Kristiane Allert-Wybranietz
Du sprichst von Nähe
Verschenk-Texte von Kristiane Allert-Wybranietz mit Illustrationen ...
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Kristiane Allert-Wybranietz
Du sprichst von Nähe
Verschenk-Texte von Kristiane Allert-Wybranietz mit Illustrationen von Sylvia von Braun Ulrike Heyne Solveig Ullrich
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
15. Auflage Copyright © 1986 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München und Ferenczy Verlag A. G. Zürich Printed in Germany
Umschlagzeichnung: Sylvia von Braun, München Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Gesamtherstellung: Ebner Ulm ISBN 3-453-02295-5
Du sprichst von Nähe Du sprichst von Nähe und ich spüre sie auch. Ich frage: Wie nah kann Nähe sein? Da ist ein Punkt, an dem kein Platz mehr ist für Zwei, da ist einer dem anderen im Weg und ZWEI bleiben wir immer.
Kristiane Allert-Wybranietz wurde 1955 in Obernkirchen (Niedersachsen) geboren und lebt heute in Auetal-Rolfshagen. Mit ihren Verschenk-Texten wurde sie die erfolgreichste Poetin der achtziger Jahre.
Warum ich schreibe
Ich wurde 1955 geboren – und versuche bis heute, nicht alles als »gegeben« hinzunehmen, sondern dem Leben auf der Spur zu bleiben. Das bringt natürlich viele Konflikte mit sich, Konflikte der unterschiedlichsten Art, aber auch viel Freude, viel Lebenswertes. Dies alles verarbeite ich in intensiven Gesprächen und – ganz allein für mich – in Tagebuchaufzeichnungen. Diesen Weg des Schreibens habe ich 1973 für mich entdeckt. Während der Aufzeichnungen und nur dann entstehen die Texte, die als Verschenk-Texte vorliegen.
Die Veröffentlichung dieser Texte geht über deren eigentliche Bedeutung für mich hinaus. Es ist mein Wunsch und meine Hoffnung, mit den Texten wenigstens einen kleinen Beitrag dazu zu geben, diese eingefrorene Welt, in der wir uns alle bewegen und bewegen müssen, ein kleines bißchen aufzutauen. Denn Starre ist bekanntlich tödlich. Immer wieder werde ich in den Medien als »Lyrikerin« bezeichnet. Aber ich verstehe mich in erster Linie und in allen Konsequenzen als Mensch: Das ist eine Aufgabe für ein ganzes Leben.
Abseits der großen Straßen Denkst du auch manchmal, es müsse doch einen Weg geben, auf dem wir gemeinsam gehen ein kleines Stück vielleicht… …auf dem es keine Sperren und Fallgruben gibt für Gefühle.
Vielen gewidmet Du bist wie eine Schallplatte. – Wenn man dich auflegt, dann spielst du deine Lieder und genauso läßt du dich eintüten und beiseite stellen, bis man dich wieder hervorholt. Die vielen Kratzer, die dir durch unsanfte Behandlung entstanden, haben deine Musik verändert. Sie klingt nicht mehr so schön und rein, wie anfangs. Lerne deine eigene Melodie wieder zu spielen.
Eine Beziehung wächst Wir fädeln stets mehr Perlen auf unsere Kette. Sie wird länger und länger, faszinierend schön - unser gemeinsames Werk.
Nur dürfen wir niemals die Verschlußvorrichtung anknoten, denn dann würde sie sich schliefen… und wo sollten wir weiterfädeln?
Liebeserklärung Damals, als wir uns das erstemal trafen, ahnte ich nicht, wieviel du mir eines Tages bedeuten würdest. Ich ging an dir vorbei, wie an einer Losbude, – kein Interesse am Spiel – von der der Hauptgewinn zuwinkt. Doch es führte mich zurück vom Hauptgewinn, zu dir, – nur ein Spiel ist es heute nicht mehr.
Für einen, den ich sehr gern mag Unsere Blicke treffen sich, wir reden miteinander, unsere Hände berühren sich und unsere Lippen küssen sich – hin und wieder. Aber wir können keinen Rastplatz finden zum Aussteigen, zum Ausruhen auf unserem Weg.
Wir sind Zugvögel, die mitgerissen werden vom Schwarm. Mal fliegen wir nebeneinander, – und dann wieder trennen uns unzählige Flügelschläge.
Vom Schreiben – in eigener Sache – Durch das Leben fühle ich mich oftmals voll wie ein Schwamm. Dann muß ich mich ausdrücken.
Du sprichst von Nähe Du sprichst von Nähe und ich spüre sie auch. Ich frage: »Wie nah kann Nähe sein?« Da ist ein Punkt, an dem kein Platz mehr ist für Zwei, da ist einer dem anderen im Weg und zwei bleiben wir immer.
Gewachsen Jede Kritik, egal von welcher Seite, aber Kritik an mir, zerfraß mir einst das Selbstvertrauen wie Säure den Stein. Heute weiß ich, ich kann und möchte gar nicht jedem gefallen und werde immun gegen diese Säure.
Freundschaft auf der schiefen Bahn Schlimm ist es, wenn mein Wagen in der Achterbahn nach steiler Auffahrt hinabsaust ins Tal und die Menschen, mit denen ich die Fahrt begann, noch gerade fröhlich lachte, schnell abspringen und im Sicherheitssprungtuch mir kopfschüttelnd nachsehen. Dann wird mir kalt und die Tränen in meinen Augen kommen nicht nur vom scharfen Fahrtwind.
»Heimliche Liebe« – resigniert – Du rufst nicht an, dabei hätte ich dir soviel zu sagen, doch ob wir nun zusammen sprechen oder schweigen: irgendwann steht sowieso wieder jemand auf der Leitung.
Beobachter aus dem Fernsehsessel Sie verurteilen »die oben« – ungeprüft; Sie verurteilen »die unten« – ungeprüft und wähnen sich selbst in der Mitte, steril und ohne echten Standpunkt.
Da fragt mich jemand, ob ich nicht auch einmal über Tagesthemen schreiben möchte… Ich hörte, was er zu sagen hatte zum Tag und war überzeugt, ich schreibe davon: immer wieder Schwäche, Angst, Unsicherheit und Machtstreben – tief innen – verpackt in Tagesthemen.
Optische Täuschung Oftmals fragen sie, »was ich studiert habe« und die verblüfften Gesichter, wenn ich sage, ich sei völlig unakademisch, sind manchmal sehenswert. Zur Schule jedoch bin ich gegangen
und lernte dort wenig vom wirklichen Leben. Was hätte da die Uni genutzt. Schlimmstenfalls wäre ich heute akademisch verbildet, was wenig zu tun hat mit im Bilde zu sein – in Sachen Leben.
Erfahrung ist keine Frage des Alters, der Jahre; – sie ist eine Frage der Intensität und der Freiheit bzw. Unfreiheit, mit der du auf dieser Welt warst.
Gefangen in dem, »was sein soll« – für K. – Du bist wie ein zugeklebter Briefumschlag, der nicht verschickt und nicht geöffnet wird, weil ihn niemand zur Post bringt. Schlimm, abwarten zu müssen, bis man geschickt wird und nicht mehr den Mut haben, selber zu gehen.
Starre Weltbilder oder Veränderungen Manche Vorstellungen sitzen fest wie angerostete Schraube Es ist schwer, sie zu lockern, aber nicht unmöglich.
Schlimmer als das oftmals mühselige Erneuern ist das Rosten, die Zerstörung.
Ein anderer Du siehst zu, wie ein anderer geschlagen wird. – Wärst du der Geschlagene, würdest du den Umstehenden vorwerfen, sie hätten dir nicht geholfen? Du schweigst, wenn ein anderer unrecht erfährt. – Wärst du der Unrechterfahrende, würdest du den anderen klagen, niemand habe für dich Recht gesprochen? Du hast genug zu tun, wenn ein anderer um Hilfe bittet – und bist betrübt, erregt, wenn niemand dir als Hilfesuchendem die Hand reicht? Du bist auch ein anderer für die anderen.
Vorläufiger Abschied Sich umarmen, einander festhalten für Minuten. – Dann bist du gegangen, und doch immer noch hier.
Sehnsucht (Paket folgt) Seit wir uns weniger treffen können, sammelt sich immer mehr, was ich dir geben möchte. Mein Herz gerät schon in Bedrängnis, denn Gefühle sind ja weder stapelbar, noch gerade pflegeleicht. …morgen werde ich aufs Postamt gehen und in den Beförderungsbestimmungen unter »Liebe verschicken« nachsehen lassen…
Für F. Zwei Fotos habe ich von dir; –
mit den schweren Steinen der Sehnsucht…
die schaue ich oft an und werfe damit in meinem Gefühlsglashaus
… schon sind die dünnen Vergessensscheiben zersplittert.
Entdornte Rosen werden heute längst gezüchtet. Sie sind nicht natürlich, aber bequem; sie stechen nicht.
Du hast mir meine Fehler und Schwächen – aus deiner Sicht – aufgezählt und gewünscht, daß ich sie ändere… So kam unser Abschied – zwangsläufig –, denn deine Rose ohne Dornen wollte ich nicht sein.
Psychosomatische Beschwerden Wenn der Spiegel, der dich dir zeigt, zerschlagen, zersplittert oder blindgeworden ist, benötigst du andere, die dir ihren Spiegel halten, um dich überhaupt zu sehen – gut oder schlecht -. Dann ist nicht nur deine Freiheit fort, sondern auch Du bist fast verschwunden. Setze deinen Spiegel wieder zusammen oder putze ihn blank.
Ehe »Bis daß der Tod euch scheidet!« Gilt auch der Tod der Gefühle?
Sehnsucht Schade, daß du nicht hier bist. Ich friere hier am warmen Ofen, finde es viel zu laut in dieser Stille. Im Haus knackt es, was sonst vertraut, bedrohlich; und selbst das Licht der Lampe wirft heute Dunkelheit. Ich finde, sogar die Blumen lassen ihre Blätter hängen und ihre Blüten sind verschlossen, so als ob sie schmollen. Ich trinke guten Wein und schmecke nichts als Flüssigkeit, und bald fallen mir die Augen zu, doch finde ich keine Ruhe, meine Gedanken sind zu laut in dieser Stille hier. Jetzt dein Lächeln sehen, deine Stimme hören und spüren, du bist da.
Buchmesse 85 – Empfangseinladung – Wenn ich mich so umschaue, bin ich versucht, mich zu üben, im wichtig und berühmt Herumblicken. Wenn ich tiefer schaue, bleibt wichtig und berühmt ganz nett, aber Menschlichkeit ist doch etwas ganz anderes. Alles nur Fassade?!
Vegetative Dystonie Arbeiten, Verpflichtungen, Aufträge läßt kaum wer unerledigt liegen. Sich selbst lassen sehr viele Menschen liegen… was sie dann wiederum »erledigt«.
Schwache Momente Es gab Zeiten, da wollte ich aussehen wie jene Frau, wollte Haare haben wie eine bestimmte Schauspielerin, wollte wirken wie jene Dame, wollte so vieles, nur mich nicht. Heute mag ich mich nicht mehr tauschen. …nur manchmal noch, dann würde ich gerne aussehen wie… das sind schwache Momente.
Ein Ulklied oder Fahrkarte zum Magengeschwür Wir sind gebildet und sind clever und selbstverständlich ach so wichtig… doch in der Nacht, wenn du alleine bist, dann zieht der ganze Zirkus noch einmal an dir vorbei und da steht sie auf einmal, die Frage: ob es wohl jemand gemerkt hat, daß auch ich meine Fehler habe? Waren wohl die Schwächen gut kaschiert, die Falten unter den Augen, verdeckt vom Make-up eines Images? Ob sie jemand gemerkt hat, die Sturheit meines Geistes, die Not meiner Seele, versteckt unter brillanten Reden? Hat meine Sicherheitsfassade gehalten oder hat irgendwo diese verdammte Unsicherheit rausgeschaut, und glaubt man dem Gradmesser meiner Wichtigkeit…
oder sieht man irgendwo zwischen Bügelfalte und neuer Lederkrawatte doch meine Zweifel.
Angst Diese 1000 Ängste, die dich peitschen, lähmen deinen Lebensbaum. – Du traust dir nicht, die Äste in die Sonne zu ragen, du fürchtest, aus der Tiefe Wasser zu saugen mit deinen Wurzeln. So bleibst du klein und kraftlos. Unauffällig stehst du abseits, während man große, kräftige Bäume fällt, die so waren, wie du gern wärst. Und ein Angstring mehr schließt sich um deinen glatten Stamm, als du hörst: »Der mußte weg, der war uns im Weg!« Laß dich nicht fangen von der Angst
Nur ein Tag Du kannst an einem Tag viel machen, viel Freude spüren und am Leben teilnehmen.
Die meisten allerdings lassen sich mit »Alltag« entschuldigen. – entschuldigt vom Leben?
Wo bist Du? Du hast viele Worte gesprochen, die andere dir in den Mund gelegt haben. …hast du schon deine Worte gesagt? Du hast vieles gesehen, worauf andere dich aufmerksam machten. …hast du schon mit deinen Augen geschaut?
Du hast vieles gemacht, was andere so tun. …hast du schon dein Herz machen lassen? Du hast viel gefühlt, wie andere sagen, man fühle so. …hast du schon einmal dich gespürt?
Fertiggemacht Du spürst keine Tränen mehr. – Und deinen Freudenbeutel raubten sie dir leer; dafür füllten sie den Weh-Tu-Sack. Deinen Hoffnungsspiegel, in den du manchmal schautest, zerschlug einer, der sich Freund nannte. – Fertiggemacht – Dein Lebensmut ist verschüttet unter den vielen aufgegebenen Stunden. Grab ihn aus! Wehr dich!
Für W. Du wirkst auf mich wie ein Schauspieler, der seine Rolle perfekt spielen will; – und (fast) alle bewundern dich und applaudieren und keiner glaubt (dazu spielst du zu überzeugend), daß auch du Geborgenheit brauchst, Schwachsein können möchtest und oftmals einsam bist. Gehst du denn nie von der Bühne?
Straßenzustandsbericht Meine Gefühle sind auf dem Glatteis deiner Sprachlosigkeit ins Schleudern geraten. Welcher Schaden dabei entstand, ist noch nicht abzusehen.
Man fragt mich, »Warum schreibst du keine Gedichte gegen den Krieg«? Gegen den Krieg Gedichte schreiben! Was macht so ein Gedicht machen ein paar Worte aus im Inferno der Waffen! Ein Gedicht macht nicht unverwundbar. Ein Gedicht stillt keinen Hunger! Ein Gedicht läßt keine Kanonen verstummen, stoppt keine Panzer, und Sprengköpfe kannst du damit auch nicht entschärfen; und zu manchen Zeiten ist ein Befehl immer noch mehr »wert« als ein Gedicht. So hisse ich heute meine Fahnen für das Leben. Wenn jeder glücklich ist, träume ich, braucht niemand den Krieg.
Ein Wort zur Umwelt Stellen wir uns vor, auf der Erde landen Wesen von fernen Planeten. – Es bräuchte niemand in Panik zu geraten; landet man nämlich an der »richtigen« Stelle (davon gibt es genug),
würde man ins Raumschiff flüchten und verschwinden. Daheim heißt es im Reisebericht: »unbewohnbar« und die Akte »Erde« wird abgelegt.
Keine falschen Versprechungen Laß uns unsere Liebe leben und nicht nur Zukunft planen. Wenn ich auch nicht versprechen kann, »auf ewig dein zu sein«, so ist es doch schon Wert, allein uns die Hände zu halten. Heute!
Viele Worte, große Gesten, schickes Aussehen, großer »Freundeskreis«, tolles Auto und »in« sowieso, alles hochgestylt… du müßtest dich zufrieden fühlen! Nur eines paßt nicht: Die Sehnsucht in deinen Augen.
Lieblosigkeit Einkaufen im Supermarkt. Eine genervte Mutter schreit ihre Kinder an. Gehetzte Gesichter. Tote Gesichter. Vergrämt. Kein Leuchten in den Augen trotz des tollen Warenangebotes. Ein Ehemann sagt »Los komm…!« (»Alte« verschluckt er wohl) zu seiner Frau, die sinnierend vor der Truhe für Fleischwaren steht. Einkaufswagen mit ihren derzeitigen Eigentümern blockieren die Gänge; Menschen schieben die vollen Wagen als seien sie allein hier; keiner lächelt, niemand wagt ein freundliches »Darf ich mal vorbei«, sondern drängelt sich durch den Warenhausdschungel. Einkaufen im Supermarkt – eine Bagatelle in allem Handeln auf dieser Welt und doch so bezeichnend für viele, viel wichtigere Handlungen in diesen Tagen: Lieblosigkeit
Du – für K. – Du schlägst ein wie eine Bombe.
deine Explosionskraft bleibt aus.
Doch eine Detonation erfolgt nicht,
Du bist entweder gefesselt oder leer.
Enttäuschung Ich habe den ganzen Tag auf dich gewartet. Jetzt – am Abend – stopfe ich mir aus Entschuldigungen und Möglichkeiten ein Kissen der Erträglichkeit. Ich gab mir alle Mühe und doch ist es ungemütlich hart. …ich kann mich nicht vertrauensvoll hineinschmiegen.
An einen Alkoholiker In deinen Tagen wird es nie richtig hell. – Dein Morgen dämmert vor sich hin, mittags beginnt schon die Dunkelheit. Deine Worte werden bitterer und das Leuchten in deinen Augen, das ich ab und zu sah, verliert sich immer mehr. Dein Gesicht spiegelt dein Leben wider. Dein Gesicht ist leer.
Eine Geschichte Es war wirklich nicht mehr zu übersehen. Sie wurden weniger. Zügig hatte ihre Zahl und gewaltig ihr Einfluß in den letzten Jahren abgenommen. So wurde beschlossen, eine Versammlung abzuhalten, um die Lage zu besprechen. Landaufwärts, landabwärts verbreitete sich die Nachricht, daß es ein Treffen geben sollte, schnell, und so strömte in jener Nacht ein ganzes Heer von Gefühlen zum Versammlungsort; ein ganzes Heer von Gefühlen, das sich unterdrückt, verdrängt, überspielt, versteckt, abgewiesen, ausgenutzt und auch diskriminiert fühlte. Es soll an dieser Stelle einmal erwähnt werden, daß es grundsätzlich zwei Arten von Gefühlen gibt. »Sicher«, höre ich jetzt so manchen sagen, »gute und schlechte!« So wird es auch oft dargestellt und ich meine, daß diese Bewertung und Einordnung einmal eines der Themen auf der Tagung der Gefühle sein sollte. Richtig ist, daß es zwei Arten gibt. Jedoch nicht »gut und schlecht« bilden den unterschied, sondern »echt und unecht«. Die Versammlung, zu der in jener Nacht die Gefühle zusammenströmten, war ein Treffen der echten Gefühle, kurz »die Echten« genannt. Ihre Aufgabe und Wirkung besteht darin, den Menschen wirklich lebendig sein zu lassen. Wenn ein Mensch seine echten Gefühle kennt, akzeptiert und den Mut hat, zu ihnen zu stehen, damit leben zu können, fühlt er sich stabil, wohl und gut. Das ist nicht mißzuverstehen: Es gibt durchaus Konflikte in solch einem Leben. In jüngster Vergangenheit breiteten sich ganz massiv »die unechten« aus und schienen immer mehr Anklang zu finden, also die Gefühle, die eigentlich nur Ersatz für die echten waren.
Natürlich waren an diesem Abend der Echten auch Spione von der anderen Seite vertreten: Sie sollten Informationen sammeln, um so gegebenenfalls Maßnahmen der Gesellschaft der Echten rechtzeitig unterwandern zu können. Für einen unechten war es eine Leichtigkeit, sich unter die Echten zu mischen, da die Ersatzgefühle Meister in der Fähigkeit sind, als echt daherzukommen. Doch nun wollen wir einmal hören, was es auf der Versammlung zu besprechen gab. Eines der Echten eröffnete den Abend: »Liebe Mitgefühle! Kaum einem von uns ist entgangen, daß wir, die echten Gefühle, immer weniger mit den Menschen zusammenkommen, angenommen werden und wirken können. Die unechten, dieses scheinheilige Gesindel, dagegen sind gut im Geschäft. Sie mußten sich sogar dringend vermehren, um den Bedarf decken zu können. Auch haben sie äußerst erfolgreich eine Kampagne gegen diejenigen von uns durchgebracht, die nicht angenehm erscheinen und deshalb oft als negativ abgetan werden. Da werden mir die Geschwister Wut und Ärger, das Selbstvertrauen, der Ehrgeiz ebenso wie die Trauer, die Angst und Furcht und viele andere zustimmen; eben all jene, die angeblich nicht mehr gesellschaftsfähig und ›angebracht‹ sind. Laßt uns gemeinsam überlegen, ob wir etwas tun können, damit die Menschen tiefer fühlen, uns akzeptieren und dadurch auch selbst echter werden.« Es wurde eine lange Nacht. Nach diesen einleitenden Worten meldete sich ein Gefühl zu Wort, groß und mächtig von Statur, jedoch verhärmt und verunsichert in der Ausstrahlung. »Ich bin Stellvertreter für die Wut. Wie unser liebes Mitgefühl einleitend ganz richtig sagte, haben wir Wutgefühle immer weniger Gelegenheit, zum Ausbruch zu kommen. Wir können, ebenso wie
der Ärger, den Menschen noch so sehr quälen, bedrängen, – oftmals kommen wir damit nicht durch, überall hört man auch, der Mensch soll sich ›im Griff haben‹, sich ›zusammenreißen‹, nur keine ›Blöße‹ zeigen usw.« Hier gab es zustimmendes Gemurmel und Applaus, denn die Wut hatte einen sehr wichtigen Punkt angesprochen, der fast allen Gefühlen Schwierigkeiten machte. Durch die allgemeine Zustimmung sichtlich ermuntert, setzte die Wut ihre Rede fort: »Meine Konkurrenten Zerstreuung, Unehrlichkeit, Heuchelei und wie sie alle heißen, machen mir schwer zu schaffen. Aber besonders besorgt bin ich darüber, daß ich unsere allerhärtesten Gegner immer häufiger antreffe…« Hier machte die Wut, deren Rede immer flammender wurde, eine bedeutungsvolle Pause. »Immer mehr begegne ich bei den Menschen der Angst mit all ihren Varianten im Schlepptau; von der Feigheit über die Ungerechtigkeit bis hin zu Selbstaufgabe und Resignation. Wenn ich auch noch so heftig tobe, so gelingt es den Menschen doch erstaunlich oft, mich zu unterdrücken und wegzustecken, und es würde euch schaudern, wüßtet ihr, wie viele darauf auch noch soooo stolz sind…« »Stolz sind! Das glaubst du doch wohl nicht wirklich! Meine liebe Wut, wenn ich auch all deinen bisherigen Ausführungen zustimmen kann, hier muß ich einhaken«, meldete sich hocherhoben ein Vertreter des Stolzes. »Wir wissen wohl alle, daß es sich hier um den falschen Stolz handelt, der von den unechten so eifrig angepriesen wird. Wirklichen Stolz kennen doch nur die wenigsten.« »Sicher, da muß ich dir zustimmen«, räumte die Wut ein. »Ich habe mich etwas ungenau ausgedrückt. Auch mir ist lange kein Mensch mehr begegnet, der wirklich stolz war. Wie ich schon sagte, sind die meisten angepaßt.« »Und«, so fuhr die Wut fort, »das Ärgste ist, ich bin sicher,
daß die meisten Menschen, die so weit von ihren echten Gefühlen entfernt sind, sich gar nicht wohl fühlen.« »Da kann ich nur zustimmen, leider…«, meldete sich ein sehr zart und zerbrechlich anmutendes Gefühl zu Wort. »Ich bin die Liebe«, sprach es, »und wenn ich euch erzähle, was die Menschen mir und damit sich selbst antun, wird noch deutlicher, wie schlimm und bedenklich die Situation ist. Fast immer, wenn ich auftauche, ist das ja – das wird hier niemand abstreiten – ein erfreuliches Erlebnis. Wie oft werde ich herbeigesehnt, gewünscht und sogar besungen. Aber bald schon – und oft stehe ich fassungslos davor, wie schnell – gibt es Probleme, Probleme, die daraus entstehen, daß die meisten Menschen mich gar nicht richtig verstehen. Liebe verspüren heißt für viele, Ansprüche stellen zu können, den anderen formen und lenken zu wollen, ihm Vorschriften machen zu können usw. Naja, ihr kennt das ja alle. Es gibt Tausende von Varianten, die die Menschen erfinden, um sich zu quälen. Und so fühle ich mich manchmal machtlos und gerupft durch die Eifersucht und die daraus entspringende Unehrlichkeit und Intrige. Diese Scheingefühle haben die unechten ja nur zu gut eingeführt.« Die Stellvertreterin für die Liebe machte eine Pause und tat einen tiefen Seufzer. »Ihr könnt bestimmt nachfühlen, wie mir zumute ist, wenn ich bei zwei Menschen erwacht bin und wenn sie mich dann – nach all den Phasen der Eifersucht, der Gewöhnung, der Unehrlichkeit und Feigheit – zerstören, und sollten sie sich abfinden, dann fristen sie ihr Leben in Anpassung und Selbstaufgabe nebeneinander her vor dem Fernsehgerät, oft angefüllt mit Alkohol und Tabletten oder anderen Drogen. »Meine liebe Liebe«, sagte da eine leise, aber doch auffallend feste Stimme. »Du sprichst bei diesen Menschen von ›sich abgefunden haben‹ und von ›Selbstaufgabe‹. Wenn dem wirklich so wäre, dann wäre das ja nicht so schlimm,
aber im allgemeinen herrschen auch hier die unechten. Es handelt sich um die Resignation und auch um die Lüge. Was den Alkohol, die Tabletten und all den anderen Ersatz betrifft, gebe ich dir natürlich recht«, seufzte die Demut. »Wie sollten sie es denn auch sonst aushalten«, warf die Enttäuschung ein. »Ihr glaubt kaum, wie oft wir, gerade wir, die Enttäuschung, der Schmerz, die Trauer und die Wut, durch diese Mittelchen verdrängt werden sollen!« »und dann glauben die Menschen auch noch, sie hätten mich erreicht«, maulte die Zufriedenheit. »Nichts haben sie erreicht, außer billigem Ersatz und Selbstbetrug«, fügte sie unzufrieden hinzu. So ging es die ganze Nacht hindurch. Die Spitzel von der Gegenseite machten sich eifrig Notizen.
Der Egoismus beschwerte sich lang und eindringlich über die Diskriminierung, die ihm seit langem widerfuhr: »Wenn die Menschen aus lauter Angst vor mir nur noch sich anpassen, gegen sich leben und dann zwangsweise hinterhältig und intrigant werden, kann ihnen das ja letztendlich einfach nicht guttun. Wie oft stehe ich dem hilflos gegenüber«, endete er schließlich leise. Die Zuneigung, die Verantwortung, die Geborgenheit, der Haß, die Neugier und der Ekel, sie alle meldeten sich zu Wort. Nur noch die lange Rede des Selbstvertrauens will ich wiedergeben. Was die anderen zu berichten hatten, wissen wir eigentlich alle selbst: Wir wissen es, wenn wir ganz ehrlich zu uns sind. Der Stellvertreter für das Selbstvertrauen war der vorletzte Redner. »Liebe versammelte Gefühlswelt«, begann er vorsichtig. »Es soll keine Protzerei sein, aber ihr wißt alle, welchen Stellenwert ich in unserer Welt und bei den Menschen habe. Oftmals bedarf es erst meiner, damit andere Gefühle eine echte Basis, eine Chance haben – und der Mensch auch.« Hier gab es wieder einmal Zustimmung. Das Selbstvertrauen, seines Standes gerecht werdend, brauchte diese zwar nicht, freute sich aber doch darüber und fuhr fort: »Weil ich und alle meine Kollegen aber so wichtig sind, begegnet uns ein relativ neues Problem: Die Gegenseite hat uns zu einem Modewort kreiert. Das hat ausgesprochen fatale Folgen. Wir wissen alle, daß viele Menschen, um uns als Gefühl aufzubauen, manchmal Hilfe von anderen brauchen. Das ist sehr ernst zu nehmen. Seit aber die Unechten es geradezu modern gemacht haben, Selbstvertrauen zu üben, Selbstverwirklichung zu suchen, Selbstbehauptung zu trainieren oder wie immer sie das nennen und verpacken, gibt es ein solches Überangebot an angeblichen Wegen zum ›Seelenheil‹ und ein solches Durcheinander, daß die Menschen überhaupt nicht mehr Bescheid wissen und vom echten Selbstvertrauen sehr weit entfernt sind oder ihnen manchmal der letzte Rest geraubt wird.
Die unechten verdienen daran sehr gut und stellen einfach alle wirklich echten Bemühungen, Selbstvertrauen zu erlangen, als veraltet hin. Es ist sogar soweit gekommen, daß Menschen, die wirklich Hilfe suchen (Hilfe brauchen ja noch viel mehr), sich verunsichern lassen und nun auch bald meinen, Selbstvertrauen könne man ihnen einsetzen wie einen Herzschrittmacher oder wie Zahnersatz einbauen oder aufkleben wie ein Abc-Pflaster. Und schon sind diese Menschen wieder da, wo sie schon einmal gescheitert sind, sie legen die Verantwortung für ihr Wohlbefinden in andere Hände… und wo, bitte, bleibe ich da!?« schloß das Selbstvertrauen. Wie schon gesagt, es wurde eine lange Nacht. Die Gefühle, so unterschiedlich sie auch sind, kamen am Ende überein, daß sie es auf keinen Fall noch einmal riskieren wollten, die Menschen für eine Nacht zu verlassen, um weitere Versammlungen abzuhalten. Wie Beobachter berichteten, war zuviel in dieser Nacht passiert, als die Menschen einmal ohne echte Gefühle waren. Gott sei Dank war es nur eine Nacht, aber die Verantwortung trat ganz entschieden dafür ein, daß ein weiteres Treffen ein zu großes Risiko sei, weil die Menschen damit völlig von den Gefühlen verlassen seien. Angst und Furcht malten daraufhin beeindruckend aus, was hätte geschehen können, hätte dieses Treffen tagsüber stattgefunden. Somit hatte die Hoffnung das Schlußwort: »Wenn wir Echten uns nur in der Nacht wegstehlen können und uns sicher sind, es gäbe eine Katastrophe, wären wir einen Tag nicht da, dann können wir sicher davon ausgehen, daß die unechten uns zwar kurzfristig ersetzen können, auf Dauer aber nie. Dazu sind wir zu tief im Menschen verwurzelt.
Wir Echten gehören einfach zum Menschen und in diese Welt. Wir sind nicht unter den Tisch zu diskutieren, und wir müssen uns verstärkt durchsetzen, bei den Menschen konsequent bemerkbar machen, damit sie aufwachen und ihre Chancen wahrnehmen. Manchmal wird es ihnen wehtun, und sie werden lange brauchen, bis sie uns wieder zulassen und unseren Wert erkennen, und sie werden zu kämpfen haben mit denen, die länger schlafen und sich den unechten hingeben. Aber ich bin sicher, daß wir letztendlich den Sieg davontragen…«, so endete die Hoffnung. Sie erhielt Beifall, wenn auch nur geteilten. Und ebenso geteilt war die Stimmung, als sie langsam auseinanderströmten. Der Morgen graute. Viele waren sich nicht sicher, ob sie sich durchsetzen können, weil die Konkurrenz durch die unechten sehr groß war. Andere vertrauten auf ihre Ursprünglichkeit, die einfach Gültigkeit hat. Einig jedoch waren sie sich, daß sie als Gefühle dem Menschen zwar beistehen können, daß sie aber nicht allein für ihn und sein Wohlbefinden verantwortlich sind. Das ist der Mensch mit seinem Verstand im gleichen Maße. Und gerade auch dieser Verstand ist ein ernstzunehmender Gegner, wenngleich er ursprünglich als Partner der Gefühle gedacht ist. Die Unechten gehen jedoch in der Regel über den Verstand. Sie hatten das Denken des Menschen schon zum Teil erobert; was ein weiteres Hindernis für die Gefühlswelt darstellt. Die Gefühle trennten sich mit dem festen Vorsatz, sich weiterhin in den Menschen bemerkbar zu machen und niemals aufzugeben. Hast du es auch schon gespürt!?
Unfähig, ehrlich zu sein Ich habe geweint, und alle sahen Lachtränen in meinen Augen, weil ich nach außen hin lachte. Ich habe geschwiegen, und alle dachten, ich habe nichts zu sagen, während es in mir schrie. Ich habe geliebt, aber du konntest es nicht wissen, da ich dir Belangloses erzählte, während in mir die Wellen der Liebe an den Klippen der Angst zerbrachen.
Momentaufnahme Da stehe ich nun mit meinem Glück. Ich kann es nicht halten, nicht einrahmen, in keiner Schachtel verpacken, um es einmal wieder hervorzuholen. Ich muß es wohl jetzt aufnehmen, so tief es mir möglich ist: den Duft, den Klang und – manchmal auch – den bitteren Beigeschmack.
Wir haben uns aus(einander)geredet Die ganze Macht haben wir geredet. – Die Worte liegen im Raum; ihn füllten sie und die Stunden, aber nicht uns. Ahnungslos und innerlich grau gehe ich fort, zentnerweise die Worte liegen lassend.
Angstzustände »Du brauchst keine Angst zu haben; wir sind ja bei dir«, sagt ihr. Das ist es ja gerade; Ihr seid mehr bei mir als ich selbst.
Begebenheiten Gestern in einer Kneipe haben sich Zwei geschlagen. Dem einen paßte dies und jenes nicht, was der andere tat. Im Grunde ging es ihn auch nichts an. Beide betrunken. Zuschlagende Fäuste, verzerrte Gesichter, sich schnell einmischende Dritte, Vierte, Fünfte… gegen andere erhobene Barhocker, zum Schlagen bereit, wütende Schreie: »Ich bringe dich um…« Wer sprach da vom Weltfrieden? Eine Bekannte traf ich nach längerer Zeit wieder. Sie erzählte von ihrem Mann: Er habe gestern mit einer Flasche Weinbrand intus das Wohnzimmer auseinandergenommen. Vorherige Woche – auch in Alkoholstärke und Wut – habe er die Küche demoliert und – sie geschlagen. Wer sprach da vom Weltfrieden? Ein Mädchen kam heute zu mir; aufgeregt und mit roten Stellen am Hals. Sie war am Abend vorher um 22 Uhr zu Hause gewesen. Ihre Eltern waren wütend und der Meinung, es wäre für sie
– 17 Jahre – viel zu spät und sie wäre sowieso zuviel »weg«. Ihr Vater hat sie geschlagen. Abgehauen ist sie durch das Küchenfenster. Wer sprach da vom Weltfrieden?
Gern wäre ich manchmal ein Wind; ich würde hinüberwehen zu euch.
Ganz sanft und zart zum einen; stürmisch und hart zum anderen.
Gern wäre ich manchmal ein Wind; so würde ich euch berühren.
Im Traum Du versuchtest, eine Antwort zu finden und hast den Wind gefragt, warum er weht. Du hast seine Antwort nicht verstanden. Du hast die Bäume gefragt, warum sie da sind. Sie wußten es nicht. Du fragtest die Tiere, welche Aufgabe sie haben. Sie sprachen nicht deine Sprache. Dann gingst du zu den Menschen und fragtest, warum sie leben. Du warst erschrocken über die hohe Zahl derer, die nicht einmal mehr lebendig waren.
71er Spätlese Beziehungen sind wie der Wein. Sie steigen mir in den Kopf – manchmal, und wenn es zuviel war oder ein schlechter Wein, fühle ich mich alt und übel. Und von den guten Weinen schmeckt keiner wie der andere.
Nach all den Jahren kommst du wieder und möchtest da beginnen, wo wir aufgehört haben. Ich probiere wieder deine Nähe, fühle mich wohl und spüre Zuneigung. Aber Liebe? Ich fürchte, dieser Zug ist abgefahren, irgendwo in der Vergangenheit angekommen. Für unsere Liebe ist schon lange Endstation.
Negative Gedanken Dein Kopf ist voller Unkraut: Unsicherheit, Angst, sich selbst nichts zutrauen, Fragen nach Wenn und Aber… Wie soll da das kleine Pflänzchen Selbstvertrauen wachsen können, in diesem Gewucher, von negativen Gedanken.
Abschließend – für K. – Alle deine Beziehungen hast du bislang nach dem gleichen Muster gehäkelt; nur leider ergibt das bei mir nur Luftmaschen.
Luftmaschen sind so dünn, daß ich damit friere. Solche »Stricksachen« wärmen mich nicht.
Zum Leben explodieren Ein wirklich lebendiger Mensch kann sein wie ein Feuerwerk… sprühend, beeindruckend, verpuffend, hell, zischend, sanft, mit Fehlzündungen und brillanten Effekten; – die meisten kommen mir vor wie nasse Knallfrösche.
Wenn ich träume, dann tue ich Dinge, die mir gefallen. Dann gelingen sie mir. Wenn ich wach bin, dann weiß ich, sie würden mir auch in der Realität gelingen, wäre da nicht diese kleine Unsicherheit und Angst, die mich immer wieder stolpern läßt, bevor ich überhaupt auf dem Weg bin. Mutiger werden!
Unterdrückung erfolgt nicht nur durch Stärke, Kraft. Unterdrückung geschieht genauso oft durch Schwäche, Abhängigkeit,
für die die Stärkeren dann verantwortlich gemacht werden. Wie bequem!
Selbstbetrug Es liegt oft ganz allein in meiner Hand, etwas zu tun, etwas nicht zu tun, etwas zu ändern, etwas zu belassen, doch zu gern zerstückele ich das Anliegen und verteile es
– Stückchen für Stückchen – in vielermanns Hände, so daß jetzt die Verantwortung – scheinbar – nicht nur in meinen Händen liegt und lege diese dann abwartend in den Schoß.
Am Ende einer Angst Lange Jahre habe ich mich angepaßt, habe alles getan, um zu gefallen. Hauptsächlich erforderte das »mich-zurecht-stutzen«. Und dann – plötzlich scheinbar – konnte ich aus eigener Kraft nicht mehr fliegen. Jetzt lasse ich mir langsam Flügel nachwachsen, stutze nicht mehr und beginne zaghaft erste Flugversuche. Doch nun erzählt man mir von den Gefahren des Fliegens, den Möglichkeiten abzustürzen. Ist das Angst, ich könnte ihnen nun davonfliegen?
Ausgeträumt Ich wähle deine Rufnummer, die letzte mir bekannte. Eine nette Stimme sagt »Kein Anschluß unter dieser Nummer.« Ich wähle erneut: »Kein Anschluß unter dieser Nummer« und denke an dich, denke, wie recht sie doch hat, diese Dame von der Postansage.
Gemäß dem Protokoll Du bist heute fort in offizieller Zweisamkeit mit deiner Ehefrau. Ich bin allein. Doch es verletzt mich nicht so sehr, weil du inoffiziell viel ehrlicher, lebendiger und echter bist… …und dann wirst du mit mir sein!
Für H. Es gab Zeiten, da bewunderte ich dich. Doch mehr und mehr spürte ich, daß du durch gewandtes Reden eine Person aufbautest, darzustellen versuchtest, die Du aber nicht ausfüllen kannst. Wie oft wohl stehst du neben dir und schaust dir – traurig – zu?
Über 40 bist du, sagtest du und spielst mir ein Lied vor, in dem einer besungen wird, der mit 18 Träume und Ideale hat und jetzt mit 30 nichts mehr, nicht einmal mehr Hoffnung… und sagst: »Das bist du und schon über 40.« Hör auf, dich mit deinem Alter zu entschuldigen. Den Schlüssel zur Änderung trägst du in dir, aber er hängt anscheinend in dem Kästchen, vor das du den Bequemlichkeitsriegel geschoben hast und das inzwischen schon die Angst bewacht. Schließ dich auf.
Höre genau hin! Ebenso wie Kleider machen auch Worte Leute.
Heute redet er mit dir. Heute liebt er dich. Heute lebt er. Heute lacht er. Ein Mensch.
Winter einer Liebe
Und morgen…
Du sagst, die Straßenverhältnisse seien so schlecht, daß du nicht mehr kommen magst – heute abend.
auf Menschen gibt es keine Garantie.
Ich denke, unsere Verhältnisse sind noch schlechter als diese Ausrede.
Du funktionierst Schwer zu sagen, was du fühlst, wie du dich fühlst. – außer Zweifel, du machst deine Sache, du hast dich im Griff; – hoffentlich ist es kein Würgegriff. Du wirkst manchmal so kurzatmig.
Abschließend »Sehnsucht« war auf deinem Blatt in meinem Lebensbuch notiert. Jetzt haben wir uns wiedergesehen,
das Blatt weiter beschriftet, und dort steht nun zu lesen: »Erledigt«.
Für so viele Trockenschwimmer Über Gefühle ist sehr viel geschrieben worden, sehr viel nachzulesen; doch wer meint, damit genug getan zu haben, irrt und übt sich nur in Theorie. Gefühle müssen gelebt werden.
Ehrgeiz – völlig mißverstanden – I Du möchtest später erfolgreich sein, wie man es dir nahelegte. Du lernst und studierst, du strebst und gewinnst. Du siehst nicht die Knospen und zarten Blüten des Frühlings. II Nun hast du Erfolg. Du hast einen »Namen«. Du schuftest und kämpfst, du hetzt und organisierst, deinen Erfolg zu halten. Du bist der Chef. Du spürst nicht den Duft der Sommerblüten in deinem prächtigen Garten. III Jetzt sitzt du im Lehnstuhl. Dein Name verwelkt. Du fragst dich, wofür du gekämpft hast und mußt vielleicht erkennen, daß du nur Eisblumen geerntet hast, die jetzt, da du alt bist, schmelzen.
Den Anschluß nicht verpassen oder Zwischen den Generationen Menschliche Empfindungen ändern sich im Laufe der Geschichte – letztendlich – kaum. Viele verpassen, den Zug noch einmal zu besteigen,
weil sie meinen, an dem Ziel schon einmal gewesen zu sein. Sie vergessen, daß die Art zu reisen zählt, und wundern sich über Generationskonflikte
Deutschland heute Als zivilisiertes und industrialisiertes westliches Land geben wir mit großen Gesten Entwicklungshilfe in die Länder der Dritten Welt. Dabei hätten wir sie selbst so nötig, Entwicklungshilfe; allerdings solcher Art, die man mit Geldern nicht schaffen kann. Mitmenschlichkeit.
Abschied von dir Diese Wege, die wir gemeinsam gingen im Wald, am See, in der Stadt, zu jeder Jahreszeit. Diese Wege, die unsere Hände fanden, streichelnd über das Haar, den Körper des anderen, so oft. Diese Wege, die wir einander mitteilten, was wir wie und wo machen, ändern könnten – – sollen die jetzt für immer gesperrt sein – für uns?
Ade Wir teilen die Zeit, die du »erübrigen« kannst; – nach Abzug aller Pflichten und Wünsche fallen für mich die »Pausen« ab. …doch dein Pausenclown will ich nicht mehr sein. Deshalb »siehe oben«.