Seewölfe 173 1
John Curtis 1.
Bleigrau stieg der Morgen des 8. August 1588 aus der See. Der Kanonendonner war verstumm...
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Seewölfe 173 1
John Curtis 1.
Bleigrau stieg der Morgen des 8. August 1588 aus der See. Der Kanonendonner war verstummt, die Schlacht um die Armada vorbei. überall dümpelte Treibgut in der noch nachtschwarzen See. Auf den Sänden vor Calais ragten die zerfetzten Masten der Wracks in den Himmel, schwarz und düster wie der Tod, der in den vergangenen Stunden auf den Schiffen der Spanier grausige Ernte gehalten hatte. Auf manchen der Wracks schwelten immer noch an verschiedenen Stellen Brände. Dunkler, schwerer Rauch wurde vom Westwind langsam nach Osten über die Straße von Dover auf die nahe französische Küste zugetrieben. Ein Tag des Grauens und eine Nacht der Verzweiflung waren vorüber. Von denen, die diese entsetzlichen Stunden überlebt hatten, wußte niemand, was dieser neue Morgen bringen würde. Capitan Manuel de Diaz fuhr aus dem unruhigen, quälenden Schlaf der vergangenen Nacht hoch. Er wußte nicht, was ihn geweckt hatte, ächzend setzte er sich auf. Mit seinen entzündeten Augen blickte er sich um. Die Erinnerung setzte ein und mit ihr das bestürzende Bewußtsein einer Niederlage, wie sie niemand an Bord der spanischen Schiffe für möglich gehalten hatte. Langsam glitten seine Blicke über das Schiff. Was er sah, drehte ihm fast den Magen, um. Zerschossene Schanzkleider, so weit der Blick die langsam weichende Dunkelheit durchdringen konnte. Zersplitterte Masten, nur der Besan auf dem Achterdeck war wie durch ein Wunder dem Kugelhagel aus den englischen Kanonen entgangen. An Deck des Schiffes lagen Tote, neben und zwischen ihnen Verwundete, zu schwach, um sich zu helfen. Wer diese Nacht und den Tag davor halbwegs unversehrt überstanden hatte, lag irgendwo an Deck in einem totenähnlichen Schlaf der Erschöpfung.
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Capitan Manuel de Diaz zuckte zusammen. Vor seinen Augen entstand wieder das grauenhafte Bild der heransegelnden Brander, der Höllenschiffe, die der zersprengten und dezimierten Armada den Rest gegeben hatten. Auch sein Schiff, die „El Cid“, ein Zweidecker von rund 600 Tonnen, war beinahe das Opfer eines Branders geworden, der in der Nähe der „El Cid“ explodiert war und den Zweidecker mit brennenden Trümmern übersät hatte. Nur der todesmutige Einsatz aller verfügbaren Männer hatte das Schiff gerettet. Capitan de Diaz erhob sich. Er mußte nach seinen Männern sehen, dann galt es festzustellen, ob sich auf der „El Cid“ noch eine Notbesegelung errichten lassen würde, die vielleicht die Heimreise ermöglichte. Außerdem mußten Lecks über der Wasserlinie abgedichtet werden, das Deck klariert und die Toten der See übergeben werden. Alles Dinge, an die während der Schlacht niemand auch nur einen Gedanken verschwendet hatte. Der Capitan überquerte das Achterkastell, in der Absicht, zur Kuhl hinunterzusteigen. Als er den Niedergang fast erreicht hatte, hörte er das Geräusch gleichmäßig eintauchender und im Takt geschlagener Riemen, dazwischen hin und wieder Gelächter oder Gegröle. Der Capitan spürte, wie eine eisige Hand ihm das Herz abzudrücken schien. Er brauchte nicht einmal eine Sekunde, um zu begreifen, wer sich da seinem Schiff in welcher Absicht näherte: die Leichenfledderer, die Küstenwölfe, die Beachcomber und Strandläufer der französischen Küste, die jetzt auf ihre Weise Nutzen aus der Schlacht um die Armada ziehen wollten. Capitan Manuel de Diaz war augenblicklich hellwach. Das bedeutete Tod, Folter, neues, qualvolles Sterben. Denn diese Kerle waren keine Menschen, sondern Bestien, der Capitan kannte sich aus. Sein Alarmruf schallte über das Deck und weckte einige der Schläfer. „Kämpft, Männer, wenn euch euer Leben lieb ist!“
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schrie der Capitan und riß seinen Degen heraus. „Die Küstenwölfe kommen, gebt kein Pardon, wehrt euch eurer Haut!“ Es war wie ein Wunder. Diejenigen, die die Nacht überlebt hatten, begriffen schnell. Ihre Schläfrigkeit verflog, sie griffen zu ihren Waffen und scharten sich um ihren Capitan. „Aufs Achterkastell! Rasch! Ladet eine Drehbasse, Pulver und Munition ist noch da! Aber beeilt euch, oder die Kerle schlachten uns ab!“ Die Männer rannten los. Einige von ihnen griffen sich eine der her- umliegenden Musketen, andere stürzten an die Drehbasse. Vom Wasser her wurde der Alarmruf des Capitans mit wüstem Gebrüll beantwortet, einzelne Musketen- und Pistolenschüsse krachten, und ihnen folgte wieder wüstes französisches Gebrüll. Der Capitan behielt kühlen Kopf. Ihm blieb noch Zeit, das Laden der Drehbasse zu überwachen. Anschließend stellte er sich selber hinter die nach allen Seiten drehbare und in jede Richtung schwenkbare Kanone. Er hörte, wie das Boot der Küstenwölfe gegen die Bordwand der „El Cid“ prallte. Wenige Augenblicke später tauchte das Gesicht des ersten Leichenfledderers über dem zerschossenen Backbordschanzkleid auf. Eiskalt wartete der Capitan. Durch eine Handbewegung hatte er seine Männer angewiesen, in Deckung zu gehen und sich ruhig zu verhalten. Die Leichenfledderer versammelten sich auf der Kuhl und steckten die Köpfe zusammen. Die ganze Sache war ihnen unheimlich. Einer von ihnen, ein wüst aussehender riesiger Kerl, der in der Rechten ein breites Entermesser und in der Linken eine Pistole hielt, brüllte einen Befehl. Die Franzosen wollten auseinanderspritzen und sich über das obere Geschützdeck des Zweideckers verteilen, aber es war zu spät. Der Capitan drückte die Lunte, die er bisher hinter seinem Rücken verborgen gehalten hatte, auf das Pulver. Donnernd entlud sich die Drehbasse und schickte in
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ihrem langen Mündungsfeuer Tod und Verderben zu den Küstenwölfen hinüber. Gleichzeitig sprangen seine Männer, ein kleines Häufchen von knapp zwanzig Mann, aus ihren Deckungen. „Kämpft, Männer! Kämpft um euer Leben, kämpft um euer Schiff! Wir haben die Schlacht um die Armada überlebt, wir haben den Branderangriff überstanden, jetzt werden wir auch noch mit diesen Kerlen fertig!“ Die Spanier brüllten aus Leibeskräften. Dann packten sie ihre Waffen und drangen auf die Franzosen ein, die entnervt zurückwichen und die neue Lage nicht schnell genug begriffen. Nur der Anführer, der den Bleihagel der Drehbasse überlebt hatte, erfaßte die Situation. „Deckung, Leute!“ überschrie er das Kampfgetümmel. „Laßt sie nicht an euch heran, wir wollen Beute, nicht den Tod. Jeden Moment müssen Marcell und seine Männer hier sein, dann räumen wir auf mit den Dreckskerlen da hinten!“ Er zog sich zurück und sprang geschmeidig über ein paar Tote. Aber die Spanier erkannten ihre Chance. Außerdem hatte der Capitan, der der französischen Sprache teilweise mächtig war, ungefähr verstanden, was der Anführer der Küstenwölfe befohlen hatte. Manuel de Diaz wußte, daß sie sofort siegen mußten, wenn sie auch nur eine geringe Überlebenschance behalten wollten. Deshalb feuerte er seine Männer an, und mit wildem Gebrüll drangen sie auf die dezimierten und entnervten Franzosen ein. Der Capitan und seine Männer ahnten nicht, daß der Schuß aus der Drehbasse auch noch andere Männer alarmiert hatte, deren Schiffe vor Calais westlich der „El Cid“ in der Straße von Dover ankerten. * Als sich die Drehbasse der „El Cid“ donnernd entlud, schreckte Ed Carberry, der eisenharte Profos der „Isabella“, aus seinen wirren Träumen. Er stemmte sich aus seiner Taurolle auf der Back, aber
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sogleich fuhren seine Hände zum Schädel, der dröhnte, als habe ihn jemand zur Trommel degradiert. „Mast und Schotbruch!“ sagte der Profos und hielt sich ein paar Sekunden lang den Schädel: Doch dann war er plötzlich hellwach, denn durch die Morgendämmerung drangen Musketenfeuer, und Männergebrüll an seine Ohren. Carberry sprang auf. Schädel hin und Schädel her. Saufen, ein paar Fässer Rum nach gewonnener Schlacht mit den Seewölfen lenzen, das war die eine Sache. Der Drehbassenschuß und das wüste Gebrüll, das in diesem Augenblick zu ihm herüberschallte, die andere. Carberry sprang ans Schanzkleid des Vorderkastells. Wieder Musketenfeuer, und diesmal wies es seinem Blick die Richtung. Er sah das große spanische Schiff, das offenbar nicht aufgelaufen war, sondern vor einem der Sände geankert hatte. „Ein Zweidecker!“ murmelte Carberry und starrte hinüber. „Und da muß ganz hübsch was los sein!“ Seine scharfen Augen versuchten, die Dämmerung, die sich nur zögernd am Horizont hochschob und langsam das Dunkel der Nacht verdrängte, zu durchdringen. Und dann sah er sie: die Boote und ein paar Schaluppen, die von der Küste her auf die Sände zuhielten, auf denen die Wracks der spanischen Schiffe lagen, und zum Teil damit beschäftigt waren, Treibgut aus der See zu fischen. Carberry brauchte nicht länger als der spanische Capitan, um zu begreifen, welches Drama sich dort anbahnte. Er ballte seine gewaltigen Pranken zu Fäusten. „Wartet, ihr verlausten Leichenfledderer, ihr sollt den alten Carberry kennenlernen!“ Der Profos sauste in die Kuhl. Dann baute er sich auf, holte tief Luft, und im nächsten Moment erzitterte das Schiff unter seiner gewaltigen Stimme. „Hurtig, hurtig, ihr verdammten Penner, ihr miesen Bilgenkakerlaken. Reise, Reise, aufstehen, oder ich mache euch Beine. Ich
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ziehe euch einzeln die Haut von euern Affenärschen in Streifen ab, wenn ihr nicht bald hoch seid!“ Das Gebrüll hätte Tote erweckt. Sogar der Seewolf in seiner Kammer im Achterkastell fuhr hoch. Auch er brauchte einen Moment, bis er wußte, daß Carberry aus irgendeinem Grund da draußen an Deck herumbrüllte. Aber er wußte auch, daß der Profos dazu einen triftigen Grund haben mußte. Hasard fuhr in die Stiefel, wischte die Haare aus der Stirn und eilte aus der Kammer. An Deck erwartete Carberry ihn bereits, genauer gesagt — der Seewolf prallte gegen den Profos, als er auf die Kuhl stürmen wollte. Carberry grinste ihn an, während seine gewaltigen Pranken den Seewolf packten und damit verhinderten, daß er unfreiwillig an Deck ging. „Was ist los, Ed?“ fragte Hasard und blickte dann seine Männer an, die zwar noch einen benebelten Eindruck machten, aber mit Ausnahme Luke Morgans, der wegen seiner schweren Verbrennungen, die er sich beim Branderangriff in der Nacht zugezogen hatte, seine Koje nicht verlassen durfte, alle auf den Beinen waren. Sogar Smoky mit seinem Schulterschuß und Ferris Tucker mit seiner Kopfwunde. „Die Leichenfledderer sind unterwegs“, sagte der Profos. „Sie greifen die spanischen Wracks an. Wahrscheinlich metzeln sie alles nieder, was dort noch lebt. Diese verdammten Bastarde haben zwar nicht gekämpft, aber jetzt morden und plündern sie. Dort, dieser Zweidecker da, der wehrte sich erbittert. Aber sieh hin, zwei weitere Boote und eine Schaluppe halten auf ihn zu, damit ist das Schicksal der Dons besiegelt. Die Dons haben die Hölle hinter sich, wer jetzt noch lebt, der hat Anspruch auf Hilfe. Auf unsere Hilfe, auch wenn die Kerle gestern noch unsere Feinde waren. Die Schlacht ist vorbei, wir werden nicht zulassen, daß diese Mörder, Leichenfledderer und Plünderer dort alles
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niedermetzeln, was jetzt noch lebt. Das ist meine Meinung und auch die aller anderen. Erneutes Musketenfeuer und Gebrüll an Bord des spanischen Zweideckers unterstrichen seine Worte. Statt einer Antwort winkte der Seewolf Bill, den jüngsten der „Isabella“-Crew, zu sich heran. „Hol mir meine Waffen, Bill. Ein Boot zu Wasser. Batuti, Matt, Dan, Ed, Blacky, Stenmark, Ben, Pete — ihr kommt mit. Ferris, du übernimmst das Kommando während meiner Abwesenheit. Sei auf der Hut, auch von See her können diese Kerle angreifen, sie wissen schließlich nicht, daß wir Engländer und völlig intakt sind. Und wahrschaut die ,Le Vengeur’. Ribault und von Hutten sollen ebenfalls ein Boot klarmachen und sehen, was sonst noch an Spaniern lebt. Ich habe eine bestimmte Absicht dabei.“ Es war unnötig, daß Ed weitere Kommandos gab, die Seewölfe brachten ihr großes Beiboot in Rekordzeit zu Wasser. Inzwischen wahrschaute Ed Carberry mit seiner gewaltigen Stimme die „Le Vengeur“, die in Rufweite von der „Isabella“ ankerte. Es dauerte eine Weile, bis sich dort jemand meldete, und der Profos stieß die schlimmsten Verwünschungen und Drohungen aus. Aber dann tauchte Jean Ribault an Deck auf und begriff sofort. „In Ordnung, ,Isabella’, wir werden die Kerle ein wenig aufschwänzen!“ „Wurde aber auch verdammt Zeit, mein Freund!“ knurrte der Profos. Als er in die Kuhl abenterte, war das Boot bereits zu Wasser. Ohne ein weiteres Wort griff sich Carberry den Tampen, an dem es noch hing, und sauste hinunter. „Los, ihr Rübenschweine, pullt, oder ich ziehe euch wahrhaftig die Haut in Streifen von euern Affen ...“ Der Rest seines Lieblingsspruchs ging im tosenden Gelächter der Seewölfe unter, während sie sich in die Riemen legten. Der Seewolf hatte das Ruder übernommen, neben ihm saß Ben Brighton auf der Achterducht. Carberry baute sich vorn im Bug auf, eine Muskete in seinen Riesenpranken.
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Das Boot schoß durchs Wasser, genau auf die „El Cid“ zu. Es wurde allerdings auch allerhöchste Zeit, das sahen der Seewolf, Ben Brighton und Ed Carberry nur zu gut. Denn eben erreichten zwei weitere Boote den spanischen Zweidecker, und ihre Besatzungen enterten unter wüstem Geheul an Bord. * Capitan Manuel de Diaz und seine Mannen kämpften wie die Berserker um jeden Yard Deck. Aber die Übermacht war zu groß, langsam und stetig wurden sie zurückgedrängt, und das Häufchen von zwanzig Mann war bereits auf siebzehn zusammengeschrumpft. Auch der Capitan blutete aus mehreren Wunden. Er fühlte, wie seine Kräfte allmählich erlahmten. „Ein Mann nach achtern“, keuchte er. „Ich muß wissen, ob sich noch mehr Boote nähern. Wir dürfen nicht zulassen, daß uns die Kerle von hinten packen und uns dann in die Zange nehmen, indem sie auch achtern aufentern. Du, Pedro, sieh nach, du hast scharfe Augen! Ich decke dich!“ Der Capitan stürmte vor. In einem wütenden Ausfall drängte er den bereits triumphierenden Anführer der Küstenwölfe zurück. Blitzschnell zuckte sein Degen vor, wischte die Deckung des Gegners zur Seite und bohrte sich dann in dessen rechten Oberarm. Der riesige Küstenwolf schrie auf, die Waffe entglitt seinen Händen, er stolperte über ein paar herumliegende Taue aus dem laufenden Gut der „El Cid“ und stürzte zu Boden. Sofort war der Capitan heran, wieder zuckte sein Degen vor, traf den Gegner abermals, diesmal schwerer, und nur durch blitzschnelles Abrollen zur Seite entging der Anführer der Küstenwölfe dem Tod. Ein paar der anderen, die das alles mit angesehen hatten, ohne ihrem Anführer helfen zu können, heulten vor Wut. Sie hieben sich den Weg frei und drangen auf den Capitan ein. Der Capitan mußte sich
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zurückziehen, und sofort setzten die Franzosen nach. Aber es gelang den Spaniern, ihren Capitan in einem blitzartigen Ausfall herauszuhauen, dann zogen sie sich erschöpft zurück. Kämpfend erreichten sie die Stufen, die zum Achterdeck hinaufführten, und in diesem Moment geschah es. An Steuerbord drang ein wüster Haufen neuer Küstenwölfe durch das zerschossene Schanzkleid. Etwas später geschah das gleiche an Backbord. Der Capitan sah die Männer — und die Mordlust in ihren Augen. Das ist das Ende! durchzuckte es ihn. „Aufs Achterkastell, Männer!“ brüllte er. Kämpfend deckte er seine Männer, bis auch der letzte die Stufen erstiegen hatte, dann zog er sich selber zurück und wunderte sich, warum keiner der Küstenwölfe auf ihn und seine Männer geschossen hatte. Der Capitan wußte nicht, daß er das dem verletzten Anführer jener Plünderer zu verdanken hatte, die zuerst an Bord des Zweideckers geentert waren. „Ich will diesen Bastard lebend!“ hatte er gesagt und mit der Rechten seine blutende Wunde am Leib zugehalten. „Ich will sie alle lebend, hört ihr?“ Er hatte sich auf die Füße gequält, unterstützt von zweien seiner Männer. Haß loderte in seinen Augen. Die anderen respektierten seinen Befehl. Sie waren daran gewöhnt, ihm bedingungslos zu gehorchen. Der Capitan erreichte das Achterdeck — und wieder geschah etwas völlig Unbegreifliches. Pedro stürmte auf ihn zu. „Ein Boot, Senor Capitan, schwer bewaffnete Männer versuchen ...“ Weiter gelangte er nicht. Der Seewolf tauchte mit seinen Männern an Backbord auf. Zunächst unbemerkt von den Franzosen, die nur Augen für die immer noch kämpfenden, aber inzwischen merklich erschöpften Spanier hatten. „Drauf! Ar-we-nack!“ Erst dieser Ruf ließ die Plünderer herumfahren. Zu spät, denn die Seewölfe
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brachen wie ein Orkan über sie herein. Neben Hasard der riesige Profos, der gleich zwei von ihnen packte, ihre Köpfe zusammenschlug und sie dann kurzerhand über Bord warf. Danach gab es kein Halten mehr. Mit ihren Fäusten und Entermessern räumten die Seewölfe auf. Batuti schwang seinen gewaltigen Morgenstern und rollte dabei mit seinen Augen geradezu furchterregend. Die Plünderer begriffen nichts von alledem, was ihnen geschah. Sie begriffen nur eins, daß ihre einzige Rettung in der Flucht lag. Ein paar von ihnen sprangen über Bord. Die anderen folgten, als wären tausend Teufel hinter ihnen her. Minuten später herrschte Stille an Bord der „El Cid“. Capitan Manuel de Diaz lehnte nach Atem ringend an der Schmuckbalustrade des Achterkastells. Er sah die Männer an, vor allem ihren Anführer. Einen Riesen mit eisblauen Augen, pechschwarzen schulterlangen Haaren, die im Wind wehten. Er hatte irgendwann und irgendwo einmal von diesem Mann gehört, aber er war viel zu erschöpft, um seine Gedanken wirklich ordnen zu können. Der Capitan stieß sich von der Schmuckbalustrade ab und wollte hinunter in die Kuhl, zu jenen Männern, die ihn und die Seinen vor einem schmählichen und entsetzlichen Ende bewahrt hatten, aber der Seewolf war schneller: Er enterte zusammen mit Ben Brighton die wenigen Stufen zum Achterkastell auf. Dann trat er auf den Capitan zu, um den sich die übrigen siebzehn Spanier im Halbkreis geschart hatten und ihm erwartungsvoll entgegenstarrten. Capitan de Diaz streckte dem Seewolf die Hand entgegen. „Wer Sie auch sein mögen, Senor, ich danke Ihnen, ich und diese Männer da. Sie waren buchstäblich in allerletzte Sekunde zur Stelle“, sagte er in erstklassigem Spanisch. „Sie haben mir nichts zu danken, senor Capitan. Wir dulden nicht, daß tapfere Männer, die die Schlacht um die Armada überlebt haben, von dieser feigen
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Mörderbrut gemeuchelt werden. Wir werden Ihnen helfen, Ihr Schiff aufzuklaren, Notmasten zu errichten und Ihnen eine Besegelung anfertigen, die Sie befähigt, aus eigener Kraft nach Spanien zurückzukehren. Freunde von uns suchen indessen nach überlebenden Spaniern, sie werden zu Ihnen an Bord gebracht. Auf diese Weise kriegen Sie eine Besatzung zusammen.“ Der Capitan starrte ihn an. Lange. „Und wer, Senor, sind Sie? Wem verdanke ich das alles?“ Statt des Gefragten antwortete ein anderer. Ed Carberry hatte sich zwischen Ben Brighton und Hasard geschoben. „Man nennt ihn den Seewolf, Senor. Und das dort ist Mister Brighton, der erste Offizier und Bootsmann der ,Isabella` ...“ Der Capitan spürte, wie das Schiff um ihn zu kreisen begann. Er merkte nicht, daß der eisenharte Profos zupackte und ihn stützte. Durch die Spanier ging ein Raunen. „El Lobo del Mar“, hörte Carberry sie flüstern, und scheue, ehrfürchtige Blicke streiften den Seewolf. Der Capitan hatte sich wieder gefaßt. „Senor, Sie, ein Engländer, retten mir und meinen Männern nicht nur das Leben, sondern Sie bieten mir auch noch großzügig Ihre Hilfe an?“ Wieder sah er den Seewolf lange an, und dann nickte er. „Ja, das paßt zu all den unglaublichen Geschichten, die ich über Sie gehört habe. Es muß an meiner Erschöpfung liegen, daß ich Sie nicht sofort erkannt habe, daß ich ...“ Er sackte plötzlich in sich zusammen. Carberry bettete ihn vorsichtig auf die Planken. In seinen sonst so harten Zügen war Mitleid, als er den Seewolf anblickte. „Es muß für sie alle die Hölle gewesen sein, ich glaube, wir sollten ...“ Hasard nickte, ehe Carberry seinen Satz beendet hatte. „Der Kutscher muß her, und unser Segelmacher. Diese tapferen Männer sollen aus eigener Kraft nach Hause segeln!“
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Alle Seewölfe waren sofort einverstanden, und schon begannen sie, an Deck des Zweideckers aufzuklaren. Sie legten die Toten zur späteren Bestattung zusammen, beseitigten die gröbsten Trümmer und untersuchten das Schiff auf seine Seetüchtigkeit. Die Spanier halfen ihnen dabei, immer noch grenzenlose Verwunderung in den Augen. Das kleine Beiboot brachte den Kutscher an Bord. Ebenfalls den Segelmacher Will Thorne. Auch diese beiden Männer begaben sich schweigend an die Arbeit. Doch dann geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte und das die friedliche Szene mit einem Schlage wieder veränderte. 2. Es hatte sich schon bald herausgestellt, daß es auf den Wracks vor Calais etwa noch dreißig überlebende Spanier gab. Für Ribault war es unmöglich gewesen, diese Spanier mit dem Beiboot der „Le Vengeur“ zur „El Cid“ zu bringen. Außerdem hatte die Suche eine Menge Zeit in Anspruch genommen, immerhin hatten Ribault und seine Männer mit ihrem Boot elf Wracks abgesegelt und untersucht, und oft waren sie mit Mißtrauen und voller Abwehrbereitschaft empfangen worden. Die Männer der „Isabella“ waren ebenfalls voll mit ihrer Hilfeleistung bei den Sänden beschäftigt. So mußte die „El Cid“ unter unsäglichen Mühen ins tiefere Wasser verholt werden, wenn man nicht riskieren wollte, daß sie bei ablaufendem Wasser auf die Sände geriet. Es war kein Wunder, daß die Restbesatzungen sowohl der „Isabella“ als auch der „Le Vengeur“ mit ihren Gedanken und Blicken zumeist dort drüben waren, wo die Wracks der Spanier lagen und sich auch die „El Cid“ befand. Wie es wirklich passiert war, wußte später keiner mehr so recht. Aber plötzlich war die Schaluppe der Franzosen da, unbemerkt von See herangesegelt, und sie hatte es auf die „Le Vengeur“ abgesehen, das zeigte sich sofort.
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Sven Nyborg, der Decksmann, entdeckte die Schaluppe in dem Augenblick, als sie eine scharfe Wendung vollführte und dabei ihr Großsegel zu killen begann. Gleichzeitig flogen aber auch schon die Enterhaken, und die Schaluppe schor längsseits. Der Decksmann stieß einen lauten Warnruf aus. So laut, daß Karl von Hutten, der zu dieser Zeit das Kommando über die „Le Vengeur“ führte, aus seiner Kammer flitzte. Auf der „Isabella” schlug derWarnruf Sven Nyborgs wie eine Salve ein. Auch die Seewölfe wirbelten herum. Ferris Tucker fluchte lauthals, als er die Bescherung sah. Ihm war sofort klar, daß sie von Bord der „Isabella“ aus überhaupt nichts unternehmen konnten, ohne die Freunde auf der „Le Vengeur“ zu gefährden. Eine maßlose Wut bemächtigte sich des hünenhaften Schiffszimmermanns. Sein lauter Ruf mobilisierte die Seewölfe schlagartig. Aber leider drehte genau in diesem Moment der sonst so ruhige und besonnene Al Conroy, der Stückmeister der „Isabella“, durch. Er sprang an eine der Drehbassen und feuerte. So schnell, daß es niemand mehr verhindern konnte. Der Schuß traf voll. Ferris Tucker und die anderen sahen noch, wie die Ladung von Blei und Eisen die Planken am Heck der Schaluppe auseinanderfetzte. Das wüste Geschrei der Marodeure scholl zu ihnen herüber, während die Schaluppe bereits über das Heck zu sinken begann. Mit einem Satz war Ferris bei Al Conroy. „Du verdammter Idiot!“ schrie er den Stückmeister an. „Jetzt haben die Saukerle da drüben kein Schiff mehr, was glaubst du, werden die jetzt tun? Das sind allesamt Schlagetots erster Güte, von Huttens Männer sind bis auf ihre Entermesser so gut wie unbewaffnet. Jetzt geht es rund da drüben, und wir müssen hinüber, ob wir wollen oder nicht!“ Al Conroy starrte den Schiffszimmermann an. So hatte er Ferris Tucker noch nie erlebt, aber er begriff sehr rasch, wie recht der rothaarige Hüne hatte.
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Die Überraschung war für Marodeure hart. Statt auf ausgelaugte, völlig entnervte Spanier waren sie auf Männer gestoßen, die zu kämpfen verstanden und gar nicht daran dachten, ihr Schiff aufzugeben. Stattdessen schoß man ihnen ihre eigene Schaluppe buchstäblich unter dem Hintern weg. Der Anführer der Marodeure, ein untersetzter Kerl mit rotem Kopftuch und verschlagen blickenden Augen, erfaßte die Situation sofort. „Laßt die Kerle nicht aufs Achterkastell, die verschanzen sich dort und wir sind die Dummen! Außerdem haben sie dort eine Drehbasse, und Zugang zur Pulverkammer haben sie von dort aus auch!“ brüllte er. Mit seinen Männern versuchte er von Hutten und den anderen den Weg abzuschneiden, aber die Crew der „Le Vengeur“ war schneller. Es gab Zusammenstöße, und die Entermesser blitzten. Gleichzeitig dröhnten die ersten Musketen auf. Unterdessen trieb die bereits sinkende Schaluppe ab, drei Marodeure sprangen über Bord und schwammen auf die „Le Vengeur“ zu. Die Marodeure mußten jetzt kämpfen, und sie mußten schnell mit den paar Männern auf dem Achterkastell fertig werden. Denn dort, in Rufweite, lag der Dreimaster, der offenbar zu diesem Zweimaster gehörte. „Le Vengeur!“ schoß es dem Anführer der Marodeure durch den Kopf. Ein französisches Schiff also, aber wieso? In diesem Moment verdammte er seine eigene Unachtsamkeit und spürte, daß diese Sache für ihn und seine Männer schiefgelaufen war, verdammt schief sogar. Der Kampf nahm an Heftigkeit zu. Von Hutten hatte seine Männer auf dem Achterdeck tatsächlich hervorragend postiert. Von den Marodeuren hatte vorerst keiner auch nur die geringste Chance, lebend dort hin- aufzugelangen. Dann geschahen plötzlich die zwei Dinge, die der Anführer der Marodeure im stillen ohnehin befürchtet hatte: Wie durch Zauberei hielten einige Männer der „Le
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Vengeur“-Crew Musketen und Pistolen in den Händen. Mit ihnen deckten sie einen weiteren, der die Drehbasse lud. Gleichzeitig hörte der Anführer der Marodeure von Hutten sagen: „Mit der Drehbasse nur in Notfällen schießen, oder wir ruinieren unser eigenes Schiff. Aber wenn die Kerle versuchen sollten, das Achterkastell zu stürmen, dann nichts wie drauf!“ Er stieß einen Fluch aus. Gleichzeitig warf er einen Blick nach Steuerbord, wo die „Isabella“ lag. Was er sah, machte ihm sofort klar, daß ihre Lage auf dem Zweimaster mit jeder Minute bedenklicher und unhaltbarer wurde. Auf der „Isabella“ wurde in fieberhafter Eile ein Boot zu Wasser gelassen. Ein Hüne von Gestalt mit brandrotem Haar kommandierte die Männer. In seinen Fäusten hielt er eine schwere, überlange Axt, bei deren Anblick den Marodeuren und Plünderern auf der „Le Vengeur“ eiskalte Schauer über die Rücken rannen. Und die Kerle dort drüben verstanden ihr Handwerk, denn das Boot war so rasch zu Wasser, wie sie es noch nie gesehen hatten. Das zweite jedoch, was die Marodeure sahen, war fast noch schlimmer: Zwei Boote schossen von den Sänden auf die beiden vor Anker liegenden Schiffe zu. Allen voran eins, in dessen Bug ein hünenhafter Mann mit schulterlangem, wehendem Haar stand. Neben ihm ein weiterer Hüne, der durch sein zernarbtes Gesicht fast noch entsetzlicher wirkte. Der Anführer der Franzosen entschloß sich schnell. Fort konnten sie nicht mehr, ihr Schiff sank soeben in nur wenigen Yards Abstand von der „Le Vengeur“. Ins Wasser springen war ebenso ausgeschlossen, denn dort würde man sie abknallen, ohne daß sie sich wehren konnten. Also mußten sie kämpfen, auf Biegen und Brechen, siegen oder sterben. Die Küstenwölfe sahen sich an, und sie alle dachten in diesem Moment das gleiche. Dann war es soweit — ihr Anführer sprang auf, riß seine Pistole hoch und schoß.
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„Angriff! Stürmt das Achterkastell!“ schrie er und sprang mit einer Schnelligkeit, die den Männern von Huttens jede Möglichkeit nahm, auf ihn zu zielen, die wenigen Stufen des Niedergangs hoch. Aber er war noch nicht ganz auf dem Achterkastell des Zweimasters, da stand er von Hutten gegenüber. Die langen, blonden Haare des Mannes, in dessen Adern Indianerblut floß, flatterten im Wind. Seine schlanke, biegsame und hochgewachsene Gestalt wich der wilden Attacke des Küstenwolfs geschickt aus. Dann zuckte sein Degen vor, den er, genau wie Jean Ribault, meisterhaft beherrschte. Um die beiden herum entbrannte im selben Augenblick ein wilder Kampf. Die Männer von Huttens taten alles, um zu verhindern, daß den Marodeuren der Sturm auf das Achterschiff gelang. Dann dröhnte die Drehbasse auf. Ihr Bleihagel fuhr ins Deck. des Zweimasters, drei der Küstenwölfe sackten getroffen zusammen. Das war der Moment, in dem das Beiboot der Seewölfe die „Le Vengeur“ erreichte. Ferris Tucker und seine Mannen stürmten an Bord. Der Schiffszimmermann schwang seine überlange Axt. „Aufgepaßt, von Hutten, wir sind da!“ brüllte er durch den Kampfeslärm. „Wir nehmen die Kerle jetzt in die Zange!“ Der Anführer der Küstenwölfe unternahm einen wütenden Ausfall. Es gelang ihm, von Hutten zurückzudrängen. Sein Piratensäbel war für den Degen von Huttens einfach eine zu starke und zu schwere Waffe. Gehetzt warf er einen Blick zur Seite, das zweite Beiboot näherte sich schnell, und jetzt erkannte er auch schon die harten, eisblauen Augen des Mannes, der im Bug des Bootes neben dem Narbengesichtigen stand. Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erkenntnis, wer diese Männer waren und mit wem er und seine Leute sich eingelassen hatten. Von diesem Kerl mit den eisblauen Augen hatte er schon gehört. Er entschloß sich schnell, denn er wußte, daß das ihre einzige Chance war, zumal
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auch das dritte Boot nicht mehr weit weg sein konnte. „Über Bord, springt über Bord! Es ist der Seewolf!“ schrie er in seiner Angst und Verzweiflung, so laut er konnte. Abermals unternahm er einen gewagten und wilden Ausfall gegen von Hutten und erreichte das Schanzkleid. Dann sprang er. Seine Männer sahen das. Außerdem hatten sie verstanden, was er ihnen zugerufen hatte. Wer konnte, sprang ebenfalls und schwamm, als sei der Teufel hinter ihm her, immer darauf gefaßt, eine Kugel in den Rücken zu kriegen. Es fiel jedoch kein einziger Schuß. Als der Seewolf wenig später zusammen mit Carberry an Bord der „Le Vengeur“ enterte, hörte er stumm zu, was ihm die Männer zu berichten hatten. Der Profos verzog sein Narbengesicht zu einem infamen Grinsen. „Also manchmal ist ein guter Ruf doch auch was wert, was, wie? Aber diese verdammten Rübenschweine haben gut daran getan, über Bord zu springen und sich auf chinesisch oder sonst irgendwie zu empfehlen. Ich habe von diesen Dreckskerlen jetzt die Nase nämlich restlos voll! Aber ihr, ihr lausigen Kakerlaken, laßt euch nicht noch einmal dabei erwischen, am helllichten Tag auf Wache zu pennen. Das gilt für alle anderen triefäugigen Bilgenratten der ,Isabella’ gleich mit, verstanden?“ Der Profos drehte sich um und ging Jean Ribault entgegen, der sich eben an Bord seines Schiffes schwang. „Du bist verdammt spät dran, Mister“, sagte er. „Und wenn du dir einen Gefallen tun willst, dann lasse deine ganze verdammte Bande kielholen, damit sie nicht wieder pennen, während wir da draußen schuften und den Dons zum Nachhauseweg verhelfen!“ Jean Ribault schlug Carberry auf die Schulter. Er kannte den Profos der „Isabella“ gut genug, um zu wissen, wie dieser Rat gemeint war. Aber in einem hatte Ed Carberry bestimmt recht: Dieser Vorfall würde für sie alle eine Lehre sein.
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Eine gute halbe Stunde später kehrten die Seewölfe auf die „Isabella“ zurück. Sie brauchten noch Material für die „El Cid“, auch Ferris Tucker mußte an Bord des Zweideckers gebracht werden, nachdem alle Vorarbeiten inzwischen abgeschlossen waren. Ribault ging mit der „Le Vengeur“ ankerauf, um die Spanier, die noch lebten, von den Wracks zu bergen und zur „El Cid“ hinüberzuschaffen. Sein Schiff hatte den geringsten Tiefgang, er konnte nahe genug an die Sände heran, um die Spanier dann mittels der Beiboote an Bord zu nehmen und anschließend zur „El Cid“ zu segeln. Auch die „Isabella“ lichtete die Anker und verholte in die Nähe der „El Cid“. Dann wurde geschuftet, pausenlos. So, wie es die Spanier in ihrem Leben noch nie gesehen hatten. Am frühen Nachmittag unterbrachen die Seewölfe ihre Arbeit. Von weither rollte Kanonendonner über die See. Auch der spanische Capitan, der inzwischen über eine Besatzung von insgesamt siebenundvierzig Mann verfügte, richtete sich ruckartig auf. Dann sah er den Seewolf an, der sich gerade an Bord der „El Cid“ befand, um sich vom Fortgang der Arbeiten zu überzeugen. „Es ist noch nicht vorbei, Mister Killigrew“, sagte er, nachdem Hasard ihn gebeten hatte, ihn einfach beim Namen zu nennen, „da vorne wird gekämpft. Meine Leute gegen die Ihrigen. Ist es noch immer Ihre Absicht, mich und meine Männer segeln zu lassen? Können Sie das überhaupt verantworten?“ Der Seewolf schwieg eine Weile. „Ich kann es verantworten, Senor Capitan. Es ist ein Gebot der Fairneß, und ich bin ein freier Mann, ich stehe nicht in den Diensten der englischen Flotte, sowenig wie meine Freunde auf dem Zweimaster dort. Nur eins ändert sich jetzt. Ich werde mit meiner ,Isabella` segeln, Jean Ribault und Karl von Hutten werden mit ihrem Schiff bei Ihnen und Ihren Männern bleiben, solange Sie ihrer Hilfe bedürfen. Ich werde das sofort regeln.“
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Der Seewolf streckte Capitan Manuel de Diaz die Rechte hin, und der ergriff sie. Dann verließ er die „El Cid“ und ließ sich von seinen Männern zur „Le Vengeur“ hinüberpullen, die ganz in der Nähe Anker geworfen hatte. Mit Ribault und von Hutten wurde er rasch einig. Sie taten ihm gern den Gefallen. Um so mehr, als sie den\ Verdacht, den der Seewolf soeben ihnen gegenüber geäußert hatte, für mehr als begründet hielten. „Keine Sorge, Hasard“, sagte der Franzose zum Abschied, und dabei blitzten seine Zähne, „unserem Schützling wird kein Haar gekrümmt, dafür stehen wir gerade. Wir sehen uns wieder, sobald er in Sicherheit ist.“ Die beiden Freunde und Waffenbrüder trennten sich. Kurz darauf ging die „Isabella“ ankerauf. Unter vollen Segeln rauschte sie nach Osten, dem Kanonendonner entgegen. Capitan Manuel de Diaz blickte ihr nach. Er würde dem Seewolf seine Fairneß und seine Freundschaft nie vergessen, das stand fest. „Ein Mann, wie ich noch nie einen kennen gelernt habe“, murmelte er. „Mich wundert es gar nicht, wenn man diesen El Lobo del Mar in Spanien fürchtet und haßt zugleich!“ 3. Der Ärger für die „Le Vengeur“ begann eine gute Stunde später. Längst war die „Isabella“ hinter dem Horizont verschwunden, als Mastspitzen im Westen auftauchten und schnell größer wurden. Jean Ribault, der auf dem Achterdeck seines Schiffes stand, beobachtete das heransegelnde Schiff. „Nicht sehr groß“, sagte er zu von Hutten, der neben ihm stand, „aber doch größer als die ,Le Vengeur`. Der Kerl hält auf uns zu, der will was von uns!“ Von Hutten antwortete nicht gleich. Auch er beobachtete den fremden Segler, der unter Vollzeug heranrauschte. „Wir müssen unsere Männer an Bord zurückholen, Jean. So hat der Fremde mit
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uns ein zu leichtes Spiel, wenn er ein Feind sein sollte.“ Jean Ribault zeigte seine perlweißen Zähne. „Ein Feind?“ fragte er. „Die verdammten Marodeure, diese Leichenfledderer aus meinem eigenen Land, haben nicht so große Schiffe. Die sind alle bettelarm und deswegen hinter der Beute her wie die Teufel. Ein Spanier dürfte uns auf Grund der Lage auch nicht gefährlich werden, der erleichtert vielleicht sogar unsere Arbeit. Und ein Engländer? Das wäre ja dann wohl ein Bundesgenosse von uns. Da passiert erst recht nichts.“ Karl von Hutten starrte immer noch zu dem heransegelnden Schiff hinüber, dessen Konturen sich schärfer und schärfer aus der See abhoben. „Eine sehr rank gebaute Galeone. Das ist kein Spanier, das kann nur eines jener neuen englischen schnellen Schiffe sein, wie sie seit einiger Zeit in der Flotte Verwendung finden. Wir sollten unsere Männer an Bord zurückrufen“, fügte er warnend hinzu. Ribault, durch sein gallisches Temperament draufgängerischer und wesentlich unbedenklicher als sein Partner Karl von Hutten, lachte abermals, und seine Augen blitzten dabei. „Nein, im Gegenteil. Ich werde jetzt an Bord des Spaniers gehen. Die ,El Cid’ ist zwar einigermaßen zerschossen, aber sie ist keineswegs wehrlos. Das weißt du. Wenn du unterdessen die ,Le Vengeur’ gefechtsklar machst, dann nehmen wir die Kerle einfach in die Zange, falls sie wirklich etwas von uns wollen. Die werden sich dann wundern!“ Von Hutten dachte einen Moment nach, dann grinste er ebenfalls. „Vielleicht hast du sogar recht. Ich glaube nicht, daß diese Burschen, die da heransegeln, sich als Freunde erweisen werden. Gut, ich übernehme die ,Le Vengeur’, unser Ankerplatz ist richtig, die beiden Schiffe behindern sich gegenseitig nicht.“ Jean Ribault hieb seinem Partner und gleichberechtigten Miteigner der „Le
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Vengeur“ auf die Schulter, dann sprang er kurzerhand über Bord und schwamm zur „El Cid“ hinüber. Von Hutten scheuchte seine Männer an die Geschütze. Hinter geschlossenen Geschützpforten wurden die zehn zwölfpfündigen Culverinen geladen, von einer anderen Gruppe die beiden Drehbassen. Alles geschah zwar in fieberhafter Eile, aber man sah deutlich, wie sehr die Männer aufeinander eingespielt waren. Das war kein Wunder, denn die „Le Vengeur“ und ihre Mannschaft hatte schon viele Gefechte gegen weit stärkere Gegner in der Karibik bestanden. Jan Ranse, der Steuermann des ranken Zweimasters, nickte, als Nils Larsen, der Bootsmann und Stückmeister der „Le Vengeur“, das Zeichen für gefechtsklar gab. Zusammen mit Sven Nyborg, seinem Freund, teilte er sich den Befehl über die Culverinen. Nur Piet Straaten, ein wahrer Herkules, an dessen Körper die Muskelstränge wie Taue unter der sonnengebräunten Haut hervortraten, schüttelte den Kopf. Er war an Bord bekannt als Spanienhasser. „Wenn mir das je jemand erzählt hätte, daß ich eines Tages lausige Schneckenfresser mit meinen eigenen Knochen vor irgendwelchen Feinden beschützen müßte, dem Kerl hätte ich mit bloßen Fäusten das Fell gegerbt, bis er sich für eine ganz verdammte Bilgenratte gehalten hätte.“ Nils Larsen hatte das gehört. Er wandte den Kopf und grinste Piet Straaten an. „Kann dich schon verstehen, Piet“, sagte er. „Mir geht’s ja ähnlich wie dir, aber ich finde trotzdem, daß die Seewölfe recht haben. Die Dons haben sich wacker geschlagen, und tapfere Männer, auch wenn sie die früheren Gegner sind, soll man nicht diesem verfluchten Gesindel überlassen, das da an der Küste aus seinen Höhlen gekrochen ist, um zu morden und zu plündern. Ich glaube sogar, daß der Seewolf noch weiter gedacht hat. Wetten, daß es unter den Engländern auch solche Typen ...“
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Weiter gelangte er nicht, denn der fremde Segler war heran. An seinem Großmast flatterte die englische Flagge. Die Männer auf dem Bootsdeck hörten, wie Jean Ribault sagte: „Achtung, der Tanz geht gleich los!“ Minuten später erkannten sie, daß Ranse recht behalten würde. Denn der fremde Segler drehte bei, seine offenen Geschützpforten wiesen genau auf die „Le Vengeur“, dunkle Schlünde, hinter denen Tod und Verderben lauerten. „Welches Schiff?“ wurde gefragt, und der Mann, der die Frage über das Wasser brüllte, hatte fast so ein lautes Organ wie der Profos der „Isabella“, Ed Carberry. Karl von Hutten gab Ranse ein Zeichen. „,Le Vengeur`!“ rief der Bootsmann zurück, und seine Antwort, obwohl nicht so laut, wurde verstanden. „Nationalität?“ tönte sofort die nächste Frage herüber, und da riß Jan Ranse der Geduldsfaden. „Verdammt!“ schrie er wütend. „Was soll das dämliche Gequatsche, wir haben zusammen mit dem Seewolf und seiner ,Isabella` gegen die Spanier gekämpft, und wenn ihr Ohren am Schädel habt, dann sperrt sie auf. Da vorne wird immer noch gekämpft, segelt hin und haltet hier keine Maulaffen feil!“ Für einen Moment herrschte Schweigen. Dann ertönte die Stimme abermals. „Was treibt ihr hier bei dem Spanier? Warum habt ihr das Schiff nicht versenkt? Wieso ist dieser Spanier mit einer Notbesegelung versehen worden, was hat das zu bedeuten?“ „Das hat zu bedeuten, daß die ,El Cid’ unsere Prise ist und wir mit ihr tun, was uns beliebt. Wir haben zwar zusammen mit dem Seewolf auf englischer Seite gekämpft, aber wir unterstehen nicht der Krone, sondern arbeiten sozusagen auf eigene Rechnung. Haben Sie das jetzt begriffen, Mister?“ Jean Ribault gab der „Le Vengeur“ mit der Linken ein Zeichen, mit der anderen Hand gleichzeitig den Männern an den noch intakten Geschützpforten des Spaniers.
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Die Stückpforten flogen auf, so schnell und so ruckartig, daß die Engländer davon völlig überrascht wurden. * An Bord der „Albion“ herrschte für einen Moment lähmendes Schweigen. Sie hatten alle von jenem Franzosen und seinem schnellen, wendigen Zweimaster gehört, der zusammen mit dem Seewolf während der Schlacht um die Armada wahre Wunderdinge vollbracht hatte. Sie wußten, daß dieser Mann sich seine Beute - für die sie die „El Cid“ hielten - bestimmt nicht abnehmen lassen würde, und wenn er kämpfen mußte. Captain Harris, der noch junge Kommandant der Galeone, die von Admiral Drake den Auftrag erhalten hatte, angeschossene oder schwer havarierte Spanier aufzustöbern und diese Schiffe entweder zu versenken oder aber ihm zu melden, dieser junge Kommandant war im Moment ratlos. Nur allzu deutlich sah er die glimmenden Lunten, die die Männer hinter den Geschützpforten des spanischen Zweideckers und der „Le Vengeur“ bereit hielten. Und er zweifelte nicht daran, daß sie feuern würden, sobald er ihnen dazu nur den geringsten Anlaß gab. Er zählte die Geschütze. Fünf auf der ihm zugewendeten Seite der „Le Vengeur“, acht auf dem Spanier, aber von wesentlich stärkerem Kaliber. Eine Breitseite der beiden Schiffe würde seine „Albion“ schlagartig in ein Wrack verwandeln, darüber war er sich im klaren. Darüber, daß diese Männer auch treffen würden, ebenfalls. Aber er konnte nicht einfach Weitersegeln, ohne völlig sein Gesicht zu verlieren. Denn das hier war Verrat, war Rebellion gegen die Krone, war glatte Meuterei! Also hatte der Admiral doch recht gehabt, wenn er von diesem Killigrew und seinem verfluchten Piratengesindel sprach! Captain Harris erinnerte sich, daß es um den Seewolf und seine Mannschaft schon einmal einen Riesenwirbel gegeben hatte, damals, als er gegen den Willen der Krone
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und unter Ignorierung des königlichen Haftbefehls England mit seiner „Isabella“ verlassen und dann bei den Azoren seine Verfolger besiegt hatte. Der Captain wußte, daß er zu einem Entschluß gelangen mußte. Das Schweigen dauerte schon viel zu lange. Er winkte seinen Bootsmann heran. „Lassen Sie ein Boot abfieren, Mister Pratt. Ich will mit diesen Verrückten reden, ehe hier ein Unglück geschieht. Ein bewaffnetes Kommando begleitet mich, ich will doch mal sehen, ob diese Kerle es wirklich wagen, auf den Kommandanten einer Galeone Ihrer Majestät feuern zu lassen. Und teilen Sie den Kerlen mit, daß ich an Bord des Spaniers kommen werde.“ Der Bootsmann schluckte. „Sir, das ist, das können Sie nicht tun, man wird Sie ...“ Harris drehte sich um. „Mister Pratt, seit wann werden an Bord dieses Schiffes meine Befehle diskutiert?“ „Aye, aye Sir.“ Der Bootsmann nahm Haltung an. Dann ertönten seine Kommandos, gleich darauf wurde ein Boot zu Wasser gefiert. Anschließend verständigte der Bootsmann Jean Ribault und seine Gefährten über die Absichten des Kommandanten der „Albion“. * Jean Ribault lehnte am Schanzkleid des Achterkastells der „EG Cid“. Neben ihm der Kapitän des spanischen Zweideckers, Manuel de Diaz. „Ein zäher Bursche“, sagte Ribault. „Der läßt sich auch dann nicht zurückschrecken, wenn man seine Galeone bereits vor den Mündungen der Kanonen hat und nur noch zu feuern braucht, um sie in die Luft zu blasen. Ich bin gespannt, was der von uns will!“ Der Franzose zeigte wieder seine perlweißen Zähne und lächelte, aber es war eingefährliches Lächeln, das sein Gesicht überzog. Capitan de Diaz sah ihn an, dann warf er einen Blick auf das Boot, das eben von schwerbewaffneten Engländern bemannt wurde.
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„Sie werden jetzt Schwierigkeiten kriegen, Senor. Der Engländer meint es ernst, er scheint keinen Gedanken daran zu verschwenden, daß es in höchstem Maße unklug ist, zu uns an Bord zu entern. Er begibt sich damit in unsere Gewalt.“ Ribault nickte. „Genauso ist es. Aber wieso kriege ich dann Schwierigkeiten? Ich denke, dieser halsstarrige Englishman dort handelt sich welche ein. Im übrigen, bereiten Sie sich um mich keine Sorge, ich bin Schwierigkeiten aller Art reichlich gewöhnt, ich werde mit ihnen fertig.“ Der Spanier sah den Franzosen an, dann schüttelte er den Kopf. „Sie haben mich nicht richtig verstanden, Kapitän Ribault. Sie und der Seewolf haben für die Engländer gekämpft, so wie der Seewolf Spaniens Feind Nummer eins ist, das wissen Sie. Jetzt .stellen Sie sich im Auftrag des Seewolfs gegen den Kommandanten eines englischen Schiffes, also gegen die englische Flotte und damit doch wohl auch gegen die Königin. Was, glauben Sie, wird geschehen, wenn dieser Mann dort Meldung erstattet, beim Admiral der Flotte etwa, beim Oberkommandierenden? Selbst dann, wenn es hier zu keinerlei Kampfhandlungen kommen sollte, was ich aufgrund der Lage für möglich halte?“ Ribault verneigte sich leicht gegen den Capitan. Dann sagte er, und jedes Lächeln war aus seinem sonnengebräunten Gesicht plötzlich , wie weggeblasen: „Sie können vieles nicht wissen, Senor Capitan. Auch nicht, wie man beispielsweise dem Seewolf und seinen Männern mitgespielt hat, nachdem er mit einem Schiff voller Schätze nach Plymouth zurückgekehrt war. Wäre es damals nach seinen Widersachern gegangen, hätte man den Seewolf und seine Männer entweder gehängt oder sie in Ketten in den Tower geworfen. Obwohl sie sich in der ganzen Welt gegen Spanien für England bis zur Selbstaufgabe geschlagen hatten. Und auch jetzt wieder wird der Seewolf - von mir und meinen Männern ganz zu schweigen - von einem Admiral Drake ...“
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„Sie meinen El Draque, Senor?“ fragte der Spanier dazwischen. „Ja, El Draque, Senor. Von diesem Mann wurde der Seewolf, obwohl er ihm auch während der Schlacht um die Armada und während des Angriffs auf Cadiz immer wieder aus der Klemme geholfen hat, mehrfach auf eine Weise beleidigt, die ich nur noch mit dem Degen oder aber mit meinen Kanonen beantwortet hätte. Mag der Seewolf Engländer sein, oder zumindest als ein solcher gelten, seine Mutter war übrigens spanischer Herkunft, so unterstellt sich der Seewolf mit seinen Männern der englischen Krone nicht mehr. Er ist frei in seinen Entscheidungen und Entschlüssen, und er duldet es nun einmal nicht, daß Leichenfledderer, gleich welcher Herkunft, über diejenigen herfallen und sie meucheln oder in Ketten legen lassen, die diese mörderische Schlacht tapfer durchgestanden und überlebt haben. Ich schwöre Ihnen eins, Capitan: Ich habe dem Seewolf versprochen, Sie und Ihre Männer zu schützen und dafür zu sorgen, daß Sie mit diesem Schiff wieder in Ihre Heimat segeln. Genau das wird geschehen, oder man muß mich töten. Und dann wird mein Partner an meine Stelle treten. Mögen wir in Ihren Augen Freibeuter sein, aber gewisse Dinge haben wir mit besiegten Gegnern nie getan und werden wir auch nie tun, ganz im Gegensatz zu gewissen anderen Herren, die sich auf ihre ehrenwerten Titel und ihre außerordentliche Stellung berufen.“ Der Spanier hatte Ribault zugehört und ihn dabei aus großen Augen angeblickt. Es war schwer für ihn, wirklich zu begreifen, was hier vorging, weicher Konflikt hier zwischen diesen Männern und den Engländern nach einer gemeinsam geschlagenen Schlacht ausgebrochen war und nun ausgetragen wurde. Aber er spürte, daß der Franzose jedes Wort von dem, was er sagte, auch meinte. Er reichte Jean Ribault die Hand. „Ich danke Ihnen, Senor. Wenn ich meine Heimat wirklich wiedersehen sollte, werde ich dort über Sie und jenen Mann, den wir El Lobo del Mar nennen, berichten. Mag Spanien durch viele Vorkommnisse in der
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Neuen Welt einen schlechten Ruf erhalten haben, aber die alte spanische Ritterlichkeit lebt noch. Verfügen Sie über mich, meine Leute und mein Schiff, soweit dies im gegenwärtigen Zustand noch möglich ist.“ Ribault ergriff die Hand des Spaniers. Dann aber sagte er: „Aufgepaßt, Senor Capitan, der Tanz beginnt!“ Das Boot der Engländer war heran. Achtern stand hochaufgerichtet Captain Harris, die Hand am Degen. Auf dem Achterkastell zeigten sich Jean Ribault und Capitan de Diaz. Auf dem oberen Geschützdeck der „El Cid“ lagen sieben Männer der „Le Vengeur“ und ebenso viele Spanier mit den Waffen in der Hand bereit — in Deckung, vom Boot des Engländers aus nicht zu sehen. Andere Spanier standen mit brennenden Lunten an den schweren Geschützen des Zweideckers, die einsatzbereit waren und durch das stark zerschossene Schanzkleid auch einen stark erweiterten Schußwinkel erhalten hatten. „Ich werde jetzt mit meinen Männern an Bord kommen“, schnarrte der Engländer und versuchte seiner Stimme einen festen Klang zu geben. „Ihr Verhalten, das Rebellion gegen die Krone bedeutet, zwingt mich, Sie festzunehmen. Das Schiff wird nach England als Prise eingebracht. Falls Sie weiterhin Widerstand leisten sollten, haben Sie sich alle Konsequenzen selber zuzuschreiben. Vorwärts, Männer!“ Die englischen Seeleute griffen zu den Riemen. „Halt!“ Jean Ribaults Stimme drang schneidend scharf über das Wasser. Die Engländer zuckten zusammen, Captain Harris starrte den Franzosen an, als begriffe er plötzlich die Welt nicht mehr. Aber dann explodierte er. „Was, Sie wagen es, einem englischen Kommandanten ...“ Ribault ließ ihn nicht ausreden. „Ich habe Sie nicht gebeten, an Bord dieses Schiffes zu entern, Mister. Dennoch werde ich Sie empfangen. Allein, ohne Ihre Männer. Der erste Ihrer Leute, der auch nur den
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Versucht unternimmt, an Bord zu gelangen, ist ein toter Mann. Passen Sie jetzt mal auf, Mister!“ Ribault gab den Männern hinter dem Schanzkleid ein Zeichen, plötzlich standen dort mehr als ein Dutzend zu allem entschlossene Seeleute, die ihre geladenen Musketen auf das Boot der Engländer richteten. „Und jetzt werden Ihre Männer Sie heranrudern, aber erst, wenn Sie Ihre Waffen über Bord geworfen haben. Haben Sie mich verstanden? Wenn Sie meine Befehle nicht befolgen, lasse ich feuern. Auf Sie und Ihre ,Albion`, ist das jetzt klar, Mister?“ Der Captain erblaßte. Er begriff schlagartig, welch eine Riesendummheit er damit begangen hatte, sich auf die Stärke Englands und auf die Unverletzlichkeit der englischen Flagge zu verlassen. Dieser Kerl dort oben auf dem Zweidecker war ein Pirat, der seine Beute festhielt, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln verteidigte und wahrscheinlich mit diesem dreimal verfluchten Seewolf nur auf der Seite Englands gekämpft hatte, weil England der Sieger dieser Schlacht gewesen war. Weitere Überlegungen gestattete ihm Ribault nicht. „Also los, ich zähle bis zehn, bei zehn lasse ich feuern. Eins - zwei - drei ...“ Bei sechs warfen die Engländer die Waffen über Bord, dann ruderten sie zur „El Cid“ hinüber. Ribault winkte dem Captain zu. Alsdann forderte er ihn mit einer höhnischen, galanten Handbewegung auf, an Bord zu steigen. Gleichzeitig ließ er eine Jakobsleiter hinabwerfen. Captain Harris kochte. Wie durch blutige Nebel sah er den Franzosen und die grinsenden Kerle auf dem Geschützdeck. Aber es half ihm nichts, er war wie ein Idiot in die Falle getappt, es gab im Moment kein Entrinnen. *
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Jean Ribault empfing ihn auf dem Achterkastell, neben sich den spanischen Kommandanten. „Ich danke Ihnen, Mister, daß Sie so freundlich waren, meine Befehle zu befolgen ...“ Captain Harris trat mit geballten Händen auf Ribault zu. „Das werden Sie büßen! Sie werden hängen, die Flotte wird Sie jagen, ganz gleich, wohin Sie mit Ihren Verrätern segeln. Sie werden ...“ „Mag sein, Mister. Vielleicht, irgendwann einmal, wer will das wissen, obwohl ich nicht daran glaube. Aber zumindest hat es damit noch gute Weile. Vorerst will ich Sie nur an zwei Dinge erinnern, die Sie überdenken sollten, ehe Sie voreilige Schritte gegen mich und meine Männer unternehmen.“ Der Franzose legte eine Pause ein, uni seine Worte wirken zu lassen. Und tatsächlich zeichnete sich Spannung in den Zügen des Engländers ab. „Und die wären?“ fragte er überflüssigerweise. „Erstens sollte Ihnen bekannt sein, daß der Mann, den alle den Seewolf nennen, kürzlich von der Königin persönlich zum Ritter geschlagen wurde. Und zwar an Bord seines Schiffes, der ,Isabella VIII`.“ Der Engländer starrte Ribault an, als habe er einen Irren vor sich. „Was, Killigrew, dieser Rebell, dieser Pirat ...“ Jean Ribault trat hart an Harris heran. „Hüten Sie Ihre Zunge. Und wenn Sie vom Seewolf reden, dann bitte von Sir Hasard, verstanden? Oder ich werde verdammt ungemütlich. Und zweitens sollten Sie sich ebenfalls merken, daß besagter Sir Hasard Killigrew von der Königin persönlich einen königlichen Kaperbrief erhielt, für seine Verdienste um die Krone, die jeden Engländer, jeden englischen Offizier, jedes englische Schiff anweist, ihm jede geforderte Unterstützung zu gewähren.“ Der Kommandant der „Albion“ wurde noch blasser. „Wenn das stimmt, ich meine wenn sich das wirklich so verhält, dann ...“ -
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Ribault ließ ihm keine Zeit, seine Gedanken weiterzuspinnen. „Es verhält sich so, genauso. Fragen Sie Ihren ehrenwerten Admiral Drake, zu dessen Geschwader Sie gehören, oder habe ich Sie da falsch verstanden? Er wird Ihnen das alles bestätigen. Aber vorher geleiten Sie mit Ihrer Galeone dieses Schiff in die offene See. Solange wir dorthin unterwegs sind und meine Männer hier an Bord des Zweideckers noch an der Notbesegelung arbeiten, bleiben Sie mein Gast hier an Bord. Zur Sicherheit, damit Sie nicht wieder so unverzeihliche Fehler begehen wie gerade eben. Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, mit Ihren Männern hierher zu rudern, genau vor unsere Musketen? Was haben Sie sich dabei gedacht, Ihre ,Albion’ genau vor die Mündungen der Kanonen zweier Schiffe zu legen, von denen Sie nicht einmal wußten, ob es sich um Freunde oder Feinde handelte? Sie müssen noch verdammt jung sein, und Sie werden noch verdammt viel lernen müssen, Mister!“ Ribault hatte sich die Strafpredigt extra nicht verkniffen. Er wollte diesen Mann entnerven, demoralisieren, und das war ihm gelungen, wie er an den starren, totenbleichen Gesichtszügen des Engländers sah. Aber Harris gab noch nicht auf. „Selbst wenn das, was Sie mir von jenem Hasard Killigrew berichtet haben ...“ „Sir Hasard, verdammt noch mal, oder muß ich das erst in Ihren verdammten Schädel hineinhämmern?“ fuhr Ribault ihn an und konnte sich nur mühsam das Grinsen verbeißen, wenn er sich den Seewolf vorstellte. sobald er ihm diese Geschichte erzählen würde. Der Engländer schluckte, aber er bewahrte Haltung. „Also gut, Sir Hasard. Wenn das also alles stimmt, auch das mit dem königlichen Kaperbrief, was hätte das mit Ihnen, Ihren Männern und Ihrem Schiff zu tun? Für Sie hätte das alles jedenfalls keine Gültigkeit.“ Ribault begann allmählich, sich über die Hartnäckigkeit dieses jungen
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Kommandanten zu ärgern. Er trat noch näher an den Captain her-. an. „Falls Sie mir keinen Glauben schenken, dann lassen Sie sich von Capitan de Diaz bestätigen, in wessen Namen und in wessen Auftrag ich mich hier an Bord dieses Schiffes befinde! Bitte, Capitan, würden Sie die Güte .haben?“ De Diaz nickte. Dann erklärte er dem überraschten Engländer in tadellosem Englisch, was Ribault verlangt hatte. Und er hatte natürlich längst die Kriegslist durchschaut, die der Franzose benutzt hatte, um einen offenen Kampf mit der „Albion“ und den Engländern zu vermeiden. Was er allerdings nicht ganz begriffen hatte, war die Sache mit dem Ritterschlag und dem königlichen Kaperbrief, zumal der Seewolf sich allem Anschein nach dennoch nicht als Angehöriger der englischen Flotte betrachtete und offenbar auch völlig seine eigenen Wege ging. Aber er wußte, daß in diesem Moment keine Möglichkeit bestand, den Franzosen danach zu fragen, ohne alles zu verderben. Captain Harris nahm die Erklärung des Spaniers mit unbewegtem Gesicht entgegen. Dann schwieg er eine Weile. Schließlich hatte er seine Entscheidung getroffen, wenn auch schweren Herzens. „Gut, ich werde tun, was Sie von mir verlangen. Ich fordere aber, daß dieses spanische Schiff von der ,Albion` begleitet wird, bis sich nach Rücksprache mit Admiral Drake oder einem anderen Flottenadmiral die Besitzverhältnisse endgültig geklärt haben. Ist es so, wie Sie die Sache darstellen, dann wird niemand Sir Hasard seine Beute streitig machen.“ Ribault tauschte mit dem Spanier — unbemerkt von dem Engländer, der ans Schanzkleid geeilt war, um seine Männer, die mit ihrem Boot immer noch vor den drohenden Mündungen der Musketen an der Bordwand der „El Cid“ lagen, zu unterrichten — einen raschen Blick. „Überlassen Sie alles weitere mir, Capitan“, raunte er. „Es läuft alles besser als ich dachte. Gewisse Dinge erkläre ich Ihnen später.“
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Ribault trat an die Schmuckbalustrade des Achterkastells. „Ihr könnt eure Musketen wegnehmen“, wies er seine Männer an. „Es ist mir glücklicherweise gelungen, den Kommandanten der ,Albion` davon zu überzeugen, daß die gegenseitigen Feindseligkeiten lediglich auf einem Mißverständnis beruhten. Der englische Kommandant bleibt vorläufig unser Gast.“ Die Männer der „Le Vengeur“ grinsten. Sie kannten Ribault lange genug, um zu wissen, daß der temperamentvolle Franzose den Engländer irgendwie überlistet hatte. Einer von ihnen, Tom Coogan, Schiffszimmermann und Segelmacher der „Le Vengeur“ in einer Person, richtete sich auf. „Gut, Sir, dann werden wir wieder an die Arbeit gehen und die ‚El Cid’ endlich unter Segel bringen. Ich glaube nicht, daß es schaden wird, wenn wir hier sobald wie möglich verschwinden.“ Er winkte den anderen, die zu seinem Kommandotrupp gehörten, zu, ihm zu folgen. Gleich darauf begann auf der „El Cid“ wieder das Sägen und Hämmern, das durch das Eintreffen der „Albion“ unterbrochen worden war. Captain Harris stand auf dem Achterdeck. Seine Blicke suchten für einen Moment die „Albion“. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Er hatte sich schwere Fehler zuschulden kommen lassen, aber er würde keine weiteren Fehler mehr begehen, das stand für ihn fest. Dieser Franzose sollte sich in acht nehmen vor ihm, auch wenn er sich im Augenblick scheinbar der Gewalt beugte. Er enterte ab aufs Geschützdeck. Dann lehnte er sich über, das Schanzkleid und blickte seine Soldaten an, die noch immer unten im Boot auf ihn warteten und offensichtlich nicht mehr wußten, was sie von allem halten sollten. „Mister Pratt!“ durchbrach die scharfe Stimme des Captains die momentane Stille, denn sogar Tom Coogans Männer hatten in der Arbeit innegehalten und neugierig verfolgt, was der Engländer tat.
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„Aye, Sir?“ Der Bootsmann der „Albion“ stand wie ein Baum. „Sie kehren sofort mit Ihren Männern zur ,Albion’ zurück. Richten Sie Mister Howard, dem Ersten Offizier, aus, daß die ,Albion` diese beiden Schiffe vorerst begleitet. Sobald ich an Bord der ,Albion` zurückzukehren wünsche, werde ich das signalisieren lassen. Es gibt hier an Bord des spanischen Zweideckers noch ein paar Dinge, die ich zu klären habe. Vorerst enthält sich die ,Albion` jeglicher Feindseligkeit gegenüber der ,Le Vengeur` und der ‚El Cid’, verstanden?“ „Aye, aye Sir!“ Der Bootsmann salutierte, dann ließ er die Leinen loswerfen und seine Männer pullten zur „Albion“ hinüber. Capitan de Diaz warf dem Engländer einen scharfen Blick zu. Er ahnte, daß dieser Mann seit diesem Moment eine ständige Gefahr an Bord seines Schiffes sein würde. Er nahm sich vor, persönlich ein wachsames Auge auf den englischen Kommandanten zu haben. Als der Engländer, ohne irgendjemanden zu fragen, einen Inspektionsgang über das Geschützdeck vornahm, zog er Jean Ribault zur Seite. „Und wie geht es jetzt weiter, Senor? Dieser Mann dort hat noch lange nicht aufgegeben, ich sehe ihm an, daß er darauf sinnt, seine Niederlage auszuwetzen. Was also werden wir tun?“ „Wir gehen ankerauf, Capitan. Früher oder später werden wir auf die ,Isabella` und seine Seewölfe stoßen, dann sind Sie und Ihre Männer gerettet. Nur keine Sorge, das Schlimmste haben wir hinter uns!“ Jean Ribault glaubte das wirklich. Und als die drei Schiffe einige Stunden später ankerauf gingen, war er immer noch davon überzeugt. Zumal sich die „Albion“ in respektablem Abstand sowohl von der „Le Vengeur“ als auch von der „El Cid“ hielt. Auch der englische Kommandant verhielt sich schweigend, aber seinen harten blauen Augen entging nichts von dem, was an Bord der „El Cid“ und zum Teil auch der „Le Vengeur“ geschah.
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Nur einmal hörte Capitan de Diaz, wie Captain Harris mit den Zähnen knirschte. Das war, als das ferne Donnergrollen. der wieder neu entbrannten Schlacht zwischen den Resten der spanischen Armada und den englischen Schiffen an ihre Ohren drang. Ruckartig wandte sich Harris um und starrte den Spanier an. „Hören Sie das, Senor? Die Schlacht ist noch nicht zu Ende. Wenn wir diesen Kurs weitersegeln, dann wird es mich interessieren, wie Sie Ihren Zweidecker aus den Kämpfen heraushalten wollen. Ihr Schiff läuft wieder unter Segeln und immer noch unter spanischer Flagge, und es hat noch gefechtsbereite Geschütze und eine Besatzung, die kämpfen könnte. Warum also kämpfen Sie nicht, Senor? Warum lassen Sie Ihr Land im Stich?“ Jean Ribault hatte genau gehört, was der Engländer gesagt hatte. Zum Teil mußte er ihm sogar recht geben, jedenfalls, soweit es sich um die Gefahr handelte, daß die „El Cid“ erneut angegriffen wurde. Mit ein paar Schritten war er bei dem Kommandanten der „Albion“. Geradezu provozierend verbeugte er sich. „Ich danke Ihnen für den Hinweis auf die Flagge, Mister. Sie ist zwar so vom Pulverdampf geschwärzt, daß man sie kaum erkennen kann, aber immerhin!“ Ribault warf einen Blick zum Lateinerbesan empor, dem einzigen Mast, der die Schlacht heil überstanden hatte. Dort flatterte tatsächlich noch die spanische Flagge. Sie mußte verschwinden, das war unbedingt notwendig. „Ich werde sie natürlich streichen lassen, Mister Harris, nochmals besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“ Er verneigte sich abermals galant und voller Hohn. Aber dann blitzten seine Augen den Engländer plötzlich feindselig an. „Was die anderen Punkte betrifft: Das Kommando über dieses Schiff führe ich. Auf diesem Schiff wird niemand etwas tun, ohne daß ich es befehle. Niemand. Sie nicht und auch sonst keiner. Haben Sie das jetzt endgültig verstanden? Ich habe andere
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Pläne mit diesem Schiff, auf keinen Fall aber werde ich dulden, daß es in einem bereits sinnlos gewordenen Kampf samt seiner Besatzung verheizt wird. Ich möchte Sie letztmalig ersuchen, meine Geduld nicht noch weiterhin über das erträgliche Maß hinaus zu strapazieren, Mister Harris!“ Die Rechte des Engländers fuhr zum Degen. Blitzartig hatte er ihn heraus, und Jean Ribault erkannte, daß dieser Mann mit seiner Waffe bestimmt auch umzugehen wußte. Aber der Franzose war schneller. Er war ein Meister im Fechten mit dem Degen und ähnlichen Waffen, nicht einmal der Seewolf hätte sagen können, wie ein Kampf zwischen Ribault und ihm ausgegangen wäre. Noch ehe der Engländer etwas mit seiner Waffe auszurichten vermochte, saß ihm die Spitze von Ribaults Degen auf der Brust. „Auch so können Sie es haben, Harris, wenn Sie es wollen. Sie brauchen es mir nur zu sagen. Aber ich warne Sie!“ Ribault steckte seinen Degen wieder weg. Dann drehte er sich um und winkte zwei Männer aufs Achterkastell, denen er befahl die spanische Flagge zu bergen. Er überreichte sie Capitan de Diaz. „Verwahren Sie sie gut, Capitan, denn Sie werden sie noch brauchen“, sagte er leise und spürte dabei doch die Blicke des Engländers, die ihn von hinten zu durchbohren schienen. 4. Admiral Drakes Geschwader ankerte dicht unter der Küste auf der englischen Seite der Straße von Dover. Der Admiral hatte seine Kapitäne in der Kapitänskammer der „Revenge“ versammelt. Gespannt und voller Erwartung sahen ihn vier Augenpaare an. Auf der anderen Seite des Kanals tobte die Schlacht, und die Engländer kriegten zu spüren, wie gefährlich ein schon schwer angeschlagener Gegner sein konnte und wie verbissen er sich wehrte, obwohl keinerlei Zweifel daran bestanden, wer
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schließlich der Sieger und wer der Besiegte sein würde. Auch die „Revenge“ des Admirals hatte das zu spüren gekriegt, als Drake einmal glaubte, der Spanier, den er unter Feuer nahm, sei schon erledigt. Plötzlich hatten die Spanier die „Revenge“ mit einer gut liegenden Breitseite eingedeckt, es hatte Tote und Verwundete und Schäden in der Takelage gegeben. Das war der eine Grund, warum der Admiral die sichere englische Küste angelaufen hatte. Er wollte die Schäden an seinem Schiff so weit beheben, daß die „Revenge“ durch sie nicht mehr in ihrem Gefechtswert und in ihrer Manövrierfähigkeit behindert wurde. Der andere Grund war der, weshalb er die Kapitäne der ihm unterstellten Schiffe zu. sich an Bord und in seine Kammer zitiert hatte. „Gentlemen, Sie werden sich denken, daß mein Befehl, in dieser Bucht hier zu ankern, während draußen auf See noch gekämpft wird, einen schwerwiegenden Grund hat“, begann er. Die Kapitäne nickten Sir Francis Drake zu. „Die Spanier haben eine vernichtende Niederlage hinnehmen müssen, auch im Moment werden sie pausenlos von unserer Flotte angegriffen und aufgerieben. Aber die Geschwader unserer Flotte vermögen nicht alles auf einmal zu tun. Deshalb erhielt ich den Auftrag, flüchtende spanische Einheiten zu verfolgen, zu stellen und zu versenken. Es darf kein Schiff sein Mutterland jemals wieder erreichen, dieser Sieg muß ein totaler sein.“ Die Stimme Drakes war schneidender und schärfer geworden. Das Gesicht des Admirals hatte sich gerötet, seine Augen blitzten. Mit der Rechten strich er sich über den Spitzbart, ehe er zu entscheidenden Stelle seines Vortrages ansetzte. „Die ,Revenge`, mein Schiff, ist die stärkste Einheit unseres Geschwaders. Ich habe die größte Kampferfahrung von Ihnen allen. Aber mein Schiff hat sich in pausenlosem Einsatz verschossen. Es fehlt an Bord der ,Revenge` an allem: an Pulver,
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an Kanonenkugeln, an Kartuschen, an Stangenkugeln, an Blei und Eisen für die Drehbassen. Es fehlt außerdem an Proviant und an Wasser.“ Wieder legte Drake eine Pause ein und sah seine Kapitäne prüfend an. Verächtlich zuckte sein Spitzbart. Diese Kerle waren ja noch dümmer, als er gedacht hatte, keiner von ihnen schien zu begreifen, auf was er hinauswollte. Nun gut, sie sollten es erfahren, jetzt sofort! Admiral Drake richtete sich hoch auf, jedenfalls soweit, wie seine untersetzte und höchstens mittelgroße Gestalt ihm das erlaubte. „Aus diesen angeführten Gründen sehe ich mich gezwungen, folgendes zu befehlen: Jedes der mir unterstellten Schiffe wird seine Vorräte an Pulver, Kanonen- und Stangenkugeln, an Kartuschen, Proviant und Wasser sofort auf die ,Revenge` schaffen lassen. Sie, Gentlemen, laufen anschließend in den nächsten Versorgungshafen und gehen dann auf freie Jagd, weil Sie mich nicht mehr einholen werden. Denn ich werde den Spaniern mit meiner ,Revenge` solange folgen, bis es keinen mehr von ihnen gibt. Mich wird die Aufklärungsgaleone ,Albion` begleiten, ein sehr schnelles Schiff unter einem sehr fähigen Kommandanten. Irgendwelche Fragen?“ Das sollte eine Suggestivfrage sein, aber in diesem Punkt hatte sich Sir Francis verrechnet. Einer seiner Kapitäne, ein schon ergrauter alter Fahrensmann, der Wind, Wetter und die See kannte und schon manche Schlacht geschlagen hatte, trat aus dem Halbkreis der anderen vor. Seine grauen scharfen Seemannsaugen fixierten den Admiral. Er sah, wie Drake unwillig die eine Braue hob und dessen Spitzbart zuckte. „Das können Sie, bei allem Respekt, Sir, von uns nicht verlangen“, sagte er. „Wir wären niemals wieder rechtzeitig genug aus dem Versorgungshafen heraus, um noch in den Kampf einzugreifen. Also fallen der Flotte statt eines Schiffes vier Einheiten aus, die zusammen bestimmt mehr Erfolg haben würde als Ihre
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,Revenge` allein. Aber das ist noch nicht alles, Sir. Ich glaube nicht, daß es dem Gebot der englischen Fairneß entspricht, einen geschlagenen, todwunden Feind zu verfolgen und hinzumeucheln. Jawohl, Sir, etwas anderes wäre das nicht. Gleich, welche Konsequenzen das nach sich zieht, ich werde den Befehl, den Sie eben gegeben haben, nicht ausführen, sondern mich sofort mit meinem Schiff zur kämpfenden Flotte begeben.“ Der Admiral wurde blaß. Er trat blitzschnell auf den alten Kapitän zu. „Name Ihres Schiffes!“ forderte er. „,Lion’„, antwortete der Kapitän ebenso knapp. „Name des Kapitäns?“ „Steve Huxley, Sir.“ Drake prallte einen ganzen Schritt zurück. „Huxley?“ fragte er. lind ihm fiel ein, daß dieser Huxley bei Hof sehr angesehen war, weil er der Königin manchen schwierigen Dienst erwiesen hatte und einmal unter Einsatz seines Lebens ein ganzes englisches Geschwader davor bewahrt hatte, in eine tödliche Falle der Iren zu segeln. Das alles wußte Drake, auch daß dieser erfahrene Kapitän eine hohe Auszeichnung von der Königin erhalten hatte. Dennoch ging die plötzliche Wut, die ihn wegen der Widersetzlichkeit dieses Mannes und auch, weil sein scharfer Verstand genau erfaßte, wie recht Huxley hatte, daß er ihn durchschaute, mit ihm durch. „Sie sind abgesetzt, Huxley. Ich entziehe Ihnen das Kommando, Sie stehen unter Arrest, haben Sie verstanden?“ Kapitän Huxley sah ihn nur an. Dann verließ er ohne ein weiteres Wort den Raum. Erst, als er die „Revenge“ verlassen hatte, als seine „Lion“ schon die Anker lichtete und Kurs auf die offene See nahm, überbrachte Kapitän Fenner, der nächst Drake Ranghöchste an Bord der „Revenge“, dem Admiral eine Depesche. Francis Drake riß sie mit vor Zorn bebenden Fingern auf, und als er las, was sie enthielt, kreisten rote Nebel der Wut vor seinen Augen.
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Nach der Schlacht werde ich mich vor einem ordentlichen Seegericht verantworten, stand da in steilen Lettern. Ich werde veranlassen, daß auch Sie vor diesem Seegericht erscheinen müssen. Der Befehl, den ich aus Gewissensgründen nicht befolgen konnte und auch nicht befolgen dufte, weil er die Tradition der Flotte Ihrer Majestät, unserer Königin, in den Schmutz zieht, wird von mir gegen Sie verwendet werden. Gezeichnet: Huxley, Kapitän der Kriegsgaleone Ihrer Majestät „Lion“. Drake wurde blaß, dann rot. Er kriegte einen seiner Tobsuchtsanfälle, wie sie in den vergangenen Jahren immer stärker in Erscheinung traten. Schließlich warf er die Depesche zu Boden und trampelte mit den Füßen auf ihr herum. Schließlich blieb er schweratmend stehen und stierte Kapitän Fenner an, der sich bis in eine Ecke der Kammer zurückgezogen hatte und ihn aus schreckgeweiteten Augen anblickte. „Was stehen Sie da herum, Fenner?“ brüllte Drake außer sich vor Wut. „An Deck mit Ihnen, sorgen Sie dafür, daß die Vorräte der anderen Schiffe an Bord der ,Revenge` gemannt werden. Sie kontrollieren jedes Schiff, ob auch nichts über das notwendige Maß hinaus zurückbehalten wurde. Sie sind mir dafür voll verantwortlich!“ „Jawohl, Sir!“ Fenner salutierte und wollte die Kammer verlassen. Aber Drake hielt ihn zurück. „Ich wünsche eine genaue Eintragung ins Logbuch über die Vorfälle mit Huxley. Er wird hängen dafür, das verspreche ich Ihnen!“ Drake stürmte an Deck, und dann trieb er die Männer erbarmungslos an. Fünf Stunden später lichtete die „Revenge“ die Anker. Auf der anderen Seite der Straße von Dover tobte noch immer die Schlacht, der ein Spanier nach dem anderen zum Opfer fiel. Denn auch den spanischen Galeonen ging das Pulver aus, die Verwundeten hatten kein Wasser mehr, die Toten konnten nicht mehr in Segeltuch
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eingenäht werden, sondern mußten einfach so über Bord geworfen werden. * Mit jeder Stunde, die an diesem verhängnisvollen Tage verstrich, wurde die Lage für die Spanier hoffnungsloser. Der General-Kapitän der spanischen Armada, der Herzog von Medina Sidonia, stand auf dem Achterkastell seines Flaggschiffes „San Martin“. Etwas achterlich querab von der „San Martin“ segelte die tausend Tonnen große „Triumph“ des englischen Admirals Sir John Frobisher. Medina Sidonia blickte zu dem englischen Schiff hinüber. In seinem hageren Gesicht zuckte es. „Sie werden wieder angreifen“, sagte er zu José Santraz, dem Kapitän der „San Martin“. Santraz erwiderte eine ganze Weile nichts. Er war ein ruhiger, besonnener Mann mit grauen Haaren und bartlosem Gesicht. Seine wasserhellen Augen suchten die „Triumph“. „Ja, sie werden wieder angreifen, Senor General-Kapitän“, sagte er schließlich. „Aber ich habe das Gefühl, daß auch bei ihnen das Pulver allmählich knapp wird. Unsere ,San Martin’ hat ihrem Bombardement bisher standgehalten. Die starken Planken, aus denen unser Rumpf gefügt wurde, sind nicht so leicht zu zerstören. Das hat man auch auf der ‚Triumph’ inzwischen bemerkt. Ganz abgesehen davon – die ‚Triumph hat auch manchen Treffer einstecken müssen, im Moment hat sie Schwierigkeiten mit ihrer Takelage, wenn ich das in der beginnenden Dämmerung richtig sehe.“ Er schwieg eine Weile, dabei schweiften seine Blicke über das Chaos an Deck der „San Martin“, auf dem die spanischen Feldschere sich um die Verwundeten bemühten. Das Deck war von Trümmern übersät, herabgefallene Spieren und Stengen lagen überall herum. Hinzu kam noch, daß die Männer des spanischen Flaggschiffes ausgelaugt und bis zum Umfallen erschöpft waren. Die
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Pulvervorräte schwanden, jede Breitseite, die die „San Martin“ jetzt noch abfeuerte, brachte sie dem unausweichlichen Ende näher. José Santraz wußte das alles, und wenn nicht noch ein Wunder geschah, dann konnte sie nichts mehr retten. Aber da war noch etwas anderes, was Capitan Santraz fast mehr Sorge bereitete als das nahezu pausenlose Bombardement der Engländer. Der Wind stand ungünstig. Er trieb die spanischen Schiffe, die zudem noch mit schwersten Schäden in ihrer Takelage und der dadurch bedingten schlechten Manövrierfähigkeit ihrer Schiffe kämpften, auf die flandrischen Sandbänke zu. Die mühsam wieder aufgebaute Sichelformation brach mehr und mehr auseinander. Schon jetzt war nur noch die eine Hälfte der Sichel vorhanden, weil Schiffe zurückblieben, ausscherten, sanken oder in Flammen aufgingen. José Santraz schüttelte seinen ergrauten Kopf. „Der Wind, Senor General-Kapitän, steht schlecht für uns. Er verwehrt uns die Flucht ins offene Meer. Wenn er nicht dreht, dann gibt es keine Rettung mehr, die meisten unserer Schiffe werden dann auf den flandrischen Sänden enden: Uns kann nur noch ein Wunder retten.“ Medina Sidonia nickte. Er fühlte sich müde und innerlich zerbrochen. Er verwünschte wieder den Augenblick, in dem er nicht stark genug gewesen war, dieses mörderische Kommando trotz allerhöchstem Befehl abzulehnen, ohne Rücksicht auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Aber es war müßig, derartige Überlegungen jetzt noch anzustellen. Die „Triumph“ holte langsam auf. Ihre Geschützpforten wiesen wie dunkle, drohende Höllenschlünde auf die „San Martin“. „Es geht wieder los, Capitan“, sagte Medina Sidonia, und tiefe Resignation schwang in seinen Worten mit. Er war manchmal versucht, einfach die weiße Flagge zu hissen, um diesem entsetzlichen Massaker ein Ende zu bereiten, aber noch
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wehrte sich sein Stolz dagegen, denn andere Schiffe der Spanier kämpften gleich der „San Martin“ immer noch verbissen gegen den übermächtigen Feind. Es war dunkler geworden, kaum daß die einzelnen Schiffe noch zu erkennen waren. Da geschah das erste Wunder. Die „Triumph“ fiel plötzlich zurück. Sie verlor an Fahrt und lief aus dem Ruder. Medina Sidonia konnte nicht mehr erkennen, was dort geschah, aber irgendetwas stimmte bei dem riesigen Engländer nicht mehr. Vielleicht hatte doch eine der Breitseiten der „San Martin“ schwerer und genauer getroffen, als sie wußten. Medina Sidonia bekreuzigte sich, Weniger, weil er sich gerettet fühlte, sondern wegen der Männer dort unten auf dem oberen Geschützdeck. Das zweite Wunder ereignete sich knapp zehn Minuten später. Schon stieg die Nacht über den Horizont, als plötzlich Wind aufkam. Einzelne Böen fegten über die See, und dann drehte der Wind. Capitan Santraz beobachtete das alles genau. „Heilige Mutter Gottes“, sagte er. „Das ist die Rettung. Wir können die offene See gewinnen, Senor General-Kapitän.“ Die beiden Männer verloren keine Zeit. Befehle erschallten an Deck, diejenigen der Seeleute, die sich noch rühren konnten, stürzten an die Brassen. Genau wie die Offiziere auf dem Achterkastell erkannten auch sie die Chance, die ihnen das Drehen .des Windes bot. Die „San Martin“ schwang herum, und wie Medina Sidonia sah, folgten ihrem Beispiel auch andere spanische Schiffe. „Und jetzt, . Capitan?“ fragte der Herzog, nachdem die „San Martin“ Fahrt aufgenommen hatte und sich auf der langen Dünung des Kanals hob und senkte. „Wir müssen aufs offene Meer. Durch den Kanal können wir nicht mehr zurück, Senor General-Kapitän, denn ihn sperrt die englische Flotte. Wir würden nur in unseren eigenen Untergang segeln. Nein, wir müssen um England herumsegeln und
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versuchen, uns mit dem Rest unserer Flotte nach Spanien durchzuschlagen.“ Eine ganze Weile lastete das Schweigen der beiden Männer über dem Achterdeck, nur unterbrochen vom Singen des Windes in der Takelage. „Sind Sie sich im klaren darüber, was das bedeutet, Capitan? Stürme, Verfolgung durch die Engländer, laufende Dezimierung unserer Flotte, weil unsere Vorräte schrumpfen, die Engländer aber ihre Vorräte ergänzen können. Wir werden ihnen wehrlos ausgeliefert sein. Manches unserer schwerbeschädigten Schiffe wird den nächsten Sturm nicht mehr überstehen, es wird furchtbar werden, Capitan.“ José Santraz wußte, wie recht Medina Sidonia hatte. Auch er war sich im klaren darüber, daß nur wenige der Schiffe Spanien erreichen würden. Aber wenige waren besser als keine. „Trotzdem“, sagte er schließlich, „wir haben nur diese Chance, und wir müssen sie nutzen, wenn überhaupt ein paar von uns durchkommen sollen. Sehen Sie, die meisten der anderen Kapitäne haben das inzwischen auch begriffen!“ Medina Sidonia blickte über die See. Tatsächlich, es war etlichen spanischen Galeonen gelungen, sich vorn Gegner zu lösen und unter vollen Segeln die offene See anzusteuern. Dann sah er in der Ferne Feuerschein, dem Kanonendonner folgte. Der Feuerschein wurde rasch heller. Er ahnte, welch ein Drama sich dort hinten jetzt abspielte. Aber er konnte nicht wissen, wie grausam es wirklich war - und wie teuflisch hoffnungslos für die, die zu überleben versuchten. Medina Sidonia trat dicht an den Kapitän der „San Martin“ heran. „Gut, ich werde den Befehl geben, Capitan. Lassen Sie alles für das Signal vorbereiten. Aber wir müssen, soweit das überhaupt noch möglich ist, zusammenbleiben. Einzelgänger sind bestimmt verloren, sie werden gestellt, angegriffen und vernichtet werden.“ Der General-Kapitän wandte sich ab. Mit müden Schritten schlurfte er über das Deck
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des Achterkastells. Er. brauchte jetzt etwas Ruhe, und wenn es eine halbe Stunde war. * Solange der Wind für sie günstig stand, war die „Revenge“ unter Führung Drakes mit voller Fahrt auf die französische Küste zugelaufen. Der ehrenwerte Sir Francis Drake hatte nicht die Absicht, sich in die allgemeine Schlacht verwickeln zu lassen, nein, er wollte etwas ganz anderes. Er wollte zurückgebliebene und schwer angeschlagene Schiffe aufspüren, mit denen er dann leichtes Spiel haben würde. Drake war- nicht immer so gewesen. Noch zu der Zeit seiner Weltumsegelung, als der Seewolf sich noch an Bord seines Schiffes befand, hatte er sich wenigstens um Fairneß bemüht. Aber dann, mit seinen Erfolgen, war die Gier über ihn hereingebrochen. Die Gier nach Beute und nach Ruhm. Um so mehr, als es ihm unmöglich war, das drohende Zerwürfnis zwischen sich und dem Seewolf aufzuhalten. Zum Zeitpunkt der Schlacht um die Armada jedoch und auch schon vorher gab es für Drake nur noch eins: siegen, gleich auf welche Art, und Einfluß zu gewinnen, wo er etwas einbrachte. Den Seewolf haßte er mittlerweile so glühend wie keinen anderen Menschen auf der Welt. So sehr, wie er anfangs seine Fähigkeiten geschätzt, wie er ihn später gefürchtet hatte. Drake hatte seine ersten beiden Opfer schnell entdeckt. Weit vor der Küste trieben zwei spanische Galeonen, wobei er die eine auf rund sechshundert, die andere jedoch höchstens auf zweihundert Tonnen schätzte. Die Schiffe schienen manövrierunfähig zu sein. Das Feuer hatte schon viel zu weit um sich gegriffen, als daß es von den Besatzungen noch gelöscht werden konnte. Außerdem trieb die kleinere der beiden Galeonen auf die größere zu und mußte unweigerlich mit ihr kollidieren. Ein Teil der spanischen Seeleute, durch die unerträgliche Hitze getrieben, sprang über Bord - ohne jede Chance zu überleben,
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falls sie nicht irgendein Wrackteil erwischten, an das sie sich klammern konnten. Denn die Küste war zu weit entfernt, um sie schwimmend zu erreichen. Drake sah diese beiden Schiffe. Als er darauf zuhalten ließ, beging Fenner, der Kapitän der „Revenge“, einen Fehler, der ihm auch die allerletzte Illusion über Admiral Drake raubte. Ohne den Admiral zu fragen, ordnete er an, eins der Boote zum Bergen von Überlebenden klarzumachen. Drake hörte das Kommando und fuhr herum. Sein Gesicht war weiß vor Wut, seine Züge verkniffen, sein Spitzbart zuckte unheilvoll. Noch schlimmer war für Fenner, daß er ganz nahe an ihn herantrat und mit leiser Stimme fragte: „Was haben Sie mit dem Boot vor, Mister Fenner? Würden Sie mich gütigst darüber unterrichten?“ Fenner ahnte, was jetzt unweigerlich geschehen würde, aber er nahm seinen ganzen Mut, über den er noch verfügte, zusammen. „Dort drüben schwimmen Menschen im Wasser, Sir, Schiffbrüchige, die auf Rettung warten. Es ist unsere Christenpflicht ....“ Drake explodierte. „Spanier wollen Sie retten lassen, Fenner? Die Kreaturen, die unser Land mit einer so riesigen Flotte, wie es sie in der ganzen Geschichte der Seefahrt noch nie gegeben hat, aus niedrigsten Motiven heraus angegriffen haben? Sie wollen die Leute retten lassen, die uns alle in Sklaverei und Schimpf und Schande gestürzt hätten, wenn der Sieg ihrer geworden wäre? Und Sie Narr glauben, daß Sie irgendwo bei diesen Spaniern auf Fairneß oder gar Milde hätten rechnen können? Die spanische Krone hätte unser Land ausgebeutet, uns Engländer kujoniert und gefoltert, sie hätten England aus der Geschichte der Völker getilgt, wie sie es in der Neuen Welt drüben mit allen taten, die sie besiegten. Ich kenne diese Spanier, Mister Fenner, und ich gebe kein Pardon. Ich werde sie schlagen und vernichten, wo immer ich auf sie stoße!“
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Der Admiral hatte diese Worte in die Nacht hinausgebrüllt. Er hatte Fenner gepackt und ihn gezwungen, in den Feuerschein der beiden brennenden Galeonen zu blicken. „Lassen Sie feuern, Mister Fenner, sofort! Lassen Sie diese Schiffe versenken, oder, bei Gott, ich enthebe Sie Ihres Postens!“ Kapitän Fenner wankte davon. Er hatte nicht die Kraft, sich gegen diesen Rasenden zu wehren, und auch nicht die Macht, denn Drake war sein Admiral. Aber er verstand Drake nicht mehr. Wenn Fenner auch kein Mann mit Zivilcourage war, aber so viel Ehrgefühl hatte er doch, daß er wußte, daß dies Mord war, gemeiner Mord, den man von ihm verlangte. Im stillen begriff er jetzt, warum Kapitän Huxley sich gegen Drake gestellt hatte, obwohl er das wahrscheinlich mit dem Leben büßen würde. Die „Revenge“ feuerte Minuten später ihre erste Breitseite in die beiden brennenden Galeonen, die in. diesem Moment miteinander kollidierten und von denen die größere ohnehin bereits sank. Eine zweite Breitseite folgte. Sie lag genau im Ziel, und die kleinere Galeone platzte unter ihrer Wucht regelrecht auseinander. Drake, der das makabre Schauspiel vom Achterkastell der „Revenge“ mit funkelnden Augen beobachtete, begriff nicht, daß er damit den in der See um ihr Leben schwimmenden Spaniern ungewollt einen Dienst erwies Denn es regnete nur so Wrackteile und Schiffstrümmer. Viele der Spanier, schon drauf und dran zu ertrinken, klammerten sich an ihnen fest und schrien ihre Qual, ihre Flüche und ihre Verwünschungen in die Nacht hinaus. Der Admiral bemerkte von alledem nichts, er starrte wie fasziniert auf die beiden brennenden und sinkenden spanischen Schiffe, dann ließ er abdrehen und segelte davon, ohne sich um die Schiffbrüchigen zu kümmern. Seine Männer an Bord der „Revenge“ bekreuzigten sich. Sie hatten schon viel unter Drake erlebt, aber so wie an diesem Abend, wie der leibhaftige Satan, hatte er sich noch nie gebärdet.
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In seinem Siegesrausch bemerkte Drake nicht, daß sich von Westen her ein Verband von drei Schiffen in langsamer Fahrt der Untergangsstelle der beiden Galeonen näherte. Die „Revenge“ nutzte den aufbrisenden Wind und segelte unter Vollzeug davon, auf der Suche nach ihrem nächsten Opfer. * Jean Ribault und Capitan de Diaz waren der Feuerschein und der Kanonendonner nicht entgangen. Der Franzose hatte sein Spektiv gezückt und starrte über das Meer, dorthin, wo die beiden Galeonen brannten. Er wurde blaß, als er sah, was dort geschah. Wortlos reichte er dem Spanier das Spektiv. Der sah hindurch, und seine Züge verhärteten sieh. Wortlos gab er es an den englischen Kommandanten der „Albion“ weiter, die noch immer die „El Cid“ und die „Le Vengeur“ begleitete. Captain Harris sah lange durch das Spektiv. Dann setzte er es ab. „Da schießt eine große Galeone zwei brennende Schiffe zusammen. Und eben ist sie davongesegelt, ohne sich um die Schiffbrüchigen zu kümmern!“ fügte er hinzu, und in seinen Zügen drückte sich Ekel und Überraschung aus. „Genau das habe ich auch beobachtet, Mister, und der Capitan wahrscheinlich ebenso!“ Capitan de Diaz nickte, auch sein Gesicht wirkte verzerrt, er begriff das Ganze so wenig wie der Engländer. Ribault beobachtete die beiden Männer scharf. Dann trat er auf den englischen Kapitän zu. „Was würden Sie sagen, Mister Harris, wenn ich Ihnen beweise, daß es eine englische Galeone war, die dieses Massaker dort drüben angerichtet hat?“ fragte er. Harris hob abwehrend die Hand. „Unmöglich, nein, das glaube ich nicht. Kein Engländer würde das tun, niemals!“ Ribault nickte, und fast fühlte er Sympathie für den jungen Engländer. „Gut,
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es gilt. Ich trete Ihnen den Beweis an, Mister Harris, und dann reden wir weiter. Einverstanden?“ Der Capitan nickte nur, seine Lippen bildeten eine harte Linie. „Was also wollen Sie tun, Mister Ribault?“ fragte er. „Meine ,Le Vengeur` und Ihre ,Albion segeln sofort zur Untergangsstelle der beiden Galeonen. Sie sollen versuchen, Überlebende zu retten. Die werden wir dann verhören, sobald auch wir mit der ,El Cid’ zur Stelle sind.“ Einen Moment sahen sich die beiden Männer an. Der Engländer hatte ganz schmale Augen, als er auf Ribault zutrat. „Ich hatte mir vorgenommen, Mister Ribault, Sie umzubringen und die ‚El Cid’ in die Luft zu sprengen. Ich bin sicher, daß es mir auch in irgendeinem Moment gelungen wäre. Aber jetzt ist das anders. Ich will wissen, ob Sie recht haben, und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort als Offizier Ihrer Majestät, der Königin, daß ich gegen Sie nichts unternehmen werde und, falls Sie es von mir verlangen, mich wieder an Bord der ‚El Cid’ begeben werde. Lassen Sie mich jetzt auf mein Schiff, bitte!“ fügte er hinzu. Jean Ribault legte ihm die Hand auf die Schulter. „Gut, Mister Harris, ich vertraue Ihnen. Ich werde Ihrer ,Albion` signalisieren lassen, daß sie längsseits kommt. Alles andere datiert zu lange, denn jede Minute, die wir verlieren, ertrinken dort drüben ein paar arme Teufel mehr!“ Ribault wechselte ein paar Worte mit Capitan de Diaz, und der nickte. Anschließend wurde der „Le Vengeur“ und der „Albion“ signalisiert. Die „Albion“ schor wenige Minuten später längsseits, und Harris enterte an Bord. Die „Le Vengeur“ hingegen lief sofort zur Rettungsaktion ab. Capitan de Diaz pfiff leise durch die Zähne, als er sah, was für ein schneller und wendiger Segler die „Le Vengeur“ war. *
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Das Ergebnis der Aktion war für alle Beteiligten gleichermaßen niederschmetternd. Die wenigen Spanier, die noch gerettet werden konnten, sagten übereinstimmend aus, daß sich eine englische -Galeone den beiden brennenden Schiffen genähert und sofort auf sie gefeuert habe. Dann, nachdem die Schiffe fast gesunken waren, sei sie wieder abgelaufen, ohne sich um Überlebende oder Verwundete zu kümmern. Captain Harris sah Jean Ribault nur an. Dann reichte er ihm still die Hand. „Ich habe Ihnen viel abzubitten, Monsieur.“ Er benutzte die französische Anrede zum erstenmal. „Ihnen und vielleicht dem Seewolf auch. Ich werde dafür sorgen, daß alle Geretteten an Bord der ‚El Cid’ verbracht werden. Gleichzeitig bitte ich Sie, mich aus Ihrem Verband zu entlassen, ich kann Ihnen nicht behilflich sein, ohne meine Männer und mich zu gefährden, aufs äußerste zu gefährden, Monsieur, denn Sie kennen Admiral Drake nicht so gut wie ich.“ Jean Ribault sah den jungen Kapitän Ihrer Majestät an. „Gut, segeln Sie, Captain Harris. Vielleicht war das die Lektion, die Sie brauchten. Ich glaube, Sie sind in den wenigen Stunden, die wir wider Willen miteinander verbringen mußten, um ein ganzes Jahrzehntgealtert. Ich wünsche Ihnen und Ihren Männern viel Glück!“ Er streckte ihm die Rechte hin, und Captain Harris schlug ein. Dann, ehe er von Bord ging, wandte er sich noch einmal um und sah Capitan de Diaz und Jean Ribault an. „Stimmt es, daß die ‚El Cid’ gar keine Prise, keine Beute des Seewolfs ist, sondern daß sie das Schiff in die Freiheit entlassen wollen, nach Spanien? Ich habe darüber nachgedacht und mir aus vielen Beobachtungen diese Meinung gebildet. Haben Sie den Mut, mir diese Frage wahrheitsgemäß zu beantworten?“ Durch eine Handbewegung hielt Capitan de Diaz Ribault zurück. „Es stimmt, Kapitän Harris, und ich werde in Spanien, sofern es mir vergönnt sein sollte, mein
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Mutterland je wiederzusehen, darüber exakt berichten.“ Harris sah die beiden Männer an, dann wandte er sich langsam um. Eine Handbewegung, die alles bedeuten konnte, begleitete ihn dabei. Aber Ribault und der Spanier verstanden, was er signalisieren wollte, ohne es auszusprechen: viel Glück, alles Gute! Eine halbe Stunde später trennten sich die Schiffe. Die „Albion“ segelte auf Ostkurs davon, dorthin, wo immer noch vereinzelt Kanonendonner über die See rollte. Die „El Cid“ und die „Le Vengeur“ hingegen strebten die offene See an. „Es wäre gut, Capitan, wenn wir die ,Isabella’ und den Seewolf sobald wie möglich treffen würden. Ich glaube auch, daß ich weiß, wo ich ihn finde.“ Der Capitan sah den Franzosen fragend an, aber Jean Ribault gab bereits die notwendigen Kommandos. Schwerfällig schwang die „El Cid“ herum und ging unter ihrer Notbesegelung auf den neuen Kurs. Leicht und elegant in allen ihren Manövern folgte ihr die „Le Vengeur“. 5. Die zweite Nachthälfte ergab einwandfrei, daß die Spanier dabei waren, sich neu zu formieren und die offene See zu gewinnen. Die Engländer folgten ihnen nur vereinzelt, denn ihre Pulverkammern waren leer, die Männer an Bord der Schiffe bis zum Umfallen erschöpft. Das war eine Seeschlacht gewesen, wie sie die Geschichte noch nicht erlebt hatte. Der Tod hatte grausige Ernte gehalten, besonders bei den Spaniern. Medina Sidonia hatte eine Weile geschlafen, wie ein Toter fast, und so war ihm auch zumute. Längst war sein Befehl an alle Schiffe weitergegeben worden, die auf irgendeine Weise noch zu schwimmen vermochten und sich über Wasser hielten, auch wenn die Lenzpumpen keinen Augenblick stillstehen durften. Gegen Mitternacht erwischte es das erste Schiff der dezimierten Spanier. Die Leute
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an den Pumpen konnten nicht mehr, sie fielen um, wo sie gerade standen. Das Schiff torkelte eine Weile durch die unruhige See, dann versank es. Eine sofort herbeisegelnde Galeone der Spanier rettete, was noch an Überlebenden zu retten war, anschließend versuchte sie, wieder zum langsam dahinsegelnden Verband aufzuschließen. Fast genau eine Stunde später sank das zweite Schiff. Der stark beschädigte Rumpf hielt dem Anprall der Wogen nicht mehr stand. Ein paar Planken brachen, es entstand ein riesiges Leck. Innerhalb weniger Minuten sank das Schiff, und wieder barg ein anderes die wenigen Überlebenden. Medina Sidonia gab sich von diesem Augenblick an keinen Illusionen mehr hin. Der Rückzug um England würde die Hölle werden. Denn die meisten Schiffe, die zusammen mit der „San Martin“ die Flucht versuchten, waren mehr oder minder stark angeschlagen. Kaum eins von ihnen war noch voll seetüchtig. Besondere Sorge hatte der General-Kapitän um die ganz am Ende des Verbandes langsam unter Notsegeln dahinkriechende „San Mateo“, das Schiff, das der tapfere, hart kämpfende Kapitän de Pimental befehligte. Er war einer der tapfersten Männer in der Schlacht um die Armada gewesen, er hatte den Engländern die meisten Verluste beigebracht. Aber sein stolzes Schiff, eine große Galeone, war während der Schlacht zusammengeschossen worden. Mit Fockmast und Besan segelte die „San Mateo“ dahin, rollte in der Dünung und vermochte kaum noch Kurs zu halten, weil die Geschwindigkeit für eine brauchbare Ruderwirkung zu gering war. Selbst Besan und Fockmast hatten die Engländer der „San Mateo“ zerschossen, auch sie waren nur noch Fragmente, an denen die Spanier ihre Notsegel angeschlagen hatten. Medina Sidonia warf seinem Kapitän, José Santraz, einen Blick zu. „Es muß eine unvorstellbare Anstrengung gekostet haben, die ,San Mateo` wieder unter Segel zu bringen. Ich habe sie
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gesehen, wie sie in der See trieb, aber unablässig feuerte, was ihre Rohre hergaben. Und jetzt? Jetzt wird sie kein Faß Pulver mehr an Bord haben, sie wird zurückfallen, und irgendwann wird ein englisches Schiff sie aufspüren und ihr den Rest geben. Die ,San Mateo` ist wehrlos!“ Der General-Kapitän fuhr sich mit der Hand über die Augen. Von all seinen Kapitänen kannte er de Pimental am besten, mit ihm verband ihn am meisten. Das rührte noch aus ihrer gemeinsamen Zeit in Cadiz her. Capitan Santraz sah, welche bitteren Sorgen der General-Kapitän für die „San Mateo“ empfand, aber er schüttelte den Kopf. „Wir könnten de Pimental und seine Mannschaft zu uns an Bord nehmen. Aber es ist zwecklos, das zu versuchen, ich kenne ihn. Solange die ,San Mateo` noch schwimmt, gibt er nicht auf, ganz gleich, welches Angebot wir ihm machen.“ Medina Sidonia starrte über das Meer. Es war eine mondhelle Nacht, manchmal verlor sich die schattengleiche Silhouette der „San Mateo“ in der immer höher gehenden Dünung. Doch dann hatte Medina Sidonia seinen Entschluß gefaßt. „Verlangsamen Sie unsere Fahrt, Kapitän. Ich will von Bord zu Bord mit de Pimental sprechen. Nach Spanien gelangt er mit diesem Schiff und mit dieser Besegelung nicht mehr, das steht fest.“ Kapitän Santraz fragte nicht, sondern gab die notwendigen Kommandos. Die „San Martin“ verlangsamte ihre Fahrt und gab so der „San Mateo“ die Gelegenheit, zu ihr aufzusegeln. Als sie heran war, grüßte de Pimental zur „San Martin“ hinüber. Medina Sidonia verlor keine Zeit, sondern erkundigte sich nach dem Zustand von Schiff und Besatzung. De Pimental, gerade und aufrichtig, beschönigte nichts und schätzte seine Lage auch nicht falsch ein. „Nach Spanien schaffen wir es nicht mehr, Senor GeneralKapitän“, antwortete er knapp. „Ich bitte um die Erlaubnis, auf Nordkurs gehen zu dürfen. Vielleicht kann ich in Norwegen die Schäden an meinem Schiff beheben
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und dann anschließend nach Spanien segeln. Jetzt ist für meine Männer und mich nur noch wichtig, daß uns kein Engländer aufspürt und zusammenschießt, wir haben noch drei Fässer Pulver, vier Kartuschen und ein paar Kanonenkugeln, mehr nicht. Auch die Wasservorräte gehen zur Neige, die Verpflegung reicht noch für eine Weile. Das ist unsere Situation. Gottlob nimmt die ,San Mateo` vorläufig noch kein Wasser, der Rumpf hat das Bombardement der Engländer ganz gut überstanden, im Gegensatz zur Takelage.“ De Pimental lachte und wies auf das, was einmal die stolzen Masten seines Schiffes gewesen waren. „Ich wußte bis heute gar nicht, daß ein so großes Schiff mit so ein paar Bettlaken zu segeln vermag!“ rief er Medina Sidonia zu und lachte. Aber der General-Kapitän ließ sich nicht täuschen. In Wahrheit hatte de Pimental große Sorgen, die er lediglich vor seinen Männern verbarg. Der erste schwere Sturm mußte der „San Mateo“ zum Verhängnis werden. Es fiel dem General-Kapitän schwer, aber er entsprach der Bitte seines alten Kampfgefährten. „Ich entlasse Sie aus dem Verband, Kapitän de Pimental. Gott mit Ihnen, und wenn es einen Gott der Tapferen gibt, dann werden Sie und Ihre Männer Norwegen auch erreichen.“ Medina Sidonia grüßte, während sein Schiff langsam wieder an Fahrt gewann. Kapitän de Pimental grüßte zurück, dann sackte die „San Mateo“ achteraus. Undeutlich sah Medina Sidonia, wie sie anschließend schwerfällig herumschwang und auf Nordkurs ging. * Auf der „Isabella“ herrschte um diese Zeit Hochbetrieb. Carberry trieb die Männer erbarmungslos an. „Beeilt euch, ihre Bilgenläuse!“ rief er ein paar Seewölfen zu, die seiner Meinung nach nicht schnell genug arbeiteten. „Es ist mal sicher, daß wir in einen gehörigen
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Sturm geraten werden, verrammelt die Niedergänge, lascht alles fest, was über Bord gewaschen werden kann!“ Der Seewolf stand zusammen mit Ben Brighton auf dem Achterkastell. Auch er hob hin und wieder die Nase in den Wind, der gedreht hatte und jetzt mehr und mehr aufbriste. „Ed dürfte recht haben, wir kriegen Sturm“, sagte Hasard zu Ben Brighton. „Das bedeutet für eine Reihe von spanischen Schiffen, die jetzt gerade noch schwimmen, das Ende!“ fügte er hinzu. Er blickte nach Steuerbord. Der Kanonendonner war in den letzten Stunden schwächer und schwächer geworden. Nur noch ganz vereinzelt wurde gekämpft. „Sie haben sich alle verschossen“, sagte Ben Brighton nach einer Weile. „Etlichen Schiffen der Spanier ist es gelungen, auf die offene See auszuweichen, als der Wind drehte. Aber jetzt sitzen ihnen nicht mehr die Engländer im Nacken, sondern der Sturm, und der ist für sie genauso bedrohlich. Da hast du recht.“ Ben Brighton schwieg. Immer wieder schallten die Befehle Ed Carberrys und Smokys über Deck. Ben Brighton dachte an die vergangenen Stunden. Die „Isabella“ hatte an den Kampfhandlungen nicht mehr teilgenommen, sie hatte sich vielmehr am Rande des Geschehens aufgehalten und Beobachterposition eingenommen. Die Seewölfe hatten zusehen müssen, wie auch der Rest der, spanischen Armada von den Engländern mehr und mehr aufgerieben würde. Aber sie hatten auch beobachtet, wie heldenhaft die Spanier sich wehrten, und das hatte tiefen Eindruck bei ihnen hinterlassen. Das war Stunden so gegangen, und erst mit Einsetzen der Abenddämmerung flauten die schweren Gefechte ab. Dann hatten sie beobachtet, wie sich ein Teil der einstigen Armada seewärts absetzte, Schiffe, die kaum mehr so zu nennen waren. Notsegel an Maststümpfen, zerschossene Schanzkleider, notdürftig abgedichtete Lecks an den Rümpfen. Aber sie segelten
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immer noch und versuchten, sich durchzuschlagen. Die „Isabella“ hatte ebenfalls ihren Kurs geändert und war den Schiffen der Armada gefolgt. Dabei hatte der Seewolf immer wieder Ausschau nach der „Le Vengeur“ gehalten, die eigentlich längst hätte zur Stelle sein müssen. Aber weit und breit war von ihr und ihren Männern nichts zu sehen. , Hasard brach das Schweigen. „Ben, wir müssen uns darauf einrichten, daß ein paar Aasgeier den Spaniern folgen. Sie werden sich auf Einzelgänger stürzen, nachdem sie irgendwo an der Küste Munition und Proviant ergänzt haben. Ich werde das nicht in jedem Fall verhindern können, aber was wir in dieser Hinsicht tun können, das werden wir tun. Mir widerstrebt es, daß jetzt auf wehrlose Seeleute geschossen werden soll, die nur noch eins wollen: überleben. Du weißt, daß ich nicht auf Seiten Spaniens stehe, im Gegenteil. Aber die Spanier haben bezahlt, ihr Blutzoll war höher, als irgendjemand von uns voraussehen konnte, und ihre Niederlage katastrophaler, als es sich die englische Flotte je erhofft hat. Deshalb sollte jetzt Schluß sein, endgültig. Man muß auch die Größe haben, einen geschlagenen Gegner ziehen zu lassen, so wie es unser Brauch in all den Jahren gewesen ist.“ Die erste Bö heulte heran, und die ersten Wogen setzten Gischtkämme auf. Die „Isabella“ krängte zur Seite, in der Takelage ächzte das laufende Gut und knarrten die Blöcke. Der Seewolf stützte sich an der Nagelbank des Besanmastes ab, als ein schwerer Roller der „Isabella“ folgte. Am Bug brach sich donnernd eine Woge, der Wind fegte Gischt über die Decks. Rings um die „Isabella“ war es fast dunkel, nur noch Spuren der Abenddämmerung lagen über der See. „Das wird eine schlimme Nacht, Ben“, sagte der Seewolf. „Ich kenne die Nordsee, besonders diese Ecke hier. Gott gnade denen, die jetzt ein Schiff unter den Beinen haben, das sowieso nur noch mit Ach und Krach schwimmt.“
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Ben Brighton nickte. Er war der Erste Offizier der „Isabella“ und Hasards Stellvertreter. Meistens schwieg er. Die beiden Männer kannten sich so lange und hatten schon so viele Kämpfe miteinander bestanden, daß es sowieso keiner überflüssigen Worte zwischen ihnen bedurfte. Trotzdem sagte er jetzt: „Drake wird auch irgendwo hier draußen sein. Ich bin überzeugt davon, daß er nicht aufhört, sondern die Spanier rund um England verfolgen wird. Ar hat ein starkes und schnelles Schiff, und er ist ein Mann, der kein Erbarmen kennt.“ Hasard starrte in die Dunkelheit hinaus. „Ich spüre es: Irgendwann werden Drake und ich einen Zusammenstoß haben, bei dem es dann kein Zurück mehr geben wird. Dann wird eine Entscheidung zwischen ihm und mir fallen müssen. Denn Drake haßt mich, dich, uns alle. Und er haßt uns nur, weil wir zu oft recht hatten, weil unsere Seewölfe um Klassen besser sind als er, weil wir trotz unserer Trennung von ihm Erfolg hatten. Er gönnt uns nicht das Ansehen, das wir neuerdings bei der Königin genießen, und noch weniger gönnt er mir, daß die Königin mich zum Ritter geschlagen hat - in aller Öffentlichkeit an Bord unseres Schiffes. Es wurmt ihn, daß ich ihm ranggleich bin, soweit es meine gesellschaftliche Stellung betrifft, und daß ich jetzt über einen Kaperbrief der Königin verfüge, der selbst ihn, würde ich es von ihm verlangen, zwingen würde, mir jede notwendige Hilfe zu leisten.“ Der Seewolf fuhr sich mit der Hand durch sein im Wind flatterndes Haar. „Er wird bei Hof wieder gegen uns intrigieren, sobald wir England den Rücken kehren. Er wird all seinen Einfluß aufbieten, um uns zu Verrätern zu stempeln, die es mit den Spaniern halten. Es wird manchen Höfling geben, der uns unseren Erfolg ebenfalls neidet, bei dem er ein offenes Ohr findet.“ Ben Brighton sah Hasard verwundert an. Es geschah nur selten, dass Hasard so sprach, also wollte er auf irgendetwas hinaus, von dem der Erste Offizier und
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Bootsmann der „Isabella“ aber noch nicht wußte, was es war. Der Seewolf sah den Gesichtsausdruck Brightons im Schein der Deckslaterne, die am Besanmast hing. „Du fragst dich, auf was ich hinaus will, ich will. es dir sagen, Ben. Gwen, die auch durch diese Schurken um Drake ums Leben kam, hat mir meine beiden Söhne Hasard und Philip hinterlassen. Daß wir sie überhaupt wieder gefunden haben, daß sie noch leben, das grenzt an ein Wunder. Aber sie leben, und ich habe die Verantwortung für sie. Ich wollte sie erst in England lassen, bei unserem Freund Doc Freemont, der sie zur Welt gebracht und Gwen entbunden hat. Ich wollte, daß sie eine gute Schule besuchen, daß sie etwas lernen. Aber je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto klarer wurde mir, daß ich die beiden nicht in England lassen kann. Sie wären neuen Gefährdungen ausgesetzt, die ich im Moment noch gar nicht abschätzen kann. Du und ich, wir alle wissen aus Erfahrung, daß diese verfluchten Intriganten vor. nichts zurückschrecken, auch nicht davor, sich der beiden Kinder zu bemächtigen, um ein Druckmittel gegen mich, gegen uns alle in der Hand zu haben. Einmal ist ihnen das mißlungen, beim nächsten Mal könnte es durchaus glücken. Es bleibt mir also gar nichts anderes übrig, ich muß die beiden an Bord der ‚Isabella’ nehmen. Sie werden unser Handwerk lernen. Und sie werden in dir, in Carberry, in Ferris, in Big Old Shane, in Dan und in all den anderen, die mit uns segeln, die besten Lehrer haben, die es auf dieser Welt gibt“ Wieder legte der Seewolf eine Pause ein, und Ben Brighton spürte genau, daß nun das Entscheidende bevorstand. Denn dies alles, das hatte er geahnt, und es überraschte ihn nicht. „Aber es geht nicht an, daß diese beiden Jungen ganz ohne die Hand einer Frau aufwachsen. Selbst wenn es ginge, ich will das nicht, denn vieles, was ihre Mutter ihnen hätte geben können, kann ich ihnen nicht geben. Deshalb werden wir, wenn dies hier alles vorbei ist, zur
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Schlangeninsel segeln. Dort werde ich Siri Tong bitten, an Bord der ,Isabella` überzuwechseln und mit uns zu segeln. Du weißt, daß Siri Tong mir über viele schwere Stunden hinweggeholfen hat, daß wir uns lieben gelernt haben, trotz aller Schwierigkeiten. Außerdem paßt diese Frau zu uns, sie hat das gleiche wilde Blut in den Adern wie wir, aber sie kann den beiden eine Mutter sein. Ich kann nur hoffen, daß sie einwilligt.“ Ben schluckte. Mit allem hatte er gerechnet, nur damit nicht. Er hatte schon fast geglaubt, Siri Tong wäre für den Seewolf eine Episode gewesen, die mit der Trennung in China ihr natürliches Ende gefunden hatte. „Und der Wikinger? Was wird er dazu sagen? Hast du vergessen, wie lange die beiden jetzt schon miteinander an Bord des Schwarzen Seglers sind? Welche Kämpfe sie gemeinsam miteinander bestanden haben? Mußt du nicht damit rechnen, daß auch zwischen den beiden sich etwas angebahnt haben könnte?“ Der Seewolf schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube es nicht. Thorfin und Siri Tong sind Freunde, so gute, wie es sie auf der Welt sonst kaum noch gibt. Siri Tong hat mir das einmal angedeutet. Die beiden verbindet etwas, über das sie noch nie zu einem Dritten gesprochen haben, auch nicht zu mir. Aber etwas anderes ist da nicht. Siri Tong hat mir in China gesagt, daß sie auf mich warten würde. Irgendwann würden Wir uns auf der Schlangeninsel wiedersehen. Sie ist jetzt auf der Schlangeninsel. Ganz gleich, wie es auch sein mag, ich werde sie fragen, dazu bin ich fest entschlossen. Und ich glaube auch, daß unsere ,Isabella`-Crew damit einverstanden sein wird, auch sie werde ich fragen, so, wie wir es immer gehalten haben. Denn eine Frau könnte auch Unruhe auf unser Schiff bringen, wenn die Männer sie nicht respektieren, weil sie zu mir gehört.“ Ben sagte eine Weile nichts. Der Wind hatte an Stärke zugenommen, die „Isabella“ begann in der harten See zu
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stampfen. Doch dann trat er an Hasard heran und streckte ihm die Hand hin. „Viel Glück“, sagte er. „Meine Unterstützung und Zustimmung hast du. Wie ich unsere Seewölfe kenne, werden sie sie dir nicht verweigern, denn sie alle mögen Siri Tong, und nicht wenige von ihnen haben sie schon schmerzlich vermißt, das weiß ich von Ed, unserem Profos, der immer allen die Haut in Streifen von ihrem Affenarsch abziehen will, in Wirklichkeit aber unter seiner rauhen Schale ein verdammt weiches Herz verbirgt. In ihm wirst du jedenfalls einen. nicht zu unterschätzenden Fürsprecher haben, falls du überhaupt einen brauchen solltest.“ Hasard lachte in die Dunkelheit hinein. Er wußte, wie sehr ausgerechnet der rauhbeinige Carberry Siri Tong verehrte, das hatte schon manch ergötzliche Szene heraufbeschworen. Aber auch von anderen Seiten hatte es an Zuneigung keinesfalls gefehlt. Da war zum Beispiel Will Thorne, der Segelmacher, der ihr eines Tages eine kunstvoll aus bestem Segeltuch genähte Hose überreicht hatte. Da war Bill, der sie wie eine Mutter verehrte und um den sie sich sehr gekümmert hatte, als sie ihn damals an Bord genommen hatten. Da waren Ferris Tucker, Big Old Shane, Smoky, Batuti, der jähzornige Luke Morgan, Matt Davies, der Kutscher und all die anderen, die es nie an kleinen Aufmerksamkeiten hatten fehlen lassen, ohne dabei aber jemals die gebotenen Grenzen zu überschreiten. Nein, Siri Tong war auf der „Isabella“ trotz ihrer anfänglichen Kratzbürstigkeit immer wie ein guter Geist gewesen, er brauchte sicherlich wegen seiner Männer keine Sorgen zu haben. Carberry enterte zum Achterdeck auf. Sein narbiges Gesicht war naß vom Gischt, den der Sturm immer wieder über die Schanzkleider trieb. Der Seewolf sah ihn, und ein Gedanke durchzuckte ihn plötzlich. Im Grunde genommen wußte er nichts über die Vergangenheit dieses Mannes. Nur daß er schon als Junge bei dem damaligen
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Kapitän Hawkins zur See gefahren war, sonst nichts. Und so verhielt es sich auch mit Ferris Tucker, und je mehr er nachdachte, mit vielen anderen ebenfalls. Die Männer erzählten kaum je etwas über ihre Vergangenheit. Es war, als seien sie immer nur Seewölfe gewesen, sonst nichts. „Das wird ein Wetterchen“, sagte Carberry und wischte sich mit dem Ärmel seiner Segeltuchjacke durchs Gesicht. „Da werden viele von den armen Schweinen, die bis jetzt noch so gerade eben überlebt haben, absaufen. Ich habe ein paar Schiffe gesehen, vorhin, als wir dicht an den kämpfenden Resten der Armada vorbeisegelten, die diese Nacht nicht überstehen werden. Man kann für die Kerle nichts tun, absolut gar nichts.“ Carberry hob die Nase und schnüffelte in die Finsternis hinaus. „Das Wetter wird nicht lange anhalten, aber es wird die nächsten Stunden noch an Stärke zunehmen. Ich habe alle Luken und Niedergänge verschalken lassen, alle Geschütze sind festgelascht, die Geschützpforten verkeilt. Aber wir müssen Segel kürzen, lange bleibt uns dazu nicht mehr Zeit.“ Der Seewolf nickte. Er kannte Carberry. Es war geradezu unheimlich manchmal, wie sicher dieser Mann den Verlauf eines Sturmes vorauszusagen vermochte, und nur ganz selten war seine Prognose falsch gewesen. „Laß Segel kürzen, Ed. Doppelte Ausgucks, doppelte Wachen, die See um uns herum ist voll von Schiffen verschiedenster Größen. Wir müssen auf der Hut sein. Schick Dan in den Mast, gib ihm Bill mit, Stenmark soll den Vortopp besetzen. Wenn Dan meckert, dann sag ihm, daß das ein Befehl ist, er hat von uns allen die besten Augen, genau das brauchen wir heute nacht.“ Carberry grinste. „Sagtest du: wenn Dan meckert? Gut, er gehört zum Achterdeck, weil er ein helles Kerlchen ist. Aber zum Teufel, wenn Ed Carberry zu irgendeinem Mann unserer Crew sagt, enter auf in den Mast, dann wird nicht gemeckert, sondern aufgeentert, das solltest du eigentlich
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wissen. Und das gilt für alle, euch beide ausgenommen, ist das klar?“ Der Profos stampfte davon. Die schwere See zwang ihn, dauernd zu balancieren, aber er erreichte den Niedergang, ohne sich irgendwo festhalten zu müssen. Ben Brighton und der, Seewolf grinsten sich an. „Was wäre die ,Isabella` eigentlich ohne unseren Profos?“ fragte Ben Brighton. Der Seewolf grinste zurück. „Nichts, Ben, absolut gar nichts. Ich übernehme die erste Wache, hau du dich aufs Ohr, du übernimmst die zweite. Los, in die Koje mit dir!“ Damit ging er zum Ruderhaus hinüber, wo selbst der bärenstarke Pete Ballie alle Mühe hatte, die „Isabella“ bei dem herrschenden Wetter auf Kurs zu halten. Wortlos griff der Seewolf in die Speichen des Ruderrades, während die Backbordwache aufenterte, um einige der Segel zu bergen. 6. Carberrys Prognose erwies sich als richtig. Der Sturm blies von Stunde zu Stunde stärker. Er peitschte die See auf, Brecher überrollten die Schiffe, die noch vor Stunden glaubten, der Hölle entronnen zu sein. So sehr die Spanier die Sände vor Flanderns Küste gefürchtet hatten, so sehr verzweifelten sie jetzt im Toben dieser entsetzlichen Sturmnacht. Die meisten von ihnen konnten sich kaum mehr auf den Beinen halten, die Männer an den Lenzpumpen brachen vor Erschöpfung zusammen, die notdürftig geflickten Lecks in den Bordwänden rissen wieder auf. Vier Schiffe der spanischen Armada überlebten schon die ersten Stunden des Sturmes nicht mehr. Sie sanken mit ihrer Mannschaft. Drei von ihnen kenterten, weil sie sich quer zur See legten, das vierte lief voll Wasser, wurde schließlich von einer gigantischen See überrollt und tauchte nicht wieder auf. Auch die „El Cid“ hatte einen schweren Stand. Zwar verfügte sie über einen äußerst stabilen und weitgehend auch intakten
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Rumpf, aber ihre Besegelung genügte nicht, um das Schiff im Wind zu halten. Capitan de Diaz und Jean Ribault, der sich noch immer mit sieben Männern der „Le Vengeur“ an Bord des spanischen Zweideckers befand, blieb nichts anderes übrig, als einen selbstgefertigten Treibanker auszubringen. Trotzdem überrollten die Wogen das Schiff, und es wurde vom Sturm durch die entfesselte See getrieben. Ribault und seine sieben Männer, jeder Spanier, der sich überhaupt noch rühren konnte, und Capitan de Diaz schufteten ununterbrochen. Sie kümmerten sich gemeinsam um immer neue Wassereinbrüche, sie laschten die wenigen noch intakten Geschütze - Zwanzigpfünder - fest, sie ersetzten aus den Lieken gerissene Segel in knochenharter Arbeit, sie pflegten die Verwundeten, von denen aber vier die Nacht nicht überstanden. Die „El Cid“ stampfte, rollte, krängte bis zu sechzig Grad, aber sie hielt, sie schwamm trotz alledem. Hin und wieder tauchte die „Le Vengeur“ wie ein Schemen auf, wenn der Mond sein kaltes Licht durch eine Lücke der am Himmel dahinjagenden Wolken warf. Es mußte von Hutten unsägliche Mühe kosten, die „Le Vengeur“ trotz dieses Wetters in der Nähe der „El Cid“ zu halten, aber er schaffte es dank seiner ausgezeichneten Seemannschaft immer wieder, Kontakt zu dem spanischen Zweidecker zu wahren. Capitan de Diaz war der Erschöpfung nahe, als endlich im Osten der Morgen graute. Aber noch hielt der Sturm an. Jean Ribault hatte irgendwo noch eine Flasche Rum entdeckt. Er kämpfte sich mit ihr zum Achterdeck durch und reichte sie dem Capitan. „Nehmen Sie einen kräftigen Schluck, Capitan, Sie werden ihn brauchen. Sobald der Sturm nachläßt, müssen wir den Treibanker einholen und versuchen, wieder Fahrt ins Schiff zu kriegen. Je weiter wir auf See sind, desto besser. Ich rechne damit, daß auch die Engländer wieder auftauchen, wenn die See sich etwas beruhigt hat und sie irgendwo ihre Vorräte
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an Munition und Proviant nebst Wasser ergänzt haben. Dann wird es verdammt ernst, wenn wir uns in der Weite der See nicht unsichtbar machen.“ Der Capitan bekreuzigte sich. Er sagte nichts, weil er wußte, daß es zwecklos war. Wenn ein englisches Schiff sie aufstöberte, das wesentlich stärker war als die „Le Vengeur“, und wenn es sie angriff, dann hatte ihre letzte Stunde geschlagen. .Ribault sah dem Capitan seine Gedanken an. „Sie sollten sich jetzt etwas hinlegen, Senor. Wenn der Sturm abflaut, wecke ich Sie, im Moment können wir nichts mehr tun, als zu warten.“ Capitan de Diaz nickte. Aus entzündeten Augen sah er den Franzosen an. „Ich weiß nicht, wie ich Ihnen je für Ihre Hilfe danken soll, Senor Ribault“, sagte er. „Ohne Sie und Ihre Männer hätten wir in dieser Nacht keine Chance gehabt, nein, sagen Sie nichts, das ist die volle Wahrheit.“ Er schlurfte davon. Ribault sah ihm nach. Es hatte ihm bisher nie etwas ausgemacht, zu kämpfen, er war keinem Gefecht aus dem Weg gegangen, auch wenn er auf einen stärkeren Gegner getroffen war. Aber alles das, was er in dieser Schlacht um die Armada gesehen hatte, an Leid, Blut und Tod, das hatte sogar dem draufgängerischen Franzosen zugesetzt. Er würde dieses Schiff durchbringen, allen Gewalten zum Trotz. Aber es wurde wirklich höchste Zeit, daß sie die „Isabella“ fanden. Doch wo steckte die jetzt? Wohin mochte sie der Sturm verschlagen haben? Ribault verschaffte sich Halt auf dem Achterdeck. Es war etwas heller geworden, und ihm war, als hätten die wilden Bewegungen der „El Cid“ etwas nachgelassen. Sorgfältig musterte er die See. Dann sah er ihn, einen Punkt zunächst, der auf der See auf und ab zu tanzen schien. Achteraus. Immer wieder verschwand er in den Wellentälern, aber stets tauchte er ebenso plötzlich wieder auf.
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Ribault zog sein Spektiv aus der Rocktasche. Es war ein recht gutes Instrument, das er einmal auf einem in der Karibik erbeuteten Schiff gefunden hatte. Er setzte es ans Auge — und dann malte sich für einen Moment Enttäuschung in seinem Gesicht. Er hatte schon gehofft, daß es sich um die „Isabella“ handeln könne, die er entdeckt hatte. Aber die „Isabella“ war dieser Segler dort hinten auf gar keinen Fall. Ribault setzte das Spektiv abermals an. Diesmal behielt er es lange am Auge. „Der Kahn führt Notbesegelung, genau wie wir“, murmelte er. „Allerdings scheint er etwas besser dran zu sein als die ,El Cid`.“ Ribault erkannte nach und nach, daß die Notbesegelung des Schiffes, das sich ihnen von achtern langsam, aber stetig näherte. sehr geschickt und mit viel seemännischem Können angebracht worden war, allerdings waren die Maststümpfe der zweifellos ziemlich großen Galeone auch wesentlich höher als die der „El Cid“. Daß das Schiff ein Spanier war, daran zweifelte Ribault keinen Moment. Er warf einen Blick zur Luvseite des Zweideckers. Auf der „Le Vengeur“ hatte man die heransegelnde Galeone auch entdeckt, und man war eben dabei, den ranken Zweimaster auf Gegenkurs zu bringen. Von Nutten, der auf dem Achterdeck stand, winkte dem Franzosen zu, als die „Le Vengeur“ sich gerade auf einem der Wogenkämme befand. Sich zu verständigen, war bei dem heulenden Sturm unmöglich. Die „Le Vengeur“ fuhr eine Wende. Dabei krängte sie beängstigend weit nach Lee, aber dann nahm sie Fahrt auf, an ihrem Bug brachen sich donnernd die heranrollenden Wogen, und der Gischt übersprühte das ganze Schiff. Für Jean Ribault ein völlig ungewohnter Anblick, sein Schiff im Sturm bei solchen Manövern zu beobachten. Sein seemännisch geschultes Auge erkannte jedoch, wie gut und wie leicht die „Le Vengeur“ auf jeden Ruderdruck reagierte. Ein Umstand, der sicher schon manches
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Gefecht zu ihren Gunsten entschieden hatte. Die „Le Vengeur“ wurde schnell kleiner, dann verschluckte sie ein Wellental, im nächsten Augenblick schien sie jedoch wieder über die See zu tanzen. Ribault wandte sich ab. Er mußte auch noch die anderen Horizonte absuchen, denn soviel war klar: sie befanden sich ganz bestimmt nicht allein in diesem Gebiet der Nordsee. Aber trotz eifriger Suche fand der Franzose nichts. * Etwa zwei Stunden später flaute der Sturm endgültig ab. Die See ging noch hoch, aber das Heulen des Windes hatte aufgehört. Hin und wieder brach sogar die Sonne durch die Wolken und ließ die gischtende Wasserfläche grüngrau aufleuchten. Die heransegelnde Galeone trat größer und größer aus der See hervor. Capitan de Diaz, der sich inzwischen auch wieder auf dem Achterdeck befand, ließ sich von dem Franzosen das Spektiv geben. Auch er blickte lange hindurch, setzte es ab und sah wieder auf die Galeone. Als er es schließlich vom Auge nahm und Ribault zurückreichte, lächelte er ein wenig. „Es ist die ,San Mateo`, eine unserer stärksten Galeonen mit einem unserer erfahrensten und tapfersten Kapitäne, Capitan Don Diego de Pimental.“ Capitan de Diaz schwieg ein paar Minuten und starrte zur „San Mateo“ hinüber. „Er hat es also geschafft!“ stieß er dann hervor, und seine bleichen, eingefallenen Wangen zeigten plötzlich etwas Farbe. „Zuletzt war er in ein wildes Gefecht verwickelt, als ich ihn sah. Anschließend wurden mir die Masten abgeschossen, und die ,El Cid’ fiel mehr und mehr zurück. Ich glaube, es war die ‚Triumph’, das größte und stärkste Schiff der englischen Flotte, mit dem er sich die Schlacht lieferte!“ Ribault schüttelte den Kopf. Auch er starrte zur „San Mateo“ hinüber. „Wissen Sie, daß sich Admiral Sir John Frobisher an Bord der ‚Triumph’
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befindet?“ fragte er. „Daß die ,Triumph` tatsächlich das stärkste und kampfkräftigste Schiff der englischen Flotte ist? Und einem Beschuß aus ihren schweren Kanonen soll die ,San Mateo` standgehalten haben?“ Wieder umspielte ein Lächeln die Lippen des Capitans. „Die ,San Mateo` gehört ebenfalls zu den stärksten Einheiten der Armada. Sie hat eine besonders starke Beplankung, die , auch schweren Kalibern standhält. Bei meiner ,El Cid’ verhält es sich ebenso, denn andernfalls wäre sie längst gesunken. Sehen Sie sich die Bordwände einmal an, Senor, und sagen Sie mir, wie viel Treffer sie dort zählen!“ Immer noch umspielte das Lächeln die Lippen des Capitans. „Auch in Spanien versteht man etwas vom Schiffbau, Senor. Außerdem könnte es doch durchaus sein, daß sich beide Schiffe verschossen hatten. Bedenken Sie, wie viele Stunden ununterbrochen gekämpft worden ist.“ „Wahrscheinlich haben Sie recht, Capitan“, erwiderte Jean Ribault. „Nun, wir werden es bald erfahren, denn die ,San Mateo’ wird in etwa einer Stunde hier sein. Soweit ich sehe, hat meine ,Le Vengeur` sie von unserer Anwesenheit unterrichtet, denn die ,San Mateo’ läuft jetzt geradewegs auf uns zu.“ Ribault hatte sich nicht verschätzt. Nach einer knappen Stunde war die „San Mateo“ heran und verlangsamte ihre Fahrt. Die See erlaubte es sogar, daß ein Beiboot ausgesetzt wurde und Capitan de Pimental an Bord der „El Cid“ enterte. Aus roten, entzündeten Augen sah er sich um. Capitan de Diaz berichtete ihm, was vorgefallen war, wie sie in die Gesellschaft und unter den Schutz der „Le Vengeur“ geraten waren. Capitan de Pimental trat auf den Franzosen zu. „Eine geradezu unglaubliche Geschichte, Monsieur“, sagte er. „Ich könnte es nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde. Ich begreife noch nicht, was Sie und diese Seewölfe für Männer sind, aber ich werde es bestimmt noch herausfinden. Vom Seewolf, den wir
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El Lobo del Mar nennen, habe ich allerdings schon die widersprüchlichsten Sachen gehört, zum Teil sogar von Kapitänen, die ihm und seinen Männern begegnet sind. Aber daß er uns Spaniern nach der Schlacht um die Armada so helfen würde — nein, das hätte ich nie für möglich gehalten. Denn ich dachte immer, daß er einer der schlimmsten Spanienhasser sei, die die Weltmeere befahren. Er hat die spanische Krone durch seine Aktionen in der Neuen Welt schon so manches Mal fast an den Rand der Verzweiflung getrieben. Ich weiß das sehr genau, denn ich habe am Hofe seiner Allerkatholischsten Majestät des öfteren zu tun gehabt, und dort hört man viel.“ Capitan de Pimental streckte Ribault die Rechte hin. „Aber wie dem auch sei, Ihnen gebührt mein Dank, Monsieur. Ich hoffe nur, daß ich den Seewolf auch noch persönlich kennenlerne. Ich möchte gern wissen, wer dieser Mann, der es schafft, ganz Spanien in Angst und Schrecken zu versetzen, der unseren Fallen immer wieder entwischen. konnte, wirklich ist. Ich mochte ihm Auge in Auge gegenüberstehen, dann werde ich wissen, woran ich bei El Lobo del Mar bin!“ Der Capitan ahnte nicht, wie bald ihm sein Wunsch erfüllt werden sollte, allerdings unter Umständen, wie er sie sich nicht einmal in seinen schlimmsten Alpträumen hätte vorstellen können. „Wir werden zusammen segeln“, sagte Capitan de Pimental eine gute Stunde später. Die See hatte sich weiter beruhigt, auch die „El Cid“ konnte wieder Fahrt aufnehmen. „Ich schlage vor, wir steuern Norwegen an. Um England schaffen wir es mit dieser Besegelung und mit den paar Mann einsatzfähiger Besatzung, die uns noch zur Verfügung stehen, ohnehin nicht. Außerdem wird bei mir das Wasser allmählich knapp, die Verwundeten brauchen zuviel, mit Proviant steht es auch nicht besser. Pulver habe ich noch ganze drei Fässer, dazu ein paar Kanonenkugeln
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für meine schweren Geschütze. Nein, da ist nichts zu machen, vielleicht helfen uns die Norweger Weiter.“ Der Vorschlag wurde allgemein akzeptiert, und Capitan de Pimental begab sich an Bord seines Schiffes zurück, nachdem Capitan de Diaz ihm mitgeteilt hatte, daß er auch in keiner viel besseren Lage sei: Ein War Fässer Pulver mehr, vielleicht Mich etwas mehr Proviant und Wasser, was er gern beides mit der „San Mateo“ teilen werde. Nach kurzer Zeit segelten die beiden Schiffe, immer noch begleitet von der „Le Vengeur“, mit Kurs auf Norwegen durch graugrüne See davon. Jean Ribault und seine Männer unternahmen alle Anstrengungen, der „El Cid“ noch zusätzliche Segelfläche zu verschaffen, aber viel erreichten sie damit bei dem schweren Zweidecker nicht. Außerdem spitzten sich die Ereignisse genau in diesen Stunden zu, nur die drei Schiffe, die sich durch die See nach Norden kämpften, merkten nichts davon. 7. Admiral Drake war allerschlechtester Laune. Sie besserte sich auch nicht mit dem Nachlassen des Sturms, im Gegenteil. Erstens hatte der Sturm auch der „Revenge“ schwer zugesetzt. Manches, was man nach den Gefechten gegen die Schiffe der Armada notdürftig wieder zusammengeflickt hatte, war erneut zum Teufel. Der immer noch sehr frisch und böig blasende Wind machte es nahezu unmöglich, die Schäden sofort auf See zu beheben. Außerdem ärgerte sich der Admiral über das Ausbleiben der ihm zugeteilten „Albion“. Gerade jetzt hätte er den schnellen und wendigen Aufklärer gebraucht, um Beuteschiffe aufzuspüren, von denen er genau wußte, daß sie sich ganz in der Nähe befinden mußten. Nur zu sehen waren sie leider nicht. Das ging schon seit Stunden so. Dabei wußte der Admiral genau, daß die Reste der
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spanischen Flotte beim Drehen des Windes nach Norden ausgewichen waren, nur fort von den drohenden Sänden. Also mußte der Sturm, der die ganze Nacht über angehalten hatte, zumindest diejenigen von ihnen, deren Takelage nicht mehr in Takt war, und dazu zählten etliche auch der größeren Einheiten der Armada, in dieses Seegebiet verschlagen haben. Sie mußten, zum Teufel, also auch zu finden sein! Ganz am Rande ärgerte sich der Admiral immer noch maßlos über die Widersetzlichkeit des Kapitäns Huxley. Er kochte geradezu bei dem Gedanken, diesen Kerl nicht sofort festgenommen und nach Kriegsrecht abgeurteilt zu haben. Dunkel stieg dabei die Erinnerung in ihm hoch, daß er damals an der Küste der Neuen Welt Sir Doughty nach einem Bordgericht hatte enthaupten lassen. So verschaffte man sich Respekt beim Schiffsvolk, nur so. Insofern hatte er einen unverzeihlichen Fehler begangen, indem er diesen rebellischen Kapitän einfach gehen ließ und damit Gelegenheit gab, ihm obendrein noch diese dreiste Depesche zu senden. Drake spürte, wie der Zorn ihn aufs neue zu übermannen drohte. Nur mühsam beherrschte er sich. Um sich abzulenken, wandte er seine Aufmerksamkeit den Ausgucks zu. „Fenner!“ befahl er den Kapitän der „Revenge“ zu sich, „ich wünsche, daß die Ausgucks verdoppelt werden. Es müssen sich spanische Schiffe in diesem Seegebiet befinden, ich weiß, daß ich mich nicht irre. Fallen Sie zwei Strich nach Steuerbord ab und überzeugen Sie sich gefälligst, daß das Schiff gefechtsbereit ist. Gefechtsbereitschaft ist hiermit ständig angeordnet, verstanden?“ Kapitän Fenner salutierte. Ohne daß Drake es merkte, warf er ihm einen undefinierbaren Blick zu. Der Admiral wurde ihm von Stunde zu Stunde unheimlicher. Obwohl Fenner nicht katholisch war, bekreuzigte er sich. Es vergingen abermals zwei Stunden, und immer noch wurde von den Ausgucks der „Revenge“ kein Schiff gesichtet. Drakes Laune sank auf den Nullpunkt.
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„Verdammt, beim Satan, sie müssen hier irgendwo sein! Sie können sich nicht in Luft aufgelöst haben!“ Noch einmal überdachte er alles. Die Richtung, aus der der Sturm geweht hatte, die Position, die die Spanier vermutlich hatten, als der Wind drehte, ihre Geschwindigkeit, die sie unter ihren Notsegeln allenfalls gelaufen waren. Er gelangte zum gleichen Ergebnis - die spanischen Schiffe, besonders die mit Nottakelage, mußten sich unweit der „Revenge“ befinden, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Nur ein Faktor war unsicher: Vielleicht waren sie höhere Fahrt gelaufen, als er vermutete. Vielleicht war es den Besatzungen gelungen, die Notsegel besser herzurichten, als er angenommen hatte. Admiral Drake wanderte unruhig auf dem Achterdeck hin und her. Er kochte innerlich. Wieder einmal klappte nichts so, wie er sich das vorgestellt hatte. Am Steuerbordschanzkleid blieb er stehen, unweit von Kapitän Fenner, der Drake tunlichst aus dem Wege ging, soweit das Achterdeck es erlaubte. Noch einmal überdachte Drake alles. Dann wandte er sich plötzlich um. „Fenner, lassen Sie den Kurs ändern. Noch drei Strich nach Steuerbord abfallen. Ich vermute, daß die Spanier genau vor dem Sturm hergelaufen sind, daß sie gar nicht in der Lage waren, anzuluven.“ Fenner salutierte und gab den Befehl sofort ans Deck weiter. Im nächsten Moment schwangen die Rahen herum. Drake nahm seine unruhige Wanderung auf dem Achterdeck wieder auf. Wieder verstrich eine knappe Stunde, aber dann ertönte der Ruf: „Mastspitzen Steuerbord voraus in Sicht!“ Drake blieb ruckartig stehen. Seine Augen funkelten, sein Spitzbart begann zu zucken. „Wir haben sie, Fenner!“ stieß er hervor. „Endlich! Und ich wette, das sind nur die ersten, andere werden wir auch noch finden. Ich hatte also doch recht!“ Triumph blitzte in seinen Augen. „Fenner, entern Sie auf, nehmen Sie das Spektiv. Dann wünsche ich genauen Bericht ...“
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Drake wurde vom Ausguck des Großmastes unterbrochen. „Drei Schiffe Steuerbord voraus. Zwei Galeonen mit Nottakelung, eine Karacke.“ Abermals blieb Drake stehen und runzelte unwillig die Brauen. Drei Schiffe, eins davon möglicherweise noch völlig intakt? Das behagte ihm gar nicht. Er hätte nicht die Absicht, sich in ernsthafte Gefechte verwickeln zu lassen und eventuell selber noch eine der verheerenden Breitseiten aus den schweren Geschützen der Spanier zu kassieren. Hinzu kam auch noch, daß die schweren Geschütze der Spanier oft eine größere Reichweite hatten als seine eigenen. Es wurde jedoch noch schlimmer, denn in diesem Moment meldete sich der Ausguck des Fockmastes. „Galeone an Backbord. Nähert sich unter vollen Segeln den beiden Spaniern und der Karacke,. Sir! Läuft hohe Fahrt!“ Drakes Augenbrauen zogen sich drohend zusammen. Was hatte das zu bedeuten? Was konnten denn das für Schiffe sein? Eigentlich gab es nur eine Möglichkeit: es mußte sich um Engländer handeln, die ihm jetzt die Beute abjagen wollten. Drake entschloß sich schnell. Er würde persönlich aufentern, er mußte wissen, was dort auf See vor sich ging. Kapitän Fenner glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er sah, wie Drake aufs Hauptdeck hinabstieg, schnurstracks auf die Luvwanten des Hauptmastes zumarschierte und aufenterte. Er tat das sogar mit großem Geschick und bewundernswürdig fix. Auch der Ausguck salutierte erschrocken, als Drakes spitzbärtiges Gesicht plötzlich über dem Rand des Hauptmarses erschien. Drake hielt sich nicht mit Formalitäten auf, er schob den Mann kurzerhand zur Seite, zog sein Spektiv aus der Tasche und starrte zu den Schiffen hinüber, die an Steuerbord voraus auf Nordkurs segelten. „Die Karacke ist niemals ein Spanier“, murmelte Drake, und seine Stirn umwölkte sich, denn er spürte, daß dort vorn bei den beiden spanischen Galeonen etwas nicht stimmte. Dabei gehörten gerade sie zu der
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Art Wild, die er jagen wollte. Behindert durch die Nottakelung, viel zu langsam und viel zu schwerfällig einem Segler wie der „Revenge“ gegenüber. Nur auf die Karacke, die merkwürdigerweise überhaupt keine Schäden erkennen ließ, auf die mußte man höllisch aufpassen. Er kannte Schiffe dieser Art, und er wusste... Drake nahm das Spektiv noch einmal vors Auge. Ein entsetzlicher Verdacht keimte in ihm auf. Der Ausguck sah, wie sein Admiral plötzlich die Farbe wechselte und herumkreiselte, um auch das andere Schiff, das sich unter vollen Segeln von Backbord mit schäumender Bugwelle näherte, zu mustern. Drake brauchte nicht lange. Diesen Segler dort kannte er genau — zu genau! „Die ,Isabella`!“ stieß er voller Erbitterung hervor. „Dieser dreimal verfluchte Bastard von einem Seewolf !“ Drake war augenblicklich klar, daß die Karacke dann die „Le Vengeur“ sein mußte, ein kleines, aber in seiner Gefährlichkeit nicht zu unterschätzendes Schiff. Der Admiral spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Da hatte er zwei fette Galeonen gefunden, die ganz nach seinem Geschmack und seinen Plänen waren, mit denen er schnell hätte fertigwerden können. Und jetzt das! Denn daß der Seewolf und dieser verdammte französische Pirat ihm die Beute streitig machen würden, das stand für Drake sofort fest. Auf eine andere Idee verfiel er gar nicht. Er überlegte fieberhaft, was zu tun sei. Ein weiterer Blick auf die „Isabella“ zeigte ihm, daß sie trotz ihrer gefürchteten Schnelligkeit, trotz ihrer überlangen Masten und verbreiterten Rahen nicht vor ihm beiden Galeonen sein konnte. Und wenn sie dem Teufel ein Ohr absegelte, das schaffte sie nicht, seine „Revenge“ würde eher dort sein. Das aber war entscheidend, denn damit konnte er die Beute für sich beanspruchen, niemand durfte sie ihm dann noch wegnehmen. Und der Seewolf sollte sich hüten, ihm auch diesmal wieder in die Quere zu geraten,
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diesmal würde es ernst, das stand für Drake schon in diesem Augenblick fest. Einen Moment huschte sogar ein höhnisches Lächeln über seine Züge. Dieser Seewolf war bestimmt kein Narr. Er kannte seine Grenzen. Die „Revenge“ war stärker, größer, schwerer bewaffnet als die „Isabella“, nein, da konnte sich der Seewolf nichts ausrechnen. Vor allem schon deshalb nicht, weil er es gar nicht wagen würde, ihn, Admiral Drake auf Ihrer Majestät Kriegsgaleone „Revenge“ anzugreifen. Das würde ihn trotz allen Wohlwollens, das er bei der Königin hatte, unweigerlich an den Galgen bringen. Drakes Unmut, sein anfänglicher Schreck, sein Zögern waren wie weggeblasen. Fast leichtfüßig enterte er ab, schritt über das Hauptdeck und stieg zum Achterkastell hoch. „Mister Fenner, lassen Sie alle Segel setzen, die unsere Masten tragen. Wir nehmen Kurs auf die drei Schiffe Steuerbord voraus.“ Fenner gab die Befehle unverzüglich weiter. Dann jedoch wandte er sich an den Admiral, der eben einen triumphierenden Blick in die Richtung warf, in der er die „Isabella“ wußte. „Und das vierte Schiff, ich meine den Segler, der sich uns von Backbord her nähert, was ist das für ein Schiff, wenn ich mir die Frage gestatten darf?“ Drake gab sich großzügig. „Sie dürfen, Mister Fenner. Es ist die ,Isabella` mit diesem Killigrew. Aber diesmal wird er seine Lektion lernen müssen, ob er will oder nicht. Denn er kann nicht vor uns bei den Spaniern sein, und das entscheidet alles.“ Kapitän Fenner klappte vor. Schreck der Unterkiefer herab. Eine Weile starrte er den Admiral an, der sich aber schon wieder abgewandt hatte. und so sein Gesicht nicht sehen konnte. Fenner kannte den Seewolf besser, oder zumindest meinte er zu wissen, daß sich da etwas Böses über der „Revenge“ zusammenbraute. Wenn dieser Teufelskerl es auf die beiden Spanier abgesehen hatte,
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dann würde er sich durch nichts davon abbringen lassen, sie sich zu holen. „Und wenn der Seewolf, ich meine, wenn dieser Killigrew, Sir, wenn er...“ Drake fuhr herum. Seine Augen versprühten Blitze. „Wenn er was, Mister Fenner, dieser Killigrew und sein ganzes Piratengesindel? Nein, schweigen Sie, ich werde Ihnen sagen, was passiert, wenn er sich auch heute wieder meinen Befehlen widersetzt: Ich werde feuern lassen, mit allen Geschützen, die die ,Revenge` hat. Und dann ist dieser Kerl reif für den Galgen, Mister Fenner, dann kriegt er, was ihm schon lange gebührt. Diesmal lasse ich dem Seewolf und seinem ganzen Gesindel nichts mehr durchgehen, darauf können Sie sich verlassen.“ Fenner schwieg. Aber er hatte in diesem Moment durchaus seine eigenen Gedanken. Die „Revenge“ war allein. Der Seewolf aber hatte allem Anschein nach diesen Franzosen mit seiner wendigen, schnellen Karacke bei sich. Sie schienen sich verabredet zu haben. Aber warum, in Teufels Namen, schoß die „Le Vengeur“ nicht längst auf die Spanier? Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Fenner hatte kein gutes Gefühl in der Magengrube, als die „Revenge“ auf den neuen Kurs ging. Doch er schwieg, aus Erfahrung wußte er, daß mit Drake in diesem Moment, wenn die Beutegier in seinen Augen. stand, sowieso nicht mehr zu reden war. Fenner wollte sich abwenden, aber Drake fuhr plötzlich herum und sah ihn an. „Sie sind nicht meiner Ansicht, Fenner, ich sehe Ihnen das an. Glauben Sie etwa im Ernst, daß dieser Killigrew es tatsächlich wagen wird, auf die ,Revenge`, auf einen Admiral der Königin, feuern zu lassen? Glauben Sie das wirklich?“ Kapitän Fenner hob die Schultern. Ihm war in diesem Moment alles egal. „Ich traue dem Seewolf alles zu, einfach alles, Sir. Aber ich hoffe, daß ich mich irre, Sir. Denn anderenfalls hätten wir es mit äußerst gefährlichen, kampferprobten und kampferfahrenen Gegnern zu tun, die noch
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dazu hervorragend aufeinander eingespielt sind. Ein paar Kostproben davon haben wir ja während der Schlacht um die Armada erhalten, Sir.“ Drake wechselte die Farbe. Er dachte wieder an die Demütigungen, die er vom Seewolf und seiner Crew hatte einstecken müssen. „Nun, Mister Fenner, wir werden sehen, wer von uns recht behält. Aber ich schwöre Ihnen., daß der Kerl hängen wird mit seinem ganzen Gesindel, wenn er es diesmal darauf ankommen läßt. Meine Geduld ist zu Ende.“ Drake wandte sich ab. Es war Zeit, daß er das Kommando über die „Revenge“ persönlich übernahm. Diesmal durfte ihm nicht der geringste Fehler unterlaufen. * „Ho, der Kerl beeilt sich aber höllisch, um eher bei den beiden Spaniern zu sein als wir!“ Ed Carberry stand auf der Back der „Isabella“. Neben ihm Smoky, Ferris Tucker, Big Old Shane und Batuti. „Die setzen jeden Fetzen Tuch, und der Wind steht für diese verdammten Aasgeier günstiger als für uns. Sie werden eher da sein als wir!“ Batuti lachte leise. „Ihnen nichts nutzen, Jean Ribault und von Hutten schon da. Sich blutige Nasen holen, wenn Dons angreifen, Batuti sicher“, erwiderte er in seinem fürchterlichen Englisch. Carberry stieß sein Rammkinn vor. „Was meinst du, Ferris, altes Walroß? Ich denke, Hasard wird den Kerlen die Suppe ganz schön versalzen, und ich werde ihnen obendrein noch hineinspucken - und wie, so wahr ich Ed Carberry heiße und Profos der ,Isabella` bin!“ Er spuckte nach Lee aus. Ferris Tucker, der hünenhafte Schiffszimmermann der „Isabella“, packte seine überlange Axt fester. „Ich denke auch, daß Drake sich wieder einmal verrechnet hat, aber er weiß es nur noch nicht. Ich habe vorhin Hasards
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Gesicht gesehen, und das verhieß verdammt nichts Gutes. Ah - paß auf, der Tanz geht schon los! Wir sollten hier nicht dusselig rumstehen, sondern mittun. Los!“ Carberry nickte, dann sprang er von der Back auf das Hauptdeck hinunter. Die anderen folgten ihm. Kommandos schallten über die Decks der „Isabella“, und die Galeone änderte ihren Kurs. Bill, aus dem Mars wieder an Deck kommandiert, blieb bei Carberry stehen. „Wissen Sie, Mister Carberry, was der Seewolf vorhat? Warum ändert die ,Isabella` so stark ihren Kurs?“ Über das narbige Gesicht des Profos huschte ein Grinsen. „Du bist ein schlaues Bürschchen, Bill, daß dir das aufgefallen ist. Ich glaube auch, daß ich weiß, was Hasard vorhat. Warte noch ein Weilchen, der alte Drake wird wieder einmal vor Wut platzen!“ Carberry wollte schon weiter, aber er blieb noch einmal stehen. „Da, sieh dir die ,Le Vengeur` an, mein Junge! Diese Höllenhunde haben bereits begriffen, auf welche Weise der Seewolf die ,Revenge’ in die Zange nehmen will. Es ist unglaublich, aber diese Kerls sind wirklich von der ganz hellen und von der ganz schnellen Sorte!“ Carberry ließ den Moses der „Isabella“ stehen und lief zum Geschützdeck hinüber. Argwöhnisch begann er, die einzelnen Geschütze zu inspizieren. Der Seewolf und Ben Brighton standen auf dem Achterdeck der „Isabella“. Der Seewolf beobachtete aus schmalen Augen die „Revenge“, die jetzt alles Zeug, was ihre Masten trugen, gesetzt hatte und mit weithin sichtbarer Bugwelle durchs Wasser pflügte. Ein großes, stolzes Schiff, das mußte Hasard in diesem Moment eingestehen. Schade war nur, daß es von einem Mann wie Drake befehligt wurde. Ungefähr zwei Stunden nach dem Hellwerden hatten Bill und Dan die beiden Spanier und etwas später auch die „Le Vengeur“ gesichtet. Dann war es ihnen ergangen wie Sir Francis Drake —.fast zu
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spät bemerkten sie die „Revenge“, die genau auf diese drei Schiffe zuhielt. Der Seewolf hatte sich keinen Moment Illusionen hingegeben, diesmal würde ein harter Strauß mit Drake auszufechten sein, wenn sie die beiden Spanier retten wollten. Dazu aber war der Seewolf fest entschlossen, ganz gleich, welchen Einsatz das von ihm forderte. Daß es dabei aber nicht ohne Härten abgehen würde, das war allein schon durch das Prestigedenken des Admirals gegeben. Trotzdem hatte Hasard sich überlegt, zunächst einen Weg zu finden, ohne Waffengewalt sein Ziel zu erreichen. Er wußte, daß es in England und bei Hof neue Schwierigkeiten geben würde, wenn es zum offenen Kampf, zur Seeschlacht zwischen der „Revenge“,der „Isabella“ und der „Le Vengeur“ kam. „Ben, noch etwas mehr Steuerbord, die ,Revenge` ist zu schnell, auf diesem Kurs erwischen wir sie nicht rechtzeitig genug!“ Zu seiner Freude sah der Seewolf, daß man auch auf den beiden spanischen Galeonen reagierte. Auch diese Schiffe änderten ihren Kurs so schnell, wie es die Notbesegelung zu--ließ. Die „San Mateo“ war dabei im Vorteil. Der Seewolf ahnte ja nicht, daß sich Jean Ribault immer noch an Bord der „El Cid“ befand: Drake, das erkannten sie an seiner erneuten Kursänderung, hatte im Gegensatz zu von Hutten auf der „Le Vengeur“ noch nicht erfaßt, um was es dem Seewolf ging. Er war so beutegierig und besessen davon, die beiden Spanier vor seine Geschütze zu kriegen, daß er seine Luvposition ,der „Isabella“ gegenüber verschenkte — einem Mann wie dem Seewolf gegenüber ein unverzeihlicher Fehler, wie sich schnell herausstellen sollte. Durch die Kursänderung verlor die „Revenge“ an Fahrt. Sie mußte an die beiden Spanier jetzt von achtern heransegeln, während die „Le Vengeur“ ihren Kurs total geändert hatte und der „Isabella“ geradewegs entgegensegelte. Drake sah das zwar, aber er durchschaute die Absicht der beiden Schiffe nicht. Mit verkniffenem Gesicht stand er an Deck und
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brüllte alle Augenblicke neue Befehle aufs Hauptdeck hinunter. Genau wie Fenner hatte er plötzlich ein ungutes Gefühl im Magen, denn soviel war ihm bei allem Haß dennoch klar: mit Männern wie dem Seewolf und denen auf der „Le Vengeur“ war keinesfalls zu spaßen. Zu viele Schlachten hatten sie geschlagen, und daß es sie immer noch gab, sogar auf denselben Schiffen, mit denen sie damals England verlassen hatten, das war Beweis genug, daß sie kaum jemals die Verlierer gewesen waren. Unaufhaltsam schob sich die „Isabella“ näher und näher an die „Revenge“ heran. Ihre drei überlangen Masten mit den verbreiterten Rahen ragten wie weiße Türme in den Himmel, an dem die Wolken mehr und mehr aufrissen. Die Spanier erwiesen sich ebenfalls als sehr geschickt. Ständig veränderten sie ihren Kurs, soweit ihre“ Nottakelung das zuließ. Sie zwangen Drake dadurch, auch mit der „Revenge“ wieder und wieder auf einen neuen Kurs zu gehen, und das kostete Fahrt. Zähneknirschend blickte er zur „Isabella“ hinüber. Diese Hunde hatten es doch geschafft, ihn einzuholen, ehe er die Spanier erreichte. Außerdem erkannte er voller Schrecken, daß die „Isabella“ wesentlich schneller lief als seine um vieles größere „Revenge“, von der „Le Vengeur“ des Franzosen Jean Ribault ganz zu schweigen. „Fenner, was haben die Kerle vor? Verdammt, ich lasse feuern, wenn sie zu dicht heransegeln, ich lasse feuern, und wenn ich sie in Grund und Boden schieße. Es ist mir egal, ob dieser Killigrew von der Königin zum Ritter geschlagen wurde!“ Drake war außer sich, er brüllte sich seine ganze Wut aus dem Leib. Die „Isabella“ war heran. Er sah den verhaßten Seewolf auf dem Achterdeck, neben ihm jenen Mann; der einmal sein Profos gewesen war. Schon wollte Drake das Kommando zum Feuern geben, da flogen auch auf der „Isabella“ die Stückpforten auf.
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„Ich würde mir das noch einmal überlegen, Mister Drake, ob ich an Ihrer Stelle feuern lassen würde. Selbst wenn Ihre erste Breitseite voll im Ziel läge, wir hätten noch Zeit, unser chinesisches Feuerwerk loszulassen, und danach gäbe es ihre ,Revenge’ nicht mehr, das verspreche ich Ihnen. Erinnern Sie sich an Cadiz!“ Drake erinnerte sich. In ohnmächtiger Wut knirschte er mit den Zähnen. „Killigrew, verschwinden Sie! Die beiden Spanier sind meine Beute. Ich werde Sie zu den Fischen schicken, haben Sie mich verstanden? Sie werden mich daran nicht hindern, und wenn Sie es wagen sollten, mich, den Admiral auf Ihrer Majestät Kriegsgaleone ,Revenge’, anzugreifen, dann sind Sie ein Meuterer, den ich hängen lassen werde mit allen Männern, die sich bei ihm an Bord seines Schiffes befinden. Es ist mein Ernst, Mister Killigrew, mein voller Ernst, ich warne Sie hiermit zum allerletzten mal! Verschwinden Sie, die beiden Spanier gehen Sie nichts mehr an, ich handele hier im Auftrag Ihrer Majestät der Königin von England.“ Carberry kriegte einen Lachanfall. Er brauchte einige Minuten, bis er sich wieder beruhigt hatte. Dann aber dröhnte sein gewaltiges Organ zur „Revenge“ hinüber. „Ihre Drohungen, Mister Drake, scheren uns einen Dreck. Sie waren noch nie der Mann, der uns hätte hängen können, und Sie werden auch nie der Mann sein. Sie können vielleicht ein Bordgericht abhalten, wenn man ihnen den Beschuldigten vor den Richtertisch liefert, Sie können den Verurteilten dann sogar vielleicht enthaupten lassen, wenn ein anderer die Dreckarbeit für Sie tut. Aber Seewölfe hängen lassen, genau das, Mister Drake, das schaffen Sie nicht.“ Carberry lachte abermals dröhnend, so makaber die Erinnerung an jenes Bordgericht auf Drakes Flaggschiff, das mit der Enthauptung Sir Doughtys geendet hatte, auch war. Aber dann trat er wieder ans Schanzkleid, und als der Seewolf ihn daran hindern wollte, kümmerte sich, Carberry nicht darum.
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„Damit Sie größenwahnsinniger Ochsenfrosch es endlich einmal begreifen, Mister Drake: Wenn der Seewolf Ihnen jetzt den Kaperbrief verlesen würde, den die Königin ihm ausgestellt hat, dann wären Sie der ,Isabella` zu jeder Hilfeleistung verpflichtet, die immer sie von Ihnen benötigen würde. Aber uns ist dieses Pergament zu schade, zu sauer erkämpft, als daß wir es jetzt mit solchen Mätzchen besudeln möchten. Nehmen Sie jedoch zur Kenntnis, Mister Drake: Die Spanier sind unsere Schützlinge. An Bord der beiden Schiffe befinden sich Gerettete, Verwundete, Geschlagene. Diese Männer werden nach Hause zurücksegeln, wenn es sein muß, unter unserem Geleit. Der Kampf ist vorbei, und Aasgeiern wie Ihnen, die immer weiter und weiter morden wollen, werden wir die Schwingen stutzen. Lassen Sie die Hände von den Spaniern, segeln Sie nach England zurück und feiern Sie mit Ihresgleichen den großen Sieg. Aber vergessen Sie nicht, daß es auf beiden Seiten viele Tapfere gab, Männer, die für Ihr Land kämpften und nicht den Tod scheuten. Sie haben sich während der ganzen Schlacht um die Armada immer nur an Wehrlose herangepirscht und sie dann zusammengeschossen, aber nicht einmal das haben Sie in jedem Fall geschafft. Das, verehrter Admiral, ist das, was ich von Ihnen zu sagen wüßte, wenn man mich fragte.“ Carberry holte tief Luft. Rings um sich herum sah er die grinsenden Gesichter seiner Gefährten. „Mann, Ed, du brüllst heute, als ob dich die Dons auf ihren Kästen noch verstehen seilten!“ sagte Pete Ballie, der am Ruder stand und die „Revenge“ keinen Moment aus den Augen ließ. Carberry nickte, und als Hasard ihn zur Seite ziehen wollte, wehrte er die Hand des Seewolfs ab. „Einen Moment noch, Sir, ich bin noch nicht fertig. Ich habe mich schon verdammt lange darauf gefreut, diesem Kerl da drüben mal Saures zu geben. Außerdem lenkt ihn das ab. Und wenn er bemerkt, was wir wirklich im Schilde
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führen, dann hat er den Zeitpunkt zu einer Gegenmaßnahme bereits verpaßt und wir haben gewonnen. Also!“ Das stimmte tatsächlich. Drake starrte kreidebleich ob der Ungeheuerlichkeiten, die sein einstiger Profos ihm an den Schädel geworfen hatte, zur „Isabella“, unfähig, auch nur ein Glied zu rühren. Carberry holte abermals tief Luft. „Wissen Sie eigentlich, Mister Drake“, und er ließ das „Sir“ und den Titel mit Genuß weg, „daß diese beiden Schiffe dort, die Sie mit Ihren Kanonen zusammenschießen wollen, so gut wie wehrlos sind? Daß diese Schiffe Verwundete an Bord haben, die um ihr Leben kämpfen? Daß sie kaum noch über Wasser verfügen und fast keinen Proviant mehr haben? Von Pulver oder irgendwelcher Munition ganz zu schweigen, denn die haben sie ja in der Schlacht, im ständigen Gefecht von Schiff zu Schiff verschossen. Nicht einmal die ‚Triumph’ des Admirals Frobisher hat es geschafft, die ,San Mateo` zu versenken. Und als französische Marodeure und Leichenfledderer die ,El Cid’ überfielen, um Beute zu reißen, hat sich der tapfere Capitan de Diaz mit ein paar Mann so lange gegen eine erdrückende Übermacht zur Wehr gesetzt, bis wir zur Stelle waren und ihn und seine Leute heraushauen konnten. Denn das, Mister Drake, unterscheidet jeden Seewolf ganz grundsätzlich von Ihresgleichen: Wenn ein Gegner besiegt ist, dann vernichten wir ihn nicht, sondern versuchen, ihm zu helfen. Denn der Kampf ist vorbei. Und diese Männer wollen Sie jetzt einfach umbringen, zusammenkartätschen, statt sie endlich ziehen zu lassen? Die Spanier haben für ihren überfall auf England viel blutiger bezahlt, als irgendeiner von uns das je vorausgesehen hätte, Mister Drake. Aber Sie, Sie kriegen den Hals ja nicht voll genug, wenn es darum geht, über Wehrlose herzufallen. So, das wollte ich Ihnen schon lange sagen, ich bin fertig mit Ihnen, endgültig fertig.“ Carberry atmete aus und wischte sich den Schweiß von der narbigen Stirn. Und in diesem Moment geschah es.
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Drake, außer sich vor Zorn, entriß einem Seesoldaten die Muskete, legte an und feuerte. Die Kugel verfehlte den überraschten Carberry nur ganz knapp. Als ob das ein Signal gewesen sei, feuerte die „Le Vengeur“ einen wahren Hagel von Blei und Eisen aus einer ihrer Drehbassen in die Takelage der „Revenge“. Ein paar der Segel zerbarsten knallend unter dem Wind, der auf sie drückte, eine Stenge schlug schwer an Deck, und Drake tobte wie ein Besessener. Aber als er anluven wollte, begannen plötzlich seine Segel zu killen. Die „Isabella“ hatte sich in Luv neben die „Revenge“ geschoben und nahm ihr auf diese Weise buchstäblich den Wind aus den Segeln. Drake drehten sich rote Ringe vor den Augen. Das konnte doch nicht wahr sein, diese verdammten Piraten hatten ihn nicht nur vor seiner gesamten Mannschaft tödlich beleidigt, sondern sie gaben ihn auch noch der Lächerlichkeit preis. In diesem Moment drehte Drake durch. Feuern konnte er nicht mehr, die Chance war verpaßt, denn die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ würden schneller reagieren, das hatte die „Le Vengeur“ bewiesen. Außerdem hatte Drake genug über die siebzehnpfündigen Culverinen der „Isabella“ mit den überlangen Läufen gehört und auch von den Männern, die sie bedienten. Nein, er riskierte dabei sogar, daß sie seine „Revenge“ schon mit der ersten Breitseite in die Luft bliesen, genauso, wie es in der Schlacht gegen die Armada dem einen Spanier gegangen war, und Drake dachte noch mit Grauen daran. Er hatte noch Fahrt genug im Schiff, er mußte etwas ganz anderes tun - das, womit seine viel größere und schwerere „Revenge“ den besten Erfolg erzielen würde. Er mußte die „Isabella“ rammen. Ganz überraschend, so daß sie nicht mehr auszuweichen vermochte. Anschließend würde er entern, und auch da hatte er mit seiner zahlenmäßig stärkeren Besatzung, mit seiner Hundertschaft von gut bewaffneten und geschulten Seesoldaten
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den Vorteil auf seiner Seite. Der Seewolf sollte an diesen Tag noch lange denken, und dieser unverschämte Carberry ebenfalls. Das alles ging Drake blitzartig durch den Kopf. Seine „Revenge“ lief noch immer hohe Fahrt, sein Vorhaben war also durchführbar. Drake bewegte sich unauffällig zum Rudergänger hinüber, dabei ließ er die „Isabella“ nicht aus den Augen. Eiskalt wartete er, bis sie nach seiner Meinung die günstigste Position erreicht hatte, dann gab er den Befehl. „Ruder hart Backbord!“ brüllte er. Kapitän Fenner fuhr herum. „Sir, das ...“ Drake zog seinen Degen. „Ruder hart Backbord!“ wiederholte er, und diesmal begriff Kapitän Fenner, daß es sich um keinen Irrtum, um kein Mißverständnis, sondern um einen Befehl Admiral Drakes handelte, den dieser durchsetzen würde, mit jedem Mittel. Fenner stürzte zum Rudergänger, aber der hatte bereits reagiert, die „Revenge“ schwang herum. * Der Seewolf fragte sich gerade noch, wie es jetzt weitergehen solle. Es hatte keinen Zweck, sich mit Drake stundenlange Schimpfkanonaden zu liefern, es mußte eine Entscheidung herbeigeführt werden, so oder so. Seine Position war gut, die Segel der ,.Revenge“ killten mehr und mehr. Er warf einen Blick zu Drake hinüber, und dabei schoß es dem Seewolf durch den Kopf, daß er es schon früher, sogar schon an der Küste der Neuen Welt gespürt hatte, daß der Tag einer solchen Auseinandersetzung einmal über sie hereinbrechen würde. „Ben, wir sollten jetzt ...“ Der laute Schrei Dan O’Flynns riß ihm das Wort ab. „Achtung, dieser Kerl will uns rammen! Ruder hart ...“ Der Rest ging im Wutgeschrei der Seewölfe unter. Denn tatsächlich, die schwere „Revenge“ schwang herum,
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unheimlich schnell reagierte sie auf das Ruder. Dadurch füllten sich auch ihre Segel plötzlich wieder mit Wind. Der hohe Bug mit dem starken Vorderkastell rauschte auf die „Isabella“ zu. Es war nicht nötig, daß irgendjemand ein Kommando gab. Pete Ballie am Ruder wußte auch so, was er zu tun hatte. Daß Ben Brighton blitzschnell zu ihm ans Ruder sprang und in die Speichen griff, registrierte er nur am Rande. Denn soviel stand fest: Schwang die „Isabella“ jetzt nicht schnell genug herum, um den völlig überraschenden Rammstoß der „Revenge“ noch auszuweichen, dann gab es Kleinholz. Und diesmal hatte die „Revenge“ von Drake die weitaus besseren Chancen. Die Seewölfe hielten den Atem an. Sie begriffen, was Drake plante und rissen ihre Entermesser heraus, um sich ihrer Haut zu wehren. Schon sahen sie die Hundertschaft von Seesoldaten, die sich zum Entern bereitstellte. Die Soldaten hingen in den Wanten, drängten sich auf der Back, klammerten sich an die Schanzkleider, um bei dem Stoß, bei dem Krachen und Bersten, mit dem sich die beiden Schiffe gleich ineinander verkeilen würden, nicht an Deck geschleudert zu werden. Der Seewolf behielt klaren Kopf. Er erkannte ebenfalls die riesige Gefahr. Die „Isabella“ war zwar aus allerbestem Holz und von einem Meister erbaut worden, der sein Fach verstand. Aber wenn die „Revenge“ sie mittschiffs erwischte — wie es jetzt aussah, dann war die „Isabella“ verloren. Sie könnte sogar kentern, wenn es schlecht ging, zumindest aber würde ihr Rumpf eingedrückt werden, Wasser würde durch das riesige Leck eindringen, und sie würde sinken. Sehr schnell vielleicht, Hasard und seine Männer hatten es oft genug erlebt, wie schnell Schiffe von der Wasseroberfläche verschwanden, wenn die Lecks groß genug waren. „Achtung, Männer, wenn sie uns erwischen, dann werden wir kämpfen. Dann soll dieser heimtückische Hundesohn
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uns kennenlernen. Vergeßt nicht, Jean Ribault und von Hutten und ihre ,Le Vengeur` sind auch noch da! Ar-we-nack!“ Der Seewolf stieß den alten Schlachtruf aus, seine Männer fielen ein. Wie Donnerhall brauste der Ruf über das Wasser zur heransegelnden „Revenge“ hinüber. Drake zuckte zusammen. Seine Augen blickten starr auf die Szene, die sich an Bord der „Isabella“ vor seinen Augen abspielte. Soviel Wildheit, soviel tödliche Entschlossenheit und soviel Haß war ihm in seinem ganzen Leben noch nie von einem anderen Schiff entgegengeschlagen. Er sah, wie Batuti seinen entsetzlichen Morgenstern schwang und mit einem Satz auf das Schanzkleid der „Isabella“ sprang, seine Linke in die Wanten gekrallt, bereit zum Sprung auf die „Revenge“. Hinter ihm die anderen. Ferris Tucker, der seine blitzende Axt in der Rechten hielt wie ein Spielzeug, Matt Davies und Jeff Bowie, die ihre Hakenprothesen dem Gegner mit einer Wildheit entgegenschwangen, die Drake fast das Blut in den Adern gerinnen ließ.. Carberry hatte sich einen Belegnagel aus der Nagelbank gerissen, in der anderen blitzte das lange Entermesser. „Nur her mit dir, du verfluchter Leuteschinder!“ schrie er außer sich vor Wut: „Ich werde dir schon zeigen, was wir mit Kerlen wie euch anstellen. Da nutzen dir auch deine dressierten Lackaffen nichts, die vernaschen wir als Vorspeise, Drake!“ So laut hatte noch nie jemand an Bord der „Isabella“ den Profos brüllen hören, selbst die Seewölfe zuckten zusammen, als er Drakes Männern jetzt seinen Lieblingsspruch entgegendonnerte. Es war, als ob die ganze „Isabella“ bis ins Kielschwein erbebte. Auch Hasard hatte seinen Degen gezogen, in der anderen hielt er seine doppelläufige Radschloßpistole. Auch der Seewolf war entschlossen, diesen Kampf bis zum bitteren Ende durchzustehen, wenn es sein mußte, bis zum letzten Mann.
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Doch dann geschah das Wunder. Die „Isabella“ schwang herum, Wind füllte ihre Segel, um die sich in diesem kritischen Moment niemand mehr gekümmert hatte. Der Seewolf kniff die Augen zusammen, und auch die Seewölfe hielten den Atem an. Es würde knapp hergehen, verdammt knapp sogar. Der Seewolf begriff als erster, daß sie es schaffen würden. Er sah es vom Achterdeck aus, von dort hatte er den besten Überblick. Big Old Shane, der hinter einer der Drehbassen stand, um im richtigen Moment zu feuern, stieß erleichtert die Luft aus. Aber plötzlich sah er den Seewolf über das Deck rasen. Innerhalb von Sekunden hatte Hasard das Geschützdeck erreicht. Er winkte Ferris Tucker zu sich, und der begriff so schnell wie Big Old Shane. Auf der „Revenge“ ertönte Wutgebrüll, als sich die beiden Schiffe nur um ein paar Yards verfehlten. Die Blinde der „Revenge“ blieb am Achterkastell der „Isabella“ hängen, verfing sich und riß ab. Die „Revenge“ glitt schräg hinter der „Isabella“ durch die graugrüne See, einige der Seesoldaten feuerten in wildem Zorn ihre Musketen ab, und die Kugeln schlugen irgendwo ins dicke Holz der Schanzkleider oder in die Decksplanken. Drake starrte blaß und verkrampft zu dem Gegner hinüber, der ihm wieder einmal um Haaresbreite entwischt war. Nicht einmal feuern konnte er in diesem Moment, weil der Winkel, unter dem die „Revenge“ das Heck der „Isabella“ passierte, zu spitz war. Trotzdem packte ihn die Wut. Er gab mit der Hand ein Zeichen, Carberry sah das und brüllte im selben Moment Deckung. Die Seewölfe tauchten weg, wie ein Spuk waren sie verschwunden, als sich die Drehbasse auf dem Achterkastell der „Revenge“ donnernd entlud und in einem langen Feuerstrahl Blei und Eisen aufs Deck und in die Schanzkleider der „Isabella“ jagte. Dann geschah jedoch noch etwas, niemand hatte damit gerechnet. Die „Revenge“ war vorbei. Ihr gewaltiges Heck schor genau in
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das Blickfeld, das der Seewolf und Ferris Tucker durch die Stückpforte hatten, hinter der sich die Culverine befand, die jetzt die beiden Männer eilends auf das Heck der „Revenge` richteten. Sie verloren kein Wort dabei. Al Conroy sprang auch noch hinzu und half ihnen beim Ausrichten. Hasard wartete, bis die „Revenge’ die richtige Position erreicht hatte. „Feuer“, sagte er dann leise, und Ferris Tucker hielt die Lunte ans Pulver. Die Culverine entlud sich donnernd. Eine dicke Wolke von weißlichem Pulverqualm wälzte sich über die See. Ein Bersten und Krachen erfüllte wenige Augenblicke später die Luft. Bei der „Revenge“ wirbelten Trümmer hoch, vielstimmiges Geschrei ertönte, während das große Schiff bereits aus dem Ruder lief. Als der Pulverqualm sich verzogen hatte, sahen die Seewölfe, wohin Hasard geschossen hatte. Die „Revenge“ hatte kein Ruder mehr. Wo es gesessen hatte, klaffte ein tiefes Loch. Zerborstene Planken, zerfetzte und verbogene Ruderscharniere, das war alles, was vom Ruder der stolzen „Revenge des Admirals noch übrig geblieben war. Auf der „Isabella“ führten die Männer an Deck einen Freudentanz auf, sie jubelten dem Seewolf zu, allen voran Batuti, der seinen Morgenstern schwang und wirklich zum Fürchten aussah. Jawohl, das war der Seewolf, für den sie durch tausend Höllen gingen, mit dem sie dem Teufel ein Ohr absegelten, wenn er es so haben wollte. Der alte Schlachtruf „Arwenack“ brandete zum zweiten Male über das Wasser. Auf der „Revenge“ ließ er die Ohren eines total verstörten Admirals erdröhnen, der eben auf die Achtergalerie seines Schiffes stürmte und sich besah, was die Seewölfe ihm diesmal angetan hatten. Drake stöhnte auf. Es blieb ihm keine andere Möglichkeit, als zu ankern und zu versuchen, durch die Schiffszimmerleute ein Notruder anbringen zu lassen. Aber das würde lange dauern, denn das war eine sehr schwierige Arbeit, bei der es noch
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fraglich war, ob sie überhaupt mit Bordmitteln bewerkstelligt werden konnte. Drake richtete sich auf. Aus blutunterlaufenen Augen starrte er den beiden Schiffen nach, die bereits Kurs auf die beiden Spanier genommen hatten. Ihm schien das eine neue und noch teuflischere Art der Mißachtung seiner Person zu sein, als wenn sie zurückgekehrt wären und ihn, den jetzt Wehrlosen, verhöhnt hätten. Schweratmend stützte sich Drake. auf die Balustrade der Heckgalerie. „Die Stunde, in der wir miteinander abrechnen werden, ist nahe, Seewolf. Ich spüre das, hier drinnen spüre ich es. Und wenn es soweit sein wird, dann werde ich kein Erbarmen kennen. Du oder ich, Seewolf, beide haben wir auf dieser Welt keinen Platz mehr!“ Drake schlurfte zurück in seine luxuriös eingerichtete Admiralskammer. Was er sonst zutiefst verabscheute, jetzt tat er es selber. Er nahm eine Flasche Rum aus einem Spind und setzte sie an die Lippen. Dann trank er in langen Zügen. Als die „Revenge“ längst Anker geworfen hatte, erschien er wieder an Deck. Aber seine Augen irrten umher. Sie nahmen kaum noch etwas wahr. So fand ihn Kapitän Fenner. Er sagte nichts, aber er begriff, daß hier ein Geschlagener vor ihm stand, dem im Moment nichts und niemand mehr zu helfen vermochte. So begann Fenner allein in zäher und verbissener Arbeit alles Nötige vorzubereiten. Doch so sehr ihn die Niederlage Drakes auch erschütterte, sein totaler Zusammenbruch — so sehr freute er sich im stillen darüber, daß ihnen allen ein entsetzliches Massaker buchstäblich in allerletzter Sekunde erspart geblieben war. 8. Die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ hatten die beiden Spanier schon bald eingeholt. Hasard enterte auf die „El Cid“ über, auch Capitan de Pimental ließ sich zur „El Cid“ hinüberrudern. Gemeinsam mit Jean Ribault und von Hutten, der
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ebenfalls, wenn auch erst etwas später, mit von der Partie war, besprachen sie alle notwendigen Maßnahmen. „Ich halte es für richtig, daß sie nach Norwegen segeln, wenigstens zunächst. Den Weg um England nach Spanien schaffen Sie in diesem Zustand nicht. Wir werden sie noch solange begleiten, bis wir sicher sein können, daß Sie sich in Sicherheit befinden. De Pimental streckte dem Seewolf die Hand hin, wie es vorher schon Capitan de Diaz getan hatte. „Wir sind Gegner gewesen, Sir Hasard“, sagte der Spanier. „Aber ich glaube, daß wir von nun an Freunde sein werden. Gebe Gott, daß wir uns nie wieder in einer Schlacht wie dieser begegnen müssen.“ Der Seewolf ergriff die dargebotene Rechte, Ribault und von Hutten ebenfalls. Dann begannen die notwendigen Arbeiten. Wasser und Proviant, soweit die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ sie entbehren konnten, wurden an Bord der beiden spanischen Zweidecker gemannt. Der Kutscher, der sich aus den Männern der „Isabella“ Gehilfen ausgesucht hatte, unter ihnen Bill, hatte alle Hände voll zu tun, um die Verwundeten zu verarzten und zu verbinden. Medikamente und Verbandszeug, soweit entbehrlich, ließ er sowohl auf der „El Cid“ als auch auf der „San Mateo“ zurück. Außerdem wies er auf jedem der Schiffe ein paar Männer an, die die Verwundeten pflegen sollten. Ferris Tucker arbeitete mit einem Kommando von Seewölfen angestrengt daran, die Nottakelage zu verbessern. Besonders auf der „El Cid“ war das notwendig, denn durch die wenige Fahrt, die sie zu laufen imstande war, behinderte sie das Vorwärtskommen des gesamten Verbandes. Es wurde hart gearbeitet, aber schließlich war es geschafft. Die zwei Tage, während der sie sich in langsamer Marschfahrt stetig weiter nach Norden bewegt hatten, verliefen ohne jeden Zwischenfall. Erst am Morgen des dritten Tages tauchte ganz überraschend ein englisches Schiff an der Kimm auf. Es segelte schnell, und als
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es den Verband aus vier Schiffen bemerkte, luvte es sofort an. Der Seewolf zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen. Je öfter er sich. die kleine Galeone durch sein Glas besah, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, daß es sich bei diesem schnellen und wendigen Schiff womöglich um einen Fühlungshalter oder Aufklärer handeln müsse, der ihnen dann andere, größere Einheiten auf den Hals schicken würde, zumal der Fremde sich offenbar nicht so recht traute, näher heranzusegeln, sondern sich abwartend und beobachtend auf Parallelkurs hielt. Erst gegen Mittag änderte die Galeone ihr Verhalten. Sie luvte plötzlich an und wuchs höher und höher aus der grüngrauen See empor. Das war die Stunde, in der Jean Ribault einen sehr unfeinen Fluch ausstieß. „Bei Gott, die ,Albion`!“ stieß er betroffen hervor. „Die hat uns gerade noch gefehlt!“ Capitan de Diaz starrte das ranke, schlanke Schiff genauso verbiestert an. „Was kann der von uns wollen? So verrückt, mit der ,Isabella` und der ,Le Vengeur` anzubinden, wird er doch nicht sein!“ Nach einer weiteren halben Stunde war die „Albion“ heran. Deutlich erkannten die Männer auf den Schiffen des Verbandes, daß auf dem Deck der Galeone Männer lagen, zum Teil mit dicken Verbänden versehen. Ribault und Capitan de Diaz erkannten Captain Harris, und der winkte ihnen zu. Der Verband verlangsamte seine Fahrt, denn Harris hatte signalisiert, daß er an Bord der „El Cid“ zu kommen wünsche. Nach kurzer Beratung stimmten Ribault und Capitan de Diaz zu. Eine knappe Viertelstunde später stand ihnen der junge Captain gegenüber, und auch der Seewolf war an Bord der „El Cid“ geentert. Ribault stellte die beiden Männer einander vor. Um die Lippen des Seewolfs spielte ein kaum wahrnehmbares Lächeln, als er sagte: „Ich habe von Ihnen gehört, Captain.
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Und was verschafft uns jetzt die Ehre Ihres Besuches?“ „Das ist in wenigen Worten erklärt, auch wenn Sie vielleicht verwundert sein werden.“ Er warf Ribault und Capitan de Diaz einen raschen Blick zu. „Ich stieß auf ein sinkendes spanisches Schiff, auf die ,Don Fernandez`. Vielleicht hätte sie sich über Wasser halten können, aber ihre Männer waren zu erschöpft, um die Lenzpumpen weiter zu bedienen. Der Sturm hatte viel Wasser ins Schiff geschlagen. Ich überlegte nicht lange, sondern nahm die Schiffbrüchigen an Bord. Sie sind in keiner sehr guten Verfassung. Meine Bitte: Nehmen Sie sie mir ab, die Gründe muß ich Ihnen nach allem Vorgefallenen nicht erst lange erläutern. In England, in den Kerkern, hätten diese Männer keine Chance.“ Eine Weile herrschte Schweigen an Bord der „El Cid“. Dann reichte Capitan de Diaz dem jungen Engländer die Hand. „Ich danke Ihnen, Senor. Selbstverständlich werden wir unsere Landsleute übernehmen. Ich schlage vor, daß wir sie auf die ,El Cid’ und die ,San Mateo` verteilen.“ Auch der Seewolf reichte dem Engländer die Hand. Dann zog er ihn zur Seite. „Sie sollten anschließend südwärts segeln. Ich weiß die genaue Position nicht, dazu blieb keine Zeit. Aber dort irgendwo werden Sie die ,Revenge` Admiral Drakes finden. Soweit ich weiß, hat sie einen schweren Ruderschaden erlitten. Nur wird es besser für Sie sein, Drake nicht wissen zu lassen, wer Sie schickt.“ Der Seewolf nickte dem Engländer zu. Ein undefinierbarer Blick traf ihn aus den noch jungen Augen des englischen Kommandanten. „Aye, aye Sir, ich werde mich um die ,Revenge` kümmern“, erwiderte er und salutierte. * Eine knappe Stunde später, als die Verwundeten und Schiffbrüchigen von der „El Cid“ und der „San Mateo“
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übernommen worden waren, segelte der Verband mit Kurs auf Norwegen weiter. Ed Carberry hatte es sich auf einer Taurolle auf dem Vorderkastell der „Isabella“ bequem gemacht. Hin und wieder nahm er einen Schluck aus einer Rumbuddel. Ferris Tucker und Smoky, die unweit von ihm in der Sonne saßen und sich von ihr das Fell wärmen ließen, grinsten. Ferris Tucker schob sich näher an den Profos heran. „Eigentlich fehlt hier nur noch einer in der Runde, Ed“, sagte er, und in seinen Augenwinkeln saß bereits der Schalk. „So, wer denn?“ brummte der Profos nach einem mächtigen Schluck. „Wenn er euch fehlt, dann holt ihn doch her, zum Teufel!“ „Das ist aber nicht so ganz einfach, Ed“, wandte Smoky ein, der wußte, auf was der Schiffszimmermann hinaus wollte. „Nicht einfach? Also dann holt der alte Carberry ihn eben selber, will doch mal sehen, ob es einen an Bord der ,Isabella` gibt, der sich von mir nicht zum Saufen einladen läßt. Also, wer ist es, Ihr Rübenschweine?“ „Der ehrenwerte Sir Francis Drake...“ Carberry verschluckte sich, sein Narbengesicht verfinsterte sich, und mit einem Ruck stellte er die Rumbuddel auf die Planken des Vorderkastells. „Drake? Was, wie? Ihr Bilgenläuse wollt mich wohl zum Narren halten, warum sollte mir ausgerechnet dieser Dreckskerl beim Saufen fehlen?“ Tucker grinste niederträchtig. „Weil du, wenn du so weitersäufst, bald ein Opfer brauchst. Und dafür wäre der Kerl doch wohl goldrichtig, oder etwa nicht?“ Carberry starrte Ferris Tucker an. Dann ging ihm ein Licht auf. „Ho, und ob der richtig wäre, Ferris!“ grölte er und griff nach der Rumbuddel. „Aber nein, so einen Kerl will ich nicht an Bord unserer ,Isabella` haben, nicht einmal, wenn ich total besoffen bin.“ Er sah die beiden plötzlich aus schmalen Augen an. Alle Trunkenheit war von ihm abgefallen.
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„Wißt ihr beiden eigentlich, wie knapp das war? Aber ich kenne diesen Drake, der sinnt jetzt auf Rache. Irgendwo, bevor wir England wieder verlassen, lauert er uns auf. Wir sollten verdammt auf der Hut sein, denn dieser Drake war noch nie ein Mann, der eine Niederlage hinzunehmen
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weiß. Männer, ich sage euch, wir sollten uns vorsehen!“ Carberry erhob sich. Er hatte beschlossen, gleich jetzt mit Ben Brighton oder sogar mit Hasard über diesen Punkt zu reden. Er ahnte nicht, wie recht er mit seinen Befürchtungen behalten sollte...
ENDE