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Bisher sind im BASTEI-LÜBBE Taschenbuchprogramm von ROGER ZELAZNY nachstehende Bände erschienen: 20 048 Wechselbalg 22033Götteraus Licht und Dunkelheit
RogerZelazny
21 133 Mein Name ist Legion
Aus derTaschenbuch-Reihe FANTASYsind nachstehende Romane erhältlich. Fragen Sie im Buch- oder Zeitschriftenhandel nach diesenTiteln: 20 026 Karl Edward Wagner 20 040 Richard Kirk Die Rache Raven der Verfluchten Göttin des Todes 20 027 Alexei und Cory Panshin 20 041 Randall Garrett Erdmagie Mord und Magie 20 028 Eric van Lustbader 20 042 Ppul Anderson Krieger der Abendsonne Ein Mittsommernachts20 029 Eric van Lustbader Sturm Der dunkle Weg 20 043 Michael Moorcock 20 030 Eric van Lustbader Die ewige Schlacht Dai-San 20 044 Michael Moorcock 20 031 Richard Kirk Der Phönix Raven, im Obsidian die Schwertmeisterin 20 045 Tanith Lee 20 032 Robert Holdstock Sabella oder: Odins Wolf Der letzte Vampir 20 033 Randall Garrett 20 046 Brian Stableford Komplott derZauberer Der blinde Wurm 20 034 Richard Kirk 20 047 M. John Harrison Raven und Die Pastell-Stadt der Hexenmeister 20 049 Robert Asprin Drachenfutter 20 035 Larry Niven Wenn derZauber 20 050 Tanith Lee vergeht Das Lied des Exorzisten 20 036 Richard Kirk Raven und der 20051 Poul Anderson/ Eisgott Mildred Downey Broxon 20 037 Eva Eppers Die Schlange von Wanderer unter dunklen Scattery Himmeln 20 052 Jessica Salmonson (Hg.) 20 038 Richard Kirk Neue AmazonenRaven und der Geschichten Schattenlord 20 053 Piers Anthony 20 039 Robert Holdstock Chamäleon-Zauber Die Jägerinnen von Connacht
Fantasy-Roman
BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH Science Fiction Fantasy Band 20 054
© Copyright 1982 by Roger Zelazny All rights reserved
Deutsche Lizenzausgabe 1984 Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co„ Bergisch Gladbach Originaltitel: Madwand Ins Deutsche übertragen von: Eva Eppers Titelillustration: Three Lions Umschlaggestaltung: Quadro-Grafik, Bensberg Druck und Verarbeihing: Elsnerdruck GmbH, Berlin Printed in Western Germany ISBN 3-404-20054-3 Der Preis dieses Bandes versteht sich eimchlteßlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Dies ist für Trent
I Ich bin mir nicht sicher. Manchmal scheint mir, als wäre ich schon immer hiergewesen, obwohl ich weiß, daß es eine Zeit vor meiner Ankunft gegeben haben muß. Und manchmal scheint mir, als wäre ich eben erst eingetroffen. Woher ich gekommen sein könnte, weiß ich nicht. Seit kurzem finde ich das etwas beunruhigend, aber erst
seit kurzem. Lange Zeit schwebte ich durch diese Hallen, über die Zinne, die Türme hinauf und herunter, breitete mich aus oder zog mich zusammen, wie es mir gefiel, um einen Raum auszufüllen — oder ein Dutzend — , oder um mir einen Weg durch die Wohnungen der Mäuse zu suchen, die glitzernden Fäden eines Spinnennetzes zu verfolgen. An diesem Ort bewegt sich nichts, ohne daß es mir bewußt wird. Aber meiner selbst war ich mir bis vor kurzem nicht bewußt, und über die Handlungen, die ich gerade aufgezählt habe, breitet sich der Staub von Träumen, wobei ich selbst ein Teil des Träumers bin. Dennoch ... Dennoch, ich schlafe nicht. Ich träume nicht. Trotzdem scheine ich jetzt von vielen Dingen zu wissen, die ich nie erlebt habe. Vielleicht liegt es daran, daß ich nur langsam lerne, oder vielleicht hat vor kurzem etwas mein Bewußtsein bis zu einem Punkt angeregt, wo all die Echos von Gedanken etwas Neues in mir geweckt haben — ein Gefühl vom Selbst, das ich vorher nicht besaß, ein Wissen um Abstand, meines Getrenntseins von Dingen, die nicht-ich Sind. Wenn dies der Fall ist, möchte ich gerne glauben, daß es mit dem Grund meines Seins zu tun hat. Gleichfalls habe ich seit kurzem zu fühlen begonnen, daß ich einen Grund haben sollte, um zu sein, daß es wichtig ist, daß ich einen Grund habe, um zu sein. Allerdings habe ich keine Ahnung, welcher dies sein könnte.
Es wurde gesagt — wieder vor kurzem — , daß dieser Ort von Geistern heimgesucht wird. Aber ein Geist, so wie ich es verstehe, ist ein nicht-physisches Überbleibsel von jemand oder etwas, der oder das einmal in einer festeren Form existiert hat. Einem solchen Wesen bin ich während meiner Streifzüge durch diesen Ort niemals begegnet,
obwohl mir unlängst in den Sinn gekommen ist, daß diese Bezeichnung auf mich selbst in meinen greifbaren Momenten passen könnte. Trotzdem, ich glaube nicht, daß ich ein Geist bin, denn ich habe keine Erinnerung an die erforderliche frühere Existenz. Natürlich ist es schwierig, in einer solchen Sache sicher zu sein, denn ich weiß nicht, welche
Gesetze in einem derartigen Fall gelten. Und das ist ein anderer Bereich der Existenz, dessen ich
mir erst vor kurzem bewußt geworden bin: Gesetze — Beschränkungen, Zwänge, Gebiete der Freiheit ... Sie scheinen überall zu sein, von dem Tanz der kleinsten Partikel bis zur Drehung der Welt, was vielleicht der Grund ist, weshalb ich ihnen früher so wenig Beachtung schenkte. Das Allgegenwärtige bleibt fast unbemerkt. Es ist so einfach, im Strom des Gewohnten dahinzufließen, ohne darüber nachzudenken. Es mag sehr wohl sein, daß erst das
Auftauchen des Ungewohnten diese Fähigkeit in mir weckte und zugleich die Erkenntnis meiner Existenz.
Dann, außerdem in Übereinstimmuing mit den Gesetzen, deren ich mir bewußt geworden bin, habe ich ein Phä-
nomen beobachtet, das ich als die »Beständigkeit der Form« bezeichne. Die zwei Männer, die redend in dem Raum sitzen, wo ich wie eine sich langsam drehende, vollkommen durchsichtige Wolke hänge, eine Armeslänge vor dem höchsten Bücherregal nahe dem Fenster — diese beiden Männer sind nach ähnlichen Richtlinien der Symmetrie geformt, obwohl ich mir vieler Unterschiede innerhalb dieser Grenzen bewußt bin; und die Wellenveränderungen,
die sie in der Luft hervorrufen, wenn sie sich miteinander verständigen, sind ebenfalls relativ gleichförmige Dinge, die eigenen Regeln folgen oder ihnen unterliegen. Und wenn ich sehr genau aufpasse, bemerkte ich sogar ihre Gedanken vor oder nach diesen Veränderungen. Auch sie 8
scheinen einem Muster zu folgen, wenn auch auf einer sehr viel komplexeren Ebene. Daraus scheint zu folgern, daß, wäre ich ein Geist, etwas von meiner früheren Form übriggeblieben sein müßte. Aber ich bin ohne feste Gestalt, fähig, mich in großem Maßstab auszudehnen oder zusammenzuziehen, alles zu durchdringen, was mir bis jetzt begegnet ist. Und es gibt keinen bestimmten Zustand, zu dem ich mich gezwungen
fühle zurückzukehren. Zusammen mit meinem wachsenden Bewußtsein von Identität und meiner Unwissenheit über das, was ich bin, fühle ich noch etwas anderes: eine Sicherheit, daß ich
unvollständig bin. Etwas in mir fehlt, und das, sollte ich es entdecken, könnte sehr wohl den Grund meines Seins darstellen, nach dem ich so verlange. Es gibt Zeiten, in denen fühle ich mich, als hätte ich, in gewisser Weise, lange geschlafen und wäre erst kürzlich von der Unruhe an diesem Ort geweckt worden — geweckt, um mich einer wich-
tigen Information beraubt zu finden. (Den Begriff »beraubt« habe ich erst vor kurzem gelernt, da einer der Männer, die ich gerade beobachtete, ein Dieb ist.) Wenn ich jemals Vollständigkeit erreichen will, scheint es, daß ich mich selbst auf die Suche danach begeben muß. Ich nehme an, daß ich mir, für den Augenblick, den Grund meiner Existenz als Ziel dieser Suche setzen sollte. Ja. Selbsterkenntnis, die Suche nach der Identität ... Das wäre ein guter Beginn. Ich frage mich, ob jemals ein anderes Wesen ein solches Problem gehabt hat. Ich werde genau aufpassen, was die Männer sagen. Ungewißheit liebe ich nicht. Pol Detson hatte die Figuren in einer Reihe auf dem vor ihm stehenden Tisch aufgebaut. Er war ein junger Mann, trotz der weißen Strähne in seinem Haar. Er beugte sich vor
und streckte eine Hand in ihre Richtung. Er bewegte sie langsam, strich mit den Fingerspitzen über die gesamte Gruppe, vor und zurück, jede einzelne juwelenbesetzte Figur umkreisend. Schließlich seufzte er und richtete sich auf. Er ging durch das Zimmer zu dem kleineren, schwarz-
gekleideten Mann, der das linke Bein über die Armlehne seines Sessels gelegt hatte und in jeder Hand ein gefülltes
Weinglas schwenkte. Er nahm eines entgegen und hob es an die Lippen. »Nun?« fragte ihn der kleinere Mann, Samtfinger mit Namen und ein Dieb, als er das Glas wieder senkte. Pol schüttelte den Kopf, rückte einen Sessel so zurecht, daß er Samtfinger und die Figuren im Auge hatte und setzte sich. »Eigenartig«, meinte er endlich. »Beinahe alle Dinge senden ein Band aus, etwas, an dem man sie halten kann, selbst wenn man darum kämpfen muß, selbst wenn es nur gelegentlich der Fall ist.« »Vielleicht ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.« Pol beugte sich vor, stellte sein Glas auf den Tisch. Er prüfte die Geschmeidigkeit seiner Finger, legte sie mit den Spitzen zusammen und begann sie mit kleinen, kreisenden Bewegungen gegeneinanderzureiben. Nach vielleicht einer halben Minute löste er sich aus dieser Haltung und wandte sich den Figuren zu. Er wählte die zunächststehende Statuette — schmal, weiblich, mit einem roten Stein gekrönt, die Hände unter den Brüsten gefaltet — und schien sie mit etwas zu umhüllen, obwohl Samtfinger keinen Stoff oder dergleichen bemerken konnte. Endlich bewegten sich seine Finger, als knüpften sie eine Reihe von Schlingen in ein nicht vorhandenes Band. Dann trat er zurück und setzte sich wieder, wobei er seine Hände vor sich hielt, wie ein Angler, der Schnur ausgibt. Eine geraume Weile saß er bewegungslos. Dann ruckten die Finger auf dem Tisch ein wenig, und er ließ die Hände sinken. »Zwecklos«, sagte er, rieb sich die Augen und griff nach seinem Weinglas. »Ich kann sie scheinbar nicht in den Griff bekommen. Sie haben keine Ähnlichkeit mit irgend etwas, das ich kenne.« »Sie sind etwas Besonderes, das stimmt«, bemerkte Samtfinger, »wenn man den Tanz bedenkt, den sie mit mir aufgeführt haben. Und nach den Kostproben zu urteilen, 10
die sie dir auf dem Amboßberg gegeben, glaube ich, daß sie in diesem Augenblick zu dir sprechen könnten — wenn sie
wollten.« »Ja. Sie waren hilfreich genug - in gewissser Weise - an jenem Tag. Ich frage mich, warum sie sich jetzt zu sprechen weigern?« »Vielleicht haben sie nichts zu sagen?«
Ich war verwirrt durch die Art, in der diese Männer von den sieben kleinen Statuen auf dem Tisch sprachen, als wären sie lebendig. Ich schwebte näher heran und untersuchte sie. Ich hatte beobachtet, wie Ströme der Kraft von den Fingerspitzen des Mannes Pol zu ihnen übergingen, kurz nachdem er von »Bändern« gesprochen und seine Gesten vollführt hatte. Gleichfalls hatte ich ein Pulsieren von Macht an seinem rechten Unterarm bemerkt, wo er das seltsam beunruhigende Mal eines Drachen trug — ein Zeichen von dem ich fühle, daß ich mehr darüber wissen sollte, als es der Fall ist -, aber ich hatte keine Bänder gesehen. Noch war mir irgendeine Reaktion der Figuren aufgefallen, bis auf den kleinen Ruck der einen, als sie die Hülle der Macht abschüttelte. Ich lagerte mich über ihnen, konzentrierte mich, spürte die Beschaffenheit der verschiedenen Materialien, aus denen sie geformt worden waren. Kalt, leblos. Es waren nur die Worte der Männer, die sie mit einem Geheimnis umgaben. Während ich diese Untersuchung ihrer Oberflächenbeschaffenheit fortsetzte, zog ich mich noch mehr zusammen und beschränkte mich jetzt auf die Figur, die Pol für einen Moment gebunden hatte. Mein Handeln erfolgte dann im gleichen Augenblick wie mein Entschluß: ich begann in sie einzuströmen, floß durch die winzigen Öffnungen ... Die Hitze! Es war unbeschreiblich, dieses sengende Gefühl, das mein Selbst erfüllte. Mich ausdehnend, den Raum erfüllend, in die Nacht flüchtend, wußte ich, daß es sich um jenes Ding handeln mußte, das man als Schmerz bezeichnete. Ich hatte es niemals zuvor erfahren und hatte nicht den Wunsch, es noch einmal zu spüren. 11
Ich bemühte mich um immer größere Ausdehnung, denn darin lag ein Maß an Linderung. Pol hatte mit seiner Meinung über die Figur recht gehabt. Sie war irgendwie lebendig. Sie wünschte nicht, gestört zu werden. Außerhalb der Mauern Rondovals begann der Schmerz nachzulassen. Ich fühlte eine Regung in mir ... etwas, das schon immer dagewesen war, aber erst jetzt an die Oberflä-
che des Bewußtseins trieb ... »Was war das?« fragte Pol. »Es hörte sich an wie ein Schrei, aber ...« »Ich habe nichts gehört«, antwortete Samtfinger und richtete sich auf. »Aber ich fühlte gerade einen Schlag, als hätte mich jemand berührt, der gerade über einen dicken Teppich gegangen war, nur stärker, länger ... ich weiß nicht. Es machte mich frösteln. Vielleicht hast du irgend etwas aufgestört, durch dein Herumspielen mit dieser Statue.« »Vielleicht«, meinte Pol. »Einen Augenblick lang schien es, als wäre etwas Fremdes hier in demselben Raum mit uns.« »Es muß eine Menge ungewöhnlicher Dinge in diesem alten Gemäuer geben — da sowohl dein Vater als auch deine Mutter praktizierende Magier waren. Gar nicht zu reden von deinen Großeltern und den ihren.« Pol nickte und nippte an seinem Wein. »Es gibt Zeiten, in denen ich mir sehr deutlich meiner mangelnden formalen Ausbildung auf diesem Gebiet bewußt bin.« Er hob seine rechte Hand ein wenig über Schulterhöhe, streckte seinen Zeigefinger aus und vollführte rasch einige knappe, kreisende Bewegungen. Ein Buch in einem Einband aus Leder unbestimmbarer Herkunft erschien plötzlich in seiner Hand, zwischen den Seiten ragte als Lesezeichen eine grauweiße Feder hervor. »Das Tagebuch meines Vaters«, erklärte er, legte den Band auf die Knie und schlug ihn an der bezeichnenten Stelle auf. »Also hier«, sagte er, fuhr mit dem Finger die
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rechte Seite hinunter, hielt inne und las, »berichtet er, wie er einen feindlichen Zauberer besiegte und vernichtete und
seinen Geist in eine der Statuen bannte. An anderer Stelle erzählt er von einigen der übrigen. Aber alles, was er zum Schluß sagt, ist: >Es wird sich als nützlich für die Aufgabe erweisen, die auf mich zukommt. Wenn sechs den Wächter nicht bezwingen, werde ich sieben haben oder gar acht.< Offensichtlich hatte er etwas ganz Bestimmtes im Sinn. Unglücklicherweise hat er es nicht dem Papier anvertraut.« »Weiter hinten vielleicht?« »Ich werde wieder einmal lange aufbleiben und lesen. In den letzten Monaten habe ich mir Zeit damit gelassen, denn es ist kein angenehmes Buch. Er war kein sehr netter Bursche.« »Das weiß ich. Aber es ist gut, daß du es durch seine eigenen Worte erfährst.« »Diese Bemerkung über die Bezwingung des Wächters hat sie für dich irgendeine Bedeutung?« »Absolut nicht.« »Ein guter Zauberer würde einen Weg finden, um aus den hier verfügbaren Gegenständen die Antwort zu erfahren, da bin ich sicher.« »Ich nicht. Diese Dinge scheinen außergewöhnlich mächtig zu sein. Was deine eigenen Fähigkeiten betrifft, so scheinst du es recht weit gebracht zu haben, auch ohne Ausbildung. Ich würde eine ganze Menge geben, um diesen Büchertrick ausführen zu können — mit, na, irgend jemandes Juwelen. Wo hast du es überhaupt hergeholt?« Pol lächelte. »Ich wollte es nicht herumliegen lassen, also sicherte ich es mit einem goldenen Band und befahl ihm, sich an einen jener unbestimmbaren Orte zwischen den Welten zu begeben, wie ich sie auf meiner Reise hierher sah. Es verschwand, aber wann immer ich darin lesen will, ziehe ich nur an dem Band und rufe es herbei.« »Götter! Dasselbe könntest du mit einer Rüstung tun, einem Ständer voller Waffen, einem Jahresvorrat an Lebensmitteln, deiner gesamten Bibliothek! Du könntest dich selbst unüberwindlich machen!« Pol schüttelte den Kopf. 13
»Ich fürchte, nein«, sagte er. »Das Buch und der Verzerrer sind alles, was ich dort aufbewahre, denn von keinem von beiden möchte ich, daß sie in fremde Hände fallen. Wäre ich auf Reisen, könnte ich noch meine Gitarre dazutun. Nur wenig mehr und es würde zu einer Last. Ihr Gewicht wird irgendwie meinem eigenen hinzugefügt. Es ist, als würde ich alles, was ich dorthin schicke, mit mir herumtragen.« »Also dahin ist der Verzerrer verschwunden. Ich erinnere mich, daß du ihn entdeckt hast, an jenem Tag, als wir zum Amboß zurückkehrten ...« »Ja, fast wünschte ich, wir hätten es nicht getan.« »Du konntest nicht wirklich darauf hoffen, seinen Leichnam oder dein Szepter aus diesem Krater zu retten.« »Nein, das meinte ich nicht. Es war nur der Anblick all dieser — Zerstörung — der mich belastete. Ich ...« Er schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Sessels. »Verdammt seien diese Statuen! Manchmal scheint es, als steckten sie hinter allem! Wenn ich sie nur zur — Hölle
schicken könnte!« Er leerte sein Glas und stand auf, um es wieder zu füllen. Das Gefühl verebbte. Dieses Erlebnis gefiel mir nicht. Das Zimmer und seine Insassen waren jetzt winzig in der Wolke meiner selbst, und neue Ungewißheiten waren aufgetaucht: Ich wußte nicht, was es gewesen war, das meinen Schmerz verursacht hatte, noch, wie dieser Effekt zustande kam. Ich hatte den Eindruck, daß ich diese Dinge lernen sollte, um sie in Zukunft vermeiden zu können. Ich wußte nicht, wie ich weiter vorgehen sollte. Außerdem hatte ich den Eindruck, daß es mir nützen konnte, herauszufinden, wie ich diesen Effekt in anderen bewirken konnte, um sie zu bezwingen, mich in Ruhe zu lassen. Wie konnte ich das erreichen? Wenn es eine Möglichkeit der Verbindung gab, mußte sie nach beiden Seiten wirksam werden können, sobald ich mir die Technik angeeignet hatte ... Wieder dieses Aufflammen von Erinnerung. Aber ich wurde abgelenkt. Jemand näherte sich der Burg. Es war ein
einzelner Mensch, männlichen Geschlechts. Ich war mir dieses Unterschiedes wegen meiner Vertrautheit mit dem Mädchen Nora bewußt, die eine Zeitlang in der Burg gewohnt hatte, bevor sie zu ihren eigenen Leuten zurück-
kehrte. Dieser Mann trug einen braunen Umhang und dunkle Kleidung. Er kam aus Nordwesten, auf einem minderen Artgenossen der Drachen, die unter der Burg hausten. Sein Haar war blond und an manchen Stellen weiß. Er
trug ein kurzes Schwert. Er kreiste. Er konnte das Signal des einen erleuchteten Raumes nicht übersehen. Er begann herabzugleiten, wie ein Blatt oder Ascheflöckchen im Wind. Ich nahm an, daß er am anderen Ende des Burghofes landen würde, außer Sichtweite des Fensters der Bibliothek. Ja. In dem Zimmer sprachen die Männer über die Schlacht
an dem Ort namens Amboßberg, wo Pol seinen Stiefbruder Mark Marakson vernichtete. Pol, das habe ich herausgefunden, ist ein Magier, und Mark war etwas anderes, ähnlich zwar, aber entgegengesetzter Art. Ein Magier ist einer, der Kräfte lenkt, wie ich es Pol mit der Statue und dem Buch tun sah. Jetzt erinnere ich mich schwach eines anderen Zauberers, Sein Name war Det. »... Du hast zu lange über den Figuren gebrütet«, sagte Samtfinger. »Gäbe es eine offensichtliche Antwort, hättest du sie inzwischen gefunden.«
»Ich weiß«, erwiderte Pol. »Deshalb halte ich ja Ausschau nach etwas weniger Offensichtlichem.« »Ich besitze kein besonderes Wissen über Magie«, bemerkte Samtfinger, »aber mir kommt es vor, als läge das Problem nicht gänzlich auf diesem Gebiet.« »Wie meinst du das?« »Tatsachen, Mann. Du hast nicht genug simple, altmodische Informationen, um sicher zu sein, mit was du es hier zu tun hast und wie du es anpacken mußt. Du hast einige Monate Zeit gehabt, diese Bibliothek zu durchstöbern, jedes magische Spiel, das du dir ausdenken konntest, mit diesen steifen Puppen zu spielen. Wäre die Antwort auf 15
diese Art zu finden, hättest du sie entdeckt. Aber sie liegt einfach nicht hier. Du wirst irgendwo anders suchen müs-
sen.« »Wo?« fragte Pol. »Wenn ich das wüßte, hätte ich es längst gesagt. Zwanzig Jahre lang bin ich von der Welt, die ich kenne, getrennt gewesen. Sie muß sich unterdessen ein wenig verändert haben. Deshalb bin ich kaum der geeignete Mann, Ratschläge zu erteilen. Aber du weißt, daß ich nur hierbleiben wollte, bis ich mich von meiner Verwundung erholt hatte. Schon seit einiger Zeit fühle ich mich wieder gesund. Nur deinetwegen bin ich noch nicht abgereist. Es gefällt mir nicht, mitanzusehen, wie du dich Tag für Tag mit einem verrückten Geheimnis herumschlägst. Es gibt genug halbirre Zauberer auf der Welt, und meiner Ansicht nach ist das genau die Richtung, in die du treibst — ganz von der Möglichkeit zu schweigen, daß du etwas auslösen könntest, das dich auf der Stelle umbringt. Ich glaube, du mußt einmal rauskommen, weg von dem Problem. Du hast gesagt, daß du mehr von dieser Welt sehen willst. Dann tu es jetzt. Komm mit mir - morgen. Wer weiß? Vielleicht stöberst du auf deinen Reisen einige der Informationen auf, die du suchst.« »Ich weiß nicht«, setzte Pol an. »Ich möchte reisen, aber — morgen?« »Morgen.« »In welche Richtung würden wir gehen?« »Zur Küste, habe ich mir gedacht und dann in nördlicher Richtung daran entlang. In Hafenstädten kann man eine Menge Neuigkeiten aufschnappen ...« Pol hob die Hand und neigte den Kopf. Samtfinger nickte und stand auf. »Arbeitet dein Warnsystem noch?« flüsterte er. Pol nickte und wandte sich zur Tür. »Dann kann es kein ...« Das Geräusch wiederholte sich, und gleichzeitig erschien die Gestalt eines lächelnden, hellhaarigen Mannes unter der Tür.
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»Guten abend, Pol Detson«, sagte er, hob die Hand und vollführte einige ruckartige Gesten, »und Lebwohl.« Pol fiel auf die Knie, sein Gesicht plötzlich dunkelrot. Samtfinger umrundete den Tisch. Eine der Statuen ergrei-
fend und wie eine Keule haltend, näherte er sich dem Fremden mit dem braunen Umhang.
Der Mann machte eine knappe Bewegung mit der rechten Hand, und der Dieb wurde zurückgestoßen, herumgewirbelt und gegen die nächste Wand geschleudert. Die Sta-
tue entglitt seiner Hand, als er zu Boden sank. Während das geschah, hob Pol beide Hände an den Kopf und stemmte sie dann gegen einen unsichtbaren Widerstand. Sein Gesicht nahm langsam wieder eine normale Färbung an, als er auf die Füße kam. »Ich könnte fragen >Warum?hübsch