trotz dieses Ausgangs des Strafprozesses weiterhin besteht und die Gefährdungslage des Antragstellers aus diesem Grund unverändert ist; der Anspruch des Antragstellers auf körperliche Sicherheit erlöscht durch ein vorliegendes Straferkenntnis unabhängig von seinem Inhalt noch nicht. Auch wenn ein (auf Antrag der durch ihre Mutter vertretenen minderjährigen ehelichen Kinder) aus der Wohnung weggewiesener Vater im folgenden Strafprozess vom Verdacht des sexuellen Missbrauchs eines Kindes gem § 206 Abs 1 StGB rechtskräftig freigesprochen wird, ist dies somit kein Grund für die Aufhebung der EV, weil das Strafurteil keine Bindungswirkung für das Zivilverfahren hat (3 Ob 199/07x = JBl 2008, 464). Beweisergebnisse eines Strafverfahrens sind in erster Linie neue Beweismittel, die nur eine Änderung der Beweislage herbeiführen können, welche aber keinen Aufhebungsgrund iS des § 399 Abs 1 Z 2 EO bildet. Wenn demnach das Gericht vom Fortbestehen der Gefährdungslage der Kinder trotz erfolgten Freispruchs des Vaters im Strafprozess ausgeht, ist die EV aufrechtzuerhalten. Nicht nur das Verfahren zur Erlassung einer Gewaltschutz-EV, sondern jede 135 sonstige Entscheidung im Rahmen des Sicherungsverfahrens, insb auch eine solche über die Aufhebung oder Einschränkung einer erlassenen EV, gehört zum Provisorialverfahren, welches seinen gesetzlichen Grundlagen nach ein summarisches Eilverfahren ist. Aufhebungs- bzw Einschränkungsgründe sind daher nicht zu beweisen, sondern – nach den allgemeinen Grundsätzen des Bescheinigungsverfahrens – bloß glaubhaft zu machen (LGZ Wien EF 118.485). Gem § 399 Abs 2 EO idF der EO-Nov 2005 ist eine mündliche Verhandlung 136 über einen Aufhebungsantrag nicht mehr zwingend vorgeschrieben (LGZ Wien 44 R 378/09b; aM noch LGZ Wien EF 94.844, 109.436 [ein ohne Verhandlung gefasster Aufhebungsbeschluss ist nichtig]; vgl auch LGZ Wien EF 118.487 [werden die Parteien über den Aufhebungsantrag nur getrennt voneinander vernommen, wird aber keine mündliche Verhandlung durchgeführt, ist 1233
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die Entscheidung über den Aufhebungsantrag nichtig]). Vor der Entscheidung ist lediglich die gefährdete Partei zu vernehmen, was allerdings auch durch die Einräumung einer schriftlichen Äußerungsmöglichkeit (§ 56 Abs 3 EO) ersetzt werden kann (LGZ Wien 44 R 378/09b). Diese Rechtslage wurde durch die neuere Rsp des EGMR nicht verändert. In seiner Entscheidung vom 15.10.2009, Beschw.Nr. 17056/06 (Micallef gegen Malta), erachtete der EGMR erstmals Art 6 Abs 1 EMRK auch im Provisorialverfahren für anwendbar, sofern eine Entscheidung über „civil rights“ vorliegt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine EV nach § 382b Abs 1 EO oder § 382e Abs 1 EO Verfahrensgegenstand ist (vgl Rz 98). Die Vorgaben des Art 6 EMRK können allerdings trotz Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung verwirklicht sein, wenn das Gericht bei unstrittigem Sachverhalt ausschließlich Rechtsfragen oder in hohem Maß technische Fragen zu klären hat (1 Ob 61/10t mwN = JBl 2010, 601). Nach einem Antrag auf Aufhebung einer EV wird regelmäßig die Beurteilung entscheidend sein, ob sich aus dem Vorbringen überhaupt gerechtfertigte Aufhebungsgründe iS des § 399 Abs 1 Z 2 EO ableiten lassen. Ist diese Frage zu verneinen, muss das Gericht kein Bescheinigungsverfahren durchführen; in einem solchen Fall wird ein Verfahren auch ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Anforderungen der EMRK gerecht.
P. Antragstellung durch Kinder 137 Zur Antragstellung nach den §§ 382b, 382e und 382g EO sind auch die minderjährigen ehelichen Kinder berechtigt. Sie werden im Verfahren durch den Antrag stellenden Elternteil im Rahmen der Obsorgeausübung allein vertreten (LGZ Wien EF 88.389, 98.647; vgl auch 3 Ob 199/07x); ein Kollisionskurator ist nicht zu bestellen. Sicherungsanträge nach den §§ 382b, 382e und 382g EO sind zwar zweifellos wichtige Vertretungshandlungen iS des § 154 Abs 3 ABGB und den dort genannten Klagsführungen vergleichbar. Das überzeugende Argument für eine Ausnahme solcher Anträge von der Genehmigungsbedürftigkeit verfahrenseinleitender Begehren ist – neben der Unvereinbarkeit einer Verfahrensverzögerung mit dem Gebot der besonders dringlichen Behandlung derartiger Sicherungsanträge – die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter: wenn das Interesse des mj Kindes, durch die Einleitung des Provisorialverfahrens unmittelbar vor Gewalt und Verfolgung iS der §§ 382b, 382e und 382g EO geschützt zu werden, und sein Interesse, keinen Vermögensnachteil durch die allfällige Zahlungspflicht für Prozesskosten im Fall einer Abweisung des Sicherungsantrags zu erleiden, gegenübergestellt werden, ist ersteres eindeutig als höherwertig einzustufen, zumal Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre stets über Beeinträchtigungen der Vermögensverhältnisse 1234
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SicherheitspolizeiG
zu stellen sind. Der Schutz des Kindes ginge verloren, wenn eine Verzögerung durch ein erst einzuleitendes Genehmigungsverfahren beim Pflegschaftsgericht einträte. Dass Kinder als Antragsteller in solchen Verfahren gem § 393 Abs 2 EO zum Kostenersatz (in einer in aller Regel doch überschaubaren Höhe) verpflichtet werden können, ändert nichts am Ergebnis dieses Interessenvergleich. Der Antrag eines Minderjährigen nach den §§ 382b, 382e und 382g EO bedarf daher infolge des Zwecks des Provisorialverfahrens, möglichst rasch Rechtsschutz zu gewähren, keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (LG Salzburg EF 125.202; LGZ Wien EF 112.616, 45 R 70/09s [unter Hinweis auf 7 Ob 317/01w], 44 R 270/09w; LGZ Wien EF-Z 2010/83 [Beck]; aM LGZ Wien EF 102.519 [Genehmigungspflicht wegen Überschreitung des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs der Minderjährigen]). Wird ein Sicherungsantrag, den ein obsorgeberechtigter Elternteil namens der 138 Kinder stellt, rechtskräftig abgewiesen, sind die Minderjährigen mit Verfahrenskosten belastet, die gem § 393 Abs 2 EO etwa durch den Aufwand für die Erstattung einer aufgetragenen Äußerung des anwaltlich vertretenen Gegners im erstinstanzlichen Verfahren oder durch die Kosten für dessen Rekursbeantwortung entstehen können (vgl dazu etwa LGZ Wien EF-Z 2010/83 [Beck]). Diese Kostenfolge kann idZ dennoch nicht das Erfordernis einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Sicherungsantrags begründen. Wenn der sonstige gesetzliche Vertreter einen zur Wahrung der Kindesinteres- 139 sen erforderlichen Antrag im Namen der Kinder nicht unverzüglich gestellt hat, kann der Jugendwohlfahrtsträger gem § 215 Abs 2 ABGB als Vertreter der Minderjährigen sowohl eine EV nach den §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO als auch deren Vollzug beantragen. In einem Verfahren über eine EV gem § 382g EO ist er hingegen nicht zum Einschreiten befugt.
Q. Sicherheitspolizeigesetz § 38a SPG idF gem GeSchG, zuletzt abgeändert durch das 2. GeSchG (BGBl I 140 2009/40) und BGBl I 2009/72, lautet: § 38a. (1) Ist aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.
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(2) Unter den Voraussetzungen des Abs 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen; die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Betretungsverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29 SPG) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, dem Betroffenen alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen. Sofern sich die Notwendigkeit ergibt, dass der Betroffene die Wohnung, deren Betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er dies nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun. (3) Im Falle eines Betretungsverbotes sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet, vom Betroffenen die Bekanntgabe einer Abgabestelle für Zwecke der Zustellung der Aufhebung des Betretungsverbotes oder einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO zu verlangen. Unterlässt er dies, kann die Zustellung solcher Schriftstücke so lange durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch erfolgen, bis eine Bekanntgabe erfolgt; darauf ist der Betroffene hinzuweisen. (4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind weiters verpflichtet, den Gefährdeten von der Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO und von geeigneten Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs 3 SPG) zu informieren. (5) Bei der Dokumentation der Anordnung eines Betretungsverbotes ist nicht bloß auf die für das Einschreiten maßgeblichen Umstände, sondern auch auf jene Bedacht zu nehmen, die für ein Verfahren nach §§ 382b und 382e EO von Bedeutung sein können. (6) Die Anordnung eines Betretungsverbotes ist der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Hiezu kann die Sicherheitsbehörde alle Einrichtungen und Stellen beiziehen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen können. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde kann überdies die im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzte heranziehen. Stellt die Sicherheitsbehörde fest, dass die Voraussetzungen für die Anordnung des Betretungsverbotes nicht bestehen, so hat sie dieses dem Betroffenen gegenüber unverzüglich aufzuheben; der Gefährdete ist unverzüglich darüber zu informieren, dass das Betretungsverbot aufgehoben werde; die Aufhebung des Betretungsverbotes sowie die Information des Gefährdeten haben nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder schriftlich durch persönliche Übergabe zu erfolgen. Die nach Abs 2 abgenommenen Schlüssel sind mit Aufhebung des Betretungsverbotes dem Betroffenen auszufolgen, im Falle eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO bei Gericht zu erlegen. (7) Die Einhaltung eines Betretungsverbots ist zumindest einmal während der ersten drei Tage seiner Geltung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu überprüfen. Das Betretungsverbot endet zwei Wochen nach seiner Anordnung; es endet im Falle eines binnen dieser Frist eingebrachten Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO mit der Zustellung der Entscheidung des Gerichts an den Antragsgegner, spätestens jedoch vier Wochen nach Anordnung des Betretungsverbotes. Von der Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
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nach §§ 382b und 382e EO hat das Gericht die Sicherheitsbehörde unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
Die Einführung der Wegweisung des Gewalttäters gem § 38a Abs 1 SPG und 141 eines Betretungsverbots gem § 38a Abs 2 SPG mit dem GeSchG (BGBl 1996/ 759) sollte im – bereits bis dahin durch das SPG (BGBl I 1991/566) geregelten – sicherheitspolizeilichen Bereich den Schutz vor Gewalttätigkeiten in der Familie verbessern. Die sicherheitspolizeiliche Wegweisung hat gegenüber § 382b Abs 1 EO allerdings einen engeren sachlichen Anwendungsbereich, weil ein bloß unzumutbares Verhalten ohne die Besorgnis eines gefährlichen Angriffs auf Leben, Gesundheit oder Freiheit iS der zitierten Bestimmung nicht ausreicht (Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382b EO Rz 1). Der Ausdruck „unmittelbare Umgebung“ in § 38a Abs 1 SPG entspricht dem gleichlautenden Begriff in § 382b Abs 1 EO (Näheres dazu s Rz 48). Überdies wurde der Gedanke der „Vernetzung“ der Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden und der Gerichte (vgl auch § 58c SPG zur Zentralen Gewaltschutzdatei) bzw der Sicherheitsbehörden und der Opferschutzeinrichtungen (vgl §§ 53 Abs 1 Z 4, 56 Z 8 SPG) mit den Bestimmungen über eine Datenübermittlung umgesetzt. Mit dem 2. GeSchG (BGBl I 2009/40) wurde die Wirksamkeitsdauer des Betretungsverbots deutlich verlängert (Rz 150). Die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen der Wegweisung des Gewalttäters 142 aus der Wohnung, in der die gefährdete Person wohnt, und des Betretungsverbots setzen voraus, dass aufgrund bestimmter Tatsachen, insb wegen eines vorausgegangenen gefährlichen Angriffs ein gefährlicher Angriff auf das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer gefährdeten Person zu befürchten ist. Die Vorstellung, dass ein Betretungsverbot schon zu verhängen wäre, wenn ein gefährlicher Angriff gegen die gefährdete Person nicht auszuschließen ist, entspricht daher nicht dem Gesetz. Ein gefährlicher Angriff ist gem § 16 Abs 2 SPG die Bedrohung eines Rechtsguts durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestands einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht nur auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand ua nach dem StGB handelt. Für die Zulässigkeit einer Wegweisung und eines Betretungsverbots kommt es maßgeblich darauf an, ob ein gegen die genannten Rechtsgüter des Gefährdeten gerichteter gefährlicher Angriff durch den von der Maßnahme Betroffenen zu erwarten ist. Diese Befürchtung muss sich auf „bestimmte Tatsachen“ gründen, wobei das Gesetz als solche einen vorangegangenen gefährlichen Angriff beispielhaft hervorhebt, der seinerseits jedoch nicht gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit der gefährdeten Person gerichtet sein muss. Ein bereits erfolgter Angriff ist aber keine zwingende Voraussetzung für die Annahme einer Gefährdung, wie schon die Formulierung „insbesondere“ 1237
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deutlich macht. Was außer einem gefährlichen Angriff als „bestimmte Tatsache“ für die anzustellende Gefahrenprognose in Betracht kommt, sagt das Gesetz allerdings nicht ausdrücklich. Angesichts des Präventivcharakters, der sicherheitspolizeiliche Maßnahmen kennzeichnet, kann aber kein Zweifel bestehen, dass nach den Umständen des Einzelfalls etwa auch Aggressionshandlungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs oder in der Vergangenheit liegende Gewaltakte als derartige „Tatsachen“ in Frage kommen können (VwGH 2002/01/0280), und zwar vor allem dann, wenn mehrere dieser Faktoren zusammentreffen. Der Umstand, dass am Tag der sicherheitspolizeilichen Intervention (noch) kein gefährlicher Angriff stattfand, schließt daher eine Wegweisung und die Verhängung eines Betretungsverbots nicht aus. 143 Umgekehrt rechtfertigt nicht jede geringfügige, für eine Aggressionshandlung völlig unspezifische Verletzung für sich allein eine Gefährdungsprognose (UVS Wien, UVS-02/13/12211/2009 [„minimale blaue Flecken am Schienbein“]; s auch Rz 144). Die gefährdete Person muss in der Lage sein, bestimmte Äußerungen oder Vorfälle, auf welche sich ihre Angst gründet, nachvollziehbar mitzuteilen (UVS Tirol EF-Z 2008/89 [Beck]); aufgrund des sich den Sicherheitsbeamten bietenden Gesamtbilds muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff (Rz 142) durch die wegzuweisende Person bevorstehe. Das Erscheinungsbild der gefährdeten Person und ihr psychischer Zustand, das Verhalten des von der Maßnahme Betroffenen am Einsatzort, einschlägige Vorstrafen, Zeugenaussagen, Verletzungen und Spuren am Einsatzort stellen dabei wichtige Faktoren dar, die zur Gewinnung eines gesamthaften Eindrucks beitragen werden. Wenn auch für die Erlassung eines Betretungsverbots ein kontradiktorisches Verfahren mit beiden Beteiligten nicht vorgesehen ist, weil es dem Charakter des § 38a SPG als Präventivmaßnahme widersprechen würde, darf das Betretungsverbot nicht einseitig allein auf die Anhörung der nach eigener Aussage gefährdeten Person gestützt werden, wenn auch der von der Maßnahme Betroffene und allenfalls andere, objektive Beweismittel (Einvernahme unbeteiligter Zeugen, Besichtigung der angeblichen Sachbeschädigungen) rasch verfügbar sind (UVS Tirol EF-Z 2008/89 [Beck]). Entscheidungsgrundlage für ein Betretungsverbot müssen daher jene Beweismittel sein, die parat iS des § 274 Abs 1 ZPO sind und somit sofort ausgeführt werden können. Auf ihrer Basis hat die Gefährdungsprognose zu erfolgen. Fragen der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens sind im Rahmen einer EV zu klären, bilden aber keine ausreichende Begründung für eine Wegweisung oder ein Betretungsverbot iS des § 38a SPG (vgl UVS Wien, UVS-02/13/9752/2008). 144 Die Tatsache, dass unmittelbar vor oder im Zuge des polizeilichen Einschreitens ein gefährlicher Angriff stattgefunden hat, legitimiert allein noch nicht zur Wegweisung. Einem solchen vorangegangenen Angriff kommt jedoch eine 1238
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wichtige, im Gesetz betonte Indizwirkung zu (VwGH 2000/01/0003). Die Folge, dass wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs ein gefährlicher Angriff bevorsteht, wird vom Gesetz aber nicht vermutet, sondern muss vom mit der Amtshandlung befassten Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes geprüft werden. Bei dieser Beurteilung ist vom Wissensstand des Sicherheitsbeamten im Zeitpunkt der Verhängung des Betretungsverbots auszugehen und zu fragen, ob er vertretbar annehmen kann, dass ein gefährlicher Angriff erfolgt ist, und ob mit einem gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit gerechnet werden muss. Aufgrund des sich ihm bietenden Gesamtbilds muss bei der gebotenen ex ante-Betrachtung die Prognose ableitbar sein, dass ein gefährlicher Angriff gegen eines der in § 38a Abs 1 SPG genannten Rechtsgüter durch den Wegzuweisenden bevorsteht (VwGH 2002/ 01/0280; VwGH 2008/17/0061). Bedrohliche Verhaltensweisen gegenüber der gefährdeten Person oder den Sicherheitsbeamten während deren Einschreitens können eine solche Einschätzung rechtfertigen. Drohende „bloße“ Belästigungen, die nicht die Intensität eines gefährlichen Angriffs erreichen, genügen hingegen für diese sicherheitspolizeilichen Maßnahmen nicht (VwGH 2002/01/ 0280). Wegweisung und Betretungsverbot sind jeweils selbstständige Maßnahmen, 145 die – abgesehen davon, dass sie an identische Voraussetzungen geknüpft sind – nur insoweit miteinander in Verbindung stehen, als eine Wegweisung regelmäßig nur in Kombination mit einem Betretungsverbot den mit ihrer Anordnung verfolgten Zweck, nämlich die Verhinderung von weiteren Gewalttätigkeiten in Familien, herbeiführen kann. Eine Wegweisung aus einer Wohnung kommt naturgemäß nur dann in Betracht, wenn sich der Betroffene beim Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in dieser Wohnung aufhält. Ist das nicht (mehr) der Fall, kann nur ein Betretungsverbot erlassen werden. Die Abwesenheit des Betroffenen von der Wohnung zum Zeitpunkt des Einschreitens der Sicherheitsbeamten hat allerdings zur Folge, dass auch der Ausspruch eines Betretungsverbots an Ort und Stelle nicht ohne Weiteres möglich ist, weil eine solche Anordnung als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt immer nur gegenüber dem Betroffenen selbst erfolgen kann (VwGH 2004/01/0579). Notwendig ist somit jedenfalls eine entsprechende behördliche Anordnung gegenüber dem Adressaten dieser Maßnahme, sodass ein bloß vor dritten Personen erklärtes „Betretungsverbot“ keine Wirkungen entfalten kann und lediglich als behördliche Absichtserklärung, in Zukunft ein Betretungsverbot erlassen zu wollen, zu verstehen ist. Daher kann etwa diese Mitteilung an Angehörige des Betroffenen den behördlichen Befehl nicht ersetzen. Erst wenn das Betretungsverbot gegenüber dem Betroffenen, zB im Rahmen eines Telefonats, ausgesprochen wird, ist es „erlassen“ und die Maßnahme wirksam. Die Voraussetzungen für ein Betretungsverbot müssen 1239
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nicht (schon) im Zeitpunkt der Absichtserklärung, sondern jedenfalls (noch) im Zeitpunkt, in dem das Betretungsverbot gegenüber dem Gefährder ausgesprochen wird, gegeben sein (UVS Vlbg, 429–004/08). 146 Die sicherheitspolizeiliche Wegweisung kann auch mit unmittelbarer Zwangsgewalt gem § 50 Abs 1 SPG durchgesetzt werden. Nach Ausspruch der Wegweisung kann ein Betroffener, der sich weigert, die Wohnung bzw den räumlichen Bereich der Wegweisung zu verlassen, mit physischen Mitteln aus dem in der Wegweisung bestimmten Bereich entfernt werden. Die Durchsetzung des sicherheitspolizeilichen Betretungsverbots mittels Zwangsgewalt ist hingegen gem § 38a Abs 2 erster Satz zweiter Halbsatz SPG unzulässig; die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben den Weggewiesenen daher im Fall seiner Rückkehr bei (Weiter-)Bestehen einer Gefährdungssituation nach § 38a Abs 1 SPG neuerlich wegzuweisen und können diese Maßnahme erforderlichenfalls auch mit physischer Kraft durchsetzen. Im Ergebnis bezieht sich das Verbot der Durchsetzung des Betretungsverbots mit Zwangsgewalt daher nur auf die Anwendung sofortigen Zwangs und schließt die Anwendung physischer Gewalt bei einem Verstoß gegen die neuerliche Wegweisung nicht aus (Kneihs/ Preiß, JRP 1997, 102). Die Missachtung eines sicherheitspolizeilichen Betretungsverbots stellt gem § 84 Abs 1 Z 2 SPG eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen. Die Anordnung des Betretungsverbots kann gem § 88 Abs 1 SPG beim UVS bekämpft werden. 147 Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben vom Weggewiesenen die Bekanntgabe einer Abgabestelle (s auch Rz 115) zu verlangen und ihn darauf aufmerksam zu machen, dass die Verständigung über eine Aufhebung des Betretungsverbots oder eine EV nach §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO andernfalls durch Hinterlegung ohne vorherigen Zustellversuch erfolgen kann. Durch diese Mitteilung einer Zustelladresse soll der Weggewiesene auch die Möglichkeit bekommen, von einer allfälligen Aufhebung des Betretungsverbots bzw der Erlassung einer Gewaltschutz-EV überhaupt Kenntnis zu erlangen. Verweigert der Betroffene diese Bekanntgabe, stellen § 38a Abs 3 zweiter Satz SPG und § 382c Abs 4 EO sicher, dass die Verwaltungsmaßnahmen und Gerichtsentscheidungen wirksam werden können. 148 § 38a Abs 6 SPG normiert die Verpflichtung zur Bekanntgabe eines Betretungsverbots an die Sicherheitsbehörde und dessen Überprüfung binnen 48 Stunden. Mit dieser Regelung soll eine rasche und effektive verwaltungsinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen sichergestellt werden. Überdies bildet diese Bestimmung die Grundlage für eine vorzeitige Aufhebung des Betretungsverbots, für das § 38a Abs 7 SPG grundsätzlich eine genau bestimmte Dauer vorsieht (vgl dazu auch Kneihs/Preiß, JRP 1997, 102); ohne die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Beendi1240
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gung der sicherheitspolizeilichen Anordnung vor Fristablauf wäre angesichts der gesetzlich fixierten Geltungsdauer fraglich, ob eine formlose Aufhebung eines Betretungsverbots überhaupt in den Kompetenzbereich der Sicherheitsbehörde fällt. Sobald festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die Anordnung eines Betretungsverbots nicht mehr vorliegen, ist die Maßnahme aufzuheben und die gefährdete Person darüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die Aufrechterhaltung eines Betretungsverbots nach Verstreichen der gesetzlich normierten Frist ohne rechtzeitige Überprüfung ist rechtswidrig. Aufgabe der Sicherheitsbehörde im Rahmen des § 38a Abs 6 SPG ist es nicht, 149 zu beurteilen, ob die nach § 38a SPG zunächst eingeschrittenen Sicherheitsbeamten aufgrund der ihnen vorliegenden Informationen richtig oder falsch gehandelt haben; eine solche Abklärung obliegt im Beschwerdefall dem zuständigen UVS. Die Aufgabe der Sicherheitsbehörde nach § 38a Abs 6 SPG besteht vielmehr darin, in dem ihr zur Verfügung stehenden beschränkten Zeitraum von 48 Stunden jene ihr möglichen und zweckmäßigen zusätzlichen Erhebungen durchzuführen, die eine bessere Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verhängung eines Betretungsverbots ermöglichen können (UVS Wien, UVS-02/13/10720/2009). Im Rahmen der Überprüfung des Betretungsverbots kann die Sicherheitsbehörde alle Stellen und Einrichtungen beiziehen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts beitragen können; sie ist daher auch nicht verpflichtet, möglichst rasch über die weitere Aufrechterhaltung des Betretungsverbots zu entscheiden, sondern kann die Frist für ihre ergänzenden Ermittlungen nützen und erforderlichenfalls auch ausschöpfen (zur Verpflichtung der Sicherheitsbehörde, weitergehende Erhebungen in Form der Befragung eines für die Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Zeugen durchzuführen, vgl auch UVS Wien, UVS-02/13/1031/2010). Das sicherheitspolizeiliche Betretungsverbot endet, wenn es nicht vorher von 150 der Sicherheitsbehörde aufgehoben wird, seit Inkrafttreten des 2. GeSchG grundsätzlich zwei Wochen (und nicht mehr mit Ablauf des zehnten Tages) nach seiner Anordnung. Hat der Gefährdete aber innerhalb dieser Frist einen Antrag auf Erlassung einer EV nach §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO bei Gericht eingebracht, so endet die Wirksamkeit des Rückkehrverbots gem § 38a Abs 7 SPG erst mit dem Tag der Zustellung der Gerichtsentscheidung an den Antragsgegner, spätestens aber – wenn das Gericht bis zu diesem Zeitpunkt nicht entscheidet – vier Wochen (bis zum 2. GeSchG: mit Ablauf des zwanzigsten Tages) nach seiner Anordnung. Die sofortige und amtswegige Vollziehung der EV blieb durch das 2. GeSchG 151 unverändert. Der gerichtliche Auftrag an den Gerichtsvollzieher bzw die Sicherheitsbehörden zum sofortigen Vollzug einer EV nach § 382b Abs 1 und nach § 382e Abs 1 EO umfasst nicht nur eine einzelne Vollzugshandlung, son1241
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dern bezieht sich auf alle in der Folge notwendig werdenden Maßnahmen. Die mit dem Vollzug beauftragte Sicherheitsbehörde hat jeweils auf bloßes Ersuchen der gefährdeten Person ohne vorherige Zwischenschaltung des Gerichts und insb ohne weitere Gerichtsbeschlüsse einzuschreiten, jenen Zustand herzustellen, welcher der EV entspricht, und dem Gericht darüber zu berichten (7 Ob 180/01y = JBl 2003, 124). 152 Das Vollstreckungsorgan hat bei einer EV nach § 382b Abs 1 EO die Aufgabe, dem Antragsgegner alle Wohnungsschlüssel abzunehmen und bei Gericht zu erlegen. Für den Fall, dass der Abnahmeversuch misslingt, weil sich der Gegner nicht in der Wohnung aufhält, sieht das Gesetz keine Regelung vor. In diesem Fall wird die Auswechslung des Türschlosses und die Hinterlegung eines neuen Schlüssels bei Gericht durch die EV als gedeckt anzusehen sein (Sailer/Burgstaller/Deixler-Hübner § 382d EO Rz 2a; Kodek/Angst § 382c EO Rz 7a); andernfalls müssten die Vollstreckungsorgane den Antragsgegner so lange suchen, bis ihm seine Schlüssel abgenommen werden könnten. Das Risiko einer solchen Sicherheitslücke im Vollzug ist mit den klaren Zielsetzungen des GeSchG aber nicht vereinbar. Hat der Antragsgegner die Wohnung vor der Zustellung der EV bereits verlassen und wird er vom Vollstreckungsorgan nicht angetroffen, ist ihm allerdings gem § 382d Abs 3 EO auf Antrag binnen zwei Tagen die Gelegenheit zu geben, seine persönlichen bzw der Berufsausübung dienenden Sachen aus der Wohnung abzuholen. Über diesen Anspruch ist der Antragsgegner vom Vollstreckungsorgan durch Hinterlassung einer Mitteilung an der Wohnungstür zu informieren. Wird das Betretungsverbot durch die Sicherheitsbehörde im Rahmen ihrer Überprüfung aufgehoben, sind dem Betroffenen die ihm zunächst abgenommenen Wohnungsschlüssel gem § 38a Abs 6 SPG auszufolgen; bei Einleitung eines Verfahrens über eine EV nach §§ 382b und 382e EO sind sie bei Gericht zu erlegen. Die Frage, was mit den Schlüsseln des Antragsgegners in weiterer Folge zu geschehen hat, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Rechtlich ausgeschlossen ist angesichts der bestehenden Besitzverhältnisse ihre Ausfolgung an den Antragsteller, und zwar auch dann, wenn der Aufenthaltsort des Antragsgegners nach seiner Wegweisung unbekannt ist. Das Gericht hat die Schlüssel nach Ablauf der Geltungsfrist der EV dem Antragsgegner zu übergeben. Falls ihm eine Verständigung über die Möglichkeit zur Abholung bei Gericht nicht zugestellt werden kann oder er den Auftrag nicht befolgt, wird ein Verfahren zur Einziehung geringwertiger Verwahrnisse (BGBl 1963/ 281) einzuleiten sein. Die Ausfolgung an den (früheren) Antragsteller unter Berufung auf seine Rechtsstellung an der Wohnung ist auch in einem solchen Fall rechtlich nicht gedeckt. 153 Für die Abholungen iS des § 382d Abs 3 EO sind – auch wenn insoweit die Sicherheitsbehörden als Vollstreckungsorgan tätig werden – keine weiteren 1242
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Gerichtsbeschlüsse erforderlich, weil die Ermöglichung der Mitnahme von Sachen durch den Antragsgegner schon aufgrund des Gesetzes in den Aufgabenbereich des Vollzugsorgans iZm der Vollziehung eines gerichtlichen Rückkehrverbots fällt (7 Ob 180/01y = EF 98.716; 2 Ob 269/02a = EF 102.552). Die Terminfestsetzung zur Abholung der persönlichen Sachen gehört zu den Pflichten des Vollzugsorgans. Allfällige Anträge an das Gericht, dem Antragsgegner Gegenstände auszufolgen oder Termine zur Abholung seiner Sachen gerichtlich festzusetzen, sind daher zurückzuweisen. Der nötige Rechtsschutz wird dem Gegner durch die Möglichkeit einer Vollzugsbeschwerde nach § 68 EO gewährt. Gegenstand einer Vollzugsbeschwerde kann allerdings immer nur eine fehlerhafte Vollzugshandlung, nicht aber eine anfechtbare richterliche Entscheidung sein (3 Ob 30/00h = SZ 73/42). Mit dem 2. GeSchG wurde gesetzlich klargestellt, dass einstweilige Verfügun- 154 gen, für die ein Vollzug nach § 382d EO (somit durch Gerichtsvollzieher bzw Sicherheitsbehörden) möglich ist, nach entsprechendem Exekutionsantrag auch nach den allgemeinen Regeln (durch Geld- und Haftstrafen) durchgesetzt werden können. Auch ohne diese ausdrückliche Klarstellung konnte allerdings schon bis zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen werden, dass die Sonderbestimmungen der §§ 382b ff EO die allgemeinen Regeln ergänzten und nicht verdrängten. Die Verhängung von Geldstrafen iZm Gewaltschutz-Verfügungen ist weiterhin gem § 4 EO iVm § 18 EO dem Exekutionsgericht vorbehalten.
Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre § 382g. (1) Der Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre kann insbesondere durch folgende Mittel gesichert werden: 1. Verbot persönlicher Kontaktaufnahme sowie Verbot der Verfolgung der gefährdeten Partei, 2. Verbot brieflicher, telefonischer oder sonstiger Kontaktaufnahme, 3. Verbot des Aufenthalts an bestimmt zu bezeichnenden Orten 4. Verbot der Weitergabe und Verbreitung von persönlichen Daten und Lichtbildern der gefährdeten Partei, 5. Verbot, Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung personenbezogener Daten der gefährdeten Partei bei einem Dritten zu bestellen, 6. Verbot, einen Dritten zur Aufnahme von Kontakten mit der gefährdeten Partei zu veranlassen. (2) Bei einstweiligen Verfügungen nach Abs 1 Z 1 bis 6 ist keine Frist zur Einbringung der Klage (§ 391 Abs 2) zu bestimmen, wenn die einstweilige Verfügung für längstens ein Jahr getroffen wird. Gleiches gilt für eine Ver1243
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längerung der einstweiligen Verfügung nach Zuwiderhandeln durch den Antragsgegner. (3) Das Gericht kann mit dem Vollzug von einstweiligen Verfügungen nach Abs 1 Z 1 und 3 die Sicherheitsbehörden betrauen. § 382d Abs 4 ist sinngemäß anzuwenden. Im Übrigen sind einstweilige Verfügungen nach Abs 1 nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts im Ersten Teil zu vollziehen. [Eingefügt durch Strafrechtsänderungsgesetz (StRÄG) 2006, BGBl I 2006/56; Abs 2 und 3 idF des 2. GeSchG BGBl I 2009/40] Lit: C. Graf, Die einstweilige Verfügung nach § 382g EO zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre („Stalking“), Zak 2006/521, 303; Hager-Rosenkranz, Das neue „Anti-Stalking-Gesetz“ und seine Auswirkungen auf einstweilige Verfügungen, EF-Z 2006/65; dies, Das 2. Gewaltschutzgesetz 2009 – Änderungen im zivilgerichtlichen Verfahren, ecolex 2009, 560; Heissenberger, Straf- und zivilrechtliche Aspekte der „Beharrlichen Verfolgung“ gem § 107a StGB, AnwBl 2006, 634; Maleczky, Das neue Anti-Stalking-Gesetz, FamZ 5/ 2006, 27; Mitgutsch, Strafrechtliche Aspekte des „Anti-Stalking-Pakets“ 2006, RZ 2006, 186; Mohr, Neuerungen bei den einstweiligen Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und Stalking, ÖJZ 2009/56; Wolfrum/Dimmel, Das „Anti-Stalking-Gesetz“, ÖJZ 2006/29, 475. Inhaltsübersicht A. Stalking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff in die „Privatsphäre“ . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Bindung an den Straftatbestand . . . . . . 4. Stalking-Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sicherungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verhältnis zwischen § 382e EO und § 382g EO 7. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Vollzug durch Sicherheitsbehörden . . . . . . . . C. Geltungsdauer der EV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Straftatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Stalking 1 Stalking bezeichnet ein hartnäckiges, fortgesetztes Verfolgen, Belästigen und Bedrohen einer Person gegen deren ausdrücklichen oder schlüssigen Willen. Das Ziel eines Stalkers besteht in aller Regel darin, seinem Opfer andauernd und beharrlich von diesem abgelehnte Kontakte aufzuzwingen und es so zu zermürben (vgl dazu auch LG Wels EF 121.551; LGZ Wien EF 121.544). Die Besonderheit des Stalkings liegt im speziellen Verhältnis zwischen dem Opfer und dem Täter und dem Ausmaß seiner Beeinträchtigungen, das die soziale 1244
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Akzeptierbarkeit eindeutig überschreitet. Einige Anrufe eines früheren Partners unmittelbar nach dem Ende der Beziehung machen noch kein Stalking aus; nicht jede Kontaktaufnahme, die eine betroffene Person nicht wünscht, begründet schon einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch (zum Begriffserfordernis der Beharrlichkeit s Rz 8). Werden die Belästigungen aber häufiger und steigert eine Person ihre Intensität in Form und Umfang, so kann daraus Stalking entstehen und im Hinblick auf die psychische Belastung des Opfers zivilrechtliche Verfügungen rechtfertigen und erforderlich machen (vgl Rz 3 f). Eine allgemein gültige rechtliche Definition des Stalkings hat sich nicht durchgesetzt. Stalking ist ein Sammelbegriff, der verschiedene strafrechtliche Tatbestände wie Nötigung, gefährliche Drohung, Körperverletzung und Hausfriedensbruch umfasst, aber auch zahlreiche Verhaltensweisen einschließt, die strafrechtlich für sich allein nicht erheblich sein müssen, für das Opfer aber dennoch sehr belastend sein können. In den meisten Fällen steht die unerwünschte Kontaktaufnahme im Mittelpunkt des Stalkings. Auch idZ existiert aber keine generell gültige Schwelle, ab wann (etwa ab dem wievielten Anruf) bloße Kontaktversuche zu einer Verletzung des Rechts auf Privatsphäre werden. Für die Bewertung von Handlungsweisen als Stalking sind im Einzelfall mehrere Kriterien maßgebend; dazu gehören vor allem die Art der Kontakte, der Grund für die Kontaktaufnahmen und die Belastung für das Opfer, insb auch die Auswirkungen dieses Verhaltens auf die Psyche des Verfolgten. Aus einer Abwägung der Interessen der Beteiligten, aber auch jener der Allgemeinheit (LG Wels EF 121.551) ergibt sich im Rahmen eines Interessenvergleichs, ob die Grenze zu unzulässigen Eingriffen überschritten wird. Liegt ein an sich durchaus relevantes Interesse einer Person an einer Kontaktaufnahme vor – was etwa dann der Fall sein kann, wenn die frühere Partnerin des Mannes auch die Mutter gemeinsamer Kinder ist und Besuchskontakte bisher als Folge der Konflikte nicht zustande gekommen sind –, wird abzuwägen sein, welche Art der Kontakte noch zulässig ist (LG Wels EF 121.551). Unterlassungsgebote sind jedenfalls erst dann zu erlassen, wenn die Interessenabwägung ergibt, dass das jeweilige Verhalten einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Dieser Bereich unterliegt zwar einem weitgehenden Rechtsschutz; dennoch muss auch eine EV gem § 382g EO stets eine verhältnismäßige staatliche Reaktion auf privates Handeln bilden. Mit dem am 1.7.2006 in Ergänzung der bestehenden Regelungen über Ge- 2 waltschutz-Verfügungen (§§ 382b bis 382d EO) in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz (StRÄG) 2006 wurden die EV nach § 382g EO eingeführt, der neue Straftatbestand der „Beharrlichen Verfolgung“ gem § 107a StGB geschaffen und die Betreuungsmöglichkeit für Stalking-Opfer durch Opferschutzeinrichtungen nach § 25 Abs 3 SPG vorgesehen. Diese Maßnah1245
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men im zivil- und strafrechtlichen Bereich ermöglichten eine rasche Hilfe gegen Belästigungen durch Stalker. Nach den Gesetzesmaterialien wurde bei den neuen Regelungen bewusst auf den Begriff „Stalking“ bzw dessen direkte Übersetzung durch „Nachstellen/Nachstellung“ – etwa im Gegensatz zum deutschen Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen (§ 238 des deutschen StGB) – verzichtet; auch das Delikt der „beharrlichen Verfolgung“ beschränkt sich auf eine Aufzählung der darunter zu subsumierenden Verhaltensweisen. Bis zum StRÄG 2006 hatten die Sicherheitsbehörden und Gerichte keine wirksame Handhabe gegen Stalking-Methoden, weil bis zu diesem Zeitpunkt eine Gewaltschutz-EV auch in Form eines Aufenthalts- oder Kontaktaufnahmeverbots gem § 382b Abs 2 EO aF zwischen Täter und Opfer zumindest eine frühere familienähnliche Beziehung, etwa eine Ehe oder Lebensgemeinschaft, voraussetzte und somit nur auf einen speziellen Personenkreis anwendbar war (vgl § 382b bis 382e EO Rz 10). Damit standen Gewaltopfern aber auch nur sehr eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung. Die neuen Regelungen sollten diese Lücken im System des GeSchG schließen. § 382g EO ermöglicht daher bereits seit der Schaffung dieser Bestimmung Schutzmaßnahmen gegenüber von Stalkern typischerweise verwendeten Methoden ohne Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis und ohne familiäre Nahebeziehung zwischen den Beteiligten als Voraussetzung. 3 Seit Inkrafttreten der Regelung über die EV gem § 382g EO ist es Aufgabe der Gerichte, jeglichen in die Privatsphäre eingreifenden Kontakt, den eine Person nicht möchte, mit einer solchen EV zu unterbinden. Mit der Anspruchsbescheinigung sind gleichzeitig auch die Anforderungen des § 381 Z 2 EO erfüllt (vgl Rz 7). Lehnt eine Person Kontakte ab, dann haben sie nach der neuen Rechtslage sofort zu unterbleiben (LGZ Wien EF 125.235). Dies mag im Hinblick auf zwischenmenschliche Regungen im Einzelfall insb für frühere Ehegatten und Lebensgefährten nicht leicht zu realisieren sein, das Gesetz macht aber diesbezüglich weder einen Unterschied noch nimmt es kurze Kontakte aus.
B. Unterlassungsanspruch 1. Anspruchsgrundlage
4 Der zivilrechtliche Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre war bereits vor Inkrafttreten des § 382g EO durch § 16 ABGB bzw später durch die mit BGBl I 2003/91 eingefügte Bestimmung des § 1328a ABGB gewährleistet (8 Ob 155/06m = EF-Z 2007/89; 1 Ob 61/08i = JBl 2009, 261). Bereits vor diesem Zeitpunkt wurde die unerwünschte Überwachung, Verfolgung und an1246
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dauernde Belästigung durch Telefonate des früheren Partners nach einer nicht akzeptierten Beendigung einer Beziehung als Eingriff in das durch § 16 ABGB geschützte Persönlichkeitsrecht auf Achtung des Privatbereichs, mit dem Grundsatz, dass der Eingriff in eine fremde Privatsphäre unzulässig ist (Harrer/Schwimann § 1328a ABGB Rz 2), beurteilt. Schon nach der damaligen Rechtslage war klar, dass Versuche einer von ihrem bisherigen Partner verlassenen Person, die Verbindung doch aufrechtzuerhalten oder sie wiederherzustellen, durchaus nicht ungewöhnlich sind und wohl in gewissem Umfang auch in Kauf genommen werden müssen. Anders ist die Situation aber dann, wenn sich der eine Partner beharrlich weigert, das Ende der Beziehung hinzunehmen und mit allen verfügbaren Mitteln den anderen zurückgewinnen will, ihn dabei überwacht, verfolgt und nahezu täglich mit Telefonaten belästigt. In solchen Fällen muss dem Recht des Stalking-Opfers auf Schutz seiner privaten Sphäre der Vorrang vor dem Interesse des Täters an Kontakten mit ihm zuerkannt werden (4 Ob 98/92 mwN = EF 67.649; 8 Ob 155/06m = EFZ 2007/89 = EF 118.463; zum „Telefonterror“ schon 4 Ob 99/94 = SZ 67/173). Die gesetzliche Sonderregelung über die EV zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre gem § 382g EO bezweckt die einstweilige Sicherung des sich aus den §§ 16, 1328a ABGB ergebenden Unterlassungsanspruchs und schafft dabei gegenüber den früheren rechtlichen Rahmenbedingungen keine neue materielle Anspruchsgrundlage (7 Ob 248/09k = JBl 2010, 374 = wobl 2010/ 81; ErläutRV BlgNR 1316 22. GP 7 f; Wolfrum/Dimmel, ÖJZ 2006/29, 475 [482]), sondern setzt diese vielmehr voraus. Nur ein Verhalten, das auch nach der Rechtslage vor dem 1.7.2006 rechtswidrig war, kann somit die Erlassung einer EV nach § 382g EO rechtfertigen (8 Ob 155/06m = EF-Z 2007/89 = EF 118.462). 2. Eingriff in die „Privatsphäre“
Der im Gesetz nicht näher umschriebene Begriff „Privatsphäre“ ist mit dem 5 Privatsphärebegriff des § 1328a ABGB identisch (5 Ob 162/09y) und in Anlehnung an jenen des „Privatlebens“ in Art 8 Abs 1 EMRK zu verstehen, wobei auch schon eine mit dem Schutz des Privatbereichs unvereinbare Belästigung als Verletzung der absolut geschützten Privatsphäre einer Person zu qualifizieren ist (LG Salzburg EF 121.545). Zur Privatsphäre gehören auch private Lebensumstände, die nur einem eingeschränkten Kreis von Personen bekannt und nicht für eine weite Öffentlichkeit bestimmt sind (7 Ob 248/09k; Rummel/Rummel § 1328a Rz 3). Entscheidend für den jeweiligen Schutz ist eine Güter- und Interessenabwägung (7 Ob 89/97g; 6 Ob 6/06k; 7 Ob 248/ 09k); für diesen Interessenvergleich sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Das Recht auf Achtung der Privatsphäre ist dabei vom Recht auf körperliche Unversehrtheit zu unterscheiden. Allein schon die Einführung eines „all1247
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gemeinen Gewaltschutzes“ in Form des § 382e Abs 1 EO durch das 2. GeSchG macht deutlich, dass eine Gewaltanwendung und die Verletzung der Privatsphäre voneinander klar abzugrenzen sind; § 382e EO stellt nunmehr eine Spezialnorm für Angriffe gegen die körperliche Integrität dar, sodass dieser Anwendungsbereich für eine EV gem § 382g EO ausscheidet.
3. Keine Bindung an den Straftatbestand
6 Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht nur dann, wenn strafrechtlich relevante Eingriffe zu befürchten sind bzw wenn der Straftatbestand des § 107a StGB (s Rz 26 f) oder zumindest die Voraussetzungen des § 1328a ABGB (rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten) erfüllt sind (8 Ob 155/06m = EFZ 2007/89 = EF 118.463; 1 Ob 61/08i = EF-Z 2009/22 [Beck] = EvBl 2009/4 = EF 121.543). Eine EV gem § 382g EO setzt demnach keine Strafbarkeit des Verhaltens voraus. Das in zahlreichen Verfahren von Antragsgegnern verwendete Argument, ihr Verhalten erfülle den Tatbestand des § 107a StGB nicht und sei deshalb für eine EV nach § 382g EO nicht ausreichend, ist schon deshalb nicht entscheidungsrelevant. Nicht jedes Verhalten, das strafrechtlich nicht ausdrücklich untersagt und unter Strafe gestellt ist, ist zulässig. Ein zivilrechtlich relevanter Eingriff kann somit auch dann vorliegen, wenn die Schwelle des § 107a StGB noch nicht überschritten ist, etwa in jenen Fällen, in denen noch keine Beeinträchtigung der Lebensführung zu befürchten ist (LG Wels EF 121.542; LGZ Wien EF 121.542, 125.234; Wolfrum/Dimmel, ÖJZ 2006/29, 475 [483]). Während § 1328a ABGB einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch des Opfers behandelt, der bereits nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts ein Verschulden voraussetzt, ist der auf § 16 ABGB gestützte Unterlassungsanspruch wegen eines Eingriffs in ein absolut geschütztes Recht nach stRsp und Lehre von einem Verschulden des Täters unabhängig (4 Ob 99/94 = SZ 67/173; 7 Ob 150/97b = EF 83.029; 8 Ob 155/ 06m = EF-Z 2007/89 = EF 118.463; 1 Ob 61/08i = EF-Z 2009/22 [Beck] = JBl 2009, 261 = EF 121.541). Eine EV gem § 382g EO kann daher auch gegen einen psychisch kranken Antragsgegner erlassen werden, sofern die weiteren Voraussetzungen für diesen Rechtsschutz erfüllt sind.
4. Stalking-Handlungen
7 Der zur Durchsetzung des schon nach der früheren materiellen Rechtslage bestehenden Unterlassungsanspruchs geschaffene § 382g EO dient nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers dazu, rasche Abhilfe zu schaffen, um weiteren Eingriffen in die Persönlichkeitssphäre des Opfers umgehend Einhalt zu gebieten. Überdies soll für eine gewisse Zeit ein Schutz durch eine EV allein – ohne Notwendigkeit eines Rechtfertigungsprozesses – gewährleistet sein. Vor1248
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aussetzung für die Erlassung einer solchen EV ist dabei nur die Bescheinigung des Anspruchs auf Unterlassung weiterer „Stalking“-Handlungen (8 Ob 155/06m = EF-Z 2007/89 = JBl 2007, 663 = EvBl 2007/81 = EF 118.464), sodass bereits eine drohende Gefährdung der Privatsphäre des Opfers genügt (Näheres Rz 9). Mit der Anspruchsbescheinigung sind gleichzeitig auch die Anforderungen des § 381 Z 2 EO erfüllt, weil bei Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten, die einen Unterlassungsanspruch begründen, eine EV durchwegs zur Abwehr eines drohenden Schadens iS des § 381 Z 2 EO notwendig sein wird (7 Ob 248/09k mwN). Stalking-Handlungen müssen allerdings stets eine gewisse Qualität einer Stö- 8 rung aufweisen und erheblich sein. Mit einer EV gem § 382g EO können nur solche Vorgehensweisen untersagt werden, die unter Abwägung aller im konkreten Fall zu berücksichtigenden Interessen einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre darstellen (LG Salzburg EF 121.547; LG Wels EF 121.551). Wesentliche Kriterien sind daher die Häufigkeit des Handelns in geringem Zeitabstand und eine gewisse Dauer der Beeinträchtigung. Eine einzelne Handlung drückt noch keine Beharrlichkeit aus, wie sie dem Stalking begriffsimmanent ist. Auch der zweimalige beobachtende Aufenthalt auf der Straße vor der Wohnung des Antragstellers und das zweimalige Befragen einer Lehrerin des gemeinsamen Kindes sind zweifellos nicht als Stalking zu werten (LGZ Wien EF 118.468). Ein solches Verhalten, insb das Beobachten der Wohnung einer anderen Person auf einer öffentlichen Straße während eines gegen sie geführten Gerichtsverfahrens, mag aus deren Sicht zwar unerwünscht und belastend sein, ein solches Tun erreicht aber noch nicht jene Intensität, die etwa über das in einem vehement geführten Pflegschaftsverfahren üblicherweise gezeigte Verhalten signifikant hinausgeht und die strenge Maßnahme einer EV rechtfertigen kann. Wenn die Antragstellerin durch ihre Übersiedlung von Italien nach Österreich und die Geheimhaltung ihres genauen Aufenthaltsorts einen Kontakt des Antragsgegners mit dem Kind trotz anhängiger Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren über längere Zeit verhindert, ist ihm überdies ein Interesse an der Kenntnis des Aufenthaltsorts des Kindes und dessen konkreten Lebensumständen zuzubilligen. Versucht der Antragsgegner dann einmal, sich persönlich ein Bild von den Lebensumständen des Kindes zu machen und auch mit diesem und seiner Mutter in Kontakt zu treten, ist ihm dies nicht gleich als unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre der Antragstellerin anzulasten (LG Wels EF 121.552; vgl aber Rz 12). Erst wenn er sein Verhalten deutlich steigert und Handlungen setzt, die dem Begriff Stalking zuzuordnen sind, kann ausnahmsweise eine EV gerechtfertigt sein. Ob ein Anspruch gefährdet ist und ein unwiederbringlicher Schaden droht, 9 hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (2 Ob 82/08k mwN). Für die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens reicht schon ein drohender 1249
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Eingriff in die Privatsphäre aus (8 Ob 155/06m = EF-Z 2007/89 = EF 118.467; 2 Ob 82/08k = EF-Z 2008/140 [Beck]; 1 Ob 61/08i = EF-Z 2009/22 [Beck] = JBl 2009, 261 = EvBl 2009/4 = EF 121.541), weil der Zweck des § 382g EO in der Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer besteht und mit dieser gesetzgeberischen Absicht die Vorstellung, das Opfer müsste erst eine tatsächliche Verfolgungshandlung abwarten und aushalten, bevor ein gleichartiger Angriff und vergleichbare Belästigungen dann mit einer EV für die Zukunft verhindert werden könnten, nicht vereinbar ist. Es muss daher nicht schon eine konkrete Verletzungshandlung vorliegen, um gerichtlichen Schutz im Weg einer Unterlassungsklage bzw einer EV nach § 382g EO zu erlangen. Dieser Umstand ist insb dann bedeutsam, wenn der Täter auf eine bestimmte Weise unzulässig in die Privatsphäre des Opfers eingreift, jedoch aufgrund seines Verhaltens bei einer Gesamtbetrachtung und vor allem angesichts seiner beharrlichen Fixierung auf sein Opfer und infolge der Intensität seines bisherigen Tuns andere Begehungsweisen konkret zu befürchten sind. Zur Möglichkeit, dem Antragsgegner noch nicht eingesetzte, aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartende Verfolgungsmethoden mittels EV zu verbieten, s Rz 15. 10 Ob der Kontakt zufällig zustandekam, ist unbeachtlich. Wenn die Parteien in unmittelbarer Nähe leben, einander deshalb fast zwangsläufig begegnen und der Antragsgegner bei solchen Treffen den Antragsteller attackiert, bedroht und ihn durch Anrufe und SMS behelligt, ist der Tatbestand des § 382g EO erfüllt; die Bestimmung dient dem Schutz der Privatsphäre, die auch dann verletzt wird, wenn zwar die Zusammentreffen ursprünglich zufällig erfolgen, der Antragsgegner dann aber regelmäßig ein unzumutbares Verhalten zeigt und diese Gelegenheiten dazu benützt, den Antragsteller zu beschimpfen und ihm zu drohen, statt ihm auszuweichen, sich zu entfernen oder zumindest ein sonstiges sozial angepasstes Verhalten zu zeigen. Auch Beschimpfungen, Drohungen oder gar körperliche Angriffe im unmittelbaren Anschluss an unbeabsichtigte Treffen sind somit als „Verfolgung“ iS des § 382g Abs 1 Z 1 EO zu qualifizieren (1 Ob 61/08i = EF-Z 2009/22 [Beck] = JBl 2009, 261 = EvBl 2009/4; vgl auch LGZ Wien EF 121.550) und können einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, dessen Sicherung mittels EV geboten ist. Das beharrliche Verfolgen besteht dabei im Ausnützen der zufälligen Begegnungen. Diese Wertung des OGH scheint zwar dem Wortlaut der Bestimmung, die ausdrücklich zwischen persönlicher Kontaktaufnahme (durch Ansprechen, Anrufen oder etwa das Senden von SMS) und Verfolgung (die etwa auch in einem Beobachten ohne direkte Kontaktierung bestehen kann) unterscheidet, zu widersprechen; dennoch ist dieser Rechtsansicht, die iS des Gesetzeszwecks kleinliche Differenzierungen und Begriffsdeutungen vermeidet, beizupflichten, weil das Kontaktaufnahmeverbot und das Verfolgungsverbot einander ergänzen müssen, um einen umfassenden und effizienten Schutz vor weiteren Eingriffen des Antragsgegners sicherzustellen. Aus der gerichtlichen Abklä1250
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rung, ob ein Stalker sein Opfer zunächst schon verfolgt und dann erst angesprochen hat oder ob er es zufällig traf und sogleich verbal attackierte, ist nichts zu gewinnen. Es macht für das Opfer von Stalking keinen Unterschied, ob es damit rechnen muss, dass der Täter ihm absichtlich auflauert und es dann behelligt, oder ob es jederzeit eine zufällige Konfrontation mit einem unzumutbaren Verhalten des Antragsgegners befürchten muss. Beispiele für Stalking-Methoden, die eine EV nach § 382g EO rechtfertigen 11 können, sind beharrliche Verfolgungs- oder Überwachungshandlungen, die häufige Anwesenheit in der Nähe der Wohnung des Opfers oder seiner Arbeitsstelle, Beschimpfungen und Gewaltandrohungen, das Zusenden von unerwünschten Briefen und Geschenken, ständige Telefonanrufe, Kurznachrichten oder E-Mails, Nachrichten an der Haustür oder am Fahrzeug, Kontaktaufnahmen des Täters mit Familie, Freunden oder Arbeitskollegen des Opfers, die Verbreitung von Unwahrheiten über das Opfer im Internet, das Aufgeben von unrichtigen oder unangenehmen Zeitungsannoncen, Kontaktanzeigen oder Warenbestellungen unter missbräuchlicher Verwendung der Daten des Opfers und ähnliche Vorgehensweisen, die geeignet sind, seine Lebensgestaltung in einem unzumutbaren Ausmaß zu beeinträchtigen und das Opfer einzuschüchtern. Wenn ein Antragsgegner den Antragsteller etwa ständig, zumindest täglich, häufig auch mehrmals täglich, mit Telefonanrufen, E-Mails und SMS behelligt, ihn vor seinem Wohnhaus oder seiner Arbeitsstelle erwartet und ihn überdies im Zuge eines Gesprächs körperlich bedrängt, ist die EV zweifellos berechtigt (8 Ob 155/06m = EF-Z 2007/89 = JBl 2007, 663 = EvBl 2007/81 = EF 118.466). Drängt ein nicht obsorgeberechtigter Elternteil dem Kind einseitig und in 12 einer für das Kind verstörenden Weise Besuchskontakte auf, die das Ausmaß einer beharrlichen Verfolgung, Überwachung oder Belästigung erreichen (weil der Elternteil etwa das Kind mehrmals pro Woche vor der Schule abpasst und auf dem Heimweg begleiten will, auf das Kind dabei einredet und ständig versucht, es gegen dessen Willen zu halten und an sich zu drücken), erfüllt auch dieses Verhalten den Tatbestand des § 382g EO und kann daher durch eine EV untersagt werden (LGZ Wien EF 125.233). Ein mj Kind und der von ihm getrennt lebende Elternteil haben gem § 148 ABGB das Recht, miteinander persönlich zu verkehren; das Ausmaß und die kindgemäße Gestaltung des Umgangsrechts sind von den Eltern vorrangig einvernehmlich zu regeln. Nur unter der Voraussetzung einer konkreten Kindeswohlgefährdung ist eine Einschränkung oder Entziehung des Besuchsrechts zulässig. Eine gerichtliche Festsetzung des Umfangs dieser Treffen normiert das Besuchsrecht im Hinblick auf dessen zeitliche und örtliche Rahmenbedingungen nach dem im Pflegschaftsverfahren abzuklärenden, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls bestimmten Kindeswohl (zu Details Beck Rz 456 ff). Die Einhaltung der Kontaktzeiten gehört zu den wesentlichen 1251
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Pflichten beider Eltern. Missachten Eltern Gerichtsentscheidungen oder pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vergleiche, mit denen das Umgangsrecht des Kindes geregelt wird, sind solche Verstöße in aller Regel ausschließlich im Pflegschaftsverfahren – und nicht mit Unterlassungsansprüchen – zu beurteilen und erforderlichenfalls zu sanktionieren, weil im familiengerichtlichen Außerstreitverfahren die Gewähr besteht, dass dem Kindeswohl Rechnung getragen wird und Entscheidungen nach diesem übergeordneten Wert ausgerichtet sind (vgl dazu Beck Rz 678 mwN). Die Klage eines Elternteils gegen den anderen, ein bestimmtes Verhalten in Bezug auf das Kind zu unterlassen, ist daher grundsätzlich unzulässig. Wenn ein besuchsberechtigter Elternteil das Kind außerhalb der gerichtlich festgelegten Zeiträume kontaktiert, stellt ein solches Verhalten in aller Regel noch kein Stalking dar, sodass eine einmalige oder auch gelegentliche Kontaktaufnahme zwischen festgesetzten Besuchstagen für sich allein keinen sicherungsfähigen Unterlassungsanspruch begründet. Wenn der betreuende Elternteil eine Kindeswohlgefährdung durch solche Verhaltensweisen des getrennt lebenden Elternteils befürchtet, hat er die Möglichkeit, beim Pflegschaftsgericht Anordnungen zu beantragen, die weitere erhebliche Belastungen des Kindes verhindern können. Die Eingriffsschwelle für Gerichte stellt idZ keine unveränderliche Größe dar, sondern ist von der Definierung der Grundbedürfnisse des Kindes – zu denen bei einem zeitgemäßen und kindzentrierten Verständnis schon prinzipiell eine sichere Bindung an beide Eltern und intensive Kontakte mit ihnen gehören – und von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Nehmen allerdings Kontaktversuche eines Elternteils – insb nach der Aussetzung des Besuchsrechts mit Gerichtsbeschluss und damit zwingend als Folge einer konkreten Kindeswohlgefährdung durch weitere, sogar geregelte Besuchstermine – ein inakzeptables Ausmaß und eine Hartnäckigkeit an, die dem Begriff der Verfolgung iS des § 382g EO entsprechen, können sie ausnahmsweise die Erlassung eines Aufenthalts- und Kontaktaufnahmeverbots mittels EV rechtfertigen, weil nicht einsichtig ist, dass nur die verwandtschaftliche Verbindung oder die Minderjährigkeit des Kindes diesem jenen Schutz nehmen sollte, der Erwachsenen in einer vergleichbaren Situation zusteht. 13 Anträge eines Elternteils namens eines mj Kindes auf Erlassung einer EV gem § 382g EO bedürfen keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, weil die dadurch bedingte Verfahrensverzögerung dem Gebot einer besonders dringlichen Behandlung derartiger Sicherungsanträge widersprechen würde (LGZ Wien 44 R 693/05w; LGZ Wien 44 R 270/09w; Näheres dazu s §§ 382b bis 382e EO Rz 137). Während der Jugendwohlfahrtsträger in jenen Fällen, in denen der sonstige gesetzliche Vertreter eines Kindes einen zur Wahrung von dessen Interessen erforderlichen Antrag im Namen des Kindes nicht unverzüglich gestellt hat, gem § 215 Abs 2 ABGB als Vertreter des Minderjährigen eine EV nach den 1252
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§§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO sowie deren Vollzug beantragen kann (vgl §§ 382b bis 382e EO Rz 139), wird die EV gem § 382g EO in dieser Bestimmung nicht erwähnt. In einem solchen Verfahren ist der Jugendwohlfahrtsträger daher nicht vertretungsbefugt. Das beiläufige und absichtslose Hinaussehen aus den Fenstern des eigenen 14 Hauses, die Einblick auf ein Nachbargrundstück gewähren, stellt keinen Eingriff in die Privatsphäre dar. Auch das kurze, nicht ganz so absichtslose, auf Neugierde basierende Hinausblicken, das manche pflegen, kann je nach Empfindlichkeit unangenehm sein, muss aber im Rahmen des „Üblichen“ hingenommen werden. Dies hat seine Grenze bei der Intensität, durch die sich im konkreten Einzelfall auch ein anderer durchschnittlich empfindsamer Nachbar dauernd beobachtet und verfolgt fühlen würde (7 Ob 248/09k = wobl 2010/81 [Illedits]). Auch das bei gleichzeitiger Gartenbenützung bei angrenzenden Grundflächen nicht zu vermeidende und oft genug unfreiwillige Mithören von Gesprächen der Nachbarn ist, und zwar auch dann, wenn ihrer Unterhaltung bewusst zugehört wird, für sich allein – ohne Hinzutreten besonderer Umstände – noch kein Eingriff in die Privatsphäre. Die Parteien verfügten im Anlassfall über aneinander grenzende Reihenhäuser. Verfahrensgegenstand war der Antrag auf Erlassung einer EV gem § 382g EO mit dem Inhalt, dass die Nachbarin (=Antragsgegnerin) es zu unterlassen habe, die Antragsteller durch Belauschen, Anstarren und Beobachten sowie gegen sie gerichtete Äußerungen beharrlich zu verfolgen und in ihrer Privatsphäre zu beeinträchtigen. Während die behaupteten störenden Verhaltensweisen keinen erheblichen und beharrlichen Eingriff gem § 382g EO aufzeigten, wäre der Sachverhalt anders zu beurteilen, wenn etwa ein Nachbar technische Hilfsmittel wie eine Videokamera oder auch nur eine Kameraattrappe zur Beobachtung des Nachbargrundstücks einsetzen würde (vgl 6 Ob 2401/96y [Eingriff in die Privatsphäre des Mieters durch eine auf seine Wohnungseingangstür gerichtete Kamera mit lückenloser Aufzeichnung aller Personen, die seine Wohnung betraten oder verließen]; 6 Ob 6/06k [mit Videokamera wurde ein Teil des Hauses des Klägers erfasst]). Nach der zitierten Entscheidung 7 Ob 248/09k wird bereits durch das Vermitteln des Gefühls, ständig überwacht zu werden, in die Privatsphäre in einer Form eingegriffen, die zu rechtlichen Konsequenzen führen kann. Maßstab ist eine durchschnittlich empfindende Person. Würde sie sich durch das Gesamtverhalten des Antragsgegners dauernd beobachtet und verfolgt fühlen, könnte dessen Verhalten untersagt werden. Wenn dem OGH auch beizupflichten ist, dass ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre nicht zwingend den Einsatz technischer Geräte zu Beobachtungszwecken voraussetzt, müssen die gerichtlichen Möglichkeiten, Konflikte zwischen Nachbarn mit EV gem § 382g EO zu regeln, weiterhin sehr zurückhaltend gehandhabt werden, um eine ausufernde Anwendung dieses Rechtsinstituts zu verhindern. Ein langer Blick auf das Nachbargrundstück ist in aller 1253
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Regel keine Verfolgungshandlung; bloßes Zuhören auf relativ engem Raum kann keine EV rechtfertigen. Auch im Fall solcher Belästigungen darf nicht übersehen werden, dass jede EV stets eine angemessene Reaktion auf festgestelltes Verhalten des Antragsgegners sein muss und ihre überschießende Anwendung die Wirksamkeit dieses sinnvollen Instruments generell schwächt.
5. Sicherungsmittel
15 § 382g Abs 1 EO zählt beispielhaft typische Sicherungsmittel auf, die für diese EV in Betracht kommen (8 Ob 155/06m = EF-Z 2007/89 = JBl 2007, 663 = EvBl 2007/81 = EF 118.464). Damit wurden die Sicherungsmittel des § 382 EO erweitert und die bestehenden Regelungen über Provisorialmaßnahmen zum Schutz vor Gewalt ergänzt, wobei § 382g EO bereits seit Inkrafttreten dieser Bestimmung keine persönliche Beziehung zwischen Täter und Opfer voraussetzt (s Rz 2). Um ein Ausweichen des „Stalkers“ auf andere, von ihm bis zur Verfahrenseinleitung noch nicht konkret eingesetzte Methoden, sein Opfer zu terrorisieren, zu verhindern, kann im Einzelfall ein Verbot bisher noch nicht verwendeter, aber naheliegender Mittel zur Kontaktaufnahme zulässig sein (2 Ob 82/ 08k = EF-Z 2008/140 [Beck]). Dadurch können dem Antragsgegner nicht nur Handlungsweisen verboten werden, welche seinen bis zur EV schon gesetzten Verfolgungsmaßnahmen entsprechen, weil dies bedeuten würde, dass eine konkrete Verletzungshandlung abgewartet werden müsste, um gerichtlichen Schutz zu erlangen. Vom Antragsteller zu verlangen, weitergehende Eingriffe zunächst einmal eine Zeitlang zu erdulden, bevor ihm gerichtlicher Schutz zugänglich gemacht würde, ist jedoch mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. § 382g EO ist daher eine geeignete Rechtsgrundlage dafür, dem Antragsgegner in Ergänzung zum Verbot schon verwirklichter Eingriffsformen auch Verhaltensweisen zu untersagen, die er noch nicht gesetzt hat, sofern sie unter Bedachtnahme auf die bisher schon bescheinigten Beeinträchtigungen der Privatsphäre seines Opfers bei einer Gesamtbetrachtung konkret zu befürchten sind. Deshalb hindern etwa die bisher unterbliebene briefliche und telefonische Kontaktaufnahme durch einen Antragsgegner, der den Antragsteller persönlich verfolgte und belästigte, sowie die noch nicht erfolgte Veranlassung einer dritten Person zur Kontaktaufnahme nach einer jahrelangen, direkten und intensiven Verfolgung ein entsprechendes Verbot nicht; auch diese Begehungsweisen können untersagt werden, sofern sie bei realitätsnaher Würdigung des bisherigen Verhaltens des Antragsgegners konkret zu befürchten sind. In gleicher Weise können die Umstände des Einzelfalls die Schlussfolgerung verlangen, dass ein Antragsteller, der bisher vom Antragsgegner ausschließlich persönlich behelligt wurde, künftig nur mit einem Kontaktaufnahmeverbot, das 1254
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auch Anrufe und SMS für unzulässig erklärt, vor weiteren Verletzungen seiner Privatsphäre ausreichend geschützt ist. Wird hingegen ein Antragsteller mit Briefen und Anrufen in einer Form belästigt, die einen unzulässigen Eingriff in seine Privatsphäre darstellt, kann dem Antragsgegner überdies sowohl die unmittelbare Kontaktaufnahme untersagt als auch – wenn solche Eingriffe aufgrund des bescheinigten Sachverhalts zu befürchten sind – etwa die Kontaktaufnahme im Wege dritter Personen verboten werden (8 Ob 155/06m = EF-Z 2007/89 = EF 118.467; Wolfrum/Dimmel, ÖJZ 2006/29, 475 [483]). Eine dafür ausreichende Besorgnis besteht jedenfalls dann, wenn Dritte bereits an den Antragsteller herangetreten sind, um ihn zur Kontaktaufnahme mit dem Antragsgegner zu bewegen. Ohne solche Anhaltspunkte, die im Einzelfall ein Verbot künftig erst zu erwartender Stalking-Handlungen zulassen und erforderlich machen, wird ein derartig weitreichender Inhalt einer EV aber wohl kaum zu rechtfertigen sein. Die Möglichkeit eines Verbots konkret drohender, wenn auch noch nicht gesetzter Eingriffe bedeutet also nicht, dass die Verletzung der Privatsphäre in einem bestimmten Bereich schon von Vornherein die undifferenzierte Anwendung sämtlicher in § 382g Abs 1 EO aufgezählten Sicherungsmittel zulassen würde; die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs, die sich gegen künftig drohende Verletzungshandlungen richtet, rechtfertigt jedoch weitergehende Verbote, um zu verhindern, dass der Antragsgegner zwar eine einzelne Stalking-Methode künftig nicht mehr anwendet, aber auf andere Eingriffshandlungen ausweicht, welche die Privatsphäre des Antragstellers gleichermaßen verletzen. Je massiver und vielgestaltiger der Antragsgegner bisher schon gegen den Antragsteller vorgegangen ist und je deutlicher die Gefahr weiterer Eingriffe unter Bedachtnahme auf die Intensität und Nachhaltigkeit seiner Verfolgungshandlungen zutage tritt, desto mehr sind breiter gefasste Verbote indiziert. IdZ ist es dann regelmäßig sinnvoll, sowohl die Kontaktaufnahme als auch die Verfolgung zu verbieten. 6. Verhältnis zwischen § 382e EO und § 382g EO
Der Gesetzgeber erweiterte mit dem 2. GeSchG den mit § 382e EO (bis 16 1.6.2009: § 382b Abs 2 EO) geschützten Personenkreis (vgl §§ 382b bis 382e EO Rz 10 und 14) und machte den Schutz durch § 382e EO von einem früheren Zusammenleben der Parteien unabhängig. Die Bestimmung ist daher nicht mehr eine lex specialis, die an eine frühere Lebensgemeinschaft anknüpft und Gewalt in der Familie verhindern soll, sondern bietet einen in der Überschrift so bezeichneten „Allgemeinen Schutz vor Gewalt“ bei weiteren Zusammentreffen. Dadurch erfassen die §§ 382e, 382g EO denselben, unbeschränkten Personenkreis. Zum unterschiedlichen Regelungsgegenstand vgl aber Rz 5.
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7. Verfahren
17 Die Zuständigkeit für die EV nach § 382g EO wurde mit dem 2. GeSchG neu geregelt. Seither ist gem § 387 Abs 4 EO grundsätzlich das BG am allgemeinen Gerichtsstand des Antragstellers zuständig. Diese Bestimmung gilt dann, wenn noch kein Hauptverfahren eingeleitet wurde, und entspricht dadurch in der Praxis dem Regelfall, zumal eine solche EV fast immer außerhalb eines Hauptverfahrens beantragt wird. 18 Für das Verfahren über einen Antrag auf Erlassung einer EV gem § 382g EO (insb im Hinblick auf das Erfordernis des ausreichend schlüssigen Antragsvorbringens, die Anhörung des Antragsgegners zur Vornahme einer Interessenabwägung und die Beschränkung des Verfahrens auf die Aufnahme parater Bescheinigungsmittel) gelten im Wesentlichen dieselben gesetzlichen Vorgaben wie für das Verfahren über die EV nach § 382e Abs 1 EO (vgl §§ 382b bis 382e EO Rz 92 ff). 19 Die Kostenersatzpflicht in Verfahren nach § 382g EO richtet sich gem § 393 Abs 2 EO nach den vom Erfolgsprinzip getragenen Bestimmungen der ZPO. Die Kostenentscheidung kann nur dann vorbehalten werden, wenn zum Zeitpunkt der Bewilligung der EV ein Rechtfertigungsprozess bereits eingeleitet ist (Mohr, ÖJZ 2009/56). 20 Von einer Sicherheitsleistung kann die EV zur Verhinderung von Stalking – wie auch die Provisorialmaßnahme nach §§ 382b Abs 1, 382e Abs 1 EO – gem § 390 Abs 4 EO nicht abhängig gemacht werden; nach den Gesetzesmaterialien soll dadurch ein potenzielles Erschwernis bei der Erlangung eines solchen Schutzes aufgrund ausdrücklicher Anordnung entfallen. 21 Der angefochtene Beschluss ist durch das Rekursgericht aufgrund der Sachund Aktenlage zur Zeit seiner Erlassung zu überprüfen. Im Rekursverfahren gilt das Neuerungsverbot. Neues Vorbringen ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Antragsgegner, dem dann der Widerspruch gem § 397 EO zusteht, in erster Instanz nicht gehört wurde (LG Salzburg EF 121.555). Auch im Rekursverfahren über die EV nach § 382g EO ist die Beweiswürdigung grundsätzlich nicht bekämpfbar, soweit das Erstgericht die Beweise (auch) unmittelbar aufgrund vor ihm abgelegter Parteien- oder Zeugenaussagen aufgenommen hat (2 Ob 82/08k = EF 115.580; LG Salzburg EF 121.556; LGZ Wien EF 121.556, 125.236; vgl dazu §§ 382b bis 382e EO Rz 125). Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht ist bei Streitigkeiten über die Verletzung höchstpersönlicher Rechte, die – wie auch in Verfahren nach den §§ 382b, 382e EO (s §§ 382b bis 382e EO Rz 126) – einer Bewertung in Geld nicht zugänglich sind, nicht vorzunehmen (6 Ob 148/00h = SZ 73/105; 6 Ob 221/06b; 2 Ob 82/08k).
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8. Vollzug durch Sicherheitsbehörden
Soweit mit der EV ein persönliches Kontakt- und Aufenthaltsverbot nach 22 § 382g Abs 1 Z 1 und 3 EO angeordnet wird, kann das Gericht gem § 382g Abs 3 EO die Sicherheitsbehörden in sinngemäßer Anwendung des § 382d Abs 4 EO mit dem Vollzug beauftragen. In diesem Fall sind diese Organe als Vollstreckungsorgane jeweils auf Ersuchen des Antragstellers verpflichtet, den einer EV nach § 382g EO entsprechenden Zustand durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt herzustellen und dem Gericht darüber zu berichten. In den übrigen Anwendungsfällen der Bestimmung, daher etwa bei einer nur brieflichen oder telefonischen Kontaktaufnahme durch den Antragsgegner, muss die EV – wie auch ein Urteil im Hauptverfahren nach einer Unterlassungsklage – mit einer Unterlassungsexekution iS des § 355 EO und somit mit Beugestrafen durchgesetzt werden, ohne dass ein Vollzug durch die Sicherheitsbehörde möglich ist (vgl dazu §§ 382b bis 382e EO Rz 129 f).
C. Geltungsdauer der EV Wie beim Allgemeinen Schutz vor Gewalt gem § 382e Abs 1 EO kann auch die 23 EV nach § 382g EO ohne Hauptverfahren bestehen; ihre Höchstdauer beträgt in solchen Fällen ein Jahr, wobei die im Einzelfall angemessene Geltungsfrist der EV vom als bescheinigt angenommenen Sachverhalt abhängt und die gesetzliche Maximaldauer der EV demnach nicht immer auszuschöpfen sein wird. Eine Frist zur Einbringung der Klage iS des § 391 Abs 2 EO ist nicht zu bestimmen. Der Antragsteller kann aber – wie bei der EV nach § 382e Abs 1 EO – durch die Einbringung einer Unterlassungsklage, zur Rechtfertigung der EV durch ein Hauptverfahren, eine Verlängerung der EV erwirken. Seit Inkrafttreten des 2. GeSchG ist somit auch bei einem Aufenthaltsverbot mit einer Höchstfrist von einem Jahr im Gegensatz zur früheren Rechtslage kein Rechtfertigungsprozess notwendig, weil etwa ein bloßes Kontaktaufnahme- bzw Verfolgungsverbot nach den Gesetzesmaterialien keinen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheiten des Täters darstellt. Der Antragsgegner ist dem einstweiligen Rechtsschutz iS des § 382g EO trotz 24 Fehlens eines Hauptverfahrens dennoch nicht hilflos ausgeliefert; er kann durch die Einbringung einer Feststellungsklage eine gerichtliche Klärung herbeiführen, ob der durch die EV gesicherte Anspruch besteht oder nicht besteht (Hager-Rosenkranz, EF-Z 2006/65). Spricht das Urteil in diesem Verfahren rechtskräftig aus, dass dem Antragsteller der gesicherte Anspruch nicht zusteht, ist die EV aufzuheben. Dies gilt auch dann, wenn dieses Urteil vor Ablauf der kalendermäßigen Frist, die in der EV festgesetzt wurde, ergeht, weil diese Wirksamkeitsdauer – anders als bei einer EV gem § 382b Abs 1 EO – 1257
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keine Mindestfrist ist, wenn im Hauptverfahren schon über den Anspruch entschieden ist. Das Gesetz regelt nicht die Frage, ob dem Antragsgegner in solchen Fällen, in denen der mit EV gesicherte Anspruch rechtskräftig aberkannt wird, ohne „Rechtfertigungsklage“ ebenso wie in Fällen mit Hauptverfahren ein Ersatz für alle durch die EV verursachten Vermögensnachteile iS des § 394 Abs 1 EO (insb Verfahrenskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung) gegenüber dem Antragsteller zusteht, wenn im Feststellungsprozess erwiesen wird, dass der Anspruch des Antragstellers nicht zu Recht besteht bzw keine Gefährdung gegeben war und der Antrag auf Erlassung der EV daher von Beginn an ungerechtfertigt war. Wenn auch diese Konstellation nicht vom Wortlaut des § 394 EO umfasst ist, besteht kein Grund, dem Antragsgegner gerade bei einstweiligen Verfügungen ohne Rechtfertigungsprozess einen Ersatz seiner Vermögensnachteile zu verwehren, wenn im Feststellungsverfahren die ungerechtfertigte Erlassung der EV und deren maßgebende Ursache für Vermögensschäden des Antragsgegners, die idR in einem summarischen, formlosen Verfahren (Kodek/Angst § 394 EO Rz 1) beim Gericht, das die EV erlassen hat, nach § 394 ABGB nur bescheinigt werden müssen, sogar nachgewiesen werden können. 25 Auch bei einer EV gem § 382g EO besteht – wie im Bereich des neuen § 382e EO – die Möglichkeit, die EV (ohne Hauptverfahren) um ein weiteres Jahr zu verlängern, sofern der Antragsgegner gegen die EV verstoßen hat. Die Verlängerung der EV setzt also einen neuerlichen Vorfall, nicht aber ein gleichartiges Verhalten des Antragsgegners, wie jene Handlungsweisen, die zur ursprünglichen EV führten, voraus (Näheres dazu s §§ 382b bis 382e EO Rz 84 ff). Auch die verlängerte EV kann durch die Sicherheitsbehörden durchgesetzt werden. Verstößt der Antragsgegner immer wieder gegen die EV, kann diese auch wiederholt verlängert werden, wodurch es zu einer langdauernden Fortsetzung des Rechtsschutzes ohne notwendige Einleitung eines Rechtfertigungsprozesses kommt. Dass eine solche wiederholte Verlängerung der Wirkungsdauer mit dem Charakter der EV als Provisorialmaßnahme tatsächlich vereinbar ist, erscheint allerdings fraglich (vgl auch Hager-Rosenkranz in ecolex 2009, 560); dies umso mehr, als zwar die Erlassung der ursprünglichen EV eine Interessenabwägung voraussetzt, ein solcher Vergleich berücksichtigungswürdiger Anliegen der Parteien aber bei ihrer Verlängerung nach einer (auch nicht schwerwiegenden) Missachtung der EV durch den Antragsgegner nicht mehr stattfindet.
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D. Straftatbestand Der Straftatbestand des § 107a StGB wurde gleichzeitig mit § 382g EO durch 26 das StRÄG 2006 (BGBl I 2006/56) geschaffen und bedroht beharrlich gesetzte widerrechtliche Verhaltensweisen mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Die Regelung ist als schlichtes Tätigkeitsdelikt und nicht als Erfolgsdelikt ausgestaltet, sodass für die Strafbarkeit von Stalking-Handlungen eine tatsächliche Beeinträchtigung der Lebensführung des Opfers nicht notwendig ist; entscheidend ist die Eignung des Verhaltens zur Veranlassung einer Änderung seiner Lebensgestaltung. § 107a StGB fällt in die Eigenzuständigkeit des LG; dadurch ist eine Haft wegen Tatbegehungsgefahr zulässig. Unter einer beharrlichen Beeinträchtigung sind jene Handlungen zu verste- 27 hen, die das Opfer dazu zwingen, seine bisherige Lebensführung zu verändern, um nicht weiter den vom Täter gesetzten unerwünschten Aktionen ausgesetzt zu sein (Hager-Rosenkranz, EF-Z 2006/65). Große Zeitabstände zwischen einzelnen Stalking-Handlungen sprechen gegen die Beharrlichkeit (Schwaighofer, WK zum StGB2 § 107a StGB Rz 8). Als Beispiele, welche die Wirkung der Verfolgungshandlungen auf Opfer dokumentieren, nennen die Gesetzesmaterialien das Umleiten von Anrufen auf einen Anrufbeantworter, die Änderung der Telefonnummer oder E-Mail-Adresse, das Meiden bestimmter Orte bzw Personen und im Extremfall sogar einen Wohnungs- oder Arbeitsplatzwechsel. Die taxativ aufgezählten Tathandlungen umfassen das Aufsuchen der räumlichen Nähe der verfolgten Person (Abs 2 Z 1), die Kontaktaufnahme im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte (Abs 2 Z 2), das Bestellen von Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung der personenbezogenen Daten der verfolgten Person (Abs 2 Z 3) und die Verwendung von Daten, um Dritte dazu zu veranlassen, mit ihr Kontakt aufzunehmen (Abs 2 Z 4). Der Begriff „beharrlich“ wird nach den Gesetzesmaterialien als wiederholtes Handeln oder andauerndes Verhalten verstanden; die Tathandlungen müssen eine längere Zeit hindurch fortgesetzt werden, um eine strafrechtliche Verfolgung zu ermöglichen (Hager-Rosenkranz, EF-Z 2006/65; Maleczky, FamZ 5/2006, 27). Die schweren Formen des Stalking erfüllen regelmäßig weitere Straftatbestände (wie insb gefährliche Drohung, Nötigung und Körperverletzung), sodass insofern nicht auf § 107a StGB zurückgegriffen werden muss (Schwaighofer, WK zum StGB2 § 107a StGB Rz 37).
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Sicherung des dringenden Wohnbedürfnisses eines Ehegatten § 382h. (1) Der Anspruch eines Ehegatten auf Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses sowie die ihm auf Grund einer Verletzung dieses Anspruchs zustehenden, nicht in Geld bestehenden Forderungen können insbesondere durch die Sicherungsmittel nach § 382 Abs 1 Z 4 bis 7 gesichert werden. (2) Ist zwischen den Parteien ein Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe anhängig, so kann die einstweilige Verfügung nach Abs 1 erlassen werden, auch wenn die in § 381 bezeichneten Voraussetzungen nicht zutreffen. (3) Von der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung der einstweiligen Verfügung ist insbesondere abzusehen, wenn zu besorgen ist, dass dadurch der Zweck der einstweiligen Verfügung vereitelt würde. (4) Die Zeit, für die die einstweilige Verfügung getroffen wird, darf über den Zeitpunkt nicht hinausgehen, ab dem ein die Ehewohnung betreffender Anspruch im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe nicht mehr geltend gemacht werden kann oder ein Verfahren darüber rechtskräftig beendet ist. [Eingefügt durch EheRÄG 1999 BGBl I 1999/125; neue Paragraphenbezeichnung durch 2. GeSchG BGBl I 2009/40] Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sicherungsfähiger Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Anspruchsbindung an die Ehewohnung 2. Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erhaltung der Wohnmöglichkeit . . . . . . . . . . 4. Keine Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Frist für Rechtfertigungsklage . . . . . . . . . . . . 6. Zeitlicher Anwendungsbereich des § 382h EO . C. Dringendes Wohnbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Anspruchsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Umfang des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Sicherungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behauptungs- und Bescheinigungspflicht . . . . 3. Anhörung des Antragsgegners? . . . . . . . . . . . 4. Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sicherung des dringenden Wohnbedürfnisses
§ 382h EO
A. Allgemeines Der Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB konnte bereits vor 1 dem EheRÄG 1999 durch eine EV nach § 382 Abs 1 Z 4 und 5 EO gesichert werden. Die Frage, ob die Eintragung eines BVV im Grundbuch ein geeignetes Sicherungsmittel darstellt, wurde in der Rsp aber unterschiedlich beurteilt (für die Zulässigkeit eines Veräußerungsverbots OLG Wien EF 32.204; 1 Ob 588/ 86 = Miet XXXVIII/42; 6 Ob 665/90 = EF 64.380; dagegen OLG Wien EF 37.636; LGZ Wien EF 73.851). Die Schaffung einer besonderen gesetzlichen Regelung zum Schutz des dringenden Wohnbedürfnisses eines Ehegatten in einer eigenen Bestimmung sollte die Zweifelsfragen im Hinblick auf zulässige Provisorialmaßnahmen beseitigen und die Bedeutung des eherechtlichen Wohnungserhaltungsanspruchs betonen (LGZ Wien EF 98.717, 102.553). Mit dem 2. GeSchG (BGBl I 2009/40) wurde lediglich die Paragraphenbezeichnung als Folge der Aufteilung des § 382b EO aF auf zwei Bestimmungen (§§ 382b, 382e EO nF) geändert; § 382h EO nF entspricht dem Wortlaut des § 382e EO idF des EheRÄG 1999 (BGBl I 1999/125). Die Regelung ist gem § 43 Abs 1 Z 3 EPG auf eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden. Die EV nach § 382h EO dient der Sicherung des Anspruchs eines Ehegatten auf 2 Erhaltung seiner Wohnmöglichkeit nach § 97 ABGB, der zu den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe gehört; dafür gilt bei der Geltendmachung dieses Anspruchs mit Auslandsbezug das Ehewirkungsstatut nach § 18 IPRG (1 Ob 583/81 = JBl 1983, 652; LG Linz EF 121.539). Demnach ist vorrangig das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten im Zeitpunkt des zu prüfenden Sachverhalts maßgebend (Näheres vgl § 97 ABGB Rz 5).
B. Sicherungsfähiger Anspruch 1. Keine Anspruchsbindung an die Ehewohnung
Da § 97 ABGB nicht die Erhaltung der Wohnmöglichkeit nur für die Ehewoh- 3 nung, sondern für jede Wohnung schützt, die dem gefährdeten Ehegatten zur Deckung seines Wohnbedarfs zur Verfügung gestellt wird (vgl § 97 ABGB Rz 14) – maßgeblich ist die Zweckwidmung der Räumlichkeiten durch den über ihre Nutzung verfügungsbefugten Ehegatten [1 Ob 35/97x = Miet 49.004] bzw die ursprüngliche Bestimmung einer Wohnung zur Ehewohnung [7 Ob 558/80 = SZ 53/48; 2 Ob 274/03b = EF 103.237; 2 Ob 240/09x = iFamZ 2010/159] –, ist auch die Anwendbarkeit des § 382h EO nicht auf die Ehewohnung beschränkt. IdR wird es sich beim Verfahrensgegenstand aber um die (frühere) Ehewohnung handeln. Zur Wohnung können auch in die 1261
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Wohneinheit nicht integrierte Räumlichkeiten gehören, wenn dort etwa Gegenstände des ehelichen Gebrauchsvermögens und Spielsachen der Kinder der Ehegatten aufbewahrt werden, um in der Wohnung mehr Raum für die Befriedigung anderer Wohnbedürfnisse zu schaffen (1 Ob 102/01h = Miet 53.007); in diesem Fall ist in der Mitverwendung der weiteren Räume nur eine Aufrechterhaltung jenes Wohnkomforts zu sehen, der den Lebensverhältnissen in der Ehe vor der gerichtlichen Auseinandersetzung entsprach (vgl zum Umfang des dringenden Wohnbedürfnisses ausführlich § 97 ABGB Rz 15).
2. Verfügungsbefugnis
4 Die Wohnung muss sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz (Nachweise bei § 97 ABGB Rz 12) noch in der rechtlichen Verfügungsgewalt eines der Ehegatten befinden. Diese Verfügungsberechtigung kann insb auf (Mit-)Eigentum, Wohnungseigentum, persönlicher Dienstbarkeit der Wohnung (3 Ob 70/00s = JBl 2001, 583; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927; 1 Ob 90/ 05z = EF 110.121), Fruchtgenussrecht (7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927; 1 Ob 90/05z = EF 110.121), Baurecht, Bestandrecht, Leihe, Genossenschaftsrecht, Dienstrecht, Prekarium (6 Ob 507/96 = wobl 1998/82; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927) oder einer familienrechtlichen Beziehung (6 Ob 507/96; 1 Ob 221/ 99b; 7 Ob 86/03b) beruhen. 5 Bei der Beurteilung, ob der andere Ehegatte den Wohnungserhaltungsanspruch gefährdet, ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzuwenden. Steht daher die Ehewohnung im Eigentum einer juristischen Person, hat der andere Ehegatte aber kraft seiner aus einem Gesellschaftsverhältnis resultierenden organschaftlichen Stellung beherrschenden Einfluss, ist er als verfügungsberechtigt anzusehen; die EV gem § 382h EO kann in einem solchen Fall gegen ihn erlassen werden (7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927).
3. Erhaltung der Wohnmöglichkeit
6 § 382h EO sichert den Anspruch auf Erhaltung der Wohnmöglichkeit nach § 97 ABGB (1 Ob 162/00 f = Miet 53.004; 3 Ob 21/01m = SZ 74/51; 9 Ob 226/02d = Miet 54.005; 3 Ob 231/04y); dieser begründet einen im ordentlichen Rechtsweg durchzusetzenden Unterlassungsanspruch. Dem auf eine bestimmte Wohnung angewiesenen Ehegatten soll jene Wohnmöglichkeit erhalten bleiben, die schon bisher der Deckung seiner den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse diente und die er weiter benötigt (Näheres bei § 97 ABGB Rz 1). Der verfügungsberechtigte Ehegatte darf nicht in einer Form über die Wohnung verfügen, dass sie dem darauf angewiesenen Ehegatten ganz oder teilweise entzogen wird. Als eine solche einseitige Veränderung der Wohnsituation 1262
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§ 382h EO
kommt die Beendigung des der Wohnungsbenützung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (zB Aufkündigung eines Mietverhältnisses oder Verkauf der Wohnung) ebenso in Betracht wie ein rein tatsächliches Verhalten (etwa Behinderung des Zutritts zur Wohnung durch Aussperren oder Anwendung körperlicher Gewalt [3 Ob 231/04y mwN = EF 106.986] sowie Aufnahme dritter Personen in die Wohnung mit dadurch bedingtem Konfliktpotenzial [vgl dazu § 97 ABGB Rz 27]). Der Anspruch soll den bedürftigen Ehegatten somit insb vor einer Räumungsklage schützen. Gesichert werden kann aber nicht nur der Anspruch eines Ehegatten auf Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses (also der Wohnungserhaltungsanspruch im engeren Sinn); als Gegenstand von Provisorialmaßnahmen kommen auch die infolge einer Verletzung dieses Anspruchs bestehenden Forderungen in Betracht (9 Ob 226/02d = Miet 54.776; 3 Ob 231/04y). 4. Keine Drittwirkung
Sicherungsfähig nach § 382h EO ist nur der gegen den anderen Ehegatten 7 bestehende Anspruch nach § 97 ABGB. Die EV gem § 382h EO ist hingegen kein zulässiges Instrument gegen eine dritte Person, die in dolosem Zusammenwirken mit dem anderen Ehegatten daraus resultierende Forderungsrechte beeinträchtigt (7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927 = EF 106.349). Wirkt ein Dritter mit einem Ehegatten dolos zusammen, um dem anderen Ehegatten die Ehewohnung zu entziehen, die dieser dringend benötigt, so besteht gegen diesen Dritten nur ein klagbarer Anspruch auf Unterlassung eines solchen Eingriffs in ein fremdes Forderungsrecht bzw eine nachträgliche Verpflichtung zum Schadenersatz durch Naturalrestitution (vgl § 97 ABGB Rz 39 und 42). Der Anspruch des wohnungsbedürftigen Ehegatten gegen einen Dritten auf Unterlassung eines dolosen Eingriffs in sein Wohnungsgebrauchsrecht kann dabei nur unter den Voraussetzungen des § 381 EO durch die Erlassung einer (gesonderten) anspruchsgebundenen EV gesichert werden. Gegen einen Dritten, der ja am Verfahren gar nicht als Partei beteiligt ist, können jedoch keine gerichtlichen Verbote, Anordnungen und grundbücherlichen Bewilligungen im Rahmen einer EV nach § 382h EO erwirkt werden (7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 97 ABGB Rz 17). 5. Frist für Rechtfertigungsklage
Die EV nach § 382h EO kann ausschließlich in einem über das Begehren nach 8 § 97 ABGB eingeleiteten Rechtsstreit erlassen werden, nicht jedoch in einem Scheidungsprozess oder in einem Aufteilungsverfahren (6 Ob 727/80 = EvBl 1981/95). Eine einstweilige Sicherung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse iZm einem Aufteilungsverfahren nach den 1263
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§§ 81 ff EheG ist nur mit einer Sicherungsverfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c zweiter Fall EO möglich und setzt daher die Bescheinigung einer konkreten Gefährdung voraus (8 Ob 55/01y = Miet 53.849; 8 Ob 39/04z). Zur Fristsetzung für eine Rechtfertigungsklage bei Erlassung der EV gem § 382h EO vor Prozesseinleitung s Rz 19. 6. Zeitlicher Anwendungsbereich des § 382h EO
9 Der aus § 97 ABGB ableitbare Anspruch auf Wohnungsbenützung ist grundsätzlich auf die Dauer der Ehe beschränkt (vgl dazu auch § 97 ABGB Rz 49), sodass die vom Gericht zu bestimmende, maximale Geltungsfrist der EV mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils endet. Das Gericht kann aber auch eine kürzere Wirksamkeitsdauer der EV festsetzen, wenn die Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen. Voraussetzung für ein Weiterwirken des Anspruchs über die Scheidung hinaus ist die rechtzeitige Antragstellung im Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG (vgl § 97 ABGB Rz 49). Diese beiden nach hM unstrittigen Rechtsätze – zum einen die Begrenzung der Höchstdauer der EV mit der rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsprozesses und zum anderen das Fortdauern des Wohnungserhaltungsanspruchs bis zum rechtskräftigen Abschluss der gerichtlichen Vermögensteilung – sind miteinander in der praktischen Umsetzung kaum vereinbar; die Differenzierung bedeutet zwingend, dass der im Aufteilungsverfahren nachwirkende Anspruch durch eine eigene EV gesichert werden muss. Würde die ursprüngliche Provisorialmaßnahme bis zum Ende des Prozesses über die Rechtfertigungsklage nach § 97 ABGB gelten, wäre die Rechtslage wohl schlüssiger geregelt (idS auch Deixler-Hübner in FamZ 2006/18 und in FamZ 2006/60). Die Rsp hält bisher aber jedenfalls überwiegend – wenn auch ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit der dadurch bedingten Problematik – an den zitierten Leitsätzen fest.
C. Dringendes Wohnbedürfnis 10 Ein dringendes Wohnbedürfnis ist grundsätzlich so lange anzunehmen, als der Gegner nicht das Gegenteil darlegt und bescheinigt, dass dem gefährdeten Ehegatten eine ausreichende und zumutbare Ersatzwohnung zur Verfügung steht (9 Ob 286/01a; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927 = EF 106.261 uva). Zur Befriedigung des angemessenen Wohnbedürfnisses gehört die weitgehende Aufrechterhaltung jenes Wohnkomforts, der den ehelichen Lebensverhältnissen vor der Beziehungskrise entsprach (1 Ob 102/01h = EF 98.723; 1 Ob 90/05z = EF 110.124). Eine vorhandene Ersatzwohnung muss zwar nicht gleichwertig sein, sie darf aber die Befriedigung des angemessenen Wohnbedürfnisses weder er1264
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heblich unterschreiten noch sonst unzumutbar sein (vgl § 97 ABGB Rz 15 f). Eine allfällige Wohnmöglichkeit des gefährdeten Ehegatten bei seinen Eltern oder einem Kind, bei sonstigen Verwandten oder Freunden ist keine gleichwertige Wohnung (vgl § 97 ABGB Rz 22); der gefährdete Ehegatte muss vielmehr in eine Ersatzwohnung kraft eigenen Rechts ausweichen können (§ 97 ABGB Rz 21). Gleichwertigkeit ist daher nicht im tatsächlichen, sondern im rechtlichen Sinn zu verstehen. Dass die Ehewohnung im Eigentum steht, der gefährdete Ehegatte jedoch über eine Mietwohnung verfügt, ist nicht entscheidend (4 Ob 608/87 = EF 58.025). Der gefährdete Ehegatte kann aber auch nicht auf eine sonst nicht erforderliche Aufnahme in einem Seniorenheim (OLG Linz EF 44.279), auf ein Dienstzimmer (OLG Wien EF 41.976), eine Notschlafstelle (bei Verwandten [LG Krems EF 88.396]; Frauenhaus [LG Linz EF 112.598]) oder Büroräumlichkeiten am Arbeitsplatz verwiesen werden. Ob ein Wohnbedürfnis ein dringendes ist, ist primär eine Rechtsfrage (vgl § 97 ABGB Rz 18); ihre Lösung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Provisorialverfahren hat der Antragsgegner zu behaupten und zu beschei- 11 nigen, dass der Antrag stellende Ehegatte nicht auf die Wohnung zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses angewiesen ist (9 Ob 286/01a mwN; 2 Ob 173/09v mwN).
D. Anspruchsgefährdung Eine konkrete Gefährdung oder Verletzung des Unterlassungsgebots nach 12 § 97 ABGB ist idR dann gegeben, wenn ein Ehegatte einen Rangordnungsbescheid erwirkte, Kaufinteressenten suchte, Verkaufsgespräche aufnahm oder auf ähnliche Weise seine konkreten Veräußerungsabsichten bekundete (1 Ob 510/80 = EF 36.916; 3 Ob 21/01m). Die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung der Liegenschaft begründet für sich allein allerdings noch keine Anspruchsgefährdung (2 Ob 2051/96y = Miet 48.720; 7 Ob 34/01b = EF 98.589; aA 7 Ob 499/55); wenn aber zusätzliche Umstände bescheinigt werden, sind Sicherungsmaßnahmen gem § 382h EO gerechtfertigt. Die Kenntnis des gefährdeten Ehegatten von den Veräußerungsbemühungen des anderen und selbst seine Mitwirkung daran kann nichts an der Rechtswidrigkeit eines Verkaufs der Ehewohnung ihm gegenüber ändern, solange er auf die Wohnung angewiesen ist (4 Ob 16/04p = EF 106.988; vgl § 97 ABGB Rz 25). Anspruchsbegründend können auch die Gefahr der Belastung der Wohnung oder das Nichtbedienen von auf der Wohnung besicherten Kreditverbindlichkeiten, mit der dadurch bedingten Wahrscheinlichkeit der Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens, sein (1 Ob 86/99z = EF 91.255). Der Wohnungsverlust droht überdies bei Beendigung der einer Wohnungsbenützung zugrunde liegenden Rechtsbeziehung wie der Aufkündigung eines 1265
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Mietverhältnisses (3 Ob 231/04y = EF 106.986). Sicherungsmaßnahmen gem § 382h EO können außerdem durch ein rein tatsächliches Verhalten begründet sein, wie etwa die Behinderung des Zutritts der Wohnung durch Aussperren oder die Aufnahme dritter Personen in die Wohnung gegen den Willen des auf diese Wohnmöglichkeit angewiesenen Ehegatten (vgl Rz 6). Zur Behauptungs- und Bescheinigungspflicht im Provisorialverfahren s Rz 23.
E. Umfang des Anspruchs 13 Inhalt des Anspruchs nach § 97 ABGB ist die Erhaltung der Wohnung an sich (arg „damit er diese [die Wohnung] nicht verliere“) und nicht auch die Erhaltung von deren Benützbarkeit zu Wohnzwecken. Unter den Sicherungsanspruch des § 382h EO fallen daher nur die zur Beschaffung und Erhaltung der Ehewohnung erbrachten Aufwendungen, nicht aber auch Kosten für Strom, Heizung udgl (3 Ob 231/04y = SZ 2004/150; 1 Ob 65/05y = EF 110.125; 2 Ob 173/09v = EF 122.552; vgl § 97 ABGB Rz 34). Nach § 382h EO sicherungsfähige Leistungen, deren Unterbleiben einen Verlust der Wohnung zur Folge haben kann, müssen somit von Leistungen, die zwar für die Benützbarkeit der Wohnung wichtig sind, bei denen ein Verlust der Wohnung aber nicht droht, unterschieden werden. So kann die Nichtzahlung des Mietzinses und der in § 15 MRG genannten Betriebskosten zur Aufkündigung des Mietverhältnisses führen; bei Nichtzahlung der Kosten für Strom, Gas usw ist dies jedoch nicht der Fall. Der verfügungsberechtigte Ehegatte kann mit einer EV nach § 382h EO demnach nur zur Bezahlung der zur Abwehr des Verlusts der Wohnung erforderlichen Wohnungserhaltungskosten, nicht jedoch auch der Wohnungsbenützungskosten, wie zB Energiekosten, verpflichtet werden. 14 Zum Verhältnis zwischen dem Wohnungserhaltungsanspruch gem § 97 ABGB und dem Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB s § 97 ABGB Rz 9 ff. Auch ein Ehegatte, dem infolge Eigeneinkommens kein Unterhaltsanspruch zusteht, kann aufgrund des § 97 ABGB gegen den anderen zur Abwehr eines drohenden Verkaufs der Ehewohnung und zur Vermeidung des drohenden gutgläubigen Erwerbs durch einen Dritten vorgehen (6 Ob 611/95 = RZ 1996/70). 15 Besondere Bedeutung kommt dem § 97 ABGB in der jüngeren Rsp als Anspruchsgrundlage für die Sicherung der Finanzierung der Ehewohnung zu. Diese Konstellation umfasst jene Fälle, in denen ein Ehegatte nach dem Auszug des Verfügungsberechtigten in der Ehewohnung verbleibt, ein Einkommen hat und vielleicht auch Unterhaltsleistungen bezieht, sich jedoch trotz dieser finanziellen Mittel die Wohnungskosten nicht leisten kann. Die langjährige Zahlung von Mietentgelt, Betriebskosten bzw Kreditraten für das Woh1266
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nungsdarlehen durch den über die Wohnung verfügungsbefugten Ehegatten bedeutet ja noch nicht, dass eine (schlüssige) Unterhaltsvereinbarung mit gleichem Inhalt für die Zeit nach der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft getroffen wurde; solche Leistungen für Wohnungskosten stellen vielmehr anrechenbare Naturalunterhaltszahlungen dar. Diese Qualifizierung ist von einer Trennung der Ehegatten unabhängig. Wenn der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte nicht in der Lage ist, die Wohnkosten neben seinen sonstigen Unterhaltsbedürfnissen aus eigenen Mitteln zu tragen, kann dem anderen Ehegatten auf der Grundlage des § 97 ABGB und im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit (die iS des § 97 Abs 2 ABGB jedenfalls zu beachten ist) – zusätzlich zum Geldunterhalt nach der Prozentwertmethode – die Zahlung von Wohnungserhaltungskosten (insb Mietentgelt, nicht aber die Kosten der Wohnungsbenutzung wie Strom, Gas oder Telefongebühren [vgl Rz 13]) aufgetragen werden, und zwar auch dann, wenn ihn keine Geldunterhaltspflicht trifft. Für die Erlassung einer EV gem § 382h EO entscheidend ist, dass der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Wohnungskosten nicht mit seinen Einkünften und Unterhaltsempfängen bestreiten kann und dass er die bisherige Wohnung weiter benötigt; nur dann droht ihm dadurch, dass er die Wohnungskosten mit seinen Mitteln nicht bestreiten kann, ein Verlust der Wohnung, den § 97 ABGB verhindern will. Ein solcher Zahlungsanspruch besteht hingegen nicht, wenn der weiterhin in der Wohnung lebende, wenn auch darüber nicht verfügungsberechtigte Ehegatte die Kosten ohnehin ohne Gefährdung seiner sonstigen Bedürfnisse selbst tragen kann, wobei er dafür die ihm zur Verfügung stehenden Mittel (eigenes Einkommen und [Ehegatten-, aber auch Kindes-]Unterhaltsbeträge und wohl auch die Familienbeihilfe) heranzuziehen hat. Der gem § 97 ABGB bestehende Zahlungsanspruch ist vom eigentlichen Unterhaltsanspruch getrennt zu betrachten. Für die Höhe eines derartigen Zuspruchs ist die finanzielle Situation jenes Ehegatten, der in der Wohnung verblieben ist, maßgebend, sodass dieser Betrag nicht nach einer starren Formel, sondern nach dem konkreten Bedarf zur Erhaltung der Wohnung unter Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit des zahlungspflichtigen Ehegatten zu bemessen ist (4 Ob 55/07b = EF-Z 2007/136 [Gitschthaler] = JBl 2008, 171). Daher kommt es auch nicht auf das Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten an (vgl dazu auch die Ausführungen zu § 97 ABGB Rz 10 f und 32).
F. Sicherungsmittel Zur Sicherung des Anspruchs nach § 97 ABGB, etwa auf Wiederherstellung 16 des früheren Zustands oder auf Vornahme bestimmter Handlungen zur Erhaltung der Wohnung, stehen insb sämtliche Sicherungsmittel nach § 382 Abs 1 Z 4 bis 7 EO zur Verfügung, daher etwa auch ein BVV (1 Ob 102/01h). 1267
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Der Anspruch nach § 97 ABGB beinhaltet nicht nur Unterlassungs-, sondern auch konkrete Leistungsansprüche auf Verwirklichung der für die Wohnungserhaltung erforderlichen Vorkehrungen einschließlich Wiederherstellung (3 Ob 231/04y = Miet 56.006). Darunter fällt etwa der Anspruch auf Erfüllung zweckdienlicher Geldansprüche wie etwa Annuitäten und Zinsen eines Wohnungskredits, die Zahlung des Mietzinses an den Bestandgeber, die Begleichung der noch offenen Leistungen an die Wohnungseigentümergemeinschaft und die Erhebung von Einwendungen gegen die Aufkündigung des Mietvertrags (1 Ob 368/98y = JBl 1999, 72; 9 Ob 226/02d = EvBl 2003/ 80; 3 Ob 231/04y = EF 106.991). Dem gefährdeten Ehegatten können somit die vom anderen Ehegatten monatlich zu zahlenden Mietentgelte oder die Rückzahlungsraten für den iZm der Wohnung aufgenommenen Kredit zugesprochen werden, wenn er nicht in der Lage ist, diese Zahlungen ohne Gefährdung seines über die Wohnbedürfnisse hinausgehenden übrigen Unterhaltsbedarfs zu leisten (6 Ob 611/95 = RZ 1996/70). Der gefährdete Ehegatte kann überdies zur Vermeidung eines bösgläubigen Zusammenspiels zwischen dem anderen Ehegatten und einem Dritten zu seinem Nachteil gegen eine Versteigerung der Wohnung oder gegen eine Räumungsexekution (3 Ob 61/01v = NZ 2002, 181) Widerspruch iS des § 37 EO erheben (vgl dazu auch § 97 ABGB Rz 39). 17 Die EV nach § 382h EO kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden (Hopf/Kathrein § 382 EO Anm 6). 18 Die Androhung bestimmter Geld- und Haftstrafen in einstweiligen Verfügungen zur Erzwingung von unvertretbaren Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen nach § 382h EO hat zu unterbleiben (5 Ob 129/05i = EF 112.615). Solche Strafdrohungen sind rechtlich bedeutungslos und daher nicht bindend.
G. Rechtfertigung 19 Die EV nach § 382h EO ist an den Anspruch nach § 97 ABGB gebunden; sie ist daher gem § 391 Abs 2 EO mit einer Fristsetzung zur Einbringung einer Rechtfertigungsklage zu verknüpfen (3 Ob 21/01m = EvBl 2001/166; 7 Ob 86/03b = JBl 2003, 927; 8 Ob 39/04z = EF 109.403; 2 Ob 164/04p = FamZ 2006/18 = EF 112.644; 3 Ob 231/04y mwN; 7 Ob 230/09p = EF 125.228 uva) und kann nur bis zur Rechtskraft der Entscheidung über diese Klage erlassen werden (vgl Rz 9). Sowohl die Bestimmung des Geltungszeitraums als auch die Setzung einer Frist für die Einbringung der Rechtfertigungsklage nach § 97 ABGB hat das Gericht erforderlichenfalls von Amts wegen vorzunehmen (LG Salzburg EF 115.577; LGZ Wien EF 112.646, 115.577). 1268
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Die Erhebung des Sicherungsbegehrens innerhalb eines Scheidungsverfah- 20 rens hat lediglich zur Folge, dass der Sicherungswerber eine konkrete Gefährdung des Wohnungserhaltungsanspruchs nicht bescheinigen muss (3 Ob 21/ 01m = EvBl 2001/166; 1 Ob 62/03d = EF 103.242; 2 Ob 164/04p = FamZ 2006/18 = EF 112.644; 7 Ob 230/09p = EF 125.229). Da der Anspruch nach § 97 ABGB auf die Ehedauer begrenzt ist, kann die EV überdies nur für die Dauer des Scheidungsverfahrens erlassen werden (8 Ob 39/04z = EF 109.403; 2 Ob 164/04p = FamZ 2006/18 = EF 112.644; Zechner § 382e EO [aF] Rz 6); die Höchstdauer der EV kann nach dieser Rsp daher die Rechtskraft des Scheidungsurteils nicht übersteigen. Systemkonformer würde allerdings die Ansicht wirken, die EV könnte bis zur rechtskräftigen Beendigung des Hauptverfahrens, daher bis zum Abschluss des Prozesses über die Rechtfertigungsklage nach § 97 ABGB, gelten (s auch Rz 9). Auch wenn der gefährdete Ehegatte die EV während eines Scheidungsverfahrens, aber noch vor Einbringung einer Klage auf Erhaltung der Wohnung nach § 97 ABGB verlangt, ist ihm gem § 391 Abs 2 EO eine Frist für die Einbringung einer Rechtfertigungsklage zu setzen (3 Ob 21/01m = EvBl 2001/ 166; 1 Ob 62/03d = EF 106.348; 7 Ob 86/03b = EF 106.348). Die Scheidungsklage ist nicht als Rechtfertigungsklage zu werten.
I. Verfahren 1. Zuständigkeit
Wird die EV nach § 382h EO mit einer Klage verbunden, mit der ein An- 21 spruch nach § 97 ABGB geltend gemacht wird, gelten die allgemeinen Zuständigkeitsregeln (5 Ob 595/81 = EvBl 1981/188). Vor Einleitung dieses Rechtsstreits ist gem § 387 Abs 2 EO das BG zuständig, bei dem der Gegner des gefährdeten Ehegatten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (5 Ob 595/81 = EF 39.508; Kodek/ Burgstaller/Deixler-Hübner § 387 EO Rz 50). Das Gericht, welches das Scheidungsverfahren zu führen hat, ist für die Erlassung der EV nicht zuständig (6 Ob 727/80 = EvBl 1981/95; OLG Wien EF 44.356); Gleiches gilt für das Gericht des Aufteilungsverfahrens.
2. Behauptungs- und Bescheinigungspflicht
Der gefährdete Ehegatte hat grundsätzlich die Gefährdung seines Anspruchs 22 nach § 97 ABGB zu behaupten und konkret zu bescheinigen; nach stRsp müssen Umstände vorliegen, die ohne EV eine Beeinträchtigung des Anspruchs oder des Anspruchsberechtigten als wahrscheinlich erscheinen lassen (7 Ob 559/91 = SZ 64/103; 1 Ob 2/97v = Miet 49.732; 1 Ob 162/00 f = Miet 53.845). 1269
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23 Von dieser Bescheinigungsverpflichtung ist der Ehegatte im Hinblick auf § 382h Abs 2 EO befreit, wenn bereits ein Scheidungs-, Aufhebungs- oder Nichtigerklärungsverfahren anhängig ist (7 Ob 86/03b = EF 106.347; 2 Ob 164/04p = EF 112.644). Ein eingeleitetes Eheverfahren begründet nämlich die Rechtsvermutung einer die Erlassung einer EV nach § 382h EO zur Hintanhaltung des Verlusts der Ehewohnung rechtfertigenden Gefahrenlage (7 Ob 86/03b = Miet 55.818; 7 Ob 230/09p = EF 125.229). Wird der Antrag nach § 382h EO ua in einem Scheidungsverfahren gestellt, setzt die EV daher nicht die Bescheinigung einer konkreten Gefährdung voraus. Dies bedeutet aber nicht, dass auch keine Anspruchsbescheinigung notwendig wäre; ein Scheidungsverfahren ist nicht Grund genug, um ohne jegliche Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Behauptungen eine EV nach § 382h EO zu erlassen (LGZ Wien EF 112.647, 115.576). Der Antragsteller muss daher auch während eines anhängigen Eheverfahrens sein gerade an dieser Wohnung bestehendes Wohnbedürfnis und die Verfügungsberechtigung des anderen Ehegatten behaupten und bescheinigen (7 Ob 230/09p = EF 125.229). Auch dann, wenn die EV während eines Scheidungsprozesses beantragt wurde, ist sie mit einer Fristsetzung zur Einbringung der Rechtfertigungsklage zu verknüpfen. Wenn zwischen den Ehegatten ein anderes Verfahren als einer der in § 382h Abs 2 EO genannten Eheprozesse geführt wird, kommt dem in seinem Anspruch nach § 97 ABGB gefährdeten Ehegatten diese Erleichterung, eine EV ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 381 EO erwirken zu können, nicht zugute. Eine analoge Anwendung auf den Zusammenhang mit einem Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG ist nicht zulässig (8 Ob 55/01y = EF 98.718; Schwimann/Ferrari/Schwimann § 97 ABGB Rz 17); in diesem Fall ist nur die Sicherung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO möglich, für die eine konkrete Gefährdung dargetan werden muss (8 Ob 55/01y; 2 Ob 164/04p). Der gefährdete Ehegatte hat dann auch die Verfügungsberechtigung des anderen Ehegatten zu bescheinigen, und zwar durch die konkrete Angabe von Tatsachen, aus denen der Rechtsgrund und der Umfang der behaupteten Verfügungsgewalt über die Wohnung abgeleitet werden können. 24 Wenn auch im Fall eines anhängigen Scheidungsverfahrens gem § 382h Abs 2 EO infolge der Rechtsvermutung einer Gefahrenlage im Hinblick auf die Ehewohnung (Rz 23) die Notwendigkeit der Bescheinigung der konkreten Gefährdung entfällt, kann eine EV zur Sicherung der Ehewohnung nicht erlassen werden, wenn aufgrund des festgestellten Sachverhalts klar ist, dass nicht einmal der Antragsteller von drohenden Malversationen des Antragsgegners ausgeht (LGZ Wien 42 R 487/09t). 25 Ist der klageweise geltend gemachte Anspruch, dessen Durchsetzung durch die EV gesichert werden soll, nach Grund und Inhalt nicht genügend präzise bezeichnet, so ist der Sicherungsantrag nach stRsp abzuweisen (1 Ob 27/91 = RZ 1993/45; 1 Ob 162/00 f = EF 98.728). Bei solchen unschlüssigen Siche1270
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rungsanträgen ist dem Antragsteller kein weiteres Vorbringen zu ermöglichen (3 Ob 262/05h = EF 112.651; vgl zur gleichen Problematik §§ 382b bis 382e EO Rz 93). Nach hM muss im Klagebegehren nach den Gegebenheiten des besonderen Falls die Verhaltensweise des Beklagten, dem eine Unterlassung aufgetragen werden soll, so bestimmt und genau wie möglich bezeichnet werden, dass ihre Verletzung gem § 355 EO vollstreckt werden kann. Allgemeine Umschreibungen genügen nicht (Beispiele aus der Rsp bei Höllwerth/Burgstaller/DeixlerHübner § 355 EO Rz 9; vgl auch 1 Ob 162/00 f). 3. Anhörung des Antragsgegners?
§ 382h Abs 3 EO lässt eindeutig die Präferenz des Gesetzgebers für die Einsei- 26 tigkeit des Verfahrens jedenfalls im Regelfall erkennen (vgl auch RV 1653 BlgNR 20. GP 34), damit der Zweck der EV nicht durch die Einbindung des verfügungsberechtigten Ehegatten vor der Sicherungsmaßnahme vereitelt wird. Dem Gegner des gefährdeten Ehegatten soll nicht durch die Ladung zum gerichtlichen Termin und die Befragung die Gelegenheit eingeräumt werden, noch vor der EV den Anspruch seines Ehegatten auf Wohnungserhaltung durch grundbücherliche Verfügungen oder durch Rechtsgeschäfte mit gutgläubigen dritten Personen zu unterlaufen (Hopf/Stabentheiner, ÖJZ 1999, 861, 874; Kodek/Angst § 382e EO Rz 4). Diese Rechtslage, wonach der Antragsgegner im Provisorialverfahren über einen Antrag nach § 382h EO keinen verfahrensrechtlichen Anspruch hat, vor der Entscheidung über den Sicherungsantrag gehört zu werden, wurde durch die Entscheidung des EGMR vom 15.10.2009, Beschw. Nr. 17056/06 (Micallef gegen Malta; vgl dazu G. Kodek, EF-Z 2010/35), nicht verändert. Der EGMR betonte zwar, dass Art 6 Abs 1 EMRK auch auf das Provisorialverfahren dann, wenn eine EV im Ergebnis den zivilrechtlichen Anspruch oder die zivilrechtliche Verpflichtung (civil rights) entscheide, – unabhängig von der Dauer ihrer Wirksamkeit und ohne Unterscheidung einzelner Verfahren – grundsätzlich voll anwendbar sei, anerkannte jedoch, dass es in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn die Effektivität der Maßnahme von einer raschen Entscheidung abhänge, nicht sofort möglich sein könne, alle Garantien des Art 6 EMRK einzuhalten. Wenn auch eine EV gem § 382h EO zweifellos eine Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche iS des Art 6 Abs 1 EMRK darstellt, ist dennoch in diesen besonders dringlichen Verfahren über Eilmaßnahmen und in Anbetracht ihrer Zielsetzung, einseitige Veränderungen durch den Antragsgegner zu verhindern, auch angesichts der Entscheidung des EGMR weiterhin ein in erster Instanz grundsätzlich einseitiges Verfahren ohne Anhörung des Antragsgegners vor der Erlassung der Provisorialmaßnahme zulässig.
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27 Wenn auch die Zustellung des Antrags an den Antragsgegner vor Erlassung der EV nur in Ausnahmefällen erfolgen soll und das Absehen von seiner Anhörung der Regelfall ist, bleibt die Frage, ob eine Anhörung des Gegners aus bestimmten Gründen im Einzelfall geboten ist, dennoch dem gerichtlichen Ermessen vorbehalten. § 382h Abs 3 EO kann jedenfalls nicht rechtfertigen, dem Gegner zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme zum Sicherungsantrag einzuräumen, dann aber ohne Bedachtnahme auf eine fristgerecht erstattete Äußerung zu entscheiden (9 Ob 226/02d); dabei muss auch der Antragsgegner die zur Widerlegung der behaupteten Ansprüche dienenden Tatsachen nur bescheinigen. Die Anhörung kommt insb dann in Betracht, wenn objektive, vom Willen des anderen Ehegatten unabhängige Umstände aktenkundig sind, die eine Vereitelung des Sicherungszwecks ausschließen (3 Ob 21/01m = EF 98.725; Zechner § 382e EO Rz 5). Die bloße Tatsache, dass für den Gegner des gefährdeten Ehegatten ein Sachwalter iS des § 268 ABGB bestellt wurde, ist kein solcher Umstand (3 Ob 21/01m = EvBl 2001/166, 731). 4. Rechtsmittelverfahren
28 Das Provisorialverfahren ist grundsätzlich nach den Bestimmungen der EO zu führen. Auch wenn die Rechtfertigungsfrist bereits abgelaufen ist und der Antragsteller keine Rechtfertigungsklage nach § 97 ABGB erhoben hat, nimmt dies dem Antragsgegner nicht die für die Sachentscheidung über seinen Rekurs erforderliche Beschwer, solange die EV nicht vom Gericht aufgehoben wurde (LGZ Wien EF 109.409). Im Rekursverfahren über eine EV nach § 382h EO gilt das Neuerungsverbot, und zwar auch dann, wenn die EV ohne Anhörung des Antragsgegners erlassen wurde, zumal dieser im Rahmen eines Widerspruchs gem § 397 Abs 1 EO Gelegenheit hat, Neuerungen geltend zu machen (LG Linz EF 121.538). 29 Der Entscheidungsgegenstand bei einer EV nach § 382h EO besteht nicht in einem Geldbetrag und ist daher vom Rekursgericht zu bewerten. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Erhalt der Ehewohnung hat, erscheint die Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit über 20.000 Euro (nunmehr wohl: 30.000 Euro) angemessen (LG Linz EF 121.539; aM [der Anspruch nach § 382h EO entspringt aus dem familienrechtlichen Verhältnis der Ehegatten und umfasst keine Geldforderung iS des § 379 Abs 1 EO, sondern „andere Ansprüche“ iS des § 381 EO – kein Bewertungsausspruch] LGZ Wien EF 112.650).
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ABGB Besitzstörung § 339. Der Besitz mag von was immer für einer Beschaffenheit sein, so ist niemand befugt, denselben eigenmächtig zu stören. Der Gestörte hat das Recht, die Untersagung des Eingriffes, und den Ersatz des erweislichen Schadens gerichtlich zu fordern. [Stammfassung] Lit: Apathy, Der possessorische Schutz gegenüber Eigenmächtigkeiten eines Miteigentümers, JBl 1977, 341; P. Bydlinski, Die Eigenmacht im Besitzstörungsrecht, RZ 1998, 97; Frauenberger, Einstweiliger Rechtsschutz bei Besitzstörung (1993); Gitschthaler, Die „nicht gehörig“ fortgesetzte Besitzstörungsklage, RZ 1989, 76; Herz, Die Eigenmacht im Besitzstörungsverfahren, RZ 1963,1; ders, Noch einmal die „eigenmächtige“ Besitzstörung, ÖJZ 1964, 146; Hoyer, Zum possessorischen Schutz des Rechtsbesitzes, wbl 1999, 341; G. Kodek, Die Besitzstörung (2002); Mohr, Der Begriff des Störers im Besitzstörungsverfahren, ZVR 1985, 225; Pichler, Die „eigenmächtige“ Besitzstörung, ÖJZ 1963, 509; Reinl, Der Besitzschutz der Ehegattin an der Ehewohnung, JBl 1969, 370. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Mitbesitz der Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgehen von der Gebrauchsordnung . . 2. Ehewohnung und Einrichtung . . . . . . . 3. Austausch des Türschlosses . . . . . . . . . 4. Verfügungen über den Telefonanschluss C. Auszug aus der gemeinsamen Wohnung . . . D. Eingriff in Besitzrechte . . . . . . . . . . . . . . . 1. Störung der Besitzverhältnisse . . . . . . . 2. Besitzstörung durch Unterlassung? . . . 3. Bewusstsein des Eingriffs . . . . . . . . . . . 4. Eigenmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Selbsthilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klagefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klagebegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1–6 7–24 7–8 9–15 16–19 20–24 25–28 29–37 29–32 33 34–35 36–37 38–43 44–76 44–52 53–60
§ 339 ABGB 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
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Klagsvorbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkung des Verfahrensgegenstands Gehörige Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . Endbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss des Revisionsrekurses . . . . . . . Exekutionsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . .
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61–63 64 65 66–69 70 71 72–76
A. Allgemeines 1 Der Besitz zeigt sich nach der Definition des § 309 ABGB zum einen an der tatsächlichen Innehabung einer Sache und zum anderen am Willen, sie als eigene in seiner Gewahrsame zu behalten. Der gerichtliche Besitzschutz ist Ausdruck und Konsequenz des Eigenmachtverbots iS des § 320 ABGB (1 Ob 181/03d = Miet 56.012; Spielbüchler/Rummel § 339 ABGB Rz 1; Klicka/ Schwimann § 339 ABGB Rz 1). § 339 ABGB (zur Verfassungskonformität 2 Ob 514, 515/93 = JBl 1994, 263 = EF 71.993) verbietet ohne weitere konkrete Vorgaben die eigenmächtige Beeinträchtigung des fremden Sach- und Rechtsbesitzes, von wem immer die Störungen ausgehen. Während im ordentlichen Zivilprozess sämtliche Fragen wie etwa Besitzrechte, Titel und Redlichkeit des Besitzes Verfahrensgegenstand sein können, ist das beschleunigte Besitzstörungsverfahren nach den Sondernormen der §§ 454 bis 459 ZPO schon gem § 457 ZPO auf die Feststellung des tatsächlichen letzten Besitzstands und seiner Störung und somit auf die Erörterung des Besitzes und die möglichst rasche Gewährung des Besitzschutzes beschränkt. Die Eigentumsverhältnisse sind in diesem Prozess demnach unerheblich (LGZ Wien EF 87.127, 89.912), Erörterungen der dem Besitzverhältnis zugrunde liegenden Rechtsbeziehung sind ausgeschlossen (1 Ob 181/03d = EvBl 2005/5 = JBl 2004, 788; vgl Rz 64). Im Besitzstörungsverfahren wird daher nicht geprüft, welche Gebrauchsrechte bestehen, sondern lediglich, welche Gebrauchsordnung zuletzt tatsächlich praktiziert wurde. Der in der Rsp häufig verwendete Begriff des „ruhigen“ Besitzes findet sich dabei im Gesetz nicht; diese Beschreibung ist auch nicht angezeigt, weil das Gesetz selbst den zutreffenden Ausdruck des „letzten (tatsächlichen)“ Besitzstands (vgl § 49 Abs 2 Z 4 JN, §§ 454 Abs 1, 457, 459 ZPO) vorgibt. Im Gegensatz dazu vermittelt die Formulierung „ruhiger Besitz“ den Eindruck, dass der Besitzschutz erst ab einer gewissen Mindestdauer der Besitzausübung zur Verfügung stünde; dies ist aber unrichtig. Zum Klagebegehren s Rz 53 ff. 2 § 339 ABGB untersagt nur, den Besitz eigenmächtig zu stören, die Bestimmung beschreibt den Störungstatbestand jedoch nicht näher. Dennoch ist der Besitz nicht umfassend, sondern – entsprechend dem zentralen Grund des Be1274
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Besitzstörung
sitzschutzes – nur gegen die in dieser Regelung ausdrücklich angeführte, verbotene Eigenmacht geschützt (LG Salzburg EF 119.899; G. Kodek, Besitzstörung 200; zum Begriff „Eigenmacht“ s Rz 36). Nicht jeder Eingriff in den Besitz einer anderen Person ist somit auch eine Besitzstörung. Vgl auch Rz 29. Zur Zielsetzung der Rechtsordnung, den Rechtsfrieden zu sichern, gehört die 3 Hintanhaltung der Eigenmacht im Rechtsleben. Daher wird bereits der Besitz als tatsächlicher Zustand, der gem § 323 ABGB auch eine rechtlich bedeutsame Zuordnung einer Sache bildet, – gleichsam als erleichternde Vorstufe des Rechtsschutzes (Spielbüchler/Rummel § 320 ABGB Rz 1) – geschützt. Der in einem Besitzstörungsprozess Unterlegene kann allerdings sein Recht zum Besitz im petitorischen Verfahren geltend machen und gegebenenfalls durchsetzen (§ 459 zweiter Satz ZPO). Die Korrigierbarkeit der Entscheidung im Rechtsstreit über das Recht zum Besitz ist ein entscheidendes Kriterium für die Beschränkung des Wiederherstellungsanspruchs im Besitzstörungsverfahren (LGZ Wien Miet 58.635, 59.633). Der Besitzschutz endet jedoch trotz seines provisorischen Charakters erst mit der rechtskräftigen Entscheidung im Petitorium (3 Ob 63/85; 2 Ob 93/00s = Miet 52.763). Eine Besitzstörung berechtigt den dadurch beeinträchtigten Besitzer, den Er- 4 satz des erweislichen Schadens gem § 339 zweiter Satz ABGB gerichtlich geltend zu machen. Dieser „Ersatz des erweislichen Schadens“ bedeutet zwar Schadenersatz, kann im Rahmen eines Besitzstörungsverfahrens aber nur die Wiederherstellung des letzten Besitzstands bewirken. Sonstige Entschädigungsansprüche sind schon durch § 457 ZPO von der Erörterung im Besitzstörungsverfahren ausgeschlossen und können daher nicht im Rahmen eines solchen Prozesses, sondern müssen durch petitorische Klage nach den Vorgaben der §§ 1295 ff ABGB geltend gemacht werden (1 Ob 279/70 = EvBl 1971/ 307; 4 Ob 623/75 mwN; G. Kodek, Besitzstörung 843). Dies gilt beispielsweise für die Kosten des Wiedereinschaltens des Stroms als Schadenersatzanspruch nach einer eigenmächtigen Kündigung des Bezugsvertrags; über eine solche Forderung darf nicht im Besitzstörungsverfahren entschieden werden (LGZ Wien EF 64.112). § 339 ABGB gilt im familienrechtlichen Bereich nicht nur für Besitzstö- 5 rungsstreitigkeiten zwischen Ehegatten, sondern auch für gleichartige Konflikte zwischen eingetragenen Partnern und Lebensgefährten. In der Praxis kommt bisher den Besitzstörungshandlungen von Ehegatten die größte Bedeutung zu, weshalb dieser Rechtsbereich den Schwerpunkt der folgenden Darstellung bildet. Zur maßgebenden Bedeutung der zweitinstanzlichen Rsp für die Beurteilung 6 von Besitzstörungshandlungen infolge des Rechtsmittelausschlusses des § 528 Abs 2 Z 6 ZPO vgl Rz 70.
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B. Mitbesitz der Ehegatten 1. Abgehen von der Gebrauchsordnung
7 Besitzstörungsklagen sind auch zwischen Mitbesitzern und daher auch zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern und Lebensgefährten zulässig. Bei Mitbesitz liegt eine Besitzstörung dann vor, wenn einer der Mitbesitzer dem anderen eigenmächtig die Sache entzieht und ihn dadurch von der Benützung überhaupt ausschließt oder die bisherige Gebrauchsordnung erheblich stört (LG Salzburg EF 117.164, 119.894; LGZ Wien EF 51.383, 63.010, 117.164 uva). Dies zeigt sich idR daran, dass sich ein Mitbesitzer wie ein Alleinbesitzer verhält und die bisherigen Benützungsverhältnisse dadurch erheblich verändert. Zwischen Mitbesitzern kommt es also nicht darauf an, welche Gebrauchsrechte bestehen, sondern lediglich darauf, welche bindende Gebrauchsordnung zuletzt tatsächlich bestand. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (nicht einvernehmlichen) Veränderung des faktischen Zustands als Ausgangspunkt für die Qualifizierung von Eingriffen als Besitzstörungshandlungen ist daher die bisherige Ausübung des Mitbesitzes (1 Ob 213/07s). 8 Das Erfordernis einer strikten Trennung der wesentlichen Rechtsfragen für Eingriffe in Besitzrechte einerseits und definitive Vermögenszuweisungen andererseits wird etwa iZm ehelichen Ersparnissen deutlich. Nimmt der eine Ehegatte das gemeinsame Sparbuch eigenmächtig aus dem Banksafe, wird die zwischen den Ehegatten bestehende Gebrauchsordnung im Hinblick auf das Vorhandensein dieses Sparbuchs im gemeinsamen Safe wesentlich gestört und der andere Ehegatte vom Zugriff auf das gemeinsame Sparbuch ausgeschlossen, sodass eine Störung seines Mitbesitzes am Sparbuch vorliegt (LGZ Wien EF 93.270). Die Beiträge der Ehegatten zum Zustandekommen des Sparguthabens und die Frage seiner Zugehörigkeit zum Aufteilungsvermögen iS des § 81 EheG sind im Besitzstörungsverfahren unerheblich. 2. Ehewohnung und Einrichtung
9 Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, haben nach der Rsp Mitbesitz an der Ehewohnung (LGZ Wien EF 33.672, 45.934, 93.262, Miet 29.031 f, 30.022 ff, 32.018 ua; zum Mitbesitz von Lebensgefährten vgl LGZ Wien Miet 32.018). Bei Aufenthalten an mehreren Orten begründen Ehegatten in diesem Verständnis daher auch an mehreren Wohnungen Mitbesitz (LGZ Wien EF 111.022). Die Rsp nimmt dabei keine Differenzierung zwischen den Miet- bzw Eigentumsverhältnissen an der (Ehe-)Wohnung unter dem Gesichtspunkt des Besitzes vor und billigt grundsätzlich jedem Ehegatten, auch wenn die Ehewohnung im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht, daran Mitbesitz zu (LG Salzburg EF 119.893; LGZ Wien Miet 30.022; vgl G. Kodek, Besitzstörung 173 ff). 1276
§ 339 ABGB
Besitzstörung
Das Unterbleiben einer Unterscheidung nach der Rechtsstellung an der Ehewohnung ist aber problematisch. Ist der in seinem Besitz gestörte Ehegatte selbst (zumindest Mit-)Eigentümer oder (Mit-)Mieter der Ehewohnung, ist er schon deshalb Sach- bzw Rechtsbesitzer, sodass ihm Besitzschutz (auch gegen eigenmächtige Vorgehensweisen des Miteigentümers oder Mitmieters; vgl Apathy, JBl 1977, 341) zusteht. Wenn hingegen der Ehegatte, der sich in seinen Rechten beeinträchtigt erachtet, weder Eigentümer noch Mieter der Ehewohnung ist, ist sein Besitzschutz im Hinblick auf die Wohnung rechtlich nicht begründbar. Ein eigener Sachbesitz dieses Ehegatten an der Wohnung ist ausgeschlossen; ein Rechtsbesitz am Bestandrecht wird in aller Regel schon infolge des fehlenden Willens, dieses Recht als eigenes Recht iS der Begriffsbestimmung des § 339 ABGB auszuüben, nicht vorliegen. Der familienrechtliche Wohnungserhaltungsanspruch gem § 97 ABGB, welcher der Benützung der Ehewohnung zugrundeliegt, ist als familienrechtlicher Anspruch nicht verkehrsfähig iS des § 311 ABGB und somit nicht besitzfähig (G. Kodek, Besitzstörung 172 ff). Ein Besitzschutz an der Ehewohnung kommt demnach nicht in Betracht, wenn ein Ehegatte Eingriffshandlungen des anderen ausgesetzt ist, ohne über Eigentums- oder Mietrechte an der Wohnung zu verfügen. In der Praxis hat die Rechtsfrage nach einem solchen Besitzschutz dieses Ehegatten im Hinblick auf die Ehewohnung allerdings insofern keine entscheidende Bedeutung, als beiden Ehegatten Mitbesitz jedenfalls an den in der Wohnung befindlichen Hausrats- und Einrichtungsgegenständen zusteht (Rz 11). Wenn ein Ehegatte den anderen aus der Wohnung aussperrt, verhindert er dadurch dessen Zugang zu den dort befindlichen Sachen; eine solche Handlungsweise ist regelmäßig – unabhängig von der rechtlichen Position der Ehegatten in Ansehung der Wohnung – als Besitzstörung im Hinblick auf diese Gegenstände zu werten, sodass schon deshalb eine Besitzstörungsklage durchsetzbar ist. Der Rechtsbesitz an der Ehewohnung geht nicht dadurch verloren, dass ein 10 Ehegatte durch seine Inhaftierung bzw das zeitweilige Verbot, die Wohnung zu betreten, an der Benützung der Ehewohnung vorübergehend gehindert war (LGZ Wien Miet 26.026, 26.029, 30.024), sondern nur dann, wenn sich der bisherige Besitzer nicht innerhalb der 30-tägigen Frist des § 454 ZPO zur Wehr setzt, weil der Besitzstörer in einem solchen Fall selbst den Besitz daran erwirbt. Zur ausnahmsweisen Befugnis zur Selbsthilfe vgl Rz 39. Die Ehegatten sind Mitbesitzer der gemeinsam benutzten Hausrats- und Ein- 11 richtungsgegenstände (LG St. Pölten EF 81.275; LGZ Wien EF 33.670, 40.964, 107.991, 123.570), wobei der Mitbesitz an diesen Sachen bereits durch die Begründung der ehelichen Gemeinschaft entsteht (LG Salzburg EF 89.915, 93.258; LGZ Wien EF 89.915, 107.986, 111.022, 117.168, 123.570 uva). Die Frage, ob diese Gegenstände vor oder während der Ehe und von beiden Ehegatten angeschafft wurden bzw in wessen Eigentum sie sich befinden, ist für 1277
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den Besitzschutz bedeutungslos (LGZ Wien EF 89.915, 107.986, 111.022, 117.168). Die Ansicht, dass keine Besitzstörung vorliege, wenn in einem Haushalt zwei oder mehrere gleichartige Geräte für die Ehegatten vorhanden seien, trifft nicht zu, weil ein Ehegatte an allen Gegenständen seinen Besitz ausüben kann (LGZ Wien EF 71.992). 12 Besitz bzw Mitbesitz an beweglichen Sachen wird durch die Benützung bzw Mitbenützung erworben (LGZ Wien EF 40.963, 63.006, 78.339). Wenn ein Ehegatte in der Wohnung befindliche Gegenstände (etwa eine Fotoausrüstung) noch nie benützt hat, hat er weder Besitz noch Mitbesitz daran. Durch die Wegnahme dieser Sachen durch den anderen Ehegatten kann dann auch eine bestehende Gebrauchsordnung zwischen den Ehegatten nicht gestört und eine Besitzstörungsklage nicht gerechtfertigt werden (LGZ Wien EF 78.339; iglS LGZ Wien EF 75.254 [durch die Verbringung eines nur vom beklagten Ehegatten und nie vom Kläger benützten Drehsessels kann dem Kläger kein Nachteil entstehen, der eine Besitzstörungsklage rechtfertigen würde]; aA [auf die tatsächliche Mitbenützung kommt es nicht an] LGZ Wien EF 66.180 [Hausratsgegenstände], 117.168 [Computer]; vgl zum „Nachteil“ für den Besitzer als Voraussetzung für das Vorliegen einer „Störung“ der Besitzverhältnisse auch Rz 29). 13 Auch das Verbringen transportabler Gegenstände, die der (Mit)Besitzer nicht ohne weiteres zu finden vermag, stellt eine Besitzstörungshandlung dar (LGZ Wien EF 36.078, 119.897). Hat die Gebrauchsordnung darin bestanden, dass die Ehegatten die Wohnung und die dort befindlichen Sachen zunächst gemeinsam benützten und der eine Ehegatte diese Gegenstände nach dem Auszug des anderen allein verwendete, bedeutet die spätere Entfernung des Wohnungsinventars durch den nicht mehr dort lebenden Ehegatten einen Verstoß gegen die zuletzt praktizierte Gebrauchsordnung und ist damit als Besitzstörungshandlung zu werten (LG Salzburg EF 117.167; LGZ Wien EF 54.104, 71.991, 111.022, 119.897). Besitzstörungen liegen auch dann vor, wenn der Ehegatte bisher gemeinsam benützte Gegenstände aus der Wohnung im Keller versteckt (LGZ Wien EF 54.104) oder sie in einem dem anderen Ehegatten zwar zugänglichen Schlafzimmerkasten verwahrt, ihn aber darüber nicht in Kenntnis setzt, sodass dieser davon ausgehen musste, dass der Ehegatte diese Sachen bei seinem Auszug aus der Wohnung mitgenommen hat (LGZ Wien EF 33.673). 14 Die Mitnahme von ausschließlich durch gemeinsame Kinder benützten Gegenständen ist hingegen nicht als Besitzstörung zu werten. Werden Sachen, die in der Ehewohnung bisher nur von den Kindern der Ehegatten benützt wurden, von dem einen Ehegatten (oder in seinem Auftrag von den Kindern) aus der Wohnung gebracht, so liegt nämlich keine Entziehung eines Mitbesit1278
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Besitzstörung
zes des anderen Ehegatten vor, weil durch die Verbringung dieser Sachen keine diesen beeinträchtigende Störung der Gebrauchsordnung gegeben ist (LGZ Wien EF 68.933; vgl auch Rz 12). Wenn Ehegatten einen Vergleich abschließen, wonach dem vorübergehend 15 ausziehenden Ehegatten das Recht eingeräumt wird, die Ehewohnung täglich während eines genau festgelegten Zeitraums zu betreten und zu benützen, oder wenn sie sonstige Nutzungsregelungen vereinbaren oder auch nur praktizieren, wird dadurch eine vertragliche Gebrauchsordnung geschaffen, mit der die Ehegatten als Mitbesitzer die künftige Benützung der Wohnung regeln. Erhält dadurch ein Ehegatte einen größeren Anteil an der Nutzung der Wohnung, wird er dadurch freilich nicht deren Alleinbesitzer; er ist daher nicht berechtigt, ein weiteres Schloss an der Tür anzubringen, um den anderen Ehegatten am Betreten der Wohnung außerhalb der ihm zugestandenen Zeiträume zu hindern (LGZ Wien Miet 31.017). Der Ehegatte hat in einem solchen Fall nach seinem Auszug nicht nur das Recht, die Ehewohnung in der vereinbarten Zeit zu betreten, er hat auch Anspruch darauf, über alle Mittel zu verfügen, die ihm das Betreten der Wohnung auf die herkömmliche Art sichern. Dazu gehört auch, dass er in der Lage ist, alle Türschlösser zu öffnen. Auch das Einziehen in eine vereinbarungsgemäß zu vermietende Wohnung ist eine Besitzstörungshandlung. Einigen sich die Ehegatten darauf, eine bestimmte Wohnung zu vermieten, so stellt der Einzug eines Ehegatten in diese Wohnung ein eigenmächtiges Abgehen von der vereinbarten Gebrauchsart dar (LGZ Wien EF 63.011; iglS LGZ Wien EF 61.718). 3. Austausch des Türschlosses
Das Anbringen eines neuen Schlosses an der Wohnungstür (oder auch nur am 16 Kellerabteil der Wohnung: LG Salzburg EF 93.271) durch einen Mitbesitzer, der dem anderen den Schlüssel dazu vorenthält, stellt eine Entziehungshandlung iS des § 339 ABGB dar, die nur dann nicht als eigenmächtig zu beurteilen ist, wenn ihr der andere Mitbesitzer zugestimmt bzw seinen Rechtsbesitz bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz über die Besitzstörungsklage freiwillig aufgegeben hat (LG Linz EF 123.567; LG Salzburg EF 119.895; LGZ Wien EF 31.431, 117.165, Miet 30.023). Dass der Kläger selbst vor der Änderung der Schlösser zur gemeinsamen Wohnung durch den Beklagten die Schlösser des Gartentors und der Garage austauschte, berechtigt den Beklagten nur zur Ergreifung geeigneter Gegenmaßnahmen, nicht aber zur Ausschließung des Klägers (LGZ Wien Miet 29.031). Gelingt es einem Mitbesitzer im Einzelfall, nach der eigenmächtigen Änderung des Türschlosses durch den anderen – etwa infolge des schadhaften Zustands der Tür – in die Wohnung zu kommen oder wird ihm schließlich doch einmalig und vorübergehend der Zugang zur Wohnung ermöglicht (LGZ 1279
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Wien EF 40.970), ändert dies nichts an der rechtlichen Qualifikation des Eingriffs als Besitzstörung. Der Umstand, dass der Kläger nach bereits erfolgter Änderung des Türschlosses nicht nachträglich ausdrücklich einen dazu passenden Schlüssel verlangte, lässt die Bewertung des Austauschs des Schlosses als Besitzstörungshandlung ebenfalls unberührt. 17 Auch das nur fallweise Verschlossenhalten der Ehewohnung in der Absicht, dem Ehegatten den Besitz daran nach Gutdünken, wenn auch nur von Zeit zu Zeit, zu entziehen, erfüllt den Tatbestand der Besitzstörung. War die Absicht des einen Ehegatten (etwa durch Versperren der Eingangstür von innen und Steckenlassen des Schlüssels) darauf ausgerichtet, dem anderen den Besitz an der Wohnung zumindest zeitweise zu entziehen, wurde es diesem dadurch unmöglich gemacht, die Wohnung, wann immer er wollte, zu betreten, sodass dadurch in seinen (Mit-)Besitz eingegriffen wurde (LGZ Wien EF 33.672 = Miet 31.018). 18 Die Wegweisung eines Ehegatten aus der Wohnung mit einer EV gem § 382b Abs 1 EO als Instrument der einstweiligen Konfliktregelung berechtigt den dort verbliebenen Ehegatten nicht zum Austausch der Türschlösser. Da eine Besitzaufgabe im Zweifel nicht zu vermuten ist (s Rz 25) und das Verlassen der Wohnung durch den Kläger unter diesen Umständen nicht freiwillig erfolgte, kann aus seinem Auszug nicht die Schaffung einer neuen Gebrauchsordnung abgeleitet werden; der Mitbesitz erlischt nicht durch Wegweisung. Daher liegt eine Besitzstörung vor, wenn der Beklagte in einem solchen Fall die Türschlösser austauschen ließ und dem Weggewiesenen keinen Schlüssel aushändigte (LGZ Wien EF 114.024; aA LG Krems a d Donau EF 45.012; LG Linz EF 123.568; LGZ Wien EF 33.675 [keine Besitzstörung begründende Eigenmacht durch die Änderung des Schlosses zur Ehewohnung, wenn dem anderen Ehegatten das Betreten der Ehewohnung und damit der Gebrauch seines Besitzes durch EV vorläufig verboten war]). Ein Ehegatte muss es sich auch als Besitzstörungshandlung zurechnen lassen, wenn er nach Ablauf eines Betretungsverbots die ihm von den Polizisten übergebenen Schlüssel nicht mehr dem anderen Ehegatten zur Verfügung stellt (LGZ Wien EF 78.340). Die rechtmäßige Abwehr gegen einen Mitbesitzer kann nicht so weit gehen, dass dieser zur Gänze an der Rechtsausübung gehindert wäre; daher darf ein Mitbesitzer auch dem anderen Mitbesitzer den Zutritt zur Wohnung, an der auch diesem Besitz zusteht, nicht eigenmächtig verwehren. Zur ausnahmsweise berechtigten Selbsthilfe s Rz 39. 19 Der Beklagte kann im Besitzstörungsverfahren seinen eigenen Besitzschutzanspruch in Form einer Einrede geltend machen, solange dieser nicht durch Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 454 ZPO verloren gegangen ist. Wenn ein Ehegatte den anderen durch die Anbringung eines neuen Schlosses ohne Übergabe eines Schlüssels am Betreten der Ehewohnung gehindert hatte 1280
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Besitzstörung
und der andere es dabei bewenden ließ und seine wegen dieses Verhaltens eingebrachte Besitzstörungsklage zurücknahm, befand sich der eine Ehegatte damit im alleinigen Besitz der Ehewohnung (LGZ Wien EF 45.934); der andere kann dann keinen Besitzstörungsanspruch mehr in Form der Einrede geltend machen, weil dieser durch Ablauf der Klagefrist des § 454 ZPO verloren gegangen ist (Rz 50). Wenn aber zwischen dem Anbringen eines Zusatzschlosses durch den einen Ehegatten und dem gewaltsamen Öffnen dieses Schlosses durch den anderen Ehegatten eine geringere als eine 30-tägige Frist lag, kann nicht davon gesprochen werden, dass der eine Ehegatte Alleinbesitz erworben hätte (LGZ Wien EF 38.462). Die Handlung des anderen stellt lediglich die Wiederherstellung der bisherigen Gebrauchsordnung dar und ist damit eine weitere Besitzausübungshandlung und kein eigenmächtiger Eingriff in den Besitz.
4. Verfügungen über den Telefonanschluss
Die Benützungsmöglichkeit eines Telefons in der gemeinsamen Wohnung 20 stellt die Ausübung eines besitzfähigen Rechts durch beide Mitbesitzer dar, wobei Eingriffe in die bestehende Gebrauchsordnung Besitzstörungshandlungen sind. Wer gegenüber der Fernmeldebehörde Vertragspartner ist und somit als Fernsprechteilnehmer aufscheint, ist für eine Besitzstörung unerheblich. Der Einwand, wonach der Kläger die Kosten des Telefonanschlusses getragen hätte, ist im Besitzstörungsverfahren ebenfalls unbeachtlich, weil die Verpflichtung zur Kostentragung im Innenverhältnis in diesem Prozess irrelevant ist (LGZ Wien EF 51.389, 109.042; s Rz 23). Maßgeblich für das Vorliegen einer Besitzstörung ist idZ, dass der Ehegatte insofern im (Mit-)Besitz des Telefonanschlusses war, als er dort – unabhängig von der Frage, wer Anschlussinhaber ist – unter der konkreten Telefonnummer (LGZ Wien EF 89.918) Telefonate tätigen und entgegennehmen konnte, und dass ihm das Telefonieren in der Wohnung in der Folge nicht mehr möglich war. Das Abmelden des bisher gemeinsam benützten Telefons (LGZ Wien EF 40.966, 51.384, 59.892, 63.017, 111.023) bzw die Veranlassung der Aktivsperre des Telefons (LGZ Wien EF 31.432, 78.338, 111.023), die Verhinderung der Benützung des Telefons durch dessen Entfernung (LGZ Wien EF 40.966 f) oder das Anbringen eines Schlosses am Telefongerät (LGZ Wien EF 111.023) sind Besitzstörungen, die dazu führen, dass der beklagte Ehegatte den früheren Zustand durch Wiederanmeldung des Anschlusses bzw Zurückstellung des Geräts wiederherstellen muss. Besteht die bisherige Gebrauchsordnung darin, dass zwei Festnetzanschlüsse in der Ehewohnung verwendet werden, so wird durch die einseitige Anbringung einer Aktivsperre an einem dieser Anschlüsse eine Besitzstörung verwirklicht (LGZ Wien EF 96.864; s auch Rz 11). 1281
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Ob eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Telefonanschlusses bestand oder nicht, kann im Besitzstörungsverfahren nicht geprüft werden (LGZ Wien EF 31.432, 40.968). 21 Zur Besitzstörung durch Beendigung bisher regelmäßig geleisteter Zahlungen s Rz 33. Wenn der Telefonanschluss auf den Namen eines Ehegatten lautet, er gleichzeitig erklärt, die Telefongebühren nicht bezahlen zu wollen, und sein Verhalten in der Folge zur Abschaltung des Telefonanschlusses führt, kann dieses Unterlassen der Zahlungen ausnahmsweise eine Störung des Rechtsbesitzes darstellen (LGZ Wien WR 240, EF 111.023; iglS LGZ Wien EF 71.985, 75.252). 22 Der Ehegatte, der das Telefon der Ehewohnung abmeldet, kann dem Begehren des anderen, festzustellen, dass dieser ihn im Besitz des Telefons gestört habe, und auszusprechen, dass er verpflichtet sei, sich künftig derartiger Störungen zu enthalten und den vorigen Zustand durch entsprechende Erklärung gegenüber der zuständigen Stelle wiederherzustellen, nicht mit Erfolg entgegnen, die Wiederherstellung sei nicht möglich, weil als Wiederherstellungsmaßnahme nur ein neuer Antrag auf Anschluss eines Telefonapparats gestellt werden könne. Im Besitzstörungsverfahren hat der Kläger nicht nur ein Interesse an der Wiederherstellung, sondern auch an der Feststellung der Störung und dem an den Beklagten gerichteten Verbot einer künftigen Störung (LGZ Wien EF 36.080; vgl auch Rz 56). 23 Die Zahlungspflicht für die Telefonkosten ist im Besitzstörungsverfahren bedeutungslos; dem Beklagten ist daher der Einwand stark ansteigender Telefonkosten regelmäßig verwehrt, wenn er auch die Möglichkeit hat, mittels Klage (oder bei besonders dringlichen Fällen mittels EV) vorzugehen (LGZ Wien EF 56.873, 107.997). Nur in Ausnahmefällen, in denen sogar eine EV zu spät käme, wird dem Ehegatten ein Selbsthilferecht eingeräumt (Rz 41). Eine solche Konstellation liegt etwa dann vor, wenn innerhalb kurzer Zeit (beispielsweise binnen 24 Stunden) infolge des Verhaltens des Beklagten extrem hohe Telefongebühren anfallen und diese nicht einmal mit einer EV vor Eintritt des Schadens unterbunden werden könnten (LGZ Wien EF 63.018, 107.997); nicht hingegen dann, wenn der Beklagte entgegen der bisherigen Gebrauchsordnung einmal eine außergewöhnlich hohe Telefonrechnung verursacht hat (LGZ Wien EF 48.499 [ca 140 Euro]). 24 Ob der Privatanschluss der Ehegatten auch der Telefonanschluss des Unternehmens eines Ehegatten war, ist unerheblich (LGZ Wien EF 89.919). Der Ehegatte muss die Verlegung der Nummer zu einem anderen Ort, an dem er nunmehr seinen Betrieb führt, mit dem anderen Ehegatten einvernehmlich gestalten; in der von ihm vorgenommenen Eigenmacht ist eine Besitzstörung zu erblicken. Ein solcher unzulässiger Eingriff in die Besitzverhältnisse liegt dabei nicht nur in der einseitigen Änderung der bisherigen Gebrauchsordnung, son1282
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dern auch in der – wenngleich kurzfristigen – Beeinträchtigung des anderen Ehegatten dadurch, dass dieser von der Rufnummernänderung des Telefonanschlusses in aller Regel überhaupt erst durch dritte Personen erfährt. Wenn das Mobiltelefon eines Ehegatten und die zum selben Tarif angemeldeten Handys der Kinder auf das Unternehmen des anderen Ehegatten beim Telefonanbieter angemeldet waren, aber ihrer privaten Nutzung dienten, bedeutet dies nicht, dass der unternehmerisch tätige Ehegatte eigenmächtig über den Telefonanschluss verfügen darf. In einem solchen Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem Anschluss um einen reinen Firmenanschluss handelt, bei welchem dem einen Ehegatten, wie auch in Angestelltenverhältnissen häufig üblich, in einem gewissen Rahmen der private Gebrauch des Mobiltelefons zugestanden würde. Vielmehr ist der Ehegatte des Unternehmers infolge seiner Verfügungsmöglichkeit im Rahmen der familienrechtlichen Beziehung als Besitzer des Telefonanschlusses anzusehen. Das Sperren dieses Anschlusses durch den anderen Ehegatten und die Änderung des gemeinsamen Kundenkennworts ist daher eine Besitzstörungshandlung (LGZ Wien EF 119.896).
C. Auszug aus der gemeinsamen Wohnung Das „Ausziehen“ eines Ehegatten aus einer gemeinsamen Wohnung kann eine 25 Besitzaufgabe bedeuten, doch ist dies jeweils im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Dabei ist im Zweifel eine Besitzaufgabe nicht zu vermuten (LG Salzburg EF 119.893; LGZ Wien EF 93.259, 108.001, 117.169, 119.898, 123.569 uva), und zwar auch dann nicht, wenn ein Ehegatte freiwillig aus der Ehewohnung mit dem Willen auszieht, die Ehegemeinschaft endgültig aufzuheben (LG Salzburg EF 119.893; LGZ Wien 93.261, 100.511, 104.594, 108.003, 119.898 uva). Vom Willen, das eheliche Zusammenleben zu beenden, ist somit nicht schon auf den Willen, auch den Besitz an der Wohnung aufzugeben, zu schließen. Der Mitbesitz an der Wohnung (vgl aber Rz 9) und an Hausratsgegenständen geht daher im Allgemeinen nicht verloren, wenn der Ehegatte die Wohnung infolge gewisser Umstände tatsächlich nicht mehr bewohnt, weil gem § 351 ABGB der bloße Nichtgebrauch eines Rechts noch nicht zum Besitzverlust führt (LGZ Wien EF 93.259). Der Auszug eines Ehegatten, der (Mit-)Eigentümer oder Mieter der Ehewohnung ist, bedeutet daher auch nicht, dass er mit Zustimmung des anderen Ehegatten erfolgende Besuche dritter Personen in der Wohnung jedenfalls hinnehmen muss. Der Schutz des Ehe- und Familienlebens endet grundsätzlich erst mit der Auflösung der Ehe, sodass jeder Ehegatte während ihres aufrechten Bestands aufgrund der in § 90 Abs 1 ABGB normierten Pflicht zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft Anspruch darauf hat, dass Dritte 1283
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das Ehe- und Familienleben nicht stören (5 Ob 680/83 = Miet 35.006; 8 Ob 529/88 = EF 55.891; 6 Ob 54/99 f = EF 88.792; 4 Ob 223/02a = JBl 2003, 371). Führt ein Ehegatte in der Wohnung eine Beziehung mit einem Dritten, steht dem anderen Ehegatten gegen ihn regelmäßig eine Unterlassungsklage zur Verfügung. Wenn auch die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe im Allgemeinen nicht gerichtlich erzwingbar sind (vgl § 90 ABGB Rz 6) und eine gesonderte Prozessführung in diesem Bereich prinzipiell nur in gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmefällen zulässig ist, ist der Ehegatte idZ dennoch zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs berechtigt, mit dem er sich zwar nicht wirksam gegen die ehewidrige Beziehung des anderen als solche, aber gegen Störungen im Gebrauch der Ehewohnung durch Dritte wehren kann (8 Ob 529/88 = EF 55.891; 7 Ob 138/08g = EF-Z 2008/137 = EF 119.027). Jedenfalls während des ehelichen Zusammenlebens kann dieser Ehegatte daher die Verpflichtung des anderen, die Aufnahme von bestimmten Besuchern in die Ehewohnung zu unterlassen, im Prozess erwirken, weil durch derartige Aufenthalte eines Dritten in der Wohnung das Recht des Ehegatten auf deren ungestörten Gebrauch verletzt würde und diesem Recht in aller Regel kein sachlich begründetes Interesse des Ehestörers an solchen Besuchen gegenüberstehen wird. Der Ehegatte kann aber auch nach seinem Auszug unter der Voraussetzung eines überwiegenden Interesses mit einer Unterlassungsklage ein Verbot gegen den Dritten, die Wohnung zu betreten, durchsetzen (8 Ob 529/88 = EF 55.891; 4 Ob 223/02a = JBl 2003, 371 = EF 99.095; Stabentheiner/Rummel § 90 ABGB Rz 2d mwN; s auch §§ 382b bis 382e EO Rz 6). Eine unheilbar zerrüttete Ehe ist allerdings nicht in demselben Maß schutzwürdig wie eine intakte Ehe. In einem solchen Fall ist daher das Interesse, dass die bereits unheilbar zerrüttete Ehe und das – schon infolge des Auszugs eines Ehegatten – nur mehr sehr eingeschränkt vorhandene Familienleben nicht durch Besuche eines Dritten gestört werden, gegen das Interesse des Dritten, sich in der Ehewohnung aufzuhalten, abzuwägen. Der Anspruch des Ehegatten gegen den Dritten auf Unterlassung von Besuchen in der Ehewohnung hängt demnach von der Beurteilung der Frage, ob die Ehe im Zeitpunkt der Besuche des Dritten schon unheilbar zerrüttet war, und vom anzustellenden Interessenvergleich ab. 26 Eine schlüssige Besitzaufgabe liegt nur dann vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein Verhalten vernünftigerweise keine andere Deutung zulässt (LG Salzburg EF 119.898; LGZ Wien EF 100.510, 108.002, 117.169, 119.898, 123.569 uva) und die Willensbildung des Ehegatten eindeutig iS einer Aufgabe des Besitzes zu werten ist. Durch die urlaubsbedingte Abwesenheit ist ein Verzicht auf Besitzrechte an der Ehewohnung und darin befindlichen Gegenständen selbstverständlich nicht gegeben (LGZ Wien EF 96.861).
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Vor allem das Behalten des Wohnungsschlüssels spricht im Allgemeinen ein- 27 deutig gegen die Absicht einer Besitzaufgabe (LG Salzburg EF 119.898; LGZ Wien EF 93.261, 100.512, 108.002, 117.169, 119.898, 123.569 uva); dies gilt auch dann, wenn ein endgültiger Auszug erfolgt (LGZ Wien EF 108.002, 117.169, 123.569; Rz 25). Wenn ein Ehegatte die Wohnung noch von Zeit zu Zeit aufsucht, über den Wohnungsschlüssel verfügt und in der Wohnung auch noch Sachen hat, kann daher nicht von einer Aufgabe des Besitzes an der Wohnung gesprochen werden (LGZ Wien EF 36.075, 38.460, 117.170; iglS LG Salzburg EF 119.893; LGZ Wien EF 36.077, 38.461, 93.261). § 339 ABGB schützt nämlich auch das Recht, die (Ehe-)Wohnung nur fallweise zu betreten, um Gegenstände zu verwahren oder abzuholen oder sie kurzfristig zu benützen (LGZ Wien EF 100.514). Selbst wenn der Ehegatte diverse Kleidungsstücke und Habseligkeiten in die Wohnung seiner Eltern mitgenommen hat, kann daraus nicht die Schlussfolgerung abgeleitet werden, dass er nicht mehr die Absicht hatte, in die Ehewohnung zurückzukehren; vor allem dann, wenn er keine Äußerung idS gemacht und seinen Wohnungsschlüssel nicht dem anderen Ehegatten übergeben hat, sprechen diese Umstände gegen eine Besitzaufgabe (LGZ Wien Miet 30.023; vgl auch LGZ Wien EF 36.074 [Zurücklassen sämtlicher persönlicher Sachen in der Wohnung – keine Besitzaufgabe]). In solchen Fällen wird durch Anbringung eines Zusatzschlosses ohne gleichzeitige Ausfolgung von Schlüsseln an den anderen Ehegatten der Besitz an der Ehewohnung entzogen. Die Montage eines weiteren Türschlosses wäre nur dann als Selbsthilfemaßnahme gerechtfertigt, wenn der Ehegatte begründete Sorge um Gesundheit oder Eigentum haben kann, befürchten muss, dass eine EV zu spät käme, und er überdies zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein einstweiliges Verbot erwirkt (Rz 42). Wurde (etwa im Scheidungsvergleich) zwischen den (früheren) Ehegatten aus- 28 drücklich eine Regelung des Gebrauchs der Ehewohnung in der Form vorgenommen, dass die Wohnung nur noch von dem einen Ehegatten und nicht mehr von beiden Ehegatten benützt werden soll, und hat der andere Ehegatte im Zuge seines Auszugs aus dieser Wohnung seinen Besitzwillen auch tatsächlich aufgegeben, so kommt es im Besitzstörungsverfahren nicht darauf an, ob dem dort verbliebenen Ehegatten Hauptmietrechte an der Ehewohnung oder ein Anspruch nach § 97 ABGB zustehen (LGZ Wien EF 96.862). Mit einem solchen Verhalten ist im Verhältnis zwischen den Ehegatten eindeutig die Zuweisung in die alleinige Besitzsphäre des dort verbliebenen Ehegatten geklärt. IdZ ist auch unerheblich, ob der andere Ehegatte nach der Scheidung gegenüber der Genossenschaft weiterhin Nutzungsberechtigter der Wohnung blieb, weil es im Besitzstörungsverfahren ausschließlich auf die Störung der zwischen den Ehegatten vereinbarten Gebrauchsordnung ankommt (LGZ Wien EF 81.279).
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D. Eingriff in Besitzrechte 1. Störung der Besitzverhältnisse
29 Eine Besitzstörung ist nach stRsp jede erhebliche tatsächliche Beeinträchtigung des bisherigen Besitzstands zum Nachteil des Besitzers bis hin zur völligen Entziehung des Besitzes, also ein Verhalten, das dem Besitzer den bisherigen Gebrauch einer Sache oder eines Rechts signifikant erschwert oder ihn verhindert (LGZ Wien EF 114.025, Miet 51.011, 52.015). IdS setzt eine Besitzstörung eine Änderung der bestehenden tatsächlichen Verhältnisse (Hoyer, wbl 1999, 341 mwN), einen (auch nur vorübergehenden) Eingriff in Besitzrechte, einen wirklichen oder möglichen Nachteil für den Besitzer (LGZ Graz Miet 42.009; LGZ Wien EF 100.508, 114.025, Miet 17.010, 24.018, 37.010) und die Eigenmacht des Störers (Rz 36) sowie – zumindest nach der überwiegenden, wenn auch diesbezüglich nicht völlig überzeugenden Rsp – das Bewusstsein des Eingriffs (Rz 35) voraus. Einseitige Änderungen der bisherigen Gebrauchsstruktur, die gänzlich unerheblich sind und ohne wesentliche Auswirkungen bleiben, erfüllen den Tatbestand einer Besitzstörung aber nicht. In der zweitinstanzlichen Rsp wird dieser Umstand idR dem auch iZm Besitzstörungshandlungen beachtlichen Schikaneverbot zugeordnet (vgl Rz 64). Der Begriff der im Besitzstörungsverfahren verfolgbaren Nutzungsbeeinträchtigung ist außerdem dadurch bestimmt, dass sie durch Wiederherstellung des bisherigen Zustands bzw Unterlassen künftiger Störung beseitigt werden kann (§ 454 Abs 1 ZPO; vgl auch Hoyer, wbl 1999, 341). 30 Eine Störungshandlung kann nicht nur die Anmaßung der Gewahrsame einer Sache sein, sondern auch in Äußerungen und Verfügungen, so etwa Drohungen mit Eingriffen in den Besitz, sofern sie den Rechtsbesitz stören, bestehen (1 Ob 181/03d = JBl 2004, 788; LGZ Wien EF 87.128, Miet 24.007). Die wirkungslose Drohung ist hingegen noch keine Störung dieses Besitzes; ein bloß verbales Verhalten wird als ausreichende Widersetzlichkeit daher nur dann anerkannt, wenn sich der Berechtigte diesem fügt (1 Ob 181/03d = JBl 2004, 788; Spielbüchler/ Rummel § 351 ABGB Rz 3). Hat der Beklagte durch seinen Rechtsanwalt den bei ihm angestellten Kläger aufgefordert, den Zweitschlüssel des Fahrzeugs abzugeben, sonst spreche er mit Fristablauf die Entlassung aus, so ist diese Androhung der Entlassung keine vom Gesetz verbotene Handlung und auch nicht rechtswidrig, sodass sie auch nicht als Besitzstörung zu qualifizieren ist (LGZ Wien EF 87.129). Dem Kläger, der schon die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung gerichtlich angefochten hatte, steht es ja frei, auf das Schreiben des Beklagten statt mit Schlüsselherausgabe mit einem Hinweis auf seinen familienrechtlichen Mitbesitz am Fahrzeug, einem Behalten des Zweitschlüssels und der Anfechtung einer allfälligen Entlassung zu reagieren.
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Die Wegnahme des Fahrzeugs durch den Ehegatten, eingetragenen Partner 31 oder Lebensgefährten stellt eine Entziehung des typischen Gebrauchs und damit einen Nachteil dar, wie er eine Voraussetzung für die Qualifizierung als Besitzstörungshandlung bildet. Der Umstand, dass der Kläger seiner Verpflichtung zur Zahlung der vom Konto des anderen abgebuchten Versicherungsprämien im Innenverhältnis nicht nachkommt, rechtfertigt nicht die Wegnahme des Fahrzeugs (LGZ Wien EF 84.289). Durch ein solches Verhalten hat der Beklagte den Rechtsbesitz des Klägers am Pkw eigenmächtig gestört. Für die Klärung der Frage, ob eine bestimmte Verhaltensweise eine Besitzstö- 32 rungshandlung darstellt, ist die zweitinstanzliche Rsp maßgebend; der OGH beurteilt solche Sachverhalte infolge des Rechtsmittelausschlusses des § 528 Abs 2 Z 6 ZPO nicht unmittelbar (s Rz 70).
2. Besitzstörung durch Unterlassung?
Grundsätzlich stellt eine Unterlassung keine Besitzstörung iS des § 339 ABGB 33 dar. Daher wird etwa durch das Unterbleiben der Zahlung der Kreditraten für die Anschaffung der Ehewohnung der Besitz an ihr nicht gestört (LGZ Wien EF 87.133), weil dem Bankinstitut nicht die Möglichkeit offensteht, dem Besitzer im Fall eines Leistungsverzugs die Benützung der Wohnung unmittelbar zu entziehen. Ein bisher bestehender Rechtsbesitz verschafft einem Ehegatten noch keinen Rechtsanspruch auf künftige Zahlungen. Überdies können Forderungen, die erst künftig fällig werden, schon begrifflich nicht einem Anspruch auf Wiederherstellung eines früheren Zustands zugeordnet werden. Das Unterlassen einer bisher regelmäßig erbrachten Leistung (beispielsweise die Zahlung der Telefongebühren oder Energiekosten durch einen Ehegatten) kann nur dann ausnahmsweise eine Störung des Rechtsbesitzes darstellen, wenn der bisher Zahlende zugleich seine Verpflichtung überhaupt bestreitet (LGZ Wien EF 51.386, 93.257; Hoyer, wbl 1999, 341; Spielbüchler/ Rummel § 339 ABGB Rz 2). Zum Unterbleiben der Zahlungen für den Telefonanschluss s Rz 21. Überdies kann ein eigenmächtiger Eingriff in den Besitz einer Wohnung iS dieser Rsp nicht nur durch Kündigung des Strom- und Gasbezugsvertrags, sondern ebenfalls durch die Unterlassung der Zahlung der Rechnungen erfolgen, welche dann eine Einstellung der Strom- und Gaslieferungen zur Folge hat (LGZ Wien EF 51.388, 71.986, 114.025). Auch ein solches Verhalten ist gem § 339 ABGB grundsätzlich verboten (LGZ Wien EF 71.986, 111.023). Werden hingegen die Rechnungen nicht (mehr) bezahlt und kommt es dennoch nicht zum Eintritt einer Störung des Rechtsbesitzes in Form des Rechts auf Strom- und Gasbezug, ist die Besitzstörungsklage nicht berechtigt (LGZ Wien EF 71.987, 114.025, 117.166). 1287
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Nach diesen Leitsätzen der Rsp löst somit das bloße Unterlassen weiterer Zahlungen – im Gegensatz zur Einstellung bisher erbrachter Leistungen mit gleichzeitiger Bestreitung der Zahlungsverpflichtung dem Grunde nach – keine im Besitzstörungsverfahren bekämpfbare Beeinträchtigung des letzten Besitzstands aus. In der Praxis wird diese Differenzierung aber nur selten klar vorzunehmen sein und regelmäßig vom Aussageverhalten des Beklagten und von den Umständen des Einzelfalls abhängen. 3. Bewusstsein des Eingriffs
34 Die Besitzstörung setzt keine Störungsabsicht, kein Verschulden und keine Intention zur Besitzanmaßung bei Eingriffen in den fremden Besitz voraus (LGZ Wien Miet 32.011, 36.011, 37.011, 39.015 uva). Auch ein irrtümlicher oder ungewollter Eingriff bleibt stets unbefugt iS des § 339 ABGB. Ein Beklagter kann eine Besitzstörungsklage daher nicht mit dem Einwand erfolgreich abwehren, ihm habe das Bewusstsein, in einen fremden Besitz einzugreifen, gefehlt. Der unzutreffende Glaube des Störers, sein Eingriff sei rechtlich gedeckt, er sei somit zum Eingriff befugt gewesen, kann diesem die Qualifikation als objektive Eigenmacht nicht nehmen, weil der gute oder schlechte Glaube keinen Einfluss auf die Eigenmächtigkeit der Besitzstörungshandlung haben kann (LGZ Wien EF 45.934, 66.183, 68.937; Pichler, ÖJZ 1963, 512) und subjektive Kriterien beim Störer unbeachtlich sind (LGZ Wien EF 75.245). Sonst würde die Beurteilung der Frage, ob Besitzschutz iS des § 339 ABGB zu gewähren ist oder nicht, von mehr oder weniger nachvollziehbaren und nachweisbaren Vorstellungen des Störers im Zeitpunkt seines Eingriffs abhängen. Solchen Erwägungen kann aber im Hinblick auf die Notwendigkeit einer generellen und objektiven Regelung für einen verlässlichen Besitzschutz als Grundlage des Rechtsfriedens keine Bedeutung zukommen. Auch ein Irrtum über die Rechtslage kann das Störungsbewusstsein daher nicht ausschließen (LGZ Wien EF 59.894, 87.130, 108.000, 119.897; iglS LG Salzburg 21 R 293/09x; P. Bydlinski, RZ 1998, 97 mwN). 35 Die zweitinstanzliche Rsp verlangt für die Besitzstörung überwiegend aber das Bewusstsein des Störers, in fremden Besitz einzugreifen (LGZ Graz Miet 45.009; LGZ Wien EF 68.937, 100.508, 107.998), weil sich der Störer des Eingriffs bewusst sein müsse, um eigenmächtig zu handeln. Ohne Störungsbewusstsein liege keine Besitzstörungshandlung vor. Den Begriffen Störungsund Eingriffsbewusstsein liegen dabei in Rsp und Lehre sehr unterschiedliche Vorstellungen zugrunde (Nachweise bei G. Kodek, Besitzstörung 278 ff); die Bedeutung eines Störungsbewusstseins muss allerdings auf den Gedanken beschränkt werden, dass Handlungen eines Störers, bei denen er trotz aller Sorgfalt überhaupt nicht erkennen kann, dass er einen fremden Besitz beeinträchtigt, nicht als Besitzstörung gewertet werden dürfen. Das Bewusstsein der 1288
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Störung bei Eingriffen in fremden Besitz ist daher kein wesentliches Tatbestandsmerkmal und wird nach der Rsp auch nur bei voller persönlicher Handlungsunfähigkeit oder irrtümlicher Annahme eines behördlichen Auftrags ausgeschlossen (LGZ Graz Miet 40.007, 46.010; LGZ Wien Miet 38.007, 39.015). 4. Eigenmacht
Eine Besitzstörung liegt nur bei einem eigenmächtigen Vorgehen, also bei 36 Rechtswidrigkeit (P. Bydlinski, RZ 1998, 100) vor. „Eigenmächtig“ ist somit iS von „unberechtigt“ oder „unbefugt“ zu verstehen (LG Salzburg EF 119.899; G. Kodek, Besitzstörung 204). Eigenmächtig handelt derjenige, der kein Recht hat, den tatsächlichen Besitzstand zu ändern, und daher ohne Erlaubnis durch den Besitzer, ohne behördliche oder gerichtliche Anordnung und ohne allgemeine gesetzliche Erlaubnis in den Besitz des anderen eingreift (OLG Wien EF 93.263; LGZ Wien EF 71.989, 81.279, 107.992 uva). Die Gestattung durch den Besitzer, die demnach einen Rechtfertigungsgrund darstellt, muss im Zeitpunkt des Eingriffs unzweifelhaft vorliegen und schließt dann die Eigenmacht folgerichtig aus; die einmal erteilte Erlaubnis ist allerdings jederzeit widerrufbar, wobei nach der Rsp schon die Weiterbenützung einen konkludenten Widerruf bedeuten soll (LGZ Wien Miet 54.020; aA LGZ Wien Miet 54.020 [Vorwegzustimmung nicht wirksam]). Allgemeine Ausdrücke wie „mach, was du willst“ im Rahmen einer Ausei- 37 nandersetzung sind in aller Regel nicht als Zustimmung zu einem Eingriff in bestehende Rechte zu werten und erlauben etwa einem Ehegatten noch nicht den Austausch des Türschlosses der Ehewohnung (LGZ Wien EF 78.333). Wenn aber ein Ehegatte nach der Trennung in einer Gerichtsverhandlung erwähnt, er verwende das in der Wohnung befindliche TV-Gerät nicht, weil er gar nicht fernsehe, der andere darauf erwidert, in diesem Fall würde er wohl den Fernseher abholen, und darauf kein Widerspruch, sondern der Satz, das könne er ruhig machen, folgt (LGZ Wien 43 R 767/09a), ist vom Einverständnis dieses Ehegatten mit der Abholung des TV-Geräts auszugehen; diese Zustimmung umfasst dann auch die Einwilligung in die Abholung des DVB-TEmpfängers und der Fernbedienung als Zubehör, weil nur dieser Empfänger bei älteren Geräten das digitale Antennenfernsehen ermöglicht. Eine Besitzstörung liegt mangels Eigenmacht in einem solchen Fall nicht vor, weil die Erlaubnis des Ehegatten ein Recht zum Eingriff in dessen Besitz vermittelt.
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E. Selbsthilfe 38 Die Rechtsordnung untersagt Eigenmacht und Selbsthilfe grundsätzlich, weil das Ordnungsmonopol dem Staat allein zusteht. Erachtet sich eine Person in ihren Rechten beeinträchtigt bzw will sie bestehende rechtlich relevante Verhältnisse ändern, steht ihr gem § 19 ABGB die Inanspruchnahme des Gerichts offen. Nur ausnahmsweise stellt ein Eingriff in den Besitz eine erlaubte Selbsthilfe gem § 344 ABGB und keine Besitzstörung dar. Dies ist dann der Fall, wenn diese Handlung einen Akt der Notwehr darstellt, wenn also zum Schutz des Besitzes und damit zur Abwehr eines rechtswidrigen Zustands staatliche Hilfe (etwa eine EV oder ein Endbeschluss nach Besitzstörungsklage, die mit einem Antrag auf einstweilige Vorkehrung verbunden wird) zu spät kommen würde und die Wiederherstellung und Erhaltung des rechtmäßigen Zustands mit angemessenen, somit dazu unbedingt erforderlichen Mitteln erfolgt (LG Salzburg EF 119.901; LGZ Wien EF 78.342, 114.026, 117.171). Mit diesem Selbsthilferecht einer in ihren Rechten verletzten Person wird der Besitz zum notwehrfähigen Rechtsgut iS des § 19 ABGB erklärt (LG Krems a d Donau Miet 45.013). Die zur Verteidigung angewendete Gewalt darf das zur Abwehr nötige Maß nicht überschreiten und die allfällige Verletzung der Interessen des Angreifers nicht außer Verhältnis zur Gefahr des Angriffs stehen. 39 Seit Geltung des GeSchG und der Möglichkeit des unmittelbaren Eingreifens der Sicherheitsbehörden bei schon gesetzten oder erst drohenden Angriffen auf Leben und Gesundheit kann eine eigenmächtige Gefahrenabwehr nur mehr äußerst kurzfristig gerechtfertigt sein. Ein solcher Fall zulässiger Selbsthilfe liegt etwa dann vor, wenn ein Ehegatte nach vorangegangenen heftigen Streitigkeiten und Übergriffen versucht, sich durch lautstarkes Randalieren Zutritt zur Wohnung zu verschaffen, und der dadurch verängstigte andere Ehegatte ihn in dieser Situation nicht in die Wohnung lässt (vgl auch LGZ Wien EF 78.346, 84.290; iglS LGZ Wien EF 68.938 [der bereits weggezogene Ehemann kehrt gelegentlich betrunken in die Wohnung zurück und attackiert die Frau]; Details dazu s §§ 382b bis 382e EO Rz 51). Dabei kann nur eine massive und unmittelbare Gefährdung der körperlichen Integrität eine Selbsthilfemaßnahme in Form eines Austausches des Türschlosses rechtfertigen. Zum Austausch des Türschlosses durch einen Ehegatten nach der Wegweisung des anderen gem § 382b Abs 1 EO und zur dadurch gesetzten Besitzstörungshandlung vgl Rz 18. Die frühere Rsp, wonach eine solche Selbsthilfe in Form eines Schlossaustausches grundsätzlich schon dann berechtigt sei, wenn der handelnde Ehegatte Sorge um seine Gesundheit und sein Eigentum hat und befürchten muss, dass die Entscheidung über seinen Antrag auf Wegweisung des anderen Ehegatten nicht rechtzeitig käme (LGZ Wien EF 48.496, 54.108, 68.938; vgl auch LGZ Wien EF 114.026 [kein Verlust des Besitzes an der Ehewohnung durch 1290
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Wegweisung]), ist seit dem Inkrafttreten des GeSchG daher weitestgehend überholt. Insb dann, wenn ein Ehegatte in Abwesenheit des anderen das Türschloss ändern ließ, kann von einer Notwehrsituation keine Rede sein (LGZ Wien EF 45.939). Wenn die behaupteten gewalttätigen Übergriffe bereits länger zurückliegen, ist es dem anderen Ehegatten ebenfalls durchaus zumutbar, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und insb einen entsprechenden Sicherungsantrag zu stellen. Auch die Entfernung von Gegenständen aus der Ehewohnung durch den an- 40 deren Ehegatten begründet keine dringende Gefahr iS des § 344 ABGB, wenn kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass richterliche Hilfe zu spät käme (LGZ Wien EF 54.110, 117.172). Die Aussage des Ehegatten, er habe das Türschloss ausgetauscht, weil er nicht wollte, dass der andere Ehegatte die Wohnung ausräumt (LGZ Wien 45 R 379/09g), rechtfertigt das Aussperren des anderen daher nicht. Wenn sich ein Ehegatte dagegen schützen will, dass der andere Gegenstände aus der Wohnung wegbringt, an denen er seiner Meinung nach Mitbesitz hat, so steht ihm der Weg einer Besitzstörungsklage gegen den Ehegatten und die Erwirkung einer einstweiligen Vorkehrung offen (vgl auch LGZ Wien EF 48.497, 75.256). Bringt der Ehegatte hingegen keine solche Klage ein, sondern verwehrt dem anderen durch Versperren von Zimmertüren das Betreten dieser Räumlichkeiten oder durch den Austausch des Türschlosses an der Wohnungstür den Zutritt zur Wohnung schlechthin, handelt es sich um eine eigenmächtige Handlungsweise, die keine berechtigte Selbsthilfemaßnahme gegen eine unmittelbar bevorstehende Handlung des anderen darstellt. In einem solchen Fall kann nicht mit Erfolg behauptet werden, dass dem Beklagten kein anderes Mittel als die Änderung des Türschlosses rechtzeitig zur Verfügung gestanden wäre, um die Wegnahme von Gegenständen zu verhindern. Zur Vermeidung besonders hoher Telefongebühren durch Umstellung des 41 Telefonanschlusses der Ehewohnung auf Passivschaltung als erlaubte Selbsthilfe s Rz 23. Eine solche Vorgangsweise ist aber nur zulässig, wenn innerhalb der geboten kurzen Frist die effektive Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe nicht möglich ist. In den übrigen Fällen steht dem Ehegatten auch idZ die Möglichkeit offen, die Hilfe des Gerichts in Anspruch zu nehmen und etwa eine EV gem § 381 EO zu beantragen, um zu verhindern, dass bis zur Entscheidung weitere Telefongebühren in ungebührlichem Ausmaß entstehen (vgl auch LGZ Wien EF 56.873). In jedem Fall der Selbsthilfe sind unverzüglich jene gerichtlichen Schritte ein- 42 zuleiten, aus denen sich die Rechtfertigung für die Eigenmacht ergeben soll, damit solche Akte der Notwehr möglichst rasch sanktioniert werden. Selbsthilfe darf nicht dazu führen, dass ein neuer rechtswidriger Zustand hergestellt wird, ohne dass die rechtlichen Verhältnisse mit gerichtlicher Hilfe geklärt 1291
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werden. Die Aufrechterhaltung des durch Selbsthilfemaßnahmen geschaffenen Zustands, ohne gegen den Störer gerichtliche Schritte einzuleiten, ist daher jedenfalls rechtswidrig (1 Ob 567/87 = EvBl 1987/131). Selbst eine vorerst erlaubte Selbsthilfe muss somit durch einen frühestmöglichen Antrag auf staatliche Hilfe nachträglich gerechtfertigt werden, sonst wird aus einer berechtigten Entziehung einer Sache der unzulässige Ausschluss eines anderen von ihrer Benützung. Auch zunächst zulässige Selbsthilfemaßnahmen wären dann als Besitzstörungshandlungen zu beurteilen (LG Krems a d Donau Miet 45.013; LG Salzburg EF 119.901; LGZ Wien EF 108.007, 111.024, 117.171). Dies ist etwa der Fall, wenn es der Beklagte unterlassen hat, nach dem Austausch des Türschlosses eine Besitzstörungsklage zur nachträglichen Rechtfertigung der behaupteten Selbsthilfe einzubringen (vgl LGZ Wien EF 117.171). Versucht der in seinen Rechten beeinträchtigte Ehegatte nicht einmal, gerichtliche Hilfe zu erwirken, liegt keine erlaubte Selbsthilfe, sondern ein unzulässiger Eingriff in den Mitbesitz des anderen Ehegatten vor. Wenn der eine Ehegatte gar nicht behauptet hat, dass er mittels EV oder einer sonstigen gerichtlichen Maßnahme gegen den anderen ein Betretungsverbot erwirkt und damit seine zunächst eigenmächtige Handlung gerechtfertigt hätte, und ein solches Vorgehen auch im Beweisverfahren nicht hervorgekommen ist, ist das Anbringen eines Zusatzschlosses an der Wohnungstür daher ein unzulässiger Eingriff in den Mitbesitz des Ehegatten (LGZ Wien EF 38.459). Als Rechtfertigung von Selbsthilfe kommt nur die Einleitung von Gerichtsverfahren in Betracht, in denen eine Auseinandersetzung mit den besitzrelevanten Handlungen der Ehegatten erfolgt und eine Gebrauchsordnung getroffen wird. Lagern auf dem Grundstück der (geschiedenen) Ehegatten gemeinschaftliche Geräte, die der eine Ehegatte früher ungehindert abholen und benützen konnte, und hindert ihn der andere plötzlich durch Versperren der Liegenschaft am Zugriff auf diese Geräte, stellen weder das nacheheliche Aufteilungsverfahren noch ein Antrag auf Benützungsregelung ein Begehren auf staatliche Hilfe in Besitzstreitigkeiten dar, die den Eingriff des Ehegatten in den Mitbesitz des anderen rechtfertigen könnten; sein Vorgehen kann daher nicht als berechtigte Selbsthilfemaßnahme gewertet werden (LGZ Wien EF 119.902). 43 Derjenige, der sich auf Selbsthilfe beruft, ist dafür beweispflichtig, dass kein anderes Mittel rechtzeitig die Herstellung des vom Gesetz verpönten Erfolgs verhindert hätte (LG Krems a d Donau Miet 45.013; LGZ Wien EF 63.019, 78.342, 96.866, 108.006 uva).
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Besitzstörung
F. Verfahren 1. Klagefrist
Zur sachlichen Zuständigkeit für Besitzstörungsklagen s § 49 Abs 2 Z 4 JN; 44 zur örtlichen Zuständigkeit s §§ 81, 92 JN; zur Qualifikation von Besitzstörungsstreitigkeiten als Ferialsachen s § 224 Abs 1 Z 3 ZPO. § 339 ABGB soll verhindern, dass der Besitzstörer selbst Besitz erwirbt. Der 45 Besitzanspruch ist mit einer Klage gem § 454 Abs 1 ZPO innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab objektiver Kenntnis oder zumutbarer Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Störung (Rz 51) geltend zu machen. Dabei handelt es sich um eine von Amts wegen wahrzunehmende, materiellrechtliche Ausschlussfrist (1 Ob 546/85; LGZ Wien Miet 48.650, 56.712, 60.687 uva; Spielbüchler/ Rummel § 339 ABGB Rz 10; Fucik/Rechberger § 454 ZPO Rz 5; aM [prozessuale Frist, deren Versäumung nur zum Verlust der Möglichkeit der Inanspruchnahme des beschleunigten Verfahrens nach den §§ 454 ff ZPO führt, aber keinen Einfluss auf die materielle Rechtsposition des von der Störung Betroffenen hat] G. Kodek, Besitzstörung 608 ff, 632 ff; ders, Besitzstörung durch Kraftfahrzeuge, ZVR 2003/2). Die Klage muss daher am letzten Tag der Frist bei Gericht eingelangt sein, wobei der Tag, an dem die Kenntnis von der Störung erlangt wurde, in die Frist nicht einzurechnen ist (LGZ Wien EF 41.709, 69.883, 90.992, Miet 55.700; Spielbüchler/Rummel § 339 ABGB Rz 10); die Frist beginnt also mit dem auf die Kenntnis folgenden Tag zu laufen. Bei wiederholten oder fortgesetzten gleichartigen Störungshandlungen, die 46 unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls (etwa aufgrund eines einheitlichen Störungswillens) bei rückblickender Betrachtung (LGZ Wien EF 90.992; Spielbüchler/Rummel § 339 ABGB Rz 10; Fucik/Rechberger § 454 ZPO Rz 6; aA G. Kodek, Besitzstörung 755 [Beurteilung der Erkennbarkeit einer Einheitlichkeit der Störung im Zeitpunkt der Vornahme des ersten Eingriffs]) als Einheit erkennbar sind, beginnt die Klagefrist bereits mit Kenntnis der ersten Störungshandlung (LGZ Wien EF 90.992, 94.542, 105.885, 109.039, 112.196, Miet 55.016 uva). Gleichartige Störungshandlungen liegen aber nur dann vor, wenn jeweils der Besitz an derselben oder einer gleichen Sache gestört wird (LGZ Wien EF 109.039). Zur Wahrung einer materiellrechtlichen Frist genügt die Postaufgabe der Ein- 47 gabe (die bei prozessualen Fristen bereits die Rechtzeitigkeit sichert) nicht. Eine Ausnahme bildet das Telefax. Die 30-tägige Frist wird auch durch eine (in der Folge durch die Übermittlung des Originalschriftsatzes verbesserte) mit Telefax am letzten Tag der Frist bei Gericht eingebrachte Klage gewahrt (LG Salzburg EF 121.162; vgl auch 7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 [Beck] = 1293
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EF 118.457), weil bei einer Telefaxeingabe die Übermittlung vom Sendegerät des Klägers und das Einlangen bei Gericht zusammenfallen. 48 Für die materiellrechtliche Frist gilt – wie für verfahrensrechtliche Fristen – eine Ablaufhemmung (§ 903 dritter Satz ABGB, Art 5 des Europäischen Fristenübereinkommens [EuFrÜ, BGBl 1983/254]). Endet demnach die Frist rechnerisch an einem Samstag, Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag, ist auch die Besitzstörungsklage am nächsten Werktag noch rechtzeitig eingebracht (LG Krems a d Donau Miet 53.733 mwN; LGZ Wien EF 90.993; s auch 7 Ob 157/07z = EF-Z 2008/44 [Beck]; aM LGZ Wien Miet 60.687). 49 Im Zweifel sind Besitzstörungsklagen als rechtzeitig anzusehen. Die (objektive) Beweislast für die fehlende Rechtzeitigkeit trägt daher der Beklagte (LGZ Wien EF 115.110; G. Kodek, Besitzstörung 776 ff [allerdings ausgehend von einer prozessualen Klagefrist]; aA [Beweispflicht des Klägers für die Rechtzeitigkeit der Klage wegen einer größeren „Nähe zum Beweis“] LG Eisenstadt Miet 55.699; LGZ Wien Miet 37.755, 55.699; Fucik/Rechberger § 454 ZPO Rz 6; vgl zu einer ähnlichen Problematik iZm der Scheidungsklage wegen Verschuldens § 57 EheG Rz 6). 50 Die Versäumung der Frist führt infolge ihres materiellrechtlichen Charakters zum Verlust des Besitzschutzanspruchs (LGZ Wien EF 71.983, Miet 48.650) und zur Abweisung der Besitzstörungsklage. Setzt sich der bisherige Besitzer nicht unter Einhaltung der Klagefrist des § 454 ZPO mit Besitzstörungsklage gegen den Eingriff in seinen Besitz zur Wehr, erwirbt mit ungenütztem Fristablauf die Person, die den Besitz bisher stört, ihrerseits Besitz (LGZ Graz Miet 33.663; LGZ Wien Miet 30.018, 33.664, 55.700, 58.018). Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist kommt nicht in Betracht (LGZ Wien EF 41.709; Fucik/Rechberger § 454 ZPO Rz 5; aM G. Kodek, Besitzstörung 781 ff). 51 Aus dem Gesetz ist keine generelle Verpflichtung, seinen Besitz im Hinblick auf allfällige Störungen ständig zu kontrollieren und zu überwachen, abzuleiten. Für die Besitzstörungsklage ist daher die Kenntnis des die Störung darstellenden Sachverhalts und nicht eine bloße (objektive) Kenntnismöglichkeit entscheidend (LGZ Wien EF 115.111). Eine Erkundigungspflicht wird allerdings in Bezug auf eine schon stattgefundene Störung insb dann anzunehmen sein, wenn der Besitzer – auch nur telefonisch – Hinweise auf bereits erfolgte Eingriffe erhält (LGZ Wien EF EF 52.195, 105.885, 115.111). Bei Kenntnis der Störung muss sich der Besitzer mit zumutbaren Mitteln in angemessener Frist Kenntnis von der Person des Störers verschaffen (LGZ Wien Miet 35.791, 37.755; Kodek/Fasching § 454 ZPO Rz 253; Fucik/Rechberger § 454 ZPO Rz 6). 1294
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Die 30-Tage-Frist für die Besitzstörungsklage darf nicht durch nachträgliche 52 Änderungen der Klage unterlaufen werden. Ändert der Kläger sein Begehren bzw Vorbringen im Hinblick auf das Wesen der behaupteten Störungshandlung schlechthin, ist zu prüfen, ob die Frist des § 454 Abs 1 ZPO eingehalten wurde. Eine Änderung bzw Auswechslung der Besitzstörungshandlung ist nämlich nur innerhalb dieser Frist zulässig (LG Wels EF 105.886; Fucik/Rechberger § 454 ZPO Rz 5; G. Kodek, Besitzstörung 796). Nur dann, wenn die Änderung bloße Modalitäten oder Details betrifft, ist sie – gleichgültig, ob diese auf gerichtlichen Auftrag erfolgt oder nicht – auch noch nach Ablauf der 30-tägigen Ausschlussfrist zulässig.
2. Klagebegehren
Das Klagebegehren einer Besitzstörungsklage ist idR dreiteilig und auf Fest- 53 stellung der konkreten Störung des letzten Besitzstands, Wiederherstellung des früheren Zustands (iS einer Zurückversetzung in den vorigen Stand gem § 1323 ABGB [3 Ob 44/70 = SZ 43/124; Fucik/Klauser/Kloiber § 454 ZPO] mit konkreter Bezeichnung der geforderten Handlungen zur Herstellung einer im Wesentlichen gleichartigen Lage) und Unterlassung künftiger Eingriffe gerichtet. Die Verbindung von Besitzstörungsansprüchen mit petitorischen Ansprüchen (etwa mit einem auf die Herausgabe bestimmter Sachen gerichteten Begehren) in einer Klage ist infolge der verschiedenen Verfahrensarten nach § 227 Abs 1 ZPO unzulässig (Fucik/Rechberger § 454 ZPO Rz 3). In der Klage dürfen nicht Begehren, über die aufgrund ihrer Eigenheit besonders straff und rasch verhandelt und entschieden werden muss, mit sonstigen Klagsforderungen verbunden werden; der für Besitzstörungsklagen angestrebte Beschleunigungseffekt würde vereitelt werden, wenn im Prozess noch andere Klagsansprüche, die idR einem zeitaufwändigeren Verfahren zugeführt werden, beurteilt werden müssten. In einem solchen Fall einer unzulässigen Anspruchshäufung in der Klage bei unterschiedlichen Verfahrensformen sind die Verfahren zu trennen und so weiterzuführen, als wäre nicht eine, sondern als wären mehrere Klagen eingebracht worden (6 Ob 617/94 = SZ 67/184 = EF 79.200). Auch für eine Stufenklage (Art XLII EGZPO) ist im Besitzstörungsverfahren kein Raum (LGZ Wien EF 76.088 [hier: Angabe der verbrachten Gegenstände]). Die Besitzstörungsklage wird allein durch die Wiederherstellung des vorigen 54 Zustands durch den Beklagten – vor oder nach Klagseinbringung – nicht unzulässig; in einem solchen Fall darf allerdings das Unterlassungsbegehren nicht fehlen (LG Wels EF 105.889; s Rz 57). Das Feststellungsbegehren ist kein notwendiger Bestandteil einer Besitzstö- 55 rungsklage (LGZ Wien Miet 28.014, 29.017; Spielbüchler/Rummel § 339 1295
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ABGB Rz 8) und für sich allein nicht ausreichend (LGZ Wien EF 102.062, Miet 34.756; G. Kodek, Besitzstörung 419). 56 Das Wiederherstellungsbegehren ist ein materiellrechtliches Erfordernis, das dazu dient, einen Besitz des Störers nicht entstehen zu lassen. Daher muss die Wiederherstellung des vorigen Zustands überhaupt möglich sein, wobei es allerdings genügt, wenn ein Begehren iS des § 454 ZPO nicht die exakte Wiederherstellung des früheren Zustands anstrebt, sondern auf eine möglichst weitgehende Wiederherstellung der bisherigen Gebrauchsordnung abzielt (3 Ob 44/ 70 = SZ 43/124; LGZ Wien EF 52.193, 102.059). Wenn der Kläger auch vorher über keinen Schlüssel zum vorhandenen Zusatzschloss an der Wohnungstür verfügte und der Beklagte das Schloss nicht austauschte, sondern es nur einmal versperrt hielt, kommt eine Wiederherstellung des früheren Besitzstands schon deshalb nicht in Betracht, weil das einmalige Versperrthalten des Schlosses nicht rückgängig gemacht werden kann (LGZ Wien EF 93.272). Durch die Übergabe eines Schlüssels an den Kläger würden die bisher praktizierten Besitzverhältnisse nicht wiederhergestellt, sondern verändert. Da das Wiederherstellungsbegehren den Besitzerwerb durch den Störer verhindern soll, darf es nur dann entfallen, wenn der frühere Zustand zum Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses bereits wieder hergestellt wurde (etwa dann, wenn der Kläger innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Frist unverzüglich Selbsthilfe tätigte, indem er das neue Türschloss wieder austauschte und dem anderen einen dazugehörigen Schlüssel zukommen ließ) oder eine solche Wiederherstellung nicht möglich ist (LGZ Wien EF 69.878, 82.267, 102.061, 105.888, Miet 56.713, 57.697). In diesem Fall ist aber zwingend ein bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr mögliches Unterlassungsbegehren vorgesehen (LGZ Wien EF 102.062, Miet 29.018; vgl auch LGZ Wien EF 81.280 [wenn der Beklagte unmittelbar nach der von ihm veranlassten Änderung des Tütschlosses passende Schlüssel im Briefkasten der gemeinsamen Wohnung zurückgelassen hat, rechtfertigt diese Besitzstörung eine Feststellung des Eingriffs und ein Unterlassungsbegehren zum Schutz des wiederhergestellten Besitzstands]). 57 Für die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs muss der Kläger eine konkrete und auch noch im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz vorhandene Wiederholungsgefahr nachweisen 5 Ob 754, 755/78 = Miet 31.682; 7 Ob 593/81 = Miet 34.726), die von der Rsp allerdings recht großzügig bejaht wird; die ernsthafte Befürchtung weiterer Eingriffe reicht bereits zu ihrer Annahme aus (LG Linz Miet 34.756; LG Salzburg 21 R 293/09x; LGZ Wien EF 84.284). Liegt ein objektiv rechtswidriger Eingriff des Beklagten vor, so ist grundsätzlich auch von einer Wiederholungsgefahr – als wesentlichem Element zur Begründung des Rechtsschutzinteresses im Hinblick auf die Forderung nach Unterlassung künftiger Störungen – auszugehen und als 1296
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Indiz für ihr Vorliegen insb der Umstand zu werten, dass der Beklagte im Prozess seine Unterlassungspflicht bestreitet und weiterhin den Standpunkt vertritt, zu den beanstandeten Handlungen berechtigt zu sein (5 Ob 754, 755/78 = Miet 31.682; 7 Ob 593/81; 6 Ob 62/02i = Miet 54.624; LGZ Wien 42 R 44/ 09w). Es kommt entscheidend darauf an, ob aus dem Verhalten des Beklagten in seiner Gesamtheit schwerwiegende Argumente dafür abgeleitet werden können, dass er ernsthaft gewillt ist, künftig von Störungen Abstand zu nehmen (6 Ob 62/02i = Miet 54.624). Das Unterlassungsbegehren darf fehlen, es sei denn, ein Wiederherstellungsbegehren ist nicht möglich (Rz 54). Die Rsp ist zur Frage, ob der Kläger die Wiederholungsgefahr als Erfolgsvo- 58 raussetzung des klagbaren Unterlassungsanspruchs zu beweisen hat (so etwa 1 Ob 51/71 = EvBl 1972/20; 4 Ob 311/78 = EvBl 1978/205; Frauenberger 43) oder der Beklagte für deren Wegfall beweispflichtig ist (vgl LGZ Wien EF 105.890, Miet 34.757), uneinheitlich. Für die Beurteilung der Beweislastverteilung ist die Frage wesentlich, ob zweifelsfrei eine Störungshandlung bereits stattgefunden hat. Wenn im Verfahren nicht festgestellt werden kann, ob überhaupt ein Eingriff erfolgte, trifft den Kläger die Beweislast für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (Klicka, Die Beweislastverteilung im Zivilverfahrensrecht 124; G. Kodek, Besitzstörung 428). Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich nur um einen einmaligen Verstoß handelt, ist dabei nicht von einer Wiederholungsgefahr auszugehen (G. Kodek aaO). In Fällen, in denen bereits Gebrauchsbeeinträchtigungen erfolgten und weitere Störungen nicht aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen sind, ist hingegen der Beklagte für das Fehlen der Wiederholungsgefahr beweispflichtig, sodass es seine Sache ist, nach einem vorausgegangenen Eingriff – der grundsätzlich Wiederholungsgefahr nahelegt – deren Wegfall zu behaupten und zu beweisen (6 Ob 62/02i = Miet 54.624; LGZ Wien EF 49.343, 105.890; vgl auch Frauenberger 44). Nur wenn er bei solchen Verhältnissen konkrete Umstände darlegen kann, die eine Wiederholung seiner (objektiv) gesetzwidrigen Handlung ausgeschlossen oder zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen, wird die Wiederholungsgefahr verneint werden können. Dies ist in der Praxis aber nur sehr selten der Fall. Mit der Besitzstörungsklage kann schon gem § 457 zweiter Halbsatz ABGB 59 keine Schadenersatzforderung durchgesetzt werden. Die Voraussetzungen einer Ersatzpflicht sind nach den allgemeinen Schadenersatzbestimmungen (§§ 1295 ff ABGB) zu beurteilen. Die §§ 454 bis 459 ZPO sehen keine Sonderbestimmungen über Klagsände- 60 rungen vor. Eine Klagsänderung ist aber auch im Besitzstörungsverfahren in den Grenzen des § 235 ZPO prinzipiell möglich (G. Kodek, Besitzstörung 798) und iS einer Ausdehnung der Klage auf weitere Besitzstörungshandlun1297
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gen grundsätzlich zulässig, weil Klagsänderungen tunlichst zuzulassen sind, insb dann, wenn dadurch ein zweiter Prozess vermieden werden kann, ohne dass das erste Verfahren unbillig erschwert oder verzögert würde (LGZ Wien Miet 59.632 mwN; vgl auch LG Eisenstadt Miet 59.631). Werden im Rechtsstreit weitere und andere Besitzstörungshandlungen geltend gemacht, muss die Einhaltung der 30-tägigen Klagefrist auch für diese geprüft werden (LGZ Wien Miet 59.632; s auch Rz 52). 3. Klagsvorbringen
61 In der Besitzstörungsklage müssen die konkreten Störungen und Eingriffshandlungen nicht im Einzelnen vollständig aufgezählt werden, weil es der Beklagte sonst in der Hand hätte, den auf ganz spezifische Unterlassungen abgestellten Exekutionstitel dadurch unwirksam zu machen, dass er immer neue Störungshandlungen setzt. Der Exekutionstitel knüpft zwar an eine konkrete Besitzstörungshandlung an, wehrt aber jede weitere vergleichbare Besitzstörung ab. Die Worte „derartige“ Störungen sind daher nicht wörtlich auszulegen; sie können nach Sinn und Zweck der Besitzstörungsklage nur so verstanden werden, dass alle Handlungen, durch die der Besitz in gleicher oder ähnlicher Weise gestört wird, zu unterlassen sind (3 Ob 95/63 = EvBl 1963/ 387; 3 Ob 63/71; 3 Ob 29/82; 2 Ob 10/01m). Das Verbot des Endbeschlusses umfasst jede Störungshandlung, die den gleichen Zweck und im Ergebnis dieselbe Wirkung wie die im Endbeschluss angeführte Störungshandlung hat (1 Ob 733/52; etwa Versperren der Wohnungstür, unabhängig von der konkreten Vorgangsweise). 62 Ist die Besitzstörungsklage unschlüssig, weil sich die begehrte Rechtsfolge nicht eindeutig unter das Vorbringen in der Klage subsumieren lässt, ist das Gericht ohne Verstoß gegen die Frist des § 454 Abs 1 ZPO nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses (§ 182 ZPO) gehalten, auf die Schlüssigkeit des Begehrens zu dringen. Auch im Besitzstörungsverfahren ist daher bei einer unschlüssigen Klage ein Verbesserungsauftrag zu erteilen (LG Eisenstadt Miet 59.631; Klicka/Schwimann § 339 ABGB Rz 53; G. Kodek, Besitzstörung 792). 63 Eine Besitzstörungsklage ist zu bewerten. Die Bewertung wird durch die Angabe des Streitwerts nach dem GGG und RATG in der Klage nicht ersetzt. Hat der Kläger die Besitzstörungsklage nicht bewertet, so gilt nach § 56 Abs 2 letzter Satz JN (Zweifelsstreitwert gem BGBl I 2009/52 seit 1.7.2009) der Betrag von 5.000 Euro als Streitwert (LGZ Wien EF 57.842, 121.163), sodass die Rechtsmittelbeschränkung des § 518 Abs 3 ZPO iVm § 501 ZPO nicht zum Tragen kommt.
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4. Beschränkung des Verfahrensgegenstands
Das Besitzstörungsverfahren beschränkt sich gem § 457 ZPO auf die Feststel- 64 lung des vorigen Besitzstands und die erfolgte Störung und ist auf eine möglichst rasche Wiederherstellung des letzten tatsächlichen Besitzstands ausgerichtet. Dieses Ziel soll durch eine erhebliche Einschränkung des Streitgegenstands und durch spezielle, beschleunigend wirkende Verfahrensbestimmungen (vgl §§ 455, 458 ZPO) erreicht werden. Erörterungen über die dinglichen oder obligatorischen Rechtsverhältnisse, die dem Besitz zugrunde liegen und regelmäßig Rechtsfragen darstellen, deren Lösung einen beträchtlichen Prozessaufwand verursacht, sind im Besitzstörungsverfahren nicht zugelassen; eine umfassende Klärung der Rechtslage ist dem Petitorium vorbehalten. Der Einwand der Schikane ist allerdings nicht ausgeschlossen (LGZ Graz Miet 38.015; LGZ Wien EF 63.014, Miet 56.713; Fucik/Rechberger § 457 ZPO Rz 1). Eine Besitzstörung liegt demnach nicht vor, wenn vernünftigerweise im Verhältnis zur bisherigen Situation kein nennenswerter Nachteil zu erkennen ist, sondern Schikane naheliegt (LGZ Wien EF 100.509, 117.173, Miet 42.009, 56.713). Die Bewertung einer Handlung als Besitzstörung setzt daher eine Mindestintensität des Eingriffs voraus (G. Kodek, Besitzstörung 269). War es dem Kläger etwa vor Ausfolgung der Schlüssel durch den Beklagten auch nach der Änderung des Türschlosses möglich, den Hauseingang zu benützen, weil das Haustor ohnehin offenstand bzw ihm vom Beklagten komplikationslos geöffnet wurde, und übergab ihm der Beklagte einen Hausschlüssel noch vor Prozessbeginn, dann war seine Beeinträchtigung nur vorübergehend und so geringfügig, dass dadurch keine erhebliche Störung seiner Besitzrechte begründet wurde (LGZ Wien Miet 56.713). In solchen Fällen von Eingriffen mit völlig unerheblicher Bedeutung (welche die Rsp häufig unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Nachteils behandelt: LGZ Wien EF 108.005, 117.173) ist der Schikaneeinwand beachtlich, weil keine Störung im Rechtssinn vorliegt.
5. Gehörige Fortsetzung
Um eine Klagsabweisung (insb nach einem Fortsetzungsantrag) zu vermeiden, 65 muss die Besitzstörungsklage auch gehörig fortgesetzt werden; das Verfahren muss daher nach einer Unterbrechung oder einem Ruhenseintritt rasch wieder betrieben werden (Gitschthaler, RZ 1989, 76, der sich für eine analoge Anwendung der §§ 1494 bis 1497 ABGB im Besitzstörungsverfahren ausspricht; ihm folgend LGZ Wien WR 437). Wenn etwa die Parteien eines Besitzstörungsprozesses den Ruhenseintritt im Verfahren vereinbaren, um Vergleichsgespräche zu führen, und der Kläger nach deren Scheitern und nach Ablauf der dreimona1299
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tigen Frist des § 168 ZPO noch zuwartet, bevor er einen Fortsetzungsantrag stellt, ist die Klage wegen Verfristung iS des § 1497 zweiter Fall ABGB abzuweisen. Angesichts der nur 30 Tage dauernden Klagefrist und des Gebots besonderer Dringlichkeit im Besitzstörungsverfahren gem § 455 ZPO wird dem Kläger nach Scheitern der Vergleichsbestrebungen für die Fortsetzung des nach der Wertung des Gesetzgebers besonders dringlichen Besitzstörungsprozesses nur ein Zeitraum zugebilligt werden können, der sich an dieser Größenordnung von einem Monat orientiert. 6. Endbeschluss
66 Zum Inhalt des Endbeschlusses s § 459 ZPO. Der Endbeschluss übernimmt im Besitzstörungsverfahren die Funktion des Urteils, sodass die Bestimmungen der ZPO über die Urteile insoweit sinngemäß anzuwenden sind, als nicht die Sonderregelungen über das Besitzstörungsverfahren die Heranziehung dieser Vorschriften verbieten. Versäumungsendbeschlüsse sind zulässig und dürfen gekürzt ausgefertigt werden (Kodek/Fasching § 459 ZPO Rz 37 f; aM LGZ Wien Miet 22.624). Die Begründungserleichterungen des § 417 Abs 4 ZPO iVm § 541 Geo gelten für Versäumungsendbeschlüsse analog (LGZ Wien EF 118.142). Ein Widerspruch gem § 397a ZPO ist gegen Versäumungsendbeschlüsse allerdings nicht zulässig (LGZ Wien Miet 34.758). Die urteilsgleiche Funktion des Endbeschlusses spricht aber auch für die Zulässigkeit eines Teilendbeschlusses (LGZ Wien EF 124.938). Gem § 459 erster Satz ZPO hat der Endbeschluss sogleich nach Verhandlungsschluss zu ergehen. Unterbleibt die Verkündung der Entscheidung, stellt dies jedoch bloß einen Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift ohne verfahrensrechtliche Folgen, aber weder eine Nichtigkeit (LG Krems a d Donau Miet 45.698; LGZ Wien EF 57.775, 67.038) noch einen Verfahrensmangel (Kodek/Fasching § 459 Rz 39; Fucik/Rechberger § 460 ZPO Rz 3) dar. Wurde der Endbeschluss in Anwesenheit beider Parteien verkündet, ist der Rekurs gegen diese Entscheidung gem § 461 Abs 2 ZPO anzumelden. 67 Ein im Besitzstörungsverfahren ergangener Auftrag, gleichartige und ähnliche Besitzstörungshandlungen in Zukunft zu unterlassen, umfasst alle Handlungen, durch die der Besitz in gleicher oder ähnlicher Weise gestört wird. Eine derartige Formulierung kann nach Sinn und Zweck der Besitzstörungsklage nur so verstanden werden, dass alle Handlungen, durch die in gleicher oder ähnlicher Weise (etwa durch Anbringen einer Sperrvorrichtung) der Besitz gestört wird, zu unterlassen sind. Erging darüber bereits ein Endbeschluss mit dem Auftrag an den Beklagten, sich jeder künftigen Störung des Besitzes des Klägers zu enthalten, dann kann nicht neuerlich wegen einer späteren Störung ein inhaltsgleiches Begehren gestellt werden; diese Klage müsste wegen res iudicata zurückgewiesen werden (3 Ob 95/63 = EvBl 1963/387; 2 Ob 10/01m 1300
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Besitzstörung
mwN = Miet 53.735; vgl auch 1 Ob 204/55 = EvBl 1955/314). Durch die Fortsetzung der gleichen Störungshandlungen entsteht lediglich die Möglichkeit einer Exekutionsführung, aber nicht die Pflicht des Klägers, ständig weitere Besitzstörungsklagen einzubringen. Im Besitzstörungsverfahren ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts unab- 68 hängig vom Streitwert grundsätzlich unanfechtbar, soweit es sich um unmittelbar aufgenommene Beweise handelt, das Erstgericht also den entscheidungswesentlichen Sachverhalt (auch) aufgrund vor ihm abgelegter Parteienund/oder Zeugenaussagen als erwiesen angenommen hat (LG Eisenstadt mwN Miet 55.753; LGZ Graz Miet 35.815; LGZ Wien EF 94.545, 45 R 417/ 09w, 43 R 767/09a uva; G. Kodek, Besitzstörung 885). Einer Umwürdigung der vom Erstgericht aufgenommenen unmittelbaren Beweise im Rekursverfahren als reinem Aktenverfahren steht der Unmittelbarkeitsgrundsatz entgegen (LGZ Wien Miet 58.636; Kodek/Fasching § 459 ZPO Rz 65). § 518 Abs 3 ZPO erwähnt als Rekursgründe bei einem nicht den Betrag von 69 2.700 Euro übersteigenden Wert des Streitgegenstands (di der erstgerichtliche Entscheidungsgegenstand) nur Nichtigkeit (§ 514 Abs 2 ZPO) und unrichtige rechtliche Beurteilung (§ 520 Abs 2 ZPO); aus § 527 Abs 2 ZPO ist allerdings zu schließen, dass auch erhebliche Verfahrensmängel – allerdings nur bei einem Streitwert über 2.700 Euro – mit Rekurs geltend gemacht werden können. Dasselbe muss dann wohl auch für die Aktenwidrigkeit gelten. Zur vierwöchigen Rekursfrist s § 521 Abs 1 ZPO. 7. Ausschluss des Revisionsrekurses
§ 528 Abs 2 Z 6 ZPO schließt den Revisionsrekurs in Besitzstörungsstreitig- 70 keiten jedenfalls aus (3 Ob 513/95; 7 Ob 2181/96b; 9 Ob 61/08y ua). Sowohl Sachentscheidungen des Rekursgerichts als auch Beschlüsse, mit denen das Rechtsmittelgericht eine Entscheidung in der Sache aus formellen Gründen ablehnte, sind in Besitzstörungsverfahren somit nicht bekämpfbar. Der absolute Rechtsmittelausschluss wirkt unabhängig vom geltend gemachten Anfechtungsgrund. Selbst das allfällige Vorliegen eines Nichtigkeitsgrunds kann vom OGH nicht aufgegriffen werden (7 Ob 2181/96b [Geltendmachung der Verletzung des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO und eines Verstoßes gegen Art 6 EMRK]). Ein Rechtsmittel gegen die Zurückweisung eines Rekurses durch die zweite Instanz ist somit als Revisionsrekurs zu qualifizieren und als jedenfalls und ohne Prüfung der darin aufgeworfenen Rechtsfragen unzulässig zurückzuweisen (5 Ob 561/89; 8 Ob 525/94; 2 Ob 176/97i; 9 Ob 61/08y uva). Die Frage, ob eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 528 Abs 1 ZPO vorliegt, muss nicht geprüft werden.
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§ 339 ABGB
Beck
Zur Revisionsbeschränkung in Besitzstörungsverfahren auch im Wiederaufnahmeverfahren s 2 Ob 514/93 = JBl 1994, 263; 8 Ob 610/93 = EvBl 1994/ 171.
8. Exekutionsführung
71 Kommt es nach rechtskräftigem Endbeschluss zu neuerlichen gleichen oder gleichartigen Störungshandlungen, so ist mit Exekutionsanträgen und nicht etwa mit einer weiteren Besitzstörungsklage vorzugehen. Näheres vgl Rz 67.
9. Einstweiliger Rechtsschutz
72 Die einstweiligen Vorkehrungen nach § 458 ZPO sind funktionell ein Sonderfall der einstweiligen Verfügungen nach § 381 Z 2 EO (6 Ob 175/03h = Miet 55.701). Die §§ 456, 458 ZPO sind gegenüber den §§ 378 ff EO Spezialnormen, welche die generelleren Bestimmungen nicht verdrängen, sondern ergänzen (Frauenberger 16 ff; Hoyer, wbl 1999, 341). Ein Antrag auf einstweilige Vorkehrung kann während des gesamten Besitzstörungsverfahrens, somit im Zeitraum vom Einlangen der Klage bis zur Rechtskraft des Endbeschlusses und daher auch noch nach Schluss der Verhandlung (1 Ob 715/52 = SZ 25/225; LGZ Wien EF 49.346; Frauenberger 29; G. Kodek, Besitzstörung 947), gestellt werden. Der Wortfolge „während der Verhandlung“ in § 458 ZPO ist demnach die Bedeutung „während des Verfahrens“ beizumessen. Der Endbeschluss wird nicht durch seine Erlassung, sondern erst mit Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar, sodass auch nach dem Endbeschluss im Zeitraum, in dem er noch nicht rechtskräftig ist, ein Bedürfnis nach der Möglichkeit einstweiliger Vorkehrungen besteht. Infolge des Vorrangs der Spezialnormen ist während der Dauer des Besitzstörungsverfahrens die Erlassung einstweiliger Vorkehrungen nach den Bestimmungen der EO unzulässig (4 Ob 489/31 = SZ 13/217; 6 Ob 175/03h = Miet 55.701); ein dennoch gestellter Antrag ist in einen Antrag auf Erlassung einstweiliger Vorkehrungen gem § 458 ZPO umzudeuten (LGZ Wien Miet 54.697). 73 Die während eines Besitzstörungsverfahrens zu treffende einstweilige Vorkehrung kann auf Antrag oder von Amts wegen erlassen werden (6 Ob 175/03h = Miet 55.701; G. Kodek, Besitzstörung 967). § 458 ZPO nennt besondere Gefährdungstatbestände (konkrete Gefahr widerrechtlicher Beschädigung, Verhütung von Gewalttätigkeiten, Hintanhaltung eines unwiederbringlichen Schadens), die inhaltlich jenen des § 381 Z 2 EO entsprechen. Der Austausch des Türschlosses und damit das Verwehren des Zutritts zur Wohnung samt damit verbundenem Ausschluss von der Benützung der dort befindlichen Ge1302
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Besitzstörung
genstände (LG Linz EF 124.936; LGZ Wien EF 48.497) oder die Kündigung des Strombezugs (LGZ Wien EF 52.198) rechtfertigt die Erlassung einer einstweiligen Vorkehrung. Wenn schon nach den Bestimmungen der EO die Erlassung einer EV auch ohne vorhergehende Einvernahme des Antragsgegners (vgl aber §§ 382b bis 382e EO Rz 98, § 382h EO Rz 26 mit Bezug auf die neuere Rsp des EGMR) zulässig ist, muss dies auch für die einstweilige Vorkehrung nach § 458 ZPO gelten, die dem Erfordernis der besonderen Dringlichkeit Rechnung tragen soll. In der Unterlassung der Einvernahme des Gegners ist daher kein Verfahrensmangel zu erblicken (LGZ Wien Miet 47.655). Gegen eine ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners erlassene einstwei- 74 lige Vorkehrung ist ein Widerspruch iS des § 397 Abs 1 EO zulässig, weil dem Antragsgegner sonst das rechtliche Gehör verfassungswidrig verweigert würde (Frauenberger 112 ff; Hoyer, wbl 1999, 341; differenzierend G. Kodek, Besitzstörung 984 [Zulässigkeit des Widerspruchs nur bei einstweiliger Vorkehrung nach Erlassung des Endbeschlusses]). Zum Ausschluss des abgesonderten Rekurses in Besitzstörungsprozessen 75 zur Verhinderung langwieriger Zwischenverfahren (OLG Wien Miet 56.754 mwN) s § 518 ZPO. Eine einstweilige Vorkehrung sowie die Ab- oder Zurückweisung des Antrags ist daher erst mit dem Rechtsmittel gegen den Endbeschluss bekämpfbar. Eine Ausnahme gilt für die einstweilige Vorkehrung, die nach Erlassung des Endbeschlusses ergeht (s Rz 72). Ein Beschluss, der grundsätzlich abgesondert nicht angefochten werden kann, ist nämlich ausnahmsweise doch für sich allein bekämpfbar, wenn eine weitere anfechtbare Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr ergehen kann (1 Ob 715/52 = SZ 25/225). Gegen eine einstweilige Vorkehrung, die nach Erlassung des Endbeschlusses ergeht, ist daher ein Rekurs zulässig. Der Ausschluss des Revisionsrekurses in Besitzstörungsstreitigkeiten gem 76 § 528 Abs 2 Z 6 ZPO gilt auch für die gem § 458 ZPO erlassenen einstweiligen Vorkehrungen (2 Ob 269/33 = SZ 15/62).
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Kapitel 8 Wohnrechtliche Bestimmungen
E. Gitschthaler et al. (eds.), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht © Springer-Verlag/Wien 2011
Mietrechtsgesetz Abtretung des Mietrechts § 12. (1) Der Hauptmieter einer Wohnung, der die Wohnung verläßt, darf seine Hauptmietrechte an der Wohnung seinem Ehegatten oder Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder oder Geschwister abtreten, falls der Ehegatte oder die Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder mindestens die letzten zwei Jahre, die Geschwister mindestens die letzten fünf Jahre mit dem Hauptmieter im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben. Dem mehrjährigen Aufenthalt in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn der Angehörige die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat, beim Ehegatten auch, wenn er seit der Verehelichung, und bei Kindern auch, wenn sie seit ihrer Geburt in der Wohnung gewohnt haben, mag auch ihr Aufenthalt in der Wohnung noch nicht die vorgeschriebene Zeit gedauert haben. Der Eintritt in das Hauptmietrecht nach §§ 87 und 88 des Ehegesetzes wird dadurch nicht berührt. (2) Sowohl der bisherige Hauptmieter als auch der Angehörige (die Angehörigen) sind verpflichtet, die Abtretung der Hauptmietrechte dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Der Vermieter kann die Rechtsfolgen des durch die Abtretung herbeigeführten Eintritts des (der) Angehörigen in das Hauptmietverhältnis ab dem der Abtretung folgenden Zinstermin geltend machen. Mehrere Angehörige, die in das Hauptmietverhältnis eintreten, sind für den Mietzins zur ungeteilten Hand zahlungspflichtig. (3) Ist der Mietgegenstand eine Seniorenwohnung, wurde im Mietvertrag die Bereitstellung einer Grundversorgung des Hauptmieters mit sozialen Diensten der Altenhilfe vereinbart und hatte der Hauptmieter bei Abschluss des Mietvertrags das 60. Lebensjahr bereits vollendet, so steht ihm das Recht der Abtretung der Hauptmietrechte an Verwandte in absteigender Linie einschließlich der Wahlkinder nicht zu. Eine Seniorenwohnung liegt vor, wenn sowohl die Wohnung als auch die allgemeinen Teile des Hauses, über die sie erreicht werden kann, eigens – etwa durch barrierefreie Zugänge, besondere sanitäre Einrichtungen oder besondere 1307
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Höllwerth
Sicherheitseinrichtungen – für ein altengerechtes Wohnen ausgestattet sind. [Abs 2 idF Art II Abschnitt I Z 10 3. WÄG, BGBl 1993/800; Abs 3 und 4 aF aufgehoben durch Art II Abschnitt I Z 11 3. WÄG, BGBl 1993/800; Abs 3 angefügt durch WRN 2006, BGBl I 2006/124] Lit: P. Bydlinski, Zur Abtretbarkeit der Rechte aus einem Mietverhältnis, JBl 1985, 728; ders, Die Übertragung von Gestaltungsrechten (1986), insb 95 ff, 181; Fenyves, Haupt- und Untermiete, „Abtretung des Mietrechts“, Wohnungstausch und Mietrecht im Todesfall (§§ 2, 11–14 MRG), in: HBzMRG 269 ff, inb 299 ff; Iro, Die Übertragung des Mietrechts an Wohnungen, RZ 1983, 213; Lindinger, Fristentabelle, immolex 2006, 326; Medwed, Das Recht des Eintritts in Wohnungsmieten, ÖJZ 1971, 371; ders, Eintritts- und Übernahmsrechte von Minderjährigen im Mietenrecht, ÖJZ 1992, 614; Prader, Mietrechtsgesetz (2006); Rainer, Anmerkungen zur Abtretung von Mietrechten, immolex 2008, 33; ders, WRN 2006 – Änderungen im MRG, RdW 2006/389, 403; Rittler, Behindertenheime und MRG, wobl 2006, 193, R. Wagner, Eintritt in die Wohnungsmiete, ecolex 1993, 807; Würth, Mietrechtliche Änderungen nach dem Ministerialentwurf zu einer Wohnrechtsnovelle 2005, wobl 2005, 65; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 Band I (2009). Inhaltsübersicht A. Norm und Zweck, Anwendungsbereich sowie Abgrenzungsfragen . . 1. Norm und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen der Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nahe Angehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinsamer Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gemeinsames Wirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dauerhaftigkeit, Unterbrechung und Trennung . . . . . . . . . . . . d) Notwendige Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlassen der Wohnung durch den bisherigen Mieter . . . . . . . . . 4. Einigung über den Mietvertragsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anzeigepflicht und weitere Rechtsfolgen des Mietvertragsübergangs 1. Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergang des Vertragsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Sonderfall Seniorenwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Verfahrensrechtliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Norm und Zweck, Anwendungsbereich sowie Abgrenzungsfragen 1. Norm und Zweck
§ 12 Abs 1 MRG regelt die „Abtretung der Mietrechte“ an Wohnungen an 1 nahe Angehörige. Dem Mieter wird mit dieser Bestimmung – wie vormals durch § 19 Abs 4 MG bzw § 19 Abs 2 Z 10 MG idF vor dem MRÄG, BGBl 1967/281 (vgl 2 Ob 639/84 = Miet 36.273; 1 Ob 557/89 = NZ 1990, 259 = Miet 41.227) – die Möglichkeit eröffnet, bei Verlassen der Wohnung seine gesamte mietvertragliche Rechtsstellung an die in § 12 Abs 1 MRG genannten Personen zu übertragen. Entgegen der insoweit irreführenden Gesetzesüberschrift handelt es sich dabei nicht um die Abtretung einzelner Rechte, sondern um eine Vertragsübernahme (LGZ Wien Miet 55.273; Würth/Rummel § 12 MRG Rz 3), die allerdings (ausnahmsweise) ohne Einwilligung des Vertragspartners (= Vermieters; LGZ Miet 52.283) verwirklicht wird (7 Ob 202/99b = wobl 2001/47, 72 [Vonkilch] = Miet LI/28; Iro, RZ 1983, 213). Der Vermieter muss daher der Vertragsübernahme nicht zustimmen (LGZ Miet 52.283) und kann diese bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch nicht verhindern, sondern muss sie hinnehmen (LGZ Wien Miet 55.273). Zweck der Bestimmung ist es, den im Gesetz bezeichneten nahen Angehöri- 2 gen, denen selbst keine Mietrechte zustehen, die Wohnung, die der bisherige Mieter verlässt, auch weiterhin zu erhalten (7 Ob 616/79 = Miet 31.448; 2 Ob 639/84 = Miet 36.273; 2 Ob 672/86 = Miet 39.280; 1 Ob 557/89 = NZ 1990, 259; LGZ Wien 40.279; LGZ Graz Miet 47.221; s dazu auch Rainer, immolex 2008, 33). Ein Vorausverzicht auf das Übertragungsrecht ist unwirksam (LGZ Wien Miet 55.273; Würth/Rummel § 12 MRG Rz 2; zur ähnlichen Rechtslage beim Eintrittsrecht im Fall des Todes des Mieters s § 14 MRG Rz 3 und 1 Ob 487/60 = SZ 34/3 = EvBl 1961/119, 184 = ImmZ 1961, 171 = Miet 8983/8; 9 Ob 50/00v); ein entgegen stehendes Abtretungsverbot ist unbeachtlich (LGZ Wien Miet 52.283). 2. Anwendungsbereich
§ 12 Abs 1 MRG ist nicht anwendbar bei Mietobjekten nach § 1 Abs 2, Abs 4 3 und Abs 5 MRG ausgenommen § 1 Abs 4 Z 1 und 2 MRG (idF vor der MRN 2001) im Fall der Einhebung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen gem § 45 Abs 5 MRG aF bzw des Mindestmietzinses gem § 45 Abs 3 MRG nF (vgl dazu Würth/Rummel § 12 MRG Rz 1) und soweit sich nicht aus § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG und § 20 Abs 4 Z 1 WGG Gegenteiliges, nämlich die Anwendbarkeit des § 12 MRG ergibt (vgl dazu auch Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 2). Zur Geltung des § 12 Abs 1 MRG für Altmietverträge 1309
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bei Abtretung der Mietrechte nach Inkrafttreten des MRG s 6 Ob 62/97d = Miet 49.243. Zu Seniorenwohnungen s Rz 48 ff. 4 § 12 Abs 1 MRG gilt nur für die Hauptmiete von Wohnungen, nicht für jene von Geschäftsräumen (zum Wechsel der Gebrauchsart s 8 Ob 619/84 = Miet 36.272). Bei gemischter Nutzung des Bestandobjekts ist nach nicht (ganz) einheitlicher Rsp – analog § 16 Abs 1 Z 1 MRG – die Anwendung des § 12 Abs 1 MRG (nur dann) ausgeschlossen, wenn – nach der Parteienabsicht bei Vertragsabschluss, dem von den Parteien später einvernehmlich vereinbarten oder dem vom Vermieter (auch konkludent genehmigten) Vertragszweck (vgl 6 Ob 672/78 = Miet 30.404; RIS-Justiz RS0070039) – die Verwendung des Mietgegenstands zu Geschäftszwecken jener zu Wohnzwecken bedeutend überwiegt (vgl 5 Ob 513/94 = Miet 46.374; LGZ Wien Miet 45.273). Auf die bloß tatsächliche Nutzungsart – entgegen dem vereinbarten Vertragszweck – kommt es allein nicht an (vgl Würth/Rummel § 1116a ABGB Rz 5). Die Nutzung zu Wohnzwecken muss allerdings während des gesamten nach § 12 Abs 1 MRG maßgeblichen Zeitraums vorliegen (vgl 8 Ob 619/84 = Miet 36.272; Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 3). 5 § 12 Abs 1 MRG gilt – schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (arg: „Hauptmieter“) – nicht für Untermiete. Die Übertragung eines Untermietvertrags erfordert daher eine Dreiparteieneinigung (vgl LGZ Wien Miet 40.280 [Übernahme des Untermietvertrags im Scheidungsfolgenvergleich]). 6 Der „Eintritt“ in das Hauptmietrecht auf der Grundlage der §§ 87 f EheG wird durch § 12 Abs 1 MRG „nicht berührt“. Damit soll zum Ausdruck kommen, dass für die Übertragung von Hauptmietrechten an der Ehewohnung im Rahmen einer Entscheidung im nachehelichen Aufteilungsverfahren die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 MRG nicht erfüllt sein müssen. Die in einem Scheidungsfolgenvergleich vereinbarte Übertragung („Abtretung“) der Mietrechte an der Ehewohnung steht allerdings einer gerichtlichen Entscheidung nach §§ 87 f EheG nicht gleich, weshalb die Wirksamkeit eines solcherart vereinbarten Vertragseintritts der Zustimmung des Vermieters bedarf (vgl 3 Ob 52/79 = Miet 32.412/17; s auch LGZ Wien Miet 39.096). Umgekehrt hat der OGH allerdings in seiner Entscheidung 6 Ob 585/85 (= Miet 37.605/21) – durchaus sinnvoll zur Erzielung des Wertungsgleichklangs – für den Fall der Übertragung einer als Ehewohnung genutzten Dienstwohnung die in § 88 Abs 1 Z 1 bis 3 EheG angeführten Kriterien im Rahmen des (früheren) § 19 Abs 4 MG für beachtlich erkannt (vgl dazu auch Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 37).
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3. Abgrenzungsfragen
Die Übertragung der Mieterstellung an eine der in § 12 Abs 1 MRG genannten 7 Personen muss nicht nach dieser Bestimmung, sondern kann auch im Wege einer Dreiparteieneinigung, also mit Zustimmung des Vermieters erfolgen (s auch Rz 1). In diesem Fall müssen die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 MRG nicht erfüllt sein. Personen, die schon bisher neben dem ausscheidenden Hauptmieter über ei- 8 gene Mietrechte (Mitmietrechte) verfügten, werden von § 12 Abs 1 MRG nicht erfasst (LGZ Wien Miet 40.279). Ein Mitmieter kann daher seine Mietrechte dem anderen Mitmieter nicht nach § 12 Abs 1 MRG „abtreten“, sondern bedarf dazu der Zustimmung des Vermieters (LGZ Graz Miet 47.221 [Scheidungsfolgenvergleich]). Zur Nichtanwendbarkeit des § 12 Abs 1 MRG bei Untermiete s Rz 5. Dem Mieter kann bereits im Mietvertrag die Möglichkeit eingeräumt werden, 9 auf die Auswahl des künftigen Mieters Einfluss zu nehmen. So kann dem Mieter ein (unbeschränktes oder beschränktes) durch einseitige – empfangsbedürftige (5 Ob 250/09i = immolex-LS 2010/33) – Willenserklärung auszuübendes, vertragliches Weitergaberecht (Option; vgl 7 Ob 2048/96v = wobl 1999/8, 19 = Miet 49.092 = immolex 1997/73, 137 [Pfiel]; vgl weiters RIS-Justiz RS0032747) oder ein Präsentationsrecht (Vorvertrag zugunsten Dritter; 8 Ob 504/92 = wobl 1992/87, 119 = Miet 44.174; 6 Ob 258/99 f = wobl 2001/ 4, 6 [Dirnbacher] = Miet 52.154) zustehen. Der Mieter hat dann die freie – allerdings unterschiedliche Rechtsfolgen auslösende (dazu näher Vonkilch/ Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 35) – Wahl, ob er sich auf seine vertraglichen Rechte stützt oder die ihm im Gesetz eingeräumte Möglichkeit einer Übertragung des Bestandvertrags nach § 12 Abs 1 MRG in Anspruch nimmt (LGZ Wien Miet 38.170). Im letztgenannten Fall wird ein vertraglich eingeräumtes Weitergaberecht nicht beseitigt (5 Ob 67/97g = Miet 49.242). Den Wechsel in der Stellung des Mieters durch einen Wohnungstausch regelt 10 § 13 MRG. Die Sonderrechtsnachfolge von Todes wegen ist Regelungsgegenstand des § 14 MRG.
B. Voraussetzungen der Vertragsübernahme Der Vertragsübergang nach § 12 Abs 1 MRG ist an drei Voraussetzungen ge- 11 knüpft, nämlich 1. der bisherige Hauptmieter verlässt die Wohnung; 2. ein naher Angehöriger des Hauptmieters, der mit diesem eine bestimmte Mindestzeit im gemeinsamen Haushalt lebte, benützt die Wohnung weiter; 1311
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3. die Einigung des bisherigen Hauptmieters mit dem die Wohnung weiterbenützenden Angehörigen auf Vertragsübergang (6 Ob 62/97d = wobl 1998/ 18, 46 = Miet 49.243; 7 Ob 202/99b = wobl 2001/47, 72 [Vonkilch] = Miet LI/28; LGZ Wien Miet 52.283, 55.272, 55.274; Rainer, immolex 2008, 33). 12 Ein dringendes Wohnbedürfnis des nahen Angehörigen setzt die Vertragsübernahme nach § 12 Abs 1 MRG – im Gegensatz zum Eintrittsrecht nach § 14 Abs 3 MRG – nicht voraus (5 Ob 598/89 = Miet 41.228; 8 Ob 2299/96p = Miet 49.357 = immolex 1997/123, 229 = wobl 1997/84, 227; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; 7 Ob 202/99b = wobl 2001/47, 72 [Vonkilch] = Miet LI/28; LGZ Wien Miet 36.274 mwN, 59.250; krit zu dieser vermeintlich systemwidrigen Gesetzeslage Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 17). 13 Die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 MRG sind für die Beurteilung des Nichtvorliegens des Kündigungsgrundes iS des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG wegen „Weitergabe“ des Mietgegenstands (Überlassung an einen Eintrittsberechtigten) ohne Bedeutung (8 Ob 541/91 = wobl 1992/94, 129 = Miet 43.259; vgl dazu auch 7 Ob 538/89 = Miet 41.133). 1. Nahe Angehörige
14 § 12 Abs 1 MRG enthält eine erschöpfende, also taxative Aufzählung der nach dieser Bestimmung in Frage kommenden Angehörigen (5 Ob 231/69 = SZ 42/129 = Miet 21.520/50). Eine Erweiterung dieses Personenkreises durch ausdehnende Auslegung des § 12 Abs 1 MRG oder im Wege der Analogie ist ausgeschlossen (vgl 5 Ob 231/69 = SZ 42/129 = Miet 21.520/50; 6 Ob 62/97d = Miet 49.243; Würth/Rummel § 12 MRG Rz 4). 15 Die Vertragsübernahme durch mehrere Angehörige ist – ohne Zustimmung des Vermieters – zulässig (arg: „die Angehörigen“ in § 12 Abs 2 Satz 1 sowie Satz 3 MRG) und führt gegebenenfalls zur einer „Aufspaltung“ der Mieterstellung auf mehrere Personen (Gesamtmietverhältnis; Mitmiete; vgl 4 Ob 537/95 = SZ 68/169; Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 5). 16 Nahe Angehörige iS des § 12 Abs 1 MRG sind Ehegatten, Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder und Geschwister. Zufolge § 43 Abs 1 Z 10 EPG gehört (nunmehr) auch der eingetragene Partner zum Personenkreis des § 12 Abs 1 MRG. Zur Minderjährigkeit eines Angehörigen s Rz 39. Zur „Deszendentensperre“ bei Seniorenwohnungen s Rz 48 ff, insb Rz 53. 17 Keine nahen Angehörigen (zur taxativen Aufzählung s Rz 14) sind – im Unterschied zu § 14 Abs 3 MRG – der Lebensgefährte (6 Ob 62/97d = Miet 49.243), Stiefkinder bzw -enkel (vgl 1 Ob 239/52 = Miet 2527/11; 5 Ob 3/73 = Miet 25.321), der Neffe (vgl 5 Ob 231/69 = SZ 42/129 = Miet 21.520/50), die Ziehtochter (LGZ Wien Miet 33.367) und Pflegekinder (7 Ob 577/91 = wobl 1312
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Abtretung des Mietrechts
1992/106, 149 = SZ 64/119 = EvBl 1991/200, 851 = Miet 43.182; 8 Ob 648/93 = Miet 46.255). Geschiedene Ehegatten (eingetragene Partner nach Auflösung ihrer Partner- 18 schaft) gehören grundsätzlich nicht (mehr) zum begünstigten Personenkreis. Die Rsp wendet aber § 12 Abs 1 MRG – entgegen dem taxativen Charakter der darin enthaltenen Aufzählung begünstigter Personen (s dazu Rz 14) – auch auf im Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung durch den bisherigen Mieter bzw zur Zeit der Einigung über den Vertragsübergang bereits (regelmäßig einvernehmlich) geschiedene Ehegatten an, sofern sie bis zur Scheidung im gemeinsamen Haushalt lebten (s dazu auch Rz 22 f und Rz 25) und die Scheidung der Grund für die Überlassung des Mietobjekts ist (3 Ob 207/55 = Miet 4665; 7 Ob 106/56 = Miet 5198 = RZ 1956, 111; 1 Ob 110/70 = SZ 43/99 = Miet 22.432 [zu § 19 Abs 4 MG idF MRÄG]; 7 Ob 630/86 = Miet 38.293; 1 Ob 305/99 f; LGZ Wien = Miet 54.252). Letzteres wird insb dann angenommen, wenn die Vertragsweitergabe im Scheidungsfolgenvergleich vereinbart wurde (vgl LGZ Wien Miet 60.248). Die Anwendbarkeit des § 12 Abs 1 MRG auf geschiedene Ehegatten soll nach der Rsp allerdings nicht mehr zulässig sein, wenn der Zusammenhang zwischen der vorher getroffenen Überlassungsvereinbarung und dem späteren tatsächlichen Verlassen der Wohnung durch längere Zeit, etwa eine mehrere Jahre dauernde Lebensgemeinschaft der geschiedenen Ehegatten unterbrochen war (7 Ob 630/86 = Miet 38.293; LGZ Miet 54.252) oder die auf Vertragsübergang gerichtete Einigung der geschiedenen Ehegatten erst ein Jahr nach der Scheidung erfolgte (3 Ob 1042/90 = wobl 1991/156, 253 = Miet 42.225; LGZ Wien = Miet 54.252). Diese Rsp wird künftig wohl auch auf vormalige eingetragene Partner anzuwenden sein. 2. Gemeinsamer Haushalt a) Begriff
Der gemeinsame Haushalt besteht grundsätzlich in einem auf gewisse Dauer 19 (vgl LGZ Wien Miet 41.229; konkret zum Aspekt der Dauerhaftigkeit bei § 12 Abs 1 MRG s Rz 21) angelegten gemeinsamen Wohnen und Wirtschaften (4 Ob 580/87 = Miet 39.300; 1 Ob 608/90 = ImmZ 1991, 15; 9 Ob 220/98p [Lebensschwerpunkt] = Miet 50.288). Besondere familiäre Verhältnisse können auch die Annahme von zwei Haushalten als selbstständige Schwerpunkte der Wirtschaftsführung rechtfertigen (7 Ob 41/08t = Miet 60.245 = immolex 2008/87, 208 = wobl 2009/101, 277). Die Beurteilung, ob ein gemeinsamer Haushalt vorliegt, hängt wegen der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten typischerweise von den Umständen des Einzelfalls ab (9 Ob 220/98p = Miet 50.288; LGZ Wien Miet 36.274).
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b) Gemeinsames Wirtschaften
20 Gemeinsames Wirtschaften setzt idR voraus, dass die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt werden (stRsp, vgl etwa 1 Ob 305/99 f = Miet 52.302; RIS-Justiz RS0069534). Die Annahme gemeinsamer Wirtschaftsführung wird allerdings nicht dadurch ausgeschlossen, dass etwa bei großen Einkommens- oder Altersunterschieden ein Teil die gesamten Kosten trägt (1 Ob 333/97w = Miet 50.308; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288). Die jeweiligen Einkommen und Ausgaben müssen daher keineswegs in Relation zur jeweils benützten Wohnfläche stehen (5 Ob 39/05d = Miet 57.279). c) Dauerhaftigkeit, Unterbrechung und Trennung
21 Der zeitliche Aspekt der Dauerhaftigkeit als Merkmal einer Haushaltsgemeinschaft erfordert im Licht des § 12 Abs 1 MRG (nur), dass der Hauptmieter den Angehörigen nicht von vornherein bloß kurzfristig (vgl LGZ Wien Miet 41.229 [vorübergehende Zuflucht wegen familiärer Probleme]) aufzunehmen plant, weil in einem solche Fall wohl der Wille zur Begründung einer Haushaltsgemeinschaft zu bezweifeln wäre. Dass die Aufnahme des Angehörigen auf Dauer oder gar unwiderruflich sein müsste, folgt aus § 12 Abs 1 MRG nicht (8 Ob 619/84 = Miet 36.272; 2 Ob 639/84 = Miet 36.273; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; 1 Ob 545/95 [Aufnahme bei Studienbeginn ohne konkrete Pläne für die Zeit danach] = SZ 68/103 = JBl 1996, 463 [Deixler-Hübner]; 1 Ob 255/98a = Miet 51.286 = wobl 2001/48, 74). 22 Grundsätzlich bewirkt erst die dauernde Trennung das Ende der Haushaltsgemeinschaft (4 Ob 580/87 = Miet 39.300). Eine aufgrund der Lebensumstände freiwillig vorgenommene oder erzwungene – typischerweise nicht allzu lange währende – Unterbrechung des Zusammenlebens hebt den gemeinsamen Haushalt nicht auf, sofern nur die Absicht besteht, bei einer Änderung der Verhältnisse die gebotene oder erzwungene Trennung zu beenden. Ob die Abwesenheit als bloß vorübergehend oder als dauernd anzusehen ist, hängt entscheidend vom Willen der Beteiligten ab; die Verwirklichung der Rückkehr darf jedenfalls nicht schlechthin ausgeschlossen sein (4 Ob 580/87 = Miet 39.300; 1 Ob 608/90 = Miet 42.235; 1 Ob 578/91 = RZ 1992/91, 287 = wobl 1993/6, 14 = Miet 43.183). Als typische Fälle solcher nicht dauernder Trennung sind insb auswärtige Studien-, Krankheits- und Erholungsaufenthalte sowie befristete Aufenthalte im Alters- oder Pflegeheim anzusehen (1 Ob 255/98a = Miet 51.286 = wobl 2001/48, 74; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; 7 Ob 41/08t = Miet 60.245 = immolex 2008/87, 208 = wobl 2009/101, 277; LGZ Wien Miet 40.281). 23 Auch ein – vorübergehendes – gemeinsames Ausziehen des Mieters und des nahen Angehörigen aus der gemieteten Wohnung, etwa wegen notwendiger Renovierungsarbeiten (vgl 2 Ob 2371/96g = wobl 1998/87, 137 [Dirnbacher] 1314
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= immolex 1998/3, 6 [Pfiel]) oder aus beruflichen Gründen, hebt die dortige Haushaltsführung – bei bestehender Rückkehrabsicht (LGZ Wien Miet 37.276) – nicht auf (vgl 7 Ob 22/01p = Miet 53.405; vgl aber auch LGZ Wien Miet 37.276 [keine Haushaltsgemeinschaft, wenn nach gemeinsamen Auszug samt Wechsel des Lebensmittelpunkts Trennung erfolgt und gemeinsame Rückkehr in die Mietwohnung unterbleibt]). In solch zweifelhaften Fällen wird allerdings die Rückkehrabsicht vom Mieter bzw von dessen Angehörigen zu erweisen sein. Allein die Wegweisung eines Ehegatten (eingetragenen Partners) aus der 24 Wohnung nach dem SPG muss – im Hinblick auf den (zunächst) vorläufigen Charakter dieser Maßnahmen – nicht (sofort) zur Annahme führen, die Haushaltsgemeinschaft sei dadurch aufgehoben (vgl LGZ Wien Miet 60.248). Wenn allerdings ein Ehegatte (eingetragener Partner) aus der vom anderen allein gemieteten (Ehe-)Wohnung auszieht, die Scheidungsklage einbringt und mit EV erwirkt, dass der andere die von ihm gemietete (Ehe-)Wohnung verlassen muss, bis zur rechtkräftigen Erledigung des Scheidungs- bzw Auflösungsverfahrens nicht mehr betreten darf und in weiterer Folge ein gemeinsames Wohnen und Wirtschaften der Partner nicht wieder aufgenommen wird, kommt eine Übertragung der Mietrechte nach § 12 Abs 1 MRG mangels gemeinsamen Haushalts zum Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung durch den Mieter nicht mehr in Frage (6 Ob 45/99g = Miet 51.262). Der Scheidung nach § 55a EheG, die ja eine Aufhebung der ehelichen Le- 25 bensgemeinschaft seit mindestens einem halben Jahr voraussetzt, kommt nach einem Teil der Rsp keine Bindungswirkung für die Frage des gemeinsamen Haushalts zu. Die Haushaltsführung von in Scheidung lebenden Ehegatten weist naturgemäß weniger tatsächliche Gemeinsamkeiten auf als bei einer intakten Ehe, was aber einen gemeinsamen Haushalt iS des § 12 MRG nicht ausschließen soll (LGZ Wien Miet 36.275; strenger dagegen 1 Ob 305/99 f [kein Haushalt mehr, bei Ehegatten, die sich aus dem Weg gingen und sich kaum noch gemeinsam zur gleichen Zeit in der Wohnung aufhielten] = wobl 2000, 299/160 [krit Deixler-Hübner] = immolex 2000, 261/155 = Miet 52.302; zur Angehörigeneigenschaft von [geschiedenen] Ehegatten s Rz 16 und 18). Will man dem § 12 Abs 1 MRG in Fällen einvernehmlicher Scheidungen nicht weitgehend die Anwendungsmöglichkeit entziehen und damit scheidungswillige Ehegatten vielleicht sogar ins Streitverfahren und anschließend in die nacheheliche Aufteilung (zu §§ 87 f EheG) drängen, wird in solchen Konstellation ein gewisser Rest an gemeinsamer Organisation für die Annahme einer aufrechten Haushaltsgemeinschaft reichen müssen. Andernfalls würde das Schicksal der Mietrechte an der Ehewohnung mit dem fraglichen Tatbestandsmerkmal des gemeinsamen Haushalts zur Zeit des Verlassens der Wohnung durch den Mieter zeitlichen Zufälligkeiten der Trennungsabwicklung folgen (s dazu auch Deixler-Hübner, wobl 2000/160, 299 [Entscheidungsanmerkung]). 1315
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d) Notwendige Dauer
26 Jene Person, auf die der Mietvertrag übergehen soll, muss eine gewisse Mindestzeit mit dem die Wohnung verlassenden Mieter im gemeinsamen Haushalt gewohnt haben. Werden diese Mindestzeiten erreicht, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Haushaltsgemeinschaft „auf (eine darüber hinausgehende) Dauer“ beabsichtigt war (8 Ob 619/84 = Miet 36.272; 2 Ob 639/84 = Miet 36.273; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; zum Dauerhaftigkeit als Merkmal des gemeinsamen Haushalt s auch Rz 19 und 21 ff). 27 Der maßgebliche Mindestzeitraum beträgt beim Ehegatten, beim eingetragenen Partner (§ 43 Abs 1 Z 10 EPG) und bei den Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder mindestens zwei Jahre, bei Geschwistern sogar fünf Jahre. Diesen Mindestzeiten gleichwertig ist es, wenn der gemeinsame Haushalt bei Ehegatten (eingetragenen Partnern) seit der Eheschließung (seit der Begründung der eingetragenen Partnerschaft), bei Kindern seit der Geburt oder – bei allen in Frage kommenden Angehörigen – seit dem gemeinsamen Bezug der Wohnung ohne Unterbrechung bestanden hat (LGZ Wien Miet 33.395; zu Unterbrechung und Beendigung des gemeinsamen Haushalts s Rz 22 ff). 28 Beziehen der Wohnung ist tatsächliche Benützung zu Wohnzwecken. Die Vornahme von Investitionen in die Wohnung oder der bloße Abschluss des Mietvertrags reichen dafür nicht aus (7 Ob 665/84 = Miet 36.286). 29 Für den (mittelbaren) Schutz von „Eintrittsberechtigten“ gegen die Kündigung des Mieters nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall und Z 6 bedarf es keiner Erreichung von Mindestzeiten (3 Ob 502/92 = Miet 44.467; vgl auch 6 Ob 100/09p; Würth/Rummel § 12 MRG Rz 4a; s auch Rz 13). e) Maßgeblicher Zeitpunkt
30 Bei der Prüfung des Vorliegens gemeinsamer Haushaltsführung (über die notwendige Mindestzeit s Rz 26 ff) stellt die stRsp nicht etwa auf den Zeitpunkt der Willenseinigung über den Vertragseintritt (LGZ Wien Miet 40.281), sondern auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Verlassens der Wohnung durch den scheidenden Mieter ab (1 Ob 557/89 = NZ 1990, 259; 6 Ob 161/09h = immolex 2010/44, 142; LGZ Wien Miet 52.283, 56.265, 60.248). Näher zum Verlassen der Wohnung s Rz 32. 31 Beendet der (bisherige) Mieter vor seinem Auszug aus der Wohnung das Mietverhältnis durch eine vom Vermieter angenommene Aufkündigung, ist danach eine Vertragsübernahme gem § 12 Abs 1 MRG ausgeschlossen. Mangels über das Ende des Bestandverhältnisses hinausreichender Mietrechte können diese nicht mehr wirksam „abgetreten“ werden (3 Ob 215/08a = Miet 60.247). 1316
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3. Verlassen der Wohnung durch den bisherigen Mieter
Der bisherige Mieter kann seine Mieterstellung nicht übertragen, wenn er die 32 Wohnung weiterhin benützt (3 Ob 215/08a = Miet 60.247; LGZ Wien Miet 55.272). Dahinter steht der Gedanke, dass im Fall der Weiterbenützung durch den Altmieter kein schützenswertes Bedürfnis nach einer Änderung in der Vertragsbeziehung besteht, sondern eine solche Möglichkeit eher missbräuchliche Verfügungen über die Wohnung erleichtern würde (7 Ob 202/ 99b = wobl 2001/47, 72 [Vonkilch] = Miet LI/28; Iro, RZ 1983, 213). Damit also die Vertragsübernahme durch den Angehörigen erfolgen kann, muss der bisherige Mieter die Wohnung verlassen. Das Verlassen der Wohnung ist ein tatsächlicher Vorgang (LGZ Wien Miet 33 38.294, 47.222) und bedeutet, deren Benützung endgültig aufzugeben (4 Ob 43/98x = Miet 50.287; 7 Ob 202/99b = wobl 2001/47, 72 [Vonkilch] = Miet LI/ 28; LGZ Wien Miet 41.229, 56.265); grundsätzlich muss unmittelbar daran dann die Weiterbenützung durch den Angehörigen anschließen (vgl 1 Ob 534/77 = Miet 29.383; 2 Ob 672/86 = Miet 39.280; LGZ Wien Miet 38.294; Würth/Rummel § 12 MRG Rz 3a). Hält sich der bisherige Mieter – nach Wohnsitzverlegung – zeitweilig, etwa ei- 34 nige Wochen im Jahr oder zu Besuchen, weiterhin oder wieder in der früheren Wohnung auf, steht dies der Annahme eines (endgültigen) Verlassens dieser Wohnung nicht entgegen (vgl 7 Ob 41/08t = wobl 2009/101, 277 = Miet 60.245 = immolex 2008/87, 208). Zum Verlassen der Wohnung ist der OGH auch schon davon ausgegangen, 35 dass im Fall des Todes des bisherigen Mieters nach der Willenseinigung mit dem im gemeinsamen Haushalt lebenden nahen Angehörigen, jedoch vor Auszug des Mieters aus der Wohnung der Tod des Hauptmieters das tatsächliche und endgültige Wegziehen ersetzt (7 Ob 202/99b [Vater begab sich nach Einigung über Mietvertragsübertragung an den Sohn ins Spital, woran die endgültige Aufnahme in ein Pflegeheim folgen sollte, zu der es wegen des Todes des Vaters während des Spitalaufenthalts nicht mehr kam] = Miet 51.263/28 = wobl 2001/47, 72 [krit Vonkilch]; vgl auch 1 Ob 557/89 = NZ 1990, 259 [Willensübereinstimmung soll auch dahin gehen können, dass der Mietrechtsübergang erst zum Zeitpunkt des Todes des bisherigen Hauptmieters, eintreten solle]). Ein solches „Verlassen“ der Wohnung durch Tod des bisherigen Mieters verwischt allerdings die Grenzen zu und die Voraussetzungen nach § 14 MRG (dringendes Wohnbedürfnis; krit dazu auch Vonkilch, wobl 2001/47, 72 [Entscheidungsanmerkung]) und darf – wenn überhaupt – nur in Fällen in Frage kommen, in denen bei vorliegender Überlassungsvereinbarung der Tod des bisherigen Mieters dessen definitiv vorgesehenen und kurz bevorstehenden Auszug zuvorkommt (zutr LGZ Wien Miet 55.274 [„Verlassen“ verneint, 1317
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wenn der Hauptmieter im Krankenhaus starb, ohne sich in einem Pflegeheim angemeldet oder einen bestimmten Auszugstermin geplant zu haben). 36 Zu (nur zeitweiligen) Unterbrechungen der Haushaltsgemeinschaft s Rz 22 ff. Zum – vom „Verlasssen“ zu unterscheidenden – „Überlassen“ der Wohnung s Rz 37 ff und zum möglichen Auseinanderfallen dieser beiden Zeitpunkte s Rz 30 und 41. 4. Einigung über den Mietvertragsübergang
37 Neben dem tatsächlichen Auszug des bisherigen Mieters ist auch eine (endgültig gemeinte; vgl LGZ Wien Miet 41.229) „Überlassungsvereinbarung“ iS einer rechtsgeschäftlichen Einigung über den Übergang des Mietvertrags auf den Angehörigen erforderlich (vgl LGZ Wien Miet 38.294). Notwendige Voraussetzung des Vertragsübergangs ist also die darüber erzielte Willensübereinstimmung zwischen bisherigem Hauptmieter und zurückbleibendem Angehörigen (6 Ob 62/97d = Miet 49.243; 4 Ob 43/98x = Miet 50.287 = wobl 1998/ 190, 300; LGZ Wien Miet 38.294). Nach der Entscheidung 1 Ob 368/98v (= Miet 51.002) ist die Bereitschaft des bisherigen Mieters zur Übertragung der Mieterposition nicht nach § 97 ABGB erzwingbar. Zur Unbeachtlichkeit eines Rechts(-folgen)irrtums s 4 Ob 1633/95 = wobl 1996/44, 147 = Miet 47.220. 38 Die Willensübereinstimmung über den Mietvertragsübergang muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch konkludent iS des § 863 ABGB erfolgen (3 Ob 1042/90 = wobl 1991/156, 253 = Miet 42.225), also durch ein zweifelsfrei in diese Richtung weisendes Verhalten (1 Ob 534/77 [Hinterlegung des Mietzinses durch den Angehörigen im eigenen Namen] = Miet 29.383; 7 Ob 518/95 = wobl 1996/43, 147; 4 Ob 43/98x = Miet 50.287 = wobl 1998/190, 300 [Erklärung des Mieters, auszuziehen, während der Ehegatte in der Wohnung verbleibe, in Zukunft für die Wohnung „zuständig“ sei und die Wohnungskosten bezahle]). 39 Die Verbindlichkeit einer Vertragsübernahme durch einen minderjährigen Angehörigen erfordert – als Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs gem § 154 Abs 3 ABGB – die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung (6 Ob 62/97d = Miet 49.243; 5 Ob 57/02x = wobl 2003/173, 323 [krit Vonkilch] = SZ 2002/64 = JBl 2003, 53 [insb zur Rückwirkung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung]; LGZ Wien Miet 53.285, 59.250; Iro, RZ 1983, 213 f; Medwed, ÖJZ 1992, 614 [615]; gegen eine generelle Bejahung der Notwendigkeit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung Dullinger, wobl 1998/ 189, 299 [Entscheidungsanmerkung]). Fehlt diese Genehmigung, kann das daraus resultierende, schwebend unwirksame Rechtsgeschäft im Weg der nachträglichen Anerkennung der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung durch den volljährig gewordenen Angehörigen geheilt werden (1 Ob 101/07w = Miet 1318
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59.248 = wobl 2008/25, 75). Zur Möglichkeit der Exszindierung während des Schwebezustands durch den Übertragenden, wenn der Vermieter nur einen Räumungstitel gegen den minderjährigen Übernehmer besitzt s 3 Ob 152/97t = wobl 1998/189, 299 [Dullinger] = RZ 1998/43, 142). Es fehlt an einer Willenseinigung in Richtung einer Vertragsübernahme etwa 40 dann, wenn sich der bisherige Mieter beim Verlassen der Wohnung eine Rückkehr vorbehalten (LGZ Wien Miet 56.265) und in der Folge wiederholt eine Übertragung der Mietrechte abgelehnt oder den Willen geäußert hat, in die Wohnung zurückkehren zu wollen (4 Ob 43/98x = Miet 50.287 = wobl 1998/ 190, 300; LGZ Wien Miet 40.282, 41.229). Das Verlassen der Wohnung und die Willensübereinstimmung über den 41 Mietvertragsübergang können zeitlich auseinanderfallen (7 Ob 149/07y = Miet 59.249; LGZ Wien Miet 36.275). Die Einigung über den Mietrechtsübergang zwischen Hauptmieter und dem Angehörigen kann daher nach der Rsp auch erst zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der bisherige Mieter die Wohnung bereits verlassen hatte (1 Ob 557/89 = Miet 41.227 = NZ 1990, 259; vgl 9 Ob 1516/96 = Miet 48.235; LGZ Wien Miet 47.222, 55.272; krit Rainer, immolex 2008, 33). Die in der Rsp bisweilen ganz generell vertretene Ansicht, die Einigung über den Vertragsübergang könne nach dem Auszug des bisherigen Mieters zu jedem beliebigen späteren Zeitpunkt erfolgen (LGZ Wien Miet 52.283), erscheint in dieser Allgemeinheit zweifelhaft und insb mit dem Normzweck (s dazu Rz 2) des § 12 MRG nicht mehr vereinbar (so auch Rainer, immolex 2008, 33). Jedenfalls kann das zeitliche Auseinanderfallen zwischen Auszug und Überlassungseinigung nicht so weit gehen, dass die Wohnung jahrelang leer stehen kann, sich dann erst der bisherige Mieter zu deren Überlassung an einen nahen Angehörigen entschließt und dieser danach erst wieder in die Wohnung einzieht (LGZ Wien Miet 38.294).
C. Anzeigepflicht und weitere Rechtsfolgen des Mietvertragsübergangs 1. Anzeigepflicht
Nach § 12 Abs 2 Satz 1 MRG sind sowohl der bisherige Hauptmieter als auch 42 der (bzw die mehreren; s dazu Rz 15) den Mietvertrag übernehmende(n) Angehörige(n) verpflichtet, den Vertragsübergang dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Entsprechend stRsp und hL ist auf der Grundlage des 3. WÄG (vgl AB 1268 43 BlgNR 18. GP zu Art II Abschnitt I Z 10) unzweifelhaft, dass die Unterlassung der Anzeige den Vertragsübergang nicht verhindert, ihr also nicht kon1319
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stitutiver, sondern lediglich deklarativer Charakter zukommt (3 Ob 96/89 mit ausführlicher Darstellung der älteren LuRsp = JBl 1990, 797 [krit Iro] = SZ 63/63 = Miet XLII/17; LGZ Wien Miet 33.395 [Anzeigepflicht als bloße Ordnungsvorschrift], 52.283, 60.248). 44 Die Verletzung der beiden Teilen, nämlich dem bisheriger Mieter und dem Angehörigen, auferlegten Anzeigepflicht begründet (nur) deren (gesamtschuldnerische) Schadenersatzpflicht gegenüber dem Vermieter, sofern diesem aus der Unterlassung der Anzeige – in der Zeit bis zur tatsächlichen Verständigung (vgl 6 Ob 341/97h = Miet 50.289) durch auch nur einen der beiden Anzeigepflichtigen – vermögensrechtliche Nachteile entstehen. Dabei kann es sich etwa um Kosten der Rechtsverfolgung des Vermieters handeln, die deshalb frustriert sind, weil dieser von der Vertragsübernahme nicht oder verspätet verständigt wurde (3 Ob 96/89 = JBl 1990, 797 [Iro] = SZ 63/63 = wobl 1990/ 74, 140 = Miet XLII /17 = EvBl 1990/144, 741; näher dazu Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 23). 2. Übergang des Vertragsverhältnisses
45 Die „Abtretung der Mietrechte“ nach § 12 Abs 1 MRG ist keine Zession im rechtstechnischen Sinn, sondern führt zum Übergang der gesamten Rechtsstellung des bisherigen Mieters auf den (die) betreffenden Angehörigen (Einzelrechtsnachfolge; s auch Rz 1), ohne dass es zur Beendigung des bisherigen und zur Begründung eines neuen Mietvertrags käme. Mietrechtliche Ansprüche, die aus der Beendigung eines Bestandverhältnisses abgeleitet werden können, können daher im Fall eines Vertragsübergangs nach § 12 Abs 1 MRG nicht geltend gemacht werden (näher dazu Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 19). Andererseits ist es gerade Folge des weiterbestehenden Vertragsverhältnisses, dass der übernehmende Angehörige ab dem wirksamen Übergang des Mietvertrags zur Geltendmachung dem Mieter eingeräumter Gestaltungsrechte befugt ist (näher dazu Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 25 ff). 46 Der Vertragsübergang nach § 12 Abs 1 MRG soll nach der Entscheidung 8 Ob 2330/96x dazu führen, dass der neue Mieter – im Außenverhältnis, also gegenüber dem Vermieter – für Altschulden nicht zu haften hat (aA mit beachtlichen Argumenten Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 29). Für Neuschulden haftet jedenfalls nur der den Mietvertrag übernehmende Angehörige. 47 Aus § 46 MRG folgt die Möglichkeit der Anhebung des Mietzinses im Fall des Übergangs eines vor dem 1.3.1994 abgeschlossenen Mietvertrags („Altvertrag“) auf nicht privilegierte Angehörige (dazu näher bei § 46 MRG).
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D. Sonderfall Seniorenwohnung Mietgegenstände, die im Rahmen des Betriebs eines hiefür besonders einge- 48 richteten Heimes für betagte Menschen (Alten- oder Pflegeheime) vermietet werden, sind zufolge § 1 Abs 2 Z 1 MRG aus dem Anwendungsbereich des MRG überhaupt zur Gänze ausgenommen (s Rz 3; zur Abgrenzung dieses Ausnahmetatbestands vgl 5 Ob 118/04w = wobl 2005/70, 229 = Miet 56.231). Für diese Wohnverhältnisse bestehen mit den §§ 27b ff KSchG besondere Regelungen. Nach § 27h Abs 2 KSchG enden solche Heimverträge mit dem Tod des Heimbewohners, weil ein Eintritt in derartige Wohnverhältnisse wohl den richtig verstandenen Interessen beider Vertragsparteien nicht entspräche. Mit dem durch die WRN 2006, BGBl I 2006/124, dem § 12 MRG angefügten 49 Abs 3 soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass inzwischen vermehrt auch Wohnformen für alte Menschen entstanden sind, die noch in gewissem Umfang zu einer eigenen Haushaltsführung in der Lage sind, und bei denen daher kein so intensives Betreuungs- und Pflegeverhältnis vorliegt, wie es die Qualifikation als Heimvertrag iS der § 1 Abs 2 Z 1 MRG und des § 27b Abs 1 KSchG erfordern würde. Derartige Mietverträge betreffen (auch) Objekte, die auf Kosten von Gebietskörperschaften oder gemeinnützigen Trägern spezifisch entsprechend den Bedürfnissen älterer Menschen ausgestattet, aber nicht (zur Gänze) von der Anwendung des MRG ausgenommen sind. Die Möglichkeit der „Abtretung“ der Mietrechte nach § 12 MRG könnte dann den von den Errichtern und Betreibern eines Wohnhauses mit solchen Seniorenwohnungen verfolgten sozialen Zwecken wesentlich entgegen stehen. Aus diesem Grund wird unter den in § 12 Abs 3 MRG bezeichneten Voraussetzungen die Übertragung der Mieterrechte nach § 12 Abs 1 MRG (in beschränktem Umfang; s dazu Rz 51) ausgeschlossen (vgl ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 38 f; zum Ausschluss des Eintrittsrechts im Todesfall s § 14 MRG Rz 22). Die Neuregelung gilt für alle Mietverträge, die nach dem 30.9.2006 neu abgeschlossen wurden bzw werden (§ 49e Abs 3 MRG). Voraussetzung für die Beschränkung der in § 12 Abs 1 MRG vorgesehenen 50 Vertragsübernahme ist zunächst, dass es sich beim Bestandobjekt um eine so genannte „Seniorenwohnung“ handelt. Dies trifft nach § 12 Abs 3 Satz 2 MRG dann zu, wenn sowohl die Wohnung als auch die allgemeinen Teile des Hauses, über die sie erreicht werden kann, eigens – etwa durch barrierefreie Zugänge, besondere sanitäre Einrichtungen oder Sicherheitseinrichtungen – für ein altengerechtes Wohnen ausgestattet sind. Dieses die bauliche Ausgestaltung und Einrichtung des Gebäudes und der Wohnung betreffende Kriterium muss nicht bei allen Mietgegenständen des Gebäudes vorliegen, es muss sich also nicht insgesamt um ein speziell für Senioren bestimmtes „Altenwohnhaus“ handeln, was auch ein Zusammenleben von Alt und Jung in einem 1321
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Wohnhaus rechtlich erleichtert (vgl ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 39). Es müssen auch nicht alle allgemeinen Teile des Hauses altengerecht ausgestattet sein, sondern nur jene, die zum Erreichen der Seniorenwohnung passiert werden müssen. 51 § 12 Abs 3 MRG setzt weiters voraus, dass der jeweilige Mietvertrag nicht nur die Überlassung des Gebrauchs an der Wohnung, sondern darüber hinaus auch die Pflicht des Vermieters vorsieht, eine Grundversorgung des Hauptmieters mit sozialen Diensten der Altenhilfe – das sind etwa mobile Haushaltshilfe, Wäschepflegedienste, Bereitschaftsdienste, „Notruftelefon“, „Essen auf Rädern“ oder mobile Krankenpflegedienste) – zu gewährleisten (ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 39). „Bereitstellung“ der Grundversorgung heißt in diesem Kontext nicht Eigenleistung des Vermieters, sondern bedeutet (nur), die Erbringung dieser Leistungen – (gegebenenfalls) durch Dritte und gegen Entgelt – sicherzustellen. 52 § 12 Abs 3 MRG ist letztlich auch nur dann anwendbar, wenn der Hauptmieter zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatte. 53 Liegen die in § 12 Abs 3 MRG normierten drei Voraussetzungen (Rz 50 bis 52) vor, steht dem Hauptmieter „das Recht der Abtretung der Hauptmietrechte an Verwandte in absteigender Linie einschließlich der Wahlkinder nicht zu.“ § 12 Abs 3 MRG sieht also (nur) eine „Deszendentensperre“ (einschließlich Wahlkinder) vor, während der Mietvertrag an die sonstigen in § 12 Abs 1 MRG genannten Angehörigen (Aszendenten, Ehegatte, eingetragener Partner, Geschwister) bei Vorliegen der dort bestimmten Anforderungen übertragen werden kann. Dieser Regelung liegt die Überlegung zugrunde, dass die typischerweise jüngeren Deszendenten auf die Seniorenwohnung nicht angewiesen sind, während namentlich beim üblicherweise annähernd gleich alten Ehegatten gerade ein Bedarf nach der Seniorenwohnung bestehen kann. 54 Einzelfällen, in denen gerade diese – vom Gesetzgeber gleichsam als typisch unterstellten – Altersstrukturen nicht vorliegen (zB: der 35-jährige Ehegatte des 60-jährigen Hauptmieters; der 85-jährige Hauptmieter und sein 65-jähriges Kind), trägt die insoweit sehr schematische Regelung des § 12 Abs 3 MRG nicht Rechnung. Ob in diesen Fällen eine teleologische Reduktion des § 12 Abs 3 MRG zulässig ist, um gerade die mit dieser Regelung angestrebten sozialen Ziele zu verwirklichen (dafür Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 12 MRG Rz 3a), erscheint deshalb zweifelhaft, weil sie dem insoweit völlig klaren Wortlaut der Norm widersprechen würde und der Gesetzgeber – ausweislich der ErläutRV – den Umstand, dass die „Deszendentensperre“ nur bei üblichen Altersstrukturen sozial „treffsicher“ ist, wohl erkannt und folglich in Kauf genommen haben dürfte.
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§ 14 MRG
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E. Verfahrensrechtliches Auseinandersetzungen über den erfolgten Mietrechtsübergang nach § 12 Abs 1 55 MRG sind – als selbstständige Hauptfragen – grundsätzlich im streitigen Rechtsweg auszutragen. Die Prüfung der Angemessenheit bzw Zulässigkeit des begehrten Hauptmietzinses erfolgt im mietrechtlichen Außerstreitverfahren (§§ 16, 46 Abs 1 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG).
Mietrecht im Todesfall § 14. (1) Durch den Tod des Vermieters oder des Mieters wird der Mietvertrag nicht aufgehoben. (2) Nach dem Tod des Hauptmieters einer Wohnung treten in den Mietvertrag mit Ausschluß anderer zur Erbfolge berufenen Personen die im Abs. 3 genannten eintrittsberechtigten Personen ein, sofern sie nicht binnen 14 Tagen nach dem Tod des Hauptmieters dem Vermieter bekanntgeben, daß sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollen. Mit dem Eintritt haften die eintretenden Personen für den Mietzins und die Verbindlichkeiten, die während der Mietzeit des verstorbenen Hauptmieters entstanden sind. Sind mehrere Personen eintrittsberechtigt, so treten sie gemeinsam in den Mietvertrag ein und haften zur ungeteilten Hand. (3) Eintrittsberechtigt nach Abs. 2 sind der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder und die Geschwister des bisherigen Mieters, sofern diese Personen ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Lebensgefährte im Sinne dieser Bestimmung ist, wer mit dem bisherigen Mieter bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat; einem dreijährigen Aufenthalt des Lebensgefährten in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn er die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat. In dem in § 12 Abs. 3 genannten Fall sind Verwandte in absteigender Linie einschließlich der Wahlkinder nicht eintrittsberechtigt. [Abs 4 aufgehoben durch Art II Z 9 2. WÄG, BGBl 1991/68; Abs 3 ergänzt durch Art 2 Z 8 WRN 2006, BGBl I 2006/124] Lit: Fenyves, Haupt- und Untermiete, „Abtretung des Mietrechts“, Wohnungstausch und Mietrecht im Todesfall (§§ 2, 11–14 MRG), in: HBzMRG 269 ff, inb 328 ff; Gaisbauer, Fragliche mietrechtliche Eintrittsrechte, ImmZ 1993, 37; Gantner, Die Ehewohnung im Nachlass (Diss Wien 2000), insb 102 ff; Hora, Die Lebensgemeinschaft im Miet- und Wohnrecht, NetV 2006, 155; Iro, OGH: Weiterhin kein Eintrittsrecht homosexueller Lebensgefährten,
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RdW 1997, 187; Kothbauer, Zum Mietrecht im Todesfall, immolex 2010, 164; Marinovic, Das Mietrecht im Todesfall, ÖHB 1988 H 3, 3; Medwed, Das Recht des Eintritts in Wohnungsmieten, ÖJZ 1971, 371; ders, Eintritts- und Übernahmsrechte von Minderjährigen im Mietenrecht, ÖJZ 1992, 614; Pittl/Sander, Zum Eintrittsrecht des homosexuellen Lebensgefährten in den Mietvertrag, wobl 2007, 33; Rauscher, Oberster Gerichtshof: Zwei gegenteilige Entscheidungen in einer Sache! ImmZ 1991, 147; Reiber, „Dringendes Wohnbedürfnis“ im Anwendungsbereich des MRG – wo steht die Judikatur? immolex 1997, 242; dies, Eintrittsrecht nach dem Tod eines Mieters, immolex 2009, 42; Rainer, Änderung der Rechtsprechung des OGH zum Lebensgefährten, immolex 2006, 225; S. Resch, Das neue Sachwalterrecht im Zusammenhang mit Fragen des Wohnrechts, wobl 2008, 29; Schimetschek, Zum Begriff „Gemeinsamer Haushalt“, ImmZ 1980, 283; Schoditsch, Zum Eintrittsrecht des (homosexuellen) Lebensgefährten gem § 14 Abs 3 MRG, ÖJZ 2007/30, 347; Schweighofer, Kein Eintrittsrecht für Homosexuelle, wobl 1998, 262; Stabentheiner, Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 2006 (Teil 1), wobl 2006, 241; ders, Die Änderungen des Mietrechts durch die Wohnrechtsnovelle 2006, ÖJZ 2006, 743; ders, Die Wohnrechtsnovelle 2006 – Änderungen im Mietrecht, immolex 2006, 262; ders, Zum Eintrittsrecht des gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten gemäß § 14 Abs 3 MRG, wobl 2007, 182; Verschraegen, „Samenleven Buiten Huwelijk“, „Cohabitation“ oder die „nichteheliche Lebensgemeinschaft“ in niederländischer, englischer und österreichischer Theorie und Praxis, ZfRV 1983, 85; Vonkilch, Mietzinsvorauszahlungen, Baukostenbeiträge und wohnrechtliche Sondererbfolge (§ 14 MRG), NZ 2000, 321; ders, Eintrittsrecht bei noch nicht oder nicht mehr bestehendem gemeinsamem Haushalt in der Wohnung? wobl 2001, 65; R. Wagner, Eintritt in die Wohnungsmiete, ecolex 1993, 807; Würth, Mietrechtliche Änderungen nach dem Ministerialentwurf zu einer Wohnrechtsnovelle 2005, wobl 2005, 65; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 Band I (2009); Zingher, Das Eintrittsrecht nach § 19 Abs 2 Z 11 MG, ÖJZ 1964, 314; Inhaltsübersicht A. Norm und Zweck, Anwendungsbereich sowie Abgrenzungsfragen . . . 1. Norm und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen des Eintrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eintrittsberechtigte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eintrittsberechtigte im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht Eintrittsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonderfall Seniorenwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinsamer Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gemeinsames Wirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein gemeinsamer Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bestehende oder fehlende Haushaltsgemeinschaft – Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dringendes Wohnbedürfnis des Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Familienrechtliche Wohnansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
1–10 1–4 5–6 7–8 9–52 14–22 14–15 16–20 21 22 23–42 23–30 31–34 35–36
. . . . .
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. . . . .
37–42 43–52 43–45 46–50 51–52
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C. Rechtsfolgen des Eintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ablehnung des Eintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Verfahrensrechtliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53–55 56–58 59–60
A. Norm und Zweck, Anwendungsbereich sowie Abgrenzungsfragen 1. Norm und Zweck
§ 14 Abs 1 MRG normiert die Vererblichkeit des Mietrechts (vgl dazu auch 1 Iro/KBB § 1116a ABGB Rz 1) und folgt damit im Grundsatz der Regelung des § 1116a Satz 1 ABGB (4 Ob 537/95 = Miet 47.125). Die in § 1116a Satz 2 ABGB vorgesehene besondere Kündigungsmöglichkeit bleibt zwar durch § 14 MRG unberührt (8 Ob 504/86 = EvBl 1987/133, 496 = Miet XXXVIII/19; Würth/Rummel § 14 MRG Rz 2 und § 1116a ABGB Rz 1 und 5), entfällt aber insoweit, als es zum Eintrittsrecht naher Angehöriger kommt und damit der Kündigungsschutz greift (vgl 4 Ob 537/95= SZ 68/169; Würth/Rummel § 1116a ABGB Rz 5). § 14 Abs 2 und 3 MRG sehen im Wesentlichen wie schon zuvor § 19 Abs 2 2 Z 11 MG eine – die allgemeine Erbfolge ausschließende, ex lege auch ohne Willen der Beteiligten eintretende (7 Ob 1599/91 = Miet 43.180 = wobl 1992/78, 110; 3 Ob 508/96 = Miet 48.249 = wobl 1998/66, 106), keine besondere Erklärung der Berufenen (3 Ob 116/79 = SZ 52/159 = Miet 31.396; 3 Ob 675/80 = Miet 33.365; 7 Ob 273/98t = Miet 50.305 = EvBl 1999/63, 308 = NZ 1999, 168 = SZ 71/189 = immolex 1999/55,74) und im Fall der Minderjährigkeit auch keine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung (7 Ob 145/09p = EvBl 2010/64, 458 = JBl 2010, 378; 3 Ob 117/95 [unter Ablehnung von Medwed, ÖJZ 1992, 614]) erfordernde – Sonderrechtsnachfolge vor (4 Ob 537/95= SZ 68/169; 3 Ob 508/96 = Miet 48.249 = wobl 1998/66, 106; 7 Ob 85/97v = Miet 49.261; 5 Ob 216/01b = wobl 2002/94, 300 [Vonkilch] = EvBl 2002/34, 149); das Mietrecht wächst daher nicht dem (den) anderen (Mit-)Mieter(n) zu (4 Ob 537/95 = wobl 1997/65, 191 [Dirnbacher] = SZ 68/169 = JBl 1996, 595 = Miet 47.383; LGZ Graz Miet 38.307). Ob in den Regelungen des § 14 MRG eher eine Sondererbfolge zu sehen ist, wird in der Rsp nicht und in der L kaum reflektiert (s dazu Vonkilch, NZ 2000, 321; Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz). Die Vereinbarung des Erlöschens des Bestandverhältnisses durch den Tod des 3 Hauptmieters kann nach der Rsp nur außerhalb des Bereichs des Kündigungsschutzes wirksam vereinbart werden (7 Ob 1599/91 = wobl 1992/78, 110 = Miet 43.180; Würth/Rummel § 1116a ABGB Rz 1). Ein Verzicht auf das Eintrittsrecht durch den Eintrittsberechtigten (1 Ob 487/60 = SZ 34/3 = EvBl 1325
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1961/119, 184 = ImmZ 1961, 171) oder den Mieter (7 Ob 1599/91 = wobl 1992/78, 110 = Miet 43.180) im Vorhinein ist somit unwirksam (9 Ob 50/00v; Würth/Rummel § 14 MRG Rz 3; krit Zingher, ÖJZ 1964, 316 f; Medwed, ÖJZ 1971, 374 f [je zu § 19 Abs 2 Z 11 MG]; Harrer/Heidinger/Schwimann § 1444 ABGB Rz 20). Ein nach erfolgtem Eintritt und Erwerb der Mietrechte, also nach Erlangung der bereits gesicherten Rechtsposition – allenfalls auch schlüssig – erklärter Verzicht kann dagegen wirksam sein (vgl 9 Ob 50/00v). Ein solcher ist allerdings nicht schon dann anzunehmen, wenn der Eintrittsberechtigte dem Vermieter gegenüber nicht durch positive Handlungen zu erkennen gibt, er wolle an den Mietrechten festhalten (6 Ob 598/85 = Miet 37.290 = SZ 58/126), ebenso wenig aufgrund des späteren Erwerbs anderer Wohnmöglichkeiten (LGZ Wien Miet 36.285). Aus dem Umstand, dass nur einer von mehreren eingetretenen Mitmietern dem Hauseigentümer den Mietzins bezahlt, kann auch nicht auf den Eintritt nur eines Angehörigen geschlossen werden (vgl LGZ Wien Miet 36.285). Zum Ablehnungsrecht s Rz 56 f. 4 § 14 MRG bezweckt die Sicherung des Wohnbedürfnisses naher Angehöriger, die zuletzt mit dem Mieter im gemeinsamen Haushalt lebten (6 Ob 559/93 = Miet 45.266; 9 Ob 88/08v = EF-Z 2010/68, 108). Dieser Schutz erfolgt unabhängig von der allfälligen Erbenstellung dieser Angehörigen, womit § 14 MRG insoweit sowohl die Privatautonomie des Vermieters als auch die Testierfreiheit des Mieters einschränkt (näher zu Wesen und historischer Entwicklung der Bestimmung s Zingher, ÖJZ 1964, 314; Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 5).
2. Anwendungsbereich
5 § 14 MRG gilt grundsätzlich auch im Teilanwendungsbereich des MRG; er ist aber nicht anwendbar bei Mietobjekten nach § 1 Abs 2 MRG, soweit sich nicht aus § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG Gegenteiliges – gegebenenfalls mit der Modifikation des § 20 Abs 4 Z 3 WGG – ergibt (näher dazu Vonkilch/Hausmann/ Vonkilch § 14 MRG Rz 2). Praktisch bedeutungslos ist § 14 MRG für die von § 1 Abs 5 MRG erfassten Wirtschaftsparks (Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 2). Zur teleologischen Reduktion des § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG bei Dienstwohnungen s 9 ObA 168/95 (= wobl 1996/62, 165 [Call] = Miet 48.531/5). 6 Nicht anwendbar sind § 14 Abs 2 und 3 MRG bei der Miete von Geschäftsraumlichkeiten und bei gemischter Nutzung des Bestandobjekts, wenn jene zu Geschäftszwecken bedeutend überwiegt (dazu näher bei § 12 MRG Rz 4; unklar – soweit veröffentlicht – LGZ Graz Miet 40.305 [wo ein überwiegend Ordinationszwecken dienendes Bestandobjekt unter dem Gesichtspunkt einer gemeinsamen Haushaltsführung geprüft wird]). Auch für die Untermiete ver1326
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neinen LuRsp das Eintrittsrecht (6 Ob 652/86 = Miet 38.459; 9 Ob 312/98t = wobl 1999/96 = Miet 50.306; Würth/Rummel § 14 MRG Rz 2; Vonkilch/ Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 3). 3. Abgrenzungsfragen
Zur Sonderrechtsnachfolge (zum Eintritt in das Mietrecht) kommt es auch 7 dann, wenn dem Verstorbenen nur Mitmietrechte zustanden (4 Ob 537/95 = wobl 1997/65, 191 [Dirnbacher] = SZ 68/169 = JBl 1996, 595; Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 1). Zur Nichtanwendbarkeit des § 14 MRG bei Untermiete s Rz 6. Soweit nicht die Sonderrechtsnachfolge nach § 14 Abs 2 und 3 MRG zum Tra- 8 gen kommt, liegt bei Tod des Hauptmieters im Anwendungsbereich der §§ 29 ff MRG der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG vor (9 Ob 312/ 98t = Miet 50.423; 4 Ob 309/99s = SZ 72/188 = Miet 51.395), wobei in diesem Fall das Bestandverhältnis bis zu dessen allfälliger Kündigung zunächst mit der Verlassenschaft und nach der Einantwortung mit dem (den) Erben fortgesetzt wird (5 Ob 258/08i = immolex 2009/115, 316 [Neugebauer] = wobl 2010/23, 52 = NZ 2010/AGS 747, 59 [Hoyer, NZ 2010, 63]; 9 Ob 312/98t = Miet 50.306; vgl weiters RIS-Justiz RS0021167 [T5]; RS0021182). Ob tatsächlich eine aus „den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs entspringende“ Verpflichtung der Erben besteht, dem Vermieter den Tod des Hauptmieters und das Fehlen eintrittsberechtigter Personen bekannt zu geben, um dem Vermieter die Wahrnehmung des Kündigungsgrundes zu ermöglichen (so 2 Ob 360/97y = wobl 2000/86, 158 [zust Werkusch] = Miet 51.120 = immolex 2000/ 69, 107), erscheint zumindest zweifelhaft (abl Würth/Rummel § 14 MRG Rz 2), bedürfte aber jedenfalls einer Begründung, die über den bloßen Verweis auf „ungeschriebene Pflichten“ aus Dauerschuldverhältnissen hinausgeht.
B. Voraussetzungen des Eintrittsrechts Das Eintrittsrecht nach § 14 MRG ist – neben dem Vorliegen eines Hauptmiet- 9 verhältnisses an einer Wohnung (s dazu Rz 5 f) – an drei Voraussetzungen geknüpft, die (grundsätzlich) zum Zeitpunkt des Todes des Mieters (dazu näher Rz 37 ff und 51 f) – kumulativ (LGZ Wien Miet 60.258) – vorliegen müssen, nämlich 1. Vorhandensein eines begünstigten Angehörigen (Eintrittsberechtigten); 2. gemeinsamer Haushalt des Eintrittsberechtigten mit dem Hauptmieter in der Wohnung; 3. dringendes Wohnbedürfnis des Eintrittsberechtigten an der Wohnung. 1327
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10 Alle Angehörigen, auf welche die zu Rz 9 genannten Voraussetzungen zutreffen, treten zur ungeteilten Hand in das Bestandverhältnis des verstorbenen Mieters mit all dessen Rechten und Pflichten ein (Würth/Rummel § 14 MRG Rz 4). Dieser Eintritt erfolgt ex lege und – entgegen dem Wortlaut des § 14 Abs 2 MRG nicht „nach“, sondern – „im“ Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Mieters (Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 25), sofern die Eintrittsberechtigten nicht binnen 14 Tagen nach dem Tod des Mieters dem Vermieter bekanntgeben, dass sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollen (vgl 3 Ob 508/96 = Miet 48.249 = wobl 1998/66, 106; näher zum Ablehnungsrecht s Rz 56 ff). 11 Eine gemeinnützige Genossenschaft, die ihre Wohnungen iS des § 8 WGG nur ihren Mitgliedern überlässt, kann gem § 20 Abs 4 Z 3 WGG darauf bestehen, dass nur eine Person in den Nutzungsvertrag eintritt. Bewerben sich mehrere Personen um den Eintritt und kommt es zu keiner Einigung, kann die Genossenschaft den Eintrittsberechtigten bestimmen. Es tritt dann jener Angehörige in den Nutzungsvertrag ein, den die Genossenschaft als Mitglied aufnimmt; das Eintrittsrecht der Übrigen erlischt (vgl Würth/Rummel § 14 MRG Rz 4). 12 Derjenige, der das Eintrittsrecht in Anspruch nehmen will, ist für das Vorliegen aller Eintrittsvoraussetzungen behauptungs- und beweispflichtig (vgl 6 Ob 817/80 = Miet 33.372; 3 Ob 596/81 = Miet 33.377; 1 Ob 608/90 = Miet 42.235; 8 Ob 622/93 = Miet 45.262; 1 Ob 255/98a = Miet 51.286; LGZ Wien Miet 35.305 [gekündigte Verlassenschaft], 36.291, 60.258; LGZ Graz Miet 37.293 [zum dringenden Wohnbedürfnis]) und trägt folglich die Beweislast (1 Ob 589/88 = Miet 40.308 [zum dringenden Wohnbedürfnis]; 2 Ob 569/90 = Miet 42.234; 1 Ob 79/97t = immolex 1997/181, 325 = wobl 1998/37,66 [Dirnbacher] = Miet 49.263; LGZ Graz Miet 38.311). 13 Eine Anerkennung des Eintritts durch den Vermieter ist, weil sich der Eintritt ohnehin ex lege vollzieht, weder erforderlich noch erzwingbar (vgl 3 Ob 116/79 = SZ 52/159 = Miet 31.396; 3 Ob 508/96 = wobl 1998/66, 106 = Miet 48.249; zu Klagemöglichkeiten s auch Rz 59). Ist allerdings das Eintrittsrecht zwischen Vermieter und einem vermeintlich Eintrittsberechtigten strittig, kann es zum Gegenstand einer vertraglichen Regelung, etwa eines Anerkenntnisses, gemacht werden (3 Ob 508/96 = wobl 1998, 106/66, 106 = Miet 48.249).
1. Eintrittsberechtigte Personen a) Eintrittsberechtigte im Allgemeinen
14 § 14 Abs 3 MRG enthält eine erschöpfende, also taxative Aufzählung der nach dieser Bestimmung in Frage kommenden Angehörigen (7 Ob 577/91 = 1328
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Miet 43.182; 8 Ob 648/93 = Miet 46.255; LGZ Wien Miet 47.237, 56.286). Eine Erweiterung dieses Personenkreises durch ausdehnende Auslegung des § 14 Abs 3 MRG ist grundsätzlich unzulässig, und auch eine Analogie kommt – weil keine Rechtslücke vorliegt (8 Ob 648/93 = Miet 46.255; 2 Ob 578/94 = Miet 47.234 = wobl 1996/5, 34 [M. Mohr]) – nicht in Frage (8 Ob 665/86 = Miet 39.298; 2 Ob 626/87 = Miet 40.301/10; zum gleichgeschlechtlichen Lebengefährten s aber Rz 18). Zur Beurteilung der Angehörigeneigenschaft nach dem Personalstatut der Beteiligten s 8 Ob 665/86 = Miet 39.298. Eintrittsberechtigte Person iS des § 14 Abs 3 MRG sind der Ehegatte, Ver- 15 wandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder und die Geschwister des bisherigen Mieters sowie – im Unterschied zu § 12 Abs 1 MRG und anders als noch nach § 19 Abs 2 Z 11 MG nicht bloß subsidiär gegenüber anderen Eintrittsberechtigten – der Lebensgefährte. Zufolge § 43 Abs 1 Z 10 EPG gehört (nunmehr) auch der eingetragene Partner zum eintrittsberechtigten Personenkreis. b) Lebensgefährten
§ 14 Abs 3 MRG enthält eine Legaldefinition des Lebensgefährten, wonach 16 dieser „mit dem bisherigen Mieter bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt (haben muss); einem dreijährigen Aufenthalt des Lebensgefährten in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn er die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat.“ Damit wird zwar der – auch leicht(er) greifbare – wirtschaftliche Aspekt betont (idS wohl Stabentheiner, wobl 1997/39, 144 [Entscheidungsanmerkung]), auf diesen ist jedoch die Eheähnlichkeit nicht zu reduzieren (idS (Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 13; wohl aA Verschraegen, ZfRV 1983, 85 [137 ff] und Schweighofer, wobl 1998, 268 f). Wenngleich es jedenfalls nicht allein auf das Vorliegen auch – nur einen Aspekt einer Lebensgemeinschaft darstellender (vgl auch Medwed, ÖJZ 1971, 372) – geschlechtlicher Beziehungen der (fraglichen) Lebensgefährten ankommen wird (vgl LGZ Wien Miet 45.261; Würth/Rummel § 14 MRG Rz 7), so erfordert das Bestehen einer Lebensgemeinschaft nach § 14 Abs 3 MRG iS einer eheähnlichen Beziehung – nicht zuletzt wegen des gebotenen einheitlichen Begriffsverständnisses – über eine bloße Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft deutlich hinausgehende (7 Ob 630/86), enge persönliche Bindungen und idR wohl auch eine gewisse körperliche Affinität der Partner (vgl 5 Ob 70/06i = FamZ 2006/80, 225 [Deixler-Hübner] = wobl 2007/13, 46 = EF-Z 2006/52, 93 = EvBl 2006/154, 816 = immolex 2006/124, 314; aA, nämlich gegen das Erfordernis einer Geschlechtsgemeinschaft ein Teil der [älteren] insb zweitinstanzlichen Rsp, etwa LGZ Wien Miet 37.288, 40.302, 44.332 mwN). 1329
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17 Die „gleich einer Ehe eingerichtete Haushaltsgemeinschaft“ der Lebensgefährten muss bis zum Tod des Mieters eine Dauer von drei Jahren erreicht haben (8 Ob 2299/96p = Miet 49.357), welches Erfordernis nur bei gleichzeitigem Bezug der Wohnung entfällt (8 Ob 2299/96p = Miet 49.357; LGZ Wien Miet 46.256; Würth/Rummel § 14 MRG Rz 7). Für den Bezug der Wohnung reichen weder die bloße Absicht dazu (LGZ Wien Miet 46.256) noch die Vornahme von Investitionen oder der Abschluss des Mietvertrags allein aus (7 Ob 665/84 = Miet 36.286; vgl dazu auch § 12 MRG Rz 28). 18 Seit der Entscheidung 5 Ob 70/06i (= FamZ 2006/80, 225 [Deixler-Hübner] = wobl 2007/13, 46 = EF-Z 2006/52, 93 = EvBl 2006/154, 816 = immolex 2006/ 124, 314) bejaht der OGH – de lege lata (krit dazu Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 13) – in EMRK-konformer Auslegung des § 14 Abs 3 zweiter Satz MRG (vgl EGMR 24.7.2003, 40016/98, Karner/Österreich = ÖJZ 2004/2 [MRK]) bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen auch ein Eintrittsrecht gleichgeschlechtlicher Lebensgefährten (5 Ob 33/ 07z = Miet 59.259; zust Stabentheiner, wobl 1997/39, 144 [Entscheidungsanmerkung]; aA noch die ältere Rsp etwa 6 Ob 2325/96 = wobl 1997/39, 144 [abl Stabentheiner]; LGZ Wien Miet 38.308; 41.244, 47.237 mwN). 19 Auch die neben einer aufrechten Ehe bestehende Lebensgemeinschaft begründet das Eintrittsrecht (LGZ Wien Miet 47.236; Vonkilch/Hausmann/ Vonkilch § 14 MRG Rz 13; Würth/Rummel § 14 MRG Rz 7; krit Verschraegen, ZfRV 1983, 85 [138 f]) 20 An einer „Lebensgemeinschaft“ iS des § 14 Abs 3 MRG fehlt es bei großem Altersunterschied zwischen Mieter(in) und Eintrittswerber(in) und einer angestrebten, aber nicht verwirklichten Adoption (8 Ob 648/93 = Miet 46.255 [hier: über 40 Jahre]; vgl auch LGZ Wien Miet 45.261 [Mutter-Sohn ähnliche Beziehung]). Gemeinsame Pflege der Wohnung, Helfen beim Einkaufen, zeitweises Kochen für den Mieter, wenn es ihm nicht gut geht, ist für die Annahme einer Lebensgemeinschaft genauso zu wenig (LGZ Wien Miet 35.305) wie eine Beziehung zweier Personen, die sich darüber einig sind, nicht dauerhaft zusammenleben zu wollen, und in der jeder seine Wohnmöglichkeit beibehält (LGZ Wien Miet 57.295). An einer Lebensgemeinschaft fehlt es auch dann, wenn etwa die Mutter und der von ihr betreute und gepflegte behinderte Sohn zusammen wohnen (10 ObS 121/07b = EF-Z 2008/38). c) Nicht Eintrittsberechtigte
21 Keine eintrittsberechtigten Personen iS des § 14 Abs 3 MRG sind der – geschiedene – Ehegatte (2 Ob 626/87 = Miet XL/10), ein „Ziehkind“ (LGZ Wien Miet 33.367) und – trotz der Stärkung der Rechte von Pflegeeltern aufgrund der Regelung des § 186a ABGB – das Pflegekind (7 Ob 577/91 = SZ 1330
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64/119 = EvBl 1991/200, 851 = wobl 1992/106, 149). Zum fehlenden Eintrittsrecht des Nasciturus s Rz 36. d) Sonderfall Seniorenwohnung
Mit dem durch die WRN 2006, BGBl I 2006/124, angefügten letzten Satz in 22 § 14 Abs 3 MRG werden für Fälle des betreuten Wohnens von Senioren auch im Anwendungsbereich des § 14 MRG – vergleichbar zur Rechtslage nach § 12 Abs 3 MRG – unter bestimmten Voraussetzungen Deszendenten vom Eintrittsrecht ausgeschlossen (s dazu näher § 12 MRG Rz 48 ff, insb Rz 53). 2. Gemeinsamer Haushalt a) Begriff
Der gemeinsame Haushalt besteht im Grundsatz in einem auf Dauer angele- 23 gten gemeinsamen Wohnen und Wirtschaften (4 Ob 580/87 = Miet 39.300; 8 Ob 665/90 = Miet 43.184; 5 Ob 1591/92 = wobl 1993/82, 116 = Miet 44.333; 5 Ob 1591/92 = Miet 44.333 = wobl 1993/82, 116; 3 Ob 117/95 = Miet 48.253; 6 Ob 2305/96 f = Miet 48.254; LGZ Wien Miet 36.290, 58.241; LGZ Graz Miet 37.289; zur Verwertbarkeit der zum Haushaltsbegriff zu § 19 Abs 2 Z 11 MG ergangenen Rsp s LGZ Wien Miet 36.287, 38.313; LGZ Graz Miet 38.311; s auch § 12 MRG Rz 19). „Auf Dauer“ heißt aber nicht immerwährend oder unwiderruflich (1 Ob 79/97t = immolex 1997/181, 325 = wobl 1998/37, 66 [Dirnbacher] = Miet 49.263; 1 Ob 218/97h = Miet 50.307; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; 1 Ob 255/98a = Miet 51.286); das Eintrittsrecht soll nur für den Fall ausgeschlossen sein, dass der gemeinsame Haushalt von vornherein nur für eine konkret festgelegte Zeit bestehen soll. Selbst die Absicht, (nur) so lange in der Wohnung zu bleiben, bis eine andere (bessere, schönere, geeignetere) Wohnung gefunden ist, schließt nach der Rsp ein auf Dauer berechnetes Wohnen und Wirtschaften nicht aus. Die ggt Ansicht würde zum wenig plausiblen Ergebnis führen, dass trotz eines dringenden Wohnbedarfs ein Eintrittsrecht in eine unzulängliche Wohnung deswegen verneint wird, weil der Eintrittsberechtigte die Absicht hat, den für ihn unbefriedigenden Zustand zu verbessern (5 Ob 1591/92 = wobl 1993/82, 116 = Miet 44.333). Für das Eintrittsrecht muss der gemeinsame Haushalt – abgesehen von jenem 24 mit einem Lebensgefährten (s dazu Rz 17) – nicht während einer bestimmten Mindestzeit bestanden haben (3 Ob 116/79 = SZ 52/159 = Miet 31.396; 8 Ob 2299/96p = Miet 49.357; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; LGZ Wien Miet 40.304). Mit dem Erfordernis eines auf Dauer angelegten Wohnens sollen vielmehr jene Fälle nicht dem § 14 MRG unterstellt werden, in denen der gemeinsame Haushalt schon vorweg nur für einen festgelegten (kurzen) Zeitraum geplant war. Insoweit hat die bis zum Tod des Mieters vorgelegene Dauer der 1331
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Haushaltsgemeinschaft Indizwirkung (vgl dazu auch Vonkilch/Hausmann/ Vonkilch § 14 MRG Rz 18; zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Bestehen der Haushaltsgemeinschaft s Rz 37 ff). 25 Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts wird idR dazu führen, dass der betreffende Angehörige seinen Lebensschwerpunkt in der Wohnung des Mieters hat (stRsp, etwa 4 Ob 580/87 = Miet 39.300; 1 Ob 568/88 = Miet 40.303; 3 Ob 117/95 = Miet 48.253; LGZ Wien Miet 35.306, 36.288, 36.290; LGZ Graz Miet 37.289, 38.311). Daher reicht es für die Begründung des Eintrittsrechts nicht aus, wenn der Angehörige bloß Kleidung und Möbel in der Wohnung des Mieters aufbewahrt (vgl LGZ Wien Miet 38.312); auch die polizeiliche Meldung des Angehörigen in der betreffenden Wohnung kann allein nicht ausschlaggebend sein (vgl 6 Ob 207/97b = Miet 49.372). 26 Die Begründung eines gemeinsamen Haushalts soll nach der Rsp auch während einer Zeit erfolgen können, in der sich der Mieter, etwa aus gesundheitlichen Gründen zB in Spitalspflege befindet, sofern die Absicht erweislich ist, der Angehörige habe nach der Rückkehr des Mieters in die Wohnung mit diesem in einer dauerhaften Haushaltsgemeinschaft leben wollen (vgl LGZ Wien Miet 35.307, 44.334; zur Haushaltsgemeinschaft bei beabsichtigter Fortsetzung des gemeinsamen Haushalts in einer noch nicht bezogenen Wohnung s 4 Ob 309/99s = Miet 51.289 = immolex 2000/22, 40 = SZ 72/188; [eher] abl LGZ Wien Miet 56.286; zu Fällen unschädlicher „Unterbrechungen“ des Haushalts infolge [zeitweiliger] Abwesenheit des Mieters s Rz 39 ff). 27 Unter besonderen familiären Verhältnissen, etwa aus beruflicher Notwendigkeit, können sich auch zwei Haushalte iS des § 14 Abs 3 als selbstständige Schwerpunkte der Wirtschaftsführung gebildet haben (1 Ob 593/86 = Miet 38.309; 1 Ob 568/88 = Miet 40.303; vgl Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 20; s auch § 12 MRG Rz 19). 28 Geringere Gemeinsamkeiten und stärkere individuelle Gestaltung der Lebensbereiche beim Wohnen und Wirtschaften sind bei größeren Altersunterschieden der Angehörigen oder zwischen verschiedenen Generationen natürlich und daher bei Prüfung des Vorliegens eines gemeinsamen Haushalts unschädlich (vgl 8 Ob 665/90 = Miet 43.184; 3 Ob 117/95 = Miet 48.253; LGZ Wien Miet 35.306, 38.310; LGZ Graz Miet 37.289). So wird eine Haushaltsführung zwischen einem Großelternteil und dem Enkelkind idR weniger Gemeinsamkeiten aufweisen als etwa der Haushalt eines Ehepaars oder gleichaltriger Personen (LGZ Wien Miet 36.288, 45.263 [Lebensführung von Mutter und erwachsenem Sohn, der die Wohnung nur an seinen freien Tagen alle 2 Wochen für 2 ½ Tage benützt]). 29 Die Beurteilung, ob Mieter und Eintrittsberechtigter in der betreffenden Wohnung im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, kann regelmäßig nur aufgrund 1332
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der faktischen Verhältnisse und anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen (4 Ob 515/90 = Miet 42.232; 8 Ob 665/90 = Miet 43.184; 8 Ob 622/93 = Miet 45.262; 3 Ob 117/95 = Miet 48.253; 1 Ob 333/97w = Miet 50.308; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; LGZ Wien Miet 35.306; LGZ Graz Miet 37.289). Eine von grundsätzlichen Rechtsirrtümern freie Fallentscheidung des Gerichts zweiter Instanz ist daher einer Überprüfung durch den OGH nicht zugänglich (5 Ob 1532/91 = Miet 43.185; 9 Ob 119/97h = Miet 49.262; 9 Ob 70/99 f = Miet 51.287). Fehlte es an einem gemeinsamen Haushalt, dann besteht kein Eintrittsrecht. 30 Daran ändert auch das Vorliegen eines allfälligen dringenden Wohnbedürfnisses des nahen Angehörigen nichts, weil dadurch ein fehlender gemeinsamer Haushalt iS des § 14 Abs 3 MRG nicht ersetzt werden kann (LGZ Wien Miet 36.291; 60.258). b) Gemeinsames Wirtschaften
Gemeinsames Wirtschaften setzt idR voraus, dass die Bedürfnisse des tägli- 31 chen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt werden (3 Ob 117/95 = Miet 48.253; 6 Ob 2305/96 f = Miet 48.254; 1 Ob 333/97w = Miet 50.308; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; LGZ Wien Miet 36.287, 38.313, 42.238, 45.263; s auch § 12 MRG Rz 20). Bei Eintrittswerbern mit eigenen Einkünften wird gemeinsames Wirtschaf- 32 ten nur dann anzunehmen sein, wenn diese in irgendeiner Form (finanziell oder naturaliter) zur Bestreitung der Kosten des gemeinsamen Haushalts beitragen (LGZ Wien Miet 36.287, 38.310, 42.237, 60.258), wobei es nicht schadet, wenn ein Teil ausschließlich Arbeitsleistungen erbringt (LGZ Graz Miet 46.259), sich – etwa infolge Pflegebedürftigkeit – nicht an den Haushaltsarbeiten beteiligen kann (vgl 5 Ob 133/97p = MietS 49.264; 1 Ob 333/97w = Miet 50.308) oder ein Teil allein alle Kosten trägt (3 Ob 117/95 = Miet 48.253; 1 Ob 333/97w = Miet 50.308). Die Beschäftigung einer Hilfskraft für Haushaltsarbeiten schließt die Annahme des Bestehens eines gemeinsamen Haushalts zwischen dem Mieter und dem Angehörigen jedenfalls so lange nicht aus, als dieser zumindest einen Beitrag zu den Haushaltskosten leistet (LGZ Graz Miet 42.236). Bei Minderjährigen oder sonst nicht selbsterhaltungsfähigen, vermögens- 33 und einkommenslosen oder behinderten Angehörigen müssen die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften naturgemäß und der faktischen Lebensrealität entsprechend reduziert werden (1 Ob 333/97w = Miet 50.308; LGZ Wien Miet 36.287, 38.310, 42.237), weil andernfalls gerade für diese besonders schutzwürdigen Personen die Anwendbarkeit des § 14 MRG praktisch weitgehend ausgeschlossen wäre. Ohne Bedeutung für das Vorliegen der 1333
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Haushaltsgemeinschaft ist es, ob vom eintrittswerbenden Angehörigen eine (einstweilige) Sachwalterschaft für den verstorbenen Mieter geführt wurde (LGZ Graz Miet 42.236). 34 Das gemeinsame Wirtschaften fehlt etwa dann, wenn die Beteiligten ihr Leben voneinander völlig unabhängig nach eigenen Bedürfnissen einrichteten, sich jeder selbst verköstigte, die Mahlzeiten getrennt zubereitet und eingenommen wurden, jeder für seine Wäsche ebenso wie für die Reinigung der von ihm benützten, getrennten Räumlichkeiten sorgte und der Angehörige keinen (anteiligen) Beitrag für die Benützung der Wohnung bezahlte (vgl 3 Ob 15/08i = Miet 60.256; LGZ Wien Miet 42.237). Entspricht die Stellung des Angehörigen mehr jener eines Untermieters ist eine Haushaltsgemeinschaft idR zu verneinen (vgl 3 Ob 15/08i = Miet 60.256; LGZ Wien Miet 42.238) c) Kein gemeinsamer Haushalt
35 Keine ausreichende Nahebeziehung bzw kein gemeinsames Wirtschaften und damit kein gemeinsamer Haushalt zwischen Mieter und dem Eintrittsberechtigten liegen etwa dann vor, wenn sich der Angehörige in der Wohnung nur fallweise (vgl 4 Ob 580/87 = Miet 39.300) und/oder kurzfristig (4 Ob 1528/95 = Miet 47.238), zB zum gelegentlichen Übernachten (3 Ob 508/96 = Miet 48.252; LGZ Wien Miet 44.335), an den Wochenenden während der Ableistung des Präsenzdienstes (LGZ Wien Miet 46.260), zum Zweck des ruhig (er)en Lernens (LGZ Wien Miet 39.301) und des leicht(er)en Erreichens des Schulorts (LGZ Wien Miet 36.289), nur zu Pflegezwecken (LGZ Wien Miet 35.306, 38.312 [Einzug des Angehörigen in die Wohnung zur Pflege des todkranken Hauptmieters wenige Wochen vor dessen Tod], 39.301; LGZ Graz Miet 38.311), zu Hilfs- und Versorgungsleistungen (LGZ Wien Miet 46.258) oder zur Verwendung als kurzfristige Zufluchtsstätte zwecks Überwindung familiärer Probleme (LGZ Wien Miet 41.229) in der Wohnung aufhält. 36 Gem § 22 ABGB haben zwar selbst ungeborene Kinder vom Zeitpunkt ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. Dem Nasciturus kann allerdings deshalb kein Eintrittsrecht zustehen, weil es an der Voraussetzung des gemeinsamen Wohnens mit dem Mieter fehlt. Die Existenz des Ungeborenen im Körper seiner Mutter kann nicht dem Begriff „Wohnen“ unterstellt werden (LGZ Wien Miet 30.406). d) Bestehende oder fehlende Haushaltsgemeinschaft – Maßgeblicher Zeitpunkt
37 Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die (Absicht einer) auf Dauer gerichtete(n) Haushaltsgemeinschaft bestand, ist jener des Todes des 1334
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Mieters (3 Ob 116/79 = SZ 52/159 = Miet 31.396; 4 Ob 580/87 = Miet 39.300; 8 Ob 622/93 = Miet 45.262; LGZ Wien Miet 36.290). Für diese Beurteilung wird allerdings der bis dahin vorgelegenen Entwicklung der Lebensverhältnisse der Beteiligten eine gewisse Indizwirkung zukommen (s dazu Rz 24 und zu den „Unterbrechungsfällen“ gleich folgend Rz 38 ff; zum dringenden Wohnbedürfnis s Rz 51 f). Eine besonders kasuistische Rsp hat sich bei der Beurteilung jener – wegen 38 der Rechtsfolgen für Mieter und Vermieter (s zu diesen Rz 2, 8 und 53 ff) besonders bedeutsamen – Fälle entwickelt, in denen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablebens des Mieters zwischen diesem und dem Angehörigen faktisch keine Haushaltsgemeinschaft bestand, weil sich entweder der Mieter oder der Angehörige nicht in der Wohnung aufhielten. In diesen Fällen kann es grundsätzlich – je nach Sachlage – dazu kommen, dass entweder nur eine für das Eintrittsrecht unschädliche „Unterbrechung“ der Haushaltsgemeinschaft oder eine zum Verlust des Eintrittsrechts führende, bereits vor dem Tod des Mieters vorgelegene Beendigung der Haushaltsgemeinschaft anzunehmen ist (eingehend und krit zur Judikatur in diesen Fallkonstellationen insb Vonkilch, wobl, 2001, 65). Eine vorübergehende (bisweilen auch [etwas] längere) Abwesenheit, insb des 39 Angehörigen, wird von der Rsp idR nicht als Beendigung des gemeinsamen Haushalts angesehen und steht daher auch dem Eintrittsrecht nicht entgegen. Demnach schließen durch besondere Lebensumstände bedingte und insb nicht für eine allzu lange Zeit gedachte bloße Unterbrechungen des Zusammenlebens die Annahme (des Fortbestands) eines gemeinsamen Haushalts nicht aus (6 Ob 2305/96 f = Miet 48.254; 8 Ob 124/97m = Miet 49.265; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; 1 Ob 255/98a = Miet 51.286; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288), sofern nur eine Rückkehr in die Wohnung absehbar ist (vgl 6 Ob 598/85 = Miet 37.290; 4 Ob 580/87 = Miet 39.300; 4 Ob 515/90 = Miet 42.232; LGZ Wien Miet 36.290, 44.335 [Abwesenheit während des größten Teils des Jahres wegen berufsbedingter Auslandsaufenthalte als Fernfahrer], 48.255 [umfangreiche Reisetätigkeit eines Handelsvertreters]) und die in Aussicht genommene Rückkehrmöglichkeit auch umgehend wahrgenommen wird (vgl 2 Ob 569/90 = Miet 42.234; 8 Ob 622/93 = Miet 45.262). Bei der Beurteilung solcher Abwesenheiten eines Angehörigen kommt es nach der Rsp auf deren Gründe sowie auf Absicht und Planung der Beteiligten an (vgl 4 Ob 580/87 = Miet 39.300; 1 Ob 608/90 = Miet 42.235; 1 Ob 79/97t = immolex 1997/181, 325 = wobl 1998/37, 66 [Dirnbacher] = Miet 49.263; 8 Ob 124/97m = Miet 49.265; LGZ Wien Miet 40.304). Namentlich vorübergehende Auslandsaufenthalte zu Studienzwecken, insb 40 des Angehörigen (9 Ob 220/98p = Miet 50.288; LGZ Wien Miet 37.291) und auswärtige Erholungs-, Pflege- und Krankenhausaufenthalte insb des Mie1335
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ters (vgl 4 Ob 580/87 = Miet 39.300; 4 Ob 515/90 = Miet 42.232; 1 Ob 218/97h = Miet 50.307; 9 Ob 220/98p = Miet 50.288; 1 Ob 255/98a = Miet 51.286; 6 Ob 117/08m = Miet 60.257; LGZ Wien Miet 39.303, 40.304, 44.334; 1 Ob 545/95 = Miet XLVII/15 und LGZ Wien Miet 47.239 [fehlende Willensbekundungen des Mieters in Richtung der Aufgabe des Haushalts vor Eintritt der Krankheit, zB keine Anmeldung in einem Pensionistenheim]) führen nach der Rsp idR nicht zur Beendigung der Haushaltsgemeinschaft. 41 Bei der Unterbringung des Mieters in einem Altenheim oder Pflegeheim (für betagte Personen) kann allerdings – anders als etwa bei einem Spitalsaufenthalt – nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es sich um eine bloß vorübergehende Abwesenheit handelt. In einem solchen Fall kommt es vielmehr auf die Gründe für die Unterbringung an, insb ob der Heimaufenthalt nur vorübergehend oder dauernd gedacht war (vgl 4 Ob 515/90 = Miet 42.232 [befristeter Aufenthalt des Mieters im Altersheim]; 8 Ob 1555/90 = Miet 42.233 [kein gemeinsamer Haushalt mehr bei Übersiedlung des Mieters in ein Pflegeheim wegen krankheitsbedingter dauernder Pflegebedürftigkeit bereits vier Jahre vor dessen Tod]; LGZ Wien Miet 36.292, 44.334), und dass eine bestehende Rückkehrmöglichkeit auch tatsächlich ehest realisiert wird (vgl LGZ Wien EF 60.258). Die wohl überwRsp (vgl die zahlreichen Fundstellen in RISJustiz RS0069705, RS0069795, RS0069712) nimmt allerdings auch bei der Unterbringung des Mieters in einem Altenheim oder Pflegeheim (für betagte Personen) – teilweise sehr großzügig – weiter bestehende Haushaltsgemeinschaft auch (schon) dann an, wenn die Verwirklichung der – jedenfalls vom Eintrittswerber nachzuweisenden (LGZ Wien Miet 59.261; aA 1 Ob 218/97h = Miet 50.307/5 [Rückkehrabsicht unterstellt]) – Absicht des Mieters, in die Wohnung zurückkehren zu wollen, (nur) nicht (objektiv) ausgeschlossen war. Wird in solchen Fällen faktisch nicht mehr bestehender Haushaltsgemeinschaften auch noch dem Vermieter der Beweis auferlegt, dass die Rückkehr des Mieters aufgrund objektiver Tatsachen, etwa aufgrund seines Gesundheitszustands schlechthin ausgeschlossen gewesen sei (idS 1 Ob 79/97t = Miet 49.263; LGZ Wien Miet 59.261), führt dies mE – zumindest im praktischen Ergebnis – zur unzutr Umkehr der Beweislastregeln (vgl zu diesen Rz 12). Methodisch sauberer erschiene es, sich in jenen Fällen, in denen die Rsp ein Eintrittsrecht bejahen will, wenn der Mieter schicksalhaft durch Krankheit dem gemeinsam Haushalt (kurz) vor seinem Tod entrissen wird, sich zu der von Vonkilch (wobl, 2001, 65 ff) vorgeschlagenen teleologischen Reduktion des § 14 MRG zu bekennen (so nunmehr allenfalls im Ansatz 9 Ob 88/08v [„der interessante Lösungsansatz Vonkilchs“]). 42 Eine Haushaltsgemeinschaft besteht jedenfalls nicht mehr nach dauernder Trennung (2 Ob 569/90 = Miet 42.234) sowie bei einem mehrjähriger Aufenthalt im Ausland und ungewisser Rückkehr (LGZ Wien Miet 36.290 [Angehöriger kehrt nach Beendigung seines Internatsaufenthalts ein Jahr lang nicht in 1336
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die Wohnung zurückkehrt], 37.291 [Angehöriger, der sich zur Zeit des Todes des Hauptmieters seit ca 14 Jahren ununterbrochen zu Studienzwecken im Ausland und nur anlässlich von Feiertagen für höchstens ein Woche in der Wohnung aufhielt]). Auch das Verlassen der Wohnung aufgrund von Zerwürfnissen zwischen den Angehörigen kann als Abbruch der familienrechtlichen Beziehung gewertet werden und damit die Annahme einer auf Dauer vorgesehenen Haushaltsbeendigung rechtfertigen (vgl LGZ Wien Miet 39.303).
3. Dringendes Wohnbedürfnis des Angehörigen a) Wesentliche Merkmale
Bei der Dringlichkeit des Wohnbedürfnisses des nahen Angehörigen kann eine 43 Unterscheidung zunächst danach vorgenommen werden, ob der Eintrittswerber über eine eigene (rechtlich gleichwertige; s dazu Rz 44) Wohnung verfügen kann (vgl 1 Ob 589/88 = Miet 40.308 [Verfügbarkeit bejaht bei einer Wartezeit von 6 Monaten bis zum Freiwerden der eigenen Wohnung des Eintrittsberechtigten]; ähnlich LGZ Wien Miet 41.246), die er gegebenenfalls schon früher bewohnt hat, oder ob er auf eine andere Wohnung verwiesen werden soll. Im erstgenannten Fall ist ein dringendes Wohnbedürfnis zwar nicht unter allen Umständen ausgeschlossen, nach der Rsp aber nur dann zu bejahen, wenn die „unbedingte Notwendigkeit“ besteht, den beim Tod des Mieters gegebenen Zustand zu belassen (5 Ob 598/89 = wobl 1991/10, 15 = Miet 41.333 = SZ 62/200; 10 Ob 103/00w; 7 Ob 273/07h = immolex 2008/89, 210/89 [Iby] = wobl 2009/83, 242; 4 Ob 192/09b = EF-Z 2010/131, 194; LGZ Wien Miet 58.244). In diesem Kontext wird etwa die Verweisbarkeit auf eine im Ausland gelegene Wohnung verneint (1 Ob 21/06d m = Miet 58.242) und ein dringendes Wohnbedürfnis in der Mietwohnung – trotz eines dem Angehörigen zur Verfügung stehenden eigenen Hauses – bejaht, wenn von dort aus der (beinahe) täglich zurückzulegende Weg zur Arbeit unzumutbar lang wäre (7 Ob 1633/93 = Miet 45.389) oder eine betagte Person einen jahrzehntelang gewohnten Lebensmittelpunkt aufgeben müsste (vgl 8 Ob 529/93 = Miet XLV/11; 7 Ob 2109/96 = immolex 1997/36, 72 = Miet 48.358). Verfügt der Eintrittswerber dagegen über keine eigene (ehest beziehbare; zur 44 zeitlichen Absehbarkeit künftiger Entwicklungen s Rz 52) Wohnung, besteht ein dringendes Wohnbedürfnis des Angehörigen jedenfalls dann, wenn diesem eine rechtlich gleichwertige iS von rechtlich abgesicherte andere Wohnmöglichkeit nicht zur Verfügung steht (1 Ob 781/80 = Miet 33.373/7; 7 Ob 624/90; 4 Ob 537/95 = SZ 68/169; 4 Ob 192/09b = EF-Z 2010/131, 194). Eine solche rechtlich (ausreichend) abgesicherte Wohnmöglichkeit hat die Rsp etwa im Fall der Verfügbarkeit einer Hausbesorgerdienstwohnung bei aufrechtem Dienstverhältnis ohne Gefahr ihres Verlustes in absehbarer Zeit (1 Ob 1337
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2057/96y = Miet 48.258; LGZ Wien Miet 42.332) oder einer Genossenschaftswohnung (LGZ Wien Miet 58.244) bejaht. 45 Während insb in der älteren Rsp bei rechtlich gleichwertig gedecktem Wohnbedürfnis eintrittsberechtiger Personen die Relevanz einer faktischen Ungleichwertigkeit weit(est)gehend verneint wurde (vgl die Nachweise in RISJustiz RS0068181, RS0069751), berücksichtigt die jüngere Judikatur auch schutzwürdige Interessen des Angehörigen in dem Sinn, dass diesem eine „ausreichende und angemessene“ Unterkunft zur Verfügung stehen muss (5 Ob 70/06i mwN = FamZ 2006/80, 225 [Deixler-Hübner] = wobl 2007/13, 46 = EF-Z 2006/52, 93 = EvBl 2006/154, 816 = immolex 2006/124, 314 = Miet 58.236; 4 Ob 237/05i = Miet 57.438; LGZ Wien Miet 58.244; s dazu auch Reiber, immolex 1997, 242). Letzteres wurde – im Rahmen einer immer stark einzelfallabhängigen Beurteilung (vgl 1 Ob 103/00w = Miet 52.409) – etwa verneint bei einem 30 m2 großen Mietobjekt, welches zu Wohnzwecken nicht geeignet war und dem Eintrittsberechtigten als Lager- und Abstellobjekt diente (5 Ob 70/06i = Miet 58.243), gegenüber einem bereits selbsterhaltungsfähigen Kind für eine Wiener Wohnung bei Wohnmöglichkeit bei den Eltern im Waldviertel (8 Ob 65/02w = wobl 2003/104, 212 = Miet 54.266 = immolex 2002/90, 228), bei ganz erheblichen Unterschieden in Größe und Ausstattung der in Betracht kommenden Wohnungen (6 Ob 75/98t = wobl 1998/171, 275 = Miet 50.309), bei unzulänglichen räumlichen Verhältnissen (vgl LGZ Wien Miet 45.264, 47.241) und bei drohenden Gesundheitsschäden in der anderen Unterkunft (LGZ Wien Miet 51.290).
b) Familienrechtliche Wohnansprüche
46 Eine gewisse Bandbreite zeigt die Rsp bei der Beantwortung der Frage, ob familienrechtliche Wohn(ungs)ansprüche eine rechtlich gleichwertige Wohnmöglichkeit vermitteln. Bei Ehegatten, die in einer nicht zerrütteten Ehe leben, wird dies idR bejaht (vgl 7 Ob 624/90 = Miet 42.239), nicht aber dann, wenn der Eintrittsberechtigte die ernstliche Absicht hatte, die Ehegemeinschaft nicht mehr aufzunehmen, oder wenn die Ehe nicht intakt ist und/oder (sonstige) berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, warum der Eintrittsberechtigte seinen Wohnsitz nicht (ständig) in der Ehewohnung nehmen will (vgl 7 Ob 612/95 = EF 76.730 = Miet 47.372; 4 Ob 192/09b = EF-Z 2010/131, 194 [keine Verweisbarkeit des Mannes auf die Wohnung der Frau, wenn die Ehegatten seit ihrer Eheschließung getrennt von Tisch und Bett leben, einander nur selten sehen und die Frau einer Aufnahme des Eintrittsberechtigten in ihre Gemeindewohnung nicht zustimmen würde]). 47 Abgesehen von Ehegatten (und eingetragenen Partnern) wird sonst bei selbsterhaltungsfähigen Personen in stRsp die Ansicht vertreten, eine bloß im Fa1338
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milienrecht begründete anderwärtige Wohnmöglichkeit sei im Hinblick auf deren jederzeitige Widerrufbarkeit nicht als rechtlich gleichwertig gegenüber einem Mietverhältnis anzusehen, in welches eingetreten werden soll. Eine Wohnmöglichkeit bei den Eltern hindert bei diesen Personen daher ein dringendes Wohnbedürfnis nicht (vgl 2 Ob 706/86; 4 Ob 580/87; 5 Ob 598/89; 8 Ob 591/92; 6 Ob 559/93; 3 Ob 117/95). Bei minderjährigen Kindern wird teilweise der familienrechtliche Wohnan- 48 spruch deshalb als nicht ausreichend erkannt, weil er mit der Selbsterhaltungsfähigkeit verloren gehe (so 2 Ob 706/86 = Miet 39.446 = wobl 1988/36, 67 = Miet 39.446; diese Rsp abl wegen Verkennung des für das dringende Wohnbedürfnis maßgeblichen Zeitpunkts Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 22; rechtliche Gleichwertigkeit eher generell verneinend 2 Ob 2371/96g = wobl 1998/87, 137 [krit Dirnbacher] = Miet 48.363 = immolex 1998/3, 6 [Pfiel]), teilweise aber als zur Verneinung des Eintrittsrechts ausreichend erachtet (vgl 10 Ob 524/87 = wobl 1989/1, 13 [krit Würth/Hanel]; 8 Ob 331/97b [Eintrittsrecht von Kleinkindern mit der Begründung verneinend, dass diese Mietrechte faktisch nicht ausüben könnten]), namentlich bei ungewissem künftigen Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes (6 Ob 505/96 = wobl 1998/38, 67 [krit Würth] = Miet 48.256/3). Letztgenannte Judikaturlinie hat der OGH jüngst – ohne verstärkten Senat – in der Entscheidung 7 Ob 145/09p (= immolex 2010/70, 207 [Prader] = JBl 2010, 378 = EvBl 2010/64, 458 = EF-Z 2010/67, 106) bekräftigt und ausgeführt, dass Minderjährige, deren Selbsterhaltungsfähigkeit in nächster Zukunft nicht absehbar sei, neben dem familienrechtlichen Wohnungsanspruch gegen den selbst eintretenden Unterhaltspflichtigen grundsätzlich kein dringendes Wohnbedürfnis an einer Wohnung haben. Die zuletzt in der Entscheidung 7 Ob 145/09p (= immolex 2010/70, 207 49 [Prader] = JBl 2010, 378 = EvBl 2010/64, 458 = EF-Z 2010/67, 106) wiederholte Rechtsansicht, wonach das dringende Wohnbedürfnis minderjähriger Kinder dann zu verneinen sei, wenn ohnedies ein Elternteil eintrittsberechtigt ist und sie gegen diesen dann ausreichende familienrechtliche Wohnansprüche haben, befürwortet Vonkilch (/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 23) als „das Ergebnis einer wertenden Gesamtbetrachtung, die sämtliche Konsequenzen des Todes des Mieters bei der Prüfung des dringenden Wohnbedürfnisses berücksichtigt“, während sie Würth (wobl 1989, 13/1 [Entscheidungsanmerkung]) als „groben logischen Fehler“ bezeichnet, weil das Ergebnis der Beurteilung des dringenden Wohnbedürfnisses von der Reihenfolge der Prüfung der Eintrittsrechte abhänge. ME hat die jüngst in der Entscheidung 7 Ob 145/09p (= immolex 2010/70, 207 50 [Prader] = JBl 2010, 378 = EvBl 2010/64, 458 = EF-Z 2010/67, 106) bekräftigte Rechtsmeinung für sich, dass sie mit den Judikaturgrundsätzen zur Maßgeblichkeit der rechtlichen Gleichwertigkeit für das dringende Wohnbedürfnis 1339
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(s dazu Rz 44) und zum hiefür entscheidenden Prüfungszeitpunkt (s dazu Rz 51 f) harmoniert. Würths Kritik (s Rz 49) geht insofern ins Leere, als der Unterhaltsanspruch des Kindes auch den Anspruch auf Deckung des Wohnbedarfs umfasst, dieser Bedarf aber nicht in einem bestimmten Haushalt gedeckt werden muss (vgl 2 Ob 67/09 f = EF 122.561; 2 Ob 149/09i), sodass es nicht darauf ankommt, ob der Unterhaltspflichtige selbst in das betreffende Bestandverhältnis eintritt. Erscheint allerdings die Deckung des Wohnbedarfs des Kindes durch den Unterhaltspflichtigen aus bestimmten Gründen zweifelhaft, sein darauf gerichteter Unterhaltsanspruch also nicht gesichert, erlaubt die Rsp ohnehin die Annahme eines eigenen dringenden Wohnbedarfs des Kindes. c) Maßgeblicher Zeitpunkt
51 Das Bestehen eines dringenden Wohnbedürfnisses ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters zu beurteilen (8 Ob 622/93 = Miet 45.262; 6 Ob 2124/96p = wobl 1997/83, 227 [Würth] = Miet 48.259; 9 Ob 44/06w = Miet 58.238 = immolex 2006/123; 7 Ob 145/09p = EvBl 2010/64, 458 = JBl 2010, 378; LGZ Wien Miet 37.294; LGZ Graz Miet 37.293). Daraus folgt zunächst, dass bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegene Entwicklungen grundsätzlich irrelevant sind (Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 22). Deshalb darf – von Fällen rechtsmissbräuchlich, gezielt zum Erwerb des Eintrittsrechts herbeigeführter Wohnungsnot abgesehen – ein dringendes Wohnbedürfnisses nicht deshalb verneint werden, weil der Eintrittswerber eine ihm früher zur Verfügung gestandene Wohnmöglichkeit aufgegeben hat (9 Ob 82/02b = wobl 2003/103, 211 = Miet 54.269; 1 Ob 21/06d = Miet 58.242 [unschädlicher Abschluss eines befristeten Mietvertrags über die eigene Eigentumswohnung des Angehörigen]). 52 Auch nachträgliche Änderungen der Verhältnisse sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (LGZ Wien Miet 37.294; LGZ Graz Miet 37.293). Dieser Grundsatz erfährt allerdings eine gewisse Einschränkung dahin, dass spätere Änderungen insoweit beachtlich sind, als sie zum Zeitpunkt des Todes des Mieters für die nächste Zeit bereits mit gewisser Sicherheit zu erwarten waren (7 Ob 701/79 = Miet 31.410; 1 Ob 589/88 = Miet 40.308; 1 Ob 593/86; 6 Ob 2124/96p = wobl 1997/83, 227 [Würth] = Miet 48.259 [dringendes Wohnbedürfnis des Angehörigen mit der Begründung bejaht, dass dessen Wohnungsnutzungsrecht etwas mehr als 1 Jahr nach dem Tod des Mieters endete]; 7 Ob 145/09p = EvBl 2010/64, 458 = JBl 2010, 378; LGZ Wien Miet 40.309). Auf ungewisse, in der Zukunft liegende Verhältnisse ist dagegen, insb bei Beurteilung des dringenden Wohnbedürfnisses, nicht Bedacht zu nehmen (4 Ob 501/ 77 = Miet 29.351 [Unbeachtlichkeit der Geburt eines Kindes drei Jahre nach dem Tod des Mieters]; 1 Ob 593/86). 1340
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C. Rechtsfolgen des Eintritts § 14 MRG sieht – anders als etwa §§ 12, 12a MRG – keine Pflicht der eintreten- 53 den Angehörigen zur Anzeige des – hier ex lege erfolgenden – Vertragseintritts vor (für eine Anzeigepflicht Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 30). Betreffend die Haftung für Altschulden aus dem Mietvertrag enthält § 14 54 Abs 2 Satz 2 MRG eine ausdrückliche Regelung. Demnach haften die eintretenden Personen für den Mietzins und die Verbindlichkeiten, die während der Mietzeit des verstorbenen Mieters entstanden sind. Sind mehrere Personen eintrittsberechtigt, so haften sie zur ungeteilten Hand. Diese Regelung schließt allerdings die Haftung des Nachlasses für Altschulden nicht aus (idS Fenyves, HBzMRG 331; Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 33). Für nach dem Eintritt entstehende Neuschulden haften nur mehr die eingetretenen Angehörigen (dazu näher Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 34; zu fraglichen Ausgleichsansprüchen zwischen Eintretenden und Nachlass bzw Erben s Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 36 ff). Zur Möglichkeit der Anhebung des Mietzinses im Fall des Übergangs eines 55 vor dem 1.3.1994 abgeschlossenen Mietvertrags („Altvertrag“) auf nicht privilegierte Angehörige s § 46 MRG.
D. Ablehnung des Eintritts Der Eintritt des (der) nahen Angehörigen nach § 14 MRG erfolgt bei Vorliegen 56 der dafür gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen grundsätzlich ex lege, ohne Willen der Beteiligten und ohne dass es einer besonderen Erklärung der Berufenen oder einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung hinsichtlich eines Minderjährigen bedürfte (s Rz 2). Der nahe Angehörige wird zum Eintritt in den Mietvertrag allerdings nicht gezwungen, sondern kann diesen auch ablehnen. Die – auch konkludent mögliche – Ablehnung des Eintritts (zum nachträg- 57 lichen Verzicht s Rz 3) muss binnen 14 Tagen dem Mieter zugehen und inhaltlich zum Ausdruck bringen, dass der betreffende Angehörige „das Mietverhältnis nicht fortsetzen“ (gemeint: in dieses nicht eintreten) will. Die Ablehnung des Mietvertragseintritts durch einen Minderjährigen bedarf als Maßnahme, die über den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb hinausgeht, der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (3 Ob 117/95 = Miet 48.250; zur Hemmung der 14-tägigen Frist bei Fehlen eines gesetzlichen Vertreters s Vonkilch/Hausmann/Vonkilch § 14 MRG Rz 26) und ist bis dahin schwebend unwirksam (vgl Stabentheiner/Rummel § 154 ABGB Rz 17; vgl auch 1 Ob 101/07w).
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58 Durch die Erklärung, in das Mietverhältnis nicht eintreten zu wollen, wird der Eintritt rückwirkend ausgeschlossen. Lehnen alle eintrittsberechtigten Angehörigen den Vertragseintritt ab, treten die Erben mit der Einantwortung in den Mietvertrag ein (Würth/Zingher/Kovanyi § 14 MRG Rz 10).
E. Verfahrensrechtliches 59 Auseinandersetzungen über einen rechtswirksam erfolgten Eintritt in das Bestandverhältnis nach § 14 Abs 2 und 3 MRG sind zB als Vorfrage zu einer Räumungsklage (Kündigung; zur Aktiv- und Passivlegitimation im Kündigungsprozess [ohne Sonderrechtsnachfolge] s Würth/Rummel § 1116a ABGB Rz 6) oder auch als selbstständige Hauptfrage jeweils im streitigen Rechtsweg auszutragen. Dem Vermieter steht gegen die ein Eintrittsrecht behauptenden Angehörigen auch eine Feststellungsklage offen (2 Ob 607/92 = EvBl 1993/180, 740 = Miet 45.665 = RZ 1994/52, 166). Ein Eintrittsberechtigter kann das Bestehen seines Mietrechts trotz rechtskräftig gegen die Verlassenschaft (die Erben) ausgesprochener Kündigung mit Klage nach § 37 EO geltend machen (2 Ob 607/92 = EvBl 1993/180, 740 = Miet 45.665 = RZ 1994/52, 166 mwN aus der älteren Rsp; 7 Ob 273/98t = Miet 50.305 = immolex 1999/55, 74 = SZ 71/189 = EvBl 1999/63, 308 = NZ 1999,168; 3 Ob 104/09d). 60 Die Prüfung der Angemessenheit bzw Zulässigkeit des begehrten Hauptmietzinses erfolgt im mietrechtlichen Außerstreitverfahren (§§ 16, 46 Abs 1 iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG).
Hauptmietzins bei Eintritt in einen bestehenden Mietvertrag über eine Wohnung § 46. (1) Treten in einen am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung der Ehegatte, der Lebensgefährte oder minderjährige Kinder (§ 42 ABGB) des bisherigen Hauptmieters allein oder gemeinsam mit anderen Angehörigen ein (§ 12 Abs. 1 und 2, § 14), so darf der Vermieter vom (von den) in das Hauptmietrecht Eintretenden weiterhin nur den Hauptmietzins begehren, den er ohne den Eintritt begehren dürfte. Das gleiche gilt für den Eintritt auf Grund einer gerichtlichen Anordnung nach § 87 Abs. 2 des Ehegesetzes. (2) Treten in einen am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung ausschließlich Personen ein, die in Abs. 1 nicht genannt sind, so darf der Vermieter vom (von den) in das Hauptmietrecht Eintretenden ab dem auf den Eintritt folgenden Zinstermin eine Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Wohnung nach § 16 1342
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Hauptmietzins und Anhebungsbegehren
Abs. 2 bis 6 im Zeitpunkt des Eintritts zulässigen Betrag, höchstens aber 3,08 Euro je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat, verlangen, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger ist. Dieser Höchstbetrag von 3,08 Euro valorisiert sich entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 6. In den Fällen des Abs. 1 darf der Vermieter diese Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses ab dem Zinstermin begehren, zu dem alle in Abs. 1 genannten Eintretenden auf Dauer die Wohnung verlassen haben oder volljährig geworden sind. Gleiches gilt, wenn Personen, die in Abs. 1 in dessen bis 28. Februar 1994 in Geltung gestandener Fassung genannt waren, nach dem 31. Dezember 1981 und vor dem 1. März 1994 in den Hauptmietvertrag eingetreten sind, aber erst nach dem 28. Februar 1994 die Wohnung auf Dauer verlassen haben oder volljährig geworden sind. Die Anhebung des Hauptmietzinses ist aber solange nicht zulässig, als dem Hauptmieter – unter der Annahme einer sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses – für vor dem 1. März 1994 getätigte Aufwendungen noch Ersatzansprüche nach § 10 zustünden, die der Mieter geltend macht und der Vermieter zu befriedigen nicht bereit ist. Eine sich aus der Anhebung ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in § 16 Abs. 8 genannten Fristen ab dem Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen. [durch Art II Abschnitt I Z 37 des 3. WÄG, BGBl 1993/800, neu gefasst; Abs 2 ergänzt durch Art 2 Z 16 WRN 2006, BGBl I 2006/124, Betrag in Abs 2 idF Kundmachung gem § 16 Abs 6 MRG, BGBl II 2008/295]
Erfordernisse eines Anhebungsbegehrens § 46b. In allen Fällen, in denen der Vermieter nach §§ 46 und 46a die Anhebung des Hauptmietzinses verlangen darf, hat der Vermieter sein Anhebungsbegehren dem Hauptmieter spätestens einen Monat vor dem Zinstermin, zu dem er die Entrichtung des angehobenen Mietzinses fordert, schriftlich bekanntzugeben; im Fall einer schrittweisen Anhebung nach § 46a Abs. 2 bis 4 bewirkt ein verspätetes Anhebungsbegehren aber nicht den Verlust des Anhebungsrechts für das gesamte Kalenderjahr. Die schriftliche Aufforderung hat die Höhe des angehobenen Hauptmietzinses und die Nutzfläche des Mietgegenstands sowie gegebenenfalls die der Anhebung für das jeweilige Jahr zugrunde liegende Berechnung zu enthalten. Bei der Berechnung des angehobenen Hauptmietzinses sind Beträge, die einen halben Cent nicht übersteigen, auf den nächstniedrigeren ganzen Cent abzurunden und Beträge, die einen halben Cent übersteigen, auf den nächsthöheren ganzen Cent aufzurunden. [eingefügt durch Art II Abschnitt I Z 38 des 3. WÄG, BGBl 1993/800; letzter Satz idF Z 12 Art 68 2. Euro-JuBeG]
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Lit: Hanel, § 46 MRG – Mitmiete – Alleinmiete, wobl 2003, 260; Iro, Die Übertragung des Mietrechts an Wohnungen, RZ 1983, 213; Ofner, Mietzinsanpassung in den neuen Bundesländern der BRD ein Vorbild? JRP 1998, 293; Prader/Kuprian, Fragen zur Mietzinsbildung bei Förderungen nach dem WFG 1968/1984 vor und nach Darlehenstilgung, immolex 2007, 70; Wagner, Eintritt in die Wohnungsmiete, ecolex 1993, 807; Würth, Mietzinsbildung infolge Eintritts in den Mietvertrag (§ 46) in: HBzMRG 371; ders, Mietzinsbildung nach dem MRG idF des 3. WÄG, wobl 1993, 193; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 Band I (2009). Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Voraussetzungen des Anhebungsrechts . . . . . . . . . . . . . . 1. Eintritt aufgrund des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eintritt naher Angehöriger oder nach § 87 Abs 2 EheG D. Mietzinsanhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anhebungsrecht – maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . 2. Anhebungsbegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Höhe des Mietzinses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Verfahrensrechtliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Allgemeines 1 § 46 MRG hat keine Vorgängerbestimmung im MG und enthält materielles Übergangsrecht. Die Bestimmung soll die schrittweise Anpassung (Erhöhung) des Mietzinses aus Altmietverträgen an das allgemeine Marktniveau ermöglichen (vgl 5 Ob 99/85 = Miet 37.582; 2 Ob 546/95 = Miet 47.488; T. Hausmann/Hausmann/Vonkilch § 46 MRG Rz 1). 2 § 46 MRG eröffnet idgF (näher zur Rechtsentwicklung s T. Hausmann/Hausmann/Vonkilch § 46 MRG Rz 1 und 8) dem Vermieter das Recht, im Fall des Eintritts naher Angehöriger (iS des § 14 Abs 3 MRG [5 Ob 106/85 = Miet 38.600]; s dazu § 14 MRG Rz 13 ff) in einen vor dem 1.3.1994 (Urfassung: vor dem 1.1.1982) geschlossenen Mietvertrag nach § 12 Abs 1 oder § 14 Abs 2 MRG durch eine empfangsbedürftige schriftliche Erklärung (zur Form s Rz 14) gegenüber den Eingetretenen den Hauptmietzins anzuheben (näher zu den Mietzinsanhebungsvoraussetzungen s Rz 5 ff), sofern und solange sich unter den Eingetretenen nicht der Ehegatte, der eingetragene Partner (§ 43 Abs 1 Z 10 EPG), der Lebensgefährte oder (seit 1.3.1994) minderjährige Kinder (vor 1.3.1994: Minderjährige) befinden (vgl Würth/Rummel § 46 MRG Rz 2).
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B. Anwendungsbereich § 46 MRG gilt für Hauptmietverträge über Wohnungen, und zwar auch im 3 Teilanwendungsbereich gem § 1 Abs 4 und 5 MRG. Für Mietobjekte nach § 20 Abs 1 WGG gilt § 46 MRG nur „nach Maßgabe der §§ 13 Abs 4 und 6 und 39 Abs 18 Z 2 WGG“ (zur Auslegung dieser Verweisung [infolge begünstigter Rückzahlung] jüngst 5 Ob 252/09h = JusGuide 2010/32/7805 [Deckelung auf den valorisierten Zinsbetrag für Kategorie-A-Wohnungen]; s dazu auch Würth/Rummel § 20 WGG Rz 6a; Würth/Zingher/Kovanyi § 20 WGG Rz 3; Schuster/Schwimann2 § 20 WGG Rz 13). Zur möglichen Anwendbarkeit des § 46 MRG im Rahmen von WWG und WFG 1968s 5 Ob 24/88 = ImmZ 1988, 396 = wobl 1989/50, 101 = Miet 40.607/23; 5 Ob 486/97z = immolex 1998/81, 135 = Miet 49.451; Würth/Rummel § 46 MRG Rz 1. Schließlich ist § 46 MRG nur auf Mietverträge anzuwenden, welche bis 28.2.1994 (Urfassung: bis 31.12.1981) abgeschlossen wurden. § 46 MRG ist nicht anwendbar auf Eintrittsvorgänge vor Inkrafttreten des 4 MRG (vgl Hanel, wobl 2003, 260). Er gilt nicht für die von § 1 Abs 2 MRG erfassten Rechtsverhältnisse und auch nicht für Mietverträge über Geschäftsräumlichkeiten, für welche § 46a MRG einschlägig ist (Würth/Rummel § 46 MRG Rz 1; T. Hausmann/Hausmann/Vonkilch § 46 MRG Rz 1). Bei gemischter Nutzung ist § 46 MRG nicht anzuwenden, wenn jene zu Geschäftszwecken bedeutend überwiegt (s dazu näher bei § 12 MRG Rz 4 und § 14 MRG Rz 6). § 46 MRG ist außerdem nicht anzuwenden auf Untermietverträge und auf Mietverträge, welche nach dem 28.2.1994 (Urfassung: nach dem 31.12.1981) abgeschlossenen wurden.
C. Voraussetzungen des Anhebungsrechts Seit Geltung des 3. WÄG (BGBl 1993/800) steht dem Vermieter das Anhe- 5 bungsrecht dann zu, wenn 1. 2. 3. 4.
aufgrund des Gesetzes ein Eintritt naher Angehöriger gem § 12 oder § 14 MRG in einen vor dem 1.3.1994 abgeschlossenen Mietvertrag nach dem 28.2.1994, konkret das Ver- und Überlassen des Mietgegenstands bzw das Ableben des Mieters nach diesem Zeitpunkt, erfolgt und 5. sich unter den eintretenden Angehörigen weder der Ehegatte, der eingetragene Partner, der Lebensgefährte noch ein minderjähriges Kind befinden (vgl Würth/Rummel § 46 MRG Rz 2a). Schließlich besteht das Anhebungsrecht des Mieters auch dann, wenn nach dem 31.12.1981 auch Begünstigte (§ 14 Abs 1 MRG idF vor oder nach dem 1345
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3. WÄG) eingetreten sind und es deshalb zu keiner Anhebung kommen konnte, die Begünstigung aber nach dem 28.2.1994 weggefallen ist (§ 14 Abs 2 Satz 4 MRG; vgl Würth/Rummel § 46 MRG Rz 2a; T. Hausmann/Hausmann/ Vonkilch § 46 MRG Rz 7). 1. Eintritt aufgrund des Gesetzes
6 Das Recht des Vermieters zur Anhebung des Mietzinses gilt nur für den Fall, dass der Eintritt in den Mietvertrag aufgrund des Gesetzes (§§ 12, 14 MRG) erfolgt und seine Grundlage nicht etwa in einem vertraglichen Weitergaberecht hat (7 Ob 588/84 = Miet 36.561). 7 Auch der Erwerb von Alleinmietrechten durch einen Mitmieter löst allein das Erhöhungsrecht nicht aus (4 Ob 518/87 = wobl 1988/8, 25 = MietSlg 39.592); entscheidend ist in diesem Fall, ob der eigene Eintritt des vormaligen Mitmieters eine Anhebungsmöglichkeit eröffnet (vgl Hanel, wobl 2003, 260 f; T. Hausmann/Hausmann/Vonkilch § 46 MRG Rz 7). 2. Eintritt naher Angehöriger oder nach § 87 Abs 2 EheG
8 Tritt auch nur einer der nach § 46 Abs 1 MRG begünstigten Angehörigen, also der Ehegatte, der eingetragene Partner, der Lebensgefährte oder ein minderjähriges Kind (Minderjähriger), in den Mietvertrag ein, dann ist eine Erhöhung des Mietzinses vorerst unzulässig. Der Mieter kann in diesem Fall die Anhebung des Mietzinses erst dann begehren, wenn die Begünstigung – hinsichtlich aller dafür in Betracht kommender Personen – weggefallen ist (§ 46 Abs 2 Satz 3 MRG). Dieser Wegfall liegt dann vor, wenn alle begünstigten (minderjährigen) Angehörigen volljährig geworden sind bzw die Wohnung verlassen (§ 46 Abs 2 Satz 3 MRG), kein dringendes Wohnbedürfnis mehr haben oder verstorben sind (Würth/Rummel § 46 MRG Rz 3). Ein nach dem Tod des Begünstigten allenfalls vorliegender weiterer Eintrittsfall steht dem Anhebungsrecht des Mieters nicht entgegen, weil dieses nur durch den ersten Eintritt eines begünstigten Angehörigen vorerst ausgeschlossen wird (Würth/Rummel § 46 MRG Rz 3; T. Hausmann/Hausmann/Vonkilch § 46 MRG Rz 7). 9 Auch dann, wenn der Eintritt in den Mietvertrag aufgrund einer gerichtlichen Anordnung nach § 87 Abs 2 EheG erfolgt, kann der Vermieter – in diesem Fall vom geschiedenen Ehegatten – vorerst nur jenen Hauptmietzins begehren, den er ohne den Eintritt begehren dürfte. Zur sinngemäßen Anwendung auf eingetragene Partner s § 43 Abs 1 Z 10 EPG.
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Hauptmietzins und Anhebungsbegehren
D. Mietzinsanhebung 1. Anhebungsrecht – maßgeblicher Zeitpunkt
Treten ausschließlich andere Personen als die nach § 46 Abs 1 MRG Begüns- 10 tigten in den Mietvertrag ein, erfolgt der Eintritt auch nicht aufgrund einer Anordnung nach § 87 Abs 2 EheG bzw sind die Begünstigungen hinsichtlich aller in § 46 Abs 1 MRG genannten Personen weggefallen (s dazu Rz 8 f) und erreichte der bisher maßgebliche Mietzins nicht ohnehin schon (zumindest) die in § 46 Abs 1 Satz 1 MRG vorgesehene Höhe, dann ist der Vermieter zur Anhebung des Mietzinses „ab dem auf den Eintritt folgenden Zinstermin“ berechtigt. Für die Anhebung maßgeblicher Zeitpunkt ist – anders als nach der Stamm- 11 fassung der Bestimmung („Urkategorie“) – jener des Eintritts des Angehörigen, der Rechtskraft des richterlichen Beschlusses gem § 87 Abs 2 EheG (T. Hausmann/Hausmann/Vonkilch § 46 MRG Rz 5) bzw – bei Vorhandensein begünstigter Personen – der Wegfall der Begünstigung bei allen dafür in Frage kommenden Angehörigen (5 Ob 57/02x = SZ 2002/64 = JBl 2003, 53 = Miet 54.424 = wobl 2003/173, 323 [zust Vonkilch]; 5 Ob 42/08z = wobl 2008/ 118, 329 = Miet 60.397; Würth, wobl 1993, 193 [199]). Die Anhebung des Mietzinses kann – sofern nicht ein konkludenter Verzicht 12 anzunehmen ist – innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist auch rückwirkend begehrt werden (2 Ob 546/95 = wobl 1996/6, 35 [Würth] = Miet 47.488; 5 Ob 176/06b = Miet 58.379; Würth/Rummel § 46 MRG Rz 2; T. Hausmann/ Hausmann/Vonkilch § 46 MRG Rz 9). § 46b MRG steht dem nicht entgegen, weil diese Bestimmung (nur) die Fälligkeit der aus der Mietzinsanhebung resultierenden Zahlungen betrifft (5 Ob 124/02z; 5 Ob 302/02a = wobl 2004/ 72, 303 = immolex 2003/74, 135; Würth/Zingher/Kovanyi § 46b MRG Rz 1). Hätte der eingetretene Mieter im Anhebungszeitpunkt für den Fall der Auf- 13 lösung des Mietvertrags noch Ansprüche auf Ersatz von vor dem 1.3.1994 vorgenommenen Investitionen nach § 10 MRG, so kann dieser vom Vermieter – ohne die in § 10 MRG vorgesehene Befristung – den betreffenden Betrag fordern. Entspricht der Vermieter diesem Begehren, kommt es zur sofortigen Anhebung des Mietzinses; andernfalls muss der Vermieter abwarten, bis die Investitionen nach den Regeln des § 10 MRG (bzw Art V Abs 3 Z 1 lit c des 2. WÄG) amortisiert sind (vgl T. Hausmann/Hausmann/Vonkilch § 46 MRG Rz 6; Würth/Zingher/Kovanyi § 46 MRG Rz 5).
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§§ 46, 46b MRG
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2. Anhebungsbegehren
14 Die Mietzinsanhebung erfolgt durch eine einmalige (5 Ob 302/02a = wobl 2004/72, 303 = immolex 2003/74, 135), nicht fristgebundene, empfangsbedürftige, schriftliche Erklärung des Vermieters gegenüber dem (den) Eingetretenen. Der schriftlichen Erklärung gleichwertig sind alle andern Formen, die Identität des und Herkunft vom Vermieter zweifelsfrei ausweisen; dies wird zwar für eine dem SignaturG entsprechende E-Mail zutreffen, nicht aber für Fax, Kopie und nicht dem SignaturG entsprechende E-Mail (Böhm/Schuster/ Schwimann2 § 46b MRG Rz 2; aA [betreffend Fax] T. Hausmann/Hausmann/ Vonkilch § 46b MRG Rz 2). 15 Das Anhebungsschreiben muss die Höhe des angehobenen Hauptmietzinses (s dazu Rz 17) und die für die Berechnung desselben maßgeblichen Grundlagen (zB Nutzfläche des Mietgegenstands) ausweisen (dazu näher T. Hausmann/Hausmann/Vonkilch § 46b MRG Rz 3). Macht der Vermieter einen Lagezuschlag geltend, sind die dafür maßgebenden Umstände (§ 16 Abs 2 Z 4, Abs 4 MRG) im Anhebungsbegehren bekanntzugeben; eine spätere Bekanntgabe ist nicht ausreichend (5 Ob 302/02a = wobl 2004/72, 303 = immolex 2003/74, 135). 16 Das schriftliche Anhebungsbegehren muss dem Mieter spätestens einen Monat vor jenem Zinstermin zugegangen sein, zu dem der Vermieter die Entrichtung des angehobenen Mietzinses fordert. Dabei regelt § 46b MRG nur die Fälligkeit der aus der Mietzinsanhebung resultierenden Zahlungen; davon ist jener Zeitpunkt zu unterscheiden, der für das Anhebungsrecht maßgeblich ist (s dazu Rz 10 f; Würth/Zingher/Kovanyi § 46b MRG Rz 1).
3. Höhe des Mietzinses
17 Die Höhe des Mietzinses, auf die der Vermieter anheben darf, ist der bei Neuvermietung im Anhebungszeitpunkt (s zu diesem Rz 10) zulässige Richtwertmietzins (§ 16 Abs 2 bis 4 MRG) bzw der Mietzins für Kategorie D (§ 16 Abs 5 iVm Abs 6 MRG). Der Höhe nach ist die Anhebung allerdings mit dem nach dem früheren Kategoriesystem gesetzlich fixierten und valorisierten Zinsbetrag für Kategorie-A-Wohnungen gedeckelt (5 Ob 252/09h). Die Valorisierung des angehobenen Mietzinses ist auch ohne Wertsicherungsvereinbarung zulässig (5 Ob 99/85 = Miet 37.582; T. Hausmann/Hausmann/Vonkilch § 46 MRG Rz 10 mwN; aA Würth, HBzMRG 372) und ist nach § 16 Abs 9 MRG geltend zu machen (Würth/Zingher/Kovanyi § 46 MRG Rz 5). 18 Die Vorschreibung des angehobenen Mietzinses muss der Mieter seit der WRN 2006 gem § 46 Abs 2 letzter Satz MRG innerhalb der dreijährigen Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG bekämpfen. Nach § 49e Abs 5 MRG gilt die 1348
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Hauptmietzins und Anhebungsbegehren
Präklusionsregelung auch für vor dem 1.10.2006 vorgenommene Anhebungen, doch begann in solchen Fällen die dreijährige Frist erst mit diesem Termin zu laufen.
E. Verfahrensrechtliches Kündigung, Räumung und Mietzinsklage sind – unter Berücksichtigung des 19 § 41 MRG – im Streitverfahren geltend zu machen. Die Prüfung der Angemessenheit bzw Zulässigkeit des begehrten Hauptmietzinses erfolgt im mietrechtlichen Außerstreitverfahren (§§ 16, 46 Abs 1 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG; vgl Würth/Rummel § 46 MRG Rz 1; s auch § 12 MRG Rz 54 und § 14 MRG Rz 60).
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WEG Bundesgesetz über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 – WEG 2002) [BGBl I 2002/70 idF BGBl I 2009/25] Lit: Bodis/Pampel, GrESt-Befreiung bei Wohnungserwerb durch Ehegatten, RdW 2009, 746; Böhm, Das neue Wohnungseigentumsgesetz, bbl 2002, 140; Brunner, Notariatsaktpflicht bei Begründung von Wohnungseigentum zwischen Ehegatten, NZ 1976, 166; Derbolav et al, Wohnungseigentumsrecht 20062 (2007); Dirnbacher, Das Wohnungseigentumsgesetz 2002. WEG 2002 (2002); ders, WEG. Das Wohnungseigentumsgesetz idF der Wohnrechtsnovelle 2006 (2006); Edelhauser, Wohnungseigentumspartner – Wohnungsgebrauchsrecht an der gemeinsamen Sache, immolex 2009, 151; Feil, Wohnungseigentum für Eigentümerpartnerschaften, GesRZ 2002, XI; ders, Wohnungseigentum5 (2002); ders, Wohnungseigentumsgesetz. Praxiskommentar (2009); Gantner, Das rechtliche Schicksal der Eigentumswohnung im Scheidungsfall, immolex 2001, 236; Illedits, Das Wohnungseigentum3 (2006); Holzer, Wertungswidersprüche im neuen § 14 Abs 3 WEG?, NZ 2008/1; Hora, Die Lebensgemeinschaft im Miet- und Wohnrecht, NetV 2006, 155; Kepplinger, Ehegattenwohnungseigentum, Exekution und Konkurs, immolex 2000, 121; Kletecˇ ka, Die Eigentümerpartnerschaft nach dem WEG 2002, immolex 2002, 174; ders, Wohnungseigentumsgesetz 2002 (2002); Kolmasch, Das neue Wohnungseigentumsgesetz (WEG 2002) (2002); ders, Das Wohnungseigentumsgesetz nach der Wohnrechtsnovelle 20062 (2006); Konecny, Einstweilige Verfügungen in Bestandstreitigkeiten, JBl 1994, 9; Limberg, Bevollmächtigung im WEG (§ 24 Abs 2), immolex 2009, 170; Markl, Die rechtliche Stellung von Ehegatten im Wohnungseigentumsrecht (2001); ders, Auswirkungen der EO-Novelle 2000 auf die Zwangsversteigerung von Ehegattenwohnungseigentum, wobl 2001, 97; ders, Die Eigentümerpartnerschaft – §§ 13 bis 15 WEG 2002, wobl 2002, 129; Neugebauer, Eigentümerpartnerschaft – Hereinbringung von Sonderschulden des Partners, immolex 2008, 342; Posch, Zur Qualifikation der Begründung gemeinsamen Wohnungseigentums von Ehegatten gem § 9 WEG 1975 als Ehepakt, ImmZ 1977, 263 und 281; Prader, WRN 2006 – Überblick zum wohnungseigentumsrechtlichen Teil, Zak 2006/392; Priglinger, Wohnungseigentum von Partnern im Todesfall, NZ 2003/27; Rainer, Schwerpunkt WRN 2006, immolex 2006, 289; Rechberger, Die Begründung des gemeinsamen Wohnungseigentums von Ehegatten iS des § 9 Abs 1 WEG 1975, ÖJZ 1976, 622; ders, Nochmals: Die Begründung des Ehegattenwohnungseigentums – ein Ehepakt?, NZ 1978, 129; Resch, Das neue Sachwalterrecht im Zusammenhang mit Fragen des Wohnrechts. Eine Darstellung der neuen Rechtslage und deren Relevanz für das Miet- und Wohnungseigentumsrecht, wobl 2009, 29; Schweighofer, Lebensgemeinschaft, Ehegattenwohnungseigentum und die eingetragene Erwerbsgesellschaft, wobl 1996, 95; Stabentheiner, Die miet- und
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Gemeinsames Wohnungseigentum der Partner
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wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 1999, wobl 1999, 285; ders, Das neue Wohnungseigentumsrecht im Überblick, immolex 2002, 163; ders, Entstehungsgeschichte und innovatorischer Gehalt des Wohnungseigentumsgesetzes 2002, wobl 2002, 101; ders, Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 2006, wobl 2006, 241 (Teil I) und wobl 2006, 277 (Teil II); Stingl, Steuerliche Folgen des neuen WEG, immolex 2002, 190; Vonkilch, Sanierungsbedarf beim WEG 2002, wobl 2004, 87; ders, Anmerkungen zum Ministerialentwurf für eine BTVG-Novelle, wobl 2007, 277; Wagner, Eine Klarstellung zur Ehegatten-Eigentumswohnung, ImmZ 1976, 85; Würth (Hrsg), Wohnrecht 2002 (2002); ders, Kleine Änderungen – große Wirkungen. Korrekturen statt großer Reformen, wobl 2004, 243; Würth/M. Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 (2010); Würth, Zur Wohnrechtsnovelle 2006 – ein Nekrolog, wobl 2006, 105 (Teil I) und wobl 2006, 133 (Teil II); K. Zingher, Das gemeinsame Wohnungseigentum von Ehegatten, ÖJZ 1976, 225.
Gemeinsames Wohnungseigentum der Partner § 13. (1) Für die Eigentümerpartnerschaft gelten, soweit im Folgenden keine besonderen Regelungen getroffen werden, die Bestimmungen des 16. Hauptstücks des Zweiten Teils des ABGB. (2) Zur Begründung einer Eigentümerpartnerschaft müssen die Partner Eigentümer je eines halben Mindestanteils (im Folgenden „Anteil am Mindestanteil“ genannt) sein; ihre Anteile am Mindestanteil dürfen nicht verschieden belastet sein. Das Gleiche gilt, wenn ein Wohnungseigentümer einer anderen Person unter gleichzeitiger Begründung des gemeinsamen Wohnungseigentums den dazu erforderlichen Anteil am Mindestanteil überträgt. (3) Durch das gemeinsame Wohnungseigentum der Partner werden ihre Anteile am Mindestanteil so verbunden, dass sie, solange die Eigentümerpartnerschaft besteht, nicht getrennt und nur gemeinsam beschränkt, belastet oder der Zwangsvollstreckung unterworfen werden dürfen. Die Zwangsvollstreckung auf Grund eines Exekutionstitels, der bloß gegen einen der Partner besteht, ist nur im Weg des mit der Pfändung des Anspruchs auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums zu verbindenden Antrags auf Zwangsversteigerung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen gemeinsamen Wohnungseigentums zulässig. In diesem Exekutionsverfahren ist der Partner, gegen den kein Exekutionstitel besteht, Beteiligter; er kann zur Wahrung seiner Rechte alle Rechtsmittel erheben, wie wenn er selbst Verpflichteter wäre; überdies kann er gegen diese Exekution Widerspruch erheben (§ 37 der Exekutionsordnung), wenn sich die Exekution auf das Wohnungseigentumsobjekt bezieht, das ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient. Unter der selben Voraussetzung hat ein Partner im Fall eines Konkurses über das Vermögen des anderen Partners das Recht auf Aussonderung von dessen halbem Mindestanteil (§ 44 KO). Jeder der Partner darf seinen 1351
§ 13 WEG
Aichhorn
Anteil am Mindestanteil nur mit Zustimmung des anderen Partners veräußern. (4) Die Partner haften für alle Verbindlichkeiten aus ihrem gemeinsamen Wohnungseigentum zur ungeteilten Hand. Sie dürfen über das gemeinsame Wohnungseigentum und die Nutzung des im gemeinsamen Wohnungseigentum stehenden Wohnungseigentumsobjekts nur gemeinsam verfügen. (5) Die mit ihrem gemeinsamen Wohnungseigentum verbundenen Befugnisse zur Mitwirkung an der Entscheidungsfindung in der Eigentümergemeinschaft (Äußerungs- und Stimmrecht sowie Minderheitsrechte bei der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft) stehen den Partnern nur gemeinsam zu. (6) Der vertragliche Ausschluss einer Klage auf Aufhebung der Eigentümerpartnerschaft (§ 830 ABGB) bedarf der Schriftform und ist nur für drei Jahre ab Abschluss der jeweiligen Ausschlussvereinbarung rechtswirksam. Ausnahmsweise kann ein solcher Aufhebungsausschluss auch für längere Zeit oder unbefristet vereinbart werden, wenn für einen der Partner eine bloß dreijährige Bindung aus triftigen Gründen, etwa wegen seines hohen Alters, unzumutbar wäre. Eine Ausschlussvereinbarung kann schriftlich beliebig oft wiederholt werden. Sind die Partner Ehegatten und dient ihr Wohnungseigentumsobjekt wenigstens einem von ihnen zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses, so ist während der Ehe die Aufhebungsklage des anderen unzulässig. Dient das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt einem minderjährigen Partner zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses, so ist während dessen Minderjährigkeit die Aufhebungsklage des anderen unzulässig. [BGBl I 2002/70; zuletzt geändert durch BGBl I 2006/124] Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F. G. H. I.
Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte und Haftung der Partner . . . . . . . Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten der Zwangsvollstreckung . Besonderheit im Konkurs . . . . . . . . . . . . Veräußerung des Anteils am Mindestanteil Beendigung der Eigentümerpartnerschaft Eingetragene Partnerschaft im WEG . . . .
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1–3 4–9 10–13 14–16 17–25 26 27–29 30–33 34
Gemeinsames Wohnungseigentum der Partner
§ 13 WEG
A. Definition Die seit 1.7.2002 durch das WEG 2002 eingeführte „Eigentümerpartner- 1 schaft“ ist gem § 2 Abs 10 WEG 2002 die Rechtsgemeinschaft zweier (volloder minderjähriger) Personen natürlichen Geschlechts, die gemeinsam Wohnungseigentümer eines Wohnungseigentumsobjekts sind. Die Eigentümerpartnerschaft ist also auf zwei natürliche Personen begrenzt, die nicht in einem Angehörigenverhältnis zu einander stehen müssen. Somit können durch die Begründung einer Eigentümerpartnerschaft auch gleich- bzw verschiedengeschlechtliche Lebensgefährten gemeinsam Wohnungseigentum erwerben. Die Lebensgemeinschaft ist für eine Eigentümerpartnerschaft aber nicht zwingend notwendig (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 46). Soll ein Minderjähriger Partner der Eigentümerpartnerschaft werden, ist dies 2 eine Angelegenheit, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, weshalb der Erwerb eines halben Mindestanteils neben der Zustimmung der Eltern auch einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf (§ 154 Abs 3 ABGB). Bei einer Eigentümerpartnerschaft zwischen Elternteil und mj Kind ist ein Kollisionskurator zu bestellen (§ 271 ABGB), der bei diesem Insichgeschäft die Interessen des Kindes vertritt. Die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Vertrags ersetzt nicht die Bestellung des Kollisionskurators (7 Ob 112/02z = Miet 54.009). Die Eigentümerpartnerschaft verfügt über keine eigene Rechtspersönlich- 3 keit, die Rechte und Pflichten daraus sind ebenso den Partnern zugeordnet wie sachenrechtlich der mit dem Wohnungseigentum verbundene Mindestanteil. Auch wenn gemeinsames Vorgehen der Partner gesetzlich grundsätzlich angeordnet ist, stellt jeder der Partner das Subjekt sämtlicher sich aus dem Wohnungseigentum ergebenden Rechte und Pflichten in eigener Person dar (Gantner/Hausmann/Vonkilch § 13 WEG Rz 5). Soweit für die Eigentümerpartnerschaft (Miteigentumsgemeinschaft) keine spezifischen wohnungseigentumsrechtlichen Sonderregelungen bestehen, gelten gem § 13 Abs 1 WEG 2002 die Bestimmungen der §§ 825 ff ABGB. Die Partner können daher zB eine gerichtliche Benützungsregelung (iSd §§ 834 f ABGB) beantragen oder bei Nichteinigung nach § 835 ABGB (analog) den Außerstreitrichter anrufen (§ 838a ABGB). Dies wird aber nur im Fall des gesetzlichen Ausschlusses der Teilungsklage praktisch relevant sein (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 46).
B. Begründung Voraussetzungen für die Begründung einer Eigentümerpartnerschaft sind le- 4 diglich, dass jeder Partner Eigentümer je eines halben Mindestanteils (Anteil 1353
§ 13 WEG
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am Mindestanteil) ist und die Anteile am Mindestanteil nicht verschieden belastet sind (§ 13 Abs 2 Satz 1 WEG 2002). Das Gleiche gilt, wenn ein Wohnungseigentümer einer anderen Person unter gleichzeitiger Begründung des gemeinsamen Wohnungseigentums den dazu erforderlichen Anteil am Mindestanteil überträgt (§ 13 Abs 2 Satz 2 WEG 2002). Durch das gemeinsame Wohnungseigentum der Partner werden ihre Anteile am Mindestanteil so verbunden, dass sie, solange die Eigentümerpartnerschaft besteht, nicht getrennt und nur gemeinsam beschränkt, belastet oder der Zwangsvollstreckung unterworfen werden dürfen (§ 13 Abs 3 WEG 2002). 5 Die Verbindung der Anteile ist mit dem Erwerb von gemeinsamem Wohnungseigentum durch die Eigentümerpartnerschaft als Rechtsfolge unausschließbar verknüpft und bedarf daher keiner ausdrücklichen Anführung im Kaufvertrag (Illedits, Wohnungseigentum Rz 305). Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG könnten nur dann bestehen, wenn sich aus der Vertragsurkunde ergäbe, dass eine derartige Verbindung ausgeschlossen werden soll. Der OGH billigt daher nicht die Rsp zweitinstanzlicher Gerichte (vgl LGZ Wien Miet 28.486; LGZ Graz NZ 1989, 231 [Hofmeister]), wonach die Verbindung der Miteigentumsanteile in der der Eintragung zugrunde liegenden Urkunde ausdrücklich enthalten sein müsste. Ebenso ist es ausreichend, dass die zu erwerbenden Miteigentumsanteile lediglich mit der Hälfte der ihrem Rechtsvorgänger gehörenden Anteile bezeichnet sind. Hierdurch ist inhaltlich dasselbe gesagt wie durch die ziffernmäßige Angabe. Jede sprachlich eindeutig gefasste Formulierung der übernommenen Miteigentumsanteile, durch die nichts anderes ausgedrückt wird als der Übergang von jeweils der Hälfte der dem Rechtsvorgänger zustehenden Anteile auf die Erwerber (Partner), ist daher grundbuchsrechtlich unbedenklich. Es muss auch nicht angeführt werden, wer wie viel vom Gesamtkaufpreis entrichtet hat (5 Ob 90/90 = NZ 1991, 106 [Hofmeister]). Es stellt keinen Abweisungsgrund dar, wenn im Grundbuchsantrag die Verbindung der Miteigentumsanteile nicht begehrt wird, weil diese Vereinigung ohnedies ex lege eintritt (5 Ob 74/93 = SZ 66/123 = NZ 1994/301 [Hoyer]; Illedits, Wohnungseigentum Rz 305). Die Anteile am Mindestanteil sind vom Grundbuchsgericht von Amts wegen zu verbinden (§ 5 Abs 3 WEG 2002). 6 Der Abschluss eines Partnerschaftsvertrags ist keine zwingende Voraussetzung für die Begründung einer Eigentümerpartnerschaft. Ein derartiger Vertrag bietet aber die Möglichkeit, spezifische Regelungen für die konkrete Eigentümerpartnerschaft zu treffen und von vorgesehenen gesetzlichen Mechanismen abzugehen. Durch vertragliche Vereinbarung können etwa Regelungen für die Auflösung der Eigentümerpartnerschaft und hinsichtlich der Auszahlung des weichenden Partners getroffen werden. Da Wohnungseigentum nur im Verhältnis von 50 : 50 begründet werden kann, müsste etwa in einem Fall, in dem ein Partner deutlich mehr zur Finanzierung des Wohnungs1354
Gemeinsames Wohnungseigentum der Partner
§ 13 WEG
eigentums beiträgt als der andere, diese Relation auch bei der Auszahlung nach dem Ende des gemeinsamen Wohnungseigentums ausdrücklich vereinbart werden. Auch bei der Begründungsvariante des § 13 Abs 2 Satz 2 WEG 2002 bedarf es keiner ausdrücklichen Vereinbarung. Verkauft und übergibt zB ein Wohnungseigentümer seinem Ehepartner die Hälfte seines Anteils samt der ideellen Hälfte der dazu gehörigen Eigentumswohnung, bedarf es keiner zusätzlichen Vereinbarung über die Begründung gemeinsamen Wohnungseigentums (LGZ Wien Miet 30.558). Bei einer Realteilung einer Liegenschaft unter mehreren Miteigentümern 7 durch Wohnungseigentumsbegründung kann mit deren Zustimmung für Ehepartner eine Eigentümerpartnerschaft begründet werden. Eine Eigentümerpartnerschaft begründet allerdings eine äußerst enge, über das Rechtsverhältnis schlichter Miteigentümer weit hinausgehende Bindung der Eigentümerpartner. Daher bedarf eine solche Art der Teilung für ihre Zulässigkeit (Tunlichkeit) der Zustimmung möglicher Eigentümerpartner. Diese müssen eine allfällige Ablehnung einer Eigentümerpartnerschaft nicht durch besondere Gründe sachlich rechtfertigen. Dies gilt auch für mögliche Eigentümerpartner, die in aufrechter Ehe leben (5 Ob 4/09p = wobl 2009/121 [Hausmann]). Für eingetragene Partnerschaften nach EPG gilt dasselbe. Eine Vereinbarung, wonach mehr als zwei natürliche Personen oder zwei 8 oder mehrere juristische Personen oder eine natürliche mit einer juristischen Person eine Eigentümerpartnerschaft bilden wollen, ist gem § 878 ABGB wegen anfänglicher rechtlicher Unmöglichkeit ungültig (zur [einzelnen] juristischen Person als Wohnungseigentümer s Würth/Rummel § 13 WEG 2002 Rz 1; zur anfänglichen bzw nachträglichen rechtlichen Unmöglichkeit beim Wohnungseigentum s Markl/Schwimann2 § 9 WEG Rz 10 und 11). Ein nasciturus kann kein Eigentümerpartner sein, weil er gem § 22 ABGB nur Rechte, aber keine Pflichten erlangen kann (Gantner/Hausmann/Vonkilch § 13 WEG Rz 7). Ob die dem gemeinsamen Wohnungseigentum zugrunde liegende Willenseini- 9 gung von Ehepartnern ein Ehepakt und somit notariatspflichtig ist oder nicht, ist str (zum Meinungsstand Gantner/Hausmann/Vonkilch § 13 WEG Rz 18–21). In der RV zum WEG 2002 war generell noch als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Eigentümerpartnerschaft die Notariatsaktsform vorgesehen (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 49). Im WEG 2002 selbst wurde von der Notariatspflicht als Formerfordernis abgesehen und nur mehr die Schriftlichkeit gefordert (§ 14 Abs 4 Satz 1 WEG 2002 aF). Der Gesetzgeber hat weder bei der Einführung des Ehegatten-Wohnungseigentums noch bei der Eigentümerpartnerschaft und auch nicht in der WRN 2006 die spezielle Formpflicht des Notariatsakts angeordnet.
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C. Rechte und Haftung der Partner 10 Die Befugnisse zur Mitwirkung an der Entscheidungsfindung in der Eigentümergemeinschaft insgesamt, zB Äußerungs- und Stimmrecht in der Eigentümerversammlung (Eigentümergemeinschaft), sowie die Minderheitsrechte stehen den Partnern nur gemeinsam zu (§ 13 Abs 5 WEG 2002). Eine von einem Partner allein getroffene Maßnahme ist sowohl nach außen als auch nach innen nicht verbindlich. Diese „gesamthänderische Verknüpfung“ (5 Ob 34/81 = Miet 34.529; 5 Ob 29/06k = NZ 2007/669 [Hoyer] = wobl 2006/150 [Call]) führt dazu, dass nach außen hin, wenn keine Stellvertretung vorliegt, beide Partner einvernehmlich gleichartige Erklärungen abgeben müssen, um Rechtswirkungen zu erzielen. Eine nachträgliche Zustimmung zur Antragstellung des anderen Partners im erstinstanzlichen Verfahren ist aber zulässig (5 Ob 98/01z = wobl 2001/211 [Call]). Hat sich der eine Partner an dem vom anderen eingeleiteten Verfahren nicht beteiligt und der Antragsteller auch nicht die Zustimmung des anderen Partners zur Antragstellung behauptet, so hat das zur Folge, dass das Begehren mangels Sachlegitimation und mangels Schlüssigkeit abzuweisen ist (5 Ob 303/03z = immolex 2004/130; 5 Ob 72/05g = wobl 2006/42). Es ist möglich, dass ein Partner den anderen im Weg einer (auch mündlichen) Vollmacht (Duldungs- oder Anscheinsvollmacht) mit der Wahrnehmung seiner Rechte betraut oder ihn zu seinem Stellvertreter macht (Gantner/Hausmann/Vonkilch § 13 WEG Rz 26; ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 46). Für den Fall, dass sich Wohnungseigentümerpartner untereinander bevollmächtigen (oder ein Rechtsanwalt bzw Notar bevollmächtigt wird), kommen die Anforderungen des § 24 Abs 2 WEG 2002 an eine Bevollmächtigung nicht zum Tragen, es gilt allgemeines Stellvertreterrecht (Limberg, immolex 2009, 170). 11 Für alle Verbindlichkeiten aus dem gemeinsamen Wohnungseigentum haften die Eigentümerpartner im Außenverhältnis zur ungeteilten Hand (Würth/ Rummel § 13 WEG 2002 Rz 6). Die Partner dürfen über das gemeinsame Wohnungseigentum und die Nutzung des im gemeinsamen Wohnungseigentum stehenden Wohnungseigentumsobjekts nur gemeinsam verfügen (§ 13 Abs 4 WEG 2002). Einander widersprechende Erklärungen der Partner entfalten keine Rechtswirkung (5 Ob 34/81 = Miet 34.529). Im Innenverhältnis sind die Partner grundsätzlich zu gleichen Anteilen ausgleichspflichtig (§ 896 ABGB), sofern zwischen ihnen kein anderes Verhältnis besteht, etwa ein unterhaltsrechtliches iSd § 94 ABGB. Interne Regressvereinbarungen sind zulässig (5 Ob 1024/93 = wobl 1993/130 [Call]). 12 Bei einer Eigentümerpartnerschaft hat der Kläger unter Berufung auf die gesetzliche Solidarhaftung der Partner nach § 13 Abs 4 WEG 2002 beide zu klagen und die Klagsanmerkung bei beiden Hälfteanteilen am Mindestanteil gem 1356
Gemeinsames Wohnungseigentum der Partner
§ 13 WEG
§ 13 Abs 3 WEG 2002 zu beantragen, um hierdurch den gesamthänderisch verbundenen Mindestanteil zu erfassen (5 Ob 67/04w = wobl 2005/7 [Call]). Die Eigentümerpartner bilden in einem Rechtsstreit über das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt aktiv und passiv prozessrechtlich eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO (5 Ob 196/00k = immolex 2001/71). Zur Abwehr rechtswidriger Eingriffe Dritter in die aus dem gemeinsamen 13 Eigentum erfliessenden Rechte ist jeder Partner allein befugt (5 Ob 2310/96h = immolex 1997/31). So stellt etwa die Benützung des im Wohnungseigentum stehenden Objekts durch einen Dritten ohne einen gültigen Mietvertrag (Scheingeschäft) einen rechtswidrigen (weil titellosen) Eingriff des Dritten dar, gegen den sich jeder Miteigentümer wehren kann, ohne der Mitwirkung des anderen Miteigentümers zu bedürfen (4 Ob 8/04m = EF 108.618 = RdW 2004/602 = immolex 2004/131; 5 Ob 2310/96h = wobl 1998/180 = immolex 1997/31). In LuRsp ist nämlich anerkannt, dass jedem Teilhaber einer Gemeinschaft das Recht zusteht, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wahrung seines Anteilsrechts bedarf. Der Gegner kann sich einer derartigen Klage gegenüber nicht darauf berufen, dass der Kläger allein zur Geltendmachung dieser Ansprüche nicht befugt sei (Gamerith/Rummel § 828 ABGB Rz 6; Würth/Rummel § 13 WEG Rz 6; Gantner/Hausmann/Vonkilch § 13 WEG Rz 23 je mwN; stRsp, zuletzt 1 Ob 5/01v = wobl 2001, 293; 1 Ob 80/97i = NZ 1999, 171). Diese Ausnahme vom Grundsatz, dass Miteigentümer, insb auch Eigentümerpartner im Wohnungseigentum, nach außen hin eine Einheit bilden und nur gemeinsam auftreten können, wird dadurch begrenzt, dass der einzelne Partner dabei keine Ansprüche verfolgen darf, deren Geltendmachung eine Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft vorausgehen muss, der Miteigentümer also nicht durch seine „Abwehrmaßnahme“ erst Rechte für sich und die Miteigentümer zu erwirken versuchen darf (4 Ob 8/04m = EF 108.617).
D. Belastungen Eine tw, nur den Anteil eines Eigentumspartners am Mindestanteil erfassende 14 pfandrechtliche Belastung kommt nicht in Betracht (3 Ob 296/00a = wobl 2003/33; 5 Ob 29/06k = NZ 2007/669 [Hoyer]). Bei Ehegattenwohnungseigentum ist ein gegen einen Ehepartner unzulässigerweise einverleibtes Zwangspfandrecht im Hinblick auf § 5 Abs 3 iVm § 13 Abs 3 WEG 2002 als abstrakt unzulässige, mit unheilbarer Nichtigkeit behaftete Eintragung zu löschen (LGZ Wien EF 87.839). Eine Teillöschung einer Zwischeneintragung bei einer Eigentümerpartnerschaft ist aufgrund des § 13 Abs 3 Satz 1 WEG 2002 unzulässig (5 Ob 282/08v = NZ 2009/82). Die Löschung von Zwischeneintragungen nach § 57 GBG kann mit Beziehung auf eine Eigentümerpartner1357
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schaft nur dann bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen hinsichtlich beider Partner vorliegen (5 Ob 29/06k = NZ 2007/669). 15 Ein Belastungs- und Veräußerungsverbot (BVV) ist ein höchstpersönliches, nicht verwertbares Recht, das sowohl mit dem Tod des Berechtigten als auch mit dem Tod des Verpflichteten sowie mit der Veräußerung einer Sache erlischt. Ein BVV erlischt nicht mit einer verbotswidrigen Eintragung eines Pfandrechts, es lässt aber einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch des Verbotsberechtigten sowie im Einzelfall einen nachträglichen Beseitigungsanspruch zu. Durch eine verbotswidrige Pfandrechtseintragung können auch Schadenersatzpflichten des Verbotsberechtigten entstehen (6 Ob 304/05g = ZIK 2007/56). Das Verbot der verschiedenen Belastung der Anteile am Mindestanteil steht der Eintragung eines BVV nicht entgegen. Die Eintragung eines wechselseitigen BVV ist also auch im Fall einer Eigentümerpartnerschaft möglich (3 Ob 8/84 = Miet 36.611). Durch die Eintragung eines wechselseitigen BVV wird nicht gegen die Regel des § 13 Abs 2 WEG 2002 verstoßen, wonach die Anteile am Mindestanteil nicht verschieden belastet sein dürfen. Denn im Ergebnis tritt durch ein wechselseitiges BVV eine völlig idente Verfügungsbeschränkung ein (LGZ Wien EF 87.148). Da die Anteile am Mindestanteil bei der Eigentümerpartnerschaft nicht verschieden belastet sein dürfen, ist die Anfechtung eines wechselseitigen BVV auch nur hinsichtlich des gesamten Mindestanteils möglich (5 Ob 65/00w = EF 93.277). Die Eintragung eines BVV nur am Anteil eines Partners am Mindestanteil ist jedoch unzulässig. Gem § 364c ABGB verpflichtet ein vertragsmäßiges oder letztwilliges Veräußerungs- oder Belastungsverbot hinsichtlich einer Sache oder eines dinglichen Rechtes nur den ersten Eigentümer, nicht aber seine Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger. Gegen Dritte wirkt es dann, wenn es zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern, Eltern und Kindern, Wahl- oder Pflegekindern oder deren Ehegatten oder eingetragenen Partnern begründet und im öffentlichen Buche eingetragen wurde. 16 Die Einverleibung eines (wechselseitigen) Fruchtgenussrechts für den jeweiligen Wohnungseigentumspartner jeweils am Hälfteanteil des Mindestanteils des anderen scheitert an § 13 Abs 3 WEG 2002, weil eine unterschiedliche Belastung der Anteile am Mindestanteil rechtlich nicht möglich ist (5 Ob 200/03b = wobl 2004/15 [Call]). Ebenso scheitert die Löschung von Zwischeneintragungen (hier Zwangsversteigerung) iSd § 57 GBG am Verbot der unterschiedlichen Belastung nach § 13 Abs 3 WEG 2002: erwirbt einer der beiden WEPartner die andere Hälfte des Mindestanteils im Range einer Anmerkung der Rangordnung, dann kann er Zwischentragungen iSd § 57 GBG weder vom ganzen noch von dem neu erworbenen halben Mindestanteil löschen lassen. Vom ganzen Mindestanteil nicht, weil sein bisheriger Hälfteanteil von keinem Erwerbsvorgang betroffen ist, vom neu erworbenen Hälfteanteil nicht, weil dem das Verbot der unterschiedlichen Belastung nach § 13 Abs 3 WEG 2002 1358
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entgegen steht (5 Ob 282/08v = NZ 2009/739 (GBSlg) [Auer] = Zak 2009/301 = immolex 2009/75). Auch die Anmerkung eines Vorzugspfandrechts ist bei Eigentümerpartnerschaft nur auf den gesamtem Anteil möglich (5 Ob 67/04w = ZIK 2004/282). Die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts für einen Wohnungseigentumspartner am gesamten mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteil ist zulässig, es steht dem nicht entgegen, dass an der eigenen Sache grundsätzlich keine Dienstbarkeit begründet werden kann (5 Ob 157/08m = immolex 2009/61 [Edelhauser] = Miet 60.047). Wird vertraglich eine Kollision des wechselseitigen Wohnungsgebrauchsrechts ausgeschlossen, kann ein solches unter Eigentümerpartnern verbüchert werden (5 Ob 157/08m = Zak 2009/179 = Miet 60.047). Räumen sich aber Eigentümerpartner ein wechselseitiges Wohnungsgebrauchsrecht ein, wonach diese berechtigt sein sollen, die „Wohnung bis an ihr jeweiliges Lebensende uneingeschränkt und zur Gänze zu benützen“ und „Pflegepersonen, Verwandte und Freunde – auch zeitlich unbeschränkt – aufzunehmen“, dann handelt es sich dabei um Gebrauchsrechte, die infolge möglicher Kollision nicht nebeneinander bestehen können (5 Ob 157/08m = Miet 60.047 = NZ 2009/734 (GBSlg) [Auer]; RIS-Justiz RS0124415 [T1]). Ausdrücklich offen gelassen hat der OGH die Frage, ob ein gemeinsames Wohnungsgebrauchsrecht beider Eigentümerpartner an der gesamten Wohnung, dh an beiden Hälfteanteilen, eintragungsfähig ist. Hinsichtlich eines gemeinsamen Belastungs- und Veräußerungsverbotes an beiden Hälfteanteilen hat der OGH die Eintragung zugelassen, da die Verfügungsbeschränkungen beider Hälfteanteile ident waren und beide Ehepartner nur gemeinsam verfügen konnten. Sofern auch das gemeinsame Wohnungsgebrauchsrecht für die gesamte Wohnung, dh für beide Hälfteanteile, ident ausgestaltet wird, widerspricht es nicht § 13 Abs 3 GBG und es bestünden auch keine kollidierenden Rechte. Auch ein Eigentümerservitut läge nach stRsp nicht vor (5 Ob 157/08m = ecolex 2009/104). Daher steht der Einverleibung eines identen, gemeinsamen Wohnungsgebrauchsrechts an beiden Hälfteanteilen grundbücherlich nichts im Wege und ist zuzulassen (Edelhauser, immolex 2009, 151).
E. Besonderheiten der Zwangsvollstreckung Die exekutionsrechtlichen Sonderbestimmungen greifen lediglich bei Schul- 17 den nur eines Ehepartners. Bestehen dagegen (titulierte und vollstreckbare) Ansprüche gegen beide Ehepartner, ist die Exekution auf den gesamten Mindestanteil ohne Besonderheiten zulässig (3 Ob 280/97s = EF 87.840 = NZ 1999, 206). § 13 Abs 3 WEG 2002 sieht eine Sonderregelung für die Zwangsvollstreckung 18 hinsichtlich Sonderschulden eines Partners vor und betrifft damit jenen Fall, in 1359
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dem lediglich gegen einen Partner ein Exekutionstitel vorliegt, der zur Zwangsvollstreckung führt. Die Besonderheit besteht darin, dass die Zwangsversteigerung des Anteils eines Ehepartners am Mindestanteil und an dem damit verbundenen gemeinsamen Ehegattenwohnungseigentum unzulässig ist. Zur Hereinbringung von Sonderschulden eines Partners stehen nur die im § 13 Abs 3 WEG als lex specialis umschriebenen Exekutionsmittel zur Verfügung. Die gesonderte Geltendmachung des Aufhebungsanspruchs durch den betrGl ist nicht vorgesehen (5 Ob 135/08a und 5 Ob 136/08y = EWr W/13/1 = immolex 2008/149 = Miet 60.425). Die Zwangsvollstreckung auf Grund eines nur gegen einen Partner lautenden Exekutionstitels ist nur im Weg der Pfändung des Anspruchs auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums und des damit zwingend verbundenen Antrags auf Zwangsversteigerung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen gemeinsamen Wohnungseigentums zulässig (5 Ob 196/00k = EWr W/24/45; 5 Ob 135/08a und 5 Ob 136/08y = EWr W/13/1 = immolex 2008/149 [Neugebauer] = Miet 60.425). Wird nur einer dieser Anträge gestellt, ist der Exekutionsantrag abzuweisen (3 Ob 22/06s = EF-Z 2006/57 = immolex 2006/135). Macht der betrGl einen Teilungsanspruch des exekutiv nach § 13 Abs 3 WEG 2002 bewilligten Vollstreckungsanspruchs geltend, ist eine derartige Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht anzumerken (5 Ob 135/08a und 5 Ob 136/08y = immolex 2008/149 [Neugebauer]). Abweichend vom System der EO ist also die Zwangsvollstreckung aufgrund eines gegen einen Eigentümerpartner lautenden Exekutionstitels nur im Wege des mit der Pfändung des Anspruchs auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums zu verbindenden Antrags auf Zwangsversteigerung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen Wohnungseigentums zulässig. Dieser Modus ist gegenüber dem System der EO lex specialis und das Exekutionsbewilligungsgericht hat ohne Weiteres über die Pfändung des Aufhebungsanspruchs und den damit verbundenen Antrag auf Zwangsversteigerung zu entscheiden (3 Ob 304/04h = ecolex 2005/266 = JBl 2005, 522). Eine abgesonderte Geltendmachung des Aufhebungsanspruchs durch den Betreibenden ist nicht vorgesehen und ein Teilungsstreit findet nicht statt (3 Ob 304/04h = ecolex 2005/266 = JBl 2005, 522; 5 Ob 136/08y = Miet 60.425). 19 Die Beschränkung der Exekutionsführung durch § 13 Abs 3 WEG 2002 steht jener nach den §§ 331 ff EO auf das Vermögensrecht des verpflichteten Ehepartners dann nicht entgegen, wenn dieser bereits den Anspruch auf Übertragung des Eigentums am halben Mindestanteil des anderen durch Vertrag oder allenfalls auch durch richterliche Entscheidung im Verfahren zur nachehelichen Aufteilung des Vermögens (§§ 81 ff EheG; für eingetragene Partner §§ 24 ff EPG) erworben hat (3 Ob 22/06s = EF-Z 2006/57 = immolex 2006/ 135).
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Die exekutionsrechtlichen Sonderregeln wollen nur den Ehepartner schützen, 20 der nicht auch selbst aufgrund eines vollstreckbaren Exekutionstitels Schuldner des betreibenden Gläubigers ist. Die Bewilligung der Zwangsversteigerung des gesamten Mindestanteils setzt daher nicht jedenfalls Exekutionstitel voraus, nach deren Inhalt die Ehepartner für ein und dieselbe Forderung solidarisch haften. Einem Exekutionsantrag kann vielmehr auch dann stattgegeben werden, wenn dem Begehren auf Zwangsversteigerung Exekutionstitel zugrunde liegen, die sich auf je eine gesonderte vollstreckbare Forderung gegen jeden der beiden Ehepartner beziehen (3 Ob 280/97s = RdW 1998, 552). Für den Fall der Zwangsvollstreckung aufgrund eines Exekutionstitels, der 21 bloß gegen einen Partner der Eigentümerpartnerschaft besteht, hat der nicht verpflichtete Partner einen speziellen Schutz. Da der „unbelastete Partner“ im Exekutionsverfahren gegen den verpflichteten Partner Beteiligter ist, kann er zur Wahrung seiner Rechte alle Rechtsmittel erheben, die ihm zustünden, wenn er selbst Verpflichteter wäre. Dient das betroffene Wohnungseigentumsobjekt der Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses, kann er gegen die Exekution auch Widerspruch (Exszindierungs-, Drittwiderspruchs-, Aussonderungsklage gem § 37 EO) erheben, da auch sein Eigentum betroffen ist, obwohl gegen ihn keine Forderung des Gläubigers besteht (§ 13 Abs 3 Satz 2 und 3 WEG 2002). Nach § 13 Abs 3 WEG 2002 wird auf das dringende Wohnbedürfnis abgestellt 22 und nicht mehr – so wie im WEG 1975 (3 Ob 203/99w = Miet 51.518) – zusätzlich auf den gewöhnlichen Aufenthalt, wodurch auch ein zukünftiges Wohnbedürfnis berücksichtigt werden kann (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 46 f). Durch den Entfall des Erfordernisses des gewöhnlichen Aufenthalts wird die Rechtsstellung des nicht verpflichteten Partners gegenüber dem eine Zwangsversteigerung des Wohnungseigentumsobjekts betreibenden Gläubiger verbessert. Unter dringendem Wohnbedürfnis ist grundsätzlich das schutzwürdige Interesse an der Wohnung iSd § 30 Abs 2 Z 6 MRG zu verstehen, ohne dass deshalb die Rsp zur Beweislast für das Vorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses bei einer Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG ohne Weiteres auf den Exszindierungsprozess nach dem WEG 2002 übertragen werden könnte (3 Ob 225/97b = immolex 1998/108). Es darf nämlich nicht außer Acht gelassen werden, dass es strukturelle Unterschiede zwischen dem Schutz des Partners nach WEG 2002 und dem Schutz des Mieters gibt (3 Ob 203/99w = wobl 2000/163 [Markl]; aA Würth/M. Zingher/Kovanyi § 13 WEG Rz 10). Bei der Prüfung des schutzwürdigen Interesses des Exszindierungswerbers ist auch dasjenige der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden mj Kinder zu berücksichtigen (3 Ob 225/97b = immolex 1998/108). Eine Exszindierungsklage gem § 37 EO steht mithin dem nicht verpflichteten Wohnungseigentumspartner nur zu, wenn es sich um eine bedarfsqualifizierte Wohnung 1361
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handelt. Andernfalls steht ihm nur das Recht auf den halben Versteigerungserlös bei Durchführung der Exekution durch Zwangsversteigerung zu (Illedits, Wohnungseigentum Rz 320). Die Beweislast für das dringende Wohnbedürfnis trägt der sich darauf berufende Partner (3 Ob 203/99w = wobl 2000/163 [Markl]). 23 Hat ein Ehepartner gegen den anderen einen Exekutionstitel über eine Geldforderung, kann er nur dann in das im Ehegatten-Wohnungseigentum stehende Wohnungseigentumsobjekt nach § 13 Abs 3 WEG 2002 durch Pfändung des Aufhebungsanspruchs und Zwangsversteigerung des Mindestanteils Exekution führen, wenn der verpflichtete Ehepartner in der zu versteigernden Ehewohnung bewiesenermaßen kein dringendes Wohnbedürfnis iSd § 13 Abs 6 WEG 2002 befriedigt, diese Wohnung also nicht bedarfsqualifiziert ist. Ein weiteres Exekutionshindernis stellt § 97 ABGB dar, wonach der über die Ehewohnung verfügungsberechtigte Ehepartner ehe- und familienrechtlich verpflichtet ist, alles zu unterlassen und vorzukehren, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehepartner diese nicht verliert und somit seine Wohnmöglichkeit erhalten bleibt. Die sich aus § 13 Abs 6 WEG 2002 und/oder § 97 ABGB ergebenden Exekutionshindernisse erfordern keine Oppositionsklage des Verpflichteten nach § 35 EO (3 Ob 304/04h = wobl 2005/96 [Call]). Nach § 97 ABGB ist ein Ehepartner, der über die Wohnung wenn auch nur beschränkt verfügungsberechtigt ist, die dem andern zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses dient, verpflichtet alles zu unterlassen und vorzukehren, damit der auf die Wohnung angewiesene diese nicht verliert. Dieser familienrechtliche Anspruch auf Erhaltung der Wohnmöglichkeit gegen den anderen Ehepartner wird durch einen Antrag auf Zwangsversteigerung der (ehemaligen) Ehewohnung gefährdet. Dieser Anspruch des Ehepartners besteht nach § 97 ABGB zwar dann nicht, wenn der andere durch die Umstände zu dieser Handlung gezwungen wurde, doch liegt es gleichfalls am betreibenden Ehepartner, schon im Exekutionsantrag diese Umstände zur Verwirklichung des Ausnahmetatbestands darzutun (3 Ob 304/04h = ecolex 2005/266). 24 Das Recht des Partners, bei Exekution auf gemeinsames Wohnungseigentum gem § 13 Abs 3 WEG 2002 Exszindierungsklage zur Sicherung seines dringenden Wohnbedürfnisses zu erheben, steht der Anfechtung eines zwischen den Partnern vereinbarten wechselseitigen Veräußerungs- und Belastungsverbots nicht entgegen. Im Anfechtungsprozess, der nur gegen beide Partner gemeinsam geführt werden kann, sind diese notwendige Streitgenossen (5 Ob 65/00w = immolex 2000/163; 5 Ob 196/00k = JBl 2001, 465). 25 Bei Vorliegen eines Exekutionstitels gegen bloß einen Partner ist die Pfandrechtsbegründung an einem gem § 5 Abs 3 WEG 2002 verbundenen Mindestanteil unzulässig; auf ein solches Pfandrecht ist bei der Meistbotsverteilung 1362
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nicht Rücksicht zu nehmen. Der Umstand, dass der Verpflichtete als Liegenschaftseigentümer mit dieser Pfandrechtsbegründung einverstanden gewesen ist, ist bedeutungslos, weil ein Verstoß gegen zwingendes Recht vorliegt (3 Ob 296/00a = immolex 2002/5).
F. Besonderheit im Konkurs Die WRN 2006 hat § 13 Abs 3 WEG 2002 um die Fallkonstellation bei Kon- 26 kurs erweitert. Grundsätzlich fällt durch Eröffnung des Konkurses das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen des Gemeinschuldners in die Konkursmasse (§ 1 Abs 1 KO), wozu bei bestehendem Wohnungseigentum auch der nicht der Exekution entzogene halbe Mindestanteil gehört (5 Ob 1003/96 = wobl 1998/179). Gem § 13 Abs 3 idF WRN 2006 hat aber ein Partner für den Fall des Konkurses über das Vermögen des anderen Partners das Recht auf Aussonderung von dessen halbem Mindestanteil (§ 44 KO), sofern ihm das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses dient.
G. Veräußerung des Anteils am Mindestanteil Nach alter Regelung war eine Veräußerung nur eines der beiden Anteile am 27 Mindestanteil nicht zulässig. Bestand ein Übertragungsbedürfnis, so hätte zunächst der verkaufswillige Partner seine Hälfte am Mindestanteil an den anderen Partner übertragen und dieser dann in weiterer Folge den Anteil an einen neu hinzukommenden Partner veräußern müssen. Diese Vorgangweise war nicht nur kompliziert, sondern durch den zweimaligen Anfall der Grunderwerbssteuer auch kostspielig. In diesem Punkt hat die WRN 2006 eine Neuerung gebracht. § 13 Abs 3 letzter Satz WEG 2002 idF WRN 2006 eröffnet nun grundsätzlich die Möglichkeit der direkten Veräußerung eines Anteils am Mindestanteil, knüpft diese aber an die Zustimmung des anderen Partners. Diese Zustimmung muss in grundbuchsfähiger Form durch beglaubigte Unterschrift erteilt werden (Illedits, Wohnungseigentum Rz 306). Für Veräußerungen seit dem 1.10.2006 (Inkrafttreten des WRN 2006) ist auf- 28 grund der Tatsache, dass die Veräußerung eines Anteils am Mindestanteils nur durch einen Partner zulässig ist, ein gemeinsames Vorgehen der Partner für das Rangordnungsgesuch für eine beabsichtigte Veräußerung nicht mehr notwendig (zur alten Rechtslage 5 Ob 26/91 = wobl 1992/54). Jeder Eigentümerpartner kann nun für seinen Anteil die Ausstellung einer separaten Veräußerungsrangordnung beantragen (Illedits, Wohnungseigentum Rz 310). 1363
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29 Besteht für ein Wohnungseigentumsobjekt eine Wohnbauförderung, können Probleme bei der Übertragung des halben Mindestanteils durch die Zustimmungserfordernisse in Ländervorschriften über die Wohnbauförderung entstehen. So kann gem § 49 Abs 4 WFG 1984 in dem Fall, dass ein Veräußerungsverbot einverleibt ist, das Eigentum (Baurecht) an einer Liegenschaft durch Rechtsgeschäft unter Lebenden nur mit schriftlicher Zustimmung des Landes übertragen werden. Einer solchen Zustimmung bedarf es aber nicht, wenn der Anteil am Mindestanteil an den Ehepartner übertragen wird (§ 49 Abs 4 Z 1 WFG 1984) oder wenn eine Eigentumswohnung (ein Eigenheim) bei der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse bei der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe an den früheren Ehepartner übertragen wird (§ 49 Abs 4 Z 2 WFG 1984). Durch die Bestimmung in § 56 Abs 8 WEG 2002 („Soweit in anderen Rechtsvorschriften auf das gemeinsame Wohnungseigentum von Ehepartnern Bezug genommen wird, ist darunter ab dem 1. Juli 2002 die Eigentümerpartnerschaft iS des 4. Abschnitts dieses Bundesgesetzes zu verstehen“) ist bei jeder Eigentümerpartnerschaft, nicht nur bei einer solchen zwischen Ehepartnern, eine wirksame Übertragung auch ohne Zustimmung des Landes möglich (Illedits, Wohnungseigentum Rz 308).
H. Beendigung der Eigentümerpartnerschaft 30 Soll die Eigentümerpartnerschaft beendet werden, steht neben der einvernehmlichen Auflösung die Möglichkeit einer Aufhebungsklage (§ 830 ABGB) offen. Dabei wird in der Regel nur eine Zivilteilung in Frage kommen. Eine Realteilung wird in der Praxis kaum möglich sein. Nur selten wird eine bauliche Umgestaltung eines Wohnungseigentumsobjekts in zwei kleinere Wohnungseigentumsobjekte in Frage kommen, für welche auch die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer notwendig ist. Die Zivilteilung führt zur Feilbietung des Mindestanteils und zur Teilung des Erlöses zwischen beiden Partnern (Würth/Zingher/Kovanyi § 13 WEG Rz 11). Gegenüber der Zivilteilung hat die Realteilung (= Naturalteilung) gesetzlichen Vorrang und die Begründung von WE gilt als Sonderform der Naturalteilung, der dann der Vorrang einzuräumen ist, wenn sie möglich und tunlich ist. Voraussetzung ist, dass grundsätzlich jedem Miteigentümer – entsprechend seinem Anteil – Wohnungseigentum einzuräumen ist, weswegen eine ausreichende Zahl von wetauglichen Objekten vorhanden sein oder ohne unverhältnismäßigen Aufwand geschaffen werden können muss und dass die Miteigentümer auch über ausreichende Mindestanteile (= Miteigentumsanteile) verfügen, die die Zuweisung von Sondernutzungsrechten an konkreten Objekten erlauben (5 Ob 4/ 09p = ecolex 2009/326). Die Zustimmung der künftigen Eigentümerpartner 1364
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ist eine materiellrechtliche Voraussetzung für die Bewilligung der Realteilung (5 Ob 4/09p). Neben Real- und Zivilteilung wäre eine Beendigung noch durch die Begründung weiteren Wohnungseigentums bzw durch die gerichtliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (§ 3 Abs 1 Z 4 WEG 2002) möglich. Bis zur WRN 2006 konnten die Partner vertraglich die Möglichkeit einer 31 Klage auf Aufhebung der Eigentümerpartnerschaft ausschließen. Dieser vertragliche Ausschluss war aber nur für die ersten drei Jahre ab Einverleibung der Partnerschaft im Grundbuch rechtswirksam (§ 13 Abs 6 Satz 1 WEG 2002 aF). Mit der dreijährigen Wartefrist sollte den Partnern für eine gewisse Zeit Sicherheit über den Bestand der Partnerschaft und damit im Regelfall auch Sicherheit über die Wohnmöglichkeit gewährt werden, ohne dass auf Dauer die Auflösung einer in die Krise geratenen Eigentümerpartnerschaft verhindert würde (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 47). Diese als zu starr kritisierte Regelung wurde durch die WRN 2006 modifiziert. Gem § 13 Abs 6 WEG 2002 idF WRN 2006 kann eine Ausschlussvereinbarung beliebig lange und wiederholt nach der grundbücherlichen Einverleibung der Partnerschaft geschlossen werden. Eine derartige Vereinbarung ist jeweils für drei Jahre ab Abschluss rechtswirksam und bedarf der Schriftform. Das Schriftformgebot des § 13 Abs 6 WEG 2002 idF WRN 2006 gilt entsprechend der Übergangsbestimmung in § 58 Abs 5 WEG 2002 für Vereinbarungen, die nach dem 30.9.2006 geschlossen wurden. Ausnahmsweise kann ein Aufhebungsausschluss auch für längere Zeit oder 32 unbefristet vereinbart werden, wenn für einen der Partner eine bloß dreijährige Bindung aus triftigen Gründen, etwa wegen seines hohen Alters, unzumutbar wäre (§ 13 Abs 6 Satz 2 WEG 2002 idF WRN 2006). Trotz des Plurals im Gesetzestext ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes ausreichend (Dirnbacher, WEG idF WRN 2006, 111). Sonderbestimmungen trifft § 13 Abs 6 WEG 2002 hinsichtlich der Aufhe- 33 bungsklage für Ehepartner und mj Partner. Sind die Wohnungseigentumspartner Ehepartner und dient das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt wenigstens einem von ihnen zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses, so ist während der Ehe die Aufhebungsklage des anderen unzulässig (§ 13 Abs 6 Satz 4 WEG 2002). Dient das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt einem minderjährigen Partner zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses, so ist während dessen Minderjährigkeit die Aufhebungsklage des anderen Partners unzulässig (§ 13 Abs 6 Satz 5 WEG 2002). Eine Aufhebungsklage gegen einen mj Eigentümerpartner ist somit erst ab dessen Volljährigkeit zulässig.
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I. Eingetragene Partnerschaft im WEG 34 Das zu § 13 WEG 2002 Angeführte (s oben) sowie die Ausführungen zu § 15 WEG 2002 (s unten) treffen gem § 43 Abs 1 Z 24 EPG auch für Wohnungseigentum von eingetragenen Partnern zu.
Wohnungseigentum der Partner im Todesfall § 14. (1) Beim Tod eines Partners gilt für den Anteil des Verstorbenen – unter Ausschluss sonstigen Erwerbs von Todes wegen, aber vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nach Abs. 5 – Folgendes: 1. Der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum geht von Gesetzes wegen unmittelbar ins Eigentum des überlebenden Partners über. 2. Der Eigentumsübergang tritt jedoch nicht ein, wenn der überlebende Partner innerhalb einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist entweder auf ihn verzichtet oder gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen unter Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten eine Vereinbarung schließt, auf Grund derer der Anteil des Verstorbenen einer anderen Person zukommt. 3. Verzichtet der überlebende Partner auf den Eigentumsübergang, so hat das Verlassenschaftsgericht eine öffentliche Feilbietung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen Wohnungseigentums durch Versteigerung vorzunehmen. 4. Solange die Möglichkeit des Verzichts besteht, sind die Rechte des überlebenden Partners am Anteil des Verstorbenen auf jene eines Verwalters (§ 837 ABGB) beschränkt. 5. Erwirbt der überlebende Partner den Anteil des Verstorbenen nach Z 1 oder geht dieser Anteil auf Grund einer Vereinbarung nach Z 2 auf eine andere Person über, so gilt für die Eintragung in das Grundbuch § 182 Abs. 3 AußStrG sinngemäß. (2) Der überlebende Partner, der den Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und Wohnungseigentum gemäß Abs. 1 Z 1 erwirbt, hat der Verlassenschaft nach dem Verstorbenen die Hälfte des Verkehrswerts (§ 2 Abs. 2 LBG) des Mindestanteils zu bezahlen (Übernahmspreis). Eine einvernehmliche Bestimmung des Übernahmspreises ist nur zulässig, wenn kein Inventar zu errichten ist und soweit dadurch nicht in Rechte von Gläubigern oder Pflichtteilsberechtigten des Verstorbenen eingegriffen wird. (3) Ist der überlebende Partner ein Pflichtteilsberechtigter des Verstorbenen und war Gegenstand des gemeinsamen Wohnungseigentums eine 1366
Wohnungseigentum der Partner im Todesfall
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Wohnung, die dem Überlebenden zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient, so gilt Abs. 2 nicht. Wenn aber noch ein anderer Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist, hat der überlebende Partner ein Viertel des Verkehrswerts des Mindestanteils an die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen zu bezahlen. Wenn zwar kein anderer Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist, die Verlassenschaft jedoch ohne eine Zahlung des überlebenden Partners überschuldet wäre, hat der Überlebende bis zur Höhe eines Viertels des Verkehrswerts des Mindestanteils den zur Deckung der Nachlassverbindlichkeiten erforderlichen Betrag an die Verlassenschaft zu bezahlen. Abs. 2 zweiter Satz gilt entsprechend. Ist dem überlebenden Partner die sofortige Zahlung dieses verminderten Übernahmspreises nach seinen Verhältnissen, insbesondere seinem Vermögen, seinem Einkommen, seinen Sorgepflichten sowie seinen Aufwendungen für die Wohnung und zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebenshaltung, nicht zumutbar, so hat das Verlassenschaftsgericht mangels einer anders lautenden Vereinbarung auf Antrag die Zahlungspflicht bis zu einer Frist von höchstens fünf Jahren hinauszuschieben oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums zu bewilligen; in beiden Fällen ist eine angemessene Verzinsung festzusetzen. (4) Die in Abs. 2 und 3 bestimmte Zahlungspflicht des überlebenden Partners kann durch letztwillige Verfügung des anderen Partners oder Schenkung auf den Todesfall erlassen werden. (5) 1. Die Partner können durch eine vor einem Notar oder unter anwaltlicher Mitwirkung schriftlich geschlossene Vereinbarung bestimmen, dass anstelle des gesetzlichen Eigentumsübergangs nach Abs. 1 Z 1 der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum einer anderen natürlichen Person zukommt. Der durch eine solche Vereinbarung Begünstigte erwirbt durch den Erbfall nicht unmittelbar Eigentum am halben Mindestanteil, sondern erhält damit erst einen Anspruch auf dessen Übereignung. Er hat diesen Anspruch innerhalb einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist durch Anmeldung im Verlassenschaftsverfahren gegen den Nachlass des Verstorbenen geltend zu machen. Der Begünstigte hat im Fall eines Nachlasskonkurses das Recht auf Aussonderung des halben Mindestanteils (§ 44 KO), sofern Gegenstand des gemeinsamen Wohnungseigentums eine Wohnung ist, die ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient. Der Begünstigte hat für die Übereignung des Anteils des Verstorbenen am Mindestanteil den Übernahmspreis nach Abs. 2 an die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen zu bezahlen; wenn beim Begünstigten aber die in Abs. 3 erster Satz genannten Voraussetzungen entsprechend vorliegen, gilt für ihn Abs. 3; 1367
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für die Erlassung der Zahlungspflicht des Begünstigten durch letztwillige Verfügung oder Schenkung auf den Todesfall gilt Abs. 4. 2. Unterlässt der Begünstigte die fristgerechte Verfolgung seines Anspruchs, so tritt der Eigentumsübergang nach Abs. 1 Z 1 mit der Rechtsfolge des Abs. 2 oder 3 ein. Gleiches gilt, wenn der Begünstigte den Erbfall nicht erlebt. Wenn der Begünstigte nach dem Erbfall, aber vor seiner Eintragung im Grundbuch stirbt, gilt für den Anspruch des Begünstigten die Regelung des Abs. 1 Z 1 entsprechend. (6) In den Fällen des Abs. 3 und 5 Z 1 vierter und fünfter Satz gelten die dort vorgesehenen Begünstigungen auch für einen im gemeinsamen Wohnungseigentum der Partner stehenden Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug, der von den Partnern zur einheitlichen Benützung zusammen mit der Wohnung gewidmet war. [BGBl I 2002/70; zuletzt geändert durch BGBl I 2006/124] Lit: Bartosch, Die Eigentümerpartnerschaft im Todesfall nach der Wohnrechtsnovelle 2006, NZ 2008, 5; BMF, Erlass vom 6.2.2003 über Zweifelsfragen im Zusammenhang mit Eigentumsübertragungen gem § 14 WEG 2002 – GebG und ErbStG, GeS 2004, 409 = ecolex 2005, 77; Czermak, Die Haftung des Vindikationslegatars für Erblasserschulden (§ 10 WEG), NZ 1987, 137; Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht (2007); Fischer-Czermak, Vereinbarungen nach § 14 Abs 4 und 5 WEG – Rechtliche Beurteilung und Verhältnis zum Erwerb des halben Mindestanteils im Erbweg, in FS Welser (2004) 189; Frei, Wohnungseigentum von Partnern im Todesfall nach der WRN 2006. Ein Leitfaden für das Verlassenschaftsverfahren, NZ 2006, 292; Hofmann, Die Neuregelung der Eigentümerpartnerschaft im Todesfall (§ 14 WEG 2002) durch die Wohnrechtsnovelle 2006, FamZ 2006, 228 (Teil I) und FamZ 2007, 46 (Teil II); Kletecˇ ka, Die Eigentümerpartnerschaft im Todesfall. Die lex lata und ein Vorschlag für eine Novellierung, NZ 2004/69; Koch-Hipp, Das rechtliche Schicksal der Ehewohnung im Überblick, EF-Z 2007/29, 44; Kralik/Beer, Vereinbarungen nach § 14 WEG 2002, NetV 2006, 5; Kralik/Benedikt, § 14 WEG 2002 unter Berücksichtigung der Wohnrechtsnovelle 2006, NetV 2007, 3; Likar-Peer, Die Neufassung des § 14 WEG 2002 durch die WRN 2006. Rechtsnachfolge bei Tod eines Eigentümerpartners, immolex 2006, 294; Markl, Zur „Vereinbarung“ zwischen Eigentümerpartnern gemäß § 14 Abs 4 WEG 2002, wobl 2004, 202; Markl/Hechenbichler, § 14 WEG 2002 idF WRN 2006, EF-Z 2007/4, 16; Oberhumer, Die Schenkung auf den Todesfall – kein Zwitter, NZ 2008, 129; Priglinger, Wohnungseigentum von Partnern im Todesfall, NZ 2003, 27; Spitzer, § 14 WEG neu: Tod des Eigentümerpartners, ecolex 2006, 818; Tschugguel, Wirkung des Nottestaments auf frühere Verfügungen. Wenn die Pflichtteilsforderung den Reinnachlass übersteigt – ein Fall des § 14 Abs 3 WEG 2002, iFamZ 2008, 354; Umlauft, Fragen und Fragwürdigkeiten im Zusammenhang mit Vereinbarungen zwischen Eigentümerparteien zu Gunsten Dritter gem § 14 Abs 4 WEG 2002, in FS Welser (2004) 1119; und im Übrigen wie Vor § 13 WEG 2002. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Alte Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Übergangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zuwachs gem § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwachsung als Regelfall – Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungspflicht bei Zuwachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übernahmspreis gem § 14 Abs 2 WEG 2002 . . . . . . . . . . . . . b) Sonderregelung gem § 14 Abs 3 WEG 2002 . . . . . . . . . . . . . c) Erlassen der Zahlungspflicht gem § 14 Abs 4 WEG 2002 . . . . C. Kein Zuwachs nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verzicht – § 14 Abs 1 Z 2 1. Fall WEG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarung mit den Erben – § 14 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002 D. Verlassenschaftsverfahren – Amtsbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . E. Fortsetzungsvereinbarung der Partner – § 14 Abs 5 WEG 2002 . . . F. Gemeinsamer Kfz-Abstellplatz – § 14 Abs 6 WEG 2002 . . . . . . . . .
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4 5–22 5–8 9–22 9–12 13–18 19–22 23–28 25–26 27–28 29–30 31–36 37
A. Allgemeines § 14 WEG 2002 gelangt immer beim Tod eines Eigentümerpartners zur An- 1 wendung. Er stellt eine spezielle wohnungseigentumsrechtliche Regelung der Rechtsnachfolge von Todes wegen im Fall einer Eigentümerpartnerschaft dar. Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nach § 14 Abs 5 WEG 2002 ist ein sonstiger Erwerb des Anteils des Verstorbenen von Todes wegen ausgeschlossen. § 14 WEG 2002 ist eine relativ komplexe Regelung an der Schnittstelle zwischen Wohnungseigentums-, Erb- und Pflichtteilsrecht und enthält sachen-, grundbuchs-, schuld-, insolvenz- und verfahrensrechtliche Elemente. Die Problematik resultiert aus der grundsätzlichen Verbundenheit der Anteile der Partner am Mindestanteil und dem gemeinsamen Wohnungseigentum (s auch Likar-Peer, immolex 2006, 294). § 14 WEG 2002 behandelt (nur) die Rechtsfolgen des Todes eines Partners einer Eigentümerpartnerschaft; die Rechtslage aufgrund des Todes eines alleinigen Wohnungseigentümers normiert § 12 WEG 2002. Nach dem WEG 1975 konnte Wohnungseigentum grundsätzlich nur einem Berechtigten ungeteilt zustehen. Für Ehegatten war eine Ausnahme (§ 2 Abs 1, § 9 WEG 1975) dahingehend vorgesehen, dass jeder Eigentümer eines halben „Mindestanteils“ sein konnte. Bei Auflösung der Ehe etwa durch Tod, musste auch schon seinerzeit das bisherige gemeinsame Eigentum aufgehoben werden (§§ 10, 11 WEG 1975; s dazu etwa 5 Ob 158/92 = SZ 65/158 = NZ 1993, 81; 5 Ob 247/97b = EvBl 1997/203 = EF 85.753). Im Hinblick auf die durch das WEG 2002 eingeführte „Eigentümerpartnerschaft“ (s dazu auch § 13 WEG 2002 Rz 1; Markl, wobl 2002, 129 ff) waren für den Fall des Ablebens eines Partners besondere Regeln über die Rechtsnachfolge erforderlich, die auch auf jene Eigentümerpartnerschaften Rücksicht nehmen, bei denen zwischen den Partnern keine familienrechtlichen Beziehungen bestehen (s dazu auch Vonkilch, wobl 2004, 87). Als Neuerung sahen deshalb § 14 Abs 4 bis 6 WEG 2002 1369
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(idF BGBl I 2002/70) eine Regelung vor, wonach die Partner durch schriftliche Vereinbarung bestimmen konnten, dass an Stelle des gesetzlichen Eigentumsübergangs nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum einer anderen natürlichen Person zukommt. Dieses Rechtsinstitut der Partnerschaftsvereinbarung fand in der Praxis wenig Zuspruch (zur Kritik in der L s Call, Ungereimtheiten und Versäumtes im Wohnungseigentumsgesetz [WEG] 2002). Nach einer ersten Bilanz nach einem Jahr Geltungskraft (NZ 2003, 62; Gantner/Hausmann/ Vonkilch, § 14 WEG Rz 2, 52, 61, 67, 75; Fischer-Czermak, in FS Welser 189; Kletecˇ ka, immolex 2002, 174; ders, NZ 2004, 69; Markl, wobl 2002, 129; ders, wobl 2004, 202; Priglinger, NZ 2003, 27; Vonkilch, wobl 2004, 87) wurde § 14 WEG 2002 im Rahmen der WRN 2006 einer Überarbeitung unterzogen.
1. Alte Rechtslage
2 § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 aF sah bei Tod eines Wohnungseigentümerpartners – vorbehaltlich einer Partnerschaftsvereinbarung nach § 14 Abs 4 WEG 2002 aF – vor, dass der Hälfteanteil des Verstorbenen ex lege an den überlebenden Partner fiel, soweit er diesen nicht ohnehin als Erbe oder Vermächtnisnehmer allein erwarb. Der Partner hatte an die Verlassenschaft des Verstorbenen nach § 14 Abs 2 WEG 2002 aF die Hälfte des Verkehrswerts des Mindestanteils zu bezahlen. Von der Zahlungspflicht war gem § 14 Abs 3 WEG 2002 aF der pflichtteilsberechtigte Partner, dem die Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses diente, soweit befreit, als nicht Ansprüche anderer Pflichtteilsberechtigter dadurch verkürzt wurden. Die Zahlungspflicht nach § 14 Abs 2 WEG 2002 aF konnten die Partner gem § 14 Abs 5 WEG 2002 aF durch eine schriftlichen Vereinbarung zu Lebzeiten ausschließen. Dazu bedurfte es einer schriftlichen Vereinbarung der Partner. Der Ausschluss der Zahlungspflicht war allerdings nach § 14 Abs 6 WEG 2002 aF insoweit unwirksam, als Rechte Pflichtteilsberechtigter beschränkt wurden.
2. Neue Rechtslage
3 Wenngleich der Wortlaut des § 14 WEG 2002 idF WRN 2006 vielfach an den Wortlaut des § 14 WEG 2002 aF erinnert, so enthält die neue Bestimmung doch eine ganz Reihe von Neuerungen, insb: – Entfall der Subsidiarität des wohnungseigentumsrechtlichen Erwerbs des Anteils des verstorbenen Partners gegenüber einem erbrechtlichen Erwerb – verbesserten Gläubigerschutz – Klarstellungen hinsichtlich der Rechte der Pflichtteilsberechtigten 1370
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– Vereinfachung der Regelung über den vom überlebenden Partner oder vom begünstigten Dritten bei bedarfsqualifizierten Erwerb zu zahlenden Übernahmspreis – Veränderung der Regelungssystematik innerhalb der Gesetzesbestimmung hinsichtlich der Anordnungen über vom Gesetz abweichende Rechtsfolgen – Klarstellung, dass auch der begünstigte Dritte einen Übernahmspreis bei Bedarfsqualifikation in vermindertem Ausmaß zu bezahlen hat – Entfall der „erbrechtlichen Erwerbsstufe“ bei unterbliebenem Erwerb durch den begünstigten Dritten – Ergänzung des Schriftformgebots für die Bestimmung eines begünstigten Dritten (Vereinbarung vor einem Notar oder unter anwaltlicher Mitwirkung) – erbrechtliche statt vertragsrechtliche Konstruktion für die Erlassung des Übernahmspreises (ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 17 f).
3. Übergangsregelung
§ 14 Abs 1, 2 und 3 WEG 2002 idF WRN 2006 sind anzuwenden, wenn der 4 Partner nach dem 30.9.2006 gestorben ist. § 14 Abs 4 WEG 2002 idF WRN 2006 ist anzuwenden, wenn die Erlassung der Zahlungspflicht nach dem 30. September 2006 verfügt oder vereinbart wurde. Das Formgebot des § 14 Abs 5 Z 1 WEG 2002 idF WRN 2006 gilt für Vereinbarungen, die nach dem 30.9.2006 geschlossen wurden; die übrigen Regelungen des § 14 Abs 5 Z 1 sowie § 14 Abs 5 Z 2 WEG 2002 jeweils idF WRN 2006 sind anzuwenden, wenn der Partner nach dem 30.9.2006 gestorben ist (§ 58 Abs 6 WEG 2002 idF WRN 2006).
B. Zuwachs gem § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 1. Anwachsung als Regelfall – Rechtsnatur
Der Regelfall der Rechtsnachfolge von Todes wegen bei der Eigentümerpart- 5 nerschaft ist die „Anwachsung sui generis“. Zur Anwachsung nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 kommt es dann, wenn es keine Vereinbarung iSd § 14 Abs 5 WEG 2002 zu Gunsten eines Dritten gibt, wenn es zwar eine Vereinbarung iSd § 14 Abs 5 WEG 2002 zu Gunsten eines Dritten gibt, der Dritte diese Begünstigung aber nicht geltend macht oder den Erbfall nicht erlebt (subsidiärer Zuwachs), und auch der überlebende Eigentümerpartner weder auf den anwachsenden Hälfteanteil verzichtet noch eine Vereinbarung nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG abschließt (zum Vorgehen bei der Prüfung dieser Voraussetzungen s Spitzer, ecolex 2006, 818 [819]). Eine weitere Ausnahme zur Anwachsung 1371
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folgt aus § 15 Abs 2 WEG 2002. Ist im Zeitpunkt des Todes eines der beiden bisherigen Ehegatten ein Verfahren gem §§ 81 ff EheG anhängig und auch das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt Gegenstand dieses Verfahrens, dann gehen die darüber im Aufteilungsverfahren getroffenen Anordnungen den Regelungen des § 14 WEG 2002 vor (vgl Markl/Hechenbichler, EF-Z 2007/4, 16 [FN 9]). 6 Der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum geht im Fall der Anwachsung von Gesetzes wegen unmittelbar ins Eigentum des überlebenden Partners über. Für diesen ex lege-Übergang bedarf es in Analogie zum Mietrechtseintritt (§ 14 Abs 2 MRG) keiner Geschäftsfähigkeit des Überlebenden (Resch, wobl 2008, 29). Die wohnungseigentumsrechtliche Anwachsung (Zuwachs) des § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 idF WRN 2006 ist gegenüber einem Erwerb des Anteils des Verstorbenen durch den überlebenden Partner als Erbe oder Vermächtnisnehmer nicht mehr subsidiär, sondern wird im Gegenteil ein „sonstiger Erwerb“ dieses Anteils von Todes wegen, etwa als Erbe oder Vermächtnisnehmer durch den Einleitungssatz des Abs 1 ausdrücklich ausgeschlossen (Kralik/Benedikt, NetV 2007, 3). Aufgrund dieser Konstruktion wird das Problem vermieden, dass bei der wohnungseigentumsrechtlichen Anwachsung die einzelnen Regelungen des § 14 WEG 2002 gelten, nicht aber bei erbrechtlichem Erwerb (ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 18). 7 Da die Eigentümerpartner keine Angehörigeneigenschaft besitzen müssen, ist die gesetzliche Zuweisung des Anteils des Verstorbenen an den überlebenden Partner nicht mehr als Vindikationslegat, sondern ohne erbrechtliche Anknüpfung als spezifisch wohnungseigentumsrechtliche Anwachsung sui generis konstruiert. Bei der wohnungseigentumsrechtlichen Anwachsung des § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 handelt es sich um einen Rechtsübergang ex lege, der sich bereits mit dem Erbfall vollzieht (5 Ob 200/05 f = wobl 2006/59). Es bedarf dazu keiner gesonderten Erklärung (zur Bedeutung von Erbfähigkeit und-[un]würdigkeit vgl Kletecˇ ka, NZ 2004, 225; ferner 5 Ob 218/06d). Es liegt darin auch eine Durchbrechung des Intabulationsprinzips (Dirnbacher, WEG 114); der Verbücherung kommt nur deklarative Bedeutung zu (5 Ob 65/06d). Aufgrund des unmittelbaren Eigentumsübergangs fällt der Anteil nicht in die Verlassenschaft (5 Ob 158/92 = Miet 44.616). Erwirbt der Überlebende den Anteil des verstorbenen Partners am Mindestanteil nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 durch Anwachsung gilt für die Eintragung ins Grundbuch § 182 Abs 3 AußStrG (Verfahren nach Rechtskraft der Einantwortung) sinngemäß (§ 14 Abs 1 Z 5 WEG 2002). 8 Die Anwachsung des halben Mindestanteils einer Eigentumswohnung gem § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 beim überlebenden Wohnungseigentumspartner stellt einen nach § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG 1987 grunderwerbssteuerpflichtigen 1372
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Erwerbsvorgang dar. Die auf dem Wohnungseigentumsanteil lastenden Schulden werden in der Regel in Anrechnung auf den Übernahmspreis vom Anwachsungsberechtigten übernommen und stellen daher keine zusätzliche Gegenleistung dar. Für Erwerbsvorgänge ab dem 27.6.2008 ist jedoch § 4 Abs 2 Z 1 GrEStG 1987 idF des SchenkMG 2008 beachtlich. Ist der Nachlass überschuldet und hat der Anwachsungsberechtigte zusätzlich eine Pflichtteilsergänzungsforderung zu erfüllen, so erhöht sich dadurch der Übernahmspreis und somit die Gegenleistung iSd § 5 GrEStG (UFS 16.11.2009, RV/ 0460-S/09). (Zur steuerrechtlichen Seite von Eigentumsübertragungen gem § 14 WEG 2002s auch BMF, Erlass über Zweifelsfragen iZm Eigentumsübertragungen gem § 14 WEG 2002 = ecolex 2005, 77).
2. Zahlungspflicht bei Zuwachs a) Übernahmspreis gem § 14 Abs 2 WEG 2002
Wenn der überlebende Partner den Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil 9 und Wohnungseigentum gem § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 durch Zuwachs erwirbt und weder ein Privilegierungsfall gem § 14 Abs 3 WEG 2002 noch eine letztwillige Verfügung oder eine Schenkung auf den Todesfall gem § 14 Abs 4 WEG 2002 vorliegen, ist der Verlassenschaft nach dem Verstorbenen die Hälfte des Verkehrswerts des Mindestanteils zu bezahlen (Übernahmspreis nach § 14 Abs 2 Satz 1 WEG 2002; entspricht § 10 Abs 2 WEG 1975). Der Verkehrswert ist jener Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann (§ 2 Abs 2 LBG). Der Übernahmspreis ist jene Geldleistung, die der überlebende Partner gleich- 10 sam als Entgelt für den Erwerb des Anteils des Verstorbenen an dessen Verlassenschaft zu erbringen hat. Da diese Geldleistung die Hälfte des Verkehrswerts des gesamten Mindestanteils, also gewissermaßen den Wert des halben Wohnungseigentumsobjekts beträgt, ergibt sich gegenüber der Verlassenschaft ein vollständiger Wertausgleich für die Anwachsung nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002. Die Zahlungspflicht besteht unabhängig davon, ob Pflichtteilsberechtigte, Erben oder Nachlassgläubiger vorhanden sind oder nicht (Dirnbacher, WEG 116). Die Zahlungspflicht besteht auch für den Fall, dass der Überlebende seinerzeit alleine oder zum überwiegenden Teil das Wohnungseigentumsobjekt finanziert hat. Die Höhe des Übernahmspreises kann grundsätzlich einvernehmlich be- 11 stimmt werden, vorausgesetzt, es ist kein Inventar zu errichten und soweit dadurch nicht in Rechte von Gläubigern oder Pflichtteilsberechtigten des Verstorbenen eingegriffen wird (§ 14 Abs 2 Satz 2 WEG 2002). Ein Inventar ist vor allem im Fall einer bedingten Erbserklärung zu errichten (§ 802 ABGB; 1373
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§ 165 Abs 1 Z 1 AußStrG) und wenn ein (Not-)Erbe minderjährig ist (§ 165 Abs 1 Z 2 AußStrG) (zur Inventarerrichtung s auch §§ 804, 807 ABGB; § 165 AußStrG). Mit wem der überlebende Partner die Höhe des Übernahmspreises vereinbaren kann, lässt das WEG zwar offen, es kommen dafür aber nur die Erben des Verstorbenen unter Zustimmung allfälliger Pflichtteilsberechtigter in Frage (Dirnbacher, WEG 116). Zur Berücksichtigung von Schulden bei Bemessung des Übernahmspreises und zur allfälligen Ausgleichspflicht zwischen den Erben und dem überlebenden Partner s Czermak, NZ 1987, 137 ff zu § 10 WEG 1975; zur Bemessungsgrundlage für die Berechnung von Erb- und Pflichtteilsansprüchen Hofmann, FamZ, 2006, 231; Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, 507; Bartosch, NZ 2008, 13; Tschugguel, iFamZ 2008, 354. 12 Durch eine einvernehmliche Bestimmung des Übernahmspreises darf nicht in Rechte von Gläubigern oder Pflichtteilsberechtigten des Verstorbenen eingegriffen werden. In welcher Weise ein Noterbe oder ein Gläubiger des Verstorbenen eine unter dem halben Verkehrswert des Mindestanteils liegende Festlegung des Übernahmspreises, durch die er in seinen Rechten beeinträchtigt wird, bekämpfen kann, wurde in § 14 WEG 2002 nicht geregelt. Die Materialien führen dazu aus, dass dem in seinen Rechten beeinträchtigten Noterben die gegen den überlebenden Partner zu richtende Klage auf Zahlung des durch diese Minderbewertung verursachten Ausfalls am Pflichtteil zur Verfügung steht. Der durch die Minderbewertung verkürzte Gläubiger kann eine eigene, nicht an die Tatbestände der Anfechtungsordnung geknüpfte Anfechtungsklage gegen den Überlebenden richten (ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 18).
b) Sonderregelung gem § 14 Abs 3 WEG 2002
13 Von der Zahlungspflicht des überlebenden Partners gem § 14 Abs 2 WEG statuiert Abs 3 eine wichtige Ausnahme. Diese Zahlungspflicht besteht dann nicht, wenn der überlebende Partner ein Pflichtteilsberechtigter des Verstorbenen ist und Gegenstand des gemeinsamen Wohnungseigentums eine Wohnung war, die dem Überlebenden zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient. Weiters wird gefordert, dass keine anderen Pflichtteilsberechtigten vorhanden sind und die Verlassenschaft ohne die Zahlung des überlebenden Partners nicht überschuldet ist. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. 14 Da nur überlebende Ehepartner zu den Pflichtteilsberechtigten gehören können, nicht aber auch überlebende nichteheliche Lebensgefährten, werden letztere durch § 14 Abs 3 WEG 2002 ungleich behandelt. Eine Privilegierung besteht auch nicht für Wohnungseigentum, das dem überlebenden Partner nicht zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient (3 Ob 203/ 99w = SZ 72/208). Der gewöhnliche Aufenthalt wird nicht gefordert. Der 1374
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maßgebliche Zeitpunkt, in dem die Wohnung bedarfsqualifiziert sein muss, ist jener des Todes des verstorbenen Partners (Dirnbacher, WEG 117). Wenn neben dem überlebenden Partner noch ein anderer (oder mehrere) 15 Pflichtteilsberechtigte(r) vorhanden ist (sind), dann hat der Überlebende ein Viertel des Verkehrswerts des Mindestanteils an die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen zu bezahlen (§ 14 Abs 3 Satz 2 WEG). Für die Frage des „Vorhandenseins“ eines weiteren Pflichtteilsberechtigten kommt es darauf an, ob es eine vom überlebenden Partner verschiedene, zum Zeitpunkt des Todes des Eigentümerpartners konkret pflichtteilsberechtigte Person gibt. Wenn zwar kein anderer Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist, die Verlassen- 16 schaft jedoch ohne eine Zahlung des überlebenden Partners überschuldet wäre, hat der Überlebende bis zur Höhe eines Viertels des Verkehrswerts des Mindestanteils den zur Deckung der Nachlassverbindlichkeiten erforderlichen Betrag an die Verlassenschaft zu bezahlen (§ 14 Abs 3 Satz 3 WEG). Die Frage der Überschuldung des Nachlasses ist im Verlassenschaftsverfahren keiner gesonderten Überprüfung zu unterziehen; die Regelung des § 14 Abs 3 WEG 2002 ist also kein Grund dafür, eine sonst nicht erforderliche Gläubigerkonvokation durchzuführen, zumal ein nicht zum Zug gekommener Nachlassgläubiger die Zahlungspflicht des überlebenden Partners nach dieser Bestimmung auch unabhängig von den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens geltend machen kann (ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 19). Die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung gem § 14 Abs 2 Satz 2 17 WEG 2002 gilt für die Fälle des verminderten Übernahmspreises entsprechend (§ 14 Abs 3 Satz 4 WEG 2002). Auch durch letztwillige Verfügung oder durch Schenkung auf den Todesfall (§ 14 Abs 4 WEG 2002) kann die Zahlungspflicht für den verminderten Übernahmspreis erlassen werden. Ist dem privilegierten überlebenden Partner die sofortige Zahlung des vermin- 18 derten Übernahmspreises nach seinen Verhältnissen, insb seinem Vermögen, seinem Einkommen, seinen Sorgepflichten sowie seinen Aufwendungen für die Wohnung und zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebenshaltung, nicht zumutbar, so hat das Verlassenschaftsgericht mangels einer anders lautenden Vereinbarung auf Antrag die Zahlungspflicht bis zu einer Frist von höchstens fünf Jahren hinauszuschieben oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums zu bewilligen; in beiden Fällen ist eine angemessene Verzinsung festzusetzen (§ 14 Abs 3 letzter Satz WEG 2002; entspricht inhaltlich § 10 Abs 3 letzter Satz WEG 1975). Bei der erwähnten „anders lautenden Vereinbarung“ handelt es sich um eine solche, die zwischen dem überlebenden Partner und den Pflichtteilsberechtigten und wohl auch Nachlassgläubigern geschlossen werden kann (Dirnbacher, WEG 119).
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c) Erlassen der Zahlungspflicht gem § 14 Abs 4 WEG 2002
19 Die in § 14 Abs 2 und 3 WEG 2002 bestimmte Zahlungspflicht (Pflicht zur Zahlung des Übernahmspreises bzw des verminderten Übernahmspreises) des überlebenden Partners kann durch letztwillige Verfügung des anderen Partners oder Schenkung auf den Todesfall erlassen werden (§ 14 Abs 4 WEG 2002). Anders als nach bisherigem Recht wurde durch die WRN 2006 die Erlassung der Zahlungspflicht nicht mehr vertragsrechtlich, sondern erbrechtlich konstruiert („liberatorisches Legat“ bzw liberatorische Schenkung auf den Todesfall). Abs 4 geht davon aus, dass es zum gesetzlichen Eigentumserwerb durch Zuwachs kommen wird, was üblicherweise dem Normalfall entspricht. Die Zahlungspflicht kann auch für den privilegierten Partner (nach § 14 Abs 3 WEG 2002) erlassen werden. 20 Das Erlassen der Zahlungspflicht des überlebenden Partners erfolgt entweder durch letztwillige Verfügung des anderen Partners (also des dann Verstorbenen) oder durch Schenkung auf den Todesfall. Nur diese beiden Varianten stehen nach aktueller Gesetzeslage offen, ein Erlassen durch sonstige (schriftlichen) Erklärungen oder Vereinbarungen zwischen den Partnern ist nicht mehr zulässig. Obwohl der Gesetzgeber zum Schutz von Noterben und Gläubigern hinsichtlich der Erlassung der Zahlungspflicht gem § 14 Abs 4 WEG 2002 eher von den Instrumentarien der Vermächtnislösung und weniger von der Vertragslösung auszugehen schien, bietet die Vertragslösung einen gleichwertigen Schutz und die Gläubiger werden über den Weg der Anfechtung nicht unverhältnismäßig schlechter gestellt (Oberhumer, NZ 2008, 141 ff). § 14 Abs 4 WEG 2002 hinsichtlich der Erlassung der Zahlungspflicht ist seit 1.10.2006 anzuwenden (§ 58 Abs 6 WEG 2002), davor getroffene Vereinbarungen über das Abbedingen der Zahlungspflicht sind aber weiterhin gültig. 21 Ob die Zahlungspflicht durch eine letztwillige Verfügung oder durch eine Schenkung auf den Todesfall erlassen wird, unterscheidet sich gravierend hinsichtlich der Bindungswirkung und hinsichtlich der Formvorschriften. Im erstgenannten Fall kann die Erklärung über die Erlassung der Zahlungspflicht jederzeit widerrufen werden; wird jedoch eine diesbezügliche Bindung zwischen den Partnern gewünscht, so muss der Weg über eine Schenkung auf den Todesfall gewählt werden. Diese kann während aufrechter Eigentümerpartnerschaft nur mehr einvernehmlich abgeändert oder beseitigt werden. Materielle Gültigkeitsvoraussetzung der Schenkung auf den Todesfall ist der uneingeschränkte Widerrufsverzicht des Schenkenden, der auch nicht durch eine beigesetzte Bedingung ausgehöhlt werden darf (8 Ob 107/05a = EF-Z 2006/ 81 [Höllwerth] = EvBl 2006/179; für die Möglichkeit, eine Schenkung auf den Todesfall iSd § 14 Abs 4 WEG mit einer Bedingung oder Auflage zu versehen, Dirnbacher, WEG 121). Bei einer Beendigung der Eigentümerpartnerschaft zu Lebzeiten der Partner wird die Schenkung auf den Todesfall unwirksam. 1376
Wohnungseigentum der Partner im Todesfall
§ 14 WEG
Anders als die letztwillige Verfügung ist die Schenkung auf den Todesfall notariatsaktspflichtig (§ 1 Abs 1 lit d NotariatsaktsG). Der entscheidende Vorteil der erbrechtlichen Konstruktion für die Erlassung 22 der Zahlungspflicht liegt darin, dass es nicht noch gesonderter Anordnungen über den Schutz der Noterben oder der Nachlassgläubiger bedarf, weil dieser bereits durch die aus dem Erbrecht bekannten Instrumentarien gewährleistet ist (Spitzer, ecolex 2006, 818 [820]). Dies gilt auch für den Nachlassgläubiger, der durch eine solche Verfügung und die damit ausbleibende Zahlung des überlebenden Partners in seinen Ansprüchen verkürzt ist. Er kann sich an den Erben halten und von diesem – wenn die Verlassenschaft wegen der unterbliebenen Zahlung des Übernahmspreises zur Befriedigung seiner Forderung nicht ausreicht – die Abtretung des entsprechenden Zahlungsanspruchs gegen den überlebenden Partner verlangen (ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 19).
C. Kein Zuwachs nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG 2002 Das Verlassenschaftsgericht hat dem überlebenden Partner eine angemessene 23 Frist zu setzen, innerhalb derer er den gesetzlichen Eigentumsübergang verhindern kann, was etwa dann nahe liegen könnte, wenn der überlebende Partner bereits weiß, dass er der Zahlungspflicht gem § 14 Abs 2 WEG 2002 nicht nachkommen wird können. Innerhalb der vom Verlassenschaft gesetzten Frist kann der überlebende Partner den ex-lege-Zuwachs dadurch ausschließen, dass er entweder auf den Eigentumsübergang verzichtet (§ 14 Abs 1 Z 2 WEG 2002 Variante 1) oder gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen unter Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten eine Vereinbarung schließt, aufgrund derer der Anteil des Verstorbenen einer anderen Person zukommt (§ 14 Abs 1 Z 2 WEG 2002 Variante 2). Die Angemessenheit der vom Verlassenschaftsgericht zu setzenden Frist be- 24 stimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, insb unter Berücksichtigung der Anzahl der Erben (Dirnbacher, WEG 114). Solange die Frist offen ist oder noch nicht gesetzt wurde und daher noch die Möglichkeit des Verzichts besteht, sind die Rechte des überlebenden Partners am Anteil des Verstorbenen auf jene eines Verwalters (§ 837 ABGB) beschränkt (§ 14 Abs 1 Z 4 WEG 2002; entspricht inhaltlich § 10 Abs 1 Z 4 WEG 1975; Würth/Rummel § 14 WEG 2002 Rz 4). Durch die gesetzliche Verbindung der Mindestanteile ergibt sich somit auch eine Beschränkung der Verfügungsmöglichkeit über den halben Mindestanteils des überlebenden Partners, die erst mit der Beendigung des Schwebezustandes wegfällt (Hopf/Kathrein § 14 WEG 2002 Anm 4; Gantner/Hausmann/Vonkilch, § 14 WEG Rz 22).
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1. Verzicht – § 14 Abs 1 Z 2 1. Fall WEG 2002
25 Der Verzicht gem § 14 Abs 1 Z 2 1. Fall WEG 2002 ist gegenüber dem Verlassenschaftsgericht zu erklären und wirkt auch sachenrechtlich ex tunc (Kletecˇ ka, immolex 2002, 174 [178]), also auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurück, sodass das Eigentum am halben Mindestanteil als nie auf den überlebenden Partner übergegangen gilt (EBRV 989 BlgNR 21. GP 48; vgl auch 5 Ob 200/ 05 f = immolex 2006/88 = wobl 2006/59 [Call]). Tritt der Eigentumsübergang nicht ein, so fällt der halbe Mindestanteil des Verstorbenen in dessen Nachlass (EBRV 1183 BlgNR 22. GP 18). Für die Abgabe einer Verzichtserklärung ist Geschäftsfähigkeit des Erklärenden notwendig; im Falle einer bereits erfolgten Sachwalterschaftsbestellung muss daher der Sachwalter den Verzicht erklären. Ist noch kein Sachwalter bestellt, tritt zwar der Übergang ex lege ein – weil dafür keine Geschäftsfähigkeit notwendig ist (siehe Rz 6) –, die Frist zur Ausübung des Verzichtsrechts kann allerdings erst dann zu laufen beginnen, wenn ein Sachwalter bestellt wird. Die Verzichtserklärung des Sachwalters bedarf der gerichtlichen Genehmigung, da diese Entscheidung eine Vermögensangelegenheit des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebes darstellt (Resch, wobl 2008, 29). 26 Der Verzicht gem § 14 Abs 1 Z 2 WEG 2002 hat nicht nur Auswirkungen auf den halben Mindestanteil des Verstorbenen, sondern führt zur Versteigerung des gesamten Anteils. Denn gem § 14 Abs 1 Z 3 WEG 2002 hat für den Fall des Verzichts das Verlassenschaftsgericht eine öffentliche Feilbietung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen Wohnungseigentums durch Versteigerung vorzunehmen.
2. Vereinbarung mit den Erben – § 14 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002
27 Der überlebende Partner kann auch eine Vereinbarung mit den Erben des Verstorbenen unter Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten schließen, aufgrund derer der Anteil des Verstorbenen einer anderen Person zukommt (§ 14 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002). Auch in diesem Fall tritt (wie beim Verzicht) der Eigentumsübergang nicht ein, so dass der halbe Mindestanteil des Verstorbenen – im Fall der Vereinbarung zumindest rechnerisch – in dessen Nachlass fällt (ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 18). 28 Im Fall einer Vereinbarung gem § 14 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002 stehen mehrere Möglichkeiten offen: Eine natürliche oder juristische Person übernimmt den gesamten Anteil; eine natürliche Person übernimmt den halben Anteil, wodurch eine neue Partnerschaft zwischen überlebendem Partner und einer hinzukommenden Person entsteht; zwei natürliche Personen übernehmen den gesamten Anteil und begründen eine neue Partnerschaft. 1378
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§ 14 WEG
D. Verlassenschaftsverfahren – Amtsbestätigung Erwirbt der Überlebende den Anteil des verstorbenen Partners am Mindestan- 29 teil durch Zuwachs nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 oder geht dieser Anteil aufgrund einer Vereinbarung nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG 2002 auf eine andere Person über, gilt für die Eintragung ins Grundbuch § 182 Abs 3 AußStrG (Verfahren nach Rechtskraft der Einantwortung) sinngemäß (§ 14 Abs 1 Z 5 WEG 2002). Auch wenn § 14 Abs 1 Z 5 WEG 2002 explizit nur auf den Erwerb nach § 14 Abs 1 Z 1 und Z 2 abstellt, wird auch im Falle einer Vereinbarung nach § 14 Abs 5 WEG 2002 mittels Amtsbestätigung unter Zustimmung aller Erben die grundbücherliche Eintragung vorzunehmen sein. Allerdings erwirbt der begünstigte Dritte im Gegensatz zum überlebenden Wohnungseigentumspartner, dem der Anteil des Verstorbenen zuwächst, nicht außerbücherliches Eigentum, sondern wirkt die Amtsbestätigung konstitutiv (Bartosch, NZ 2008, 11 f). Bezieht sich hingegen eine Vereinbarung nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG 2002 auch auf den Anteil des überlebenden Partners, ist darüber keine Amtsbestätigung auszustellen, sondern es obliegt dem Überlebenden, eine grundbuchstaugliche Urkunde zu schaffen (ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 18). Die Vereinbarung nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG 2002 ist ein Rechtsgeschäft unter 30 Lebenden (5 Ob 200/05 f = immolex 2006/88 = wobl 2006/59 [Call]). Erwerben Personen Rechte auf bücherlich zu übertragende Sachen nicht auf Grund der Einantwortung, sondern rechtsgeschäftlich, so hat das Verlassenschaftsgericht auf deren Antrag und mit Zustimmung aller Erben mit Beschluss zu bestätigen, dass sie in den öffentlichen Büchern als Eigentümer eingetragen werden können (§ 182 Abs 3 AußStrG, § 149 Abs 3 Geo). Aufgrund der Amtsbestätigung findet iSd § 33 Abs 1 lit d GBG die Einverleibung statt. Sie enthebt allerdings das Grundbuchsgericht nicht, vor Verbücherung aufgrund der vorgelegten Urkunden zu prüfen, ob etwa grundverkehrsbehördliche Bedenken gegen die Einverleibung bestehen (vgl 5 Ob 319/99v = NZ 2001/497 [krit Hoyer] = EvBl 2000/109; 5 Ob 1034/90). Derartige grundverkehrsbehördliche Erwägungen müssen aber bei Ausstellung der Amtsbestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG (noch) nicht angestellt werden (5 Ob 200/05 f = immolex 2006/88 = wobl 2006/59 [Call]).
E. Fortsetzungsvereinbarung der Partner – § 14 Abs 5 WEG 2002 Die Eigentümerpartner können durch eine vor einem Notar oder unter an- 31 waltlicher Mitwirkung schriftlich geschlossene Vereinbarung bestimmen, dass anstelle des gesetzlichen Eigentumsübergangs nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG 1379
§ 14 WEG
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2002 (Zuwachs bzw Anwachsung) der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum einer anderen natürlichen Person zukommt (§ 14 Abs 5 Z 1 Satz 1 WEG 2002). Der durch eine derartige Nachfolgeregelung Begünstigte erwirbt durch den Erbfall nicht unmittelbar Eigentum am halben Mindestanteil, sondern erhält damit erst einen Anspruch auf dessen Übereignung (§ 14 Abs 5 Z 1 Satz 2 WEG 2002). Zu Lebzeiten der Partner stehen dem durch die Vereinbarung Bedachten keinerlei Rechte zu, erst mit dem Erbfall entsteht der Anspruch auf Übereignung. Der Begünstigte hat diesen Anspruch innerhalb einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist durch Anmeldung im Verlassenschaftsverfahren gegen den Nachlass des Verstorbenen geltend zu machen (§ 14 Abs 5 Z 1 Satz 3 WEG 2002). Die Anmeldung ist an den Gerichtskommissär oder an das Gericht zu richten (§ 144 Abs 1 AußStrG). 32 Hat der Begünstigte seinen Anspruch erfolgreich geltend gemacht, hat er im Fall eines Nachlasskonkurses das Recht auf Aussonderung des halben Mindestanteils (§ 44 KO), sofern Gegenstand des gemeinsamen Wohnungseigentums eine Wohnung ist, die ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient (§ 14 Abs 5 Z 1 Satz 4 WEG 2002). Es muss sich um eine bedarfsqualifizierte Wohnung des Begünstigten handeln, andernfalls geht der Gläubigerschutz vor. 33 Der Begünstigte hat für die Übereignung des Anteils des Verstorbenen am Mindestanteil den Übernahmspreis nach § 14 Abs 2 WEG 2002 an die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen zu bezahlen. Wenn es sich beim Begünstigten aber um einen Pflichtteilsberechtigten des Verstorbenen handelt und ihm die Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient (Privilegierungstatbestand des § 14 Abs 3 Satz 1 WEG 2002), dann hat er für den Fall, dass keine anderen Pflichtteilsberechtigten vorhanden sind und der Nachlass nicht überschuldet ist, keinen Übernahmspreis bzw wenn der Nachlass verschuldet ist, (allenfalls) nur den verminderten Übernahmspreis gem § 14 Abs 2 WEG 2002 zu bezahlen. Für die Erlassung der Zahlungspflicht des Begünstigten durch letztwillige Verfügung oder Schenkung auf den Todesfall gilt § 14 Abs 4 WEG 2002 entsprechend (§ 14 Abs 5 Z 1 letzter Satz WEG 2002). 34 Unterlässt der Begünstigte die fristgerechte Verfolgung seines Anspruchs (dem Unterlassen der fristgerechten Verfolgung des Anspruchs ist das Scheitern der Durchsetzung gleichzuhalten), so tritt der Eigentumsübergang nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 (Anwachsung) mit der Rechtsfolge des § 14 Abs 2 oder 3 WEG 2002 ein (§ 14 Abs 5 Z 2 Satz 1 WEG). Gleiches gilt, wenn der Begünstigte den Erbfall nicht erlebt (§ 14 Abs 5 Z 2 Satz 2 WEG 2002). Der Erbe des vorverstorbenen Begünstigten tritt also – außer es wurde von den Eigentümerpartnern in der Vereinbarung ausdrücklich vorgesehen – nicht in das Recht des Be1380
Wohnungseigentum der Partner im Todesfall
§ 14 WEG
günstigten ein. Der Nichterwerb des halben Mindestanteils durch den Begünstigten – unabhängig aus welchen Gründen – führt zur Anwachsung des § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 (gesetzlicher „Normalfall“) und zur Zahlungspflicht des überlebenden Partners gem § 14 Abs 2 WEG 2002, sofern kein Privilegierungstatbestand des § 14 Abs 3 WEG 2002 vorliegt. Wenn der Begünstigte nach dem Erbfall, aber vor seiner Eintragung im 35 Grundbuch stirbt, gilt für den Anspruch des Begünstigten die Regelung des § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 entsprechend (§ 14 Abs 5 Z 2 letzter Satz WEG 2002). Es tritt also auch im Fall des Todes des Begünstigten vor der Einverleibung des schuldrechtlich bereits erworbenen Anspruchs auf Übertragung des halben Mindestanteils der gesetzliche Normalfall der Anwachsung ein. Der überlebende Partner hat damit den (allenfalls verminderten) Übernahmspreis (§ 14 Abs 2 bzw 3 WEG 2002) an die Verlassenschaft bzw an den Erben des vorverstorbenen Begünstigten zu bezahlen. Für die Gültigkeit einer Vereinbarung nach § 14 Abs 5 WEG 2002 wird ver- 36 langt, dass sie nachweislich vor einem Notar oder unter anwaltlicher Mitwirkung geschlossen wird. Die „anwaltliche Mitwirkung“ kann in der Vertretung jedes der beiden Partner durch einen (eigenen) Rechtsanwalt oder – vorbehaltlich allenfalls kollidierender Interessen der Partner – in der Teilnahme eines für beide Partner tätig werdenden Rechtsanwalts bestehen. Die Wendung „unter anwaltlicher Mitwirkung“ nimmt also auch darauf Bedacht, dass beim Abschluss einer Vereinbarung gem § 14 Abs 5 Z 1 WEG 2002 die Vertretung beider Partner durch einen einzigen Rechtsanwalt unter Umständen zum standesrechtlichen Verbot der Doppelvertretung in einem Spannungsverhältnis stehen kann (AB 1530 BlgNR 22. GP 2). Aufgrund der Bestimmung in § 10 Abs 4 RAO ist sichergestellt, dass der Rechtsanwalt vor Abschluss der Vereinbarung die Partei umfassend darüber belehrt und sich vergewissert, dass sie die Tragweite und die Auswirkungen der Vereinbarung verstanden hat (zu den Erfordernissen eines Notariatsakts s §§ 5, 68 NO). § 14 Abs 5 WEG 2002 lässt offen, ob der (auch nur einvernehmlich mögliche) Widerruf der Vereinbarung ebenfalls der notariellen bzw anwaltliche Mitwirkung bedarf. Da durch einen Widerruf zum gesetzlichen „Normalfall“ zurückgekehrt würde, scheint dies nicht notwendig. Das Formerfordernis des § 14 Abs 5 WEG 2002 gilt für Vereinbarungen, die seit dem 1.10.2006 geschlossen wurden. Frühere Vereinbarungen, die lediglich schriftlich, aber ohne anwaltliche Mitwirkung bzw ohne Notar geschlossen wurden, behalten ihre Gültigkeit.
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§ 15 WEG
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F. Gemeinsamer Kfz-Abstellplatz – § 14 Abs 6 WEG 2002 37 In den Fällen des § 14 Abs 3 und Abs 5 Z 1 vierter und fünfter Satz WEG 2002 gelten die dort vorgesehenen Begünstigungen auch für einen im gemeinsamen Wohnungseigentum der Partner stehenden Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug, der von den Partnern zur einheitlichen Benützung zusammen mit der Wohnung gewidmet war (§ 14 Abs 6 WEG 2002). Mit dieser Regelung wurde klargestellt, dass die Begünstigungen, die in § 14 WEG 2002 für eine im gemeinsamen Wohnungseigentum der Partner stehende, bedarfsqualifizierte Wohnung vorgesehen sind (nämlich die Verminderung des Übernahmspreises und die Zahlungserleichterungen laut Abs 3 und Abs 5 Z 1 fünfter Satz sowie das Aussonderungsrecht nach Abs 5 Z 1 vierter Satz), auch für einen ebenfalls im gemeinsamen Wohnungseigentum der Partner stehenden Kfz-Abstellplatz gelten, der von den Partnern zur Benützung gemeinsam mit der Wohnung gewidmet war. Diese Begünstigungserstreckung gilt also nicht für einen KfzAbstellplatz, der von den Partnern anders genutzt wird als die Wohnung (etwa wenn der Abstellplatz vermietet wird). Sie setzt weiters die Existenz einer iSd oben angeführten Regelungen bedarfsqualifizierten Wohnung voraus; besteht die Eigentümerpartnerschaft nur an einem Abstellplatz, kommt daher die Begünstigung nicht in Betracht. Die Begünstigung des § 14 Abs 6 WEG 2002 erstreckt sich auch auf einen Kfz-Abstellplatz, der gem § 1 Abs 2 WEG 1975 mit der Wohnung verbunden ist und an dem also weiterhin Zubehör-Wohnungseigentum besteht (§ 56 Abs 1 Satz 2 WEG 2002; obwohl mangels Sonderrechtsfähigkeit des Zubehörs eine diesbezügliche Klarstellung in ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 20 f nicht notwendig gewesen wäre).
Eigentümerpartnerschaft von Ehepartnern bei Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe § 15. (1) Einigen sich im Fall der Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe die bisherigen Ehegatten nicht über die Aufhebung ihrer Eigentümerpartnerschaft, so steht dem Begehren eines von ihnen auf Aufhebung der Partnerschaft (§ 830 ABGB) nach Ablauf eines Jahres seit dem Eintritt der Rechtskraft der Auflösung der Ehe der Einwand der Unzeit oder des Nachteils nicht entgegen. (2) Ist im Zeitpunkt des Todes eines der beiden bisherigen Ehegatten ein Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse anhängig und gehört auch das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt zum Gegenstand dieses Verfahrens, so gehen die darüber im Aufteilungsverfahren getroffenen Anordnungen den Regelungen des § 14 vor. [BGBl I 2002/70; zuletzt geändert durch BGBl I 2006/124]
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Eigentümerpartnerschaft bei Auflösung der Ehe
§ 15 WEG
Wird bei einer Scheidung (Nichtigerklärung, Aufhebung) keine Einigung 1 über die Aufhebung der Eigentümerpartnerschaft erzielt, kann nach Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung die Aufhebungsklage erhoben werden, ohne dass dieser dann noch der Einwand der Unzeit oder des Nachteils erfolgreich entgegengehalten werden könnte. Nur während der Jahresfrist nach rechtskräftiger Scheidung kann also die Aufhebungsklage abgewehrt werden. § 15 Abs 1 WEG 2002 stellt eine lex specialis zu § 830 ABGB dar (Gantner/Hausmann/Vonkilch § 15 WEG Rz 2) und geht inhaltlich in zwei verschiedene Richtungen: Auf der einen Seite bedeutet die Sonderregelung, dass ein früherer Ehepartner die Teilungsklage des anderen während eines Zeitraums von einem Jahr nach Rechtskraft der Eheauflösung mit dem Einwand der Unzeit oder des Nachteils – etwa im Hinblick auf ein einzuleitendes Aufteilungsverfahren – abwehren kann. Auf der anderen Seite wird klargestellt, dass nach Ablauf dieses Jahres ein solcher Einwand entgegen den allgemeinen Regelungen des § 830 ABGB nicht mehr möglich ist (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 51). § 15 Abs 1 WEG 2002 stellt nicht auf das dringende Wohnbedürfnis ab und 2 schützt daher alle WE-Objekte von Ehepartnern als Eigentümerpartner vor der Aufhebungsklage innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung. Dieser weitergehende Schutz, als er für die aufrechte Ehe besteht, gründet darin, dass die Möglichkeit eines gerichtlichen Aufteilungsverfahrens nach §§ 81 ff EheG nicht unterlaufen werden soll. Nach Ablauf der Frist sind nicht einmal die sonstigen Einwendungen von nicht privilegierten Partnern, die die Ehepartner durch die Scheidung geworden sind, gegen die Teilungsklage (Unzeit, Nachteil) zulässig (Würth/Rummel § 15 WEG Rz 2). Seit Inkrafttreten des WEG 2002 können auch geschiedene Ehepartner ihre 3 Eigentümerpartnerschaft am Mindestanteil aufrecht halten. Mit dem Tod eines früheren Ehepartners wächst dann der Anteil des Verstorbenen dem überlebenden früheren Ehepartner zu. Ist man mit dieser Rechtsfolge nicht einverstanden, muss entweder die Eigentümerpartnerschaft zu Lebzeiten aufgelöst oder eine Vereinbarung gem § 14 Abs 5 WEG 2002 geschlossen werden. Solange die Eigentümerpartnerschaft geschiedener Ehepartner noch existiert, gilt für sie ohnedies auch § 13 Abs 3 WEG 2002; eine dem früheren § 11 Abs 2 WEG 1975 entsprechende Bestimmung hielt der Gesetzgeber für entbehrlich. Wohl aber musste die Regelung des § 11 Abs 1 zweiter Satz WEG 1975 in das neue Recht transferiert werden, um im zeitlichen Gefolge des Teilungsausschlusses während der Ehe (gem § 13 Abs 6 vorletzter Satz WEG 2002 idF WRN 2006) einen lückenlosen Schutz für den Zeitraum zwischen Eheauflösung und spätestmöglichem Zeitpunkt für die Einleitung eines Verfahrens zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse zu bieten (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 51).
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4 Der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse ist gem § 96 EheG vererblich, soweit er durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden ist. Die Regelungen des § 14 WEG 2002 für den Fall des Ablebens eines Partners auf der einen und die §§ 81 ff EheG auf der anderen Seite können daher kollidieren. Eine solche Kollision wird durch den neuen § 15 Abs 2 WEG 2002 gelöst. Ist im Zeitpunkt des Todes eines der beiden bisherigen Ehegatten ein Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse anhängig und gehört auch das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt zum Gegenstand dieses Verfahrens, so gehen die darüber im Aufteilungsverfahren getroffenen Anordnungen den Regelungen des § 14 WEG 2002 vor (§ 15 Abs 2 WEG 2002 idF der WRN 2006). Für das Schicksal des halben Mindestanteils des verstorbenen Partners gelten somit primär die im nachehelichen Aufteilungsverfahren getroffenen Anordnungen und gehen jenen des § 14 WEG 2002 vor, sofern nicht wohnungseigentumsrechtliche Verfügungen der Partner nach § 14 Abs 4 und 5 WEG 2002 im Aufteilungsverfahren mit zu berücksichtigen sind. Liegt eine Vereinbarung über eine Ausgleichszahlung gem § 14 WEG 2002 vor, so ist für die Frage nach der Festsetzung dieser Zahlung das allgemeine Eherecht heranzuziehen. Um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, kann im Zuge des gesamten Aufteilungsverfahrens das Gericht gem § 94 EheG einem Ehepartner eine Ausgleichszahlung auferlegen (Gantner/Hausmann/Vonkilch § 15 WEG Rz 12). 5 Eine analoge Anwendung des § 15 WEG 2002 auf eine im Alleineigentum eines Ehepartners stehende Eigentumswohnung ist unzulässig (LGZ Wien Miet 29.499). Ist den inzwischen geschiedenen Ehepartnern die Wohnung, an der sie gemeinsames Wohnungseigentum erwerben wollten, schon zur Benützung übergeben, der Kaufvertrag aber noch nicht verbüchert worden, so sind sie noch nicht Wohnungseigentümer, sondern nur Wohnungseigentumsbewerber. Auf die Regelung der Rechtsverhältnisse an einer solchen Ehewohnung nach der Scheidung der Ehe ist § 15 WEG 2002 nicht unmittelbar, aber analog anwendbar. Denn es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber an einen solchen Sachverhalt keine Rechtsfolge knüpfen wollte, weil dies zur Konsequenz hätte, dass die ehemaligen Ehepartner zunächst gemeinsames Wohnungseigentum erwerben müssten und erst dann eine Auseinandersetzung nach § 15 WEG 2002 möglich wäre. Daher liegt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vor, deren Schließung durch eine analoge Anwendung des § 15 WEG 2002 nahe liegt (LGZ Wien Miet 29.500). 6 Zur Frage, ob § 13 Abs 3 WEG 2002 bei der Pfändung von Wohnungseigentumsanwartschaftsrechten von Ehepartnern analog anzuwenden ist, liegt noch keine abschließende Stellungnahme des OGH vor (3 Ob 2049/96m = ecolex 1997, 576), wohl aber eine zweitinstanzliche E (LGZ Graz 4 R 569/95), wonach bei Pfändung eines Wohnungseigentumsanwartschaftsrechts § 13 1384
Eigentümerpartnerschaft bei Auflösung der Ehe
§ 15 WEG
Abs 3 WEG 2002 analog heranzuziehen ist, sodass also bereits bei der Pfändung und nicht erst bei der Verwertung der Antrag auf Pfändung des Aufhebungsanspruchs gestellt werden müsste; dem ist beizupflichten. Wird nach Scheidung (Nichtigerklärung, Aufhebung) der Ehe gleichzeitig mit 7 dem Alleineigentumsrecht eines der (ehemaligen) Ehepartner an der im bisherigen Ehepartnerwohnungseigentum gestandenen Eigentumswohnung ein Pfandrecht zugunsten des anderen (ehemaligen) Ehepartners beantragt, so ist die Anm 12 lit d zur TP 9 GGG (Freiheit von der Eintragungsgebühr für das Pfandrecht im Ausmaß von 1,1%) anwendbar (VwGH 95/16/0063 = Miet 48.827).
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Kapitel 9 Sozialversicherungs- und Pensionsrecht
E. Gitschthaler et al. (eds.), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht © Springer-Verlag/Wien 2011
Lit: Aigner, Ärztegesetz 1998 samt erläuternden Anmerkungen3 (2007); Baier, Kriegsopferversorgungsgesetz (1964); Benke, Zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft 2009: Weder Ehe noch Familie, EF-Z 01/2001, 19; Binder, Die Problematik der Geschiedenen-Pensionsregelung, in Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992) 669; Brodil/Windisch-Graetz, Sozialrecht in Grundzügen6 (2009); Emberger/Wallner (Hrsg), Ärztegesetz mit Kommentar2 (2008); Engelmaier, Die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Scheidung, WR 1991, 14; Feil, Anwaltsrecht5 (2008); Fehringer, Die sozialrechtliche Stellung von Inhaftierten und deren Angehörigen, JAP 2008/2009, 160 (Teil I) und 2008/2009, 235 (Teil II); Füszl/Hausreither (Bearb), Ärzterecht8 (2009); Graschopf (Red), Handbuch des Familiensozialrechts7 (2004); Heckenast, Zum Anspruch auf Witwenpension von Geschiedenen gem § 258 Abs 4 lit d ASVG, RdA 2003, 78; Hofer, Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Hinterbliebenenpension, ZAS 2009/43; Kerschner, Kommentar zu OLG Wien 11.2.1981, 31 R 13/81, ZAS 1982, 110; Krejci/Pany/Schwarzer, Ziviltechnikerrecht2 (1997); Lang/Temmel (Bearb), Berufsrecht der Rechtsanwälte und Notare2 (2006); Leitner, Die neue Mitversicherung für Lebensgefährten, EF-Z 01/2010, 46; Marek, Pensionsrecht ab dem Jahr 2006 für Arbeiter und Angestellte, Selbständige, Bauern (2006); Müller, Die Frau in der Sozialversicherung, ASoK 2002, 113; Neumayr, Sozialversicherungsrechtliche Folgen der Ehescheidung Teil I: Krankenversicherung, Teil II: Pensionsversicherung, FamZ 2007, 221, 40; Penkler (Bearb), Wehrrecht7 (2003); Pepelnik, Sozialhilferecht der Bundesländer (2008); Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht: Textausgabe (2000); ders, Österreichisches Sozialhilferecht: Kommentierung (1989); Poperl (Red), ASVG-Sozialversicherungs-Handbuch. Gesamtwert 1.-42. Lfg (2009); Radner, Sozialversicherungsrecht 2009 – kurz gefasst (2009); ders, Sozialversicherungsrechtlicher Schutz bei Ehescheidung2 (1993); Runggaldier/Sacherer, Eigenständige Alterssicherung der Frau, SozSi 2003, 114; Schiffbänker, Weibliche Lebenszusammenhänge im Sozialversicherungsrecht, in Floßmann (Hrsg), Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit (1997) 406; dies, Die Frau in der Sozialversicherung, in Aichhorn (Hrsg), Frauen & Recht (1997) 215; Stoiber, Der Anspruch von Geschiedenen auf Hinterbliebenenpension. Unterschiede bei einvernehmlicher bzw streitiger Ehescheidung, SWK 1987, B I 5; Tades (Hrsg), Rechtsanwaltsordnung8 (2005); Teschner/Widlar (Hrsg), Allgemeine Sozialversicherung: ASVG (2007); dies (Hrsg), Die Sozialversicherung der Bauern: BSVG (2009); dies (Hrsg), Die Sozialversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen: GSVG (2009); Verschraegen, Mitversicherungsbeitrag und Unterhalt, ÖJZ 2003/16; Weissensteiner, Witwen(er)pension – eine Diskussionsanregung, RdA 2007, 365; Wörister, Eigenständige Absicherung von Frauen, SozSi 2001, 269; Wuketich, Zur sozialversicherungsrechtlichen Situation der Bäuerin, SozSi 1989, 253; Verschraegen, Mitversicherungsbeitrag und Unterhalt, ÖJZ 2003/16; Zach (Hrsg), Das Pensionsrecht. Pensionsrecht der Bundesbeamten, Loseblattsammlung; Zentralorganisation der Kriegsopfer- und Invalidenverbände Österreichs, Kriegsopferversorgungsgesetz, Loseblattsammlung.
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Bundesgesetz vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG) [BGBl 1955/189 idF BGBl I 2009/135]
Selbstversicherung in der Krankenversicherung § 16. (1) Personen, die nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, können sich, solange ihr Wohnsitz im Inland gelegen ist, in der Krankenversicherung auf Antrag selbstversichern. (2) . . . (3) Die Selbstversicherung beginnt 1. unmittelbar im Anschluß an die Krankenversicherung oder Anspruchsberechtigung in der Krankenversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz, mit Ausnahme des GSVG und des BSVG, wenn der Antrag binnen sechs Wochen nach dem Ende der Versicherung oder Anspruchsberechtigung gestellt wird, 2. sonst mit dem der Antragstellung folgenden Tag, im Falle des Ausscheidens a) aus der Pflichtversicherung nach § 2 GSVG oder § 2 BSVG oder b) aus der Selbstversicherung nach § 14a GSVG oder c) aus der Pflichtversicherung nach § 14b GSVG oder aus einer wahlweise zur Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG geschaffenen Versorgungseinrichtung einer gesetzlichen beruflichen Vertretung jedoch frühestens 60 Kalendermonate nach dem Ausscheiden. (4) War der Antragsteller in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz 1. bereits versichert, so ist der Antrag auf Selbstversicherung bei dem Träger der Krankenversicherung einzubringen, bei dem er zuletzt versichert war, wenn er in dessen Bereich seinen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) hat; ist eine Betriebskrankenkasse zuletzt Träger der Kran1390
Selbstversicherung in der Krankenversicherung
§ 16 ASVG
kenversicherung gewesen, so kann der Antrag statt bei der Betriebskrankenkasse bei der für seinen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) zuständigen Gebietskrankenkasse eingebracht werden; 2. nicht versichert oder hat er seinen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) nicht im Bereich des Trägers der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz, bei dem er zuletzt versichert war, so ist der Antrag auf Selbstversicherung bei der Gebietskrankenkasse einzubringen, in deren Bereich er seinen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) hat. (5) . . . (6) . . . Im Unterschied zu geschiedenen Ehepartnern und früheren eingetragenen 1 Partnern gem EPG von Beamten (vgl § 56 B-KUVG) gelten jene von Versicherten anderer Sozialversicherungsträger (ASVG, BSVG, GSVG) nicht als Angehörige und können daher nach einer Scheidung nicht weiter mitversichert sein, auch nicht bei Bestehen eines Unterhaltsanspruchs. Als Angehörige gelten hier nur Ehepartner in aufrechter Ehe bzw eingetragene Partner gem EPG (§ 123 Abs 2 Z 1 ASVG; § 78 Abs 2 Z 1 BSVG; § 83 Abs 2 Z 1 GSVG). Mit rechtskräftiger Scheidung bzw Auflösung der eingetragenen Partnerschaft verliert der in aufrechter Beziehung Mitversicherte die sozialversicherungsrechtliche Angehörigeneigenschaft. Ein Weiterbestehen der Mitversicherung kann zwischen den Ehepartnern bzw Partner vertraglich nicht vereinbart werden. Für geschiedene Ehepartner und frühere eingetragene Partner, die durch 2 die Scheidung bzw Auflösung der eingetragenen Partnerschaft den Krankenversicherungsschutz als mitversicherter Angehöriger verloren haben, bestehen verschiedene Möglichkeiten zu einem eigenen Versicherungsschutz zu gelangen. Neben der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bieten sich insb die freiwillige Selbstversicherung gem § 16 ASVG, die freiwillige Weiterversicherung gem § 8 GSVG bzw § 8 BSVG oder die Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung (§ 19a ASVG) an. Wesentlich für die Kontinuität des Krankenversicherungsschutzes ist die An- 3 tragstellung binnen sechs Wochen (ASVG) bzw sechs Monaten (GSVG, BSVG) nach Rechtskraft des Scheidungsurteils bzw der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft. Nur wenn diese Frist gewahrt wird, schließt die Selbstbzw Weiterversicherung an die vorangegangene Versicherung unmittelbar an, sodass Leistungen bereits ab dem Beginn der Selbst- bzw Weiterversicherung in Anspruch genommen werden können. Für den Fall, dass diese Frist versäumt wird, beginnt die Selbst- bzw Weiterversicherung zwar mit dem auf die Antragstellung folgenden Tag, ein Anspruch auf Versicherungsleistungen besteht allerdings erst nach einer Wartezeit von drei Monaten nach dem ASVG 1391
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Aichhorn
(diese Zeitspanne kann durch die Satzung des Sozialversicherungsträgers auf sechs Monate ausgedehnt werden) und nach einer Wartezeit von sechs Monaten nach dem GSVG und dem BSVG – in diesem Zeitraum müssen Beiträge geleistet werden, ohne dass Leistungen in Anspruch genommen werden können. 4 Sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse des geschiedenen Ehepartners bzw des früheren eingetragenen Partners diese Vorgangsweise rechtfertigen, ist angesichts der nicht unbeträchtlichen Kosten einer freiwilligen Krankenversicherung ein Antrag auf Herabsetzung des Beitrags anlässlich der Antragstellung sinnvoll. Diese Mäßigung der Zahlungspflicht liegt im Ermessen des Sozialversicherungsträgers und gilt für ein Jahr, sodass ein neuerlicher Herabsetzungsantrag vor Ablauf dieser Zeitspanne in Betracht gezogen werden muss. 5 Die freiwillige Selbstversicherung in der Krankenversicherung endet mit dem Eintritt einer Versicherungspflicht, denn die Begründung einer gesetzlichen Krankenversicherung ist gem § 16 Abs 6 ASVG als Wegfall einer Voraussetzung für die Begründung der Selbstversicherung zu sehen (E VwGH 2.4.2008, 2006/08/0165 = ZfVB 2009/175).
Witwen(Witwer)pension § 258. (1) Anspruch auf 1. Witwenpension hat die Witwe nach dem Tod des versicherten Ehegatten; 2. Witwerpension hat der Witwer nach dem Tod der versicherten Ehegattin. (2) Die Pension nach Abs. 1 gebührt bis zum Ablauf von 30 Kalendermonaten nach dem Letzten des Monats des Todes des (der) versicherten Ehegatten (Ehegattin), 1. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, es wäre denn, daß die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat; 2. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat und die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem der andere Ehegatte einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Pension aus einem Versicherungsfall des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit mit Ausnahme des Knappschaftssoldes und der Knappschaftspension hatte, es wäre denn, daß a) die Ehe mindestens drei Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 20 Jahre betragen hat oder 1392
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Witwen(Witwer)pension
b) die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 25 Jahre betragen hat oder c) die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten mehr als 25 Jahre betragen hat; 3. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat und die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem der Ehegatte bereits das 65. Lebensjahr (die Ehegattin bereits das 60. Lebensjahr) überschritten und keinen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine in Z 2 bezeichnete Pension hatte, es wäre denn, daß die Ehe zwei Jahre gedauert hat. Wäre der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Ablaufs der Frist, für die die Pension zuerkannt wurde, in sinngemäßer Anwendung der §§ 254 Abs. 1 Z 1 und 255 Abs. 3 als invalid anzusehen und wurde die Weitergewährung der Pension spätestens innerhalb von drei Monaten nach deren Wegfall beantragt, so ist die Pension für die weitere Dauer der Invalidität zuzuerkennen. Der Anspruch auf eine befristet zuerkannte bzw. für die Dauer der Invalidität weitergewährte Witwen(Witwer)pension erlischt ohne weiteres Verfahren, wenn sich der Bezieher (die Bezieherin) einer solchen Pension wiederverehelicht. (3) Abs. 2 gilt nicht, 1. wenn in der Ehe ein Kind geboren oder durch die Ehe ein Kind legitimiert wurde oder die Witwe sich im Zeitpunkt des Todes des Ehegatten erwiesenermaßen im Zustand der Schwangerschaft befunden hatte oder in diesem Zeitpunkt dem Haushalt der Witwe (des Witwers) ein Kind des (der) Verstorbenen angehörte, das Anspruch auf Waisenpension hat; 2. wenn die Ehe vor dem 12. Juni 1949 geschlossen worden ist; 3. wenn die Ehe von Personen geschlossen wurde, die bereits früher miteinander verheiratet gewesen sind und bei Fortdauer der früheren Ehe der Witwen(Witwer)pensionsanspruch nicht ausgeschlossen gewesen wäre. (4) Die Pension nach Abs. 1 gebührt nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 auch 1. der Frau, 2. dem Mann, deren (dessen) Ehe mit dem (der) Versicherten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr (ihm) der (die) Versicherte zur Zeit seines (ihres) Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte bzw. Unterhalt geleistet hat, und zwar a) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, b) auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches, 1393
§ 258 ASVG
Aichhorn
c) auf Grund einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung, d) regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem (ihrem) Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem (ihrem) Tod, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat, sofern und solange die Frau (der Mann) nicht eine neue Ehe geschlossen hat. Inhaltsübersicht A. B. C. D. E. F.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 258 Abs 4 lit a ASVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 258 Abs 4 lit b ASVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 258 Abs 4 lit c ASVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 258 Abs 4 lit d ASVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Privilegierung im Fall der Scheidung nach § 55 iVm § 61 Abs 3 EheG
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A. Allgemeines 1 Die Witwen(Witwer)pension steht grundsätzlich nur dem verwitweten Ehepartner bzw der/dem hinterbliebenen eingetragenen PartnerIn (gem Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG) zu. Unter bestimmten Voraussetzungen hat aber auch der/die geschiedene EhepartnerIn Anspruch auf eine Witwen(Witwer)pension. Diese Privilegierung betrifft ausdrücklich nicht frühere eingetragene PartnerInnen. Der Gesetzgeber wollte die rechtshistorisch bedingten speziellen Voraussetzungen und Folgen einer Scheidung gegen den Willen eines schuldlosen Teils nicht übernehmen (ErläutRV 485 BlgNR 24. GP 4). Innerhalb des Anwendungsbereichs des ASVG sind die einschlägigen Bestimmungen in §§ 258, 259, 265 ASVG (Voraussetzungen, Erlöschen, Abfertigung, Wiederaufleben) und § 264 ASVG (Höhe) sowie in §§ 215, 216 ASVG (Rente aus der Unfallversicherung) geregelt, gleichlautende Bestimmungen finden sich außerdem in §§ 127, 128 und 136 BSVG für die in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen und in §§ 136, 137 und 145 GSVG für die in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen. Weitere einschlägige Regelungen finden sich insb im Ärztegesetz (§ 102 ÄrzteG), im Bundesbahn-Pensionsgesetz (§§ 18, 20 BB-PG), im Heeresversorgungsgesetz (§§ 36, 37 HVG), im Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (§§ 37, 38 KOVG 1957), im Notarversicherungsgesetz (§§ 54, 54a, 55 NVG), für Beamte im Pensionsgesetz (§§ 19, 21 PG), in der Rechtsanwaltsordnung (§ 50 RAO) und im ZiviltechnikerkammerG (§ 29 ZTKG; § 16 Statut der Wohl1394
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Witwen(Witwer)pension
fahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten). Anspruch auf Witwen(Witwer)pension besteht ausschließlich für (auch ge- 2 trennt lebende) Ehepartner („eigentliche Witwen(Witwer)pension“; § 258 ASVG; § 127 BSVG; § 136 GSVG). Für geschiedene Ehepartner besteht unter bestimmten (taxativen) Voraussetzungen lediglich Anspruch auf eine „uneigentliche Witwen(Witwer)Pension“, die mit dem Bestehen eines nachehelichen Unterhalts im Zeitpunkt des Todes des Versicherten verknüpft ist (§ 258 Abs 4 ASVG; § 127 Abs 4 BSVG; § 136 Abs 4 GSVG). Die Ungleichbehandlung von geschiedenen und getrennt lebenden Ehepartnern ist nicht verfassungswidrig; es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber den Anspruch auf Witwen(Witwer)pension nach der Scheidung an besonders qualifizierte Voraussetzungen knüpft (10 Ob S 351/91 = SVSlg 38.373 = ARD 4378/16/92; 10 Ob S 7/00b = SSV-NF 14/69 mwN). Transsexuelle Partner sind von der Witwen(Witwer)pension bzw Witwen 3 (Witwer)rente gem § 215 ASVG nicht ausgeschlossen (EuGH 7.1.2004, C117/01 = ARD 5473/16/2004). Damit eine uneigentliche (s Rz 2) Witwen(Witwer)pension zusteht, muss im 4 Zeitpunkt des Todes des Versicherten dieser eine Unterhaltsleistung erbracht haben, die auf einem gesetzlichen oder vertraglichen Unterhaltstitel (Urteil, gerichtlicher Vergleich, vor Eheauflösung eingegangene vertragliche Verpflichtung) basiert (§ 258 Abs 4 lit a–c ASVG). Es muss somit ein „Urteilstitel“ vorliegen. Dies bedeutet, dass es sich um ein vollstreckbares Urteil iSd § 7 EO handeln muss. IdR wird nur ein gerichtliches Leistungsurteil diesen Anforderungen entsprechen und nicht ein Feststellungsurteil (4 Ob 156/83 = Arb 10.352 = SZ 57/76; 10 Ob S 142/87 = SSV-NF 2/11; 10 Ob S 45/99m = SSVNF 13/34). Ein Urteil auf Feststellung, dass der geschiedene Ehepartner in Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs schuldig ist, dem früheren Ehepartner laut eines nach Scheidung der Ehe abgeschlossenen Vertrags einen bestimmten Mindestunterhalt zu zahlen, ist aber ein gerichtliches Urteil iSd § 258 Abs 4 ASVG (10 Ob S 45/99m = SSV-NF 13/34). Fehlt ein Unterhaltstitel iSd § 258 Abs 4 ASVG, besteht dennoch ein Anspruch auf eine uneigentliche Witwen(Witwer)pension, wenn der verstorbene Versicherte bis zu seinem Tod, jedenfalls aber während des letzten Jahres vor seinem Tod, regelmäßige Unterhaltszahlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs geleistet und die Ehe mindestens 10 Jahre gedauert hat (§ 258 Abs 4 lit d ASVG). Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen der Fälle des § 258 Abs 4 lit a–c 5 ASVG und des § 258 Abs 4 lit d ASVG erkannte der OGH keine Gleichheitswidrigkeit in den unterschiedlichen Voraussetzungen (10 Ob S 111/02z = RdA 2002, 412 = RdW 2002/613). 1395
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6 Es muss sich um einen qualifizierten Unterhaltstitel (gem § 258 Abs 4 lit a–c ASVG) handeln, die (monatliche) Unterhaltshöhe muss aus dem Titel bestimmt oder ohne weiteren Verfahrensaufwand und ohne Durchführung eines Beweisverfahrens unmittelbar und leicht bestimmbar sein (10 Ob S 142/87 = SVSlg 33.318; 10 Ob S 189/99p = SSV-NF 13/99). Die bloße Vereinbarung, nach der Scheidung Unterhalt zu leisten, ohne dass dessen Höhe feststellbar wäre, ist nicht ausreichend zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 258 Abs 4 ASVG (10 Ob S 297/91 = JBl 1992, 268; 10 Ob S 169/01 = SVSlg 48.972 = RdA 2002/33 [Wolfsgruber]), ebenso wenig ein Scheidungsurteil mit einem bloßen Schuldausspruch ohne Verurteilung zu einer konkreten Unterhaltsleistung (OLG Wien SVSlg 38.384). Auch wenn der Ehemann im Scheidungsvergleich die Zusage abgibt, „soviel Unterhalt wie möglich zu leisten“, sind die Voraussetzung des § 258 Abs 4 ASVG nicht erfüllt (10 Ob S 259/98 f = SSV-NF 12/105). 7 Grundsätzlich zulässig ist die Leistung der Unterhaltszahlung in der Form, dass die Unterhaltsbeträge nicht direkt an die unterhaltsberechtigte Frau geleistet werden, sondern der geschiedene Mann vereinbarungsgemäß Verbindlichkeiten der Frau tilgt. Erforderlich ist aber, dass beim Abschluss der Vereinbarung übereinstimmend von einer konkreten Ratenzahlung des Mannes ausgegangen werden muss, weil nur Unterhaltsleistungen in bestimmter bzw bestimmbarer Höhe den Tatbestand des § 258 Abs 4 ASVG erfüllen. Hätten die Ehepartner keinerlei Vorstellung darüber, wie der Mann die Schulden zurückzahlen will, würde die Bestimmbarkeit bzw Bestimmtheit des Unterhaltsanspruchs fehlen und damit ein Anspruch auf Witwen(Witwer)pension zu verneinen sein. Die vereinfachte Zahlungsweise vom Mann direkt etwa an die Bank, ohne Umwegsüberweisung über die Frau, nimmt der Zahlung nicht ihren Charakter als Unterhaltsleistung. Haben also die (früheren) Ehepartner vor der Scheidung eine Vereinbarung geschlossen, wonach sich der Ehemann verpflichtet, im Fall der Scheidung alle die Ehefrau belastenden, aushaftenden Schulden alleine zurückzuzahlen und betrachten die Ehepartner diese Vereinbarung als Unterhaltsleistung in Höhe der aushaftenden Schulden, dann kann dies Grundlage für eine (mit dem Zeitpunkt der Kredittilgung befristete) Witwen(Witwer)pension gem § 258 Abs 4 ASVG sein. Denn auf diese Weise steht der unterhaltsberechtigten Frau aus eigenem Einkommen ein um die laufenden Rückzahlungsraten erhöhter Betrag für Unterhaltszwecke zur Verfügung (10 Ob S 252/02k = RdA 2003, 182). 8 Eine Ablebensversicherung für ein Kreditrisiko steht einem Anspruch auf Witwen(Witwer)pension des geschiedenen Ehepartners nicht entgegen (10 Ob S 252/02k = SSV-NF 16/111). 9 Nach dem Gesetzeswortlaut des § 258 Abs 4 ASVG („zur Zeit seines Todes Unterhalt [einen Unterhaltsbeitrag] zu leisten hatte“) hängt der Anspruch 1396
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auf Witwen(Witwer)pension nur davon ab, ob der Versicherte aufgrund der im Gesetz angeführten rechtsbegründenden Tatbestände im Zeitpunkt des Todes Unterhalt zu leisten hatte. Wesentlich ist daher das aufrechte Bestehen einer Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt im Todeszeitpunkt, weil die Witwen(Witwer)Pension Ersatz für den Entfall der Unterhaltsleistung des früheren Ehepartners sein soll (10 Ob S 285/99 f = RdW 2001/193). Der Unterhaltstitel muss im Zeitpunkt des Todes des Versicherten bereits 10 vorliegen, wenn auch noch nicht in Rechtskraft erwachsen sein (10 Ob S 202/ 04k = EvBl 2005/124 = RdW 2006/45; 7 Ob 279/06i = JusGuide 2007/11/ 4423); auch Fälligkeit des Unterhalts muss im Zeitpunkt des Todes des Versicherten noch nicht gegeben sein (10 Ob S 11/06z = RdA 2006, 400). Die bloße Einleitung des Unterhaltsverfahrens zu Lebzeiten des Versicher- 11 ten genügt nicht, auch wenn der Unterhaltstitel nach dem Tod des Versicherten im fortgesetzten Verfahren mit der Verlassenschaft zustande kommt. IdZ entstehende mögliche Härtefälle wurden vom Gesetzgeber im Interesse der besseren Vollziehbarkeit, insb aber der Verhinderung von Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherung bewusst in Kauf genommen (10 Ob S 202/04k = EvBl 2005/124 = RdW 2006/45; RIS-Justiz RS0105156). Ein gegen die Erben des verstorbenen Ehepartners erwirkter Unterhaltstitel für die Zeit vor dessen Tod bildet also keine Grundlage für einen Anspruch auf Witwen(Witwer)pension (10 Ob S 202/04k = EvBl 2005/124 = RdW 2006/45), ebenso wenig ein Urteil, mit dem die Verlassenschaft nach dem Tod des verstorbenen Ehepartners aufgrund einer Wiederaufnahmsklage der geschiedenen Ehepartnerin zur Bezahlung von Unterhaltsrückständen verpflichtet wurde (10 Ob S 186/92 = SSV-NF 6/99 = DRdA 1993, 145). Ob den Überlebenden am nicht rechtzeitigen Zustandekommen eines Unterhaltstitels ein Verschulden trifft, ist unerheblich (10 Ob S 202/04k = infas 2005, 38). Wenn im Scheidungsvergleich vereinbart wurde, dass die Unterhaltsleistung 12 erst zu einem späteren Zeitpunkt, zB in zehn Jahren, einsetzen soll und der Unterhaltsverpflichtete vor diesem Zeitpunkt stirbt, besteht kein Anspruch auf Witwen(Witwer)pension (10 Ob S 259/98 f = SSV-NF 12/105 = SVSlg 46.020). Besteht zwar im Todeszeitpunkt ein Unterhaltsanspruch, aber ruht dieser gerade, zB wegen (nicht nur kurzfristiger) Berufstätigkeit der Frau oder weil sie eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist, dann besteht ebenfalls kein Anspruch auf Witwen(Witwer)pension (10 Ob S 285/99 f = SSV-NF 13/ 128 = ARD 5169/7/2000 = RdW 2001/193). Auch für den Fall, dass der Unterhalt nicht in einer monatlichen Geldrente geleistet wurde, sondern bei der Scheidung in einer einmaligen Kapitalabfindung bzw in einer Forderungsabtretung abgegolten wurde, steht keine Witwen(Witwer)pension zu (10 Ob S 74/94 = SSV-NF 8/40 = SVSlg 41.218 = ARD 4571/31/94).
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13 Der im § 258 Abs 4 ASVG verwendete Terminus „zur Zeit des Todes“ ist unter gebührender Anwendung der Auslegungsregeln des § 6 ABGB mit dem Zeitpunkt des Todes anzusetzen (LG Salzburg SVSlg 43.229). Bei Verschollenheit des Versicherten zählt entweder der feststellbare Todeszeitpunkt oder der Eintritt der Verschollenheit iSd § 87 Abs 1 ASVG und nicht iSd Todeserklärungsgesetzes (OLG Wien ZASB 1998, 38 = ARD 4983/15/98). Als verschollen gilt demnach, wessen Aufenthalt länger als ein Jahr unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden. Als verschollen gilt nicht, wessen Tod nach den Umständen nicht zweifelhaft ist (§ 87 Abs 1 ASVG). Als Todestag ist der Tag anzunehmen, den der Verschollene nach den Umständen wahrscheinlich nicht überlebt hat, spätestens der erste Tag nach Ablauf des Jahres, während dessen keine Nachrichten iSd § 87 Abs 1 ASVG mehr eingelangt sind (§ 87 Abs 2 ASVG). Wurde aber in einem gerichtlichen Todeserklärungsverfahren als Zeitpunkt des Todes ein früherer Zeitpunkt als der nach § 87 Abs 2 ASVG anzunehmende Zeitpunkt festgestellt, so gilt der im gerichtlichen Verfahren festgestellte Zeitpunkt als Todestag (§ 87 Abs 3 ASVG). 14 Dass bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Witwen(Witwer)pension auf die Umstände am Todestag abgestellt wird, ist nicht gleichheitswidrig (10 Ob S 66/92 = INFAS 6/1992). 15 Ob eine Frau zur Zeit des Todes mit dem Versicherten in aufrechter Ehe gelebt hat, ist nach österreichischem Familienrecht zu beurteilen. Es kommt nicht darauf an, ob der Beschluss über die Scheidung der Ehe mit dem verstorbenen Versicherten im Ausland anerkannt wird. Entscheidend kann bei § 258 ASVG nur sein, ob die Scheidung der Ehe für den österreichischen Rechtsbereich wirksam ist. Eine durch ein österreichisches Gericht ausgesprochene Scheidung der Ehe ist für den österreichischen Rechtsbereich jedenfalls und unabhängig davon wirksam, ob dasselbe für einen anderen Rechtsbereich und insb für jenen des Personalstatuts der Ehepartner zutrifft. Ist die Ehe mit dem Versicherten durch eine für den österreichischen Rechtsbereich wirksame Entscheidung geschieden, gebührt die Witwen(Witwer)pension aber nur, wenn die Voraussetzungen des § 258 Abs 4 ASVG erfüllt sind (10 Ob S 177/92 = SVSlg 38.376). Enthält das Scheidungsurteil eines deutschen Amtsgerichts keine Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 bis 1586b dBGB) und hat der Versicherte zur Zeit seines Todes keine tatsächlichen freiwilligen Zahlungen mehr an die Leistungswerberin geleistet, besteht kein Anspruch auf Witwen(Witwer)pension (OLG Linz SVSlg 51.435). 16 Ein Unterhaltsvergleich anlässlich der einvernehmlichen Scheidung, der nur dazu dienen soll, dem angeblich Berechtigten künftig einen Pensionsanspruch zu sichern, während eine Leistung des Verpflichteten in Wahrheit nicht erfol1398
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Witwen(Witwer)pension
gen soll, ist als Scheingeschäft iSd § 916 Abs 1 ABGB nichtig und kann nicht zur Exekution herangezogen werden (3 Ob 7/95 = SVSlg 43.212 = JBl 1996, 578 = EF 78.443; LGZ Wien EF 120.106). Hat der Pensionsversicherungsträger den Verdacht, dass die Unterhaltsvereinbarung lediglich ein Scheingeschäft ist, muss er dies behaupten und beweisen (10 Ob S 276/89 = ÖJZ 1990/8 [NRsp]).
B. § 258 Abs 4 lit a ASVG Um die Voraussetzung des § 258 Abs 4 lit a ASVG zu erfüllen, muss es sich um 17 ein gerichtliches Urteil handeln. Ein Beschluss über die Gewährung eines einstweiligen Unterhalts genügt nicht. Ein bloßer Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil ist ebenfalls für den Anspruch auf Witwen(Witwer)pension nach § 258 Abs 4 ASVG nicht ausreichend (10 Ob S 414/02h = SSV-NF 18/24). Auch eine nach der Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Mannes im Aufteilungsverfahren ergangene Entscheidung, womit der geschiedenen Ehefrau die Hauptmietrechte an der ehelichen Wohnung gegen eine Ausgleichszahlung übertragen werden, hat keinen Unterhaltscharakter und reicht für einen Anspruch auf Witwen(Witwer)pension gem § 258 Abs 4 ASVG nicht aus (10 Ob S 414/02h = SSV-NF 18/24 = RdW 2004/444); ebenso wenig eine nach Scheidung der Ehe im Aufteilungsverfahren geschlossene Vereinbarung, wonach der Mann die Rückzahlung von Krediten übernimmt und diese Rückzahlungen in die gem § 66 EheG bestehende, jedoch der Höhe nach nicht konkretisierte Unterhaltsverpflichtung des Mannes eingerechnet werden (10 Ob S 382/90 = SSV-NF 4/161). Ebenso begründet ein Vergleich mit der Verlassenschaft, wonach die geschiedene Ehefrau einen Betrag von 10.000 Euro an Unterhalt erhält, keinen Anspruch auf Witwenpension für die geschiedene Ehefrau, da es sich dabei nicht um tatsächliche Zahlungen des ehemaligen Ehemannes handelt (10 Ob S 143/08i = RdA 2009, 431 = infas 2009, 95).
C. § 258 Abs 4 lit b ASVG § 258 Abs 4 lit b ASVG verlangt einen gerichtlichen Vergleich. Dieser kommt 18 erst durch seine Protokollierung zustande (OLG Wien SVSlg 27.814 = SSV XXI 89). Wird in einem anlässlich der Scheidung der Ehe geschlossenen Vergleich eine Unterhaltsleistung erst ab einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt vereinbart und stirbt der Unterhaltspflichtige vor diesem Zeitpunkt, so besteht kein Anspruch auf Witwen(Witwer)pension gem § 258 Abs 4 ASVG (10 Ob S 259/98 f = SSV-NF 12/105). 1399
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19 Eine von den geschiedenen Ehepartnern nach Scheidung der Ehe vor dem Gemeindeamt geschlossene Unterhaltsvereinbarung ist kein tauglicher Titel iSd § 258 Abs 4 ASVG (10 Ob S 45/99m = SSV-NF 13/34). Dieser nicht in Form eines gerichtlichen Vergleichs geschlossenen Vereinbarung würde nur dann Relevanz zukommen, wenn sie vor Scheidung der Ehe getroffen worden wäre (10 Ob S 45/99m = SSV-NF 13/34). 20 Steht der geschiedenen Frau nach dem Inhalt des Unterhaltsvergleichs gegen den Versicherten nur ein befristeter Unterhaltsanspruch zu, so unterliegt auch die ihr nach § 258 Abs 4 lit b ASVG gebührende Witwen(Witwer)pension dieser Befristung (OLG Innsbruck SVSlg 46.034). 21 Formuliert der in die Feststellung aufgenommene für das gegenständliche Verfahren relevante Teil des Scheidungsvergleichs eindeutig einen gegenseitigen Unterhaltsverzicht der Ehepartner, so ändert der Beisatz „jedoch ohne Verzicht auf den Pensionsanspruch nach dem Zweitantragsteller“ (= versicherter Ehepartner) nichts an dem festgestellten Unterhaltsverzicht. Wenn auch kein anderer Tatbestand des § 258 Abs 4 ASVG vorliegt, sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Witwen(Witwer)pension nach § 258 Abs 4 ASVG nicht gegeben (OLG Wien = SVSlg 51.436).
D. § 258 Abs 4 lit c ASVG 22 Neben gerichtlichem Urteil und gerichtlichem Vergleich kann der Unterhaltsanspruch auch auf einer vor Eheauflösung eingegangenen außergerichtlichen vertraglichen Verpflichtung beruhen (§ 258 Abs 4 lit c ASVG). Beruht der Unterhaltsanspruch auf einer derartigen außergerichtlichen vertraglichen Verpflichtung, muss diese jedenfalls vor der Ehescheidung eingegangen worden sein. Eine außergerichtliche vertragliche Verpflichtung, die von den Ehepartnern nach der Scheidungsverhandlung und nach Verkündung des Ehescheidungsurteils und Rechtsmittelverzicht, aber vor Zustellung des Urteils eingegangen wurde, ist „vor der Auflösung der Ehe“ iSd § 258 Abs 4 lit c ASVG eingegangen (OLG Wien SSV 22/52). Eine zwischen den geschiedenen Ehepartnern nach der Ehescheidung außergerichtlich getroffene schriftliche Unterhaltsvereinbarung bildet auch dann keine Grundlage für eine Witwen (Witwer)pension, wenn die Unterschriften gerichtlich beglaubigt wurden (10 Ob S 313/91 = SSV-NF 5/127). Nach Auflösung der Ehe ohne Vertragsabschluss erbrachte Unterhaltsleistungen allein lassen noch nicht den Schluss zu, dass sich der frühere Ehepartner der Ehefrau gegenüber dazu vor Auflösung der Ehe vertraglich verpflichtet hätte (OLG Wien SVSlg 29.864 = SSV 24/23). Eine tatsächliche Unterhaltsgewährung nach der Ehescheidung ohne vor Auflösung der Ehe geschlossene Vereinbarung reicht für den Anspruch auf Wit1400
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Witwen(Witwer)pension
wen(Witwer)pension iSd § 258 Abs 4 lit c ASVG also nicht aus (10 Ob S 2105/ 96 = SSV-NF 10/51). Hat umgekehrt die Witwe gegen ihren geschiedenen Ehemann einen vertraglichen Unterhaltsanspruch, wurde aber tatsächlich kein Unterhalt geleistet, so besteht dennoch ein Anspruch auf Witwenpension (10 Ob S 34/09m = ARD 5973/7/2009). Die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt iSd § 258 Abs 4 23 dritter Fall ASVG ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, für das die Einigung der Vertragspartner über die Leistung wesentlich ist. Da im bürgerlichen Recht besondere Formvorschriften für Unterhaltsvereinbarungen von Ehepartner nicht bestehen, ist gem § 883 ABGB auch eine bloß mündlich zustande gekommene Vereinbarung für den wirksamen Vertragsabschluss ausreichend. Dass der verstorbene Ehepartner ohne eine diesbezügliche Vereinbarung nur zufolge irrtümlicher Annahme der Weitergeltung der einstweiligen Verfügung über den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils hinaus die ihm im Provisorialverfahren aufgetragene Unterhaltsleistung weiter erbracht hat, erfüllt aber nicht die Voraussetzungen des § 258 Abs 4 lit c ASVG (10 Ob S 382/ 90 = SSV-NF 4/161 = ARD 4314/21/91).
E. § 258 Abs 4 lit d ASVG § 258 Abs 4 lit d ASVG setzt voraus, dass der Unterhalt regelmäßig zur De- 24 ckung eines Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach Rechtskraft der Scheidung bis zum Tod des Versicherten, mindestens während der Dauer eines Jahres vor dem Tod, tatsächlich geleistet worden ist und die Ehe mindestens 10 Jahre dauerte. Unregelmäßige Unterhaltszahlungen erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 258 Abs 4 lit d ASVG (ASG Wien SVSlg 46.040). Entscheidend ist nicht der rechtliche Anspruch auf Unterhalt, sondern nur der faktische Leistungsbetrag (10 Ob S 70/02 = SVSlg 48.973; 10 Ob S 111/ 02z = RdW 2002/613). Das nomen legale (Unterhalts-)Bedarf ist einschränkend dahin auszulegen, dass es nur auf den faktischen Leistungsbetrag, nicht aber auf den (gar nicht weiter zu prüfenden) rechtlichen Anspruch ankommt; jede andere Beurteilung führte zu einer gravierenden Einschränkung über den Wortlaut der Bestimmung hinaus, welche auch mit den Grundsätzen einer sozialen Rechtsanwendung nicht vereinbar wäre. Dass der Gesetzgeber hierbei selbst den Begriff des Bedarfs nicht gleichsinnig mit jenem des Anspruchs verstanden hat, ist schließlich auch daraus abzuleiten, dass er etwa in § 264 ASVG sehr wohl den letzteren Ausdruck mehrfach verwendet hat (10 Ob S 74/98 = SVSlg 46.068).
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25 Sowohl der Gesetzeswortlaut des § 258 Abs 4 lit d ASVG als auch die Gesetzesmaterialien stellen darauf ab, dass die erbrachten Leistungen einen Unterhaltsbedarf decken müssen. Unterhalt dient nach der Rsp der Befriedigung der notwendigen und üblichen materiellen menschlichen Bedürfnisse, insb jener nach Nahrung, Kleidung und Wohnung, Heizung und Stromversorgung, Hygiene, medizinischer Betreuung und der übrigen Bedürfnisse wie etwa nach Erholung, Religionsausübung. Aus der Formulierung in § 258 Abs 4 lit d ASVG „zur Deckung des Unterhaltsbedarfs“ schließt die Rsp, dass dann – trotz geleisteter Unterhaltszahlungen und Vorliegen der geforderten Voraussetzungen – keine Witwen(Witwer)pension zusteht, wenn kein Bedarf gegeben ist (10 Ob S 2/06a = JBl 2006, 663; s auch Heckenast, Zum Anspruch auf Witwenpension von Geschiedenen gem § 258 Abs 4 lit d ASVG, RdA 2003, 78). 26 Hat etwa ein geschiedenes Ehepaar nach der Scheidung weiter zusammengelebt, hat die Ehefrau nach dem Tod des geschiedenen Ehemanns dann keinen Anspruch auf eine Witwen(Witwer)pension, wenn beide gemeinsam aus ihren Einkommen die Kosten der Lebensführung getragen hatten und keine Unterhaltsleistungen vorlagen. Denn die Erbringung von Leistungen der Partner einer Lebensgemeinschaft nach geschiedener Ehe, in die beide ihren Verdienst zur Tragung der gemeinsamen Kosten einbringen, erfüllt nicht die von § 258 Abs 4 lit d ASVG für einen Anspruch auf Witwen(Witwer)pension geforderten Voraussetzungen (10 Ob S 2/06a = RdW 2006/614 = JBl 2006, 663 [Resch]). Wesentlich für den Anspruch auf Witwen(Witwer)pension ist nämlich, dass es sich bei den Leistungen um solche mit Unterhaltscharakter gehandelt hat. Um die Voraussetzung zu erfüllen, muss der geschiedene Ehepartner dem anderen geldwerte Leistungen erbringen, um dessen notwendige und übliche materielle Bedürfnisse (insb nach Nahrung, Kleidung, Wohnung, Heizung, Hygiene etc) zu befriedigen. Wirtschaften die geschiedenen Ehepartner weiterhin als Lebensgefährten im gemeinsamen Haushalt und erbringen beide Leistungen für den gemeinsamen Lebensbedarf, ohne dass einer der beiden Partner regelmäßig dem anderen bewusst Leistungen zum Zwecke der Abdeckung von dessen Unterhalt erbringt, kann nicht von Unterhaltsleistungen iSd § 258 Abs 4 lit d ASVG ausgegangen werden (10 Ob S 370/01m = ZASB 2002, 44 = RdA 2002/614). 27 Hat der geschiedene Ehepartner seiner geschiedenen Frau nach der Scheidung der Ehe aber tatsächlich Unterhalt geleistet, so ist der Witwen(Witwer)pensionsanspruch nach § 258 Abs 4 lit d ASVG unabhängig davon gegeben, ob diese Leistung im Rahmen einer Lebensgemeinschaft erfolgte oder ob die früheren Ehepartner getrennt lebten (10 Ob S 276/94 = SSV-NF 8/124). 28 Die Mindestdauer der tatsächlichen Unterhaltsleistung durch den verstorbenen früheren Ehemann iSd § 258 Abs 4 lit d ASVG verkürzt sich auch dann 1402
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nicht, wenn dieser zwar ab der Rechtskraft der Scheidung regelmäßig Unterhalt geleistet hat, jedoch vor Ablauf eines Jahres ab Rechtskraft der Scheidung verstorben ist (OLG Graz ZASB 2002, 14 = ARD 5346/13/2002 = SVSlg 46.035). Der Sinn dieser Bestimmung über die Mindestdauer ist es, Manipulationen zulasten der Sozialversicherung zu verhindern (10 Ob S 37/95 = RdA 1995, 522). Wenn der Unterhalt nicht während dieser Mindestzeit geleistet wird, gebührt keine Witwen(Witwer)pension (ASG Wien SVSlg 48.989). § 258 Abs 4 lit d ASVG greift auch dann, wenn der Versicherte anlässlich der 29 Scheidung einen Unterhaltsverzicht abgegeben hat und dann dennoch regelmäßig Unterhaltszahlungen an die geschiedenen Frau geleistet hat, damit sich diese unter Verzicht auf ihre eigene Erwerbstätigkeit der Betreuung eines gemeinsamen Kindes widmen konnte (10 Ob S 2025/96 = SSV-NF 10/93). Wenn der geschiedene Ehepartner zwar zunächst Unterhalt geleistet, zwei 30 Jahre vor seinem Tod seine freiwilligen Unterhaltszahlungen eingestellt hat, hat die Ex-Frau keinen Anspruch auf Witwenpension (10 Ob S 143/08i = RdW 2009/245 = ARD 5930/8/2009). Die Beweislast über die tatsächlichen regelmäßigen Unterhaltsleistungen durch 31 den Versicherten durch zumindest ein Jahr bis zum Tod trägt der geschiedene Ehepartner (10 Ob S 70/02 = SVSlg 48.973).
F. Privilegierung im Fall der Scheidung nach § 55 iVm § 61 Abs 3 EheG Ein gem § 55 EheG iVm § 61 Abs 3 EheG schuldlos geschiedener Ehepartner 32 kann unter bestimmten Voraussetzungen volle Witwen(Witwer)pension erhalten – also nicht auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs beschränkt sein – und daher pensionsrechtlich grundsätzlich wie bei aufrechter Ehe behandelt werden. Die folgenden Voraussetzungen (§ 264 Abs 10 ASVG; § 136 Abs 10 BSVG; § 145 Abs 10 GSVG) müssen aber kumulativ vorliegen, damit volle Witwen(Witwer)pension zustehen kann. – Scheidung gem § 55 EheG samt Schuldausspruch gem § 61 Abs 3 EheG; – Festlegung eines Unterhaltstitels (auch ein geringfügiger Betrag genügt) im Scheidungsurteil; – die Ehe muss mindestens 15 Jahre gedauert haben; – der Ehepartner muss im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung das 40. Lebensjahr vollendet haben oder erwerbsunfähig sein oder im Todeszeitpunkt des Unterhaltspflichtigen aus der geschiedenen Ehe ein noch nicht selbsterhaltungsfähiges Kind (iSd § 252 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG) haben, das mit ihm in ständiger Hausgemeinschaft lebt. 1403
§§ 259, 265 ASVG
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33 Selbst wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen, besteht ein Anspruch auf Witwen(Witwer)pension nach § 258 Abs 4 lit c ASVG jedenfalls dann nicht, wenn sich aus einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen Unterhaltsverpflichtung der Unterhaltsanspruch nicht einmal dem Grunde nach eindeutig ergibt (10 Ob S 189/99p = SSV-NF 13/99). 34 Hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung zwischen den pensionsrechtlichen Folgen einer Scheidung gem § 49 EheG und einer gem § 55 EheG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 264 Abs 10 Z 1 ASVG (10 Ob S 2/02w = ASoK 2003, 136 = RdA 2002, 413 = SSV-NF 16/57).
Pension für hinterbliebene eingetragene PartnerInnen § 259. Die Bestimmungen über die Witwen(Witwer)pension nach § 258 mit Ausnahme des Abs. 3 Z 1, nach § 264 mit Ausnahme des Abs. 10 Z 3 lit. b und nach § 265 sind auf hinterbliebene eingetragene PartnerInnen und eingetragene Partnerschaften nach dem EPG sinngemäß anzuwenden.
Erlöschen, Abfertigung und Wiederaufleben des Witwen(Witwer)pensionsanspruchs § 265. (1) Der Bezieherin (Dem Bezieher) einer Witwen(Witwer)pension (§ 258), ausgenommen die Bezieherin (der Bezieher) einer Witwen(Witwer) pension nach § 258 Abs. 2, die (der) sich wiederverehelicht hat, gebührt eine Abfertigung in der Höhe des 35fachen der Witwen(Witwer)pension, auf die sie (er) im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch gehabt hat, ausschließlich einer Ausgleichszulage, die in diesem Zeitpunkt gebührt hat. (2) Wird die neue Ehe durch den Tod des Ehegatten, durch Scheidung oder durch Aufhebung aufgelöst oder wird die neue Ehe für nichtig erklärt, so lebt der Anspruch auf die Witwen(Witwer)pension (Abs. 1) auf Antrag wieder auf, wenn a) die Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der in Abs. 1 bezeichneten Person aufgelöst worden ist oder b) bei Nichtigerklärung der Ehe diese Person als schuldlos anzusehen ist. (3) . . . (4) . . . (5) . . . 1 Mit der Wiederverheiratung erlischt der Witwen(Witwer)pensionsanspruch, unabhängig davon, auf welcher Grundlage er beruhte (§ 258 Abs 4 letzter Satz ASVG; § 127 Abs 4 letzter Satz BSVG; § 136 Abs 4 letzter Satz GSVG). Es ge1404
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bührt aber ein Abfindungsanspruch in Höhe des 35fachen der Witwen(Witwer)pension, auf die man im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch hatte, ausschließlich einer Ausgleichszulage, die in diesem Zeitpunkt gebührt hat (§ 265 ASVG; § 137 BSVG; § 146 GSVG). Sollte die nachfolgende Ehe aufgelöst (Scheidung, Aufhebung, Nichtigerklä- 2 rung) werden, kann der Witwen(Witwer)pensionsanspruch wieder aufleben. Voraussetzung dafür ist, dass kein alleiniges oder überwiegendes Verschulden an der Scheidung vorliegt bzw man an der Nichtigerklärung der Ehe schuldlos ist (§ 265 Abs 2 ASVG; § 137 Abs 2 BSVG; § 146 Abs 2 GSVG). Das Wiederaufleben bedarf einer diesbezüglichen Antragstellung. Der Anspruch kann frühestens 2½ Jahre nach dem seinerzeitigen Erlöschen wieder aufleben (§ 265 Abs 3 ASVG; § 137 Abs 3 BSVG; § 146 Abs 3 GSVG). Auf die wiederaufgelebte Witwen(Witwer) pension sind allfällige Unterhaltszahlungen und Einkünfte aus der aufgelösten Ehe anzurechnen (§ 265 Abs 4 ASVG; § 137 Abs 4 BSVG; § 146 Abs 4 GSVG). Geht der geschiedene Ehepartner eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein, 3 bleibt der Anspruch auf Witwen(Witwer)pension aufrecht.
Witwen(Witwer)pension, Ausmaß § 264. (1) Das Ausmaß der Witwen(Witwer)pension ergibt sich aus einem Hundertsatz der Pension des (der) Versicherten . . . (2) . . . (3) Berechnungsgrundlage der Witwe (des Witwers) im Sinne des Abs. 2 ist das Einkommen nach Abs. 5 in den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Zeitpunkt des Todes des (der) Versicherten, geteilt durch 24. (4) . . . (5) Als Einkommen im Sinne der Abs. 3 und 4 gelten: 1. Erwerbseinkommen im Sinne des § 91 Abs. 1, 2. wiederkehrende Geldleistungen a) aus der gesetzlichen Sozialversicherung (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses und eines besonderen Steigerungsbetrages nach § 248) und aus der Arbeitslosenversicherung sowie nach den Bestimmungen über die Arbeitsmarktförderung und die Sonderunterstützung oder b) auf Grund gleichwertiger landesgesetzlicher oder bundesgesetzlicher Regelungen der Unfallfürsorge (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses), 3. wiederkehrende Geldleistungen auf Grund a) des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, 1405
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b) landesgesetzlicher Vorschriften, die dem Dienstrecht der Bundesbeamten vergleichbar sind, c) des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984, d) des Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 296/1985, e) des Bezügegesetzes, BGBl. Nr. 273/1972, des Bundesbezügegesetzes, BGBl. I Nr. 64/1997, und vergleichbarer landesgesetzlicher Vorschriften, f) des Verfassungsgerichtshofgesetzes, BGBl. Nr. 85/1953, g) des Bundestheaterpensionsgesetzes, BGBl. Nr. 159/1958, h) des § 163 des Beamten Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, i) des Bundesbahn-Pensionsgesetzes, BGBl. I Nr. 86/2001, j) der Dienst(Pensions)ordnungen für (ehemalige) DienstnehmerInnen von – öffentlich-rechtlichen Körperschaften und – Fonds, Stiftungen, Anstalten und Betrieben, die von den Organen einer Gebietskörperschaft verwaltet werden, k) sonstiger nach § 5 Abs. 1 Z 3 pensionsversicherungsfreier Dienstverhältnisse, l) vertraglicher Pensionszusagen einer Gebietskörperschaft, 4. außerordentliche Versorgungsbezüge, Administrativpensionen und laufende Überbrückungszahlungen auf Grund von Sozialplänen, die einer Administrativpension entsprechen, 5. Pensionen auf Grund ausländischer Versicherungs- oder Versorgungssysteme (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses), soweit es sich nicht um Hinterbliebenenleistungen aus dem gleichen Versicherungsfall handelt. (5a) . . . (5b) . . . (6) . . . (6a) . . . (7) . . . (7a) . . . (7b) . . . (8) Die Witwen(Witwer)pension nach § 258 Abs. 4 lit. a bis c darf den gegen den Versicherten (die Versicherte) zur Zeit seines (ihres) Todes bestehenden und mit dem im Zeitpunkt des Pensionsanfalles für das Jahr des Todes geltenden Aufwertungsfaktor (§ 108 Abs. 4) aufgewerteten Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag), vermindert um eine der (dem) Anspruchsberechtigten nach dem (der) Versicherten gemäß § 215 Abs. 3 gebührende Witwen-(Witwer)rente, nicht übersteigen. Eine vertraglich oder durch gerichtlichen Vergleich übernommene Erhöhung des Unterhaltes 1406
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Witwen(Witwer)pension
(Unterhaltsbeitrages) bleibt außer Betracht, wenn seit dem Abschluß des Vertrages (Vergleiches) bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. (9) Die Witwen(Witwer)pension nach § 258 Abs. 4 lit. d darf den vom Versicherten bzw. von der Versicherten in dem dort genannten Zeitraum, längstens jedoch während der letzten drei Jahre vor seinem (ihrem) Tod geleisteten durchschnittlichen monatlichen Unterhalt, vermindert um eine der (dem) Anspruchsberechtigten nach dem (der) Versicherten gemäß § 215 Abs. 3 gebührende Witwen(Witwer)rente, nicht übersteigen. Eine Erhöhung des Unterhaltes bleibt außer Betracht, wenn seit dem Zeitpunkt der Erhöhung bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. (10) Die Abs. 8 und 9 sind nicht anzuwenden, wenn 1. das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes enthält, 2. die Ehe mindestens fünfzehn Jahre gedauert und 3. die Frau (der Mann) im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Die unter Z 3 genannte Voraussetzung entfällt, wenn a) die Frau (der Mann) seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder b) nach dem Tod des Mannes (der Frau) eine Waisenpension für ein Kind im Sinne des § 252 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 anfällt, sofern dieses Kind aus der geschiedenen Ehe stammt oder von den Ehegatten gemeinsam an Kindes Statt angenommen worden ist und das Kind in allen diesen Fällen im Zeitpunkt des Todes des in Betracht kommenden Elternteiles ständig in Hausgemeinschaft (§ 252 Abs. 1 letzter Satz) mit dem anderen Eheteil lebt. Das Erfordernis der ständigen Hausgemeinschaft entfällt bei nachgeborenen Kindern.
Die Höhe der Witwen(Witwer)pension richtet sich im Fall des § 258 Abs 4 1 lit a–c ASVG nach dem Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt des Todes des Versicherten (§ 264 Abs 8 ASVG), im Fall des lit d nach dem durchschnittlichen monatlichen Unterhalt, den der Versicherte mindestens während des letzten Jahres vor seinem Tod, längstens jedoch während der letzten drei Jahre geleistet hat (§ 264 Abs 9 ASVG). Angesichts der Bestimmung des § 264 Abs 4 ASVG, der auf die Höhe des Un- 2 terhalts abstellt, kommt nur jene Unterhaltsverpflichtung im Rahmen des § 258 Abs 4 ASVG zum Tragen, die eine ziffernmäßig bestimmte Leistung an den geschiedenen überlebenden Ehepartner zum Inhalt hat (LG Linz SVSlg 46.073).
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3 Der Bestimmung des § 264 Abs 8 ASVG ist nicht zu entnehmen, aus welchem Zeitraum der für das Ausmaß der Witwen(Witwer)pension maßgebende Unterhaltsanspruch heranzuziehen ist. Es wird dabei zwar grundsätzlich auf den Unterhaltsanspruch des Monats ankommen, in dem der Versicherte verstorben ist, jedoch wird ein längerer Zeitraum zu berücksichtigen sein, wenn die Heranziehung des Unterhaltsanspruchs für den Monat, in den der Tod des Versicherten fällt, zu einem atypischen und daher sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnis führen würde (bspw bei starken Einkommensschwankungen), wobei im allgemeinen der Zeitraum eines Jahres in Betracht kommen wird (10 Ob S 285/99 = SVSlg 46.072). 4 Der Ermittlung der Höhe des zur Zeit des Todes des Versicherten gebührenden Unterhaltsanspruchs ist der letzte Jahresunterhaltsanspruch der geschiedenen Frau zugrunde zu legen (LG Graz SVSlg 48.993). 5 Die Witwen(Witwer)pension darf die Höhe des Unterhalts, in den Fällen der lit a–c aufgewertet nach § 108 Abs 4 ASVG, nicht überschreiten. Diese Begrenzung gilt nicht für den Fall einer Scheidung nach § 55 iVm § 61 Abs 3 EheG, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 264 Abs 10 ASVG vorliegen. Dann gebührt die volle Witwen(Witwer)pension. Liegen die Voraussetzungen des § 264 Abs 10 ASVG nicht vor, so ist auch der Witwen(Witwer)pensionsanspruch einem nach § 55 EheG mit einem Schuldausspruch zulasten des Klägers geschiedenen Ehepartner mit der Höhe des Unterhaltsanspruchs begrenzt. 6 Bei der Ermittlung der Höhe des für die Witwen(Witwer)pension maßgebenden Unterhaltsanspruchs ist – mit der sich aus § 264 Abs 4 letzter Satz ASVG ergebenden Einschränkung – auch die aus einer Wertsicherung sich ergebenden Erhöhung zu berücksichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die Fälligkeit des sich aus der Wertsicherung ergebenden Erhöhungsbetrags nach dem Inhalt der Unterhaltsvereinbarung von der Geltendmachung durch den Unterhaltsberechtigten abhängt. Es muss aber für die Unterhaltserhöhung auf Grund der Wertsicherungsklausel noch kein Exekutionstitel vorliegen (10 Ob S 276/89 = SZ 62/161 = SSV-NF 3/121). 7 Ist die Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehepartners mit einem Bruchteilstitel festgelegt, so sind bei Ermittlung der Höhe des Unterhaltsanspruchs iSd § 264 Abs 4 ASVG auch die von den Sonderzahlungen zu leistenden Unterhaltsbeträge zu berücksichtigen. Die Unterhaltsbeträge eines Jahres sind einschließlich der von den Sonderzahlungen zu leistenden Beträge zu ermitteln; ein Zwölftel dieses Betrags gilt als monatlicher Unterhaltsanspruch iSd § 264 Abs 4 ASVG (10 Ob S 228/89 = SSV-NF 3/113 = infas 1990, 10). 8 Die vergleichsweise Regelung der Höhe eines nach dem Gesetz gebührenden Unterhalts ändert nichts an dem Charakter dieses Unterhaltsanspruchs als einem gesetzlichen iS der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Grund1408
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sätzlich unterliegt jede Unterhaltsvereinbarung und auch ein Vergleich der Umstandsklausel (OLG Wien SVSlg 33.344). Hinterlässt der verstorbene Versicherte einerseits eine oder mehrere nach § 258 9 Abs 4 ASVG anspruchsberechtigte geschiedene Ehefrau(en) und andererseits eine pensionsberechtigte Witwe, berühren sich die verschiedenen Ansprüche nicht und es kommt zu keiner Kürzung der Versorgungsbezüge. Das ASVG sieht kein Höchstausmaß und keine anteilsmäßige Kürzung bei mehreren Hinterbliebenenpensionen vor. Grundlage für die Berechnung einer Hinterbliebenenpension ist gem § 264 10 Abs 5 Z 1 ASVG ua das „Erwerbseinkommen“ des Verstorbenen iSd § 91 Abs 1 ASVG. Gem Z 1 leg cit gilt als Erwerbseinkommen bei unselbständigen Tätigkeiten das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt. Fraglich war, ob hierfür das Brutto- oder Nettoeinkommen des Verstorbenen heranzuziehen ist. Nach Ansicht des OGH ist für dieses Erwerbseinkommen der Entgeltbegriff des § 49 ASVG und damit das Bruttoentgelt inklusive Sonderzahlungen heranzuziehen. Dies ergebe sich aus der ausdrücklichen Verweisung auf § 91 Abs 1 ASVG und systematischer Gesetzesinterpretation, da für die Ausgleichszulage im Unterschied zur Hinterbliebenenpension in § 292 Abs 1 ASVG der Begriff des Nettoeinkommens ausdrücklich angeführt und in Abs 3 leg cit definiert würde. Der maßgebliche Einkommensbegriff im Witwen(Witwer)pensionsrecht in § 264 ASVG ist somit das Bruttoentgelt aus einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit inklusive Sonderzahlungen (10 Ob S 156/06y = ZAS-Judikatur 2007/51 = RdW 2007/192 = ARD 5762/7/2007). Wegen Zweifel an der sachlichen Rechtfertigung des zwei- bzw vierjährigen 11 Beobachtungszeitraums zur Berechnung der Witwenpension bzw wegen Zweifel der Verfassungsmäßigkeit der für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage relevanten § 264 Abs 3 und Abs 4 ASVG stellte der OGH im Juli 2009 gem Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 Abs 1 B-VG) an den VfGH den Antrag, § 264 Abs 3 und Abs 4 ASVG idF BGBl I 2006/130 als verfassungswidrig aufzuheben (10 Ob S 81/09y = RS U OGH 2009–07–21 10 ObS 81/09y = RdW 2009/791). Die vom OGH vorgelegten Fälle wurden vom VfGH zwar als Härtefalle anerkannt, die aber keine vermeidbare Systemwidrigkeit im Gesetz aufzeigen würden. Der Gesetzgeber könne bei der Gestaltung des Pensionsleistungsrechts auch sozialpolitische Ziele verwirklichen und dabei Durchschnittsbetrachtungen anstellen, ohne mit dem Gleichheitssatz in Widerspruch zu geraten. Wegen der Vielfalt der möglichen Lebensverhältnisse könne keine Gesetzgebung Härtefälle zur Gänze vermeiden. Die Berechnungsregel für die Witwenpension – mehrjähriger Beobachtungszeitraum betreffend das Einkommen der Ehepartner – sei aber bei zulässiger Durchschnittsbetrachtung geeignet, eine dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahekommende Versorgung zu sichern. Der Gesetzgeber habe daher seinen 1409
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Aichhorn
rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten (VfGH 11.3.2010, G 228/09 = EF-Z 2010/115 (160) [Leitner] = ARD 6042/6/2010 = RdW 2010/ 322 = infas 2010, 35 = JusGuide 2010/27/7692 (OGH) = RdA 2010, 427).
Witwen(Witwer)rente § 215. (1) Wurde der Tod des (der) Versicherten durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht, so gebührt der Witwe (dem Witwer) bis zu ihrem (seinem) Tod ihrer (seiner) Wiederverheiratung eine Witwen (Witwer)rente von jährlich 20 vH der Bemessungsgrundlage. (2) . . . (3) Die Rente nach Abs. 1 gebührt auch 1. der Frau, 2. dem Mann, deren (dessen) Ehe mit dem (der) Versicherten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr (ihm) der (die) Versicherte zur Zeit seines (ihres) Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten a) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, b) auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches, c) auf Grund einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung, d) regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem (ihrem) Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem (ihrem) Tod, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat, sofern und solange die Frau (der Mann) nicht eine neue Ehe geschlossen hat. Die Witwen(Witwer)rente nach lit. a bis c wird mit dem Betrag gewährt, der dem gegen den Versicherten (die Versicherte) zur Zeit seines (ihres) Todes bestehenden Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag) entspricht; die Witwen(Witwer)rente nach lit. d wird mit dem Betrag gewährt, der dem vom Versicherten bzw. von der Versicherten in dem dort genannten Zeitraum, längstens jedoch während der letzten drei Jahre vor seinem (ihrem) Tod geleisteten durchschnittlichen monatlichen Unterhalt entspricht; die Witwen(Witwer)rente darf 20 vH der Bemessungsgrundlage des (der) Versicherten nicht übersteigen. In den Fällen der lit. a bis c bleibt eine vertraglich oder durch gerichtlichen Vergleich übernommene Erhöhung des Unterhaltes (Unterhaltsbeitrages) außer Betracht, wenn seit dem Abschluß des Vertrages (Vergleiches) bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist, in den Fällen der lit. d bleibt eine
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§ 215 ASVG
Witwen(Witwer)pension
Erhöhung des Unterhaltes außer Betracht, wenn seit dem Zeitpunkt der Erhöhung bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. (4) Abs. 3 vorletzter und letzter Satz sind nicht anzuwenden, wenn a) das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 Ehegesetz enthält, b) die Ehe mindestens fünfzehn Jahre gedauert hat, c) die Frau (der Mann) im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat und d) der Arbeitsunfall (die Berufskrankheit), durch den (die) der Tod des (der) Versicherten verursacht wurde, im Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteiles bereits eingetreten war. Die unter lit. c genannte Voraussetzung entfällt, wenn aa) die Frau (der Mann) seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder bb) nach dem Tod des Mannes (der Frau) eine Waisenrente für ein Kind im Sinne des § 252 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 anfällt, sofern dieses Kind aus der geschiedenen Ehe stammt oder von den Ehegatten gemeinsam an Kindes Statt angenommen worden ist und das Kind in allen diesen Fällen im Zeitpunkt des Todes des in Betracht kommenden Elternteiles ständig in Hausgemeinschaft (§ 252 Abs. 1 letzter Satz) mit dem anderen Elternteil lebt. Das Erfordernis der ständigen Hausgemeinschaft entfällt bei nachgeborenen Kindern.
Bei der Bestimmung des § 215 Abs 3 ASVG handelt es sich um eine Sonderrege- 1 lung für den Fall, dass die Ehe bereits vor dem Tod des Versicherten aufgelöst worden ist. War hingegen die Ehe zum Zeitpunkt des (durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit) verursachten Todes des Versicherten aufrecht, kommt die Bestimmung des § 215 Abs 1 und 2 ASVG zur Anwendung (10 Ob S 51/07 = ARD 5789/7/2007 = SVSlg 53.366). Stirbt der Versicherte infolge eines Arbeitsunfalls oder aufgrund einer Berufskrankheit, gebührt aus der Unfallversicherung eine Witwen(Witwer)rente (§§ 215 ff ASVG). Die Witwen (Witwer)rente gebührt der Witwe bis zu ihrem Tod bzw bis zu ihrer Wiederverheiratung (§ 215 Abs 1 ASVG). Geht eine Versicherte 5 Jahre nach ihrer Scheidung eine neuerliche Ehe mit ihrem ehemaligen Ehepartner ein und stirbt der Ehemann wenige Monate später an den Folgen einer Berufskrankheit, die schon vor der neuerlichen Eheschließung eingetreten ist, hat die Versicherte keinen Anspruch auf eine Witwenrente. Die im Witwenrecht der Pensionsversicherung für Fälle von Wiederverheiratung vorgesehene Ausnahmeregelung des § 258 Abs 3 Z 3 ASVG ist nicht analog auf den Anspruch auf Witwenrente nach §§ 215 ff ASVG anzuwenden (10 Ob S 51/07 = ARD 5789/7/2007 = SVSlg 53.366). 1411
§ 215 ASVG
Aichhorn
2 Die Witwen(Witwer)rente steht in Höhe des Unterhaltsanspruchs auch der „geschiedenen Witwe“ zu, wenn der verstorbene Versicherte im Zeitpunkt seines Todes Unterhalt (Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines Urteils, eines gerichtlichen Vergleichs oder aufgrund einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen Verpflichtung zu leisten hatte bzw geleistet hat (§ 215 Abs 3 lit a–c ASVG). Auch die regelmäßige faktische Unterhaltsleistung (ohne Unterhaltstitel) des Verstorbenen ab der Scheidung bis zu seinem Tod, mindestens jedoch während des letzten Jahres vor seinem Tod, bewirkt einen Anspruch auf Witwen(Witwer)rente, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat (§ 215 Abs 3 lit d ASVG). 3 Die Höhe der Witwen(Witwer)rente entspricht dem vom Versicherten zwischen Scheidung und Tod, längstens jedoch während der letzten drei Jahre vor seinem Tod geleisteten durchschnittlichen monatlichen Unterhalt. Die Witwen (Witwer)rente ist mit 20% der Bemessungsgrundlage des Versicherten begrenzt. 4 Wurde ein Unterhaltsverzicht unter der Bedingung abgegeben, dass er erst rechtswirksam wird, wenn der geschiedene Ehepartner seiner Verpflichtung auf Zahlung der Raten eines Unterhaltsabfindungsvergleichs nachgekommen ist und sollte die aus dem Scheidungsvergleich bestehende Unterhaltsverpflichtung bei Nichteinhaltung einer Rate wieder voll wirksam werden, besteht der Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Bezahlung einer Witwen (Witwer)rente gem § 215 Abs 3 ASVG zu Recht, wenn im Zeitpunkt des Todes des geschiedenen Ehepartners fällige Raten des Unterhaltsabfindungsvergleiches nicht bezahlt waren (10 Ob S 132/89 = SVSlg 35.065 = SSV-NF 3/63). 5 Ebenso wie bei der Witwen(Witwer)pension ist auch bei der Witwen(Witwer) rente der schuldlos nach § 55 EheG geschiedene Ehepartner privilegiert. Enthielt also das Scheidungsurteil einen Schuldausspruch gem § 61 Abs 3 EheG zulasten des Verstorbenen, ist die Witwen(Witwer)rente nicht auf die Unterhaltshöhe beschränkt, wenn – die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert hat, – die Frau in Zeitpunkt der Scheidung mindestens 40 Jahre alt war bzw sie seit der Scheidung erwerbsunfähig ist oder sie aus der geschiedenen Ehe ein nicht selbsterhaltungsfähiges Kind hat, das mit ihr (im Todeszeitpunkt des Versicherten) in Hausgemeinschaft lebt (das Erfordernis der ständigen Hausgemeinschaft entfällt bei nachgeborenen Kindern), – und wenn der Arbeitsunfall (die Berufskrankheit), durch den der Tod des Versicherten verursacht wurde, bereits vor der Scheidung eingetreten war (§ 215 Abs 4 ASVG). 6 Im Leistungsrecht der Sozialversicherung ist bei von einem Ehepartner abgeleiteten Ansprüchen die Differenzierung zwischen Personen, deren Ehe aufrecht 1412
§ 215a ASVG
Witwen(Witwer)pension
ist, und solchen, deren Ehe geschieden worden ist, sachlich gerechtfertigt. Die Richtlinie des Rates vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, 79/7/EWG (RL 79/7/EWG), gilt nach der ausdrücklichen Anordnung in ihrem Art 3 Abs 2 nicht für Regelungen betreffend Leistungen für Hinterbliebene. Bei der Unfallversicherung nach dem ASVG handelt es sich um ein gesetzliches System iS der Richtlinie 79/7/EWG, das Schutz gegen die Risiken eines Arbeitsanfalles und einer Berufskrankheit bietet. Fragen solcher gesetzlicher Systeme der sozialen Sicherheit nimmt die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften beginnend mit dem Urteil Rs 80/70 Defreme 1, Slg 1971, 445 vom Anwendungsbereich des Art 141 EG (ex-Art 119 EGV) jedoch aus (10 Ob S 191/04t = SVSlg 51.100).
Abfertigung und Wiederaufleben der Witwen(Witwer)rente § 215a. (1) Der Bezieherin (Dem Bezieher) einer Witwen(Witwer)rente (§ 215), die (der) sich wiederverehelicht hat, gebührt eine Abfertigung in der Höhe des 35-fachen Monatsbetrages einer nach § 215 Abs. 1 zu bemessenden Witwen(Witwer)rente, in den Fällen des § 215 Abs. 3 in der Höhe des 35-fachen Monatsbetrages der nach § 215 Abs. 3 gebührenden Witwen (Witwer)rente. (2) Wird die neue Ehe durch den Tod des Ehegatten, durch Scheidung oder durch Aufhebung aufgelöst oder wird die neue Ehe für nichtig erklärt, so lebt der Anspruch auf die Witwen(Witwer)rente (Abs. 1) auf Antrag wieder auf, wenn a) die Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der im Abs. 1 bezeichneten Person aufgelöst worden ist oder b) bei Nichtigerklärung der Ehe diese Person als schuldlos anzusehen ist. (3) . . . (4) . . . (5) . . . Die Abfertigung der Witwenrente ist nach § 215a Abs 1 ASVG in allen Fällen 1 von der Witwenrente nach § 215 Abs 1 ASVG zu bemessen, und zwar auch dann, wenn die Witwenrente im konkreten Fall infolge Überschreitung des 60. Lebensjahres bereits mit 40% der Bemessungsgrundlage bemessen wurde (SchG Wien SVSlg 31.306). S im Übrigen § 265 ASVG, Rz 1 f.
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§§ 216–217 ASVG
Aichhorn
Rente für hinterbliebene eingetragene Partner/Partnerinnen § 216. Die Bestimmungen über die Witwen(Witwer)rente nach § 215 mit Ausnahme des Abs. 4 sublit. bb und nach § 215a sind auf hinterbliebene eingetragene Partner/Partnerinnen sinngemäß anzuwenden.
Eheschließung nach dem Eintritt des Versicherungsfalles § 217. (1) Die Witwe (der Witwer) hat keinen Anspruch auf Rente, wenn die Ehe erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalles geschlossen worden und der Tod innerhalb des ersten Jahres der Ehe eingetreten ist, es sei denn, 1. daß in dieser Ehe ein Kind geboren oder durch die Ehe legitimiert wurde oder 2. daß die Witwe sich im Zeitpunkt des Todes des Versicherten erwiesenermaßen im Zustand der Schwangerschaft befunden hat. (2) Die hinterbliebene eingetragene Partnerin (der hinterbliebene eingetragene Partner) hat keinen Anspruch auf Rente, wenn die eingetragene Partnerschaft erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalles geschlossen worden und der Tod innerhalb des ersten Jahres der eingetragenen Partnerschaft eingetreten ist. 1 Die Ausnahmebestimmung des § 258 Abs 3 Z 3 ASVG ist nicht analog auf den Anspruch auf Witwenrente gem §§ 215 ff ASVG anzuwenden. Dass § 217 ASVG, wonach die Witwe keinen Anspruch auf Witwenrente hat, wenn die Ehe erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalles geschlossen wurde und der Tod innerhalb des ersten Jahres der Ehe eingetreten ist, keine dem § 258 Abs 3 Z 3 ASVG entsprechende Ausnahmebestimmung vorsieht, stellt keine planwidrige Regelungslücke dar (10 Ob S 51/07h = SSV-NF 21/34 = JusGuide 2007/31/4951). 2 Bei neuerlicher zweiter Ehe mit dem ehemaligen Ehepartner erst nach Eintritt des Versicherungsfalles besteht kein Anspruch auf Witwenrente, da § 258 Abs 3 Z 2 ASVG nicht analog auf die Witwenrente aus der Unfallversicherung anzuwenden ist (10 Ob S 51/07h = RdW 2007/708 = EF-Z 2007/116 [Leitner]).
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Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird [BGBl I 1998/169 idF BGBl I 2009/135] § 102. (1) Nach dem Tod eines (einer) Kammerangehörigen oder Empfängers (Empfängerin) einer Alters- oder Invaliditätsversorgung ist seiner Witwe (ihrem Witwer) oder seinem hinterbliebenen eingetragenen Partner, die (der) mit ihm (ihr) im Zeitpunkt des Todes in aufrechter Ehe oder eingetragenen Partnerschaft gelebt hat, die Witwen(Witwer)versorgung oder die Versorgung des hinterbliebenen eingetragenen Partners zu gewähren. (2) Die Witwen(Witwer)versorgung oder die Versorgung des hinterbliebenen eingetragenen Partners wird nicht gewährt, wenn die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Kammerangehörigen oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung geschlossen und zum Zeitpunkt des Todes des Kammerangehörigen oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung weniger als drei Jahre lang bestanden hat. Dies gilt nicht, wenn 1. der Tod des Ehegatten oder des eingetragenen Partners durch Unfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, oder 2. aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist oder hervorgeht, durch die Eheschließung ein Kind legitimiert worden ist, oder 3. im Zeitpunkt des Todes des Ehegatten oder des eingetragenen Partners dem Haushalt der Witwe (des Witwers) oder des eingetragenen Partners ein Kind des Verstorbenen angehört hat, das Anspruch auf Waisenversorgung hat.
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§ 102 ÄrzteG
Aichhorn
(3) Witwen(Witwer)versorgung oder die Versorgung des hinterbliebenen eingetragenen Partners gebührt, sofern nicht ein Ausschließungsgrund nach Abs. 2 vorliegt, auf Antrag auch dem Gatten oder eingetragenen Partner, dessen Ehe oder eingetragene Partnerschaft mit dem Kammerangehörigen für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden bzw. aufgelöst worden ist, wenn ihm der Kammerangehörige zur Zeit seines Todes Unterhalt(einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer durch Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte. Hat der frühere Ehegatte oder der frühere eingetragene Partner gegen den verstorbenen Kammerangehörigen nur einen befristeten Anspruch auf Unterhaltsleistungen gehabt, so besteht der Anspruch auf Witwen(Witwer)versorgung oder auf Versorgung des hinterbliebenen eingetragenen Partners längstens bis zum Ablauf der Frist. Die Versorgung des hinterbliebenen eingetragenen Partners darf die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die der frühere eingetragene Partner gegen den verstorbenen Kammerangehörigen an seinem Sterbetag Anspruch gehabt hat. Die Witwen(Witwer)versorgung darf die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Kammerangehörigen an seinem Sterbetag Anspruch gehabt hat, es sei denn 1. das auf Scheidung lautende Urteil enthält den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 Ehegesetz, dRGBl. 1938 I S 807, 2. die Ehe hat mindestens 15 Jahre gedauert und 3. der frühere Ehegatte hat im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils das 40. Lebensjahr vollendet. (4) Die Voraussetzung nach Abs. 3 Z 3 entfällt, wenn 1. der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils erwerbsunfähig ist oder 2. aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe legitimiert worden ist oder die Ehegatten ein gemeinsames Wahlkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Kammerangehörigen dem Haushalt des früheren Ehegatten angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern. (5) Die Witwen(Witwer)versorgung oder die Versorgung des hinterbliebenen eingetragenen Partners und die Versorgung des früheren Ehegatten oder des früheren eingetragenen Partners dürfen zusammen jenen Betrag nicht übersteigen, auf den der verstorbene Kammerangehörige Anspruch gehabt hat. Die Versorgung des früheren Ehegatten oder des früheren eingetragenen Partners ist erforderlichenfalls entsprechend zu kürzen. Die Witwen(Witwer)versorgung mehrerer früherer Ehegatten und die mehre1416
§ 102 ÄrzteG
Hinterbliebenenversorgung
ren früheren eingetragenen Partnern gebührende Versorgung hinterbliebener eingetragener Partner ist im gleichen Verhältnis zu kürzen. Ist kein(e) anspruchsberechtigte(r) Witwe(r) und kein hinterbliebener eingetragener Partner vorhanden, dann ist die Versorgung des früheren Ehegatten oder des früheren eingetragenen Partners so zu bemessen, als ob der Kammerangehörige eine(n) anspruchsberechtigte(n) Witwe(r) oder einen hinterbliebenen eingetragenen Partner hinterlassen hätte. Die Satzung kann davon abweichend den nach Abs. 7 für die Witwen(Witwer)versorgung und für die Versorgung des hinterbliebenen eingetragenen Partners vorgesehenen Betrag als Höchstgrenze bestimmen. Die Satzung kann trotzdem die Überschreitung der Höchstgrenze nach Abs. 7 vorsehen, wenn Kammerangehörige, die sich nach einer Scheidung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft verehelichen oder eine eingetragene Partnerschaft begründen, einen in der Satzung vorgesehenen Zusatzbeitrag tatsächlich geleistet haben. Das Ausmaß der Anteile und der allenfalls erforderlichen Kürzung des Anspruchs der Witwe (des Witwers) oder des (der) früheren Ehegatten oder des hinterbliebenen eingetragenen Partners und des früheren eingetragenen Partners ist in der Satzung festzulegen. (6) Im Falle der Wiederverehelichung oder der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft erlischt der Anspruch auf Witwen(Witwer)versorgung oder Versorgung des hinterbliebenen eingetragenen Partners. (7) Die Witwen(Witwer)versorgung oder Versorgung des hinterbliebenen eingetragenen Partners beträgt 60 vH der Alters- oder Invaliditätsversorgung, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt seines Ablebens gebührt hat oder gebührt hätte. Je nach der gemäß § 108a festzustellenden finanziellen Sicherstellung der Leistungen kann diese bis 75 vH erhöht werden. Die Bestimmungen gem § 102 ÄrzteG entsprechen im Wesentlichen dem 1 § 258 ASVG (s daher dort). Im Unterschied zu § 258 Abs 4 ASVG kennt das ÄrzteG jedoch keinen Anspruch auf uneigentliche (Witwen)Witwerpension gem § 258 Abs 4 lit d ASVG und auch keine Abfertigung und kein Wiederaufleben bei Erlöschen der Witwen(Witwer)versorgung im Fall der Wiederverehelichung (s § 102 Abs 6 ÄrzteG). Weiters kommt es – anders als bei einem Anspruch auf (uneigentliche) Witwen(Witwer)pension nach ASVG – gem § 102 Abs 5 ÄrzteG beim Aufeinandertreffen von Ansprüchen mehrerer (früherer) Ehepartner auf Witwen(Witwer)versorgung zu Kürzungen. In § 102 Abs 3 Satz 1 ÄrzteG scheint sich ein Textfehler eingeschlichen zu 2 haben. Anstatt „. . . wenn ihm der Kammerangehörige zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer durch Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft eingegangenen vertraglichen Verpflich1417
§ 102 ÄrzteG
Aichhorn
tung zu leisten hatte“ muss es in Analogie zu § 258 Abs 4 lit c ASVG richtig heißen: „. . . wenn ihm der Kammerangehörige zur Zeit seines Todes Unterhalt(einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte.“
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Bundesbahn-Pensionsgesetz (Pensionsreformgesetz 2001) BB-PG [BGBl I 2001/86 idF BGBl I 2009/135]
Anwendungsbereich § 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt 1. die Versetzung in den dauernden Ruhestand der Angestellten der Österreichischen Bundesbahnen, für die § 67 Abs. 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) gilt bzw. die gemäß § 67 Abs. 7 oder 8 AVB übergeleitet wurden, sowie der gemäß § 65 Abs. 3 Z 5 AVB gleichgestellten Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen, 2. die Pensionsansprüche der Angestellten der Österreichischen Bundesbahnen, für die § 67 Abs. 3 AVB gilt bzw. die gemäß § 67 Abs. 7 oder 8 AVB übergeleitet wurden, der gemäß § 65 Abs. 3 Z 5 AVB gleichgestellten Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen und der Bundesbahnbeamten i. R.; diese Personen werden im Folgenden als Beamte bezeichnet, sowie 3. die Pensionsansprüche der Hinterbliebenen und Angehörigen der in Z 2 angeführten Beamten. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen über die Versetzung in den dauernden Ruhestand und über Pensionsansprüche der in Z 1 bis 3 angeführten Personen. (2) Bundesbahnbeamte i. R. im Sinne dieses Bundesgesetzes sind 1. Beamte, die vor In-Kraft-Treten der AVB in den Ruhestand versetzt wurden und 2. Angestellte der Österreichischen Bundesbahnen, auf die § 67 Abs. 3, 7 oder 8 AVB Anwendung findet und die nach In-Kraft Treten der AVB in den Ruhestand versetzt wurden. 1419
§ 1 BB-PG
Aichhorn
(3) Hinterbliebene sind die überlebende Ehegattin oder der überlebende Ehegatte oder der überlebende eingetragene Partner oder die überlebende eingetragene Partnerin, die Kinder und die frühere Ehegattin oder der frühere Ehegatte oder der frühere eingetragene Partner oder die frühere eingetragene Partnerin des verstorbenen Beamten oder der verstorbenen Beamtin. (4) Überlebender Ehegatte (Witwe, Witwer) ist, wer im Zeitpunkt des Todes des Beamten mit diesem verheiratet gewesen ist. Überlebende eingetragene Partnerin oder überlebender eingetragener Partner ist, wer im Zeitpunkt des Todes der Beamtin oder des Beamten mit dieser oder diesem in eingetragener Partnerschaft gelebt hat. (5) Kinder sind a) b) c) d) e)
die ehelichen Kinder, die legitimierten Kinder, die Wahlkinder, die unehelichen Kinder und die Stiefkinder.
(6) Früherer Ehegatte ist, wessen Ehe mit dem Beamten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist. Frühere eingetragene Partnerin oder früherer eingetragener Partner ist, wessen eingetragene Partnerschaft mit der Beamtin oder dem Beamten für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. (7) Angehörige sind die Personen, die im Fall des Todes des Beamten Hinterbliebene wären. (8) Dieses Bundesgesetz ist auch auf Personen anzuwenden, die im § 1 der Bundesbahn-Pensionsüberleitungsverordnung, BGBl. Nr. 267/1949, angeführt und nicht schon durch die Bestimmung des Abs. 2 erfasst sind, sowie auf deren Hinterbliebene und Angehörige. (9) Ob und inwieweit dieses Bundesgesetz auf andere als in den Abs. 1 bis 8 genannte Bedienstete, auf ihre Hinterbliebenen und Angehörigen anzuwenden ist, wird jeweils im Dienstvertrag bestimmt. (10) Die in diesem Bundesgesetz verwendeten personenbezogenen Ausdrücke wie zB „Beamter“ umfassen Frauen und Männer gleichermaßen. (11) Unter „Österreichische Bundesbahnen“ im Sinne dieses Gesetzes sind die in § 52 Abs. 1 des Bundesbahngesetzes, BGBl. Nr. 825/1992, angeführten Unternehmen und Gesellschaften zu verstehen.
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§§ 1b, 18 BB-PG
Hinterbliebenenversorgung
Eingetragene Partnerschaft § 1b. Folgende Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind auf eingetragene Partnerinnen und Partner von Beamtinnen oder Beamten, auf eingetragene Partnerschaften und infolge deren Begründung und Auflösung nach dem Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG), BGBl. I Nr. 135/2009, sinngemäß anzuwenden: die §§ 13 bis 14e, § 18, § 20, § 22 hinsichtlich des überlebenden Ehegatten, § 24, § 42, § 49 und § 70 Abs. 2.
Versorgungsbezug des früheren Ehegatten § 18. (1) Die Bestimmungen über den Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten und über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten – ausgenommen die Bestimmungen der §§ 20 Abs. 3 bis 6 und 22 – gelten, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für den früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte. (1a) Abs. 1 ist auch dann anzuwenden, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der verstorbene Beamte auf Grund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung seinem früheren Ehegatten 1. zumindest für die Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod oder, 2. falls der Tod des Beamten früher als vor Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe eingetreten ist, durchgehend vom Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft bis zu seinem Tod nachweislich regelmäßig Unterhaltszahlungen geleistet hat. (2) Der Versorgungsgenuss gebührt dem früheren Ehegatten nur auf Antrag. Er fällt, wenn der Antrag binnen sechs Monaten nach dem Tod des Beamten gestellt wird, mit dem auf den Sterbetag folgenden Monatsersten an. In allen übrigen Fällen gebührt der Versorgungsgenuss von dem der Einbringung des Antrages folgenden Monatsersten an; wird der Antrag an einem Monatsersten gestellt, so gebührt der Versorgungsgenuss von diesem Tag an. (3) Hat der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten nur einen befristeten Anspruch auf Unterhaltsleistungen gehabt, so besteht der Versorgungsanspruch längstens bis zum Ablauf der Frist. (4) Der Versorgungsbezug – ausgenommen die Ergänzungszulage – darf
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§ 18 BB-PG
Aichhorn
1. die Unterhaltsleistung, auf die der frühere Ehegatte im Fall des Abs. 1 gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat, oder 2. die durchschnittlichen monatlichen Unterhaltszahlungen, die der verstorbene Beamte im Fall des Abs. 1a regelmäßig längstens in den letzten drei Jahren vor seinem Tod geleistet hat, nicht übersteigen. (4a) Abs. 4 gilt jedoch nicht, wenn 1. das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes enthält, 2. die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert und 3. der frühere Ehegatte im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteils das 40. Lebensjahr vollendet hat. Diese Voraussetzung entfällt, wenn a) der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteils erwerbsunfähig ist oder b) aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten gemeinsam ein Wahlkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Beamten dem Haushalt des früheren Ehegattenangehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuss hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern. (5) Versorgungsgenüsse mehrerer früherer Ehegatten dürfen zusammen 60% des Ruhegenusses, auf den der verstorbene Beamte Anspruch gehabt hätte, nicht übersteigen. Die Versorgungsgenüsse sind gegebenenfalls im gleichen Verhältnis zu kürzen. (6) Eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Sterbetag des Beamten ist nur beachtlich, wenn sie entweder in einem rechtskräftigen Urteil ausgesprochen oder schriftlich vereinbart worden ist und wenn sie ihren Grund in einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Beamten oder in einer Steigerung der Bedürfnisse des früheren Ehegatten gehabt hat. (7) Unterhaltsleistungen, die die Erben des verstorbenen Beamten auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen dem früheren Ehegatten erbringen, sind auf den Versorgungsbezug des früheren Ehegatten anzurechnen. (8) Erlischt der Anspruch des überlebenden Ehegatten oder eines früheren Ehegatten auf Versorgungsgenuss, so ändert sich dadurch der Versorgungsbezug eines allenfalls noch verbleibenden früheren Ehegatten nicht. 1 Die Bestimmungen gem § 18 BB-PG entsprechen im Wesentlichen dem § 258 ASVG (s daher dort). 1422
§ 20 BB-PG
Hinterbliebenenversorgung
Verlust des Anspruches der Hinterbliebenen auf Versorgungsgenuss, Abfindung des überlebenden Ehegatten bei Wiederverehelichung, Wiederaufleben des Versorgungsanspruches des überlebenden Ehegatten § 20. (1) Der Anspruch der Hinterbliebenen auf Versorgungsgenuss erlischt durch a) Verzicht, b) Ablösung. (2) Der Anspruch des überlebenden Ehegatten und des früheren Ehegatten erlischt außerdem durch Verehelichung. (3) Dem überlebenden Ehegatten des Beamten, der sich wieder verehelicht hat, gebührt eine Abfindung in der Höhe des Siebzigfachen des Versorgungsbezuges, auf den er im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch gehabt hat. Die Ergänzungszulage bleibt bei der Bemessung der Abfindung außer Betracht. (4) Wird die neue Ehe durch den Tod des Ehegatten, durch Scheidung oder durch Aufhebung aufgelöst oder wird die neue Ehe für nichtig erklärt, so lebt beim Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen der Versorgungsanspruch aus der früheren Ehe wieder auf, wenn a) die Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der abfindungsberechtigten Person geschieden oder aufgehoben worden ist oder b) bei Nichtigerklärung der Ehe die abfindungsberechtigte Person als schuldlos anzusehen ist. (5) Das Wiederaufleben des Versorgungsanspruches tritt mit der Auflösung oder Nichtigerklärung der letzten Ehe, frühestens jedoch fünf Jahre nach dem seinerzeitigen Erlöschen dieses Anspruches ein. (6) Auf den Versorgungsbezug, der wieder aufgelebt ist, sind die Einkünfte (§ 16 Abs. 11 und 12) anzurechnen, die dem überlebenden Ehegatten auf Grund der aufgelösten oder für nichtig erklärten Ehe zufließen. Erhält der überlebende Ehegatte statt laufender Unterhaltsleistungen eine Kapitalabfindung, so ist auf den monatlichen Versorgungsbezug ein Zwölftel des Betrages anzurechnen, der sich bei der Annahme eines jährlichen Ertrages von 4 vH des Abfindungskapitals ergeben würde. Geht das Abfindungskapital ohne vorsätzliches Verschulden des überlebenden Ehegatten unter, so entfällt die Anrechnung. Die Bestimmungen gem § 20 BB-PG entsprechen im Wesentlichen dem § 258 1 ASVG (s daher dort). Die Höhe des Abfindungsanspruchs unterscheidet sich jedoch. Während gem § 265 Abs 1 ASVG der Abfertigungsanspruch bei 1423
§ 20 BB-PG
Aichhorn
Wiederverehelichung das 35-fache der Witwen(Witwer)pension, auf die man im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch hatte, beträgt, steht gem § 20 Abs 3 BB-PG das Siebzigfache des Versorgungsbezuges zu, auf den er im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch gehabt hat. Auch die Frist, innerhalb derer der Versorgungsanspruch wiederaufleben kann, ist unterschiedlich. Sie beträgt gem § 265 Abs 3 ASVG 2½ Jahre ab dem seinerzeitigen Erlöschen des Anspruchs, gem § 20 Abs 5 BB-PG fünf Jahre. 2 Gem § 18 Abs 1 der Bundesbahn-Pensionsordnung (jetzt Bundesbahn-Pensionsgesetz) genügt für den Anspruch auf Witwenversorgungsgenuss ein Verschuldensausspruch im Scheidungs- oder Aufhebungsurteil nicht. Der Verpflichtungsgrund muss vielmehr ein gerichtliches Leistungsurteil, ein gerichtlicher Vergleich oder eine vor Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe abgeschlossene schriftliche Vereinbarung sein. Es reicht auch nicht aus, dass allenfalls aufgrund mündlicher Absprache tatsächlich Leistungen mit Unterhaltscharakter erbracht wurden (4 Ob 156/83 = SZ 57/76).
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Krankenversicherung für Eisenbahnen und Bergbau Rechtsgrundlage ist neben den einschlägigen Sozialversicherungsgesetzen wie 1 insb ASVG und B-KUVG die Satzung der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) (gem § 158 B-KUVG iVm § 455 ASVG). Für Versicherte im Bereich Eisenbahnen und Bergbau gilt die Besonderheit, dass VAEB die Krankenversicherung nach zwei verschiedenen Gesetzen durchführen muss. In der „Krankenversicherung A“ (Abschnitt II, Sonderbestimmungen für die bei der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau versicherten Personen, 1. Unterabschnitt Krankenversicherung, Leistungen in der allgemeinen Krankenversicherung der Eisenbahnbediensteten, § 474 ASVG iVm §§ 13 ff der Satzung der VAEB) sind versichert: Angestellte der ÖBB, Privatbahnbedienstete, Bedienstete der Schlaf- und Speisewagenbetriebe, Personen, die in knappschaftlichen Betrieben oder diesen gleichgestellten Betrieben beschäftigt sind, Lehrlinge, Kinderbetreuungsgeld-BezieherInnen und BezieherInnen einer ASVG-Pension. Hinsichtlich der Barleistungen wie Krankengeld und Wochengeld gelten für die Versicherten in der Krankenversicherung A die Bestimmungen des ASVG, im übrigen Leistungsrecht der Krankenversicherung sind die Bestimmungen des B-KUVG maßgebend. In „Krankenversicherung B“ (Abschnitt II, Sonderbestimmungen für die bei der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau versicherten Personen, 1. Unterabschnitt Krankenversicherung, Krankenversicherung der unkündbaren Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen und der ihnen gleichgestellten Personen, § 472 ASVG iVm §§ 34 ff der Satzung der VAEB) sind versichert: Beamte der ÖBB, diesen gleichgestellte Personen und Personen, die vom Zentralen Rechnungsservice der ÖBB einen Ruhe- oder Versorgungsgenuss erhalten. Für die Versicherten in der Krankenversicherung „B“ ist in der Krankenversicherung das B-KUVG zur Gänze anzuwenden.
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Bundesgesetz vom 11. Oktober 1978 über die Sozialversicherung der in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen (Bauern-Sozialversicherungsgesetz – BSVG) [BGBl 1978/559 idF BGBl I 2009/135]
Weiterversicherung in der Krankenversicherung § 8. (1) . . . (2) . . . (3) Die Krankenversicherung kann ferner, wenn sie die im Abs. 1 bezeichnete Mindestdauer erreicht hat, fortgesetzt werden 1. nach dem Tode des/der Versicherten a) von der/dem überlebenden Ehegattin/Ehegatten oder von der/dem eingetragenen Partnerin/Partner oder b) von einer überlebenden, nach § 78 als Angehörige geltenden Person, 2. nach Nichtigerklärung, Aufhebung, Scheidung der Ehe und Nichtigerklärung oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft vom/von der früheren Ehegattin/Ehegattin oder früheren eingetragenen Partnerin/ Partner und 3. nach dem Ausscheiden des/der Versicherten aus der Pflichtversicherung von einer Person, die in diesem Zeitpunkt als Angehörige im Sinne des § 78 Abs. 7 gegolten hat, solange die zur Weiterversicherung berechtigte Person ihren Wohnsitz im Inland hat und nicht nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversichert ist. Die Antragsfrist von sechs Monaten beginnt mit dem auf den Tag des Todes bzw. auf den Tag des Ausscheidens aus der Pflichtversicherung bzw. auf den Tag der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe oder die Nichtigerklärung oder Auflösung der ein1426
§§ 8, 127 BSVG
Hinterbliebenenversorgung
getragenen Partnerschaft oder in den Fällen des § 2 Abs. 5 auf den Tag der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens folgenden Tag. ... Näheres s bei § 16 ASVG.
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Witwen(Witwer)pension § 127. (1) Anspruch auf Witwen(Witwer)pension hat die Witwe nach dem Tod des versicherten Ehegatten bzw. der Witwer nach dem Tod der versicherten Ehegattin. Nimmt die Witwe (der Witwer) die Alters(Erwerbsunfähigkeits)pension gemäß § 125 in Anspruch, so steht ihr (ihm) ein Anspruch auf Witwen(Witwer)pension nicht zu. (2) Die Pension nach Abs. 1 gebührt bis zum Ablauf von 30 Kalendermonaten nach dem Letzten des Monats des Todes des (der) versicherten Ehegatten (Ehegattin), 1. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, es wäre denn, daß die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat; 2. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat und die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem der andere Ehegatte einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Pension aus einem Versicherungsfall des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit mit Ausnahme des Knappschaftssoldes und der Knappschaftspension hatte, es wäre denn, daß a) die Ehe mindestens drei Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 20 Jahre betragen hat oder b) die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 25 Jahre betragen hat oder c) die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten mehr als 25 Jahre betragen hat; 3. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat und die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem der Ehegatte bereits das 65. Lebensjahr (die Ehegattin bereits das 60. Lebensjahr) überschritten und keinen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine in Z 2 bezeichnete Pension hatte, es wäre denn, daß die Ehe zwei Jahre gedauert hat. Wäre der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Ablaufs der Frist, für die die Pension zuerkannt wurde, in sinngemäßer Anwendung der §§ 254 Abs. 1 Z 1 und 255 Abs. 3 des Allgemeinen So1427
§ 127 BSVG
Aichhorn
zialversicherungsgesetzes als invalid anzusehen und wurde die Weitergewährung der Pension spätestens innerhalb von drei Monaten nach deren Wegfall beantragt, so ist die Pension für die weitere Dauer der Invalidität zuzuerkennen. Der Anspruch auf eine befristet zuerkannte bzw. für die Dauer der Invalidität weitergewährte Witwen(Witwer)pension erlischt ohne weiteres Verfahren, wenn sich der Bezieher (die Bezieherin) einer solchen Pension wiederverehelicht. (3) Abs. 2 gilt nicht, 1. wenn in der Ehe ein Kind geboren oder durch die Ehe ein Kind legitimiert wurde oder die Witwe sich im Zeitpunkt des Todes des Ehegatten erwiesenermaßen im Zustand der Schwangerschaft befunden hatte oder in diesem Zeitpunkt dem Haushalt der Witwe (des Witwers) ein Kind des (der) Verstorbenen angehörte, das Anspruch auf Waisenpension hat; 2. wenn die Ehe von Personen geschlossen wurde, die bereits früher miteinander verheiratet gewesen sind und bei Fortdauer der früheren Ehe der Witwen(Witwer)pensionsanspruch nicht ausgeschlossen gewesen wäre. (4) Die Pension nach Abs. 1 gebührt nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 auch 1. der Frau, 2. dem Mann, deren (dessen) Ehe mit dem (der) Versicherten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr (ihm) der (die) Versicherte zur Zeit seines (ihres) Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte bzw. Unterhalt geleistet hat, und zwar a) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, b) auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches, c) auf Grund einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung, d) regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem (ihrem) Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem (ihrem) Tod, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat, sofern und solange die Frau (der Mann) nicht eine neue Ehe geschlossen hat. 1 Die Bestimmungen gem § 127 BSVG entsprechen dem § 258 ASVG (s daher dort). 2 Die nach den Verfahrensgesetzen gegebene Möglichkeit, dass die Parteien eines Unterhaltsprozesses nach Erlassung einer EV das Verfahren nicht fortsetzen, sich vielleicht sogar in Hinkunft nach dem einstweiligen Unterhalt 1428
§§ 128, 136 BSVG
Hinterbliebenenversorgung
richten, muss dem Sozialversicherungsgesetzgeber bewusst gewesen sein. Dennoch hat er Beschlüsse, in denen eine Unterhaltsleistung festgesetzt wird, nicht in die taxative Aufzählung des § 127 Abs 4 BSVG bzw der entsprechenden Bestimmungen des ASVG und GSVG aufgenommen; sie begründen daher keinen Anspruch auf Witwenpension gem § 127 Abs 4 BSVG (OLG Linz SVSlg 36.248). Wenn eine geschiedene Frau auf Unterhaltsansprüche ausdrücklich verzichtet 3 hat, dies gegen Bezahlung einer einmaligen Abfindung, ist ein Unterhalt nicht aufrecht. Ein Anspruch auf Witwenpension nach § 127 Abs 4 BSVG ist daher nicht gegeben (SchG Tir SVSlg 32.307; ZASB 1988, 12).
Pension für hinterbliebene eingetragene PartnerInnen § 128. Die Bestimmungen über die Witwen(Witwer)pension nach § 127 mit Ausnahme des Abs. 3 Z 1, nach § 136 mit Ausnahme des Abs. 10 Z 3 lit. b und nach § 137 sind auf hinterbliebene eingetragene PartnerInnen und eingetragene Partnerschaften nach dem EPG sinngemäß anzuwenden.
Witwen(Witwer)pension, Ausmaß § 136. (1) Das Ausmaß der Witwen(Witwer)pension ergibt sich aus einem Hundertsatz der Pension des (der) Versicherten . . . (2) . . . (3) Berechnungsgrundlage der Witwe (des Witwers) im Sinne des Abs. 2 ist das Einkommen nach Abs. 5 in den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Zeitpunkt des Todes des (der) Versicherten, geteilt durch 24. (4) . . . (5) Als Einkommen im Sinne der Abs. 3 und 4 gelten: 1. Erwerbseinkommen im Sinne des § 56 Abs. 1, 2. wiederkehrende Geldleistungen a) aus der gesetzlichen Sozialversicherung (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses und eines besonderen Steigerungsbetrages nach § 132) und aus der Arbeitslosenversicherung sowie nach den Bestimmungen über die Arbeitsmarktförderung und die Sonderunterstützung oder b) auf Grund gleichwertiger landesgesetzlicher oder bundesgesetzlicher Regelungen der Unfallfürsorge (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses), 3. wiederkehrende Geldleistungen auf Grund a) des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340,
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§ 136 BSVG
Aichhorn
b) landesgesetzlicher Vorschriften, die dem Dienstrecht der Bundesbeamten vergleichbar sind, c) des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984, d) des Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 296/1985, e) des Bezügegesetzes, BGBl. Nr. 273/1972, des Bundesbezügegesetzes, BGBl. I Nr. 64/1997, und vergleichbarer landesgesetzlicher Vorschriften, f) des Verfassungsgerichtshofgesetzes, BGBl. Nr. 85/1953, g) des Bundestheaterpensionsgesetzes, BGBl. Nr. 159/1958, h) des § 163 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, i) des Bundesbahn-Pensionsgesetzes, BGBl. I Nr. 86/2001, j) der Dienst(Pensions)ordnungen für (ehemalige) DienstnehmerInnen von – öffentlich-rechtlichen Körperschaften und – Fonds, Stiftungen, Anstalten und Betrieben, die von den Organen einer Gebietskörperschaft verwaltet werden, k) sonstiger nach § 5 Abs. 1 Z 3 ASVG pensionsversicherungsfreier Dienstverhältnisse, l) vertraglicher Pensionszusagen einer Gebietskörperschaft, 4. außerordentliche Versorgungsbezüge, Administrativpensionen und laufende Überbrückungszahlungen auf Grund von Sozialplänen, die einer Administrativpension entsprechen, 5. Pensionen auf Grund ausländischer Versicherungs- oder Versorgungssysteme (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses), soweit es sich nicht um Hinterbliebenenleistungen aus dem gleichen Versicherungsfall handelt. (5a) . . . (6) . . . (6a) . . . (7) . . . (7a) . . . (7b) . . . (8) Die Witwen(Witwer)pension nach § 127 Abs. 4 lit. a bis c darf den gegen den Versicherten (die Versicherte) zur Zeit seines (ihres) Todes bestehenden und mit dem im Zeitpunkt des Pensionsanfalles für das Jahr des Todes geltenden Aufwertungsfaktor (§ 45) aufgewerteten Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag), vermindert um eine der (dem) Anspruchsberechtigten nach dem (der) Versicherten gemäß § 215 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes gebührende Witwen(Witwer)rente, nicht übersteigen. Eine vertraglich oder durch gerichtlichen Vergleich übernommene Erhöhung des Unterhaltes (Unterhaltsbeitrages) bleibt außer Be1430
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Hinterbliebenenversorgung
tracht, wenn seit dem Abschluß des Vertrages (Vergleiches) bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. (9) Die Witwen(Witwer)pension nach § 127 Abs. 4 lit. d darf den vom Versicherten bzw. von der Versicherten in dem dort genannten Zeitraum, längstens jedoch während der letzten drei Jahre vor seinem (ihrem) Tod geleisteten durchschnittlichen monatlichen Unterhalt, vermindert um eine der (dem) Anspruchsberechtigten nach dem (der) Versicherten gemäß § 215 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes gebührende Witwen(Witwer)rente, nicht übersteigen. Eine Erhöhung des Unterhaltes bleibt außer Betracht, wenn seit dem Zeitpunkt der Erhöhung bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. (10) Die Abs. 8 und 9 sind nicht anzuwenden, wenn 1. das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes enthält, 2. die Ehe mindestens fünfzehn Jahre gedauert und 3. die Frau (der Mann) im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Die unter Z 3 genannte Voraussetzung entfällt, wenn a) die Frau (der Mann) seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder b) nach dem Tod des Mannes (der Frau) eine Waisenpension für ein Kind im Sinne des § 119 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 anfällt, sofern dieses Kind aus der geschiedenen Ehe stammt oder von den Ehegatten gemeinsam an Kindes Statt angenommen worden ist und das Kind in allen diesen Fällen im Zeitpunkt des Todes des in Betracht kommenden Elternteiles ständig in Hausgemeinschaft (§ 119 Abs. 1 letzter Satz) mit dem anderen Eheteil lebt. Das Erfordernis der ständigen Hausgemeinschaft entfällt bei nachgeborenen Kindern.
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Bundesgesetz vom 11. Oktober 1978 über die Sozialversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen (Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz – GSVG) [BGBl 1978/560 idF BGBl I 2009/135]
Weiterversicherung § 8. (1) . . . (2) . . . (3) Die Krankenversicherung kann ferner, wenn sie die im Abs. 1 bezeichnete Mindestdauer erreicht hat, fortgesetzt werden 1. nach dem Tode des Versicherten a) von einer überlebenden, gemäß § 83 als Angehörige geltenden Person oder b) von einer überlebenden, gemäß § 10 als Familienangehörige geltenden Person; (16. Nov., BGBl. Nr. 643/1989, Art. I Z 3) – 1.1.1990. 2. nach Nichtigerklärung, Aufhebung, Scheidung der Ehe und Nichtigerklärung oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft vom/von der früheren Ehegatten/Ehegattin oder eingetragenen Partner/Partnerin und 3. nach dem Ausscheiden des Versicherten aus der Pflichtversicherung und Übernahme einer Erwerbstätigkeit im Ausland von den im Inland zurückbleibenden Angehörigen, die im Falle des Todes des Versicherten gemäß Z 1 lit. a oder b zur Weiterversicherung berechtigt wären, oder von den im Inland zurückbleibenden Kindern, Enkeln, Wahl- oder Stiefkindern, solange die zur Weiterversicherung berechtigte Person ihren Wohnsitz im Inland hat und nicht nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz in der 1432
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Witwen(Witwer)pension
Krankenversicherung pflichtversichert ist. Für die Antragsfrist gilt Abs. 2 mit der Maßgabe, daß die Frist in den Fällen der Z 1 mit dem auf den Tag des Todes des Versicherten folgenden Tag, nach dem Tode eines Pensionisten mit dem auf das Ende der Versicherung (§ 7 Abs. 1 Z 6) folgenden Tag, in den Fällen der Z 2 mit dem auf den Tag der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe oder die Nichtigerklärung oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft folgenden Tag, in den Fällen der Z 3 mit dem Tag des Ausscheidens des Versicherten aus der Pflichtversicherung zu laufen beginnt. Diese Personen können innerhalb der gleichen Frist durch gesonderte Anmeldung die Familienversicherung bezüglich aller jener Familienangehörigen fortsetzen, auf welche die Voraussetzungen des § 10 gegenüber dem Weiterversicherten zutreffen. (4) In den Fällen des Abs. 3 können die dort genannten Personen, solange sie ihren Wohnsitz im Inland haben und nicht nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversichert sind, auch eine Weiterversicherung in der Krankenversicherung fortsetzen. (5) Personen, die gemäß Abs. 1 oder 3 zur Weiterversicherung berechtigt waren, können dieses Recht, wenn die Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 6 Abs. 2 abgelehnt wurde, auch noch innerhalb von sechs Monaten nach Ablehnung des Antrages auf die Bescheinigung geltend machen. Das Recht auf Weiterversicherung steht auch Personen zu, deren vorläufige Krankenversicherung gemäß § 7 Abs. 1 Z 6 endet, wenn sie dieses Recht innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung des ablehnenden Pensionsbescheides geltend machen. (6) Die Weiterversicherung schließt zeitlich unmittelbar an das Ende der vorangegangenen Krankenversicherung an. In den Fällen des Abs. 3 Z 1 bis 3 beginnt die Weiterversicherung mit dem Beginn der Antragsfrist, in den Fällen des Abs. 5 beginnt die Weiterversicherung mit dem auf den Tag der Zustellung des Bescheides über die Ablehnung der Bescheinigung bzw. des ablehnenden Pensionsbescheides folgenden Tag. ... Näheres s bei § 16 ASVG.
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Witwen(Witwer)pension § 136. (1) Anspruch auf Witwen(Witwer)pension hat die Witwe nach dem Tod des versicherten Ehegatten bzw. der Witwer nach dem Tod der versicherten Ehegattin. Nimmt die Witwe (der Witwer) die Alters(Erwerbsunfähigkeits)pension gemäß § 134 in Anspruch, so steht ihr (ihm) ein Anspruch auf Witwen(Witwer)pension nicht zu. 1433
§ 136 GSVG
Aichhorn
(2) Die Pension nach Abs. 1 gebührt bis zum Ablauf von 30 Kalendermonaten nach dem Letzten des Monats des Todes des (der) versicherten Ehegatten (Ehegattin), 1. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, es wäre denn, daß die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat; 2. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat und die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem der andere Ehegatte einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Pension aus einem Versicherungsfall des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit mit Ausnahme des Knappschaftssoldes und der Knappschaftspension hatte, es wäre denn, daß a) die Ehe mindestens drei Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 20 Jahre betragen hat oder b) die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 25 Jahre betragen hat oder c) die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten mehr als 25 Jahre betragen hat; 3. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat und die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem der Ehegatte bereits das 65. Lebensjahr (die Ehegattin bereits das 60. Lebensjahr) überschritten und keinen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine in Z 2 bezeichnete Pension hatte, es wäre denn, daß die Ehe zwei Jahre gedauert hat. Wäre der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Ablaufs der Frist, für die die Pension zuerkannt wurde, in sinngemäßer Anwendung der §§ 254 Abs. 1 Z 1 und 255 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes als invalid anzusehen und wurde die Weitergewährung der Pension spätestens innerhalb von drei Monaten nach deren Wegfall beantragt, so ist die Pension für die weitere Dauer der Invalidität zuzuerkennen. Der Anspruch auf eine befristet zuerkannte bzw. für die Dauer der Invalidität weitergewährte Witwen(Witwer)pension erlischt ohne weiteres Verfahren, wenn sich der Bezieher (die Bezieherin) einer solchen Pension wiederverehelicht. (3) Abs. 2 gilt nicht, 1. wenn in der Ehe ein Kind geboren oder durch die Ehe ein Kind legitimiert wurde oder die Witwe sich im Zeitpunkt des Todes des Ehegatten erwiesenermaßen im Zustand der Schwangerschaft befunden hatte oder in diesem Zeitpunkt dem Haushalt der Witwe (des Witwers) ein Kind des (der) Verstorbenen angehörte, das Anspruch auf Waisenpension hat; 1434
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2. wenn die Ehe von Personen geschlossen wurde, die bereits früher miteinander verheiratet gewesen sind und bei Fortdauer der früheren Ehe der Witwen(Witwer)pensionsanspruch nicht ausgeschlossen gewesen wäre. (4) Die Pension nach Abs. 1 gebührt nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 auch 1. der Frau, 2. dem Mann, deren (dessen) Ehe mit dem (der) Versicherten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr (ihm) der (die) Versicherte zur Zeit seines (ihres) Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte bzw. Unterhalt geleistet hat, und zwar a) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, b) auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches, c) auf Grund einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung, d) regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem (ihrem) Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem (ihrem) Tod, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat, sofern und solange die Frau (der Mann) nicht eine neue Ehe geschlossen hat. Die Regelungen des § 136 GSVG entsprechen dem § 258 ASVG (s daher auch 1 dort). Nur aufgrund der im Abs 4 des § 136 GSVG angeführten Leistungsverpflich- 2 tungen ist ein Anspruch auf Witwenpension gegeben. Wenn keiner dieser Tatbestände verwirklicht ist, kommt ein Witwenpensionsanspruch nicht in Betracht. Für eine analoge Anwendung auf andere, nicht ausdrücklich aufgezählte Tatbestände liegt keine Veranlassung vor, weil der Gesetzgeber ausdrücklich die Tatbestände, bei deren Vorliegen der Anspruch auf Witwen (Witwer)pension aus einer geschiedenen Ehe gegeben ist, taxativ aufzählte (OLG Wien SVSlg 43.811). Während das Gesetz für die ersten beiden Fälle des § 136 Abs 4 GSVG Form- 3 vorschriften normiert und nach dem letzten Fall regelmäßig Unterhaltszahlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs geleistet worden sein müssen, ist die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt der lit c ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, für das die Einigung der Vertragsteile über die Leistung wesentlich ist. Da im bürgerlichen Recht besondere Formvorschriften für Unterhaltsvereinbarungen von Ehepartner nicht bestehen, wäre gem § 883 ABGB auch eine bloß mündlich zustande gekommene Vereinbarung für den wirksamen Vertragsabschluss ausreichend (LG Feldkirch SVSlg 43.814). 1435
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Die vertragliche Verpflichtung des Ehemanns, seiner Frau nach der Scheidung der Ehe Unterhalt zu leisten, ist weder an die Form eines Notariatsakts noch an eine andere Form gebunden, weshalb auch eine schlüssige Vereinbarung genügt. Gem § 863 ABGB kann man seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen, sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen. In Bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen. Für die Willenserklärung ist dabei das wirkliche Vorliegen rechtsgeschäftlichen Willens nicht entscheidend, es kommt nur darauf an, ob der Erklärungsempfänger bei sorgfältiger Deutung das Vorliegen einer solchen erschließen durfte und erschlossen hat. Der Erklärungsempfänger ist in seinem Vertrauen nur dann schutzwürdig, wenn er die Erklärung so verstanden hat, wie sie ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger verstehen durfte (LG Wr Neustadt SVSlg 43.813). 4 Eine nicht auf einer Verpflichtung beruhende freiwillige Unterhaltsleistung genügt nicht, um Ansprüche zu begründen (SchG Krnt SVSlg 30.700). Maßgeblich ist, ob der Versicherte aufgrund der im Gesetz angeführten rechtsbegründenden Tatbestände im Zeitpunkt des Todes Unterhalt zu leisten hatte. Wesentlich ist daher das aufrechte Bestehen einer Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt im Todeszeitpunkt, weil die Witwenpension Ersatz für den Entfall der Unterhaltsleistung des früheren Ehepartners sein soll. Das bloße Vorliegen eines Unterhaltstitels reicht nicht aus, sondern es wird vorausgesetzt, dass der Versicherte zur Zeit seines Todes diesen Unterhalt auch zu leisten hatte bzw tatsächlich geleistet hat (10 Ob S 78/03 = SVSlg 49.568). Hat der Versicherte zum Todeszeitpunkt aufgrund seiner Einkommensverhältnisse keinen Unterhalt geleistet, besteht trotz grundsätzlichen Bestehens eines Unterhaltstitels kein Anspruch auf Witwenpension gem § 136 Abs 4 GSVG (ARD 5473/14/2004). Hat aber der verstorbene Versicherte der geschiedenen Ehepartnerin während des letzten Jahres vor seinem Tod tatsächlich Unterhalt geleistet, dann steht die Witwenpension gem § 136 Abs 4 lit d GSVG unabhängig davon zu, ob nach zivilrechtlichen Grundsätzen ein Anspruch auf Unterhalt bestanden hätte (10 Ob S 120/99s = SSV-NF 13/67 = SVSlg 46.692). 5 Bei einem befristeten Unterhaltsanspruch einer geschiedenen Ehepartnerin ist auch die Witwenpension nur mit dieser Befristung zu gewähren (OLG Wien SSV 19/58 = JBl 1980, 444). 6 Ist ein Ehepartner der einzige persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft und mit 97% am Gesellschaftsvermögen beteiligt und verpflichtet sich diese Kommanditgesellschaft vertreten durch den Ehepartner vor 1436
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Witwen(Witwer)pension
der Scheidung der Ehe in einem Notariatsakt zur Leistung einer Rente an den anderen Ehepartner nach erfolgter Scheidung, wobei beide Ehepartner davon ausgehen, dass es sich dabei um eine Unterhaltsleistung handelt, so wird damit ein Unterhaltsanspruch iSd § 136 Abs 4 GSVG begründet (10 Ob S 339/91 = SSV-NF 6/132). Ein Urteil auf Feststellung, dass der geschiedene Ehepartner in Abänderung 7 eines gerichtlichen Vergleichs schuldig ist, dem früheren Ehepartner laut einem nach Scheidung der Ehe abgeschlossenen Vertrag einen bestimmten Mindestunterhalt zu zahlen, ist ein gerichtliches Urteil iSd § 136 Abs 4 GSVG (10 Ob S 45/99m = SSV-NF 13/34). Stand im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz 8 aufgrund eines rechtskräftigen Urteils fest, dass der Versicherte zur Zeit seines Todes der Frau Unterhalt zu leisten hatte, sind damit die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Witwenpension gem § 136 Abs 4 lit a GSVG erfüllt, und zwar auch dann, wenn der Versicherte zwar nach Erlassung des Versäumungsurteils, jedoch noch vor Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils verstorben ist (10 Ob S 45/99m = SSV-NF 13/34). Es ist unmaßgeblich, warum die unterhaltsberechtigte Frau gegen den geschie- 9 denen Mann keinen Unterhaltstitel bei seinen Lebzeiten zu erwirken trachtete, ebenso, dass es durchaus unter Umständen zu Härtefällen kommen kann. Dies wurde vom Gesetzgeber im Interesse der besseren Vollziehbarkeit, insb aber zur Vermeidung und Verhinderung von Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherung bewusst in Kauf genommen wurde (10 Ob S 2105/96y = SZ 69/121 = SSV-NF 10/51). Eine tatsächliche Unterhaltsgewährung nach der Ehescheidung ohne vor 10 Auflösung der Ehe geschlossene Vereinbarung reicht für den Anspruch auf Witwenpension iSd § 136 Abs 4 lit c GSVG nicht aus (10 Ob S 2105/96y = SZ 69/121 = SSV-NF 10/51). Da der bloße Unterhaltsvertrag nicht ausreicht, sondern erforderlich ist, dass 11 der Versicherte zur Zeit seines Todes diesen Unterhalt auch zu leisten hatte bzw tatsächlich geleistet hat, sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, wenn der Unterhaltsberechtigte lediglich Zahlungen aus der Masse gem § 5 Abs 2 IO erhält (10 Ob S 179/94). Ließ der geschiedene Ehepartner nur durch den Sohn für eine diesem übergebene Liegenschaft (Unterhalts-)Zahlungen an die geschieden Frau erbringen, leistete er selbst auch zur Zeit seines Todes keinen Unterhalt mehr (OLG Wien SSV 26/28). Das Gesetz stellt ausdrücklich darauf ab, dass zum Zeitpunkt des Todes des 12 (faktisch) Unterhaltspflichtigen ein Anspruch auf Unterhalt bestanden hat. Die tatsächlich geleisteten Zahlungen müssten zur Deckung des Unterhalts erbracht worden sein. Wenn also trotz regelmäßiger Erbringung der Leistung 1437
§ 136 GSVG
Aichhorn
ein Bedarf zur Deckung des Unterhalts entweder nicht behauptet oder ein solcher Anspruch auf Unterhalt gar nicht bestanden hat (Darstellung der Unterhaltsbemessungskriterien), besteht kein Versorgungsanspruch auf Witwenpension (OLG Wien 7 Rs 179/97p). 13 Für die vertragliche Verpflichtung zur Unterhaltsleistung iSd § 136 Abs 4 GSVG bestehen keine Formvorschriften. Es kommt auch nicht darauf an, ob die vertraglich vereinbarten Unterhaltsbeiträge regelmäßig und in voller Höhe geleistet wurden. Als Unterhaltsleistung iSd genannten Gesetzesstelle können allerdings nur regelmäßig wiederkehrende Unterhaltsleistungen, die ausschließlich Unterhaltscharakter haben, angesehen werden, nicht aber ein Abfindungsbetrag, mit dem sämtliche vermögensrechtliche Streitpunkte verglichen werden sollen, selbst wenn eine solche Abfertigung in Raten zu zahlen wäre (SchG Tirol JBl 1980, 444 = SVSlg 26.704). Eine nur gelegentliche Unterhaltsgewährung ohne vorherige Vereinbarung ist für einen Anspruch nach § 136 Abs 4 GSVG nicht ausreichend (ARD 4834/47/97 = SSV-NF 10/51 = SZ 69/121). 14 Eine sich aus einer vereinbarten Wertsicherung ergebende Erhöhung des Unterhaltsanspruchs ist bei der Entscheidung über die Höhe einer Witwenpension gem § 136 Abs 4 GSVG und § 145 Abs 2 GSVG unabhängig davon zu berücksichtigen, ob im Zeitpunkt des Todes der Unterhalt in der wertgesicherten Höhe geleistet wurde. Wurde hingegen keine Wertsicherung der Unterhaltszahlung vereinbart, so kann eine Wertsicherung bzw eine eingetretene Geldentwertung bei der Bemessung der Witwenpension nicht berücksichtigt werden (OLG Wien SVSlg 38.963). 15 Der Gesetzgeber hat zwar in vielen Bereichen die Lebensgemeinschaft schon der Ehe gleichgesetzt, im § 136 GSVG ist jedoch davon keine Rede. Daraus ist zu schließen, dass es gerade in diesem Fall nicht gewollt ist, die Lebensgemeinschaft einer Ehe gleichzusetzen (KG Wels SVSlg 38.965). 16 Nach der Rsp bestehen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 136 Abs 4 GSVG, weil dadurch lediglich einer missbräuchlichen Geltendmachung von Pensionsansprüchen, insb durch die wahrheitswidrige und nur schwer widerlegbare Behauptung des Bestehens einer Unterhaltsvereinbarung, vorgebeugt werden soll. Die im Gesetz vorgeschriebene Formvorschrift betreffend Unterhaltsverpflichtungen, die nach Scheidung der Ehe eingegangen wurden, ist nichts anderes als eine Schutznorm zugunsten eines leistungspflichtigen Dritten (des Sozialversicherungsträgers), welche überdies von der überwiegenden Mehrheit davon betroffener Personen ohnedies schon in ihrem eigenen Interesse eingehalten wird (OLG Wien SVSlg 30.699).
1438
§§ 137, 145 GSVG
Witwen(Witwer)pension
Pension für hinterbliebene eingetragene PartnerInnen § 137. Die Bestimmungen über die Witwen(Witwer)pension nach § 136 mit Ausnahme dessen Abs. 3 Z 1, nach § 145 mit Ausnahme des Abs. 10 Z 3 lit. b, sowie nach § 146 sind auf hinterbliebene eingetragene PartnerInnen und eingetragene Partnerschaften nach dem EPG sinngemäß anzuwenden.
Witwen(Witwer)pension, Ausmaß § 145. (1) Das Ausmaß der Witwen(Witwer)pension ergibt sich aus einem Hundertsatz der Pension des (der) Versicherten . . . (2) . . . (3) Berechnungsgrundlage der Witwe (des Witwers) im Sinne des Abs. 2 ist das Einkommen nach Abs. 5 in den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Zeitpunkt des Todes des (der) Versicherten, geteilt durch 24. (4) . . . (5) Als Einkommen im Sinne der Abs. 3 und 4 gelten: 1. Erwerbseinkommen im Sinne des § 60 Abs. 1, 2. wiederkehrende Geldleistungen a) aus der gesetzlichen Sozialversicherung (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses und eines besonderen Steigerungsbetrages nach § 141) und aus der Arbeitslosenversicherung sowie nach den Bestimmungen über die Arbeitsmarktförderung und die Sonderunterstützung oder b) auf Grund gleichwertiger landesgesetzlicher oder bundesgesetzlicher Regelungen der Unfallfürsorge (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses), 3. wiederkehrende Geldleistungen auf Grund a) des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, b) landesgesetzlicher Vorschriften, die dem Dienstrecht der Bundesbeamten vergleichbar sind, c) des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984, d) des Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 296/1985, e) des Bezügegesetzes, BGBl. Nr. 273/1972, des Bundesbezügegesetzes, BGBl. I Nr. 64/1997, und vergleichbarer landesgesetzlicher Vorschriften, f) des Verfassungsgerichtshofgesetzes, BGBl. Nr. 85/1953, g) des Bundestheaterpensionsgesetzes, BGBl. Nr. 159/1958, h) des § 163 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, i) des Bundesbahn-Pensionsgesetzes, BGBl. I Nr. 86/2001, j) der Dienst(Pensions)ordnungen für (ehemalige) DienstnehmerInnen von 1439
§ 145 GSVG
Aichhorn
– öffentlich-rechtlichen Körperschaften und – Fonds, Stiftungen, Anstalten und Betrieben, die von den Organen einer Gebietskörperschaft verwaltet werden, k) sonstiger nach § 5 Abs. 1 Z 3 ASVG pensionsversicherungsfreier Dienstverhältnisse, l) vertraglicher Pensionszusagen einer Gebietskörperschaft, 4. außerordentliche Versorgungsbezüge, Administrativpensionen und laufende Überbrückungszahlungen auf Grund von Sozialplänen, die einer Administrativpension entsprechen, 5. Pensionen auf Grund ausländischer Versicherungs- oder Versorgungssysteme (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses), soweit es sich nicht um Hinterbliebenenleistungen aus dem gleichen Versicherungsfall handelt. (5a) . . . (6) . . . (6a) . . . (7) . . . (7a) . . . (7b) . . . (8) Die Witwen(Witwer)pension nach § 136 Abs. 4 lit. a bis c darf den gegen den Versicherten (die Versicherte) zur Zeit seines (ihres) Todes bestehenden und mit dem im Zeitpunkt des Pensionsanfalles für das Jahr des Todes geltenden Aufwertungsfaktor (§ 47) aufgewerteten Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag), vermindert um eine der (dem) Anspruchsberechtigten nach dem (der) Versicherten gemäß § 215 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes gebührende Witwen (Witwer)rente, nicht übersteigen. Eine vertraglich oder durch gerichtlichen Vergleich übernommene Erhöhung des Unterhaltes (Unterhaltsbeitrages) bleibt außer Betracht, wenn seit dem Abschluß des Vertrages (Vergleiches) bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. (9) Die Witwen(Witwer)pension nach § 136 Abs. 4 lit. d darf den vom Versicherten bzw. von der Versicherten in dem dort genannten Zeitraum, längstens jedoch während der letzten drei Jahre vor seinem (ihrem) Tod geleisteten durchschnittlichen monatlichen Unterhalt, vermindert um eine der (dem) Anspruchsberechtigten nach dem (der) Versicherten gemäß § 215 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes gebührende Witwen(Witwer)rente, nicht übersteigen. Eine Erhöhung des Unterhaltes bleibt außer Betracht, wenn seit dem Zeitpunkt der Erhöhung bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. (10) Die Abs. 8 und 9 sind nicht anzuwenden, wenn 1. das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes enthält, 1440
§ 145 GSVG
Witwen(Witwer)pension
2. die Ehe mindestens fünfzehn Jahre gedauert und 3. die Frau (der Mann) im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Die unter Z 3 genannte Voraussetzung entfällt, wenn a) die Frau (der Mann) seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder b) nach dem Tod des Mannes (der Frau) eine Waisenpension für ein Kind im Sinne des § 128 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 anfällt, sofern dieses Kind aus der geschiedenen Ehe stammt oder von den Ehegatten gemeinsam an Kindes Statt angenommen worden ist und das Kind in allen diesen Fällen im Zeitpunkt des Todes des in Betracht kommenden Elternteiles ständig in Hausgemeinschaft (§ 128 Abs. 1 letzter Satz) mit dem anderen Eheteil lebt. Das Erfordernis der ständigen Hausgemeinschaft entfällt bei nachgeborenen Kindern.
1441
Bundesgesetz vom 5. Februar 1964 über die Versorgung der den Präsenzdienst leistenden Wehrpflichtigen und ihrer Hinterbliebenen (Heeresversorgungsgesetz – HVG) [BGBl 1964/27 idF BGBl I 2009/135] § 36. (1) Eine Witwenrente gebührt auch der Frau, deren Ehe mit dem Beschädigten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr der Beschädigte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte. (2) Eine Witwenrente gebührt jedoch nicht, wenn 1. die Ehegatten aus alleinigem Verschulden der Ehefrau nicht in ehelicher Gemeinschaft gelebt haben; 2. eine erst nach dem schädigenden Ereignisse geschlossene Ehe noch nicht ein Jahr gedauert hat, es sei denn, daß der Ehe ein versorgungsberechtigtes Kind entstammt oder die Ehe von Personen geschlossen worden ist, die bereits früher miteinander verheiratet gewesen sind und bei Fortdauer der früheren Ehe der Anspruch auf Witwenrente nicht ausgeschlossen gewesen wäre. § 37. (1) Im Falle der Wiederverehelichung erlischt der Anspruch auf Witwenversorgung; an die Stelle des Anspruches auf Witwenversorgung tritt ein Anspruch auf Abfertigung in der Höhe des 35-fachen Monatsbetrages der Witwenrente (§ 33 Abs. 1), die der Witwe im Monate der Wiederverehelichung zustand. Eine zu diesem Zeitpunkte wegen Erwerbsunfähigkeit geleistete Witwenrente ist der Berechnung des Abfertigungsbetrages nur dann zugrunde zu legen, wenn die Erwerbsunfähigkeit voraussichtlich dauernd ist. Die Abfertigung ist auch dann zu leisten, wenn die Witwe durch die Wiederverehelichung die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat. 1442
§§ 97–97a HVG
Hinterbliebenenversorgung
(2) Wird die neue Ehe durch den Tod des Ehegatten, durch Scheidung oder durch Aufhebung aufgelöst oder für nichtig erklärt, so lebt der Anspruch auf Witwenversorgung auf Antrag wieder auf, 1. wenn und insolange der Witwe aus dieser Ehe kein Anspruch auf Versorgung (Unterhalt) in Höhe der gemäß §§ 35 und 36 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 jeweils in Betracht kommenden vollen Witwenversorgung erwachsen ist und 2. die Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der Witwe aufgelöst worden ist oder im Falle der Nichtigerklärung der Ehe die Witwe als schuldlos anzusehen ist und 3. im Falle einer Abfertigung gemäß Abs. 1 zweieinhalb Jahre seit dem seinerzeitigen Erlöschen des Anspruches verstrichen sind. (3) Im Falle der Wiederverehelichung mit einem Schwerbeschädigten erlischt der Anspruch auf Witwenversorgung nicht; eine zur Witwenrente geleistete Zulage (§ 34) ist jedoch auf die Dauer dieser Ehe einzustellen. (4) Beim Zusammentreffen mehrerer Ansprüche auf Witwenversorgung nach diesem Bundesgesetze gebührt nur die für die Witwe günstigere Versorgung.
§ 97. (1) . . . (2) Folgende für Ehegatten sowie Witwen/Witwer maßgebende Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind auf eingetragene Partner nach dem Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG), BGBl. I Nr. 135/2009 sowie auf hinterbliebene eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden: §§ 25, 26, 30 bis 37, 40 Abs. 2, 46 hinsichtlich der Zusatzrente gemäß § 33 Abs. 2, 47 bis 49 und 55.
§ 97a. Die in diesem Bundesgesetz verwendeten personenbezogenen Ausdrücke betreffen, soweit dies inhaltlich in Betracht kommt, Frauen und Männer gleichermaßen. Das I. und II. Hauptstück sind auf Frauen im Ausbildungsdienst mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Witwe, Ehefrau oder Frau jeweils der Witwer, Ehemann oder Mann tritt. Diese Bestimmungen entsprechen im Wesentlichen dem § 258 ASVG 1 (s daher dort). Das HVG kennt aber insb keinen Anspruch auf uneigentliche (Witwen)Witwerpension gem § 258 Abs 4 lit d ASVG. Gem § 97 Abs 2 gelten diese Bestimmungen auch für eingetragene Partner 2 nach dem BG über die eingetragene Partnerschaft (EPG) sowie für hinterbliebene eingetragene Partner. 1443
Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 – KOVG [BGBl 1957/152 (WV), idF BGBl I 2009/135] § 37. (1) Eine Witwen(Witwer)rente gebührt auch 1. der Frau, 2. dem Mann, deren (dessen) Ehe mit dem (der) Beschädigten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr (ihm) der (die) Beschädigte zur Zeit seines (ihres) Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte. (2) Eine Witwen(Witwer)rente gebührt jedoch nicht, wenn 1. die Ehegatten aus alleinigem Verschulden der Ehefrau (des Ehemannes) nicht in ehelicher Gemeinschaft gelebt haben; 2. eine erst nach dem schädigenden Ereignisse geschlossene Ehe noch nicht ein Jahr gedauert hat, es sei denn, daß der Ehe ein versorgungsberechtigtes Kind entstammt oder die Ehe von Personen geschlossen worden ist, die bereits früher miteinander verheiratet gewesen sind und bei Fortdauer der früheren Ehe der Anspruch auf Witwen(Witwer)rente nicht ausgeschlossen gewesen wäre. § 38. (1) Im Falle der Wiederverehelichung erlischt der Anspruch auf Witwen(Witwer)versorgung; an die Stelle des Anspruches auf Witwen(Witwer) versorgung tritt ein Anspruch auf Abfertigung in der Höhe des 35fachen Monatsbetrages der Grundrente (§ 35 Abs. 2), die der Witwe (dem Witwer) im Monate der Wiederverehelichung zustand. Die Abfertigung ist auch dann zu leisten, wenn die Witwe (der Witwer) durch die Wiederverehelichung die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat. (2) Wird die neue Ehe durch den Tod des Ehegatten, durch Scheidung oder durch Aufhebung aufgelöst oder für nichtig erklärt, so lebt der Anspruch auf Witwen(Witwer)versorgung auf Antrag wieder auf, 1444
§ 111 KOVG
Hinterbliebenenversorgung
1. wenn und insolange der in Abs. 1 bezeichneten Person aus dieser Ehe kein Anspruch auf Versorgung (Unterhalt) in Höhe der nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes jeweils in Betracht kommenden vollen Witwen(Witwer)versorgung (§§ 35, 36) erwachsen ist und 2. die Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden dieser Person aufgelöst worden ist oder im Falle der Nichtigerklärung der Ehe diese Person als schuldlos anzusehen ist und 3. im Falle einer Abfertigung gemäß Abs. 1 zweieinhalb Jahre seit dem seinerzeitigen Erlöschen des Anspruches verstrichen sind. (3) Im Falle der Wiederverehelichung mit einem (einer) Schwerbeschädigten erlischt der Anspruch auf Witwen(Witwer)versorgung nicht, eine zur Witwen(Witwer)rente geleistete Zulage (§ 35a) ist jedoch auf die Dauer dieser Ehe einzustellen. Frauen, deren Anspruch auf Witwenversorgung unter der Wirksamkeit des Invalidenentschädigungsgesetzes oder der bis 31. Dezember 1949 in Geltung gestandenen versorgungsrechtlichen Vorschriften wegen Wiederverehelichung mit einem Beschädigten erloschen ist, erhalten, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit (§§ 7, 8) des zweiten Ehemannes mit mindestens 50 v. H. festgestellt wird oder festgestellt ist, Witwenversorgung nach diesem Bundesgesetz. Die Versorgungsleistung wird frühestens mit dem Antragsmonat fällig. (4) Beim Zusammentreffen mehrerer Ansprüche auf Witwen(Witwer) versorgung nach diesem Bundesgesetze gebührt nur die für die Witwe (den Witwer) günstigere Versorgung.
§ 111. (1) . . . (2) Folgende für Ehegatten sowie Witwen/Witwer maßgebende Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind auf eingetragene Partner nach dem Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG), BGBl. I Nr. 135/2009, sinngemäß anzuwenden: §§ 13, 16, 34 bis 38, 41, 46b, 47 bis 48a, 68, 69 und 92. Diese Bestimmungen des KOVG entsprechen im Wesentlichen dem § 258 1 ASVG (s daher dort). Das KOVG kennt aber insb keinen Anspruch auf uneigentliche (Witwen)Witwerpension gem § 258 Abs 4 lit d ASVG.
1445
Notarversicherungsgesetz 1972 – NVG 1972 [BGBl 1972/66 idF BGBl I 2009/135]
Witwen(Witwer)pension § 54. (1) Anspruch auf Witwen(Witwer)pension hat nach dem Tod des versicherten Ehegatten 1. die Witwe (der Witwer), 2. der frühere Ehegatte, dessen Ehe mit dem Versicherten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihm der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte, sofern der Ehegatte nicht eine neue Ehe geschlossen hat. (2) Anspruch auf Witwen(Witwer)pension besteht nicht, wenn die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen wurde: 1. in dem der Ehegatte das 65. Lebensjahr überschritten hat oder 2. in dem der Ehegatte das 45. Lebensjahr überschritten hat, sofern er darnach erstmalig in die notarielle Praxis eingetreten ist und die Ehe nach diesem erstmaligen Eintritt geschlossen wurde oder 3. in dem der Ehegatte einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension hatte. (3) Abs. 2 gilt nicht, wenn aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist oder hervorgeht oder durch die Eheschließung ein Kind legitimiert worden ist. Abs. 2 Z 3 gilt ferner nicht, wenn die Ehe mindestens drei Jahre gedauert hat. Abs. 2 Z 2 gilt nicht, wenn die Ehe nach Eintritt des Ehegatten in die notarielle Praxis bis zum Eintritt des Versicherungsfalles mindestens 15 Jahre gedauert hat. (4) Anspruch auf Witwen(Witwer)pension steht nur zu, solange der Witwe (dem Witwer) bzw. dem früheren Ehegatten auf Grund einer Ehe, 1446
§ 54a NVG
Hinterbliebenenversorgung
die der Ehe mit dem Versicherten voranging, nicht eine Witwen(Witwer) pension gebührt, deren Höhe die Witwen(Witwer)pension nach Abs. 1 erreicht. Ist die Pension auf Grund der früheren Ehe niedriger, so wird die Pension nach Abs. 1 in der Höhe des Unterschiedsbetrages gewährt. Diese Bestimmungen des NVG entsprechen im Wesentlichen dem § 258 1 ASVG (s daher dort). Das NVG kennt aber insb keinen Anspruch auf uneigentliche (Witwen)Witwerpension gem § 258 Abs 4 lit d ASVG. Hat ein Ehepaar anlässlich seiner Scheidung den gerichtlichen Vergleich, in 2 dem wechselseitig auf Unterhalt verzichtet wurde und sich der Ehemann zur Weiterbeschäftigung seiner geschiedenen Ehefrau bis zu deren neuerlichen Eheschließung verpflichtet hat, nur zum Schein geschlossen, um die bereits mündlich vereinbarten Unterhaltsleistungen des Ehemanns durch Vortäuschung eines Beschäftigungsverhältnisses zu verdecken, ist der in der Scheidungsvereinbarung enthaltene Unterhaltsverzicht als ein von beiden Teilen nicht gewollter Scheinvertrag anzusehen. Da im Bereich des Sozialversicherungsrechtes jedoch das verdeckte (in Wahrheit gewollte) Rechtsgeschäft maßgeblich ist und die verdeckt getroffene Unterhaltsvereinbarung einen tauglichen Unterhaltstitel iSd § 54 Abs 1 Z 2 NVG darstellt, hat die geschiedene Ehefrau nach dem Tod des Versicherten Anspruch auf eine Witwenpension (10 Ob S 207/03v = SVSlg 52.038 = RdA 2004, 72). Der Sozialversicherungsträger kann sich nicht als „Dritter“ iSd § 916 Abs 2 ABGB auf den gesetzten Scheingeschäftstatbestand berufen, weil für die Beurteilung von Sachverhalten nach den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen in einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform maßgebend ist (10 Ob S 207/03v = SVSlg 52.038 = RdA 2004, 72).
Pension für hinterbliebene eingetragene PartnerInnen § 54a. Die Bestimmungen über die Witwen(Witwer)pension nach den § 54 mit Ausnahme dessen Abs. 3 erster Satz, nach § 55 mit Ausnahme dessen Abs. 6 lit. c sublit. bb, und nach § 56 sind auf hinterbliebene eingetragene PartnerInnen und eingetragene Partnerschaften nach dem Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG), BGBl. I Nr. 135/2009, sinngemäß anzuwenden.
1447
§ 55 NVG
Aichhorn
Witwen(Witwer)pension; Ausmaß § 55. (1) die Witwen(Witwer)pension beträgt 1. für die Witwe (den Witwer) und für den früheren Ehegatten, bei dem die Voraussetzungen nach Abs. 6 zutreffen, 60 vH, 2. für den früheren Ehegatten, bei dem die Voraussetzungen nach Abs. 6 nicht zutreffen, 50 vH der Pension, auf die der Versicherte bei seinem Tod Anspruch gehabt hat oder gehabt hätte. (2) . . . (3) Die Witwen(Witwer)pension nach Abs. 1 Z 2 darf den gegen den Versicherten bei seinem Tod bestehenden Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag) sowie die der Witwe (dem Witwer) aus demselben Versicherungsfall gebührende Witwen(Witwer)pension nicht übersteigen. (4) Die Witwen(Witwer)Pensionen nach Abs. 1 Z 1 und 2 dürfen zusammen nicht höher sein als 80% der Pension, auf die der Versicherte bei seinem Tod Anspruch gehabt hat oder gehabt hätte, und zwar unter Berücksichtigung einer Erhöhung des Steigerungsbetrages nach Abs. 2; andernfalls sind sie innerhalb dieses Höchstausmaßes verhältnismäßig zu kürzen. Dabei gebührt eine Witwen(Witwer)pension nach Abs. 1 Z 1 jedenfalls mindestens im Ausmaß des nach Abs. 5 jeweils geltenden Mindestbetrages. (5) . . . (6) Abs. 3 ist nicht anzuwenden, wenn a) das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes enthält, b) die Ehe mindestens fünfzehn Jahre gedauert und c) der frühere Ehegatte im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Die unter lit. c genannte Voraussetzung entfällt, wenn aa) der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder bb) nach dem Tode des Mannes (der Frau) eine Waisenpension für ein Kind im Sinne des § 57 Abs. 2 bis 4 anfällt, sofern dieses Kind aus der geschiedenen Ehe stammt oder von den Ehegatten gemeinsam an Kindes Statt angenommen worden ist und das Kind in allen diesen Fällen im Zeitpunkt des Todes des Mannes (der Frau) ständig in Hausgemeinschaft (§ 57 Abs. 2 letzter Satz) mit dem früheren Ehegatten lebt. Das Erfordernis der ständigen Hausgemeinschaft entfällt bei nachgeborenen Kindern.
1448
Bundesgesetz vom 18. November 1965 über die Pensionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (Pensionsgesetz 1965 – PG 1965) [BGBl 1965/340 idF BGBl I 2009/135]
Anwendungsbereich § 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Pensionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen. § 27 bleibt unberührt. (2) Bundesbeamte im Sinn dieses Bundesgesetzes – im folgenden kurz „Beamte“ genannt – sind die im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehenden Bediensteten. (3) Hinterbliebene sind die überlebende Ehegattin oder der überlebende Ehegatte oder der überlebende eingetragene Partner oder die überlebende eingetragene Partnerin, die Kinder und die frühere Ehegattin oder der frühere Ehegatte oder der frühere eingetragene Partner oder die frühere eingetragene Partnerin des verstorbenen Beamten oder der verstorbenen Beamtin. (4) Überlebender Ehegatte (Witwe, Witwer) ist, wer im Zeitpunkt des Todes des Beamten mit diesem verheiratet gewesen ist. Überlebende eingetragene Partnerin oder überlebender eingetragener Partner ist, wer im Zeitpunkt des Todes der Beamtin oder des Beamten mit dieser oder mit diesem in eingetragener Partnerschaft gelebt hat. (5) Kinder sind a) b) c) d) e)
die ehelichen Kinder, die legitimierten Kinder, die Wahlkinder, die unehelichen Kinder und die Stiefkinder.
1449
§§ 1b, 19 PG
Aichhorn
(6) Früherer Ehegatte (frühere Ehefrau, früherer Ehemann) ist, wessen Ehe mit dem Beamten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist. Frühere eingetragene Partnerin oder früher eingetragener Partner ist, wessen eingetragene Partnerschaft mit der Beamtin oder dem Beamten aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist. (7) Angehörige sind die Personen, die im Fall des Todes des Beamten Hinterbliebene wären. (8) . . . (9) . . . (10) . . . (11) . . . (12) . . . (13) . . . (14) . . . (15) . . . (16) . . .
Eingetragene Partnerschaften § 1b. Folgende Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind auf eingetragene Partnerinnen und Partner von Beamtinnen oder Beamten, auf eingetragene Partnerschaften und infolge deren Begründung und Auflösung nach dem Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG), BGBl. I Nr. 135/2009, sinngemäß anzuwenden: Die §§ 14 bis 15e, § 19 mit Ausnahme des Abs. 4a Z 3 lit. b, § 21, § 24 hinsichtlich des überlebenden Ehegatten, § 26, § 46, § 47, § 49, § 51, § 52, § 56, § 62 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, § 75 hinsichtlich der überlebenden und der früheren Ehegattin bzw. des überlebenden und des früheren Ehegatten, § 77 Abs. 2 und § 103 Abs. 2.
Versorgungsbezug des früheren Ehegatten § 19. (1) Die Bestimmungen über den Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten und über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten – ausgenommen die Bestimmungen der §§ 21 Abs. 3 bis 6 und 24 – gelten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für den früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte. 1450
Versorgungsbezug des früheren Ehegatten
§ 19 PG
(1a) Abs. 1 ist auch dann anzuwenden, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der verstorbene Beamte auf Grund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung seinem früheren Ehegatten 1. zumindest für die Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod oder, 2. falls der Tod des Beamten früher als vor Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe eingetreten ist, durchgehend vom Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft bis zu seinem Tod nachweislich regelmäßig Unterhaltszahlungen geleistet hat. (2) Der Versorgungsgenuß gebührt dem früheren Ehegatten nur auf Antrag. Er fällt, wenn der Antrag binnen sechs Monaten nach dem Tod des Beamten gestellt wird, mit dem auf den Sterbetag folgenden Monatsersten an. In allen übrigen Fällen gebührt der Versorgungsgenuß von dem der Einbringung des Antrages folgenden Monatsersten an; wird der Antrag an einem Monatsersten gestellt, so gebührt der Versorgungsgenuß von diesem Tag an. (3) Hat der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten nur einen befristeten Anspruch auf Unterhaltsleistungen gehabt, so besteht der Versorgungsanspruch längstens bis zum Ablauf der Frist. (4) Der Versorgungsbezug – ausgenommen die Ergänzungszulage – darf 1. die Unterhaltsleistung, auf die der frühere Ehegatte im Fall des Abs. 1 gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat, oder 2. die durchschnittlichen monatlichen Unterhaltszahlungen, die der verstorbene Beamte im Fall des Abs. 1a regelmäßig längstens in den letzten drei Jahren vor seinem Tod geleistet hat, nicht übersteigen. (4a) Abs. 4 gilt jedoch nicht, wenn 1. das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes, deutsches RGBl. 1938 I S 807, enthält, 2. die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert und 3. der frühere Ehegatte im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Diese Voraussetzung entfällt, wenn a) der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder b) aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten gemeinsam ein Wahlkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des 1451
§ 19 PG
Aichhorn
Beamten dem Haushalt des früheren Ehegatten angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern. (5) Versorgungsgenüsse mehrerer früherer Ehegatten dürfen zusammen 60% des Ruhegenusses, auf den der verstorbene Beamte Anspruch gehabt hätte, nicht übersteigen. Die Versorgungsgenüsse sind gegebenenfalls im gleichen Verhältnis zu kürzen. (6) Eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Sterbetag des Beamten ist für die Bemessung eines Versorgungsgenusses nach Abs. 1 nur beachtlich, wenn sie entweder in einem rechtskräftigen Urteil ausgesprochen oder schriftlich vereinbart worden ist und wenn sie ihren Grund in einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Beamten oder in einer Steigerung der Bedürfnisse des früheren Ehegatten gehabt hat. (7) Unterhaltsleistungen, die die Erben des verstorbenen Beamten auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen dem früheren Ehegatten erbringen, sind auf den Versorgungsbezug des früheren Ehegatten anzurechnen. (8) Erlischt der Anspruch des überlebenden Ehegatten oder eines früheren Ehegatten auf Versorgungsgenuß, so ändert sich dadurch der Versorgungsbezug eines allenfalls noch verbleibenden früheren Ehegatten nicht. (9) . . . 1 Der geschiedene Ehepartner hat einen Versorgungsanspruch in Höhe der bisherigen Unterhaltsleistung, wenn der verstorbene Beamte im Zeitpunkt seines Todes aufgrund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer vor dem Ende der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehepartners aufzukommen oder dazu beizutragen hatte (§ 19 Abs 1 PG). Es kommt dabei nicht auf den Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil, die Unterhaltspflicht nach den Bestimmungen der §§ 66 ff EheG oder darauf an, ob der Beamte zur Zeit seines Todes seiner früheren Ehefrau tatsächlich Unterhalt leistete (VwGH 94/12/ 0295; ZfVB 1996, 4/1494). 2 Beruht der Unterhaltsanspruch auf einer (vor Ehescheidung eingegangenen) vertraglichen Verpflichtung, muss diese außergerichtliche Unterhaltsvereinbarung – anders als nach den Bestimmungen im ASVG, BSVG, GSVG – schriftlich getroffen werden (10 Ob S 252/02k = JBl 2000, 597). 3 Ein Versorgungsanspruch besteht auch dann, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der verstorbene Beamte aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung seinem früheren Ehepartner zumindest für die Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod oder, wenn der Beamte innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung (Nichtigerklärung, Aufhebung) stirbt, durchgehend vom Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft bis zu seinem 1452
Versorgungsbezug des früheren Ehegatten
§ 21 PG
Tod nachweislich regelmäßig Unterhaltszahlungen geleistet hat (§ 19 Abs 1a PG). Die tatsächliche (durchschnittliche) Leistung des Unterhalts ist für die Er- 4 mittlung des Versorgungsgenusses nach § 19 Abs 4 Z 2 PG nur im Fall des § 19 Abs 1a PG von Bedeutung. Im Anwendungsbereich des § 19 Abs 1 PG kommt es für die Bemessung des Versorgungsgenusses nach § 19 Abs 4 Z 1 PG ausschließlich auf den Anspruch auf Unterhaltsleistung aufgrund eines im § 19 Abs 1 PG genannten Titels an. Zwar kommt die Anwendung des § 19 Abs 1a PG auch bei Vorliegen eines Titels nach § 19 Abs 1 PG in Betracht, doch führt dies in diesem Fall nur dazu, dass der Anspruch dieses früheren Ehepartners nicht nach dem für ihn schlechteren Titel zu beurteilen ist (VwGH 99/12/ 0203 = ÖJZ 2000/149 A [VwGH A]). Bei einer Scheidung gem § 55 iVm § 61 Abs 3 EheG ist der Versorgungsan- 5 spruch unter denselben Voraussetzungen wie nach § 264 Abs 10 ASVG) privilegiert (§ 19 Abs 4a PG).
Verlust des Anspruches auf Versorgungsgenuß, Abfindung des überlebenden Ehegatten bei Wiederverehelichung, Wiederaufleben des Versorgungsanspruches des überlebenden Ehegatten § 21. (1) Der Anspruch auf Versorgungsgenuß erlischt durch a) Verzicht, b) . . . c) Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe, wenn aa) die verhängte Freiheitsstrafe ein Jahr übersteigt oder bb) die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sechs Monate übersteigt. Der Anspruch auf Versorgungsgenuss erlischt nicht, wenn diese Rechtsfolge bedingt nachgesehen wird, es sei denn, dass die Nachsicht widerrufen wird. (2) Der Anspruch des überlebenden Ehegatten und des früheren Ehegatten erlischt außerdem durch Verehelichung. (3) Dem überlebenden Ehegatten des Beamten, der sich wiederverehelicht hat, gebührt eine Abfindung in der Höhe des Siebzigfachen des Versorgungsbezuges, der ihm für den Monat, in dem die neue Ehe geschlossen wurde, gebührte. Die Ergänzungszulage bleibt bei der Bemessung der Abfindung außer Betracht. 1453
§ 21 PG
Aichhorn
(4) Wird die neue Ehe durch den Tod des Ehegatten, durch Scheidung oder durch Aufhebung aufgelöst oder wird die neue Ehe für nichtig erklärt, so lebt beim Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen der Versorgungsanspruch aus der früheren Ehe wieder auf, wenn a) die Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der abfindungsberechtigten Person geschieden oder aufgehoben worden ist oder b) bei Nichtigerklärung der Ehe die abfindungsberechtigte Person als schuldlos anzusehen ist. (5) Das Wiederaufleben des Versorgungsanspruches tritt mit der Auflösung oder Nichtigerklärung der letzten Ehe, frühestens jedoch fünf Jahre nach dem seinerzeitigen Erlöschen des Versorgungsanspruches ein. (6) Auf den Versorgungsbezug, der wieder aufgelebt ist, sind 1. die Einkünfte (§ 17 Abs. 5 und 6) und 2. wiederkehrende Unterhaltsleistungen anzurechnen, die dem überlebenden Ehegatten aufgrund der aufgelösten oder für nichtig erklärten Ehe zufließen. Erhält der überlebende Ehegatte statt laufender Unterhaltsleistungen eine Kapitalabfindung, so ist auf den monatlichen Versorgungsbezug ein Zwölftel des Betrages anzurechnen, der sich bei der Annahme eines jährlichen Ertrages von 4 vH des Abfindungskapitals ergeben würde. Geht das Abfindungskapital ohne vorsätzliches Verschulden des überlebenden Ehegatten unter, so entfällt die Anrechnung. 1 Bei einer Wiederverheiratung erlischt der Witwenversorgungsanspruch (§ 21 Abs 2 PG). Es gebührt eine Abfindung in Höhe des 70-Fachen des Versorgungsbezugs, ausgenommen Ergänzungszulage (§ 21 Abs 3 PG). 2 Das Wiederaufleben (§ 21 Abs 4 PG) ist grundsätzlich unter denselben Voraussetzungen wie nach § 265 ASVG möglich. Der Versorgungsanspruch kann allerdings frühestens fünf Jahre nach dem seinerzeitigen Erlöschen wieder aufleben (§ 21 Abs 5 PG). Unterhaltsleistungen und Einkünfte aus der aufgelösten Ehe sind anzurechnen (§ 21 Abs 6 PG).
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Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG) [BGBl 1967/200 idF BGBl I 2009/135] § 56. (1) Angehörige haben Anspruch auf die Leistungen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und weder nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes noch nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert sind und für sie auch seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers, Krankenfürsorge nicht vorgesehen ist. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland ist auch dann anzunehmen, wenn sich der (die) Angehörige 1. im Zusammenhang mit einem auf einem Dienstauftrag beruhenden Auslandsaufenthalt des Versicherten im Ausland oder 2. an dem in einem Grenzort (§ 1 Abs. 4) befindlichen Wohnsitz des Versicherten aufhält. (2) Als Angehörige gelten: 1. 2. 3. 4.
der/die Ehegatte/Ehegattin oder eingetragene Partner/Partnerin; die ehelichen Kinder, die legitimierten Kinder und Wahlkinder; die unehelichen Kinder einer weiblichen Versicherten; die unehelichen Kinder eines männlichen Versicherten, wenn seine Vaterschaft durch Urteil oder durch Anerkenntnis festgestellt ist (§ 163b ABGB); 5. die Stiefkinder und Enkel, wenn sie mit dem Versicherten ständig in Hausgemeinschaft leben; 6. die Pflegekinder, wenn sie vom Versicherten unentgeltlich verpflegt werden oder das Pflegeverhältnis auf einer behördlichen Bewilligung beruht. Die ständige Hausgemeinschaft im Sinne der Z 5 besteht weiter, wenn sich das Kind nur vorübergehend oder wegen schulmäßiger (beruflicher) Ausbildung oder zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält; das gleiche gilt, wenn sich das Kind auf Veranlassung des Versicherten und überwiegend auf dessen Kosten oder auf Anordnung 1455
§ 56 B-KUVG
Aichhorn
der Jugendfürsorge oder des Pflegschaftsgerichtes in Obsorge eines Dritten befindet. (3) Kinder und Enkel (Abs. 2 Z 2 bis 6) gelten als Angehörige bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Nach diesem Zeitpunkt gelten sie als Angehörige, wenn und solange sie 1. sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden, die ihre Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres; die Angehörigeneigenschaft von Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, verlängert sich nur dann, wenn für sie a) entweder Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bezogen wird oder b) zwar keine Familienbeihilfe bezogen wird, sie jedoch ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992 betreiben; 2. seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf des in Z 1 genannten Zeitraumes a) infolge Krankheit oder Gebrechen erwerbsunfähig sind oder b) erwerbslos sind; 3. an einem Programm der Europäischen Gemeinschaften zur Förderung der Mobilität junger Menschen teilnehmen, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Die Angehörigenschaft bleibt in den Fällen der Z 2 lit. b längstens für die Dauer von 24 Monaten ab den in Z 2 genannten Zeitpunkten gewahrt. (4) Kinder und Enkel (Abs. 2 Z 2 bis 6) gelten im Rahmen der Altersgrenzen des Abs. 3 Z 1 auch dann als Angehörige, wenn sie sich im Ausland in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden; dies gilt auch bei nur vorübergehendem Aufenthalt im Inland. (5) Besteht für anspruchsberechtigte Angehörige nach diesem Bundesgesetz auch ein Leistungsanspruch gegen andere Träger einer gesetzlichen Krankenversicherung, so werden diese Leistungen nur einmal gewährt. Leistungspflichtig ist der Versicherungsträger, der zuerst in Anspruch genommen wird. (6) Als Angehörige gilt jeweils auch eine Person aus dem Kreis der Eltern, Wahl-, Stief- und Pflegeeltern, der Kinder, Wahl-, Stief- und Pflegekinder, der Enkel oder der Geschwister des (der) Versicherten, die seit mindestens zehn Monaten mit ihm (ihr) in Hausgemeinschaft lebt und ihm (ihr) seit dieser Zeit unentgeltlich den Haushalt führt, wenn eine/e im gemeinsamen Haushalt lebende/lebender arbeitsfähiger/arbeitsfähige Ehegatte/Ehegattin oder eingetragene Partner/eingetragene Partnerin nicht vorhanden ist. Die Angehörigeneigenschaft bleibt auch dann gewahrt, 1456
§ 56 B-KUVG
Hinterbliebenenversorgung
wenn die als Angehörige geltende Person nicht mehr in der Lage ist, den Haushalt zu führen. Angehöriger aus diesem Grunde kann nur eine einzige Person sein. (6a) Als Angehörige/r gilt auch eine mit der/dem Versicherten nicht verwandte Person, die seit mindestens zehn Monaten mit ihm/ihr in Hausgemeinschaft lebt und ihm/ihr seit dieser Zeit unentgeltlich den Haushalt führt, wenn eine/ein im gemeinsamen Haushalt lebende/r arbeitsfähige/r Ehegattin/Ehegatte oder eingetragene Partnerin/Partner nicht vorhanden ist. Die Angehörigeneigenschaft bleibt auch dann gewahrt, wenn die als Angehörige/r geltende Person nicht mehr in der Lage ist, den Haushalt zu führen. Angehörige/r aus diesem Grund (Abs. 6 und 6a) kann nur eine einzige Person sein. (6b) Als Angehörige gelten auch Personen, die eine/n Versicherte/n mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter ganz überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft nicht erwerbsmäßig in häuslicher Umgebung pflegen. Als Angehörige gelten die/der Ehegattin/Ehegatte, eingetragene Partnerin/Partner und Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in gerader Linie oder bis zum vierten Grad der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind, ferner Wahl-, Stief- und Pflegekinder, Wahl-, Stief- und Pflegeeltern sowie Angehörige nach Abs. 6a. (7) Als Angehörige gelten auch frühere Ehegatten oder eingetragene Partner/Partnerinnen des/der Versicherten, wenn und solange ihnen dieser/diese als Folge einer Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe oder Nichtigerklärung oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft Unterhalt zu leisten hat und wenn die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt sind. (8) Als Angehörige gelten auch die Eltern (Wahl-, Stief- und Pflegeeltern) des (der) Versicherten, wenn sie mit ihm (ihr) in Hausgemeinschaft leben und von ihm (ihr) ganz oder überwiegend erhalten werden. (9) Eine im Abs. 2 Z 1 und Abs. 6 bis 8 genannte Person gilt nur als Angehöriger, soweit es sich nicht um eine Person handelt, die a) einer Berufsgruppe angehört, die gemäß § 5 Abs. 1 GSVG von der Pflichtversicherung ausgenommen ist, oder b) zu den im § 4 Abs. 2 Z 2 GSVG genannten Personen gehört, oder c) im § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger, BGBl. Nr. 624/1978, in der am 31. Dezember 1997 geltenden Fassung angeführt ist, oder d) eine Pension nach dem in lit. c genannten Bundesgesetz bezieht, oder
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§ 56 B-KUVG
Aichhorn
e) der Versicherungspflicht gemäß § 3 des Notarversicherungsgesetzes 1972 unterliegt oder eine Pension nach dem Notarversicherungsgesetz 1972 bezieht. (10) Eine im Abs. 2 Z 1, Abs. 3 Z 3 sowie Abs. 6 bis 8 genannte Person gilt nicht als Angehöriger, wenn sie im Ausland eine Erwerbstätigkeit ausübt, die, würde sie im Inland ausgeübt werden, nach den Bestimmungen dieses oder eines anderen Bundesgesetzes die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung begründet, oder eine Pension auf Grund dieser Erwerbstätigkeit bezieht; dies gilt entsprechend für eine Beschäftigung bei einer internationalen Organisation und den Bezug einer Pension auf Grund dieser Beschäftigung. (11) Als Pflegekinder gemäß Abs. 2 Z 6 gelten auch Kinder, die von einem (einer) Versicherten gepflegt und erzogen werden, wenn sie mit dem (der) Versicherten 1. bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert sind und 2. ständig in Hausgemeinschaft leben. 1 Anders als nach ASVG, BSVG und GSVG (s dazu § 16 ASVG Rz 1) besteht für geschiedene Ehepartner und frühere Partner einer eingetragenen Partnerschaft von Beamten die Möglichkeit, auch nach einer Scheidung bzw Auflösung der eingetragenen Partnerschaft weiterhin als Angehörige in der Krankenversicherung mitversichert zu sein. Voraussetzung dafür ist gem § 56 Abs 7 B-KUVG, dass der Beamte Unterhalt zu leisten hat und die sonstigen Voraussetzungen des § 56 Abs 1 B-KUVG, wie insb gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, gegeben sind. Nur der schuldlos geschiedene Ehepartner gilt als Angehöriger, wenn er den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und weder nach den Vorschriften des B-KUVG noch nach anderen gesetzlichen Vorschriften krankenversichert ist und für ihn auch seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers Krankenfürsorge nicht vorgesehen ist (VwGH 88/08/0071 = infas 1988, 46). Die Feststellung eines überwiegenden Verschuldens auf der einen Seite schließt begrifflich zwangsläufig die Feststellung eines geringeren Verschuldens auf der anderen Seite in sich und damit deren Schuldlosigkeit aus (VwGH 88/08/0071 = SVSlg 33.579). 2 Bei Inanspruchnahme der ärztlichen Hilfe durch den Versicherten und dessen Angehörige hat der Versicherte gem § 63 Abs 4 B-KUVG einen Behandlungsbeitrag (Selbstbehalt) in der Höhe von 20% des jeweiligen Vertragshonorares zu entrichten. Die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung des Behandlungsbeitrags an die BVA trifft den Versicherten, nicht den Angehörigen, der die ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Aus der gesetzlichen Regelung des § 63 Abs 4 B-KUVG ergibt sich jedoch nicht, dass der Unterhaltspflichtige die 1458
§ 56 B-KUVG
Hinterbliebenenversorgung
Behandlungsbeiträge, die er für die ärztliche Behandlung eines unterhaltsberechtigten Angehörigen zu zahlen hat, im Verhältnis zu diesem endgültig selbst zu tragen hätte; diese Bestimmung betrifft nur die Frage der Zahlungspflicht gegenüber der Versicherungsanstalt, nicht jedoch das Verhältnis zwischen Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltspflichtigem. Die vom Versicherten für den mitversicherten Ehepartner nach § 63 Abs 4 B-KUVG zwangsläufig getätigten Aufwendungen bedeuten eine Form der Erfüllung des Unterhaltsanspruchs; sie sind daher auf die vom Unterhaltspflichtigen auf Grund eines Unterhaltstitels zu erbringenden Leistungen anzurechnen (3 Ob 306/98s = SZ 72/140 = JBl 2000, 390; so auch schon LGZ Wien EF 44.896). Außer bei einer entsprechenden Unterhaltsvereinbarung, wonach der Behandlungsbeitrag zusätzlich zum Unterhalt zu leisten ist, besteht kein Anlass für die Annahme, der Unterhaltspflichtige habe sich gegenüber dem Unterhaltsberechtigten endgültig zur Tragung dieses ihm von der Versicherungsanstalt vorgeschriebenen Behandlungsbeitrags verpflichtet (3 Ob 306/98s = SZ 72/140 = JBl 2000, 390). Bei den entsprechenden Zahlungen handelt es sich um Vorschüsse iSd § 293 Abs 3 EO, der aufrechnungsweise bzw durch Oppositionsklage geltend gemacht werden kann (3 Ob 306/98s = JBl 2000, 390 = EF 94.679).
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Rechtsanwaltsordnung – RAO [RGBl 1868/96 idF BGBl I 2009/141]
§ 50. (1) Jeder Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter und seine Hinterbliebenen haben bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung. (2) Dieser Anspruch ist in den Satzungen der Versorgungseinrichtungen nach festen Regeln festzusetzen. Hierbei sind folgende Grundsätze zu beachten: 1. Anspruch auf Altersversorgung haben beitragspflichtige und ehemals beitragspflichtige Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung die Witwe beziehungsweise der Witwer (der geschiedene Ehegatte) und die Kinder eines beitragspflichtigen oder ehemals beitragspflichtigen Rechtsanwalts oder Rechtsanwaltsanwärter. 1a. Anspruch auf Berufsunfähigkeitsversorgung haben nur beitragspflichtige und ehemals beitragspflichtige Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalls in die Listen der Rechtsanwälte oder der Rechtsanwaltsanwärter einer österreichischen Rechtsanwaltskammer oder in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind, sowie ehemals beitragspflichtige Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls den Beruf als Rechtsanwalt unter einer der in der Anlage zum EIRAG, Art. I BGBl. I Nr. 27/2000 in der jeweils geltenden Fassung, angeführten Bezeichnungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft berechtigt ausüben. Die Antragstellung auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitsversorgungsleistung hat innerhalb eines Jahres ab dem Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung 1460
§ 50 RAO
Hinterbliebenenversorgung
der Rechtsanwaltschaft (§ 34 Abs. 1) zu erfolgen; § 1494 ABGB ist sinngemäß anzuwenden. 2. Voraussetzungen für den Anspruch sind . . . a) bis c) . . . d) im Fall der Witwen(Witwer)Versorgung, dass die Ehe vor Vollendung des 55. Lebensjahrs des verstorbenen Rechtsanwalts oder Rechtsanwaltsanwärters geschlossen worden ist, es sei denn, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Rechtsanwalts oder Rechtsanwaltsanwärters aufrecht war und bis zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre aufrecht bestanden hat und der Altersunterschied zwischen dem verstorbenen Rechtsanwalt oder Rechtsanwaltsanwärter und der Witwe beziehungsweise dem Witwer weniger als 20 Jahre beträgt oder dass der Ehe Kinder entstammen; e) im Fall der Versorgung des geschiedenen Ehegatten, dass aa) der verstorbene Rechtsanwalt oder Rechtsanwaltsanwärter zum Zeitpunkt des Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte, sofern der geschiedene Ehegatte nicht eine neue Ehe geschlossen, bb) die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und cc) der Ehegatte im Zeitpunkt der Auflösung der Ehe das 40. Lebensjahr vollendet hat. Die unter lit. bb und cc genannten Voraussetzungen entfallen, wenn der Ehegatte seit dem Zeitpunkt der Auflösung der Ehe erwerbsunfähig ist oder nach dem Tod des Rechtsanwalts oder Rechtsanwaltsanwärters eine Waisenrente im Sinne der Z 1 anfällt, sofern dieses Kind aus der aufgelösten Ehe stammt oder von den Ehegatten gemeinsam an Kindes statt angenommen worden ist und das Kind in allen diesen Fällen im Zeitpunkt des Todes des Rechtsanwalts ständig in Hausgemeinschaft mit dem anspruchsberechtigten Ehegatten lebt. Das Erfordernis der ständigen Hausgemeinschaft entfällt bei nachgeborenen Kindern. 3. Jeder Versorgungsanspruch wird mit Ablauf des Monats wirksam, in dem alle Voraussetzungen des betreffenden Anspruchs erfüllt sind. 4. Der Versorgungsanspruch der Witwe beziehungsweise des Witwers (des geschiedenen Ehegatten) endet mit Wiederverehelichung; wäre die Unterhaltsverpflichtung des Verstorbenen aus anderen Gründen weggefallen, so ruht der Versorgungsanspruch. (3) In den Satzungen der Versorgungseinrichtungen können auch über die im Abs. 2 festgelegten Grundsätze hinausgehende, für die Versorgungsberechtigten günstigere Regelungen festgesetzt werden . . . 1461
§ 50 RAO
Aichhorn
1 Die einschlägigen Bestimmungen der RAO entsprechen im Wesentlichen dem § 258 ASVG (s daher dort). Im Unterschied zum ASVG kennt die RAO aber insb keinen Anspruch auf uneigentliche (Witwen)Witwerpension gem § 258 Abs 4 lit d ASVG und auch keine Abfertigung und kein Wiederaufleben beim Erlöschung der Witwen(Witwerversorgung) im Fall der Wiederverehelichung (s § 102 Abs 6 ÄrzteG). Weiters sind die Voraussetzungen, unter denen dem geschiedenen Ehepartner ein Versorgungsanspruch zusteht, strenger als gem ASVG. Zusätzlich zu dem Erfordernis, dass der verstorbene Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwaltsanwärter zum Zeitpunkt seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte, verlangt die RAO, dass die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der Ehepartner im Zeitpunkt der Auflösung der Ehe das 40. Lebensjahr vollendet hatte. Die letzten beiden Bedingungen entfallen aber, wenn der Ehepartner seit dem Zeitpunkt der Auflösung der Ehe erwerbsunfähig ist oder nach dem Tod des Rechtsanwalts bzw. Rechtsanwaltsanwärters eine Waisenrente iSd Z 1 anfällt, sofern dieses Kind aus der aufgelösten Ehe stammt oder von den Ehepartner gemeinsam an Kindes statt angenommen worden ist und das Kind in allen diesen Fällen im Zeitpunkt des Todes des Rechtsanwalts bzw. Rechtsanwaltsanwärters ständig in Hausgemeinschaft mit dem anspruchsberechtigten Ehepartner lebt (das Erfordernis der ständigen Hausgemeinschaft entfällt bei nachgeborenen Kindern). 2 Seit 1.1.2000 zählen Bezieher wiederkehrender Versorgungsleistungen gem § 50 RAO zum anspruchsberechtigten Personenkreis gem § 3 Abs 1 BPGG; die Entscheidung in solchen Angelegenheiten obliegt der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (10 Ob S 204/99v = ARD 5229/24/2001). 3 Wird ein Rechtsanwalt bei einem Verkehrsunfall getötet, gehen Schadenersatzansprüche von seinen Hinterbliebenen für den Unterhaltsentgang im Ausmaß erbrachter Versorgungsleistungen auf die Rechtsanwaltskammer über (2 Ob 205/07x = Zak 2008/130 = ZUVO 2008/66). Hinterbliebenenleistungen der Rechtsanwaltskammer gem § 50 Abs 1 RAO sind auf den gegen den Schädiger bestehenden Schadenersatzanspruch analog § 1358 ABGB, § 67 VersVG anzurechnen, doch folgt daraus kein Quotenvorrecht der Rechtsanwaltskammer (2 Ob 205/07x = EvBl 2008/58 = ecolex 2008/103). 4 Gem § 43 EPG Abs 1 Z 15 sind die in §§ 8 f, 21c und 50 RAO für Ehegatten, Ehesachen oder Eheangelegenheiten maßgebenden Bestimmungen auch für eingetragene Partner, Partnersachen oder Partnerangelegenheiten sinngemäß anzuwenden.
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Bundesgesetz über die Kammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten (Ziviltechnikerkammergesetz 1993 – ZTKG) [BGBl 1994/157 idF BGBl I 2009/136]
Wohlfahrtseinrichtungen § 29. (1) Die Bundeskammer hat als gemeinsame Einrichtungen für Ziviltechniker, ehemalige Ziviltechniker sowie deren hinterbliebene Familienmitglieder und hinterbliebene eingetragene Partner einen Pensionsfonds und einen Sterbekassenfonds zu errichten und zu betreiben. Diese Fonds besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit, sie bilden ein gemeinsames zweckgebundenes Sondervermögen der Bundeskammer. (2) Aus den Mitteln des Pensionsfonds sind zumindest folgende Versorgungsleistungen zu gewähren: 1. Alterspensionen, 2. Berufsunfähigkeitspensionen, 3. Versorgungsleistungen an Witwen oder Witwer oder hinterbliebene eingetragene Partner, 4. Versorgungsleistungen an ehemalige Ehegatten oder hinterbliebene ehemalige eingetragene Partner und 5. Versorgungsleistungen an Waisen. (3) Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Versorgungsleistungen aus dem Pensionsfonds sind im Statut festzusetzen. Dabei sind die folgenden Grundsätze zu beachten: 1. bis 2. . . . 3. Anspruch auf Witwenpension haben Witwen oder Witwer nach Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten einer Alters- oder Berufsunfähigkeitspension, die mit dem Verstorbenen im Zeitpunkt des Todes in aufrechter Ehe gelebt haben. Im Fall der Wiederverehelichung oder im Fall der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft endet dieser 1463
§ 29 ZTKG
Aichhorn
Anspruch. Die Witwenpension beträgt maximal 60% der Alters- oder Berufsunfähigkeitspension, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt des Todes gebührt hat oder gebührt hätte. Das Statut kann statt einer Witwenpension die Auszahlung einer nach dem Lebensalter der Witwe oder des Witwers gestaffelten Abfindung vorsehen. Für den Fall, dass die Witwe oder der Witwer mindestens zehn Jahre jünger ist als der Verstorbene, oder dass die Eheschließung nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Verstorbenen erfolgte, kann das Statut Wartezeiten oder Leistungsabschläge nach versicherungsmathematischen Grundsätzen vorsehen. 3a. Anspruch auf Pension haben hinterbliebene eingetragene Partner nach Anwartschafts- oder Leistungsberechtigung einer Alters- oder Berufsunfähigkeitspension, die mit dem Verstorbenen im Zeitpunkt des Todes in einer aufrechten eingetragenen Partnerschaft gelebt haben. Im Fall der Begründung einer neuerlichen eingetragenen Partnerschaft oder einer Verehelichung endet dieser Anspruch. Die Pension beträgt maximal 60% der Alters- oder Berufsunfähigkeitspension, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt des Todes gebührt hat oder gebührt hätte. Das Statut kann statt einer Pension die Auszahlung einer nach dem Lebensalter des hinterbliebenen eingetragenen Partners gestaffelten Abfindung vorsehen. Für den Fall, dass der hinterbliebene eingetragene Partner mindestens zehn Jahre jünger ist als der Verstorbene, oder dass die Eintragung der Partnerschaft nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Verstorbenen erfolgte, kann das Statut Wartezeiten oder Leistungsabschläge nach versicherungsmathematischen Grundsätzen vorsehen. 4. Anspruch auf Hinterbliebenenpension haben auch hinterbliebene ehemalige Ehegatten von Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todes aufgehoben, geschieden oder rechtskräftig für nichtig erklärt war und der Anwartschafts- oder Leistungsberechtigte im Zeitpunkt des Todes Unterhalt an den ehemaligen Ehegatten auf Grund eines gerichtlichen Urteils oder Vergleichs zu leisten hatte. Im Fall der Wiederverehelichung oder der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft endet dieser Anspruch. Das Statut kann vorsehen, dass gleichartige Leistungen an den Unterhaltsberechtigten, die der Unterhaltsberechtigte auf Grund eines anderen gesetzlichen Anspruchs bezieht, auf die Hinterbliebenenpension anzurechnen sind. Das Statut kann statt einer Hinterbliebenenpension die Auszahlung einer nach dem Lebensalter des ehemaligen Ehegatten gestaffelten Abfindung vorsehen. Die Versorgungsleistungen sind einerseits mit der Höhe des Unterhaltsanspruchs im Zeitpunkt des Ablebens des Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten und andererseits mit der Höhe der Versorgungsleistungen an die Witwe oder den Witwer gemäß Z 3 begrenzt. 1464
§ 29 ZTKG
Hinterbliebenenversorgung
4a. Anspruch auf Hinterbliebenenpension haben auch hinterbliebene ehemalige eingetragene Partner von Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten, wenn die Partnerschaft im Zeitpunkt des Todes aufgelöst war und der Anwartschafts- oder Leistungsberechtigte im Zeitpunkt des Todes Unterhalt an den ehemaligen eingetragenen Partner auf Grund eines gerichtlichen Urteils oder Vergleichs zu leisten hatte. Im Fall der Begründung einer neuerlichen eingetragenen Partnerschaft oder einer Verehelichung endet dieser Anspruch. Das Statut kann vorsehen, dass gleichartige Leistungen an den Unterhaltsberechtigten, die der Unterhaltsberechtigte auf Grund eines anderen gesetzlichen Anspruchs bezieht, auf die Hinterbliebenenpension anzurechnen sind. Das Statut kann statt einer Hinterbliebenenpension die Auszahlung einer nach dem Lebensalter des ehemaligen eingetragenen Partners gestaffelten Abfindung vorsehen. Die Versorgungsleistungen sind einerseits mit der Höhe des Unterhaltsanspruchs im Zeitpunkt des Ablebens des Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten und andererseits mit der Höhe der Versorgungsleistungen an die Witwe oder den Witwer gemäß Z 3 begrenzt. 5. Anspruch auf Waisenpension haben Waisen, die der Anwartschaftsoder Leistungsberechtigte hinterlässt. Der Versorgungsanspruch endet mit Vollendung des 19. Lebensjahres. Das Statut hat im Falle einer weiterführenden Ausbildung ein späteres Ende des Versorgungsanspruchs vorzusehen. Dieser endet spätestens mit Vollendung des 27. Lebensjahres. Der Anspruch beträgt bei Halbwaisen 20%, bei Vollwaisen 40% der Versorgungsleistung, die der verstorbene Anwartschaftsoder Leistungsberechtigte bezogen hat oder bezogen hätte. (4) Sofern der Stand und die Entwicklung des Fondsvermögens dies zulassen, kann das Statut einen Anspruch auf Versorgungsleistungen für hinterbliebene Lebensgefährten von Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten vorsehen, wenn die Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt des Todes aufrecht war und für mindestens drei Jahre bestanden hat, sofern nicht eine Witwe oder ein Witwer gemäß Abs. 3 Z 3 oder ein hinterbliebener eingetragener Partner gemäß Abs 3 Z 3a Anspruch auf Versorgungsleistungen hat. Im Fall der Verehelichung oder der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft des hinterbliebenen Lebensgefährten endet dieser Anspruch. Die Versorgungsleistungen an hinterbliebene Lebensgefährten sind mit der Höhe der Versorgungsleistungen an Witwen oder Witwer gemäß Abs. 3 Z 3 begrenzt. (5) Sofern der Stand und die Entwicklung des Fondsvermögens dies zulassen, kann das Statut einen Anspruch auf Versorgungsleistungen für hinterbliebene Verwandte in aufsteigender Linie oder für einen Bruder oder eine Schwester des Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten vorse1465
§ 29 ZTKG
Aichhorn
hen, wenn dieser Verwandte im Zeitpunkt des Todes das 65. Lebensjahr überschritten hat, mit dem Verstorbenen in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat und dem Verstorbenen für die letzten zehn Jahre vor dem Tod den Haushalt geführt hat, sofern nicht eine Witwe oder ein Witwer Anspruch auf Versorgungsleistungen gemäß Abs. 3 Z 3, ein hinterbliebener eingetragener Partner gemäß Abs 3 Z 3a, ein ehemaliger Ehegatte Anspruch auf Versorgungsleistungen gemäß Abs. 3 Z 4, ein hinterbliebener ehemaliger eingetragener Partner gemäß Abs. 3 Z 4a oder ein Lebensgefährte Anspruch auf Versorgungsleistungen gemäß Abs. 4 hat. Die Versorgungsleistungen an hinterbliebene Verwandte sind mit der Höhe der Versorgungsleistungen an Witwen oder Witwer gemäß Abs. 3 Z 3 begrenzt. (6) Die Versorgungsleistungen an Hinterbliebene gemäß Abs. 3 Z 3 bis 5 und Abs. 4 und 5 dürfen zusammen jenen Betrag nicht überschreiten, auf den der Verstorbene selbst Anspruch gehabt hat oder gehabt hätte. Innerhalb dieses Höchstmaßes sind die Leistungen an die einzelnen Hinterbliebenen im Verhältnis der Höhe ihrer Leistungsansprüche zueinander zu kürzen. (7) Der Anspruch auf Versorgungsleistungen entsteht mit dem auf die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen folgenden Monatsersten und endet mit dem auf den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen folgenden Monatsletzten. (8) Aus den Mitteln des Sterbekassenfonds sind einmalige Geldleistungen aus Anlass des Ablebens eines Ziviltechnikers oder ehemaligen Ziviltechnikers zu gewähren, sofern der Verstorbene bis zu seinem Ableben Beiträge an den Sterbekassenfonds geleistet hat. Anspruch auf Leistungen aus dem Sterbekassenfonds hat jene Person oder haben jene Personen, die der Verstorbene dem Kuratorium schriftlich bekannt gegeben hat. Hat der Verstorbene hierbei nichts Anderes bestimmt, ist das Sterbegeld bei Namhaftmachung mehrerer Personen an diese nach gleichen Teilen auszuzahlen. Hat der Verstorbene dem Kuratorium keine anspruchsberechtigte Person bekannt gegeben, steht das Sterbegeld der Witwe oder dem Witwer oder dem hinterbliebenen eingetragenen Partner oder der Lebensgefährtin oder dem Lebensgefährten, fehlen solche, den gesetzlichen Erben zu. Ist nach dieser Bestimmung keine anspruchsberechtigte Person zu ermitteln, ist das Sterbegeld dem Sterbekassenfonds zuzuführen, allerdings ist ein Drittel des Sterbegeldes für längstens zwei Monate einzubehalten und auf Antrag an die Person oder Personen auszuzahlen, die die Begräbniskosten getragen hat oder haben. (9) Die Höhe der Versorgungsleistungen aus dem Pensionsfonds ist auf Grund der eingezahlten Beiträge und erzielten Veranlagungsüberschüsse nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu errechnen. Die Höhe des Sterbegeldes ist unter Berücksichtigung des Standes und der Entwicklung des Fondsvermögens im Statut festzusetzen, wobei eine Rücklage zu 1466
§§ 17, 15 ZTKG
Hinterbliebenenversorgung
bilden ist, die zumindest dem Aufwand des vorangegangenen Jahres zu entsprechen hat. Das Sterbegeld beträgt höchstens 25% der im Jahr des Ablebens geltenden Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 29a Abs. 4.
Unterstützungsfonds § 17. (1) Jede Länderkammer kann einen Unterstützungsfonds errichten und betreiben. Dieser besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit, er bildet ein zweckgebundenes Sondervermögen der Länderkammer. (2) Der Unterstützungsfonds ist dazu bestimmt, Kammermitglieder oder hinterbliebene Familienmitglieder oder hinterbliebene eingetragene Partner nach Kammermitgliedern, die unmittelbar vor deren Tod in deren Hausgemeinschaft gelebt haben, durch einmalige oder wiederkehrende Geldzuwendungen zu unterstützen, wenn ein unvorhergesehener, unverschuldeter Notstand vorliegt und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer (§ 29) nicht erfüllt sind. (3) bis (5) . . .
Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten § 15. Witwen- und eingetragene Partnerpension Die in den nachfolgenden Bestimmungen verwendeten Begriffe Witwe, eingetragener Partner, Lebensgefährtin, Ehegattin, stehen genauso für die Begriffe Witwer, eingetragene Partnerin, Lebensgefährte, Ehegatte. (1) Die Witwenpension und eingetragene Partnerpension nach einem anwartschaftsberechtigten Ziviltechniker beträgt 60% der fiktiven Berufsunfähigkeitspension gemäß § 14. Die Witwenpension und eingetragene Partnerpension wird unabhängig davon gewährt, ob der anwartschaftsberechtigte Ziviltechniker während aufrechter und tatsächlich ausgeübter Befugnis, während aufrechter, aber nicht tatsächlich ausgeübter Befugnis, während des Ruhens der Befugnis oder nach Erlöschen oder Aberkennung der Befugnis verstorben ist. Eine Mindestbeitragszeit ist nicht erforderlich. (1a) . . . (2) Die Witwenpension und eingetragene Partnerpension nach dem leistungsberechtigten Ziviltechniker beträgt 60% dieser Leistung. (3) Kinderlose Witwen und alle eingetragenen Partner, die das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erhalten an Stelle der monatlichen Leistung eine Abfindung in Höhe eines Jahresbezuges, kinderlose Witwen und alle eingetragenen Partner, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine solche in Höhe von zwei Jahresbezügen. Einer Witwe oder 1467
§ 15 ZTKG
Aichhorn
einem eingetragenen Partner, die bzw. der das 40., 45. oder 50. Lebensjahr vollendet hat, kann auf ihr bzw. sein Ansuchen, das innerhalb von sechs Wochen nach dem Tod des Ziviltechnikers zu stellen ist, an Stelle der monatlichen Leistung eine einmalige Abfindung in Höhe des 3- bzw. 4- bzw. 5-fachen eines Jahresbezuges gewährt werden, wobei allenfalls bereits bezogene monatliche Leistungen in Abzug gebracht werden. (4) Wenn die Witwe oder der eingetragene Partner mehr als 20 Jahre jünger ist als der Ziviltechniker, entsteht der Anspruch auf eine Witwenpension bzw. eine eingetragene Partnerpension erst nach Ablauf eines Zeitraumes, der dem über 20 Jahre hinausgehenden Altersunterschied zwischen der Witwe bzw. dem eingetragenen Partner und dem Verstorbenen entspricht (Wartefrist). (5) Im Falle der Verehelichung oder Eintragung einer Partnerschaft eines Ziviltechnikers nach Vollendung seines 60. Lebensjahres wird die Witwenpension bzw. eingetragene Partnerpension nur gewährt, wenn die Ehe bzw. eingetragene Partnerschaft im Zeitpunkt des Todes des Ziviltechnikers länger als drei Jahre gedauert hat, wobei die unmittelbar vor der Eheschließung liegende Zeit der Lebensgemeinschaft mitgerechnet wird. Ist in einem solchen Fall die Witwe bzw. der eingetragene Partner um mehr als zehn Jahre jünger als der Verstorbene, wird die Witwenpension bzw. eingetragene Partnerpension erst nach Ablauf eines Zeitraumes gewährt, der dem über zehn Jahre hinausgehenden Altersunterschied entspricht (Wartefrist). (6) Die Absätze 4 und 5 sind nicht anzuwenden, wenn: a) in der Ehe ein Kind geboren wurde, b) durch die Ehe ein Kind legitimiert wurde, c) die Witwe zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten von diesem schwanger war und eine Lebendgeburt erfolgte, d) dem Haushalt der Witwe oder des hinterbliebenen eingetragenen Partners ein Kind des verstorbenen Ziviltechnikers angehört, das Anspruch auf Waisenversorgung hat, oder e) die Ehe oder eingetragene Partnerschaft vom Zeitpunkt der Eheschließung bis zum Tod des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners länger als 15 Jahre gedauert hat. (7) Von den in den Absätzen 4 und 5 festgelegten Wartezeiten kann Abstand genommen werden, wenn auf Grund einer versicherungsmathematischen Berechnung ein Einmalerlag oder entsprechende monatliche Beiträge erbracht werden, die die Mehrleistung des Pensionsfonds durch den Wegfall der Wartezeit infolge des über 10 bzw. 20 Jahre hinausgehenden Altersunterschiedes deckt. Die Berechnung des Einmalerlages erfolgt durch das Kuratorium. 1468
§ 16 ZTKG
Hinterbliebenenversorgung
(8) Der Anspruch auf Witwenpension erlischt, wenn sich die Witwe wieder verheiratet oder eine eingetragene Partnerschaft eingeht. Der Anspruch auf eingetragene Partnerpension erlischt, wenn der eingetragene Partner wieder eine eingetragene Partnerschaft eingeht oder sich verehelicht. Eine Witwenpension bzw. eingetragene Partnerpension wird nicht gewährt, wenn die Witwe bzw. der eingetragene Partner, festgestellt durch rechtskräftiges Strafurteil, den Tod des Ziviltechnikers durch vorsätzliche Handlungen verschuldet oder mitverschuldet hat.
Leistungen an die geschiedene Ehegattin, den hinterbliebenen ehemaligen eingetragenen Partner, die Lebensgefährtin oder an Verwandte § 16. (1) Anspruch auf eine Hinterbliebenenpension haben auch hinterbliebene ehemalige Ehegatten und hinterbliebene ehemalige eingetragene Partner von Ziviltechnikern, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todes aufgehoben, geschieden oder rechtskräftig für nichtig erklärt war oder die eingetragene Partnerschaft im Zeitpunkt des Todes aufgelöst war und wenn der Ziviltechniker zur Zeit seines Todes Unterhalt an den ehemaligen Ehegatten bzw. den ehemaligen eingetragenen Partner aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder gerichtlichen Vergleichs zu leisten hatte und der Unterhaltsanspruch auf Grund dieses Titels nicht erloschen ist. (2) Anspruch auf eine Hinterbliebenenpension nach diesem Statut hat auch die Lebensgefährtin des Ziviltechnikers, wenn die Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt des Ablebens des Ziviltechnikers bestanden hat, mindestens drei Jahre gedauert hat, und dem Kuratorium mindestens drei Jahre vor dem Ableben des Ziviltechnikers gemeldet wurde (gemeldete Lebensgemeinschaft). Der Anspruch auf Hinterbliebenenpension entfällt, wenn eine Witwe oder ein hinterbliebener eingetragener Partner gemäß § 15 einen Anspruch auf Witwenpension bzw. eingetragene Partnerpension hat. Die Meldung ist vom Ziviltechniker schriftlich zu erstatten und kann vom Ziviltechniker jederzeit widerrufen oder abgeändert werden. Die Meldung einer Lebensgemeinschaft ist beim Bestehen einer aufrechten Ehe, einer aufrechten eingetragenen Partnerschaft oder einer anderen, bereits gemeldeten Lebensgemeinschaft unzulässig. (3) Hinterbliebenenpensionen gemäß §§ 16 und 23 Abs. 6 sind insgesamt mit der Höhe der fiktiven Witwenpension bzw. eingetragenen Partnerpension begrenzt; § 15 Abs. 1 bis § 15 Abs. 7 sind sinngemäß anzuwenden. Leistungen an Anspruchsberechtigte nach Abs. 1 sind außerdem mit der Höhe des Unterhaltsanspruchs begrenzt. Treffen mehrere Anspruchsberechtigte zusammen, sind ihre Leistungen entsprechend zu aliquotieren.
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§ 25 ZTKG
Aichhorn
(4) Im Fall der (Wieder)Verehelichung oder der (erneuten) Begründung einer eingetragenen Partnerschaft erlischt der Anspruch auf eine Hinterbliebenenpension für die in Abs. 1 und 2 genannten Anspruchsberechtigten. Eine Leistung wird nicht gewährt, wenn die in Abs. 1 und 2 genannten Anspruchsberechtigten, festgestellt durch rechtskräftiges Strafurteil, den Tod des Ziviltechnikers durch vorsätzliche Handlungen verschuldet oder mitverschuldet haben. (5) Anspruch auf Hinterbliebenenpension hat auch ein/e Verwandte/r in aufsteigender Linie oder eine/e Schwester/Bruder, die/der zum Zeitpunkt des Ablebens des Ziviltechnikers das 65. Lebensjahr überschritten hat, sofern sie/er dem Verstorbenen in den letzten zehn Jahren den Haushalt geführt, mit ihm in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat und auch keine anspruchsberechtigte Witwe oder geschiedene Ehegattin, bzw. kein eingetragener Partner oder ehemaliger eingetragener Partner vorhanden ist.
§ 25. (1) bis (4) . . . (5) Das Sterbegeld wird an jene Personen ausbezahlt, die der Ziviltechniker dem Kuratorium schriftlich bekannt gegeben hat. Fehlt eine solche Bekanntgabe, so ist es an die Witwe bzw. den eingetragenen Partner, subsidiär an die Erben auszuzahlen. Ist das Sterbegeld nicht an Witwe, eingetragenen Partner oder Erben auszuzahlen, muss ein Drittel des Betrages auf die Dauer von zwei Monaten einbehalten werden, woraus die Begräbniskosten auf Ansuchen jenen Personen zu ersetzen sind, die diese getragen haben. 1 Das Statut der Wohlfahrtseinrichtungen ist eine VO des Kammertags der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten und unmittelbar anzuwendende rechtliche Grundlage. Das Statut wurde am 82. Kammertag am 18.6.2004 auf Basis der Bestimmungen im ZTKG beschossen und trat am 1.7.2004 in Kraft. Zuletzt wurde das Statut durch die 206. VO der Bundeskammer geändert (Mai 2010). 2 Die einschlägigen Bestimmungen im ZTKG samt Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten entsprechen im Wesentlichen § 258 ASVG (s daher dort). Anders als gem ASVG steht uneigentliche Witwen(Witwer)pension aber nur zu, wenn nachehelicher Unterhalt aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder eines gerichtlichen Vergleichs geleistet wurde, nicht erfasst sind die Fälle analog zu § 258 Abs 4 lit c und d ASVG. Bei Wiederverehelichung erlischt der Anspruch auf die Versorgungsleistung von ehemaligen Ehepartnern, ohne dass eine Abferti1470
§ 25 ZTKG
Hinterbliebenenversorgung
gung gebührt bzw ein Wiederaufleben des Anspruchs vorgesehen ist. Treffen mehrere Anspruchsberechtigte zusammen, sind ihre Leistungsansprüche aliquot zu kürzen. Eine Privilegierung von gem § 55 iVm § 61 Abs 3 EheG Geschiedenen existiert gem ZTKG bzw Statut nicht. Gesellschafts-Geschäftsführer einer Ziviltechniker-GmbH sind zur Wohl- 3 fahrtseinrichtung der Kammer der Ziviltechniker beitragspflichtig (VwGH 22.10.2008, 2007/06/0008 = ZfVB 2009/1096).
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Bundesgesetz vom 9. Juli 1958 über die Ruhe- und Versorgungsgenüsse der Bundestheaterbediensteten (Bundestheaterpensionsgesetz – BThPG) [BGBl 1958/159 idF BGBl I 2009/135]
Anwendungsbereich § 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Pensionsansprüche der in Vollbeschäftigung und ständiger Verwendung stehenden Bundesbediensteten österreichischer Staatsbürgerschaft, deren Dienstverhältnis durch a) das Schauspielergesetz, BGBl. Nr. 441/1922, b) den Kollektivvertrag für das technische Personal der Bundestheater – im folgenden Bundestheaterbedienstete genannt – geregelt ist, sowie ihren Hinterbliebenen und Angehörigen. ... (4) Als Angehörige, Hinterbliebene, frühere Ehegattinnen und frühere Ehegatten und überlebende Ehegattinnen und überlebende Ehegatten sowie frühere eingetragene Partnerinnen oder frühere eingetragene Partner und überlebende eingetragene Partnerinnen oder überlebende eingetragene Partner gelten Angehörige, Hinterbliebene, frühere Ehegattinnen und frühere Ehegatten und überlebende Ehegattinnen und überlebende Ehegatten sowie frühere eingetragene Partnerinnen oder frühere eingetragene Partner und überlebende eingetragene Partnerinnen oder überlebende eingetragene Partner im Sinne des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340.
1472
§§ 1b, 17 BThPG
Hinterbliebenenversorgung
Eingetragene Partnerschaften § 1b. Folgende Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind auf eingetragene Partnerinnen und Partner von Bundestheaterbediensteten nach dem Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG), BGBl. I Nr. 135/2009, sinngemäß anzuwenden: § 6a Abs. 6, § 17a und § 18d.
§ 17. Sofern dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, sind die auf dem Gebiete des Pensionsrechts für Bundesbeamte und ihre Hinterbliebenen jeweils geltenden bundesgesetzlichen Vorgaben sinngemäß anzuwenden. Das BThPG regelt gem § 1 die Pensionsansprüche der in Vollbeschäftigung 1 und ständiger Verwendung stehenden Bundesbediensteten österreichischer Staatsbürgerschaft, deren Dienstverhältnis durch das Schauspielergesetz und den Kollektivvertrag für das technische Personal der Bundestheater geregelt ist, sowie ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen. Gem § 1a sind dem Anwendungsbereich des BThPG auch Bedienstete unterstellt, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, aber die sonstigen Voraussetzungen des § 1 erfüllen, sofern sie Staatsangehörige eines Landes sind, dessen Angehörigen Österreich auf Grund eines Staatsvertrags im Rahmen der europäischen Integration dieselben Rechte für den Berufszugang zu gewähren hat wie österreichischen Staatsbürgern.
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Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskassengesetz 2002) [BGBl I Nr 2001/154 idF BGBl I 2009/135] § 41. (1) Die Gehaltskasse hat aus dem Wohlfahrts- und Unterstützungsfonds Zuschüsse zur gesetzlichen Pension an Mitglieder, ehemalige Mitglieder sowie deren Hinterbliebene zu gewähren. (2) Mitglieder, ehemalige Mitglieder sowie deren Hinterbliebene haben bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Pensionszuschusses durch die Gehaltskasse. (3) Die Anspruchsvoraussetzungen sind in Richtlinien durch die Delegiertenversammlung festzulegen. Hierbei sind folgende Grundsätze zu beachten: 1. Anspruchsberechtigt sind alle (ehemaligen) Mitglieder der Gehaltskasse, die eine gesetzliche Pension beziehen, sofern sie zumindest fünf Jahre lang Mitgliedsbeiträge gem § 8 Abs. 3 Z 1 oder 2 entrichtet haben, sowie deren Hinterbliebene. 2. Der Pensionszuschuss gebührt ab dem Zeitpunkt, ab dem eine gesetzliche Pension gebührt. 3. Witwen/Witwer, zum Zeitpunkt des Ablebens eingetragene Partner und Waisen erhalten jeweils die Hälfte des Zuschusses des Verstorbenen, insgesamt jedoch nicht mehr als der Verstorbene. Gegebenenfalls sind die Ansprüche der Waisen entsprechend zu kürzen. Sofern sie nach dem Verstorbenen eine gesetzliche Hinterbliebenenpension erhalten, gelten als Witwen/Witwer auch geschiedene Ehegatten und als frühere eingetragene Partner auch Partner einer aufgelösten eingetragenen Partnerschaft. 4. Berechnungsbasis für die Höhe des Pensionszuschusses ist grundsätzlich die Höhe der geleisteten Mitgliedsbeiträge. (4) . . . (5) . . . 1474
Wohlfahrts- und Unterstützungsfonds der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich Richtlinien für die Gewährung von Pflichtzuwendungen nach § 41 Gehaltskassengesetz 2002, beschlossen gemäß § 41 Abs. 5 des Gehaltskassengesetzes 2002 von der Delegiertenversammlung der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich (Stand Juni 2010)
Statut A Leistungsrecht § 1. Leistungsempfänger (1) bis (4) . . . (5) Witwen, Witwern, zum Zeitpunkt des Ablebens eingetragenen Partnern und Waisen gebührt ein Zuschuss zur gesetzlichen Hinterbliebenenpension grundsätzlich jeweils in Höhe der Hälfte des dem Verstorbenen zuerkannten oder zuzuerkennenden Pensionszuschusses. Allen Hinterbliebenen insgesamt gebührt höchstens der dem Verstorbenen zuerkannte oder zuzuerkennende Betrag. Notwendigenfalls sind die Zuschüsse an die Waisen aliquot zu kürzen.
Statut B Erfasster Personenkreis § 1. Anwartschafts- und Leistungsberechtigte/Hinterbliebene (1) Anwartschaftsberechtigte sind jene Mitglieder der Gehaltskasse, zugunsten derer gemäß Artikel III Beiträge entrichtet werden und die infolge 1475
Statut B
Aichhorn
dieser Beitragsleistung einen Anspruch auf eine zukünftige Leistung haben. (2) Leistungsberechtigte sind (frühere) Anwartschaftsberechtigte, die einen Pensionszuschuss gemäß Statut A oder B beziehen und an die Leistungen entsprechend Artikel II erbracht werden. (3) Hinterbliebene sind jene Personen, die nach dem Ableben eines Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten eine Versorgungsleistung gemäß Artikel II erhalten.
Leistungsrecht § 2. Persönlicher Geltungsbereich Einen Anspruch auf Versorgungsleistungen haben alle (auch nur teilzeitbeschäftigten) aktiven Dienstnehmer (nicht Aspiranten) und Dienstgeber, welche die Wartezeit von fünf Dienstjahren vollendet haben, wobei Vordienstzeiten innerhalb des Systems der Gehaltskasse angerechnet werden.
§ 3. Versorgungsleistungen (1) Ziel dieses Reglements ist es, den Anwartschaftsberechtigten und deren Hinterbliebenen einen Anspruch auf folgende Versorgungsleistungen zu sichern: 1. . . . 2. An Hinterbliebene der Anwartschaftsberechtigten/Leistungsberechtigten: a) Witwen/rpension b) Waisenpension c) Pension für zum Zeitpunkt des Ablebens eingetragene Partner
§ 4. Anspruch auf Versorgungsleistungen (1) bis (2) . . . (3) Hinterbliebenenpensionen Im Falle des Ablebens eines Anwartschaftsberechtigten oder eines Leistungsberechtigten gebührt dem Ehepartner, dessen Ehe mit dem Anwartschaftsberechtigten oder Leistungsberechtigten zum Zeitpunkt seines Todes aufrecht war und der eine gesetzliche Hinterbliebenenleistung bezieht, eine Witwen(r)pension. In gleicher Weise gebührt hinterbliebenen Kindern iS der gesetzlichen Pensionsversicherung eine Waisenpension. Gleiches gilt für einen zum Zeitpunkt des Ablebens eingetragenen Partner, der eine gesetzliche Hinterbliebenenleistung bezieht. 1476
§5
Hinterbliebenenversorgung
§ 5. Höhe und Dauer der Versorgungsleistungen (1) bis (2) . . . (3) Die Witwen-/Witwerpension bzw. die Pension eines eingetragenen Partners nach einem Leistungsberechtigten (Anwartschaftsberechtigten) beträgt 50% der ehemals vom jetzt verstorbenen Leistungsberechtigten (Anwartschaftsberechtigten) (fiktiv) bezogenen Versorgungsleistung. (4) . . . (5) (Vorzeitige) Alterspension wird in jedem Fall lebenslang, Berufsunfähigkeitspension auf Dauer der Berufsunfähigkeit und Hinterbliebenenpensionen (Witwen-, Witwer- und Waisenpension) lebenslang bzw. bis zur Wiederverehelichung (Witwen, Witwer) bzw. Erreichen der Altersgrenze iS der gesetzlichen Pensionsversicherung (Waisen) gewährt. Für hinterbliebene eingetragene Partner gelten die Bestimmungen für die Witwen- und Witwerpension sinngemäß. (6) . . .
Richtlinien für die Gewährung von freiwilligen Zuwendungen nach § 40 Gehaltskassengesetz 2002, beschlossen gemäß § 40 Abs. 3 von der Delegiertenversammlung der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich Auf die Zuerkennung dieser Leistungen besteht gemäß § 40 Abs. 2 GKG 2002 kein Rechtsanspruch, sie erfolgt freiwillig. 2. Todfallsbeitrag Bei Ableben eines Beziehers einer laufenden Notstandsunterstützung oder eines Pensionszuschusses kann ein Todfallsbeitrag in der Höhe der dreifachen dem Verstorbenen zuletzt zuerkannten Zuwendung gewährt werden. Diejenigen Personen, denen ein Todfallsbeitrag zugewendet werden kann, sind zunächst der überlebende Eheteil oder eingetragene Partner, der mit dem Verstorbenen bis zum Ableben in (Ehe)Gemeinschaft gelebt hat und vom Verstorbenen vorwiegend erhalten wurde; ist ein solcher nicht vorhanden, die in der Obsorge des Verstorbenen gestandenen Nachkommen. Sind auch solche Nachkommen nicht vorhanden, so kann der Todfallsbeitrag oder ein Teil davon jenen physischen Personen, die die Kosten des Begräbnisses aus eigenen Mitteln bestritten haben, gewährt werden. ... 1477
Aichhorn
6. Urlaubsunterstützung Apothekeninhabern gebührt eine Urlaubsunterstützung nach Maßgabe der folgenden Regelungen: 1. Die Urlaubsunterstützung gebührt Betrieben, die durchschnittlich monatlich mindestens 10 Nachtdienste versehen 2. Die Urlaubsunterstützung gebührt auch Betrieben, die weniger als 10 Nachtdienste monatlich versehen, sofern diese von einem Alleinarbeiter geleitet werden. Bei der Beurteilung der Alleinarbeitereigenschaft bleiben mittätige Ehegatten, eingetragene Partner und Aspiranten außer Betracht. Apotheken ohne mittätigen Ehegatten und ohne mittätigen eingetragenen Partner gelten im Sinne dieser Richtlinie auch dann als Alleinarbeiterbetriebe, wenn ein weiterer berufsberechtigter Apotheker von nicht mehr als 2/10 gemeldet ist. ... 1 Gem § 1 Abs 1 GehaltskassenG ist die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskasse) eine Körperschaft öffentlichen Rechtes und erstreckt ihren Wirkungskreis auf das gesamte Bundesgebiet. Sie hat ihren Sitz in Wien. Der Gehaltskasse obliegen gem § 1 Abs 2 Z 1–5 GehaltskassenG die Bemessung und Auszahlung der Bezüge aller in öffentlichen Apotheken oder in Anstaltsapotheken auf Grund eines Dienstvertrages angestellten Apotheker und Aspiranten; die Errichtung eines Reservefonds zur Sicherstellung der Besoldung; die Verrechnung ärztlicher Verschreibungen (Rezepte), auf Grund deren die öffentlichen Apotheken und die Anstaltsapotheken Arzneimittel für Rechnung der sozialversicherungsträger und sonstiger juristischer Personen abzugeben haben, denen auf Grund gesetzlicher Vorschriften beim Arzneimittelbezug Nachlässe zu gewähren sind (begünstigte Bezieher); die unentgeltliche, gemeinnützige Stellenvermittlung für Mitglieder und Berufsanwärter sowie die Einrichtung eines Wohlfahrts- und Unterstützungsfonds und die Gewährung von einmaligen und wiederkehrenden Leistungen an Mitglieder und ehemalige Mitglieder, deren Angehörige oder Hinterbliebene sowie an Studierende der Pharmazie aus diesem Fonds. 2 Im GehaltskassenG sind (hinterbliebene) eingetragene Partner iSd EPG rechtlich den Ehepartnern gleichgestellt, s § 10 Abs 1, § 28 Abs 1 Z 1 und Z 3, § 34 Abs 2 und Abs 3, § 36 Abs 5 und § 41 Abs 3 Z 3.
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Sachverzeichnis Halbfette Zahlen bezeichnen Paragraphen. Magere Zahlen beziehen sich auf Randzahlen. Hauptfundstellen sind durch Kursivdruck der Randzahlen hervorgehoben.
Abfertigungsansprüche 94 ABGB 58 ff, 145, 202; 81 EheG 7 Abfertigungsrückstellung 94 ABGB 84 Abgabestelle 382b–382e EO 147 Abgeltungsanspruch 98–100 ABGB; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 15 – Dienstverhältnis 100 ABGB 2, 5, 9 – GesBR 100 ABGB 7 f – Pfändbarkeit 99 ABGB 3 – Übertragbarkeit 99 ABGB 1 – Vereinbarung 98 ABGB 14; 99 ABGB 1 – Verfahrenskosten 78 AußStrG 51 ff – Verjährung 98 ABGB 15 – Verzicht 98 ABGB 14; 100 ABGB 9 Abschöpfungsbeträge 94 ABGB 177 f Abstammung LebG – Rechtsfolgen/Innen 19 ff Abzüge von Unterhaltsbemessungsgrundlage (Allgemeines) 94 ABGB 161 ff Adoption 6 EheG 3; 10 EheG 1 ff; 1 EPG 3; 5 EPG 5; 8 EPG 6 ff Adoptionsverbot in eingetragener Partnerschaft 8 EPG 6 ff Adoptiveltern 10 EheG 2 Adoptivkind 93a ABGB 3; 10 EheG 2 AfA 94 ABGB 84, 96 Affidavit Vor 1 EheG 16 Aktienkauf 94 ABGB 168 Alkoholmissbrauch 92 ABGB 13; 49 EheG 4, 19; 382b–382e EO 20, 23, 34 Alleinerzieherabsetzbetrag 94 ABGB 205 Alleingesellschafter 94 ABGB 75; 98 ABGB 15
Altersvorsorge 94 ABGB 168 Anerkenntnis der Vaterschaft LebG – Rechtsfolgen/Innen 26 ff – Widerspruch LebG – Rechtsfolgen/ Innen 27 Anerkennung – ausländischer Entscheidungen Vor 97 ff AußStrG 1 ff – Verfahren 98 AußStrG 1 ff – Verfahrenskosten 78 AußStrG 29 ff – Zuständigkeit 114a JN 8 f Anfechtung – Prozess 93–96 AußStrG 43; 95 EheG 11 – Scheidungsfolgenvergleich 93–96 AußStrG 34; 95 EheG 15; 55a EheG 12, 37; 460 ZPO 1 Angehörigenbegriff 382b–382e EO 1, 10 Anmerkung der Rangordnung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 18; 382h EO 12 Annahme an Kindes statt 10 EheG 1 ff Anspannung des Unterhaltsberechtigten – Allgemeines 66 EheG 17 ff, 69 EheG 6 ff – Alter 94 ABGB 221 ff; 66 EheG 20 – Berufsausbildung 94 ABGB 225 – Berufsausübung (bisherige)94ABGB 225 – Berufstätigenehe 94 ABGB 224 ff – Fortsetzung einer Berufstätigkeit 66 EheG 21 – Gesundheitszustand 94 ABGB 225 – Hausfrauen(Hausmänner)ehe 94 ABGB 221 ff – Kinderbetreuung 94 ABGB 227 ff; 66 EheG 22 ff
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Anspannung des Unterhaltspflichtigen
– Vermittlungsmöglichkeiten 94 ABGB 225 – Vermögenserträgnisse (fiktive) 94 ABGB 230 – Zumutbarkeit 66 EheG 17 Anspannung des Unterhaltspflichtigen – Alkoholmissbrauch 94 ABGB 101 – Allgemeines 94 ABGB 97 ff – Alter 94 ABGB 101 – Anspannungseinkommen 94 ABGB 109 ff – Arbeitslosigkeit 94 ABGB 113 ff – Arbeitsplatzbehaltepflicht 94 ABGB 118 – Arbeitsplatzverlust 94 ABGB 113 ff – Ausbildung 94 ABGB 124 f – Auslandswohnsitz 94 ABGB 126 ff – Behandlungspflicht 94 ABGB 101 – Berufsausbildung 94 ABGB 124 f – Berufswahl (freie) 94 ABGB 121 – Berufswechsel 94 ABGB 121 f – Drogensucht 94 ABGB 101, 134 – Einzelfallentscheidung 94 ABGB 104 – Entwöhnungstherapie 94 ABGB 134 – Haft 94 ABGB 101, 131 ff – Haftentlassung 94 ABGB 133 – Karenzurlaub 94 ABGB 135 – Krankheit 94 ABGB 101 – Missbrauchsvorbehalt 94 ABGB 100 – Nebenbeschäftigung 94 ABGB 106 – Resozialisierungstherapie 94 ABGB 134 – Schwangerschaft 94 ABGB 101 – selbstständig Erwerbstätige 94 ABGB 98 – Teilzeitbeschäftigung 94 ABGB 107 – Überstunden 94 ABGB 106 – unbekannter Aufenthalt 94 ABGB 104 – unselbstständig Erwerbstätige 94 ABGB 98 – Unterhaltsschädigungsabsicht 94 ABGB 106, 119 – Unterlassung einer Antragstellung 94 ABGB 108 – Vergleichsmaßstab 94 ABGB 102 – Vermögenserträgnisse (fiktive) 94 ABGB 136 ff – Verschulden 94 ABGB 100 f – Voraussetzungen 94 ABGB 97 ff – Zukunftsvorsorge 94 ABGB 97 – Zumutbarkeit 94 ABGB 98
Anspruchsgefährdung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 18 anständige Begegnung 90 ABGB 22 f, 30 f; 49 EheG 20; 382b–382e EO 4; 8 EPG 2 Anti-Stalking-Gesetz 382g EO 1 Anwaltskosten 94 ABGB 4, 12, 167 Anwaltspflicht – bei einvernehmlicher Scheidung 93–96 AußStrG 14, 17; 55a EheG 27 – bei streitiger Scheidung 93–96 AußStrG 17; 49 EheG 42; 460 ZPO 1 – Verbot der Doppelvertretung 93–96 AußStrG 14 f; 55a EheG 27 Anwartschaftsrecht 81 EheG 7, 13; 86 EheG 4; 87 EheG 4; 90 EheG 1 Arbeitsentgelt 94 ABGB 50 Arbeitsgenehmigung 23 EheG 6 ff Arbeitsleistung LebG – Beendigung 111, 121 – zweckverfehlende LebG – Beendigung 114 Arbeitslosengeld 94 ABGB 45, 202 Arbeitsplatzfahrtkosten 94 ABGB 164 Arbeitsvertrag LebG – Beendigung 113 arglistige Täuschung 38 EheG 1 ff – Aufhebungsklage 38 EheG 15 ff – Heilung des Aufhebungsgrunds 38 EheG 13 f – Irreführungshandlungen Dritter 38 EheG 10 – Klagefrist 40 EheG 14 – Motiv 38 EheG 9 – relevanter Zeitpunkt 38 EheG 5 – Schädigungsabsicht 38 EheG 9 – Täuschung über Vermögensverhältnisse 38 EheG 11 – Vorsatz 38 EheG 8 Aufenthaltsgenehmigung 23 EheG 6 ff Aufenthaltsverbot 382b–382e EO 54, 59, 132; 382g EO 22 Aufhebung der EV 382b–382e EO 131 ff Aufhebung der Todeserklärung 43 EheG 9f Auflösung der eingetragenen Partnerschaft 13 ff EPG; 19 EPG 8 Auflösung der häuslichen Gemeinschaft 55 EheG 1 ff – eingetragene Partnerschaft 15 EPG 3 – Frist 55 EheG 8 f
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Aufteilungsverfahren
– Härteabwägung 55 EheG 13 – Widerspruchsrecht 55 EheG 13 ff Aufrechnung und Unterhalt 94 ABGB 31 ff Aufsandungserklärung 94 EheG 6 Aufteilung – ausgenommene Sachen 81 EheG 5 ff; 82 EheG 1 ff – eingetragene Partnerschaft 82 EheG 1 ff; 24–41 EPG 1 ff – Einkommen beider Ehegatten 83 EheG 6 – einvernehmliche 94 EheG 3 – gerichtliche 85 EheG 1 ff – Haushaltsführung 83 EheG 11, 23 – internationale Zuständigkeit 76a JN 7 – Konsumverzicht 83 EheG 8 – Kriterien 83 EheG 3 ff – Luxuswerte 83 EheG 25 – Mietwohnung 12 MRG 6 – mittelbare Leistungen 83 EheG 3 – Quote 83 EheG 16, 23 ff – Vermögensaufbau 83 EheG 11 Aufteilungsanspruch 97 ABGB 49; 93–96 AußStrG 47, 64; 96 EheG 5 – Erlöschen 95 EheG 1 ff – Sicherung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 1, 12 ff – Übergang 96 EheG 1 ff – Unpfändbarkeit 96 EheG 5 f – Verzicht 98 EheG 4 Aufteilungsanspruchserlöschung 95 EheG 1 ff Aufteilungsantrag 93–96 AußStrG 45, 51; 85 EheG 3 ff; 95 EheG 3 f, 7 – Ausdehnung 95 EheG 3 – Bestimmtheit 95 EheG 3 – Bezifferung 95 EheG 3 – Bindung 85 EheG 6 ff; 95 EheG 3 f – Einlangen bei Gericht 93–96 AußStrG 51 – Rückziehung 95 EheG 7 – Zurücknahme 93–96 AußStrG 49; 95 EheG 7 Aufteilungsdurchführung 93 EheG 1 ff – Einzelfallumstand 93 EheG 2 – konkrete Durchführungsanordnung 93 EheG 1 – Übergabemodalitäten 93 EheG 2 Aufteilungsgegenstände – Disposition 96 EheG 2 f
Aufteilungsgrundsatz 83 EheG 1 ff; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 5 Aufteilungsmasse 81 EheG 4 ff; 82 EheG 1; 94 EheG 3 Aufteilungsvereinbarung – außergerichtliche 93–96 AußStrG 45; 85 EheG 11 – Ehewohnung 97 EheG 10, 15 f – Ersparnisse 97 EheG 8, 11 – Formvorschriften 97 EheG 5, 17 – Gebrauchsvermögen 97 EheG 5 ff, 11 – gerichtliche Schritte dagegen 97 EheG 33 f – im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Eheauflösung 97 EheG 17 ff – nach der Scheidung 97 EheG 26 – Notariatsakt 97 EheG 5, 8 – opt-in, opt-out 97 EheG 4 – richterliche Nachkontrolle 97 EheG 9 ff – schwebende Unwirksamkeit 97 EheG 32 – sittenwidrige 97 EheG 8, 11, 33; 98 EheG 25 – Umdeutung 97 EheG 28 – Umstandsklausel 97 EheG 12 – ursächlicher Zusammenhang 97 EheG 23 ff – Vorwegvereinbarungen 97 EheG 4 ff – Wegfall der Geschäftsgrundlage 97 EheG 33 – Willensmangel 93–96 AußStrG 33; 97 EheG 33 – zeitlicher Zusammenhang 97 EheG 22 Aufteilungsverfahren 93–96 AußStrG 40 ff; 85 EheG 2; 92 EheG 3 – Abgrenzung streitiges und außerstreitiges 93–96 AußStrG 40 ff; 85 EheG 11 ff – analoge Anwendung der Verjährungsbestimmungen 95 EheG 16 ff – Antragsfrist 93–96 AußStrG 50 – ausländisches Sachrecht 93–96 AußStrG 47 – Behauptungs- und Beweislast 93–96 AußStrG 49 – Entscheidungsgegenstand 93–96 AußStrG 64 – Fristversäumnis 93–96 AußStrG 53 – Mediation 93–96 AußStrG 54 – Neuerungsverbot 93–96 AußStrG 63
1481
Aufteilungsvorschlag
– Präklusivfrist nach Anerkennung ausländischer Entscheidung 97 AußStrG 1 – Präzisierung des Begehrens 95 EheG 4 – Rechnungslegungsbegehren 93–96 AußStrG 55 – Rechtsweg 93–96 AußStrG 40 – Scheinverhandlung 95 EheG 19 – Subsidiarität des Verfahrens 93–96 AußStrG 45; 85 EheG 1 ff – Teilbeschluss 93–96 AußStr 58 – Überweisung an das Außerstreitgericht 93–96 AußStrG 51; 96 EheG 2 – Unzulässigkeit des Rechtswegs 93–96 AußStrG 42; 85 EheG 14 – Verfahrenshilfeantrag 93–96 AußStrG 52 – Verfahrenskosten 78 AußStrG 34 ff – Vergleichsgespräche 93–96 AußStrG 54 – Verheimlichung von Vermögen 93–96 AußStrG 55 – Verweisung auf streitigen Rechtsweg 97 EheG 1 – Verzicht 93–96 AußStrG 44; 85 EheG 9f – Vorrang des Aufteilungsverfahrens 93–96 AußStrG 41 – Wiedereinsetzung 93–96 AußStrG 53; 95 EheG 5 – Zurückziehung des Aufteilungsantrags 93–96 AußStrG 49 – Zwischenbeschluss 93–96 AußStrG 59 Aufteilungsvorschlag 85 EheG 8 Aufwandsentschädigungen 94 ABGB 54 f Aufwendungen LebG – Beendigung 106 – außergewöhnliche LebG – Beendigung 105, 108 – laufende LebG – Beendigung 105 ff Ausbildungskosten LebG – Beendigung 109 Ausfallsbürge 93–96 AußStrG 10; 98 EheG 17 – ausländischer Exekutionstitel des Ausfallsbürgen 98 EheG 18 – Einwendung 93–96 AußStrG 12; 98 EheG 23 – Haftung 98 EheG 21 f – Kreditgeber 93–96 AußStrG 11
Ausgleich von Benachteiligungen 97 ABGB 49; 91 EheG 1 ff – Aktienfehlinvestition 91 EheG 4 – Berücksichtigung nicht vermögenswerter Beiträge 91 EheG 19 f – einseitige Abnützung 91 EheG 5 – einseitige Vermögensverringerung 97 ABGB 49; 91 EheG 1 ff – Einzelfallumstand 91 EheG 14 – konkludente Zustimmung 91 EheG 2 – Zeiträume der einseitigen Vermögensverschiebung 91 EheG 7 ff Ausgleichszahlung 88 EheG 14; 90 EheG 2, 4; 94 EheG 1 ff; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 14 – Aufrechnung mit Gegenforderung 94 EheG 14 – Bemessung 94 EheG 4 ff – Fälligkeit 94 EheG 13 – Festsetzung 94 EheG 12 – Gewicht und Umfang 94 EheG 4 – Leistungsmodalität 94 EheG 10 ff – Pauschalsumme 94 EheG 8 – Teilbeträge 94 EheG 11 Ausgleichszulage 94 ABGB 45, 150, 184, 202, 281, 287, 301; 795 ABGB 2 ausländische Entscheidung 97 ABGB 51; 8 EheG 7; 45 EheG 1 ff; 57 EheG 10; 59 EheG 6; 61 EheG 12 Auszug aus der Wohnung 92 ABGB 1, 16; 97 ABGB 17; 339 ABGB 25, 27 Auslegungsgrundsätze LebG – Beendigung 99 Ausstattung 1217 ff ABGB 1; 3 EheG 13; 94 EheG 132 Bausparvertrag 94 ABGB 168; 93–96 AußStrG 9; 81 EheG 25 Bedingung 17 EheG 6, 10 Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte 97 ABGB 25, 41; 382h EO 7 Begründung einer eingetragenen Partnerschaft – Behördenzuständigkeit 6 EPG 4 f – Form der Begründung 6 EPG 1 ff – Hindernisse für 5 EPG 1 ff Befristung 17 EheG 6, 10 Begräbniskosten 94 ABGB 5; 77 EheG 2 ff Behauptungslast 93–96 AußStrG 49; 85 EheG 4 ff; 460 ZPO 18
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bilanzmäßiger Verlust
Beibringungsgrundsatz 94 ABGB 337 Beistandspflicht 44 ABGB 24 ff; 90 ABGB 28, 32 ff; 97 ABGB 2, 32; 98 ABGB 1, 3; 99 ABGB 3; 8 EPG 2, 4; LebG – Rechtsfolgen/Innen 13, 39 Beitrag – Berücksichtigung nicht vermögenswerter Beiträge 91 EheG 19 f – der Ehegatten (Gewicht und Umfang) 83 EheG 3, 5 ff – mittelbarer 83 EheG 7 – von Dritten 83 EheG 12 ff – zum Vermögensaufbau 91 EheG 19 Belastbarkeitsgrenze des Unterhaltspflichtigen 94 ABGB 231 ff Belastungs- und Veräußerungsverbot 86 EheG 6; 87 EheG 5; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 20; 382h EO 16 Belehrungspflicht 460 ZPO 32 Benützungsbefugnis 87 EheG 5 Benützungsentgelt – angemessenes 88 EheG 11 f – geringfügiges 88 EheG 9 – unentgeltliches 88 EheG 9 Benützungsrechte 85 EheG 13; 87 EheG 5 f; 90 EheG 4 Beobachtungszeitraum 94 ABGB 66 ff, 85 ff Bereicherungsrecht LebG – Beendigung 118, 121 – Subsidiarität LebG – Beendigung 93 Bereicherungsrechtliche Grundsätze 82 EheG 11 Berichtigung der Todeserklärung 43 EheG 9f berufsbedingte Aufwendungen 94 ABGB 164 f Berufstätigenehe 94 ABGB 189, 209, 218, 224, 228, 230; 95 ABGB 4; 96 ABGB 3 Berufsvereinigungsbeiträge 94 ABGB 165 Besitzaufgabe 97 ABGB 8 Besitzstörung 339 ABGB 1 ff; 49 JN 6 – Aussperren 339 ABGB 18, 56 – Austausch des Türschlosses 339 ABGB 16 ff, 39 – Auszug aus der Wohnung 339 ABGB 25 ff – Besitzausübung 339 ABGB 7, 12
– – – – – – – – – –
Beweiswürdigung 339 ABGB 68 Ehewohnung 339 ABGB 9 Eigenmacht 339 ABGB 36 Einrichtung 339 ABGB 11 einstweilige Vorkehrung 339 ABGB 72 Endbeschluss 339 ABGB 66 Fahrzeug 339 ABGB 31 Fristversäumnis 339 ABGB 50 Gebrauchsordnung 339 ABGB 7 gleichartige Störungshandlungen 339 ABGB 46 – Klagefrist 339 ABGB 44 – Klagebegehren 339 ABGB 53 ff – Mitbesitz 339 ABGB 7 ff – Rechtsmittel 339 ABGB 68 ff, 75 f – Rechtsmittelausschluss 339 ABGB 70, 76 – Revisionsrekurs 339 ABGB 70, 76 – Schikane 339 ABGB 29, 64 – Selbsthilfe 339 ABGB 38 ff – Störungsbewusstsein 339 ABGB 34 – Teilendbeschluss 339 ABGB 66 – Telefonanschluss 339 ABGB 20 ff – Unschlüssigkeit 339 ABGB 62 – Unterlassung 339 ABGB 25, 33, 57 – Verfahren 339 ABGB 44 – Versäumungsendbeschluss 339 ABGB 66 – Wegweisung 339 ABGB 18, 38 – Widerspruch 339 ABGB 74 – Wiederherstellung 339 ABGB 53 ff – Wiederholungsgefahr 339 ABGB 57 – Wohnungsschlüssel 339 ABGB 27 Besucher 97 ABGB 8; 339 ABGB 25; 382b–382e EO 6 Besuchsrechtskosten 94 ABGB 169 Beteiligungsmodelle 94 ABGB 84 Betriebskosten 94 ABGB 34, 113, 254; 97 ABGB 9, 29; 382h EO 13 Bewahrungsgrundsatz Vor 81 EheG 4; 82 EheG 30; 83 EheG 4; 90 EheG 1 f Beweis des Todes 43 EheG 1 Beweislast 92 ABGB 1; 97 ABGB 24; 339 ABGB 49, 58; 93–96 AußStrG 49; 85 EheG 4 ff; LebG – Beendigung 117; 460 ZPO 8, 18 – Regeln 85 EheG 4 Bilanzgeld 94 ABGB 56 bilanzmäßiger Verlust 94 ABGB 70 f
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Billigkeit
Billigkeit Vor 81 EheG 1, 4; 83 EheG 1 f; 85 EheG 6; 93 EheG 2; 94 EheG 4 ff, 10; 97 EheG 7, 11, 31 Billigkeitsunterhalt – Allgemeines 68 EheG 1 ff , 69 EheG 23 ff – Befristung (zeitliche) 68 EheG 5 – Billigkeitsüberlegungen 68 EheG 7 ff – Doppelversorgung 68 EheG 6 – Rechtsgrundlage 68 EheG 1 – Rechtskraft des Scheidungsurteils 68 EheG 4 – Unterhaltsexistenzminimum 68 EheG 9 – Unterhaltshöhe 68 EheG 7 ff Bittleihe LebG – Rechtsfolgen/Innen 9 Blindenbeihilfe 94 ABGB 46 böswilliges Verlassen 92 ABGB 1, 16; 49 EheG 22 Brüssel IIa-VO – Anwendungsvorrang 100 AußStrG 1 – nationale Restzuständigkeit Art 6 f Brüssel IIa-VO 1 ff – örtlicher Geltungsbereich Vor Art 1 ff Brüssel IIa-VO 1 – Reformvorhaben Vor Art 1 ff Brüssel IIa-VO 4 – sachlicher Anwendungsbereich Art 1 Brüssel IIa-VO 1 f – unmittelbare Anwendbarkeit Vor Art 1 ff Brüssel IIa-VO 2 – Zuständigkeiten im Einzelnen Art 3 Brüssel IIa-VO 1 ff Bürge 93–96 AußStrG 10; 98 EheG 7, 17 Bürgschaft – Sittenwidrigkeit einer Bürgschaftsübernahme 98 EheG 27 Condictio causa data causa non secuta LebG – Beendigung 84 f, 87 f, 90 f, 94, 97, 107, 111 f, 114, 118, 122 Condictio ob causam finitam LebG – Beendigung 85 Condictio ob rem LebG – Beendigung 84 Darlehensrückzahlungen 94 ABGB 171, 216, 255, 259, 261 f, 264; 97 ABGB 9; 382h EO 15 Datio ob rem LebG – Beendigung 96 f Dauerinvestition LebG – Beendigung 106 ff, 114
Dauerleistungen LebG – Beendigung 111 Dauerzustand 92 ABGB 21 f Deszendentensperre 12 MRG 16, 53; 14 MRG 22 Detektivkosten 90 ABGB 15 ff; 49 EheG 17 Dienstleistungen LebG – Beendigung 86, 101, 115 Dienst(leistungs)vertrag LebG – Beendigung 93, 101, 111, 113 Dienstverhältnis 100 ABGB 2 ff Dienstwohnung 93–96 AußStrG 7; 88 EheG 1 ff; 24–41 EPG 4 – Verletzung der Interessen des Dienstgebers 88 EheG 8 – Zustimmung Dienstgeber 93–96 AußStrG 7; 88 EheG 6 – Zuweisung 88 EheG 13 Differenzmethode 94 ABGB 147 Dispensehen Vorbemerkungen EheG 3 Domicile, als Anknüpfungspunkt Art 3 Brüssel IIa-VO 11 Doppelehe 13 1. DVEheG 1; 8 EheG 1 ff; 24 EheG 1 ff; 19 EPG 2, 6 – Eheaufhebung 8 EheG 15 – Ehescheidung 8 EheG 15 – Gutgläubigkeit 24 EheG 4 – nachträglicher Wegfall 8 EheG 9 – nachträgliches Entstehen 8 EheG 9 – Schlechtgläubigkeit 24 EheG 4 Doppelname s Namensrecht Doppelverdienerehe 94 ABGB 189, 193, 218, 304; 95 ABGB 4; 96 ABGB 3 Doppelversorgung 94 ABGB 7, 237, 249 Doppelvertretung 93–96 AußStrG 14 f dringendes Wohnbedürfnis 97 ABGB 15 ff; 382b–382e EO 44 ff Dritte – Benützungsrechte 85 EheG 13 – Beteiligung 87 EheG 5 – Rechte 87 EheG 5 – Zustimmung 87 EheG 2 Drittwirkung 97 ABGB 39 ff; 382h EO 7 Drohung 92 ABGB 13, 15; 39 EheG 1 ff; 382b–382e EO 28, 34; 382g EO 11 – durch Dritte 39 EheG 4 – Heilung des Aufhebungsgrunds 39 EheG 7 – Kausalität 39 EheG 5 – Klagefrist 40 EheG 15
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Eheaufhebungsklage
– subjektiv spürbarer Nachteil 39 EheG 3 – Widerrechtlichkeit 39 EheG 6 – Willensbeugung 39 EheG 1 Durchführungsverordnungen 13 1. DVEheG 1 f Ehe – anständige Begegnung 90 ABGB 30 f; 382b–382e EO 4 – Aufhebung 17 1. DVEheG 1; Vor 33 EheG 1 ff – Beistandspflicht 44 ABGB 24 ff; 90 ABGB 32 ff; 97 ABGB 2, 32; 98 ABGB 1, 3; 99 ABGB 3 – Besitzschutz 90 ABGB 10; 339 ABGB 1 ff, 10; 382b–382e EO 50 – Detektivkosten 90 ABGB 15 ff – Einvernehmen 91 ABGB 1 ff – Einvernehmlichkeit 90 ABGB 5 – Einzelpflichten 90 ABGB 2 – Familienname 93 ABGB 1 ff; 62 EheG 3 – familienrechtliche Beziehungen 44 ABGB 2 – Fortbestand 13 1. DVEheG 2 – gemeinsames Wohnen 90 ABGB 23 ff; 92 ABGB 1 – Geschäftsfähigkeit 2 EheG 1 ff; 22 EheG 1, 3; 102 EheG 1 – Geschäftsunfähigkeit 2 EheG 1 ff; 102 EheG 1 – geschichtliche Entwicklung Vorbemerkungen EheG 1 – Gestaltungsbefugnis 91 ABGB 5 ff – Gleichbeteiligungsgrundsatz Vor 89 ABGB 2 – Gleichheitsgrundsatz Vor 89 ABGB 2; 89 ABGB 2; 90 ABGB 5 – Gültigkeit 17 EheG 1 ff – Interessenabwägung 91 ABGB 12 – Kinderbetreuung 44 ABGB 23 ff – Kinderzeugung 44 ABGB 23 ff – Lebensgemeinschaft 90 ABGB 23 – Mehrfachbelastung 91 ABGB 5 – Mitwirkung im Erwerb 90 ABGB 36 ff; 98–100 ABGB – Namensrecht 93 ABGB 1 ff; 62 EheG 1 ff – Nichtigkeit 16 1. DVEheG 1; Vor 20 EheG 1 ff
– Partnerschaftlichkeit 90 ABGB 5 – persönliche Rechtswirkungen 44 ABGB 1; Vor 89 ABGB 1; 90 ABGB 1 ff – Rechtschutz 90 ABGB 6 ff – Rechtswirkungen Vor 89 ABGB 4 – Rollenverteilung 91 ABGB 5 – Schadenersatz 90 ABGB 12 ff – Treue 90 ABGB 27 ff – Treuepflicht 90 ABGB 27 ff – Untrennbarkeit 44 ABGB 20 – vermögensrechtliche Wirkungen 1217 ff ABGB 1 – vernichtbare Ehe 27 EheG 2 – Wiederholung der Eheschließung 13 1. DVEheG 1 ff; 8 EheG 4 – Wohnbedürfnis 90 ABGB 20; 97 ABGB 15 ff; 382b–382e EO 44 ff Eheähnliche Lebensgemeinschaft LebG – Beendigung 102 Eheaufhebung 17 1. DVEheG 1; 18 1. DVEheG 1; Vor 33 EheG 1 ff; 81 EheG 2; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 1 – allgemeine Grundsätze Vor 33 EheG 1 f – Internationale Zuständigkeit Vor 33 EheG 4 – Internationales Privatrecht Vor 33 EheG 3 – Irrtum 36 EheG 1 ff; 37 EheG 1 ff – Konkurrenz von Aufhebungs- und Scheidungsbegehren Vor 33 EheG 2 – mangelnde Einwilligung des gesetzlichen Vertreters 35 EheG 1 ff – Rechtsfolgen 42 EheG 1 ff – Verfahrensrecht Vor 33 EheG 5 f; 460 ZPO 8, 18, 46 – Willensmängel Vor 33 EheG 1; 37 EheG 1; 38 EheG 4 ff Eheaufhebungsgründe 33 EheG 1 – arglistige Täuschung 38 EheG 1 ff – Drohung 39 EheG 1 ff – Heilung 37 EheG 15 ff; 38 EheG 13 f; 39 EheG 7 – Irrtum 36 EheG 1 ff; 37 EheG 1 ff Eheaufhebungsklage 34 EheG 1 ff; 35 EheG 11 ff – Ablaufshemmung 40 EheG 18 ff – arglistige Täuschung 38 EheG 15 ff – Drohung 39 EheG 8 f – Fortlaufshemmung 40 EheG 16 f
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Eheauflösung
– Irrtum 36 EheG 6; 37 EheG 19 ff – Klagefrist 40 EheG 1 ff – Kostenersatz 41 ff ZPO 5 – Rechtsgestaltungsurteil 34 EheG 1 – Vorfragenbeurteilung 34 EheG 2 Eheauflösung – durch Tod des Ehegatten 81 EheG 3; 460 ZPO 34 – Verfahren 97 EheG 17; 460 ZPO 1 ff Ehebruch 49 EheG 17 Ehebuch 93 ABGB 9, 12; Vor 15 EheG 5 Ehefähigkeit 44 ABGB 5; Vor 1 EheG 1 ff, 4 – absolute Vor 1 EheG 2 – Ermittlung der Ehefähigkeit Vor 1 EheG 5 ff – Ermittlungsverfahren Vor 1 EheG 18 – relative Vor 1 EheG 2 Ehefähigkeitszeugnis Vor 1 EheG 14 f Ehegeschäftsfähigkeit 2 EheG 1 ff; 3 EheG 1 ff; 22 EheG 1, 3; 35 EheG 2 f; 102 EheG 1 – beschränkte 3 EheG 1 f; 22 EheG 5; 35 EheG 2 – Erziehungsberechtigter 3 EheG 6; 35 EheG 4 – gesetzlicher Vertreter 3 EheG 5; 35 EheG 3 – Heilung des Aufhebungsgrunds 37 EheG 15 ff – Klagefrist 40 EheG 6 ff – pflegschaftsgerichtliche Genehmigung 3 EheG 7 – Sachwalter 2 EheG 2; 3 EheG 1 f Ehegüterrecht 1217 ff ABGB 1 ff Eheliche Errungenschaften 82 EheG 1 eheliche Lebensgemeinschaft – Aufhebung 92 ABGB 1, 6; 55a EheG 2; 91 EheG 8 – Auflösung 81 EheG 9 – nicht eheliche Vor 81 EheG 10 – voreheliche 81 EheG 9; 82 EheG 4, 11 Eheliches Gebrauchsvermögen und Ersparnisse Vor 81 EheG 7; 86 EheG 1; 92 EheG 1; 97 EheG 4 ff; 98 EheG 5, 10 – aufwendige Lebensführung 91 EheG 4 – Begriff 81 EheG 13 ff – Eigentumspartnerschaft 90 EheG 3 – einseitige Abnützung 91 EheG 5
– einseitige Vermögensverringerung 91 EheG 1 ff – Ersparnisse Vor 81 EheG 7; 82 EheG 22 – Erträgnisse 82 EheG 10 ff – Erwerb von Todes wegen 82 EheG 5 – gehobene Lebensführung 81 EheG 15 – Haftung 92 EheG 1; 98 EheG 10 – Hausrat 81 EheG 17; 82 EheG 27 ff – in Ehe eingebrachte Sachen 82 EheG 4 – Legaldefinition 81 EheG 12 – überhöhte Privatentnahme 81 EheG 32 – Übertragung von Rechten an ehelichen Ersparnissen an den anderen Ehegatten 89 EheG 1 – Umschichtung ins Unternehmen 91 EheG 13 – Umwidmung 82 EheG 12 f, 21 Ehelichkeitsbestreitung – Kosten 90 ABGB 13 Ehemündigerklärung 1 EheG 4 ff – Reife 1 EheG 6 – Verfahren 1 EheG 12 Ehemündigkeit 1 EheG 1 ff – Ehemündigerklärung 1 EheG 4 ff – fehlende 1 EheG 3 Ehename 93 ABGB 1 ff; 62 EheG 1 ff – nach Scheidung 93a ABGB 1 ff; 62 EheG 3 – Zuständigkeit für Klagen 100 JN 1 Ehenichtigkeit 16 1. DVEheG 1; Vor 20 EheG 1 ff; 27 EheG 1 ff; 34 EheG 1 – Familienname 93a ABGB 5 – Heilung 21 EheG 3 f; 23 EheG 17 – Internationale Zuständigkeit Vor 20 EheG 9 f – Internationales Privatrecht Vor 20 EheG 5f – Kinder Vor 31 EheG 5 – Kostenersatz 41 ff ZPO 3 f – Konvalidation 21 EheG 3 f; 22 EheG 3; 24 EheG 5 – Nichtigkeitsfolgen 31 EheG 2, 6 f – Rechtsfolgen Vor 31 EheG 1 ff – Scheidungsfolgen 31 EheG 2, 8 f – Schlechtgläubigkeit 31 EheG 3 – Schutz gutgläubiger Dritter 32 EheG 1 ff – Todeserklärung 43 EheG 1 ff
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Eheverfehlung
– Verfahrensrecht Vor 20 EheG 11 ff; 27 EheG 4 ff; 460 ZPO 7, 19 ff – vermögensrechtliche Beziehungen Vor 31 EheG 6; 31 EheG 1 ff Ehenichtigkeitserklärung 81 EheG 2; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 1 Ehenichtigkeitsgrund 20 EheG 1 ff – Doppelehe 8 EheG 2, 4; 24 EheG 1 ff – Mangel der Form 21 EheG 2 – taxative Aufzählung 20 EheG 1 – Verwandtschaft 6 EheG 1 ff; 25 EheG 1f Ehenichtigkeitsklage 84 1. DVEheG 1 ff; 21 EheG 4; 23 EheG 16; 24 EheG 6; 25 EheG 2; 28 EheG 1 ff – Klageerhebung durch den Staatsanwalt 28 EheG 2 f – Klagslegitimation 82 1. DVEheG 1 f; 28 EheG 1, 4 – Kostenersatz 41 ff ZPO 3 f – Verfahrensrecht Vor 20 EheG 11 ff; 27 EheG 5 ff; 460 ZPO 7, 19 ff Ehepakt 1217 ff ABGB 8 ff, Vor 81 EheG 7; 3 EheG 5 – dingliche Wirkung 1217 ff ABGB 16 – Geschäftsfähigkeit 1217 ff ABGB 10 – Nichtigerklärung der Ehe 1217 ff ABGB 14 – Notariatsaktspflicht 1217 ff ABGB 12 – Scheidung 1217 ff ABGB 14 – Stellvertretung 1217 ff ABGB 10 – Willensmängel 1217 ff ABGB 10 Ehescheidung 18 1. DVEheG 1; 91 EheG 8; 46 EheG; 49–52 EheG; 55 EheG; 55a EheG; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 1; 460 ZPO 1 ff – einvernehmliche 93–96 AußStrG 22 ff; 55a EheG 1 ff; 81 EheG 2; 95 EheG 11; 97 EheG 1 ff, 23; 98 EheG 4; 12 MRG 25 – internationale Zuständigkeit s Brüssel IIa-VO – Kostenersatz 41 ff ZPO 6 ff – örtliche Zuständigkeit 76 JN 1 ff; 114a JN 1 f – Scheidung aus anderen Gründen 50–52 EheG; 55 EheG – Scheidungsabsicht 97 EheG 23 – Scheidungsfolgenvergleich 85 EheG 2
– Scheidungsvereinbarung 93–96 AußStrG 32; 55a EheG 12 – Scheidungsvergleich 81 EheG 2 – Scheidungsverschulden Vor 81 EheG 4; 83 EheG 16; 94 EheG 4; 95 EheG 11 – streitige Scheidung 46 EheG; 49 EheG 1 ff; 460 ZPO 1 ff Ehescheidungsgrund – Fortpflanzungsverweigerung 44 ABGB 22; 49 EheG 25 Ehescheidungsgründe s Scheidungsgründe Eheschließung Vor 15 EheG 1 ff – Beurkundung Vor 15 EheG 8 – Ferntrauung Vor 15 EheG 2 – Form 17 EheG 1 ff – konfessionelle Vor 15 EheG 9 – Sondergesetze Vor 15 EheG 2 – Wiederholung 13 1. DVEheG 1 ff; 8 EheG 4; 21 EheG 5 Eheverbot Vor 1 EheG 3 – Doppelehe 8 EheG 2; 24 EheG 1 ff – im engeren Sinn Vor 1 EheG 3 – im weiteren Sinn Vor 1 EheG 3 – qualifiziertes Vor 1 EheG 3; 2 EheG 4; 6 EheG 6 – schlichtes Vor 1 EheG 3; 10 EheG 5 – Todeserklärung 44 EheG 3 – Verwandtschaft 6 EheG 1 ff – Wahlkindschaft 10 EheG 1 ff Eheverfehlung 49 EheG 13 ff – Alkoholmissbrauch 92 ABGB 13; 49 EheG 19 – anständige Begegnung 49 EheG 20 – Beschimpfungen 49 EheG 18 – Beweislast 49 EheG 5 – böswilliges Verlassen 92 ABGB 6; 49 EheG 22 – Deliktsfähigkeit 49 EheG 4 – Ehebruch 49 EheG 17 – ehrloses Verhalten 49 EheG 27 – Eifersucht 49 EheG 17 – Gewalt 92 ABGB 13; 49 EheG 15; 382b–382e EO 24 ff – In-vitro-Fertilisation 49 EheG 26 – Kausalität 49 EheG 11 – Misshandlungen 92 ABGB 13; 49 EheG 15; 382b–382e EO 26 – Psychoterror 92 ABGB 13, 32; 49 EheG 16; 382b–382e EO 30
1487
Ehevermögen
– – – – – – – – –
Religiöser Fanatismus 49 EheG 20, 31 Schwangerschaftsabbruch 49 EheG 26 schwere Eheverfehlungen 49 EheG 13 ff seelisches Leid 49 EheG 16 unsittliches Verhalten 49 EheG 27 Vasektomie 49 EheG 26 Verfristung 57 EheG 1 ff Verjährung 57 EheG 1 ff Verletzung der Beistandspflicht 49 EheG 24 – Verletzung der Unterhaltspflicht 49 EheG 21 – Vernachlässigung des Haushalts 95 ABGB 6; 49 EheG 23 – Verweigerung der Fortpflanzung 49 EheG 25 – Verzeihung 56 EheG 1 ff Ehevermögen – bestrittenes 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 17 – verheimlichtes 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 17 – Verpfändung 91 EheG 4 Ehevertrag – Begriff 44 ABGB 4 – Beistandspflicht 44 ABGB 24 ff – Ehefähigkeit 44 ABGB 5; Vor 1 EheG 1 ff, 4; 3 EheG 1 f – Ehemündigkeit 1 EheG 1 ff – Geschäftsfähigkeit 2 EheG 1 ff; 3 EheG 1 f; 22 EheG 1, 3; 35 EheG 2; 102 EheG 1 – Geschäftsunfähigkeit 102 EheG 1 – Geschlechtsverschiedenheit 44 ABGB 9 ff – gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften 44 ABGB 10 – Homosexuelle 44 ABGB 10 – Konsenserklärungen 44 ABGB 5 ff; 15 EheG 1; 17 EheG 1 ff; 21 EheG 1 – Lesben 44 ABGB 10 – Schadenersatz 90 ABGB 12 ff – Transsexuelle 44 ABGB 10 ff – Unterhandlung 44 ABGB 8 – Wesenselemente 44 ABGB 9 ff – Willensmängel 44 ABGB 7; 17 EheG 8; Vor 33 EheG 1 Ehewohnung 92 ABGB 4; 97 ABGB 14; Vor 81 EheG 1; 82 EheG 27 ff; 86 EheG 1; 87 EheG 1; 382h EO 3 – dauerhafte Verlegung 92 ABGB 7 ff
– eingetragener Partner (gemeinsame Wohnung) 8 EPG 2 – Einräumung Benützungsbefugnis 87 EheG 5 – familienrechtliche Verhältnisse 87 EheG 12 – familienrechtliches Wohnrecht 97 ABGB 1, 12; 82 EheG 34; 382h EO 4 – Feststellungsantrag 92 ABGB 24 – Gerichtszuständigkeit für Klage auf Erhaltung 49 JN 6 – ideelle Anteile 87 EheG 5 – pfandrechtliche Belastung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 17 – Sicherungsmittel 382h EO 16 – Überlassung der unentbehrlichen Wohnräume 85 EheG 21 – Übertragung 88 EheG 6 – Veräußerung 97 ABGB 27, 43; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 17 – vorübergehende Wohnungstrennung 92 ABGB 10 ff – Wohnungswahl 92 ABGB 5 Ehezerrüttung s Zerrüttung Ehrloses Verhalten 15 EPG 1 Eigenbedarf 81 EheG 5 Eigentum – Eigentumsrecht 97 ABGB 12 f; 86 EheG 4 – Übertragung 87 EheG 4 Eigentumspartnerschaft 90 EheG 3; 13 WEG 1 ff – Beendigung 13 WEG 30 ff – Begründung 13 WEG 4 ff – Definition 13 WEG 1 – Ehepakt 13 WEG 9 – Fortsetzungsvereinbarung 14 WEG 31 – KFZ-Abstellplatz 14 WEG 37 – Konkurs 13 WEG 26 – Rechte der Partner 13 WEG 10 ff – Scheidung 15 WEG 1 ff – Todesfall eines Partners 14 WEG 1 ff – Veräußerung des Anteils am Mindestanteil 13 WEG 27 ff – Zwangsvollstreckung 13 WEG 17 ff Eigenverbrauch 94 ABGB 74 eingetragene Partner s Partner – Gerichtszuständigkeit für Auflösung 49 JN 9; 76 JN 1; 114a JN 3
1488
Erbrecht (gesetzliches) des Ehegatten bzw Partners
eingetragene Partnerschaft s Partnerschaft 13 1. DVEheG 1; Vor 1 EheG 5 ff; 8 EheG 1, 3; 9 EheG 1; 24 EheG 1 Einkommensquellenerhaltungskosten 94 ABGB 161 Einlagen in GesbR LebG – Beendigung 35 ff – quoad dominium LebG – Beendigung 38 – quoad sortem LebG – Beendigung 39 – quoad usum LebG – Beendigung 37 Einmalzahlungen 94 ABGB 168, 202 Einstweilige Benützungs-/Sicherungsregelung – Allgemeines 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 1, 6 ff – Anhörung des Gegners 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 11 – Bewertung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 3 – Drittverbot 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 20 – internationale Zuständigkeit Art 20 Brüssel IIa-VO 1 – konkrete Gefährdungsbescheinigung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 9, 11, 16 – Mietrechtsübertragung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 20 – Regelungsbedürfnis 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 6 – Regelungsgegenstand 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 13 ff – Regelungszweck 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 12 – Sicherungsmittel 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 19 ff – Umstände des Einzelfall 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 9 – Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 9 Einstweilige Sicherungsregelung, s einstweilige Benützungs/Sicherungsregelung Einstweiliger Unterhalt, s Provisorialunterhalt Eintrittsrecht in den Mietvertrag LebG – Rechtsfolgen/Außen 13 Einvernehmensprinzip 8 EPG 5 – Zuständigkeit 93–96 AußStrG 22 Einvernehmliche Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft 15 EPG 5
einvernehmliche Scheidung 55a EheG 1 ff; 460 ZPO 47 – Aufteilungsverfahren 93–96 AußStrG 34 – Beratung 93–96 AußStrG 35 – gemeinsamer Antrag 55a EheG 21 f – Gerichtsstandsvereinbarung 93–96 AußStrG 22 – Hinweispflicht 93–96 AußStrG 35 – Kinder 93–96 AußStrG 32 f – Krankenversicherung 93–96 AußStrG 39 – Pflegschaftsgericht 93–96 AußStrG 32 – Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses 93–96 AußStrG 25 – Rechtsmittelverzicht 93–96 AußStrG 28, 36 – Sachwalter 93–96 AußStrG 23 – Scheidungsvereinbarung 93–96 AußStrG 32; 55a EheG 4 ff, 12 – Scheingeschäft 55a EheG 8 – Tatbestandsvoraussetzungen 55a EheG 1 ff – Tod eines Ehegatten 93–96 AußStrG 38 – Umstandsklausel 55a EheG 11 – Unterhaltsvereinbarung 55a EheG 17 – Verfahren 93–96 AußStrG 22 ff – Verfahrenskosten 78 AußStrG 29 ff – Zurücknahme des Antrags 93–96 AußStrG 24 ff, 30 Einwendungen gegen Kostenverzeichnis 78 AußStrG 9 ff, 63 ff Einwilligung zur Eheschließung/Begründung einer eingetragenen Partnerschaft – Verfahrenskosten 78 AußStrG 26 ff Einzelfallgerechtigkeit Vor 81 EheG 1, 4; 83 EheG 1 Entgelt LebG – Beendigung 101 – angemessenes LebG – Beendigung 114 – -anspruch LebG – Beendigung 116 – Vermutung der Entgeltlichkeit LebG – Beendigung 101 Entscheidungsanerkennung 8 EheG 7 Erbrecht (gesetzliches) des Ehegatten bzw Partners 757–759 ABGB 1 ff; 43 EPG 1 – Allgemeines 757–759 ABGB 1 ff – Anrechnungsvorschriften 757– 759 ABGB 7 ff – Erbquote 757–759 ABGB 6
1489
Erbvertrag
– Pflichtteilsrecht 757–759 ABGB 6 – Quasi-Fortsetzung des Scheidungsverfahrens 757–759 ABGB 4; 460 ZPO 34 – Unterbrechung des Scheidungsprozesses 460 ZPO 49 – Verlust vor Scheidung 757–759 ABGB 3 ff; 460 ZPO 34 – Vorausvermächtnis 757–759 ABGB 10 ff Erbvertrag 1217 ff ABGB 17 ff – Bindungswirkung 1217 ff ABGB 19 – Entkräftung 1217 ff ABGB 19 – Erbrechtstitel 1217 ff ABGB 18 – Notariatsaktspflicht 1217 ff ABGB 18 – Testament 1217 ff ABGB 19 – Verfügungen zugunsten Dritter 1217 ff ABGB 18 – Widerruf 1217 ff ABGB 19 Ersatzwohnung 97 ABGB 16 ff; 82 EheG 32; 382b–382e EO 43 ff; 382h EO 10 Erwerb 98 ABGB 3 ff – Abgeltungshöhe 98 ABGB 10 ff – Begriff 98 ABGB 3 – Dienstverhältnis 100 ABGB 2, 9 – Gewinn 98 ABGB 7 – Mitwirkung im 98 ABGB 3 – Vereinbarung 98 ABGB 14; 100 ABGB 1, 3 – Verjährung 98 ABGB 15, 17 Erziehungsberechtigter 3 EheG 6; 35 EheG 4 EU-Förderleistungen 94 ABGB 45 Existenzsicherungskosten 94 ABGB 161 Fachliteratur 94 ABGB 165 Fahrtkostenersatz 94 ABGB 55 Familienbegriff – konventionsrechtlicher 44 ABGB 2 Familienbeihilfe 94 ABGB 45 f, 205, 216 Familienname 93 f ABGB – Doppelname 93 ABGB 4 ff – Kinder 93 ABGB 2, 7 – nachträgliche Änderung 93 ABGB 9 – Namensänderungsgesetz 93 ABGB 11 – Namensbestimmung 93 ABGB 9 – Personenstandsbehörde 93 ABGB 12 – Personenstandsgesetz 93 ABGB 12 – Weiterführung des bisherigen Namens 93 ABGB 7
– Wiederannahme des früheren Namens 93a ABGB 1 ff Familienreformgesetze Vorbemerkungen EheG 6 Familienstandsbescheinigung Vor 1 EheG 16 Familienstatus einer eingetragenen Partnerschaft 1 EPG 6 Fehlen einer rechtswirksamen Unterhaltsvereinbarung 69a EheG 12 ff Ferialeinkommen 94 ABGB 40 Ferialsache (Unterhaltsverfahren) 94 ABGB 336 Ferntrauung Vor 15 EheG 2 Feststellung der Vaterschaft LebG – Rechtsfolgen/Innen 21 ff Feststellungsklage 15 EheG 15 Finanzierungsleasing 98 EheG 12 Flüchtlinge 76 JN 7 Fortpflanzung – medizinisch unterstützte 44 ABGB 22 Fortpflanzungsverweigerung 44 ABGB 22; 49 EheG 25 freiberufliche Tätigkeit 82 EheG 16 freiwillige Zuwendungen 94 ABGB 48 f, 206 Fremdwährungskredit 94 ABGB 41 Fristen – Beginn 95 EheG 9 ff – Fristenlauf 95 EheG 5 ff – Präklusivfrist 339 ABGB 45; 93–96 AußStrG 50; 95 EheG 5, 18; 97 EheG 7; 98 EheG 15; 382b–382e EO 76 – prozessuale Frist 95 EheG 6 – Verbesserung außerhalb der Präklusivfrist 95 EheG 6 – Verbesserung des Schriftsatzes 95 EheG 6 Geburtenbeihilfe 94 ABGB 45 Gefährdung des eigenen Unterhalts 67 EheG 1 ff Gefahrenprognose 382b–382e EO 142 Gehör, rechtliches 97 AußStrG 7 ff Geisteskrankheit 51 EheG; 15 EPG 2 – als Scheidungsgrund 51 EheG 1 f – Beweislast 51 EheG 3 – gesetzlicher Vertreter 51 EheG 8
1490
Gütergemeinschaft
– Härteklausel 51 EheG 6 – medizinisches Gutachten 51 EheG 4 geistige Störung 50 EheG; 15 EPG 2 – als Scheidungsgrund 50 EheG 1 ff – Beweislast 50 EheG 7 – gesetzlicher Vertreter 50 EheG 9 – Verwirkungsklausel 50 EheG 8 gekürzte Urteilsausfertigung 460 ZPO 41 Geldentwertung 81 EheG 10 gemeinsame Wohnung eingetragener Partner sa unter Ehewohnung gemeinsames Testament 1217 ff ABGB 20 ff gemeinschaftliches Testament 1217 ff ABGB 20 ff Genehmigung einer Ehe/eingetragenen Partnerschaft – Verfahrenskosten 78 AußStrG 26 ff gerichtliche Anordnungen 92 ABGB 4, 26 ff; 97 ABGB 27 ff; 86 EheG 1 ff – Unzulässigkeit 87 EheG 10 Gerichtsstandsvereinbarung 93–96 AußStrG 22 GesBR 100 ABGB 7 f; 82 EheG 17; LebG – Beendigung 15 ff – Auflösung LebG – Beendigung 52 ff, 69 ff – Ausscheiden eines Gesellschafters LebG – Beendigung 47 ff, 64 ff Geschäftsfähigkeit – mangelnde 95 EheG 9; 4 EPG 1; 14 EPG 2 Geschlechtsgemeinschaft LebG – Allgem 12 Geschlechtsumwandlung 44 ABGB 16 f Geschlechtsverschiedenheit 44 ABGB 9 ff Geschwister 6 EheG 2 gesetzlicher Güterstand 1217 ff ABGB 7 gesetzlicher Vertreter 3 EheG 5; 35 EheG 3 – Einwilligung 3 EheG 8 ff; 35 EheG 3 f – Ersetzen der Einwilligung 3 EheG 14 ff; 35 EheG 9 – fehlende Einwilligung 3 EheG 11 ff; 35 EheG 3 f – Klagefrist 40 EheG 6 ff – Heilung des Aufhebungsgrunds 35 EheG 5 – Verfahren zur Ersetzung der Einwilligung 3 EheG 22 ff – Versäumung der Klagefrist 41 EheG 1 f
gesetzliches Erbrecht des Ehegatten, s Erbrecht (gesetzliches) des Ehegatten gesetzliches Vorausvermächtnis s Vorausvermächtnis gesonderte Wohnungnahme s Wohnungnahme 92 ABGB 10 ff – Alkoholmissbrauch 92 ABGB 13 – Angriff 92 ABGB 13 – Dauerzustand 92 ABGB 21 f – Drohung 92 ABGB 13 – Ehewohnung 92 ABGB 4 – Feststellungsbeschluss 92 ABGB 26 – Gesundheitsschädigung 92 ABGB 13, 17 ff – Interessenabwägung 92 ABGB 16 – Kindeswohl 92 ABGB 7 – Kosten 92 ABGB 32 – psychische Beeinträchtigung 92 ABGB 17 f – Scheidung 92 ABGB 30 – Scheidungsverfahren 92 ABGB 28 – Unterhalt 92 ABGB 23 – Unzumutbarkeit des Zusammenlebens 92 ABGB 12 ff – Verfahren 92 ABGB 24 ff – Verschulden 92 ABGB 12 – Vorfrage 92 ABGB 27 – vorübergehende Trennung 92 ABGB 19 – Wegweisung 92 ABGB 31 – wichtige persönliche Gründe 92 ABGB 16 – Wohnungskosten 92 ABGB 23 Gesundheitsschädigung 92 ABGB 13, 17 f; 382b–382e EO 30 Gewinnthesaurierung 94 ABGB 76 ff Gewissensfreiheit Vorbemerkungen EheG 3 Gewöhnlicher Aufenthalt Art 3 Brüssel IIa-VO 5; 76 JN 1 f Glaubensfreiheit Vorbemerkungen EheG 3 Gläubigerschädigung 98 EheG 25 Gleichbeteiligungsgrundsatz Vor 89 ABGB 2 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft LebG – Allgem 21 Grundrechtsschutz für eingetragene Partnerschaft 1 EPG 4 Gütergemeinschaft 1217 ff ABGB 15 f
1491
Gütermasse
Gütermasse 1217 ff ABGB 15 Gütertrennung 1217 ff ABGB 7 Gutgläubigkeit 97 ABGB 39 ff Haftung – Formvorschriften 98 EheG 5 – für Kredite 92 EheG 1 ff; 98 EheG 1 ff – für Schulden 92 EheG 1 ff; 98 EheG 1 ff – Hauptschuldner 98 EheG 7 – im Außenverhältnis 92 EheG 1; 98 EheG 7 – im Innenverhältnis 92 EheG 1; 98 EheG 7 – im Rahmen der Schlüsselgewalt 96 ABGB 11 ff – Informationsverpflichtung 98 EheG 26 – Notariatsform 98 EheG 5 – Rückgriff 98 EheG 22 – Sachhaftung 98 EheG 8 – subsidiäre Heranziehung des Ausfallsbürgen 98 EheG 17 ff – Subsidiarität der Pfandhaftung 98 EheG 8 – Verfahrensbeteiligung des Kreditgebers 93–96 AußStrG 10; 98 EheG 24 f – Verfahrenskosten 78 AußStrG 46 ff; 98 EheG 21 – Zusammenhang mit ehelichem Gebrauchsvermögen und Ersparnissen 92 EheG 1; 98 EheG 10 – Zusammenhang mit ehelichem Lebensaufwand 92 EheG 1 Halbteilungsgrundsatz 94 ABGB 214 ff Härteklausel 54 EheG 1 f; 15 EPG 3 Hausbau LebG – Beendigung 31 Hausfrauen(Hausmänner)ehe 94 ABGB 189, 193, 197, 221; 95 ABGB 5; 96 ABGB 3 Haushalt – gemeinsamer 12 MRG 19 ff; 14 MRG 23 ff Haushaltsführung 94 ABGB 187 ff; 95 ABGB 2 f; 96 ABGB 2; 8 EPG 3 – Berufstätigkeit 95 ABGB 4 – Halbe-Halbe 95 ABGB 4 – Hausfrauen(Hausmänner)ehe 95 ABGB 5 – Teilzeitarbeit 95 ABGB 5
– Vereinbarung 95 ABGB 1, 6 – Vernachlässigung 95 ABGB 6 Heilungskosten – Krankenhausbesuche des Lebensgefährten LebG – Rechtsfolgen/Außen 9 Heiratsgut (Ausstattung) 94 ABGB 212 Hilflosenzuschuss 94 ABGB 7, 41, 46, 203 f Insemination 6 EheG 5 Insolvenz des Unterhaltspflichtigen 94 ABGB 146 ff Insolvenz des Wohnungsberechtigten 97 ABGB 59 Insolvenz im Aufteilungsverfahren – des Ehegatten 85 EheG 18 ff – Forderung 85 EheG 20 – Masse 85 EheG 19 Interessenabwägung 92 ABGB 7, 12, 17; 97 ABGB 54; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 9; 382b–382e EO 58 ff; 382g EO 1, 5 Internationale Zuständigkeit – Auflösung eingetragener Partnerschaften 76 JN 4, 6; 114a JN 11 – Aufteilungsverfahren 76a JN 7 – Ehescheidung Art 3 Brüssel IIa-VO 1 ff; s auch Brüssel IIa-VO; 76 JN 4 ff – Unterhalt 76a JN 5 ff – Widerklage Art 4 Brüssel IIa-VO a Interzession 98 EheG 26 Inventarisierung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 21 Investitionen 94 ABGB 161; 98 ABGB 4 Investitionsfreibetrag 94 ABGB 84 Investitionsrücklage 94 ABGB 84 In-vitro-Fertilisation – als Scheidungsgrund 49 EheG 26 Inzestverbot 6 EheG 1 Irrtum 36 EheG 1 ff – Aufhebungsklage 36 EheG 6 – Heilung des Aufhebungsgrunds 37 EheG 15 ff – Kausalität des Irrtums 37 EheG 9 – Klagefrist 40 EheG 11 ff – maßgeblicher Zeitpunkt 37 EheG 5 ff – objektive Relevanz 37 EheG 10 – relevante Umstände 37 EheG 11 ff – über die Ehekonsenserklärung 36 EheG 3 – über die Eheschließung 36 EheG 2
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Lebensgemeinschaft
– über die Person 36 EheG 4 – über Eigenschaften 37 EheG 1 ff Jahresausgleich 94 ABGB 64, 83 Jahresüberschuss 94 ABGB 69 Jubiläumszuwendung 94 ABGB 56 Jurisdiktionsformel, österreichische 97 AußStrG 11 Karenzurlaubsgeld 94 ABGB 108, 198 Katholikengesetz Vorbemerkungen EheG 3 „Kick-Back-Geschäft“ 81 EheG 32 Kilometergeld 94 ABGB 51, 55, 164 Kinder im Aufteilungsverfahren 93–96 AußStrG 9 Kinder in eingetragener Partnerschaft Vor 4 EPG 1 ff; 8 EPG 5; 9 EPG 3; 24–41 EPG 2 Kinderabsetzbetrag 94 ABGB 46, 206 Kinderbetreuung 44 ABGB 23 Kinderbetreuungsgeld 94 ABGB 45, 203 Kinderzuschuss 94 ABGB 46 Kindeserziehung 83 EheG 11, 23 Kindeswohl 92 ABGB 7; 83 EheG 15; 94 EheG 4; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 5; 382b–382e EO 18; 382g EO 12 – Gefährdung 82 EheG 33; 382g EO 12 Klagszurücknahme 460 ZPO 43 Kollisionsrecht für eingetragene Partnerschaft 1 EPG 1 ff; Vor 7 EPG 1 f; 15 EPG 6 Kondiktion wegen Wegfall des Rechtsgrundes LebG – Beendigung 85 Kondiktion wegen Zweckverfehlung LebG – Beendigung 85 Kondiktionsanspruch Vor 81 EheG 8; 83 EheG 13; 49 JN 6 Konkordat 1855 Vorbemerkungen EheG 2 Konkordat 1934 Vorbemerkungen EheG 4 Konkurs s Insolvenz Kontaktverbot 382b–382e EO 55 Konvalidation 21 EheG 3 f; 22 EheG 3 Kosten sa Verfahrenskosten Kosten des täglichen Lebens 94 ABGB 167 Kostenentscheidung 78 AußStrG 58 ff
Kostenersatz 85 1. DVEheG 1 f Kostenverzeichnung 78 AußStrG 4 ff Kostenvorbehalt 78 AußStrG 58 ff Kostgeld 94 ABGB 203 Krankengeld 94 ABGB 45, 126, 134 Krankenversicherung – Mitversicherung nach Scheidung 56 B-KUVG 1 f – nach Scheidung 16 ASVG 1 ff – Selbstversicherung 16 ASVG 1 ff – Verständigung der Sozialversicherung 93–96 AußStrG 39; 460 ZPO 54 – Weiterversicherung 8 BSVG 1 ff; 8 GSVG 1 ff Krankenversicherungsbeiträge (§ 69 Abs 2 EheG) 69 EheG 14 ff Krankheit, ansteckende oder ekelerregende 52 EheG – als Scheidungsgrund 52 EheG 1 f – Härteklausel 52 EheG 7 – medizinisches Gutachten 52 EheG 5 Krankheitskosten 94 ABGB 170; 96 ABGB 9 Kredit – Aufnahmen 94 EheG 10 – Auskunftspflicht des Kreditgebers 98 EheG 26 – Betriebsmittelkredite 82 EheG 19 – Geschäftskredit 81 EheG 32 – Haftung 92 EheG 1 ff; 98 EheG 1 ff – Konsumkredit 81 EheG 33; 83 EheG 17; 98 EheG 10 Kreditgeber 93–96 AußStrG 10 Kreditverbindlichkeit – Definition 98 EheG 12 ff Kunstgegenstände 81 EheG 25 landwirtschaftlicher Betrieb 82 EheG 16 laufende Zahlungen LebG – Beendigung 106 ff Leasingvertrag 98 EheG 12 Lebensgefährte 14 MRG 16 ff Lebensgemeinschaft – Analogien zum Eherecht LebG – Rechtsfolgen/Innen 3 – Anfechtungsrecht LebG – Rechtsfolgen/Außen 29 ff – Außenverhältnis LebG – Rechtsfolgen/ Außen 1 ff
1493
Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten
– Beendigung LebG – Beendigung 1 ff, 84, 88, 106, 108, 111 – Begriff LebG – Allgem 10 ff – Beistandspflicht LebG – Rechtsfolgen/ Innen 13 – Bereicherungsansprüche LebG – Beendigung 84, 88, 106, 108, 111 – Dauer LebG – Allgem 16 – Erbrecht LebG – Rechtsfolgen/Innen 14 f – Erscheinungsformen LebG – Allgem 4 – familienrechtliche Einordnung LebG – Beendigung 101 f – Fortpflanzungsmedizingesetz LebG – Rechtsfolgen/Außen 36 – gemeinsame Kinder LebG – Rechtsfolgen/Innen 16 ff – GesbR LebG – Beendigung 15 ff – gleichgeschlechtliche 44 ABGB 10; LebG – Allgem 21; 14 MRG 18 – Innenverhältnis LebG – Rechtsfolgen/ Innen 1 ff – Interzessionen LebG – Rechtsfolgen/ Außen 11 f – lösbare Verbindung LebG – Rechtsfolgen/Innen 2 – Mietrecht LebG – Rechtsfolgen/Außen 13 f – Mietvertragseintritt 14 MRG 16 ff – Motive LebG – Allgem 3 – nichteheliche 44 ABGB 26 ff; LebG – Allgem 1 ff – Offenlegungspflicht LebG – Allgem 22 – rechtliche Anerkennung LebG – Allgem 5 – Schadenersatzrecht LebG – Rechtsfolgen/Außen 7 ff – seelische Gemeinschaft LebG – Allgem 17 – soziales Phänomen LebG – Allgem 1 – Sozial(versicherungs)recht LebG – Rechtsfolgen/Außen 35 – Steuerrecht LebG – Rechtsfolgen/ Außen 34 – Stiftungsrecht LebG – Rechtsfolgen/ Außen 17 f – Strafprozessrecht LebG – Rechtsfolgen/ Außen 25 f
– Strafrecht LebG – Rechtsfolgen/Außen 21 – Unterhalt LebG – Rechtsfolgen/ Innen 5 – Urheberrecht LebG – Rechtsfolgen/ Außen 19 f – Versicherungsvertragsrecht LebG – Rechtsfolgen/Außen 16 – Wohnrecht LebG – Rechtsfolgen/Außen 15 – Zivilprozessrecht LebG – Rechtsfolgen/ Außen 27 f Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten 75 EheG 5 ff; LebG – Rechtsfolgen/Außen 2 ff Lebenspartner sa Partner Lebenspartnerschaft sa Partnerschaft – familienrechtliche Einordnung LebG – Rechtsfolgen/Außen 2 ff; LebG – Beendigung 101 f Lebensversicherung 94 ABGB 168; 81 EheG 26; 82 EheG 19 Lebenszuschnitt (einvernehmlicher) 94 ABGB 37, 49, 105, 180 f, 196 Legalzession 98 EheG 14 Leibrentenzahlungen 94 ABGB 92, 201 Leistungen (unter Lebensgefährten) LebG – Beendigung 84 ff, 93 ff, 102, 105, 118 f – Art der Leistung LebG – Beendigung 100, 105 f – außergewöhnliche LebG – Beendigung 93, 95 – bedingt unentgeltliche LebG – Beendigung 97 – Dauerleistung LebG – Beendigung 95 – Geldleistung LebG – Beendigung 86, 107 – in Erwartung einer Gegenleistung LebG – Beendigung 102 – laufende LebG – Beendigung 102 – vorläufig unentgeltliche LebG – Beendigung 97 – Wert (objektiver) LebG – Beendigung 120 – Zweck LebG – Beendigung 85, 87, 89 f, 104, 116, 121 Lohn – angemessener LebG – Beendigung 116 Lohnsteuerkinderzuschlag 94 ABGB 45
1494
nichteheliche Lebensgemeinschaft
Lottogewinn 94 ABGB 41; 81 EheG 24 lump-sum 94 ABGB 57; 66 EheG 15 Luxusgrenze 94 ABGB 185 Mediation 93–96 AußStrG 54; 99 EheG 2 f; 95 EheG 17 Mentalreservation 17 EheG 8 Mietrecht – Abtretung 12 MRG 1 ff – Eintritt 14 MRG 1 ff Mietvertrag – Abtretung 12 MRG 1 ff – Eintritt 14 MRG 1 ff Mietvertragseintritt – Anzeigepflicht 12 MRG 42 ff – Minderjähriger 12 MRG 39 – Vorausverzicht 12 MRG 2; 14 MRG 3 Mietwert 94 EheG 7 Mietzins – Anhebung 46, 46b MRG 1 ff – ortsüblicher 88 EheG 12 Mietzinsbeihilfe/zuschuss 94 ABGB 45, 202 Mietzinszahlungen 94 ABGB 172 f, 255; 97 ABGB 9, 29; 382h EO 13 Milieu 382b–382e EO 21 Miteigentum 83 EheG 22 – der Lebensgefährten LebG – Beendigung 86 – Übertragung Miteigentumsanteil 87 EheG 4 Mitschuldantrag 60 EheG 25 Mitverschuldensantrag s Mitschuldantrag Mitwirkung im Erwerb 90 ABGB 36 ff; 98–100 ABGB; 83 EheG 3, 9; 97 EheG 3; 11 EPG 1 – Abgeltungsanspruch s dort – Anerkennung des Anspruchs 99 ABGB 2 – Anspannung 98 ABGB 11 – Anspruchshöhe 98 ABGB 10 ff – Arbeitsvertrag 100 ABGB 5 – Aufteilungsverfahren 98 ABGB 18 – Begriff 98 ABGB 4 – Bereicherungsrecht 98 ABGB 8; 100 ABGB 8 – Dienstvertrag 100 ABGB 2, 9 – Einzelunternehmen 98 ABGB 15 – Erwerb s dort – GesBR 100 ABGB 7
– – – – – – – – – –
Gewinn 98 ABGB 7, 11 Gewinnbeteiligung 98 ABGB 7, 10, 12 Gütergemeinschaft 98 ABGB 6 Investitionen 98 ABGB 4 Pfändbarkeit des Anspruchs 99 ABGB 3 Sozialversicherung 100 ABGB 4 Unterhalt 98 ABGB 13 Vereinbarung 98 ABGB 14; 100 ABGB 4 Verfahren 98 ABGB 1 Verjährung 98 ABGB 15, 17; 100 ABGB 2 – Vertrag 98 ABGB 11; 99 ABGB 1; 100 ABGB 1 ff – Verzicht 98 ABGB 14; 100 ABGB 2 – Zuständigkeit 98 ABGB 1 Mitwirkungspflicht des Unterhaltspflichtigen s Unterhaltsbemessungsgrundlage Motivirrtum 82 EheG 8 mündliche Verhandlung 93–96 AußStrG 20; 382b–382e EO 136; 460 ZPO 4 ff
Nachzahlungen 94 ABGB 56 Name der eingetragenen Partner 7 EPG 1 ff Namensänderungsgesetz 93 ABGB 11; LebG – Rechtsfolgen/Innen 18 Namensehe 23 EheG 1 ff Namenspartnerschaft 19 EPG 5 Namensrecht 93 f ABGB; Vor 31 EheG 3; LebG – Rechtsfolgen/Innen 18 Naturalrestitution 97 ABGB 35, 42 Naturalteilung – Vorrang 94 EheG 1 ff Naturalunterhalt(sleistungen) 94 ABGB 244 ff – Wohnungserhaltungskosten 97 ABGB 34 Naturalwohnung 88 EheG 1 Nebenbeschäftigung 94 ABGB 206, 226 Nebengebühren 94 ABGB 50 Nebenintervention im Aufteilungsverfahren 93–96 AußStrG 3; 85 EheG 15 Neuerungsverbot 93–96 AußStrG 63; 460 ZPO 46 Nichtanerkennung ausländischer Ehescheidung, Antrag auf 99 AußStrG 1 Nichtehe 8 EheG 4; 15 EheG 12 ff; 17 EheG 9; 27 EheG 1 nichteheliche Lebensgemeinschaft – – Beendigung 44 ABGB 28; LebG – Beendigung 84 ff
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Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft
– Bereicherungsansprüche LebG – Beendigung 84 ff – Geschlechtsgemeinschaft 44 ABGB 26 – Haushaltsgemeinschaft 44 ABGB 26 – Rechtsfolgen 44 ABGB 26 ff; LebG – Beendigung 84 ff – Wesen 44 ABGB 26; LebG – Beendigung 84 ff, 102 – Wirtschaftsgemeinschaft 44 ABGB 26 ff – Wohngemeinschaft 44 ABGB 26 Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft 19 EPG 1 ff; 42 EPG 1 f Nichtigkeitsklage 8 EheG 12; 76 JN 3 Notariatsakt 98 ABGB 14; 99 ABGB 2; 97 EheG 5; 98 EheG 5 Noterbe als Unterhaltsberechtigter 795 ABGB 1 ff Notlage des Unterhaltsberechtigten bei Einkommenserzielung 94 ABGB 200 Notstandshilfe 94 ABGB 45, 113, 202 notwendiger Unterhalt – Allgemeines 795 ABGB 1 ff – Ausgleichszulagenrichtsatz 795 ABGB 2 – Höhe 795 ABGB 2 Nutzen – Restnutzen LebG – Beendigung 95, 105, 108, 118 – verschaffter (subjektiver) LebG – Beendigung 116, 120 f Nutzungsrecht – Begründung eines schuldrechtlichen an Ehewohnung 89 EheG 2 obligatorische Zivilehe Vorbemerkungen EheG 5; 15 EheG 1 Obsorge LebG – Rechtsfolgen/Innen 30 ff – beider Eltern LebG – Rechtsfolgen/Innen 31 ff Offenlegungspflicht LebG – Allgem 22 Öffentlichkeit des Verfahrens 460 ZPO 15 ff Operation – geschlechtsanpassende 44 ABGB 14 ff Oppositionsgesuch 98 EheG 16 Oppositionsklage 98 EheG 16 – Grund 94 EheG 14 – Zuständigkeit 49 JN 2 Opt-in, opt-out-Modell 97 EheG 4 Optionen 81 EheG 7
Optionsrecht 94 EheG 4 – des schuldlosen Ehegatten 83 EheG 16; 94 EheG 4 Ordre public 97 AußStrG 7 örtliche Zuständigkeit für Scheidung und Auflösung eingetragener Partnerschaften 114a JN 4 ff Örtlichkeitsgrundsatz Vor 15 EheG 6 Patchwork-Familien LebG – Allgem 6; LebG – Rechtsfolgen/Innen 39 Parteibegriff 93–96 AußStrG 2 ff Partnerschaft – Adoption 1 EPG 3; 5 EPG 5; 8 EPG 6 ff – Allgemeines 1 EPG 1 ff – anständige Begegnung 8 EPG 2 – Auflösung 13 ff EPG – Auflösung der häuslichen Gemeinschaft 15 EPG 3 – Auflösungsentscheidung 13 EPG 3; 19 EPG 8 – Aufteilung nach Auflösung der eingetragenen Partnerschaft 24–41 EPG 1 ff – Begründungshindernisse 5 EPG 1 ff – Behördenzuständigkeit 6 EPG 4 f – Beistandspflicht 8 EPG 2, 4 – Dienstwohnung 24–41 EPG 4 – Doppelehe 19 EPG 2, 6 – ehrloses Verhalten 15 EPG 1 – Einvernehmensprinzip 8 EPG 5 – einvernehmliche Auflösung 15 EPG 5 – Einwilligung des gesetzlichen Vertreters 4 EPG 1 – Einwilligung des Sachwalters 4 EPG 2 – Entwicklung 1 EPG 1 ff – Erbrecht 43 EPG 1 – Familienstatus 1 EPG 6 – Form der Begründung 6 EPG 1 ff – Geisteskrankheit 15 EPG 2 – geistige Störung 15 EPG 2 – gemeinsame Wohnung 8 EPG 2 – Geschäftsfähigkeit 4 EPG 1; 14 EPG 2 – gesonderte Wohnungnahme 9 EPG 2 – gleichberechtige eingetragene Partner 8 EPG 1 – Grundrechtsschutz 1 EPG 4 – Härteklausel 15 EPG 3 – Haushaltsführung 8 EPG 3
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Provisorialunterhalt
– Kinder Vor 4 EPG 1 ff; 8 EPG 5; 9 EPG 3; 24–41 EPG 2 – Kollisionsrecht 1 EPG 1 ff; Vor 7 EPG 1 f; 15 EPG 6 – Mitwirkung im Erwerb 11 EPG 1 – Name der eingetragenen Partner 7 EPG 1 ff – Namenspartnerschaft 19 EPG 5 – Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft 19 EPG 1 ff, 42 EPG 1 f – Partnerschaftsfähigkeit 4 EPG 2 – Partnerschaftsmündigkeit 4 EPG 1 – Regenbogenfamilie 1 EPG 6 – Schlüsselgewalt 10 EPG 1 – Schuldausspruch bei Auflösung der eingetragenen Partnerschaft 17 f EPG – Staatsbürgerschaftspartnerschaft 19 EPG 5 – Tod eines eingetragenen Partners 13 EPG 1 f – unsittliches Verhalten 15 EPG 1 – Unterhalt nach Auflösung der eingetragenen Partnerschaft 20–23 EPG 1 ff – Unterhalt während aufrechter eingetragener Partnerschaft 12 EPG 1 – Unterschiede zur Ehe 1 EPG 4 f – verfassungsrechtliche Problematik 1 EPG 5 – Verfristung von Auflösungsgründen 17 EPG 1 – Verlöbnis 3 EPG 1 – Vertrauensbeziehung 8 EPG 2 – Verwandtschaft 5 EPG 4 – Verzeihung von Auflösungsgründen 17 EPG 1 – Volljährigkeit 4 EPG 1 – Wesen 2 EPG 1 – Willensmängel bei Begründung der eingetragenen Partnerschaft 14 EPG 1 ff – Wohnungserhaltungsanspruch 9 EPG 1 Partnerschaftsfähigkeit 4 EPG 2 Partnerschaftsmündigkeit 4 EPG 1 Pensionsabfindung 94 ABGB 57, 202; 81 EheG 8 Pensionsbezug 94 ABGB 45, 202 Pensionsvorsorge 94 ABGB 168 Personalstatut 97 ABGB 5; 46 EheG 6; 382b–382e EO 16
Personenstandsbehörde 93 ABGB 12; Vor 1 EheG 6 ff Personenstandsgesetz 93 ABGB 12; Vor 15 EheG 3 ff persönliche Mitwirkung am Prozess 460 ZPO 4 ff Pfandgläubiger 93–96 AußStrG 8 Pfandrecht – pfandrechtliche Belastung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 17 – Verpfändung von Ehevermögen 91 EheG 4 Pfändung – des Abgeltungsanspruchs 98 ABGB 3 – des Einkommens 94 ABGB 163 – des Unterhaltsanspruchs 94 ABGB 4 Pflegeelterngeld 94 ABGB 41, 203 Pflegegeld 94 ABGB 7, 13, 41, 46, 170, 203 f Pflegeleistungsentschädigung 94 ABGB 41, 203 Pfuschereinkommen 94 ABGB 40, 114 Prämien 94 ABGB 51 Präsenzdienstentgelt 94 ABGB 46 Preis – allgemeine Preissteigerung 81 EheG 28 – Preisentwicklung 82 EheG 10 Prekarium 97 ABGB 12 f; 87 EheG 12; 382h EO 4 Privatentnahmen 94 ABGB 70 ff, 207; 98 ABGB 8 Privatscheidung 97 AußStrG 4 Privatsphäre, Eingriff 382g EO 4 f Privatstiftung 91 EheG 5, 9, 15 Privatzimmervermietung 82 EheG 16 Prostitution 94 ABGB 40 Provisionen 94 ABGB 51 Provisorialunterhalt – angemessener Unterhalt 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 15 – Anhörung des Unterhaltspflichtigen 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 29 – Anspannungsgrundsatz 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 28 – Ansprüche gegen den Erben des Unterhaltspflichtigen 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 9 – Ansprüche gegen den Nachlass des Unterhaltspflichtigen 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 9
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Prozentsätze
– Anspruchsberechtigter 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 2 f – Anspruchsbescheinigung 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 17 ff – Aufhebung 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 40 ff – ausländisches Recht 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 7 – Beseitigung der E im Hauptverfahren 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 37 – Billigkeitsunterhalt 68 EheG 3 – Eilverfahren (summarisches) 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 25 – Elternunterhaltsansprüche 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 9 – Erhebungen 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 25 ff – Gefährdungsbescheinigung 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 14 f – Geltungsdauer 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 35 ff – gesetzliche Unterhaltsansprüche 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 5 – Hauptverfahren 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 12 f – Insolvenzverfahren 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 30 – Kosten 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 33 – Leibrentenforderungen 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 9 – materiellrechtliche Grundlagen 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 1 8 – ne bis in idem 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 11 – notdürftiger Unterhalt 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 15 – Parteirolle im Hauptverfahren 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 4 – Prozesskostenvorschuss 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 47 ff – Prozessvorbringen 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 24 – Rechtfertigungsklage 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 13 – Rechtspfleger 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 21 – Rekursverfahren 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 31 – Rentenansprüche 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 9 – Revisionsrekursverfahren 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 32
– Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zahlungen 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 15, 44 ff – rückständiger Unterhalt 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 35 – Sachverständigengutachten 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 28 – Sicherheitsleistung 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 34 – sicherungsfähige Ansprüche 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 5 ff – Sonderbedarf 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 6 – Teilurteil über Ehescheidung 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 19 – Überprüfung der Beweiswürdigung 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 31 – Umstandsklausel 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 38 – Unterhaltstitel 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 10 – Unterhaltsverletzung 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 16 f – Verfahrensvorschriften 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 22 ff – vertragliche Unterhaltsansprüche 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 8 – Wiederaufnahme 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 39 – Zeitablauf 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 40 – Zielsetzung 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 1 – Zuständigkeit 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 20 f Prozentsätze 94 ABGB 209 ff; 66 EheG 10 ff Prozentwertmethode 94 ABGB 182; 66 EheG 10 ff Prozesskostenvorschuss 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 47 ff Psychoterror 49 EheG 16; 382b–382e EO 30 ff Publizität 15 EheG 4 Ratengeschäft 98 EheG 12 Räumungsaufschub LebG – Rechtsfolgen/ Innen 10 Räumungsklage LebG – Beendigung 42; LebG – Rechtsfolgen/Innen 10 – schikanöse Erhebung LebG – Rechtsfolgen/Innen 12 Realteilung – Anordnung 87 EheG 9
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Scheidungsgründe
Rechnungslegungsbegehren des Unterhaltsberechtigten 94 ABGB 338; 66 EheG 30 Rechnungslegungsbegehren im Aufteilungsverfahren 93–96 AußStrG 55 Rechte – Begründung dinglicher Rechte 90 EheG 1 – Begründung obligatorische Rechte 90 EheG 3 – dingliche 86 EheG 5; 87 EheG 4 – Dritter 86 EheG 7; 87 EheG 5 – Neubegründung 89 EheG 1 – obligatorische 87 EheG 8 – Übertragung von Rechten an ehelichen Ersparnissen an den anderen Ehegatten 89 EheG 1 Rechtfertigungsklage 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 1; 382h EO 19 Rechtschutzinteresse 92 ABGB 28; 98 EheG 25 Rechtsfrage 49 EheG 10; 55 EheG 7, 11; 60 EheG 2; 382b–382e EO 10, 33, 36, 63 Rechtsgestaltungsurteil 27 EheG 5 Rechtshängigkeit Art 19 Brüssel IIa-VO 1 ff Rechtskraft 81 EheG 1 – des Scheidungsbeschlusses 93–96 AußStrG 25 – des Scheidungsurteils 68 EheG 4; 460 ZPO 35 – formelle 81 EheG 1 – formelle Rechtskraft der Eheauflösung 95 EheG 10 ff – Teilrechtskraft der Aufteilungsentscheidung 85 EheG 16 – unrichtige Rechtskraftbestätigung 95 EheG 10 Rechtsmittelverzicht 95 EheG 10; 460 ZPO 35 – beiderseitiger 95 EheG 12 – konkludenter 95 EheG 11 Rechtsverhältnisse – obligatorische 86 EheG 5 – schuldrechtliche 87 EheG 4 Rechtsweg – Verweisung auf streitigen 97 EheG 1 Regenbogenfamilie 1 EPG 6
Regress für Verdienstentgang LebG – Rechtsfolgen/Innen 6 Reingewinn 94 ABGB 69 Rekurs gegen Anerkennungsentscheidung 98 AußStrG 7 Religiöser Fanatismus – als Scheidungsgrund 49 EheG 20, 31 Rentenbezug 94 ABGB 45, 159 replicatio doli 95 EheG 19 Restnutzen LebG – Beendigung 95, 105, 108, 118 Revision 98 AußStrG 7; 49 JN 3, 5 Revisionsrekurs 339 ABGB 70, 76; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 3 Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zahlung 94 ABGB 26 ff; 382 Abs 1 Z 8 lit a EO 15, 44 ff Rückkehrverbot s Wegweisung Sachbezüge 94 ABGB 42 ff Sachbezugswerte 94 ABGB 43 Sachen – bewegliche 81 EheG 13; 86 EheG 4 – unbewegliche 81 EheG 13; 86 EheG 5 – zum persönlichen Gebrauch 82 EheG 2, 14 – zur Berufsausübung 82 EheG 2, 14 Sachwalter 93–96 AußStrG 23; 2 EheG 2; 3 EheG 1 f Schadensersatzanspruch 97 ABGB 35, 42; 86 EheG 7; 49 JN 6 Schad- und Klagloshaltung 92 EheG 1 Schattenwert 94 EheG 7 Scheidungsgründe 46 ff EheG; s auch Verschuldensscheidung und Eheverfehlung – Alkoholmissbrauch 92 ABGB 13; 49 EheG 19; 382b–382e EO 20, 24 – anständige Begegnung 49 EheG 20; 382b–382e EO 4 – Beschimpfungen 49 EheG 18 – Beweislast 49 EheG 5 – böswilliges Verlassen 92 ABGB 16; 49 EheG 22 – Deliktsfähigkeit 49 EheG 4 – Ehebruch 49 EheG 17 – ehrloses Verhalten 49 EheG 27 – Eifersucht 49 EheG 17 – Geisteskrankheit 51 EheG 1 f – geistige Störung 50 EheG 1 ff
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Scheidungsurteil
– Gewalt 92 ABGB 13; 49 EheG 15; 382b–382e EO 24 ff – In-vitro-Fertilisation 49 EheG 26 – Kausalität 49 EheG 3 – Misshandlungen 92 ABGB 13; 49 EheG 15; 382b–382e EO 26 – nachträgliche Geltendmachung 46 EheG 5; 59 EheG 1 ff – Psychoterror 92 ABGB 13, 32; 49 EheG 16; 382b–382e EO 30 – Reihenfolge 46 EheG 3 – Religiöser Fanatismus 49 EheG 20, 31 – Schwangerschaftsabbruch 49 EheG 26 – schwere Eheverfehlungen 49 EheG 13 ff – seelisches Leid 49 EheG 16 – taxativ 46 EheG 2 – unsittliches Verhalten 49 EheG 27 – Vasektomie 49 EheG 26 – Verfristung 57 EheG 1 ff – Verjährung 57 EheG 1 ff – Verletzung der Unterhaltspflicht 49 EheG 21 – Vernachlässigung des Haushalts 95 ABGB 6; 49 EheG 23 – Verweigerung der Fortpflanzung 49 EheG 25 – Verzeihung 56 EheG 1 ff – Verzicht 46 EheG 4 Scheidungsurteil 46 EheG 1 – Ausfertigung ohne Entscheidungsgründe 460 ZPO 41 Scheidungsvereinbarung 93–96 AußStrG 32 ff; 55a EheG 4 ff – Aufteilungsverfahren 93–96 AußStrG 34 – Form 55a EheG 4 – Kinder 93–96 AußStrG 32; 55a EheG 13 ff – Mangelhaftigkeit 55a EheG 12 – obligatorische Inhalte 55a EheG 6 – Scheingeschäft 55a EheG 8 – Sittenwidrigkeit 55a EheG 11 – Umstandsklausel 55a EheG 11 – Wirksamkeit 55a EheG 36 – Zuständigkeit für Streitigkeiten aus 49 JN 7 Scheinehe 94 ABGB 16; 15 EheG 8 Scheinerklärungen 17 EheG 8; 23 EheG 1 Scheinstandesbeamter 15 EheG 6
Schenkung 83 EheG 13; LebG – Beendigung 93, 96 ff, 102, 110 f – auf den Todesfall 97 EheG 17 – des Aufteilungsgegenstands an den anderen Ehegatten 94 EheG 9 – Dritter 82 EheG 6 – eines Ehegatten an den anderen 82 EheG 8 – gemischte 82 EheG 7 – Irrtumsanfechtung LebG – Beendigung 12 ff – Lebensgefährten LebG – Beendigung 3 ff – unter Auflage 82 EheG 7 – Widerruf LebG – Beendigung 4 ff Schenkungsabsicht LebG – Beendigung 89, 98 ff, 103 Schlechtgläubigkeit 97 ABGB 40 Schlüsselgewalt 96 ABGB 1 ff; 10 EPG 1; 49 JN 6 – Einkommen 96 ABGB 3 – Haftung 96 ABGB 12 ff – Haushaltsführung 96 ABGB 2 – Lebensverhältnisse 96 ABGB 6 – Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens 96 ABGB 7 ff – Trennung 94 ABGB 41; 96 ABGB 2 Schmerzengeld 49 EheG 17; 81 EheG 6 Schockschaden LebG – Rechtsfolgen/Außen 7 Schulbeihilfe 94 ABGB 45 Schuldausspruch bei Scheidung/Auflösung wegen Verschuldens 60 EheG 1 f; 17 f EPG – Abwägungskriterien 60 EheG 5 – Alleinverschulden 60 EheG 10 – beiderseitiges Verschulden 60 EheG 13 – Bindungswirkung 60 EheG 3 – Mitschuldantrag – Mitverschuldensantrag 60 EheG 25 – überwiegendes Verschulden 60 EheG 19 Schuldausspruch im Urteil (Geschiedenenunterhalt) 42 EheG 2; 60 EheG 1 ff; 66 EheG 4 f Schulden 83 EheG 17 ff; 92 EheG 3 – Aktienfehlinvestition 91 EheG 4 – Deliktschulden 98 EheG 11 – konnexe 81 EheG 31 ff; 98 EheG 10 – Restschuldbefreiung 98 EheG 22
1500
Testament
– Schuldentragung im Innenverhältnis 81 EheG 33; 98 EheG 3 – Schuldtragung im Außenverhältnis 81 EheG 33 – Steuerschulden 83 EheG 19 – Unterhaltsbemessungsgrundlage 94 ABGB 162 – Unternehmensschulden 92 EheG 4; 98 EheG 10 – Wechselschulden 98 EheG 13 Schwangerschaftsabbruch 44 ABGB 22 – als Scheidungsgrund 44 ABGB 22; 49 EheG 26 Schwarzeinkommen 94 ABGB 40, 114 Selbsthilfe 339 ABGB 38 ff; 382b–382e EO 50 f selbstständig Erwerbstätige 94 ABGB 69 ff Selbstversicherung in der Krankenversicherung 16 ASVG 1 ff Seniorenwohnung 12 MRG 48 ff Severehen Vorbemerkungen EheG 3 Sicherheitspolizeigesetz 382b–382e EO 140 ff Sicherstellung der Ausgleichszahlung 94 EheG 11 Sicherungsmittel 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 19 ff; 382g EO 15 Sittenwidrigkeit 97 EheG 33; 98 EheG 25 ff – einer Bürgschaftsübernahme im Familienkreis 98 EheG 27; LebG – Rechtsfolgen/Außen 11 f Solidarschuldverhältnis 98 EheG 7 Sonderbedarf des Unterhaltsberechtigten – Arztkosten 94 ABGB 13 – Deckungspflicht 94 ABGB 8 – Existenzminimum 94 ABGB 9 – Krankheitskosten 94 ABGB 13 – Medikamentenkosten 94 ABGB 13 – Pflegeheim 94 ABGB 13 – Prozesskosten 94 ABGB 12 – Ratenzahlung 94 ABGB 8 – Spitalskosten 94 ABGB 13 – Voraussetzungen 94 ABGB 8 ff Sondernotstandshilfe 94 ABGB 45 Sonderrechtsnachfolge 14 MRG 2 Sonderzahlungen 94 ABGB 50 Sorgepflichten (konkurrierende) 94 ABGB 210 f; 66 EheG 13, 69 EheG 12 f
Sozialhilfeleistungen 94 ABGB 7, 45 f, 105, 113, 202 Spielgewinn 94 ABGB 41 Staatsanwalt 83 1. DVEheG 1 f; 23 EheG 16; 24 EheG 6 Staatsbürgerschaft Vor 31 EheG 4 Staatsbürgerschaftsehe 23 EheG 1 ff Staatsbürgerschaftspartnerschaft 19 EPG 5 Stalking 382g EO 1, 7 ff Standesamt Vor 15 EheG 4 Standesbeamter 15 EheG 1 ff; 17 EheG 3; 99 EheG 1 Stellvertreter 17 EheG 4, 11 Steuerbemessungsgrundlage 94 ABGB 63, 82 Steuernachzahlungspflicht 94 ABGB 65, 83 Steuerrückzahlungen 94 ABGB 64 stille Gesellschaft 82 EheG 25 Stockablösen 94 ABGB 56 Streitanhängigkeit s Rechtshängigkeit Streitverkündung – im Aufteilungsverfahren 93–96 AußStrG 3; 85 EheG 15 Studienbeihilfe 94 ABGB 45, 51 Stundung – der Ausgleichszahlung 94 EheG 11 Subsidiarität des Aufteilungsverfahrens 93–96 AußStrG 45 Subsidiariät des Geschiedenenunterhalts 66 EheG 6 Surrogationsprinzip 82 EheG 12 f Talaq-Scheidung 97 AußStrG 4, 7 Teilentscheidung 93–96 AußStrG 58; 94 EheG 15 Teilrechtskraft 460 ZPO 37 Teilungsklage Vor 81 EheG 9; 85 EheG 12; 90 EheG 5; 95 EheG 8 Teilzeitbeschäftigung 94 ABGB 107, 189, 198, 215 ff, 227 Telefonüberwachung 92 ABGB 13, 15 Territorialitätsprinzip Vor 15 EheG 6 Testament – gemeinsames 1217 ff ABGB 20 – gemeinschaftliches 1217 ff ABGB 20 – Scheidung 1217 ff ABGB 21 – wechselbezügliches 1217 ff ABGB 21 – wechselseitiges 1217 ff ABGB 20 – Widerruf 1217 ff ABGB 21
1501
Tiere
Tiere 81 EheG 16 Tod des Ehegatten 93–96 AußStrG 38; 460 ZPO 34 ff Tod des Ehegatten und Aufteilungsverfahren 757–759 ABGB 5; 96 EheG 4 Tod des Unterhaltsberechtigten 77 EheG 1 ff Tod des Unterhaltspflichtigen – Ehegattenunterhalt 94 ABGB 17; 796 ABGB 1 ff – Geschiedenenunterhalt 78 EheG 1 ff – Partnerunterhalt 796 ABGB 1 ff Tod des Wohnungsberechtigten 97 ABGB 48 Todeserklärung 19 1. DVEheG 1; 43 EheG 1; 104 EheG 1 Transsexuelle 44 ABGB 10 ff; 258 ASVG 3 Transsexuellen-Erlässe 44 ABGB 12 ff Trauerschaden LebG – Rechtsfolgen/Außen 8 Trauung – gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften 44 ABGB 10 – Homosexuelle 44 ABGB 10 – konfessionelle Vor 15 EheG 9; 100 EheG 1 – Lesben 44 ABGB 10 – standesamtliche 100 EheG 1 – Transsexuelle 44 ABGB 11 ff – Trauungsort Vor 15 EheG 7 – Trauungszeremonie 17 EheG 12 Trennungsgrundsatz Vor 81 EheG 4; 83 EheG 4, 21; 90 EheG 2 Trennungsvereinbarung 92 ABGB 6 Treue 90 ABGB 27 ff Treuepflicht 90 ABGB 27 ff; 49 EheG 17; LebG – Beendigung 92 Treuhandvereinbarung 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 21 Trinkgeld 94 ABGB 51 Übergangsgeld 94 ABGB 45 Überstundenentgelt 94 ABGB 50 Umsatzbeteiligung 94 ABGB 51 Umstandsänderung 95 EheG 20 Umstandsklausel – Allgemeines 94 ABGB 274 ff; 69 EheG 21 – Änderungsklage 94 ABGB 275
– Änderungszeitpunkt 94 ABGB 288 ff – Ausschluss 94 ABGB 279 ff – Beharren auf Ausschluss 94 ABGB 281; 80 EheG 16 – Einkommensänderung 94 ABGB 284 – Gesetzesänderung 94 ABGB 284 – Irrtum 94 ABGB 285; 69a EheG 11 – Kaufkraftminderung 94 ABGB 286 f – Neufestsetzung der Unterhaltsverpflichtung 94 ABGB 292 f – Rechtsprechungsänderung 94 ABGB 284 – rückwirkende Änderungen 94 ABGB 289 – Sachverhaltsänderungen 94 ABGB 283 ff – Scheidungsvereinbarung 55a EheG 11 – Sittenwidrigkeit 55a EheG 11 – Unterhalt aufgrund Scheidungsfolgenvergleich 69a EheG 1 ff – Unterhaltsverwirkung s dort – Vergleichsrelationen 69a EheG 7 Unentgeltlichkeit LebG – Beendigung 96 ff, 106, 112 ff – bedingte LebG – Beendigung 97 – Vermutung LebG – Beendigung 101 – vorläufige LebG – Beendigung 97 Unfallversicherungsvertrag 81 EheG 27 unmittelbare Umgebung 382b–382e EO 48 unselbstständig Erwerbstätige 94 ABGB 50 ff unsittliches Verhalten 15 EPG 1 Unterbrechung des Scheidungsverfahrens 460 ZPO 49 Unterhalt – Abfindung 70 EheG 7 ff – Allgemeines 94 ABGB 1 ff – Auflösung der Ehe 94 ABGB 16 ff – Auflösung der eingetragenen Partnerschaft 20–23 EPG 1 ff – Aufrechnung 94 ABGB 31 ff – Aufteilungsverfahren 83 EheG 3 – Banküberweisung 94 ABGB 241 – Beginn 94 ABGB 16 ff – Belastbarkeitsgrenze 94 ABGB 231 ff; 67 EheG 1 ff – Bewertung des Entscheidungsgegenstands 94 ABGB 332 – Billigkeitsunterhalt s dort
1502
Unterhaltsbemessungsgrundlage
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– – – – – – – – – – – – – –
eingetragene Partnerschaft 12 EPG 1 Einmahnung 94 ABGB 297 Ende 94 ABGB 16 ff Fälligkeit 94 ABGB 241 Ferialsachen 49 JN 3 Geld- oder Naturalunterhalt 94 ABGB 236 ff; 70 EheG 1 ff gleichberechtigte Partnerschaft 94 ABGB 1 ff Haushaltstrennung 94 ABGB 239 ff Insolvenz des Unterhaltspflichtigen s dort internationale Zuständigkeit 76a JN 5 ff Lebensaufwand 94 ABGB 1 ff Lebensgefährten LebG – Rechtsfolgen/ Innen 5 ff Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten 75 EheG 5 ff; LebG – Rechtsfolgen/Außen 2 ff Naturalunterhalt s dort Rangfolge mehrerer Unterhaltspflichten 94 ABGB 14 f Rückforderbarkeit zu Unrecht geleisteter Zahlung 94 ABGB 26 ff; 49 JN 8 Sachrecht (anzuwendendes) 94 ABGB 331 Scheidung aus anderen Gründen mit Schuldausspruch 69 EheG 1 Scheidung aus anderen Gründen ohne Schuldausspruch 69 EheG 22 ff Scheidung nach § 55 EheG bei gleichteiligem Verschulden 69 EheG 22 Scheidung nach § 55 EheG mit Schuldausspruch 69 EheG 2 ff Scheidung nach § 55 EheG ohne Schuldausspruch 69 EheG 23 ff Unterbrechung des Verfahrens 66 EheG 31 Unterhaltsbedarf 94 ABGB 4 ff Unterhaltsbemessungsgrundlage s dort Unterhaltshöhe s dort Unterhaltsvereinbarung s dort Unterhaltsvergleich s Unterhaltsvereinbarung Unterhaltsverletzung 94 ABGB 239 ff; 49 EheG 21 Vergangenheit 94 ABGB 22 ff
– Verjährung 94 ABGB 305 ff; 72 EheG 1 ff – verschuldensunabhängiger Unterhalt s dort – Verschweigung des Unterhaltsanspruchs 94 ABGB 294 ff – Verwandte 71 EheG 1 ff – Verwirkung s dort – Verzicht 94 ABGB 298 ff – Widerruf des Unterhaltsverzichts 94 ABGB 303 – Wiederverheiratung des Unterhaltsberechtigten 75 EheG 1 ff – Zuständigkeit der Gerichte 49 JN 1 f; 76a JN 1 ff Unterhaltsbemessungsgrundlage – Abfertigung 94 ABGB 58 ff – Abfertigungsrückstellung 94 ABGB 84 – Abschöpfungsbeträge 94 ABGB 177 f – Abzüge (allgemeines) 94 ABGB 161 ff – AfA 94 ABGB 84, 96 – Aktienkauf 94 ABGB 168 – Alleingesellschafter 94 ABGB 75 – Allgemeines 94 ABGB 36 ff – Altersvorsorge 94 ABGB 168 – Anspannung des Unterhaltspflichtigen s dort – Anwaltskosten 94 ABGB 4, 12, 167 – Arbeitsentgelt 94 ABGB 50 – Arbeitslosengeld 94 ABGB 45 – Arbeitsplatzfahrtkosten 94 ABGB 164 – Aufwandsentschädigungen 94 ABGB 54 f – Aufwendungen (Allgemeines) 94 ABGB 161 ff – Ausgleichszulage 94 ABGB 45 – Bausparvertrag 94 ABGB 168 – Beibringungsgrundsatz 94 ABGB 337 – Beobachtungszeitraum 94 ABGB 66 ff, 85 ff – berufsbedingte Aufwendungen 94 ABGB 164 f – Berufsvereinigungsbeiträge 94 ABGB 165 – Besuchsrechtskosten 94 ABGB 169 – Beteiligungsmodelle 94 ABGB 84 – Betriebskosten 94 ABGB 34, 113 – Bilanzgeld 94 ABGB 56 – bilanzmäßiger Verlust 94 ABGB 70 f
1503
Unterhaltsbemessungsgrundlage
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Blindenbeihilfe 94 ABGB 46 Darlehensrückzahlungen 94 ABGB 171 Eigenverbrauch 94 ABGB 74 Einmalzahlungen 94 ABGB 168 EU-Förderleistungen 94 ABGB 45 Existenzsicherungskosten 94 ABGB 161 Fachliteratur 94 ABGB 165 Fahrtkostenersatz 94 ABGB 55, 164 Familienbeihilfe 94 ABGB 45 f, 205, 216 Ferialeinkommen 94 ABGB 40 freiwillige Zuwendungen 94 ABGB 48 f Geburtenbeihilfe 94 ABGB 45 Gewinnthesaurierung 94 ABGB 76 f Hilflosenzuschuss 94 ABGB 41, 46 Insolvenz des Unterhaltspflichtigen s dort Investitionen 94 ABGB 161 Investitionsfreibetrag 94 ABGB 84 Investitionsrücklage 94 ABGB 84 Jahresausgleich 94 ABGB 64, 83 Jahresüberschuss 94 ABGB 69 Jubiläumszulage 94 ABGB 56 Karenzurlaubsgeld 94 ABGB 108, 135 Kilometergeld 94 ABGB 51, 55, 164 Kinderabsetzbetrag 94 ABGB 46 Kinderbetreuungsgeld 94 ABGB 45 Kinderzuschuss 94 ABGB 46 Kosten des täglichen Lebens 94 ABGB 167 Krankengeld 94 ABGB 45, 126, 134 Krankheitskosten 94 ABGB 130, 170 Lebensversicherung 94 ABGB 168 Lohnsteuerkinderzuschlag 94 ABGB 45 Lotteriegewinn 94 ABGB 41 lump-sum 94 ABGB 57; 66 EheG 15 Mietzinszahlungen 94 ABGB 172 f Mietzinszuschuss 94 ABGB 45 Mitwirkungspflicht des Unterhaltspflichtigen 94 ABGB 337; 66 EheG 30 Nachzahlungen 94 ABGB 56 Nebenbeschäftigung 94 ABGB 106 Nebengebühren 94 ABGB 50 Nettoeinkommen 94 ABGB 39 Pensionsabfindung 94 ABGB 57 Pensionsbezug 94 ABGB 45 Pensionsvorsorge 94 ABGB 168 Pfändungen 94 ABGB 163 Pflegegeld 94 ABGB 41, 46, 170
– Pflegeleistungsentschädigung 94 ABGB 41 – Pfuschereinkommen 94 ABGB 40, 114 – Prämien 94 ABGB 51 – Präsenzdienstentgelt 94 ABGB 46 – Privatentnahmen 94 ABGB 70 ff – Prostitution 94 ABGB 40 – Provisionen 94 ABGB 51 – Rechnungslegungsbegehren 94 ABGB 338; 66 EheG 30 – Reingewinn 94 ABGB 49 – Rentenbezug 94 ABGB 45, 159 – Sachbezüge 94 ABGB 42 ff – Sachbezugswerte 94 ABGB 43 – Schmerzengeld 94 ABGB 41 – Schulbeihilfe 94 ABGB 45 – Schulden 94 ABGB 162 – selbstständig Erwerbstätige 94 ABGB 69 ff – Sondernotstandshilfe 94 ABGB 45 – Sonderzahlungen 94 ABGB 50 – Sozialhilfeleistungen 94 ABGB 45 f, 105, 113 – Spielgewinn 94 ABGB 41 – Steuerbemessungsgrundlage 94 ABGB 63, 82 – Steuernachzahlungspflicht 94 ABGB 65, 83 – Steuerrückzahlungen 94 ABGB 64 – Stockablösen 94 ABGB 56 – Studienbeihilfe 94 ABGB 45, 51 – Teilzeitbeschäftigung 94 ABGB 107 – Trinkgeld 94 ABGB 51 – Übergangsgeld 94 ABGB 45 – Überstundenentgelt 94 ABGB 50, 106 – Umsatzbeteiligung 94 ABGB 51 – unselbstständig Erwerbstätige 94 ABGB 50 ff – Unterhaltsempfänge 94 ABGB 47 – Unternehmensbeteiligung 94 ABGB 78 ff, 85, 92 – Unterstützungsleistungen 94 ABGB 47 – Urlaubsabfindung/entschädigung/ablöse 94 ABGB 56 – Verdienstentgangsentschädigung 94 ABGB 56 – Vermögensbildung 94 ABGB 168 – Vermögenserträgnisse 94 ABGB 89 ff – Vermögensstamm 94 ABGB 153 ff
1504
Unterhaltsvereinbarung
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Versicherungsprämien 94 ABGB 167 Weiterbildungskosten 94 ABGB 165 Werbungskosten 94 ABGB 165 Wertpapierkauf 94 ABGB 168 wirtschaftliche Lage 94 ABGB 36 Wochengeld 94 ABGB 45 Wohnbeihilfe 94 ABGB 45 Wohnkosten 94 ABGB 171 Wohnungsbenützungskosten 94 ABGB 173 – Zahlungsplanraten 94 ABGB 174 ff – Zivildienstentgelt 94 ABGB 46 – Zulagen 94 ABGB 51 ff – Zusatzeinkommen 94 ABGB 40 – Zuschläge 94 ABGB 50 ff Unterhaltsempfänge 94 ABGB 47 Unterhaltshöhe – Abfertigung 94 ABGB 202 – Alleinerzieherabsetzbetrag 94 ABGB 205 – Allgemeines (Ehegattenunterhalt) 94 ABGB 180 ff – Allgemeines (Geschiedenenunterhalt) 66 EheG 6 ff – Anspannung des Unterhaltsberechtigten s dort – Arbeitslosengeld 94 ABGB 202 – Ausgleichszulage 94 ABGB 202 – Ausstattung 94 ABGB 212 – Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten 94 ABGB 196; 73 EheG 1 ff – Berufstätigenehe 94 ABGB 189, 209, 218, 224, 228, 230 – Beurteilungszeitpunkt für Geschiedenenunterhalt 66 EheG 8 – Doppelverdienerehe 94 ABGB 189, 193, 218 – Einkommen des Unterhaltsberechtigten 94 ABGB 197 ff; 66 EheG 14 ff; 67 EheG 1 ff; 69 EheG 6 ff – Einmalzahlungen 94 ABGB 202 – Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten 94 ABGB 184 – Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen 67 EheG 3 ff – Familienbeihilfe 94 ABGB 205 – freiwillige Drittleistungen 94 ABGB 206 – Gefährdung des eigenen Unterhalts 67 EheG 1 ff
– Halbteilungsgrundsatz 94 ABGB 214 ff – Hausfrauen(Hausmänner)ehe 94 ABGB 189, 193, 197, 221 – Haushaltsführung 94 ABGB 190 ff – Hilflosenzuschuss 94 ABGB 202 – Jubiläumsgelder 94 ABGB 202 – Karenzurlaubsgeld 94 ABGB 203 – Kinderabsetzbetrag 94 ABGB 205 – Kinderbetreuungsgeld 94 ABGB 203 – Kostgeld 94 ABGB 203 – Krankenversicherungsbeiträge (§ 69 Abs 2 EheG) 69 EheG 14 ff – Lebensverhältnisse 94 ABGB 180; 66 EheG 8 – Lebenszuschnitt (einvernehmlicher) 94 ABGB 181 – Leibrentenzahlungen 94 ABGB 201 – lump-sum 66 EheG 15 – Luxusgrenze 94 ABGB 185 – Mietzinsbeihilfe 94 ABGB 202 – Notgroschen 94 ABGB 204 – Notlage 94 ABGB 200 – Notstandshilfe 94 ABGB 202 – Pensionen 94 ABGB 202 – Pensionsabgeltung 94 ABGB 202 – Pflegeelterngeld 94 ABGB 203 – Pflegegeld 94 ABGB 203 – Privatentnahmen 94 ABGB 207 – Prozentsätze 94 ABGB 209 ff; 66 EheG 10 ff – Prozentwertmethode 94 ABGB 182 – Renten 94 ABGB 202 – Sorgepflichten (konkurrierende) 94 ABGB 210 f; 66 EheG 13; 69 EheG 12 f – Vermögen des Unterhaltsberechtigten 94 ABGB 207; 66 EheG 14 ff; 67 EheG 1 ff; 69 EheG 11 – Vermögenserträgnisse 94 ABGB 201 – Vorfahren 94 ABGB 213 – Wirtschaftsgeld 94 ABGB 203 – Wohnbeihilfe 94 ABGB 202 – Zinserträgnisse 94 ABGB 201 Unterhaltsoppositionsklage 49 JN 2 Unterhaltsvereinbarung LebG – Beendigung 103 – Allgemeines 94 ABGB 267 ff; 80 EheG 1 ff – Anspruchsverzichtsverbot 94 ABGB 270
1505
Unterhaltsverwirkung
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Auflösung der Ehe 94 ABGB 21 Auslegung 80 EheG 7 ff Ehepakt 94 ABGB 269 Sittenwidrigkeitsvorbehalt 94 ABGB 270, 301; 80 EheG 10 ff – Umstandsklausel s dort – Unterhaltsverzicht 94 ABGB 298 ff; 55a EheG 17 f – Widerruf des Unterhaltsverzichts 94 ABGB 303 Unterhaltsverwirkung – Allgemeines 94 ABGB 310 ff; 68a EheG 32 ff; 74 EheG 1 ff – Aussperren des Unterhaltspflichtigen 94 ABGB 324 – Auswirkungen 94 ABGB 312 f – Beistandspflichtenverletzung 94 ABGB 325 – Beleidigung/Beschimpfung 94 ABGB 329 – Ehebruch 94 ABGB 320 – Kausalität 94 ABGB 314 – Kontaktunterbindung mit Kind 94 ABGB 325 – krasse Eheverfehlungen 94 ABGB 316 f – Lebensgemeinschaft 94 ABGB 320 – One-night-Stand 94 ABGB 320 – sexuelles Verhältnis 94 ABGB 320 – sittliches Verschulden 73 EheG 4 – Straftaten 94 ABGB 327 – Verfristung 94 ABGB 315 – Verhalten des Unterhaltspflichtigen 94 ABGB 319; 74 EheG 13 – Verlassen des Unterhaltspflichtigen 94 ABGB 321 – Verzeihung 94 ABGB 315 – Verzicht 94 ABGB 315 – Voraussetzung 94 ABGB 310 ff; 74 EheG 5 ff – wirtschaftliche Sphäre 94 ABGB 326 – Zerrüttung 94 ABGB 315 Unterhaltsverzicht 94 ABGB 298 ff; 55a EheG 18; 80 EheG 17 ff Unterlassungsanspruch 382g EO 4 Unternehmen 82 EheG 15 ff; LebG – Beendigung 33 f – Anteile 82 EheG 15 ff, 23 ff – Begriff 82 EheG 16 ff; 91 EheG 15
– Berücksichtigung von in Unternehmen eingebrachtem Ehevermögen 91 EheG 12 ff – Betriebskostenrückstände 98 EheG 12 – Existenzgefährdung 91 EheG 17 – gewidmete Sachen 82 EheG 19 – gewidmetes eheliches Gebrauchsvermögen 91 EheG 21 – Gewinn 82 EheG 22; 91 EheG 17 – Firmenauto 82 EheG 19 – Mitwirkung im 82 EheG 23 – nicht in Betrieb 82 EheG 18 – Reinvestition 91 EheG 1 – Sperrminorität 82 EheG 23 – stillgelegt 82 EheG 18 – zugehörige Sachen 82 EheG 2, 15 ff Unternehmensbeteiligung 94 ABGB 78 ff, 85, 92 Unternehmensvermögen – Privatnutzung 82 EheG 26 Unterstützungsleistungen 94 ABGB 49 Untersuchungsgrundsatz 460 ZPO 8 ff, 19 ff Untersuchungshaft 382b–382e EO 13 Unzumutbarkeit des Zusammenlebens 92 ABGB 12 ff; 382b–382e EO 10 ff Unzumutbarkeit des Zusammentreffens 382b–382e EO 14, 54 f, 59, 132; 382g EO 22 Urlaubsabfindung/entschädigung/ablöse 94 ABGB 56 Urteilsfähigkeit 22 EheG 1 Vasektomie – als Scheidungsgrund 49 EheG 26 Vaterschaftsanerkenntnis LebG – Rechtsfolgen/Innen 26 ff Vaterschaftsfeststellung LebG – Rechtsfolgen/Innen 21 ff Veräußerung – der Ehewohnung 97 ABGB 27, 43; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 17 Verdienstentgangsleistung/entschädigung 94 ABGB 56; 81 EheG 6 Verfahren – einvernehmliche Scheidung 93–96 AußStrG 22 ff – lange Verfahrensdauer 94 EheG 13 – streitige Scheidung 460 ZPO 1 ff
1506
Verschuldensantrag
Verfahrenshilfe – Antrag 93–96 AußStrG 52; 95 EheG 17; 460 ZPO 40 Verfahrenskosten – Anerkennung ausländischer Entscheidungen 78 AußStrG 29 ff – Aufteilungsverfahren 78 AußStrG 34 ff – Außerstreitverfahren 78 AußStrG 1 ff – Ehewohnung 78 AußStrG 49 f – einvernehmliche Scheidung/Auflösung 78 AußStrG 55 ff – Einwendungen des Gegners 78 AußStrG 9 ff, 63 ff – Einwilligung zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft 78 AußStrG 26 ff – Einwilligung zur Eheschließung 78 AußStrG 26 ff – Genehmigung einer Ehe 78 AußStrG 26 ff – Genehmigung einer eingetragenen Partnerschaft 78 AußStrG 26 ff – gesonderte Wohnungnahme 78 AußStrG 31 f – Haftung für Kredite 78 AußStrG 46 ff – Kostenentscheidung 78 AußStrG 58 ff – Verfahren außer Streitsachen 78 AußStrG 1 ff – vorprozessuale Kosten 78 AußStrG 82 f – Wohnung eingetragener Partner 78 AußStrG 49 f Verfristung s Verjährung Verfristung von Auflösungsgründen bei eingetragener Partnerschaft 17 EPG 1 Verfügungsbefugnis 97 ABGB 13 Verhandlungsgrundsatz 460 ZPO 18 Verjährung LebG – Beendigung 122 – Beginn LebG – Beendigung 123 – Frist LebG – Beendigung 123 – Scheidung 57 EheG 1 ff – Unterbrechung 95 EheG 17 – Unterhalt 94 ABGB 305 ff; 72 EheG 1 ff Verkehrswert 81 EheG 10 Verlängerung der EV 382b–382e EO 75 ff Verlöbnis – Auflösung 45 ABGB 12; 46 ABGB 3 – Auflösungsgrund 46 ABGB 9 f – Auflösungsverschulden 46 ABGB 9 f – Beendigung 45 ABGB 24 ff
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Bereicherungsansprüche 46 ABGB 17 f beschränkt Geschäftsfähige 45 ABGB 6 eingetragene Partner 45 ABGB 4 eingetragene Partnerschaft 3 EPG 1 entgangene Vorteile 46 ABGB 16 entgangener Gewinn 46 ABGB 16 Ersatzanspruch 46 ABGB 14 ff familienrechtlicher Vertrag 45 ABGB 1 Form 45 ABGB 13 positive Schäden 46 ABGB 14 ff Rechtsfolgen 45 ABGB 18 Rechtsunwirksamkeit 45 ABGB 14 ff; 46 ABGB 2 – Rechtswirkungen 45 ABGB 18 ff – Rücktritt 45 ABGB 25 ff – Schadenersatz 46 ABGB 5 ff – Schenkungswiderruf 46 ABGB 20 – Unverbindlichkeit 46 ABGB 1 – Vermögensschaden 46 ABGB 14 ff – Willenserklärungen 45 ABGB 8 ff – Willensmängel 45 ABGB 6 – Zustandekommen 45 ABGB 6 ff Verlustgesellschaft 82 EheG 24 Vermieter im Aufteilungsverfahren 93–96 AußStrG 5 Vermietung 82 EheG 16 Vermögen des Unterhaltsberechtigten 94 ABGB 197 ff; 66 EheG 14 ff; 67 EheG 1 ff; 69 EheG 11 Vermögensbildung 94 ABGB 5, 168 Vermögenserträgnisse 94 ABGB 89 ff, 136 ff, 201 Vermögensstamm 94 ABGB 153 ff Vernachlässigung des Haushalts – als Scheidungsgrund 95 ABGB 6; 49 EheG 23 Verpachtung 82 EheG 18 Verschuldensabwägung 60 EheG 10 – Alleinverschulden 60 EheG 4 – beiderseitiges Verschulden 60 EheG 13 – Mitschuldantrag – Mitverschuldensantrag 60 EheG 25 – überwiegendes Verschulden 60 EheG 19 ff Verschuldensantrag 61 EheG 1 – Abwägungskriterien 61 EheG 9 – rechtsmissbräuchlicher Antrag 61 EheG 4 – unberechtigter Antrag 61 EheG 2
1507
Verschuldensscheidung
Verschuldensscheidung 49 EheG s auch Eheverfehlung – Reaktionshandlungen 49 EheG 32 ff – Scheidungsausschlussgründe 49 EheG 32 ff – Schuldausspruch 60 EheG 1 – Verfristung 57 EheG 1 ff – Verjährung 57 EheG 1 ff – Verzeihung 56 EheG 1 ff Verschuldensunabhängiger Unterhalt – Allgemeines 68a EheG 1 ff – Alter des Unterhaltsberechtigten 68a EheG 19 – Befristung 68a EheG 28 ff – Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft 68a EheG 17 f – frühere Haushaltsführung 68a EheG 4 – Gesundheit des Unterhaltsberechtigten 68a EheG 20 – Härtefälle 68a EheG 1 – Kinderbetreuung 68a EheG 7 ff – Mangel der Erwerbsfähigkeit 68a EheG 10 ff – Rechtsnatur 68a EheG 2 – Unbilligkeit 68a EheG 32 ff – Unterhaltshöhe 68a EheG 23 ff – Unzumutbarkeit der Selbsterhaltung 68a EheG 9, 21 f – Verwandte 68a EheG 3 Verschweigung (Unterhalt) 94 ABGB 294 ff Versicherungsprämien 94 ABGB 167 Versöhnung der Ehegatten 97 EheG 11; 382b–382e EO 132 Versöhnungsversuch 460 ZPO 33 Versorgungsanspruch LebG – Rechtsfolgen/Innen 7 Versorgungsbezug 18 BB-PG 1 – Abfindung 20 BB-PG 1 – Verlust 20 BB-PG 1 – Wiederaufleben 20 BB-PG 1 Vertragsübernahme 12 MRG 1 Vertrauensbeziehung 8 EPG 2 Vertrauensperson 382b–382e EO 99; 460 ZPO 16 Vertrauenstheorie LebG – Beendigung 90, 99 Vertretung bei Alltagsgeschäften (Schlüsselgewalt) 96 ABGB 1 ff
Verunstaltungsentschädigung 81 EheG 6 Verwandte (Vorrang bei Unterhaltsleistung) 71 EheG 1 ff Verwandtschaft 6 EheG 1 ff; 25 EheG 1 f; 5 EPG 4 – Ehenichtigkeitsgrund 6 EheG 1 ff – natürliche 6 EheG 4 – qualifiziertes Eheverbot 6 EheG 6 – rechtliche 6 EheG 4 Verweigerung der Fortpflanzung 49 EheG 25 Verwirkungsklausel 49 EheG 32 ff Verzeihung 56 EheG 1 ff; 17 EPG 1 – Beweislast 56 EheG 3 – Verschuldensabwägung 56 EheG 9 Vorausvermächtnis – Anrechnungsvorschriften 757–759 ABGB 12 – Anspruchsgegner 757–759 ABGB 15 – Aufwendungen für die Wohnung 757–759 ABGB 22 – dringendes Wohnbedürfnis 757–759 ABGB 19 – Ehewohnung 97 ABGB 25; 757–759 ABGB 16 ff – Enterbung 757–759 ABGB 12 – Exekution gegen überlebenden Ehegatten 757–759 ABGB 14 – Haushaltssachen 757–759 ABGB 24 f – Lebensgefährte 757–759 ABGB 10 – Pflichtteilsansprüche 757–759 ABGB 13 – Sicherung der Wohnung 757–759 ABGB 23 – Subsidiarität 757–759 ABGB 11 – Teilungsbegehren 757–759 ABGB 14 – Umfang des Wohnrechts 757–759 ABGB 21 – Unterhalts- und Pflichtteilscharakter 757–759 ABGB 10, 12 – Verbindlichkeiten 757–759 ABGB 13 – Verschaffungsvermächtnis 757–759 ABGB 11 – Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten 757–759 ABGB 19 – Wohnbedürfnis 757–759 ABGB 19 Vorausverzicht 98 EheG 5 Vorfrage 92 ABGB 27; 27 EheG 4 vorprozessuale Kosten 78 AußStrG 82 f
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Wert
– – – – – – – –
Vorwegvereinbarung 97 EheG 3, 4 ff; 49 JN 7 – eheliche Ersparnisse 97 EheG 8 – eheliches Gebrauchsvermögen 97 EheG 5 ff – Ehewohnung 97 EheG 4 ff, 10, 15 – Opt-in, opt-out-Modell 97 EheG 4 – Rechte Dritter 97 EheG 3 – richterliche Nachkontrolle 97 EheG 9 ff Wahlkindschaft 10 EheG 1 ff wechselbezügliches Testament 1217 ff ABGB 21 wechselseitiges Testament 1217 ff ABGB 20 Wegweisung 92 ABGB 25; 382b–382e EO 1 ff – Abgabestelle 382b–382e EO 147 – Angehörigenbegriff 382b–382e EO 1, 10 – Angriff 382b–382e EO 25 ff – Anhörung des Gegners 382b–382e EO 61, 79, 98 ff – Antragsvorbringen 382b–382e EO 92 ff – Aufenthaltsverbot 382b–382e EO 54 – Aufhebung der EV 382b–382e EO 131 ff – Aufhebungsantrag 382b–382e EO 78 – ausländisches Sachrecht 382b–382e EO 16 – Benützungsregelung 382b–382e EO 52 – Bescheinigungsmittel 382b–382e EO 106 ff – Besitzstörung 339 ABGB 18; 382b–382e EO 50 – Betretungsverbot 382b–382e EO 140 ff – Beweiswürdigung 382b–382e EO 125 – dringendes Wohnbedürfnis 382b–382e EO 44 ff – Drohung 382b–382e EO 28, 34 – Ersatzwohnung 382b–382e EO 43 ff – Fahrlässigkeit 382b–382e EO 27 – Geltungsdauer der EV 382b–382e EO 69 ff – Gewaltbegriff 382b–382e EO 24 ff – Gewaltschutzzentrum 382b–382e EO 44 – Hauptverfahren 382b–382e EO 68 ff – Interessenabwägung 382b–382e EO 58 ff, 67
Kinder 382b–382e EO 57, 64, 137 Kontaktverbot 382b–382e EO 55 Kosten 382b–382e EO 112 Mietwohnung 12 MRG 24 Milieu 382b–382e EO 21 Neuerungsverbot 382b–382e EO 78 Provokation 382b–382e EO 37 psychische Krankheit 382b–382e EO 21, 23 – Psychoterror 382b–382e EO 30 ff – Rechtsmittel 382b–382e EO 122 ff – Regelungszweck 382b–382e EO 3 – Selbsthilfe 382b–382e EO 50 – Sicherheitspolizeigesetz 382b–382e EO 140 ff – Teilausweisung 382b–382e EO 42 – Überprüfung des Betretungsverbots 382b–382e EO 148 – unmittelbare Umgebung 382b–382e EO 48 – Unschlüssigkeit des Antrags 382b–382e EO 93 – Unterlassungsexekution 382b–382e EO 129 – Unterlassungsklage 382b–382e EO 89 – Untersuchungshaft 382b–382e EO 13 – Unzumutbarkeit 382b–382e EO 17 ff – Verfahren 382b–382e EO 91 ff – Vergleich 382b–382e EO 7 – Verlängerung der EV 382b–382e EO 75 – Verschulden 382b–382e EO 23 – Vollzug der EV 382b–382e EO 128 – Widerspruch gegen EV 382b–382e EO 78, 117 ff – Zusammenleben 382b–382e EO 10 f – Zuständigkeit 382b–382e EO 91 – Zustellung der EV 382b–382e EO 115 – Zuwiderhandeln gegen die EV 382b–382e EO 84; 382g EO 25 Weiterbildungskosten 94 ABGB 165 Weiterversicherung in der Krankenversicherung 8 BSVG; 8 GSVG Werbungskosten 94 ABGB 165 Werkwohnung 88 EheG 1, 9 Wert – des Fehlenden 91 EheG 2 – gemeiner 91 EheG 10; LebG – Beendigung 121 – -zuwachs LebG – Beendigung 119
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Wertanlagen
Wertanlagen 81 EheG 23; 82 EheG 23; 89 EheG 2 Wertausgleich 94 EheG 7 Wertermittlungsmethode 81 EheG 10 Wertpapiere 94 ABGB 168; 81 EheG 25 Wertschöpfung – überwiegende 82 EheG 9 Wertsicherung 94 EheG 13 Wertsteigerung 82 EheG 9 ff; 94 EheG 9 – fiktive 91 EheG 10 Wertveränderung 81 EheG 10, 28 f Wertverhältnis 94 EheG 8 f Wertzuwachs 81 EheG 28 – bei Dritten 81 EheG 29 Widerklage, internationale Zuständigkeit Art 4 Brüssel IIa-VO 1 Widerruf des Unterhaltsverzichts 94 ABGB 185 Widerspruch bei EV 382b–382e EO 78, 117 ff Widerspruchsrecht s Härteklausel Wiederannahme des früheren Namens 93a ABGB 1 ff Wiederaufnahmsklage 8 EheG 12; 49 JN 4 Wiederholung der Eheschließung 13 1. DVEheG 1 ff; 8 EheG 3; 21 EheG 5 Wiederverheiratung – des Unterhaltsberechtigten 75 EheG 1 ff – Eheauflösung 19 1. DVEheG 1; 45 EheG 1 ff; 88 EheG 11 f; 104 EheG 1 Willensmangel – bei Begründung der eingetragenen Partnerschaft 14 EPG 1 ff – der Aufteilungsvereinbarung 97 EheG 33 Wirtschaftliche Lage LebG – Beendigung 110 – des Unterhaltspflichtigen 94 ABGB 36 Wirtschaftsführung LebG – Beendigung 102 Wirtschaftsgeld 94 ABGB 203, 250, 296 Wirtschaftsgemeinschaft LebG – Allgem 15 Witwen(Witwer)pension nach Scheidung 102 ÄrzteG 1; 258 ASVG 1 ff; 18 BBPG 1; 127 BSVG 1 ff; 136 GSVG 1 ff; 36 HVG; 37 KOVG 1; 54 NVG 1; 19 PG 1 ff; 50 RAO 1 ff; 29 ZTKG – Anspruchsvoraussetzungen 258 ASVG 4
– außergerichtliche vertragliche Unterhaltsverpflichtung 258 ASVG 22 f – Erlöschen des Anspruchs bei Wiederverheiratung 265 ASVG 1 f; 21 PG 1 f – Höhe 264 ASVG 1 ff; 136 BSVG; 145 GSVG; 55 NVG – Privilegierung des schuldlos geschiedenen Ehepartners 258 ASVG 32 ff; 50 RAO 1 – Scheingeschäft 258 ASVG 16; 54 NVG 2 – Unterhaltsbedarf 258 ASVG 24 ff – Unterhaltstitel 258 ASVG 4 ff – Versorgungsbezug 18 BB-PG 1 – Wiederverheiratung 265 ASVG 1 ff; 21 PG 1 f Witwen(Witwer)rente nach Scheidung 215 ASVG 1 – Höhe 215 ASVG 2 f – Privilegierung des schuldlos geschiedenen Ehepartners 215 ASVG 5 Wochengeld 94 ABGB 45 „Wohlbestehenkönnengrundsatz“ Vor 81 EheG 4; 83 EheG 2, 4, 20; 94 EheG 5 Wohnbedarf – des Ehegatten 94 ABGB 6; 97 ABGB 15 ff; 81 EheG 22; 82 EheG 31 f – des gemeinsamen Kindes 82 EheG 33 f – dringender 97 ABGB 15 ff; 382 Abs 1 Z 8 lit c EO 6; 382b–382e EO 38 ff; 382h EO 8; 12 MRG 12; 14 MRG 43 ff Wohnbeihilfe 94 ABGB 45, 202 Wohngemeinschaft LebG – Allgem 13 Wohnkosten 94 ABGB 171; 97 ABGB 5, 10, 29 Wohnrecht 97 ABGB 1 ff Wohnung sa Ehewohnung Wohnungnahme – eingetragene Partner 9 EPG 2 – Verfahrenskosten 78 AußStrG 32 f Wohnungsbenützungskosten 94 ABGB 237, 254, 258, 261 ff Wohnungseigentum 97 ABGB 12; 86 EheG 5; 87 EheG 4; 13 WEG 1 ff – gemeinsames Wohnungseigentum 13 WEG 1 ff; s auch Eigentümerpartnerschaft – Verfügungen 90 EheG 3 ff
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Zuständigkeit
Wohnungserhaltungsanspruch 97 ABGB 1 ff; 9 EPG 1 – Anhörung des Gegners 382h EO 26 – Anspruchsgefährdung 382h EO 12 – Anspruchshöhe 97 ABGB 31 ff – Anspruchsinhalt 97 ABGB 27 ff; 382h EO 13 – Aufteilungsverfahren 97 ABGB 49, 51 – ausländisches Sachrecht 97 ABGB 5 – Aussperren aus der Wohnung 97 ABGB 27 – Auszug aus der Wohnung 97 ABGB 17 – Besucher 97 ABGB 8 – dringendes Wohnbedürfnis 97 ABGB 15 ff; 382h EO 10 – Drittwirkung 97 ABGB 39 ff; 382h EO 7 – Ersatzwohnung 97 ABGB 16 ff – erzwungener Wohnungsverlust 97 ABGB 52 – Ferialsache 97 ABGB 38 – Gefährdungsbescheinigung 382h EO 23 – Gutgläubigkeit 97 ABGB 39 – Insolvenz 97 ABGB 59 – Kinder 97 ABGB 7 – Kreditraten 97 ABGB 29 – Leistungspflichten 97 ABGB 29 – Mietzins 97 ABGB 29 – Mitmieter 97 ABGB 13 – Räumungsklage 97 ABGB 1, 7, 48 – Rechtfertigungsklage 382h EO 8 – Rechtsmissbrauch 97 ABGB 45 – Rechtsweg 97 ABGB 36 – Regelungszweck 97 ABGB 1; 382h EO 6 – Rückabwicklung 97 ABGB 43 – Schadenersatz 97 ABGB 35, 42 – Scheidung 97 ABGB 49; 382h EO 9 – Schlechtgläubigkeit 97 ABGB 39 f, 50 – Sicherungsmittel 382h EO 16 – Tod des verfügungsberechtigten Ehegatten 97 ABGB 48 – Unschlüssigkeit 382h EO 25 – Unterhaltsanspruch 97 ABGB 2 – Unterlassungspflichten 97 ABGB 28 – Verfügungsberechtigung 97 ABGB 12; 382h EO 4 – Verkauf der Wohnung 97 ABGB 27, 43
– – – –
Verwirkung 97 ABGB 45 Verzicht 97 ABGB 44 Wegweisung 97 ABGB 46 Wohnbedarf 97 ABGB 15 ff; 382h EO 10 – Wohnkosten 97 ABGB 9 ff, 34; 382h EO 13 ff – Wohnung 97 ABGB 14; 382h EO 3 – Zahlungspflichten 97 ABGB 10, 29 – Zwangslage 97 ABGB 52 – Zwangsversteigerung 97 ABGB 26 Wohnungsschlüssel 97 ABGB 8; 339 ABGB 27; 382b–382e EO 152 Wohnungsservitut 87 EheG 5 Wohnungsverlegung 92 ABGB 7 ff – Interessenabwägung 92 ABGB 7 ff – Kindeswohl 92 ABGB 7 – Scheidungsverfahren 92 ABGB 28 f – Verfahren 92 ABGB 24 ff – Vorfrage 92 ABGB 27 Zahlungsplanraten 94 ABGB 174 ff Zerrüttung 49 EheG 3; 55 EheG – unheilbare Zerrüttung 49 EheG 6 – vertiefende Zerrüttung 49 EheG 3, 8 – Zerrüttungskausalität 49 EheG 11 f Zeugungspflicht 44 ABGB 21 Zeugungsunfähigkeit 44 ABGB 21 Zinsen 98 EheG 21 – Erträgnisse 94 ABGB 201 – Verzinsung Ausgleichszahlung 94 EheG 13 – Verzögerungszinsen 94 EheG 13 Zivildienstentgelt 94 ABGB 46 Zivilrechts-Mediations-Gesetz 99 EheG 3 Zivilteilung 86 EheG 2 Zugehöreigenschaft 82 EheG 19 Zugewinnsausgleich Vor 81 EheG 6; 82 EheG 3 Zulagen 94 ABGB 51 ff Zurücknahme der Klage 460 ZPO 43 Zurücknahmefiktion 460 ZPO 24 Zusatzeinkommen 94 ABGB 40 Zuschläge 94 ABGB 50 Zuständigkeit – Aufenthaltsverbot 382b–382e EO 91 – Aufteilungsverfahren Vor 81 EheG 2 – außerstreitige Eheverfahren 93–96 AußStrG 1
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Zustimmung (konkludente)
– Ehescheidung 49 JN 4; 76 JN 1 ff; 114a JN 1 f – Mitwirkung im Erwerb 98 ABGB 1 – Oppositionsklage 49 JN 2 – Stalking 382g EO 17 – Unterhalt 49 JN 1; 76a JN 1 ff, s auch internationale Zuständigkeit, Ehescheidung – Unterhaltsverfahren 94 ABGB 330 ff; 66 EheG 29 – Wegweisung 382b–382e EO 91
– Wohnungserhaltungsanspruch 382h EO 21 Zustimmung (konkludente) 91 EheG 2 Zuwiderhandeln gegen die EV 382b–382e EO 84; 382g EO 25 Zwangslage 97 ABGB 52 ff; 97 EheG 33 Zwangsmittel 460 ZPO 4 ff Zweifelsregel 82 EheG 6 Zwischenentscheidung im Außerstreitverfahren 93–96 AußStrG 59; 94 EheG 16
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