Erich Kästner
WIESO WARUM? Ausg2wählte Gedichte 1928 -1955
I Aufbau-Verlag Berlin und VVeimar 1965
HERZ AUF TAILLE
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Erich Kästner
WIESO WARUM? Ausg2wählte Gedichte 1928 -1955
I Aufbau-Verlag Berlin und VVeimar 1965
HERZ AUF TAILLE
19 28
Wieso warum? Warum sind tausend Kilo eine Tonne? Warum ist drei mal drei nicht sieben? Warum dreht sich die Erde um die Sonne? Warum heißt Erna Erna statt Yvonne? Und warum hat das Luder nicht geschrieben? Warum ist Professoren alles klar? Warum ist schwarzer Schlips zum Frack verboten? Warum erfährt man nie, wie alles war? Warum bleibt Gott grundsätzlich unsichtbar? ' Und warum reißen alte Herren Zoten? Warum darf man sein Geld nicht selber machen? Warum bringt man sich nicht zuweilen um? Warum trägt man im Winter Wintersachen? Warum darf man, wenn jemand stirbt, nicht lachen? Und warum fragt der Mensch bei jedem Quark: Warum?
7
Jahrgang 1899 Wir haben die Frauen zu Bett gebracht, als die Männer in Frankreich standen. Wir hatten uns das viel schöner gedacht. Wir waren nur Konfirmanden. Dann holte man uns zum Militär, bloß so als Kanonenfutter. In der Schule wurden die Bänke leer, zu Hause weinte die Mutter. Dann gab es ein bißchen Revolution und schneite Kartoffelflocken; dann kamen die Frauen, wie früher schon, und dann kamen die Gonokokken.
Wir haben der Welt in die Schnauze geguckt, anstatt mit Puppen zu spielen. Wir haben der Welt auf die Weste gespuckt, soweit wir vor Ypern nicht fielen. Man hat unsern Körper und hat unsern Geist ein wenig zu wenig gekräftigt. Man hat uns zu lange, zu früh und zumeist in der Weltgeschichte beschäftigt! Die Alten behaupten, es würde nun Zeit für uns zum Säen und Ernten. Noch einen Moment. Bald sind wir bereit. Noch einen Moment. Bald ist es soweit! Dann zeigen wir euch, was wir lernten!
Inzwischen verlor der Alte sein Geld, da wurden wir Nachtstudenten. Bei Tag waren wir bureau=angestellt und rechneten mit Prozenten. Dann hätte sie fast ein Kind gehabt, ob von dir, ob von mir - was weiß ich! Das hat ihr ein Freund von uns ausgeschabt. Und nächstens werden wir dreißig. Wir haben sogar ein Examen gemacht und das meiste schon wieder vergessen. Jetzt sind wir allein bei Tag und bei Nacht und haben nichts Rechtes zu fressen! 8
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Ein Traum macht Vorschläge
Chor der Fräuleins
Ich träume - man kann das ja ruhig gestehen - fast nie. Ich sdllafe lieber, sobald idl liege. Aber kürzlich hab ich trotzdem geträumt, wissen Sie. Und zwar vom kommenden Kriege.
Wir hämmern auf die Schreibmaschinen. Das ist genau, als spielten wir Klavier. Wer Geld besitzt, braucht keines zu verdienen. Wir haben keins. Drum hämmern wir.
Aus den Gräbern krochen Millionen Männer hervor (lauter Freiwillige, wie eine Stimme betonte), die hoben ihre Gewehre zur Schulter empor und prüften, wen zu erschießen sich lohnte.
Wir winden keine Jungfernkränze mehr. Wir überwanden sie mit viel Vergnügen. Zwar gibt es Herrn, die stört das sehr. Die müssen wir belügen.
Sie kamen einander entgegen, fertig zum Schuß und stumm ... Doch da schrie eine Stimme, als wäre jemand in Not! Da drehten die Männer, wie auf Kommando, die Flinten herum und schossen sich selber tot.
Zweimal pro Woche wird die Nacht mit Liebelei und heißem Mund, als wär man Mann und Frau, verbracht. Das ist so schön! Und außerdem gesund.
Sie fielen um in endlosen Reihn. Ich träume doch eigentlich nie ... Und wer mag das nur gewesen sein, der so schrie?
Es wär nicht besser, wenn es anders wäre. Uns braucht kein innrer Missionar zu retten! Wer murmelt düster von verlorner Ehre? Seid nur so treu wie wir, in euren Betten! Nur wenn wir Kinder sehn, die lustig spielen und Bälle fangen mit Geschrei, und weinen, wenn sie auf die Nase fielendann sind wir traurig. Doch das geht vorbei.
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11
Besagter Lenz ist da Es ist schon so. Der Frühling kommt in Gang. Die Bäume rekeln sich. Die Fenster staunen. Die Luft ist weich, als wäre sie aus Daunen. Und alles andre ist nicht von Belang.
Die Gärten sind nur noch zum Scheine kahl. Die Sonne heizt und nimmt am Winter Rache. Es ist zwar jedes Jahr dieselbe Sache, doch es ist immer wie zum erstenmal.
Nun brauchen alle Hunde eine Braut. Und Pony Hütchen sagte mir, sie fände: die Sonne habe kleine, warme Hände und krabble ihr mit diesen auf der Haut. Die Hausmannsleute stehen stolz vorm Haus. Man sitzt schon wieder auf Cafeterrassen und friert nicht mehr und kann sich sehen lassen. Wer kleine Kinder hat, der fährt sie aus. Sehr viele Fräuleins haben schwache Knie. Und in den Adern rollt's wie süße Sahne. Am Himmel tanzen blanke Aeroplane. Man ist vergnügt dabei. Und weiß nicht wie. Man sollte wieder mal spazierengehn. Das Blau und Grün und Rot war ganz verblichen. Der Lenz ist da! Die Welt wird frisch gestrichen! Die Menschen lächeln, bis sie sich verstehn. Die Seelen laufen Stelzen durch die Stadt. Auf dem Balkon stehn Männer ohne Westen und säen Kresse in die Blumenkästen. Wohl dem, der solche Blumenkästen hat! 12
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Frau Großhennig schreibt an ihren Sohn Mein lieber Junge! Das war natürlich sehr schade, daß Du zu meinem Geburtstag nicht kamst. Und nur schriebst. Die Nelken waren sehr schön. Und Bratwurst hatten wir grade. Weil ich doch hoffte Du kämst. Und Du doch Bratwurst so liebst. Tante Isolde hat mir eine Lackledertasche geschenkt. Nur Vater der hatte es gänzlich vergessen. Ich war erst traurig. Wo er doch sonst stets an alles denkt. Aber es gab viel zn tun, mit dem Kaffee, und dann mit dem Abendessen. Und wie geht es Dir sonst und bist Du den trockenen Husten los? Das macht mir Sorgen mein Kind. Und das darf man nicht hinhängen lassen. Nächstens schick ich Dir Umlegekragen. Waren die letzten zu groß? Ja wenn Du zu Hause wärst dann 'würden die Kragen schon passen. Ach Krauses älteste Tochter hat kürzlich ein Kind gekriegt! Wer der Vater ist weiß kein Mensch. Und sie soll es selber nicht wissen. Ob denn das wirklich nur bloß an der Gymnasialbildung liegt? Und sdlick bald die schmutzige Wäsche. Der letzte Kartong war schrecklich zerrissen.
Mein K05 tÜIn habe ich umfärben lassen. Jetzt ist es marine= blau. Laß Dein Zimmer heizen. Wir machen schon lange Feuer. Das Fleisch das kaufe ich jetzt bei unsrer Gemüsefrau da ist es zehn Pfennige billiger. Ich finde es trotzdem noch teuer. Drei Monate bist Du nun schon nicht zu Hause gewesen. Läßt es sich wirklich nicht mal und wenns auf zwei Tage ist machen? Erst vorgestern habe ich eine Berliner Zeitung gelesen. Fritz sieh Dich bloß vor! Da passieren ja gräßliche Sachen! Ist das Essen auch gut in dem Restaurant wo Du ißt? Laß Dir doch abends von Deiner vVirtin zwei Eier auf Butter braten. Das wird alles anders, wenn Du erst richtig verheiratet bist. Ich weiß schon Du hast keine Lust. Das ist schade da läßt sich nicht raten. Unser neuer Zimmerherr der hat eine richtige Braut. Die ist mitunter bei ihm. Sonst bin idl mit ihm ganz zu" frieden. Die Hausmannsfrau hat sie gesehn. Und sagte gestern ganz laut, das wäre nicht immer dieselbe. Ich müßte das endlich ver= bieten. HastDu in eurem Geschäft schon wieder mal Ärger gehabt? Schreib mir nur alles und sieh Dich recht vor mit den Mädelsgeschichten. Es wäre doch schade um Dich. Denn Du bist doch sonst so begabt.
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Die Tretmühle
Wie schnell ist was los mit dem Arzt und den Vormund= schafts gerichten.
Nach der Melodie: "Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen!"
Sonst geht es uns allen wenn man das Schlechte nicht rechnet famos. Ich hoffe dasselbe von Dir. Was wollte ich gleich noch sagen? Das Papier ist zuende. Leb wohl! Bei Ehrlichs ist wieder was los. Ich will nur den Brief noch ganz schnell in den Bahnhofs= briefkasten tragen.
Rumpf vorwärts beugt! Es will dich einer treten! Und wenn du dich nicht bückst, trifft er den Bauch. Du sollst nicht fragen, was die andern täten! Im übrigen: die andern tun es auch. So bück dich, Mensch! Er tritt ja nicht zum Spaße! Er wird dafür bezahlt. Es ist ihm ernst. Tief! Tiefer! Auf die Knie mit deiner Nase! Das Vaterland erwartet, daß du' s lernst.
Da fällt mir noch etwas ein. Doch es geht schon gar nicht mehr her. Kannst Dus auch lesen? Frau Fleischer Stefan traf ich jetzt im Theater. Was die Erna ist, ihre Tochter. Die liebt Dich längst schon. Und sehr. Ich finde sie recht nett. Na schon gut. Auch viele Grüße von Vater!
Zunächst bist du noch etwas steif im Rücken. Sei guten Muts! Es ist nicht deine Schuld. Gib acht, wie prächtig sich die andern bücken! Das ist nur eine Frage der Geduld. Und muß so sein. Und ist der Sinn der Erde. Der eine tritt - wie die Erfahrung lehrt-, damit ein anderer getreten werde. Das ist Gesetz. Und gilt auch umgekehrt. Du sollst für Laut= und Leisetreter beten: "Gib Himmel, jedem Stiefel seinen Knecht! Beliefre uns mit Not! Denn Not lehrt treten!/I Wer nicht getreten wird, kommt nie zurecht.
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Gedichte
Geh vor den Spiegel! Freu dich an den Farben, die man dir kunstvoll in die Rippen schlug! Die Besten waren's, die an Tritten starben.Rumpf vorwärts beugt! Genug ist nicht genug!
Ein Kind, etwas frühreif Ich hab mich zu einem Kinde gebückt. (Denn ich bin in solchen Dingen nicht stolz.) Und ich hab ihm sein Spielzeug zurechtgerückt. Es war ein Schimmel aus Holz. Das Kind ging mit einer schönen Frau. Die dachte, ich dächte, sie wäre so frei ... Und sie zog ihr Kind wie einen Wauwau an Laternen und Läden vorbei. Sie fühlte sich schon zur Hälfte verführt und schwenkte vergnügt ihr Gewölbe. Das hätte mich nun nicht weiter gerührt. Doch das Kind - ich hab es ganz deutlich gespürt -, das dachte bereits dasselbe ...
Kleine Führung durch die Jugend Und plötzlich steht man wieder in der Stadt, in der die Eltern wohnen und die Lehrer und andre, die man ganz vergessen hat. Mit jedem Schritte fällt das Gehen schwerer. Man sieht die Kirche, wo man sonntags sang. (Man hat seitdem fast gar nicht mehr gesungen.) Dort sind die Stufen, über die man sprang. Man blickt hinüber. Es sind andre Jungen.
Das Gitter blieb. Und nun steht man davor. Und sieht dahinter neue Kinderherden. Man fürchtet sich. Und legt den Kopf ans Tor. (Es ist, als ob die Hosen kürzer werden.) Hier floh man einst. Und wird jetzt wieder fliehn. Was nützt der Mut? Hier wagt man nicht, zu retten. Man geht, denkt an die kleinen Eisenbetten und fährt am besten wieder nach Berlin.
Der Fleischer Kurzhals lehnt an seinem Haus. Nun ist er alt. Man winkt ihm wie vor Jahren. Er nickt zurück. Und sieht verwundert aus. Man kennt ihn noch. Er ist sich nicht im klaren. Dann fährt man Straßenbahn und hat viel Zeit. Der Sd1affner ruft die kommenden Stationen. Es sind Stationen der Vergangenheit! Man dachte, sie sei tot. Sie blieb hier wohnen. Dann steigt man aus. Und zögert. Und erschrickt. Der Wind steht still, und alle Wolken warten. Man biegt um eine Ecke. Und erblickt ein schwarzes Haus in einem kahlen Garten. Das ist die Schule. Hier hat man gewohnt. Im Schlafsaal brennen immer noch die Lichter. Im Amselpark schwimmt immer noch der Mond. Und an die Fenster pressen sich Gesidlter.
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Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühen? Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen! Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn in den Büros, als wären es Kasernen.
Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün. Was man auch baut - es werden stets Kasernen. Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe. Und unsichtbare Helme trägt man dort. Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe. Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort! ·Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will - und es ist sein Beruf, etwas zu wollen-, steht der Verstand erststranun und zweitens still. Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen! Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen und mit gezognem Scheitel auf die Welt. Dort wird man nicht als Zivilist geboren. Dort wird befördert, wer die Schnauze hält. Kennst Du das Land? Es könnte glücklich sein. Es könnte glücklich sein und glücklich machen! Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen. Selbst Geist und Güte gibt's dort dann und wann! Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen. Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann. Das will mit Bleisoldaten spielen.
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Die Hummermarseillaise Das Leben ist doch bloß zum Sterben da. o we ... 0 welche Lust, Soldat zu sein! Wer sich im Schlaf noch niemals lächeln sah, dem leuchtet ... hupp ... dem leuchtet das nicht ein. Ich möchte manchmal- immer möcht ich nicht-, ich möchte manchmal in die Kissen lachen. Der Güter höchstes Übel ist die Pflicht. Und kann man nichts dage ... dagegen machen.
Ich möchte es einmal nicht eilig haben. Und morgen nicht zur Bö ... zur Börse gehn. Ich möchte wie ganz ... wie ganz kleine Knaben ganz ohne Geld vor einem Laden stehn ... Ich will mein ganzes Geld den Armen geben. So ... so bin ich. Das ist doch edel. Wie? In Flo ... Florenz möcht ich von Renten leben. Es lebe Franz von ... Franz von Assisi! Hupp!
Da ist noch ei ... noch eins, was ich erwäge: Mit Vitriol einmal den Mund zu spülen. Treib Sport, mein Volk! Trei ... treibe Körperpflege! Denn wer nicht hören will, muß ... will, muß fühlen. Oft bin ich Menschen weiblichen Geschlechts als Hei ... als Heiliger erschienen. Ich gab das Letzte her, nach links und rechts. Sogar das Lager teilte ich mit ihnen. Zehntausend Liter Leuchtgas will ich kaufen und ... und als Vorrat in den Keller tun. Ich werde wieder öfter Rollschuh laufen. Im Au ... im Auto fahren wird kommun. Ich liebe es, das Atmen zu vermeiden. Es lohnt nicht ... hupp ... auch weiß man nicht wozu. Ich frag mich oft, warum sie uns beneiden. Denn Geld macht arm. Und läßt uns nicht in Ruh. :25
Ballade vom Defraudanten Es folgt das Lied von einem Defraudanten. Er war ein guter Mensch. Denn das kommt vor. Ich hörte es von Leuten, die ihn kannten. Sperrt eure Ohren auf! Er hieß Franz Moor. Es hat bekanntlich alles seine Grenzen. Franz Moor war mittelblond und ohne Arg, dazu Kassierer, zog die Konsequenzen und flüchtete mit :raa 000 Mark. Bis Brüssel blieb er im Klosett des Zugs. Dann war er des Französischen nicht mächtig. Sie war von schlechtem Ruf und gutem Wuchs. Und liebten sich. Er fand sie nur zu schmächtig. Das gibt sich alles. - Dann war sie verblüht. Mit ihr das Geld, das ihm gar nicht gehörte. Er weinte fast. Denn er war ein Gemüt. Das war etwas, was ihn direkt empörte. Als ihm ein Steckbrief in die Augen stach, mit seinem Bild - von damals als Gefreiter-, da blieb er stehn und dachte lange nach. Dann kam ein Polizist. Und Moor ging weiter. Er sprang ins Wasser, das bei Brüssel floß. Jedoch vergeblich. Denn er ging nicht unter. Er trank Lysol, das er in Kognak goß. Er sprang von einem Aussichtsturm herunter.
Er trieb sich öfters Messer in die Schläfen. Sechs Kugeln schoß er in den offnen Mund. Und war verwirrt, daß sie ihn gar nicht träfen! So tat er manches. Doch er blieb gesund. Ihm war das peinlich. Und er rang die Hände. Und er erkannte klar: Er stürbe nicht, nur weil er das Französisch nicht verstände. Anschließend stellte er sich dem Gericht.
Moral
Da sitzt er nun und deutet damit an, daß Bildungsmangel gräßlich schaden kann. Es ist der Tiefsinn dieses Sinngedichts: Lernt fremde Sprachen! Weiter will es nichts.
Abschied in der Vorstadt
Nachtgesang des Kammervirtuosen
Wenn man fröstelnd unter der Laterne steht, wo man tausend Male mit ihr stand ... Wenn sie, ängstlich wie ein Kind, ins Dunkel geht, winkt man lautlos mit der Hand.
Du meine Neunte letzte Sinfonie! Wenn du das Hemd 'f anhast mit rosa Streifen ... Komm wie ein Cello zwischen meine Knie, und laß mich zart in deine Seiten greifen!
Denn man weiß: man winkt das letzte Mal. Und an ihrem Gange sieht man, daß sie weint. War die Straße stets so grau und stets so kahl? Ach, es fehlt bloß, daß der Vollmond scheint ...
Laß mich in deinen Partituren blättern. (Sie sind voll Händel, Graun und Tremolo.) Ich möchte dich in alle Winde schmettern, du meiner Sehnsucht dreigestrichnes Oh!
Plötzlich denkt man an das Abendbrot und empfindet dies als gänzlich deplaciert. Ihre Mutter hat zwei Jahre lang gedroht. Heute folgt sie nun. Und geht nach Haus. Und friert.
Komm, laß uns durch Oktaven gänge schreiten! (Das Furioso, bitte, noch einmal!) Darf ich dich mit der linken Hand begleiten? Doch beim Crescendo etwas mehr Pedal!
Lust und Trost und Lächeln trägt sie fort. Und man will sie rufen! Und bleibt stumm. Und sie geht und wartet auf ein Wort! Und sie geht und dreht sich nie mehr um ...
o deine Klangfigur ! 0
die Akkorde! Und der Synkopen rhythmischer Kontrast! Nun senkst du deine Lider ohne Worte ... Sag einen Ton, falls du noch Töne hast!
* In besonders 'Vornehmer Gesellschaft ersetze man das Wort "Hemd" durch das Wort "Kleid".
Der Mensch ist gut
3°
Trottoircafes bei Nacht
Der Mensch ist gut! Da gibt es nichts zu lachen! In Lesebüchern schmeckt das wie Kompott. Der Mensch ist gut. Da kann man gar nichts machen. Er hat das, wie man hört, vom lieben Gott.
Hinter sieben Palmenbesen, die der Wirt im Ausverkauf erstand, sitzt man und kann seine Zeitung lesen, und die Kellner lehnen an der Wand.
Einschränkungshalber spricht man zwar von Kriegen. Wohl weil der letzte Krieg erst neulich war ... Doch: ließ man denn die Krüppel draußen liegen? Die Witwen kriegten sogar Honorar!
An den Garderobenständern schaukeln Hüte, und der Abendwind möchte sie in Obst verändern. Aber Hüte bleiben, was sie sind.
Der Mensch ist gut! Wenn er noch besser wäre, wär er zu gut für die bescheidne Welt. Auch die Moral hat ihr Gesetz der Schwere: Der schlechte Kerl kommt hoch - der Gute fällt.
Sterne machen Lichtreklame. Leider weiß man nicht genau, für weIl. Und die Nacht ist keine feine Dame, sondern läßt uns ihr Gewölbe sehn.
Das ist so, wie es ist, geschickt gemacht. Gott will es so. Not lehrt bekanntlich beten. Er hat sich das nicht übel ausgedacht und läßt uns um des Himmels Willen treten.
In der renommierten Küche brät der dicke Koch Filet und Fisch. Und er liefert sämtliche Gerüche seiner Küche gratis an den Tisch.
Der Mensd1 ist gut. Und darum geht's ihm schlecht. Denn wenn's ihm besser ginge, wär er böse. Drum betet: "Herr Direktor, quäl uns recht!" Gott will es so. Und sein System hat Größe.
Wenn man jetzt in einer Wiese läge, und ein Reh trät auS dem Wald ... Seine erste Frage wäre diese: "Kästner, pst! wie hoch ist Ihr Gehalt?"
Der Mensch ist gut. Drum haut ihm in die Fresse! Drum seid so gut: und seid so schlecht, wie's geht! Drückt Löhne! Zelebriert die Leipziger Messe! Der Himmel hat für so was immer Interesse. Der Mensch bleibt gut, weil ihr den Kram versteht.
Also bleibt man traurig hocken und hält Palmen quasi für Natur. Fliegen setzen sich auf süße Brocken. Und der Mond ist nur die Rathausuhr. 31
Sieben Palmen wedeln mit den Fächern, denn auch ihnen wird es langsam heiß. Und die Nacht sitzt dampfend auf den Dächern. Und ein Gast bestellt Vanilleeis.
Jardin du Luxembourg Dieser Park liegt dicht beim Paradies. Und die Blumen blühn, als wüßten sie's. Kleine Knaben treiben große Reifen. Kleine Mädchen tragen große Schleifen. Was sie rufen, läßt sich schwer begreifen. Denn die Stadt ist fremd. Und heißt Paris. Alle Leute, auch die ernsten Herrn, spüren hier: Die Erde ist ein Stern! Und die Kinder haben hübsche Namen und sind fast so schön wie auf Reklamen. Selbst die Steinfiguren, meistens Damen, lächelten (wenn sie nur dürften) gern. Lärm und Jubel weht an uns vorbei wie Musik. Und ist doch bloß Geschrei. Bälle hüpfen fort, weil sie erschrecken. Ein fideles Hündchen läßt sich necken. Kleine Neger müssen sich verstecken, und die andern sind die Polizei.
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3 Gedichte
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Mütter lesen. Oder träumen sie? Und sie fahren hoch, wenn jemand schrie. Schlanke Fräuleins kommen auf den Wegen und sind jung und blicken sehr verlegen und benommen auf den Kindersegen. Und dann fürchten sie sich irgend wie.
Anmerkung Wenn ich ein junges Mädchen wäre - es ist zur Freude der jungen Mädchen nicht der Fall -, also, ich fürchtete mich wahrsd1einiich auch.
Apropos, Einsamkeit! Man kann mitunter scheußlich einsam sein! Da hilft es nichts, den Kragen hochzuschlagen und vor Geschäften zu sich selbst zu sagen: Der Hut da drin ist hübsch, nur etwas klein ... Da hilft es nichts, in ein Cafe zu gehn und aufzupassen, wie die andren lachen. Da hilft es nichts, ihr Lachen nachzumachen. Es hilft auch nicht, gleich wieder aufzustehn., Da schaut man seinen eignen Schatten an. Der springt und eilt, um sich nicht zu verspäten, und Leute kommen, die ihn kühl zertreten. Da hilft es nichts, wenn man nicht weinen kann. Da hilft es nichts, mit sich nach Haus zu fliehn und, falls man Brom zu Haus hat, Brom zu nehmen. Da nützt es nichts, sich vor sich selbst zu schämen und die Gardinen hastig vorzuziehn. Da spürt man, wie es wäre: Klein zu sein. So klein wie nagelneue Kinder sind! Dann schließt man beide Augen und wird blind. Und liegt allein ...
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Weihnachtslied, chemisch gereinigt Nach der Melodie: "Morgen, Kinder, wird's was geben!"
Morgen, Kinder, wird's nichts geben! Nur wer hat, kriegt noch geschenkt. Mutter schenkte euch das Leben. Das genügt, wenn man' s bedenkt. Einmal kommt auch eure Zeit. Morgen ist' s noch nicht soweit.
Morgen, Kinder, wird's nichts geben! Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld! Morgen, Kinder, lernt fürs Leben! Gott ist nicht allein dran schuld. Gottes Güte reicht soweit ... Ach, du liebe Weihnachtszeit!
Anmerkung Dieses Lied wurde vom Reichsschulrat für das Deutsche
Einheitslesebuch angekauft.
Doch ihr dürft nicht traurig werden. Reiche haben Armut gern. Gänsebraten macht Beschwerden. Puppen sind nicht mehr modern. Morgen kommt der Weihnachtsmann. Allerdings nur nebenan. Lauft ein bißchen durch die Straßen! Dort gibt's Weihnachtsfest genug. Christentum, vom Tunn geblasen, macht die kleinsten Kinder klug. Kopf gut schütteln vor Gebrauch! Ohne Christbaum geht es auch. Tannengrün mit Osrambirnenlernt drauf pfeifen! Werdet stolz! Reißt die Bretter von den Stirnen, denn im Ofen fehlt's an Holz! Stille Nacht und heil'ge Nachtweint, wenn's geht, nicht! Sondern lacht! 37
Klassenzusammenkunft Sie trafen sich, wie ehemals, im 1. Stock des Kneiplokals. Und waren zehn Jahr älter. Sie tranken Bier. (Und machten Hupp!) Und wirkten wie ein Kegelklub. Und nannten die Gehälter. Sie saßen da, die Beine breit, und sprachen von der Jugendzeit wie Wilde vom Theater. Sie hatten, wo man hinsah Bauch und Ehefraun hatten sie a~ch , ' und fünfe waren Vater.
Da, gegen Schluß, erhob sich wer und sagte kurzerhand, daß er genug von ihnen hätte. Er wünsche ihnen sehr viel Bart und hundert Kinder ihrer Art und gehe jetzt zu Bette. Den andern war es nicht ganz klar, warum der Kerl gegangen war. Sie strichen seinen Namen. Und machten einen Ausflug aus. Für Sonntag früh. Ins Jägerhaus. Doch dieses Mal mit Damen.
Sie tranken rüstig Glas auf Glas und hatten Köpfe bloß aus Spaß und nur zum Hütetragen. Sie waren laut und waren wohl aus einem Guß, doch innen hohl, und hatten nichts zu sagen. Sie lobten schließlich, haargenau, die Körperformen ihrer Frau, den Busen und dergleichen ... Erst dreißig Jahr und schon zu spät! Sie saßen breit und aufgebläht wie nicht ganz tote Leichen.
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Knigge für Unbemittelte Ans deutsche Volk, von Ulm bis Kiel: Ihr eßt zu oft! Ihr eß t zuviel! Ans deutsche Volk, von Thorn bis Trier: Ihr seid zu faul! Zu faul seid ihr! Und wenn sie euch den Lohn entzögen! Und wenn der Schlaf verboten wär! Und wenn sie euch so sehr belögen, daß sich des Reiches Balken bögen! Seid höflich und sagt Dankesehr. Die Hände an die Hosennaht! Stellt Kinder her! Die Nacht dem Staat! Euch liegt der Rohrstock tief im Blut. Die Augen rechts! Euch geht's zu gut. Ihr sollt nicht denken, wenn ihr sprecht! Gehirn ist nichts für kleine Leute. Den Millionären geht es schlecht. Ein neuer Krieg käm ihnen recht. So macht den Ärmsten doch die Freude! Ihr seid zu frech und zu begabt! Seid taktvoll, wenn ihr Hunger habt! Rasiert euch besser! Werdet zart! Ihr seid kein Volk von Lebensart.
Und wenn sie euch noch tiefer stießen und würfen Steine hinterher! Und wenn sie euch verhaften ließen und würden nach euch Scheibe=schießen! Sterbt höflich und sagt Dankesehr.
Atmosphärische Konflikte Die Bäume schielen nach dem Wetter. Sie prüfen es. Dann murmeln sie: "Man weiß in diesem Jahre nie, ob nu raus mit die Blätter oder rin mit die Blätter oder wie!/I
Es ist schon warm. Wird es so bleiben? Die Knospen springen im Galopp. Und auch das Herz will Blüten treiben. Drum, raus mit die Stühle und rin mit die Gefühle, als ob!
Aus Wärme wurde wieder Kühle. Die Oberkellner waren blaß und fragten ohne Unterlaß : "Also, raus mit die Stühle oder rin mit die Stühle oder was?/I Die Pärchen meiden nachts das Licht. Sie hocken Probe auf den Bänken in den Alleen, wobei sie denken: "Raus mit die Gefühle oder rin mit die Gefühle oder nicht?/I Der Lenz geht diesmal auf die Nerven und gar nicht, wie es heißt, ins Blut. Wer liefert Sonne in Konserven? Na, günstigen Falles wird doch noch alles gut.
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Elegie mit Ei Es ist im Leben häßlich eingerichtet, daß nach den Fragen Fragezeichen stehn. Die Dinge fühlen sich uns keineswegs verpflichtet; sie lächeln nur, wenn wir vorübergehn. Wer weiß, fragt Translateur, was Blumen träumen? Wer weiß, ob blonde Neger häufig sind? Und wozu wächst das Obst auf meterhohen Bäumen? Und wozu weht der Wind?
Wir wollen endlich unsre eignen Fehler machen. Wir sind die Jugend, die an nichts mehr glaubt und trotzdem Mut zur Arbeit hat. Und Mut zum Lachen. Kennt Ihr das überhaupt? Beginnt ein Anfang? Stehen wir am Ende? Wir lachen hunderttausend Rätseln ins Gesicht. Wir spucken - pfui, Herr Kästner - in die Hände und gehn an unsre Pflicht.
Wir woHn der Zukunft nicht ins Fenster gaffen. Sie liegt mit der Vergangenheit zu Bett. Die ersten Menschen waren nicht die letzten Affen. Und wo ein Kopf ist, ist auch meist ein Brett. Wir werden später jung als unsre Väter. Und das, was früher war, fällt uns zur Last. Wir sind die kleinen Erben großer Übeltäter. Sie luden uns bei ihrer Schuld zu Gast. Sie wollten Streit. Und uns gab man die Prügel. Sie spielten gern mit Flinte, Stolz und Messer. Wir säen Gras auf Eure Feldherrnhügel. Wir werden langsam. Doch wir werden besser! Wir wollen wieder mal die Tradition begraben. Sie saß am Fenster. Sie ward uns zu dick. Wir wollen endlich unsre eigne Aussicht haben und platz für unsern Blick.
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Stimmen aus dem Massengrab Für den Totensonntag. Anstalt einer Predigt.
Vier Jahre Mord, und dann ein schön Geläute! Ihr geht vorbei und denkt: sie schlafen fest. Vier Jahre Mord, und ein paar Kränze heu te ! Verlaßt Euch nie auf Gott und seine Leute! Verdammt, wenn I~r das je vergeßt!
Da liegen wir und gingen längst in Stücken. Ihr kommt vorbei und denkt: sie schlafen fest. Wir aber liegen schlaflos auf dem Rücken, weil uns die Angst um Euch nicht schlafen läßt. Wir haben Dreck im Mund. Wir müssen schweigen. Und möchten schreien, bis das Grab zerbricht! Und möchten schreiend aus den Gräbern steigen! Wir haben Dreck im Mund. Ihr hört uns nicht. Ihr hört nur auf das Plaudern der Pastoren, wenn sie mit ihrem Chef vertraulich tun. Ihr lieber Gott hat einen Krieg verloren und läßt Euch sagen: Laßt die Toten ruhn! Ihr dürft die Angestellten Gottes loben. Sie sprachen schön am Massengrab von Pflicht. Wir lagen unten, und sie standen oben. "Das Leben ist der Güter höchstes nicht." Da liegen wir, den toten Mund voll Dreck. Und es kam anders, als wir sterbend dachten. Wir starben. Doch wir starben ohne Zweck. Ihr laßt Euch morgen, wie wir gestern, schlachten.
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LÄRM IM SPIEGEL 19 28
Sachliche Romanze Als sie einander acht Jahre kannten (und man darf sagen: sie kannten sich gut), kam ihre Liebe plötzlich abhanden. Wie andern Leuten ein Stock oder Hut. Sie waren traurig, betrugen sich heiter, versuchten Küsse, als ob nichts sei, und sahen sich an und wußten nicht weiter. Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei. Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken. Er sagte, es wäre schon Viertel nach vier und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. Nebenan übte ein Mensch Klavier. Sie gingen ins kleinste Cafe am Ort und rührten in ihren Tassen. Am Abend saßen sie immer noch dort. Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort und konnten es einfach nicht fassen.
Sergeant vVaurich Das ist nun ein Dutzend Jahre her, da war er unser Sergeant. Wir lernten bei ihm: "Präsentiert das Gewehr!" Wenn einer umfiel, lachte er und spuckte vor ihm in den Sand.
Der Mann hat mir das Herz versaut. Das wird ihm nie verziehn. Es sticht und schmerzt und hämmert laut. Und wenn mir nachts vorm Schlafen graut, dann denke ich an ihn.
"Die Knie beugt!" war sein liebster Satz. Den schrie er gleich zweihundertmal. Da standen wir dann auf dem öden platz und beugten die Knie wie die Goliaths und lernten den Haß pauschal. Und wer schon auf allen vieren kroch, dem riß er die Jacke auf und brüllte: "Du Luder frierstjanoch!/I Und weiter ging's. Man machte doch in Jugend Ausverkauf ... Er hat mich zum Spaß durch den Sand gehetzt und hinterher lauernd gefragt: "Wenn du nun meinen Revolver hättstbrächtst du mich um, gleich hier und gleich jetzt?" Da hab ich lIJa!" gesagt. Wer ihn gekannt hat, vergißt ihn nie. Den legt man sich auf Eis! Er war ein Tier. Und er spie und schrie. Und Sergeant Waurich hieß das Vieh. damit es jeder weiß. 52
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Ganz besonders feine Damen Sie tragen die Büsten und Nasen im gleichen Schritt und Tritt und gehen so zart durch die Straßen, als wären sie aus Biskuit. Mit ihnen ist nicht zu spaßen. Es ist, als trügen sie Vasen und wüßten nur nicht, womit.
Man könnte sich denken, sie ließen die Männer alle erschießen und kniffen sie noch ins Skelett. So schweben sie zwischen den Leuten wie Königinnen nach Maß. Doch hat das nichts zu bedeuten. Sie sind ja gar nicht aus Glas! Man kann sie, wie andre Frauen, verführen, verstehn und verhauen. Denn: fein sind sie nur zum Spaß.
Sie scheinen sich stündlich zu baden und sind nicht dünn und nicht dick. Sie haben Beton in den Waden und Halbgefrornes im Blick. Man hält sie für Feen auf Reisen, doch kann man es nicht beweisen. Der Gatte hat eine Fabrik. Sie laufen auf heimlichen Schienen. Man weicht ihnen besser aus. Sie stecken die steifsten Mienen wie Fahnenstangen heraus. Man kann es ganz einfach nicht fassen, daß sie sich beißen lassen, in und außer dem Haus ... Man könnte sich denken, sie stiegen mit Hüten und Mänteln ins Bett. Und stünden im Schlaf, statt zu liegen. Und schämten sich auf dem Klosett.
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Lob der Volksvertreter
Eine Mutter zieht Bilanz
Man hält sie, wenn sie schweigen, für Gelehrte. Nur ist das Schweigen gar nicht ihre Art. Sie haben vor der Brust Apostelbärte und auf den Eisenbahnen freie Fahrt.
Mein Sohn schreibt mir so gut wie gar nicht mehr. Das heißt, zu Ostern hat er mir gesd1rieben. Er denke gern an mich zurück, schrieb er, und würde mich, wie stets, von Herzen lieben.
Ihr seht sie eilends in den Reichstag schreiten. Das Wohl des Volkes fördert ihren Gang. Und würdet Ihr sie noch ein Stück begleiten, dann merktet Ihr: sie gehn ins Restaurant.
Das letztemal, als wir uns beide sahn, das war genau vor zweidreiviertel Jahren. Ich stehe manchmal an der Eisenbahn, wenn Züge nach Berlin - dort wohnt er - fahren.
Sie fürchten Spott, sonst nichts auf dieser Welt! Und wenn sie etwas tun, dann sind es Fehler. Es ist, zum Glück, nicht alles Hund, was bellt. Sie fürchten nur die Wahl und nicht die Wähler.
Und einmal kaufte ich mir ein Billett und wäre beinah nach Berlin gekommen! Doch dann begab ich mich zum Schalterbrett. Dort hat man das Billett zurückgenommen.
Ihr Leben währet zirka siebzig Jahre, und wenn es hochkommt -. Doch das tut es nie! Das Volk steht auf vor jedem grauen Haare. Das Volk steht immer auf! Das wissen sie.
Seit einem Jahr, da hat er eine Braut. Das Bild von ihr will er schon lange schicken. Ob er mich kommen läßt, wenn man sie traut? Ich würde ihnen gern ein Kissen sticken. Man weiß nur nicht, ob ihr so was gefällt ... üb sie ihn wohl, wie er's verdiente, liebt? Mir ist manchmal so einzeln auf der Welt. üb es auch zärtlichere Söhne gibt? Wie war das schön, als wir zusammen waren! Im gleichen Haus ... Und in der gleichen Stadt ... Nachts lieg ich wach und hör die Züge fahren. üb er noch immer seinen Husten hat?
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Ich hab von ihm noch ein Paar Kinderschuhe. Nun ist er groß und läßt mich so allein. Ich sitze still und habe keine Ruhe. Am besten wär's, die Kinder blieben klein.
Fantasie von übermorgen Und als der nächste Krieg begann, da sagten die Frauen: Nein! Und schlossen Bruder, Sohn und Mann fest in der Wohnung ein. Dann zogen sie, in jedem Land, wohl vor des Hauptmanns Haus und hielten Stöcke in der Hand und holten die Kerls heraus. Sie legten jeden übers Knie, der diesen Krieg befahl: die Herren der Bank und Industrie, den Minister und General. Da brach so mancher Stock entzwei. Und manches Großmaul schwieg. In allen Ländern gab' s Geschrei, und nirgends gab es Krieg. Die Frauen gingen dann wieder nach Haus, zum Bruder und Sohn und Mann, und sagten ihnen, der Krieg sei aus! Die Männer starrten zum Fenster hinaus und sahn die Frauen nicht an ...
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Die sehr moralische Autodroschke Er brachte sie im Auto nach Haus. Sie erzählte von ihrem Mann. Er wußte, sie sähe entzückend aus. Doch blickte er sie nicht an. Sie fuhren durch die Alleen der Nacht. Am Steuer saß irgendwer. Die Sterne hatten sich hübsch gemacht. Die Alleen waren ziemlich leer. Und wenn das Auto Kurven nahm, dann trafen sich ihre Knie. Und wenn er ihr allzu nahe kam, dann zitterten er und sie. Er sprach von einem Theaterstück. Das klang ein wenig gepreßt. Sie sprach von ihrem Familienglück. Ihre Stimme war nicht sehr fest. Stets spürte er ihren Blick auf sich, obwohl er durchs Fenster sah. Und plötzlich wurde sie ärgerlich und meinte, sie wären gleich da ... Dann waren sie eine Weile stumm. In der Luft verbarg sich ein Blitz. Doch fand er schließlich das Ganze zu dumm und erzählte ihr einen Witz. 60
Die Luft war mild. Und das Auto fuhr. Es roch nach Glück und Benzin. Sie achteten wenig auf die Natur und streiften sich mit den Knien. Dann stiegen sie aus. Er gab ihr die Hand. Und ging. Und fand alles gut. Doch als er daheim im Zimmer stand, zertrampelte er seinen Hut.
Umzug der Klubsessel
Geständnis einiger Dichter
Einen Tafelwagen traf ich heute, und er war mit Möbeln vollgestellt. Die Besitzer schienen solche Leute, denen nur das Teuerste gefällt.
Wir sollten lieber mit was andrem handeln! Das Dichten ist, weiß Gott, nicht mehr modern. Ach, auf fünf Füßen durch die Neuzeit wandeln, ist kein Beruf für Herrn.
Schwere Gäule zogen schwere Stühle, Tisch und Schränke, und der Kutscher pfiff. Und der Wagen kroch durch das Gewühle wie ein altes, havariertes Schiff.
Wir spielen Harfe auf den eignen Nerven. Und wenn wir stöhnen, reimt sich das auch schon. Wir lassen gern mit Steinen nach uns werfen. Das klingt so schön. Denn Dichter sind aus Ton.
In zwei Ledersesseln, auf dem Karren, saßen zwei sehr müde Möbelriiumer. In den Händen hielten sie Zigarren, und die Köpfe hielten sie wie Träumer.
Wir reisen in Gefühl wie Ihr in Seife. Wir dekorieren jeden Schrei und Schmerzgeschmackvoll, wie wir sind - mit Kranz und Schleife. Und schlachten dreimal täglich unser Herz.
Sicher träumten sie: sie wären Grafen, und sie führen zum Vergnügen aus ... Doch da hielt der Wagen, und die braven alten Herrn bugsierten wie die Sklaven fremde Möbel in ein fremdes Haus.
Wir sind, pfui Teufel! eine üble Sorte. Die Sehnsucht wird bei uns nach Maß bestellt. Was auch geschieht - wir machen daraus Worte. Was auch passiert - wir machen es zu Geld. Wir sollten lieber kaufen und verkaufen! üb Häuser oder Kuxe wär egal! Denn, als ein Dichter durch die Städte laufen, ist ein Skandal.
Anmerkung Was die Leute schon wollen! Sie handeln doch auch mit Effekten.
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Fast hätte man Lust, sie zu bedauern. Es ist nicht nötig und bleibt nicht so. Im März, da dürfen sie wieder versauern. Da dürfen sie wieder jammern und trauernund sind darüber froh.
Karneval der Mißvergnügten Im ganzen Lande wütet die Seuche! Es ist nicht der Typhus. Es ist der Humor. Die Leute lieben gewesene Bräuche und tragen falsche Bärte und Bäuche und spiegeln den Spiegeln was vor. Sie ducken sich unter geborgte Perücken, damit das Schicksal sie nicht erkennt. Sie suchen sich laut beiseite zu drücken. Sie schminken die Sorgen auf ihren Rücken und lachen mit fremdem Akzent. Sie lachen, als wären sie krank vor Gelächter, und wurden doch gar nicht angesteckt. Man wird durch falsche Nasen nicht echter. Sie sind nicht gut und nicht schlecht, sondern schlechter! Sie hexen Laxin ins Konfekt. Sie öffnen das Maul und sollten es schließen. Die Ärmsten lachen sich nichts als schief. Sie brüllen und sagen: Es sei zum Schießen. Sie schneiden Gesichter, als müßten sie niesen, und lachen im Konjunktiv.Sie würden lieber die Hände ballen und lachen nicht frei, sondern lachen vom Blatt. Sie feiern die Feste, nur wenn sie fallen. Sie ladlen nicht selber, sondern mi t allen! Sie lachen nur gegen Rabatt. 5
Gedichte
Ein Fräulein beklagt sich bitter Ich bin sehr schön. Und bin als schön bekannt. Fast jeder denkt bei mir an Botticelli. Ich bin nicht hübsch. Und bin nicht intressant. Nein, ich bin schön! Und dabei heiß ich Elli. Sobald ich wem zum erstenmal begegne, so wird er fromm und sieht mich reuig an, als bäte er darum, daß ich ihn segne ... Die Männer glauben, daß ich segnen kann. So schön wie ich zu sein, ist kein Vergnügen. So schön zu sein wie ich, ist eine Qual! Die Männer wählten mich zum Ideal. Und wen sie ausersehn, der muß sich fügen. Man sprach mich heilig, weil man es so wollte. Und keiner fragte, ob ich heilig sei! Ich bin ein Mädchen und gesund dabei, und weiß nicht recht, warum ich fromm sein sollte. Ja, ich bin schön' Betrachtet mich genau! Ihr solltet nicht so edel mit mir sprechen ... Das Frömmste ist an mir der Körperbau, und mich zu lieben, wäre kein Verbrechen. Macht Verse! Malt mich ab! Setzt mich in Noten! Mir ist es recht, da es mir recht sein muß. Doch gafft nicht nur, als wäre ich verboten! Kein Mädchen ist zu schön für einen Kuß.
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Was soll ich einsam als Profil und Akt? Mir ist, als ob ich in der Kirche stünde. Ich bin so schön. Noch keiner sah mich nackt. Wo ist der Mann, der mich verwegen packt! Daß ihr so fromm zu mir seid, das ist Sünde.
Offner Brief an Angestellte Vorgesetzte muß es geben. Angestellte müssen sein. Ordnung ist das halbe Leben. Brust heraus und Bauch hinein! Vorgesetzte tragen feiste Bäuche unter dem Jackett. Feist ist an dem Pack das meiste, und sie gehn nur quer ins Bett. Sie sind fett aus überzeugung. Und der bloße Anblick schon zwingt uns andre zur Verbeugung. Korpulenz wird Religion! In den runden Händen halten sie Zigarren schußbereit. Jede ihrer Prachtgestalten wirkt, als wäre sie zu zweit. Manche sagen (wenn auch selten), sie verstünden unsre Not. Und wir kleinen Angestellten smmieren uns den Quatsm aufs Brot. Atemholen sei nicht teuer, sagen sie, und nahrhaft auch! Und dann hinterziehn sie Steuer und beklopfen sich den Bauch. 68
Nagelt ihnen auf die Glatzen kalten Braten und Coupons! Blast sie auf, und wenn sie platzen! Gibt es schöme Luftballons? Laßt sie steigen und sich blähen, über Deutschland, hoch im Wind! Bis sie alles übersehen, weil sie Aufsichtsräte sind. Wenn sie eines Tags verrecken, stopft sie aus und weckt sie ein! Tiere kann man damit necken, Kinder kann man damit schrecken, aber euch? Ich hoffe: Nein!
Heimkehr aus Italien
Warnung vor Selbstschüssen
Nun ist man also glücklich wieder da. Der Schlüssel paßt noch so wie vor vier Wochen. Und während man den Turm von Pisa sah, hat hier inzwischen einer eingebrochen!
Diesen Rat will ich Dir geben: Wenn Du zur Pistole greifst und den Kopf hinhältst und kneifst! kannst Du was von mir erleben.
Man hat, was man besaß, schon ganz vergessen und muß sich erst besinnen, was nun fehlt. Ganz richtig! Porzellan hat man besessen. Es ist nicht mehr ... Der Kerl hat gut gewählt.
Weißt wohl wieder mal geläufig, was die Professoren lehren? Daß die Guten selten wären und die Schweinehunde häufig?
Die alte Geige hat er auch entfernt. Und etwas Geld, um Unterricht zu nehmen. Man möchte hoffen, daß er es noch lernt. Sonst müßte er sich seines Diebstahls schämen.
Ist die Walze wieder dran, daß es Arme gibt und Reiche? Mensch, ich böte Deiner Leiche noch im Sarge Prügel an!
Hat es denn Sinn, zur Polizei zu gehen? Die Polizei hat so etwas nicht gern. Sogar das Licht vergaß er auszudrehen! Es gibt schon, muß man sagen, feine Herrn)
Laß doch Deine Neuigkeiten! Laß doch diesen alten Mist) Daß die Welt zum Schießen ist, wird kein Konfirmand bestreiten.
Pfui, so ein Dieb! Man ist doch kein Baron! Die Badewanne hat er nicht genommen. Ach, und die Motten sind im Grammophon! Wie sind die Tiere bloß hineingekommen?
Man ist da. Und man bleibt hier! Möchtest wohl mit Püppchen spielen? Hast Du wirklich Lust zum Zielen, ziele bitte nicht nach Dir.
Das 5011 der Mensch nun noch Erholung nennen. Man hatte, als man fuhr, schon keine Lust. Es ist direkt, als hätte man' s gewußt. Und dieses Rindvieh läßt die Lampen brennen! Wo es 50 lange hell bleibt im August ...
War Dein Plan nicht: irgendwie alle Menschen gut zu machen? Morgen wirst Du drüber lachen. Aber, bessern kann man sie.
Ja, die Bösen und Beschränkten sind die Meisten und die Stärkern. Aber spiel nicht den Gekränkten. Bleib am Leben, sie zu ärgern!
Verhinderte Weihnachten Ein altes Kinderspiel: renoviert
Zunächst verteile man die schönsten Rollen: Der Gustav eignet sich - weil er mutiertzum Weihnachtsmann. Valeska bäckt die Stollen, indem sie Semmeln mit Rosinen ziert. Als Mutter läßt sich Frieda gut gebrauchen. Denn sie ist dick und trägt bereits Frisur. Und Karl muß Vater sein. Denn Karl kann rauchen. Und außerdem besitzt er eine Uhr. Die andern Kinder können Kinder bleiben. Sie dürfen kratzen, Nasen ziehn und schrein - und dürfen gern ein bißchen übertreiben. Auch heulen dürfen sie. Doch nur zum Schein. Dann werden die Rouleaux herabgelassen, damit es dunkel wird und draußen schneit. Der Karl muß öfters an den Ofen fassen und murmeln: ,,0 du liebe Weihnachtszeit!" Und dann darf Gustav in das Zimmer treten. Als Weihnachtsmann. Mit einem weißen Bart. Und brummen muß er: "Könnt ihr denn auch beten? Damit ich sehe, ob ihr artig wart!"
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Da müssen alle Kinder schrecklich lachen und rufen: Gustav sei kein Weihnachtsmann! Mit ihnen wäre so was nicht zu machen! Da geht dann Gustav wieder nebenan. Jetzt müssen beide Eltern furchtbar zanken: Pfui! Das erlebten sie zum erstenmal ! Und solche Eltern könnten sich bedanken! Und solche Kinder wären ein Skandal! Zum Schluß muß Kar! sich möglichst ernst gebärden, und man muß spüren, daß er es beklagt: "Da unsre Kinder täglich klüger werden" - erklärt er -, "wird die Feier abgesagt."
Ein Hund hält Reden Ich hab im Traum mit einem Hund gesprochen. Erst sprach er spanisch. Denn dort war er her. Weil ich ihn nicht verstand - das merkte er-, sprach er dann deutsch, wenn auch etwas gebrochen. Er sah mich ganz entsetzt die Hände falten und sagte freundlich: "Kästner, wissen Sie, warum die Tiere ihre Schnauze halten?" Ich schwieg. Und war verlegen wie noch nie. Der Hund sprach durch die Nase und fuhr fort: "Wir können sprechen. Doch wir tun es nicht. Und wer, außer im Traum, mit Menschen spricht, den hesser., wir nach seinem ersten Wort." Ich fragte ihn natürlich nach dem Grund. (Ich glaube nichts, was man mir nicht erklärt.) Da sagte mir denn der geträumte Hund: "Das ist doch klar! Der Mensch ist es nicht wert, daß man gesellschaftlich mit ihm verkehrt." Er hob sein Bein, sprang flink durch krumme Gassen ... Und so etwas muß man sich sagen lassen!
Anmerkung Der Hund war ein Zyniker. Dieser Satz ist leider nur für ehemalige Gymnasiasten verständlich. Kurzum, die humanistische Bildung!
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Das Gemurmel eines Kellners Kennst du den Kerl? Du kennst ihn auch? Hier sieht man feine Gäste! Ich habe eine Wut im Bauch, die paßt nicht in die Weste. Erst will der Kerl dort dünnen Tee. Dann will er wieder stärkern. Der Junge setzt sich ins Cafe, um Kellner totzuärgern! Er sitzt seit 10. Und fragt um 1, ob wir kein Roastbeef hätten. Doch sagt man ja, dann mag er keins und will fünf Zigaretten. Man möchte manchmal solchen Herrn was auf die Hose gießen. o diese Sorte hab ich gern! Man sollte sie erschießen! Am Tage kriechen sie vorm Chef auf möglichst allen vieren, und abends denkt so ein Ganeff, er darf sich revanchieren. Da steht man hier. Und steckt im Frack. Und macht devote Schritte. Und möchte lieber diesem PackMoment, er winkt ... Mein Herr, Sie wünschen, bitte?
Gruß aus den Bergen Was mac..ht Berlin? Wir sind bereits seit vierzehn Tagen in der Schweiz und leben wie die Schwalben. Französisch kann hier jedes Kind. Die Preise und die Berge sind das Höchste in den Alpen. Wir rühren keine Zeitung an. Man weiß, wie sehr das schaden kann. Wir essen lieber Kuchen! Hier wird der Mensch von selber stramm. Die Weltgeschichte kann uns amam Matterhorn besuchen. In Genf, vorm Völkerbundspalast, hat uns ein Photograph gefaßt und preiswert aufgenommen. Das Bild jedoch - was war der Grund? Lag das nun bloß am Völkerbund?-, das Bild war sehr verschwommen. In Kandersteg, nicht weit von Bern, stieß ich auf einen blonden Herrn. Der sprach entzückten Tones: "Das neue Kabinett, das schwankt. Und Hindenburg hat abgedankt, zugunsten seines Sohnes."
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In Rußland herrsche Hungersnot. Und Jakubowski sei nicht tot. Der Blonde wußte Sachen! Hat er sich einen Scherz erlaubt? Ich hab den ganzen Zimt geglaubt. Was soll man weiter machen. Jetzt komm ich aber rasch zum Schluß, weil ich noch auf die Jungfrau muß. Das kostet sechzig Franken! Seit Dienstag früh wächst mir ein Bart. Das ist nicht anders, wenn man spart. Wir grüßen! Nicht zu danken.
Hymnus auf die Bankiers Der kann sich freuen, der die nicht kennt! Ihr fragt noch immer: Wen? Sie borgen sich Geld für fünf Prozent und leihen es weiter zu zehn. Sie haben noch nie mit der Wimper gezuckt. Ihr Herz stand noch niemals still. Die Differenzen sind ihr Produkt. (Das kann man verstehn, wie man will.) Ihr Appetit ist bodenlos. Sie fressen Gott und die Welt. Sie säen nicht. Sie ernten bloß. Sie schwängern ihr eignes Geld. Sie sind die Hexer in Person und zaubern aus hohler Hand. Sie machen Gold am Telefon und Petroleum aus Sand. Das Geld wird flüssig. Das Geld wird knapp. Sie machen das ganz nach Bedarf. Und schneiden den andern die Hälse ab. Papier ist manchmal scharf.
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Sie glauben den Regeln der Regeldetrie und glauben nicht recht an Gott. Sie haben nur eine Sympathie. Sie lieben das Geld. Und das Geld liebt sie. (Doch einmal macht jeder Bankrott!)
Hochzeitmachen Ein altes Kinderspielrezept, modernisiert
Drei Kinder reichen. Wenn es mehr sind: gut. Und wer den Pastor macht, muß sich verstecken. Er und (wenn möglich) ein Zylinderhut genügen, um die Trauung zu vollstrecken.
Anmerkung Die Konsumenten sind die linke Hand des gesell. schaftlichen Organismus, die Produzenten sind die rechte Hand. Die Bankiers sind die Heimlichkeiten zwischen den heide)).
Zunächst begibt sich Erna ans Klavier. Hier wühlt sie mutig in den schwarzen Tasten. Paul, der sie liebt, steht plötzlich neben ihr, um sie beim Notenblättern zu entlasten. Dann tut sie still die Hände in den Schoß, wobei sie seufzt, als ob sie Leibweh hätte. Paul meint entzückt, ihr Anschlag sei famos. Er selber schwärme für die Operette. Das ist das Stichwort! Erna scheint verstört. Sie lächelt selig sowie schräg nach oben. Und Paulchen flüstert, daß er es kaum hört: "Wie wär das, wenn Sie sich mit mir verloben?" Falls noch ein viertes Kind am Lager ist, so hat das Ernas Eltern zu bedeuten; es schreit: "Mein Schwiegersohn!" und läßt voll List auf dem Klavier ganz tief die Glocken läuten.
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Gedichte
Das Brautpaar hat das Einzelleben satt. Das vierte Kind ist gänzlich ihrer Meinung. Man steigt aufs Sofa, fährt damit zur Stadt, und jetzt tritt auch der Pastor in Erscheinung. Er hält die Rede. Alles andere weint. Paul starrt verlegen auf den Glanzzylinder. Das vierte Kind (die Eltern) schluchzt und meint: "Ich freu mich so auf meine Enkelkinder ... "
Zitat aus großer Zeit Etwas für Stammtische
Ein Pastor, der in der Heimat klebte, sagte seinerzeit ungefähr: "Wenn unser Herr Jesus heute lebte, bediente er ein Maschinengewehr!"
Dann muß man tun, als sei ein Jahr vorbei. Deshalb hat Paul die Erna zu verhauen. Und wenn sie schreit, daß er ein Scheusal sei, entgegnet er: Er pfiffe auf die Frauen!
Kann keiner des Pastors Adresse besorgen? Weiß sie denn niemand? Wo wohnt der Mann? Wenn ich es wüßte - ich führe noch mo'rgea zu ihm und böte ihm Ohrfeigen an.
Nun stiehlt sich Erna heimlich aus dem Haus. Und schreibt an Paul: "Es wurde mir zuviel." Doch damit ist das "Hochzcitmachen" aus. Denn Scheidenlassen ist kein - Kinderspiel.
Wir müßten Kette vor seinem Haus stehn! Hier unsre Hände, dort sein Gesicht. Sie können meinen Vorschlag nicht ausstehn? Er ist nicht fein? Nein, fein ist er nicht.
Sie glauben, der Ausspruch sei nie gefallen, sondern erfunden oder entstellt? Das Schlimmste an diesen Zitaten allen ist, daß man sie für möglich hält.
Ganz vergebliches Gelächter Eines Tages fällt ihm plötzlich auf, daß er seit drei Jahren nicht mehr lachte. Und nun prüft er seinen Lebenslauf, was er denn inzwischen machte ... Manchmal, weiß er noch, war alles Sünde. Manchmal hat er wie ein Vieh geflucht. Manchmal suchte er für alles Gründe, wie man Kragenknöpfe sucht.
Dieser falsche Hochmut drückt ihn nieder, und cr sagt zu seiner Seele: Prost! Nicht mehr froh zu sein und noch nicht wieder dafür weiß er keinen Trost. Schließlich springt er auf den Autobus und fährt blindlings in die späte Nacht. Und er ahnt, daß er noch warten muß, bis er ganz von selber wieder lacht ...
Doch nun will er lustig sein und lachen! Früher hat er das ganz gut gebracht. Und er wird es jetzt wie früher machen, und er stellt sich hin - und lacht. Ach, es ist ein schreckliches Gelächter! Er erschrickt und wird schnell wieder stumm. Warum, fragt er sich, klang es nicht echter? Und er weiß es nicht, warum. Und er geht dorthin, wo viele sitzen, weil er hofft, er würde dann wie sie. Und sie freuen sich an tausend Witzen. Nur er selber lächelt nie. Er beschließt, sich einmal zu vergeuden. Doch da spürt er, angesichts der Stadt, daß er mit der Freude und den Freuden so etwas wie Mitleid hat. 85
Monolog des Blinden Alle, die vorübergehn, gehn vorbei. Sieht mich, weil ich blind bin, keiner stehn? Und ich steh seit drei ... Jetzt beginnt es noch zu regnen! Wenn es regnet, ist der Mensch nicht gut. Wer mir dann begegnet, tut so, als würde er mir nicht begegnen. Ohne Augen steh ich in der Stadt. Und sie dröhnt, als stünde ich am Meer. Abends lauf ich hinter einem Hunde her, der mich an der Leine hat. Meine Augen hatten im August ihren zwölften Sterbetag. Warum traf der Splitter nicht die Brust und das Herz, das nicht mehr mag? Ach, kein Mensch kauft handgemalte Ansichtskarten, denn ich hab kein Glück. Einen Groschen, Stück für Stück! Wo ich selber sieben Pfennig zahlte. Früher sah ich alles so wie sie: Sonne, Blumen, Frau und Stadt. Und wie meine Mutter ausgesehen hat, das vergeß ich nie.
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Krieg macht blind. Das sehe ich an mir. Und es regnet. Und es geht der Wind. Ist denn keine fremde Mutter hier, die an ihre eignen Söhne denkt? Und kein Kind, dem die Mutter etwas für mich schenkt?
Lob des Einschlafens Man gähnt vergnügt und löscht die Lampen aus. Nur auf der Straße ist noch etwas Licht. Man legt sich nieder. Doch man schläft noch nicht. Der Herr von nebenan kommt erst nach Haus. Man hört, wie er mit einer Dame spricht. Nun klappt man seine Augendeckel zu, und vor den Augen tanzen tausend Ringe. Man denkt noch rasch an Geld und solche Dinge. Im Nebenzimmer knarrt ein kleiner Schuh. Wenn doch die Dame in Pantoffeln ginge! Man legt den Kopf auf lauter kühle Kissen und lächelt in den dunklen Raum hinein. Wie schön das ist: Am Abend müde sein und schlafen dürfen und von gar nichts wissen! Und alle Sorgen sind wie Zwerge klein. Der Herr von nebenan ist froh und munter. Es klingt, als ob er ohne Anlaß lacht. Man hebt die Lider schwer und senkt sie sacht, und schließt die Augen-und die Welt geht unter ! Dann sagt man sich persönlich gute Nacht. Wenn bloß der Schwarze dieses Mal nicht käme! Er steigt ins Bett und macht sich darin breit, und geht erst wieder, wenn man furchtbar schreit. Man wünscht sich Träume, aber angenehme, und für Gespenster hat man keine Zeit. 88
Man war einmal ein Kind-ist das auch wahr?und sagte mühelos: "Mein Herz ist rein." Das würde heute nicht mehr möglich sein. Es geht auch so, auf eigene Gefahr ... Man zählt bis dreiundsiebzig. Und schläft ein.
Chor der Girls Wir können bloß in Reih und Glied und gar nicht anders tanzen. Wir sind fast ohne Unterschied und tanzen nur im Ganzen. Von unsern sechzig Beinen sind dreißig immer in der Luft. Der Herr Direktor ist ein Schuft und bringt uns gern zum Weinen. Wir tanzen Tag für Tag im Takt das ewig gleiche Beinerlei. Und singen laut und abgehackt, und sehr viel Englisch ist dabei.
Wir waren lange nicht zu Haus. Wir leben nur auf Reisen. Und ziehen ein. Und ziehen aus. Und fühlen uns wie Waisen. So tanzen wir von Stadt zu Stadt und stets vor andren Leuten. Und wenn uns wer gefallen hat, hat das nichts zu bedeuten. Bald fahren wir nach Übersee, ab Hamburg an der EIbe. Die Zeit vergeht. Das Herz tut weh.' Wir tanzen stets dasselbe.
Wer wenig Brust hat, wird sehr gern und oft als nacktes Bild verwandt. Vorn sitzen ziemlich dicke Herrn und haben uns aus erster Hand. Wir haben seinerzeit gedacht, daß Tanzen leichter wäre! Wir haben mancherlei gemacht. Nur keine Karriere. Wir haben niemals freie Zeit und stets ein Bein erhoben. Was wir verdienen, reicht nicht weit, trotz Tanz und Film und Proben. 90
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Die Existenz im Wiederholungsfalle Man müßte wieder sechzehn Jahre sein und alles, was seitdem geschah, vergessen. Man müßte wieder seltne Blumen pressen und (weil man wächst) sich an der Türe messen und auf dem Schulweg in die Tore schrein.
Man sähe alles, was man damals sah. Und alles, was seit jener Zeit geschah, das würde nun zum zweitenmal geschehn ... Dieselben Bilder willst du wiedersehn? Ja!
Man müßte wieder nachts am Fenster stehn und auf die Stimmen der Passanten hören, wenn sie den leisen Schlaf der Straßen stören. Man müßte sich, wenn einer lügt, empören und ihm fünf Tage aus dem Wege gehn. Man müßte wieder durch den Stadtpark laufen. Mit einem Mädc..~en, das nach Hause muß und küssen will und Angst hat vor dem Kuß. Man müßte ihr und sich, vor Ladenschluß, für zwei Mark fünfzig ein Paar Ringe kaufen. Man würde seiner Mutter wieder schmeicheln, weil man zum Jahrmarkt ein paar Groschen braucht. Man sähe dann den Mann, der lange taucht. Und einen Affen, der Zigarren raucht. Und ließe sich von Riesendamen streicheln. Man ließe sich von einer Frau verführen und dächte stets: Das ist Herrn Nußbaums Braut. Man spürte ihre Hände auf der Haut. Das Herz im Leibe schlüge hart und laut, als schlügen nachts im Elternhaus die Türen. 92
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Plädoyer einer Frau
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Vornehme Leute,
1.200
Meter hoch
Du darfst mir das, was war, nicht übelnehmen. Ich sag es dir, obwohl du mich nicht fragst. Sieh mich dabei nicht an! Ich will mich schämen und tun, als ob die Toten wiederkämen. Ich glaube nicht, daß du mich dann noch magst.
Sie sitzen in den Grandhotels. Ringsum sind Eis und Schnee. Ringsum sind Berg und Wald und Fels. Sie sitzen in den Grandhotels und trinken immer Tee.
Ich will nicht sagen, daß ich mir verzeihe. Denn darauf kommt es im Moment nicht an. Ich wartete und kam nicht an die Reihe. Wer keinen Mann hat, hat auf einmal zweie! Doch fünf von diesen wären noch kein Mann.
Sie haben ihren Smoking an. Im Walde klirrt der Frost. Ein kleines Reh hüpft durch den Tann. Sie haben ihren Smoking an und lauern auf die Post.
Man fühlt: man könnte Einem was bedeuten. Es ist nur traurig, daß es ihn nicht gibt. Und dann umarmt man sich mit fremden Leuten. Und wird zu einer von den vielen Bräuten, die sich nur lieben läßt und selbst nicht liebt.
Sie tanzen Blues im Blauen Saal, wobei es draußen schneit. Es blitzt und donnert manches Mal. Sie tanzen Blues im Blauen Saal und haben keine Zeit.
Die Zeit vergeht. Geduld ist keine Ware. Man sucht nicht mehr. Man findet ab und zu. Man sieht vom Fenster aus die Jagd der Jahre. Molll wartet nicht mehr auf das Wunderbare. Und plötzlich kommt es doch! Denn nun kommst du.
Sie schwärmen sehr für die Natur und heben den Verkehr. Sie schwärmen sehr für die Natur und kennen die Umgebung nur von Ansichtskarten her.
Was war, das bleibt. Wie soll ich mich erneuen? Mir wird ein Schmerz mit Nadeln zugenäht. Was war, das bleibt. Man kann es nur bereuen. Nun bist du da. Nun sollte ich mich freuen! Ich bin nicht froh. Ist es denn schon zu spät?
Sie sitzen in den Grandhotels und sprechen viel von Sport. Und einmal treten sie, im Pelz, sogar vors Tor der Grandhotels und fahren wieder fort.
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Möblierte Melancholie
Die möblierten Herrn aus allen Ländern stehen fremd und stumm in ihrem Zimmer. Nur die Ehe kann den Zustand ändern. Doch die Ehe ist ja noch viel schlimmer.
Mancher Mann darf, wie er möchte, schlafen. Und er möchte selbstverständlich gern! Andre Menschen will der Himmel strafen, und er macht sie zu möblierten Herrn.
Anmerkung Die möblierte Moral ist ein brennendes Thema, obwohl man es nidü mehr für möglich halten sol/te. Sogar in Ber/in, er·
Er verschickt sie zu verkniffnen Damen. In Logis. Und manchmal in Pension. Blöde Bilder wollen aus den Rahmen. Und die Möbel sagen keinen Ton.
zühlten Bekannte, fordern die Wirtinnen die Kastrierung der Untermieter.
Selbst das Handtuch möchte sauber bleiben. Dreimal husten kostet eine Mark. Um die alten Schachteln zu beschreiben, ist kein noch so starkes Wort zu stark. Das Klavier, die Köpfe und die Stühle sind aus Überzeugung stets verstaubt. Und die Nutzanwendung der Gefühle ist den Aftermietern nicht erlaubt. Und sie nicken nur noch wie die Puppen; denn der Mund ist nach und nach vereist. Untermieter sind Besatzungstruppen in dem Reiche, das Familie heißt. Alles, was erlaubt ist, ist verboten. Wer die Liebe liebt, muß in den Wald oder macht, noch besser, einen Knoten in sein Maskulinum. Und zwar bald.
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Gedichte
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Ein Pessimist, knapp ausgedrückt Ein Pessimist ist, knapp ausgedrückt, ein Mann, dem nichts recht ist. Und insofern ist er verdrießlich. Obwohl er sich, andrerseits, schließlich (und wenn überhaupt) nur freuen kann, gerade weil alles schlecht ist. EIN MANN GIBT AUSKUNFT Einer von ihnen hat mir erklärt, wie das sei und was ihn am meisten freute: "Im schlimmsten Moment, der Geburt, sind die Leute" (hat er gesagt) "schon dabei. Doch gerade das schönste Erlebnis erleben sie nie: ihr Begräbnis!"
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Wohltätigkeit Ihm war so scheußlich mild zumute. Er konnte sich fast nicht verstehn. Er war entschlossen, eine gute und schöne Handlung zu begehn. Das mochte an den Bäumen liegen. Und an dem Schatten, den er warf. Er hätte mögen Kinder kriegen, obwohl ein Mann das gar nicht darf. Der Abend ging der Nacht entgegen. Und aus den Gärten kam es kühl. Er litt, und wußte nicht weswegen, an einer Art von Mitgefühl. Da sah er einen, der am Zaune versteckt und ohne Mantel stand. Dem drückte er, in Geberlaune, zehn Pfennig mitten in die Hand. Er fühlte sich enorm gehoben, als er darauf von dannen schritt, und blickte anspruchsvoll nach oben, als hoffe er, Gott schreibe mit ...
:l.O:l.
Jedoch der Mann, dem er den Groschen verehrte, wollte nichts in bar. Und hat ihn fürchterlich verdroschen! Warum? Weil er kein Bettler war.
Anmerkung Der Wohltätigkeit, heißt es, seien keine Schranken gesetzt? Welcher Irrtum!
Die andre Möglichkeit Wenn wir den Krieg gewonnen hätten, mit Wogenprall und Sturmgebraus, dann wäre Deutschland nicht zu retten und gliche einem Irrenhaus. Man würde uns nach Noten zähmen wie einen wilden Völkerstamm. Wir sprängen, wenn Sergeanten kämen, vom Trottoir und stünden stramm. Wenn wir den Krieg gewonnen hätten, dann wären wir ein stolzer Staat. Und preßten noch in unsern Betten die Hände an die Hosennaht. Die Frauen müßten Kinder werfen. Ein Kind im Jahre. Oder Haft. Der Staat braucht Kinder als Konserven. Und Blut schmeckt ihm wie Himbeersaft. Wenn wir den Krieg gewonnen hätten, dann wär der Himmel national. Die Pfarrer trügen Epauletten. Und Gott wär deutscher General. Die Grenze wär ein Schützengraben. Der Mond wär ein Gefreitenknopf. Wir würden einen Kaiser haben und einen Helm statt einem Kopf.
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Wenn wir den Krieg gewonnen hätten, dann wäre jedermann Soldat. Ein Volk der Laffen und Lafetten! Und ringsherum wiir Stacheldraht. Dann würde auf Befehl geboren. Weil Menschen ziemlich billig sind. Und weil man mit Kanonenrohren allein die Kriege nicht gewinnt. Dann läge die Vernunft in Ketten. Und stünde stündlich vor Gericht. Und Kriege gäb' s wie Operetten. Wenn wir den Krieg gewonnen hättenzum Glück gewannen wir ihn nicht!
Mißtrauensvotum Ihr sagt, ihr könntet in uns lesen. Und nickt dazu. Und macht euch klein. Ihr sagt, auch ihr wärt jung gewesen. Es kann ja sein. Ihr tragt Konfetti in den Bärten und sagt, wir wären nicht allein und fänden in euch Weggefährten. Es kann ja sein. Ihr hüpft wie Lämmer durch die Auen und tanzt mit Kindern Ringelreihn. Ihr sagt, wir dürften euch vertrauen. Es kann ja sein.
Anmerkung 1946
Dieses Gedicht, das nach dem Weltkrieg "römisch eins" entstand, erwarb sich damals, außer verständ. lidlen und selbstverständlichen Feindschaften, auch unvermutete Feinde. Das "Zum Glück" der letzten Zeile wurde für eine Art Jubelruf gehalten und war doch eine sehr, sehr bittere Bemerkung. Nun haben wir schon wieder einen Krieg verloren, und das Ge. dicht wird nodl immer mißverstanden werden.
Ihr mögt uns lieben oder hassen Ihr treibt dergleichen nur aas Pflicht. Wir sollen uns auf euch verlassen? Ach, lieber nicht!
Ein gutes Mädchen träumt Ihr träumte, sie träfe ihn im Cafe. Er läse. Und säße beim Essen. Und sähe sie an. Und sagte zu ihr: "Du hast das Buch vergessen!" Da nickte sie. Und drehte sich um. Und lächelte verstohlen. Und trat auf die späte Straße hinaus und dachte: Ich will es holen.
Sie kehrte um. Sie kam. Sie ging. Schlich Treppen auf und nieder. Und immer wieder fragte er. Und immer ging sie wieder. Sie lief wie durch die Ewigkeit! Sie weinte. Und er lachte. Ihr flossen Tränen in den Mund. Auch noch, als sie erwachte.
Der Weg war weit. Sie lief und lief. Und summte ein paar Lieder. Sie stieg in die Wohnung. Und blieb eine Zeit. Und schließlich ging sie wieder. Und als sie das Cafe betrat, saß er noch immer beim Essen. Er sah sie kommen. Und rief ihr zu: "Du hast das Buch vergessen!" Da stand sie still und erschrak vor sich. Und konnte es nicht verstehen. Dann nickte sie wieder. Und trat vor die Tür, um den Weg noch einmal zu gehen. Sie war so müde. Und ging. Und kam. Und hätte so gerne gesessen. Er sah kaum hoch. Und sagte bloß: "Du hast das Buch vergessen!" 106
1°7
Der Busen marschiert Frühmorgens geht das Kleid bis zum Knie und das Fräulein ins Büro. Das Kleid sitzt stramm auf der Anatomie und läßt keinen Raum für die Phantasie. Man sieht den Bestand ja auch so.
Nun tun sie wieder, als wären sie Feen, und schweben massiv durch das Haus. Doch wenn sie derartig vorübergehn, so geht den Männern, die das sehn, vor Schreck die Zigarre aus.
Da wird nichts an= oder abgeschraubt. Da gilt kein Pseudonym. Denn was man nicht sieht, das wird nicht geglaubt. Der Körper ist so, wie er ist, erlaubt. Und die Haut paßt haarscharf ins Kostüm. Das wäre also der neue Stil? Immer kurz, immer jung, immer schlank? Doch schon wird der Frau das Zuwenig zuviel. Es war nicht ihr Ernst, sondern wieder nur Spiel. Und sie spuckt in den Kleiderschrank. Aber abends, da flattert der überhang, und die Schleppe rauscht ums Gebein. Der Wahn war kurz. Der Rock wird lang. Und die Brust steht vor wie der Erste Rang und schläft im Stehen ein. Die Waden sind weg. Und die Hüften sind hin. Der Schwund ist ziemlich komplett. Nur der Busen marschiert und stößt ans Kinn. Und die Frauen ähneln der Königin Luise und tragen Korsett. :w8
1°9
Ragout fin de siede Im Hinblick auf gewisse Lokale
Von mir aus, schlaft euch selber bei! Und schlaft mit Drossel, Fink und Star und Brehms gesamter Vögelschar! Mir ist es einerlei.
Hier können kaum die Kenner in Herz und Nieren schauen. Hier sind die Frauen Männer. Hier sind die Männer Frauen.
Nur, schreit nicht dauernd wie am Spieß, was ihr für tolle Kerle wärt! Bloß weil ihr hintenrum verkehrt, seid ihr noch nicht Genies.
Hier tanzen die Jünglinge selbstbewußt im Abendkleid und mit Gummibrust und sprechen höchsten Diskant. Hier haben die Frauen Smokings an und reden tief wie der Weihnachtsmann und stecken Zigarren in Brand.
Na ja, das wäre dies.
Hier stehen die Männer vorm Spiegel stramm und schminken sich selig die Haut. Hier hat man als Frau keinen Bräutigam. Hier hat jede Frau eine Braut. Hier wurden vor lauter Perversion vereinzelte wieder normal. Und käme Dante in eigner Person er fräße vor Schreck Verona!. Hier findet sich kein Schwein zurecht. Die Echten sind falsch, die Falschen sind echt, und alles mischt sich im Topf, und Schmerz madlt Spaß, und Lust zeugt Zorn, und Oben ist unten, und Hinten ist vom. Man greift sich an den Kopf. 110
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Verzweiflung Nr.
Der Mutter wurde allmählich bange. Sie ging ihn suchen. Bis sie ihn fand. Er lehnte still an der Teppichstange und kehrte das kleine Gesicht zur Wand.
1.
Ein kleiner Junge lief durch die Straßen und hielt eine Mark in der heißen Hand. Es war sd10n spät, und die Kaufleute maßen mit Seitenblicken die Uhr an der Wand.
Sie fragte erschrocken, wo er denn bliebe. Da brach er in lautes Weinen aus. Sein Schmerz war größer als ihre Liebe. Und beide traten traurig ins Haus.
Er hatte es eilig. Er hüpfte und summte: "Ein halbes Brot und ein Viertelpfund Speck." Das klang wie ein Lied. Dis es plötzlich verstummte. Er tat die Hand auf. Das Geld war weg. Da blieb er stehen und stand im Dunkeln. In den Ladenfenstern erlosch das Licht. Es sieht zwar gut aus, wenn die Sterne funkeln. Doch zum Suchen von Geld reicht das Funkeln nicht. Als wolle er immer stehen bleiben, stand er. Und war, wie noch nie, allein. Die Rolläden klapperten über die Scheiben. Und die Laternen nickten ein. Er öffnete immer wieder die Hände und drehte sie langsam hin und her. Dann war die Hoffnung endlich zu Ende. Er öffnete seine Fäuste nicht mehr ... Der Vater wollte zu essen haben. Die Mutter hatte ein müdes Gesicht. Sie saßen und warteten auf den Knaben. Der stand im Hof. Sie wußten es nicht.
:1:12
8 Gedichte
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Prima Wetter Wo sind die Tage, die so traurig waren und deren Traurigkeit uns so bezwang? Die Sonne scheint. Das Jahr ist sich im klaren. Es ist, um schreiend aus der Haut zu fahren und als Ballon den blauen Himmel lang ! Die grünen Bäume sind ganz frisch gewaschen. Der Himmel ist aus riesenblauem Taft. Die Sonnenstrahlen spielen kichernd Haschen. Man sitzt und lächelt, zieht das Glück auf Flaschen und lebt mit sich in bester Nachbarschaft. Man könnte, denkt man, wenn man wollte, fliegen. Vom Stuhle fort. Mit Kuchen und Kaffee. Auf weißen Wolken wie auf Sofas liegen und sich gelegentlich vornüber biegen und denken: "Also das dort ist die Spree." Man könnte sich mit Blumen unterhalten und Wiesen streicheln wie sein Fräulein Braut. Man könnte sich in tausend Teile spalten ur,d vor Begeisterung die Hände falten. Sie sind nur gar nicht mehr dafür gebaut. Man zieht sich voller Zweifel an den Haaren. Die Sonne scheint, als hätt es wieder Sinn. Wo sind die Tage, die so traurig waren? Es ist, um förmlich aus der Haut zu fahren. Die große Schwierigkeit ist nur: Wohin? :114
Maskenball im Hochgebirge Eines schönen Abends wurden alle Gäste des Hotels verrückt, und sie rannten schlagerbrüllend aus der Halle in die Dunkelheit und fuhren Ski. Und sie sausten über weiße Hänge. Und der Vollmond wurde förmlich fahl. Und er zog sich staunend in die Länge. So etwas sah er zum erstenmal. Manche Frauen trugen nichts als Flitter. Andre Frauen waren in Trikots. Ein Fabrikdirektor kam als Ritter. Und der Helm war ihm zwei Kopf zu groß. Sieben Rehe starben auf der Stelle. Diese armen Tiere traf der Schlag. Möglich, daß es an der Jazzkapelle denn auch die war mitgefahren -lag. Die Umgebung glich gefromen Betten. Auf die Abendkleider fiel der Reif. Zähne klapperten wie Kastagnetten. Frau von Cottas Büste wurde steif. Das Gebirge machte böse Miene. Das Gebirge wollte seine Ruh. Und mit einer mittleren Lawine deckte es die blöde Bande zu.
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Dieser Vorgang ist ganz leicht erklärlich. Der Natur riß einfach die Geduld. Andre Gründe gibt es hierfür schwerlich. Den Verkehrsverein trifft keine Schuld. Man begrub die kalten Herrn und Damen. Und auch etwas Gutes war dabei: Für die Gäste, die um Mittwoch kamen, wurden endlich ein paar Zimmer frei.
Kurzgefaßter Lebenslauf Wer nicht zur Welt kommt, hat nicht viel verloren. Er sitzt im All auf einem Baum und lacht. Ich wurde seinerzeit als Kind geboren, eh ich's gedacht. Die Schule, wo ich viel vergessen habe, bestritt seitdem den größten Teil der Zeit. Ich war ein patentierter Musterknabe. Wie kam das bloß? Es tut mir jetzt noch leid. Dann gab es Weltkrieg, statt der großen Ferien. Ich trieb es mit der Fuß artillerie. Dem Globus lief das Blut aus den Arterien. Ich lebte weiter. Fragen Sie nicht, wie. Bis dann die Inflation und Leipzig kamen; mit Kant und Gotisch, Börse und Büro, mit Kunst und Politik und jungen Damen. Und sonntags regnete es sowieso. Nun bin ich zirka )1 Jahre und habe eine kleine Versfabrik. Ach, an den Schläfen blühn schon graue Haare, und meine Freunde werden langsam dick. Ich setze mich sehr gerne zwischen Stühle. Ich säge an dem Ast, auf dem wir sitzen. Ich gehe durch die Gärten der Gefühle, die tot sind, und bepflanze sie mit Witzen.
1.16
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Auch ich muß meinen Rucksack selber tragen! Der Rucksack wächst. Der Rücken wird nicht breiter. Zusammenfassend läßt sich etwa sagen: Ich kam zur Welt und lebe trotzdem weiter.
Patriotisches Bettgespräch Hast du, was in der Zeitung stand, gelesen? Der Landtag ist mal wieder sehr empört von wegen dem Geburtenschwund gewesen. Auch ein Minister fand es unerhört. Auf tausend Deutsche kämen wohl pro Jahr gerade 1.9 Komma 04 Kinder. 04! Und so was hält der Mann für wahr! Daß das nicht stimmen kann, sieht doch ein Blinder. Die Kinder hinterm Komma können bloß von ihm und anderen Ministern stammen. Und solcher Dezimalbruch wird mal groß! Und tritt zu Ministerien zusammen. Nun frag ich dich: Was kümmert das den Mann? Er tut, als käm er für uns auf und nieder. Es geht ihn einen feuchten Kehricht an! Mir schläft der Arm ein. So. Nun geht es wieder. Geburtenrückgang, hat er noch gesagt, sei, die Geschichte lehrt es, Deutschlands Ende, und deine Fehlgeburt hat er beklagt. Und daß er, daß man abtreibt, gräßlich fände. Jawohl, wir sollen Kinder fabrizieren. Fürs Militär. Und für die Industrie. Zum Löhnesenken. Und zum Kriegverlieren! Sieh dich doch vor. Ach so, das war dein Knie.
1.1.9
Na, komm mein Schatz. Wir wollen ihm eins husten. Dein Busen ist doch wirklich noch famos. Ob unsere Eltern, was wir wissen, wußten ... Wer nicht zur Welt kommt, wird nicht arbeitslos. Der Kinderreichtum ist kein Kindersegen. Deck uns schön zu. Ich bild mir ein, es zieht. Komm, laß uns den Geburtenrückgang pflegen! Und lösch die Lampe aus. Des Landtags wegen. Damit er es nicht sieht.
Primaner in Uniform Der Rektor trat, zum Abendbrot, bekümmert in den Saal. Der Klassenbruder Kern sei tot. Das war das erste Mal. Wir saßen bis zur Nacht im Park und dachten lange nach. Kurt Kern, gefallen bei Langemarck, saß zwischen uns und sprach. Dann lasen wir wieder Daudet und Vergil und wurden zu Ostern versetzt. Dann sagte man uns, daß Heimbald fiel. Und Rochlitz sei schwer verletzt. Herr Rektor Jobst war Theolog für Gott und Vaterland. Und jedem, der in den Weltkrieg zog, gab er zuvor die Hand. Kerns Mutter machte ihm Besuch. Sie ging vor Kummer krumm. Und weinte in ihr Taschentuch vorm Lehrerkollegium. Der Rochlitz starb im Lazarett. Und wir begruben ihn dann. Im Klassenzimmer hing ein Brett mit den Namen der Toten daran.
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:12:1
Wir saßen oft im Park am Zaun. Nie wurde mehr gespaßt. Inzwischen fiel der kleine Braun. Und Koßmann wurde vergast. Der Rektor dankte Gott pro Sieg. Die Lehrer trieben Latein. Wir hatten Angst vor diesem Krieg. Und dann zog man uns ein. Wir hatten Angst. Und hofften gar, es spräche einer Halt! Wir waren damals achtzehn Jahr, und das ist nicht sehr alt. Wir dachten an Rochlitz, Braun und Kern. Der Rektor wünschte uns Glück. Und blieb mit Gott und den andern Herrn ge faßt in der HeImat zurück.
Anmerkung Noch heute erinnern sie sich, dabei ihre Pensionen verzehrend, gerne der großen Zeit.
Sogenannte Klassefrauen Sind sie nicht pfui teuflisch anzuschauen? Plötzlich färben sich die" Klassefrauen J/, weil es Mode ist, die Nägel rot! Wenn es Mode wird, sie abzukauen oder mit dem Hammer blau zu hauen, tun sie's auch. Und freuen sich halbtot. Wenn es Mode wird, die Brust zu färben oder, falls man die nicht hat, den Bauch ... Wenn es Mode wird, als Kind zu sterben ' oder sich die Hände gelb zu gerben, bis sie Handschuhn ähneln, tun sie' saueh. Wenn es Mode wird, sich schwarz zu schmieren ... VI/enn verrückte Gänse in Paris sich die Haut wie Chinakrepp plissieren ... Wenn es Mode wird, auf allen vieren durch die Stadt zu kriechen, machen sie's. Wenn es gälte, Volapük zu lernen und die Nasenlöcher zuzunähn und die Schädeldecke zu entfernen und das Bein zu heben an Laternenmorgen könnten wir' s bei ihnen sehn. Denn sie fliegen wie mit Engelsflügeln immer auf den ersten besten Mist. Selbst das Schienbein würden sie sich bügeln! Und sie sind auf keine Art zu zügeln, wenn sie hören, daß was Mode ist.
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Wenn's doch Mode würde, zu verblöden! Denn in dieser Hinsicht sind sie groß. Wenn's doch Mode würde, diesen Kröten jede Öffnung einzeln zuzulöten! Denn dann wären wir sie endlich los.
V Ofstadtstraßen Mit solchen Straßen bin ich gut bekannt. Sie fangen an, als wären sie zu Ende. Trinkt Magermilch! steht groß an einer Wand, als ob sich das hier nicht von selbst verstände. Es riecht nach Fisch, Kartoffeln und Benzin. In diesen Straßen dürfte niemand wohnen. Ein Fenster schielt durch schräge Jalousien. Und welke Blumen blühn auf den Balkonen. Die Häuser bilden Tag und Nacht Spalier und haben keine weitem Interessen. Seit hundert Jahren warten sie nun hier. Auf wen sie warten, haben sie vergessen. Die Nacht fällt wie ein großes altes Tuch, von Licht durchlöchert, auf die grauen Mauern. Ein paar Laternen gehen zu Besuch, und vor den Kellern sieht man Katzen kauern. Die Häuser sind so traurig und so krank, weil sie die Armut auf den Straßen trafen. Aus einem Hof dringt ganz von ferne Zank. Dann decken sich die Fenster zu lli,d schlafen. So sieht die Welt in tausend Städten aus! Und keiner weiß, wohin die Straßen zielen. An jeder zweiten Ecke steht ein Haus, in dem sie Skat und Pianola spielen.
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Ein Mann mit Sorgen geigt aus dritter Hand. Ein Tisch fällt um. Die Wirtin holt den Besen. Trinkt Magermilch! steht groß an einer Wand. Doch in der Nacht kann das ja niemand lesen.
Festlied für Skatturniere Immer, wenn im Deutschen Reiche der ersehnte Abend naht, tut man weit und breit das gleiche: Man drischt Skat. Vor dem Schlafen, nach dem Essen, in Vereinen und privat, auf der Bahn und zu Kongressen: Man drischt Skat. Kartenmischen, Fingerspreizen, Bier und Würstchen mit Salat, Null ouvert und Zahlenreizen: Man drischt Skat. Um die Achtel, um die Groschen, mittels eures Drangs zur Tat wird in einem fort gedroschen: Und zwar Skat. Langsam reifen kühne Pläne. Mit Geschrei führt ihr sie aus. Sieben, achte, neune, zehne, Unter, Ober, König, Daus! Draußen wackeln die Konzerne. Und es wackelt schon der Staatl Doch ihr schweift nicht in die Ferne. Ihr drescht Skat.
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Ach, was habt ihr bloß im Kopfe? Wasser kocht bei hundert Grad. Deutschland hallt von dem Geklopfe. Ihr drescht Skat. Manchmal knirschen euch die Zähne. Manchmal rüttelt ihr am Haus. Doch ihr zählt euch selber aus: "Sieben, achte, neune, zehne, Unter, über, König, Daus!"
In der Seitenstraße Hier ist es dunkel. Komm noch etwas näher. Hier ist es fast, als wäre man im Wald. Was soll man andres tun als Europäer? Die Stadt ist groß, und klein ist das Gehalt. Man liest manchmal in seltsamen Romanen von Inseln, wo fast keine Menschen sind. Dort gibt es Palmen statt der Straßenbahnen. Und kleine Affen schaukeln sich im Wind ... Und an das Ufer spülen manchmal Fässer. Darin ist Corned beef lInd Pilsner Bier. Dort haben es die Liebespaare besser! Wir sind nidu dort! mein Kerlchen, sondern hier. Hier stört man uns, als tüte man's zum Spaße. Die Städte schrein und platzen vor Betrieb. Da stehn wir nun in einer Seitenstraße und haben uns "nur zur Verrechnung" lieb. Es sieht fast aus, als woI1ten wir wen meucheln. Dabei ist unsre Absicht gar nicht bös. Ein bißehen küssen ... Und ein bißehen streicheln ... Ach, wer sich liebt, den macht Berlin nervös. Was hilft das alles? Reizend war es heute. Vermutlich kriegst du wieder Krach zu Haus. Es ist, als wohnten hier gar keine Leute. Na ja, und ich muß morgen zeitig raus.
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Ich bringe dich noch bis zur Haltestelle. Gleich ist es Zeit. Gleich kommt dein Autobus. Hast du mich lieb? Gib mir noch einen Kuß ... Und Mittwoch sehn wir uns. Auf alle Fälle. Nun aber Schluß!
Selbstmord im Familienbad Hier bist du. Und dort ist die Natur. Leider ist Verschiedenes dazwischen. Bis zu dir herüber wagt sich nur ein Parfüm aus Blasentang und Fischen. Zwischen deinen Augen und dem Meer, das sich sehnt, von dir erblickt zu werden, laufen dauernd Menschen hin und her. Und ihr Anblick macht dir Herzbeschwerden. Freigelaßne Bäuche und Popos stehn und liegen kreuz und quer im Sande. Dicke Tanten senken die Trikots und sehn aus wie Quallen auf dem Lande. Wo man hinschaut, wird den Augen schlecht, und man schließt sie fest, um nichts zu sehen. Doch dann sieht man dies und das erst recht. Man beschließt, es müsse was geschehen. Wütend stürzt man über tausend Leiber, bis ans Meer, und dann sogar hinein doch auch hier sind dicke Herrn und Weiber. Fett schwimmt oben. Muß das denn so sein? Traurig hängt man in den grünen Wellen, vor der Nase eine Frau in Blond. Ach, das Meer hat nirgends freie Stellen, und das Fett verhüllt den Horizont.
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Hier bleibt keine Wahl, als zu ersaufen! Und man macht sich schwer wie einen Stein. Langsam läßt man sich voll Wasser laufen. Auf dem Meeresgrund ist man allein.
Belauschte Allegorie A. Sämtliche Steine der Pyramiden gleichen einander 50 ungefähr. Nur in einem Punkt sind sie verschieden: Die unteren Steine tragen viel mehr.
B. Ihre Anteilnahme ist ehrenwert. Die Steine haben sich wohl beschwert? Es sind nun mal nicht alle die Ersten. Die Untersten haben es immer am schwersten. A. Wäre es nicht in solchen Fällen besser, man kippte die Dinge um? Pyramiden auf den Kopf zu stellen, fände ich nicht dumm. B. Dann gingen die Pyramiden in Trümmer. Die Steine fielen und würden gehoben. Doch wieder wäre die Spitze oben. Und unten wären sie breit wie immer.
A. Wenn bei den Menschen, pardon! bei den Steinen alles wie wild durcheinander gerät, schließlich liegt doch zum Schluß, wie Sie meinen, unten und ewig die Majorität?
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B. Das mein ich. Die Geometrie ist vernünftig. Da hilft kein Weinen. Da hilft kein Hauen! Da hülfe nur eins. A. Und das wäre? B. Künftig vielleicht keine Pyramiden mehr bauen.
Anmerkung Vergleiche hinken von Berufs wegen.
Saldo mortale Ein Mann, der einen Selbstmord unternahm und den man rettete, als er schon schlief, schrieb, als er schließlich wieder zu sich kam, den Brief: "Ihr Esel habt mich wieder aufgeweckt. Ihr habt mit mir geturnt. Ich war schon tot. Ihr habt mich krummgedrückt und langgestreckt. Ich war schon fast hinüber, sapperlot. Ihr habt mir meine Steuern nie bezahlt. Ihr habt mir nie nur eine Mark geborgt. Ich hatte einen Posten, den Ihr stahlt. Ihr habt mir keinen anderen besorgt. Ihr habt mich überall herumgeschickt. Ich wollte Arbeit. Doch Ihr gabt sie nicht. Ihr habt mich kalt und böse angeblickt. Ihr spracht mit mir, wie man mit Dieben spricht. Ihr habt mich, als ich krank war, nicht geheilt. Ihr habt mich, wenn ich krank war, noch gekränkt. Ihr habt Euch, als ich lebte, nie beeilt! Und meine Frau hat sich an Euch verschenkt. Ihr weckt mich auf. Woher nehmt Ihr den Mut? Ihr hieltet mich zurück. Ich wollte fort. Wenn jemand endlich das, was ich tat, tut, dann wird aus Lebensrettung Mord.
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Habt Ihr mich denn noch nicht genug gequält? Soll das noch einmallosgehn Tag für Tag? Ich denk nicht dran! Das hat mir noch gefehlt! Ich mag nicht mehr! Warum? Weil ich nicht mag./I Man muß nicht leben, wenn man es nicht darf. Als er im Blatt von seiner Rettung las, stieg er zum vierten Stock hinauf und warf sich in den Hof, wo seine Tochter saß.
Karriere? Es gibt da eine Sorte junge Damen, die haben nichts, als etwas anzuziehn. Sie tragen reichlich parfümierte Namen und sind aus - oder wollen nach - Berlin. Sie sitzen ohne Appetit zu Haus. Sie können nicht mehr, nur noch künstlich, lachen. Da ziehen sie sich an und gehen aus und wollen eiligst Karriere machen. Sie denken sich die Sache ziemlich leicht und gehn, um keine Zeit mehr zu verlieren, den Weg, auf dem man heute viel erreicht, das heißt: sie lassen sich photographieren. Man bringt sie dann in Photokästen unter. Sie hängen zwischen Schaljapin und Solf. Sie sehn entzückend aus, und es steht drunter "Ramona Silvare beim Golf". Sie lächeln uns aus jedem Magazine, auf Kunstdruckblättern, gut getroffen an. "Ramona in der kleinsten Flugmaschine./I Die Leute staunen, was Ramona kann. Als hätte sie nie anderes getan, sieht man sie lächelnd an Volant und Steuer. In Wirklichkeit fährt sie bloß Straßenbahn. Und oft ist ihr auch dieses noch zu teuer.
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Sie lächeln auch aus allen Modeheften und tragen Samt und Seal und Crepe de Chine. Doch das gehört ja alles den Geschäften! Ramona selbst hat wenig anzuziehn. So läd1elt ihr euch Löcher in die Backen. Es ist ja möglich, daß es Grübchen sind. Doch echten Perlenschmuck und Zobeljacken erwirbt man nicht mit Lächeln, liebes Kind. Ein hübscher Kopf ist fraglos ein Talent. Und nichts spricht gegen einwandfreie Beine. Doch das alleine? Nichts als das alleine ist etwas wenig, falls ihr sonst nichts könnt.
Weihnachtsfest im Freien Die Sonne schien, als ob sie wer bezahle. Und der Dezember hielt sich für den Mai. Man saß im Freien wie in einem Saale. Die Blumen blühten schon zum zweiten Male. Europa war die größte Gärtnerei. Das war ein Wetter wie für Badehosen! Und nur den Kohlenhändlern wurde kalt. Die Feiertage dufteten nach Rosen. Und so marschierten alle Arbeitslosen . mit ihren Kindern in den grünen Wald.
Was nützen Photos in den Magazinen? Was soll das Lächeln und das ganze Drum und Dran, wenn man sich schließlich kaum zwei Apfelsinen, obwohl man gerne möchte, kaufen kann?
Es sah fast aus wie eine Sommerreise. Sogar die kleinsten Kinder froren kaum. Im Walde bildete man später Kreise und stand versonnen und familienweise rings um je einen echten Weihnachtsbaum.
Anmerkung Begabung ist übrigens kein Hinderungsgrund, gleichfalls Hungerkünstler zu werden.
Man war sehr fröhlich, und man hüpfte Reigen. Ein Greis beschrieb, wie Gänsebraten schmeckt. Es nahten Rehe, um sich zu verneigen. Die Vögel saßen schimmernd in den Zweigen und wirkten, auf Entfernung, wie Konfekt. Es war nur schade, daß man sich nichts schenkte. Doch da die Kinder lauter Sonne sahn, kam es, daß sie kein Herzeleid bedrängte. In ein paar Bäumen baumelten Erhängte, mit weißen Köpfen, wie aus Marzipan. 139
Am Abend, als die Nebel niedersanken, erschien im Tannenwald Herr Müller=Franken und sprach: "Die Witterung ist einzig der Bemühung der Regierung zu verdanken!/I Da lachten alle. Und da weinte er.
Anmerkung Hermann Müller.Franken, Sozialdemokrat, war von 1.928 bis 1.930 Reichskanzler.
Fauler Zauber Frühmorgens in der Wanne geht es los. Man sitzt und wünscht sich, nie mehr aufzustehen, und ist zu faul, die Hähne zuzudrehen. Man müßte baden. Doch man plätschert bloß. Das Wasser steigt. Man starrt auf seine Zehen, als wären es platonische Ideen. Da irrt man sich. Sie sind nur etwas groß. Man lächelt so, als röche man an Rosen, und ist verwundert, daß man lächeln kann. Denn man ist faul. Doch Lächeln greift nicht an. Ach, der Verstand ist nodl in Unterhosen! Die Energie, der Kopf, der ganze Mann sie sind verreist, und keiner weiß, bis wann. Man sitzt lmd zählt sich zu den Arbeitslosen. Man liegt und schläft, auat, wenn man ißt und geht. Man trollt durch Straßen, summt ein dummes Zeilchen und schäkert in den Gärten mit den Veilchen. Fast wie ein Luftballon wird man verweht. Man zupft den Brief von Fee in tausend Teilchen. Und wirft ihn weg. Und wartet dann ein Weilchen, ob wenigstens der Wind den Brief versteht. So faul ist man! Und hat soviel zu tun. Und Uhren ticken rings in allen Taschen. Die Zeit entflieht und will, man soll sie haschen, und rennt sich fast die Sohlen von den Schuhn.
Man ist zu faul, die Seele reinzuwaschen. Man wird die Stunden wie Bonbons vernaschen lmd schleicht nach Hause, um sich 8.uszuruhn. Faulheit strengt an, als stemmte man Gewichte. Man ist allein, und das ist kein Verkehr. Und Steineklopfen ist nicht halb so schwer. Man steht herum und steht dem Glück im Lichte. Und daß man lächelt, spürt man gar nicht mehr. Vom Nichtstun wird nicht nur der Beutel leer. Das ist das Traurigste an der Geschichte.
Anmerkung
Es gibt zwei Sorten Männer. Solche, die sich rasieren lassen, und soldu, die sich lieber selber rasieren.
Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag Zweitausend Jahre sind es fast, seit du die Welt verlassen hast, du Opferlamm des Lebens! Du gabst den Armen ihren Gott. Du littest durch der Reichen Spott. Du tatest es vergebens! Du sahst Gewalt und Polizei. Du wolltest alle Menschen frei und Frieden auf der Erde. Du wußtest, wie das Elend tut, und wolltest alle Menschen gut, damit es schöner werde! Du warst ein Revolutionär und machtest dir das Leben schwer mit Schiebern und Gelehrten. Du hast die Freiheit stets beschützt und doch den Menschen nichts genützt. Du kamst an die Verkehrten! Du kämpftest tapfer gegen sie und gegen Staat und Industrie und die gesamte Meute. Bis man an dir, weil nichts verfing, Justizmord, kurzerhand, beging. Es war genau wie heute.
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Höhere Töchter im Gespräch
Die Menschen wurden nicht gescheit. Am wenigsten die Christenheit, trotz allem Händefalten. Du hattest sie vergeblich lieb. Du starbst musonst. Und alles blieb beim alten.
Die eine sitzt. Die andre liegt. Sie reden viel. Die Zeit verfliegt. Das scheint sie nicht zu stören. Die eine liegt. Die andre sitzt. Sie reden viel. Das Sofa schwitzt und muß viel Dummes hören. Sie sind sehr wirkungsvoll gebaut und haben ausgesuchte Haut. Was mag der Meter kosten? Sie sind an allen Ecken rund. Sie sind bemalt, damit der Mund und die Figur nicht rosten. Ihr Duft erinnert an Gebäck. Das Duften ist ihr Lebenszweck, vom Scheitel bis zur Zehe, bis beide je ein Mann mit Geld in seine gute Stube stellt. Das nennt man dann: die Ehe. Sie knabbern Pralinees und Zeit; von ihren Männern Hut und Kleid und keine Kinder kriegend. So leben sie im Grunde nur als 44er Figur, teils sitzend und teils liegend.
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Gedichte
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Ihr Kopf ist hübsch und ziemlich hohl. Sie fühlen sich trotzdem sehr wohl. Was läßt sich daraus schließen? Man schaut sie sich zwar gerne an, doch ganz gefielen sie erst dann, wenn sie das Reden ließen.
Gefährliches Lokal Mir träumte neulich, daß mein Stammcafe auf einer Insel unter Palmen stünde. Persönlich kenne ich bloß Warnemünde. Doch Träume reisen gern nach Übersee. Ich saß am Fenster und versank in Schweigen. Wo sonst die Linie 56 hält, war eine Art von Urwald aufgestellt. Und Orang=Utans hingen in den Zweig~n. Sie waren sicher noch nicht lange da. So leicht verändern sich die Metermaße! Bevor ich kam, war' s noch die Prager Straße. Man setzt sich hin, schon ist es SlL.'11atra. Erst wollte ich den Oberkellner fragen. Dann dachte ich, es hätte keinen Zweck. Was soll ein Kellner namens Urbanek, selbst wenn er wollte, weiter dazu sagen? Dann ging die Tür. Das war der Doktor Uhl. Und hinter ihm erschien ein schwarzer Panther. Der setzte sich, als sei er ein Bekannter, an meinem Tisch auf einen leeren Stuhl. Ich fragte ihn betreten, ob er rauche. Er sah mich an. Und sagte keinen Ton. Dann kam der Wirt in eigener Person und kitzelte den seltnen Gast am Bauche.
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Der Ober brachte Erbspüree mit Speck. Er hatte große Angst und ging auf Zehen. Der Panther ließ das gute Essen stehen und fraß den Kellner. Armer Urbanek! Von oben drang der Klang der Billardbälle. Der schwarze Panther war noch beim Diner. Ich saß bestürzt in meinem Stammcafe. Und sah nur Wald. Und keine Haltestelle. Weil man mich dann zum Telefone rief (ein Kunde wollte mich geschäftlich sprechen), war ich genötigt, plötzlich aufzubrechen. Als ich zurückkam, sah ich, daß ich schlief ...
Goldne Jugendzeit Wenn sie abends von der Arbeit kommen, fahren sie, so schnell es geht, nach Haus, und sie sehen ziemlich mitgenommen und wie kleine kranke Kinder aus. Die Büros sind keine Puppenstuben. Die Fabriken sind kein Nadelwald. Und auch die modernsten Kohlengruben sind kein idealer Aufenthalt. Aber nicht nur müde sind sie, leider hat ihr Müdesein auch keinen Zweck. Vielmehr ziehn sie ihre Sonntagskleider heimlich an und laufen wieder weg. Und dann gehn sie irgendwohin tanzen. Ins "Orpheum" oder wie es heißt. Und sie treiben es im großen ganzen, mit und ohne Noten, ziemlich dreist. Später sitzen sie in Parks auf Bänken, und es ist aufs Haar wie einst im Mai. Weiter können sie sich ja nichts schenken! Und bis sie zu Hause sind, wird's drei. Einmal werden sie sich schon noch fügen. Wenn ihr Schicksal die Geduld verliert. Ach, sie glauben, daß man zum Vergnügen (noch dazu zum eignen) existiert!
Sie sind jung und täuschen sich nach Kräften. 6 Uhr 30, wenn der Wecker klirrt, in der Bahn und dann in den Geschäften merken sie: sie haben sich geirrt. Menschen werden niemals Schmetterlinge. Nektar ist, im besten Fall, ein Wort. Jung und froh sein sind verschiedne Dinge. Und die Freude stirbt auf dem Transport!
Die unverstandene Frau Er band, vorm Spiegel stehend, die Krawatte. Da sagte sie (und blickte an die Wand): "Soll ich den Traum erzählen, den ich hatte? Ich hielt im Traum ein Messer in der Hand. Ich hob es hoch, mich in den Arm zu stechen, unl: schnitt hinein, als sei der Arm aus Brot. Du warst dabei. Wir wagten nicht zu sprechen. Und meine Hände wurden langsam rot. Das Blut floß lautlos in die Teppichranken. Ich hatte Angst und hoffte auf ein Wort. Ich sah dich an. Du standest in Gedanken. Dann sagtest du: ,Das Messer ist ja fort ... ' Du bücktest dich. Doch war es nicht zu finden. Ich rief: ,So hilf mir endlich!' Aber du, du meintest nur: ,Man müßte dich verbinden', und schautest mir wie einem Schauspiel zu. Mir war so kalt, als sollte ich erfrieren. Du standest da, mit traurigem Gesicht, und wolltest rasch dem Arzt telefonieren und Rettung holen. Doch du tatst es nicht. Dann nahmst du Hut und Mantel, um zu gehen, und sprachst: ,Jetzt muß ich aber ins Büro!' und gingst hinaus. Und ich blieb blutend stehen. Ich starb im Traum. Und war darüber froh .. . /1
Er band, vorm Spiegel stehend, die Krawatte. Und sah im Spiegel, daß sie nicht mehr sprach. Und als er sich den Schlips gebunden hatte, griff er zum Kamm. Und zog den Scheitel nach.
Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner? Und immer wieder schickt ihr mir Briefe, in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt: "Herr Kästner, wo bleibt das Positive?" Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt. Noch immer räumt ihr dem Guten und Schönen den leeren Platz überm Sofa ein. Ihr wollt euch noch immer nicht dran gewöhnen, gescheit und trotzdem tapfer zu sein. Ihr braucht schon wieder mal Vaseline, mit der ihr das trockene Brot beschmiert. Ihr sagt schon wieder, mit gläubiger Miene: "Der siebente Himmel wird frisch tapeziert!" Ihr streut euch Zucker über die Schmerzen und denkt, unter Zucker verschwänden sie. Ihr baut schon wieder Balkons vor die Herzen und nehmt die strampelnde Seele aufs Knie. Die Spezies Mensch ging aus dem Leime und mit ihr Haus und Staat und Welt. Ihr wünscht, daß ich's hübsch zusammenreime, und denkt, daß es dann zusammenhält"? Ich will nicht schwindeln. Ich werde nicht schwindeln. Die Zeit ist schwarz, ich mach euch nichts weis. Es gibt genug Lieferanten von Windeln. Und manche liefern zum Selbstkostenpreis.
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Habt Sonne in sämtlichen Körperteilen und wickelt die Sorgen in Seidenpapier! Doch tut es rasch. Ihr müßt euch beeilen. Sons t werden die Sorgen größer als ihr. Die Zeit liegt im Sterben. Bald wird sie begraben. Im Osten zimmern sie schon den Sarg. Ihr möchtet gern euren Spaß dran haben ... ? Ein Friedhof ist kein Lunapark. GESANG ZWISCHEN DEN STüHLEN 193 2
Was auch geschieht! Was auch immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!
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Brief an meinen Sohn Ich möchte endlich einen Jungen haben, so klug und stark, wie Kinder heute sind. Nur etwas fehlt mir noch zu diesem Knaben. Mir fehlt nur noch die Mutter zu dem Kind. Nicht jedes Fräulein kommt dafür in Frage. Seit vielen langen Jahren such ich schon. Das Glück ist seltner als die Feiertage. Und deine Mutter weiß noch nichts von uns, mein Sohn. Doch eines schönen Tages wird's dich geben. Ich freue mich schon heute sehr darauf. Dann lernst du laufen, und dann lernst du leben und was daraus entsteht, heißt Lebenslauf. ' Zu Anfang schreist du bloß und machst Gebärden, bis du zu andern Taten übergehst, bis du und deine Augen größer werden und bis du das, was man verstehen muß, verstehst.
Ich will mit dir nach Vaux und Ypern reisen und auf das Meer von weißen Kreuzen blicken. Ich werde still sein und dir nid1ts beweisen. Doch wenn du weinen wirst, mein Kind, dann will ich nicken. Ich will nicht reden, wie die Dinge liegen. Ich will dir zeigen, wie die Sache steht. Denn die Vernunft muß ganz von selber siegen. Ich will dein Vater sein und kein Prophet. Wenn du trotzdem ein Mensch wirst wie die meisten, all dem, was ich dich schauen ließ, zum Hohn; ein Kerl wie alle, über einen Leisten, dann wirst du nie, was du sein sollst: mein Sohn!
Anmerkung Da der Autor, nach dem Erscheinen des Gedichts in einer Zeit· schrift, Briefe von Frauen und Mädchen erhielt, erklärt er, vor= sichtig geworden, hiermit: Sd1Tiftliche Angebote dieser Art werden nicht berücksichtigt.
Wer zu verstehn beginnt, versteht nichts mehr. Er starrt entgeistert auf das Welttheater. Zu Anfang braucht ein Kind die Mutter sehr. Doch wenn du größer wirst, brauchst du den Vater. Ich will mit dir durch Kohlengruben gehn. Ich will dir Parks mit Marmorvillen zeigen. Du wirst mich anschaun und es nicht verstehn. Ich werde dich belehren, Kind, und schweigen. 159
Krank und müde vom Getue um die goldne Gunst der Welt, setzte er sid1 nun zur Ruhe, wenn auch ohne Ruhegeld.
Nekrolog für den Maler E. H. Ach, er war ein guter Maler, doch ein schlechter Steuerzahler.
Eine Woche saß die Leiche ungestört in ihrem Reid1e.
Denn sein Bilderstapel stand still mit dem Gesicht zur Wand.
Bis der Herr Portier erschien. Denn nur der vem1ißte ihn.
Einsam war der Mann und bald fünfundvierzig Jahre alt.
Paar Bekannte standen stumm später um das Grab herum.
Und er wagte nicht mehr, offen auf sein bißchen Glück zu hoffen.
Ohne Blechmusik und Predigt wurde hier der Rest erledigt.
Schulden, die er nie bezahlte, saßen rings im Atelier. Sinnlos war es, daß er malte! Und sein Leben tat ihm weh.
Alle Augen blieben trocken. Hinterher im Stammcafe fragte einer ganz erschrocken: "Wer nimmt nun das Atelier?"
Als er keinen Mut mehr hatte, stopfte er zerpflückte Watte in die Tür= und Fensterspalten, um das Zimmer dicht zu halten. Danach sduieb er ein paar Briefe zur Erklärung der Motive. Und im weiteren Verlauf drehte er den Gashahn auf.
'160
Xl
Gedidlle
Sozusagen in der Fremde
Der Handstand auf der Lorelei Nach einer wahren Begebenheit
Er saß in der großen Stadt Berlin an einem kleinen Tisch. Die Stadt war groß, auch ohne ihn. Er war nicht nötig, wie es schien. Und rund um ihn war Plüsch. Die Leute saßen zum Greifen nah, und er war doch allein. Und in dem Spiegel, in den er sah, saßen sie alle noch einmal da, als müsse das so sein. Der Saal war blaß vor lauter Licht. Es roch nach Parfüm und Gebäck. Er blickte ernst von Gesicht zu Gesicht. Was er da sah, gefiel ihm nicht. Er schaute traurig weg. Er strich das weiße Tischtuch glatt und blickte in das Glas. Fast hatte er das Leben satt. Was wollte er in dieser Stadt, in der er einsam saß? Da stand er, in der Stadt BerBn, auf von dem kleinen Tisch. Keiner der Menschen kannte ihn. Da fing er an, den Hut zu ziehn! Not macht erfinderisch.
Die Lorelei, bekannt als Fee und Felsen, ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen, wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen, von blonden Haaren schwiirmend, untergingen. Wir wandeln uns. Die Schiffer inbegriffen. Der Rhein ist reguliert und eingedämmt. Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen, bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt. Nichtsdestotrotz geschieht auch heutzutage noch mand1es, was der Steinzeit ähnlich sieht. So alt ist keine deutsche Heldensage, daß sie nidlt doch noch Helden nach sich zieht. Erst neulich machte auf der Lorelei hoch überm Rhein ein Turner einen Handstand! Von allen Dampfern tönte Angstgeschrei, als er kopfüber oben auf der Wand stand. Er stand, als ob er auf dem Barren stünde. Mit hohlem Kreuz. Und lustbetonten Zügen. Man frage nid1t: Was hatte er für Gründe? Er war ein Held. Das dürfte wohl genügen.
Er stand, verkehrt, im Abendsonnenscheine. Da trübte Wehmut seinen Turnerblick. Er dadlte an die Lorelei von Heine. Und stürzte ab. Und brach sich das Genick. Er starb als Held. Man muß ihn nicht beweinen. Sein Handstand war vom Schicksal überstrahlt. Ein Augenblick mit zwei gehobnen Beinen ist nicht zu teuer mit dem Tod bezahlt! P. S. Eins wäre allerdings noch nachzutragen: Der Turner hinterließ uns Frau und Kind. Hinwiederum, man 5011 sie nicht beklagen. Weil im Bezirk der Helden und der Sagen die Überlebenden nicht wichtig sind.
Das Führerproblem, genetisch betrachtet Als Gott am ersten Wochenende die Welt besah, und siehe, sie war gut, da rieb er sich vergnügt die Hände. Ihn packte eine Art von Übermut. Er blickte stolz auf seine Erde und sah Tuberkeln, Standard Oll und Waffen. Da kam aus Deutschland die Beschwerde: "Du hast versäumt, uns Führer zu erschaffen!" Gott war bestürzt. Man kann' s verstehn. "Mein liebes deutsches Volk", schrieb er zurück, "es muß halt ohne Führer gehn. Die Schöpfung ist vorbei. Grüß Gott. Viel Glück." Nun standen wir mit Ohne da, der Weltgeschichte freundlichst überlassen. Und: Alles, was seitdem geschah, ist ohne diesen Hinweis nicht zu fassen.
Hunger ist heilbar Eine deutsdIe Allegorie
Es kam ein Mann ins Krankenhaus und erklärte, ihm sei nicht wohl. Da schnitten sie ihm den Blinddarm heraus und wuschen den Mann mit Karbol. Befragt, ob ihm besser sei, rief er: "Nein." Sie machten ihm aber Mut und amputierten sein linkes Bein und sagten: "Nun geht's Ihnen gut." Der arme Mann hingegen litt und füllte das Haus mit Geschrei. Da machten sie ihm den Kaiserschnitt, um nachzw;ehn, was denn sei. Sie waren Meister in ihrem Fach und schnitten sogar ein Gesicht. Er schwieg. Er war zum Schreien zu schwach. Doch sterben tat er noch nicht. Sein Blut wurde freilich langsam knapp. Aud11i.tt er an Atemnot. Sie sägten ihm noch drei Rippen ab. Dann war er endlich tot.
1.66
Der Chefarzt sah die Leiche an. Da fragte ein andrer, ein junger: "Was fehlte denn dem armen Mann?" Der Chefarzt schluchzte und murmelte dann: "Ich glaube, er hatte nur Hunger."
Auf einer kleinen Bank vor einer großen Bank Zur bleibenden Erinnerung an den Juli 193I
Worauf mag die Gabe des Fleißes, die der Deutsche besitzt, beruhn? Deutsch sein heißt (der Deutsche weiß es) Dinge um ihrer selbst willen tun.
Heiter stehn wir vor den Banken. Armut ist der Mühe Lohn. Bitte, bitte, nichts zu danken! Keine Angst, wir gehen schon. Und empfindet keine Reue! Leider wurdet ihr ertappt. Doch wir halten euch die Treue. Und dann sparen wir aufs neue, bis es wieder mal so klappt.
Wenn er spart, dann nicht deswegen, daß er später davon was hat. Nein, ach nein! Geld hinterlegen findet ohne Absicht statt. Uns erfreut das bloße Sparen. Geld persönlich macht nicht froh. Regelmäßig nach paar Jahren klaut ihr's uns ja sowieso. Nehmt denn hin, was wir ersparten! Und verludert's dann und warm! Und erfindet noch paar Arten, wie man pleite gehen kann! Wieder ist es euch gelungen. Wieder sind wir auf dem Hund. Unser Geld hat aus gerungen. Ihr seid hoffentlich gesund.
:1:68
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Nähe Waldfriedhof Männer stolperten stumm durch den Wald. Kiefernadeln fielen auf ihre Zylinder. Die Gehröcke glänzten. Sie waren alt. Männer stolperten stumm durch den Wald. Wie zu groß geratene Kinder. Der schwarze Leichenwagen fuhr zwischen den Bäumen langsam nach Haus. Nun lag der Leichnam in der Natur, und der leere schwarze Wagen fuhr wieder aus ihr heraus. Ein Mann blieb an einem der Stämme stehen. Schuld dran war die viel zu lange Predigt. Er wippte verlegen auf seinen Zehen und konnte sich selber nicht recht verstehen. Dann war auch das erledigt. Er rannte hinter den andem her, jenem Baumstamm zu entfliehn. Als ob gar nichts gewesen wär, und tief bekümmert sagte er: "Schade um ihn. 11
Die andern nickten streng und alt. In ihren Ohren klang Choralgesang. Der Himmel sah aus wie feuchter Asphalt. Die Männer stolperten stumm durch den Wald ins Restaurant.
Das Riesenspielzeug Eins habt ihr leider nicht bedacht: daß Kinderhaben auch verpflid1tet. Ihr wart auf uns nicht eingerichtet, ihr habt uns nur zur Welt gebracht. Ihr habt uns mancherlei gelehrt, Latein und Griechisch, bestenfalles. Nun sind wir groß, doch das ist alles. Und was ihr lehrtet, ist nichts wert. Ihr habt uns in die Welt gesetzt. Wer hatte euch dazu ermächtigt? Wir sind nicht existenzberechtigt und fragen euch: Und was wird jetzt? Schon sind wir eine Million! Wir waren fleißig und gelehrig. Und ihr? Ihr schickt uns, minderjährig, fürs ganze Leben in Pension. Wir leben wie im Krankenhaus und lassen uns von euch verwalten. Wir werden von euch ausgehalten und halten das nicht länger aus! Sind 'wir denn da, um nichts zu tun? Wir, die gebornen Arbeitslosen, verlangen Arbeit statt Almosen und fragen euch: Und was wird nun?
Einst wußtet ihr noch euren Text, als ihr uns noch für Puppen hieltet und wie mit Spielzeug mit uns spieltet. Doch wir sind Spielzeug, welches wächst! Auf eigne Redmung und Gefahr will jeder, was er lernte, nützen. Die Tage regnen in die Pfützen, und jede Pfütze wird ein Jahr. Die Zeit ist blind und blickt uns an. Die Sterne ziehn uns an den Haaren. Das ganze Leben ist verfahren, noch ehe es für uns begann. Vernehmt den Spruch des Weltgerichts: Ihr gabt uns seinerzeit das Leben, jetzt sollt ihr ihm den Inhalt geben! Daß ihr uns liebt, das nützt uns nichts.
Anmerkung Die Zahl der jugendlichen Erwerbslosen vor 1933 beträgt mehr als eine Million.
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Inschrift auf einem sächsisch=preußischen Grenzstein Wer hier vorübergeht, verweile! Hier läuft ein unsichtbarer Wall. Deutschland zerfällt in viele Teile. Das Substantivum heißt: Zerfall. Was wir hier stehngelassen haben, das ist ein Grabstein, daß ihr's wißt! Hier liegt ein Teil des Hunds begrab~n, auf den ein Volk gekommen ist.
Anmerkung Solche Grenzsteine gibt es. Die Inschrift ist natürlich nur ein Vorschlag.
Rezitation bei Regenwetter Der Regen regnet sich nicht satt. Es regnet hoffnungslosen Zwirn. Wer jetzt 'ne dünne Schädeldecke hat, dem regnet' 5 ins Gehirn.
So, so. Sie wollen mich nachsitzen lassen. Weil ich in Französisch gemogelt habe. Das glaub ich. Das könnte Ihnen so passen. Als wär ich ein ganz gewöhnlicher Knabe.
Im Rachen juckt's. Im Rücken zerrt's. Es blöken die Bakterienherden. Der Regen reich t allmählich bis ans Herz. Was soll bloß daraus werden?
Ich möchte nur wissen, wofür Sie sich halten. Sie werden schon, wenn wir Sie auslachen, rot. Sie trauriger Mond ohne Bügelfalten! Sie haben ja nicht mal Wurst auf dem Brot.
Der Regen bohrt sich durch die Haut. Und dieser Trübsinn, der uns beugt, wird, wie sO manches, subkutan erzeugt. Wir sind porös gebaut.
Sie sollten mal donnerstags bei uns sein. In Ihrem Frack, der so komisch gebaut ist. Da stünden Sie dann in der villa allein, in der es donnerstags immer so laut ist.
Seit Wochen rollen Wolkenfässer von Horizont zu Horizont. Der Neubau drüben mit der braunen Front wird von dem Regen täglich blässer. Nun ist er blond.
Da sind Minister bei meinen Eltern. Und seidne Frauen und Direktoren. Mit riesigen Autos und Riesengehältern. Da wärn Sie, samt Ihrer Bildung, verloren.
Die Sonne wurde eingemottet. Es ist, als lebte sie nicht mehr. Ach, die Alleen, durch die man traurig trottet, sind kalt und leer. Man kriecht ins Bett. Das ist gesmeiter, als daß man klein im Regen steht. Das geht auf keinen Fall so weiter, wenn das so weitergeht. 1.74
Ein Quartaner denkt beim Anblick des Lehrers
Noch unser Schofför ist feiner als Sie. Und Sie, Sie wollen mir was befehlen? In Groß=Grünau auf der Klassenpartie sah idl Sie heimlich die Groschen zählen. Sie fahren morgens im Autobus. Sie wohnen in Untermiete bei Blaus. Der Seidelbast, der's genau wissen muß, sagt, es sei ein scheußliches Haus. 1.75
Glauben Sie nicht, weil Sie Plato lesen, daß uns das irgend wie imponiert. Ihre Frau ist Stenotypistin gewesen. Der Onkel von Harms hat mit ihr poussiert.
Begegnung mit einem Trockenplatz Wie sehr sich solche Plätze gleichen. Wie eng verwandt sie miteinander sind. Gestänge, Stricke, Wäsche, Klammern, Wind und sieben Büschel Gras zum Bleichen, bei diesem Anblick wird man wieder Kind.
Ich sitze nicht nach! Nicht morgen, nicht heute. Ich sag's meinem Vater. Der sagt's Rektor Schneider. Mein Alter ist Herr über zwotausend Leute. Ich huste auf Sie, Sie Hungerleider.
Wie gern ich mich daran erinnern lasse. Ich schob den Wagen. Und die Mutter zog. Ich knurrte , weil die Wäsche so viel wog., Wie hieß doch jene schmale Gasse, die dicht vorm Bahnhof in die Gärten bog? Dort war die Wiese, die ich meine, dort setzten wir den Korb auf eine Bank und hängten unsern ganzen Wäscheschrank auf eine kreuz und quer gezogne Leine, und Wind und Wäsche führten Zank. Ich saß im Gras. Die Mutter ging nach Hause. Die Wäsche wogte wie ein weißes Zelt. Dann kam die Mutter mit Kaffee und Geld. Ich kaufte Kuchen, für die Mittagspause in dieser fast geheimnisvollen Welt. Die Hemden zuckten hin und her, als wollten sie herab und mit uns essen. Die Sonne schien. Die Strümpfe hingen schwer. Oh , ich erinnre mich an alles sehr genau und will es nie vergessen. 12
Gedidlte
Elegie nach allen Seiten Die bunten Astern winken durch die Gitter. Die Gärten schminken sich. Das Jahr ist alt. Der Herbst stimmt nur die Optimisten bitter. Normale Menschen läßt er kalt. Die Blätter an den Bäumen kann man zählen. An manchen Zweigen schaukeln nur noch drei. Der Wind wird kommen und auch diese stehlen. Er stiehlt und findet nidlts dabei.
Das ist ein Jahr, da möchte alles sterben! Die Welt verliert das Laub und den Verstand. Der Winter und die Dummheit sind die Erben. Und was sich Hoffnung nannte, wird verbrannt. Vom andern Straßenufer wehen Lieder. Das ist die Heilsarmee. Man singt zu sechst. Die Blätter wachsen eines Tages wieder. Doch ob auch die Vernunft von neuem wächst?
Ein blinder Mann verkauft verwelkte Rosen. Er kann nicht sehen, wie verwelkt sie sind. Auf einer Bank, umringt von Arbeitslosen, sitzt singend ein vergnügtes Kind. Im Pflaster zittern Pfützen aus der Frühe. Das Himmelblau ist wieder repariert. Die Sonne scheint. Sie gibt sich große Mühe. Man merkt die Absicht, und man friert. Ein alter Mann, welcher vorüberwandelt, spricht mit sich selber wie ein Wiederkäuer. Es klingt, als ob er mit dem Tod verhandelt. Wahrscheinlid1 ist der Sarg zu teuer. Die Blätter flattern wie die Schmetterlinge. Die Straße glüht und leuchtet und verfällt. Der Herbst beschert uns den Verfall der Dinge und dieses Mal auch den Verfall der Welt. 179
Mathilde, aber eingerahmt Es lebe das Großreinemachen! Man findet, wenn man säubert und siebt, Briefe und Bilder und andere Sachen, die es eigentlich gar nicht mehr gibt. Vorgestern hab ich über zwei Stunden in meinen Schreibtischfächern gekramt. Ganz unten links hab ich dich gefunden: Visitformat, schwarz eingerahmt. Ein Bild von dir mit sieben Jahren. In einem Kieler Matrosenkleid. Mit hohen Stiefeln und langen Haaren. Ich dadlte: Gott, vergeht die Zeit. Als wir uns kannten, ach Mathilde, warst du bereits dreimal so alt wie auf dem kleinen alten Bilde und dientest mir als Aufenthalt. Ich sah dem Photo in die Augen. Dein Kinderblick war treu und echt. Wann fingst du an, nichts mehr zu taugen? Als wir uns kannten, warst du schlecht. Als kleines Mädchen gut und milde, mit zwanzig Jahren ein Stück Mist! Hast du dich je gefragt, Mathilde, wie es dazu gekommen ist?
Du lagst mir damals auf der Tasche, bei andern Herrn lagst du im Bett. Ich soff den Kognak aus der Flasche und wurde langsam zum Skelett. Ich lernte heimlich Scheibeschießen. Ich lag die Nächte ohne Schlaf. Es kam zu keinem Blutvergießen. Du gingst, eh ich ins Schwarze traf. Auf das, was war, fiel Staub und Puder. Vorbei. Ich will nichts mehr von dir. Jedoch dein Kinderbild, du Luder, das stell ich morgen aufs Klavier.
Ein Beispiel von ewiger Liebe Im gelben Autobus ging's durch den Ort. Schnell hinein. Schnell heraus. Erstes Haus. Letztes Haus. Fort. Hab ich den Namen vergessen? Ob ich ihn überhaupt las? Es war eine Kleinstadt in Hessen, zwischen Reben und Gras. Du standest am Gartenrand, als du mich plötzlich erblicktest. Zärtlich hob ich die Hand. Du nicktest. Darf ich nicht du zu dir sagen? War keine Zeit dazu, lang um Erlaubnis zu fragen. Ich sag du. Ich wünschte 50 sehnlich, ich stünde bei dir. Ging dir' s nicht ähnlich? Ging dir's wie mir? Der Zufall hat keinen Verstand. Es heißt, er sei blind. Er gab und entzog uns hastig die Hand, wie ein ängstliches Kind. 1.82
Ich bin entschlossen, fest daran zu glauben, daß du die Richtige gewesen wärst. Du kannst mir diese Illusion nicht rauben, da du sie nicht erfährst. Du lehntest lächelnd am grünen Staket. Es war im Taunus. Es war in Hessen. Ich habe den Namen des Orts vergessen. Die Liebe besteht.
Brief aus einem Herzbad Wie geht es Dir? Es ist schon reichlich spät. Der Doktor fände sicher, daß es schadet. Das Pferd von Droschke 7, heißt es, badet, und selbst die Hunde leben hier diät. Sogar der Luft entzieht man Koffein! Das Atmen wird dadurch fast ungefährlich. Es ist ja leider noch nicht ganz entbehrlich. Wie einfach mir das Atmen früher schien. Seit gestern nehm ich zwölfmal täglich ein. Nichts einzunehmen wäre das Verkehrtste. Hier nehmen alle ein. Sogar die Ärzte! Der eine soll so reich wie Morgan sein. Das Schönste sind die kohlensauren Bäder. Zehntausend Perlen sitzen auf der Haut. Man ähnelt einer Wiese, wenn es taut. Kann sein, es nützt. Das merkt man erst viel später. Ich inhaliere auch. Das ist gesund. Da sitzen Herren, meistens hochbejahrt, mit Kinderlätzchen vor dem Rauschebart und Porzellanzigarren fesch im Mund. Des weiteren mach ich die Brunnenkur. Das Wasser schmeckt wie Hering mit Lakritzen. Dann bleibt man, wie vom Blitz erschlagen, sitzen, und die Kapelle schwelgt im "Troubadour",
Wer da nicht krank wird, darf für trotzig gelten. Der Doktor Barthel untersucht mich oft, weil er noch dies und das zu finden hofft. Er ist der Chef. Wir sind die Angestellten. Ich sehne mich nach einem Glase Bier. Nach Dir natürlich auch. Doch ich muß baden. Kneif Dich, in meinem Auftrag, in die Waden. Was war denn noch? Ja so: Wie geht es Dir?
Die Ballade vom Nachahmungstrieb Es ist schon wahr: Nichts wirkt so rasch wie Gift! Der Mensch, und sei er noch so minderjährig, ist, was die Laster dieser Welt betrifft, früh bei der Hand und unerhört gelehrig. Im Februar, ich weiß nicht am wievielten, geschah's auf irgendeines Jungen Drängen, daß Kinder, die im Hinterhofe spielten, beschlossen, Naumanns Fritzchen aufzuhängen. Sie kannten aus der Zeitung die Geschichten, in denen Mord vorkommt und Polizei. Und sie besdllossen, Naumann hinzurichten, weil er, so sagten sie, ein Räuber sei. Sie steckten seinen Kopf in eine Schlinge. Kar! war der Pastor, lamentierte viel und sagte ihm, wenn er zu schrein anfinge, verdürbe er den anderen das Spiel. Fritz Naumann äußerte, ihm sei nicht bange. Die andern waren ernst und führten ihn. Man warf den Strick über die Teppichstange. Und dann begann man, Fritzchen hochzuziehn. Er sträubte sich. Es war zu spät. Er schwebte. Dann klemmten sie den Strick am Haken ein. Fritz zuckte, weil er noch ein bißchen lebte. Ein kleines Mädchen zwickte ihn ins Bein.
Er zappelte ganz stumm, und etwas später verkehrte sich das Kinderspiel in Mord. Als das die sieben kleinen Übeltäter erkannten, liefen sie erschrocken fort. Noch wußte niemand von dem armen Kinde. Der Hof lag still. Der Himmel war blutrot. Der kleine Naumann schaukelte im Winde. Er merkte nichts davon. Denn er war tot. Frau Witwe Zickler, die vorüberschlurtte, lief auf die Straße und erhob Geschrei, obwohl sie doch dort gar nicht schreien durfte. Und gegen sechs erschien die Polizei. Die Mutter fiel in Ohnmacht vor dem Knaben. Und beide wurden rasch ins Haus gebracht. Karl, den man festnahm, sagte kalt: "Wir haben es nur wie die Erwachsenen gemacht."
Anmerkung Der Ballade liegt ein Pressebericht aus dem Jahre 193 0 zugrunde.
Legende, nicht ganz stubenrein Weihnach ten vergangnen Jahres (:17 Uhr präzise) war es: Daß der liebe Gott nicht, wie gewöhnlich, den Vertreter Ruprecht runterschickte, sondern er besuchte uns persönlich. Und erschrak, als er die Welt erblickte. Er beschloß dann doch, sich aufzuraffen. Schließlich hatte er uns ja geschaffen! Und er schritt (bewacht von Detektiven des bewährten Argus=Institutes, die, wo er auch hinging, mit ihm liefen) durch die Städte und tat nichts als Gutes. Gott war nobel, sah nid1t auf die Preise, und er schenkte, dies nur beispielsweise, den Ministersöhnen Dampfmaschinen und den Kindern derer, die im Jahre mehr als 60000 Mark verdienen, Autos, Boote -lauter prima Ware. Derart reichten Gottes Geld und Kasse abwärts bis zur zwölften Steuerklasse. Doch dann folgte eine große Leere. Und die Deutsche Bank gab zu bedenken, daß sein Konto überzogen wäre. Und so konnte er nichts weiter schenken.
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Gott ist gut. Und weiß es. Und wahrscheinlich war ihm die Geschichte äußerst peinlich. Deshalb sprach er, etwa zehn Minuten, zu drei sozialistisch eingestellten Journalisten, die ihn interviewten, von der Welt als bester aller Welten. Und die Armen müßten nichts entbehren, wenn es nur nicht so sehr viele wären. Die Reporter nickten auf und nieder. Und Gott brachte sie bis ans Portal. Und sie fragten: "Kommen Sie bald wieder?" Doch er sprach: "Es war das letzte MaL"
Junger Mann, 5 Uhr morgens
Die deutsche Einheitspartei
Wenn ich did1 früh verlasse, tret ich aus deinem Haus still auf die kahle, blasse, öde Straße hinaus.
Als die Extreme zusammenstießen, begriff Max Müller, wie nötig er sei. Und er gründete die Partei aller Menschen, die Müller hießen.
In dem Geäst sind Spatzen zänkisch beim ersten Lied. Drunter hocken zwei Katzen, hölzern vor Appetit.
Müller liebte alle Klassen. Politische Meinungen hatte er keine. Wichtig war ihm nur das eine: Sämtliche Müllers zusammenzufassen.
Wirst du noch lange weinen? Oder ob du schon schläfst? Wenn du doch endlich einen bessern Menschen träfst.
Seinem Aufruf entströmte Kraft. "Wir verteidigen", schrieb er entschieden, "Rück: und Fortschritt, Krieg und Frieden, Arbeitgeber und Arbeiterschaft.
In dem Laden, beim Bäcker, wird der Kuchen zu Stein. Wütend erwacht ein Wecker, brüllt und schläft wieder ein.
Freier Handel und Hochschutzzoll haben unsere Sympathie. Republik und Monarchie sind die Staatsform, die herrschen soll!"
Noch ist die große Pause zwischen der Nacht und dem Tag. Und ich geh nach Hause, weil ich mich nicht mag.
Alle Müllers traten ihm bei. Und die andern kamen in Haufen, ließen sich eiligst Müller taufen und verstärkten die neue Partei.
Noch brennt hinter deinen Fenstern etwas Licht. Wirst du noch lange weinen? Bald wird die Sonne scheinen. Aber sie scheint noch nicht.
Und sie wuchs, trotz vieler Brüller. Kurzerhand ging sie in Führung. In der nächsten Reichsregierung hießen /:ehn Minister Müller.
Diese Müllermehrheit wies alle aus, die anders hießen und sich nicht rasch taufen ließen. Bis ganz Deutschland Müller hieß!
Verdun, viele Jahre später Auf den Schlachtfeldern von Verdun finden die Toten keine Ruhe. Täglich dringen dort aus der Erde Helme und Schädel, Schenkel und Schuhe.
Von Memel bis zum Rande des Rheins feierten nun die Deutschen Versöhnung. Im alten Aachen gab's Kaiserkrönung. Und der Kaiser hieß: Müller Eins.
Über die Schlachtfelder von Verdun laufen mit Schaufeln bewaffnete Christen, kehren Rippen und Köpfe zusammen und verfrachten die Helden in Kisten.
Festlich krachten Kanonen und Böller. Doch das Glück war bald vorbei. Denn am Tag darauf kam Möller, und es entstand eine Gegenpartei.
Oben am Denkmal von Douaumont liegen zwölftausend Tote im Berge. Und in den Kisten warten achttausend Männer vergeblich auf passende Särge. Und die Bauern packt das Grauen. Gegen die Toten ist nichts zu erreichen. Auf den gestern gesäuberten Feldern liegen morgen zehn neue Leichen. Diese Gegend ist kein Garten und erst recht kein Garten Eden. Auf den Schlachtfeldern von Verdun stehn die Toten auf und reden. Zwischen Ähren und gelben Blumen, zwischen Unterholz und Farnen greifen Hände aus dem Boden, um die Lebenden zu warnen. 13
Gedichte
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Auf den Schlachtfeldern von Verdun wachsen Leichen als Vermächtnis. Täglich sagt der Chor der Toten: "Habt ein besseres Gedächtnis!"
Das Herz im Spiegel Der Arzt notierte eine Zahl. Er war ein gründlicher Mann. Dann sprach er streng: "Ich durchleuchte Sie mal", und schleppte mich nebenan. Hier wurde ich zwischen kaltem Metall zum Foltern aufgestellt. Der Raum war finster wie ein Stall und außerhalb der Welt. Dann knisterte das Röntgenlicht. Der Leud1tschirm wurde heIL Und der Doktor sah mit ernstem Gesicht mir quer durchs Rippenfell. Der Leuchtschirm war seine Staffelei. Ich stand vor Ergriffenheit stramm. Er zeichnete eifrig und sagte, das sei mein Orthodiagramm. Dann brachte er ganz feierlich einen Spiegel und zeigte mir den und spraCt~: "In dem Spiegel können Sie sich Ihr Wurzelwerk ansehn." Ich sah, wobei er mir alles beschrieb, meine Anatomie bei Gebrauch. Ich sah mein Zwerchfell im Betrieb, und die atmenden Rippen aum.
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Und zwischen den Rippen schlug sonderbar ein schattenhaftes Gewächs. Das war mein Herz! Es glich aufs Haar einem zuckenden Tintenklecks. Ich muß gestehn, ich war verstört. Ich stand zu Stein erstarrt. Das war mein Herz, das dir gehört, geliebte Hildegard? Laß uns vergessen, was geschah, und mich ins Kloster gehn. Wer nie sein Herz im Spiegel sah, der kann das nicht verstehn. Kind, das Vernünftigste wird sein, daß du mich rasch vergißt. Weil so ein Herz wie meines kein Geschenkartikel ist
Marschliedehen Ihr und die Dummheit zieht in Viererreihen in die Kasernen der Vergangenheit. Glaubt nicht, daß wir uns wundern, wenn ihr schreit. Denn was ihr denkt und tut, das ist zum Schreien. Ihr kommt daher und laßt die Seele kochen. Die Seele kocht, und die Vernunft erfriert. Ihr liebt das Leben erst, wenn ihr marschiert, weil dann gesungen wird und nicht gesprochen. Marschiert vor Prinzen, die erschüttert weinen: Ihr findet doch nur als Parade statt! Es heißt ja: Was man nicht im Kopfe hat, hat man gerechterweise in den Beinen. Ihr liebt den Haß und wollt die Welt dran messen. Ihr werft dem Tier im Menschen Futter hin, damit es wächst, das Tier tief in euch drin! Das Tier im Menschen soll den Menschen fressen. Ihr möchtet auf den Trümmern Rüben bauen und Kirchen und Kasernen wie noch nie. Ihr sehnt euch heim zur alten Dynastie und möchtet Fideikommißbrot kauen, Ihr wollt die Uhrenzeiger rückwärts drehen und glaubt, das ändere der Zeiten Lauf. Dreht an der Uhr! Die Zeit hält niemand auf! Nur eure Uhr wird nicht mehr richtiggehen. 197
Wie ihr' s euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen. Denn ihr seid dumm, und seid nicht auserwählt. Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt: Mit diesen Leuten war kein Staat zu m3.chen!
NACHLESE AUS DER "WELTBÜHNE"
Was das Volk begehrt Da steht nun das deutsche Volk und erfährt an den Anschlagsäulen, was es begehrt. Da stehen die Hauptunterstützungsempfänger, die Kinder, die nachts auf der Erde liegen, die Lungenkranken, die Drehorgelsänger, die Dienstmädchen, die am Ersten fliegen, die Wohnungslosen, die langen Bräute, die Frauen, die sich im Dunkeln versteigern, die Kleinrentner und noch andere Leute, die unfreiwillig die Nahrung verweigern, die Lumpensammler, die Krüppelverbände, die Reisenden mit sieben Mark Spesen, sie schreien und klatschen in sämtliche Hände bzw. in ihre Prothesen: "Wir begehren keine Dreizimmerwohnung. Wir begehren weder Trinken noch Essen. Wir begehren keine besondre Entlohnung. Wir wollen weiter Kartoffeln fressen! Wir begehren keine sozialen Gesetze. Wir begehren nichts an Ideen und Entwürfen. Wir begehren keine Kinderspielplätze. Wir bitten, zugrunde gehen zu dürfen!
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Wir begehren keine Raiffeisenprozesse. Wir begehren kein Glück und kein Pflaumenkompott. Wir begehren, in Hugenbergs Interesse, Deutschlands Bankrott! n Der liebe Gott (falls er existiert) ist hoffentlich nicht bei Scherl abonniert.
Brief an den Weihnachtsmann Lieber, guter Weihnachtsmann, weißt du nicht, wie's um uns steht? Schau dir mal den Globus an. Da hat einer dran gedreht. Alle stehn herum und klagen. Alle blicken traurig drein. Wer es war, ist schwer zu sagen. Keiner will' s gewesen sein. In den Straßen knallen Schüsse. Irgendwer hat uns verhext. Laß den Christbaum und die Nüsse diesmal, wo der Pfeffer wächst. Auch um Lichter wär es schade. Hat man es dir nicht erzählt? Und bring keine Schokolade, weil uns ganz was andres fehlt. Uns ist gar nicht wohl zumute. Kommen sollst du, aber bloß mit dem Stock und mit der Rute. (Und nimm beide ziemlich groß.) Breite deine goldnen Flügel aus und komm zu uns herab. Dann verteile deine Prügel. Aber, bitte, nicht zu knapp.
202 203
Lege die Industriellen kurz entschlossen übers Knie. Und wenn sie sich harmlos stellen, glaube mir, so lügen sie. Ziehe denen, die regieren, bitte schön, die Hosen stramm. Wenn sie heulen und sich zieren, zeige ihnen ihr Programm. Und nach München lenk die Schritte, wo der Hi tIer wohnen soll. Hau dem Guten, bitte, bitte, den Germanenhintern voll! Komm und zeige dich erbötig, und verhau sie, daß es raucht! Denn sie haben' s bitter nötig. Und sie hätten's längst gebraucht. Komm, erlös uns von der Plage, weil ein Mensch das gar nicht kann. Ach, das wären Feiertage, lieber, guter Weihnachtsmann!
1930
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Das Lied vom Kleinen Mann Hoch klingt das Lied vom Kleinen Mann! Es klingt, so hoch ein lied nur kann, hoch über seinem Buckel. Es braust ein Ruf wie Donnerhall: Den Kleinen Mann gibt's überall, von Köln bis Posemuekel ! Der Kleine Mann, das ist ein Mann, mit dem man alles machen kann. Er schwärmt für milde Gaben und ruft bei jedem Fehlbetrag: Der Reichstag ist der schönste Tag, " den wir auf Erden haben!" Er stört nicht gern. Er wird regiert und so vom andern angeschmiert, daß der sich selber wundert. Und wenn wer seine Peitsche zückt, dann ruft der Kleine Mann gebückt: Nicht fünfzig, sondern hundert!" " Er steht auf Lillen vieren stramm, beladen mit dem Notprogramm, und wartet auf den Schinder. Er schleppt und darbt und nennt es Pflicht, denkt nicht an sich und denkt auch nicht einmal an seine Kinder!
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Er ist so klein. Sein Herz ist rein. Und eine Suppe brockt er ein, die muß die Nachwelt essen. Hoch klingt das Lied vom Kleinen Mann. Und wer sein Sohn ist, hör sich's an und mög es nicht vergessen!
Aus der Deutschen Chronik Anno 1931 war die deutsche filmzensur sehr fleißig, und die Leinewand kam ins Gedränge. Deshalb schickte man dem Zensor Seeger einen gut erhaltenen Bettvorleger, daß er den als Vollbart um sich hänge. Weil auch dieser kleine Scherz nichts nützte und Herr Wirth den Zensor unterstützte, sah man sich nach andern Mitteln um.' Die Zensur begann sich zu erregen, daß im Film die Hühner Eier legen, ganz egal, ob tönend oder stumm. Die Zensur verbot gefilmte Küsse, weil das höchst verrohend wirken müsse. Sie verbot im Film den Tanz zu zweit. Sie verbot photographierte Betten und daß Frauen Frauenbeine hätten. Schließlich sprach das Volk: "Das geht zu weit./I Und das Volk beschloß, sich selbst zu wehren und dem Staat kein Kind mehr zu gebären. Ein Jahr später war der Jammer groß. Die Statistik kam nicht von der Stelle. Und Herr Wirth sprach auf der Deutschen Welle: W " as , zum Donnerwetter, ist denn los?/I
2.06 2.°7
Die Dame schreibt der Dame
Tags darauf ging folgende Erklärung (zu der unterbliebnen Volksverrnehrung) der Regierung zu. Man las und sah: "Stord1 hat sich dies Jahr nicht blicken lassen. Unterzeichneter kann's auch nicht fassen. Gruß an Seeger. Deutsches Volk GmbH."
Du hast es gut. Du steckst in Cannes. Hier in Berlin sieht's böse aus. Wir müssen sparen, sagt mein Mann, und essen abends meist zu Haus. Mir scheint, es ist nicht ganz geheuer. Erst gestern sprach er sorgenvoll, das Auto würde ihm zu teuer. Da wurde mir' s denn doch zu toll! Ich hab geweint. Ich hab geschrien. Max sprach in einem fort von Geld. Im Bett hab ich ihm dann verziehn. Er schwur, daß er den Horch behält. Du steckst in Cannes. Du hast es gut. Hier ist nun Herbst. Das Laub wird welk. Max sagt bei allem, was sich tut: "Mein Geld!" Es knistert im Gebälk. Es steht zum Beispiel nicht mal fest, ob das Programm der Winterbälle sich regulär abwickeln läßt! (Ich habe das aus sichrer Quelle.) Ein Kleid brauch ich auf jeden Fall, ob Max nun Geld hat oder nicht. Wir gehn ja doch zum Presseball, falls nicht Revolution ausbricht.
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'4 Gedidlte
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Poesie rer. pol.
Ich denk an grün. Und zwar Chiffon. Es wäre wirklich unerhört, wenn man uns diesmal die Saison durch Streiks und Straßenkämpfe stört I
Subventionen
Vielleich t fängt' s erst im Frühjahr an? Es steht sehr schlecht! Doch was weißt Du! Du hast es gut. Du steckst in Cannes. Und ich nehm, trotz der Sorgen, zu.
Subventionen sind die Summen, ohne die wir prompt verkümmern. Das Geschenk kommt von den Dummen und das Geld von noch viel Dümmern.
19.3 1
Löhne Unerhörte Geldbeträge braucht man für die Arbeitskräfte. Lohn ist nichts als Armenpflege und verdirbt bloß die Geschäfte.
Kredite Die Reichsbank jagt ins Ausland Briefe: "Borgt Geld, weil sonst der Staat zerbrichtl" Das ist die Subalternative, und etwas Drittes gibt es nicht.
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Goldwährung Das Gold, das liegt im Keller, woselbst es Noten deckt. Ihr jammert, ohne Heller, vor eurem leeren Teller. Das Gold, das liegt im Keller. Hauptsache, daß es schmeckt!
Gberproduktion Wir fabrizieren nur ins volle, und wer nichts kauft, läßt' s eben sein. Der Konsument spielt keine Rolle. Wir motten unsre Waren ein.
Kapitalflucht Der Staat drapiert sich als Bezwinger und flucht, weil unser Geld verschwand. Die Schweiz ist weit. So lange Finger hat keine öffentliche Hand.
Brief an ein Brachtexemplar Sehr verehrter Herr Doktor Bracht*, das haben Sie wieder mal brachtvoll gemacht! Leider ist Ihr Erlaß noch nicht scharf genug. Mein Weib und ich erfanden in schlaflosen Nächten einen wasserdichten Jackettanzug. Ja, wenn Sie diesen in allen Badeanstalten obligatorisch zur Anwendung brächten, wäre die Unzucht in Schranken zu halten! Lassen Sie uns die Atmosphäre reinigen! über den Preis werden wir uns schon einigen. Denken Sie ferner an unsre Parks und Museen, in denen nackte Leute aus Marmor stehen! Gratis bieten sie Vorder= und Hinterteil, noch dazu meist überlebensgroß, feil. Auch hier muß der Staat einen Ausweg finden! Mein Weib und ich haben dran gedacht, nächstens eine Firma zu gründen, die für Deutschlands Plastiken Kleider und Anzüge macht. Der Staat gewährt, wie Sie wissen, so oft Subventionen. In unserm Fall würde sich's endlich mal lohnen.
* Minister Bracht wurde durch seinen "Zwickel-ErlaßH populär. Der Zwickel, laut Duden ein "keilförmiger Stoffeinsatz H, sollte, in den deutschen Badeanstalten, die besonders sündige Körper. partie doppelt bedecken.
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Ich habe mir übrigens vorgenommen, am Donners tag zu Ihnen zu kommen. Mein Weib und ich sind. in stillen Stunden sehr Heißig und haben so mancherlei zum Teil entdeckt, zum Teil erfunden. Und deshalb komm ich bei Ihnen vorbei. Denn ich und Sie, die Kleinen und Großen, wurden vom Himmel auserwählt, die Nacktheit aus dem Anzug zu stoßen. Das Ziel ist klar, nur das Geld, das fehlt. Mit Ihrer Hilfe könnte da viel geschehn. Am Donnerstag also auf Wiedersehn !
Dummheit zu pferde In Dresden haben, Gott sei's geklagt, die deutschen Kavalleristen getagt. Sie haben getagt. Sie haben genächtigt. Sie taten sehr existenzberechtigt. Sie trabten in Horden, sie trabten in Herden, mit klappernden Orden, auf klappernden Pferden. In Anwesenheit eines Feldmarschalles sangen sie: "Deutschland über alles." , Die pferde hielten vorzüglich Schritt und sangen vor lauter Begeisterung mit.
P. S.
Idl hätte den Brief fast nicht abgesandt. Wissen Sie, was mir dann Mut gemacht hat? Eine Tante von mir hat den Storch persönlidl gekannt der Sie zu Brachts gebracht hat.
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Es glühten, im Widerschein solcher Späße, die abgehärtetsten Reitergesäße. Man sah gepanzerte Kürassiere, gemeine Leute und hohe Tiere und blaue Ulanen mit wehenden Fahnen und rote Husaren mit langen Fanfaren, und an läßlich dieses Maskenballes sangen sie: "Deutschland über alles." Die Esel dachten auf ihren Pferden: Durchs Rei ten wird es schon besser werden.
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Sie strahlten und ritten, die Beine breit, retour in die deutsche Vergangenheit. Sie blähten, ganz wie die Gäule, die Nüstern und überhörten den Wind und sein Flüstern: "Heute Spaß, morgen Gas, übermorgen Würmerfraß!" Stolz zogen sie über Stock und Stein, ein reitender Männergesangverein. Ein Nervenarzt, schon ziemlich alt, sprach: "Marsch mit den Kerls in die Irrenanstalt!"
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Die scheintote Prinzessin Ein Couplet·
Ich heiß Doornröschen, und ich bin die allerlängste Schläferin bei Tage und bei Nacht. Sie wissen, daß ich viele Jahr ununterbrochen scheintot war. Doch nun bin ich erwacht! Was gibt's da groß zu reden, wie das gekommen ist? Es kam ein Prinz aus Schweden - und der hat mich wachgeküßt. Er gab mir einen Kuß. Da war's mit Schlafen Schluß. In Coburg wurden wir getraut. Ich war die Braut und sang sehr laut: "Ich hab geschlafen viele Jahr und mag nicht schlafen mehr. Und , es muß wieder werden, wie es früher war, weil's sonst nicht wie früher wär." Das war ein Fest für groß und klein. Und alle fingen an zu schrein, als sei es ihre Sache. Sie schrien: "Deutschland erwache!" Und schliefen drüber ein.
* Damals, in Coburg, glaubte die monarchistische Idee, Hit/er wolle sie heiraten. Aber er ließ die dumme Braut sitzen. 217
Das war ein Fest für groß und klein. Man hob den Arm und hob das Bein und brüllte "Hoch!" und "Heil!". Die Armut stand in Reih und Glied und wünschte Guten Appetit anstatt das Gegenteil. Aus sämtlichen Provinzen des Reichs erschienen sie und brachen vor dem Prinzen -- samt und sonders in die Knie. Ihr woll t euch nich t befreien. Lakaien sind Lakaien. Ihr schlaft mit der Vergangenheit! Und alles schweigt. Und keiner schreit: ,,Ihr habt geschlafen viele Jahr und sollt nicht schlafen mehr. Und es darf niemals werden, wie es früher war, weil es sonst wie früher wär!" Ihr seid Lakain. Ihr bleibt Lakain. Ihr seid es. Und ihr wollt es sein. Es ist nicht eure Sache, zu schrein: "Deutschland erwache!" Wenn ihr ruft, schläft es ein!
1933
NACHLESE
Große Zeiten Die Zeit ist viel zu groß, so groß ist sie. Sie wächst zu rasch. Es wird ihr schlecht bekommen. Man nimmt ihr täglich Maß und denkt beklommen: So groß wie heute war die Zeit noch nie. Sie wuchs. Sie wächst. Schon geht sie aus den Fugen. Was tut der Mensch dagegen? Er ist gut. Rings in den Wasserköpfen steigt die Flut. Und Ebbe wird es im Gehirn der Klugen. Der Optimistfink schlägt im Blätterwald. Die guten Leute, die ihm Futter gaben, sind glücklich, daß sie einen Vogel haben. Der Zukunft werden sacht die Füße kalt. Wer warnen will, den straft man mit Verachtung. Die Dummheit wurde zur Epidemie. So groß wie heute war die Zeit noch nie. Ein Volk versinkt in geistiger Umnachtung.
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Neues vom Tage Da hilft kein Zorn. Da hilft kein Spott. Da hilft kein Weinen, hilft kein Beten. Die Nachricht stimmt! Der liebe Gott ist aus der Kirche ausgetreten.
Hotelsolo für eine Männerstimme Das ist mein Zimmer und ist doch nicht meines. Zwei Betten stehen Hand in Hand darin. Zwei Betten sind es. Doch ich brauch nur eines. Weil ich schon wieder mal alleine bin. Der Koffer gähnt. Auch mir ist müd zumute. Du fuhrst zu einem ziemlich andren Mann. Ich kenn ihn gut. Ich wünsch dir alles Gute. Und wünsche fast, du kämest niemals an. Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen! (Nicht meinetwegen. Ich bin gern allein.) Und doch: Wenn Frauen Fehler machen wollen, dann soll man ihnen nicht im Wege sein. Die Welt ist groß. Du wirst dich drin verlaufen. Wenn du dich nur nicht allzu weit verirrst. " Ich aber werd mich heute nacht besaufen und bißd1en beten, daß du glücklich wirst.
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Die Fabel von Schnabels Gabel Kannten Sie Christian Leberecht Schnabel? Ich habe ihn gekannt. Vor seiner Zeit gab es die vierzinkige, die dreizinkige und auch schon die zweizinkige Gabel. Dod1 jener Christian Leberecht Schnabel, das war der Mann, der in schlaflosen Nächten die einzinkige Gabel entdeckte bzw. erfand. Das Einfachste ist immer das Schwerste. Die einzinkige Gabel lag seit Jahrhunderten auf der Hand. Aber Christian Leherecht Schnabel war ehen der erste, der die einzinkige Gabel erfand!
Sie entbehrten als Teil des Bestecks jeden praktischen Zwecks, und man könne, sagte man Schnabeln, mit seiner Gabel nicht gabeln. Die Menschen glaubten tatsächlich, daß Schnabel etwas Konkretes bezweckte, als er die einzinkige Gabel erfand bzw. entdeckte! Ha! Ihm ging es um nichts Reelles. (Und deshalb ging es ihm schlecht.) Ihm ging es um Prinzipielles! Und insofern hatte Schnabel mit der von ihm erfundenen Gabel natürlich recht.
Die Mensd1cn sind wie die Kinder. Christian Leberecht Schnabel teilte mit seiner Gabel das Schicksal aller Entdecker bzw. Erfinder. Einzinkige Gabeln, wurde Schnabeln erklärt, seien nichts wert.
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15 Gedichte
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Modernes Märchen
Berlin in Zahlen
Sie waren so sehr ineinander verliebt, wie es das nur noch in Büchern gibt. Sie hatte kein Geld. Und er hatte keins. Da machten sie Hod1zeit und lachten sid1 eins.
Laßt uns Berlin statistisch erfassen 1 Berlin ist eine ausführliche Stadt, die 190 Krankenkassen und 916 ha Friedhöfe hat.
Er war ohne Amt. So blieben sie arm. Und speisten zweimal in der Woche warm. Er nannte sie trotzdem: "Mein Schmetterling." Sie sd1enkte ihm Kinder, sooft es nur ging.
53000 Berliner sterben im Jahr, und nur 43000 kommen zur Welt. Die Differenz bringt der Stadt aber keine Gefahr, weil sie 60000 Berliner durd1 Zuzug erhält. Hurra!
Sie wohnten möbliert und waren nie krank. Die Kinder sd1liefen im Kleidersd1rank. Zu Weihnachten malten sie kurzerhand Gesd1enke mit Buntstiften an die Wand. Und aßen Brot, als wär' s Konfekt, und spielten: wie Gänsebraten schmeckt. Dergleichen stärkt wohl die Phantasie. Drum wurde der Mann, blitzblatz! ein Genie. Schrieb schöne Romane. Verdiente viel Geld und wurde der reichste Mann auf der Welt. Erst waren sie stolz. Doch dann tat's ihnen leid, denn der Reid1tum schadet der Heiterkeit. Sie sd1enkten das Geld einem Waisenkind. Und wenn sie nid1t gestorben sind ...
Berlin besitzt ziemlich 900 Brücken und verbraucht an Fleisch 303 000000 Kilogramm. Berlin hat pro Jahr rund 40 Morde, die glücken. Und seine breiteste Straße heißt Kurfürstendamm. Berlin hat jährlid127 600 Unfälle. Und 57600 Bewohner verlassen Kirche und Glauben. Berlin hat 606 Konkurse, reelle und unreelle, und 700000 Hühner, Gänse und Tauben. Halleluja! Berlin hat 20100 Schanb und Gaststätten, 6300 Ärzte und 8400 Damenschneider und 117000 Familien, die gern eine Wohnung hätten. Aber sie haben keine. Leider.
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Ob sich das Lesen solcher Zahlen auch lohnt? Oder ob sie nicht aufschlußreich sind und nur scheinen? Berlin wird von 4Yz 000 000 Menschen bewohnt und nur, laut Statistik, VOn)2 600 Schweinen. Wie meinen?
1930
Der Streichholzjunge Streichhölzer! Kaufen Sie Streichhölzer! Drei Schachteln zwanzig! Sie lachen, statt was zu kaufen. Oder sie sind entrüstet und knurren, während sie weiterlaufen. Wenn ihr nur wüßtet ... Streichhölzer! Kaufen Sie Streichhölzer! Drei Schachteln zwanzig! Vater kriegt zehn Mark Unterstützung und Mutter ein kleines Gesicht. Wir haben ein Zimmer mit Küchenbenützung. Aber wir benützen die Küche gar nicht. Gestern trank Vater paar Flaschen Bier. Mutter hat nicht mittrinken gemocht. Vater sang: "Ein freies Leben führen wir!" Und dann hat er das Fenster zerpocht. Streichhölzer! Kaufen Sie Streichhölzer! Drei Schachteln zwanzig! Mein Pappkarton wird nicht leer. Den Aufsatz muß ich noch machen. Wenn ich bloß nicht so müde wär. Kaufen Sie Streichhölzer, statt zu lachen!
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Mit braunen und schwarzen Schnürsenkeln verdient man natürlich mehr. Doch da brauchte ich erst mal drei Mark. Und wo nehm ich die her? Streichhölzer! Braune und schwarze Streichhölzer! Drei Paar zwanzig ...
Hinweis auf die Hände einer Waschfrau Es gibt berühmtere Hände, und schönere gibt' s auch. Die Hände, die Sie hier sehen, sind für den Hausgebrauch. Sie kennen nicht Lack noch Feile. Sie spielten noch nie Klavier. Sie sind nicht zum Vergnügen, sondern zum Waschen hier. Sie waschen nicht nur einander, sie waschen mit großem Fleiß die Wäsche, die andere trugen, mühselig wieder weiß. Sie duften nicht nach Lavendel, sondern nach Lauge und Chlor. Sie wringen und rumpeln und schuften und fürchten sich nicht davor. Sie wurden rot und rissig. Sie wurden fühllos und rauh. Und wenn sie jemanden streicheln, streicheln sie ungenau. Es gibt berühmtere Hände, und schönere gibt's auch. Die Hände, die Sie hier sehen, sind nur für den Hausgebrauch.
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Stehgeigers Leiden Ach, wie gern läg ich in meinem Bette! Nacht für Nacht schläft Hildegard allein. Wenn mein Fiedelbogen Zähne hätte, sägte ich die Geige kurz und klein.
Und die Gäste und der Wirt und Krause werden schweigen, bis ich draußen bin. Und dann seh ich: Sie ist nicht zu Hause! Und wo gehe ich dann hin?
Keinen Abend weiß ich, was sie treibt. Jeden Abend steh ich hier und spiele. Ob sie, wie sie sagt, zu Hause bleibt? Schlechte Frauen gibt es ziemlich viele. Gräßlich haut der Krause aufs Klavier. Wie sie staunten, wenn ich plötzlich ginge! Keine Angst, Herr Wirt, ich bleibe hier, geige mir den Buckel schief und singe: "Die deutschen Mädchen sind die schönsten. Hipp, hipp, hurra, hipp, hipp, hurra! Denn bei den blonden deutschen Mädchen ist alles da, ist alles da!" Ich trau ihr nicht. Sie lügt. Ich habe Proben. Ach, wenn sie lügt, sieht sie so ehrlich aus. Wie im Gefängnis stehe ich hier oben. Ich muß verdienen und darf nicht nach Haus. Eines Tages pack ich meine Geige, denn sie ist mein einziges Gepäck. Krause spielt Klavier. Ich aber steige schnell vom Podium und laufe weg.
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Der eingeseifte Barbier
Friseure müssen, wenn sie seifen, reden. Auch mein Friseur, mit Namen Guido Stich. Er übertrifft bestimmt im Reden jeden. Und er verwechselt dauernd mir und mich.
Er ist mobil. Die Messer sind geschliffen. Nur eins versteht er nicht, der liebe Kerl: Sich selbst barbieren, hat er nie begriffen! (Und eingeseift wird er von August Scherl.)
Simplizissimus 1932
Er spricht, als wäre er dabeigewesen. Er weiß genau, wenn eine Meldung lügt. Die Kunden müssen keine Zeitung lesen. Sie haben ja den Stich. Und das genügt. Indes er das Rasiergeschäft erledigt, bedient er, ob sie wollen oder nicht, die eingeseiften Herrn mit seiner Predigt. Er kann nur schaben, wenn er dazu spricht. Die Weltgeschichte und den Lauf der Zeiten macht er bekannt. Und auch den neusten Mord. Wenn gute Reden, sagt er, sie begleiten, dann fließt die Arbeit, sagt er, munter fort. Der Deutsd1e, sagt er, wäre schwer zu reizen. Doch wenn, dann würde er zum wilden Tier. Es würde ganz wie :18:13. Er mache wieder mit. Als Stabsbarbier. Wir müßten, 5agt er, Deutschland niederbrennen, und ganz zugrunde gehen müßten wir. Damit wir uns auf unsern Stolz besännen. Er mache wieder mit. Als Stabsbarbier. 234
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Ganz rechts zu singen Stoßt auf mit hellem hohem Klang! Nun kommt das Dritte Reich! Ein Prosit unserm Stimmenfang! Das war der erste Streich! Der Wind schlug um. Nun pfeift ein Wind von griechisch=nordischer Prägung. Bei Wotans Donner, jetzt beginnt die Dummheit als Volksbewegung. Wir haben das Herz auf dem rechten Fleck, weil sie uns sonst nichts ließen. Die Köpfe haben ja doch keinen Zweck. Damit kann der Deutsche nicht schießen. Kein schönrer Tod ist auf der Welt als gleich millionenweise. Die Industrie gibt uns neues Geld und Waffen zum Selbstkostenpreise. Wir brauchen kein Brot, und nur eins ist not: Die nationale Ehre! Wir brauchen mal wieder den Heldentod und schwere Maschinengewehre.
Und deshalb müssen die Juden raus! Sie müssen hinaus in die Feme. Wir wollen nicht sterben fürs Ullsteinhaus, aber für Kirdorf* sehr gerne. Die Deutsche Welle, die wächst heran als wie ein Eichenbaum. Und Hitler ist der richtige Mann. Der schlägt auf der Welle den Schaum. Der Reichstag ist ein Schweinestall, wo sich kein Schwein auskennt. Es braust ein Ruf wie Donnerhall: Kreuzhimmelparlament ! Wir brauchen eine Diktatur viel eher als einen Staat. Die deutschen Männer kapieren nur, wenn überhaupt, nach Diktat. Ihr Mannen, wie man es auch dreht, wir brauchen zunächst einen Putsch! Und falls Deutschland daran zugrunde geht, juvivallera, juvivallera., dann ist es eben futsch.
• Geheimrat Kirdorf war, als Exponent der Schwerindustrie, einer der Finanziers Adolf Hit/ers.
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Frühling auf Vorschuß Im Grünen ist's noch gar nicht grün. Das Gras steht ungekämmt im Wald, als sei es tausend Jahre alt. Hier also, denkt man, sollen bald die Glockenblumen blühn? Die Blätter sind im Dienst ergraut und rascheln dort und rascheln hier, als raschle Butterbrotpapier. Der Wind spielt überm Wald Klavier, mal leise und mal laut. Doch wer das Leben kennt, der kennt's. Und sicher wird's in diesem Jahr so, wie's in andern Jahren war. Im Walde sitzt ein Ehepaar und wartet auf den Lenz. Man soll die beiden drum nicht schelten. Sie lieben eben die Natur und sitzen gern in Wald und Flur. Man kann's ganz gut verstehen, nur: sie werden sich erkälten!
Nasser November Ziehen Sie die ältesten Schuhe an, die in Ihrem Schrank vergessen stehn! Denn Sie sollten wirklich dann und wann auch bei Regen durch die Straßen gehn. Sicher werden Sie ein bißchen frieren, und die Straßen werden trostlos sein. Doch trotz allem: gehn Sie nur spazieren! Und, wenn's irgend möglich ist, allein. Müde fällt der Regen durch die Äste. Und das pflaster glänzt wie blauer Stahl. Und der Regen rupft die Blätterreste. Und die Bäume werden alt und kahl. Abends tropfen hunderttausend Lichter zischend auf den glitschigen Asphalt. Und die Pfützen haben fast Gesichter. Und die Regenschirme sind ein Wald. Ist es nicht, als stiegen Sie durch Träume? Und Sie gehn doch nur durch eine Stadt! Und der Herbst rennt torkelnd gegen Bäume. Und im Wipfel schwankt das letzte Blatt. Geben Sie ja auf die Autos acht. Gehn Sie, bitte, falls Sie friert, nach Haus! Sonst wird noch ein Schnupfen heimgebracht. Und - ziehn Sie sofort die Schuhe aus 1 2.39
Das Mandelbäumchen
Die dritte von rechts
Ich bin noch klein und hab erst zwölf Blütchen. Auf meinem Schildchen steht "Prunus trilosa". Ich bin nicht so groß wie die gelben Forsythien. Dafür bin ich rosa.
Stillg'standen! Rührt euch! Na ja, so ging'sl Euch Tulpen werd ich schon kriegen! Die dritte von rechts steht viel zu weit links! Ihr blüht doch hier nicht zum Vergnügen!
Ich bin noch klein und ganz ohne Füßchen. Und wüßte so gern, wie das Tanzen tut! Überbringen Sie, bitte, die schönsten Grüßchen den Gänseblümchen und den Radieschen! Und es ginge mir gut.
Stillg'standen! Mal herhören! Was ich euch jetzt erzähle, ist keine Phrase: Wer morgen nicht strammsteht, wird strafversetzt: Marsch in die blaue Vase!
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Gedühte
Die Fuchsien Wir tanzen Ballett, daß die Röckchen fliegen, die weißen und rosa Röckchen aus Tüll. Der Wind dirigiert, und wir schmiegen und wiegen und biegen uns, wie der Kapellmeister will. Wir tanzen auf Spitze. Wir drehn Pirouetten. Wir bewegen uns unbewegten Gesichts wie Ballerinen aus alten Balletten. Von modernen Tänzen halten wir nichts.
Im Auto über Land An besonders schönen Tagen ist der Himmel sozusagen wie aus blauem Porzellan. Und die Federwolken gleichen weißen, zart getuschten Zeichen, wie wir sie auf Schalen sahn. Alle Welt fühlt sich gehoben, blinzelt glücklich schräg nach oben und bewundert die Natur. Vater ruft, direkt verwegen: ,,'n Wetter, glatt zum Eierlegen!" (Na, er renommiert wohl nur.) Und er steuert ohne Fehler über Hügel und durch Täler. Tante Paula wird es schlecht. Doch die übrige Verwandtschaft blickt begeistert in die Landschaft. Und der Landschaft ist es recht. Um den Kopf weht eine Brise von besonnter Luft und Wiese, dividiert durch viel Benzin. Onkel Theobald berichtet, was er alles sieht und sichtet. Doch man sieht's auch ohne ihn.
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Den Gesang nach Kräften pflegend und sich rhythmisch fortbewegend strömt die Menschheit durchs Revier Immer rascher jagt der Wagen. Und wir hören Vatern sagen: "Dauernd Wald und nirgends Bier." Aber schließlich hilft sein Sud1en. Er kriegt Bier. Wir kriegen Kuchen. Und das Auto ruht sich aus. Tante smimpft auf die Gehälter. Und allmählich wird es kälter. Und dann fahren wir nach Haus
Kleine Stadt am Sonntagmorgen Das \AJ"etter ist recht gut geraten. Der Kird1turm träumt vom lieben Gott. Die Stadt riecht ganz und gar nach Braten und auch ein bißchen nach Kompott. Am Sonntag darf man lange schlafen. Die Gassen sind so gut wie leer. Zwei alte Tanten, die sim trafen, bestreiten rüstig den Verkehr. Sie führen wieder mal die alten Gespräme, denn das hält gesund. Die Fenster gähnen sanft und halten sim die Gardinen vor den Mund. Der neue Herr Provisor lauert auf sein gestärktes Oberhemd. Er flumt, weil es so lange dauert. Man merkt daran: Er ist hier fremd. Er will den Gottesdienst besud1en, denn das erheischt die Tradition. Die Stadt ist klein. Man soll nicht flumen. Pauline bringt das Hemd ja schon!
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Die Stunden machen kleine Schritte und heben ihre Füße kaum. Die Langeweile madu Visite. Die Tanten flüstern über Dritte. Und drüben, auf des Marktes Mitte, schnarcht leise der Kastanienbaum.
Die Wälder schweigen Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder. Man sieht es nicht. Man liest es nur im Blatt. Die Jahreszeiten strolchen durch die Felder. Man zählt die Tage. Und man zählt die Gelder. Man sehnt sich fort aus dem Geschrei der Stadt. Das Dächermeer schlägt ziegelrote Wellen. Die LuSt ist dick und wie aus grauem Tuch. Man träumt von Äckern und von Pferdeställen. Man träumt von grünen Teichen und Forellen. Und möchte in die Stille zu Besuch. Die Seele wird vom Pflastertreten krumm. Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden und tauscht bei ihnen seine Seele um. Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm. Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden. Man flieht aus den Büros und den Fabriken. Wohin, ist gleich! Die Erde ist ja rund! Dort, wo die Gräser wie Bekannte nicken und wo die Spinnen seidne Strümpfe stricken, wird man gesund.
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Tagebuch eines Herzkranken Der erste Doktor sagte: "Ihr Herz ist nach links erweitert. Der zweite Doktor klagte: "Ihr Herz ist nach rechts verbreitert." Der dritte machte ein ernstes Gesicht und sprach: "Herzerweiterung haben Sie nicht." Naja. 11
Was nun der zehnte Doktor spricht, das kann ich leider nicht sagen, denn bei dem zehnten, da war ich noch nicht. Ich werde ihn nächstens fragen. Neun Diagnosen sind vielleicht schlecht, aber die zehnte hat sicher recht. Naja.
Der vierte Doktor klagte: "Die Herzklappen sind auf dem Hund." Der fünfte Doktor sagte: "Die Klappen sind völlig gesund." Der sechste machte die Augen groß und sprach: "Sie leiden an Herzspitzenstoß." Na ja. Der siebente Doktor klagte: "Die Herzkonfigura tion is t mi tral. " Der achte Doktor sagte: "Ihr Röntgenbild ist durchaus normal." Der neunte Doktor staunte und sprach: ,,Ihr Herz geht dreiviertel Stunden nach./I Na ja.
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Hamlets Geist Gustav Renner war bestimmt die beste Kraft im Toggenburger Stadttheater. Alle kannten seine weiße Weste. Alle kannten ihn als Heldenvater. Alle lobten ihn, sogar die Kenner. Und die Damen fanden ihn sogar noch schlank. Schade war nur, daß sich Gustav Renner, wenn er Geld besaß, enorm betrank. Eines Abends, als man "Hamlet" gab, spielte er den Geist von Hamlets Vater. Ach, er kam betrunken aus dem Grab! Und was man nur Dummes tun kann, tat er. Hamlet war aufs äußerste bestürzt. Denn der Geist fiel gänzlich aus der Rolle. Und die Szene wurde abgekürzt. Renner fragte, was man von ihm wolle. Man versuchte hinter den Kulissen ihn von seinem Rausche zu befrein, legte ihn langhin und gab ihm Kissen. Und dabei schlief Gustav Renner ein. Die Kollegen spielten nun exakt, weil er schlief und sie nicht länger störte. Doch er kam! Und zwar im nächsten Akt, wo er absolut nicht hingehörte I
Seiner Gattin trat er auf den Fuß. Seinem Sohn zerbrach er das Florett. Und er tanzte mit Ophelia Blues. Und den König schmiß er ins Parkett. Alle zitterten und rissen aus. Doch dem Publikum war das egal. So etwas von donnerndem Applaus gab's in Toggenburg zum ersten Mal. Und die meisten Toggenburger fanden: Endlich hätten sie das Stück verstanden.
Spruch für die Silvesternacht Man soll das Jahr nicht mit Programmen beladen wie ein krankes Pferd. Wenn man es allzu sehr beschwert, bricht es zu guter Letzt zusammen. Je üppiger die Pläne blühen, um so verzwickter wird die Tat. Man nimmt sich vor, sich zu bemühen, und schließlich hat man den Salat! Es nützt nicht viel, sich rotzuschärnen. Es nützt nichts, und es schadet bloß, sich tausend Dinge vorzunehmen. Laßt das Programm I Und bessert euch drauflos!
KURZ UND BÜNDIG
Vorwort
Obwohl, dem Sprichwort entgegen, das Geld nicht auf der Straße liegt, gibt es Menschen, die' s finden. Sie kom~ men des Wegs, gucken in die Luft, bücken sich plötzlich und haben ein Geldstück in der Hand. Martial mit sei~ nen zwölfhundert Epigrammen war so ein Mann. Zwölf= hundert epigramm trächtige Einfälle fand er auf seiner Lebensstraße. Die schmutzigen Münzen rieb er blank. Den fahlen Goldstaub schmolz er ein. Die unscheinbaren Edelsteine schliff er zu Juwelen. Und noch die Quarz~ und Glimmerstücke traktierte er, bis man sie für Diamanten hielt. Er fand, auch wenn er nicht suchte. Im Einfall liegt das Geheimnis, in der Prägung steckt die Kunst des Epigramms, und viel mehr wäre über den Spruch, diese kürzeste Gedichtgattung, kaum zu sagen. Allenfalls noch, daß sie dem Inschriftenkult auf Denk: mälern ihr Entstehen verdankt und daß sie sich später, nicht zuletzt durch Martial, "vom Denkmal fort und zum Denkzettel hin" entwickelte, wie ein neuerer Kunstrichter die Wandlung vom Heroischen zum Satirischen bezeich= net hat. Schließlich ließe sich anmerken, daß jedes echte Epigramm, der Poetik gemäß, zwei Regeln erfüllen muß: Es soll "Erwartung" wecken und pointierend "Aufschluß" geben. So hat es Lessing formuliert, und er hat es noch den größesten Meistern schwer angekreidet, wenn und sooft sie das Gesetz übertreten hatten. Das war keine Beckmesserei. Dieses Gesetz ist keine Spitzfindigkeit der Philologen, sondern es wohnt dem Epigramm inne. Erwartung und Aufschluß? Ein beliebiges Beispiel mag die Doppelregel veranschaulichen, und zwar ein Vierzei~ ler, dessen Verfasser wohl kaum in den Verdacht geraten 255
wird, Scaligers, Boileaus, Batteux', Lessings und Herders Theorien über das Epigramm studiert zu haben. Der Vier= zeiler steht, in ungelenken Lettern, auf einem Tiroler Mar= terl und ist dem Andenken an einen tödlich venmglücb ten Holzknecht gewidmet. "Es ist nicht weit zur Ewigkeit", lautet die gewagte, Erwartung weckende Behauptung. Und die dem verweilenden Wanderer Aufschluß erteilen: den, wahrhaftig überraschenden Beweiszeilen: "Um acht ging Martin fort, um zehn Uhr war er dort." Von Meleager und Martial bis zu Martins Marterl - das Gesetz wird von allen respektiert, auch von denen, die es gar nicht kennen. Ausnahmen bestätigen auch auf diesem Gebiet die Regel.
sen "sinnreichsten Kleinigkeiten", wie Lessing sie genannt hat, an diesen "witzigsten Spielwerken" zu freuen, tat= sächlich dahin? Ist die künstlerische Lust, sich in äußer: ster Zucht, Prägnanz und Kürze auszudrücken, wirklich erloschen? Und das zu einer Zeit, da denen, die lesen, und denen, die schreiben, Zudu und Prägnanz nötiger wären denn je? Daß ein Sdliff eines Tages in seinen Hafen nicht zu= rückkehrt, ist schmerzlich, doch ein solcher Verlust gehört ins Kalkül. Was aber wäre von den Leuten daheim, in= sonderheit von den Schiffseignern, zu halten, die den Verlust überhaupt nicht bemerkten? Auf diese absurde Frage gibt es keine befriedigende Antwort. Wohl aber gibt es einen vortrefflichen Ausweg! Laßt uns den Ver= lust endlich erkennen, beklagen und wettmachen! Das Epigramm ist tot? Es lebe das Epigramm!
Die vorliegende Sammlung entstammt nicht nur dem verzeihlichen Wunsche, Epigramme aus zwei Jahrzehnten einmal zu bündeln. Es steckt eine zweite, eine bemerkens= wertere und grundsätzliche Absicht dahinter: Das kleine Buch will die Leser, wenn nicht gar die Schriftsteller, an eine Kunstform erinnern, die verschollen ist. Sein Zweck wäre erreicht, wenn es das Bedürfnis belebte, die alten Epigramme wieder zu lesen, und die Lust, neue zu schrei: ben. Im Schatzhaus unserer Literatur birgt das Gewölbe mit den Epigrammen, diesen kunstvoll geschnittenen Gemmen und vollendet geschliffenen Edelsteinen der Dich: tung, unschiitzbare Werte. Man darf sie besichtigen und besichtigt sie nicht. Sie sind wundervoll wie Miniaturen und werden nicht bewundert. Ist die Neigung, sich an die=
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17 Gedichte
Präzision Wer was zu sagen hat . hat keine Eile. Er läßt sich Zeit und sagt' s in einer Zeile.
Zum neuen Jahr "Wird's besser? Wird's schlimmer?" fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.
Kalenderspruch Vergiß in keinem Falle, auch dann nicht, wenn vieles mißlingt: Die Gesd1eiten werden nicht alle! (So unwahrscheinlich das klingt.)
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Eine Mutfrage Wer wagt es, sich den donnernden Zügen entgegenzustellen? Die kleinen Blumen zwischen den Eisenbahnschwellen !
Eine Spitzenleistung
Trotz allem Ein Elefant im Porzellangeschäfte nimmt sich trotz allem doch noch besser aus als eine alte Meißner Tasse im Elefantenhaus.
Eine Feststellung
oder L' education fatale
"Es war nicht leicht!" sagte die Uhr zu dem Interviewer. "Und ich hab es nur im zähen Kampf gegen meine Natur schließlich erreicht: Sie sehen in mir, wenn's beliebt, die schnellste Uhr, die es gibt!"
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Wir haben's schwer. Denn wir wissen nur ungefähr, woher, jedoch die Frommen wissen gar, wohin wir kommen! Wer glaubt, weiß mehr.
Für die Katz Wenn der Hufschmied den Gaul beschlägt, wenn sich der Truthahn im Traum bewegt, wenn die Mutter das Essen aufträgt, wenn der Großvater Brennholz sägt, wenn der Wind um die Ecke fegt, wenn sich im Schober das Liebespaar regt, wenn das Fräulein die Wäsche legt stets meint die Katze, man wollt mit ihr spielen! Wie der Katze geht's vielen.
Von Mord und Totschlag Denkt ans fünfte Gebot: Schlagt eure Zeit nicht tot!
Kleiner Rat für Damokles Schau prüfend deckenwärts! Die Nähe des möglichen Schadens liegt nicht in der Schärfe des Schwerts, vielmehr in der Dünne des Fadens.
Definition des Ruhms Aus dem Französischen
Über den Nachruhm oder
Worin besteht der Ruhm auf Erden, der die wenigen von den vielen trennt? Von lauter Leuten gekannt zu werden, die man selber gar nicht kennt.
Der Gordische Knoten
Den unlösbaren Knoten zu zersäbeln, gehörte zu dem Pensum Alexanders. Und wie hieß jener, der den Knoten knüpfte? Den kennt kein Mensch. (Dom sicher war es jemand anders.)
Das Verhängnis Das ist das Verhängnis: Zwischen Empfängnis und Leichenbegängnis nichts als Bedrängnis.
Der schöpferische Irrtum Irrtümer haben ihren Wert; jedoch nur hie und da. Nicht jeder, der nach Indien fährt, entdeckt Amerika.
Anonymer Grabstein
Folgenschwere Verwechslung Der Hinz und der Kunz sind rechte Toren: Lauschen offenen Munds, statt mit offenen Ohren!
In memoriam memoriae Die Erinnrung ist eine mysteriöse Macht und bildet die Menschen um. Wer das, was schön war, vergißt, wird böse. Wer das, was schlimm war, vergißt, wird dumm.
Mitleid und Perspektive oder
Obwohl man seine Taten staunend pries, ist diese Inschrift keine Huldigung, und wir verschweigen gnädig, wie er hieß. Denn für das alles, was er unterließ, gibt's keinerlei Entschuldigung.
Die Ansichten eines Baumes
Hier, wo ich stehe, sind wir Bäume, die Straße und die Zwischenräume so unvergleichlich groß und breit. Mein Gott, mir tun die kleinen Bäume am Ende der Allee entsetzlich leid!
Damentoast im Obstgarten Casanova sprach lächelnd zu seinen Gästen: "Mit den Frauen ist es, ich hoffe, ihr wißt es, wie mit den Äpfeln rings an den Ästen. Die schönsten schmecken nicht immer am besten."
Conditio sine qua non Seufzend schreibt ihr der Poet: "Bist Du heute guter Dinge? Wenn ich wüßte, wie's Dir ginge, wüßte ich, wie mir es geht."
Die unzufriedene Straßenbahn Bescheidene Frage Ist der Mensch nicht eine Plage? Und erst recht, wenn man ihn liebt? Gott, verzeih mir diese Frage I Tu' s auch, wenn es Dich nicht gibt.
Sie haßte die gewohnte Strecke, sprang aus dem Schienenstrang heraus und wollte endlich einmal gradeaus, statt um die Ecke. Ein Unglück gab's. Und keine Reise. Erinnert euch, bis ihr es wißt: Wenn man als Straßenbahn geboren ist dann braucht man Gleise.
Moral Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es.
Der letzte Anzug Aus den "Lehrsätzen des armen Mannes N
Janusköpfe oder
Der Unterschied zwischen Seltenheit und Rarität Sie mögen noch so viele Worte verschwenden, ja, wenn sie die seltsamsten Mittel erfändenmein Anzug läßt sich nur einmal wenden.
Wer sich für einen Janus hält oder für sonst eins unter den seltnen Geschöpfen, täuscht meist die andern, irrt meist sich selber. Es gibt auch Kälber mit zwei Köpfen.
Ober Anthropophagie und Bildungshunger Was weiß man schon über Menschenfresser? Fressen sie Mensch, wie sich's gehört, mit Gabel und Messer? Schmeckt ihnen ein dicker, asthmatisch gewesener Bäcker besser als ein dünner, schmalfingriger König?
Die Spiegelfechter Manches kann euch nie gehören, weil es Edleren gehört. Und ihr zieht das Schwert und schwört, deren Habe zu zerstören.
Man weiß so wenig ... Gott hat Glück. Ihr übertreibt. Fechtet wild und immer wilder -ihr zerbrecht nur Spiegelbilder! Was gespiegelt wurde, bleibt .
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Trost Stirb nicht im Grimm! Sage dir immer: Zu früh sterben ist schlimm zu spät geboren werden ist schlimmer.
Die Grenzen des Millionärs
Konstella tionen Er wußte stets von Glück zu sagen. Sogar als er sein Bein verlor. Ihn überfuhr ein Krankenwagen an einem offnen Friedhofstor.
Inschrift an einer Kirchhofstür
Aus den "Lehrsätzen des armen Mannes"
Er könnt aus purer Lust am Prassen sich goldne Beefsteaks braten lassen! Jedodl er sollt eins nicht vergessen: Beefsteaks aus Gold kann man nicht essen.
Wer diesem kleinen Schild Beachtung schenkt, der möge auch das Folgende beachten: Hier liegen viele, die nicht daran dachten, daß man viel früher hier liegt, als man denkt.
Es läuten die Glocken
Zusammenhänge Der eine möchte nicht sehen, was der andre nicht sieht. Alles könnte geschehen. Aber nur manches geschieht.
Wenn im Turm die Glocken läuten, kann das viererlei bedeuten. Erstens: daß ein Festtag ist. Dann: daß du geboren bist. Drittens: daß dich jemand liebt. Viertens: daß dich'g nicht mehr gibt. Kurz und gut, das Glockenläuten hat nur wenig zu bedeuten.
Grabrede für einen Idealisten
Ernster Herr im Frühling
Bevor man stirbt, hat man gelebt. Der Mann nun, den man hier begräbt, lebte hömst sonderbar.
Als wär er ein dickes Kind, tal patscht der Frühlingswind mit Grübchenfingern in dein Gesicht! Er strampelt vor Übermut! Er zupft dich kichernd am Hut!
Er litt aus Mitleid, wenn er litt, und stritt für andre, wenn er stritt, auf eigene Gefahr.
Du aber magst kleine Kinder nicht.
Und hatte, trauernde Gemeinde, ganz einfach deshalb lauter Feinde, weil er ein Freund der Menschen war.
Herbstliche Anekdote Als der Alte von einem Begräbnis kam, blieb er am Tor des Friedhofs stehen und sagte zögernd zu seinem Sohn: "Eigentlich lohnt sich's für mich gar nicht, erst wieder nach Hause zu gehen .. . /1
sich selbst zum 40. Geburtstag Du weißt, mein Bester, daß ich nichts beschönige. Deshalb vergiß nicht, was man sehr leicht vergißt: Doppelt so alt wie du heute geworden bist, werden nur wenige.
Der Gegenwart ins Gästebuch Ein guter Mensch zu sein gilt hierzulande als Dummheit, wenn nicht gar als Schande.
.8 Gedichte
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Doppelter Saldo Aus den "Lehrsätzen deli armen ManneIl"
Die einen, die immer Geld verdienen, haben zum Ausgeben niemals Zeit. Und wir sagen im Chor mit ihnen: Es gibt eben keine Gerechtigkeit. Die andern, die niemals Geld verdienen, haben zum Ausgeben immer Zeit. Und wir sagen im Chor mit ihnen: Es gibt eben keine Gerechtigkeit.
Sport Anno 1960 Meldung vom Wettlauf durch die Lübecker Schweiz: "Die Läufer trainieren täglich zehn Stunden. Sie brauchen für 100 Meter zirka minus 14 Sekunden. Die Spitzengruppe ist heute morgen bereits im Jahre 1920 verschwunden!"
Wenn ... Aus den "Lehrsiitzen des armen Mannes"
Der Streber Vom frühen bis ins späte Alter, mit Mordsgeduld und Schenkelschluß, rankt er sich hoch am Federhalter und klettert, weil er sonst nichts muß. Die Ahnen kletterten im Urwald. Er ist der Affe im Kulturwald.
Wenn so ein Kerl Vermögen hätte, er ließe selbst die Streichquartette, soweit sie seinem Ohr gefielen, von hundert Mann Orchester spielen.
Moderne Kunstausstellung Die Leute stehen in Sälen herum. Sie finden das ungewöhnlich? Es ist ja gar kein Publikum! Es sind die Maler persönlich.
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Aggregatzustände
Der Humor Aus der großdeutschen KUl1stlehre
Junge Dichter sind strenge Richter. Später sind sie dann mitleidiger und werden Verteidiger.
Über gewisse Schriftsteller Sie fahren das Erlebte und Erlernte nicht in die Scheuern ein und nicht zur Mühle. Sie zeigen ihre Felder statt der Ernte, die noch am Halme wogenden Gefühle, und sagen zu den Lesern stolz und fest: "Das wär' s - nun freßt!"
Der Humor ist der Regenschirm der Weisen und insofern unsoldatisch. Daß wir ihn trotzdem öffentlich preisen, scheint problematisch. In praxi ist' 5 gleichgültig, was wir meinen. Denn wir haben ja keinen.
Die junge Dame vorm Sarggeschäft Täglich seh ich sie dort stehenbleiben und gebannt in jene Scheiben starren, hinter denen, unser Tun und Treiben nicht beachtend, Särge auf uns harren. Täglich seh ich, wie ihr Auge blitzt, wenn sie in das Fenster blickt. Was stimmt sie heiter? Ach, sie prüft nur, ob ihr Hütchen sitzt. Nichts weiter.
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Kurze Charakteristik
Gehupft wie gesprungen Aus den "Lehrsätzen des armen Mannes·
Einer von den Dutzendköpfen saß auf ihrem Körper drauf. Und ihr Kleid war vorn zu knöpfen, sowohl zu, als auf.
Ob vom Kölner Dom, ob vom Zirkuszelt, ob vom Dach einer Dampfwäscherei für den Arbeiter, der herunterfällt, ist das völlig einerlei.
Nur Geduld Die Grenzen der Aufklärung Das Leben, das die meisten führen, zeigt ihnen, bis sie' s klar erkennen: Man kann sich auch an offnen Türen den Kopf einrennen.
FadmÜ"innische Konsequenz Cogito, ergo sum? Mag sein! Doch die meisten sind dumm! Drum lautet des Fachmanns Befund: Non cogitant, ergo non sunt!
Ob Sonnenschein, ob Sterngefunkel: im Tunnel bleibt es immer dunkel.
Mut zur Trauer Sei traurig, wenn du traurig bist, und steh nicht stets vor deiner Seele Posten! Den Kopf, der dir ans Herz gewachsen ist, wird's schon nicht kosten.
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Nietzsche
Für Stammbuch und Stammtisch
Sein Porträt
Keiner vor ihm noch hinterher warf je sein hüstelndes Gehirn so stolz in die Brust wie er. Zur Hälfte Schnurrbart, zur Hälfte Stirn er hatte es schwer.
Freunde, nur Mut! Lächelt und sprecht: "Die Menschen sind gut, bloß die Leute sind schlecht."
Die Bäume Auch eine Auskunft Ein Mann, von dem ich wissen wollte, warum die Menschen einander betrügen, sprach: "Wenn ich die Wahrheit sagen sollte, müßt ich lügen."
Wir sitzen nicht auf Thronen. Uns schmeichelt nur der Wind. Wir haben dennoch Kronen, die schöner als eure sind.
Die zwei Gebote Es hilft nicht schönzufärben Sollen die Kinder erben, müssen die Eltern sterben.
Liebe das Leben, und denk an den Tod! Tritt, wenn die Stunde da ist, stolz beiseite. Einmal leben zu müssen, heißt unser erstes Gebot. Nur einmal leben zu dürfen, lautet das zweite.
Kopernikanische Charaktere gesucht Wenn der Mensch aufrichtig bedächte: daß sich die Erde atemlos dreht; daß er die Tage, daß er die Nächte auf einer tanzenden Kugel steht; daß er die Hälfte des Lebens gar mit dem Kopf nach unten im Weltall hängt, indes sich der Globus, berechenbar, in den ewigen Reigen der Sterne mengt wenn das der Mensch von Herzen bedächte, dann würd er so, wie Kästner werden möchte.
KABARETT
Le dernier cri Als Prospekt vielleicht: eine Straßenzeile mit halbvernagelten, kläglich ausgestatteten Schaufenstern. - Von links: die Solistin; von redlts: etwa vier Frauen, die sich in einigem Abstand hinter ihr aufstellen. Alle sind ärmlich angezogen. - Der Grundton des Vortrages: trotzig, verbissen, dabei, quasi, ungeweinte Tränen en gros, die im verborgenen blühn.
Wir schleppten Kisten. Wir waren Chauffeu,re. Wir standen auf Dächern und schmissen mit Sand. Wir drehten Läufe für eure Gewehre. Uns nahm in den Kellern der Tod bei der Hand. CHOR:
"Ach, wie bald, ach, wie bald schwindet Schönheit und Gestalt."
Es rauschten vom Himmel die singenden Minen. Wir waren zu müde zur Angst, mein Schatz. Dann standen wir wieder an den Maschinen. Wir waren ein williger, ausnehmend billiger Männer= Ersa tz. Warum mußten unsre sanften Hände rauh sein? Warum mußte unser Haar so zeitig grau sein? Und genauso grau das Gesicht? Eine Frau will doch endlich eine Frau sein! Eine Frau will doch endlich eine Frau sein! Versteht ihr das denn nicht? Versteht ihr das denn nicht?
CHOR:
"Adl, wie bald, ach, wie bald smwindet Schönheit und Gestalt."
Versteht ihr das denn nicht?
2
Wir haben Sehnsucht nach Glück und nam Seide. Der Krieg ist vorbei und noch immer nicht aus. Die Tränen, die sind unser letztes Geschmeide. Der Hunger smiebt Wache vor unserem Haus. CHOR:
"Am, wie bald, am, wie bald sm windet Schönheit und Gestalt. "
Das Elend als Hemd, und als Mantel die Reue, die Armut als Hut, und Verzweiflung als Kleid! Da stehen wir nun und tragen die neue, die fleckige, smeckige, speckige, dreckige Mode der Zeit! Wird der Himmel über uns denn nie mehr blau sein? Wird das Leben, unser Leben, immer grau sein? Und ein einziges Jüngstes Gericht? Eine Frau will doch endlim eine Frau sein! Eine Frau will doch endlich eine Frau sein! Versteht ihr das denn nicht? Versteht ihr das denn nicht?
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CHOR:
"Am, wie bald, ach, wie bald schwindet Smönheit und Gestalt."
Versteht ihr uns denn nimt?
Das Spielzeuglied
Es ist nur so: wir lieben sie. Ihr Schmerz ist unser Schmerz. Wir legen sie nicht übers Knie. Wir drücken sie ans Herz.
Antimilitaristischer Prospekt. Also Schaukelpferde, Papierhelme usw. Davor eine junge einfache Frau.
Wir summen "Hoppe Reiter", auf daß ihr Leid verweht. Ach, wärn wir doch gescheiter! Das geht nicht, das geht nicht, das geht nicht mehr so weiter, wenn das so weitergeht!
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Wer seinem Kind ein Spielzeug schenkt, weiß vorher, was passiert: Das Spielzeug ist, bevor man's denkt, zerlegt und ruiniert. Der Knabe haut und boxt und schlägt begeistert darauf ein. Und wenn's auch sehr viel Mühe macht: Am Ende, am Ende, am Ende kriegt er' sklein.
2
Es steckt ein Kind in jedem Mann. Ein Spielzeug ist sein Ziel. Nur, was dabei zustande kommt, das ist kein Kinderspiel. Das Glück der Welt ist zart wie Glas und gar nicht sehr gesund. Doch wenn die Welt aus Eisen wärdie Männer, die Männer, sie richten sie zugrund !
Wenn das erledigt wurde, dann beginnt der zweite Teil: Der Knabe starrt das Spielzeug an und wünscht sich's wieder heil! Jedoch - was man zerbrochen hat, bleibt längre Zeit entzwei.
Wenn das erledigt wurde, dann beginnt der zweite Teil: Die Mannswel t starrt ihr Spielzeug an und wünscht sich' s wieder heil! Jedoch - was man zerbrochen hat, bleibt längre Zeit entzwei. Da hilft kein Wunsch und kein Gebet. Da hilft auch kein Geschrei.
Da hil ft kein Wunsch und kein Gebet. Es hilft auch kein Geschrei. Die Kleinen brüllen wie am Spieß und strampeln wie noch nie. Das beste wär: Wir legten sie mal gründlich, mal gründlich, mal gründlich übers Knie. 19
Gedidlle
Und keiner will's gewesen sein, nicht du, nicht der, nicht die! Das beste wär: Wir legten sie mal gründlich, mal gründlich, mal gründlich übers Knie. Es ist nur so: wir lieben sie. Ihr Schmerz ist unser Schmerz. Wir legen sie nicht übers Knie. Wir drücken sie ans Herz. Sie werden nicht gescheiter, solang ein Rest noch steht .. . Diesmal war's ein Gefreiter .. . Das geht nicht, das geht nicht, das geht nicht mehr so weiter, wenn das so weitergeht!
Trostlied im Konjunktiv Wär ich ein Baum, stünd ich droben am Wald. Trüg Wolke und Stern in den grünen Haaren. Wäre mit meinen dreihundert Jahren noch gar nicht sehr alt. Wild tauben grüben den Kopf untern Flügel. Kriege ritten und klirrten im Trab querfeldein und über die Hügel ins offene Grab. Humpelten Hunger vorüber und Seuche. Kämen und schmölzen wie Ostern und Schnee. Läg ein Pärchen versteckt im Gesträuche und tät sich süß weh. Klängen vom Dorf her die Kirmesgeigen. Ameisen brächten die Ernte ein. Hinge ein Toter in meinen Zweigen und schwänge das Bein. Spränge die Flut und ersäufte die Täler. Wüchse Vergißmeinnicht zärtlich am Bach. Alles verginge wie Täuschung und Fehler und Rauch überm Dach.
Wär ich ein Baum, stünd ich droben am Wald. Trüg Sonne und Mond in den grünen Haaren. Wäre mit meinen dreihundert Jahren nicht jung und nicht alt ...
Der Titel des Programms Der Titel des Programms - DIE KLEINE FREIHEIT klingt eigentlich, als wüßten wir Bescheid. Der Titel des Programms - DIE KLEINE FREIHEIT stammt nicht von uns. Den Titel schrieb - die Zeit! Die große Freiheit ist es nicht geworden. Es hat beim besten Willen nicht gereicht. Aus Traum und Sehnsucht ist Verzicht geworden. Aus Sternenglanz ist Neonlicht geworden. Die Angst ist erste Bürgerpflicht geworden: Die große Freiheit ist es nicht geworden, die kleine Freiheit - vielleicht! Wir sind so frei! Das heißt: Soweit's erlaubt ist. Wir sind so frei! (Soweit man's überhaupt ist.) Wir dürfen wieder zittern, wenn wir frieren. Wir dürfen staunend vor Geschäften stehn. Wir dürfen atmen, lachen, vegetieren. Wir dürfen schimpfen und den Kopf verlieren. Wir dürfen, wenn's so weitergeht, marschieren. Wir sind so frei. Wir werden ja sehn. Der Titel des Programms - DIE KLEINE FREIHEIThat seinen Grund. Sie wissen nun Bescheid. Der Titel des Programms - DIE KLEINE FREIHEIT stammt nicht von uns. Der Autor heißt: DIE ZEIT!
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Kleine Epistel Wie war die Welt noch imposant, als ich ein kleiner Junge war! Da reichte einem das Gras bis zur Nase, falls man im Grase stand! Geschätzte Leser das waren noch Gräser! Die Stühle warn höher, die Straßen breiter, der Donner war lauter, der Himmel weiter, die Bäume warn größer, die Lehrer gescheiter! Und noch ein pfund Butter, liebe Leute, war drei= bis viermal schwerer als heute! Kein Mensch wird' s bestreiten das waren noch Zeiten!
Die Tische und Stühle, die Straßen und Räume, das Gras und die Bäume, die großen Gefühle, die Lehrer, die Träume, dein Wille und meiner, der Mond und das übrige Sternengewölbe alles ward kleiner, nichts blieb dasselbe. Man sah's. Man ertrug's. Bloß weil man später ein paar Zentimeter wuchs.
Wie dem auch sei, vorbei ist vorbei. Nichts blieb beim alten. Man wuchs ein bißchen. Nichts ließ sich halten. Der Strom ward zum Flüßchen, der Riese zum Zwerg, zum Hügel der Berg. 294
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Solo mit unsichtbarem Chor Prospekt: Obst= und Gemüsegarten. Blumen, Bäume und Sträucher parodistisch in gedrillter Anordnung. Wie auf dem Exerzierplatz.
SOLDATENCHOR unsichtbar:
Damals noch nicht! Damals noch nicht, Herr General! DER GENERAL in dieser Strophe nicht mehr gemütlich, sondern
etwas übergeschnappt: DER GENERAL in umgearbeiteter Uniformjacke. Er beginnt
jovial, mit einer Art Stammtischhumor:
Alle mal herhören! Auch die, die schwerhören! Wie erholsam war dies Gärtchen, als der Krieg sein Ende fand! Statt der Generalstabskärtchen Obst und Blumen anzufert' gen, hieß zwar: Hoffnungen beerd'gen und herab vom hohen Pferdchen, doch es zeugte von Verstand. Man wohnte in Villen unter den "Stillen im Land" auf dem Land. Es war nicht nur das mindeste, es war auch das Gesündeste, das merkte auch der Blindeste. Es läuteten schon frühe die Kirchen und die Kühe. Ich hatte meine Ruhe, trug statt der Stiefel Schuhe und liebte Berg und Tal. Mir blieb gar keine Wahl.
Alle mal herhören! Auch die, die schwerhören ! So ein Leben auf dem Land ist nicht nur für junge Stiere, Raps und Flachs und Vogelmiere, Bauersfraun und andre Tiere, sondern auch für höhre Offiziere außeror'ntlich intressant. Ein Garten, noch so winzig, hat's militärisch in sich! Ob Soldaten, ob Tomaten, für 'nen richt'gen General ist das ziemlich egal. Ist schließlich alles - Material. Wenn der Spargel nicht" schießt", wird er angeniest. In Richtung Gartenprospekt:
Alle mal herhören! Auch die, die schwerhören ! Wieder zum Publikum:
Die Natur ist nicht bloß Verzierung. 297
Stolz:
Der Schritt vom Spalierobst zum Exerzierobst ist nur eine Frage der Führung. Man kann im Grase liegen, unter schneid' gen Bäumen, auf Hälmchen blicken und von Helmen träumen. Die Baumfront steht Stamm bei Stamm. Den linken Flügel übernimmt der Salat. Die Marschall=Niel=Division steht stramm, die Hände an der Rosennaht! So ein Garten galt bis heute nur als Ausflug und Hors d' ceuvre. Das hat aufzuhören, Leute! Die Natur wird zum Manöver! Soweit alles klar im Saal?
Hätten sie denn ohne uns Weltkrieg Nummer eins begonnen? CHOR:
Nein, Herr General! GENERAL:
Hätten sie denn ohne uns Weltkrieg Nummer eins gewonnen? CHOR:
Nein, Herr General! GENERAL:
Hätten sie denn ohne uns Weltkrieg Nummer zwei begonnen?
CHOR ironisdl:
Soweit schon! Soweit schon, Herr General!
CHOR:
DER GENERAL befriedigt:
Fern von blutigen Geschäften kam man im Verlauf der Zeit wieder zu Pension und Kräften. Alle mal herhören! Auch die, die schwerhören ! Denn nun ist es wieder soweit!
Nein, Herr General! GENERAL:
Hätten sie denn ohne uns Weltkrieg Nummer zwei gewonnen? CHOR:
Nein, Herr General! In der Luft, zu Wasser und zu Landeohne uns komm'n die andern nicht zu Rande! Noch ist's ihnen etwas fatal. Doch sie brauchen uns wieder einmal.
GENERAL:
Na also und hurra: Drum sind wir wieder da. 299
Alle mal herhören! Auch die, die schwerhören ! Ob nun Wehr oder LehrDeutschland, ans Gewehr! Und nun wolln wir wieder mal!
Vorderhand noch sehr beneidet und sogar manchmal verhöhnt, doch nur der Erfolg entscheidet, und den sind wir ja gewöhnt. Wir haben ziemlich jeden Schwur geschworen und gehalten. Das liegt nun mal in unsrer Natur, und wir sind noch ganz die alten. Wir kommen, sehn und siegen in ziemlich allen Kriegen, ganz Wurscht, unter welcher Regierung. Das ist eine Frage der Führung. Na also und hurra: Drum sind wir wieder da. Unter Hitler hieß es "Wehrmacht". Unter Doktor Lehr heißt's "Lehrrnacht". Doch ob Wehr - oder Lehr, ist ja völlig sekundär. Hauptsache, daß wir wieder Ordnung kriegen. Und daß wir wieder gegen England fliegen. Erschrickt, schüttelt den Kopf, sagt laut zu sich selber: "Ist ja kom. pletter Blödsinn! Wie komm ich denn darauf? Zurück, marsch, marsch!" Holt ein Monokel aus der Tasche, klemmt es ins Auge, findet so den nötigen inneren Halt und singt:
Hauptsache, daß wir wieder Ordnung kriegen. Und das deutsche Rückgrat wieder gradebiegen. Und daß wir wieder mal richtig liegen. Und, wenn es sein muß, zum drittenmal siegen!
CHOR:
Ohne uns, ohne uns, ohne uns, Herr General! DER GENERAL wütend, stemmt die Hände in die Seiten:
Wer hat denn da gestört? Das ist ja unerhört! "Kerls, wollt ihr denn ewig leben?" brüllte schon der große Friedrich. Und das meinte noch Sepp Dietrich. Antwort braucht kein Aas zu geben. Aber eines will ich wissen. Und ihr werdet reden müssen. Laßt ihr euch ungestraft beleidigen? Muß sich der Mensch nicht eines Tags verteidigen, gesetzt, es bleibt ihm keine Wahl? CHOR:
Alle mal herhören! Auch die, die schwerhören! -: Ohne SIE, ohne SIE, ohne SIE, Herr General! GENERAL, ihm fällt das Monokel aus dem Auge. Dunkel. Vorhang.
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Der Pechvogel Ein Couplet Melodie: Das Hobellied
Die Welt, die ähnelt, Sie verzeihn, zum Beispiel einem Haus. Durch manche Türen tritt man ein, durch andre tritt man aus. Und alle Türen dieser Welt hab'n nur den einen Sinn: Wenn irgendwo 'ne Tür zufällt, hab ich die Finger drin.
Komm ich dereinst zum Himmel, und der Petrus sagt: "Herein!" und öffnet mit dem Schlüsselbund, trau ich mich nicht hinein. 's wird sein wie auf der Erdenwelt. Ich hab, wie ich schon bin, wenn dann die Himmelstür zufällt, ja doch die Finger drin.
Die einen brechen das Genick. Die andern bleiben heil. Sehr viele Leute haben Glück. Ich hab das Gegenteil. Und wer mein Pech für Zufall hält, verkennt des Lebens Sinn: Wenn irgendwo 'ne Tür zufällt, hab ich die Finger drin. Das Geld hab ich noch nie vermißt. Ich fürchte mich davor. Denn wenn ein Mensch bei Kasse ist, dann braucht er 'nen Tresor. Und hätt ich einen Schrank voll Geld, ging ich ja doch nicht hin. Denn wenn dem Schrank die Tür zufällt, hab ich die Finger drin.
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Der Prinz auf Zeit
Drückt Mund auf Mund und laßt das Fragen! Laßt alle Uhren stillestehen ! Was soll ihr Ticken? Was ihr Schlagen? Ihr sollt zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Was werden wird, wissen die Götter. Hebt euer Glas und hört auf mich I Ich bin ein Fürst, zum Donnerwetter! Im Karneval befehle ich!
Auftritt mit Fanfarenstoß. Innerhalb der Strophen Lichtwechsel.
Ich bin der Lieblingswunsch der Götter. Sie tauften mich - Prinz Karneval. Ich bin ein Fürst, trotz aller Spötter. Philipp der Zweite war mein Vetter. Wir sahn uns oft im Escorial. Er stets vergrämt, ich immer munterteilten wir uns der Sonne Lauf: In seinem Reich ging sie nicht unter, in meinem Reich geht sie nicht auf. Mein Reich ist aus Samt und aus Seide, bekränzt mit Gestirn und Geschmeide, verwunschen in Tanz und Gesang. Nur, ich herrsche nicht ununterbrochen. Ich regier im Jahr ein paar Wochen, dies freilich - jahrhundertelang.
Li ch tw echs el
Entzündet die Kerzen und Lichter! Hängt Masken vor eure Gesichter! Verzaubert den Raum und die Zeit! Behängt euch mit Orden und Tressen! Vergeßt! Denn ihr wollt ja vergessen, was ist, und das, was ihr seid. Seid ein paar Wochen ehrliche Sünder! Ehrliche Sünder stimmen mich froh. Blickt nicht auf die Opfer der Schinder! Hört nicht auf das Weinen der Kinder in Korea* und anderswo!
Lichtwechsel
Lichtwechsel
Jubelt! Hört nicht den Lärm der Gefechte! Hört nicht auf das Schleichen der Pest! Blickt nicht auf die blutroten Nächte! Liebt euch, Gerechte und Ungerechte! Lacht und glaubt, die Welt sei ein Fest!
Laßt die Toten die Toten verscharren! Singt meine Lieder! Morgen kommen die wirklichen Narren und regieren euch wieder!
Lichtwechsel
Dunkel
Küßt die Närrinnen! Küßt die Narren! Greift in die Mieder! Greift zu den Pritschenl Zupft die Gitarrenl Das Jetzt kommt nicht wieder!
• Der Koreakrieg begann am 27. August 1950. Das Chanson stammt aus dem ersten Programm der "Kleinen Freiheit" im Januar 195 1. 20
Gedichte
Zur "Woche des Buches" Hinz kam zu Kunz um Rats gelaufen. "Was schenkt ein Vater seinem Sohn?" Kunz schlug ihm vor, ein Buch zu kaufen. "Ein Buch? Ach nein. Das hat er schon."
Ein alter Herr geht vorüber Ein alter Herr kommt langsam seines Wegs. Mit einem Wägeldun voll Holz. Er bleibt, nur wie um Atem zu holen, stehen, sieht die Zuschauer und singt:
Ich war einmal ein Kind. Genau wie ihr. Ich war ein Mann. Und jetzt bin ich ein Greis. Die Zeit verging. Ich bin noch immer hier und möchte gern vergessen, was ich weiß. Ich war ein Kind. Ein Mann. Nun bin ich mürbe. Wer lange lebt, hat eines Tags genug. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich stürbe. Ich bin so müde. Andre nennen' 5 klug. Ach, ich sah manches Stück im Welttheater. Ich war einmal ein Kind, wie ihr es seid. Ich war einmal ein Mann. Ein Freund. Ein Vater. Und meistens war es schade um die Zeit. Ich könnte euch Verschiedenes erzählen, was nicht in euren Lesebüchern steht. Geschichten, welche im Geschichtsbuch fehlen, sind immer die, um die sich alles dreht. Wir hatten Krieg. Wir sahen, wie er war. Wir litten Not und sahn, wie sie entstand. Die großen Lügen wurden offenbar. Ich hab ein paar der Lügner gut gekannt. Ja, ich sah manches Stück im Welttheater. Ums Eintrittsgeld tut's mir noch heute leid. Ich war ein Kind. Ein Mann. Ein Freund. Ein Vater. Und meistens war es schade um die Zeit.
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Wir hofften. Doch die Hoffnung war vermessen. Und die Vernunft blieb wie ein Stern entfernt. Die nach uns kamen, hatten schnell vergessen. Die nach uns kamen, hatten nichts gelernt. Sie hatten Krieg. Sie sahen, wie er war. Sie litten Not und salm, wie sie entstand. Die großen Lügen wurden offenbar. Die großen Lügen werden nie erkannt. Und nun kommt ihr. IQ1 kann euch nichts vererben. Macht, was ihr wollt. Doch merkt euch dieses Wort: Vernunft muß sich ein jeder selbst erwerben, und nur die Dummheit pflanzt sich gratis fort. Die Welt besteht aus Neid und Streit und Leid. Und meistens ist es schade um die Zeit. Er geht, sein Wäge/dun hinterdreinziehend, ab.
Der Hauptmann von Köpenick Ein Gendarm aus Wilhclrns II. Zeiten esk:orfiert den Schuster Voigt ins Gefängnis. Voigt in abgetragenstem Zivil. Verschossene Melone auf dem Kopf. In der Hmld einen Papp karton. Als Voigt das Publikum erblickt, bleibt er stehen. Der Gendarm geht gutmütig zur Seite. Voigt legt den Pappkarton auf ein Stück Gartenmauer. Und zwar so, daß er den Karton später bequem öffnen kann. Musik. VOIGT:
Kam zur Welt Und werd mal sterben. Name? Wilhelm Voigt, na ja. Nischt geerbt. Und nischt zu erben. Is nich neu. War schon mal da. Schuhmacher. Und Tippelbruder. Ohne Frau und Kind und so. Vorbestraft. 'n armes Luder. Audt'n Steckbrief. Gibt's en gros. Nagelst Sohlen. Nähst Stiefletten. Wirst gekündigt dann und wann. Bist alleene in den Städten. Gehst alleene in die Betten. Kommst dir vor wie 'n Hampelmann. In der Wahl des Elternpaares warste reichlich unvorsichtig. Ohne Aktien, ohne Bares, ohne Rang und Titel, war es nur im Kinderkriegen tüchtig. "Schuster, bleib bei deinem Leisten!/I pred' gen uns zumeist die meisten.
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Und sie sagen' s so geschwind, weil sie eben, weil sie eben selber keine Schuster sind. Stiebe1st mit die krummen Beene Straßen und Alleen alleene. Alle andern grüßen sich. Dogcarts. Gummiräder. Reiter Alle andern sind gescheiter. Gehst und gehst und kommst nieh weiter. Kannst nich mehr. Und willst ooch nich. Und schon denkste: Fort mit Srhaden! Koof dir 'n Strick. Et tut nich weh. Oder, Voigt, ersauf beim Baden! Doch da stehste vor 'nem Laden. Und da haste 'ne Idee. Plötzlich biste nich mehr dämlich und als wärste schon gestürm. In dem Fenster siehste nämlich 'ne gebrauchte Uniform: Mütze, Hose, Rock und Mantel, 'nen kompletten Offizier! Rin zum Trödler! Kurzer Handel! Schon jehört et alles dir.
Zieht den Mantel an, setzt die Mütze auf, tut den Hut in den Kar. ton, reckt sich, streckt sich. Auch die Stimme wird schneidiger. Deut. lidl muß aber sein, daß er allen andern, nur sich selber nicht imponiert. Es amüsiert ihn, die Umwelt zu narren.
Welt, wie hast du dir verändert! Paukstudenten, bunt bebändert, Herrn, monokelglasumrändert, sie erwidern meinen Blick. Itzenplitze, Zitzewitze fahren wie geölte Blitze mit die Pfoten an die Mütze. Und ick jrüße ernst zurück. Bonnen auf den Bänken rutschen hin und her mit die Figur. Damen kriegen in den Kutschen Augen wie aus Samtvelours. Mensch, jetzt könntste, wenn du wolltest, alles harn, was du begehrst! Doch bloß, wenn du, was du anhast, nicht mehr anhättst, wirklich wärst 1 Wilhelm Voigt, dem Hauptmann, glaubt man zwar bei Tageslicht enorm. Aber glaubt man und erlaubt man dies und jenes diesem Hauptmann - gänzlich ohne Uniform?
Packt den Karton auf, holt den Hauptmannsmantel heraug.
"Schuster, bleib bei deinem Leisten!" pred' gen uns zumeist die meisten. Und sie sagen' s so geschwind, weil sie eben, weil sie eben selber keine Schuster sind.
Laß die Finger von die Bräute, lieber Voigt, und sei kein Mann! Kleider, merkste, machen Leute. Drum behalt sie lieber anl
Und so geh ich, und so grüß ich links und rechts und freu mich riesig und bin gerne auf der Welt. Hauptmann sein ist was sehr Schönes, und zum Glück fehlt nur noch eenes. Und det eene nennt sich: Jeld!
Während ick korrekt quittiere, brüll ick wie 'ne Herde Stiere: "Maul jehalten! Affenschande! Bis auf weitres Hausarrest!" Und ick setz die blöde Bande in ihrm eignen Rathaus fest! Der Gendm'm wird wieder siclltbar. Ist ungeduldig.
Wie'ck mir so Jedanken mache, springt vors Schilderhaus 'ne Wache, baut sich auf und präsentiert. Und ick brülle: "Danke! Rühren! Wache raus! Abzähln zu vieren I" Und det klappt Sie wie geschmiert. "Links schwenkt, marsch!" Schon ziehe ick hin zum Rathaus Köpenick! Stelle Posten vor die Türen. Keener darf mehr rein und raus. Und mit drei Stück Grenadieren schreitet Hauptmann VOlgt ins Haus. Alle sind enorm erschrocken. Bürjermeister, Rentamtmann, alle sind sie von den Socken. Allen wird die Tinte trocken, noch im Zimmer nebenan. Und ick schnauze stimmgewaltig, markig, märkisch, eisenhaltig: "Nich zu fassen: Unterschleife! Kasse her zur Revision!" Und noch eh ick's recht begreife, hab ick ooch den Zaster schon!
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VOIGT:
Ließ die Wache weiterwachen. Grüßte, ging und konnte lachen. Hatte Geld und Appetit. Amüsierte mir wie Bolle. Aß 'n Schnitzel. Trank 'ne Molle ... GENDARM:
Dom nun ham wir 'n, wie man sieht. VOIGT winkt gleid:miitig ab, Dann fast ein wenig stolz:
Der Erfolg war ungewöhnlich. Alle Welt hielt sich den Bauch. Kaiser wilhelm lachte auch und, was selten ist, persönlich. Und er sprach zu dero Gästen: "Dieser Voigt ist ein Genie!" Ob im Osten, ob im Westen, alle schlugen sich aufs Knie. In Kasernen und Palästen, in Fabriken und auf Festen, alles grinste, lachte, schrie. So vergnügt war man noch nie.
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GENDARM:
Wer zuletzt lacht, lacht am besten! VOIGT mit Nachdruck, fast prophetisch:
Wer zuletzt lacht, sind nich Sie! Er legt die Hand leger an die Offiziersmütze. Gendarm reißt automatisch die Hacken zusammen. Voigt kichert kopfschüttelnd und geht ab. Gendarm mit Pappkarton hastig hinterdrein.
DIE DREIZEHN MONATE
1955
Vorwort
Die hier gesammelten Gedichte schrieb, im Lauf eines Jahres, ein Großstädter für Großstädter. Links von Block und Bleistift lag der fünfte Band des Kleinen Brehm, "Die deutsche Tierwelt". Zur Rechten lagen" Unsere Pflanzen= welt" und ein Leitfaden, der, fragwürdig genug, "Die deutsche Schulflora" hieß. Die Bücher mußten zur Hand sein. Eine Zeitschrift hatte die Gedichte bestellt. Illustriert werden sollten sie außerdem. So blieb dem Autor nidlts übrig, als dem Kalender vorzugreifen. Den Januar mußte er schon im November besingen, und den Mai im März. Zwölf Monate lang war er dem Jahr um sems Wochen voraus. Er konnte nicht "nam der Natur" arbeiten, son= dern nur "aus dem Gedächtnis", und darauf war, wie er bald merkte, kein VerlaG. Er schämte sich. War denn nidlt die Prozession der Monate, froh und bunt und düster, mehr als fünfzigmal an ihm vorübergezogen? An den Augen vorbei und, oft genug und feierlich, durchs ganze Gemüt? Nun sollte er nichts tun als die Vergangenheit prophezeien, und er konnte es ni.cht. Die Erinnerungen verschwammen wie in einem billigen Spiegel. Aber es lag nicht am Spiegel. Es lag an den Erinnerungen. Es lag an den großen Städten. Sie hatten Strauch und Baum und Wiese aus den Mauern gejagt. Hinaus zu den Friedhöfen und Zoologischen Gärten ... Die Brauereipferde werden von den Kindern angestaunt wie galvanisierte Saurier. Sitzt ein Vogel irgendwo, ist's ein entflogener Wellensittich. Der Balkon blieb ein rüh= render, fünf Quadratmeter großer Versuch. Ein Versuch, etwas Himmel überm Kopf zu haben. Doch was hat man
überm Kopf? Einen Balkon. Was hat man, außer dem Ge= ranientopf, vor Augen? Fenster, Drähte, Mauern und, im besten Falle, Geranientöpfe und Balkons. Die Natur kann sonntags vor der Stadt besichtigt werden, samt dem Fried= hof und dem Zoo. Sie wurde ein Museum ohne Dach. Es fehlt nur noch, daß man dem Hahnenfuß, der Esche und dem Hänfling kleine Nummernschilder umhängt. (Den einschlägigen Katalog könnten invalide Kriegsteilnehmer am Hauptportal verkaufen.) Das Gänseblümd1en wurde zur "Victoria regia" degradiert. Die Jahreszeiten finden in der Markthalle statt. In den Blumenläden und auf den Gemüsekarren. Und zum Frühstück, als Wetterbericht. Sollten die Philosophen recht haben? Verläuft unser Weg, der Weg quer durch die Zeit, im Spannungsfelde der zwei Großmächte Natur und Geschichte? Dann hat der Großstädter den Weg des Menschen längst verlassen. Dann ist er der jüngere Bruder des geschichtslosen Zwei= beiners auf dem Atoll in der Südsee. Dann ist er der naturlose, der denaturierte Wilde. Dann ist er ein motori= siertes Eisenfeilspänchen, das, blind und in beiderlei Wortverstande "rasend", dem Magnetberg der Geschichte entgegenjagt. Die hier gesammelten Gedichte schrieb ein Großstädter für Großstädter. Er versumte sich zu besinnen. Denn man kann die Besinnung verlieren, aber man muß sie wieder= finden. Man müßte wieder spüren: Die Zeit vergeht, und sie dauert, und beides geschieht im gleichen Atemzug. Der Flieder verwelkt, um zu blühen. Und er blüht, weil er welken wird. Der Sinn der Jahreszeiten übertrifft den Sinn der Jahrhunderte. Die zweite Austreibung aus dem Paradies hat statt= gefunden. Und Adam und Eva haben es diesmal nicht be= merkt. Sie leben auf der Erde, als lebten sie darunter. 318
Ausflüge sind keine Auswege. Schußfahrten sind Aus= flüchte. Was, nun gar, könnten ein paar Verse vermögen? Sie wurden trotzdem notiert. Es hatte, wieder einmal und wie so oft, das letzte Wort - das kleine Wort Trotzdem.
Der Januar Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege. Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald. Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege. Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege. Man steht am Fenster und wird langsam alt. Die Amseln frieren. Und die Krähen darben. Und auch der Mensch hat seine liebe Not. Die leeren Felder sehnen sich nach Garben. Die Welt ist schwarz und weiß und ohne Farben. Und wär so gerne gelb und blau und rot. Umringt von Kindern wie der Rattenfänger, tanzt auf dem Eise stolz der Januar. Der Bussard zieht die Kreise eng und enger. Es heißt, die Tage würden wieder länger. Man merkt es nicht. Und es ist trotzdem wahr. Die Wolken bringen Schnee aus fremden Ländern. Und niemand hält sie auf und fordert Zoll. Silvester hörte man' s auf allen Sendern, daß sich auch unterm Himmel manches ändern und, außer uns, viel besser werden soll. Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege. Und ist doch hunderttausend Jahre alt. Es träumt von Frieden. Oder träumt' s vom Kriege? Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege. Und stirbt in einem Jahr. Und das ist bald.
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Gedichte
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Der Februar Nordwind bläst. Und Südwind weht. Und es schneit. Und taut. Und schneit. Und indes die Zeit vergeht, bleibt ja doch nur eins: die Zeit. Pünktlich holt sie aus der Truhe falschen Bart und goldnen Kram. Pünktlich sperrt sie in die Truhe Sorgenkleid und falsche Scham.
Pünktlich legt sie in die Truhe das Vorüber und Vorbei. Pünktlich holt sie aus der Truhe Sorgenkleid und Einerlei. Nordwind bläst. Und Südwind weht. Und es schneit. Und taut. Und schneit. Und indes die Zeit vergeht, bleibt uns doch nur eins: die Zeit.
In Brokat und seidnen Resten, eine Maske vorm Gesicht, kommt sie dann zu unsren Festen. Wir erkennen sie nur nicht. Bei Trompeten und Gitarren drehn wir uns im Labyrinth und sind aufgeputzt wie Narren, um zu scheinen, was wir sind. Unsre Orden sind Attrappe. Bunter Schnee ist aus Papier. Unsre Nasen sind aus Pappe. Und aus welchem Stoff sind wir? Bleich, als sähe er Gespenster, mustert uns Prinz Karneval. Aschermittwoch starrt durchs Fenster. Und die Zeit verläßt den Saal. 3 22
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Der März Sonne lag krank im Bett. Sitzt nun am Ofen. Liest, was gewesen ist. Liest Katastrophen. Springflut und Havarie, Sturm und Lawinen gibt es denn niemals Ruh drun ten bei ihnen? Schaut den Kalender an. Steht drauf: "Es werde!/I Greift nach dem Opernglas. Blickt auf die Erde. Schnee vom vergangenen Jahr blieb nicht der gleiche. Liegt wie ein Bettbezug klein auf der Bleiche. Winter macht Inventur. Will sich verändern. Schrieb auf ein Angebot aus andern Ländern. Mustert im Fortgehn noch Weiden und Erlen. Kätzchen blühn silbergrau. Schimmern wie Perlen.
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In Baum und Krume regt sich' s allenthalben. Radio meldet schon Störche und Schwalben. Schneeglöckchen ahnen nun, was sie bedeuten. Wenn du die Augen schließt, hörst du sie läuten.
Der April Der Regen klimpert mit einem Finger die grüne Ostermelodie. Das Jahr wird älter und täglich jünger. o Widerspruch voll Harmonie! Der Mond in seiner goldenen Jacke versteckt sich hinter dem Wolken=Store. Der Ärmste hat links eine dicke Backe und kommt sich ein bißchen lächerlich vor. Auch diesmal ist es dem März geglückt: Er hat ihn in den April geschickt. Und schon hoppeln die Hasen, mit Pinseln und Tuben und schnuppernden Nasen, aus Höhlen und Gruben durch Gärten und Straßen und über den Rasen in Ställe und Stuben. Dort legten sie Eier, als ob's gar nichts wäre, aus Nougat, Krokant und Marzipan. Der Tapferste legt eine Bonbonniere. Er blickt dabei entschlossen ins Leere. Bonbonnieren sind leichter gesagt als getan. Dann geht es ans Malen. Das dauert Stunden. Dann werden noch seidene Schleifen gebunden. Und Verstecke gesucht. Und Verstecke gefunden:
Hinterm Ofen, unterm Sofa, in der Wanduhr, auf dem Gang, hinterm Schuppen, unterm Birnbaum, in der Standuhr, auf dem Schrank. Da kräht der Hahn den Morgen an! Schwupp, sind die Hasen verschwunden. Ein Giebelfenster erglänzt im Gemäuer. Am Gartentor lehnt und gähnt ein Mann. Über die Hänge läuft grünes Feuer die Büsche entlang und die Pappeln hinan. Der Frühling, denkt er, kommt also auch heuer. Er spürt nicht Wunder noch Abenteuer" weil er sich nicht mehr wundern kann. Liegt dort nicht ein kleiner Pinsel im Grase? Auch das kommt dem Manne nicht seltsam vor. Er merkt gar nicht, daß ihn ein Osterhase auf dem Heimweg verlor.
Der Mai
Der Juni
Im Galarock des heiteren Verschwenders, ein Blumenzepter in der schmalen Hand, fährt nun der Mai, der Mozart des Kalenders, aus seiner Kutsche grüßend, über Land.
Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt. Kaum schrieb man sechs Gedichte, ist schon ein halbes Jahr herum und fühlt sich als Geschichte.
Es überblüht sich, er braucht nur zu winken. Er winkt! Und rollt durch einen Farbenhain. Blaumeisen flattern ihm voraus und Finken. Und Pfauenaugen flügeln hinterdrein.
Die Kirschen werden reif und rot, die süßen wie die sauern. Auf zartes Laub fällt Staub, fällt Staub, so sehr wir es bedauern.
Die Apfelbäume hinterm Zaun erröten. Die Birken machen einen grünen Knicks. Die Drosseln spielen, auf ganz kleinen Flöten, das Scherzo aus der Symphonie des Glücks.
Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott. Aus Herrlichkeit wird Nahrung. Aus manchem, was das Herz erfuhr, wird, bestenfalls, Erfahrung.
Die Kutsche rollt durch atmende Pastelle. Wir ziehn den Hut. Die Kutsche rollt vorbei. Die Zeit versinkt in einer Fliederwelle. o gäb es doch ein Jahr aus lauter Mai!
Es wird und war. Es war und wird. Aus Kälbern werden Rinder und, weil's zur Jahreszeit gehört, aus Küssen kleine Kinder.
Melancholie und Freude sind wohl Schwestern. Und aus den Zweigen fällt verblühter Schnee. Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute Gestern. Auch Glück kann weh tun. Auch der Mai tut weh.
Die Vögel füttern ihre Brut und singen nur noch selten. So ist' s bestellt in unsrer Welt, der besten aller Welten.
Er nickt uns zu und ruft: "Ich komm ja wieder!" Aus Himmelblau wird langsam Abendgold. Er grüßt die Hügel, und er winkt dem Flieder. Er lächelt. Lächelt. Und die Kutsche rollt.
Spät tritt der Abend in den Park, mit Sternen auf der Weste. Glühwürmchen ziehn mit Lampions zu einem Gartenfeste. ]29
Dort wird getrunken und gelacht. In vorgerückter Stunde tanzt dann der Abend mit der Nacht die kurze Ehrenrunde. Am letzten Tische streiten sich ein Heide und ein Frommer, ob's Wunder oder keine gibt. Und nächstens wird es Sommer.
Der Juli Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur. Die Menschheit geht auf Reisen oder wandert sehr oder wandelt nur. Und die Bauern vermieten die Natur zu sehenswerten Preisen. Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer, die Platzmusik der Ortsfeuerwehr und den Blick auf die Kuh auf der Wiese. Limousinen rasen hin und her und finden und finden den Weg nicht mehr zum verlorenen Paradiese. Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort auch die künftigen Brötchen und Brezeln. Eidechsen zucken von Ort zu Ort. Und die Wolken führen Regen an Bord und den spitzen Blitz und das Donnerwort. Der Mensch treibt Berg= und Wassersport und hält nicht viel von Rätseln. Er hält die Welt für ein Bilderbuch mit Ansichtskartenserien. Die Landschaft belächelt den lauten Besuch. Sie weiß Bescheid. Sie weiß, die Zeit überdauert sogar die Ferien.
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Sie weiß auch: Einen Steinwurf schon von hier beginnt das Märchen. Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn, ruht ein zerzaustes Pärchen. Hier steigt kein Preis, hier sinkt kein Lohn. Hier steigen und sinken die Lerchen. Das Mädchen schläft entzückten Gesichts. Die Bienen summen zufrieden. Der Jüngling heißt, immer noch, Taugenichts. Er tritt durch das Gitter des Schattens und Lichts in den Wald und zieht, durch den Schluß des Gedichts, wie in alten Zeiten gen Süden.
Der August Nun hebt das Jahr die Sense hoch und mäht die Sommertage wie ein Bauer. Wer sät, muß mähen. Und wer mäht, muß säen. Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer. Stockrosen stehen hinterm Zaun in ihren alten, brüchigseidnen Trachten. Die Sonnenblumen, üppig, blond und braun, mit Schleiern vorm Gesicht, schaun au~ wie Fraun, die eine Reise in die Hauptstadt machten. Wann reisten sie? Bei Tage kaum. Stets leuchteten sie golden am Stakete. Wann reisten sie? Vielleicht im Traum? Nachts, als der Duft vom Lindenbaum an ihnen abschiedssüß vorüberwehte? In Büchern liest man groß und breit, selbst das Unendliche sei nicht unendlich. Man dreht und wendet Raum und Zeit. Man ist gescheiter als gescheit das Unverständliche bleibt unverständlich. Ein Erntewagen schwankt durchs Feld. Im Garten riecht' s nach Minze und Kamille. Man sieht die Hitze. Und man hört die Stille. Wie klein ist heut die ganze Welt! Wie groß und grenzenlos ist die Idylle ...
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Nichts bleibt, mein Herz. Bald sagt der Tag Gutn Nacht. Sternschnuppen fallen dann, silbern und sacht, ins Irgendwo, wie Tränen ohne Trauer. Dann wünsche deinen Wunsch, doch gib gut acht! Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.
Der September Das ist ein Abschied mit Standarten aus Pflaumenblau und Apfelgrün. Goldlack und Astern flaggt der Garten, und tausend Königskerzen glühn. Das ist ein Abschied mit Posaunen, mit Erntedank und Bauernball. Kuhglockenläutend ziehn die braunen und bunten Herden in den Stall. Das ist ein Abschied mit Gerüchen aus einer fast vergessenen Welt. Mus und Gelee kocht in den Küchen. Kartoffelfeuer qualmt im Feld. Das ist ein Abschied mit Getümmel, mit Huhn am Spieß und Bier im Krug. Luftschaukein möchten in den Himmel. Doch sind sie wohl nicht fromm genug. Die Stare gehen auf die Reise. Altweibersommer weht im Wind. Das ist ein Abschied laut und leise. Die Karussells drehn sich im Kreise. Und was vorüber schien, beginnt.
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Nebel zaubern in der Lichtung eine Welt des Ungefährs. Raum wird Traum. Und Rauch wird Dichtung. Folg der Zeit. Sie weiß die Richtung. "Stirb und werdel" nannte er's.
Der Oktober Fröstelnd geht die Zeit spazieren. Was vorüber schien, beginnt. Chrysanthemen blühn und frieren. Fröstelnd geht die Zeit spazieren. Und du folgst ihr wie ein Kind. Geh nur weiter. Bleib nicht stehen. Kehr nicht um, als sei's zuviel. Bis ans Ende mußt du gehen. Hadre nicht mit den Alleen. Ist der Weg denn schuld am Ziel? Geh nicht wie mit fremden Füßen, und als hättst du dich verirrt. Willst du nicht die Rosen grüßen? Laß den Herbst nicht dafür büßen, daß es Winter werden wird. An den Wegen, in den Wiesen leuchten, wie auf grünen Fliesen, Bäume bunt und blumenschön. Sind' s Buketts für sanfte Riesen? Geh nur weiter. Bleib nicht stehn. Blätter tanzen sterbensheiter ihre letzten Menuetts. Folge folgsam dem Begleiter. Bleib nicht stehen. Geh nur weiter. Denn das Jahr ist dein Gesetz. 22
Gedldlte
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Der November Ach, dieser Monat trägt den Trauerflor ... Der Sturm ritt johlend durch das Land der Farben. Die Wälder weinten. Und die Farben starben. Nun sind die Tage grau wie nie zuvor. Und der November trägt den Trauerflor. Der Friedhof öffnete sein dunkles Tor. Die letzten Kränze werden feilgeboten. Die Lebenden besuchen ihre Toten. In der Kapelle klagt ein Männerchor. Und der November trägt den Trauerflor. Was man besaß, weiß man, wenn man's verlor. Der Winter sitzt schon auf den kahlen Zweigen. Es regnet, Freunde, und der Rest ist Schweigen. Wer noch nicht starb, dem steht es noch bevor. Und der November trägt den Trauerflor ...
Der Dezember Das Jahr wird alt. Hat dünne Haar. Ist gar nicht sehr gesund. Kennt seinen letzten Tag, das Jahr. Kennt gar die letzte Stund. Ist viel geschehn. Ward viel versäumt. Ruht beides unterm Schnee. Weiß liegt die Welt, wie hingeträumt. Und Wehmut tut halt weh. Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin. Nichts bleibt. Und nichts vergeht. Ist alles Wahn. Hat alles Sinn. Nützt nichts, daß man's versteht. Und wieder stapft der Nikolaus durch jeden Kindertraum. Und wieder blüht in jedem Haus der goldengrüne Baum. Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt, wie hold Christbäume blühn. Hast nun den Weihnachtsmann gespielt und glaubst nicht mehr an ihn. Bald trifft das Jahr der z.völfte Schlag. Dann dröhnt das Erz und spricht: "Das Jahr kennt seinen letzten Tag, und du kennst deinen nicht." 339
Der dreizehnte Monat Wie säh er aus, wenn er sich wünschen ließe? Schaltmonat wär? Vielleicht Elfember hieße? Wem zwölf genügen, dem ist nicht zu helfen. Wie säh er aus, der dreizehnte von zwölfen? Der Frühling müßte blühn in holden Dolden. Jasmin und Rosen hätten Sommerfest. Und Äpfel hingen, mürb und rot und golden, im Herbstgeäst.
Drum schaff dich selbst! Aus unerhörten Tönen! Aus Farben, die kein Regenbogen zeigt! Plündre den Schatz des ungeschehen Schönen! Du schweigst? Er schweigt. Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise. Und werden kann nur, was schon immer war. Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise. Und dem Dezember folgt der Januar.
Die Tannen träten unter weißbeschneiten Kroatenmützen aus dem Birkenhain und kauften auf dem Markt der Jahreszeiten Maiglöckchen ein. Adam und Eva lägen in der Wiese. Und liebten sich in ihrem Veilchenbett, als ob sie niemand aus dem Paradiese vertrieben hätt. Das Korn wär gelb. Und blau wären die Trauben. Wir träumten, und die Erde wär der Traum. Dreizehnter Monat, laß uns an dich glauben! Die Zeit hat Raum! Verzeih, daß wir so kühn sind, dich zu schildern. Der Schleier weht. Dein Antlitz bleibt verhüllt. Man macht, wir wissen's, aus zwölf alten Bildern kein neues Bild.
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Zur Auswahl Der Band enthält eine umfassende Auswahl aus dem bisherigen lyrischen Gesamtwerk Erich Kästners. Neben den Büchern "Herz auf Taille" (:1928), "Lärm im Spiegel" (:1928), "Ein Mann gibt Auskunft" (:1930) und "Gesang zwischen den Stühlen" (:1932) wurden die zwischen :1928 und :193.3 in der "Weltbühne" veröffentlichten und in keine Sammlung aufgenommenen Gedichte und die Aus= wahlbände "Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapo= theke" (:1936) und "Bei Durchsicht meiner Bücher" (:1946) berücksichtigt. Hinzu kommen ein großer Teil der :1950 unter dem Titel "Kurz und bündig" erschienenen Epi= gramme, verschiedene von :1946 bis :1952 für Münchener Kabaretts geschriebene Chansons und der Zyklus "Die dreizehn Monate" (:1955). Der Ausgabe zugrunde gelegt wurden Band :1 und 5 der "Gesammelten Schriften" von Erich Kästner, erschie= nen im Atrium Verlag, Zürich :1959.
Inhalt HERZ AUF TAILLE (1928)
Wieso warum? . . . . Jahrgang 1899 . . . . Ein Traum macht Vorschläge Chor der Fräuleins Besagter Lenz ist da . . . Frau Großhennig schreibt an ihren Sohn Die Tretmühle . . . . . . Ein Kind, etwas frühreif. . . . . . Kleine Führung durch die Jugend. . . Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühen? Die Hummermarseillaise . Ballade vom Defraudanten . . . Abschied in der Vorstadt Nachtgesang des Kammervirtuosen Der Mensch ist gut. . Trottoircafes bei Nacht Jardin du Luxembourg Apropos, Einsamkeit! . Weihnachtslied, chemisch gereinigt Klassenzusammenkunft Knigge für Unbemittelte . Atmosphärische Konflikte Elegie mit Ei. . . . . Stimmen aus dem Massengrab .
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LÄRM IM SPIEGEL (1928)
Sachliche Romanze. . . Sergeant Waurich . . . Ganz besonders feine Damen Lob der Volksvertreter Eine Mutter zieht Bilanz. . Fantasie von übermorgen Die sehr moralische Autodroschke .
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Vorstadtstraßen . Festlied für Skatturniere . In der Seitenstraße . Selbstmord im Familienbad . Belauschte Allegorie Saldo mowlle Karriere? Weihnachtsfest im Freien Fauler Zauber Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag Höhere Töchter im Gespräch Gefährliches Lokal . Goldne Jugendzeit Die unverstandene Frau Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner? .
Umzug der Klubsessel Geständnis einiger Dichter Karneval der Mißvergnügten Ein Fräulein beklagt sich bItter . Offner Brief an Angestellte . Heimkehr aus Italien Warnung vor Selbstschüssen Verhinderte Weihnachten Ein Hund hält Reden Das Gemurmel eines Kellners Gruß aus den Bergen Hymnus auf die Bankiers Hochzeitmachen . Zitat aus großer Zeit Ganz vergebliches Gelächter Monolog des Blinden Lob des Einschlafens Chor der Girls Die Existenz im Wiederholungsfalle Plädoyer einer Frau Vornehme Leute, 1200 Meter hoch Möblierte Melancholie Ein Pessimist, knapp ausgedrückt .
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GESANG ZWISCHEN DEN STüHLEN ('932)
EIN MANN GIBT AUSKUNFT (1930)
Wohltätigkeit Die andre Möglichkeit Mißtrauensvotum Ein gutes Mädchen träumt Der Busen marschiert Ragout fin de siede Verzweiflung Nr. 1 Prima Wetter Maskenball im Hochgebirge . Kurzgefaßter Lebenslauf Patriotischcs Bettgcspräch Primaner in Uniform Sogenannte Klassefrauen
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1°5 106 108 110
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Was auch geschieht I Brief an meinen Sohn . Nekrolog für den Maler E. H. Sozusagen in der Fremde. Der Handstand auf der Lorclei . Das Führerproblem, genetisch betrachtet Hunger ist heilbar Auf einer kleinen Bank vor eincr großen Bank. Nähe Waldfriedhof Das Riesenspielzeug Inschrift auf einem sächsisch.preußischen Grenzstein Rezitation bei Regenwetter Ein Quartaner denkt beim Anblick des Lehrers Begegnung mit einem Trockenplatz Elegie nach allen Seiten Mathilde, aber eingerahmt Ein Beispiel von ewiger Liebe Brief aus einem Herzbad . Die Ballade vom Nachahmungstrieb Legende, nicht ganz stubenrein. Junger Mann, 5 Uhr morgens
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Die deutsche Einheitspartei Verdun, viele Jahre später Das Herz im Spiegel Marschliedchen
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Tagebuch eines Herzkranken Hamlets Geist Spruch für die Silvesternacht
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KURZ UND BüNDIG (1950) NACHLESE AUS DER "WELTBüHNE"
Was das Volk begehrt. Brief an den Weihnachtsmann Das Lied vom Kleinen Mann Aus der Deutschen Chronik . Die Dame schreibt der Dame Poesie rer. pol. Brief an ein Brachtexemplar . Dummheit zu Pferde Die scheintote Prinzessin
201 2°3 2°5 20 7 20 9 211 21 3 21 5 21 7
NACHLESE
Große Zeiten Neues vom Tage Hotelsolo für eine Männerstimme . Die Fabel von Schnabels Gabel . Modemes Märchen . Berlin in Zahlen Der Streichholzjunge Hinweis auf die Hände einer Waschfrau. Stehgeigers Leiden . Der eingeseifte Barbier Ganz rechts zu singen Frühling auf Vorschuß Nasser November Das Mandelbäumdlen . Die dritte von rechts Die Fuchsien . Im Auto über Land Kleine Stadt am Sonntagmorgen Die Wälder schweigen
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Vorwort Präzision Zum neuen Jahr Kalenderspruch Eine Mutfrage Eine Spitzenleistung Trotz allem Eine Feststellung Für die Katz . Definition des Ruhms Von Mord und Totschlag Kleiner Rat für Damokles über den Nachruhm Das Verhängnis . Der schöpferische Irrtum Anonymer Grabstein Folgenschwere Verwechslung In memoriam memoriae Mitleid und Perspektive Damentoast im Obstgarten Besdleidenc Frage Moral Conditio sine qua non Die unzufriedene StrafSenbahn . Der letzte Anzug über Anthropophagie und Bildungshunger . Janusköpfe Die Spiegelfechter Trost Die Grenzen des Millionärs Zusammenhänge Konstellationen Inschrift an einer Kirchhofstür .
255 259 259 259 260 260 261 261 262 262 26) 26) 26) 26 4 26 4 26 4 265 265 265 266 266 266 26 7 26 7 268 268 26 9 26 9 27° 270 27° 271: 27 1
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Es läuten die Glocken. . Ernster Herr im Frühling Herbstliche Anekdote . Der Gegenwart ins Gästebuch Grabrede für einen Idealisten Sich selbst zum 40. Geburtstag . Doppelter Saldo . Der Streber . Sport Anno 1:960 Wenn ... Moderne Kunstausstellung Aggregatzustände . . Über gewisse Schriftsteller Der Humor . . . . . Die junge Dame vorm Sarggeschäft Kurze Charakteristik . Nur Geduld . . Fachmännische Konsequenz Gehupft wie gesprungen . Die Grenzen der Aufklärung Mut zur Trauer . Nietzsche . Auch eine Auskunft Es hilft nicht schönzufärben . Für Stammbuch und Stammtisch Die Bäume Die zwei Gebote Kopernikanische Charaktere gesucht
KABARETT (1946-1952)
Le dernier cri Das Spielzeuglied . . Trostlied im Konjunktiv Der Titel des Programms Kleine Epistel Solo mit unsichtbarem Chor. Der Pechvogel Der Prinz auf Zeit.
27 1 27 2 27 2 27 2 273 273 274 274 275 275 275 27 6 2.7 6 277 277 27 8 27 8 27 8 279 279 279 280 280 280 281 281 281 282
Zur "Woche des Buches" . Ein alter Herr geht vorüber. Der Hauptmann von Köpenick
306 3°7 3°9
DIE DREIZEHN MONATE (1955)
Vorwort Der Januar Der Februar Der März Der April Der Mai Der Juni Der Juli Der August Der September Der Oktober Der November Der Dezember Der dreizehnte Monat
317 3 21 3 22 32 4 326 328 329 .33 1 333 335 33 6 33 8 339 34°
Zur Auswahl .
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