Dan Roberts
Rauchsignale des Todes Apache Cochise Band Nr. 21
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Mass...
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Dan Roberts
Rauchsignale des Todes Apache Cochise Band Nr. 21
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder. Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen. Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten Rasse führten. Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen Apachen-Skalp. Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«? Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer »Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den Indianern fühlten. Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuerund beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von
vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung abgetan wird. Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung trieb, nicht mit ansehen muß. Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft, ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen Arizonas. Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet? Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa, Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden. Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum Leben brauchten. Zu alten Zeiten war daher für die Apachen die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich das große graue Leichentuch über die Stämme und Sippenverbände. Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments gegen die rote Rasse gewesen wäre. Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im
Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer rauhen Umwelt. Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur in Kurzform gebracht wurde. Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch makabren Hintergrund. Ihr Martin Kelter Verlag.
*** Die Beklemmung, die seit Wochen über der Besatzung von Fort Bowie lag, wich nicht und wurde intensiver, als die Wachen auf den Bastionen die Rauchzeichen im Norden über den Hügeln pulsieren sahen. Niemand unter den Weißen konnte die seltsamen schwarzen Bälle und Striche lesen, die in den glasklaren Himmel stiegen und in höheren Luftschichten zerflatterten. Selbst die indianischen Scouts, die in blauen Uniformröcken steckten, aber Kopftuch und Wüstenmokassins trugen, schüttelten auf Befragen der Offiziere die Köpfe. Es waren fremdartige Zeichen, die im Land der Apachen niemand verstand. Nicht, daß man diesen schwarzen Bällen eine Sprache zugrundelegen konnte, mitnichten. Sie waren Symbole, aber solche aus einem fremden Gedankengut. Schweigend standen Offiziere und Mannschaften auf den Wällen und starrten in Nordrichtung, stellten sich Fragen nach dem Sinn der Zeichen, die niemand beantwortete. Das hilflose Schweigen war es schließlich, das die Männer zermürbte und bedrückte. Corporal Fitzgerald und Sergeant O'Connor, beide Iren mit blauen Augen und brandroten Haaren, sahen sich mit ihren Gläsern die Augen wund, gelangten aber zu keinem zwingenden Schluß. »Was meinst du, Amos, sind es Apachen?« »Keine. Unsere roten Hengste könnten sie sonst lesen.« »Vielleicht tun sie nur so?« »Kann sein, aber ihre Gesichter verraten Angst, deswegen bin ich der Meinung, daß sie's nicht können. Die leiden genauso unter den fremden Funkern wie wir!« »Gut gesagt, das mit den Funkern. Amos, ich glaube, wir
gehen einem neuen Indianeraufstand entgegen.« »In Fort Bowie sind wir sicher. Die Wälle sind unangreifbar und höchstens mit Haubitzen zu bezwingen, und die haben die Indianer nicht. Sonst stünden wir auf verlorenem Posten.« Jones O'Connor, Dienstgrad Sergeant, wischte sich Schweiß und Staub aus den Augen und starrte wieder durch das Glas. Amos Fitzgerald bemerkte sein Zusammenzucken und stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Gib her«, sagte er und streckte die Hand nach dem Fernglas aus. Jones gab es ihm. Fitzgerald stellte es auf seine Augenstärke ein und blickte in die gleiche Richtung. Außer einer Staubballung sah er nichts. »Was hast du gesehen, du rothaariger irischer Teufel?« »Zwei Reiter.« »Wo, zum Kuckuck?« »Warte, bis der Staub sich lichtet.« Amos Fitzgerald wartete, aber der Staub wurde nicht dünner, sondern zog mit den Reitern nordwärts. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Corporal etwas erkennen konnte. Zwei Reiter trabten aus der Staubfahne und gerieten mit ihren Pferden auf felsigen Boden. Als Amos das Glas noch etwas schärfer einstellte, erkannte er die Gesichter der Reiter. Einer von ihnen war ein noch junger Weißer, der andere jedoch trug typische indianische Merkmale und war ganz in weißes Wildleder gekleidet. Corporal Amos Fitzgerald übertraf Sergeant O'Connor im Zusammenzucken und schaute noch einmal lange und sorgfältig durch das Glas. Die Rothaut blieb, der Weiße auch. Seite an Seite ritten sie durch den Wüstenstreifen zur alten Paßstraße. »Alle Wetter, eine Rothaut! Ein Apache, wenn ich mich nicht irre.« »Du irrst nicht und hast gute Augen«, antwortete Jones O'Connor. »Hast du 'ne Ahnung, wer der Indsman ist?«
»Natürlich nicht, irgendeine Rothaut. Was soll's?« »Ich glaube nicht, Amos«, antwortete der Sergeant. »Sieh nur, wie der Kerl auf seinem Pinto sitzt. Das ist kein einfacher Indianer, niemals! Das ist ein großer Häuptling, ein König unter seinem Volk.« »Du redest wie ein Waschweib, Jones. Könige gibt es nicht unter den Rothäuten.« »Ich sagte, wie ein König. Majestätisch, wenn du so willst. Dieser Indianer ist absolute Spitzenklasse!« »Spitzenklasse? Zur Hölle, was meinst du damit?« »Du hast doch Augen im Kopf, nicht? Er reitet stets eine halbe Pferdelänge vor dem Weißen. Er sitzt schließlich auf seinem Pferd, als läge ihm die ganze Welt zu Füßen, und wenn du einmal genau sein Gesicht studierst, mußt du doch erkennen, daß der Mann etwas ist.« »Okay, was?« »Ein Häuptling, und kein geringerer. Möglicherweise Cochise in Person…« »Du spinnst! Cochise kommt nicht so weit nach Norden. Er dirigiert seine Kriegerhorden von seiner Bergfeste aus und geht nicht die Gefahr ein, von irgendeinem Trottel vom Pferd geschossen zu werden.« »Sollten wir das Erscheinen der beiden Reiter nicht dem Alten melden? Vielleicht haben sie etwas mit den Rauchzeichen zu tun, die Fort Bowie beunruhigen?« »Die sind nur im Norden. Die beiden kommen aber aus südwestlicher Richtung. Ich bin nicht ganz sicher, glaube aber, sie haben weder die Paßstraße noch den Apachen-Paß benutzt.« »Kann sein, ist aber nicht wichtig. Ich wetze mal zum Colonel und mache eine Meldung. Etwas dagegen?« »Geh zum Wachoffizier, das erspart dir eine Blamage, wenn der Colonel schon von den Reitern weiß.« Corporal Amos Fitzgerald empfahl sich mit einem trockenen Kichern. Er lief über die östliche Bastion und betrat das
Holzhaus des Offiziers vom Dienst. Ohne anzuhalten stürmte er an der Ordonnanz vorbei und wurde am Ende des Korridors von einem scharfen Zuruf angehalten: »Wohin, zum Teufel, Corporal?« Amos blieb stehen, krachte mit den Hacken zusammen, streckte die Brust heraus und grüßte militärisch. »Ich möchte Captain Barnes eine Meldung machen, Lieutenant – Sir.« »Welche Meldung?« Amos ging bis zu der halboffenen Tür des Ordonanzraumes und warf einen Blick hinein. Lieutenant Farlow saß hinter einem aktenbeladenen Schreibtisch und runzelte die Brauen. »Zwei Reiter nähern sich dem Fort, Sir. Ein Weißer und eine Rothaut.« »Na und? Was ist daran so sonderbar?« »Sergeant O'Connor und ich sind der Meinung, daß es sich bei dem Indsman um Cochise handelt.« »Donnerwetter! Sie meinen den Häuptling der Apachen?« »Sehr wohl, Sir, genau den.« »Dann allerdings…Warten Sie, wir gehen zusammen zu dem Wachhabenden.« Lieutenant Dusty Farlow stürmte vor Fitzgerald durch die Tür, über den Korridor und riß dort eine Tür auf. Amos Fitzgerald trat hinter ihm ein. Captain Phil Barnes konnte man als alten Haudegen der Indianerfront bezeichnen. Sein Gesicht war scharfgeschnitten, sein Haar bereits ergraut, obwohl er noch nicht alt war. Er rauchte seine Pfeife und beschäftigte sich mit einer Mannschaftsaufstellung. Als der Lieutenant mit dem Corporal in sein Zimmer stürmten, sah er auf und nickte Dusty Farlow zu. »Mächtig eilig heute, Lieutenant. Was gibt's?« »Corporal Fitzgerald möchte Ihnen eine Meldung machen, Sir. Ist es erlaubt?« Barnes warf Amos einen auffordernden Blick zu.
»Reden Sie frei von der Leber, Corporal. Was ist geschehen?« »Sir, Sergeant O'Connor und ich haben auf der Ostseite Bastionwache. Wir sahen zwei Reiter. Einen Weißen und einen Roten. Der Sergeant meint, daß es sich bei dem Indianer um Cochise, den Häuptling der Apachen, handelt. Er gab mir den Auftrag, Ihnen diese Meldung zu überbringen, weil er der Meinung ist, daß Cochises Besuch hier am Nordpaß etwas mit den Rauchzeichen zu tun haben könnte.« Captain Barnes beugte sich leicht vor und schloß halb die Augen. Bei ihm war das stets ein Zeichen von besonderer Konzentration. »Woraus schließen Sie, daß es Cochise ist? Haben Sie den Häuptling schon einmal gesehen? Kennen Sie ihn?« »Nein, Sir. Seine Haltung – ich meine, Sir, so sitzt nur ein Reiter von königlicher Abstammung auf seinem Pferd… Ja, Sir, das meine ich.« Phil Barnes lächelte nachsichtig. Er stand auf, nahm seinen Feidhut vom Haken und stülpte ihn auf den Kopf. »Sehen wir uns Ihren König an«, sagte er und verließ das Zimmer. Als sie bei der Bastion ankamen und die sechs breiten Stufen zu dem verdeckten Geschützstand hinaufgingen, sahen sie O'Connor immer noch durch das Glas starren. Er grüßte zackig, als die beiden Offiziere an seine Seite traten. »Geben Sie mir Ihr Glas, Sergeant«, sagte der Captain. Er sah hindurch, nickte, setzte das Glas ab, warf einen Blick auf den Lieutenant und hielt das Glas wieder vor die Augen. »Beim Heiligen Jupiter«, sagte er leise. »Das könnte er sein, ja, das ist Cochise!« Eine seltsame Erregung befiel den Mann in Uniform. Jones bemerkte, wie seine Hände zitterten und wie sich seine Gesichtsmuskeln verkrampften. Unvermittelt und mit einem heftigen Ruck setzte er das Glas ab und wandte sich an den Lieutenant: »Machen Sie bitte sofort dem Colonel Meldung,
Lieutenant! Eile ist geboten, verstanden?« »Sehr wohl, Sir. Soll ich Cochises Person bestätigen?« »Ja! Geschwindschritt bitte, bevor sie am Fort vorbei sind.« Farlow verschwand wie ein geölter Blitz. Nach kaum zwei Minuten war er schon wieder zurück. »Sie möchten unverzüglich Colonel Davis aufsuchen, Sir!« »Danke, Lieutenant. Sie, meine Herren Unteroffiziere, bleiben auf Ihrem Posten und beobachten weiter.« Er grinste breit und ein wenig süffisant, fuhr fort: »Jede Veränderung im Vorfeld melden Sie an den Colonel, verstanden? Ausnahmsweise dürfen Sie Lieutenant Farlow als Ordonnanz benutzen.« Er hüstelte, eilte die Bastionsstufen hinunter und verschwand zwischen den Offiziersbaracken. »Geben Sie mir das Glas, Sergeant«, brummelte der Lieutenant ungehalten. Nach seiner Auffassung war der Captain einen Schritt zu weit gegangen. Jones und Amos verkniffen sich ein Grinsen und machten unbeteiligte Gesichter. »Sie reiten am Fort vorbei«, sagte Farlow näselnd. »Das sieht aus, als könnte man sie tatsächlich mit den Rauchzeichen in Verbindung bringen. Na, warten wir's ab, was der Kommandeur entscheidet.« Sie warteten und verfolgten den Weg der beiden Reiter dort unten in der Ebene mit dem Fernglas. * In der Kantine für Mannschaften und Unteroffiziere war es drückend heiß. Kein Luftzug bewegte die Tabakschwaden unter der Decke. Der Kantinenwirt hockte fett und schwitzend hinter dem Tresen und schaute schläfrig den Fliegen nach, die träge an ihm vorbeibrummten. Zwei Mannschaftsdienstgrade und zwei Zivilisten hockten getrennt an Tischen, kühles Bier vor sich, und schwatzten
lustlos drauflos. Manchmal warfen die Soldaten scheue Blicke zum Ecktisch unter dem staubblinden Fenster. Aber sie drehten ihre Gesichter immer schnell wieder weg, weil sie nicht neugierig sein wollten. Sie kannten die beiden Zivilisten nicht, hatten aber von ihrem Eintreffen im Fort und den Umständen gehört, unter denen man sie hergebracht hatte. Einer von ihnen, hochgeschossen und schmalbrüstig wie eine Zaunlatte, nannte sich Josuah Lemmon. Jedenfalls hatte er diesen Namen dem Wachhabenden, der ihre Personalien aufnahm, angegeben. Der zweite Mann, ein schielender Bärtiger mit einer fliehenden Stirn und schütterem Haar, hatte sich Hugh Bennet genannt. Und beide gaben an, von Apachen überfallen und ausgeplündert worden zu sein. Sie hatten auch von weiteren zwei Gefährten berichtet, die von den Apachen getötet worden waren. Alles in allem hatte man ihnen geglaubt und Hilfe angeboten. Sie gaben an, in den Südzipfel Neumexikos zu wollen, um dort nach Gold zu schürfen. Das alles klang glaubwürdig. Niemand hatte Zweifel in ihre Worte gesetzt, und nun saßen sie in der Kantine, schluckten Bier wie Wüstenboden Regenwasser und erholten sich von den überstandenen Strapazen. Die beiden redeten nicht viel miteinander, dafür drehten sie eine Zigarette nach der anderen und hüllten ihren Tisch in blauen Dunst. Aber wenn sie mal miteinander sprachen, geschah dies einsilbig. Wenn sie sich auch nicht direkt beobachtet fühlten, so wurden beide jedoch von ihren schlechten Gewissen hinsichtlich der Lügen, die sie dem Kommandanten von Fort Bowie aufgetischt hatten, geplagt. Hinzu kam noch die Beengung in der Festungsanlage, die sie nicht gewohnt waren, und die drückende Tageshitze. Hugh Bennet und Josuah Lemmon wandten erst die Köpfe, als die Tür aufsprang und ein paar dienstfreie Soldaten
hereinmarschierten, um ihren Durst zu löschen. Einer der jungen Männer rief zu seinen sitzenden Kameraden hinüber: »He, Jungs, könnt ihr raten, was ich soeben erfahren habe?« »Klar, können wir. Colonel Davis' Dackel hat soeben einen Wurf Bernhardiner zur Welt gebracht!« Unter brüllendem Gelächter setzten sich die jungen Soldaten an den Rundtisch der vorher schon dagewesenen Kameraden. »Mensch, spann uns nicht auf die Folter, du Scharfmacher. Was hat dein müder Verstand aufgeschnappt?« »Gibst du 'ne Runde aus, wenn ich's sage?« »Aber sicher, draußen an der Pferdetränke. Kommt alle mit und holt euch 'nen Vorschuß auf das Saufgelage!« Das Gebrüll nahm kein Ende, selbst die beiden Outlaws verzogen ihre Gesichter zu einem Grinsen. Das waren echte Männertöne und brillante Witzelchen, wie sie unter Soldaten üblich waren. Was aber kurz darauf erzählt wurde, machte die beiden Banditen hellhörig und stocksteif. Hugh Bennet wechselte sogar seine Gesichtsfarbe. »Also, Jungs, hört alle mal gut zu. Vor dem Fort schleicht eine Rothaut mit einem Weißen herum, und der Indianer soll Cochise, der Häuptling der Apachen sein.« »Blödmann!« »Warum Blödmann? Glaubt ihr mir nicht?« »Kein Wort.« »Und weshalb nicht?« »Weil Cochise nicht schleicht, schon gar nicht mit einem Weißen. Dem zieht er höchstens den Skalp über die Ohren, außer…« »Außer?« »Ich denke an John Haggerty, unseren Chief-Scout. Die beiden sollen dicke Freunde sein.« »Den Blödmann gebe ich dir aus voller Brust zurück. Du hast recht, Kanonier Abraham. Cochise hat aber noch einen weißen
Freund, er sitzt am Paß oder hält sich in Tombstone auf. Er heißt Thomas Jeffords und wurde vor kurzem Postmeister der US Mail. Die drei Männer sind wahre Freunde.« Hugh Bennet und Josuah Lemmon lauschten den Worten der Soldaten, als verkündeten ihre Frotzeleien das Evangelium. Kanonier Abraham gab sich noch nicht geschlagen. Mit dem Füselier-Gefreiten nahm er es jederzeit auf. »Wenn ich dich so reden höre, krieg ich 'ne Gänsehaut wie 'n Reibeisen. Mann, Mann, du machst mich schwach!« »He, Jungs, hört ihr das Gebrüll des Ochsenfrosches?« schrie Füselier-Gefreiter Conan Bisbee und wandte sich an seinen Nebenmann, dem er burschikos den Ellbogen in die Rippen hieb. »Hast du schon so was je gehört, Patrick? Daß die Kanoniere immer so furchtbar angeben müssen. Dieser Hosenscheißer von Rohrwischer will wissen, wen sich Cochise zum Freund auserkoren hat. Hahaha! Abraham, du solltest dir mal dein Gehirn blankwaschen lassen, damit's wieder besser funktioniert.« »Das funktioniert prima«, konterte Walt Abraham. »Bestens, Mann! Du hast dir deins doch von unserem Kompanie-Champion herausprügeln lassen, gleich nach der zweiten Runde, Schlappschwanz!« Conan Bisbee fuhr hoch, als hätte er eine Reißzwecke auf seinem Sitz. »Solche Anzüglichkeiten verbitte ich mir! In dem Match mit Jeff Kean war ich unterlegen, stimmt, aber es war ein fairer Kampf. Du kannst ja mal gegen mich antreten, Großmaul!« »Dann landest du genauso im Dreck wie bei Jeff.« »Dieses Risiko nehme ich auf mich, Maulheld. Und dein Risiko wird diesmal ein klein wenig größer sein als bei Kean.« »Um wieviel größer, he?« »Um den Unterschied zwischen mir und Jeff Kean.« »Allmächtiger Manitu! Jetzt ist diese Wanze auch noch
größenwahnsinnig geworden. Bist du tatsächlich der Meinung, daß du besser als der Fort-Champion bist?« »Du kannst mich mal…«, sagte Bisbee anzüglich, stand auf und verließ die Kantine. Brausendes Gelächter folgte ihm durch die Tür. Am Tisch der durstigen Soldaten wurde es ruhig. Hugh und Josuah wechselten nachdenkliche Blicke. Hugh Bennet murmelte unter vorgehaltener Hand: »Hast du's gehört, Jos? Wenn es Cochise ist, wer ist dann der Weiße?« »Morg hatte ihn dort unten in den Canyons mit zwei Weißen gesehen, stimmt, und von diesen beiden kann's einer sein.« »Und wie ist uns der Rächer gefolgt?« »Unsere Spur war ja deutlich genug.« Lemmon schüttelte den Kopf und machte ein zweifelndes Gesicht. »Wir kamen mit der Patrouille in das Fort«, sagte er. Hugh Bennet verstand, was er sagen wollte. Er hob sein Bierglas und nahm einen langen Schluck. Danach stieß er erst einmal lautstark auf, bevor er sich wieder seinem Kumpan zuwandte und ein besorgtes Gesicht machte. »Spielt wirklich keine Rolle, wie er uns gefunden hat. So oder so, der Mann ist uns über. Es wird besser sein, wir verschwinden, Jos.« »Ohne Ausrüstung?« »Der Colonel wird uns unter die Arme greifen, wenn wir ihm versprechen, den ausgeliehenen Armeebesitz im nächsten Fort abzuliefern.« »Und wo wäre das?« »Irgendwo im Südzipfel von Neumexiko, klar.« »Gibt es dort Forts?« »Camps bestimmt. Es spielt keine Rolle, wo wir uns ehrlich machen, Hauptsache wir kriegen Pferde und Ausrüstung.« »Willst du mit dem Colonel sprechen?«
»Warum nicht? Ein ganz zugänglicher Mann, oder nicht? Well, ich rede mit ihm.« »Wann?« »Heute abend. Wenn's klappt, hauen wir noch haute nacht ab. Im Dunkeln kann selbst ein Cochise keine Spur finden.« »Der Weiße?« »Zählt nicht. Wir meiden die Paßstraße, weil wir gesehen werden könnten. Ich würde sagen, wir nehmen den kürzesten Weg nach Neumexiko und stoßen hinter den Peloncillo Mountains nach Süden vor. Irgendwo werden wir schon auf die verdammte Mine stoßen.« Die beiden Outlaws schwiegen. Daß ihr Plan schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt war, konnten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. * Colonel Jeff Davis wirkte auf einen Betrachter wie ein richtiger Eisenfresser. Er hatte den Bürgerkrieg hinter sich, war während der Kämpfe schnell avanciert und vom Lieutenant der Kavallerie zum Colonel aufgestiegen. Äußerlich sah er besser aus als manch ein anderer Offizier, der sich lange in der Wüste aufgehalten hatte. Graues Haar bedeckte sein Haupt, und wer seinem gepflegten Spitzbart die nötige Aufmerksamkeit schenkte, glaubte sich in die Salons nach New Orleans versetzt. Blaue Augen schauten recht eindringlich und konnten verwegen blitzen, wenn es um militärische Belange ging. Als seine Ordonnanz eintrat und Captain Phil Barnes, den Wachoffizier, meldete, sah er nur kurz von seiner Schreibtischarbeit auf und gebot dem Captain, Platz zu nehmen. »Sekunde, Captain Barnes. Lassen Sie mich bitte den Bericht noch zu Ende schreiben.« »Selbstverständlich, Sir.«
Nach wenigen Minuten war Colonel Davis mit seiner Arbeit fertig und schob die Akte zurück. »Was kann ich für Sie tun, Mr. Barnes?« »Es geht um eine Meldung, Sir, die Corporal Fitzgerald und Sergeant O'Connor machten. Beide wollen Cochise vor dem Fort in Begleitung eines Weißen gesehen haben, und ich selbst glaube auch, daß der Indianer Cochise ist, den ich durch das Glas beobachtete.« »Cochise? Wissen Sie, was Sie da sagen, Captain?« »So stattlich und majestätisch kann nur Cochise, der Häuptling aller Apachenstämme, sein, Sir. Meine Theorie, die ich Ihnen vortragen möchte, muß nicht unbedingt stimmen, und doch glaube ich, daß das Erscheinen des Häuptlings mit den Rauchzeichen zusammenhängt, die wir seit Tagen auf den Hügeln ringsum beobachten.« Colonel Davis runzelte die Stirn. »Das ist wenig wahrscheinlich, Captain. Wir müssen Cochise mit etwas ganz anderem zusammenbringen, wie ich meine. Denken Sie an die beiden Weißen, die gestern mit der Patrouille ankamen. Was haben sie erzählt?« »Sir, ich war bei der Vernehmung nicht zugegen.« »Beide sagten einhellig aus, daß ihre Begleiter von Apachen unter der Führung Cochises angegriffen und getötet wurden. Lieutenant Powell hat es auch so zu Protokoll genommen.« Davis musterte den Captain. »Ist das glaubhaft, Mr. Barnes?« »Sir, ich weiß es nicht.« Barnes zuckte mit den Achseln. »Ich habe die beiden Kerle nur kurz zu Gesicht bekommen und würde sagen: rüde und hinterhältig, wenn nicht gewalttätig.« »Auch meine Meinung. Irgend etwas stimmt an der Erzählung dieser Männer nicht. Goldsucher, daß ich nicht lache. Sie kommen mir eher wie Banditen vor.« »Wir sollten ihre Angaben nachprüfen, Sir.« »Das habe ich auch vor. Das Erscheinen des Häuptlings gibt
mir Grund und Gelegenheit hierzu. Nehmen Sie sich einen Halbzug, Barnes, reiten Sie hinaus und sprechen Sie mit dem Häuptling. Aber vorsichtig, bitte, sehr vorsichtig! Behandeln Sie ihn wie ein rohes Ei und mit allen militärischen Ehren. General Howard wird Sie persönlich vornehmen, wenn Sie Cochise auch nur ein Haar krümmen.« »Ich habe verstanden, Sir. Soll ich ihn zum Fort bitten?« »Wenn er will, gern. Ich lasse ihn mit einem Ehrenzug empfangen. Noch einmal, Barnes: Vorsicht, kein falsches Wort, keine Anspielung auf etwas, was er mißverstehen könnte. Dieser Mann ist uns allen über und kann binnen einer Woche das ganze Land im Südwesten mit Krieg überziehen.« »Sir, ich werde den Auftrag zu Ihrer vollen Zufriedenheit ausführen.« »Das erwarte ich von Ihnen. Gehen Sie jetzt!« Barnes salutierte und verschwand. Er eilte in die Wachstube zurück und befahl Lieutenant Lion, einen Halbzug Kavallerie auf die Pferde zu bringen, und zwar innerhalb fünf Minuten. Lion rauschte ab wie die rächende Nemesis persönlich. Barnes hörte ihn beim Stall Befehle schreien. Sporen klirrten auf den hölzernen Gehsteigen, dazu die stampfenden Schritte der Kavalleristen. Die Männer liefen zum Stall und sattelten ihre Pferde. In genau vier Minuten stand der Halbzug ausgerichtet und hoch zu Roß vor der Wache. Barnes trat heraus, grüßte Lieutenant Lion, der den Gruß erwiderte und Meldung machte: »Sir, Halbzug der dritten Kompanie unter Führung von Lieutenant Lion feldmarschmäßig angetreten!« »Danke, Lieutenant! Lassen Sie ausreiten!« Zwei scharfe Kommandos. Die Truppe schwenkte ein und ritt über den Exerzierplatz zum Tor. Die Torwache öffnete und salutierte. Captain Barnes setzte sich mit Lieutenant Lion an die Spitze. Ihnen folgte ein Sergeant und der Hornist mit der Standarte.
Während sie den steinigen Weg hinab ins Tal ritten, kamen die beiden Offiziere ins Gespräch. Barnes sagte: »Wissen Sie, Lieutenant, wozu wir auserkoren wurden?« »Keine Ahnung, Sir. Patrouille?« »Ohne Packpferde und Proviant?« »Ich wunderte mich bereits, Sir.« »Es ist auch zum Wundern. Wir wollen Cochise ins Fort geleiten.« »Sie meinen…« »Ja, er ist hier draußen, zusammen mit einem Weißen. Sie lassen mich reden, verstanden? Kein Wort zuviel, keins zuwenig, Lieutenant. Die Indianer sind empfindlich geworden, und das nicht zu knapp.« »Ich habe verstanden, Sir. Ich glaube, dort im Süden kommen die beiden!« Barnes beschattete die Augen mit der Hand und blickte in die Richtung. Es war ein Tag wie aus einem Bilderbuch. Es war Sommer, die Luft blau und ein wenig dunstig, kühl im Schatten, heiß in der Sonne, still wie Watte hier draußen in der Wüste. Aus einem Chapparal-Dickicht und Bodendunst trabten zwei Reiter und hielten Kurs auf den San Simon. Captain Phil Barnes nahm sein Fernglas aus dem Futteral und sah lange hindurch. »Er ist es«, murmelte er. »Großer Gott, das ist tatsächlich Cochise! Können Sie sich das vorstellen, Lieutenant, was unsere Leute für Augen machen werden, wenn er das Fort besucht?« »Hoffentlich nur Augen, Sir!« »Was wollen Sie damit sagen?« Lieutenant Lion zuckte unmilitärisch mit den Achseln. »Ich mache mir so meine Gedanken, Sir. Immerhin hat Cochise eine Menge Soldaten auf dem Gewissen, und das könnte bei unseren Männern Haßgefühle auslösen.« »Reden Sie keinen Unsinn, Lieutenant! Cochise ist ein roter Gentleman mit Herz und Verstand. Mir ist kein Fall bekannt, daß er sich an einem Massaker beteiligt hätte. Ich gehe sogar
noch einen Schritt weiter und behaupte, Cochise ist ein König seines Volkes. Sehen Sie nur seine wahrhaft königliche Haltung! Kein Indianer sitzt so auf seinem Pferd!« Barnes reichte Lion sein Glas. Der Lieutenant blickte lange hindurch und gab es nach einer Weile wieder zurück. »Sie haben uns gesehen, Sir. Reiten Sie Cochise ein Stück entgegen?« »Das hatte ich vor. Lassen Sie die Männer in Einerreihe antreten, den Blick auf die Ankömmlinge gerichtet, und lassen Sie präsentieren, wenn ich Ihnen ein Zeichen gebe.« »Auf welches Zeichen muß ich achten?« »Achten Sie auf mein Kopfnicken. Gesprochen wird nicht, verstanden? Wenn einer der Soldaten den Mund aufmacht, verschwindet er für eine Woche im Jail.« Barnes gab dem Pferd die Zügel frei und ritt nach Süden. Cochise und der Weiße waren kaum noch hundert Pferdelängen entfernt. Gespannt war Barnes, wie sich der Häuptling verhalten würde. Nach fünfzig Yards blieb der Captain stehen, Cochise war nicht mehr weit entfernt. Der Weiße ritt ein paar Schritte hinter ihm. Barnes zog seinen Säbel und salutierte. In seinem Rücken blies der Hornist »Habt-Acht«. Zwei Pferdelängen vor dem Offizier hielt Cochise sein Pferd mit einem leichten Zungenschnalzen an und nickte freundlich. Er verstand die Zeremonie recht gut und wußte, daß der Offizier ihn ehren wollte. »Willkommen im Fort Bowie, Cochise!« Cochise antwortete mit einem Nicken. Barnes fuhr fort: »Ich bin Captain Phil Barnes, Wachoffizier im Fort. Darf ich eine Einladung meines Vorgesetzten, Colonel Jeff Davis, aussprechen?« Cochise verstand sehr wohl die Worte des Offiziers und war gespannt, was folgen würde. Er nickte zustimmend. »Colonel Davis bittet den Häuptling aller Apachen in sein
festes Haus und würde sich freuen, wenn Cochise die Einladung dann annehmen würde.« Cochise bedankte sich mit einem Handzeichen. Wyatt Earp kam an seine Seite und sagte zu Barnes: »Ich bin Wyatt Earp, Sir, Berufsspieler, Herumtreiber und Satteltramp. Aber das sind ja alle Zivilisten in den Augen des Militärs, nicht wahr?« Barnes lachte, beugte sich im Sattel vor und reichte Wyatt die Hand. »Nicht unbedingt, Mr. Earp. Auch das Militär kann zwischen einem anständigen Weißen und einem Gauner unterscheiden. Sie erscheinen mir ein bißchen wild, aber sonst okay.« »Danke«, erwiderte Earp und grinste. »Wie kommen Sie zu dem Häuptling der Apachen? Befreundet?« »Das will ich nicht unbedingt behaupten, Captain. Gemeinsame Interessen verbinden uns. Das kann morgen schon anders sein.« »Darf man über diese Interessen etwas erfahren?« »Warum nicht? Cochise ist auf der Jagd, ich werde gejagt.« Lachend beugte sich Wyatt vor. »Das verbindet, oder nicht?« »Wer jagt Sie denn?« »Der Sheriff aus Tombstone mit einer Posse.« »Well, und wen jagt der Häuptling?« »Zwei Weiße, die an der Ermordung einer Apachen-Sippe beteiligt waren.« »Hugh Bennet und Josuah Lemmon?« »How!« sagte Cochise in gutturalem Brustton. Captain Phil Barnes runzelte die Stirn und fuhr fort: »Um die beiden geht es? Sie sind im Fort. Wird Cochise der Einladung Colonel Davis' folgen?« »Ich werde dir folgen, weißer Häuptling«, antwortete Cochise schlicht. Er stellte keine Fragen, erbat sich kein freies Geleit und war auch sonst nicht neugierig. Dazu war er viel zu stolz. Er ritt
einfach an und nahm Richtung auf die Front der Kavalleristen. Barnes blieb an seiner Seite und nickte Lieutenant Lion zu. Der Offizier riß seinen Säbel aus der Scheide und brüllte: »Präsentiert – Säbel!« Ein einziges ruckartiges Klingen brachte die Säbel aus den Scheiden. Sofort kam der nächste Befehl: »Augen – links!« Barnes legte die Hand grüßend an den Feldhut und ließ Cochise höflichkeitshalber den Vortritt. Der Hornist stieß wieder in sein Blasinstrument und blies »Willkommen daheim«. Im Vorbeireiten sah der Häuptling die Augen der jungen Soldaten. Nirgendwo sah er Haß. Blaue, graue und braune Augen blickten den legendären Häuptling der Apachen freundlich und bewundernd an. Jedem in der langen Front nickte Cochise zu, und in dieser Kopfbewegung erkannten die Soldaten die große Würde des indianischen Führers. Wyatt machte ein todernstes Gesicht. Das ganze Zeremoniell kam ihm ein wenig lächerlich und abgeschmackt vor. Selbst Sitting Bull waren zwanzig Jahre später nie solche militärischen Ehren erwiesen worden, und keinem Häuptling danach. Hinter Cochise ertönte Lieutenant Lions nächster Befehl: »Dritter Halbzug habt – acht! In Zweierreihe rechts schwenkt – marsch!« Die Soldaten formierten sich und ritten hinter Cochise, Earp und Captain Barnes her. Barnes schlug den Weg zum Fort ein und war heilfroh, daß der Empfang so gut gelungen war. Schließlich wurden in Fort Bowie nicht jeden Tag Indianerhäuptlinge empfangen. Wind kam auf und wirbelte Staub und Alkali über den Hang. Der Wind brachte Gerüche aus dem Fort mit. Küchendunst vermischte sich mit dem scharfen Ammoniakgeruch der Ställe. Captain Barnes ritt neben dem Häuptling, dessen dunkle Augen aufmerksam das Fort musterten. Als das zweiflügelige Tor aufschlug und die Wache unter Gewehr zum Empfang antrat, ertönte auf dem Paradefeld ein scharfes Kommando und
die langgezogenen Töne des Hornisten. Allmächtiger, dachte Barnes. Der Alte hat die ganze Garnison antreten lassen! So war es. Drei Kompanien zu Pferd und zu Fuß standen im Karree und präsentierten Gewehr und Säbel. Es war ein malerisches Bild unter dem Sternenbanner, das bei allen Beteiligten lange in Erinnerung haften bleiben würde. Als Captain Barnes und Cochise durch das Tor ritten, kam ihnen Colonel Jeff Davis auf einem schneeweißen Hengst entgegen, die Hand grüßend am Hutrand. Barnes fiel vor Überraschung fast aus dem Sattel, als die Militärkapelle mit mächtigen Paukenschlägen und Trompetentönen die amerikanische Nationalhymne anstimmte. »Ich heiße Cochise, den Häuptling aller Apachenstämme, in Fort Bowie herzlich willkommen! Ich bin Colonel Davis, der Befehlshaber dieser Garnison!« Cochise nickte, streckte die Rechte gerade aus und ließ sie zur Brust zurückgleiten. »Cochise dankt dem weißen Häuptling für sein Willkommen und bittet ihn, Cochises Einladung in seinen Jacale anzunehmen. Dem Häuptling dieses festen Steinhauses wird es bei Cochise an nichts mangeln.« Davis stieg vom Pferd. Zwei Soldaten eilten herbei. Einer der beiden wollte Cochise beim Absteigen helfen, aber der Jefe war schneller. Mit einem Sprung stand er neben seinem Pferd. Colonel Davis kam auf ihn zu und reichte ihm die Hand, die angenommen und gedrückt wurde. Befehle prasselten über den Paradeplatz. Die zweite Kompanie riß die Gewehre an die Schultern und schossen einen Salut in den Himmel. Gewehr ab, durchladen, Gewehr hoch und dann wieder der Befehl: »Kompanie – Feuer!« Dreimal hallte der Ehrensalut über die Festung. Cochise nahm unbewegten Gesichts die hohe Auszeichnung an. Colonel Davis und Captain Barnes führten Cochise vor die Front der Offiziere.
Die Musik spielte einen preußischen Marsch und brach auf ein lautes Kommando jäh ab. Wieder Befehle, schließlich rückten die Kompanien mit einer Kehrtwendung in ihre Quartiere ab. Cochise und Wyatt Earp standen mit Phil Barnes und Colonel Davis in einer Gruppe beisammen. Davis wandte sich an Wyatt Earp und fragte: »Sie sind Wyatt Earp, nicht wahr, und Sie werden von einem Aufgebot aus Tombstone verfolgt? Was haben Sie ausgefressen?« »Woher oder von wem wissen Sie das, Commander?« Davis streckte die Brust heraus und wuchs um einen halben Zoll. »Mr. Earp, hier stelle ich Fragen und Sie antworten.« Wyatt zuckte gleichgültig die Achseln. »So war's nicht gemeint, Commander. Tut mir leid. Ich wurde in Tombstone in eine Schießerei verwickelt und mußte in Notwehr einen Mann töten, der mich vorher des Falschspiels beschuldigte.« »Das ist mir berichtet worden. Spielten Sie falsch?« »Ich bin ein Spieler, zugegeben, aber deswegen muß ich nicht falsch spielen. Mir geht es um den Reiz des Pokerspiels, Sir, und nicht allein um den Gewinn.« Jeff Davis überlegte. Seine Hand lag in der Bauchschärpe seiner Paradeuniform mit dem langen Uniformrock. »Es liegt kein Festnahmeersuchen von Seiten des Sheriffs in Tombstone gegen Sie vor, Mr. Earp. Die Armee ist auch kein Erfüllungsgehilfe für die Gesetzesausübenden der Territorien. Sie bleiben auf freiem Fuß. Ich rate Ihnen aber, Ihre Sache mit dem Sheriff zu bereinigen.« »Danke«, murmelte Earp und grinste. Colonel Davis drehte sich zu Cochise herum und deutete einladend auf die Kommandantur. »Ich habe eine Erfrischung herrichten lassen, Häuptling. Dabei können wir uns ungestört unterhalten.«
»Über was?« »Gibt es nicht genug Dinge, die mein und dein Volk betreffen und geklärt werden müssen? Ich meine es gut mit den Chiricahuas, das darfst du mir glauben, Cochise.« Cochise neigte zustimmend den Kopf. Neben Colonel Davis ging er hochaufgerichtet und gemessenen Schrittes auf die Kommandantur zu. Davis beäugte ihn vorsichtig von der Seite. Dieser Mann hatte jahrelang der mächtigen US Army getrotzt und allen seinen Widersachern eine Nase gedreht. Cochise überragte Davis um einen halben Kopf. Mächtig sprang die Adlernase in dem intelligenten braunen Gesicht vor und legte einen kräftigen Schatten vom Nasenflügel bis zum Kinn. Was der Colonel an Cochise am meisten bewunderte, war der mächtige Brustkasten und die Proportionen des Häuptlings. Die Legende um diesen Häuptling verdichteten sich von Jahr zu Jahr mehr an der Grenze. Wenn Cochise ein Weißer gewesen wäre, hätte man ihm letztlich noch einen Heiligenschein aufgesetzt oder eine Fürstenkrone. Aber er war kein Weißer. Viele Soldaten gingen auf Cochises kurzem Weg zur Kommandantur an ihm vorbei. In keinem Auge las der Chief Haß, Zorn oder Vergeltungswille. Im Gegenteil. Mehr und mehr kam es dem Chiricahua so vor, als hätten all die Gesichter mit den hellen Augen an Vertrautheit zugenommen, als würde er sie schon Jahre kennen. Mehr als zehn Jahre Krieg gegen die Weißen bleiben nicht ohne Einfluß auf die Ansichten und Beweggründe bei einem Indianerhäuptling. Es war ihm nicht vergönnt, in Schablonen oder nach dem Gesetzbuch der Amerikaner zu denken. Er konnte nur in der Rolle denken und handeln, die ihm die Naturgesetze und die seines Volkes eingegeben hatten. Captain Barnes überholte den Colonel, und Cochise riß die Tür zu dem Steingebäude auf. Es war kühl im Haus, ein leichter Luftzug hielt Fliegen fern. Im Besuchszimmer war ein großer rechteckiger Tisch
gedeckt. Schüsseln, Teller und Bestecke lagen vor jedem Sitz. Der Inhalt der Schüsseln verbreitete einen seligmachenden Duft im Zimmer, der die Magensäfte der Weißen anregte. Nur Cochise empfand nichts. Seine sprichwörtliche Genügsamkeit gab nicht den geringsten Raum auf die Vorstellung leiblicher Genüsse. Ein Stück Maultierfleisch war für ihn eine Delikatesse, was dort in den Schüsseln dampfte, kannte er nicht. Zwei Soldaten in weißen Meßjacken rückten Stühle und servierten. Colonel Davis hatte nicht die geringste Ahnung von den Eßgebräuchen der Apachen und wußte auch nichts über Tischsitten. Im Verlaufe des Nachmittags jedoch wunderte er sich immer mehr, wie sehr der Chiricahua sich den Weißen anpassen konnte. Seine Manieren hätten ausgereicht, ein Menü im größten Hotel von New York einzunehmen. Zum Essen wurde Wein geboten. Cochise lehnte ihn ab und bat um Wasser. Als nach dem Essen Zigaretten angezündet wurden, kam Davis auf das zu sprechen, was ihn interessierte. Vorsichtig tastete er sich vor: »Cochise ist auf der Jagd?« »Cochise jagt weiße Männer. Zwei Verbrecher, die eine Sippe der Chiricahuas umbrachten.« »Du wirst sie töten?« Cochise neigte den Kopf. »Sie sind dem Gesetz der Chiricahuas verfallen. Kein Weißer darf Hand an sie legen.« »Zwei von diesen Mördern halten sich im Fort auf.« »Ich weiß es«, antwortete Cochise schlicht. Colonel Davis warf über den Tisch einen langen Blick zu Captain Phil Barnes hinüber. »Ich kann sie dir nicht ausliefern, Häuptling, und bitte dich, meine Handlungsweise zu verstehen. Wenn ich den Verdacht habe, daß sie Mörder sind, muß ich sie dem Gesetz der Weißen überantworten. Auch ich kann nicht, wie ich will, Häuptling.« Über Cochises Antlitz glitt ein vergnügtes Lächeln.
»Das alles weiß ich, Häuptling der Weißen. Du brauchst sie mir nicht zu geben, denn sie sind nicht mehr da.« Davis gab sich einen Ruck. Seine eisgrauen Augen funkelten. »Warum sollten sie nicht mehr im Fort sein? Sie waren vor deiner Ankunft noch da.« »Jetzt aber nicht mehr. Sie stahlen Pferde und Proviant und verschwanden, als sie mich sahen.« »Großer Gott! Häuptling, woher willst du das wissen?« Cochise zuckte mit den Achseln und schwieg. Seine dunklen Augen hingen an Colonel Davis' Gesicht, dann glitten sie weiter zu Captain Phil Barnes und schließlich zu Wyatt Earp. Wyatt zwinkerte mit den Augen und schwieg. Davis aber, Commander von Fort Bowie, verfärbte sich und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, als ihm der spontane Gedanke kam, daß Cochise seine Einladung nur angenommen hatte, um die beiden Verbrecher aus dem Fort zu treiben. Hier konnte er sie nicht erreichen, das wußte der schlaue Chiricahua, weil er die Gesetze und Ansichten der Weißen kannte, aber wenn er die beiden mit legalen Mitteln aus der Befestigung vertrieb, unterstanden sie draußen in der Wüste oder im Gebirge seiner Gerichtsbarkeit. Davis stand halb von seinem Sitz auf und stemmte die Fäuste auf den Tisch. »Mr. Barnes«, schnarrte er mit blitzenden Augen. »Mr. Barnes, überprüfen Sie sofort, was an den Worten des Häuptlings wahr ist. Halten die beiden Kerle sich noch im Fort auf, lassen Sie sie sofort in Eisen legen!« Captain Barnes erhob sich hastig, salutierte und rannte hinaus. Es dauerte keine zwei Minuten, da war er schon wieder zurück. Aufgeregt blieb er in der Tür stehen und schnarrte seine Meldung wie ein Uhrwerk herunter: »Colonel – Sir, sie sind nicht mehr da! Cochise hatte recht. Unter Mitnahme von drei Pferden, einem vollen Sack Proviant und Munition sowie Wasserflaschen sind sie…«
»Schon gut«, winkte Colonel Davis müde ab. »Lassen Sie zwei Patrouillen unter Führung von Scouts zusammenstellen und die Kerle verfolgen.« Cochises Hand schnitt durch die Luft. »Es ist mein Land, weißer Häuptling, und das Land meiner Väter. Ich werde sie verfolgen!« Commander Davis senkte seinen Blick vor den blitzenden Augen des Häuptlings, und seine Handbewegung nahm den Befehl zurück. Eine zweite wies Captain Barnes auf seinen Stuhl. * »Hölle und Teufel!« schnaufte Josuah Lemmon und, verschluckte sich beinahe an seinem Bier. »Hugh, wirf einen Blick durchs Fenster!« Bennet beugte sich vor und blickte auf den Exerzierplatz. Kaum war die Bemerkung Lemmons von seinen Lippen gekommen, als ihm schon beim ersten Blick durch das Kantinenfenster das Grinsen gründlich verging. Er fuhr zurück wie vor einem Gewehrlauf, der auf seine Augen zielte, hob sein Glas an die Lippen und setzte es wieder hin, ohne einen Schluck getrunken zu haben. Erst nach einer langen Weile wagte er einen zweiten Blick auf das Paradefeld, um sich davon zu überzeugen, daß er auch richtig gesehen hatte. Er warf einen langen Blick auf Lemmon, der sich verfärbt hatte. Beide verstanden in diesem Augenblick den scharfen Befehl des Feldwebels, der vor einer halben Stunde in die Kantine gekommen war und die Soldaten von ihren Plätzen gescheucht hatte. Er hatte richtig gesehen, daran gab es keinen Zweifel. Durch das Tor kam Cochise mit einem Weißen in Zivil und dem Offizier der Wache, einen berittenen Halbzug im Schlepp.
»Das gilt uns«, flüsterte Josuah und schüttelte sich wie im Fieber. »Was machen wir. Hugh?« »Keine Minute länger warten, was sonst? Wir müssen weg, bevor die Rothaut uns ausfindig macht.« »Ob er weiß, daß wir im Fort sind?« »Er weiß es, sonst wäre er nicht hier. Laß uns verschwinden!« »Wie? Wohin? Ohne Pferde und Proviant?« »Quatsch! Wenn sich das Palaver dort draußen gelegt hat, gehen wir zum Stall und satteln uns drei Pferde. Das mache ich. Du begibst dich zur Ausrüstung und läßt dir vom Furier einen Proviantsack und ein Paar Flaschen Wasser füllen. Danach verschwinden wir so leise wie auf Katzenpfoten.« »Du hast die Stallwache und die Torwache vergessen.« Bennet winkte ab. »Habe ich nicht, Mann. Wenn wir uns richtig bewegen und keine Angst zeigen, kommen wir weg.« Er legte ein Geldstück auf den Tisch, drehte sich eine Zigarette, zündete sie an und gab sich recht gelassen. Draußen flauten der Lärm und die Kommandos ab, das Karree löste sich auf und die Männer verschwanden in ihren Unterkünften. Nachdem sich das Paradefeld geleert hatte, schoben die beiden Banditen ihre Stühle zurück und standen auf. Gemeinsam verließen sie die Kantina. Draußen umfächelte sie der Wind, der von Norden wehte und ständig umschlug. Er brachte Staub und pulverfeinen Sand mit und ließ vertrocknetes Unkraut zwischen ihren Füßen knistern. Für beide Outlaws blieben immer noch genug Zweifel über das Gelingen ihres Planes, so daß man sie trotz des Nachlassens der Hitze hätte auswringen können, ehe sie das niedrige Stallgebäude erreichten. Sie stießen die Tür auf und traten schnell ein. Niemand war anwesend. Die Stallwache war sicherlich beim Essenfassen. Die Paradepferde standen alle abgesattelt in ihren Boxen und äugten zu den Zivilisten. »Ich mach das«, sagte Hugh Bennet rasch. »Kinderspiel!
Kümmer dich um den Proviant und vergiß das Wasser nicht. Los, hau ab!« Lemmon verschwand. Bennet sattelte drei braune Kavalleriepferde, die er für folgsam und ausdauernd hielt und stellte sie nebeneinander vor einen Halfterbalken. Kurz darauf kehrte Josuah zurück und schwang zwei mittelgroße Proviantsäcke. Über der Schulter hatte er drei Feldflaschen hängen und einen prallen Wasserschlauch. »Spielend ging das«, sagte er. »Jetzt nur noch die Torwache, dann haben wir's geschafft.« Hugh Bennet nickte. »Machen wir uns auf die Socken und das im Geschwindschritt!« Vor dem Stall hielt sich niemand auf. Die Besatzung war beim Essen und machte sich für die allabendliche Flaggenparade bereit. Beim Tor standen ein Corporal und zwei Mannschaftsdienstgrade. Der Corporal kam ihnen ein Stück entgegen, grüßte und gab das Zeichen zum Öffnen, als er die Militärpferde sah. »Schon wieder hinaus in die feindliche Wüste?« fragte er jovial. Hugh klopfte ihm im Vorbeireiten auf die Schulter und lächelte zu ihm hinab. »Schon viel zu lange hier gewesen«, sagte er. »Danken Sie dem Kommandanten noch einmal für die Hilfe, die er uns angedeihen ließ. Adios, Corporal!« »Macht's gut, Männer!« Draußen waren sie und ritten in gemäßigtem Trab den gewundenen Hangweg hinab. Hinter der nächsten Kehre gaben sie den Pferden die Sporen zu fühlen und preschten los. »Wohin?« schrie Lemmon. »Osten! Immer nach Osten!« gab Hugh zurück und deutete auf die fernen Berggipfel, die sich schwach aus dem Bodendunst abhoben. In zwei Stunden würde die Nacht hereinbrechen, und wenn sie weit genug von Fort Bowie entfernt waren, konnten sie
auf ein Entkommen hoffen. Die Nacht verbarg alle Spuren, denn die Nacht war die beste Freundin des Bösen und schützte Kinder des Teufels. Das Land vor ihnen nahm zunehmend Wüstencharakter an. Erosionsgestein und Geröll bedeckten den Wüstenstaub fächerartig, und wenn sie zu den langgezogenen Hügelhängen sahen, erkannten sie auch das dichte Chapparal-Dickicht und die unzähligen Kakteen-Inseln. Zwei Bussarde kreisten hoch am Himmel und spähten nach Beute. Im Süden breitete sich Dunst aus, der beharrlich dem leichten Wind Widerstand bot. Es war ein rauhes Land mit einer kümmerlichen Flora und ohne eine nennenswerte Fauna, die zur Abwechslung auf dem Küchenzettel beigetragen hätte. Hin und wieder sahen sie ein Wüstenhuhn, aber die grauen, kleinen Gesellen verschwanden so rasch in ihren Verstecken, daß sich eine Jagd nicht lohnte. Füchse strichen durch die Färberdisteln und blickten den beiden Reitern nach. »Wann werden wir jenseits der Grenze sein?« »In zwei Tagen, Jos, aber die Apachen kennen keine Grenze, und wenn, würden sie die unsichtbare Linie zwischen den Territorien kaum respektieren. Beeilen wir uns!« »Ob sie uns eine Patrouille nachschicken? Sie werden bald merken, daß wir verduftet sind.« »Ich fürchte keine Patrouille, obwohl sie sicher Apachen-Scouts mitschicken. Angst habe ich nur vor Cochise.« Die Abenddämmerung zog von Osten her über das Land und verdrängte das Licht. Sie ritten mit ihrem Packpferd in diese Dämmerung, die so übergangslos war wie ein herabhängendes Tuch. Dunkelheit nahm sie auf und legte ihren schützenden Mantel um die Reiter. * Beim ersten Silberstreifen am östlichen Horizont waren Cochise
und Wyatt Earp zum Ausreiten fertig. Das Gespräch zwischen dem Häuptling und dem Commander Jeff Davis hatte bis in die späten Abendstunden gedauert, aber Cochise hatte dem weißen Häuptling auch nicht sagen können, was die Rauchzeichen zu bedeuten hatten und wer die Signale in den Himmel schickte. Versehen mit viel Wasser und reichlichem Proviant, ritten die beiden beim ersten Frühlicht los. Davis hatte sie verabschiedet. Er stand auf dem Paradefeld und hielt die Hand grüßend an den Feldhut. Cochise machte das Zeichen des Friedens und ritt durch das Tor. Sie mußten nicht lange suchen, bis sie auf die Spur stießen. Der Häuptling der Apachen sah sie vom Pferd aus und ritt geradewegs nach Osten. Der Sonnenaufgang überraschte die beiden Jäger schon weit weg vom Fort. Wyatt war an diesem Morgen mißmutig und einsilbig. Wenn er an die kommende Tageshitze dachte, brach ihm jetzt schon der Schweiß aus. Verstimmt musterte er den Apachen von der Seite. Er ahnte, was in Cochise vorging. Die beiden Outlaws waren menschliche Bestien, ein paar Stufen unter der bekannten Outlaw-Klasse im Südwesten von Arizona. Sie konnten auf ihrer Flucht viel Unheil unter den indianischen Nomaden anrichten, wenn sie Gelegenheit dazu hatten. Und da es in diesem Landstrich nur Apachen gab, die mit ihren Familien durch das Land zogen, war es Cochises Sache, sie zu schützen. Die Sonne kletterte, mit ihr die Hitze und der Staub. Sie gerieten in ein ausgedehntes Feld von Kandelaber-Kakteen. Zwischen den stacheligen Stämmen wuchs ein dichter Teppich von Speerdorn und kleinstämmigen Kakteen. Die Fährte der Outlaws führte mitten hindurch. Cochise stieg ab und untersuchte die Hufabdrücke. Drei Pferde, alle drei beschlagen. Eines der Tiere lahmte auf der rechten Hinterhand. Als sich Cochise aufrichtete, sah er nach Norden und Osten. Über allen Hügeln standen Rauchbälle. Cochise beschattete die Augen mit der flachen Hand und
studierte die Zeichen. Anschließend schüttelte er stumm den Kopf und bestieg sein Pferd wieder. »Kannst du sie nicht lesen?« fragte Wyatt knurrig. »Fremde Zeichen von einem Volk, das aus dem Norden kommt.« »Du kennst dieses Volk?« Cochise schüttelte stumm den Kopf und blickte geradeaus. »Wenn wir keinen anderen Weg nehmen, Chief, reiten wir geradewegs zwischen die Rauchzeichen.« »Hast du Angst? Dann geh!« »Verdammt, ich habe nicht die geringste Angst, wenn es das ist, was du unter Angst verstehst. Ich will mich nur nicht unendlich lange in dieser trockenen Wüste aufhalten.« »Bis zum Gebirge gibt es kein Wasser«, war Cochises lakonische Antwort. »Ich rede nicht von Wasser, sondern von der Hitze und dem höllischen Staub«, gab Wyatt bissig zurück. »Ich will von hier weg, Chief. Weit weg!« »Dann geh! Niemand hält dich.« »Beim Satan…« Earp schwieg. Er ahnte, daß es dem Häuptling der Apachen nichts ausmachte, an seiner Seite zu reiten. Ebensogut aber konnte er auf dieses Privileg verzichten. Mit jedem Schritt der Pferde kamen sie näher an die Rauchzeichen heran. Sie hüpften sporadisch wie Bälle über die Hügel und verflüchtigten sich in der Thermik. »Rauchzeichen des Todes«, sagte Wyatt Earp und wischte sich den Schweiß aus den Augen. Cochise gab keine Antwort. Wyatt fluchte und nörgelte weiter in der gleichen Tonart über die Hitze und die Rauchzeichen und alles nur mögliche, was ihm an diesem Morgen nicht behagte. Cochise wandte schließlich den Kopf, und ihre Blicke kreuzten sich eine tödliche stille Sekunde lang. Darauf folgte nur eine heftige Handbewegung und wieder ein Kopfschütteln des Häuptlings. In dieser Bewegung sprach ein gewisses Unbehagen
mit, aber Wyatt merkte nicht, was die Stunde bei dem Häuptling geschlagen hatte. Er räsonierte weiter und wischte sich dabei ständig Schweiß und Alkalistaub aus dem Gesicht. Mit einem plötzlichen Ruck hielt Cochise seinen Pinto an. Er starrte auf einen runden Hügel vor sich, kaum zweihundert Yards entfernt, und Wyatt sah, wie sich seine Muskeln über den Wangenknochen anspannten. »Tod und Teufel!« flüsterte er verhalten und wischte noch einmal seine tränenden Augen ab. »Sind das Apachen, Chiricahuas?« Ein grimmiges Lächeln überflog Cochises Miene. »Wenn das Chiricahuas wären, würdest du längst nicht mehr leben, Hellauge.« »Indianer, die die Rauchzeichen machen?« »Warten wir es ab.« Cochise ritt wieder an, den aufgeregten Weißen im Schlepp. Drei Reiter hielten auf der Hügelkuppe. Der mittlere trug eine bis zum Boden reichende Federhaube. Die beiden anderen rechts und links von dem fremden Häuptling trugen ihr Haar zu einem hohen Kamm geschoren, den sie mit den Flaumfedern des Graureihers geschmückt hatten. Die Indianer machten grimmige Gesichter, rührten sich aber nicht von der Stelle. In ihrem Rücken stiegen schwarze Rauchbällchen in die Höhe, die nach ein paar Metern zerflatterten. Cochise nahm keine Notiz von den fremden Rothäuten, die sich auf seinem Land aufhielten. Er ritt in ein gewundenes Hügeltal und folgte unverdrossen der Spur. Sie merkten beide, wie ihnen die Augen der drei Rothäute folgten, und bei Wyatt brach wieder der Schweiß aus. Schweiß des Unbehagens und der Angst. Aber Cochise tat, als seien die fremden Indianer gar nicht vorhanden und ritt in aufrechter Haltung. Das Gewirr der Kakteen wurde von einer Kolonie Chollas abgelöst, die sich
sogar an den Hügelhängen hinauf erstreckten. Vorsichtig lenkte der Häuptling sein Pferd zwischen die Kugelkakteen, wohl wissend, wie giftig die Stacheln dieser seltsamen Flora waren. Schon manches Pferd, von den Stacheln geritzt, mußte getötet werden. Zufällig warf Wyatt einen Blick nach Süden. Über diesem Wüstenteil hing eine Staubwolke, die nach Norden in Bewegung war. Wo Staub in der Luft hing, waren meistens auch Reiter. Er machte Cochise darauf aufmerksam. »Schon gesehen«, erwiderte der Häuptling. »Weiße.« »Das Aufgebot aus Tombstone?« Cochise nickte. Ein schwaches Lächeln überflog sein Gesicht, das sich aber sofort darauf wieder in seine maskenhafte Strenge zurückzog. »Sie suchen immer noch nach dir, Hellauge.« »Nach wem denn sonst?« knurrte Earp wütend. »Nach dir doch nicht.« Der Pfad zwischen den Chollas wurde mit jedem Schritt enger. Ganz plötzlich weitete er sich zu einem Rund. Sechs hochstämmige Kakteen standen in der Arena und streckten ihre Arme wie flehend nach allen Seiten hin aus. Wie auf ein Kommando hielten Earp und Cochise ihre Pferde an. Zuerst glaubten sie, an Halluzinationen zu leiden. Sie trauten beide ihren Augen nicht und rieben sie immer wieder vom Alkalistaub frei. Das Bild, das sie sahen, war für einen Weißen ekelhaft genug. Schwärme von Fliegen sandten ein tosendes Brummen aus, schossen pfeilschnell über die Lichtung und ließen sich auf den drei Leichen nieder. Sie hingen mit dem Kopf nach unten wie Gekreuzigte, und ihre Schädel waren mit geronnenem Blut bedeckt wie ihre Körper. Alle drei waren Apachen-Scouts. Sie trugen die blauen Militärjacken, an den Beinen derbe Beinkleider und Mokassins an den Füßen. Keiner von ihnen lebte mehr. Sie mußten
unsägliche Marterqualen erlitten haben, und Wyatt, der sie so hängen sah wie Schlachtvieh, beugte sich zur Seite und erbrach sich. Selbst Cochise hatte viel von seiner braunen Gesichtsfarbe verloren. Wenn er auch viel härter als der Weiße im Nehmen war, so stieß ihn das Bild genauso ab wie Earp. Beide Reiter stiegen von ihren unruhigen Pferden und näherten sich der Wolke von Fliegen. Fliegen aller Art, vorwiegend Schmeißfliegen, die sich unwillig summend von ihrem Opfer trennten, als Lebende in die Runde traten. »Großer Gott, wer hat so etwas tun können?« »Weiße.« »Unmöglich!« »Es waren Weiße«, sagte Cochise bestimmt und deutete auf Stiefelabdrücke im Sand »Welche Weiße? Die zwei Kerle, die wir verfolgen?« »Nein, andere Weiße. Die Mörder der Chiricahuas sind vorbeigekommen, aber schnell weitergeritten.« Cochise deutete auf eine kaum sichtbare Fährte ein paar Schritte entfernt. »Ich glaube, es waren die Indianer dort auf dem Hügel.« Cochise warf einen Blick über die Schulter. Der Hügel war leer. »Nein, kein Indianer ermordet einen anderen Indianer auf diese Art. Das haben bestimmt weiße Männer getan.« »Aber wer?« schrie Earp angewidert. »So viele Weiße gibt es doch hier gar nicht!« Der Häuptling gab keine Antwort. Er schritt die Kakteen ab und blickte den Toten in die Gesichter. Dabei murmelte er Namen und Sippenbezeichnungen, die Earp jedoch nicht verstand. »Bringen wir sie unter die Erde«, sagte er mit leiser Stimme. Cochise zog sein Messer und schnitt die Fesseln an den Handund Fußgelenken durch. Schwer stürzten die Toten zu Boden. »Krieger der Apachen erhalten ein indianisches Grab«,
antwortete Cochise und zeigte auf herumliegende Steinbrocken. Wyatt Earp verstand und fing an, mächtige Steine heranzuwälzen. Die Fliegen wurden zur Plage und quälten den emsig Fluchenden, der sich an den scharfkantigen Felsbrocken die Finger blutig riß. Nach einer halben Stunde hatten beide so viele Steine herangeschafft, daß sie darangehen konnten, das Grabmal zu errichten. Sie legten die Toten nebeneinander und schichteten die Brocken rings um sie in die Höhe. Als die Arbeit getan war, nahm Wyatt Earp seinen Hut ab und drehte ihn in den Händen. Mit der Schließung des Monuments ließ auch die Fliegenplage nach. Cochise entfernte sich von der Stätte und schlug große Kreise, während Wyatt Earp mit dem Hut in der Hand vor dem Steinhaufen stand. Er wirkte so blaß wie ein Gespenst. Cochise kehrte zurück und riß Wyatt aus seinen Gedanken. Er deutete auf die Fußabdrücke und sagte mit kehliger Stimme: »Weiße. Sechs.« Dabei hob er die gespreizte Rechte und hielt den Zeigefinger der linken Hand in die Höhe. Ungläubig schüttelte Wyatt den Kopf, dabei blickte er an dem Häuptling vorbei, zuckte zusammen und erstarrte zur Steinsäule. Übergangslos spürte er die Trockenheit in seinem Mund, und als er krächzend seine Warnung hervorstieß, klang sie tonlos: »Cochise, hinter dir… Allmächtiger, sie haben uns überrascht!« Über das braune Gesicht des Häuptlings glitt ein leichtes Zucken wie Wetterleuchten. Lächelte er? »Den Häuptling der Apachen überrascht niemand, auch nicht die fremden Indianer. Ich weiß, daß sie da sind.« Langsam drehte er sich herum. Der Indianer mit der Federhaube war abgestiegen und hielt sein Pferd am Zügel. Seine Begleiter blieben auf ihren Ponys. Cochise blieb nach zehn Schritten stehen und machte das Handzeichen des Friedens, das erwidert wurde.
Stille breitete sich aus, nicht einmal die Pferde schnaubten oder scharrten mit dem Vorderhuf. Earp ging zu der Gruppe, ständig darauf gefaßt, ziehen oder schießen zu müssen. Mit hochgezogenen Brauen sah er die beiden Indianer gestikulieren. Sie unterhielten sich in der Zeichensprache, und es sah nicht so aus, als würden sie an kriegerische Handlungen denken. Wyatt blieb hinter Cochise stehen und musterte den Roten unter der Schlepphaube. Seine hohe Stirn verriet Verstand und Wille, sein breites Kinn Kraft und physische Stärke. Nach einer Weile drehte sich Cochise zu Earp herum und gab eine kurze Erklärung ab, die Wyatt nur wenig befriedigte, weil er die Gebräuche der Indianer zu wenig kannte. »Sechs Skalpjäger überfielen Scouts und schlugen sie nieder. Sie banden die Apachen an die dornigen Säulen und skalpierten sie.« »Warum, Cochise, warum nur? Was taten die Scouts den fremden Weißen?« »Nichts«, war die lakonische Antwort. »Indianer hatten Skalps.« »Verdammt! Ist das nicht zum Auswachsen? Wegen einem Skalp tötet man doch keine Menschen!« »Doch, Skalpjäger, Hellauge. Wania-taka, der Häuptling der Cheyenne, sah zu. Er konnte nichts für seine roten Brüder tun, weil die Weißen in der Überzahl und besser bewaffnet waren.« »Wania-taka, was heißt das schon wieder?« »In der Sprache der Cheyenne heißt das Geistbüffel. Er ist Häuptling der Süd-Cheyenne.« »Und du hast das alles damit herausgefunden?« Wyatt machte ein paar Bewegungen mit den Händen und gestikulierte wie ein Affe unter einem Bananenbaum. Über Cochises strenges Gesicht glitt der Widerschein eines inneren Lächelns. Er nickte. »Damit. Mit der Zeichensprache, die alle Indianer der Prärien, Wüsten und Gebirge verstehen. Du glaubst es nicht?«
»Muß ich doch, oder?« »Kein Krieger muß das glauben, was ein Häuptling sagt, wenn er nicht davon überzeugt ist.« Wyatt Earp hatte seine Abfuhr. Cochise wandte sich wieder dem fremden Häuptling zu und redete mit ihm in der Zeichensprache. Earp stand müßig dabei und konnte kaum seine Ungeduld beherrschen. Inzwischen kletterte die Sonne ihrem höchsten Punkt entgegen und strahlte eine infernalische Hitze auf die Erde, die selbst den Bewohnern dieses Landes den Schweiß aus allen Poren trieb. Besonders in den Hügeltälern und Canyons war es heiß wie in einem Backofen. Kein Lufthauch bewegte die gesenkten Köpfe der in Blüte stehenden Disteln und Kakteen. Der Herbst nahte, und der Sommer ging trotz seiner Tageshitze zu Ende, das war nicht zu übersehen. Cochise palaverte noch immer mit dem Cheyenne-Häuptling und schien sich nur für dessen Informationen zu interessieren. Unbeweglich hielten die beiden kahlgeschorenen Krieger auf ihren Ponys und ertrugen die Hitze in stoischem Gleichmut. Es dauerte lange, bis die beiden Häuptlinge ihre Unterhaltung beendeten, dabei war außer wenigen Grunztönen kein einziges Wort gefallen. Cochise wollte sich abwenden und machte das Zeichen des Friedens und des Abschieds, als er unerwartet trommelnde Geräusche hörte. Er blieb stehen und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf das weiterfahrende Hügeltal. Ein indianischer Reiter stob um die Kehre und hielt bei der Gruppe um den Häuptling an. Mit hastig hervorgestoßenen Kehllauten und Händeschwenken in westlicher Richtung gab er Wania-taka einen langatmigen Bericht. Geistbüffels Gesicht blieb dabei unbeweglich und so ausdruckslos wie das eines gotischen Wasserspeiers. Als der Krieger fertig war, drehte sich der Häuptling zu Cochise um. Wieder begann das Spiel der Hände, Finger und Ellbogen.
Cochise nickte und bedankte sich mit ein paar Handzeichen. Earp, der vor Ungeduld fast platzte, drehte sich eine Zigarette, brannte sie aber nicht mehr an, als er den Häuptling der Apachen sagen hörte: »Weiße sind im Anmarsch, viele Weiße aus der Stadt, die ihr Tombstone nennt.« »Schon wieder das Aufgebot?« »Die Cheyennes mit ihren Arapahoe-Freunden halten sie auf. Es sind die Männer, die unter dem weißen Häuptling mit dem Stern reiten.« »Sheriff John Hallifax mit seinen Deputys«, knurrte Wyatt und sah mißtrauisch nach Westen. »Wegen der Hügel konnte er jedoch die Posse nicht sehen. »Laß uns verschwinden, Chief, bevor es hier ganz brenzlig wird.« »Die Arbeit ist getan, wir reiten.« Cochise ging zu seinem Pferd, bestieg es und grüßte den fremden Häuptling. Wyatt ritt hinter ihm her in das Hügeltal hinein und bemerkte, daß der Jefe die Richtung geändert hatte. »Wohin geht der Weg, Chief?« Cochise deutete nach Sonnenaufgang. »Ich folge den Spuren«, sagte er. »Skalpjäger und Mörder der Apachen werden aufeinanderstoßen.« »Ernstlich?« »Das Gift der Schlangen wirkt nicht bei Schlangen.« Wyatt verstand, was der Häuptling der Apachen sagen wollte. Er bedeckte die Augen mit der Hand und suchte die seitlichen Hügeltäler ab, ohne jedoch ein lebendes Wesen zu entdecken. * Hugh Bennet trank während des Reitens ein paar Schlucke aus der Feldflasche, verkorkte sie und hing sie an das Sattelhorn. Josuah Lemmon holte auf und ritt an seiner Seite. »Gräßlich, diese Hitze! Wie lange wollen wir das noch durchhalten?«
»Was meinst du?« »Ich rede von einer Pause. Meinen Magen fühle ich schon nicht mehr, so leer ist er.« »Pause? Essen? Bist du wahnsinnig, Jos?« »Warum soll ich wahnsinnig sein? Essen und trinken muß doch jeder, wenn er bei Kräften bleiben will.« »Aber nicht, wenn ein Cochise auf der Fährte reitet. Mann, du hast 'n Verstand wie 'ne Mücke.« »Mein Magen fragt nicht nach meinem Verstand, wenn er knurrt.« Die Hügel wollten kein Ende nehmen. Das Land war menschenleer, steinig, sandig und bedrückend. Die Sonne brannte auf ihre Haut, die im Alkali badete. Mißmutig warfen die Pferde die Köpfe hoch und schnaubten, um den Staub aus ihren Nüstern zu blasen. Ein Mesquite-Chapparal tauchte vor Hugh und Jos auf und füllte die gesamte Talbreite aus. Eine Sekunde lang glaubte Bennet dort eine Bewegung zu sehen. Als er jedoch noch einmal hinschaute, war nichts mehr zu sehen. Die Stelle wirkte grau, staubig und braun wie vorher. »Mesquite! Hölle und Teufel, wie kommen wir dort durch?« »Für die Gäule kein Problem«, antwortete Jos übellaunig. »Okay, dann reite mal voran. Mal sehen, wie es dein Zosse schafft.« Lemmon zuckte gleichgültig die Achseln. Hugh hatte sich in der letzten Zeit zu sehr angewöhnt, ihn zu bevormunden und zu maßregeln. Das gefiel ihm nicht. Wütend schnellten seine Blicke wie springende Sandvipern über das Dickicht. Der Chapparal war verfilzt und dornig durch den Speerdorn, der seine langen Ranken wie Bänder durch den Mesquite wob. Josuah Lemmon riskierte es. Mit einem Schnalzlaut gab er dem Pferd die Zügel frei und trieb es in den Chapparal. Die einzelnen Büsche standen nicht so dicht wie er geglaubt hatte. Jos Lemmon kam gut vorwärts und gelangte unbeschadet durch
den Grüngürtel. Er richtete sich im Sattel hoch und winkte Bennet mit seinem Hut. Gleich darauf verriet das Knacken und Brechen von Holzwerk, daß ihm Hugh folgte. Auch Bennet kam durch und warf einen forschenden Blick zurück. Die Ranken hatten sich jedoch wieder geschlossen und versperrten die Sicht in das zurückgelassene Tal. »Weiter!« keuchte er. »Bei der nächsten Baumgruppe halten wir an und legen eine Pause ein.« Aber die gemeinte Baumgruppe war nirgendwo zu sehen und wahrscheinlich in traumhaft weiter Ferne. Dafür sahen die beiden Outlaws etwas anderes. Vor ihnen, keine zehn Meter entfernt, schraubten sich drei Individuen mit angeschlagenen Gewehren aus einem zweiten Dickichtstreifen. Hugh Bennet brachte sein Pferd mit hartem Zügelruck zum Stehen und glotzte die Kerle an, als wären sie soeben einem Pfuhl der Hölle entstiegen. So sahen sie auch aus, genauso schmutzig und verwahrlost, mit tagealten Bartstoppeln und einer Kleidung, die man bestenfalls nur als Lumpen bezeichnen konnte. Nur ihre Waffen waren in Ordnung, das sahen Fachleute wie Bennet und Lemmon auf den ersten Blick. »Kommt runter und bewegt euch, Hombres!« befahl einer mit näselnder Stimme. »Schlank-schlank-dalli!« Bennet zögerte und kalkulierte trotz seines trägen Gehirns die Chancen einer Schießerei ein. Daraus wurde nichts. Eine Stimme in seinem Rücken riß ihm den Gedankenfaden brutal ab. »He, habt ihr nicht gehört, was Schlank-Schlank euch befohlen hat? Runter von den Schindmähren!« Hugh wandte den Kopf. In ihrem Rücken standen drei weitere Reiter mit entsicherten Waffen. »Hat keinen Sinn«, flüsterte Hugh Jos zu und schwang ein Bein über die Pferdekruppe. Auch Lemmon stieg ab. Sie sahen sich sechs verwahrlosten Kerlen gegenüber, die blutige Skalps an ihren Sätteln hängen hatten. Beide dachten sich ihren Teil und schwiegen.
»Wer seid ihr?« Hugh antwortete: »Reiter, Reisende.« »Wohin geht denn die Reise?« »Irgendwohin, nur fort von hier.« »Und warum so eilig, Söhnchen?« In der Stimme des rüden Kerls, den der andere Schlank-Schlank genannt hatte, kräuselte sich eine schleimigschleichende Frage, die Bennet und sein Busenfreund nicht überhörten. »Ein Chiricahua ist uns auf den Fersen«, sagte er und tat, als werfe er ängstliche Blicke in die Runde. »Eine Rothaut? Welche?« »Kein geringerer als Cochise.« Das wiehernde Gelächter der sechs Rohlinge warf Hugh fast auf den Rücken. »Hört, hört«, meckerte ein zweiter Mann, der genauso schmutzig und abgerissen aussah wie die anderen. »Cochise persönlich gibt sich die Ehre, diesen beiden Vollidioten den Skalp abzuziehen. Ich war der Meinung, Rabbit, wir täten das, oder irre ich?« Rabbit, ein schmalbrüstiger Vierziger mit Dackelbeinen, zeigte zwei Reihen brauner Zahnstummel. »Werden wir auch, werden wir«, meckerte er wie ein Ziegenbock. »Den Schieler nehme ich mir selbst vor, wenn's genehm ist?« Ein dritter, der mit angeschlagenem Gewehr auf einem grauen Pferd saß, stieß den Lauf wie eine Comanchenlanze in Richtung Josuah Lemmon und brüllte: »Und ich mir die Zaunlatte, Jungs! Seht euch mal ein bißchen um. Vielleicht sind noch ein paar von dieser Sorte in der Nähe.« »Hallo, Rainbow ist endlich aufgewacht! Mann, du bist so dämlich wie ein Haufen Pferdeäpfel! Was willst du mit einem blonden Skalp, he? Meinst du, die Greaser sind so blöd wie du?« Rainbow, der Mann mit einer breitgeschlagenen Nase und
Blumenkohlohren fletschte sein schadhaftes Gebiß. »Werd ja nicht frech, Bronco, was verstehst du schon davon, wie blöde die Greaser sind? Noch zahlen sie ganze fünfzig Dollar für einen Skalp, wenn man erklärt, daß er von einem Apachen ist.« »Mein Gott, was wollen die von uns, Jos?« Hugh Bennet schien wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte das Gefühl, er müsse sich nun einschalten, brachte es aber nicht fertig, den rüden Dialog der Kerle zu unterbrechen. Wer und was sie waren, wußte er, aber nicht, was sie von ihnen wollten. Weiße skalpierten doch keine Weißen. Hugh und Jos wußten, daß die anderen die besseren Trümpfe hatten. Ihr Leben stand auf dem Spiel, wenn es nicht gelang, die Kerle von ihrem Vorhaben abzubringen und ihnen einzutrichtern, daß sie gemeinsam am gleichen Strick zogen. Hugh nahm allen seinen Mut zusammen und sagte: »Es stimmt, Cochise ist hinter uns her. Zwei von uns hat er bereits geschnappt und ausgelöscht. In seiner Begleitung ist ein Weißer, den wir nicht kennen. Wenn die beiden uns hier überraschen, sind wir geliefert. Laßt von uns ab und verduftet.« Der Mann, den ein anderer Rabbit genannt hatte, beugte sich auf das Sattelhorn und grinste Hugh ins Gesicht. »Was habt ihr denn ausgefressen, Jungs, daß euch der große Cochise verfolgt?« Im gleichen Atemzug wandte er sich an Bronco. »He, Bronco, was meinst du, was die Mexikaner für Cochises Skalp ausgeben werden?« Bronco, der mit richtigem Namen ganz anders hieß, erwiderte: »Eine ganze Menge, denke ich.« Rabbit wandte sich wieder an Hugh. »Ich stellte dir eine Frage. Was habt ihr ausgefressen?« Mit dieser Frage gab er Hugh die Chance, sich ebenfalls in die Runde einzukaufen. »Wir legten ein paar von seiner Sippe um, um an ihre Pferde heranzukommen.«
»Aha!« »Was aha?« »Wo war das?« Hugh wies nach Südwesten. »In einem Canyon. Wo? Das weiß der Teufel! Die Canyons sehen alle gleich aus und haben keine Namen.« Drei Kerle stiegen ab und näherten sich Hugh und Josuah. Sie nahmen ihnen die Revolver ab und zogen die Gewehre aus den Sattelhalftern. »Kann stimmen«, sagte ein fünfter, noch namenlos. »Hab' was in Tubac läuten hören. Ihr wart das also!« Hugh nickte und fühlte Oberwasser. Schlagartig hatte sich die Situation geändert. Die Blicke der sechs Kerle wurden freundlicher, und endlich kletterte auch der Rest von den Pferden. Bronco sagte: »Wir machen eine kurze Rast, Jungs. Ich denke, ein Palaver wird einiges klären. Können wir uns ein Feuerchen leisten, Schlank-Schlank?« »Lieber nicht. Wenn der Freund dort drüben uns nicht belog, riecht ein Indianer wie Cochise Holzrauch auf eine Meile. Machen wir's heute kalt.« Sie banden ihre Pferde an einen Dornenbusch und setzten sich im Kreis auf die Erde. Proviant und Wasser hatten sie genügend, und als sie sich gesättigt hatten, kam ein Gespräch in Fluß, das von gemeinen Ausdrücken nur so triefte. Hugh Bennet fragte: »Was kriegt ihr für einen Indianerskalp, und wo, wenn man fragen darf?« »Zwischen dreißig und fünfzig Dollar. Sie nennen es Abschußprämie. Und wo? In Nogales, wo sonst?« Grinsend setzte Rainbow hinzu: »Im mexikanischen Teil von Nogales, klar. Die Greaser lassen sich so was schon einiges kosten, damit sie Ruhe vor den Rothäuten haben.« »Die Apachen, die ihr skalpiert, waren Scouts der US Army.« »Waren sie? Na schön, sieht man es den Kopfhäuten an, daß ihre Besitzer blaue Uniformen trugen?«
Hugh Bennet wies schlimmere Gedanken mit einer Kopfbewegung von sich. »Und was wird sein« – er lachte laut und angewidert – »ja, was wird sein, wenn den Spics mal 'ne Kopfhaut von einem Nicht-Apachen vorgelegt wird? Zum Beispiel von einem Mexikaner?« »Den bezahlen sie auch«, die Kerle lachten. Rabbit setzte hinzu: »Schon vorgekommen, damals beim großen Boom, als man noch bis zu hundert Dollar Prämie für einen schwarzhaarigen Skalp auf den Tisch blätterte.« Hugh nahm alle seine Kühnheit zusammen und fragte Rainbow, den er noch für den humansten der Bande hielt: »Ihr seid also Skalpjäger, was? Habe davon gehört. Dachte aber, daß das Geschäft seit Mangas Coloradas Zeiten vorbei ist.« »Nicht nur Skalpjäger«, feixte Bronco. »Wir nehmen alles, was wir kriegen können. Auch mal 'ne Bank, wenn's in den Kassen klingelt.« Hugh Bennet fühlte die Hitze des Tages und die glutheiße Sonne auf seinen Rücken brennen. Ganz wohl fühlte er sich bei dem Gedanken nicht, mit diesen Männern zu reiten. Möglicherweise kam er in ihrer Gesellschaft vom Regen in die Traufe, er und Jos Lemmon. Für den Augenblick blieb ihnen beiden keine andere Wahl. Sechs Schießeisen mehr garantierten ihnen nahezu freies Geleit bis über die Grenze von Neumexiko. Hugh und Josuah warfen sich einen sprechenden Blick zu und drehten ihre Gesichter schnell wieder weg. Jos hatte jedoch das kurze Augenblinzeln Hughs bemerkt. Er schwieg weiter und überließ dem gerisseneren Hugh die Verhandlung. Der sechste Mann, dessen Namen sie auch nicht kannten, stellte die Frage: »Reitet ihr mit uns, Freunde?« »Wenn ihr uns haben wollt?« »Zwei Schießeisen mehr können eine Menge ausrichten, wenn's mal hart auf hart kommt. Bin einverstanden.«
»Ich auch«, grunzten die anderen im Chor. Sie waren alle fertig mit ihrer frugalen Mahlzeit und bereiteten sich zum Weiterritt vor. Einer nach dem anderen stand auf und ging zu seinem Pferd. * Es wurde dunkel, als Cochise und Wyatt den Chapparal hinter sich ließen und auf das Lager stießen. Die Fährte hatte den Häuptling der Apachen genau an diese Stelle geführt. Er stieg vom Pferd und studierte beim letzten Tageslicht die Spuren. Als Wyatt Earp hinzutrat, deutete Cochise zu Boden und sagte: »Acht.« Wyatt, noch immer übellaunig und unfreundlich, knurrte respektlos: »Wieso acht? Kannst du nicht mehr zählen, Chief?« Cochise richtete sich auf und sah Earp an. In seinem Blick lag so viel entschlossene Abweisung, daß es den Spieler kalt überlief. Er fühlte förmlich, wie sich auf seinem Rücken eine Gänsehaut bildete und bis zum Hals hinaufkroch. In diesem Augenblick wurde er sich seiner eigenen Kleinheit gegenüber diesem Indianer bewußt und kroch in sich zusammen. Er ahnte ganz tief in seinem Herzen, daß ihn Cochise längst durchschaut hatte, und daß er im Falle einer Auseinandersetzung dem Chiricahua in jeder Hinsicht unterlegen sein würde. Mit gesenktem Blick murmelte er eine Entschuldigung, die Cochise zwar nicht wörtlich verstand, aber als solche akzeptierte. »Es sind acht Reiter, die das Lager nach Sonnenaufgang verließen. Sie trafen sich hier und ritten gemeinsam weiter.« »Das wird schwer für dich werden, Chief.« »Zwei oder acht, wo ist der Unterschied?« Wyatt verstand. Zwei oder acht spielten wirklich keine Rolle, wenn sie nach und nach ausgelöscht wurden, immer einer
hübsch nach dem anderen, still und leise mit dem Messer oder dem Tomahawk. »Machen wir hier Lager?« Cochise nickte. Er gab sich mit den Spuren noch nicht zufrieden und folgte der breiten Fährte ein ganzes Stück weiter, während Earp Feuerholz von den Büschen brach. Als Cochises Schatten über Wyatt fiel, brannte das Feuer bereits und trennte die heraufziehende Abenddämmerung. Cochise versorgte zuerst die Pferde, bevor er sich am Feuer niederließ und seinen Proviant auspackte. Earp briet Pfannkuchen und kochte Kaffee. Ein lieblicher Duft zog durch den Chapparal und wurde mit dem lebhaften Abendwind davongeweht. Von seiner Gewohnheit abweichend, ergriff Cochise nach dem Abendessen das Wort und berichtete seinem weißen Gefährten von der Absicht Geistbüffels, eine neue Bewegung unter den Plains- und Gebirgsindianern ins Leben zu rufen. Wyatt verschlang das letzte Stück Pfannkuchen und richtete sein Augenmerk auf den Häuptling. »So was wie 'ne neue Religion?« »Keine Religion, unsere Götter genügen uns, und von eurem Gott wollen die Indianer auch nicht viel wissen. Der Geistertanz ist eine Art Ritual, das den roten Mann innerlich festigen soll und ihn gegen die Kugeln der Weißen feit.« »Ist doch alles Quatsch!« sagte Wyatt in seiner burschikosen Art, die aber weder böse noch zynisch gemeint war. »Gegen Kugeln gibt es keine Abwehr.« Cochise zuckte die Achseln und blickte nachdenklich in die züngelnden und knisternden Flammen. »Du hältst nichts davon, wie? Die Krieger der Apachen brauchen keinen Geistertanz, wenn sie gegen die Weißen kämpfen. Wir haben unsere eigene Art zu tanzen, bevor wir in den Kampf ziehen.« Earp wußte hierauf nichts zu erwidern und beschäftigte sich mit der Reinigung seiner Bratpfanne.
Als die Sonne vollends im Meer aus Dunst und nachdrängender Dunkelheit versank, hörten sie im Westen Schüsse. Earp sprang auf die Füße und ließ vor Schreck die Bratpfanne fallen. Cochise rührte sich nicht. »Man schießt! Das Aufgebot kommt!« »Die Männer mit den eisernen Sternen auf der Brust werden vertrieben.« »Was meinst du, Häuptling, mit vertrieben? Von wem?« »Von Cheyennes und Arapahoes.« »Deine roten Freunde legen sich mit bewaffneten Weißen an?« klang es ungläubig und wenig überzeugt. »Ich sagte es. Es wird nicht viel Blut fließen, Hellauge. Cochise will keine bewaffneten Weißen in seinem Land.« Wyatt überdachte die Worte des Häuptlings und konnte nichts Falsches an ihnen sehen. Ihm fiel ein großer Stein vom Herzen, plötzlich fühlte er sich wieder gelöst und frei von dem Zwang, stets auf der Hut sein zu müssen und hinter jeden Busch zu schauen. »Ich danke dir, Cochise.« Eine wedelnde Handbewegung war die ganze Antwort des Jefe. Seine dunklen Adleraugen durchdrangen die Finsternis und suchten nach Leben zwischen den Stauden. Kein Laut drang von außen zu dem Feuerkreis und beunruhigte die beiden Männer. Wyatt war innerlich am Jubilieren und hatte sowieso kein Auge für seine Umgebung. Wenn die Posse geschlagen wurde und ihn nicht mehr verfolgte, konnte er später Gelegenheit für eine Rehabilitation finden. Der Sheriff von Tombstone würde ihn bestimmt anhören, wenn seine erste Wut über die Schießerei verraucht war. Zeugen hatte Wyatt genug. Die beiden Rausschmeißer hatten jede Phase der Auseinandersetzung mit angesehen und konnten durch das Gesetz gezwungen werden, eine richtige Aussage zu machen. Sheriff John Hallifax war ein gerechter Mann und als
unbestechlicher Gesetzesmann im ganzen Südwesten bekannt. »Chief, warum hast du das für mich getan?« »Du bist kein schlechter Mensch, nur leichtsinnig und zu schnell zum Töten bereit. Aber du hast nichts gegen Indianer, das habe ich herausgefunden.« »Danke«, sagte Earp und feixte von einem Ohr zum anderen. »Was meinst du wie der Kampf dort im Westen ausgehen wird?« »Die Weißen müssen sich zurückziehen, aber sie werden keine Verluste haben. Cochise will nicht, daß noch mehr Blut fließt.« »Allmächtiger! Der Häuptling der Apachen kann kein Blut mehr sehen! Das geht über meinen Verstand!« »Um Recht zu fordern und zu erhalten, muß nicht immer das Blut der Weißen oder des roten Mannes vergossen werden«, erwiderte Cochise schlicht. »Mangas Coloradas, der große Häuptling der Apachen, dachte wie ich. Es wird erst Friede geben, wenn man aufhört, aufeinander zu schießen.« Der Spieler Earp zweifelte an seinem Gehör. Er schüttelte den Kopf und fragte sich, ob er richtig verstanden hatte. Cochise legte Reisig nach, holte seine Deckenrolle und breitete sie abseits vom Feuer auf dem harten Steinboden aus. Wyatt folgte seinem Beispiel und schlief schnell ein. Als er mitten in der Nacht ohne zwingenden Grund einmal aufwachte, glitt sein Blick zu Cochise. Aber der Häuptling war nicht mehr da. Die Decken lagen zurückgeschlagen am Boden, von Cochise fehlte jede Spur. Wyatt Earp stand auf und band sofort seinen Revolvergurt um die Hüften. Sein nächster Weg war zu den Pferden. Sie standen beide an ihrer alten Stelle und hatten sich während der Nacht nicht von der Stelle gerührt. Suchend machte Wyatt eine Runde um das Lager, ließ keinen Busch, kein Steinversteck aus. Er sah nichts von Cochise, hörte nichts und konnte sich auch nicht erklären, wo der Häuptling
geblieben war. Spuren gab es bei dem diffusen Sternenlicht nicht zu sehen, auch bezweifelte der Spieler und Revolvermann, daß er solche gefunden hätte. Ein Apache hinterließ keine sichtbaren Fußabdrücke, wenn er sich auf Feindgebiet bewegte. Und Feindgebiet war das hier in Anbetracht der Nähe der weißen Mörder. Wie ein Blitzstrahl durchzuckte es Earp. Cochise hatte sich deswegen entfernt, weil er die Weißen beobachten und herausfinden wollte, wer die anderen sechs waren, die sich mit den Verfolgten getroffen hatten. Er ging zurück und setzte sich vor das erloschene Feuer. Was wohl aus dem Aufgebot geworden war? Außer dem sporadischen Gewehr- und Revolverfeuer am Abend hatten sie nichts mehr von der Schießerei gehört und somit keine Ahnung, wie der Kampf ausgegangen war. Cochise glitt lange nach Mitternacht in das dunkle Lager und stand hinter Wyatt, ohne daß dieser seine Anwesenheit bemerkte. Als der Häuptling sich räusperte, fuhr Wyatt in die Höhe und zog blitzschnell seinen Colt. »Ah, du…! Kannst du nicht weniger lautlos sein, um mich nicht zu erschrecken?« »Ein Krieger erschrickt nicht, er handelt.« »Ich bin ein Weißer und kein verdammter Apache!« Cochise setzte sich und stocherte mit einem Stock in der erkalteten Asche. »Wo warst du? Bei den Weißen?« »Bei Krieger. Ulzana wird sie jagen.« »Was, Ulzana? Du bist doch ihr Jäger.« »Ulzana jagt, Cochise tötet.« In diesen lakonisch ausgesprochenen Worten lag eine so düstere Drohung und zwingende Entschlossenheit, daß es den Weißen wieder kalt überlief. Um die lastende Stille zu überbrücken, sagte er: »Es ist noch
lange nicht Tag. Was machen wir?« »Schlafen.« Cochise erhob sich, ging zu seinen Decken und versank sofort in Schlaf. Wyatt saß noch eine Weile bei der Feuerstelle, aber schließlich wurde es ihm zu langweilig. Er spuckte in die Asche und ging dann zu seiner Deckenrolle. * John Hallifax ritt immer an der Spitze seines Aufgebotes. Auch heute ließ er es sich nicht nehmen, den Trupp grimmig dreinschauender Männer persönlich anzuführen. Die Hügellandschaft und die Erfolglosigkeit, den vermeintlichen Mörder zu fangen, machte ihn nervös und gereizt. Ein übriges taten die Hitze und die vielen Fliegen, die wie Pfeile durch die Landschaft zischten und alles stachen, was Blut in den Adern hatte. Er spürte förmlich die Unzufriedenheit seiner Männer, die es satt hatten, noch länger in der Wildnis herumzureiten, und das ohne Erfolg. Jeder von ihnen sehnte sich nach seiner Familie, nach einem weichen Bett und nach einem kühlen Drink. Aber die Spur lag vor Hallifax deutlich zu sehen, und die Spur führte tiefer in die Hügel. Der Jagdinstinkt erwachte in dem Sheriff und gab ihm die nötigen Kräfte zurück, seine Befehle gegenüber den Leuten durchzusetzen. Es überraschte ihn daher, als im letzten Glied der Reiterschar ein lauter Ruf ertönte, obwohl er verboten hatte, über Gebühr Geräusche zu erzeugen. »He, Sheriff!« Hallifax hielt an und warf einen Blick zurück. Die Reiter schlossen auf und zügelten ebenfalls ihre abgekämpften Tiere. Der letzte Reiter aus Tombstone trieb sein Pferd auf die Gruppe zu und deutete mit ausgestreckter Hand auf einen entfernt liegenden Hügel.
»Indianer, John!« Alle Köpfe drehten sich nach Norden. Sie sahen ihn, den Roten mit der Federhaube, und sie sahen die beiden anderen mit dem Haarkamm. Entsetzen kehrte bei ihnen ein und machte sie stumm. »Allmächtiger, Indianer!« »Rothäute, verdammt!« So klang es in den Reihen der verstörten Weißen. Ein anderer murmelte erblassend: »Apachen! Cochises Chiricahuas!« »Blödsinn!« fauchte Hallifax. »Das sind doch keine Apachen, und Chiricahuas schon gar nicht!« »Sie beobachten uns.« »Na und? Jeder Weiße, der in diesem Land reitet, wird von Indianern beobachtet. Das ist ihr gutes Recht, würde ich sagen.« »Die wollen etwas von uns!« »Drei Rothäute gegen zehn bewaffnete Weiße, daß ich nicht lache!« »Wo drei sind, können auch mehr sein. Hinter dem Hügel…« »Halt deinen Mund, Snuffles, und mach mir nicht die Leute kopfscheu.« Die Sonne schickte sich an, in einem Meer aus Bodendunst und Staub zu versinken. Wie graue Schlangen krochen die ersten Schatten durch die Hügeltäler. Nur auf den Hügeln lag noch voller Sonnenglanz und vergoldete ihre Kuppen. »Was sollen wir tun?« fragte Patrick Duffy, seines Zeichens Schmied in Tombstone. »Weiterreiten?« »Klar«, erwiderte Hallifax. »Die Spur ist heiß, kaum drei Stunden alt. Diesmal kriegen wir ihn.« »Oder er uns.« »Wie meinst du das, Jefferson?« Der Schankkellner aus Tombstone wies auf den Hügel. »Das siehst du doch, Sheriff. Oder hast du Tomaten auf den Augen?« Eddy Danvers, der jüngste unter den Reitern, murmelte so
laut, daß es jeder hörte: »Wir reiten in eine komplette Falle. Jeder weiß es, nur der Sternträger nicht.« Hallifax wirbelte herum. Auf seiner Nasenwurzel stand eine steile Falte. »Du trägst auch den Stern, Ed! Wenn du was zu sagen hast, dann tu's laut und deutlich, daß wir alle deine Dummheit verstehen können!« Danvers zog den Kopf ein und legte seine Hände geflissentlich um das messingbeschlagene Sattelhorn. Alle schauten sie auf Hallifax und zogen die Stirn kraus. Sie mochten ihn, den Sheriff, sie mochten ihn schon wegen seiner Ehrlichkeit und deswegen, weil er unbestechlich und gerecht war. Aber sie ließen sich aus lauter Patriotismus und Anhänglichkeit nicht in den sicheren Tod führen. Hallifax konnte sich nicht entschließen, den Weg fortzusetzen oder anzuhalten. Die drohenden Gestalten oben auf dem Hügel redeten eine zu deutliche Sprache. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als auf allen Hügelkuppen ringsum berittene Indianer erschienen. In diesem Augenblick erst wußte der Sheriff mit konsequenter Bestimmtheit, daß der Weg an dieser Stelle nicht mehr weiterführte. Er drehte sich im Sattel, sah die betretenen und ängstlichen Gesichter der Männer, die ihre Pferde am Zügel im Kreis drehten, und er sah noch etwas anderes: Auf jedem Hügel hielten berittene und bewaffnete Indianer, aber auch aus den Tälern drängten sie heran, und diese Krieger kamen zu Fuß. Die Falle wurde ihm aber erst offenbar, als ein Pfeil in sein Sattelhorn klatschte und auf den Hügeln Gewehre sprachen. Kugeln sirrten wie gereizte Hornissen vorbei, und weit hinter den ersten Hügeln stießen die schwarzen Bälle der Rauchzeichen in die dunsterfüllte Abendluft. »Zeichen des Todes!« kreischte ein kleiner und schwächlicher Mann aus dem Aufgebot. »Sie bringen uns alle um und skalpieren uns!« brüllte ein
zweiter in hellem Entsetzen. »Mäuler halten!« schrie Hallifax wütend. Er durfte nicht zulassen, daß Panik ausbrach und die Leute in heilloser Flucht das Weite zu gewinnen suchten. Das wäre das Ende der Posse gewesen. John Hallifax richtete sich im Sattel auf und schwenkte Aufmerksamkeit gebietend den Hut. Er brüllte: »Zusammenbleiben, Jungs! Keiner entfernt sich vom Haupttrupp, verstanden? Wer auch nur ein paar Meter ins Abseits gelangt, ist erledigt! Wir ziehen uns geordnet und kämpfend zurück!« Pfeile schwirrten mit singendem Geräusch vorbei, vom Abschuß der Gewehre unterstützt. Seltsam genug war jedoch, daß keines der Geschosse traf. Die Indianer mußten miserable Schützen sein oder blind. Auf diese Entfernung hätte jede Kugel und jeder Pfeil treffen müssen. »Zurück!« brüllte ein Mann aus der Posse. Hallifax rief: »Langsam absetzen, Jungs! Wenn ihr schießt, verwundet sie nur!« »Warum, zum Teufel?« fragte ein Mann und riß den Revolver hoch. Hallifax schlug ihm vom tänzelnden Pferd aus den Colt aus der Hand und schrie ihn an: »Du bist so dämlich wie du lang bist, Norg Botton! Siehst du nicht, daß sie noch keinen von uns getroffen haben, obwohl wir auf die kurze Entfernung längst tot sein müßten?« »Und was bedeutet das, Sheriff?« »Daß sie uns nur vertreiben und nicht töten wollen.« Das Schießen flaute ab. Sekunden darauf drangen noch ein paar sporadisch abgefeuerte Schüsse durch die Hügeltäler und ließ die konfusen Weißen wieder zur Vernunft kommen. Norg Botton trat heran. »Was befiehlst du, Sheriff? Bleiben oder umkehren?« »Umkehren. Unsere roten Freunde wollen uns nicht. Morgen
reiten wir zurück. Gott sei Dank, Jungs, daß das Abenteuer so glimpflich abgegangen ist!« Im nächsten Hügeltal schlugen sie ein Lager auf und stellten Wachen aus. Ein Lagerfeuer schickte grauen Rauch in den sich verdunkelnden Himmel. Ruhe kehrte im Lager ein. * Der Schrei des grauen Wolfes riß die Banditen wie auf ein Kommando auf die Beine. Steine, abgeschossen aus den berüchtigten Apachen-Schleudern prasselten gegen Felsen und in den Chapparal. Auf den Steinhagel folgte das Rasseln aus rotierenden ausgehöhlten Kürbissen und wieder Wolfsschreie. »Geht das schon wieder los?« brüllte Hugh Bennet und riß seinen Revolver aus dem Halfter. Rabbit lief über den felsigen Platz und schlug Hugh den Colt aus der Hand. »Bist du wahnsinnig geworden, Narr?« »Warum wahnsinnig? Willst du dich wehrlos abschlachten lassen?« »Warte erst mal ab, bis sie sich zeigen.« Aber Ulzana und seine Horde zeigte sich nicht. Er dachte nicht daran, sich den Kugeln der Weißen auszusetzen und blieb in Deckung. Zu ihm gestoßen waren Chihuahua und Antonio, dessen indianischer Name Natitaso hieß, was soviel wie Roßschweif bedeutete. Sie waren nun fünf zu allem entschlossene Krieger, die Cochises Befehl blindlings gehorchten. Ulzana behielt die Gruppenführung, obwohl Chihuahua im Alter und der Rangstufe eine Treppe höher stand. Die beiden zerknitterten Alten mit Gesichtern wie verschrumpelte Kartoffeln konnte man in allen Listen und Tücken und im Guerilla-Krieg als die Krieger ansehen, die die
meiste Erfahrung im Kampf gegen die Weißen besaßen. Sie dienten jüngeren Kriegern stets als Vorbild und Ansporn zu höheren Leistungen. Anders als Victorio, dem hitzköpfigen Mimbrenjo, gingen sie mit Bedacht vor, wenn es galt, Weiße zu überraschen und niederzumachen. Heute allerdings hatten sie keinen Befehl zum Kriegführen, heute waren sie Treiber und Jäger, aber ihre Waffen hatten zu schweigen und stumm zu bleiben. Ein neuer Steinhagel trieb die Weißen bis zu den Klippen und nagelten sie dort fest. Zwei Pferde folgten, und schließlich wieder der Hetzruf des grauen Wolfes. Rainbow und Bronco schossen ihre Colts leer, ohne mehr zu treffen als Steine und Unkraut. »Stellt das Feuer ein«, raunte Schlank-Schlank Bronco zu, und ein Schweigen, das dicker war als Moornebel, senkte sich auf die Lichtung herab. »Halunken, zeigt euch!« rief Nevada, der Revolvermann. Ulzana tat ihm nicht den Gefallen. Ein haargenau gezielter Stein traf Nevada an der Schulter und ließ ihn unter Schmerzen aufstöhnen. »Wir machen uns aus dem Staub«, schlug Hugh Bennet vor. »Macht ihr mit?« »Wird uns nichts anderes übrigbleiben. Wie machen wir's?« »Wie soll ich das verstehen?« »Zwei müssen sie mit ihren Kanonen aufhalten, sonst kommen wir nicht ungerupft davon. Die Rothäute halten sich gut in Deckung und halten uns mit ihren Steinschleudern nieder.« »Okay, du und ich bleiben zurück. Die anderen rennen zu den Gäulen und fegen davon, als peitsche sie der Teufel mit seinem Schwanz. Einverstanden?« »Geht in Ordnung«, erwiderte Rainbow und untersuchte die Trommel seines Revolvers. »Auf geht's, Jungs, haut ab!« Sechs Männer sprangen aus ihren Deckungen und rannten zu
den Pferden. Ebenso viele geschleuderte Steine folgten ihnen. Die Männer schafften es aber, ihre Tiere zu erreichen, schwangen sich in die Sättel und stoben davon, als seien sämtliche Furien der Antike hinter ihnen her. »Was jetzt?« wollte Rainbow wissen. »Wer sind die Indianer?« »Chiricahuas, Cochises Spezialeinheit«, grinste Hugh schwach. »Wenn der Häuptling bei ihnen ist, haben wir keinen leichten Stand.« »Aber gute und schnelle Waffen.« »Die haben sie auch, lautlose Waffen. Cochise ist gefährlicher als eine Klapperschlange. Die rasselt erst, bevor sie beißt. Cochise beißt und vergißt das Rasseln.« »Bewegt sich dort nichts zwischen den Kakteen?« Hugh knurrte: »Sehe nichts.« »Dort drüben bei der Yucca!« Mitten in dem Kakteen- und Speerdorn-Chapparal wuchs eine einzelne Yucca, den Blütenstengel mehr als drei Meter in die Höhe gereckt, die stacheligen Blätter abwehrbereit nach allen Seiten ausgestreckt. Hugh Bennet nahm die Yucca aufs Korn. Er sah nichts, so sehr er sich auch Mühe gab. Er stieß Rainbow mit dem Ellbogen an und nickte mit dem Kinn zu einer Ansammlung von Felsbrocken hinüber. »Ich denke, hinter dem Schutthaufen stecken sie. Wenigstens einer oder zwei. Soll ich mal ein bißchen Blei hinüberschicken, mit den besten Grüßen von Rainbow?« »Das laß lieber bleiben. Mit Munition muß gespart werden, und wenn wir nur ein paar Steine treffen, nützt das auch nichts.« »Wie ist eigentlich dein richtiger Name? Doch nicht Rainbow?« »Nein. Rainbow nennt man mich, weil ich immer von den Regenbogen in meiner Heimat erzähle. Meinen richtigen Namen habe ich vergessen, er tut auch nichts zur Sache.«
»Hast du Grund, ihn zu verschweigen?« »Ein Mann, der seinen Namen nicht genannt haben will, hat immer Gründe, mein Freund.« »Bei den anderen ist's ebenso, nicht wahr?« Rambow nickte finster. »Mit denen kann man alle auskommen, aber nimm dich vor Nevada in acht. Hast du gesehen, wie der seinen Revolver trägt? Der kann mit seinem Schießeisen umgehen wie 'ne Jungfrau mit 'nem Kochtopf.« Hugh erinnerte sich an den sechsten Mann, dem er bisher nur wenig Beachtung geschenkt hatte. Er war ihm klein, bucklig und unscheinbar vorgekommen. Nun hörte er gerade das Gegenteil. »Ist er wirklich so gut?« fragte er, nur um etwas zu sagen. »Noch besser. Der schießt einer Fliege im Flug ein Auge aus, darauf kannst du dich verlassen, Hugh.« Rainbow räusperte sich. »Ich sage dir, Nevada ist einer der Besten an der Grenze. Der nimmt's sogar mit Wild Bill Hickock auf.« »Na, na…«, erwiderte Hugh, wechselte aber dann schnell das Thema. »Was hältst du davon, wenn wir verduften? Zu sehen kriegen wir keinen Apachen, wenn er nicht gesehen werden will. Klar, hauen wir ab!« Rainbow warf einen letzten Blick auf das Dickicht und antwortete grunzend: »Einverstanden. Verzupfen wir uns.« Sie sprangen auf und rannten gemeinsam zu der Lichtung, wo ihre Pferde in der Sonne dösten. Kein Pfeil und kein Stein folgte ihnen, nicht einmal ein Ruf wurde laut. Hastig stiegen sie auf und zerrten die Tiere in Reitrichtung. Am späten Nachmittag stießen sie auf die anderen. Die Outlaws hatten sich bei einem Wasserloch niedergelassen und versuchten vergeblich, ein paar Tropfen Trinkwasser aus der morastigen Brühe herauszufiltern. Rabbit empfing sie. »He, Jungs, alles in Ordnung in eurem Rücken?« Hugh schwang sich aus dem Sattel, warf Josuah Lemmon einen abgezirkelten Blick zu und setzte sich in seiner Nähe auf
einen Stein. »Wie war's?« wollte Lemmon wissen. »Sie griffen uns nicht an, wenn du das meinst. Und was ist hier?« »Unser Wasser wird knapp. War auch ein höllisch heißer Tag. Aber aus der Tinaja läßt sich nicht mehr als ein Fingerhut voll herausholen. Weißt du was?« »Sag's.« »Wir trennen uns wieder von den anderen. Zu zweit kommen wir besser und schneller vorwärts.« »Wenn wir aber von den Apachen angegriffen werden, sind wir auch nur zu zweit. Ich halte nichts von deiner Idee.« Er hatte kaum ausgesprochen, als wieder der grauenhafte Wolfsschrei ertönte. Ein Hagel von Steinen prasselte auf das Lager und verletzte Schlank-Schlank am Kopf. Er sprang auf die Füße und brüllte voller Wut: »Haut ja ab, verdammtes Mordgesindel, schlank-schlank-dalli!« Ein höhnisches Heulen war die ganze Antwort. Steine flogen, meisterhaft geschleudert, und schließlich ertönte das scharfe Keckern der Rasseln. Die Kriegsrasseln waren es letztlich, die die Männer mehr entnervten als die Wolfsschreie oder die geschleuderten Steine. Fluchend rannten sie zu ihren Pferden, warfen sich in die Sättel und rasten in südliche Richtung davon. »Hölle und Teufel, die reiten in die verkehrte Richtung!« heulte Hugh Bennet. »Nach Osten, ihr Idioten, nicht nach Süden!« Ein Stein traf ihn an der Schulter und warf ihn auf den Rücken. Triumphgeschrei von Norden, aus Osten und Westen. Noch weitere Steine prallten klirrend an den Felsen ab. »Hat's dich erwischt, Hugh?« brüllte Josuah Lemmon und rannte geduckt zu Bennet, der sich gerade wieder erhob. »Mann, war das 'n Ding! Los, machen wir, daß wir fortkommen!«
Taumelnd schwang sich Hugh in den Sattel und zerrte sein müdes Pferd in die Richtung der geflüchteten Skalpjäger. Josuah Lemmon folgte ihm. Sie schafften mehrere Meilen, hatten jedoch stets das Gefühl, die Chiricahuas in ihrem Nacken zu haben. »Merkst du was?« brüllte Hugh dem Reitwind entgegen. Josuah schrie zurück: »Was soll ich merken? Daß wir nach Süden reiten? Das fühlt ein Blinder mit dem Krückstock!« »Sie wollen uns an einer bestimmten Stelle haben. Dort wartet diese mörderische Rothaut und macht uns den Garaus.« »Meinst du Cochise?« »Wen sonst? Ich sage dir, dieser rote Bastard vergißt nichts.« Josuah Lemmon fühlte einen Schauder nach dem anderen über seinen Rücken gleiten. Weit voraus tauchten die nördlichen Ausläufer der Dragoon Mountains auf. Auf halbem Weg stand eine Staubsäule in der Luft und verteilte sich in höheren Luftschichten. »Ich sehe sie«, rief Bennet und mäßigte die Gangart seines ausgepumpten Pferdes. »Wen, verdammt? Das Gebirge?« »Auch die Dragoons, klar. Ich meine die Männer, denen wir uns anschlossen.« »Von mir aus können die zum Teufel gehen!« »Das tun sie auch – mit uns zusammen.« »Oho! So leicht wird es Cochise nicht mit mir haben!« »Mit mir auch nicht. Aber gegen seine Hinterlist kommen wir nicht an. Apachen sind Guerilla-Kämpfer und verstehen es, sich unsichtbar zu machen.« »Laß nur«, der andere lachte, »eine 45er Kugel macht sie schon sichtbar.« Beide schwiegen von nun an und trabten nach Süden. Angst im Herzen, von Furcht gejagt. *
Die Sonne ging als rotes Wagenrad unter und hinterließ lediglich Tageswärme, Dunst und die Ahnung auf einen frühen Herbst. Lange Schatten krochen von den Hügeln herunter und streckten die Finger nach allem aus, was Licht war. Cochise und Wyatt Earp näherten sich den Dragoons von Norden und sahen trotz der heraufziehenden Dunkelheit die Konturen des schroffen Gebirges mit seinen Schluchten und Canyons. Und sie sahen noch etwas, als sie die Hügel verließen und in die kurze Ebene vor dem Gebirge hineinstießen. Einen Lichtpunkt nahe an der Basis der ersten felsigen Hänge, die sich mit ihren Geröllhalden bis weit hinauf zu den Gipfeln zogen. Cochise hielt an und deutete auf den flackernden Punkt, der wie ein heller Stern in der Abenddämmerung hing. »Feuer.« »Well, Feuer, da gehe ich mit. Aber wessen Feuer?« Kurz antwortete Cochise: »Böse weiße Männer.« »Machen wir Rast?« Der Häuptling zeigte auf einen Einschnitt in der Landschaft, der bei der Gruppe von Bäumen endete. »Dort ist Wasser.« »Glaube ich nicht, die Pferde hätten es längst gewittert.« Cochise lächelte nur und änderte die Richtung. Nach einer halben Stunde gelangten sie an die Erdfalte und hielten an. Cochise musterte die dunkle Grabenlandschaft und trieb seinen Pinto wieder in einen kurzen Trab. Er ritt die Böschung hinab und überließ es Wyatt Earp, ihm zu folgen. Der Graben war nichts weiter als eine vor vielen, vielen Jahren stattgefundene Absenkung, an der wahrscheinlich ein Beben schuld war. Die dunkle Silhouette der Baumgruppe wurde sichtbar. Cochise lenkte sein Pferd hinüber und stieg ab. »Ich sehe kein Wasser«, sagte Earp ungeduldig. »Hier gibt es so wenig Wasser wie auf dem Mond.« Cochise kniete sich wortlos in den Sand und fing an, mit den
Händen eine Grube auszuheben. Er war kaum einen Fuß tief gekommen, als sich der Sand dunkel färbte. Er kratzte und grub weiter. Wasser drang plötzlich von unten her in die Grube. »Tatsächlich!« Wyatt Earp staunte und machte kugelrunde Augen. Dann kamen ihm Bedenken. »Ist das Wasser auch trinkbar?« Cochise schöpfte mit der hohlen Hand und führte sie an die Lippen. Das Wasser war klar und frisch und schmeckte süß. »Laß mich mal«, sagte Wyatt, kniete sich neben dem Häuptling in den Sand und machte es wie er. »Grandios!« rief er aus. Wirklich ganz ausgezeichnet!« Inzwischen hatte sich so viel Wasser angesammelt, daß sie Feldflaschen und Schläuche füllen konnten. Danach kamen die Pferde dran. »Machen wir ein Lagerfeuer?« fragte der Spieler. Cochise antwortete: »Nein, sie könnten es sehen.« »Was, hier im Graben?« folgerte Wyatt erstaunt. »Riechen. Eine gute Nase riecht ein Lagerfeuer auf eine Meile. Indianer noch weiter.« Earp sagte nichts mehr und beschäftigte sich mit den Pferden. Er sattelte sein Tier ab und hing ihm den Futtersack um. Als er sich Cochises Pinto näherte, biß das Pferd nach ihm. Er ließ es in Ruhe und ging zu seinen Decken und Satteltaschen zurück. Cochise war mal wieder verschwunden. Verwundert und erregt blieb Wyatt stehen und starrte in die dichter werdende Dunkelheit. Kojoten heulten in der Ferne. Nicht weit von ihm entfernt bellte ein Wüstenfuchs. Um ihn herum war ein Huschen und Knistern und Rascheln, daß er unwillkürlich seinen Colt zog und den Hahn spannte. Als er die Ursache der Bewegung erkannte, lächelte er verschämt und ließ seinen Revolver wieder verschwinden. Kleintiere waren auf der Jagd, um zu fressen, aber sie wurden von größeren selbst gejagt und gefressen, und so mancher piepsender Todesschrei verklang in der Nacht.
* Cochise lief inzwischen leichtfüßig wie eine Antilope über den Wüstenstreifen zum Gebirge und nutzte jede noch so kleine Deckung, um sein Ziel zu erreichen. Der Feuerschein wurde heller. Schon hörte er Stimmen, Pferde wiehern und zwei Männer miteinander streiten. Die letzten fünfzig Yards legte er gebückt zurück, bevor er sich auf die Erde legte und zu einer blühenden Yuccastaude kroch, die ihn völlig verbarg. Etwa zehn Yards vor ihm lagerten rund um das Feuer acht Weiße. Cochise erkannte die beiden Mörder seiner Sippe. Er sah sie faul auf ihren Decken liegen und ballte grimmig die Hände. So sehr er auch den Lagerkreis absuchte, Wachen konnte er nicht entdecken. Er wunderte sich, daß die Verbrecher keine Posten aufgestellt hatten. Er ließ seine Blicke nach rechts gleiten. Auf dieser Seite grenzte ein Sumachgebüsch an die Yuccas und bildete einen halben Ring um das Lager. Cochise verließ die Deckung der Yuccas und kroch zu dem dichtblättrigen Dickicht, das besseren Schutz gegen Sicht versprach, wenn einer zufällig aufstehen sollte. Dazu mußte er einen Sandstreifen von etwa fünf Yards Breite überqueren, der völlig deckungslos zwischen den beiden Vegetationsstreifen ein verlassenes Dasein fristete. Nichts wuchs hier auf dem hellen Sand, nicht einmal ein Grashalm. Die Stelle, die der Häuptling zur Überquerung des Streifens ausersehen hatte, lag im Schatten. Bis hierher reichte der Feuerschein nicht. Noch einmal sondierte er das Gelände mit kundigen Augen und machte sich auf den beschwerlichen Weg. Selbst für einen Indianer war es schwer, sehr schwer, sich über eine größere Distanz auf Händen und Zehenspitzen zu bewegen. Bereits nach kurzer Zeit verkrampften sich die Muskeln der Arme und Füße, die das ganze Körpergewicht zu tragen hatten. Cochise hatte etwa zwei Meter zurückgelegt, als er feststellen
mußte, daß ihn das diffuse Licht zwischen Feuer und Nachtschatten getäuscht hatte. Der Streifen war breiter als er angenommen hatte. Seine Armmuskeln begannen zu zittern und sich zu verkrampfen. Er mußte eine Pause einlegen und legte den Kopf auf den angewinkelten Unterarm. Wie eine riesige Kröte lag er auf dem sandigen Boden und bewegte kein Glied. Während der Chiricahua sich abmühte, eine bessere Position zu erlangen, schrien und grölten die Banditen und brüsteten sich mit eingebildeten Heldentaten. Einer von ihnen, ein besonders heruntergekommener und schmutziger Outlaw, legte Feuerholz nach. Knisternd fraßen sich die Flammen in die Nahrung und erweiterten den Lichtkreis um ein beträchtliches. Noch reichte er nicht bis zu dem am Boden kauernden Apachen. Cochise setzte sich wieder in Bewegung und schaffte die restliche Strecke. Schweißgebadet drang er in das Dickicht ein und suchte sich einen geeigneten Platz zum Verharren. Nach ein paar Minuten stand ein Mann am Feuer auf und entfernte sich in Richtung des Chapparals. »Wohin willst du mitten in der Nacht?« rief ihm ein zweiter nach. »Wo wir alle hin müssen, wenn's drückt.« Der Zufall wollte es, daß Bronco genau die Stelle ansteuerte, wo der Häuptling der Apachen unter den Zweigen versteckt lag. Einen halben Schritt vor Cochise blieb er vor dem Sumachstrauch stehen und fummelte an seinem Gürtel herum. Eine Hand zuckte aus dem Gebüsch. Bevor Bronco zurückweichen und einen Schrei ausstoßen konnte, riß die Hand ihn zu Boden und würgte ihn. Nicht das leiseste Röcheln brachte Bronco hervor. Cochise ließ erst von ihm ab, als der Weiße kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Die Männer beim Feuer hatten nichts bemerkt, so lautlos war alles vor sich gegangen. Cochise richtete sich auf den Knien auf und suchte nach einem geeigneten Fluchtweg. In wenigen
Minuten würden die Kerle beim Feuer ihren Kumpan vermissen und nach ihm suchen. Es kam aber anders. Der schreckliche Heulton des hetzenden Grauwolfes hallte über das Feuer, dazu prasselten Steine und klapperten die Kriegsrasseln. Cochises Gesicht entspannte sich, Ulzana war schon wieder hinter den Weißen her und ließ ihnen keine Minute Verschnaufpause. Diesmal wurden die Wolfsschreie von dem gereizten Maunzen eines Pumas begleitet. Nicht nur Kieselsteine wurden geschleudert, faustgroße Brocken krachten auf die dösenden Pferde und die Männer beim Feuer. Die angstgepeinigten Tiere rissen sich los und stürmten mit klappernden Hufen in die Dunkelheit. »Die Pferde!« schrie eine rauhe Stimme. »Um Gottes willen, die Pferde gehen durch! Haltet die Tiere fest, ohne sie sind wir verloren!« Niemand warf sich den angstgestörten Tieren in den Weg und hielt sie auf. Sie alle hatten wirklich genug damit zu tun, ihre Körper gegen die heranfliegenden Steinbrocken zu schützen. »Wir müssen weg von hier!« brüllte Hugh Bennet. »Jos, decke mir den Rücken!« Schüsse krachten mit zuckenden Lichtfingern, aber sie fanden kein Ziel und kein Echo. Pfeile und Steine wurden lautlos abgefeuert, aber sie töteten genauso wie Pulver und Blei. Cochise verharrte weiter in seiner Deckung. Das Schießen hatte aufgehört, der Pulverdampf war mit dem Wind davongeweht. Kein einziger Weißer befand sich noch beim Feuer. Sie lauerten im Dunkeln, Revolver in den schweißfeuchten Händen, sie lauerten jedoch vergeblich. Hinter Cochise knisterte es. Ein Zweig schüttelte sich wie im Fieber und ließ Zecken zur Erde regnen. Mit dem Messer in der Faust wirbelte der Apache herum. »Will Cochise Ulzana töten?«
Die gedrungene Gestalt tauchte vor dem Chief auf wie ein Geist aus einer Märchenwelt. Das Messer verschwand, dafür streckte Cochise seine Hand vor und berührte Ulzanas Schulter. Ein weiterer Indianer stand plötzlich neben Ulzana. »Chihuahua!« »Cochise!« »Ich danke euch, meine tapferen Krieger.« »Dein Dank gebührt uns nicht«, grunzte Chihuahua. »Zastee! Tötet alle Weißen!« »Zastee!« sagte Cochise. »Schreit, meine Brüder! Schreit, bis sie vor Angst davonlaufen und zusammenbrechen!« »Sie haben keine Pferde mehr«, sagte Chihuahua. Tall-bort, Kleiner Fisch, glitt aus der Dunkelheit wie ein wirklicher Fisch aus seinem Element. »Wir greifen sie an«, sagte Ulzana wild und blutlüstern. »Nein, nur jagen. Keinem von ihnen darf ein Haar gekrümmt werden. Keinem!« »Cochise will ihre Skalps?« »Cochise nimmt keine Skalps. Wo sind meine anderen Brüder?« Der Chihuahua deutete mit seiner Hand nach Osten. »Unsere Brüder jagen mit der aufgehenden Sonne. Kein Weißer entkommt ihnen. Zastee!« Cochise richtete sich hoch auf und reckte die Schultern. Sein Blick lag düster auf dem mehr und mehr ersterbenden Feuerkreis. »Jagt sie, Brüder, aber richtet sie nicht. Cochise muß zu dem Bleichgesicht zurück, bevor ihn die Stille der Nacht zu einer Dummheit verleitet.« Das Geräusch knisternder Seide war lauter als Cochises Verschwinden. Er tauchte ein in Finsternis und Stille und verschwand wie ein Teil von ihnen. Als er vor Wyatt Earp auftauchte, geschah dies genauso leise, als befände sich der Häuptling der Apachen auf dem Kriegspfad.
»Teufel, Teufel!« knurrte Wyatt schlecht gelaunt. »Mußt du dich immer wie ein Geist an mich heranschleichen, Rothaut?« »Geister schleichen nicht, sie schweben und gleiten, und sie sind unsichtbar. Ich aber bin von fester Gestalt.« Earp benutzte wieder seinen Steinsitz und starrte Cochise verdrossen an. »Wo warst du, Hombre? Warum verschwindest du, ohne etwas zu sagen?« »Squaws reden, Krieger handeln. Bei Tagesanbruch geht die Treibjagd weiter, Hellauge. Du kannst reiten, wohin du willst, falls du den Chiricahuas nicht zu ihrem Recht verhelfen willst.« Earp fuhr hoch. »Verdammt!« schrie er wütend. »John Haggerty hat dir die Aburteilung durch die Armee angeboten. Warum bist du nicht auf seinen Vorschlag eingegangen? Menschen wie Tiere abzuschlachten, ist nun mal nicht die Vorstellung von Recht und Gesetz bei den Weißen.« »Ihr habt euer Gesetz, die Apachen haben ihr Gesetz. Jeder handelt auf seine Art. War es nicht grausam, alte Männer, Frauen und Kinder zu töten, Unschuldige, die weiter nichts beanspruchten, als in Ruhe gelassen zu werden?« »Deswegen sollen die Kerle hängen, Chief! Hängen, bis ihnen die Zungen aus den Hälsen quellen.« Cochises Handbewegung war abschließend. Der Häuptling der Apachen duldete keinen Eingriff in seinen Machtbereich und in die Ausübung seiner Bestrafungsform. »Du kannst gehen«, sagte er. »Ich bleibe, und kein Häuptling der Apachen kann mich mit Gewalt vertreiben! In meinem Revolver stecken sechs Kugeln, Chief, sechs Stückchen Blei, die ein Leben von einer Sekunde zur anderen auslöschen!« Das war eine kalte Drohung, die der Chiricahua sehr gut verstand. Seine Hand glitt zum Messergriff in den Leggins. Auge in Auge standen die beiden Männer sich gegenüber, und Auge in Auge überlegten sie, wer bei einer eventuellen
Auseinandersetzung der Stärkere war. Wyatt war es, der seine Hand vom Revolverkolben nahm und sich wieder setzte. Leise, beinahe demütig, sagte er: »Tut mir leid, Häuptling, war nicht so gemeint.« Cochise breitete seine Decken aus und legte sich wortlos schlafen. Was er dachte, war weder aus seinen Gesten noch aus der Verschlossenheit seines scharfgeschnittenen Gesichts zu erkennen. * Die aufgehende Sonne sah einen Haufen zerlumpter, halb verdursteter und geschwächter Gestalten, die sich zum Gebirge schleppten. Hugh Bennet und Jos Lemmon führten die taumelnde Gesellschaft an, getrieben von der Angst vor den Apachen, die sich in gelegentlichen Wolfsschreien und prasselnden Steinen erschöpfte. Die anderen Banditen folgten in kürzeren und längeren Abständen, und sie wären längst gestürzt und liegengeblieben, wenn sie nicht die gleiche grauenvolle Angst vorwärtsgetrieben hätte. Ihre Zungen lagen ihnen wie bleischwere Klumpen in den trockenen Mündern, und wenn sie an Wasser dachten, stülpte sich ihnen der Magen um. Es gab kein Wasser. Nicht hier in dem Wüstenstreifen und auch nicht an der Basis der karstigen Hänge und schrägen Lehnen des großen Dragoon Gebirges. Es wuchs hier nicht einmal ein Grashalm, so trocken war das Land, so wild und gefährlich. Apachenland! »Ich kann nicht mehr«, stöhnte Josuah Lemmon. »Allmächtiger Gott im Himmel, hast du kein Mitleid mit weißen Menschen?« Ein dröhnender Wolfsschrei war die einzige Antwort, die die Wildnis zu bieten hatte. Ein Schrei, der nicht aus tierischer Kehle kam.
»Weiter«, keuchte Hugh Bennet. »Siehst du den Einschnitt des Canyons dort vorn? Da ist es wenigstens kühl und schattig. Nur noch hundert Yards, Freunde.« Hundert Yards bis zum Jenseits, eine Kleinigkeit für Mörder und Skalpjäger. Eine Kleinigkeit für Männer, die sich außerhalb des Gesetzes gestellt hatten, wenn… Ja, wenn, und das war der winzige Punkt, der die hundert Yards zu hundert Meilen werden ließ, weil ihnen die Zunge vor Durst aus dem Halse hing und ihre Körpertrockenheit ihnen bereits Fata Morganen von springenden Quellen und rieselndem Wasser vorgaukelte. Hugh schaffte es. Aber wie er es schaffte. Die letzten Meter kroch er auf Händen und Füßen und gab sein Letztes, den Schatten einer überhängenden Felswand zu erreichen. Hier brach er ohnmächtig zusammen. Josuah Lemmon schaffte es dagegen nicht. Zwanzig Yards vor dem sich in die Wüste tastenden Streifen brach er zusammen und blieb ohne einen Laut von sich zu geben liegen. Die anderen ließen sich dort in den glühendheißen Sand sinken, wo sie gerade standen. Ihre Gewehre, soweit sie solche noch besaßen, hatten sie längst hinter sich gelassen. Sie brauchten sie auch nicht mehr. Die Wolfsschreie waren verstummt. Keine Steine prasselten und keine Kriegsrassel ließ ihr helles und aufreizendes Keckern ertönen. Es war still hier vor der Basis des in den Himmel steigenden Gebirges. Wie in einer Gruft. Am Himmel erschienen die ersten Bussarde, zogen enge Kreise und besahen sich aus großer Höhe die vermeintliche Beute. Ein seltsamer Instinkt ließ die Vögel wissen, daß dort keine Toten, sondern Lebende lagen, die den Aasvögeln nicht den geringsten Gefallen tun wollten zu sterben. Land und Menschen verharrten in Stagnation, während die Sonne sich anschickte, in ihr Bett weit im Westen zu fallen. Es wurde kühler, und von den Bergen kam ein schwacher Wind, der den
Gluthauch des Tages vertrieb und weit hinaus in die Wüste schickte. * Ein hochbeiniger Rotluchs strich an Hugh vorbei und äugte zu ihm herüber. Er traute aber dem Frieden nicht und strich ab. Die ersten Kaninchen kamen aus ihren Erdlöchern und beschnüffelten den wie tot daliegenden Mann, dessen Brust sich unter makabrem Röcheln hob und wieder senkte. Hugh Bennet atmete flach und stoßweise, und wenn er einmal blinzelnd die Augen öffnete, schloß er sie gleich darauf wieder, weil ihn das Tageslicht schmerzte. Hoch oben auf einem Felsen erschienen zwei Apachen in ihrer traditionellen Wüstenkleidung. Beinahe stoisch sahen sie auf Hugh herab, der von ihrer Anwesenheit keine Ahnung hatte. Was geschah nun? Kamen Ulzana und Chihuahua in den Canyon, um dem Wehrlosen endgültig den Todesstoß zu geben? Nein, sie taten es nicht. Im Gegenteil. Sie setzten sich in ihrer eigenen Hockstellung an den Canyonrand und beobachteten. Ihre Adleraugen sahen alles, jedes huschende Karnickel und die Mäuse, die Beute armdicker brauner Schlangen wurden. Sie sahen auch das seltsame Gebilde aus gemauertem und verputztem Stein weit hinten in der Canyonwand, ohne sich jedoch Gedanken darüber zu machen. Selbst wenn sie die Bedeutung des Mauerwerks mit den Lichtöffnungen gekannt hätten, wäre wohl kaum mehr als ein Achselzucken dabei herausgekommen. Es war den beiden völlig gleichgültig, welche Urahnen sich hier in diesem Canyon als Baumeister betätigt hatten. Nicht so Cochise. Er stand eine Viertelmeile weiter ebenfalls auf einer Klippe und starrte die seltsame Gesteinsformation zwanzig Yards über der Canyonsohle auf der anderen Seite an. Das Mauerwerk mit den glotzenden schwarzen
Fensteröffnungen besaß keinen Zugang. Kein noch so schmaler Pfad führte hinauf oder vorbei. Es hing einfach nur so in der beinahe senkrecht abfallenden Felswand, hineingebaut in eine Nische, die sich nach oben zu fortsetzte. Cochises Augen glitten weiter. In Richtung Canyonausgang schnitt eine schmale Schlucht in die Bergflanke, die jedoch nicht bis zur Sohle reichte. Als sei dem Titanen, der sie vor Äonen schuf, die Kraft ausgegangen, hörte sie zehn Yards über dem Canyonboden auf. Und schließlich bemerkte der Häuptling den steilen Ziegenpfad, der wie ein riesig langer Wurm an der Lehne emporkletterte und seitlich der Klamm verschwand. Einen Weg hinauf gab es, und er mußte früher von den Uralten viel benutzt worden sein, denn er hob sich weiß und gut sichtbar vom grauen Urgestein ab. Was aber war auf der anderen Seite der Berglehne? Cochise rekonstruierte die Landschaft mit ihren zerrissenen Schluchten und breiten Canyons vor seinem geistigen Auge. Der Canyon mit dem Bauwerk der Hohokam stand vor ihm und wirkte so düster auf den Betrachter, als würde er davorstehen und die geheimnisvollen Fensteröffnungen anstarren. Etwas Seltsames ging in dem Häuptling vor. Der mystische Atem einer lange vergangenen Epoche drängte sich ihm auf, mit ihm die Erinnerung an die vergangenen Tage sowie das Massaker an einer Apachenfamilie. Trieben die Gottheiten der Vergangenheit die Frevler wieder an jene Stelle zurück, wo sie ihre Untaten begingen? Ein seltsamer kalter Hauch wehte Cochise an, ein Hauch wie aus einer Gruft. Er drehte sich herum und wußte, was er zu tun hatte. Gleitend wie ein Puma und ebenso geräuschlos lief er im Wolfstrab zu einer Senke, in der sein Pferd auf ihn wartete. Er stieg auf und ritt über den sich neigenden Hang in Richtung Wüste. Bald darauf stieß er auf Ulzana und Chihuahua. Die beiden
Krieger hatten sich von ihrem Aussichtspunkt zurückgezogen und erwarteten den Häuptling. Als Cochise aufwärts ritt, sah er auf der anderen Canyonseite ebenfalls Krieger, die in das Tal spähten. Der Nachmittag ging in Abend über, Schatten fielen in die Schluchten und umgaben alles, jeden Stein und jeden Strauch, mit dem Atem des Geheimnisvollen. Cochise schwang sich vom Pferd und näherte sich den beiden Kriegern. Er nickte, deutete auf die Felsvermauerung und schließlich auf den Pfad, der in die Höhe führte. »Dort hinauf müßt ihr sie treiben, meine Brüder. Irgendwo auf diesem Felsen wird Cochise die Rache der Apachen vollziehen.« »How!« Sie setzten sich auf nacktes Gestein und warteten die Dunkelheit ab, derweil unten in der Schlucht abgerissene und demoralisierte Gestalten taumelnd, sich dahinschleppend oder kriechend, der Gruppe Bennet und Lemmon nähernd, aus der Wüste heranschleppten. Die heraufziehende Nacht brachte Dunkelheit und Kühle, aber kein Wasser. Apathisch lagen die Banditen im Sand und starrten in den sich verdunkelnden Himmel. Rabbit krächzte mit geschwollener Zunge und einem Gaumen, der sich wie ein Reibeisen anfühlte: »Bronco hat's sicher erwischt, sonst wäre er nachgekommen.« Es folgte eine lange Minute des Schweigens. Schließlich räusperte sich Nevada, der selten ein Wort sprach, blickte Rabbit mit halbgeschlossenen Augen an und sagte anzüglich: »Ich dachte immer, er fühlte sich allen Indianern überlegen.« »Sein Verschwinden bedeutet nicht, daß ihn eine Rothaut umgebracht hat«, antwortete Rabbit mit schmerzender Kehle. Old Fellow krähte entsetzt wie ein junger Hahn, den ein älterer vom Mist vertrieb: »Cochise!« »Malt keine Gespenster an die Wand, Blödmänner!«
Nevadas Stimme klang gereizt und erlaubte keinen Widerspruch. Das kurze Gespräch verstummte wieder, versackte förmlich in abstumpfender Trostlosigkeit. Nur Schlank-Schlank konnte sich mit dem Ergebnis des Dialogs nicht zufrieden geben. »Schätze, da hast du auch wieder recht, Nevada. Dachte schon, ich hörte nicht richtig. Old Fellow wird doch nicht weich werden, dachte ich.« »Wie das Maul eines Mulis«, pflichtete ihm Nevada bei. Danach ruckte sein Kopf in die Höhe. »Was sagt ihr jetzt, Jungs? Wollen wir uns von dem rothäutigen Gesindel noch weiter in die Berge treiben lassen? Ich bin dafür, daß wir unsere Kanonen schußbereit machen und es darauf ankommen lassen, ob ihnen das gelingt.« Ein Chor der Zustimmung folgte dem Vorschlag des Revolvermannes. »Okay, Jungs, dann warten wir, bis sie wieder auftauchen. Und dann nichts wie geballert, in alle Richtungen, nach oben und unten, nach vorn und hinten!« Was allerdings Nevada nicht wissen konnte, war, daß die Chiricahuas nicht erst zu kommen brauchten. Sie waren schon da… * »Warum du alles selbst tun willst, ist unerfindlich«, knurrte Wyatt unbehaglich. »Wir sind Gefährten, oder nicht? Deine Sache ist meine, deine Feinde sind auch meine.« Sie starrten sich in der Dunkelheit wie zwei Kampfhähne an, die in Erwartung der bevorstehenden Balgerei die Flügel spreizten und mit den Schnäbeln klapperten. »Deine Freunde sind nicht meine Freunde«, erwiderte Cochise trocken und unnahbar. »Du hast keine Freunde, Hellauge.«
»Ach, geh zum Teufel! Ich habe einen sehr guten Freund, der genügt mir. Hier!« Earp klatschte auf das Revolverhalfter und zog den schweren Patronengurt hoch. »Zu diesen Kerlen dort unten in der Schlucht zähle ich mich noch lange nicht, kannst du das verstehen, Rothaut?« Cochise gab keine Antwort. Er trat an den Rand der Schlucht und starrte in die dunkle Tiefe. Überlegte er die Worte Wyatts noch einmal? Oder dachte er darüber nach, was der Weiße gemeint haben könnte? Deine Feinde sind auch meine Feinde, hatte er gesagt. Feinde! Langsam drehte sich der Häuptling der Apachen wieder herum. Hochaufgerichtet stand er vor dem letzten verblassenden Licht im Westen und musterte den Spieler mit einem langen Blick. Wyatt Earp schüttelte den Kopf und bewegte sich unbehaglich. Er fühlte es mehr und mehr, diesem Mann vor ihm war er in jeder Beziehung unterlegen. Sie, die Weißen, nannten ihn einen Spieler und Revolvermann, obwohl er nur eins im Sinn hatte, ein Deputy United States Marshal zu werden. Der Indianer vor ihm glaubte ihm kein Wort, weil er eine weiße Haut hatte und mit zwei Zungen sprach. Sie alle schätzten ihn richtig ein und hielten ihr Vertrauen vor ihm zurück. Wie oft und vor wie vielen Städten hatte er angehalten und auf seiner Flucht im hohen Salbei gestanden, um die Posse zu beobachten, die ihn verfolgte. Er konnte es nicht mehr zählen, nur die Städte, die er hatte verlassen müssen, fielen ihm ein. Dieses Rufes wegen und weil er sich gegen die Vorwürfe der Menschen nicht rechtfertigen konnte, weil einfach sein Colt zu schnell war, konnte er niemals erwarten, daß sein Traum in Erfüllung ging. Er war weiterhin dazu verurteilt, lange Ritte und einsame Nachtwachen an Lagerfeuern unter dem Sternenlicht zu ertragen und Aufgeboten auszuweichen, die ihn wegen einer Schießerei mit tödlichem Ausgang suchten.
Wyatt schüttelte die Gedanken ab, konnte aber das Gefühl, das sie ausgelöst hatten, nicht loswerden. Es lastete weiter wie ein Alptraum auf seiner Schulter, als er Auge in Auge dem Häuptling gegenüberstand und zu erraten versuchte, was der Indianer dachte. Cochise sagte kein Wort, ging an ihm vorbei und bestieg sein Pferd. Er wendete es dem Spalt entgegen, den er zwar nicht sehen konnte, von dem er aber wußte, daß er da war, weil er ihn von der anderen Canyonseite gesehen hatte. »Ich komme mit.« »Du bleibst im Lager. Was dort draußen geschieht, ist nicht deine Sache.« Schatten und Dunkelheit verschluckten den Häuptling der Apachen. Wyatt zuckte zusammen, als hätte ihn der Schlag einer Peitsche gestreift. Es waren aber nicht Cochises Worte gewesen, die sein Zucken auslösten. Ein grausigschauriger Schrei drang von der Schluchtsohle zu ihm herauf. Er schien sich durch das Gestein fortzusetzen, von der Luft getragen zu werden, von nirgendwo herzukommen, einfach da zu sein. Wyatt wirbelte herum und zog. Er kam sich im nächsten Augenblick mit dem Colt in der Hand lächerlich vor. Vor ihm, hinter ihm und zu seinen beiden Seiten war kein Feind und kein wildes Tier. Dort waren nur Schatten und Felsen und Felsen und wieder Schatten, umgeben von nächtlicher Dunkelheit. Abendwind kam auf, bewegte die dürftige Flora hier oben auf der winzigen Mesa. Übergangslos waren plötzlich überall raschelnde und geheimnisvoll wispernde Geräusche zu hören, die Wyatt noch mehr verunsicherten. Und dann kam der schreckliche Schrei wieder aus der Tiefe, rollte wie auf eine riesige Blase aus Haß und Todesverkündung die steilen Hänge herauf, verteilte sich auf der Mesa in unzählige schwache Echos und kam den Weg wieder zurück. Earp fühlte Schauer der Furcht und des Grauens über seinen
Rücken rieseln. Unermüdlich versuchte er die Herkunft des mörderischen Schreies zu ergründen, ordnete ihn Menschen zu und verneinte. Wenn er einer raschen Überlegung zufolge den Schrei – den berserkerhaften Schrei – einem wilden Tier beierkennen wollte, sträubte sich alles in ihm gegen diesen Gedanken. Das war kein Wolfsschrei und nicht der Jagdruf des menschenangreifenden Pumas, was ein Berglöwe sowieso niemals tat, das war auch kein Brüllen aus einer sonst bekannten Tierkehle. Was dort aus der Schlucht heraufdrang, war die disharmonische Artikulation einer entfesselten Hölle, und wer da schrie, waren Teufel. Wyatt wagte sich nicht von der Stelle. Cochise hatte sich entfernt, um den Pfad nach unten zu beobachten. Er hielt auf seinem Pferd bei dem Felsspalt und lauschte nach unten. Für seine Ohren waren die Schreie nichts weiter als klangvolle Aufmunterungen für Leute, denen er ans Leben wollte. Sie kamen. Zuerst vernahm er nur keuchendes Fluchen, Stöhnen und das Rieseln von Sand. Dann vernahm er das Kratzen von eisenbeschlagenen Stiefeln auf Fels. Und Sekunden darauf vernahm er ihre Stimmen, die wie das Krächzen von Krähen durch die Klamm trieb. »Wir hätten ihnen paroli bieten sollen, wie ich es gewollt habe«, sagte Nevadas röhrende Stimme. »Aber ihr Hasenfüße seid weggelaufen. Verdammt seien eure Seelen!« »Sie kamen von allen Seiten«, entschuldigte sich ein anderer. »Und sie waren mehr als wir.« »Pfeil-und-Bogen-Indianer – zur Hölle, die hätten wir mit unseren Revolvern vom Erdboden geblasen!« »Und diese gräßlichen Schreie?« fragte eine dritte Stimme. »Hätten wir dem Kerl in den Hals gerammt, notfalls mit einem Coltlauf!«
Cochise zog sein Pferd hinter einen großen Felsblock zurück und verharrte dort wie ein erzenes Reiterstandbild. Er brauchte seinem Pinto nicht die Nüstern zuzuhalten. Indianische Pferde waren so dressiert, daß sie nicht schnaubten, solange ihre Reiter bei ihnen waren. Nun sprudelten die Banditen aus der Klamm wie Lemminge auf ihrem Weg zur Selbstvernichtung. Cochise zählte die wankenden und schnaufenden Gestalten. Fünf. Ganz zuletzt kamen noch Hugh Bennet und Josuah Lemmon, die beiden Männer, die er seit einer Woche verfolgte. Cochises Hand zuckte zum Messer. Er ließ es aber stecken und schickte den Banditen nur glühende Blicke nach. Einer nach dem anderen taumelten sie auf das Plateau hinaus und schlugen genau den Weg ein, den ihnen der Chief der Apachen zugedacht hatte. Der Zug der Lemminge war jedoch noch nicht beendet. Weitere quollen aus der Klamm-Mündung und hefteten sich den Fliehenden an die Fersen. Sie trugen andere Kleidung, graue Wüstenhemden mit derben Hosen und hochschäftigen Mokassins, auf denen sie lautlos ihren Weg verfolgten. Ein feines Lächeln glitt über Cochises maskenhaft strenges Gesicht. Ein Lächeln der Freude und des Stolzes. Die Lemminge waren Apachen und trieben die Weißen vor sich her. Cochise hatte genug gesehen, zog sein Pferd herum und ritt zu Earp zurück. Der Weiße kauerte bei seinem Pferd und lauschte in die Nacht. »Sie sind gekommen«, sagte Cochise und sprang von seinem Pinto. »Wer, beim Henker, ist gekommen?« »Die Weißen, die ich verfolge. Ich, Cochise, werde die Bleichgesichter töten.« Wyatt knurrte: »Meinetwegen. Dieses Gesindel verdient nichts anderes. Wann und wo wirst du sie stellen?« »Bei Sonnenaufgang.«
»Kann ich mir denken. Und wo?« »Bei den Wohnstätten der Urahnen.« Earp nickte grinsend. »Sehr sinnig, wie?« »Ich weiß nicht, was du meinst.« »Ist nicht so wichtig.« Earps Handbewegung sollte seine Lässigkeit in dieser Antwort ausdrücken. »Schlafen wir?« Cochise deutete auf eine Mulde. »Dorthin bringen wir die Pferde. Stell dein Pferd nicht zu nahe an meins. Mein Mustang mag dein Pferd nicht.« Wyatt Earp sprang auf die Füße, faßte die Zügel seines Tieres und ging mit ihm zu der schüsselförmigen Mulde. Er fütterte und tränkte das Tier, schlug ihm die Zügelschlinge um die Vorderbeine und breitete seine Decken in der Nähe aus. * Der neue Tag weckte Wyatt mit Wind und einem fahlen Streifen am östlichen Horizont. Er schüttelte seine Decken und richtete sich auf. Von Cochise, der sich in der Nacht ein paar Meter von ihm entfernt in den Sand gegraben hatte, war nichts zu sehen. Der Spieler stand auf, rieb sich die Restmüdigkeit aus den Augen und machte ein paar Schritte, um die Steifheit aus seinen Knochen zu vertreiben. Er blieb schließlich stehen und lauschte. Zu hören war nichts. Nur ein leises Raunen und Rascheln wehte über die Einöde und verklang über dem Canyon. Wyatt ging zu seinem Pferd, tränkte es zunächst und hing ihm danach den Futtersack um. Versonnen und nachdenklich tätschelte er den Hals des Tieres und fühlte Staub und Alkali im Fell des Braunen. Als er sich herumdrehte, stand Cochise vor ihm. Der Apache war wieder so lautlos herangekommen, daß Wyatt Earp nicht den leisesten Laut vernommen hatte. »Wir gehen«, sagte Cochise.
»Wohin?« Cochise deutete nach Süden. »Nehmen wir die Pferde mit?« »Wir reiten erst ein Stück und führen sie dann am Zügel, Bleichgesicht.« Sie rollten ihre Deckenrollen zusammen und verschnürten sie hinter dem Sattel. Cochise, dessen Pferd keinen Sattel trug, legte die Rolle über den Widerrist des Pintos und band sie fest. Sekunden später ritten sie in südlicher Richtung über die vegetationslose Mesa. Es wurde schnell Tag. Aus dem Lichtstreifen wurde ein mächtiges Halbrund im Osten, aus dem sich schließlich das Muttergestirn schälte. Kaum eine Meile waren sie gemeinsam geritten, als Cochise die Hand hob und anhielt. »Wir müssen die Pferde verlassen«, sagte er. »Warum?« fragte Wyatt Earp. »Die Schlucht liegt vor uns.« »Mann Gottes, von welcher Schlucht redest du?« »Komm!« sagte der Häuptling nur, nahm sein Pferd beim Zügel und ging zu Fuß weiter. Wyatt stampfte wütend hinter ihm her. Kaum hatte er seinen Groll gegen den Apachen bewältigt, sah er eine Gruppe von Gestalten vor sich auf der Ebene. Er bemerkte noch etwas. Dann und wann tauchte blitzartig ein Kopf oder die ganze Gestalt eines Kriegers seitlich der Marschierenden auf. Und jedesmal ertönte ein Wolfs- oder Pumaschrei! Ihm war klar, daß die Weißen in eine ganz bestimmte Richtung getrieben wurden wie eine Hammelherde in den Pferch des Schlächters. »Gar nicht so dumm«, sagte er laut. Cochise hörte es, reagierte aber nicht auf die Worte. Vor ihnen erhob sich ein Geröll- und Felsbrockenfeld aus der tafelflachen Ebene. Spitze Zacken ragten wie Haifischzähne in den Himmel, und zu allem gesellte sich die Tageshitze wie in
der unmittelbaren Nähe eines Backofens. »Willst du sie dort in die Felsen jagen, Cochise?« Cochise schüttelte den Kopf. »Weiter, bis zu dem Bauwerk der Hahokam.« »Lieber Himmel, warum quälst du die Männer so?« Cochise blieb stehen und starrte auf den Weißen, als sähe er ihn heute zum erstenmal. »Quälen? Ist Morden nicht schlimmer als quälen? Niemand quält diese Mörder, Bleichgesicht!« Earp blieb die Luft weg. Er starrte den Häuptling der Apachen wie einen Geist an. Cochise schritt weiter. Wyatt wollte folgen, aber der Chief streckte seine Hand gegen ihn aus. »Du wartest hier, Bleichgesicht. Deine zarte Seele soll nicht mit der Todesqual der Mörder belastet werden.« Der Spieler hatte nicht den Mut zum Widerspruch. Er setzte sich in den Schatten eines mächtigen Felsbrockens und schloß die Augen. Sein Pferd döste neben ihm im Stehen. * Nach einer Weile ließ Cochise sein Pferd zurück und ging zu Fuß die kurze Strecke bis zu dem Spalt, dessen Mündung er im Canyon gesehen hatte. Seine Rechnung war aufgegangen. Der Spalt setzte sich fort und begrenzte die Rückseite des Berges, in dessen Nische die Urahnen ihre Wohnstätte gebaut hatten. Von den Weißen sah er im Augenblick nichts. Hoch auf einer Klippe tauchte die Gestalt eines Apachen auf, der sofort wieder verschwand. Der Krieger hatte stoßartig zwei Fäuste in die Höhe gestreckt. Die weißen Mörder lagen am Fuß der Klippe und versuchten ihre totale Erschöpfung zu überwinden. In Cochises dunkle Augen drang ein glitzernder Glanz, aber in seinem Gesicht zuckte nicht der kleinste Muskel. Er kauerte im Schatten eines Felsens und wartete. Noch wußte
er nicht, wie er den Spalt überwinden sollte, oder wie ihn die Weißen überwinden konnten, um die Flucht auf der anderen Seite des zehn Meter tiefen Grabens fortzusetzen. In stoischer Ruhe verharrte der Chiricahua. Ein paar tödlich-stille Minuten geschah nichts. Hoch am Himmel kreisten Bussarde auf der Suche nach einem verendeten Wild oder einem Stück Aas, das von der Beute irgendeines Raubtieres übriggeblieben war. Wenn auch Cochise die Augen geschlossen hielt, so litt seine Wahrnehmung nicht darunter. Er sah, hörte und roch alles, und das war mehr als man von einem Weißen bei voller Aktion erwarten konnte. Die Weißen lagen kaum dreihundert Yards von ihm entfernt auf der nackten Erde und versuchten ihrer Erschöpfung Herr zu werden. Für Cochise war der Zeitpunkt eines Überfalls noch nicht gekommen. Die Sonne mußte an ihrem höchsten Punkt stehen und den halb verdursteten Weißen den letzten Tropfen Flüssigkeit aus den Körpern ziehen. Apachenart! Apachentaktik! Eine Wüstenschildkröte kroch träge an dem Häuptling vorbei. Der Chiricahua fragte sich, wie das Tier auf die Mesa kam und wovon es hier oben lebte. Etwas weiter weg strich ein graubepelzter Wüstenfuchs in aller Hast vorbei und übersah sogar die Schildkröte. Er hatte seinen ärgsten Feind, den Menschen, gewittert und machte, daß er wegkam. Sonst wirkte die Stille hier oben erdrückend. Selbst der Wind war eingeschlafen, und nur die Felsen strömten Hitze aus, aber die war unhörbar. Nach einer Weile erhob sich der Häuptling der Apachen und begab sich zu seinem Pferd. Er tränkte das Tier aus einem Schlauch, der ehedem einmal der Darm irgendeines Tieres gewesen war, so reichlich, daß es bis zum Abend genug Feuchtigkeit aufgenommen hatte. Nach dem Tränken nahm er einen dünnen Sack von der Pferdekruppe und hielt ihn geöffnet unter das Maul des Tieres.
Er enthielt wilden Hafer, Mais und getrocknete Beeren. Als alles getan war, sprach er ein paar Worte mit dem Pinto und streichelte ihn hinter den Ohren. Die nächste Sekunde zeigte nur einen freien Platz neben einem Pferd. * Wyatt Earp spürte die Müdigkeit mit der zunehmenden Hitze dieses Spätsommertages. Er döste vor sich hin und schlief schließlich ein. Als er wieder aufwachte, fielen die Schatten lang und breit und die Sonne stand schon weit im Westen. Er sprang auf die Beine und rieb sich verblüfft die Augen. Um ihn herum war alles still. Wind war noch nicht aufgekommen, der typische Wüstenwind heißer Regionen. Wyatt trat aus dem Schatten des Felsens und spähte in alle Himmelsrichtungen. Außer Felsen und Sand konnte er nichts entdecken. Weder etwas Lebendiges war in dieser Landschaft noch etwas Totes. Mißmutig starrte er schließlich auf die Sonne, die sich anschickte, hinter den Rockys im Westen zu verschwinden. Ganz plötzlich fühlte sich der Spieler in dieser Höhenregion einsam und verlassen. Er fingerte an seinem Colt herum, aber das war bei ihm nur der Ausdruck etwas überreizter Nerven. Von Cochise sah er nichts, deswegen ging er zu seinem Pferd und begann mit der Abendfütterung. Zuerst gab er dem Tier zwei Hutkronen voll Wasser aus der Feldflasche, dann schüttete er Körnerfutter aus einem mitgeführten Sack in den Futterbeutel, den er dem Tier umhing. Er ließ das Pferd stehen, wo es stand, und machte sich auf den Weg, Cochise zu suchen. Irgend etwas ging dort draußen zwischen den Felsen vor sich, von dem er keine Ahnung hatte. Er konnte sich denken, daß der Apache nur auf seine Rache versessen war, und die Opfer dort hatte, wohin er sie hatte haben wollen.
Nun gut, das ging ihn nichts an. Die Weißen waren Mörder und Skalpjäger, und für beides hatte Wyatt Earp kein Verständnis. Ihm war es nicht gegeben, Menschen aus dem Hinterhalt zu morden oder gar die Indianer für schmutzige Geschäfte zu mißbrauchen. Wyatt Earp war ein Mann dieses rauhen Landes, aber mit Mord wollte er nichts zu tun haben. Mord war etwas, was sich kein Revolverkämpfer leisten konnte, wenn er am Leben bleiben wollte. Auf Mord stand in jedem Fall der Strick, was bei einer Schießerei aus Notwehr nicht der Fall war. Unlustig, stiefelte er auf seinen hochhackigen Absätzen über Steine und Geröll. Bei jedem Schritt wirbelte er Staub auf, aber das war ihm egal. Endlich stieß er auf die steil in die Tiefe fallende Schlucht. Er lauschte, hörte aber nichts. Nachdenklich blieb er stehen und schaute sich um. Er konnte dem Felsspalt folgen und wieder umkehren, wenn seine Suche keinen Erfolg hatte. Aber in welche Richtung sollte er gehen? Ratlos starrte er auf den Boden. Spuren sah er nicht auf dem harten Fels. Er erwartete auch keine. Wyatt schüttelte das Gefühl des hilflosen Alleinseins in der Bergeinsamkeit ab, konnte aber das Restgefühl, das es auslöste, nicht loswerden. Es lastete wie ein Alptraum auf seinen Schultern, aber deswegen resignierte er nicht. Langsam ging er weiter, immer nahe beim Abgrund. Als er ein Zischen hörte, blieb er abrupt stehen und sah sich um. »Pst!« »Hallo?« Wieder: »Pst!« »Pestilenz! Wer zischt?« Eine braune Hand winkte hinter einem Stein hervor. Wyatt raffte seinen Mut zusammen und ging hin. Er zuckte zurück, als er hinter den Felsen spähte und einem Chiricahua ins Gesicht spähte, dessen Runzeln und Falten ihn irritierten.
»Pst!« Chihuahua legte einen Finger auf die Lippen und deutete auf eine Anhäufung von Steinen. Wyatt Earp faßte sich langsam und legte sich neben die Rothaut, die keine Anstalten machte, sich auf ihn zu stürzen. »Wo ist Cochise?« »Er ist dort!« Der Indianer zeigte auf ein paar Breitblattkakteen, die sich braun, verstaubt und vertrocknet vom Grau der Felsen abhoben. »Was macht er?« »Jagen.« »Ist das alles?« Der Chihuahua schüttelte grinsend den Kopf und machte das Zeichen des Skalpierens. »Er jagt und tötet. Zastee!« »Er allein?« »Alle Chiricahuas jagen und töten. Töten weißen Mann, skalpieren Bleichgesichter.« »Das ist wohl so 'ne Art Sport von euch, was?« »Nix wissen was Sport. Chihuahua«, er deutete auf seine Brust, »töten mit Schleuder, Messer und Kriegsbeil. Besser so. Chihuahua tötet lautlos. Gut, sehr gut.« »Ich gehe zu Cochise«, sagte Wyatt. Eine braune Hand griff nach seiner Weste und hielt ihn fest. »Du bleiben bei Krieger. Häuptling nix Zeit für Bleichgesicht.« »Verdammt, laß mich los!« keuchte Wyatt und versuchte vergeblich, sich zu befreien. Die Hand hielt ihn fest. »Du bleiben bei Chihuahua. Ulzana kommt. Ulzana großer Krieger und Freund von Cochise. Nix bewegen.« Ein Schatten tauchte neben Wyatt auf. Als er den Kopf herumdrehte, sah er in ein Gesicht, das genauso aussah wie das von Chihuahua. Ulzana legte sich neben Wyatt und nahm ihn so in die Mitte. »Du hier warten«, kauderwelschte er. »Cochise greift
Bleichgesichter an.« »Dein Cochise wird sich eine blutige Nase holen.« Ulzana verzog sein Gesicht und schüttelte den Kopf. »Nix Nase. Cochise großer Krieger.« Ulzana hielt sein Messer in die Höhe und grinste nahezu faunisch. Wyatt Earp gab keine Antwort, spähte hinter seiner Deckung hervor, konnte aber beim besten Willen nichts erkennen, was nach einem Angriff aussah. Die Wüstenei hier oben auf dem Plateau wirkte so verlassen wie nach der Erschaffung der Erde. Wyatt stieß Chihuahua den Ellbogen in die Seite, blinzelte ihn an und fragte: »Wo ist der große Krieger? Man sieht nichts von ihm. Wenn Cochise ein Dollar-Deputy oder ein Revolvermann wäre, hätte es längst geknallt.« Der Apache schüttelte bedächtig den Kopf. »Nix knallen, alles geräuschlos mit Messer und Tomahawk. Wirst schon sehen.« Aber Wyatt sah nichts, weder ein blitzendes Messer noch einen Tomahawk, noch Cochise. Und doch tat sich dort vorn bei der Felsenanhäufung etwas. Staub hing plötzlich in der Luft. »Was ist das?« fragte er und stieß Ulzana diesmal mit dem Ellbogen in die Rippen. Der Chiricahua zuckte gleichgültig die Achseln. »He, Mann, was bedeutet der Staub?« Ulzana antwortete: »Cochise wartet, bis dunkel. Staub nix von Bedeutung.« »Verdammte dicke Tat! Immer nur nix – nix – nix! Könnt ihr zwei Heiligen zur Abwechslung nicht mal was anderes sagen?« »Nix reden, lieber schweigen, Bleichgesicht. Schweigen ist besser.« Wyatt spuckte nach hinten aus und traf zielgerecht die Mokassinferse Chihuahuas. Der Tag sank, Schatten krochen über das Plateau und wurden länger. Wyatt Earp starrte zum Himmel. Bussarde zogen noch immer ihre Kreise. Ein feines Wolkengespinst breitete sich bis zum westlichen Horizont aus.
»Gleich dunkel«, knurrte Ulzana, und seine Augen funkelten wild. »Und was dann?« »Krieg. Kampf, weißer Mann.« »Skalps und Beute, wie?« Ulzana und Chihuahua nickten gleichzeitig und mit sichtbarer Begeisterung. »Viel Beute. Revolver, Messer und viele Skalps.« Der letzte Sonnenstrahl zuckte über die Hochebene, als eine jähe Veränderung eintrat. Weiter oben beim Spalt huschten graue Gestalten geduckt wie Wüstenfüchse. Wolfs- und Pumaschreie ertönten und brachten in ihrer grausamen Zusammensetzung die Banditen zum Zittern. Die Stimme eines Weißen schrie gottserbärmlich. In diesem Augenblick sah sie Wyatt Earp. Sie erhoben sich vom Boden und torkelten auf den Spalt zu, getrieben von zeitweilig sichtbaren, meist jedoch unsichtbaren Chiricahuas. Steine flogen und trafen, meisterlich geschleudert aus Lederschlaufen an langen Riemen. Schreie der Getroffenen klangen in den heraufziehenden Abend. Schließlich krachten Revolverschüsse, ziel- und planlos abgefeuert. Trotz schwindender Kräfte rannten die Outlaws, als sei ihnen der Teufel höchst persönlich auf den Fersen. Wyatt hörte ihr Keuchen, das abgehackte Gestammel von Flüchen und ihre unterdrückten Angstschreie, wenn ein geschleuderter Stein getroffen hatte. »Worauf warten wir?« fragte Wyatt erregt. »Laßt uns angreifen!« »Nix. Cochise greift an.« »Verdammt, ich will nicht untätig an dieser Stelle verharren, wenn Cochise in den Kampf gegen eine Übermacht zieht!« Ulzana grinste mitleidig. Chihuahua schloß sich ihm an. Übermacht hatte der Weiße gesagt. Übermacht? Sieben Bleichgesichter gegen einen Häuptling der Apachen! Was
waren schon sieben Weiße trotz ihrer Waffen gegen einen Chiricahua? Schreie weiter oben beim Spalt lenkten Wyatt Earp ab. In der Halbdämmerung sah er die Banditen wie verschüchterte Hühner hin und her laufen. Der tiefe Spalt hielt sie auf, und nirgendwo gab es eine Möglichkeit, ihn zu überqueren und den Übergang zu verteidigen. Sie schossen in ihrer Angst blindlings in die Luft. Apachen sahen sie keine, nur ihre Schreie waren zu vernehmen und peinigten die Männer auf der Flucht um ihr Leben. Schließlich trat das ein, was Earp längst erwartet hatte: Ulzana und Chihuahua begannen mit ihrer von Cochise zugedachten Arbeit. Die Krieger sprangen auf, stießen ein tierisches Geheul aus, schleuderten ihre Steine und ließen sich wieder fallen. Der Spieler staunte, wie glatt und einstudiert das alles ging. Von allen Seiten prasselten Steine und andere Wurfgeschosse auf die Weißen, dazu tönten aufreizend die Rasseln der Apachen. In die Gruppe bei der Schlucht kam wieder Bewegung. Sie setzte sich südöstlich in Bewegung, und Wyatt sah deutlich, wie sie in die Dunkelheit torkelten, fluchend, stöhnend und keuchend wie ausgepumpte Langstreckenläufer. Nun gab es nichts mehr, was sie aufhalten konnte. Der Weg vor ihnen war frei, in ihrem Rücken schrien Apachen ihr Kriegsgeschrei über das Plateau, rechts war der Abgrund, links Cochise und ein paar seiner Krieger. Wyatt Earp, Spieler und Revolvermann, hatte nicht die geringste Ahnung, was Cochise mit diesem sinnlosen Treiben bezweckte. Die Outlaws waren vom Wassermangel so geschwächt, daß sie bei einem konzentrierten Angriff der Apachen kaum nennenswerten Widerstand leisten konnten. Warum griff der Häuptling nicht an und machte dieser unwürdigen Szene ein Ende? Seine beiden Nachbarn setzten sich brüllend in Bewegung. Ihm blieb nichts weiter übrig, als sich zu erheben und hinter
ihnen herzurennen. Nach zweihundert Yards war schon wieder Schluß mit der Verfolgung. Die Banditen standen in einer Gruppe beisammen und begutachteten ein seltsames Gebilde, das sich wie drei seidene Fäden über den Abgrund hinweg spannte. Wyatt hörte sie deutlich und laut diskutieren. Er blieb stehen und pumpte seine Lungen voll Luft. Er spürte plötzlich Bedauern für die sieben Männer dort oben, und kam sich auch ein bißchen lächerlich vor, weil er genauso brüllend wie die Apachen hinter ihnen her rannte. Unerwartet und plötzlich stand Cochise neben ihm. Er deutete auf die glitzernden Fäden über dem Abgrund und sagte ehrfurchtsvoll: »Die Brücke der Hohokam.« Earp fuhr auf. »Was, Brücke nennst du das?« »Brücke zum Eingang im Felsen.« Der Spieler blickte genauer hin, sah einen der Banditen über die Schlucht auf ein Loch in der gegenüberliegenden Felswand deuten und wußte immer noch nicht, was das alles zu bedeuten hatte. »Eingang? Brücke? Mann, Häuptling, von was redest du eigentlich?« »Von Wickiup der Hohokam.« Sie starrten auf die Gruppe der Banditen und sahen, wie sich einer von ihnen aus dem Trupp löste und über den Abgrund hangelte. Er kam sicher drüben an und winkte dem Nächsten. Ein zweiter turnte hinüber, ein dritter, vierter, fünfter. Bevor auch Hugh Bennet und Josuah Lemmon den Fluchtweg beschreiten konnten, rannte Cochise in großen Sprüngen los. Wyatt folgte ihm auf dem Fuß. Bennet setzte den Fuß auf das Laufseil, das die Ureinwohner aus Gras geflochten und das sich in der trockenen Mesaluft gut erhalten hatte, als Cochise neben ihm stand. Hugh zog seinen Revolver und spannte den Hahn. Cochise
jedoch war schneller. Seine Hand zuckte herab. Im hohen Bogen flog der Colt davon und segelte zwischen Felsgestein. Bennet, ohne Schußwaffe, zog sein Messer. Wyatt wollte ziehen, es ihm aus der Hand schießen, doch der Häuptling kam ihm zuvor. Ein Schwung, ein Schrei, ein zweites Klirren von Stahl auf Stein, und Bennet flog, von Cochise über die Schulter geworfen, in den Abgrund. Aufschlag und Entsetzensschrei waren eins. Danach wurde die Stille zur seelischen Belastung für alle. Der lattendürre Lemmon aber überwand sein Entsetzen über den Tod seines Komplicen, griff verstört-verwirrt zum Schießeisen und spannte mit dem Daumen den Hahn. Seine Rechnung war ohne den Wirt gemacht und ging nicht auf. Cochise brachte sich mit einem pantherähnlichen Sprung in die Nähe des gefährliches Mannes und warf sein Messer. »Rache für Tek-li-tan!« schrie er und zog den Tomahawk aus dem Gürtel. Mit erhobenem Kriegsbeil drang er auf den Mörder ein. Jos Lemmon riß sich entsetzt das Messer aus dem Oberarm und ließ es fallen. Cochise war bei ihm, hob das Beil zum Schlag. Lemmon wich zurück, dabei kam ihn seine Länge zustatten, dem sausenden Hieb auszuweichen. Earp brüllte in höchster Erregung: »Aus dem Weg, Chief! Ich erledige den Hundsfott!« Cochise aber war wie von Sinnen und hörte den Weißen nicht. Erneut stürzte er sich auf Lemmon, drängte den Ausweichenden Meter um Meter, Fuß um Fuß näher an den Abgrund. Bevor Wyatt mit seinem Schießeisen eingreifen konnte, geschah es. Cochise fintete mit dem Beil, dabei bückte er sich und hob sein Messer auf. Lemmon beugte sich vor, wollte den Häuptling bei der Hand packen und über seinen ausgestreckten Fuß stolpern lassen, aber Cochise durchschaute die Absicht, unterlief den Arm des Gegners und rammte ihm seinen Kopf in den Bauch. Händerudernd und brüllend wie ein Stier, den man zur
Schlachtbank führt, kippte Lemmon nach hinten und verschwand im Abgrund. Cochise wandte sich ab und reinigte sein Messer. Erdrückende Stille brütete über dem nachteingehüllten Plateau. Lautlos kamen die anderen Jäger heran, sechs an der Zahl. Ulzana deutete scheu und zurückhaltend auf die seltsame Seilbrücke und grunzte ein paar Worte, die Cochise mit einer Handbewegung abtat. »Ich gehe in der Nacht hinüber«, sagte er guttural. »Die Krieger der Chiricahuas mögen zu ihren Jacales zurückkehren, sie haben ihre Arbeit getan.« »Moment mal, Chief! Und ich? Diesmal lasse ich mich nicht wieder hintenanstellen!« »Du wirst tun, was ich dir sage, Bleichgesicht.« Cochise deutete auf die ersten Sterne hoch über dem Tafelberg. »Das hier ist heiliges Land, weißer Mann. Die Hohokam, unsere Urahnen, von denen wir so gut wie nichts wissen, bebauten es. Sie waren friedliche Ackerbauern, keine Krieger wie die Chiricahuas. Willst du das Heiligtum mit deiner Anwesenheit besudeln?« »Lieber Himmel… Heiligtum! Was an diesen Felsen ist denn heilig, Chief? Ich habe deine Urahnen doch nicht umgebracht, oder denkst du gar, daß es Weiße waren?« »Damals, als sie das Land verließen, gehörte alles Land, die Quellen, Flüsse und Tinajas dem roten Mann. Weiße gab es hier nicht. Du willst mich nicht verstehen, Bleichgesicht. Die Männer auf der anderen Seite des Abgrunds werden sich weiter zurückziehen und in die Wohnstätte der Hohokam eindringen, weil es der einzige Weg sein wird, den Cochise ihnen offenläßt. Aber die Stätte darf nur vom Fuß eines roten Mannes betreten werden. Deswegen müssen die Frevler sterben.« »Meinetwegen. Was hat das aber mit mir zu tun?« »Die Weißen sind taub und blind wenn es um die Belange des roten Mannes geht. Du kommst nicht mit mir! How!«
Ulzana sagte etwas in seiner Sprache zu dem Indianerhäuptling. Cochise drehte sich zu ihm herum. »Du und deine Brüder kehren zurück in die Wickiups. Cochise dankt seinen Brüdern für die Hilfe und für ihre Mühen, die sie sich mit der Jagd auf weiße Bösewichter gemacht haben. Geht!« Er hatte das letzte Wort kaum ausgesprochen, da waren die roten Gesellen wie ein Spuk in der Nacht verschwunden. Völlig lautlos tauchten sie in die Dunkelheit ein, und unsichtbar wie Geister. Cochise ging zu der seltsamen Hängebrücke und blieb dort stehen: Das untere Fußseil bestand aus einem geflochtenen Grastau, armdick und vom vielen Benutzen in der Vorzeit blankgescheuert und faserig. In Armhöhe spannten sich zwei Führungsseile für die Hände über den schauerlichen dunklen Abgrund, die man zu beiden Seiten der Schlucht in den Felsen verankert hatte. Prüfend trat Cochise auf das Seil. Ihm fiel jedoch ein, daß fünf Weiße bereits den Abgrund überwunden hatten und dort drüben in der Dunkelheit lauern mochten. Gegen diese Bleichgesichter hatte der Chief von Anfang an nichts gehabt. Doch später hatte er die blutigen Skalps an ihren Sätteln gesehen und war nun nicht mehr bereit, sie straflos ziehen zu lassen. Auf der anderen Seite blitzte es auf. Eine Kugel sirrte haarscharf an Cochises Gesicht vorbei und schlug sich an einem Felsen in seinem Rücken platt. Der Häuptling zuckte nicht einmal zusammen. Wyatt riß seinen Colt aus dem Halfter und feuerte ein paar Schüsse nach drüben. Nach der Art der Revolvermänner lud er die Waffe sofort danach wieder auf. »Unnütz«, grunzte Cochise. »Ich gehe hinüber und treibe sie vor mir her. Einen nach dem anderen werde ich vernichten.« »Oder erschossen werden«, sagte Earp. »Ich gebe dir
Feuerschutz.« Cochise stieß den langgezogenen Kriegsschrei der Chiricahuas aus und betrat das Seil. Schritt für Schritt tastete er sich auf dem schwankenden Steg vor und hatte die Hälfte der Strecke erreicht, als drüben eine Hand mit einem Messer erschien. »Aufpassen!« schrie Earp und feuerte auf die Messerhand. Er traf. Die Hand wurde mit einem Aufschrei zurückgezogen. Blitzschnell erschien eine andere und säbelte weiter. Ein Knacken im Seil bewies den Erfolg der Bemühungen. Bevor Wyatt wieder schießen konnte, gaben die Fasern nach und rissen. Mit einem klatschenden Geräusch schlugen die Seilenden gegen die Schluchtwände. Cochise hing mit beiden Händen wie eine riesige Spinne an den Führungsseilen und hangelte weiter. Earp leerte seine Revolvertrommel auf die unsichtbaren Banditen und hörte die Kugeln gegen Fels und in weiche Körper schlagen. Cochise hatte Luft und legte den letzten Yard mit einem langen Schwung zurück. Er stolperte drüben auf den Schluchtrand, ließ sich fallen und rollte seinen mächtigen Körper über die Schulter ab. Vor ihm Schreie und unterdrücktes Stöhnen. Die Stimme eines Weißen zischelte: »Zurück, Jungs, und nehmt Rabbit und Rainbow mit!« »Laßt mich liegen« keuchte Rainbow. »Mit mir ist's aus. Brustschuß. Wenn der rote Bastard kommt, knalle ich ihm eine Unze Blei in seinen Wanst.« Cochise verstand jedes Wort. Nach einer Weile vernahm er schlürfendes Kratzen auf dem felsigen Boden, das nach kurzer Zeit verklang. Der Häuptling blieb am Boden, kroch vorsichtig und lautlos, alle Sinne wie Sehnen angespannt. Ein Stöhnen nicht weit vor ihm. Stimmengemurmel. Cochise kam näher und zog sein Messer aus den Leggins. Etwas Dunkles hob sich vom Boden ab, ein langgezogener Körper mit einem
Gewehr. Stahl glitzerte und machte den Häuptling vorsichtig. Unter seinen tastenden Händen gab ein winziger Zweig nach. Das Brechen war in der Stille weit zu hören. Sofort darauf knackte ein Gewehrschloß. »Komm her, du roter Bastard, damit ich dir eins aufbrennen kann!« Cochise war in höchster Gefahr. Der Weiße konnte gar nicht vorbeischießen, wenn er sein Gewehr in die Richtung des vernommenen Knackens richtete. Blitzschnell richtete sich der Häuptling mit dem Oberkörper auf und warf sein Messer, und ebenso blitzschnell sackte er wieder zu Boden. Der Aufschrei eines Menschen verröchelte. Stille. Cochise blieb liegen, denn das Schweigen konnte eine Falle sein. Womöglich hatte er den Gegner gar nicht getroffen. Minuten vergingen. Mühselig kroch der Chief auf Händen und Füßen weiter. Der silhouettenhafte Klumpen vor ihm trat schärfer hervor. Cochise konnte Einzelheiten erkennen. Der Weiße war tot. Als er ihn untersuchte, stellte er fest, daß ihn Wyatt mitten in die Brust getroffen hatte, aber das geworfene Messer hatte sein Leben vorzeitig ausgelöscht. Er zog es aus der Wunde, reinigte es an der Kleidung des Toten und schob es in die Leggins. Danach erhob er sich und ging wachsam gleitend weiter. Ein heller Fleck stand wie ein erhobener Finger vor ihm in der aufsteigenden Felswand. Die Urahnen hatten den Notausgang bis auf einen türähnlichen Durchgang zugemauert und mit einer kniehohen Schwelle versehen. Bei der Öffnung blieb der Chiricahua erst einmal stehen und witterte wie ein Jagdhund. Zu hören war nichts. Zu sehen noch weniger und zu riechen überhaupt nichts. Kurz entschlossen hob Cochise ein Bein und stieg über die Barrieren. Kühle empfing ihn. Es war still hier drin wie in einer Kathedrale. Die Luft war gut, jedoch mit einem moschusartigen
Moderduft angereichert. Cochise ging weiter und wurde eins mit der absoluten Finsternis. * Wyatt haderte mit sich und seinem Schicksal, das ihn aus Cochises Mund zur Untätigkeit verdammt hatte. Es riß ihn förmlich von den Beinen, als er die Stimme des schwerverletzten Rainbow vernahm, der dem Chief heißes Blei versprach. Aber noch verharrte er. Er hörte ein dumpfes Klatschen von drüben und einen abreißenden Schrei. Nichts weiter geschah. Die atemberaubende Stille betäubte ihn fast. Trotz allem, was ihn überbrückte, war er nicht in der Lage, sich aufzuraffen und hinüberzuturnen. Cochises Befehl war zu eindeutig gewesen. Nach einer langen, langen Stunde hörte er den dumpfen Abschuß eines Revolvers, dem weitere Detonationen folgten. Jetzt hielt den Mann nichts mehr. Er ergriff die Handseile und stieß sich von der Felsplatte ab. Stück für Stück, Handbreite um Handbreite, hangelte er weiter und gelangte durch diese mühselige Fortbewegung bis nahezu in die Mitte des Abgrunds. Mit jedem Zentimeter, den er zurücklegte, fühlte er seine Arme starr werden und seine Finger sich verkrampfen. Das harte Gras rieb seine Handflächen wund, und der Schmerz, der von nun an durch seinen Körper tobte, betäubte ihn fast. Mit zusammengebissenen Zähnen und einem unausgesprochenen Fluch auf den Lippen zog er sich weiter der rettenden anderen Seite entgegen. Wenn er sich später selbst die Frage gestellt, ob er jemals wieder festen Boden unter den Füßen fühlen würde, hätte er diese Frage verneint. Aber Wyatt schaffte es. Der Mann war aus gutem Holz geschnitzt und gab so leicht nicht auf. Als er die Hände öffnete
und seinen Körper fallen ließ, stürzte er erst einmal erschöpft aufs Gesicht. So blieb er eine ganze Weile liegen, um sein Herz zur Ruhe kommen zu lassen und um seine Lungen zu beruhigen. Weitere Schüsse im Innern des unbekannten und nicht zu definierenden Bauwerks rissen ihn hoch. Er wischte seine schweißtriefenden und blutenden Hände an der Hose ab und drang in den Berg ein. Eine Art Tunnel nahm ihn auf. Als seine Hände die Wände berührten, spürte er behauenen, glatten Stein, der sich ins Uferlose fortsetzte. Der Boden bestand aus massigem Fels. Noch einmal drei Schüsse aus großkalibrigen Revolvern. Mündungsfeuer sah er nicht, so sehr er seine Augen auch anstrengte. Mindestens dreihundert Yards mußte er zurücklegen, bis sich der Tunnel vor ihm öffnete. Der Stollen erweiterte sich, und Wyatt, der nun in eine Art Halle kam, blieb verwundert stehen. Terrasse für Terrasse öffneten sich vor seinen verwunderten Blicken. Terrassen, die sich in die Höhe schraubten und in der Finsternis nach oben verschwanden. Wenn er auch nicht viel sehen und erkennen konnte, so ließ sich das gigantische Bauwerk aus der Vorzeit jedoch zum Teil in seinem ganzen Umfang erahnen. Es roch nach Moder und tierischen Rückständen, aber der Geruch war nicht penetrant. Es mußte durch ein ausgeklügeltes Belüftungssystem vertrieben werden. Ein leichtes Flattern ließ ihn sich umwenden. Fledermäuse flogen durch die Halle und hingen sich an irgendwelchen Decken wieder mit dem Kopf nach unten auf. Er ging durch fußhohen Staub weiter, stieß gegen einen Körper, zuckte bis in den letzten Nerv seines Herzens zusammen, blieb stehen und krümmte sich zusammen. Sein erster Gedanke war: Cochise. Er hatte die Schießerei gehört und mußte damit rechnen, daß es den Häuptling der Apachen erwischt hatte.
Er beugte sich zu dem Körper hinab und tastete ihn ab. Er spürte Blut, klebrig und noch warm. Cochise aber war es nicht, er lebte noch und versteckte sich irgendwo. Der Tote, der vor ihm lag, war von Cochise mit einem Messer erledigt worden. Seine Finger glitten über das eingefallene Gesicht. Bartstoppeln knisterten. Weiter glitten die Fingerspitzen, höher hinauf. Eine flache Stirn, wirres, verklebtes Haar. Das war der Mann, der seinen Wortschatz um den unwirschen Befehl »schlank-schlank-dalli!« bereichert hatte. Als er sich wieder aufrichtete, sah Wyatt das Licht. Es war eigentlich kein Licht, nur ein Lichtfunke, ein heller Knopf in der Finsternis. Der Punkt wuchs, zitterte, wurde wieder kleiner, kam schließlich voll zur Entfaltung. Am anderen Ende der kotbedeckten Terrasse brannte eine Fackel und strahlte ihre Umgebung mit wechselnder Intensität an. Wyatt rührte sich nicht von der Stelle. Er rechnete. Drei Banditen waren übriggeblieben und flüchteten vor dem unerbittlichen Apachen durch ein Bauwerk, das sie so wenig kannten wie ihr Verfolger. Für sie gab es kein Entkommen, nicht in dieser gängeverzweigten Wohnstätte, die einem ausgestorbenen Volk vor Jahrhunderten als Wohnstätte gedient hatte. Entsetzt fegte er herum. Fledermäuse, vom Licht angelockt, flogen im seltsamen Taumelflug über ihn hinweg und verschwanden jenseits der Terrassen und Bühnen. Schwarz gähnten die Türen zu den Wohnzellen. Wyatt Earps graue Augen verengten sich. Harte Finger krampften sich um seinen Magen und zwangen ihn, in eine andere Richtung zu sehen. Waren es die Geister der Verstorbenen, die in den gähnenden schwarzen Öffnungen standen und winkten? Wollten sie nicht, daß ihr Haus mit frevlerischem Tun beschmutzt wurde? Oder war alles nur Einbildung, was er zu sehen geglaubt hatte? Dann kam der Schrei mit seinen unzähligen Echos, der
entsetzliche spitze Schrei, der sein Blut fast zu Eis gefrieren ließ und ihm den Atem raubte. Das Licht flackerte, drehte sich im Kreis, schlug Volten und Paraden, kam dann aber wieder zur Ruhe. Der Schrei wiederholte sich mit grausamer Schärfe, verzerrt durch den Widerhall in sich verschachtelter Räume. Eine Wolke von Fledermäusen löschte zunächst Wyatts weiterführende Gedanken aus. Ihre schrillen Pfeiftöne verschluckten mit ihrer geballten Kraft alle anderen Geräusche in dem künstlichen Dom. Das Licht flog kometengleich auf eine niedrige Bühne, die ehemals ein Podest gewesen war. Funken stoben in alle Richtungen. Eine Hand streckte sich nach der Fackel aus und riß das Licht an sich. Wyatt sah die Hand, den Arm, den flüchtig beleuchteten Körper in weißem Wildleder: Cochise. Er wollte schreien, eine Warnung herausbrüllen, aber er konnte es nicht. Stumm blieb er vor dem Leichnam stehen und starrte sich die Augen aus dem Kopf. Der Häuptling der Apachen warf die Fackel den Weg zurück, den sie geflogen war. Sie brannte lichterloh, sprühte Funken nach allen Seiten und schlug schließlich im Kot und Staub auf. Die Fackel erlosch. Wyatt hatte genug gesehen. Die gleitenden, huschenden und geduckten Gestalten schlossen Cochise ein und näherten sich dem Häuptling. Der Spieler und Revolvermann hatte in dem kurzen Augenblick der diffusen Helligkeit noch mehr gesehen. Er sah einen schlanken Mann mit einem tiefgeschnallten Revolver, der das Abzeichen seiner eigenen Gilde trug: den Revolver tief am Knie. Wild sprang er vorwärts, stolperte über den Toten und wälzte sich im Staub, und das war seine Rettung. Nevada hörte das Geräusch, fegte herum, zog und schoß. Die Kugel sirrte über Wyatt hinweg und schlug hinter ihm in eine lehmgemauerte Wand.
Sich aufrichtend, ziehen und schießen war bei Wyatt eins. Er orientierte sich nach dem Mündungsblitz und sandte eine zweite Kugel der ersten hinterher. Und er traf. Ein Schmerzensschrei gellte im schrillsten Diskant durch das Gewölbe. Schritte entfernten sich und verstummten schließlich ganz. Ein Schatten stand plötzlich vor ihm. Wyatt hob den Revolver, spannte mit dem Daumen den Hahn. Cochises Stimme: »Noch zwei, Bleichgesicht, sie werden entkommen.« »Gibt es noch einen zweiten Ausgang?« »Mehrere. Der Haupteingang liegt in einer unbegehbaren Schlucht. Wenn sie ihn finden, sind sie in Sicherheit.« »Sie haben keine Pferde und kein Wasser.« »Wasser finden sie in der Schlucht. Auch die Hohokam mußten trinken. Pferde stehlen sie.« »Nach meiner Rechnung müßten es noch drei sein?« »Nein«, sagte Cochise. »Zwei. Ich tötete einen Mann mit verbundener Hand dort oben.« Er deutete auf die Stelle, wo er vor ein paar Minuten noch gestanden hatte. »Gehen wir.« »Wohin?« »Zu unseren Pferden.« »Willst du die Kerle nicht weiter verfolgen?« »Nicht hier in der Halle der Toten.« »Großer Affenschwanz, die Toten stört das doch nicht mehr!« »Aber die Lebenden, mich.« Cochise drehte sich um und steuerte im Dunkel den Gang an, der sie wieder zu der Schlucht bringen würde. Er mußte Katzenaugen haben, die in der Dunkelheit sahen. »Moment mal!« rief ihm Wyatt Earp nach und eilte hinter ihm her. »Was willst du? Der Kampf ist vorbei.« »Falsch, Rothaut, falsch! Er beginnt erst. Ich habe mich mit
einem Mann geschossen, dem man den Revolvermann auf zehn Meilen ansieht. Und dieser Hombre ist entkommen, wenn auch angeschossen.« »Ja?« »Er wird uns draußen auflauern und aus dem Hinterhalt auf uns schießen, Chief.« Cochise machte eine wegwerfende Handbewegung. »Soll er. Schießen und treffen ist zweierlei.« »Das weiß ich. Aber der Kerl ist gefährlich. Ich weiß nicht, wer noch bei ihm ist, aber das wird sich schnell herausstellen, wenn wir ihnen gegenüber stehen.« Sie mußten auf ihrem Weg nach draußen über morsche Balken und Etagenverbindungen steigen, verfolgt von dem schrillen Pfeifen und ärgerlichem Flattern der Fledermäuse. Staub von Kot und anderem Unrat kitzelte ihnen in der Nase und brachte ihre Augen zum Tränen. Aber sie schafften es. Die rechteckige hohe Öffnung tauchte auf und ließ sie unbehindert durch. Mond und Sterne waren nun sichtbar und beleuchteten einen gespensterhaft bleichen Canyon. Ihre mäßige Helligkeit ließ eine Spur von Stiefeln erkennen. Cochise kniete sofort nieder und tastete die Eindrücke vorsichtig prüfend mit den Fingerspitzen ab. Mit einem langen Blick auf die gegenüberliegende Canyonseite richtete er sich wieder auf. »Einer von ihnen ist verwundet, Bleichgesicht. Du hast ihn vermutlich mit deiner Kugel getroffen.« »Weiß ich, Mann, weiß ich. Er schrie ja laut genug. Wo sind sie?« Cochise deutete auf die zerklüftete und von Urgewalten förmlich zerrissene Wand ihm gegenüber und antwortete: »Hinter den Klippen. Sie belauern uns.« »Woher weißt du das?« Wyatt Earp sah den mitleidigen Blick Cochises nicht, aber er
fühlte ihn wie Säure auf seiner Haut brennen. »Was machen wir, Chief? Holen wir sie heraus?« Cochise antwortete nicht auf Wyatts Frage. Er sandte seine scharfen Augen zu den Felsen hinüber und wartete auf eine Reaktion der Weißen. Es gab keine. Fast eine Stunde lang standen die beiden so verschiedenartigen Männer im Sternenlicht und lauerten auf jede Veränderung im Canyon. Irgendwo brach die nächtliche Abkühlung Gestein ab und schickte es in die Tiefe. Es gab einen hohlen, rollenden Laut, der durch die Schlucht hallte wie Gewehrfeuer. Unvermittelt änderte sich das Bild. Ein mächtiger Felsblock löste sich drüben und löste einen prasselnden Steinschlag aus und eine Wolke aus Staub. »Weg hier!« schrie Earp. Er und Cochise zogen sich bis zum Eingang des verlassenen Bauwerks zurück und warteten darauf, daß der Staub sich legte. »Die Hunde hole ich mir vor mein Schießeisen!« schrie Earp wütend und unbeherrscht. »Mit Steinen zu werfen, na, so was… Als wenn Weiße Apachen wären!« »Du von rechts, Hellauge, ich greife von der linken Seite her an. Siehst du den Ziegenpfad dort drüben?« »Wo?« Cochise deutete mit der ausgestreckten Hand auf den nadelfeinen Strich in dem verwitterten Gestein. Wyatt murmelte: »Okay, sehe den Höllenpfad.« »Von ihm aus kannst du ihre Deckung einsehen und notfalls auch hineingelangen.« »Und was unternimmst du?« Cochise wies in die andere Richtung. Ein Meer aus Felsblöcken, Disteln und Kakteen schob sich bis an die Basis der Schluchtwand. »Ich greife sie von dort aus an.«
Er hatte noch nicht richtig ausgesprochen, da war er auch schon lautlos verschwunden. »Wie 'ne Katze«, knurrte Earp wütend. Er war es nicht gewohnt, daß man ihn einfach wie einen dummen Jungen stehen ließ. »Well, wie 'ne Riesenkatze.« Als sich der Staub völlig legte, machte sich der Spieler auf die Socken. Er bewegte sich im Schatten des »montezuma« und legte sich schließlich auf die Erde, um den Canyon kriechend zu durchqueren. Unter mühevollen Strapazen und einer Flut von Schweiß gelang ihm das schließlich. Er mußte im Schutz der Felswand noch etwa zwanzig Yards nach Süden pilgern, bis zu jener Stelle, an der der Ziegenpfad seinen Anfang nahm. Als er in die Höhe kraxelte, schoß die Erinnerung an ähnliche Unternehmen durch die sternengepunktete Dunkelheit dieses unheimlichen Canyons. Schwarz starrten die Fensteröffnungen des geheimnisvollen Bauwerks zu ihm herüber, und manchmal, wenn ihm die Phantasie einen Streich spielte, sah er bleiche Totenköpfe dort drüben auftauchen. Sechs Meter über der Canyonsohle verlief der Pfad waagerecht. Wyatt wischte sich den Schweiß ab und schöpfte erst mal Luft, bevor er sich wieder auf den Weg begab. Der Pfad war vor Jahrhunderten viel begangen worden. Aber in den letzten hundert Jahren oder länger war er als Saumpfad von Feldmäusen, Wanderratten, braunen Fledermäusen und Schlangen benutzt worden, deren versteinerte Losung auf dem rissigen Gestein klebte. Er schaute hinunter, zuckte zusammen und preßte sich fest gegen den Fels, um nicht gesehen zu werden. Zwei Männer kauerten hinter einer Klippe und hielten ihre Revolver auf den »montezuma« gerichtet. Im Zeitlupentempo zog Wyatt seinen Colt. Nur jetzt nirgendwo anschlagen, keinen Felsen berühren, das Geräusch wäre im ganzen Canyon zu hören gewesen. Er brachte die Waffe aus dem Halfter, entsicherte sie und zog
den Hammer nur so weit zurück, das er nicht einrasten konnte. Über den langen Lauf visierte er die beiden Strauchritter an. Einer der beiden, ein kleiner und zäher Kerl, hatte die linke Schulter verbunden. Der andere, ein rabiat wirkender Bursche, den er schon einmal gesehen hatte, war ebenfalls verletzt und kämpfte mit seiner Erschöpfung und Müdigkeit. Sie unterhielten sich. Nevada sagte gerade: »Sie können nicht in alle Ewigkeit dort drüben warten. Wenn sich was bewegt, wird sofort geballert.« Sein Begleiter gab keine Antwort. Er war kein Revolvermann und kaum bereit, sich einem besonderen Risiko auszusetzen. »Hast du mich nicht verstanden, Old Fellow?« »Klar, hast doch laut genug gebrüllt. Es wird geschossen, wenn sich was bewegt.« Wyatt juckte es im Zeigefinger. Er hatte beide genau im Visier und brachte nach dem ersten Schuß die Waffe nur um Millimeter zu schwenken. Doch er nahm die Waffe wieder herunter und runzelte die Stirn. Eine tödliche Kugel in den Rücken wäre Mord gewesen, glatter Mord. War er schon soweit gesunken, daß er einen kaltblütigen Mord begehen wollte? Mit einem lauten Ruf sprang er auf die Beine und riß den Revolver in Hüfthöhe. Nevada warf sich auf den Rücken, stieß einen Fluch aus und richtete die Waffe nach oben. Beide drückten zur gleichen Zeit ab. Der Mann war schnell, sehr schnell, daß mußte Wyatt zugeben. Seine Kugel nahm einen Hautfetzen von seinem Ohrläppchen mit und klatschte hinter ihm gegen den Fels. Nevadas Revolver wurde ihm wie von einer Geisterhand aus der Hand gerissen und in eine Sandmulde geschleudert. Wyatts zweiter Schuß traf ihn ins Herz und machte seinem verruchten Leben ein Ende. Old Fellow zögerte eine Sekunde lang wie gelähmt. Diese Sekunde kostete ihn das Leben. Als er endlich den Stecher
seiner Waffe berührte, war es zu spät. Wyatt Earps Kugel traf ihn und warf den Mann nach hinten gegen die Klippen. Der Kampf war vorbei. Wyatt gegenüber erschien Cochise auf einer Felsnase. In der Hand hielt er das Kriegsbeil. Mit einem Blick erfaßte der Häuptling, was vorgegangen war. Er nickte zu Earp hinüber und machte sich an den Abstieg. * Sie kamen aus den Schluchten und ritten in die aufgehende Sonne hinein. Groß, strahlend und rund wie ein gezirkelter Kreis hing sie über den Chiricahuas und warf glühende Pfeile und Hitze in die Canyons. Wyatt ritt hinter dem Häuptling der Apachen. Weit voraus ballten sich die Hügel wie Wolken über dem Horizont. Zweierlei Wolken. Die Hügelkuppen einmal und dunkle Rauchbällchen zum anderen. »Teufel! Teufel! Die machen mit ihren Rauchzeichen das ganze Land verrückt!« rief Wyatt und zeigte mit der Hand nach Nordosten. »Die Weißen sind alle undankbar.« Wyatt zuckte verblüfft im Sattel zusammen und starrte betreten auf Cochises Rücken. »Undankbar? Verdammt will ich sein, Chief, wenn ich weiß, was du meinst?« »Wania-taka hielt eine große Gefahr von dir ab.« »Du meinst das Aufgebot?« »Ich rede von den Männern mit den hellen Sternen.« »Na ja, die Posse. Und warum bin ich undankbar?« »Weil du indianische Gebräuche nicht verstehst.« »Heiliger Bimbam, das hat doch nichts mit Undankbarkeit zu tun! Ich wollte dir lediglich einen Hinweis auf die Rauchzeichen geben.«
»Ich sah sie vor dir, Bleichgesicht.« »Kann ich mir denken. Du weißt ja auch, was es mit diesem Geistertanz auf sich hat.« Cochise erwiderte vorsichtig: »Ich habe davon gehört. Krieger brauchen keinen Geistertanz, um sich vor dem Kampf zu berauschen. Tizwin und Tanz zusammen sind für einen Krieger nicht gut, der mit klarem Kopf in den Krieg ziehen soll.« Wyatt Earp verfiel in Schweigen. Die durchwachte vergangene Nacht und das Abenteuer, das er zu bestehen gehabt hatte, machten ihn müde und schlapp. Er döste vor sich hin, während sie durch den Wüstenstreifen ritten. Um die Mittagszeit näherten sie sich den Hügeln. Cochise hielt seinen Pinto an und bedeckte die Augen mit der Hand. Obwohl der Herbst anbrach, stach die Sonne noch grell und schmerzend. »Was ist los? Warum reiten wir nicht weiter?« Wyatt schlug ein Bein um das Sattelhorn und drehte sich eine Zigarette. Er rauchte selten, hatte aber im Augenblick das Bedürfnis nach Tabakrauch. Er brannte den Glimmstengel an, machte ein paar Züge und warf ihn weg. Die Zigarette schmeckte ihm heute nicht. Als Cochise immer noch keine Anstalten machte, den Ritt fortzusetzen, griff er zur Wasserflasche und nahm einen kräftigen Schluck. »Siehst du was, Chief?« »Wir werden empfangen. Der Geistbüffel will ein Pow-Wow.« »Du meinst Wania-taka, den Häuptling?« Cochise machte eine flüchtige Handbewegung. »Du weißt es, Bleichgesicht.« Wyatt zuckte gleichgültig die Achseln. Ihn gingen die fremden Indianer nichts an. Das war Cochises Sache, wenn sie sich auf seinem Stammesgebiet aufhielten und Hokuspokus trieben. Was hatte der Häuptling soeben gesagt? Ein Pow-Wow wollten die Fremden veranstalten? Nun gut, er hatte nichts
dagegen, wenn sie ihn nur mit ihren Zauberkunststücken in Ruhe ließen. Die Frage für ihn war nur, woher wußte der Chief das alles? Er, Wyatt Earp, sah keinen einzigen Indianer, nur Rauchzeichen, und die waren für ihn unverständlich. War der Chief allwissend? Cochise ritt wieder an und näherte sich den Hügeln von der Seite. Der Schatten seines Pferdes lief unter ihm voraus und tauchte in diesem Augenblick in den Hügelschatten ein. Wyatt wunderte sich immer noch, woher Cochise von der Anwesenheit der fremden Indianer wußte und von ihrer Absicht, ein indianisches Gespräch am Lagerfeuer zu beginnen. Er fragte den Häuptling: »Sag mal, Chief, bist du auch Medizinmann? Ich meine, sprichst du mit den Geistern und bist mit ihnen im Bunde?« Cochise starrte ihn an und verzog sein Gesicht, als er den Kopf schüttelte. »Cochise ist nur Krieger und fürchtet die Geister nicht.« »Das weiß ich.« Wyatt winkte ab und trieb sein Pferd an Cochises Seite. »Du hast gesagt, daß wir empfangen werden. Woher hast du das gewußt? Ich sehe weit und breit keine Rothaut.« Cochise deutete auf die schwarzen Bälle über den Hügeln, die mit dem Wind davonflogen und sich auflösten. Als Wyatt Earp seiner Handweisung folgte, wurde er abgelenkt. Eine Bewegung links von ihm ließ ihn rasch den Kopf wenden. Wie aus dem Nichts waren Krieger erschienen und starrten stoisch und gelassen auf den Häuptling und den Weißen. Hastig drehte sich Earp im Sattel um. Was er sah, ließ ihn blaß werden. Rings um ihn standen indianische Krieger, Waffen in den Händen, einen grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht. Sein zweiter Blick galt dem Apachen. Cochises Pferd hatte angehalten. Der Chief saß aufgerichtet auf der Reitdecke und schien die Krieger überhaupt nicht zu
beachten. Aus einem Hügeltal kam Geistbüffel auf einem weißen Hengst geritten, hielt an und machte das Zeichen des Friedens. Cochise erwiderte das Zeichen. Sie kannten sich von ihrem ersten Treffen in diesen Hügeln und konnten auf ein weiteres Zeremoniell verzichten. Wania-taka machte eine einladende Handbewegung in ein Hügeltal und ritt voran. Rauch wehte aus dem Tal Wyatt ins Gesicht. Er mußte husten. An einem Feuer saßen mehrere Krieger mit Federhauben. Sie standen auf, als sich Cochise vom Pferd schwang. Wyatt und der fremde Häuptling waren mit Cochise zusammen von ihren Tieren geklettert, die von Kriegern fortgeführt wurden. Wania-taka breitete die Arme aus und rief mit einem seltsam verstimmten Singsang: »Sei willkommen im Lager der Cheyenne und Arapahoes, Cochise, Häuptling aller Apachenstämme. Leg die Hände in mein Blut und sei eins mit mir.« Unaufgefordert setzte sich Cochise in den Kreis der Häuptlinge und streckte die Handflächen zum Himmel empor. Der Sonnentag und die Wolken und das Brausen des warmen, süßduftenden Präriewindes verging in dieser einzigen großartigen Geste des Häuptlings der Apachen. Leg die Hände in mein Blut…
ENDE