BEITRÄGE ZUR KENNTNIS SÜDOSTEUROPAS UND DES
NAHEN ORIENTS Begründet von RU DO LF TROFEN IK
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BEITRÄGE ZUR KENNTNIS SÜDOSTEUROPAS UND DES
NAHEN ORIENTS Begründet von RU DO LF TROFEN IK
Mitherausgegeben von P. BARTL, München M. CAMAJ, München G. G RIM M , München E. HÖSCH, München L. KRETZENBACHER, München G. STADTMÜLLER, München G. VALENTIN1, Palermo W. WÜNSCH, Graz
H.G. BECK, München M. BERNATH, Berlin H. GLASSL, München J. HOLTHUSEN, München H.J. KISSLING, München J. SCHÜTZ, Erlangen E. TURCZYNSKI, Bochum E. VÖLKL, Regensburg
t E. KOLIQI t A. SCHMAUS
XX III. BAND
R
DR. DR. RUDOLF TROFENIK · MÜNCHEN 1977
UNTERSUCHUNGEN ZUM STATUS DER NICHTMUSLIME IM OSMANISCHEN REICH DES 16. JAHRHUNDERTS MIT EINER NEUDEFINITION DES BEGRIFFES “D IM M A ".
VON
KARL BIN SW AN GER
DR. DR. RUDOLF TROFENIK · MÜNCHEN 1977
ISBN 3-87828-108-0 © 1977 by Dr. Dr. Rudolf Trofenik Druck: Strauss & Cramer GmbH, 6945 Hirschberg II
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I
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VORWORT In der vorliegenden Arbeit, die von der Universität München als Dissertation angenommen wurde, wird der Status der Nichtmuslime im Osmanisehen Reich des 16. Jahrhunderts untersucht hinsichtlich der Art von Koexi stenz, in welcher in diesem Staat Muslime, Christen und Juden miteinander und nebeneinander lebten. Besonderes Augenmerk wird der Frage gewidmet, inwiefern das zugrun de liegende "Rechtsverhältnis", die D i ηn a, wirklich eine Koexistenzfornel darstellt, beziehungsweise, wodurch dieser ein integrierender Effekt zukommt·. Rechtliche Grundlagen und Alltagspraxis werden dabei als einander ebenbürtige Forschungsbereiche behandelt. Als Quellen dienten europäische Reiseberichte des 16. Jahrhunderts, publiziertes und unpubliziertes Archivmaterial, besonders Protokollbüoher von Kadis und sultanisehe Erlasse, sewie Sammlungen von Kechtsgutachten (Fetwas); kleinere Lücken in den Primerquellen wurden durch orientalistisehc Sekundärliteratur ausge glichen. Ausser meinem Lehrer, Herrn Prcf. Dr. Hans-Joachim Kissling, durch dessen Vorlesungen und Arbeiten ich auf einen Widerspruch dos herkömmlichen Dinina-Begriffes aufmerksam wurde, und der diese Studie anregte, habe ich zahlreichen Personen und Institutionen zu danken: Der türkischen Regierung und dem Deutschen Akademi schen Austauschdienst für ein ForschungsStipendium zu mehrmonatiger Archivarbeit in der Türkei; dem Institut Français d ’ Archeologie d'Istanbul, besonders seinem damaligen Direktor, Prof. Dr. λ. Larochs, für die lie-
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benswürdige Beherbergung. Den Leitern und Angestellten der folgenden Archive und Bibliotheken danke ich für zahlreiche Hilfen, und auch für Arbeitsgenehmigungen: Ankara: Etnografya Müzesi; Istanbul: Başvekalet Ar şivi, Müftülük Arşivi; London: British Museum; Mont pellier: Bibliotheaue Interuniversitaire, Section Medeeine; München: Bayerische Staatsbibliothek; Ulm: Stadt archiv und -bibliothek. Für bibliographische Hinweise und wertvolle Anre gungen sei "besonders gedankt: Bedriye Atsız, Dr. Klaus Kreiser, Dr. Eberhard Krüger (der auch die Titelvignette zeichnete), Dr. Hans-Georg Majer (alle in München), Dr. Erich Prokosch (Wien), Prof. Dr. Maxime Rodinson (Paris). Ich befürchte, dass diese Arbeit - besonders aber die Keudefinition der Dinuna - nicht zuletzt wegen der Brisanz der Thematik von der Fachwelt ignoriert werden wird. Besonderer Dank gebührt deshalb Herrn Dr. Dr. Ru dolf Trofenik (München), dessen verlegerischer Mut und Engagement für die Erforschung des Haben Ostens es er möglichten, diese vielleicht unbequeme Arbeit der Öffent lichkeit zugänglich zu machen. Ich widme die Arbeit meiner Frau Heidemarie, der die lange Zeit meiner Forschungen nicht nur materielle, son dern vor allem ideelle Opfer abverlangte, die sie mit bewundernswerter Geduld und liebevollem Verständnis er brachte. Diesen Tribut zollte sie nicht mir allein, son dern auch dem Fortschritt der Wissenschaft. Karl Binswanger
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INHALTSVERZEICHNIS VORWORT..........................................
I
INHALTSVERZEICHNIS............................. III EINLEITUNG....................................... 1 1. Dirnna und Koexistenz 2. Bemerkungen zur Terminologie............. .
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3. Die §urut ad-Dirrjna........................... 26 Grundlegende "Rechte und Pflichten"......... Ergänzungen zum sozialen und wirt schaftlichen Bereich......................... Auflagen, um den Muslimen kein Ärgernis zu geben............................ Kriegsrechtlich erklärbare Bestimmungen..... Gründe, die zur Auflösung der Dimma führen...
27 30 32
35 36
ERSTES KAPITEL: WAS LEISTEW DIE DIMMA-BBSTIMMUHCEH FÜR DIE INTEGRATION DER DIMM1S ? ...............
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Vorbemerkung 1. Geographische Integrität der Himmi-Gemeinde.................................. 42 2. Die "Kirchenpolitik" der Osman en............ 64 Verbot des Kirchenneubaus Das "Verschwinden" von Kirchen........... . 69 Schleifen/Schliessen/Umwandeln von Kirchen.................................. 70 Vorbemerkungen Las Scbliessen von Kirchen............... 95 Umwandlung von Kirchen zu Pro f a n ba u t e n . - 99 Umwandlung von Kirchen zu Moscheen....... 100 Das Beispiel des Zionsklosters........ 104 Kirchenteilurig........................... 112
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Kirchenorsatz........................... Das los der verbliebenen Kirchen kultische Beschränkungen...................
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"Stille" Messen.......................... 119 Prozessionen und Beerdigungen........... 124 3. Anhang: Kirchenpolitik und Verlust der geo graphischen Integrität am Beispiel Galatas.... 128 4. Die "Autonomie" der üimmls................. .147 Allgemeines Die Gerichtsbarkeit der Dimmis............. .150 Die "Dorfrichter"............................156 5. Die diskriminierenden Massnahmen...........
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Vorbemerkung Die Kleiderordnung im Osmanischen Seich im 16. Jahrhundert...................
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Kleiderordnung und Integration............. 186 Andere diskriminierende Massnahmen......... 193 6. Zusammenfassung............................. 200 ZWEITES KAPITEL: DIE SOZIALE UMWELT DER DIMMIS..................................... 208 Vorbemerkung 1. Direkt aus den Dimma-Bestimmungen ableitbare Faktoren und Handlungsmuster im sozialen Alltag......................................... 209 Beherbergung und Bewirtung von Muslimen Die Reverenzpflicht......................... 217 2. Faktoren und Handlungsmuster, die Implikation und Ausdruck des inferioren Status der Dimmis sind................................ 223
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Vorbemerkung Die Dimriis als Ärgernis.................... Dincnophobe Verhaltensweisen................
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Verschiedene Aspekte Hilfe beim Strafvollzug.................
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"Verehrung"..............................
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Dimma und die Bergpredigt.................. 250 Das Nachbarschaftsverhältnis der Muslime und Dimmis.......................... 262 DRITTES KAPITEL: PH0SELYT3NMACHRREI........... .272 Vorbemerkung "Zwangs bekeh rung "............... ............273 1. Konversion von Dimmis........................274 Allgemeines Spezielle Konversionsmotive................ .276 Religiöse Überzeugung Flucht vor Bestrafung................... .277 Konversion als "Nachfolgetat"........... .281 Versuchung zur Konversion - eine Typologie................................... 283 Religiöser Disput....................... 284 Nachsprechen der Sahäda................. 286 Moscheebesuch............................
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Tragen des weissen Turbans.............. Das Beispiel Scklins................. Unzucht mit einer Muslimin..............
290 292 296
Das Beispiel Krafft-s................. 301 Begleitende Massnahmen...................... 307 Die Lauterkeit der Konversion.............. 308 Zwangsbeschnoidungen........................ 310
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2. Konversion von Kriegsgefangenen und Sklaven........................................ 311 Allgemeines Konversion in Anschluss an die Gefangennahme................................312 Verschiedene Methoden der Proselytenmacherei unter Kriegsgefangenen und Sklaven......... 314 VIERTES KAPITEL: "ΠΥΛΑΙΑ"....................
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FÜNFTES KAPITEL: NEPDEFINITIOK DES BEGRIFFES "DIMMA"........................................ 326 Nachtrag zum Devşirme.......................... 354 NACHWORT....................................... 366 Retardierende Faktoren..................... 367 Eingebürgerte Missverständnisse, Fehlinter pretationen und Denkfehler........ .'........ 370 BIBLIOGRAPHIE.................................. 40? ABKÜRZUNGEN.................................... 418
EINLEITUNG lo Diama und Koexistenz Der Artikel "Dhimma" von C. CAHEN in EI^ definiert: "DHIMMA, the term used to designate the sort of indefinitely renewed contract through which the Muslim ccmmunity accords hospitality and protection to members of other revealed religions, on condition of their acknowledging the domination of Islam." Sieht man von der speziellen Nuance ab, die CAHEN dem Terminus Dimma verleiht, indem er von ihr als "hospitality”spricht, so können wir sagen: die Dimma ist der das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmus limen, vorab Schriftbesitzem, regelnde Vertrag, bzw. das diesbezügliche Vertragsverhältnis. Allgemeiner aus gedrückt: Dimma regelt eine spezielle Form von Koexi stenz oder Kohabitation bestimmter Gruppen. Um diese spezielle Form von Koexistenz zu definie ren scheint es angebracht, zuerst über verschiedene Arten von Koexistenz zu sprechen, wie sie denkbar und aus der Geschichte bekannt sind. Dabei sind grundsätz lich zwei Fragen zu untersuchen: - Was unterscheidet die Gruppen? - In welchem Bereich und wodurch wird Koexistenz erzielt? Die die Gruppen trennenden Faktoren können überwind bar, aber auch unüberwindbar sein. Überwindbar sind Faktoren aus dem Bereich von Sprache, Kleidung, Reli gion etc., Faktoren also, die man als "äusserlich" klassifizieren kann. Unüberwindbar sind Faktoren aus dem biologischen Bereich, etwa "Rasse". Ein Jude kann
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Christ werden, ein Neger aber nicht zu einem Weissen» In Gesellschaften, wo die unterscheidenden Faktoren keine Bolle für die Koexistenz spielen, dieser nicht entgegen stehen, kann Koexistenz stattfinden unter der vollen Beibehaltung der unterscheidenden Faktoren, So kann beispielsweise ein Protestant mit einem Katholiken Geschäfte abschliessen, unter einem Dach wohnen, ge meinsam eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten eingehen, ohne dass einer der Beteiligten sein Bekenntnis aufgeben müsste. Dasselbe gilt für "Mischehen". Möglich ist diese Form allerdings nur in solchen Be reichen, wo das Unterscheidungskriterium (Discrimen) irrelevant ist. So kann zwar heute in der Bundesrepu
blik ein Jude einen vollgültigen Kaufvertrag Bit einem Katholiken abschliessen, aber er kann, nicht Taufpate für das Kind seines Geschäftsfreundes sein: hier steht der andere Glaube entgegen. Wir kennen allerdings auch Gesellschaften oder Kul turen, bei denen das Discrimen auch in Bereichen hin dernd wirkt, die nicht in der Natur des Discrimen selbst liegen. Dies kann sich auf der gesellschaftlichen Ebene etwa als Ehehinderungsgrund auswirken, im wirtschaft lichen Bereich in der Ungültigkeit von Kaufverträgen zwischen Partnern unterschiedlichen Bekenntnisses, letztlich auch in der Frage des Bürgerrechts, das ja keineswegs ein Ausfluss des nationalstaatlichen Kon zepts ist. Wenn es nun konfessionell unterschiedliche Gruppen in einer politischen Einheit gibt, so sind innerhalb dieser Einheit grundsätzlich zwei Modelle von Koexi-
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stenz möglich: a) Die beiden (oder mehreren) Gruppen leben in fast allen Bereichen getrennt voneinander, und haben gemein sam nur gewisse Verpflichtungen gegenüber dem Ganzen, etwa Steuerzahlung, Militärdienst und dergleichen. b) Sine der Gruppen gleicht sich der anderen an, sei es teilweise oder ganz. Die Gruppe, der man sich angleicht, ist erfahrungsgemäss die dominierende; ob diese rein quantitativ dominiert, also die Mehrheit ist, oder etwa kulturell, ist eine Frage von sekundärer Be deutung» Im Augenblick soll uns nur die Art der An gleichung interessieren. Gleicht sich die Minderheit der Mehrheit nur äusserlich an, so sprechen wir von Assimilation; sie kann da bei das wesentliche Discrimen beibehalten. So glichen sich etwa die europäischen Juden in ihrer Kleidung der christlichen Mehrheit an, ohne freilich ihren Glauben aufzugeben. Geht die Minderheit jedoch in der Mehrheit auf, so sprechen wir von Integration (1). Das ist der Fall, wenn das Discrimen aufgegeben wird. Ist dieses der Glaube, dann geschieht Integration durch Konversion. Damit erledigt sich die Frage nach Koexistenz zweier Gruppen von selbst. Wir werden diese Definitionen beibehalten. Die Erfahrung zeigt, dass Gruppen unter Beibehaltung des Discrimen auf längere Zeit in der gleichen poli tischen Einheit nur schlecht miteinander auskommen. (1) Wir betonen diesen definitorischen Unterschied auch deshalb, weil die ältere deutsche Sprache und auch die Umgangssprache beide Begriffe gleichsetzen.
Dies beruht vorab auf psychologischen und soziologischen Faktoren, die wir hier nicht untersuchen können. Beson ders aber dann, wenn eine der Gruppen zur Minorität wird - sei es rein numerisch, sei es von ihrer poli tischen und/oder kulturellen Bedeutung her - neigt die andere, mehrheitliche Gruppe zu einer feindlichen Hal tung. Cum grano salis können wir im Falle der Lirnmls von Xenophobie sprechen, da sie im Dar al-Islam kein "Bürgerrecht" besitzen, wovon noch die Rede sein wird. Der Dimrai ist aber auch im sozialen Bereich der "Andere” schlechthin, ist Aussenseiter, und damit per se Objekt einer latenten Xenophobie. In einer Atmosphäre ständiger Spannung kann Koexi stenz nur noch mit Einschränkungen stattfinden. Denk bare Lösungen wären etwa ''Ghettobildung" (wir verwenden das Wort im wertfreien, nicht diskriminierenden Sinne), oder aber Assimilation in den für funktionierende Ko existenz relevanten Bereichen. Mit dieser Lösung ist ein Zusammenleben unterschiedlicher Gruppen auch über einen sehr langen Zeitraum möglich. Es kann erheblich er leichtert werden, wenn die Minderheit sich möglichst wenig in ihrem Benehmen von der Mehrheit unterscheidet, wenn sie sich also assimiliert, ohne sich deshalb gleich zu integrieren (1). Was nun den Faktor Zeit in unserem Falle betrifft, so hat die Orientalistik bisher die Koexistenz von (1) Man darf nicht vergessen, dass die uns hier inter essierende Zeit ja nicht jenes nationalstaatliche Kon zept kannte, welches heute für kleine und kleinste kulturell definierte Gruppen die Forderung nach einem eigenen Staat rechtfertigt.
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Muslimen und Dimmis als zeitlich unbegrenzt darge stellt. Man stützt sich dabei auf jene Koranstelle, die als Grundlage der Dimma gilt: "Kämpft gegen sie, bis sie kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten" (Q IX 29). Dass die Dimma als Vertrag ohne zeitliche Begrenzung gegeben wird, erhellt aus den Texten, wo eine solche Bestimmung eben fehlt. Die o.a. Koranstelle wird dahin gehend gedeutet, dass mit der Tributzahlung der Krieg beendet ist (1). Nachdem die Dimmis aber im islamischen Herrschaftsgebiet (Dar al-Islam) wohnen, stellt sich die Frage nach der Form ihrer Koexistenz mit den Mus limen. Die Orientalistik stellt diese ausdrücklich als ad infinitum konzipiert dar - was eine andere Aussage ist, als die, dass die Vertragstexte keine zeitliche Begrenzung und Geltungsdauer nennen (2)! Dies würde dann eine Integration der Dimmis aussehliessen, ja, man hat den Eindruck, als sei Dimma .die Rechtsgrundlage, auf der jedem von muslimischer Seite ausgehenden Integrations versuch gewehrt werden kann. Als Begründung dieser Inter pretationen werden jene Punkte aus den Dimma-Verträgen angegeben, die den Nichtmuslimen Religionsfreiheit gegen (1) So etwa CAHEN, Art, Dhimma in EI^: "'Fight those who do not believe...until they pay the djizya...’ which would imply that after they had come to pay there was no longer reason for fighting them." (2) Vgl. aber KISSLING, Hans-Joachim: Rechtsproblematiken in den christlich-muslimischen Beziehungen, voraE~im ZeıfâTfer~ befahl (1) MANTRAN Istanbul S. 53· (2) Ein anderer möglicher Grund, in Zusammenhang mit der umstrittenen Eroberungsart der Stadt, wird im Ab schnitt zur "Kirchenpolitik" behandelt. (3) Μ Α Η Τ Γ ίΑ Ν Istanbul S. 49.
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Sultan Mıırâd IV. die Rucksiedelung vieler Dimmîs - zum grössten Teil Armenier - von Istanbul nach Anatolien. Ob ihn dazu die Menge der Armenier veranlasste, wie MAWTRAN vermutet (1), oder ob sie für die Prosperität der Hauptstadt schlicht nicht mehr nötig waren (2), sei dahingestellt. Wir werden später beide Argumente in anderem Zusammenhang noch öfter antreffen. Allerdings fällt auf, dass diese Rücksiedelung in eine Zeit dra stischer Massnahmen fällt, das schon angeschlagene Os manische Reich zu retten und zu reformieren - wie schon die Ansiedlung der Armenier in Istanbul ebenfalls zum Wohle der Hauptstadt erfolgt war. Wir haben oben schon darauf hingewiesen, dass Um siedelungen den Zusammenhang der betroffenen Gruppen zerstörten. Über das Ausmass dieser Folge können wir, von wenigen Fällen abgesehen, nur Vermutungen anstellen. Neben dem sozialen Zusammenhalt war besonders der kul tische gefährdet, da keineswegs gewährleistet war, dass die Umsiedler in der neuen Heimat (wenn man diesen ge radezu statischen Begriff verwenden darf) Kirchen bzw. Synagogen mitbenutzen konnten; Neubau von Kultgebäuden (1) "II semble qu’ au debut du XVII6 sieele le nombre des Armeniens residant â Constantinople ait si serieusement augmente qu’ en 1655 le sultan Murad IV ordonna de renvoyer dans leur pays d ’ origine les habiiarits de Kayseri et d ’ autres regions asiatiques, Armeniens pour la plupart, qui depuis une trentaine d ’ annees s ’ etaient fixes dans la capitale"; MANTRAN Istanbul S. 50.· (2) Dies könnte gewissermassen der Eeuüung von Dirama als Ausbeutungsprotekorat· (Ibn Taimiyya) verglichen werden!
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lässt sich in solchen Fallen praktisch nicht belegen (1). Mehrere Beispiele von s ü r g ü n aus Albanien zeigen, dass die umgesiedelten Dimmls in der neuer. Umgebung rasch islamisiert wurden, eben weil ihnen dort keine Kirche zur Verfügung stand (2). Selbst im Falle von Rückwan derung ganzer Gemeinden gab es keine Garantie für die Wiederinbesitznahme der früher verlassenen Kirchen (3); "verlassene" Kirchen verfallen der Verfügungsgewalt der Muslime.
(1) So erwähnen drei Unsie-dlungsbefehle von 1577 und 1574 die Frage nach Kirche bzw. Synagoge in der neuen Heimat schlicht gar nicht: Kül) XXXI 411 und 412 betrifft; 500 (ausschliesslich reiche,'denn es wird verboten, dass sie sich freikaufen und an ihrer Stelle arme Juden schicker.!) jüdische Familien aus Safed, die nach Zypern deportiert, worden. Zu den Einzelheiten vgl. 1JEWIS, Bernard: Notes and_Documents_from thejTurkish Jirchives ·__Λ Contriouîiön Îo_îEe Hisîory"'5F'The_Jews in_ÎHe_ÖÎÎonan Emj>ıre7 Jerusalem 1952 TörienTäT Ioîes_ân3 SÎuüıes T). Ferner verfügt MÜD XXIV 871 den s ü r g ü n einer zahlenund herkunftsnassig nicht näher spezifizierten Gruppe von Ungläubigen (kefere) nach Zypern, ohne die Frage der Kultgebäude zu erwähnen. (2) Vgl. etwa KALESHI Islamisierung. (3) Zwei Befehle von 1573 Sn derTBeglerbeg von Zypern bezüglich rüeksiedlungswilliger Diir.ms bestiimnen nur, diese in ihren früheren Besitz an Immobilien und Häu sern - sofern diese nicht- zwischenzeitig verkauft wor den waren - wieder einsusetzen, tYiederbenutzung oder Neubau von Kirchen wird nicht erwähnt; MIT XXIII 504 und ICD XXVI 123- Natürlich hat der s ü~r g ü n nicht den Zweck, die Dimmis ihres kultischen Zusammenhalts zu beräüEen, dies ist nur eine - willkommene ? Folge. So auch noch in 18. Jahrhundert, vgi. REFIK Türk j.daresindc_Bulgaris:,an |973-1255)_. Istanbul 1933, Är7
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Bevor wir diese Ergebnisse zusammenfassen müssen wir noch einen Blick auf die Praxis der Vertreibung von piınraîs aus Moscheenähe werf®, In allen aufgeführten, uns urkundlich überlieferten Fällen, wo Dimmîs ihre Wohnungen und/oder Werkstätten in Moscheenähe räumen mussten, zeigt sich stereotyp folgender Ablauf: a) Muslime beschweren sich darüber, dass in der Nähe ihrer Moschee wohnende bzw. arbeitende Dimmîs bei Tag und Nacht ein liederliches leben führen (Unzucht, Lärm, Musik, Trinkgelage in der Öffentlichkeit) und dadurch die Andacht der tiuslirae stören. b) Eine Untersuchung durch den örtlichen Kadi bestätigt, dass die genannten Dimmîs in der Nähe der Mosche wohnen bzw. arbeiten. c) Die Dimmîs werden des Viertels verwiesen. Hierzu ist festzustellen: - Zwischen dem Anlass bzw. Gegenstand der Beschwerde (Unzucht, Lärm, Munik, Trinkgelage) und der ergehenden Anordnung (Vertreibung) besteht eine eklatante Dis krepanz. Um der Beschwerde zu entsprechen würde es ja genügen, den Dimmîs Unzucht, Lärm, Musik und Trinkge lage zu verbieten. Man könnte hieraus folgern, die Beschwerdepunkte seien nur Vorwand zu einer ohnehin gewünschten Vertreibung. - Nachdem sich die Untersuchung durch den örtlichen Kadi durchweg auf das Feststellen der Tatsache der Anwesenheit von Diıurıîs beschränkt - also auf die kon krete Beschwerde gar nicht eirigeht - und ja daraufhin die Vertreibung arigeordnet wird, lässt sich die Be schwerde tatsächlich als reiner Vorwand einstufsn. Die
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Beschwerdepunkte selbst sind allerdings nicht so stereo typ, dass man sie zur diplomatischen Formel erstarrt auffassen könnte. - Fraglich bleibt aber, warum nicht generell, gewissermassen in einem Zuge, alle Dimmîs aus ihren Wohnungen bzw. Werkstätten und Laden in Moscheenähe vertrieben wurden, bzw. warum in diesen Befehlen die Vertreibung nie mit dem scheriatrechtlichen Wohnverbot in Moscheenähe begründet wurde. Nachdem sich aber die meisten unserer diesbezüglichen Urkunden auf die Hauptstadt (unter Ein schluss Galatas) beziehen, wäre zu bedenken, ob bei den damaligen konfessionellen Proportionen durch ein solches Vorgehen nicht ein "Erdrutsch", ausgelöst durch fana tische Muslime, die sich auf diese Präzedenzfälle hätten baufen können, zu befürchten gewesen wäre. Zweifellos blieb aus realpolitischen Überlegungen nur die soge nannte "Salami-Taktik". Wichtig scheint uns dabei folgender Punkt: bei der aufgezeigten Praxis, von Fall zu Fall eine Vertreibung anzuordnen, lebten die Dimmîs in der permanenten Be fürchtung, jederzeit ein solches Schicksal erleiden zu können (1). Um dem aber zu entgehen, blieb ihnen ange sichts der stereotyp erhobenen Vorwürfe (Unzucht, Lärm, Musik, Trinkgelage) nur die Möglichkeit, nicht "aufzu fallen”, oder, wie DERNSCKWAM sagt: "...müssen sich alle leyden, wie eroberte vnderdrugte gefangene leutte, deren sich keiner fwr forcht, angst, not vnd zwang mer regen noch den kopff aufrekhen (1) Der die Diirana generell kennzeichnende Schwebezu stand wird im Schlusskapitel näher behandelt.
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dar:f. Seind alle durchaus, also gedemutiget, von dem stule auff die erden geseczt worden, das sy auch zuleben verdrissen mag" (1). Hachdem sich diese Problematik aber nur und direkt aus dem engen Zusammenleben von Muslimen und Dimmis ergibt, also Ausfluss der Dimma ist, muss an Abu Yûsuf erinnert werden, der dieses enge Zusammenleben dadurch legalisiert sah, bzw. für wünschenswert erklärte, dass die Diinmis durch das dabei vorgelebte Beispiel der Mus lime zur Konversion veranlasst werden könnten. Bei diesem "vorgelebten Beispiel”handelt es sich nun freilich nicht um einen "freien Markt der Ideen": die "Überzeugungskraft," des muslimischen "Beispiels" beruht in der Praxis nicht auf Argumentation, auch nicht auf einem vorgelebten "schöneren" Dasein der Muslime im Vergleich v.u einem Alltag der Dimmis, den sie vor der Unterwerfung kannten, sondern gegenüber einem, "duckmäuserischen" AI_ltag, der durch die Dimma und das daraus resultierende Zusammenleben ja erst geschaffen wird! Und nur um diesem zu entgehen können die Dinimis zur Konversion angereist werden! Zu Abu Yûsuf’ s Argument ist noch anzunerken, dass das Zusammenleben in praxi durch den umgekehrten Vor gang zustande kommt: nicht Dimmis siedeln sich in mus limischen Städten an, sondern Muslime in christlichcn bzw. jüdischen! *
(1) DEfltSCHWAM Tagebuch S. 59.
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Zur Frage der geographischen Integrität der Diramî-Gemeinden im Osmanisehen Reich lässt sich zusammenfassend feststellen: Obwohl sich jeder konkrete Dirna-Vertrag - wie auch die s u r ü t generell - auf eine geographisch klar definierte Gemeinde bezieht, und diese Gemeinde im Be sitz ihrer Immobilien bestätigt, ist ihre Besitzstand wahrung in der Praxis nicht gesichert. Gefahr für diese erwächst aus dem jederzeit möglichen Entzug des Wohn rechts durch s ü r g ü n (1), und/oder - verbunden mit der Einpflanzung Asiatischer n u c 1 e i - aus dem Ein dringen von Muslimen in Viertel, die bis dahin rein nichtmusliraisch waren. Die Folge davon ist die Vertrei bung von Dimmîs aus erst einer n a h a I 1 e, doch kann sich dieser Vorgang in weiteren m a h a l l ä t wieder holen, wie wir im nächsten Abschnitt nachweisen werden. In dieser Hinsicht können wir also sagen, dass die an gebotene Dirnrna mit der durchgei'ührten nicht, identisch ist. Die geschilderten Mechanismen haben zur Folge, dass die geographisch-städtebauliche, und die korraiunal-naehbarschaftliohe Geschlossenheit einer Dinnl-Gemeinde aufgebrochen wird, was die Dimmîs einer ganzen Stadt letzt lich in die zahlennässige Minorität oder in die poli tische und soziale Bedeutungslosigkeit abdrängt (2). (1) Eie f u q a h ä 5 sehen Aus- und Unsiedlung von Dimmîs legitimiert durch das Beispiel des Propheten und ^Umar’ s I. (Haibar, Fadak, Nagrän); FATTAL Statut passim (2) Dabei spielen freilich auch andere Faktoren mit, die wir in späteren Kapiteln behandeln werden. Wir kön nen allerdings feststellen, dass es s"ieh hierbei un ein
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Zwar kann die m a h a l l e als nachbarschaftliches Gebilde ihre Bewohner vor Identitätsverlust bewahren, doch ist dies nur gewährleistet, wenn die m a h a l l e eine gewisse Kontinuität aufweist. Durch Sinpflanzen islamischer n u c 1 e i wird diese Kontinuität zerstört. Andererseits vermag gerade die Bildung weiterer (mus limischer) m a h a l l ä t den Verlust einer höheren, auf die ganze Stadt bezogenen Identität nicht wettzu machen: die Mahal1e-Bildung verhindert Kontinuität. Kontinuierlichkeit ist aber unabdingbare Voraussetzung für Identität und Integrität. ++++
Sin kurzer Blick auf die spätere Zeit: Aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind uns einige Be fehle erhalten, die einen gewissen Trend signalisieren, der hier nur noch angedeutet werden kann. Diese Vorgänge spiegeln nicht nur die uns schon aus dem 16. Jahrhundert bekannten Rechtsverhältnisse wieder, sondern skizzieren auch deutlich die aus diesen resultierenden Folgeer scheinungen. Im Jahre 1636 befahl Muräd IV (1), gestützt auf eine Fetwa, in der m a h a l l e Kätib Qäsin, die durch Häu Zusammenspiel aufeinander abgestimmter Massnahmen han delt. Erst dieser Zusammenhang bewirkt den oben ge schilderten Effekt, dass es nämlich nach längerer Zeit zur Herausbildung von überwiegend - mitunter auch rein muslimischen Städten bzw. Stadtteilen kam. (1) Vgl. aber auch oben S. 53 f.!
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serkauf überwiegend christlich geworden war, diese Häuser zwangsweise an Muslime zu vorkaufen (1). Hier war genau das passiert, was ein Faqih des 17. Jahrhunderts ver hindert wissen will: der Imän kann zwar Ungläubigen er lauben, sich in einer muslimischen m a h a l l e ein Haus zu kaufen, allerdings nur unter der Bedingung, dass daraus keine Gemeinde entsteht (2), andernfalls diese Häuser unverzüglich wieder an Muslime verkauft werden müssen. Der Faqxh steht mit dieser Bestimmung in Ein(1) REFİK On birinci... Hr. 100. (2) "mahalläi-i musliminde ehl-i_zimmet hane iştira3_ etmesini teğvız eden e 5imme ta'lıl-i ğemtcatajniiaeddı olraamaq şartı üzere teğvız etmişlerdir m ü 3eddı oligaq ehl-i İslama bey^ etdirilmek hatmen vâğibdir"; AEU’ L-3AQ,A 3: cAqa3id-i diniyye ve âhkam-ı serciyye, fol. 161 r„ HanîsĞHrîFÎ_ın unserem frıvaÎEesrÎz, datiert lo91 h„ Über den Autor vgl. KISSLING, Hans-Joachim: gUsâqîzâde’ s Lebensbesehre ibungen berühmter Gelehrter uücT ĞoÎîesmanner des ösmaniseEen Reiches im Γ77 JaFrEûnSerÎ~rZeyI-r~5âqâ'JıqT7~ffîes,5âJen~ig557~S^ 5ÖÖ-F7Män versîeHÎ cTurcEaus aie dahinterstehende Absicht: über den Kauf einzelner Häuser soll die islamische Gemeinde einer konkreten Mahalle nicht "unterwandert" werden. Es steht also für die'f u q a h ä 5 (ABU’ L-BAQA3 und den Scheich ül-Islam, von dem die Fetwa für den o.a. Hüküm stammt) fest, dass aus derr. nucleus eine neue (nichtmus limische!) Mahalle entstehen würde. Wenn die Fuqaha3 diese Gefahr sehen, dann darf man ihnen guten Gewissens zugestehen, dass ihnen klar ist, wie im umgekehrten Falle (Einpflanzen eines islamischen nucleus in eine Dimmi-Gemeinde) sich die Dinge entwickeln. Nachdem die Fuqaha3 aber hiergegen nichts einwenden kann man klar ablesen, dass ihnen die Folgen einer solchen Aktion nicht nur bekannt, sondern auch willkommen waren: die Aufsprengung der geographischen Integrität der D i m î -Gemeinden war beabsichtigt, und kein zufälliges Ergeb nis eines "freien Wohnungsmarkts"! Andererseits: wenn einzelnen Dimmis der Hauskauf in muslimischen Maliallat
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klang mit dem seinerzeit geltenden weltlichen riecht; die Übereinstimmung von s a r und q ä η ü n werden wir noch öfter antreffen. Die GrUndungsgeschichte der Yeni Cami in Stamtul ist in Fachkreisen hinlänglich bekannt: ihre ungewöhnlich lange Baugcschichte war verbunden mit dem Zwangsver kauf jüdischer Häuser in der Nähe dieser Moschce, zuletzt 1726 (1). Dieser Typus ist uns schon aus dem 16. Jahr hundert bekannt. Im Jahre 1729 wurde für ganz Istanbul verboten, dass Muslime ihre Häuser an Christen verkaufen (2), 1743 versuchten Juden, nahe der Crtaköy Camii liegende Häuser zurückzukaafen (3), was ihnen freilich auch verboten wurde. Schliesslich erging 1767 das Verbot an alle Un gläubigen, ausserhalb der Stadtmauern Häuser zu erbauen (4). Geht man von den Verhältnissen im 15. und 16. Jahr erlaubt wird - sofern dies nicht zur Bildung einer grös seren Gemeinschaft führt - so muss dies auf dem Hinter grund einer weitergehenden Integration gesehen werden: wenn die Fuqaha3 davon ausgehen, dass die Einpflanzung islamischer nuclei (mit folgender Bildung ein&r islami schen Gemeinde) die geographische Integrität der DimmlGemeinde sprengt - was zu deren Integration führt - so sehen sie im Falle des Einpflanzens eines christlichen/ jüdischen nucleus in eine muslimische Gemeinde ebenfalls einen Integrationseffekt als Ziel, andernfalls könnten sie ja die Einschränkung ("sofern daraus keine Gemeinde entsteht") aufheben! Deshalb gilt diese Erlaubnis nicht aus "marktwirtschaftlichen" Überlegungen, sondern hin sichtlich des Zieles der Integration. Diese Bestimmung zielt also nicht auf "tolerante" Koexistenz ab! (1) REFIK, Ahmed (Altmay): Hicrî on ikinci asırda Istan bul Hayatı. Istanbul 1950 (TTEİTI777"I?:“ I?D7 ΓΖ7 a.a.ö. Nr. 135(3) a.a.O. Nr. 190. (4) a.a.O. Nr. 256.
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hundert aus, und betrachtet man die eben geschilderten Befehle, so liesse sich folgende Skizze zeichnen: Durch das Einpflanzen islamischer n u c 1 e i in bis dahin nichtnuslimische Viertel entstehen islamische m a f c a l l ä t . Die Dimmîs werden in andere Viertel abgedrängt, wo sich der Vorgang nach einiger Zeit wieder holt. Selbst wenn Muslime ihre Viertel aufgeben, wird nicht geduldet, dass Dimmîs dorthin zurückwandern. Somit bleibt ihnen mitunter nur noch die Ansiedlung in muslimischen Vierteln, was sie wiederum nicht in grös serem Ausmass dürfen. Dann wird generell verboten, dass sie von Muslimen Häuser kaufen, und zuletzt wird ihnen verboten, sich ausserhalb der Stadtmauern Häuser zu bauen. Dass Dimmîs sich dort überhaupt anzusiedeln ge dachten, dürfte ein Effekt der ständig weiterschreitenden Vertreibung innerhalb der Stadtmauern sein. Mun wird ihnen auch diese letzte (?) Ausweichmöglichkeit ver sperrt. An diesem Punkt der Entwicklung angelangt, bleibt nur noch Emigration oder Konversion. Wie gesagt, dies ist nur eine Skizze auf dünner materieller Basis. Eine genauere Untersuchung dieser Entwicklung kann wegen des zeitlichen Rahmens unserer Arbeit nicht raehr geleistet werden. *
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2, Die "Kirchenpolitik" der Üsmanen Wir verstehen "Kirche" hier - pars pro toto - für alle nichtislamischen Kultgebäude, also Kirchen, Klö ster, Einsiedeleien und Synagogen. Die osmanische Po litik gegenüber Synagogen ist ohnehin nicht ganz re präsentativ, da die Mehrzahl der Juden durch einen an deren Vorgang zu Dimmis wurde, als die Christen. Aber auch Einsiedeleien und Klöster nahmen eine Sonderstel lung ein, da sie für den Zusammenhalt bzw. die Inte gration von Dimml-Oemeinden nur eine untergeordnete Rolle spielen, zumindest im urbanen Milieu und im Ver gleich mit der diesbezüglichen Bedeutung von Kirchen. Verhältnisse auf dem Land können wir mangels Material zu allen Begleitumständen nicht aufnehmen. Andererseits ändern die Klöster auf Athos und Sinai nichts an Kir chenschwund Istanbuls oder Isniks. Wir untersuchen nur den Normalfall, wo die Kirche das Zentrum einer Gemeinde bzw. m a h a l l e war. Wir können tatsächlich von Kirchenpolitik sprechen, da sich zielgerichtetes Handeln nachweisen lässt im Versuch der Staatsmacht, die Kirchenzahl zu reduzieren. Dabei lässt sich unterscheiden zwIschen einer numeri schen Reduktion mit, und einer ohne Zutun des Staates.
Verbot_d.es Die f u q a h ä 3 sind sich darüber einig, dags den Dimmis der Neubau von Kirchen, die zur Zeit der Unter werfung noch nicht standen, zu verbieten ist. Reparatur bestehender Kultgebäude ist aber zulässig. Nachdem die Dimmis einer gegebenen Stadt sich aber natürlich ver-
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mehren (unter Einbeziehung von s ü r g ü n ) , wird nach einiger Zeit das Bedürfnis nach mehr Kirchen zu verspü ren sein. Wir haben oben schon auf diesen wesentlichen Unterschied von "neuen" und "mehr”Kirchen hingewiesen. Dass ein Bedürfnis nach mehr Kirchen tatsächlich ver spürt wurde, berichtet G13LACH: "Die Armenier allhier/ wie auch die Griechen zu Prussa oder Prusia/wolten ger ne mehr Kirchen haben/die Tiircke aber wollens ihnen nit zulasze" (1). Es liegt auf der Hand, dass bei einer solchen Praxis im laufe der Zeit ein numerisches Missverhältnis von Dimmls pro Kirche entstehen muss (2). So lässt sich also sagen: das Dimml-Milieu komait mit der Zeit von selbst zum Erliegen, "trocknet aus". (1) GEKLACH, Stephan: Tage=Buch/Derjron^.Kays££n_Maxirailiano_und_Rudolpho_an aie-ÖTîömanısche FforTe.^.S]>ge|erîîgÎeiî_îjesaniîsciîafî. .7Hrsğ.-v7 Samuel^erlacH. ¥rarLEî\îrî7Maîn ΙΒΊΑ, S7~3l3. Wir wollen hier darauf hinweisen, dass man im Verbot von Kirchenneubau ein Indiz für den temporären Charakter im Konzept der Dimrna sehen kann. (2) Dieses Missverhältnis wurde übrigens nicht dadurch ausgeglichen, dass man mehr Messen täglich las, es durfte pro Tag nur oine Messe gelesen werden; vgl. POSTEL, Gui.1laume:De la Republique des Turcs et_lä_ou l’ occasion s ’ offera_dcs moeurs""e£_Iöy-3e Tous EuHameSısÎös~en~'5reT7~PöI~ îıers_I55ö7S.”737 InâIoğ~ivâr_ın;_musTîm23cHeii-Spârîaen Kirchenbesuch ausserhalb der Feiertage verboten, mit der Begründung, an Wochentagen würden die Dimmls in Kirchen Hurerei betreiben. Dies ändert nichts daran, dass nur ein Mindestmass an christlichem Kult "toleriert" wurde. Somit können wir feststellen, dass die "Duldung" des christli chen Kultus nicht generell galt, sondern sich auf einen Tag und eine Messe pro Woche und Kirche beschränkte, wo mit "Religionsfreiheit" eine ernste Beschneidung erfährt. Vgl. FATTAL Statut S. 173.
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Hierbei hat der islamische Staat lediglich über die Einhaltung einer Vorschrift zu wachen. Wenn eine DimmiGemeinde entgegen dem Verbot eine Kirche baute, dann be fahl die Regierung sofort deren Schleifung (1). Wiedersrichtung von durch Brand, Erdbeben oder Alter zer störten Kultgebäuden ist zwar generell gestattet, aller dings bedurfte es dazu einer ausdrücklichen Reparatur erlaubnis, die teuer erkauft werden musste (2). Dasselbe galt für eine teilweise Reparatur; in beiden Fällen aber durfte das Ausmass der Wiedererrichtung bzw. Reparatur (1) So in MUD XXIII 110, wo über den Erbauer, der sich auch noch änJerer Vergehen schuldig gemacht hatte, die Todesstrafe verhängt wurde (bei diesem Risiko wird klar, wie stark das Bedürfnis nach mehr Kirchen war!), und in MÜL XXVIIIv348 und MÜD XXIX 75, ohne Sanktionen. Ferner: HEFIK Onunğu... S. 55 f. Nr. 5* (2) "Wann sie (sc. Kirchen) vor alter nun mehr zerfallen/ inn brunsten verbrennet/oder sunst in Kriegen verderbet vnnd verhörget werden: wöllens die widerumb erbawon/oder nur erneweren: müssen sie zuuor von der Türckischen Oberkeit Vergünstigung zu erlangen/ain gute Summa gelts er legen"; RAUWOLFF, Leonhard: Aigent1iche_BeSchreibung der Raisz/so er vor_dieser_zeit ğen SuFFğânğ~ınn_3ıe“ MörğenlanJer...voîbracKÎ. Eaugınğe5-I582, S. 4Ö5. Analog aussern sTcE“äücH GEÖHGIJEVIC, Bartholomeo: De origine imperii tvrcorvm. Wittenberg 1560, fol. G 7 r, unî“ lEÎIÂVIÎÎÖ7_ Glovanäntonio: Vita et legge Turchesca di_Gio. In: SANSOVIITO (Hrsg.): HisÎorıa vniversale 3eII^origine, et imperio de’ Turchi. Venectlg 15737 Toi. 17 - IÖ7,~Eier: Fol7 55 v. Offensichtlich wurde eine Reparaturerlaubnir. nur für solche Kirchen erteilt, in deren Umgebung ohne hin keine Muslime wohnten; vgl. REFİK Bulgaristan Nr. 53, 55, 57, 58, 61, 62. Dagegen wurde Für eine andere, ebenfalls aus der Zeit vor der Eroberung stammende (dies ist immer die condition sine qua non!) Kirche in Varna keine Separaturerlaubnis erteilt, weil sie zwischen zwei Moscheen - also in einem muslimischen Viertel lag; a.a.O. Kr. 71.
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den Status quo ante nicht überschreiten (1). Sultan Selim I. scheint als Baumaterial Holz vorgcschrieben zu haber. (2), was das Ausmass der Zerstörung durch die häu figen Brände besonders schlimm machte 0). Da nicht nur die neue Reparaturerlaubnis, sondern vor allem der fol gende Neubau die C-emeinde finanziell schwer belastete, fiel der Neubau von Erarid zu Brand bescheidener aus. Allerdings gab es immer Kräfte im Islam, die auch den Wiederaufbau zerstörter Kirchen prinzipiell ab lehnten (4). Gegen einen inneren Umbau von Kirchen und Klöstern scheint man sich nicht gewandt· zu haben (frei lich war auch hierzu eine Genehmigung zu erkaufen), wohl aber gegen die Errichtung von Wohnbauten, sofern diese (1) So auch in osmanischer Zeit ausdrücklich, etwa in Reparaturgenehnigungen für eine Ankaraner Kirche; vgl. ONGAN, Haİit: Ankara’ nın iki numaralı_Şer’ iye Sicili. Ankara 1974 (TüHc TarîK~Kurumu-YayınIarı XT7~ 47, Sr. 92-94, 109. (künftig: OMGAB II). Ferner auch der Ferman bei CHESNEAU, Jean: ie_voyage_de Monsieur d’ Aramon, ambassadeur pour le roy~en LevärtT. ""Genf T97ö7-Heprint 3er ErsÎâûsğâHe-v7_CK7_ScHefer7~Pâris 1887 (RVDIIG VIII), S. 261. (2) HAMMER GOR II 540. (3) Einzelheiten über diese Zusammenhänge und Folgen nach Kirchen aufgeschlüsselt und detailliert dargestellt_fin den sich bei liiCICYA'], G.: XVIII, Asırda Istanbul. Übers, v. H. I). Ar.dreasyan. 2. AufI7_TsîânbuT I975_TIsÎaribul En stitüsü Yayınları 43), S.38-44 und 54-62. (4) So etwa die Fetwa des Mufti von Jerusalem, übersetzt bei CHESNEAU Voyage S. 257: "on nc peut tolerer la reccnstruction c[Time“eglise''. Unter Bezug auf die suruj. spricht der Mufti allen Kirchen ("aucune eglise, soit ancienne soit nouvelle") die Existenzberechtigung im Dar al-Islam ab! Damit haben wir den ersten Beweis für die Rechtskraft der suru} trotz ihres etwaigen "Schuliibungscharakters" in .osmanischer Zeit!
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direkt an die Kirche bzw. das Kloster anschlossen (1); dergleichen galt als unzulässiger Erweitorungsbaü. Da solche zusätzlichen Wohnbauten vorab der Unterbringung von weiteren Mönchen galten, kann man. aus ihren Verbot ablesen, dass die Anzahl der Mönchc einer Kirche bzw. eines Klosters - ebenso wie die Anzahl der Kultge baute selbst - auf den Zustand zur Zeit der Eroberung "eingefrorer!' werden sollte. Auch diesbezüglich durfte der "Ausbreitung" des christlichen Kultus kein Vorschub geleistet worden. Den Dinraîs wurde also eine gewisse Besitzstandwah rung an ihren Xultgebäudcn zugestsnden, und die isla mische Staatsmacht hinderte sic- lediglich an Ausbreitun - wenn man von dem numerischen Missverhältnis einmal ab sieht, das aus der natürlichen und durch s ü r g ü n verursachten Vermehrung der Di n m s bei konstanter Kir chenzahl entsteht. Bis hierher kann man folglich nicht von einer geziel teri Politik sprechen, sondern eher von den Konsequenzen eines Grundsatzes. Aber der Blick in die Geschichte - nicht nur die osmanische - zeigt ein ganz anderes Bild, nämlich regelrechten Kirehenschwund, dessen verschiedene Ursachen nun dargestellt werden sollen.
(1) So eine Fetwa in der Sammlung DÜZDäC, Mehmet Ertuğrul: Şeyhülislâm Ebussuud Efendi Fetvaları ılığında 16^ Asır TurE Hayäii. IsÎanîiûI_I972, Hr. Ά5Ί. Analog aucE~REFIK Eulgarisîan Er. 83.
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B a s V e rschwinden.”von Kirchen Zu Beginn des 18. Jahrhunderts befanden sich nur noch drei aus der Zeit vor der Eroberung Konstantino pels stammende Kirchen in christlichen Händen (1). Wir können bei einer Vielzahl von Kirchen das weitere Schick sal quellenmässig abgesichert verfolgen: einige wurden von der eigenen Gemeinde aufgegeben, einige geplündert und/oder geschleift, andere vorübergehend geschlossen und später in Moscheen umgewandelt oder profanen Zwecken übergeben. Dennoch verbleibt eine stattliche Anzahl von Kirchen, deren weiteres Schicksal sich nicht bestimmen lässt: wir wissen nicht, was wann aus ihnen wurde. Als Ursache für dieses Verschwinden kann man nicht immer Brand annehmen, da uns die Brände (zumindest die der Hauptstadt selbst) fast lückenlos bekannt sind (2), die Reparatur in solchen Fällen eigentlich erlaubt ist; aber dennoch sind einige Kirchen ausserhalb dieser Zeiten plötzlich nicht mehr nachweisbar. Wenn andererseits die betroffene Gemeinde wegen Häufung von Brandschäden inner halb kürzerer Zeit sich genötigt sah, auf einen erneuten Wiederaufbau ihrer Kirche zu verzichten, kennen wir na türlich keine Nachricht davon haben, da keine Reparatur genehmigung erging. Zur Erklärung des Verschwindens einer Kirche kommen (1) RUNCIMAU, Steven: Die Eroberung von Konstantinopel 1455. Übers, v. P. de fflcn3eIssoFm."TföincEen-T955, S. 209. T?7"Vgl. CEZAB, Mustafa: Osmanlı_Devrinde Istaubul_yapilarında_tahribat yapan_yangınIâr_ve_ÎaBîî”âfeîrer. In:“ Türk Sanalı TäriEr. îragîırmâ've Tncemelcrî-I ΓΤ963), S. 327-414.
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noch alle anderen Möglichkeiten (etwa Umwandlung in eine Moschee oder einen Profanbau) in Betracht, weil die Gründungs- bzw. Stiftungsurkunden das betreffende Gelände nicht immer präzise nenne::. Eine weitere Schwierigkeit zur Rekonstruktion des Schicksals verschwundener Kirchen liegt in den oft mangelhaften Angaben vieler Chronisten. So erfahren wir zwar mitunter, dass eine Kirchc einem Zeughaus weichen musste, können aber diese Kirche nicht lokalisieren, da auch das Zeughaus nicht mehr steht. Dennoch sind für uns "verschwundene" Kirchen von Bedeutung, da sie den in der Folge nachzuweisenden Trend zumindest rein nu merisch stützen. Schleif en, Schliesson und l-mwandlung von Kirchen Vorbemerkungen ■ Jra nachzuweisen, dass sich die Osnanen nicht mit einem "natürlichen" Kirchenschwund (entstehend aus dem schon öfter erwähnten numerischen Missverhältnis von Dimmis pro Kirche) begnügten, sondern diese Entwick lung tatkräftig beschleunigten, genügt schon ein Blick in den Index zu HAMMER’ s "Geschichte des Oswanischon Reiches”, Band 10, unter den Stichworten "Kirche" und "Kirchen". Doch wollen wir uns hier nicht mit- dem Fcststeilen der zahlenmässigen Fakten begnügen, vielmehr sollen die Hintergründe dieser Politik untersucht wer den. Wir verweilen dabei vorerst bei den Kirchen Istan buls, weil deren Schicksal Modo]1Charakter hat für die Kirchen der Provinz, wo wir oft nur anhand einiger De tails einen analogen Ablauf plausibel machen können.
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Dermoch wird sich zeigen, dass analoge Faktoren zu ana logen Ergebnissen führten, da der jeweils konkrete Ein zelfall auf denselben scheriatrechtlichen Bestimmungen beruht, wie alle anderen Fälle. Hach zeitgenössischen Quellen und archäologischen Belegen wissen wir von der Plünderung von lediglich sie ben Kirchen bei der Eroberung Konstantirıopels (1). Eine Anzahl anderer Kirchen muss das gleiche Schicksal er litten haben; dennoch blieb ein nicht unbeträehtlichcr Rest in christlichen Händen. Dies stand in einem gewissen Widerspruch zum isla mischen Rocht, da Konstantinopel durch Gewalt (gabran) erobert worden war, wodurch die Einwohner des Rechts auf ihre Kultgebäude verlustig gingen. Mehned II, war also berechtigt, alle Kirchen zu schleifen oder zu kon fiszieren. Er tat es nicht. Sein Kachfolger 3âyezld II. versuchte 1490 gegen die bis dahin, geduldeten Verhält nisse einzuschreiten: er verlangte die Übergabe der Patriarchatskirche des Pammakari stos. Zwar fügte er sich den: Nachweis des Patriarchen, dass Mehmed II. die Kirche dem Patriarchat geschenkt habe, ordnete aber die JSntfernung des Kreuzes von der Kuppel der Kirche an, und lehnte es ab, "seinen Beamten zu verbieten, andere Kir chen zu beschlagnahmen" (2). Unter seinen Nachfolgern Selîm I. und Süleyman I. kam es zu zwei gros3angelegten Versuchen, sämtliche Kirchen der Hauptstadt (oder gar des ganzer. Reiches?) zu sehlies(1) ΕΙΈΟΙΜΝ Eroberung S. 207. (?) a.a.O. S. 2053.
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sen und/oder in Moscheen umzuwandeln. Wir müssen uns hier mit dieser eigentlich gut bekannten Episode be fassen, weil sie wesentliche Elemente osmanischer und gemein-islamischer Dimmi-Politik beinhaltet. Im Jahre 1518 "schlug Sultan Selim I,, der eine Ab neigung gegen das Christentum hegte, seinem entsetzten Wesir die Zwangsbekehrung aller Christen vor. Als der Wesir ihm erklärte, dies sei schwerlich praktisch durch führbar, befahl er, wenigstens alle ihre Kirchen zu be schlagnahmen" (1). Bemerkenswert ist nun hier die Alternative von Be schlagnahme der Kirchen zur Zwangsbekehrung. Eine solche Alternative hat aber nur dann Sinn, wenn sich Selim von ihr einen gleichen, oder zumindest vergleichbaren Effekt versprach. Man kann dies nur so deuten, dass dem Sultan bewusst war, das Christentum in seinem Reich würde ohne Kultgebäude von selbst austrocknen, zu bestehen aufhören. Dass dieser Prozess so etwas langsamer vor sich gegangen wäre als im Falle von "Zwangsbekehrung", tut nichts zur Sache. HAMMER berichtet den Vorgang etwas anders, aber mit einem sehr wichtigen Argument versehen (2): "Als wahrer Rettungsongel erschien der Mufti Dschemali den Christen, und insbesondere den Griechen, Be wohnern der Hauptstadt, als Selim...das Verderben der Griechen oder allgemeinen Xirchenraub beschloss. Er leg te dem Mufti die verfängliche Frage vor, was denn ver dienstlicher, die ganze Welt als steuerbar zu· unter jochen, oder an der Bekehrung der Völker aum Islam zu arbeiten. Der Mufti, der die Absicht des Sultans nicht (1) RUKCIMAN Eroberung S. 208. (2) HAMMER GOR II 539.
errieth, antwortete, Bekehrung der ilngläubigen sei bei weitem das verdienstlichste und Gott wohlgefälligste Work. Selim gab dem Grcsswesir Befehl, alle Kirchen in Moscheen zu verwandeln, allen Gottesdienst zu verbiethen, und wider alle Christen, die sich nicht zun Islam be kehren würden, die Todesstrafe zu verhängen." Hach dieser Darstellung wäre dann die Umwandlung von Kirchen in Moscheen nicht notwendig eine Alternative zur Zwangsbekehrung, oher eine begleitende Massnahme. Doch auch nach Ι ίΑ Μ Κ Ε αkam es ja nicht zu dieser drastischen Folge. Xenaxis, dem Rechtsanwalt· des Patriarchen Theoleptos I. gelang es, drei alte Janitscharen beizubringen, wel che die Einnahme Konstantinopels durch Unterwerfung be stätigten. Die darau 3 resultierende Verpflichtung zur Respektierung der Kirchen akzeptierte Selîm zwar, "fügte aber hinzu, dass das Gesetz nicht fordere, dass so schöne (!) Gebäude als die Kirchen noch länger durch Götzendienst entweihet würden...so raubte er ihnen doch ihre schönsten Kirchen, indem er dieselben in Msscheen verhandelte" (I). Das heisst also: wenn - aufgrund des islamischen Gesetzes - den Dimrr.Is ihre Kirchen belassen werden müssen, so haben sie doch keinen Anspruch auf prächtige Kirchen, da sich Pracht und Polytheismus ausschliessen (2). Dies ist neben der materiellen Beschrän kung (Holzbauten) nun sine ästhetische, wie sie uns noch in anderer Hinsicht begegnen wird. (1) HAMMÜR GOH II 540. (?) Die Frage nach Polytheismus bzw. "nichtigem Glau ben" der Dinsnis wird später behandelt.
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Abgesehen von dieser Regelung waren die Kirchen Istanbuls aber nicht auf lange Zeit gesichert. Die gleiche Frage - in Zusammenhang mit der Eroberungsart der Stadt - erhob sich unter Süleyman I. erneut: "Diesmal verwies der Patriarch Jeremias I. den Sul tan auf Selims Entscheidung. Suleiman zog der. Scheich ul-Islam...zu Rate, und der Scheich erklärte: 'Soviel man weiss, wurde die Stadt mit Gewalt genommen. Doch die Tatsache, dass den Christen ihre Kirchen belassen wurden, beweist, dass sie sich durch Kapitulation er gab.’Suleiman..-akzeptierte diesen Entscheid, und die Kirchen wurden abermals in Frieden gelassen. Spätere Sultane waren weniger nachsichtig. Im Jahre 1586 annektierte Murad III. die Panmakaristos-Kirche, und mit dem Ausbruch des achtzehnten Jahrhunderts be fanden sich nur noch drei, aus der Zeit vor dor Erobe rung stammende Kirchen ir. christlichen ffänden" (1). HAMMER weiss von solchen Bestrebungen I'turäds III. allerdings schon aus dem Jahre 1577 zu berichten: "Auf Einstreuungen endlich des Mufti, Chodscha und der Kadiaskere wollte Murad alle christlichen Kirchen zu Constantinopel in Moscheen verhandeln, und machte mit einer den Anfang aus dem Grunde, die Privilegien derselben seyen von Mohammed II. zu einer Zeit ertheilt worden, wo die Stadt öde, neuer Ansiedler be dürftig gewesen, jetzt, da sie von Moslimen übervöl kert, höre der Grund auf" (2). Durch "Verehrung" grösserer Summen aber konnten die (1) RUNCIMAK Eroberung S. 209. Die Begründung 'Soviel man weiss, wurae 3ie Stadt mit Gewalt genommen. Doch die Tatsache, dass den Christen ihre Kirchen belassen wurden, beweist, dass sie sieh durch Kapitulation er gab’schcint uns von grüsstem Interesse: könnte man diese Deduktion nicht umkehren, um bei jenen Städten, die sich zwar nachweislich (bzw. 'soviel man weiss’) durch Kapitulation ergaben, und denen man trotzdem Kir chen nahm, die Umwandlung weiterer Kirchen-zü-Iegälisieren? (2) HAMMER GOR IV 107 f.
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Mnunîs und auch Vertreter christlicher Mächte die brei te Durchführung des Planes verhindern. Sultan Muräds Argument zerfällt in zwei Teile: a) Die "Privilegien" wurden den Kirchen zu einer Zeit verliehen, wo die Stadt repopularisiert werden musste, b) sie werden ihnen wieder genommen zu einer Zeit, da die Muslime die Mehrheit der Bevölkerung stellen. ad a) Dieses Argument steht in einer bestimmten Tra dition der f u q a h ä 3. Wenn man davon ausgeht, dass das Belassen von Kultgebäuden integraler Bestandteil von Dimma ist, was guten Gewissens nicht bestritten werden kann, so muss hier erneut auf Tabari und Ibn Taimiyya verwiesen werden, für die die Dimmis nur so lange im Ge nuss ihres Status verbleiben, als die Muslime ihrer be dürfen (1). Wir treffen hier wieder auf das schon öfter erwähnte Konzept der Dimma als AusbeutungsProtektorat, das bei fehlender Rentabilität gegenstandslos wird. Selbst wenn es Muräd III. - was sich weder nachprüfen, noch mit grösser Wahrscheinlichkeit annehmen lässt - von An fang an nur (?) um die Erpressung von "Verehrungen" ge gangen sein sollte, so geschah dies doch auf scheriatrechtlichor Grundlage! Die Substitution von scheriat rechtlichen Konsequenzen durch klingende Münze werden wir im Kapitel über "Invania" näher untersuchen. ad b) Abgesehen davon, dass die behauptete Mehrheit der Muslime in Istanbul gegenüber den Dimmis zweifel los in der Zeit Muräds III. ebenso gering gewesen sein (1) FATTAL Statut S. 83.
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dürfte, wie unter seinen Vorgängern (1), können wir feststellen, dass die aus arabischer Zeit bekannte Ent wicklung, dass nämlich mit dem Erstarken des Islam eine Dimmî-feindliche Politik zeitlich parallel läuft (?), sich auch in osmanischer Zeit beobachten lässt· Dass diese Parallelität keine rein zufällige, rein zeitliche, son dern eine kausale, mehr noch: vollbewusst intendierte ist, das haben wir eben von einem osmanisehen Sultan erfahren. * Doch waren die Angriffe Sellms I., Süleymäns I. und Muräds III. nicht die einzigen, die im 16. Jahrhundert gegen die Kirchen der Hauptstadt versucht worden waren. Hoch unter Süleyman, vielleicht· aber auch erst unter Selim II. schcint ein zweiter, insgesamt also vierter solcher Versuch im selben Jahrhundert unternommen wor den zu sein, was HAMMER und RUNCIMAH entgehen musste. Von Ebu’ s-Sucüd ist· uns eine diesbezügliche Fetwa er halten (3). Darin wird gefragt, ob Mehii:ed IT. Istanbul und die umliegenden Orte (!) xdt Gewalt erobert habe. Der Scheich ül-Islam beantwortet die Frage mit dein Hin weis, man wisse zwar von der gewaltsamen Eroberung, aber hinsichtlich der erhalten gebliebenen Kirchen hätte man im Jahre 153B schon einmal 3ewcis in dieser Sache er il) Das BevSlkorungsVerhältnis war zwischen 1475 und ■ 1520-35 relativ konstant mit rund 41 v.l7. Dimmis gegen ca. 59 v.H. Muslime; vgl. FîAM î Râ ^ Istanbul S. 44 f. (2) Kan beachte auch, dass Selms 17 Versuch zur Zwangsbekehrung bzw. Kirchenschliessung ein Jahr nach seiner Annexion des f/amlukenreiches erfolgte! (3) DUZDAo Ebussuud Nr. 456-
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hoben, und, zusätzlich zum bekannten Argument der er halten gebliebenen Kirchen, v/egen zweier Augenzeugen die Kapitulation für erwiesen erachtet (1). Wir dürfen annehmen, dass um diese Fetwa aus poli tischen Gründen nachgesucht worden war, nicht etwa aus reinem Wissensdurst. Zwar können wir sie nicht genau datieren, aber sie kann nicht mit dem in ihr erwähnten früheren Vorgang von 1557 bzw. 1538 identisch sein (2), Erstaunlich ist nun allerdings, dass Ebu’ s-Su'üd die Frage nach der Eroberungsart der umliegenden Orte schlicht übergeht. Man darf vermuten, dass hinter dieser Frage die Absicht zur Umwandlung von Kirchen in Moscheen aus der Nachbarschaft Istanbuls steht; und in der Tat ist für die Amtszeit Ebu’ s-Sucüds nachgewiesen, dass einige Kirchen Galatas - welches damals bekanntlich als eigene Stadt aufgefasst wurde - zu Moscheen umgewandelt wur den (3). Eine Bemerkung scheint uns hier noch angebracht zu (1) Es fällt auf, dass der Scheich ül-Isläm die beiden Prozesse von 1518 und 1557 (bzw. 1538) bezüglich der Beweisführung miteinander gleichsetzt, wie es schon die Historia Patriarchica tat; vgl. RUIiCIMAE Eroberung Anm. --------8 zu S. 209. _ (2) Ebu’ s-Su^ud war 1545-1574 Scheich ül-Islän; vgl. DANIŞMEÎÎD, Ismail Hami: Osmanlı Devlet Erkânı. Istanbul 1971 (Isahlı Osmanlı TarıFiI~KröiiöIö3îsî~V77_S. 114 f. (3) Vgl. SCHNEIDER, A.M. und 51.Is. N0M1MIDIS: Galata. Topographisch-archäologischer Plan mit erläuterndem T e x U Istanbul I9?37-S7-I9-277-Wir“ werc[en-n5cE-3re-Fragen der Kirchenpolitik in Verbindung mit der territori alen Integrität am Beispiel Galatas näher untersuchen, wo auch die o.a. Stellen eingearbeitet werden. Vielleicht könnte man für Galata die Umkehrung der Deduktion an setzen - vgl. oben S. 74, Anm. (1) - ?
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den Aussagen der drei Janitscharen im Prozess unter Selim I: H.G. MAJER (1) hat RUHCIMAN’ s Deduktion in Frage gestellt, nach der es durchaus möglich sei, dass sich einzelne, von Palisaden umgebene dorfähnliche Ge bilde innerhalb der Mauern Konstantinopels gerade noch rechtzeitig ergeben hätten, weshalb ihnen Mefcmed II. ihre Kirchen belassen habe. MAJER’ s Argument, Mehmed hätte ja - eine gewaltsame Eroberung der gesamten Stadt einmal unterstellt - nicht die Pflicht gehabt, die Kir chen zu konfiszieren, ist freilich richtig; gleichwohl entbehrt RUNCIMAIi’ s Theorie nicht jeder Wahrscheinlich keit. Das Ganze ist aber letztlich ein Streit um des Kaisers Bart, weil die Osmanen auch in jenen Städten, deren friedliche Unterwerfung noch nie bestritten wur de, ja, die nicht einmal belagert worden waren, Kirchen konfiszierten und in Moscheen und Profanbauten umwan delten. Das naheliegendste Beispiel ist Galata (2). Im Streit um die Legalität des Kirchenschwunds bzw. der Erhaltung der Kirchen Istanbuls scheint uns ein anderer Aspekt viel bedeutender zu sein. Nachdcm gleich nach der Eroberung ein Grossteil der Griechen in die (1) Vgl. MAJER’ s Besprechung von RUNCIMAN’ s Eroberung in SOF XXVI (1967), S. 525-528, besonders S.5?7"f7"zü RUTOCIMAN Eroberung S. 208-212! (2) So heıssî es-Tm Vertragstext bei HAMMER GOR I 677: "Sie sollen ihre Kirchen haben und ihre Gesänge,... ich werde aus den Kirchen keine Moscheen machen...". Dagegen bei SCHNEIDER/HOMINIDIS Galata S. 25: "Trotz des feierlichen Kapitulationsvertrages wurde S. Dome nico noch zu Lebzeiten des Eroberers in eine Moschee umgewandelt" (1475). Das Schicksal weiterer Kirchen Galatas wird im Anhang zu diesem Abschnitt dargestellt.
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Sklaverei verschleppt worden war, und - nach den ersten Misserfolgen einer muslimischen Besiedlung - andere Griechen (und Armenier) in Istanbul angesiedelt worden waren, verlieh Mehmed II. doch diesen Besitzrecht an den dortigen Kirchen. So betrachtet stellt sich die Frage nach der Eroberungsart der Stadl nicht mehr, oder zumin dest in einem ganz anderen Licht (1). Wir wollen aber (1) Auch GIBS3 (Grundlagen S. 272 f. et passim) sicht diesen Unterschied nîcKî. Für ihn ist das Ansiedeln von Dimmîs - nachdem Versuche einer muslimisehen Besiedlung fehlgeschlagen waren! - i m g a b r a n eroberten Kon stantinopel eine b i d c a : "Wenn der Sultan sich zu diesem dem Scheriatreoht nicht entsprechenden Verfahren entschloss, so müssen ihn mehr als bloss fiskalische Gründe dazu bewogen haben. Natürlich war ein H a r a g zahlender Ungläubiger für die Staatskasse vorteilhafter als ein Muslim, der keine Steuern von seinem K ü 1 k be sitz abgab..." Dieses Argument kann nicht gehört werden, da die nach Istanbul umgesicdelten Dimmîs ja auch in ihrer alten Heimat Harâğ bezahlt hatton, hierin kann al so nicht der Grund zur Umsiedlung liegen! Vielter: "..aber ich glaube doch, dass Sultan Mehmed soviel staatsmännischon Sinn besessen hat, dass er sich nicht allein aus diesem Grunde zu dieser Bid^a entschloss. Es liegt nahe anzunehmeri, dass das türkische Element Kleinasiens nicht mehr dio nötige Kraft hatte, die grosse Stadt zu bevöl kern und dass wir in dem Verfahren des Sultans den Be weis für die Bestrebungen des Sultans eine Annäherung der östlichen und westlichen Kulturen zu erreichen zu erblicken haben". Eine verblüffende Interpretation! Nach der Eroberung stellt sich also heraus, dass Istanbul nicht gehalten werden kann (vielleicht hätte sich Mehmed dies früher überlegen sollen?), und wenn sich der Sultan in dieser Situation entsehliesst, die Stadt erst einmal von Griechen wieder lebensfähig machen zu lassen, damit sich später Muslime ansiedeln können, dann wäre dies ein Beweis für Mehmeds Absicht, Orient und Okzident einander anzunähern! Freilich, so betrachtet wäre dann letztlich auch die Eroberung Konstantinopels ein Akt der Völker verständigung!
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diesen Aspekt nicht weiterverfolgen, da gerade wogen des Bevölkerungsaustausches die Hauptstadt selbst aty pisch ist - was freilich daran nichts ändert, dass die auf sie bezogene Kirchenpolitik keinen Unterschied zu der auf andere Städte bezogenen aufweist: die Kirchenpolitik gegenüber Stambul ist typisch. Zerstörung von Kirchen in der Folge von "Volkser hebungen" gehören zwar nicht der staatlichen Kirchen politik an, fussen aber gleichermasson aiif 3cheriatrechtlichen Grundlagen. So erfahren wir etwa, dass 1642 der Neubau (?) einer griechischen Kirche in Bursa die Muslime - allen voran den örtlichen Kadi - empörte. Man riss den begonnenen Bau ein, worüber sich die Griechen beim Grosswesir beschwerten. Dieser verfügte die Ab setzung des Kadis und die Bestrafung der Rädelsführer: "Darüber empörten sich die Fanatiker und zerstörten noch drey andere alte griechische Kirchen" (1), Von einem Wiederaufbau dieser vier Kirchen erfahren wir nichts. Wenn der Grund zu dieser Erhebung nicht das Ärger nis war, welches Kirchbau schlechthin verursacht (wie wir noch nachweisen werden), so war es vielleicht die Bestimmung aus den s u r ü t , die Neubau oder Wieder errichtung von Kirchen verbietet. Offensichtlich hatte in diesem Falle eine Reparaturerlaubnis Vorgelegen, sonst wäre die scharfe Reaktion des Grosswesirs nicht möglich gewesen. Ärgernis pflogt nun freilich nicht nach Hechtsgrund(1) HAMMER GOR V 309.
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lagen zu fragen (wenngleich diese nach dem s a r c ohnehin immer gegeben sind!). So erregte gegen Ende des 15. Jahrhunderts eine Kirche in Istanbul das Miss fallen der Muslime, weil sie zu nahe an einer neuer richteten (!) Moschee stand. Sie wurde "auf Wunsch der Gläubigen" (d.h. natürlich: der Muslime!) geschlossen und wich einer Tiermenagerie (1). Wir treffen hier wieder auf den Vorgang des Einpflanzens islamischer n u c 1 e i, den wir schon in Zu sammenhang mit der Mahalle-Bildung besprochen haben. Ob der Schleifung dieser Kirche eine Umsiedlung ihrer Ge il) RUWCIMAN Eroberung S. 209 u. Anm. 5* Nach Abu Hanifa darf eine KTrcEe nicht näher denn eine Meile ân einer Moschee stehen; FATTAL Statut S. 174. Bei den damaligen Grössen einer Stadt wirtFIcTär, dass durch den Bau auch nur einer einzigen Moschee unter Umständen gleich mehrere Kirchen geschlossen werden mussten. An Abu Hanifas Argument ist bemerkenswert, dass die chrono logische Abfolge verkehrt wird: wenn er sagt, eine Kir che dürfe nicht näher denn eine Meile bei einer Moschee stehen, so suggeriert dies die Abfolge (a) eine Moschee steht bereits, (b) eine Kirche wird gebaut. Da (b) aber ohnehin nicht möglich ist, kann die Reihenfolge nur um gekehrt sein. Aufschlussreich ist nun, dass der Faqih ja keineswegs sagt, eine Moschee dürfe nicht näher als eine Meile an einer Kirche'ğeÎâüt werden: weder die juristische Theorie noch die~Fräxis aber fragten, wo eine Moschee gebaut werden darf. Sie wurde dort gebaut, wo es dem momentanen muslimischen Bauherrn gefiel und dann erfolgte die Schliessung einer zu nahe stehen den Kirche, so, als sei alles die Schuld der Christen. Die muslimische Seite konnte dabei freilich auf eine Bestimmung des islamischen Rechts verweisen! 13a mit dieser Praxis eine ursprünglich gegebene Zusicherung unterlaufen wird, erweist sich wieder einmal, dass die angebotene Dimma mit der durchgeführten nicht identisch ist!
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meinde voraus- oder parallelging wissen wir zwar nicht, doch ist dies eine Frage von sekundärer Bedeutung, da allein schon der Bau einer Moschee das entsprechende Viertel als muslimisch definiert, was die Vertreibung der Dimmîs iibor kurz oder lang prinzipiell nach sich zieht. Spätestens dann aber verliert die Kirche ihre Existenzberechtigung, weil sic "verlassen" ist. Die Ver fügungsgewalt über verlassene Kirchen aber ist den Mus limen Vorbehalten (1), weshalb es sich bei der Plün derung solcher Kirchen eigentlich nicht primär um be dauerliche plebejische Ausschreitungen handelt, sondern um ein seheriatrechtlich abgesichertes Vorgehen - was freilich den betroffenen Christen kein Trost sein dürfte, aber der Orientalist sollte den Unterschied beachten (2).
(1) FATTAL Statut S. 60. (2) Neben dera'Îypischen Schicksal der Kirchen Istanbuls (vgl. RIWCIMAN Eroberung S, 207 ff.) 3ei auf folgende Episode in JerusalemTirngewiesen: SCHEFER berichtet in seiner Einführung zu CHÜS’ ilEAU’ s Voyage S. XLIII über die Franziskaner im Heiligen Land - übrigens just in dem Jahre, da unter Süleyman versucht wurde, alle Kirchcn - nur der Hauptstadt? - zu sohliessen: "En 1537 les autorites de Jerusalem reçurent de Constantinople 1 ’ ordre d’ arreter les Franciscains etablis dans le oouvent du mont de Sion, Io Saint-Sepulchre, et l'eglise de Bethloem. Ils furent d ’ abord enfermes dans la tour dos Pisans,. puis tranaferes â Dama3 ou, pendant trois ans, ils restererıt prisonniers dans le chätoau de cette ville. Ils furent rendus â liberte sur les instances de François I , mais, â leur retour...ils trouverent le couvent de Sion pille et l ’ eglisc do Bcthleem devaste par les paysans et; le3 Arabes nomades." Freilich dürften die Plünderer ni:;ht an die rechtliche Zulässigkeit gedacht haben, dennoch ist ihr Handeln seheriatrechtlich ge deckt, da die Kultgcbäude ja "verlassen" waren!
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Wenn wir nun einen urkundlich überlieferten Fall (1) von Kirchenschleifung ausführlich behandeln, so geschieht dies nicht nur, weil dort praktisch alle Gründe, die ge meinhin zum Schleifen einer Kirche vorgebracht wurden, implizit oder explizit eine Holle spielen, sondern auch weil hier die hoffnungslose Situation aufgezeigt werden kann, in der die Dimmis sich befanden, sobald ein sol ches Vorgehen erst einmal in Angriff gerıOİTuner. worden war. 1564 erging an der Kadi von Istanbul und an der Mimarbaşı ein sultanischer Ilîikıirrı folgenden Inhalts: Der frühere Qäzicasker von Anatolien und der Kadi von Istanbul hatten an die Regierung berichtet, die Notablen 3er ffehalle Seyyid cömer zu Istanbul seien zum Seheriatgericnt gekommen und hätten vorgebracht, in der Nähe der Moschee des erwähnten Viertels stünde eine neue Kirche. Da sie weiter ausführten, diese Kirche müsse von Rechts wegen geschleift werden, hat der Kadi in Gegenwart von Musi imar, eine Inspektion durshgefiihrt. Vier für c ä d i 1 geltende alte Musline sagten aus, die Kirche sei neu, ihr Alter schätzten sie auf 60 Jahre. Diese Zeugenaussage wurde zur Rechtsfindung angenommen. So wurde die Schleifung der Kirche als rechtens (brach tet und beschlossen. Die betroffenen Dimmis ihrerseits reichten darauf hin beim Sultan eine Petition ein. Darin machten sie geltend, das Viertel und die Kirche seien seinerzeit von Kehmed II. zwangsweise Angesiedelten eingegeben (1) KEF1Q Onungii... S. 64-66 Nr. 4.
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worden, worüber sie auch einen yüküm besassen. Ferner sagten sie: "Seit jener Zeit wohnen wir in dieser Ma halle und gehen dort auch zur Kirche, Als in der Zeit Sultan Selîms (I.) eine Bestandsaufnahme der Istan buler Kirchen gemacht wurde, wurden viele Kirchen ge schleift. Unsere Kirche jedoch, weil sie eine alte Kirche war (d.h., aus der Zeit vor der Eroberung stammt), wurde nicht nur nicht geschleift, man hat uns sogar eine Besitzurkunde (temessük) darüber gegeben." Auf diesen Einwand hin erfolgen zwei weitere Bege hungen mit einem sultanischen Architekten; es sollte darüber befunden werden, ob die im Hofe eines Dimmxs liegende Kirche alt oder neu sei. Dio Untersuchung fand statt in Gegenwart einer Menge Muslime und Kichtmuslime, der Architekt war von einem alten (!) Muslim begleitet (eventuell einer der Zeugen der ersten In spektion) . Dabei wurde nun festgestellt: Die Kirche befindet sich im Hofe eines Dimm-Anwesens, drei ihrer Wände und das Dach stammen aus der Zeit nach der Eroberung, der grösste Teil der vierten Wand aber aus der Zeit davor. Wenn man genau hinsah (!) konnte man erkennen, dass der Ort, da sich der Altar befindet, nicht zusammen mit der alten Mauer gebaut worden, sondern aus dieser Mauer herausgehöhlt worden war. Nun folgt - bei dieser Urkundenart eine Seltenheit! eine Rechtsbelehrung: "Mit den "alten" Kirchen hat es folgende Bewandt nis: was vor der Eroberung Kirche war, bleibt auch nach der Eroberung als Kirche bestehen. Wenn sie verfällt
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kann sie mit Erlaubnis des Hâkim repariert '«erden." Als die Dimnis gefragt wurden, ob sie diesbezüglich einer, sultanischen Hüküm oder eine Gerich Isurkunde bcsässen, zeigten sie den Hüküm liehmeds II. vor, der vier Jahre nach der Eroberung Kons-antinopels ausgestellt worden war. Diesen zui’ olge hatte kehned einem gewissen Atmağa aus Edirne das fragliche Gebäude zum Besitz (miilk) gegeben. Mehmed berief sich dabei auf eine von Istanbuler Subaşı beigebrachte t e şs k e r o, welche das Gebäude beschreibt, als einstöckige, alte und narmorlose Kirche, die von einem Festungssoldaten Qaraga gestiftet worden war. In diesen Küküra räumt Mehnod II. den Atmaga die volle Verfügungsgewalt über die Kirche in jeder Hin sicht cin ("diler ise şata ve diler ise bağışlaya ve diler ise vaqf eyleye" - dies sind die drei Kriterien für m ü l k - "bi'l-gümle nice diler ise mülkiyet üzere verüb mütoşarrıf ola"). Nun gab sich aber die osmanische Seite mit diesem Schriftstück nicht zufrieden. Erstaunlioherweise aber lag das Argument dabei nicht darin, dass dieser Hüküm ja die verlangte Reparaturerlaubnis nicht ersetzen könne (diese ist plötzlich vergessen!), sondern es 7/urde versucht, den Inhalt dieses Hüküns sophistisch zu hinterfragen: "Nun, wenn dom so ist (es wäre wohl treffender, das ’ öyle olsa’zu Übersetzer, mit 'und überhaupt!’), so steht doch nicht fest, dass der in diesen) Hüküm er wähnte Atmağa Dinmtl war. "Jnd selbst wenn man dies unter stellen würde, so ist wiederum nicht erwiesen, dass er
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die Kirche auch_fürderhin alsjtirche besitzen solle." Diesem Argument hatten die Dimmls offenbar nichts mehr zu entgegnen. Und nun kommt plötzlich wieder die fehlende Reparaturerlaubnis ins Spiel: Die osmanische Seite brachte - man "riocht" förm lich, dass die Sitzung vertagt worden war - eine spätere t e z k o r e bei, die auf den Hamen eines gewissen Halil gesiegelt war, der leider nicht näher bezeichnet wird (und das allein schon macht das Schriftstück ver dächtig). Diese t e s k e r e besagt lapidar, in der in Altimermer liegenden Kirche, die sich im Besitz von Petoqloz Papas befindet, habe der Gottesdienst aufge hört, weil sie eine alte und aus der Zeit vor der Er oberung stammende Kirche sei ("eski ve qadimi bir keniso"). Und nun geht alles sehr rasch: "Seither sind 66 Jahre vergangen. Da nun aber die Kirche so lange ohne Gottesdienst war, und da auch er wiesen ist, dass sie neuerbaut wurde, ist es nicht mög lich, sie weiterhin im Besitz der Ungläubigen zu be lassen. " Dem Kadi von Istanbul wird deshalb befohlen, die Kirche bis auf den Grund abzureissen. * Soweit die Urkunde selbst. Die hier aufscheinende Abfolge von Argument und Gegenargument gemahnt in ihrer Typologie, auch in der Überflussigkeit einiger Schritte(l), (1) Nachdem etwa die Reparatur behauptet, von den Dimmls aber keine entsprechende Erlaubnis vorgebracht wurde, hätte man schon hier die Schleifung anordnen können!
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und im Ausgang sehr an die Fabel vom Wolf und vom Lamm - was übrigens SCHWEIGGER schon zum Typus christlich-muslimischer Streitigkeiten erklärte (1). Aus dem in der Urkunde erzählten Hergang ergibt sich folgende Chronologie: 1) Das Gebäude besteht schon vor der Eroberung. 2) 1453: Eroberung Konstantinopels. 3) 1457: Mehrned II. verleiht einem Atmağa aus Edirne uneingeschränktes Besitzrecht an der Kirche. (1) SCHWEIGGER, Salomon: Ein newe Reyszbeschreibung ausz Teutschland nach ConstantînöpeI-vHî_JerüsâIem777Hurnfierğ I5ö87-S7557~Diese-Fä15eI-erzäEIT7-ern-WörF-im5 ein Lamm kamen an einen Bach, um zu trinken. Der Wolf trank oben am Bach, das Lamm weit unterhalb. Als der Wolf das Lamm sah lief er hinzu und beschwerte sich, das Lamm würde ihm das Wasser trüben. Das Lamm entgegnete: "Wie kann ich dir das Wasser trüben? Da du über mir trinkst möchte es eher umgekehrt sein!" Darauf der Wolf: "Wie, fluchst du mir gar noch?”Das Lanun: "Ich fluche dir nicht." Da rauf wieder der Wolf: "So tat es dein Vater vor sechs Monaten, und du bist ebenso wie dein Vater." Hierauf ent gegnete das Lamm: "Bin ich doch damals noch nicht gebo ren gewesen, wie soll ich meines Vaters entgelten?" Der Wolf, sichtlich am Ende seiner Phantasie: "So hast du mir aber meine Wiesen und Äcker abgenagt und verdorben." Das Lamm antwortete: "Wie ist das möglich, habe ich doch noch keine Zähne!" (Es hätte auch fragen können, ob der Wolf Vegetarier geworden sei, dass er sich aus Wiesen etwas mache!) Nun aber hat der Wolf sich lange genug er götzt und kommt zur Sache: "Ei, und wenn du gleich noch so viele Ausreden hast, so will ich dich heute doch fressen" - würgte das Lamm und frass es. Man darf anneh men, dass er das Lamm auch ohne die Diskussion gefressen hätte. Man darf auch annehmen, dass die erwähnte Kirche ohnehin geschleift worden wäre - als Rechtsgrundlage hätte ja allein schon die Mosoheenähe genügt, hatten doch auch andere Kirchen, die allein mit dieser Begrün dung geschleift worden waren, einst ein "Privileg"!
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4) 1500: Die i e z k e r e eines gewissen Halil sagt, da die Kirche alt sei finde kein Gottesdienst mehr statt. Diese t e z k e r e wird freilich erst 1564 vcri den osmanischen Behörden beigebracht! 5) 1506: auf dieses Datum wird die Reparatur der Kir che (auch erst 1564) geschätzt. Urkundlich wird keine Reparatur nachgewiesen. 6) Zwischen 1512 und 1520 erhalten die Dimmîs Jur ihre Kirche eine Besitzurkunde von SelIm I. mit der Be gründung, die Kirche stamme ja aus der Zeit vor der Eroberung. 7) 1564: Die Schleifung der Kirche wird befohlen. Diese Chronologie bedarf nun noch einer kleinen Er gänzung: in den 90er Jahren dos 15. Jahrhunderts war die in der Fähe der umsIrjttenen Kirche liegende Moschee Seyyid cÖmer gebaut worden (1). Man darf annehmen, dass damals schon Muslinse im Viertel Altimenaer, in dem beide Kultgebäude lagen (2) ansässig waren. Das von Mehmed II. angesiedelten Christen 0 ) eingegebene Viertel hatte also sehen unter Bâyezîd II. eine konfessionell ge mischte Bevölkerung. Die Auseinandersetzung mit dem typischen Ausgang war also wieder aus dem TSinpflanzer. eines islamischen n u c~ 1 e u s entstanden (in unserer Fabel ist das die Frage, wer hier eigentlich wem das Wasser trübt!). (1) ÖZ, Tahsin: Istanbul Camileri. Bd. i, Ankara 1962, S- 121.
(2) a.a.O. Vgl. ferner: Ι Α II S. 731, Artikel Al'imcrmer. Das Viertel gehörte zur Kahiye Saraatya (heute Knca Mustafa Paşa). (3) Auch Atnaga stammte aus Edirne!
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Wenden wir uns nun der Argumentation zu! Die Dinmüs haben drei Dinge vorKübringen: den Hüküm von Mehmed II-, die Bösitxurkunde von Selim I., und die Aussage, sie würden seit Fâtih*s Zeiten in diesem Viertel wohnen und dort zur Kircho gehen. Letzteres Zeugnis kann natürlich nicht gehört werden, da ihm die musliinischc Aussage entgegensteht, die in der t e z k e r e des gewissen Halil enthalten ist, mit der wir uns gleich noch beschäftigen werden. Die muslimische Seite hat vorzubririgen: die Behaup tung dass die Kirche nach der Eroberung repariert wor den sei, die t e s k e r e
lialll’ s, ein sophistisches
Hintorfragen des Küküms Mehmeds II., und - verbunden mit mangelhaften Rechenkünsten - die Relevanz der WolfsLogik aus der Fabel. Es ist ganz klar, dass die in der Nähe der Seyyid cÖ;ner Moschee stehende Kirche den im selben Viertel wohnenden Muslimen ein Ärgernis war, auf dessen Be seitigung sie sannen. Die Behauptung, es handle sich um eine neue Kirche, ist dabei sehr naheliegend. Wenn dann noch Muslime das Eeusein der Kirche bestätigen, können die Dimmls keinen &egenbeweis mehr antreten, da ihr Zeugnis gegen Muslime nicht gehört wird. Es ist irrelevant, ob die Kirche de facto repariert wurde: alî ein die muslimische Behauptung schon hat ausreichen de Rechtskraft. Anders ausgedrückt: einem willkürlich Angeklagten wird die Beweislast dafür zugeschoben, dass er die - fiktive - Tat nicht begangen hat. Damit ist natürlich jede gewünschte "Rechtsfi.ndur:g" «u erreichen. Dio osmanische Seite hat sich übrigens verrechnet:
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wenn das Heparaturdatum der Kirche auf 1506 geschätzt wird, so passt dies zwar zum Datum 1500, jenem Jahr, aus dem die fragliche t e z k e r e eines gewissen Halil stammt, derzufolge in der Kirche ob ihres Alters kein Gottesdienst mehr stattfinde: aufgelassenen Kir chen dürfen nicht wieder neu in Betrieb genommen wer den. Aber ist es denn glaubhaft, dass Dimmis eine schon aufgegebene Kirche (ohne Reparaturerlaubnis, bei den drastischen Strafen) reparieren, um sie auch danach nicht mehr zu benutzen? Am Schluss der Urkunde heisst es ja, seit 66 Jahren dauere dieser Zustand nun schon an. Man kann den Dimmis bei der damaligen Kirchenknapp heit doch keine Absicht von Denkmalsschutz unterstellen! Ausserdem sagen sie ja selbst aus, dass sie die Kirche benutzen - und es spricht Bände, dass bezüglich dieser Frage keine muslimischen Zeugen aus dem Viertel ver nommen werden, die auf Grund gerade des engen Zusammen lebens davon ja Kenntnis haben müssten. Man hat also durch die t e z k e r e Halil’ s eine solche Zeugenein vernahme schlicht hinfällig gemacht, und damit natür lich auch einen unerwünschten Prozessverlauf von vorn herein verhindert! Nicht in die osmanische Rechnung aber passt vorerst die Besitzurkunde von Selim I., die ja 12 bis 20 Jahre nach der t e z k e r e des gewissen HalII ausgestellt wurde: nachdem SeiIm nichts unversucht liess, Kirchen zu schliessen oder zu schleifen oder in Moscheen umsuwandeln, ist es schlichtweg unglaublich, dass er bei diesem Eifer einer rechtsY^idrig reparierten Kirche, in
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der weder vor noch nach der Reparatur Gottesdienst statt fand, die Existenzberechtigung auch noch verbrieft hätte! Wir müssen deshalb annehmen, dass die spätere t e z k e r e KalII’ s von den osmani.sehen Behörden erst im Verlauf des Streits abgefasst wurde: sie dient ja geradezu dem Nach weis, dass SelTm I. die Kirche hätte schleifen müssen, da diese schon seit 1500 aufgelasscn war! Das heisst, die rechtswirksame Besitzurkunde Sellms wird wegen mangelnder Legitimität (jour Zeit ihrer Ausstellung) gegenstandslos. Dass die t e z k e r e HaiIls "gefälscht" war, erhellt auch daraus, dass der Aussteller nicht näher bezeichnet wird - irr. Gegensatz zu allen anderen Personen, die in den Beweisstücken auftauchon! Konnte man mit dieser t e s k e r e
also die Aussage
der Dimmls, sie würden die Kirche benützen, und die Be sitzurkunde Sellms I. gegenstandslos machen, so reichte sie doch nicht hin,7 den Hüküm Mehmeds II. auch für ♦ ♦ nichtig zu erklären - allerdings hätte es dessen gar nicht mehr bedurft, das wäre in unserer Fabel der Stelle vergleichbar, wo der Wolf das Lamm für die behauptete Schmähung seitens seines Vaters verantwortlich machen will. Der Hiiküm Mehmeds II. wurde mit sophistischen Argu menten hinterfragt: a) Üs ist nicht erwiesen, dass der vom Sultan mit der Kirche "beschenkte" Atmağa Dimir:! gewesen sei; l·) Selbst wenn man dies voraussetzt, dann .ist wiederum nicht gesagt, dass er die Kirche fürderhin auch als Kirche benutzen solle. ad (a): Zwar ist Atmağa nicht als Dimml spezifiziert,
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aber wem sollte Mehmed II„ schon eine Kirche eingeber·, wenn nicht einem Christen? Es ist aber andererseits auch nicht gesagt, dass jener "Festungssoldat" Qaraga, aus dessen 3esitz die Kirche stammte, seinerseits Piuslifl gewesen wäre. Dies einmal unterstellt, scheint es auch sehr fraglich, ob er eine Kirche "stiften" würde... Zu den Manen Atmaga und Qaraga .ist anzumerkon, dass sie sich nicht- eindeutig einer Konfession zu ordnen las sen (1). Wir vermuten, dass es sich bei jenem Qaraga, aus dessen Besitz die Kirche stammt, nicht um ein In dividuum mit diesem Vornamen, sondern um einen Ange hörigen einer Familie dieses Samens hande] I.. 3s gab tatsächlich eine griechische Familie- niederen Adels in Istanbul, die diesen fia:r.en führte (2). Für diesen Zu sammenhang spricht nicht zuletzt auch die erwähnte Stiftungsurkunde (3): ein in Altimermer liegendes Stif tungsgut wird dort- beschrieben als an einer Seite ar; (1) Vgl. ONGSAN, Halit,: XVinci_yü2:yila_aii Bursa sicil lerinde geçor. bazı türkçeTcişi açları. InT-TurK~Et'äografyâ~Iîergrsı~!V-rr95ry7~57 32-3£7~P,erner OXGAK 11, Hamensindex, und DIJDA, Herbert: Die Protokollbücher des Kadiaintes_Sofia. Bearbeitet von G7157~5äIä15öv7~MSncnön r95C-rSiuîosîeuropâ-:sehe Arbeiten 55), 713. Eie Vaqf-Urkunde TCr„ 2046 bei BARKAN, Ömer Lu ti Î/AYVE3DT, Jikrem Hakkı: İstanbul vakıfları tahrîr defterleri 953 (1546) tarihli.T-s tanbûI-I97ü7wo isT'einen Qarağâ~ır. ju3î-îıeserı: Viertel ausdrücklich als Dimmî aus! (?) Vgl. RUHCİKAN, Steven: Das Patriarchat von Konstantinopel vom Vorabend der *ürkTscnen_^röberiâfiğ“ EriJ_züri;'” ğrıccHIscEen-UnâBEanğîgFerîsE?rcğ7-î:Î)ers7 v7_P7_iTe~Mencefs-söEn7_E[üncEen_I97ö7'” S7~3537~383·, 439 ?. Anm. 31. (3) Vgl. hier oben, Arın;. (1). Die Stif tungs u rkund e stammt von Januar 1522.
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den Privatbesitz (mülk) des Dimmîs Qaraga angrenzend! Es lasst sich vermuten, dass es sich in beiden Fällen um Besitz der Familie Qaraga handelt. Ein eindeutiger Beweis ist freilich schwer zu erbringen. Doch der Zynismus ("es ist ja nicht gesagt, dass jener Atmağa Dimmî war!") steht der osmanischen Seite schlecht an: man kann doch den Dimmîs nicht vorwerfen, dass eine osmanische Urkunde an Genauigkeit zu wünschen lässt! Hier wird gewissermassen den Christen die Beweislast für den Dimmî-Status Atmağa’ s zugeschoben, ana log der Beweislast dafür, dass sie ihre Kirche nicht repariert, bzw. eine diesbezügliche Erlaubnis hätten. ad (b): Dieses Argument zeigt, dass die osmanische Seite dem eindeutigen Hüküm Mehmeds II. keine RechtsVerbind lichkeit zugesteht. Zwar wird Atmağa darin als Besitzer die freie Verfügungsgewalt über die Kirche zugestanden, doch räumt nun (1564) die osmanische Seite nicht ein, dass darin auch das Recht enthalten sei, die Kirche als Kirche zu verwenden. Zu diesem Schluss gelangt Süleymäns Verwaltung (implizit) mit folgender Logik: zwar hatte Atmağa Privatbesitz (mülk) an der Kirche, doch heisst es ja nur (wenn man den Passus der "freien Ver fügungsgewalt" unter den Tisch fallen lässt (1)), er könne je nach Gutdünken die Kirche verkaufen, verschen ken, oder zur Stiftung (vaqf) machen (2). Hierbei han delt es sich allerdings nicht um eine auf diese Punkte (1) "bi’ l-gümle nice diler ise mülkiyet üzere verüb mütesarrıf ola." (2) f,diler ise sata ve diler ise bağışlaya ve diler ise vaqf eyleye."
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eingeschränkte Verfügungsgewalt, die jede andere Ver wendung ausschliessen würde (was sollte denn auch das, jemanden) einen Besitz zu geben, nur damit, dieser ihn verkaufe, verschenke oder stifte!?), sondern es sind dies die drei bekannten Definitionskriterien für m ü 1 k - Besitz,, Sind sie gegeben, dann handelt cs sich um Privatbesitz mit freier Verfügungsgewalt. Diese Kriterien nicht als Integrität aufzufasser. heisst aller dings, den ui U l k — Begriff per se auszuhöhlon, letzt lich für gegenstandslos zu erklären. Und sc sehliosst dam auch die Deduktion in diesen Sinne: "Vielmehr ist bewiesen, dass nicht verzeichnet wurde, dass er (sc. Atn.aga) an der Kirche Besitz hat" (1). * So waren den Diraıcîs alle nur Verfügung stehenden Rechtsmittel - einst feierlich mit der grossherrlichen T’ Jghra bestätigt - zwischen der: Fingern zerronnen. Da bei waren die "Beweismittel" der M’ -sliae lediglich: - eine behauptete Reparatur der Kirche (unbewiesen und wegen Sßlrns I. Urkunde auch unhaltbar), - die Behauptung, es finde ir. der Kirche seit 66 Jahren schon kein Gottesdienst mehr statt- (dies widerspricht der behaupteten späteren Reparatur und der urkunde SeiIns), - Unterlaufen des :n ü 1 k - Begriffes.
(1) "Belki ker.isenin bile temlik olunmasına muqayycd olmadu£ma delalet eder.”
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Das Schliessen von Kirchen Schleifen "verlassener" Kirchen war keineswegs die einzige Ursache für Kirchenschwund. Eine Anzahl von Kir chen wurde lediglich geschlossen und versiegelt, was für die Betroffene Gemeinde natürlich den gleichen Ef fekt hatte. Neubau als Ersatz für geschlossene Kirchen lässt sich nicht nachweinen, zumindest kein erlaubter. Mitunter konnte es Jahrzehnte dauern, bis eine geschlos sene Kirche einer reuen Bestimmung zugeführt wurde. Die Umwandlung in eine Moschee stellt dabei den Korraalfall dar, doch finden sich auch profane Nachfolgehauten, sel ten eine Wiedereröffnung als Kirche - dies dann aber nur in jpssenpoHtischer Zielsetzung, wovon gleich noch die Rede sein wird. Nur in den wenigsten Fällen können wir den Grund zum Schliessen einer Kirche im gesetzwidrigen Verhalten ih rer Gemeinde finden. So wurde etwa in Galata Sta. Maria Draperii 1665 beschlagnahmt, weil sie nach dem grosseri Brand von 1660 ohne Genehmigung repariert worden war (1). (1) SCHNEIDER/K0MIK1DIS Galata S, 25: "Die Insassen zo gen sich nach Pera z'jrücFT71 Mit. dieser Abwanderung haben wir einen weiteren Beweis für die Rolle, welche Kirchcnpolitik für die Integrität der Dimmis spielt, wenngleich dieser Fall nicht die eigentliche Kirchengoracinde selbst betrifft. Einen zy Sta. Maria Draperii analogen Fall hat HEFIK Bulgaristan Nr. 60. Die nachgcwiesenc Schliessung von siecen_griecEischen und zwei armenischen Kirchen ir. Istanbul (vgl. IÎTCICYA.VAKDREASYAN Istanbul 5. 42 f.) scheint weniger auf unerlaubte F.eparaTür~zi;rückzugchen als vielmehr darauf, dass - auf Betreiben des Qä&icasker mit dem bezeichnenden Beinamen "Kilise delisi" (der "Kirchen-Psychopath") - eine solche Genehmigung nicht erteilt wurde, obwohl die Gebühr dafür erlegt worden war.
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Man muss hier die Frage stellen, warum dieses "Vergehen" nicht etwa mit einer Geldstrafe gebüsst werden konnte. Das Missverhältnis zwischen "Straftat" und "Strafmass" ist schon befremdlich eklatant. Aus diesem Verfahren lässt sich jedoch ablesen, dass eine unerlaubte Repa ratur nicht als Reparatur einer alten Kirche betrach tet wird, sondern als Neubau. Das Kriterium liegt also in der richterlichen Erlaubnis: diese allein ermöglicht die Reparatur, nicht etwa aber eine "prinzipielle Erlaubtheit". M o d e m ausgedrückt: mit einer Verwaltungs vorschrift wird ein "Grundrecht" unterlaufen. Sofern wir ausserhalb solcher Fälle eine Begründung für das Schliessen einer Kirche nachweisen können, ist diese nicht den s u r û t entnommen. Die Gründe sind eher in der Tatsache zu suchen, dass schlechthin die Existenz von Kirchen im Dar al-Isläm für die Muslime ein Ärgernis darstellt, dass jede Gelegenheit zur Kon fiskation willkommen ist, und gerne auch genutzt wird selbst wenn zwischen Anlass und Massnahme kein erkenn barer Kausalzusammenhang besteht. Einen solchen Anlass lieferte oft ein Zwist unter Dimmis verschiedener Kon fessionen (1), aber auch zwischen osmanischen Würden(1) Auch Streitigkeiten unter Dimmis einer Konfession konnten als Vorwand dienen: nach dem erfolgreichen Feld zug gegen Aserbeidschan beschloss Murad III. 1586 die Umwandlung der Pammakaristos-Patriarchatskirche in eine Moschee. Er rechtfertigte (?) diese Massnahme mit den Intrigen der Synode, die dem Patriarchen Jeremias II. sein Amt gekostet hatten; vgl. RUHCIMAN Patria-rchat S. 186 f. Freilich besteht kein erkennbarer Kausalzusammen hang; dies gemahnt höchstens an eine Mutter, die ihre streitenden Kinder straft, indem sie ihnen das Spiel zeug wegnimmt, um das sie sich streiten! Die Mutter hat dann ihre Ruhe, die Kinder keinen Zankapfel mehr...
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trägern und ausländischen Vertretern. So führte etwa die Auseinandersetzung des Grosswesirs um den Besuch des französischen Botschafters zur Schliessung von drei Kirchen (1), der Streit um Mönchsmissionen in der Wa lachei zur Schliessung von zwei weiteren (2). Im ersten Falle verhinderte eine "Verehrung" von mehreren Tausend Dukaten die Umwandlung der Kirchen in Moscheen, im zwei ten folgte die Umwandlung sehr rasch. Fällt schon im 16. Jahrhundert also die Kirchenpo litik nicht mehr ganz in den Bereich der Auseinander setzung der Osmanen mit ihren Dimmîs, so ist sie bereits im 17. Jahrhundert Gegenstand bzw. Verhandlungsgrund lage bei Verträgen mit dem Dar al-Harb (3), indem Schlies sen bzw. Wiederöffnen von Kirchen im Dar al-Isläm als aussenpolitisches Druckmittel eingesetzt wird. Dies setzt sich noch im 18„ Jahrhundert fort (4), doch können wir die Entwicklung nicht weiter verfolgen, da der üiedergang dos Reiches, verbunden mit den massiven Ein fluss christlicher Mächte (besonders Russlands und Frank reichs), eine geänderte Dimmî-Politik mit sich brachte, die auf anderen Grundlagen fusst, als wir sie in dieser Arbeit darstellen. Die Rechtfertigung zum Schliessen von Kirchen scheint für die nachweisbaren Fälle etwas dubios. Die Begrün dungen sind fadenscheinig, zeigen keinen Kausalzusammen hang zur Massnahme, das Schliessen als "Sanktion" wirkt (1) (2) (3) (4)
KAffiER a.a.O. a.a.O. a.a.O.
GOH IV 112 f. ınd IV 150 für 1581. V”215 f. VI 464 und. 467 f. VII 315 Ϊ.
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übertrieben - man "riecht" förmlich, dass alles nur konstruiert ist. Nun, dies liegt einfach daran, dass es zum Schliessen einer Kirche keiner gesonderten Recht fertigung bedarf: wenn der Kadi eine Kirche "mir r.ichts, dir nichts" schliesst, so darf sie nicht mehr geöffnet werden. Das ist keineswegs eine BINSWANGER’ sche Diktion: ABU’ L-BAQA3 sagt wörtlich: "Wenn ein Hakim eine Kirche mir nichts, dir nichts schliesst, so darf sie nicht mehr geöffnet werden. Und wenn sie dann (von selbst) verfällt, so darf sie nicht mehr zurückgegeben werden« Hierüber besteht i ğ m ä τ " (1). Allein das Faktum des Schliessens hat also Rechts kraft, es bedarf keiner "Legitimation". Mit dem Hinweis auf die "normative Kraft des Faktischen" ist nichts er klärt, schon gar nicht der Rechtsbruch: den Nichtmuslimen wird bei Eingehen der Bimma ja Besit^standwahrung an ihren Kultgebäuden vertraglich zugestanden. Wir wollen keine allgemeine Debatte darüber anstel len, inwiefern Eroberer jemals nach einer Rechtfertigung ihrer Handlungen fragen. Uns interessiert hier nur, was die auf die Dimma bezogenen Bestimmungen der f u q a h ä 5 - und deren Anwendung in der Praxis - für die In tegration der Dimmis leisten. Hier können wir wieder einmal foststellen, dass die angebotene Dimma mit der später praktizierten (und praktizierbaren) nicht iden tisch ist. (1) ABÜ’ L-BAQA3 cAqa5id fol. 161 r, Z. 16-19: "Bir hâ kim bi-gair-i vegB~Bir~kenisenin qapusini kelidlese*min bacd ol kenise açılmaz ve bi-ğair-i veğh yiqilir min bacd icäde olunması gä5iz değildir. Iğmâ' bunun üzerine dir."
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Umwandlung von Kirchen zu Profanbauten Um die Mitte des 16. Jahrhunderts beklagte DERNSCHWAM die Profanierung der Kirchen Istanbuls: "Die aitten schonen geczirtten cristlichen kirehen, palatia vnd hewser haben die turken alle in grundt abgeprochen vnd daruon ire teuffels meezithen gepawt vnd bader, das man auch nit spurt, wo was gestandn" (1). Die seheriatrechtliehe Grundlage zum Abbruch "ver lassener" Kirchen haben wir schon angeführt, ebenso die wesentlichen Mechanismen, die eine Gemeinde zum Ver lassen ihrer Kirche "bewegen" konnten. Zweifellos hing die Umwandlung von Kirchen, bzw.. die Verwendung der aus ihnen gewonnenen Steine mit dem Man gel an Baumaterial zusammen, oder simpler ausgedrückt: so war es billiger. Wir finden als Nachfolgebauten fast ausnahmslos Gebäudearten, die man bevorzugt aus Stein erstellte (2), sofern nicht die Kirche als Ganzes über nommen, und nur innenarchitektonisch zweckentsprechend umgestaltet wurde: Kervanserays, Bäder, Lagerhäuser, Munitionsdepots, aber auch Ställe und Wohnbauten. Inwie fern bei einer solchen Profanierung ein propagandisti scher Zweck beabsichtigt war, lässt sich schwer sagen, es liegt aber auf der Hand, dass sich in der Wertung des (1) DERNSCHWAM Tagebuch S. 144. (2) "A seeond caîegöry of ’ arrested’transferences is formed by the churches devoted by the Moslem conqueror to civil uses c This seems to have been done when a sufficient number (!?) of churches in a conquered eity had been converted into mosques"; HASLUCK, F.W.: Çhristianitj and Islam under the Sultans. Vol. I. Oxford~l9297~S7~387
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Volkes - bei Dimmîs wie bei töislinen, wenngleich mit vertauschten Vorzeichen - die Profanierung entsprechend niederschlug. Das Ausmass des Kirchenschwunds aus diesen Umwand lungen lässt sich naturgemäss schwer bestimmen; zahlenmässig liegt es sicher nicht unter dem durch Umwandlung zu Moscheen verursachten, doch kommt diesem ein höherer propagandistischer Effekt zu. Für die betroffenen Dimmîs andererseits ist die Natur des Hachfolgebaus einer ihnen entzogenen Kirche irrelevant. Umwandlung von Kirchen in Moscheen Unbeschadet der Frage nach der rein religiösen Wer tung christlicher Kirchen, die zur bevorzugten Umwand lung ermuntert haben nag - was in der Folgezeit oft zu eigenartigen Synkretismen führte (1) - lässt sich sagen, dass die Osmanen in eroberten/unterworfenen Städten prinzipiell die Hauptkirchen jn Mose?:een umwandelten, und den Dimmls nur die kleineren belicssen (2). Die Umwandlung von Hauptkirchen zu Moscheen hat wohl (1) HASIUCK Christianity and Islan I S. 6-46 stell* solche Synkretismen ausführlich dar. (2) "Lasciano a Christiani alcune nisere, et basziszime chiesette, doue celebrino gli uffici lorc"; İ1EIJAVIE0 Vita et legge i'ol. 66 v„ Analog äussert- sich RAUWOLFF İSİŞZ S. 406: "Oie Christen...h ab en hin vnr.d wider inn grossen handeis S".äUen/;,hre sondere gasseri jnnen/die sie bewohnond/wolchc mehrthails ausserhalb inn Vor stätten: vnnd vmb dieselbe rofier auch kleine vnnd niderc· Kir chic·in/dar innen sie ihren Gottesdienst, ver richten. "
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zwei Gründe: zum einen wurde damit klargemacht, dass der Islam die herrschende Macht war, und die Dimmis in eine "untergeordnete" Stellung abgesunken waren. Zum anderen war dieser propagandistische Effekt gleich nach Einnahme einer Stadt zu erzielen, wohingegen doch der Neubau einer groason Moscheo Jahre gedauert hätte - und die innere Umgestaltung einer Kirche war auch weitaus billiger denn ein Keubau (1). Deshalb muss man die Um wandlung dor Hauptkirchen zu Moscheen in direktem Zu sammenhang mit der Srobcrung einer Stadt, sehen; in die sem Brauch manifestiert sich noch nicht notwendig eine Kirchenpolitik. Von einer solchen können wir aber spre chen, da in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten die Entwicklung konsequent fortgesetzt wurde - nur bezog sie sieh jetzt freilich nicht mehr auf die Hauptkirchen... Wir haben schon aufgezeigt, dass hierbei frühere Zu sicherungen schlicht ignoriert wurden. Worin aber liegt der Grund für Umwandlungen lange nach der Eroberung bzw. Unterwerfung? Wie schon bei. der Schliessung und Schleifung von Kir chen finden wir auch für deren Umwandlung in Moscheen - obwohl in den Dimma-Verträgen immer ausdrücklich aus (1) Wir übersehen keineswegs, dass auch christliche Mächte im Falle von Rückeroberung ehemals islamischer Landstriche analog vergingen. Doch lehnen wir einen sol chen Vergleich ab aus Gründen, die später noch darge legt werden. Was die rein ästhetische Seite der dabei zwangsläufig entstehenden architektonischen Mischformen angeht, so wollen wir darüber kein Urteil abgeben. Ob sich die Kathedralen in Nikosia und Famagusta grotesker ausnehmen als die in Cordoba, sei dahingestellt.
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geschlossen! - keinen Grund im scheriatwidrigen Verhal ten der betroffenen Gemeinde (1). Da dem Umwandeln in eine Moschee die Schliessung der Kirche ja vorausgeht, letztere aber keiner weiteren Begründung bedarf (2), brauchen wir auch nach keiner Begründung mehr für die Umwandlung zu suchen: sie ist nur noch eine naheliegen de Konsequenz. Umwandlungen von Kirchen, welche schon seit längerer Zeit geschlossen waren, mögen durch den dadurch verur sachten Wegzug der Gemeinde mitveranlasst worden sein handelte es sich dann doch um "verlassene" Kirchen, welche dem Gutdünken der Muslime anheimfallen - doch ging ja auch das Schliessen der Kirche fast nie auf ein Verschulden der christlichen Gemeinde zurück (3)« (1) Heben dem - wenig repräsentativen - Schicksal von Sta. Maria Draperii (vgl. oben S. 95 f.) sei noch er wähnt, dass Mehmed III. den Katholiken (!) von Chios ih re Kirchen sperren und zu Moscheen umwandeln wollte, da diese Katholiken sich seinen Unwillen zugezogen hatten - wegen eines (übrigens missglückten!) Überrumpelungsversuchs durch toskanische Galeeren. Die venezianischen und französischen Vertreter konnten den Sultan besänfti gen. Vgl. HAMMER GOR IV 297 f. Hier treffen wir wieder auf die Verquickung von Dimmi- mit Aussenpolitik. (2) Vgl. oben S. 98! (3) Wir müssen hier noch präzisieren: wenn einer Dimmi-Gemeinde die Kirche beschlagnahmt wird, so wird eine ZuSicherung aus dem Dimma-Vertrag gebrochen. Geschieht dies mit der Begründung, die Gemeinde habe unerlaubt ih re Kirche repariert, so wäre zu fragen, ob bzw. inwie fern die Dimmis dadurch ihrerseits gegen die Dimraa-Bedingungen verstossen hätten. Zumindest finden wir nirgendwo bei d e n f u q a h ä 3 die unautorisierte Kir chenreparatur unter jenen Gründen aufgeführt, wclche eine (auch nur partielle) Auflösung der Dimma als Kon sequenz nach sich ziehen! Vgl. auch oben S. 36-39.
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Die wohl groteskeste Geschichte in diesem Zusammen hang berichtet HAMMER (1) aus der Regierungszeit Sul tan Ibrahims: "...die (sc. Kirche) von S. Antonio zu Galata, wobey sich ein Weihquell befand, war noch unter S. Murad’ s Regierung gesperrt und versiegelt worden; unter S. İbra him'e Segierung kam eine Frau aus dem Serai, löste das Siegel, badete sich im Ajasma und versiegelte es dann wieder. Der damahlige Grosswesir Kara Mustafa hierüber erzürnt, verwandelte die Kirche sogleich in eine Moschee, dessgleichen geschah mit der abgebrannten (2) Kirche S. Francesco." Obwohl es auch dabei keinen zwingenden Kausalzusam menhang gibt, findet sich der Versuch, Kirchen in Mo scheen umzuwandeln, mitunter in der Folge des Amtsan tritts von Statthaltern (3). Welches Motiv hierbei aus schlaggebend ist - über das schon erwähnte grundsätz liche Ärgernis hinaus - ist schwer zu sagen, aber einen Prestigegewinn brachte dieser Schritt dem Beamten bei der ihm unterstellten muslimischen Bevölkerung sicher. Für Fanatiker waren Andaehtsstätten, die keinen spe zifisch christlichen Charakter haben, natürlich ein ge eignetes Objekt (4). Dem dabei erhobenen Anspruch liegt ein ähnliches Motiv zugrunde, wie es SeiIm I. schon ge il) HAMMER GQE V 391. Nach SCHNEIDER/NOMINIDIS Gal ata S. 22 war S. Antonio erst 1606 geschlossen worden. (2) SCHNEIDER/NOMINIDIS Galata S. 24 datiert für S. Fran cesco genauer: ” 1696 konfisziert und am 6.3.1697 in eine Moschee verwandelt." (3) So machte der neueingesetzte Sandschakbeg Jerusa lems 1587 die syrische Kirche zu einer Moschee; HAMMER GOR IV 190. 74) Vgl. hierzu das folgende Beispiel des Zionsklosters, bzw. Davidsgrabes.
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braucht hatte (1): den Polytheisten stehe es nicht zu, an erhabenen Stätten ihren nichtigen Glauben auszuüben. Diese Begründung war freilich aus konkretem Anlass kon struiert (was sich aber jederzeit wiederholen liesse!), da ja keineswegs alle Andachtsstätten, die sich der Ver ehrung durch Muslime wie auch durch Schriftbesitzer gleichermasscr; erfreuten, nach der Eroberung ir. isla mischen Besitz übergingen. Für das Beispiel dos Davidsgrahes bzw. des Z-ionsklosters ist uns der konkrete An lass überliefert (2). Das Vorgehen ist typisch auch für andere Beispiele, da die scheriatrechtlichen Grundlagen unveränderlich sind, und die Berufung auf sie bei glei cher Ausgangslage auch dann diese]ben Ergebnisse zeiti gen nîuss, wenn der konkrete (persönliche) Aniass even tuell anderer Hatur sein mag. Das Beispiel des Zionsk’ losters Angeblich hatten die Franziskaner dos Zionsklosters einem Juden den Besuch des Davidsgrabes verweigert. Da raufhin begab sich der Jude zu einem der Seyyide Jeru salems und machte geltend, die Mönche sollten jenen hei ligen Ort nicht innohabon, da sie dem Propheten Verach tung erwiesen, indem sie über seinem Grabe eine Heilig-Geist-Kapelle errichteten, und so auf dem Haupte des Propheten einhergingen. Nachdem die Franziskaner aber das Kloster schon zu lange in Besitz hatten, schien es (1) Vgl. oben S. 73! (?) Die Ewisode ist überschaubar zusaane-ngosteilt in der Einleitung SCHEFEl’ s zu CHESNjİâU’ s Voyage S. X m X - X L V J , und S. 116 ff., und ist ix Anhang S. 255-261 durch die übersetzten Urkunden belegt.
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dem Seyyid zu gewagt, deren Vertreibung anzustreben,, Erst das Verhalten des Klostervorstehers, der eine "Ver ehrung" des Seyyid in Form eines Kleides ausschlug (1), liess den frommen Mann beim Mufti von Jerusalem um eine Fetwa nachsuchen. Der örtliche Kadi fügte dieser ein Untersuchungsprotokoll bei, demzufolge in der Grabkam mer Davids auch Muslime begraben seien. Mit beiden Schriftstücken begab sich der Seyyid nach Istanbul, wo er einen Fermän erhielt, der die Umwandlung des Grab baus in eine Moschee befahl. Die Franziskaner wurden des Gebäudes verwiesen, konnten aber in anderen Teilen des Klosters wohnen bleiben. Daraufhin beschwerte sich der Seyyid bei der Hohen Pforte, der Fermän sei wegen Bestechung nicht ausge führt worden, wonach ein weiterer sultanischer Befehl die Vertreibung der Mönche aus dem gesamten Kloster anordnete. Interventionen der französischen Krone, ih res Botschafters und des Bailo von Venedig war nur ein vorübergehender Erfolg beschieden. Durch den ganzen Vorgang offenbar ermutigt oder an geregt, begannen die Muslime Bethlehems und Jerusalems, von verschiedenen christlichen Heiligtümern Marmor säulen und das Blei der Dächer abzutragen. Im Jahre 153? wurden die Franziskaner des Zions klosters, der Grabeskirche und der Geburtskirche zu Bethlehem - ohne Angabe von Gründen (2) - verhaftet. (1) Vom Typ der "Verehrung”wird später noch ausführ lich gehandelt. (2) Vgl. auch die oben S. 82 Anm, (2) schon aufgezeigte zeitliche Parallele zur Politik Süleymäns I. gegenüber den Kirchen Istanbuls!
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Drei. Jahre später fanden sie bei ihrer Hückkehr die Ge bäude geplündert vor (diese waren ja "verlassen"). Der venezianische und der französische Vertreter erwirkten einen Perman, der den Franziskanern den Besitz am Klo ster - freilich nun unter Ausschluss des Davidsgrabes bestätigte. Zehn Jahre später wurden die Mönche beschuldigt, im Kloster Waffen aufzubewahren, die zu gegebener Zeit an Christen ausgehändigt werden sollten, um Jerusalem der islamischen Herrschaft zu entreissen - der Besitz von Waffen ist den Dinnnîs nach den s u r u t verboten,. Fer ner wurde behauptet, sie hätten innerhalb des Klosters neue Gebäude errichtet - also verbotene Erweiterungs bauten (1), sie würden Frauen die Teilnahme am Gottes dienst gestatten, und der Klostervorsteher würde eine schöne Stute reiten - auch hier wieder der Bezug zu den ä u r ü t ! Eine Untersuchungskommissicn erkannte die beiden ersten Behauptungen für nicht zutreffend, die beiden letzten Punkte aber als auf einem Privileg aus mamlukischer Zeit beruhend. Es gelang dem Prior, von Süleyman, der damals in Syrien .im Winterquartier lag, einen Fermän an die Behörden Jerusalems zu erwirken, der verbot, die Franziskaner an ihrem Kult zu hindem. Koch bevor der Vorsteher aber in sein Kloster zurückgekehrt war, hatte der muslimische Wächter des Davidsgrabcs ge genüber dem Kadi und dem Sandschakbeg Jerusalems er klärt, im Kloster trieben sich als Pilger verkleidete (1) Vielleicht bezieht sich die Fetwa bei DUZDAG Sbussuud Nr. 467 auf diesen Zusammenhang? Vgl. oben S. 58-Inm. (1) !
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Spione umher - auch hier wieder der Bezug zu den s ü r ü t : Verbot der Beherbergung von feinden des Islam! Ferner machte er geltend, die Mönche würden noch immer singend am Grabe Davids vorbeiziehen, und dadurch diesem - wie auch den Muslimen (!) - Verachtung erweisen (1). Darüber berichtete man nach Istanbul. Nach einem kurzen Zwischenspiel dort erging 1551 ein Ferman, der die Franziskaner u m riderruflieh aus dem Zionskloster vertrieb. Süleyman tat die Bitte von Henri II. um Rück nahme des Befehls ab mit dom Hinweis, er könne nicht ge gen das islamische Gesetz verstossen, und einen Ort, an dem das kanonische Gebet schor. gesprochen worden war, wieder an Ungläubige abtreten. Die Mönche übersiedelten in das Erlöserkloster. *
In dem Schriftverkehr, der zwischen Jerusalem ur.d der Pforte in dieser Angelegenheit geführi; worden war, kehren immer folgende Argumente wieder, mit denen der Anspruch des Islajn auf das Davidsgrab - und dann auf das ganze Kloster - begründet wird: - Mit einer erschlichencn (!) Reparaturerlaubnis hätten (1) Ein christlicher liturgischer Gesang wird also so gedeutet, dass dadurch David (und den Muslimen) Ver achtung erwiesen wird. Von der reinen Logik her lässt sich dieses Argument natürlich auf jeden christlichen Gottesdienst übertragen - einschliesslich des Marien kults - da sich ja auch Jesus und Maria muslimischer Wertschätzung erfreuen. Wir werden noch nachweisen, dass die Musline tatsächlich im christlichen Gottes dienst Beweise für die Verachtung Gottes erblicken also einen Akt der Blasphemie.
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sich die Mönche erdreistet, ihr Kloster um neun Stein reihen höher aufzuführen, und sich (baulich) dem Da vidsgrab zu nähern. - Franken (also Harbls!) kämen alljährlich nach Jeru salem, wo sie dann im Zionskloster in völliger Sicher heit lebten - ohne Aman. - Auch die Mönche selbst seien eigentlich keine Dimmîs, da sie nach einiger Zeit ja ins Dar al-Harb zurück kehren. - Sie zaillen keinerlei Abgabe ans Osmanische Reich. - Da das Kloster zu nahe an einem islamischen (!!!) Heiligtum steht, werden die Muslime durch die gott losen (!) Gesänge der Mönche beleidigt, und auch Da vid, dem König der Propheten, würde dadurch Schmach zugefügt. - Der Glockenklang übertöne die Stimmen der Muslime. Auch in den Antworten auf diese Beschwerdepunkte finden sich stets Bestimmungen, die wir schon aus den s u r ü t kennen: - Es ist absolut unzulässig, dass Christen in musli mische Gebäude eindringen, es sei denn, zu einem den Muslimen nützlichen Zweck (z.B. Warenlieferung)(1). - Ebenso unschicklich ist es, dass PÄuslime in Kirchen und Klöster der Christen gehen, um Zeugen von deren Zeremonien zu werden. Wenn schon die Blindheit der (1) Das "muslimische Interesse" (maslahat al-muslimîn) ist stets dann als Begründung anzutreffen, wenn eine an sich restriktive Bestimmung punktuell durchbrochen wer den soll. Es kann als oberstes Prinzip des islamischen Rechts schlechthin äufgefasst werden.
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Christen schon freiwillig ist, so dürfen doch nicht Muslime die Zoichen dieser Untreue gegen Gott (damit ist der christliche Kultus gemeint!) sehen, denn die Christen verachten den Glauben der Muslime (1). - D i e Christen dürfen hei ihrem Gottesdienst weder ihre gottlosen Stimmen erheben, noch Glocken läuten, deren Klang Gott- noch verhasster ist, als der christliche Gesang. Der ursprünglich rein "private" Streit eines Seyyid, dem offensichtlich jedes christliche Kultgebäude ein D o m in Auge war, hatte zur Auflösung des Zionsklosters geführt. Die Rechtsgrundlage dazu lieferten ihn just die s u r ü t, die nach Ansicht der Orientalistik und scheinbar - auch der f u q a h ä 3 den Schutz der Dimmîs gewährleisten, über deren Charakter als "Schulübung" wir kein Wort mehr zu verlieren brauchen, da ihre Auswir kung auf die Praxis deutlich genug ist, unbeschadet der Frage, ob sie einem konkreten Vertrag aus der Frühzeit entstammen. Es sei noch aarauf hingewiesen, dass der fromme Sey yid, der sich scheriatkonforn verhielt und auch nur so argumentierte, schon 1523 recht handfeste Motive hatte, den Streit bis zum Ende durchaustehen: die Hohe Pforte hatte ihn nämlich zun Verwalter des Klosters und dessen (1) Vgl. etwa - neben anderen analogen Stellen - Q III 118: "Sie (sc. die Ungläubigen) werden nicht müde, Ver wirrung unter euch anzurichten, und möchten gern, dass ihr in Bedrängnis kommt. Aus ihren Äusserungen ist (schon genug) Hass kundgeworden. Aber was sie (an Hass und Bosheit) insgeheim in ihrem Innern hegen, ist noch schlimmer."
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Güter eingesetzt (1)! * Das Beispiel des Zionsklosters vermag uns über jene Schritte in der Umwandlung von Kirchen in Moscheen auf zuklären, die wir im einzelnen quellenmässig nicht ge nau rekonstruieren können. Als Ergebnis bleibt vorerst festzuhalten: Kirchen im Dar al-Isläm sind ein Ärgernis, wenn/weil sie prachtvoll sind, und in der Nähe islamischer An dachtsstätten und Moscheen (2), oder in muslimischen Vierteln (5) stehen, weil sich Pracht und "Polytheis mus", dessen Zeugen Muslime keinesfalls werden sollen, ausschliessen. Die Bekehrung der unterworfenen Völker ist weitaus verdienstlicher als der rein steuerliche Ge winn, den die muslimische Gemeinschaft aus ihnen zieht. (1) In der Übersetzung des betreffenden gatt-i serlf bei CHESNEAU Voyage S. 258 heisst es: "Hous'l’ avons envoye et lui avons confie le soin de regir les biens de l’ eglise, les jardins et les champs qui en dependent; nous l ’ avons investi de toute autorite et lui avons aecorde la jouissance de ces biens, ainsi que la faeulte de disposer tout ce qui sera neeessaire pour s ’ y etablir et y resider." Es ist bezeichnend, dass der Seyyid sich nicht auf diese ganz klare Einsetzung beruft, son dern auf die s u r ü t(2) und (3) Beide Konstellationen entstehen aber erst durch den Bau einer Moschee und/oder dcn_Zuzug von Mus limen. Es sei daran erinnert, dass Abu Yusuf das enge Zusammenleben damit rechtfertigt, weil es die Dimmis zur Konversion verleiten kann. Die Osmanen haben diesen Grundsatz nicht nur nicht abgeändert, sondern zudem den Christen eine grosse Anzahl von Kirchen entzogen, weil sie sich davon - zurecht - erhofften, das Erlöschen des christlichen Kultus zu beschleunigen.
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Die Politik, den Christen Kirchen zu entziehen, wird "bewusst zu dem Ziele eingesetzt, sie für Konversion zum Islam anfällig oder "reif" zu machen, indem man dem Christentum die zu seiner Aufrechterhaltung unabding baren Kultgebäude nimmt. Dass die Osmanen mitunter auch einer Dimmî-Gemeinde ihre Kirche nahmen, um sie einer Gemeinde anderer christ licher Konfession zu geben (1) - wobei wir freilich nicht erfahren, dass der geschädigte Teil zum Ausgleich eine andere Kirche hätte bauen dürfen - hat im Vergleich mit der sonstigen Kirchenpolitik eine vergleichsweise geringe Holle gespielt.
(1) "...in Psamathia blieb die Kirche des Periblebtos bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts eine grie chische Kirche; dann übergab sie Sultan Ibrahim den Armeniern, um seiner armenischen Lieblingsfrau...einen Gefallen zu tun"; RUNCIMAN Eroberung S. 208. Nachdem Ibrahim erst 1640 an die HeğıerûnğTam, muss die Kir che zwischenzeitig geschlossen gewesen sein, oder das 16. steht hier versehentlich für das 17. Jahrhundert. Auffällig ist jedenfalls auch die zeitliche Parallele zur Ausweisung vieler Armenier aus Istanbul kurz zuvor, vgl. oben S. 53 f. Die unter Süleyman I. den Griechen genommene und den Armeniern gegebene Kirche Surp Georg ist ein analoger Fall; vgl. ΜΑΝΤΡΑΝ Istanbul S. 51.
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Kirchenteilung Wir haben keinen Hinweis darauf, dass sich die ver schiedenen christlichen Konfessionen des Osmanischen Reiches unter einem höheren Gesichtspunkt als Einheit verstanden hätten. Es wurde schon oben darauf verwiesen, dass ja gerade Streitigkeiten unter verschiedenen christ lichen Konfessionen zur Schliessung oder gar Umwandlung mancher Kultgebäude den Anlass oder Vorwand lieferten. Die Eigenbrötelei christlicher Konfessionen erschien einigen europäischen Reisenden bemerkenswert (1). So ge horchte man denn eher der aus dem oben dargcstellten Kirchenschwund entstandenen Notlage - und nicht etwa ökumenischen Empfindungen! - wenn sich Angehörige ver schiedener Konfessionen in eine Kirche teilten. Die Grabeskirche in Jerusalem nimmt hier natürlich eine Sonderstellung ein, aber wir finden eine solche Praxis auch für andere Orte belegt (2). Obwohl nur. zwar sicher (1) So wundert sich etwa B3L0N Observations fol. 179 v: "Et combieri qu’ il demeure plusieurs näTIons Chrestiennes en vrie ville ou village Turquoys, tcutesfois quand quelque Armenien est trepasse, il n ’ y a que les Arme niens qui conuoicnt le eorps en terre: les Grecs aussi conuoient les leurs: Car l ’ vne religion ne conuoie pas l’ autre: et ne se neslent en rien des affaires l ’ vn de l ’ autre." (2) GAiSLISR Voyage S. 147 über Alexandria: "Les Chrostiens latins e£-grecs ont par cııseırıble un temple, qu’ or, nomme de Saincte Saba, lequel a esto rci'aict (!) de nouveau, ayant este quelque temps auparavant ruine par .la commune en une emotion populaire." Der Zusammenhang von Kirchenschwund und Kirchenteilung ist hier evident! Ferner DüüKSCHWAM Tagebuch S. 272 über Ofen: "Die eri şten haben zw S. MägääTcnä noch d^e kircher. innen, scind in dem glauben zwyspaldig, ir zwen a] i.te grawe papisti.-
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dor von den Muslimen verursachte Kirchenschwund - also gewissermassen "höhere Gewalt" - die Zwangslage geschaf fen hatte, teilten sich die verschiedenen christlichen Konfessionen nicht von sich aus in eine Kirche, wenn diese das angestammte Kultgebäude einer Glaubensgemein schaft war. Dann musste der muslimische Kadi eine Ent scheidung herbeiführen (X). Dieser hatte ja für Streit sachen zwischen Dimmis unterschiedlichen Bekenntnisses die alleinige Rechtsgewalt.
sehe pfaffen ha.lttens auff die altte verfurische arth, vnd ir zwen ader 3 auff die luttrisehe vnd zum thail zwingl-isehe arth. Dorumb sy die kirchon vnd er schlagen mit brettern. Die papisten haben den chor inner., alda sy messe haltten vnd vesper singen...Wan sy ir ampt vnd vesper verpracht, so fahen die lutrischen in der aussern kirehn. ir ceremonien vnd gesarig an...". Zu den Kirchen Ofens vgl. BJÖRKMAII, Walther: Ofen zur Türkenüeit. Hamburg 1920. Γ Γ Τ Eine solche Entscheidung ist uns erhalten bzgl. der Teilung der Kirchen von Gyöngyös zwischen Katholiken und Lutheranern. Vgl. FEKETE, Ludwig: Einführung in die osmanisch-türkischeJDiplomatik der“îur!iîscEen BotmassığlieTÎ-în-Ungarn.-Eudâpes:iri92k, Urkunde ]Tr7~97
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Kirchenersatz Der Kirchenschwund veranlasste die Dimmis fernerhin, Gottesdienst in Privathäugern abzuhalten - was natür lich verboten wurde. Noch 1725 wurde ein Turm in Fener eingerissen, in dem Griechen Gottesdienst gehalten hatten - was Anlasa gab, diesen Turm als nach der Er oberung erbaute Kirche zu betrachten (1), ein keines wegs osmanisches Argument, wie sich gleich noch zeigen wird. Erst für das 19. Jahrhundert finden wir diesbe züglich eine "liberalere" Handhabung, die zweifellos auf den massiven Einfluss christlicher Staaten zurück geht (2). Aus dem 16. Jahrhundert ist uns urkundlich folgender Fall überliefert (3): Die (ungläubigen) Fischer von Balat hatten eines ihrer Häuser mit einem zusätzlichen Stockwerk versehen und dann - angeblich - in diesem Haus Gottesdienst ab gehalten. Daraufhin war das Haus, welchcs nun osmanischerseits als neuerbaute Kirche betrachtet wurde, ge schlossen worden, worüber sich die Fischer beschwerten. In dieser Angelegenheit erging dann ein Hüküm, bei dem die Reihenfolge der angeordneten Schritte nicht weniger interessant ist als die Argumentation; da das Haus (hier (1) RSFIK On ikinci...Nr, 110. (2) Eine soIcEe Erlaubnis findet sich im Einsetzungs berat für Parthenius in die Diözese Trapczunt, vom 28. 9.1814, veröffentlicht bei SCHEEL, Helmuth: Die_staatsrechtliche Stellung der ökumenischen KirchenfûrsÎön Tn Jer aTten~Türlcei. Ein BeiTrag~zür~GescHicEte jTer~TnîrIcrscEen~Verfassu5g un3“ VerwâIîünğ7-BerIîfi-I943,~S7_33~F7 iyj~REFKi Önungu77. S . T 4 -Nr7“3.
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ist nicht mehr von einer Kirche die Rede!) höher ist als die umliegenden (muslimischen) Häuser, muss es zer stört werden und anderen Häusern Platz machen. Gleich zeitig sollen auch andere Häuser in der Nähe, die höher als die umstehenden der Muslime sind, von Grund auf zerstört werden, und anderen Häusern weichen. In einem dritten Schritt wird den Christen erlaubt, sich in diesen "anderen" Häusern zu versammeln, aber sie dürfen dort nicht ihrem "nichtigen Glauben" nachkommen. Auch wenn es einen reichlich zynisch anmuten mag, dass für diese Häuser gleichzeitig das Schleifen befohlen und der (nicht mehr so hohe) Wiederaufbau erlaubt wird: die Fischer von Balat sind noch mit einem blauen Auge davongekonnnen. Bemerkenswert ist auch, dass hier ein "Kirchenneu'bau" bzw. ein höher aufgeführtes Haus zum Anlass genommen wird, gleich mehrere zu hohe Häuser einzuebnen (es genügte scheinbar nicht, nur ein Stockwerk abzu tragen). Diese Typologie kennen wir schon von der Prob lematik der Vertreibung von Dimmîs aus Moscheenähe (1). Die Frage nach der Zulässigkeit von Gottesdienst in (1) Man hatte dies immer damit begründet, dass die Dimmîs durch Unzucht, Lärm, Musik und Trinkgelage die An dacht der Muslime stören würden. Statt ihnen aber dies zu verbieten, wurden sie des Viertels verwiesen; vgl. oben S. 56 f. Analog hätte man in Balat den Gottesdienst verbieten, und das Abtragen des obersten Stockwerks be fehlen können. Auch bezüglich der zu hohen Häuser treffen wir eine bekannte Typologie: diese Häuser staiamten sicher aus der Zeit, da das Viertel noch keine muslimischen Be wohner hatte, sonst wären sie von Anfang an niedriger ge baut worden. Die muslimischen Zuwanderer bauten sich dann niedrige Häuser - und die Dimmîs mussten die ihren schlei fen. Analog ist natürlich auch zu betrachten, wenn eine Kirche zu nah.: an einer Moschee steht;...
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Privathäusern war schon i® Ägypten des 14. Jahrhunderts von don f u o a h â 5 aller vier Recht3 schulen einstim mig abgelehnt worden (1). Die Begründung war ausdrück lich: eine solche Praxis käme dem verbotenen Keubau von Kultgebäuden gleich. Privathäuscr, in denen riichtislamische Zeremonien vollzogen würden, seien aber im Dar al-Isläm zu verbieten, da sie gefährlicher seien als WeinseherJcen und "andere Orte der Sünde" (?). Abgesehen vor. dieser befremdlichen Gleichstellung, die ein aufschlussreiches Schlaglicht auf die "Tole rierung" nichtmuslimischer Religionen durch den Islam wirft, wird ein wesentlicher Zug der Kirchenpolitik klar: wenn der Entzug von Kirchen nicht zürn Erlöschcn des christlichen bzw. jüdischen Glaubens führt, vielmehr (1) Das Sechtsgutachten ist übersetzt bei FATTAI Statut S. 176. Interessant ist die Icgik: zwar ist das GeBaüile als solches alt, aber da jetzt darin ein (in diesem Falle: jüdischer) Gottesdienst abgehalten wird, ist es eine neue Synagoge. Kun, "neu”war ja eigentlich nur der Gottesdienst, folglich wäre es logisch, auch nur diesen zu "schleifen". Das Vorgehen impliziert ganz un verkennbar eine Strafmassnahme, da es eben nicht darum geht, einen status quo ante wieder herausleTIenT (2) Nachdem schon zwischen der mamlukisehen Fetwa und dem o.a. Hüküm büg]. der Fischer von Balat eine evidente Kongruenz besteht (beim islamischen Recht eigentlich kei ne erstaunliche Tatsache!), sei auf eine v/eitere namlukisch-osmanische Parallele verwiesen: die ir.amlukischen Fuqaha 3 nannten solche "Srsatzkirchen" einen Ort der Sünde. ABU’ L-BAQÄ\ osmanischer Faqih des 17. Jahrhun derts, nennt (_^_Aqa id i'ol, 160 r) Synagogen und Kirchen schlichtweg derTTrerîpunkt mit dem Teufel: "Müslim o]an kimse yahudiler bi'esine ve naşara keniselerino gi.raek makrühdur 'zîrâ i!iegmac-i saytândır."
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dieser dann eben in Privathäusern praktiziert wird, und die muslimische Behörde nun dieses Fortleben des Glau bens mit (verbotenem) Neubau von Kultgebäuden gleich setzt (und entsprechend sanktioniert!), dann heisst das: Kirchen werden bewusst zu dem Zweck entzogen, damit der andere Glaube erlischt. Den Beweis hierfür liefert das Argument der f u q a h ä 3, das Abhaltung von Gottes dienst in Privathäusern dem Neubau von Kultgebäuden gleichsetzt, ganz eindeutig. Anders ausgedrückt: so war das mit der zugestandenen Religionsfreiheit nicht gemeint. Sie soll nicht "ewig" währen. Die "Religionsfreiheit" war also gebunden an die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Unterwerfung, konkret: an dio damals vorhandenen Kultgebäude. Der Islam "toleriert" also nicht den jüdischen und christlichen Gottesdienst schlechthin, sondern nur je nen, der in Synagogen bzw. Kirchen abgehalten wird, die schon zum Zeitpunkt der Unterwerfung bestanden und diese Funktion hatten. Inwiefern dieser Gottesdienst über die eben aufge führte Einschränkung hinaus "toleriert" wird, soll jetzt untersucht werden.
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Das Los der verbliebenen Kirchen -_kultische Beschränkungen Wir haben schon darauf hingewiesen, dass die den Christen belassenen Kirchen von recht bescheidenem äusseren waren (1). In der Episode um das Zionskloster erwähnten wir auch bereits das Verbot von Kirchenglok ken, deren Klang den Muslimen Ärgernis erregte. Dieses Verbot galt im gesamten Osmanisehen Reich, lediglich die Inseln Patmos und der Berg Libanon machten eine Ausnahme (2), weil dort keine Muslime in der Kahe wohn ten. Dennoch gab es immer wieder Versuche der Dimmîs, das Verbot zu durchbrechen (3), doch erfahren wir nichts über das diesbezügliche Strafmass. Das Verbot bezog sich nicht auf Glocken schlecht hin, sondern nur auf deren liturgischen Gebrauch (4). Die zweite Funktion der Glocken, zum Gebet y.u rufen, (1) Vgl. oben S. 100. Einen kleinen Eindruck hiervon vermitteln einem noch heute einige ältore Kirchen in Istanbul, vorab in den Vierteln Balat und Fener, die eher an Lagerschuppen oder Werkstätten gemahnen, denn an Gotteshäuser. (2) Vom Verbot abseits dieser Ausnahmen berichten fast alle Reisenden des 16. Jahrhunderts. (3) Dagegen ergingen u.a. die Befehle in MÜD XXIX 75 und 238 . (4) Schlaguhren gab es nämlich durchaus, wenngleich sie nur zögernd eingeführt wurden.So berichtet FfiSSNE-CAKAYE 1573 über Üsküb: "Cette ville a une horloge publique qui s’ entend par toute la ville (!} ct qui sonne les heures â la française”; FRESNE-CAMYE, Philippe: Le voyage du Levant. Hrsg. v. N« Hauser. Paris 1897 (RVÜfliT-X7I77_5^ 34.“ öffentliche Schlaguhren sind für 1577 noch für Gran und Ofen belegt: SCHWEIGGER Constantinopel vnd Jerusa lem S.24.
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wurde von Gemeindemitglied e m übernommen, die durch die Strassen liefen, und entweder mit Prügeln an die Türen schlugen, oder durch Hufen zum Kirchgang aufforderten (1). "Stille'' Messen D&3 S in (auch oder überwiegend) muslimisch besiedel ten Städten nicht öffentlich zum Besuch des christlichen Gottesdienstes aufgefordert werden durfte, braucht nach einer Darlegung der s υ r ü t nicht mehr näher erläutert werden. V/ir müssen aber darauf hinweisen, dass das Läu ten von Glocken innerhalb der Messordnung eine liturgische Funktion hat, die sich nicht durch Ausrufen ersetzen lässt. Andere Instrumente, die diese Funktion hätten übernehmen können, waren don Dimmis natürlich auch ver boten (2), was nach der aufgezeigten Analogie von Gottes dienst in Privathäusern und Kirchenneubau eigentlich nicht mehr überraschen sollte. Eine weitere Einschränkung auf liturgischer Ebene ist (1) RAFÄOLFF Raisz S. 407: "Die Christen aber/haben jhre Mosner/dTe zur stund der predigt/vrmd ihres gebetts mit starc'xen b enge in herumb gehn/vnnd in einer jeden gassen ar. eine oder mehr hauszthüren/von hol tu darzu starck zugerieht (!//etliche straich thund." Analog SCHWEIGGE3 Constantinopel_vnd Jerusalem S. 181: "Wie auch bey den GriecEen-ein-!SälD^erümE-scFireit auff der Gassen: kompt inn die Kirchen etc. weilen sie nicht Glocken haben." (?) Vgl. etwa den Verträgstext bzgl. Galata bei HAMMER GOR I 678. Es ist denkbar, dass diese Coker· nur ErsatzFunktion hatten. Dagegen bringt die Übersetzung bei BELDI CEAFJ hierfür "creceiles", wovon eindeutig die litur gische Funktion betroffen ist; BELDİCEANU, Kicoarä: Recherche sur_la Ville Ottomane öu_XVe siecle. Etüde cfäcFes7_PärIs_I975 ΓΒΓΗΙϊδFEeqüe~arcEeölögıöüe-eF“ Eis Fo-
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das Gebot, Messen leise bzw. still zu singen, damit kein Schall aus der Kirche dringe (1). In der Praxis bedeutete dies, dass gar nicht gesungen werden durfte. Der christliche Gottesdienst fand also formal als "stille Messe" statt, ohne liturgisch tatsächlich eine solche rique de l ’ Institut Français d ’ Archeologie d ’ Istanbul XXV), S. 154. Für die analogen Bestimmungen aus vorosmanischer Zeit vgl. FATTAL Statut S. 203 ff. et passim. (1) Der Ulmer Kaufmann KRAFFT Berichtet über St. Georg in Famagusta (1573): "Sy derffen kein gesang vnd nur stülle Messen darin haltten, haben auch keine glockhen Im Thurn, sogar keine glockhen In der kürchen, so mans Zur Messz, wo die gehaltten wirdt, pflegtt Zu gebrau chen. In Summa sy müessen All Iren Gottesdienst so still verRiehtten, Alles zu dem Intent, damitt wan ein machomettist für Iber gehtt, die geringste Ergemus nichtt höre oder vermörekhe, wie dan Ir kirchenthür mitt fleysz von brütter vnd Holz werckh Also eingefaszt Ist, dasz man sich Zum Drittenmal vff eine vnd die andere seytten Im eingang musz wenden, bisz er sol che Inwendig andritt"; KRAFFT, Hans Ulrich: Reisen und Gefangenschaft_Hans_Ulrich_Kraffts. Hrsg. v. K.D. HassIer7_5TüTÎgarÎ I8 &I TBiBIioTEe£-Ses, Literarischen Ver eins in Stuttgart 61), S. 73. Weniger ausführlich, aber für das ganze Reich geltend (also auch für den ortho doxen Ritus!) und auch aus eigener Erfahrung sagt GEORGIJEVIC De_°rigine fol. G 7 r: "Misera et humillima sacella ChrısÎıanıs relinquunt, ubi sacra non publice sed öisSimulanter et silentiose faciant." Völlig analog äussem sich ferner: FÜRER, Christoph: Christofers_Pürers von^Haimendorff Ritters.ııR£İ£r®esc^ieL5^S~ın“ EğypÎeö7.7 Krsg7~v. ~Jacoü Purer. iiürnHerg 16^5, S. I5ö; ferner GIRAUDET, Gabriel: Discours du voiage d^outremer au sainct sepulchre... Toulouse'~r5537_57~Z97'~söwre HEGHAULT, JnÎöîne: Discours du Voyage d ’ outremor au saint sepulcre .. .Lyon 15757~S7-5ö-:ün5-797-GEHISCH-TägeIiücH-S7~2f59-ef~ wähnt extra, die Griechen (!) der HaüpÎstâSÎ dürften we gen eines Privilegs von Mehmed II. an zwölf Festtagen des Jahres nachts eine lauie Messe zelebrieren; d.h., auch im orthodoxen Bereich war die "stille" Messe in Kirchenalltag der Normalfall!
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zu sein. Es ist zweifelhaft, -ob man dies mit der Be gründung hinnehmen kann, dass damit den herrschenden Buslinien kein akustisch wahrnehmbares Ärgernis gegeben wurde. Das Verbot des liturgischen Gebrauchs von Kir chenglocken, Altarglöckchen und Klappern stellt frei lich einen eklatanten Eingriff in den Kult dar (1). Zwar ändert dieser Eingriff nicht den liturgischen Wert der Kesse, er reduziert aber den christlichen Kult auf das letzte theologisch noch tragbare Mass. läs ist durchaus denkbar, dass die Muslime verhindern wollten, dass auf den Vorgang der Wandlung, der in ihren Augen natürlich eine unerhöhrte Blasphemie darstellt, auch noch eigens hingewiesen werde - was ja die litur gische Funktion der Glöckchen bzw. Klappern ist. Dies lässt sich auch deshalb vermuten, da der islamische Orient schon früher Eingriffe in den christlichen Kult kannte, nachdem sich ein Gouverneur über diesen infor miert hatte (2 ). Das Argument, es ginge beim Verbot, der Glocken darum, den Muslimen kein Ärgernis zu geben, kann nur für die (1) Zur liturgischen Funktion der Altarglöckchen vgl. Josef (S.J.): Dag christliche Altar ge rät in seinem Sein und_in seiner-Entwicklung. München~I932, 57~575r~fäHrencT (Ter Karwoche wirü Jas Glöckchen durch eine Klapper oder Knarre ersetzt. Letztere sind die "crecelles" im Vertrag mit Galata, Übers. BELDICEAîfU Ville_ottomane S. 154. Auch FATTAL Statut passim hat sÎeîs~wnaqusw und "simandres" (Knarre,"Hatsche). Altar glöckchen, sowie auch der Brauch, während der Wandlung die Kirchenglocken zu läuten, sind erst seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar. (2) Vgl. FATTAL Statut S. 205.
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Kirchenglocken gelten, nicht aber für die Altarglöck chen und Klappern: es ist schlicht unmöglich, dass ein vorhergehender Muslim aus den Inneren dor hermetisch verschlossenen Kirche (1) dergleichen hört. Auch den leisen Gesang - sofern die Christen den überhaupt noch zu erheben wagten - konnte er nicht hören (2). Somit kann dieses Ärgernis nicht auftreten, und wir müssen die Begründung der betreffenden Bestimmung in einem "Ärgernis" auf anderer Ebene suchen. Die Fetwa des Mufti von Jerusalem (3), welche zur Schliessung des Zionsklosters die "theologische" Recht fertigung gab, liefert uns das entscheidende Argument: "...le son des cloches est plus odieux au Dieu tres haut et tout-puissant que le bruit de leurs voix." Gott sind also nach muslimischer Ansicht Gesänge und Glockenklang verhasst - wohingegen nach christlicher Ansicht aber beides zum Lobe Gottes erschallt. Wenn nun deshalb den Dimmis Glocken und Gesänge verboten werden, dann bedeutet das, dass dor Islam nicht einen originär christlichen Kult "toleriert", sondern einen Kult, der den Ansichten des Islam entspricht (4)! Inso fern können wir nur noch von einer "Pseudo-Toleranz" (1) Vgl. oben S. 120 Anm. (1). (2) Man darf nicht vergessen, dass diese Restriktion das "akustische" Ärgernis einmal akzeptiert - ja erst - und nur! - durch das enge Zusammenleben "nötig" wird. (3) Übersetzt bei CHESNEAÜ Voyage S. 257. Vgl. auch oben S. 105 ff. (4) Vgl. auch oben S. 107: durch Gesänge am Davidsgrab würde David und den Muslimen Verachtung erwiesen!
sprechen, bezüglich des zu "tolerierenden" Objekts. Bedenkt man ferner, dass dieser Kult, eben weil er nur still und in aller Abgeschiedenheit praktiziert wurde, von den Muslimen gar nicht wahrgenommen werden konnte, so muss man fragen, ob dor Toleranzbegriff überhaupt noch anwendbar ist. "Toleranz" setzt doch nicht nur das Wissen um die reine_Existenz des zu To lerierenden voraus, sondern ebenso und ganz besonders dessen Gegenwart (1)! Nachdem aber der Kult der Dimmls von den Muslimen nicht bemerkt wurde, er ihnen nicht gegenwärtig war, wird eben hierdurch der Toleranzbe griff schlicht gegenstandslos (2 )!
(1) Zwar können wir wissen, dass Primitive irgendeiner Südseeinsel sich von Würmern ernähren, eine Vorstellung, die uns Ekel erregt. Aber da sie diese Nahrung nicht in unserer Gegenwart zu sich nehmen, stellt sich die_Frage nach unserer "toleranten" Haltung mangeIs~ReIevänz öEnehin nicht - wenngleich wir theoretisch darum wissen: es "gehl uns nichts an", kann uns gleichgültig sein! ABU’ L-BAQÄ 5 ‘ Aqa^id fol. 160 r fordert sogar bewusstes Igno rieren ües cEristlichen Kultus, wenn er sagt, es sei un schicklich, jemandem auf dessen Ersuchen den Weg zur Kirche zu zeigen (Zimmı konise yolunu göster deyü bir müslime su’ al etse göstermek lâyık değildir).D.h., selbst wenn der Muslim weiss wo die Kirche liegt, soll er so tun, als wüsste er dies nicht. Dann freilich heuchelt er nicht Toleranz, sondern Ignoranz! (2) Ahmad b. cAbd al-'Aziz, ein Faqlh des 14. Jahrhun derts, umriss die Grenzen dieser "Toleranz" recht tref fend: "Man kann nicht sagen, dass ihnen die Ausübung ih res Kults erlaubt sei, wie könnte man denn nach dem Religionsgeseîz-Göîtlosigkeit (!) erlauben? Man muss sagen: wi£_hindera sie_ii±clit.”Vgl. FATTAL Statut S. 160. Die sen ScEwebezustanil von weder Erlaubnis,-noch Behinderung, noch Verbot werden wir im Schlusskapitel näher behandeln.
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Prozessionen und Beerdigungen In diesem kultischen Bereich - freilich an sich schon weniger repräsentativ als der reir.e Gottesdienst, da mehr Brauchtum denn Liturgie - zeigt sich ein etwas liberaleres Bild» So berichtet etwa GERLACH von einem Leichenbegängnis unter Gesängen durch Pera (1), das von den Muslimen nicht gestört wurde, doch muss darauf hingewiesen werden, dass die s u r S t bei Begräbnissen nicht Gesänge, sondern nur Tränen, Beten und Klagen ver bieten - wovon GERLACH nichts erwähnt. Dieses Begräbnis war also scheriatkonform. Ebenfalls von Pera berichtet LESCALOPIEE, offensicht lich ganz unter dem Eindruck jener Feiertage, die er ausschliesslich dort verbrachte (Mai und Juni 1574): "Lon exeroe en ceste ville la Religion catholique en toutte liberic Jusques aux processions Italiennes des battus Et a la feste Dieu les rues tapissees soubs la garde de deux ou 3. Janissaircs ausquelz lon donnc quelques aspres" (2 ). Nun ist freilich gerade die italienische Gemeinde Galats (3) wenig repräsentativ, da die Pranken auch in anderen Teilen des Osmanischen Reiches nicht ganz so strikten Reglementierungen des Kultes unterlagen: ihren Gottesdienst hielten sie generell lauter als die Grie chen (4). Ferner sei darauf hingewiesen, dass auch die vorosmanische Zeit für einige christliche Festtage Aus nahmen zuliess (5 ). (1) GERLACK Tage=Buch S. 34. Allerdings hat RENAULT Discours S. G5 eine stille, nächtliche Beerdigung. T2T~LESÖAL0PIER Voyage fol. 37 r. (3) GERLACH Tage^Bucß S. 161: "Die Perotter sind 40." ? (4) FÜRER ReTs-Eoscfireib’ iiig S. 160. (5) FATTAL-SîâTüî-S7-2ö4“eÎ passim. Vgl. auch oben S. 120.
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Wenn nun aber solche Festtagsprozessionen unter dem Schutze von Janitscharen durchgeführt wurden - modern ausgedrückt: unter Polizeischutz - so lässt sich daraus schliessen, dass grundsätzlich mit Störungen zu rechnen war, was ein Schlaglicht auf die soziale Umwelt der Dimmis wirft, und wieder einmal die Bedeutung des engen Zusammenlebens von Muslimen und Nichtmuslimen unter streicht. GERLACE berichtet uns, wie wenig effektiv dieser Schutz durch Janitscharen war: "Den 21. als am Fronleichnams Pest haben die Perot ter eine Pro'cession.. .gehaltten/da jedermänaiglich von den Türeken/Juden/Griechen/Armeniern und Welschen zugelauffen. Die Türcken das Wesen verspottet und verlacht/ dasz sie jhre HErrn Gott also umbtragen: sonderlich haben sie sich sehr schimpflich gemacht über die Gemähld in ihrer Kirchen/weil darinnen nicht nur der Hei ligen: sondern anderer und zwar WeibsBilder in Frantzösischer/Spanischer/Niederländischer und Welsche Trach ten/und das meist ist/gar nackende Weibs=Bilder bcy den Altären stehen/welches die Juden und Türcke sehr ge ärgert. ..Etliehe Janitscharen haben sollen die Kirchthüren verwachen/dasz die Türcken nicht hinein lauffen/ und das Gespötte darausz treiben/aber sie haben sie gleichwol eingelassen/die drinnen laut geredet/geschrye und gelacht. Und wann ein Christ hinein geholt/ der hat ihnen Geld geben müssen" (1), Es ist nicht ganz auszuschliessen, dass diese Ja nitscharen auch im islamischen Interesse Türken den Zutritt zu den Kirchen verwehren sollten - Muslime sol len ja nicht Zeugen der "Gottlosigkeit" werden. Dass aber dieser "Schutz" für die Dimmis pervertiert wird, just durch die, welchen er angeblich obliegt, ist ein Verhaltens typ, derr. wir öfter noch begegnen werden (2). (1) GERLACH Tage=Buch S. 215. (2) Hingewiesen sei_clarauf, dass viele Reisende auf
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Selbst wenn man von Störungen der angeführten Art bei Prozessionen absieht, so sollte doch die relative Duldung solchen Brauchtums nicht überbewertet werden, da dergleichen im Alltag des Kirchenjahres nur wenige Ausnahmen darstellt, die an der restriktiven Politik gegenüber dem Gottesdienst nichts ändern. Zusammenfassend können wir festhalten: Die Osmanen verfolgten eine gezielte Politik gegen nichtislamische Kultgebäude, die der Islamisierung der Dimmls diente. Der Kirchenschwund führte für die je weils betroffene Gemeinde zum Verlust eines wesentli chen Kriteriums, das sie als Gemeinde konstituierte (1). Er steht in engem Zusammenhang mit der Zerstörung der geographischen Integrität der Dimmî-Gemeinden, und mit der fortschreitenden Parzellierung durch Bildung von m a h a l l ä t . Die umgesiedelten bzw. zu rück gedräng ten Dimmls konnten ihrem Kult nur im Verborgenen nachkommen, wobei dieser Kult nach islamischen Kriterien beschnitten wurde, und nicht mehr Ausdruck dessen sein durfte (Lobpreisung Gottes), was die Dimmls selbst da Überlandstrecken erst durch den sie begleitender. Janitscharen in Kalamitäten gerieten, da dieser einen Mus lim schlug oder gar tötete, wovon später noch die Rede sein wird. Zur rechtlichen Grundlage dieser Problematik sei angemerkt, dass im Amän-Recht dem Musta3min zwar Schutz in der Form zugestanden wird, dass er nicht an gegriffen werden darf. Ob er aber auch aktiv beschützt werden muss, ist unter den f u q a h a 3 umstritten. Vgl. HEFFENING Fremdenrecht S. 38. (1 ) Wer seinen GlauEenspFIichten nicht nachkommt - wie bei Kirchenschwund sicher oft der Fall ~ kann nicht mehr Zeuge gegen einen anderen Dimml sein; DİİZDAĞ Ebussuûd 419 f.
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rin sahen. Deshalb mussten wir den Toleranzbegriff man gels Anwendbarkeit ersatzlos streichen. Die Kirchenpolitik führte zum Verschwinden einiger Gemeinden aus ihren alten Wohnvierteln, an denen ihnen doch Immobilienbesitz einst zugestanden war. Sie ist natürlich in Zusammenhang mit den im Abschnitt über geographische Integrität aufgezeigten Faktoren zu be trachten. Doch auch in den neuen Vierteln waren die DimnTs durch jederzeit mögliche Einpflanzung islamischer n u c 1 e i und durch weiteren "Kirchenraub" von er neuter Vertreibung bedroht. Obwohl an diesem Vorgang noch weitere interdependente Faktoren beteiligt waren, die wir später behan deln, wollen wir nun am Beispiel Galatas diese Ent wicklung veranschaulichen.
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3o Kirchenpolitik und Verlust der geographischen Integrität am Beispiel Galatas "Die ’ Osraanisierung’der von den Türken eroberten Städte vollzog sich in Quanten, die wir mit den je a h a 1 1 ä t gleichsetzen können" (1). Wir haben schon dargelegt, wie eng die Gründung einer n a h a 1 1 e mit der einer Moschee verknüpft ist, und dass das Einpflanzen eines solchen n u c 1 e u s in eine Diranî-Geneinde deren Integrität sprengt, bzw. diese Gemeinde in ein anderes Wohnviertel abdrängt. Wenn wir nun eine solche Entwicklung am Beispiel Gfalatas betrachten, so versteht sich diese Darstellung als Modell, weil die Bestimraungsfaktören auch für andere Städte gelten. Sie ist gleichzeitig aber nur eine Skizze, weil wir uns auf die wichtigsten Faktoren beschränken müssen. Aus diesem Grunde soll in den Plänen auch nur die Entwicklung i n t r a r a u r o s dargestellt werden. Wir verzeichnen dabei vorab Kultgcbäude, Profanbauten aber nur dann, wenn sie entweder Kultbautcn ersetzten, oder aber ein wichtiges Indiz für Besiedelung liefern. Dies gilt besonders für Bäder, welche ,'a gegenüber Wohn bauten den Vorteil haben, sich genauer lokalisieren zu lassen» Die Entwicklung i n t r a m u r o s hängt natürlich mit derjenigen e x t r a m u r o s eng zusammen, dcch können wir letztere aus Fonnatgründen nicht in die Pläne einbringen; auf sie wird im Text für den jeweiligen (1) KREISRK Stadt S. 202.
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Zeitraum hingewiesen. Dasselbe gilt für Faktoren, die sich mit Bildsymbolen schwer darstellen lassen. Als Stichjahre der Bestandsaufnahmen wählten wir 1453, 1481, 1512, 1600, 1660 und 1700. Das Ende der Regie rungszeit Mehmeds II. (1481) schien uns bedeutend, weil sich nur so aufzeigen lässt, welche Veränderungen in Galata noch unter dem Herrscher vorgingen, welcher die ser Stadt die Dimma gegeben hatte. Mit dem Regierungs antritt Sultan Selîms I. (1512) begann die Zeit, da wiederholt versucht wurde, alle Kirchen in Moscheen um zuwandeln. Obwohl diese Tendenz bis in die Regierungs zeit Sultan Muräds III. (1574-95) reicht, schien uns eine Unterteilung vor 1600 nicht sinnvoll, da die zwi schen 1512 und 1600 erfolgten Schritte zur Islamisierung Galatas inhaltlich und methodisch Zusammenhängen, und deshalb als Ganzes dargestellt werden sollen. Die beiden letzten Stichjahre, 1660 und 1700, veranschau lichen die Auswirkungen des grossen Brandes und seiner Folgen, die nur zum geringsten Teil in wirklich kau salem Zusammenhang mit diesem stehen, wie im Textteil dargelegt werden wird. In einer vorausgreifenden Aufstellung der Kirchen, Moscheen und Bäder Galatas in den Stichjahren lässt sich die Entwicklung in ihrer wesentlichen Struktur überschaubar skizzieren« Die Zahlen verstehen sich zumindest für die beiden ersten Stichjahre - nicht als absolut, da eine ganze Reihe von Gebäuden in Datierung und Lokalisierung zu ungewiss ist, als dass sie hier berücksichtigt werden könnte. Wenn wir deshalb ein run des Dutzend Kirchen ausklammem, deren Bestehen für das
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Jahr der (unbestritten freiwilligen!) Unterwerfung (1453) nicht gesichert ist, so räumen wir den Osmanen einen Bonus ein. Unter den Bädern sind natürlich türkische (Hamam) zu verstehen. Die Bestandsaufnahme C-alatas ergibt - i n t r a m u r o s - für die Stichjahre numerisch folgendes Bild (1): Zahl der Kirchen
Moscheen
Bäder
1453 1481
25 24
3
3
15 12
22
6
3
1600
20
10
6
1660
19
12
7
1700
8
13
7
im Jahre
Betrachten wir nun die Entwicklung zwischen den Stichjahren:
(1) Fast alle Angaben und ihre zeichnerische Umsetzung entstammen SCHNEIDER/ÎJOMIIÎIDIS Galata. Auf Stellennach weis für jedes einzelne Faktum muss“aus praktischen Er wägungen verziehtot werden. Wir haben bei den Plänen den Verlauf des heutiger. Ufers und auch die Galata-Brükke als Orientierungshilfe beibehalten. Auch der Verlauf der Stadtmauer beruht auf SCHtiEIDER/NOMIKIDIS Galata. Sofern in den Plänen Veränderungen auf tau eher., die nicht diesem Werk entstammen, wird im Textteil der be treffende Stellennachweis gegeben.
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zwischen_1453_und 1481 Kurz nach der Einnahme Konstantinopels schickte die genuesische Potesta von Galata eine Abordnung zu Mehmed II., welche diesem die friedliche Unterwerfung Ga latas anzeigte. Der Sultan gab der Stadt die Dimma in voller Übereinstimmung zu anderen Kapitulationen (1). Der "Vertrag" bestätigte die Einwohner der kleinen Stadt in ihrem Besitz an beweglicher und unbeweglicher Habe, sicherte ihnen den Bestand ihrer Kirchen und die freie Ausübung ihres Kultus zu (der Gebrauch von Glocken, Ratschen und Klappern wurde ihnen freilich untersagt). Der Sultan gab die ausdrückliche Zusicherung, keine Kirchen in Moscheen umzuwandeln, in Galata kein d e v ş i r m e durchzuführen, und versprach, die Autonomie der Stadt nicht anzutasten (2). Die Beherbergungspflicht wird mit Einschränkungen ausgenommen: "Janitscharen und Sclaven (3) sollen in ihre Häuser nicht einquartiert werden", ansonsten schlicht nicht erwähnt. Wir haben es also mit einem ganz normalen Dimma-Vertrag zu tun, ja, wir können für Galata hier nicht ein mal ein "Besätzungsstatut" postulieren. (1) So im Text - wir benutzen weiterhin die Übersetzung bei HAPiMER GOH I 677 f. - ausdrücklich: "nach der Ge wohnheit jeîes Landes meiner Herrschaft", "wie jeder Ort meiner Herrschaft". (2) "...auch soll ihnen meine Herrlichkeit keinen Sclaven zur Aufsicht stellen, sondern die Galater sollen sich selbst einen Ältesten wählen, welcher die Geschäfte der Kaufleute schlichte." (3) Das heisst natürlich: Staatsbeamte (qul), wie auch in Anm. (2).
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Schon unter Mehrned II. begann die muslimische Be siedlung Galatas (]). Hie drei Bäder und Moscheen (einer davon war St. Donenico (?), einer anderen ein nicht ge nau lokalisierbar es Kloster zun Opfer gefallen) lasser; ZT/ei BesiedlungsriehVungen erkennen: vom Westen her, ohne dass sich eine Eegrür.dung verrrrjten Hesse, und vorn. Osten her, dies vermutlich in Zusammenhang mit der ausserhalb der Ostmauem gegründeter. Stückgi esserei (Tophane) - wofür das Kapı içi K a m a m spräche. Die Gründungsgcschichte der angeblich aus dieser Zeit stam menden Xaphatiar.i-Kirche (i:i: Piar.: J?' 3) ist recht um stritten (3), doch sei den Osmanen auch dieser Bonus eingeräumt. Dass der Besessen in der ülühe der Anlege stelle der Pernen geba.it (?) wurde, die den Personer.ur.d Güterverkehr nit Stanbul gewährleisteten, här.gt natürlich nicht mit der Besiedlungsriehtung :-;usammer.. Diese ändert sich - i r. t r a n u r o s - in der Folge zeit nicht wesentlich.
(1) Dies ist eige nt 1 ich ers taur.Iich, da doch damal s noch die nualimisohe Besiedlung Stambuls recht schwierig ur:.d dünn war. Wir können also eine recht weitmaschige Streu ung islamischer n u c 1 e i feststellen. (?) Aus ihr entstand die Arap Camii. Die nördlich davon wohnenden Christen wurden 15^0 ihres Viertels verwiesen; vgl. İEF10 Onunğu... S. 23 f. tr. ?. (3) vgl. SC FTNEIDEP./M 0:11KI DI S Galata S. 21 et passim.
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Galata zwischen 1481 und 1512 Sultan Bâyezîd II. hatte zumindest für Stambul selbst seinen Beamten nicht verbieten wollen, weitere Kirchen zu schliessen (1 ). Salata aber war davon offenbar nicht betroffen. Lediglich eine kleinere, nicht mehr genau lokalisierbare Kirche verschwindet vermutlich noch wäh rend der Regierungszeit dieses Sultans. Aber die muslimische Besiedlung der Stadt ging for ciert weiter: der Bau von drei neuen Moscheen schliesst im Westen (B 3) eine Lücke zwischen zwei n u c 1 e i, schafft einen weiteren, neuen n u c l e u s im Norden (C/D 2), und ergänzt im Osten (F 2/3) den des Kapı içi Hamamı. Im Norden ist e x t r a m u r o s die Gründung des Mevlevi-Klosters (nahe dem heutigen Tünelplatz) und die einer Palastschule (Galataseray) zu erwähnen.
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Galata zwiscfccn_1512_und 1600 Dies ist der Zeitraum, da unter drei Sultanen viermal versucht wurde, alle Dimmis zur Annahme T:-1TİJÎesc ziehen sich häufig, von dem Über mut und der Willkür c.or Türken abgest-ossen, von der grossen Strasse in wcgloso Gegenden zurück, die zwar minder fruchtbar, aber sicherer sind...Wenn nun die Türken (sc. sein Scbitegeleit} sahen, dass wir uns sol chen weinentblössten Orten näherten, so erinnerten sie, es Vierde an Wein gebrechen; dann wurde tags zuvor ein E inkäuf er zu sarnnen mit einem Türk an (!) au sge sand t, uni in den nächsten Christendörfern welchen zu besorgen." DEI-iWSCKWAM Tagebuch SITque S.~57, FEESKE^DSNiKE Voyage S. 118. (2) Dies bericETen-fast alle Reisenden aus eigener An schauung. (3) GERLACH Tage=Buch S. 99. Vgl. auch HUART, Clement: Les saints des äcrviehes tourneurs Bd. I Paris 1918, S. 2i?-f7~îıe“5e]câünTe-GescHircEÎe-über den griechischen Mörder Thiryanos, den Öalaluddln Rüral dem Zugriff der Justiz entzieht, indem er ihn "bekehrt".
Das konkrete Vergehen, das dem Vcrsuch, sich durch Konversion der Strafe zu entziehen, vorausgegangen war, war nur in wenigen Fällen im reinen Dimraî-Milieu ge schehen. Dass wir über solchc Fälle wenig aus türki schem Material erfahren, mag allerdings daran liegen, dass es nicht zu einem Prozess kam, da ja die Dimmîs gegen einen Muslim (und folglich gegen einen Renegaten) kein Zeugnis geben können (1) so hoch ihre Zahl auch (1) Wir sollten einen Blick auf die Begründung dieser eigentlich gut bekannten Tatsache werfen- tvğl. FATTAL Statut S. 561-365). Die Zeugenaussage eines Dimmîs wird 5ıcEî-angenommen in einem Prozess um einen Muslim. Der "Unglaube" legt nämlich schon an sich den Verdacht auf schlechte Sitten und Unmoral nahe, was die Fähigkeit zur Zeugeru-chaft notwendig untergräbt. Anders ausgedrückt: der Dimmî kann schon ob seines Glaubens nicht hinrei chend ' ä d i 1 sein: zwar ist das Zeugnis eines Muslims abzulehnen, wenn dieser nicht ' â d i l ist, das eines Dimmls aber i s t a f o r t i o r i abzulehnen, denn vor dem Gesetz "un Musulman malhonncte vaut mieux qu’ un Dimmî honnete” (FATTAL a.a.C. S. 361). Dem Dinımî wird prin zipiell misstraut, weil sein Glaube Unmoral (die oft schon erwähnte "Verworfenheit") impliziert. Ausserdem hegt er ja grundsätzlich einen Hass gegen die Muslime, und versucht, dieser, zu schaden - daher wird vorausge setzt ur.d unterstellt, dass der Dimmi "lügt". Nach den f u q a h ä 1 leitet sich die Unfähigkeit der Dimmîs zur Zeugenschal't aus folgenden Koranversen ab: "Und da er regten wir unter ihnen Feindschaft und Hass" (Q V 14). (Vgl. auch Q, III 118: "Sie werden Dicht müde, Verwirrung unter euch anzurichten, und·möchten gern, dass ihr in Bedrängnis kommt (Oder: zu Fall kommt?). Aus ihren Äusserungen ist (schon genug) Hass kundgeworden. Aber was sie Tan Hass und Bosheit) insgeheim in ihrem Innern hegen, ist (noch) schlimcer" und ferner Q II 120: "Die vTuden und Christen werden nicht mit dir zufrieden sein, solange du nicht ihrem Bekenntnis folgst.") Heben dem darin begründeten Misstrauen - das die Nichtmuslime na türlich gemäss der Schrift allein verschulden! - berufen sich die f u q εh a 3 ater auch auf normative Vor-
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sein mag: selbst das Zeugnis eines ganzen Dirnmî-Dorfes gegen einen Muslim ist - sogar wenn dieser einen Mord beging - schlichtweg nichtig (1). Wir wollen ein mar kantes Beispiel anführen, das für sich seihst spricht: Im Sigillät von Kayseri findet sich die Klage zweier Dimmis gegen einen dritten, er habe einen anderen Dimml erschlagen. Gleich nach diesem Eintrag steht die Aussage des Angeklagten, er habe aufgehört, Ungläubiger zu sein, schriften: "Und nehmt zwei rechtliche leute vor* euch zu Zeugen" (Q LXV 2). (Vgl. auch Q II 282: "Und nehmt zwei Männer von_eueh zu Zeugen.") Ein Muslim kann aber gegen einen Dimmi Zeugnis ablegen. Diese Ungleichheit begrün den die f u q a h a 5 mit dem Prophetenwort "Der Islam herrscht und kann nicht beherrscht worden" (FATTAI. Statut S. 363). Wenn wir nun einen Blick auf die Argumentation im 16. Jahrhundert werfen, so zeigt sich natürlich wieder Kongruenz: nach Ebu’ s-Sucüd wird die Zeugenaussage von Dimmis gegen ihren Sipahi schon deshalb nicht angenommen, weil man dabei der. Hass übersehen würde, den die Ungläu bigen gegen Muslime hegen (GRIGKASCHI Temoignage Nr. IV). Andererseits räumt Ebu’ s-Sucud ein (a.a.ö. ftr.^I), die Zeugenaussage eines Juden gegen einen Christen sei zu lässig, weil Lüge und Falschaussage in diesen Religionen verboten_sei. Wir können nun dreierlei folgern: (a) Wenn ein Dimmi gegen einen Muslim aussagt, so ist es irrele vant, dass er die "Wahrheit" sprechen könnte, denn auf grund göttlicher Offenbarung hasst er jâ~3îe Muslime^ Es geht also nicht um "Wahrheitsfindung", (b) Wenn Dimmis ihre Rechte (via Zeugenaussage) nur dadurch sichern kön nen, dass einem Muslim Schaden entsteht (selbst wenn er "Strafe" verdient hätte), so muss dies verhindert werden (vgl. auch Q, IV 141: "Und Gott wird den Ungläubigen kei ne Möglichkeit geben gegen die Gläubigen (vorzugehen)"), (c) Wenn Dimmis - was ihre Religion y.war verbietet - sich gegenseitig belügen, so erfüllt sich wiederum nur die Schrift: "Und da_erregten wir unter ihnen Feindschaft und Hass" (Q V 14). Übrigens ist ein auf falschem Zeugnis gründendes Urteil gültig; 3ERGSTSASSER Grundzüge S. 117. --------(1) DÜZDAÖ Übussuud Br. 424.
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und sei Muslim geworden. Darauf folgt kein Eintrag mehr in diesem Zusammenhang (1). Dies ist übrigens der einzige Fall in unserem Material, in dem sich ein Konversionsmotiv direkt aus einer osmanisehen Urkunde ergibt. Wir sind - von Konversionen im Divan einmal abgesehen - für andere Bereiche ganz auf die Mitteilungen der Reisenden angewiesen. Dort findet sich Glaubenswechsel im Sinne einer "Zwangsbekehrung" fast ausnahmslos in Zusammenhang mit Strafen, die sich aus dem Bruch der Dimma, bzw. aus der Verletzung der s u r u t ergeben: Schlagen, Schmähen oder gar Ermordung eines Muslim, Schmähung des Korans oder des Propheten - bzw. eine Tat, die so ausgelegt wurde, sowie ferner auch Unzucht mit einer Muslimin (2). Dass hierbei nicht nachweisbar die angedrohte Strafe gleich die Todesstrafe gewesen wäre, ändert nichts an der Angst der Täter; auf dem Hintergrund der allgemeinen Lebensumstande der Nichtmusiine mochte auch durchaus schon die Androhung einer 3astonade von zweihundert Schlägen hinlänglich zur Konversion reizen. Zur "Begna digung" führte die Konversion freilich nur, wenn sie vor dem Urteil, oder gar noch vor Prozesseröffnung er folgte. (1) JENNINGS Kayseri S. 157. (2) So bei BElöfl'öläservations fol. 191 v, BASSAKO Costumi S. (85), PÖSTEETSe la Republique S. 40 f., m m m Vita et_legge fol. 55 ν,~ε9~ν, 3REÜNING OrientaliscEe Eeysz §. 14 und 87, DERNSCHWAM Tagebuch 57 Ι Γ ΓF. und ΙΆΤ, RAUWOLFF Raisz S. 398, KRAFFT'^eisen und Gefangenschaft S. 142, HEIFFRICH Warhafftiger~EerlöSTTöI7"3B5"v7"GE0RGIJEVIC De origine~roI7~G~7~v7
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Die eben aufgeführten Faktoren haben aber bei eini gen Reisenden mehr den Charakter einer Warnung als einer Schilderung realer Begebenheiten; ein spezieller Wert kommt dieser Typologie in Zusammenhang mit der "Invania" zu, die wir im nächsten Kapitel behandeln. Konversion als "Nachfolgetat" Wir subsumieren unter dieser Bezeichnung jene Kon versionen, deren direktes Motiv sich nicht erschliessen lässt, wo wir aber wissen, dass ein (meist naher) Ver wandter des Konvertiten schon seit längerer Zeit Muslim war. In diesen Fällen war freilich Familiensinn weniger ausschlaggebend als vielmehr Überredung oder Beispiel (das "vorgelebte"!). Die türkischen Quellen zeigen die Hintergründe allerdings nicht auf, doch haben wir bei einigen Reisenden solche Vorgänge, die sieh untereinan der ähneln, und deren Kriterien sich auf in osmanischem Material belegbare Fälle übertragen lassen. So berichtet etwa GERIACH von einem Bediensteten des Grosswesirs, der seinen Bruder und einen Freund aus Deutschland zu sich nach Istanbul einlud, und ihnen an gelegentlich der Begrüssung auch gleich die Vorteile einer Konversion klarmachte: "Wie sie nun gen Constantinopel zu Martins Bruder ge kommen /hab er so bald an sie gesetzt und begehrt/sie sol len Türcken werden/ihnen fürgehalten/wie er so gute Sache habe/jährlich so viel Einkommens von seinem Timar/ schöne Kleider von; Bassa/dörffte darbey nur raüssig und auff einem Polster sitzen. Jtem was sie wieder daheim thun wollen! Bald werd der Türckische Kayser gantz Deutschland einnemen. Die Türcken haben Geld genug/und den rechten Glauben..GOtt geb ihnen Sieg und Glück.." (1) (1) GER UC H Tage=Buch S. 128.
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In den Mühirome Defterleri finden sich .natürlich nur solche Konversionen verzeichnet, die mit Verleihung ei nes Amtes oder Lehens verbunden waren, "bzw. damit be lohnt wurden, da der Renegat oft regelrecht um Lebens unterhalt nachsuchte. Dabei finden sich viele Konver titen, die Verwandte (meist Brüder) am Hof oder bei Wür denträgern haben, dio schon seil längerer Zeit Muslim waren. Wir finden diese Verwandten in folgenden Berufen: Köche, Qapigi, Gärtner, Brunnenbauer, Bäcker, Schneider, ferner auch Soldaten und Wesire sowie Statthalter (1). Ferner weisen die MÜD eine Reihe von Konvertiten aus, von denen nicht genau gesagt wird, mit wem sic verwandt sind. Ein Bezug zwischen dem ihnen verliehenen Amt, der Art und Höhe ihres Lebensunterhalts zu den Berufen ihrer Verwandten liess sich allerdings nicht ausmachen. Was dafür ausschlaggebend war, dass der eine Gärtner, der andere Koch, ein dritter Janitschar oder gar Sipahi wur de, können wir aus diesen Quellen leider nicht ableilen. Auch wenn wir bei diesem Personenkreis, von dem weit über die Hälfte ausdrücklich als Dimmis benannt wird, das konkrete Konversionsmotiv nicht kennen, so ist doch klar, dass das Beispiel eines nahen Verwandten eine be deutende Rolle spielte. Gerade im Falle konvertierter Dimmis war dem nachfolgenden Bruder ja die Verbesserung seiner Lebensverhältnisse augenfällig (2). (1) Die beiden letzten sind MÜD XXV 613,^1520 f. (2) Man könnte also gewissennässen Abu Yusufs Argument für das gemischte Wohnen (sc. das "vorgelebte Beispiel", weichet; zur Konversion verleitet) als zwei Schritte be trachten: ein Dimml konvertiert, um "sich au verbessern”, sein Bruder folgt ihm aus demselben Grund, verstärkt um das Moment des vorgelebten Beispiels aus der-FaiinTîc.
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V ersuchung zur Konversion_-_eine_Tygolo gi e "Wo es nur muglich ist/dasz sie einen könen verführen/vnd vom Christlichen Glauben abfällig machen/es sey gleich jung oder alt/so sparen sie keine Fleisz...ver meinen Gott den grösten Dienst zu leisten" (1). Diese Äusserung FÜRER’ s sei hier stellvertretend für analoge Aussagen bei fast allen Reisenden. Das Osmanisehe Seich kannte tatsächlich eine Art von "Missionie rungsversuchen", doch basierten diese weniger auf theo logischer Argumentation und Überzeugung, als vielmehr auf gewissen Listen, mit denen der Nichtnoislim in eine Situation gebracht wurde, aus welcher er nur als Muslim wieder herauskam. Wir haben es hierbei entweder mit ei nem ganzen Bündel von Elementen zu tun, oder aber mit einzelnen Faktoren, die jeder für sich schon ausreichen, den Niehtmuslin zur Konversion zu veranlassen. Aus osnanisehen Urkunden ist Uber diese Typologie naturgemäss wenig 7.u erfahren, aber wir werden von Fall zu Fall auf entsprechende Bestimmungen au3 s a r c und s u r ü t hinweisen. Die Reisenden warnen generell vor - religiösem Disput mit Muslimen, - flach- bzw« Aussprechen der s a h a d a , - Moscheebe3ueh, - Tragen des weissen Turbans, und - Unzucht mit einer Muslimin, da der Nichtmuslim - gleichgültig ob Dimmî oder aber Musta’ min - welcher bei dergleichen ergriffen wird, sein Leben verwirkt habe, bzw. sich vor der Hinrichtung nur (1) FÜRER Reise-Beschreibung S. 87.
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durch Konversion retten kann. Wir y/erden sehen, dass diese Warnung der Reisenden nicht einer γ /ilden Phantasie entsprang, sondern durchaus ihren Realitätsbezug hatte. fieligiöser Disput Wir haben schon öfter darauf hingewiesen, dass ein religiöses Streitgespräch von ßfuslimen leicht als Schmä hung ihrer selbst, des Korans, des Propheten oder des Islams schlechthin empfunden wird, und der Dimmî sich deshalb dergleichen zu enthalten hat. DERJfSCHWAM sagt nicht nur, das 3 die Verleitung zu einem Religionsdisput zu jenen "Schelmereien" gehört, mit denen die Muslime "die cristen hinderkhommen, in wortten fahen vnd betrigen vnd zw turkhen nachon mit gewald” (1), er weiss auch von einem konkreten Fall, der mit dieser Problema tik direkt Zusammenhang!: "Adı 2$ Dec. 1554 hot man ain jungen juden fwr vnsero herbrige fwr gefurt zw dem kadi ader pfaffen zubeschnei den, wo in die iuden nit sobald gefreit werden haben. Solde irntz eim busserman (das ist bei DERNSCIIWAM: Mus lim - aus "Musulmann", eig. Anm.) zugeredt haben ader ein turkhen gescholtten haben” (?). Es besteht also bei den "Zuschauern" Unsicherheit über den Anlass. Dass man aber just auf eine solche Ur sache tippt zeigt, wie geläufig dieses Muster war! Im türkischen Material fanden wir zwar keinen "echt" religiösen Disput, wohl aber einen Streit, der offen sichtlich auf einem solchen fusste: ein Jude hatte geäussert, seit dem Auftreten des Propheten Muhammad fehle (1) DäflfSCHWAM Tagebuch S. 73. (2) a.a.C. S. 1157
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es in der Welt nicht an Zwietracht, Aufruhr und Räuberei. Her Scheich ül-lslam ordnete als Strafe harte Züchtigung und lange Haft an (1). Es hiesse die Situation verkennen, wollte man den Wortlaut der Fetwa mit dem gesamten Streit gleichsetzen. Wir dürfen guten Gewissens annehmen, dass der Jude seinen fraglichen Aussprueh im Rahmen einer Aus einandersetzung um den Wert von Islam bzw. Judentum tat (und nicht etwa im Vorbeigehen einem Muslim diesen Satz zuwarf), und als Beweis dafür, dass der Islam nicht ge rade das Paradies auf Erden, oder eine Besserung der Menschheit gebracht habe, führte er an, Zwietracht, Auf ruhr und Räuberei gäbe es ja schliesslich immer noch (2). Ebenfalls harte Züchtigung und lange Haft verordnete Ebu’ s-Su'üd in einem anderen Fall (3), wo ein Dimmî einen Muslim beschimpft hatte (es handelte sich hierbei zweifelsohne um einen Sexual- oder Fäkalfluch), und auch (1) DÜZDAG Ebussuud ÎJr. 444. Wir werden noch sehen, dass genau diese”J I r ä n _'bei Apostasie nachhelfen sollte, den Apostaten zum Islam zurückzubringen. Diese Parallele weist schon auf die Absicht der Strafe hin. (2) AHMED RIZA’ s Behauptung (Tole ranc e_musulmane S. 25), der Mensch türkischer Rasse seT-ümso besser7-;)e weniger Kontakt er mit Europäern habe, klingt zwar nationali stisch (oder gar rassistisch), aber man kanr. auch heute noch von Muslimen hören, Diebstahl etc. habe der isla mische Orient erst durch den Umgang mit Abendländern kennengelernt. Dem Gegenargument, wieso denn dann schon im Koran von solchen Vergehen gesprochen werde',. wird gerne mit dem Hinweis auf die Juden Medinas begegnet. Auch Janitscharenrevollen schiebt die Volksvorstellung gerne auf den Umstand, dass die Devgirmelis ja christ licher Abstammung waren. (3) DÜZDAĞ Ebussuud Nr. 441. Einen i'all von Lästerung dos Islams, Je.r-zür "Zwangsbcschneidung" führte, ver folgte MENAVINO (Vita_et_legge fol. 69 v) als Augen zeuge.
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dessen Glauben beleidigte. In Anbetracht der allgemeinen Lebensumstände der Dimmis reicht eine solche Strafe ge wiss auch aus, um zur Konversion zu veranlassen. Nachden; aber das Zeugnis eines Dimmis gegen einen Muslim nichtig ist, war es für ersteren durchaus ge raten, sich nicht in einen Streit mit einem Muslim ver wickeln üu lasser., da ihm letztlich jederzeit Blasphemie vorgeworfen werden konnte. DE3NSCHWAM stellt diese Dro hung geradezu als gängiges Mustor hin - wobei der kon krete Streitgegenstand nicht einmal aus der religiösen Problematik stammen musste "Wan ein crist mit. einem turkhen solt vnains werden, so drawt er im, sol schwei gen ader wel in zw eim wuss e m a n machen" (1). Nachsprechen der s a h ä d a Dass das Aussprechen der islamischen Glaubensformel rechtswirksam zur Konversion führt, kann nicht mehr hinterfragt werden, nachdem Ebu’ s-Sucüd dies sogar dann anerkennt, wenn cs im Rausch geschah (2). Die Muslime versuchten tatsächlich, Uichtmuslime zum Nachsprechen d e r s a h ä d a z u verleiten (3). Dabei ist gerade die Geläufigkeit dieser Formel, dio "sy stetz im :nawl haben" (4) von Bedeutung, weil es hierbei keiner speziellen Situation bedurfte, wie etwa beim Streit: (1) D2RNSCHWAM Tagebuch S. 69. (2) DÜZDAĞ SbussuucT flr. 360, vgl. auch oben S. 183 f. (5) Vgl. etwa-TH3VET Cosmographie S. 141: "quand i’ allois par la ville du Cäire-pTüsIeürs Turqs me disoient ces parollcö â haute voix, â cell e fin que ie disse apres eux; mais i’ estois de cela assez auerti." (4) DERSJSCHWAM Tagebuch S. 73.
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abstrakt gesehen genügt die Konstellation zwei Muslime, ein Michtmuslim in einem Raum (es bedarf zweier Zeugen). GEBLACH berichtet einen typischen Fall: "Heut noch hat iaan einen jungen Gesellen von Kaffa so zu dieser Zeit allhier Kauffmanschafft getrieben/ zu dem Grosz=Kadi/oder Oberrichter geführet/da etliche Türcken wider Ihne gezeuget/dasz er gesaget: La illahe illalahAluhamedun Resul lui ah. Also miisz er ein Türck werden. Er aber: Er habe solche Worte nur nachgesprochen/ wie andere sie vorgesaget/aber gar nicht in dieser Meynung/dasz er den Mahumet für einen rcchten Propheten hielte. Gleichwohl haben sie mit Gewalt/mnb dieser Worte willen/ihn zum Türcken machen wollen/Jhn ge schlagen/gestossen/ihm etliche Streiche gegeben/und einen weissen Bund hergebracht..." (1). Es gelang dem Jüngling allerdings zu entfliehen. Die ses Beispiel zeigt, dass es wirklich nicht um die Ver breitung einer religiöser. Einsicht/Botschaft (hier also der Prophetenschaft Muhammads) ging, sondern um das rei ne Lippenbekenntnis, auch wenn dessen Inhalt nicht ver standen wurde. Dass dabei mitunter die s a h ä d a gar nicht ausgesprochen worden, sondern nur die Zeugenaus sage relevant war, erhellt aus einer Kotiz DERNSCHWAM’ s: "Adx 2 Dec. 1554 haben die turkhen ein jungen krichisehen knaben fwr vnser herbrige fwr getragen, denen die mutter wainendt nochgolauffen vnd in zw dem pfaffen getragen. Vber in zeugnus aus falschem munde geben, das er wold zw ei;n turkhen werden vnd busserman" (2). (1) G E RUCH Tage=Buch S. 491. (2) DERNSCHW5M Tagebuch S. 140. Wenn durch falsches Zeugnis ein Urteil-zusTande kam, so ist dieses (auch im Personenrecht) gültig. Der Widerruf hebt das Urteil nicht auf, sondern die Zeugen haften für den Schaden; vgl. BEHGSTRÄSSER Grundzüge S. 117. Es liess sich nicht ausmachen, wie eine sölcEe"Haftung aussehen soll, wenn der Schaden im abgetrennten Präputium liegt. Talio ist ja beim Muslim hier schlecht möglich!
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Wir werden später den Fall ECKLIH’ s anführen, der einige Elemente miteinander verbindet. Dabei werden wir auch sehen, dass diese Schilderungen der Reisenden auf Realität basieren. Moscheebesuch Im 0smanischen Reich des 16. Jahrhunderts war flichtrauslimen der Besuch von Moscheen nicht generell ver wehrt, obgleich dies immer ein Risiko bedeutete. Bei Moscheen, die sich besonderer Wertschätzung der Muslime erfreuten, wurde das Verbot allerdings rigoros gehandhabt. So berichten denn auch alle Pilger einhellig, der Besuch des Felsendomes würde zur "Zwangsbeschneidung" führen, was keineswegs eine leere Warnung war, wie wir noch sehen werden. Die Frage, ob den Dimmîs Moscheebesuch generell ver boten sei, oder ob der Imäm von Fall zu Fall eine Aus nahme machen könne, ist unter den f u q a h ä 5 um stritten. Ibn Taimiyya, bekannt für seine feindliche Einstellung gegen Dimmîs, will eine solche Ausnahme nur dann gelten lassen, wenn ein höheres Interesse (nämlich das islamische, also wieder maslahat al-muslinîn!) im Spiel ist, etwa eine Hoffnung auf Konversion (1). Die ses Argument ist wichtig, weil die osmanische Praxis seine Pervertierung darstellt: wenn man einen Bichtmuslim eine Moschee betreten lässt, und ihn danach zum Muslim erklärt, unterstellt man ihm die Konversionsab (1) FATTAL Statut S. 92. Gleichwohl fragt man sich doch nach dem Kausalzusammenhang zwischen Hoffnung und Er laubnis. Im Falle von Warenlieferung (vgl. oben S„ 108) wäre ein solcher noch durchaus zu sehen.
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sicht. (Oder sollte man annehmen, eine Hoffnung auf Konversion des Nichtmuslim bestünde grundsätzlich?) Bestreitet der Dimml dann aber, jemals eine solche Ab sicht gehabt zu haben, dann sind die Muslime gekränkt (hat der Diramî doch die - stillschweigende - Ausnahmegenehnigung "missbraucht"!). Neben der noch folgenden Episode um ECKLIN haben wir dieses Argument der Krän kung ausdrücklich bei GERLA.CH überliefert, der von ei nem Dolmetscher der kaiserlichen Botschaft berichtet, er sei von den Schergen des Subaşı unter einem nichtigen Vorwand ergriffen und durchgeprügelt worden. Der Subaşı sagte dazu später, "er hab ihn nur wollen schrÖcken. Dieweil es die Türckon sehr verdrossen/dasz er kein Türck werden wollen" (1). Ibn Taimiyyas Argument stellt in der Tat keine li berale Haltung dar, es ist vielmehr eine Falle: wenn der DimmT die Moschee betritt, und die Hoffnung der Musline auf Konversion dann enttäuscht, dann hatte er ja kein Rocht zum Moschocbesuch, und verfällt der Be strafung. Vor dieser rettet ihn aber wiederum just die Konversion! Es wäre zu fragen, warum man darin die Nichtmuslirae am Betreten der Moschee nicht einfach hinderte. Tat sächlich ist uns aber kein solcher Pall bekannt- - dies lässt auf eine List schliessen. Die meisten Nichtmuslime machten freilich schon aus Angst keinen Versuch, eine Moschoe zu betreten; einige taten es klopfenden Herzens und hatten Glück - oder (1) GERLACH Tage=Buch S. 510.
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aber einen toleranten und verlässlichen Führer. Wir werden noch einen Fall anführen, wo die Absicht zur "Bekehrung" eines Christen nachweisbar ist, und wo unter anderem (!) auch versucht wurde, ihn zum Betreten des Felsendoms zu veranlassen - und je mehr er sich weigerte, umso härter setzte sein muslimischer Führer ihn zu. Tragen des woissen Turbans Die früher erwähnte Fetwa Ebu’ s-Sucüds (1), in der gefragt wurde, ob das blosse Tragen des muslimischen Turbans einen Dimmî zum Muslim mache (was der Scheich ül-Islam verneinte), zeigt, dass dieser Zusammenhang im Volk doch anders gesehen wurde. Dies deckt sich auch mit den Berichten der Heisenden. So rechnet es DERNSCHWAM zu den üblichen Scherzen, unter donen Muslime Diinms "bekehren", diesen einfach einen weissen Turban aufzusetzen (2). In diesein Zusammenhang soi an eine an dere Fetwa erinnert: wenn ein Ungläubiger sej.no Kleider tauscht, und dann, gefragt, ob er Ungläubiger oder Mus lim sei, aus Angst sich Muslim nennt, dann ist er auch rechtlich als solcher zu betrachten (5). Diese etwas ab strakte Situation deckt sich genau mit der von DEHNSCKWAM geschilderten; es genügt nämlich, dass in dieser ein weiterer Muslim erscheint, der den - aus purem Scherz - verkleideten Dimmî kennt, und dann erstaunt fragt, ob dieser denn den Glauben gewechselt habe, um (1) DÜZDAÖ Ebu3suüd Mr. 358; vgl. oben S. 181. (2) DEKNSCKTOTTägebuch S. 73(3) DÜZDAÖ Ebussuud Br. 362; vgl. oben S. 183 i'i\
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dem Dimmî das Prekäre seiner Situation ins Gedächtnis zu rufen. Wenn nun schon nicht das blosse Tragen eines weissen Turbans zur Konversion führt (obwohl die Muslino das selbst mitunter anders sahen), so konnten doch die Begleitumstände - hier: die Angst vor Bestrafung wegen Missachtung der Kloidervorschriften - dazu ausreichen. Einen artverwandten Brauch schildert CARLIE3: die Christen müssten sich hüten, ihren Kopf au entblössen oder auch nur den Hut zu weit in den Kacken zu schieben, weil dies den Puluslimen Ärgernis errege (1), und es häu fig schon vorgekommen sei, dass sic solchen Christen dann den eigenen Turban aufgesetzt - und sie dann zur Beschneidung geschleppt hätten, "la commune leur ostant la vie, en cas qu’ ils fissent trop grande resistence" (2). Stellt man sich die Situation plastisch vor, dann wird klar, dass den betroffenen Michtaruslim keine andere Wahl bleibt, als in den sauren Apfel zu beissen. Wir wollen nun einen Fall schildern, in dem drei der bisher aufgeführten Faktoren mitspielen. An dor Glaub würdigkeit des Berichtes von ECKLIN (3) ist nicht zu zweifeln, da dieser Pilger sehr zuverlässige Informa tionen liefert, und sich auch bezüglich des islamischen (1) Vgl. auch GOLDZIKER, Ignaz: Die_Entblössung des Hauptes. In: Der Islam VI (1916), S. ~5ÖI-5I5. TBeHandelt 3ie“ Problematik nur im muslimischen Bereich!) (2) CÂRLIER Voyage S. 114, allerdings mit der Einschrän kung, dies geIÎe-mehr in Ägypten und anderen Provinzen, als in Istanbul. BREÜNING Orientalische Reysz S. 82 zählt es zu den üblichen Neckereien 3er Türken, 3en Christen die Hüte gleich selbst vom Kopf zu schlagen. (3) ECKLIN Vom heyligen Landt fol. 402 v„
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Alltags generell sehr positiv oder zumindest wertneu tral äussert - im Gegensatz etwa zu DERNSCIIWAM (dessen Aussagen durch seine grundsätzliche Polemik übrigens auch nicht an Verlässlichkeit einbüssen, nur sind sie mitunter etwas schwierig zu entschlüsseln, da man erst Polemik und sachliche Information trennen muss).
Als relativ selbständiger Jerusalem-Pilger war ECKLIN 1553 mit einer türkischen Karawane in die heilige Stadt gekommen. Gamal, der "Schreiber" des Karawanen führers, freundete sich mit dom Pilger an und lud ihn ein, bei ihm zu wohnen, und sich von ihm die Stadt zei gen zu lassen: ".„.wolt ich die Statt besichtigen/da sprach er: Er wolt mit mir gehen/gab mir auch ein andere 'Türckische Binden auff (denn hierbey mit den Binden worden die Christen vnd Türcken vnterscheiden) damit ich desto sicherer gehen vnd wandeln möchte/das ich für ein grossen dienst annam/den ich vor offl von den Türckisehen Buben gerupfft/geworffon/gezogen vnd geschlagen war/ den sie sahen dasz ich ein fremder Christ war. îîu als wir allein lang vmgangen/die Statt zu bosehen/wolt er mich auch in Tempel füren/da der alt Tempel Salomonis gewesen ist/welches jetzund ein Türckische Kirch ist/ darff derhalben kein Christ dareyn gehen/cr wöll den entweders den Glauben verleugnen vnd ein Türck werden/ oder aber sein Leben verlieren/welches ich wol wusste/ wolt derhalben ııit hineyn gehen. Kr aber vermahnt mich hineyn zu gehen/je nehr er mich mahnt/jo minder ich lust zu jm hat/gieng also von jm/dioweil ich sahe/warauff er vmbgiengAehrt wider in sein Hausz/vnd sagt/ er solt· mir meinen Sack geben/so wolt ich hin «iehen mein strasz/darauff er antwort/ich solt lenger ver ziehen/ Jn dem komt nu ;jm ein anderer Türck (villejcht heimlich mir vnwissend beschickt) welche beyd (!) zu mir sagten/ich solt jnen dise wort nach sprechen/nemlich/L e y L a h e 1 1 a IvI a h o m o t S o l d a n ,
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Das wolt ich gäntzlich nit thun/denn ich vor von ändern Christen gehört hatt/wenn einer diese wort spreche/so machten sie einen zum Türcken/Also kondt ich desto basz jr fürnonmen mercken/vnd mich vor jncn hüten. Als ich aber nit nach jrer beyder worten vnd vor sprechen reden wolt/berufften sie andcre/vnd sagten/Jch hett mich bewilligot ein Tiirek zu werden/hett auch die wort gesprochen mit auffgerecktem Finger/nemlich den Zeiger/muszte derkalbon bey jm bleiben/vnnd ward in ein Kammer oder Gemach versperrt vnd verschlossen." (vgl. hierzu oben S. 285 Anm. (1)!) "Vnser Span kam für den Obersten der Statt Jerusalem/ für denselben ward ich gebracht. Der Schreiber thet sein klag dar/dasz er einen Türcken ausz mir machen köndte/ vnd dasz ich sein leibeigner Knecht bleiben solt/Aber ich verantwort mich gantz fleissig/begorte auch/dieweil ich allererst in die Statt kommen were/vnd allweg gehört/dasz bey dem heyligen Grab Christliche Mönch in einem Kloster weren/dasu man nach einem derselbigen schickte/verhoffet/sie würden sich meiner beladen vnd annemmen." Tatsächlich konnte ECKLIN schon eine Stunde später einem Franziskaner sein Geschick schildern, und er wur de freigelassen: "Dem Schreiber ward rauh geschneutzt vom Obersten/ich acht/er hab etwas zu Busz geben vnd bezahlen müssen/Musz derhalben der Türcken Recht loben/ denn sie ehrlich mit mir gehandelt haben." Anhand dieses Berichts können wir erkennen, dass es sich um bewusste Absicht der Proselytenmacherei handelt. Die wesentlichen Faktoren dabei sind: - Der Schreibcr versucht ECKLIN gegen dessen Willen in den Felsendom zu führen; - Er leiht ihn einen weissen Turban; - Er zieht einen zweiten Muslim bei, bevor er ECKLIK die s a h ä d a vorspricht, und ihn zum Nachsprcchen derselben auffordert. (Für die Konversion sind zwei Zeugen erforderlich.)
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Wenn ECKLIN sagt, er habe von anderen Christen ge hört, was das Nach- bzw. Aussprechen der s a h a d a be deute, so beweist allein das schon genügend, dass Chri sten häufig zun Hachsprechen des islamischen "Glaubens bekenntnisses" aufgef0£ßert wurden: von sich aus kommt nämlich kein Christ auf die Idee, die Formel auszuspre chen! Und in welcher Absicht - ausser der geschilderten - sollte ein Muslim einem Christen diese Formel schon vorsprechen? (1) Es braucht auch nicht zu verwundern, dass der Schrei ber tatsächlich vor den Kadi geht, haben wir doch schon mehrere Fälle angeführt, wo ein Muslim dies wagen konnte, da er genügend muslimische "Zeugen" hatte. An der "Bekehrungsabsicht" des Schreibers kann also kein Zweifel bestehen. Cb der Turban dabei primär eine (1) KRAFFT brach seinen in der Schuldhaft in Tripoli begonnenen Arabisch-Unterricht ab, da er vernommen hatte, sein Lehrer wolle ihn "bekehren". Dass sich die Gelegen heit hierzu beim Sprach- und Schreibunterricht besonders über die Glaubensformel ergibt, ist klar. (Wie wir ver nehmen, sollen auch heute noch türkische Kalligraphen mitunter ihren abendländischen Schülern gegenüber zu diesem klassischen Trick greifen.) Interessant ist dabei, dass sich sein Lehrer ihn gewogen machen wollte, indem er mit ihm und einigen muslimischen Freunden tafelte, wobei einer von diesen KRAFFT just mit "fürchte dich nicht!" (lä tahäf) zu beruhigen suchte, jener Formel also, mit der dem Harbi Amän erteilt wird. KRAFFT Reisen und Ge fangenschaft S. 201 ff. Dies ist weiter nıcEî-ve?wuncferIîeH7~îâ~{Ter Aman als List im Interesse des Islams ange wandt werden darf; vgl. IIEFFENING Fremdcnrocht S. 24 und 160. (Zwar mag man fragen, womit der'SräBer'KRAFFT denn beruhigen sollte, wenn nicht mit "fürchte dich nicht", aber wovor sollte sich KRAFFT denn fürchten, wenn nicht vor def'BekeHrûfîğ? (Die Schuldhaft hatte schon zu lange gedauert, um hier angeführt werden zu können!) Anderer seits ist es ja nicht unsere Schuld, dass mit dieser Formel der Amän eben erteilt wird!)
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Rolle in dieser Einsicht spielte, oder oh sich der Mus lim hiermit erst das Vertrauen des Pilgers erwerben wollte, sei dahingestellt. Das Moment ist dem Moschee besuch auf alle Falle komplementär. Die Gastfreundschaft wird dann freilich auch suspekt; auch sie ist Teil in diesem Netz - und nicht ernster au nehmen, als der Amän generell. Die Episode weist noch eine andere Parallele auf, die sich zwar nicht letztlich beweisen lässt, die aber aus Analogiegründen sehr v/ahrscheinlich ist: einige Tage nach dieser Affäre war ECKLIN (1) bei einem Ausflug von mehreren Muslimen überfallen, verprügelt und wieder eingesperrt (2) worden. Er kam erst auf Intervention der Mönche wieder frei. Wir dürfen annehmen, dass dieser Überfall - da keine anderen Gründe ersichtlich sind - auf eine Anstiftung des Muslims zurückgeht, dessen "Bekehrungsversuch" ECKLIN ausgeschlagen hatte; wir haben eine Parallele bei GEELACH (3). Auch dort wurde ein Christ verprügelt, "dieweil es die Türcken sehr verdrossen/dasz er kein Türek werden wollen". Dass ECKLIK in Jerusalem freigelassen wurde, obwohl es "Zeugen" seiner Konversion gab, ist nicht verwunder lich, da wir auch analoge Fälle kennen, wo den muslimi schen "Zeugen" kein Gehör geschenkt wurde, wenn die Ver leumdung allzu ruchbar war. Auch mag für Jerusalem noch geltend gemacht werden, dass der Kadi vielleicht ein (1) ECKLIN Vom heyligen Landt fol. 403 v. (2) Vgl. oben S. 293 uncT 255 Anm. (])! (3) Vgl. oben S. 289.
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Exempel statuieren wollte, um das einträgliche Geschäft mit christlichen Pilgern nicht zu gefährden. (Allein für den Besuch der Grabeskirche oezahlte ein ausländi scher Pilger neun Dukaten!) Unzucht rçit_einer Muslimin Niehtmuslime dürfen mit einer Muslimin keine sexu ellen Beziehungen unterhalten (1). Es ist bezeichnend, dass keine Fetwa das Strafmass für eine solche Tat fest legt (2): aus diesem Schweigen der Sammlungen können wir ablesen, dass man sich vom Seray bis zum Dorfriehter darüber klar war. Die Reisenden haben recht wenn sie behaupten, Ge schlechtsverkehr mit einer Muslimin würde dem Hichtmuslim das leben kosten, wobei er sich natürlich wieder durch Konversion retten kann (3). Die Strafe folgte der Tat freilich nicht direkt: erst nach einer ordentlichen Untersuchung und Mitteilung an die Pforte wurde über die (1) Auch (gewerbliche) Prostitution ist Unzucht in die sem Sinne; vgl. BERGSTRÄSSER Grundzüge S. 99. (2) Mit einer Ausnahme: DÜZDAG^Ebussüud Nr. 449. Dort wird gefragt, was mit dem Dimmi“zu” geschehen habe, der mit einer (verheirateten) Musiimin Unzucht begangen ha be» Sbu’ s-Su'ud antwortet "wie aus der Pistole geschos sen": "Wenn er den Islam anniDmt, wird er von der Tötung befreit.”Diese Anordnung entspricht gar nicht dem üb lichen Stile Ebu’ s-Su'uds; man würde erwarten: "Er ist zu töten« Aber wenn er den Islam annimmt, dann wird er von der Tönung 13efreit." Es scheint sich alsö-hier urc ein recht geläufiges Muster zu handeln. (3) Vgl. besonders: POSTEL De la Scpublique S. 10 und 124, BASSAHO Costumi S. (8577 DERflSÜHWSM Tagebuch S.111 f. BELON Observalioris fol. 191 v., GERLACH Tage-Sücfi S.487.
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Strafe entschieden, wenn die Tat in der Provinz began gen worden war (1). Die Zwischenzeit konnte der Täter zur Konversion nutzen, die ja, sollte sie vor der Be strafung bewahren, vor dem Urteilsspruch erfolgen musste. Als Strafen finden sich bei den Reisenden: Tod durch Verbrennen, Ertränken, und durch den Strang. In POSTEL und GERLACH haben wir glaubwürdige Augenzeugen. Einen konkreten Pall, wo ein Dimmî wegen Unzucht mit einer Muslimin sich zur Konversion genötigt sah, schil dert DERNSCHWAM: "Wyr haben auch bey vns in vnser karwasalj ein diener gehapt, ein kriechen, der als junge leuth bey hurn er griffen, einem ändern zw seiner tochter gangen, hot sich müssen beschneiden lassen, die hurn nemen vnd zw einem turkhen werden, man het in sunst verprent" (2). Bei diesem Mädchen handelte es sich nicht um eine Prostituierte (das erste "hurn" ist als Verbum zu ver stehen!), denn DERNSCHWAPi! spricht von Musliminnen gene rell so despektierlich; auch der Hinweis, diese sei eines anderen Tochter gewesen, würde sich sonst erübri gen. Dass c-s sich aber um eine Muslimin handelte, folgt aus dem angedrohten Strafmass (bei Unzucht im Dimmî-Milieu finden wir in derselben Zeit sonst nur Züchti gung), und aus der Verheiratung, die wir zwar für Musli minnen, nicht aber für muslimische Prostituierte finden (3). (1) MÜD XXXI 758 betrifft einen Metropoliten, der mit der Witwe'eines Janitscharen gesetzwidrige Beziehungen unter halten haben soll. Sollte sich der Vorwurf bewahrheiten, so ist der Metropolit zu verhaften, eine Abschrift des Untersuchungsprotokolls soll an die Pforte gesandt werden. (2) DERNSCHWAM Tagebuch S. 112, (3) Vgl. BASSAMTCösîümi S. (85).
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3REUNIHG "berichtet von der Gefahr, die einem Chri sten aus Unzucht mit einer Muslinin entsteht, in Zusam menhang mit der KeMn-Ehe der Franken: "Es finden sich auch wol verschlagene Türckischc Weiber/so von ändern bestelt vnnd subornirt worden/ sich den Christen mit listen zu offeriren vnnd jhnen hiedurch i n u a n i a m zuzuriehten/...wann Christen dergleichen etwas bezichtiget vnd vberzeugt werden/ haben sie das Leben verfallen oder müssen jhren Glau ben verleugnen/wafern man anderst die scherpffe zu ge brauchen begert,..Zu vnserer zeit wurden allbie zween Venedische Kauffleut in solchem wercke ergriffen/sc den 8. Julij bey Santto Fraeisco, zu grösser Gnad/mit etlich hundert Schlägen auff die Solen der Füsz bastonirt,...haben auch daneben dreytausend Ducaten bezahlen müssen" (1). BREÜNIMG behauptet also, die beiden Venezianer wären eine Zeitehe mit - wie sie glaubten - Griechinnen ein gegangen, die sich dann als Mus]iminnen entpuppten« Die se Behauptung ist keineswegs so grotesk, wie sie sich auf den ersten Blick ausnimnt. Zwar ist es den Christen nicht erlaubt, eine Muslinin zu heiraten, doch halten einige f u q a h ä 1 den umgekehrten Fall (Heirat eines Muslim nit einer Christin) ausgesprochen für wünschens wert, da die Christin hierdurch zur Konversion angeregt werden kann (2). Dass diese Hoffnung gar manche Ausnahme ermöglicht, haben wir schon öfter festgestellt. (1) BRüÜEING Orientalische Reysa S. 91. Einen ähnlichen Fall hat GFjRLIÜH Täge=EucH S. 3Bl und 368 f. (2) FATTAL Statut S.~I3ö7~Zur stark integrierenden Funk tion solcher Mischehen im scldschukischen Anatolien vgl. VRYONIS, Speros: The Decline of Medieval Hellenism in Asia Minor and.the Pracess. of Islamization fron the Eleventh throufih the Piftecnth Century. Berkeley/Los Ange les/London 1971, S. 228 ff.
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Wenn man die beiden Venezianer nicht zur Bastonade und 3,000 Dukaten "begnadigt" hätte, wäre ihnen ausser der Konversion keine andere Möglichkeit zur Rettung mehr zugestanden. Doch soll diese Substitutior. im Kapitel über Invania behandelt werden. Interessant bezüglich der "Verstellung" der beiden Frauen ist aber, dass der schiitische Islam es ausdrücklich erlaubt, dem pimrai, in dem man einen potentiellen Ehepartner erhofft, vorzulügen, man sei selbst Dimıaî (1). Verbunden mit der erwähnten Verdienstlichkeit einer "Mischehe" ergibt sich hierbei natürlich eine bedenkliche Konstellation, die BIÎEİİNINC’ s Erzählung doch eine gewisse Anlehnung an das islamische Recht ermöglicht. Wir wollen aber diesen Aspekt hier nicht verfolgen. Der weitaus interessanteste Hinweis BRSÜNING’ s ist aber die Behauptung, solche Frauen würden seitens Dritter "bestelt vnnd subornierV. Auch hierauf v/erden wir im Kapitel zur Invania näher eingehen. Es sei aber hierzu ein analoger Fall aufgeführt: RAUWOLFF berichtet von einem venezianischen Dolmet scher in Tripoli, dessen Reichtum dem ihm übel gesonne nen Subaşı bekannt und ein Dorn im Auge war. Nachdem es diesem aber nicht gelang, den Dolmetscher einer Straf tat zu überführen, "erdachte er endtlich einen list/vnd liesz jm vnwissend durch seiner Diener einen/ein ge~ maine Metzen inns hausz verstecken/damit er gnugsame vrsachen hette/jn anzuklagcn. Alsz er nur. das mittel für die hand genommen/vnnd inns wcrck gcricht/seind ermeldtem Dolmetschen desz Cadi Diener vnlang hemacher inns hausz gefallen/vnd haben jn/da sie die Metz gefunden/ (1) FATTAL Statut S. 132. Dies hat dann freilich mit der t a q i y y a îm-ciger.tlichen Sinne nichts zu tun.
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gefängklich eingezogen. Der Dolmetsch/ob er sich schon hoch entschuldiget/ward doch der Richter solcher nit vergnügt/sonder straffet jhn noch darüber vnbillicher weisz wol vmb 900 Ducaten/die er jm erlogen müssen" (1). Somit können wir das "Unterschieben" einer "verschla genen" Muslimin nachweisen als Mittel, einen Nichtmuslim zu gefährden; es geht dabei tatsächlich darum, ihm Schaden zuzufügen. Auch hier aber ergibt sich die Möglichkeit erst durch die scheriatrechtliche Bestimmung - wenngleich diese pervertiert wird: die Schikane ist vorgegeben! Die Glaubwürdigkeit der Berichte von BKEÜNING und GERLACH wird durch SCHWEIGGER gestützt, der erzählt, der Subaşı von Istanbul würde - ebenso wie der von Galata sich ein "Zubrot" verdienen, indem er aufgegriffene Prostituierte für eine Nacht vermiete, wobei er also selbst als Zuhälter fungiert (2). Von hier ist es na türlich nur noch ein kleiner Schritt, dass der Subaşı, sich auch die "Opfer" selbst auswählt. Es liegt dann freilich sehr nahe, diese dort zu suchen, wo nicht nur der grösste "Liebeslohn", sondern die höchste Summe an Strafgeld zu erwarten ist: bei den Nichtmuslimen! Diese Strafe kassiert der Subaşı dann freilich wieder ex officio, wie er ja auch die Prostituierte ex officio aufgriff.
(1) RAUWOLFJ*’Saisz S. 46. (2) "DeszgleicFion~wann sie Scotta oder Huhren s.v. er tappen/leihen sie solche selbe Nacht vmb etliche Ducaten ausz/davon sie auch ein grosses haben"; SCHWEIGGER Constantinopel vnd Jerusalem S. 177.
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Das_Beispiel KRAFFT’ s Einen anderen Fall, wo einem Nichtmuslim eine "Metze" vermittelt werden sollte, wobei ein handfestes Motiv persönlicher Rache nachweisbar ist, finden wir bei KRAFFT (1): Als er schon seit über drei Jahren in Tripoli in Schuldhaft sass, kam eines Tages ein reicher Türke zu ihm, der sich mit dem Kaufmann im Mühlespiel messen wollte. KRAFFT gewann dabei zwei von sechs Partien, was den Muslim verärgerte: "darauff stohtt er auff, geht mit vnwillen von mir, brumltt durch den hoff hinaus”. Einem jüdischen, sprachgewandten Mitgefangenen, der mit KRAFFT befreundet war, wir daraufhin erlaubt, dem Türken in die Stadt zu folgen, um ihn nach dem Grund seines Zornes zu fragen. Er erfährt: "er beklag sich, er wissz, dasz keiner in der statt sey, der Ime was kind abge winnen, vnd der schleme Cristen hund hab Ime vnder 6 Zway spil abgenommen; wans Ime ein anderer seins glei chen gethon, rnieszte es Ime nitt halb souil verdriesszen". Darüber lachen nun alle Gefangenen und auch der Auf seher, der KRAFFT noch am selben Abend zun Sssen ein lädt - was doch, obwohl der Kaufmann schon über drei Jahre lang unter der Aufsicht desselben steht, noch nie geschah! und just an diesem Abend, bei einem recht be scheidenen Mahl ("wie scfclechtlich sein tractation ge wesen, hatt mich sein erZaigtte Ehr miessen speysen") macht ihm dor Aufseher einen Vorschlag, der uns an die Steilen bei RAUWOLFF und BHEÜÎÎIÛG erinnert: (1) KRAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 285 f°
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"Er gcfengnus Maister Ist ein böser, Falscher man gewesen, hatt mir beym NachttEssen durch mein Juden In vertrawen anbietten lassen, wan ich Lust hab zu einem frawen Zimer, er wolle mir wol was bey nachtts oder tags, ein schöne Metzen In sein (!!} gemach khomen las sen, dasz es Niemand kind raörckhen. Liesz Im dancken: er sehe, Ich sey ein gefangner, sollte Ich mich Leychttförttig einlassen, derfft mich Gott noch schörpfer straffen." Dass der Aufseher KRAFFT dieses Angebot just an dem Tage macht, da der Kaufmann einen reichen Türken aus Tripoli verärgerte, kann nicht als Zufall betrachtet werden, nachdem wir schon aus anderen Zusammenhängen wissen, dass man Christen Prostituierte unterschob, um ihnen zu schaden. Im gegenwärtigen Falle liegt das Mo tiv ja auf der Hand: der Spiel partner fühlte sich ja nicht nur persönlich, sondern vielmehr in seinem Glauben beleidigt - eine Konstellation, die wir schon öfter an führten. Es ist kein Widerspruch zu unserer Behauptung, dass der Aufseher KRAFFT sein eigenes Zimmer dafür an bietet: er musste ja erst das Vertrauen des Gefangenen gewinnen - wie auch E C K U M ’ s "Fremdenführer" dessen Vertrauen erst durch die ihm erzeigte Gastfreundschaft gewann. KRAFFT widerfuhr aber unter weitaus gefährlicheren Umständen eine andere Geschichte, die derselben Typo logie zugehört (1); An einem Freitag, aİ3 die gesamte Festungsbesatzung in der Moschee war, erhielt KRAFFT - er war nicht in seine Kammer eingeschlossen worden - Damenbesuch: (1) KRAFFT Heison und Gefangenschaft S. 235 f.
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"In dem Ich in meiner Custodi zur Rechtten hand ne ben der thür vff meiner ligerstatt Sassz vnd an einem plaw Seydin knöpf Arbaittet, (mit Herstellung solcher Knöpfe verdiente er sich sein täglich Brot, da es damals - w i e auch heute noch - in türkischen Gefängnissen kei ne Verpflegung ex officio gab; eig.Anm.) kompt ein Zartts weibsbild, kurtz von person, mit vnuerdöcktem angesicht (!) Zu mir Ins gewölb hinein, schlechtt (d.h.: dürftig! eig. Anm. ) beklaidtt, griest mich mitt dem wortt Sallamanlico gantz; freindtlich, fangt an, vor mir stehendt, In Arabischer sprach Zu fragen, wie Ich leb: Aschaleku; Ich Anttwortt: Daieb, wol, sy sagt wider: El hamderla Bel Aarabij, das Ist, sey Danckh dem Ara bischen Gott, verstehtt sich, Iren machometische Gott. Sy begertt, Ich soltt Ir nachsprechen: Lai la Hill alla, heiszt: Gott Iber Alle Götter, das hab ich nachgesagt: muhammett rasur alla, das Ist souil als: machomett der höchste ob Gott. Darlber Ich den köpf verschütt vnd nichtts weytters Zu Ir gesagtt. Bald sagtt sy, warumben Ich alle Hachtt ein Sclauen lasz in meinem gemach ligen, Ich soltts nicht leyden. Ich Anttwortt, der herr Haupttman wols haben...Sy sprach wider: Ich kindts wol beim Haupttman Auszbringen. Iber diser Röd Erschrackh ich sehr, In sorgen, es werde iemandt Im Thermen vor der Thür stehn vnd horchen, was wir Röden, oder wie man mich mit Ir möchtt felschlich angeben. Als sy mörckt, Ich trawrig worden, sagts Zu mir mit lachendem Mund: le ti Gaff (1) aine abibi, furchtt dir nit, du liebes Aug; streicht mit der Rechtten hand mein bartt vnder den khenzen oder kiffer. Mir wirt so Angst vnd bang In einer solchen schwermüttigen forchtt, dasz Ich nitt mer hette Röden kinden, mir Auch kein andere Rechnung gomachtt, dan dj glockh scy gegossen, Ich miesz; (wie man offt daruon gesagt) Zu oinera Türckhen oder Ibel tractiertt wer den. Als sy mir das andermal den barth gestrichen vnd Ir hand darlber kuszt oder Credentzt; da stund Ich Auff, nam mein knöpf Lädle Zu mir, maehtt mich Zum gemach...In hof hinaus vnd thett die grosse...hauszthür nach mir Zuschlä gen; da kundt Ich nit mer hinein vnd Niemandt nitt zu mir heraus khomen." (1) Vgl. auch oben S. 294 Anm. (1)!
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Die Dame - welche KRAFFT übrigens selbst mit der Frau des Potiphar vergleicht (1) - war die Frau des Festungskommandanten. Es ist «war denkbar, dass sie (auch) auf ein sexuelles Abenteuer aus war, denn sie reagierte recht frustiert. (2), aber dies schliesst ja keineswegs aus, dass sie K3AFFT schaden wollte - Bekeh rungsversuch als sexuelles Stimulans wäre ohnehin reich lich merkwürdig: der Kaufmann war ihr durch seine Anwe senheit in der Festung schlicht ein Ärgernis. Ein junger Negersklave, der allein Zutritt zu KRAFFT ’s Gemach hatte (wo er auch öfter schlief, wovon auch die Dame redet), und der ansonsten im Harem des Komandanten Dienst tat - und daher auch von der Affäre au3 einem Ge spräch der "Haupttmänne" mit einer anderen Dame des Hau ses weiss - erzählt KRAFFT nämlich, die Frau des Komman danten "hab erst göstern zum haupttman gesagtt, er soltte mich lassen an Andere ortt verwahren, Es khinde Niemandt keckhlich vor mir in disem Schloszhausz Ausz vnd Eingehn. Darbey haben wir beede wol kinden Mörckhcn, dasz sy nitt geringe feindtschafft Zu mir dröggt" (3). Dieses Argument, dessen Relevanz für das Verhalten der Dame nicht bezweifelt werden kann, kennen wir schon aus einem anderen Zusammenhang: weil sich die muslimi sche Nachbarschaft der kaiserlichen Botschaft in Istan(1) Er Uberschreibt die EOisode nämlich mit "V01GTT, WAS SICH ZWISCHEN MIR Vffl) DER Hauptmänne Im schlossz warhafftig Zugetragen: fast ein Seconda Jos. Hist$”Die Parallelen der beiden Geschichten sind in der Tat ver blüffend (vgl« 1 Mose 39, 7-23), dennoch liegt hier kein Topos vor! (2) KRAFFT erfährt kurz darauf, "dj haupttmänne sey Zor nig die stiegen hinauff gangen, hab mit Kiemandt nichtts gerödt, sich selbs eingespört". (3) KRAFFT Reisen und Gefangenschaft S. 238.
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bul beschwerte, man könne nichts vor den Augen der Christen verborgen halten, wurden BUSBECQ die Fenster vernagelt (1). Zwei Wochen später versuchte ein Sklave des Komman danten, KRAFF? zu unterstellen, ihn ermorden zu wollen (2), und als er schreiend aus dem Zimmer lief, in wel chem er als Beweisstück ein Messer deponiert hatte, war die "Haupttmänne" sofort am Fenster und schrie nach den Jan:tscharen. Wir dürfen die beiden Episoden getrost miteinander in Zusammenhang sehen, umso mehr, als beide Male KRAFFT in eine Falle gelockt werden sollte, aus der ihn nur noch die Konversion gerettet hätte. Folglich lassen sich das Vorsprechen der s a h ä d a und Unzucht mit einer Muslimin einbauen in ein Handlungsmuster, bei dem aus dem Ärgernis, das der Nichtmuslim darstellt, einem Muslim der Wunsch entsteht, dem Dimml zu schaden. Gelingt es ihm. durch eine der geschilderten Methoden, den Ungläubigen gar zur Konversion zu treiben, dann hat der Initiator auch noch ein religiöses Ver dienst erworben - was ja ursprünglich ganz und gar nicht in seiner Absicht gelegen hatte! * Natürlich kam es mitunter auch zu einen: Anträgen des Glaubenswechsels im persönlichen Zwiegespräch, ohne dass eines der aufgeführten Elenente direkt beteiligt gewe sen wäre (3), doch sind uns Auswirkungen solcher Ver il) Vgl. oben S. 199. (2) Vgl. oben S. 24C. U ) Vgl. etwa B.43ÜNIKG· Orientalische Eevsz S. 116, wo er
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suche nicht bekannt. Der einzig nachweisbare Erfolg war jenen Listen beschieden, die wir hier darstellten. Sie konnten einzeln oder gebündelt auftreten, ausschlagge bend war immer die Anwesenheit muslimischer Zeugen. Lies machte letztlich auch die Frage irrelevant, ob der Nicht muslim die zur Konversion führende Handlung tatsächlich begangen hatte. Die Berichte von Konvertiten, die über solche Listen gestolpert waren und deshalb Muslime wurden, lassen sich keinesfalls als beschönigende Notlügen gegenüber Christen abtun, da wir genügend Fälle kennen, wo dieselbe List versucht worden war, ohne zum gewünschten Erfolg zu füh ren. Ausserdem bekannten sich "freiwillige" Renegaten immer zu ihrem Glaubenswechsel. Die Glaubwürdigkeit einiger Berichte folgt also auch aus der typologischen Analogie zu anderen. Der Hichtmuslim aber, dem eine solche Falle gestellt wird, befindet sich praktisch in einer ausweglosen Si tuation: wenn muslimische Zeugen vor dem Kadi aussagen, er hätte sich als Muslim bekannt, etwa indem er die Glaubensformel aussprach, und der Dinunî (oder Mustaamin) dies verneint, dann ergeben sich eigentlich nur fol gende Möglichkeiten: von seiner und CAHLISR’ s Überfahrt auf einem türkischen Schiff von Istanbul nach Alexandria erzählt: "Wiewol etliche ausz den Tiircken/offtermalen sich selbs zu vns verschlossen/vnd heimlich Wein getruncken haben (!)/ auch sich verlauten lassen/dz es sehad das wir Chri st en/vnd nicht viel mehr Türcken vnnd jhres Glaubens sein sollen."
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- entweder der Kadi betrachtet ihn noch als Hichtmuslim: dann wird seine Aussage gegen die Muslime nicht gehört; deren Aussage aber führt zu seiner Beschnei dung; - oder aber der Kadi betrachtet ihn schon als Muslim: wenn sich der Dimnl dann aber als Christ oder Jude bezeichnet, dann ist er Apostat - und wird mit Gewalt zum Islam gezwungen. Hat die Gewalt keinen Erfolg, so muss er getötet werden (1). Begleitende Massnahmen Die Konversion eines Dimmîs war grundsätzlich Anlass zu einem öffentlichen Gaudium (2). Abgesehen von ver schiedenen folkloristischen Gebräuchen, die regional unterschiedlich waren, sass der Renegat dabei auf einem prächtigen Pferd (sichtbares Zeichen seiner Verbesse rung!) und wurde von einer Menge Muslime unter Trommelund Schalmeienklang durch die Gassen geführt, "mit er ge raus z/schand vnd spott der Christen", wie BREÜNING anmerkt. Auch RAUWOLFF glaubt, gerade in Gegenwart von Christen würden die Muslime bevorzugt "inn gassen hin vnnd wider frewdenschüsz thun". (1) DÜZDä G Ebussuûd îfr. 370. (2) Detaillîerîe_Schilderungen u.a. bei KELFFRICH Warhafftiger Bericht fol. 389 v und 394 r/v, RAUWOLFF Εδΐ3Ζ~§7“30ί'Τ77-ΒΙΪΕϋΝΙΝ0 Orientalische Rcysz S. 75» PöSTEL De la Republique S. Ά2 f., MENS?THÖ” ?ita et legge fol. 69_v7_DERNSCHWIirTagebueh S. 111, 1ÖUOTSTEII Pilgerfahrt fol. 196 r7~ÖERD[CE Tage=Buch S. 357, 5ÜHWEIij!?ER~Constantinopel vnd Jerusalem"!?. 93, FIİRER .Reise-BeschreiBung S7 l5T~unff I5Ö-f7
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Die wichtigste Funktion dieser Freudenprozession liegt natürlich darin, den Glaubenswechsel publik zu machen, bzw. den neuen Muslim als solchen vorzusteilen (1), wobei gerade wieder dem engen Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen besondere Bedeutung zukommt. BASSANO’ s Hinweis (2), Renegaten würden gleich nach der Konversion verheiratet, um sie ans Osmaniscne Reich zu binden, kommt natürlich bei der Konversion (ehema liger) Kriegsgefangener noch grössere Bedeutung zu, als im Falle gebürtiger Dimmis. Die Lauterkeit der Konversion Es ist klar, dass das Konversionsmotiv nur in den seltensten Fällen in der religiösen Überzeugung des Konvertiten lag. Dies ist zum einen rechtlich unerheblich, da ja das reine Lippenbekenntnis zum Islam hinreicht(3), zum andren scheint sich die islamische Seite dessen bewusst gewe(1) Vgl. RAUWOLFF Raisz S. 405: "damit sie von jedermenigklich gesohenTvnnil für solche erkennt werden/die alsz jhrer Religion anhengig/frey sicher gelaydt sollen haben/vnder jhnen ohne hindßrnus2 zu wandlen vnd handlen" - was also die Aufhebung der bisherigen Erniedri gung, Unsicherheit und Angst impliziert. Vgl. ferner DERNSCKWAPi? Tagebuch S. 111, der in dieser Prozession eine zusätzIicHe~Mässnähme sieht, sich der Glaubenstreue des Renegaten zu versichern (hier ist wieder das enge und gemischte Zusammenleben von Bedeutung): "das er kentlieh sol sein, vnd, wan er wider ab fyle vnd zw ei nem murlat wurde, kentlich sein sol". (?) BASSAH0 Çostumi S. (85). (3) Es sei daran erinnert, dass Ebu’ s-Su'ud auch in dem Falle, wo jemand aus purer Angst vor Strafe wegen Miss achtung der KleiderOrdnung sagte, er sei Muslim, dies für hinreichend erkannte; vgl oben S. 183.
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sen zu sein (1), ja, diese Einsicht ging sogar in die türkische Idiomatik ein (2). Selbst wenn der Kenegat in Deiner stillen Kammer noch das Kreuz anbeten mag, so ist doch durch seine Konver sion dem Islam ein Zuwachs entstanden, der sich im Laufe der Zeit bedeutend vergrössert, da ja die Kinder des Re negaten in muslimischer Umgebung aufwachsen, und also "ganz von selbst" zu "wirklichen”Muslimen werden. Des halb verursachte auch die Konversion junger, also noch zeugungsfähiger Männer den Muslimen grössere Freude, wo hingegen die Konversion eines Alten kaum zur Kenntnis genommen wurde (3). Wie der nominellen Herrschaft des (1) So sagte etwa der Grosswesir zu einem französischen Renegaten, der seine kultischen Pflichten vernachlässig te (er entschuldigte sich damit, man habe ihm vor der Moschee die Schuhe gestohlen, was er fürderhin nicht mehr riskieren wolle): "Gehe hin/man weisz wohl/dasz ihr Frantzosen und Welschen nicht umb desz Glaubens oder Gebeths willen: sondern nur Gelds wogen/zu uns kommet"; GERLACH Tage=Buch S. 272. (2) Verständnis~5afür, dass man sich nicht über Nacht ändern könne, drückt die türkische Idiomatik just mit ei nem Bezug auf Konversion aus: "Kırk yıllık Yani olur mu Kani?", also etwa: wird man Kâni, wenn man 40 Janrc lang Yani war?, wobei Yani ein griechischer, Kâni ein musli mischer Name ist. Vgl. ATSIZ, Bedriye und KISSLING, Hans-Joachim: Sammlung türkischer Redensarten. Wiesbaden 1974, S. 115. Es-Iäss:ü-tref~bricIcen7-3äss-c[rese - allgemein menschliche! - Einsicht ausgerechnet am Beispiel von Kon version dargestellt wird, hätte doch auch ein Beispiel aus dem rein islamischen Bercich, etwa anhand des Be rufswechsels, absolut dieselbe Funktion erfüllt! (3) So sticht im Gegensatz zu den pompösen, oft mehrere Tage dauernden Festen bei der Konversion junger Dimmis folgende triste Beobachtung deutlich ab: "Wie ich...auch ...einen gar alten Mann gcschen/wolcher umher gegangen/ gebottclt/und zun Zeichen/dasz er ein Muselman worden/ei nen Pfeil in der Hand getragen"; GERLACH Tage=Buch S.163.
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Islam über ein Gebiet im Laufe der Zeit "ganz von selbst" oine gewisse Islamisierung nach den vor. uns geschilder ten Schemata folgt, so folgt dem nominellen Übertritt des einzelnen Renegaten die islamische Erziehung seiner Kinder, und somit die "Tiefenislamisierung" einer ganzen - weiteren - Familie. Zwangsb eschneidüngen Echte Zwangsbeschneidungen Hess e n sich im reinen DimraT-Milieu nicht nachweisen, wohl aber unter Kriegs gefangenen» Unter Dinaais und Musta5mins beschränkte sich die Proselytenmacherei auf die oben dargestellten Techniken (1). Inwiefern der Glaubenswechsel der Kinder aus dem Devşirme als "Zwangsbekehrung" vorerst dahingestellt.
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betrachten ist, sei
(1) Zur Typologie der aufgeführten Listen sei nochmals daran erinnert, dass unter Zwang oder Drohungen abge gebene Willenserklärungen zwar anfechtbar sind, nicht aber, wenn sich die Willenserklärung auf ein erwünschtes Rechtsgeschäft bezog, wie Übertritt zum Islam; BERGSTRÄSSER Grunazüge S. 26 f.(Vgl. aber auch oben S. 287 Anm. (2)!j Wir~Iconnen also das Interesse der islamischen Ge meinschaft (maslahat al-muslimln) als (im Zweifelsfalle) obersten, nicht mehr hinterfragbaren Hechtsgrundsatz de finieren. Zum völkerrechtlichen Aspekt dieses Prinzips vgl. HEFFEHNG Fremdenrecht S. 15-
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2. Konversion von Kriegsgefangenen und Sklaven Allgemeines Kriegsgefangene sind in der Praxis mit "cchtcn" Sklaven gleichgestellt, denn die juristische Grundlage ist dieselbe: der IJarbl, der mit der Waffe in der Hand gefangen wird, kann versklavt werden, selbst wenn er Schriftbesitzer ist. Wir wollen aus der folgenden Be trachtung importierte Negersklaven ausklammern, nicht nur, weil es sich dabei um Heiden handelt, sondern be sonders weil ihre Zahl im Vergleich zu jener christ licher Kriegsgefangener im 16. Jahrhundert relativ ge ring war. Nachdem es ferner mangels eines jüdischen Staates keine jüdischen Kriegsgefangenen geben konnte, beschränkt sich unsere Betrachtung auf gefangene Chri sten. Es sei vorausgeschickt, dass wir in den Quellen ge nau jene Arten von Sklaven fanden, wie sie in den be kannten Handbüchern zum islamischen Recht aufgeführt sind (1): Kriegsgefangene finden sich in allen diesen Kategorien. Wir setzen deshalb eine grundlegende In formation des Lesers Entstehung und Dauer und Konsequenzen der Uns soll hier nur
über die Rechtsstellung von Sklaven, der Sklaverei, und über die Arter, Freilassung voraus. die Proselytenmacherei unter Skla
ven bzw. Kriegsgefangenen beschäftigen. Da der freigelassene Sklave der öizya anheimfällt und Dimmi wird, muss uns nicht die Versklavung selbst, sondern die (1) Vgl. etwa BE3GSZKÄSSER Çrundzöge S. 38-42.
"Dienstzeit" und die Freilassung interessieren. Es ist klar, dass die Freilassung christlicher Sklavon eine zahlenmässige Stärkung des Dimm-Milieus, und damit eine - relative - Schwächung des Islam bedeutet. Kon^rsion_in_Anschlus3 an die Gefangennahme Den abendländischen Soldaten war bei ihrer Gefangen nahme ziemlich bewusst, welches Schicksal sie erwartete. Freilich ist der Sklave im Islam besser gestellt, als etwa der Sklave der Antike (der übrigens auch nicht ge rade nur dazu da war, um in der Arena sein Leben zu lassen!), dennoch ist er im wesentlichen eine Sache. Auch wenn seine Stellung gegenüber dem Besitzer und Herrn (selbst noch nach der Freilassung!) gewisse An klänge an "Familienrecht" hat, so darf man sich den Sklaven im Islam doch nicht als so etwas wie einen "möblierten Herrn mit Familienanschluss" vorstellen. Sofern die Gefangenen nicht gleich auf dem Schlacht feld unter den muslimischen Soldaten aufgeteilt wurden - sie sind ja Teil der Beute - wurde ein Grossteil von ihnen in die Hauptstadt geschickt; dem Sultan stand ja ein Fünftel der Kriegsbeute zu. Unterwegs waren sic mit Halseisen an Ketten geschlossen, trugen ihre eigenen, sieglosen Fahnen - und auf Stangen die abgeschlagenen, nicht immer geschundenen und mit Stroh ausgestopften Köpfe gefallener Kameraden mit sich. In Istanbul angekommen, machte der Zug, bevor man die Gefangenen im Seray vorführte, grundsätzlich einen kleinen Umweg an der kaiserlichen Botschaft vorbei, was nicht nur den verständlichen propagandistischen Effekt
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hatte, sondern gleich zur Schmähung gereichte (1): einige der Gefangenen mussten nämlich in diesem Augen blick mit Pauken und Trompeten aufspielen (2). Die Anstrengungen des langen Marsches, die Schmach beim Empfang in der Hauptstadt, und besonders das zu erwartende Geschick veranlassten die meisten der Ge fangenen in diesem Zeitpunkt zum Abfall, vom christli chen Glauben (3). Ihre Hoffnung, dadurch des Galeeren dienstes enthoben au werden, wurde in der Hegel ent täuscht - eine Erfahrung, die einige wenige Gefangene von der Konversion abhielt. Bei der "Vorstellung" im Divan kamen nicht nur nachrichtendienstlich interessante Dinge zur Sprache, sondern natürlich auch die Frage der wahren Religion (4). Inwiefern hier Überzeugung oder Resignation eine Bolle spielte, ist sekundär. Die Mehr zahl der vorgestellten Gefangenen renegierte rasch. (1) Es war tatsächlich ein Umweg, wie sich aus verschie denen Berichten ergibt, vgl. hierzu die folgende Anmer kung. Zur Topographie der kaiserlichen Botschaft vgl. EYICS, Semavi: Elçi Ham. In: Tarih Dergisi 24 (1970), --------S. 93-130. (2) GERMCH Tage=Buch S. 94, 118, 125, 127, 131, 134, 222, 225, 3857"4277_?52, 459, 479; DERNSCKWAM Tagebuch S. 142, BUSBECQ Briefe S. 176, SCHWTÜIGGKR ConsÎânlınopel vnd Jerusalem S. 9Ά Tmit einem HolzschnittTT7 Γ37 G5HHÜH~Tage=Buch passim (vgl» Anm. (2)!) (4) Es ist ein erstaunliches Phänomen, dass in einer solchen Situation und auf dieser politischen Ebene immer über Religion gesprochen wird, auch wenn man von kriege rischer Thematik ausgegangen war. Vgl. etwa den Bericht W. Schreibers (in: HURMUZAKT II, 1 S« 468 fl'.) über seine Einvernahme im Divan. Über Schreiber selbst vgl. KRIEBEL, Mar tin : Wolf Schreibers Misgion in den europäischen Südosten in der Mitte des 16. Jahrhunderts. In: Südost deutsches Archiv TI (1959T, S. 18-42.
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Die den Paschas und anderen hohen Würdenträgern zu— gefallenen Gefangenen wurden in der Regel erst mit dem Tod des Herrn frei; die auf dem Sklavenmarkt gekauften hatten eine durchschnittliche Dienstzeit von 10 Jahren (1). Verschiedone Methoden der Proselytenmacherei__unter Sklaven und Kriegsgefangenen Die Konversion eines "Haussklaven" brachte diesem ge wisse Vorteile; so sieht etwa das islamische Recht bei verschiedenen Vergehen als Sühne die Freilassung eines muslimischen Sklaven vor (wer darauf hoffte, musste also konvertieren!), ganz abgesehen davon, dass Freilassung eines Sklaven für den Muslim generell religiös ver dienstlich ist. Doch "ermunterten" die Besitzer ihre Sklaven auch aktiv zur Konversion, indem 3ie sie recht hart hielten, nach der Konversion aber menschlicher behandelten (2). Wir finden also auch hier wieder die Bedrückung als Kriterium der Konversion, wie schon im Dimml-Milieu (3). In unserem Material fand sich keine neimenswerte An zahl von freigelassenen Sklaven, die ihre "Dienstzeit" ohne Glaubenswechsel überstanden hatten. Wir können des halb DEHNSCKWAM’ s verallgemeinernder Aussage zustimmen: (1) So_nach den Angaben fast aller Reisenden und dem Siğillat von Ankara; vgl. OEGAN I und II. (2). DE3NSCHWAM Tagebuch S. 141 f., RAUWOLFF Raisz S.397, aus eigener ErfäHrüngT GEORGIJEVIC De origine fol. G 2r, und WEBBE, Edward: Edward_WebbeL Chief lasier Gunner, his travailes, 15907~Hrsg. v.~S.~IrEer7 Iöri(Ion-I55S rEngIisE“ Reprints II), S. 20 et passim. (3) Vgl. oben S. 275 f.
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"Die turkhen sollen sich in kurezen jaren ein newen geprauch haben angenommen mit den gefangenen cristen, das sy jeeaundt mit gewalt die gefangenen beschneiden, inen hend vnd fusse binden, vnd beschneiden, vnd zw irem glauben zwingen. Auch die vor lange jar hierinen gewesen vnbeschnitteri pliben seind, ab gleich ein gefangener ain jar ader zway sichs erwert, so mus er doch auff die letz darüber" (1). Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verheiratung von Renegaten, die aus dem Kontingent (ehemaliger) Kriegsgefangener stammten. BASSANO sagt hierzu: "...et il medesimo fanno al Christiano che rinega voluntario, come â quello che rinega per forza, e quanto piu presto â l ’ vno et â l ’ altro, danno moglie, perche dicono, che fatti figliuoli non si possono piu partiro"(2). Die Reisenden trafen viele ehemalige Kriegsgefangene, die konvertiert und mit einer gebürtigen Muslimin ver heiratet waren (3). Einige verwalteten ein Gut ihres früheren Herrn, oder auch ein eigenes. Dass die Ehe mit einer gebürtigen Muslimin für den Renegaten oinc stabilisierende und integrierende Funk tion hat, liegt auf der Hand. Gerade aber in diesem Zusammenhang ist die Lauterkeit seiner Konversionsmo tive irrelevant: er gründet ja gleich eine muslimische Familie!
(1) DERNSCHWAM Tagebuch S. 69. Konkrete Fälle echter Zwangsbesehneidung cTTesor Art finden sich u.a. bei GERUCH Tage=Buch S. 123, 248, 285. (2) BASSMö~Cöstümi S. (85). (3) Vgl. besonders: DEKKSCHWAM Tagebuch S. 147, 161, 167, 234, 244, KRAFFT Reisen und GefangenscEaft S. 137, BREÛNING Or ien f.al Is cEe'~Hey sz 5.~T3S F .7-£ÖUWE?TSTEIN Pilgerfahrt Fol. I97~?7-FüRI3 Reisc-Bcschreibung S. 53 ----------------- üncPI5S“f7_
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DERNSCKWAM’ s Mitteilung, die Osinanen würden erst seit kurzem Kriegsgefangene grundsätzlich zur Konver sion zwingen, lässt sich - verbunden mit BASSANO’ s Behauptung der anschliessenden Verheiratung - an Archiv material verifizieren: DERNSCIIWAM’ s Aussage bezieht sich auf die Jahre vor 1553, und wenn man die durch schnittliche "Dienstzeit" von zehn Jahren addiert, so müssten die ersten Auswirkungen zu Beginn der sechziger Jahre des 16. Jahrhunderts erkennbar sein. Im dritten Band des Sigilläts von Galata (1561/62) findet sich eine grössere Anzahl von "Mischehen" der Form, wo der Mann Renegat, die Frau gebürtige Muslirain ist, aber auch "Mischehen" des umgekehrten Typs. Das Prozentverhältnis ist dabei 70 zu 30, was also sehr für die Aussagen der beiden Reisenden spricht·. Warum sich diese Relation im folgenden Jahrzehnt (Stichjahr: 1570/71) auf die Werte 55 v.H. : 45 v.H. verschiebt-, und sich bis 1580/81 bei etwa 40 v.H. : 60 v.H. einpendelt, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Wahrscheinlich ist diese Entwicklung auch auf innerstädtische Fluktuation zurückzuführen, wobei wir hier wieder Galata als Teil von "Gross-Istan bul" begreifen. Wir haben schon in Zusammenhang mit Kirchenpolitik und den diskriminierenden Massnahmen aufzeigen können, dass die beiden Jahrzehnte von 1560 bis 1580 durch integrierende Bestimmungen gekennzeichnet sind. Gerade wegen der relativ geringen Mehrheit, welche die Muslime zumindest in der Hauptstadt selbst im 16. Jahrhundert darstell ton, musste es geraten scheinen, den Dimmîs keinen weiteren Zuwachs aus dem Kontingent
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freigelassener Sklaven entstehen zu lassen; wie wir gesehen haben, wurde es auch mit allen Mitteln verhin dert. RICHIER nennt die Integration freigelassener Sklaven quasi als Prinzip - für welches er einen sehr plausiblen Grund angibt: "Quand les serfs sont mis en liberte, c ’ est â la charge qu’ ilz demoureröt perpetuellement es terres ot paxs du Turc: ce qui se fait en partie, eomme ie croy, pour auoir plus de gens en la subiection du gräd seigneur: et en partie aussi pour l ’ augmentation de la religion de Mahummed" (1). Den Zusammenhang von Konversion und Integration der Sklaven sieht - neben anderen Reisenden - auch GEORGIJEVIC:"ut recons mancipium circuncisionom. admittant: id ubi fecerit, humanius aliquanto tractatur, caeterum spes redeundi in patriam plane abscissa est" (2). Somit ist im Sklaveruriilieu dieselbe Trias von Druck - Konversion - Integration nachgewiesen, wie wir sie schon für die Dimmis fanden.
(1) RICHIEH, Christophe: Des Coutumos et Manieres «e vivre des Turos. Paris 153Ö7~S7-ZÖ7.T27“ GEOT5IJEVTC De_origine fol. G 2 r. HARTMANH Reli gion S. 80 spricRÎ in diesem Zusammenhang gar von einem 3er~” st'illen aber wirksamen Wege der islamischen Mission".
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VIERTES KAPITEL
"Invania” Wir haben schon oft auf diesen schillernden Begriff hingewiesen, der lotztendlich die Hauptkriterien mus limischen Verhaltens gegenüber Kichtmuslimen in sich schliesst. Wir wollen diesen Terminus beibehalten, ob wohl er sich bei nur wenigen Autoren so findet. Zwei der wichtigsten Definitionskriterien liefert uns CARLIER, der über die Christen im Osmanischen Reich sagt: "Ils sont au reste librcs en l ’ exercice de leur religion, aussy bien que les Juifs, mais sont contraincts de se guarder de monstrer qu’ ils ont des moyens, de poeur qu’ on ne leur jette le chat aux jambes leur suscitant quelque vanie moresque" (1). Das auslösende Moment für "vanie" ist also der Reich tum der Dimmis, oder konkreter: dessen Zurschaustellen. Das zweite Moment, "leur suscitant quelque vanie" wer den wir etwas später untersuchen. Zum Verfahren sagt CARLI3R: "II n ’ y ha aussy rien plus commun en Turcquie, que les vanies moresques, qu’ ils appellent, lesquels sont calumnics imposees par faux tesmoings..." (2) (1) CA3LIER Voyage S. 123. Auch GERLACH Tage=3uch S.413 sieht die Ver5in3ung von Verleumdung mit-ReicEtüm, wenn gleich er den Terminus "avanie" nicht erwähnt: "Doch ist derten das wieder beschwerlich: Wann ein Türck wider ei nen Christen etwas hat/bringt er 10. 20. Zeugen/die doch kein Wort umb die Sache wissen/da musz der Christ schul dig seyn/und alles wieder schwitzen/was er in vielen Jahren gesammlet hat." (2) CARLIÜR Voyage S« 107.
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Das Verfahren ist also Verleumdung. Den Inhalt und Bezug der Verleumdung gibt BREÜKIKG gut aufgeschlüsselt "Es haben sich aber die Christen in Türekey wol für zusehen damit sic nicht von der Religion Disputieren/ oder sich vermercken lassen dasz jhr Religion besser al der Türcken. Oder da einer sagen wolte/die Türcken wür den nicht Selig/der jhre Ceremonien verspottete/oder da einer schon kein Wort sagete/sondern sich nur mit geber den dergleichen stellete/vnd dessen ein Zeichen gebe/ raüste er ohnentgelt/seinem Glauben vnnd Tauff wiedersprechen/oder das Leben darüber lassen. Jtem da einer wieder den Mahomet redete/vnnd sagte dasz er ein fal scher Prophet were. Oder da einer einen Türcken eine Hund hiesse/eine Türcken vnder das gesicht speyete/vbel vom grosz Türcken redete/oder bey einer Türckisehen Frawen ergriffen würde. Der oder dieselbigen müsten ent weder sterben oder sich Beschneiden vnd zum Türcken ma chen lassen. Wann also nur zween Türcken erfunden so vber einen Christen zeugnusz geben/so ists geschehen vnd die Glock gegossen. Vnd machen jhnen die Türcken kein Gewissen/die Christen/obangeregtor gestalt/auch wider die warheit anzugeben/vnd wieder sie zu zeugen. Welches von den Christlichen Kauffleuten in Türckey J n u a n i a oder A u a n i a genand wird. Vnnd ligen die Beampten/Als C a d i S o u b a s s i biszweilen auch selbsten mit vnder der Decke/damit die Christen ge fährdet werden. Da sie schon wissen/das jhnen kurtz vnnd vnrecht geschieht. Vnd ob man wol in solchen be züglichen fällen/nit den rauehesten weg fahret/so ist es doch darauff mehrerteils angesehen/das man sie vmb das Gelt bringt/vnd hohe Schatzungen aufferlegt. Wie solches in Tiirckey/die tägliche erfarung gibt. Jst also kurtz davon zu reden J n u a n i a anders nichts als ein a u c u p i u m Gelt von den armen Christen p e r f a s e t n e f a s z u e x t o r q u i e r e n , oder damits auch ein einfältiger Bawr hie zu Lande verstehen möge. S o i s t J n u a n i a gleichsam ein Partheysehe falsche a f f e c t i o n i c r t e inquisit i o n." (1) Bei oberflächlicher Lesung könnte einem entgehen, (1) BREÜl'lING Orientalische Reysz S. 14 f.
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dass BREÜNING’ s Darstellung in zwei Teile zerfällt: a) Aufzählung von Handlungen, die der Nichtmuslim zu unterlassen hat, da er sonst sein Leben riskiert wobei ihn nur die Konversion retten kann; b) Er kann einer solchen Tat - unter aktiver Mithilfe bzw. Anstiftung seitens osmanischer Beamter - auch nur verleumdet werden. Dann aber verfährt man nicht streng nach den Strafen, ("Vnd ob man wol in solchen betrüglichen fällen/nit den rauchcsten weg fahret") die gelten, wenn keine Verleumdung im Spiel ist, sondern man erlegt den Niehtmuslimen eine Geldstra fe auf. ad a) Diese Handlungen sind identisch mit einigen von jenen, die wir im vorangegangenen Kapitel untersucht hatten. Es handelt sich konkret um: - Schmähung des Islam, des Korans, oder eines Muslim (wobei die Schmähung des Islam einer Aufwertung des Christen- oder Judentums gleichkommt - bzw. umgekehrt das Loben dieser Religionen eine Herabsetzung des Islam darstellt - und deshalb ferner auch noch als Versuch ausgelegt werden kann, einen fiuslira zur Apo stasie zu verleiten); - Unzucht mit einer Muslimin (es geht nicht um Unzucht schlechthin!). Diese Handlungen gehören aber auch zu jenen, die ausser nach hanafitischein Ritus - zur Auflösung der Dimma führen (1). Da aber auch noch andere Handlungen (1) Vgl. oben S= 37 ff.
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diese Konsequenz (ebenfalls mit der hanafitischen Aus nahme!) nach sich ziehen, müssen wir fragen, warum nur ein Teil davon Bestandteil der ''lnvania‘ '-Typologie ist. Zur Auflösung der Dimma führt (ausser nach hanafitischem Ritus), wenn der D i m m 1. gegen die Muslime Waffen ergreift (dies allein lässt Abu Hanîfa gelten!), 2. sich weigert, sich Gesetzen und Urteilen des Islam zu unterwerfen, 3. die Kopfsteuer verweigert, 4. einen Muslim zur Apostasie verleitet, 5. mit dem Dar al-Harb kollaboriert, 6. einen Muslim ermordet, 7. Allah, den Koran oder generell den Islam schmäht (was Schmähung eines Muslim auch ausdrückt), 8. mit einer Muslimin Unzucht begeht, und/oder 9. sich der Wegelagerei schuldig macht (dies gilt übri gens nur für Überlandstrassen!). ad b) Warum komrieri die Punkte 1, 2, 3, 5, 6 und 9 nicht im Invania-Muster vor? Die Antwort liegt in diesem Muster selbst begründet: es ißt klar, dass diese Punkte als Gegenstand einer Anklage schwieriger au beweisen sind, aber vor allem kann eine solche Handlung dem Dimmî nicht untergeschoben, bzw. er kann dazu schwer lich verleitet werden! Gerade hierin aber liegt das Hauptkriterium für Invania! Wir haben im vorangegangenen Kapitel dargestellt, wie leicht ein Dimml in eine Situation gebracht werden konnte, dio ihm als Schmähung etwa des Islax ausgelegt
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wurde, und auch das Unterschieben von Damen zweifel hafter Moral konnten wir naehweisen. Gerade aber im letzten Fall zeigte sich, das3 der Subaşı "mit unter der Decke lag", ja, dass er die Affäre inszeniert hatte; und genau auf diese Taktik zielt die Formulierung von CARLIER: "(en) leur suscitant quelque vanie"! Aber natürlich kann ein Dinml auch nur durch falsche Zeugen einer solchen Handlung verleumdet werden, ohne vorher erst in eine verfängliche Situation gebracht worden zu sein (auch dies konnten wir als Realität nach weisen), was freilich beim Blasphemie-Komplex leichtcr zu praktizieren ist. Worin liegt nun die Invania-Typologie begründet? Die angeführten Stellen bei CARLIER und GSRLACH wiesen schon auf den Zusammenhang mit dem Heichtum (1) des zu schä digenden Dimmîs hin, was aber eben nicht nur schlicht, logisch ist, da von einem Armen keine hohe Summe er presst werden kann: zwar ist Celdgier hier unzweifelhaft das treibende Moment, aber die Invania spielt sich ganz und gar auf acheriatrechtlicher Grundlage ab (wir haben schon öfter zeigen können, dass Schikane der Dimma imma nent ist), und zwar auf doppelter: zum einen dürfen die Diramls keinen Reichtum zeigen, zum anderen sind die An ki agepunkte des Invania-Musters (wenngleich als Verleum(1) So auch RAUWOLFF Raisz S. 44: "Nit minder üben sol che practica auch die SöüEaschi, welche sich nicht scheuhen vnschuldige...beuorab die/so eines grösseren Ver mögens seind/vmb schädlichen gewins wegen/straffbar zumachen: darzu dann jre Diener gar wol abgericht seind/ das sie bald eine vnd andere vrsachen zufinden wissen."
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düng) direkt den Dinuna-Bestimnungen entlehnt. Wir haben im Kapitel zur Kleiderordnung schon darauf hingewiesen, dass es nicht genügt, die Kleider der Din miş nur anders zu färben, sondern die Kleider sollen von grober, schlechter Qualität sein, um auch noch das Selbstgefühl der muslimischen Armen nicht zu verletzen. 3in weiteres Indiz dafür, dass Dinmls generell keinen Reichtum zeigen dürfen (von dem eingangs angeführten Zitat CARIIER’ s abgesehen) steckt in der Praxis hinter dem Verbot, hohe und geschmückte (oder: schnucke?) Häu ser zu bewohnen. Zu der grundsätzlichen Erniedrigung, in der die Dinmis gehalten werden nüssen, passt auch der Hinweis GEORGIJEVIC’ s, die Dimmis dürften kein Schau spiel fröhlicheren Lebens geben und - auch nicht tan zen (1). Wenn nun dafür Sorge getragen wird, dass die "Ungläubigen" nicht zeigen dürfen, dass "sie jemand sind", so wird auch hier wieder die Schrift an ihnen erfüllt; derzufolge (Q IX 28) sind sie Dreck - der Plastizizät willen sei uns "Dreck" statt "Sehnutz" erlaubt(2). Die Verleumder können also nur dem islamischen Ge setz nach, da nach dem Invania-Kuster die Dimmis nicht nur in ihrem Roichtua beschnitten, sondern auch für dessen Zurschaustellen bestraft werden. Dass die Einordnung der Invania-Typologie in die Kategorie der von den f u q a h ä 5 geforderten grund sätzlichen Erniedrigung richtig ist, beweist uns auch (1) "interdieitur...Christianun...aut quae hiliarios uitae sunt (!) spectacula edere, uel chorcas ducere"; GEORGIJEVIC De origino fol. G 7 v. Analog äussert sich MENAVIKO Vita“öT~Ieğğe fol. 66 v. (2) iffiHHiSKT'IexfconiBbte neben inpurit as noch spurcities, merda, und sîercus.
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die Etymologie des Terminus: BLOCHET erklärt den Terminus, nachdem er in CARLIER’ s Bericht zum erstenmal auftaucht, so: "Vanie est 1 ’ Italien avania, d ’ oü nous avons fait avanie; avania est unc ’ imposizione rigorosa; che comunemente e quella che facevono i Turchi ai Franchi’ dit Boerio, et aussi, comme on le voit par Carlier, une calomnie; c ’ est, â n ’ en pas douter, le mol arabe havan, etat de mepris, avilisseraent, etat ού l ’ on ost in;jurieH(l). Bei Rigutini-Bulle, Italienisches Wörtcrbuch, Mai land 192? (7. Aufl.) findet sich unter avania: "schwere Steuer (welche einst die Türken den von ihnen eroberten Ländern auferlegten); Golderpressung, Plackerei, Unrecht, Vergewaltigung, Misshandlung, (neugr. von türk, hawan, Verachtung)." Die neugriechischen Wörterbücher geben für den Ter minus neben den schon genannten Entsprechungen auch: Verleumdung, Denunziation, üble Nachrede, Strafe, un glücklicher Zufall, Pech. An der etymologischen Herleitung vom arabischen "havan" kann auch der Sache nach kein Zweifel bestehen: gerade das Bedeutungsspektrum unter Einbeziehung von "Gelderpressung", "hohe Steuer" und "Verleumdung" be weist dies. Wir finden allerdings in türkischen Urkun den jener Zeit den Terminus nicht, und schon gar nicht synonym für gizya oder haräg - gerade letzterer Aus druck aber findet sich heute in den Balkansprachen wie der, etwa serbokroatisch "haraciti", im Sinne von "nep pen, aussaugen" (?). Die enge Verbindung von Tribut und Erniedrigung ha il) "3. BLOCHST in CARLIER Voyage S. 10Y Anm. 1. (2) Vgl. KISSLING Sprachprobleme S. 58.
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ben wir in der Einleitung schon geschildert: die öizya ist nach den f u q a h ä 5 sowohl Mittel zur als auch Ausdruck der Erniedrigung, die in Q, IX ?3 gefordert ist. Erstaunlich ist nun allerdings die Tatsache, dass die Dimnüs und Pranken für Schikanen dieser (und zwar nur dieser - die Ausweitung des Begriffes auf Schikanen aller Art lässt sich erst ab dem späten 17. Jahrhundert verfolgen!) Art einen arabischen bzw. türkischen Ter minus gebrauchen. Dies ist nur so zu erklären, dass die türkische Seite in diesem Zusammenhang, also bei Schi kanen nach den Invania-Muster, diesen Terminus gebrauchte, woher ihn dann die Christen übernahmen. Das beweist dann aber wiederum, dass die islamische Seite den ganzen Vorgang eben nicht als eine Art "Rechtshandlung" oder "Strafvollzug'' auffasste, sondern tatsächlich als De mütigung der îliehtmusline - womit man freilich nur ei nen; Grundsatz der f ii q a h ä 3 nachkara (und nebenbei kräftig kassierte). Das Schema aber, aus dem sich die Invania-Typologie und die Erniedrigung herleiten, iat direkt den Dirama-BeStimmungen entnommen, in diesen vorgegeben. Die ge läufigste Schikane - ”il n ’ y ha aussy rien plus commun en Turcquie" sagt CARLIER - des Osmanischen Reiches ge gen seine Nichtnmslime hat ihren Bezugsrahmen genau in jener Dimma, die "Schutz, Obhut" bedeutet, und zwar nur in dieser. (Wir finden keine Verleumdung einer Tat, die auch nach den Gesetzen der Dimmxs strafbar wäre, wie etwa Diebstahl, oder Unzucht schlechthin!) + + +
FÜNFTES KAPITEL
Neudefinition des Begriffes "Dimma" Wir hatten eingangs die Frage gestellt, welche "social factors" denn - da cs keine regelrechten Po grome gab - zum Ausdünnen bzw. Verschwinden von ganzen Dimmi-Gemeinden führten. Nachdem aber die sozialen Be dingungen der Dimmis durch die Dimma-BeStimmungen de finiert sind, mussten wir CAHEN’ s "social factors" mit diesen gleichsetzen und fragen, was diese Bestimmungen für die Integration der Dimmis leisten. Dabei fanden wir (a) Bestimmungen, welche die struk türellen Voraussetzungen für Integrität und Identität abschaffen, untergraben und aushöhlen, sowie (b) Be stimmungen im sozialen Bereich, die das Individuum zer mürben. Auf der Grundlage dieser beiden gewissermassen vorbereitenden Faktoren wirkt danr. aktiv (c) die Proselytenmacherei. (a) Bestimmungen, welche die strukturellen Voraus setzungen für Integrität und Identität abschaffen, untergraben und aushöhlen: - D i e geographische Integrität wird durch Sinpflanzen islamischer n u c 1 o i aufgesprengt. - D e r kultische Bezugspunkt der Dimmî-Gencinden wird aktiv entzogen, wobei es ferner zu kultischen Be schnei düngen nach islamischen Masstäben kommt. - Die Autonomie der Dimmis wird a'if unwesentliche Be reiche reduziert, ohne dass ein alternativer Rahmen
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("Staatsbürgerschaft" im Dar al-Isläm) den Verlust an Rechten (etwa in Fragen des Rechtsschutzes und der Rechtsfähigkeit) ausgleichen würde. (b) Bestimmungen im sozialen Bereich, die das Indivi duum zermürben: - D i e diskriminierenden Massnahmen sind nicht normativer Ausdruck einer anderen Stellung der Dimmis, sondern sie werden bewusst zu deren Erniedrigung eingesetzt. - Die soziale Umwelt der Dimmis ist gekennzeichnet von Angst, Unsicherheit und Erniedrigung. (e) Die Proselytenmacherei gründet sich methodisch nicht auf Missionierung, sondern auf den Dimmis gestellte Fallen. In all diesen Punkten konnten wir feststellen, dass die angebotene Dimma mit der durchgeführten nicht iden tisch ist: - Den Dimmis wird ihr Immobilienbesitz zugestanden; aus diesem werden sie vertrieben, sobald islamische n u c 1 e i in der Nähe erscheinen. - Den Dimmis wird Besitz an ihren Kirchen zugestanden; diese v/erden geschlossen oder geschleift, sobald in ihrer Nähe eine Moschee entsteht. - Den Dimmis wird Freiheit der Kultausübung zugestan den; diese wird aber nach islamischen Masstäben
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reehtgestutzt, und die KultausÜbung wird unter die Schwelle sinnlicher 'Wahrnehmbarkeit horabgedrückt; deshalb mussten wir den Toleranzbegriff für die Ebene des Kultus ersatzlos streichen: er ist gegenstands los.
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- Den Dimmls wird die Gültigkeit ihres internen Rcchts zugesichert; aus diesem Bereich ist aber die Straf gerichtsbarkeit ausgenommen. Die Schiedssprüche der Dinm-Geriehte sind weder vollstreckbar, noch rechts verbindlich, noch ist diese Gerichtsbarkeit aus schliesslich: sie ist nicht autonom. Wendel sich der Diramî an das Scheriatgericht, so gilt islamisches Recht auch gegen das Religionsgesetz der Dimmîs. Da für diese aber andererseits der Rechtsschutz des Muslim nicht gilt,entsteht ein rechtliches Vakuum. - Durch die Dimma sind die Michtmuslime verpflichtet, die Ğizya zu erlegen und alle übrigen Pflichten zu erfüllen, welche ihnen der Islam auf erlegt-, "wogegen die Muslime sich nicht nur dazu verbinden, sie künf tighin in Frieden zu lassen, sondern auch, sie gegen Angriffe dritter zu schützen..." (1). Die diskrimi nierenden iiassnhamen in ihrer ganzen Breite decken sich mit dieser Verpflichtung keineswegs - lediglich die offenen Kampfhandlungen werden eingestellt, aber die Dimmîs werden nicht in Frieden gelassen. - Die zugestandene Sicherheit (Obhut, Schutz etc.) der Dimma erweist sich in der Praxis als direkte Ursache von Angst, Unsicherheit und Erniedrigung. So ent steht etwa die Angst vor den Folgen der Missachtung der Kleiderordnung erst durch die Dimma, die Angst vor erhöhtem Risiko bei Einhaltung der Kleidervor schrift ebenfalls. - Den Dimmîs wird zuges tariden, dass keiner aus ihren (1) JUYNBOU Handbuch S. 350.
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Reihen "mit Gewalt" zum Muslira gemacht wird. Dennoch brachte man Dimmis in Situationen, aus denen sie nur die Konversion retten konnte. Es wäre nun zu fragen, ob hinter dieser Diskrepanz bei jedem Punkt, die zwischen der angebotenen und der durchgeführten Dimma festzustellen ist, sich der popu lärwissenschaftlich so beliebte "Unterschied zwischen Theorie und Praxis" verbirgt. Dem ist nun nicht so, die Diskrepanz liegt schon in der "Theorie" selbst, im islamischen Recht und den Dimma-BeStimmungen: - Das Wohnrecht bzw. der Immobilienbesitz der Dimmis bleibt nur gewährleistet, wenn keine Muslime in diese Viertel ziehen, da sie dort durch die Anwesenheit der Nichtmuslirae gestört werden, zumindest in ihrer An dacht, also: sobald eine Moschee gebaut wird. - Dann aber kann auch der Besitz an Kirchen nicht weiter bestehen, da eine Kirche nicht näher als eine Meile an einer Moschce stehen darf. Der Besitz an Kirchen kann also nur bestehen, wenn keine Moschee in der Nähe gebaut wird. - Die Autonomie der Dimmis wäre nur gewährleistet, wenn sie nicht unter die Herrschaft der Muslime gerieten, da die Einschränkung ihrer Gerichtsbarkeit ein Aus fluss der politischen Herrschaft des Islam ist. - D i e diskriminierenden Massnahmen würden nur dann auf gehoben, wenn der Islam auf dem gemischten Wohnen nicht bestehen, sondern eine Ghetto-Lösung anstreben würde. Dies für den Bereich, wo die unterscheidenden Zeichen wertneutral-normativ verstanden werden:sie wären nicht "nötig". Auf der Ebene aber, wo diese
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Massnahmen als Ausdruck der minderen Stellung, und als Mittel zur Erniedrigung "betrachtet werden, können sie nur fortfallen, wenn der Islam den Schluss von Q IX 29 ersatzlos streichen würde, bzw. wenn die f u q a h ä 3 die Stelle anders interpretieren würden. - D i e Proselytenmacherei könnte nur aufhören, wenn der Islam keinen missionarischen Eifer hätte. Also: Dimma wäre in der angebotenen Form nach der reinen Lehre schon nur dann durchführbar, wenn es sie nicht gäbe. Weniger paradox, aber praxisbezogener aus gedrückt, wäre Dimma nur dann durchführbar, wenn der Islam auf Besiedlung der unterworfenen Gebiete ver zichten würde, wenn er dort keine politische Herrschaft ausüben, und keinen missionarischen Eifer zeigen würde. Mit anderen Worten: die angebotene Dimma kann gar nicht durchgeführt werdenJ Somit ist erwiesen, dass die Dis krepanz zwischen der angebotenen und der durchgeführten Dimma nicht auf einen Unterschied von Theorie und Praxis zuriickgeht, sondern in der "Theorie" schon vorgegeben, dass sie konstruiert ist! Wozu dient nun aber diese Dimna? - Vertreibung aus angestammten Wohnvierteln dient der Integration. Die Vertreibung resultiert aas dem engen Zusammenleben. - Das enge Zusammenleben dient der Integration der Dimmîs. - Das Wegnehmen (gleichgültig, in welcher konkreten Form!) von Kirchen dient dem Erlöschen des anderen Glaubens, also der Integration. - D i e diskriminierenden Massnahmen werden zum Ziele
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der Integration eingesetzt. - Selbst alle Schikanen (unter Einschluss der Invania-Typologie), denen die Dimmis ausgesetzt waren, sind direkt den Dimma-Bestimmungen entlohnt, sind in die sen vorgegeben, oder stellen eine Pervertierung der den Dimmis auferlegten Pflichten dar. Schikanen ohne Bezug zu diesen Bestimmungen lassen sich nicht, nachweisen: Schikane ist der Dimraa immanent. Da aber die Dimmis bedrückt werden sollen, um sic zur Konversion zu treiben, dient auch die Schikane der Integration. Dirama ist also das Medium zur Konversion. Somit werden die bisherigen Definitionen von Dimraa als Schutz, Gastfreundschaft, Koexistenz und Symbiose (1), aber auch die der "Toleranz" hinfällig. Die Dirama regelt zwar eine Art von Koexistenz, aber sie dient nicht zu deren Erhaltung, sondern im Gegen teil zu ihrem Erlöschen - und zwar expressis verbis! Deshalb lässt sie sich auch nicht mit dem Duldungsbegriff unseres Ausländerrechts beschreiben, da dieser ja die Integrität des Ausländers nicht antastet, son dern 3 einen Aufenthalt hier kündbar macht. Dagegen zielt die (nach Ibn Taimiyya durchaus auch kündbare) Dirama ja nicht auf Ausweisimg nach einiger Zeit ab, sondern auf Integration der "Geduldeten”. (1) Dies gegen CAEEîf, Art. Dhimma in El2 , hier S. 230. Wenn man schon ein biologistischcs Modell bemühen will, so müsste man Parasitentum statt Symbiose wählen: die Symbiose beruht ja bekanntlich darauf, dass jeder der beiden Partner den anderen (und nur diesen!) notwendig braucht um existieren zu können “was aber für die Dimmis keinesfalls gegeben ist!
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Hierin aber offenbart sich ein weiteres Kritoriu:n für die Neudefinitior. des Begriffes: der temporäre Charakter der Dimma. Der zugrundeliegende Koranvers (Q IX 29), "Kämpft gegen sic, bis sie kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten" reicht natürlich nicht aus, die Dimma zu beschreiben. Dieser Vers legi nur drei Punkte fest: 3ndo dor (offenen) Kampfhandlungen, Tri butzahlung, und die umstrittene Erniedrigung. V/ir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die f u q a k ä 3 den Auftrag zur Erniedrigung dor Dimmis aus den direk ten Zusammenhang mit dem Tributzahlen lösten, und ihn verallgemeinerten. Durch dio grundsätzliche Erniedri gung der Dimmis wird aber der religiöse Herrschaftsan spruch dos Islam keineswegs aufgegeben (1), und es ist "inner im Bewusstsein der fiuslime der Gedanke wachge blieben, dass diese Regelung (sc. Dimma)... eigentlich dem Geiste des Islam zuwiderläuft und nichts weiter ist als ein Kompromiss mit Verhältnissen, die man nun ein mal nicht ändern kann" (2). Man konnte durchaus, wie wir gesehen haben, und das Mittel zu dieser Änderung ist genau die Dimma selbst! Das Unbehagen, welches die muslimische Seite gegen über jener Situation empfindet, die aus den raachtpolitischen Gegebenheiten im Augenblick der Unterwerfung entstanden war, die aber keinesfalls festgeschrieben (1) So wird ja auch das Gihäd-Gebot selbst erst am Jüngsten Tage aufgehoben; vgl, FATTAL Statut S. 16. (2) TAESCHNER, Franz: Antichristliche Bestrebungen im Vorderen Orient. Kit eınearFacRÎrağ von G. Jaschke. In: Chrisfen-üna-Sntichristen. Hrsg. v. L. Kilger. Hiltrop 1954, S. 182-192, hier: S. 185.
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werden sollte, dokumentiert sich nicht nur in den Be stimmungen der f u q a h ä % durch welche die 3imma ja geradezu das Medium zur Konversion wurde, und wo diese Limma ja schon temporär konzipiert ist (da nur durchführbar, solange keine Muslime zuziehen etc., vgl. oben S. 329 f.). Dieses Unbehagen dokumentiert sich auch historisch in gelegentlichen Versuchen, die Dimma schlicht für gegenstandslos zu erklären: - In jenem Brief, mit dem cümar II. seine dimmifeindlichen Massnahmen einleitete (1), heisst es: "jetzt- ist es an der Zeit, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen, ihre Religion zu vernichten (!), und sie auf den Platz der Schande und Erniedrigung hinabzudrücken, den Gott ihnen zugewiesen hat" (2). ~ Sultan Muräd ΓΙΙ. argumentierte, die Privilegien der Kirchen Istanbuls stammten aus einer Zeit, da die Stadt neuer Siedler bedürftig war, nun aber, da sie von Mus limen überquelle, seien diese Privilegien hinfällig ge worden (3) - womit er sich des Arguments Ibn Taim.iyyas bediente, demzufolge die Dimmîs von ihrem Status nur so lange profitieren, als die Muslime ihrer bedürfen. (1) Vgl. FATTAL Statut S. 248. (2) Da der Kalif aTesen Brief mit dem Zitat von Q IX P8 beginnt ("Die 'Jngläubigen sind Schmutz") ist gan» klar, worin er die "Platii Zuweisung" durch Gott sieht. Auch dies macht die orientalistische Diskussion hinfällig, ob unter den ".uusriküri" auch die Dimnis ku verstehen seien: für cllmar II. und die f u α a h ä 3 auch der späteren ZeiL war diese Gleiehsotzung selbstverständ lich (vgl. auch Q IX 30!), und uns sollten koranjsehe Vorschriften nur in muslimischer Auffassung interessie ren! (3) Vgl. oben S. 74.
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- Rigoroser war in vorosmanisc.her Zeit argumentiert worden, indem etwa ein Wesir aus dem Maghreb auf der Durchreise durch Ägypten einen Hadrt anführte, demzu folge der Schutzvertrag (cahd ad-dinnna) sechshundert Jahre nach der Higra auslaufen würde (1), oder als um 1100 ein f a q I h aus Cordoba behauptete einen Hadrt entdeckt zu haben, demzufolge sich die Juden Muhammad gegenüber verpflichtet hätten, den Islan anzunehmen, wenn der Messias nicht bis zum Ende des fünften Jahr hunderts 2er Higra gekommen sei (2). Trotz der Ein schränkung auf die Juden (3) ist der Zusammenhang bei der Behauptungen evident. Hiermit wird eines klar: gerade die Dauer de3 Dinma-Vcrhältnisses führt Kum Ärgernis, was wiederum beweist, dass die Diinma nicht nur nicht als Kocxistenzfomcl konzipiert ist, sondern von den Muslimen auch nicht als solche empfunden wird. Das Ärgernis rührt nun freilich nicht aus den Andau ern schlechthin, sondern daraus, dass die Dimmis sich trotz der Dauer der ja eigentlich auf Integration zie lenden Dimma nicht integrieren wollten, sondern eben nach anderen Möglichkeiten des "Überlebens" suchten: dieser Zusammenhang zeigte sich ganz deutlich bei der (1) WliSNER Zur^Geschichte Ägyptens S. 63. Auch dies gegen die BeHaûpÎung7 Sie Dîınma'seı ad infinitum kon zipiert ! (2) FATTAL Statut S. 173. (3) Es wäre eine eigene Untersuchung wert, die DinuniPolitik daraufhin zu betrachten, wie, zu welchem Zweck, und unter welchen (wechselnden) Voraussetzungen Juden und Christen gegeneinander "ausgespielt" wurden; so etwa auch in Religionsgesprächen!
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Problematik der Ersatzkirchen. Wenn der Kirchenschwund dazu führt, dass Dimmis ihren Gottesdienst in Privat häusern abhalten, so sind diese als neuerbaute Kirchen zu betrachten und zu schleifen - denn so war die zugestanrione Kultfreiheit ja nicht gemeint, die nichtislaad sehen Religionen sollen nicht "ewig" bestehen. Dies gemahnt im Tenor ganz an Q IV 171: "Ihr Leute der Schrift! Treibt es in eurer Religion nicht zu weit!" Es wäre freilich auch zu überlegen, ob dieses empfun dene Unbehagen - das ja auch seine psychologischen Ur sachen und Auswirkungen hatte - nicht zum Teil darauf beruhte, dass die Muslime ständig mit den "Ungläubigen" konfrontiert waren.: auf Schritt und Tritt begegnete ihnen doch der lebende und lebendige Beweis, dass der Islam nicht einmal im eigenen Herrschaftsgebiet ("bei sich daheim"!) die alleinige Religion war! Das hieraus resultierende Missbehagen hätte sich aber erheblich re duzieren lassen, wäre man diesen Beweisen nicht stän dig begegnet, konkret: hätte es Ghettos gegeben, und hätte der Islam auf unterscheidende Kleidung (im nor mativen Sinne) verzichtet. Die Ghettos aber hätten das geschlossene Überleben der anderen Religionen gewähr leistet (daher Abu Yusufs Begründung für das gemischte Wohnen), was eben nicht sein sollte! Eine einheitliche Kleidung wäre Assimilation gewesen, die Dimma dringt aber auf Integration! Je mehr Assimilation aber möglich ist (wodurch das Missbehagen abgebaut würde), umso weniger muss den Dimmis Integration geraten scheinen, weil dann ihr Missbehagen (die Bedrückung) reduziert würde! Also war es - angesichts des Zieles einer "weit-
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weiten" İslâmîsierung - unumgänglich, auf Assimilation zu "verzichten". Dabei hatten die f u q a h ä 5 sicher nicht einbezogen, dass sich die Dimmis als demassen resistent erweisen würden. Daher das Ärgernis aus der Dauer des Dimma-Verhältnisses. Es wäre nun falsch zu sagen, die Dimmis hätten diese Resistenz wegen der Dinnna aufgebracht, bzw. sie wäre ihnen durch die Dimma ermöglicht gewesen. Wir haben ja gesehen, dass die Dinma-BeStimmungen in jedem Punkt auf Integration abzielen. Es wäre aber auch nicht ganz zu treffend zu sagen, den Dimmis wäre diese Resistenz trotz der Dimma möglich gewesen. Schliesslich sicherte ihnen dieselbe Dimma, die auf Integration abzielt, den Besitz an Immobilien, Kirchen, ferner freie Kultaus übung etc. zu! Der Widerspruch liegt, wie oben aufge zeigt, schon in der "Theorie”selbst: die Dimma ist in der angebotenen Form gar nicht durchführbar. Es gibt aber noch einen anderen Widerspruch: den zwischen den konkreten Verträgen und den s u r ü t! So ist in den konkreten Verträgen von diskriminierenden Massnahmen keine Rede. Es ist dort auch keine Rede da von, dass die Dimmis ihr Wohn- und Arbeitsrecht in ih ren Vierteln verlieren, sobald diesen ein islamischer n u c 1 e u s eingepflanzt wird. Es ist auch keine Rede davon, dass ihr internes Rechts in praxi hinfällig wird etc.! Angeboten wird den Mchtmuslimen also nur eine Dimma, die für sie akzeptabel ist - die aber, ungeachtet der konkreten Verträge - scheriatrochtlich auf Dauer gar nicht praktikabel ist, weil eben eines Tages Musiixe
zuziehen. 7iir hätten schon bei der Feststellung der Diskrepanz zwischen angebotener und durchgeführter pimna (vgl. oben 3. 327) fragen können, ob die Dimma nicht den Charakter einer List hat, doch schien es uns geraten, erst noch den Nachweis zu erbringen, dass diese Diskrepanz nicht auf dem Unterschied von Theorie und Praxis beruht, sondern in der "Theorie”selbst begrün det liegt. Nachden nun aber dies erwiesen ist, und wir ferner feststellen können, dass die angecotene Dimma nicht nur nicht durchführbar ist, sondern dass nur eine Dimma angeboten wird, die akzeptabel und durchführbar erscheint - obwohl sie nicht durchführbar ist - müssen wir im Diimna-Ange'bot eine List sehen. Hierbei ist es nötig, die Dinuna nicht mehr isoliert als Problem des Dar al-Isläm zu betrachten, sondern sie einzubauen in das bipolare System von Dar al-Islam und Dar al-Karb. Dort, aber "kann auf beider. Seiten jede Ko existenz ormel nur aufachlebendes Moment oder, mora lisch gesehen, Unglaubwürdigeit sein" (1). Die Dimma war ja aus einem Angebot des Islam an die Ungläubigen entstanden, das ihner: im Falle friedlicher Unterwerfung Schutz von Leben und Besitz, sowie Frei heit der Religionsausübung zusicherte. Dieses Angebot iat unter bestimmten Umstfenden (Verteidigungslage, Truppenverhältnis etc.) durchaus akzeptabel. Diese Regelung ermöglicht dem Islam vorübergehend eine territoriale Ausbreitung unter Verzicht auf re ligiöse Herrschaft. Dennoch werden schon früh Vorkeh il) KISSLING Rechtsproblematiken S. 7.
runger. für eine spätere, bzw. ""beiläufig sieh ergeben de " Isla.jTiisierung der Unterworfenen getroffen, nämlich durch Einpflanzen islamischer η u c 1 e i. Wir haben gesehen, dass die Islsmisierung Galatas zu einer Zeit begann, da sie in Stambul selbst noch keineswegs für die muslimische Seite ein eindeutiges Übergewicht ge zeitigt hatte, und dass, so geringfügig die Islamisierung Galatas i n t r a r a u r o s auch noch war, doch dem Abwandern der dortigen Dimmis in das spätere Galata e x t r a r a u r o s sofort islamische n u c 1 e i dort hin folgten: hiermit war der Grundstein für weitere Islamisierung anderer Viertel bereits in: Kern (nucleus!) gelegt. Da aber mit dem Singehen der Dimma islamischerseits der religiöse Herrschaftsanspruch nicht aufgegeben, den Dimmis aber Religionsfreiheit zugestanden wird, ent steht ein Schwebezustand. In diesem kommt der Dimma in der Form Bedeutung zu, die sie durch die f u q a h ä 3 erhielt und wie wir sie hier beschrieben: als lang fristig konzipiertes Instrument zur Integration. Wenn CAH.ÖÎ (1) sagt, erst spätere Prinzipienreiter (doctrinaires) hätten die ursprünglich toleranten Be stimmungen des Koran restriktiv ausgelegt, so muss dem entgegengehalten werden, dass ja erst die f u q a h ä 3 eir.e Systematisierung der Dimxa brachten, wohingegen es früher nur Einzelverträge gab, in denen die "Dimma Got tes und der Gemeinde Muhammads" ein eher theologischer Begriff war; durch die f u q a h ä 5 aber wurde die (1) GAREN Art. Dhimma in EI“, hier S. 227.
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Dimma zur staatsrechtlichen Konzeption! "Die" Dimma schufen erst die f u q a h ä Aber auch in der Zeit vor dieser Systematisierung gab es eigentlich keine Grundsätze, die der. von CAHEN postulierten toleranten Geist atmen würden. Der Koran selbst zeichnet von den Ungläubigen ein "schmutziges" Bild ewiger Verworfenheit. Wir wollen hier nur jene Stellen aufführen, die im Kontext dieser Neudefinition, besonders aber hinsichtlich des List-Charakters der Dinma von Bedeutung sind. Nach dem Koran - der ja für den Muslim cas Wort Got tes ist! - sind die Nichtmuslime den Muslimen ausgespro chen feindlich gesinnt: "Die Juden und Christen werden nicht mit dir zufrie den sein, solange du nicht- ihrem Bekenntnis folgst” (Q II 120). "Sie werden nicht müde, Verwirrung unter euch anzu richten, und möchten gern, dass ihr in Bedrängnis kommt (Oder: zu Fall kommt?). Aus ihren Äusserungen ist (schon genug) Hass kundgeworden. Aber was sie (an Hass und Bosheit) insgeheim in ihrem Innern hegen, ist (noch) schlimmer." (Q III 118) Besagt dies nur die grundsätzlich feindliche Ein stellung der Ungläubigen gegen die Muslime (der &ihäd wäre dann also rein defensiv!), so beziehen sich andere Stellen direkt auf die Vertragstreue der Nichtmuslime: "Sie halten hinsichtlich eines Gläubigen weder Bin dung (i 1 I) noch Verpflichtung (d i m m a)" (Q IX 10). Die Schriftbesitzer glauben sich aber - so der Koran, also Gottes Wort! - zu Vertragsbruch, Betrug und Dieb stahl an Musiinen berechtigt: _"Das (kommt daher) dass sie sagen:’ Bei Heiden (u mm i y u n) machen wir uns (mit einem solchen Verhalten)
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nicht schuldig." (Q III 75) Ein Hadlt sagt lapidar: "Die Juden und Christen sind Verräter" (1). Auf diesem Hintergrund überrascht eine andere Offen barung nicht mehr, die bereits in die Sphäre der Taktik verweist: "Und wenn du von (gewissen) Leuten Verrat fürchtest, dann wirf ihnen (den Vertrag) ganz einfach hin!" (Q VIII 58) (2). Die Dimmls aber sind aber a f o r t i o r i diese "gewissen Leute", da sie sich zum Vertragsbruch berech tigt glauben (nach Q III 75), und auch Vertragsbruch be gehen (nach Q IX 10). Zu befürchten ist ihr Vertrags bruch natürlich auch stets, da sie den Muslimen feindlich gesinnt sind (nach Q II 120 und III 118). Nachdem aber (1) PATTAL Statut S. 237. (2) Dies isf 5as Gegenprinzip von "pacta sunt servanda"! Man hat oft Befremden darüber geäussert, dass der Koran den Muslimen einschärft, Verträge auch zu halten, etwa BERGSTRÄSSER Grundzüge S. 10: "Der Sicherung der Ver tragserfüllung 5Ienen~Vorschriften über die Form des Vertragsabschlusses (möglichst schriftlich)und - noch charakteristischer - das Gebot, die Verträge zu erfüllen." Als Stellennachweise nennt BERGSTRÄSSER Q II 282 f., XXIV 33 und LXX 32. Diese Verse beziehen sich nun frei lich nur auf Verträge im muslimischen Milieu! Wenn nun also Tnäch Q VIII 58) ein Vertrag mit Nichtmuslimen nicht gehalten werden muss, so könnte man sagen, dies beruhe ja nur auf Gegenseitigkeit (vgl„ Q, III 75). Doch gründet sich letztgenannte Stelle ja nicht auf Empirie, sondern auf Gottes Wort! Auf dieser Legitimation auf bauend kann man der muslimischen Seite dann wegen Ver tragsbruch gar keinen Vorwurf machen, selbst dann nicht, wenn die Nichtmuslime den Vertrag strikt einhalten, also der Schrift nicht entsprechen!
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schon die alleinige Befürchtung des Verrates hinreicht, islamischerseits den Vertrag "hinzuwerfen", diese Be fürchtung im Falle der Dimmis aber prinzipiell gegeben (oder: durch Gottes Wort vorgegeben) ist, kann gar kein bindendes Recht entstehen (1): die Dimma kann - für die Muslime - keinen rechtsverbindlichen Charakter haben! Daran ändert - in Anbetracht der koranischen Grundla gen - auch die Aussage nichts, die Dimma sei durch die Gewissensbindung der Muslime gesichert (2). Eine rechts verbindliche Dimma kann auf koranischer Grundlage gar nicht entstehen - wobei die Schuld dafür nach dem Koran nur bei den hinterhältigen Ungläubigen liegt! Nachdem aber die Rechtsschöpfung im Islam auf Koran und Sunna angewiesen ist, kann man jene f u q a h ä % welche die Dimma den angeführten Versen folgend syste matisierten, nicht - wie CAHEN es tut - einer intoleran ten Prinzipienreiterei zeihen (auf welchen anderen Prin zipien sollten d i e f u q a h ä 5 denn reiten?): sie bau ten Gottes Wort in das Rechtssystem ein, mehr nicht! Wenn wir nun also fcsthalten, dass die Dimma keinen rechtsverbindlichen Charakter hat und nicht haben kann, (1) Letztliche Klarheit schafft aber Q IX 7 (samt der folgenden Verse!): "Wie sollte es denn für die Heiden bei Gott und seinem Gesandten ein Bundesverhältnis ge ben (das ihnen gegenüber einzuhalten wäre)...?" Dass hier von "musrikun" die Rede ist, braucht uns nicht zu stören, da die spätere Zeit alle Schriftbesitzer (und die Christen wegen des Trinitätsglaubens schon doppelt!) zu den Polytheisten rechnete, und dem f a q ϊ h ja der Koran nicht als Geschichtsquclle dient. Vgl. auch oben S. 333 Anm. (2) und QIX 30! (2) So etwa BERGSTRÄSSEK Grundzüge S. 43.
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so dürfen wir in der früher festgestellten Diskrepanz zwischen angebotener und durchgeführter Dimma eigentlich keinen "Vertragsbruch" im üblichen Sinne des Wortes se hen, da diesem Vertrag (für die muslimische Seite!) von vornherein ja die Verbindlichkeit fehlt (für die Dimmis ist diese Verbindlichkeit allerdings nicht nur gegeben, sondern auch noch durch drastische Strafen abgesichert!). Dies mag man als "Entschuldigung" für den "Vertrags bruch" gelten lassen, es ändert aber nichts daran, dass wir in der Dimma eine List erblicken müssen. Im Gegen teil: gerade die Tatsache, dass der Islam den Dimma-Vertrag auch für sich als bindend hinstellt (was er nach den koranischen Grundlagen nicht sein kann, und in der Praxis auch nicht ist!) beweist einmal mehr den List-Charakter der Dirama! Bevor wir aber die Analogie von Dimma ur.d Mudärä betrachten, bietet sich - wegen der Einordnung in das bipolare System von Dar al-Isläm und Dar al-Harb - noch der Vergleich mit dem Amän-Recht an, da ja der Mustalmin in etwa dieselben Rechte hat wie der Dinar.!. Der wirklich wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Amän in der Regel einem Individuum auf beschränkte Zeit erteilt wird, die Dimma aber einem "Volk", und auf unbeschränkte Zeit (wir haben schon öfter präzisiert, dass das Nichterwähnen einer zeitlichen Grenze nicht gleichbedeutend ist mit der Aussage, die Dimma sei ad infinitum konzi piert) . Die f u q a h ä 5 hatten bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts der Higra das Anän-Recht im Rahmen des öihäd ausgebildet (I), ohne freilich dadurch gleich die (1) HEFFEKING Fremdenrecht S. 111.
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Möglichkeit des Schutzes von Musta’ mins auszuschliessen. Es drängt sich die Frage auf, ob nicht auch die Dimita (als staatsrechtliches Konzept) in diesem fiahmen be trachtet werden kann. Die Frage ist insofern berechtigt, weil die Dimma aus derselben bipolaren Situation von Dar al-Isläm und Dar al-Harb entsteht wie der Amän (cum grano salis liesse sich sogar sagen, dass diese Bipolarität auch innerhalb des Dar al-Isläm forfbesteht, so lange es dort Dimmîs gibt!), und auch weil mit Abschluss des Unterwerfungsvertrages der Islam ja seinen religiösen Weltherrschaftsanspruch nicht aufgibt. Dieser gilt auch im Dar al-Isläm weiter, zumindest nach der reinen Lehre. Da der Dinnuî aber nicht vollwertiger "Staatsbürger" des Dar al-Isläm ist, vielmehr - solange er eben Nichtmuslira bleibt - virtuell eher dem Dar al-Harb zugehört (1), kann der Kriegszustand nur als suspendiert betrachtet werden. Der Amän hat seine koranische Rechtfertigung in Q IX 6 (2): "Und wenn einer von den Heiden dich um Schutz an geht, dann gewähre ihm Schutz, damit er das Wort Gottes (1) Zwar wollen wir in eine Terminologie prinzipiell nicht zuviel hineininterpretieren, aber in diesem Zusam menhang sei ein eigenartiges Phänomen erwähnt, das sich in allen von uns benutzten osraanischen Quellen des 16. Jahrhunderts findet: mit "kafir" werden immer die Chri sten bezeichnet (obwohl Ja auch die Juden "Ungläubige" sind!), die Juden aber heisson immer "yahud". Zwar fin det sich für die Christen mitunter auch "nasärä", aber für die Juden findet sich nie "kafir". Analog werden die Religionen als "dm-i batil" und "dîn-i yahudi”be zeichnet. Wegen der virtuellen Zugehörigkeit des Dimmi zum Dar al-Harb sei darauf hingewiosen, dass diese für die Juden mangels eines jüdischen Staates nicht gegeben sein konnte. (2) HEFFENING Fremdenrecht S. 19.
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hören kann! Hierauf lass ihn (unbehelligt) dahin ge langen, wo er in Sicherheit ist!..." Nun, die Begründung für den Amän, "damit er (sc. der Müstağnin) das Wort C-ottes hören kann", ähnelt sehr der Legitimation des erigen Zusammenlebens von Dimmis und Muslimen, wie sie Abu Yûsuf nennt: das enge Zusammen leben führe die Di;nmîs zu einer besseren Kenntnis des Islam, und verleite sie zur Konversion. (Wir haben ge sehen, dass erst auf dieser Grundlage der Druck ausge übt werden konnte, der - gewissennassen in Pervertierung von Abu Yusufs Argument - die Dimmis zur Konversion treiben sollte.) Die Voraussetzungen für Dimma und Amän sind algo eben so analog, wie die Konsequenzen ihrer Verletzung durch die Nichtmusiine --wobei in beiden Fällen der jeweilige "Vertrag" muslimischerseits aufgekündigt werden kann, bzw. von vornherein nicht rechtsverbindlich ist. Wir haben oben gesehen, dass alle Dimma-Bestinsnungen auf eine Konversion der Dimmis abzielen, und die Be gründung für jeden Punkt dieser Bestimmungen auch expressis verbis dahingehend lautet. Somit ist erwiesen, dass die f u q a h ä 3 die Dimma - wie der. Amän - in die Auseinandersetzung mit den Ungläubigen einbauten. Sie ist kein Prinzip von Koexistenz, sondern im Gegenteil just das Medium zur Islamisierung. Somit ist die Dimma selbst eine kriegsrechtliche Institution, eine "Fort setzung des öihäd mit anderen Mitteln". (1). (1) BERGSTRÄSSER Grundzüge S. 43 hat das Kriegsrecht als die Grundlage der Islamischen Einstellung zu den Ungläu bigen definiert, was sich auf die - gleichfalls ungläu-
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Dass die Dimma dabei ursprünglich als "Schutz" und "Obhut" angeboten worden war, ist kein Widerspruch. Wir haben schon aufgezeigt, dass ihr der Charakter einer List insofern zukommt, als einerseits nur akzeptable Bestimmungen angeboten werden, andererseits eine Dimma in dieser Form, weder nach den s u r ü t durchführbar ist, noch auf koranischer Grundlage bindendes Recht darstellen kann. Wenn wir nun aber diese Dimma (mit dem Charakter von "List") in die Auseinandersetzung mit den Ungläubigen einbauen, als "Fortsetzung des &ihäd mit anderen Mitteln" definieren können, so präzisiert genau dies auch den scheriatreehtlichen Charakter dieser List: im "inter nationalen" Bereich ist das Prinzip, durch einen Waffen stillstand erst jene Kräfte zu sammeln, mit denen es dann möglich ist, den Waffenstillstand - scheriatmässig abgesichcrt - erfolgreich "brechen" zu können, als m u d ä r ä bekannt. Aus Analogiegründen wollen wir die Dimna als "innenpolitische" m u d ä r ä bezeichnen, oder als innenpolitischen Spezialfall von m u d S r ä ( l ) . Genau wie die Mudärä setzt die Dimma voraus, dass bigen - Dimmis natürlich mutatis mutandis übertragen lässt. Wegen des Endes offener Kampfhandlungen aber (Q IX 29: "Kämpft gegen-sıe-îns sie...Tribut entrichten") erfährt hier das Kriegsrecht eine spezielle Ausprägung: die permanente Erniedrigung (die eben kein "in-Frieden-Lassen" darstellt!). Wir können diese permanente Er niedrigung als Grundeinstellung des Islam zu seinen Dimmis definieren. Genau wie das Kriegsrecht i:n inter nationalen Bereich dient sie im nationalen der Islatnisierung. (1) Zur "ausscnpolitischen" Mudärä vg]. K.ISSLING Kechtsp r°bl eniatiken.
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sich die nichtmuslimische Seite in Sicherheit wiegt. Im internationalen Bereich wird dies erreicht durch Frie densverträge bzw. Waffenstillstände - die ja islamischer sei ts gar nicht gehalten werden dürfen, also keinen rechtsverbindlichen Charakter haben können (davon wird gleich noch die Rede sein). Im Falle der Dimma ist auch der "Vertrag" muslimischerseits nicht rechtsverbindlich, und er kann in der vorliegenden Form auch gar nicht durchgeführt werden. So wie im Falle eines Waffenstillstands dieser nur zum Kräftesammeln dient, also die Voraussetzung (auf der taktischen Ebene) ist für den nächsten Angriff, so ist auch die Dimma (in der angebotenen Form) die Vor aussetzung fiir die Mechanismen der Islamisierung, wie sie in just dieser Dimraa vorgegeben sind. So wie im internationalen Bereich der Waffenstill stand ein Zugeständnis an machtpolitische Situationen ist, die im Augenblick eine erfolgreiche Fortsetzung des Gihäd nicht ermöglichen, so ist die Dimma ein Zu geständnis an die konfessionellen Proportionen der Be völkerung, die im Augenblick eine Tiefenislamisierung nicht ermöglichen. Kudärä und Dimma sind also beide gekennzeichnet von einem Schwebezustand, der aus der momentan praktischen Unvereinbarkeit der reinen Lehre mit den realen Gegeben heiten entspringt. Im Falle der Dirnma gesellt, sich zu dieser "taktischen" Problematik noch eine "strategische”: Tiefenislamisierung wäre nur bei Verzicht auf rasche territoriale Ausbreitung möglich. Gerade diese Diskre panz aber erweist die Dimma als Mudärä insofern, als
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sie die Handhabe liefert, jederzeit gegebenenfalls auf Vorschriften des islamischen Rechts zurückzugreifen, die der Durchführung der angebotenen Dimma entgegen stehen (so etwa, wenn eine Moschee in der Kähe einer Kirche gebaut wird). Dieser Rückgriff, der zwar für die islamische Seite aus scheriatrechtlichen Gründen entschuldbar, aber in den s u r ü t eben vorgezeichnet, in den konkreten Verträgen (Angeboten) aber nicht vor gesehen ist, erfolgt natürlich nur im islamischen Inter esse (maslahat al-muslimîn!) und entgegen den den Dimmîs einst gemachten Zusicherungen. Doch ist dieser Rückgriff eben nicht einfach ein Akt, utilitaristischer "Realpoli tik", sondern erfolgt ganz genau gemäss den scheriat rechtlichen Bestimmungen, und ist in den s u r ü t ja schon vorgesehen! Ferner ist die Dimma kündbar, wenn sic für die Ge meinde Muhammads nicht mehr rentabel ist (Ibn Taimiyyas Ausbeutungsprotektorat), ebenso wie im "internationalen" Bereich Verträge gebrochen worden dürfen, ja müssen (1), sobald dadurch ein Gewinn für die islamische Seite zu erwarten ist. Gerade diese letzte Analogie ist geeignet, den Mudärä-Charakter der Dimma zu illustrieren. Die berühmte Fetwa, mit der Ebu’ s-Sucüd den Friedensbruch mit Vene dig scheriatmässig rechtfertigte und absicherte, ent hält alle Elemente, die für diesen Vergleich nötig sind: (1) So auch in der folgenden Fetwa ausdrücklich. Wir zi tieren sie in der Übersetzung bei HAMMER GOR III 566 f. Zum Wortlaut vgl. HAĞSl HALIFA Tuhfat folT'iO, sowie DÎjZDAĞ Ebussuud Uri 478."”
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"Anfrage: 'Wenn in einen vormahls zum Gebiethe des Islams gehörigen, hernach aber denselben wieder entris senen Lande die Ungläubigen die Moscheen in Kirchen ver wandeln, den Islam unterdrücken, und die Welt mit Schandthaten füllen; wenn der Fürst des Islams, aus reinem Ei fer für den wahren Glauben angetrieben, dieses Land den Händen der Ungläubigen entreissen und wieder mit dem is lamitischen Gebiethe vereinigen will; wenn mit den übri gen Besitzungen dieser Ungläubigen voller Friede obwaltet, wenn in den ihnen ausgelieferten Friedensurkunden auch dieses Land begriffen worden:ist nach dem reinen Gesetze ein Hindernis vorhanden, wesshalb dieser Vertrag nicht gebrochen werden sollte?’Antwort: ’ Es darf kein Hinder nis vermuthet werden. Der Fürst des Islams kann nur (!) dann mit den Ungläubigen Frieden schliessen, wenn daraus für die Gesamintheit der Moslimen Hutzen und Vortheil entspringt. Wenn dieser allgemeine Vortheil nicht er reicht wird, ist der Friede nicht gesetzmässig. Sobald ein Nutzen erscheint, sey es dauernder, sey es ein vorü bergehender, so ist’ s zur erspriesslichen Zeit erforder lich, den Frieden zu brechen. So schloss der Prophet (über ihn sey Heil!) im sechsten Jahre der Hidschret bis ins zehnte Frieden mit den Ungläubigen, und Ali (...) schrieb den Friedensvertrag; dennoch fand er (sc. der Prophet, eig. Anm.) es am nützlichsten, im folgenden Jahre den Frieden zu brechen, im achten Jahre der Hi dschret die Ungläubigen anzugreifen und Mekka zu er obern. S.M. der Chalife Cottes auf Erden (damit ist nun Sellin II. gemeint, eig. Anm.) haben in Ihrer Allerhöch sten kaiserlichen Willensmeinung die edle Sunna (das Thun und Lassen) des Propheten nachzuahmen geruht. Schrieb’ s der arme Ebu Suud.’" Über den Mudärä-Charakter dieses Vorgehens brauchen wir kein Wort verlieren. Liese Problematik lässt sich der Dimma in jeder Hinsicht vergleichen (die Berufung auf die muslimische Herrschaft auf Zypern in der Früh zeit des Islam können wir vernachlässigen: das aus schlaggebende Argument ist die Sunna des Propheten und diese beruft sich nicht auf die Behauptung, Mekka wäre früher einmal islamisch gewesen!).
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Zuoberst rangieren der reine Eifer für den "wahren" Glauben, und der Nutzen für die islamische Gemeinschaft (maslahat al-muslimîn). Den Glaubenseifer haben wir stets dann als Argument angetroffen, wenn es darum ging, Dimmis mit Gewalt zu islamisieren bzw. alternativ ihnen Kirchen zu nehmen. Der Vorteil für die Muslime liegt bei der Dirnraa ganz deutlich in den hohen Steuererträgen durch die Öizya (daher auch die Animosität aller isla mischen Reiche gegen Massenübertritte zum Islam!). Der Friede ist nur dann gesetzmässig, wenn den Mus limen daraus Vorteil entsteht. Ist dieser Vorteil nicht gegeben, dann ist der Friede nicht gesetzmässig, d.h. dann ist der Bruch des "Vertrages" gesetzmässig. Das ist für die Diiuna Ibn Taimiyyas Position eines Ausbeu tungsprotektorates. Nun wurde aber hier der Vertrag mit Venedig nicht generell "gebrochen", sondern Zypern wurde aus dem Ge samtpaket ausgeklammert (1), obwohl im Vortragswerk eigens aufgeführt. Auch dies hat seine Parallele in der Dimma: es gab wenige Fälle, wo das "Gesamtpaket" der Dimma aufgekündigt wurde (beispielsweise unter dem Fatimiden al -Hâkim), der Normalfall war, dass - obwohl eigens in den Vertrag inkorporiert - eine Kirche weggenonmen, Vertreibung aus einem Wohnviertel angoordnet wurde. Hier erschien punktuell ein Mutzen für die Mus lime. Gleichwohl haben wir gesehen, dass solchem punktu(1) Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut, der Anfrage; HAMMER GOR III 567 berichtet: "Es wurde zuerst der Dol metsch ^äEmud mit Beschwerden, und dann abermahls der Tschausch Xubad nach Venedig abgesandt, um di.e Abtre tung Cypern’ s als Preis der Erhaltung des Friedens von der Republik zu begehren,"
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eilen "Kirchenraub" bald ein nächster folgte (was sich auch bei der Vertreibung aus den Wohnvierteln zeigte, obwohl doch Immoöilienbesitz in den konkreten Verträgen immer zugesichert war) - wie ja auch die Einnahme Zyperns keineswegs den letzton osmanisehen Vorstoss gegen vene zianisches Gebiet darstellte. (Mit einem anderen Aspekt dieser "Salamitaktik”werden wir uns glcich noch im Nachwort beschäftigen.) Gerade am Beispiel der Kirchen- und Siedlungspolitik zeigt sich diese Analogie drastisch: die Dimma als Ge samtvertrag wird (vorerst) beibehalten, gleichzeitig aber werden einige Punkte aus dem Gesamtpaket ausge klammert. Durch just dieses aber ist der nächste punktu elle Vorstoss des Islam schon wieder vorgegeben: wenn eine Moschee in einem christlichon Viertel gebaut wird, so verlieren die dort wohnenden Dimmis das Wohnrecht. Dadurch wird ihre Kirche eine "verlassene" (da eine in einem muslimischen Viertel liegende Kirche nicht mehr benutzt werden darf - und durch den Wegzug der Dimmis ist das Viertel ja muslimisch geworden) - und verfällt der Schleifung. Diese Typologie ist eigentlich auch schon im Ver tragscharakter der Dimma vorgegeben: die Dirama als sol che wird einer Gruppe en bloc gegeben, und gilt für jeden einzelnen Angehörigen dieser Gruppe. Ausgohöhlt werden die darin gemachten Zusicherungen aber nur bei Subgruppen, pervertiert werden die Bestimmungen (nach den hier geschilderten Mustern) bei Einzelnen. So kann ferner auch der einzelne Dimml der Dimma ^erlustig ge hen bzw. sie brechen.
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Eine letzte, aber auch grundlegende Analogie stellt die Rechtfertigung dar: sie liegt in der nachahmenswer ten Sunna des Propheten und im islamischen Recht. Bei der Präge des Kirchenraubs berufen sich die f u q a h ä 3 auf die frühen Kalifen, vorab cUmar II., bei der Ausund Umsiedlungspolitik auf den Propheten und die reehtgeleiteten Kalifen (vgl. oben S. 59 Ans. (1)). Die dis kriminierenden Massnahmen werden mit derselben Legiti mation begründet (vgl. FATTAL Statut passim). Ansonsten sind alle Bestimmungen der Dimma integraler Bestandteil des islamischen Gesetzes.
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Zusammenfassend müssen wir also den Begriff der "Dimma" so definieren: Dimma ist ein zwischen der islamischen Staatsmacht und den Nichtmuslimen, die im islamischen Staatsgebiet wohnen, herrschendes Verhältnis, das VertragsCharakter zu haben scheint. Sie ist ein Ausfluss der bipolaren Aufteilung der Wolt in Dar al-Islära und Dar al-Harb, sowie des bis zum Jüngsten Tage geltenden Ğihâd-Gebotes. Sie ist eine "Fortsetzung des uihäd mit anderen Mitteln". Die Dimma dient primär den Musiinen durch die hoho Kopfsteuer, welche die Dimmîs zu erlegen haben. Daher ist die Dimma (rauslimischerseits) kündbar, sobald die Rentabilität nicht mehr gegeben ist. (Dennoch ist sie aber kein "Gesellschaftsvertrag" auf Gegenseitigkeit, da sie den Wichtmuslimon insofern aufgezwungen wird, als
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diesen im Falle der Nichtabnahme der Dimma ja Tötung oder Versklavung droht.) Die Dimma dient - in jedem ihrer Details - ausdrück lich der Islamisierung der Dimmis, sie ist selbst das Medium und Instrument zu dieser Integration. Die Dimma regelt also eine Art von Koexistenz, dient aber nicht zu deren Aufrechterhaltung, sondern im Gegenteil direkt zu deren Srlösehen. Dimma hat einen temporären Charakter. Dieser resul tiert primär aus der im Augenblick der Unterwerfung bestehenden Unvereinbarkeit der reinen lehre mit den faktischen Gegebenheiten. Darüberhinaus ist sie (in ihrer Eigenschaft als staatspolitisches Konzept) auch temporär konzipiert; sie ist in der angebotenen Form auf Dauer gar nicht praktikabel. Das Dimma-Verhältnis (in der angebotenen Form) er möglicht dem Islam vorläufig eine territoriale Ausbrei tung unter Verzicht auf Islamisierung der unterworfenen Gebiete, legt aber synchron zur fortschreitenden Er oberung schon die Grundsteine für die spätere Islamisierung dieser Gebiete. Die Dimma schafft durch all ihre Bestimmungen die strukturellen Voraussetzungen, um die Integrität und Identität der Dimmis (als Gemeinschaft) abzubauen, auf zulösen, auszuhöhlen und zu unterlaufen. Im sozialen Bereich zermürbt die Dimma das Individuum, und gibt mit ihrer. Bestimmungen die Methoden zur Proselytenmacherei direkt vor. Die "Islamisierung" nach den in den Dimma-Bestimmungen vorgezeichneten Methoden erfolgt nach der "Salami-
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taktik". ln keinem Detail ist die angebotene D i m a mit der durchgeführten identisch. Dies liegt nicht an einem Un terschied zwischen Theorie und Praxis, die Diskrepanz liegt schon in der "Theorie" seihst: nach dieser ist die angehotene Dimma gar nicht durchführbar (es sei denn, der Islam verzichtete auf die Besiedlung der un terworfenen Gebiete, was aber die "Theorie" selbst nicht vorsieht). Ein weiterer Widerspruch liegt zwischen den angebo tenen bzw. konkreten Verträgen und den s u r ü t: angeboten wird eine akzeptabel scheinende (nach den s ur ü t aber unpraktikable) Dimma. (Durchgeführt wird aber dann eine unakzeptable, aber nach den s u r ü t - einzig! - praktikable Dimma.) Dies erweist das Dimma-Angobot als bewusste List. Hier mag für die islamische Seite als Entschuldigung eingewandt werden, dass die Dimma auf ihrer koranisehen Grundlage für dio Muslime gar nicht rechtsverbindlich sein kann. Aber der Islan· gaukelt den D i m m s die Rechts Verbind lichkeit der Vorträge vor. In Zusammenhang nit der De finition der Dimma als "Fortsetzung des Cihäd mit an deren Mitteln" hat dann die Dimma nicht einfach den Charakter einer List schlechthin, sondern den scheriatrechtlichen Charakter der m u d ä r ä, der sie hinsicht lich der rechtlichen Grundlagen und der praktischen Handhabung völlig analog ist. + + +
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Nachtrag zum Devşirme Mit dieser Neudefinition wird natürlich auch die bis her empfundene Unvereinbarkeit von Dimma und Devşirme gegenstandslos. Diese resultierte primär daraus, dass man von zwei Grundannahmen ausging, die für die Dimma schlicht nicht zutreffen: (a) der Islam folge auch hin sichtlich der Dimina dem Prinzip "pacta sunt servanda", und (b) die Dimma stehe der Integration entgegen. Es wäre zu leicht, mit dem Hinweis darauf, dass die se Grundannahmen nicht gegeben sind, die bisherige Dis kussion abzutun. Es wäre aber auch methodisch nicht ganz "fair", nicht nur, weil unsere Arbeit erst jetzt er scheint, sondern auch deshalb, weil die früheren Auto ren auf einer anderen Ebene argumentierten. Wir wollen hier die bisherige Diskussion exemplarisch an den Auf sätzen von WITTEK (1) und MENAGE (2) betrachten. Den Ansatz KARAMUK’ s (3) halten wir für indiskutabel. Seine Formulierung bezüglich der Bosnier ist symptomatisch für den "wissenschaftlichen" Charakter des ganzen Ex kurses (4). (1) WITTEK Devshirme and Sharljä. (2) MENAGE,“ VTTTT SiffeligHTs δ η the Devshirme from I d n s and_Sacduddin. In: BSÖIS Ι8-ΓΙ955Τ, S.TÜI-IB5· T3T_KffRÎMUK7~Gümeç: Ahmed_Azmi_Efendis Gesandtschafts bericht als_Zeugnis_3es_osmaniscHen MacEÎverfalIs unî 3er“ 5egInnenîen~EeFo?mârâ~unTer_SeIım TIT. Bern 1975· {"Der Ex£urs-u[)er das "Devşirme Is î S. 55-77) (4) a.a.O. S. 67: "Bekanntlich haben die Bosnier unmit telbar nach ihrer Unterwerfung den Islam freiwillig an genommen und als besondere Gunstbezeugung (!) von Mehmed II. das Recht (!) erhalten, dennoch ausgehoben (!) su vferden. £s ist dies also (!) von osmanischer Seite
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WITTEK will den scheinbaren Widerspruch mit der Heran ziehung der schafiitischen Doktrin lösen, derzufolge die Dimna nur (Nachkommen von) Leuten gegeben werden kann, die Christen- oder Judentum schon vor dem Auftreten des Propheten Muhammad bekannten. Wenn deshalb das Devşirme auf dem Balkan dann kein Bruch der Dirama wäre, so doch nur, weil die Balkanchristen keine Dinmls waren - was noch niemand behauptet hat! Auch die Unterdrückung des schafiitischen Ritus bie tet für WITTEK keine Schwierigkeit: damals war ja das Dovsirme schon Gewohnheitsrecht, und konnte also auch fürderhin betrieben werden. Die Formulierung (a.a.O. S. 275), das Devşirme sei "regarded as something outside the ränge of the sharîca, and not to be submitted to a judgment on its conformity with the Law" ist zumindest befremdlich. Wenn WITTEK fortfährt "And so the devshirme may be regarded as justified by custom and necessity" ist er nur noch einen kleinen Schritt von der scheriat rechtlichen Position des "maslahat al-muslimîn" entfernt, durch die sich das Devşirme durchaus in den Rahmen recht licher Bestimmungen inkorporieren liesse. Unglücklich ist auch der Versuch, den "Rechtsbruch" auf ein mangelndes "Heimat.gefühl" der Osmanen in Süd osteuropa zu schieben (a.a.O. S. 274: "The very name of Rüm-eli...indicates clearly how little they feit at horae there..."). Schliesslich liesse sich mit derselben nicht als Versetzung in den Sklaven- und Freigelassenen-Status, sondern als Zulassung (!) zu einer privile gierten (!) Schicht de iure freier, dem Sultan voll er gebener Pfortendiener beabsichtigt werden."
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Logik fragen, warum dann Anatolien "rum" heisst, und in diesem "Anatolian homeland" (WITTEK a.a.O. S. 275) dennoch das Devşirme durchgeführt wurde (was ja auch WITTEK a.a.O. S. 278 ausdrücklich erwähnt). Dieses Ar gument ist also nichtssagend. Vor allem aber übersieht WITTEK eines: selbst wenn man das schafiitische Argument horanzieht, so bleibt die Frage, warum die Christen Südosteuropas in sonstiger Hinsicht durchaus Dimnî-Status hatten - und last but not least, wie es dann um Bosnien bestellt war: zwar kennte dort das schafiitische Argument Anwendung finden, demzufolge den Bosniern die Dimma rächt gegeben werden könnte, aber wie passt dies zum Devşirme unter den muslimischen Bosniern? Wie passt die schafiitische Dok trin zur Tatsache, dass auch Griechen ausgehoben wurden, auf die diese Doktrin mit Sicherheit nicht anwendbar ist? Und wenn man dieses Devşirme für eine rechtswidrige Übertragung halten will, warum gab es keine solche hin sichtlich der Juden? Wir halten WITZEK’ s Ansatz für unglücklich, weil ihm die innere Geschlossenheit fehlt: er ist in sich wider sprüchlich. MENAGE’ s "Sidelights", als Ergänzung zu WITTEK’ s Artikel gedacht, sind in anderer Hinsicht interessant. MENAGE stellt zwei Versionen derselben Begebenheit ein ander gegenüber. Die Textstolle aus İdrıs Bitlisi’ s "Hast bihist" über die Gründung des Janitscharenkorps durch c0rhän, welche MENAGE im Original zitiert, und ihre "Kopie" in Sacd ed-Din’ s "Tag üt-Tewärih". Aus den Unterschieden der Übersetzung (Sacd ed-Din’ s) gegenüber
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dem Original zieht MENAGE (a.a.O. S. 183) diesen Schluss: ” By makir.g these changes Sacduddîn gives the impression that he wishes to dissociate himself from Idrîs’ s too facile justification of the devshirme." Dies ist ein recht ungewöhnliches Vorgehen; es hat unseres Wissens noch niemand versucht, aufgrund anderer Unterschiede der beiden Chroniken eine solche Absicht zu postulieren. Wir wollen nicht fragen, warum MENAGE zu diesem Schluss kommt, sondern zuerst feststellen, dass es sich um eine Interpretation handelt, da ja Sacd ed-Din eine solche Absicht nicht ausdrückt. MENAGE stützt sich bei seiner Deduktion auf folgende Unterschiede: (a) Bei Idrîs wären die vom Devşirme Betroffenen be zeichnet als "children of the infidel (dhimnäs living in the Moslem lands)", wohingegen Sacd ed-Dln den eingeklammerten Teil nicht habe. (b) Ebenso fehle bei Sacd ed-Dîn Idrîs’Begründung für das Devşirme (er sieht es im Sklavenstatus der "be~ -canwa”Unterworfenen begründet und auch darin: "it wouüd be a very good work to make them serve in the Holy War and admissible and reasonable to use those young men to carry out the decrees of the adminisiration"). (e) Ferner fehle bei Sa^d ed-Dln die Behauptung, die "weise" Massnahne des Devsime sei durch Religionsge setz und Vernunft begründet und bestätigt. Wir wollen in der Tatsache, dass MENAGI den Text Sacd ed-Dîn’ s nicht reproduziert, nicht gleich eine böse Absicht erblicken, etwa die Überprüfbarkeit der Abweichungen zu erschweren. Eine solche Überprüfung
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relativiert nicht nur M M A G E ’ s Deduktion, sie macht sie auch recht suspekt. ad (a): Hier begeht MENAGE selbst eine Auslassung. Er übersetzt die Stelle mit "they would not form this branch of the army fronı children of the Turks, but instead levy children of the infidel (ahimmiş living in the Moslem lands)." Dagegen heisst es im Originaltext: "v/a cawaz-e an gamäcat az auläd-e kuffär vra musrikän-e ahl-e ^immat-e mamälik-e İslâmî setänand". Das "kuffär wa musrikän" ist natürlich plconastisch, und deshalb kann Sacd ed-Dîn das "musrikän" weglassen. Die Passage "ahl-e zinımat-e mamâlik-e İslâmî" ist wegen der fehlenden Syndese relativisch, und somit präzisierende Apposition (es wäre zu ergänzen: ke ahl-e zimmat-e namälik-e İslâmî hastand). Das Weglassen suggeriert keineswegs die Vorstellung, mit (dem alleinigen) "kuffär" seien Kriegsgefangene gemeint. Da zu Sacd ed-Dîn’ s Zeit der Terminus "käfir" als Syno nym für "Christ" (als Dimmî!) schon eingebürgert war, konnte ihm auch diese Apposition als Pleonasmus erschei nen. Dieser bedurfte cs ja gar nicht! MENAGE’ s Folgerung, "There are, however, in SacduddînJs rendering omissions which seem to be intentional and significant. Thus he veils (!) the fact that the devshirme is applied to the children of the dhimmîs by speaking only of the 'children of the infidels’, suppressing the passage ( ) " können wir nicht zustimmen. Ein bewusstes Verschleiern kann nicht gegeben sein. Einige Zeilen später (MENAGE a.a.O. S. 182, Zeile 1) heisst es in IdrTs’Text auch nur noch "auläd-e kuffär". Wollte man MENAGE’ s Logik folgen, so würde das Weglassen des Pleonasmus und der Apposition an dieser Stelle bedeuten, dass nun Idrîs seinerseits
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eine Unvereinbarkeit empfände! Dies behauptet MENAGE nun freilich nicht. Wenn nun aber das Weglassen des Pleonasmus und der Apposition im einen Falle (Sacd ed-Din) den Beweis dafür liefern soll, dass der Autor den Dimml-Status der Betroffenen ^e^şchleiern wolle, im anderen Falle aber (bei Idris) aus demselben Phäno men dieser Schluss nicht gezogen wird, dann ist dieser Ansatz in sich unlogisch. Er kann schon deshalb in ei ner wissenschaftlichen Arbeit nicht als Beweiskriterium dienen. ad Cb): Zwar ist es richtig, das Sacd ed-DIn die canwatan-Eroberung und den "Sklavenstatus" ar; dieser Stelle nicht erwähnt, ebenso wie die Passage "it would be a very good work.... administration". Doch spricht auch er von dem Gewinn, der den Muslimen bzw. dem Islam aus dem Devşirme erwächst, allerdings ohne dies besonders als gute Sache zu bezeichnen. Ob man aus dem Weglassen von "it would be a good work" schliessen soll, für Sacd ed-DIn sei diese Wertung nicht gegeben, ist mehr als fraglich: dem Muslim muss doch jede Stärkung des Islam als gute Sache erscheinen (maslahat al-muslimın!), und bedarf folglich keiner gesonderten Betonung! ad (c): Diese Passage fehlt tatsächlich. Doch wird sie kompensiert durch Sacd ed-Dln’ s Aussage (Tag S. 41, Zei le 10 ff.), auf diese Weise seien Tausende von Ungläu bigen zu islamischen Ehren gelangt etc. Nachdem wir aber gesehen haben, dass Konversion von Ungläubigen je de Ausnahme in der Zielsetzung des "masl&hat al-muslimin rechtfertigt, haben wir keinen Grand, in der Tat sache, dass Sacd ed-Dxn dies nicht auch noch betont,
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den Beweis dafür zu erblicken, er empfinde eine Unver einbarkeit ! Aber diese ganze "Methode”MENAGE’ s ist nicht aus sagekräftig. Schliesslich gibt es noch weitere Abweichun gen (was soll man nach MENAGE’ s "Logik" denn etwa daraus schliessen, dass Sacd ed-Dîn in diesem Abschnitt den Namen c0rhan’ s nicht erwähnt?). So sagt etwa Sacd ed-Dln zweimal ausdrücklich, dass die Devsirmelis mit dem Islam "beehrt" wurden, was sich aus Idrls nur e silentio schlies sen lässt (nach MENAGE’ s Logik hiesse dies dann, Idrls seinerseits wolle die Zwangsbekehrung verschleiern, aber das kann MENAGE nicht sagen, weil sich für ihn die emp fundene Inkompatibilität vor allem darauf stützt, dass Sacd ed-Din Theologe war, der die sarîca besser kannte). Der ganze Ansatz MENAGE’ s muss als üble Klitterung betrachtet werden, die nur dazu dienen soll, MENAGE’ s eigenes vorgegebenes Bild zu untermauern. *
Interessanter wird dieser Text aber, wenn wir ihn in Zusammenhang mit der Dimma gemäss unserer Heudefi nition betrachten. Hier sind zwei Argumente von Bedeu tung: - (wegen der angeborenen Neigung jedes Kindes zum Islara) würden die Devsirmelis durch die enge Verbindung mit den Muslimen den Islam annehiaen; - durch das Devşirme würde der Polytheismus dem Islam weichen. Der erste Punkt ist nicht nur eine euphemische (aber auch rechtfertigende!) Umschreibung für die Zwangsbe
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kehrung, er ist uns auch von Abu YÜsufs Argument für das gemischte Wohnen schon gut bekannt. Auch dies ent puppte sich als Euphemismus, aber die Logik des Argu ments ist doch dieselbe. Auch das zweite Faktum können wir in einem anderen Bereich der Dimina naebweisen. Der "Kirchenraub" wurde damit gerechtfertigt. Und so, wie Idrxs und Sacd ed-DIn ganz unverblümt sagen "bittesehr, ist es etwa nicht verdienstlich, den Polytheismus zugunsten des Islam auszulöschen?", so sagen auch Bauinschriften von in Moscheen umgewandelten Kirchen, hier habe sich einst ein Tempel der Götzendiener befunden, der zum Wohle des Islam in eine Andachtsstätte des wahren Glaubens umge wandelt wurde (1). Wir vermögen ohnehin in der Versklavung (2) und Zwangsbekehrung (3) von Christenkindern nichts anderes zu erblicken, als im Umwandeln, Schliessen und Schleifen von Kirchen: das ist "Vertragsbruch" insofern, als in (1) So etwa die Bauinschrift der Sokollu Mehmed Paşa Camii; vgl.vÖZ Camiler I 101. (2) Die Dovsirnelis Hatten Sklavcnstatus. Dafür spricht nicht nur das Eheverbot (auch das Bartverbot etc., vgl. PAPOULIA Knabenleae passim), sondern auch die freilassungsurkunSeriT cTie'siö erhielten. Der Terminus ist exakt derselbe, wie bei "normalen" Sklaven: 'itäqnäme. So je denfalls nach osmanischem Arohivmaterial: MÜD II 1524, 1534, 15/0, 1571, 1663. (3) Nachdem als (entschuldigende) Rechtfertigung hier für jener Hadit angeführt wird, demzufolge jedes Kind mit einer "natürlichen" Keigimg kuie Islam geboren wird, wäre zu überlegen, ob die Devsirme-Kinder islamischerseits nach der gswaLtsamen Entführung aus der elterlichen Obhut nicht als Waisen betrachtet wurden, die dom Islam anheimfallen!
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den konkreten Verträgen ja der Besitz an (konkreten) Kirchen ebenso zugesichert wurde, wie der "Verzicht" auf gewaltsame Islamisierung - was dann später nicht eingehalten wird. Die moralische und menschliche Kom ponente sind für die Fragestellung nach der Vereinbar keit von Devşirme und Sarlca völlig irrelevant. Nachdem nun aber die Dimma für die Muslime nicht rechtsverbindlich ist, und sie auch nicht auf Erhaltung des Dimml-Milieus, sondern auf dessen Srlösehen abzielt, ist das Devşirme weder ein Vertragsbruch, noch der In tention der Diiratia entgegengesetzt. Devşirme ist nur auf der Grundlage der Dimma möglich, die sich auch hier wieder als m u d ä r ä erweist: zu erst wird (durch den Dinuna-Vertrag) ein akzeptables Verhältnis und Sicherheit vorgegaukelt, dann wird von Fall zu Fall dieser "Vertrag" "gebrochen". Da nun aber Dimma keinen rechtsverbindlichen Charak ter hat, und andererseits die notwendige Voraussetzung für Devşirme darstellt, so kann diese Folge mit ihrer Voraussetzung auch von der Logik her nicht in Wider spruch stehen. Da beide Phänomene auf Integration ab zielen, kann ein solcher Widerspruch auch nicht konsta tiert werden. Da die Dimma das Medium zur Integration ist können wir nur sagen: das Devşirme ist ein Spezial fall, eine forcierte Variante von Integration, Nachdem aber andererseits der Koran nicht gerade eine "humane”Einstellung gegenüber der Ungläubigen wider spiegelt, und die Dimma selbst ihr wesentliches Krite rium in der Demütiging der Dimmis hat, kann man im Dev şirme auch keinen "moralischen”Vertragsbruch sehen.
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Wir hätten die Ansätze "von WITTSK und MEKAGE ein fach mit dem Hinweis abtun können, dass sie von nicht gegebenen (also: falschen) Grundannahmen ausgehen (Dimma als Koexistenzformel, und "pacta sunt servanda"). Dieses Vorgehen mussten wir aus Gründen wissenschaftlicher Fairness ablohnen. ln diesem Zusammenhang wollen wir auf ein erstaun liches Phänomen hinweisen, nämlich die Weigerung vieler Orientalisten, den Islam als das zu nehmen, was dieser seiner Selbstdarstellung nach ist. In fast allen Arbei ten zum Devşirme manifestiert sich ein Missbehagen dos orientalistischcn Autors angesichts dieser Problematik, und geht ihrer Bearbeitung als erkenntnisleitendes In teresse und selektive Rezeption voraus. Das ist psycho logisch verständlich, da das Devşirme keine "feine" In stitution war - nach unserem heutigen Empfinden. (Warum zeigt sich dieses Missbehagen eigentlich nicht, wenn der Orientalist über einen Bruch von Friedensverträgen handelt? Hier zieht er sich auf die Position des ĞihâdGebotes zurück. Halten wir den öihad für "normaler" als das Devşirme?) Welche Ursache hat die Orientalistik eigentlich, im Devşirme nicht einfach jene Integrationsmassnahme zu sehen, die cs nach muslimischer Darstellung ist? Und wenn der Muslim selbst darin offenbar keinen Wider spruch zur äarica sieht, warum soll man ihm dann durch Jonglieren mit (noch dazu in sich unlogischen) Emendationsversuchen ein "schlechtes Gewissen" (und dadurch implizit: eine edle Fialtung!) unterschieben? Halten sich einige Orientalisten für die besseren (oder:wahren)
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Muslime? (Man vergleiche auch etwa in PAfiET’ s Kommen tarband die Diskussionen ura Q IX 28-30, die den Tenor haben "hier irrte Muhammad", weil er Juden und Christen mit den Polytheisten gleichsetzt. Es ist ein legitimes Unterfangen, aufgrund solcher Faktoren eine Geschichte der einzelnen Koranverse zu schreiben, aber wir sollten nicht dem Muslim unterstellen, dass er diese orientalistische Position vor Augen hat, wenn er Christen ur.d Juden zu den Polytheisten rechnet. Der Muslim ist in dieser Hinsicht durch Gottes Wort abgesiehert!) Wenn wir die Frage nach der Vereinbarkeit oder Unver einbarkeit von Dimma und Devşirme stellen, so ist es falsch und unwissenschaftlich, von der Unvereinbarkeit als gegeben auszugehen, und sie dann mit einer schlechten Klitterung als selbst von den Muslimen empfunden bewei sen zu wollen. Zuerst muss die Frage gestellt werden, ob diese Unvereinbarkeit nach islamischen Masstäben über haupt gegeben ist. Die meisten Orientalisten versuchen aber, das empfundene Unbehagen dadurch abzubauen, das3 sie Devşirme wie äarlca uminterpretieren (1), für ihre Gefühlswelt zurechtbiegen, statt beide Phänomene als das zu nehmen, was sie nach Darstellung der Muslime (der "geistigen Väter" also) expressis verbis sind. Mit Ver il) So etwa KARAMUK’ s krampfhaftes Bemühen, die Devsir melis als de iure Freie hinzusteilen, und das "Trotzdem-Devsirme"bei den muslimischen Bosniern als "Recht" und "Gunstbezeugung" zu interpretieren: seltsame Gunst, die sich in Kinderraub äussert! Oder WITTSK’ s unglücklicher Versuch mit dem schafiitischen Ansatz, der nun nicht das Devşirme, sondern die Sarîca dahingehend uminterpretiert, dass die Betroffenen bzgl. des Devşirme einem anderen madhab unterstünden, als bzgl. ihres übrigen Dimmi-Sta tus !
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drängung hat dies primär wenig zu tun: es handelt sich um einen intellektuellen Prozess des bewussten Anglei ch ens einer als unangenehm empfundenen Realität an die eigene Gefühlswelt. Dieser Prozess ist psychologisch verständlich, Wissenschaftscharakter kommt ihm nicht zu.
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NACHWORT Wir haben die Dimma definiert als langfristig wir kendes Medium zur Integration. Das präzisierende "lang fristig" steht hier aber nicht aus taktischen Gründen, um einer Kritik vorzubeugen, die uns die Existenz von christlichen Gemeinden auf dem ehemaligen Staatsgebiet des Osmanischen Reiches als Gegenbeweis unserer Defi nition Vorhalten könnte. Ein Gegenbeweis gegen unsere Definition kann der Hinweis auf heutige Christen in Süd osteuropa und Anatolien ohnehin nicht sein, sicher aber nicht im wissenschaftlichen Sinne. Mit der gleichen Lo gik müsste man dann nämlich aus der Existenz von India nerreservaten die Aussage ableiten, die Indianerkriege hätten nicht die Absicht verfolgt, den "Boten Mann" aus zulöschen, sondern wären ein Ausdruck toleranter Koexi stenz und freundschaftlicher Beziehungen. (Die "kora nı sehe”Grundlage wäre hier dann etwa die Menschenrechts erklärung. ) Anders ausgedrückt: dass eine Absicht ihr "Endziel”nicht erreichte, beweist mitnichten, dass die se Absicht nie existiert hätte, oder dass keine Schritte in diese Richtung erfolgt wären. Soweit wir sehen hat auch noch kein Orientalist aus der Tatsache, dass es heute immer noch christliche Staaten gibt, die Aussage abgeleitet, es gebe kein öihäd-Gebot! Und so, wie im internationalen Bereich die Friedens verträge das öihäd-Gcbot nicht widerlegen, sondern sich einerseits als Unterbrechung, als Verlangsamung des öihäd erweisen, andererseits aber dem Kräftesammeln des Islam dienen, damit der Sihäd mit grösseren Erfolgsaus
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sichten fortgesetzt werden kann, so ermöglicht die Dimma (hier im Sinne einer "Koexistenzformel") ja erst das Anwenden jener Mechanismen, die sie als Instrument der Integration erweisen: nur durch eine vorläufige Ko existenz können diese Mittel überhaupt zur Anwendung kommen. (So wie auch - en detail - nur durch das ge mischte Wohnen die diskriminierenden Massnahmen ihre integrierende Wirkung zeitigen konnten.) Retardierende Faktoren 2
Nachdem selbst CAHEN in seinem EI -Artikel einräumt, dass in gewissen Gegenden der islamischen Länder die Kategorie Dimmî zu existieren aufhörte, lässt sich die Vermutung anstellen, im Osmanischen Reich sei der Inte grationsprozess "rechtzeitig”aufgehalten worden. Wir wollen nicht die alte geschichtsphilosophische Frage stellen, "was wäre geworden wenn...?"; der massive Ein fluss Frankreichs, Englands und Russlands auf dio osmanische Dimmi-Politik ist hinsichtlich seiner Auswir kungen bekannt und offenbar in Fachkreisen auch nicht umstritten. Ihm und anderen Faktoren (etwa "Europäisierung", der Machtverfall schlechthin etc.) können wir die Tatsache zuschreiben, dass der Integrationsproaess im Osmanischen Reich nicht den Verlauf nahm, wie etwa in klassischer Zeit in Ägypten, Persien und dem Maghreb. Doch haben diese Faktoren mit Dimma nichts zu tun - oder nur ganz am Rande insofern, als man sich hierbei mehr an die Dimma in der angebotenen Form hielt. Doch ist auch dies den Friedensvertragen zu vergleichen, zu denen sich das Osmanische Reich von Zeit zu Zeit ge
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zwungen sah, woraus aber niemand ableitet, die Osmanen hätten dadurch auf den Gihäd gleich £ndgültig verzichtet. Wenn CAHEN (EI^ II 230) das "spectacle of an Islamo-dhiirunl synbiosis" unter den Osmanen damit in den Bereich der Dirama seiner Definition inkorporieren will, dass er als Beweis anführt: "The Jews found asylum there, the Armenians and Greeks, in the 18th Century, baeked by Christian jjurope, attained to positions of the highest importance" (letzteres wäre auch zu hinterfragen), so ist dies befremdlich: will raan die Erpressbarkeit der Osmanen auch noch als Beweis für eine "tolerante" Dimma anführen? CAHEii’ s Behauptung, das Verschwinden von Dimmis aus 2 ganzen Landstrichen (ΞΙ II 229) sei sozialen Faktoren zuzuschreiben, die für ihn mit Dimma nichts zu tun haben (weil er es ablehnt, sich in diesem Artikel damit aus einanderzusetzen), konnten wir widerlegen: gerade wegen der Dimma kam es zur Integration. Der erste retardie rende Faktor liegt aber in jenem Phänomen, das CAHEN schon (a.a.O.) für die vorosnanische Zeit feststellt: der totalen Integration der Dimmis ging ein Prozess voraus, in dem sie von der Mehrheit zur Minderheit wur den. Diesen Unterschied müssen wir auch wegen des ewigen (und, wie sich noch zeigen wird, der Wahrheitsfindung hinderlichen) Vergleichs islamischer und christlich-abendländlscher Minoritätenpolitik betonen: im Orient haben wir es zuerst mit einer Majoritätspolitik zu tun, im Abendland aber von Anfang an mit Minoritätenpolitik. Dieser Unterschied ist aber auch innerhalb des islami schen Bereiches von Bedeutung: in Gegenden mit einer
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nichtmuslimischen Mehrheit war es noch nie möglich, eine restriktive Dimma durchzuführen. Das zeigt die klassisch-arabische Zeit, das zeigt für die osmanische Epoche das Beispiel Ungarns. Letzteres führt uns auf den nächsten retardierenden Faktor: die Zeitdauer der islamischen Oberherrschaft im zu untersuchenden Land. Beides aber, Andauern der islamischen Herrschaft und Existenz einer muslimischen Mehrheit sind die Voraus setzungen für die Durchführung einer Dimma im Sinne un serer Definition. Im anderen Falle wäre sie nicht an wendbar, und deshalb ist etwa Ungarn kein Beweis gegen unsere Thesen. Exemplarisch zeigen sich diese Zusammenhänge im sozialen Bereich: wo die Muslime eine "hoffnungslose" Minderheit darstellen kann Abu Yüsufs segensreiche Aus wirkung des engen Zusammenlebens nicht zum Tragen kommen, auch nicht als Euphemismus. Dort wird es absurd. Folg lich können auch die diskriminierenden Massnahmen nicht so strikt gehandhabt werden, und als Ergebnis kann es entweder gar nicht, oder aber nicht so rasch zu einer Integration der Dimmls kommen. In diesem Zusammenhang müssen wir noch darauf hinweisen, dass die Dimma-Bestimnungen mit ihrer Integra tionsabsicht ausnahmslos für urbanes Milieu "massgeschneidert" sind. Über die Situation des flachen Landes, über Weiler und Einödhöfe sagen sie nichts aus. Das mag man der zeitgebundenen Verachtung des bäuerlichen Le bens zuschreiben, an der Tatsache selbst ist aber nicht zu rütteln. Lass aber eine gewisse Fortsetzung der in tegrierenden Bestimmungen auch auf dem flachen Lande
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ihre Wirkungen zeitigte - wenngleich natürlich mit ei ner gewissen Phasenverschiebung - das beweist uns nicht zuletzt Anatolien (vgl. VRYONIS Deeline). Wenn also die Islamisierung in grösseren ländlichen Bereichen langsamer vor sich ging als im urbanen Milieu, so hat diese Tatsache ihren Grund auch darin, dass die f u q a h ä 3 der Behandlung der Landbevölkerung keine besondere Aufmerksamkeit widmeten. Massgeblicher dürfte aber das BevölkerungsVerhältnis gewesen sein. Eingebürgerte Missverständniss e1_Fehlinte rpre ta tionen und_Denk fehler Wir wollen hier noch Missverständnisse, FehlInter pretationen und Denkfehler betrachten, die für die bis herige Behandlung der Dimma-Problematik symptomatisch sind. Die Positionen als solche sind in Fachkreisen hinlänglich bekannt; deshalb können wir uns auf die wichtigsten Aspekte beschränken, und brauchen Nachweise aus der Sekundärliteratur nicht in grösserem Unfange anführen. Man braucht nach solchen Denkfehlern etc. nicht systematisch zu suchen, sie begegnen einem häufig gonug. Ob dieser Häufigkeit aber lassen sie sich durch aus auf einige Grundtypen reduzieren. Es versteht sich von selbst, dass auch Denkfehler sich in der Wissen schaft so fortpflanzen und weitervererben, wie richtige Deduktionen. Das kann und sollte man missbilligen; aber dieses Faktum berechtigt uns, diese Denkfehler etc. als "eingebürgert”zu bezeichnen. Es bedarf keiner eigenen Begründung, dass ein Missverständnis aufgrund seines Al ters nicht gerade zu einer wissenschaftlichen Aussage
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wird. Unserem ersten Beispiel kommt besondere Bedeutung insofern zu, als andere Wissenschaften ein analoges Phänomen nicht zeigen: a) "Interessante Parallelen” Kaum ein Orientalist lässt sieh, wenn er über die Dimma schreibt, die Gelegenheit entgehen, auf das hinüuweisen, was dann meist als "interessante Parallele" bezeichnet wird. Dieser Hinweis kommt eigenartigerweise nicht dann, wenn von der Dimma als Koexistenz die Rede ist, sondern in Zusammenhang mit den diskriminierenden Bestimmungen (von Kleiderordnung über mangelnde Rechts sicherheit bis hin zu Zollgebühren und Blutgeld). Die "interessante Parallele" betrifft fast ausnahmslos die europäischen Juden. Nun wollen wir nicht unterstellen, dass die Autoren damit lediglich ihre 3elesenheit beweisen wollten, es ist offensichtlich, dass hiermit versucht wird, isla mische Massnahmen, die wir heute als "unfein" empfinden, dadurch zu relativieren, dass man auf analoge Bestimmun gen in der christlich-abendländischen Geschichte hin weist, womit freilich auch noch ein weiterer Effekt er reicht wird: die Massnahme erscheint dann als "normal" (zumindest für mittelalterliche Gesellschaften). An diesem Punkt aber muss man dann fragen, warum die Pa rallele noch "interessant" sein soll! (So etwa bei i'ATTAL stereotyp "il est eurieux de noter que...".) Wir behaupten nun, dass das ständige Anführen solcher Parallelen nichtssagend ist. Einmal können sie uns nicht über die Dimma-Bestiircnungen aufklären, sie tragen nichts
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zu unserer Kenntnis dos Islam l>ei. Wenn uns jemand da rauf hinweist, dass den französischen Juden im Mittel alter der Gobrauch gepolsterter Reitsättel verboten war, so mindert dies nicht die Schmerzen des ägyptischen Juden jener Zeit, für den dieselbe Bestimmung galt aber vielleicht aus anderen Gründen. Die Parallele ver mag auch nichts über al-Hakims drastische Massnahmen auszusagen, was über die rein faktische Parallele hinaus ginge (etwa: die damit verfolgte Absicht). Solcho Parallelen haben ihre notwendige Berechtigung, wenn man eine Geschichte der Minoritätenpolitik schreibt. Wenn wir aber über den Status der Nichtmuslirae im Dar al-Isläm handeln, oder darüber, was denn nun das Konzept der Dirana eigentlich sei, dann muss man sich fragen, welchen Stellenwert und welche Punktion diese "interes santen" Parallelen im Rahmen einer solchen Untersuchung haben. Über die Dimma selbst sagt die Parallele ja nichts aus, und vor lauter Eifer, sich den "Schwarzen Peter" zuzuschieben, wer denn nun den "Judenstern" (metapho risch und pars pro toto) "erfunden”habe vergisst man die Frage, welche Funktion dieser erfüllen soll. Es ist ganz offensichtlich, dass diese Parallelen angeführt werden, um den Islam moralisch zu entschuldigen, indem man christliche Staaten beschuldigt. Ein solches Unterfangen halten wir für Apologetik und Polemik, nicht aber für Wissenschaft. Ausserdem kommt man bei einem solchen Vorgehen in mehrfache Schwierigkeiten: wenn wir durch Anführen die ser Parallelen die Dimma hinsichtlich ihrer diskriminie renden Implikationen als "normal" darstellen, ist es
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natürlich schwierig, den singulären Charakter der Dimma darzustellen. Dieser ist aber gegeben, weil das Abend land ein solches Prinzip nicht kennt - und CAHEN etwa ist ja redlich bemüht (EI , Art. Dhiimna), den singulären Charakter dieses Phänomens zu unterstreichen. Dieser lässt sich dann aber nur noch dort postulieren, wo die "interessanten'' Parallelen diskriminierender tiinoritätenpolitik nicht feststellbar sind: im Bereich einer wie auch immer gearteten Koexistenz. Aber ist hier ein Unterschied gegeben? Kann man das Faktum als singulär hinstellen, dass die muslimischen Eroberer nicht nur von der Arbeitsleistung der Unterworfenen lebten, son dern diese Unterworfenen auch noch dazu leben liessen? Wenn man dies für singulär oder "tolerant" hält, dann muss man (mit derselben Logik) im Viehzüchter einen Tierfreund sehen! Nun ist aber andererseits die Orienta listik eben nicht bereit, die Dimma als Koexistenz für ein normales Phänomen zu halten, und das entscheidende Kriterium ist die Toleranzfrage. Diesbezüglich ist die Dimma dann die "bessere" Koexistenz. Dieser Nachweis fällt freilich danr. schwer, wenn man zuvor (mitunter seitenlang) jede Manifestation islamischer Intoleranz mit einer "interessanten" abendl ändischen Parallele kommentierte, um den Islam weniger intolerant erschei nen zu lassen - was im nächsten Schritt dann wieder er möglichen soll, ihn im Verhältnis zum christlichen Abend land doch als tolerant hinzustellen. Nachdem .man aber vorher Beweise für islamische Intoleranz angeführt hat, muss man den (jetzt wieder neu eingeführter.) Toleranz begriff einschränken. Zynismus liegt uns hier fern, so
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verworren wird tatsächlich "wissenschaftlich" gearbeitet. Zwei Beispiele: 2 Nachdem CAHEN in seinem EI -Artikel sich redlich be mühte, die Dimma als tolerantes Koexistenzprinzip darzustellen, andererseits aber wegen der "interessanten" Parallelen hinsichtlich der der Dimma immanenten Dis kriminierungen (freilich nur dieser!) christlich-abend ländische Verhältnisse anführte, sieht er sich plötzlich zu dieser Aussage veranlasst (a.a.O. S. 230): "Objectivity requires us to attempt a comparison between Christian and Muslim intolerance...Islam has, in spite of many upsets, shown more toleration than Europe towards the Jews who remained in Muslim lands. In places where Christian communities did not die out it may (!) have harassed them, but it tolerated them when they did not seera too closely bound up with western Christianity It
Nachdcm CAHEN es (a.a.O. S. 229) nicht für nötig hält, jene "social factors" zu untersuchen, die zum Aus sterben einiger Dimml-Gemeinden führten, die aber in einem Artikel über Dimma durchaus von grösstem Interesse sind, vor allem aber dann, wenn man wie CAHEN eine Dimma beschreibt, die angeblich dieses Aussterben verhindert, so ist es doch zumindest verwunderlich, dass er den Vergleich islamischer und christlicher Intoleranz an stellt (der mit dem Thema weit weniger zu tun hat, als die "social factors"!). Der Terminus "Intoleranz" mag erstaunen, weil CAHEN sich ja bemühte, ein tolerantes Bild zu zeichnen. Nachdem er aber (neben den "social factor^') die diskriminierenden Massnahmen nicht einfach unterschlagen konnte, muss er den Begriff anführen. Doch er rückt ihn ja sogleich zurecht, indem er sagt, der
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Islam sei immerhin toleranter als das Christentum ge wesen. Auf diesen Komparativ kommen wir gleich zurück. Aber warum sollte uns gerade die Objektivität zu einem solchen Vergleich veranlassen? Wenn der Biologe die Befruchtung beim Apfelbaum beschreibt, verlangt dann die Objektivität von ihm, diese Befruchtung mit jener der Fische zu vergleichen? Das Moment der Objekti vität kommt doch nur ins Spiel, wenn wir die Dimma mit moralischen Masstäben messen. Dabei hat CAHEN selbst vorher versucht, durch die abendländischen Parallelen das "Unmoralische" an der islamischen Minoritätonpolitik zu relativieren - wobei er völlig die Frage übersah, was die Diskriminierung bei den Dimmis erreichen solle. Das ständige Anfuhren "interessanter" Parallelen lässt letztlich den Eindruck entstehen, als sei Diskriminie rung eine zweckfreie Selbstverständlichkeit. Die Formulierung "In places where Christian communities did not die out it may have harassed them, but it toierated them" können wir kommentarlos als für die innere logische Schlüssigkeit von CAHEN’ s gesamten Ar tikel darstellen. Mit dem Objektivitäts-Argument steht CAHEN in einer gewissen Tradition. So schreibt etwa RESCHER (1): "Wenn wir die Verhältnisse und Bedingungen, unter denen die Andersgläubigen inmitten des islamischen Volks körpers lebten, richtig beurteilen wollen, so dürfen wir natürlich billigerweise nur analoge Umstände zum Vergleich heranziehen...vielmehr müssen wir, um dem historisch gegebenen Milieu gerecht zu werden, auf die (1) RESCHER, Oskar: Studien zum Inhalt von 1001 Nacht. In: Der Islam IX (19TS77 ^„“ I-S^fj’ TîTerT S . “77
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Verhältnisse des mittelalterlichen Europa zurückgrcifen. Dagegen nun gehalten, worden uns die LebensBedingungen der Nichtmuslime - trotz vieler Beschränkungen und Unge rechtigkeiten im einzelnen - im ganzen genommen doch mindestens als ebensogut, wenn nicht besser erscheinen als die der Nicht- (oder auch nur Anders-) Christen in Europa bis hart an die Schwelle der Neuzeit heran." Warum sollen wir diesen Vergleich eigentlich anstel len? Der "richtigen”Beurteilung willen? Wird die Aus sage des Biologen über die Befruchtung beim Apfelbaum erst dadurch "richtig" oder "richtiger” (eine wissen schaftlich fragwürdige Formulierung!), das3 er sie mit der Befruchtung der Fische vergleicht? Und wenn RSSCIffiR sagt, deshalb dürften wir nur "analoge" Umstande zum Vergleich heranziehen (die Befruchtung beim Birnbaum macht eine Aussage über die des Apfelbaums auch nicht "richtiger"), so müssen wir fragen, ob diese Analogie überhaupt gegeben ist. Kachdem das mittelalterliche Abendland keine Dimma kannte, kann die Analogie nicht gegeben sein. Ausserdem waren die Juden Europas von Anfang an eine eingewanderte Minderheit, die Dimmis aber ursprüngliche ortsansässige Mehrheit (mit der Formulierung von den "Andersgläubigen inmitten des is lamischen Volkskörpers" fegt HESCHFÜ diesen wesentlichen Unterschied gleich unter den Tisch). Aber die Analogie ist auch sonst nicht gegeben: die "Anders-Christen" lassen sich logischerweise nur mit den "Andres-Muslimen" vergicich-cn, also etwa mit den Schiiten. Hier zeigt die Geschichte des sunnitischen Islam freilich kein anderes Bild als Europa bezüglich der "Anders-Christen". Toleranz ist hier nicht festzu stellen, doch brauchen wir diesen Gedanken nicht weiter
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zu verfolgen, da die "Anders-Christen" in Europa keine Analogie zu den Kicht-Muslimen im Orient darstellen (1). Die von Karl dem Grossen verfolgten heidnischen Sachsen können auch nicht als Analogon dienen, weil die Dimmis (und nur um diese geht es hei RESCHER’ s Vergleich!) keine Heiden sind (der Islam pflegt Heiden nicht zu to lerieren, zwar kam man bald davon ab, ihnen nur die Wahl zwischen Annahme des Islam und Tod durch das Schwert zu lassen, und verlieh ihnen einfach den Dimmx-Status; vgl. CAKEK Art. Dhimma in El1" II 227). Für die Analogie können deshalb nur noch herange zogen werden Christen und Juden in islamischen Ländern einerseits, Juden und Muslime im christlichen Europa des Mittelai ters andererseits. Die Muslime in Europa sind aber so sehr "quantite negligeable", dass man sie ausser acht lassen kann, ganz abgesehen davon, dass ihnen ja ihr eigenes Religionsgesetz verbietet, länger unter nichtmuslimischer Herr schaft zu leben. (1) Diese falsche Analogie und der daraus resultierende Denkfehler sind sehr alt. So sagt schon LIDEHAU Reisen I 204, wo er sich über protestantische Literatia1 xn Ga lata wundert: "Aber ist sich wol zuverwunder«, das sol ches von den Türcken zugelassen wirdt. In HiSpanien wurde man es nicht nachgeben; aber bei den Türcken ist keine Inquisition...Darurab fast grosz Wunder bei dieser Tirarmei der Bobs tischen, das sich nicht alle Welct unter den 'i>arcken begibt." Dies ist freilich die Logik eines deutschen Protestanten des 16. Jahrhunderts, gleich wohl sieht KREIßEL Schreibcrs Mission S. 39 in diesem Bericht die üsmaniscEe-Töreränz~besTätigt, natürlich im Vergleich zu Europa! Hat dieses Europa sich eigent lich je gefragt, welcher Richtung des mosaischen Glau bens eine konkrete jüdisch» Gemeinde angehört?
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Da nun aber der Begriff der Analogie mindestens zwei vergleichbare Elemente voraussetzt, den Christen im islamischen Orient aber nur Muslime im christlichen Europa analog sein können, andererseits aber man diese Muslime (mangels Masse und Relevanz) nicht anführen kann, bleiben für eine Analogie nur noch die Juden Europas gegen die Juden des Orients (über die Christen des Orients können sie nichts aussagen). Europa hatte Juden-Pogrome, aber auch andere Zeiten. (Es fällt übrigens auf, dass die Behauptung für Europa nie belegt wird, die dortigen Juden hätten einen schwie rigeren Stand gehabt als ihre Glaubensbrüder im Orient. Die "interessanten" Parallelen können - eben weil sie als Parallelen, also gleichwertig betrachtet werden natürlich schlecht einen solchen Beweis darstellen! Man könnte sich auch einmal darüber wundern, dass in Europa, das keine Dimma kennt, grössere jüdische Gemeinden über haupt bis zur Reconquista existieren konnten! Die Ge schichte der jüdischen Diaspora in Europa war jedenfalls nicht ein einziges Pogrom!) Diese Pogrome hatten aber nicht nur einen religiösen Grund. Wenn andererseits RESCHER die systematische Verfolgung Andersgläubiger im Orient in erster Linie Gründen "politisch-wirtschaft lichen Charakters" auschreibt (womit er sie aus dem Be reich der religiösen Intoleranz ausklammert), und dies auch für Pogrome in Europa gilt, dann fehlt uns wieder das Unterscheidungskriterium für die Abstufung der bei den "Intoleranzen"! Es ist nichts gewonnen. (Im den Vergleich anstellen zu können, müsste man also von beiden zu vergleichenden Objekten 30 stark abstra-
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hieren, dass die wesentlich konstitutiven Kriterien wegfallen. Auf einer solchen Grundlage ist dann alles mit allem analog: ein Vergleich ist nicht möglich. Wir müssen also diesen ewigen Vergleich nicht nur deshalb ablehnen, weil wir gar keinen Grund haben, ihn anzustellen (da er, wenn wir ihn anstellen, unsere Aus sagen über Dimma nicht "richtig" oder "richtiger" macht), sondern auch deshalb, weil die Analogievoraussetzungen nicht gegeben sind. Wie hei CAHEH, so folgt auch bei KESCHER auf den an geblich aus Gründen der Objektivität notwendigen Ver gleich der Lebensverhältnisse der Vergleich der Toleranz (1001 Nacht S. 78), dann fährt er fort (a.a.O.): "Kein Mensch, der die Psyche der Islamvölker einigermassen kennt, wird behaupten wollen, dass irgendwo und irgendwann je wirkliche Toleranz, im Sinne einer Aner kennung der G l e i c h w e r t i g k e i t der reli giösen Anschauungen, ausgeübt worden wäre.... trotzdem aber hat es in den Islamländem s y s t e m a t i s c h e V e r f o l g u n g A n d e r s g l ä u b i g e r in g r o s s e m S t i l allein aus religiösem Fanatismus k a u m je g e g e b e n . " Nun, es bedarf ja nicht gerade der physischen Aus rottung, um Intoleranz zu konstatieren! Und zu einer Frage der Psychologie wollen wir die fehlende Toleranz auch nicht machen, Koran und §arîca reichen völlig aus. Wenn RESCHER sagt, die muslimische Toleranz sei na türlich keine "wirkliche" Toleranz im Sinne einer Aner kennung der Gleichwertigkeit der religiösen Anschauungen, so bleibt er die Antwort auf die Frage, welchen Toleranz begriff er denn meine, auch dann schuldig, wenn er sagt, trotzdem habe es keine systematische Verfolgung Anders-
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gläubiger in grossem Stil allein aus religiösem Fana tismus gegeben. Letzteres sagt nichts über den von RESCHE3 gemeinten Toleranzbegriff aus. Aber wenn RESCHER den Begriff "wirkliche Toleranz" ablehnt, sollte er sagen, was dann mit der sich aufdrängenden "unwirklichen" Toleranz gemeint sei. Auch TAESCHUER (1) hat dieses Problem mit der Definition, wenn er die Dinuna bezeichnet als "diese Regelung, die vielfach als ’ Toleranz’aufge fasst wird, obwohl sie mit dem neueren abendländischen Begriffe von Toleranz bestimmt nichts zu tun hat". Er grenzt die Dimma hiermit nur vom modernen Toleranzbe griff ab und sagt nicht, welchen Toleranzbegriff er statt dessen anwenden will. Bei CAHEW (vgl. oben S. 374 f.) fehlt ein Alternativ begriff deshalb (oder fohlt nicht, es ist ganz unerheb lich), weil für ihn Toleranz und Intoleranz keinen Ge gensatz bilden: wenn er einen Vergleich von "Christian and Muslim intolerance" (womit er den Islam also into lerant nennt!) mit der Aussage für gemacht hält "Islam has...shown more toleration", dann geht das auf ein sprachliches Paradoxon zurück: - A und B sind (eventuell im Verhältnis zu C) arm. - A ist ärmer als B. - Also ist B reicher als A. Das Paradoxon ist rein sprachlich möglich, inhalt lich ist es nur möglich, wenn man C als (unzweifelhaft) Reichen einführt: also wenn er enorm reicher ist als A oder B, bzw. so reich, dass man ihn unter keinen l-m(1) TAESCHRE3 Antichristliohe Bestrebungen S. 185·
ständen als arm bezeichnen könnte, selbst wenn man A und B ausser acht lässt. (CAHEN nacht ja den Vergleich der Intoleranz, indem er dem Islam mehr Toleranz "bestä tigt. ) Bei der Frage nach Reichtum oder Armut nag man dieses Paradoxon der Plastizität halber als "normal" empfinden. Die Aussage "mehr Reichtum ist gleich weniger Armut” ist nicht nur äusserst banal, sie ermöglicht uns auch nicht, in einem konkreten Falle von Reichtum, im anderen von Armut zu sprechen: mit einer komparativisch formu lierten Aussage können wir keine logisch haltbare abso lute Aussage herleiten, weil sich so nämlich die ur sprüngliche Aussage immer in ihr Gegenteil verkehren lässt. Ein solches Vorgehen ist logisch nicht zulässig, und kann deshalb für Wahrheitsfindung in einer wissen schaftlichen Arbeit keine Anwendung finden. Die Aussage "B ist reicher als A" ist zwar - von A und B her betrachtet - richtig, doch darf man den Kom parativ hier für die Deduktion weiterer Aussagen nur als sprachliches Phänomen begreifen. Einen realitätsbe zogenen Charakter muss man ihm absprechen: aus der Aus sage ” B ist rcicher als A" sind nämlich felgende Aus sagen ableitbar: "A ist reich”, "A und B sind reich", und "B ist reich" - was einen Widerspruch zur Grundaus sage darstellt (mit dieser neuen Aussage würde nach demselben Vorgehen just diese wieder selbst widerlegt, wir kämen zur ersten Grundaussage zurück, und so weiter ohne Ende: eine absolute Aussage ist hiermit nicht zu erreichen!). Kan darf also den Komparativ nicht in einen Positiv zurückverwandeln, sonst beisst sich die Deduk-
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tion in den Schwanz. Vollziehen wir dieselbe Deduktion nun einmal für die Frage der Toleranz bzw. Intoleranz, wobei C für Christentum, I für Islam stehe: Gehen wir von der Grundannahme aus, "C und I sind intolerant" (was CAISÎ5 sagt, weil er beide "Intoleranzen" vergleichen will), und fügen wir als Zwischenglied ein "C ist intoleranter als I", so gelangen wir zur Schluss aassage "I ist toleranter als C". Gehen wir aber von der Grundaussage aus "I und C sind tolerant", und be halten das Zwischenglied bei (aus formalen Gründen jetzt anders formuliert) "I ist toleranter als C", dann gelan gen wir zur Aussage "C ist intoleranter als I”, was dem Schluss aus der kontradiktorischen Grundaussage der ersten Deduktion voll entspricht: "I ist toleranter als C" besagt nichts anderes als "C ist intoleranter als I". Auf zwei widersprüchlichen Grundaussagen aufbauend erhalten wir also immer dieselbe Deduktion - die sich dann noch dazu, wenn man nicht aufpasst, in dio Positive "I ist tolerant" und "C ist intolerant·" auf lösen Hessen! Der Grund für dieses Ergebnis liegt in der Aussage des Zwischengliedes: "1 ist toleranter als C" bzw. "C ist intoleranter als I". Formallogisch muss die Beibehal tung des Zwischengliedes aber zur selben Aussage führen, auch wenn wir von widersprüchlichen Grundaussagen ausgehen. Wenn sich nun aber der Islam (aufgrund des Zwi schengliedes) immer als toleranter denn das Christen tum erweist, ganz egal, ob wir ihm "eigentlich" Toleranz oder Intoleranz bestätigen, dann haben wir Veranlassung, das Zwischenglied auf seine Richtigkeit zu überprüfen.
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CAHE^’ s Behauptung "Islam has__ shown more toleration..." (vgl. oben S. 374) wird nicht bewiesen (die Parallelen, die auch CAHEN immer anführt, können nicht als Beweis dienen, da sie ja einer Nivellierung, also einer Gleichsetzung der beiden "Intoleranzen" dienen!). ?Jun könnten wir mit derselben Methode des Nichtbeweisens das Zwischenglied "C ist toleranter als I" bzw. "I ist intoleranter als C" einführen - und würden letztlich zu den Aussagen gelangen, das Christentum sei tolerant, der Islam aber intolerant (ganz gleich, ob wir den bei den ursprünglich Toleranz oder Intoleranz bestätigen!). Anders ausgedrückt: solange wir das Zwischenglied nicht operationabel in den Griff bekommen und definieren können, solange können wir aus jeder Grundannahme jeden Schluss ableiten - und das ist unwissenschaftlich. Nachdem nun aber "Toleranz" nicht so operationabel ist wie "-Reichtum" bzw. "Armut", ist dies ein sehr schwieriges Unterfangen. "Reichtum" ist, weil sich immer eine dritte Vorgleichsgrösse oder -person C finden lässt, quantifizierbar. Toleranz ist nicht quantifizi erbar, ausser durch die Abgrenzung innerhalb A und E, bzw. I und C. Dieser Vergleich aber ermöglicht, da die Grund aussage immer hypothetisch bleibt, keine schlüssige Aus sage. Deshalb halten wir das ewige Vergleichen und die "interessanten" Parallelen nicht nur für überflüssig, sondern auch für hinderlich. Es käme vielleicht darauf an, den Toleranzbegriff zu definieren. Nachdem CAHEN aber (vgl. oben 8. 374) keinen Widerspruch zwischen dem fortwährenden Quälen der Dimmîs und dem Toleranzbegriff empfindet ("it may
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have harassed them, but it tolerated them"), können wir die Diskussion nicht weiterführen: für uns schliesst sich Quälen und Tolerieren gegenseitig notwendig aus, für CAHEN nicht. Wenn aber CAHEN im fortgesetzten Quä len der Dimmis keinen Widerspruch zur Toleranz sieht (womit er den Toleranzbegriff der gängigen Lexika auf gibt), wo beginnt denn dann eigentlich die Intoleranz des Abendlandes? Hier bietet sich (als Steigerung des fortgesetzten Quälens) nur noch die physische Ausrottung an - und die lässt sich für das Mittelalter nicht gene ralisieren. Oder folgt CAHEN hier quantifizierend einem Schema wie "ein ’ intol’Pogrom ist inner noch intoleran ter als 100 ’ toi’Quälen"? Wir haben in dieser Arbeit den Toleranzbegriff ersatzlos gestrichen, weil er kein Objekt hat, auf das er sich beziehen könnte. Wir brauchen deshalb auch keinen alternativen Begriff einzuführen, weil wir - wie in der Einleitung schon dargolegt - die Tatsache, dass man das Huhn, von dem man goldene Eier erwartet, nicht nur nicht schlachtet, sondern es auch vor dom Fuchs schützt, nicht für Toleranz halten, sondern für eine Banalität. (Es hat übrigens noch niemand behauptet, die französische Krone habe das Pariser Haus Rothschild "toleriert"!) Fällt bei den Dimmxs die Tolerierung der Religion via Zwangsbekehrung weg, dann fehlt halt auch die Gizya im Staatssäckel! Ausserhalb dieser Problematik, also be züglich dessen, dass man die "Hühner" nicht schlachtet, sondern ihnen auch noch die Religion lässt (andernfalls wäre das Schlachten ja gegeben!), ist die Tolerierung dieser Religion weder gegeben (wegen der kultischen Be-
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schränkungen), noch kann der Toleransbegriff hier über haupt angewandt, werden (weil der Muslim den Kult nicht sinnlich wahmehmen kann). Machdem wir die Dimma als Medium zur Integration de finierten, zeigt sich auch die "Toleranz” (bisheriger Definition) in einem anderen Licht: sie ist die not wendige Voraussetzung des angestrebten Zieles. Da dieses Ziel aber in der Integration (also in der Nicht-Tole rierung) der Dimmis liegt, was dem Toleranzbegriff wi derspricht, kann man den Toleranzbegriff auch deshalb nicht anwenden. Wenn nun aber einige Orientalisten be haupten, "Toleranz im eigentlichen Sinne" sei ja gar nicht gemeint, aber "immerhin" sei der Islam noch to leranter als das Christentum (was noch niemand bewiesen hat!), dann ist damit keinesfalls gesagt, der Islam sei tolerant. Wir haben aufgezeigt, dass man von dieser unbewiesenen Aussage aus Toleranz wie auch Intoleranz