Ralf Brand Sportpsychologie
Basiswissen Psychologie Herausgegeben von Prof. Dr. Jürgen Kriz Wissenschaftlicher Beirat:...
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Ralf Brand Sportpsychologie
Basiswissen Psychologie Herausgegeben von Prof. Dr. Jürgen Kriz Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. Markus Bühner, Prof. Dr. Thomas Goschke, Prof. Dr. Arnold Lohaus, Prof. Dr. Jochen Müsseler, Prof. Dr. Astrid Schütz
Die neue Reihe im VS Verlag: Das Basiswissen ist konzipiert für Studierende und Lehrende der Psychologie und angrenzender Disziplinen, die Wesentliches in kompakter, übersichtlicher Form erfassen wollen. Eine ideale Vorbereitung für Vorlesungen, Seminare und Prüfungen: Die Bücher bieten Studierenden in aller Kürze einen fundierten Überblick über die wichtigsten Ansätze und Fakten. Sie wecken so Lust am Weiterdenken und Weiterlesen. Neue Freiräume in der Lehre: Das Basiswissen bietet eine flexible Arbeitsgrundlage. Damit wird Raum geschaffen für individuelle Vertiefungen, Diskussion aktueller Forschung und Praxistransfer.
Ralf Brand
Sportpsychologie
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Kea S. Brahms VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Titelbild: © istockphoto.com/caracterdesign, Eva Serrabassa Satz: Jens Ossadnik; www.rundumtext.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16699-5
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Einleitung
7
1
Gegenstand der Sportpsychologie
9
1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Ausgangspunkt Psychologie Ausgangspunkt Sportwissenschaft Bezugsfelder Sport, Lebensstilaktivitäten und Bewegungen Sportpsychologische Forschungsprogramme Zusammenfassung und Lesetipps
9 10 12 14 15
2
Perspektive Leistung und Spitzensport
17
2.1 2.2 2.3 2.4
Motivationale Voraussetzungen und Prozesse Aktivierung, Angst und Stress Sportpsychologische Betreuung Zusammenfassung und Lesetipps
18 30 36 46
3
Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
49
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
Psychische Gesundheit durch körperliche Aktivität Gesundheitsverhaltensänderung Sport in der Therapie psychischer Störungen Gesundheitliche „Nebenwirkungen“ von Sport Zusammenfassung und Lesetipps
49 56 66 68 72
4
Perspektive Person und Lebensverlauf
75
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Sozialisation und Selbstkonzept bei Kindern und Jugendlichen Sportkarrieren Differentielle Merkmale von Sportlerinnen und Sportlern Gesund im Alter Zusammenfassung und Lesetipps
75 80 84 86 91
6
Inhaltsverzeichnis
5
Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
5.1 5.2 5.3 5.4
Der Einfluss der Gruppe auf die individuelle Leistung Soziale Einflussnahme durch Trainer und Sportlehrer Fans, Zuschauermassen und ihr Einfluss bei Sportveranstaltungen Zusammenfassung und Lesetipps
95 100 105 114
6
Perspektive Bewegungen und Informationsverarbeitung
117
6.1 6.2 6.3 6.4
Bausteine und Theorien motorischer Kontrolle Der Erwerb motorischer Fertigkeiten Praktische Gestaltung von Übungsprozessen Zusammenfassung und Lesetipps
119 128 133 141
Literaturverzeichnis
93
143
Einleitung Einleitung Einleitung
Mit dem vorliegenden Band Sportpsychologie soll eine Themen-Landkarte grober Auflösung geboten werden, die das an Universitäten (Hochschulen) gelehrte Fach Sportpsychologie beschreibt. Dabei sollen die zentralen Begriffe, wichtige theoretische Konzepte und wesentliche empirische Befunde illustriert werden. Es soll deutlich werden, mit welchen Fragen Forscherinnen und Forscher sich beschäftigen und mit welchen Mitteln und Methoden sie dies tun. Der Text soll einen Überblick für Studierende in Bachelor- und Master-Studiengängen der Psychologie schaffen aber auch einen Zugangsweg für Studierende in Studiengängen mit sportwissenschaftlichem Profil bieten. Lehrenden soll er als Kompass dienen, wenn sie sich selbst erst einmal Orientierung über die Breite des Faches schaffen wollen. Kurzum: das Lehrbuch soll einen schnellen Einblick in das universitäre Fach Sportpsychologie gewähren und Interesse zum tiefer führenden Studium wecken. Ein auf vergleichsweise wenig Seiten beschränktes Lehrbuch wie dieses muss notwendigerweise selektiv sein. Die Themenauswahl richtet sich deshalb natürlich auch an der persönlichen Auffassung des Autors darüber, was Sportpsychologie ist, aus. Die sportpsychologische Literatur bietet eine Vielzahl von sich unterscheidenden Definitionen über ihren Gegenstandsbereich. Ein Blick in die sportpsychologische Lehrbuchliteratur, die die akademische Lehre der vergangenen Jahre geprägt hat (z.B. Alfermann & Stoll, 2005; Gabler, Nitsch, & Singer, 2000; Tietjens & Strauß, 2006; Weinberg & Gould, 2007), oder in aktuellere auf spezielle Themenfelder bezogene Überblicksdarstellungen (z.B. Beckmann & Elbe, 2008; Fuchs, Göhner, & Seelig, 2007; Hagemann, Tietjens, & Strauß, 2007; Schlicht & Strauß, 2003) macht deutlich, dass eine systematische Darstellung dessen, was Sportpsychologie heute ist und ausmacht, mit ganz unterschiedlichen Herangehensweisen beginnen kann, und dann eben auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Im vorliegenden Einführungstext zur wissenschaftlichen Sportpsychologie im Ganzen, erfolgte die Themenauswahl und Entscheidungen darüber, wie unter-
8
Einleitung
gliedert wird, nach Maßgabe einer in zweierlei Hinsicht akteursorientierten Perspektiveneinnahme: 1. 2.
Zum einen orientiere ich mich am beobachtbaren Sportverhalten und Sporterleben von Personen. Zum anderen werden breitere thematische Leitlinien aufgegriffen, die wahrgenommen werden können, wenn man die Arbeit (Publikationen, Beiträge zu Fachkongressen, etc.) der in der sportpsychologischen scientific community tätigen Kolleginnen und Kollegen sichtet.
Für eine solche Herangehensweise sprechen Gründe, die im Abschnitt Sportpsychologische Forschungsprogramme (Æ Kapitel 1) näher erläutert sind. Schließlich sei im Rahmen dieser kurzen Einleitung noch auf eine wichtige Einschränkung hingewiesen: Der mit diesem Einführungstext gewählte Zugang zur Sportpsychologie erfasst explizit nicht das Erfahrungsund praktische Handlungswissen, das die in der Praxis des Sports angewandt tätigen Kolleginnen und Kollegen in den vergangenen Jahren hervorgebracht haben. Es bietet keine direkte Handlungsanweisung zur praktischen Arbeit oder – technischer ausgedrückt – zur gezielten sportpsychologischen Intervention. Entsprechende Darstellungen oder Einführungstexte aktuelleren Datums finden sich zum Beispiel bei Linz (2003) oder Mayer und Hermann (2009) für die Perspektive auf Leistungssport und Leistung sowie bei Schlicht (2004) oder Göhner und Fuchs (2007) für den Bereich körperliche Aktivität und Gesundheit.
1
Gegenstand der Sportpsychologie
1 Gegenstand der Sportpsychologie
Was soll dieses Eingangskapitel leisten? Erstens, es soll die Systematik begründen, die zur Gliederung des Buches gewählt wurde. Dazu werden zunächst die Ausgangspunkte Psychologie und Sportwissenschaft markiert, dann wird das Bezugsfeld körperliche Aktivität (Sport, Lebensstilaktivitäten, Bewegungen) beschrieben, bevor kurz in die Idee einer Fachsystematik nach Forschungsprogrammen eingeführt wird. Außerdem, zweitens, wird verdeutlicht, wodurch sich sportpsychologische Untersuchungen auszeichnen.
1.1 Ausgangspunkt Psychologie 1.1 Ausgangspunkt Psychologie Die wohl allgemeinste und unter Psychologinnen und Psychologen sicher unumstrittene Formel zur Definition ihres Faches lautet: Psychologie ist die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben des Menschen. Die grundlegenden psychischen Phänomene, die menschliches Verhalten und Erleben bedingen, die es begleiten oder die darauf folgen, lassen sich psychologisch aus recht unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Während sich Persönlichkeitspsychologen, wenn sie sich zum Beispiel mit Leistungsmotivation beschäftigen, vor allem auf veranlagte interindividuelle Unterschiede konzentrieren, interessieren sich Kolleginnen aus der Sozialpsychologie vielleicht stärker für die situativen Reize, die leistungsmotiviertes Verhalten auslösen. Manche psychologische Fachdisziplinen beziehen sich besonders auf das Verhalten und Erleben bestimmter Gruppen von Menschen, etwa wenn klinische Psychologen die Ursachen und die Therapie psychischer Störungen in den Fokus nehmen. Andere Fächer, wie zum Beispiel die Verkehrspsychologie, konzentrieren sich auf bestimmte Anwendungsfelder und wenden ihr
10
1 Gegenstand der Sportpsychologie
Wissen dort an (z.B. bei der Beurteilung der Verkehrstauglichkeit von Kraftfahrzeugführern). Die Sportpsychologie, vom Ausgangspunkt der Psychologie her betrachtet, bezieht sich vor allem auf eine bestimmte Klasse von Verhalten sowie das damit verbundene Erleben: Psychologisches Wissen wird dazu genutzt, das Verhalten von Sporttreibenden1 zu beschreiben, es zu erklären, zu verändern oder vorherzusagen. Allerdings konzentriert man sich in der Sportpsychologie schon lange nicht mehr nur auf „echte“ Sportlerinnen und Sportler! Eine Definition dessen, was Sport ist und was nicht, ist grundsätzlich gar nicht einmal so einfach. Bevor aber dazu weiter hinten die Grundlagen gelegt werden (Æ Kapitel 1.3), soll der Versuch unternommen werden, sich dem akademischen Fach Sportpsychologie noch einmal aus sportwissenschaftlichem Blickwinkel zu nähern. Für die Gegenstandsbestimmung von Sportpsychologie aus Sicht der Psychologie bleibt hier aber schon einmal festzuhalten: Sportpsychologie zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass psychologisches Fachwissen und psychologische Methoden auf den Verhaltensbereich Sport (im weiteren Sinne) angewandt oder aus diesem heraus generiert werden.
1.2 Ausgangspunkt Sportwissenschaft 1.2 Ausgangspunkt Sportwissenschaft In einer wissenschaftstheoretischen Arbeit zum Gegenstand von Sportwissenschaft (Drexel, 2002, S. 159) wurde einmal festgestellt, dass bereits der Versuch der Vereinheitlichung unterschiedlicher, stets subjektiver, länderund zeitabhängiger sowie sportorganisations- und wissenschaftsspezifischer Vorstellungen über das Konstrukt Sport „reine Idee“ sei. Ähnlich verweist auch Schlicht (2009) auf die Kulturalität des Begriffes Sport, der sich vielfältig und entwicklungsdynamisch darstelle. Beide Autoren heben statt dessen das selbsterklärende Potenzial dessen, was Sport ist, hervor. Dieser Argumentation, die bei den beiden genannten Autoren nachgelesen werden kann, soll auch in diesem Lehrbuch gefolgt und weitgehend auf jenes selbsterklärende Potenzial vertraut werden. Es hilft dabei, den gemeinsamen Kern der unterschiedlichen sportwissenschaftlichen Fachdisziplinen (z.B. Trainings- und
1 Gemeint sind Akteure im Sport, also auch Trainer und Trainerinnen oder Zuschauer.
1.2 Ausgangspunkt Sportwissenschaft
11
Bewegungswissenschaft, Sportgeschichte, Sportpädagogik, Sportsoziologie, Biomechanik, Sportphilosophie, Sportmedizin und eben auch Sportpsychologie) zu identifizieren. Die meisten Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler werden sicher der folgenden Behauptung zustimmen: Unabhängig von der jeweiligen sportwissenschaftlichen Fachperspektive, bildet die menschliche Bewegung, besonders (!) wenn sie als Sport hervorgebracht wird, den Identität stiftenden Kern dieses Faches. Das junge Fach Sportwissenschaft unterscheidet sich zumindest in einem Punkt deutlich vom Fach Psychologie. Viele sportwissenschaftliche Teildisziplinen lassen sich als „Kinder“ fachlich eigenständiger, traditionsreicher Mutterdisziplinen beschreiben. Die Sportsoziologie stammt, was den Großteil ihrer Theorien und Methoden anbelangt, von der Soziologie ab. Die Sportpädagogik orientiert sich natürlich eng an der Erziehungswissenschaft und die Sportbiomechanik mag als Sonderfall der Physik verstanden werden. Diesen nicht weg zu diskutierenden Querverbindungen mag es geschuldet sein, dass einige sportwissenschaftliche Teildisziplinen heute nahezu unvereinbare Auffassungen über den gemeinsamen Gegenstand, über gemeinsame (meta-)theoretische Annahmen oder über das akzeptable methodische Vorgehen pflegen. Gerade in diesem multiperspektivischen Umgang mit dem gemeinsamen Kern (siehe oben) liegt allerdings auch das originär Sportwissenschaftliche und damit auch das für die Sportpsychologie Begriffsbestimmende: Die Spezifikation Sport in der Disziplinbezeichnung Sportpsychologie steht weniger für Sportverhalten als für Sportwissenschaft. Nicht bei jeder psychologischen Arbeit, die ihre Hypothesen an Sportlerinnen oder Sportlern prüft, handelt es sich per se um eine sportpsychologische Arbeit! Besonders dann nicht, wenn präsentiertes „Wissen“ (und sei es aus schierer Unkenntnis heraus) inkompatibel zu damit verbundenen sportwissenschaftlichen Grundlagen ist oder durch sportwissenschaftliches Grundlagenwissen spezifiziert werden müsste. Ein einfaches Beispiel dazu: Die sozialpsychologische Forschung hat mit einer Vielzahl imponierender Untersuchungen die Gesetzmäßigkeiten analysiert, die darüber entscheiden, ob in Kleingruppensituationen die Gegenwart Anderer eher zu Leistungsverbesserungen (soziale Erleichterung) oder zu Leistungsminderungen (soziales Faulenzen) führt. Dieses Themas haben sich – aus naheliegenden Gründen – auch sportpsychologische Arbeitsgruppen angenommen (Æ Kapitel 5.1, Der Einfluss der Gruppe auf die individuelle
12
1 Gegenstand der Sportpsychologie
Leistung). Ihre Ergebnisse zeigen, dass sich die gut bewährten sozialpsychologischen Effekte im Kontext verschiedener Sportarten ganz unterschiedlich ausprägen, sie allem Anschein nach von der athletischen Anforderungsstruktur der sportlichen Aufgabe sowie von der Struktur der jeweiligen Leistungszusammensetzung abhängig sind. Werden diese Einschränkungen in (dann eben nicht: sport-) psychologischen Untersuchungen vernachlässigt und erfolgt die Auswahl des Sportarten-Untersuchungssettings mehr oder weniger zufällig, resultieren „Zufallstreffer“. Dies kann zu Fehlschlüssen über die psychologischen Grundlagen führen. An eine sportpsychologische Arbeit ist also – vom sportwissenschaftlichen Ausgangspunkt her betrachtet – der Anspruch heranzutragen, dass das psychologisch thematisierte Sportverhalten und Sporterleben sachgerecht, d.h. im Lichte des relevanten sportwissenschaftlichen Kontextwissens beleuchtet wird. Dieses Kontextwissen kann mal aus sportsoziologischen, mal aus trainingswissenschaftlichen Quellen herrühren. Gelungene sportpsychologische Forschung erwächst also aus der Beherrschung sowohl der relevanten psychologischen als auch der erforderlichen sportwissenschaftlichen Grundlagen.
1.3 Bezugsfelder Sport, Lebensstilaktivitäten und Bewegungen 1.3 Bezugsfelder Sport, Lebensstilaktivitäten und Bewegungen Zu den wichtigen sportwissenschaftlichen Grundlagen zählt die korrekte Verwendung der Begriffe körperliche Aktivität, Sport, Lebensstilaktivitäten und Bewegung(en). Abbildung 1 veranschaulicht die Relation der Begriffe zueinander und zeigt die Begriffsverwendung, so wie sie im vorliegenden Buch gehandhabt wird. Paradoxerweise lässt sich die korrekte Verwendung der deutschen Fachbegriffe am einfachsten mit Hilfe ihrer englischsprachigen Übersetzungen erläutern: „Sports“ steht im Englischen allein für den Leistungs- und Wettkampfsport. Mit „exercise“ ist demgegenüber jegliches Sporttreiben gemeint, das Personen in der Absicht hervorbringen, ihrem Körper (in der Regel ihrer Gesundheit) etwas Gutes zu tun. Im Deutschen können, wenn von Sport gesprochen wird, beide Formen von sportlicher Aktivität gemeint sein. Der Begriff „physical activity“ (körperliche Aktivität) wird im Englischen dann verwendet, wenn explizit nicht näher bestimmt werden soll, ob eine
1.3 Bezugsfelder Sport, Lebensstilaktivitäten und Bewegungen
13
Aktivität als Sport zutage tritt oder ob damit irgendeine andere, größere Muskelgruppen involvierende Form der körperlichen Aktivität gemeint ist (z.B. häufiges Aufstehen und Hinsetzen bei der täglichen Arbeit). Er stellt eine Art Oberkonzept dar, mit dem alle anderen hier vorgestellten Begriffe gemeint sein können.2 Der Begriff „life style physical activity“ (Lebensstilaktivität) steht in enger Verbindung zum Thema Gesundheitsverhalten. Er dient der Bezeichnung verschiedenster Formen von körperlich-aktiven, nicht-sportlichen Alltagshandlungen (z.B. Fahrradfahren, Spazierengehen oder das regelmäßige Benutzen von Treppen statt Aufzügen). Schließlich verweist der Begriff „movement“ (Körperbewegung) auf den Kontext Motorikforschung. Er dient vor allem der Bezeichnung von kleinmotorischen (z.B. Fingerspreizen) und großmotorischen Bewegungen (z.B. Laufen), sowie komplexen Bewegungstechniken (z.B. Kippe beim Reckturnen).
Körperliche Aktivität seltener wird auch „Bewegung“ als Oberbegriff gewählt
entsteht aus
(Körperteil-) Bewegungen die in der Erscheinungsform
Sport z.B. Fußballspielen
die in der Erscheinungsform
Lebensstilaktivitäten primär unter dem Aspekt von
primär auf das Erreichen von
Leistung und Wettkampf
ausgerichtet sind.
betrieben werden.
Abbildung 1:
Gesundheitszielen*
Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit leisten können. z.B. Spazierengehen
*(oder sonstigen Zielen)
Körperliche Aktivität als Oberbegriff verschiedener Aktivitätsformen
2 Manche Autoren verwenden alternativ den Begriff Bewegung. Ein Grund dafür mag sein, dass man den verengenden Begriff Sport (weil er im Sinne von engl. „sports“ missverstanden werden könnte) genauso vermeiden möchte, wie den alltagssprachlich sperrigen Ausdruck körperliche Aktivität.
14
1 Gegenstand der Sportpsychologie
Sportpsychologie beschäftigt sich also mit deutlich mehr als dem, was Sportwissenschaftler schon einmal als Sport im engeren Sinne bezeichnet und womit sie vor allem geschlossene Sportartensysteme gemeint haben (Dietrich & Heinemann, 1989). Ein Großteil sportpsychologischer Forschung widmet sich heutzutage genauso der Untersuchung von Bewegungen (mit dann deutlichen Bezügen zur Motorikforschung der Allgemeinen Psychologie) sowie allerhand sonstigen Formen von körperlicher Aktivität, zum Beispiel Lebensstilaktivitäten (mit Schnittmengen in der Gesundheitspsychologie).3
1.4 Sportpsychologische Forschungsprogramme 1.4 Sportpsychologische Forschungsprogramme Die vorangehenden Abschnitte dienten einer ersten Annäherung an den Gegenstand der Sportpsychologie. Diese Gegenstandsbestimmung war deutlich vom Konzept des triadischen Bezuges von Sportpsychologie (Nitsch, 2000), als einem im Schnittfeld von Psychologie, Sportwissenschaft und Sport (im weiteren Sinne) angesiedelten Fach, inspiriert. Das nun Folgende dient vor allem der Begründung, weshalb für dieses Lehrbuch eine Untergliederung nach Perspektiven und Themenfeldern gewählt wurde. Schon in der Einleitung wurde angemerkt, dass eine in zweierlei Hinsicht akteursbezogene Herangehensweise zur Darstellung der wichtigsten sportpsychologischen Wissensgrundlagen gewählt wird. Mit den ersten beiden Kapiteln Perspektive Leistung und Spitzensport (Æ Kapitel 2) sowie Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden (Æ Kapitel 3) werden die beiden Sinngebungen thematisiert, die aktuell wahrscheinlich die meisten Menschen dazu veranlassen, regelmäßig körperlich aktiv zu sein.3 Entsprechend gewichtige Schwerpunkte lassen sich auch für die sportpsychologische Forschung konstatieren. Die Untergliederung und Benennung der darauffolgenden Kapitel Person und Lebensverlauf (Æ Kapitel 4), Gruppen und soziale Beeinflussung (Æ Kapitel 5) sowie Bewegungen und Informationsverarbeitung (Æ Kapitel 6) stellt den Versuch dar, die aktuell wichtigen Themenfelder von Sport-
3 Diese Darstellung vernachlässigt mögliche andere Sinngebungen, wie z.B. Geselligkeit, Ästhetik oder Selbsterfahrung, weil entsprechende Inszenierungen in der Vergangenheit eher selten sportpsychologisch untersucht wurden.
1.5 Zusammenfassung und Lesetipps
15
psychologinnen und Sportpsychologen zu beschreiben und zusammenzufassen. Den mit der Sportpsychologie noch wenig vertrauten Lesern mögen diese drei Perspektiven, im Unterschied zu den beiden oben genannten Leistung und Spitzensport sowie Gesundheit und Wohlbefinden, der Benennung nach weniger „lebensnah“ erscheinen. Dies spiegelt jedoch auch die Realität der wissenschaftlichen Arbeit zu diesen drei Perspektiven (Kapitel 4 bis 6) wider, in der weniger der Bezug zu gesellschaftlichen Lebensbereichen (wie in den Kapiteln 2 und 3) als die Orientierung an psychologischen Fachsystematiken eine Rolle spielt. Die für dieses Lehrbuch ausgewählte Art der thematischen Gliederung nimmt auf eine wissenschaftstheoretische Position Bezug, die unter anderem aus der wachsenden Interdisziplinarität des Wissenschaftsbetriebes resultiert. In der Enzyklopädie der Psychologie wurde bereits vor einigen Jahren der Entwurf einer Fachsystematik nach Forschungsprogrammen begründet (Herrmann, 1994). Diesem zufolge manifestieren sich Forschungsprogramme durch, in einem weiteren Sinne, zusammenarbeitende Wissenschaftsakteure, die vor dem Hintergrund akzeptierter Strukturen über Vorannahmen, Herangehensweisen und Aussageverknüpfungen ein gemeinsames Problem bearbeiten und sich dabei auf größere Wissenschaftssysteme beziehen. Die großen Wissenschaftssysteme sind im vorliegenden Fall die Psychologie einerseits und die Sportwissenschaft andererseits. Die trennscharfe Abgrenzung einzelner oder miteinander vernetzter Forschungsprogramme ist schon aus formalen Gründen schwierig (Herrmann, 1994). Jedoch taugt der grundlegende wissenschaftstheoretische Gedanke, dass sich Fächer über die Betrachtung ihrer Forschungsprogramme beschreiben lassen, ganz sicher zur Raumaufteilung im vorliegenden „kognitiven Reiseführer“: Die in den Kapitelüberschriften benannten Perspektiven beschreiben wichtige Netzwerke von Forschungsprogrammen der Sportpsychologie.
1.5 Zusammenfassung und Lesetipps 1.5 Zusammenfassung und Lesetipps Sportpsychologisches Wissen wird von Wissenschaftsakteuren hervorgebracht, die entweder vom Ausgangspunkt Psychologie oder vom Ausgangspunkt Sportwissenschaft her, je aber mit Blick auf das Bezugsfeld körperliche Aktivität agieren. Daneben gibt es praktisch im Feld arbeitende
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1 Gegenstand der Sportpsychologie
Sportpsychologinnen und Sportpsychologen, die über spezifisches Handlungs- und Erfahrungswissen verfügen, das im vorliegenden Buch jedoch nicht weiter aufgegriffen wird. Sportpsychologisches Wissen lässt sich in Forschungsprogrammen ordnen. Es ist sowohl an psychologische als auch an sportwissenschaftliche Grundlagenerkenntnisse angeschlossen, darf also nicht inkompatibel zu Wissensbeständen aus einer der beiden Grundlagendisziplinen sein. Definitorisch zusammengefasst beschäftigt sich wissenschaftliche Sportpsychologie mit dem für körperliche Aktivität und besonders Sport relevanten Verhalten und Erleben. Sie widmet sich insbesondere der Beschreibung, der Erklärung, der Vorhersage oder der Veränderung solchen Verhaltens und Erlebens und fundiert damit die praktische Anwendung sportpsychologischer Erkenntnisse im Feld. Weiterführende Literatur Nitsch, J. R., Gabler, H. & Singer, R. (2000). Sportpsychologie – ein Überblick. In H. Gabler, J. R. Nitsch & R. Singer (Hrsg.), Einführung in die Sportpsychologie. Teil 1: Grundthemen (3. Aufl., S. 11-42). Schorndorf: Hofmann. Schlicht, W. (2009). Sportpsychologie – Eine Standortsuche. In W. Schlicht & B. Strauß (Hrsg.), Grundlagen der Sportpsychologie (Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie V, Band 1, S. 1-31). Göttingen: Hogrefe. Weinberg, R. & Gould, D. (2007). Foundations of Sport and Exercise Psychology (4th ed., pp. 3-23). Champaign, IL: Human Kinetics.
2
2 Perspektive Leistung und Spitzensport
2 Perspektive Leistung und Spitzensport
Der Blick in diesem Kapitel richtet sich auf jenes Feld, das vielen gleich als erstes einfällt, wenn sie zum Thema Sportpsychologie assoziieren sollen. Sportpsychologie kann Sportlerinnen und Sportlern im Spitzensport dabei helfen erfolgreich zu sein. Um im Sport erfolgreich zu sein, ist es in letzter Konsequenz entscheidend, dass wiederholt (zu in der Regel fremdbestimmten Zeitpunkten, nämlich Wettbewerben) bestmögliche Leistung erbracht wird. Die deutsche Skirennfahrerin Maria Riesch zum Beispiel, ist im Jahr 2010 mit zwei Goldmedaillen, eine in der alpinen Kombination und eine im Slalom, von den Olympischen Spielen in Vancouver (Kanada) zurückgekehrt. Zu ihren Zielen zählte aber sicher auch ein Podestplatz in der „alpinen Königsdisziplin“ Abfahrt, ein Rennen, in dem sie neben der USAmerikanerin Lindsay Vonn zu den Favoritinnen zählte. Leider blieb Maria Riesch in diesem Rennen erfolglos. Möglicherweise setzt sie sich den noch ausstehenden Erfolg im Abfahrtslauf als Ziel für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi (Russland)?! Wie man erklären kann, dass Sportlerinnen und Sportler es schaffen, sich über teilweise lange Zeiträume hinweg immer wieder neu zu motivieren, wird unter der Überschrift Motivationale Voraussetzungen und Prozesse (Æ Kapitel 2.1) behandelt. Vor allem den Moment, in dem die sportliche Leistung im Wettkampf dann erbracht werden muss – der Moment also, in dem Maria Riesch 2014 (hoffentlich) im Starthäuschen zur Damenabfahrt in Russland stehen wird – adressiert das darauffolgende Kapitel Aktivierung, Angst und Stress (Æ Kapitel 2.2). Schließlich wird darauf eingegangen, wie eine qualifizierte sportpsychologische Betreuung angelegt sein sollte. Unter anderem wird auch ein Abriss über wichtige Themen im sportpsychologischen Training gegeben (Æ Kapitel 2.3).
18
2 Perspektive Leistung und Spitzensport
Definition
Sportliche Leistung bezeichnet die Einheit von Vollzug und Ergebnis einer sportlichen Handlung bzw. einer komplexen Handlungsfolge, gemessen bzw. bewertet an sozial determinierten Normen (Schnabel, Harre, & Borde, 1998, S. 33). Unter Erfolg lässt sich dann das Erreichen eines definierten oder allgemein als erstrebenswert anerkannten sportlichen Zieles verstehen.
2.1 Motivationale Voraussetzungen und Prozesse 2.1 Motivationale Voraussetzungen und Prozesse Sportliche Höchstleistung setzt intensives Training und damit auch hoch motiviertes Trainingsverhalten voraus. Diese Voraussetzung berührt vor allem den Themenkomplex Leistungsmotivation, der sich theoretisch ganz unterschiedlich fassen lässt. Die folgenden Darstellungen illustrieren deshalb vor allem die Vielfältigkeit sportpsychologischer Untersuchungsansätze zum Themenbereich Motivation und sportliche Leistung.4 Motivationspsychologische Grundannahmen. Klassischen motivationspsychologischen Überlegungen zufolge entsteht motiviertes Verhalten, wenn ein bei der Person mehr oder weniger stark ausgeprägtes Motiv durch eine geeignete Situation angeregt wird (Lewin, 1936). Motive sind relativ stabile personale Veranlagungen (Dispositionen). Unter einer Situation wird die subjektive Deutung einer konkreten Reizumgebung verstanden. Motivation bezeichnet dann „die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg, 2002). Dieses in Abbildung 2 grafisch dargestellte und zunächst sehr einfach erscheinende Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie impliziert einige gar nicht so triviale Grundannahmen. Es wird davon ausgegangen, dass sich Menschen Ziele vorstellen können und dass sie diese positiv oder negativ bewerten. Außerdem wird unterstellt, dass Ziele – je
4 Die dargestellten Theorien, Modelle und Befunde sind im Kontext von Sportunterricht und Schule nicht weniger relevant. In der sportpsychologischen Forschung konzentrierte man sich in der Vergangenheit jedoch ungleich stärker auf das Bezugsfeld Leistungssport.
2.1 Motivationale Voraussetzungen und Prozesse
19
nach Bewertung – aufsuchende oder vermeidende Verhaltenstendenzen auslösen. Schließlich ist in diesen Modellannahmen auch schon der Gedanke angelegt, dass motiviertes Verhalten in Abhängigkeit der entstandenen Aktivierung (Æ Kapitel 2.2, Aktivierung, Angst und Stress) mehr oder weniger zielführend sein kann.
Person (Motive)
Aktuelle Motivation
Verhalten
Situation (potenzielle Anreize)
Abbildung 2: Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie (Rheinberg, 2002, S. 72)
Risikowahlmodell der Leistungsmotivation. Erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler sind häufig hoch leistungsmotiviert. Die Basis für (fast) alle späteren Erklärungsmodelle leistungsmotivierten Handelns geht auf einen Ansatz von David McClelland zurück, der das Leistungsmotiv als eine Persönlichkeitseigenschaft mit zwei zugrunde liegenden Motivtendenzen beschrieb: Während manche Menschen vor allem durch die Hoffnung auf Erfolg (und das damit verbundene Streben nach positiven leistungsbezogenem Gefühlsantworten) angetrieben werden, also erfolgszuversichtlich sind, dominiert bei anderen eher eine Tendenz zur Misserfolgsorientierung, weil ihr Handeln vor allem durch eine Furcht vor Misserfolg (und das damit verbundene Streben nach Vermeidung negativer leistungsbezogener Gefühlsantworten) geprägt ist (McClelland, 1953). Dieser Ansatz erfuhr seine entscheidende Weiterentwicklung im Risikowahlmodell von John Atkinson. Mit diesem lassen sich vor allem
20
2 Perspektive Leistung und Spitzensport
unterschiedliche Präferenzen in der Aufgabenwahl sowie die unterschiedliche „Energetisierung“ von Handlungen bei Erfolgs- vs. Misserfolgsmotivierten erklären. Demnach sind zwei situative Variablen wichtig, die mit dem individualtypisch ausgeprägten Leistungsmotiv interagieren. Die Leistungsmotivation einer Person bzw. deren Tendenz, sich einer Leistungsaufgabe zuzuwenden oder diese zu vermeiden, hängt demnach von der subjektiven Aufgabenschwierigkeit und dem subjektiven Wert eines Erfolges ab (Atkinson, 1974). Das Risikowahlmodell kann erklären, weshalb zum Beispiel ein erfolgszuversichtlicher Badmintonspieler im „Match“ gegen seine fünfjährige Tochter die Kleine eben nicht – hoch leistungsmotiviert – in zwei Gewinnsätzen mit 21:0 und 21:0 vom Platz fegt. Dies hängt zunächst einmal damit zusammen, dass der subjektive Wert eines Erfolges abnimmt, je leichter eine Aufgabe zu lösen ist. Umgekehrt steigt der Wert eines Erfolges bei zunehmender Aufgabenschwierigkeit. Angesichts einer zu leichten Aufgabe (hier: das Badmintonspiel gegen die hoffnungslos unterlegene kleine Tochter) ist es für einen durch die Hoffnung auf Erfolg geprägten Sportler wenig wertvoll und dementsprechend wenig leistungsmotivierend zu gewinnen. Gleichermaßen wenig leistungsmotivierend wäre für ihn eine Aufgabe, wenn sie nahezu unlösbar erschiene. Zum Beispiel, wenn anstatt der kleinen Tochter der aktuelle Weltmeister auf der anderen Seite des Netzes stünde (der subjektive Wert eines Erfolges wäre dann zwar riesig, bei gleichzeitig immenser Aufgabenschwierigkeit ist die Erfolgswahrscheinlichkeit aber eben auch sehr gering). Als besonders motivierend erleben Erfolgszuversichtliche sportliche Leistungssituationen mittlerer Aufgabenschwierigkeit (in denen der subjektive Wert eines Erfolges und die subjektive Aufgabenschwierigkeit gut „ausbalanciert“ sind). Sie suchen solche Situationen deshalb gerne und häufig auf. Demgegenüber sinkt die Motivationsstärke bei den Misserfolgsorientierten ausgerechnet bei diesen Aufgaben mittlerer Aufgabenschwierigkeit. Wenn ihnen die Möglichkeit dazu gelassen wird, wählen sie lieber unterfordernde oder stark überfordernde Aufgabenschwierigkeiten oder setzen sich dementsprechende persönliche Ziele. Sie möchten das Gefühl von Misserfolg dadurch vermeiden, dass sie Leistungsaufgaben mit sicherem Ausgang wählen. Entweder die Aufgabe ist so einfach, dass man sich sicher sein kann, erfolgreich aus ihr hervorzugehen, oder sie ist dermaßen schwierig, dass ein Scheitern erwartbar und damit kaum als echter Misserfolg zu bewerten wäre. Generell neigen Personen, bei denen die Furcht vor Misserfolg
2.1 Motivationale Voraussetzungen und Prozesse
21
die Hoffnung auf Erfolg überwiegt, eher dazu, leistungsbezogene Situationen zu vermeiden oder sie hinauszuzögern. steigt
steigt
FM > HE
pErfolg 0%
50 %
sinkt
100 %
Motivationsstärke
Motivationsstärke
HE > FM
pErfolg 0%
50 %
100 %
sinkt
HE: Hoffnung auf Erfolg FM: Furcht vor Misserfolg pErfolg: Erfolgswahrscheinlichkeit Aufsuchentendenz
Abbildung 3:
Meidentendenz
resultierende Tendenz
Risikowahlmodell nach Atkinson (1974)
Diese Vorhersagen über das Zusammenspiel von Motivausprägung, Aufgabenschwierigkeit und Motivationsstärke, die mit dem Risikowahlmodell möglich sind, sind in Abbildung 3 noch einmal grafisch zusammengefasst. Dort veranschaulicht ist die aus individueller Meidungs- und Aufsuchenstendenz resultierende Motivationsstärke (resultierende Tendenz) in Abhängigkeit der dominanten Motivausprägung (Hoffnung auf Erfolg vs. Furcht vor Misserfolg) sowie verschiedenen Erfolgswahrscheinlichkeiten. Sportpsychologische Untersuchungen zeigen, dass Sportlerinnen und Sportler in Leistungssituation tatsächlich auch so agieren (z.B. Elbe, Wenhold, & Müller, 2005). Zur Diagnostik des sportbezogenen Leistungsmotivs im Leistungssport liegt ein Fragebogeninstrument vor, mit dem individuelle Motivausprägungen in den beiden Dimensionen Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg reliabel und valide gemessen werden können (Wenhold, Elbe, & Beckmann, 2009a).
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
Attributionstheorien. Einige maßgebliche theoretische Ansätze, die auf große Teile der bisherigen Überlegungen aufbauen, heben die Bedeutung kognitiver Zwischenprozesse hervor und betonen vor allem die Verlaufsaspekte leistungsmotivierten Verhaltens. Sie lassen sich unter der Klasse der Attributionstheorien zusammenfassen. Darin geht es zentral um die Auswirkungen, die subjektive Ursachenerklärungen (Ursachenzuschreibungen, Kausalattributionen) auf das Verhalten und Erleben von Sportlerinnen und Sportlern nehmen. Insbesondere bei ungewöhnlichen oder überraschenden Ereignissen neigen Menschen besonders zu solchen Ursachenzuschreibungen. Ursachenzuschreibungen sind insofern funktional, als sie uns die Welt (zurückblickend) verständlicher machen und (in die Zukunft gesehen) vorhersagbarer erscheinen lassen. Sie sind aber auch immer dann nützlich, wenn es gilt, sich den eigenen Erfolg oder Misserfolg möglichst selbstwertdienlich zu erklären. So erleben wir es (fast) Samstag für Samstag nach Fußball-Bundesligaspielen, dass Spiele scheinbar ausschließlich wegen der Fehlentscheidungen des Schiedsrichters verloren wurden (und man selbst an der Niederlage die geringste Schuld hatte). Die wesentliche Erweiterung im Selbstbewertungsmodell der Leistungsmotivation von Heinz Heckhausen (1963) besteht nun darin, dass er das Leistungsmotiv nicht mehr wie McClelland und Atkinson als Persönlichkeitseigenschaft, sondern als ein sich selbst mittels Ursachenzuschreibungen stabilisierendes System (Selbstbekräftigungssystem) konzipiert. Das Leistungsmotiv von Sportlerinnen und Sportlerinnen wird damit zu einer beeinflussbaren Größe, die zum Zwecke der Leistungsoptimierung, genauso wie die körperlich-athletischen Voraussetzungen auch, austrainiert werden kann (Æ Kapitel 2.3, Motivationstraining). Heckhausen nimmt wie zuvor Atkinson im Risikowahlmodell an, dass Erfolgszuversichtliche (oder wie er auch schreibt: Hochmotivierte) und Misserfolgsängstliche (Niedrigmotivierte) unterschiedliche Aufgabenschwierigkeiten bevorzugen und auswählen (und dementsprechend unterschiedliche Anspruchniveaus herausbilden). Hinzu kommt nun allerdings die Vorstellung, dass sich die Tendenz zur Erfolgszuversicht versus die Tendenz zur Misserfolgsängstlichkeit aus unterschiedlichen Attributionsstilen entwickelt bzw. dass sie durch spezifische Erwartungen und Nachbetrachtungen von Leistungsergebnissen gelernt werden. Heckhausen glaubt, dass Erfolgszuversichtliche ihren Erfolg in Leistungssituationen eher ihrer Anstrengung (internale Ursache) und ihrer eigenen Tüchtigkeit (über Situationen hinweg stabil) zuschreiben, wohingegen Misserfolgsängstliche
2.1 Motivationale Voraussetzungen und Prozesse
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im Erfolgsfall eher auf die Einfachheit der Aufgabe (externale Ursache) und auf die glücklichen Umstände (über Situationen hinweg variabel) attribuieren. Genau umgekehrt verhält es sich im Falle von Misserfolgen. Erfolgszuversichtliche erklären sich ihr Scheitern viel eher durch Pech (external) kombiniert mit nicht ausreichender Anstrengung (variabel), während Misserfolgsängstliche dazu neigen, schlechte Leistungsergebnisse, zurückblickend wie vorausschauend, eher auf die mangelnden eigenen Fähigkeiten (stabil) und die fehlende Begabung (internal) zurückzuführen. Schließlich wird im Selbstbewertungsmodell postuliert, dass Erfolgszuversichtliche den eigenen Erfolg nicht nur mit stärkeren positiven Emotionen verbunden erleben, sondern sich an diese Erfolge auch besser erinnern. Dem Modell Heinz Heckhausens zufolge führt das Zusammenwirken der drei Komponenten Anspruchsniveau, Ursachenzuschreibung und Selbstbewertung durch die vorausschauenden und zurückblickenden Bewertungen des eigenen Leistungshandelns zu einem Mehr oder Weniger an Leistungsmotivation. Das Modell genießt in der Sportpsychologie allergrößte Popularität. Bernhard Weiner, der sich vor allem mit dem Zusammenspiel zwischen Ursachenzuschreibungen und daraus resultierenden Emotionen beschäftigte, hat zum einen die Bezeichnung Dimensionen der Kausalattribution und, über den Vorschlag von Heckhausen hinausgehend, die Annahme einer dritten Dimension der Ursachenzuschreibung etabliert (Weiner, 1974). Auf den Sport übertragen, lassen sich demnach auch die Attributionsstile von Sportlerinnen und Sportlern ermitteln, indem ihre subjektiven Ursachenzuschreibungen erstens auf der Lokalitätsdimension (internale vs. externale Gründe werden für Erfolg oder Misserfolg verantwortlich gemacht), zweitens auf der zeitlichen Stabilitätsdimension (stabil vs. variabel) und drittens auf einer Kontrollierbarkeitsdimension (beeinflussbar vs. nicht beeinflussbar) bestimmt werden. Für einen Wettkampf-Badmintonspieler könnte das nach einem hart umkämpften Sieg zum Beispiel bedeuten, dass er diesen seiner eigenen Leistungsstärke (internal) zuschreibt und außerdem fest an die Wiederholbarkeit solchen Erfolges (stabil) glaubt, vor allem weil er einfach wie gewohnt weitertrainieren kann (beeinflussbar). Eine Übersicht zu den unterschiedlichen Auswirkungen von Attributionsstilen auf die Leistungsmotivation von erfolgszuversichtlichen und misserfolgsängstlichen Sportlerinnen und Sportlern ist in Tabelle 1 dargestellt. Sie illustriert (neben anderem) vor allem, dass misserfolgsängstliche Attributionsstile grundsätzlich ungünstiger als erfolgszuversichtliche sind.
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
Rahmeninfo: Alternative Ansätze zur Erklärung motivierten Verhaltens im Sport Sportanreize. Im Sport Leistung zeigen zu können, bietet ganz sicher vielen Sportlerinnen und Sportlern einen wesentlichen Anreiz für immer wieder neue Motivation. Gabler (2002) nennt eine Reihe weiterer Sportanreize (er selbst spricht von Motiven), die Menschen zum Sporttreiben einladen. Er unterscheidet auf das Sporttreiben selbst bezogene Anreize (ich-bezogene: z.B. Ästhetik, Körpererfahrung, Selbsterfahrung, Spannung und Risiko; im sozialen Kontext: soziale Interaktion) von auf das Ergebnis von Sporttreiben bezogenen Anreizen (ich-bezogene: z.B. Leistung als Selbstbestätigung; im sozialen Kontext: z.B. Leistung als Präsentation, Prestige) sowie Anreize, die Sporttreiben als Mittel für weitere Zwecke attraktiv erscheinen lassen (ichbezogene: z.B. Aussehen und körperliche Fitness, Naturerlebnis, materielle Gewinne; im sozialen Kontext: z.B. Anschluss, Geselligkeit). Intrinsische und extrinsische Motivation. Aus einer anderen theoretischen Position heraus beleuchtet (z.B. Deci & Ryan, 1985; Æ Kapitel 3.2, Selbstdeterminationstheorie) lassen sich in der Aufzählung Gablers sowohl Quellen intrinsischer Motivation (Handlungen, die um ihrer selbst willen durchgeführt werden und keines besonderen Anstoßes von außen bedürfen: z.B. Selbsterfahrung suchen) als auch Quellen extrinsischer Motivation (Handlungen, die durchgeführt werden, um eine von der Handlung unterscheidbare Konsequenz zu erreichen: z.B. eine Leistungsprämie erhalten) identifizieren. Flow. Eine vielen Sporttreibenden vertraut erscheinende (aus sportwissenschaftlich-empirischer Sicht jedoch auch höchst streitbare) intrinsische Motivationsquelle liegt in der sogenannten Flow-Erfahrung (Csikszentmihalyi & Jackson, 2000). Unter Flow versteht man eine Erlebensqualität, die zustande kommen kann, wenn die in der sportlichen Aufgabe liegenden situativen Anforderungen mit den eigenen sportlichen Fähigkeiten im Gleichgewicht stehen. Flowerleben im Sport (z.B. während eines Tennisspiels) zeichnet sich dann unter anderem dadurch aus, dass einem während des Spiels keinerlei ablenkende Gedanken oder Sorgen ins Bewusstsein treten, dass man voll und ganz in der aktuellen Tätigkeit aufgeht und zum Beispiel sein Zeitgefühl verliert.
2.1 Motivationale Voraussetzungen und Prozesse
Tabelle 1:
Beispiele für Attributionen und Leistungsmotivation
Typische Ursachenzuschreibungen von Erfolgszuversichtlichen im Erfolgsfall Anstrengung im Erfolgsfall
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Fähigkeit
Dimensionen nach Weiner
Auswirkung
internal - variabel – kontrollierbar internal - stabil unkontrollierbar
Motivationsförderlich
im Misserfolgs- geringe Anstrengung fall
internal - variabel – kontrollierbar
im Misserfolgs- Pech fall
external - variabel unkontrollierbar
Typische Ursachenzuschreibungen von Misserfolgsängstlichen im Erfolgsfall leichter Gegner
Dimensionen nach Weiner
im Erfolgsfall
external - instabil unkontrollierbar
Glück
im Misserfolgs- mangelnde Fähigkeit fall
external - stabil unkontrollierbar
internal - stabil unkontrollierbar
Selbstwertdienlich, aber wenig motivationsförderlich Motivationsförderlich
Selbstwertdienlich aber wenig motivationsförderlich Auswirkung
Selbstwertgefährdend und motivationsschädlich Selbstwertgefährdend und motivationsschädlich Selbstwertgefährdend und motivationsschädlich
Zielorientierungen. Auf die Theorie der Kompetenzmotivation (White, 1959) geht der Gedanke zurück, dass Menschen aus sich heraus danach streben, sich in der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt als effektiv und kompetent zu erleben. Deshalb liegt ihnen daran, in Leistungssituationen ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Die von Joan Duda auf den Sport bezogene Theorie der Zielorientierung (Duda, 1992) knüpft an diese Überlegungen an und konzentriert sich auf die Art der Ziele, die sich Sportlerinnen und Sportler, des Kompetenzerlebnisses willen, setzen. Es wird davon ausgegangen, dass sich Menschen dispositionell (aufgrund unterschiedlicher Motivausprägungen, die durch Lernerfahrung zustande gekommen sind) hinsichtlich der von ihnen gewählten Bezugsnormen unterscheiden: die eine
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Bezugsnorm heißt Aufgabenorientierung (engl. task orientation), die andere Wettbewerbsorientierung (engl. ego-involvement). Demnach neigen manche Sportlerinnen und Sportler dazu, die ihrer Leistung innewohnende Güte und Qualität in den Vordergrund zu stellen und ihre momentane Leistung eher im Vergleich zur eigenen früheren Leistung zu bewerten (Aufgabenorientierung). Andere verfolgen in Leistungssituationen das Ziel besser als andere abzuschneiden und wählen also einen sozial vergleichenden Gütemaßstab (Wettbewerbsorientierung). Das Verhalten und Erleben aufgabenorientierter Sportlerinnen und Sportler ähnelt, im Vergleich mit dem oben dargestellten Selbstbewertungsmodell der Leistungsmotivation, in vielerlei Hinsicht dem von Erfolgszuversichtlichen. Leistungshandeln unter Aufgabenorientierung geht mit größerer Freude am Sport, mit größerer Ausdauer auch nach Misserfolgserlebnissen und mit vernünftigerem Risikowahlverhalten (Wahl der Aufgabenschwierigkeiten) einher. Spiegelbildlich verhält es sich mit Leistungshandeln unter Wettbewerbsorientierung. Solche Sportlerinnen und Sportler neigen eher dazu Furcht vor Misserfolg zu entwickeln, nach Misserfolgen früher aufzugeben oder unvernünftig niedrige oder zu hohe Aufgabenschwierigkeiten zu wählen. Insbesondere im Kontext der sportunterrichtsbezogenen Forschung wurde die Modellvorstellung ausgearbeitet, dass sich die beiden Motivausprägungen Aufgaben- und Wettbewerbsorientierung durch das motivationale Klima (Æ Kapitel 5.2, Soziale Einflussnahme durch Trainer und Sportlehrer) beeinflussen lassen, für das in erster Linie die Trainerin oder der Trainer verantwortlich ist (Duda & Hall, 2001). Demnach lässt sich Aufgabenorientierung dadurch fördern, dass während des Trainings die Verbesserung des individuellen Könnens in den Vordergrund gestellt wird und die persönliche Anstrengung des Übenden besonderen Zuspruch findet (aufgabenorientiertes Klima). Demgegenüber sollten Trainingsformen vermieden werden, in denen das Gewinnen wichtiger als die korrekte Ausführung der sportlichen Bewegung zu sein scheint, oder in denen der Eindruck entstehen könnte, der oder die Anleitende kümmere sich hauptsächlich um die „guten“ und weniger um die „schlechten“ Sportlerinnen und Sportler (wettbewerbsorientiertes Klima). Neben den angedeuteten pädagogischen Erwägungen sprechen für die Vermeidung eines wettbewerbsorientierten Klimas auch empirische Ergebnisse aus dem Leistungssport, die zeigen, dass eine stärkere
2.1 Motivationale Voraussetzungen und Prozesse
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Aufgabenorientierung auch die Leistung von herausragenden Sportlerinnen und Sportlern im Leistungssport beeinflusst (Pensgaard & Roberts, 2000). Handlungskontrolle. Die bisher dargestellten theoretischen Ansätze erklärten vor allem, welche Prozesse die Zielbildung (Intentionsbildung) von Sportlerinnen und Sportlern beeinflussen und wie sie dies tun. Sie werden psychologisch als motivationale Prozesse bezeichnet. Nun sagt uns aber schon der Alltagsverstand, dass nicht jedes Verhaltensziel, das man sich gesetzt hat (z.B. „Für den nächsten Sommer werde ich mir einen Waschbrettbauch und muskulöse Schultern und Oberarme antrainieren“), auch tatsächlich zu dem dazu notwendigen Verhalten führt (z.B. regelmäßig zweimal die Woche an speziellen Krafttrainingsgeräten arbeiten). Der Psychologe Julius Kuhl hat mit seinen Arbeiten zu volitionalen Prozessen (lat. volo: ich will) auch die sportpsychologische Forschung im Leistungssport entscheidend geprägt. Volitionale Prozesse sind dafür verantwortlich, dass Ziele in Handlungen übersetzt werden (vgl. Kapitel 3.2, Theorien der Handlungsausführung). Mit seiner Theorie der Handlungskontrolle schlägt Kuhl (2001) ein Selbstregulationsmodell zur Unterstützung der Motivation vor und benennt Handlungskontrollstrategien (z.B. Aufmerksamkeitskontrolle, Entscheidungskontrolle), die Sportlerinnen und Sportler einsetzen können, wenn es ihnen beispielsweise nicht gelingt, trotz klarer Handlungsziele ausreichend zu trainieren (Beckmann, Fröhlich, & Elbe, 2009). Er macht dafür relativ stabile (gelernte) interindividuelle Unterschiede verantwortlich, nämlich die Neigung entweder im Kontrollzustand der Handlungsorientierung oder im Kontrollzustand der Lageorientierung zu „funktionieren“ (siehe Definitionsbox). Zur sportbezogenen Beschreibung kann auf einen Fragebogen zurückgegriffen werden, der die beiden Kontrollzustände objektiv, valide und reliabel zu messen im Stande ist (Beckmann & Wenhold, 2009).
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
Definition
Handlungsorientierung. Handlungsorientierte Sportlerinnen und Sportler verwenden ihre Aufmerksamkeitsressourcen vor allem auf die zur Erreichung des Handlungsziels relevanten Aspekte. Sie agieren strategisch und sind in den entscheidenden Situationen voll und ganz bei der Sache. Lageorientierung. Lageorientierte Sportlerinnen und Sportler beziehen sich gedanklich vor allem auf ihre aktuelle, auf vergangene oder zukünftige Lagen (z.B. ihren Befindlichkeitszustand). Sie neigen zum Grübeln und laufen deswegen Gefahr, ihr eigentliches Handlungsziel aus den Augen zu verlieren und impulsiver zu agieren. Für die sportpsychologische Forschung hat sich vor allem Jürgen Beckmann mit diesem Thema befasst (Beckmann, 1994). Seine und die Untersuchungsergebnisse einiger anderer Autoren zeigen, dass lageorientierte Sportlerinnen und Sportler gegenüber handlungsorientierten im Großen und Ganzen im Nachteil sind, wenn es um Selbstregulation unter Beanspruchung oder um den angemessenen Einsatz von (psychischer) Kraft und Konzentration geht. Gleichzeitig gibt es aber auch Hinweise, dass Lageorientierte in sportlichen Situationen, in denen es eher auf eine schnelle und kurzfristige Ressourcenausschöpfung ankommt (z.B. beim Kugelstoßen in der Leichtathletik), überlegen sein können. Das Konzept der Handlungs- und Lageorientierung im Sport erwies sich in den vergangenen Jahren vor allem für die angewandte sportpsychologische Arbeit im Feld als fruchtbar. Das Rubikon-Modell als Rahmentheorie. Das Ineinandergreifen von motivationalen und volitionalen Prozessen bildet das sogenannte RubikonModell ab (Heckhausen, 1989). In den vergangenen Jahren wurde mehrfach auf die besonderen Möglichkeiten des Modells als Rahmenkonzeption für die Beschreibung sportbezogener Handlungsverläufe hingewiesen (Fuchs, 1997; Höner & Willimczik, 1998). Der spezifische Wert dieses handlungstheoretischen Modells von Motivation und Volition liegt (zumindest für die Sportpsychologie bisher) weniger darin, dass aus ihm empirisch überprüfbare Verhaltensvorhersagen abgeleitet werden können. Viel eher eignet es sich dazu, bevorstehendes oder bereits erbrachtes Sporthandeln in seinen Phasen und den je spezifischen gedanklichen Abläufen zu beschreiben, zu
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Fazit-Tendenz
planen
Fiat-Tendenz
Volition während der Handlung handeln
Intentionsdesaktivierung
abwägen
Volition vor der Handlung
Handlungsinitiierung
Motivation vor der Entscheidung
Intentionsbildung (Rubikon)
verstehen oder zu erklären. Im hier fokussierten Zusammenhang von sportlichem Leistungshandeln kann es dazu benutzt werden, eine integrierende Sichtweise auf die Prozesse der Leistungszielsetzung, der Verhaltensinitiierung und der Verhaltensbewertung zu gewinnen. Das Rubikon-Modell ist in Abbildung 4 grafisch zusammengefasst. Motivation nach der Handlung bewerten
Abbildung 4: Rubikon-Modell (nach Heckhausen, 1989)
Heckhausen unterteilt den Handlungsfluss in vier aufeinanderfolgende Phasen: In einer ersten motivationalen Phase vor der Handlungsentscheidung (motivational-prädezisionalen Stadium) wägen Individuen verschiedene bereits ins Auge gefasste Ziele und die mit diesen Zielen einhergehende Konsequenzen ab. Mit dem Prozess des Abwägens verbunden ist ein größer werdendes Bestreben, die Überlegungen zur Auswahl zwischen verschiedenen Handlungszielen auch zum Abschluss zu bringen (FazitTendenz). Irgendwann entscheidet sich das Individuum dann zur Überschreitung des Rubikons5 (bildet eine oder mehrere Handlungsintentionen) und tritt in eine erste volitionale Phase vor der Handlung (volitionalpräaktionales Stadium) ein. In dieser stehen nun Prozesse der Handlungsplanung im Vordergrund. Planend verfolgt wird vor allem die Intention, mit welcher sich der dringendste Handlungswunsch (Fiat-Tendenz) verbindet. Die darauffolgende volitionale Phase während der Handlung (volitional5 Der Geschichtsschreibung nach lagerte der erfolgreich aus dem gallischen Krieg heimgekehrte römische Feldherr Caesar vor dem norditalienischen Fluss Rubikon und überlegte sich, ob er mit seinen Truppen übersetzen, gen Rom marschieren und sich damit zum Imperator emporschwingen sollte. Schließlich fasste er diesen Entschluss und kommentierte ihn bildsprachlich mit den Worten, der Würfel sei gefallen (lat. alea iacta est).
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
aktional) entspricht dem beobachtbaren Handeln. Ist die Handlung vollzogen und die korrespondierende Intention deaktiviert, folgt die abschließende motivationale Phase (motivational-postaktionales Stadium). Das Individuum bewertet sein zurückliegendes Handeln im Hinblick auf erreichte oder verfehlte Ziele und trägt damit zur Basis zukünftiger Handlungen bei. Schon diese kurze Modellbeschreibung mag verdeutlichen, dass sich einige der weiter vorne dargestellten Ansätze zur Erklärung leistungsmotivierten Verhaltens mit den Annahmen des Rubikon-Modells verbinden lassen: Das Risikowahlmodell der Leistungsmotivation, die dargestellten Attributionstheorien und die Handlungskontrolltheorie erlauben präzisierende Vorhersagen über die Art der Ziele und Aufgaben, die sich Sportlerinnen und Sportler vornehmen, über möglicherweise unterschiedliche Zustände während der Zielverfolgung oder über individuell unterschiedliche Bewertungsstile von mehr oder weniger erfolgreichem Leistungshandeln.
2.2 Aktivierung, Angst und Stress 2.2 Aktivierung, Angst und Stress Schon dem gesunden Menschenverstand nach ist es naheliegend, dass eine gewisse Wachheit Voraussetzung für eine gute sportliche Leistung ist. Nicht weniger plausibel ist, dass sich zu große Nervosität ungünstig auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirkt. Unter Stress leisten wir oft schlechter als wir eigentlich könnten. Wenn wir die Dinge allerdings allzu euphorisch anpacken, hilft dies auch nicht immer weiter. Jenseits wissenschaftlicher Definitionen haben die genannten Beispiele alle irgendwie mit Emotionen zu tun. Kein Wunder also, dass sich auch Sportpsychologinnen und Sportpsychologen immer wieder damit beschäftigt haben, welche im weiteren Sinne emotionalen Prozesse und Zustände positiven und welche negativen Einfluss auf die Leistung nehmen. Aktivierung. Weiter oben wurde Motivation als die aktivierende Ausrichtung auf einen positiv bewerteten Zielzustand beschrieben (Æ Kapitel 2.1, Motivationspsychologische Grundannahmen). Das Konzept Aktivierung (engl. arousal)6 bezeichnet in seiner ursprünglichen psychologischen Wort-
6 In der deutschsprachigen Literatur wird Aktivierung manchmal mit Erregung oder Aufgeregtheit gleichgesetzt. Dies entspricht im gegebenen Zusammenhang allerdings einer
2.2 Aktivierung, Angst und Stress
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verwendung zunächst nur die psychische Kapazität, die einem Organismus zur Bewältigung einer Aufgabe zur Verfügung steht (in den frühen Arbeiten zu Pionierszeiten der Psychologie waren diese Organismen Labormäuse, deren Aktivierung in Lernexperimenten durch Elektroschocks manipuliert wurde; Yerkes & Dodson, 1908). In neuerer Begriffsfassung bezeichnet Aktivierung einen individuellen psychophysischen Zustand, der zwischen Koma oder Schlaf und blankem innerem Aufruhr variieren kann. Für den gegebenen Zusammenhang zentral ist die Annahme, dass der aktuelle Aktivierungszustand Einfluss darauf nimmt, ob ein Verhalten mehr oder weniger zielführend (d.h. erfolgreich) ausfällt. Die klassische Formulierung des Aktivierungs-Leistungs-Zusammenhangs wird mit der Arbeit von Robert M. Yerkes und John D. Dodson (1908) in Verbindung gebracht. Die Autoren postulieren einen umgekehrt U-förmigen Zusammenhang (engl. inverted-U hypothesis). Demnach wird individuell optimale Leistung nur bei einem mittlerem Aktivierungszustand erreicht. Zu wenig Aktivierung geht genauso wie zu viel Aktivierung mit suboptimaler Leistung einher. Die Annahme kurvilinearer Zusammenhänge schreibt sich bis in neueste theoretische Ansätze hinein fort (Æ Abbildung 5, Katastrophentheorie des AngstLeistungszusammenhangs). Die empirische Befundlage zur klassischen Yerkes-Dodson-Hypothese ist in der sportpsychologischen Literatur jedoch sehr inkonsistent (Landers & Arent, 2001). Ein wichtiger (methodischer; es gibt auch andere) Grund dafür ist, dass das Konzept Aktivierung bis heute eher unscharf geblieben ist. Für die sportpsychologische Literatur ist anzumerken, dass dem gesamt-organismischen Charakter des Aktiviertheits-Konzepts zu wenig Rechnung getragen worden ist. Eine Ausnahme bieten zum Beispiel Arent und Landers (2003), die den Aktiviertheitsgrad von Sportlern über die Auslastung des HerzKreislaufsystems operationalisieren und den erwarteten Zusammenhang experimentell zeigen können. In vielen anderen Untersuchungen zur Inverted-U-Hypothese bezog (bzw. beschränkte) man sich demgegenüber auf die Wahrnehmung einer unangenehmen körperlichen Aktiviertheit
irreführenden bzw. falschen deutschen Übersetzung der Vokabel „arousal“: Sie lädt zu einer dem gemeinten psychologischen Konstrukt nicht angemessenen („emotionalisierenden“) Konnotation ein.
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
(Aufgeregtheit) und operationalisierte damit viel eher die somatische Komponente von Angst. Angst. Angst zählt (neben Ärger und Aggression) zu den im Kontext von Leistung und Spitzensport am häufigsten untersuchten Emotionen. Das wichtigste Kennzeichen der multidimensionalen Theorie der Wettkampfangst ist, dass zwischen einer somatischen und einer kognitiven Komponente von Wettkampfangst unterschieden wird (Martens, Vealey, & Burton, 1990). Somatische Angst bezeichnet das Erleben von körperlichen Angstanzeichen (z.B. Herzklopfen). Kognitive Angst manifestiert sich vor allem in sorgenvollen Gedanken und wird deshalb auch als Besorgniskomponente der Angst bezeichnet. Zur Beschreibung von Wettkampfangst und Wettkampfängstlichkeit (siehe Definitionsbox) liegt ein Fragebogeninventar vor, mit dem die beiden Komponenten reliabel und valide gemessen werden können (Brand, Ehrlenspiel, & Graf, 2009). Definition
Angstzustand (engl. state anxiety). Angst bezeichnet einen Zustand, der durch eine erhöhte Aktivität des autonomen Nervensystems, durch die Selbstwahrnehmung von Erregung, das Gefühl des Angespanntseins, ein Erlebnis des Bedrohtwerdens und verstärkte Besorgnis gekennzeichnet ist (Spielberger, 1972). Ängstlichkeit (engl. trait anxiety). Das Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit bezeichnet die intraindividuell relativ stabile, aber interindividuell variierende Tendenz, Situationen als bedrohlich wahrzunehmen und hierauf mit einem erhöhten Angstzustand zu reagieren (Krohne, 1996). Wettkampfangst. Unter Wettkampfangst wird eine akute emotionale Reaktion auf eine bedrohliche oder als bedrohlich empfundene Wettkampfsituation verstanden (Martens, et al., 1990). Wettkampfängstlichkeit. Wettkampfängstlichkeit bezeichnet die individuelle und bereichsspezifische Neigung, sportliche Wettkampfsituationen als bedrohlich einzuschätzen und in solchen Situationen dann mit erhöhter Zustandsangst zu reagieren (Martens, et al., 1990).
2.2 Aktivierung, Angst und Stress
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Neuere Modellierungen des Angst-Leistungs-Zusammenhangs im Sport beziehen diese Unterscheidung zwischen somatischer und kognitiver Angst mit ein. Martens et al. (1990) gehen im Rahmen ihrer Überlegungen zur multidimensionalen Theorie davon aus, dass sich nur die somatische Wettkampfangstkomponente in umgekehrt U-förmigem Zusammenhang mit der Leistung befindet (mittlere somatische Angst ist optimal für Leistung), die Besorgniskomponente aber in umgekehrt linearem Zusammenhang mit der Leistung steht (niedrige Besorgnis ist optimal für gute Leistung). Etwas komplexer ist die in Abbildung 5 dargestellte katastrophentheoretische Modellierung (Hardy, 1990). Unter der Voraussetzung niedriger kognitiver Angst besteht diesem Modell zufolge ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang zwischen Aktivierung und Leistung. Dies jedoch mit der Einschränkung, dass die individuell optimale Leistung in diesem Zustand (niedrige kognitive Angst) nicht erreicht werden kann. Nur im Zustand höherer kognitiver Angst führt die mittlere Aktivierung zu optimaler Leistung. Allerdings verbindet sich mit diesem Zustand (höhere kognitive Angst) das Risiko, dass bei weiter ansteigender Aktivierung die Leistung nicht wie im Zustand niedriger kognitiver Angst graduell wieder abnimmt, sondern dass die Leistung dann völlig zusammenbricht und eine Leistungs„Katastrophe“ eintritt. Aus regulatorischer Perspektive (Æ Kapitel 2.3, Aktivierung und Entspannung) wäre es also im Zustand niedriger kognitiver Angst noch möglich, die eigene Aktivierung zurückzufahren und dadurch Leistungsfähigkeit zurückzugewinnen. Im Zustand höherer kognitiver Angst wäre dieses Zurückfinden zur vor der „Katastrophe“ noch herrschenden Leistungsfähigkeit demgegenüber unmöglich. Für beide Modelle (Hardy, 1990; Martens, et al., 1990) liegen gleichermaßen bestätigende wie auch Zweifel hinterlassende empirische Befunde vor. Beide spiegeln jedoch einen empirisch immer wieder gezeigten Zusammenhang wider, nämlich dass die sportliche Leistung durch Besorgniskognitionen (kognitive Komponente von Angst) empfindlicher gestört wird, als durch übergroße Aktivierung oder die somatische Angstkomponente.
Leistung
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Leistung
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Aktivierung niedrige kognitive Angst
Aktivierung höhere kognitive Angst
Abbildung 5: Katastrophentheorie des Angst-Leistungszusammenhangs (Hardy, 1990)
Nun ist es aber nicht allein die Emotion Angst, die Zusammenhänge zur sportlichen Leistung aufweist. Auch ist es nicht so, dass sich die Sportpsychologie bisher ausschließlich mit den negativen Auswirkungen emotionaler Zustände auf die Leistung beschäftigt hätte. Ein Beispiel für eine entsprechend weiterführende Betrachtung der Emotions-Leistungs-Relation ist das IZOF-Modell (engl. individual zones of optimal functioning) von Yuri Hanin (2000). In einer wesentlichen Erweiterung gegenüber früheren Modellen beschränkt sich dieses nicht nur auf „negative“ Emotionen (z.B. Angst oder Aggression), sondern geht davon aus, dass sich sportliche Leistung vor dem Hintergrund eines wesentlich breiteren Emotionsspektrums entfaltet. Zum Beispiel können sowohl „negative“ Emotionen als auch „positive“ Emotionen (z.B. Freude) entweder funktional oder dysfunktional für die Leistungsfähigkeit sein. Auch wird angenommen, dass nicht unbedingt nur eine Emotion den Erlebenszustand dominiert, sondern auch ein „EmotionsMix“ möglich ist. Darüber hinaus betont das IZOF-Modell die interindividuellen Unterschiede, geht also davon aus, dass sich qualitativ unterschiedliche Zonen optimalen Funktionierens (ZOF) von Sportler zu Sportler, von Sportlerin zu Sportlerin unterscheiden lassen. Während die Leistungsfähigkeit mancher Sportler durch dominant „negative“ oder „positive“ Emotionen beeinträchtigt wird, verbessern sich andere unter vergleichbaren Erlebensumständen. Es gibt eine größere Anzahl empirischer Untersuchungen,
2.2 Aktivierung, Angst und Stress
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darunter eine Meta-Analyse, die das IZOF-Modell in seinen Grundannahmen bestätigen (Jokela & Hanin, 1999). Es hat sich vor allem in der sportpsychologischen Betreuungsarbeit im Leistungssport bewährt. Stress und Stressbewältigung. In der Literatur zur Leistungsoptimierung durch sportpsychologisches Training (Æ Kapitel 2.3) finden sich zahlreiche Untersuchungen, die sich mit dem Thema Stress und Stressbewältigung beschäftigen. In der sportpsychologischen Forschung hat sich dabei die Arbeit von Richard S. Lazarus als besonders einflussreich erwiesen. Dieser definiert Stress als eine sich wechselseitige verändernde (transaktionale) Beziehung zwischen Person und Umwelt, die durch ein Ungleichgewicht zwischen subjektiv wahrgenommenen Anforderungen und zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglichkeiten charakterisiert ist (Lazarus & Folkman, 1984). Zentral für diese transaktionale Theorie von Stress sind die Konzepte kognitive Bewertung (engl. appraisal) und Bewältigung (engl. coping). Lazarus stellt sich die Entstehung von Stress so vor, dass, wenn Individuen an sie gestellte Anforderungen wahrnehmen, mit einer primären Abschätzung (primary appraisal) bewertet wird, ob diese Anforderungen selbstwertbedrohlichen Charakter annehmen könnten. Unmittelbar damit verflochten ist eine sekundäre Abschätzung (secondary appraisal) darüber, ob dem Individuum Möglichkeiten zur Bewältigung der Anforderungen zur Verfügung stehen. In Abhängigkeit dieser beiden Abschätzungen, wenn die Bewältigungsmöglichkeiten als zu gering eingeschätzt werden, entsteht Stress. Dass die Begriffe Stress und Angst manchmal schwer auseinanderzuhalten sind, hängt wohl damit zusammen, dass es sich sowohl bei der psychologischen Kategorie Stress als auch bei der Emotion Angst per definitionem um aversive (d.h. unangenehme) Zustände handelt. Grundsätzlich ist es auch auf theoretischer Ebene gar nicht so einfach, die beiden Konzepte auseinanderzuhalten, zumal Lazarus selbst sein auf Bewertungsund Bewältigungsprozessen basierendes transaktionales Stressmodell zu einer umfassenderen kognitiven Theorie der Emotionen weiterentwickelt hat (Lazarus, 2000). Schließlich muss festgehalten werden, dass das Lazarus’sche transaktionale Stresskonzept viel eher zur zurückblickenden (post-hoc) Erklärung von Stress und Stressbewältigung als zur Vorhersage von Verhalten taugt (vgl. Krohne, 1996, für eine zusammenfassende Kritik). Trotz allem hat es sich für die Sportpsychologie an vielen Stellen als prägend erwiesen. Es stimulierte grundlegende sportspezifische Untersuchungen des Stress-
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prozesses und trug zu differenziertem Wissen über das Bewältigungshandeln von Sportlerinnen und Sportlern in ganz unterschiedlichen Sportarten bei (Stoll & Ziemainz, 1999; für Beispiele aus dem Langstreckenlauf).
2.3 Sportpsychologische Betreuung 2.3 Sportpsychologische Betreuung Das Tätigkeitsfeld sportpsychologische Betreuung ist ganz wesentlich im Bezugsfeld Spitzensport verankert. Andere Bezugsfelder, in denen sportpsychologische Einflussnahmen zur Leistungsoptimierung denkbar wären (z.B. Schule), werden derzeit weder von Seiten der Sportpraxis intensiver eingefordert noch sind sie Gegenstand größerer Forschungsbemühungen. Wesentlich für das Erreichen sportlicher Höchstleistung ist das Training der athletischen (z.B. Kraft, Schnelligkeit) sowie der technisch-taktischen Leistungskomponenten (z.B. Beherrschung des Sportgeräts, gutes Entscheidungshandeln). Selbstverständlich sind für die effektive Auswahl und Regulation von Bewegungen in Hochleistungssituationen hochangepasste psychische Prozesse Voraussetzung. Die athletische, die technisch-taktische und die psychische Leistungskomponente wirken nicht unabhängig voneinander. Grundsätzlich ist es aber wichtig (einschränkend) anzuerkennen, dass ein sportpsychologisches Training zur Leistungsoptimierung erfolgsentscheidenden Beitrag vor allem dann liefern kann, wenn die individuell vorhandenen athletischen und technisch-taktischen Leistungskomponenten (zumindest für den Moment, dem jeweiligen Entwicklungsstand des Athleten oder der Athletin entsprechend) „austrainiert“ sind. Eine andere Situation mag sich bieten, wenn nicht das Sportpsychologische Training sondern eine breiter angelegte Sportpsychologische Beratung von Sportlerinnen oder Sportlern im Vordergrund steht. Diese beiden Formen der Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen oder einer Sportpsychologin werden im Weiteren unter dem Oberbegriff Sportpsychologische Betreuung zusammengefasst (siehe Definitionsbox).
2.3 Sportpsychologische Betreuung
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Definition
Sportpsychologische Betreuung umfasst die beiden Aspekte sportpsychologische Beratung und sportpsychologisches Training. Mit dem Begriff „Betreuung“ verbinden sich keine Festlegungen über den Betreuungsanlass, (Mindest-)Dauern, die (Mindest-)Frequenzen oder die Örtlichkeiten des Zusammentreffens zwischen Sportpsychologin/Sportpsychologe und Athletin/Athlet. Sportpsychologische Beratung bezeichnet eine Form der fachlich fundierten psychosozialen Einflussnahme, die häufig mit dem Ziel einer allgemeinen Beratschlagung, einer Persönlichkeitsweiterentwicklung oder der Verbesserung des psychischen Wohlbefindens von Sportlerinnen oder Sportlern verbunden ist. Auch der Nutzen und Erfolg sportpsychologischer Beratungen im Leistungssport wird in letzter Konsequenz am Grad der Verbesserung von Trainings- und Wettkampfleistungen zu bemessen sein. Allerdings werden diese im Vergleich zum sportpsychologischen Training indirekter angesteuert. Sportpsychologisches Training bezeichnet einen langfristig angelegten, systematischen Prozess, der auf das Erlernen und Einüben von psychischen Fertigkeiten zielt, die unmittelbaren funktionalen Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit nehmen und die, im Interesse des Athleten oder der Athletin, schlussendlich immer die Erfolgswahrscheinlichkeit im Wettkampf verbessern oder die Leistungsfähigkeit stabilisieren sollen. Klassifikation sportpsychologischer Betreuungsanlässe. In Tabelle 2 ist eine geringfügig modifizierte Fassung des Multilevel Classification System for Sport Psychology (MCS-SP; Gardner & Moore, 2006) zur Klassifikation von sportpsychologischen Betreuungsanlässen wiedergegeben. Unterschieden werden vier Ebenen, die sich weiter nach übergeordneten Themen einteilen lassen. Die Ebene ‚Leistungsentwicklung‘ (LE) ist nach den Themen ‚Unterstützung des körperlichen Trainings und des Aufbaus von Wettkampfleistung‘ (LE-1) sowie ‚Herstellen von Leistungsstabilität‘ (LE-2) untergliedert. Auf der Ebene ‚Aktuelle Leistungsbeeinträchtigung‘ (LB) werden die Themen ‚External forcierte aktuelle Leistungsbeeinträchtigung‘ (LB-1; z.B. Karriereübergang vom Junioren- in den Erwachsenenbereich, Trainer-
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
wechsel) und ‚Internal forcierte Leistungsbeeinträchtigung‘ (LB-2; z.B. Übertraining, Wettkampfangst) unterschieden. Auf der Ebene ‚Leistungsstörungen‘ (LS) steht die Behandlung einer diagnostizierbaren klinisch-psychologischen Störung im Vordergrund. Dementsprechend sollte hier mit einem etablierten klinisch-psychologischen Verfahren weiterklassifiziert werden (z.B. dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen DSM-IVR; Saß, Wittchen, Zaudig, & Houben, 2003). Auf der Ebene ‚Karriereende‘ (KE) wird das Betreuungsthema ‚Erwartetes Karriereende‘ (KE-1; wenn der Athlet schon „alles erreicht“ hat) vom Thema ‚Unerwartetes Karriereende‘ (KE-2; z.B. durch Verletzung) unterschieden. Tabelle 2:
Klassifikation sportpsychologischer Betreuungsanlässe (MCS-SP)
Ebene (Thema) Leistungsentwicklung (LE 1 und LE 2)
Ziel Leistungssteigerung und Leistungsstabilisierung
Aktuelle Leistungsbeeinträchtigung (LB 1 und LB 2)
Erkennen und Reduzieren von beeinträchtigenden Faktoren
Beschreibung Das aktuelle Leistungsvermögen der Sportlerin oder des Sportlers ist weitgehend unbeeinträchtigt. Die zu betreuende Person befindet sich noch nicht auf ihrem Leistungshöhepunkt und möchte diesem Ziel – sportpsychologisch unterstützt – näher kommen. Die psychische Gesamtverfassung des Sportlers oder der Sportlerin ist klinisch unbedenklich. Aktuelle Leistungsschwierigkeiten sind entweder durch äußere Bedingungen (z.B. Vereinswechsel, Sportverletzung) oder durch interne Gründe (z.B. Furcht vor Misserfolg) hervorgerufen. Ziel ist das Wiederherstellen der sportlichen Leistungsfähigkeit. Das Ziel der Leistungssteigerung ist zweitrangig.
2.3 Sportpsychologische Betreuung
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Fortsetzung von Tabelle 2 Ebene (Thema) Leistungsstörung (LS)
Ziel Psychische Probleme und Verhaltensauffälligkeiten (ggf. Psychotherapie)
Karriereende (KE 1 und KE 2)
Umgang mit dem Karriereende
Beschreibung Den Leistungsschwierigkeiten liegt ursächlich eine über die Bereiche des Leistungssports hinausgreifende psychische Störung zugrunde (z.B. depressive Verstimmung, Essstörung). Im Vordergrund steht die Bearbeitung dieser Störung. Das Ziel einer sportlichen Leistungssteigerung ist nicht prioritär. Die psychische Gesamtverfassung des Sportlers oder der Sportlerin ist klinisch unbedenklich. Übergeordnetes Thema sind Schwierigkeiten des Sportlers oder der Sportlerin im Umgang mit dem nahenden oder zurückliegenden Karriereende. Dies kann ein erwartetes oder auch ein unerwartetes Ende der Karriere sein, z.B. nach einer schweren Verletzung.
Sportpsychologische Diagnostik. Die verlässliche Klassifikation von Betreuungsanlässen ist ausschließlich mit Mitteln einer sorgfältigen Diagnostik zu erreichen, zum Beispiel indem das semi-strukturierte Interview zur MCSSP Zuordnung verwendet wird (Gardner & Moore, 2006). Das Ziel jeglicher psychologischer Diagnostik liegt in der Auswahl und der Begründung von zielgerichteten Interventionsmaßnahmen und schafft außerdem die Möglichkeit, diese nach Abschluss der Einflussnahme zu evaluieren. Leistungsschwierigkeiten etwa bei Basketballspielern können durch Überaktivierung (z.B. zittrige Hände beim Ausführen von Freiwurfstrafen) genauso wie durch Unteraktivierung bedingt sein (z.B. fehlende Konzentration, weil man gerade noch auf der Einwechselbank gesessen hat). Anders als zum Beispiel in der klinischen Psychologie, in der sich die Notwendigkeit und der Nutzen einer
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
engen Verzahnung von sorgfältiger Diagnostik und zielgerichtet begründeter Intervention auch im Bewusstsein der Psychologinnen und Psychologen schon lange etabliert haben, wird dem Thema Diagnostik in der sportpsychologischen Praxis (noch) mit größerer Zurückhaltung begegnet. Beckmann und Kellmann (2008, S. 3) bemängeln beispielsweise, dass in der angewandten Sportpsychologie viel zu häufig ad-hoc-Interventionsansätze verfolgt werden, in denen ohne die vorherige systematische Untersuchung der einzigartigen Situation des Individuums nahezu routinehaft zu bestimmten Standard-Interventionsmaßnahmen gegriffen wird. Als möglichen Grund dafür nennen sie, dass bis vor wenigen Jahren noch zu wenige geeignete sportpsychologische Testverfahren (in der Regel auf den Sport bezogene Fragebögen) zur Verfügung standen, die zu einer sportpsychologisch angemessenen Beurteilung des psychischen Status beigetragen hätten. Diese Situation hat sich in der Zwischenzeit jedoch grundlegend verändert. Aus Forschungsprogrammen resultieren mittlerweile eine ganze Reihe von psychometrisch überprüften, sportpsychologischen Diagnoseverfahren zum Beispiel zur Leistungsmotivation von Sportlerinnen und Sportlern (Wenhold, et al., 2009a), zu deren volitionalen Kompetenzen (Wenhold, Elbe, & Beckmann, 2009b), zur Wettkampfangst (Brand, et al., 2009) oder zum allgemeinen Erholungs-Belastungsempfinden (Kellmann & Kallus, 2000). Ein zweiter, noch wichtigerer Grund für die bisherige Skepsis vieler Sportpsychologinnen und Sportpsychologen gegenüber dem Thema Diagnostik mag darin liegen, dass es an präzisierenden (und ggf. standardisierenden) sportpsychologischen Handlungsempfehlungen fehlt, die den Gesamtprozess der Betreuung anleiten und somit einen Beitrag zur Qualitätssicherung leisten könnten. Jedoch werden aktuell auch hier seitens verschiedener Institutionen und Arbeitsgruppen immense Bemühungen unternommen, die innerhalb kürzerer Zeit Abhilfe versprechen. Abbildung 6 zeigt ein aus solchen Bemühungen hervorgegangenes allgemeines Prozessmodell.
2.3 Sportpsychologische Betreuung
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Erstgespräch
Zielbestimmung
Soll-Profil
Diagnose
Ist-Profil
Ableitung von Interventionsmaßnahmen Durchführung der Interventionsmaßnahmen
Verhaltensoptimierung
Evaluation
Abgleich Soll/Ist-Profil
Wurden die Ziele erreicht?
nein
ja
Abschluss der Betreuung bzw. Follow-up zu einem späteren Zeitpunkt
Abbildung 6: Prozessmodell sportpsychologischer Diagnostik und Intervention (Beckmann & Kellmann, 2008, S. 39)
Trainingsbereiche und Interventionsformen. Zur sportpsychologischen Beratung liegt eine Fülle an vor allem anekdotischem Material vor. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Betreuung im Leistungssport bezieht sich fast ausschließlich auf den Bereich sportpsychologisches Training. Die klassischen Inhalte von sportpsychologischem Training umfassen die (in der Praxis häufig miteinander verzahnten) Bereiche Aktivierung und Entspannung, Motivation und Volition, Mentales Training sowie Wahrnehmungstraining.7 Die Durchführung der Interventionsmaßnahme (vgl. Abbildung 6) sollte dabei immer in drei Phasen aufgebaut sein (Weinberg & Gould, 2007): In 7 Es gibt verschiedene Vorschläge zur Systematisierung der Inhalte von sportpsychologischem Training (vgl. Beckmann & Elbe, 2008; Frester & Mewes, 2008; Weinberg & Gould, 2007).
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
einer ersten Verständigungsphase (Phase 1) geht es um das Vermitteln spezifischen (notwendigen) Hintergrundwissens und um das Abklären von speziellen Zielerwartungen. Außerdem müssen etwaige Besonderheiten (z.B. sportartspezifische) besprochen und Vereinbarungen über das Vorgehen geschlossen werden. In der Aneignungsphase (Phase 2) werden Techniken erlernt und Einsatzstrategien erarbeitet. Schließlich soll in der Übungsphase (Phase 3) zunächst die Automatisierung der neu erlernten Fertigkeiten, dann die Übernahme des Neuerlernten ins tägliche sportliche Training und schließlich die verlässliche Anwendung des Neuerlernten in zunächst simulierten, dann tatsächlichen Wettkampfsituationen erreicht werden. Übergeordnetes Ziel jeglichen sportpsychologischen Trainings ist die erfolgreiche Selbstregulation des Athleten oder der Athletin. Erlernte Strategien und Techniken müssen schließlich ohne weitere Unterstützung durch Außenstehende (z.B. eben Sportpsychologen) eingesetzt werden können. Die weiter unten dargestellten Überblicksdarstellungen zu den einzelnen Interventionsbereichen (und zum Teil Interventionstechniken) beziehen sich alle auf die Phase 2 der Durchführung der Interventionsmaßnahme (sportpsychologisches Training). Ausführlichere Darstellungen und Erläuterungen insbesondere zu den Verfahrenshintergründen finden sich zum Beispiel bei Frester und Mewes (2008). Eine große Anzahl konkreter sportpsychologischer Interventionsformen und Selbstregulationstechniken gibt es bei Seiler und Stock (1994). Vorausgeschickt werden muss außerdem noch, dass sich empirische Untersuchungen zum sportpsychologischen Training in den vergangenen Jahren in erster Linie auf den Nachweis von entsprechenden Veränderungen im Psychischen (z.B. weniger Besorgniskognitionen nach systematischem Entspannungstraining) und weniger auf Verbesserungen der sportlichen Leistung konzentrierten. Viele in der Literatur zum sportpsychologischen Training zitierte Studien weisen erhebliche methodische Mängel auf oder sind thematisch nur indirekt relevant (Gardner & Moore, 2006). Die wissenschaftliche Fundierung mancher sportpsychologischer Trainingsverfahren hinkt deren praktischer Wertschätzung im Leistungssport deutlich hinterher. Aktivierung und Entspannung. Aktivierungstechniken dienen dazu, in Momenten geringen Antriebs Energien zur erfolgreichen Bewältigung einer sportlichen Anforderung freizusetzen und/oder das momentane Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu wecken. Zu den Verfahren der Selbst-
2.3 Sportpsychologische Betreuung
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aktivierung zählen neben der Aktivierungsatmung zum Beispiel Techniken der Selbstargumentation und Erfolgsimagination. Formen der Fremdaktivierung bestehen im Hereinholen von Animation durch die Zuschauerkulisse, im Hören aktivierender Musik oder im Zurückgreifen auf aktivierende Duftstoffe. Aktivierungstechniken können zu Leistungseinbrüchen führen und sind mit entsprechender Vorsicht einzusetzen, wenn eine zu geringe Aktivierung durch zu hohe vorangehende Aktivierung verursacht wird. Entspannungsverfahren, die sich auch in der Arbeit mit Sportlerinnen und Sportlern bewährt haben, sind vor allem die progressive Muskelrelaxation, Elemente des Autogenen Trainings oder verschiedene Entspannungsatmungsübungen (Vaitl & Petermann, 2000, für ausführliche Darstellungen). Langfristig zielen Entspannungsverfahren auf die Entwicklung einer größeren Gelassenheit des Athleten in besonderen Trainings- und Wettkampfsituationen, oder auf die Verbesserung der Regenerationsfähigkeit (Kellmann & Beckmann, 2004). Kurzfristige Ziele bestehen zum Beispiel in der Beseitigung störender Gedanken, etwa in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung. Motivation und Volition. Eine Vielzahl von in der sportpsychologischen Betreuungsarbeit bekannten und eingesetzten Techniken zielt auf die Beeinflussung der Auswahl, Implementierung und Bewertung zielgerichteten Verhaltens (z.B. Festhalten am eigenen Wettkampfplan) beziehungsweise auf den Umgang mit Erschwernissen (z.B. störende Außenreize). Grob zu unterscheiden wären Zielsetzungs- und Zielverfolgungsmethoden, Visualisierungstechniken und Trainingsverfahren zur Verbesserung der Volition. Diese umfassen eine äußerst heterogene Gruppe von Verfahrensweisen und Techniken, die sich entweder auf die kurzfristige (z.B. Selbstbeobachtung, Denkregulation) oder langfristige (z.B. Zielsetzung und Zielverfolgung) Verhaltensregulation beziehen können. Birrer und Seiler (2006) greifen in ihrem Systematisierungsvorschlag zum sportpsychologischen Motivationstraining (Abbildung 7) auf das weiter vorne bereits erläuterte Rubikon-Modell der Handlungsphasen zurück (Æ Kapitel 2.1, Das Rubikon-Modell als Rahmentheorie). Ausgehend von der im Rubikon-Modell in motivationalen und volitionalen Phasen beschriebenen Handlungsebene, schlagen sie auf der Interventionsebene sechs Ansatzpunkte sportpsychologischen Trainings vor. Im motivational-prädezisionalen Stadium kann die Auswahl zwischen verschiedenen Handlungszielen beeinflusst werden. Um Handlungen realistische Konse-
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
quenzerwartungen zugrunde zu legen, können zum Beispiel Zielsetzungstechniken zur Vermeidung ungünstiger Aufgabenschwierigkeitswahlen (Æ Kapitel 2.1, Risikowahlmodell der Leistungsmotivation) trainiert werden.
INTERVENTIONSEBENE
Fiat-Tendenz
planen
Volition während der Handlung
handeln
Intentionsdesaktivierung
abwägen
Volition vor der Handlung
Handlungsinitiierung
Fazit-Tendenz
Intentionsbildung (Rubikon)
HANDLUNGSEBENE
Motivation vor der Entscheidung
Motivation nach der Handlung
bewerten
Konsequenzerwartungen Selbstkonkordanz
Selbstwirksamkeit volitionale Intentionsabschirmung
volitionale Handlungsabschirmung
Attributionen
Abbildung 7: Rubikon-Modell (Handlungsebene) und Motivationstraining (Interventionsebene) (mod. nach Birrer & Seiler, 2006, S. 237)
In der volitionalen Phase vor der Handlung mag dann die Förderung selbstkonkordanter Verhaltensweisen (Æ Kapitel 3.2, Selbstdeterminationstheorie) im Vordergrund stehen. Damit ist gemeint, dass die erkannte Übereinstimmung von aktuellen Handlungszielen mit den eigenen Interessen und Wertvorstellungen die Verhaltenspersistenz, etwa das nicht aufgeben Wollen nach einem vermeintlich spielentscheidenden Gegentor, fördert. Hierzu ist das Erlernen von Selbstgesprächsregulationstechniken nützlich (z.B. „Wann immer Du mit dem Gedanken spielst aufzugeben, sage ‚Stopp!’ und führe Dir vor Augen, dass jeder Angriff, auch der nächste, zu einem Tor führen kann“). Zentrale Bedeutung wird dem Ansatzpunkt Selbstwirksamkeit ein-
2.3 Sportpsychologische Betreuung
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geräumt, weil dieser sämtlichen motivationalen und volitionalen Handlungshasen eine Grundlage bildet. Selbstwirksamkeit bezeichnet, vereinfacht ausgedrückt, die eigene Überzeugung, einmal ins Auge gefasstes Verhalten auch angesichts von Schwierigkeiten Wirklichkeit werden zu lassen (Bandura, 1997). Die Selbstwirksamkeitserwartung kann im Rahmen des sportpsychologischen Trainings zum Beispiel mit Selbst- und Fremdbekräftigungstechniken gefördert werden (z.B. „Belohne Dich nach einer guten Aktion im Training mit einem kurzen Blick auf die Zaungäste am Spielfeldrand“). Für die volitionale Phase vor der Handlung (zur Verhaltensinitiierung) und für die volitionale Phase während der Handlung (zur Intentionsabschirmung) können außerdem Implementierungsintentionen, d.h. kleine aber präzise „Wenn-dann-Pläne“(Æ Kapitel 3.2, Theorien der Handlungsausführung) genutzt bzw. die Fähigkeit zur Entwicklung von solchen Implementierungsintentionen gefördert werden (z.B. „Immer wenn die gegnerische Mannschaft über links attackiert, verschieben wir unsere Abwehrreihe nach vorne“). Schließlich können in der motivationalen Phase nach der Handlung zur Entwicklung leistungsmotivierender Attributionsstile (Æ Kapitel 2.1, Attributionstheorien) Techniken der kognitiven Umstrukturierung eingesetzt werden (z.B. „Diesen Erfolg hast Du allein Deinem Trainingsfleiß zu verdanken und der Tadel des Trainers dient nur dazu, Dich nur noch mehr anspornen“). Mentales Training. In den Bereich des mentalen Trainings fallen alle Techniken, die zu einer zielgerichteten Verbesserung oder Stabilisierung von sportlichen Bewegungen eingesetzt werden. Diese Techniken beruhen auf der Aktivierung einer internen Repräsentation der Handlung, die der mentalen Simulation einer optimalen Handlungsausführung dient. Mentale Simulation bedeutet, dass die Bewegung nicht beobachtbar ausgeführt, sondern imaginiert wird (Schack, 2007). Meta-Analysen belegen, dass sich beachtliche motorische Lernzuwächse zum Beispiel hinsichtlich der Bewegungspräzision erreichen lassen, wenn mentales Training ergänzend zum körperlichen Training eingesetzt wird (Driskell, Copper, & Moran, 1994). Als Erklärungsmodell für die gefundenen leistungsverbessernden Effekte wird in der jüngeren Vergangenheit vor allem die kognitiv-perzeptuelle Hypothese diskutiert. Diese besagt, dass in entsprechenden BewegungsRepräsentationseinheiten sowohl funktionale als auch perzeptuelle Effekte der Bewegung kodiert sind und die präzise Bewegungssteuerung durch den Bezug auf die intendierten Effekte der Bewegung ermöglicht wird. Effekt-
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2 Perspektive Leistung und Spitzensport
studien mit direktem Bezug auf die Praxis sportlichen Trainings sind noch selten. Anders als die beiden zuvor dargestellten Interventionsbereiche (Aktivierung und Entspannung, Motivation und Volition) zeichnet sich die sportpsychologische Forschung zu Aspekten des mentalen Trainings durch eine deutliche grundlagenwissenschaftliche Orientierung aus. Wahrnehmungstraining. Die Forschung zum Wahrnehmungstraining zeichnet sich durch eine unmittelbare Verknüpfung von sportspezifischem Anwendungsfeld und wissenschaftlichen Grundlagenerkenntnissen aus. Insbesondere für den Bereich des visuellen Wahrnehmungstrainings sind sportartspezifische Trainingsverfahren entwickelt und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überprüft worden. Im Rahmen solcher Trainingsprogramme sollen Sportlerinnen und Sportler lernen, relevante Informationen aus dem visuellen Wahrnehmungsfeld herauszulesen, um daraufhin situationsadäquat richtige Entscheidungen treffen zu können. Bei vielen Untersuchungen wird dabei die Frage bearbeitet, welche Information unter Hinzugabe welcher Lerninstruktionen und welchen Entscheidungsfeedbacks zu verbesserten Entscheidungen führt. Überprüfte sportartspezifische Wahrnehmungstrainings liegen unter anderem für Tennis (Williams, Ward, Smeeton, & Allen, 2004) oder Fußball vor (z.B. Canal-Bruland, Hagemann, & Strauß, 2005). Allerdings bleibt auch für diesen Bereich des sportpsychologischen Trainings abschließend anzumerken, dass aussagekräftige Untersuchungen, welche die Effekte solcher Trainings auf die tatsächliche Wettkampfleistung wirklich belegen würden, noch ausgesprochen selten sind.
2.4 Zusammenfassung und Lesetipps 2.4 Zusammenfassung und Lesetipps Ein geradezu klassisches Bezugsfeld von Sportpsychologie ist der Leistungsund Spitzensport. Insbesondere die akademische Sportpsychologie beschäftigte sich dabei sehr intensiv mit dem Themenbereich Leistungsmotivation. Dabei steht oftmals die empirische Überprüfung von Vorhersagen im Vordergrund, die sich aus psychologischen Modellen und Theorien wie dem Risikowahlmodell (charakteristische Aufgabenwahlen von Erfolgsmotivierten und Misserfolgsängstlichen), der Theorie der Kausalattribution (Dimensionen der Ursachenzuschreibung), der Zielorientierungen (Aufgaben- vs. Wettbewerbsorientierung) oder der Handlungskontrolle (Hand-
2.4 Zusammenfassung und Lesetipps
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lungs- vs. Lageorientierung) ableiten lassen und die auf das Verhalten und Erleben von Sportlerinnen und Sportlern angewendet werden. Ein zweiter Arbeitsschwerpunkt wird in der Untersuchung und Modellierung der Zusammenhänge zwischen Emotionen und sportlicher Leistung deutlich. Ausgehend von der ursprünglichen Annahme eines einfachen umgekehrt U-förmigen Zusammenhanges zwischen Aktivierung und Leistung, wurden (z.B. im Katastrophenmodell des Angst-Leistungs-Zusammenhangs) präzisierende Vorstellungen über den Einfluss verschiedener Komponenten von Angst (Besorgnis und somatische Angst) entwickelt oder der Einfluss individuumspezifisch komplexer Emotionsmuster auf die sportliche Leistung untersucht (IZOF-Modell). Außerdem entstanden zahlreiche Arbeiten, die sich mit der Entstehung und Bewältigung von Stress (definiert als wahrgenommenes Ungleichgewicht zwischen subjektiven Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten) in verschiedenen Sportarten entwickelt haben. Zusammengenommen bilden solche Erkenntnisse die Grundlage einer angewandten Sportpsychologie, die Beitrag zur Leistungsentwicklung von Sportlerinnen und Sportlern möchte (sportpsychologische Betreuung). Im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses steht dabei vor allem die Entwicklung, Wirksamkeitsüberprüfung und Art der praktischen Anwendung von systematischen Trainingsverfahren aus den Bereichen Aktivierung und Entspannung, Motivation und Volition, mentales Training und Wahrnehmungstraining. Weiterführende Literatur Beckmann, J., Elbe, A. M., & Fröhlich, S. M. (2009). Motivation und Volition. In W. Schlicht & B. Strauß (Hrsg.), Grundlagen der Sportpsychologie (Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie V, Band 1, S. 511-562). Schorndorf: Hofmann. Hagemann, N., Tietjens, M., & Strauß, B. (Hrsg.). (2007). Psychologie der sportlichen Höchstleistung. Göttingen: Hogrefe. Mellalieu, S. & Hanton, S. (Eds.) (2008). Advances in Applied Sport Psychology: A Review. London: Routledge. Reicherts, M. & Horn, A. B. (2009). Emotionen im Sport. In W. Schlicht & B. Strauß (Hrsg.), Grundlagen der Sportpsychologie (Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie V, Band 1, S. 563-633). Schorndorf: Hofmann.
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3
Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
Zumindest in den westlichen Industriestaaten gehört es zu den modernen Selbstverständlichkeiten zu wissen, dass körperliche Aktivität und besonders auch Sport einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit leisten können, sie manchmal sogar zur Behandlung von Krankheiten geeignet sind. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen zeigt, dass dieses Alltagswissen den Tatsachen entspricht (Dishman, Washburn, & Heath, 2004). Gleichzeitig belegen aktuelle Daten, dass nur vergleichsweise wenige Menschen, in Deutschland über alle Altersgruppen hinweg durchschnittlich ca. 30% (Mensink, 2003), so ausreichend körperlich aktiv sind, dass sie von diesem Gesundheitspotenzial profitieren. Die Sportpsychologie beteiligt sich am Thema Gesundheit auf unterschiedliche Weise: Erstens, welchen Beitrag leisten körperliche Aktivität und Sport zur psychischen Dimension von Gesundheit und welche Mechanismen vermitteln diesen Zusammenhang (Æ Kapitel 3.1)? Zweitens, weshalb gelingt es manchen Menschen, aber anderen nicht, ihr Gesundheitsverhalten zu ändern und körperlich aktiver zu werden (Æ Kapitel 3.2)? Seltener wird die Rolle von regelmäßiger körperlicher Aktivität bei der Behandlung von psychischen Störungen untersucht (Æ Kapitel 3.3) und nur ausgesprochen zögerlich bezieht man sich bisher noch auf die Gefahren, die übermäßiges Sporttreiben bergen kann (Æ Kapitel 3.4).
3.1 Psychische Gesundheit durch körperliche Aktivität 3.1 Psychische Gesundheit durch körperliche Aktivität In den gesundheitswissenschaftlichen Disziplinen tut man sich bis heute schwer damit Konsens darüber zu finden, wie Gesundheit definiert werden
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
könnte und sollte. Eine für die (Sport-)Psychologie wichtige Facette ergibt sich aus der definitorischen Grundannahme, dass Gesundheit als ein Phänomen mit objektiven und subjektiven Anteilen betrachtet werden kann (multidimensionales Konzept, wie es z.B. dem idealistischen Verständnis von Gesundheit zugrunde liegt): Menschen können sich vollkommen gesund fühlen und gleichzeitig von einer unentdeckten Tumorerkrankung betroffen sein. Genauso fühlen sich Menschen manchmal krank, obwohl keine körperlichen Ursachen dafür festgestellt werden können. Rahmeninfo: Unterschiedliche Positionen zur Begriffsfassung von Gesundheit Modus deficiens. Biomedizinisches Konzept, das sich auf natürliche (empirische) Tatsachen bezieht. Gesundheit und Krankheit werden als gegenüberliegende Pole derselben Dimension aufgefasst. Krankheit wird festgestellt, wenn definierte Normbefunde (z.B. physiologische Parameter) verletzt sind. Im Umkehrschluss kann so auf Gesundheit zurückgeschlossen werden. Funktionalistisches Gesundheitsverständnis. Vor allem in der Medizinsoziologie verbreitetes Konzept, in dem biologische und soziale Kategorien betont werden. Gesund ist, wer die ihm oder ihr zugewiesene soziale Rolle ausübt bzw. ausüben kann. Auch die in der Sportmedizin verbreitete Sichtweise, Gesundheit sei vor allem auch körperliche Fitness ist eine funktionalistische, weil es sich bei Fitness um ein Mittelschicht-Konzept handelt, das gesellschaftliche Mentalitäten z.B. sozial Benachteiligter nicht berücksichtigt. Idealistisches Verständnis von Gesundheit. Geht auf die WHO-Definition zurück, wonach Gesundheit ein Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens ist. Es heißt idealistisch, weil sich mit dieser Begriffsfassung die faktisch unerreichbare, auch politische Aufforderung an Staatenregierungen verbindet, eine „vollkommene“ Gesundheit zu fördern. Subjektive Gesundheitskonzepte. Laienkonzepte und Alltagstheorien von Gesundheit, die vor allem die persönlichen Wahrnehmungen, Denk- und Verhaltensmuster von Individuen betonen, die sich mit Gesundheitserleben verbinden.
3.1 Psychische Gesundheit durch körperliche Aktivität
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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betonte bereits in der berühmt gewordenen Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung 1986, dass unter Gesundheit ein Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen zu verstehen sei. Insbesondere die Betonung der subjektiven Gesundheitskomponente (sich wohlfühlen) eröffnet auch sportpsychologische Ansatzpunkte. Subjektives Wohlbefinden. Die in der WHO-Definition betonte Kategorie Wohlbefinden spiegelt sich im psychologischen Konstrukt des subjektiven Wohlbefindens (SWB) wider. Man versteht darunter die Summe der Bewertungen des eigenen Lebens sowie das Verhältnis von angenehmen und unangenehmen körperlichen und psychischen Empfindungen (Diener, 2000). Beim SWB handelt es sich um ein mehrdimensionales Konstrukt, das mindestens in eine kognitive Komponente (die Einschätzung der Zufriedenheit mit dem eigenen Leben, ggf. in einem spezifischen Lebensbereich) und eine affektive Komponente (im Alltag erlebte Stimmungen und Emotionen) zerlegt werden kann. Außerdem ist zur näheren Beschreibung des SWB noch die Unterscheidung zwischen dem aktuellen Wohlbefindenszustand (SWB-State) und der allgemeinen Wohlbefindenslage (SWB-Trait) wichtig. Meta-Analysen zufolge gilt der positive Einfluss, den sportliche Aktivität auf die affektive Komponente des Wohlbefindenszustands (in Originalstudien häufig als Stimmung operationalisiert) ausübt, als weitestgehend gesichert (Reed & Buck, 2009; Reed & Ones, 2006). Die ungefähre Größe des Effekts lässt sich wie folgt veranschaulichen (binomiales EffektstärkeDisplay): Von 100 jüngeren Frauen (im Alter zwischen 31 und 50), die moderat sportlich aktiv sind, berichten 66, dass sie sich anschließend besser fühlen. Von anderen 100 jüngeren Frauen, die inaktiv verbleiben, fühlen sich demgegenüber nur 34 besser. Diese Zahlenillustration lässt sich aus den metaanalytischen Kalkulationen von Schlicht (1995) ableiten, der insbesondere zeigt, dass die Größe des Wohlbefindenseffekts von verschiedenen Variablen abhängt. Demnach profitieren die im Beispiel genannten jüngeren Frauen (bei einer rechnerischen Effektstärke von rg = .33) unabhängig von der Art der gewählten sportlichen Aktivität, wohingegen jüngere Männer erst aus intensiveren Arten der sportlichen Betätigung, und dann auch noch deutlich geringeren Nutzen ziehen (rg = .13). Die bis heute vorliegenden Effektgrößen aus unterschiedlichen Meta-Anlaysen variieren häufig zwischen diesen
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
beiden von Schlicht (1995) errechneten Werten und verweisen zusammengefasst auf einen schwachen bis mittleren positiven Effekt der sportlicher Aktivität auf das aktuelle Wohlbefinden. Ein auch der Effektstärke nach vergleichbar günstiger Einfluss von sportlicher Aktivität auf das habituelle Wohlbefinden (SWB-Trait: affektive Komponente) lässt sich indirekt vor allem aus Untersuchungen erschließen, die eine Reduzierung ängstlicher und depressiver Symptomatiken belegen (z.B. Landers & Arent, 2007, für eine Zusammenfassung). Einige Untersuchungen zeigen den positiven Effekt auf den Wohlbefindenszustand sogar für niedrig intensive Lebensstilaktivitäten (Schwerdtfeger, Eberhardt, & Chmitorz, 2008). Ein abschließendes Ergebnis über die vergleichsweise wenigen Studien, die mögliche Zusammenhänge zwischen solcher körperlicher Aktivität und dem subjektiven Wohlbefinden adressieren, lässt sich bis heute jedoch noch nicht ziehen. Einen interessanten Kontext bieten hier zum Beispiel Arbeiten aus dem Feld der betrieblichen Gesundheitsförderung. Jedoch sind die empirischen Befunde zum positiven Einfluss verschiedener Aktivitätsformen auf beispielsweise die Arbeitszufriedenheit bislang noch inkonsistent. Protektive und ressourcenstärkende Einflussgrößen. Immer wieder befassen sich Untersuchungen auch mit psychischen Variablen, die vermittelnd in den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Wohlbefinden (als Ausdruck psychischer Gesundheit) eingreifen. Zuweilen werden solche Einflussgrößen auch als eigenständige Indikatoren von Gesundheit betrachtet (siehe Rahmeninfo). Beispiele sind die allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung, Kontrollüberzeugungen oder das Erleben von Selbstbestimmtheit sowie das Selbstkonzept. Rahmeninfo: Sozialwissenschaftliche Modelle von Gesundheit Salutogenesemodell (Antonovsky, 1987). Akzentuiert die Frage nach den Entstehungsbedingungen von Gesundheit, die sich protektiv gegenüber Beschwerden oder Krankheit auswirken. Es wird angenommen, dass sich der Mensch permanent im Ungleichgewicht, d.h. in einem Zustand des Ausbalancierens zwischen Ordnung/Funktionieren und Unordnung/NichtFunktionieren, befindet. Ökologische (z.B. Lebensumfeld), physiologische (z.B. Immunstatus) und psychologische (z.B. Selbstkonzept) Schutzfaktoren sowie ein effektiver Kohärenzsinn (dynamisches Gefühl des Vertrauens;
3.1 Psychische Gesundheit durch körperliche Aktivität
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eigenes Handeln kann als sinnvoll und kontrollierbar erlebt werden) können als Energie-Regulativ internen und externen Anforderungen entgegengesetzt werden. Bestimmte Verhaltensweisen (z.B. körperliche Aktivität) können zur Stärkung der Schutzfaktoren und des Kohärenzsinns beitragen. Anforderungs-Ressourcen-Modell (Becker, 1982). Baut im Ansatz auf das Salutogenesemodell auf und erweitert vor allem um die körperliche Gesundheit. Interne psychische Ressourcen (z.B. Selbstkonzept) beeinflussen die Gesundheit über das aktuelle Verhalten und Erleben. Interne physische (z.B. Fitness) und externe Ressourcen (z.B. soziale Unterstützung) wirken direkt auf den Gesundheitszustand. Der Begriff seelische Gesundheit integriert verschiedene interne Ressourcen. Im Sinne einer protektiven Persönlichkeitseigenschaft kommt der seelischen Gesundheit besondere Bedeutung zu. Interne und externe Anforderungen (z.B. Stressoren) wirken sich je nach Ausgangsniveau der individuellen Ressourcen positiv (zusätzlich ressourcenstärkend) oder negativ (ressourcenschmälernd) auf die Gesundheit aus. Körperliche Aktivität wäre modellgemäß eine externe Anforderung, die mit Auswirkungen auf die korrespondierenden internen Anforderungen den Gesundheitszustand ressourcenstärkend beeinflussen kann. Aus psychologischer Perspektive lässt sich das Selbstkonzept als entwicklungsbedingt dynamisches, mehrdimensionales und hierarchisch aufgebautes Konstrukt auffassen (Æ Kapitel 4.1, vgl. Abbildung 13, auf Seite 79). Als selbstbezogenes Wissenssystem repräsentiert es, wahrgenommen als Selbstwertgefühl, die individuumsspezifische Schnittmenge von Emotion, Motivation und Kognition und beeinflusst so maßgeblich die Interpretation des eigenen Verhaltens sowie (moderierend) auch das Verhalten selbst. In empirischen Untersuchungen häufiger betrachtet werden die Einflüsse von Sport auf den Aspekt des physischen Selbstkonzepts (Conzelmann & Hänsel, 2008, für einen sportbezogenen Forschungsüberlick). Über bisherige gesundheitsbezogene Untersuchungsergebnisse lässt sich zusammenfassen, dass sportliche Aktivität vor allem bei Personen mit anfangs niedrigem Selbstwertgefühl einen wichtigen Moderator für die positive Entwicklung des physischen Selbstkonzepts darstellt (Alfermann & Stoll, 2000). Der bisher umfangreichsten Meta-Analyse von Spence, McGannon und Poon (2005) zufolge sollte dabei von einer eher kleinen Effektstärke ausgegangen werden.
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
Ein zweites Beispiel für gesundheitsvermittelnde psychische Variablen liefern Untersuchungen, die sich auf den günstigen Einfluss von sportlicher Aktivität auf kognitive Funktionen (Verarbeitungsgeschwindigkeit, visuellräumliche Verarbeitung, kontrollierte Verarbeitung oder exekutive Kontrolle) konzentrieren. Vor allem für ältere Menschen (Æ Kapitel 4.4) wird erwartet, dass eine verbesserte kognitive Funktionsfähigkeit zu einer Verbesserung der Lebensqualität beiträgt. Meta-Analysen belegen, dass von einem durchgängig signifikant positiven, aber nicht linearen Effekt des Fitnesszustandes auf die kognitiven Leistungen ausgegangen werden kann. Dieser fällt für unterschiedliche Altersgruppen allerdings unterschiedlich groß aus (z.B. Etnier, Nowell, Landers, & Sibley, 2006). Ansätze zur Erklärung der psychischen Effekte. Zur Erklärung der in empirischen Studien immer wieder gefundenen positiven Einflüsse der körperlichen Aktivität auf die psychische Gesundheit wird eine mittlerweile größere Zahl von Hypothesen untersucht (siehe Rahmeninfo). Unter den psychophysiologischen Erklärungen ist die Endorphinhypothese mittlerweile weitgehend widerlegt. Die Befundlage zur Katecholaminhypothese, zur Thermoregulationshypothese sowie zur Immunsystemmodulationshypothese ist inkonsistent. Selbiges gilt für die psychologischen Hypothesen, unter denen vor allem die Ablenkungshypothese, die Selbstwirksamkeitshypothese sowie die Annahme unspezifischer Begleiteffekte diskutiert werden. Neuerdings werden mit der Endocannabinoidhypothese (Dietrich & McDaniel, 2004) auch ein neurochemischer und mit der Transienten Hypofrontalitätshypothese (Dietrich, 2006) ein neurobiologischer Erklärungsansatz diskutiert. Diese beiden könnten angesichts der rasanten Entwicklung in der Hirnforschung demnächst an Bedeutung gewinnen. Jedoch liegen noch zu wenige Untersuchungen vor, um ihr Erklärungspotenzial realistisch einschätzen zu können. Rahmeninfo: Erklärungsansätze zum wohlbefindenssteigernden Effekt von körperlicher Aktivität Die Erklärung der Wirkweise von körperlicher Aktivität auf die körperliche Gesundheit ist in erster Linie Aufgabe sportmedizinischer (z.B. Hollman & Stüder, 2009) und epidemiologischer Forschung (z.B. Dishman, et al., 2004). Zur Erklärung der Wirkmechanismen, die für die günstigen Effekte von
3.1 Psychische Gesundheit durch körperliche Aktivität
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körperlicher Aktivität auf die psychische Gesundheit verantwortlich sind, werden in der sportpsychologischen Literatur ganz unterschiedliche Hypothesen diskutiert: Endorphinhypothese. Unter körperlicher Belastung werden körpereigene Schmerzhemmer (Endorphine) ausgeschüttet, die für die positive Stimmungsveränderung verantwortlich sind. Katecholaminhypothese. Weil ein Mangel der Neurotransmitter Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin zentralnervös am Auftreten depressiver Stimmungszustände beteiligt ist und es unter körperlicher Belastung zu einer vermehrten Ausschüttung u.a. des Hormons Noradrenalin in den Blutkreislauf kommen kann, bedingen diese Katecholamine die Stimmungsveränderung. Thermoregulationshypothese. Die aus körperlicher Aktivität resultierende gesteigerte Durchblutung und Stoffwechselaktivität und die korrespondierende Anhebung der Körpertemperatur begründen den Wohlbefindensanstieg. Immunsystemmodulationshypothese. Insbesondere moderate sportliche Aktivität zieht hormonale Adaptationen nach sich, die zu einer Stärkung des Autoimmunsystems führen. Dies senkt einerseits die Wahrscheinlichkeit von körperlichen Erkrankungen und fördert gleichzeitig das subjektive Wohlbefinden. Ablenkungshypothese. Körperliche Aktivität beansprucht die kognitive Informationsaufnahme und -verarbeitungskapazität, so dass von der Wahrnehmung anderer Stressoren abgelenkt wird. Selbstwirksamkeitshypothese. Die Erfahrung und Überzeugung, mit körperlicher Aktivität einhergehende Anforderungen erfolgreich bewältigen zu können, wirkt sich positiv auf das habituelle Wohlbefinden aus. Annahme unspezifischer Begleiteffekte. Zum Beispiel die Gesellschaft anderer Personen, die als sympathisch empfunden werden (oder auch bloße Erwartungseffekte) verursachen den Effekt. Endocannabinoidhypothese. Sportliche Aktivität führt zu einer zentralnervösen Ausschüttung von körpereigenen Cannabinoiden. Dies ist eine Klasse von Neurotransmittern, die zentralnervös u.a. zu sehr intensiven subjektiven Erfahrungen, zu verringerter Schmerzwahrnehmung, zu weniger situativer Ängstlichkeit und zu größerem allgemeinem Wohlbefinden beiträgt.
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
Transiente Hypofrontalitätshypothese. Neuronale Aktivität, die für höhere kognitive Aufgaben sowie die Verarbeitung emotionaler Information zuständig und im präfrontalen Kontext angesiedelt ist, kann unter körperlicher Belastung nur eingeschränkt ablaufen, weil neuronale Ressourcen zu den sensorischen, motorischen und autonomen Hirnarealen verschoben werden.
3.2 Gesundheitsverhaltensänderung 3.2 Gesundheitsverhaltensänderung Im vorangehenden Kapitel wurde zusammengefasst, wie der Beitrag von körperlicher Aktivität insbesondere zur psychischen Gesundheit sportpsychologisch eingeordnet werden kann. Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass Menschen körperlich aktiv werden und sich dieses Gesundheitspotenzial erschließen: Wenn von strukturellen Prädiktoren die Rede ist, sind damit die unmittelbaren Lebensbedingungen gemeint. Beispiele sind die Erreichbarkeit von Sportanlagen (etwa durch günstige Verkehrsanbindungen) oder eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik (z.B. KrankenkassenBoni für gesundes Verhalten). Unter die sozialen Prädiktoren fallen unter anderem gesellschaftliche Werthaltungen und Normen. Zu den individuellen Prädiktoren zählen neben manchen persönlichen Voraussetzungen (z.B. Geschlecht, Alter, Sportbiographie) auch psychische Variablen. Zahlreiche sportpsychologische Untersuchungen gehen der Frage nach, welche psychischen Variablen beeinflusst werden müssen, damit Menschen ihr Aktivitätsverhalten verändern oder gesundheitlich günstiges Verhalten beibehalten (wobei festzuhalten ist, dass bislang deutlich häufiger zur Verhaltensänderung als zur Aufrechterhaltung veränderten Verhaltens geforscht wurde). Rahmeninfo: Aktivitätsempfehlungen für Erwachsene und für Kinder Mit der Entwicklung von Empfehlungen zum Aktivitätsverhalten beauftragte Institutionen wie das Robert-Koch-Institut (RKI) raten, bezogen auf den gesundheitlichen Nutzen, Erwachsenen derzeit dazu, regelmäßig, d.h. mindestens an drei, besser jedoch an allen Tagen der Woche eine halbe Stunde körperlich aktiv zu sein. Dabei sollten Atmung und Pulsschlag zunehmen und man sollte leicht ins Schwitzen geraten (Mensink, 2003). Für
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Kinder wird körperliche Aktivität in derselben Art und Weise empfohlen, allerdings sollten diese an mindestens fünf Tagen der Woche entsprechend körperlich aktiv sein. (Cavill, Biddle, & Sallis, 2001) Nachdem schon Anfang der 80er Jahre einzelne psychische Prädiktoren von körperlicher Aktivität (z.B. Selbstwirksamkeitserwartungen) als geschehensrelevant erkannt und näher untersucht worden waren, widmete man sich spätestens seit den 90er Jahren vor allem sogenannten Strukturmodellen der Aktivitätsteilnahme. In Strukturmodellen werden mehrere als wichtig erkannte psychische Prädiktoren so zueinander in Relation gesetzt, dass a priori formulierte Annahmen zur Erklärung körperlich aktiven Verhaltens empirisch überprüft werden können. Von einer Ausnahme abgesehen (Motivations-Volitions-Prozessmodell; in diesem Kapitel) handelt es sich dabei um Modelle, die nicht aus dem spezifischen Kontext der Sportpsychologie heraus entwickelt wurden. Vielmehr werden sie schon seit längerer Zeit immer wieder auf ganz unterschiedliche Bereiche der Gesundheitsverhaltensänderung angewandt (z.B. Rauchen, Essen, Benutzen von Zahnseide). Eine zweite Gemeinsamkeit vieler Gesundheitsverhaltensmodelle besteht darin, dass sie an Grundüberlegungen aus der sozial-kognitiven Theorie von Albert Bandura (1997) anknüpfen: Verhalten lässt sich demnach durch einige im sozialen Kontext gelernte Kognitionen (vor allem Selbstwirksamkeit, Handlungsergebniserwartung und Zielintention; siehe unten) verändern, erklären und vorhersagen. Die sozial-kognitiven Modelle lassen sich einem Vorschlag von Armitage und Conner (2000) folgend in Motivationsmodelle, Theorien der Handlungsausführung oder Prozess- und Stadienmodelle unterscheiden. In jüngster Vergangenheit hat sich daneben noch ein Forschungszweig etabliert, der sich insbesondere emotionalen Einflüssen und/oder Fragen der Selbstregulation zuwendet. Motivationsmodelle. Charakteristisch für jene Modelle, die zu den Motivationsmodellen gezählt werden, ist, dass sie sich auf das psychische Geschehen konzentrieren, das für die Bildung einer Intention (z.B. „Ich nehme mir vor, von nun mindestens einmal die Woche sportlich aktiv zu sein“) entscheidend ist. Ein theoretisch sparsames und vor allem auch international zahlreich aufgegriffenes Strukturmodell ist die in Abbildung 8 grafisch dargestellte Theorie des geplanten Verhaltens von Isaac Ajzen (1985).
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
Einstellungen
subjektive Normen
Intention
Verhalten
Verhaltenskontrolle
Abbildung 8: Theorie des geplanten Verhaltens (nach Ajzen, 1985)
Sie benennt drei additiv miteinander verknüpfte Prädiktoren für die Verhaltensabsicht (Intention): Erstens, die eigene Überzeugung und Bewertung über die Verhaltenskonsequenzen (Einstellung gegenüber dem geplanten Verhalten). Zweitens, die Überzeugungen und Erwartungen wichtiger Anderer sowie das Bedürfnis, diesen Erwartungen entsprechen zu wollen (subjektive Norm). Und drittens, das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, gepaart mit dem Vorhandensein von Gelegenheiten, das Verhalten auch tatsächlich realisieren zu können (wahrgenommene Verhaltenskontrolle). Die Intention stellt den stärksten Prädiktor für das Verhalten dar. Ergänzend wird allerdings auch noch ein unvermittelter Einfluss der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf das Verhalten angenommen. Eine speziell auf empirische Untersuchungen zur körperlichen Aktivität bezogene metaanalytische Zusammenfassung kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 30% der Verhaltensvarianz durch die vier in der Theorie spezifizierten Variablen erklärt werden können (Hagger, Chatzisarantis, & Biddle, 2002). Ein zweites Beispiel aus der Gruppe der Motivationsmodelle ist die Selbstdeterminationstheorie von Edward Deci und Richard Ryan (1985). Sie geht davon aus, dass motiviertes Verhalten von Menschen aus deren Suche nach Erfüllung der drei Grundbedürfnisse Kompetenz, Autonomie und Verbundenheit entsteht. Je nachdem, ob bzw. wie sehr sich diese Grundbedürfnisse durch konkrete Verhaltensweisen (Handlungen) erfüllen lassen, resultieren psychische Konsequenzen wie subjektives Wohlbefinden, Interesse
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oder Leistungsbereitschaft. Im Alltag notwendige Handlungen eignen sich nun aber eben unterschiedlich gut dazu, diese Grundbedürfnisse zu befriedigen. Intrinsisch regulierte Handlungen bieten von sich aus (subjektiv wahrgenommen) schon so viel Anreiz, dass sie nicht weiter von außen belohnt oder sonstwie „angetrieben“ werden müssen. Sie versprechen den größten Autonomiegewinn. Menschen, die intrinsisch reguliert körperlich aktiv sind, haben der Theorie zur Folge dann auch die günstigste Prognose auf lange Zeit hin regelmäßig aktiv zu bleiben. Demgegenüber werden vier dem Charakter nach eher externale Regulationstypen unterschieden (integriert, identifiziert, introjiziert und external; Abbildung 9). Sie versprechen graduell weniger Bedürfnisbefriedigung und sollten dementsprechend ungünstigere motivationale Ausgangslagen für eine Verhaltensänderung bieten. Schließlich bezeichnet Amotivation den Zustand, in dem erst gar kein Ziel (keine Intention), körperlich aktiv zu werden, gebildet wird, oder aber es an der Entschlossenheit fehlt, dieses in die Tat umzusetzen (d.h. entsprechendes Verhalten zu regulieren). Erste Meta-Analysen (Chatzisarantis, Hagger, Biddle, Smith, & Wang, 2003) und ein international stark wachsendes Forschungsinteresse (Hagger & Chatzisarantis, 2007) signalisieren, dass es sich bei der Selbstbestimmungstheorie um einen interessanten Zugang zur theoriegeleiteten Analyse von körperlich aktivem Gesundheitsverhalten handelt.
Amotivation
intrinsische Motivation
extrinsische Motivation
keine Regulation
externale Regulation
introjizierte Regulation
identifizierte Regulation
integrierte Regulation
intrinsische Regulation
Keine oder nicht ausreichend starke Ziele, Handlung unterbleibt.
Es wird gehandelt, weil wichtige Andere dies so wollen oder äußere Umstände es erfordern.
Es wird gehandelt, weil Ziele als bedeutsam erkannt sind. Jedoch entsprechen sie nicht wirklich den eigenen.
Es wird gehandelt, weil bewusste Bewertungsprozesse Ziele in das eigene Wertesystem einpassen können.
Es wird gehandelt, weil Ziele mit dem eigenen Wertesystem übereinstimmen und übernommen werden können.
Handlungsantrieb ergibt sich allein aus dem eigenen Handlungsinteresse, Ziele entstammen dem eigenen Wertesystem.
nicht selbstdeterminiert
selbstdeterminiert
Abbildung 9: Selbstdeterminationstheorie (leicht mod. nach Hagger & Chatzisarantis, 2007, S. 8)
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
Theorien der Handlungsausführung. Jeder von uns kennt das Problem, dass es nicht immer einfach ist, seinen Absichten auch Taten folgen zu lassen. Die Absicht, regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen, schien definitiv, die Mitgliedschaft war auch schon beantragt, und trotzdem hat man es eben (wieder einmal) nicht geschafft. Theorien der Handlungsausführung konzentrieren sich vor allem auf die Erklärung dieser sogenannten Intentions-VerhaltensLücke (Heckhausen, 1987). Mit diesem Konzept bezieht man sich auf die Beobachtung, dass die Intention zum Beispiel regelmäßig körperlich aktiv sein zu wollen, keine ausreichend sichere Vorhersage über das tatsächliche Verhalten erlaubt. In den Worten des Sozialpsychologen Peter M. Gollwitzer, dessen Theorie der Implementierungsintentionen in den vergangenen Jahren verstärkt auch in der sportpsychologischen Forschung Anwendung findet, sollte zusätzlich zur Absicht (zur Zielintention) noch ein konkreter Vorsatz (eine Implementierungsintention) gebildet werden. Implementierungsintentionen spezifizieren, „wann“, „wo“, „was“, „wie“ getan werden soll (Gollwitzer, 1999). In der Trennung von Absichten und Vorsätzen spiegelt sich die theoretische Grundannahme wider, dass zielgerichtetes Handeln neben motivationalen Komponenten (psychische Prozesse, die zur Bildung einer Absicht führen) auch volitionale Komponenten (Willensprozesse, die Absichten in Verhalten überführen) erfordert (Æ Kapitel 2.1, Rubikon-Modell der Handlungsphasen). So ist es eine Frage der Fähigkeit zur volitionalen Verhaltenskontrolle, ob eine einmal gefasste Verhaltensintention auch angesichts von konkurrierenden attraktiven oder gewohnten Verhaltensoptionen in die Tat umgesetzt wird. Mit der Umschreibung, dass dazu „Willenskraft aufgebracht“ werden muss, wird sehr schön deutlich, dass es sich hierbei wohl um eine endliche Ressource handelt, die unter Beanspruchung auch einmal zur Neige gehen kann. Gollwitzer und Kollegen gehen davon aus, dass Implementierungsintentionen vor allem deshalb wirken, weil sie uns im Alltag kognitiv entlasten können (Gollwitzer & Sheeran, 2006). Sie sind in Form einfacher Mittel-Ziel-Assoziationen in unserem Gedächtnis repräsentiert und spezifizieren geeignete Handlungssituationen (in Form einfacher wenn-dann Pläne, z.B.: Wenn ich die U-Bahn Station verlasse, dann benutze ich dafür die Treppenstiegen und nicht die Rolltreppe). Menschen, die geeignete Vorsätze gefasst haben, erkennen günstige Handlungssituationen also schneller und wissen im selben Moment auch schon, wie sie handeln wollen.
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Die Wirksamkeit entsprechender Planungsinterventionen ist für die Förderung körperlicher Aktivität in kontrollierten Einzelstudien gut belegt (z.B. Sniehotta, Scholz, & Schwarzer, 2006, für Herzpatienten in der ambulanten Nachsorge). Meta-Analysen, in denen Studien zu unterschiedlichen gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen zusammengefasst sind, verweisen auf mittlere bis starke Effekte entsprechender Interventionsmaßnahmen (Gollwitzer & Sheeran, 2006). Prozess- und Stadienmodelle. Mit Prozess- und Stadienmodellen wird vor allem dem Gedanken Rechnung getragen, dass je nachdem, in welcher Phase der Verhaltensänderung sich Personen befinden, charakteristische Denkens- und Erlebensmuster vorherrschen. Mit Blick auf die Interventionspraxis ist daraus abgeleitet wichtig, dass Interventionsprogramme möglichst konsequent individuums- oder zielgruppenspezifisch maßgeschneidert werden (engl. tailored interventions). Ein direkt aus der Sportpsychologie heraus entwickeltes Beispiel ist das Motivations-Volitions-Modell (MoVo; Abbildung 10) von Reinhard Fuchs (Fuchs, 2007). Ähnlich wie das vor allem im deutschsprachigen Raum intensiv untersuchte sozial-kognitive Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens (HAPA, für engl. Health Action Process Approach; Schwarzer, 2004) unterscheidet es motivationales und volitionales Geschehen und definiert entsprechende Verhaltensstadien. Dem MoVo-Modell zufolge wird die Stärke einer Zielintention durch die motivationalen Aspekte Konsequenzerwartung, Verhaltenskontrolle (die hier im Wesentlichen der Selbstwirksamkeitserwartung entspricht) und Selbstkonkordanz beeinflusst. Der Grad der Selbstkonkordanz bezeichnet eine besondere Qualität der Zielintention (Sheldon & Houser-Marko, 2001), denn aus Zielintentionen resultieren Implementierungsintentionen vor allem dann, wenn sie mit den persönlichen Überzeugungen und Werten übereinstimmen (Æ vgl. oben, Selbstdeterminationstheorie). Im externalen Modus (körperliche Aktivität wird allein zur Erfüllung der Vorstellungen anderer produziert) besteht weniger Selbstkonkordanz als im introjizierten (die Gründe für die Zielintention sind zwar verinnerlicht, aber noch nicht die eigenen), im identifizierten (der Zielintention liegt eine freie Entscheidung zugrunde, sie deckt sich mit eigenen Wertvorstellungen) oder im intrinsischen Modus (die Zielintention bedarf keiner besonderen Begründung, die körperliche Aktivität erfolgt um ihrer selbst willen). Die Implementie-
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
rungsintention muss zur sicheren Handlungsauslösung unter Aufbietung von Willenskraft gegenüber konkurrierenden Handlungsoptionen „abgeschirmt“ werden, um sicherzustellen, dass situative Auslöser das vorbereitete Handlungsprogramm anstoßen (Æ vgl. oben, Theorien der Handlungsausführung). Schließlich wirken sich positive und negative Konsequenzerfahrungen, die aus der Verhaltensepisode resultieren, wieder auf die Konsequenzerwartungen aus, indem sie neue Aktivitätsepisoden begünstigen oder erschweren.
Verhaltenskontrolle Zielintention Konsequenzerwartungen
Intentionsstärke
volitionale Intentionsabschirmung
Selbstkonkordanz
Implementierungsintention
Handlungsinitiierung
Verhaltensepisode
usw.
situativer Auslöser
Konsequenzerfahrung
Abbildung 10: MoVo-Prozessmodell (Fuchs, 2007, S. 318)
Eine wichtige Besonderheit des MoVo-Modells liegt darin, dass ein vollständig manualisiertes und empirisch überprüftes Interventionsprogramm (MoVo-LISA; für lebensstilintegrierte sportliche Aktivität) dazu vorliegt (Göhner & Fuchs, 2007). Das Programm setzt für die anleitende Person keine Formalqualifikation im Bereich Psychologie voraus, es kann zum Beispiel auch von Sportwissenschaftlern oder Sport- und Bewegungstherapeuten angeboten werden. Insofern davon ausgegangen wird, dass Personen, die sich zu einer Teilnahme am Interventionsprogramm entschieden haben, grundsätzlich schon einmal zur Verhaltensänderung motiviert sind, liegt der Schwerpunkt von MoVo-LISA auf der Herausbildung volitionaler Kompetenzen (z.B. Selbstbeobachtungstrainings, Antizipation von kritischen inneren und äußeren Hindernissen, Entwickeln und Testen von Implemen-
3.2 Gesundheitsverhaltensänderung
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tierungsintentionen). Eine erste kontrollierte Effektstudie zur Evaluation des Gesamtprogramms (mit mehr als 200 Probanden, die unmittelbar nach Interventionsabschluss und dann noch einmal sechs Wochen, sechs Monate und zwölf Monate später getestet wurden) zeigt die erwartet günstigen Auswirkungen auf die motivationalen und volitionalen Prädiktoren (Göhner, Seelig, & Fuchs, 2009) genauso wie auf die körperliche Aktivität (Fuchs, in press). Ein zweites Beispiel aus der Gruppe der Prozess- und Stadienmodelle ist das Transtheoretische Modell (TTM) von James Prochaska und Carlo diClemente (1983). Die Orientierung an diesem Modell lohnt vor allem dann, wenn es darum geht, auf einfache Weise Gruppen von Menschen nach ihrer Veränderungsmotivation zu unterscheiden, um sie dann in Interventionen mit für sie maßgeschneiderten Angeboten versorgen zu können. Die Betitelung „transtheoretisch“ verweist darauf, dass die im Modell zusammengefassten Annahmen aus ganz unterschiedlichen psychologischen Theorien und Denktraditionen stammen. Hintergrund ist eine sehr pragmatische Sichtweise der Modellautoren auf den Themenkomplex Verhaltensänderung. Sie verfolgen vor allem die Absicht, in der psychologischen Praxis bewährte Techniken mit vorhandenem Wissen zu integrieren. Die Kernannahmen des TTM bilden fünf Stadien der Verhaltensänderung (Präkontemplation, Kontemplation, Vorbereitung, Handlung, Aufrechterhaltung), zwei vermittelnde Variablen zur Beschreibung der Veränderungsmotivation (Selbstwirksamkeitserwartung, Entscheidungsbalance), sowie zwei Gruppen von stadienspezifisch unterschiedlich relevanten Strategien8 (kognitiv-affektive und behaviorale), die Personen dabei helfen, von einem Stadium ins nächste zu wechseln (Tabelle 3). Am konkreten Beispiel dargestellt würde mit dem TTM zum Beispiel davon ausgegangen, dass präkontemplative Personen (die noch überhaupt nicht darüber nachgedacht haben, dass mehr körperliche Aktivität gut für ihre Gesundheit sein könnte) viel mehr von der Information profitieren, dass körperliche Aktivität tatsächlich ein geeignetes Mittel zur Verbesserung ihres subjektiven Wohlbefindens darstellt (kognitiv-affektive 8 Im Original werden diese als „processes of change“ (Prozesse der Verhaltensänderung) bezeichnet. Hier wird statt dessen die Bezeichnung „Strategien“ gewählt, weil damit deren instrumenteller Charakter deutlicher wird und Missverständnisse über das charakterisierend Prozessuale im TTM-Modell (die Stadien der Verhaltensänderung) vermieden werden.
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Veränderungsstrategie: Steigern des Problembewusstseins), als zum Beispiel Personen im Handlungsstadium (die zwar schon versuchen, mehr Zeit für körperliche Aktivität in ihren Alltag einzubauen, denen die Verhaltensänderung aber noch sehr schwer fällt). Tabelle 3:
Kernkonstrukte des transtheoretischen Modells der Verhaltensänderung
Stadien der Verhaltensänderung Präkontemplation (Absichtslosigkeit): Die Person ist körperlich inaktiv und zieht die Möglichkeit einer Verhaltensänderung nicht in Betracht.
Vermittelnde Variablen Entscheidungsbalance (Konsequenzerwartungen): Bilanz über subjektiv wahrgenommene Vor- und Nachteile, die eine Verhaltensänderung mit sich bringt.
Kontemplation (Absichtsbildung): Die Person ist körperlich inaktiv und wägt ab, ob sie ihr Verhalten ändern will oder nicht.
Selbstwirksamkeitserwartung: Überzeugung, ein beabsichtigtes Verhalten auch angesichts von Schwierigkeiten zeigen und beibehalten zu können.
Vorbereitung: Die Person beabsichtigt ihr Verhalten zu ändern, „experimentiert“ schon mit dem neuen Verhalten und/oder trifft konkrete Vorbereitungen.
Strategien der Verhaltensänderung kognitiv-affektive: z.B. Steigern des Problembewusstseins, Neubewerten der Umwelt.
Aktion (Handlung): Die Person unternimmt einen ernsthaften Versuch von nun an regelmäßig körperlich aktiv zu sein.
behaviorale: z.B. Mobilisieren hilfreicher Beziehungen, Selbstbelohnungsmanagement.
Aufrechterhaltung: Der Person gelingt es über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig körperlich aktiv zu sein.
Die Ergebnisse zur empirischen Bewährung des Modells werden seit Jahren kontrovers diskutiert (z.B. Marshall & Biddle, 2001). Zusammengefasst spricht heute vieles dafür, das TTM weniger als eine formale Theorie zur Erklärung und Vorhersage von Verhaltensänderungen zu betrachten, sondern es eher als ein flexibles Konzept zu begreifen, das nützliche Orientierung zur Gestaltung insbesondere zielgruppenspezifisch maßgeschneiderter Interventionen bietet.
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Neuere Forschungsansätze. Die bisher dargestellten Ansätze zur Modellierung von Gesundheitsverhaltensänderung (motivationale Theorien, Theorien der Handlungsausführung, Prozess- und Stadienmodelle) repräsentieren insbesondere mit Blick auf die Interventionspraxis die Hauptlinien auch sportpsychologischer Forschung zu diesem Thema. Am Rande dieser Hauptlinien, jedoch nicht unabhängig von ihnen, entstanden in den zurückliegenden Jahren Arbeiten, die andere Akzente setzen. Mittlerweile liegen mehrere empirische Untersuchungen vor, die darauf hinweisen, dass die Hinzunahme von Variablen zur Beschreibung automatisch gefühlsbasiertem (z.B. Blümke, Brand, Schweizer, & Kahlert, 2010) oder bewusst emotionalisierendem Bewertungsgeschehen (z.B. Brand, 2006) bislang unterschätzt bzw. unzureichend modelliert wurde. Automatische Prozesse bezeichnen sehr schnell und vor allem unbewusst ablaufende informationsverarbeitende Vorgänge. Sie finden zum Beispiel in dem mehr oder weniger „mulmigen“ Gefühl Ausdruck, das einen schon allein bei dem Gedanken an einen möglichen Tandem-Fallschirmsprung beschleichen könnte. Demgegenüber handelt es sich bei emotionalisierenden Bewertungen um einen bewussten kognitiven Prozess, der in einem komplexen emotionalen Zustand resultiert. Eine passende Strategie zur näheren Untersuchung solchen Geschehens ist die, diese neuen Ansätze mit bereits bewährten Strukturmodellen zu verweben. So handelt es sich beispielsweise bei der weiter oben dargestellten Theorie des geplanten Verhaltens (TPB) um einen grundsätzlich offenen Modellentwurf, der erweiterbar ist (Ajzen, 1985). In einer jüngst veröffentlichten Untersuchung (Mohiyeddini, Pauli, & Bauer, 2009) maßen die Autoren, zusätzlich zu den in Abbildung 8 dargestellten TPB-Variablen, die positiven und negativen Emotionen, die entstanden, nachdem körperlich Inaktive die Intention gefasst hatten, von nun an regelmäßig an einem Aktivitätsprogramm teilzunehmen und testeten dieses spezifisch erweiterte Strukturmodell. Die Aufklärung der Verhaltensvarianz wuchs um beeindruckende 17% für die abhängige Variable Trainingshäufigkeit und um 20% für die durchschnittliche Trainingsdauer.
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
3.3 Sport in der Therapie psychischer Störungen 3.3 Sport in der Therapie psychischer Störungen Regelmäßige körperliche Aktivität trägt zur Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens sowie zur Stärkung gesundheitsförderlicher psychischer Ressourcen bei (Æ Kapitel 3.1). Außerdem senkt regelmäßige körperliche Aktivität9 das Risiko bestimmter körperlicher Erkrankungen (z.B. Darmkrebs: Risikoreduktion um ca. 40-50%) und bestimmter psychischer Störungen (z.B. depressive Störungen: Risikoreduktion um 20-30%) zu erleiden (Dishman, et al., 2004, für ausführliche Darstellungen).10 Diese Tatsachen erlauben (neben vergleichbaren anderen) jedoch noch lange nicht den Rückschluss, dass körperliche Aktivität einen maßgeblichen und eigenständigen Beitrag zur Therapie psychisch erkrankter Personen leistet. Ohne Zweifel bewirkt regelmäßige körperliche Aktivität auch bei Personen mit psychischer Störung eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit. So wäre es im Grunde auch für solche psychotherapeutisch behandlungsbedürftige Menschen gerechtfertigt anzunehmen, dass auch die dargestellten positiven Wirkungen von körperlicher Aktivität auf das subjektive Wohlbefinden und auf die psychischen Gesundheitsressourcen folgen (Æ Kapitel 3.1). Für den wissenschaftlichen Nachweis ist hier, weil in kurativen Zusammenhängen argumentiert wird, allerdings mehr zu fordern: Nur methodisch ausreichend kontrollierte Studien mit tatsächlich erkrankten Personen informieren uns verlässlich über den Beitrag, den körperliche Aktivität zur Therapie psychischer Störungen leisten kann. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand zur Frage, ob und wie sehr körperliche Aktivität zur Therapie psychischer Störungen beiträgt, wird in der sportpsychologischen Literatur recht unterschiedlich bilanziert. Die bei einigen Kommentatoren (z.B. Brand & Schlicht, 2008; Mead et al., 2009) deutlich ausgeprägte Skepsis der aktuellen Befundlage gegenüber, dürfte in erster
9 Wenn sie in geeignetem Ausmaß betrieben wird: Sportwissenschaftlich können Sportepisoden in den Aktivitätskomponenten Häufigkeit × Dauer × Intensität (für ausdauerakzentuierte Belastungen) oder Häufigkeit × Wiederholungen × Intensität (für kraftakzentuierte Belastungen) charakterisiert werden (Schlicht & Brand, 2007; für eine Zusammenfassung). 10 In der epidemiologischen Forschung wird zwischen dem Risiko zu erkranken (Morbiditätsrisiko) und dem Risiko vorzeitig zu versterben (Mortalitätsrisiko) unterschieden. Bei den genannten Zahlen handelt es sich um Morbiditätsrisiken.
3.3 Sport in der Therapie psychischer Störungen
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Linie darauf zurückzuführen sein, dass Ergebnisse aus methodisch unterschiedlich anspruchsvoll geplanten Originalstudien zusammenfassend gewürdigt werden müssen. Um zu einem nachvollziehbar begründeten Urteil zu kommen, ist es notwendig, die einzelnen Bewertungskriterien (z.B. Angemessenheit der Methode in Bezug auf die konkrete Fragestellung) und die Relationen zwischen diesen Kriterien (Bewertungsgewichte) offen zu legen. Außerdem wäre darzustellen, weshalb manche Untersuchungsergebnisse zur Bewertung herangezogen werden und andere vielleicht nicht (Vollständigkeit der Bewertungsgrundlage). Ein solchermaßen transparentes Vorgehen bieten die Literaturrecherchen und Wissensstand-Bewertungen der international gemeinnützigen Cochrane Collaboration (www.cochrane.org), die durch die Erstellung, Aktualisierung und Verbreitung systematischer Überblicksarbeiten das Ziel verfolgt, die aktuell jeweils beste wissenschaftliche Information zu therapeutischen Fragen allgemein verfügbar zu machen (z.B. Mead, et al. 2009, zu Sport und Depression, oder Larun, Nordheim, Ekeland, Hagen, & Heian, 2006, zu Angst und Depression bei Kindern und Jugendlichen). Die aus solchen Cochrane-Reviews resultierende Gesamteinschätzung, dass ein eigenständiger und substanzieller Beitrag von Aktivitätsprogrammen zur Therapie psychischer Störungen aufgrund ernst zu nehmender methodischer Schwächen in den meisten empirischen Untersuchungen nicht behauptet werden darf, ist deutlich pessimistischer als die Bewertung verschiedener sportpsychologischer Kommentatoren. Beispielsweise berücksichtigen Stoll, Alfermann und Pfeffer (2010) auch Ergebnisse aus methodisch schwächeren (z.B. nicht-experimentellen, korrelativen) Originalstudien. Mit Verweis auf eine dann resultierende Konsistenz und Kohärenz von Untersuchungsergebnissen gelangen sie zu einer deutlich optimistischeren Einschätzung. Und auch andere Kommentatoren (z.B. Faulkner & Taylor, 2005) schlagen vor, den Nutzen von körperlicher Aktivität zur Behandlung von psychischen Störungen als nachgewiesen zu betrachten. Tatsächlich birgt die hier bevorzugte Strategie, die mögliche Bedeutung von körperlicher Aktivität durch Recherchen in der Cochrane-Datenbank abzuschätzen, einen Nachteil: Zu den meisten im ICD-10 oder DSM-IV-TR verzeichneten psychischen Störungen (siehe Rahmeninfo) wurden noch keine Cochrane-Reviews angefertigt. Allerdings drückt sich darin eher nicht die fehlende Bereitschaft der Cochrane Collaboration aus, entsprechende
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Anstrengungen zu unternehmen. Vielmehr wäre festzuhalten, dass sich Sportpsychologinnen und Sportpsychologen weltweit nur sehr punktuell an der wissenschaftlichen Untersuchung dieses Themas beteiligen. Rahmeninfo: Klassifikationssysteme zur Diagnostik psychischer Störungen Das ICD-10 (engl. International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der Weltgesundheitsorganisation ist das weltweit anerkannte Diagnoseklassifikationssystem der Medizin (World Health Organization, 2010). Beim DSM-IV-TR (engl. Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) der American Psychiatric Association handelt es sich um die vor allem in der psychologischen Psychotherapie etablierte Variante zur mehrdimensionalen Klassifikation speziell von psychischen Störungen (Saß, et al., 2003). Zusammengenommen könnte der Tenor über die aktuell verfügbare sportpsychologische Literatur wie folgt in Worte gefasst werden: Das aus kontrollierten Effektstudien zur Verfügung stehende Wissen reicht nicht dazu aus, einen positiven und eigenständigen Beitrag von körperlicher Aktivität (untersucht wurde vor allem sportliche Aktivität) zur Therapie psychischer Störungen zu behaupten. Jedoch mehren sich Untersuchungen, die Zusammenhänge zwischen Gesundungsmerkmalen und körperlicher Aktivität, insbesondere bei Personen mit depressiven und angstbezogenen Symptomatiken aufzeigen.
3.4 Gesundheitliche „Nebenwirkungen“ von Sport 3.4 Gesundheitliche „Nebenwirkungen“ von Sport Den bisherigen Darstellungen zufolge scheint wenig dagegen zu sprechen, körperlich inaktiven Menschen zur Verbesserung ihrer Gesundheit regelmäßige körperliche Aktivität, vielleicht sogar am besten in Form von sportlicher Aktivität, zu empfehlen. Die Darstellungen würden jedoch ein unausgewogenes Bild liefern, wenn nicht auch mögliche Schattenseiten des Sporttreibens kurz ausgeleuchtet würden. Sportverletzungen. Glaubt man den Angaben von Krankenversicherern, dann verletzen sich von den rund 23 Millionen Sporttreibenden (Unfälle im schulischen Sportunterricht nicht mitgerechnet) in Deutschland pro
3.4 Gesundheitliche „Nebenwirkungen“ von Sport
69
Jahr circa 1,25 Millionen so schwer, dass sie ärztlich versorgt werden müssen (Gläser & Henke, 2002). Die Hauptursache für Sportverletzungen bilden physikalisch vermittelte Traumata (z.B. Stürze, Zusammenstöße). Jedoch zeigen Untersuchungen (für eine aktuelle Überblicksdarstellung siehe Pargman, 2007), dass wohl auch psychische Faktoren, vor allem Stress, auf die Entstehung von Sportverletzungen Einfluss nehmen. Außerdem lohnt die Betrachtung sportpsychologischer Untersuchungen, in denen die Bedeutung psychischen Geschehens für Rehabilitationsverläufe näher beleuchtet wird. Insbesondere die psychischen Prozesse, die nach Verletzungen auftreten, sind recht gut erforscht und es liegen zahlreiche Untersuchungen vor, die auf die Wirksamkeit spezieller sportpsychologischer Interventionen (z.B. Zielsetzungstrainings zur Beschleunigung von Rehabilitationsverläufen) verweisen (für eine Überblicksdarstellung siehe z.B. Brand & Schlicht, 2008). Demgegenüber existieren weniger Modelle, die zur Vorhersage von Sportverletzungen oder Beschwerden im Sinne einer besonderen Vulnerabilität von Sportlerinnen und Sportlern herangezogen werden könnten. Das in diesem Zusammenhang international einflussreichste ist das in Abbildung 11 dargestellte Stress-Verletzungs-Modell (SAIM, Stress-and-Athletic-InjuryModel; Andersen & Williams, 1988).
Persönlichkeitsfaktoren
Potenziell stressauslösende Situation im Sport
Stress-Historie
Bewältigungsressourcen
Stressreaktion Kognitive Zuschreibungen
Physiologische und aufmerksamkeitsbeeinflussende Veränderungen
sportpsychologische Interventionen
Abbildung 11: SAIM-Modell (nach Anderson & Williams, 1988)
Verletzung, Beschwerden
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
Es besagt im Wesentlichen, dass Persönlichkeitsfaktoren, die individuelle Stress-Historie und zur Verfügung stehende Bewältigungsressourcen die aktuelle Stressreaktion beeinflussen und so die Verletzungs- und Beschwerdeanfälligkeit der Sportlerin oder des Sportlers erhöhen. Erklärt wird der postulierte Zusammenhang zwischen psychischem Geschehen und Verletzungsanfälligkeit durch Mechanismen wie ungünstige Veränderungen des Aufmerksamkeitsfokus (weg von relevanten Umweltbedingungen, z.B. das nahende Tackling eines Gegenspielers, hin zum inneren Erleben, z.B. Ruminieren) oder auch durch muskuläre Verspannungen, die die Bewegungskoordination beeinträchtigen. Das Modell stimulierte in den vergangenen Jahren zahlreiche empirische Untersuchungen, insbesondere, aber nicht nur, im Themenzusammenhang Stress und Angst (z.B. Kleinert, 2002). In seinen grundlegenden Zusammenhängen kann es als empirisch weitgehend bewährt gelten (z.B. Ford, Eklund, & Gordon, 2000). Demgegenüber sind aussagekräftige Arbeiten zu Interventionen, mit denen Stressreaktionen beeinflusst werden können und die zu einer Reduktion der Verletzungsanfälligkeit (bzw. zu weniger Verletzungen) führen, selten. Jedoch ermuntern hier insbesondere einige neuere Interventionsstudien zur systematischen Weiterarbeit (z.B. Maddison & Prapavessis, 2005). Essstörungen und exzessives Sporttreiben. Das zur Klassifikation von psychischen Störungen eingesetzte DSM-IV (siehe Rahmeninfo Seite 68) verzeichnet drei Arten von Essstörungen. Das Störungsbild einer Anorexia nervosa zeichnet sich zum Beispiel durch die Weigerung einer Person, ein für ihr Alter und für ihre Größe normales Körpergewicht (weniger als 85% des erwarteten Gewichts) zu halten, durch eine ausgeprägte Angst vor einer Gewichtszunahme und durch eine Störung der Selbstwahrnehmung insbesondere des Körpergewichts aus. Eine Bulimia nervosa wird diagnostiziert, wenn seit längerer Zeit wiederholte Episoden von „Fressattacken“ mit nachfolgenden kompensatorischen Verhaltensweisen (z.B. selbst herbeigeführtes Erbrechen) auftreten. Auf EDNOS (engl. eating disorder not otherwise specified), eine nicht näher bezeichnete Essstörung, wird bei Betroffenen erkannt, die nicht sämtliche Kriterien einer der beiden spezifischen Essstörungen erfüllen. Etwa 0,3% aller weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen sind entsprechend den DSM-IV Kriterien von einer Anorexie betroffen. Als bulimisch gelten ca. 1%. Unter den weiblichen Kindern und Jugendlichen, die mit gestörtem Essverhalten Ärzten oder Psychologen vor-
3.4 Gesundheitliche „Nebenwirkungen“ von Sport
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gestellt werden, erfüllen besonders viele (bis zu 51%) die Kriterien einer EDNOS-Diagnose (Fairburn & Bohn, 2005). Unter männlichen Kindern und Jugendlichen sind Essstörungen sehr selten. Exzessive körperliche Aktivität zum Zweck des Kalorienabbaus stellt bei Personen mit Essstörung (insbesondere unter anorektischen Patientinnen) wohl einen bedeutenden Faktor in der Entstehung, für den Verlauf und in der Aufrechterhaltung der psychischen Störung dar (Hebebrand, Casper, Treasure, & Schweiger, 2004). In einer groß angelegten Untersuchung mit 1.857 essgestörten Patientinnen wurde bei 20,8% der EDNOS-Patientinnen, 20,2% der Bulimie- und 54% der Anorexie-Patientinnen exzessives Sporttreiben beobachtet (Shroff et al., 2006). Das Thema ist vor allem unter seinem ätiologischen (med. Ätiologie: Lehre von den Ursachen einer Krankheit) Aspekt auch sportpsychologisch relevant. Zur Frage, ob exzessives Sporttreiben (z.B. im Leistungssport, insbesondere bei ästhetisch-expressiven Sportarten wie der Rhythmischen Sportgymnastik) zur Entstehung von Essstörungen beiträgt, oder ob Essstörungen das exzessive Sporttreiben symptomatisch zur Folge haben, kann vor dem Hintergrund bisheriger wissenschaftlicher Befunde kaum etwas gesagt werden. Interessant ist allerdings das Ergebnis einer Meta-Analyse, aus der hervorgeht, dass Sportlerinnen aus „schlanken Sportarten“ (z.B. Tanzen, Ballett, Cheerleading) im Vergleich zu ihren Altersgenossinnen ein etwas höheres Risiko haben, eine Essstörung zu entwickeln (Hausenblas & Carron, 1999). Vorschläge, wonach die beobachteten Essstörungen unter Sportlerinnen und Sportlern im Wesentlichen sportinduziert seien und unter der Bezeichnung anorexia athletica als eigenständige ätiologische Form der psychischen Störung betrachtet werden sollten, finden aktuell keine Beachtung mehr. Besonders interessant (wenngleich auch verwirrend, weil Sporttreiben wie oben erwähnt sonst eher zu den ungünstigen Begleiterscheinungen der essbezogenen psychischen Störungen gezählt wird), ist das Ergebnis einer einzelnen, sehr gut kontrollierten Studie, in der sich ein 16-wöchiges Ausdauer-Sportprogramm für Bulimikerinnen als ausgesprochen erfolgreich und sogar einer regulären kognitiv-behavioralen Psychotherapie als überlegen herausgestellt hat (Sundgot-Borgen, Rosenvinge, Bahr, & Schneider, 2002). Bis auf Weiteres bleibt trotz allem festzuhalten, dass Sporttreiben, neben all seinen positiven gesundheitlichen Auswirkungen, in seltenen Fällen (für manche Menschen und unter ganz spezifischen Bedingungen) die Störungs-
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3 Perspektive Gesundheit und Wohlbefinden
dynamik von ess- und körperbildbezogenen psychischen Störungen ungünstig beeinflussen kann.
3.5 Zusammenfassung und Lesetipps 3.5 Zusammenfassung und Lesetipps Die empirische sportpsychologische Forschung zeigt, dass regelmäßige körperliche Aktivität und besonders Sport das subjektive Wohlbefinden steigert und so auf die psychische Gesundheit Einfluss nimmt. Zur Erklärung dieser Wohlbefindenssteigerung werden psychophysiologische, neurowissenschaftliche und psychologische Hypothesen diskutiert. Zusätzlichen, die Gesundheit fördernden Beitrag leistet körperliche Aktivität (besonders Sport), weil sie sich günstig auf protektive und ressourcenstärkende psychische Variablen, wie zum Beispiel das Selbstkonzept auswirkt. Die Grundlage insbesondere für Interventionen, die körperlich inaktive Personen zu einem aktiveren Lebensstil motivieren sollen, bilden verschiedene Modelle der Gesundheitsverhaltensänderung. Man unterscheidet Motivationsmodelle (z.B. Theorie des geplanten Verhaltens, Selbstdeterminationstheorie), Theorien der Handlungsausführung (z.B. Implementationsintentionen) und Prozess- und Stadienmodelle (z.B. Transtheoretisches Modell, MoVo-Modell). Die Frage, ob Sportprogramme in der Therapie psychischer Störungen einen maßgeblichen und eigenständigen positiven Einfluss haben, wird angesichts der nur wenigen Effektstudien, die mit Personen durchgeführten wurden, bei denen eine diagnostizierte psychische Störung vorlag, nicht eindeutig beantwortet werden. Jedoch deutet die Befundlage aus korrelativen Untersuchungen darauf hin, dass körperliche Aktivität auch bei dieser besonderen Personengruppe positive psychische Auswirkungen haben könnte. Sporttreiben birgt zum Beispiel in Form von Sportverletzungen aber auch Gesundheitsrisiken. Die Sportpsychologie beschäftigt sich in diesem Problemzusammenhang vor allem mit den psychischen Variablen, die Einfluss auf die Verletzungsanfälligkeit haben. Schließlich ist nach heutigem Erkenntnisstand nicht auszuschließen, dass Sporttreiben nachteiligen Einfluss auf die Entstehung und spätere Dynamik von ess- und körperbildbezogenen psychischen Störungen haben kann.
3.5 Zusammenfassung und Lesetipps
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Weiterführende Literatur Biddle, S. J. H., Fox, K. R., & Boutcher, S. H. (Eds.). (2000). Physical activity and psychological well-being. London, UK: Routledge. Fuchs, R., Göhner, W., & Seelig, H. (Hrsg.). (2007). Aufbau eines körperlichaktiven Lebensstils. Göttingen: Hogrefe. Schlicht, W. & Brand, R. (2007). Körperliche Aktivität, Sport und Gesundheit. Weinheim: Juventa.
4 4
Perspektive Person und Lebensverlauf 4 Perspektive Person und Lebenslauf
In diesem Kapitel sind sportpsychologische Untersuchungsansätze zusammengefasst, die besonders betonen, dass sich das Verhalten und Erleben von Personen, abhängig vom individuellen (biologischen) Reifungsgrad und von den persönlichen Lernerfahrungen, die in wechselnden Umwelten über die Zeit hinweg gewonnen werden, wandelt (Lebensverlauf). Das Forschungsfeld liegt auf einer hoch interdisziplinären Schnittstelle zwischen Psychologie, Soziologie, Pädagogik und Bewegungswissenschaft (Motorik). Die Kapitelabfolge ordnet die sportpsychologischen Themenkomplexe am Alter der Personen, die mit den jeweiligen Studien vor allem untersucht wurden. Zunächst werden die Einflüsse von körperlicher und besonders Sportaktivität auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen besprochen (Æ Kapitel 4.1), dann geht es um Sportkarrieren (Æ Kapitel 4.2) und differentielle Merkmale von erwachsenen Sportlerinnen und Sportlern (Æ Kapitel 4.3). Abschließend werden psychologische Grundlagen zur Bedeutung der körperlichen Aktivität von alten Menschen zusammengefasst (Æ Kapitel 4.4).
4.1 Sozialisation und Selbstkonzept bei Kindern und Jugendlichen 4.1 Sozialisation und Selbstkonzept bei Kindern und Jugendlichen Sportlerinnen und Sportler sind integrierter, sozial engagierter, leistungsmotivierter. Sie sind gesünder und sie haben ein positiveres Selbstbild. Außerdem fördert die Teilnahme am Sport das Demokratieverständnis. Er bietet Mittel zur Gewaltprävention und beeinflusst die Persönlichkeitsentwicklung positiv.
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4 Perspektive Person und Lebenslauf
Diese durchaus verbreitete Art sozial-romantischer Vorstellungen spiegelt vielmehr ein Wunschdenken als die tatsächliche Faktenlage wider. Aus Sicht der Sozialisationsforschung, die hier das interdisziplinäre Schnittfeld bildet, und vor allem mit Blick auf die dort verfügbaren empirischen Daten, darf keine der genannten „Auswirkungen“ in dieser Pauschalität behauptet werden (Brettschneider & Kleine, 2002). Jedoch gibt es andere Untersuchungen, die Interessantes und Wichtiges zeigen. Sozialisationsprozesse. Unter Sozialisation wird allgemein „der Prozess der Entstehung und Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit in Abhängigkeit von und in Auseinandersetzung mit den sozialen und den dinglich-materiellen Lebensbedingungen verstanden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der historischen Entwicklung einer Gesellschaft existieren“ (Hurrelmann, 1998, S. 14). Die speziellere sportbezogene Sozialisation verläuft einem allgemeinen Rahmenmodell von Heinemann (2003) zufolge in voneinander abgrenzbaren Stufen. Auf der Stufe der Vorsozialisation werden individuelle Handlungspotenziale ausgebildet (z.B. leistungsmotivationale Voraussetzungen). Im Verlauf der Sozialisation in den Sport wächst dann die Bedeutung von Einfluss nehmenden signifikanten Bezugspersonen (z.B. durch Trainer). Die Einbindung in den Sport ist durch eine sich entwickelnde Verknüpfung zwischen Handlungspotenzialen und sportlichem Handeln charakterisiert, was zur Herausbildung beispielsweise eines individuellen Sportstils führt (z.B. olympische Sportarten sind uncool, streetstyle ist cool). Die Sozialisation im Sport basiert auf der vorangehenden Stufe insofern, als sich der persönlichkeitsentwickelnde Beitrag des Sports nun unter den konkreten Voraussetzungen beispielsweise der gewählten Sportart(en) entfaltet. Während der Sozialisationsstufe Transfer entwickelt im Sport Gelerntes Auswirkungen auf andere Lebensbereiche bevor sich die Person in der (nicht zwangsläufig zu durchlaufenden) letzten Stufe De- und Resozialisation aus der Zeit der aktiven Sportkarriere verabschiedet. Diese, in Abbildung 12 grafisch zusammengefasste Rahmenvorstellung lässt sich gewinnbringend zur Systematisierung der vorliegenden sportpsychologischen Literatur nutzen (vgl. Tietjens & Hoffmann, 2009).
4.1 Sozialisation und Selbstkonzept bei Kindern und Jugendlichen
77
De- und Resozialisation: Ausstieg aus dem Sport
Transfer: Auswirkungen auf andere Lebensbereiche
Sozialisation im Sport: Persönlichkeitsbildender Beitrag wächst
Einbindung in den Sport: Individuelle Vorlieben verfestigen sich
Sozialisation in den Sport: Einfluss signifikanter Anderer steigt
Vorsozialisation: Ausbildung individueller Handlungspotenziale
Abbildung 12: Rahmenüberlegungen zur sportbezogenen Sozialisation (nach Heinemann, 2003)
Zur Sozialisation in den Sport liegt mit dem „Ersten Kinder- und Jugendsportbericht“ (Schmidt, Hartmann-Tews, & Brettschneider, 2003) ein guter Überblick zur Studienlage vor. Besonderes Augenmerk wurde in der jüngeren Vergangenheit auf die Analyse von sozialen Ungleichheiten gelegt (u.a. Brettschneider & Kleine, 2002). Demnach wird der sozialen Lage große Bedeutung im Hinblick auf die Sportpartizipation eingeräumt. So sind zum Beispiel Kinder und Jugendliche aus niederen sozialen Schichten seltener Mitglied in Sportvereinen und können deshalb entsprechend seltener von möglichen positiven Sozialisationswirkungen des Sports profitieren. Sogenannte „Tracking“-Studien zeigen, dass sich das Interesse am aktiven Sporttreiben während des Kindes- und Jugendalters mit 3-Jahres-Perspektive recht gut vorhersagen lässt (Janz, Dawson, & Mahoney, 2000), oder dass die Qualität des jeweiligen Sportangebotes für das spätere Dabeibleiben entscheidend sein kann (MacPhail & Kirk, 2006). Hinsichtlich bedeutender Sozialisationsinstanzen liegen empirische Befunde vor, die vor allem der
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4 Perspektive Person und Lebenslauf
Gruppe der gleichaltrigen Bezugspersonen sowie der Familie besonderen Einfluss zusprechen (z.B. Burrmann, 2005). Mit Blick auf ein sich entwickelndes und stabilisierendes Sportverhalten scheint die Vorbildwirkung der Eltern besonders für Mädchen entscheidend zu sein. Der Stand der (sportpsychologisch belangvollen) wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Sozialisation im Sport muss insbesondere deshalb als kritisch bezeichnet werden, weil elaborierte theoretische Erörterungen über die möglichen und wünschbaren positiven Auswirkungen von Sport auf der einen Seite, einer ausgesprochen inkonsistenten empirischen Befundlage auf der anderen Seite gegenüberstehen (vgl. Tietjens & Hoffmann, 2009). Neben vergleichsweise eindeutigen Ergebnissen zum günstigen Einfluss auf motorische Komponenten (z.B. Entwicklung von Bewegungsfertigkeiten) wurden in sportpsychologischen Untersuchungen Sozialisationseffekte hinsichtlich verschiedener kognitiv-emotionaler (z.B. soziales Wohlbefinden) oder verhaltensbezogener Komponenten (z.B. Drogenkonsum) untersucht. Aus den wenigen Längsschnittstudien geht aber hervor, dass die Annahme, insbesondere Sportreiben in Sportvereinen trüge in besonderer Weise zu einer gelingenden Persönlichkeitsentwicklung bei, wohl überschätzt wird (z.B. Brettschneider & Kleine, 2002). Ähnliches gilt für Untersuchungen, die dem Aspekt Transfer (Sozialisation durch Sport) zugeordnet werden können. So zeigen einzelne empirische Untersuchungen durchaus, dass Medaillen im Sport mit späterem Erfolg im Beruf einhergehen können (Nagel, 2003). In der Literatur zu Karriereübergängen (Æ Kapitel 4.2) findet sich dazu jedoch auch eine größere Zahl an konträren oder zumindest nicht-eindeutigen Befunden (Alfermann, 2007). Für die zukünftige auf Sozialisation und Sozialisationseffekte bezogene sportpsychologische Forschung wäre zu fordern, dass vor allem dem Prozesscharakter von Sozialisation stärker Rechnung getragen wird. So wäre es ausgesprochen wichtig, dass sozialisatorische Einflüsse durch Sport im Längsschnitt untersucht werden. Auch könnten bislang noch vernachlässigte andere Altersgruppen (z.B. frühe Kindheit, Erwachsenenalter) und andere sozialisatorische Kontexte (nicht nur Sportvereine, sondern z.B. auch außerinstitutionelle Aktivitätsfelder) stärker einbezogen werden. Schließlich wäre eine noch deutlichere theoretische Verknüpfung mit psychologischen Rahmenüberlegungen, zum Beispiel aus der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne (Æ Kapitel 4.4, Rahmeninfo) zu fordern.
4.1 Sozialisation und Selbstkonzept bei Kindern und Jugendlichen
79
Selbstkonzept. Das Selbstkonzept ist grob gesagt das Bild, das sich eine Person über sich selbst macht. Es entsteht in der Auseinandersetzung mit der Umwelt, insbesondere durch umweltvermittelte Rückmeldungen über das eigene Handeln. Das Erleben dieser Rückmeldungen formt das, was die Person dann als ihr Selbstwertgefühl berichten würde. In der Sportpsychologie wurde vor allem das hierarchische und mehrdimensionale Modell des Selbstkonzepts von Shavelson, Hubner und Stanton (1976) aufgegriffen. Wahrscheinlich vor allem deshalb, weil diese Autoren auch der Wahrnehmung und Bewertung des Körpers Bedeutung zuweisen und die Theoriendiskussion, unter anderem, um den Aspekt des physischen Selbstkonzepts (Körperselbstkonzept) erweiterten. Ebenfalls auf diese klassische Arbeit geht die noch tiefer greifende Ausdifferenzierung des physischen Selbstkonzepts in die Subdimensionen Fitness und Aussehen zurück. In einer dezidiert sportpsychologischen Weiterentwicklung entstand später ein Modell (Marsh, Richards, Johnson, Roche, & Tremayne, 1994), demzufolge das physische Selbstkonzept in die beiden Dimensionen der physischen Attraktivität und der allgemeinen Sportlichkeit unterteilt wird. Die Wahrnehmung der eigenen allgemeinen Sportlichkeit basiert in neuester Begriffsfassung auf der Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten bezogen auf Koordination, Beweglichkeit, Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit. Abbildung 13 zeigt die Überlegungen zu dieser psychischen Architektur von Selbstkonzept. Zur objektiven, validen und reliablen Messung des physischen Selbstkonzepts können die PSKSkalen von Stiller, Würth und Alfermann (2004) benutzt werden. generelles Selbstkonzept
akademisches
nichtakademisches Selbstkonzept
soziales
emotionales
physisches Selbstkonzept
physische Attraktivität
allgemeine Sportlichkeit
Koordination
Beweglichkeit
Schnelligkeit
Ausdauer
Kraft
Abbildung 13: Hierarchisches mehrdimensionales Modell des Selbstkonzepts
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4 Perspektive Person und Lebenslauf
Selbstkonzept und Selbstwertgefühl formen sich in der konkreten Auseinandersetzung mit der Lebensumwelt und sind Ergebnis alltäglicher individueller Verhaltenserfahrungen (Æ Sozialisation; siehe oben). Die Wechselwirkung zwischen Selbstkonzept (Person) und Verhaltenswahl (Lebensverlauf) wurde mit direktem Bezug zum physischen Selbstkonzept von Robert Sonstroem modelliert (Exercise and Self-Esteem Model, EXSEM; Sonstroem, 1998). Demnach richtet sich unsere Verhaltenswahl einerseits am bestehenden Selbstkonzept aus. Personen mit positiv ausgeprägtem physischem Selbstkonzept finden eher als solche mit niedrig ausgeprägtem Körperselbstkonzept Gefallen an körperlich aktiven Verhaltensweisen und werden deshalb eher zu Sportlerinnen oder Sportlern. Gleichzeitig beeinflusst das gewählte (z.B. sportlich aktive) Verhalten aber auch das Selbstkonzept. Den psychologischen Mechanismus für diese Rückkopplung bestimmt Sonstroem in seinem Modell darin, dass positiv erlebtes sportliches Handeln besonders das Kompetenzerleben fördert und so längerfristig die allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung der Person stärkt. Zum Zusammenhang zwischen dem (physischen) Selbstkonzept und sportlicher Aktivität liegen einige experimentelle Arbeiten (z.B. Alfermann & Stoll, 2000) und auch meta-analytische Befunde (z.B. Campbell & Hausenblas, 2009) vor. Als Ergebnis über die Untersuchungslage lässt sich festhalten, dass sich sowohl für die eine Wirkungsrichtung (Sport beeinflusst das Körperselbstkonzept positiv) als auch für die andere (das Körperselbstkonzept beeinflusst die Verhaltenswahl) mittlerweile ein überzeugender empirischer Nachweis, bei kleinen bis mittleren Effektstärken, gefunden hat. Demgegenüber ist die Befundlage der Auswirkungen auf die hierarchisch übergeordneten Aspekte des Selbstkonzepts uneindeutig. Die wünschbaren günstigen Auswirkungen eines regelmäßigen Sportengagements insbesondere von Kindern und Jugendlichen auf das generelle Selbstkonzept spiegeln sich in den empirischen Untersuchungsergebnissen nicht eindeutig wider.
4.2 Sportkarrieren 4.2 Sportkarrieren Der Begriff Sportkarriere lässt viele wahrscheinlich den Kontext Leistungsund Spitzensport assoziieren. Wie verlaufen typische Sportkarrieren, und was entscheidet darüber, ob Sportlerinnen und Sportler besser oder schlech-
4.2 Sportkarrieren
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ter „klarkommen“? Wer macht denn überhaupt Karriere im Sport, ist also in diesem Teil seines Lebens besonders erfolgreich? Viele denken bei solchen Fragen wahrscheinlich sofort an den Bereich Leistungs- und Spitzensport. Tatsächlich ist es auch so, dass sich die sportpsychologische Forschung im Schwerpunkt mit Leistungssportkarrieren beschäftigt hat. Man tat dies vor allem im Rückgriff auf entwicklungspsychologische Modelle. Ein besonderes Kennzeichen der sportpsychologischen Modelle ist dabei allerdings, dass sie sich nicht so sehr an den altersverbundenen Entwicklungsstadien, sondern vielmehr an den Phasen der sportlichen Leistungsentwicklung orientieren. Aktuell werden vor allem (beschreibende) Phasenmodelle der sportlichen Karriere mit Erklärungsvorschlägen zu den Karriereübergängen zwischen diesen Phasen (Transitionsmodelle) diskutiert. Phasen- und Transitionsmodelle. Einige der bekannteren Phasenmodelle gehen von einer 4-Phasen-Abfolge aus. Einer ersten Phase des Beginns (alternativ: Vorbereitung oder Grundlegung) folgt eine zweite Phase der Entwicklung (alternativ: Beginn einer Spezialisierung). Als drittes folgt bei manchen Autoren (Salmela, 1994; Wylleman & Lavallee, 2004) direkt schon die Phase der Meisterschaft, in einem anderen Modell (Stambulova, 1994) wird noch mal eine zusätzliche Phase des intensiven Trainings vorgeschaltet. Als vierte Phase zählt in allen Modellen die des Karriereendes (alternativ: Nachkarriere). Detaillierte Darstellungen zu den einzelnen Modellvarianten finden sich zum Beispiel bei Alfermann und Würth (2009). In Transitionsmodellen werden entwicklungspsychologische Konzepte wie Statuspassagen (z.B. Übergang in den Lebensabschnitt Elternschaft), die Bewältigung von kritischen Lebensereignissen (z.B. schwere Verletzungen) oder Entwicklungsaufgaben (z.B. Ablösung vom Elternhaus) genutzt, um die Bedingungen, Begleitumstände und Konsequenzen von glückenden vs. problematischen Karriereübergängen näher zu analysieren. Transitionen werden dabei vielfach als Anpassungsproblematiken und damit potenzielle sportpsychologische Beratungsanlässe konzeptualisiert. Beratungsprogramme wurden vor allem für die Phase des Karriereendes entwickelt (z.B. Anderson & Morris, 2000). Das Erleben des eigenen Karriereendes und möglicherweise damit verbundene Schwierigkeiten, scheinen im Wesentlichen von drei Faktoren abzuhängen: Erstens der Ursache des Karriereendes (normativ, im Sinne von geplant oder vorhersagbar vs. non-normativ, im Sinne von ungeplant und plötzlich; Æ Kapitel 2.3, Klassifikation sport-
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4 Perspektive Person und Lebenslauf
psychologischer Betreuungsanlässe). Zweitens den in der Phase des Karriereendes zur Verfügung stehenden personalen und sozialen Bewältigungsressourcen der Sportlerin oder des Sportlers, und drittens, den individuellen Voraussetzungen des Athleten, wie zum Beispiel dessen Berufsbildungsalternativen in der Nachkarriere. Empirische Untersuchungen zeigen, dass bei circa 20% aller Leistungssportlerinnen und -sportler zum Karriereende hin starke psychische Anpassungsprobleme auftreten (Lavallee, Nesti, Borkoles, Cockerill, & Edge, 2000). Etwa der Hälfte scheint die Anpassung an die veränderten Lebensumstände in der Nachkarriere vergleichsweise problemlos zu gelingen (Alfermann, Stambulova, & Zemaityte, 2004). Bei den übrigen Athleten variiert die zur Neuanpassung notwendige Zeitdauer, unter Umständen kulturell bedingt, sehr stark (zwischen 8 und 19 Monaten; z.B. Stambulova, Stephan, & Japhag, 2007). Sportkarriere als Sportpartizipation. Eine interessante Fortführung dieser doch eher auf leistungssportliche Karrieren bezogene Arbeiten hin zu einem Modell, das Sportpartizipation auch abseits dieses besonderen Bereiches von Sport beschreibt, ist das in Abbildung 14 zusammengefasste Phasenmodell von Jean Côté (1999). Wesentlich für dieses Modell ist die Vorstellung, dass nach Eintritt in den Sport (also in eine Sportkarriere im weiteren Sinne) drei Karrierewege unterschieden werden können (Beteiligung zur Erholung, Spitzenleistung durch Auswahl, Spitzenleistung durch frühe Spezialisierung), die, wie in der Abbildung gezeigt, je unterschiedliche Karrierephasen unterscheidbar machen. Interessant ist vor allem, dass sich hierin auch die immer wieder einmal vertretene Position widerspiegelt, wonach eine allzu frühe Sportartenspezialisierung mehr Nachteile als Vorteile für späteres (erfolgreiches) Sporttreiben bieten könnte. Im Hinblick auf die Entwicklung sportlicher Expertise und Höchstleistung verweisen erste, direkt an das Modell angelehnte Untersuchungen (z.B. Baker, 2003) auf die Relevanz dieser Überlegungen zur späteren Spezialisierung.
4.2 Sportkarrieren
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Eintritt in den Sport
– – – –
– –
Ð
Ð
Ð
Karriereweg 1
Karriereweg 2
Karriereweg 3
Beteiligung zur Erholung
Spitzenleistung durch Auswahl
Spitzenleistung durch frühe Spezialisierung
Auswahlphase Beteiligung an mehreren Sportarten Hohe Menge zielorientiertes Spiel Niedrige Menge zielorientiertes Training Erholungsphase Spezialisierungsphase Aktivitäten, die auf Fitness und Gesundheit ausgerichtet sind viel zielorientiertes Spiel wenig zielorientiertes Training
Ð Mögliche Folgen – Teilnahme zur Erholung – Gute körperliche Gesundheit – Größere Freude am Sport
Einschränkung der Anzahl der Sportarten – Gleichgewicht zwischen zielorientiertem Spiel und Training Investitionsphase – Fokussierung auf eine Sportart – viel zielorientiertes Training – wenig zielorientiertes Spiel
–
Ð Mögliche Folgen – Spitzenleistung – Gute körperliche Gesundheit – Größere Freude an der Sportart
Frühe Spezialisierung – Fokussierung auf eine Sportart – viel zielorientiertes Training – wenig zielorientiertes Spiel
Ð Mögliche Folgen – Spitzenleistung – Schlechtere körperliche Gesundheit – Geringere Freude an der Sportart
Abbildung 14: Modell der Karriereentwicklung im Sport (vgl. Stoll, et al., 2010, S. 197)
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4 Perspektive Person und Lebenslauf
4.3 Differentielle Merkmale von Sportlerinnen und Sportlern 4.3 Differentielle Merkmale von Sportlerinnen und Sportlern Viele Sportlerinnen und Sportler sind im Hinblick auf ihre spezifischen körperlich-athletischen Fähigkeiten durchaus besonders. Kein Wunder also, dass sich auch die sportpsychologische Forschung sehr intensiv damit auseinandergesetzt hat, ob es sich bei Sportlerinnen und Sportlern auch persönlichkeitspsychologisch um „besondere Menschen“ handelt. Die Ergebnisse liegen in wesentlichen Punkten konträr zu den alltagspsychologischen Intuitionen. Persönlichkeitspsychologie und Differentielle Psychologie. Ein Minimalkonsens zum Gegenstand von Persönlichkeitspsychologie lässt sich in drei Punkten erreichen. Erstens fokussiert das Konstrukt Persönlichkeit die Einzigartigkeit von Individuen. Zweitens werden unter Persönlichkeit relativ situationsstabile Merkmale gebündelt, die drittens über längere Zeiträume hinweg stabil bleiben. In der differentiellen Psychologie liegt der Akzent weniger auf der Charakterisierung der Einzigartigkeit des Individuums und der langfristigen (im Sinne einer lebenslangen) Stabilität von psychischen Merkmalen, sondern vielmehr auf dem Bemühen, individuelle Merkmale zu identifizieren, die zur zusammenfassenden Beschreibung von Gruppen von Menschen (Populationen) benutzt werden können. Es sind vor allem differentialpsychologische Erkenntnisse, die aus der sportpsychologischen Arbeit hervorgegangen sind. Persönlichkeit und sportliche Leistung. Schon in den Anfangszeiten der Sportpsychologie wurde nach Unterschiedsmerkmalen zwischen sportlich Inaktiven, „normalen“ und besonders erfolgreichen Sportlern auf Ebene psychologischer Traits gesucht. Unter dem in die deutsche Fachsprache übernommenen englischen Fachbegriff „trait“ versteht man eine generelle, stabile Temperaments- und Persönlichkeitseigenschaft (z.B. Extraversion, die Personen beschreibt, die den Austausch und das Handeln in sozialen Gruppen als anregend empfinden). Traits sind dimensionale Konstrukte (Menschen sind also mehr oder weniger extravertiert), von denen angenommen werden kann, dass sie das Verhalten über unterschiedliche Situationen hinweg beeinflussen (hoch Extravertierte neigen situationsübergreifend dazu eher gesprächig, energisch und enthusiastisch zu sein). Zahlreiche sportpsychologische Reviews enden mit dem Fazit, dass sich wie auch
4.3 Differentielle Merkmale von Sportlerinnen und Sportlern
85
immer gebildete Subgruppen von Sportlern oder sportlich Inaktiven auf Trait-Ebene nicht unterscheiden (z.B. Singer, 2000). Unter dem englischen Fachausdruck „state“ versteht man den aktuellen Zustand einer Person in einer konkreten Situation. Persönlichkeitspsychologisch von Belang sind aktuelle Zustände vor allem unter Zugrundelegung der sogenannten Trait-State-Hypothese. Dieser zufolge führt die hohe TraitAusprägung eines Merkmals (z.B. Ängstlichkeit oder Ärgerneigung) dazu, dass Personen in betreffenden Situationen größere State-Ausprägungen (Angst oder Ärger) erleben (Spielberger, 1972). Überzeugende differentialpsychologische Befunde, die erfolgreiche von weniger erfolgreichen Sportlerinnen und Sportler in solchen Trait-State-Ausprägungen unterschieden hätten, blieben jedoch ebenfalls aus. Differentialpsychologisch vielversprechend sind die ursprünglich zur Beschreibung des Emotions-Leistungs-Zusammenhangs entwickelten Arbeiten zu den Individual Zones of Optimal Functioning (Æ Kapitel 2.2, IZOFModell). Das IZOF-Modell zählt zu den sogenannten idiografischen (die individuellen Persönlichkeiten beschreibenden) Ansätzen und geht davon aus, dass individuell optimale Leistung vor allem dann entsteht, wenn der Sportler oder die Sportlerin in seinem individuell optimalen Emotionsspektrum „funktioniert“ (Hanin, 2000). Meta-Analysen zeigen, dass das Modell eine gute situationsübergreifende Prognosetauglichkeit aufweist (Jokela & Hanin, 1999). Außerdem lassen sich auch einige motivationspsychologische Variablen, für die sich gezeigt hat, dass sie Verhalten über verschiedene Situationen immer wieder ähnlich beeinflussen, aus differentialpsychologischer Sicht aufgreifen. Als Beispiel kann hier die Unterscheidung von eher handlungsvs. eher lageorientierten Sportlerinnen und Sportlern dienen (Æ Kapitel 2.1, Theorie der Handlungskontrolle). Untersuchungen zufolge sind handlungsorientierte Athleten, denen es gut gelingt, ihre Aufmerksamkeit auf momentan handlungsrelevante Aspekte zu lenken und nicht über ihre gegenwärtige, vergangene oder zukünftige Lage zu grübeln, in bestimmten Sportarten und auf bestimmten Spielpositionen erfolgreicher als lageorientierte (Beckmann, 1994). Insbesondere mit Blick auf die situationsstabilen Kognitionen und Erlebensmuster ist die differentialpsychologische sportpsychologische Forschung in den zurückliegenden Jahren weiter vorangekommen, als dies nach den
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4 Perspektive Person und Lebenslauf
ersten „ernüchternden“ Jahren der sportpsychologischen Persönlichkeitsforschung (vgl. Conzelmann, 2009) vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Zuletzt haben sich nun auch noch die trainingswissenschaftlichen Forschungsbemühungen zur Talenterkennung und Talentprognose so rasant beschleunigt, dass sich hieraus mit einiger Wahrscheinlichkeit sogar neue Ansatzpunkte für sportpsychologische Aspekte ergeben werden (vgl. Hohmann, 2009).
4.4 Gesund im Alter 4.4 Gesund im Alter Vielen westlich orientierten Gesellschaften steht ein tiefgreifender demografischer Wandel bevor. Zwar sind längerfristige Prognosen immer mit Unsicherheiten behaftet, aber selbst den eher konservativen Schätzungen zum Beispiel des Rostocker Zentrums für Demografischen Wandel zufolge wird die Bevölkerungszahl in Deutschland bis 2050 wahrscheinlich um zehn oder mehr Prozent schrumpfen und etwa jede dritte in Deutschland lebende Person wird dann im Rentenalter sein. Der Anteil der Über-80-Jährigen wird sich gegenüber heute ungefähr verdreifacht haben. Altern geht biologisch bedingt mit einem Verlust an organischer Funktionstüchtigkeit einher. Für die (sport-)motorische Entwicklung über die Lebensspanne bedeutet dies, dass sich sowohl die komplexe motorische Leistungsfähigkeit, als auch die Ausprägungen einzelner sportmotorischer Fähigkeiten (z.B. Ausdauer, Kraft, Koordination, in jeweils charakteristischem Verlauf; Willimczik, 2009) bei Älteren zunehmend verschlechtern. Körperliches Training kann diesen biologisch zwangsläufigen Prozess auf Ebene der körperlichen Fitness in mancherlei Hinsicht verlangsamen. Sportpsychologisch interessant ist es dabei festzustellen, ob sich die mit körperlicher Aktivität assoziierten positiven psychischen Auswirkungen (Æ Kapitel 3.1, Psychische Gesundheit durch körperliche Aktivität) auch für ältere Menschen, unter den besonderen Umständen altersbedingt eingeschränkter körperlicher Voraussetzungen, nachweisen lassen. Theoretische Rahmenüberlegungen. Die theoretischen Überlegungen zur Psychologie der Lebensspanne von Paul Baltes (1990) wurden auch in Bezug zur körperlichen Dimension reflektiert (siehe Rahmeninfo). Dezidiert sportpsychologische Positionierungen lassen sich z.B. bei Willimczik und Conzelmann (1999) nachlesen.
4.4 Gesund im Alter
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Rahmeninfo: Leitsätze einer Psychologie der Lebensspanne Entwicklung als Gewinn und Verlust. Der Begriff Entwicklung schließt jegliche positive oder negative Veränderung der adaptiven Kapazität eines Organismus ein. Gerade mit Blick auf biologisch zwangsläufige degenerative Veränderungen im Alter, darf nicht vergessen werden, dass viele Veränderungen gleichermaßen im Sinne einer positiven und negativen Entwicklung gedeutet werden können. Multidirektionalität. Die Richtung von Veränderungen (Zuwachs/Abbau) variiert nicht nur deutlich zwischen verschiedenen Funktions- und Verhaltensbereichen (z.B. Motorik, Intelligenz), sondern auch maßgeblich innerhalb von Entwicklungsabschnitten (Personen gleichen Lebensalters unterscheiden sich manchmal erheblich) und einzelnen Funktions- und Verhaltensbereichen (z.B. sportliche Technikfertigkeiten, Ausdauer). Plastizität. Entwicklung ist durch eine hohe Veränderbarkeit innerhalb der Person gekennzeichnet (z.B. kann das Verhalten Sporttreiben in der Jugend gleichermaßen wie im Alter von großer persönlicher Bedeutung, jedoch auf sehr unterschiedliche Weise ausgeprägt sein). Geschichtliche Einbettung. Historisch-kulturelle Bedingungen (z.B. die aktuelle gesellschaftliche Betonung von Gesundheit und Jugendlichkeit) beeinflussen die individuelle Entwicklung maßgeblich. Kontextualismus. Altersbedingte und geschichtlich-politisch bedingte Umstände (z.B. typische Rollenbilder) prägen die Entwicklung genauso mit, wie nicht-normative Ereignisse (einschneidende persönliche Lebensereignisse, z.B. die schwere Erkrankung eines Mitmenschen). Multidisziplinäre Betrachtung. Menschliche Entwicklung erschließt sich niemals aus singulären fachwissenschaftlichen Perspektiven. Psychologische Betrachtungsweisen müssen zum Beispiel durch biologische und soziologische ergänzt werden. Angesichts der angedeuteten demografischen Entwicklungen könnten mit Bezug auf die Psychologie der Lebensspanne vor allem Fragen in den Vordergrund rücken, die der Annahme der Plastizität zuzuordnen wären: Zu wenige Untersuchungen und Untersuchungsdesigns beispielsweise aus dem Themenbereich Gesundheitsverhaltensänderung (Æ Kapitel 3.2) berücksichtigen bisher, dass es sich beim Sporttreiben wahrscheinlich um ein
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4 Perspektive Person und Lebenslauf
episodisches Phänomen handelt. Es ist eben nicht davon auszugehen, dass Menschen, einmal zu körperlicher Aktivität motiviert, ein Leben lang körperlich aktiv bleiben. Beachtet man diesen Aspekt, rücken bislang empirisch noch deutlich zu wenig adressierte „Lifetime-Fragen“ in den Vordergrund. Denn es spricht einiges dafür, dass es für die Gesundheit tatsächlich nie zu spät ist, auch noch im Alter, immer wieder mit dem Sporttreiben zu beginnen (z.B. Dishman, et al., 2004). Subjektives Wohlbefinden. Vor dem Hintergrund einer beeindruckend großen Zahl an einzelnen RCTs (siehe Rahmeninfo) und mehreren MetaAnalysen steht außer Frage, dass sich körperliche Aktivität auch auf das subjektive Wohlbefinden von älteren Menschen auswirkt (Netz, Wu, Becker, & Tenenbaum, 2005). Nicht ganz einheitliche Ergebnisse liefern die MetaAnalysen allerdings im Hinblick auf die Frage, mit welcher Form der körperlichen Aktivität sich besonders günstige Effekte zeigen lassen. Rahmeninfo: RCTs Der auch im deutschen, insbesondere in der Medizin gebräuchlich Ausdruck RCT steht für englisch „Randomized Controlled Trial“ und bezeichnet eine besonders hochwertige Form wissenschaftlicher Effektstudien, bei denen Veränderungen in abhängigen Variablen (hier: Gesundheit) zwischen Interventionsgruppen (hier: Menschen werden zu mehr körperlicher Aktivität angeleitet) und Kontrollgruppen (hier: Menschen verbleiben mehr oder weniger körperlich inaktiv) verglichen werden. Randomisiert bedeutet, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer solchen Effektstudie zufällig (randomisiert) entweder der Interventions- oder der Kontrollbedingung zugewiesen wurden. So wurde die Wirkung von eher auf die Verbesserung der Körperkraft abzielenden sportlichen Trainings insgesamt weniger häufig als die Wirkung von eher ausdauerorientierten Interventionsformen untersucht. Auch unterscheiden sich die zahlreichen in die Meta-Analysen aufgenommenen RCTs sehr stark in ihren jeweiligen Operationalisierungen von psychischer Gesundheit (zum Teil werden globale Konstrukte wie die Lebensqualität, dann wieder sehr spezifische Maße, wie zum Beispiel die Balance positiven und negativen Affekts gemessen). In einem vom American College of Sports
4.4 Gesund im Alter
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Medicine in Auftrag gegebenen Konsensus-Statement wird die Befundlage ungeachtet solcher Unterschiede jedoch uneingeschränkt positiv bilanziert (Chodzko-Zajko et al., 2009). Demnach trägt die regelmäßige Teilnahme an (altersgemäß) ausdauerorientierten Maßnahmen erstens zu einer maßgeblichen Verbesserung des Wohlbefindens bei und zweitens wird gleichzeitig das Risiko verringert, dass klinisch bedeutsame depressive oder angstbezogene Störungsbilder auftreten. Beide Wirkungen scheinen weitgehend unabhängig vom tatsächlichen Zugewinn an körperlicher Fitness zu sein. Für kraftorientierte Maßnahmen zeigen sich vergleichbare Wirkungen, allerdings mit der Einschränkung, dass sich klinisch bedeutsame Präventionseffekte zweifelsfrei nur für Depressionen durch intensivere Formen der sportlichen Betätigung nachweisen lassen. Aus sportpsychologischer Sicht besonders interessant sind Studien, die die potenziellen Wirkmechanismen näher betrachten (Æ Kapitel 3.1, siehe Rahmeninfo auf Seite 54). Vieles spricht dafür (Netz, 2009), dass relativ unabhängig von der Art des sportlichen Trainings oder einem tatsächlich errungenen Zuwachs an körperlicher Fitness, die Teilnahme an Programmen älteren Menschen vor allem Möglichkeiten des Kompetenzerlebens (engl. mastery experiences) bietet, was sich positiv auf deren allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung (die Überzeugung, den Anforderungen des Lebens auch angesichts von Schwierigkeiten gewachsen zu sein) auswirkt. Kognitive Funktionen (Demenz). Neben den positiven Auswirkungen von körperlicher Aktivität und besonders Sporttreiben auf die psychische Gesundheit wurden, angesiedelt im Schnittbereich zwischen (sport-) psychologischer und (sport-)medizinischer Forschung, in den vergangenen Jahren vor allem auch Untersuchungen zur Risikoreduktion von altersassoziierten Demenzerkrankungen durchgeführt. Mehrere großangelegte epidemiologische Studien zeigen, dass ein körperlich aktiver Lebensstil mit einem verringerten Risiko, eine Demenzerkrankung zu erleiden und sogar mit allgemein geringeren Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter einhergeht (z.B. die Canadian Study of Health and Aging; Laurin, Verreault, Lindsay, MacPherson, & Rockwood, 2001). Als Ergebnis über die bisher vorliegenden RCTs wäre festzuhalten, dass Interventionsmaßnahmen, die ein allgemeines psychologisches Training kognitiver Fähigkeiten (z.B. zur Verbesserung der Erinnerungsfähigkeit) mit ausdauerakzentuierten Sporttrainingsformen (z.B. moderat belastende Spaziergänge)
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4 Perspektive Person und Lebenslauf
kombinieren, zu signifikanten Verbesserungen in der kognitiven Leistungsfähigkeit und insbesondere der exekutiven Kontrollfähigkeiten (Handlungsplanung, Handlungsinitiierung, kognitive Umstellungsfähigkeit, Koordination von Information und Prozessen) führen (Colcombe & Kramer, 2003). Die dafür verantwortlichen Mechanismen werden aktuell vor allem in physiologischen und morphologischen Veränderungen des Gehirns, die in Folge von körperlicher Aktivität beobachtet werden können, und weniger in psychologischen Ursachenerklärungen gesucht. Gesundheitsselbstbild. Eine größere Anzahl Untersuchungen bezieht sich außerdem auf den Vergleich von Selbstbeschreibungen über den wahrgenommenen Gesundheitszustand von älteren aktiven im Vergleich zu älteren inaktiven Menschen. Erwartungsgemäß sind körperlich aktive Ältere mit ihrem Gesundheitszustand häufig zufriedener und berichten weniger gesundheitliche Beschwerden (Allmer, 2009, für eine Zusammenfassung). Außerdem berichten Inaktive mit zunehmenden Alter eher von einer Verschlechterung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit, während sie von körperlich Aktiven eher als stabil bleibend erlebt wird (Pache, 2001). Möglicherweise lässt sich das von Wurm und Tesch-Römer (2005) als Altersinvarianzparadox bezeichnete Phänomen, wonach viele älter werdende Menschen ihren eigenen allgemeinen Gesundheitszustand, trotz objektiv feststellbarer gesundheitlicher Verschlechterung, als relativ stabil erleben, zu einem guten Teil über die Wahrnehmung der körperlichen Leistungsfähigkeit erklären. Gründe für Aktivität und Inaktivität. Angesichts der berichteten positiven Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die Gesundheit auch älterer Menschen ist es aus sportpsychologischer Sicht nur konsequent nach den Gründen (Motiven) zu fragen, die Ältere entweder davon abhalten oder sie dazu ermuntern körperlich aktiv zu sein. Anders als jüngere Menschen berichten ältere Aktive vor allem gesundheitliche Beweggründe (z.B. Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Widerstandskraft gegenüber Erkranken, Verbesserung des Wohlbefindens) und betonen soziale Aspekte (z.B. Abwechslung, Kontakt, Geselligkeit). Demgegenüber stehen leistungsbezogene Gründe eher zurück (Thiel, Huy, & Gomolinsky, 2008). Häufig angegebene Gründe für Inaktivität sind andere Hobbys, kein Interesse oder keine Zeit. Viele berichten ganz einfach auch, dass sie sich auch ohne Sport wohlfühlen (Denk & Pache, 1999).
4.5 Zusammenfassung und Lesetipps
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Sportpsychologische Relevanz erhält die Frage zu den Sportmotiven Älterer in erster Linie dann, wenn es darum geht, Inaktive, die unter Umständen noch nie in ihrem Leben regelmäßig Sport getrieben haben oder entsprechend körperlich aktiv waren, für die Gesundheitspotenziale eines entsprechend veränderten Lebensstils zu sensibilisieren und sie zur Gesundheitsverhaltensänderung zu motivieren. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die aktuell in den Sport- und Gesundheitswissenschaften geführte Debatte über die tatsächlichen Bevölkerungsanteile von sportlich Aktiven versus sportlich Inaktiven in Deutschland: Während bevölkerungsweite querschnittlich angelegte Untersuchungen (wie z.B. der aktuelle Bundesgesundheitssurvey; Mensink, 2003) zu dem Ergebnis kommen, dass der Anteil regelmäßig körperlich aktiver Menschen mit zunehmendem Alter dramatisch abnimmt, legen aktuellere längsschnittliche Untersuchungen deutliche Kohorteneffekte nahe: Den Ergebnissen zufolge wird der Anteil regelmäßig körperlich aktiver Älterer in Deutschland nämlich eher größer, als dass er schwindet. Verantwortlich dafür könnten die kaum vergleichbaren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, etwa im Vergleich zwischen den 60er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, sein. Mit einiger Wahrscheinlichkeit haben diese ganz unterschiedliche Einstellungen der Menschen dem Sporttreiben gegenüber produziert (Breuer & Wicker, 2009).
4.5 Zusammenfassung und Lesetipps 4.5 Zusammenfassung und Lesetipps Unter der Perspektive Person und Lebensverlauf sind sportpsychologische Themenfelder zusammengefasst, die vor allem an differentialpsychologische und entwicklungspsychologische Grundlagen anknüpfen. Insbesondere mit Blick auf Kinder und Jugendliche, wird dem Sporttreiben immer wieder eine Fülle von positiven Sozialisationswirkungen zugeschrieben (Persönlichkeitsentwicklung, Wertebildung, Gewaltprävention, usw.). Empirisch belegt sind allerdings nur die wenigsten. Eine Ausnahme kommt aus der Selbstkonzeptforschung. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Sporttreiben tatsächlich den erhofften positiven Einfluss auf die Entwicklung des physischen Selbstkonzepts hat. Das Thema Sportkarriere wird in der sportpsychologischen Literatur häufig in Bezug zu Leistungssportkarrieren und kritischen Karriereübergängen (Transitionen), und damit häufig mit Blick auf jüngere
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4 Perspektive Person und Lebenslauf
Erwachsene bearbeitet. Ein Großteil der Forschung ist dabei darauf ausgerichtet, Wissensgrundlagen für die Beratung von Leistungssportlerinnen oder Leistungssportlern in schwierigen Karrierephasen (z.B. plötzliches oder drohendes Karriereende) zu schaffen. Ob „besondere“ Sportaktive, zum Beispiel Leistungssportler, sich auch durch besondere Persönlichkeitseigenschaften auszeichnen, zählt zu den in der Sportpsychologie wohl am häufigsten untersuchten Forschungsfragen. Den Ergebnissen zufolge, zeichnen sich Sportlerinnen und Sportler zwar nicht auf Ebene ihrer generellen Temperaments- und Persönlichkeitseigenschaften, sehr wohl aber (differentialpsychologisch) auf Ebene von relativ situationsstabilen Kognitionen und Erlebensmuster aus. Der speziellen Altersgruppe der älteren Menschen sind vor allem Arbeiten gewidmet, die den positiven Einfluss regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die Gesundheit und Lebensqualität untersuchen. Körperliche Aktivität trägt nachweislich auch bei Älteren zum subjektiven Wohlbefinden bei, reduziert das Risiko altersbedingter Demenzerkrankungen und kann zum Erhalt der kognitiven Funktionsfähigkeit eingesetzt werden. Weiterführende Literatur Conzelmann, A. (2009). Differentielle Sportpsychologie – Sport und Persönlichkeit. In W. Schlicht & B. Strauß (Hrsg.), Grundlagen der Sportpsychologie (Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie V, Band 1, S. 376-439). Göttingen: Hogrefe. Conzelmann, A. & Hänsel, F. (Hrsg.). (2008). Sport und Selbstkonzept. Schorndorf: Hofmann. Willimczik, K. (2009). Sportmotorische Entwicklung. In W. Schlicht & B. Strauß (Hrsg.), Grundlagen der Sportpsychologie (Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie V, Band 1, S. 297-373). Göttingen: Hogrefe.
5 5
Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung 5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
Wenn Menschen Sport treiben, dann tun sie das häufig zusammen oder in Gegenwart von anderen. Die wissenschaftliche Untersuchung der Art und Weise, wie die Gedanken, Gefühle und das Handeln von Sporttreibenden von der realen oder der vorgestellten Präsenz anderer Menschen beeinflusst werden, ist Gegenstand einer sozialpsychologisch orientierten Sportpsychologie. Soziale Beeinflussungen wirken sich dabei selten direkt auf unser Verhalten und Erleben aus. Entscheidend ist vielmehr der subjektive Eindruck, den wir uns von unserer sozialen Umwelt machen. Aufgrund dieses Eindruckes verhalten wir uns dann so oder so. Sportpsychologisch geht es unter solcherlei Prämissen, erstens, um die strukturelle Beschreibung charakteristischer sozialer Umwelten und Umweltbeziehungen im Sport. Zweitens gilt es die Gesetzmäßigkeiten der psychischen Informationsverarbeitung zu untersuchen, die uns den subjektiven Eindruck über diese Umweltbedingungen vermitteln. Schließlich soll drittens Verhalten erklärt werden, das aus dieser subjektiven Wahrnehmung resultiert. Ganz konkret wird es im Folgenden zunächst einmal um den Einfluss der Gruppe auf die individuelle Leistung (Æ Kapitel 5.1) und dann auf soziale Einflussnahmen durch Trainerinnen und Trainer, Sportlehrerinnen und Sportlehrer gehen (Æ Kapitel 5.2). Im Kapitel zum sozialen Einfluss durch Fans und Zuschauermassen (Æ Kapitel 5.3) werden sportpsychologische Grundlagen zur sozialen Identität, zu sozialen Motivatoren, die Zuschauerverhalten erklären können, zum Heimvorteil im Sport sowie zur sozialen Informationsverarbeitung am Beispiel von Schiedsrichterurteilen zusammengefasst. Kennzeichen von Gruppen. Wenn es um die Beeinflussung des Einzelnen durch Gruppen geht, muss zunächst kurz geklärt werden, was eine Gruppe ausmacht. Die minimalen, grundlegenden Kennzeichen von Gruppen sind, dass sie (1) aus mindestens zwei Personen bestehen, wobei sich (2) jedes
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
Mitglied darüber bewusst sein muss, dass es andere Gruppenmitglieder gibt. Die Gruppenmitglieder müssen außerdem (3) in einem weiteren Sinne miteinander interagieren und sich (4) in ihren Bedürfnissen und Zielen gegenseitig beeinflussen (vgl. Aronson, Wilson, & Akert, 2004, S. 320). Diese vier Punkte zusammengenommen gelten als Minimal-Gruppenkennzeichen (engl. minimal group paradigm). Sportmannschaften zeichnen sich außerdem (zumindest) noch dadurch aus, dass gemeinsame Ziele längerfristig verfolgt werden. Interaktionen fallen in der Regel direkter aus, weil zum Beispiel Mannschaftsangehörige immer wieder persönlich aufeinandertreffen. Bei einer Mannschaft handelt es sich demnach um einen etwas engeren sozialen Zusammenschluss als bei einer Gruppe (Alfermann & Würth, 2009). Von einem besonders engen sozialen Zusammenschluss würde ausgegangen, wenn man von einem Team spräche. In Teams sind, zusätzlich zu allen bereits genannten Merkmalen von Gruppen und Mannschaften, die gemeinsame soziale Identität und das Zusammengehörigkeitsgefühl besonders stark ausgeprägt (Birrer & Seiler, 2008). Für Teams wird zuweilen auch noch die besondere Bedeutung von selbstorganisationalen Prozessen herausgehoben. Zugespitzt ließe sich hierzu dann festhalten, dass, während Mannschaften eher geführt werden, Teams sich zu einem guten Teil selbst führen (Æ Kapitel 5.2, Führung). Der Anzahl ihrer Gruppenmitglieder nach zählen die genannten Formen von Gruppen allesamt eher zu den kleinen Gruppen. Ein größerer Teil der sportpsychologischen Forschung zur sozialen Beeinflussung ließe sich sozialpsychologisch denn auch der sogenannten Kleingruppenforschung zuordnen. Exakte sinnvolle Grenzen, ab welcher Anzahl von Gruppenmitgliedern man von großen Gruppen sprechen sollte, gibt es nicht. Jedoch waren natürlich auch immer wieder große Gruppen oder Zuschauermassen Gegenstand sportpsychologischen Interesses (Æ Kapitel 5.3). Gruppenaufgaben. Insbesondere die Sportart gibt Gruppen im Sport recht verschiedene Gruppenaufgaben vor. Die Leistung einer Nationalmannschaft Schwimmen kommt anders zustande als die einer Nationalmannschaft Fußball. Die Art der Gruppenaufgabe und damit verbunden die Art, wie die Gruppenleistung zustande kommt, hat Auswirkungen auf die Art und die Stärke der sozialen Beeinflussung des Einzelnen durch die Gruppe. Tabelle 4 gibt eine an Steiner (1972) angelehnte Typologie von Gruppenaufgaben im Sport wieder (vgl. Alfermann & Würth, 2009, S. 725; Schlicht & Strauß, 2003).
5.1 Der Einfluss der Gruppe auf die individuelle Leistung
Tabelle 4:
Typologie von Gruppenaufgaben im Sport
Aufgabentyp
Additiv
Kompensatorisch
Konjunktiv und unterteilbar
Konjunktiv und nicht unterteilbar
Disjunktiv
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Verhältnis Einzelleistung zur Gruppenleistung individuelle Beiträge werden addiert Gruppenprodukt ist Durchschnitt der Einzelleistungen
Form der Zusammenarbeit
Beispiele
Unabhängig
Mannschaftswettkampf im Bowling
Unabhängig
Aufgabenteilung bei gleichzeitiger Spezialisierung der Gruppenmitglieder Alle Mitglieder müssen (weitestgehend) dieselbe Aufgabe erfüllen Letztlich zählt nur die beste Einzelleistung
Interagierend
Leistungsbewertung durch eine Kampfrichtergruppe, z.B. im Gerätturnen Fußball
Koagierend
Ruderachter
Proagierend
Etappenleistung einer Radfahrmannschaft bei der Tour de France
5.1 Der Einfluss der Gruppe auf die individuelle Leistung 5.1 Der Einfluss der Gruppe auf die individuelle Leistung Die sozialen Zusammenhänge innerhalb von Gruppen, wie etwa die Zusammenstellung einer Fußballmannschaft, können sich ganz unmittelbar auf die Leistung auswirken. So manche Viererkette ist durch die Hereinnahme eines individuell stärkeren Spielers schon geschwächt worden. Außerdem ist es zumindest alltagsplausibel anzunehmen, dass optimale Mannschaftsleistung am ehesten dann entsteht, wenn die Mannschaftsmitglieder in und mit ihrer Gruppe einigermaßen zufrieden sind. Gruppenzusammenhalt. Alltagspsychologisch ist die Formel, dass sich ein guter Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe (Gruppenkohäsion) auch positiv auf die Gruppenleistung auswirkt, plausibel. Die Wirklichkeit stellt sich – sportpsychologisch untersucht – jedoch etwas komplexer dar: Kohäsion bezeichnet einen dynamischen Prozess, der sich durch die emotionale Bindung der Gruppenmitglieder untereinander (Sozialkohäsion) einerseits
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
und das gemeinsam verfolgte Gruppenziel (Aufgabenkohäsion) andererseits näher bestimmen lässt. Diese beiden Aspekte müssen unterschieden werden, und außerdem spielen wahrscheinlich auch noch sportmannschaftsspezifische Gruppenmerkmale (Leistungscharakteristika) eine Rolle. Carron, Colman, Wheeler und Stevens (2002) legen die bis heute umfassendste Meta-Analyse zu den wechselseitigen Zusammenhängen zwischen den genannten Aspekten der sozialen Kohäsion und Leistungen im Sport vor. Sie fassen zusammen, dass sowohl die Sozialkohäsion als auch die Aufgabenkohäsion die sportliche Leistung von Mannschaften erheblich beeinflussen. Der Zusammenhang scheint bei Frauen etwas stärker als bei Männern ausgeprägt zu sein. Er fällt für die Sozialkohäsion geringfügig stärker als für die Aufgabenkohäsion aus, gilt aber sowohl für interaktive als auch für koaktive Sportarten. Nun gingen in die Meta-Analyse von Carron et al. (2002) in nicht geringer Zahl Studien ein, in denen nichts weiter als der korrelative Zusammenhang zwischen den beiden Variablen Kohäsion und Leistung betrachtet wurde. Und aus dieser Art Zusammenhang kann eben nicht geschlossen werden, in welchem Wirkungszusammenhang die betrachteten Variablen stehen.11 Vielleicht ist dies ein Grund dafür, weshalb Wilhelm (2001), vor dem Hintergrund überwiegend längsschnittlich oder experimentell angelegter eigener Arbeiten, zu einem anderen Ergebnisbild kommt: Zwar zeigt sich auch in seinen Daten, dass sich eine hohe Aufgabenkohäsion direkt positiv auf die Leistung auswirkt. Speziell für MannschaftsSpielsportarten (interagierende Zusammenarbeit zwischen Teammitgliedern; vgl. Tabelle 4) zeigen seine Ergebnisse allerdings, dass die hohe Sozialkohäsion allein negativ mit der Mannschaftsleistung assoziiert ist (d.h. die Mannschaftsmitglieder mögen sich zwar, weil sie aber unterschiedliche Ziele verfolgen, herrscht niedrige Aufgabenkohäsion, was zu schlechteren Leistungen führt). Die sportpsychologischen Forschungsbefunde zum Zusammenhang zwischen Kohäsion und Leistung sind deshalb also noch etwas uneindeutig. Daneben gibt es (allerdings vergleichsweise wenige) Untersuchungen, die die Auswirkungen eines mehr oder weniger gut oder ausgeprägten 11 Zumal einzelne Längsschnittstudien vorliegen, die zeigen, dass die Auswirkungen von sportlicher Leistung auf den Gruppenzusammenhalt größer als die Auswirkungen eines mehr oder weniger ausgeprägten Mannschaftszusammenhalts auf die Leistung sein könnten (vgl. die Meta-Analyse von Mullen & Copper, 1994).
5.1 Der Einfluss der Gruppe auf die individuelle Leistung
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Gruppenzusammenhalts auf die Zufriedenheit und Teilnahmemotivation in Freizeit- und Gesundheitssportgruppen näher betrachtet haben. Für diesen Forschungszweig lässt sich kurz zusammenfassen, dass die Aufgabenkohäsion in solchen Gruppen lediglich zu Anfang des Gruppenbildungsprozesses Auswirkungen auf das Dabeibleibeverhalten nimmt. Wenn sich die Gruppe erst einmal gebildet hat, entscheidet vor allem die sozialbezogene Kohäsion über das mit der Gruppenteilnahme verbundene subjektive Wohlbefinden, die Zufriedenheit mit der Gruppe oder das dauerhaftere Dabeibleiben des Einzelnen in dieser Gruppe (z.B. Wagner, 2000).12 Individuelle Leistung in Gruppen und vor Zusehenden. Die Gegenwart anderer (sei es, dass diese aktiv bei der Lösung einer Aufgabe mithelfen oder dass sie lediglich zuschauen) führt manchmal zu Leistungssteigerungen, manchmal zu Leistungseinbußen. Die sozialpsychologische Forschung außerhalb des Sports hat hier differenzierte Modellvorstellungen und Erklärungsansätze entwickelt, die zur Vorhersage taugen, unter welchen Umständen welcher der beiden Effekte wahrscheinlich eintreten wird. Demnach ist es vor allem von Bedeutung, ob Zuschauende oder Mit-Aktive die individuelle Anstrengung Einzelner beurteilen können. Wenn dies der Fall ist, dann bewirkt schon die bloße Anwesenheit anderer Personen eine Aktivierung (Æ Kapitel 2.2; Aktivierung). Bei einfachen Aufgaben führt diese Aktivierung zu einer Leistungssteigerung, bei komplexeren Aufgaben zu einer Leistungsminderung. In der sozialpsychologischen Literatur heißt dieser Effekt soziale Erleichterung (engl. social facilitation; Zajonc, 1965). Wenn die individuelle Anstrengung von außen nicht beurteilt werden kann, resultiert demgegenüber Entspannung. Sie schränkt nun umgekehrt bei einfachen Aufgaben die Leistung ein und trägt zu einer Verbesserung bei komplexeren Aufgaben bei. Dieser Effekt wird soziales Faulenzen genannt (engl. social loafing; Latane, Williams, & Harkins, 1979). Es gibt eine Fülle sozialpsychologischer Arbeiten und einige Meta-Analysen, die diese allgemeinen Gesetzmäßigkeiten am Beispiel ganz unterschiedlicher Aufgaben außerhalb des Sports belegen (vgl. Aronson, et al., 2004).
12 Maßnahmen zur Verbesserung des Gruppenzusammenhalts in Sportgruppen lassen sich zum Beispiel bei Weinberg und Gould (2007) nachlesen. Einen Überblick insbesondere zu Fragen des Teambuilding findet sich bei Birrer und Seiler (2008).
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
Rahmeninfo: Ringelmann-Effekt und Soziales Faulenzen Der französische Agraringenieur Max Ringelmann experimentierte kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts mit einer Versuchsanordnung, bei der unterschiedliche Anzahlen von Menschen mit maximaler Kraft an einem Tau ziehen sollten. Die entstandene Kraft maß er mit einem Dynamometer. Seine Ergebnisse zeigten, dass seine Versuchspersonen, wenn sie alleine am Tau zogen jeweils mehr Kraft aufbrachten, als wenn sie in 7er- oder gar 14erGruppen zogen. Ringelmann (1913) führte dieses Ergebnis auf bei der Zusammenarbeit entstehende Koordinationsverluste zurück. Kravitz und Martin (1986) nannten diese Entdeckung später den Ringelmann-Effekt: Bei zunehmender Größe einer Gruppe nimmt die Kraftleistung der einzelnen Teilnehmer ab. Erst viele Jahre später gelang es Sozialpsychologen (Ingham, Levinger, Graves, & Peckham, 1974), koordinationsbedingte von motivationsbedingten Leistungsverlusten zu trennen. Wenige Jahre später tauchte in einer aufsehenerregenden Arbeit von Bibb Latané und Kollegen dann erstmals der Begriff Soziales Faulenzen auf (Latané, et al., 1979). Dieser bezeichnet weitgehend unwillkürlich auftretende, durch Motivationsverluste bedingte Leistungseinbußen während der Lösung von Gruppenaufgaben. Angewandt auf das Bezugsfeld Sport bedeutet dies das Folgende. Nehmen wir an, zwei Mannschaften treten gegeneinander zum Tauziehwettbewerb an (additiver sportlicher Aufgabentyp; vgl. Tabelle 4). Aus vorherigen Leistungsmessungen ist für beide Mannschaften die individuelle Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Mannschaftsmitglieds bekannt. Kann man nun ganz einfach die individuellen Leistungswerte zusammenzählen und ausrechnen, welche der beiden Mannschaften gewinnen wird? Nein. Denn selbst wenn davon ausgegangen würde, dass innerhalb jeder Mannschaft die individuellen Krafteinsätze perfekt koordiniert würden, käme es zum sozialen Faulenzen. Der Effekt tritt ein, weil sich die Teilnehmenden ziemlich sicher sein können, dass andere (seien es die Mitziehenden oder seien es Zuschauer) nicht erkennen können, ob sie wirklich 100% der eigenen Leistung einsetzen. Dies zumindest wäre die sozialpsychologisch vernünftige Vorhersage über Verlauf und Ausgang dieses Wettbewerbs.
5.1 Der Einfluss der Gruppe auf die individuelle Leistung
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Es gibt nun aber eine ganze Reihe von sportpsychologischen Untersuchungen, die zeigen, dass diese allgemeinen sozialpsychologischen Gesetzmäßigkeiten nicht auf alle Arten von sportlichen Aufgaben und Situationen gleichermaßen angewendet werden können. Ein Beispiel dafür ist, dass in Tauzieh-Mannschaften, in denen Männer gemeinsam mit Frauen gegen andere Mannschaften antreten, soziales Faulenzen erstaunlicherweise ausbleibt, ja sich sogar eine gegenüber Einzel-Vortests verbesserte individuelle Leistung für alle Teilnehmenden zeigt (Hart & Harrell, 2001). Eine mögliche Erklärung dafür sind Kompensationseffekte, die in manchen Sportarten-Settings und bei manchen Leistungscharakteristika angestoßen werden, und in anderen vielleicht nicht. So strengen sich Männer wie Frauen im gemischten Tauzieh-Wettbewerb vielleicht ganz besonders an, um damit einen eventuellen Leistungsnachteil zur konkurrierenden Mannschaft auszugleichen. Würde derselbe Kompensationseffekt allerdings auch erwartet, wenn die beiden weltweit besten, gemischtgeschlechtlichen Tauziehmannschaften der Welt gegeneinander anträten? Oder greift dann der sogenannte Köhler-Effekt (Stroebe, Diehl, & Abakoumkin, 1996), der besagt, dass soziales Faulenzen in zusammenarbeitenden Gruppen ausbleibt, wenn die Gruppenmitglieder die vorhandenen Leistungsunterschiede innerhalb ihrer Gruppe als gering einschätzen? Eine empirische Antwort auf diese Frage gibt es (noch) nicht. Ähnliche mit dem Bezugsfeld Sport oder Bewegung einhergehende Besonderheiten lassen sich für die Soziale Erleichterung zeigen, ein Effekt, der schon angesichts der bloßen Präsenz eines oder mehrerer Beobachter auftritt. In einer zusammenfassenden Bewertung der auf verschiedene motorische Aufgaben bezogenen sportpsychologischen Untersuchungen der vergangenen Jahre gewinnt Strauß (2002) den Eindruck, dass auch die athletische Anforderungsstruktur der Sportart darüber bestimmt, ob die Gegenwart anderer zu Leistungseinbußen oder zu Leistungszugewinnen führt. Er hält fest, dass im Falle konditionell determinierter Anforderungen (z.B. ausdaueroder kraftbetonte Aufgaben, wie Dauerlauf oder Gewichtheben) Erleichterungseffekte wahrscheinlich sind. Demgegenüber seien, wenn koordinativ anspruchsvollere Aufgaben gelöst werden müssen (z.B. einen Fußball-Freistoß um die gegnerische Mauer zirkeln), eher Leistungseinbußen zu erwarten. Mittlerweile existiert eine große Zahl ausdifferenzierender sportpsychologischer Befunde zu den „klassischen“ sozialpsychologischen Effekten Soziales Faulenzen und Soziale Erleichterung. Entsprechende Zusammen-
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
fassungen können in entsprechenden Überblicksdarstellungen nachgelesen werden (z.B. Alfermann & Würth, 2009; Strauß, 2002). Entscheidend ist, gerade wenn es um die Aufbereitung sportpsychologischen Grundlagenwissens zu diesem Thema geht, festzuhalten, dass das einfache Übertragen sozialpsychologischen Grundlagenwissens ohne Berücksichtigung sportspezifischer Besonderheiten (die zuallererst in der allgemeinen sportwissenschaftlichen Literatur erörtert werden), zur Erklärung vieler im Sport beobachtbarer Phänomene nicht ausreicht.
5.2 Soziale Einflussnahme durch Trainer und Sportlehrer 5.2 Soziale Einflussnahme durch Trainer und Sportlehrer Eine vor allem im Sport typische Form der sozialen Einflussnahme ist die Trainer-Athlet-Interaktion. Den analogen Fall, in einem anderem Setting, stellt die wechselseitige Beziehung zwischen Schülerinnen und Schülern mit ihrer Sportlehrerin oder ihrem Sportlehrer dar. Angesichts der sprichwörtlich alltäglichen Bedeutung, die dem Zusammenwirken zwischen Anleitenden und Sporttreibenden zukommt, ist es durchaus erstaunlich, dass sich verhältnismäßig wenige sportpsychologische Arbeitsgruppen (gerade auch im deutschsprachigen Raum) mit der näheren Untersuchung dieser Beziehung beschäftigen. Außerdem ist interessant festzustellen, dass man sich bisher fast ausschließlich auf die Auswirkungen des Verhaltens der Sport Anleitenden auf die Teilnehmenden konzentriert und die soziale Einflussnahme von Sporttreibenden auf ihre Trainerinnen und Trainer (Lehrerinnen und Lehrer) bisher unbeachtet gelassen hat. Sportler und Sportlergruppen führen. Die sportpsychologische Führungsforschung konzentriert sich bisher auf die Analyse der Trainer-AthletInteraktion und gleichzeitig fast ausschließlich auf den leistungsorientierten Sport. Führen kann ganz allgemein als ein Verhaltensprozess verstanden werden, in dem Einzelne oder mehrere Personen auf ein Ziel hin beeinflusst werden (Weinberg & Gould, 2007). Dabei muss es Führenden gelingen, auch die Wünsche und Bedürfnisse der Angeleiteten zu erkennen und diese möglichst mit zu berücksichtigen. Wenn tatsächliches Führungsverhalten in der Wahrnehmung der zu Führenden mit deren Idealvorstellungen von Führung übereinstimmt, resultiert Zufriedenheit. Neben den beiden Aspekten tatsächliches und bevorzugtes Trainerverhalten (engl. states of leadership behavior)
5.2 Soziale Einflussnahme durch Trainer und Sportlehrer
101
hat sich in sportpsychologischen Betrachtungen noch ein dritter Aspekt etabliert. Dem multidimensionalen Modell des Trainerverhaltens (Abbildung 15) zufolge resultieren Zufriedenheit und gute sportliche Leistung, wenn das vom Trainer gezeigte Verhalten zum einen mit dem von den zu Führenden erwünschten Verhalten übereinstimmt, es zum anderen aber auch noch das für die erfolgreiche Bewältigung der Situation erforderliche Verhalten ist (Chelladurai, 1990). Situative Merkmale
Erforderliches Verhalten
Trainermerkmale
Aktuelles Verhalten
Athletenmerkmale
Bevorzugtes Verhalten
Sportliche Leistung Zufriedenheit
Abbildung 15: Multidimensionales Modell des Trainerverhaltens (nach Chelladurai, 1990)
Multidimensional heißt das Modell, weil Chelladurai vorschlägt, das Führungsverhalten von Trainerinnen und Trainern in genannten drei Aspekten (aktuelles, erforderliches und bevorzugtes Verhalten) in jeweils den fünf Dimensionen Training und Instruktion, demokratisches Verhalten, autokratisches Verhalten, soziale Unterstützung und positives Feedback zu beschreiben (Tabelle 5). Zur Messung der Fremd- und Eigenwahrnehmungen des Trainerverhaltens in diesen fünf Dimensionen liegt mit der Leadership Scale for Sports (LSS) ein deutschsprachiges Fragebogeninstrument vor (Würth, Saborowski, & Alfermann, 1999).
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Tabelle 5:
5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
Dimensionen des Trainerinnen- und Trainerverhaltens
Verhaltensdimensionen Training und Instruktion Demokratisches Verhalten Autokratisches Verhalten Soziale Unterstützung Positives Feedback
Beschreibung Training, fachliche und organisatorische Unterweisung mit dem Ziel der Leistungsoptimierung Einbeziehung der Athleten in Entscheidungsprozesse, Mitbestimmung Trainer betont die eigene Autorität und Entscheidungsbefugnis Sorge um Wohlergehen des Teams und der Mitglieder, positive Gruppenatmosphäre Lob und Anerkennung guter Leistungen
Das multidimensionale Modell des Trainerverhaltens erklärt das Zustandekommen von sportlicher Leistung und Athletenzufriedenheit streng genommen lediglich für ganz konkrete Situationen oder bestenfalls Klassen von Situationen (weil das von situationalen Aspekten abhängige erforderliche Verhalten beschrieben werden muss). Entsprechende Untersuchungsansätze sind jedoch in der sportpsychologischen Literatur kaum zu finden. Stattdessen werden in vielen Untersuchungen die durch Sportlerinnen und Sportler eingeschätzten, situationsunabhängigen Dimensionen des Trainerinnen- und Trainerverhaltens in Relation zur Zufriedenheit und zum sportlichen Erfolg betrachtet. Zur Überprüfung der mit dem multidimensionalen Modell möglichen Vorhersagen sind solche Untersuchungen allerdings kaum geeignet. Vergleichsweise wenige Untersuchungen testen tatsächlich die im Modell spezifizierten Kernannahmen (Voraussetzungen zur Vorhersage von Zufriedenheit und Erfolg), etwa die Übereinstimmung zwischen Trainerselbsteinschätzung und dem durch Sportlerinnen und Sportler wahrgenommenen Trainerverhalten. Während aus manchen dieser Untersuchungen hervorgeht, dass vor allem Diskrepanzen in den Dimensionen Training und Instruktion, soziale Unterstützung und Feedback zur Vorhersage von Unzufriedenheit auf Seiten der Sportlerinnen und Sportler herangezogen werden können (z.B. Horne & Carron, 1985), unterbleibt ebendieser für die Modellbewährung so zentrale Aspekt der Übereinstimmung von Wahrnehmungen als Bedingung für Erfolg in anderen Untersuchungen (Riemer & Toon, 2001). Ein überzeugender methodischer Ansatz zur Überprüfung des Modells stammt aus der Arbeitsgruppe um die Leipziger Sportpsychologin Dorothee Alfermann. In einer Untersuchung mit Nachwuchsleistungs-
5.2 Soziale Einflussnahme durch Trainer und Sportlehrer
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sportlern wurde das tatsächliche Verhalten von Trainerinnen und Trainern mit Hilfe eines speziellen Kategoriensystems beobachtet und in Relation zu den beiden anderen Aspekten des Führungsverhaltens (aktuelles und bevorzugtes) gesetzt. Ergebnisse der Untersuchung sind bislang erst in Ausschnitten publiziert. Aus einem Abschlussbericht der Arbeitsgruppe an den Projektauftraggeber geht aber zumindest hervor, dass Trainerinnen und Trainer ihr Verhalten generell positiver einschätzen als dies von Sportlerinnen und Sportlern wahrgenommen wird (Würth & Alfermann, 2002). Überzeugende empirische Befunde zu den Auswirkungen solcher mehr oder weniger deutlich ausgeprägten Inkongruenzen auf die sportliche Leistung und Leistungsentwicklung können derzeit noch nicht nachgelesen werden. Unterricht gestalten. Wenn Führungsverhalten im Sport untersucht wird, erfolgt dies meist mit Blick auf den leistungsorientierten Sport. Prozesse der sozialen Einflussnahme von Sportlehrerinnen und Sportlehrern auf ihre Schulklassen wurden aber auch aus anderen theoretischen Ansatzpunkten heraus betrachtet. Gegenstand zahlreicher sportpsychologischer Untersuchung war und ist das motivationale Klima im Sportunterricht. Entsprechende Untersuchungen knüpfen direkt an die weiter oben dargestellte Theorie der Zielorientierungen (Æ Kapitel 2.1) an, derzufolge Menschen nach Kompetenzerleben streben. Während die personale Komponente dieser Theorie auf die Zielorientierungen der leistenden Person fokussiert und aufgabenorientierte von eher wettbewerbsorientierten Individuen unterscheidet, steht im Kontext von Schulsport die situationale (Umwelt-) Komponente im Vordergrund. Demnach besteht eine der Aufgabe von Lehrenden im Sportunterricht darin, ihren Schülerinnen ein eher aufgabenorientiertes Klima oder ein eher wettbewerbsorientiertes Klima erlebbar zu machen (Duda & Hall, 2001; siehe Definitionsbox Seite 104). Wichtig ist, dass es sich hier um zwei weitgehend unabhängig voneinander variierende dimensionale und nicht um ein kategoriales Konstrukt handelt (d.h. Sportunterricht muss sowohl in seinen mehr oder weniger ausgeprägten aufgaben- als auch wettbewerbsorientierten Anteilen beschrieben werden; es reicht nicht aus, ihn entweder als aufgabenorientiert oder als wettbewerbsorientiert einzustufen). Dies ist vernünftig, weil die von Lehrerinnen und Lehrern geschaffenen Unterrichtsarrangements mit den motivationalen personalen Voraussetzungen der Teilnehmenden (eher aufgaben- vs. eher wettbewerbsorientierte Motivdispositionen von Schülerinnen
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
und Schüler) interagieren und deren Klima-Wahrnehmung beeinflussen. Es ist also zumindest theoretisch möglich, dass Schülerinnen und Schüler aus ein und derselben Unterrichtssituation unterschiedliche Eindrücke über das vorherrschende motivationale Klima gewinnen.
Definition
Aufgabenorientierung. Ein aufgabenorientiertes Klima (engl. mastery climate) liegt vor, wenn im Sportunterricht das individuelle Bemühen der Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund gestellt wird und vor allem deren Bereitschaft sich anzustrengen die Anerkennung des oder der Lehrenden findet. Wettbewerbsorientierung. Ein wettbewerbsorientiertes Klima (engl. performance climate) entsteht, wenn Schülerinnen und Schüler den Leistungsvergleich mit anderen oder Leistungsvergleiche mit überindividuell festgesetzten Normen als prägende Bestandteile ihres Sportunterrichts erleben. Sportlehrerinnen und -lehrer können bei der Gestaltung ihres Unterrichts erheblichen Einfluss auf die Klimawahrnehmung von Schülerinnen und Schülern nehmen bzw. das Entstehen eines aufgabenorientierten motivationalen Klimas fördern (siehe z.B. das TARGET-Modell von Jaakkola & Digelidis, 2007). Betrachtet man sich die empirische Befundlage zum Thema, dann wird sehr deutlich: Ein aufgabenorientiertes Klima trägt sowohl zu größerer Zufriedenheit, als auch zu verbesserten Kompetenzwahrnehmungen der Schülerinnen und Schüler bei. Auch steigt deren intrinsische Motivation Sport zu treiben, und es fördert eine insgesamt positivere Einstellung gegenüber körperlicher Aktivität (Jaakkola & Digelidis, 2007). Vor allem lässt sich festhalten, dass speziell zur Förderung eines aufgabenorientierten Klimas im Sportunterricht entwickelte Interventionsprogramme die individuelle Motivdisposition der Schülerinnen und Schüler günstig beeinflussen und zum Aufbau von Aufgabenorientierung als personale Motivdisposition beitragen können (z.B. Digelidis, Papaioannou, Laparidis, & Christodoulidis, 2003).
5.3 Fans, Zuschauermassen und ihr Einfluss bei Sportveranstaltungen
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5.3 Fans, Zuschauermassen und ihr Einfluss bei Sportveranstaltungen 5.3 Fans, Zuschauermassen und ihr Einfluss bei Sportveranstaltungen Viele Sportveranstaltungen finden vor Zuschauern statt. Die Fußballspiele der ersten Bundesliga wurden im Jahr 2009 im Schnitt von rund 42.000 Zuschauern besucht. Man kann sich durchaus die Frage stellen, weshalb zumindest manche Sportveranstaltungen so große Anziehungskraft auf so viele Menschen haben? Unter dieser Leitfrage lassen sich einige spannende sportpsychologische Untersuchungsfelder illustrieren, die ganz verschiedene (sozialpsychologische) Theorien berühren: Im Folgenden geht es zunächst um das Thema der sozialen Identität, das am Beispiel der ganz besonderen Zuschauergruppe der Fans illustriert wird. Dann werden Aspekte der sozialen Motivation beschrieben. Fan-Sein bietet nämlich unter anderem exzellente Möglichkeiten zur Selbstdarstellung oder zur Stimmungsregulation. Nicht selten glauben Fans außerdem, dass sie durch ihr Verhalten im Stadion Einfluss auf den sportlichen Ausgang von Wettbewerben nehmen und zum Beispiel für einen Heimvorteil sorgen können. Vielleicht entsteht dieser Heimvorteil dadurch, dass Zuschauerkulissen die Schiedsrichter beeinflussen? Das Thema Schiedsrichter lädt zu einer Darstellung des Forschungsansatzes soziale Kognition ein. Schließlich können Fans auch Unheil anrichten. Auf sogenannte Hooligans, die immer mal wieder am Rande von Sportveranstaltungen auftauchen, wird abschließend ganz kurz eingegangen. Fan-Sein als soziale Identität. Unter dem sozialen Identitätsansatz13 lassen sich zur Vereinfachung von Terminologie und zentralen Konzepten gleich mehrere Theorien zusammenfassen, die zur Beschreibung und Erklärung des „Fan-Seins“ im Sport benutzt werden können. Vereinfacht gesagt beeinflusst die Zugehörigkeit zu Gruppen, die wir uns ausgewählt haben, weil wir sie für attraktiv halten, unsere soziale Identität und damit auch unser Verhalten.
13 Nach Mummendey und Simon (1997) lassen sich unter dieser Bezeichnung die Theorien der sozialen Identität (Tajfel & Turner, 1986) und der Selbstkategorisierung (Turner, Hogg, Oaks, Reicher, & Wetherell, 1987) sowie das Elaborated Social Identity Model (Reicher, 1996) zusammenfassen.
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
Definition
Soziale Identität. Als soziale Identität definiert Tajfel (1982, S. 102) den Teil eines Individuums, „der sich aus seinem Wissen um seine Mitgliedschaft in sozialen Gruppen und aus dem Wert und der emotionalen Bedeutung ableitet, mit der diese Mitgliedschaft besetzt ist“. Manche Autoren verwenden die Begriffe soziale Identität und soziales Selbstkonzept (Æ Abbildung 13, S. 79) aufgrund ihres gemeinsamen Kerns („das Wissen über einen selbst“) synonym.
Die Basis dafür legen Prozesse der sozialen Kategorisierung. In sozialen Situationen neigen Menschen dazu, die eigene Gruppe als von anderen unterschiedlich wahrzunehmen. Für das Beispiel Fußball-Fans ließe sich festhalten, dass ein Schalke-Fan vor allem seine Unvergleichlichkeit mit dem Bayern-Fan von gegenüber herausstellen würde. Anders als ein unbeteiligter Dritter, der in den beiden Fans vielleicht viel eher die Gemeinsamkeiten entdecken würde. Schon aus dem bloßen Wissen über die eigene Gruppenzugehörigkeit, die direkte Interaktion mit der Gruppe ist nicht erheblich, leitet sich dann die soziale Identität des Einzelnen ab (im Beispiel etwa: „Ich bin Schalke-Fan durch und durch“). Die soziale Identität wird durch Vergleichsprozesse an sozialen Kategorien sogar noch verstärkt („Wir Arbeiter im Ruhrpott und ihr Reichen in München“). Auch dies geschieht mit der Besonderheit, dass Ähnlichkeiten innerhalb der eigenen Gruppe und Unähnlichkeiten zur anderen Gruppe stärker wahrgenommen werden („Am Spieltag tragen bei uns alle blau-weiß, ihr seid ein bunter Haufen“). Charakteristisch ist außerdem, dass die Merkmale der eigenen Gruppe stets positiver als die der anderen Gruppe bewertet werden („Ihr singt zwar auch, aber unsere Fangesänge kommen von Herzen“). Diese Unterschiedlichkeit (positive Distinktheit) hilft im Ganzen dabei ein gutes Selbstwertgefühl zu entwickeln und die eigene Identität positiv wahrzunehmen (Tajfel & Turner, 1986). Angesichts der sehr unterschiedlichen Gruppen, in denen wir uns tagtäglich bewegen (z.B. Schalke-Fan, Betriebsangehöriger) stellt sich natürlich die Frage, unter welchen Umständen sich welche solche soziale Identität in unserem Verhalten zeigt. Entlang unseres Beispiels könnte man fragen, wes-
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halb laute Fangesänge so selten in Büros während der Arbeitszeit zu hören sind. Je nachdem, welche mit einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit assoziierten Situationsmerkmale gerade besonders salient, also aus dem situationalen Kontext hervorgehoben und besonders leicht wahrzunehmen sind (z.B. die Gruppe anderer Schalke-Fans, die da auf der anderen Straßenseite steht), wird unsere Wahrnehmung und unser Verhalten stärker von der einen oder der anderen Gruppenmitgliedschaft beeinflusst (Turner, et al., 1987). Einer der Gründe dafür, weshalb Fans so gerne ins Stadion gehen, ist also der, dass sie sich innerhalb ihrer Gruppe stark verbunden und „besonders“ (gut) fühlen. Fans berichten dementsprechend im Vergleich zu anderen auch ein gesteigertes kollektives Selbstwertgefühl (Crocker & Luhtanen, 1990). Soziale Motivatoren. Ein weiterer Erklärungsbaustein für Zuschauerverhalten im Sport liegt in dem grundlegenden, allerdings individuell sehr unterschiedlich ausgeprägten, menschlichen Bedürfnis, Einfluss und Macht zu demonstrieren. Das stolze Betreten des VIP-Bereiches im Rahmen eines Stadionbesuches mag für manche nicht zuletzt eine exzellente (bewusst genutzte oder auch unbewusste) Möglichkeit zur Selbstdarstellung bieten (Mummendey, 1995). Es geht aber auch einfacher. Ein unter Sportbegeisterten häufig anzutreffendes Phänomen ist, dass in Erwartung eines erfolgreichen Abschneidens des eigenen Teams (oder eben des favorisierten Sportlers) vermehrt zu Fan-Utensilien gegriffen wird, im Fußball zum Beispiel häufiger die Vereinsfarben zur Schau gestellt werden. Sozialpsychologisch hat man es hier mit einer Selbstdarstellungsmöglichkeit zu tun, die als BIRGing (von engl. basking-in-reflected-glory: sich im Glanze anderer Erfolgreicher sonnen) bezeichnet wird. Gewissermaßen das Gegenteil dazu ist das sogenannte CORFing (engl. cutting-of-reflected-failure), mit dem das sichtbare SichAbgrenzen von Verlierern bezeichnet wird. Es gibt zumindest einzelne empirische Untersuchungen, die zeigen, dass diese in der Sozialpsychologie gut untersuchten Selbstpräsentationsstrategien auch am Beispiel von Zuschauern und Fans im Sport beobachtet werden können (z.B. Reinhard, Jinschek, & Diehl, 1999; Wann & Branscombe, 1990).
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
Rahmeninfo: Zwei Arten von Fans im Sport In einer lesenswerten Arbeit zur Identifikation von Sportzuschauern mit ihren Teams und damit verbundenen Strategien der Selbstpräsentation unterscheiden die Sportpsychologen Daniel Wann und Nyla Branscombe (1990) zwei ganz unterschiedliche Gruppen von Fans bzw. Sportzuschauern: Die-hard Fans (engl. die zähen Kämpfer, die besonders eingefleischten Fans) bleiben ihrem Team über lange Zeit sehr stark verbunden. Ihr Verein, ihre Mannschaft, ihr Sportler bedeuten ihnen alles. Ihre soziale Identität als Fan deckt sich über kurz oder lang immer mehr mit ihrer personalen Identität. Weitgehend unabhängig davon, ob ihre Mannschaft Erfolg hat oder nicht – sie wird trotzdem immer „ihre“ Mannschaft bleiben! Sie neigen viel weniger zum CORFing als ... Fair-weather Fans (engl. Schönwetter-Fans). Diese sind Sportzuschauer, die zumindest wechselhafter in ihren Sympathiezuweisungen sind. Als Fans würden sie sich vor allem dann bezeichnen und zu erkennen geben, wenn die eigene Mannschaft erfolgreich spielt (BIRGing) und selbst dann vielleicht nur für wieder einmal kurze Zeit – schließlich gibt es auch noch andere Dinge im Leben! In den Bereich der sozialen Motivation fällt auch der Aspekt kollektiver Stimmungsregulation. Es ist davon auszugehen, dass Menschen generell allerlei dafür unternehmen, schlechte Stimmungslagen zu vermeiden und gute zu erleben, und dass sie dazu auch Sportveranstaltungen nutzen. Schlicht und Strauß (2003) verweisen in diesem Zusammenhang auf die Ergebnisse einer von Musikwissenschaftlern durchgeführten Studie. Diese haben herausgefunden, dass nach einem Tor der eigenen Mannschaft im Fanblock deutlich mehr und länger gesungen wird als vorher (untersucht wurden die deutschen Fangesänge während der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien; Kopiez & Brink, 1998). Diese Fan-Gesänge nach einem Tor der eigenen Mannschaft können als Ausdruck eines (wahrscheinlich unbewussten) Bemühens angesehen werden, die gerade erreichte gute Stimmung möglichst lange zu halten, wenn nicht gar, sie noch zusätzlich zu verbessern. Schließlich sind ausgeprägte Kontrollwahrnehmungen über das beobachtete sportliche Geschehen für Sport-Fans geradezu typisch. Empirische Untersuchungen zeigen, dass viele Sportzuschauer (und insbesondere die
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„Die-Hard“ Fans; siehe Rahmeninfo) glauben, durch ihr Anfeuern, ihr Klatschen oder das Schmähen des Gegners oder des Schiedsrichters den Ausgang des Sportereignisses tatsächlich beeinflussen zu können (Strauß, 1999). Einem Systematisierungsvorschlag von Thompson (1981) zufolge, spräche man dabei von wahrgenommener Verhaltenskontrolle (dass es sich dabei nur um eine Kontrollillusion handelt, wird im Abschnitt Heimvorteil noch deutlich werden). Andere Formen der wahrgenommenen Kontrolle sind die Informationskontrolle, die kognitive Kontrolle und die retrospektive Kontrolle (siehe Definitionsbox). Vor allem im Hinblick auf den selbstversichernden Aspekt solcher Kontrollwahrnehmungen (und damit ihren Identität stiftenden Anteil) ist es wichtig zu betonen, dass Personen lediglich davon überzeugt sein müssen, Situationen kontrollieren zu können. Ob eine solche Kontrolle tatsächlich stattfindet ist demgegenüber kaum relevant.
Definition
Verhaltenskontrolle. Von Verhaltenskontrolle wird gesprochen, wenn Fans und Zuschauer davon überzeugt sind, den Ausgang einer Sportveranstaltung durch ihr Verhalten (z.B. Klatschen, Anfeuern, den Gegner oder Schiedsrichter auspfeifen) tatsächlich beeinflussen zu können. Situationskontrolle. Fans empfinden Situationskontrolle, wenn sie glauben über Informationen zu verfügen, anhand derer sie den Ausgang von Wettbewerben oder Spielen vorhersagen können. Kognitive Kontrolle. Ein Ausdruck kognitiver Kontrolle ist es, wenn sich Fans sogar angesichts drohender Misserfolge das Ergebnis noch „schön reden“ können. Retrospektive Kontrolle. Retrospektive Kontrolle wird betrieben, wenn nachträglich bereits eingetretenen Ereignissen vermeintliche Ursachen zugeschrieben werden (z.B. „Ich hab’ es schon immer gewusst, dieser Trainer taugt nichts“). Alle vier Formen der wahrgenommenen Kontrolle sind nützlich, wenn es darum geht, das Verhalten von Zuschauern und insbesondere Fans im Sport zu beschreiben und zu erklären.
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
Heimvorteil. So manchen Sportzuschauer, insbesondere die Fans, lockt nicht zuletzt die Überzeugung ins Stadion, durch ihre vor allem lautstarke Unterstützung zum Erfolg ihrer Mannschaft beitragen zu können (siehe oben). Weil kurze Reisedistanzen dazu beitragen dürften, dass besonders viele Zuschauer und Fans vor Ort sein können, müsste sich dies vor allem in einem möglichen Heimvorteil der gastgebenden Seite ausdrücken. Von einem Heimvorteil im Sport spräche man, wenn die Wahrscheinlichkeit unter „heimischen“ Bedingungen zu gewinnen größer ist, als die Wahrscheinlichkeit zu verlieren. Aufgrund der Bedeutung des Phänomens für die sportpsychologische Forschung ist das Thema hier unter separater Überschrift behandelt. Sozialpsychologisch zählt es aber zum Bereich soziale Motivation (hier: soziale Unterstützung der eigenen und soziale Ablehnung der anderen Mannschaft; Plessner, Freytag, & Strauß, 2006). Die Fakten zum Heimvorteil, bei dem es sich vielleicht um eines der am besten dokumentierten Phänomene in der sportpsychologischen Literatur handelt, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Dass es einen Heimvorteil im Sport gibt, ist empirisch sicher belegt (z.B. Pollard & Pollard, 2005). Je nachdem, welche Sportart betrachtet wird und wie leistungsstark die beteiligten Mannschaften sind, fällt er allerdings unterschiedlich groß aus. Für die Spiele der Deutschen Fußballbundesliga zwischen 1963/64 bis 1997/98 zeigen Strauß und Höfer (2001), dass 53,3% der Spiele von der Heim- und nur 20,7% von der Auswärtsmannschaft gewonnen wurden. Eine der möglichen Erklärungen dafür ist nun eben die Zuschauerunterstützung. Andere mögliche Gründe sind Reisefaktoren, die spezifischen Erwartungshaltungen von Akteuren oder Schiedsrichtereinflüsse. Von einer endgültigen Klärung, welcher Aspekt nun vor allem für die Entstehung des Heimvorteils verantwortlich gemacht werden könnte, ist man jedoch noch weit entfernt (Strauß, 1999, für eine Zusammenfassung). Durchgeführte Analysen zur Zuschauerunterstützung haben bis heute weder die absolute Zuschaueranzahl, noch die Zuschauerdichte auf den Zuschauerrängen, noch das Verhalten der Zuschauer auf den Rängen als nützliche Erklärvariablen nachgewiesen. Im Gegenteil zeigen Untersuchungen zum Leistungsversagen unter Druck (engl. choking under pressure) sogar, dass sich eine große Zuschauerzahl oft ausgesprochen hemmend auf die sportliche Leistung auswirkt (z.B. Butler & Baumeister, 1998). Aktuell werden vor allem zwei Thesen zur Erklärung dieser speziellen Form des
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Leistungszusammenbruches diskutiert (Wallace, Baumeister, & Vohs, 2005). Die Distraktionshypothese argumentiert, dass eine große Zuschauerkulisse Sportlerinnen und Sportler so sehr ablenke, dass es zu einem Aufmerksamkeitskonflikt zwischen sportlicher Aufgabe und diesen externen Stimuli käme. Der aktuellen empirischen Befundlage nach etwas vielversprechender ist allerdings eine andere These. Sie geht davon aus, dass große Zuschauermassen Sporttreibenden vor allem die relative Bedeutsamkeit dieses Wettbewerbs signalisieren und es infolgedessen bei den Sporttreibenden zu einer dysfunktionalen Erhöhung von Selbstaufmerksamkeit kommt. Eine größere Zahl kognitiv-bewegungswissenschaftlicher Experimente spricht dafür, dass insbesondere hochgradig automatisierte Bewegungsfertigkeiten durch die Zuwendung von Aufmerksamkeit gestört werden (z.B. Beilock & Carr, 2001). Der Sportpsychologe Bernd Strauß, Experte auf dem Gebiet der Heimvorteilsforschung, hat dem Phänomen des sportlichen Leistungseinbruches vor großen Zuschauerkulissen eine eingängige Überschrift verliehen: Wenn Fans ihre Mannschaft zur Niederlage klatschen (Strauß, 1999). Was bleibt zu resümieren? Tragen Fans und Zuschauer überhaupt nicht zum Zustandekommen des Heimvorteils bei? Immerhin ist es so, dass sich Sportlerinnen und Sportler vor großer Heimkulisse oftmals weniger angespannt, selbstbewusster und insgesamt wohler fühlen (Terry, Walrond, & Carron, 1998). Diskutiert wird allerdings der folgende Gedanke. Wenn eine hohe positive öffentliche Erwartung mit einer positiven Leistungserwartung auch auf Seiten der Sporttreibenden einhergeht, dann überwiegen möglicherweise doch die Erleichterungseffekte das beschriebene Leistungsversagen und tragen so zumindest ein klein wenig zum Heimvorteil bei (Plessner, et al., 2006). Schiedsrichter. Als mögliche Verursacher des Heimvorteils wurden immer wieder die Schiedsrichter bzw. deren Leistungen untersucht. Bislang liegt noch keine Studie vor, die den Schiedsrichtereinfluss auf den Heimvorteil hätte direkt belegen können. Allerdings gibt es erste indirekte Hinweise. Neueren Untersuchungen zufolge beeinflusst die Heimkulisse nämlich zumindest die Foul-Entscheidungen von Schiedsrichtern. Englische Sportpsychologen baten dazu zwei Gruppen von Fußballschiedsrichtern ‚Foul vs. Nicht-Foul’-Entscheidungen zu Videoszenen zu treffen, die entweder mit Ton (aufgezeichnete Original-Lärmkulisse des Stadions) oder ohne Ton gezeigt wurden (Nevill, Balmer, & Williams, 2002).
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
Die Gruppe Schiedsrichter, die die Szenen mit Ton dargeboten bekam, entschied auf signifikant weniger Fouls gegen die Heimmannschaft. Der Effekt lässt sich nach Ansicht der Autoren darauf zurückführen, dass die Lärmkulisse eines Heimpublikums im Fußballstadion vor allem nach Fouls ansteigen dürfte, die durch das Auswärtsteam begangen werden, und dass Schiedsrichter dieses Stadiongeräusch als zusätzlichen (wenngleich kaum aussagekräftigen) Hinweisreiz in ihrer Entscheidungsfindung mitverarbeiten. Der grundlegende Ansatz des übergeordneten Forschungsfeldes der sozialen Kognitionsforschung, aus dem diese Untersuchung zur Beeinflussung von Schiedsrichtern stammt, besteht darin anzunehmen, dass Menschen, damit sie in sozialen Situationen kompetent agieren können, ihre Umwelt möglichst exakt wahrnehmen wollen. Überhaupt bieten Schiedsrichter im Sport ein ganz hervorragendes Projektionsfeld für diese Forschung. Denn ihnen ist zu unterstellen, dass sie aufgrund ihrer Rolle als objektive und neutrale Entscheider, besonders an einer objektiven, neutralen und unverzerrten Wahrnehmung und Beurteilung von Situationen interessiert sein müssen (Brand, 2002). Wenn selbst solcherart motivierten Personen systematische Urteilsverzerrungstendenzen (engl. cognitive biases) nachgewiesen werden können, dann lassen sich aus diesen Fehlern Annahmen über die Gesetzmäßigkeiten von informationsverarbeitenden psychischen Prozesse formulieren. Ein aus der sozialen Kognitionsforschung hervorgegangenes Rahmenmodell der sozialen Informationsverarbeitung ist in Abbildung 16 dargestellt (Bless, Fiedler, & Strack, 2004). Am Fußball-Schiedsrichterbeispiel erläutert, würde angenommen, dass dieser Information zunächst einmal wahrnehmen muss. Möglicherweise beobachtet der Schiedsrichter, dass ein Angreifer der Heimmannschaft im Zweikampf mit einem Verteidiger zu Boden geht und dabei den Ball verliert. Er kann nicht erkennen, ob der Verteidiger den Ball oder nicht doch nur das Bein des Ballführenden getroffen hat. Das Publikum reagiert allerdings sofort mit einem gellenden Pfeifkonzert. Der Schiedsrichter muss die zur Verfügung stehende Information dann kategorisieren. Welche Hinweisreize sprechen dafür auf Foul zu entscheiden, welche sprechen dagegen? Diese Kategorisierungsleistung wird durch im Gedächtnis organisiertes Wissen beeinflusst. Möglicherweise zählt der attackierte Spieler zu den wichtigsten der Heimmannschaft und der Schiedsrichter erinnert sich sofort, dass er wahrscheinlich ein Foulspiel gegen denselben Spieler vor wenigen Minuten übersehen hat. Dieses Wissen wird mit der wahrge-
5.3 Fans, Zuschauermassen und ihr Einfluss bei Sportveranstaltungen
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nommenen Information zu einem Urteil integriert und in korrespondierendes Verhalten, hier eine Entscheidung, überführt (möglicherweise entscheidet der Schiedsrichter nun auf Foulspiel). Wichtig und kennzeichnend für diese Rahmenmodellannahmen ist, dass Kategorisierungs-, Gedächtnis- und Integrationsprozesse sowohl von automatischen (d.h. unbewussten) als auch kontrollierten (d.h. bewusst nachdenkenden, deliberativen) Anteilen geprägt sein können. Dass der Schiedsrichter die eigentlich kaum aussagekräftige Information aus der anschwellenden Lärmkulisse in seiner Urteilsfindung möglicherweise überbewertet, muss ihm also nicht unbedingt bewusst sein. In dem noch recht jungen Forschungsprogramm zur sozialen Informationsverarbeitung am Beispiel von Schiedsrichterurteilen stand bislang vor allem die experimentelle Identifikation von automatischen Prozessen im Vordergrund, die zu systematischen inkorrekten Schiedsrichterurteilen führen (Plessner & Haar, 2006, für einen Überblick). Nur vergleichsweise wenige Untersuchungen (z.B. Plessner, Schweizer, Brand, & OތHare, 2009) befassen sich mit der theoretischen Erklärung der Mechanismen, die zur Entstehung solcher Fehlurteile beitragen. Gedächtnis, organisiertes Wissen (Spielregeln, Schemata, soziale Stereotype)
Wahrnehmung
Beobachtbare Ereignisse
Kategorisierung
Integration Urteilen & Entscheiden
Beobachtbares Verhalten
Abbildung 16: Stufen der sozialen Informationsverarbeitung (nach Bless, et al., 2004)
Hooligans. Ausgesprochen traurigen sozialen Einfluss nimmt eine kleine Gruppe von Sportzuschauern, denen es vor allem um das öffentliche Ausleben von Gewalt zu gehen scheint. Vor allem am Rande von Fußballspielen werden die Schwierigkeiten mit von Sportzuschauern ausgeübter Aggression
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5 Perspektive Gruppe und soziale Beeinflussung
und Gewalt in den vergangenen Jahren größer. Dabei ist es bedenklich, dass der Begriff Hooligan (engl. Randalierer; siehe Rahmeninfo) und das gesamte Phänomen Hooliganismus aufs Engste mit dem Phänomen Zuschauersport verbunden zu sein scheint. Dezidiert sportpsychologische Untersuchungen zu dieser Problematik, die über die Darstellung sozialpsychologischen Grundlagenwissens zum Thema Aggression und Gewalt (z.B. Russell, 2004) hinausgehen, kommen kaum vor. Bedauerlich ist dies, weil das gesellschaftliche Phänomen Sport bereits auf struktureller Ebene Besonderheiten aufweist (z.B. Atkinson, 2009), die eine deutlichere Bezugsfeldverankerung ohne Weiteres rechtfertigen würde. Die Krawalle zwischen Hooligan-Gruppen nach einem Spiel spiegeln doch wahrscheinlich nichts anderes wider als das, was die beiden Mannschaften auf dem Spielfeld bieten: Es wird um Sieger und Besiegte gerungen. Es steht allerdings zu hoffen, dass die kommenden Jahre hier Fortschritt bringen. Rahmeninfo: Hooligans im Sport Hooligans treten häufig in größeren Gruppen auf und zeigen eine hohe Gewaltbereitschaft, was allerdings nicht auf das alltägliche Leben eines Hooligans zutreffen muss, da es recht unterschiedliche Charaktere unter den Hooligans gibt. In der Regel sind sie auch fanatische Anhänger eines Sportvereins, unterscheiden sich aber von den normalen Anhängern. Vor allem bei und im Umfeld von Fußballbegegnungen treffen sie auf ebenso aggressive Hooligans des gegnerischen Vereins. Bei der Konfrontation der miteinander verfeindeten Fangruppen kommt es häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Hooligans sind nicht nur von gewöhnlichen Fans und Ultras, sondern auch von anderen Gruppierungen, Szenen und Einzelpersonen zu unterscheiden, da sie eine bestimmte, charakteristische Art von Gewalt kultivieren. Abweichend davon wird der Begriff Hooligan von Außenstehenden oft für alle Randalierer und Schläger in und um die Stadien benutzt. www.wikipedia.de (am 7.1.2010) 5.4 Zusammenfassung und Lesetipps 5.4 Zusammenfassung und Lesetipps Sportpsychologische Untersuchungen zeigen, dass ein ausgeprägter Gruppenzusammenhalt (möglicherweise aber je nach Aufgabenstruktur in den Sport-
5.4 Zusammenfassung und Lesetipps
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arten und vielleicht auch für die aufgaben- und sozialbezogene Kohäsion unterschiedlich) zu besseren Leistungsergebnissen führt. Weniger eindeutige Befunde liegen für die in der Sozialpsychologie als soziale Erleichterung und soziales Faulenzen gut bewährten Phänomene vor, denen zufolge Leistungsergebnisse in Gegenwart anderer, abhängig davon, ob individuelle Leistungsbeiträge für Außenstehende identifizierbar sind, entweder besser oder schlechter werden (Beeinflussung des Einzelnen durch die Gruppe). Hier ist nahezu sicher, dass die Anforderungsstruktur der jeweiligen Sportarten mitbestimmend dafür ist, ob eher Erleichterungs- oder Faulenzeneffekte zum Tragen kommen. Die sportpsychologische Führungsforschung konzentrierte sich bisher vorwiegend auf die Analyse von Trainer-Athlet-Interaktionen im leistungsorientierten Sport, Untersuchungen zum motivationalen Klima (die insgesamt belegen, dass ein aufgabenorientiertes Klima zu größerer Zufriedenheit und besserem Kompetenzerleben auf Seiten der Schülerinnen und Schüler beitragen) wurden auch mit Bezug zum schulischen Sportunterricht durchgeführt. Zuschauer im Sport wurden vor allem mit Bezug zu Theorien der sozialen Identität und sozialen Motivation näher betrachtet. Das Phänomen des Heimvorteils im Sport konnte bislang nicht auf die Anwesenheit von Zuschauermassen oder deren Verhalten zurückgeführt werden. Mit Modellen der sozialen Kognitionsforschung kann aber beschrieben werden, wie Zuschauereinflüsse die informationsverarbeitenden Prozesse von Schiedsrichtern beeinflussen. Weiterführende Literatur Alfermann, D. & Würth, S. (2009). Gruppenprozesse und Intergruppenbeziehungen. In W. Schlicht & B. Strauß (Hrsg.), Grundlagen der Sportpsychologie (Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie V, Band 1, S. 719-777). Göttingen: Hogrefe. Schlicht, W. & Strauß, B. (2003). Sozialpsychologie des Sports. Göttingen: Hogrefe. Unckelbach, C., Plessner, H., & Haar, T. (2009). Soziale Kognitionen im Sport. In W. Schlicht & B. Strauß (Hrsg.), Grundlagen der Sportpsychologie (Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie V, Band 1, S. 681-717). Göttingen: Hogrefe.
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Perspektive Bewegungen und Informationsverarbeitung
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*Dieses Kapitel wurde von Matthias Weigelt und Yvonne Steggemann vom sportwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes entworfen. Ob wir in einem Basketballspiel den Ball zu einem Mitspieler passen, den Weg zur Universität mit dem Fahrrad zurücklegen, beim morgendlichen Frühstück zur Kaffeetasse greifen oder ein neues Musikstück auf dem Klavier einstudieren – all dies sind Beispiele dafür, dass das sichere Beherrschen von Bewegungshandlungen von großer Bedeutung ist. Besonders wichtig ist dies, wenn wir uns im sportlichen Wettstreit mit anderen Personen befinden und Bewegungen mit hoher Präzision (oft auch unter großem Zeitdruck) an sich wechselnde Umweltbedingungen angepasst und zuverlässig ausführen müssen. Dabei nehmen wir, während wir mit anderen Menschen oder Gegenständen interagieren, über die verschiedenen Sinnesorgane nicht nur Informationen aus unserer Umwelt auf, sondern verändern diese Umwelt auch durch zielgerichtete motorische Aktivität. Fragen über den Aufbau und die Kontrolle menschlicher Bewegungshandlungen, vor allem wenn sie als spezifische Ausführungsleistungen im sportlichen Kontext hervorgebracht werden, sind Kerngegenstand einer bewegungswissenschaftlichen Forschung, die enge Bezüge zur Sportpsychologie zeigt. Sie thematisiert zum einen die beobachtbaren Bewegungen und Körperhaltungen (Außensicht: biomechanische Betrachtungsweise) zum anderen aber auch die dem Gesamtsystem zugrunde liegenden körperinternen Prozesse (Innenansicht: Kognition, Motorik und Sensorik; fähigkeitsorientierte Betrachtungsweise). Einen Überblick zur Systematik bewegungswissenschaftlicher Forschung vermittelt Abbildung 17 (vgl. Roth & Willimczik, 1999, für ausführlichere Einordnungen).
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Innenansicht
Außenansicht
Morphologie Ganzheitliche Betrachtungsweisen
Biomechanische Betrachtungsweise
Bewegungswissenschaftliche Betrachtungsweisen
Systemdynamischer Ansatz Konnektionismus
Fähigkeitsorientiere Betrachtungsweise
Funktionale Betrachtungsweisen Funktionsanalysen
Handlungstheorien
Modularitätshypothese Informationsverarbeitungstheorien
Abbildung 17: Betrachtungsweisen in der Bewegungswissenschaft (nach Roth & Willimczik, 1999, S. 13)
Nachfolgend geht es vor allem um Fragen der psychischen Verarbeitung von jenen Informationen, die den reibungslosen Ablauf von Bewegungshandlungen unterstützen sowie deren Erwerb begleiten. Zunächst werden die Theorien und Bausteine der motorischen Kontrolle von intendierten (d.h. willentlich herbeigeführten) Bewegungen besprochen, die nach eingehender Übung dann häufig als (sportartenspezifische) motorische Fertigkeiten vorliegen (Æ Kapitel 6.1). Anschließend werden die Mechanismen des Erwerbs motorischer Fertigkeiten, die zum Beispiel zum Fangen und Werfen, Schwimmen oder auch Fahrradfahren notwendig sind, besprochen (Æ Kapitel 6.2). Danach geht es um die praktische Gestaltung von Übungsprozessen
6.1 Bausteine und Theorien motorischer Kontrolle
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und insbesondere die wichtige Rolle, die Instruktionen und Rückmeldungen beim Erwerb neuer sportlicher Bewegungen spielen (Æ Kapitel 6.3).
6.1 Bausteine und Theorien motorischer Kontrolle 6.1 Bausteine und Theorien motorischer Kontrolle Wie eine intendierte Bewegung kontrolliert wird, hängt zunächst einmal davon ab, wie viel Zeit für die informationelle Rückmeldungen über das Bewegungsergebnis zum einen und den Verlauf der Bewegungsausführung zum anderen zur Verfügung steht. Es dauert circa 150 bis 200 Millisekunden, bis (re-)afferente Kontrollmechanismen (Æ Abschnitt Sensorische Systeme) Informationen über den Bewegungsverlauf und eventuelle Bewegungsfehler ins informationsverarbeitende System zurückgemeldet haben (Schmidt & Lee, 2005). Erst danach können Korrekturen im aktuellen Handlungsvollzug vorgenommen werden. So kann zum Beispiel beim Balancieren über den Schwebebalken durch Korrektur- und Ausgleichsbewegungen „nachträglich“ in den initiierten Handlungsablauf eingegriffen werden, oder es kann ein Snowboarder seine begonnene Kurvenfahrt justieren, indem er sich noch flacher in die Kurve legt. Solche und andere sportliche Fertigkeiten basieren auf dem Prinzip der (Bewegungs-)Regelung. Im Gegensatz dazu müssen Handlungen von sehr kurzer Dauer (kürzer als 150 bis 200ms) bereits vollständig vorbereitet sein, damit sie nach einer willentlichen Entscheidung (intern ausgelöst) oder auf einen äußeren Reiz hin (extern ausgelöst) schnell ausgeführt werden können. Eine Korrektur der Bewegung ist danach nicht mehr möglich, weil die Handlung bereits vor dem Eintreffen der sensorischen Rückmeldung beendet ist. Ein Fußangriff im Judo oder der Dartwurf sind Beispiele für intern ausgelöste motorische Aktionen, die (zunächst) ohne Rückmeldung auskommen müssen. Der Startsprung im Schwimmen oder das Fangen auf Zuruf in der Sportakrobatik sind Beispiele für extern ausgelöste motorische Aktionen. Solche sportlichen Fertigkeiten basieren auf dem Prinzip der (Bewegungs-)Steuerung. Beide grundlegenden Prinzipien der Bewegungskontrolle werden am Ende des Kapitels noch einmal differenzierter betrachtet. Vorher ist jedoch ein kurzer Überblick über jene sensorischen Systeme notwendig, aus denen Handelnde ihre Informationen beziehen und die für die Ausführung sportlicher Fertigkeiten wichtig sind.
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6 Perspektive Bewegungen und Informationsverarbeitung
Sensorische Systeme. Nach einer Definition von Olivier und Rockmann (2003, S. 101) haben sensorische Systeme die Funktion „Information über körperäußere und körperinnere Prozesse sowie Relationen des Körpers zur Umwelt aufzunehmen und in unterschiedlichen Instanzen des ZNS [zentrales Nervensystem] zu verarbeiten“. Die für die Steuerung und Regelung von Bewegung, zusammengefasst die Bewegungskontrolle, maßgeblichen Systeme und Systemkomponenten sind kurz dargestellt. Definition
Sinnessysteme zur Bewegungskontrolle Die fünf Sinnessysteme visuelles System (sehen), auditives System (hören), vestibuläres System (die Körperlage und Beschleunigungen wahrnehmen), taktiles System (tasten) und propriozeptives System (erkennen, wo jedes Körperteil sich befindet und wie es sich bewegt) ermöglichen es, komplexe sportliche Handlungen in kleinsten Details und mit „allen Sinnen“ zu erfassen (Schmidt, Lang, & Thews, 2005, für einen vertiefenden Überblick). Dabei werden sensorische Informationen im Allgemeinen über drei Komponenten der jeweiligen Sinnessysteme verarbeitet: Rezeptoren wandeln physikochemische Reize in bioelektrische Signale um. Aufsteigende (afferente) Nervenfasern leiten diese Signale in Form von Aktionspotenzialen an spezifische Neuronenpopulationen im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) weiter, wo die Informationen zusammengeführt und enkodiert werden. Die komplexen Prozesse der Informationsverarbeitung, die an der sensorischen Wahrnehmung beteiligt sind, können am Beispiel einer Handballerin veranschaulicht werden, die das Prellen aus vollem Lauf abbricht, um den Ball aufzunehmen und an eine Mitspielerin weiterzupassen. In dieser Situation erhält sie eine große Anzahl unterschiedlicher sensorischer Informationen über die verschieden Sinnessysteme. Der Gleichgewichtssinn liefert zunächst eine Rückmeldung über den Wechsel vom dynamischen (Laufen und Prellen) in das stabile Gleichgewicht (Stehen und Ball halten). Daran beteiligt sind die Organe des vestibulären Systems im Innenohr, die senso-
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rische Informationen über die Rotation (Bogengangsorgane) und Translation (Maculaorgane) des Kopfes liefern. Das propriozeptive System ist an der Entstehung gleich mehrerer Sinneseindrücke beteiligt: Der Stellungssinn gibt Auskunft über die Lage und Stellung der einzelnen Körperglieder zueinander, der Bewegungssinn über die Richtung und Geschwindigkeit einzelner Teilbewegungen und der Kraftsinn darüber, welches Ausmaß an Muskelkraft die Handballerin aufbringen muss, um den Ball in der rechten Hand zu halten. Diese sensorischen Informationen werden mithilfe der Muskelspindeln (Änderung der Muskellänge), Golgi-Sehnenorganen (Spannung des Muskels) und korpuskulären Sensoren (Gelenkbewegungen) registriert. Über den haptischen Sinn erhält die Handballerin weitere Informationen über den Ball (z.B. Oberflächenstruktur). Daran beteiligt sind die Mechanorezeptoren des taktilen Systems. Den Zuruf einer Mitspielerin nimmt sie über das auditive System wahr, welches den Hörsinn bildet. Und schließlich erkennt die Handballerin über den Sehsinn, dass sich ihre Gegenspielerin schnell nähert, um sie am Abspiel zu hindern. Daran beteiligt ist das visuelle System und in diesem speziellen Fall (andere Person bewegt sich auf Spielerin zu) erhält sie die Information über Divergenzbewegungen14 der Augen. Multisensorische Integration. Die multisensorische Integration der unterschiedlichen Sinneseindrücke ist ein entscheidender Aspekt der Verarbeitung sensorischer Informationen. Dafür werden die afferenten (in Richtung der Verarbeitungszentren im Gehirn führenden) Signale der unterschiedlichen Sinnesmodalitäten in einer statistisch optimalen Weise, d.h. unter Berücksichtigung der Dauer und Intensität der jeweiligen Reize, miteinander „verrechnet“ und ergeben so ein einheitliches Wahrnehmungsbild (Ernst & Bulthoff, 2004). Erst die multisensorische Verarbeitung ermöglicht es der Handballerin, ihren eigenen Handlungsvollzug sicher zu kontrollieren (den Lauf schnell abstoppen und dabei den Ball festhalten) und gleichzeitig auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren (die Absichten der Gegenspielerin erkennen und den Ball an die Mitspielerin abgeben). Dieser Verarbeitungsschritt der Integration unterschiedlicher afferenter Signale aus den verschiedenen Informationsquellen kann jedoch auch Quelle ganz spezifischer Wahrnehmungsfehler sein. So verspürt zum Beispiel eine
14 Weil ein Objekt in der Ferne beobachtet werden soll, verändern sich die Blickachsen der beiden Augen auseinander, d.h. sie divergieren.
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Person, die vor einem Abgrund steht und mit dem Fernglas in die Umgebung schaut, mitunter ein „flaues Gefühl“ im Magen. Dieses entsteht, weil das visuelle System die Umgebung mittels (in diesem Fall) Konvergenzbewegung der Augen15 heran zoomt und dadurch Eigenbewegung suggeriert, während das propriozeptive System und das vestibuläre System den Körper aber gleichzeitig im Gleichgewicht wähnen. Weil das propriozeptive System gleichzeitig ein Teilsystem der Somatosensorik ist, erlebt die Person diese Situation mit einem „flauem Gefühl“ im Magen. Bewegungsregelung. Nach dem Prinzip der Bewegungsregelung hängt die (erfolgreiche) Kontrolle sportlicher Fertigkeiten im Wesentlichen von der Verarbeitung sensorischer Informationen über die Ausgangsbedingungen (Afferenzen) und von Rückinformationen über den Handlungsvollzug (Reafferenzen) ab. Die Auswertung afferenter Signale aus den unterschiedlichen Sinnesmodalitäten ermöglicht es zunächst, sich eine robuste Orientierungsgrundlage über die aktuellen Organismus- und Umweltbedingungen zu verschaffen. Eine solche Situationsanalyse liefert gleichermaßen einen Istwert über den aktuellen Systemzustand. Das Ziel der Handlung, beziehungsweise der zukünftige Systemzustand, wird als Sollwert festgelegt. Unter Berücksichtigung der Ausgangssituation und des intendierten Zielzustandes wird ein mentales Bewegungsprogramm erstellt. Dieses steuert den Effektor an (Körperglieder), und zwar über ein als efferentes Signal bezeichnetes (also von den zentralnervösen Verarbeitungszentren weg führendes) neuromuskuläres Innervationsmuster. Das Ausführen der Bewegung geht dann wiederum mit sensorischen Konsequenzen einher, welche die Exekutive (die zentral steuernde Instanz im Gehirn) ständig mit dem aktuellen Stand des Systems versorgen. Dadurch erhält die Exekutive fortlaufend Istwerte in Form von entweder Rückmeldungen über den tatsächlichen Handlungsvollzug (bewegungsbezogene Reafferenzen) oder das erzielte Resultat (ergebnisbezogene Reafferenzen). Der eigentliche Regelvorgang basiert auf dem Ergebnis des SollwertIstwert-Vergleichs. Weichen Istwert und Sollwert voneinander ab, wird das Bewegungsprogramm angepasst und der Effektor erneut über Korrekturimpulse angesteuert. Das geschieht so lange, bis die Differenz zwischen Ist-
15 Weil ein Objekt in der Nähe beachtet werden soll, verändern sich die Blickachsen der beiden Augen zueinander, d.h. sie konvergieren.
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wert und Sollwert aufgehoben ist und/oder ein neues Handlungsziel festgelegt wird. Voraussetzung für die Korrektur des aktuellen Handlungsvollzugs ist also ein geschlossener Regelkreis mit rückgekoppelten Informationen (Closed-Loop-Kontrolle; Abbildung 18, rechts), der als funktionelle Komponenten grundsätzlich den Sollwert, den Istwert, die Exekutive und den Effektor beinhaltet (Anochin, 1967). Exekutive Steuerungszentrum
Sollwert Bewegungskommandos
Istwert Rückinformation
Sollwert Bewegungskommandos
Exekutive Steuerungszentrum
Effektoren Muskel-Skelett-System
Effektoren Muskel-Skelett-System
Open-Loop-Kontrolle
Closed-Loop-Kontrolle
Abbildung 18: Bewegungssteuerung und Bewegungsregelung (nach Wollny, 2007)
Bewegungssteuerung. Wie bereits angedeutet, lassen sich in der Sportpraxis viele Beispiele für sportliche Fertigkeiten finden, deren Ausführung noch vor dem Eintreffen von sensorischer Rückmeldung (nahezu) abgeschlossen ist (z.B. Dartwurf). Solche Handlungen müssen zunächst ohne informationelle Rückkopplung auskommen und werden deshalb nach dem Prinzip der Steuerung kontrolliert. Bewegungssteuerung beinhaltet deshalb nur zwei funktionelle Komponenten: Die Exekutive, die bestimmte Bewegungskommandos über efferente Signale absendet und den Effektor, der mittels dieser abgestimmten Innervationsmuster bewegt wird. Der Vorteil einer solchen Open-Loop-Kontrolle (Abbildung 18, links) ist die hohe Geschwindig-
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keit, mit der die Bewegung ausgeführt werden kann. Ein offensichtlicher Nachteil ist jedoch, dass Bewegungen nach ihrer Initiierung nicht mehr korrigiert werden können. Deshalb passiert es etwa im Baseball häufig, dass der Batter (der Spieler, der den Ball ins Feld schlagen muss) an einem mit Spin geworfenen Ball vorbei schlägt, wenn dieser kurz vor dem Treffpunkt noch einmal seine Flugbahn verändert und sich absenkt. Die Schlagbewegung des Batters ist viel zu schnell, als dass er auf diese Veränderung der Flugkurve noch rechtzeitig reagieren könnte. Damit sportliche Fertigkeiten dennoch erfolgreich unter Open-Loop-Kontrolle ablaufen können, bedarf es eines weiteren Bausteins motorischer Kontrolle, nämlich der Antizipation. Antizipation. Unter Antizipation wird ganz allgemein das Vorhersehen zukünftiger Ereignisse, die durch den Handlungsvollzug willentlich herbeigeführt werden sollen, verstanden. Aus informationstheoretischer Sicht geht es dabei um die „Voreinstellung“ der jeweiligen Sinnessysteme für die Aufnahme und Verarbeitung noch nicht eingetretener sensorischer Rückmeldungen. Diese Antizipationen können sich nach Poulton (1957) auf die Vorhersage eines bestimmten Reizes (Rezeptorantizipation), der eigenen Bewegung (Effektorantizipation) oder eines Ereignisses in der Umwelt (Perzeptionsantizipation) beziehen. Die Antizipation des auditiven Signals bei einem 100-m-Start in der Leichtathletik (Startschuss) ist ein Beispiel für die Rezeptorantizipation. Änderungen im eigenen Bewegungsmuster als Effektorantizipationen muss die Athletin im Skilanglauf vorwegnehmen, bevor sie aus einer flachen Strecke im parallelen Grundschritt kommend einen Anstieg im Wechselschritt „hinaufklettert“. Schließlich wird sich der Tennisspieler dafür entscheiden, die nächste Vorhand diagonal über das Feld zu schlagen, wenn er antizipiert, dass sein Gegner auf der anderen Seite des Netzes dadurch nicht mehr an den Ball kommen wird. Wie gut ein Akteur das Eintreten zukünftiger Ereignisse vorhersagen kann, beruht vor allem auf den (Handlungs-)Erfahrungen, welche dieser in der Vergangenheit unter ähnlichen Bedingungen gemacht hat. Der Theorie der antizipativen Verhaltenskontrolle (Hoffmann, 1993) zufolge kommt es zu einer primären Verstärkung zwischen motorischer Aktion und den jeweiligen sensorischen Konsequenzen, wenn die ausgewählte Bewegung zum intendierten Ergebnis führte. Dagegen wird eine sekundäre Differenzierung der Ausgangsbedingungen vorgenommen, nachdem eine Handlung nicht die gewünschten Effekte erzielte. Führt eine bestimmte Be-
6.1 Bausteine und Theorien motorischer Kontrolle
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wegung unter den gegebenen Ausgangsbedingungen regelmäßig zum intendierten Ergebnis, dann bildet sich eine starke Verbindung (Assoziationskette) zwischen den einzelnen Handlungselementen. Ist eine solche Assoziationskette für bestimmte sportliche Fertigkeiten und spezifische Situationen erst einmal etabliert, dann führen günstige sensorischen Ausgangsbedingungen im sportlichen Kontext beim Akteur zur unmittelbaren (Vor-)Aktivierung der Handlung. Für das Erbringen sportlicher Höchstleistungen sind das sichere Antizipieren von Reizen, Bewegungen und Ergebnissen auf der Grundlage motorischer (Vor-)Aktivierungen eine wichtige Voraussetzung. Motorische Programme. Das Prinzip der Steuerung und der Baustein Antizipation setzen die Existenz von zentral gespeicherten motorischen Programmen voraus, ohne die eine bestimmte Bewegung nicht geplant bzw. gestartet werden kann. Erste empirische Evidenz für solche Programme lieferten tierexperimentelle Untersuchungen an deafferenzierten Katzen (dies sind Tiere, denen die Nervenbahnen auf Höhe des Stammhirns durchtrennt wurden). Nachdem die Versuchsleiter die Tiere auf ein Laufband stellten und einen externen Reiz zur Bewegungsinitiierung gegeben hatten, zeigten die Katzen ein relativ normales Gangmuster (Taub & Bergmann, 1968). Das ist insbesondere deshalb erstaunlich, weil aus den höheren motorischen Zentren im Hirn der Tiere ja keine efferenten Signale an die Muskeln versendet werden konnten und gleichzeitig auch die sensorischen Zentren keinerlei reafferente Meldung über den Handlungsvollzug erhielten. Dass die Tiere dennoch koordinierte Laufbewegungen zeigten, führte zuerst Grillner (1975) auf einen zentralen Mustergenerator (central pattern generator) zurück, der auf Stammhirnebene motorische Grundmuster kontrolliert. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Untersuchungen an Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen. Solche können eine FingersequenzAufgabe eine bestimmte Zeit lang gut ausführen (ca. 30 Sekunden), obwohl krankheitsbedingt keine sensorischen Rückmeldungen über die Bewegung möglich sind (Rothwell, Traub, & Marsden, 1982). Der nach dieser Zeit beobachtbare Rückgang in der Ausführungsleistung wird hier mit der begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses erklärt, das die Information über die Fingersequenz nur für diese Zeit aufrechterhalten kann. Auch konnte gezeigt werden, dass die Planung einer Handlung von der Komplexität der intendierten Bewegung abhängt: Je mehr (Bewegungs-)Elemente eine
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bestimmte Handlung hat, desto mehr Zeit benötigen Personen, um diese zu planen (memory drum theory; Henry & Rogers, 1960). Schließlich wirkt sich auch die Schwierigkeit der Aufgabe auf die Geschwindigkeit aus, mit der die Bewegung ausgeführt wird. Aufgaben mit einer hohen Anforderung an die (Ziel-)Genauigkeit brauchen mehr Zeit in der Ausführung (speed-accuracy trade-off; Fitts, 1954). Bis hierher könnten motorische Programme also definiert werden als abstrakte Gedächtnisstrukturen über die Grundelemente einer Bewegung, die eine Gruppe von Muskelkommandos beinhalten, welche zur Ausführung der Bewegung unter standardisierten Bedingungen abgerufen werden (Lashley, 1951). Für die Kontrolle sportlicher Fertigkeiten ergibt sich aus dieser ersten Definition allerdings eine Reihe von Problemen. Zunächst einmal sollten motorische Programme keine starren Verhaltensregeln sein, denn in der sportlichen Interaktion (mit Sportgeräten, mit Gegenspielern) werden die Akteure mit ständig wechselnden Umweltbedingungen (d.h. unterschiedliche Auslösebedingungen) konfrontiert. Außerdem sollten die Fertigkeiten (zum Beispiel in den Spiel- und Kampfsportarten) möglichst variabel ausgeführt werden können. Schließlich muss die Vielzahl unterschiedlicher Fertigkeiten in situativer Variation (z.B. wechselnde Pistenverhältnisse beim Skifahren) auch für zukünftige Handlungssituationen flexibel abrufbar sein. Formal ergibt sich daraus ein Problem hinsichtlich der Gedächtnisspeicherkapazität für die nahezu unendlich große Zahl an sportlichen Bewegungen beziehungsweise an Bewegungsmöglichkeiten. Das Konzept starrer Verhaltensregeln wird diesem Speicherproblem nicht gerecht. Deshalb werden für motorisches Programme, neben unveränderlichen (invarianten) Parametern, welche die Grundstruktur der sportlichen Fertigkeit festlegen, auch veränderliche (variable) Parameter angenommen, die je nach Situation mit spezifischer Merkmalsausprägung in das bestehende Bewegungsprogramm eingelesen werden. Invariante und variable Parameter bilden die wesentlichen Elemente der Theorie generalisierter motorischer Programme (GMPTheorie; siehe Rahmeninfo), mit denen ganze Klassen von strukturell ähnlichen Bewegungen gesteuert werden (Schmidt, 1975; Schmidt & Lee, 2005).
6.1 Bausteine und Theorien motorischer Kontrolle
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Rahmeninfo: Die Theorie generalisierter motorischer Programme (GMP) Der GMP-Theorie liegen zusammengefasst die folgenden Annahmen zu Grunde. Die Impuls-Timing-Hypothese betrachtet die zeitlich-dynamische Abfolge der Muskelimpulse während der Bewegungsausführung und gibt somit die Grundstruktur des Programms vor. Die unveränderlichen (invarianten) Elemente eines Programms sind Sequenzierung (zeitliche Abfolge der efferenten Muskelimpulse und zeitliche Verhältnisse des jeweiligen Aktivitätsbeginns), relative Zeiten (Innervations-/Einschaltdauer eines bestimmten Muskels und relative Kräfte (Intensität, mit der die Einzelimpulse einen bestimmten Muskel aktivieren). Die Gestalt-Konstanz-Hypothese adressiert die variablen Elemente des Programms. Die Grundstruktur der Bewegung kann durch Variation der Programmparameter in zeitlicher (horizontaler) oder dynamischer (vertikaler) Hinsicht gedehnt bzw. gestaucht werden, wodurch sich die absolute Zeitdauer des Handlungsvollzugs ändert. Auch können die absoluten Kräfte, die beim Handlungsvollzug aufgebracht werden, variieren, indem die Bewegung mehr oder weniger kraftvoll ausgeführt wird. Aus der Kombination invarianter und variabler Parameter ergeben sich Variationsmöglichkeiten, die es ermöglichen, sportliche Fertigkeiten unterschiedlich und an die Situation angepasst auszuführen. Gemäß Schematheorie werden dafür bestimmte Bewegungsparameter je nach Anforderung zielgerichtet in die ausgewählten Rahmenprogramme eingelesen (Schmidt, 1975). Das Wiedergabeschema enthält Information über die Einsatzregeln generalisierter motorischer Programme für bestimmte Ausgangsbedingungen und angestrebte Handlungsziele sowie über die variablen Parameter(-werte) für die Bewegungssteuerung. Hier können sportliche Handlungen unter Open-Loop-Kontrolle (Abbildung 18) ablaufen. Danach liefert das Wiedererkennungsschema Information über die Bewegungsausführung und Bewegungsergebnisse, die über die kontinuierlich eintreffenden sensorischen Konsequenzen registriert werden (Closed-Loop-Kontrolle mit der Möglichkeit von Bewegungskorrekturen (Abbildung 18). Sammeln Lernende zum Beispiel beim Skifahren viel Bewegungserfahrung unter unterschiedlichen Bedingungen, dann entsteht ein stark differenziertes und gut parametrisiertes GMP.
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6 Perspektive Bewegungen und Informationsverarbeitung
6.2 Der Erwerb motorischer Fertigkeiten 6.2 Der Erwerb motorischer Fertigkeiten Sportliche Fertigkeiten werden durch motorisches Lernen erworben. Motorisches Lernen umfasst die Aneignung, den Erhalt und die Veränderung von Bewegungswissen mit dem Ziel, sportliche Fertigkeiten sicher zu beherrschen und sie jederzeit flexibel an veränderte Umweltbedingungen und Aufgabenanforderungen situationsadäquat anzupassen (vgl. Scheid & Prohl, 2007). Der Erwerb neuer Bewegungen setzt deshalb auch immer die aktive Auseinandersetzung des Lernenden mit seiner Umwelt voraus. Dabei lassen sich mit zunehmender Übungszeit schnell messbare Veränderungen in der Leistungsfähigkeit nachweisen: Eine bestimmte sportliche Fertigkeit wird mit besserem Ergebnis (im Basketball treffen wir mehr Würfe von der Freiwurflinie) und höherer Konstanz ausgeführt (beim Skifahren gestalten wir unsere Kurvenfolgen gleichmäßiger). Der Erfolg hängt immer weniger vom Zufall ab. Aufgrund einer zunehmenden Ökonomisierung und stärkeren Automatisierung der sportlichen Technik wird zudem weniger Muskelkraft benötigt. Das heißt wir lernen, „die richtigen Kräfte zur richtigen Zeit und in die richtige Richtung aufzubringen“ (Wulf, 2009, S. 1). Auch passive Kräfte (Schwerkraft, Corioliskraft usw.) werden effizienter genutzt. So lernen Anfänger z.B. beim Inlineskating länger auf einem Bein zu rollen und dadurch mit weniger Schritten schneller voranzukommen. Und letztlich gilt: Je besser eine bestimmte Bewegung beherrscht wird, desto weniger Aufmerksamkeit muss für ihre Ausführung verwendet werden. Fortgeschrittene Lerner können die frei werdenden Aufmerksamkeitsressourcen danach auf andere Aspekte neu ausrichten, wie etwa auf den künstlerischen Ausdruck (z.B. im Tanzen oder der rhythmischen Sportgymnastik), auf die Kampf- oder Spieltaktik (im Judo oder Fußball) und/oder auf das Spielfeld bzw. Gelände (im Volleyball oder beim Skifahren). Motorisches Lernen spiegelt sich in einer relativ überdauernden Veränderung im Bewegungsverhalten und seinen vielfältigen Möglichkeiten zur flexiblen Anpassung an neue Situationen wider. In der experimentellen Bewegungsforschung werden die Güte und das Ausmaß von Lernprozessen in Retentions- und Transfertests geprüft. Hier stellt man die Frage, wie gut eine bestimmte sportliche Fertigkeit nach einem vorher definierten Zeitintervall ohne Übung reproduziert (Retentionstest) bzw. an eine neue Aufgabenanforderungen angepasst (Transfertest) werden kann. Als aussagekräftige Größen (abhängige Variablen) werden in diesem Zusammenhang typischer-
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weise die Genauigkeit, die Geschwindigkeit und die Konstanz, mit der eine bestimmte Bewegung ausgeführt wird, erfasst. Eine überdauernde Veränderung im Bewegungsverhalten sollte sich in besseren Ausführungsleistungen zeigen. Kurzfristige Anpassungen eines oder mehrerer Bewegungsmerkmale an aktuelle (Umwelt-)Einflüsse sollten mit zunehmendem Zeitintervall wieder verschwinden bzw. sich nicht auf neue Aufgabenanforderungen übertragen lassen. Dabei geht es beim Erwerb von Bewegungen nicht nur um die Kontrolle ausführungsbedingter motorischer Aktivität, sondern auch darum, die eine Handlung begleitenden Informationen multisensorisch zu verarbeiten und ihre Inhalte in bereits bestehende kognitive Handlungsschemata zu integrieren bzw. für einen zukünftigen Abruf im Gedächtnis abzuspeichern. Der erfolgreiche Verlauf motorischen Lernens oder die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, beeinflussen darüber auch die emotionalen (Æ Kapitel 2.2) und motivationalen Aspekte der Handlung (Æ Kapitel 2.1). Inhaltlich ist der Begriff des motorischen Lernens von den Konzepten Reifung, Wachstum und Sozialisation abzugrenzen. Die Veränderung des menschlichen Verhaltens infolge von motorischen Lernprozessen kann danach weder mit Wachstums- oder Reifungsvorgängen, noch mit biologischen Adaptationserscheinungen beschrieben werden. Auch die Betrachtung der Entwicklung von Normgefügen und sozialen Verhaltensweisen ist letztlich unzureichend, um motorische Lernprozesse zu erklären (Scheid & Prohl, 2007). Motorischer Lernverlauf. Das 3-Phasen-Modell von Meinel und Schnabel (2007) ist eines der in der Sport- und Bewegungswissenschaft einflussreichsten Modelle, mit dem die Veränderungen im Koordinationsniveau von Lernenden, die beim Erwerb neuer sportlicher Fertigkeiten über den Lernverlauf hinweg stattfinden, beschrieben werden können (siehe Rahmeninfo; vgl. Meinel & Schnabel, 2007). Rahmeninfo: 3-Phasen-Modell motorischen Lernens Entwicklung von Grobkoordination (erste Lernphase): Der Lernende ist Anfänger und kann die Bewegungsaufgabe unter günstigen Bedingungen ziel- und regelgerecht lösen. Die Fertigkeit entspricht in Grundzügen der gewünschten Bewegungsstruktur. Auf mentaler Ebene verfügen Lernende nur über eine grobe, unvollständige Vorstellung vom Bewegungsablauf und
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müssen die Aufmerksamkeit deshalb bewusst auf die Bewegung selbst lenken. Die Ausführung der Bewegung wird vor allem mit Hilfe von visueller Information gesteuert, weil Information aus anderen sensorischen Kanälen (z.B. der kinästhetischen Analysatoren) nur unzureichend selegiert und integriert werden kann. Zum Beispiel wird ein Anfänger im Basketball versuchen, den Ball während des Dribblings mit dem Auge zu kontrollieren und nicht über die taktile Rückmeldung der Hand. Entwicklung von Feinkoordination (zweite Lernphase): Der Lernende ist Fortgeschrittener und kann die neue Bewegung unter günstigen Bedingungen annähernd fehlerfrei in recht harmonischem Bewegungsfluss, mit hoher Präzision und guter Technik ausführen. Auf dieser Stufe des Lernprozesses wird das Grundmuster bei hoher Lernaktivität in vielen Übungsdurchgängen unter normalen Bedingungen stabilisiert und der Bewegungsablauf automatisiert. Die Informationsaufnahme und -verarbeitung wird durch die Integration weiterer sensorischer Kanäle (z.B. der kinästhetischen Analysatoren) verbessert. Auf mentaler Ebene bildet sich eine präzisere Bewegungsvorstellung heraus, in der propriozeptive Anteile an Bedeutung gewinnen. Der fortgeschrittene Basketballspieler kann den Ball jetzt während des Dribblings allein über die taktile Rückmeldung der Hand kontrollieren und seine visuelle Aufmerksamkeit z.B. auf die Position von Mit- und Gegenspielern im Raum lenken. Stabilisierung der Feinkoordination und Ausprägung variabler Verfügbarkeit (dritte Lernphase): Der Lernende ist bereits Bewegungsexperte und übt die Zielfertigkeit in vielen Wiederholungen unter ständig wechselnden und ungewohnten Bedingungen. Die Fertigkeit kann jetzt auch unter schwierigen und ungewohnten Bedingungen sicher und zuverlässig ausgeführt werden. Der Bewegungsablauf ist fast vollständig automatisiert und wird weitestgehend über die sensomotorische Regulationsebene gesteuert. Der Basketballspieler kann seine visuellen (und auditiven) Aufmerksamkeitsressourcen nahezu ohne Einschränkung auf das taktische Geschehen im Spiel verwenden, ohne dass dies zu Einbußen in der Ballkontrolle führt. Der mit dem 3-Phasen-Modell beschriebene Fortschritt beim Erwerb neuer sportlicher Fertigkeiten durchläuft die drei charakteristischen Lernphasen Grobkoordination, Feinkoordination, Stabilisierung und Ausprägung variabler Verfügbarkeit einerseits in fester Abfolge, andererseits verläuft der Anstieg des motorischen Koordinationsniveaus (gemessen an der Güte der Aus-
6.2 Der Erwerb motorischer Fertigkeiten
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führungsleistung) aber keineswegs linear. Gerichtete Veränderungen im motorischen Lernen unterliegen komplexen Prozessen (Æ Kapitel 6.2), in denen Entwicklungsstadien unterschieden werden können, die jeweils typische Merkmale bzgl. der Ausführungsleistung aufweisen. In der idealisierten Darstellung des Entwicklungsverlaufs (Abbildung 19) ist der motorische Lernfortschritt über die Phasen hinweg positiv beschleunigt, d.h. am Anfang verbessert sich der Lernende oft sehr schnell und erfährt große Steigerungen im Leistungsniveau. Mit zunehmender Übungszeit fallen die Steigerungen jedoch geringer aus. Darüber hinaus wird angenommen, dass eine kontinuierliche Verbesserung der Bewegungsvorstellung während des motorischen Lernprozesses stattfindet, wobei die Qualität der Vorstellung die tatsächliche Ausführungsleistung zu jedem Zeitpunkt übertrifft. Danach muss der Lernende zumindest ein rudimentäres mentales Abbild von einer bestimmten Fertigkeit besitzen, um diese in ihrer Grundform ausführen zu können. Andererseits führt die Vorstellung von einer Bewegung nicht zwangsläufig dazu, dass der Lernende diese in jeder Situation auch erfolgreich ausführen kann. Das wird einem schnell bewusst, wenn man beispielsweise den Aufschwung am Reck in seiner eigenen Vorstellung leicht und sicher bewältigt, es dann aber nicht schafft, die kinematischen und dynamischen Aspekte der einzelnen Teilbewegungen am Gerät richtig aufeinander abzustimmen. Qualitätsgrad Bewegungsvorstellung
Bewegungsfertigkeit
Qualitätsverlust sprunghafter Lernfortschritt Stagnation
Lernzeit Erlernen
Vervollkommnen
Stabilisieren
Abbildung 19: Idealisierter Entwicklungsverlauf des motorischen Lernprozesses nach Pöhlmann (1986) und Hartmann (1999)
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6 Perspektive Bewegungen und Informationsverarbeitung
Betrachtet man sich den solcherart idealisierten Lernverlauf näher (Abbildung 19), dann ist festzustellen, dass sich in der Aneignungsphase schon nach wenigen Wiederholungen größere Lernerfolge einstellen und Lernende die Aufgabe rasch bewältigen. Der Lernende erreicht am Ende dieser Phase den ersten Höhepunkt seiner sportlichen Leistung. Darauf folgt eine übungsintensive Phase mit vielen Wiederholungen, die der Vervollkommnung des Bewegungsgrundmusters dienen und in der sich das Koordinationsniveau nur wenig weiterverbessert. Oft findet zu diesem Zeitpunkt auch keine sichtbare (und messbare) Veränderung mehr statt und die sportliche Leistung stagniert auf dem erreichten Niveau. Jetzt sind nicht nur viele Wiederholungen nötig, sondern auch ein hohes Maß an eigener Motivation (Æ Kapitel 2.1) und fachlicher Anleitung, um weitere Fortschritte zu erzielen und das Lernplateau zu überwinden. Dabei sind Lernfortschritte häufig an „Aha-Erlebnisse“ gebunden, nach denen es zu einem sprunghaften Anstieg auf ein höheres Koordinationsniveau kommt. Im weiteren Lernphasenverlauf der Stabilisierung von Feinkoordination sowie der Herausbildung von variabler Verfügbarkeit nähert sich die sportliche Leistung asymptotisch einem Ausführungsoptimum an. Während dieses Lernstadiums kann es zu kurzfristigen Leistungsrückschritten kommen. Beispielsweise berichten selbst Spitzensportler immer wieder von kurzweiligen Qualitätsverlusten, die aufgrund von (negativen) Transfereffekten bei der Umstellung der Bewegungstechnik auf neue Situationen oder neue Aufgabenanforderungen auftreten. Eine darüber hinausgehende Verbesserung der sportlichen Leistung wird auf einem hohen Expertiseniveau vor allem durch die Anpassung der Zielfertigkeit an ungewohnte und wechselnde Situationen erreicht, indem Übungen möglichst variabel gestaltet und unter wettkampfnahen Bedingungen, das bedeutet mit hohem Zeit- und Präzisionsdruck, durchgeführt werden. Einzelne Aspekte der sportlichen Fertigkeit können zudem durch die selektive Beeinträchtigung der sensorischen Informationsaufnahme und der daraus resultierenden stärkeren Lenkung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Teilhandlungen, gezielt trainiert werden.
6.3 Praktische Gestaltung von Übungsprozessen
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6.3 Praktische Gestaltung von Übungsprozessen 6.3 Praktische Gestaltung von Übungsprozessen Aus Sicht der Sportpraxis stellt sich für Trainer, Lehrer und Übungsleiter immer wieder die Frage, wie Übungsprozesse für Lernende einfacher und effizienter gestaltet werden können. Instruktionen und Rückmeldungen beeinflussen den motorischen Lernprozess wesentlich. Das gezielte Vermitteln von ergänzender (Fremd-)Information trägt dazu bei, die Qualität der sportlichen Bewegung zu verbessern und Informationsdefizite auf Seiten der Lernenden zu beheben. Grundsätzlich unterscheiden sich Instruktion und Rückmeldung hinsichtlich der zeitlichen Beziehung der Informationsinhalte zur Bewegungsausführung. Instruktionen sind Bewegungsanleitungen, die dem Lernenden vor der nächsten Bewegungsausführung Informationen darüber vermitteln, wie eine bestimmte Bewegungshandlung ausgeführt werden soll. Instruktionen dienen dazu, Lernenden eine möglichst genaue Vorstellung über die gewünschte sportliche Fertigkeit (d.h. über ihren SollZustand) zu vermitteln. Rückmeldungen beziehen sich demgegenüber auf gelungene oder fehlerhafte Aspekte von bereits ausgeführten Bewegungen (d.h. auf deren Ist-Zustand). Sie dienen dazu, Informationen über Fehler zu geben, um Korrekturen in der Bewegungsausführung vorzunehmen, und/oder die Motivation des Lernenden für weitere Versuche aufrechtzuerhalten. Instruktionen. Unter Instruktionen werden im Folgenden jene Handlungen und Maßnahmen verstanden, „die darauf gerichtet sind, die Bedingungen, Prozesse und Ergebnisse des Lernens kollektiv, differentiell oder individuell zu optimieren“ (Weinert, 1996, S. 37). Damit Instruktionen verstanden werden können, ist es wichtig, die vermittelten Informationen an den Wissens- und Könnensstand der Adressaten anzupassen. Nur dann können Lernende bestimmte Instruktionen mit den Inhalten ihres (Bewegungs-)Gedächtnisses verknüpfen und in neue Bewegungsausführungen umsetzen. Dabei ist es wichtig, welche verschiedenen Sinnessysteme angesprochen und in welcher Kodierungsform die ergänzenden Informationen übermittelt werden sollen. Wenn ein Trainer einem Basketballnovizen die richtige Ballhaltung beim Positionswurf vermitteln will, dann kann er den Bewegungsablauf vorab demonstrieren (visuell), unterstützend die Arme des Lernenden in die richte Wurfauslage bewegen und ihn durch die Bewegung führen (taktil/kinästhetisch), oder er kann seine Handlungen mit sprachlichen Informationen ergänzen (akustisch). Informationen können dabei
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entweder über einzelne Sinnessysteme (unimodal) vermittelt oder über mehrere Sinnessysteme hinweg (multimodal) kombiniert werden. Zur visuellen und akustischen Informationsübermittlung stehen verschiedene Kodierungsformen zur Verfügung: Akustische Information kann in Form von gesprochenem Text (Bewegungsbeschreibungen, rhythmische Lautsprache) oder auch in Form von Tönen oder Geräuschen (Sonifikation der Bewegung) kodiert werden. Visuelle Informationen lassen sich als geschriebener Text oder Bild, hier sowohl in statischer (Bildreihen) als auch in dynamischer Form (Videoaufnahmen, Demonstration), übermitteln (für detaillierte Abwägungen siehe Olivier & Rockmann, 2003, S. 188ff.) Sportpsychologisch lassen sich Instruktionsformen auch noch danach unterscheiden, ob sie vorrangig der Wissensvermittlung, der Aufmerksamkeitslenkung oder der Vororientierung dienen (vgl. Hänsel, 2003). Ein Beispiel dafür, wie wissensvermittelnde Instruktionen wirksam werden, sind die frühen Untersuchungen von Judd (1908) zur Vermittlung physikalischer Prinzipien im Lernprozess. In seinen Experimenten sollten Lernende versuchen, mit einem Wurfspeer eine Scheibe unter Wasser zu treffen. Dabei zeigte sich, dass die Lösung der Aufgabe besser gelang, nachdem das physikalische Prinzip über die Brechung des Lichts beim Übergang von Luft zu Wasser erklärt worden war. Aus neueren Experimenten ist allerdings auch bekannt, dass die Instruktion physikalischer Prinzipien sich negativ auswirken kann, vor allem wenn dies dazu führt, dass Lernende ihre Aufmerksamkeit auf die Bewegungsausführung lenken (z.B. Wulf & Weigelt, 1997). Die Lenkung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Bewegung behindert die effektive Verarbeitung sensorischer Informationen. Beim Erwerb motorischer Fertigkeiten kommt dem Aufmerksamkeitsfokus der durch die jeweilige Instruktion induziert wird, große Bedeutung zu. Während des Lernprozesses kann über den gezielten Einsatz von Instruktionen (aber auch Rückmeldungen) die Aufmerksamkeit des Lernenden entweder auf die Körperbewegung oder auf die resultierenden Effekte gelenkt werden. Instruktionen auf die Körperbewegung induzieren einen internalen (d.h. bewegungsbezogenen) Fokus. Dagegen führen Instruktionen auf das Ergebnis beziehungsweise auf bewegungsbegleitende Effekte zu einem externalen Aufmerksamkeitsfokus. In zahlreichen Untersuchungen hat sich ein externaler Fokus für den Erwerb von sportlichen Fertigkeiten als vorteilhaft erwiesen (für einen Überblick siehe Wulf, 2009). So sollte man z.B. beim
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Jonglieren nicht auf die Handbewegungen achten, sondern auf die Flugbahn der Bälle. Einen Erklärungsansatz für die positiven Ergebnisse effektbezogener Instruktionen bietet die Constrained-Action Hypothese (Wulf, McNevin, & Shea, 2001). Sie geht davon aus, dass die (automatisierten) motorischen Kontrollprozesse ungestört (d.h. in Selbstorganisation) nur dann ablaufen, wenn die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Bewegung bzw. Bewegungsausführung weggelenkt wird. Das Lenken der Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Bewegungen stört den automatischen Ablauf jener Kontrollprozesse und verhindert ergebnis- bzw. effektbezogenes Lernen. Eine weitere Funktion von Instruktionen ergibt sich aus der anfänglichen Orientierung des Lernenden und der Frage danach, wie eine Bewegung ausgeführt werden soll (z.B. schnell oder langsam, konstant oder variabel, usw.). In der Trainingspraxis wird beim Erwerb komplexer Fertigkeiten häufig zuerst auf eine möglichst genaue Ausführung der Bewegung geachtet. Erst danach wird deren schnelle Umsetzung gefordert. Aus Sicht der Forschung ist dieses Vorgehen allerdings suboptimal, weil zum Erreichen guten Lernerfolgs die Genauigkeit der Ausführung genauso wie die Schnelligkeit bei der Umsetzung von Anfang an geschult werden sollte (vgl. Hänsel, 2003). Schließlich ist die Metapher ein Mittel sprachlicher Instruktion, bei dem (insbesondere Kindern) eine bildhafte Vorstellung über die Zielbewegung gegeben werden soll, ohne dass genaue Aussagen zu spezifischen Bewegungsaspekten gemacht werden, weil Lernende nicht in ihrer explorativen Lernorientierung eingeschränkt werden sollen. Im Turnen hilft es Kindern zum Beispiel sich beim Radschlagen vorzustellen, dass sich Arme und Beine wie die Speichen eines Riesenrads bewegen (Gröben, 2000). Metaphorische Instruktionen werden von Trainern und Lehrern häufig intuitiv verwendet. Zum Gebrauch von instruierenden Metaphern liegen aber auch Untersuchungen aus verschiedenen Sportarten vor, zum Beispiel Skifahren (Schlundt & Loosch, 1996) und Basketball (Hänsel, 2001). Rückmeldungen. Der Begriff Rückmeldung (engl. feedback) bezieht sich auf sämtliche Informationen, die einer Person während oder nach dem Handlungsvollzug zur Verfügung stehen (Abbildung 20). Dabei kann grob zwischen sensorischer Eigeninformation und ergänzender Fremdinformation unterschieden werden (Magill 2001). Eigeninformationen begleiten die Bewegungsausführung als sensorische Konsequenzen (oder folgen in kurzem zeitlichen Abstand) und stehen dem Lernenden über die verschiedenen Sinnes-
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kanäle als visuelle, auditive, propriozeptive oder taktile Reize zur Verfügung. Ergänzende Fremdinformationen werden im Gegensatz dazu „von außen“ an den Lernenden zurückgemeldet (Singer & Munzert, 2000). Dies geschieht zum Beispiel über verbale Rückmeldungen durch Lehrende oder durch den Einsatz technischer Geräte und Messplätze in Form von Videoaufnahmen oder Biofeedback. Ziel der ergänzenden Fremdinformation ist es, die Verarbeitung der sensorischen Eigeninformation beim Lernenden zu verbessern, indem ungenaue und unvollständige körperinterne Wahrnehmungen durch externe Informationen zunehmend vervollständigt und ausdifferenziert werden. In der englischsprachigen Literatur wird von augmented feedback gesprochen (engl. to augment, anreichern; Magill, 2001). Der Aufbau von komplexen, kognitiven Repräsentationssystemen über sportliche Fertigkeiten beruht dabei stets auf der Integration von körperinternen und körperexternen Informationen, auf deren Basis sich wiederum die eigene mentale Vorstellung über den Ablauf der Bewegung verbessert (Schack & Bar-Eli, 2007). Mit Hilfe objektiver (z.B. Fotos, Videoaufnahmen) und subjektiver ergänzender Informationen (z.B. verbale Rückmeldungen) sollen vor allem jene Sinneseindrücke vermittelt werden, die sich der Wahrnehmung durch den Lernenden sonst entzogen hätten. Rückmeldung
Ergänzende Rückmeldung (Fremdinformation )
Sensorische Rückmeldung (Eigeninformation)
visuell
auditiv
propriozeptiv
taktil
Knowledge of Results (KR)
Knowledge of Performance (KP)
Abbildung 20: Formen von Rückmeldungen (nach Magill, 2010)
Dabei sind grundsätzlich zwei Arten von ergänzender Rückinformation zu unterscheiden, nämlich die ergebnisbezogene von der verlaufsbezogenen Rückmeldung (siehe Definitionsbox). Beide erfüllen wichtige Funktionen bei der Fehlerkorrektur und Fehlerminimierung, bei der Verstärkung oder Abschwächung von Handlungs-Effekt-Verbindungen und vor allem auch bei
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der Regulation von Motivations- und Aktivierungsprozessen nach dem Handlungsvollzug (Æ Kapitel 2.1). Natürlich wirkt sich ergänzende Fremdinformation nicht immer positiv auf den Lernprozess aus. Überflüssige, redundante, unverständlich formulierte oder gar falsche Rückmeldungen können sogar zu einer Verminderung der Ausführungsleistung und somit zu schlechterem motorischen Lernen führen. Beispielsweise benötigt ein Basketballspieler beim Positionswurf keine zusätzliche Rückmeldung mehr darüber, ob sein Wurf in den Korb gegangen ist oder nicht. Diese Information nimmt er selbst über den visuellen Sinneskanal wahr. Auch können zu häufige ergänzende Rückmeldungen dazu führen, dass der Lernende die eigenen sensorischen Kanäle als Quelle der Informationsaufnahme vernachlässigt und es deshalb nicht (oder weniger gut) lernt, eigenständig zu erfragen und zu erfühlen, was an der durchgeführten Bewegung richtig oder falsch war. Dabei handelt es sich bei der Fähigkeit zur selbstständigen Fehlererkennung und Fehlerkorrektur um einen höchst wichtigen Einflussfaktor: Ist sie ungenügend ausgebildet, kann die sportliche Leistung in Situationen, in denen die ergänzende Rückmeldung durch den Übungsleiter nicht mehr zur Verfügung steht, einbrechen (vgl. Salmoni, Schmidt, & Walter, 1984). Schließlich sollte die Anzahl der zusätzlichen Rückmeldung begrenzt und altersgerecht vermittelt werden. Anderenfalls können Lernende die Vielzahl unterschiedlicher Informationen nicht behalten (wegen der begrenzten Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses) und deshalb auch nicht in Form von Korrekturen in späteren Übungsversuchen umsetzen. Daneben hat sich eine Differenzierung nach Rückmeldungsinhalten als bedeutsam erwiesen. Stärker qualitative Rückmeldungen beinhalten verbale Aussagen wie „richtig“, „falsch“, „gut“ oder „schlecht“. Bei eher quantitativen Rückmeldungen werden Informationen wie etwa „10 cm zu hoch“, „zu weit“ oder „zu langsam“ vermittelt. Sportpsychologische Untersuchungen zur Wirkung unterschiedlicher Informationsinhalte zeigen, dass qualifizierende und quantifizierende Rückmeldung zu Beginn des Lernprozesses noch ähnlich wirksam sind. Mit zunehmendem Lernfortschritt gewinnt jedoch vor allem die quantifizierende Rückinformation an Bedeutung (Magill & Wood, 1986).
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Definition
Knowledge of Results (KR). Die ergebnisbezogene Rückmeldung vermittelt Informationen über das Resultat einer Bewegung bzw. über dessen Ausprägung. Beispiele hierfür sind Rückmeldungen darüber, ob ein Ball im Tennis noch im Feld gelandet ist, oder wie weit ein Speerwerfer das Gerät geworfen hat. Knowledge of Performance (KP). Die verlaufsbezogene Rückmeldung gibt Auskunft über den Ablauf des Handlungsvollzugs, der das aktuelle Bewegungsergebnis hervorgebracht hat. Zum Beispiel könnte zurückgemeldet werden, dass ein ungenügender Sprungaufschlag im Volleyball aus einem schlechten Anwurf des Balls resultierte, oder dass die rhythmische Abfolge von Tanzschritten vertauscht worden ist (Magill, 2001).
Neben der Frage nach dem „Wie?“ (Art und Weise bzw. Medium) und dem „Was?“ (Informationsinhalt) von ergänzenden Rückmeldungen, wurden immer wieder auch Untersuchungen zur zeitlichen Platzierung („Wann?“), zur Häufigkeit („Wie oft?“) und zur Verteilung von ergänzender Rückinformation betrachtet. Grundsätzlich kann zwischen einer während des Handlungsvollzugs gegebenen, simultanen Rückinformation (z.B. mittels Herzfrequenzmessung oder EMG) und einer nach Beendigung der Bewegung erteilten, terminalen Rückinformation unterschieden werden. Ob die ergänzende Fremdinformation besser während oder nach der Bewegungsausführung gegeben werden sollte, hängt von der gestellten Aufgabe und dem aktuellen Könnensstand des Lernenden ab. Gerade im frühen Lernprozess kann es zu einer Überforderung des Lernenden kommen, wenn die ergänzende Rückmeldung durch den Übungsleiter gleichzeitig mit der eigenen sensorischen Information (die mit der Bewegungsausführung zwangläufig einhergeht) verarbeitet werden soll. Betrachtet man die Zeitspanne zwischen zwei Übungsversuchen, dann ergeben sich zwei Teilintervalle (Marschall & Daugs, 2000; Abbildung 21): das eine zwischen dem Ende der Bewegungsausführung des ersten Versuchs und der terminalen Rückmeldung (PräKR/KP-Intervall) und das andere zwischen Rückmeldung und der Bewegungsausführung im zweiten Versuch (Post-KR/KP-Intervall). Beide Teilintervalle ergeben das Gesamtintervall zwischen zwei Bewegungsaus-
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führungen. Für eine effiziente Rückmeldung muss dabei beachtet werden, dass einerseits der eigene Bewegungseindruck über die letzte Ausführung bis zur Rückmeldung nicht wieder verblassen darf und andererseits dem Lernenden die Möglichkeit gegeben werden muss, eben diese Eindrücke noch vor der Rückmeldung zu verarbeiten. Für das Prä-KR/KP-Intervall hat sich in der Praxis eine Intervalldauer von mindestens 5 Sekunden bis maximal 30 Sekunden als vorteilhaft erwiesen (vgl. Olivier & Rockmann, 2003). Für das Post-KR/KP-Intervall ist es entscheidend, dass dem Lernenden genügend Zeit zur Verfügung gestellt wird, um die ergänzende Rückinformation mit seinen eigenen Bewegungseindrücken zu verknüpfen und daraus einen neuen Plan für die nächste Bewegungsausführung zu entwickeln. Hier wird eine minimale Post-KR/KP-Intervalllänge von 5 Sekunden empfohlen, wobei sich längere Intervallzeiten nicht zwangsläufig negativ auf den Lernprozess auswirken (sie können sogar durch die Aufgabe erforderlich sein, etwa wenn ein Sprinter nach einem Tiefstart in den Startblock zurückkehren muss).
Abbildung 21: Zeitliche Platzierung von Feedback (nach Marschall & Daugs, 2000)
Zu guter Letzt muss betrachtet werden „Wie oft?“ eine Rückmeldung über eine bestimmte Anzahl von Versuchen hinweg gegeben werden sollte. Wird nicht nach jeder Bewegungsausführung eine Rückmeldung gegeben, dann ist neben der Häufigkeit auch die Verteilung von ergänzender Fremdinformation wichtig. Die Häufigkeit der Rückmeldungen (Frequenz) lässt sich aus der
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6 Perspektive Bewegungen und Informationsverarbeitung
Anzahl aller gegebener Fremdinformation über die Anzahl der Übungsversuche, die der Lernende insgesamt absolviert, beziffern (z.B. 15 Rückmeldungen bei insgesamt 100 Versuchen ergibt eine Häufigkeit von 15%). Dabei kann der Zeitpunkt (d.h. wann die Rückmeldung erteilt wird) nach unterschiedlichen Kriterien variieren (Marshall & Daugs, 2003). Zunächst gilt es zu unterscheiden, ob alle Rückmeldungen nach einem festen Plan bzw. einem Verteilungsverhältnis gegeben werden (z.B. nach jedem dritten Versuch, was einer Häufigkeit von 33% entspricht), oder ob diese über die Übungsversuche hinweg zufällig angeordnet werden (z.B. bei gleicher Häufigkeit von 33%). Genauso gut könnte die Häufigkeit der Rückmeldung vom Anfang des Lernprozesses bis hin zur sicheren Beherrschung der Fertigkeit zunehmend reduziert werden. Eine weitere Verteilungsform orientiert sich an der aktuellen Ausführungsleistung des Lernenden. Hier würde eine Rückmeldung nur dann gegeben, wenn die Leistung außerhalb eines definierten Toleranzbereiches liegt. Rückmeldungen über einzelne Versuche können außerdem aufsummiert werden und erst nach einer bestimmten Übungsanzahl erteilt werden. Und nicht zuletzt kann es dem Lernenden selbst überlassen werden, ob und wann er zusätzliche Informationen nehmen möchte. Eine Reihe empirischer Untersuchungen zeigt, dass allzu häufig erteilte ergänzende Fremdinformation nicht zwangsläufig zu besseren motorischen Lernleistungen führt. Wie bereits besprochen, besteht die Gefahr darin, dass der Lernende von der externen Rückmeldung „abhängig“ wird und später die sportliche Fertigkeit ohne diese Rückmeldung auf der Basis unzureichender eigener Fehlererkennung und -verarbeitung nicht mehr erfolgreich ausführen kann (Salmoni, et al., 1984; Wulf, 1992). Auch wenn sich ein gewisser Lernfortschritt nach häufiger Fremdinformation zunächst schneller einstellt, hat sich die Methode der systematischen Reduktion als langfristig besser erwiesen (Winstein & Schmidt, 1990). Demnach erleichtert die Unterstützung durch externe Rückmeldung zunächst einmal den Erwerb des Bewegungsgrundmusters. Zur Entwicklung der Feinform jedoch sind Lernende im weiteren Lernverlauf zunehmend darauf angewiesen, auch eigene sensorische Informationen effektiv zur Korrektur von Bewegungsfehlern zu nutzen. Vorteile zeigen sich auch unter solchen Bedingungen, in denen Lernende selbst über den Zeitpunkt der externen Rückmeldung bestimmen können (Chiviacowsky & Wulf, 2005).
6.4 Zusammenfassung und Lesetipps
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6.4 Zusammenfassung und Lesetipps 6.4 Zusammenfassung und Lesetipps Die Aufnahme und Verarbeitung von Information ist ein wesentlicher Bestandteil motorischer Kontrolle. Dabei werden alle sensorischen Informationsquellen genutzt, um den Handlungsvollzug zuverlässig an die sich wechselnden Bedingungen anzupassen. Dies geschieht zunächst über die Aktivierung von generalisierten motorischen Programmen, welche die Grundstruktur sportlicher Fertigkeiten über unveränderliche Bewegungsparameter vorgeben. Durch die zielgerichtete Einstellung variabler Bewegungsparameter kann die Handlung dann an die jeweiligen Umweltbedingungen situationsadäquat angepasst werden. Beim Erwerb sportlicher Fertigkeiten durchlaufen Lernende drei Phasen. Diese beinhalten die Aneignung der Grobkoordination und der Feinkoordination sowie der Stabilisierung der Feinkoordination und der Ausprägung der variablen Verfügbarkeit. Je nachdem, ob der Lernende Anfänger, Fortgeschrittener oder Experte ist, ändert sich auch die Integrationsleistung sensorischer Informationen. Der Lernprozess verläuft dabei keineswegs linear, sondern ist durch Abschnitte unterschiedlichen Lernfortschritts gekennzeichnet. In der Praxis kann der Erwerb sportlicher Fertigkeiten durch gezielte Instruktionen und Rückinformationen gefördert werden. Weiterführende Literatur Meinel, K. & Schnabel, G. (2007). Bewegungslehre – Sportmotorik: Abriss einer Theorie der sportlichen Motorik unter pädagogischem Aspekt. Aachen: Meyer & Meyer. Olivier, N. & Rockmann, U. (2003). Grundlagen der Bewegungswissenschaft und -lehre. Schorndorf: Hofmann. Roth, K. & Willimczik, K. (1999). Bewegungswissenschaft. Reinbek/Hamburg: Rowohlt. Wollny, R. (2007). Bewegungswissenschaft – Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Aachen: Meyer & Meyer.
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