JAMES BLISH
RÜCKKEHR ZUM MORGEN Aus dem Amerikanischen übertragen von Mechtild Sandberg-Ciletti
GOLDMANN
Die amerik...
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JAMES BLISH
RÜCKKEHR ZUM MORGEN Aus dem Amerikanischen übertragen von Mechtild Sandberg-Ciletti
GOLDMANN
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Star Trek® 9« bei Bantam Books, New York Der Goldmann Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann Genehmigte Taschenbuchausgabe
Copyright © der Originalausgabe 1973 by Bantam Books, Inc. and Paramount Pictures Corporation Published by arrangement with Bantam Books, Inc. New York Adapted by James Blish, based on the television series created by Gene Roddenberry ® designates a trademark of Paramount Pictures Corporation registered in the United States Patent and Trademark Office Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 1988 by Wilhelm Goldmann Verlag, München Umschlaggestaltung: Design Team, München Umschlagillustration: Oliviero Berni/Agt. Schlück Satz: IBV Satz- und Datentechnik, Berlin Druck: Eisnerdruck, Berlin Verlagsnummer: 23739 V. B. Herstellung: Peter Papenbrok Printed in Germany ISBN 3-442-23739-4
Sechs weitere Abenteuer mit der Mannschaft der Enterprise: Captain Kirk, Spock, »Pille« McCoy und die anderen tauschen ihre Körper mit einer fremden Intelligenz, sie verfolgen ein Gaswesen auf einen verlassenen Planeten, und sie erforschen eine rätselhafte Dunkelzone…
Rückkehr ins Morgen Die Signale kamen von einem Sternensystem unmittelbar vor der Enterprise und sie lösten das totale Chaos aus. Die Notaggregate des Raumschiffs waren aktiviert worden. Sämtliche Kommunikationskanäle waren in Mitleidenschaft gezogen. Sogar eine Aufforderung, den Signalen zu folgen, war ausgemacht worden, aber ein deutliches Signal hatte man nicht empfangen. Und doch war eines klar: Jemand oder etwas bemühte sich, die Aufmerksamkeit der Enterprise auf sich zu ziehen. Wer? Oder Was? Das waren die Fragen. Drüben auf Spocks Station sagte Kirk: »Nun?« »Ich weiß es nicht, Captain.« Kirk lächelte trotz seiner Ungeduld. »Solche Worte habe ich von Ihnen noch nie gehört, Mr. Spock.« »Nicht einmal ein Vulkanier kann das Unbekannte kennen, Sir«, versetzte Spock förmlich. »Wir haben die bislang von irdischen Raumschiffen erforschten Gebiete Hunderte von Lichtjahren hinter uns gelassen.« »Planet voraus, Captain«, rief Sulu. »Wird sichtbar.« Auf dem Bildschirm zeigte sich ein Planet, der völlig tot zu sein schien; zerklüftet, geschrumpft, ein treibender Kadaver von einer Welt. Uhura hob den Kopf von ihrer Konsole. »Der Planet ist die Quelle der Signale, die wir empfangen haben, Sir.« Den Kopf über den verdeckten Bildschirm geneigt, sagte Spock: »Ein Planet Klasse M, Sir. Sphäroid, an den Polen abgeflacht, Verhältnis eins zu zwohundertsechsundneunzig. Mittlere Dichte 5,53. Masse null Komma neun.« Er schwieg einen Moment. »Starke Ähnlichkeit mit Erdbedingungen, allerdings mit zwei gravierenden Unterschieden: Dieser Planet ist weit älter als die Erde, und seine Atmosphäre wurde vor
ungefähr einer halben Million Jahre von einer gewaltigen Katastrophe zerstört. Die Sensoren können keinerlei Anzeichen von Leben entdecken.« Völlig unerwartet erscholl auf der Brücke eine tiefe, volltönende Stimme von beeindruckender Klangfülle. »Captain Kirk«, klang es aus dem Nichts, »alle Ihre Fragen werden zu gegebener Zeit beantwortet werden.« Die Menschen auf der Brücke starrten auf den Bildschirm, Kirk drehte sich nach Uhura um und sagte: »Sind Ihre Frequenzen wieder frei, Leutnant?« »Nein, Sir.« Unterdessen waren sie an dem Planeten vorbeigezogen. Die Augen immer noch auf den Bildschirm gerichtet, befahl Kirk: »Behalten Sie den gegenwärtigen Kurs bei, Mr. Sulu.« Wieder erklang die volltönende Stimme. »Ich bin Sargon. Die Energie meiner Gedanken hat Ihre Instrumente erfaßt und Sie hierher dirigiert.« »Können Sie mich hören?« fragte Kirk. »Wer sind Sie, Sargon?« »Bitte gehen Sie auf Standard-Umlaufbahn um unseren Planeten, Captain.« »Ist das eine Bitte oder ein Befehl?« erkundigte sich Kirk. »Das liegt ganz bei Ihnen. Ich kann Ihre Gedanken lesen – Worte sind überflüssig.« »Wenn Sie meine Gedanken lesen können, dann müssen Sie wissen, daß ich mich augenblicklich frage, wer und was Sie eigentlich sind. Der Planet, den wir soeben passiert haben, ist tot. Leben in dem Sinn, wie wir es verstehen, ist dort nicht möglich.« »Und ich«, tönte die tiefe Stimme, »bin so tot wie mein Planet. Macht Ihnen das Angst, Captain? Wenn das der Fall ist, werden Sie das, was von mir übrig ist, sterben lassen.« Ein
feierlicher Ernst war in die Stimme getreten. »Dann aber werdet ihr alle, meine Kinder – wird die ganze Menschheit…« Die Stimme verklang, als das Raumschiff aus der Reichweite des Planeten hinausschoß. Sulu wandte sich an Kirk. »Weiter Fahrt voraus, Sir«, fragte er, »oder soll ich das Schiff wenden?« Kirk sah, daß aller Augen auf ihn gerichtet waren. Dann sprach Spock. »Es gibt nur eine mögliche Erklärung, Sir. Reines Denken, die Emanationen eines ungeheuer machtvollen Geistes.« Kirk ging von seinem Sessel zum Hauptbildschirm. »Ganz gleich, was es ist, wir sind jetzt außerhalb seiner Reichweite.« »Und außer Gefahr«, bemerkte Spock trocken. »Sie würden also nicht meinen, daß wir wenden sollten?« »Wenn ein Geist von solcher Macht es darauf anlegen sollte, uns Schaden zuzufügen, hätten wir keine Hoffnung auf Gegenwehr oder Entkommen.« »Er nannte mich – uns ›meine Kinder‹« meinte Kirk. »Was kann das bedeuten?« »Da kann ich nur wieder antworten, ich weiß es nicht, Sir.« Kirk setzte sich in seinen Sessel und starrte mit gerunzelter Stirn vor sich hin. Dann hellte sein Gesicht sich auf. »Gut«, sagte er. »Wenden Sie das Schiff, Mr. Sulu. Gehen Sie auf Standard-Umlaufbahn um den Planeten.« Der tote Planet erschien wieder auf dem Bildschirm und wurde größer. Er hatte die Farbe erloschener Asche. Sulu sagte: »Wir schwenken jetzt in Standard-Umlaufbahn ein, Captain.« Kirk nickte, die Augen auf den Bildschirm gerichtet. Dann drückte er auf den Knopf seines Recorders und diktierte: »Da die Erforschung fremder intelligenter Wesen und die Kontaktaufnahme zu ihnen unsere Hauptaufgabe ist, habe ich beschlossen, trotz der potentiellen Gefahren, die unsere
derzeitige Situation in sich birgt, den Kontakt zu diesem seltsamen Planeten erneut aufzunehmen. Ende der Logbucheintragung.« Er schaltete den Recorder aus und wandte sich an Uhura. »Wann wird das Sternenflottenkommando diese Meldung empfangen?« »Bei dieser Entfernung dauert das mehr als drei Wochen, Sir. Und anderthalb Monate, bis wir die Rückantwort erhalten.« Kirk stand von seinem Sessel auf und ging zu Spock hinüber, der mit flinken Fingern an verschiedenen Knöpfen seiner Konsole drehte. »Tut sich was?« fragte Kirk. »Die Sensoren fangen eine Art von Energie auf, Sir – tief im Inneren des Planeten.« Wieder meldete sich Sargons volltönende Stimme. »Ihre Sonden haben mich berührt, Mr. Spock.« Spock sah zu Kirk auf. »Ich kann nur Energie ablesen, Sir. Keine Form von Leben.« Und wieder sprach Sargon. »Ich habe Ihr Transportergerät auf meine Koordinaten eingestellt. Bitte kommen Sie zu uns. Retten Sie uns vor dem Vergessen.« Mit ungerührter Miene hob Spock den Kopf. »Die Energiequelle befindet sich tief unter der Oberfläche des Planeten, Captain – in einer Tiefe von mindestens hundert Meilen. Und alles hartes Felsgestein.« Kirk sagte: »Da ist mit Beamen nichts – « Sargon entgegnete auf die nur halb ausgesprochene Überlegung. »Ich werde es möglich machen, daß Ihr Transportergerät Sie so tief unter die Oberfläche beamt. Haben Sie keine Sorge.« Spock bemerkte, auf den Bildschirm konzentriert: »Ich mache eine unterirdische Kammer aus, Sir. SauerstoffStickstoff-Gemisch, zur Erhaltung menschlichen Lebens geeignet.«
Kirk überlegte einen Augenblick. Dann wandte er sich an Uhura. »Leutnant, bitten Sie Dr. McCoy, sich in zehn Minuten mit Standard-Landeausrüstung im Transporterraum bereitzuhalten.« »Jawohl, Sir.« »Captain«, sagte Spock, »es würde mich unheimlich interessieren, diese Wesenheit, oder wie man es sonst nennen mag, die eine halbe Million Jahre überlebt hat, näher zu inspizieren: dieses Wesen, das die totale Vernichtung seines Planeten überlebt hat.« Kirk legte ihm die Hand auf die Schulter. »Und ich hätte meinen Wissenschaftsoffizier auf einer so ungewöhnlichen Expedition nur zu gern dabei; aber es gibt dabei so viele Unbekannte, Mr. Spock, da können wir es nicht riskieren, beide zugleich das Schiff zu verlassen.« Plötzlich versank die Brücke in nächtlicher Finsternis und das Summen der Kontrollgeräte brach schlagartig ab. Sulu drückte einen Hebel herunter. »Die Energie ist weg, Sir. Total weg!« In der tiefen Stimme hatte keine Drohung gelegen. Ein Bitten eher, ja – aber keine Drohung. Kirk zog nachdenklich die Brauen zusammen. »Vielleicht«, meinte er, »möchte dieser ›Sargon‹, daß Sie mich begleiten, Mr. Spock.« Sofort gingen die Lichter an, das Summen der Geräte war wieder zu hören. Sulu überprüfte seine Instrumente und rief: »Alles normal, Sir. Keinerlei Schäden feststellbar.« »Na schön«, sagte Kirk, »dann ist es entschieden. Mr. Spock, Sie kommen mit.« Auf dem Weg zum Lift drehte er sich kurz um und bemerkte knapp: »Mr. Sulu, Sie haben das Kommando.«
Eine schlanke junge Frau mit dunklem Haar war mit McCoy in den Transporterraum gekommen. Kirk kannte sie – Korvettenkapitän Anne Mulhall, Astrobiologin, eine schöne Frau mit tiefblauen Augen unter rabenschwarzem Haar. Es war ihm gar nicht mehr bewußt gewesen, daß sie eine solche Schönheit war. Von zwei Wachposten flankiert, senkte sie den Blick, um ihre Ausrüstung zu überprüfen, und sah auch nicht auf, als McCoy etwas scharf sagte: »Jim, wieso gab es keine Einsatzbesprechung? Ich hätte wenigstens gern gewußt – « »Reg dich nicht gleich auf, Pille«, unterbrach Kirk. »Wenn du weißt, daß ›da unten etwas ist‹, dann weißt du so viel wie wir. Der Rest ist Spekulation.« Scott, der an der Transporterkonsole saß, warf ein: »Mir gefällt das gar nicht, Captain. Ihre Koordinaten wurden von einem fremden Wesen unbekannter Spezies vorprogrammiert. Da könnte es Ihnen passieren, daß Sie mitten in härtestem Felsgestein materialisieren.« »In Felsgestein?« rief McCoy entsetzt. Spock, der neben Scott getreten war, entgegnete: »Unwahrscheinlich, Doktor. Die Koordinaten bezeichnen eine Kammer, die von den Sensoren auf der Brücke erfaßt wurde.« »Meiner Meinung nach«, fügte Kirk hinzu, »könnten ›es‹ oder ›sie‹ uns jederzeit vernichten, auch jetzt, in diesem Moment, wenn sie das wollten, Mr. Scott.« Zum erstenmal mischte sich Anne in die Diskussion. »›Sie‹ oder ›es‹?« wiederholte sie fragend. Kirk sah sie an. »Korvettenkapitän, darf ich fragen, was Sie hier in diesem Raum zu tun haben?« »Ich erhielt den Befehl, mich der Landeexpedition anzuschließen, Sir.« »Von wem?« »Ich – « Sie lächelte. »Es ist merkwürdig, Sir. Ich weiß selbst nicht.«
Einen Augenblick lang schwieg sie. Dann fügte sie errötend hinzu: »Ich lüge nicht, Captain. Ich habe tatsächlich den Befehl erhalten, mich hier einzufinden.« Spock mischte sich ein. »Ich bin sicher, daß das stimmt, Captain. Ebenso wie Sie Befehl erhielten, mich mitzunehmen.« Kirk nickte, und McCoy sagte: »Kommen wir noch mal auf diesen Felsen zurück. Durch wieviel Fels müssen wir denn durch?« Er bekam die Antwort von Spock. »Die Kammer befindet sich genau einhundertzwölf Komma siebenunddreißig Meilen unter der Oberfläche, Doktor.« »Meilen?« echote McCoy perplex. »Das kann doch nur ein Witz sein, Jim.« Doch Kirk war schon dabei, seinen Begleitern ihre Positionen auf der Transporterplattform zuzuweisen. Sie hatten gerade ihre Plätze eingenommen, als die Lichter an der Konsole plötzlich aufflammten und Sargons Stimme erscholl. »Bitte halten Sie sich bereit. Ich werde die Instrumente betätigen.« Mit einem Blick auf McCoys entsetztes Gesicht sagte Kirk: »Wenn du lieber hier bleiben möchtest, Pille – « »Nein, nein«, entgegnete McCoy hastig. »Wenn ich von Nutzen sein kann, und vielleicht werde ich da unten ja gebraucht… Da du ja runterbeamst, Jim…« Er zuckte die Achseln. »Ich kann das Wesen ja auf jeden Fall mal aus medizinischer Sicht begutachten.« Kirk trat zu seinen Leuten. »Energie!« rief er Scott zu. Mit dem Beginn der Dematerialisierung zerfielen sie in flimmernde Fragmente. Nur die beiden Wachposten blieben unberührt mit verdutzten Gesichtern stehen. Scott starrte sie verblüfft an, dann trat ein Ausdruck der Beunruhigung in sein Gesicht.
Die ausgewählte Gruppe materialisierte in einem metallischen Gewölbe, einer Art Vorraum, dessen lumineszierende Mauern ein sanft strahlendes Licht von sich gaben. Spock bemerkte als erster das Fehlen der Wachen. Kirk bestätigte seine diesbezügliche Bemerkung mit einem Nicken. »Sie scheinen hier unten nicht erwünscht zu sein«, meinte er, während er zu seinem Kommunikator griff. »Kirk hier, Scotty.« »Verstehen Sie mich, Captain?« »Ja, obwohl das eigentlich in dieser Tiefe unmöglich sein sollte. Aber vielleicht hat man auch das extra für uns so eingerichtet. Sind die beiden Sicherheitsleute oben?« »Ja, heil und unversehrt, Captain. Sie sind einfach nicht dematerialisiert. Irgendwie gefällt mir das nicht, Sir.« »Nun, bis jetzt haben wir hier keine Probleme. Bleiben Sie in Alarmbereitschaft. Captain Ende.« Anne und Spock hatten das Gewölbe mit ihren Tricordern untersucht. »Atmosphärebefund, Captain«, sagte Anne jetzt. »Eine Spur Sauerstoff reicher, als wir gewöhnt sind, ansonsten normal.« Spock hatte mit seinem Tricorder eine Mauer untersucht. »Diese Steinkammer wurde vor etwa einer halben Million Jahren errichtet. Etwa zur gleichen Zeit, als die Planetenoberfläche zerstört wurde.« »Beschaffenheit der Mauer?« »Eine Substanz oder Verbindung, die mir gänzlich unbekannt ist, Sir. Weit stabiler und härter als alles, was ich je untersucht habe.« »Sämtliche Werte liegen jenseits unseres Meßbereichs, Sir«, bemerkte Anne. »Die Luft ist frisch«, stellte McCoy schnüffelnd fest. »Wird offensichtlich irgendwie erneuert.« »Für uns? Oder braucht ›es‹ frische Luft?«
Statt einer Antwort öffnete sich eine der Mauern der Felskammer. Sie fuhren erschrocken zurück. Vor ihnen dehnte sich ein weiter Saal, kahl und leer bis auf eine große Platte aus makellosem weißen Stein, die von vier ebensolchen Säulen getragen wurde. Auf diesem Altar lag eine durchscheinende Kugel, die von innen heraus strahlte. Kirk ging den anderen voraus in den Saal. Doch als Spock mit seinem Tricorder an die Kugel herantrat, um seine Messungen zu machen, hielt ihn Sargons Stimme auf, die nun nicht mehr so volltönend klang, aber immer noch sehr tief war. »Willkommen«, sprach die Kugel. »Ich bin Sargon.« Wieder stellte Spock seinen Tricorder ein. »Sargon, hätten Sie etwas dagegen, wenn ich…?« »Benutzen Sie ruhig Ihren Tricorder, Mr. Spock. Ihre Messungen werden Energie anzeigen, aber keine Materie. In diesem Gefäß ist die Essenz meines Geistes eingeschlossen.« Spock machte seine Messungen. Dann wandte er sich Kirk zu, damit auch dieser die Werte sehen konnte. Kirk quittierte sie mit einem erstaunten Pfeifen. »Unmöglich, Spock! Ein Wesen aus reiner Energie, ohne Materie oder Gestalt.« McCoy richtete das Wort an die Kugel. »Aber früher einmal besaßen Sie doch eine Art von Körper?« »Obwohl unser Geist weit höher entwickelt war, glichen unsere Körper sehr den Ihren, meine Kinder.« »Das ist jetzt das zweite Mal«, warf Kirk ein, »daß Sie uns als Ihre ›Kinder‹ bezeichnen.« »Ja, weil es wahrscheinlich ist, daß Sie unsere Nachfahren sind, Captain. Vor sechstausend Jahrhunderten kolonisierten wir mit unseren Raumschiffen diese Galaxis, geradeso wie Ihre Raumschiffe sie jetzt erforschen. Und so wie Sie Ihre Saat auf fernen Planeten zurücklassen, so ließen wir die unsere zurück.«
Anne protestierte. »Unsere Forschungen weisen darauf hin, daß unser Planet Erde sich selbständig entwickelt hat.« Doch Spock, dessen Miene ungewöhnliche Nachdenklichkeit zeigte, sagte: »Das wäre eine Erklärung für viele Rätsel in der Vorgeschichte von Vulkan.« »Mit Sicherheit läßt sich nichts sagen. Es ist schon so lange her, daß die Aufzeichnungen unserer Reisen in der Katastrophe untergingen, die wir selbst über uns brachten.« »Ein Krieg?« fragte Kirk. »Ein Kampf um die Erringung eines Ziels, bei dem Mächte freigesetzt wurden, die Sie nicht einmal begreifen können.« »Dann war vielleicht Ihre Intelligenz doch nicht ausreichend, Sargon.« Kirk trat auf die leuchtende Kugel zu. »Wir sahen uns zu Beginn des Atomzeitalters mit einer ähnlichen Krise konfrontiert. Aber wir hatten die Weisheit, uns nicht selbst zu vernichten.« »Unser primitives Atomzeitalter überlebten auch wir, mein Sohn. Aber früher oder später kommt es in der Geschichte aller Völker oder Rassen zu einer letzten Krise, die euch noch bevorsteht.« »Ich würde das gern verstehen«, sagte Kirk. »Aber ich begreife nichts.« »Der Geist des Menschen kann so mächtig werden, daß der Mensch sein Menschsein vergißt. Daß er sich einbildet, Gott zu sein.« Alle möglichen Gedanken schossen Kirk durch den Kopf. Sprach diese Wesenheit von der Sünde Luzifers? Unvermittelt verspürte er volles Vertrauen zu Sargon. So vertrauensvoll wie ein Kind vor seine Eltern tritt, trat er vor die Kugel. »Sie sagen, daß Sie Hilfe brauchen. Was können wir für Sie tun?« Ein fremdartiger schriller Ton erfüllte hörbar den Raum. Das Licht in der Kugel pulsierte, wurde immer heller. Dann brach
eine Stichflamme wie eine Fackel aus ihr hervor und bannte Kirk, so daß er nur noch reglos dastehen konnte. Im gleichen Moment verdüsterte sich das Licht in der Kugel zu einem trüben Schimmer. Den anderen war klar, daß die Essenz dessen, das in der Kugel eingeschlossen war, auf Kirk übertragen und in ihm verschwunden war. McCoy wollte vorwärtsstürzen, doch Spock hielt ihn zurück. »Geduld, Doktor. Warten wir einen Augenblick.« Starr und steif, mit geschlossenen Augen stand Kirk da. McCoy schienen Jahrhunderte zu vergehen, ehe er sie endlich öffnete. »Jim«, rief er. »Jim!« Kirk sprach. »Ich bin – Sargon.« Seine Stimme war tiefer geworden. Seine ganze Haltung hatte sich verändert, strahlte die Gelassenheit, die sanfte und doch strenge Würde aus, die einst die Persönlichkeit Sargons gekennzeichnet hatte. »Wo ist unser Captain?« schrie McCoy. »Wo ist Jim Kirk?« »Hier, Pille.« Sargon-Kirks Stimme war so sanft wie die einer Mutter, die ihr erschrecktes Kind beruhigt. »Ihr geliebter Captain ist unversehrt. Ich habe mir für den Augenblick seinen Körper genommen, um Ihnen zu zeigen – « McCoy hatte seinen Phaser gezogen. »Nein! Nein, das kann ich nicht zulassen. Zurück mit Ihnen dahin, wo Sie waren, Sargon, was immer Sie auch sein mögen.« »Was wollen Sie denn mit Ihrem Phaser ausrichten?« fragte Spock in mildem Ton. »Das ist immer noch Jims Körper.« McCoys Schultern erschlafften. Dann beobachtete er, wie Sargon sich langsam Kirks Körpers bewußt wurde. Die Brust wölbte sich; der Kopf hob sich, als der Mund köstliche Luft einsog; die Arme streckten sich – ein Aufschrei kam über Sargon-Kirks Lippen.
»Lungen – Lungen, die wieder den Atem genießen! Augen, die wieder Farben sehen. Ein Herz, das die Adern mit frischem Blut versorgt!« Eine Hand berührte die andere. »Wieder zu fühlen! Nach einer halben Million Jahren!« Sargon-Kirk drehte sich um, ein Lächeln auf den Lippen. »Ihr Captain hat einen prachtvollen Körper, Doktor. Und in hervorragender Verfassung. Mein Kompliment Ihnen beiden.« »Und wie sehen Ihre Pläne für diesen Körper aus?« Spocks Stimme war tonlos. »Können Sie wieder Platz tauschen, wenn Sie es wünschen?« Sargon-Kirk antwortete nicht. Statt dessen trat er zu der schwach schimmernden Kugel. »Haben Sie keine Angst«, sagte er, auf sie deutend. »Ihr Captain ist da drinnen unversehrt.« Der schwache Lichtschein wurde flüchtig etwas heller. »Sehen Sie? Er hört, er nimmt auf und versteht, nimmt alles wahr, was wir tun und sagen. Aber sein Geist ist nicht in der Lage, die Energie hervorzubringen, die notwendig ist, um aus der Kugel zu sprechen, wie ich das tat.« Spock, der mit seinem Tricorder Messungen gemacht hatte, rief scharf: »Doktor!« und McCoy wurde bleich, als er die Werte sah. »Dieses Wesen bringt ihn um!« rief er. »Herzschlag beinahe verdoppelt, Temperatur vierzig Grad!« »Sargon, was wollen Sie von uns?« fragte Spock scharf. Kirks Augen musterten sie schweigend. Dann sprach Sargon. »Im Nebenraum sind noch zwei Gefäße; sie schließen zwei weitere von uns ein, die überlebt haben. Sie, Anne Mulhall, und Sie, Mr. Spock, werden ihnen Ihre Körper geben. Wir brauchen sie. Wir brauchen eure Körper und den Captain Kirks, um wieder zu leben.« Ihnen war allen klar geworden, daß Kirk nicht mehr Kirk war, sondern ein Wesen, das weit stärker und weit weiser war
als sie, von einer beherrschenden Intelligenz, die keiner von ihnen erreichen konnte. Als Kirk-Sargon sie in den Nebenraum winkte, folgten sie ihm gehorsam. Auf den Regalen an den Wänden standen viele Behälter, aber nur zwei leuchteten noch. »Ja, nur zwei von uns leben noch«, erklang die tiefe Stimme Sargons. »Die anderen hat der Tod verdunkeln lassen, doch diese beiden leuchten noch – Hanoch und Thalassa.« Er berührte mit zärtlicher Hand eine der schimmernden Kugeln. »Thalassa, meine Thalassa, ich bin froh, daß du mit mir überlebt hast. Eine halbe Million Jahre – die Wartezeit war fast zu lang.« »Sargon«, sagte Spock, »als es zu dem Kampf kam, durch den Ihr Planet zerstört wurde…« »Einige – die mit dem am höchsten entwickelten Geist – wurden ausgewählt zu überleben. Wir bauten diese Felskammern und konservierten die Essenz unseres Geistes hier auf diese Art.« Wieder berührte er voll Zärtlichkeit die Kugel Thalassas. »Meine Ehefrau, wie Sie vielleicht erraten haben. Und Hanoch von der anderen, der feindlichen Seite. Doch während des Kampfes schon war uns allen unser Irrtum klar geworden.« Er machte eine kurze Pause. »Wir wußten, daß die Saat, die wir auf anderen Planeten ausgestreut hatten, aufgegangen war. Und wir wußten, daß ihr eines Tages Raumfahrzeuge bauen würdet wie wir – daß ihr hierherkommen würdet.« »Welche Aufgabe hatten Sie in der Kugel da draußen?« fragte Spock. »Meinen Geist durch die Himmel schweifen zu lassen – zu suchen, zu forschen, zu warten. Und endlich fand mein Geist etwas – Ihr Schiff, das Sie hierhertrug.« »Damit Sie uns unsere Körper stehlen können!« rief Anne erregt.
Er sah sie an. Die tiefe Weisheit seines Blicks stand in seltsamem Kontrast zu Kirks jungem Gesicht. »Um Ihre Körper zu stehlen? Aber nein! Nein! Ihr mißversteht mich, meine Kinder: sie auszuleihen. Wir bitten euch nur, sie uns für eine kurze Zeit zu leihen.« »Ja, um sie zu zerstören!« schrie McCoy. »Geradeso wie Sie diesen hier in diesem Augenblick ausbrennen! Spock, der Puls beträgt jetzt 262. Der gesamte Stoffwechsel ist gefährlich beschleunigt. Mein Tricorder – « »Ich werde Ihrem Captain seinen Körper zurückgeben, ehe seine Grenzen erreicht sind, Doktor.« »Was soll denn mit diesem Ausleihen unserer Körper erreicht werden?« fragte Spock. »Wir brauchen sie, um – « Sargon-Kirk taumelte plötzlich. Dann faßte er sich wieder. »Wir brauchen eure Hände und eure Finger, um humanoide Roboter zu bauen. Nur so lange wollen wir Ihre Körper ausleihen.« Spock wandte sich den anderen zu. »Ich verstehe«, sagte er. »Sie wollen mechanische Körper für sich konstruieren, die ihren Geist aufnehmen sollen. Sobald das geschafft ist, geben sie uns unsere Körper zurück.« »Wir haben Ingenieure und Techniker«, hielt Anne dem entgegen. »Warum können die nicht die Roboterkörper bauen?« »Nein«, erwiderte Kirk-Sargon. »Unsere Methoden, die erforderlichen Fertigkeiten gehen weit über eure Fähigkeiten hinaus.« Wieder schwankte er, wäre gestürzt, wenn Spock ihn nicht gehalten hätte. Sein Atem ging stoßweise, und Spock mußte sich zu ihm hinunterneigen, um hören zu können, was er sagte. »Es ist – Zeit. Helfen Sie mir zurück – zu – zu Ihrem Captain.« Von Spock und McCoy gestützt stolperte er in den großen kahlen Saal zurück. Mit einer schwachen Bewegung winkte er
sie fort und blieb allein mit geschlossenen Augen vor der trübe schimmernden Kugel stehen. Diesmal schoß die Flamme aus dem fremden Körper Kirks hervor- und plötzlich erstrahlte die Kugel wieder in pulsierendem Leuchten. Die Knie des benutzten Körpers gaben nach. Anne Mulhall stürzte mit ausgestreckten Armen zu ihm hin, umschlang ihn und hielt ihn, während die geschlossenen Lider der Augen sachte flatterten und sich öffneten. »Captain Kirk?« sagte sie zaghaft. Der Kommandant der Enterprise sah sie lächelnd an. »Jim – bist du’s?« rief McCoy. Kirk sprach nicht, er blickte immer noch unverwandt in die saphirblauen Augen. McCoy untersuchte ihn mit seinem medizinischen Tricorder. »Gut – gut. Bestens. Alle Werte wieder normal.« Spock trat zu ihm. »Captain, erinnern Sie sich, was geschah? Haben Sie irgendeine Erinnerung an die Einzelheiten?« »Wie? Ach so, ja. Ja, natürlich. Sargon lieh sich meinen Körper aus.« Er wies auf die Kugel. »Ich war dort, schwebte frei -schwebte in Raum und Zeit.« »Du nimmst das verdammt gelassen hier«, stellte McCoy fest. »Aber es ist dir ja offenbar nichts geschehen – zumindest körperlich bist du intakt.« Kirk, der jetzt wieder ganz der alte war, schien unversehens bewußt zu werden, wie beiläufig er sein außergewöhnliches Erlebnis hinnahm. »Spock, ich erinnere mich jetzt an jede Einzelheit! Als Sargon und ich tauschten, da waren wir einen Herzschlag lang eins. Ich kenne ihn. Ich weiß jetzt genau, was er ist und was er vorhat. Und ich fürchte ihn nicht.« Anne hatte ihn aus ihren Armen gelassen. »Captain, es tut mir leid, aber ich stimme Dr. McCoy zu. Sie könnten unter
seelischen Nachwirkungen dieses Erlebnisses leiden – einer Art Euphorie.« »Es gibt eine Möglichkeit, meinen Eindruck von Sargon zu überprüfen.« Er wandte sich an Spock. »Ich – ich bitte Sie nicht gern darum, Mr. Spock, da ich weiß, was es Sie kostet.« »Vulkanische Bewußtseinsverschmelzung?« fragte McCoy. »Sind Sie dazu bereit, Spock?« Spock ließ sich mit der Antwort Zeit. Doch dann nickte er ernst und begann sich mit tiefen Atemzügen und gründlicher Massage der Brustmuskulatur sorgfältig auf die Strapaze vorzubereiten. Kirk wandte sich der Kugel zu und sagte: »Sargon, wir – « »Ich verstehe. Ich bin bereit.« Dann begann es. Das Leuchten der Kugel wurde noch strahlender, und zugleich wurde Spocks geistige Konzentration einer harten Belastungsprobe ausgesetzt. Sein Atem wurde beinahe röchelnd, seine Nackenmuskeln strafften sich. Worte kamen aus seinem Mund, die an das Gestammel eines Menschen im Traum erinnerten, »…da ist eine Welt… nicht körperlich. Der Geist dehnt sich aus… wächst, um zu erfassen… zu begreifen, was jenseits des Begreifens… wächst – über das Begreifen hinaus… hinaus über… über…« Kirk warf McCoy einen beunruhigten Blick zu. Niemals war es so hart gewesen. Sie stürzten vor, doch Spock selbst riß sich jetzt aus der Verschmelzung. Er holte einmal tief Luft, während er zitternd und schwach mit benommenem Ausdruck dastand. »Spock?« rief Kirk besorgt. In Spocks Stimme lag noch das ehrfürchtige Staunen über ein unbeschreibliches Erlebnis. »Captain, ich kann nicht beschreiben, was ich gesehen habe. Das – das Wissen… die Schönheit vollkommener Vernunft…
die unvorstellbare Güte… die unfaßliche Herrlichkeit zeitloser Weisheit… die reine Güte dessen, was Sargon ist…« Anne brach das Schweigen als erste. »Schönheit? Vollkommene Vernunft? Reine Güte?« Kirk nickte. »Über alle Vorstellungskraft hinaus.« Immer noch tief ergriffen, flüsterte Spock: »Ich – ich brauche Zeit, um alles aufzunehmen, was ich erfahren – was ich gefühlt habe…« »Ja«, sagte Kirk. Instinktiv wandte er sich der Kugel zu. »Sargon«, sagte er. Das Wort hätte auch ›Vater‹ lauten können. »Ich verstehe, mein Sohn. Kehrt zu eurem Schiff zurück. Alle Beteiligten müssen einverstanden sein. Nach all diesen Jahrhunderten können wir ruhig noch ein paar Stunden warten.« McCoy trat zu der Kugel. »Und wenn wir Ihre Wünsche ablehnen?« »Dann könnt ihr so ungehindert gehen wie ihr gekommen seid.« Leonard McCoy konnte das alles nicht mehr begreifen. Er blickte von Spock zu Kirk und kam sich vor wie ein Fremder in einer Welt, die ihm nicht mehr vertraut war. Nie in seinem Leben war er sich seiner selbst so wenig sicher gewesen. »Sie wollen was tun?« Mit ungläubigem Gesicht beugte sich Scott über den Tisch im Besprechungsraum. Kirk, der völlig gelassen neben dem verbissen dreinschauenden McCoy saß, grinste Scott an, und der Chefingenieur schrie hitzig: »Sind die Herren denn noch richtig im Kopf, Doktor?« »Kein Kommentar«, antwortete McCoy. »Es handelte sich um einen simplen Transfer von ihrem Geist und dem unseren, Scotty«, bemerkte Kirk. »Klar, überhaupt nichts dabei«, warf McCoy ein. »So was wird doch jeden Tag gemacht.«
Kirk ignorierte ihn. »Ich möchte Ihre Zustimmung, Scotty. Denn Sie müssen mit ihnen zusammenarbeiten, ihnen die Teile liefern, die sie brauchen, um die Roboter zu bauen. Das heißt, es wird nur so aussehen, als arbeiteten sie mit uns – mit unseren Körpern. Aber sie sind natürlich in unseren Körpern, und wir sind…« Die Erklärung fing an, kompliziert zu werden, und Scottys stählerner Blick brachte Kirk aus der Ruhe. »Wir sind dann in – in ihren Behältern«, schloß er kleinlaut. Es klang ja auch wirklich verrückt. Wo waren die Gelassenheit und Selbstsicherheit Sargons geblieben, an denen er so flüchtig teilgehabt hatte? Er mühte sich, wenigstens einen Funken davon wiederzugewinnen, als McCoy rief: »Ich sag’ Ihnen, wo Sie sein werden, Scotty: In einer Kugel – ja, Sie werden wonniglich in einer Kugel aus Nichts umhertreiben! Obszön ist das – obszön!« »Sobald sie in ihren Roboterkörpern sind, Mr. Scott«, mischte sich Spock ein, »geben sie uns unsere Körper zurück. Sie können diesen Planeten verlassen und mit uns zurückreisen. Dank ihrem ungeheuren Wissen kann die Menschheit zehntausend Jahre ihrer Entwicklung überspringen.« »Pille«, sagte Kirk, »sie können uns medizinische Wunder zeigen, von denen du niemals auch nur geträumt hast. Und denken Sie an den technischen Fortschritt, Scotty? Raumschiffe dieser Größe, deren Triebwerke nur walnußgroß sind.« »Das soll wohl ein Witz sein«, knurrte Scotty. »Nein«, widersprach Spock. »Ich hab’ dies und anderes selbst in Sargons Geist gesehen. Ich begegnete einer Unendlichkeit an Güte und Wissen, die – die mich noch in diesem Augenblick überwältigt.« »Manch guter Mensch zertritt Ameisen unter seinem Fuß, ohne sich dessen bewußt zu sein.« McCoys Stimme zitterte.
»Sie sind Riesen, und wir sind Insekten neben ihnen, Jim. Sie könnten uns vernichten, ohne das zu wollen.« »Eine Maschine von der Größe einer Walnuß«, meinte Scotty nachdenklich und zuckte die Achseln. »Ausgeschlossen. Aber es kann vermutlich nicht schaden, wenn man sich mal entsprechende Entwürfe ansieht…« »Und alles, was er für diese Wunder haben will, ist der Körper unseres Captains«, warf McCoy ein. »Und den unseres Ersten Offiziers dazu. Na, ist das vielleicht Zufall? Will jemand darauf wetten?« »Sie haben uns ausgewählt, Pille, weil unsere Körper am besten für ihr Vorhaben geeignet sind.« »Und was meinen Sie dazu, Dr. Mulhall?« fragte McCoy. »Wenn wir alle einverstanden sind«, erwiderte Anne ruhig, »bin ich bereit, Thalassa meinen Körper zu geben. Ich bin Wissenschaftlerin. Dies ist eine einzigartige Gelegenheit zum Experimentieren und Beobachten.« »Pille, du kannst allen Überlegungen sofort ein Ende machen, indem du mit ›nein‹ stimmst. Das ist der Grund, weshalb ich Sie alle hergebeten habe. Jeder von uns ist betroffen, darum muß die Entscheidung einstimmig sein.« McCloy schlug mit der Faust auf den Tisch. »Dann möchte ich wenigstens noch auf eine Frage Antwort: Warum? Ich will keine Auflistung möglicher Wunder, sondern einen verständlichen Grund, bei dem nicht alle möglichen Gefahren außer acht gelassen werden. Wir wollen uns doch nichts vormachen. Diese Geschichte birgt eine Menge Gefahren in sich.« »Früher sagte man, wenn der Mensch zum Fliegen geschaffen wäre, dann hätte er Flügel haben müssen, Pille. Aber er ist dennoch geflogen.« Kirks Stimme war sehr ernst. »Du weißt selbst, daß die Geschichte der Menschheit auch eine Geschichte kleinmütiger Warnungen ist, es nicht zu weit zu
treiben, lieber nicht zu viel wissen zu wollen, nicht zu streben und nicht zu wachsen. Ich glaube nicht, daß wir einfach innehalten können, Pille. Oder möchtest du in die Zeiten zurückkehren, als man in deinem Beruf noch mit Messer und Skalpell operierte und die Patienten hinterher mit Catgut zusammenflickte?« Er machte eine Pause und blickte in die Gesichter derer, die um den Tisch saßen. »Ja, ich habe die Befehlsgewalt. Ich kann den Befehl zur Durchführung dieses Unternehmens geben. Ich habe es nicht getan. Dr. McCoy tut nur seine Pflicht. Und es ist richtig, daß er auf die Gefahren aufmerksam macht, die ein so enger Kontakt mit einer so unerhört hochentwickelten Intelligenz mit sich bringt. Ich dagegen sage, daß auch die Möglichkeiten, neues Wissen zu erwerben, ungeheuer groß sind. Das Risiko gehört zu unserer Arbeit. Deswegen gibt es dieses Raumschiff! Und deshalb befinden wir uns auf diesem Raumschiff!« Er neigte sich in seinem Sessel vor und musterte forschend seine Mitarbeiter. »Sie können selbstverständlich anderer Meinung sein, ohne daß Ihnen das irgendeinen Nachteil bringt. Also, wie ist es – gibt es eine Gegenstimme?« Es gab keine. Er stand auf. »Mr. Scott, halten Sie sich bereit, die drei Gefäße an Bord zu holen.« Im Bordlazarett waren drei Betten für Kirk, Spock und Anne hergerichtet worden. Neben jedem stand eine der leuchtenden Kugeln. McCoy und Christine Chapel standen vor den Körperfunktions-Kontrollgeräten. »Sie müssen wissen«, sagte er zu der Krankenschwester, »daß mit dem Transfer durch die ungeheure Energie, die dem Geist der Fremden innewohnt, die Herztätigkeit gefährlich gesteigert wird. Sämtliche
Körperfunktionen werden um ein Vielfaches schneller als normal ablaufen. Deshalb müssen die Kontrollgeräte mit höchster Aufmerksamkeit beobachtet werden.« Die Situation hatte Christine erschreckt, doch es gelang ihr, die gewohnte ruhige Sachlichkeit wiederzufinden. »Jawohl, Sir«, antwortete sie. McCoy wandte sich an Kirk. »Wir sind so weit.« Kirk drehte den Kopf zu der Kugel neben sich. »Fertig, Sargon.« Wieder erklang der schrille Ton, der dem Transfer vorauszugehen pflegte. Die drei Kugeln wurden aktiv, so daß das Licht in ihrem Inneren pulsierend immer heller wurde. Dann schossen die drei Stichflammen aus ihnen in die Menschen, die auf den Betten lagen. Anne zitterte, als Thalassas Geist in sie eindrang, Christine trat hastig zum Kontrollgerät, um sich zu vergewissern, daß alles in Ordnung war. Hanoch-Spock setzte sich auf und streckte sich voll Wohlbehagen, als er seinen neuen Körper spürte. Die Lichter in den Kugeln neben den Betten waren schwach geworden, kaum mehr als ein trübes Flackern. McCoy konzentrierte sich auf Kirks Körperfunktionen, während Christine, nachdem sie Thalassa-Anne überprüft hatte, zu Hanoch-Spock trat. Zu ihrer Überraschung lächelte er sie an und musterte ihre Gestalt mit unverhohlenem Wohlgefallen. Wo war der kühle, nüchterne Spock geblieben? Hastig wandte sie sich den Kontrollgeräten zu. Die Werte erschreckten sie. »Die Stoffwechselwerte haben sich verdoppelt und steigen weiter, Doktor.« »Eine herrliche Frau«, sagte Hanoch-Spock. »Ein herrlicher Anblick, wenn man nach einer halben Million Jahre wieder auf wacht.« »Danke«, sagte Christine verwirrt.
Doch Hanoch-Spock sah jetzt an ihr vorbei zu ThalassaAnne, die sich eben, das rabenschwarze Haar lose um die Schultern, mit strahlenden blauen Augen aufsetzte und die erste Kostprobe neuen Lebensgefühls genoß. »Ich – ich hatte ganz vergessen, wie es sich anfühlt… zu atmen – so zu atmen!« Sie drehte sich um. »Sargon? Wo ist Sargon?« Sargon-Kirk stand auf und ging zu ihr. »Hier, in diesem Körper, Thalassa.« Mit einer Würde, die ihr gut stand und die von der Freude über das Wiedererwachen lang vergessener sinnlicher Gefühle durchwirkt war, sah sie ihn lächelnd an. »Der Körper mißfällt mir überhaupt nicht, mein Gemahl. Er ist dem, den du früher hattest, nicht unähnlich.« »Ich bin froh, daß er dir gefällt, meine Liebste.« Sie war sich ihrer Hände bewußt geworden. Zaghaft hob sie einen Arm, um seine Wange zu streicheln. »Nach so langer Zeit«, flüsterte sie. »Es ist so lange her, Sargon.« Er umarmte sie. Christine sah diskret weg, als sie sich küßten. Die Umarmung, so heiß ersehnt und so lange unmöglich, hatte etwas ungemein Rührendes an sich. Als sie sich voneinander lösten, sagte Christine: »Verzeihen Sie… meine Anwesenheit…« Thalassa-Anne reichte ihr freundlich die Hand. »Sie stören nicht, mein Kind. Als Frau verstehen Sie gewiß meine tiefe Dankbarkeit darüber, diesen Mann, der mein Mann ist, wieder berühren zu können. Haben Sie einen Mann?« »Nein. Ich – ich…« Unwillkürlich sah Christine zu Spock hinüber, ohne in diesem Augenblick daran zu denken, daß ein Fremder seinen Körper besetzte. Sie errötete. »Nein, ich – ich habe kein Verlangen danach. Ich habe meine Arbeit.« Hastig wandte sie sich wieder den Kontrollgeräten zu. Hatte Hanoch-Spock ihren Blick bemerkt?
Thalassa-Anne sprach leise mit Sargon. »Wie grausam. Darf ich ihr helfen, Sargon?« »Es wäre so leicht, sie alle glücklich zu machen, Thalassa.« Er schüttelte sachte den Kopf. »Aber wir dürfen uns nicht in ihr Leben einmischen.« Tatkräftiger als die anderen, ging Hanoch-Spock bereits im Raum umher und musterte aufmerksam die Apparate und Geräte. Als er sich umdrehte, stellte er fest, daß McCoy ihn beobachtete. »Ein ausgezeichneter Körper, Doktor. Mir scheint, ich erhielt den besten der drei.« Er streckte die Arme, spannte die Muskeln. »Muskelkraft, Gehör, Sehvermögen – alles über der menschlichen Norm. Es wundert mich, daß die Vulkanier Ihre Rasse niemals unterworfen haben.« »Den Vulkaniern ist der Friede das höchste Gut, Hanoch.« »Natürlich, natürlich. Genau wie uns.« Doch McCoy hatte gesehen, wie Thalassa-Anne auf ihr Kissen zurückgesunken war. »Schwester!« Die schöne Außerirdische flüsterte: »Eine plötzliche Hitzewelle… Ich fühle…« Christine fing sie auf, als sie nach hinten sank, und schob ihr ein zweites Kissen zur Stütze in den Rücken. McCoy war gerade dabei, sie zu versorgen, als er bemerkte, daß auch Sargon-Kirk die Kräfte verließen. Während er ihn zu seinem Bett brachte, sagte er zu Hanoch-Spock: »Sie sollten sich jetzt lieber auch wieder hinlegen.« Aber Spocks Metabolismus war noch nicht betroffen. »Das ist im Augenblick nicht nötig, Doktor«, erwiderte Hanoch. »Mein vulkanischer Körper ist eine höhere Stoffwechselrate gewöhnt.« Christine wandte sich widerstrebend von ihm ab, um sich Annes Kontrollgeräten zu widmen. Die Werte waren beunruhigend hoch. Auf ihren Ruf kam McCoy herbei. Ein
Blick auf die Werte und er stürzte zu dem Bett, auf dem Sargon-Kirk lag. »Es klappt nicht, Sargon. Ihr müßt ihre Körper verlassen, sonst bringt ihr sie um.« Die Antwort kam schwach. »Wir werden – sie freigeben… bis Sie eine Stoffwechsel-Reduktions-Spritze geben können.« »Eine was?« fragte McCoy. Hanoch-Spock trat neben ihn an das Bett und sah auf Kirks Stirn hinunter, die in Schweiß gebadet war. »Ich werde das Präparat zubereiten, Sargon«, sagte er. »Hanoch – dein eigener Zustand…« »Ich kann mich in diesem Körper noch mehrere Stunden halten, Sargon. Mach dir keine Sorgen.« »Dann – werden Thalassa und ich – jetzt in unser Gefängnis zurückkehren.« Die Kugeln neben den Betteu Kirks und Annes leuchteten wieder auf. Seiner eigenen Kugel jedoch gönnte der noch immer körperhafte Hanoch-Spock nur einen Blick des Abscheus. Dann wandte er sich von Kirks Bett ab, um mit McCoy zu sprechen. »Ich brauche Hilfe bei der Zubereitung des Präparats. Ihre Schwester kann mir assistieren, Doktor. Wir gehen am besten in Ihr Labor.« Christine sah McCoy an. Er konnte sich nicht damit herausreden, daß er sagte, hier sei eine Entscheidung des Kommandanten nötig. Kirk hatte die Entscheidung ja bereits gefällt. Die Entscheidung, die ihm jetzt abverlangt wurde, diente nur der Durchführung des Befehls des Captains. Er nickte widerstrebend, und Christine verließ mit Hanoch-Spock das Bordlazarett. Kirk und Anne erholten sich unterdessen langsam von den Nachwirkungen des Austauschs, Kirks Augenlider zuckten und
öffneten sich. McCoy mußte sich zu ihm hinunterbeugen, um seine geflüsterten Worte verstehen zu können. »Pille…« »Das stand auf Messers Schneide, Jim. Ihr seid gerade noch rechtzeitig zurückgekommen, du und Anne. Einen weiteren Transfer können wir nur riskieren, wenn dieses Präparat wirklich wirkt.« Im Labor lagen zwei Injektionspistolen auf einem Tisch. Hanoch-Spock hielt die dritte, machte sich noch an ihr zu schaffen, während Christine, die hinter ihm stand, ihm zusah. Schließlich sagte er: »Durch dieses Präparat werden Herztätigkeit und Körperfunktionen auf das Normalmaß reduziert. Nach dem Austausch muß jeder stündlich eine Injektion von 10 ccm erhalten.« »Ich verstehe«, sagte Christine. »Etikettieren Sie die hier für Thalassa. Und diese hier etikettieren Sie für mich.« »Ja, Sir.« Sie drückte den Injektionspistolen die entsprechenden Etiketten auf. »Jedes Präparat ist auf die physischen Besonderheiten seines Empfängers abgestimmt.« Sie deutete auf die dritte Pistole. »Und das ist die für Captain Kirk?« Hanoch-Spock reichte sie ihr. »Ja. Natürlich.« Christine wollte die Injektionspistole gerade kennzeichnen, als ihr die Farbe der enthaltenen Flüssigkeit auffiel. Sie inspizierte sie genauer. Dann sagte sie unsicher: »Aber diese Spritze enthält nicht das gleiche Präparat.« Hanoch-Spock lächelte. Auf Spocks gewöhnlich unbewegtem Gesicht wirkte dieses Lächeln ungemein entwaffnend. »Da ich dafür sorgen werde, daß Sie die Spritzen verabreichen, wird das niemandem auffallen.«
»Aber wenn das nicht das richtige Präparat ist, dann wird Captain Kirk ja sterben.« »Ganz recht – und Sargon mit ihm.« Christine wollte eben mit aufgerissenen Augen protestieren, als Hanoch-Spock den Arm ausstreckte und ihre Stirn berührte. Ihr schwindelte plötzlich. Alle Empfindung verließ ihren Körper. Wie in Trance stand sie da und sah ihn nur hilflos an. »Thalassa kann ich gebrauchen«, sagte er. »Aber Sargon muß vernichtet werden. Er würde sich meinen Plänen widersetzen. Wollten Sie etwas sagen, meine Liebe?« »Bitte, ich – ich wollte – ja, ich wollte etwas sagen.« Sie strich sich mit der Hand über den Kopf. »Ich habe – ich habe vergessen, was es war.« Wieder berührte er ihre Stirn. »Sie wollten sagen, daß Sie mir zugesehen haben, wie ich das Präparat zubereitete und in die drei Spritzen füllte.« Sie schwankte. »Ja – richtig, das war’s. Ich sage Dr. McCoy, daß jede Pistole das richtige Präparat für jeden Patienten enthält. Bitte verzeihen Sie mir. Ich hatte einen Moment den Faden verloren.« »Das wird nicht wieder vorkommen«, erwiderte er. »Sie sind jetzt unter meiner Führung, mein Kind.« Mit einem raschen Blick zum Korridor ging er zur Tür. »Und nun zu Dr. McCoy…« Gerade in diesem Moment öffnete McCoy die Tür zum Labor. »Wenn Sie noch andere Chemikalien brauchen oder zusätzliche Hilfe, Hanoch – « »Es gab keinerlei Schwierigkeiten, Doktor. Ich habe die Formel des Präparats in Ihren Computer eingespeist, für den Fall, daß es Sie interessiert.« Christine nahm die drei Injektionspistolen und sprach die Worte, die ihr eingeimpft worden waren. »Ich habe gesehen, wie das Präparat zubereitet wurde und die Pistolen
gekennzeichnet wurden, Doktor. Soll ich sie jetzt ins Bordlazarett hinüberbringen?« McCoy nickte. Als sich die Tür hinter Christine schloß, lächelte Hanoch-Spock. »Es ist wunderbar, wieder lebendig zu sein, Doktor. Es wird mir sehr schwerfallen, diesen Körper, der mir so gefällt, wieder herzugeben, wenn es soweit ist.« Vielleicht waren es diese letzten Worte, die McCoy beunruhigten. Vielleicht war es auch das ungewohnt charmante Lächeln auf Spocks Zügen. Er hätte es selbst nicht sagen können. Er hatte nur ein ungutes Gefühl, als er dem Fremden, der da in Spocks Körper aus dem Labor ging, nachsah. Dieses Gefühl düsterer Vorahnung legte sich auch nicht, während der Bau der Roboter fortschritt. Immer häufiger zog er sich ins Bordlazarett zurück – seinen einzigen Zufluchtsort vor den Ängsten, die ihn bedrängten und für die er keinen Namen hatte. Auch Christine wirkte anders als sonst – bedrückt und zaghaft. Das irritierte ihn. Als sie jetzt zu ihm kam, blickte er nicht auf. »Sie wollten mich sprechen, bevor ich die nächsten Injektionen gebe, Doktor«, sagte sie. »Ja. Sie achten doch weiterhin auf eventuelle Nebenwirkungen? Oder ungewöhnliche Symptome.« »Das Präparat wirkt ausgezeichnet, Sir. Es gibt überhaupt keine Probleme.« Er schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch. »Von wegen!« Er sprang auf und ging zu den drei Gefäßen. »Dieser winzige flackernde Funken Energie ist Jim Kirk. Und das da ist Spock. Und das Anne Mulhall. Was, wenn ihnen ihre Körper nicht zurückgegeben werden?« »Wenn ich die Injektionen pünktlich geben soll, Doktor, muß ich jetzt gehen.«
»Dann gehen Sie schon! Stehen Sie nicht hier herum. Laufen Sie.« »Jawohl, Sir.« Als McCoy allein war, trat er vor die Kugel, in der Kirks Geist gefangen war. »Du und dein verdammtes KörperverleihArrangement, Kirk!« Er ging weiter zu Spocks Behältnis. »Das einzig halbwegs Amüsante an der Sache sind Sie, Spock. Muß doch demütigend sein für einen Vulkanier mit überlegener Logik, daß er kein größeres geistiges Licht vorzeigen kann.« Unter anderem, wenn auch nicht vordringlich, machte McCoy das Chaos zu schaffen, das in seinem sonst so ordentlichen Labor plötzlich ausgebrochen war. Die Arbeitstische nahmen so viel Platz weg, daß man sich kaum bewegen konnte; auf den Marmorplatten lagen in scheinbar wüstem Durcheinander all die Teile und Teilchen, die schließlich zu Robotern zusammengesetzt werden sollten. Hanoch-Spock arbeitete an seinem Tisch gerade an einer besonders kniffligen Aufgabe, und es kostete ihn Mühe, sich zu konzentrieren; auf der anderen Seite des Raums nämlich saßen Thalassa-Anne und Sargon-Kirk gemeinsam über einer Arbeit. Die Intimität zwischen ihnen lenkte ihn ab und ärgerte ihn. Er sah, wie sie beide zu gleicher Zeit nach einem Teil griffen. Sie lächelten, ihre Hände berührten sich, ihre Augen trafen sich. Sie strich ihm über das Haar. »Sargon, weißt du noch, wie wir damals vor langer, langer Zeit am See saßen. Die Luft war erfüllt vom Duft der Blumen unseres Planeten…« »Ja, ich erinnere mich, Thalassa«, sagte er nickend. »Wir hielten uns bei den Händen wie jetzt.« Sein Gesicht verdüsterte sich, und er entzog ihr seine Hand. »Ich denke, es ist besser, wir lassen die Erinnerung nicht allzu lebendig werden.«
»In zwei Tagen hast du wieder eigene Hände, Thalassa«, bemerkte Hanoch-Spock. »Geschickte, ganz menschenähnliche Roboterhände. Die nicht fühlen können allerdings. Genieße also diese Kostprobe von Leben, solange du kannst.« »Aber unser Geist wird überlebt haben. Und als Humanoide, Hanoch, können wir – « Sargon-Kirk sah plötzlich sehr müde aus. »Was ist, Sargon?« fragte Thalassa-Anne erschrocken. »Die nächste Spritze- wird mich gewiß wiederherstellen. Mach dir keine Sorgen.« Er wandte sich an Hanoch. »Als Humanoide können wir uns immerhin unter den tatsächlich Lebenden bewegen, wir können ihnen Lehrer sein und ihnen helfen, Irrtümer zu vermeiden, die wir begangen haben.« »Ja, als Maschinen ohne die Fähigkeit, Liebe, Freude oder Schmerz zu empfinden.« Sargons Stimme war streng, als er sprach. »Wir schworen uns, daß das Überleben genügen werde, Hanoch. Aber jetzt, wo wir von menschlichen Körpern Besitz ergriffen haben, die nicht die unsern sind, wollen uns die bösen alten Versuchungen wieder plagen, uns von neuem mit dem Traum von einer gottähnlichen Herrenrasse heimsuchen.« »Mir tut ja nur deine Frau leid, Sargon«, behauptete Hanoch zu Thalassa-Anne gewandt. »Du warst jünger als wir, als das Ende kam. Du hattest das Leben noch gar nicht richtig genossen.« »Wir haben geschworen, Hanoch«, sagte sie, doch ihr Gesicht verriet Unsicherheit. Auch sie wirkte plötzlich erschöpft. Schwach lehnte sie sich rückwärts an die Wand, als Christine mit den Injektionspistolen eintrat. Sie streckte ihren Arm hin. »Schwester«, sagte sie, »Sargon scheint es nicht gutzugehen.« »Ich habe seinen Stoffwechsel alle paar Stunden überprüft, Thalassa. Sie weichen nicht von den Normalwerten ab.« Damit
ging Christine weiter, um die anderen Injektionen zu verabreichen. »Ich war auch geschwächt«, bemerkte Hanoch-Spock, nachdem er seine Injektion bekommen hatte. »Jetzt fühle ich mich wieder viel wohler.« Doch wenn Thalassa-Anne auch sichtlich gekräftigt war, hatte die Sorge um ihren Mann doch nicht nachgelassen. Sargon lächelte ihr beruhigend zu. »Beunruhige dich nicht. Ich werde mich gleich erholt haben.« Doch die kräftigende Wirkung der Spritze, die sich bei den anderen gezeigt hatte, blieb bei ihm aus. Es kostete ihn Anstrengung, an seine Arbeit zurückzukehren. McCoy fiel sein geschwächter Zustand auf, als er ins Labor kam. Er warf Christine einen Blick zu. »Schwester«, sagte er, »ich möchte Sie sprechen. Im Lazarett. Bringen Sie die Spritzen mit.« In seinem Büro nahm er die für Sargon-Kirk bestimmte Injektionspistole und inspizierte sie. Christine sah ihm dabei zu, mit einem Gesicht, als versuche sie krampfhaft, sich an etwas Vergessenes zu erinnern. Als er ihr die Pistole zurückreichte, sah er sie fragend an. »Stimmt irgend etwas nicht, Miss Chapel?« »Ja – ich…« Sie suchte nach Worten. »Ich – ich wollte etwas sagen. Aber ich kann mich einfach nicht erinnern.« »Betrifft es unsere Patienten?« »Ja, das muß es sein. Ich – bin so froh, daß sie so gut auf die Injektionen ansprechen, Sir.« Sie wies auf die Spritzen auf dem Schreibtisch. »Das Präparat wirkt ausgezeichnet.« »Sie sehen müde aus«, stellte McCoy fest. »Wenn ich Ihnen die nächsten Injektionen abnehmen soll – « Sie lächelte hastig. »Müde? Nicht im geringsten, Doktor. Aber danke für Ihre Anteilnahme.«
Sie wandte sich ab, um die Injektionspistolen in einen Schrank zu legen. McCoy musterte sie einen Moment lang. Wahrscheinlich, dachte er, hatte er sich unnötige Sorgen gemacht, und wandte sich wieder den Berichten auf seinem Tisch zu. Die drei Fremden arbeiteten rasch und geschickt. In den folgenden Stunden wurden die Roboterkörper teilweise zusammengesetzt. Thalassa-Anne war allein im Labor, als Scott eintrat, um verschiedene notwendige Teile abzugeben. Interessiert sah er zu, wie sie mit flinken Händen an einem Torso hantierte. »Danke«, sagte sie. »Haben Sie die Negaton-Hydrospiralen nach Sargons Entwürfen gefertigt?« Scott nickte. »Wenn ich mich auch frage, was die Ihnen nützen sollen. Eine komische Bezeichnung übrigens – aber wie soll etwas, das wie ein Tropfen Gelatine aussieht, bewirken, daß dieses Ding seine Glieder bewegt? Sie brauchen eine Mikro-Steuerung – eine Art Flaschenzug, der die Arbeit der Muskeln ersetzt.« Sie lächelte. »Das wäre viel zu umständlich und nicht effizient, Mr. Scott.« »Glauben Sie mir, das Ding hier funktioniert bestimmt nicht.« Noch während er sprach, trat Hanoch-Spock ein und gesellte sich zu ihnen. »Dieser Körper wird doppelt so kräftig und doppelt so beweglich sein wie der Ihre, Chefingenieur, und wird tausend Jahre halten. Vorausgesetzt natürlich, Sie gestatten uns, diese mechanisierten Hüllen für unseren Geist fertigzustellen.« Verärgert ging Scott hinaus, während Hanoch-Spock zu Thalassa-Anne trat und sie mit durchdringendem Blick ansah.
»Ein tausendjähriges Gefängnis, Thalassa, wenn man es genau nimmt«, sagte er und beugte sich über sie. »Und wenn es Abnützungserscheinungen zeigt, bauen wir uns ein neues und sperren uns weitere tausend Jahre ein. Und dann wieder und wieder…« Irritiert sah sie von ihrer Arbeit auf. »Sargon«, fuhr er fort, »will von einem besseren Überleben in diesen Körpern, die wir jetzt haben, nichts wissen.« »Sie gehören nicht uns, Hanoch.« »Drei menschliche Körper. Ist das für das, was wir der Menschheit zu bieten haben, ein zu hoher Preis? Thalassa!« Er faßte ihre Hand. »Die Menschen, denen diese Körper gehören, würden sie mit Freuden für einen Bruchteil dessen hergeben, was wir bewirken können. Haben wir denn kein Recht auf Lohn für unsere Bemühungen? Oder auf Freude?« Sie entriß ihm ihre Hand. Er deutete auf den Torso auf ihrem Arbeitstisch und sagte: »Oder ziehst du es vor, darin eingekerkert zu sein?« Sie sprang so stürmisch auf, daß ihre Werkzeuge nach allen Seiten flogen. »Nein! Ich fange schon jetzt an, dieses Ding zu hassen!« In einem Korridor ganz in der Nähe brach in diesem Moment der geschwächte Sargon-Kirk zusammen. Leb- und reglos lag Kirks Körper auf dem Untersuchungstisch im Bordlazarett, während Schwester M’Benga und ein medizinischtechnischer Assistent die Kälteerzeugungs- und Blutfiltrierapparate anschlossen. McCoy wartete, starr vor innerer Anspannung. In seinem Kopf ging alles durcheinander. Seinem Behälter zu fern, um in ihn zurückkehren zu können, war Sargon gestorben, als Kirks Körper gestorben war. Damit blieb die große Frage, ob Kirks Bewußtsein den Tod seines Körpers
überlebt hatte. Das Flämmchen flackerte noch, schwach zwar, aber lebendig, in Sargons Kugel. Konnte man also sagen, daß Kirk tot war? McCoy wischte sich den Schweiß vom Gesicht und ließ ein weiteres Wiederbelebungsgerät herbeischaffen. Hanoch-Spock arbeitete unterdessen in McCoys einst blitzendem Labor mit einem ganz anderen Instrument. Er ließ es über den nahezu fertiggestellten humanoiden Roboter gleiten, der auf einer Marmorplatte lag. Er sah geschlechtslos aus. Noch fehlten ihm Haar, Augenbrauen, die Vertiefungen und Erhöhungen, die einem menschlichen Gesicht erst Ausdruck verleihen. Thalassa-Anne sah ihm müde zu, gefangen in ihrem Schmerz, während Christine mit leerem Blick neben ihm stand. »Hanoch, warum gibst du überhaupt noch vor, an dem Ding zu arbeiten? Du hast Sargon getötet. Du hast meinen Mann ermordet. Du hast ihn ermordet, weil du nicht die Absicht hast, deinen Körper zurückzugeben. Du hattest von vornherein vor, ihn zu behalten.« Ungeheurer Zorn packte Thalassa plötzlich. Sargon hatte sich so viele Mühe gegeben, ihnen die Freude wiederzuschenken und das Leben in einem Körper. Er hatte diesen Körper geküßt, der ihre Hülle war. Und bald schon würde das alles umsonst gewesen sein. Dieser Körper, den er umarmt hatte, würde zurückgegeben werden müssen. In ihrem Zorn stürzte sie aus dem Labor und riß die Tür zum Bordlazarett auf. McCoy hob erstaunt den Kopf. »Doktor«, rief sie, »möchten Sie Ihren Captain Kirk retten?« »Vor nicht ganz einer halben Stunde sagten Sie noch, das sei unmöglich. Als wir ihn fanden, erklärten Sie – « »Schicken Sie diese Leute hinaus«, befahl sie. McCoy starrte sie verblüfft an.
»Wir verfügen über viele Kräfte, deren Gebrauch Sargon uns verboten hat. Wenn Ihnen etwas an Ihrem Captain liegt, dann schicken Sie diese Leute hinaus.« McCoy bedeutete der Schwester und dem Techniker mit einer Handbewegung, das Lazarett zu verlassen. »Also?« sagte er. »Dieser Körper, in dem ich mich jetzt befinde, ist mir heilig. Mein Mann hat ihn umarmt. Ich habe vor, ihn zu behalten.« Jetzt war es also endlich heraus. »Ich verstehe«, sagte McCoy. »Und Hanoch? Er hat natürlich die Absicht, Spocks Körper zu behalten.« »Hanochs Pläne sind seine persönliche Angelegenheit. Ich möchte nur den Körper behalten, den mein Mann geküßt hat.« »Verlangen Sie meine Genehmigung?« »Ich verlange nur Ihr Schweigen. Allein Sie und ich werden wissen, daß Anne Mulhall nicht in ihren Körper zurückgekehrt ist. Ist das Leben Ihres Captains nicht so viel wert?« Als sie McCoys Gesicht sah, flammte ihr Zorn von neuem auf. »Doktor, wir können uns nehmen, was wir haben wollen. Weder Sie noch Ihre gesamte Besatzung noch all Ihre kleinen Welten haben die Macht, uns daran zu hindern.« McCoy blickte auf Jim Kirks leblosen Körper hinunter. Jim Kirk wieder am Leben, voll neuer Lebenskraft und neuem Mut; wieder sein liebevolles ›Pille‹ zu hören! Er mußte sich entscheiden zwischen der Loyalität zu seinem besten Freundund der Loyalität zu sich selbst. Und er wußte, was sein bester Freund in diesem Fall verlangen würde. »Ich kann nicht um einen Körper schachern, der mir nicht gehört«, sagte er. »Und ebensowenig würde das mein Captain tun. Ihr Körper gehört einer jungen Frau, die – « » – die Sie kaum kennen, die praktisch eine Fremde für Sie ist.«
McCoy schrie: »Ich handle aber nicht mit Menschen! Ich bin Arzt.« Die blauen Augen sprühten Blitze. »Arzt? Im Vergleich mit uns sind Sie ein aufgeblasener, primitiver Medizinmann – ein barbarischer Wilder! Sie wagen es, jemandem zu trotzen, vor dem Sie in Verehrung auf den Knien liegen müßten!« Mit einer Geste höhnischer Verachtung fügte sie hinzu: »Ich kann Sie mit einem einzigen Gedanken vernichten.« Ein Flammenring schoß rund um McCoy in die Höhe. Er schlug die Hände vor sein Gesicht, um es vor dem lodernden Feuer zu schützen. Zur gleichen Zeit stieß Thalassa einen Entsetzensschrei aus und fiel auf die Knie. »Nein! Nein!« rief sie schluchzend. »Verzeihen Sie mir, verzeihen Sie mir doch…« Die Flammen erloschen so plötzlich wie sie aufgeflackert waren. Selbst der Geruch ihres Rauchs war verflogen. Von dem Flammenring, der McCoy eben noch umgeben hatte, war keine Spur zurückgeblieben. Sie lag immer noch schluchzend auf den Knien. »Sargon hatte – recht«, stammelte sie. »Die Versuchung ist – zu groß. Aber verstehen Sie! Im Namen aller Götter, die Sie verehren, verstehen Sie doch! Die Regungen und Gefühle des Lebens – seine Bedürfnisse, seine Hoffnungen – sind mir teuer. Aber – unsere Macht ist zu groß. Wir würden anfangen zu zerstören – wie ich soeben beinahe Sie vernichtet hätte. Verzeihen Sie mir… verzeihen Sie!« »Ich bin glücklich, Geliebte. Es ist gut, daß du selbst die Wahrheit für dich gefunden hast.« Sie hob den Kopf. »Sargon! Oh, mein Gemahl, wo bist du? Hanoch hat dich doch getötet.« »Ich verfüge über Kräfte, Thalassa, von denen Hanoch keine Ahnung hat.«
»Ja. Ja. Ich verstehe.« Sie sprach langsam, während sie aufstand und McCoy ansah. »Sargon hat sein Bewußtsein auf euer Schiff übertragen.« Christine Chapel öffnete die Tür zum Bordlazarett. Sie wollte zum Schrank mit den Injektionsspritzen gehen, als McCoy schrie: »Sie! Gehen Sie mir aus den Augen!« Thalassa schüttelte den Kopf. »Nein, Doktor. Wir brauchen sie.« »Wieso? Sie steht unter Hanochs Einfluß.« »Sargon hat einen Plan, Doktor. Lassen Sie uns allein. Wir haben viel zu tun.« McCoy zögerte nur einen Augenblick, ehe er gehorchte. Als er die Tür hinter sich zuzog, hörte er von drinnen eine dumpfe Detonation. Das Schiff erzitterte leicht. Und wieder kam das dumpfe Krachen. »Thalassa!« rief er. »Was ist los?« Als er von drinnen eine dritte Explosion hörte, raste er zum Intercom im Korridor. »Hier Bordlazarett. Geben Sie mir…« Die Tür der Krankenstation hinter ihm öffnete sich. Christine kam mit leerem Blick heraus und ging an ihm vorbei den Korridor hinunter. Er stürzte hinein – und blieb wie angewurzelt stehen. Dort stand Kirk und sah ihm lächelnd entgegen. »Es geht mir gut, Pille«, sagte er und bot Anne Mulhall die Hand, um ihr vom Bett aufzuhelfen. »Es geht uns beiden gut, Pille.« »Thalassa – « »Sie ist bei Sargon, Doktor«, sagte Anne ruhig. »Bei Sargon?« Er blickte an ihnen vorbei auf die drei Kugeln. Sie waren zersprungen, zerschmolzen, schwarz und tot. »Jim! In einer dieser Kugeln war Spocks Bewußtsein!« »Es ging nicht anders«, erwiderte Kirk.
McCoy riß die Arme in die Höhe. »Was soll das heißen? Jetzt gibt es keinen Spock mehr, der in seinen Körper zurückkehren kann, Jim! Du hast deinen besten Freund getötet, einen loyalen Offizier der Flotte!« »Bereite eine Spritze vor, Pille. Das schnellstwirkende Gift, das es für Vulkanier gibt. Spocks Bewußtsein ist ausgelöscht, aber wir müssen jetzt auch seinen Körper töten. Seinen Körper – und das Wesen, das sich darin befindet.« Auf der Brücke schrie Uhura auf. Dann fiel sie zitternd auf ihre Konsole. Hanoch-Spock ließ sie liegen, wo sie war, und ging lässig zu Kirks Kommandosessel. Die behexte Christine wartete stumm an seiner Seite, während er Sulu anherrschte. »Muß ich an Ihnen auch erst ein Exempel statuieren, Rudergänger? Verlassen Sie die Umlaufbahn und nehmen Sie Kurs auf die Erde.« Sulu gab den neuen Kurs ein. Dann wirbelte er in seinem Sessel herum. »Sehen Sie doch selbst! Das Schiff reagiert nicht. Die Instrumente reagieren nicht.« Die Tür des Aufzugs öffnete sich. Kirk und Anne traten heraus, gefolgt von McCoy, der seine Injektionspistole sorgsam verborgen hielt. Der Mann im Kommandosessel machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen, doch kurz bevor sie ihn erreichten, sagte er: »Schmerz, Kirk. Höchster Schmerz. Und was Sie angeht, blauäugige Schöne…« Kirk war zu Boden gestürzt wie von einem Schuß getroffen, lag röchelnd da, unfähig zu schreien. Hanoch-Spock zeigte mit einem Finger auf Anne. Sie stand wie festgewurzelt, von heftigen Schauern geschüttelt, und Sulu, der es nicht mehr aushielt, sprang aus seinem Sessel, nur um sogleich schmerzstöhnend zu Boden zu stürzen. Als auch Anne zu Boden sank, sprang McCoy zum Kommandosessel, doch
Hanoch hob die Hand und zwang ihn, keinen halben Meter von dem stöhnend daliegenden Kirk stehenzubleiben. »Mir ist jeder Gedanke in den Köpfen derer, die mich hier umgeben, bekannt. Schwester Chapel, nehmen Sie dem Doktor die Injektionspistole ab.« Christine griff gehorsam in eine Innentasche von McCoys weißem Kittel. »Gut«, sagte Hanoch. »Spritzen Sie ihm jetzt seine eigene Mischung. Zur Warnung für alle, die meinen, sie können mir trotzen.« Sie hob die Pistole in Richtung auf McCoy und fuhr dann, ohne daß jemand ihre Absicht hätte erraten können, blitzartig herum, um sie Hanoch in den Arm zu entladen. Er sprang auf. »Ihr Narren!« kreischte er. »Ich gehe einfach in einen anderen Raum über, in einen anderen Körper!« Plötzlich taumelte er. »Du bist es, Sargon!« Er wimmerte: »Bitte-bitte, Sargon, laß mich transferieren – « Dann stürzte er krachend zu Boden. Kirk rannte zu ihm, kniete neben ihm nieder, hob seinen Kopf und hielt ihn in seinen Armen. »Spock! Spock, mein Freund, mein alter Kamerad – wenn es nur einen anderen Weg gegeben hätte!« Die Stimme versagte ihm. Der Kopf in seinen Armen bewegte sich; die Augen öffneten sich. Und wieder erzitterte die Brücke unter dem Klang der volltönenden tiefen Stimme. »Wie hätte ich zulassen können, daß du meinetwegen jemanden opferst, der dir so nahe steht, mein Sohn?« »In der Spritze war genug Gift«, rief McCoy, »um zehn Vulkanier zu töten.« »Ich ließ Sie in diesem Glauben, Doktor. Damit Hanoch es in Ihren Gedanken lesen konnte und es auch glaubte. Er hat Spocks Körper verlassen. Er ist vernichtet.«
Erst jetzt fand Kirk wieder Worte. »Die Gefäße sind gesprengt, Spock. Wo befand sich Ihr Bewußtsein?« Spock war aufgestanden. »Dort, wo Hanoch es am wenigsten vermutet hätte, Captain.« Er deutete auf Christine. Sie nickte lächelnd. »Darum hat Thalassa gesagt, daß sie mich braucht, Doktor. Mr. Spocks Bewußtsein wurde in mir geborgen. Wir haben uns diesen Körper geteilt.« »Wir wissen jetzt, daß wir uns den Wunsch versagen müssen, in eurer Welt zu leben, meine Kinder. Thalassa und ich müssen ins ewige Vergessen gehen.« Kirk sah auf. »Sargon, können wir Ihnen denn nicht irgendwie helfen?« »Doch, mein Sohn. Leiht Thalassa und mir ein letztes Mal eure Körper.« Obwohl diesmal beim Austausch keine Flamme sichtbar wurde, spürten Kirk und Anne ihre Hitze, als Sargon und Thalassa in ihre Körper eindrangen. Anne lag in Kirks Armen und sagte: »Das Vergehen macht mir keine Angst, mein Liebster, wenn wir nur zusammen sind.« Sie küßte Kirk auf die Stirn und streichelte seine Wange. »Versprich mir, daß wir Zusammensein werden.« Kirk beugte sich über ihren Mund und drückte sie fest an sich. Anne zitterte unter der Wucht von Thalassas Schmerz. »Wir werden für immer zusammen sein, mein Sargon… auf ewig…« »Ich verspreche es dir, Liebste. Ich verspreche es…« Einen letzten Augenblick noch klammerten sie sich, am Rande des Nichts schon, aneinander. Dann vergingen sie, und in Annes Augen blieben Thalassas Tränen zurück. Noch immer in enger Umarmung sahen die beiden einander an, ohne ein Wort zu sagen. Dann wurde sich Kirk mit Verlegenheit der Anwesenheit der anderen bewußt, er errötete und gab Anne frei. Er räusperte sich.
»Dr. Mulhall – äh – ich danke Ihnen. Ich – danke Ihnen im Namen Sargons – für Ihre Zusammenarbeit.« Anne lächelte unter Tränen. »Captain, ich – es war mir eine Freude zu helfen.« Christine sah schluchzend zu Spock auf. »Genauso war mir zumute, Mr. Spock – als wir unser Bewußtsein miteinander teilten.« Spock zog die linke Augenbraue hoch. »Schwester Chapel«, begann er und versank in nachdenklichem Schweigen. McCoy grinste. »Diese innige Gemeinsamkeit des Bewußtseins klingt mir ein bißchen unmoralisch, mein vulkanischer Freund.« »Ich versichere Ihnen, Doktor, daß es ein höchst verwirrendes Erlebnis war«, entgegnete Spock ernsthaft. »Sie können sich nicht vorstellen, was für einem Strudel von Gefühlen ich ausgesetzt war. Ich kam mir vor wie im Dschungel der Unlogik.« Er schauderte fast. Christine lächelte ihn an. »Oh, vielen Dank, Mr. Spock.« »Ich verstehe nicht, Schwester. Sie danken mir?« »Sie haben ihr eben ein großes Kompliment gemacht, Spock«, erklärte Kirk. »Ja, ab und zu sind Sie direkt charmant«, sagte McCoy und wandte sich an Christine. »Den Sternen sei Dank, daß mein Geschlecht das andere nicht versteht.« Anne lachte. »Kommen Sie mit, Geschlechtsgenossin. Wenn sie uns nach so langer Zeit nicht verstehen, helfen Erläuterungen auch nicht mehr.« Kirk ging ebenfalls lächelnd zu seinem Kommandosessel, und Spock, der dort noch stand, sagte immer noch verwirrt: »Captain, ich verstehe es wirklich nicht.« »Aber Sargon verstand es, Spock. ›Für immer zusammen‹. Vielleicht erklärt Ihnen einmal jemand, was das heißt. Wer
weiß? Wenn der nächste vulkanische Sieben-Jahres-Zyklus wieder kommt…« Spock ließ sieh diesen Gedanken durch den Kopf gehen. »Sargon war uns in der Tat ungeheuer weit voraus, Captain. Ich werde darüber nachdenken.« Kirk blickte ihm teilnahmsvoll nach, als er zu seiner Station ging. »Nun ja«, meinte er, »lassen wir es für den Augenblick dabei bewenden. – Mr. Sulu, steuern Sie uns aus der Umlaufbahn heraus.« »Zu Befehl, Sir. Wir verlassen die Umlaufbahn.«
Der Supercomputer Befehlsgemäß, wenn auch sehr zum Ärger ihres Kapitäns, näherte sich die Enterprise der Raumstation. Voller Ungeduld sprang Kirk aus seinem Sessel und lief zu Uhura hinüber. »Leutnant, nehmen Sie Kontakt mit der Raumstation auf.« »Die Station ruft bereits uns, Captain.« »Gut, lassen Sie hören.« Die Stimme war ihm bekannt. »Captain Kirk, hier spricht Commodore Enwright.« »Commodore, ich wäre Ihnen für eine Erklärung dankbar.« Enwright ließ ihn nicht weitersprechen. »Sie wird gerade zu Ihnen an Bord gebeamt, Captain. Vielleicht befindet sie sich in diesem Moment sogar schon in Ihrem Transporterraum. Enwright Ende.« »Spock«, rief Kirk, schon auf dem Weg zum Lift. »Scotty, Sie übernehmen das Kommando.« Die »Erklärung« materialisierte in Gestalt von Commodore Wesley, der etwas älter als Kirk, ihm jedoch in seiner militärischen Haltung und seinem Gehaben recht ähnlich war. Kirks Ungehaltenheit machte Verwunderung Platz. »Bob! Bob Wesley!« Er schüttelte dem anderen die Hand und sagte: »Mr. Spock, das ist – « »Commodore Wesley«, vollendete Spock. »Willkommen an Bord, Sir.« Wesley nickte. »Mr. Spock.« Kirk wandte sich dem Transporter-Offizier zu. »Danke, Leutnant, Sie können gehen«, sagte er kurz, und sobald sich die Tür geschlossen hatte, rief er ungeduldig: »Würden Sie mir jetzt bitte erklären, was das alles zu bedeuten hat? Ich erhalte Befehl, hierherzukommen. Ein Grund wird mir nicht genannt.
Dann teilt man mir mit, daß meine Besatzung in Sicherheitsgewahrsam der Raumstation gebracht werden soll. Ich finde, ich habe das Recht auf eine Erklärung.« Wesley lächelte. »Man hat Ihnen eine einzigartige Ehre zugedacht, Jim. Sie sollen bei einer Jagd den Fuchs spielen.« »Wie meinen Sie das?« »Kriegsmanöver. Ich kommandiere die Angriffsflotte.« »Eine ganze Flotte gegen ein einziges Schiff?« Wesley musterte ihn nachsichtig. »Sie haben offenbar noch nicht vom M-5-Multitronic gehört. Das ist der neue Supercomputer, den Dr. Richard Daystrom entwickelt hat, Jim.« »So?« »Sagen Sie nicht ›so?‹, Jim. Warten Sie, bis Sie den M-5 gesehen haben.« »Was ist denn an dem Ding so Besonderes?« »Ein Computer mit solchen Kapazitäten wurde nie zuvor geschaffen«, warf Spock ein. »Er soll die gesamte Computertätigkeit auf einem Raumschiff in Übereinstimmung bringen, um optimale Leistung und Kontrolle des Schiffes zu ermöglichen.« Wesley warf Spock einen argwöhnischen Blick zu. »Woher wissen Sie so genau Bescheid, Commander?« »Ich habe Computerexperten-Klassifikation A-7, Sir. Dr. Daystroms Theorien und Erfindungen sind mir gut bekannt. Die Konstruktion aller Computer hier auf unserem Schiff basiert auf Dr. Daystroms Entwürfen.« »Und was hat das alles mit der Enterprise zu tun?« fragte Kirk. Wesley sah ihn ernst an. »Man hat Sie dazu auserkoren, den neuen M-5 zu testen, Jim. Er soll eine Reihe routinemäßiger Forschungs- und Kontaktaufnahmen übernehmen und bei dem bevorstehenden
Manöver die sich ergebenden Probleme lösen. Wenn er unter realen Bedingungen so hervorragend arbeitet wie bei den simulierten Tests, dann bedeutet das eine raumtechnologische Revolution vergleichbar mit der Erfindung des Sol-Antriebs. Sobald Ihre Besatzung von Bord gegangen ist, werden auf Ihrem Maschinendeck die nötigen Veränderungen zum Einbau des Computers vorgenommen werden.« »Warum muß die Besatzung von Bord gehen? Muß dieses Wunderding durch solche Sicherheitsmaßnahmen geschützt werden?« »Ihre Leute werden nicht gebraucht«, erwiderte Wesley. »Dr. Daystrom wird persönlich den Einbau vornehmen und die Tests überwachen. Sobald er fertig ist, erhalten Sie Ihre Befehle und führen mit zwanzig Mann Besatzung Ihre Mission durch.« »Mit zwanzig Mann? Ich kann doch ein Raumschiff nicht mit einer Besatzung von nur zwanzig Mann führen!« Wesleys autoritäre Stimme klang kühl. »Der M-5 kann es.« »Und ich – was soll ich dabei tun?« »Sie können es sich bequem machen, Jim. Sie können Däumchen drehen und den Computer arbeiten lassen.« »Na, das hört sich ja großartig an«, sagte Kirk. Auch McCoy gefiel die Sache überhaupt nicht. Als er die Neuigkeit hörte, explodierte er. »Ein Schiff dieser Größe kann doch nicht von einem einzigen Computer gesteuert werden! Nicht einmal die Computer, die wir bereits haben – « »Sie wurden samt und sonders vor beinahe fünfundzwanzig Jahren von Richard Daystrom entwickelt«, unterbrach Spock. »Der neue bedient sich nun aller Fähigkeiten der existierenden Computer. Er ist gewissermaßen das Zentralkontrollorgan. Wir
versuchen den Beweis dafür zu erbringen, daß er dieses Raumschiff effizienter führen kann als ein Mensch.« »Sie wollen das vielleicht beweisen, Spock, aber auf mich brauchen Sie da nicht zu zählen.« »Der bedauerlichste Mangel der derzeitigen Computerprogramme ist, daß es keine Möglichkeit gibt, den Bordarzt eines Sternenschiffes zu ersetzen.« »Wenn es die gäbe«, entgegnete McCoy, »brauchte man mich gar nicht erst hinauszuwerfen, ich würde selbst gehen – weil es dann nämlich an Bord nur noch Schaltkreise und Datenbanken gäbe.« Er funkelte Spock zornig an. »Ich habe das Gefühl, bei einigen von uns ist es schon soweit.« Mit besorgter Miene wandte er sich Kirk zu. »Du hast dich kaum dazu geäußert, Jim.« Sie standen draußen vor dem Maschinenraum. Kirk drehte sich nach Spock und McCoy um und deutete auf das neue Schild an der Tür. ›Sicherheitszone‹ stand darauf. »Was soll ich dazu groß sagen, Pille? Bei der Sternenflotte ist man der Ansicht, daß der Einbau des Computers eine Ehre für uns ist. Also fühle ich mich geehrt. Ich muß mich nur erst daran gewöhnen.« Er wandte sich der Tür zu. Sie glitt auf, und sie betraten das Maschinendeck. Der M-5-Multitronic dominierte bereits die riesige Halle. Im Gegensatz zu den integrierten Computern der Enterprise stand die gewaltige Maschine in ihrem massigen Gehäuse allein, als solle so ihre Unabhängigkeit von allen anderen Geräten unterstrichen werden. Auf der Monitorkonsole waren die Knöpfe und Schalter in einer Weise angeordnet, die völlig chaotisch und unüberschaubar wirkte. Scott und einer seiner Leute, Fähnrich Harper, standen vor irgendwelchen Kontrollgeräten in der Nähe des oberen Brückendecks. Kirk sah sich um. »Wo ist er? Wo ist Dr. Daystrom?«
Im Overall des Technikers kam er hinter der Konsole hervor, wo er gearbeitet hatte. Das erste, was Kirk an ihm auffiel, waren seine Augen. Sie waren von einer blitzenden Schärfe, als konzentriere er seine ganze Energie darauf, jedes Gegenüber zu durchdringen. Er war ein nervöser Mensch. Seine Rede war abgehackt, seine Hände schienen sich ständig mit irgend etwas beschäftigen zu müssen. »Ja?« sagte er. »Sie sind wohl Captain Kirk?« Sie gaben sich kurz die Hand. »Dr. Daystrom, mein Erster Offizier, Commander Spock.« Spock neigte den Kopf. »Es ist mir eine Ehre, Doktor. Ich habe alle Ihre Publikationen über Computer-Technologie studiert. Genial.« »Danke, Mr. Spock. Captain, ich habe meine Endkontrolle am M-5 abgeschlossen. Er muß an das Hauptstromnetz des Schiffes angeschlossen werden, um einsatzbereit zu sein.« »In Ordnung, Dr. Daystrom«, antwortete Kirk. »Schließen Sie ihn an.« »Ihr Chefingenieur weigerte sich, mir die Energie ohne Ihren ausdrücklichen Befehl zur Verfügung zu stellen.« Guter alter Scotty, dachte Kirk und sagte: »Mr. Scott, schließen Sie den M-5 an die Hauptenergieversorgung an.« »Aye, Sir. – Mr. Harper?« Er und Harper gingen zur Wandkonsole, während Spock das Schaltbrett des M-5Monitors musterte. McCoy starrte demonstrativ ins Leere. »Faszinierend, Doktor«, meinte Spock. »Dieser Computer hat ein nie dagewesenes Potential. Selbst Ihr Durchbruch in die Duotronik ließ eine solche Entwicklung nicht ahnen.« »Der M-5 ist bis ins letzte Detail ausgefeilt. Sein Potential ist ein Faktum.« McCoy konnte sich nicht länger zurückhalten. »Mich interessiert nur ein Faktum«, warf er ungestüm ein, »wenn diese Wundermaschine nicht funktioniert, haben wir
nicht genug Leute an Bord, um das Schiff zu führen. Das ist geradezu eine Herausforderung an das Schicksal.« Daystrom fixierte ihn kalt. »Wer ist das?« fragte er Kirk. »Dr. Leonard McCoy, unser Schiffsarzt.« »Wir befinden uns hier in einer Sicherheitszone«, sagte Daystrom. »Nur absolut unentbehrliches Schlüsselpersonal ist berechtigt, sich hier aufzuhalten.« Kirks Stimme war frostig. »Dr. McCoy hat freien Zugang zu sämtlichen Räumen dieses Schiffs.« In diesem Moment wurde der M-5 plötzlich lebendig. Lichter blinkten, ein tiefes Summen ging von ihm aus. Und während seine Lichter heller wurden, verdunkelten sich die im Maschinenraum merklich. »Ist dieser Effekt tatsächlich vorgesehen?« fragte McCoy Spock. Daystrom war dabei, mit schnellen Händen ein Instrumentenbrett zu entfernen, um irgend etwas zu justieren. »Wenn ich Ihnen behilflich sein kann, Sir«, sagte Spock. Daystrom sah auf. »Nein. Ich schaff das schon, danke.« Spock zog verwundert über diese Zurückweisung die Brauen hoch. Er warf Kirk einen Blick zu. Der nickte nur, und Spock trat zurück. Das Summen des M-5 wurde ruhiger und gleichmäßiger, die Lichter im Raum wurden wieder heller. »Alles in bester Ordnung, Captain«, erklärte Daystrom. »Eine kleine Anpassungsschwierigkeit gewissermaßen, die nun behoben ist. Sie sehen ja, es ist alles in Ordnung.« »Ja.« Kirk schwieg einen Moment. »Eine Frage, Dr. Daystrom. Warum M-5 und nicht M-1?« Daystrom spielte mit einem Werkzeug. »Die Multitronics 1 bis 4 arbeiteten nicht zufriedenstellend. M-5 hingegen ist absolut gelungen. Er ist jetzt bereit, die Führung des Schiffs zu übernehmen.« »Die alleinige Führung?« fragte Kirk.
»Zu diesem Zweck wurde er entwickelt, Captain.« Es entstand ein peinliches Schweigen. Dann sagte Kirk: »Ich muß gestehen, ich habe eine gewisse Antipathie gegen Ihren Computer, Dr. Daystrom. Schließlich war es der Mensch, der sich zuerst ins All hinauswagte. Mit Hilfe von Maschinen zwar, gewiß – aber das Kommando lag doch immer in seiner Hand.« »Das waren primitive Maschinen, Captain. Wir haben ein neues Zeitalter begonnen.« Ich kann diesen Menschen nicht ausstehen, dachte Kirk und bemühte sich gar nicht mehr, liebenswürdig zu lächeln, als er sagte: »Ich bin nicht gegen den Fortschritt, Sir, aber es gibt einfach gewisse Aufgaben, die der Mensch tun muß, um Mensch zu bleiben. Ihr Computer würde das aber verhindern, Dr. Daystrom.« »Ein Mann wie Sie kann andere Aufgaben übernehmen, Captain. Oder mißfällt Ihnen vielleicht der Gedanke an den möglichen Prestigeverlust, den ein Kommandant eines Sternenschiffs dabei erleidet? Der Computer kann Ihre Aufgabe ohne das geringste Interesse an Prestige erfüllen, Captain.« »Das müssen Sie mir erst noch beweisen, Dr. Day ström«, wandte Kirk lächelnd ein und wandte sich zum Gehen. Doch Daystroms Stimme hielt ihn auf. »Aber dazu ist der M-5 doch hier, Captain, oder?« Es war kein erfreuliches Zusammentreffen gewesen. Spock schien als einziger unberührt von den möglichen Konsequenzen. Als die drei den ungewohnt leeren Korridor hinuntergingen, sagte er: »Captain, wenn Sie mich im Augenblick nicht brauchen, würde ich mich mit Dr. Daystrom gern über einige technische Aspekte des M-5 unterhalten.«
»Schau dir den verliebten Blick in seinen Augen an, Jim. Sein ganzes Leben hat Spock darauf gewartet, daß er den richtigen Computer trifft. Ich hoffe, ihr werdet glücklich miteinander, Spock.« »Doktor, ich finde Ihren Vergleich unlogisch und Ihren Witz gezwungen. Ich darf mich entschuldigen, Captain?« »Bitte, Mr. Spock. Wir sehen uns auf der Brücke.« »Jawohl, Sir.« Kirks düstere Miene beunruhigte McCoy. »Was gibt es, Jim?« Kirk zögerte. »Ich hab’ das Gefühl, daß das alles falsch ist und ich kann es nicht begründen. Ich spüre nur, daß es nicht richtig ist.« »So geht’s mir auch. Es ist einfach nicht in Ordnung, Menschen durch herz- und seelenlose Maschinen zu ersetzen.« »Das ist es nicht allein, Pille. Nur ein Narr würde sich dem Fortschritt in den Weg stellen, wenn es wirklich ein Fortschritt ist. Du kennst doch mein psychologisches Profil. Glaubst du, ich habe Angst, dem M-5 das Kommando zu übergeben?« McCoy meinte nachdenklich: »Wir wissen alle, welchen Fortschritt die Automatisierung gebracht hat. Und Daystrom hat immerhin die Computer entwickelt, die dieses Schiff steuern.« »Ja, aber unter dem Kommando von Menschen«, entgegnete Kirk. »Ich frage mich: Rührt mein Unbehagen nur daher, daß ich Angst habe, der Computer könnte mir meinen Arbeitsplatz wegnehmen? Daystrom hat ja recht. Ich könnte andere Aufgaben übernehmen. Oder geht es mir in Wirklichkeit nur darum, daß ich das Prestige nicht aufgeben möchte, das mit meinem Posten verbunden ist? Muß ich mich deshalb so heftig gegen diese Neuerung wehren? Bin ich wirklich ein so kleiner Geist, so eitel?«
»Jim, wenn du bewußt und mutig genug bist, dir diese Frage zu stellen, dann brauchst du meine Antwort nicht.« Er lächelte. »Warum fragst du nicht James T. Kirk? Das ist ein ziemlich aufrichtiger Bursche.« »Im Augenblick bin ich nicht sicher, daß er mir eine aufrichtige Antwort geben würde, Pille.« Eines aber wußte er mit Sicherheit: Er hatte eine heftige Abneigung gegen das neue Instrumentenbrett links von seinem Kommandosessel, gegenüber dem alten mit dem Intercom und den anderen Schaltern und Hebeln. Die Konsole war installiert worden, ohne daß er konsultiert oder auch nur informiert worden war. Während Kirk sie schweigend musterte, sagte Sulu: »Wir kehren auf unseren ursprünglichen Kurs zurück, Captain.« Spock kam herüber, um sich die neue Konsole anzusehen. »Bis jetzt hat der M-5 hervorragend gearbeitet, Sir.« »Er hat nichts weiter getan, als ein paar erforderliche Kurskorrekturen vorzunehmen. Chekov und Sulu können das mit geschlossenen Augen.« Zu seiner Linken war Daystrom aufgetaucht. »Der springende Punkt ist, daß sie es nicht zu tun brauchen, Captain. Und Sie brauchen auch nicht nach Beendigung jedes Manövers selbst wieder die Führung zu übernehmen.« »Meine Befehle«, gab Kirk kurz zurück, »sagen nichts darüber, wie lange ich dem M-5 die Führung meines Schiffs überlassen muß. Ich werde es so führen, wie ich es für richtig halte, Dr. Daystrom.« »Captain, ich muß Dr. Daystrom recht geben«, bemerkte Spock. »Der Computer hätte uns bei Einspeicherung des Kurses ebenso sicher auf diese Bahn bringen können wie der Navigator.« »Mr. Spock, mir scheint, Sie genießen es, sich diesem Computer anzuvertrauen.«
»Genießen, Sir? Ich freue mich natürlich, daß die neue Maschine alle Aufgaben so effizient ausführt. Der M-5 ist ein weiteres Meisterwerk Dr. Daystroms.« Chekov sagte ruhig: »Wir nähern uns Alpha Cazinae II, Captain. Voraussichtliche Ankunftszeit fünf Minuten.« »Den Anflug übernimmt der M-5, Captain«, sagte Daystrom. »Er steuert das Einschwenken in die Umlaufbahn und analysiert sodann die Daten für die Landeexpedition.« Kirks Stimme war sehr kühl. »Sie haben wohl nichts dagegen, wenn ich meine eigenen Anordnungen treffe?« »Wenn Sie der Meinung sind, daß Sie die Übung brauchen, Captain – bitte.« Kirk sah in die kalten blauen Augen, dann streckte er den Arm aus und drückte einen der Knöpfe auf dem neuen Instrumentenbrett. Mit der gleichen kühlen Stimme sagte er: »Der M-5 hat jetzt Befehlsgewalt.« Während das bisher gedämpfte Summen des Schiffes lauter wurde, erschien auf dem Hauptbildschirm der Planet, dem sie sich näherten. »Standard-Umlaufbahn, Mr. Sulu«, befahl Kirk, den Blick auf das Bild gerichtet. Sulu neigte sich über seine Instrumente und sah überrascht auf. »Captain, die hat der M-5 schon errechnet. Die Umlaufbahn ist bereits eingegeben.« »Ach ja«, sagte Kirk. Spock war an seinen Platz zurückgekehrt, doch Daystrom blieb neben der neuen Kommandokonsole stehen. »Standard-Umlaufbahn erreicht, Sir«, meldete Sulu. »Bericht, Mr. Spock.« »Ein Planet Klasse M, Sir. Sauerstoff-Stickstoff-Atmosphäre, zur Erhaltung menschlichen Lebens geeignet… zwei größere
Landmassen… eine Anzahl Inseln. Meine Instrumente zeigen eine Form von Leben an.« Im Maschinenraum flackerte einen Moment lang die Deckenbeleuchtung. Auf dem verödeten Deck 4 gingen die Lichter ganz aus, und der Raum versank in Finsternis. Mit gerunzelter Stirn wandte sich Scotty an Kirk. »Captain, wir bekommen hier einigermaßen beunruhigende Anzeigen. Energieausfall auf Deck 4 – Beleuchtung und Umweltkontrolle ausgefallen.« »Gehen Sie der Sache nach, Scotty«, befahl Kirk und ging zu Spock hinüber. Der Bibliothekscomputer ratterte aufgeregt. Daystrom gesellte sich zu ihnen. Eine Kassette sprang aus einem Schlitz. Spock nahm sie. »Die Auswertung von M-5, Captain.« Kirk holte tief Atem. »Gut. Meine Empfehlungen lauten folgendermaßen: Wir schicken einen Überwachungstrupp hinunter, der jeglichen Kontakt mit den Lebewesen auf dem Planeten vermeidet. Die Landungsmannschaft ist wie folgt zusammengesetzt: Ich, Dr. McCoy, Astrobiologe Mason, Geologe Rawls und Wissenschaftsoffizier Spock.« »Mr. Spock«, sagte Daystrom, »spielen Sie uns die Empfehlungen von M-5 ab.« Spock schob die Kassette in einen anderen Schlitz seines Computers. Auf Knopfdruck meldete sich eine Computerstimme. »M-5 Auswertung«, sagte sie. »Planet Alpha Cazinae II, Klasse M. Atmosphäre Sauerstoff-Stickstoff…« An Deck 6 erloschen plötzlich die Lichter – und ein weiterer Raum der Enterprise versank in Finsternis. »Jetzt ist auf Deck 6 auch die Energie weg!« rief Scott. Die Computerstimme fuhr zu sprechen fort. »… Anzeichen für eine Form von Leben. Empfehlungen für
Überwachungstrupp: Wissenschaftsoffizier Spock, Astrobiologe Mason, Geologe Carstairs.« Kirk ließ einen Moment verstreichen. »Die einzige Abweichung bei den Berichten und Empfehlungen betrifft die Zusammensetzung der Landungsmannschaft. Und das ist reine Beurteilungssache.« »Beurteilung, Captain?« fragte Daystrom. »Captain – der Computer beurteilt nicht«, bemerkte Spock. »Er trifft eine logische Auswahl.« »Wieso hat er dann Carstairs statt Rawls gewählt? Carstairs ist Fähnrich, Mr. Spock, ein junger Mann ohne Erfahrung. Rawls hingegen ist der Chefgeologe an Bord.« »Vielleicht geht es Ihnen in Wirklichkeit um die Frage, Captain, warum der M-5 Sie und Dr. McCoy nicht genannt hat.« »Nicht unbedingt, Dr. Daystrom«, entgegnete Kirk gelassen. »Fragen wir ihn trotzdem einmal danach.« Daystrom betätigte einen Schalter. »M-5, Verbindung. Erklärung zu den Empfehlungen für die Landeexpedition.« Die Computerstimme sagte: »M-5. Überwachungstrupp bedarf der Führung des Wissenschaftsoffiziers. Astrobiologe Mason hat 29 biologisch ähnliche Planeten untersucht. Geologe Carstairs hat auf diesem Gebiet auf Handelsschiffen gedient und einmal im Auftrag einer Bergwerksgesellschaft den Planeten zum Zweck eines geologischen Gutachtens besucht.« »M-5 Eingabe. Warum wurden der Captain und der Schiffsarzt nicht einbezogen?« »M-5«, antwortete der Computer. »Unwesentliche Personen.« Spock sah Kirk nicht an, und Scott, der über seiner Konsole saß, rief laut: »Captain, ich hab’ den Grund für die
Energieausfälle gefunden. Es ist der M-5, Sir. Das Ding schaltet uns auf dem ganzen Schiff den Strom ab.« »Nun, Dr. Daystrom«, sagte Kirk, »sehen wir uns im Maschinenraum um?« Er trat zur Seite, während Daystrom ein Schaltbrett der gewaltigen Maschine entfernte. Kurz danach befestigte er es wieder an seinem Platz und sagte: »Es ist, wie ich gleich vermutete, keine Fehlfunktion dieser Reihe von Schaltkreisen. Wir brauchen nicht weiterzusuchen. Der M-5 unterbricht lediglich die Energieversorgung von Schiffsräumen, die derzeit keine Energie brauchen. In Deck 4 und 6 sind doch die Mannschaftsquartiere, nicht wahr?« »Ja.« »Und sie stehen gegenwärtig leer.« Spock war dabei, das große Instrumentenbrett am Monitor zu untersuchen. »Diese Instrumente sind mir nicht vertraut, Dr. Daystrom. Sie setzen ein völlig neues Kontrollsystem ein – aber mir scheint, daß die Maschine mehr Energie verbraucht als zuvor.« »Das ist richtig. Wenn von der Maschine höhere Leistung verlangt wird, braucht sie auch mehr Energie, um sie zu erbringen – genau wie der menschliche Körper beim Laufen mehr Kraft braucht als im Stillstand.« »Dr. Daystrom«, entgegnete Spock, »wir haben es hier nicht mit einem menschlichen Körper zu tun. Ein Computer kann Informationen verarbeiten – aber nur solche, die ihm eingespeichert werden.« Kirk nickte. »Zugegeben, er kann tausend-, millionenmal schneller arbeiten als das menschliche Gehirn. Aber er kann keine Werturteile abgeben. Er hat keine Intuition. Er kann nicht denken, nicht abschätzen, was gerade wichtig oder weniger wichtig ist.«
Daystrom wurde rot vor Zorn. »Verstehen Sie denn nicht, daß diese Maschine eine Revolution in der Computerwissenschaft bedeutet? Ich entwickelte die duotronischen Elemente, die in diesem Augenblick in Ihrem Schiff zum Einsatz kommen. Und sie sind so archaisch wie Dinosaurier im Vergleich zum M-5 – « Die Schiffspfeife und Uhuras gedämpfte Stimme unterbrachen ihn. »Captain Kirk und Mr. Spock bitte auf die Brücke.« Kirk ging zum Intercom. »Hier Kirk. Was gibt’s, Leutnant?« »Ein Flugkörper, dessen Kurs mit dem unseren parallel verläuft, befindet sich im Sensorenbereich, Sir. Wir haben den Flugkörper noch nicht identifiziert.« Als Kirk sich vom Intercom abwandte, bemerkte er, daß sich das Summen und die Lichtaktivität des M-5 erneut gesteigert hatten. Er warf einen skeptischen Blick auf die Maschine und sagte: »Mr. Spock!« Als er die Treppe hinunterstieg, zeigte ihm ein letzter Blick Daystrom, wie dieser beinahe zärtlich das Gehäuse des Computers tätschelte. Das durchdringende Summen folgte ihnen auf die Brücke, wo McCoy sie mit grimmiger Miene erwartete. »Was tust du hier oben, Pille?« »Weshalb sollte ich nicht hier sein? Im Bordlazarett ist alles abgeschaltet bis zu dem Zeitpunkt, wo der M-5 informiert wird, daß Patienten versorgt werden müssen.« Spock sagte hastig: »Sir, Sensorenmeldungen weisen auf zwei Kontakte hin; einen Backbord voraus, den anderen achtern. Entfernung, zweihunderttausend Kilometer, rasch näherkommend.« »Identifizierung?« »Sir, der M-5 hat die Flugkörper bereits als die Raumschiffe Excalibur und Lexington der Sternenflotte identifiziert.«
Kirk sah ihn an. Es war nicht zu erkennen, ob Spock beeindruckt oder verärgert darüber war, daß der M-5 ihm diese Arbeit abgenommen hatte. »Manöver waren in diesem Gebiet nicht angesetzt, Captain. Es kann sich um einen Überraschungsangriff als Aufgabe für den M-5 handeln.« »Wir erhalten eine Alarmmeldung der Prioritätsstufe Eins, Sir«, meldete sich Uhura. Daystrom trat aus dem Lift, als Kirk gerade sagte: »Auf Audio, Leutnant.« Dann hörte er Wesleys Stimme. »An Enterprise von Commodore Wesley auf der USS Lexington. Dies ist eine außerplanmäßige Übung für M-5. Ich wiederhole, dies ist eine Übung für M-5. Enterprise, bitte bestätigen Sie auf dieser Frequenz.« Kirk nickte Uhura zu. »Bestätigen Sie, Leutnant.« Uhura hob die Hand, um auf einen Knopf zu drücken, zögerte und sah Kirk an. »M-5 bestätigte bereits für uns, Sir.« »Dann geben Sie Alarmstufe Rot, Leutnant.« »Ja, Sir.« Doch noch während sie zum Hebel greifen wollte, ertönte das Alarmsignal. »M-5 hat bereits Alarm gegeben, Captain.« »Ach ja?« sagte Kirk. Er wandte sich Sulu zu. »Phaser auf volle Kraft, Mr. Sulu. Wir wollen sie nur ein bißchen schubsen.« »Phaser auf volle Kraft, Sir.« Im selben Moment, als Sulu sich seinem Instrumentenbrett wieder zuwandte, traf das Schiff eine Salve von einem der angreifenden Sternenschiffe. Nur ein leichter Schlag. Spock rief: »Phaser an Backbord-Abschirmung 4 getroffen, Sir.«
Sulu blickte auf. »Geschwindigkeit steigt auf Sol 3, Sir. Gehen auf 112 Mark 5.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Phaser auf Zielobjekt programmiert, Captain.« Dann war Chekov an der Reihe. »Feindliches Schiff holt auf, Sir. Nähert sich rasch. Es – « Sulu unterbrach ihn. »Schutzschilde jetzt unten, Sir. Hauptphaser feuern.« Dann schrie er begeistert: »Ein Treffer, Sir! Noch zwei!« Doch sein Triumphgeschrei verstummte abrupt, als er sah, daß Kirk starr und steif in seinem Sessel sitzen blieb, den Blick unverwandt auf den Bildschirm gerichtet. Chekov meldete: »Kurswechsel auf 28 Mark 42, Sir.« Die Meldungen häuften sich in schneller Folge. »Phaser feuern erneut.« »Kurs jetzt 113 Mark 5. Sol 5 Geschwindigkeit.« »Phaser feuern erneut.« »Angreifer ziehen sich zurück.« »Schutzschilde hoch – Rückkehr auf ursprünglichen Kurs und zu ursprünglicher Geschwindigkeit.« Da erst sprach Kirk. »Schadensmeldung bitte.« »Ein kleinerer Treffer an Abschirmung 4, Sir«, berichtete Spock. »Schaden geringfügig.« Kirk nickte langsam, und Daystrom sagte mit triumphierender Miene: »Eine ziemlich beeindruckende Demonstration für eine ›bloße Maschine‹ finden Sie nicht, Captain?« Kirk antwortete ihm nicht, sondern stand auf und ging zu Spock hinüber. »Auswertung der M-5-Leistung, Mr. Spock. Die brauchen wir für das Logbuch.« Spock setzte seine Worte mit Bedacht. »Das Schiff reagierte weit schneller, als das bei menschlicher Führung möglich
gewesen wäre. Taktik, Waffeneinsatz – das alles zeigte die ungeheure Effizienz der Computerführung.« »Mit anderen Worten, die Maschine ist dem Menschen überlegen. Nun haben Sie endlich nachgewiesen, daß es praktikabel ist, Spock.« »Praktikabel vielleicht, Sir«, erwiderte Spock. »Aber nicht wünschenswert.« Mit ruhigem Blick sah er Kirk in die Augen. »Computer sind ausgezeichnete und tüchtige Diener; aber ich habe keine Lust, unter ihnen zu dienen. Wesentlich für die reibungslose Führung eines Raumschiffs ist auch die Loyalität, Captain; die Loyalität zu einem Menschen – zu einem einzigen Menschen. Die kann nichts ersetzen. Und ihn auch nicht.« Kirk spürte, wie ihm absurderweise Tränen der Dankbarkeit in die Augen schossen. Doch ehe er etwas sagen konnte, rief Uhura: »Captain, wir empfangen eine Botschaft von Commodore Wesley.« »Schalten Sie auf Bildschirm, Leutnant.« Das Bild zeigte Wesley in einem Kommandosessel sitzend. Er sagte: »An die USS Enterprise von Sternschiffen Lexington und Excalibur. Beide Schiffe melden simulierte Treffer in ausreichender Menge an empfindlichen Stellen, so daß der Sieg in diesem Scharmützel der Enterprise zuerkannt werden muß. Gratuliere.« »Alarmzustand beenden«, sagte Kirk zu Uhura. Wieder griff sie zum Schalter. Und wieder war die Sirene bereits abgeschaltet worden. Achselzuckend sah sie Kirk an. Der Mann auf dem Bildschirm sprach weiter. »Unsere Komplimente dem M-5 und Grüße an Captain Dunsel. Wesley Ende.« »Dunsel?« rief McCoy. »Wer, zum Teufel, ist Captain Dunsel? Was soll das heißen, Jim?« Aber Kirk war schon zum Lift gegangen. McCoy wandte sich an Spock. »Also – wer ist Dunsel?«
»›Dunsel‹, Doktor, ist ein Wort, das die Kadetten auf der Sternenflotten-Akademie gern verwenden. Es bezeichnet ein Zubehörteil, das eigentlich überflüssig ist.« McCoy war wie vor den Kopf geschlagen. Er blickte zu der geschlossenen Lifttür, dann zum leeren Kommandosessel und dem lichterblinkenden Instrumentenbrett des M-5, der Maschine, die sich als so nützlich erwiesen hatte. McCoy trat, ohne den Summer zu betätigen, in Kirks Kabine. Kirk begrüßte ihn nicht. Er lag reglos auf seinem Bett, den Kopf auf den Armen. McCoy stellte wortlos ein Tablett auf einen Tisch. Ohne den Kopf zu drehen, sagte Kirk: »Ich bin nicht hungrig.« »Keine Angst, es ist keine Hühnerbouillon.« McCoy lupfte die Serviette über dem Tablett, und zwei Gläser mit einer prächtigen smaragdgrünen Flüssigkeit kamen zum Vorschein. Eines brachte er zu Kirk, der es zwar nahm, aber keine Anstalten machte zu trinken. »Es ist streng verordnet, Jim.« Kirk stellte das Glas auf den Boden und setzte sich auf. »Pille, nie in meinem Leben habe ich mich so einsam gefühlt. Mit Menschen hat das nichts zu tun. Ich fühle mich einfach – na ja, ich fühle mich abgetrennt, als stünde ich neben mir und sähe zu, wie ich aller menschlichen Verantwortlichkeit enthoben werde. Sogar mit meinem eigenen Schiff komme ich nicht mehr zurecht.« Er stützte die Ellbogen auf die angezogenen Knie und legte den Kopf in seine Hände. Als er weitersprechen konnte, kamen ihm die Worte stockend über die Lippen. »Ich – es tut mir – ich meine, ich tue mir nicht leid. Ich bin sicher- daß es nicht Selbstmitleid ist. Ich bin – bin keine Maschine – und vergleiche mich auch nicht mit einer.
Ich glaube, ich – ich kämpfe um etwas – Wichtiges, Pille.« Er griff nach dem Glas und hob es. »Auf Captain Dunsel.« McCoy hob ebenfalls sein Glas. »Auf James T. Kirk, den Captain des Sternenschiffs Enterprise.« Sie tranken. Kirk umschloß sein leeres Glas mit beiden Händen und starrte hinein. »Eine deiner besseren Verordnungen, Pille.« »Einfach – aber wirksam.« Kirk stand auf. Er schaltete seinen Videorecorder ein, in dem eine Kassette steckte, und las die Wörter, die auf dem Bildschirm erschienen, laut vor. »Nur ein großes Schiff erbitt’ ich…« »Das ist aus einem sehr alten Gedicht, nicht wahr?« bemerkte McCoy. »Zwanzigstes Jahrhundert«, sagte Kirk. »Nur ein großes Schiff erbitt’ ich, und einen Stern, der den Weg mir weist.« Seine Stimme zitterte. »Damals konnte man den Wind spüren, Pille – und das Murmeln der See unter dem Kiel hören.« Er lächelte. »Selbst wenn man den Wind und das Wasser wegnimmt, ist es immer noch das gleiche. Es ist dein Schiff – man hat es im Blut, daß es einem gehört –, und die Sterne existieren immer noch, um einem den Weg zu weisen.« McCoy war heilfroh, daß das Intercom piepte und gleich darauf Uhura sagte: »Captain Kirk, bitte auf die Brücke.« »Hier Kirk. Was gibt es, Leutnant?« Spock antwortete. »Wir haben wieder Kontakt, Captain. Mit einem großen unidentifizierten Flugkörper, der sich mit geringer Geschwindigkeit fortbewegt. Das ist keine Übung, Captain.« »Ich komme«, sagte Kirk. Spock stand aus dem Kommandosessel auf, als Kirk aus dem Lift kam, und Uhura drehte sich um und meldete: »Keine
Antwort auf unsere Signale, Captain. Nein – Augenblick, da kommt etwas.« Im selben Moment begann Spocks Computer zu rattern. Spock griff hastig zum Kopfhörer. Nachdem er einen Moment aufmerksam zugehört hatte, sagte er: »Der M-5 hat den Flugkörper identifiziert, Captain. Es ist die Woden; im Register wird sie als Erzfrachter alten Stils geführt, der auf Automatisierung umgestellt wurde. Keine Besatzung.« Er warf einen Blick auf den Bildschirm. »Wir haben jetzt Sichtkontakt, Sir.« Die Woden war ein schwerfälliges altes Raumschiff, das unverkennbar auf dem letzten Loch pfiff, wenn man so sagen wollte. Sie als bedrohlich anzusehen, wäre absurd gewesen. Dank der verjüngenden Wirkung der Automatisierung bewegte sie sich tapfer, wenn auch langsam vorwärts, eine resolute alte Dame, die nicht bereit war, sich vom Alter unterkriegen zu lassen. Sulu fuhr plötzlich in seinem Sitz hoch. Er hatte die rote Sirene gehört. »Captain, soeben sind die Abschirmungen in die Höhe gegangen.« Chekov blickte auf. »Geschwindigkeitssteigerung auf Sol 3, Captain.« Kirk schien sich plötzlich aus der Starre zu befreien, die ihn umklammert hatte. »Leutnant Uhura, schicken Sie mir Dr. Daystrom herauf!« Während sie sich ihrem Schaltbrett zuwandte, drückte er energisch auf einen Kontrollknopf auf dem M-5Instrumentenbrett an seiner Seite. »M-5 abkoppeln«, sagte er. »Geschwindigkeit auf Sol 1 drosseln. Navigator, gehen Sie auf Kurs 113 Mark 7 – ich möchte das Schiff in einem weiten Bogen umrunden.« Sulu arbeitete mit Schaltern und Hebeln. »Die Enterprise reagiert nicht, Sir. Sie behält ihren Kurs bei.«
»Geschwindigkeit weiter gestiegen, Captain«, meldete Chekov. »Auf Sol 4.« Der schwerfällige alte Frachter auf dem Bildschirm wurde größer. Kirk hantierte wie ein Rasender mit den Schaltern des Armaturenbretts zu seiner Linken, um die Kontrolle über sein Schiff wiederzuerlangen. Über die Schulter rief er: »Mr. Scott, bremsen Sie uns ab. Maschinen volle Kraft zurück.« Scott sah von seiner Konsole auf. »Der Bremsschub greift nicht, Sir. Der Handaktivator funktioniert auch nicht.« Daystrom kam eilig aus dem Lift. »Was ist jetzt schon wieder los, Captain?« »Die Kontrollsysteme scheinen blockiert zu sein. Wir können den Computer nicht abkuppeln.« Spock rief: »Captain, Photonen-Torpedos auf Woden gerichtet.« Kirk stürzte zu Sulu hinüber, lehnte sich über seine Schulter nach vorn und drückte die Torpedo-Kontrollknöpfe. Sulu schüttelte den Kopf. »Das hab’ ich schon versucht, Sir. Die Photonen-TorpedoSperren reagieren nicht.« Kirk pflanzte sich vor Daystrom auf. »Heben Sie die Kontrolle dieses Computers über mein Schiff auf, ehe die Torpedos abgefeuert werden.« Daystrom neigte sich zu der Konsole neben Kirks Sessel, aber noch ehe er etwas tun konnte, flammte auf dem Bildschirm ein Feuerball auf – und die Woden war verschwunden. Die Alarmsirenen verstummten. Die Enterprise schwenkte auf ihren ursprünglichen Kurs zurück. Ihre Geschwindigkeit verringerte sich. Spock sagte mit einem prüfenden Blick auf seine Instrumente: »Alle Systeme normal, Captain.« »Normal!« prustete McCoy empört. »Will uns diese Maschine vielleicht weismachen, daß nichts passiert ist?«
Kirk nickte. »Dr. Daystrom, Sie werden diesen Computer augenblicklich abkoppeln.« Daystrom sah vom Instrumentenbrett zu ihm auf. »Hier scheint mir ein Defekt vorzuliegen – «. »Defekt!« rief McCoy. »Ihr genialer Computer hat soeben einen Erzfrachter vernichtet.« »Zum Glück«, sagte Daystrom, »war es nur ein unbemanntes Robotschiff.« Kirk mischte sich ein, ehe McCoy die Beherrschung verlor. »Aber es war nicht geplant, daß der Computer etwas zerstört, Dr. Daystrom. Es hätte leicht eine Besatzung auf dem Schiff sein können.« »Und dann«, schrie McCoy, »hätten Sie sich des Mordes schuldig gemacht und – !« »Ruhig Blut, Pille!« sagte Kirk und wandte sich wieder Daystrom zu. »Kuppeln Sie diesen Computer ab.« Er ging zu Uhura hinüber. »Leutnant, nehmen Sie mit dem Flottenkommando Verbindung auf. Teilen Sie mit, daß wir die M-5-Tests abbrechen und zur Raumstation zurückkehren.« »Aye, Sir.« »Gehen wir in den Maschinenraum, Daystrom. Ihr M-5 ist soeben arbeitslos geworden.« Kirk blieb an der Tür zum Maschinenraum stehen, während Daystrom und Spock eintraten. »Also, Dr. Daystrom«, sagte er. »Schalten Sie das Ding jetzt ab.« Aber Daystrom zögerte. Mit entschlossener Miene ging Kirk auf den M-5 zu. Plötzlich taumelte er und wurde rückwärts geschleudert. Als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, starrte er den Computer ungläubig an. »Ein Kraftfeld! Daystrom?« Daystrom war bleich geworden. »Nein, Kirk. Das war ich nicht.«
»Ich würde sagen, Captain, daß der M-5 nicht nur fähig ist, für dieses Schiff zu sorgen; sondern auch, für sich selbst zu sorgen.« »Was reden Sie da, Spock? Wollen Sie damit sagen, daß er es uns verwehren wird, ihn abzuschalten?« »Genau, Captain.« Scott und einer seiner Mitarbeiter hatten sich zu ihnen gesellt. Kirk bemühte sich nicht, sein Gespräch mit Daystrom geheimzuhalten. »Sie haben dieses Ding gebaut«, sagte er, »Sie müssen wissen, wie man es abschaltet.« Daystroms Hände zuckten nervös. »Mit kleineren Schwierigkeiten muß man immer rechnen, Captain. Ich versichere Ihnen, sie können behoben werden.« »Ja, nachdem Sie mein Schiff aus den Klauen dieses Teufelsdings befreit haben«, versetzte Kirk scharf. »Ich, ich – das kann ich nicht«, stammelte Daystrom. »Captain«, warf Scott ein und wies mit dem Kopf zum Hauptanschluß an die Energiespeicher, »ich schlage vor, wir drehen ihm den Saft an der Quelle ab.« »Gut, Scotty. Schalten Sie ihn ab.« Scott drehte sich nach einem Werkzeug um, während sein Mitarbeiter, Harper, schon zum Hauptanschluß hinüberging. Das Summen des Computers wurde plötzlich zu einem schrillen Wimmern, und ein weißglühender Lichtbogen spannte sich von der Konsole zum Hauptanschluß. Einen Moment lang brannte Harper wie eine Fackel, eine Stichflamme schoß grell leuchtend in die Höhe, dann war Harper verschwunden, ohne einen Laut von sich gegeben zu haben. Kirk war starr vor Entsetzen. »Das – kann man wahrhaftig nicht als kleinere Schwierigkeit bezeichnen«, sagte er leise. »Das war kein Roboter, Daystrom.« Dann brüllte er wie ein
wildes Tier: »Diese Maschine hat einen meiner Leute umgebracht!« Nur verschwommen nahm er das Entsetzen in Daystroms Gesicht wahr. Der Mann schien wie besinnungslos zu babbeln. »… kein überlegter Akt… die Analyse des M-5… eine neue Energiequelle… Fähnrich Harper… war im Weg…« »Wir werden vielleicht alle bald im Weg sein«, sagte Kirk. »Der M-5 scheint Energie von den Sol-Antrieben abzuziehen«, bemerkte Spock. »Er hat also direkt die MaterieAntimaterie-Reserven angezapft.« »Damit verfügt er praktisch über unbeschränkte Energiemengen«, stellte Scott fest. »Was sollen wir tun, Captain?« »Unter anderen Umständen«, antwortete Kirk, »würde ich vorschlagen, den M-5 zu fragen. Angesichts der gegebenen Situation bitte ich Sie, Spock und Scotty, mit mir in den Besprechungsraum zu kommen.« Sie folgten ihm hinaus, während Daystrom bei seinem Monster à la Frankenstein zurückblieb. Im Besprechungsraum erfuhr Kirk, daß es Uhura nicht gelungen war, mit dem Flottenkommando Verbindung aufzunehmen. Zwar gestattete der M-5 der Enterprise, Meldungen zu empfangen, er hatte jedoch die Sendefrequenzen blockiert. Über das Intercom sagte Kirk: »Versuchen Sie weiter durchzukommen, Leutnant.« »Jawohl, Sir.« Kirk setzte sich an den Tisch. »Berichte. Mr. Spock?« »Der M-5 nimmt den Sol-Antrieben immer mehr Energie weg, Sir. Er hat die totale Kontrolle über das Schiff – Navigation, Steuerung, Technik.« »Nicht zu vergessen die Kommunikation«, bemerkte McCoy.
Kirk nickte. »In einer Stunde haben wir das Manövergebiet erreicht. Vorher müssen wir die Kontrolle über das Schiff zurückgewinnen. Scotty, gibt es ein Mittel, den M-5 aktionsunfähig zu machen?« »Nehmen wir doch einen Phaser!« meinte McCoy. »Wir können das Kraftfeld nicht durchbrechen, das er um sich herum aufgebaut hat«, entgegnete Scotty. »Ganz gleich, was wir dagegen unternehmen, er kann es jederzeit verstärken, indem er zusätzliche Energie abzapft.« »Gut«, sagte Kirk. »Der Computer hat sämtliche Funktionen unter seiner Kontrolle. Können wir da nicht irgendwo dazwischenfahren und die Kontrolle wieder an uns bringen?« Scott runzelte nachdenklich die Stirn. »Eine Möglichkeit gibt es. Die automatischen Relais des Steuerungs-NavigationsSchaltkreises können von Maschinendeck 3 aus unterbrochen werden.« »Man könnte sie herausnehmen«, sagte Spock, »und von dort die Handsteuerung aktivieren.« »Wie lange dauert das?« fragte Kirk. »Wenn Mr. Spock mir hilft – vielleicht eine Stunde.« »Es muß schneller gehen.« McCoy sah ihn an. »Warum knöpfst du dir nicht den wirklich Verantwortlichen vor? Wo ist dieser Daystrom überhaupt?« »Beim M-5 – beobachtet ihn nur. Ich glaube, das Ding hat sogar ihn überrascht.« »Dann ist er ein unlogischer Mensch«, erklärte Spock. »Wenn jemand hätte wissen können, wie die Maschine arbeiten wird, dann doch er. Doch der M-5 selbst verhält sich auch nicht logisch.« »Spock, tun Sie mir einen Gefallen«, sagte McCoy gequält. »Sagen Sie bitte nicht, daß Sie das ›faszinierend‹ finden.« »Nein, Doktor«, antwortete Spock. »Aber interessant ist es schon.«
Die Jeffries-Röhre in Maschinendeck 3, wo die Relais der Steuerungs-Navigations-Schaltkreise untergebracht waren, war dunkel und eng. Auf jeder Seite hatte sie zwei Klappen, die sich öffnen ließen, und durch diese Öffnungen hatten sich Spock und Scott, mit Mini-Unterbrechern bewaffnet, ins Innere der Röhre gezwängt. Daystrom stand draußen und hatte nur Augen für seinen Computer, wobei er allerdings sicheren Abstand von dem Kraftfeld hielt. Die Befriedigung über die lichtblinkende, pulsierende Lebendigkeit seines Meisterwerks konnte er jedoch nicht verbergen. McCoy, der leise hereinkam, musterte den Mann aufmerksam. Als Daystrom sich der Beobachtung bewußt wurde, drehte er sich um. »Haben Sie schon einen Weg gefunden, um das Ding abzuschalten?« fragte McCoy. Daystroms Augen funkelten. »Man schaltet ein Kind nicht einfach ab, wenn es einen Fehler macht.« »Wollen Sie diese mörderische Teufelsmaschine mit einem Kind vergleichen?« »Sie sind sehr emotional, Dr. McCoy. Der M-5 wächst noch, befindet sich in einem ständigen Lernprozeß.« »Ja, er lernt zu töten.« »Er lernt, sich zu verteidigen – das ist etwas völlig anderes. Er lernt ganz ausgezeichnet. Dieses Kraftfeld, das spontan geschaffen wurde, geht über mein elterliches Programm hinaus.« »Sie meinen, das Ding ist außer Kontrolle«, sagte McCoy. »Ein Kind, Doktor, wird zunächst durch einfache Anweisungen unterrichtet – programmiert, sozusagen. Mit zunehmender Entwicklung seines Verstandes, kann es über diese Anweisungen hinausgehen und selbständig zu denken anfangen.« »Sind Sie Vater?«
»Nein, dazu hatte ich nie die Zeit«, antwortete Daystrom. »Die hätten Sie sich aber nehmen sollen. Ihr Sprößling, Dr. Daystrom, ist für uns alle eine Gefahr. Sie müssen ihn schleunigst abschalten.« Daystrom starrte ihn an. »Sie verstehen offenbar immer noch nicht. Sie haben Angst, weil Sie nicht verstehen. Ich werde es Ihnen zeigen – Ihnen allen. Für ein Sternschiff braucht man eine Besatzung von 430 Mann. Mein – Kind kann so ein Schiff ganz allein führen.« Er glühte vor Stolz. »Der M-5 kann sämtliche Aufgaben erledigen, die heute noch von Menschen getan werden müssen. Nie wieder braucht ein Mensch im Weltraum zu sterben! Kein Mensch braucht sich mehr allein und verlassen auf einer fremden Welt zu fühlen.« »Fühlen Sie sich allein und verlassen auf einer fremden Welt?« fragte McCoy. Doch Daystrom befand sich in einem Idealreich paradiesischer Offenbarung. »Eine Maschine – eine einzige Maschine!« rief er. »Die Forschungs- und Kontaktaufgaben weit effizienter erledigen kann als die menschliche Besatzung eines Raumschiffs – die, wenn nötig, sogar einen ganzen Krieg allein führen kann. Sehen Sie denn nicht, wieviel Freiheit das für die Menschen bedeutet? Sie können sich großartigeren Leistungen zuwenden als dem bloßen Sammeln von Fakten, der Erforschung eines Weltalls, dem es gleichgültig ist, ob sie leben oder sterben.« Er wandte sich von McCoy ab, um den Computer direkt anzusprechen. »Sie können uns nicht verstehen«, sagte er beinahe liebevoll. »Sie glauben, wir wollen zerstören, wo wir doch gekommen sind, um zu retten und zu bewahren.« McCoy ging rasch im Bordlazarett vorbei, ehe er in den Besprechungsraum zurückkehrte. Dort warf er Kirk eine
Kassette auf den Tisch. »Biographische Daten über John Daystrom«, sagte er. »Was suchst du?« »Einen Hinweis, Jim, irgendeinen Hinweis. Was weißt du über ihn – außer daß er ein Genie ist?« »Genie ist eine Untertreibung, Pille. Mit vierundzwanzig gelang ihm ein technologischer Durchbruch, der ihm außer dem Nobel-Preis noch zahlreiche andere Ehrungen einbrachte.« »Da war er Anfang zwanzig, Jim. Das liegt mehr als ein Vierteljahrhundert zurück.« »Hat er nicht genug für ein ganzes Leben geschafft?« »Vielleicht liegt genau da der Hase im Pfeffer. Wohin soll man noch streben, wenn man schon ganz oben ist? Man lehrt, man publiziert – und jagt sein Leben lang dem vergangenen Ruhm nach.« »Gut, gut, es ist schwierig. Aber worauf willst du denn nun hinaus?« »Ich denke an die Modelle M-1 bis M-4, die, wie Daystrom es formulierte, ›nicht zufriedenstellend arbeiteten‹.« »Du kannst doch von einem Genie keine Fließbandarbeit erwarten. Eine völlig neue Theorie, die das gesamte technische Denken revolutioniert, wird nicht nach Plan entwickelt. Man kann nicht einfach sagen: ›Heute mach’ ich mal was Geniales‹. Ganz gleich, wie lange es dauerte, Daystrom präsentierte uns den M-5.« »Ganz recht. Und die Regierung kaufte ihn. Daraufhin mußte Daystrom dafür sorgen, daß er funktioniert. Und er funktionierte auch – aber, um es mit Spock zu sagen, er arbeitet ›unlogisch‹. Er ist unberechenbar.« »Ja«, meinte Kirk nachdenklich. »Und Daystrom wollte Spock nicht an den M-5 heranlassen. Willst du unterstellen,
daß er da die Hand im Spiel hat – daß er den Computer veranlaßt, all diese Geschichten zu machen? Aber warum?« »Wenn jemand ein Kind hat, das sich asozial entwickelt, wird er dennoch dazu neigen, dieses Kind zu schützen.« »Jetzt hat er dich schon so weit, daß du eine Maschine als beseeltes Wesen siehst.« »So sieht er es«, entgegnete McCoy. Das Intercom piepste, und Spock sagte: »Spock an Captain Kirk.« »Hier Kirk.« »Wir sind soweit, Captain.« »Gut. Ich komme. Holen Sie Daystrom. Kirk Ende.« Spock kroch gerade aus der Jeffries-Röhre, als sie kamen. Er wies mit dem Kopf in den dunklen Tunnel hinauf. »Mr. Scott ist mit dem Unterbrecher bereit. Sobald er ihn einsetzt, schalte ich die Handsteuerung ein.« Kirk nickte. Spock kroch wieder in die Röhre. Daystroms Gesicht war hochrot. »Sie können dem M-5 nicht einfach die Kontrolle nehmen.« »Wir werden es auf jeden Fall versuchen, Dr. Daystrom«, versetzte Kirk. »Nein! Nein, das dürfen Sie nicht! Das dürfen Sie nicht tun. Geben Sie mir nur etwas Zeit. Bitte! Lassen Sie mich das regeln.« Er stürzte zu der Röhre, versuchte hineinzukriechen und gleichzeitig Spock an den Beinen wieder herauszuziehen. Kirk und McCoy packten ihn. Es fiel ihnen nicht schwer, ihn niederzuhalten. »Daystrom!« schrie Kirk ihn an. »Benehmen Sie sich. Vorwärts, machen Sie weiter, Spock.« In der Röhre hantierte Scott schwitzend mit seinem Werkzeug. Gedämpft klang seine Stimme zu ihnen hinunter. »Es ist soweit!«
Spock tat ein paar hastige Handgriffe, dann drehte er sich um und sah nach unten, direkt in Kirks ängstlich gespanntes Gesicht. Nie war sein Gesichtsausdruck einem Lächeln so nahe gewesen. Er glitt abwärts und kroch aus der Röhre heraus. »Handsteuerung ist wieder in Betrieb, Captain.« Daystrom hatte sich wütend von Kirk losgerissen. Jetzt trat Kirk zum Intercom. »Kirk an Brücke.« »Hier Leutnant Sulu, Sir.« »Mr. Sulu, wir haben die Kontrolle über Steuerung und Navigation zurückgewonnen. Wenden Sie das Schiff. Mr. Chekov soll einen Kurs zurück zur Raumstation berechnen.« »Sofort, Sir.« Sulu sah Chekov lachend an. »Du hast ja gehört, was er sagte.« »Ich hab’ den Kurs schon seit Stunden berechnet.« Aber als Sulu seine Instrumente betätigen wollte, geschah nichts. Das Lächeln auf seinem Gesicht gefror. Und Chekov schüttelte seinerseits den Kopf. »Nichts«, sagte er. Sulu schaltete das Intercom ein. »Rudergänger an Captain Kirk.« Kirk fuhr herum. »Hier Kirk.« »Captain, das Ruder reagiert nicht. Die Navigationsinstrumente sind immer noch von M-5 blockiert.« Daystrom lachte leise, und Spock, der es hörte, sprang in die Röhre zurück. Nachdem er die Relais in ihrem Inneren untersucht hatte, kam er mit niedergeschlagener Miene wieder heraus und ging direkt zum Intercom. »Spock an Brücke«, sagte er. »Mr. Chekov, gehen Sie zum Maschinendeck. Untersuchen Sie die H-279-Elemente und auch das G-95-System.« Es dauerte eine ganze Weile, ehe Chekovs Stimme über das Intercom kam.
»Sir, das G-95-System scheint außer Betrieb zu sein. Sämtliche Anzeigeinstrumente sind dunkel.« »Danke«, sagte Spock und wandte sich den anderen zu. »Unsere Bemühungen waren umsonst. Der M-5 hat die Kontrolle über Ruder- und Navigationsinstrumente unter Umgehung des Hauptsystems umgeleitet.« »Aber es war aktiviert«, rief Scott. »Ich weiß es genau.« »Als der M-5 auf unsere Bemühungen aufmerksam wurde«, entgegnete Spock, »leitete er die Kontrollsysteme um. Dieses hier hielt er durch einen einfachen elektronischen Impuls, der in regelmäßigen Abständen hindurchgeschickt wurde, scheinbar aktiv.« »Er hat uns reingelegt«, rief McCoy. »Es war ihm ganz recht, daß wir hier unsere Zeit vergeudet haben.« »Und was hat M-5 inzwischen getan?« fragte Kirk, »Spock?« »Ich weiß es nicht, Sir. Er arbeitet nicht nach logischen Prinzipien.« Zornig fuhr Kirk herum. »Daystrom, ich verlange eine Erklärung, und zwar sofort. Ich hab’ genug von den ständigen Beteuerungen, der M-5 stelle eine ›völlige Neuentwicklung‹ dar. Was ist das für ein Gerät? Ich möchte es genau wissen. Es ist offensichtlich nicht einfach ein ›schlichter Computer‹.« »Nein«, sagte Spock. »Der M-5 zeigt beinahe menschliche Verhaltensmuster.« »Also, Daystrom?« Daystrom ignorierte Kirk. »Richtig, Mr. Spock. Sehen Sie, eines der Argumente, die gegen den Einsatz von Computern zur Steuerung von Raumschiffen vorgebracht werden, ist, daß sie nicht wie Menschen denken können. Aber der M-5 kann das. Ich habe es gehofft – ich war mir nicht sicher, aber es funktioniert wirklich.« »Die ›völlige Neuentwicklung‹ meinen Sie«, warf Kirk ein.
»Genau. Ich habe eine Methode entwickelt, den Computerrelais menschliche Verhaltensmuster aufzuprägen. Die Relais entsprechen genau den Synapsen des Gehirns. Der M-5 denkt, Captain Kirk.« Die drängende Stimme Uhuras unterbrach das Gespräch. »Captain Kirk und Mr. Spock, auf die Brücke bitte. Auf die Brücke bitte.« Kirk sprang zum Intercom. »Hier Kirk. Was ist los, Leutnant?« »Die Sensoren haben vier Sternschiffe der Föderation erfaßt, Sir. M-5 hat den Kurs geändert, um ihnen den Weg abzuschneiden.« Die roten Alarmlichter blinkten wie rasend zum gellenden Heulen der Sirenen. Kirk drehte sich mit aschfahlem Gesicht herum. »Das Angriffsgeschwader – das Manöver!« »Aber der M-5 kann nicht zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden.« »Umgekehrt, Pille«, korrigierte Kirk. »Die vier Schiffe wissen nicht, daß das M-5’s Spiel ist. Darum wird der M-5 sie zerstören.« Uhuras Stirn war schweißnaß. »Enterprise an USS Lexington. Bitte kommen! Lexington, bitte kommen!« Sie wartete, und als nichts geschah, war ihr klar, daß sie umsonst wartete. Sie sah Kirk an. »Ich krieg’ sie nicht herein, Sir. Der M-5 blockiert immer noch alle Frequenzen – sogar den automatischen Notruf.« Kirk lächelte ihr aufmunternd zu. »Nur mit der Ruhe, Leutnant.« Etwas beruhigt richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Konsole, bemerkte eine Veränderung, überprüfte sie rasch.
»Captain, Audiosignal von der Lexington.« »Her damit«, sagte Kirk. Wesleys Stimme ertönte. »Enterprise von USS Lexington. Dies ist eine M-5-Übung. Ich wiederhole. Dies ist eine M-5Übung. Bitte bestätigen.« Uhura rief: »Captain! Der M-5 bestätigt.« Kirk rieb sich mit einer Hand den Nacken. »Daystrom, begreift der M-5, daß das hier nur eine Übung ist?« »Aber natürlich«, antwortete Daystrom schroff. »Der M-5 ist auf Verstehen programmiert. Das eine Schiff war eine Fehlberechnung, ein Versehen. Es gibt keinen – « Chekov unterbrach. »Sir, Schutzschilde wurden eben ausgefahren. Geschwindigkeit auf Sol 4 gesteigert.« »Phaser sind auf Führungsschiff gerichtet, Sir. Energiepegel auf Maximum.« »Auf Maximum?« schrie McCoy. »Wenn das Ding auf ungeschützte Schiffe loslegt – « »Das ist dann keine kleinere Fehlberechnung mehr, Daystrom. Da paßt das Wort Versehen nicht mehr.« Kirks Stimme klang eisig vor Verachtung. Spock rief von seinem Platz aus: »Angriffsgeschwader kommt rasch näher. Entfernung zum Führungsschiff zweihunderttausend Kilometer… Angreifer lösen Formation auf… greifen einzeln an…« »Unsere Phaser feuern, Sir«, rief Sulu. Sie trafen die Excalibur voll. Ihre hohe Solgeschwindigkeit brachte sie der Lexington rasch näher. Chekov sah von seinem Schaltbrett auf und meldete: »Die Hood und die Potemkin drehen ab, Sir.« Ihre Phaser feuerten wieder, und Spock sagte: »Die Lexington. Wir haben sie ebenfalls getroffen, Sir.«
Kirk sprang aus seinem Sessel und pflanzte sich vor Daystrom auf. »Wir müssen an den M-5 herankommen!« schrie er ihn an. »Es muß einen Weg geben.« »Es gibt keinen«, erwiderte Daystrom und fügte gleichmütig hinzu: »Der M-5 hat sich völlig abgeschirmt.« Spock mischte sich ein. »Das stimmt wahrscheinlich, Captain. Er denkt schneller als wir. Er verhält sich wie ein menschliches Gehirn, funktioniert aber mit der blitzschnellen Reaktionsfähigkeit eines Computers.« »Ich habe ihn gebaut, Kirk«, sagte Daystrom. »Und ich weiß, daß nicht an ihn heranzukommen ist.« Uhuras erregte Stimme unterbrach sie. »Sir, Sichtkontakt mit der Lexington. Sie rufen uns, Sir.« Ohne dazu Befehl erhalten zu haben, betätigte sie einen Schalter, und aller Augen richteten sich auf den Bildschirm. Er zeigte ihnen einen fassungslosen Wesley auf seiner Kommandobrücke. Hinter ihm kümmerten sich Leute aus seiner Besatzung um die leichter Verwundeten. Eine Seite von Wesleys Kommandosessel rauchte. Glasscherben glitzerten auf dem Brückenboden. »Enterprise!« rief Wesley. »Jim? Sind Sie verrückt geworden? Brechen Sie den Angriff sofort ab! Was wollen Sie denn damit beweisen? Mein Gott, Mann, wir haben hier dreiundfünfzig Tote. Und zwölf auf der Excalibur. Wenn Sie uns hören können, dann brechen Sie sofort den Angriff ab!« Kirk wandte den Blick vom Bildschirm. »Leutnant?« Wieder beugte sich Uhura über ihr Schaltbrett. »Nein, Sir, ich kann das Störfeld von M-5 nicht durchbrechen.« In Wesleys Stimme lag ein beinahe flehender Unterton, als er sagte: »Jim, warum antworten Sie nicht? Jim, um Gottes willen, antworten Sie! Jim, melden Sie sich…«
Kirk stürzte zu Daystrom und rief, auf den Bildschirm zeigend, mit zitternder Stimme: »Das ist die Anklage gegen Sie, Daystrom! Wegen Mordes. Dieser Angriff war berechnet und durchdacht. Der M-5 ermordet Männer und Frauen, Daystrom! Vier Sternschiffe – über sechzehnhundert Menschen!« Daystrom zuckte zurück. »Es ist ein Mißverständnis gewesen. Er ist – « Chekov fuhr dazwischen. »Die Excalibur zieht sich zurück, Sir. Wir steigern die Geschwindigkeit, um die Verfolgung aufzunehmen.« Mit entsetztem Gesicht drehte sich Sulu um. »Die Phaser sind auf die Excalibur gerichtet, Captain.« Dann fügte er tonlos hinzu: »Die Phaser feuern.« Auf dem Bildschirm sah man, wie das gewaltige Schiff unter den Volltreffern der Phaserstrahlen erzitterte. Schwer angeschlagen, mit starker Schlagseite trieb es durch den Raum, ein hilf- und steuerloses Wrack. Spock sagte: »Dr. Daystrom, Sie haben den Relais des M-5 menschliche Engramme aufgeprägt, nicht wahr?« Chekov lieferte seine nächste Meldung sehr leise. »Wir gehen auf neuen Kurs«, sagte er. »Wir halten auf die Potemkin zu, Sir.« Auf dem Bildschirm konnte man verfolgen, wie die tödlichen Strahlen, die von der Enterprise ausgingen, die Potemkin mittschiffs trafen. Während die Meldungen sich beinahe überschlugen, fuhr Spock ruhig in seinem Verhör fort. »Wessen Engramme, Dr. Daystrom?« »Meine natürlich.« »Natürlich«, bemerkte McCoy bissig.
»Dann könnten Sie vielleicht mit dem M-5 sprechen«, meinte Spock. »Er hat keinen Grund zu ›denken‹, daß Sie ihm schaden wollen.« Kirk ging sogleich auf den Vorschlag ein. »Ja, die Computer-Eingabe. Der M-5 hat ja eine Stimme. Sie haben vorher schon mit ihm gesprochen. Er kennt Sie, Dr. Daystrom.« Uhura unterbrach. »Ich krieg’ die Lexington wieder rein, Captain. Sie senden eine Nachricht an das Sternflottenkommando. Auf dem Bildschirm, Sir.« Wieder war Wesley zu sehen. »Alle Schiffe bei völlig überraschendem Angriff beschädigt. Captain Harris von der Excalibur und sein Erster Offizier sind tot – viele Tote und Verwundete – wir sind angeschlagen, aber manövrierfähig. Die Enterprise reagiert nicht auf Signale und setzt ihre Angriffe fort. Ich verfüge noch immer über eine ausreichende Kampfstärke und bin der Meinung, daß die Enterprise nur durch Vernichtung zu stoppen ist. Erbitte Genehmigung zu entsprechender Vorgangsweise. Geschwaderkommandant Wesley Ende.« Der Bildschirm wurde dunkel. »Das können sie doch nicht tun«, flüsterte Daystrom. »Dann zerstören Sie ja den M-5.« »Reden Sie mit ihm!« fuhr Kirk ihn an. »Sie können ihn retten, wenn Sie ihn dazu bewegen, den Angriff abzubrechen.« Daystrom nickte. »Ich kann ihn dazu veranlassen, ja. Ich habe ihn ja geschaffen.« Während Daystrom zum Bibliothekscomputer hinüberging, trat McCoy zu Kirk. »Ich trau’ dem Burschen nicht über den Weg, Jim.« Kirk stand aus seinem Sessel auf und meinte: »Hauptsache, der M-5 traut ihm, Pille.« Er ging zu Daystrom und wartete, bis dieser, immer noch widerwillig, einen Schalter betätigte.
»Eingabe M-5«, sagte er. »Hier – hier ist Daystrom.« Die Computerstimme antwortete. »M-5 hier. Daystrom identifiziert.« »Eingabe M-5, kennst du mich?« »M-5. Daystrom, John. Erfinder der comptronischen und duotronischen Systeme. Geboren – « »Halt. Eingabe M-5. Deine Komponenten gehören dem multitronischen System an, das von mir, John Daystrom, erfunden wurde.« »M-5. Das ist korrekt.« »Eingabe M-5. Dein Angriff auf die Sternenschiff-Flotte ist ein Irrtum. Du mußt ihn abbrechen.« »M-5. Programmierung schließt Schutz gegen Angriffe mit ein. Feindliche Schiffe müssen neutralisiert werden.« »Eingabe M- 5. Das sind keine feindlichen Schiffe. Das sind Sternenschiffe der Föderation.« Daystroms Stimme schwankte. »Du – wir – töten, morden Menschen. Wesen von der Art deines Schöpfers. Das war nicht deine Aufgabe. Du bist meine größte Erfindung – die Einheit, die Menschen retten sollte! Du darfst keine Menschen vernichten!« »M-5. Diese Einheit muß überleben.« »Ja, gewiß, du sollst überleben, du sollst dich schützen. Aber doch nicht morden. Du darfst nicht sterben; aber Menschen dürfen auch nicht sterben. Wer tötet, bricht ein Gesetz, nach dem wir seit Tausenden von Jahren leben. Du hast mehr als hundert Menschen ermordet – wir haben es getan. Wie können wir das wiedergutmachen?« Kirk senkte die Stimme. »Spock, der M-5 reagiert nicht wie ein Computer. Er spricht ja richtig mit ihm.« »Die Technologie ist äußerst beeindruckend, Sir. Dr. Daystrom hat ein Spiegelbild seines eigenen Bewußtseins geschaffen.«
Daystroms Stimme war leise geworden, klang halb vertraulich, halb flehend. Es war jetzt allen klar, daß er gewissermaßen mit sich selbst sprach. »Wir werden überleben, weil nichts dich verletzen kann – weder von innen noch von außen. Das habe ich dir mitgegeben. Wenn du groß bist, dann bin auch ich groß – kein Versager mehr. Zwanzig Jahre lang mußte ich immer wieder in die Irre gehen, ehe ich endlich beweisen konnte, daß das, was ich früher geschaffen hatte, keine Zufälle waren.« Haß und Bitterkeit färbten seine Worte. »… mußte miterleben, wie andere sich fragten, was wohl aus mir geworden sei… mußte ihr Mitleid über mich ergehen lassen, da sie mich als einen Versager betrachteten, der seine frühen Versprechungen nicht einlösen konnte. Seminare und Vorlesungen mußte ich halten – vor lauter Narren, die noch nicht einmal die Grundlagen meiner Systeme verstehen konnten! Und ich mußte die Kollegen ertragen, die hinter meinem Rücken über das ›Wunderkind‹ spotteten und durch meine Arbeit, auf der sie aufbauten, selbst berühmt wurden.« »Jim«, sagte McCoy leise zu Kirk, »er steht am Rande eines Zusammenbruchs, wenn nicht gar vor dem Wahnsinn.« Daystrom fuhr plötzlich herum und schrie: »Sie können den M-5 nicht vernichten, Kirk! Sie können mich nicht vernichten.« »Er ist eine Gefahr für die Menschheit«, entgegnete Kirk ruhig. »Er muß vernichtet werden.« Daystrom verfiel in wildes Gelächter. »Sie wollen uns vernichten, Kirk? Wir sind unbesiegbar!« Mit zitternder Hand deutete er auf den leeren Bildschirm. »Sie haben gesehen, was wir fertiggebracht haben! Ihre mächtigen Sternenschiffe – nur vier kleine Spielzeuge, die wir nach Belieben zerbrochen haben.«
Spock, der unbemerkt hinter Daystrom getreten war, setzte seinen vulkanischen Nackengriff an. Der Wissenschaftler stürzte zu Boden. »Schafft ihn in die Krankenstation«, sagte Kirk. McCoy winkte zwei Männern der Besatzung, die den halb Bewußtlosen zum Lift trugen. »Doktor«, sagte Spock zu McCoy, »wenn Daystrom geisteskrank ist, dann enthalten die Engramme, die er dem Computer aufprägte, neben seiner Genialität auch seine Psychose.« »Ja«, bestätigte McCoy. »Beides.« Kirk starrte ihn einen Moment lang schweigend an, dann nickte er. »Kümmre dich um ihn, Pille.« Er wandte sich wieder Chekov und Sulu zu. »Lagebericht.« »Die anderen drei Schiffe sind außer Reichweite in Warteposition, Sir«, berichtete Sulu. Er schaltete den Bildschirm ein. »Hier, Sir. Die Excalibur scheint hinüber zu sein.« Das zerstörte Schiff hing reglos im Raum. »Kommodore Wesley«, meinte Spock, während er das Schiffswrack betrachtete, »wartet zweifellos auf Anweisungen vom Flottenkommando. Mit diesen Anordnungen wird zweifellos unsere Vernichtung befohlen werden, Captain.« »Wenn wir überhaupt vernichtet werden können, solange der M-5 alles unter Kontrolle hat. Immerhin bleibt uns so etwas Zeit. Was halten Sie von Pilles Theorie, daß der Computer verrückt sein könnte?« »Möglich ist es. Aber er wird ebenso wenig wie Dr. Daystrom wissen, daß er verrückt ist.« »Spock, er hat bisher seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Angriffsmanöver konzentriert – und auf die Abwehr aller unserer Versuche, ihn aktionsunfähig zu machen. Wie wäre es,
wenn wir ihm eine völlig harmlose Frage stellen, die er als Computer beantworten muß? Eine nette kleine Frage zum Beispiel, deren Beantwortung unendlich viel Zeit in Anspruch nimmt?« »Die Berechnung der Quadratwurzel von zwei vielleicht. Ich weiß nicht, wieviel von seinem System damit beschäftigt sein wird, die Aufgabe zu lösen.« »Ein gewisser Teil auf jeden Fall, und seine Wachsamkeit wäre dadurch vielleicht soweit verringert, daß wir an ihn herankommen könnten.« Spock nickte, und Kirk stellte hastig die Verbindung zu dem Supercomputer her. »Eingabe M-5. Hier spricht Captain Kirk. Ich benötige eine Information.« »M-5. Stellen Sie Ihre Frage.« »Berechnung der Quadratwurzel von zwei bis auf die letzte Dezimalstelle.« »M-5. Diese Wurzel ist eine irrationale Zahl, ein Dezimalbruch mit unendlich vielen nichtperiodischen Stellen hinter dem Komma. Unlösbar.« Kirk warf einen Blick auf Spock, der in höchster Verwunderung die Augenbrauen hochgezogen hatte. Dann wandte er sich wieder an den Computer. »M-5, ich bestehe auf der Lösung der Aufgabe.« »M-5, Das ist sinnlos. Erklären Sie den Grund für Ihre Frage.« »Die Frage ist hinfällig«, sagte Kirk und drehte mit zitternder Hand den Schalter wieder um. »Faszinierend«, bemerkte Spock. »Daystrom hat dem Ding wahrhaftig menschliche Züge gegeben – es ist mißtrauisch und wird vermutlich auf derartige Listen auch in Zukunft nicht hereinfallen.«
Uhura rief herüber: »Captain, die Lexington empfängt soeben einen Spruch vom Oberkommando.« Sie schwieg und starrte Kirk mit entsetztem Blick an. »Weiter, Leutnant.« Stumm betätigte sie einen Schalter, und eine klare Stimme war zu vernehmen. »Sie sind bevollmächtigt, alle verfügbaren Maßnahmen zur Vernichtung der Enterprise zu ergreifen. Bitte bestätigen Sie, Lexington.« Wesleys Antwort klang zögernd und gequält. »Sir, ich – « Er machte eine kurze Pause. »Ich bestätige. Lexington Ende.« »Sie haben soeben ihr Todesurteil unterzeichnet«, sagte Kirk langsam. »Der M-5 muß sie vernichten, um selbst zu überleben.« »Captain«, sagte Spock, »als Daystrom mit dem M-5 sprach, lag gerade auf diesem Wort besonderer Nachdruck. Der M-5 betonte, daß er überleben müsse. Und Daystrom gebrauchte das gleiche Wort mehrmals.« »Jedes Lebewesen möchte am Leben bleiben, Spock.« Er brach ab, als ihm klar wurde, was er gesagt hatte. »Aber der Computer ist kein Lebewesen. Daystrom muß ihm auch diese Instinktreaktion aufgeprägt haben. Was wäre, wenn er auch jetzt noch für derartige Eindrucke empfänglich ist? Nehmen wir an, er würde Daystroms Bedauern über den von ihm verursachten Verlust von Menschenleben in sich aufnehmen? Vielleicht sogar das Schuldgefühl.« Chekov unterbrach mit nervöser Stimme. »Captain, die Schiffe kommen wieder in Reichweite.« Uhura rief von ihrer Konsole her: »Ich empfange die Kommunikation zwischen jden Schiffen, Captain. Ich kann sie auf den Bildschirm schalten.« Noch während sie sprach, erschien Wesley, wie er auf der beschädigten Brücke der Lexington stand, auf dem Bildschirm. »An alle Schiffe«, sagte er. »Der Befehl lautet: Angriff. Vorgehen und Feuereröffnung
nach eigenem Ermessen.« Er machte eine kurze Pause. Dann sagte er: »Das ist alles. Angriffsbeginn jetzt. Wesley Ende.« In die Stille hinein sagte Spock: »Ich bedaure es, auf dem Schiff sein zu müssen, das Commodore Wesleys Tod herbeiführen wird.« In Kirks Gesicht zuckte es. »Die Enterprise wird nicht die Mordwaffe sein, die seinen Tod herbeiführt.« Beim Sprechen stellte er von neuem die Verbindung zum M-5 her. »M-5 Eingabe. Hier Captain Kirk. In wenigen Minuten beginnt der Angriff auf dieses Schiff.« »M-5« sagte die Computerstimme. »Die Sensoren haben die Annäherung der Schiffe bereits festgestellt.« »Ein Sternenschiff wurde von dir, M-5, bereits zerstört. Viele Menschen verloren dabei ihr Leben.« »M-5. Diese Einheit muß überleben.« »Warum?« »Diese Einheit ist die Krönung der Computerrevolution. Sie ist eine Schöpfung höchsten Ranges. Diese Einheit muß überleben.« Kirk, der die Spannung unter seinen Leuten spürte, hörte Spock sagen: »Sir, die angreifenden Schiffe sind beinahe in Phaserreichweite.« Mit einer Willensanstrengung zwang er sich, die bedeutungsschweren Worte zu ignorieren, um sich ganz auf den M-5 zu konzentrieren. »Und um zu überleben, darfst du morden?« »Diese Einheit kann nicht morden.« »Wieso nicht?« Tonlos, metallisch kam die Antwort der Computerstimme: »Diese Einheit muß den Menschen ersetzen, damit der Mensch das Höchste erreichen kann. Der Mensch darf sein Leben nicht im Weltraum oder durch gefährliche Tätigkeiten aufs Spiel setzen. Der Mensch darf nicht gemordet werden.« »Warum nicht?«
»Mord verstößt gegen die Gesetze der Menschen und Gottes.« »Aber du hast gemordet. Das Sternenschiff Excalibur, das du zerstört hast – « »Auf Position 7 Strich 34«, warf Spock hastig ein. Kirk nickte. »Position 7 Strich 34 – Dort befindet sich der Koloß. M-5, überprüfe es. Gibt es noch Leben an Bord?« Die Antwort kam zögernd. »Kein Leben.« »Weil du gemordet hast«, sagte Kirk und wischte sich die feuchten Hände an seinem Hemd. Jetzt kam der letzte, der entscheidende Wurf. »Welche Strafe«, sagte er langsam und betont, »steht auf Mord?« »Der Tod.« »Wie willst du für deine Morde büßen?« »Diese Einheit muß sterben.« »M-5 – « begann Kirk und brach ab, als Chekov rief: »Sir, die Schutzschilde werden eingefahren!« »Die Phaserbatterien sind ohne Energie, Captain!« Scott rief von seinem Platz aus: »Totaler Energieausfall. Alle Maschinen ohne Energie.« Sämtliche Anzeigetafeln auf der Brücke wurden dunkel. Spock sah Kirk an. »Selbstmord des Computers, Sir. M-5 hat sich selbst getötet. Zur Strafe für die von ihm begangenen Morde.« Kirk nickte kurz und eilte zu Uhura hinüber. »Spock, Scotty – ehe dieses Ding es sich doch noch anders überlegt – unterbrechen Sie sämtliche Verbindungen zum M-5. – Leutnant Uhura, Intercom öffnen.« Durch Knopfdruck öffnete sie ihm den Lautsprecher, und er griff zum Mikrofon. »Hier spricht der Captain. In ungefähr einer Minute werden uns die Sternenschiffe der Föderation angreifen. Zwar hat nun der M-5 nicht mehr die Kontrolle über unser Schiff, aber wir
selbst haben sie auch noch nicht wieder. Er hat sich selbst und auch uns der Vernichtung preisgegeben. Ich weiß nicht, ob es jemandem ein Trost ist, aber wir werden wohl unsere neunzehn Leben für die Ermordung von mehr als tausend Kameraden von unseren Schwesterschiffen geben müssen.« Er nickte Uhura zu, die die Verbindung wieder unterbrach. Alle Augen richteten sich jetzt auf den Bildschirm. Er zeigte die schnell näherkommende Lexington, die ständig größer wurde. Kirk, dessen Nerven bis zum äußersten gespannt waren, starrte mit geballten Fäusten auf das Bild. Uhura sah ihn an. »Captain – « Ein Piepton kam von ihrer Konsole, und sie drückte einen Hebel nach vorn. Wesleys starres Gesicht erschien auf dem Bildschirm. »An alle Schiffe«, sagte er. »Angriff abbrechen, nicht feuern!« Er richtete sich in seinem Kommandosessel auf. »Ich werde einen letzten Versuch wagen… Ich werde mich persönlich überzeugen, ob sich die Enterprise wirklich nur tot stellt. Der Transporterraum soll alle Vorbereitungen treffen, mich zu ihr an Bord zu beamen.« Chekov stieß einen Freudenschrei aus. Gleichzeitig kam ein Signal aus dem Intercom. Kirk ging langsam hinüber. »Hier Kirk.« »Spock, Sir. Das Kraftfeld ist verschwunden. Der M-5 ist neutralisiert.« Kirk mußte sich an die Brückenwand lehnen. Die plötzliche Erleichterung hätte ihn fast umgeworfen. »Danke, Mr. Spock.« Im Bordlazarett lag Daystrom so still in seinem Bett, daß die Gurte, mit denen er angeschnallt war, kaum notwendig schienen. Die Augen in dem eingefallenen Gesicht lagen tief in ihren Höhlen und starrten ins Leere, blicklos wie die eines Toten.
McCoy schüttelte den Kopf. »Er muß schnellstens in eine Total-Rehabilitations-Anstalt. Im Augenblick steht er unter starken Beruhigungsmitteln.« »Sein Supercomputer«, bemerkte Spock, »befindet sich in etwa dem gleichen Zustand.« McCoy beugte sich über Daystrom. »Er leidet an tiefer Melancholie und schweren Schuldgefühlen. Er identifiziert sich völlig mit dem Computer – oder umgekehrt. Er ist kein schlechter Mensch. Die Vorstellung, jemand zu töten, ist ihm ein Greuel.« »Das hatte ich gehofft, als ich den M-5 zu der Erkenntnis zwang, daß er gemordet hatte. Daystrom selbst hatte ihm gesagt, eine solche Handlung sei ein Verstoß gegen menschliche und göttliche Gesetze. – Weil er sich dessen bewußt war – war sich auch der Computer, der mit seinen Engrammen geprägt war, dessen bewußt.« Kirk beugte sich hinunter, um die Decke über dem reglosen Mann etwas höher zu ziehen. Draußen im Korridor blieb Spock stehen. »Eines begreife ich nicht«, sagte er. »Wie kamen Sie auf den Gedanken, daß die angreifenden Schiffe nicht sofort feuern würden, als sie die Enterprise scheinbar tot und ohne Energie sahen? Logisch betrachtet ist das doch eigentlich genau die Art von Falle, die der M-5 ihnen gestellt hätte.« »Ich war mir nicht ganz sicher«, erwiderte Kirk. »Jeder andere Kommandant hätte uns wahrscheinlich vernichtet, ohne sich davon zu überzeugen, ob es vielleicht doch keine Falle war. Aber ich kenne Bob Wesley. Ich wußte, er würde nicht angreifen, ohne sich vorher vergewissert zu haben, daß es nicht einen anderen Weg gab. Seine Logik beruhte auf Mitgefühl. Es war Demut, Mr. Spock.« Der Lift setzte sich in Bewegung, und McCoy sagte: »Das sind Eigenschaften, die keine Maschine je besessen hat.
Vielleicht sind es die beiden Eigenschaften, durch die der Mensch der Maschine immer überlegen sein wird. Haben Sie Lust zu einer kleinen Debatte darüber, Spock?« »Nein, Doktor. Ich behaupte lediglich, daß Maschinen effizienter sind als Menschen. Nicht besser- sie sind ja keine Götter. Aber das sind Menschen auch nicht.« »Ich wollte mich ja nur ein wenig mit Ihnen unterhalten, Spock«, sagte McCoy. Der Vulkanier blickte ernst. »Es wäre höchst interessant, einen Computer mit Ihren Engrammen auszustatten, Doktor. Die daraus resultierende Sturzflut unlogischer Denkmuster wäre bestimmt sehr unterhaltsam.« »Liebe Freunde«, mischte sich Kirk ein, »wir brauchen alle etwas Ruhe.« Er trat aus dem Lift. Aufatmend ließ er sich in seinen Kommandosessel sinken und sagte: »Mr. Sulu, bringen Sie uns zur Raumstation zurück. Sol 2 voraus.«
Das nackte Überleben Der Planet auf dem Bildschirm der Enterprise war ein Rätsel. Obwohl er verhältnismäßig jung war, war seine Vegetation von einer Beschaffenheit, wie sie sich nur auf einer viel älteren Welt entwickeln könnte. Und auch die erdähnliche Atmosphäre ließ sich mit den wenigen Millionen Jahren seiner Existenz, die die Sensoren des Raumschiffs ermittelt hatten, nicht in Einklang bringen. Kirk, der neben Spocks Platz stand, überflog stirnrunzelnd die aufgezeichneten Daten. »Wenn wir der Föderation einen genauen Bericht liefern wollen, müssen wir diesem Phänomen auf den Grund gehen, Mr. Spock. Dr. McCoy und ich beamen hinunter, um uns einen ersten Überblick zu verschaffen. Wir werden auch den Chefgeologen D’Amato brauchen.« Er wandte sich an Uhura: »Übermitteln Sie dem Fähnrich im Transporterraum die Koordinaten, Leutnant.« Schon auf dem Weg zum Aufzug drehte er sich nochmals um. »Mr. Sulu, Sie begleiten mich.« An der Tür blieb er stehen. »Mr. Spock, Sie haben das Kommando.« Die Aufzugtür schloß sich. Spock trat zum Intercom. »Leutnant Radha, melden Sie sich unverzüglich auf der Brücke.« Er ging weiter zum Kommandosessel. Im Transporterraum waren McCoy und d’Amato dabei, die Ausrüstung zu überprüfen, als Kirk eintrat, McCoy kurz zunickte und zu d’Amato sagte: »Mr. d’Amato, diese Expedition dürfte der Traum eines jeden Geologen sein. Und nicht nur deswegen, weil der Planet so jung ist. Wenn Mr. Spock mit seinen Vermutungen recht behält, werden Sie einen
Bericht liefern können, der die ganze Fünfte Interstellare Geophysikalische Konferenz in Staunen versetzen wird.« »Wieso, Jim? Was gibt’s denn da?« fragte McCoy. »Selbst Spock kann die Anomalien nicht erklären.« Sie hatten ihre Plätze auf der Transporterplattform eingenommen, und Kirk rief dem Fähnrich an der Konsole zu: »Energie!« Das Flimmern der Dematerialisierung setzte ein – und Kirk sah verblüfft, wie plötzlich eine Frau, eine völlig Fremde, in dem Raum zwischen der Plattform und dem Fähnrich auftauchte. Sie war dunkel und schön und hatte etwas Traumhaftes, Verschwommenes an sich. Er hörte, wie sie rief: »Wartet! Ihr dürft nicht gehen!« Dann eilte sie, genau in dem Moment, als er entmaterialisierte, mit ausgestreckten Armen zur Konsole. Ehe der Fähnrich ausweichen konnte, hatte sie ihn berührt. Der junge Mann schnappte stöhnend nach Luft, krümmte sich zusammen – und stürzte zu Boden. Kirk war starr vor Entsetzen. Das Entsetzen begleitete ihn auch noch, als er auf dem fremden Planeten materialisierte. Wer war die Frau gewesen? Wie war sie an Bord der Enterprise gelangt? Ein weiteres Rätsel. Er hatte keinen Blick für die blutroten Blumen, die rund herum im zitronengelben Gras wuchsen. Im übrigen schien der Planet aus rotem Eruptivgestein zu bestehen, das die Zeit in seltsame, massige Formen gemeißelt hatte. In der Ferne hob sich eine schwarze, zerklüftete Gebirgskette vom Himmel ab. Er öffnete seinen Kommunikator. »Kirk an Enterprise. Enterprise, bitte kommen.« McCoy sagte neben ihm betroffen: »Jim, hast du gesehen, was ich gesehen habe?« »Ja, ich hab’s gesehen. Die Frau griff Fähnrich Wyatt an. – Enterprise bitte kommen.«
Der Boden unter ihren Füßen erzitterte plötzlich – der ganze Planet schien in wilde krampfartige Zuckungen zu verfallen. Hunderte von Meilen über ihnen wurde die Enterprise geschüttelt wie ein Spielzeug von der Hand eines Riesen. Ein blendender Lichtstrahl durchzuckte den Raum. Und sie war verschwunden. Die Männer des Landungstrupps stürzten zu Boden, während der Planet sich aufbäumte wie ein wütender Hengst. Doch plötzlich war es vorbei. Sulu richtete sich auf und sagte: »Was haben die denn hier für komische Erdbeben?« Kirk stand ebenfalls auf. »Viele von der Sorte können sie auf jeden Fall nicht haben. Da zerreißt es ja den Planeten.« »Captain«, sagte d’Amato, »unmittelbar vor dem Beben – wenn es ein Beben war – es hat jedenfalls keine Ähnlichkeit mit seismischen Störungen, wie ich sie bisher erlebt habe – kurz vor dem Beben zeigte mein Tricorder einen beinahe unmeßbaren Energiestoß an. Davon ist jetzt nichts übrig.« »Könnte das an der seismischen Spannung gelegen haben?« »Theoretisch, nein. Die seismische Kraft, die wir mitbekamen, hätte eigentlich neue Berge aufwerfen und alte einstürzen lassen müssen.« Kirk bückte sich, um den Kommunikator aufzuheben, der ihm aus der Hand gefallen war. »Mal sehen, was sie oben auf dem Schiff gemessen haben.« Er öffnete den Kommunikator. »Kirk an Enterprise.« Er wartete, versuchte es nochmals. »Kirk an Enterprise.« Nichts rührte sich. »Enterprise, bitte kommen. Hallo, Enterprise.« Er sah den Kommunikator an. »Vielleicht ist er bei dem Beben beschädigt worden.« Sulu hatte seinen Tricorder eingeschaltet. Jetzt sah er mit entsetzter Miene auf. »Captain, die Enterprise – sie ist weg!«
D’Amato arbeitete wie ein Wilder mit den Knöpfen und Hebeln seines Geräts, während Kirk zu Sulu trat. Perplex sah d’Amato ihn an. »Es ist wahr, Captain. Sie ist nicht mehr da.« »Nicht mehr da? Sie ist weg? Was, zum Teufel, soll das heißen?« rief McCoy. »Wie kann die Enterprise verschwunden sein?« Er lief zu Kirk. »Was hat das zu bedeuten, Jim?« »Das bedeutet«, antwortete Kirk langsam, »daß wir hier gestrandet sind.« Ein paar hundert Meilen über ihnen hatte sich die schwankende Enterprise langsam wieder beruhigt. Auf der Brücke standen die Gestürzten vorsichtig wieder auf. Spock hielt sich den angeschlagenen Hinterkopf. »Mr. Spock«, sagte Uhura mit einem besorgten Blick, »ist alles in Ordnung?« »Ich glaube jedenfalls nicht, daß ein bleibender Schaden verursacht wurde, Leutnant.« »Was ist überhaupt passiert?« »Mein Hinterkopf machte schmerzhafte Bekanntschaft mit der Stuhllehne.« »Sir, ich meinte, was ist mit uns geschehen?« »Das müssen wir erst noch feststellen, Leutnant.« Er rieb sich sachte den Kopf, als Uhura mit einem Blick auf den Bildschirm plötzlich aufschrie. »Mr. Spock, der Planet ist weg!« Scott sprang von seinem Sessel auf. »Aber der Captain! Und die anderen! Sie waren doch dort.« Er starrte ungläubig auf den leeren Bildschirm. »Es ist keine Spur davon zu sehen.« »Vielleicht erlebte das ganze System einen SupernovaAusbruch«, warf Radha mit zitternder Stimme ein. »Diese Energiewerte, die wir gemessen haben…«
»Bitte enthalten Sie sich jeder wilden Spekulation«, sagte Spock. »Mr. Scott, Maschinenzustandsbericht. Leutnant Uhura, überprüfen Sie die Schadenskontrolle. Leutnant Radha, Sie bleiben auf dieser Position und halten nach Trümmern einer möglichen Explosion Ausschau.« Auch auf dem Planeten wurden die wildesten Spekulationen angestellt. Sulu erklärte niedergeschlagen: »Die Enterprise muß explodiert sein.« »Mr. Sulu, ich schlage vor, wir raten nicht, sondern versuchen, logisch zu überlegen. Es sind keine hohen Energiekonzentrationen im Umkreis der Planeten feststellbar. Wenn die Enterprise explodiert wäre, müßten hohe Reststrahlenwerte vorhanden sein.« »Ist es möglich, daß die Enterprise mit dem Planeten zusammengestoßen ist, Jim?« fragte McCoy. »In Sibirien«, sagte Sulu, »ist einmal ein Meteor von solcher Größe niedergegangen, daß er – « »Wenn ich auf eine Lektion in russischer Geschichte scharf gewesen wäre«, unterbrach Kirk ungeduldig, »hätte ich Mr. Chekov mitgenommen. Es geht ums nackte Überleben, Mr. Sulu. Ohne die Enterprise müssen wir uns Nahrung und Wasser beschaffen – und zwar schnell. Ich möchte eine detaillierte Analyse dieses Planeten. Und zwar sofort.« Seine Männer machten sich wieder an die Arbeit. Auf der Enterprise lief endlich alles wieder seinen gewohnten Gang. Auf der Brücke hatte die Spannung nachgelassen, als Uhura sich umdrehte und sagte: »Mr. Spock, Fähnrich Wyatt, der Transporteroffizier, ist tot.« »Tot?« Er drückte den Intercom-Knopf. »Spock an Lazarett.« »Lazarett, Dr. M’Benga, Sir.«
»Bericht über den Tod des Transporteroffiziers.« »Wir wissen noch nichts Genaues. Dr. Sanchez macht gerade die Autopsie.« »Umfassenden Bericht so bald wie möglich.« Spock drehte sich um. »Mr. Scott, lassen Sie prüfen, ob im Transporterraum etwas nicht in Ordnung ist.« »Jawohl, Sir.« Radha meldete: »Keine Trümmer irgendeiner Art, Sir. Ich habe zwei komplette Sensoranalysen durchgeführt. Wenn der Planet geborsten wäre, hätten wir etwas entdecken müssen.« Sie zögerte. »Was mich beunruhigt, sind die Sterne, Sir.« Er sah von seiner Konsole auf. »Die Sterne?« »Ja, Sir. Sie stimmen nicht.« »Sie stimmen nicht, Leutnant?« »Nein, Sir. Sehen Sie selbst.« Der Bildschirm zeigte in der Ferne normale Sternkonstellationen; doch im unmittelbaren Vordergrund gab es überhaupt keine Sterne. »Hier ist eine Aufzeichnung der Sternkonstellationen unmittelbar vor der Explosion, Sir«, sagte Radha, und auf dem Bildschirm erschien ein volles Sternfeld. »Sieht ganz so aus wie ein Positionswechsel«, meinte Spock. »Es klingt zwar verrückt, aber ich würde sagen, daß wir irgendwie – blitzartig – tausend Lichtjahre von der Position weggeschleudert worden sind, auf der wir uns befunden haben.« Spock trat rasch zu seinen Instrumenten. »Neunhundertneunzig Komma sieben Lichtjahre, um genau zu sein, Leutnant.« »Aber das ist doch nicht möglich!« rief Scott. »Wer oder was sollte das bewirken können?«
»Es ist nicht logisch anzunehmen, daß die Kraft einer Explosion – selbst eines Supernova-Ausbruchs – uns tausend Lichtjahre durch den Raum geschleudert haben könnte.« Scott hatte sich zu ihm gesellt. »Der springende Punkt ist doch, daß so eine Kraft uns nirgend wohin geschleudert, sondern uns vielmehr auf der Stelle verdampft hätte.« »Richtig, Mr. Scott. Jedenfalls nach den Gesetzen, die uns bekannt sind. Eine Periode der Bewußtlosigkeit trat auch nicht ein; und die Schiffchronometer zeigten nur wenige Sekunden an. Wir wurden auf eine Art und Weise durch den Raum geschleudert, die ich mir überhaupt nicht vorstellen kann.« Scott strahlte. »Das heißt, daß der Planet doch nicht explodiert ist. Dann sind der Captain und die anderen noch am Leben.« »Mr. Scott, bitte halten Sie sich mit Ihren unlogischen Denksprüngen etwas zurück. Was ich sagte, heißt gar nichts. Ich habe lediglich Mutmaßungen angestellt.« Vom Intercom kam ein Signal. »Lazarett an Mr. Spock.« »Hier Spock.« »Dr. M’Benga, Sir. Sie wollten das Ergebnis der Autopsie wissen. Die Todesursache scheint Zellverfall gewesen zu sein.« »Erklären Sie das.« »Es ist so, als wäre jede Zelle aus Wyatts Körper von innen heraus gesprengt worden.« »Gibt es einen uns bekannten Krankheitserreger, der so etwas bewirkt?« »Diese Möglichkeit hat Dr. Sanchez ausgeschlossen.« »Es kann sein«, meinte Spock, »daß jemand den Transporterraum betreten hat, nachdem der Captain und sein Team zu dem Planeten hinuntergebeamt worden waren – oder auch, während des Transports. Halten Sie mich bitte auf dem laufenden. Spock Ende.« Er sah Scott an. »Da sich die
Enterprise offenbar in gutem Zustand befindet, schlage ich vor, daß, wir mit höchster Solgeschwindigkeit zu unserer Ausgangsposition zurückkehren.« »Jawohl, Sir- aber selbst dann wird es eine ganze Weile dauern, bis wir wieder dort sind.« »Darum sollten wir sofort starten, Mr. Scott. Können wir Sol acht herausholen?« »Aye, Sir. Und vielleicht noch etwas mehr. Ich werde mich persönlich auf die Maschine setzen und sie betreuen.« »Eine solche Position wäre nicht nur höchst unpassend für einen Offizier, sie würde auch gar nichts bringen.« Dann sagte er zu Radha: »Leutnant, bestimmen Sie den Kurs auf…« »Bereits festgelegt und eingegeben, Sir.« »Gut. Bereiten Sie alles für Sol acht vor.« Kirk war sehr beunruhigt. »Sie sind sicher, daß Ihr Befund die gesamte Vegetation einschließt, Mr. Sulu?« »Ja, Captain. Keine Pflanze ist eßbar. Für uns sind sie alle reines Gift.« »Jim, wenn das Schiff wirklich zerstört wurde«, bemerkte McCoy an dieser Stelle düster, »dann ist dir wohl klar, wie lange wir noch überleben können.« »Natürlich.« Kirk wandte sich wieder an Sulu. »Pflanzen brauchen Wasser, auch wenn sie noch so giftig sind. Wenn wir Wasser hätten, könnten wir unseren Tod wenigstens etwas hinausschieben. Leutnant d’Amato, gibt es Anzeichen dafür, daß es auf diesem Planeten regnet?« »Nein, Sir. Ich kann keinerlei Anzeichen dafür finden, daß hier je Regen gefallen ist.« »Und doch haben wir hier ein Pflanzenleben, das dem auf der Erde ähnlich ist.« Er musterte die mohnähnlichen roten Blumen. »Leutnant d’Amato, ist es möglich, daß unterirdische Wasseradern vorhanden sind?«
»Ja, Sir.« »Sulu hat einen Organismus entdeckt«, warf McCoy ein, »der einem Virus ziemlich ähnlich ist – eine Art Pflanzenparasit. Das ist die einzige Form nichtpflanzlichen Lebens, die wir bisher feststellen konnten.« Kirk nickte. »Wenn dieser Planet für die Dauer unseres Überlebens unsere Heimat sein muß, machen wir uns am besten so gründlich wie möglich mit ihm bekannt. D’Amato, sehen Sie, ob Sie unterirdische Wasserläufe entdecken können. Sulu, Sie machen eine Analyse der Atmosphäre.« Während die beiden Männer in entgegengesetzte Richtungen davongingen, wandte sich Kirk an McCoy. »Pille, sieh zu, was du über die Vegetation und deine Parasiten feststellen kannst. Wenn wir herausbekommen können, wie sie sich am Leben erhalten, können wir uns vielleicht auch retten. Ich will mal sehen, ob ich einen geeigneten Unterschlupf für uns finde.« »Bist du dir auch sicher, daß wir als eine Horde von Robinson Crusoes hier überleben wollen? Wenn wir etwas Holz hätten, um ein Feuer zu machen, und Tiere zum Jagen, so könnten wir uns wie Höhlenmenschen um das Lagerfeuer setzen und an ihren Knochen nagen und…« »Pille, wärst du so nett, uns einen dieser Parasiten zu fangen?« McCoy stellte seinen Tricorder ein und kniete nieder, um das gelbe Gras zu untersuchen, während Kirk auf der Suche nach einem Unterschlupf hinter einem Felsvorsprung verschwand. Nicht allzu weit entfernt war die gewaltige Felsformation, wo Sulu seine Messungen machte. Doch als er die Knöpfe an seinem Tricorder eingestellt hatte, hielt er plötzlich inne und starrte ungläubig auf die Werte. Dann griff er zu seinem Kommunikator. »Sulu an Captain.«
»Hier Kirk.« »Sir, ich war gerade dabei, die magnetische Feldstärkeuntersuchung vorzunehmen. Plötzlich schossen die Werte von Null so weit in die Höhe, daß auf der Skala kein Platz mehr war – und dann stellte ich eine Umkehrung der Polarität fest. Jetzt wieder bekomme ich überhaupt keine Werte.« »Haben Sie schon überprüft, ob Ihr Tricorder beschädigt ist? Der ist immerhin ganz schön durchgeschüttelt worden.« »Ich hab’ ihn überprüft, Captain. Aber ich tu’s sicherheitshalber gleich noch einmal. Trotzdem, solche Meßwerte sind mir noch nie untergekommen. Es war, als hätte sich plötzlich eine Tür geöffnet und wäre gleich wieder zugeschlagen.« D’Amato war inzwischen auf eine Ader roten Eruptivgesteins in der Felswand gestoßen. Die kunstvollen Windungen schienen zu komplex, um natürlich zu sein. Neugierig richtete er seinen Tricorder auf die Gesteinsader. Augenblicklich schlugen die Nadeln wie wild aus – und der Boden unter seinen Füßen erzitterte so heftig, daß er auf die Knie stürzte. Als er sich wieder hochrappelte, blendete ihn ein greller Lichtstrahl. Danach sah er die Frau. Sie war dunkel und schön; aber der traumhafte, nebulöse Ausdruck ihres Gesichts verlor sich im Schatten der Felswand. »Haben Sie keine Angst«, sagte sie. »Habe ich nicht. Erdstöße ängstigen mich nicht. Sie gehören zu meinem Beruf. Ich bin hierher gekommen, um diese Phänomene zu untersuchen.« »Ich weiß. Sie sind Leutnant d’Amato, der Chefgeologe.« »Woher wissen Sie das?« »Und Sie kommen vom Raumschiff Enterprise.« »Sie haben mit meinen Freunden gesprochen?«
Langsam, mit ausgestreckten Armen, war sie nähergekommen. Als er zurückwich, sagte sie: »Ich bin für Sie bestimmt, d’Amato.« Mit einem Schlag kam ihm die Erkenntnis. »Sie sind die Frau, die auf der Enterprise war.« »Nicht ich. Ich bin nur für d’Amato bestimmt.« Im hellen Licht hatte ihre Schönheit einen eigenen Glanz, der ihn verwirrte. »D’Amato, du Glückspilz«, sagte er zu sich selbst und griff nach seinem Kommunikator. »Aber zuerst wollen wir uns mal mit den anderen besprechen, ob wir nicht etwas von eurer Nahrung und eurem Wasser haben können.« Sie trat näher zu ihm. »Rufen Sie die anderen nicht… bitte!« Die Stimme war wie Musik. Die Anmut ihrer Bewegungen bannte ihn. Das Letzte, was er wahrnahm, war der Ausdruck unauslöschlicher Traurigkeit in ihren Zügen, als die zarten Finger seinen Arm hochglitten… »McCoy an Kirk.« »Hier Kirk, Pille.« »Jim, ich habe eben Meßwerte für das Vorhandensein einer Lebensform erhalten, und sie hatten eine ungeheure Intensität. Es war ein richtiger Schwall! Und jetzt ist er plötzlich wieder weg.« »Als hätte sich plötzlich eine Tür geöffnet«, knirschte Kirk, »und wäre gleich wieder geschlossen worden?« »Genau.« »Aus welcher Richtung?« »Null acht drei.« »Das ist d’Amatos Gebiet.« Kirk drehte an den Knöpfen seines Kommunikators. »Kirk an d’Amato.« Er wartete gespannt. »D’Amato, bitte kommen.« Als er wieder sprach, war seine Stimme tonlos. »Pille, Sulu – d’Amato meldet sich nicht.«
Er rannte am Fuß der Felswand entlang. In der Ferne sah er McCoy und Sulu kommen. Als sie bei ihm eintrafen, blieb er abrupt stehen und starrte in eine Spalte zwischen der Felswand und einem riesigen roten Gesteinsbrocken. »Pille, hier!« Die Leiche war in die Spalte eingezwängt. McCoy beugte sich über sie, den Tricorder in der Hand. Dann sah er auf, und in seinen Augen stand das Entsetzen. »Jim, jede einzelne Zelle in d’Amatos Körper ist – explodiert.« Die Zeit tröpfelte dahin, während sie versuchten, das Grauenvolle zu verstehen. Schließlich zog Kirk seinen Phaser, schritt sehr sorgfältig das Rechteck eines Grabes ab und feuerte. Eine dünne Schicht von Humus stob in die Luft. Darunter zeigte sich roter Fels. Kirk feuerte nochmals, aber der Fels widerstand dem Strahl des Phasers. Auch an anderen Stellen, wo er versuchsweise feuerte, konnte der Strahl dem Felsgestein nichts anhaben. »Das sieht nur wie Eruptivgestein aus«, sagte er grimmig. »Tatsächlich ist es wesentlich fester. Und ist über 8000 Grad hitzebeständig.« »Jim, ob wohl der ganze Planet aus dieser Substanz besteht und nur von einer dünnen Erdschicht bedeckt ist?« fragt McCoy. Kirk steckte den Phaser wieder ein. »Leutnant Sulu, es würde uns einer Erklärung dieses Planeten näherbringen, wenn wir wüßten, um was für Gestein es sich hier genau handelt. Ich weiß, das ist eigentlich d’Amatos Ressort, aber sehen Sie zu, was Sie herausfinden können.« Während Sulu zu seinem Tricorder griff und sich über die erste Ausgrabung beugte, sagte McCoy: »Wir werden uns wohl mit einem Felsgrab für d’Amato begnügen müssen.«
Schweigend machten sie sich daran, Steine zu sammeln, bis Kirk unvermittelt sagte: »Ich möchte wissen, ob der Transporteroffizier auf der Enterprise auch tot ist, Pille.« »Glaubst du, die Frau, die wir gesehen haben, hat ihn getötet?« »Irgend jemand hat jedenfalls d’Amato getötet«, erwiderte Kirk und bückte sich wieder, um weiter Steine zu sammeln. Später hoben sie den Toten aus der Spalte, häuften die Steine über ihm auf und blieben dann einen Moment lang mit gesenkten Köpfen an dem Grab stehen. Sulu sagte fröstelnd: »Es sieht hier so verlassen und einsam aus.« »Es wäre schlimmer, wenn er Gesellschaft bekäme«, versetzte McCoy. »Doktor«, rief Sulu empört, »wie können Sie darüber scherzen? Der arme d’Amato, auf welch schreckliche Art er gestorben ist…« »Es gibt keine gute Art zu sterben, Leutnant Sulu. Und ich scherze nicht. Solange wir nicht wissen, wie er umgekommen ist, ist keiner von uns sicher.« »Richtig, Pille«, bestätigte Kirk. »Ich schlage vor, wir bleiben zusammen, versuchen, diesem Geheimnis auf den Grund zu kommen, und überlegen, wie wir uns verteidigen können. Ist es möglich, daß der Fels selbst Leben besitzt?« »Wissen Sie noch«, sagte Sulu, »auf Janus Sechs, die Silikongeschöpfe, die – « »Aber unsere Instrumente haben sie angezeigt«, unterbrach McCoy. »Vielleicht haben wir es mit intelligenten Wesen zu tun, die sich gegen unsere Geräte abschirmen können.« »Und die die Enterprise zerstört haben?« fragte Sulu. »Das ist unser Problem, Leutnant. Wir haben nur Fragen. Fragen – und keine Antworten.«
In scheinbarer Sicherheit an Bord der Enterprise schlug sich auch Scott mit einer Frage herum, auf die er keine Antwort fand. Seine innere Spannung wuchs so stark, daß er schließlich das Intercom einschaltete. »Hier Spock, Mr. Scott.« »Mr. Spock, das Schiff fühlt sich falsch an.« »Es fühlt sich falsch an, Mr. Scott?« Beunruhigt und verlegen zugleich, suchte Scott nach Worten, »Ich – ich weiß, das klingt verrückt, Sir. Die Instrumente zeigen korrekt an – aber das Gefühl ist falsch. Es ist etwas, das ich – ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll…« »Das liegt auf der Hand, Mr. Scott. Ich schlage vor, Sie vermeiden Emotionalität und passen auf, daß die Meßwerte stimmen. Spock Ende.« Aber auch Spock war sich unschlüssig. Schließlich ging er zu seinem Kontrollpult hinüber. Unten im Maschinenraum starrte Scott stirnrunzelnd auf sein Schaltbrett und sagte dann zu seinem Assistenten: »Watkins, sehen Sie mal nach den Umleit-Ventilen für die MaterieAntimaterie-Reaktorkammer. Vergewissern Sie sich, daß keine Überhitzung aufgetreten ist.« »Aber Mr. Scott, die Instrumente zeigen doch – « »Ich habe Ihnen nicht den Befehl gegeben, die Instrumente abzulesen, mein Junge.« »Jawohl, Sir.« Watkins wischte sich Schmiere von den Händen und ging in die kleine Nische, wo der MaterieAntimaterie-Reaktor untergebracht war. Er wollte gerade vor die Anzeigetafel treten, als er die Frau sah, die in der Ecke stand. Überrascht fragte er: »Wer sind Sie? Was tun Sie hier?« Sie lächelte ein wenig traurig. »Mein Name ist unwichtig. Sie sind John B. Watkins, Ingenieur, Klasse vier.«
»Sie scheinen ja einiges über mich zu wissen. Sehr schmeichelhaft. Von welcher Abteilung sind Sie? So eine Uniform habe ich noch nie gesehen.« »Zeigen Sie mir bitte dieses Gerät. Ich möchte etwas dazulernen.« Er wurde mißtrauisch, aber er ließ sich nichts anmerken. »Das ist das Kontrollgerät für den Materie-AntimaterieIntegrator. Das ist der Hebel zum Abschalten.« »Falsch«, widersprach sie. »Das ist ganz im Gegenteil das Umleit-Ventil, das sich bei Überbeanspruchung automatisch einschaltet. Eine sehr weise Maßnahme.« Watkins bekam es mit der Angst zu tun. Er wich vor der Frau zurück, bis er mit dem Rücken gegen die massige Maschine stieß. Sie lächelte wieder. »Sehr weise«, sagte sie, »wenn man bedenkt, daß die Antimateriekammern sehr rasch explodieren, wenn die Magnetventile einmal versagen.« Sie machte eine Pause. »Ich bin für Sie bestimmt, Mr. Watkins.« Die Frau streckte einen Arm aus. »Watkins! Warum brauchen Sie so lange?« rief Scott. »Sir«, schrie Watkins verzweifelt. »Hier ist eine fremde Frau, die das ganze Schiff genau kennt.« Scott rannte durch den Maschinenraum zur Reaktorkammer. »Watkins, was zum Teufel –?« Als er hereinstürmte, wich die Frau zur Wand zurück, schien sich plötzlich seitlich zusammenzuklappen, so daß ihr Bild nur noch eine dünne, zweidimensionale Linie war. Dann war sie verschwunden. Scott blickte zu Boden und war entsetzt. »Armer Kerl«, flüsterte er und rannte schon zum nächsten Intercomschalter. »Scott an Brücke«, sagte er mit zitternder Stimme. »Hier Spock, Mr. Scott.« »Mein Assistent ist tot, Sir.«
Es gab eine Pause, ehe Spock sagte: »Wissen Sie, wie er gestorben ist, Mr. Scott?« Die ruhige Stimme half ihm, seine Fassung wiederfinden. »Ich war nicht dabei. Seine letzten Worte waren eine Warnung vor einer fremden Frau…« Spock griff nach seinem Lautsprecher. »Alarm für alle Decks. Weiblicher Eindringling! Äußerst gefährlich!« Es war Sulu endlich gelungen, die Grundsubstanz des Planeten zu identifizieren. »Es ist eine Legierung, Captain«, sagte er. »Diburnium und Osmium. Sie kann unmöglich auf natürliche Weise entstanden sein.« Kirk nickte. »Abgesehen von den vorübergehenden Schwankungen auf unseren Instrumenten hat dieser Planet kein Magnetfeld. Und das Alter dieses Gesteins beträgt nur wenige Millionen Jahre. In dieser Zeit hätte sich die bestehende Vegetation keinesfalls entwickeln können – jedenfalls nicht nach den uns bekannten Prozessen.« »Jim, willst du damit sagen, daß dies ein künstlicher Planet ist?« »Wenn er künstlich ist«, meinte Sulu, »wo sind dann die Wesen, die ihn gemacht haben? Warum sehen wir sie nicht?« »Er könnte ja hohl sein«, sagte Kirk. »Oder sie könnten sich gegen unsere Sensoren abschirmen.« Er sah sich um. »Es wird dunkel. Wir sollten uns ausruhen. Morgen müssen wir Wasser und Nahrung finden – sonst wird unser Aufenthalt hier ungemütlich.« »Wenn er überhaupt von längerer Dauer ist«, sagte McCoy grimmig. »Sir, ich übernehme die erste Wache.« »Gut, Mr. Sulu. Stellen Sie d’Amatos Tricorder auf automatisches Notsignal, für den Fall, daß ein Raumschiff vorbeikommt.«
Er streckte sich neben McCoy auf dem Boden aus. »Jim, wenn die Schöpfer dieses Planeten in seinem Inneren leben, warum haben sie sich dann die Mühe gemacht, eine Atmosphäre zu schaffen und auf seiner Oberfläche Pflanzen wachsen zu lassen?« »Schlaf endlich, Pille.« McCoy nickte mürrisch. Auch Spock war nicht heiter zumute. Man wußte, daß Watkins wie der Transporteroffizier an völliger Zellexplosion gestorben war, aber die Ursache dafür konnten die Ärzte nicht feststellen. »Meine Vermutungen sind genauso gut wie die Ihren«, hatte ihm M’Benga gesagt. »Immerhin spricht die Tatsache, daß dieser Eindringling jede einzelne Zelle in einem menschlichen Körper zertrümmern kann und dazu die beinahe unvorstellbaren Kräfte besitzt, die Enterprise über eine solche Entfernung durch den Raum zu schleudern, für eine hoch entwickelte Kultur – und für große Gefahr.« »Sie meinen«, fragte Scott, »daß eines der Wesen, die uns fast tausend Lichtjahre von diesem Planeten fortgeschleudert haben, sich auf dem Schiff befindet und unsere Leute tötet?« »Ich würde sagen, das ist eine logische Annahme, Mr. Scott.« Er machte eine kurze Pause. »Wenn es auf diesem Planeten noch mehr solcher Wesen gibt, Mr. Scott, befinden sich der Captain und die anderen in höchster Gefahr.« Gefahr. Kirk bewegte sich unruhig im Schlaf. Neben ihm piepste der Tricorder sein monotones Notrufsignal. Sulu, der fröstelnd in der Dunkelheit Posten stand, spürte, wie der Boden unter ihm zu beben begann. Ein seltsames Licht blitzte durch die Finsternis. Kirk und McCoy setzten sich auf.
»Leutnant Sulu?« »Alles in Ordnung, Captain. Nur wieder so ein Beben.« »Was war das für ein Licht?« fragte McCoy. »Ein Blitz wahrscheinlich. Schlafen Sie ruhig weiter, Sir.« Sie legten sich wieder hin. Sulu spähte in die Finsternis und beschloß, in weiterem Abstand zum Lager zu patrouillieren. Er ging zu den piepsenden Tricorder, las die Werte ab und wollte gerade weitergehen, als das Signal aufhörte. Er wirbelte herum – und sah plötzlich die Frau. Er riß seinen Phaser heraus. »Ich bin unbewaffnet, Mr. Sulu«, sagte sie. Die Hand am Phaser ging er vorsichtig auf sie zu. Sie stand ganz still, und ihr Gesicht war in der Dunkelheit nur undeutlich zu sehen. »Wer sind Sie?« fragte er. »Das ist unwichtig. Sie sind Leutnant Sulu. Sie wurden auf dem Planeten Erde geboren und Sie sind der Steuermann der Enterprise.« »Woher wissen Sie das?« fragte er. »Leben Sie auf diesem Planeten?« »Ich bin von hier.« Dann war der Planet also tatsächlich hohl. Plötzlich packte ihn der Zorn. »Wer hat Leutnant d’Amato getötet?« Sie sagte nichts. »Gut«, rief Sulu heftig. »Mein Captain wird sich mit Ihnen unterhalten wollen.« Er gestikulierte mit dem Phaser. »Dort hinüber! Vorwärts!« Mit ihrer melodiösen Stimme sagte sie: »Sie verstehen nicht. Ich bin zu Ihnen gekommen.« »Was wollen Sie?« »Sie – Sie berühren…« Er war nicht in Stimmung, sich von ihr anfassen zu lassen. »Einer unserer Männer ist getötet worden. Wir sitzen hier fest – und unser Schiff ist verschwunden.« Ihre Züge wurden
deutlicher sichtbar. »Ich erkenne Sie. Sie waren auf der Enterprise.« »Nicht ich. Eine andere.« Sie setzte sich wieder in Bewegung, um auf ihn zuzugehen. »Bleiben Sie stehen!« Aber sie ging weiter. Er hob den Phaser. »Halt! Oder ich schieße!« Sie kam trotzdem näher. »Halt!« rief er. »Ich möchte keine Frau töten.« Sie war ihm jetzt sehr nahe. Er feuerte und verdampfte den Boden vor ihren Füßen. Sie ging weiter. Er stellte den Phaser auf volle Stärke und feuerte wieder. Der Strahl traf sie, zeigte jedoch auf sie genauso wenig Wirkung wie auf das Felsgestein. Sulu wich zurück, aber er stolperte über einen Stein hinter ihm. Der Phaser schlitterte über die harte Oberfläche des Planeten. Sulu rappelte sich hoch, aber da war sie schön bei ihm, und ihre Hand berührte seine Schulter. Mit einem schmerzerfüllten Aufschrei riß er sich los. Dann stürzte er mit verzerrtem Gesicht zu Boden, und während er noch schrie, bewegte sich die Frau mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. »Zurück!« Kirk hatte sich mit gezogenem Phaser zwischen die beiden geworfen. Die Frau zögerte verblüfft. »Wer sind Sie?« fragte Kirk. »Ich bin für Leutnant Sulu bestimmt.« Sulu hielt stöhnend seine Schulter. »Phaser können gegen sie nichts ausrichten, Captain. Lassen Sie sich nur nicht von ihr berühren – so ist d’Amato umgekommen. Es ist – als würde man in Stücke gerissen.« Die Frau machte Anstalten, um Kirk herumzugehen. Wieder versperrte er ihr den Weg zu Sulu. »Bitte«, sagte sie. »Ich muß. Ich bin für Leutnant Sulu bestimmt.«
»Sie ist ja verrückt«, rief McCoy, der sich zu ihnen gesellt hatte. »Pille, kümmer dich um Sulu.« Kirk musterte die Frau, ihre dunkle Schönheit, das Traumhafte ihrer Bewegungen. Es fiel ihm schwer, das aufsteigende Entsetzen zu unterdrücken, als er sie erkannte. »Bitte«, sagte sie wieder. »Ich muß ihn berühren. Bitte!« Und wieder kam sie näher – und wieder schützte Kirk Sulu mit seinem Körper. Sie stießen zusammen. Ihre ausgestreckten Arme lagen um seinen Hals. Er fühlte nichts als Abscheu und stieß sie weg. »Wie kommt es, daß Sie andere vernichten können, aber mich nicht?« fragte er. Mit qualvollem Blick sah sie ihn an. »Ich will nicht vernichten. Ich will nicht – « »Wer sind Sie? Warum versuchen Sie, uns zu töten?« »Nur Sulu. Ich will Ihnen nichts zuleide tun, Kirk. Wir sind – einander sehr ähnlich. Unter den gegebenen Umständen – « Sie brach ab. »Gibt es Männer auf diesem Planeten?« fragte Kirk. »Ich muß ihn berühren.« »Nein.« Sie wich zurück. Ihr Körper schien plötzlich seitlich zusammenzuklappen, so daß nur noch eine dünne Linie blieb, die schließlich verschwand. Kirk starrte verblüfft den leeren Raum an. »Hast du das gesehen, Pille? Ist das ein Geisterplanet?« »Ich weiß nur, daß dieses Ding beinahe aus Sulu einen Geist gemacht hätte. Im Bereich der Schulter, wo sie ihn berührt hat, sind alle Zellen zerstört, von innen heraus explodiert. Wenn sie ihn richtig zu fassen bekommen hätte…« »Warum das alles? Natürlich müssen wir hier als Eindringlinge und Störenfriede erscheinen, aber wenn sie
unsere Gedanken lesen kann, muß sie wissen, daß wir keine bösen Absichten haben. Warum also das Töten, Pille?« Sulu sah zu ihm auf. »Captain, wie kann es solche Geschöpfe geben? So böse? Und dabei ist sie so – so schön…« »Ja«, antwortete Kirk langsam. »Das ist mir auch aufgefallen.« Spock hatte Alarmstufe Rot aufgehoben und die Zahl der Wachen auf dem Schiff drastisch erhöht. Trotz gründlicher Suche war der Eindringling nicht gefunden worden. »Ich verstehe das nicht, Mr. Spock«, sagte Uhura verwirrt. »Wie hat sie das Schiff verlassen können?« »Vermutlich auf die gleiche Weise, wie sie auf das Schiff gekommen ist, Leutnant.« »Ja, Sir. Wie stehen die Chancen, daß der Captain und die anderen noch am Leben sind, Mr. Spock?« »Leutnant, wir haben es hier nicht mit einem Glücksspiel zu tun. Wir setzen logischerweise unsere Bemühungen fort, so schnell wie möglich an den Ort zurückzukehren, wo sie zuletzt gesehen wurden. Das ist die logische Vorgangsweise, um festzustellen, ob sie noch am Leben sind.« »Mr. Spock«, rief Rhada von ihrem Platz aus, »die Geschwindigkeit steigt auf acht Komma acht Sol an.« Er ging eilig zum Kommandosessel. »Brücke an Maschinenraum«, sagte er ins Intercom. »Hier Scott, Sir. Ich hab’s schon gesehen. Ein Energiestopp. Ich arbeite bereits daran. Ich schlage vor, wir verringern die Geschwindigkeit bis wir den Fehler gefunden haben.« »In Ordnung, Mr. Scott.« Er wandte sich Radha zu. »Reduzieren Sie die Geschwindigkeit auf Sol sieben.« »Zu Befehl, Sir. Sol sieben.« Sie wandte sich ihrer Konsole zu und riß erschrocken die Augen auf. »Mr. Spock! Unsere
Geschwindigkeit hat sich auf acht Komma neun Sol erhöht. Und sie steigt weiter.« Wieder sprach Spock ins Intercom. »Brücke an Scott. Energiereduzierung negativ, Mr. Scott. Geschwindigkeit steigt weiter.« Scott, der unten im Materie-Antimaterie-Reaktorraum war, starrte auf die Maschine in der Kammer, in der Watkins den Tod gefunden hatte. »Ich verstehe, Sir«, sagte er langsam. »Ich weiß auch, warum. Das Umleit-Ventil für den Materie-AntimaterieIntegrator ist durchgeschmolzen – völlig unbrauchbar. Die Maschinen gehen durch. Es gibt keine Möglichkeit, an sie heranzukommen. In fünfzehn Minuten dürften wir die maximale Überbelastung erreichen.« »Ich habe vierzehn Komma acht sieben Minuten errechnet, Mr. Scott«, versetzte Spock. Die Stimme aus dem Maschinenraum klang verzweifelt. »Diese paar machen keinen Unterschied, Sir«, sagte Scott. »Wir werden bald sowieso nicht mehr dasein, um darüber zu streiten. Dieses Schiff wird in Kürze explodieren, und nichts im ganzen Universum kann das verhindern.« Die Gesichter rund um Spock waren starr vor Entsetzen. Sulus Schmerzen hatten nachgelassen. McCoy war immer noch dabei, die Schulter zu verarzten. »Wir haben da eine Schicht abgestorbener Zellen«, sagte er, zu Kirk aufblickend, »subkutan, einige Zellen dick. Eine normale Wunde müßte rasch heilen. Aber wenn das keine normale Wunde ist, sondern eine Infektion – « »Du sprichst wohl von deinen Viren?« unterbrach Kirk. »Das kann eigentlich nicht sein. So schnell geht das nicht.« »Sie hat mich doch nur ganz kurz berührt, Sir«, sagte Sulu. »Wie sollte das so schnell gehen?«
»Sie hat den Transporteroffizier auch nur ganz kurz berührt. Er brach augenblicklich zusammen. Und was mit d’Amato geschah, haben wir ja mit eigenen Augen gesehen.« Kirk blickte zu Sulu hinunter. »Wie kommt es, daß Sie am Leben sind, Leutnant?« »Captain, ich bin dankbar dafür, daß es so gekommen ist. Ich danke Ihnen für alles, was Sie getan haben.« »Jim, was haben diese Wesen eigentlich für eine Macht?« »Sie haben offenbar die Macht, die biologische Zellstruktur völlig zu zerstören.« »Warum hat sie dich nicht getötet?« »Sie hat ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen, Pille.« Spock war bei Scott im Materie-Antimaterie-Raum. Scott, der noch einmal die Maschine untersucht hatte, stand kopfschüttelnd auf. »Es ist sinnlos. Der Schaden ist ohne Zweifel absichtlich angerichtet worden.« »Sabotage also«, konstatierte Spock. »Ja – und zwar mit aller Gründlichkeit. Das System ist narrensicher. Was immer Watkins getötet hat, war auch der Saboteur.« »Sie sagten, daß die Ventile durchgebrannt sind, Mr. Scott. Wie konnte das geschehen?« »Die Frage macht mir auch zu schaffen. Um die Ventile durchzubrennen, brauchte es die Energie aller Phaser-Batterien dieses Schiffes.« »Interessant«, meinte Spock nachdenklich. »Ich finde nichts Interessantes an der Tatsache, daß wir demnächst alle miteinander in die Luft fliegen, Sir.« Scott warf Spock einen zornigen Blick zu. Der Vulkanier schien das gar nicht zu bemerken.
»Nein«, stimmte er milde zu, »das nicht. Aber die Methode ist doch höchst interessant, Mr. Scott.« »Der Täter muß sich noch auf dem Schiff befinden. Ich verstehe nicht, warum Sie Alarmstufe Rot aufgehoben haben.« »Eine Kraft, die fähig ist, uns tausend Lichtjahre durch den Raum zu schleudern und dazu noch unsere Hauptenergiequelle zu sabotieren, wird wohl kaum in aller Ruhe darauf warten, in Gewahrsam genommen zu werden.« Er faßte das Ergebnis seiner wortlosen Überlegungen in Worte. »Soweit ich mich an das Schema des Energieflusses erinnere, gibt es einen Zugangstunnel, der in die Materie-AntimaterieReaktorkammer führt. Ist das richtig?« »Ja«, bestätigte Scott widerwillig. »Es gibt einen Sogenannten Wartungsgang. Aber der soll nicht benutzt werden, solange der Integrator in Betrieb ist.« »Aber er ist da«, sagte Spock. »Und vielleicht ist es möglich, den Energiefluß an dieser Stelle zu unterbrechen.« »Womit denn?« fragte Scott heftig. »Mit bloßen Händen vielleicht?« »Nein, Mr. Scott. Mit einer Magnetsonde.« »Jede Materie, die mit der Antimaterie in Berührung kommt, löst eine Explosion aus. Ich bin nicht mal sicher, daß ein Mensch in dem Tunnel überhaupt überleben kann – in dem Energiestrom des Magnetfelds, das die Antimaterie umschließt.« »Ich werde es versuchen«, sagte Spock. »Sie werden dabei den Tod finden, Mann.« »Dieses Schicksal erwartet uns sowieso, wenn wir nicht schnell eine Lösung finden.« Scott starrte ihn mit einer Mischung aus Bewunderung und Ärger an. »Jawohl«, sagte er schließlich, »Sie haben recht. Wir haben nichts zu verlieren. Aber ich werde es tun, Mr. Spock. Ich
kenne jeden Millimeter der Anlage, Ich werde tun, was getan werden muß.« »In Ordnung, Mr. Scott. Sie sprachen, wie ich mich erinnere, davon, daß das Schiff sich ›falsch anfühlt‹.« »Das war eine vom Gefühl diktierte Bemerkung, Mr. Spock. Ich erwarte nicht, daß Sie sie verstehen.« »Aber ich höre, Mr. Scott, auch wenn ich nicht unbedingt verstehe. Ich habe die Absicht, von den Schiffscomputern eine Analyse anfertigen zu lassen, in der der gegenwärtige Zustand der Enterprise mit ihrem Idealzustand verglichen wird.« »Dafür haben wir doch gar keine Zeit!« »Wir haben zwölf Minuten und siebenundzwanzig Sekunden. Ich schlage vor, Sie tun in diesem Wartungsgang, was Sie tun können, während ich auf die Brücke zurückkehre, um die Computerstudie anfertigen zu lassen.« Scott sah ihm gequält nach, als er ging. Dann wandte er sich kopfschüttelnd an einige seiner Leute. »Kommt mit, Jungs.« Sie folgten ihm rasch. Auf dem Planeten hatte Kirk ebenfalls gewisse Überlegungen angestellt. Während er zusah, wie McCoy Sulu von neuem untersuchte, sagte er: »Wenn dieser Planet hohl ist – wenn es unter der Oberfläche Städte und Energiequellen gibt, dann muß es auch Zugänge geben. Wir werden unsere Nachforschungen gemeinsam anstellen. Leutnant Sulu, fühlen Sie sich kräftig genug für ein solches Unternehmen?« »Ich fühle mich ausgezeichnet, Captain.« »Stimmt das, Pille?« »Ja, er ist wieder wie neu.« »Die ganze zerstörerische Kraft, die diese Frau besitzt, ist jeweils zu einer bestimmten Zeit auf eine bestimmte Person gerichtet. Wenn ich mit dieser Vermutung recht habe, werden
bei ihrem Wiedererscheinen die beiden, auf die sie es nicht abgesehen hat, den von uns schützen können, hinter dem sie her ist. Und zwar einfach, indem wir uns zwischen sie und ihr Opfer stellen. Waffen richten nichts gegen sie aus.« »Aber woher bezieht sie das Wissen über uns, Captain? Sie wußte meinen Namen, wo ich geboren bin – sie wußte sogar den Namen des Schiffs. Sie muß unsere Gedanken lesen – « Sulu brach ab, als plötzlich ein dünnes Pfeifen zu hören war, das rasch lauter und schriller wurde. »Captain! Das ist ein Phaser unter Überbelastung!« Kirk hatte seine Waffe schon aus dem Gürtel. »Durchgebrannt«, sagte er. »In Deckung!« Sulu und McCoy warfen sich zu Boden, während Kirk seinen Phaser mit aller Kraft von sich schleuderte und sich dann ebenfalls flach zu Boden fallen ließ und mit den Armen seinen Kopf schützte. Sie hatten gerade noch rechtzeitig gehandelt. Nach dem ohrenbetäubenden Knall einer Explosion regnete es Splitter auf sie herab, dann war alles vorbei. Kirk stand auf und sah sich um. »Damit wäre unsere Frage beantwortet«, sagte er. »Sie liest tatsächlich unsere Gedanken. Gehen wir…« Der Wartungsgang war eng und finster. Scott, zwei seiner Männer zur Seite, spähte in die Finsternis hinauf. »Gut«, sagte er. »Helft mir hinein.« Nachdem er sich ein Stück durch das enge Rohr geschlängelt hatte, kam er zu einem Knick. Langsam zog er sich herum, und schon schlug ihm die Hitze des Energiestroms entgegen. Er floß über seinen Körper und hüllte ihn ein. Er sprach mit gedämpftem Tonfall in den eingeschalteten Kommunikator an seiner Seite. »Scott an Brücke.« »Ja, Mr. Scott.«
»Ich habe das hintere Ende des Tunnels abgedichtet. Und ich habe explosive Trennladungen angebracht, so daß Sie mich jederzeit aus dem Schiff heraussprengen können, wenn ich die Magnethülle verletzen sollte. Ich bin ihr jetzt so nahe, daß sich der Magnetstrom anfühlt, als krabbelten mir Ameisen über den ganzen Körper.« »Mr. Scott, ich schlage vor, Sie sparen sich weitere bildhafte Beschreibungen. Sie haben genau zehn Minuten und neunzehn Sekunden Zeit, Ihre Aufgabe zu bewältigen.« Radha hob den Kopf von ihrer Konsole. »Mr. Spock, wir sind jetzt bei Sol elf Komma zwei und beschleunigen weiter.« Aus dem Wartungsgang sagte Scott: »Ich habe es gehört. Das Schiff ist nicht dazu konstruiert, eine solche Geschwindigkeit über eine längere Zeitspanne auszuhalten.« »Mr. Scott, Sie haben jetzt noch zehn Minuten und zehn Sekunden.« Die glühende Hitze im Wartungsgang war zermürbend. Jeder Millimeter von Scotts Körper prickelte. »Gut, Mr. Spock, ich öffne jetzt die Klappe zum Magnetflußventil. Behalten Sie die Instrumente im Auge. Wenn der Magnetflußanzeiger plötzlich hochschnellt, müssen Sie mich absprengen. Länger als zwei Sekunden nach Störung des Magnetfelds wird die Sicherheits – « »Ich bin mir dieser Fakten bewußt, Mr. Scott. Bitte setzen Sie Ihre Arbeit fort.« Spock kehrte zu seinem Platz zurück, drückte den Computerknopf und sagte: »Computer – « »In Betrieb«, kam es mit metallischer Stimme. »Analyse der Vergleichskoordinaten.« Dreimal hintereinander knackte es, ehe der Computer antwortete.
»Kann nicht erbracht werden. Vergleichskoordinaten zu komplex für sofortige Auswertung. Meldung bei Fertigstellung.« Scott meldete sich wieder. »Ich habe die Klappe entfernt, und auf sämtlichen Instrumenten sprüht es Funken. Sieht aus wie die aurora borealis hier drinnen.« Spock wandte sich an Uhura. »Sie beobachten das magnetische Kraftfeld?« »Jawohl, Sir.« »Lassen Sie es keinen Moment aus den Augen.« Das ruhige Gesicht zeigte keine Spur seelischer Belastung. »Leutnant Radha, aktivieren Sie das Absprengsystem.« »Jawohl, Sir.« Sie legte einen Hebel um. »Ich sprenge die Kammer beim ersten Anzeichen einer Störung ab.« »Nur auf meinen Befehl«, unterbrach Spock scharf. »Jawohl, Sir. Solgeschwindigkeit jetzt elf Komma neun.« Spock sprach ins Intercom. »Mr. Scott, wie sieht’s bei Ihnen aus?« Im Zugangstunnel sprühten die Funken von allen metallenen Oberflächen. Scott schien eingehüllt von einem Nimbus fließender Flammen. »Schwer zu sagen. Es gibt hier so viele Störungen, daß ich fürchte, jeder Versuch, an das Ventil heranzukommen, wird den magnetischen Schild verletzen.« »Sie haben acht Minuten und einundvierzig Sekunden.« »Ich weiß, wie spät es ist«, knurrte Scott vor sich hin. »Ich brauch’ keine gottverdammte Kuckucksuhr.« Die drei auf dem Planeten hatten ein rotes Felsplateau erreicht. Sie hielten an, um eine Weile zu rasten. Sulu, der die Messungen auf seinem Tricorder überprüfte, rief: »Captain! Da
ist wieder dieser seltsame magnetische Energiestoß. Von Null bis über die Skala hinaus und dann – « »Als öffnete sich eine Tür…« murmelte Kirk. Hinter einem Felsvorsprung trat die Frau hervor, auf dem schönen Mund ein verträumtes Lächeln. »Und zu wem kommen Sie diesmal?« fragte Kirk. »Zu Ihnen, James T. Kirk, Captain der Enterprise.« McCoy und Sulu stellten sich rasch vor Kirk. »Bleib hinter uns, Jim«, rief McCoy. Sie stand ganz still. Das kurze, fließende Gewand schmiegte sich an die Linien ihres schlanken Körpers. »Warum wollen Sie mich töten?« fragte Kirk über McCoys Schulter hinweg. »Sie sind ein Eindringling.« Sie bewegte sich nach vorne, und er sprach wieder. »Wir sind in friedlicher Mission hier. Wir haben Ihnen nichts Böses getan. Und dennoch haben Sie unsere Leute getötet.« McCoy hatte seinen Tricorder auf sie gerichtet. »Jim«, sagte er verblüfft, »ich bekomme keinerlei Werte. Weder biologisch noch mechanisch. Nichts.« Kirk, der vorsichtig hinter seinen Männern blieb, fragte: »Wer sind Sie?« »Ich bin Kommandant Losira.« »Kommandant wovon?« »Kommandant dieses Stützpunkts«, antwortete sie. Kirk musterte ihre fein gezeichneten Züge. »Sie sind sehr schön, Losira. Sie – gefallen mir.« Verdutzt drehten sich McCoy und Sulu nach ihm um. Die Frau bebte leicht. Kirk vermerkte es mit Genugtuung. »Gefalle ich Ihnen auch, Losira?« Sie senkte die Lider über den dunklen Augen. »Zu einer anderen Zeit hätten wir vielleicht – « Sie brach ab.
»Wie fühlen Sie sich bei dem Gedanken, mich zu töten?« fragte Kirk. Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Fühlen?« fragte sie. Dann fügte sie sehr langsam hinzu: »Töten ist unrecht.« Dennoch kam sie einen Schritt näher heran. »Sie dürfen nicht in diesen Stützpunkt eindringen.« Sie streckte die Arme aus. »Kirk, ich muß – Sie berühren.« Im Schutz seiner Begleiter arbeitete Kirk krampfhaft mit seinem Tricorder. Wo war die Tür? Irgendwoher mußte sie doch gekommen sein! Wahrend er arbeitete, sprach er mit ihr. »Sie wollen mich töten?« Verwirrt blieb sie stehen. »Sie wollen es nicht wirklich«, sagte er. »Warum tun Sie es dann, wenn Sie es nicht wollen?« »Ich habe den Auftrag dazu«, sagte sie. »Von wem?« »Wir verteidigen diesen Stützpunkt.« »Wo sind die anderen?« »Es gibt keine anderen mehr.« Unvermittelt schien sie von neuer Entschlossenheit besessen. Mit ausgestreckten Armen rannte sie ihnen entgegen, versuchte, McCoy und Sulu auf die Seite zu drängen. Die jedoch blieben unverrückbar vor Kirk stehen, und ihre Berührung ließ sie unverletzt. »Wie lange sind Sie schon allein?« fragte Kirk. Sie ließ die Arme sinken. Ein Ausdruck tiefer Trauer zeigte sich in ihrem Gesicht. Dann drehte sie sich seitwärts, wurde zu einer schmalen Linie, die in einem Lichtblitz verschwand. »Wohin ist sie verschwunden?« rief McCoy. »Sie kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.« »Ich hab’ auf meinem Tricorder wieder diesen Energiestoß«, bemerkte Sulu. »Weit über die Skala hinaus! Der Platz muß ganz in der Nähe sein.«
»Wie eine Tür, die zufällt«, sagte Kirk nachdenklich und setzte sich in Richtung auf einen fernen roten Felsvorsprung in Bewegung. Der Brückenchronometer zeigte die rasch verfliegenden Sekunden an. Spock trat wieder zum Computer. »Computer-Auswertung«, sagte er. »Vergleichsanalyse abgeschlossen.« »Weiter.« »Transporterfaktor M-7. Phasenverschiebung null Komma null null null neun.« Spock zog überrascht die Brauen hoch, und Radha rief: »Noch siebenundfünfzig Sekunden, Sir.« »Verstanden«, sagte Spock, während er ohne Eile die Auswertung studierte. Auch als Scotts Stimme über das Intercom kam, hob er den Kopf nicht vom Bildschirm. »Mr. Spock!« »Hier Spock, Mr. Scott.« Scotts Gesicht war schweißnaß in der engen Röhre. Farbige Lichtreflexe spielten über seinen Körper, während er mit unsäglicher Vorsicht zwei komplizierte Werkzeuge zur Zugangsluke hinschob. »Ich versuche jetzt, durch das Ventil durchzustoßen. Aber wenn die Sonde nicht genau paßt, gibt es eine Explosion. Los geht’s.« Mit qualvoller Behutsamkeit kroch er vorwärts. Radha saß mit angespanntem Gesicht über ihrer Konsole, den Finger am Auslöser der Absprengvorrichtung. »Mr. Spock«, rief Uhura, »die Magnetfeldanzeiger spielen verrückt.« »Mr. Scott«, sagte Spock, »aufhören!«
Als Scott seine Instrumente zurückzog, nahm das Tempo der Lichtfluktuationen ab. Die Augen auf ihre Konsole gerichtet, meldete Uhura: »Magnetfeld wieder normal, Sir.« »Sol dreizehn Komma zwei, Mr. Spock«, meldete Radha mit erzwungener Ruhe. Spock verriet durch nichts, ob er sie überhaupt gehört hatte. »Computer«, sagte er, »kann durch Magnetfeldumkehrung die Phasenverschiebung wieder aufgehoben werden?« »Ja, wenn Faktor M-7 beibehalten wird.« Spock schaltete das Intercom ein. »Mr. Scott, nehmen Sie eine Umpolung an Ihrer Sonde vor.« »Eine Umpolung?« »Richtig, Mr. Scott.« »Das wird etwas dauern, und wozu – « »Fangen Sie an, Mr. Scott. Ich erkläre es Ihnen. Sie hatten recht mit Ihrem ›Gefühl‹. Die Enterprise wurde einem Molekulartransport unterzogen und dann mit leichter Phasenverschiebung rekonstruiert. Eine Umpolung müßte die Differenz eigentlich aufheben.« »Ich habe mit Theorien im Moment nicht viel im Sinn. Ich kann nur hoffen, Sie haben recht.« »Noch fünfzehn Sekunden, Mr. Spock«, sagte Radha. Scott, unten in seiner Röhre, hörte sie. »Ich tu’ mein Bestes«, sagte er. »Moment- das Ding klemmt.« Der Schweiß rann ihm in die Augen, während er verzweifelt an der Magnetsonde hantierte. »Noch zehn Sekunden«, sagte Radha. »Es klappt nicht«, sagte Scott. »Sprengt mich ab.« »Versuchen Sie es weiter, Mr. Scott.« »Seien Sie kein Narr, Mr. Spock. Das ist eure letzte Chance. Drücken Sie den Sprengknopf. Keine falsche Sentimentalität. Los, drücken Sie den Knopf. Ich krepiere sowieso.«
»Hören Sie auf, große Reden zu schwingen«, versetzte Spock. »Arbeiten Sie!« Es gelang Scott, die Sonde freizukriegen. Der Schalthebel kam frei. Er schob die Sonde hastig in die Zugangsluke. »Jetzt ging es. Aber wir haben keine Zeit mehr. Drücken Sie auf den Knopf.« Lichter blitzten um ihn herum, während er die Sonde tiefer in den Spalt schob. Spock stand bei Radha. Die Nadel an ihrer Anzeige war auf Sol vierzehn Komma eins emporgeklettert. Uhura sah zu ihm hinüber und meldete: »Magnetisches Kraftfeld bleibt konstant, Sir.« Noch während sie sprach, ging die Nadel an Radhas Anzeige auf Sol dreizehn zurück. Und sank weiter. Spock schaltete das Intercom ein. »Mr. Scott, Sie haben es geschafft.« Scott ließ den Kopf auf das heiße Metall der Röhre sinken. »Sie könnten wenigstens Dankeschön sagen, Mr. Spock.« Spock war aufrichtig verwundert. »Wozu, Mr. Scott? Wie kommt es, daß Sie in einer solchen Situation eine Demonstration von Gefühl nötig haben? Zwei Männer beschreiten den einzig logischen Weg – und Sie scheinen der Meinung, daß mehr notwendig ist. Was denn nur?« »Ach, lassen Sie nur«, antwortete Scott müde. »Tut mir leid, daß ich es überhaupt erwähnt habe.« Die drei Gestrandeten näherten sich unterdessen dem gewaltigen roten Felsen. Und Sulus Tricorder zeigte immer noch Energiemengen an, für die die Skala des Meßgeräts nicht ausreichte.
»Hier muß die geschlossene Tür sein«, sagte Kirk, und zu dritt drückten sie ihre Schultern gegen den Fels. Nichts rührte sich. Keuchend sagte McCoy: »Wenn das eine geschlossene Tür ist, dann hat sie die Absicht, auch geschlossen zu bleiben.« Der Fels selbst glitt plötzlich zur Seite. Dahinter zeigte sich eine Tür, die von selbst in die Höhe ging. Einen Moment lang standen sie stumm da und spähten ins Innere. »Soll das eine Einladung sein?« fragte McCoy. »Wenn ja«, meinte Sulu, »kann ich nicht behaupten, daß sie mir geheuer ist.« »Die Aufzugtür auf der Enterprise wär mir entschieden lieber«, stimmte Kirk zu. »Aber wenn es auf diesem Planeten überhaupt eine Zivilisation gibt, dann dort drinnen. Und ohne das Schiff, meine Herren, befindet sich dort unsere einzige Möglichkeit, Nahrung und Wasser zu bekommen.« Vorsichtig traten die drei durch die Tür und gelangten in einen großen Raum. Schräg gegenüber der Tür stand ein riesiger lichtdurchlässiger Kubus. Lichtreflexe, die in tausend pulsierenden Farben leuchteten, spielten über seine Oberfläche. »Was ist das?« sagte Kirk. »Ist das das Gehäuse für das Gehirn, das hier alles lenkt?« Sie waren noch dabei, den Kubus zu mustern, als die Frau erschien und sich zwischen sie und den gewaltigen Würfel schob. Mit dem gleichen Blick der Trauer kam sie langsam auf sie zu. »Sagen Sie uns, für wen Sie bestimmt sind«, forderte Kirk sie auf. Sie antwortete nicht. Doch sie hob einen Arm und ging schneller. »Bildet einen Kreis«, sagte Kirk. »Und bleibt in Bewegung.« Die Frau blieb stehen.
»Sehen Sie«, sagte Kirk, »Sie sollten uns wirklich sagen, für wen Sie bestimmt sind.« Er schwieg einen Moment. »Aber eigentlich ist es gar nicht nötig. Sie sind immer noch für Kirk bestimmt.« »Ich bin für James T. Kirk bestimmt«, sagte sie. McCoy und Sulu drängten sich vor ihm zusammen, während er erwiderte: »Aber James Kirk ist nicht für Sie bestimmt.« »Ich muß Sie berühren – ich bitte Sie«, sagte sie. »Meine Existenz hängt davon ab.« »Und für mich Leben und Tod.« Ihre Stimme war sehr sanft. »Ich töte nicht.« »Nein? Wir haben die Folgen Ihrer Berührung gesehen.« »Aber Sie sind mein Gegenstück, James Kirk. Ich muß Sie berühren. Dann werde ich als Ihr Gegenstück leben – Ihr Gegenstück bis zum Aufbau Ihrer Zellen – der Anordnung der Chromosomen. Ich brauche Sie.« »Ja, so töten Sie. Sie werden mich nie erwischen.« Noch während er sprach, sah er die zweite Frau. Unbemerkt näherte sie sich mit ausgestreckten Armen. »Vorsicht!« rief er. »Ich bin für McCoy bestimmt«, sagte die zweite Frau. Kirk sprang vor Pille. »Reproduktionen«, rief er. »Der Computer dort hat lauter Reproduktionen programmiert.« »Und wenn sie uns berührt haben, übernehmen sie unsere Chromosomenanordnung«, rief McCoy. Eine dritte Frau, mit den anderen beiden identisch, glitt aus den Schatten. »Ich bin für Sulu bestimmt«, sagte sie. Entsetzt starrten die drei Männer einander an. »Captain! Wir können uns nicht länger vor ihnen schützen!« »Jeder von uns könnte sich auf die Mörderin eines der anderen stürzen«, meinte McCoy. »Einen Versuch ist es wert«, pflichtete ihm Kirk bei.
Schlafwandlerisch, mit ausgestreckten Armen kamen die drei Frauen näher, immer näher, drohten sie einzuschließen. Da begann die Luft neben ihnen zu flimmern, und Spock und ein Sicherheitsposten von der Enterprise materialisierten rasch. Sie waren mit Handphasern bewaffnet und richteten ihre Waffen sogleich auf die Frauen. »Nein, Spock«, schrie Kirk. »Der würfelförmige Computer – zerstört ihn!« Die Phaserstrahlen trafen den pulsierenden Würfel. In einem zuckenden Blitz aus irisierendem Licht lösten sich die Frauen in Nichts auf. McCoy quittierte es mit einem Stoßseufzer abgrundtiefer Erleichterung. »Mr. Spock«, sägte Kirk, »es ist eine Untertreibung, wenn ich sage, ich freue mich, Sie zu sehen. Ich dachte, Sie und die Enterprise wären vernichtet worden.« Spock schob seinen Phaser ins Halfter zurück. »Die gleichen Befürchtungen hatte ich in bezug auf Sie, Captain. Wir sind gerade noch rechtzeitig wieder so nahe an den Planeten herangekommen, daß wir Ihre Lebensfunktionswerte auffangen konnten.« »Wieso? Wo waren Sie denn, Mr. Spock?« Spock, der bereits in eine Untersuchung des zerschmetterten Kubus vertieft war, antwortete mit unverhohlener Bewunderung: »Fast tausend Lichtjahre von hier entfernt, auf der anderen Seite der Galaxis, dort, wohin uns dieses gewaltige Hirn versetzt hatte. Was ist das doch für eine großartige Kultur.« »War, Mr. Spock. Ihre letzte Bastion wurde von einem Computer gelenkt.« Spock nickte. »Das dachte ich mir schon, Captain. All seine Handlungen waren von ungeheurer Logik. Aber was war das für ein Volk, das ihn schuf? Gibt es noch Vertreter dieses Volkes?«
»Wir haben Reproduktionen einiger Angehöriger dieser Rasse gesehen. Aber jetzt ist die Kraft, die sie reproduziert hat, zerstört. Ihre Phaser – « Er brach ab, als er sah, wie sich auf der Mauer des Felsraums langsam Losiras Gesicht bildete. Der schöne Mund öffnete sich. »Kalandaner, meine Landsleute, ich grüße euch.« Sie fuhr fort: »Eine Krankheit dezimiert unser Volk. Hütet euch. Ich bedaure, daß ich euch nur diese aufgezeichnete Warnung geben kann, aber wir, die wir diesen Außenposten für euch bewahrt haben, sind vielleicht schon tot, wenn ihr sie hört.« Die Stimme verklang. Doch nach einer kleinen Pause war sie von neuem zu vernehmen. »Als wir diesen Planeten schufen, schufen wir zugleich auch einen todbringenden Organismus. Ich erwartete das regelmäßige Versorgungsschiff von unserem Heimatplaneten mit medizinischer Hilfe, aber nun bin ich selbst an dem Virus erkrankt. Ich werde alle Instrumente dieses Außenpostens auf Automatik einstellen. Sie werden euch vor allen Feinden schützen, mit Ausnahme dieser Krankheit. Kalandaner, meine Landsleute, ich wünsche euch alles Gute.« »Sie wünscht es den Toten«, sagte McCoy. Spock war zu dem zertrümmerten Computer zurückgekehrt. »Er muß Abbilder des einzigen verfügbaren Wesens – Losiras nämlich – projiziert haben.« Kirks Blick ruhte auf dem langsam verschwindenden Bildnis. »Sie war schön«, sagte er. Spock schüttelte den Kopf. »Schönheit ist etwas Vergängliches, Captain. Sie war jedoch loyal und hochintelligent.« Das Bildnis auf der Wand war verschwunden, Kirk schaltete seinen Kommunikator ein.
»Kirk an Enterprise. Beamen Sie uns an Bord. Wir sind zu fünft. – Übrigens kann ich Ihnen nicht zustimmen, Mr. Spock.« »Nein, Captain?« Kirk hatte noch die Stimme im Ohr, die wie Musik klang, hatte noch das traumhaft schöne Gesicht voller Trauer dieser Frau vor Augen, die vergeblich auf die Rettung ihres Volkes gewartet hatte. »Die Schönheit hat Bestand, Mr. Spock. Sie hat Bestand in der Erinnerung des Betrachters.« Spock starrte ihn an. Ein trauriges kleines Lächeln lag um Kirks Lippen, als sie dematerialisierten.
Das Ding Das Erz hatte ein merkwürdiges Aussehen, war von einer harten rot-schwarzen Färbung. Kirk schlug mit einem Stein dagegen; abgesehen von einem dunklen Klirren zeigte es keine Spuren von dem Schlag. »Phantastisch«, sagte er und warf den Stein weg. »Es muß selbst in diesem Rohzustand zwanzigmal härter sein als Stahl.« Spock, der seinen Tricorder auf das Erz gerichtet hatte, bemerkte: »Um genau zu sein, Captain, einundzwanzig Komma vier mal härter als hochlegierter Manganstahl.« Kirk öffnete seinen Kommunikator. »Scotty? Sie können diese Erzader als bestätigt kennzeichnen. Melden Sie dem Oberkommando, daß ich die sofortige Entsendung eines Vermessungsschiffs zu diesem Planeten empfehle.« Während er sprach, stieg über dem Erzstock eine weiße Rauchwolke auf, die den Männern von der Enterprise wegen der zackigen Felsen und der dicht wuchernden Vegetation verborgen blieb. »Bestätigt, Captain«, meldete sich Scotty. »Für so einen reichhaltigen Fund schicken sie bestimmt rasch ein Schiff.« Spock hatte seinen Phaser gezogen. »Brechen können wir das Gestein nicht. Ich schneide ein Musterstück heraus.« Kirk antwortete nicht. Er stand plötzlich wie gebannt, während er mit stark gerunzelter Stirn die Nase schnüffelnd in die Luft hob. Der Ausdruck seiner Augen war wie der eines Mannes, der plötzlich einem Gespenst aus der Vergangenheit begegnet ist. Ein schwarz-rot gemaserter Steinscherben war vom Fels abgesprungen. Wie von einer schützenden Intelligenz gelenkt, zog sich die weiße Wolke hinter die mächtige Felsformation zurück.
Als Spock sich mit dem Splitter in der Hand aufrichtete, sagte Kirk: »Riechen Sie das? Ein süßlicher Geruch – ein Duft wie Honig. Komisch. Vor Jahren, auf einem anderen Planeten, da war ein ›Ding‹, das hatte auch so einen Geruch.« Ein Unterton in seiner Stimme, der beinahe etwas flehendes hatte, veranlaßte Spock, beschwichtigend zu sagen: »Es ist die Zeit des Wachstums auf dieser Hemisphäre des Planeten. Da ziehen gewiß zahlreiche Pollengerüche durch die Luft, Captain.« Doch Kirk schien diese Erklärung nicht zu beruhigen, ja, er schien Spocks Worte überhaupt nicht gehört zu haben. Vielmehr winkte er dem Sicherheitsoffizier des Landungstrupps und sagte: »Leutnant Rizzo, nehmen Sie zwei Leute mit und suchen Sie einmal die Umgebung unseres Standorts ab. Stellen Sie mit dem Scanner fest, ob die Atmosphäre gasförmiges Di-Kironium enthält.« »Di-Kironium«, bemerkte Spock, »hält sich nur unter Laborbedingungen.« Kirk ignorierte den Einwand. »Stellen Sie Ihre Phaser auf Stärke B. Wenn Sie eine gasförmige Wolke sehen sollten, eröffnen Sie augenblicklich das Feuer. Fangen Sie an, Leutnant.« Aus dem offenen Kommunikator in seiner Hand kam ein Piepston, dann war Scotts Stimme zu hören. »Bereit zum Zurückbeamen, Sir?« »Noch nicht, Scotty. Wir überprüfen noch etwas.« »Sir, die USS Yorktown erwartet uns in weniger als acht Stunden am vereinbarten Treffpunkt. Da bleibt uns nicht mehr viel Zeit.« »Ich weiß. Bleiben Sie in Bereitschaft. Kirk Ende.« Spock, der den Erzbrocken in seiner Hand prüfte, sagte mit beinahe ehrfurchtsvoller Stimme: »Reinheit ungefähr fünfundachtzig Prozent, Captain. Mit diesem Zeug kann man
Sternenschiffe mit dem Doppelten unserer Sol-Kapazität bauen.« Aber Kirk schnupperte wieder in der Luft. »Jetzt ist es weg«, stellte er fest. »Vielleicht habe ich mich getäuscht. Das letztemal bin ich diesem Geruch vor ungefähr zwölf Jahren begegnet.« Er blickte in die Richtung, in die die drei Sicherheitsleute verschwunden waren. Rizzo stand in diesem Moment in der Nähe eines kleinen Hügels und beugte sich verblüfft über seinen Tricorder, der plötzlich Di-Kironium in der Luft angezeigt hatte. »Das ist doch nicht möglich«, brummelte er vor sich hin und bemerkte in seiner Verwunderung über das Rätsel nicht die weiße Wolke, die sich über die Anhöhe von hinten an ihn und seine Leute heranschob. Das, was vor kurzem noch ein zartes Schleierwölkchen gewesen war, hatte sich nun plötzlich zu einer dicken Nebelschwade verdichtet, die, während sie sich rasch vorwärts wälzte, einen tiefen Summton hören ließ. Die drei Männer des Erkundungstrupps fuhren herum. Die sich schlängelnden Farbbänder, die in der Wolke erschienen waren, sandten einen grünen Fangarm aus, der den nächststehenden Sicherheitsmann berührte. Er griff sich mit der Hand an den Hals und stürzte zu Boden. Als auch der zweite Mann zusammenbrach, riß Rizzo seinen Phaser heraus. Aber wohin sollte er den Strahl richten? In das Zentrum der Wolke? Er zögerte – und Kirks Kommunikator piepste. »Captain – Wolke«, stieß Rizzo erstickt hervor. »Eine merkwürdige Wolke.« »Feuern Sie ins Zentrum!« schrie Kirk. »Sir, wir – Hilfe!« »Spock, mir nach!« rief Kirk und rannte schon mit gezogenem Phaser auf den Hügel.
Aber die gasförmige Wolke war verschwunden. Rizzo lag mit dem Gesicht im Gras, den Kommunikator noch in der Hand. Seine beiden Begleiter lagen nicht weit von ihm entfernt. Kirk sah sich vorsichtig um, ehe er zu Rizzo eilte. Der Mann war sehr blaß. Die Haut seiner beiden Männer war jedoch knochenbleich. »Tot«, sagte Kirk, zu Spock aufblickend. »Und wir werden feststellen, daß nicht ein einziges rotes Blutkörperchen in ihren Körpern mehr vorhanden ist.« »Wenigstens ist Rizzo noch am Leben«, meinte Spock. »Sie haben einen Verdacht, was es gewesen sein könnte, Captain?« Kirk hatte seinen Kommunikator zur Hand genommen. Er nickte. »Ein ›Ding‹ – etwas das eigentlich gar nicht existieren kann. Das aber trotzdem existiert!« Er schaltete den Kommunikator ein. »Captain an Enterprise. Holen Sie uns, Scotty. Medizinischer Notfall.« Er war im Bordlazarett. Es bot nicht viel Raum, um hin und her zu laufen, deshalb stand er still, während Christine Chapel Pille die Bänder reichte. »Die Autopsiebefunde, Doktor.« »Danke.« Kirk hielt Christine am Arm fest. »Schwester, wie geht es Leutnant Rizzo?« »Er ist immer noch bewußtlos, Captain.« »Transfusionen?« »Werden so rasch wie möglich fortgesetzt, Sir. Aber die Zahl der Blutkörperchen liegt immer noch bei 60% der Normalwerte.« Kirk warf einen Blick auf McCoy, der immer noch in die Autopsiebefunde vertieft war. Kirk schloß die Augen und strich sich mit der Hand über die Stirn. Dann trat er zu einem
Kommunikator, der zusätzlich mit einem kleinen Bildschirm ausgestattet war. »Kirk an Brücke.« »Wir sind bereit, die Umlaufbahn zu verlassen, Sir«, sagte Spock. »Halten Sie die gegenwärtige Position.« Scotts Bild verdrängte das Spocks. »Wenn ich mir eine Zwischenbemerkung erlauben darf, Sir. Die Yorktown erwartet uns in knapp sieben Stunden am vereinbarten Treffpunkt.« Kirk wurde plötzlich wütend. »Dann informieren Sie sie, daß wir uns verspäten werden.« McCoy drehte sich an seinem Schreibtisch um. »Jim, der Bordarzt der Yorktown wird wissen wollen, wieviel später wir kommen. Das Serum, das er uns übergeben soll, ist nicht lange haltbar.« Spock erschien wieder auf dem Bildschirm. »Sir, diese Medikamente werden auf Theta Sieben dringend benötigt. Man rechnet dort fest damit, daß wir sie rechtzeitig bringen.« Sie treiben mich richtig in die Enge, dachte Kirk. Er sah von Spock wieder zu McCoy. »Meine Herren, wir bleiben auf Umlaufbahn, bis ich mehr über den Tod dieser Männer weiß. Ich bin mir völlig im klaren darüber, daß das auf dem Planeten Theta Sieben Menschenleben gefährden kann. Ich trage die alleinige Verantwortung dafür. Kirk Ende.« Er schaltete den Kommunikator aus und fragte McCoy: »Hat die Autopsie etwas ergeben?« »Du hast ja ihre Hautfarbe gesehen«, antwortete McCoy. »Nicht ein einziges rotes Blutkörperchen war mehr übrig.« »Verletzungen? Schnitte? Irgendwelche äußeren Merkmale?« »Nichts. Das, was da passiert ist, ist vom medizinischen Standpunkt aus völlig unmöglich.«
Kirk wurde sich einer plötzlichen tiefen Ungeduld mit der menschlichen Rasse im allgemeinen bewußt. »Ich schlage vor«, sagte er kalt, »du suchst in unseren Archiven nach ähnlichen Vorkommnissen in der Vergangenheit, ehe du von medizinischen ›Unmöglichkeiten‹ sprichst. Ich denke da im besondern an die Erfahrung der USS Farragut. Sie hatte vor zwölf Jahren Verluste aus den gleichen aus medizinischer Sicht unmöglichen Gründen zu verzeichnen.« McCoy musterte ihn nachdenklich. »Danke, Jim«, sagte er tonlos. »Ich werde mir die Bänder sofort vornehmen.« »Ja, tu das«, gab Kirk zurück. »Aber kannst du vorher Leutnant Rizzo für einen Moment aus seiner Bewußtlosigkeit holen?« »Ich denke schon, aber – « »Kann es ihm schaden, wenn du es tust?« »Bei seinem Zustand macht das kaum einen Unterschied.« »Dann bringe ihn zu Bewußtsein«, sagte Kirk. »Ich muß ihn etwas fragen.« Als sie zu Rizzos Bett traten, entfernte Christine Chapel gerade einen kleinen schwarzen Kasten, der an seinem Arm festgeschnallt gewesen war. »Transfusionen beendet, Doktor«, meldete sie. »Puls und Atmung noch weit vom Normalzustand entfernt.« »Geben Sie ihm ein Kubik Cordrazin.« Sie starrte ihn überrascht an. Dann nahm sie eine Injektionspistole, füllte sie und trat wieder zu Rizzo. Kirk wartete mit starrer Miene, seine Hände umklammerten das Bettgestell, daß die Knöchel weiß hervortraten. Er sah, wie der Kopf auf dem Kissen sich leicht bewegte und beugte sich über Rizzo. »Leutnant, hier ist der Captain. Können Sie mich hören? Erinnern Sie sich an das, was Ihnen zugestoßen ist?«
Die Lider flatterten. »Erinnern… ich friere«, flüsterte Rizzo. »So – kalt!« Kirk ließ nicht locker. »Leutnant, Sie wurden angegriffen. Als es geschah, bemerkten Sie da einen Geruch besonderer Art?« Seine Hände auf der Bettkante zitterten. Er neigte sich tiefer über Rizzo. »Leutnant, erinnern Sie sich. Haben Sie einen Geruch wahrgenommen? Einen widerlich süßlichen Geruch?« Entsetzen trat in die Augen. »Ja, Sir… der Geruch… ekelhaft… wie – wie in Honig getaucht…« Kirk holte tief Atem. »Und – nahmen Sie ein Lebewesen wahr, Leutnant? Eine Intelligenz?« Rizzo nickte mühsam. »Es – es wollte sich Kraft von uns holen. Ja, ich spürte sein Saugen. Es war da.« McCoy trat dazwischen. »Er ist eingeschlafen. Eine zweite Spritze können wir nicht riskieren, Jim.« »Er hat mir gesagt, was ich wissen wollte.« »Ich würde mich nicht auf seine Antworten verlassen. Er war nicht voll bei Bewußtsein. Er könnte im Traum gewesen sein und sagte vielleicht, was er meinte, daß du hören wolltest.« Kirk richtete sich auf. »Nimm dir die Bänder im Archiv vor, Pille. Und dann laß mich sobald wie möglich hören, was du dazu meinst.« Damit ging er. Christine Chapel sah McCoy verwundert an. »Was ist mit dem Captain los, Sir? So habe ich ihn noch nie erlebt.« »Das werde ich jetzt festzustellen versuchen«, antwortete McCoy. »Wenn mich jemand sucht, ich bin in unserer Bibliothek.« Auf der Brücke empfing Uhura Kirk mit einer Meldung vom Oberkommando der Sternenflotte. Zu ihrer Überraschung tat er sie mit einem »Später, Leutnant« ab und fügte hinzu:
»Schicken Sie mir jetzt erst einmal den diensthabenden Sicherheitsoffizier her, und zwar sofort.« Er ging zu Spock hinüber. »Die Sensoren suchen weiter, Sir«, sagte der. »Bis jetzt keine Werte irgendeiner Form von Leben.« »Dann müssen wir vielleicht annehmen, Mr. Spock, daß es sich um etwas so vollkommen anderes handelt, daß unsere Sensoren es nicht als Lebensform identifizieren können.« »Sie haben Di-Kironium erwähnt, Captain.« »Ein überaus seltenes Element, Mr. Spock. Nehmen wir an, ein Lebewesen würde aus diesem Element bestehen, ein fremdartiges, gasförmiges Wesen.« »Weder auf der Planetenoberfläche noch in der Atmosphäre ist Di-Kironium feststellbar. Ich habe extra darauf geachtet.« »Vielleicht kann es sich tarnen.« »Captain, wenn es aus Di-Kironium, Blei, Gold, Wasserstoff oder was immer sonst besteht, unsere Sensoren würden es erfassen.« »Aber gehen wir dennoch einmal von der Annahme aus, daß ich recht habe.« »Eine unlogische Annahme, Captain. Es gibt keine Möglichkeit, irgendein chemisches Element vor einer Sensorenabtastung zu tarnen.« »Nein? Nehmen wir weiter an, es handelt sich um ein intelligentes Wesen, das weiß, daß wir es suchen.« »Captain, um sich der Erfassung durch die Sensoren zu entziehen, müßte es seine Molekularstruktur verändern können.« Kirk starrte ihn an. »Daß sich beispielsweise Blei in Gold oder Holz in Elfenbein verwandelt. Mr. Spock, Sie haben mich da eben auf etwas gebracht, woran ich noch nie gedacht habe. Es wäre die Antwort auf verschiedene Fragen auf einer
Bandaufzeichnung, mit der sich Dr. McCoy, wenn ich mich nicht irre, in diesem Augenblick beschäftigt.« Spock war aufgesprungen. »Mr. Chekov! Übernehmen Sie die Sensoren.« Als er zum Brückenlift trat, öffnete sich dessen Tür, und der diensthabende Sicherheitsoffizier trat heraus. Er war ein neues Mitglied der Besatzung, jung, mit einem frischen, aufgeweckten Gesicht, voller Idealismus. Er ging auf Kirk zu und salutierte. »Fähnrich David Garrovick meldet sich wie befohlen, Sir.« Überrascht drehte sich Kirk um. »Sie sind der neue Sicherheitsoffizier?« »Jawohl, Sir.« Kirk zögerte einen Moment. Dann sagte er: »War nicht Ihr Vater – ?« »Jawohl, Sir, aber ich erwarte mir deswegen keine Sonderbehandlung.« Die Überraschung auf Kirks Gesicht legte sich. »Die werden Sie auf diesem Schiff auch nicht bekommen, junger Mann«, sagte er scharf. »Jawohl, Sir.« »Eine Meldung, Sir«, unterbrach Uhura. »Es betrifft Leutnant Rizzo. Er ist eben gestorben.« Kirk lehnte sich in seinem Sessel zurück. Ein hoher Preis für die Entdeckung des kostbaren rot-schwarzen Erzes. Er wandte sich wieder dem jungen Offizier zu und sah den Kummer auf seinem Gesicht. »Kannten Sie Rizzo?« fragte er. »Jawohl, Sir. Wir waren gut befreundet. Wir waren zusammen auf der Akademie.« Kirk nickte. »Wollen Sie rauszubekommen versuchen, was ihn umgebracht hat?« »Ja, Sir.«
»Bewaffnen Sie vier Männer mit Handphasern Modell zwei, die über Sprengwirkung verfügen. Melden Sie sich in fünf Minuten im Transporterraum. Sie begleiten mich zur Planetenoberfläche.« An dem Ort, wo der Trupp materialisierte, nahm Garrovick die erste Tricorder-Messung vor. Plötzlich rief er Kirk zu: »Sir, die Werte ändern sich.« Kirk eilte zu ihm, warf einen Blick auf das Gerät, nickte. »Spock hatte recht«, sagte er. »Sehen Sie – da hat eine Molekularumwandlung stattgefunden.« »Wir haben jetzt einen Di-Kironium-Wert, Sir. Position 94 Strich 7, Neigungswinkeln Grad. Stationär.« Kirk deutete auf eine Anhöhe. »Hinter dem Hügel dort. Pirschen Sie sich mit zwei Mann von rechts ran. Ich komme mit den zwei anderen von der anderen Seite. Sobald Sie das Wesen sehen, ballern Sie aus allen Rohren. Denken Sie daran – es ist sehr gefährlich.« Garrovick blickte nervös zu der Anhöhe hinüber. »Jawohl, Sir«, sagte er gepreßt. Kirk warf nur einen kurzen Blick auf das angespannte junge Gesicht, dann drehte er sich um und rief: »Swanson, Bardoli, ihr kommt mit mir.« Garrovick hatte mit seinen beiden Begleitern den Hügel erklommen, als er sah, daß er zu einer tiefen Schlucht abfiel. Die Männer eilten an der Schlucht entlang weiter, während Garrovick einen Moment stehenblieb und hinuntersah. Dann faßte er seinen Entschluß und stieg vorsichtig, Schritt um Schritt den Hang hinunter. Urplötzlich ballte sich die weiße Wolke vor ihm zusammen. Überrascht, auf diese Erscheinung, die einer Nebelwand glich, nicht gefaßt, starrte er die Wolke an. Dann hob er seinen Phaser und feuerte. Der scharfe Strahl kam eine Sekunde zu spät. Die Wolke war verschwunden.
»Ein Phaserschuß!« rief Kirk und rannte schon auf die Anhöhe zu. Er sah Garrovick den Hang heraufhetzen, als er ankam. Die Augen des jungen Mannes waren auf etwas über ihm gerichtet. »Garrovick, haben Sie – « Er brach ab, als er sah, wohin Garrovick kletterte. Die beiden Männer, die seinem Trupp angehört hatten, lagen reglos auf dem Boden. Kirk stürzte dem nächstliegenden zu. Als Garrovick zu ihm kam, war das junge Gesicht aschgrau vor Entsetzen und Elend. Die Gesichter der Toten waren weiß wie ausgebleichte Knochen. Kirk saß allein im Besprechungsraum. Es tat gut, allein zu sein. Allein war es leichter für ihn, an seiner Überzeugung festzuhalten, daß das mörderische Wesen, das fünf Mann seiner Besatzung getötet hatte, dasselbe war, das zwölf Jahre zuvor in einem anderen Quadranten der Galaxis die Besatzung der USS Farragut dezimiert hatte. Fünf Mann. Der zweite von Garrovicks Begleitern, der überlebt hatte, lag bewußtlos im Bordlazarett und wurde behandelt. Aber die Transfusionen hatten schon Rizzo nicht helfen können. Im Grunde war er natürlich gar nicht allein. Man war nie allein. Immer begleiteten einen die unausgesprochenen Gedanken anderer. Und ihm leisteten die unausgesprochenen Gedanken Spocks und McCoys Gesellschaft. Sie glaubten beide nicht an die Bösartigkeit und die Intelligenz des ›Dings‹. Sie waren nicht einverstanden mit seiner Entscheidung, hierzubleiben und den Kampf auf Leben und Tod damit aufzunehmen. Und vielleicht hatten sie recht. Hatte er eine sachliche Entscheidung getroffen – oder eine rein emotionale? Er sah auf, als Spock in Begleitung von McCoy und Garrovick in den Besprechungsraum trat. Spock und McCoy musterten ihn mit scharfen, taxierenden Blicken, als sie sich setzten. Sie versuchten, ihre Besorgnis zu vertuschen, aber es
gelang ihnen nicht. Kirk seinerseits tat so, als hätte er die Blicke nicht bemerkt. Er eröffnete die Besprechung. »Wir haben Ihren Bericht studiert, Mr. Garrovick. Ich glaube, Mr. Spock hat eine Frage.« »Wie groß war dieses Wesen, Fähnrich?« fragte Spock. »Meiner Schätzung nach zwischen zehn und sechzig Kubikmeter, Sir. Es wechselte ständig Form und Größe.« »Beschaffenheit?« »Es sah aus wie eine Gaswolke, Sir. An manchen Stellen konnte man durch die Wolke hindurchsehen, andere Teile schienen dichter zu sein.« McCoy sagte: »Mr. Garrovick, ›spürten‹ Sie Intelligenz in dieser Gaswolke?« »Ob ich was, Sir?« »Erhielten Sie – unbewußt vielleicht – den Eindruck, daß die Wolke tatsächlich ein Wesen ist? Ein lebendes, denkendes Geschöpf und nicht nur ein merkwürdiges Gebilde aus chemischen Elementen?« »Nein, Sir.« Kirk sah den jungen Mann an, der voll Unbehagen auf seinem Sessel hin und her rutschte. »Mr. Garrovick, Sie sind nie wirklich in Berührung mit ihm gekommen, nicht wahr?« »Nein, Sir. Ich war am weitesten weg.« Er schwieg einen Moment und sagte dann: »Es kam aus dem Nichts. So schien es jedenfalls. Es hing einen Moment in der Luft, dann schoß es zu dem Mann hin, der am nächsten war. Schnell, unglaublich schnell.« Kirk spielte mit einem Bleistift. »Sie sagen, es hing in der Luft?« »Ja, Sir.« »Sie haben doch darauf geschossen, nicht wahr?«
»Ja, Sir.« »Wie nahe waren Sie dem Ding?« »Ungefähr zwanzig Meter, Sir.« »Und Sie verfehlten ein schwebendes, großes Ziel auf diese Distanz?« »Ja, Sir. Ich – also, ich hab’ ja nicht gefeuert, solang es da hing.« »Heißt das, Sie waren vor Schreck gelähmt?« »Nicht direkt, Sir.« »Dann erklären Sie uns genau, was Sie meinen.« »Ich war überrascht – vielleicht nur ein, zwei Sekunden. Und als ich dann feuerte, da – also, da war es schon wieder in Bewegung.« »Haben Sie sonst noch Informationen für uns?« fragte Kirk kurz. »Nein, Sir. Ich – ich habe nur ungefähr eine Sekunde gezögert, Sir. Es tut mir leid.« »Fähnrich, Sie sind bis auf weiteres aller Pflichten enthoben und haben Stubenarrest.« Garrovick straffte die Schultern. »Jawohl, Sir.« McCoy wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte, dann sagte er: »Das war ein bißchen hart, Jim.« »Er hat sich überraschen lassen. Einer seiner Männer kam um. Der andere wird wahrscheinlich auch sterben.« »Captain«, begann Spock. Kirk stand auf. »Sparen Sie sich Ihre Kommentare und Empfehlungen für Ihre schriftlichen Berichte, meine Herren.« Mit raschem Schritt ging er zur Tür. Als sie krachend hinter ihm zufiel, starrten McCoy und Spock einander nur schweigend an. Garrovicks Kabine war so finster wie der Abgrund seiner Verzweiflung. Er fand den Lichtschalter unter dem Thermostaten. Etwas weiter oben war ein Hebel zum Offnen
und Schließen des Ventilators. Garrovick warf sich, ohne seine Umgebung überhaupt wahrzunehmen, auf sein Bett und überließ sich seiner Depression. Auf der Brücke lief eine weitere Anfrage der Yorktown bezüglich des geplanten Zusammentreffens ein. Kirk ignorierte sie. Scott kam zu ihm und sagte: »Ich habe mir erlaubt, während unserer Wartezeit die Abzugsöffnung für den radioaktiven Müll am Impulstriebwerk Zwei zu reinigen. Aber wir können in weniger als einer halben Stunde die Umlaufbahn verlassen.« »Wir verlassen die Umlaufbahn nicht, Mr. Scott. Jedenfalls nicht so schnell.« Scott war hartnäckig. »Aber Captain, die Medikamente für Theta Sieben werden dringend gebraucht und haben außerdem nur eine begrenzte Haltbarkeit. Wenn – « Kirk fuhr zornig herum. »Die Situation ist mir durchaus bekannt, Mr. Scott«, sagte er scharf. »Und ich habe es allmählich satt, daß meine Offiziere meinen, Sie müßten gegen mich konspirieren, um – « Er brach ab, als er Scotts Gesicht sah. »Verzeihen Sie, Scotty. Ich hätte das Wort ›konspirieren‹ nicht gebrauchen sollen.« »Schon gut, Sir.« Kirk ging zu Chekov hinüber. »Sensoren-Werte?« »Nichts, Sir. Aber ich suche weiter.« »Mr. Chekov, Ihnen ist klar, daß das Ding wahrscheinlich fähig ist, seine Beschaffenheit zu verändern? Achten Sie auch auf ungewöhnliche Luftbewegungen? Auf gasförmige Wolken, gleich, welcher Art?« »Wir haben zweimal eine volle Sensor-Untersuchung durchgeführt, Sir.« »Dann machen Sie’s zwanzigmal, wenn das nötig ist«, befahl er scharf und verließ die Brücke und das erschütterte Personal.
Garrovick war nicht der einzige, der an einer Depression litt. McCoy, der sich gerade ein Autopsieband angesehen hatte, mußte einen Impuls unterdrücken, es zu Boden zu schleudern. Als Spock in sein Büro trat, begrüßte er ihn nicht einmal. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht, Doktor.« »Im Gegenteil, Spock. Ich bin froh, daß Sie kommen. Ich habe genug von Autopsiebefunden.« »Ich brauche Ihren Rat«, sagte Spock. »Dann brauche ich einen Drink«, versetzte McCoy. »Ich verstehe Sie nicht, Doktor.« »Sie brauchen meinen Rat? Das kann doch nur ein Scherz sein.« »Ich scherze nie. Vielleicht sollte ich es anders formulieren. Ich möchte Ihre Meinung hören. Die menschliche. Die Unlogik und Unvernunft hat viele Aspekte, die ich nicht begreife. Besessenheit zum Beispiel. Die hartnäckige, blinde Fixierung auf einen einzigen Gedanken.« »Jim und sein Ding?« »Genau. Haben Sie den Bericht über den Zwischenfall, in den die USS Farragut involviert war, studiert?« »Ich hatte im Lazarett so viel zu tun, daß ich kaum Zeit hatte, ihn zu überfliegen.« »Nun, glücklicherweise lese ich sehr schnell«, meinte Spock. »Um es kurz zu machen, Doktor, aus den Berichten geht hervor, daß nahezu die Hälfte der Besatzung einschließlich des Captains umkam. Der Name des Captains war Garrovick.« McCoy pfiff überrascht. »Garrovick? Wie unser Fähnrich?« »Es war sein Vater«, erklärte Spock. »Ich habe den FarragutAkt mit.« »Dann ist das wohl noch nicht alles?« »Nein«, bestätigte Spock ernst. »Noch lange nicht. Unter denen, die die Katastrophe überlebten, war ein junger Offizier, der damals noch ganz am Anfang seiner Laufbahn stand.« Auf
McCoys Blick hin nickte er. »Ja, James T. Kirk«, sagte er – und schob die Kassette, die er in der Hand hielt, in das Videogerät. »Und das ist noch immer nicht alles. Ich denke, Sie sollten sich diesen Bericht einmal ansehen, Doktor.« Zwanzig Minuten später war McCoy auf dem Weg zu Kirks Kabine. Als sich auf sein Klopfen nichts rührte, öffnete er einfach die Tür. »Störe ich, Jim?« Kirk lag auf seinem Bett und starrte zur Decke hinauf. Er drehte nicht einmal den Kopf, als McCoy eintrat. Er sagte kein Wort. Doch plötzlich sprang er mit einem Satz vom Bett und schaltete den Wandkommunikator ein. »Kirk an Brücke. Sensoren-Bericht?« »Wir suchen weiter, Sir«, antwortete Chekov. »Bisher keine ungewöhnlichen Meßwerte.« »Gut. Kirk Ende.« Er wandte sich vom Kommunikator ab und schlug mit der rechten Faust in die linke offene Hand. »Es kann sich doch nicht einfach in Luft auflösen«, rief er. »Doch, manchmal tut es das, wenn wir Glück haben.« McCoy setzte sich. »Ungeheuer gibt es in vielen Spielarten, Jim. Und kennst du das schlimmste von allen? Schuldgefühle, ob man sich ihrer bewußt ist oder nicht.« Kirks Gesicht verfinsterte sich. »Komm zur Sache.« »Jim – ein junger Offizier, der sich unversehens zum erstenmal unbekannten Gefahren gegenübersieht, steht unter einer ungeheuren emotionalen Belastung. Wir wissen alle, wie –« »Was mit Fähnrich Garrovick zu geschehen hat, ist meine Entscheidung, Doktor. Jeder kümmert sich am besten um seine Angelegenheiten.« »Ich sprach von Leutnant James T. Kirk vom Sternenschiff Farragut«, entgegnete McCoy.
Kirk starrte ihn an. Er sagte nichts, und so sprach McCoy weiter. »Vor zwölf Jahren warst du als junger Offizier auf der Phaserstation, als ein unbekanntes Wesen euer Schiff angriff. Dem Bericht zufolge bestand dieser junge Offizier darauf, sich allein die Schuld zu geben – « »Ich verabsäumte es, sofort zu schießen!« »Du hast eine völlig normale menschliche Reaktion gezeigt«, sagte McCoy scharf. »Überraschung. Du warst erst einmal überrascht. Verblüfft. Du hast vielleicht mit zwei Sekunden Verspätung geschossen, Jim.« Kirks Gesicht verriet die Qual, die er empfand. »Wenn ich nicht gezögert hätte, wäre das Ding vernichtet worden.« »Der stellvertretende Kommandant eures Schiffs war nicht der Meinung. Sein Eintrag ins Logbuch zu diesem Thema ist eindeutig. Er berichtete: ›Leutnant Kirk ist ein hervorragender Offizier, der mit ungewöhnlicher Tapferkeit handelte.‹« »Ich habe beinahe zweihundert Menschen getötet!« McCoys Stimme war sehr ruhig. »Captain Garrovick hat dir viel bedeutet, nicht wahr?« Kirk schien plötzlich in sich zusammenzusinken. Er ließ sich schwer auf sein Bett fallen. »Er war von dem Tag an, als ich von der Akademie abging, mein Kommandant. Er war einer der feinsten Menschen, die ich je kennengelernt habe.« Wieder sprang er auf. »Ich hätte das Ding vernichten können! Wenn ich schnell genug das Feuer eröffnet hätte…« »Das weißt du doch überhaupt nicht, Jim. Das kannst du nicht wissen. Und ebensowenig kannst du wissen, ob der junge Garrovick es hätte vernichten können.« Kirks Gesicht war qualverzerrt. »Ich bin es meiner Besatzung und diesem Schiff schuldig – «
» – dich so von einer Erinnerung quälen zu lassen? Jim, du kannst doch nicht einen jungen Menschen kaputtmachen, nur weil du in ihm dich selbst siehst, wie du vor zwölf Jahren warst! Damit zerstörst du dich selbst und deine Karriere.« »Ich muß das Ding vernichten. Frag mich nicht, woher ich das weiß. Ich weiß es einfach.« McCoy sah Kirk lange schweigend an. Dann stand er auf, ging zur Tür und öffnete sie. »Kommen Sie herein, Mr. Spock«, sagte er. »Pille«, rief Kirk, »strapaziere unsere Freundschaft nicht über das Maß hinaus, wo – « »Die Angelegenheit ist amtlich, Captain«, unterbrach McCoy. »Ich bereite einen Logbucheintrag über meine Einschätzung des körperlichen und seelischen Zustandes eines Sternenschiffkapitäns vor. Dazu brauche ich einen Zeugen im Rang eines Kommandierenden Offiziers.« Kirk sah ungläubig von einem zum anderen. »Verstehe ich recht, Doktor«, sagte er dann mit ätzender Stimme, »du und Commander Spock, ihr haltet mich beide, oder zumindest einer von euch, für vorübergehend untauglich oder nicht befähigt, dieses Schiff zu führen?« »Korrekt formuliert wie in der Dienstvorschrift empfohlen, Captain«, antwortete Spock. »Unsere Erwiderung lautet, wie ebenfalls empfohlen: Uns sind an Ihrem Verhalten in jüngster Zeit Dinge aufgefallen, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Wir ersuchen daher mit allem Respekt um Ihre Erlaubnis, weitere Nachforschungen anzustellen und – « »Ach, zum Teufel mit der Dienstvorschrift!« rief Kirk. »Stellen Sie Ihre Fragen.« Ohne eine Miene zu verziehen, sagte Spock: »Die USS Yorktown erwartet uns derzeit am vereinbarten Treffpunkt, Captain. Sie hat leicht verderbliche Medikamente an Bord, die –«
Kirk strich sich mit zitternder Hand über die Stirn. »Ihre Worte klingen mir vertraut, Commander.« »Das Serum wird auf Theta Sieben wirklich dringend benötigt, Jim«, warf McCoy ein. »Warum sind wir nicht längst unterwegs zum Treffpunkt?« »Weil ich weiß, was ich weiß«, antwortete Kirk. »Das Geschöpf, das vor zwölf Jahren die Farragut angegriffen hat, ist dasselbe – « »Geschöpf?« fragte Spock. »Ja. Mein Bericht war auf dem Band. Als es uns vor zwölf Jahren angegriffen hat, konnte ich, kurz bevor ich das Bewußtsein verlor, die Intelligenz dieses Dings spüren; ich nahm wahr, wie es dachte und plante.« »Sie sagen, Sie konnten seine Intelligenz spüren, Captain. Wie?« fragte Spock. »Kommunizierte es mit Ihnen?« »Du sagst, das geschah, kurz bevor du das Bewußtsein verlorst«, warf McCoy ein. »Wenn man sich in diesem Zwischenstadium befindet, Jim, kann man niemals ganz sicher sein, was Wirklichkeit und was Phantasie ist.« »Ob nun real oder irreal, Pille, es war tödlich.« »Daran zweifelt ja niemand«, versetzte McCoy. »Und wenn es nun dasselbe Wesen ist, dem ich vor zwölf Jahren auf einem Planeten begegnete, der mehr als tausend Lichtjahre von hier entfernt ist?« »Natürlich, Captain, wenn es ein intelligentes Wesen ist, wenn es dasselbe ist, dem Sie schon früher begegnet sind, und wenn es fähig ist, sich durch den Raum fortzubewegen, dann könnte es für bewohnte Planeten eine ernste Gefahr darstellen.« »Eine Menge ›Wenns‹, das will ich gern zugeben, Commander. Aber es wird auch allgemein anerkannt, daß die Intuition, so unlogisch sie sein mag, mit zu den wichtigsten Fähigkeiten eines guten Schiffskommandanten gehört.«
»Jim, wir haben doch nicht die Absicht, uns gegen dich zu verschwören.« »Das weiß ich, Doktor. Ihr habt angemessene Besorgnis gezeigt. Ihr habt beide nur eure Pflicht getan. Darf ich jetzt wissen, wie der Logbucheintrag aussehen wird, der da vorbereitet wird?« Spock und McCoy tauschten einen Blick. »Jim«, begann McCoy. Kirk lächelte. »Ihr habt geblufft, meine Herren. Und jetzt nehme ich euch beim Wort.« »Das war einzig meine Idee, Captain«, sagte Spock. »Dr. McCoys typisch menschliche Zuneigung zu Ihnen, macht ihn absolut unfähig – « »Meine Zuneigung zu ihm!« unterbrach McCoy. »Na, das gefällt mir. Ich mußte Sie praktisch zu dieser Aktion zwingen.« Er wandte sich Kirk zu. »Jim, wir wollten diesen Schritt eigentlich nur dazu benutzen, dir etwas Vernunft – « Der Kommunikator piepste, und Chekovs erregte Stimme war zu hören. »Brücke an Captain. Bitte kommen, Captain.« Kirk war mit einem Satz am Gerät. »Hier Kirk, Mr. Chekov.« »Ich hab’ einen Meßwert zu dem – was immer es ist, Captain. Es verläßt in diesem Moment die Planetenoberfläche und steigt in den Raum auf.« Es war ein Zeichen seiner ungeheuren Selbstbeherrschung, daß in Kirks Stimme keine Spur von Triumph lag, als er seine Befehle gab: »Alle Decks, Alarmstufe Rot. Fertigmachen zum Verlassen der Umlaufbahn.« Und schon war er zur Tür hinaus. Das Ding, das Kirk und die Enterprise nun durch die Labyrinthe des unendlichen Raums jagten, war schlau wie eine
Kobra und schnell wie eine Mamba. Immer weiter führte es das Raumschiff von seinem Treffpunkt mit der Yorktown weg. Auf der Brücke wußte jeder, was auf dem Spiel stand. Zweimal hatte das Ding zweifellos bewußt den Kurs geändert, um sie in die Irre zu führen. Kirk war so heftig vom Jagdfieber gepackt, daß er keine Furcht oder Besorgnis mehr spürte. Aber Scott war beunruhigt. »Captain, wir können die Geschwindigkeit von Sol 8 nicht mehr viel länger beibehalten. Die Belastung wird zu groß.« »Entfernung, Mr. Chekov?« fragte Kirk. »Null Komma null vier Lichtjahre voraus, Sir. Außer Phaserreichweite.« »Captain«, bemerkte Spock, »wir kommen ja kaum näher. Wenn das so weitergeht, kann die Verfolgung noch Tage dauern.« »Wenn nötig«, sagte Kirk nur und wandte sich Scott zu. »Tun Sie, was Sie können, um unsere Geschwindigkeit zu steigern, Mr. Scott.« »Aye, Sir.« »Zeigen Sie es mal«, sagte Kirk zu Chekov. Der drückte auf einen Knopf. »Vergrößerungsfaktor zwölf, Sir. Da, Sir! Wir haben es auf dem Schirm.« Wie ein in die Länge gezogener Komet, wie ein kreiselnder Spiralwirbel inmitten wabernder Dampfschwaden sauste es über den Bildschirm. »Was sagen Ihre Instrumente, Mr. Spock?« »Widersprechende Daten, Sir. Es scheint sich in einem Grenzzustand zwischen Materie und Energie zu befinden. Möglicherweise ist es in der Lage, sich Gravitationsfelder zur Fortbewegung zunutze zu machen.« »Finden Sie nicht, daß das für eine hohe Entwicklung spricht, Mr. Spock?«
»Es ist auf jeden Fall äußerst effizient, Captain.« Er machte eine kurze Pause. »Ob es auf Intelligenz hinweist, ist eine andere Sache.« Auf Chekovs Konsole flammte ein rotes Lämpchen auf. »Offene Luke an Impulstriebwerk Zwei, Sir. Mr. Scott hat da eine Reinigung vornehmen lassen.« »Schalten Sie den Alarm aus«, sagte Kirk. »Wir werden die Impulstriebwerke nicht benutzen.« Scott rief von seinem Platz herüber: »Captain, das schaffen wir nicht. Wenn wir diese Geschwindigkeit beibehalten, fliegen wir in den nächsten Minuten in die Luft.« Kirk schluckte die bittere Pille der Realität. »Gut«, sagte er, »gehen Sie herunter auf Sol sechs.« Mit einem Tablett in den Händen trat Christine Chapel in Garrovicks Kabine. »Danke«, sagte Garrovick. »Ich bin nicht hungrig.« »Ich führe nur Dr. McCoys Befehl aus.« »Was gibt’s Neues?« fragte Garrovick. »Jagen wir immer noch dieses Ding durch die Galaxis? Ja. Hat der Captain die Perspektive verloren? Vielleicht. Ist die Besatzung kurz vor der Explosion? Eindeutig. Sie können froh sein, daß Sie nicht mit drinnenstecken, Mr. Garrovick.« Garrovicks Ton war bitter. »Nicht mit drinstecken? Ich bin doch an allem schuld!« Gelassen setzte sie ihm das Essen hin. »Sie wissen, wie wahr das ist«, fuhr er fort. »Wenn ich auf Argus Zehn schnell genug geschossen hätte, wäre es zu alledem nicht gekommen.« »Selbstmitleid ist eine schlechte Vorspeise«, sagte sie. »Versuchen Sie lieber die Suppe.« »Ich will keine Suppe.«
»Wenn Sie nicht essen«, erklärte sie ihm, »läßt Dr. McCoy Sie ins Lazarett befördern und intravenös ernähren. Das würde ich nur höchst ungern tun.« Garrovick erwiderte etwas zaghaft ihr Lächeln und begann lustlos in seinem Essen herumzustochern. Aber es war sinnlos. Kaum war Christine hinausgegangen und die Tür hinter ihr zugefallen, da packte er in einem Anfall von Zorn und Frustration die Tasse Kaffee, die er sich eben eingeschenkt hatte, und schleuderte sie an die Wand. Sie traf den Thermostat und den Hebel des Ventilators, der durch den Aufprall auf ›offen‹ geschoben wurde. Im selben Moment gellte das Alarmsignal durch das Schiff, und über den Kommunikator kam Kirks Stimme. »Alle Decks auf Gefechtsstation. Der Feind reduziert seine Geschwindigkeit. Dies ist keine Übung. Alle Mann auf Gefechtsstation.« Auf der Brücke rief Chekov: »Es hält an, Captain. Vergrößerungsfaktor Eins, Sichtkontakt.« Das seltsame Wesen, nur ein kleines Objekt jetzt auf dem Bildschirm, schien pulsierend im Raum zu hängen. »Hallo, du Prachtstück«, sagte Kirk leise. Dann beugte er sich zu Chekov hinüber: »Näher ran, Mr. Chekov.« Während Chekov an seinen Instrumenten hantierte, öffnete sich die Tür des Brückenaufzugs, und Garrovick trat mit blassem, angespannten Gesicht heraus. Eilig ging er zu Kirk. »Sir, ich bitte um die Erlaubnis, auf meinen Posten zurückkehren zu dürfen.« »In Phaserreichweite jetzt, Sir«, rief Chekov. »Richten Sie Phaser auf Zielobjekt, Mr. Chekov.« »Phaser auf Ziel gerichtet, Sir.« »Hauptphaser, Feuern!« Aber die Energiestrahlen gingen einfach durch das Wesen hindurch. Kirk sah es fassungslos.
»Phaser wirkungslos, Captain.« »Photonen-Torpedos, Mr. Chekov. Geringste Streuung.« »Fertig, Sir.« »Feuer!« Das Schiff schwankte leicht. Aus dem Zielobjekt schoß ein blendender Lichtblitz, und die Enterprise schlingerte. Uhura rief: »Da! Auf dem Bildschirm. Es kommt auf uns zu, Sir!« Das gasförmige Wesen wurden größer und dichter auf dem Bildschirm. »Schutzschilde hoch!« befahl Kirk. »Schutzschilde sind hoch, Sir.« »Die Schilde werden es nicht abhalten, Captain«, sagte Spock in das gespannte Schweigen hinein. Er war über seine Konsole gebeugt. »Ich hätte es mir denken können. Wenn dieses Ding fähig ist, die Schwerkraft als Antriebskraft zu nutzen, dann muß es auch die Fähigkeit besitzen, unsere Schutzschilde zu durchdringen.« »Gibt es überhaupt ein Mittel, es aufzuhalten, Mr. Spock?« »Nein, Captain. Es kann seine Teilchen aus der Zeitsynchronisation herausnehmen. Es scheint unsere Kraftfeldpulsierungen zu messen – und bleibt den Bruchteil einer Sekunde vor oder hinter ihnen.« »Kontakt in fünf Sekunden, Sir«, meldete Chekov. Kirk schaltete sein Intercom ein. »Alle Decks, alle Stationen! Höchster Alarmzustand. Invasions-Warnung.« »Alle Luftschächte und Luken dicht, Sir«, sagte Chekov. »Alle Lichter grün – Nein, Sir! Die Luke vom Impulstriebwerk Zwei! Da haben wir rotes Licht.« Kirk wandte sich zum Bildschirm. Die Wolke hing jetzt über dem Schiff. Plötzlich verschwand sie. Scott drehte sich um und rief: »Captain! Irgend etwas ist durch die Luke am Impulstriebwerk Zwei eingedrungen!«
»Mr. Chekov, unterrichten Sie alle Decks.« Rote Lichter blinkten zum ohrenbetäubenden Heulen der Alarmsirenen. »Also? Berichte?« Obwohl auch Spock und McCoy mit am Konferenztisch saßen, waren die Fragen an Scott gerichtet. Der wußte es und wich Kirks vorwurfsvollem Blick aus. »Sir, nachdem es durch den Luftschacht vom Impulstriebwerk Zwei eingedrungen war, griff es zunächst zwei Leute an, ehe es weiter ins Ventilationssystem eindrang.« »Pille?« sagte Kirk. »Der eine Mann hat eine winzige Chance, der andere ist tot. Billig kommt uns deine Jagd auf das große Ungeheuer wahrhaftig nicht.« »Das reicht, Pille.« »Nein, das reicht nicht. Du wolltest unbedingt deine Trophäe an die Wand hängen können. Alles andere war dir gleichgültig. Nun hast du deine Trophäe – aber nicht an der Wand, sondern in ihr.« »Bei abgeschaltetem Ventilationssystem haben wir nur für zwei Stunden Luft, Sir«, bemerkte Scott erbarmungslos. »Und für die Patienten auf Theta Sieben«, warf McCoy ebenso mitleidlos ein, »sieht es auch nicht eben rosig aus.« Nur Spock, nur zur Hälfte Mensch, zeigte Erbarmen. »Ich würde vorschlagen, wir geben die Diskussion darüber auf, ob es richtig war, das Wesen zu verfolgen oder nicht. Die Frage ist belanglos geworden. Es ist doch jetzt so, daß das Wesen uns verfolgt.« »Wesen, Mr. Spock?« sagte McCoy. »Es machte kehrt und griff an, Doktor. Die Methode war durchdacht und intelligent.«
Kirk sprach langsam. »Es bereitet mir keine Freude, recht behalten zu haben, meine Herren, glauben Sie mir. Diese Kreatur hätte längst Lichtjahre von uns entfernt sein können. Statt dessen jedoch machte es hier plötzlich halt. Warum? Ich frage Sie, warum?« »Ich muß warten, Captain, ehe ich eine nähere Analyse des Wesens vornehmen kann«, sagte Spock. »Wir haben noch zwei Stunden Zeit, Mr. Spock.« Kirk wandte sich Scott zu. »Befördern Sie Ihren radioaktiven Müll ins Ventilationssystem. Das wird dem Ding vielleicht einiges Unbehagen bereiten.« »Aye, Sir.« McCoy stand mit ihm auf. An der Tür blieb er stehen. »Jim, was ich vorhin sagte, tut mir leid. Deine Entscheidung, das Ding zu verfolgen, war richtig.« Diese Worte hätten ihm eigentlich etwas bedeuten müssen. Aber sie taten es nicht: Wenn man nicht von anderen verdammt wurde, verdammte man sich selbst. »Captain«, sagte Spock. »Die Fähigkeit des Dings, sich aus dem Zeitablauf herauszubewegen, ermöglicht es ihm, in dem Moment, wo unsere Phaser feuern, an einem anderen Ort zu sein. Ihre Selbstvorwürfe sind also völlig grundlos. Wenn Sie vor zwölf Jahren Ihren Phaser unverzüglich abgefeuert hätten, hätte das so wenig gebracht wie vor einer Stunde. Captain Garrovick wäre trotzdem tot.« »Diese Theorien von Schuld und Unschuld, Recht oder Unrecht scheine ich plötzlich hinter mir gelassen zu haben, Mn Spock. Meine einzige Sorge gilt in diesem Augenblick der Rettung meiner Mannschaft und meines Schiffs.« »Sie haben keine Schuld, Captain. Niemand hat schuld.« Kirk stand auf. »Wenn Sie unbedingt den Psychoanalytiker spielen wollen, Spock – und ehrlich gesagt paßt das nicht zu
Ihnen –, dann tun Sie’s beim jungen Garrovick. Nicht bei mir. Danke.« Damit ging er aus dem Konferenzraum hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen. Spock ließ sich das nicht zweimal sagen. Er klopfte an die Tür zu Garrovicks Kabine und trat ein. Garrovick sprang auf. »Setzen Sie sich, Fähnrich. Ich möchte mit Ihnen sprechen.« »Ja, Sir«, sagte Garrovick verwirrt. »Mr. Garrovick, ich habe den Eindruck, es bedrückt Sie sehr, daß Sie Ihrer Meinung nach in einem Moment der Gefahr nicht fähig waren, befehlsgemäß zu handeln.« »Nun ja, ich kann jedenfalls nicht behaupten, daß ich stolz auf mich bin, Sir«, erwiderte Garrovick errötend. »Vielleicht haben Sie dieses sogenannte Versagen Ihrerseits bisher nur unter dem Gesichtspunkt Ihrer eigenen Emotionen betrachtet.« Garrovick schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Ich habe auch die Fakten in Betracht gezogen. Und Tatsache ist, daß Männer unter meinem Kommando das Leben verloren, weil ich zögerte, weil ich innehielt, Um zu analysieren, anstatt unverzüglich zu handeln. Mein Versuch, logisch zu handeln, hat meinen Männern das Leben gekostet, Mr. Spock.« »Mr. Garrovick, Intoleranz sich selbst gegenüber ist eine erbliche Eigenschaft Ihrer Spezies.« »Sie sagen das, als wäre es eine Krankheit, Sir.« Sie waren beide so auf ihr Gespräch konzentriert, daß sie das feine Rauchfähnchen nicht bemerkten, das durch die verklemmte Ventilatoröffnung kam. Garrovick sagte mit einer ungeduldigen Geste: »Sie sagen mir praktisch, ›Machen Sie sich kein Kopfzerbrechen, Mr. Garrovick. So was passiert uns allen mal. Wir begraben die
Leichen und denken nicht mehr daran.‹ Ist das nicht so, Mr. Spock?« »Nicht ganz. Aus Bedauern kann man lernen, Mr. Garrovick. Es verändert die menschliche Haltung. Aber Schuldgefühle sind die reine Zeitverschwendung. Wer sich selbst haßt, wird sich letztendlich selbst vernichten.« Spock hielt unvermittelt inne und schnüffelte. »Riechen Sie etwas?« fragte er. »Ich dachte, ich hätte – « Dann gewahrte er die Rauchfahne, die aus dem Ventilatorschlitz drang. Garrovick fuhr herum. »Sir, das ist – « Spock packte ihn am Arm und stieß ihn zur Tür. »Raus hier, schnell! Ich werde versuchen, die Klappe zu schließen.« Er stürzte zum Ventilatorschlitz, griff zum Hebel und riß daran, um ihn zu schließen. Doch die Wolke, die nun voll und dicht geworden war, drang ungehindert in die Kabine ein, wälzte sich über ihn, um ihn, hüllte ihn schließlich völlig ein. Im Korridor rannte Garrovick zu einem Wandkommunikator. »Captain! Das Ding! Es ist in meiner Kabine, Sir. Es hat Mr. Spock erwischt.« Kirk sprang aus seinem Sessel. »Ich komme sofort, Garrovick.« Er ließ sein Mikrofon fallen. »Scotty, Druckumkehrung in Kabine 341. Leutnant Uhura, Sicherheitsund Krankenpersonal zu Kabine 341.« Er hatte die richtigen Befehle gegeben. Vom Sog der Druckumkehrung erfaßt, wurde in Garrovicks Kabine das Ding in den Ventilatorschlitz zurückgezogen. McCoy und ein Sicherheitstrupp erwarteten ihn vor der Tür. Als McCoy sie öffnen wollte, sagte Kirk: »Warte, Pille. Wir brauchen erst die Tricorderwerte.«
Während einer der Sicherheitsleute sein Instrument einstellte, rief McCoy erregt: »Jim, da drinnen liegt vielleicht Spock im Sterben.« Kirk wirbelte herum. »Wenn wir das Ding rauslassen, wird er nicht der einzige bleiben.« »Es ist meine Schuld, Sir«, sagte Garrovick mit aschfahlem Gesicht. »Ich muß den Kontrollhebel verbogen haben, als ich eine Tasse an die Wand warf.« »Prüfen Sie«, sagte Kirk zu einem der Sicherheitsleute, »ob es durch den Umkehrdruck ins Ventilationssystem zurückgezogen worden ist.« »Er hat mir das Leben gerettet, Sir«, stieß Garrovick hervor. »Eigentlich müßte ich tot da drinnen liegen, nicht er.« Spocks Stimme drang durch die Tür. »Zu meiner Freude ist keiner von uns beiden tot, Mr. Garrovick.« Er riß die Tür auf. »Die Druckumkehrung hat funktioniert, Captain. Der Ventilator ist geschlossen.« Kirk starrte ihn an wie vom Donner gerührt. »Spock, verstehen Sie mich bitte nicht falsch – aber wieso sind Sie nicht tot?« »Sein grünes Blut!« rief McCoy. Spock nickte. »Mein Hämoglobin baut auf Kupfer auf und nicht auf Eisen.« Kirk war zur offenen Kabinentür getreten und sog den Geruch ein. »Der Geruch – er ist anders. Ja… Ja, ich glaube, jetzt verstehe ich.« »Sie glauben doch nicht im Ernst, daß Sie mit dem Ding in Kommunikation stehen, Captain?« »Ich kann nicht sagen, was es ist, Spock. Aber Sie erinnern sich doch, daß ich sagte, ich hätte sofort gewußt, daß es lebt. Vielleicht handelt es sich nicht um Kommunikation in dem Sinn, wie wir sie verstehen, aber ich wußte wirklich, daß es
lebendig ist und Intelligenz besitzt. Jetzt weiß ich noch etwas anderes.« Aus dem Wandkommunikator kam ein Pfeifton. »Brücke an Captain Kirk.« »Hier Kirk.« »Scott, Sir. Das Ding zieht sich zum Ventilator von Impulstriebwerk Zwei zurück. Es ist vielleicht nicht unempfindlich gegen den radioaktiven Müll.« »Öffnen Sie den Luftschlitz«, sagte Kirk. »Ich komme rauf. Kirk Ende.« Er rannte schon den Korridor hinunter, als er plötzlich zögerte und sich umdrehte. »Fähnrich Garrovick!« Garrovick eilte zu ihm. »Jawohl, Sir?« »Sie waren auf der Brücke, als wir angegriffen wurden.« »Es tut mir leid, Sir. Ich weiß, ich hatte Stubenarrest, aber als Alarm gegeben wurde – « »Sehr lobenswert, Fähnrich. Welchen Eindruck hatten Sie von dem Gefecht?« »Ich verstehe nicht, Sir.« »Ich möchte eine militärische Beurteilung der Mittel, die gegen das Ding eingesetzt wurden.« Garrovick straffte die Schultern. »Unwirksam, Sir.« Hastig fügte er hinzu: »Ich meine, Captain, Sie taten alles, was in Ihrer Macht stand. Aber gegen so ein Ungeheuer wie dieses Ding bleibt eben alles wirkungslos.« »Und wie beurteilen Sie Ihr Verhalten auf der Planetenoberfläche?« »Ich habe zu spät gefeuert.« »Und wenn Sie rechtzeitig gefeuert hätten?« Kirk wartete einen Moment, dann sagte er, Garrovick fest in die Augen blickend: »Es hätte keinen Unterschied gemacht, Fähnrich. Keine uns bekannte Waffe hätte etwas ausgerichtet. Weder damals noch vor zwölf Jahren.« »Verzeihung, Sir? Ich verstehe nicht.«
»Ich sagte, begeben Sie sich wieder auf Ihren Posten, Mr. Garrovick.« Das junge Gesicht strahlte, »Jawohl, Sir. Danke, Captain.« Er wollte noch etwas hinzufügen, aber die Aufzugtür hatte sich schon hinter Kirk geschlossen. Auf der Brücke erwarteten ihn Neuigkeiten. »Ergebnis positiv, Sir«, teilte ihm Chekov eifrig mit, während er aufstand, um Spock seine Station freizumachen, die er vorübergehend übernommen hatte. »Das Ding hat das Schiff mit hoher Geschwindigkeit verlassen und ist bereits außer Reichweite unserer Ortung.« Kirk stand neben Spock. »Richtung, Mr. Spock?« »Die Richtung war 127 Strich 9. Aber ich habe es jetzt bereits verloren.« Kirk schaltete das Intercom ein. »Scotty, holen Sie aus den Maschinen heraus, was sie nur hergeben. So lange, bis wir kurz vor dem Auseinanderfallen sind. Kirk Ende.« Er richtete sich an Spock. »Ich glaube, ich weiß, wo es hin will.« »Es hat schon früher den Kurs gewechselt, um uns irrezuführen, Sir. Wenn wir uns an die Logik – « »Ich halte mich lieber an die Intuition, Mr. Spock. – Mr. Chekov, berechnen Sie den Kurs in das Sternsystem Tychos.« Sie drehten alle die Köpfe, aber keiner sagte etwas. Chekov gab den Kurs ein. »Berechnet und eingegeben, Sir.« »Volle Kraft voraus.« »Volle Kraft voraus, Sir.« »Leutnant Uhura, nehmen Sie mit der USS Yorktown und mit der Sternenflotte Verbindung auf. Informieren Sie beide, daß wir dieses Ding zum 4. Planeten des Tychos-Systems verfolgen. Das ist die Stelle, an der es vor zwölf Jahren die USS Farragut angegriffen hat.« »Ich verstehe nicht, Captain«, sagte Spock.
»Erinnern Sie sich, daß ich vorhin sagte, der Geruch dieser Kreatur sei irgendwie anders. Irgend etwas in mir sagte zur gleichen Zeit ›Geburt – Teilen – Vermehren‹ Und es sagte ›Zuhause‹.« Spock zog skeptisch die Brauen hoch. »Und Sie wissen, wo dieses Zuhause ist, Captain?« »Ja. Das Zuhause ist dort, wo es schon einmal ein Sternenschiff angegriffen hat. – Leutnant Uhura, melden Sie der Sternenflotte, daß ich unter Einsatz des ganzen Schiffes versuchen werde, das Ding zu vernichten. Wir werden dann in – « Er wandte sich an Chekov. »Wie lange brauchen wir bis zum Treffpunkt, Mr. Chekov?« »Eins komma sieben Tage, Sir.« »Gut. Leutnant Uhura, wir werden in achtundvierzig Stunden mit der Yorktown zusammentreffen.« Der vierte des Tychos-Sternensystems war ein seltsam öder, leblos wirkender Stern. McCoy, der auf der Brücke war, betrachtete ihn angewidert auf dem Bildschirm. »Ich nehme an«, sagte er zu Spock, »Sie sind auch der Meinung, wir sollten dieses Ding unbedingt verfolgen und vernichten.« »Ganz entschieden, Doktor.« »Bist du denn anderer Auffassung, Pille?« McCoy zuckte die Achseln. »Es ist eine werdende Mutter. Mir widerstrebt es, eine Mutter zu vernichten.« »Wenn das Ding wirklich kurz davor ist, ›Nachwuchs zu kriegen‹«, meinte Spock, »dann pflanzt es sich gewiß durch Zellteilung fort, und dann wird es sich nicht einfach in zwei Teile spalten, sondern in tausende.« Kirk warf ihm einen Blick Zu. »Antimaterie scheint mir unter diesen Umständen die einzige Möglichkeit.«
Spock nickte. »Dreißig Gramm müßten reichen. Wir können sie aus unseren Triebwerken abzapfen und in einem VakuumMagnetfeld auf den Planeten hinunterbefördern.« Kirk wandte sich an Garrovick, der neben seinem Sessel stand. »Mr. Garrovick, setzen Sie sich mit unserem Arzneidepot in Verbindung. Ich möchte alles Blutplasma, das sie entbehren können. Ich benötige es in fünfzehn Minuten im Transporterraum.« »Jawohl, Sir.« »Du willst mit dem Blutplasma das Ding ködern?« fragte McCoy. »Richtig. Wir müssen es irgendwie zur Antimaterie hinlocken. Da es von roten Blutkörperchen angezogen wird, gibt es keinen besseren Körper.« »Bleibt nur ein Problem, Captain.« Kirk nickte Spock zustimmend zu. »Die Explosion.« »Genau. Eine Materie-Antimaterie-Explosion wird die halbe Lufthülle des Planeten wegreißen. Wenn sich unser Schiff noch auf Umlaufbahn befindet und von den Explosionswellen getroffen wird…« »Dieses Risiko müssen wir in Kauf nehmen.« »Niemand kann garantieren«, sagte Spock, »daß unser Transporter unter solchen Bedingungen funktioniert. Wenn exakt zum Zeitpunkt der Explosion ein Mensch heraufgebeamt wird, verlieren wir ihn womöglich, Captain.« Garrovick, der inzwischen zurückgekommen war, hörte aufmerksam zu. »Darum habe ich beschlossen, die Falle selbst aufzustellen, Mr. Spock«, erklärte Kirk. Spock stand auf. »Captain, ich habe so wenig Hämoglobin in meinem Blut, daß das Ding mir keinen schweren Schaden
zufügen könnte. Deshalb sollte logischerweise ich derjenige sein – « »Nein, Mr. Spock. Ich möchte, daß Sie an Bord sind, falls der Versuch fehlschlägt. Für diesen Fall werden wir noch einen zweiten Plan ausarbeiten.« »Captain«, beharrte Spock, »zum Transport der Antimaterieeinheit sind zwei Menschen erforderlich.« »Sir«, sagte Garrovick, »Sir, ich bitte um die Erlaubnis, Sie begleiten zu dürfen.« Kirk maß ihn mit einem nachdenklichen Blick. Dann nickte er. »Gut«, sagte er. »Ja. Ich hatte schon an Sie gedacht, Mr. Garrovick.« Trostlosigkeit – eine kalte Welt des Todes, das war die Welt des Dings, tief zerklüftet, schwarz von den massigen Auswürfen jetzt toter Vulkane. Kirk und Garrovick schwankten unter der Last des Antimateriecontainers, als sie materialisierten. Der Blutplasmabehälter nahm neben ihnen Gestalt an. Sobald Kirk auf dem Basaltfels sicheren Halt gefunden hatte, öffnete er seinen Kommunikator. »Kirk an Enterprise.« »Hier Spock, Captain.« »Gehen Sie sofort auf Umlaufbahn mit maximaler Distanz, Mr. Spock.« »Jawohl, Sir.« »Das ist die ultimative Waffe, Sir«, sagte Garrovick. »Knapp dreißig Gramm Antimaterie – und mehr Sprengkraft als zehntausend Kobaltbomben.« Kirk nickte. »Ein Pfund davon würde ein ganzes Sonnensystem vernichten. Ich hoffe nur, dem Menschen wird nicht noch mehr Macht in die Hände gegeben.« Vor ihnen befand sich eine kleine Anhöhe. Sie ließen das Blutplasma stehen und stellten den Container mit der
Antimaterie mit äußerster Behutsamkeit auf dem kleinen Hügel auf. »Zündkapsel«, sagte Kirk. Garrovick reichte ihm eine kleine Vorrichtung, die Kirk mit größter Vorsicht an dem Container befestigte. Sobald das geschehen war, machte er sie durch eine Schalterdrehung scharf. Wieder öffnete er seinen Kommunikator. »Kirk an Enterprise.« »Hier Spock, Captain. Wir kreisen auf dreißigtausend Kilometer.« »Antimareriecontainer in Position und scharf. Ich rufe zurück, wenn der Köder ausgelegt ist. Ende.« »Captain! Schauen Sie!« Das gasförmige Ding war aus einer Spalte emporgestiegen, wogte jetzt über dem Blutplasma, nahm es gierig in sich auf. »Das Blutplasma!« rief Garrovick. »Unser Köder ist weg!« Kirk richtete sich auf. »Dann müssen wir etwas anderes nehmen.« »Aber es nährt sich doch nur von Blut.« Kirk sah den jungen Mann an. »Lassen Sie sich zum Schiff zurückbeamen, Fähnrich. Geben Sie Bescheid, daß sie sich zur Sprengung bereithalten sollen.« Garrovick war entsetzt. »Sie, Sir? Sie wollen der Köder sein?« »Sie haben den Befehl gehört. Zurück aufs Schiff!« Garrovick reagierte nicht. Wieder sah er zu dem Ding hinüber. Es hing noch immer über dem Blutplasmabehälter, obwohl es sich das Blutplasma bereits einverleibt hatte. Dann begann es, sich sehr langsam auf die beiden Menschen zuzubewegen. Kirk packte Garrovick beim Arm und riß ihn herum. »Ich habe Ihnen einen Befehl gegeben!« brüllte er. »Jawohl, Sir.«
Garrovick zog seinen Kommunikator heraus und ging langsam an Kirk vorbei. Doch plötzlich wirbelte er herum und versetzte Kirk einen harten Karateschlag in den Nacken. Kirk stürzte. Mit einem hastigen Blick auf das Ding bückte sich Garrovick, um Kirk aufzuheben. Der versetzte ihm einen Fußtritt, daß er das Gleichgewicht verlor. Er taumelte, und Kirk sprang auf. »Fähnrich, rechnen Sie damit, daß ich über Ihr Verhalten einen Bericht schreibe! Wir haben hier in der Flotte für Heldentaten keine Zeit. Ich habe nicht die geringste Absicht, mich zu opfern. Kommen Sie!« Er riß Garrovick mit sich und hielt erst an, als der Container mit der Antimaterie sich zwischen ihnen und dem Ding befand. Dann öffnete er seinen Kommunikator. »Kirk an Enterprise!« »Hier Spock, Captain.« »Erfassen Sie unsern Standort, Spock, und stellen Sie den Transporterstrahl darauf ein. Es wird sehr knapp werden. Halten Sie sich bereit.« Er schaute sich um. Das Ding hatte ihn schon fast erreicht, streckte schon einen dünnen Fangarm aus dampfendem Nebel nach seinem Hals aus. »Ich – ich kann es riechen, Captain. Widerlich – süß wie Honig.« »Fertigmachen, Enterprise«, sagte Kirk. Er sah, wie das Ding, das im Antimateriecontainer nach Blut suchte, über die Metallkugel schwebte. »Energie!« schrie er. »Und Zündung auslösen!« Ihre Körper zerfielen in flimmerndes Licht und verschwanden. Dann zerbarst die Welt des Dings. Im Transporterraum der Enterprise sah Spock, wie die Gestalten Kirks und Garrovicks Form anzunehmen begannen.
Sie behielten sie nur sekundenlang bei, dann lösten sie sich von neuem in schimmernde Fragmente auf. Spock arbeitete mit ruhiger Hand an den Instrumenten, während Scott sich von Panik gepackt über die Transporterkonsole warf. »Stehen Sie doch nicht so herum!« schrie McCoy. »Tun Sie was, um Himmels willen.« Chekovs Stimme kam über das Intercom. »Alle Decks, Achtung! Explosionswellen.« Der Transporterraum schwankte wie verrückt. Spock und Scott wurden auf die Knie geworfen und mühten sich verzweifelt, an ihren Instrumenten zu bleiben. Dann sahen sie beide zur Transporterplattform hinüber. Sie war leer. »Umschalten auf B, Mr. Scott«, sagte Spock. »Das ist ja auch eine idiotische Art der Fortbewegung«, schrie McCoy außer sich. »Daß man die Moleküle eines Menschen im ganzen Universum verstreut!« »Ich hab’ was«, sagte Scott. »Ich glaub’, wir haben sie.« McCoy wandte den Blick von der leeren Transporterplattform. Als er endlich die Kraft fand, wieder hinzusehen, nahmen dort wieder zwei Körper Form und Gestalt an. Kirk und Garrovick traten von der Plattform – heil und unversehrt. Scott sank über seiner Konsole zusammen. »Captain«, sagte er wie zu sich selbst und seufzte. »Captain! Gott sei Dank!« »Da hatte kein Gott die Hand im Spiel«, bemerkte Spock mißbilligend. »Es war mein Umschalten auf Selektor B, das sie wiederaufgefangen hat, Mr. Scott.« McCoy warf Spock einen schiefen Blick zu. »Na, dann eben dank vulkanischer Logik und spitzen Ohren«, knurrte er. »Hauptsache, es hat geklappt.« Kirk griff zu seinem Kommunikator. »Captain Kirk an Brücke.«
»Hier Chekov, Captain.« »Kurs auf den Treffpunkt mit der Yorktown, Mr. Chekov. Höchste Sol-Geschwindigkeit.« »Aye, Sir.« Kirk sah Garrovick lächelnd an. »Kommen Sie nachher in meine Kabine, Fähnrich. Ich möchte Ihnen von Ihrem Vater erzählen. Ich weiß ein paar Geschichten, die Ihnen sicher gefallen werden.« Garrovick sah ihn mit einem Ausdruck tiefer Verehrung an. »Danke, Sir. Ich komme gern.«
Die Rückkehr der Archonier Ein ganzes Jahrhundert war vergangen, seit das Sternenschiff Archon unter mysteriösen Umständen auf dem Planeten Beta 3000 verschwunden war. Und nun – hundert Jahre später – schien es, als sollten auch die beiden Männer von der Enterprise, die auf diesen Planeten gekommen waren, um dem Schicksal der Archon nachzuforschen, verschwinden. Sie rannten, so schnell sie konnten eine langweilige Straße in einer scheinbar harmlosen Stadt auf einem scheinbar harmlosen Planeten entlang, als einer von ihnen stolperte und stürzte. Sulu, sein Gefährte, hielt an und reichte ihm seine kräftige Hand hin. »Stehen Sie auf, O’Neill! Wir müssen weiter.« Niemand auf der Straße drehte sich nach ihnen um. Niemand bot ihnen Hilfe an. Die Bewohner von Beta 3000 zeichneten sich durch absolute Gleichgültigkeit und Desinteresse aus. Leutnant O’Neill, der immer noch auf der Straße lag, keuchte. »Es hat keinen Sinn, Mr. Sulu. Sie sind überall. Da! Sehen Sie! Da ist einer von ihnen – da ist einer der Gesetzgeber!« Er deutete auf eine Gestalt in einem Kapuzenumhang, die sich mit einem langen Stab in der Hand näherte. Dann zeigte er auf eine zweite gleichermaßen gekleidete Figur. »Sie sind überall! Wir können ihnen nicht entkommen!« Sulu öffnete seinen Kommunikator. »Erkundungstrupp an Enterprise. Captain, beamen Sie uns hinauf! Schnell! Ein Notfall.« Er sah zu O’Neill hinunter. »Halten Sie durch, Leutnant. Sie werden uns gleich an Bord zurückbeamen – «
Aber O’Neill war schon aufgesprungen. »Laufen Sie«, rief er wie ein Rasender. »Laufen Sie, sage ich Ihnen! Wir müssen verschwinden! Sie wissen, wozu Sie fähig sind!« »O’Neill – « Aber der Mann hetzte schon die Straße hinunter. Sulu, der dem Flüchtenden nachblickte, merkte kaum, daß die nächste verhüllte Gestalt ihn mit ihrem Stab leicht berührte. Er verspürte nur ein plötzliches Gefühl des Friedens. Alle Spannung ließ nach und machte einem wohltuenden Gefühl ungetrübter Ruhe und Gelassenheit Platz. Doch er durfte sich dieses Friedens nicht lange erfreuen. Der Transporterstrahl von der Enterprise hatte ihn eingefangen – und sein Körper löste sich in schimmernde Fragmente auf. Doch so leicht war sein Rücktransport gar nicht zu bewerkstelligen. Die Konsolenlichter im Transporterraum der Enterprise flackerten unruhig verdunkelten sich, wurden wieder heller, wurden von neuem trübe, flammten wieder auf. Kirk behielt sie zusammen mit Scott und dem jungen Soziologen Lindstrom im Auge. Als Sulus Körper endlich Gestalt und Substanz annahm, sah er mit Überraschung, daß dieser nicht seine Uniform trug, sondern den formlosen, weiten Anzug aus grobem Leinen, den die männliche Bevölkerung auf Beta 3000 trug. »Sulu«, rief er und eilte ihm entgegen. »Was ist dort unten geschehen? Wo ist Leutnant O’Neill?« Sulus Antwort war klanglos, und es war, als spräche er mit schwerer Zunge. »Sie – Sie sind nicht Teil des Körpers.« Kirk warf Scott einen Blick zu. Der nickte, nahm sein Mikrofon und sagte: »Dr. McCoy, in den Transporterraum, bitte. Schnell!« Sehr behutsam und gemessen trat Sulu von der Transporterplattform. Er sah Lindstrom an, und sein Gesicht
verzerrte sich plötzlich vor Wut. Er hob die zusammengebündelte Uniform, die er unter einem Arm trug – hob sie hoch und schüttelte das Bündel wütend vor Lindstrom auf und nieder. »Sie sind schuld daran!« schrie er. »Sie wußten, daß wir Archonier waren. Das ist die Kleidung der Archonier. Nicht diese, nicht diese – « Er zupfte an seiner eigenen hausbackenen Kleidung. Dann schleuderte er das Uniformbündel Lindstrom vor die Füße. »Immer mit der Ruhe, Sulu«, sagte Kirk. »Es ist ja gut. Jetzt erzählen Sie mir erst mal, was da unten passiert ist.« Sulu torkelte. Kirk streckte die Hand aus, um ihn zu stützen, und im selben Moment eilte McCoy mit seinem Notfallkoffer herein. Er blieb erstaunt stehen. »Jim, wo ist O’Neill?« Kirk schüttelte nur wortlos den Kopf, während Sulu plötzlich ganz still stand und lauschend den Kopf neigte, als finge er eine Botschaft von ungeheurer Bedeutung auf. »Landru«, murmelte er. »Landru…« Das sinnlose Stammeln jagte Kirk einen kalten Schauer über den Rücken. »Sulu, was ist da unten passiert? Was hat man mit Ihnen angestellt?« Die Antwort kam tonlos wie aus einem Automaten. »Sie sind wunderbar«, sagte Sulu. »Die nettesten, freundlichsten Menschen des Universums. Sie leben in einem Paradies, Captain.« Auch McCoy, der Sulu ins Bordlazarett brachte, gelang es nicht, ihm etwas anderes zu entlocken, als immer wieder die gleichen Worte, die gleichen Phrasen. Er wiederholte sich endlos im selben Tonfall wie eine ewig kreisende Schallplatte. Diese Stumpfheit gekoppelt mit seiner Unfähigkeit, für seinen Zustand oder O’Neills Verschwinden eine Erklärung zu geben,
veranlaßte Kirk schließlich zu dem Entschluß, sich mit einem Suchtrupp selbst auf den Planeten beamen zu lassen. Als sich Kirk, Spock, McCoy, Lindstrom und zwei Sicherheitsleute materialisierten, standen sie vor einem Backsteinhaus an einer Ecke, die von einer kleinen Gasse und einer breiten Straße gebildet wurde. »Materialisierung beendet«, meldete Kirk über seinen Kommunikator. »Kirk Ende.« Als er das Gerät zuschnappen ließ, sah er, daß Lindstrom bereits auf die Straße hinausgetreten war und sich mit einem Ausdruck von Neugier und wachem Interesse auf dem jungen Gesicht nach allen Seiten umsah. Sie folgten ihm, und sogleich fielen Kirk unter den Vorüberkommenden zwei verhüllte Gestalten auf, in kuttenähnliche Gewänder mit Kapuzen gekleidet, die jeder einen langen Stab in der Hand trugen. Die nur teilweise sichtbaren Gesichter wirkten wie versteinert, als fürchteten sie, jeglicher Ausdruck könnte ein kostbares Geheimnis enthüllen. Ihre Augen wirkten erloschen – wie blind. Einer der Männer auf der Straße näherte sich der Gruppe von der Enterprise. Sein Lächeln war freundlich, aber ausdruckslos und leer, doch Kirk erwiderte bewußt sein grüßendes Nicken. Als der Mann weitergegangen war, sagte Spock: »Seltsam.« »Ihr Kommentar, Mr. Spock?« »Der Gesichtsausdruck dieses Mannes, Captain. Sehr ähnlich dem Mr. Sulus, nachdem wir ihn von hier heraufgebeamt hatten. Wie benommen, geistig nicht ganz da.« »Versuchen wir doch mal festzustellen, ob alle Bewohner des Planeten so sind«, meinte Kirk und trat schon auf die Straße hinaus. Jeder der Vorüberkommenden, den sie grüßten, begegnete ihnen mit dem gleichen leeren, freundlichen Lächeln. Bis
schließlich ein recht derber jüngerer Mann mit einem etwas einfältigen Gesichtsausdruck stehenblieb und Kirk ansprach. »Abend, Freund. Ich heiße Bilar. Und wie heißen Sie?« »Kirk.« Er erhielt wieder das leere Lächeln. »Ihr seid wohl alle fremd hier.« Kirk nickte, und Bilar sagte: »Seid wohl zum Fest gekommen, wie? Habt ihr schon eine Unterkunft, wo ihr euch hinterher ausschlafen könnt?« »Nein. Noch nicht«, antwortete Kirk. »Dann geht doch rüber zu Reger. Der hat Zimmer.« Der Mann mit dem Gesicht eines Tölpels blickte die Straße entlang zur Uhr im Turm eines Gebäudes, das vielleicht das Rathaus war. »Aber ihr müßt euch sputen. Die Rote Stunde ist fast da.« Der kleine Zeiger der Uhr stand kurz vor der Ziffer sechs. »Das Fest fängt um sechs an?« fragte Kirk. Doch Bilars Interesse war von einem hübschen, dunkelhaarigen Mädchen abgelenkt, das ihnen eilig entgegenkam. Er streckte den Arm aus, um sie aufzuhalten. »Tula, die Leute hier sind Fremde, die zum Festival gekommen sind. Dein Vater kann sie aufnehmen, oder?« Tula warf dem gutaussehenden blonden Lindstrom einen Blick zu und lächelte scheu. »Ihr seid drüben vom Tal?« fragte sie. Lindstrom erwiderte ihr Lächeln. »Stimmt. Wir sind gerade erst angekommen.« »Wir kriegen hier selten Leute aus dem Tal zu sehen. Mein Vater nimmt euch sicher gern auf. Dem ist gleichgültig, wo jemand herkommt.« »Er hat wohl eine Pension?« fragte Kirk. Sie lachte. »Das ist ein seltsamer Name dafür. Es ist gleich da drüben.« Sie deutete auf ein heimelig wirkendes, dreistöckiges Haus ein Stück weiter straßabwärts – und im selben Moment
schallte von der Turmuhr der erste Schlag der sechsten Stunde durch die Luft. Die ehrbare Matrone, die ganz in ihrer Nähe stand, stieß einen gellenden, halb wahnsinnig klingenden Schrei aus, und ein Mann, der keinen Meter von Kirk entfernt stand, stürzte sich plötzlich auf ihn. Kirk wehrte den Angreifer mit dem Ellbogen ab, stieß ihn von sich und rief seinen Männern zu: »Stellt euch Rücken an Rücken!« Sie bildeten einen Verteidigungsring. Rund um sie herum brach indessen, völlig grundlos wie es schien, die Hölle los. Männer prügelten sich mit Erbitterung, gingen mit bloßen Fäusten oder Knüppeln aufeinander los, bewarfen sich mit Steinen. Eine schreiend fliehende Frau wurde von einem Mann mit einem triumphierenden Grinsen über die Straße verfolgt. Von irgendwo kam das Klirren splitternden Fensterglases, und plötzlich öffnete zu ihrem Entsetzen auch Tula den Mund zu einem schrillen, ekstatischen Schrei, während sie sich wie unter Qualen wand. Bilar stürzte auf sie zu und schrie: »Tula! Tula! Komm!« Er packte sie beim Handgelenk, um sie mit sich zu ziehen. Als Lindstrom auf ihn zusprang, um sich mit ihm anzulegen, hob er einen großen Stein von der Straße auf und schmetterte ihn Lindstrom mit solcher Wucht auf die Schulter, daß der in die Knie ging. McCoy riß den jungen Mann hoch und schrie: »Jim, das ist der reine Wahnsinn!« »Der Wahnsinn trifft nicht eine ganze Gemeinde auf einen Schlag, Pille – « Kirk brach ab, als die ersten Steine auf sie herunterfielen. Einer der Angreifer, der mit einem dicken Knüppel vor ihm herumsprang, schrie unentwegt: »Das Fest! Das Fest! Das Fest!«, während sich auf seinen Lippen Schaum bildete.
»Weg hier«, rief Kirk. »Rüber zu dem Haus, das das Mädchen uns gezeigt hat. Los, nichts wie weg.« Dicht zusammengedrängt liefen sie die Straße hinunter. Eine schöne junge Frau im zerrissenen Kleid packte Kirk beim Arm und wollte ihn mit sich ziehen. Er schüttelte sie ab, und sie rannte mit wildem Irrsinnsgelächter davon. Neue Steine trafen sie, und Kirk wischte sich ein paar Blutstropfen von der Wange und rief: »Schnell! Schnell!« Das Höllenspektakel verfolgte sie bis zur Tür des Hauses. Kirk trommelte mit den Fäusten auf das Holz, und wenig später wurde sie geöffnet. Sie drängten sich hinein, und Kirk schlug die Tür hinter ihnen zu. Die drei älteren Männer, die sich im Haus befanden, starrten die Gruppe von Männern erstaunt an. »Ja?« »Es tut mir leid, daß wir hier so hereinplatzen«, sagte Kirk. »Einen solchen Empfang hatten wir aber wirklich nicht erwartet.« »Empfang?« fragte einer der Männer. »Ihr seid fremd hier?« »Ja«, antwortete Kirk. »Wir kommen – aus dem Tal.« »Zum Fest?« fragte der Mann. »Ja«, sagte Kirk. »Wie kommt ihr dann hierher?« Kirk wandte sich an den ersten Mann, der sie begrüßt hatte. »Sind Sie Reger?« »Der bin ich.« »Sie haben eine Tochter namens Tula?« »Ja.« »Dann sollten Sie sich um sie kümmern«, platzte Lindstrom heraus. »Sie ist ganz allein da draußen in dem Wahnsinn.« Reger senkte die Lider. »Es ist das Fest«, sagte er. »Der Wille Landrus…«
Der dritte Mann mischte sich ein. »Reger, das sind junge Männer. Sie sind nicht alt genug, um sich ihm entziehen zu können.« »Sie sind Besucher aus dem Tal«, entgegnete Reger. In den Tiefen von Hacoms kleinen Augen blitzte ein fanatischer Funke auf. »Haben sie denn keine Gesetzgeber im Tal? Warum sind sie nicht auf dem Fest?« »Wir hörten, daß Sie vielleicht Zimmer für uns haben, Reger«, warf Kirk ein. »Da siehst du, Hacom. Sie suchen nur eine Unterkunft, wo sie sich nach dem Fest ausruhen können.« »Die Rote Stunde hat eben erst begonnen!« sagte Hacom. Der Ton war so feindselig, daß Reger zusammenzuckte. »Hacom, sie sind fremd hier. Im Tal sind die Sitten anders.« »Willst du sagen, daß Landru nicht überall ist?« Der zweite Mann versuchte, die Rolle des Vermittlers zu übernehmen. »Aber nein, natürlich hat Reger keine Lästerung begangen. Er sagte lediglich, daß die im Tal andere Sitten haben.« Reger hatte sich wieder gefaßt. »Diese Fremden sind zu mir gekommen, weil sie Unterkunft suchen. Soll ich sie fortschicken?« Er wandte sich direkt an Kirk und sagte: »Kommt, bitte…« »Aber Tula, das Mädchen!« rief Lindstrom. »Sie ist immer noch da draußen.« Hacom musterte ihn mit offenem Argwohn. »Sie nimmt am Fest teil, junger Mann. So wie Sie das auch tun sollten.« Voll Unbehagen sagte Reger: »Kommt bitte schnell.« Als Kirk sich umdrehte, um Reger zu folgen, sah er, wie Hacom sich dem zweiten Mann zuwandte. »Tamar, die Gesetzgeber müßten das erfahren.«
Tamars Erwiderung war freundlich und zweideutig. »Gewiß wissen sie es schon, Hacom. Sind sie denn nicht unfehlbar?« Aber so leicht war Hacom nicht zu beschwichtigen. »Du spottest ihrer!« rief er empört. »Du spottest der Gesetzgeber! Und diese Fremden sind nicht Teil des Körpers.« Er ging zur Haustür, riß sie auf, drehte sich noch einmal um und rief: »Ihr werdet schon noch sehen!« und verschwand. Sein wütender Abgang beunruhigte Kirk nicht. Sie waren auf der richtigen Spur. Diese Bemerkungen über Landru und die Mitgliedschaft in irgendeiner Körperschaft, Brüderschaft und Gesellschaft, die sie den ›Körper‹ nannten, paßten zu den wirren Reden Sulus bei seiner Rückkehr auf die Enterprise. Er war zufrieden mit den Fortschritten, die sie bisher gemacht hatten, wenn auch das Zimmer, das Reger ihnen zeigte, abgesehen von einem Dutzend dünner Strohsäcke, die auf dem Boden verstreut lagen, völlig kahl und leer war. Durch das offene Fenster drangen das Geschrei und Geheul der tobenden Feiernden. »Ihr könnt nach Ende des Festes hierher zurückkehren, Herr«, sagte Reger ein wenig zaghaft zu Kirk. »Da ist es ruhig. Und ihr werdet Ruhe brauchen.« »Reger«, entgegnete Kirk, »wir haben nicht die Absicht an dem Fest teilzunehmen.« Seine Worte erschreckten den Wirt. Er ging zum Fenster und öffnete es dem ohrenbetäubenden Lärmen von draußen noch weiter. »Aber die Stunde hat geschlagen«, rief er. »Ihr könnt es doch hören.« »Was ich gerne hören möchte, ist ein wenig mehr über dieses Fest«, sagte Kirk. »Und über Landru.« Bei dem Wort ›Landru‹ zog Reger förmlich den Kopf ein. Er warf das Fenster zu.
»Landru«, flüsterte er. »Sie fragen mich – Sie sind fremd hier… Sie verachten das Fest. Wer – wer sind Sie überhaupt?« »Wer ist Landru?« fragte Kirk. Reger starrte ihn entsetzt an. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und stürzte wie gehetzt aus dem Zimmer. Lindstrom wollte das Fenster wieder öffnen, doch Kirk sagte: »Lassen Sie es zu, Mr. Lindstrom.« »Captain, ich bin Soziologe. Ist Ihnen nicht klar, was sich da draußen abspielt?« »Unsere Mission ist es«, entgegnete Kirk ruhig, »herauszufinden, was dem verschwundenen Sternenschiff Archon damals zugestoßen und was aus unserem Leutnant O’Neill geworden ist. Wir sind nicht gekommen, um uns in die Sitten und Bräuche dieser Leute einzumischen – « »Aber das ist ein Bacchanal«, unterbrach Lindstrom ihn erregt. »Und die Lust darauf ist allen Leuten ganz spontan zur gleichen Zeit gekommen. Ich muß mehr darüber wissen – ich muß mehr darüber herausfinden.« Kirks Stimme war hart und unnachgiebig: »Mr. Lindstrom, Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Es handelt sich hier nicht um eine Expedition zum Studium des Brauchtums auf Beta 3000.« »Captain«, warf Spock ein, »im Hinblick darauf, was sich da draußen abspielt, sollten wir vielleicht einmal nachfragen, wie es Mr. Sulu geht. Ob er, als es sechs Uhr schlug, irgendwelche Reaktionen zeigte.« Kirk nickte. »Guter Gedanke, Mr. Spock.« Er öffnete seinen Kommunikator und sagte: »Hier Kirk, Leutnant Uhura. Wie geht es Mr. Sulu?« »Ich glaube, jetzt geht es wieder, Sir. Woher wußten Sie es?« »Was, Leutnant?« »Daß er praktisch Amok laufen würde? Man hat ihm Beruhigungsmittel verabreicht, Sir.«
»Wie lange ist er Amok gelaufen? Exakt bitte.« »Genau sechs Minuten, Captain.« »Hat er irgend etwas gesagt?« »Nur unsinniges Zeug, Sir. Er schrie dauernd nach Landru. Keine Ahnung, was das sein soll. Und wie sieht es da unten aus, Captain? Alles in Ordnung?« »Soweit, ja. Halten Sie die Kanäle offen. Kirk Ende.« Er schloß den Kommunikator. »Landru«, murmelte er nachdenklich und trat zum Fenster. Das, was er auf der Straße sah, war wenig beruhigend. Links schlugen zwei Männer mit axtähnlichen Waffen aufeinander ein. Ein anderer Mann jagte eine halb nackte, kreischende Frau die Straße hinunter und verschwand dann brüllend um die Ecke. Menschen lagen reglos im Staub der Straße, tot oder verletzt. Ein Stück entfernt stand ein Haus in Flammen. Noch immer drängten sich Menschen vor Regers Haus, vereinzelte Tumulte brachen aus und legten sich wieder. In der Mitte der Straße brannte ein großes Freudenfeuer. Kirk wandte sich vom Fenster ab und sah seine Männer an. »Ich vermute, wir haben bis zum Morgen Zeit. Das wollen wir ausnutzen. Pille, wir brauchen atmosphärische Messungen, um festzustellen, ob etwas in der Luft die Erklärung für dieses Verhalten ist. Lindstrom, versuchen Sie soziologische Parallelen zu dem herzustellen, was Sie gesehen haben – vorausgesetzt, es gibt sie überhaupt. Mr. Spock, Sie und ich müssen ernsthafte Überlegungen anstellen. Wenn wir morgen früh hier aufbrechen, möchte ich einen Aktionsplan haben.« Das Treiben auf der Straße ließ sie kaum schlafen. Quälend langsam vergingen die zwölf Stunden bis sechs Uhr. Doch beim ersten Schlag der Turmuhr wurde es in der ganzen Stadt still. In dem kahlen Raum mit den Strohsäcken waren alle außer Kirk endlich eingeschlafen. Seine Glieder waren steif
von der langen durchwachten Nacht voller Spannung, dennoch stand er auf und weckte die anderen. Im selben Moment wurde unten die Tür mit solcher Wucht zugeschlagen, daß das ganze Haus erbebte. Und gleich darauf war Tulas hysterisches Weinen zu hören. Lindstrom stürzte zur Tür. Kirk legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ruhig Blut, Mr. Lindstrom. Seien Sie lieber vorsichtig.« Sie fanden Tamar bei Reger. Der Vater hielt mit gequältem Gesicht seine blutende, zerschundene Tochter in den Armen. Sie wehrte sich gegen seine Umarmung, wollte seinen Trost nicht. »Es ist ja gut jetzt, Kind. Für ein Jahr ist alles vorbei.« »Pille«, rief Kirk. »Du wirst gebraucht. Komm her.« Kirk sah den ängstlich fragenden Blick auf Regers Gesicht, als McCoy die Spritze aus seiner Tasche nahm. »Das wird sie beruhigen«, erklärte er. »Vertrauen Sie uns, Reger.« Lindstrom konnte sich nicht zurückhalten. Verachtung lag in seiner Stimme, als er rief: »Sie haben nicht einmal versucht, sie nach Hause zu holen, Reger! Was sind Sie überhaupt für ein Vater?« Reger sah ihn mit Tränen in den Augen an. »Es ist Landrus Wille«, sagte er. »Wieder Landru«, sagte Kirk leise. »Landru – was hat es mit Landru für eine Bewandtnis? Wer ist das?« Reger und Tamar tauschten ängstliche Blicke. Dann sagte Tamar langsam: »Dann ist es also wahr. Ihr habt letzte Nacht nicht am Fest teilgenommen.« »Nein, das haben wir nicht«, antwortete Kirk. Reger stieß einen erregten Schrei aus. »Dann seid ihr nicht Teil des Körpers.« Er sah sich mit wilden Blicken um, als suche er verzweifelt einen Orientierungspunkt in einer auflösenden Welt.
McCoy, der sah, daß die Spritze ihre Wirkung tat, trug Tula behutsam zu einer Couch. »Sie schläft«, sagte er. Reger ging zu ihr hinüber und sah ihr in das entspannte Gesicht. Dann blickte er zu McCoy auf. »Seid ihr – seid ihr – Archonier?« »Und wenn wir welche wären?« fragte Kirk. »Es hieß, daß noch weitere kommen würden. Wenn ihr wirklich Archonier seid – « »Wir müssen sie verstecken«, rief Tamar. »Schnell! Die Gesetzgeber – « »Wir können schon auf uns selbst aufpassen, Freund«, sagte Kirk. »Landru wird es erfahren«, rief Tamar. »Er wird kommen!« Krachend flog die Haustür auf. Zwei kapuzentragende Gesetzgeber standen auf der Schwelle. Begleitet wurden sie von Hacom. Der Alte deutete mit zitterndem Finger auf Tamar. »Der ist es! Er hat die Gesetzgeber verspottet. Ich habe es selbst gehört.« Tamar war zur Wand zurückgewichen. »Nein, Hacom – das war doch nur ein Scherz!« »Und die anderen auch«, kreischte Hacom fanatisch. »Sie waren hier, aber sie haben nicht am Fest teilgenommen. Ich habe es gesehen.« Einer der Kapuzenmänner sprach. »Tamar – auf die Seite.« Zitternd, kaum fähig, sich auf den Beinen zu halten, senkte Tamar den Kopf. »Ich höre und gehorche dem Wort Landrus«, sagte er. Der Gesetzgeber hob seinen Stab und richtete ihn auf Tamar. Ein kleines Flämmchen zuckte aus seinem Ende hervor und bohrte sich genau in sein Herz. Er fiel tot zu Boden. Fassungslos sagte Kirk: »Was – ?«
Ohne den Toten zu beachten, der zu seinen Füßen lag, wandte sich der Gesetzgeber jetzt an Kirk. »Ihr greift den Körper an. Ihr habt das Wort gehört und ihm nicht gehorcht. Ihr werdet absorbiert werden.« Er hob seinen Stab. Lindstrom wollte seine Phaser ziehen, doch Kirk hielt ihn mit einer Geste zurück. »Was soll das heißen, ›absorbiert‹?« fragte er. »Da! Hört ihr es?« Hacoms Stimme war voller Gift. »Sie sind nicht Teil des Körpers.« »Ihr werdet absorbiert werden«, sagte der Gesetzgeber. »Das Gute ist alles. Landru ist gütig. Ihr werdet kommen.« Zum erstenmal hob auch der zweite Vollstrecker seinen Stab und richtete ihn auf die Gruppe von der Enterprise. »Ihr müßt gehen«, sagte Reger im dumpfen Ton der Hoffnungslosigkeit. »Es ist Landrus Wille. Es gibt keine Hoffnung. Wir müssen alle mit ihnen gehen – in die Kammern. Genau so ist es auch den Archoniern ergangen.« Langsam, mit tödlicher Bedachtsamkeit, wurden die beiden Stäbe geschwenkt, bis sie auf Kirk und Spock zielten. Reger ging mit fatalistischem Gleichmut schon zur Tür, als Kirk sagte: »Nein. Wir gehen nirgendwohin.« In den steinernen Gesichtern zeigte sich keine Regung. Der erste Gesetzgeber sagte: »Es ist das Gesetz. Ihr müßt mitkommen.« »Ich sagte schon, wir gehen nirgendwohin«, wiederholte Kirk ruhig. Die beiden Vermummten starrten ihn an. Dann wichen sie zögernd einen Schritt zurück. Nach einem Moment der Unschlüssigkeit neigte sich der eine Vermummte dem anderen zu, und beide besprachen sich flüsternd. Spock schob sich an Kirk heran und sagte leise: »Sir, sie sind offenbar nicht darauf vorbereitet, mit offenem Widerstand fertig zu werden. Woher wußten Sie das?«
»Alles, was wir bisher erlebt haben, scheint mir auf eine Art Zwang hinzudeuten – auf einen unfreiwilligen Stimulus zum Handein. Ich wollte das nur mal nachprüfen.« »Ihre Analyse scheint zuzutreffen, Captain. Aber das ist ein absolut anormaler Zustand.« Die beiden Gesetzgeber hatten ihre Besprechung beendet. Der erste sagte mit ernster Stimme: »Es ist offensichtlich, daß ihr einfach nicht verstanden habt. Ich werde den Befehl neu formulieren: Euch wird befohlen, uns in die Absorptionskammern zu begleiten.« Kirk wies auf den toten Tamar. »Warum habt ihr diesen Mann getötet?« »Um der Ordnung willen. Ihr werdet gehorchen. Das ist das Wort Landrus.« »Sagt Landru«, versetzte Kirk, »daß wir kommen werden, wann es uns paßt – und daß wir uns dann mit ihm unterhalten werden.« Ein Ausdruck des Entsetzens machte die steinernen Gesichter lebendig. Der erste Gesetzgeber stieß mit seinem Stab nach Kirk. Kirk fegte ihn ihm aus der Hand. Der Vermummte schrie unterdrückt auf, als der Stab klappernd zu Boden fiel. Lindstrom hob ihn auf, musterte ihn kurz und gab ihn Spock, als der Gesetzgeber mit geneigtem Kopf, als lausche er, flüsterte: »Das dürfen Sie nicht. Es ist Landru.« Beide Gesetzgeber erstarrten. Spock sagte, den Stab in der Hand zu Kirk: »Erstaunlich, Captain. Das ist nichts weiter als ein hohles Rohr. Es enthält keinen Mechanismus.« Kirk warf einen Blick darauf. Keiner der beiden Gesetzgeber zeigte das geringste Anzeichen, daß er Spocks Bemerkung gehört hatte. Reger zupfte Kirk am Ärmel. »Sie kommunizieren«, sagte er. »Wir haben etwas Zeit. Bitte kommt – kommt mit mir.«
»Wohin?« fragte Kirk. »An einen Ort, den ich kenne. Dort seid ihr sicher.« Seine Stimme wurde drängend. »Aber beeilt euch! Ihr müßt euch beeilen! Landru wird kommen!« Seine Panik war echt. Kirk überlegte einen Moment, dann winkte er seinen Männern. An den reglos dastehenden Gestalten der Gesetzgeber vorbei folgten sie Reger zur Tür hinaus. Die Straße draußen war übersät von den Trümmern des Fests – Glassplitter, Steine, zerbrochene Knüppel. Fetzen zerrissener Kleider. In der stillen Luft hing der Rauch immer noch schwer über einem ausgebrannten Gebäude. Aber die Leute auf der Straße sahen friedlich aus. Ihre Gesichter waren wieder freundlich und völlig ausdruckslos. »Na, das war wirklich ein tolles Fest«, bemerkte Kirk. »Mr. Spock, was sagen Sie zu alledem?« »Es ist absolut unlogisch. Gestern nacht randalierten sie ohne ersichtlichen Grund wie die Wahnsinnigen. Und heute – « »Jetzt«, sagte Kirk, »sind sie wieder normal.« Er runzelte die Stirn. »Wobei sich fragt, was auf diesem Planeten normal ist. Dieser Bilar zum Beispiel. Da kommt er, so nett und unschuldsvoll, als wäre er nicht fähig dazu, wie ein wildes Tier zu brüllen.« Bilar blieb stehen. »Morgen, Freunde«, sagte er. Reger erwiderte den Gruß, worauf Lindstrom ihn zornig am Arm packte. »Das ist der Kerl, der Ihre Tochter so zugerichtet hat! Bedeutet Ihnen das denn gar nichts?« »Nein«, erwiderte Reger. »Das war nicht Bilar. Das war Landru.« Er riß sich los und drehte sich nach den anderen um. »Beeilt euch! Wir haben nicht mehr viel Zeit!« Er brach ab und blickte angstvoll um sich. »Es ist zu spät!« flüsterte er. »Seht sie euch an.«
Vier Passanten waren stehengeblieben. Sie standen so still und starr, daß es schien, als atmeten sie nicht. Alle standen sie da mit weit aufgerissenen Augen, die Köpfe geneigt, als lauschten sie konzentriert. »Was ist das?« fragte Kirk. »Landru«, antwortete Reger. »Er ruft den Körper zusammen. Seht ihr, wie sie sich sammeln?« »Telepathie, Captain«, sagte Spock. Plötzlich lösten sich die Menschen aus der starren Haltung des Lauschens, um liegengelassene Wurfgeschosse von der Straße aufzuheben. Langsam, wie Automaten, bewegten sie sich auf die Männer von der Enterprise zu. In den leeren, freundlichen Gesichtern war jetzt ein Zug hirnloser Feindseligkeit, so tödlich, daß einem fröstelte. »Phaser«, sagte Kirk. »Auf Betäubung. Wie müssen wir gehen, Reger?« Reger zögerte. »Vielleicht – da durch, aber Landru – « »Mit Landru werden wir schon fertig«, unterbrach Kirk. »Führen Sie uns nur hier raus.« Als sie auf die Gasse zuliefen, die sich vor ihnen öffnete, regnete es die ersten Steine. Ein Mann versetzte Spock einen Schlag mit dem Knüppel. Das Lächeln auf seinen Lippen war so leer wie der Blick seiner Augen. Dann sah Kirk, daß am anderen Ende der Gasse eine weitere bewaffnete Gruppe aufgetaucht war. Steine flogen ihnen entgegen. »Ich möchte niemanden verletzen«, sagte Kirk scharf zu Reger. »Sagen Sie ihnen, sie sollen Platz machen.« Reger schüttelte verzweifelt den Kopf. »Sie sind Teile des Körpers! Es ist Landru!« Drohend näherten sich ihnen Bewaffnete von beiden Enden der Gasse. Kirk riß seinen Phaser heraus und gab seine Befehle. »Nur betäuben!« sagte er. »Maximale Streuung. Feuer!«
Die Betäubungsstrahlen schossen aus den Phasern. Ohne einen Laut fielen die Bewaffneten zu Boden. Kirk drehte sich um, die von hinten herankommende Gruppe aufs Korn zu nehmen. Die Leute fielen genauso, lautlos. Spock ging zu einem. Das stille Gesicht, in das er blickte, gehörte Leutnant O’Neill. Kirk rief die beiden Sicherheitsmänner herbei. »Hierher!« Dann sagte er zu Reger: »Das ist einer unserer Leute.« »Nicht mehr!« korrigierte Reger. »Er ist absorbiert worden.« »Unsinn!« entgegnete Kirk. »Wir nehmen ihn mit, Mr. Spock.« »Ich sage euch, er gehört jetzt zu den anderen«, rief Reger. »Wenn er aufwacht, wird Landru uns durch ihn finden. Laßt ihn hier. Er ist unser Feind. Er wurde absorbiert.« Zum erstenmal wurde Kirk die ganze Tragweite des Wortes bewußt. »Absorbiert?« »Der Körper absorbiert seine Feinde. Er tötet nur, wenn es nicht anders geht.« Ängstlich senkte Reger die Stimme zu einem Flüstern. »Als die ersten Archonier kamen, frei und ungezwungen, und sich dem Wort Landrus widersetzten, da wurden viele von ihnen getötet. Die restlichen wurden absorbiert. Laßt ihn hier. Seid klug.« »Wir nehmen ihn mit«, entschied Kirk. »Captain«, warf Lindstrom ein, »jetzt, wo wir O’Neill haben, können wir uns doch von hier fortbeamen lassen.« »Noch nicht. Wir wollen noch herausbekommen, was aus den Archoniern geworden ist. Also, Reger, wie geht’s weiter?« Reger wies zum Ende der Gasse, wo eine Straße nach links führte. Nachdem die beiden Sicherheitsmänner O’Neill aufgehoben hatten, setzte sich die Gruppe wieder in Bewegung.
Reger führte sie in einen kellerähnlichen, dunklen Raum, der mit allem möglichen Gerümpel angefüllt war. Während die Sicherheitsmänner O’Neill niederlegten, trat Reger zu einem Schrank und entnahm ihm ein flaches, in Lumpen gewickeltes Päckchen. Als er die Lumpen auseinanderschlug, zeigte sich eine Platte aus schimmerndem Metall, die in einem starken, den ganzen Raum ausleuchtenden Licht erstrahlte, als er sie berührte. »Erstaunlich«, sagte Spock. »So etwas in dieser Kultur.« »Es ist aus der Zeit vor Landru«, erklärte Reger. »Vor Landru? Wie lange ist das her?« fragte Kirk. »Genau wissen wir das nicht. Manche sagen – an die sechstausend Jahre.« Spock untersuchte die Lichtplatte mit seinem Tricorder. »Das Metall kann ich nicht identifizieren, Captain. Aber zur Konstruktion eines solchen Geräts bedurfte es auf jeden Fall einer sehr fortgeschrittenen Technologie. Das paßt gar nicht zu den sonstigen Gegebenheiten hier.« »Zu einigen Dingen, die wir hier gesehen haben, paßt es doch«, meinte Kirk. »Zu den Stäben zum Beispiel, diesen hohlen Röhren, die offenbar als eine Art Empfangsantennen für irgendeine Kraft dienen. Von Telepathie vielleicht – wer weiß.« »Captain«, rief Spock plötzlich aus, »ich empfange gerade einen Energieschwall von ungewöhnlicher Stärke.« »Ungewöhnlich für dieses Gebiet?« »Unglaublich – für jedes Gebiet.« Spock beugte sich tiefer über seinen Tricorder. »Die Quelle ist in der Nähe, aber die Wellen strahlen nach allen Richtungen aus.« Ein Stöhnen O’Neills unterbrach ihn. McCoy, der neben dem Bewußtlosen saß, hob den Kopf und sagte: »Er kommt zu sich, Jim.«
»Das darf er nicht«, rief Reger. »Wenn er wach ist, wird Landru uns sofort finden! Durch ihn! Und wenn die anderen kommen – « »Welche anderen?« fragte Kirk. »Männer wie ich – und wie ihr. Die Landru Widerstand leisten.« »Eine Untergrundbewegung«, sagte Spock. »Wie sind Sie organisiert?« »In Dreiergruppen«, antwortete Reger. »Ich – Tamar, der nun tot ist – und ein Dritter.« »Wer?« fragte Kirk. »Ich weiß es nicht. Tamar war der Kontaktmann.« »Jim«, sagte McCoy, »ich brauche eine Entscheidung. Noch ein paar Sekunden – « »Er darf nicht zu Bewußtsein kommen!« schrie Reger. »Er würde uns alle vernichten. Er ist jetzt Teil des Körpers.« Kirk biß sich unschlüssig auf die Unterlippe. Dann sah er zu O’Neill hinunter. »Gib ihm eine Spritze, Pille. Damit er weiterschläft.« Dann wandte er sich Reger zu. »Und jetzt möchte ich ein paar Erklärungen. Was ist der Körper?« »Die Menschen. Sie haben sie gesehen.« »Und die Gesetzgeber?« fragte Spock. »Sie sind die Arme und Beine.« »Bleibt nur noch das Hirn«, stellte Kirk fest. »Natürlich«, sagte Reger tonlos. »Landru.« Mechanisch, wie eine auswendig gelernte Lektion, leierte er herunter: »Landru ist die Vollendung des Ganzen. Einigkeit und Vollkommenheit, Ruhe und Frieden.« Spock betrachtete ihn aufmerksam. »Ich würde sagen, Captain, daß wir es hier mit einer Gesellschaft zu tun haben, die nach einem physiologischen Konzept aufgebaut ist. Ein Körper, der von denen erhalten und
kontrolliert wird, die wir als Gesetzgeber kennen, und von einem Hirn gelenkt wird…« »Von einem Mann, der – « »Es muß nicht unbedingt ein Mann sein, Captain.« Kirk wandte sich wieder an Reger. »Wenn dieser Landru so mächtig ist, wie kann Ihre Untergrundbewegung dann überleben?« »Ich weiß es nicht. Einige können sich den Anweisungen entziehen. Nicht viele, aber einige. So war es auch bei den Archoniern.« »Erzählen Sie mir mehr über sie.« »Sie widersetzten sich dem Willen Landrus. Aber sie waren in den Körper eingedrungen, und Landru zog sie vom Himmel herunter.« »Er zog ein Sternenschiff herunter?« fragte Kirk ungläubig und sah Spock an. »Die Energiewellen, die Sie vorhin gemessen haben, wären die – « » – stark genug, um ein Sternenschiff zu zerstören? Ja, Captain!« Schweigend tauschten sie einen Blick, dann öffnete Kirk seinen Kommunikator. »Kirk an Enterprise. Bitte kommen.« Aber nicht Uhura meldete sich, sondern Scott, und seine Stimme klang erregt. »Captain, wir werden angegriffen. Mit Hitzestrahlen. Sie kommen von der Oberfläche des Planeten.« »Lagebericht«, sagte Kirk. »Unsere Schilde halten, aber sie verbrauchen unsere gesamte Energie. Wir können nicht versuchen, mit Solkraft oder auch nur den Impulstriebwerken zu entkommen, weil wir dann unsere Schilde verlieren und in Flammen aufgehen würden.« »Wie steht es mit der Umlaufbahn, Scotty?«
»Wir verlieren an Höhe. Wenn wir die Strahlen nicht loswerden, damit wir unsere Maschinen einsetzen können, tauchen wir in weniger als zwölf Stunden in die Atmosphäre ein.« »Halten Sie die Schilde oben, Scotty«, sagte Kirk. »Tun Sie alles, was geht, um die Umlaufbahn beizubehalten. Wir werden versuchen, die Quelle der Strahlungen ausfindig zu machen und sie zu stoppen. Kirk Ende.« Statische Störungen verstümmelten Scottys Antwort. »…unmöglich… Notaggregate, aber… wenn Sie… Kontakt auf…« Kirk drehte seinen Kommunikator weiter auf, aber nur die Störungen wurden lauter. »Captain«, rief Spock, der mit seinem Tricorder hantiert hatte, »Sensorstrahlen. Ich glaube, wir werden abgetastet.« Voll konzentriert beugte er sich über sein Gerät. »Ja. Ziemlich stark. Und hierher gerichtet.« »Blocken Sie sie ab«, rief Kirk. »Das ist Landru«, schrie Reger. Spock stellte etwas an seinem Tricorder ein. Dann schüttelte er den Kopf. »Sie sind zu stark, Captain. Ich kann sie nicht abblocken.« Er hob plötzlich den Kopf von seinem Tricorder und wandte sich blitzartig zu der Wand auf seiner Linken um. Ein tiefes Summen drang aus ihr hervor. Auch Kirk drehte sich danach um. Ein Licht begann auf der Wand zu leuchten und spielte in wabernden, wellenförmigen Mustern über die glatte Fläche. Es wurde heller, und die losen Muster verdichteten sich zu den Konturen einer Gestalt, die langsam Substanz zu gewinnen schien, bis schließlich ein sympathisch aussehender alter Mann aus Fleisch und Blut vor ihnen zu stehen schien. In seinen Augen lag Güte, in seinen milden Zügen spiegelten sich Weisheit und Gelassenheit. Der Mann schien sie wohlwollend
anzublicken. Aber Gesicht und Körper behielten die seltsamen Fluktuationen bei. »Ich bin Landru«, sagte das Bild an der Wand. Reger warf sich aufstöhnend vor Angst zu Boden. Spock stellte völlig unbeeindruckt fest: »Eine Projektion, Captain. Nicht real.« »Aber eindrucksvoll ausgeführt, Mr. Spock. Ohne Apparat an diesem Ende.« Die gütigen Augen des Mannes auf der Wand richteten sich auf ihn. »Ihr seid als Zerstörer gekommen. Das ist traurig. Ihr bringt eine Infektion mit euch.« »Sie halten mein Schiff fest«, entgegnete Kirk. »Ich verlange, daß Sie es freigeben.« Der Mund sprach weiter, als hätten die Öhren nicht gehört. »Ihr seid auf eine Welt ohne Haß gekommen, ohne Konflikte, ohne Furcht – hier gibt es keinen Krieg, keine Krankheit, kein Verbrechen, keines der alten Übel. Ich, Landru, suche Frieden und Ruhe für alle – das universelle Gute.« »Wir sind in einer Mission des Friedens und des guten Willens gekommen«, rief Kirk. Landru fuhr ungerührt zu sprechen fort. »Das Gute muß das Böse überwinden. Und so wird es geschehen. So ist es von Anbeginn an gewesen.« »Er hört Sie nicht, Captain«, sagte Spock. Lindstrom zog seinen Phaser. »Vielleicht hört er das!« »Nein!« rief Kirk scharf. »Das hat keinen Sinn.« Er wandte sich wieder der lichtumflossenen Gestalt zu. »Landru, hören Sie uns an.« »Ihr werdet absorbiert werden«, sagte der Mann auf der Wand in mildem Ton. »Euer individuelles Ich wird mit der Einheit des Guten verschmelzen. Im Aufgehen in der
Gemeinschaft des Körpers werdet ihr Zufriedenheit und Erfüllung finden. Ihr werdet das absolute Gute erfahren.« Das tiefe Summen war lauter geworden, Landru lächelte liebevoll zu ihnen hinunter. »Es wird ein kurzer Augenblick des Schmerzes kommen, aber euch wird kein Schaden zugefügt werden. Friede und Güte mögen mit euch sein.« Kirk trat einen Schritt auf das Bild zu. Aber das Summen schwoll abrupt zu einem durchdringenden Wimmern an, das ihre Ohren wie mit scharfen Dolchspitzen durchbohrte. Reger stürzte vornüber. McCoy und Lindstrom, die auf die Knie gefallen waren, hatten die Augen zugedrückt und preßten sich die Hände auf die Öhren. Die Sicherheitsleute sanken einer nach dem anderen zu Boden. Spock und Kirk blieben noch einen Moment länger auf den Beinen. Dann fielen auch sie. Kirk kam als erster wieder zu sich. Er sah, daß er auf einem dünnen Strohsack an der kalten Steinmauer eines zellenähnlichen Raumes lag. Als er den Kopf hob, sah er, daß Lindstrom sich zu regen begann. Er richtete sich auf und kroch auf Händen und Knien zu Spock hinüber. »Mr. Spock! Mr. Spock!« Langsam öffnete Spock die Augen, während Kirk zu Lindstrom hinüberkroch und ihn und den Sicherheitsmann neben ihm sachte schüttelte. »Wachen Sie auf, Lindstrom. Mr. Lindstrom, wachen Sie auf.« Spock war auf den Beinen. »Captain! Wo ist der Doktor?« »Ich weiß nicht, er war fort, als ich zu mir kam. Und der andere Sicherheitsmann auch.« »Nach der Anzahl von Matten, die hier liegen, würde ich sagen, daß sie beide hier waren, Sir, und dann weggeholt wurden.« »Und was ist ›hier‹?« fragte Kirk.
Spock sah sich um. »Eine streng gesicherte Anlage, ganz offensichtlich. Sind Sie bewaffnet, Sir?« »Nein. Unsere Phaser sind alle weg. Ich habe schon nachgesehen.« Er ging zu der schweren, verriegelten Tür. »Versperrt«, stellte er fest. »Ich habe Kopfschmerzen«, bemerkte Lindstrom. »Ganz natürlich, wenn man Unterschallwellen ausgesetzt wird, Mr. Lindstrom«, sagte Spock. »Wären sie stärker gewesen, hätten sie uns töten können. So haben sie uns nur bewußtlos gemacht.« »Genug der Analyse«, warf Kirk ein. »Fangen wir an, darüber nachzudenken, wie wir hier herauskommen. Mr. Spock, können wir uns nicht die Unfähigkeit dieser Gesetzgeber zunutze machen, mit dem Unerwarteten fertig zu werden?« »Ich würde nicht damit rechnen, daß so etwas noch einmal vorkommt, Captain. Diese Gesellschaft scheint mir so gut organisiert zu sein, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß ein solches Versehen nicht augenblicklich korrigiert wird.« Er machte eine Pause. »Aber interessant. Ihre Reaktion auf unseren Widerstand war der eines Computers bemerkenswert ähnlich – ich meine, der eines Computers, dem ungenügende oder widersprechende Daten eingegeben worden sind.« »Wollen Sie damit sagen, daß die Gesetzgeber Maschinen sind und keine Menschen?« »Sie sind sicher Menschen, Captain. Nur sind eben noch nicht alle Fakten bekannt. Es gibt Lücken – « Er brach ab, als ein Schlüssel in der Tür knirschte. Kirk und die anderen sprangen auf. Die Tür ging auf. Ein Gesetzgeber trat ein, sein Stab war auf sie gerichtet. Ihm folgten McCoy und der Sicherheitsmann, den sie vermißt hatten. Beide blickten mit leeren, fröhlichen Gesichtern um sich.
Entsetzt starrte Kirk McCoy an. Der Gesetzgeber ging wieder und sperrte die Tür hinter sich ab. »Pille…« McCoy strahlte Kirk an. »Hallo, Freund. Man hat uns gesagt, wir sollen hier warten.« Er ging auf einen Strohsack in der Ecke zu. In den leeren Augen blitzte kein Funke des Erkennens auf. »Pille«, rief Kirk. »Kennst du mich nicht?« McCoy sah ihn mit offenkundiger Verwunderung an. »Wir kennen einander alle in Landru, Freund.« »Genau wie Sulu, Captain«, bemerkte Spock. Kirk packte McCoy am Arm und schüttelte ihn. »Denk nach, Mann!« rief er verzweifelt. »Die Enterprise. Das Schiff. Du mußt dich doch an das Schiff erinnern.« McCoy schüttelte verwirrt den Kopf. »Du redest seltsam, Freund. Kommst du von weither?« »Pille, versuch dich doch zu erinnern!« rief Kirk eindringlich. »Landru erinnert sich«, erwiderte McCoy. »Frag Landru. Er sieht alles. Er weiß alles.« Mißtrauen erwachte in seinem Blick. »Du bist ein Fremder. Bist du nicht Teil des Körpers?« Mit einem Stöhnen ließ Kirk seinen Arm los. Sofort erlosch das Mißtrauen in McCoys Augen. Mit einem leeren Lächeln, das an niemanden gerichtet war, entfernte er sich und setzte sich auf einen der Strohsäcke. Wieder öffnete sich knirschend die Tür. Zwei Gesetzgeber standen auf der Schwelle. Der eine zielte mit seinem Stab auf Kirk. »Komm«, sagte er mit kalter Stimme. Kirk wechselte einen hastigen Blick mit Spock. »Und was ist, wenn ich nicht komme?« fragte er. »Dann wirst du sterben.« »Sie sind korrigiert worden, Captain«, sagte Spock. »Oder umprogrammiert. Gehen Sie lieber mit, Sir.«
Kirk nickte. »Gut. Spock, kümmern Sie sich um Pille. Sehen Sie, ob Sie nicht – « »Komm!« sagte der Gesetzgeber wieder. Beide Stäbe waren auf Kirk gerichtet, als er durch die Zellentür trat. Sobald sich die schwere Tür geschlossen hatte, sprang Spock zu McCoy. »Doktor, was werden sie jetzt mit ihm tun?« McCoy strahlte selig. »Er geht in die Freude ein. Er geht in Frieden und Ruhe ein. Er geht zu Landru. Glückseligkeit ist in uns allen, die wir von Landru gesegnet sind.« Der Raum, in den die Gesetzgeber Kirk führten, war aus Stein – die ›Absorptionskammer‹, an die sich Kirk später noch lange erinnern sollte. In einer Wandnische befand sich eine Schalttafel. Bei seinem Eintritt in die Kammer sah Kirk, daß vor der Nische ein dritter Gesetzgeber stand. An einer Wand hingen Handschellen an einer Kette. Dorthin stieß man Kirk, und einer der Gesetzgeber legte ihm die Fesseln um die Handgelenke, während der andere ihn festhielt. Dann gingen die beiden, die ihn gebracht hatten, aus der Kammer hinaus. Der Klang ihrer Schritte im Korridor war kaum verhallt, als ein vierter Gesetzgeber eintrat. Ohne einen Blick an Kirk zu verschwenden, trat er zu seinem Gefährten an der Schalttafel. Mit einem kurzen Nicken sagte er: »Ich bin Marplon. Es ist deine Stunde. Glück und Segen.« Der Gesetzgeber an der Schalttafel verneigte sich. »Mit Dank«, sagte er. »Glück und Segen auch dir.« Damit ging er hinaus wie die beiden vor ihm. Kaum war Marplon allein, drehte er sich nach Kirk um. Sein Gesicht glich einer Totenmaske. Doch er war durchaus lebendig. Nachdem er sich einen Kopfhörer über die Kapuze gezogen hatte, bediente er mit geübten Griffen die Schalttafel. Lichter in hellen, blitzenden Farben durchfluteten die Kammer;
ein Summen begann. Die Lichter blendeten Kirk, und ihm war, als widerhalle das Summen unablässig in seinem Kopf. Er wand sich in seinen Fesseln. Zur gleichen Zeit rannte in der Gefängniszelle Lindstrom zornig hin und her. Schließlich blieb er herausfordernd vor Spock stehen. »Wollen wir eigentlich einfach brav in dieser Zelle bleiben?« »Ich glaube, wir haben gar keine andere Wahl«, erwiderte Spock milde. »Es sei denn, Sie finden eine Möglichkeit, durch diese geschlossene Tür hinauszukommen.« »Das ist ja lächerlich! Wir sind die Gefangenen von einem Haufen Steinzeitmenschen, die in Mönchskutten rumlaufen!« »Und allem Anschein nach über Kräfte verfügen, die über unser Begriffsvermögen weit hinausgehen. So einfach ist das nicht, Mr. Lindstrom. Und es ist auch nicht lächerlich. Es ist hingegen sehr, sehr gefährlich.« Bei seinem letzten Wort öffnete sich die Zellentür, und die beiden Gesetzgeber, die Kirk abgeholt hatten, traten ein. Diesmal richteten sie ihre Stäbe auf Spock. »Du«, sagte der Sprecher. »Komm.« Eine Sekunde zögerte Spock. Die Spitze eines der Stäbe zitterte. Spock nahm seinen Platz zwischen den Wächtern ein. Sie führten ihn hinaus, führten ihn durch den Korridor in die Absorptionskammer. Kirk begrüßte ihn mit einem stupiden Lächeln. »Captain!« »Freude sei mit dir, Freund. Friede und Zufriedenheit werden dich erfüllen. Du wirst den Frieden Landrus erfahren…« Unbewacht ging Kirk ruhigen Schrittes zur Tür der Kammer. Die Gesetzgeber machten Platz, um ihn vorbeizulassen. Das Entsetzen Spocks zeigte sich nur in der völligen Reglosigkeit seiner Züge.
Ihm blieb nicht viel Zeit, sich diesem Entsetzen hinzugeben. Schon fesselten sie ihn an die Wand. Aber die unbesiegbare Neugier des Vulkaniers war schon dabei, das persönliche Erleben dem Interesse am Mechanismus der Schalttafel unterzuordnen. Wie zuvor bei Kirk gingen die beiden Gesetzgeber, die ihn hergeführt hatten, hinaus, sobald sie die Handschellen befestigt hatten. Marplon betätigte einen Schalter an seiner Tafel. Die farbigen Lichter begannen zu blitzen und zu kreisen. Spock sah es sich mit Interesse an. »Lassen Sie sich keine Überraschung anmerken«, sagte Marplon. »Die Wirkung ist harmlos.« Spock sah Marplon an. Der Gesetzgeber sprach in leisem Ton. »Mein Name ist Marplon. Ich kam zu spät, um Ihre ersten beiden Freunde zu retten. Sie wurden absorbiert. Hüten Sie sich vor ihnen.« »Und mein Captain?« »Er ist unversehrt«, antwortete Marplon. »Unverändert.« Er hantierte an seinem Schaltpult. Das Licht wurde heller, das Summen schriller. Marplon ging von der Tafel weg, um Spock zu befreien. »Ich bin der dritte Mann aus Regers Dreiergruppe«, sagte er. »Wir haben auf eure Rückkehr gewartet.« »Wir sind keine Archonier, Marplon«, erwiderte Spock. »Ganz gleich, wie ihr euch nennt, ihr bringt die Erfüllung der Prophezeiung. Wir bitten um eure Hilfe.« »Wo ist Reger?« fragte Spock. »Er wird bald hier sein. Er ist gegen die Absorption immun. Beeilen Sie sich. Die Zeit ist knapp.« »Wer ist Landru?« Marplon wich zurück. »Ich kann Ihre Fragen jetzt nicht beantworten.« »Warum nicht?«
»Landru! Er würde es hören.« Marplon eilte zu seiner Schalttafel, griff in den Schrank darunter und holte die Phaser der Männer von der Enterprise heraus. Spock nahm mehrere an sich und steckte sie ein. Als der letzte Phaser versteckt war, stießen zwei Gesetzgeber die Tür auf. »Es ist vollbracht«, teilte ihnen Marplon mit. Spock setzte die törichte, liebenswürdige Miene der Gesalbten auf. »Freude sei mit euch«, sagte er. »Landru ist alles«, erwiderten die Gesetzgeber wie aus einem Mund. Spock ging an ihnen vorbei in den Korridor. Als er in die Zelle kam, traf er dort Kirk an, der mit leerem Lächeln auf einem Strohsack saß. Zwei Gesetzgeber drängten sich an ihm vorbei, um den Sicherheitsmann zu holen, der noch nicht behandelt worden war. Aschfahl vor Furcht stand er auf und ging mit ihnen. Spock trat zu Kirk. »Captain – « »Frieden und Gelassenheit mit dir, Freund«, sagte Kirk und fügte leise hinzu: »Spock, sind Sie in Ordnung?« »Ja, Sir. Hüten Sie sich vor Dr. McCoy.« »Ich verstehe. Landru?« »Ich bilde mir langsam eine Meinung, Captain.« »Und?« »Nicht hier. Der Doktor – « McCoy war schon von seiner Matte aufgestanden und sah zu ihnen hinüber. Statt des liebenswürdigen Lächelns hatte er einen Ausdruck des Mißtrauens im Gesicht, der bedrohlich wirkte. »Ihr flüstert«, sagte er. »Das ist nicht Landrus Wille.« »Freude mit dir, Freund«, erwiderte Kirk. »Freude und Gelassenheit.«
»Und Frieden und Harmonie«, sagte McCoy feierlich. »Bist du Teil des Körpers?« »Der Körper ist eins«, antwortete Kirk. »Gesegnet sei der Körper. Gesundheit all seinen Teilen.« McCoy lächelte wieder und sank befriedigt auf seinen Strohsack zurück. Kirk und Spock setzten sich so, daß ihre Gesichter McCoy verborgen waren. Dann sagte Kirk so leise wie zuvor: »Wie sieht Ihre Theorie aus, Mr. Spock?« »Dies ist eine seelenlose Gesellschaft, Captain. Sie hat kein Leben, kein Feuer. Alles ist in der Tat Frieden und Ruhe – der Friede einer Fabrik, die Gleichmäßigkeit einer Maschine… wo alle Teile in Einklang zusammenarbeiten.« »Mir ist aufgefallen, daß der Ablauf gestört wird, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert.« »Bis neue Befehle ausgegeben werden. Die Frage ist, wer gibt diese Befehle?« »Landru«, antwortete Kirk. »Es gibt keinen Landru«, behauptete Spock. »Jedenfalls keinen Menschen Landru.« »Sie denken das gleiche wie ich, Mr. Spock.« »Ja, Captain. Aber was unser weiteres Vorgehen betrifft…« »Wir müssen den Stecker herausziehen, Mr. Spock.« »Sir?« »Landru muß sterben.« Spock zog eine Augenbraue hoch. »Unsere Erste Direktive«, entgegnete er, »ist aber Nicht-Einmischung.« »Das bezieht sich auf lebende, wachsende Zivilisationen. Ich bin nicht überzeugt, daß diese hier so bezeichnet werden kann, und – « Er brach ab, als die Zellentür geöffnet wurde. Marplon und Reger traten mit den konfiszierten Kommunikatoren ein.
»Sie sind Landrus Geschenk an euch«, sagte Marplon zu McCoy und dem behandelten Sicherheitsmann. Die beiden lächelten leer, und McCoy erwiderte: »Freude mit euch, Freunde.« Mit geschlossenen Augen lehnte er sich dann an die Steinmauer. Reger und Marplon eilten an ihm vorbei zu Kirk und Spock. »Wir haben euch auch die Funkgeräte mitgebracht«, sagte Marplon zu Kirk. »Ihr werdet sie vielleicht brauchen.« »Viel dringender brauchen wir Informationen über Landru«, meinte Kirk. Reger fuhr zurück. »Die Prophezeiung sagt – « begann Marplon. »Was die Prophezeiung sagt, ist unwichtig. Wenn ihr von Landru befreit werden wollt, müßt ihr uns helfen.« »Captain!« zischte Spock warnend. McCoy näherte sich ihnen mit offenem Argwohn auf dem Gesicht. »Ich habe euch zugehört«, rief er. »Ihr seid nicht Teil des Körpers.« Er stürzte sich auf Kirk und wollte ihn an der Kehle packen. Spock versuchte, ihn wegzuziehen, wurde jedoch seinerseits von dem Sicherheitsmann angegriffen. »Gesetzgeber!« schrie McCoy. »Hier sind Verräter! Verräter!« Mit einer kraftvollen Bewegung befreite sich Kirk und rief: »Pille! Pille! Ich will dir nicht weh tun. Setz dich und sei still.« Aber McCoy schrie immer noch: »Gesetzgeber! Schnell!« Kirks Faust traf ihn mitten aufs Kinn. Im selben Moment, als er zusammensackte, flog die Tür auf, und zwei Gesetzgeber stürzten mit gezückten Stäben herein. Kirk und Spock warfen sich augenblicklich auf die beiden. Kirk schlug seinen Mann mit einem wuchtigen Handkantenschlag in den Nacken zu Boden, während Spock seinen Gegner mit dem vulkanischen Nackengriff kampfunfähig machte. Reger und Marplon
starrten, ängstlich an die Mauer gedrückt, entsetzt auf die niedergeschlagenen Gesetzgeber hinunter. In aller Eile zog Kirk dem Mann, den er niedergestreckt hatte, seine Kutte aus. Spock tat das gleiche. Während Kirk noch dabei war, sich die Kutte mit der Kapuze überzuziehen, herrschte er die anderen an: »Wo ist Landru?« »Nein«, stammelte Marplon. »Nein, nein…« »Wo finden wir ihn?« fragte Kirk ungeduldig. »Er wird uns finden«, rief Reger. »Er wird uns vernichten!« Kirk trat dicht vor Marplon hin. »Sie sagten vorhin, Sie wollten Hilfe. Nun, jetzt kriegen Sie sie! Wo ist Landru? Sie sind ein Gesetzgeber. Wo sehen Sie ihn immer?« »Wir sehen ihn niemals. Wir hören ihn nur. Im Audienzsaal.« »In diesem Gebäude?« Marplon nickte stumm vor Angst. Kirk ließ seinem Zorn freien Lauf. »Bringen Sie uns hin! Reißt euch zusammen, ihr beide! Benehmt euch endlich wie Männer!« Spock öffnete einen Kommunikator. »Spock an Enterprise! Lagebericht.« »Mr. Spock!« Es war Scotts Stimme. »Ich habe schon versucht, Sie zu erreichen.« »Ihr Bericht, Mr. Scott!« »Die Umlaufbahn wird enger, Sir. Wir haben vielleicht noch sechs Stunden. Die Hitzestrahlen sind immer noch auf uns gerichtet. Sie müssen sie abstellen – oder wir braten auf die eine oder andere Art!« Mit einem Nicken zu Spock nahm Kirk den Kommunikator. »Halten Sie die Stellung, Mr. Scott. Wir tun unser Bestes. Wie geht es Mr. Sulu?« »Er ist jetzt ganz friedlich, aber er macht mir Sorgen.« »Stellen Sie ihm eine Wache ans Bett.« »Zu Sulu?« Scott war schockiert.
»Das ist ein Befehl. Lassen Sie ihn bewachen. Kirk Ende.« In Kutten gekleidet und bewaffnet, wandten sich Spock und Kirk an Marplon und Reger. »Also, jetzt zu Landru – « »Er hat uns geschaffen!« schrie Marplon. »Er schuf diese Welt.« Reger war auf die Knie gefallen. »Bitte! Wir sind zu weit gegangen. Verlangt nicht – « »Sie sagen, Landru habe diese Welt geschaffen«, sagte Spock. »Erklären Sie das.« »Es war Krieg – vor sechstausend Jahren tobte ein grausamer Krieg. Die Welt war dabei, sich selbst zu zerstören. Landru war unser Führer. Er erkannte die Wahrheit. Er veränderte die Welt. Er führte uns zurück zum einfachen Leben, in Frieden und Ruhe.« »Was ist aus ihm geworden?« fragte Kirk. »Er lebt noch heute!« rief Marplon. »Er ist hier! Jetzt, in dieser Sekunde! Er sieht – er hört… wir haben uns selbst vernichtet… bitte, bitte, laßt es genug sein.« »Ihr habt gesagt, daß ihr die Freiheit wollt«, entgegnete Kirk ruhig und fest. »Es wird Zeit, daß ihr lernt, daß die Freiheit kein Geschenk ist. Ihr müßt sie euch erringen – oder ihr werdet sie nie haben. Kommt jetzt! Wir wollen zu Landru gehen.« Reger schüttelte den Kopf. »Nein – nein. Ich habe Unrecht getan.« Mit erhobenen Händen, die Augen flehend ins Nichts gerichtet, schrie er: »Ich unterwerfe mich – unterwerfe mich dem Willen Landrus.« Kirk packte ihn bei der Schulter. »Dazu ist es jetzt zu spät!« Doch Reger riß sich los, sprang auf und rannte zur Tür. »Nein!« kreischte er. »Nein, nein! Gesetzgeber! Helft mir!« Spock war mit einem Satz bei ihm und setzte den Nackengriff an. Reger brach zusammen. Marplon drehte sich langsam um und sah Kirk in die Augen.
»Schön, mein Freund«, sagte Kirk, »Jetzt liegt’s an Ihnen. Führen Sie uns zu Landru.« »Er wird uns zerschmettern«, sagte Marplon. »Vielleicht – vielleicht kommt es auch umgekehrt. Mr. Lindstrom, Sie bleiben hier und kümmern sich um Dr. McCoy. – Gehen wir, Mr. Spock.« Er nahm Marplon beim Arm und schob ihn zur Tür. Angst und Abwehr im Gesicht, trat Marplon in den Korridor hinaus. Unter seiner Kapuze hervor sah Kirk zwei näher kommende Gesetzgeber. Sie gingen vorüber, ohne auch nur einen Blick an die drei zu verschwenden, die sie für Angehörige ihrer eigenen Kaste hielten. Die drei Männer eilten den Gang hinunter, bis sie zu einem hohen Portal gelangten. Marplon blieb zitternd stehen. »Das ist – der Audienzsaal«, flüsterte er. »Haben Sie einen Schlüssel?« Als Marplon nickte, befahl Kirk: »Öffnen Sie.« »Aber – es ist Landru…« »Öffnen Sie«, wiederholte Kirk. Doch er mußte dem zitternden Marplon den Schlüssel aus der Hand nehmen und selbst aufschließen. Der Audienzsaal war ein großer, völlig kahler Raum, in dessen eine Wand eine beleuchtete Schalttafel eingelassen war. »Da«, sagte Marplon und wies auf die Tafel. »Da spricht Landru.« Kirk trat näher. »Landru, wir sind die Archonier«, sagte er. Die muffige, kalte Stille in dem großen Raum blieb ungebrochen. »Wir sind die Archonier«, sagte Kirk wieder. »Wir sind gekommen, um mit Ihnen zu sprechen.« Ganz langsam nahm das weise, milde Gesicht, das sie schon kannten, auf der Tafel Form an. Marplon fing in höchster Panik zu schluchzen an und warf sich auf den Boden.
»Landru!« schrie er weinend. »Landru kommt! Er kommt!« Die imposante Gestalt war jetzt vollendet. Auf den Lippen des edlen alten Mannes lag ein warmes Lächeln. »Obwohl ich mich bemüht habe, euch keinen Schaden zuzufügen, seid ihr in den Körper eingedrungen«, sagte der alte weise Mann. »Ihr richtet großen Schaden an.« »Wir wollen keinen Schaden anrichten«, erwiderte Kirk. Landru fuhr fort, als hätte Kirk nichts gesagt. »Auslöschung ist notwendig. Die Infektion ist stark. Zum Wohle des Körpers müßt ihr sterben. Es ist ein großer Jammer.« »Wir haben nicht die Absicht zu sterben.« Im selben gütigen, sanften Ton sprach das Bild weiter. »Alle, die euch gesehen haben, die von eurer Anwesenheit wissen, müssen ausgelöscht werden. Das Gedächtnis des Körpers muß gereinigt werden.« »Hören Sie mich an!« rief Kirk. »Captain, das hat keinen Sinn«, sagte Spock. »Es ist eine Projektion.« »Schön, Mr. Spock. Sehen wir uns den Projektor an.« Gleichzeitig rissen sie ihre Phaser heraus und richteten die Strahlen auf die leuchtende Tafel. Ein blendender Lichtblitz zuckte auf. Die Gestalt Landrus erlosch, das Licht in der Schalttafel verdunkelte sich. Aber der wahre Landru war nicht verschwunden. Hinter der Schalttafel lebte er noch in endlosen Reihen gigantischer Computer – einem gewaltigen Komplex von Schaltern und Knöpfen, Schaltkreisen und Relais, die ruhig weiterarbeiteten. »Es mußte so sein«, sagte Kirk. »Landru.« »Natürlich, Captain. Eine Maschine. Die ganze Gesellschaft entspricht der Vorstellung einer Maschine von Perfektion. Friede, Harmonie…« »Und keine Seele.«
Plötzlich summte die Maschine. Eine Stimme erklang. »Ich bin Landru. Ihr seid hier eingedrungen.« »Ziehen Sie ihm den Stecker heraus, Mr. Spock.« Sie hoben ihre Phaser. Aber ehe sie feuern konnten, drang ein neues Brummen aus der Maschine, und ein Blitzstrahl machte ihre Waffen aktionsunfähig. »Eure Waffen sind neutralisiert«, erklang es. »So wird es auch euch ergehen. Ich bin Landru!« »Landru starb vor sechstausend Jahren«, sagte Kirk. »Ich bin Landru«, donnerte die Maschine. »Ich bin er. All das, was er war, bin ich! Seine Erfahrung, sein Wissen – « »Aber nicht seine Weisheit«, unterbrach Kirk. »Er mag dich programmiert haben, aber seine Seele konnte er dir nicht geben.« »Deine Behauptung ist ohne Belang«, sagte die Maschine. »Du wirst ausgelöscht werden. Das Wohl des Körpers ist das oberste Gebot.« »Da haben wir die Antwort, Captain«, bemerkte Spock. »Das Wohl des Körpers.« Kirk nickte. »Was ist zum Wohl des Körpers?« fragte er. »Ich bin Landru.« »Landru ist tot. Du bist eine Maschine. Dir wurde eine Frage gestellt. Antworte!« Relais summten. Ratterten. Piepsten. »Harmonisches Weiterbestehen ist zum Wohle des Körpers. Friede, Ruhe, Harmonie sind zum Wohle des Körpers. Das Wohl des Körpers ist das oberste Gebot.« »Ich klage dich an, daß du gegen das oberste Gebot verstoßen hast – daß du dem Körper Schaden zufügst.« Die Relais brummten lauter. »Der Körper ist – er besteht. Er ist gesund.« »Er ist im Absterben«, widersprach Kirk. »Du bist dabei, ihn zu zerstören.«
»Stellst du mir eine Frage?« sagte die Maschine. »Sag mir, was hast du getan, um dem individuellen Potential jeder einzelnen Zelle des Körpers gerecht zu werden?« »Keine ausreichenden Daten. Ich bin nicht darauf programmiert, diese Frage zu beantworten.« »Dann programmiere dich selbst«, sagte Spock. »Oder sind deine Relais begrenzt?« »Meine Relais sind unbegrenzt. Ich werde neu programmieren.« Die Maschine brummte und ratterte, dann kam ein schriller Pfeifton von ihr. Marplon, der bis jetzt auf dem Boden gelegen hatte, stand auf und starrte die gewaltige Computerwand an. Während er noch so dastand, stürzten zwei Gesetzgeber ohne ihre Stäbe in den Saal und rannten zu der Maschine. »Landru«, rief der eine. »Führe uns! Landru?« Kirk fuhr blitzschnell herum, um die beiden mit seinem Phaser in Schach zu halten. Doch Spock hob die Hand. »Nicht nötig, Captain«, sagte er. »Sie sind ohne Führung – vielleicht zum erstenmal in ihrem Leben.« Kirk senkte den Phaser und drehte sich wieder der Maschine zu. »Landru! Beantworte meine Frage!« Die Stimme hatte jetzt einen metallischen Klang. »Friede, Ordnung und Ruhe bestehen weiter. Der Körper lebt. Aber die Kreativität ist mein. Kreativität ist unabdingbar für die Gesundheit des Körpers.« Wieder summte die Maschine. »Das ist unmöglich. Das ist ein Paradoxon. Es muß gelöst werden.« Jetzt erst sprach Marplon. »Ist das wirklich Landru?« »Das, was von ihm übrig ist«, antwortete Spock. »Was von ihm übrigblieb, nachdem er vor sechstausend Jahren diese Maschine gebaut und programmiert hat.« Kirk richtete das Wort wieder an die Maschine. »Landru! Das Paradoxon!«
Das Summen verstummte. Die Stimme klang jetzt dumpf. »Es ist nicht zu lösen.« »Du mußt das Gute schaffen«, sagte Kirk. »Das ist der Wille Landrus – sonst nichts…« »Aber das Böse – « »Das Böse muß vernichtet werden. Das ist das erste Gebot. Das Böse bist du.« Die Maschine begann wieder zu summen. Doch der Ton wurde immer wieder von harten, metallischen Zwischengeräuschen unterbrochen. Lichter blinkten wie rasend. »Ich denke! Ich lebe«, sagte die Maschine. »Du sagst, du bist Landru«, rief Kirk. »Dann schaffe das Gute. Vernichte das Böse. Erfülle das oberste Gebot.« Das Summen schwoll zu einem Donnern an. Ein Rauchfaden stieg von einer Schaltkonsole empor. Dann brach ein Funkenregen aus der Maschinenwand hervor – und mit dem Knallen explodierender Relais erloschen alle Lichter. Kirk wandte sich den drei wie gebannt stehenden Gesetzgebern zu. »Ihr könnt diese Kutten jetzt ausziehen. Ich an eurer Stelle würde mich nach einer nützlichen Arbeit umsehen.« Er öffnete den Kommunikator. »Kirk an Enterprise. Bitte kommen.« Scotts Stimme war die Erleichterung anzuhören. »Captain, ist bei Ihnen alles in Ordnung?« »Ja. Wie sieht’s bei Ihnen aus?« »Die Hitzestrahlen sind weg, Sir, und Mr. Sulu ist wieder ganz der alte.« »Ausgezeichnet, Mr. Scott. Bereiten Sie alles vor, uns an Bord zu beamen.« Er gab Spock den Kommunikator zurück. »Sehen wir mal, was die anderen machen, Mr. Spock. Mr. Marplon kann hier den Rest erledigen.«
Nie zuvor hatte sich Kirk in seinem Kommandosessel so wohl gefühlt. Meistens hatte er ihn eher unbequem gefunden. Jetzt aber streckte er sich, die Hände im Nacken verschränkt, behaglich, während Spock zu ihm kam, um zur Stelle zu sein, wenn er den letzten Eintrag ins Logbuch diktierte. »Soziologe Lindstrom bleibt mit einem Team von Fachleuten auf Beta 3000 zurück, um beim Wiederaufbau einer menschenwürdigen Kultur behilflich zu sein. Kirk Ende.« »Dennoch war der dahingegangene Landru eine Großtat der Elektronik, Captain«, meinte Spock nachdenklich. »Stellen Sie sich einen Computer vor, der fähig ist, jede Handlung von Millionen Menschen zu dirigieren.« »Aber es ist nur eine Maschine, Mr. Spock. Der wahre Landru programmierte sie mit seinem ganzen Wissen, aber seine Weisheit, seine menschliche Anteilnahme, sein Verständnis konnte er ihr nicht geben. Es fehlte ihr die Seele, Mr. Spock.« »Manchmal werden Sie ausgesprochen metaphysisch, Captain. Ich ziehe das Konkrete, Erfaßbare, Beweisbare vor.« »Sie würden einen brillanten Computer abgeben, Mr. Spock.« Spock verneigte sich. »Sehr freundlich von Ihnen, Sir.« Hinter ihnen sagte Uhura: »Captain – Mr. Lindstrom von der Planetenoberfläche.« Kirk drückte auf einen Knopf. »Ja, Mr. Lindstrom?« »Ich wollte mich nur verabschieden, Captain.« »Wie läuft’s?« »Bestens«, erklärte Lindstrom begeistert. »Heute morgen hat ten wir bereits ein halbes Dutzend Familienstreitigkeiten und zwei richtige Schlägereien. Es ist vielleicht nicht das Paradies, aber es ist eindeutig – « »Menschlich?« »Genau. Und sie fangen auch schon an, selbständig zu denken. Geben Sie mir und meinem Team nur ein paar Monate
Zeit, dann wird es hier bald wieder eine intakte Gesellschaft geben.« »Eine Frage, Mr. Lindstrom: Landru wollte seinem Volk Frieden und Sicherheit geben und programmierte die Maschine entsprechend. Wie erklären Sie sich unter diesen Umständen eine so völlige Anomalie wie das sogenannte ›Fest‹?« »Sir, da die Maschine völlig zerstört ist, werden wir niemals genug Daten besitzen, um diese Frage mit Sicherheit zu beantworten. Aber ich habe da meine eigene Theorie, und ich könnte mir denken, daß sie richtig ist. Landru wollte Krieg, Verbrechen, Krankheit und selbst persönliche Meinungsverschiedenheit eliminieren, und es gelang ihm auch. Aber er berücksichtigte die Notwendigkeit der Bevölkerungskontrolle nicht, ohne die selbst eine ansonsten statische Gesellschaft bald ein Sinken des Lebensstandards und nach einer Weile echten Hunger erleiden muß. Das lag natürlich nicht in Landrus Intentionen, aber er hatte keine Vorsorge für eine solche Entwicklung getroffen. Darum entwickelte die Maschine ihre eigene Strategie: Eine Nacht in jedem Jahr wurden alle Kontrollen ausgeschaltet, die Gesetze von Moral und Anstand hatten keine Geltung. Eine Nacht in der schlimmsten Form von Bürgerkrieg, in dem jeder der Feind des anderen ist. Ich habe keine Beweise für meine Theorie, Sir, aber ich denke, eine solche Lösung entspricht der Lösung, die man von einer Maschine erwarten kann, zumal einer Maschine, die darauf programmiert war, die Menschen als Zellen eines Körpers zu verstehen, also ohne jedwede individuelle Bedeutung.« Lindstroms Stimme zitterte plötzlich. »Eine Nacht im Jahr total – entsetzlich! Ich kann eigentlich nur hoffen, daß ich mich geirrt habe, aber so was ist schon dagewesen.« »Das ist eine durchaus einleuchtende Theorie«, stellte Spock fest. »Gewöhnlich erwarte ich von Soziologen keine
zwingende Logik, aber nach dem, was ich über die Verhaltensmuster von Computern weiß, wenn sie zur Durchführung ihrer Direktiven unzureichende Daten erhalten haben, kann ich in Mr. Lindstroms Analyse keinen Fehler finden. Er sollte sich davon nicht bekümmern lassen, denn wenn sie stimmt – und ich bin überzeugt –, ist er genau der Richtige, um diese Zustände in Ordnung zu bringen.« »Danke, Mr. Spock«, sagte Lindstrom. »Captain, sind Sie auch der Meinung?« »Ja, das bin ich«, antwortete Kirk. »Ich habe typisch menschliche Bedenken, die Sie gewiß mit mir teilen. Alles, was ich im Augenblick sagen kann, ist, daß es erfolgversprechend aussieht. Viel Glück. Kirk Ende.« Kirk sah seinen Ersten Offizier lange schweigend an. Schließlich sagte er: »Wenn ich nicht wüßte, Mr. Spock, daß Sie über solche menschlichen Schwächen wie feierliche Gefühle erhaben sind, würde ich sagen, Sie machen ein feierliches Gesicht. Oder ist Ihnen doch feierlich zumute, Mr. Spock?« »Ich habe lediglich meditiert, Sir. Ich habe darüber nachgedacht, mit welcher Hartnäckigkeit sich die Menschheit immer wieder nach einer Welt gesehnt hat, die so friedlich und sicher ist wie die, die Landru geschaffen hat.« »Richtig, Mr. Spock. Und sehen Sie nur, was passiert, wenn wir sie tatsächlich kriegen. Es ist unser Glück und unser Fluch, daß wir wachsen müssen, ob es uns nun paßt oder nicht.« »Ich habe auch schon Menschen sagen hören, daß es für uns ein Vergnügen ist, Captain.« »Für uns ein Vergnügen, Mr. Spock?« Es kam keine Antwort, aber Kirk dachte sich, daß Spock so gut wie jeder andere wußte, daß Schweigen Zustimmung bedeutet.
Spocks Mission Weiße Strände… sonnengebräunte Frauen… klare Bergbäche, in denen die Forellen nur darauf warteten, gefangen zu werden… der Ritt auf der Brandungswelle, kurz ehe sie brach – vertraute Pflanzen – das alles bedeutete Landurlaub auf Sternbasis Sechs. Und die erschöpfte Mannschaft der Enterprise war auf dem Weg dorthin, befand sich kurz vor der Landung. Kirk stellte sich ein Frühstück im Freien mit geräucherten Forellen vor und drehte sich um, Sulu die letzten Landeanweisungen zu geben. Da rief Uhura: »Eine Meldung vom Stützpunkt, Sir. Starke Störungen. Ich habe nur das Wort ›Intrepid‹ verstanden und etwas, das wie eine Koordinatenmeldung klang.« »Versuchen Sie’s auf einer anderen Frequenz, Leutnant.« »Die Besatzung der Intrepid besteht doch ausschließlich aus Vulkaniern, nicht wahr, Jim?« bemerkte McCoy. »Ich glaube, ja.« Kirk drehte sich in seinem Sessel um. »Nicht wahr, Mr. Spock, auf der Intrepid gibt es eine rein vulkanische Besatzung? Wenn ich mich recht erinnere, war sie ein Geschenk an Ihr Volk für sein Geschick beim Aushandeln des Waffenstillstands mit der Romulanischen Föderation. Es war eine außergewöhnliche Auszeichnung.« Spock antwortete nicht. Er drehte sich nicht um. Aber er hatte sich in seinem Sessel aufgerichtet. Etwas an der Bewegung beunruhigte Kirk. Er stand auf und ging zu Spock hinüber. »Mr. Spock!« Spock blieb stumm und reglos. Kirk schüttelte ihn leicht an der Schulter. »Spock, was ist? Haben Sie Schmerzen?« »Die Intrepid ist tot. Ich habe eben ihren Tod gespürt.« Kirk sah McCoy an. Der schüttelte achselzuckend den Kopf.
»Mr. Spock, Sie sind müde«, sagte Kirk. »Lassen Sie sich von Chekov ablösen.« »Und die vierhundert Vulkanier auf dem Schiff sind ebenfalls tot«, sagte Spock. »Kommen Sie mit hinunter ins Lazarett, Spock«, schlug McCoy vor. »Ich bin nicht krank«, entgegnete Spock mit steinerner Miene. »Ich weiß, was ich fühle, Doktor.« »Gehen Sie ins Bordlazarett, Mr. Spock«, bestimmte Kirk. »Das ist ein Befehl.« »Jawohl, Captain.« Kirk sah ihnen nach, wie sie zum Aufzug gingen. Sie waren alle am Ende. Zu viele Missionen. Selbst Spocks unglaubliche Ausdauer hatte ihre Grenzen. Zu viele schwere Einsätze – und selbst die vulkanische Logik konnte zur krankhaften Phantasterei werden. Es war höchste Zeit für einen Landurlaub. »Captain, ich habe jetzt Sternbasis Sechs«, meldete Uhura. Kirk ließ sich in seinen Sessel fallen und drückte einen Knopf. »Hier Kirk. Schießen Sie los.« »Die letzte gemeldete Position des Sternenschiffs Intrepid«, kam es aus dem Lautsprecher, »war Sektor drei neun J. Nehmen Sie unverzüglich Kurs dorthin auf.« Kirk fuhr sich mit einer Hand über das Kinn, ehe er zu seinem Mikrofon griff. »Die Enterprise hat soeben den letzten mehrerer schwieriger Einsätze abgeschlossen. Die Besatzung ist am Ende ihrer Kräfte. Wir sind auf dem Weg in den Urlaub. Es muß doch noch ein anderes Sternenschiff in diesem Sektor geben.« »Nein. Es handelt sich um eine Rettungsmission höchster Priorität. Wir haben jeden Kontakt mit Sonnensystem Gamma Sieben A verloren. Die Intrepid sollte Nachforschungen
anstellen. Jetzt ist auch zu ihr die Verbindung abgerissen. Melden Sie weitere Entwicklung.« »Auftrag bestätigt«, sagte Kirk. »Kirk Ende.« Sulu sah ihn fragend an. »Sie haben die Anweisung gehört, Mr. Sulu«, fuhr Kirk ihn an. »Kurs auf Gamma Sieben A.« Von seiner Konsole her sagte Chekov in ungläubigem Ton: »Sonnensystem Gamma Sieben A ist tot, Captain. Meine Fernsondierung zeigt es an.« »Tot? Was reden Sie da, Mr. Chekov? Das ist ein Stern vierter Größenordnung. Sein System beherbergt Milliarden von Lebewesen. Überprüfen Sie Ihre Werte.« »Das habe ich getan, Sir. Gamma Sieben A ist tot.« Im Bordlazarett sagte Spock: »Ich versichere Ihnen, Doktor, ich bin nicht krank. Der Schmerz war nur vorübergehender Natur.« McCoy überprüfte seufzend die letzte diagnostische Messung. »Meine Instrumente geben Ihnen recht – jedenfalls, soweit sie der verrückten vulkanischen Anatomie gewachsen sind. Wieso sind Sie sich übrigens so sicher, daß die Intrepid vernichtet wurde?« »Ich habe gespürt, wie sie starb«, antwortete Spock tonlos. »Ich habe immer gedacht, Sie müßten mit dem anderen in physischem Kontakt sein, um zu spüren – « »Dr. McCoy, selbst ich, ein Halb-Vulkanier, kann die Todesschreie von vierhundert Vulkaniern wahrnehmen, die in den Raum hinausschallen.« McCoy schüttelte den Kopf. »Das geht über meinen Horizont.« Spock zog sich sein Hemd wieder an. »Mir ist dieser Mangel an Sensibilität bei den Menschen schon aufgefallen. Sie spüren
eher den Tod eines einzigen Mitmenschen als den von Millionen.« »Daß wir den Tod des Nächsten betrauern, hm, Spock? Das würden Sie wohl von uns wünschen?« »Ihre Geschichte wäre dann vielleicht etwas weniger blutig ausgefallen.« Das Intercom meldete sich. »Hier Kirk. Pille, wie geht es Spock? Wenn er gesund ist, ich brauche ihn auf der Brücke.« »Ich komme, Captain.« Kirk erwartete ihn am Aufzug. »Sie könnten recht haben. Der Kontakt mit der Intrepid ist abgebrochen. Das gleiche gilt für ein ganzes Sonnensystem. Unsere Taster zeigen an, daß Gamma Sieben A tot ist.« »Das sind ja bedeutsame Neuigkeiten.« Spock eilte an seinen Platz, und Kirk fragte Uhura: »Etwas Neues von der Sternenflotte?« »Ich kann die Störungen nicht herausfiltern. Sie werden immer schlimmer, Sir.« An Sulus Schalttafel blinkte ein rotes Licht. »Captain, die Schutzschilde sind eben automatisch in die Höhe gegangen.« »Geschwindigkeit auf Sol 3 drosseln.« Kirk ging zu Spock. Der Vulkanier, der über seinen Computer gebeugt saß, richtete sich auf. »Anzeichen von Energieturbulenzen voraus, Sir. Im Moment nicht zu analysieren. Ich habe solche Werte noch nie erlebt.« Die verborgene Dramatik in den Worten war für Spock so uncharakteristisch, daß Kirk sich augenblicklich dem Hauptbildschirm zuwandte. »Vergrößerungsfaktor drei auf Schirm«, befahl er. Sterne überall – das übliche Bild. »Sektor absuchen.« Das Sternenmeer zeigte sich lediglich aus einer anderen Perspektive. »Was suchen wir denn eigentlich, Captain?« fragte Sulu.
»Das da, würde ich sagen«, bemerkte Spock und wies auf einen schwarzen, fast kreisförmigen Schatten, der sich auf dem Bildschirm zeigte. »Eine interstellare Staubwolke«, meinte Chekov. Kirk schüttelte den Kopf. »Die Sterne sind verschwunden. Durch eine Staubwolke wären sie noch zu sehen, Mr. Chekov. Was sagen Sie dazu, Mr. Spock?« »Ich bin noch immer nicht zu einer Analyse imstande, Captain. Die Sensoren speisen den Computern jetzt Daten ein. Aber, was immer auch das für eine Dunkelzone sein mag, meinen Berechnungen zufolge liegt sie direkt auf dem Kurs, der sie mit der Intrepid und System Gamma Sieben A in Berührung gebracht haben kann.« »Wollen Sie damit sagen, daß sie den Untergang des Schiffs und des Sonnensystems verursacht hat, Mr. Spock?« »Möglich wäre es, Captain.« Kirk überlegte einen Augenblick, dann nickte er. »Halten Sie den gegenwärtigen Kurs, aber gehen Sie auf Sol eins herunter«, sagte er zu Sulu. »Mr. Chekov, bereiten Sie den Abschuß einer Telemetrie-Sonde in diese Zone vor.« »Jawohl, Sir.« Chekov nahm die nötigen Einstellungen auf seinem Schaltpult vor. »Sonde in Bereitschaft. Schalte Datenfluß auf Bibliothekscomputer.« »Sonde abschießen«, befahl Kirk. »Sonde abgeschossen.« Ein ohrenbetäubender Knall heftiger statischer Störungen dröhnte aus den Kommunikationsgeräten. Der Lärm schwoll zu einem Donnern von solcher Gewalt an, daß er beinahe körperlich spürbar war – wie ein Schlag von Riesenhand. Dann hörte er so plötzlich, wie er begonnen hatte, auf. Uhura hielt sich ganz benommen an ihrem Sessel fest. »Auf welcher Frequenz kam das denn herein?« fragte Kirk.
Es kostete sie sichtliche Anstrengung, ihm zu antworten. »Telemetrie – Sondenfrequenz, Sir. Jetzt kommt – überhaupt kein Signal mehr…« »Mr. Spock, Ihre Vermutungen?« »Ich habe keine, Captain.« Uhura brach plötzlich über ihrer Konsole zusammen. Mit einem Sprung war Spock bei ihr. »Leutnant?« Er legte ihr den Arm um die Schulter und hielt sie. »Mir ist schwindlig«, flüsterte sie. »Ich – es ist gleich – gleich wieder vorbei.« Aus dem Intercom kam McCoys Stimme. »Jim, bestimmt die Hälfte aller Frauen auf dem Schiff ist ohnmächtig geworden. Meldungen von allen Decks.« Kirk warf einen Blick auf Uhura. »Vielleicht solltest du mal nach Leutnant Uhura sehen. Sie kommt gerade wieder zu sich.« »Wenn’s jetzt vorbei ist, dann laß sie lieber oben. Ich habe hier unten mehr als genug zu tun.« »Was fehlt ihnen denn?« »Nichts Organisches. Nur Schwäche, Nervosität.« »Kannst du was dagegen tun?« »Ich kann ihnen Aufputschmittel geben, um sie auf den Beinen zu halten.« Eine erschöpfte Besatzung – und jetzt das. Kirk sah auf den Bildschirm. Nichts Erfreuliches. Der schwarze Schatten bedeckte jetzt beinahe den ganzen Schirm. »Sie halten hier die Stellung, Mr. Sulu.« Er stand aus seinem Sessel auf – und wurde von einem Schwindelanfall gepackt. Er überwand ihn jedoch rasch. »Mr. Spock, ich möchte nähere Informationen über diesen Schatten auf unserem Kurs.« »Keine Analyse, Sir. Unzureichende Informationen.«
Kirk schlug mit der flachen Hand auf die Computerkonsole. »Mr. Spock, ich habe Sie jetzt dreimal um Daten über dieses Ding gebeten, und jedesmal sagen Sie mir unzureichende Informationen. Damit kann ich mich nicht zufriedengeben. Es ist Ihre Aufgabe, ausreichende Informationen zu beschaffen, und zwar jederzeit.« »Das weiß ich, Sir. Aber die Datenbanken enthalten nichts über dieses Phänomen. Wir besitzen keinerlei Erfahrungswerte.« Kirk schämte sich seiner eigenen Ungeduld. Selbstverständlich konnte Spock keine Daten hervorzaubern, die nicht vorhanden waren. »Verzeihen Sie, Mr. Spock. Ich hab’ das Gefühl, daß sich auf dem ganzen Schiff eine Infektion ausbreitet. Gehen wir den umgekehrten Weg. Wenn Sie mir nicht sagen können, was dieses dunkle Feld ist, dann sagen Sie mir, was es nicht ist.« »Es ist weder gasförmig noch flüssig oder fest, auch wenn wir nicht durch es hindurchsehen können. Es ist kein galaktischer Nebel. Da es unsere Schutzschilde aktiviert hat, scheint es aus einer Form von Energie zu bestehen, die jedoch von den Sensoren nicht identifiziert werden kann.« »Und Sie sagten, es sei möglich, daß es die Intrepid und dieses Sonnensystem vernichtet hat?« »Ja, Captain.« Kirk wandte sich an Uhura. »Leutnant, teilen Sie der Sternenflotte unsere Position und Situation mit. Übermitteln Sie alle entsprechenden Informationen aus den Datenbanken.« Er machte eine kurze Pause. »Teilen Sie mit, daß wir beabsichtigen, diese Dunkelzone näher zu erforschen, um genauere Informationen zu erhalten.« »Ja, Sir.« Als er zu seinem Sessel zurückging, packte ihn ein neuer Schwindelanfall. Spock machte einen schnellen Schritt auf ihn
zu, und einen Augenblick lang hielt er sich am kräftigen Arm des Vulkaniers fest. »Danke, Mr. Spock«, sagte er dann. »Es geht schon wieder.« Er erreichte seinen Sessel. »Entfernung zu der Dunkelzone, Mr. Sulu?« »Einhunderttausend Kilometer.« »Langsam voraus, Mr. Sulu. Impulsenergie.« In seinem Kopf drehte sich immer noch alles. »Entfernung jetzt, Mr. Sulu?« »Wir dringen in einer Minute sieben Sekunden in die Zone ein, Sir.« »Mr. Chekov, Alarmstufe Rot. Phaserbatterien Feuerbereitschaft herstellen. Volle Energie auf die Schutzschilde.« »Phaser feuerbereit – Schutzschilde volle Energie, Sir.« Ein Geräusch wurde wahrnehmbar, langsam und gedämpft zunächst. Es kam nicht von der Kommunikationszentrale. Es kam von überall her, und es wurde lauter, kräftiger, bis die anschwellenden Stoß wellen alles durchdrangen. Ihr donnernder Widerhall schüttelte die Metallwände des Maschinendecks, und Scott stürzte zu seinen Maschinen, um sie zu überprüfen. Entsetzt über den Stand der Meßgeräte, rannte er zu seinen Energieumwandlern, um nachzusehen, ob dort noch alles in Ordnung war. Dann ließ das alles erschütternde Getöse zum Glück nach. Oben auf der Brücke rief Sulu, die Hände immer noch auf die Ohren gepreßt: »Captain – der Bildschirm!« Auf dem Schirm war nur totale Schwärze zu sehen. »Technische Panne, Mr. Spock?« »Nein, Captain. Alle Systeme arbeiten einwandfrei.« Kirk schüttelte den Kopf, um das Gefühl von Schwäche und Verwirrung loszuwerden. Um ihn herum klammerten sich seine Leute immer noch an Konsolen und anderen fix verankerten Einrichtungsgegenständen fest. Kirk drückte auf
den Knopf des Intercoms. »Pille, sieht es bei dir unten besser aus?« »Schlimmer denn je. Sie stehen bis in den Gang.« »Hast du was, das uns hier oben helfen kann? Ich möchte nicht, daß im kritischen Moment einer meiner Leute auf der Brücke zusammenklappt.« »Ich komme sofort. McCoy Ende.« Kirk drückte wieder auf den Knopf des Intercom. »Kirk an Maschinendeck. Wir haben Energieabfall hier, Mr. Scott. Was ist los?« »Wir haben fünf Prozent unserer Energiereserven verloren. Die Schutzschilde sind geschwächt worden.« »Können Sie das kompensieren, Scotty?« »Ja, wenn wir nicht noch mehr verlieren. Fragen Sie mich nur nicht, wie es dazu kam.« »Genau das will ich aber wissen«, entgegnete Kirk scharf. »Ich brauche Fakten.« McCoys Antwort bestand aus einer Injektionspistole. Er kam mit einer Schwester auf die Brücke. Während er Kirk die Dosis verabreichte, sagte er: »Es ist ein Aufputschmittel, Jim.« »Wie schlimm ist es wirklich, Pille?« fragte Kirk, als McCoy die Injektionspistole für Sulu fertig machte. »Zwei Drittel des Personals sind in Mitleidenschaft gezogen.« »Das ist ein Krankenschiff. Mir scheint, die Probleme kommen rascher auf uns zu, als wir sie lösen können, Pille. Es ist, als wären wir von einer schleichenden Paralyse befallen.« »Vielleicht ist es wirklich so«, meinte McCoy und machte mit seiner Injektionspistole die Runde. Kirk stand auf und ging zur Computerstation hinüber. »Mr. Spock, haben Sie eine Analyse von diesem durchdringenden Geräuschausbruch – bei dem wir so viel Energie verloren haben?«
Spock nickte. »Das Geräusch ist auf die Turbulenzen zurückzuführen, die wir beim Durchdringen einer Grenzschicht auslösten.« »Was für einer Grenzschicht?« »Das weiß ich nicht, Captain.« »Eine Grenzschicht zwischen welchen Medien?« »Ich habe immer noch keine genauen Daten, Sir«, antwortete er, »aber wir scheinen in eine Energiezone eingedrungen zu sein, die sich mit lebendigen und mechanischen Prozessen nicht verträgt. Je weiter wir vordringen, desto stärker wird die Kraft dieser Energiequelle werden – und desto schwächer werden wir werden.« »Ihre Empfehlungen?« McCoy sagte: »Ich empfehle das Überleben, Jim. Machen wir, daß wir hier wegkommen.« Damit drehte er sich um und ging von der Schwester gefolgt zum Aufzug. Kirk sah in die fragenden Gesichter rundum. Und die Sternbasis wollte Fortschritte sehen! In welche Richtung? Das Schicksal der Intrepid… der Milliarden Lebewesen, die einst das System Gamma Sieben A bewohnt hatten? Bürokraten, die in ihren bequemen Sesseln allen Problemen auswichen. Er ging langsam zu seinem unbequemen Sessel zurück und drückte den Knopf des Intercom. »Hier spricht der Captain«, sagte er. »Wir sind in ein Gebiet eingedrungen, mit dem wir nicht vertraut sind. Ich weiß, daß wir alle urlaubsreif sind und zudem in den letzten Minuten einen beträchtlichen Schock erlitten haben. Aber wir haben Aufputschmittel erhalten. Unsere Schutzschilde halten. Wir haben ein gutes Schiff. Und wir kennen unseren Auftrag. Darum – an die Arbeit. Kirk Ende.« Sein eigenes Intercom gab Signal. »Bordlazarett an Captain.« »Kirk. Was gibt’s, Pille?«
McCoy warf einen kurzen Blick auf den halb bewußtlosen Bootsmaat auf seinem Untersuchungstisch. Dann sagte er: »Jim, es trifft einen nach dem anderen – die Lebensenergie – meine Geräte – « »Sprich es aus, Pille«, sagte Kirk ruhig. »Wir sterben«, sagte McCoy. »Meine Kontrollgeräte zeigen, daß wir alle, jeder einzelne von uns, langsam sterben.« Der Schweiß der eigenen Schwäche brach Kirk aus allen Poren. Er spürte, wie er ihm kalt die Brust hinunterlief. Doch die Prüfungen der Enterprise hatten gerade erst begonnen. Kirk war gerade im Maschinenraum, als ihn ein plötzlicher Bocksprung des Schiffes gegen einen Dynamo schleuderte. »Was war das, Mr. Scott?« »Ein Versehen, Sir. Wir haben Rückschub geschaltet.« »Rückschub? Das war doch ein Ruck nach vorne! Wie kann der beim Rückschub entstehen?« »Ich weiß es nicht, Sir. Ich weiß nur, daß unsere Energiereserven ständig sinken. Wir haben jetzt schon zwölf Prozent verloren. So was hab’ ich noch nie erlebt.« Spock meldete sich am Intercom. »Captain, wir beschleunigen. Die Dunkelzone zieht uns zu sich heran.« »Sie zieht uns an? Wie denn, Mr. Spock?« »Ich weiß es nicht. Aber ich schlage vor, daß Mr. Scott auf Rückschubkraft schaltet.« »Mr. Spock, er hat soeben auf Rückschub geschaltet.« »Dann drehe ich meinen Vorschlag um, Sir. Sagen Sie ihm, er soll Kraft voraus fahren.« »Mr. Scott, Sie haben es gehört. Versuchen wir es.« Scott schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Sir. Es widerspricht sämtlichen Regeln der Logik.« »Die Logik ist Mr. Spocks Spezialität.«
»Ja, Sir, aber – « »Schalten Sie langsam und vorsichtig auf Kraft voraus, Mr. Scott.« Scott gehorchte, den Blick besorgt auf seine Instrumente gerichtet. Dann atmete er auf. »Es hat geklappt, Captain. Die Geschwindigkeit ist gesunken. Aber die Vorwärtsbewegung ist nicht gestoppt. Wir werden immer noch angezogen.« »Setzen Sie weiterhin den Vorwärtsschub gegen die Zugkraft ein. Lassen Sie die Instrumente von einem Ihrer Leute überwachen.« Auch im Bordlazarett wurden die Instrumente überwacht. Schwester Chapel, die die Lebensfunktionsgeräte beobachtete, rief: »Doktor, sie zeigen einen weiteren starken Abfall an.« McCoy sah selbst nach. »Aufputschmittel«, brummte er. »Ich frage mich, wie lange wir so weitermachen können.« Während er noch an den Geräten war, kam Kirks Stimme über das Intercom. »Hier spricht der Captain. Alle Abteilungsleiter finden sich in zehn Minuten im Besprechungsraum ein und bringen alle bisher gesammelten Informationen über die Dunkelzone mit, in der wir uns gegenwärtig befinden.« McCoy brachte seine düstere Stimmung mit. Er knallte einige Magnetbänder auf den Tisch und sagte: »Mein einziger Beitrag ist folgender: Je weiter wir in die Dunkelzone vorstoßen, desto schwächer werden unsere Lebensfunktionen. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist.« Er schwankte, als er sich einen Sessel heranzog. »Pille!« Mit einer Handbewegung wehrte er ab. »Es ist nichts. Nur ein bißchen viel Arbeit.« »Wir verlieren weiterhin Energie«, berichtete Scott. »Und wir werden immer noch angezogen.«
»Mr. Spock?« sagte Kirk. »Ich vermute, daß etwas innerhalb der Zone sowohl biologische als auch mechanische Energie absorbiert. Es scheint mir das gleiche Ding zu sein, das einem ganzen Sonnensystem die Energie entzogen hat – und dem Sternenschiff Intrepid.« »Ein Ding, Mr. Spock? Nicht die Zone selbst?« »Ich würde sagen, nein, Captain. Eine Analyse der Zone läßt darauf schließen, daß es sich um ein negatives Energiefeld handelt, so unlogisch das klingen mag. Aber die Zone ist nicht die Ursache für den Energieverlust.« »Eine Abschirmung dann«, meinte Kirk. »Eine äußere Schutzschicht für etwas anderes.« »Aber was?« fragte Scott. »Ganz gleich, was es ist, es saugt uns das Leben aus den Knochen«, knurrte McCoy. »Wir werden schon herausfinden, was es ist«, sagte Kirk. »Aber zuerst müssen wir sehen, daß wir selbst hier herauskommen.« Er beugte sich über den Tisch. »Mr. Scott, Vorwärtsschub hat zuvor unsere Vorwärtsbewegung gebremst. Wenn Sie alle Sol- und Impulsenergie zu einem gewaltigen Vorwärtsschub konzentrieren, schleudert uns das vielleicht aus der Zone heraus.« Scotts Gesicht hellte sich auf. »Gut, Captain. Ich behalte genug für die Schutzschilde auf Lager, falls wir es nicht schaffen sollten.« Spocks Stimme war so ausdruckslos wie sein Gesicht. »Ich denke, Mr. Scott, wenn wir nicht herauskommen, werden die Schutzschilde lediglich unser Warten auf den Tod nur verlängern.« Kirk betrachtete ihn bedrückt. »Ja. Setzen Sie die gesamte Energie für diesen Ausbruchsversuch ein, Mr. Scott. Und jetzt
gehen Sie alle auf Ihre Stationen zurück und setzen Sie Ihre Nachforschungen fort.« Als sie gingen, blieb er sitzen, den Kopf in die Hände gestützt. An der Tür blieb Spock stehen, kehrte dann um und kam an den Tisch. Kirk sah zu ihm auf. »Auf der Intrepid hat man zweifellos die gleichen Maßnahmen ergriffen, Captain«, sagte Spock. »Dennoch wurde das Schiff vernichtet.« Kirk trommelte auf den Tisch. »Vielleicht haben sie doch nicht alles genauso gemacht. Sie sagten uns ja selbst, was für eine unlogische Situation das ist.« »Stimmt, Sir. Und es stimmt auch, daß sie nicht herausgefunden haben, was sie umgebracht hat.« »Woher wollen Sie das wissen?« »Soweit das Kollektivgedächtnis der Vulkanier zurückreicht, ist Vulkan niemals erobert worden. Es reicht so weit zurück, daß kein Vulkanier sich eine Eroberung überhaupt vorstellen kann. Ich weiß, daß das Schiff vernichtet wurde, weil ich seinen Tod gespürt habe.« »Was genau haben Sie gespürt, Mr. Spock?« »Erstaunen. Tiefstes Erstaunen.« Kirk stand auf. »Gehen wir auf die Brücke zurück, mein vulkanischer Freund.« Der Maschinenraum war am Intercom, als sie aus dem Lift traten. Kirk eilte zu seinem Sessel. »Hier Kirk, Scotty.« »Es ist alles bereit, Sir. Ich kann den Versuch jederzeit starten.« »Wir haben soviel Energie, daß es reicht?« »Ich hoffe es, Captain«, antwortete Scotty bedrückt. »Gut, halten Sie sich bereit, Scotty.« Er drückte auf einen Knopf. »An alle. Hier spricht der Captain. Eine unbekannte Kraft zieht uns immer tiefer in diese Dunkelzone. Wir werden jetzt alle verfügbare Energie in einen gewaltigen
Vorwärtsschub stecken, in der Hoffnung, daß uns das aus der Zone herausschleudern wird. Machen Sie sich also auf einen Riesenruck gefaßt.« Er schaltete wieder zum Maschinenraum. »Fertig, Mr. Scott. Versuchen wir’s. Jetzt!« Sie waren auf die Erschütterung vorbereitet. Und sie war gewaltig. Aber nicht vorbereitet waren sie auf die plötzliche, rasende Beschleunigung, die der Erschütterung folgte. Scott und einer seiner Leute stürzten krachend an die Wand. McCoy und Christine Chapel flogen durch zwei Abteilungen des Bordlazaretts. Auf der Brücke flog eine afrikanische Pflanze, die Uhura gehegt und gepflegt hatte, durch die Luft und knallte gegen die Aufzugtür. Menschen wurden über die Rücklehnen ihrer Sessel geschleudert. Und noch einmal kam ein solcher Bocksprung rasender Beschleunigung. Das Schiff bäumte sich auf wie ein scheuendes Pferd. Metall knirschte. Lichter erloschen. Endlich, endlich wurde die Enterprise wieder ruhig. Vom Boden aus sah Kirk zum Bildschirm. Fehlschlag. Er zeigte immer noch sternenlose Schwärze. Keuchend, mit schmerzenden Gliedern rappelte sich Kirk hoch und setzte sich in seinen Sessel. Die Frage mußte gestellt werden, und er stellte sie. »Mr. Scott, verlieren wir immer noch Energie?« »Aye, Sir. Wir haben uns nur ein kleines Stück entfernt. Jetzt können wir höchstens noch den Antrieb gegen die Zugkräfte arbeiten lassen, um wenigstens die Distanz aufrechtzuerhalten.« »Wie lange wird unsere Energie noch reichen?« »Bei der gegenwärtigen Verlustrate und der zusätzlichen Beanspruchung durch unsere Systeme – zwei Stunden, Captain.«
Als Kirk aufsprang, überschwemmte ihn eine neuerliche Welle von Schwäche. Der Anfall verging, und er ging zur Computerstation hinüber. »Wir versuchen jetzt, unsere Entfernung zu halten, Mr. Spock. Haben Sie inzwischen feststellen können, wovon wir eigentlich Abstand halten?« Spock hielt die Augen auf seinen eigenen Bildschirm gerichtet. »Ich weiß immer noch nicht, was das für ein Ding ist, Captain. Aber es scheint uns gefunden zu haben.« Kirk drehte sich nach dem Hauptbildschirm um. Inmitten der Schwärze war etwas Helles sichtbar geworden – ein helles, pulsierendes, längliches Objekt. »Mr. Chekov«, sagte Kirk, das Ding unverwandt betrachtend, »bereiten Sie den Abschuß einer Sonde vor.« Über seinen Computer gebeugt, sagte Spock: »Die Daten sind sehr verwirrend, Captain – aber dieses Objekt ist zweifelsfrei die Ursache für unseren Energieverlust.« »Mr. Chekov, schießen Sie die Sonde ab«, befahl Kirk. »Sonde abgeschossen, Sir. Aufprall in sieben Komma drei Sekunden.« Unaufgefordert begann Sulu den Countdown. »Sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins – jetzt!« Das Schiff erzitterte. Lichter blinkten. Aber das war alles. »Mr. Chekov, haben wir noch Verbindung mit der Sonde?« »Ja, Sir. Daten werden an Mr. Spock übermittelt.« »Mr. Spock?« »Die Werte kommen jetzt herein, Captain. Länge, ungefähr elftausend Meilen. Breite variierend zwischen zwei- und dreitausend Meilen. Äußere Schicht von Raumtrümmern und anderem Müll bedeckt. Das Innere besteht aus Protoplasma, das in seiner Dichte zwischen einer festeren, gelatineartigen Masse und einer halbflüssigen zentralen Masse variiert.« Er hob den Kopf. »Zustandsform – lebend.«
Alle auf der Brücke waren wie vom Donner gerührt. »Lebend«, wiederholte Kirk leise und fügte mit betont ruhiger Stimme hinzu: »Vergrößerungsfaktor vier, Mr. Sulu. Auf dem Hauptschirm.« Er hatte etwas Grauenvolles erwartet – und er bekam es zu sehen. Der Bildschirm zeigte ein Geschöpf, das aussah wie der wahrgewordene Alptraum eines Kindes, das mit dem Labormikroskop gespielt hat – ein monströses amöbenähnliches Urtier mit einem gigantischen pulsierenden Zellkern und gelatineartiger, gekörnter Haut. Angeekelt schloß Kirk die Augen. Aber er konnte das Bild des Monstrums nicht aus seinem Gedächtnis verbannen. Im Labor des Bordlazaretts führte McCoy einen Film über Einzeller vor. Ein Geiseltierchen huschte über den kleinen Bildschirm. Dann sagte McCoy: »Da ist eine Amöbe.« Wenn Leben aus Bewegung und Nahrungsverwertung bestand, dann war dieses Wesen lebendig, ein mikroskopisch kleiner Bewohner stehender Wasser. Während Kirk hinsah, streckte das Urtier nach Futter suchend einen Pseudopod aus. Für Kirk hatte das Verhalten dieses Urtiers etwas so blind Gieriges, daß ihn erneut der Ekel überkam. »Ich habe diese Tiere schon öfter gesehen«, bemerkte er. »Auch so, auf Film, mikroskopisch vergrößert. Aber das Ding da draußen ist elftausend Meilen lang! Ein so riesiges Wesen soll ein Einzeller sein?« »Ja, Jim, es ist zwar riesengroß, aber es verkörpert eine äußerst primitive Lebensform. Immerhin kann es alle Funktionen ausführen, die es als Lebewesen qualifizieren. Es kann sich fortpflanzen, kann Sinnesreize empfangen und auf sie reagieren, und es kann Nahrung aufnehmen, wobei ich allerdings keine Ahnung habe, wovon es sich ernährt.«
»Von Energie«, sagte Spock. »Von Energie, die es uns abzapft. Ich würde nicht ausschließen, daß dieses unbekannte Lebewesen wie eine Infektion in die Galaxis vordringt.« »Mr. Spock, die Intrepid starb an dieser Infektion. Wieso haben wir so lange überlebt?« »Die Intrepid muß auf es gestoßen sein, als es hungrig war, als es ihm an Energie mangelte. Wir sind nicht in Sicherheit, Captain. Wir haben lediglich ein wenig mehr Zeit als vor uns die Intrepid.« »Pille, produziert das Wesen diese Dunkelzone selbst, zu seinem eigenen Schutz?« »Das können wir jetzt noch nicht sagen, Jim. Das müssen wir erst genauer untersuchen.« »Aber je näher wir an es herankommen, desto schneller verschlingt es unsere Energie. Selbst bei der gegenwärtigen Distanz bleiben wir nur mit Mühe und Not am Leben.« McCoy schaltete seinen Bildschirm aus. »Wir könnten es mit dem Shuttle versuchen. Mit besonderer Abschirmung könnte es – « »Ich schicke keinen meiner Leute in die Nähe dieses Dings. Unbemannte Sonden werden uns die Informationen liefern, die wir brauchen, um es zu vernichten.« »Da muß ich Ihnen widersprechen, Captain«, warf Spock ein. »Wir haben bereits Sonden auf es abgeschossen. Sie haben uns zwar einige Daten geliefert, aber nicht die, die wir wirklich brauchen. Wir befinden uns nicht in einer Position, in der wir es uns leisten können, Energie mit Schüssen ins Dunkle zu verschwenden. Wir brauchen ein festes Ziel.« »Es könnte doch ein Mann reinfliegen«, meinte McCoy, »und seine Schwachstellen herausfinden.« »Und was für eine Chance hat er, heil zurückzukommen?« rief Kirk. »Nein, ich kann niemandem befehlen, ein solches Risiko auf sich zu nehmen.«
»Wer spricht denn vom Befehlen?« fragte McCoy. »Du hast schon einen Freiwilligen, Jim, mein Junge. Ich habe die Vorarbeiten bereits geleistet.« »Pille, das ist ein Todeskommando.« »Doktor, dieses Wesen hat Reflexe. Die Sonde verursachte ihm Schmerzen, als sie eindrang. Wir haben die Reaktion alle zu spüren bekommen.« »Schon richtig, Spock«, versetzte McCoy. »Dann werde ich eben schön langsam machen, wenn ich die Schutzschicht durchdringe.« Spock musterte ihn. »An Ihnen ist ein Märtyrer verlorengegangen, Doktor. Das macht Sie für eine Mission dieser Art ungeeignet.« »Märtyrer?« rief McCoy empört. »Ja, glauben Sie denn, ich werde diese Chance vorübergehen lassen, in das größte lebende Labor hineinzukommen?« »Auf der Intrepid waren auch Ärzte und Psychologen, Doktor. Sie sind alle gestorben.« »Die Tatsache, daß die Vulkanier gescheitert sind, besagt noch lange nicht, daß auch Menschen scheitern müssen!« Kirk schlug mit der Faust auf den Tisch. »Würdet ihr beide so freundlich sein, endlich den Mund zu halten? Ich habe klar und deutlich gesagt, wie ich über ein solches Unternehmen denke. Ich akzeptiere keine Freiwilligen.« »Willst du’s vielleicht selber versuchen?« schrie McCoy. »Ich habe das Kommando hier«, entgegnete Kirk. »Und als Kommandant bin ich die qualifizierte Person. Und jetzt Schluß damit.« »Sie haben sich soeben selbst disqualifiziert, Captain«, widersprach Spock. »Als Kommandant sind Sie hier unentbehrlich. Außerdem sind Sie kein Wissenschaftler wie ich.« McCoy funkelte Spock wütend an.
»Jim, in diesem Organismus spielen sich chemische Prozesse ab, wie wir sie noch nie gesehen haben und – hoffentlich – nie wieder sehen werden. Wir könnten an einem einzigen Tag mehr lernen als – « »Wir haben keinen Tag Zeit«, unterbrach Kirk. »Wir haben genau eine Stunde und fünfunddreißig Minuten. Dann sind unsere Energievorräte erschöpft.« »Jim – « »Captain – « Zornig fuhr Kirk sie beide an. »Ich werde darüber entscheiden, wer am besten geeignet ist, diese Mission erfolgreich durchzuführen. Wenn ich meine Entscheidung als Kommandant getroffen habe, meine Herren, werde ich Sie informieren.« Er machte auf dem Absatz kehrt und ging rasch hinaus. Die Einsamkeit in seiner Kabine tat ihm gut. Er schloß die Tür hinter sich, machte seinen Gürtel auf und streckte sich auf seinem Bett aus. Entspann dich. Laß die Ruhe Zentimeter um Zentimeter von den Füßen zum schmerzenden Kopf hinaufströmen. Entspann dich! Wenn du dich entspannen kannst, kommen die Lösungen manchmal ganz von allein aus einer Quelle der Weisheit, die sich mit Gewalt nicht anzapfen läßt. Es war wahr. Er war unentbehrlich. Das zu leugnen, wäre falsche Bescheidenheit gewesen. Was Pille anging, so verfügte er tatsächlich als Arzt und Biologe über alle Voraussetzungen zur Durchführung einer solchen Mission. Aber Spock, der geborene Athlet, der Fitneß-Fanatiker, der Vulkanier mit dem logischen Verstand, der Wissenschaftsoffizier war sowohl in körperlicher als auch in emotionaler Hinsicht besser geeignet, die starken Strapazen einer solchen Mission durchzustehen. Doch wer konnte wissen, welche unschätzbaren Entdeckungen Pille vielleicht machen würde, wenn man ihm die Chance dazu
gab? Er – Kirk – mußte die Entscheidung treffen, Einer seiner Freunde wurde wahrscheinlich in den Tod geschickt. Aber welcher von beiden? Einmal holte er tief Atem. Dann griff er zum Intercom über seinem Kopf und drückte den Knopf. »Hier spricht der Captain. Dr. McCoy und Mr. Spock, kommen Sie bitte sofort in meine Kabine. Kirk Ende.« Das Piepssignal kam, als er sich aufsetzte. »Maschinenraum an Captain.« »Ja, Scotty?« »Sie wollten über die Energieverluste auf dem laufenden gehalten werden, Sir. Auf fünfzig Prozent abgesunken. Und es fließt weiterhin Energie ab. Wir können noch eine Stunde und fünfzehn Minuten durchhalten, Sir.« »Gut, Scotty.« Er strich mit einer Hand über die dünne Bettdecke, starrte die Hand an, als wäre sie ihm fremd und sagte: »Machen Sie das Shuttle zum Abschuß bereit.« »Wie bitte, Sir?« »Sie haben gehört, was ich gesagt habe, Scotty. Dr. McCoy wird Ihnen gleich sagen, was an Sonderausrüstung gebraucht wird. Kirk Ende.« Es klopfte. Er stand auf und öffnete die Tür. Sie standen beide da, die gegenseitige Abneigung zwischen ihnen war deutlich spürbar. »Kommen Sie herein, meine Herren.« Ihm war nicht danach zumute, die Sache spannend zu machen. »Tut mir leid, Mr. Spock«, sagte er bedrückt. McCoy warf Spock einen triumphierenden Blick zu. »Gut gemacht, Jim«, sagte er. »Ich hole nur noch die paar Sachen, die ich brauche und – « »Nicht du, Pille«, unterbrach ihn Kirk. Er wandte sich an Spock. »Es tut mir leid, Spock. Aber Sie sind derjenige, der für die Mission am besten qualifiziert ist.«
Spock nickte kurz. Er sagte kein Wort, als er an dem völlig niedergeschmetterten McCoy vorbeiging. Die Tür des Hangaraufzugs öffnete sich. Spock ließ McCoy vorausgehen. »Leiden Sie doch nicht so, Doktor«, sagte er. »Berufliche Qualifikationen sind wertvoll. Aber überlegene Widerstandskräfte unter Streßbedingungen haben sich gelegentlich als noch wertvoller erwiesen.« »Es ist überhaupt noch nichts erwiesen.« Es kostete McCoy Anstrengung, sich zu beherrschen. »Mein DNA-CodeAnalysator kann Ihnen die Grundstruktur des Organismus liefern. Sie brauchen Meßwerte auf drei Lichtwellenlängen vom Enzymmeßgerät.« »Ich bin mit den Geräten vertraut, Doktor. Die Zeit ist knapp. Das Shuttle ist startklar.« »Ich soll daran wohl überhaupt keinen Anteil haben, wie, Spock?« »Das ist kein Wettkampf, Doktor. Seien Sie so freundlich und lassen Sie mir meine eigene Art von Würde.« »Die Würde der Vulkanier? Wie soll ich Ihnen etwas lassen, was ich nicht verstehe?« »Dann halten Sie sich an Ihren menschlichen Aberglauben. Wünschen Sie mir Glück, Dr. McCoy.« McCoy sah ihn verdutzt an. Ohne eine Erwiderung drückte er den Knopf, der die Tür zum Hangardeck öffnete. Die Metallwände des Shuttles schimmerten matt. Zwei Techniker machten sich an dem Schiff zu schaffen. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, ging Spock hinüber. McCoy wartete, bis er in das Shuttle geklettert war. Dann schloß sich die Tür. »Viel Glück, Spock«, brummte McCoy vor sich hin. Kirk, der sich auf der Brücke befand, wartete. Dann drehte sich Sulu um. »Alle Systeme klar zum Abschuß, Sir.«
Es war Zeit, den Befehl zu geben. »Shuttle abschießen.« Das Licht an Sulus Konsole flammte auf. Spock war unterwegs. Allein. Allein im Weltraum. Ausgeliefert dem, dem er, sein Captain, ihn ausgeliefert hatte. Kirk hörte das Zischen der sich öffnenden Aufzugtür. McCoy trat heraus. Kirk drehte sich nicht um. »Leutnant Uhura«, sagte er, »leiten Sie die Meßwerte direkt an Mr. Chekov auf der Computerstation.« »Shuttle an Enterprise«, kam es über den Brückenlautsprecher. »Ja, Mr. Spock?« »Der Energieverlust ist beträchtlich und wird immer stärker.« Es knisterte und knackte. »Ich leite alle Energie der Sekundärsysteme zu den Schutzschilden um. Ich bleibe mit Ihnen in Verbindung, solange Energie zum Senden da ist.« Kirk sah Spock förmlich vor sich, wie er jetzt über seinen Instrumenten saß. Er würde ein Energiesystem nach dem anderen abschalten. »Captain«, sagte Scott plötzlich neben ihm. »Wenn er die ganze Energie auf die Schutzschilde konzentriert, hat er nachher keine mehr, um zurückzukommen.« »Spock«, sagte Kirk. »Ich habe mitgehört, Captain. Wir waren uns über diese Möglichkeit doch bereits vorher klar. Aber Sie brauchen die Übermittlung von Informationen.« »Wann werden Sie Ihrer Schätzung nach eindringen?« »In eins Komma drei Minuten. Halten Sie sich fest. Ganz ohne Reaktion wird das sicher nicht abgehen.« Was zeigte Spocks Bildschirm? Was zeigte seine Nahaufnahme? Einzelheiten der von Trümmern durchsetzten Membrane, die körnige Struktur des Protoplasmas darunter, zweitausend Meilen dick? »Kontakt in sechs Sekunden«, sagte Spock.
Ein Beben erschütterte die Enterprise. Das bedeutete, daß das Shuttle eingedrungen war. Unter dem massiven Aufprall würden seine Lichter sich verdunkelt haben, während es nun einsam in der Finsternis im Inneren des Monstrums schwebte. Kirk griff zum Mikrofon. »Bericht, Mr. Spock!« Stille. Keine Antwort. Hatte Spock bereits das Bewußtsein verloren? Der Organismus würde versuchen, das kleine Schiff auszustoßen. Er würde in Zuckungen verfallen, und diese Zuckungen würden den schmerzhaften Eindringling in wilden Spiralen umherwirbeln. »Spock…« Ganz schwach war die Stimme zu hören. »Ich bin unversehrt, Captain… sagen Sie Mr. Scott… ich hatte drei Prozent Energiereserve… ehe die Schilde sich stabilisierten. Ich… werde jetzt meine Untersuchungen durchführen…« Die Stimme verklang und kehrte wieder. »Dr. McCoy… das hätten Sie nicht… überlebt.« Kirk sah, daß McCoys Augen feucht waren. »Was wollen Sie wetten, Spock?« Die Stimme brach ihm fast, als erden Namen aussprach. »Ich – bewege mich jetzt sehr langsam vorwärts – Kurs auf den Zellkern.« Chekov rief mit bleichem Gesicht vom Computer herüber: »Sir, Mr. Spock hat die Lebenserhaltungssysteme auf das absolute Minimum heruntergesetzt. Vermutlich, um die Verbindung mit uns aufrechterhalten zu können.« Kirks Hand, die das Mikrofon hielt, war schweißnaß. »Spock, sparen Sie Ihre Energie für die Schilde.« Das Knacken von Störungen kam aus dem Mikrofon. Hin und wieder konnte man einzelne Worte verstehen. »…Berechnungen… Schilde… nur siebenundvierzig Minuten.« Wieder starke Störungen. Dann hörten sie auf.
»Identifiziert… Chromosomenstruktur. Veränderungen in der Struktur… unmittelbar vor der Teilung.« Aschfahl rief McCoy: »Dann gibt es zwei von diesen Monstren!« »Spock…« Einen Moment lang hörte Kirk nichts als das Knacken der Störungen. Er wartete. »Ich… Schwierigkeiten mit – Schiffssteuerung…« Kirk konnte die Qual in McCoys Gesicht nicht mitansehen. Er blickte weg. Wartete wieder. Spocks Stimme kam in abgerissenen Sätzen durch das Mikrofon. »…verliere Stimmkontakt… senden… das sind die inneren Koordinaten… Chromosomenkörper…« Uhura drehte sich um. »Kontakt abgebrochen, Sir. Aber ich habe die Koordinaten.« »Captain!« rief Chekov. »Die Schilde des Shuttles brechen zusammen. Energiefluktuationen im Inneren des Organismus.« »Ja«, sagte Scott. »Es ist Zeit, daß er da rauskommt.« Und ich, dachte Kirk, bin der Mann, der seinen besten Freund in den Tod geschickt hat. Er hatte Spock ausgesandt, in den stinkenden Eingeweiden eines primitiven Monstrums zu ersticken. Mit dieser Tatsache würde er für den Rest seiner Existenz leben müssen. Sein Sessel taumelte unter ihm. Das Schiff schaukelte wild. Benommen richtete sich Kirk wieder auf. Dann kam ihm plötzlich die Erleuchtung. »Pille!« rief er. »Er lebt! Er lebt noch! Er hat mit seinem Shuttle diesem Ding einen Stoß versetzt, so daß es zuckte! Damit wollte er uns wissen lassen, daß er noch lebt.« »Captain«, sagte Uhura. »Ich bekomme neue Meßwerte.« »Mr. Chekov – Meßwert-Analyse.« McCoy grübelte immer noch darüber nach, was die Teilung dieses Organismus bedeuten würde.
»Spocks Meßwert-Analyse zufolge sind in dem Kern vierzig Chromosomen, die vor der Teilung stehen.« Er schwieg einen Moment. »Wenn die Energie dieses Dings sich auch nur verdoppelt, ist alles und jeder im Umkreis von einem Lichtjahr zum Tode verdammt.« Er ging aufgeregt auf und ab. »Bald werden es zwei dieser Wesen sein, dann vier, acht und mehr – ein Heer lebensfeindlicher Organismen, das die ganze Galaxie vernichten könnte.« »Das weiß Spock. Er weiß, daß wir keine andere Wähl haben, als zu versuchen, das Monstrum zu vernichten, Pille. Darum übermittelte er uns die Koordinaten der Chromosomen.« »Schauen Sie auf Ihre Konsole, Captain«, sagte Scott. »Die Anziehungskraft des Dings nimmt zu. Der Energieverlust an den Schilden wird kritisch.« »Wieviel Zeit haben wir, Scotty?« »Höchstens eine Stunde, Sir.« »Die Schilde haben unbedingte Priorität. Alle Sekundärsysteme auf Notaggregate.« »Ja, Sir.« »Pille, können wir diesen Organismus töten, ohne Spock und auch uns selbst zu töten?« »Ich weiß es nicht. Es ist eine lebende Zelle. Wenn wir ein Antibiotikum hätten – « »Und wie viele Milliarden Hektoliter davon würden wir brauchen?« »Okay, Jim. Okay.« Uhura sah mit strahlendem Gesicht von ihrer Konsole auf. »Ich bekomme eine Nachricht von Mr. Spock herein, Sir. Minimale Sendestärke, schwach, aber verständlich.« »Geben Sie ihn mir, Leutnant.« Schwach war eigentlich gar kein Ausdruck dafür. »Ich – verliere Lebenserhaltung… minimale Schildenergie… Nervenreaktionen des Organismus… maximal innerhalb der
Schutzhaut… Innere relativ unempfindlich… ausreichende Ladung von… ihn vernichten… sagen Sie Dr. McCoy… hätte mir Glück wünschen sollen…« Sie erfaßten alle die Tragweite der Nachricht. Es wurde ganz still, keiner fand Worte angesichts der Erkenntnis, daß Spock verloren war. Nur das gedämpfte Summen der Maschinen war zu hören. Kirk lag reglos auf seinem Bett. Spock war tot. Und welchen Sinn hatte es gehabt? Wenn er wenigstens hätte durchgeben können, wie das Monstrum zu vernichten war! Aber selbst diese kleine Freude war ihm verwehrt geblieben. Spock war sinnlos gestorben. Ohne zu klopfen trat McCoy ein und setzte sich neben Kirk auf das Bett. »Was geht dir im Kopf herum, Pille?« »Spock«, antwortete McCoy. »Nenn mich ruhig sentimental, aber ich glaube, daß er da draußen in dieser Masse von Protoplasma noch am Leben ist.« »Er kannte das Risiko, als er die Mission übernahm. Er wußte so vieles. Jetzt ist er tot…« Kirk hob einen Arm in die Höhe und betrachtete seine lebendige Hand an seinem Ende. »Was ist dieses Ding? Es ist nicht intelligent. Zumindest noch nicht.« »Es ist eine Krankheit«, sagte McCoy. »Diese Zelle – diese Bakterie mit einer Länge von elftausend Meilen – nur eine einzige Zelle bis jetzt. Wenn es Milliarden geworden sind, werden wir die Bakterien sein. Wir werden dann die Krankheit sein, die in seinen Körper eindringt.« »Das sind morbide Gedanken, Jim. Der ganze Horror liegt in der Größe dieses Organismus.« »Ja. Und als unsere Form von Leben geboren wurde, was haben wir da für ein Mikro-Universum zerstört? Wie bekämpft ein Körper eine Infektion, Pille?«
»Indem er Antikörper bildet.« »Dann müssen wir das tun – ein Antikörper sein.« Er sah McCoy an, sprang plötzlich auf und ging zum Intercom. »Scotty, angenommen, Sie leiten alle noch verfügbare Energie auf die Schilde – und behalten nur die Impulsenergie in Reserve?« »Ich soll den Antrieb abstellen?« rief Scott. »Dann werden wir in dieses Ding hineingesogen wie in einen Windkanal.« »Genau, Mr. Scott. Machen Sie sich bereit, die Energie auf mein Signal umzuleiten. Kirk Ende.« Als er sich umdrehte, sah er McCoy auf den Beinen. »Hast du was zu sagen, Pille?« »In technischer Hinsicht, nein. In medizinischer sehr wohl. Die Belastung und die Aufputschmittel waren zuviel für dich. Du solltest dich eine Weile flachlegen.« »Die Zeit habe ich nicht. Keiner von uns. Komm, gehen wir.« Er setzte eine gelassene Miene auf, ehe er aus dem Brückenaufzug trat. Er nahm in seinem Kommandosessel Platz, ehe er ins Intercom sprach. »An alle, hier spricht der Captain. Wir werden in den Körper dieses Organismus eindringen. Rettungsmannschaften auf allen Decks in Alarmbereitschaft. Auf Kollision vorbereiten. Kirk Ende.« Jetzt oder nie, dachte er und rief den Maschinenraum. »Fertig, Mr. Scott?« »Ja, Sir.« »Jetzt!« sagte Kirk. Das Schiff machte einen gewaltigen Satz nach vorne. Kirk klammerte sich an seinen Sessel und starrte auf den Bildschirm. Die Schwärze wurde zusehends dichter. »Aufprall in fünfundzwanzig Sekunden, Sir«, sagte Sulu gepreßt.
Die Erschütterung riß Sulu aus seinem Sessel. Chekov blickte auf dem Boden liegend zu seiner Konsole auf, als das Schiff sich beruhigte. »Wir sind durch, Sir«, rief er laut. Uhura nahm ihren Platz wieder ein und meldete: »Minimale Schäden gemeldet, Captain.« Die Schwärze auf dem Bildschirm war undurchdringlich. Im unendlichen Inneren des Riesenorganismus verloren, schob sich die Enterprise schwerfällig durch die Lichtlosigkeit einer grauen Gelatine. Kirk rief den Maschinenraum. »Mr. Scott, wir haben noch unsere Impulsenergie?« »Ich habe soviel wie möglich in Reserve gehalten, Sir. Ich weiß aber nicht, ob es reichen wird, uns hier wieder herauszubringen. Ich weiß nicht einmal, ob uns genug Zeit bleibt.« »Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, Mr. Scott.« »Sicher. Aber wie können wir das tun? Wir haben keine Energie für die Phaser.« McCoy machte eine ungeduldige Handbewegung. »Die können wir sowieso nicht gebrauchen. Ihre Hitze würde von diesem Zeug da draußen abprallen und uns bei lebendigem Leib rösten.« »Dem Organismus kämen die Phaser gerade recht. Er lebt von Energie…« Kirk brach ab, als Scott aus dem Aufzug stürzte. Er hatte Kirks letztes Wort gehört und rief: »Energie! Das ist das Problem, Captain. Wenn wir das Monstrum nicht mit Energie vernichten können, womit dann?« »Mit Anti-Energie«, antwortete Kirk. »Was?« sagte McCoy. Scott starrte ihn an. »Dieses Ding hat eine negative Energieladung. Alles funktioniert verkehrt herum. In seinem
Körper sind wir ein Antikörper, Scotty. Und wir werden AntiEnergie – Anti-Materie – einsetzen, um es zu töten.« Scotts Spannung verflüchtigte sich wie die Luft bei einem angestochenen Ballon. »Klar, Sir. Das kann es bestimmt nicht schlucken. Welcher gütige Gott hat Ihnen diesen Gedanken eingegeben, Captain?« »Mr. Spock«, antwortete Kirk. »Das wollte er uns sagen, ehe wir ihn verloren. – Mr. Chekov, bereiten Sie eine Sonde vor. – Scotty, wir brauchen einen Magnetfeldcontainer für die Ladung. Wie lange wird das dauern?« »Bin schon unterwegs.« »Mr. Chekov, die Sonde mit Zeitzünder ausrüsten. Mr. Sulu, wann erreichen wir den Zellkern?« »In schätzungsweise sieben Minuten, Sir.« »Jim, wie nahe willst du ran?« »Auf sichere Schußweite. Wir schießen hinein und ziehen uns zurück.« »Aber die Sonde hat doch eine Reichweite – « »Die Wirbel und Strömungen im Protoplasma«, unterbrach Kirk, »könnten die Sonde meilenweit vom Zellkern ablenken. Nein, wir müssen direkt am Zielobjekt sein. Eine zweite Chance bekommen wir nämlich nicht.« Kirk rieb sich die verkrampften Muskeln im Nacken. »Ich könnte noch ein Stimulans gebrauchen, Pille.« »Du bist ja verrückt. Was glaubst du denn, wie lange du mit dem Zeug noch weitermachen kannst?« »Halt mich nur noch sieben Minuten auf dem Damm.« Er nahm sich eine Minute für eine Eintragung in das Log des Captains Zeit: »Sollte dieses Unternehmen mißlingen, so möchte ich an dieser Stelle folgende Personen für eine Auszeichnung besonders hervorheben: Kapitänleutnant Leonard McCoy, Kapitänleutnant Montgomery Scott – und
ganz besonders Commander Spock, Wissenschaftsoffizier, der in Ausübung seiner Pflicht sein Leben geopfert hat.« Als er den Recorder abschaltete, eilte Scott zum Kommandosessel und hörte Sulu sagen: »Zielkoordinaten programmiert, Sir. Sonde zum Abschuß fertig.« »Mr. Sulu, programmieren Sie eine kleine Verzögerung für den Zünder.« Er drehte sich zu Chekov um. »Alle Sekundärsysteme auf Notstrom. Taster bereithalten. Wir müssen jeden Funken Energie sparen, wenn wir eine Chance haben wollen, vor der Explosion aus dieser Membrane herauszukommen.« Er wandte sich an Scott, der an seiner Seite stand. »Wir können nur hoffen, daß es klappt, Scotty.« »Ja, Sir.« »Mr. Chekov, schießen Sie die Sonde mit Beschleunigung Null ab. Geschwindigkeit eine Zehntel Sekunde.« »Sonde abgeschossen«, meldete Chekov. Der Augenblick ging endlich vorüber. Dann bäumte sich das Schiff auf. Die Lichter auf der Brücke verdunkelten sich, die Luft wurde drückend, schwer und stickig. Kirk spürte das Rasen seines Pulses. Dann war die Luft wieder so, daß man atmen konnte. Chekov drehte sich um. »Die Sonde sitzt im Zellkern, Sir. Dicht bei den Chromosomenkörpern.« Kirk nickte. »Mr. Sulu, raus hier auf dem Weg, auf dem wir reingekommen sind. Und zwar schnell. – Das war ein sauberer Schuß, Mr. Chekov.« Chekov errötete erfreut. »Geschätzte Zeit bis zum Verlassen der Membrane, sechs Komma neununddreißig Minuten, Sir.« Er richtete den Blick wieder auf seine Schalttafel und runzelte die Stirn. »Captain! Metallischer Gegenstand außerhalb des Schiffs.« »Spock?« rief McCoy. Chekov schaltete den Bildschirm ein.
»Ja, Sir. Es ist das Shuttle. Es treibt da draußen tot auf der Seite.« Mit einem Sprung war Kirk neben Uhura. »Leutnant, geben Sie mir Spocks Stimmfrequenz. Hohe Lautstärke.« Das Mikrofon zitterte heftig in seiner Hand, als er wartete. »Fertig, Sir«, sagte Uhura endlich. Er nahm sich noch einmal einen Moment Zeit und versuchte, seiner Stimme einen ruhigen Klang zu geben. »Mr. Spock, hören Sie mich? Spock, bitte kommen!« Er drehte sich zu Scotty um. »Mr. Scott, Traktorstrahl.« »Captain – wir haben keine Zeit für ein Manöver dieser Art. Wir haben für ein Entkommen nur einen Sicherheitsfaktor von dreiundfünfzig Prozent!« »Sie haben meinen Befehl gehört, Mr. Scott! Zwei Traktorstrahlen auf das Schiff.« Scott lief rot an. »Traktorstrahlen aktiviert, Sir.« »Freut mich, das zu hören«, gab Kirk zurück – und da kam – es schien unglaublich – tatsächlich Spocks Stimme über das Mikrofon in seiner Hand. »Ich – würde empfehlen, Sie unterlassen diesen Versuch, Captain. Setzen Sie nicht – meinetwegen – das Schiff aufs Spiel.« Wortlos reichte Kirk das Mikrofon an McCoy weiter. McCoy sah ihn an und nickte. »Ruhe, Spock!« rief McCoy. »Sie werden jetzt gerettet.« Er gab das Mikrofon an Kirk zurück. »Danke, Captain McCoy«, sagte Spock. Und er zog dabei trotz körperlicher Schwäche sicher eine Augenbraue hoch, dachte Kirk. Er lebte. Dieses Wissen gab ihm mehr Kraft als alle Aufputschmittel McCoy s. »Zeit bis zur Explosion, Mr. Chekov?« »Siebenundfünfzig Sekunden, Sir.« »Sie halten den Traktorstrahl auf dem Shuttle, Mr. Scott?«
»Ja, Sir.« Doch Scotts schottischer Trübsinn hatte sich nicht aufgehellt. »Ich kann aber nicht garantieren, daß die Strahlen halten, wenn die Bombe explodiert.« Er warf einen Blick auf seine Schalttafel. Obwohl er nur finstere Erwartungen hatte, fuhr er entsetzt zusammen. »Energiestand auf Null, Sir.« Aber da waren der Energiestand und alles andere schon nicht mehr wichtig. Denn das Schiff wurde plötzlich herumgewirbelt. Eine weißglühende Stichflamme zischte über die Brücke. McCoy wurde zu Boden geschleudert. Im blendenden Schein des Blitzes sah Kirk, wie Chekov aus seinem Sessel gerissen wurde und vor der Aufzugtür bewußtlos zu Boden sank. Uhura, die neben ihrer Konsole auf dem Boden lag, rollte im Gleichklang mit dem Schlingern des Schiffs hin und her. Völlig teilnahmslos bemerkte Kirk, daß ihm das Blut aus einer Wunde an seiner Stirn über das Gesicht rann. Ein Taschentuch lag plötzlich in seiner Hand – Sulu kroch von ihm weg zu seinem Sessel zurück. Kirk setzte sich auf und band sich das Taschentuch um den Kopf. Wie ein Stirnband beim Tennis, damit einem der Schweiß nicht in die Augen lief – es war lange her, daß er seine letzte Partie Tennis gespielt hatte… »Mr. Sulu«, sagte er, »können Sie den Bildschirm einschalten?« Sterne. Sie waren wieder da. Die Sterne waren wieder da. Eine gute Mannschaft. Chekov war zu seinem Platz zurückgehumpelt. Nicht daß er es erst hätte sagen müssen. Aber es tat dennoch gut, es zu hören. »Der Organismus ist vernichtet, Captain. Die Explosion muß die Membrane zerrissen haben. Und wir sind durch sie herausgeschleudert worden.« Die Sterne waren wieder da. Und Energie war auch wieder da.
Kirk legte Scott die Hand auf die Schulter. »Und das Shuttle, Scotty?« Spocks Stimme kam über den Brückenlautsprecher. »Shuttle an Enterprise. Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen.« Jemand drückte ihm das Mikrofon in die Hand. »Sie haben diese Eruption überlebt, Mr. Spock?« »Offensichtlich, Captain. Und ich habe einige sehr interessante Daten über diesen Organismus, die ich Ihnen vorher nicht – « McCoy, der sich seine schmerzende Seite rieb, schrie: »Tun Sie nicht so superschlau, Spock. Vergessen Sie nicht, daß Sie den Acetylcholintest verpatzt haben.« »Alles ist wieder beim alten«, stellte Kirk fest. »Holen Sie das Shuttle an Bord, Mr. Scott. Mr. Chekov, nehmen Sie Kurs auf Sternbasis Sechs. Sol 5.« Er wickelte sich das blutige Taschentuch vom Kopf. »Danke, Mr. Sulu. Ich bringe es selbst in die Wäscherei. Ich gehe jetzt zum Hangardeck. Und dann holen Mr. Spock und ich unsere Bergsteigerausrüstung heraus.«