Drei gegen Za'Ibbisch
Der Quaddin-Körper erwacht zum Leben - und
seine Botschaft ist tödlich von Peter Terrid
Atlan ...
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Drei gegen Za'Ibbisch
Der Quaddin-Körper erwacht zum Leben - und
seine Botschaft ist tödlich von Peter Terrid
Atlan - Held von Arkon - Nr. 164
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Was bisher geschah Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v.Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbana schol III, ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII tö ten ließ, um selbst die Herrschaft übernehmen zu können. Auch wenn Or banaschol seine Herrschaft gefestigt hat – einen Gegner hat der Imperator von Arkon besonders zu fürchten: Atlan, den rechtmäßigen Thronerben und Kristallprinzen des Reiches, der nach der Aktivierung seines Extrahirns den Kampf gegen die Macht Orbanaschols aufgenommen hat und den Sturz des Usurpators anstrebt. Im Zuge dieser gegen Orbanaschol und seine Schergen gerichteten Un ternehmungen führen Atlan und seine Freunde und Kampfgefährten die Suche nach dem legendären »Stein der Weisen«, dem Kleinod kosmischer Macht, hinter dem auch Orbanaschols Leute her sind, mit aller Energie fort. Sie sind in Eile, denn sie wollen den Vorsprung wettmachen, den der Blin de Sofgart, Orbanaschols Beauftragter, jüngst errungen hatte. Und sie ha ben bei ihrer Suche auf dem Planeten Gebharon das Glück, zwölf Organe des mysteriösen Quaddin-Körpers zu finden. Nun aber geht es um das Zentralorgan, das sich auf dem Planeten Za'Ibbisch befinden soll. Atlan, Fartuloon und Ra, der Barbar, wollen es mit den Gefahren der be rüchtigten Schwarzen Welt aufnehmen – sie sind die DREI GEGEN ZA'IBBISCH …
Die Hautpersonen des Romans:
Allan - Der Kristallprinz besucht die Schwarze Welt.
Fartuloon und Ra - Atlans Kampfgefährten und Begleiter.
Morvoner Sprangk - Kommandant der KARRETON.
Der Blinde Sofgart - Der Folterkönig meldet sich.
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1.
»Hübsch!« knurrte Fartuloon. »Wirklich hübsch! Wer auf diesem Planeten freiwillig landet, hat seine Sauerstofftanks nicht mehr ganz gefüllt!« Die Bemerkung des Bauchaufschneiders traf ins Schwarze, und das in doppeltem Sinne. Unter uns lag Za'Ibbisch, der sechste Planet des Schwarzen Systems. Obwohl unser Beiboot in einem extrem niedrig gehaltenen Orbit um den Planeten kreiste, war von der Welt nichts zu sehen. Ein pechschwarzer Planet auf einem ebenso schwarzen Hintergrund war für die Normalopti ken einfach nicht erfaßbar. Lediglich die Tatsache, daß die Maschinen des Beiboots die unzweifelhaft vorhandenen Anziehungskräfte Za'Ibbischs neutralisieren mußten, bewies uns, das es unter uns überhaupt ein materi elles Objekt in Planetengröße gab. Auf dem Bildschirm des Massetasters war der Ball allerdings sehr deutlich auszumachen. Was die Landung betraf, so hatte Fartuloon ebenfalls recht. Schwarze Welten waren in Raumfahrerkreisen gefürchtet; kaum eine Landung hatte je dazu geführt, daß die gelandeten Raumfahrer auch wieder aufgestiegen waren. Meist hatten die Kommandanten der Mutterschiffe vergeblich auf die Rückkehr ihrer Beiboote und deren Besatzungen gewartet. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, welche Gefühle jetzt Morvoner Sprangk bewegten, von dessen KARRETON wir vor einiger Zeit gestartet waren. Ich saß auf dem Sitz des Piloten, neben mir hatte Fartuloon Platz ge nommen, und hinter uns wartete Ra darauf, daß endlich etwas geschah. »Wir werden landen!« bestimmte ich. »Und zwar mit gefüllten Sauer stoffflaschen!« »Fartuloons Warnung ist berechtigt!« warnte mein Extrahirn. Daß eine Landung auf Za'Ibbisch nicht ungefährlich war, hatte ich mir schon vorher ausrechnen können. Dieser Planet stellte ein weiteres Teil stück auf dem Weg zum Stein der Weisen dar, und ich wußte, daß auf die sem Weg die Männer Orbanaschols uns ein Stück voraus waren. Es war durchaus möglich, daß man uns auf Za'Ibbisch eine Falle gestellt hatte. Während ich noch überlegte, wo wir landen sollten, tasteten die Instru mente des Beiboots die Oberfläche des Planeten ab. Der Infrarottaster hat te gezeigt, daß Za'Ibbisch keineswegs ein toter Planet war; die Hitzestrah lung bewies, daß sich im Innern der Welt der gleiche Glut- und Feuerball befand wie in Abermillionen anderer Planeten. Die Oberfläche war ziem lich kühl, allerdings nur auf der Seite, die der Sonne abgewandt war. Dort, wo das Sonnenlicht eigentlich hätte reflektiert werden müssen, lag die Temperatur weit über dem Nullwert. »Dort unten lebt irgend etwas!« meinte Ra und deutete auf einen Moni
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tor; der Bildschirm zeigte die aufbereiteten Meßdaten der Energietaster. Über den Schirm zogen schemenhafte Konturen, ein Meer aus freier Ener gie schien über Za'Ibbisch zu branden. »Der weitaus größte Teil der Energie tobt sich im technologischen Be reich aus!« verkündete Ra. »Das läßt auf höher entwickeltes Leben schließen!« stellte der Logik sektor fest. »Die Wahrscheinlichkeit, daß es sich bei Za'Ibbisch um einen ehemaligen Varganen-Planeten handelt, steigt um zwölf Punkte!« Fartuloon hatte inzwischen die Normaloptiken umgeschaltet; langsam ließ er die Aufnahmegeräte das gesamte sichtbare und einen großen Teil des nicht sichtbaren Spektrums durchwandern. Langsam begannen sich auf den Schirmen Konturen abzuzeichnen. Daß es sich um Kunstprodukte handelte, war auf den ersten Blick er sichtlich. Die regelmäßigen Formen vieler Erhebungen ließen zweifellos auf den planenden Einfluß denkender Wesen schließen. Was genau sich aber auf der Oberfläche von Za'Ibbisch befand, ließ sich nicht ausmachen. Die Konturen waren grob verzerrt, man konnte nur schwache Umrisse von Gebäuden und Anlagen entdecken. »Wenn man mich fragt«, meinte Ra düster, »ich würde noch nicht lan den. Za'Ibbisch sieht alles andere als vertrauenerweckend aus!« »Ich kann Ra nur zustimmen!« warf Fartuloon ein. »Wir sollten erst mit der KARRETON den Planeten gründlich aus dem Raum erkunden, bevor wir eine Landung versuchen!« Ich warf ihm einen fragenden Blick zu. »Und woher nehmen wir die Zeit zu einer gründlichen Analyse?« er kundigte ich mich sarkastisch. »Vergeßt nicht: Orbanaschol ist uns offen bar ein Stück voraus. Wir müssen diesen Vorsprung aufholen; andernfalls kann ich den Versuch, den Tyrannen zu stürzen, für alle Zeiten aufgeben!« Fartuloon grinste spöttisch. »Wenn du erst als weißgrauer Staub auf dem Planeten umhertreibst«, meinte er ironisch, »hast du überhaupt keine Chancen mehr. Glaubst du, ich habe dich mißratenes Balg jahrzehntelang hochgepäppelt, um jetzt zu zusehen, wie du sämtliche fein ausgedachten Pläne mit deinem jugendli chen Übermut zunichte machst?« Ich mußte wider Willen grinsen; für die harte Erziehung, die der Bauch aufschneider mir hatte angedeihen lassen, war der Ausdruck hochpäppeln wohl kaum das richtige Wort. Ich machte der Diskussion ein Ende, indem ich den Kurs des Beiboots änderte. Langsam sank das Boot der unsichtbaren Oberfläche des Planeten entgegen. »Fartuloons Ratschlag wäre unter Berücksichtigung aller bekannten Daten besser gewesen!« stellte der Logiksektor erbarmungslos fest.
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Ich kümmerte mich nicht um den Einwand; nur mit Logik war dem Pro blem nicht beizukommen. Ich vermutete auf Za'Ibbisch den Schlüssel zum Geheimnis des Quaddin-Körpers, und ich war fest entschlossen, diesen Schlüssel zu finden und auch anzuwenden. Ursprünglich hatte ich beab sichtigt, die zwölf bereits aufgespürten Organe des rätselhaften Körpers an Bord des Beiboots bringen zu lassen. Dann aber hatte ich mich entschlos sen, wenigstens diesen Trumpf zurückzubehalten. Fartuloon deutete auf seinen Bildschirm. »Hier würde ich landen!« sagte er knapp; grinsend fuhr er fort: »Wenn ich landen würde!« Der Punkt, den er bezeichnete, wies eine besonders große Dichte an Ge bäuden auf. Wenn, was zu vermuten war, die alten Varganen ebenso nüch tern und zweckdienlich dachten wie Arkoniden, dann mußte sich an die sem zentralen Punkt der noch fehlende Teil des Quaddin-Körpers befin den. Und auf dieses fehlende Teilstück kam es mir an. Während das Beiboot langsam auf den Planeten herabsank, analysierte Fartuloon das Landegebiet. Wie zu erwarten war, hatte Za'Ibbisch keine meßbare Atmosphäre. Das bedeutete, daß wir uns auf dem Planeten nur in unseren Kampfanzügen bewegen konnten. Vorsorglich hatten wir genü gend Reserven mitgenommen, um uns nötigenfalls mehrere Tage lang dort aufhalten zu können. Ein leichter Ruck ging durch das Beiboot, als wir auf dem Planeten auf setzten. Ich schaltete die großen Scheinwerfer des Beiboots ein und leuch tete die Landschaft rings um das Boot aus. Es war tatsächlich etwas zu sehen; zwar schluckte der Planet den wei taus größten Teil des Lichtes, aber der Rest reichte aus, um uns einigerma ßen deutlich erkennen zu lassen, wie die Oberfläche des Planeten beschaf fen war. »Za'Ibbisch strahlt weniger als ein Prozent der auffallenden Lichtmenge zurück!« meldete sich mein Extrasinn. Ich hatte es schon bemerkt. Unter normalen Umständen hätte man mit den Bordscheinwerfern ein riesiges Landefeld ausleuchten können. Auf Za'Ibbisch gelang es uns nur, ein Umfeld von knapp zwanzig Metern Durchmesser einigermaßen zu erhellen; ohne die besonderen Umstände des Planeten hätte dazu eine große Kerze ausgereicht. Hinzu kam, daß nur dort etwas zu sehen war, wo der Scheinwerferstrahl direkt auf den Boden auf traf; der Rest der Landschaft verblieb im Dunkel. »Kein Wunder bei einem völlig atmosphärelosen Planeten!« kommen tierte mein Logiksektor. Ich warf einen Blick auf das Kombigerät am rechten Handgelenk; da wir die Anlagen des Beiboots weitgehend desaktiviert hatten, konnte ich darauf die Eigenschwerkraft des Planeten ablesen. Die Anziehung
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Za'Ibbischs lag knapp über dem Wert, den ich gewohnt war; der Unter schied war zu gering, um uns belästigen zu können. »Steigen wir aus?« erkundigte sich Ra. Routiniert, als habe er sich schon Jahrzehnte im Raum herumgetrieben, hatte Ra den Kampfanzug angelegt, die Verschlüsse arretiert und mit pein licher Sorgfalt sämtliche Kontrollen überprüft. Er vergaß auch nicht die Ladeanzeige seiner Waffen, mit denen er besser umzugehen verstand als jeder andere an Bord der KARRETON. Arkoniden bekamen frühestens mit sechzehn Jahren eine scharfe Waffe in die Hand; von Ra wußte ich, daß er mit Waffen hantiert hatte, seit er gehen konnte. Dieser Trainings vorsprung war selbst in hundert Jahren nicht aufzuholen, zumal es bei den Waffen, die Ra zur Verfügung gestanden hatten, darauf angekommen war, sofort mit dem ersten Treffer erfolgreich zu sein. Ich wandte mich zu Fartuloon um; auch der Bauchaufschneider war mit der Kontrolle seiner Ausrüstung fertig. Wir verließen die kleine Zentrale und öffneten die Schleuse. Es dauerte nur kurze Zeit, bis die starken Pum pen den Schleusenraum völlig geleert hatten, dann erst schwang das äuße re Schott auf. Fartuloon richtete den Strahl seines Handscheinwerfers auf die entstan dene Öffnung und murmelte einen Fluch. Der Strahl verschwand förmlich im Nichts; der Planet schien jedes Photon aufzusaugen. Ich stellte mich an den Rand der Schleuse; unter mir erkannte ich den schwachen Leucht kreis, der von einem der Bordscheinwerfer stammte. Ich schaltete den Gürtelantigrav kurz hoch und sprang auf den Boden; eine kleine Staub wolke wirbelte hoch, als meine Füße den Fels berührten. »Kannst du etwas sehen?« wollte Fartuloon wissen. »Wenig!« gab ich zurück. »Aber es reicht!« Vier bis fünf Schritte weit reichte der Strahl des Handscheinwerfers, dann wurde der Lichtschein so schwach, daß keine Einzelheiten mehr zu erkennen waren. Zwei Schritte weiter hätte ein Gegner mit entsicherter Waffe stehen können, ich hätte ihn nicht bemerkt. Während Fartuloon und Ra ebenfalls das Beiboot verließen, schaltete ich die Infrarotoptik meines Anzugs ein. Schlagartig änderte sich das Bild. Wo bislang völlige Dunkelheit ge herrscht hatte, waberte nun ein Meer aus Feuer, das von allen Seiten auf uns zuzurollen schien. Ich schaltete Filter dazu, solange, bis sich ein brauchbares Bild der Umgebung ergab. Das Beiboot war in einem Tal gelandet; wie weit die Felswände von uns entfernt waren, konnte ich nicht feststellen. Aber der Anblick der Felsen war im höchsten Maße beunruhigend. Das Gestein war von Adern durchsetzt wie erzhaltiges Material; deut lich waren die Schichtungen zu erkennen. Schwarz hob sich das taube Ge
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stein ab; dazwischen leuchtete es grell. Ströme flüssigen Feuers schienen durch den Fels zu wandern, bildeten Wirbel und flackerten wild. Eine kur ze Messung ergab, daß sich die Temperatur dieser Ströme nur geringfügig von der des schwarzen Gesteins unterschied, dennoch war die Leuchtkraft der Adern so stark, daß sie mich fast blendete. »Es sieht gefährlich aus!« murmelte Ra. Langsam ging er auf die Felsen zu, streckte die Hand nach einer der hel len Flächen aus. Im gleichen Augenblick flammte sein Schirmfeld auf; ei ne feurige Aureole umgab den Mann, schien ihn zu verschlucken. Nur noch ein grell leuchtender, ovaler Körper war zu sehen. »Ra!« schrie ich in das Helmmikrophon. »Ich komme nicht los!« keuchte der Barbar. »Ich klebe förmlich fest. Aber einstweilen ist es nicht lebensgefährlich – nur verdammt unange nehm!« Fartuloon sprang auf Ra zu und versuchte den Barbaren zu befreien; so bald er Ra berührte, verschwand auch er in einem irrlichternden Feuerball. »Strom!« brüllte er. »In den Adern fließt Strom. Lange werden wir das nicht aushalten!« Ich griff in den Gürtel; rasch änderte ich den Düsenquerschnitt des Bla sters, dann drückte ich ab. Breitgefächert raste der Strahl auf die beiden Männer zu, deren Körper hinter zuckenden Überladungen und Über schlagsblitzen verschwanden. Ich stellte den Blaster mit einer Fingerbewe gung auf Dauerfeuer und versuchte, genau zu zielen. Im Auftreffpunkt war der Strahl bereits so ausgedehnt, daß er die Schirmfelder nicht sonderlich belasten konnte. Aber die rein kinetische Wirkung war noch beträchtlich. Ich sah, wie Ra und Fartuloon von den Beinen gerissen wurden, gleichzei tig nahm die Intensität der leuchtenden Adern zu. Die Versuche, sich los zureißen, hatten die Auftreffwucht meiner Schüsse verstärkt – die beiden Männer flogen durch die Luft, überschlugen sich ein paarmal auf dem Bo den und blieben dann schwer atmend liegen. »Das war ziemlich knapp!« ächzte Fartuloon; er richtete sich langsam auf. »Ich glaube auch zu wissen, was es mit diesen Höllenfelsen auf sich hat!« »Ich höre!« sagte ich kurz, während ich die Waffe wieder verstellte und in meinen Gürtel steckte. »Alles einfallende Licht«, begann der Bauchaufschneider seinen Vor trag, »wird von den Felsen aufgenommen und in elektrischen Strom umge wandelt. Wozu diese gewaltigen Energiemengen allerdings gebraucht wer den, ist mir ein Rätsel!« »Wenn dies ein natürliches Phänomen ist«, ermittelte mein Extrahirn, »kennt man es bisher im Arkonreich noch nicht! Wenn diese Vorgänge künstlicher Natur sind, gehört ein Volk mit bisher unbekanntem technolo
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gischem Niveau dazu, einem Niveau, das weit über dem Arkons liegt. Ver mutlich stecken die Varganen dahinter!« Ich wußte nicht, ob ich mich über diese Analyse freuen sollte oder nicht. Die Suche nach den Varganen hatte nur dann Sinn, wenn dieses Volk über Techniken und Informationen verfügte, die wir noch nicht besa ßen. Der unangenehme Nebenaspekt war, daß die Varganen dann auch den Weg zu ihrem Volk mit entsprechend hochwertigen Fallen gespickt hatten. Der einzige, der sich darum nur wenig kümmerte, war Ra; ihn interessierte nur, wann er seine geliebte Ischtar wiedersehen würde. Der Barbar fluchte leise; er war beim Aufprall auf den Boden unsanft mit seinem Helmverschluß in Berührung gekommen. Während er sich ver arztete, machte Fartuloon eine Analyse der Energieader. Er grinste zufrie den, als er seine Untersuchungen beendet hatte. »Der gesamte Strom fließt dorthin!« erklärte er mir. »Und das ohne Ausnahme. Wahrscheinlich wird die Energie dort verwertet!« Er deutete mit der Hand auf den Ausgang des Tales; jedenfalls hatten wir bei der Landung feststellen können, daß der Bergeinschnitt dort in eine Hochebene mündete. Zu sehen war vom Talausgang natürlich nichts; die Finsternis auf Za'Ibbisch war undurchdringlich, sobald man aus den schar fumgrenzten Lichtkreisen der Scheinwerfer geriet. Ra hatte inzwischen den Schnitt in der Lippe mit einem Plasmapflaster verklebt, eine ziemlich schwierige Angelegenheit für einen Mann, dessen Bewegungsfreiheit von einem Raumanzug stark eingeengt wird. Wir schalteten die Antigravgeneratoren unserer Gürtelaggregate ein und stie ßen uns vorsichtig ab. Völlig geräuschlos schwebten wir durch die Dun kelheit; vor uns her wanderte das Licht der Handscheinwerfer über den felsigen Boden. Es war eine gespenstische Szenerie. Über uns flammte die Sonne des Schwarzen Systems; üblicherweise hätten wir uns jetzt im Licht der Mittagssonne bewegen müssen. Doch von dem Licht, das auf den Planeten strahlte, wurde nichts zurückgeworfen. Über uns eine hellstrahlende Sonne, um uns herum finsterste Nacht – in mir verstärkte sich das Gefühl, daß Za'Ibbisch mit einigen Teufeleien auf warten würde, die uns schwer zu schaffen machen konnten. Unsere Gürtelaggregate neutralisierten fast neun Zehntel der Planeten schwerkraft; wir machten daher weite Sätze, die uns rasch vorwärts brach ten. Um uns herum loderte das Feuer der Energieadern, das aber nicht aus reichte, um uns die Umgebung erkennen zu lassen. Bedienten wir uns aber nur der normalen Optiken, konnten wir leicht wieder mit den Energieströ men in Berührung kommen, und daran war keiner von uns dreien interes siert. Daher behielt Fartuloon die Wände des Tales im Auge, während Ra und ich uns auf den Lichtschein der Handleuchten beschränkten.
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»Mehr rechts, Ra!« bestimmte Fartuloon ab und zu; er korrigierte unse re Bewegungen, um eine Berührung der Talwände zu vermeiden. »Atlan, aufgepaßt – mehr nach links!« Auf diese etwas beschwerliche Art und Weise bewegten wir uns vor wärts; Ra bildete die Spitze, am Schluß hielt sich Fartuloon auf. Ab und zu hörte ich merkwürdige Geräusche in den Lautsprechern, die unverkennbar von Fartuloon stammen mußten. Erst nach einiger Zeit er kannte ich die Quelle der störenden Klänge. Der Bauchaufschneider hatte natürlich auch hier das Skarg umgeschnallt; jedesmal, wenn das Schwert das Metall des Gürtels berührte, gab es ein leises Klirren, das man wegen der fehlenden Atmosphäre nur über die Anzugmikrophone hören konnte. Ich grinste in mich hinein. Wenn es das Schicksal wollte, würde Fartu loon vielleicht eines Tages zu entscheiden haben – das Skarg oder Atlan. Manchmal überfielen mich Zweifel, über den Ausgang einer solchen Wahl. »Halt!« bestimmte Ra plötzlich. Ich hatte gerade die Füße auf den Boden gesetzt und stoppte rasch die Bewegung, die mich weiter vorwärts tragen sollte. Ich fiel vornüber und brauchte einige Zeit, bis ich mich wieder aufgerappelt hatte. Rasch stellte ich die normalen Schwerkraftbedingungen wieder her. »Vor uns ist etwas!« stellte Ra leise fest. »Wer sich auf einer Welt vorwärtsbewegt, hat immer etwas vor sich!« bemerkte Fartuloon spöttisch. »Was hat dein scharfes Barbarenauge er späht!« Ra zuckte mit den Schultern; die Bewegung war unter dem Kampfan zug kaum zu sehen. Langsam bewegte er den Handscheinwerfer kreisför mig vor sich; in immer größeren Bögen strich der Strahl durch die Nacht. Zu sehen war eine geraume Zeit lang nichts. Weder war der Strahl selbst zu erkennen – dazu hätte es einer Atmosphäre bedurft –, noch war ein Lichtfleck zu sehen. »Ich habe etwas gesehen!« beharrte Ra und ließ den Lichtstrahl weiter kreisen. »Ich bin doch nicht blöde!« »Eine kühne Behauptung!« spottete Fartuloon. »Ich kenne viele, denen es schwerfallen würde, dafür den Wahrheitsbeweis zu erbringen!« Endlich stoppte Ra seine Bewegung; weit vor uns hatte der Lichtstrahl ein Ziel gefunden. »Vorsicht!« warnte ich. »Auf diese Entfernung wird das Licht norma lerweise vom Planeten absorbiert. Wenn dort etwas die Photonen reflek tiert, wird es gefährlich!« Ra hielt den Scheinwerfer unablässig auf den gleichen Punkt gerichtet, auf den wir uns vorsichtig zubewegten. Langsam schälten sich Konturen aus dem Dunkel. Der Talausgang wurde bewacht.
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Die Kolosse waren mindestens zehn Mannslängen hoch. Sie hockten auf den muskulösen Hinterbeinen wie Raubtiere, bereit zum Sprung. Gedrun gen und kompakt wie die Beine war der ganze Körper, an dem zwei er staunlich arkonoide Arme mit feinmodellierten Händen zu erkennen wa ren. Das Gesicht zeigte extrem weit vorgewölbte Kiefer, breit und ausla dend wie das Maul einer Kröte; zwei große Augen waren zu sehen, die im Licht des Scheinwerfers tückisch glänzten. »Das Scheinwerferlicht wird normal reflektiert!« machte mich der Lo giksektor aufmerksam. Ein Gefühl von Unsicherheit begann sich in mir breitzumachen. Wir zählten insgesamt mehr als dreißig der Kolosse, die uns in einem weiten Ring umgaben. Jede einzelne der Figuren ruhte auf einem gewaltigen stei nernen Sockel; offenbar waren beide Teile in einem Stück aus dem Fels ringsum gehauen worden. Wir standen in der Mitte des fast kreisrunden Talkessels; durch einen Felsspalt hatten wir den Ring durchbrochen, der nur aus dem Innern zu er kennen war. Im Licht des Scheinwerfers zeigte sich, dem Eingang genau gegenüberliegend, ein weiterer Felsspalt, offenbar der Ausgang aus dem Kessel. »Steine!« sagte Ra verächtlich. »Nichts weiter als große Steine! Gehen wir weiter!« Ich stoppte ihn mit einer Handbewegung und wandte mich Fartuloon zu, der regungslos dastand und die Kolosse musterte. »Kennst du diese Gestalten?« wollte ich wissen. Fartuloon nickte bedächtig, dann sagte er: »Irgendwo habe ich diese Kolosse schon einmal gesehen. Ich überlege gerade, wo das gewesen sein kann!« Er machte ein paar Schritte auf die steinernen Wächter zu und betrach tete die Sockel; langsam ließ er das Licht des Scheinwerfers über die Flä che gleiten. Schriftzeichen waren zu erkennen, die aussahen, als seien es die Bußspuren eines betrunkenen Vogels. Nur ein Zeichen war so klar, daß es jeder Idiot begreifen konnte: weißlich bleckten uns die Zähne in einem gänzlich fleischlosen Schädel an. »Eine Warnung!« bemerkte Fartuloon. »Ziemlich unmißverständlich!« »Und wovor warnt uns der Stein?« wollte Ra wissen. »Ich weiß es nicht!« murmelte Fartuloon; der Ton der Besorgnis in sei ner Stimme war nicht zu überhören. »Aber ich glaube mich zu erinnern – eine ähnliche Gestalt habe ich auf dem Planeten Frossargon gesehen. Al lerdings war diese Gestalt beschädigt; sie stand in einer Wüste und war
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von den Temperaturschwankungen stark angegriffen. Wenn ich mich recht erinnere, heißen diese Steinriesen Prulths!« »Einen Namen haben sie nun!« meinte Ra höhnisch. »Wollen wir uns weiter mit Steinen beschäftigen, oder versuchen wir, das Zentralorgan des Quaddin-Körpers zu finden?« »Er hat recht!« stimmte ich Ra zu. »Machen wir uns auf den Weg!« Ra marschierte an der Spitze, gradlinig auf den Ausgang des Talkessels zu; hinter mir murmelte Fartuloon etwas, das ich nicht verstehen konnte. Ich drehte mich gerade zu dem Bauchaufschneider herum, um ihn zu fra gen, was ihn beschäftigte, als Ra einen Schrei ausstieß. Ich fuhr herum; der Strahl meines Handscheinwerfers fiel auf einen der Prulths; entsetzt sah ich, daß sich die steinernen Kolosse zu bewegen be gannen. Es schien, als wolle mir einer der Riesen zunicken, dann bewegte sich der häßliche Kopf weiter nach vorn und stürzte in die Tiefe. Ich sprang einen Schritt zurück, als der Kopf auf dem Fels aufprallte und barst. Kleine Eruptionen meines Schirmfeldes zeigten deutlich, mit wel cher Wucht die Reste des geborstenen Kopfes umherschwirrten. Der Vor gang war um so gespenstischer, da kein Laut zu hören war. Geräuschlos zerfielen vor unseren Augen die riesigen Statuen, bröckelten auf den felsi gen Boden. Ra reagierte als erster; in einer rasend schnellen Bewegung zog er seine Waffe und richtete sie auf einen der zerfallenden Kolosse. In der Höhlung des Unterkörpers tauchte ein Kopf auf, eine Reihe langer, blitzender Zähne blinkte zu uns herüber. Darüber sah ich zwei rotglühende Augen, die uns feindselig anstarten. »Nicht schießen!« rief ich in das Mikrophon. »Abwarten!« Noch konnten wir nicht wissen, was auf uns zukam. So schreckerregend die Gestalten auch aussahen, die in den Höhlungen der Prulths versteckt gewesen waren – das Aussehen eines lebenden Wesens kann niemals aus reichender Grund dafür sein, ohne weitere Umstände auf das Wesen zu schießen. Ra ging einige Schritte zurück, während immer mehr Prulths sich auflö sten und immer mehr der furchteinflößenden Wesen aus den Höhlungen krochen. Die Fremden waren fast zwei Meter hoch, besaßen schreckerre gende Gebisse mit dolchlangen Zähnen; an den vier ausgestreckten Glied maßen klappten mörderische Greifklauen, denen ich es ohne weiteres zu traute, einen Arm mit einem Zupacken glatt abzutrennen. Wir durften die Wesen nicht an uns heranlassen, denn gegen eindringende Materie halfen Schirmfelder nicht. Herumschwirrende Splitter konnten uns treffen, eben sogut Wurfgeschosse oder Pfeile. »Sie greifen an!« schrie Ra auf. In geschlossener Linie stürmten die Wesen auf uns zu; Ra, der von uns
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dreien am wenigsten an fremdartige Lebensformen gewohnt war, feuerte als erster. Sein Schuß traf einen der Angreifer in den Kopf; ich sah, wie der scharfgebündelte Strahl den Kopf durchschlug und einen zweiten An greifer am Arm traf. Beide Wesen ließen sich in ihrem Angriff nicht auf halten und drangen weiter vor. »Es sind Androiden!« ächzte Fartuloon. »Kunstwesen, bei denen man nie weiß, wo man sie tödlich treffen soll!« »Hindern wir sie einstweilen am Laufen!« schlug ich vor; in höchster Eile verstellte ich den Düsenquerschnitt. Der Strahl, der beim nächsten Schuß den Lauf verließ, war nur noch wenige Millimeter dick, dafür aber zwei Handspannen breit. Ich traf einen der Angreifer im Bauch; der Ober körper kippte nach hinten, während der restliche Körper noch einen Schritt machte und dann zusammenbrach. »Gut so!« meinte Fartuloon, während er seine Waffe ebenfalls umstell te. Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich Ra sehen; der Barbar stand ruhig und feuerte beidhändig. Jeder seiner Schüsse traf. Er fand auch als erster heraus, wo die angreifenden Bestien entscheidend zu treffen waren. Ein Treffer in die rechte Schulter ließ sie auf der Stelle zusammenbrechen. »Wir brauchen eine Rückendeckung!« schrie ich. Wenn wir weiterhin von allen Seiten angegriffen wurden, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis uns die Bestien zerfetzten. Ich überließ es Ra, meinen Rücken zu decken, während ich mich langsam, dabei pausenlos schießend, zurückbewegte, auf eine der geborstenen Riesengestalten zu. Erleichtert atmete ich auf, als ich den Widerstand des Sockels in meinem Rücken spürte. Von dieser Seite drohte einstweilen keine Gefahr. Zudem wurden die Angreifer gezwungen, zusammenzurücken; sie hin derten sich in ihrer Gier gegenseitig und erleichterten uns das Zielen. Fast jeder Schuß traf, wenn auch nicht jeder Treffer eine Wirkung zeigte. Bald türmte sich vor uns ein großer Haufen getöteter Androiden, die die noch Lebenden zusätzlich hemmten. In einer winzigen Kampfpause überprüfte ich meine Kontrollen; wie nicht anders zu erwarten war, bewegte sich der Sauerstoff verbrauch in höchsten Werten. Noch war kein Mangel zu be fürchten, aber unsere Reserven schmolzen langsam zusammen. Es war durchaus möglich, daß uns später im entscheidenden Augenblick die Luft buchstäblich wegblieb. »Narr!« kommentierte der Logiksektor. »Woher willst du wissen, ob es für dich überhaupt noch ein Später geben wird!« Der Extrasinn hatte recht, noch war die Schlacht nicht gewonnen. Schlimmer noch, die Zahl der Angreifer mehrte sich stetig. Immer mehr der angriffslustigen Bestien kamen aus ihren Verstecken und stürzten sich ohne Zögern in den Kampf. Immerhin war es für sie so schwer geworden,
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an uns heranzukommen, daß Ras und Fartuloons Strahler ausreichten, uns die Gegner vom Leibe zu halten. Ich nutzte die Gelegenheit und nahm die Reste der Prulths unter Beschuß. Glutflüssiges Gestein spritzte umher, als mein erster Schuß auf den Beinstummel eines Prulths traf; feurige Bäche liefen an dem Stein herab. Ein Gegner, der gerade sein Versteck verlassen wollte, geriet in mein Feuer und löste sich auf. Nach kurzer Zeit hatte ich den Rest des Kolosses derart zusammengeschmolzen, daß keine der Besti en, die vermutlich im Sockel und darunter steckten, ihr Versteck mehr ver lassen konnte. Dann machte ich mich daran, den nächsten Stein zu be schießen. Um uns herum hatte sich ein mehr als mannshoher Wall aus zerschosse nen Androiden gebildet; die Angreifer mußten über die Leichen ihrer Art genossen klettern, bevor sie nach uns schnappen konnten. Dieses unerwar tete Hemmnis schien sie so zu verwirren, daß sie eine leichte Beute für Fartuloons und Ras Strahler wurden. »Verdammte Kunstwesen!« schimpfte Fartuloon, während er in rasen der Eile ein Magazin wechselte. »Jedes intelligente Wesen hätte längst den Angriff abgebrochen, aber diese Retortenungeheuer greifen einfach weiter an, ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn wir Pech haben, steckt unter dem Felsboden eine komplette Fabrik für solche Bestien – dann können wir kämpfen, bis uns die Luft ausgeht!« Ganz ohne Sinn war die Bemerkung des Bauchaufschneiders nicht; aus den Prulths-Resten krochen immer neue Bestien hervor. Es waren ent schieden zu viele, als daß sie sich allesamt in den Sockeln hätten ver stecken können. Ich griff in den Gürtel und holte eine Thermobombe her vor; ich zog den Sicherungsstift, dann schleuderte ich die Bombe den An greifern entgegen. Ein Feuerball entstand zwischen den Bestien, loderte auf und vergrößerte sich; Dutzende der Angreifer verschwanden in der Glut und vergingen. Fast drei Minuten lang blieb die Thermobombe wirk sam, dann fiel sie ebenso rasch wieder zusammen, wie sie sich aufgebläht hatte. Eine zweite Bombe plazierte Fartuloon mit geschicktem Wurf am Sockel eines Prulths, als der Glutball verschwand, war von dem Koloß nur noch eine weißglühende Pfütze aus zerschmolzenem Gestein zu sehen. Thermobomben entwickelten in einem Umkreis von mehr als fünf Metern eine Hitze von mehr als zwölftausend Grad, im Zentrum kletterte der Wert bis auf das Doppelte. Nur hochverdichteter Arkonstahl konnte diesen Ge walten für beschränkte Zeit widerstehen. Die Thermobomben hatten nur einen kleinen Nachteil; nach dem Ziehen des Sicherungsstifts vergingen fünf Sekunden bis zur Detonation. Wenn man nicht sehr genau die Zeit abschätzte, explodierten die Bomben entwe der in der Hand des Werfers, oder es gelang dem Gegner, die Bombe zu rückzuwerfen.
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Während ich die Flugbahn einer weiteren von mir geworfenen Bombe verfolgte, hörte ich neben mir Fartuloon einen unterdrückten Schrei aus stoßen. Ich fuhr herum, dann sah ich, was den Bauchaufschneider er schreckt hatte. Vor unseren Augen begannen sich die getöteten Angreifer aufzulösen; grünliche Gasschwaden stiegen auf und trieben davon. Mit ra sender Geschwindigkeit verkleinerte sich der Wall aus toten Leibern, der uns bisher so wirkungsvoll vor den Bestien geschützt hatte. Es dauerte nur eine halbe Minute, dann waren sämtliche von uns getöteten Angreifer ver schwunden. Im gleichen Augenblick stürmten die Überlebenden mit neuer Wut auf uns ein. Sie kannten keine Rücksicht auf ihr eigenes Leben; mochten auch noch so viele unter unseren Schüssen sterben, der Rest griff unablässig an. Ich erschoß einen Gegner genau in dem Augenblick, als er seine spitzen Zäh ne in Fartuloons rechtes Bein schlagen wollte. Zum Dank nahm der Bauchaufschneider den Prulth-Rest unter Feuer, an dessen Sockel wir lehnten. Sein Schuß traf eine Bestie, die gerade aus der Öffnung kroch und nach dem Treffer lautlos umfiel. Kleine Eruptionen entstanden auf mei nem Schirmfeld, als unter Fartuloons Feuer flüssiges Gestein umherspritz te. Viel helfen konnte uns dies allerdings nicht; irgendeine unbekannte Schaltung mußte aktiviert worden sein. Es gelang uns nicht mehr, uns hin ter einem Ring aus toten Bestien zu verstecken. Im gleichen Augenblick, in dem die Angreifer einen Wirkungstreffer erhielten, begannen sie sich aufzulösen. »Es sieht düster aus!« stellte Fartuloon keuchend fest. Langsam begann der unerbittliche Kampf seinen Tribut zu fordern; un sere Herzen hämmerten, der Atem ging schwer, und die Anlagen unserer Kampfanzüge wurden bis zu den Grenzwerten damit belastet, den Schweiß aufzusaugen und abzuführen. Langsam stieg auch die Temperatur im Innern der Anzüge. Mein Blick fiel auf die gegenüberliegende Seite des Talkessels; auf dem Prulthsockel grinste uns noch immer der Totenschädel an. Es schien, als wolle uns das Zeichen verhöhnen. In einem plötzlichen Wutanfall richtete ich meinen Strahler auf das Gebilde und feuerte. Im gleichen Augenblick schrien wir drei überrascht auf. Selbst über die Normaloptik war zu erkennen, wie die Energieadern an den Wänden schlagartig aufleuchteten. Es dauerte nur wenige Sekunden bruchteile lang, dann legte sich über den Kessel ein Gewirr von sich über kreuzenden Blitzen. Von allen Seiten sprühten die Blitze aus den Adern über den Platz und schlugen in die Prulths ein. Auf unseren Feldschirmen waberte ein grelles Feuer, das uns völlig die Sicht nahm. Auf den Kontrol len tanzte die Belastungsanzeige im Rotbereich.
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»Hinlegen!« schrie ich und warf mich zu Boden. Viel half es nicht; gewaltige Fäuste schienen auf mich einzudreschen. Immer wieder schlugen Überschlagblitze in die Schirmfelder ein und brachten sie fast zum Zusammenbruch. In meinen Ohren dröhnte es, und vor meinen Augen bewegten sich grelle Schleier. Es konnte nur noch Se kunden dauern, bis das Schirmfeld zusammenbrach und mein Körper den mörderischen Entladungen schutzlos ausgesetzt war. Ebenso schlagartig, wie das energetische Chaos begonnen hatte, nahm es auch ein Ende. Der Blick klärte sich. Ächzend richtete ich mich auf. Von den Prulths war nicht mehr viel zu sehen, desgleichen von den Besti en; sie mußten sich in den Blitzen aufgelöst haben. »Langsam beginne ich zu glauben, daß aus dir noch etwas werden kann!« meinte Fartuloon; auch er rang nach Luft. »Wie hast du das be werkstelligt?« Ich erklärte ihm kurz, was vorgefallen war; ich sah, wie er hinter der Helmscheibe den Kopf schüttelte. »Kaum zu glauben!« murmelte er. »Immerhin, der Spuk hat ein Ende. Es kann weitergehen!« »Hallo, Atlan, bitte melden!« erklang es in den kleinen Helmlautspre chern. »Was ist passiert – wir konnten minutenlang nur atmosphärische Störungen hören. Und das auf einem Planeten ohne Lufthülle!« Das war Morvoner Sprangk, der an Bord der KARRETON zurückge blieben war und sich Sorgen um uns machte. »Keine Aufregung!« gab ich grinsend zurück. »Wir hatten hier nur ein kleines Gewitter, nichts von Bedeutung!« »Gewitter?« wiederholte Sprangk ungläubig; ich konnte mir vorstellen, welche Verwirrung jetzt in der Zentrale der KARRETON herrschen muß te. »Seid ihr übergeschnappt?« Ich widersprach ihm lebhaft, aber er schien sich nicht beruhigen zu wol len; Sprangk gab sich erst zufrieden, nachdem ich ihm einen vollständigen Bericht über den Verlauf der letzten Stunden gegeben hatte. »Wir marschieren jetzt weiter!« sagte ich zum Schluß. »Wir melden uns wieder, wenn es etwas Besonderes zu melden gibt. Ende!« »Viel Glück!« wünschte uns Sprangk. Obwohl wir damit gerechnet hatten, geschah nichts, als wir den Felsspalt durchquerten, der den Ausgang aus dem Talkessel, der Prulths bildete. Zwar knisterte es in unseren Schutzschirmen, als Entladungen aus den Energieadern zu den Feldern hinüberzuckten, aber mehr ereignete sich nicht. Hinter dem Felsspalt entdeckten wir eine weitgestreckte Ebene; auf dem felsigen Boden waren etliche Einschnitte zu erkennen. Sie bildeten ein verwirrendes Netz von Gräben und Gruben, in dem auf den ersten Blick
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keinerlei Sinn zu erkennen war, es sei denn, es handelte sich um die Kana lisationsanlagen einer großen Stadt, von der nicht ein einziges Gebäude zu erkennen war. »Eines ist klar!« stellte Fartuloon fest. »Za'Ibbisch ist von intelligenten Wesen besucht und bearbeitet worden!« »Vielleicht haben sie hier gewohnt?« meinte Ra nachdenklich. »Bei völliger Dunkelheit?« fragte Fartuloon spöttisch. »Kein Wesen mit Vernunft würde sich freiwillig auf einem Schwarzen Planeten ansiedeln!« »Es sei denn, das Wesen wird auf einem solchen Planeten geboren!« wandte ich ein; Fartuloon kicherte spöttisch. »Ihr seid alle beide nicht mehr ganz bei Sinnen!« behauptete er dreist. »Sage, Ra, als dich Ischtar zum ersten Male sah, hat sie da nicht erst ein mal tief Luft geholt?« »Das tut jedes Weib bei meinem Anblick!« meinte der Barbar unver schämt. »Aha!« machte Fartuloon. »Und kann mir einer von euch Geistesriesen verraten, wie ein Wesen, das auf Za'Ibbisch geboren wurde, dazu kommt, nach Luft zu schnappen? Falls es euch entgangen sein sollte – diese Welt hat keine Atmosphäre!« »Einwand unlogisch!« signalisierte mein Extrasinn. »Fartuloon kann damit nur beweisen, daß Ischtar mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf Za'Ibbisch geboren wurde! Die Nichtexistenz einer Spezies, deren Ur sprungsort Za'Ibbisch ist, kann so nicht bewiesen werden!« »Wie dem auch sei«, versuchte ich das Gespräch abzuwürgen, »irgendwer hat hier die Oberfläche des Planeten bearbeitet, und ich bin mir ziemlich sicher, daß es sich bei diesem Irgendwer um die Varganen handelt!« »Hoffen wir es!« meinte Fartuloon. Offenbar war dieser Bereich des Planeten nicht ganz so stark von Ener gieadern durchsetzt wie die restliche Oberfläche; das Licht unserer Hand scheinwerfer reichte aus, um einen großen Bereich der Ebene auszuleuch ten. Diese Tatsache warnte uns; schon einmal hatten wir auf Za'Ibbisch ei ne solche Zone gefunden, und fast war sie uns zum Verhängnis geworden. Daher gingen wir nur langsam vor und hielten beständig Ausschau nach ir gendwelchen Fallen. »Ich möchte wissen, wozu diese Gräben einmal gedient haben!« über legte Fartuloon laut. »Ganz ohne Sinn wird diese Anlage schwerlich sein!« Ich schlug meine Lösung vor, nach der es sich um die Reste einer weit verzweigten Kanalisation handelte, aber der dicke Bauchaufschneider schüttelte den Kopf. »Und wo sind dann die dazugehörigen Häuser?« fragte er. »Eine Kraft, die die Häuser hätte verschwinden lassen können, hätte bestimmt nicht vor
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der Kanalisation haltgemacht! Aber in einem Punkt hast du wahrscheinlich recht – irgend etwas ist in diesen Gräben geflossen. Es fragt sich nur, wo mit die Vertiefungen früher gefüllt waren!« »Schnaps?« erkundigte sich Ra. Ich mußte grinsen; es gab kaum einen an Bord der KARRETON, der an Alkohol so wenig Gefallen fand wie Ra. Seit er auf dem Sklavenplaneten Mervgon einen fürchterlichen Rausch mit allen unangenehmen Nachwir kungen erlebt hatte, verabscheute er einen Zustand, in dem er nicht mehr vollkommen Herr seiner Reaktionen war. »Eher Barbarenblut!« konterte Fartuloon trocken. »Es fällt mir schwer, an eine Flüssigkeit zu denken. Sie wäre längst verschwunden, ins Vakuum verdampft. Überhaupt – wieso hat ein Planet mit durchaus normaler Schwerkraft keine Atmosphäre?« Damit schnitt er ein Problem an, das mich schon geraume Zeit beschäf tigte. Za'Ibbisch wies eine Schwerkraft auf, die durchaus genügte, um eine planetare Atmosphäre festzuhalten. Ich fragte mich, ob die Luftleere des Planeten Folgeerscheinung seiner natürlichen Beschaffenheit war oder Er gebnis eines künstlichen Prozesses. Im zweiten Fall konnten wir uns auf allerlei böse Überraschungen gefaßt machen; einer Technik, die derlei zu wege brachte, hatten wir wenig entgegenzusetzen. Als wir einen der Kanäle erreicht hatten, richtete Ra den Strahl seines Scheinwerfers in die Tiefe. »Sand!« stellte er fest. »Der Kanal ist halb zugeweht worden!« »Unfug!« stellte mein Logiksektor fest. »Ohne Atmosphäre kein Wind, ohne Wind keine Sandverwehungen!« Ein Blick auf die Seitenwände des Kanals belehrte mich, daß es sich bei dem feinkörnigen Sand auch nicht um verwitterte Reste handeln konnte. Die Seiten des Kanals waren glatt und gerade, keine Spur von Verwitte rung war zu sehen. Ra sprang in den Kanal hinab und wühlte in dem Sand; nach kurzer Zeit gab er auf. Die Sandschicht mußte meterdick sein. Dann wandte er sich den Seitenwänden zu. »Glatt, als wären sie mit einem Desintegrator geschnitten worden!« be richtete er. »Wer mir erzählen will, daß dies eine Spielerei der Natur sein soll, ist nicht ganz bei Sinnen.« Fartuloon nickte ernst. Za'Ibbisch warf mehr Fragen und Probleme auf, als wir vor der Landung annehmen konnten. Er warf mir einen Blick zu, der die unausgesprochene Frage enthielt, ob es nicht ratsamer sei, unseren Ausflug abzubrechen. Ich schüttelte den Kopf, und Fartuloon zuckte mit den Schultern. »Also weiter!« sagte er seufzend und setzte sich in Bewegung. Ich wuß te, daß er sich wenig Sorgen um sich selbst machte; er trachtete nur da nach, mich nach Möglichkeit aus der Gefahrenzone herauszuhalten. Es
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war manchmal erheiternd, seine Gewissenskämpfe mitzuerleben. Ein Kri stallprinz, der sich von anderen die Kastanien aus dem Feuer holen ließ, war für ihn undenkbar; auf der anderen Seite stand er Höllenängste aus, wenn die Lage für mich brenzlig wurde. Ra kletterte aus dem Kanal und folgte uns; seinem unwilligen Brummen konnte ich entnehmen, daß er sich über Za'Ibbisch wenig freute. Die Kanäle stellten für uns kein ernstzunehmendes Hindernis dar; wir schalteten unsere Gürtelaggregate ein und überwanden die Spalten mit großen Sprüngen. Während wir marschierten, versuchte ich vergeblich, einen Sinn hinter der Konstruktion zu finden, einen Bauplan, aus dem man hätte ablesen können, wozu diese Anlage zu gebrauchen war. Wir erreichten eine Stelle des Kanals, an der sich die Rinne stark ver breiterte. Der Kanal mündete in ein großes Becken, das ebenfalls mit Sand gefüllt war. »Ich schlage vor, wie leeren dieses Becken!« erklärte ich. »Vielleicht finden wir so einen Hinweis!« »Und wie sollen wir den Sand herausbefördern?« erkundigte sich Fartu loon spöttisch. »Mit den bloßen Händen?« Ra nahm mir die Antwort ab; wortlos sprang er in die Grube hinab und zog seinen Desintegrator, dessen Düse er auf schärfste Bündelung stellte. Er richtete die Waffe auf den untersten Punkt der Seitenwände und schoß mit einigen Feuerstößen ein faustgroßes und armlanges Loch in das Ge stein. Dann zog er eine der Reservepatronen seines Rückstoßaggregats aus dem Gürtel und steckte es in das Loch. »Volle Deckung!« brüllte er, als er den Sicherungsstift herunterdrückte. Mit einem wahren. Panthersatz brachte er sich in Sicherheit, während eine meterlange Flammenzunge aus dem Loch leckte und den Sand in die Höhe wirbelte. Sekunden später verschwand die Landschaft in einer ge waltigen Staubwolke, die uns jegliche Sicht nahm. Es dauerte mehrere Minuten, bis der Treibsatz völlig heruntergebrannt war. Als sich die Staubwolke langsam wieder setzte, sahen wir, daß Ras Trick erfolgreich gewesen war. Nur noch eine dünne Sandschicht bedeckte den Boden des Beckens, der Rest hatte sich gleichmäßig in einem großen Umkreis verteilt. »Eine Überraschung mehr!« murmelte Fartuloon; in seiner Stimme schwang ein Ton von Besorgnis mit. Es war nicht zu übersehen: Das Becken hatte früher einmal als Gußform gedient. Deutlich waren die Konturen im Boden des Behälters zu erken nen. Riesige Gestalten mit schreckerregenden Formen waren zu sehen, unge schlachte Körper mit monströsen Gliedmaßen. Daneben kleinere Gußfor men, deren Produkte nicht minder grauenvoll gewesen sein mußten. Wir
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konnten Köpfe ausmachen, die praktisch nur aus mörderischen Gebissen bestanden, lange Tentakelarme, deren Zugriff sicherlich tödlich sein muß te. Die größten Gestalten hätten uns mit Fußtritten zerschmettern können. Kleinere Monstren waren mit Dutzenden von Stacheln ausgerüstet gewe sen. »Eine Fabrik für Ungeheuer!« murmelte Fartuloon. »Jetzt wissen wir, zu welchem Zweck die Kanäle und Gräben geschaffen wurden!« Unwillkürlich sah ich mich um, als sei im nächsten Augenblick zu be fürchten, daß die Monstren aus der Dunkelheit über uns herfielen. Mit dem Scheinwerfer leuchtete ich das Gebiet ringsum aus; zwar konnten wir nicht sehr weit sehen, aber allein in diesem Umfeld gab es mindestens zwanzig solcher Becken, und ich erinnerte mich, daß die Ebene, auf der wir uns befanden, ungefähr zehnmal so groß sein mußte wie das Gebiet, das für unsere Leuchten erreichbar war. Wir konnten nur hoffen, daß die Monstrenfabrik seit langer Zeit stillgelegt war.
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Nachdem wir festgestellt hatten, welchem Zweck die Kanäle und Becken dienten, marschierten wir mit noch größerer Vorsicht weiter. Ich sah, daß Ras rechte Hand beständig über dem Griff seines Strahlers schwebte. Ich sah keinen Grund, darüber zu lächeln, mir erging es ähnlich wie dem Bar baren. Nur Fartuloon zeigte eine unerschütterliche Ruhe. Obwohl der Strahl unserer Handscheinwerfer ziemlich weit reichte, hat ten wir uns dazu entschlossen, vornehmlich im infraroten Bereich zu se hen. Sollten wir tatsächlich von den Ungeheuern aus den Gußformen an gegriffen werden, würden wir sie eher erkennen, und das konnte letztlich entscheidend sein. »Stop!« kommandierte Ra plötzlich. »Vor uns ist ein heller Fleck!« Ich sah in die Richtung, die er mit der Hand wies; Ra hatte richtig beob achtet. Deutlich zeichnete sich auf dem Infrarotfilter eine weite, ausge dehnte Fläche ab, die sich stark vom schwarzen Untergrund abhob. In der Fläche schien sich etwas zu bewegen. Langsam gingen wir auf den leuchtenden Fleck zu; vorsichtshalber hat ten wir die Waffen in der Hand. Der Fleck entpuppte sich als ein weiteres Becken mit Gußformen. Aller dings wurde hier der Boden des Behälters fugenlos von einer Masse be deckt, die im Licht unserer Lampen weißblau schillerte. Die Masse lebte, das bewiesen uns die regelmäßigen Zuckungen. »Der Rohstoff!« stellte Fartuloon fest. »Daraus werden die Ungeheuer hergestellt!« Erschreckend war nicht nur der Anblick des rohen Plasmas; furchterre gend waren vor allem die Konsequenzen, die sich aus unserem Fund erga ben. Wenn das Plasma in der Grube noch lebte, war es auch wahrschein lich, daß die Endprodukte der Plasmafabrik ebenfalls noch existierten. Wie gefährlich die weißblaue Masse war, zeigte sich sehr bald. Das Plasma schob sich langsam auf den Rand des Beckens zu, an dem wir standen; rautenförmige Muster erschienen auf der Oberfläche, ein Zeichen dafür, daß sich das Plasma zu strukturieren begann. »Weg von hier!« meinte Ra. »Bevor das Zeug angreift, sollten wir uns entfernen!« Von unserem Standpunkt aus war zu erkennen, daß es am Rande unse res Gesichtskreises Gebäude gab, zumindest Erhebungen, die nach Bear beitung aussahen. Langsam bewegten wir uns auf die Anhöhe zu. Unterwegs stießen wir noch einige Male auf Gußformen, die mit Plasma gefüllt waren. Gern hätte ich dem Stoff eine Probe entnommen, um festzu stellen, wie alt dieses Plasma war. Handelte es sich um Rückstände einer
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Produktion, die erst kurze Zeit zurücklag, mußten wir doppelt vorsichtig sein. Aber mit unseren beschränkten Mitteln war eine derartige Analyse nicht zu bewerkstelligen, dazu hätten wir die Labors an Bord der KARRE TON benötigt. Immerhin konnte diese Lebensform in völliger Dunkelheit und ohne Sauerstoff existieren; vielleicht war das Plasma fähig, alle Stoffe, die es zu seiner Erhaltung brauchte, unmittelbar dem Boden zu entnehmen. Fartuloon schien in ähnlichen Bahnen zu denken. Plötzlich erklärte er nachdenklich: »Es müßte eigentlich möglich sein, das Plasma mit Geschmacksstoffen zu versehen!« »Wozu das?« wollte Ra wissen. »Willst du das Biest verfüttern?« »Richtig, genau das ist mein Plan!« meinte Fartuloon freundlich. »Wir setzen dieses Plasma auf ansonsten völlig nutzlosen Welten und Asteroi den aus, lassen es sich dort ernähren. Anschließend kann es in handliche Portionen zerteilt, abgepackt und verkauft werden. Wenn man es mit aro matischen Stoffen versetzt …!« »Aufhören!« protestierte ich; mein Magen schien sich bei dieser Vor stellung verknoten zu wollen. »Etwas derart Ekelhaftes habe ich noch nie gehört!« »Haha!« machte Fartuloon. »Seine Erhabenheit ekeln sich vor einem Stück Plasma. Aber er hat keinerlei Hemmungen, zermahlene und geröste te Grassamen mit dem Drüsenprodukt gewisser Säugetiere zu bestreichen, die in Scheiben geschnittene und erhitzte Bauchhaut anderer Säuger darauf zu legen und das Ganze mit einem gleichfalls erhitzten Vogelembryo zu krönen!« »Entsetzlich!« würgte ich. »Wovon redest du eigentlich?« »Von einem Toast mit Butter, Frühstücksspeck und Spiegelei!« meinte der Bauchaufschneider. »Es ist alles nur eine Sache des Blickwinkels!« »Aufhören!« befahl ich. »Oder ich verschaffe mir ebenfalls den ehren vollen Titel eines Bauchaufschneiders!« In den kleinen Helmlautsprechern hörte ich Ras leises Lachen, das schlagartig abbrach. Vor uns lag wieder ein Plasmabecken. Eine Gestalt erhob sich aus der weißblauen Masse, die Gestalt eines Ar koniden, der uns heranwinkte. Ich trat näher und erschrak; bis an die Hüf ten war die Gestalt in das Plasma eingesunken. Auch der geschlossene Raumanzug hatte den Mann nicht retten können; ich sah, wie der Stoff des Anzugs allmählich in die Plasmamasse überging. »Verdammt!« knurrte Fartuloon. »Sieh dir einmal die Schultern des Mannes an!« Ich unterdrückte einen Fluch. Das Abzeichen auf der Schulter des Arko niden wies ihn als einen Kralasenen aus.
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Der Blinde Sofgart war uns zuvorgekommen. Ich hatte Mühe, meine Fassung wiederzufinden. Seit langem war abzusehen, daß sich Orbanaschols Söldner ebenfalls auf die Jagd nach dem Stein der Weisen gemacht hatten; seit einiger Zeit verstärkte sich auch unser Verdacht, daß der Blinde Sofgart uns vielleicht einen Schritt voraus sein könnte. Als wir die zwölf Teilstücke des Quad din-Körpers erbeutet hatten, war neue Hoffnung in uns aufgekeimt. Um so härter war jetzt der Rückschlag. Der Blinde Sofgart war auf Za'Ibbisch gelandet und hatte dabei einen seiner Männer verloren. War er vielleicht schon im Besitz des Zentralor gans des Quaddin-Körpers? Wenn dieses Organ tatsächlich in die Hände des Kralasenen-Befehls habers gefallen war, konnten wir unsere Hoffnungen, den Stein der Wei sen zu finden, ein für allemal begraben. Selbst mit allen Freunden auf Kraumon waren wir niemals stark genug, dem skrupellosen Folterkönig seine Beute wieder zu entreißen. Immer noch winkte uns der Kralasene zu, bedeutete uns, ihm zu Hilfe zu kommen. Es war Ra, der sich als erster bewegte. Alles, was er tat, war wesentlich stärker von Gefühlen beeinflußt als es bei uns Arkoniden der Fall war. Er war mein Freund und Kampfgefährte, aber von ganz anderer Art als bei spielsweise Fartuloon oder Morvoner Sprangk. In seiner entwaffnenden Ehrlichkeit vergaß er häufig, daß es seinen Widersachern nicht darauf an kam, zu zeigen, wer der Stärkere war; für Heimtücke, wie sie für den Blin den Sofgart typisch war, besaß Ra überhaupt kein Empfinden. So war es erklärlich, daß Ra versuchte, dem Kralasenen zu helfen. Er sah, daß der Mann in Not war, und er handelte danach. Auf den Gedanken, dahinter eine Falle zu vermuten, würde er nicht kommen. Ohne auf meine Warnung zu achten, sprang er in die Grube; seine Beine berührten die Plasmamasse und versanken darin. Zum Glück war die Schicht über dem Felsboden nur wenige Handspannen dick; sie reichte ihm knapp bis ans Knie. Ich hörte Ra knurren, als sich die Gestalt des Kralasenen blitzartig auf löste und mit dem Plasma verschmolz, das sich sofort auf Ra zuzubewe gen begann. Ich riß den Strahler aus dem Gürtel und feuerte auf die heimtückische Masse, aber ohne großen Erfolg. Zwar stiegen Qualmwolken von den ge troffenen Flächen auf, aber das Plasma änderte seinen Angriff nicht. Im mer höher stieg die Masse an Ra empor. Fartuloon zückte das Skarg und sprang dem Barbaren nach. »Zurück!« wollte ich rufen, aber der Schrei kam zu spät. Sofort legte sich die Masse auch um die Beine des Bauchaufschneiders;
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Ra feuerte verzweifelt auf das Plasma, wagte aber nicht, auf jene Stellen zu zielen, die dicht an seinem Körper waren. Ich wechselte in rasender Geschwindigkeit die Waffe und richtete mei nen Desintegrator auf das Plasma. Diesmal zeigte der Beschuß Wirkung; grünliche Gasschwaden stiegen auf und verwehten sofort. Dort, wo der Strahl auf die Masse traf, wurden die intermolekularen Bindungen aufge hoben. Diesen Gewalten war auch das Plasma nicht gewachsen. Viel konnte ich meinen Freunden allerdings damit nicht helfen; ich durfte nicht wagen, das Plasma in ihrer unmittelbaren Nähe zu beschießen. Fartuloons Skarg wütete in den Plasmamassen; rücksichtslos hackte und stach der Bauchaufschneider auf die weißblaue, zuckende Fläche ein. Sein Schwert erwies sich als noch wirkungsvoller als mein Desintegrator. Jedes Plasmastück, das er mit kräftigen Hieben aus der Masse heraustrennte, wurde sofort von Ra ergriffen und weggeschleudert. Viel Zeit hatten die beiden Männer nicht; es konnte nicht allzulange dauern, bis das Plasma das Material des Kampfanzugs in sich aufgesogen hatte. »Ein Bein ist frei!« meldete Ra keuchend; er hatte aus dem Gürtel das stabile Messer aus Arkonstahl hervorgeholt und hieb damit auf seinen un förmigen Gegner ein. Immer größer wurde die Bewegungsfreiheit der bei den Männer; nach einigen Minuten, in denen ich nur das keuchende At men meiner Freunde hörte, waren Fartuloon und Ra endlich frei. Rasch kletterten sie auf den Rand des Beckens. Das Plasma zog sich zusammen und wich in eine Ecke des Beckens zurück; einige Schüsse aus dem Desin tegrator reichten aus, um es vollständig zu vernichten. »Das war sehr leichtsinnig, Ra!« ächzte Fartuloon, während er das Skarg wieder in die Scheide steckte. Mit der Hand deutete er auf den Bo den des Beckens, auf dem einige metallische Gegenstände im Licht der Scheinwerfer glänzten. Ich faßte die Sachen näher ins Auge und erkannte eine vollständige Sammlung aller metallischen Gegenstände, die der Kralasene getragen haben mußte. Die stählernen Einlagen seiner Schuhe waren zu sehen, Gürtelschnallen und Waffen. Zudem hatte man dem Mann einen Unterarmknochen aus Stahl eingesetzt; die Form war unver kennbar. Für kurze Zeit hatte ich gehofft, es könnte sich bei dem Arkoniden um eine Täuschung des Plasmamonstrums handeln, das die nötigen Daten vielleicht telepathisch bei uns abgezapft hatte; die Überreste ließen für die se Möglichkeit keinen Raum. »Das Plasma hat Kralasenen alle biologische Energie entzogen!« be merkte mein Logiksektor. »Nur deshalb war diese Plasmasammlung akti ver als die Mengen, die hinter uns liegen!« Das konnte bedeuten, daß uns das Plasma nur dann gefährlich werden konnte, wenn man es direkt berührte, und dazu fehlte uns jetzt jegliches
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Verlangen. »Ob Leichtsinn oder nicht«, meinte Ra kurz, »ich konnte den Mann doch nicht einfach auf Verdacht in dem Plasma steckenlassen!« Hinter der Frontscheibe seines Helmes sah ich seine weißen Zähne blit zen; der Barbar grinste mich vergnügt an. Ich lächelte zurück. Die Vorstellung, daß es eines Tages vielleicht Milliarden dieser Barba ren geben könnte, dazu im Besitz einer hochwertigen Technik, war geeig net, mir den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben. Fartuloon deutete auf das Becken. »Ich habe den Verdacht, daß die Varganen mit ähnlichen Mitteln auch den Quaddin-Körper hergestellt haben!« sagte er nachdenklich. »Vielleicht entpuppt sich der fertige Körper ebenfalls als ein gefährliches Monstrum!« »Das wird sich erst herausstellen, wenn wir das Zentralorgan gefunden haben!« warf Ra ein. »Suchen wir weiter?« »Selbstverständlich!« bestimmte ich. Wir setzten unseren Weg fort; dabei hielten wir sorgfältig Ausschau nach Fallen. Unser Vormarsch verlangsamte sich; wir mußten einen Hügel erklet tern, der zudem von einer knietiefen Staubschicht bedeckt wurde. Ich gab es auf, nach den Ursachen dieses Staubes zu forschen. Za'Ibbisch war mit normalen kosmologischen Maßstäben nicht zu messen. Wir erreichten den Gipfel des Hügels und sahen uns um. In einiger Ent fernung waren Strukturen zu erkennen, die aussahen, als seien sie künstli cher Natur. »Ob wir dort den fehlenden Teil des Quaddin-Körpers finden werden?« fragte Ra skeptisch. Fartuloon zuckte die Schultern und murmelte zweifelnd: »Ich frage mich langsam, ob wir das Zentralorgan überhaupt finden werden. Wenn die alten Varganen tatsächlich eine Fährte zum Stein der Weisen ausgelegt haben, dann müßten sich wenigstens ein paar kleine Hinweise auf den Verbleib des Zentralorgans finden lassen. Es wäre ein Unding, uns den ganzen Planeten absuchen zu lassen. Selbst wenn das Zentralorgan so groß wäre wie unser Beiboot, würde es auf einer Oberflä che von schätzungsweise fünfhundert Millionen Quadratkilometern nicht aufzufinden sein!« Während Fartuloon sprach, sah ich mir den Hügel etwas genauer an. Die Erhebung war ziemlich regelmäßig geformt, genauer gesagt, zu regel mäßig, um natürlichen Ursprungs zu sein. So ungefähr hätten die Reste ei ner Pyramide aussehen müssen, die jahrtausendelang den Einflüssen der Witterung ausgesetzt gewesen war. Zwar gab es auf Za'Ibbisch naturge mäß keine Witterung, aber das Ergebnis war annähernd gleich. Ich machte
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einen Schritt vorwärts, um den Hügel näher zu untersuchen. Bevor ich begriff, was mit mir geschah, gab der Sand unter meinen Fü ßen nach; ich spürte, wie ich das Gleichgewicht verlor. Ich schrie über rascht auf, während ich unaufhaltsam stürzte. »Atlan!« rief Ra aus. »Er ist verschwunden!« Für meine Freunde war ich in einer gewaltigen Staubwolke verschwun den, die sich rasch den Hügel hinabbewegte. Ein harter Schlag traf meine rechte Schulter, als ich gegen eine Kante prallte, mich überschlug und wei ter stürzte; ich konnte ein schmerzliches Stöhnen nicht vermeiden. Als ich endlich zur Ruhe kam, war ich halb bewußtlos. »Vorsicht!« stöhnte ich, den Schmerz in meinem Schädel gewaltsam unterdrückend. »Schaltet die Antigravs ein, bevor ihr die Spitze des Hü gels verlaßt!« »Wo steckst du überhaupt!« wollte Fartuloon wissen. »In der Mitte der Staubwolke!« antwortete ich rasch. »Warte!« hörte ich Fartuloons Stimme in den Lautsprechern. »Wir hel fen dir!« Ich richtete mich langsam auf; instinktiv versuchte ich, den Staub von meinem Anzug abzuklopfen. Sanft kamen Ra und Fartuloon mir entgegen geschwebt. »Lustig siehst du aus!« meinte Ra kichernd. »Was ist überhaupt pas siert?« Ich erklärte ihnen rasch meinen Absturz und meine Überlegungen über die merkwürdige Form des Hügels. »Eine ziemlich kühne Hypothese!« murmelte Fartuloon skeptisch. »Es wäre durchaus möglich, daß diese Erhebung von der Natur so geformt wurde!« »Und die Löcher stammen dann vom Zahn der Zeit, wie?« erkundigte ich mich. Die Öffnungen waren mir gerade erst aufgefallen; es waren mehrere mannshohe Löcher, die in die Pyramide hineinzuführen schienen. An die ser Seite der Erhebung lag weit weniger Staub, deutlich waren die zer bröckelten Kanten der Stufenpyramide zu erkennen. Ich war mir sicher, daß der Schlüssel zum Zentralorgan des Quaddin-Körpers nur dort zu fin den war. »Hm!« machte Fartuloon beim Anblick der Eingänge. »Ich traue dieser Einladung nicht. Es wäre leicht möglich, daß uns die ganze Pyramide über den Köpfen zusammenbricht! Ich habe ein ungutes Gefühl, so ganz traue ich den Varganen nicht über den Weg!« »Ischtar würde uns nie eine heimtückische Falle stellen!« protestierte Ra scharf. »Ischtar vielleicht nicht!« versuchte ich ihn zu besänftigen. »Aber ihre
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Freunde könnten uns sehr wohl eine Falle gestellt haben. Es gibt allerdings nur einen Weg, das herauszufinden!« »Indem wir gradlinig in die Falle hineinmarschieren, wie?« spottete Fartuloon. »Also gut, an deinem Augenfunkeln, Atlan, erkenne ich, daß du nötigenfalls alleine in die Pyramide eindringen willst. Richtig?« »Stimmt!« gab ich zu. »Vorwärts!« Ich ging an der Spitze, ohne mich um Fartuloons Grinsen zu kümmern. Das Loch war gerade groß genug, um einen aufrecht gehenden Mann ein zulassen. Ich entschloß mich dazu, den mittleren Eingang zu wählen. Hinter der Öffnung fanden wir einen schmalen Gang, der ziemlich roh aus dem blanken Fels geschlagen worden war. Deutlich waren noch die Zeichen einer Bearbeitung mit primitiven Mitteln zu erkennen. »Androiden können sie herstellen, diese Varganen!« höhnte Fartuloon. »Aber für einen atomaren Schildvortrieb hat es nicht gereicht. Sieh dir das an, Kristallprinz, sie sind mit Hämmern und Meißeln vorgegangen. Ich möchte wissen, wieviel Jahre man an diesem Stollen gearbeitet hat.« Za'Ibbisch war eine Welt der Gegensätze, Kontraste und logischen Wi dersprüche; langsam begann ich mich daran zu gewöhnen. Es erstaunte mich auch nicht, als sich nach einigen hundert Metern der Gang zu erhel len begann. An den Wänden tauchten wieder die Äderungen auf, die wir bereits von der Oberfläche her kannten. Allerdings strahlten die Felsstrei fen im Innern der Pyramide im Bereich des sichtbaren Lichtes; ich stellte eine rasche Messung an und war zufrieden. Durch diese Adern floß keine Energie, die uns gefährlich werden konnte. Um Energie zu sparen, schalte ten wir unsere Scheinwerfer aus. Ein Teil der Wände war mit Reliefs versehen; wir erkannten die Figuren auf den ersten Blick. Es waren die Produkte der Plasmafabrik, die in Le bensgröße aus der Wand gemeißelt worden waren und auf uns herunter grinsten. Von allen Seiten starrten uns die Monstren an, bleckten die großen Zähne und streckten ihre mörderischen Krallen nach uns aus. »Psychologische Kriegsführung!« stellte Fartuloon ruhig fest. »Sie wirkt übrigens nur bei Intelligenzen, die mit den Arkoniden verwandt oder identisch sind. Einen Methanatmer wird man damit schwerlich er schrecken können!« »Das würde bedeuten«, setzte ich seine Überlegung fort, »daß die Var ganen nur für uns und unseresgleichen eine Spur ausgelegt haben!« »Das kann ich nicht glauben«, widersprach Fartuloon energisch. »Betrachten wir die Sache logisch. Das, was wir den Stein der Weisen nennen, ist die Hinterlassenschaft der alten Varganen, ihr Machtpotential. Den Zugang zu diesen Machtmitteln hat sie mit Aufgaben und Hindernis sen gespickt; nur der Beste soll das Erbe der Varganen antreten können. Für hochstehende Intelligenzwesen dürfte es eigentlich keine rassistischen
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Vorurteile geben, daraus würde folgen, daß es für Wesen, deren Mentalität und Gestalt erheblich von der unsrigen abweichen, eine besondere, auf de ren Charakter zugeschnittene Fährte zum Stein der Weisen gibt!« Ich schluckte; Fartuloons Überlegungen hatten die Wirkung eines Tief schlags. Zu allem Überfluß meldete sich noch mein Extrasinn. »Fartuloons Überlegungen enthalten einen Wahrscheinlichkeitsgrad«, wurde mir mitgeteilt, »der seine Ausführung fast zur Gewißheit macht!« »Du glaubst, daß es irgendwo in der Galaxis vielleicht andere Intelli genzen gibt, die vielleicht auf dem Weg zum Stein der Weisen weiter vor gedrungen sind als wir?« fragte ich besorgt. Fartuloon zuckte mit den Schultern. »Möglich wäre es!« räumte er ein. »Aber ich stecke nicht in der Haut der Varganen. Vielleicht liegt auf irgendeinem Planeten ein hübsch ver packtes Bündel mit der Aufschrift: Bei Atlans Eintreffen demselben zu überreichen. Und wenn du das Päckchen öffnest, ist der Stein der Weisen darin, säuberlich mit einer Schnur, zum um den Hals hängen!« Ra lachte brüllend los, während ich den aberwitzigen Humor des Bauchaufschneiders verwünschte. Immerhin trug sein Spott dazu bei, mei ne Gemütslage halbwegs zu stabilisieren. Während wir sprachen, erreichten wir das Ende des Ganges. Er mündete in einen hellerleuchteten Saal, dessen Wände wieder mit schauerlichen Fratzen verziert waren. Wir erkannten mehr als zehn verschiedene Öffnun gen zu weiteren Gängen, zwischen denen wir uns zu entscheiden hatten. Bevor wir uns entschließen konnten, rasselten vor und hinter uns stählerne Wände aus den Decken und riegelten sämtliche Ausgänge aus dem Saal ab. Noch wußten wir nicht, was uns erwartete; die einzige Gefahr, die uns bislang drohte, war der Erstickungstod – wenn die Schotte solange ge schlossen blieben, bis unser Sauerstoffvorrat endgültig erschöpft war. Die se Gefahr konnte uns noch nicht erregen, unsere Reserven würden noch viele Stunden ausreichen. Als die stählernen Tore langsam ihre Farbe änderten, begriff ich, wel chen Tod uns die Anlagen der Pyramide bereiten wollten. Rasch verfärbte sich der Stahl, wurde dunkelrot und dann immer heller. Auf unseren Au ßenthermometern stieg die Temperatur sprunghaft an. »Man will uns rösten!« bemerkte Fartuloon. »Kein schlechter Gedanke. So kommt man am besten an uns heran!« Ich fand an dieser Falle nicht viel Lobenswertes; mir war klar, daß wir in diesem Saal nicht mehr lange zu leben hatten, wenn wir nicht sehr schnell eine Lösung fanden. Die Aggregate unserer Kampfanzüge konnten uns vor der Kälte des lee ren Raumes schützen; sie bewahrten uns auch vor der Hitze sonnennaher
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Planeten. Zur Bekämpfung einer Hochofenhitze waren sie nicht tauglich. Ich glaubte spüren zu können, wie die Temperatur in meinem Anzug sprunghaft in die Höhe zu schnellen schien. Ein Blick auf das Innenther mometer belehrte mich, daß ich einer verständlichen Täuschung aufgeses sen war. Noch war die Wärme im Anzug erträglich, bewegte sich nur we nig oberhalb des Niveaus, das auf Arkon üblich war. Von Ra wußte ich, daß er an Gluthitze gewöhnt war, aber ich machte mir um Fartuloon Sor gen. »Was nun?« fragte Ra. »Sollen wir hier sitzen bleiben und abwarten?« »Hast du einen besseren Vorschlag?« wollte Fartuloon wissen; er wirkte leicht gereizt. »Er weiß, daß er wegen seiner Leibesfülle besonders gefährdet ist!« teilte mir der Logiksektor mit. Verzweifelt sah ich mich um, suchte nach irgendeiner Möglichkeit, aus diesem Saal zu verschwinden. Ich sah nur die Fratzen über den Ausgän gen, die uns höhnisch anzugrinsen schienen. Ein Schuß auf den Fels neben einem Tor zeigte keine Wirkung; der Gegner, wer auch immer das sein mochte, verfügte über Anlagen zur Kristallfeldintensivierung, die die Wir kung des Desintegratorbeschusses aufhoben. Ich spürte, wie mein Mund trocken wurde; rasch nahm ich einen großen Schluck aus meinem Wasservorrat. Noch war das Wasser kühl und erfri schend, aber ich wußte, wie rasch sich dies ändern konnte – und würde, wenn wir nicht bald etwas unternahmen. Auf dem Innenthermometer kletterte die Anzeige langsam Grad um Grad in die Höhe; die Klimaanlage war an der Grenze ihrer Leistungsfä higkeit angelangt. Nervös schaute ich von einem Ausgang zum anderen; überall das gleiche, erschreckende Bild. Weißglühender Stahl, von dem ei ne unerträgliche Hitze ausstrahlte. Ohne unsere Kampfanzüge wären wir bereits gesotten gewesen. Ich schaltete die Schirmfelder ein, eine Maßnahme, die das unvermeid lich erscheinende Ende bestenfalls hinauszögern konnte. Das Feld ließ zwar die Hitzestrahlung nicht durch, aber wenn sich die Belastung zu sehr steigerte, würde es plötzlich schlagartig zusammenbrechen. Der einzige wahre Vorteil war, daß ich diesen Zusammenbruch nicht mehr bewußt er leben würde. »Ich habe eine Idee!« meldete sich plötzlich Ra. »Wenn wir uns nahe zusammenstellen und unsere Schirmfelder vereinigen, wird der Schutz stärker sein!« »Ein guter Vorschlag«, meldete sich der Extrasinn. »Allerdings nur dann wirkungsvoll, wenn der Gegner nach einer gewissen Zeit von sich aus den Versuch abbricht!« Wenn unsere Gegner lebende Wesen waren, hatten wir keine Chancen.
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Sie würden warten, bis sie absolut sicher waren, uns vernichtet zu haben. Nur eine Automatik versprach Hoffnung; sie würde den Angriff abbre chen, wenn die Sicherheit, den Gegner vernichtet zu haben, einen be stimmten Wert erreichte oder überstieg. Wenn die Automatik auf die nor male Belastbarkeit arkonidischer Schirmfelder abgestimmt war, konnte uns die Verbundschaltung retten, sonst nicht. Es dauerte eine halbe Minute, bis das verstärkte Schirmfeld uns um spannte. Während dieser Zeit waren wir der Glut ausgeliefert gewesen; der Schweiß strömte mir aus sämtlichen Poren, lief mir in die Augen und ließ die Sichtscheibe beschlagen. Nur sehr langsam vermochte die Klimaanla ge, diese extremen Werte wieder auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Ich zwinkerte, um den Schweiß aus den Augen zu bekommen; als ich endlich wieder halbwegs klar sehen konnte, machte ich eine neue, er schreckende Entdeckung. In den Fratzen, die uns anstarrten, hatten sich die Mäuler geöffnet; aus den Löchern starrten die Mündungen von Ener giewaffen drohend auf uns herab. Ich zählte mehr als zehn Strahler, die auf uns gerichtet waren. Es handelte sich um Handwaffen, die uns einzeln nicht sehr gefährlich werden konnten; gebündelt waren sie mühelos im stande, unsere Schirmfelder zu durchschlagen. »Jetzt haben wir die Wahl!« ächzte Fartuloon, mühsam nach Luft rin gend. Genau betrachtet, war es völlig sinnlos, aber ich konnte mich nicht mehr beherrschen, zog meinen Strahler und feuerte auf die Waffen in den Frat zen. Ein Schirmfeld flackerte vor den Mündungen auf; Ra sah dies sofort und zog ebenfalls seine Waffe. Als auch noch Fartuloons Strahler auf das gleiche Ziel feuerte, brach das Feld zusammen; die Waffe löste sich in grüne Gasschwaden auf. »Weiter so!« schrie Ra begeistert. Wir brauchten fast fünf Minuten, bis wir alle Waffen vernichtet hatten. Fünf Minuten, in dieser Zeit schien sich die Temperatur in unseren Anzü gen bis zur Siedehitze zu steigern. Ich schnappte krächzend und keuchend nach Luft, meine Augen brannten vom Salz des Schweißes, der in endlo sem Strom über mein Gesicht rann. Ich spürte, wie Fartuloon neben mir zu schwanken begann; sofort faßte ich zu und stützte ihn. Auf der anderen Seite sorgte Ra dafür, daß unser Freund nicht zusammenbrach. Ich ließ meine Waffe fallen; durch den Stoff des Anzuges spürte ich die Hitze, die das Metall des Griffs aufgenommen hatte. Auch Ra war nicht mehr fähig, seinen Desintegrator in der Hand zu behalten. Im gleichen Augenblick, in dem Ras Waffe auf den Boden prallte, än derte sich die Farbe der Stahltore. Mit rasender Geschwindigkeit nahm die Hitzestrahlung ab; die Klimaanlage pumpte kühle Luft in unsere Anzüge, die wir in gierigen Zügen einatmeten. Vorsichtig ließen wir Fartuloons
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schlaffen Körper zu Boden gleiten. Ich blickte Ra an, der mich unverschämt angrinste. »Eine ziemlich merkwürdige Methode, unsere Friedfertigkeit zu te sten!« meinte der Barbar. »Oder glaubst du, daß es Zufall war, daß die Strahlung im gleichen Augenblick abbrach, in dem ich meinen Strahler fallenließ?« »Zufall!« signalisierte der Logiksektor. »Fartuloon hatte seine Waffe noch in der Hand!« Langsam kam Fartuloon wieder zu sich; gierig saugte er an der dünnen Plastikleitung, die zu seinem Wassertank führte. Ich erklärte ihm kurz, was unsere Rettung bewirkt hatte; auch er kam zu dem Schluß, daß uns der Zu fall geholfen hatte. Diese Überlegung war nicht unwichtig; sie ließ darauf schließen, daß es im Innern der Pyramide nur Maschinen und Automaten gab, keine Nach kommen der alten Varganen. Und gegen Roboter zu kämpfen, ist meist wesentlich einfacher als ein Streit mit lebenden Wesen, die sich immer neue Tricks und Überraschungen einfallen lassen können. Wir sollten nur zu bald merken, zu welchen Überraschungen auch Auto maten fähig sind.
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Diesmal war ich derjenige, der lieber eine Abteilung von der KARRETON herbeigerufen hätte, bevor die weitere Untersuchung der unterirdischen Anlagen beginnen sollte. Ra protestierte gegen meinen Vorschlag. »Wenn wir dieses Rätsel nicht lösen«, meinte er mit leisem Vorwurf, »wer sonst!« Gegen diesen selbstbewußten Einwand gab es nicht viel zu sagen. Wir warteten ab, bis sich Fartuloon leidlich erholt hatte, dann marschierten wir weiter. Je tiefer wir in das Bauwerk eindrangen, um so mehr verwirrender wur de der Verlauf des Ganges. Zwar konnten wir die Abweichungen von der geraden Linie nur schwach an den Krümmungen der Wände erkennen, aber nach einer halben Stunde Marsch war uns klar, das wir im Kreis ge gangen waren, ohne jedoch den Saal des Schreckens wieder erreicht zu ha ben. Das konnte nur eines bedeuten; der Gang führte wendeiförmig ir gendwohin – ob in die Tiefe oder in die Höhe, das konnten wir nicht fest stellen. »Eine raffinierte Anlage!« meinte Fartuloon anerkennend. »Das Schwe refeld wird selbsttätig so ausgerichtet, daß die Kraftlinien senkrecht auf dem Boden des Ganges stehen, gleichgültig, ob es aufwärts oder hinabge ht!« »Dann müßte dieses Schwerefeld aber künstlicher Natur sein!« wandte Ra ein. »Künstliche Gravitation hätten wir aber an Bord der KARRETON anmessen können!« »Man kann auch künstliche Schwerkraft gegen Ortung abschirmen!« widersprach Fartuloon. »Wir können es allerdings noch nicht!« Ich sah auf meine Uhr; wir waren seit mehr als sieben Stunden unter wegs. Eine Funkverbindung zur KARRETON war einstweilen unmöglich; wir waren auf uns selbst gestellt. Unwillkürlich begann ich nach einem Platz zu suchen, an dem man ohne Gefahr eine Pause einlegen konnte. Mein Magen erinnerte mich mit lebhaftem Knurren daran, daß ich lange Zeit hindurch nichts mehr gegessen hatte. »Ich habe Hunger!« stellte Ra fest. Fartuloon nickte zustimmend. »Beim ersten günstigen Punkt rasten wir!« bestimmte ich; auch meine Beine konnten dringend eine Rast gebrauchen. So nützlich ein Kampfan zug auch war, um vakuumfest zu sein, mußte er ein gewisses Maß an Fe stigkeit und Starrheit aufweisen, daß sich bei längeren Märschen als hin derlich erwies. Wir mußten noch geraume Zeit marschieren, bis sich der Gang erweiter
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te; wieder schritten wir in einen Saal mit mehreren Ausgängen. Dieses Mal wollten wir allerdings etwas gerissener sein als unser unsichtbarer Widersacher. Während Fartuloon und Ra den Saal betraten, blieb ich auf dem Gang; ich vermutete, daß sich eine eventuelle Falle nur schließen würde, wenn alle auserwählten Opfer im Innern der Falle waren. Ob dieser Trick wirk sam war, konnte ich nicht feststellen; jedenfalls senkten sich keine Schotte herab, die uns hätten einschließen können. Ächzend streckte sich Fartu loon auf dem felsigen Boden aus; er wehklagte schauerlich. Wer ihn nicht kannte, hätte annehmen können, seine letzte Stunde sei gekommen. Auch ich setzte mich auf den harten Boden; mißmutig kaute ich auf dem Würfel Konzentratnahrung herum. Das fade schmeckende Zeug war der beste Gegenbeweis gegen die These, daß etwas Sinnvolles und Logi sches auch schön sein müsse. Die Würfel nahmen wenig Platz weg, waren leicht zu tragen, zu verstauen und aufzubewahren. Schmecken taten sie wie eingeschlafene Füße. Immerhin, mit dieser Konzentratnahrung waren die Raumsoldaten ver pflegt worden, die das Arkonidische Imperium aufgebaut hatten. Aller dings hatte ich meine Zweifel, ob sich zwischen den Würfeln und der Grö ße des Imperiums eine kausale Beziehung herstellen ließ. Arkonidische Offiziere jedenfalls zogen normale Küche vor; Admiräle holten üblicher weise sogar ihre Privatköche an Bord ihrer Schiffe. Eines Tages würde ich mir diesen Luxus vielleicht auch erlauben können, aber dazu mußte ich erst einmal Orbanaschol III. beseitigen. Dazu brauchte ich den Stein der Weisen, und dazu … Nachdenklich starrte ich auf die Öffnungen in den Wänden des Saales; einer dieser Gänge konnte uns zum Zentralorgan des Quaddin-Körpers führen, es fragte sich nur, welche der Öffnungen wir benutzen mußten. Daß hinter den falschen Eingängen der Tod lauerte, war uns in den letzten Stunden überdeutlich klargemacht worden. Fasziniert betrachtete ich die Äderung des Gesteins, das in allen Farben des Spektrums schillerte; in unregelmäßigem Rhythmus wechselten die Farben und die Leuchtkraft der Adern. Vielleicht steckte ein System da hinter. Der Überfall traf uns völlig unvorbereitet. Wir hatten mit allen möglichen Fallen, mit Robotern, Fallgruben und Energiesperren gerechnet, nicht mit dieser Attacke. Schlagartig begannen die Energieadern zu pulsieren; ein heller, schillernder Glanz flutete durch den Saal. Ich begriff zu spät, was dieses Phänomen zu bedeuten hatte. Wider Wil len konzentrierte ich mich immer mehr auf das Spiel der Farben. »Vorsicht!« warnte der Extrasinn. »Hypnoangriff!«
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Die Ermahnung kam zu spät; ich fühlte, wie sich etwas in meinen Ver stand drängte, mit immer stärker werdenden Impulsen mein Gehirn über flutete. Irgend etwas ergriff Besitz von meinem Körper; ich erhob mich und begann zu gehen. Nur noch halb bei Bewußtsein, sah ich nicht, wie sich auch Ra und Far tuloon in Bewegung zu setzen begannen. Ein unwiderstehlicher Zwang trieb mich auf einen der Eingänge zu; mit dem letzten freien Funken mei nes Geistes versuchte ich, meinen Körper unter Kontrolle zu bringen. Es gelang mir nicht; wie aufgezogen setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ein sanftes, grünes Dämmerlicht nahm mich auf, als ich in den Gang eindrang; von irgendwoher erklang eine einschmeichelnde Musik. Ich be gann zu lachen. Warum sich Sorgen machen? Taten die Automaten der Pyramide nicht alles, um mich glücklich zu stimmen? Wovor sollte ich mich fürchten, wenn die Maschinen der Varganen mich beschützten. Fröhlich pfeifend gab ich dem Drang nach, der meinen Körper bewegte. Bald würde ich den Zentralkörper gefunden haben, und dann waren viele meiner Probleme ge löst. Der Weg zum Stein der Weisen war kurz und bequem, man kam mir so weit wie möglich entgegen. Ebenso schlagartig, wie mich der hypnotische Bann gefangengenom men hatte, hörte die Beeinflussung auf. Ich fand mich in einem schwach erhellten Gang wieder, von Fartuloon und Ra war nichts zu sehen. Das einzige Besondere, das mir auffiel, waren zwei brusthohe Vertiefungen in den Seitenwänden des Stollens, der einen perfekt kreisförmigen Querschnitt aufwies. In einiger Entfernung vor mir konnte ich einen Nebenstollen sehen. Ich schaltete mein Helmminikom ein. »Fartuloon!« rief ich in das Mikrophon. »Ra! Meldet euch. Hier Atlan! Ra, Fartuloon – meldet euch. Hier Atlan!« Aus den Lautsprechern kam nur ein leises Rauschen, mehr nicht. Ich hatte den Kontakt zu meinen Freunden verloren. Ich wußte auch nicht mehr, welchen Weg ich gegangen war, welche Richtung mich zu meinen Partnern zurückführen konnte. Vor mir lag nur der ebene Gang, von dem ich nicht wußte, wohin er führte. Eben? Ich begriff erst nach Sekunden, was mit mir geschah. Übergangslos er losch das künstliche Schwerefeld, und ich begann zu stürzen. Ich war ge täuscht worden; das was ich für einen waagrechten Gang gehalten hatte, erwies sich als ein lotrecht in die Tiefe führender Schacht, den ich mit wachsender Geschwindigkeit hinabstürzte. Ich griff rasch an meinen Gürtel, schaltete den Antigrav ein und akti vierte das Rückstoßaggregat. Beide Maßnahmen führten ziemlich bald da
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zu, daß sich mein Fall verlangsamte und allmählich zum Stillstand kam. In meinem Helm ertönte ein leises, allmählich anschwellendes Grollen; einen Augenblick lang überlegte ich, woher dieses Geräusch stammen könnte, ob aus meiner Umgebung oder aus dem Bereich meiner Freunde. Dann begriff ich, was um mich herum geschah, welchen Sinn die beiden Rinnen in den Wänden hatten. Von irgendwo über mir donnerte ein Gewicht auf mich herab, von den Rinnen in der Spur gehalten. Ich wußte nicht, was es unter mir gab, aber ich war mir sicher, daß eine Rettung nur zu finden war, wenn ich mich schnell in die Höhe flüchtete. Ich schaltete den Antigrav auf den höchsten Wert, ließ das Rückstoßaggregat mit äußerster Kraft feuern. Mir wurde schwindlig, als ich mit wahnwitziger Geschwindigkeit in die Höhe getrie ben wurde; die Wände des Schachtes verschwammen zu schemenhaften Konturen. Dann sah ich das Gewicht über mir, eine Steinkugel, die den Schacht so ausfüllte, daß es für mich keine Möglichkeit gab, mich an dem Stein vor beizuschmuggeln. Nur eine Chance blieb mir noch, der Seitenstollen. Ich sah die Öffnung über mir, knapp zwanzig Meter trennten mich von der Rettung. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ich den Stollen erreicht hat te. Abrupt setzte das Rückstoßaggregat aus, gleichzeitig versagte der Anti grav. Ich krallte mich mit beiden Händen fest, wartete auf das Ende. Auch das Grollen und Donnern des Steines hatte aufgehört; überrascht sah ich in die Höhe. Über mir hing der Stein, verharrte; ich zog mich ein Stück in die Höhe, und der Fels wich zurück. Es war schwierig, mit den Handschuhen des Kampfanzugs auf dem glatten Fels einen sicheren Halt zu finden; die linke Hand verlor den Halt, und im gleichen Augenblick senkte sich drohend der Stein. »Teuflisch!« stöhnte ich auf; ich begriff jetzt, wie diese Todesfalle ge nau aussah. Wenn es mir mit meinen eigenen Kräften gelang, den rettenden Seiten stollen zu erreichen, würde mir nichts geschehen; rutschte ich ab, so blieb mir kein zweiter Versuch. Der Stein würde mir folgen und mich zermal men. Mein Atem ging pfeifend, als ich endlich wieder mit beiden Händen die Kante des Seitenstollens gefaßt hatte. Die satanische Apparatur hatte die Schwerkraft beeinflußt; an mir zerrten mindestens 1,6 Gravos. Ein erneu ter Blick in die Höhe überzeugte mich davon, daß der Fels noch nicht auf mich herabstürzte. Wohl aber sah ich, daß er sich sehr langsam zwar, aber unverkennbar Zentimeter um Zentimeter senkte. Das bedeutete, daß mir nur wenig Zeit blieb, mich in Sicherheit zu bringen. Die Geräte meines Kampfanzugs konnten mir nicht nützen, ich war aus
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schließlich auf meine körperlichen Kräfte angewiesen, die von den An strengungen der letzten Stunden schon mehr als einmal geschwächt wor den waren. Ich spürte es in den Armmuskeln, die zitterten und von flüssi gem Feuer durchströmt zu werden schienen, ich merkte es an den krampf haften Bewegungen, mit denen meine Lungen die Luft einsogen. Ich ver suchte, mit den Beinen einen Halt zu finden, um mit den Beinen die Arme unterstützen zu können, aber meine Stiefel rutschten an der glatten Wand ab. War es Zufall oder Planung eines teuflischen Geistes – die Rinne, in der die beiden Zapfen des Steines sich bewegten, lag so, daß sie mir nicht helfen konnte. Ich spannte die Armmuskeln an, zog mich ein Stück in die Höhe; es ge lang mir, mich mit beiden Unterarmen auf die Bodenfläche des Seitenstol lens zu stützen, obwohl unsichtbare Fäuste meine Arme zusammenzupres sen schienen. Ich begriff, daß sich mit jedem Zentimeter, den ich an Höhe gewann, die Last der künstlichen Schwerkraft steigern würde. Der langsam sinkende Fels hatte schon den Rand der Öffnung erreicht, als es mir endlich gelang, meinen Oberkörper in den Stollen hineinzu schieben. An dieser Stelle wirkten fast drei Gravos auf mich ein und preß ten meinen Brustkorb zusammen. Mit letzter Kraft zerrte ich das rechte Bein auf den Boden des Stollens, dann warf ich mich nach vorn. Das letz te, was ich noch hören konnte, war das Donnern, mit dem der Fels in die Tiefe stürzte, dann brach ich zusammen. Als sich mein Blick wieder klärte, fühlte ich mich erbärmlich. Was die kleine Pause im Saal der Hypnofalle an Erholung gebracht hatte, war rest los aufgezehrt. Ich hatte nur das Verlangen, mich der Länge nach auszu strecken und etliche Stunden zu schlafen. Allein die Überlegung, daß die hinterhältigen Fallen der Pyramide wohl kaum Rücksicht auf meine Mü digkeit nehmen würden, hinderte mich daran, diesen Wunsch augenblick lich in die Tat umzusetzen. Ich schaltete den Minikom ein und rief nach meinen Freunden, aber von Ra und Fartuloon war nichts zu hören. Ich nahm an, daß sie sich mit ähnli chen Gefahren auseinanderzusetzen gehabt hatten; mir blieb nur übrig zu hoffen, daß sie ebenso erfolgreich gewesen waren wie ich. Langsam rich tete ich mich auf; die Schwerkraft in dem Stollen war wieder auf den nor malen Wert gesunken. »Und was kommt jetzt, Freunde?« fragte ich halblaut und erschrak über das Krächzen meiner Stimme. Es bedurfte keiner besonderen Intelligenz, sich auszurechnen, daß diese Fälle nicht die letzte sein würde; vermutlich war das Innere der Pyramide mit lebensgefährlichen Hindernissen förmlich gespickt. Ich sah zurück; der Schacht, aus dem ich gekommen war, lag offen vor mir. Wohin er führte, war nicht abzusehen, aber ich war mir sicher, daß es
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weiter unten keine weitere Verzweigung mehr gab. Aber vielleicht weiter oben? »Gehen wir logisch vor!« murmelte ich. »Wo würdest du das Zentralor gan verstecken? Im oberen Teil der Pyramide? Vermutlich nicht. Das Bau werk ist halb zerfallen, eines Tages wird dieser Zerfall dann auch den Raum mit dem Zentralorgan erreichen. Tief unten am Fuß der Pyramide wäre der Körper weit sicherer!« »Diese Überlegung wird so ziemlich jeder anstellen, der nach dem Zen tralkörper sucht!« mischte sich der Extrasinn ein. »Deine Vermutung ist so naheliegend, daß sich auch dagegen die Varganen abgesichert haben wer den!« Ich murmelte eine Verwünschung; der Logiksektor hatte zweifellos recht. Auf der anderen Seite konnte sich ein findiger Sucher auch auf diese Überlegungen einstellen; das wiederum war für einen Varganen durch Nachdenken herauszufinden. Genau betrachtet, konnte man dieses Denk spiel bis ins Endlose treiben, eine Lösung würde sich nicht finden lassen. Ich kam mir vor wie ein Mann, der genau zwischen zwei gedeckten Ti schen steht und bei der Überlegung, welchen Tisch er aufsuchen soll, all mählich verhungert. »Schluß mit dem Unfug!« entschied ich endlich. »Ich versuche es un ten!« »Narr!« schalt mich der Logiksektor. »Woher weißt du, was oben und was unten ist!« Ich grinste unwillkürlich. So ein Logiksektor ist eine feine Sache; von selbst wäre ich wohl erst nach geraumer Zeit auf diesen Gedanken gekom men. Ich stand auf festem Felsboden, was lag näher, als den Boden als un ter mir befindlich zu betrachten? Einem erfahrenen Raumfahrer, der an Manipulationen mit künstlicher Gravitation gewohnt war, hätte dieser Ge dankenfehler nicht unterlaufen dürfen. Allerdings hatte ich keinen sicheren Bezugspunkt. So wußte ich jetzt nicht, ob die Gravitation, die mich auf den Fels drückte, von dem Planeten stammte oder von einer Maschine hervorgerufen wurde. Einen sicheren Beweis hätten mir nur Versuche liefern können, die mit meinen be schränkten Mitteln nicht durchzuführen waren. Ich war darauf angewiesen, meinen Sinnen zu trauen; wie leicht das natürliche Wahrnehmungsvermö gen getäuscht werden konnte, hatte ich bereits in dem Schacht feststellen müssen. Immerhin bot mir der Schacht einen wichtigen Anhaltspunkt. Ich wußte, daß Trickkünstler ihre Zuschauer stets sehr sorgfältig von dem eigentli chen Trick abzulenken pflegen. Der Künstler wußte meist sehr genau, daß alle Zuschauer auf seine Hände starrten und ihn zu überlisten suchten; des halb machte er für gewöhnlich im entscheidenden Augenblick eine höchst
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verdächtige Handbewegung, die sich dann später als vollständig überflüs sig erwies. Immerhin führte sie dazu, daß kein Zuschauer die wesentlich raffinierten Griffe des wirklichen Tricks beachteten. So simpel sich dieser Psychotrick auch anhörte, selbst Professionelle hatten oft Schwierigkeiten, sich nicht irritieren zu lassen. An Bord der KARRETON gab es einen jun gen Mann, der Münzen verschwinden ließ. Er machte dies so ungeschickt, daß ich jedesmal genau gesehen hatte, wie er die Münze, die er angeblich in der linken Hand halten sollte, geschickt in die rechte hinüberspielte. Na türlich waren anschließend beide Hände leer. Einen ähnlich ausgekochten Trick vermutete ich auch hinter dem fallen den Stein; der Fels war so eindrucksvoll auf mich herabgestürzt, daß ich ohne den Hinweis des Extrasinns kaum auf den Gedanken gekommen wä re, daß der Stein vielleicht in Wirklichkeit auf mich heraufgefallen war. »Also nach oben!« murmelte ich entschlossen. Zu einer eingehenderen Erforschung des Seitenstollens verspürte ich keine Lust; der senkrechte Schacht war von meinem unsichtbaren Gegner derart nachdrücklich als Gefahrenherd markiert worden, daß ich sicher sein konnte, daß der unverdächtig erscheinende Seitenstollen mit großer Wahrscheinlichkeit noch mörderischer angelegt worden war. Bevor ich mich den Aggregaten des Kampfanzugs anvertraute, sah ich mir den Schacht noch einmal sehr genau an. Aber ich konnte keinen Hin weis auf weitere Hinterhalte finden. Mit dem Antigravgenerator an mei nem Gürtel hob ich die im Schacht herrschende Schwerkraft auf, dann stieß ich mich sanft vom Untergrund ab. Langsam schwebte ich in die Hö he, leicht schräg durch den Schacht. Ich stützte mich behutsam mit den Händen ab, als ich der entgegengesetzten Schachtwand zu nahe geriet. Man brauchte für gewöhnlich einige Zeit, bis man sich an diese Art der Vorwärtsbewegung gewöhnt hatte. Anfänger bewegten sich bei ihren er sten Versuchen meist hilflos im Zickzack durch die Schächte, holten sich Prellungen an den Wänden und kamen nicht selten kopfunter an den Aus stiegpunkten heraus. Aber nach einiger Zeit legten sich diese Schwierig keiten zumeist. Während ich langsam durch den Schacht schwebte und mit Fingerbewe gungen meine Flugrichtung korrigierte, suchte ich angestrengt nach einer Möglichkeit, den Schacht wieder zu verlassen. Natürlich gab es hier keine Haltegriffe wie in den Antigravschächten an Bord der KARRETON, an den man sich mit leichtem Schwung aus der Zone der Null-Gravitation entfernen konnte. Vorsichtshalber bemühte ich mich, nicht die Äderung der Schachtwände zu beachten; meine Erfahrungen im Hypno-Saal hatten mich gewarnt. Im merhin reichte das Leuchten aus, um jede Einzelheit im Innern des Schachtes erkennen zu lassen. Nur eines machte mich stutzig – die Adern
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verliefen in Längsrichtung, während sie an der Oberfläche waagrecht ver laufen waren, wie Schichtungen im Gestein. Sollte das bedeuten, daß der Schacht parallel zur Oberfläche verlief? »Ein weiterer Trick!« belehrte mich der Extrasinn. Ich wußte nicht, woher der Logiksektor diese Information hatte, aber ich gab mich damit zufrieden. Nach meiner Schätzung hatte ich einige hundert Meter zurückgelegt; von dem Seitenstollen, aus dem ich gekommen war, konnte ich nichts mehr sehen, dafür aber das Ende des Schachtes. Eine feingeäderte, massi ve Felswand versperrte mir den Weg. Ich fing meinen Schwung behutsam mit den Händen ab und schaltete den Antigravgenerator um. Nach einiger Zeit stand ich auf dem hinderlichen Fels. Diese Maßnahme war nicht ungefährlich; sollte das Hindernis blitzartig verschwinden, dann würde ich, vorausgesetzt meine Theorie über die Lage von oben und unten stimmte, wie ein Stein in die Tiefe stürzen, und in die sem Fall hatte ich nur wenige Sekundenbruchteile Zeit, diesen Sturz wie der abzufangen. Daß diese Besorgnis überflüssig war, merkte ich wenig später. Ich hörte ein Geräusch über mir und sah in die Höhe. Zeitlupenhaft langsam senkte sich ein Felsblock auf mich herab, der den Querschnitt des Schachtes vollständig ausfüllte. Die Distanz zwischen den Kanten des Felsen und der Außenwand des Schachtes betrug nur wenige Zentimeter; ein Entkommen war unmöglich. Ich sah auf die Uhr und schätzte die Strecke, die der Stein zurücklegte; nach meiner Rechnung ver blieben mir noch einige Minuten. In dieser Zeit mußte ich versuchen, aus dieser Zwangslage zu entkommen. Ich zog meinen Desintegrator und feuerte auf den Boden unter mir. Auch dieser Teil der Pyramide war durch Kristallfeld-Intensivierung ge gen Desintegratorbeschuß gefeit, desgleichen die Seitenwände. Ich steckte die Waffe wieder weg und begann den Boden peinlich genau zu untersu chen. Besonders interessierte mich die Verbindung zwischen dem Boden und den Wänden des Schachtes; ich kratzte mit dem Flottenmesser aus Arkon stahl an der Trennlinie. Das Ergebnis war niederschmetternd. Dieser Teil des Schachtes war in einem Stück aus dem Fels gehauen worden, Boden und Wände bildeten eine Einheit. Ich stieß einen Fluch aus und sah mich gehetzt um. Auch ein Versuch mit dem Minikom brachte keinen Erfolg, von Ra oder Fartuloon war nichts zu hören. Zudem war anzunehmen, daß sich meine Freunde in ähnlichen Schwierigkeiten befanden. »Falls sie überhaupt noch leben!« stellte der Logiksektor erbarmungs los fest.
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Diese Bemerkung trug wenig dazu bei, meine Stimmung zu heben. Ich sah wieder nach oben – mir blieb nur noch wenig Zeit. Ob vielleicht der Fels … Ich richtete meinen Desintegrator auf den Stein und zog den Abzug durch. Ich stieß einen leisen Schrei aus, der Beschuß zeigte Wirkung. Grünliche Schwaden stiegen von der glatten Oberfläche des sich senken den Steines auf und wirbelten in den immer kleiner werdenden Zwischen raum zwischen dem Boden und dem Stein. Ich stellte die Düse des Desintegrators sorgfältig ein; ich mußte die mir verbleibende Zeit optimal nutzen. Mit Dauerfeuer schnitt ich einen Tunnel in den sinkenden Felsen, gerade groß genug, um mir ein Durchschlüpfen zu ermöglichen. Der Fels war nur noch zwei Armlängen über meinem Kopf, als ich das Feuer einstellte. Mein Schirmfeld begann zu flackern, die Desintegrator energie, die von dem Felsen reflektiert wurde, begann den Generator zu belasten. Obendrein wurde es Zeit, das Schirmfeld zu desaktivieren. Zwar setzte es dem materiell stabilen Fels keinen Widerstand entgegen, aber die Energien, die das Feld stabil hielten, mußten irgendwohin abfließen. Das verhinderte der Stein; hätte ich den Schirm bestehen lassen, wäre ich vom energetischen Rückschlag in Atome zerblasen worden. Es wurde finster um mich herum; unaufhaltsam senkte sich der Fels auf mich herab. Ich legte die Arme fest an den Körper, als die Ränder des von mir geschaffenen Loches meine Schultern erreicht hatten. Langsam sank der Fels weiter, dann spürte ich einen leisen Ruck. Der Stein hatte auf dem Boden aufgesetzt.
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5.
Ich konnte kein Glied rühren; das Loch, daß ich mit dem Desintegrator in den Fels geschossen hatte, war zu eng, um mir genügend Bewegungsfrei heit zu geben. Geholfen hätte es mir indes nicht viel; der Versuch, sich durch den dicken Fels hindurchzuschießen, war glatter Selbstmord. Die re flektierte Energie meiner Waffe hätte mich getötet. »Du hast dir deinen eigenen Sarg geschaffen!« belehrte mich der Extra sinn. Inbrünstig verwünschte ich den Logiksektor, der keine Hemmung kann te, mir meine verzweifelte Lage nachdrücklich vor Augen zu führen. Aber selbst diese hoffnungslose Lage konnte mich noch nicht endgültig zur Aufgabe zwingen. Bevor sich der Stein auf mich herabgesenkt und mich eingeschlossen hatte, hatte ich noch meinen Minikom aktiviert. Verzweifelt preßte ich meine Ohren gegen die kleinen, aber sehr leistungsfähigen Lautsprecher. Außer einem durchdringenden Rauschen war nichts zu hören. Ich rief Fartuloon, schrie nach Ra, versuchte die KARRETON zu errei chen; alle Versuche scheiterten. Es gab keine Funkverbindung, nur das Rauschen, daß an meinen Nerven zerrte und mich fast mehr peinigte als die Gewißheit, in einigen Stunden keine Atemluft mehr zu haben. Ich wußte, daß mein Sauerstoffvorrat noch für geraume Zeit ausreichte; der automatische Regenerierungskreislauf sorgte dafür, daß nur minimale Sau erstoffmengen wirklich verbraucht wurden. Das ausgeatmete Kohlendi oxyd wurde ausgefiltert, aufgespalten und wieder in den Kreislauf einge führt. Was ursprünglich als lebensrettende Maßnahme gedacht war, entpuppte sich unter diesen Umständen als Mittel, den Todeskampf ins Endlose zu dehnen. Ich knirschte mit den Zähnen; das Gefühl völliger Ohnmacht, die Wut über meine Hilflosigkeit übermannte mich. Es war ein grauenhaftes Gefühl, hier lebendig eingemauert zu sein und nun Stunde um Stunde auf das Gurgeln warten zu müssen, mit dem der letzte Sauerstoff in das Innere des Anzugs strömte. Ich wußte nur zu genau, daß ich meinen Tod bei vol lem Bewußtsein erleben würde. Die gnädige Ohnmacht durch eine Koh lenoxydvergiftung wurde von der perfekten Technik verhindert. Ich ballte die Fäuste, schlug mit der Stirn gegen den Fels, als könne ich mir buchstäblich mit dem Kopf durch die Wand die Freiheit erkämpfen. Wieder versuchte ich, über den Minikom Hilfe herbeizurufen, wieder ohne jeden Erfolg. Trotz meiner verzweifelten Lage war ich mir sicher, daß es irgendeine Möglichkeit geben mußte, mich aus dieser Zwangslage zu befreien. Ich
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konnte mir nicht vorstellen, daß die alten Varganen auf dem Weg zum Stein der Weisen Hindernisse aufgestellt hatten, die objektiv unüberwind lich waren. »Dieses Hindernis war zu überwinden!« mischte sich der Logiksektor ein. »Hättest du einen Kampfrobot mitgenommen, wärest du frei. Die Feu erkraft des Robots hätte ausgereicht, den Stein zu zerschießen oder zumin dest einen Durchlaß freizuschießen!« »Ruhe!« schrie ich erregt, als könne ich so das Extrahirn zum Schwei gen bringen. Der Extrasinn hatte wieder einmal recht; mit einem oder mehreren Kampfrobots wäre ich nicht in diese Zwangslage geraten. War dieser Fels die tödliche Strafe für meine Unvorsichtigkeit? Ich weigerte mich, daran zu glauben. Viel half mir dieser Glaube nicht. Die Sekunden und Minuten dehnten sich zu Ewigkeiten; mit immer grö ßerer Anstrengung horchte ich auf das Geräusch des einströmenden Sauer stoffs, wartete darauf, das verhängnisvolle Gurgeln zu hören. Ich konnte meine Uhr nicht vor mein Gesicht bringen, mir fehlte jedes Zeitgegefühl. Ich wußte nicht, ob Minuten oder Stunden vergingen; eine Zeitlang ver suchte ich, anhand meines Pulsschlags die Zeit zu bestimmen, aber dann gab ich das auf. »Was habe ich noch für Möglichkeiten, zu handeln!« überlegte ich laut. »Keine!« stellte das Extrahirn lakonisch fest. Ich verwünschte den Tag, an dem der vorher brachliegende Hirnsektor auf dem Prüfungsplaneten aktiviert worden war. Die klare, eiskalte Logik des Extrahirns erschien mir unter den gegebenen Umständen als besonders grausamer Spott. »Aber sprechen kann ich noch!« überlegte ich mir; ich sprach mit Ab sicht laut. Einmal, um die winzige, Möglichkeit zu erhalten, daß mich je mand hörte und anpeilte, zum anderen, um mich selbst zur Ruhe zu zwin gen. »Vielleicht gibt es ein Kodewort, das diese Fall wieder öffnet!« dachte ich laut. »Irgendein geheimnisvolles Wort, vielleicht ein völlig unwichti ger Begriff!« Ich lächelte schwach. Dies war tatsächlich die einzige Möglichkeit, die mir noch verblieb. Und mein wichtigster Helfer war nun eben der von mir so verwünschte Teil meines Hirnes, der neben dem Logiksektor auch das photographische Gedächtnis barg. Ich holte tief Luft und begann. »A, Aal, aalen, aalglatt, Aaltierchen, Aar …!« mit nervtötender Präzisi on spulte mein Gedächtnis ein vollständiges Wörterbuch ab. Ich kannte die arkonidische Sprache, mehrere Dialekte aus den Randgebieten, dazu mehr
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als ein Dutzend anderer Sprachen, natürlich auch deren gesamtes Vokabu lar. Es fehlten weder Flüche noch technische Fachausdrücke. Ab und zu mußte ich wider Willen grinsen, wenn ein Wort über meine Lippen kam, das ich bewußt nie gehört oder gebraucht hatte. Unangenehm wurde es, wenn in der Liste Namen erschienen; dazu lieferte das photographische Gedächtnis sofort Aussehen, Bewegung und Stimmklang der betreffenden Person mit. Für einen Mann, der mit letzter Kraft um sein Leben kämpft, ist es kein Vergnügen, an angenehme Stunden und Tage mit lieben Freun den erinnert zu werden. Ich steckte noch mitten im Buchstaben A, als sich wieder der Logiksek tor meldete. »Gib es auf!« signalisierte er mir. »Bis du alle Worte abgerufen hast, vergeht mehr Zeit, als dir zur Verfügung steht!« Ich gab noch nicht auf, machte weiter bis zu meinem Namen. Als ich laut »Atlan« rief, durchfuhr mich die Frage, in wessen Gedächt nis dieser Name wohl haften bleiben mochte. Ich senkte den Kopf und schloß die Augen. »Narr!« schimpfte der Logiksektor. »Woher nimmst du die Dreistigkeit, zu glauben, daß ausgerechnet dein Name hier helfen könnte …?« Ich lachte bitter auf; wie immer hatte das Extrahirn recht. Was bedeute te schon der Name Atlan; in spätestens einem Jahrzehnt würde er verges sen sein, vielleicht nicht von Farnathia, aber … »Farnathia!« rief ich aus, einem plötzlichen Impuls folgend; auch dieser Name konnte mir keine Rettung bringen. Ich hörte das harte Pochen meines Herzens, das leise Zischen des Sauer stoffs; so groß war die Stille, daß ich sogar das leise Summen des Energie tornisters wahrnehmen konnte. Wieder meldete sich das Extrahirn. »Ischtar!« lautete die kurze Auskunft. Laut wiederholte ich den Namen; auch jetzt rührte sich nichts. Erst als der Boden schlagartig unter mir verschwand, begriff ich, daß ich gerettet war, wenigstens für die nächsten Augenblicke. Während ich in rasender Eile die Gürtelgeräte einschaltete, schloß ich die Augen; nach der langen Zeit in völliger Dunkelheit wurde ich von dem relativ schwachen Licht der Energieadern völlig geblendet. So sah ich auch nicht, wie tief ich fiel. Ich spürte nur, daß sich mein Fall rasch verlangsamte, dann prallte ich auf einem harten Boden auf und verlor das Bewußtsein. Ich erwachte mit einem bösartigen Hungergefühl, obendrein hatte ich Durst. Mit großem Genuß aß ich die Konzentratnahrung und trank das Wasser, das sich leicht erwärmt hatte. Dann überprüfte ich meinen Anzug; alle Geräte arbeiteten einwandfrei, in diesem Punkt konnte ich beruhigt sein.
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Was mich besorgt machte, war die Tatsache, daß ich immer noch kein Lebenszeichen von Fartuloon und Ra hatte; auch zur KARRETON ließ sich keine Verbindung herstellen. Ich sah nach oben. Das Loch, durch das ich gefallen war, mußte sich in zwischen wieder geschlossen haben; von einer Öffnung war nichts mehr zu sehen. Die Decke lag knapp zehn Meter über mir; wäre es mir nicht ge lungen, in letzter Sekunde die Aggregate meines Gürtels zu aktivieren, hätte ich mir sicherlich auf dem felsigen Boden etliche Knochen, wenn nicht das Genick gebrochen. Für wen auch immer der Stein der Weisen aufbewahrt werden mochte, der Zugang forderte dem Betreffenden das Äußerste ab. Natürlich, sah ich mich genau um, schließlich mußte ich damit rechnen, daß mir neues Ungemach bevorstand. Wenn ich mich auf meine Sinne verließ, stand ich auf dem Boden eines langen Schachtes, der einen Durchmesser von knapp acht Metern besaß. Von meinem Standort aus führten zwölf verschiedene Gänge in alle Him melsrichtungen. Ausnahmsweise waren die Wände über den Öffnungen nicht mit grausigen Masken verziert. Wohin sollte ich mich wenden, jede Auswahl hatte ihre Tücken. Für welchen Eingang ich mich auch entschied, ich konnte sicher sein, dabei in eine neue Falle zu tappen. Das Innere der Pyramide erschien mir langsam wie das Netz einer riesigen Spinne zu sein; wohin man auch ging, überall konnte man festkleben und sein Ende finden. Es fragte sich nur, wo die Spinne steckte, die dieses Netz kontrollierte. Anders ausgedrückt, wo be fand sich die Schaltstation, von der aus dieses verzwickte System ausge klügelter Hinterhalte gesteuert wurde? Wenn es mir gelang, dieses Schalt werk zu finden und zu vernichten, dann hatten wir eine echte Chance, das Geheimnis der Pyramide zu lüften. Wir? Ich verzog das Gesicht zu einem düsteren Lächeln. Noch immer fehlte jede Spur von meinen Freunden. Die Wahrscheinlichkeit war groß, daß sie in irgendeiner Falle ein grausames Ende gefunden hatten. Ich hörte ein Knacken in meinen Lautsprechern, dann eine müde Stim me. »Atlan, Ra!« sagte die Stimme erschöpft. »Wo zum Teufel steckt ihr!« »Fartuloon!« schrie ich aufgeregt in mein Mikrophon. »Hier Atlan!« »Endlich!« hörte ich meinen Freund und Gefährten seufzen. »Kannst du mir sagen, wo du dich gerade aufhältst?« »Ich habe nicht den Schimmer einer Ahnung!« erklärte ich wahrheitsge mäß. »Ich stehe auf dem Boden eines Schachtes, aber ich kann beim be sten Willen nicht sagen, wo in der Pyramide dieser Schacht zu suchen wä re!«
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»Hm!« machte Fartuloon. »Immerhin, zwei von uns haben überlebt! Oder hast du etwas von Ra gehört?« »Keine Silbe!« antwortete ich rasch. »Wie ist es dir ergangen, Fartu loon?« »Reichlich übel!« sagte der Bauchaufschneider; die Tatsache, daß er wenigstens mit mir sprechen konnte, schien seine Niedergeschlagenheit rasch zu beseitigen. Der ironische Unterton in seiner Stimme sagte mir ge nug. »Ich habe mich mit ein paar Robotern herumgeprügelt, landete in ei ner zweiten Hypnofalle, die mich fast das Leben gekostet hätte. Erspare es mir, dir haarklein zu berichten, was diese satanischen Hypnoprojektoren mir alles vorgegaukelt haben. Jedenfalls ziehe ich den Aufenthalt im In nern einer Supernova einem einzigen Tag in dieser Pyramide vor. Ra, ver dammter braunhäutiger Barbar, melde dich endlich!« »Findest du es richtig, in dieser Weise von einem Toten zu sprechen?« erkundigte sich eine belustigt klingende Stimme. »Hier bin ich!« Ich atmete erleichtert auf; noch hatten die Anlagen der Pyramide keinen von uns zur Strecke bringen können. Das ließ hoffen. »Ra!« sagte auch Fartuloon, hörbar zufrieden. »Womit hat man dich be lästigt?« »Ich sollte ertränkt werden!« meldete der Barbar. »Ich frage mich aller dings, wo auf diesem wüsten Planeten Wasser zu beschaffen wäre!« »Uninteressant!« wehrte ich ab. »Zunächst einmal müssen wir zusehen, daß wir zueinanderkommen. Vereint …!« »… sind wir stärker als alleine!« mischte sich Fartuloon ein. »Wenn du schon Weisheiten anbringen willst, dann zitiere wenigstens nicht ausge rechnet meine Sprüche!« »Sorgen habt ihr!« meinte Ra kichernd. »Ernsthaft, wie finden wir uns gegenseitig. Ich schlage vor, einer bleibt an seinem Platz stehen, und die anderen versuchen ihn zu finden!« »Einverstanden!« bestimmte ich. »Ich bleibe, wo ich bin. Zur Erklä rung: in dem Gebiet, in dem ich mich befinde, sind die Wände zwar noch von den Energieadern durchsetzt, aber es gibt keine monströsen Reliefs mehr. Hilft euch das?« »Mir nicht!« erklärte Ra. »Ich sehe noch Reliefs, eines scheußlicher als das andere. Dafür kann ich keine Energieadern erkennen!« »Bei mir ist außer nacktem Fels überhaupt nichts zu sehen!« erklärte Fartuloon. »Paß auf Ra, du marschierst los, bis die Verhältnisse um dich herum denen gleichen, von denen Atlan berichtet hat. Ich werde das glei che tun!« »Einverstanden!« stimmte Ra zu. »Ich marschiere los. Ich bin sehr ge spannt, auf welche Überraschungen ich diesmal stoße. Diese Pyramide be ginnt mir Spaß zu machen!«
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Dieser Barbar verfügte über einen höchst merkwürdigen Humor, dachte ich grinsend. Immerhin, solange er spotten konnte, war die Lage noch er träglich. Ich setzte mich auf den harten Boden und wartete auf das Eintreffen meiner Freunde. Es verging mehr als eine Stunde, wie mir meine Uhr zeigte, aber von Ra und Fartuloon war nichts zu sehen. »Ich fürchte, wir stecken in einem geschickt angelegten Labyrinth!« meinte Fartuloon. Seiner Stimme war anzuhören, daß er in den letzten Stunden ebensowenig zur Ruhe gekommen war wie ich. »Wie sollen wir uns so finden!« Ich begann zu überlegen. Wenn man in einen Körper, beispielsweise diese Pyramide, ein Loch bohrte und dieses Loch zu einem Gang verlängerte, mußte man früher oder später jeden Punkt im Innern der Pyramide erreichen. Da ich den gleichen Eingang benutzt hatte wie meine Freunde, mußten sie mich ein fach erreichen können. Es sei denn … Wenn man einen solchen Gang so eng anlegte und immer weiter ver dünnte, bis er praktisch zur Linie geworden war, konnte man in einen Kör per unendlich viele Labyrinthe placieren, ohne daß sie ein Ende fanden. Ich traute den Intelligenzen, die dieses Bauwerk angelegt hatten, durch aus zu, auch mit Dimensionsphysik Experimente angestellt zu haben. Es war möglich, daß sie mit uns eine Dimensionsverschiebung vorgenommen hatten; in diesem Falle konnten mich meine Freunde bis in alle Ewigkeit suchen. War unter diesen Bedingungen überhaupt ein Funkkontakt möglich? Ich wußte es nicht, und auch mein Extrasinn konnte mir darauf keine Antwort geben. Mir kam ein neuer Gedanke. Ich rief Fartuloon und Ra an und berichtete ihnen in allen Einzelheiten, welchen Weg ich genommen hatte. »Wenn ihr jetzt die rechte Hand an die rechte Wand legt und niemals entfernt, müßt ihr mich finden, früher oder später!« erklärte ich meinen Freunden. »Das bedeutet«, meinte Fartuloon finster, »daß ich im ungünstigsten Fall das gesamte Labyrinth durchwandern muß!« »Ich fürchte ja«, gab ich zu. »Aber ich sehe keinen anderen Weg!« Fartuloons Stimme klang laut und deutlich aus meinen Lautsprechern; es war durchaus möglich, daß wir nur von einer einzigen Wand voneinan der getrennt waren. Leider waren unsere technischen Möglichkeiten zu be schränkt, um uns eine Funkpeilung zu ermöglichen. Das Äußerste des Möglichen war die Abschätzung nach der Lautstärke; klang die Stimme schwächer, entfernte sich der Sprecher von mir, wurde der Klang lauter, kam mir der Betreffende näher. Aber dieses Verfahren war zu grob und
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enthielt zu viele Tücken, um als praktikabel gelten zu können, ganz abge sehen davon, daß uns die Einrichtungen der Pyramide wieder einen Streich spielen konnten. Während Fartuloon und Ra nach mir suchten, probierte ich erneut, eine Verbindung zur KARRETON herzustellen. Ich hörte Ras Pfeifen und Far tuloons grimmiges Brummen, aber keinen Piepser, der von den Sendern unseres Schiffes hätte stammen können. »Atlan!« hörte ich Fartuloon rufen. »Ja?« antwortete ich rasch. »Was gibt es!« »Ich fürchte, wir sind nicht allein in der Pyramide!« erklärte der Bauch aufschneider düster. »Ich habe gerade eine Leiche gefunden, einen Krala senen. Er sieht übel aus, kaum noch zu erkennen!« »Wie lange ist er schon tot?« fragte ich hastig. »Schwer zu sagen!« antwortete Fartuloon. »Wenige Stunden, würde ich schätzen. Es ist durchaus möglich, daß noch einige andere von Sofgarts Schergen in diesem Bau herumirren. Also sieh dich vor!« Das war ein neuer Schlag; wenn Fartuloon recht behielt, dann stand so gar ein Kampf mit den Männern des Blinden Sofgart bevor. Je nachdem, wie viele seiner Männer den tückischen Fallen entronnen waren, würden wir einer beträchtlichen Übermacht gegenüberstehen. Ich kannte die Kralasenen, wußte, mit welchem Fanatismus sie kämpften. »Ich habe auch einen Toten gefunden!« meldete sich wenig später Ra. »Er muß allerdings schon seit längerer Zeit hier liegen. Bist du sicher, Far tuloon, daß du keiner Hypno-Projektion aufgesessen bist?« »Woher soll ich das wissen?« fragte der Bauchaufschneider leicht ge reizt zurück. »Was weiß ich, was diese Maschinen mit mir angestellt ha ben, während ich bewußtlos war. Hier ist alles möglich!« Langsam begann ich daran zu zweifeln, daß mich die beiden erreichen würden. Seit mehr als zwei Stunden irrten die beiden Männer nun schon durch die Gänge und Stollen der Pyramide, und noch gab es kein Anzei chen dafür, daß sie mich in absehbarer Zeit finden würden. »Eine neue Entdeckung, Atlan!« meldete sich Ra. »Hier werden die Energieadern langsam immer dichter und dicker. Ich habe das Gefühl, daß ich mich allmählich dem Mittelpunkt dieser Unterwelt nähere!« »Das hört sich interessant an«, mischte sich Fartuloon ein. »Erinnert euch an die Adern an der Oberfläche. Wir haben festgestellt, daß der Ener giestrom auf diese Pyramide zielt. Es ist denkbar, daß die gesamte Energie irgendwo in der Nähe Ras in die Maschinen geleitet wird. Dort müßte auch das Zentralorgan des Quaddin-Körpers sein!« Ich wagte nicht daran zu denken, daß wir uns möglicherweise irrten, daß nicht diese Pyramide, sondern ein ganz anderes Bauwerk das rätsel hafte Zentralorgan barg.
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»Ich schlage folgendes vor!« meinte Fartuloon. »Wir geben den offen bar sinnlosen Versuch auf, uns gegenseitig nachzulaufen. Statt dessen soll te jeder von uns versuchen, von seinem Standort aus so schnell wie mög lich die Zentrale dieses Bauwerks zu erreichen. Dabei können wir uns an der zunehmenden Dichte und Stärke der Energieadern orientieren!« »Ich stimme zu!« sagte Ra sofort. Ich überlegte kurz, dann erklärte ich ebenfalls mein Einverständnis. Far tuloon war im Recht. Es hatte wenig Sinn, die Suche nach den Partnern fortzusetzen; unser Hauptziel war das Auffinden des Quaddin-Körpers. Alles andere war nebensächlich. Aufs Geratewohl suchte ich mir einen der Gänge aus und marschierte los. Ich konnte nur hoffen, daß die Richtung stimmte; immerhin konnte ich erkennen, daß die Äderung allmählich dicker wurde und an Leuchtkraft gewann. Ich hatte allerdings leise Zweifel, ob dies ein gutes Zeichen war. Die gesamte Pyramide war derartig auf Täuschung der Besucher ausge richtet, daß man versucht war, alles für Trug und Täuschung zu halten. Meinen Desintegrator hielt ich entsichert in der rechten Hand; die Waf fe zuckte in die Höhe, als ich vor mir eine Gestalt auftauchen sah, die mit einem blitzenden metallischen Gegenstand auf mich losging. »Fartuloon!« seufzte ich erleichtert und ließ die Waffe sinken. »Wolltest du mir ernstlich mit dem Skarg zu Leibe rücken!« »In der Not greift der Teufel zum Skarg!« philosophierte der Bauchauf schneider. »Ich freue mich, dich zu sehen. Wo kommst du her?« Ich deutete mit dem Daumen über meine Schulter. »Ausgeschlossen!« protestierte Fartuloon. »Ich habe den ganzen Gang abgeschritten, bis zu seinem Ende. Es gab keine Seitenwege, folglich hätte ich dich finden müssen!« Das war ein weiterer Beweis dafür, daß wir unter dauernder Kontrolle standen. Es war ein sehr unangenehmes Gefühl, wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden gehalten und gesteuert zu werden. In meiner Vorstel lung formte sich das Bild eines ausgekochten Sadisten, der mit uns spielte, uns nach Belieben in Todesangst versetzte und wieder entkommen ließ. Ir gendwann würde er die Geduld verlieren und dem Spiel ein Ende machen. Über Helmfunk verständigte ich Ra, daß Fartuloon zu mir gestoßen war. »Immerhin etwas!« kommentierte der Barbar. »Ich habe keine Ahnung, wo ich im Augenblick stecke! Drückt mir die Daumen, daß ich euch noch finde!« Langsam bewegten Fartuloon und ich uns vorwärts, den immer dicker werdenden Energieadern folgend. Allmählich begann ich mich sehr un wohl in meiner Haut zu fühlen. Die Adern hatten inzwischen eine Mäch tigkeit erreicht, die wie eine Drohung wirkte. Ich dachte an die Energiemengen, die durch diese Adern flossen. Wenn es den Automaten der Pyra
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mide einfiel, diese Ladungen zum Überschlag zu bringen, halfen auch Schutzschirme nicht mehr viel. »Beeilt euch ein wenig, Freunde!« hörte ich plötzlich Ra ausrufen. »Es wird langsam brenzlig! Ich bin auf Robots gestoßen. Noch schießen sie nicht, aber sie machen keinen friedfertigen Eindruck!« Wenn wir nur gewußt hätten, wo unser Freund sich aufhielt! So blieb uns nichts anderes übrig, als unser Tempo zu erhöhen, selbst auf die Ge fahr hin, daß wir uns von Ra immer weiter entfernten. In meinen Lautsprechern hörte ich das Zischen von Blasterschüssen, dann ein wütendes Knurren. »Ra!« rief ich hastig. »Greifen die Robots an?« »So kann man es nennen!« meinte der Barbar. »Sie schießen zwar nicht direkt auf mich, aber auf die Wände. Offenbar wollen sie mich ein wenig ärgern!« »Halte aus, wir kommen!« rief ich schnell. Fartuloon kicherte laut. »Deinen Optimismus möchte ich haben!« meinte er grinsend. »Woher willst du wissen, ob wir Ra überhaupt erreichen!« »An den Entscheidungen des Kristallprinzen gibt es nichts zu deuteln!« versetzte ich hoheitsvoll, was Fartuloons Heiterkeit nur noch steigerte. Genau betrachtet, war es vollendeter Unsinn, was wir trieben. Wir rann ten wie gehetzt durch die Gänge, achteten nicht auf plötzlich auftauchende Verzweigungen; das einzige, was uns beschäftigte, war die sich steigernde Mächtigkeit der Energieadern. Diesen Zeichen folgten wir, in der Hoff nung, so auf unseren Freund Ra zu stoßen, dessen Lage sich offenbar zu sehends verschlechterte, wie wir an der ansteigenden Heftigkeit des Feuers feststellen konnten. »Beeilt euch!« rief Ra. »Den Robots scheint die Geduld auszugehen!« Seine Stimme klang so klar und deutlich aus den Helmlautsprechern, daß ich versucht war, zu glauben, daß sich Ra in unserer unmittelbaren Nähe befand. Ich winkte Fartuloon zu, der auf dieses Zeichen hin sofort anhielt. Ich beugte mich auf den Boden nieder und preßte die Frontscheibe des Helmes auf den felsigen Boden. Zwar wurden die Geräusche erheblich gedämpft, aber es war nicht zu überhören – ziemlich in der Nähe erklang der Lärm der Waffen. Deutlich konnte ich den schweren Tritt der Roboter hören. »Aushalten, Ra!« schrie ich. »Wir müssen ganz in deiner Nähe sein!« »Das hilft mir wenig!« hörte ich Ra antworten, begleitet von einem Ex plosionsknall. »Das für dich, Freundchen!« Die letzte Bemerkung galt offenbar einem Robot, dessen Vernichtung ich hatte hören können. Hören können?
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Ich sah auf das Kombiinstrument an meinem Arm; der Raum, der uns umgab, war mit Gas gefüllt, mit Sauerstoff, wie der Analysator anzeigte. Diese Tatsache bewies mir, daß wir uns allmählich dem Kernpunkt der Pyramide näherten; nur dort war es sinnvoll, die Räume mit atembarem Gas zu füllen, und nur dort konnte auch das Zentralorgan sein, dem unsere verzweifelte Suche galt. »Ich habe ihn!« rief Fartuloon, der ein Stück vorausgeeilt war. »Endlich!« seufzte Ra auf. »Lange hätte ich ohne Hilfe nicht mehr durchgehalten!« Dort, wo er und Fartuloon standen, erweiterte sich der Gang beträcht lich; im Hintergrund erkannte ich ein großes Tor. Vor der Öffnung befan den sich Robots; ich zählte mehr als ein Dutzend der großen Metallwesen, deren Waffen auf uns gerichtet waren. An den leuchtend roten Mündungen ersah ich, daß die Waffen entsichert waren. Zudem waren die Robots mit Waffen ausgerüstet, für die der Begriff transportable Kanone durchaus an gemessen war. Einer der Robots lag mit zerschossenem Rumpf einige Schritte vor der Reihe seiner Artgenossen; ihn hatte Ra vernichtet. Ich schluckte nervös. Jeder einzelne Robot hätte ausgereicht, uns zu vernichten. Die Reakti onsgeschwindigkeit positronisch gesteuerter Waffenträger lag um einige Zehnerpotenzen über dem menschlichen Vermögen; rechnete man noch die Bewaffnung hinzu, bei der ein Schuß genügte, um unsere Feldschirme glatt zu durchschlagen, dann war abzusehen, daß hier so ohne weiteres kein Fortkommen möglich war. »Seid mir willkommen!« meinte Ra fröhlich. »Was fangen wir jetzt an? Hast du einen Vorschlag, Atlan?« Ich zuckte hilflos mit den Schultern. Genaugenommen hatten wir keine Chancen. Bevor ich auch nur hätte den Abzug betätigen können, hätte schon ein Waffenstrahl eingeschlagen. Ich fingerte an meinem Gürtel herum. Natürlich hatte ich noch ein paar Thermobomben, mit denen auch diese Robots auszuschalten waren. Aber ein Wurf nahm noch wesentlich mehr Zeit in Anspruch als ein Schuß; wenn es den Maschinen Spaß machte, konnten sie die Bombe sogar noch aufheben und uns nachwerfen, bevor sie detonierte. »Du mußt eine List anwenden!« verriet mir der Logiksektor. Das Ding hatte leichtes Reden, zumal es darauf verzichtete, mir diese List näher zu beschreiben. Langsam verstrichen Minuten, in denen sich weder die Robots noch wir bewegten. Ich spürte, wie ich ins Schwitzen geriet. Würden uns die Robots wenigstens unbehelligt ziehenlassen, wenn wir keine feindseligen Handlungen vornahmen? Nur darin lag noch eine hauchdünne Chance für uns.
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Ich kramte aus meinem Wortschatz die Bruchstücke eines Idioms her vor, das am äußersten Rande des Arkon-Imperiums gebräuchlich war, eine entsetzliche Verstümmlung meiner normalen Sprache, ein Slang, mit dem man die satzdrechselnden Schranzen des Kaiserlichen Hofes in Panik ver setzen konnte. In diesem grauenhaften Rand-Arkonidisch sprach ich Fartuloon an. »Wir müssen schauspielern, mein Freund!« erklärte ich ihm. Dabei deutete ich auf die Robots und mühte mich, ein sehr furchtsames Gesicht zu machen; angesichts der tödlichen Drohung, die von den Metall kolossen ausging, keine allzu schwierige Aufgabe. »Ich werde versuchen, die Robots hereinzulegen!« gab ich bekannt. Fartuloon verzog das Gesicht, als er meine Aussprache hörte; Ra ver stand überhaupt nichts und stand mit völlig unbeteiligtem Gesichtsaus druck neben uns. Ich wandte mich wieder den Robots zu, hob die Hände flehentlich in die Höhe und sank langsam in die Knie. Dann beugte ich den Oberkörper de mutsvoll dem Boden entgegen. Das jämmerliche Stammeln und Winseln, das ich dabei von mir gab, spottete jeder Beschreibung; ich war froh, daß Ra kein einziges Wort ver stand. Hätte er begriffen, mit welchen verbalen Liebkosungen ich die Ro bots bedachte, hätte er vermutlich lauthals gelacht und so meinen ganzen Plan in Frage gestellt. Die Robots zeigten sich von meinem Demutsgeheul wenig beeindruckt. Immerhin schossen sie nicht, als ich langsam auf den Knien näher rutschte und dabei immer wieder Verbeugungen machte. Nach einigen Verrenkun gen dieser Art begann mein Rücken so zu schmerzen, daß ich Mühe hatte, nicht aufzustöhnen. Arkonidische Kampfanzüge sind dafür gedacht, in aufrechter Haltung die Demutserklärungen anderer Völker entgegenzunehmen; bei der Kon struktion hatte offenbar kein Arkonide daran gedacht, daß es Gelegenhei ten geben konnte, bei denen sich ein Arkonide zu unterwerfen hatte. Während ich langsam auf den Knien an die Robots heranrutschte und ihnen meine Ergebenheit versicherte, nestelte ich drei Thermobomben aus meinem Gürtel. Mein Herz pochte so laut, daß es die Robots fast hören konnten; ich be gann zu frösteln. Was jetzt kam, war eine Sache von Sekunden. Ich entsicherte die Bombe so geschickt, daß keiner die verdächtigen Handbewegungen entdecken konnte. Dann hielt ich der Phalanx der Ro bots meine Gabe flehend auf offener Hand entgegengestreckt. Einer der Robots machte einen Schritt auf mich zu. Ich schrie angsterfüllt auf und ließ vor Schreck meine Gabe an die eher nen Gottheiten fallen; langsam kullerten die Geschenke auf die Robots zu.
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Ich stieß einen weiteren Schrei aus, der von den Wänden zurückgeworfen wurde und sich mit diesem Echo zu einem grauenhaften Gebrüll vereinig te. Dann sprang ich auf die Füße und raste wie von Sternenteufeln gehetzt davon. Im Laufen sah ich, daß auch Ra und Fartuloon zusahen, sich so schnell wie möglich von den Robots zu entfernen. Vor allem Ra schrie, daß ich um seinen Verstand zu fürchten begann. Dann packte mich eine gewaltige Faust und peitschte mich vorwärts; die Wände verschwammen zu wirren Schemen, als ich durch die Luft wir belte, mich mehrfach überschlug, gegen Wände und den Boden prallte und immer weiter flog. Ich landete auf allen vieren, warf mich weiter vorwärts. Die Aggregate des Schutzschirms wimmerten auf; der Schirm selbst strahlte grell auf und zuckte unter dem Aufprall der von mir entfesselten Gewalten. Ich gönnte mir keine Sekunde der Ruhe, rollte immer weiter, nur fort von der Stelle, wo drei Thermobomben die Welt in ein Glutmeer verwan delten. Hinter mir hörte ich das Donnern weiterer Explosionen, dazwi schen das Schreien von Fartuloon und Ra. Auch ich schrie; ich war nur noch ein Bündel von Reflexen, die ein nicht mehr verstandesgemäß handelndes Wesen vorwärts trieben. Jeder Schritt war wichtig, konnte über Leben und Tod entscheiden. Eine neue Druckwelle faßte mich und warf mich um. Mein Schirmfeld stand in lo henden Flammen, schemenhaft sah ich zwei Feuerbälle – Ra und Fartu loon, die sich mit letzter Kraft vor der geballten Vernichtungskraft der drei Bomben in Sicherheit zu bringen suchten. Als ich endlich zur Ruhe kam, war ich nicht mehr Herr meiner Sinne. Ich schlug mit Händen und Füßen um mich, schrie und tobte. Meine Haut schmerzte; ein Teil der Hitze, nur ein winziger Prozentsatz, war bis dort hin durchgeschlagen, aber diese Glut hatte ausgereicht, die Haut stark zu röten. Meine Knochen schmerzten von den Zusammenstößen, in meinem Schädel schienen Schlachtschiffstriebwerke mit höchster Kraft zu laufen. Nur sehr langsam fand ich meine Ruhe wieder. Ich tastete meinen Körper ab; abgesehen von einigen Brandblasen war ich ohne Verletzung, auch wenn ich das Gefühl hatte, mein Körper enthal te keinen einzigen heilen Knochen mehr. Fartuloon war besinnungslos, und Ra krümmte sich vor Schmerzen. Der Barbar hatte als letzter begrif fen, was ich plante und dementsprechend auch als letzter die Flucht ange treten. Er tat mir leid, aber ich hatte ihm nicht verraten können, was ich im Schilde führte. »Das war verdammt knapp!« ächzte Fartuloon, der langsam wieder zu sich kam. »Wie bist du auf diese selbstmörderische Idee gekommen?« Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung!« gestand ich. »Es ist mir einfach eingefallen. Viele an
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dere Möglichkeiten hatten wir ohnedies nicht!« »Und das auf meine alten Tage!« seufzte der Bauchaufschneider; ich sah hinter der Helmscheibe das Glänzen seiner Zähne. »Wenn du noch einmal solche schauspielerischen Einlagen planst, sage mir bitte vorher Bescheid. Immerhin, du warst großartig. Einen solcherart wimmernden Kristallprinzen dürfte es in der Geschichte des Imperiums noch nie gege ben haben. Wenn es zum Imperator nicht reichen sollte, kannst du dich an einer Schmierenkomödie verdingen!« »Unter deiner Leitung gerne!« gab ich schnell zurück. Langsam fand auch Ra wieder zu sich; er hatte sich einige recht schmerzhafte Brandblasen im Gesicht geholt, dazu Prellungen. Wenn wir erst an Bord der KARRETON waren, konnten diese Blessuren leicht und schnell behoben werden. »Bei allen Götzen und Dämonen dieser Milchstraße«, stöhnte er. »Noch einmal mache ich so etwas nicht mit. Gehe in Zukunft etwas schonender mit mir um, Barbaren sind selten heutzutage!« »Ich werde es mir merken!« versprach ich eilig. »Wollen wir jetzt un tersuchen, was die Robots zu verteidigen hatten?« »Falls davon nach deinem Zuschlagen überhaupt noch etwas besteht!« ergänzte Fartuloon grimmig. Vorsichtig arbeiteten wir uns zurück. Der Gang war weitgehend zer stört; an den Wänden sahen wir die Spuren, die herabfließendes Gestein hinterlassen hatten. Eine mörderische Hitze strahlte uns entgegen. Vor sichtshalber benutzten wir unsere Antigravs und schwebten durch das Chaos, das die Explosion der drei Thermobomben hinterlassen hatte. Von den Robots war nichts mehr zu sehen; was die Bomben nicht zerstört hat ten, war bei der Detonation der Waffenmagazine zerfetzt worden. Ich konnte noch einen völlig deformierten Handlungsarm eines Robots finden, mehr war von den Maschinen nicht übriggeblieben. Unsere Freude war groß, als wir erkannten, daß das Tor, hinter dem wir das Zentralorgan vermuteten, noch weitgehend unbeschädigt war. Zwar waren auch hier glühende Schmelzbäche über das Metall geflossen, aber die Tür hatte standgehalten. »Und wie kommen wir jetzt in diesen Raum hinein?« wollte Ra wissen. Ich versuchte es mit dem Namen Ischtar, dem Namen des Planeten und einigen anderen Begriffen, aber wenn dieses Tor auf Klangkombinationen ansprach, dann war dieser Mechanismus defekt. Der Stahl blieb an seiner Stelle und rührte sich nicht. Ich sah, wie Ra zusammenzuckte, als der Name Ischtar fiel, aber er be herrschte sich. »So kommen wir nicht weiter!« stellte Fartuloon erbittert fest. »Wir werden es wohl oder übel mit Gewalt versuchen müssen!«
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Mit vereinten Kräften rückten wir dem Schott zu Leibe und feuerten mit den Desintegratoren auf den Stahl. Jeder wählte eine Kante aus, um zu versuchen, hauptsächlich das Schloß der Tür zu treffen. Das konnte wich tig sein – in dem Fall, in dem es hinter dieser Tür wieder ein Vakuum gab, wie wir es von Za'Ibbisch gewohnt waren. Ich nahm die Oberkante des Schotts unter Feuer und hatte nach kurzer Zeit Erfolg; mit einem harten, metallischen Ton sank das Schott in die Tie fe und verschwand. Ein hinter der Tür stehender Robot verging sofort, als Fartuloon blitzschnell auf ihn feuerte. Dann stellte er den Beschuß rasch ein; bei der Maschine handelte es sich um einen simplen Wartungsrobot, der uns nicht weiter gefährlich wer den konnte. »Hier also ist die Höhle!« murmelte Fartuloon, der als erster über die Schwelle trat. Langsam und sorgfältig sahen wir uns um. Es handelte sich zweifellos um einen Schaltraum, von dem aus alle wichtigen Vorgänge in und um die Pyramide gesteuert wurden. Kameras zeigten uns, daß man uns seit unserer Landung ausdauernd beobachtet hat te. Wir konnten unser Beiboot auf einem Monitor erkennen, desgleichen die von uns zerstörten Prulths. Der Eingang zur Pyramide war zu sehen, der Saal mit der Hypnofalle – und eine vollständige Darstellung des Laby rinthes. Rasch prägte ich mir alle Einzelheiten des Planes ein, es konnte unter Umständen wichtig für uns sein. Wir sahen auch ein halbes Dutzend Kralasenen; die Männer waren tot, keiner von ihnen hatte es geschafft, den vielen Fallen der Pyramide zu ent gehen. Teilweise waren die Männer unter grauenvollen Umständen gestor ben. Wer auch immer dieses System angelegt hatte, er verstand sein bluti ges Handwerk aufs meisterhafteste. »Vermißt du nichts?« fragte mich Fartuloon nach einiger Zeit. Ich sah ihn zweifelnd an. »Wovon redest du?« sagte ich endlich. »Was sollte ich vermissen?« »Einen Bildschirm, auf dem das Zentralorgan des Quaddin-Körpers zu sehen wäre!« erklärte der Bauchaufschneider grimmig. »Oder zumindest einen Raum, dessen technische Einrichtung darauf schließen lassen würde, daß dort der Zentralkörper aufbewahrt werden könnte!« Ich starrte ihn fassungslos an, dann drehte ich mich um und überflog noch einmal die lange Reihe der Bildschirme und Kontrollen. Fartuloon hatte recht, es gab keinen Hinweis darauf, daß sich im Innern der Pyrami de tatsächlich das von uns gesuchte Organ befand. Ich brauchte einige Zeit, bis ich diese niederschmetternde Erkenntnis verkraftet hatte. Ich sank auf einen Stuhl, der vor dem großen Hauptschalt pult stand; nervös trommelte ich mit den Fingerspitzen einen Rhythmus
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auf die Abdeckung des Schaltpultes. Fartuloon sah mich mit schiefem Grinsen an. »Findest du es richtig, ausgerechnet in diesem Augenblick die Hymne der Kralasenen zu intonieren?« fragte er spöttisch. Tatsächlich wurde mir erst jetzt bewußt, daß mein Fingerrhythmus der Melodie entsprach, die der Blinde Sofgart für seine Männer ausgesucht hatte. »Laß diesen Blödsinn!« fuhr ich Fartuloon an. »Es gibt jetzt wichtigere Probleme als den Kralasenenmarsch. Weißt du überhaupt, was das bedeu tet, kein Quaddin-Körper auf Za'Ibbisch?« »In dieser Pyramide!« warf Ra ein. »Nicht auf Za'Ibbisch. Wir haben uns das falsche Bauwerk ausgesucht!« Ich deutete mit der Hand auf die Bildschirme, auf denen die toten Krala senen zu sehen waren. »Und das alles soll vergeblich sein?« fragte ich bitter. »Eine mörderi sche Falle nach der anderen – und alles nur ein Bluff?« »Langsam, mein Sohn!« mischte sich Fartuloon ein. »Wir können zwar keinen Zentralkörper sehen, aber das heißt noch lange nicht, daß es ihn nicht gibt!« Ich war nahe daran, ihm an den Hals zu gehen. »Worauf willst du eigentlich hinaus?« fragte ich scharf. »Hast du vor, mich mit deinen Sprüchen zum Nervenzusammenbruch zu bringen? Soll das ein Witz sein?« Ich war am Rande meiner Beherrschung angelangt; ich nahm mich zu sammen, mit aller Kraft. Immer wieder hämmerte ich mir ein: »Ruhig blei ben, nicht die Nerven verlieren!« Während ich mit aller Gewalt versuchte, mich zu konzentrieren, trat Fartuloon an mich heran. Ich spürte einen Einstich im Oberarm, dann fühl te ich, wie mich eine wohltuende Wärme durchströmte. Ich wandte den Kopf und sah Fartuloon an. »Danke!« sagte ich leise. »Schon gut!« meinte der Bauchaufschneider lächelnd. »Es hätte mich gewundert, hättest du anders reagiert. Nur wer mit aller Kraft auf ein be stimmtes Ziel hinarbeitet, ist imstande, einen so fürchterlichen Rückschlag zu überstehen, und sei es nur mit Medikamenten. Wie fühlst du dich?« »Besser!« sagte ich langsam. Das Mittel wirkte rasch, meine Gedanken klärten sich. Nachdenklich sagte ich halblaut: »Wenn ich an der Stelle der alten Varganen wäre, was würde ich tun, um den Zugriff zum Zentralorgan so stark wie möglich zu erschweren? Ich würde versuchen, die Sucher abzulenken!« »Richtig!« meinte Fartuloon. »Der Verlauf der Energieadern führte je
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den, der diese Fallen überwindet, automatisch in diese Zentrale, also darf es dort nach Möglichkeit keinen Hinweis auf das Versteck des Zentralor gans geben. Mir erscheint das einleuchtend!« »Mir auch!« stimmte Ra zu; er stand in meiner Nähe, hielt die Arme vor der Brust verschränkt und sah mitleidig auf mich herab. Ich wußte, daß diese Haltung am Hofe Orbanaschols Ras sofortigen Tod bedeutet hätte. Ein arkonidischer Imperator braucht von niemandem be mitleidet zu werden, schon gar nicht von einem Barbaren. Ich lächelte Ra dankbar an, und er antwortete mit einem breiten Grin sen. Plötzlich kam mir ein Einfall. Ich drehte mich wieder zu den Bildschir men um und sah mir die Bilder sehr genau an. Besonders intensiv studierte ich den Plan des Labyrinths. Sorgfältig verglich ich die Bilder der Monitoren mit den Kartendetails des Planes, überlegte genau, welche Stelle des Planes von welcher Kamera erfaßt wurde. Dann hatte ich ziemlich bald die Lösung. »Ich habe es!« rief ich aus. Fartuloon sah mich besorgt an; vermutlich befürchtete er, sein Medika ment zu stark dosiert zu haben. »Die Bildschirme zeigen fast alle Winkel des Labyrinths!« erklärte ich meinen Freunden. »Wohlgemerkt – fast jeden Winkel. Nur ein paar Berei che sind ausgenommen. Sie sind so uninteressant, daß sich eine Beobach tung durch eine Kamera nicht lohnt. Und was für Bereiche werden das wohl sein?« »Die sanitären Anlagen!« vermutete Fartuloon. »Die Wohnräume Ischtars!« hoffte Ra. Ich mußte grinsen; diese beiden Halunken wußten ganz genau, wovon ich sprach. Mit ihren dummen Antworten wollten sie nur meine angeschla gene Stimmung heben, und ich war ihnen dankbar dafür. »Du hast recht!« meinte schließlich Fartuloon lächelnd. »Nur dort wer den wir das Zentralorgan finden. Hast du dir den genauen Weg gemerkt?« »Selbstverständlich!« gab ich zurück. »Wozu hat man schließlich ein photographisches Gedächtnis! Ich werde euch führen!« Bevor wir den Raum verlassen konnten, hielt uns Ra auf. Er deutete auf die Anlagen in der Schaltzentrale. »Wollt ihr weiter zusehen, wie euch der Automat umzubringen ver sucht?« fragte er und zog seine Waffe. »Ich werde diesen Fallensteller aus schalten!« »Stop!« befahl Fartuloon. »Ra mag in gewisser Weise durchaus ver nünftig argumentieren. Aber wir wissen nicht, was passiert, wenn wir die Positronik, die hier alles steuert, einfach zerschießen. Es könnte sein, daß wir dadurch in noch größere Schwierigkeiten kommen!«
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»Möglich!« gab ich zu. »Aber vergeßt nicht, wir müssen noch die ein zelnen Teile des Quaddin-Körpers entweder hier oder an Bord der KAR RETON zusammensetzen. Unter Umständen brauchen wir Hilfe von der Besatzung – wollen wir sie in die gleichen Fallen laufen lassen, in denen wir fast umgekommen sind?« Fartuloon dachte kurz nach, dann beantwortete er meine Frage mit ei nem langen Feuerstoß aus seinem Impulsstrahler. Die sonnenheißen Glu ten fraßen sich in die Schaltpulte und ließen sie bersten. Fetter, schwarzer Qualm stieg auf und nahm uns die Sicht; Splitter pfiffen singend durch den Raum und zerschellten an den Wänden. Ein großer Bildschirm platzte, und eine bunte Schlange von miteinander verflochtenen Kabeln wand sich brennend aus der Öffnung. Über die Außenmikrophone hörten wir das Aufheulen einer Alarmsirene, und aus einiger Entfernung ertönte das Ge räusch heranmarschierender Roboter. Ich zog noch zwei Thermobomben aus dem Gürtel, stellte den Zünder auf eine Zeit von zwei Minuten ein und warf sie in das Chaos aus Rauch und Feuer, das sich vor uns ausbreitete. »Weg von hier!« schrie ich und rannte voraus. So schnell es ging, entfernten wir uns aus dem Bereich des Schaltraums; draußen erkannten wir das unregelmäßige Flackern der Energieadern, de ren Energien offenbar hauptsächlich von der Schaltstation beansprucht wurden. Eine kleine Armee diensteifriger Roboter aller Größenordnungen eilte an uns vorbei; eine der schweren Maschinen trat mir fast auf den Fuß, als sie an mir vorbeistürmte und ich mich so flach wie möglich an die Wand preßte. Fartuloon, der den Vorgang ansehen mußte, atmete erleich tert auf, als die Kolonne der Reparaturrobots uns passiert hatte. Wäre es mir nicht gelungen, meinen Fuß rechtzeitig zurückzuziehen, hätte mir das Gewicht der Maschine sämtliche Fußknochen zermalmt. Ich sah auf meine Uhr, wir hatten noch zwanzig Sekunden, um uns in Sicherheit zu bringen. Wir rannten, was die geschundenen Lungen herga ben, bis wir unter uns den Boden zittern fühlten. Eine Druckwelle fegte durch das Labyrinth, aber die Gewalten der Explosion wurden von dem weitverzweigten Gangsystem derart abgemildert, daß wir kaum etwas da von spürten. »Geschafft!« murmelte Ra. »Dieser Satanskasten wird uns nicht länger belästigen! Weißt du, Atlan, wo wir stecken?« Ich nickte kurz und führte meine Freunde weiter, immer tiefer in den Untergrund unter den Pyramidenresten.
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Im Innern der Pyramide tobte die Hölle. Meine Thermobomben mußten eine verheerende Wirkung hervorgeru fen haben; wahrscheinlich waren nicht nur die Konverter der herbeigeeil ten Roboter detoniert, hinter den Schaltpulten mußten noch mehrere ande re Meiler gesteckt haben, deren Energien schlagartig freigesetzt wurden und sich in der Pyramide austobten. Um uns herum zuckten die Energiea dern, verfärbten sich, flackerten – und leuchteten wenige Sekunden später grell auf. Bei solchen Gelegenheiten warfen wir uns schnellstens auf den Boden. In einem Fall hatten Überschlagsblitze mein Schirmfeld bis an die äußerste Leistungsfähigkeit seiner Generatoren belastet. So kamen wir nur langsam voran. Nicht ohne Sorge hörte ich das Prasseln und Donnern in meinen Höröff nungen. Dieser Bereich der Pyramide war mit Atemluft gefüllt, das die Geräusche der Vernichtung weiterleitete. Wir wagten es nicht, uns auf die se Atemluft zu verlassen; noch konnten wir nicht sicher sein, daß dahinter keine Falle steckte. Langsam begann ich zu befürchten, daß von der ganzen Pyramide nicht mehr viel übrigbleiben würde. Immerhin war ich mir in einem Punkt sehr sicher – die Besatzung der KARRETON mußte jetzt genau wissen, wo wir uns befanden. Energieausbrüche in solcher Stärke konnten den empfindli chen Geräten des Schiffes unmöglich entgehen. Allerdings stand zu be fürchten, daß Morvoner Sprangk den Energieausbruch mißdeutete und uns abschrieb, indes erschien mir diese Möglichkeit recht theoretisch. Weit eher würde Sprangk ein Rettungskommando ausschleusen, das uns zu Hil fe kommen konnte. Hinter uns hörten wir es rumoren; eine dichte Staubwolke folgte uns und hüllte uns ein. Es schien, als wolle die ganze Pyramide zusammenstür zen, immer wieder brachen die Wände auf und zeigten lange Risse, aus de nen feinkörniger Staub auf uns herabrieselte. »Wir müssen uns beeilen!« rief Fartuloon. »Der Raum des Zentralor gans wird sicher gegen den Zusammenbruch des Bauwerks geschützt sein!« Ich nickte kurz, während ich meine Schritte beschleunigte. Besonders ein Umstand ließ mich schneller werden – auf diesem Teilstück des Ganglabyrinths waren wir noch auf keinen Kralasenen gestoßen, auch nicht in der Schaltzentrale. Das konnte bedeuten, daß Sofgarts Männer vor den Fallen dieses Baus kapituliert hatten. »Das würde der Blinde Sofgart niemals zulassen!« warnte mich der Lo giksektor. »Seine Männer dürfen niemals kapitulieren!«
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Auch das war richtig, aber vielleicht hatten Sofgarts Kralasenen die wichtigen Räume der Pyramide gar nicht erst erreicht. Meine Hoffnungen, das Zentralorgan unversehrt in die Hände zu bekommen, wuchsen be trächtlich. Daß wir uns unserem Ziel allmählich näherten, war unübersehbar. Das Netzwerk der Energieadern verdichtete sich wieder, auch die Dicke der stromführenden Schichtungen nahm zu. Allerdings waren diese Adern leicht bläulich gefärbt und offenbar von den Verwüstungen im oberen Be reich der Pyramide nicht beeinflußt worden. In einem gleichmäßigen Trab rannten wir durch die Gänge. In diesem Bereich schien es keine Fallen zu geben, oder sie waren durch die Ver nichtung der Schaltzentrale lahmgelegt worden. Nichts hielt uns mehr auf. Nach einer halben Stunde hatten wir den Bezirk erreicht, in dem sich nach meinen Überlegungen das Zentralorgan des Quaddin-Körpers befin den mußte. Allerdings gab der Plan, den ich in meinem photographischen Gedächtnis gespeichert hatte, keinerlei Auskunft darüber, wo man den Zu gang zu diesem Raum zu suchen hatte. Das Gebiet, das uns zur Verfügung stand, umfaßte ein halbes Dutzend Gänge mit Verzweigungen, die meist recht kurz waren. Irgendwo in die sem Bereich mußte der Eingang liegen, und diesen Zugang galt es zu fin den. Wir tasteten die Wände mit den Kolben unserer Waffen ab und horchten auf klangliche Veränderungen. Nach kurzer Zeit mußten wir ein sehen, daß diese Methode wenig erfolgversprechend war. Dann versuchten wir es mit Namen, vor allem dem Ischtars; es war für mich und Fartuloon erheiternd zu hören, mit welcher Inbrunst der Barbar den ihm heiligen Na men aussprach. »Wenn du Farnathia sagst, klingt das auch nicht viel anders!« erinnerte mich der Logiksektor. Aber auch der Name Ischtars half uns nicht weiter; wir legten eine Rast ein, aßen von unseren Vorräten und erfrischten uns an dem kühlen, klaren Wasser aus unseren Tanks. Einzig Ra trank mit leichtem Widerwillen. Der Barbar war reine, frische Nährung gewohnt; ihm war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, daß das Wasser, das er trank, zu einem beträchtlichen Teil aus seinen Körperflüssigkeiten herausdestilliert worden war. Obwohl er ganz genau wußte, daß die Automaten chemisch reines Wasser herstellten und mit den natürlichen Mineralstoffen anreicherten, hätte er lieber Quell wasser getrunken, ohne Rücksicht auf die in diesem Wasser unweigerlich enthaltenen Bakterien und Mikroorganismen. »Was nun?« fragte schließlich Fartuloon; er spielte unruhig an seinem Skarg herum. »Wie finden wir jetzt den Eingang. Irgendeinen Eingang muß es schließlich geben!« »Wahrscheinlich ist er getarnt!« meinte Ra. »Und da hier jedes Stück
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Fels ziemlich gleich aussieht, können wir bis in alle Ewigkeit suchen!« Ich wehrte mit der Hand ab. »Wir sind uns doch einig, daß sich der gesuchte Raum mit größter Wahrscheinlichkeit tief unter der Pyramide befindet!« sagte ich halblaut. »Wir sind tief unter der Pyramide!« warf Fartuloon ein. »Gehen wir von der Voraussetzung aus«, fuhr ich fort, »daß unser Ziel noch immer unter uns liegt. Wo werden die gerissenen Varganen dann wohl den Eingang zu diesen Räumlichkeiten versteckt haben?« »Richtig!« rief Fartuloon aus und schlug mit der Hand gegen die Stirn; ein dumpfer Laut erklang, als die behandschuhte Rechte gegen die Front scheibe seines Helmes prallte. »Wenn überhaupt, dann steckt der Eingang in der Decke. Wir müssen also den Fels über unseren Köpfen genauer be trachten!« Mit neuem Eifer machten wir uns an die Suche; Handbreit um Hand breit tasteten wir den Fels über uns mit den Augen ab, suchten nach feinen Rissen oder Unebenheiten, die uns hätten zeigen können, wo ein Durch kommen möglich war. Ra war der Glückliche, der den ersten Hinweis fand. »Kommt schnell!« rief er in sein Mikrophon. »Ich glaube, ich habe et was entdeckt!« Rasch eilten wir zu ihm und starrten auf die Decke. Tatsächlich, an die ser Stelle waren Gang und Decke nicht eine Einheit; wenn man ganz ge nau hinsah, konnte man die feine Linie gut erkennen, die die Decke von den Seitenwänden trennte. Ra und Fartuloon bildeten die Stützen, als ich hochkletterte, um die Decke aus der Nähe zu betrachten. Ich stemmte bei de Hände gegen den Fels und versuchte den Block in die Höhe zu drücken. Der Fels bewegte sich um keinen Millimeter; nur die Beine mei ner Helfer gaben nach, und ich fand mich nach einem unsanften Aufprall auf dem Boden wieder. »Es wird langsam Zeit, die KARRETON anzufunken!« meinte Fartu loon ächzend. »Jetzt hilft uns nur noch schweres Gerät weiter!« Ich versuchte eine Verbindung herzustellen, aber offenbar war die Sen deleistung meines Geräts zu schwach – oder die Pyramide wehrte sich mit noch unentdeckt gebliebenen Geräten gegen eine Funkverbindung. Viel leicht ließen auch die lichtabsorbierenden Energieadern auf der Oberfläche keine Impulse durch. Ich sah auf meine Uhr. »Wir könnten zum Beiboot zurück und von dort funken!« überlegte ich laut. »Dort könnten wir auch unsere Tanks füllen und dann mit einigen Männern der Besatzung einen erneuten Vorstoß unternehmen. Aber das kostet wertvolle Zeit, die wir nicht haben!« »Also versuchen wir es weiter auf eigene Faust!« meinte Ra. »Mir soll
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es recht sein!« Nachdenklich starrte ich die Decke an; mit welchen Mitteln ließ sich dieser Klotz bewegen? Es gab keinerlei Ansatzpunkte für die Hände, auch keine Hebel oder irgendein anderes Hilfsmittel. Aber mir war klar, daß sich dieser Block bewegen lassen mußte. In mühseliger Kleinarbeit machten wir uns daran, das Gebiet rings um den Block abzutasten; wir drückten und preßten jeden noch so kleinen Felsvorsprung, an der Decke und an der Wand gab es keinen Druckschal ter, der den Fels bewegt hätte. Fartuloon fluchte leise vor sich hin und wurde von Minute zu Minute ungeduldiger und lauter. »Das verdammte Ding soll sich öffnen!« fauchte er wütend. In Märchenbüchern gab es immer wieder Verstecke, die sich auf das Kommando »öffnen« auftaten, außerdem kannte ich akustische Verriege lungen, aber ich hätte niemals damit gerechnet, daß sich auf Fartuloons Gebrüll hin langsam der große Fels absenken würde. Ich sah, wie der Bauchaufschneider grinste, als sich der Klotz allmählich auf den Boden zu bewegte. Gleichzeitig schoben sich Teile der Seitenwand in die Höhe. Sobald die Öffnungen ausreichend groß waren, schlüpften wir hindurch. Ein schwach erhellter Gang nahm uns auf. Zum ersten Male wurde der Stollen nicht durch Energieadern beleuchtet, sondern von indirektem, bläulich diffusem Licht. Der Boden war mit Stahl ausgelegt, der unter un seren Schritten dröhnte. Wir hatten gerade erst ein paar Schritte gemacht, da schloß sich hinter uns der Gang wieder. Da wir sicher waren, dieses Hindernis später leicht wieder aus dem Weg räumen zu können, nahmen wir das Schließen nicht weiter ernst. Mit steigernder Erwartung schritten wir den Gang entlang; als wir eine Biegung erreichten und um die Ecke bogen, sahen wir uns endlich am Ziel. Eine hohe, halbkugelförmige Kuppelhalle tat sich vor uns auf. Am höchsten Punkt des Gewölbes hing eine atomare Kunstsonne, deren Licht sanft auf uns herabstrahlte. An der Kuppelwand erkannte ich Lichtpunkte. Nach kurzem Nachdenken identifizierte ich sie als genaues Abbild des Raumes, der Za'Ibbisch umgab. An den Wänden des Gewölbes zogen sich Dutzende von Schaltpulten entlang, mit Bildschirmen und Kontrollen gespickt. Dazwischen erkannten wir Umformerbänke, leistungsstarke Meiler und ein halbes Hundert Gerä te, deren Sinn und Zweck auf den ersten Blick nicht zu ergründen war. Wir blieben vorsichtshalber am Rand des Gewölbes stehen und sahen uns aufmerksam um, damit uns ja keine mögliche Bedrohung entgehen konnte. Der Boden des Gewölbes war mit einer verwirrenden Metall-Ein legearbeit versehen worden; vergeblich versuchte ich, einen Sinn in den
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Bildern zu finden. Ich konnte weder verschlüsselte Botschaften noch ande re Zeichen entdecken, die uns etwas hätten über die Erbauer dieses Gewöl bes aussagen können. Wahrscheinlich hatte die prachtvolle Verzierung des Bodens rein dekorative Funktionen. »Das dürfte das Zentralorgan sein!« meinte Fartuloon und deutete auf den Mittelpunkt der Kuppelhalle. Ich erkannte einen großen, gondelförmigen Behälter auf einem massi ven Podest; zahlreiche Kabel und Schläuche führten aus verschiedenen Maschinen und Anlagen zu der Gondel. Einzelheiten waren noch nicht auszumachen. Langsam kamen wir näher. Der gondelförmige Behälter war transparent; in seinem Innern bewegte sich in einer gelblichen Flüssigkeit ein Körper, groß und unförmig. Es mußte sich um organisches Gewebe handeln, das leise zuckte und in einer Nährflüssigkeit schwamm, deren Zusammensetzung offenbar durch die Schlauchverbindung überwacht und konstant gehalten wurde. Die Umrisse des Körpers waren leicht verschwommen, es zeichneten sich keine klaren Konturen ab. Aber ich war mir sicher, daß dieser unregelmäßig geformte Körper nichts anderes war als das von uns gesuchte Zentralorgan des Quaddin-Körpers. Ich sah Ra und Fartuloon an und lachte; die beiden Männer freuten sich mit mir. Endlich waren wir am Ziel angelangt, auch wenn es nur ein Teil ziel auf unserem langen Marsch zum Stein der Weisen darstellte. »Wir haben es tatsächlich geschafft!« murmelte Fartuloon. »Das Zen tralorgan!« Ra war es, der unsere Freude jäh unterbrach. »Wir sind aber nicht die ersten hier!« stellte er fest. »Seht euch einmal den Sockel der Gondel genauer an!« Er deutete mit dem Finger auf einige Kratzstellen, die mir in der Freude des ersten Augenblicks nicht aufgefallen waren. Sie waren nicht zu über sehen. Große, lange Kratzer und andere Zeichen, die darauf schließen lie ßen, daß sich vor uns jemand an dem Zentralorgan zu schaffen gemacht hatte. Entsetzt sah ich, daß einige Kabelverbindungen zu dem Körper un terbrochen waren; lose baumelten die bunten Kabel aus den Servoeinrich tungen, die offenbar den Körper am Leben erhalten sollten. Aber noch lebte das Zentralorgan – oder handelte es sich bei den leisen Bewegungen des Körpers bereits um seine Todeszuckungen? Ich spürte, wie mich ein leichtes Frösteln überlief. Fartuloon hatte den Sockel einmal umrundet und kehrte nun zu mir zu rück. »Keine Aufregung!« versuchte er mich zu beruhigen. »Es sieht nicht so aus, als sei es den Männern des Blinden Sofgart gelungen, an das Zentral
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organ heranzukommen.« »Es hätte ihnen ohnedies nicht viel genutzt!« warf Ra ein. »Ihnen fehlen ja die anderen Teile des Quaddin-Körpers!« Seine Bemerkung erinnerte mich daran, daß es langsam Zeit wurde, mit der KARRETON Kontakt aufzunehmen. Ich schaltete mein Minikom auf höchste Leistung und gab das Erkennungszeichen, aber aus den Lautspre chern hörte ich nur ein gleichmäßiges Rauschen. Offenbar reichte die Lei stung des kleinen Funkgeräts nicht aus. Mein Blick fiel auf die herausgezogenen Stecker; rasch nahm ich zwei der Stecker, zerrte sie an ihren Kabeln zu Ra hinüber und legte die Span nung an sein Schirmfeld. Dem Flackern nach zu schließen, war die Span nung hoch genug, um unsere Minikome zu betreiben. Anschließend ver band ich die Kabel mit dem Verstärkerteil des Minikoms, dann rief ich er neut die KARRETON. »Hier Atlan! Ich rufe die KARRETON! Bitte meldet euch!« »Endlich!« konnte ich Morvoner Sprangk seufzen hören. »Wo, bei allen Sternengeistern, steckt ihr eigentlich!« »Wir befinden uns unter einem pyramidenähnlichen Bauwerk!« gab ich Auskunft. »Könnt ihr uns anpeilen?« »Nicht nötig!« erklärte Sprangk rasch. »Wollt ihr mir allen Ernstes er klären, ihr seid dort, wo vor einiger Zeit ein paar mittelgroße Kraftwerke in die Luft geflogen sein müssen?« »Za'Ibbisch hat keine Luft!« erinnerte ich ihn. »Ansonsten hast du recht, uns blieb leider keine andere Wahl. Ihr kennt also unseren Standort?« »Wir haben die Strukturen, die du meinst, genau auf unseren Tasterschirmen!« erklärte der Kommandant der KARRETON. »Was ist los, braucht ihr Hilfe?« »Mehr als das!« antwortete ich rasch. »Wir brauchen unter anderem neue Sauerstofftanks, dann ein paar frische Magazine für unsere Waffen. Außerdem benötigen wir ein paar Männer, die die einzelnen Teile des Quaddin-Körpers zu uns hinunterschaffen! Wir haben nämlich das Zen tralorgan des Quaddin-Körpers gefunden!« »Phantastisch!« hörte ich Sprangk rufen; im Hintergrund hörte ich das begeisterte Toben der Besatzung. »Wie habt ihr das gemacht?« »Es war ziemlich schwierig, aber diese Geschichte erzähle ich euch spä ter!« erwiderte ich. »Sprangk, habt ihr ein Bandgerät laufen?« »Nein«, lautete die rasche Auskunft. »Aber es wird sofort eines geholt. Was hast du damit vor?« »Ich werde euch den genauen Weg zu uns beschreiben!« gab ich Ant wort. »Es sind aber zu viele Details. Es ist besser, ihr schneidet meinen Bericht mit!«
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»Wird gemacht!« versprach Sprangk. »Das Gerät läuft, du kannst re den!« Ich schilderte kurz den Weg von unserem Landeplatz zur Pyramide, dann gab ich den genauen Plan des Labyrinths durch, samt allen Abzwei gungen und Fallen. »Ein Teil der Gänge dürfte vernichtet sein!« berichtete ich. »Deine Männer müssen nötigenfalls Umwege machen. Vergeßt nicht, die nötigen Psychopharmaka mitzunehmen, um den Hypno-Saal passieren zu können. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir tatsächlich sämtliche Fallen der Pyra mide außer Funktion gesetzt haben!« »Ich werde daran denken!« versprach Sprangk; an der Schwankung sei ner Stimme merkte ich, daß er sich umdrehte und zur Besatzung sprach. »Ich brauche ein paar Freiwillige!« hörte ich ihn sagen, dann hörte ich ein dumpfes Knurren. »Ich sagte ein paar Freiwillige!« tobte Sprangk. »Von der ganzen Be satzung war nie die Rede!« »Sie bleiben an Bord der KARRE-TON, Sprangk!« ordnete ich an; ich sprach so laut, daß er mich hören mußte. »Männer, ihr seht, wie gefährlich dieser Auftrag ist!« redete Morvoner Sprangk weiter. »Jetzt ist Atlans Funkgerät teilweise ausgefallen!« »Machen Sie keinen Unfug, bleiben Sie oben!« brüllte ich. »Sprangk!« »Auch psychische Gefahren sind zu überstehen«, schwätzte der Kom mandant der KARRETON weiter. »Selbst unser geliebter Kristallprinz ist nicht mehr Herr seiner selbst und bringt nur ein hilfloses Stammeln zuwe ge. Wer will also mit mir auf Za'Ibbisch landen!« Ich bedachte Sprangk mit den wüsteten Beschimpfungen; dabei hatte ich große Mühe, die Worte halbwegs richtig auszusprechen, da sich meine Lippen immer wieder zu einem breiten Grinsen verziehen wollten. Von Ra und Fartuloon konnte ich keine Unterstützung erwarten; der Bauchauf schneider hielt sich den Bauch vor Lachen, und Ra grinste mich unver schämt an. »Ein Imperator, wie ihn das Imperium braucht!« prustete Fartuloon. »Er hat nicht einmal Befehlsgewalt über sein einziges Schiff!« Ich gab es auf; gegen diese Übermacht konnte ich nichts ausrichten. In Augenblicken wie diesem überfielen mich stets Zweifel, ob ich wirklich geeignet war, das Erbe meines Vaters anzutreten. Ein Umgangston wie der, der zwischen Ra, Fartuloon, mir und den anderen Freunden und Ge fährten üblich war, wurde an Bord normaler Schiffe des Imperiums nicht geduldet. Nur eines wußte ich ziemlich genau: wenn es das Amt eines Im perators des Arkon-Imperiums erforderte, auf Freunde zu verzichten und nur Untertanen zu kennen, würde ich diesem Amt nur wenig Freude abge winnen können.
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»Ich schicke dir insgesamt dreißig Mann nach unten!« meldete sich Sprangk wieder. »Ich hoffe, daß diese Zahl ausreicht! Mehr kann ich nicht erübrigen, wenn ich das Schiff nicht in Gefahr bringen will!« »Einverstanden!« gab ich zurück. »Ich glaube zwar nicht, daß wir so viele Männer brauchen werden, aber vielleicht ist es ganz gut, wenn ich hier unten eine kleine, schlagkräftige Truppe beieinander habe.« »Wäre es nicht besser«, wandte Sprangk ein, »ihr würdet das Zentralor gan abbauen und mitnehmen. Dann könnten wir den Körper an Bord der KARRETON zusammenbauen. Mir erschiene diese Lösung besser!« »Mir auch!« erklärte ich seufzend. »Aber das Zentralorgan ist so kom pliziert an verschiedene Servomechanismen angeschlossen, daß mir ein Abbau unverantwortlich erschien. Wahrscheinlich ist das Organ überhaupt nicht für einen Transport geeignet. Ich möchte kein unnötiges Risiko ein gehen!« »Zugegeben!« räumte Sprangk ein. »Aber mich machen die Kratzspu ren besorgt. Wer sagt euch, daß nicht irgendwo in eurer Nähe eine halbe Raumlandedivision der Kralasenen lauert, bis ihr den Quaddin-Körper zu sammengesetzt habt! Ich traue dem Blinden Sofgart jede Teufelei zu!« Sprangks Einwand war nicht unberechtigt, aber mir blieb keine andere Wahl. Wenn ich etwas von dem Quaddin-Körper erfahren wollte, mußte ich ihn mit dem Zentralorgan zusammenschließen, gleichgültig, ob sich in Räumen, die wir noch nicht entdeckt hatten, Kralasenen verborgen hatten oder nicht. »Wir beeilen uns!« versprach Sprangk, dann trennte er die Verbindung. Ich hatte Sprangks Warnung ernstgenommen; sorgfältig suchten wir die gesamte Kuppelhalle ab, aber von Kralasenen fand sich keine Spur. Nur die Kratzer am Sockel des Zentralorgans deuteten darauf hin, daß sich je mand an dem Behälter zu schaffen gemacht hatte. Aber die Spuren konn ten ebensogut von den Varganen stammen. Niemand von uns konnte wis sen, wann diese Anlage gebaut worden war. »Vorausgesetzt, der Zufall der Pyramide ist ausschließlich auf die schwachen Temperaturunterschiede zwischen der Tag- und Nachtseite zu rückzuführen, wurde die Pyramide vor einer Dreiviertelmillion Jahre ge baut!« Ich erstarrte, als ich diese Analyse des Logiksektors hörte. Das Arkon-Imperium zählte einige tausend Jahre, seine Vorgeschichte verlor sich in dunkler Vergangenheit. Nach alten, fast vorzeitlichen Be richten hatten sich die Arkoniden von einem anderen Volk abgespalten und sich in langen blutigen Kriegen gegen die Vorväter die Herrschaft er kämpft. Genaues wußte ich darüber nicht. Aber mir war klar, was für eine lächerlich geringe Spanne diese weni gen Jahrtausende gegen eine Dreiviertelmillion Jahre war. In dieser unge
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heuren Zeitspanne mußten die Varganen eine unglaubliche geistige und technische Höhe erreicht haben. »Die Voraussetzung ist nur äußerst schwach zu begründen!« wandte das Extrahirn ein. »Die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Analyse beträgt weniger als ein Prozent!« Ich atmete erleichtert auf; erst in diesem Augenblick fiel mir ein, daß unter der Voraussetzung einer Erosion durch Temperaturschwankungen auch die Prulths hätten zerfallen sein müssen. Ich war gespannt auf das, was der Quaddin-Körper uns berichten konn te. Es lag auf der Hand, daß meine Gefährten nicht für alle Zeiten bereit waren, meinen Kampf mitzufechten. Das galt naturgemäß nicht für Fartu loon, Sprangk und andere, aber die große Zahl derer, die auf Kraumon leb ten, waren stark daran interessiert, in absehbarer Zeit zum Erfolg zu kom men. Rückschläge waren möglich, und ein paar Enttäuschungen würde man mir wahrscheinlich nachsehen, aber auf Dauer mußte ich erfolgreich sein. Und dieser Erfolg hing davon ab, daß es uns gelang, den Stein der Wei sen zu finden und in unsere Gewalt zu bringen, und dazu wiederum brauchten wir die Informationen des Quaddin-Körpers. Nachdenklich sah ich auf das Zentralorgan, von dem alles abhing. Far tuloon umkreiste den Sockel, untersuchte die unbenutzten Steckverbindun gen, mit denen die einzelnen Teile des Quaddin-Körpers mit dem Zentral organ verbunden werden mußten. Ich schaltete wieder den Minikom ein. Sprangk und seine Männer waren gerade auf Za'Ibbisch gelandet. Ich konnte die Kommentare der Männer zu den merkwürdigen Verhältnissen auf diesem Planeten hören. Sie waren bereits an Bord der KARRETON mit den nötigen Zusatzfiltern und Geräten ausgerüstet worden, die eine einwandfreie Beobachtung des Planeten möglich machten. »Ich bin gespannt, was Atlan gefunden hat!« hörte ich einen der Männer sagen. »Was wird er gefunden haben?« meinte ein anderer. »Die dreizehnte Portion dieses komischen Puddings!« Damit waren offenbar die einzelnen Teile des Quaddin-Körpers ge meint; ich mußte zugeben, der Vergleich war nicht ganz unberechtigt. Der Körper des rätselhaften Quaddin-Wesens wich erheblich von allem ab, was man normalerweise von einem lebenden Wesen erwartete. Vermutlich war der gesamte Körper ohne die Instrumententeile überhaupt nicht le bensfähig. Ich versuchte mir vorzustellen, was ein solches Wesen empfin den mußte, das praktisch gestaltlos war und keine Möglichkeit hatte, sich von den lebenserhaltenden Maschinen zu lösen. Nach allem, was wir auf Za'Ibbisch gefunden hatten, war es sehr wahrscheinlich, daß der Quaddin
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Körper überhaupt nicht natürlich entstanden war, sondern vielmehr ein Produkt der Plasmafabriken war, die wir gesehen hatten. Genau betrachtet, war dieses Wesen ein biologisches Monstrum. Mir konnte es gleichgültig sein; ich wollte einige wichtige Informatio nen aus dem Quaddin-Körper herausholen, mehr nicht. »Eine Frage, Atlan!« machte sich Ra bemerkbar. »Wenn wir den Quad din-Körper ausgefragt haben, was machen wir anschließend mit ihm? Wir können ihn doch nicht einfach auf Za'Ibbisch zurücklassen?« Ich nickte besorgt. Ra schnitt ein nicht unwichtiges Problem an. Der Quaddin-Körper muß te auf Za'Ibbisch zurückbleiben. Eine gewisse Intelligenz hatte er nur in der Verbindung sämtlicher Teile; demontieren konnten wir ihn nicht. Durften wir nach der Befragung die einzelnen Teile voneinander trennen, wenn dies überhaupt möglich war? Durften wir dieses Wesen wieder zu einer formlosen, unintelligenten Gallert zurückstufen? Auch der QuaddinKörper hatte ein Recht auf sein Leben. Und wir hatten kein Recht, ihn, nachdem wir ihn benutzt hatten, wieder zu zerstückeln. Aber dann? Ein lebendes, fühlendes, denkendes Wesen, alleingelassen auf einer Schwarzen Welt, umgeben von Maschinen, Tanks, Pumpen, Leitungen und Positroniken. Konnte man das als Leben bezeichnen? Ich versuchte, mich in die Lage des Quaddin-Körpers zu versetzen. Ein leichtes Frösteln überfiel mich, als ich mir die Zukunft des Kunstwesens drastisch vorstellte. Nein, wir mußten uns etwas einfallen lassen. Ich sah Ra an und zuckte die Schultern. »Wir lassen den Quaddin-Körper auf Za'Ibbisch zurück«, entschied ich endlich. »Aber wir kehren zurück. Sobald ich genügend Fachwissenschaft ler aufgetrieben habe, werden wir versuchen, den Quaddin-Körper von sei nem Standort zu lösen und mit nach Kraumon zu nehmen! Einverstanden, Fartuloon?« Der dicke Bauchaufschneider nickte lächelnd. »Ich hatte nichts anderes von dir erwartet!« sagte er. Wir konnten beide nicht wissen, daß sich für das Problem, das uns be schäftigte, in kurzer Zeit eine ganz andere Lösung finden würde.
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7.
Das Warten zerrte an den Nerven. Um Sauerstoff zu sparen, hatten wir die Helmkapuzen zurückgeklappt. Die Luft in der Kuppelhalle war rein und angenehm temperiert. Fast hatte es den Anschein, als hätten die Maschinen in dem Gewölbe nur auf uns gewartet. Ich atmete erleichtert auf, als sich im Eingang eine Gestalt abzeichnete. Sprangks Männer hatten uns endlich gefunden. Langsam kam der Mann auf mich zu, die entsicherte Waffe in der Hand. Er ließ die Helmkapuze zurückklappen, und ich sah ein bleiches Gesicht. »Hindernisse?« fragte ich kurz. Der Mann lachte bitter auf. »So kann man es nennen!« sagte er müde. »Wir waren zu einigen Um wegen gezwungen, unter anderem durch einen Saal mit einer noch funk tionierenden Hypnofalle. Es war grauenvoll!« Im Hintergrund schoben sich nach und nach die anderen Männer des Stoßtrupps herein; schwer hatten sie an den Behältern mit den einzelnen Teilen des Quaddin-Körpers zu tragen. Ich zählte schnell nach und atmete erleichtert auf – alle zwölf Behälter waren offenbar unbeschädigt. Morvo ner Sprangk kam auf mich zu, sein verzerrtes Lächeln zeigte, daß es uns noch lange nicht gelungen war, die Fallen in der Pyramide vollständig aus zuschalten. »Willkommen auf Za'Ibbisch!« sagte ich lächelnd. »Das erste Erfreuliche auf diesem Planeten!« meinte Sprangk. »Wie sind Sie durch diesen teuflischen Irrgarten gekommen? Wir haben einen Mann verloren. Er wurde in einer Hypnofalle überrascht, wurde wahnsin nig und griff uns an. Es blieb uns keine andere Möglichkeit, als ihn zu er schießen!« Ich preßte die Kiefer zusammen, dieser Verlust traf mich hart. Auch wenn ich Millionen von Kampfgefährten gehabt hätte, verzichten wollte ich auf keinen einzigen. Ich benutzte das Wechseln der Sauerstofftanks, um meine Betroffenheit zu überspielen. Als sich die Verschlüsse klackend verhakten, hatte ich mich wieder einigermaßen gefaßt. »Los!« sagte ich; meine Stimme klang rauh. »Bauen wir den QuaddinKörper zusammen!« Fartuloon und Morvoner Sprangk machten sich an die Arbeit; ich sah aus einiger Entfernung zu. Die beiden Männer untersuchten die Verbin dungsstücke, verglichen sie mit den Kontakten an den Organbehältern. Sie winkten die Männer heran, die die Behälter zur Kuppelhalle geschleppt
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hatten. Die nicht beschädigten Männer durchstöberten die Halle, die Waf fen schußbereit in den Händen; sie hatten meine Unterhaltung mit Sprangk mitgehört und wußten, daß er noch Kralasenen im Gewölbe vermutete. Dementsprechend umsichtig durchkämmten sie den riesigen Raum, der mindestens zweihundert Meter durchmaß. Sie ließen keine Maschine aus, beklopften die Abdeckungen und durchstöberten alle Winkel. Wenn es tat sächlich noch einen Söldner Sofgarts in dieser Halle gab, konnte er ihnen nicht entgehen. Zwei Teile des Quaddin-Körpers hatten Fartuloon und Sprangk bereits mit dem Zentralorgan verbunden. Die Arbeit war mühselig, die Entschei dung gewiß nicht einfach. Es war abzusehen, daß ein Irrtum verhängnis voll sein würde; wenn wir versehentlich die Teile falsch zusammenschal teten, konnte es geschehen, daß sich der ganze Quaddin-Körper auflöste oder in einer Explosion verging. Dementsprechend sorgfältig überlegten sich Fartuloon und Morvoner Sprangk ihre Entscheidungen, bevor sie die Männer mit einem neuen Behälter heranwinkten und das Teilstück mit dem Sockel des Zentralorgans verbanden. Ich sah dicke Schweißtropfen auf Fartuloons Stirn, und auch Sprangk war sehr erregt. Nervös spielte ich mit den Händen. Die entscheidenden Augenblicke dieser Expedition waren gekommen. Acht der zwölf Behälter waren bereits mit dem Zentralorgan verbunden. Ein Mann trat auf mich zu und grüßte kurz. »Wir haben alles abgesucht!« sagte er. »Wenn es in diesem Raum noch einen Kralasenen gibt, dann hat er sich vor Angst in Luft aufgelöst!« Die Nachlässigkeit mit der er sein Impulsgewehr über die Schulter ge legt hatte, trieb mir den Angstschweiß auf die Stirn. Aber der Mann sah nicht danach aus, als wisse er nicht sehr genau, womit er so unbekümmert hantierte. »Haben Sie keine weiteren Räume entdecken können?« wollte ich wis sen. »Keinen!« berichtete der Mann. »Wir konnten allerdings nicht sehr sorgfältig suchen. Wenn Sie gestatten, jage ich einen der Meiler in die Luft, dann werden wir ein paar Seismogramme anfertigen und Ihnen Ge naueres sagen können!« »Scheren Sie sich zum Teufel!« knurrte ich grinsend. Der Mann sah ganz so aus, als meinte er seinen Vorschlag gar nicht einmal so ernst, wie er ihn vorgetragen hatte. Fartuloon trat auf mich zu und zog die Stirn in Falten. »Wir haben Schwierigkeiten«, gestand er. »Es geht um die beiden letz ten Behälter. Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, sie anzuschließen, und wir können nicht herausfinden, welche dieser beiden Möglichkeiten die richtige ist!«
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»Keine Hinweise auf eine bestimmte Schaltung?« fragte ich besorgt. Fartuloon schüttelte finster den Kopf. »Wie gesagt, es gibt zwei Möglichkeiten«, brummte er düster. »Ich ha be Angst, daß uns hier alles um die Ohren fliegt, wenn wir einen Fehler machen!« »Aber für einen Weg müssen wir uns entscheiden!« sagte ich nervös. »Wir können hier nicht bis in alle Ewigkeit bleiben – Sofgart wird die Zeit zu nutzen wissen!« »Ist mir klar!« sagte Fartuloon. »Aber was sollen wir machen?« Er kaute aufgeregt auf seiner Unterlippe, dann drehte er sich abrupt um und ging auf den Sockel zu, um den sich bereits zehn der von uns auf Geb haron erbeuteten Organbehälter gruppierten. Jetzt, da die Verbindungen gesteckt waren, konnte man deutlich sehen, daß die einzelnen Teile zuein ander paßten. Fartuloon winkte Sprangk und die anderen beiseite, dann schob er die Behälter zusammen. Instinktiv wichen die meisten Männer zurück, als er die letzten Verbindungen herstellte. Ich hielt den Atem an; Fartuloon schnaufte, es war bis zu mir hörbar. Er gab sich einen Ruck und steckte die letzten Leitungen zusammen. Nichts geschah, alles blieb vollkommen ruhig. Fartuloon wartete einen Augenblick, dann wandte er sich zu mir und grinste erleichtert. »So geht es wohl nicht!« meinte er; seine Stimme vibrierte leicht. »Versuchen wir den anderen Weg!« Er zerrte die Stecker aus den Dosen, öffnete die Schlauchverbindungen, Morvoner Sprangk half ihm dabei, die Behälter umzugruppieren. Wieder verband Fartuloon die einzelnen Teile miteinander. In dem Augenblick, in dem er die letzte Verbindung herstellte, änderte sich die Beleuchtung. Das Abbild des Sternenhimmels verschwand auf der Kuppel und machte einem blauen Leuchten Platz; ein lauter Gong tönte durch die Halle, dann folgten leise zirpende Geräusche. »Es bewegt sich!« schrie Sprangk auf. »Der Quaddin-Körper lebt!« Wir drängten uns zu ihm, umstanden in dichtem Kreis das neugeschaf fene Kunstwesen aus dreizehn Plasmateilen. Fasziniert starrte ich auf den Zentralkörper, der rhythmisch pulsierte und dabei seine Farbe veränderte. »Wir haben es tatsächlich geschafft!« rief Sprangk. »Der Körper lebt!« Triumphierend sah ich Ra und Fartuloon an; meine Entscheidung hatte sich als vollkommen richtig erwiesen. Nur hier, in der Kuppelhalle, durf ten wir den Quaddin-Körper zusammensetzen, nur hier würde er uns Aus kunft geben, welchen Weg wir künftig zu gehen hatten, um in das Ge heimnis des Steins der Weisen eindringen zu können. Ich wußte nicht, wo der Lautsprecher steckte. Aber ich wußte nur genau,
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zu welcher Person das Gelächter gehörte, das mit orkangleicher Wucht über uns hereinbrach. »Sofgart!« schrie ein Mann auf. »Der Blinde Sofgart ist hier!« Ich sah, wie sich die Männer blitzartig in Deckung warfen; es dauerte nur wenige Sekunden, dann lagen die Männer hinter Maschinen geborgen, die entsicherten Waffen auf den Innenraum der Kuppelhalle gerichtet. Ich stand wie gelähmt; in meinen Ohren dröhnte das Lachen des Krala senenführers. Er war uns zuvor gekommen. Und er hatte genügend Zeit gehabt, uns eine Botschaft zu hinterlassen. Eine Botschaft, die unverkennbar die Handschrift des Folterkönigs trug. »Nun, Freunde!« lautete die höhnische Anrede. »Habt ihr gefunden, was ihr so eifrig suchtet? Ist es nicht hübsch, das Zentralorgan? Schade, daß ihr es nie zu sehen bekommen werdet. Das Zentralorgan ist in meinem Besitz.« Ich lehnte mich gegen ein Schaltpult und rang nach Luft; auf einen der artigen moralischen Tiefschlag war ich nicht gefaßt gewesen. Sofgart hatte das Zentralorgan. Aber was war dieser Teil wert, wenn die anderen Teile … »Ihr habt noch einen Trumpf, glaubt ihr?« höhnte Sofgarts Stimme wei ter. »Gewiß, ich habe nur das Zentralorgan, und ihr besitzt die zwölf ande ren Teile. Aber freut euch nicht zu früh. Eure Teile sind nur Tarnung. Bluff. Was zählt, ist das Zentralorgan, das auch ohne die anderen Teile leben kann. Und ich werde aus diesem Organ die Informationen herausholen, die ich brauche – und die ihr natürlich auch gerne hättet. Nicht wahr, meine Freunde!« Einer meiner Begleiter verlor die Nerven, zog seinen Blaster und feuerte wild um sich; erst drei Männer waren imstande, den Tobsüchtigen zu überwältigen. »Sicher werdet ihr euch freuen, wenn ich euch sage, was ich plane. Ich werde mit der Hilfe des Zentralorganes den Stein der Weisen finden, und ich werde ihn meinem Herrn übergeben, seiner allessehenden Erhabenheit Orbanaschol III. Wenn ihr ebenfalls an diesem Stein der Weisen interes siert seid, dann besucht doch Orbanaschol und bittet ihn, euch den Stein zu leihen. Vielleicht ist er so nett und übergibt ihn euch, denn ich werde ihm berichten, was für prachtvolle Arkoniden ihr seid. Vor allem werde ich ihm erzählen, wie prachtvoll ich euch übertölpelt habe!« Wieder lachte der Blinde Sofgart, und ich knirschte mit den Zähnen. »Weint nicht, Freunde!« fuhr die Schmährede fort; Sofgart schüttete seinen ätzenden Hohn gleich kübelweise über uns aus. Dieser Widerling wußte nur zu genau, wie man einen Menschen mit Worten quälen kann,
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und er machte von diesen Kenntnissen weidlichen Gebrauch. »Weint nicht! Ich habe auch für euch etwas übriggelassen, um euch zu trösten, sozusagen. Hört ihr es ticken, Freunde?« Wieder brandete eine Welle des Gelächters durch die Kuppelhalle. »Hört ihr es ticken?« fragte Sofgart noch einmal. Wir hörten das Ticken, langsam und gleichmäßig erklangen die harten Schläge durch den weiten Raum. »Eine Bombe!« rief ich aus. »Schnell, Männer! Wir müssen hier her aus!« Es sprach für die hervorragende Disziplin, daß bei meinen Worten keine Panik ausbrach. Die Männer liefen auf den Ausgang der Kuppelhalle zu, erst langsam im Trab, dann mit rasender Geschwindigkeit, wenn sie in der Nähe der Tür waren. Sprangk erreichte den Ausgang als erster und blieb neben der Öffnung stehen. »Schneller, schneller!« trieb er die Männer an, die nur zu zweit durch den schmalen Eingang paßten. »Vorwärts, Leute!« Es dauerte keine Minute, dann war der Saal geleert. Daß Sofgart nicht geblufft hatte, war nicht zu übersehen. Aus dem Laut sprecher klangen wimmernde, wehklagende Laute. »Der Quaddin-Körper!« flüsterte Ra. »Er fühlt seinen Tod nahen!« Die Organe in den Behältern schwollen rasch an; die durchsichtigen Hüllen platzten auf, und die Nährflüssigkeit platschte laut auf den Metall boden des Gewölbes. Aus allen Winkeln kamen Roboter herbeigeeilt und bemühten sich um die Organe des Quaddin-Körpers. »Los!« schrie Sprangk vom Eingang herüber. »Atlan, Ra, Fartuloon – wollt ihr hier bis zur Explosion warten?« Wir setzten uns in Bewegung. Ich warf noch einen letzten Blick auf den Quaddin-Körper, in den ich so viele Hoffnungen gesetzt hatte. Ich erreichte den Ausgang aus der Kuppelhalle; Sprangk hielt mich schnell fest und brüllte dann durch den Stollen: »Alle Mann flach an die Wand pressen!« Er sah mich an. »Atlan!« befahl er dann in einer Lautstärke, die jeden seiner Männer er reichen mußte. »Atlan nach vorne. Du gehst voran, du kennst den Weg am besten. Los, beeile dich, die Zeit drängt!« Ich lief, und die Männer machten mir rasch Platz, um sich hinter mir so fort wieder zusammenzuschließen. Rasch hatte ich die Spitze der Flüch tenden erreicht und rannte den Männern voraus. Wir steckten noch mitten in dem Labyrinth, als unter uns der Boden bebte. In den Wänden entstanden meterlange Risse, Staub wirbelte auf und nahm mir die Sicht. Ein heftiger Stoß ging durch den Boden und nahm mir das Gleichgewicht; ich wäre der Länge nach hingeschlagen, hätte mich
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nicht ein kräftiger Arm festgehalten. »Nur mit der Ruhe!« meinte eine gemütliche Stimme. »Du sollst laufen, nicht krabbeln!« Die Druckwelle erfaßte uns und riß uns von den Beinen; hinter mir er klangen Schmerzensschreie. Aus der Decke des Ganges brachen faust große Trümmer und prasselten auf uns nieder. Mit der flachen Hand schlug ich auf die Notrettungsschaltung meines Kampfanzugs; sofort baute sich das Schirmfeld auf, gleichzeitig entfaltete sich die Kapuze. Mit leisem Klacken rasteten die Magnetverschlüsse ein. »Weiter!« ertönte es hinter mir. »Und schneller!« Ich rannte, was meine Lungen hergeben konnten, aber ich stolperte mehr, als daß ich lief. Immer wieder brachen Trümmer aus den Wänden und Decken und hinderten meinen Vormarsch; der Boden tanzte unter un seren Füßen, riß auf und bildete tiefe Spalten. Ich mußte mich höllisch an strengen, wenn ich mir nicht in einer dieser Risse den Fuß brechen wollte. »Strahlung!« gellte hinter mir ein Ruf. »Es wird Radioaktivität frei. Achtet auf eure Dosimeter!« Ich dachte hauptsächlich an Morvoner Sprangk, von dem ich wußte, daß er am Ende der Kolonne lief. Ich konnte kaum mehr etwas sehen, die Luft war von Staub durchsetzt. Gänge, die ich vorher nie gesehen hatte, waren plötzlich offen, die Automaten der Steuerung ausgefallen. Fetter Qualm kroch aus den Ritzen, und kleinere Detonationen erschütterten den Unter grund. Dies war das endgültige Ende der Pyramide, und wenn wir nicht rasch genug aus diesem Bau entkamen, würde dieses Ende auch das unse re sein. »Sprangk!« rief ich keuchend in mein Mikro. »Sprangk!« »Alles in Ordnung, Atlan!« hörte ich eine mühsame Antwort. »Bisher nur ein Ausfall. Ich bin unversehrt!« »Nicht den Anschluß verlieren!« ermahnte ich die Männer. »Wer den Zusammenhang verliert, wird in der Pyramide umkommen!« »Keine Angst, Prinzchen, wir lassen dich nicht allein!« hörte ich einen ächzenden Kommentar, dazwischen ein schmerzliches Stöhnen. Der dichte Staub nahm mir jegliche Orientierung, ich wußte kaum mehr, in welchem Winkel des Bauwerks wir uns befanden. Ich sah nur vor mir eine Halle, die ich auf den ersten Blick nicht identifizieren konnte. Aus der Halle führten acht Gänge, alle waren blockiert. Noch im Laufen zog ich meine Waffe und feuerte. Der grellweiße Energiestrahl traf einen der Gegner in die Brust und warf ihn um. Zwei der Gestalten erwiderten sofort das Feuer; auf meinen Schirmfeld leckten Flammenzungen, ein har ter Stoß traf mich, und ich rollte zur Seite. Ein Mann der hinter mir lief, rannte genau in den konzentrierten Beschuß, stieß einen gellenden Schrei aus und fiel sterbend zur Seite.
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»Achtung!« rief ich in den Minikom. »Widerstand. Die Robots wollen uns an einer Flucht hindern. Ohne Warnung schießen – hier ist außer uns kein lebendes Wesen!« Nacheinander krochen die Männer aus dem Gang, verschanzten sich hinter Robotleichen und feuerten mit der Wut der Verzweiflung. Ein Glut orkan schlug den Robots entgegen, die rücksichtslos gegen uns vorgingen und in unserem konzentrierten Feuer nacheinander verglühten. Aber im mer neue Robots kamen; sie krochen aus den Gängen, fielen aus großen Löchern, die sich plötzlich in der Decke bildeten. Um mich herum war das Chaos. Feuerstrahlen zuckten durch den Raum, der erfüllt war vom Qualm verschmorender Roboter; Metallsplitter sirrten durch die Luft. Wenn sie auf eine der Energieadern trafen, zuckten Blitze und vernichteten alles, was sie trafen. Kein Schirmfeld war stark genug, eine solche Belastung zu überstehen. Und immer noch bebte der Untergrund, rieselten Staub und Steine auf und herab. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Pyramide endgül tig auseinanderbrach und uns unter sich begrub. Aus den Gängen wehte uns eine unerträgliche heiße Luft entgegen; die Außentemperaturen hatten längst den Siedepunkt überschritten. Hinter uns dröhnte das Grollen zu sammenbrechender Gänge, einmal gestört von einem schrillen Schmer zensschrei, der abrupt abbrach. Wahrscheinlich war der Mann von einem herabstürzenden Felsen erschlagen worden. »Vorwärts, Männer!« schrie Sprangk. »Wir können hier nicht bleiben!« Er sprang als erster aus seiner Deckung, pausenlos aus zwei Waffen feu ernd. Ein Robot, der sich ihm in den Weg stellte, flog in einer donnernden Explosion auseinander. Ich sah, wie Sprangk sich an den Arm griff; Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Ich sprang rasch zu ihm. »Kümmere dich nicht um die Wunde!« stöhnte Sprangk. »Dichte nur das Loch im Anzug ab, zu mehr haben wir keine Zeit!« Es war schwer, den Klebestreifen auf dem Riß aufzutragen, da der Mann nicht aufhörte, mit seinen Waffen auf alles zu schießen, was sich uns entgegenstellte. Vier Männer kamen rasch näher und gaben uns Feuer schutz. Einer neu auf dem Kampfplatz auftauchenden Gruppe von sechs Robots schlug dieses geballte Sperrfeuer entgegen und vernichtete sie in nerhalb weniger Sekunden. »Dicht!« sagte Sprangk nach kurzer Zeit. »Los, weiter!« Wir wußten nicht mehr, wo wir waren, wir wußten nur noch, in welche Richtung wir keinesfalls laufen durften. Diese Richtung wurde gekenn zeichnet durch zusammenstürzende Gänge und Robots, die von den Anla gen zu retten suchten, was noch zu retten war. Unsere Marschrichtung konnte nur lauten: den Robots entgegen. Und wir verhielten uns danach. Einige der Maschinen liefen in der gleichen Richtung wie wir; ich konn
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te die Gestalten wegen des Qualmes nur sehr undeutlich erkennen, aber es schien mir, als transportierten sie Teile des Quaddin-Körpers. Und über diesem Chaos lag das jäh wieder über uns hereinbrechende Gelächter des Blinden Sofgart, der uns bis in den letzten Winkel mit sei nem Hohn verfolgte. »Lauft, Freunde!« schrie er uns zu. »Lauft! Es nützt euch zwar nichts, aber Bewegung ist ja gesund, selbst wenn an ihrem Ende der Tod steht!« Einem der Männer gelang es zufällig, einen der zahllosen versteckten Lautsprecher zu treffen. Für einige Minuten wenigstens hatten wir vor Sofgarts Hohngelächter Ruhe. »Nicht müde werden!« schrie Sprangk in seinen Minikom. »Wir werden es schaffen. Ich verwette meinen Kopf darauf!« »Das ist vielleicht ein Einsatz unter diesen Bedingungen!« meinte eine sarkastische Stimme. »Aber gut, Kommandant, ich nehme die Wette an!« »Gegeneinsatz?« wollte Sprangk wissen; seine Rechte zuckte zur Seite und traf einen Robot am Halsansatz. Eine Stichflamme leckte hoch, dann rollte der metallene Schädel auf dem Boden. »Eine Flasche Vurguzz!« setzte der Unbekannte. »Viel zuviel!« mischte sich jemand ein. »Ein paar Konzentratwürfel hätten auch gereicht!« »Ich nehme an!« rief Sprangk. Sein Gesicht war vom Rauch geschwärzt, aber ich sah das Blitzen sei ner weißen Zähne. Dieses Grinsen gab mir neue Zuversicht, noch war nicht alles verloren, obwohl es sehr düster aussah. »Hierher, Leute!« schrie eine sich überschlagende Stimme. »Wir haben einen Weg ins Freie …!« Der Sprecher hielt inne, dann folgte eine Reihe von Flüchen. Mir entfuhr ein Stöhnen, als ich endlich die Oberfläche erreicht hatte; wir standen auf der zweitobersten Stufe der halbzerfallenen Stufenpyrami de und blickten in die Runde. Wir wurden belagert. Eine unübersehbare Armee von Androiden hielt uns umzingelt; hell zeichneten sich ihre Körper auf dem schwarzen Hintergrund ab. Ich er kannte die Monstren wieder, deren Gußformen wir gesehen hatten. »Sie sind noch nicht ausgestorben!« murmelte Fartuloon. »Im Gegen teil, die Fabrikation scheint gerade erst ihren Höhepunkt zu erreichen!« »Ra!« rief ich. »Zu mir!« Ich nannte willkürlich neun weitere Namen und rief die Männer in mei ne Nähe; einer konnte nicht kommen. Er war tot; die Explosion eines Ro bots hatte seinen Schirmgenerator überbelastet. Das Gerät war ebenfalls detoniert und hatte den Mann zerrissen. »Das kannst du nicht tun!« wehrte Fartuloon ab. »Nicht du!«
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Sprangk wollte mir in den Arm fallen, aber ich stieß ihn hart zurück. »Der Kristallprinz bin ich!« sagte ich scharf. »Atlan!« rief Fartuloon entsetzt aus. »Das ist heller Wahnsinn!« Ich achtete nicht auf ihn und gab den Männern ein Zeichen. Wir bilde ten einen Keil und marschierten los, in jeder Hand eine Waffe mit fri schem Magazin. Wir gingen langsam, dann setzten wir uns in Trab. Mit leichten, locke ren Schritten liefen wir auf die Reihen der Androiden zu, die uns entge genstarrten. Ra bildete die Spitze, im beidhändigen Schießen kam ihm kei ner gleich; einen Schritt hinter ihm lief ich. Neben mir erkannte ich einen jungen Arkoniden, der durch sein kurzes, pechschwarzes Haar auffiel. Dies war auch der Grund gewesen, der ihn zu mir geführt hatte. Obwohl glänzend begabt, stand ihm im Imperium keine Zukunft offen. Arkoniden trugen ihr Haar lang, und es hatte weiß zu sein; dieser junge Mann bildete eine seltene Ausnahme, und er hatte bitter dafür büßen müssen. »Ein Glück, daß die Ungeheuer nicht bewaffnet sind!« stieß er hervor. »Keine voreilige Hoffnung!« warnte Ra; ich fragte mich, wo der Barbar nach all den Strapazen noch den Atem hernahm, um derart gleichmäßig sprechen zu können. »Die Scheren und Tentakel sind nicht zu verachten!« Dann hatten wir die Linie erreicht; wir sahen, wie sich die Tentakel ent rollten, die Greifscheren geöffnet und geschlossen wurden. Ra feuerte als erster, und seine Schüsse trafen. Wie eine feurige Lanze bohrten wir uns in den Ring der Plasmaleiber, pausenlos feuernd. Die Spitzengruppe schoß eine breite Gasse aus dem Belagerungsring, die hinter uns trabenden Männer erweiterten ihn und öff neten die Gasse durch gezielte Würfe von Thermobomben. Zu Hunderten wurden die Androiden von unserem Feuer hingemäht. Ich kannte keine Hemmungen, auf diese Wesen zu schießen; sie besaßen keinen Funken Vernunft, nur einen einprogrammierten Tötungswillen. Die völlige Luftleere verlieh dem Kampf etwas Gespenstisches; unsere Schüsse waren nicht zu hören, kein Schrei ertönte, wenn die sonnenheißen Impulsstrahlen in Leiber einschlugen. Ich hörte nur das Atmen der Män ner, ab und zu von einem leisen Stöhnen unterbrochen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis wir den Ring durchbrochen hatten, aber diese wenigen Minuten kosteten drei Menschenleben. Der letzte Tote war der schwarzhaarige junge Mann; ein Tentakel schoß aus der Dunkel heit auf ihn zu, umklammerte ihn und zuckte mit dem Opfer zurück. Bevor ich helfen konnte, hatten andere Bestien den Mann zerfetzt. Dann hatten wir freies Land erreicht. Ich sah mich rasch um. Die Bestien hatten den Ring wieder geschlossen und rückten langsam auf die Spitze der Pyramide vor. Sprangk und seine Männer hatten einen Ring aus Feuer rund um das Bauwerk gelegt. Immer
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wieder warfen die Männer Thermobomben, um den Glutstreifen aufrecht zuerhalten. Ich konnte nur für Sekunden zur Pyramide hinübersehen, dann began nen wir zu laufen. Unsere Antigravs hatten wir auf Minimalwert gestellt, und so fegten wir mit hoher Geschwindigkeit über die Oberfläche der Schwarzen Welt. Es dauerte nur wenige Minuten, dann hatten wir das große Beiboot erreicht, mit dem Sprangk und seine Männer gekommen waren. Ich winkte einem meiner Begleiter zu, unser Boot zu übernehmen, dann öffneten sich die Schleusen, und wir sprangen in höchster Eile an Bord. Ich hetzte sofort zum Pilotensitz, Ra hockte sich hinter die Optiken der Kanonen. Noch während sich die Schleusentore schlossen, ließ ich das Beiboot mit höchster Beschleunigung aufsteigen. Die Generatoren wim merten, als ich mit letzter Kraft das Boot waagerecht über die Ebene rasen ließ. Mit angespanntem Gesicht saß Ra hinter den Kanonen, und sobald er ein Ziel fand, ließ er die Waffen arbeiten. Ruhig wie auf dem Schießstand feuerte er auf die Monstren, die Sprangk inzwischen gefährlich nahe ge kommen waren. Die Reihen der Angreifer lichteten sich gewaltig, aber die Kunstwesen kannten keinen Rückzug, mit einprogrammierter Sturheit griffen sie ohne Rücksicht auf ihre eigene Existenz an. Ein Paar Gravos kamen durch, als ich das Beiboot über der Spitze der Pyramide brutal abbremste und verharren ließ. »Luken auf!« brüllte ich. »Traktorstrahl!« Auf meinen Kontrollen konnte ich sehen, wie das große Luk für Expe ditionsgleiter und größere Bodenfahrzeuge aufschwang, dann setzte der Mann an der Steuerung der Traktorstrahlen sein ganzes Können ein. Mit hoher Fahrt zerrte er die Männer aus dem Gefahrenbereich; er kümmerte sich nicht darum, wie hart sie in dem Laderaum auf dem Boden aufkamen, er sah sein Ziel darin, die Männer so schnell wie irgend möglich einzuboo ten, und das tat er mit höchster Präzision. Nach wenigen Augenblicken waren alle Überlebenden an Bord. Ich zog das Boot mit aller Kraft in die Höhe, der Planet fiel zurück und wurde wieder unsichtbar. Nur auf den Schirmen der Energieortung sah ich die Fontäne aus der Pyramide aufsteigen; sämtliche Meiler mußten auf einen Schlag detoniert sein. Wir waren gerade noch zur rechten Zeit ent kommen. Ich hatte den Kopf in die Hände gestützt und starrte auf die Liste, die auf dem Tisch vor mir lag. In meiner Kabine an Bord der KARRETON herrschte eine drückende Stille. Ich hatte mir ausgebeten, für einige Zeit allein sein zu können, und man hatte diesen Wunsch respektiert. Die Liste enthielt Namen. Sie besagten in brutaler Nüchternheit, daß die Besatzung der KARRETON auf zweiundfünfzig Männer und Frauen zu
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sammengeschrumpft war, meine persönlichen Freunde wie Ra, Vorry, Far tuloon und dergleichen ausgenommen. Nur noch zweiundfünfzig Mann, der Rest war tot, gestorben auf der Schwarzen Welt Za'Ibbisch, der Welt des Grauens. Gestorben war noch mehr. Meine Zuversicht war auf dem Planeten verblieben, die Hoffnung, den Männern Orbanaschols zuvorkommen zu können. Jetzt konnten wir nicht einmal mehr gleichziehen. Sofgart, der Folterkönig, besaß das Zentralor gan. Diesen Vorsprung konnte ich nicht mehr einholen. Wir hatten nicht einmal mehr eine halbwegs brauchbare Spur; unser Weg zum Stein der Weisen war abgeschnitten. Wo sollten wir die Suche wieder aufnehmen; auch dafür gab es keinen Hinweis. Orbanaschol würde triumphieren; Sofgart würde ihm den Stein der Wei sen überbringen, und dann konnte ich mich auf Kraumon zur Ruhe setzen, Gemüse züchten und hoffen, daß nie ein Kralasenenschiff in meine Nähe kommen würde. Ich war nahe daran, zu verzweifeln. Ich hatte den Kopf in die Hände gestützt und starrte vor mich hin. Vor meinen Augen war der Stahl der Kabinenwand. Gab es einen Weg, ein solches Hindernis ohne Mittel aus dem Weg zu schaffen? Hatte ich noch eine Chance …? ENDE
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