Chefredakteur K. H. Scheer Exposeredakteur William Voltz Nr. 129 Kaiser der Milchstraße von Kurt Mahr
Auf den Stützpunk...
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Chefredakteur K. H. Scheer Exposeredakteur William Voltz Nr. 129 Kaiser der Milchstraße von Kurt Mahr
Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Anfang Januar des Jahres 2843. Der Aufbau des Solaren Imperiums geht kontinuierlich voran. In der Galaxis herrscht relative Ruhe, abgesehen natürlich von den üblichen Geplänkeln und Reibereien an den Grenzen des Imperiums. Dennoch sind die obersten Führungskräfte des Imperiums mit zunehmender Sorge erfüllt. Schuld daran ist ein Ereignis, das sich, obwohl es sich fern von der Erde und in ferner Vergangenheit abspielte, auch auf die Menschheit selbst auszuwirken beginnt. Alles begann in dem Augenblick, da das Sternenvolk der Bernaler die Grenze der Dimensionen überschritt, sich aus den Fesseln der Körperlichkeit löste und zu Zeitnomaden wurde. Die programmierten Urgene der Bernaler sind jedoch in diesem unserem Universum zurückgeblieben und finden Kontakt zu einzelnen Menschen, denen sie unheimliche Fähigkeiten verleihen - sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht. Bilfnei Gloddus, ein Kartograph des Raumschiffs SMARGENT, Ist ein solcher „Negativ-Kontakt". Nach der Erprobung seiner neuen und überraschenden Fähigkeiten tritt er aus seiner bisherigen Unbedeutsamkeit und Anonymität heraus und beginnt eine Schreckensherrschaft. Gloddus stellt Perry Rhodan ein Ultimatum - er sieht sich bereits als KAISER DER MILCHSTRASSE ...
Die Hauptpersonen des Romans: Bilfnei Gloddus - Ein Mann sieht sich als den Kaiser des Weltalls. Lalle Satgouz - Gloddus' Gegenspieler wider Willen. Atlan - Der Lordadmiral fungiert als Unterhändler. Mii-Ür - Befehlshaber einer Flotte der Blues. Annorvan Nossi - Gloddus' Vertrauter. Docro Ktomveyn und Amos Delcon - Zwei Männer kommen zur Vernunft.
Mii-Ür musterte verwundert den Bildschirm. Auf ihm war die Wiedergabe eines fremdartigen Raumschiffs zu sehen. Das Fahrzeug war noch viel zu weit entfernt, als daß es so groß auf Mii-Ürs Bildschirm hätte erscheinen dürfen. Mii-Ürs Flaggschiff' war eine der wenigen Einheiten von Motamvorc, in denen der Orter mit der Optik gekoppelt war und aus der Orteranzeige stark vergrößerte visuelle Darstellungen bezogen und ausgewertet werden konnten. Mii-Ür warf noch einen letzten Blick auf die breite Linie seiner KampfRaumschiffe, die dem Fremden mit hoher Geschwindigkeit entgegenzogen. Motamvorc war nur noch ein kleiner Lichtpunkt am Rande der Bildfläche. Die Sonne des Systems stand hinter dem Flaggschiff und wurde im Augenblick nicht abgebildet. Mii-Ür wiegte den schüsselförmigen Kopf hin und her, eine Geste der Zufriedenheit. Seine vier Augen, zwei auf der Vorder-, zwei auf der Rückseite des Schädels, leuchteten. Es würde ihm keine Schwierigkeit bereiten, das Geheimnis des Stützpunktes Motamvorc zu wahren - jenes Geheimnis, das darin bestand, daß sich eine kleine Schar von Gatasern dort niedergelassen und den Planeten in eine Flottenbasis verwandelt hatte, die im Augenblick der Kern- und Knotenpunkt der militärischen Macht des zersplitterten und entmächtigten gatasischen Volkes war. „Wir greifen an!" befahl Mii-Ür. Das Mikrophon, das vor ihm auf dem Pult stand, übertrug den Klang seiner Stimme bis zur letzten Einheit des Verbandes. Die vierzehn eintausend Meter durchmessenden Diskus Raumschiffe erhöhten ruckartig ihre Geschwindigkeit. Mii-Ür verzog den Mund, der im Hals saß, da wo dieser in den schlanken Rumpf mündete, zu einem bitteren Lächeln. Der Fremde hatte nicht mehr lange zu leben! Mii-Ür hielt das Schiff für eine Einheit der Terraner. Er hatte ähnliche schon zuvor gesehen. Sie bestanden aus drei aneinander gereihten Kugeln, die starr miteinander verbunden waren. Diese Art von Raumschiffen diente besonderen Forschungszwecken, und man durfte als sicher annehmen, daß das Fahrzeug, das sich da dem geheimen Stützpunkt Motamvorc näherte, über keine nennenswerte Bewaffnung verfügte. Fast tat es Mii-Ür leid, daß er gezwungen war, den Terraner zu vernichten. Wer mochte wissen, welche Notlage ihn dazu veranlaßt hatte, so tief in den Machtbereich der Blues-Völker einzudringen. Aber die Sicherheit der Basis Motamvorc ging über alle humanitären Bedenken. Der Terraner mußte ausgelöscht werden! Die Entfernung schmolz rasch. Mii-Ür beabsichtigte, seine Einheiten erst im letzten Augenblick das Feuer eröffnen zu lassen. Aus geringst möglicher Entfernung sollten sich vierzehn schwere Strahlsalven in den Leib des Terraners fressen.
Mii-Ür fand es merkwürdig, daß der Terraner keinerlei Ausweichmanöver machte. War sein Ortersystem beschädigt? Sah er die angrei fenden Einheiten nicht? Oder war er in typisch terranischer Überheblichkeit davon überzeugt, daß niemand es wagen würde, sich an ihm zu vergreifen.Die Sekunden tickten dahin. Die Entfernung betrug weniger als eintauend Kilometer. Der Terraner wurde von der hinter den Angreifern stehenden Sonne voll angestrahlt. Da schrillten die Alarmsirenen. Wabernde, blauweiße Energiebündel brachen aus den Geschützmündungen und schossen mit der Geschwindigkeit des Lichts dem feindlichen Raumschiff entgegen. Im Kommandostand des Flaggschiffs, in dem Mii-Ür, umgeben von Stabsoffizieren, hinter seinem Kommandopult saß, war es die ganze Zeit über still gewesen. Jetzt jedoch wurde erstauntes Geraune hörbar, und schließlich gellte ein entsetzter Schrei auf. Fassungslos starrte Mii-Ür auf den Bildschirm. Was war mit dem Terraner los? Welche geheimnisvollen Kräfte wandte er an, um sich gegen den konzentrierten Angriff der vierzehn Blues-Einheiten zu schützen? Das Dreikugelschiff hatte plötzlich zu pulsieren begonnen. In regelmäßigen Zeitabständen ging ein milchigweißes Strahlen von ihm aus, das rasch in den Raum hinaus vorstieß, dabei dünner und durchsichtiger und schließlich unsichtbar wurde. In diesem Strahlen schienen die ungeheuren Energien der Blues-Salven sich rettungslos zu verlieren. Die blauweiß glühenden, dicken Strahlbündel drangen nur eine kurze Strecke weit in den Nebel ein. Dabei wurden sie immer schwächer und hörten schließlich ganz auf, lange bevor sie das terranische Raumschiff erreichten. „Nochmals Feuer!" befahl Mii-Ür. Aber im selben Augenblick schossen die vierzehn Einheiten seiner Flotte bereits dicht über den Gegner hinweg. Mii-Ür spürte ein merkwürdiges Gefühl im Magen. Er war plötzlich schwerelos. Entsetzt blickte er um sich. Die Offiziere seines Stabes schwebten hilflos in der Luft. Der Antigrav mußte ausgesetzt haben. Ehe Mii-Ür noch dazu kam, sich dieses unglaubliche Vorkommnis zu erklären, fuhr ein heftiger Ruck durch das mächtige Flaggschiff. MiiÜr wurde tief in seinen Sessel gedrückt. Die Offiziere wurden gegen die Wand geschleudert und sanken größtenteils bewußtlos zu Boden. Kurz darauf setzte die Schwerelosigkeit von neuem ein, und Sekunden später fuhr ein zweiter Ruck durch das Raumschiff, der alles, was dank der fehlenden Gravitation emporgeschwebt war, wieder an die Wände oder auf den Boden zurückschleuderte. Das Raumschiff stampfte und bockte, die Hülle begann zu ächzen, Mii-Ür verlor jegliche Orientierung. Er wußte nicht mehr, was unten und was oben war. Er versuchte, ins Mikrophon zu sprechen, aber das Mikrophon war verschwunden. Er musterte den Bildschirm, solange er bei dem unaufhörlichen Stampfen und Schütteln des Schiffes den Blick geradeaus gerichtet halten konnte, und
sah, daß die Front seiner Flotte in totale Verwirrung geraten war. Unweit explodierte eines seiner Einheiten. Vermutlich hatten die starken Erschütterungen den Plasmatank undicht gemacht und auslaufen lassen. Mii-Ür war nicht umsonst bis zu seinem hohen Rang aufgestiegen. Er war ein Stratege, und er wußte, wann er es mit einem rettungslos überlegenen Gegner zu tun hatte. Und das war hier der Fall. Mii-Ür klammerte sich an den unteren Rand der Konsole und begann Schaltknöpfe zu drücken. Die Triebwerke sprangen an. Das Flaggschiff begann zu beschleunigen. In hoher Fahrt schoß es schräg nach oben aus der bisherigen Flugebene hinaus. Die anderen Einheiten bemerkten Mii-Ürs Manöver und ahmten es schnellstens nach. So geschah es, daß ein Verband von nunmehr noch dreizehn Blues-Kampfschiffen, der eben noch ein vereinzeltes terranisches Forschungsraumschiff hatte vernichten wollen, vor eben diesem Raumschiff die Flucht ergriff. 2. Der Mann im Sessel des Piloten war von höchst unscheinbarem Äußeren - so unscheinbar in der Tat, daß man sich wunderte, ihn überhaupt in diesem Sessel vorzufinden. Er hatte eine Durchschnittsfigur und ein Durchschnittsgesicht. Er hatte braune Haare von durchschnittlicher Länge, und seine Haut hatte die durchschnittlich blasse Färbung, die langer Aufenthalt im Innern eines Raumschiffs hervorruft. Nur eines ließ erkennen, daß der Mann nicht bis hinab auf den tiefsten Grund seiner Seele so durchschnittlich und mittelmäßig war, wie es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Das war der Ausdruck seiner Augen. In ihnen leuchtete ein verzehrendes Feuer, ein Funkeln wie das, das in den Augen Wahnsinniger zu sehen ist. Und doch wußte der Mann genau, was er tat. Er hatte die vierzehn Blues-Kampfschiffe getrost auf sich zukommen lassen. Er hatte gewußt, daß sie ihn zu vernichten trachteten, und trotzdem bis zum letzten Augenblick gewartet, bevor er seine übernatürlichen Fähigkeiten einsetzte, um erstens sich selbst zu retten und zweitens den Blues einen Schrecken einzujagen. Er wußte selbst nicht, wie die Waffe hieß, deren er sich bedient hatte. Sie lag in seinem Bewußtsein verankert, und er konnte sie aktivieren, indem er ganz einfach an die Aktivierung dachte. Das war eine Begabung, die er im Zeitflimmern gelernt hatte. Eine der vielen Begabungen, die er sich erworben hatte eine der zahllosen, die er noch erwerben würde. Der Mann war Bilfnei Gloddus, einst Kartograph an Bord des Forschungsschiffes SMARGENT, jetzt jedoch unumschränkter Herrscher
über Schiff und Mannschaft. Außer ihm befand sich nur noch ein einziges Wesen im Kommandostand der SMARGENT, ein hochgewachsener, dürrer Mann unbestimmbaren Alters, mit einem kahlen Schädel, der auf dem dünnen Hals ständig zu wackeln schien. Annorvan Nossi hatte kühle, graue Augen, eine prägnant geformte Nase und einen dünnlippigen Mund. Wer ihn zum ersten Mal sah, hielt ihn für einen verbitterten Mann, Wer ihn einige Zeit kannte, war bereit, in ihm einen im Grunde gemütlichen Menschen zu sehen, der niemand etwas zuleide tat. Wer aber Annorvan Nossi gut kannte, der wußte, daß er ein Scheusal war, ein mit einer verdrehten und verschrumpften Seele ausgestattetes Ungeheuer, das vor lauter Komplexen nicht mehr anders konnte, als seiner Umwelt soviel Schaden und Gemeinheit wie nur möglich zuzufügen. Annorvan Nossi war von Bilfnei Gloddus auf Steelaway aufgelesen worden, Gloddus' letzten Zwischenhalt, wo er sich der Bedrohung durch den USO-Agenten Neserp entledigt hatte, indem er diesen kaltblütig umbrachte. Nossi war Gloddus charakterverwandt, wenn man auch bei Betrachtung des Äußeren der beiden Männer niemals auf einen solchen Gedanken gekommen wäre. Gloddus, dem absoluten Herrscher über die Mannschaft dieses Raumschiffs, war die Einsamkeit zuviel geworden. Er brauchte jemand in seiner Nähe, mit dem er sich unterhalten konnte, ohne daß er ihn auf hypnotischem Wege dazu zwingen mußte. Denn keines der Besatzungsmitglieder der SMARGENT sprach mehr aus eigenem Antrieb mit Bilfnei Gloddus. Nossi saß im Sessel des Kopiloten und bediente das Kommunikationsgerät. Es wird ziemlich heftig gefunkt", sagte er mit seiner spröde klingenden Stimme. „Und zwar zwischen Motamvorc und dem Verband, der gerade vor uns ausgerissen ist. Leider verschlüsselt." Aus dem Empfänger drang hochfrequentes Gezwitscher und Gepfeife. So klang die Sprache der Blues - zumindest der Teil, den menschliche Ohren vernehmen konnten; der Rest lag im Ultraschallbereich. „Du zeichnest alles auf, nicht wahr?" erkundigte sich Bilfnei Gloddus. „Wir werden ihren Kode nämlich brechen, und zwar im Handumdrehen." „Selbstverständlich", grinste Annorvan Nossi. „Kein Pieps geht verloren!" Bilfnei Gloddus verzog des Gesicht. „Nossi. . . ?" sagte er, und seine Stimme hatte einen drohenden Klang. „Ja?" „Ich glaube, du schuldest mir etwas mehr Respekt, als du da an den Tag legst." Annorvan Nossi wußte nicht, wovon er sprach. Erstaunt starrte er Gloddus an. „Wie... wie meinen Sie das?" „Erinnere dich, wie es dir auf Steelaway erging", forderte Gloddus ihn auf.
„schlecht", klagte Nossi, „erbärmlich schlecht!" „Und wem verdankst du, daß es dir jetzt besser geht?" „Ihnen natürlich, wem sonst?" „Und du bist dankbar, nicht wahr?" „Selbstverständlich." „Und du respektierst mich?" „Auch das. Aber... " „Das nächste Mal, wenn du mit mir sprichst", fuhr Bilfnei Gloddus ihm in die Parade, „sag Sir zu mir, verstanden?" Annorvan Nossi klappte den Mund wieder zu. Gloddus blickte nach wie vor starr geradeaus auf den Bild schirm. Nossi musterte ihn von der Seite her, und sein Gesichtsausdruck ließ erkennen, daß er in diesem Augenblick von seinem Retter und Meister nicht gerade die allerhöchste Meinung hatte. „Selbstverständlich, Sir", sagte er. „Ich werde es niemals vergessen, Sir." Dann wandte er sich wieder den Geräten zu. Die Anzeige war erloschen. „Der Funkverkehr hat aufgehört, Sir", meldete er. „Wollen Sie die Aufzeichnung dem Rechner vorlegen?" „Ja, natürlich. Gib sie her!" antwortete Bilfnei Gloddus gut gelaunt. Mii-Ür war vor Schreck purpurrot geworden. „Das kann nicht Ihr Ernst sein, Epeer-Yin ! stöhnte er. „Einen zweiten Angriff würden wir nicht lebend überstehen!" Der Blick des alten Blues mit den Rangabzeichen eines Flottengenerals blieb hart und unerbittlich. „Ich brauche Zeit, Mii-Ür! Sie müssen sie mir verschaffen. Der Stützpunkt Motamvorc muß ein Geheimnis bleiben. So, wie Sie mir den Terraner schildern, können wir ihn wahrscheinlich nicht an der Landung hindern. Aber wir können ihn aufhalten und inzwischen hier auf Motamvorc unsere Vorbereitungen, treffen." Epeer-Yin, er besitzt Waffen; von denen wir noch nicht einmal die Namen kennen!" flehte Mii-Ür. „Er wird uns auseinanderrupfen. Er arbeitet mit gepulsten Schwerkraftschocks oder etwas Ähnlichem. Er „Mii-Ür, Sie sind Soldat!" „Selbstverständlich", murmelte Mii-Ür. „Sie wissen, worum es hier geht" Epeer-Yins Stimme war hart und kalt. „Es geht um die Zukunft unseres Volkes." Ein letztes Mal nahm Mii-Ür alle Kraft zusammen und wagte einen Widerspruch. „Unser erster Angriff hat den Terraner keine Sekunde lang aufgehalten! Wer sagt Ihnen, daß wir diesmal mehr Glück haben werden?" „Sie werden mehr Glück haben müssen, Mii-Ür", antwortete EpeerYin eisig. „Sonst stelle ich Sie vor ein Kriegsgericht. Fliegen Sie ihn direkt an, kreisen Sie ihn ein, tun Sie sonst etwas. Nur halten Sie ihn auf! Wenigstens ein paar Minuten lang. Unsere Vorbereitungen laufen auf vollen Touren."
Mii-Ürs größte und nahezu einzige Sorge galt in diesem Augenblick dem eigenen Schicksal. Aber ein wenig war er doch auch neugierig. ,;Was haben Sie vor, Epeer-Yin?" fragte er. Die Augen des Flottengenerals strahlten vor schadenfroher Heiterkeit. „Sobald er sich der Oberfläche nähert, verliert sein Orter die Hälfte des vollen Raumwinkels. Durch Motamvorc kann er nicht hindurchsehen. Wir aber halten hinter der Oberflächenkrümmung eine Überraschung für ihn bereit... Mii-Ür glaubte zu verstehen. ,;Wenn er aber an einer falschen Stelle landet?" „Ist das eine plausible Befürchtung, Mii-Ür?" fragte der General mit zurechtweisendem Ernst. „Er weiß, daß er auf Motamvorc nicht willkommen ist, also wird er nicht gerade in der Mitte von Xagsaiir landen. Ich wette, daß er sich eine verhältnismäßig einsame Gegend aussucht. Und die Kilü-Jop.. . " Er sprach den Satz nicht zu Ende. Mii-Ür machte die Geste der Zustimmung. Der Plan hatte Aussicht auf Erfolg. Nur schade, daß er ihn nicht mehr miterleben würde. Epeer-Yin verschwand vom Interkom. Die Offiziere im Kommandoraum des Flaggschiffs hatten die Unterhaltung mitgehört. Ihre Ge sichten waren ernst und verbissen.. . Mii-Ür rief die restlichen Ein-; heiten seiner Flotte. „Wir greifen von neuem an!" erklärte er. „Diesmal direkter Anflug aufs Ziel." Bilfnei Gloddus hatte dank seiner umfangreichen neuen Kenntnisse den Bordrechner der SMARGENT mit einigen zusätzlichen Schaltungen versehen können, die den Computer zu der genialsten Maschine seiner Generation machte. Er besaß von Natur aus, weil die SMARGENT auf der Eastside unterwegs gewesen war, eine. umfangreiche Kenntnis der Blues-Sprache. Innerhalb weniger Minuten gelang es ihm, die von den Blues benützte Verschlüsselung als einen statistischen Zerhackerkode zu identifizieren. Damit war der größte Teil der Arbeit schon geleistet. Kurze Zeit später bekam Bilfnei Gloddus durch den an den Rechner gekoppelten Translator die ersten Sätze zu hören. Dabei wurde er jedoch unterbrochen. Annorvan Nossi meldete, daß die Blues von neuem angriffen. Gloddus begann Schwerkraftschocks auszustrahlen, als der Gegner noch weit von der SMARGENT entfernt stand. Die dreizehn BluesEinheiten wurden hilflos durcheinander gewirbelt. Die diskusförnligen Raumschiffe. drehten sich wie Kreisel um alle drei Trägheitsachsen, und da ihre Triebwerke nicht zu arbeiten aufhörten, schossen sie kunterbunt nach allen Richtungen davon. Eines der Fahrzeuge kam dabei aus Versehen der SMARGENT zu nahe. Es absorbierte die künstlichen Gravitationsschocks in voller Stärke und wurde davon zerissen.
Gloddus ließ die SMARGENT ein kleines Ausweichmanöver fliegen, obwohl en dies durchaus nicht nötig hatte. Aber er wollte den alten Blue dort unten auf Motamvorc beruhigen, und er wollte dem Kommandant ten den Ruhm zukommen lassen, daß er einen haushoch überlegenen Gegner tatsächlich zu einem Umweg gezwungen und dadurch aufgehalten hatte. Die zwölf übrigen Blues-Raumschiffe fingen sich schließlich wieder und eilten mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Motamvorc davon. Bilfnei Gloddus nickte befriedigt und fuhr fort, die Aufzeichnung der Funkgespräche abzuhören. Der Autopilot hatte die Lenkung des Raumschiffs wieder übernommen. Annorvan Nossi hatte nichts zu tun und hörte ebenfalls zu. „Was wohl die Kilü-Jop sein mag?" fragte er und fügte, sich hastig erinnernd, sofort hinzu: „Sir!" „Mich interessiert weit mehr, was Xagsaiir ist", widersprach Bilfnei Gloddus. „Warum, Sir?" erkundigte sich Nossi. „Weil ich gern mittendrin landen möchte!" Motamvorc war nicht das, was man sich gemeinhin unter einer Siedlerwelt vorstellte. Die Atmosphäre des Planeten war für Menschen und Blues atembar, aber auf der Oberfläche stand sie unter einem Druck von nahezu zwei Atmosphären. Motamvorc hatte eine Oberflächengravitation von mehr als 1,5 Gravos. Die Welt drehte sich höchst behäbig um ihre Achse. Trotz der dichten, meist von schweren Wolken durchzogenen Atmosphäre, die sich ausgezeichnet zur Erzeugung des so genannten Treibhaus-Effekts geeignet hätte, war es auf Motamvorc für menschliche Begriffe empfindlich kühl. Das lag daran, daß der Planet ziemlich weit von seiner Sonne entfernt war, und daher kam es auch, daß es auf Motamvorc niemals richtig hell wurde. Das Beste, was sich um Mittag in unmittelbarer Nähe des Äquators erzielen ließ, entsprach etwa den Lichtverhältnissen eines trüben irdischen Winternachmittags. Motamvorc war, nach den Maßstäben der Kategorie der Sauerstoffwelten gerechnet, ein Riese. Zwar bestanden sechs Siebtel seiner Oberfläche aus Wasser, aber trotzdem übertraf die Festlandmasse an Größe noch bei weitem, was die meisten anderen Sauerstoffplaneten zu bieten hatten. Trotzdem lebten auf Motamvorc nicht mehr als eine knappe Million Einwohner, Blues alle miteinander, achthunderttausend davon männlichen Geschlechts, der Rest Frauen und Kinder. Motamvorc war ein geheimer Militärstützpunkt des zersplitterten gatasischen Reiches, der letzte Posten, wie pessimistische Gataser sich ausdrückten, oder das Sprungbrett zur Weltmacht, wie die Optimisten meinten. Alles auf Motamvorc war straff organisiert, wie es sich für eine Flottenbasis gehörte, besonders das Nachrichtenwesen.
Seit Mii-Ürs zweitem Angriff, der unerwartet glimpflich verlaufen war, wußte annähernd jedermann auf Motamvorc, daß in höchstens zwei Stunden ein fremdes Raumschiff auf dem Planeten landen werde. Man wußte auch, daß Epeer-Yin, der Oberbefehlshaber, einen Plan hatte, wie der scheinbar unüberwindliche Terraner zu besiegen sei. Nur worum es sich bei diesem Plan handelte, das wußte man nicht genau. Der Name Kilü-Jop fiel zwar hier und dort gerüchtweise; aber das besagte nichts. Ganz Motamvorc hielt den Atem an. Daß Epeer-Yin darauf verzichtete, die bodengebundenen Verteidigungsanlagen einzusetzen, wies darauf hin, wieviel er von der Waffenstärke des Terraners hielt. Sämtliche Orterstationen verfolgten den winzigen Reflexpunkt des fremden Raumschiffs, das sich den obersten Schichten der Atmosphäre immer mehr näherte. Auf Motamvorc ruhte die Arbeit. Man interessierte sich nur noch für den Terraner, dessen Landung, da er von Mii-Ür zu einem Umweg gezwungen worden war, sich um etwa zwanzig Minuten verzögern würde. Mii-Ür und seine Flotte waren übrigens längst gelandet. Die Diskus-Raumschiffe standen auf dem gewaltigen Raumhafen unweit Xagsaiir, der einzigen größeren Stadt von Motamvorc. Gerüchte wollten wissen, daß die Kilü-Jop plötzlich spurlos verschwunden sei, und das ließ die Leute aufhorchen. Sollte Epeer-Yin wirklich... ? Dann kam die Meldung, daß der Terraner in die Atmosphäre eingedrungen war. Die Leute, die die Meldung machten, waren erstaunt. War der Kerl verrückt? Er mußte wissen, daß die gesamte Macht des Stützpunkts ihn jagen würde, sobald er den Boden berührte! Waren seine Beobachtungsgeräte ausgefallen? Konnte er nicht sehen, daß er sich auf den am dichtesten besiedelten Teil der Oberfläche näherte? Was hatte er vor? Auf Motamvorc wurde die Spannung unerträglich. Man wartete auf eine Äußerung des Flottenkommandos. Aber das Kommando ließ nichts von sich hören. Angst breitete sich unter den Blues aus. Man wußte, wie es Mii-Ür und seiner Flotte ergangen war. Was, wenn der Terraner seine entsetzlichen Waffen gegen die Siedlungen auf der Oberfläche von Motamvorc einsetzte? Was war zu tun? Warum gab niemand Anweisungen? Als das dreikugelige Raumschiff durch die unterste Wolkenschicht brach und sich dröhnend zu landen anschickte, brach in Xagsaiir die Panik aus. Früher, ganz am Anfang seiner neuen Laufbahn, war es für Bilfnei Gloddus mehr oder weniger Glückssache gewesen, ob es ihm gelang, in den merkwürdigen Zustand namens „Zeitflimmern" einzutreten oder nicht. Im Laufe der Zeit hatte er jedoch seine Methode perfektioniert. Es genügten ihm wenige Sekunden der absoluten Konzentration, und schon glitt er in jene unwirkliche Welt hinüber, die von einem milchigen
Nebel, glitzernden Lichtfäden und körperlosen Stimmen und Bewußtseinen erfüllt war. Bilfnei Gloddus kehrte in regelmäßigen Abständen hierher zurück, um neue Kraft zu schöpfen, um neues Wissen zu erlangen. Dieser Welt des Zeitflimmerns verdankte er seine Macht und die übermenschlichen Fähigkeiten, die ihn, so glaubte Bilfnei Gloddus fest, zum höchstentwikkelten intelligenten Lebewesen des gesamten Kosmos machten. Diesmal war er gekommen, um sein Urteilsvermögen zu schärfen und die Fähigkeit, selbst unscheinbare und verborgene logische Zusammenhänge zu erkennen, zu vermehren. Er ging auf die übliche Weise vor. Zunächst lauschte er den fremden Stimmen, von denen er eine ungeheure Zahl hörte, jedoch nur diejenigen verstand, die sich unmittelbar in seiner Nähe befanden. Dabei hätte Bilfnei Gloddus nicht zu definieren vermocht, was „nah" in diesem konturlosen Kontinuum eigentlich bedeutete. Er sortierte das Gehörte und kam zu dem Schluß, daß unmittelbar neben ihm ein Wesen, dessen Stimme auf merkwürdige Art weise und klug klang, sich in einem Selbstgespräch befinde. Er sprach des Wesen an. Das heißt: sein Bewußtsein aktivierte dieselben Nervenzentren, durchlief dasselbe Spektrum von Reflexen, wie es auch beim Sprechen der Fall war. Aber obwohl Bilfnei Gloddus die eigene Stimme deutlich zu hören vermochte, bezweifelte er doch, daß er tatsächlich akustische Schwingungen von sich gebe. Er hatte ja nicht einmal einen Mund zum Sprechen. Er war ebenso körperlos wie die zahllosen Fremden. deren Stimmen er hörte. Der Angesprochene reagierte sofort. Er erkundigte sich nach Gloddus' Wünschen, und als Bilfnei ihm auseinandersetzte, daß er etwas zu lernen begehre, da fühlte er sich gar noch geschmeichelt und war sofort zu den gewünschten Auskünften bereit. In kurzer Zeit lernte Bilfnei Gloddus, was er brauchte, um seine nächste Entscheidung zu treffen. Für kurze Zeit versank er in einen Zustand der Trance. Als es vor seinen Augen wieder hell wurde, befand er sich im Kommandostand der SMARGENT, und Annorvan Nossi hatte ein erschrecktes, blasses Gesicht. „Das geht einem wirklich an die Nerven", beklagte er sich, „wie Sie da verschwinden und wieder auftauchen, Sir." Bilfnei Gloddus lächelte selbstzufrieden. „Wie steht es mit den Radaraufnahmen der Oberfläche?" fragte er. „Fertig, Sir." „Zeigen!" Der Kommandostand verdunkelte sich, und auf einer weißen Projektionsfläche seitlich des Pilotensitzes begann langsam ein Film abzulaufen. Es waren die Aufnahmen, die von den Radarkameras der SMARGENT während zweier Planetenumläufe gemacht worden waren. Die energiereichen Mikrowellenbündel hatten die dichte Wolkendecke über
Motamvorc mühelos durchdrungen und ein beeindruckend scharfes Bild der Oberfläche erzeugt. Einzelheiten der Gliederung bis hinab zu Straßen und kleinen Siedlungen waren deutlich zu erkennen. „Schneller!" drängte Gloddus ungeduldig. Der Projektor beschleunigte seinen Lauf. ,;Halt!" schrie der ehemalige Kartograph plötzlich. Der Projektor kam zum Stillstand. Auf der Bildfläche waren die Konturen einer großen Siedlung zu sehen. Deutlich waren einzelne Straßenzüge abgezeichnet. Die Anlage war großzügig, was wahrscheinlich mehr der Hast entsprach, mit der diese Stadt gebaut worden war, als einer sorgfältigen Planung. Unmittelbar an die Stadt anschließend befand sich eine weite, ebene Fläche, auf der zwölf kleine, helle Kreise zu sehen waren. Es mußte sich um einen Raumhafen handeln, und Bilfnei Gloddus war sicher, daß die zwölf Kreise die Reflexe der Einheiten der Blues-Flotte waren, die ihn bei seinem Anflug auf Motamvorc zu stören versucht hatte. „Stell die Koordinaten ein, Nossi !" befahl Gloddus. „In dieser Stadt landen wir!" Annorvan Nossi sah ihn überrascht an. „Sie meinen auf dem Raumhafen, nicht wahr, Sir?" Bilfnei Gloddus grinste hämisch. „Nein, ich meine mitten in der Stadt!" Als der Orterreflex des terranischen Raumschiffs hinter dem Horizont verschwunden war, setzte Epeer-Yin sein mächtiges Fahrzeug, den Stolz der gatasischen Flotte, in Bewegung. Epeer-Yin und seine viertausend Mann Besatzung waren seit zwei Stunden von jeder Funkverbindung mit der Umwelt abgeschnitten. Denn Epeer-Yin fürchtete, daß der Fremde anhand von Funksprüchen das am sorgfältigsten gehütete Geheimnis von Motamvorc, das Versteck des neuen GigantSchlachtschiffs, entdecken könne. In der fast senkrecht abfallenden Felswand eines riesigen Bergmassivs bildete sich eine Öffnung, die in der Weite über drei Kilometer und in der Höhe an die fünfzehnhundert Meter maß. Aus dieser Öffnung glitt, von singenden Feldtriebwerken getragen, Epeer-Yins majestätisches Flaggschiff hervor. Es war, nach der Art der Blues, als Diskus-Körper gebaut. Der Durchmesser des Diskus betrug mehr als zweieinhalb Kilometer, die größte Dicke etliches über eintausend Meter. Das gewaltige Schiff nahm Fahrt auf. Epeer-Yin hatte den Kurs des Terraners genau verfolgen lassen. Wenn er nicht zuallerletzt noch eine Schwenkung durchgeführt hatte, mußte er gefährlich nahe bei dicht besiedelten Gebieten heruntergegangen sein. Aber Epeer-Yin war bereit, für die Vernichtung des Eindringlings Opfer zu bringen. Er würde es auf sein Gewissen nehmen, auch ein kleines Dorf zu zerstören, wenn er dadurch nur dem unheimlichen Terraner beikam.
In geringer Höhe glitt das mächtige Raumschiff über das Land. Es wurde schneller und entfachte in der dichten Atmosphäre einen Wirbelsturm, der mit verheerender Wucht über das Land brauste, breite Furchen durch die dichten, blaugrünen Wälder zog und die Oberflächen der Seen in gischtenden Aufruhr versetzte. Die Gegend war unbesiedelt. Der Sturm brachte keinen Bewohner von Motamvorc zu Schaden. Auf diese Weise schob sich das Flaggschiff um den Teil der Planetenrundung herum, der den Terraner vor den Augen der Orterantennen verbarg. Kurz bevor der Reflex des aus drei Kugeln bestehenden terranischen Raumschiffs wieder auf den Orterschirmen auftauchte, hielt EpeerYin sein mächtiges Schlachtschiff jedoch an. Er hatte den Offizieren seine Taktik erläutert. Sie wußten, was sie zu tun hatten. Sämtliche Geschütze waren feuerbereit. Die Feuerkraft des Flaggschiffs war gewaltig. Sie überstieg alles, was es bisher in der Geschichte der gatasischen Flotte gegeben hatte, und Epeer-Yin war gewiß, daß auch der geheimnisvolle Terraner nicht mehr aufzuweisen hatte als das Gigant-Schlachtschiff. Das riesige Fahrzeug begann zu steigen. Immer schneller werdend, schoß es in den verhangenen Himmel hinauf. Pfeifend und heulend wichen ihm die dichten Luftmassen aus, mit donnerndem Krachen schlossen sie sich hinter ihm. Es war ein Lärm, als führe der Leibhaftige selbst von Motamvorc davon. Epeer-Yin saß hinter dem Hauptschaltpult im Zentrum des großen Kommandostands. Eine Reihe von Bildschirmen hielt ihn über die wichtigsten Ortermessungen und den Bewegungszustand des Flaggschiffs auf dem laufenden. Die Bodenhöhe wuchs ständig. Schon jetzt schickte das Fahrzeug sich an, in die höchsten Wolkenschichten einzudringen, die in etwa zwanzig Kilometern Höhe begannen. Am unteren Rand eines der Bildschirme tauchten die Umrisse der Außenbezirke von Xagsaiir auf. Und dann stockte Epeer-Yin plötzlich der Atem. Er stieß einen schrillen Entsetzenslaut aus, als er das merkwürdige Gebilde erkannte, das sich unmittelbar aus dem Stadtzentrum von Xagsaiir erhob. Aus dieser Höhe betrachtet, wirkte es winzig, aber die Struktur war dennoch deutlich zu erkennen. Trotzdem erschien Epeer-Yin das, was er sah, so unglaublich, daß er auf Ausschnittsvergrößerung schaltete. Er mußte eine Zeitlang suchen. Dann aber hatte er das charakteristische Gebilde wieder vor sich, weitaus größer als zuvor, unverkennbar. Der alte Flottengeneral stöhnte vor Schmerz. Matt hob er die rechte Hand und signalisierte, daß der Angriff nicht weiter fortgesetzt werden dürfe. Die Offiziere waren verwundert, bestützt; aber sie gehorchten. Mit brennenden Augen starrte Epeer-Yin auf das Orterbild. Er war bereit gewesen, Opfer zu bringen. Aber nicht ganz Xagsaiir! Denn der Terraner war mitten in der Stadt gelandet.
Während Epeer-Yin noch über die Grausamkeit des Schicksals nachdachte, fuhr der erste Ruck durch den riesigen Körper des Flaggschiffs. Berstend und krachend setzte die SMARGENT mitten im Häusermeer von Xagsaiir auf. Die Gebäude, die das Raumschiff unter sich zertrümmerte, waren klein und von nicht besonders stabiler Ausführung. An der SMARGENT entstanden in der Folge dieser mehr als ungewöhnlichen Landung keine Schäden. Das Stadtviertel hatte das Unglück rechtzeitig kommen sehen. In heller Panik waren die Leute davongelaufen. Es war still rings um den Landeplatz des terranischen Raumschiffs. Die Besatzung von Motamvorc schien vom Schreck gelähmt. Im Kommandostand der SMARGENT saßen Bilfnei Gloddus und Annorvan Nossi hinter den Beobachtungsgeräten und warteten auf die Überraschung, die ihnen von Epeer-Yin angekündigt worden war. Gloddus bemerkte den verwaschenen Reflex auf dem Orterschirm als erster. „So weit entfernt und ein so deutlicher Reflex!" sagte er anerkennend. „Das muß ein Riese von einem Schlachtschiff sein!" Annorvan Nossi war fleißig beim Schalten. Das fremde Fahrzeug war nur wenig mehr als einhundert Kilometer entfernt. Es hatte sich, als es zuerst vom Orter erfaßt wurde, in rascher Aufwärtsbewegung befunden, war jedoch mittlerweile zum Stehen gekommen, etwa zwanzig Kilometer über der Oberfläche des Planeten. Die Radarkamera erzeugte ein vorzüglich scharfes Bild, das mühelos vergrößert werden konnte. Nossi blendete die Aufnahme auf einen der Bildschirme, die den Schaltpult des Piloten und des Kopiloten zierten. Auf der Wandung des gewaltigen Diskus-Schiffes waren dunkle Schriftzeichen zu sehen. „Du kannst Blues lesen, nicht wahr?" sagte Gloddus. „Na klar, Sir", antwortete Nossi selbstbewußt. „Habe mich schließlich lange genug in diesem Sektor herumgetrieben." „Wie heißt das Schiff?" „Sohn der Abendröte, Sir." „Unsinn! Ich meine, in der BluesSprache." „Das ist schwer, Sir", antwortete Nossi. „Man muß die Lautumschreibungsregeln genau kennen. Ich kann es ja mal versuchen. Ko... ke.. . nein, das muß „ki" heißen." Plötzlich schlug er sich mit der flachen Hand vor die Stirn und lachte. „Aber natürlich!" rief er aus. „Kilü-Jop! Das ist es, Sir: Kilü-Jop!" Bilfnei Gloddus lächelte zufrieden. „Siehst du, ich sagte es dir doch! Wenn wir erst einmal Xagsaiir gefunden haben, wird uns von selbst klar werden, worum es sich bei der Kilü-Jop handelt."
Er lehnte sich bequem in den Sessel zurück und schloß die Augen. In höchster Konzentration formulierte er die Befehle, die auf die Generatoren der SMARGENT einzuwirken begannen und sie zu einer Tätigkeit veranlaßten, die sie erst beherrschten, seitdem sie Bilfnei Gloddus mittels besonderer Schaltungen dazu befähigt hatte. Draußen auf dem flachen Land sahen die Bewohner von Motamvorc, wie von dem terranischen Raumschiff in kurzen, rasch aufeinanderfolgenden Rucken plötzlich halbkugelförmige Leuchtfelder ausgingen. Sie wölbten sich erst wie ein Schirm dicht über dem Fahrzeug. Dann jedoch stießen sie blitzschnell in die Höhe, blähten sich dabei auf und verloren rasch an Leuchtkraft. Eine Lichterscheinung folgte der andern, in weniger als einer Sekunde Abstand, verwirrend schnell und dabei völlig geräuschlos. Nur die, die an den Ortergeräten saßen konnten sehen, was der Terraner mit diesen Leuchtfeldern beabsichtigte. Sie hatten die Kilü-Jop deutlich auf ihren Bildschirmen. Sie sahen, wie der Stolz der gatasischen Flotte plötzlich zu schwanken und zu zittern begann. Man bemerkte, daß das Gigant-Raumschiff Fahrt aufzunehmen versuchte. Aber eine unsichtbare Kraft hatte es in Fesseln geschlagen. Jedesmal, wenn es sich in Bewegung setzte, fing es nur noch um so schlimmer an zu stampfen und zu schlingern, und seine Hülle vibrierte wie unter den kraftvollen Schlägen eines unsichtbaren Zyklopenhammers. Das Schicksal des größten Schlachtschiffs, das die Gataser jemals gebaut hatten, vollzog sich nicht dort, wo das riesige Fahrzeug eigentlich hingehört hätte, draußen im freien Raum, sondern in den Wolken dicht über der Oberfläche des Geheimstützpunkts Motamvorc. Von übermächtigen Kräften geschüttelt, brach das gigantische Gebilde schließlich auseinander. Es gab keine Explosion. Die Hülle des großen Raumschiffs zersprang in Einzelteile. Die Decks lösten sich voneinander und stürzten in die Tiefe. Aus den Wolken über der Einöde nördlich von Xagsaiir regnete es plötzlich riesige Metallteile, Maschinen und Menschenkörper. Es war ein Heulen und Krachen, das man viele Dutzende von Kilometern weit hören konnte. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die entsetzliche Nachricht unter den Blues. Der Stolz der gatasischen Flotte war vernichtet! Es hatte keinen Kampf gegeben. Die Kilü-Jop war einfach gestorben - unter der Hand des unheimlichen Terraners, dessen kleines Raumschiff mitten in der Stadt Xagsaiir stand. Viertausend Mann hatten mit dem Riesenschiff den Tod gefunden, unter ihnen Epeer-Yin, der Oberbefehlshaber des Stützpunkts Motamvorc. Lähmendes Entsetzen schlug die Blues in Bann... Der Bildschirm leuchtete auf, und der Summer gab zu erkennen, daß sich jemand von außen über Interkom an die SMARGENT wandte. Bilfnei Gloddus gab Annorvan Nossi mit einem Nicken die Erlaubnis, das
Gespräch anzumelden. Auf dem Bildschirm erschien die Gestalt eines Blues in militärischer Uniform mit Abzeichen, die auf einen ziemlich hohen .Rang hindeuteten. Zu seiner Genugtuung stellte Gloddus fest, daß die Hautfarbe des Blues dunkler als gewöhnlich war. Der Kerl hatte Angst. Das war gut. Ich. . . sprechen. . . Terraner. . . ", begann der Blue. Er sprach Interkosmo, aber seine ungewöhnlich hohe Stimme verlieh der vertrauten Sprache einen merkwürdigen Klang. „Ich suche... Kommandant... " Der Translator war eingeschaltet. „Sprich dein eigenes Kauderwelsch", antwortete Bilfnei Gloddus verächtlich. „Dann kann ich dich besser verstehen." Der Translator übersetzte Gloddus' Worte und fütterte sie in den Interkom. „Was wollen Sie auf unserer Welt?" läutete die erste Frage des Blues. „Ich brauche einen Stützpunkt", antwortete Bilfnei Gloddus einfach. „Sie sind hier nicht erwünscht`, protestierte der Blue. „Dies ist unsere Welt, und Sie werden hiermit aufgefordert, sie so schnell wie möglich zu verlassen." „Ich bleibe", sagte Gloddus. „Wenn hier jemand unerwünscht ist, dann seid ihr es. Ich gebe euch fünf Standard-Stunden Zeit, euch mit mir zu arrangieren. Innerhalb dieser Zeitspanne bin ich bereit, unbewaffnete Delegationen bis zu einer Stärke von acht Mann an Bord meines Raumschiffs zu empfangen. Laßt ihr die Frist ungenützt verstreichen, dann beginne ich nach Ablauf der fünf Stunden mit der Vernichtung eurer Anlagen." Haß glitzerte in den Augen des Blues. Aber er sagte nichts. Statt dessen meldete Bilfnei Gloddus sich noch einmal zu Wort. Mit höhnischem Grinsen ließ er den Blue wissen: „Ich habe nämlich umfangreiche Pläne. Zu ihrer Verwirklichung brauche ich einen Stützpunkt und eine Streitmacht, auf die ich mich verlassen kann. Ich dachte mir, daß das besonders für euch ein interessantes Angebot wäre. Es geht nämlich gegen Terra!" 3. In irgendeiner der Waben, die das Innere des Bienenstocks QuintoCenter erfüllten, saßen an einem mäßig großen Tisch zwei Männer einander gegenüber: Atlan, der Lordadmiral, und ein mehr als mittelgroßer, ungeschlachter Mensch, der sich mit den Ellbogen auf die Tischplatte stützte und den Kopf hängen ließ, als sei seinen Muskeln alle Kraft entwichen. Sein Gesicht war aufgedunsen, und die Haut, die stellenweise schon eine blaurote Färbung angenommen hatte, von unzähligen, feinen, roten Äderchen durchzogen. Die Lider waren so dick
und schwer, die wulstigen Lippen waren halb geöffnet und entblößten ein schadhaftes Gebiß. „Es hat alles keinen Zweck, Lordadmiral", sagte der Ungeschlachte mit rauher Stimme. „Das höre ich seit geraumer Zeit von Ihnen, Salgouz", antwortete der Arkonide. „Glücklicherweise sind Sie nicht der Mann, auf dessen Urteil man sich verlassen muß." Die Beleidigung war mit Absicht ausgesprochen. Lelle Salgouz, einer der beiden Männer, von denen man wußte, daß sie mit der seltsamen Erscheinung namens „Zeitflimmern" in Berührung gekommen waren, litt an innerer Haltlosigkeit. Er war Trinker, und in zahllosen Nächten der einsamen Trunkenheit hatte er sich den Grundsatz zu eigen gemacht, daß derjenige der wahrhaft vollkommene Mensch sei, der weder für sich selbst noch für irgend jemand sonst irgendeine Verantwortung übernahm. Salgouz kannte die Macht, die das Zeitflimmern vermittelte. Er selbst hatte sie sich zu eigen gemacht und Wunderdinge damit geleistet, zum Beispiel auf dem Siedlerplaneten Ammavol. Er hatte die Macht, die ihm das Zeitflimmern verlieh, stets zum Wohle seiner Mitmenschen angewandt. Das Seltsame an Lelle Salgouz war jedoch, daß er sich jedesmal, wenn er seiner Umwelt einen Dienst erwiesen hatte, danach noch tiefer in sich selbst zurückzog, noch heftiger trank als zuvor und noch weniger von seiner Umgebung wissen wollte. Es war der USO nur mit Mühe gelungen, ihn zu dem Versprechen zu bewegen, er wolle bei der Jagd nach Bilfnei Gloddus mitmachen. Bilfnei Gloddus, das war der zweite Mann, der Erfahrungen mit dem Zeitflimmern hatte, der Unhold, der das Forschungsschiff SMARGENT unter seine Gewalt gebracht und den USO-Spezialisten Reltat Neserp getötet hatte. Kurz vor seinem Tod war es Neserp jedoch gelungen, einen Hyperfunkspruch nach QuintoCenter abzusetzen. Aus diesem Spruch bezog Atlan seine Kenntnisse, was die Person des Bilfnei Gloddus anging. Den Verantwortlichen der USO war von Anfang an klar gewesen, daß es nur eine Möglichkeit gab, Bilfnei Gloddus entgegentreten. Man mußte Lelle Salgouz gewinnen. Nur jemand, der sich ebenfalls die unheimlichen Kräfte des Zeitflimmerns anzueignen vermochte, konnte dem größenwahnsinnigen Gloddus mit Aussicht auf Erfolg entgegentreten. Salgouz zu gewinnen, hatte sich allerdings als eine harte Nuß herausgestellt. Nach langen, zermürbenden Anstrengungen war es der USO-Spezialistin Fenomera Falkass schließlich gelungen, Lelle Salgouz zur Mitarbeit zu verpflichten. Auf Fenomeras unübersehbare körperlichen Vorzüge anspielend, nannte man ihr erfolgreich zu Ende geführtes Unternehmen in QuintoCenter „die Verführung Salgouz", mit einem hintersinnigen Lächeln und nicht ohne neidische Seitenblikke auf den Mann von Ammavol.
Lelle Salgouz war also nach Quinto-Center gekommen, und nun wartete man auf Hinweise über Bilfnei Gloddus' Verbleib. Atlan war sicher, daß der Kartograph bald wieder von sich reden machen würde. Aber in der Zwischenzeit hatte er alle Hände voll zu' tun, Lelle Salgouz bei der Stange zu halten. Denn dem Ungeschlachten kamen immer mehr Bedenken, je mehr Zeit verstrich. Er wollte nicht mehr mitmachen. Er haßte den Zwang, der ihm soviel Verantwortung aufbürdete. Er wollte sich der moralischen Fesseln entledigen, die die USO ihm angelegt hatte. Der Trinker sah auf, die kleinen, grauen Augen blinzelten hinter den halbgeschlossenen Lidern. „Ja, ich weiß, was Sie von mir halten, Lordadmiral", sagte er müde. „Und Sie haben nicht einmal unrecht. Aber verdammt ... was soll ein Mann in meiner Lage machen! Er muß ja an sich selbst verzweifeln, weil... weil... „Niemand hat Anspruch auf eine Insel für sich allein, Salgouz", antwortete Atlan. „Kein Mensch existiert nur mit und für sich selbst. Jedem Menschen ist eine Verantwortung mitgegeben für das, was sich um ihn befindet. Je früher Sie das einsehen, desto rascher werden Sie zu einem Mann, dessen Ratschläge und Überlegungen man für beachtenswert hält... falls Ihnen daran überhaupt noch etwas liegt." Lelle Salgouz wiegte den mächtigen Schädel hin und her. Er wollte etwas sagen, aber bevor er dazu kam, summte der Interkom. Der Offizier auf dem Bildschirm trug ein besorgtes Gesicht zur Schau. „Schlechte Nachrichten, wie?" erkundigte sich er Arkonide. „Ganz genau, Sir", antwortete der Offizier. „Bilfnei Gloddus läßt wieder von sich hören. Diesmal wendet er sich gezielt an die Adresse des Solaren Imperiums." „Was hat er zu sagen?" „Er stellt ein Ultimatum, Sir. Wenn nicht sofort Anstalten gemacht werden, sämtliche Einheiten der Solaren Flotte aus der Eastside der Galaxis abzuziehen, wird er eine Siedlerwelt mit rund sechshunderttausend Einwohnern vernichten." Die Linien im Gesicht des Arkoniden vertieften sich. Der Blick der rötlichen Augen wurde starr. „Um welchen Planeten handelt es sich?" fragte er. „Weiß man das?" „Tromcap, Sir. Im Fjogda-System." Bilfnei Gloddus hatte in der Tat einen Plan. Er hatte ihn in den langen Stunden einsamer Muße entwickelt, die ihm jetzt zur Verfügung standen, da seine Position aufgrund der ungeheuren Macht, die er aus dem Zeitflimmern bezog, unanfechtbar geworden war. Vierunddreißig Jahre lang war Bilfnei Gloddus ein Durchschnittsmensch gewesen. Vierunddreißig Jahre lang hatte er durchschnittliche Träume geträumt und sich eine durchschnittliche Zukunft ausgemalt. Die großen Träume hatte Bilfnei Gloddus nie zu träumen gewagt. Er hatte sich vor ihnen gefürchtet, sie verdrängt. Jetzt jedoch, da er die Macht hatte, brachen sie wieder auf, wild und ungestüm, in den langen
Jahren der Verdrängung zu Ungeheuern herangewachsen. Bilfnei Gloddus vermochte das Ende seiner Macht nicht abzusehen. Welchen Grund sollte es also geben, seinen Träumen Beschränkungen aufzuerlegen? Er wäre töricht gewesen, hätte er die Macht, die das Zeitflimmern ihm verlieh, in kleinen Dosen anwenden wollen. Dadurch verlor er nur Zeit, und eines hatte ihm auch das Zeitflimmern bislang nicht geben können: Unsterblichkeit. Es hatte keinen Sinn zu zögern. Er mußte handeln. Es erschien ihm längst nicht mehr unmöglich, die ganze Galaxis unter sein Joch zu zwingen. Imperator der Milchstraße, das war ein Ziel, dem nachzuträumen sich lohnte. In sachlicher Nüchternheit betrachtete Gloddus das Solare Imperium und die United Stars Organisation als die am ernstesten zu nehmenden Gegner. Hatte er sie in die Knie gezwungen, dann war der Rest nur noch ein Spaziergang. Sobald er sich Motamvorc unterworfen hatte, würde er den ersten Schlag führen. Die Einzelheiten standen schon fest. Er durfte nicht zimperlich sein. Er mußte das Imperium vor die Wahl stellen, entweder Positionen aufzugeben oder das Leben vieler Menschen zu gefährden. Wie man sich in Terrania-City entscheiden würde, daran bestand kein Zweifel. Menschenleben hatten Perry Rhodan schon immer mehr gegolten als militärische Stützpunkte. Er mußte nur zusehen, daß seine Drohung glaubhaft wirkte. Er mußte seine Macht unter Beweis stellen. Es gab eine Sorge, die Bilfnei Gloddus bedrückte. Er wußte nicht, durch welchen Anlaß ausgerechnet er - und nur er! - mit dem Zeitflimmern in Berührung gekommen war. Er hatte keine Ahnung, woher die seltsame Fähigkeit kam, die eines Tages plötzlich aus dem Nichts erschienen war und ihn zu einem Mann gemacht hatte, dessen übermenschlicher Kraft niemand zu widerstehen vermochte. Und er fürchtete sich davor, daß diese Fähigkeit ihm eines Tages ebenso rasch, wie sie gekommen war, wieder verlorengehen könne. Allein aus dieser Sorge heraus war er gezwungen, so rasch und so rücksichtslos wie möglich zu handeln. Seine Position mußte gesichert sein, bevor er sich wieder in einen Durchschnittsmenschen zurückverwandelte. Und noch etwas gab' es, worüber Bilfnei Gloddus oft nachdachte. War er wirklich der einzige, dem sich das Zeitflimmern offenbart hatte? Er dachte dabei nicht an die zahllosen, wesenlosen Gestalten, die ihm in jener fremden Welt begegneten. Er kannte sie. .Sie stammten von einer unbekannten Sterngegend, aus grauer Vergangenheit, und es schien ihr Schicksal zu sein, für immer im Zeitflimmern zu leben. Sie hatten nicht, wie Bilfnei Gloddus, die Möglichkeit, sich zwischen dem Zeitflimmern und der „wirklichen Welt", wie Gloddus sie nannte, hin- und herzubewegen. Von ihnen drohte ihm also keine Gefahr. Aber da war noch etwas anderes. Bei einem seiner Ausflüge ins Zeitflimmern hatte Bilfnei
Gloddus die Nähe eines vertrauten Wesen gespürt. Es hatte eine gänzlich andere Aura ausgestrahlt als die fremden Geschöpfe, die anscheinend von Natur aus das Universum des Zeitflimmerns bevölkerten. Es war ihm verwandt erschienen. Vor lauter Staunen war er nicht dazu gekommen, das Wesen anzusprechen. Jetzt schalt er sich wegen dieses Zögerns. Wie nun, wenn der andere ebenfalls ein Mensch aus der wirklichen Welt war? Ein Terraner wie er? Einer, der seine hochgespannten Pläne zuschanden machen konnte, weil ihm ebenfalls die Macht des Zeitflimmerns zur Verfügung stand? Bilfnei Gloddus wischte die beunruhigenden Gedanken beiseite. Es hatte keinen Zweck, über Fragen zu grübeln, auf die die Antwort sich ohnehin nicht finden ließ. Er hatte einen straff gefaßten Terminplan vor sich. Zunächst galt es, Motamvorc und die hier stationierten Blues zu unterwerfen. Dabei sah er keine nennenswerten Schwierigkeiten voraus. Dann mußte er sich die Besatzung der SMARGENT endgültig gefügig machen. Nach anfänglichen Erfolgen mit diesen seinen ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten war Gloddus nämlich bald dahinter gekommen, daß die Ergebenheit, die die Leute an den Tag legten, in vielen Fällen geheuchelt war. Es gab unter den Besatzungsmitgliedern der SMARGENT offenbar zwei Sorten von Menschen: solche, die Bilfnei Gloddus' machtvollem Einfluß hilflos erlagen, als stünden sie unter hypnotischem Zwang, und andere, auf die Gloddus' Ausstrahlung überhaupt keinen Eindruck machte. Die letztere Sorte war gefährlich, und weil er vorläufig die beiden Sorten noch nicht eindeutig voneinander trennen konnte, hatte er die gesamte Besatzung der SMARGENT, 260 Mann stark, in der mittleren Kugel eingesperrt. Dort hatten sie alles, was sie brauchten - außer natürlich der Freiheit - und konnten ihm nicht gefährlich werden. Wenn die Zeit kam, würde er sich die Mühe machen, die Schafe von den Böcken zu trennen. Denn mit Annorvan Nossi als einzigem Gesellschafter wurde es Bilfnei Gloddus allmählich langweilig. Gloddus sah auf, als der Interkom sich meldete. Es war Nossi aus dem Kommandostand. Er grinste und erklärte: „Wenn mich nicht alles täuscht, ist eine Blues-Delegation auf dem Weg hierher, Sir." Gloddus blickte auf die Uhr. Von den fünf Stunden, die er den Blues zugestanden hatte, waren knapp vier verstrichen. Das machte ihn stutzig. Die Blues konnten sich ausrechnen, daß er sich mit nicht weniger zufrieden geben würde als der absoluten Macht über sämtliche Bewohner und Anlagen auf Motamvorc. Und sie wußten auch, daß sie auf seine Bedingungen würden eingehen müssen. Er hatte ihr mächtigstes Raumschiff sozusagen im Handumdrehen beseitigt. Was sonst hätten sie gegen ihn noch einsetzen können? Warum also hatten sie es so eilig, sich unter sein Joch zu beugen?
„Hör zu, Nossi", sagte er. „Ich möchte, daß du folgende Vorbereitungen triffst . . ." Mii-Ür war Berufssoldat. Er hatte nicht viel Phantasie, dafür aber ein um so stärker ausgeprägtes Pflichtbewußtsein. Er wußte, daß die Hoffnung des gatasischen Volkes bis in absehbare Zukunft einzig und allein auf die Existenz des Geheimstützpunkts Motamvorc gegründet war. Freilich fragte er sich manchmal, wie begründet denn diese Hoffnung überhaupt sei, selbst wenn man in Rechnung stellte, daß die Gataser auf Motamvorc tun und lassen konnten, was sie wollten. Aber das war eine Grundsatzfrage, und für Grundsatzfragen waren' Offiziere unter dem Generalsrang nicht zuständig. Er hatte Epeer-Yins Aufgaben übernommen. Ihm oblag es, für die Sicherheit des Stützpunkts zu sorgen. Der Stützpunkt wurde durch den Terraner bedroht. Es war also Mii-Ürs Aufgabe, den Terraner zu vernichten. Mii-Ür hatte die gewaltige Macht des Terraners dreimal zu sehen bekommen, zweimal davon hatte er sie am eigenen Leib gespürt. Er machte sich keine Hoffnungen über die Aussichten, dem fremden Eindringling beizukommen. Aber solange es auch nur die geringste Möglichkeit gab, war es seine Pflicht, sie zu nutzen. Mii-Ür nahm gelassen zur Kenntnis, daß sein Plan nur unter Aufgabe des eigenen Lebens zu verwirklichen sei. Er durfte den Terraner nicht aus der Ferne angreifen. Er mußte warten, bis er ihm gegenüberstand, und dann zuschlagen. Sorgfältig traf Mii-Ür seine Vorbereitungen. Mit Waffen oder Geräten irgendwelcher Art würde er die Kontrollen, die der Terraner ohne Zweifel in den Zugängen zu seinem Raumschiff angebracht hatte, nicht passieren können. Er mußte also auf altmodische Methoden zurückgreifen. Er besorgte sich aus dem Vorratslager eines Bautrupps einige Fladen grauweißen plastischen Sprengstoffs. Er zertrennte die Fladen in kleinere Stücke und stopfte sich mit diesen sämtliche Tasch voll. Ebenfalls aus dem Vorratslager hatte er sich ein geringes Quantum phosphorhaltiger, pulvriger Zündmasse besorgt. Schließlich tauchte er zwei Finger der rechten Hand in ein Gefäß, in dem unter Luftabschluß flüssiger Zementguß aufbewahrt wurde. Unter Lufteinfluß erhärtete die Masse rasch, so daß zwei von Mii-Ürs sieben rechten Fingerspitzen nun mit einer betonharten Masse überzogen waren. Der Überzug war jedoch dünn, so daß er ohne genaues Hinschauen nicht bemerkt werden konnte. Mii-Ür machte eine Probe. Er nahm ein winziges Quantum Zündmasse zwischen die beiden gehärteten Fingerspitzen und begann, sie gegeneinander zu reiben. Der Erfolg stellte sich sofort ein. Der Phosphor entzündete sich. Es gab eine kleine, heiße Stichflamme. Aber Mii-Ür zuckte nicht einmal zusammen. Damit war er fertig. Er brauchte während des Gesprächs mit dem Terraner nur in die Tasche zu greifen, in der er außer einem Fladen
Sprengstoff auch eine kleine Menge des Zündmaterials trug. Er rieb den Zündstoff zwischen den Fingern. . . und das Problem war gelöst. Mit leisem Bedauern dachte Mii-Ür daran, daß das Aneinanderreiben der Fingerspitzen die letzte Bewegung sein würde, die er in diesem Leben machte. Er schob den traurigen Gedanken jedoch rasch von sich und rief nach den Leuten, die ihn zu dem Raumschiff des Terraners begleiten sollten. Am liebsten wäre er alleine gegangen. Aber das wäre aufgefallen, und er konnte es sich nicht leisten, seinen Plan in Gefahr zu bringen. Er beschränkte sich jedoch auf ein Gefolge von nur drei Offizieren. Sie waren alt und kampferfahren. Er ließ sie nicht wissen, was er vorhatte. Sie würden ihm verzeihen, wenn es wirklich ein Leben nach dem Tode gab und sie dann Zeit hatten, über seine Motive nachzudenken. In einem schnittigen Gleitboot flogen sie nach Xagsaiir, das inzwischen von allen Bewohnern geräumt worden war, und meldeten sich über Interkom dem Terraner an. Seit dem Ultimatum waren vier Stunden vergangen. Mii-Ür war von drängender Unruhe erfüllt. Nun, da er sich entschlossen hatte, sein Leben für das Wohl des gatasischen Volkes zu opfern, hatte er keine Geduld mehr, auf den Augenblick zu warten, in dem sein Vorhaben zur Ausführung karr. Ein hochgewachsener, dürrer Terraner, der mit einem tragbaren Translator ausgestattet war, führte sie in einen in der untersten Kugel gelegenen Raum, der als einziges Möbelstück einen mächtigen Sessel enthielt, in dem ein zweiter Terraner ruhte. Er war kleiner und weniger dürr als der erste, der übrigens am Eingang des Raumes zurückblieb. Mii-Ür war ein wenig enttäuscht. Der Mann im Sessel sah keineswegs so aus, wie er sich den mächtigen, hinterlistigen Eindringling vorgestellt hatte. Er wirkte unbedeutend, durchschnittlich. Auch er trug einen Translator, ein kleines, kastenförmiges Gerät, das ihm an einem Riemen um den Hals hing. Er betrachtete die vier Blues mit gelangweiltem Gesichtsausdruck. Als sich die Tür hinter den Eintretenden geschlossen hatte, sagte er: „Ihr habt euch also entschieden, meine Bedingungen anzunehmen." MiiÜr blickte sich um. Das war erniedrigend, beleidigend! Man bot ihnen nicht einmal einen Sitz an! Zorn flammte aus seinen Augen, als er antwortete: „Ich kenne Ihre Bedingungen nicht!" Der Terraner blinzelte ihn an. „Wer sind Sie eigentlich?" fragte er. „Ich bin Mii-Ür seit dem' Tode des Flottengenerals Epeer-Yin Oberbefehlshaber auf Motamvorc: ` Ein seltsamer Glanz trat in die Augen des Terraners, den Mii-Ür nicht deuten konnte. „Sie also sind Mii-Ür", sagte er. „Das ist gut für Sie!"
„Wie meinen Sie das?" erkundigte sich Mii-Ür, nicht wirklich an der Antwort interessiert, die rechte Hand langsam in die Tasche schiebend, in der sich der Zündstoff befand. Der Terraner beobachtete jede seiner Bewegungen. Er deutete auf MiiÜrs rechten Arm. „Nehmen Sie die Hand dort aus der Tasche, dann erkläre ich's Ihnen!" Der Blue erstarrte vor Schreck. Konnte der Terraner Gedanken lesen? Wußte er, was er in der Tasche hatte? Sein Plan schien verraten. Verwirrt zögerte er eine Sekunde, dann zog er gehorsam die Hand wieder aus der Tasche. „Passen Sie auf!" sagte der Terraner. Im nächsten Augenblick war er spurlos verschwunden nicht nur er, sondern auch der Sessel, in dem er gesessen hatte. Der Raum war völlig leer bis auf die vier Blues. Da drang plötzlich die Stimme des Terraners aus der Luft. „Sehen Sie, was ich meine? Ich saß nicht wirklich vor Ihnen. Sie sind einer Projektion aufgesessen. Wenn Sie den Sprengstoff in Ihrer Tasche gezündet hätten, dann hätten Sie und Ihre Begleiter den Tod gefunden, und in den Wänden des Raumes hätte es ein paar Beulen gegeben. Weiter nichts. Ist es wert, dafür zu sterben?" Beschämt senkte Mii-Ür den Kopf. 4. Damit war das Problem Motam vorc gelöst. Bilfnei Gloddus hatte nicht wirklich gewußt, was für eine Art von Anschlag die Blues beabsichtigten; aber daß sie ihm an den Kragen wollten, darüber gab es keinen Zweifel. Die Prüfgeräte, die sie passiert hatten, ohne es zu ahnen, hatten kein verdächtiges Gerät entdeckt. Also mußte die Waffe, deren sie sich bedienen wollte, entweder chemischer oder biologischer Natur sein. Er hatte sie scharf beobachtet durch dieselbe optische Apparatur, die die Projektion seiner selbst erzeugte. Besonders Mii-Ür hatte er von Anfang an keine Sekunde aus den Augen gelassen. Als er ihn verstohlen die Hand in die Tasche schieben sah, da wußte er, woran er war. Der Blue trug chemischen Sprengstoff bei sich! Es machte ihm nichts aus, daß er sich zusammen mit dem Terraner in die Luft sprengen würde. Bilfnei Gloddus hätte es getrost geschehen lassen. Aber er hatte inzwischen erfahren, daß dieser Mann Mii-Ür war, der Flottenkommandant, der sich vor seiner Macht so gefürchtet hatte, daß er darüber fast zum Befehlsverweigerer geworden wäre. Diesen Mann konnte Bilfnei Gloddus gebrauchen. Also ließ er ihn erkennen, wie sinnlos der Anschlag war, bevor er ihn ausführen konnte. Der Rest der Verhandlung, bei der Bilfnei Gloddus wiederum nur in Form einer Projektion anwesend war, verlief ohne Schwierigkeiten. Der mißglückte Anschlag hatte Mii-Ür das moralische Rückgrat gebrochen.
Bilfnei Gloddus verlangte totale Unterwerfung des gesamten Planeten. Von dem Augenblick an, da Mii-Ür in diese Forderungen einwilligte, war Bilfnei Gloddus der unumschränkte Herrscher von Motamvorc. Die Verbindung zu den übrigen Stützpunktwelten des gatasischen Restreiches mußten abgebrochen werden. Von jetzt an galt Motamvorc als Sperrzone: Wer sich dem Planeten unaufgefordert näherte, war zu vernichten, und selbst wenn es sich um ein gatasisches Raumschiff handelte. Aber Bilfnei Gloddus nahm nicht nur, er gab auch. Er erklärte, es liege in seiner Hand, aus den Gatasern wieder das mächtige Volk zu machen, das sie einst waren. Er beabsichtigte, gegen das Solare Imperium Krieg zu führen. Er setzte den Blues auseinander, er werde in Kürze den Terranern ein Ultimatum stellen: das Leben von sechshunderttausend Siedlern gegen den Abzug aller terranischen Raumschiffe von der Eastside. Allmählich erwärmte er die Blues für seine Sache. Unter den BluesVölkern hatten besonders die Gataser von jeher die Terraner als den Erbfeind schlechthin betrachtet. Wenn es gelang, das Solare Imperium in seine Schranken zu verweisen, wenn in der Milchstraße bekannt wurde, daß die Gataser daran Anteil gehabt hatten, dann vielleicht war es möglich, das gatasische Reich einst in alter Pracht wiedererstehen zu lassen. Von solchen Gedanken beseelt, verabschiedeten sich die vier Blues von ihrem neuen Herrn. Es lag die bittere Aufgabe vor ihnen, den Einwohnern von Motamvorc klarzumachen, daß man vor dem übermächtigen Terraner bedingungslos kapituliert habe. Gleichzeitig aber hatte in ihren Herzen die Hoffnung zu leuchten begonnen, daß diese Kapitulation der Anfang eines neuen, ruhmreichen Abschnitts der Geschichte des gatasischen Reiches sein könne. Ins Hauptquartier zurückgekehrt, bezog Mii-Ür nun endgültig das Büro des Flottenchefs. Er überwachte den Umzug seiner Unterlagen und Gebrauchsgegenstände in das Büro, das früher Epeer-Yin gehört hatte. Er überlegte dabei, daß er nun eigentlich den anderen gatasischen Stützpunkten melden müsse, was sich hier auf Motamvorc zugetragen hatte. Schließlich verwarf er den Gedanken jedoch. Es hätte den übrigen Gatasern nichts genützt, zu wissen, daß auf Motamvorc jetzt ein Terraner herrschte. Ihm dagegen hätte der Funkspruch wahrscheinlich den Tod, und den übrigen Bewohnern von Motamvorc Repressalien von seiten des Terraners eingebracht. Pflichtbewußtsein durfte in einer Situation wie dieser nicht nur anhand der Vorschriften gedeutet werden. Er mußte tun, was im besten Interesse des gatasischen Volkes lag. Ergeben nahm Mii-Ür das Mikrophon des Radiokoms zur Hand und begann zu den Leuten zu sprechen, die auf Motamvorc lebten. Die
Kameras waren eingeschaltet. Sie übertrugen das Bild eines sorgenbeladenen Flottenoffiziers und machten den Blues klar, daß Mii-Ür es ernst meinte, daß er in dieser Situation nicht anders hatte handeln können, als er gehandelt hatte. Motamvorc stand ab sofort unter dem Kommando eines fremden Terraners, hieß seine Botschaft. Der Terraner hatte die absolute Macht über Leben und Tod. Sich ihm zu widersetzen, war unsinnig. Mii-Ür ging sogar so weit, seinen vergeblichen Anschlag zu schildern. Unter den Blues auf Motamvorc setzte sich die Erkenntnis durch, daß Mii-Ür die Wahrheit sprach und daß man gut daran tat, seinen Ratschlägen zu folgen. Erst jetzt hatte Bilfnei Gloddus seinen neuen Basis-Stützpunkt wirklich in der Hand. Der 13. Januar 2843 allgemeiner Zeitrechnung war für die Kolonie Tromcap ein Unglückstag. Tromcap war eine Paradieswelt mit ausgeglichenen warmen klimatischen Bedingungen, fünf Kontinenten, riesigen, fischreichen Meeren und Ozeanen und einer Bevölkerung von rund sechshunderttausend zufriedenen Siedlern in der zweiten und dritten Generation. Tromcap war eine Welt, die sich vorgenommen hatte, sich I durch Agrarexporte am Leben zu er1 ten und, wenn es dazu langte, womöglich auch reich zu werden. Bislang war nur einer der fünf Kontinente nennenswert besiedelt. Auf den anderen hatten sich hier und dort Abenteurer niedergelassen; aber sie waren im großen und ganzen noch menschenleer. Der einzige besiedelte Kontinent hieß Columbia, ein später Tribut an den Mann, der Amerika entdeckt und es trotzdem nicht erreicht hatte, daß der riesige Erdteil seinen Namen bekam. Die Hauptstadt der Siedler, Seboreh, lag unweit der südlichen Küste von Columbia an den Ufern eines breiten, gemächlich dahin gleitenden Stromes. Zu beiden Seiten des Stromes ragten in beträchtlicher Entfernung Berge auf, deren Gipfel trotz des warmen Klimas eine Schneekuppe trugen. In der Ebene; die sich zwischen der westlichen und der östlichen Begrenzung durch die Berge erstreckte, lagen sämtliche wichtigen technischen Anlagen von Tromcap, zum Beispiel der einzige Hypersender der Siedlerwelt, der die Verbindung mit dem Solaren Imperium herstellte. Es war kurz vor Sonnenaufgang in Seboreh, als die Orterstationen das Auftauchen einer rund einhundert Einheiten starken Raumflotte am Rand des Fjogda-Systems registrierten. Die Mitglieder des Siedlerrats, der gesetzgebenden Körperschaft, und die neun Männer des Siedlungskommissariats, das auf Tromcap die Exekutive darstellte, wurden aus dem Schlaf geweckt. Mit Besorgnis verfolgte man die Annäherung des Raumschiffverbandes, der ganz ohne Zweifel Tromcap zum Ziel hatte. Seer Ongevain, der Vorsitzende des Kommissariats, machte den Vorschlag, den nächsten Flottenstützpunkt des Imperiums zu alarmieren. Aber die Meinung war gegen ihn. Man war der Ansicht, daß ein solcher Alarm übermäßige und
unbegründete Furcht verriete. Zuerst sollte man versuchen, sich mit dem Kommandanten des herannahenden Verbandes in Verbindung zu setzen. Ein entsprechender Versuch wurde unternommen, aber er blieb ohne Erfolg. Der fremde Flottenverband antwortete nicht. Seer Ongevain wiederholte seinen Vorschlag -'er war ein junger, aber äußerst zielbewußter und vor allen Dingen hartnäckiger Mann , aber immer noch wollte man sich nicht die Blöße geben, ohne dringenden Anlaß Furcht zu zeigen. So entwickelte sich das Unheil ungehindert, und den Siedlern von Tromcap blieb nachher nichts mehr sonst zu bedenken als die eigene Dummheit, die sie davon abgehalten hatte, das Notwendige zu tun, solange es noch getan werden konnte. Der Verband der einhundert Raumschiffe bildete einen dreifach gestaffelten Ring um Tromcap. Mittlerweile hatte man, obwohl das technische Gerät auf der Siedlerwelt keineswegs den neuesten Erkenntnissen der Technologie entsprach, eindeutig erkannt, daß es sich bei dem Raumfahrzeugen nicht um kugel- sondern um diskusförmige Gebilde handelte - ein Hinweis mehr, daß man es nicht mit Einheiten der Solaren Flotte, sondern höchstwahrscheinlich mit Blues-Kampfschiffen zu tun hatte. Seer Ongevains Meinung gewann allmählich an Gewicht. Aber bevor man sich darauf einigen konnte, die Solare Flotte zu alarmieren, geschah das Unglück. Man beobachtete noch fasziniert die Manöver des fremden Flottenverbandes, der sich rings um Tromcap organisierte, da stieß eines der Fahrzeuge plötzlich mit beachtlicher Geschwindigkeit auf die Oberfläche des Siedlerplaneten herab. Die Ortung meldete, es handele sich um ein Raumschiff, dessen Form von der Gestalt der übrigen Fahrzeuge abweiche. Man erkannte ein Gebilde,das insgesamt sechshundert Meter lang war und aus drei Kugeln von jeweils zweihundert Metern Durchmesser bestand. Unter den Mitgliedern des Siedlerrats und des Siedlungskommissariats, die Seer Ongevain standhaft widersprochen hatten, brach Jubel aus. Das Raumschiff wurde als eine Einheit der terranischen Explorerflotte identifiziert. Was gab es also noch zu fürchten? Der Triumph der ewigen Optimisten verwandelte sich bald in bittere Enttäuschung. Das aus drei Kugeln bestehende Raumschiff senkte sich rasch auf das breite Tal herab, in dem außer der Stadt Seboreh auch die wichtigsten technischen Einrichtungen der Siedlerwelt lagen. Der Unbekannte, der auch jetzt noch sämtliche Versuche der Kontaktaufnahme unbeantwortet ließ, schien genau zu wissen, wohin er sich zu wenden hatte. Auf dem geradesten Weg flog er die Hypersendestation an, und als er mit der untersten Kugel seine Fahrzeugs knapp eintausend Meter über ihr schwebte, drang aus der Hülle einer der Kugeln ein fauchender, dröhnender, blauweiß leuchtender Energiestrahl, der den
Hypersender im Laufe weniger Sekunden in eine dampfende, glühende Lache geschmolzenen Metalls verwandelte. Sprachlos, von Entsetzen erfüllt, sahen die Siedler das fremde Raumschiff von neuem Fahrt aufnehmen. Es flog seitwärts davon, nicht allzu hoch über die Oberfläche des Planeten, und bewegte sich in nördlicher Richtung, unbesiedelten und kühleren Regionen entgegen. Man wußte nicht, was man davon zu halten hatte. Nur soviel wußte man: Tromcap war von der Umwelt abgeschnitten und, da es über keinerlei militärische Mittel verfügte, dem unbekannten Gegner ausgeliefert. Es war den Blues auf Motamvorc nicht zu verdenken, daß sie begeistert auf Bilfnei Gloddus' Vorhaben eingingen. Schließlich hatten sie eine Schlappe, eine Erniedrigung wettzumachen. Die Erniedrigung war ihnen von einem Terraner zuteil geworden. Welch besseren Weg gab es, sich dafür zu rächen, als daß man sie an andere Terraner weitergab. Mii-Ür rüstete einen Verband von einhundert schweren Schlachtschiffen aus. Zusammen mit der SMARGENT machte sich der Verband auf den Weg zu einem Raumsektor, der unmittelbar an der Grenze der Eastside lag, jener Gegend, in der der Einflußbereich des Solaren Imperiums und der der Blues einander überlappten. Dort befand sich das Fjogda-System, dessen einziger von Menschen bewohnbarer Planet, die Siedlerwelt Tromcap, von Bilfnei Gloddus als Ziel seiner nächsten Aktion ausersehen worden war. Bei seinem Vorhaben gab es nur ein einziges Risiko: daß die Siedler von Tromcap beim Auftauchen des verdächtigen Raumschiffverbandes sofort eine Alarmmeldung über Hyperfunk losließen und daß sich zudem noch Einheiten der Solaren Flotte in unmittelbarer Nähe des FjogdaSystems aufhielten und sofort auf den Hilferuf reagierten. Glücklicherweise bewahrheitete sich nicht einmal der erste Teil der Befürchtung. Von Tromcap wurde, während sich der Verband dem Planeten näherte, kein einziger Hyperfunkspruch abgestrahlt. Mii-Ürs einhundert Einheiten formierten sich rings um die Siedlerwelt. Als Bilfnei Gloddus erkannte, daß Komplikationen nicht zu befürchten waren, stieß er auf die Oberfläche der paradiesischen Welt hinab und zerstörte den einzigen Hypersender von Tromcap, dessen Lage er aus der umfangreichen Datenkartei der SMARGENT wohl kannte. Danach machte er sich mit seinem Fahrzeug auf den Weg zum Nordpol von Tromcap. Auf Tromcap gab es in beiden Polarzonen keine Landmas , die den Nord- beziehungsweise Südpol einschlossen. Infolge des warmen Klimas der Siedlerwelt waren die Kleinkontinente nur zum Teil vereist; die polfernen Gebiete wiesen eisfreies, tundrenähnliches Gelände auf. Bilfnei Gloddus hatte nicht die Absicht, sich bei seiner wichtigsten Verrichtung auf Tromcap von irgend jemand beobachten zu lassen. Er
arretierte die Bedienung des Autopiloten, so daß die SMARGENT sich in etwa fünftausend Metern Bodenhöhe aus ihrer augenblicklichen Position nicht rühren konnte. Dann bestieg er ein Beiboot, in dessen Laderaum er lange zuvor eigenhändig die Sprengkörper geladen hatte, die Mii-Ür ihm hatte zur Verfügung stellen müssen. An Bord dieses Bootes senkte er sich in die Gegend des Tromcap-Nordpols hinab, fand zwischen schnee- und eisbedeckten Bergwänden ein geeignetes Versteck und deponierte dort etwa die Hälfte der verderblichen Last, die sein Fahrzeug an Bord führte. Danach kehrte er an Bord der SMARGENT zurück. Das Raumschiff nahm Fahrt auf und erreichte knapp vierzig Minuten später die Südpolargegend von Tromcap. Bilfnei Gloddus wiederholte sein Verfahren. Er arretierte die Steuerung, ging an Bord des Beibootes und landete in der Nähe des Südpols. Dort deponierte er den Rest der mitgebrachten Sprengkörper. Es handelte sich um Kernbrand Bomben. Sobald er sie zündete, würde die Substanz des Siedlerplaneten Tromcap in den Kernverschmelzungsprozeß treten und Tromcap im Laufe weniger Stunden in eine lodernde Sonnenfackel verwandeln. Auf dieser Welt gab es sechshunderttausend Siedler. Das Solare Imperium würde es sich wohl überlegen, ob es ihr Leben um fraglicher militärischer Vorteile willen aufs Spiel setzen wollte. Zufrieden mit seiner Leistung. bestieg Bilfnei Gloddus das Beiboot und kehrte zur SMARGENT zurück. Annorvan Nossi erwartete ihn im Kommandostand. „Alles in Ordnung, Sir?" fragte er grinsend. „Alles in Ordnung", antwortete Bilfnei Gloddus würdevoll. Dann aktivierte er den leistungsstarken Hypersender der SMARGENT. In knappen Worten gab er dem Solaren Imperium sein Ultimatum bekannt: Abzug der Solaren Flotte aus der Eastside, oder Tod für sechshunderttausend Siedler! Nachdem er die Sendung abgestrahlt hatte, saß er lange Zeit am Sendepult und starrte vor sich hin. Bilder zukünftiger Größe trieben ihm durchs Bewußtsein. Er würde die Galaxis beherrschen. Und vielleicht noch mehr als das. Im Besitz der technischen Ressourcen des Solaren Imperiums war es für ihn ein leichtes, eine Expedition nach Andromeda auszurüsten. Man wußte, daß die machtpolitischen Verhältnisse dort ziemlich verworren waren, ideale Bedingung für den, der im trüben zu fischen gedachte. Zunächst jedoch würde er seine Position in der Milchstraße sichern müssen. Es wartete seiner eine organisatorische Aufgabe ersten Ranges. Die Unterwerfung der Andromeda konnte nur gelingen, wenn er selbst an dem Feldzug teilnahm. Denn nur seine übermenschlichen Fähigkeiten boten die Garantie, daß dem Feldzug Erfolg beschieden war. In der Zwischenzeit jedoch, während seiner
Abwesenheit, mußte die Lage in der Milchstraße stabil bleiben. Er mußte bis dahin einen Apparat aufgezogen haben, der es den Völkern der Milchstraße unmöglich machte, gegen ihn zu rebellieren. Es würde von Vorteil für ihn sein, wenn er die politischen Führer der Galaxis so bald wie möglich von der Unüberwindbarkeit der Macht überzeugte, die ihm innewohnte. Er durfte sich nicht darauf verlassen, daß sie seinen Demonstrationen Glauben schenkten. Er mußte Furcht in ihre Herzen pflanzen, abergläubische Furcht vor ihm, dem nahezu Allmächtigen. Die erste Gelegenheit bot sich hier, auf Tromcap. Er wollte mit den Führern des Solaren Imperiums das zukünftige Schicksal der Milchstraße diskutieren. Man würde seine Aufforderung zu einer Aussprache nicht unbeachtet lassen, besonders dann nicht, wenn er sie in die richtigen Worte kleidete. In Wirklichkeit lag ihm an einer Aussprache nichts. Er hatte über das Schicksal der Milchstraße schon aus eigener Machtvollkommenheit entschieden: Sie würde ihm gehören, das war alles, was es darüber zu sagen gab. Aber die Aussprache würde ihm Gelegenheit bieten, die Führung des Solaren Imperiums zu beeindrucken. Er setzte den Gedanken sofort in die Tat um. Der Hypersender wurde von neuem aktiviert. Ein zweiter Funkspruch ging an Terrania-City ab: ;,Zwecks Diskussion der zukünftigen Entwicklung auf der Eastside bin ich bereit, mit einer Person aus dem Führungsgremium des Solaren Imperiums auf dem Planeten Tromcap zu verhandeln. Die Besprechung hat vor dem 22. Januar 2843 allgemeiner Zeitrechnung stattzufinden. Ankunftsdatum und Name des von Ihrer Seite zum Verhandeln Ermächtigten ist mir bis spätestens Mittag des 15. Januar 2843 allgemeiner Zeitrechnung mitzuteilen." Annorvan Nossi war begeistert. „Da haben Sie es denen aber gesteckt!" rief er enthusiastisch. „Mein lieber Mann, werden die Augen machen!" Indigniert wandte sich Bilfnei Gloddus in die Richtung seines Mitarbeiters. „Nossi.,. ", sagte er ernst. Nossi verstand sofort und schlug sich erschreckt die flache Hand vor den Mund. „Oh, ich weiß schon, Sir. Entschuldigen Sie bitte, Sir!" Gloddus schüttelte langsam den Kopf. „Das ist nicht genug, Nossi", wies er die Bitte um Entschuldigung zurück. „Ich glaube, ich muß dir noch klarer machen, wieviel Respekt du mir schuldest." „Selbstverständlich, Sir", antwortete Nossi geknickt. „Ab sofort ist Sir` nicht mehr genug", erklärte Bilfnei Gloddus mit scharfer Stimme. „Ab sofort nennst du mich ,Herr`, ist das klar?" „Natürlich, S. . . - ich meine, Herr!" beeilte sich Nossi zu versichern.
5. „Man muß sich vorbereiten, Salgouz", sagte Atlan ernst. „Es gibt Dinge, die getan werden können, während wir uns überlegen, wie auf Gloddus' Ultimatum geantwortet werden soll." Die Unterhaltung fand in demselben Raum statt, in dem auch die letzte abgewickelt worden war. Ein kahler Raum, der nichts Überflüssiges enthielt, wodurch die Aufmerksamkeit hätte abgelenkt werden können. Lelle Salgouz bedachte den Arkoniden mit einem gelangweilten Blick. „Zum Beispiel was, Sir?" fragte er. „Man könnte nach Gloddus forschen", antwortete Atlan. „Nicht hier, sondern drüben, in jener anderen Welt, die Sie das Zeitflimmern nennen. Gloddus findet seine neuen Begabungen nicht einfach so, wie andere Leute Kieselsteine am Wegesrand finden. Er scheint nach einem bestimmten Plan vorzugehen. Er gewinnt nur solche Fähigkeiten, die er im Zusammenhang mit diesem Plan verwenden kann. Um das zu erreichen, muß er mit den Wesen im Zeitflimmern in Kontakt treten und sich Rat holen. Ich bin mir darüber im klaren, daß es ein aussichtsloses Unterfangen ist, aufs Geratewohl ins Zeitflimmern einzudringen und Gloddus finden zu wollen. Dazu ist die Bevölkerung jener eigenartigen Welt zu zahlreich. Aber bedenken Sie eines: Jeder. . . " Er hatte auf einmal Falten auf der Stirn und fragte irritiert: „Wie nennen Sie sie?" „Bernaler", antwortete Lelle Salgouz. „Jeder Bernaler also", fuhr der Arkonide fort, „mit dem Bilfnei Gloddus in Verbindung tritt, um seine Kenntnisse gezielt au erweitern, verringert die Aussichtslosigkeit des Versuchs, etwas über seine Absichten zu erfahren. Wenn er sich mit fünf Bernalern unterhalten hat, dann haben wir jetzt schon fünfmal mehr Aussichten, uns über seinen Plan zu informieren." Lelle Salgouz nickte schwerfällig. „Das ist richtig, Sir", antwortete er. „Aber selbst fünfmal . mehr ist noch zu wenig. Übrigens: mich interessieren die Belange einzelner Menschen weitaus mehr als das Wohlergehen des Imperiums. In diesem Zusammenhang: Hat man die Leute auf Tromcap wissen lassen, was ihnen bevorsteht?" Atlan musterte den ungeschlachten Mann, der die Augen auf die Tischplatte gerichtet hielt, mit einem Blick, dem schwer zu entnehmen war, was den Arkoniden mehr bewegte: der Ärger über Salgouz' Trägheit oder die Anerkennung für seine Einstellung, die das Wohl von Individuen über das Wohl einer Institution stellte. „Tromcap ist benachrichtigt worden", antwortete er schließlich. „Man weiß dort, welche Gefahr Bilfnei Gloddus darstellt." „Irgendeine' Reaktion von Tromcap seitdem?" fragte Lelle Salgouz, der plötzlich gar nicht mehr so gelangweilt wirkte. „Eine", antwortete Atlan schwer. Lelle Salgouz holte tief Luft. „Und die wäre?"
„Man fragt, was wir tun könnten, um die Gefahr zu mindern." Salgouz seufzte. Dann plötzlich ballte er die Hände zu Fäusten, und stemmte sich in die Höhe. „Also gut`, brummte er, „Sie haben mich überzeugt. Ich gehe. Aber erwarten Sie nicht zuviel. ` Atlan lächelte matt. „Ich bin kein so hoffnungsloser Optimist, wie Sie zu glauben scheinen, Salgouz. Aber ich meine, daß wir auch die geringste Chance nicht ungenutzt lassen sollten." Lelle Salgouz stand starr, mit geschlossenen Augen. Plötzlich verschwanden die Umrisse seiner massigen Gestalt. Eine Sekunde später war er verschwunden. Atlan verließ den Raum und trat auf den Gang hinaus. Die Leere des breiten Verkehrswegs, der, mit Rollbändern nach beiden Richtungen belegt, quer durch das Innere des wabendurchsetzten Himmelkörpers zog, erschien ihm bedrückend. Er trat auf eines der langsameren Bänder und ließ sich in Richtung auf seine Privatunterkunft davontragen. Er war noch keine einhundert Meter weit gefahren, da meldete sich der allgemeine Interkom über die zahllosen in Wänden und Decken eingearbeiteten Lautsprechern. „Der Kommunikationszentrale liegt eine wichtige Meldung für den Lordadmiral vor. Der Lordadmiral wird gebeten, sich mit der Zentrale in Verbindung zu setzen. Ende der Durchsage!" Der Arkonide befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht allzu weit von der Zentrale entfernt. Anstatt dort anzurufen, wandte er sich persönlich an das Kommunikationszentrum. Die Nachricht kam von Imperium Alpha, bestand aus Schlüsseltext und war „Exekutiv-geheim" markiert. Atlan zog sich damit in eine Dekodier-Kabine zurück. Wenige Augenblicke später starrte er nachdenklich auf den Klartext der Meldung, die Bilfnei Gloddus' Wunsch nach einer Konferenz mit „einer Person aus dem Führungsgremium des Solaren Imperiums" zum Ausdruck brachte. Die Meldung enthielt ein kleines Anhängsel, von Perry Rhodan selbst verfaßt: „Nathan schlägt vor, du gehst!" Bislang war Bilfnei Gloddus im Verlauf seines ehrgeizigen Unternehmens nur ein einziger Fehler unterlaufen. Es handelte sich dabei um ein Fehlurteil, das mit der Loyalität der Besatzung der SMARGENT zu tun hatte. Gloddus war der Ansicht gewesen, daß sich unter seinen ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten solche befänden, die die Ergebenheit ihrem neuen Herrn gegenüber nur vortäuschten. Damals, in den ersten Tagen seines Unternehmens, hatte er solche Heuchler als eine ernstzunehmende Gefahr betrachtet und, da er sie nicht ohne großen Aufwand von den ihm wirklich Ergebenen zu unterscheiden
vermochte, die gesamte Besatzung in die mittlere Kugel der SMARGENT gesperrt. In Wirklichkeit waren, nach anfänglichem Zögern, selbst Docro Ktamvayn, der Kapitän der SMARGENT, und Amos Dalcon, sein Erster Offizier, längst von Bilfnei Gloddus' Großartigkeit überzeugt und ihm treu ergeben gewesen. Es war ein ungesundes Übermaß an Mißtrauen, das Gloddus an ihrer Verläßlichkeit hatte zweifeln lassen. Und nun hatte er durch den Entschluß, die Besatzung in die Mittelkugel zu sperren, eine wirkliche Gefahr für sich heraufbeschworen. Im Abseits nämlich, getrennt von Bilfnei Gloddus, waren einigen Leuten allmählich Zweifel gekommen, ob Gloddus wirklich der Halbgott sei, für den sie ihn gehalten hatten. Die ersten unter den Zweiflern waren eben Docro Ktamvayn und Amos Dalcon, Männer also, die sich zu ihren hohen Stellungen dank ihres kritischen Verstandes emporgearbeitet hatten und nun gerade diesen kritischen Verstand benützten, um ihr Verhältnis zu Bilfnei Gloddus zu überdenken. Die mittlere Kugel der SMARGENT hatte ursprünglich der Unterbringung wissenschaftlichen Geräts gedient. Noch auf Steelaway hatte Gloddus jedoch die Kugel räumen lassen. Die SMARGENT würde sich fortan nicht mehr mit wissenschaftlicher Forschung befassen, also waren die Instrumente überflüssig. Kurz vor dem Start von Steelaway hatte das wissenschaftliche Instrumentarium einen wirren, wüsten Trümmerhaufen rings um den Landeplatz der SMARGENT gebildet. Es war kein Gerät mehr übrig, das die Eingeschlossenen hätten benützen können, um sich ihre Lage zu erleichtern, oder gar, um sich zu befreien. Die Zugänge zu den beiden anderen Kugeln der SMARGENT waren wirkungsvoll versperrt. In der Mittelkugel gab es lediglich noch sanitäre Einrichtungen und Proviant, aus dem die Gefangenen sich verköstigten. Als einziges technisches Gerät hatte Bilfnei Gloddus seinen ehemaligen Kollegen eine Bildverbindung hinterlassen, mit deren Hilfe sie die Außenwelt in Augenschein nehmen konnten. Die insgesamt zweihundertundsechzig Männer und Frauen hatten sich auf die zahlreichen Räume der Mittelkugel verteilt. Es gab genug Platz. Jeder hatte, wenn er Wert darauf legte, sein eigenes Quartier. Nur Docro Ktamvayn und Amos Dalcon waren beieinander geblieben. Sie bewohnten gemeinsam einen ehemaligen Lagerraum, der die Größe einer mittleren Halle hatte. Das Bildgerät war in dem früheren Kontrollraum untergebracht. Dort fanden sich die Eingeschlossenen ein, wenn es draußen etwas zu sehen gab. So waren sie alle dort versammelt gewesen, als die SMARGENT den Planeten Tromcap anflog, und hatten beobachtet, wie das ehemalige Forschungsschiff zuerst die beiden Pole besuchte, dann die Stadt Seboreh anflog, den Hypersender zerstörte und schließlich auf
der Nordhalbkugel des Planeten auf einer einsamen Ebene landete. Freilich wußten sie weder, daß die Stadt Seboreh hieß, noch hatten sie eine Ahnung davon, in welcher Gegend der unbekannten Welt sie gelandet waren. Sie wußten selbstverständlich auch nicht, wie der Planet hieß. Docro Ktamvayn hatte seine düsteren Gedanken bezüglich seines Verhältnisses zu Bilfnei Gloddus schon seit einigen Tagen mit sieh herumgetragen. Er wagte nicht, sich darüber zu äußern - erstens, weil er nicht wußte, wie Amos Dalcon darauf reagieren würde, und zweitens, weil er nicht sicher war, ob Gloddus nicht die Räume der mittleren Kugel mit Abhörgeräten hatte versehen lassen, die jedes seiner Worte übertragen hätten. Erst als sie Augenzeuge der Vernichtung des Hypersenders wurden, kochte Ktamvayns Zorn endlich über. Als er mit Dalcon in ihre Unterkunft zurückgekehrt war, knurrte er: „Er hört nicht auf mit seiner Anmaßung! Jetzt wird er sich die Bewohner dieser Welt auch noch unterwerfen!" Der Erste Offizier sah erstaunt zu seinem hochgewachsenen, hageren Kapitän auf. „Sie sind also auch über Bilfnei Gloddus mitterweile anderer Meinung, wie?" fragte er. „Sie auch?" fragte Ktamvayn verblüfft. Dalcon nickte. „Schon seit langem. Wir haben uns einwickeln lassen. Der Kerl strahlt Irgendeine Aura aus, die das logische Denkvermögen lähmt." „Wir sollten etwas dagegen tun", sagte Docro Ktamvayn fest entschlossen. „Es kann so nicht weitergehen." Er machte eine Kopfbewegung in Richtung des Schotts. Dalcon verstand. Auch er hatte in Betracht gezogen, daß es hier womöglich Abhörgeräte gab. Draußen auf den Gängen war die Gefahr geringer. Sie traten hinaus und bewegten sich langsam, wie Spaziergänger, in Richtung des ehemaligen Kontrollraums. „Was können wir tun?" fragte Amos Dalcon mit verhaltener Stimme. „Ich weiß es nicht", antwortete der Kapitän. „Allein, daß wir uns darüber unterhalten, daß wir unsere Einstellung zu Gloddus geändert haben, ist schon ein Fortschritt." „Ich frage mich, wie die anderen darüber denken", sagte der Erste Offizier. „Sie werden im Lauf der Zeit ebenfalls zu unserer Ansicht gelangen. Ich bin überzeugt, daß wir beide nur deswegen zur Besinnung kamen, weil wir von Gloddus abgeschnitten sind. In der Abgeschlossenheit beginnt der Verstand wieder zu arbeiten. Bei den andern ebenso wie bei uns." „Hoffen wir's", seufzte Amos Dalcon.
„Wenn wir wenigstens -wüsten, was für eine Welt das ist, auf der wir gelandet sind", fuhr der Kapitän fort. „Unter Umständen könnten wir uns mit den Bewohnern in Verbindung setzen." „Wie? Es gibt keine Funkgeräte, die Schleusen sind verriegelt.,.." „Irgendeine Möglichkeit ließe sich schon finden", lächelte Docro Ktamvayn bitter. „Wir sind schließlich nicht auf den Kopf gefallen." Sie hatten den Kontrollraum erreicht. Ktamvayn spürte plötzlich Dalcons Hand auf seiner Schulter. „Sehen Sie!" stieß der Erste Offizier hervor. Ktamvayn blickte auf. Der Raum war leer. Die Gefangenen hatten sich bald nach der Landung in ihre Quartiere verzogen, weil es außer dem endlosen, ebenen Heideland nichts zu sehen gab. Jetzt jedoch bot sich ein neues Bild. Am Fuße der SMARGENT standen drei Gleitfahrzeuge älterer Bauart. Die Luken der Gleiter waren geöffnet. Man sah Männer aus den Fahrzeugen aussteigen. Docro Ktamvayn kniff unwillkürlich die Augen zusammen. Er fixierte eine Gestalt, die ein Gewand von auffallender Farbe trug. Das Gesicht des Mannes war aus dieser Entfernung nicht zu erkennen. Aber man sah deutlich, daß der mantelähnliche Überwurf, den er trug, aus violetten und grünen Streifen zusammengesetzt war. „Ongevain!" rief der Kapitän. „Seer Ongevain! Wenn er das ist, dann sind wir auf Tromcap!" Amos Dalcon musterte ihn fragend. , „Ongevain.. . wer ist das?" wollte er wissen. „Ein junger, energischer und viel versprechender Mann", antwortete Ktamvayn, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. „Entfernter Verwandter. Die Sippe der Vain oder Vayn ist weit verzweigt. Einzelne Unterabteilungen der Sippe setzen dem Sippennamen differenzierende Präfixe voran. Seers Abteilung hat das „Onge" gewählt, meine nennt sich „Ktam". Ich sage Ihnen, wir müssen uns mit diesem Mann in Verbindung setzen! Als ich das letzte Mal von ihm hörte, war er gerade Vorsitzender des Siedlungskommissariats auf Tromcap geworden." Amos Dalcon zweifelte. „Wie können Sie sicher sein, ob das wirklich der Mann ist?" fragte er. „Sie können ihn von hier aus unmöglich erkennen." Docro Ktamvayns Augen blitzten. „Die Vayn waren schon immer eine stolze Gesellschaft. Ihr Wappen zeigt zwei schräge Felder, sonst nichts. Das obere Feld ist violett, das untere grün. Wo immer es ging, haben die Vayn stolz ihre Farben gezeigt. Seer Ongevain aber war noch stolzer als die andern. Er trug die Farben seiner Sippe sogar in der Kleidung. Sagen Sie selbst: haben Sie jemals einen Menschen gesehen, der sich in derart verrückte Farben kleidet?" Dalcon schüttelte den Kopf. „Gewiß nicht", antwortete er.
Die Männer, die die Gleiter verlassen hatten, waren inzwischen unter der Rundung der untersten Kugel dem Blickfeld der Kamera entschwunden. Ktamvayn packte den Ersten Offizier am Arm. „Kommen Sie!" flüsterte er hastig. „Wenn wir wirklich auf Tromcap sind, dann müssen wir uns mit den Siedlern in Verbindung setzen!" Die Delegation der Siedler hatte zunächst über Bildsprech angefragt, ob man sie an Bord der SMARGENT empfangen werde. Annorvan Nossi hatte das Gespräch entgegengenommen und auf Bilfnei Gloddus' Anweisung hin die Frage bejaht. Eine Stunde später waren drei Gleitfahrzeuge am Fuß des Schiffes gelandet, und Nossi hatte dafür gesorgt, daß die Besucher das Schiff ungehindert betreten konnten. Durch den Antigravschacht, der die Mittelachse des aus drei Kugeln zusammengesetzten Raumschiffs bildete, kamen sie herauf zur obersten Kugel, in der der Kommandostand lag und Bilfnei Gloddus seinen Sitz hatte. Es waren insgesamt fünfzehn Mann, allesamt jung, jene Mischung von Intellektualität und Schwielen an den Händen ausstrahlend, die für terranische Siedler in jenem Zeitabschnitt charakteristisch war. Bilfnei Gloddus hatte sich für den Empfang der Siedler etwas Besonderes ausgedacht. Er hüllte sich in ein durchsichtiges Schirmfeld, das ihn wie eine Art scharf begrenzten Nebels umgab. Er hatte des Schirmfeld auch so gestalten können, daß es völlig transparent und daher unsichtbar war. Die Kenntnis, wie raan diese Art von Feldern errichtete, verdankte er einem Bernaler, dem er im Zeitfeld immern begegnet war und von seinen Nöten berichtet hatte. Aber ein unsichtbares Schirmfeld taugte nicht dazu, jemand zu beeindrucken. Und Bilfnei Gloddus hatte es darauf abgesehen, den Siedlern gleich bei der ersten Begegnung zu zeigen, welch ungeheure Macht er besaß. Das Feld hatte eine Höhe von annähernd vier Metern und an der dicksten Stelle einen Durchmesser von fast zwei. Es umgab seinen Träger wie eine Art gigantischer Kokon. Der hochgewachsene, junge Mann, der die Delegation der Siedler anführte, schien von Bilfnei Gloddus' übernatürlichen Fähigkeiten wenig beeindruckt. Er schritt unerschrocken auf den schirmfeldumhüllten Gloddus zu, ohne Annorvan Nossi, der in der Nähe des Eingangs stand, eines Blickes zu würdigen, und sagte: „Ich bin Seer Ongevain, Vorsitzender der Siedlungskommissariats von Tromcap. An anderem Ort hätte ich also den Rang eines Administrators. Wir sind gekommen, um zu erfahren, welche Absicht Sie mit Ihrer Anwesenheit auf Tromcap verfolgen." Bilfnei Gloddus lächelte herablassend. „Bin ich Ihnen darüber Rechenschaft schuldig?" „Natürlich", antwortete Ongevain kühl. „Tromcap ist autark im Sinne des Siedlungsgesetzes von 2403. Das Kommissariat hat das Recht, einrei-
senden Fremden die Landung zu verwehren. Wir möchten wissen, woran wir mit Ihnen sind." Bilfnei Gloddus spielte immer noch den unendlich Überlegenen. „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen", antwortete er. „Ich bin hier nur gelandet, um mich für einige Tage auszuruhen. Danach werde ich Tromcap verlassen, ohne Ihnen den geringsten Schaden zuzufügen." „Warum flogen Sie vor der Landung beide Pole an? Warum zerstörten Sie unseren Hypersender?" „Ich wollte ungestört sein", lächelte Gloddus, dem ersten Teil der Frage geflissentlich ausweichend. „Ich wollte nicht, daß Sie die ganze Welt über meine Ankunft in Kenntnis setzen." „Und was sollen die einhundert fremden Raumschiffe, die Tromcap umkreisen?" „Meine Eskorte, junger Mann", antwortete Gloddus freundlich. „Sie brauchen sich darüber nicht zu sorgen." „Sie sind ein verdammter Lügner!" sagte Seer Ongevain. Bilfnei Gloddus wurde bleich. „Nehmen Sie sich in acht, was Sie sagen!" keifte er. „Ich bin es nicht gewohnt, mir von einem... " „Mir ist egal, woran Sie gewöhnt sind", fuhr Ongevain ihm in die Parade. „Ich weiß, daß Sie an beiden Polen Bomben oder etwas Ähnliches deponiert haben. Ich weiß, daß Sie Tromcap sprengen wollen, wenn das Solare Imperium nicht auf Ihre Forderungen eingeht." Bilfnei Gloddus war eine Zeitlang sprachlos. „Woher... woher wissen Sie das?", stotterte er schließlich. „Ich habe den Hypersender..." „Den Sender, ja", unterbrach ihn Ongevain. „Aber den Empfänger haben Sie nicht ganz geschafft. Er funktioniert noch ein wenig. Zwar verstümmelt, aber im ganzen verständlich, haben wir einen Spruch von Quinto-Center empfangen. Wir wissen von Ihrem Ultimatum, und seitdem können wir uns denken, was Sie an den beiden Polen zu suchen hatten." Bilfnei Gloddus sah sein Spiel durchschaut. Von nun an war es nicht mehr nötig, den harmlosen Besucher zu spielen. Er warf die unbequeme Rolle von sich und gewann sofort seine Sicherheit wieder. „So wissen Sie es also", knurrte er. „Und nun... was?" „Das Siedlungskommissariat von Tromcap übermittelt Ihnen hiermit die Aufforderung, den Planeten innerhalb von drei Stunden zu verlassen", erklärte Seer Ongevain. Bilfnei Gloddus grinste hämisch. „Sonst... ?" „Sonst", antwortete Ongevain, „werden sich die Siedler dieser Welt ihr Recht zu verschaffen wissen." Er wandte sich um und schritt, gefolgt von seinen Begleitern, zur Tür hinaus. 6.
Kurze Zeit nach dem Besuch der Siedlerdelegation war Bilfnei Gloddus ins Zeitflimmern eingetreten, um sich dort vorsichtig zu informieren, welche Schritte er nun zu tun hatte, damit sein Plan nicht fehlschlug. Dieses Vorhaben barg ein Risiko in sich. Wer immer auch die natürlichen Bewohner dieser seltsamen Welt sein mochten, sie waren dadurch gekennzeichnet, daß sie von der Gewalt eine niedrige Meinung hatten. Sie verabscheuten alles, was damit zu tun hatte, daß der eine dem andern etwas aufzwang, was der andere nicht haben wollte. Mit dieser Geisteshaltung mußte Bilfnei Gloddus sich abfinden. Sie war ihm unbequem; aber er hoffte, trotzdem zum Ziel zu kommen. Langsam und bedächtig bewegte er sich durch die unwirkliche Nebelwelt. Er besaß keinen Körper, und doch „ging" er. Er spürte keinen Boden, und dennoch hatten seine nicht vorhandenen Füße festen Halt. Er sah und hörte nicht, und trotzdem nahm er die Anwesenheit anderer Wesen wahr. Sie waren rings um ihn, sie nahmen ihn ebenfalls wahr. Er hörte ihre Stimmen, obwohl er keine Ohren besaß. Er atmete, obwohl es hier keine Luft gab und er nicht über Lungen verfügte, die die Luft in sich hätten aufnehmen können. Er schüttelte die Verwunderung ob der Unwirklichkeit dieser Welt von sich ab und lachte. In seiner Nähe unterhielten sich zwei Personen. Er konnte ihre Worte klar vernehmen Worte, die in Wirklichkeit keine Worte waren, sondern Gedankenströme, die sein Gehirn mühelos verarbeitete. „Du hast unrecht, Segayl Wolkaan", sagte die eine Stimme ungewöhnlich heftig. „Du kannst nicht im Ernst behaupten, daß es für uns besser sei, wenn wir die metapolare Energie dieses Kontinuums anzapfen, um uns dadurch gewaltsam auf unsere Welt zurückzuversetzen." Der Mann, den der andere Segayl Wolkaan genannt hatte, antwortete nachdenklich und amüsiert zugleich: „Ich weiß, was du denkst. Du bist verhaftet in uralten Denkschemata. Der Einsatz metapolarer Energie würde dieses Universum ziemlich durcheinander bringen. Du betrachtest gar nicht, was ich mit dem Einsatz der Energie erreichen will. Dir genügt es allein zu wissen, daß dieser Kosmos durchgerüttelt werden wird, um meinen Vorschlag abzulehnen." „Mag sein, Segayl", antwortete der andere. „Auf jeden Fall bin ich gegen deinen Vorschlag." „Ich danke dir", sagte Wolkaan. „Trotzdem war diese Aussprache nützlich." Bilfnei Gloddus empfand, wie Wolkaans Gesprächspartner sich entfernte. Wolkaan selbst dagegen blieb an Ort und Stelle, nachdenklich, wie es schien. „Heh, Wolkaan!" rief Gloddus. Der andere schrak auf. „Wer ist das? Was willst du?"
„Du kennst mich nicht", antwortete Gloddus. „Ich brauche Rat." Die Bernaler waren stets gerne bereit, Rat zu erteilen. Auch Segayl Wolkaan bildete keine Ausnahme. „Worum geht's?" fragte er freundlich. Bilfnei Gloddus war zuversichtlich. Die vorhergehende Unterhaltung hatte Segayl Wolkaan als einen Mann enthüllt, der gewaltsamer Veränderung gegenüber nicht die ablohnende Haltung einnahm, die für die anderen Bewohner dieses Kontinuums typisch war. .,Ich habe eine Welt zu verändern", antwortete Bilfnei Gloddus dennoch vorsichtig. „Eine Welt?" „Eine Welt mit Sonnen und Planeten, Menschen und Tieren, Pflanzen und sonstigem. Die bestehenden Herrschaftsverhältnisse sind ungerecht. Die Menschen leiden. Die Tiere dürsten, die Pflanzen gehen ein. Ein Tyrann regiert die Welt. Ich will den Tyrannen stürzen." „Und dann... ?" Die Frage traf Bilfnei Gloddus völlig unvorbereitet. „Dann... dann... will ich eine neue, gerechtere Regierung einführen", antwortete er hilflos. „Mit dir an der Spitze, nicht wahr?" fragte Segayl Wolkaan bissig. „Du trittst an die Stelle des Tyrannen, und unter dir wird die Welt noch mehr zu leiden haben als unter deinem Vorgänger!" Bilfnei Gloddus war bestürzt. So hatte er sich den Verlauf der Unterhaltung nicht vorgestellt. „Nein... natürlich nicht", antwortete er. „Ich werde zusehen, daß alles gerecht und... und... " „Siehst du, du weißt nicht einmal das richtige Wort!" unterbrach ihn Segayl Wolkaan. „Hör zu, ich will dir etwas sagenl" „Ja.. ? „Ich habe Gerüchte gehört, wonach sich Fremde in dieser unserer Welt herumtreiben sollen. Ich schenkte ihnen keinen Glauben; aber du bist der lebendige Beweis dafür, daß sie richtig sind. Keiner von uns kann es sich zur Aufgabe machen, eine Welt von einem Tyrannen zu befreien; denn dieses ist unsere Welt, wir kennen keine andere, und in ihr gibt es keinen Tyrannen. Du kommst also von außen, aus einem anderen Kontinuum. Du bist einer der Fremden. Deine Gedanken sind übel. Wir müssen uns gegen Eindringlinge wie dich schützen. Du kommst mit mir. Wir werden... heh! Bleib hier! Du kannst nicht... " Bilfnei Gloddus hatte rechtzeitig gemerkt, daß die Lage für ihn gefährlich wurde. Blitzschnell zog er sich zurück. Segayl Wolkaan kam nicht mehr dazu, sein Vorhaben auszuführen. Der Fremde war plötzlich verschwunden.
Unversehrt erreichte Gloddus den Kommandostand der SMARGENT. Annorvan Nossi zuckte zusammen, als sein Herr und Gebieter plötzlich aus dem Nichts neben ihm auftauchte. Er gewahrte Gloddus' erbittertes Gesicht und wagte es nicht, eine Frage auszusprechen. Lelle Salgouz schüttelte traurig den Kopf. „Nichts", sagte er niedergeschlagen. „Niemand kennt ihn. Niemand hat mit ihm gesprochen." Der Arkonide atmete tief. „Gut", antwortete er entschlossen. „Aber wir haben es versucht, und brauchen uns keine Vorwürfe zu machen, weil wir vielleicht eine Möglichkeit außer acht gelassen hätten." Ersah Salgouz scharf an. „Die nächste Phase hat bereits begonnen" fuhr er fort. „Ich reise nach Tromcap." Salgouz war überrascht. Atlan berichtete ihm von dem verschlüsselten Hyperfunkspruch, den er erhalten, und von dem Zusatz, den Perry Rhodan auf Nathans Anweisung hinzugefügt hatte. „Was versprechen Sie sich davon, Sir?" fragte Lelle Salgouz mürrisch. „Er wird Ihnen lediglich seine Unüberwindlichkeit von Augen führen. Das Ganze ist eine Theatervorstellung, keine Konferenz." „Darüber bin ich mir im klaren", antwortete der Arkonide. „Trotzdem kann es für uns wichtig sein, dem Mann zu begegnen. Wir brechen in drei Stunden auf." Lelle Salgouz blickte auf. „Wir... ?" fragte er halblaut. „Jawohl", antwortete Atlan scharf. „Sie und ich, und noch ein paar andere." Salgouz hielt seinem Blick stand. Eine halbe Minute verging, ohne daß einer der beiden Männer etwas sagte. Dann preßte der Arkonide zwischen den Lippen hindurch: „Ich kenne Ihren Individualismus, Salgouz. Aber hier geht es um mehr als die Neigungen und Abneigungen eines einzelnen. Ich kenne auch Ihre Fähigkeiten. Aber wenn ich auch nur die geringste Absicht Ihrerseits verspüre, sich vor diesem Vorhaben zu drücken, werde ich Sie mit einem Schocker bearbeiten und als Bewußtlosen mit nach Tromcap nehmen." Die Sekunden vergingen. Noch immer sahen die beiden Männer einander starr in die Augen. Da brach Lelle Salgouz' mürrische Miene und verwandelte sich in ein spöttisches Grinsen. „Sie brauchen sich nicht soviel Mühe zu geben, Sir", sagte er. „Ich komme freiwillig mit." Die Reise bedurfte keiner umfangreichen Vorbereitungen. Atlan und Gefolge würde sich an Bord eines zweihundert Meter durchmessenden Leichten Kreuzers der USO nach Tromcap begeben. Ein zweitausend Einheiten starker Flottenverband der United Stars Organisation war alamiert worden und befand sich in langsamem Vormarsch auf das Fjog-
da-System. Dabei handelte es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme. Atlan war keineswegs sicher, daß er den Verband werde nutzbringend einsetzen können. Alles hing davon ab, wie er mit Bilfnei Gloddus zurechtkam. An diesen ging ein kurzer Hyperfunkspruch ab. Sein Text lautete: „Ihr Diskussionsangebot wird hiermit akzeptiert. Atlan-o-Gonozal, Regierender Lordadmiral der United Stars Organisation, ist der bevollmächtigte Sprecher der Regierung des Solaren Imperiums." Es war 11 Uhr am 15. Januar 2843 allgemeiner Zeit, als diese Nachricht auf Tromcap eintraf. Auf der Eastside der Galaxis hatten die Einheiten und Verbände der Solaren Flotte begonnen, sich in Richtung Heimat in Marsch zu setzen. „Und Sie meinen, das wird jemand hören?" erkundigte sich Amos Dalcon, unüberhörbare Skepsis in der Stimme. „Darauf können Sie Gift nehmen", antwortete Docro Ktamvayn mit Nachdruck. „Die Leute von Tromcap haben ihren Hypersender verloren. Seitdem hat jeder Siedler, der über einen Radioempfänger verfügt, das Ohr am Lautsprecher, damit ihm ja keine Neuigkeit entgeht." Dalcon hob die Schultern. Er sah nicht sehr überzeugt aus. „Wie Sie meinen, Sir." Docro Ktamvayn war in die Hocke gegangen und stocherte mit zwei Zeigefingern in den Rillen zwischen zwei Abdeckplatten herum. Es gelang ihm, eine Platte emporzuheben. Darunter kam ein buntes Durcheinander von Kabeln zum Vorschein. Er betrachtete es nachdenklich, schüttelte schließlich den Kopf und legte die Platte wieder zurück. „Nicht die richtige Stelle", brummte er. „Wir müssen weitersuchen." „Was genau suchen Sie eigentlich?" fragte Amos Dalcon. „Die Versorgungsleitung für die örtliche Klimaanlage", antwortete der Kapitän. „Warum gerade die?" „Weil sie die einzige ist, von der man genau weiß, wann sie unter Spannung steht und wann nicht. Die Leitung muß getrennt werden, und da wir keine Hilfsmittel haben, mit denen wir uns isolieren könnten, dürfen wir uns an eine Leitung nur dann heranwagen, wenn sie nicht unter Spannung steht." Dalcon half bei der Suche. Sie befanden sich in einer abseits gelegenen Lagerhalle. Es stand zu hoffen, daß Bilfnei Gloddus hier kein Abhörmikrophon untergebracht hatte. Ihre Suche war schon bald von Erfolg gekrönt. Unter einer der Platten kam das charakteristische, graugelb gemaserte Kabel der Klimaanlage zum Vorschein. Was dann kam, war reine Mühsal. Man hätte den Eingeschlossenen selbst die primitivsten Instrumente abgenommen. Niemand besaß auch nur mehr ein Taschenmesser. Mit den Fingernägeln begannen Ktam-
vayn und Dalcon, die Isolierung des Kabels zu entfernen. Alle Minute einmal stand einer der beiden auf, ging zum Belüftungsschacht und horchte, ob er Luft hindurchströmen hören könnte. Wenn Luft strömte, war die Anlage in Gang, und die Leitung stand unter Spannung. Schließlich kam das blanke Metall zum Vorschein. Mit vereinter Kraft zogen und zerrten sie am Kabel, so daß es ruckweise aus dem Kabelschacht hervorkam, bis sie schließlich ein ausreichendes Stück aus der Öffnung hervorgezerrt hatten, so daß sie beginnen konnten, den Draht hin und her zu biegen, bis er schließlich brach. Das war ein schweres Stück Arbeit, denn der Draht war dick und widerstandsfähig, und jede Sekunde mußten sie gewärtig sein, daß die Anlage ansprang und ihnen das blanke Metall bei unvorsichtiger Berührung einen tödlichen Schlag versetzte. Aber sie schafften es doch. Die Leitung war durchtrennt. Docro Ktamvayn hielt in beiden Händen je ein Ende des Kabels. Sobald der Thermostat anzeigte, daß die Temperatur in diesem Sektor der mittleren Kugel zu hoch gestiegen war, würde die Klimaanlage anzuspringen versuchen. Dann stand das Kabel unter Spannung, und durch Zusammen führen der beiden Drahtenden konnten Störgeräusche erzeugt werden, die infolge der hohen Leistung, die durch das Kabel floß, Dutzende von Kilometern entfernt noch in normalen Radioempfängern hörbar sein mußten. Ktamvayn und Dalcon hockten sieh auf den Boden. Ktamvayn führte ab und, zu die beiden Drahtenden zusammen, um zu sehen, ob dabei ein Funke entstand. Dabei sagte er: „Wir müssen einen Text, entwerfen. Was wollen wir überhaupt funken?" Dalcon überlegte kurz. „Zunächst SOS", schlug er vor. „Dann Ihren Namen, und den Namen SMARGENT. Den Rest wird man sich schon ausmalen können." „Gut. Können Sie morsen?" „Natürlich", antwortete Dalcon steif, als erachte er die Frage als Zumutung. „Wunderbar", grinste Ktamvayn und reichte ihm die beiden Kabelenden. „Ich kann es nämlich nicht." Etwas verwirrt nahm Dalcon die beiden Drähte in Empfang. Er stellte sich dabei ein wenig ungeschickt an und brachte die Drahtenden miteinander in Berührung. Es gab einen scharfen Knall, als ein kräftiger Funke übersprang. „Spannung!" rief Ktamvayn begeistert. „Fangen Sie an, Dalcon!" 7. Am Morgen des 19. Januar 2843 allgemeiner Zeit erfaßten die Orter der SMARGENT einen unbekannten Flugkörper, der sich, aus dem inter-
stellaren Raum kommend, dem Planeten Tromcap näherte. Mii-Ürs Flotte war angewiesen, das Fahrzeug passieren zu lassen. Annorvan Nossi sprach des fremde Raumschiff an und erhielt die Bestätigung, daß es sich um den USOKreuzer KAMARAC, kommandiert von Lordadmiral Atlan persönlich, handele. Nossi bezeichnete dem Navigator der KAMARAC die Koordinaten der Heideebene, auf der die SMARGENT stand, und wies ihn an, in der Nähe des Forschungsschiffs zu landen. Bilfnei Gloddus triumphierte. Er, der kleine Kartograph, den vor wenigen Wochen noch kaum einer gekannt hatte, brauchte nur zu winken, und die Mächtigen des Solaren Imperiums stellten sich ihm zur Verfügung! Jetzt gab es keinen Zweifel mehr daran, daß er sein Ziel erreichen werde. Wenn das Imperium ihn ernst genug nahm, um ihm den Arkoniden als Verhandlungspartner zu schicken, dann würde man ihm auch den Spielraum einräumen, den er brauchte, um sich zum Kaiser der Galaxis aufzuschwingen. Befriedigt verfolgte er von dem Konferenzraum in der obersten Kugel aus das Landemanöver der KAMARAC. Der Kreuzer hatte nur den Umfang einer der Kugeln der SMARGENT. Der Größenvergleich bestätigte Gloddus in seinem Gefühl der Überlegenheit. In einem Nebenraum, dessen Tür offen stand, saß Annorvan Nossi an einer Kommunikationskonsole und bereitete das Zusammentreffen Atlans mit Bilfnei Gloddus vor. Er wandte sich um und rief „Ihre Bedingungen sind akzeptiert worden, Herr! Der Arkonide kommt mit einem Gefolge von nicht mehr als fünf Mann. Die Besprechung wird hier, in diesem Raum stattfinden. Ihr Beginn ist auf elf Uhr Ortszeit festgesetzt." Bilfnei Gloddus warf einen Blick auf das Chronometer. Es fehlten nur noch fünfundzwanzig Minuten an der vereinbarten Zeit. Die KAMARACwar etwa zehn Kilometer entfernt gelandet. Auf dem großen Bildschirm war zu sehen, wie die Feldbrücke ausgefahren wurde. Gegenstände und Menschen kamen über die schimmernde, durchsichtige Energiebrücke herab. Innerhalb weniger Minuten entstanden am Fuß des USO-Raumschiffs aus Fertigbauteilen zusammengesetzte, flache, barackenähnliche Strukturen. Gloddus nahm zur Kenntnis, daß der Arkonide sich auf einen Aufenthalt von längerer Dauer einrichtete. Fahrzeuge wurden ebenfalls ausgeladen, darunter zwei schnittige Hochleistungsgleiter. Diese beiden Fahrzeuge setzten sich wenige Minuten vor elf Uhr in Bewegung und glitten mit hoher Geschwindigkeit auf die SMARGENT zu. Bilfnei Gloddus hatte wegen der großen Entfernung nicht sehen können, wer in die beiden Gleiter gestiegen war. Es mußte sich jedoch um Atlan und sein Gefolge handeln. Er wies Nossi an, das Schleusenschott eines der Beiboot Hangars zu öffnen. Dort war Raum für die Fahrzeuge der Besucher.
Nossi öffnete das Schott durch Knopfdruck, dann fuhr er hinauf zum Hangar, um die Delegation zu begrüßen. Bilfnei Gloddus wartete ungeduldig, ohne jedoch seine Ungeduld nach außen hin sehen zu lassen. Er hatte sich wieder in das eiförmige Schirmfeld gehüllt. Es war durchsichtiger als beim Besuch der Siedler von Tromcap. Bilfnei Gloddus wußte wohl, daß jeder Versuch, den Arkoniden durch die Demonstration von Kleinigkeiten zu beeindrucken, von vornherein zum Fehlschlag verurteilt war. Er trug das Schirmfeld, um sich zu schützen, nicht um Eindruck zu schinden. Das Schott glitt auf. Als erster trat Annorvan Nossi ein. Er machte eine Verbeugung und verkündete: „Die Delegation des Solaren Imperiums, Herr, angeführt von Lordadmiral Atlan-u-Gonozal." „Soll eintreten!" schnarrte Bilfnei Gloddus. Er erhob sich. An der Spitze seiner Gruppe trat der Arkonide durch die Schottöffnung. Er trug Zivil. Auch keiner seiner Begleiter war uniformiert. Gloddus' Blick blieb auf einem breitschultrigen, aufgedunsenen, ungeschlachten Koloß von einem Mann haften, der in Atlans Gefolge so gut zu passen schien wie ein Zuhälter in eine Versammlung von Barmherzigen Schwestern. Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch sofort abgelenkt. Mit klarer, ruhiger Stimme sagte der Arkonide: „Wir sind hier, Gloddus. Es ist elf Uhr, also lassen Sie uns mit den Beratungen beginnen!" Seer Ongevain und seine Begleiter waren nach Seboreh zurückgekehrt, knapp zweihundert Kilometer südlich der Heideebene, auf der die SMARGENT gelandet war. Ongevain berief sofort eine Sondersitzung des Siedlungskommissariats ein, das darüber befinden sollte, auf welche Weise die drohende Gefahr abzuwenden sei. Das Kommissariat tagte die ganze Nacht hindurch. Die Wogen der Erregung schlugen hoch; aber Brauchbares kam nicht zustande. Man mußte wenig über den Mann namens Bilfnei Gloddus. Soviel aber schien festzustehen: Er verfügte über eine Macht, der die Siedler von Tromcap nichts entgegenzusetzen hatten. Tromcap war eine friedliche Kolonie, die gehofft hatte, sich militärischen und machtpolitischen Konflikten fernhalten zu können, weil es auf Tromcap nichts gab, was Militärs oder Machtpolitiker hätte reizen können. Nun war es doch anders gekommen, und die Hilflosigkeit, mit der die Mitglieder des Siedlungskommissariats agierten und debattierten, bewies, wie falsch ein solches Konzept war, völlig ohne Vorkehrungen für die eigene Sicherheit auskommen zu können. Todmüde wankte Seer Ongevain in den frühen Morgenstunden nach Hause. Eine dumpfe Verzweiflung hatte sich seiner bemächtigt. Es sah so aus, als gäbe es nichts, was die Siedler von Tromcap tun könnten, um sich von der tödlichen Bedrohung durch Bilfnei Gloddus zu befreien.
Sie waren auf das Verständnis der Regierung des Solaren Imperiums angewiesen. Aber war das Imperium wirklich bereit, ein so hohes Opfer zu bringen, nur um das Leben von sechshunderttausend Kolonisten zu retten? Zu Hause empfing Seer Ongevain das Summen des Radiokoms. Mürrisch schaltete er den Empfänger ein. Aus brennenden Augen erkannte er Strep Horrovar, einen Mann in den mittleren Jahren, von gedrungenem Körperbau und mit einer flachen, abgeschrägten Stirn. Er lebte einsam auf seiner Ranch weit im Norden des besiedelten Gebietes und war der erste Siedler, der es fertiggebracht hatte, auf Tromcap planmäßige Viehzucht zu betreiben. Strep Horrovar und Seer Ongevain verband eine Art symbiotischer Freundschaft: Ongevain stand Horrovars Zuchtplänen, die von vielen als schädlich betrachtet wurden, aufgeschlossen gegenüber und unterstützte sie. Horrovar dagegen hielt Ongevain für den einzig akzeptablen Kommissariatsvorsitzenden und betrieb im Norden, wo er großen Einfluß hatte, bei jeder Abstimmung erfolgreichen Stimmenfang für seinen Freund. Sobald er Ongevain erblickte, runzelte er die Stirn und knurrte: „Du siehst schlecht aus, Junge! Hast du Sorgen wegen des fremden Raumschiffs?" Seer Ongevain winkte ab. „Nicht nur das", antwortete er müde. „Hast du mich angerufen, um dich danach zu erkundigen?" „Natürlich nicht. Ich sitze seit etwa einer Stunde an meinem Empfänger und versuche, irgendeine Nachrichtensendung zu erwischen. Das gelingt mir nicht - der Teufel soll die Nachrichtenmacher holen! Sie verstehen es einfach nicht, einen anständigen Fahrplan einzuhalten - dafür kriege ich jedoch etwas anderes, höchst Merkwürdiges. Ich wollte, daß du dir es einmal anhörst, lm Augenblick kommt es nicht 'mehr rein, aber ich habe es rechtzeitig"auf» gezeichnet." ,!Meinst du wirklich, es wäre wichtig?" gähnte Seer Ongevain. „Sonst hätte ich dich nicht angerufen." Ongevain stützte den Kopf' in die Hände. „Also, fang an!" forderte er Horrovar auf. Man sah, wie Horrovar zur Seite griff und einen Recorder einschaltete. Statisches Rauschen war zu hören. Plötzlich jedoch durchbrachen harte,: knackende Störgeräusche die gleichbleibende Statik. Seer Ongevain horchte auf. Er unterschied kurze und lange Ausbrüche von Störaktivität, kurze und lange Perioden lauten und deutlichen Knackens und Knatters, und- dazwischen Pausen` von annähernd gleicher Länge. Strep Horrovar musterte ihn aufmerksam. „Nun, sagt dir das etwas?" fragte er nach einer Weile. Ongevain schüttelte den Kopf. „Nichts. Hört sich so an, als versuchte da einer zu funken. Aber was will er sagen?"
„Striche und Punkte", antwortete Horrovar, „lange und kurze Zeichen, das sind die Charakteristiken des alten Morsealphabets." „Verstehst du es?" fragte Ongevain: „Ich kenne es nicht auswendig, aber ich habe ein Buch, in dem ich darüber nachlesen konnte.." „Gelang es dir, die Sendung zu entziffern?" erkundigte sich Ongevain ungeduldig. „Ich glaube, ja", antwortete Horrovar. „Du meine Güte", beklagte sich 'Ongevain, „dann spanne mich hier nicht so lange auf die Folter." Strep Horrovar nahm einen Streifen Schreibfolie zur Hand. „Die Sendung besteht aus einem kurzen Text, der immer wiederholt wlrd", erklärte er. „Am Anfang des Textes gibt es drei Punkte,drei Striche, drei Punkte, das heißt SOS und ist der alte Hilferuf, an dessen Stelle man heutzutage meistens „Mäydäy" verwendet." „Weiter...... drängte Ongevain. „Danach kommt folgender Text: Docro Ktamvayn... gefangen. .,. mit Mannschaft... Smargent." Horrovar sah auf.Ich kann damit nichts anfangen", bekannte er: „Aber du vielleicht... ?" Seer Ongevain war aufgesprungen. Er hatte den Namen seines Verwandten sofort erkannt. „Docro Ktamvayn", murmelte er, „ein Mitglied meiner Sippe. Als ich zürn letzten Mai von ihm hörte, war er Kommandant eines Forschungsschiffs." Er blickte Strep Horrovar aus glühenden Augen an. „Die SMARGENT ist ein Forschungsschiff! Ktamvayn und seine Mannschaft sind an Bord der SMARGENT gefangen!" „Und die SMARGENT... ?" fragte Horrovar. „. . . ist das dreikugelige Raumschiff, mit dem der Fremde auf Tromcap gelandet ist!" rief Ongevain. Strep Horrovar lächelte befriedigt. „Also hab''ich doch was Vernünftiges erfahren", brummte er. Als er aufsah, hatte Seer Ongevain die Verbindung bereits unterbrochen. Atlan und seinen Begleitern wurde mehr Höflichkeit zuteil als weiland Mii-Ür und den Gatasern. Es waren genug Sitzgelegenheiten vorhanden. Bilfnei Gloddus bemerkte, daß der große Ungeschlachte sich ständig in der Nähe des Lordadmirals hielt, Während Atlans übrige Begleiter im Hintergrund Platz nahmen. Gloddus selbst bedurfte keines Gefolges. Annorvan Nossi kehrte in den kleinen Nebenraum zurück, ließ allerdings die Tür offen, so daß er den Konferenzraum überblicken konnte. „In der Tat`, pflichtete Bilfnei Gloddus lächelnd der Feststellung des Arkoniden bei. „Die Beratungen können beginnen."
„Die Regierung des Solaren Imperiums möchte in allererster Linie erfahren", ging Atlan geradeswegs auf das wichtigste Thema zu, „ob Sie davon Kenntnis genommen haben, daß die Solare Flotte begonnen hat, ihre Einheiten aus der Eastside der Galaxis abzuziehen." Bilfnei Gloddus nickte. Er wußte nicht viel; aber das durfte er nicht zugeben. Mii-ür hatte ein Kurierschiff ausgesandt, und der Kurier hatte vor kurzem gemeldet, daß die Terraner im Begriff seien, ihre Stützpunkte entlang der Eastside zu räumen. „Ich habe davon Kenntnis genommen", bestätigte Gloddus. „Sie sehen also, daß die Regierung des Imperiums nicht zögert, Leib und Leben der Siedler auf Tromcap zu schützen. Man hofft, daß Sie nun auch Ihren Teil der Vereinbarung einhalten und die Drohung gegen Tromcap zurücknehmen." „Ich werde", bemerkte Bilfnei Gloddus, „die Vereinbarung selbstverständlich einhalten. Aber die vorläufige Bewegung einiger terranischer Kriegsschiffe bietet mir noch keine Gewähr dafür, daß die Eastside wirklich geräumt wird. Tromcap bleibt so lange bedroht, wie sich noch Einheiten der Solaren Flotte in diesem Raumsektor befinden. Sobald das letzte Schiff der Solaren Flotte abgezogen ist, hat Tromcap nichts mehr zu fürchten „Das wird in wenigen Tagen der Fäll sein", antwortete der Arkonide trocken. „Man wird scharf darauf achten, ob Sie sich wirklich an die Abmachungen halten." Bilfnei Gloddus ging mit einem Lächeln über die beleidigende Unterstellung hinweg. „Im übrigen", sagte er, „sollte Tromcap keineswegs das Thema un serer heutigen Diskussion sein. Die Affäre Tromcap wickelt sich automatisch ab, je nach dem, wie sich das Solare Imperium verhält. Aber darüber hinaus gibt es andere Probleme." Es ärgerte ihn, daß der Arkonide weder Überraschung zeigte, noch zu . widersprechen versuchte. „Welche?" fragte er einfach. „Es handelt sich", antwortete Bilfnei Gloddus ein wenig gedehnt, denn die knappe Verhandlungsweise des Arkoniden brachte ihn allmählich aus dem Konzept, „nicht um einen vorübergehenden Abzug der Einheiten der Solaren Flotte aus der Eastside.. . " „Das konnten wir uns denken", fuhr ihm Atlan in die Parade. „. . . sondern um die Einrichtung einer neuen politischen Konstellation", fuhr Gloddus mit unterdrücktem Arger fort, „in diesem Raumsektor. Das Solare Imperium muß den Blues eine Garantie ihrer Selbständigkeit geben und vertraglich auf jegliche Einmischung in interne Belange der Blues-Sphäre verzichten." „Aha", machte der Arkonide ironisch. „Von welchen Blues sprechen Sie da? Von den Apasern, den Tentranern, den Gatasern, den Archim-
boiden, den Legnalern, den Rapahaches, den Totingoniden, den Schwefelfressern, den Garinachs, den Quicheramos, den Grauköpfen? Soweit ich weiß, stehen sie nämlich alle miteinander in blutiger Fehde, und kein Blues-Volk kann für sich in Anspruch nehmen, für die gesamte Rasse der Blues zu sprechen." Diesen Einwand hatte Bilfnei Gloddus erwartet. „Die bedauerliche interne Lage des Blues-Reiches ist mir bekannt", versicherte er seinem Gesprächspartner. „Sie wird jedoch schnell bereinigt werden." „Von Ihnen, nehme ich an." „Ganz richtig von mir." „Ich verstehe Sie also richtig", resümierte Atlan, „wenn ich interpretiere, daß Sie die Solare Flotte aus der Eastside entfernt sehen wollen, damit Sie sich um so leichter dort Ihr privates Imperium errichten können. Bilfnei Gloddus, der Kaiser der Blues. Ist das korrekt?" Es war spöttisch gesagt; aber Gloddus fühlte sich dennoch geschmeichelt. „Ganz so", strahlte er. „Sie haben sozusagen den Nagel auf den Kopf getroffen." „Und wann", fragte der Arkonide sarkastisch, „dürfen wir damit rechnen, daß Bilfnei Gloddus sich mit der Kaiserkrone der Blues nicht mehr bescheidet, sondern nun die Hand nach der Herrschaft über die gesamte Galaxis auszustrecken beginnt?" Bilfnei Gloddus war momentan verwirrt. Er hatte nicht damit gerechnet, daß ihm die Diskussion so rasch aus der Hand gleiten würde. „Bald", stieß er hervor. „Denn meine Macht ist unbegrenzt, und ich wäre ein Narr, wenn ich sie nicht zugunsten aller galaktischen Völker nützen würde." Atlan stand auf. Im gleichen Augenblick erhoben sich auch die Mitglieder seines Gefolges. „Das genügt für heute", erklärte der Arkonide. „Ich brauche Zeit, über Ihr Ansinnen nachzudenken. Ich schlage vor, daß wir morgen um dieselbe Zeit wieder zusammenkommen." Ohne es wirklich zu wollen, hatte sich auch Bilfnei Gloddus erhoben. Die Initiative war ihm vollends entglitten. Alles, was er noch sagen konnte, war: „Natürlich... wie Sie wollen." Atlan wandte sich um und schritt hinaus. Seine Begleiter folgten ihm. „Ich möchte wissen, was Sie von Gloddus halten", sagte der Arkonide. Sie hatten ihr Quartier in einem der barackenähnlichen Gebäude aufgeschlagen, die am Fuße der KA MARAC errichtet worden waren. Auf diese Weise waren sie beweglicher, als wenn sie jedesmal, um das Schiff zu verlassen, über die Feldbrücke herabkommen oder durch einen der Hangars ausfliegen müssen.
„Er ist ohne Zweifel der Mann, den wir suchen", antwortete Lelle Salgouz ein wenig schwerfällig. „Es geht von ihm eine Ausstrahlung aus, wie man sie an anderen Menschen nicht wahrnehmen kann. Er ist der Mann, der sich im Zeitflimmern auskennt." „Daran bestand wohl auch kein Zweifel", antwortete Atlan leicht verwirrt. „Oder etwa doch?" „Nun, er hätte uns einen andern an seiner Stelle präsentieren können", gab Salgouz zu bedenken. „Ihre Beobachtung bringt mich auf' eine Idee", erklärte der Arkonide. „Wenn Sie die Ausstrahlung an Gloddus wahrgenommen haben, steht da nicht zu fürchten, daß er dasselbe an Ihnen bemerkte?" „Ganz sicher", antwortete Salgouz ungerührt. „Es fragt sich nur, ob er entscheiden kann, wer 'von uns sechsen es war, der diese Ausstrahlung besaß. Wir saßen dicht beieinander. Diese Aura ist keineswegs etwas genau Definierbares wie etwa ein telepathischer Impuls. Man muß ziemlich scharf aufpassen, wenn man wissen will, wer aus einer Gruppe von Menschen diese Aura besitzt." Er zuckte mit den Schultern. „Immerhin bemerkte ich zwei oder dreimal, daß er mich scharf ansah", fuhr er fort. „Es kann also durchaus sein, daß er mich schon in Verdacht hat." „Das ist bedauerlich", antwortete Atlan nach einer Weile, „aber leider läßt sich nichts dagegen tun. Für Ihn gilt es zunächst einmal, mit den Siedlern von Tromcap zu sprechen. ist möglich, daß sie etwas wissen, das uns hilft." Lelle Salgouz tat, als hatte er die Bemerkung überhaupt nicht gehört. „Ich frage mich, was aus der Besatzung der SMARGENT geworden ist", murmelte er. „Es sah doch so aus, als wären Gloddus und sein merkwürdiges Faktotum alleine an Bord, nicht wahr? Aber können zwei Männer ein solches Raumschiff steuern?" „Das fragen Sie mich?" konterte Atlan erstaunt. „Sie sind es, der sich im Zeitflimmern auskennt! Ist es möglich, daß man dort Fähigkeiten erwirbt, die einen in die Lage versetzen, ein großes Raumschiff eigenhändig zu steuern?" „Freilich !" antwortete Salgouz. „Das ist es! Und doch..." „Und doch was?" „Was soll er mit den Leuten getan haben? Umgebracht? Abgesetzt? Oder hält er sie irgendwo an Bord seines Schiffes versteckt?" „Wir werden ihn morgen danach fragen", entschied der Arkonide. Der Interkom meldete sich. Im Vorraum der Barracke hatte Atlan einen Kommunikationsposten eingerichtet. Das Gesicht des jungen Mannes erschien auf dem Bildschirm. „Eine Delegation der Siedler von Tromcap wünscht Sie zu sprechen, Sir", sagte et respektvoll. „Wieviel Mann?" wollte Atlan wissen.
„Vier, Sir." „Schicken Sie sie rein!" Wenige Augenblicke später stand Seer Ongevain vor dem Lordadmiral, begleitet von den drei Mitgliedern des Siedlungskommissariats, die ihm in der Eile aus dem Bett zu scheuchen gelungen war. Er selbst hatte seit mehr als dreißig Stunden kein Bett mehr gesehen. Seine Augen waren gerötet, und das Haar hing ihm wirr ins Gesicht. „Wir wissen, wo die Bomben liegen, Sir", stieß er hervor. „Und wir wissen auch, daß der Kommandant der SMARGENT sich gefangen an Bord befindet, mitsamt seiner Mannschaft!" „Was hältst du von den Leuten, Nossi?" fragte Bilfnei Gloddus, nachdem die Delegation des Imperiums sich entfernt hatte. „Normale, aufgeblasene Terraner, Herr", antwortete Annorvan Nossi wegwerfend. „Bis auf einen." „Du meinst Atlan, natürlich... ?" „Nein, Herr. Ich meine den Ungeschlachten. . . den mit den kleinen Augen. Gloddus horchte auf. Das war derselbe Mann, der auch ihm ungewöhnlich vorgekommen war, als ginge von ihm eine besondere Drohung aus. „Wie meinst du das?" erkundigte sich Gloddus. „Erkläre dich ein wenig deutlicher!" 'Nun... haben Sie sich das Gesicht des Mannes angesehen, Herr? Aufgedunsen, ungesund, die kleinen Augen rötlich gefärbt?" „Ich sah es." „Das ist das Gesicht eines Säufers, Herr. Abgesehen davon jedoch, daß er Alkoholiker ist, hat der Mann anscheinend keine hervorstechenden Züge aufzuweisen. Man muß sich fragen, was ein solcher Mann als Begleiter des Lordadmirals zu suchen hat." Das war dieselbe Frage, die auch Bilfnei Gloddus sich vorgelegt hatte. Zudem war ihm noch aufgefallen, daß einer der Terraner eine eigenartige Ausstrahlung besaß, die ihn von den andern Mitgliedern der Delegation unterschied. Gloddus hatte zuerst geglaubt, es müsse der Arkonide sein, dem diese Aura angehörte. Aber jetzt war er seiner Sache nicht mehr so sicher. „Paß auf!" sagte Bilfnei Gloddus zu Nossi. „Morgen, wenn sie wiederkommen, behältst du den Mann scharf im Auge. Vielleicht läßt sich dabei etwas beobachten." 8 Die zweite Verhandlung begann unter ganz anderen Vorzeichen als die erste. Sowohl Bilfnei Gloddus als auch der Arkonide gaben sich jovial, fast freundlich. Zu Beginn der Diskussion gab Atlan zu verstehen, daß das Solare Imperium unter Umständen geneigt sei, sich mit Gloddus
über die Frage der Dominanz auf der Eastside in Gloddus' Sinn zu einigen. Die Diskussion beschränkte sich auf das Arrangement im Eastside-Sektor der Galaxis, und nachdem man sich mehr als zwei Stunden darüber unterhalten hatte, lud Bilfnei Gloddus seine Gäste zu einem Imbiß ein, der in einem der Seitenräume vorbereitet worden war. Es war Gloddus offenbar daran gelegen, die Leute vom Solaren Imperium zu beeindrucken. Der schwer beladene Tisch strotzte von gastronomischen Kostbarkeiten. Alles in allem: Bilfnei Gloddus bewirtete seine Gäste, als befände er sich in einem der besten Hotels der Erde. Er erhielt dafür entsprechendes Lob, mit dem besonders der Arkonide nicht geizte, und das schien ihm zu gefallen. Lelle Salgouz jedoch bot dieses zwanglose Beisammensein die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte. Er kippte einen Schnaps herunter und wandte sich an Atlan mit den Worten: „Mir fällt ein, daß ich einen Satz von Unterlagen im Gleiter liegengelassen habe. Es wird am besten sein, wenn ich ihn jetzt hole, nicht wahr?" Es machte ihm nichts aus, daß Bilfnei Gloddus jedes seiner Worte hörte. Die Ausrede war so durchsichtig, daß Gloddus sofort mißtrauisch werden mußte. Aber eben damit rechnete Lelle Salgouz. „Gute Idee", antwortete der Arkonide. „Beeilen Sie sich. Ich denke, wir werden mit den Beratungen bald fortfahren." Lelle Salgouz nickte, setzte seinen Becher ab und verschwand durch den Ausgang. Er hielt sich in Richtung des Antigravschachts, der drei Decks hoch zu dem Hangar führte, in dem die Gleiter der Gäste geparkt waren. Das Gelände im Innern der obersten Kugel des Forschungsraumschiffs war ihm behilflich: es gab hier eine Menge enger, einander überschneidender Gänge. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sich ohnehin verlaufen. Auf jeden Fall war es halbwegs plausibel, daß er plötzlich stehen blieb, sich verwirrt umsah und schließlich einen falschen Gang einschlug. Er war sicher, daß er beobachtet wurde - entweder direkt oder mit Hilfe von Beobachtungsgeräten. Murmelnd und fluchend tappte er den Gang entlang, stellte an seinem Ende scheinbar fest, daß er nicht in die gewünschte Richtung führte, wandte sich um und nahm aufs Geratewohl den nächsten Seitengang. Es war unheimlich still in diesem Teil des Schiffes. Nur das feine Sirren der Lumineszenzleuchten war zu hören. Er kam schließlich an eine Stelle, an der sich mehrere Gänge sternförmig kreuzten und eine Art kleinen Platz bildeten. Er blieb mitten auf dem Platz stehen und sah sich um. Als er sich um einhundertundachtzig Grad drehte, glaubte er, in dem Gang, aus dem er soeben gekommen war, eine schattenhafte Bewegung wahrzunehmen. Das war sein Verfolger, der durch die rasche Drehung überrascht worden war. Sein Konzept war also in Ordnung. Befriedigt schritt er weiter.
Schließlich trat er in einen schmalen Seitengang und blieb kurz hinter der Abzweigung stehen. Lelle Salgouz schloß die Augen und dachte jene Sequenz von Gedanken, die ihn bislang noch jedes mal unfehlbar ins Zeitflimmern geführt, hatte. Innerhalb weniger Sekunden befiel ihn jenes eigentümliche Gefühl, das er jedes mal empfand, wenn er in der Welt der Bernaler angekommen war. Er öffnete die Augen und gewahrte das konturlose Flimmern, das ihm mittlerweile so vertraut geworden war. Diesmal diente ihm das Zeitflimmern als Versteck. Auf der Welt, von der er kam, war sein Körper unsichtbar geworden. Er zählte ungeduldig vor sich hin, nicht genau wissend, ob der Abstand zwischen „einundzwanzig" und „zweiundzwanzig", im Zeitflimmern gezählt, auch wirklich der gewohnten Sekunden entsprach. Er mußte seinem Verfolger Zeit geben, in den Seitengang einzudringen und sich darüber zu wundern, wohin sein Opfer so plötzlich verschwunden war. Freilich ging er ein Risiko ein. Es konnte ihm geschehen, daß er, wenn er zurückkehrte, dem Verfolger gerade vor den Lauf lief. Lelle Salgouz nahm das Risiko auf sich. Er kehrte zurück. Sobald er die gewohnten Nervenreflexe des Körpers wieder spürte, riß er die Augen auf. Er stand an derselben Stelle, von der er vor einer knappen Minute verschwunden war. Links von ihm, tiefer im Seitengang, gab es ein Geräusch. Er hatte sich nicht verrechnet. Der Verfolger war in den Gang eingedrungen. Verwundert, sein Opfer dort nirgendwo zu sehen, schritt er auf das Schott am Ende des Ganges zu, um zu ermitteln, ob es dem Verfolgten als Fluchtweg gedient haben könnte. Salgouz war bewaffnet. Er erkannte in der hageren Kontur die Gestalt von Annorvan Nossi. Er hätte ihn mühelos niederschießen können. Aber das lag nicht in seiner Absicht. „Heh, Nossi !" sagte er halblaut. Der Dürre wirbelte herum. Er hatte einen Schocker schußbereit in der Hand, aber das unerwartete Auftauchen des Verfolgten brachte ihn durcheinander. Aus schreckgeweiteten Augen starrte er Salgouz an und stotterte: „Wer... was... woher... ?" Lelle Salgouz setzte die Fähigkeiten ein, die er seinen zahlreichen Exkursionen ins Zeitflimmern verdankte. Mit Gewalt unterjochte sich sein Bewußtsein das des Hageren. Annorvan Nossis Augen nahmen einen trüben Ausdruck an. Er senkte den Blick. „Steck die Waffe ein!" befahl Salgouz. „Die Gefangenen sind in der mittleren Kugel eingeschlossen, nicht wahr?" fragte Lelle Salgouz. „Ja, das ist richtig", antwortete Nossi mit tonloser Stimme. „Führ mich dorthin", befahl ihm Salgouz, „und zwar auf dem geradesten Wege!"
Es dauerte kaum zwei Minuten, da standen sie neben dem Hauptantigravschacht an der Stelle, an der außer dem Schacht auch noch ein Rampenabgang nach unten in die mittlere Kugel führte. Der Schacht war offen. Salgouz nahm jedoch an, daß sämtliche Ausstiege innerhalb der Mittelkugel nachhaltig verschlossen waren. Auch das Rampenschott war geschlossen. „Wie kommt man leichter hinab?" erkundigte sich Salgouz. „Über die Rampe oder durch den Schacht?" „Sämtliche Ausgänge sind verschlossen", antwortete Annorvan Nossi. „Ich meine", verbesserte sich Salgouz, „welcher Zugang läßt sich leichter öffnen?" „Die Rampe", lautete Nossis monotone Antwort. „Dann öffne Sie!" befahl Salgouz. Nossi machte sich gehorsam an die Arbeit. Er trug einen Magnetschlüssel, dem der Riegelmechanismus des Schotts nicht lange zu widerstehen vermochte. Die beiden Schotthälften glitten zur Seite. Die hell beleuchtete Rampe lag vor den beiden Männern. „Geh hinab und bring mir Docro Ktamvayn, den Kapitän der SMARGENT", lautete Salgouz' nächster Befehl. „Es darf nicht länger als fünf Minuten dauern, dann bist du mit Ktamvayn zur Stelle!" Wortlos schritt Annorvan Nossi die Rampe hinab. Für Lelle Salgouz begann das Warten. Fünf Minuten waren nicht viel Zeit, um einen Mann innerhalb der Hunderte von Gängen und Räumen in einer zweihundert Meter durchmessenden Raumschiffszelle zu finden. Nossi konnte nur dann Erfolg haben, wenn er genau wußte, wo Docro Ktamvayn sich aufhielt. Was aber würde er tun, wenn ihm die fünf Minuten nicht ausreichten? Unter Salgouz' hypnotischem Bann fehlte ihm die Fähigkeit der freien Entscheidung. Es war nicht abzusehen, wie er reagieren würde, wenn er erkannte, daß er seinen Auftrag nicht ausführen konnte. Hätte Salgouz ihm mehr Zeit geben sollen? Das konnte er sich nicht leisten, denn er wußte, daß oben Bilfnei Gloddus argwöhnisch auf die Rückkehr seines Abgesandten wartete. Lelle Salgouz horchte auf, als er unten am Fuß der Rampe gedämpfte Stimmen vernahm. Er sah drei Männer die Rampe heraufkommen, an ihrer Spitze Annorvan Nossi. Der ihm folgte, war Docro Ktamvayn, noch um einen halben Kopf größer als Nossi und fast ebenso dürr, unverkennbar in seiner Montur mit den aufgedruckten Rangabzeichen eines Kapitäns. Den Mann an seiner Seite kannte Lelle Salgouz nicht. Nach den Rangabzeichen zu urteilen, mußte er der Erste Offizier der SMARGENT sein Nossi trat zur Seite, als er das obere Ende der Rampe erreicht hatte. DoCro Ktamvayn stand unmittelbar vor Salgouz. Seine Gesicht drückte ernste Sorge aus.
„Man hat mir gesagt, daß Sie uns zu sprechen wünschen", erklärte er. „Sind Sie eine von Gloddus' Kreaturen?" Lelle Salgouz schüttelte den Kopf. „Nein", antwortete er. „Ich komme, um Ihnen zu helfen." Die Szene, die unmittelbar im Anschluß an Lelle Salgouz' Verschwinden ablief, war für Atlan äußerst aufschlußreich. Er war sicher, daß Bilfnei Gloddus sich kein einziges Mal nach seinem Faktotum umdrehte, um ihm einen Wink oder gar einen Befehl zu geben, und trotzdem machte sich der Mann unauffällig in der Nähe des Schotts zu schaffen und verließ schließlich den Raum, als seit Salgouz' Weggang etwa anderthalb Minuten verstrichen waren. Es mochte sein, daß es zwischen Gloddus und seinem Faktotum, der dem Arkoniden als ein Mann namens Annorvan Nossi vorgestellt worden war, Kommunikationsmöglichkeiten gab, die sich dem Auge und dem Ohr in gleicher Weise entzogen. Wahrscheinlich war es jedoch nicht. Weitaus wahrscheinlicher war, daß Gloddus und Nossi eine Möglichkeit wie diese schon im voraus besprochen hatten. Nossi wußte, was er zu tun hatte, wenn sich einer der Terraner von der Gesellschaft entfernte. Atlan ließ seine Unruhe nicht durchblicken. Lelle Salgouz wußte genau, was er zu tun hatte. Eine gewisse Zeitlang würde Bilfnei Gloddus sich auf Nossis Wachsamkeit verlassen. Wenn Salgouz jedoch länger ausblieb, würde sein Mißtrauen solchen Umfang annehmen, daß er selber nachsehen ging, was aus Nossi und Salgouz geworden war. Das konnte gefährlich werden. Darum hoffte Atlan, daß Salgouz sich an die Abmachung hielt. Er machte keine Anstalten, Gloddus in ein Gespräch zu ziehen. Das hätte ihm als Verschleierungsversuch ausgelegt werden können. Statt dessen unterhielt er sich mit einem seiner Begleiter, allerdings über ein Thema, das mit den gegenwärtigen Besprechungen zu tun hatte und Bilfnei Gloddus' Interesse erregen mußte. Atlans Rechnung ging rasch auf. Gloddus schloß sich unaufgefordert der Diskussion an, und er fragte, noch mit vollem Mund: „Sie sind also ernsthaft der Ansicht, daß das Solare Imperium auf meine Vorstellungen eingehen wird?" Atlan hob die Schultern. „Was bleibt uns anderes übrig? Wir haben an der Eastside keineswegs das intensive Interesse, das Sie uns zu unterstellen scheinen. Unsere Aktivität in diesem Raumsektor beschränkte sich darauf, die Flanken des Imperiums zu sichern. Es kann dem Imperium nur recht sein, wenn es jetzt mit einem Mann, der sich unter den Blues durchgesetzt hat, Verträge abschließen kann, die die Sicherheit der Grenze gewährleisten Bilfnei Gloddus nickte mit undurchsichtigem Lächeln. „Genau das habe ich vor", erklärte er.
„Sehen Sie?" lachte Atlan. „Was also wollen wir noch mehr!" Insgeheim musterte er ungeduldig den Chronometer. Seitdem Salgouz sich verzogen hatte, waren mehr als fünfzehn Minuten vergangen. Ihm fiel auf, daß auch Bilfnei Gloddus immer öfter nach der Uhr blickte. Es war höchste Zeit, daß Salgouz zurückkehrte. Und da, als die Spannung bereits den Höhepunkt erreicht zu haben schien, öffnete sich das Schott. Lelle Salgouz trat ein, in der Hand einen dünnen Stapel von Bandkassetten tragend. Er gewahrte den Arkoniden und schritt auf ihn zu. „Sie lagen im zweiten Fahrzeug, Sir", sagte er. „Und ich dachte, sie wären im ersten." Atlans Blicke wandten sich zum zweiten Mal dem Schott zu. Es öffnete sich von neuem und ließ Annorvan Nossi ein. Bilfnei Gloddus warf ihm einen scharfen Blick zu, aber es war anscheinend nicht vereinbart, daß die beiden Männer sich sofort miteinander verständigten. Daß Nossi seiner nicht achtete, schien Gloddus zu beruhigen. Er kehrte zu seiner bisherigen Aufgeschlossenheit zurück und zeigte keinerlei Anzeichen von Nervosität mehr. Als sich die Gelegenheit bot, warf der Arkonide Salgouz einen anerkennenden Blick zu, und dieser nickte zur Antwort kaum merklich. Kurze Zeit später wurde die Beratung fortgesetzt. „Endlich", seufzte Docro Ktamvayn. „Wir haben lange Zeit gewartet." Lelle Salgouz machte eine Kopfbewegung in Richtung des Mannes an Ktamvayns Seite. „Wer ist das?" fragte er. „Amos Dalcon", antwortete Ktamvayn, „mein Erster Offizier: ` „Sie sind beide psychisch unbeeinflußt?" erkundigte sich Salgouz. Ktamvayn nickte. „Gut. Wir wollen Sie hier herausholen und einige weitere Mitglieder Ihrer Mannschaft." „Sind Sie mit dem USO-Kugelraumer gekommen?" wollte Ktamvayn wissen. „Ja. Unter Atlans Kommando." Ktamvayns Augen leuchteten. „Das wollte ich wissen. Also be steht echte Hoffnung! Ich nehme an, Sie wollen Bilfnei Gloddus das Handwerk legen. Wir können warten, bis Sie damit fertig sind." „Aber wir nicht", antwortete Salgouz grob. „Wie meinen Sie das?" „Sie haben zugesehen, als die SMARGENT nacheinander beide Pole des Planeten anflog?" „Wir wußten nicht, daß es die Pole waren", antwortete Ktamvayn überrascht. „Wir sahen zwar Eis und Gletscher, aber niemand von uns hat die Physiographie von Tromcap auswendig gelernt." Salgouz war überrascht, daß Ktamvayn den Namen des Planeten
kannte. Der Kapitän erklärte ihm den Zusammenhang. Salgouz bemerkte: „Wir brauchen Ihre Hilfe bei der Identifizierung der Orte, über denen die SMARGENT angehalten hat. Zugegeben, es ist schwierig, einen Punkt innerhalb einer eisüberzogenen Landschaft zu identifizieren, den man nur einmal gesehen hat. Aber wir müssen es wenigstens versuchen." „Wir sind bereit, sofort mit Ihnen zu kommen", erklärte Docro Ktamvayn. Lelle Salgouz schüttelte den Kopf. „Geht nicht", antwortete er. „Gloddus könnte auf den Gedanken kommen nachzusehen, wenn wir gegangen sind." „Wie kommen wir später hier heraus?" Salgouz untersuchte die Verriegelung des Schotts, das den Rampenabgang verschloß. „Beidseitige Verriegelung", bemerkte er knapp. „Normalerweise sind beide Riegel geschlossen und können nur mit einem Magnetschlüssel geöffnet werden. Unser Freund hier wird den Innenriegel offen lassen. Dann wirkt das Schott von außen zwar geschlossen, von innen jedoch kann es durch Druck auf den Servoschalter geöffnet werden." „Verstanden", bestätigte Docro Ktamvayn. „Von hier aus können wir durch den Antigravschacht hinab zum unteren Ausgang." „Ich werde dort auf Sie warten", sagte Salgouz. „Von einer Stunde vor Mitternacht an." „Klar", grinste Ktamvayn. Dann machte er eine Kopfbewegung in Annorvan Nossis Richtung. „Und der da. ?« „Um den machen Sie sich keine Sorgen." Nossi mußte die Verriegelung auf der Innenseite des Schottes entfernen. Ktamvayn und Dalcon kehrten In die mittlere Kugel zurück. Das chott wurde geschlossen und von außen verriegelt. Salgouz und Nossi schwebten durch den Antigravschacht in die Höhe und gelangten schließlich in den Beiboot-Hangar, in dem die beiden Gleiter der Delegation des Solaren Imperiums geparkt waren. Salgouz machte sich erst in dem einen, dann in dem anderen Fahrzeug zu schaffen und kam schließlich mit einer Handvoll Bandkassetten wieder zum Vorschein. Der ganze Vorgang hatte kaum zwei Minuten beansprucht. Er wandte sich an Annorvan Nossi. „Das ist alles, was du gesehen hast, mein Junge", sprach er auf ihn ein. „Ich habe zuerst mehr als eine Viertelstunde lang den ersten Gleiter durchwühlt und dann das zweite Fahrzeug durchsucht, bis ich endlich fand, worauf ich aus war. Du bist mir gefolgt und hast mich dabei beobachtet. Du hast, als ich von hier wegging, noch anderthalb Minuten gewartet und bist dann hinter mir her zum Konferenzraum zurückgekehrt. Wiederhole diesen Auftrag!" Nossi wiederholte wortgetreu. Salgouz machte sich auf den Rückweg. Durch seinen Befehl hatte er Nossi eine synthetische Erinnerung einge-
pflanzt, der über Salgouz Tätigkeit, während er vom Konferenzraum entfernt war, nur Harmloses beinhaltete. 9. An Bord der SMARGENT kam Salgouz' Abstecher zur Hangarschleuse erst am Abend dieses Tages wieder zur Sprache. Bilfnei Gloddus hatte ein ausgiebiges Mahl zu sich genommen und überließ, nachdem er sich gesättigt hatte, Annorvan Nossi die Tafel. „Was war da oben los?" fragte er, noch bevor Nossi Gelegenheit hatte, den ersten Bissen zu sich zu nehmen. „Wo oben, Herr?" fragte Nossi verwirrt. „Als der Terraner.. . Salgouz, glaube ich, heißt er, zur Hangarschleuse ging?" Nossi schob sich einen Happen in den Mund. „Oh, da!" rief er, kauend. „Nichts Besonderes, Herr. Der Mann durchwühlte zunächst eines der beiden Fahrzeuge von oben bis unten. Dort fand er nicht, was er suchte, und ging schließlich zu dem zweiten Gleiter. Da hatte er mehr Erfolg." Als Nossi nach dem zweiten Bissen griff, fuhr Gloddus ihn ärgerlich an: „Hör auf zu fressen, wenn es um so etwas Wichtiges geht! Bist du deiner Sache sicher?" Schuldbewußt zog Annorvan Nossi die ausgestreckte Hand wieder zurück. „Ganz sicher, Herr", antwortete er. „Er hat dich nicht hypnotisiert... oder so etwas Ähnliches, wie?" Nossi dachte nach, dann schüttelte er den Kopf. „Nein, Herr. Nicht, daß ich wüßte. ` „Wir wollen uns trotzdem vergewissern", bestimmte Bilfnei Gloddus. „Ich traue diesen Terranern nicht ganz. Es könnte sein, daß sie erfahren haben, wen wir da in der Mittelkugel eingesperrt haben. Ich möchte wissen... " Er sprach nicht weiter, sondern setzte sich in Richtung Kommandostand in Bewegung. Annorvan Nossi folgte ihm pflichtbewußt. Er hatte Hunger; aber er wußte, daß Bilfnei Gloddus ihm nicht verzeihen würde, wenn er jetzt fortfuhr zu essen. Im Kommandostand schaltete Gloddus den Interkom ein, aktivierte die Empfänger im Bereich der mittleren Kuppel, und befahl: „Alle Bewohner der mittleren Kuppel haben sich innerhalb von fünf Minuten im ehemaligen Kontrollraum einzufinden. Das gilt für alle! Hier spricht Bilfnei Gloddus." Er schaltete ab und wartete genau fünf Minuten. Auch Annorvan Nossi hielt den Blick gespannt auf den Bildschirm gerichtet. Als er wieder aufleuchtete, war der jetzt von allen Geräten befreite Kontrollraum zu sehen, in dem sich die Mannschaft der SMARGENT Schulter an Schulter drängte. Gloddus wandte sich eine
Sekunde lang um und warf Nossi einen auffordernden Blick zu. Nossi wußte, was er zu tun hatte. Währenddessen sprach Gloddus: „Ich möchte euch darüber informieren, daß die Tage, die ihr abseits vom Glanze meiner Gnade und meiner Macht verbringen müßt, gezählt sind. Ich habe in Verhandlungen mit dem Solaren Imperium große Fortschritte erzielt. Meine Herrschaft über die Eastside der Milchstraße wird bald von niemand mehr angefochten werden. Wir kehren dann nach Motamvorc zurück und gründen dort die Hauptstadt meines Reiches. Ihr sollt mein Gefolge, meine Vertrauten sein. Das wollte ich euch wissen lassen. Und nun laßt mich hören, wie hoch eure Meinung von eurem Herrn und Gebieter ist!" Jubelndes Geschrei antwortete ihm. Arme und Hände wurden geschwenkt. Die Gesichter strahlten, soweit er sehen konnte. Er schaltete den Interkom ab und wandte sich an Nossi. „Es ist alles beim alten, nicht wahr?" fragte er. Annorvan Nossi grinste. „Sie sind noch genauso begeistert wie eh und je, Herr. Und sie waren alle zur Stelle. Keiner fehlte." „Ich habe Ktamvayn und Dalcon selbst gesehen", bestätigte Gloddus. „Sie halte ich für die unsichersten Kantonisten. Aber sie jubelten und winkten genau wie die andern. Ich muß mir die Leute demnächst wieder einmal aus der Nähe ansehen. Da kann ich besser entscheiden." Er stand auf. „Nossi", sagte er, „ich habe einen schweren Tag hinter mir. Ich habe die Ruhe wohl verdient und gedenke, bis weit in den morgigen Tag hinein zu schlafen. Um elf Uhr kommen die Terraner zurück. Bis dahin wünsche ich nicht gestört zu werden. Du hältst Wache!" Annorvan Nossi bemühte sich, die gewohnte devote Miene zu wahren. Er war seit Tagen nicht mehr zum Schlafen gekommen. Er hielt sich mit Hilfe von Medikamenten wach und spürte, wie der ständige Mangel an Schlaf an seinen Kräften zu zehren begann. Aber er blieb unterwürfig. „Selbstverständlich, Herr", antwortete er. Als Bilfnei Gloddus gegangen war, machte er sich zunächst über die Reste des kalten Büfetts her und stillte Hunger und Durst mit den auserlesenen Genüssen, die Gloddus' Gäste übriggelassen hatten. Danach nahm er ein Medikament, das die Müdigkeit vertrieb. Schließlich bezog er seinen üblichen Posten im Kommandostand, von wo aus er im Notfall jeden einzelnen Servo, jede einzelne Verriegelung, jedes einzelne Schott an Bord der SMARGENT überprüfen konnte. Er hatte seine eigene Meinung über den bisherigen Verlauf der Verhandlungen - eine Meinung, die er seinem Herrn wohlweislich verbarg, denn sie hätte ihn nur aufs höchste erzürnt. Er sah Bilfnei Gloddus im rechten Licht - als einen Mann, der plötzlich zu ungeahnter Macht ge-
kommen war, aber nichtsdestoweniger als einen Emporkömmling. Und er konnte sich nicht vorstellen, daß das Solare Imperium so widerstandslos bereit sein sollte, mit einem Emporkömmling nicht nur ernsthaft zu verhandeln, sondern ihm obendrein unerhörte Zugeständnisse zu machen. Blieb also nur der Schluß, daß das Imperium bemüht war, Gloddus hinzuhalten, bis... Ja, bis wann? Welches war das Ziel der Terraner? Es ging ihnen darum, Tromcap :vor der Vernichtung zu bewahren. Aber sie hatten schon begonnen, die Solare Flotte aus der Eastside abzuziehen, und waren damit im Begriff, Bilfnei Gloddus' Bedingung zu erfüllen. Oder war das alles nur Schein? Solle Gloddus nur in Sicherheit gewiegt werden? Die Fülle der Fragen und Zweifel veranlaßten Annorvan Nossi, auch den Vorfall mit dem Terraner Salgouz noch einmal zu überdenken. Gloddus hatte befürchtet, er sei hypnotisiert worden. War das möglich? Hatte er in Wirklichkeit etwas ganz anderes erlebt, als er erlebt zu haben glaubte? Was könnte Salgouz sonst hier getan haben? Da gab es 260 Gefangene, die in der mittleren Kugel eingesperrt waren. Bestand die Möglichkeit, daß Salgouz sie hatte befreien wollen? Aber sie wollten nicht befreit werden! Sie waren voller Begeisterung für Bilfnei Gloddus. Das Nachdenken, fand Nossi, führte zu nichts. Er stand auf und begab sich hinunter zum unteren Polende der obersten Kugel. Von hier aus gab es zwei Abgänge zur Mittelkugel hinab, einen über eine Rampe, die verschlossen war, und einen zweiten durch den Antigravschacht, der hier zwar offen stand, dessen sämtliche Ausgänge innerhalb der Mittelkugel jedoch einen aufbruchsicheren Verschluß trugen. Er untersuchte die Verriegelung des Rampenschotts. Sie war in Ordnung und konnte nur mit Hilfe eines Magnetschlüssels geöffnet werden. Schon wollte er sich dem Antigravschacht zuwenden, da kam ihm ein Gedanke. Er nahm den Blaster, den er stets bei sich trug, in die Rechte und zog den Schlüssel mit der Linken aus der Tasche. Vorsichtig öffnete er die Verriegelung und drückte den Servo-Schalter, woraufhin die beiden Schotthälften surrend auseinander fuhren. Er trat auf die Rampe hinaus und inspizierte den Zustand der Verriegelung auf der anderen Seite. Da gingen ihm endlich die Augen auf. Die Verriegelung der Innenseite war deaktiviert worden! Das Schott machte von außen zwar einen gesicherten Eindruck, konnte jedoch von innen durch einen einfachen Knopfdruck geöffnet werden. Wer hatte die innere Verriegelung beseitigt? Es gab nur zwei Leute, die die geeigneten Schlüssel besaßen, und einer der beiden, nämlich Bilfnei Gloddus, hatte die Angewohnheit,
sich entweder nur in seinen Privatgemächern oder im Kommandostand aufzuhalten. Blieb also nur er selbst, Annorvan Nossi. Gloddus hatte recht gehabt. Er war hypnotisiert worden. Er war hier gewesen und hatte die innere Verriegelung entfernt, ohne sich daran zu erinnern: Salgouz hatte ihn unter seinen Bann gezwungen! Mit häßlichem Grinsen wich Annorvan Nossi zurück, bis er in dem Halbschatten eines Seitengangs untertauchte. Vor hier aus konnte er das Schott im Auge behalten. Er glaubte zu wissen, was die Terraner vorhatten. Das Schott war von innen geöffnet worden, damit die eingesperrte Besatzung der SMARGENT entkommen konnte. Nicht alle, korrigierte sich Nossi hastig. Die meisten waren Bilfnei Gloddus wohl ehrlich ergeben. Aber es mußte einige unter ihnen geben, die ihre Ergebenheit nur heuchelten. Sie wollten in dieser Nacht entweichen. Nossi glaubte nicht, daß sie ihren Plan schon in die Wirklichkeit umgesetzt hatten. Sie würden also noch kommen. Er begann zu warten. 9. Der Aufruf in den Kontrollraum bewies Ktamvayn und Dalcon; das Salgouz mit seinen Befürchtungen recht gehabt hatte. Bilfnei Gloddus war mißtrauisch. Er hatte die Leute zusammengetrommelt, um sich zu überzeugen, ob sie noch alle da seien. Daß er sie dazu in den Kontrollraum rufen lassen mußte, schien die Sorge gegenstandslos zu machen, daß es in jedem Raum der mittleren Kugel Abhör- und Absehgeräte gebe. Docro Ktamvayn ließ unmerklich die Blicke schweifen, als die Besatzung der SMARGENT in wilde Begeisterungsrufe für Bilfnei Gloddus ausbrach. Obwohl er selbst zu jubeln vorgab, erfüllte ihn der Anblick mit Schmerz und Widerwillen zugleich. Erst später sagte er sich, daß es unter den Jubelnden gleich Dalcon und ihm wohl noch manchen gegeben haben mochte, der nur deswegen winkte und schrie, weil er Gloddus nicht unnötig auf sich aufmerksam machen wollte. Der Abend verging für die beiden Männer schmerzhaft langsam. Man hatte ihnen die Uhren mit allen anderen Besitztümern abgenommen. Wenn sie wissen wollten, wie spät es war, mußten sie in den Kontrollraum gehen und dort das Chronometer ablesen, das auf Tromcap-Ortszeit eingestellt war. Aber allzu oft durften sie sich dort nicht blicken lassen, falls oben im Kommandostand jemand den Kontrollraum überwachte. Sie sprachen wenig miteinander. Die kommenden Ereignisse beschäftigten ihre Gedanken. Sie wußten nicht viel. Salgouz war nicht besonders gesprächig gewesen. Kein Wunder er hatte keine Zeit gehabt. Um so reger war ihre Phantasie an der Arbeit. Was war an
den Polen von Tromcap so interessant, daß sich sowohl Bilfnei Gloddus, als auch Atlan dafür interessierte? Beim letzten Gang zum Kontrollraum kehrte Amos Dalcon mit der Nachricht zurück, es seien noch achtzig Minuten bis Mitternacht. Daraufhin warteten sie mit wachsender Ungeduld, bis sie glaubten, daß etwa dreißig Minuten vergangen seien. Dann endlich machten sie sich auf den Weg. Den Kontrollraum sorgfältig umgehend, arbeiteten sie sich durch leere Gänge und über leere Rampen bis zum oberen Ende der Mittelkugel vor. Dort begann die Rampe, die durch den Flansch, mit dem die beiden Kugelhüllen verbunden waren, die Verbindung der mittleren mit der oberen Kugel herstellte. Vorsichtig schritten die beiden - Männer die geneigte Fläche hinauf und blieben hinter dem Schott ein paar Sekunden lang stehen. „Lange genug gewartet", knurrte Docro Ktamvayn mit unterdrückter Stimme und preßte den Servo Schalter. Ein Motor begann leise zu summen, und die beiden Schotthälften glitten zur Seite. Draußen lag hell erleuchtet und still der runde Platz, der die mächtige Säule des Antigravschachts umschloß. Mit raschen, entschlossenen Schritten bewegte Ktamvayn sich auf die Schachtöffnung zu, und Amos Dalcon folgte ihm auf dem Fuße. Da gellte eine helle, keifende Stimme durch die Stille: ;,Bleibt stehen, ihr Gauner! Nehmt die Arme in die Höhe und dreht euch vorsichtig um!" Einen Atemzug lang war es Docro Ktamvayn, als wollte ihm das Blut in den Adern stocken. Er kannte die Stimme. Es war Annorvan Nossis Stimme, die Stimme des Mannes, den Bilfnei Gloddus auf Steelaway aufgelesen n hatte und der ihn seitdem sklavisch verehrte. Ktamvayn zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen. Er hob die Arme und drehte sich um: Hämisch grinsend stand Nossi unter dem Ausgang eines matt beleuchteten Korridors. In der Hand hielt er einen leichten Strahler. Amos Dalcon stand schräg vor. Ktamvayn auch er hatte die Arme gehoben und sich umgedreht. „Das hätte euch so gepaßt", höhnte Annorvan Nossi, „euch still und heimlich aus dem Staub zu machen, wie? Ich glaube, Bilfnei Gloddus hätte nichts dagegen, wenn ich euch für diesen Versuch gleich an Ort und Stelle bestrafte." Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Ein gefährliches Funkeln brach hinter den halb geschlossenen Lidern hervor. Mit kaltem Grausen erkannte Docro Ktamvayn, daß der Mann nicht scherzte. Er wollte wirklich... „Nein!" schrie er verzweifelt.
Aber es war schon zu spät. Nossi hatte abgedrückt. Fauchend bohrte sich der Energiestrahl in Amos Dalcons Leib. Dalcon schrie gurgelnd auf und brach zusammen. Inzwischen jedoch hatte die verzweifelte Kraft der Wut und des Zorns Docro Ktamvayn in Bewegung gesetzt. Wie vom Katapult geschleudert, schoß er auf Nossi zu. Nossi zögerte, überrascht und erschreckt. Die halbe Sekunde, die er ungenutzt verstreichen ließ, entschied für Ktamvayn über Leben und Tod. Er prallte mit dem Hageren zusammen. Nossi taumelte in den Gang zurück, in dem er sich versteckt gehalten hatte. Der Blaster wurde ihm aus der Hand geprellt, fiel zu Boden und glitt, sich wirbelnd um die eigene Achse drehend, weiter -in den Gang hinein. Nossi raffte sich sofort auf und eilte hinter der Waffe her. Ktamvayn sah ein, daß er ihn nicht einholen konnte, bevor erden Strahler erreichte. Blitzschnell erkannte er die einzige Möglichkeit, die sich ihm hier bot. Er wandte sich um und stürzte auf den Antigravschacht zu. Ein Hechtsprung brachte ihn in den Einflußbereich des künstlichen Schwerefelds. Er bekam eine Haltestange zu fassen, stieß sich daran ab und Schoß wie ein Projektil in die Tiefe. Oben hatte Annorvan Nossi sich seiner Waffe wieder bemächtigt. Mit wütendem Schrei schnellte er sich in Richtung des Antigravschachts. Am Rande der Einstiegöffnung bremste er jedoch ab, beugte sich nach vorne und starrte in die Tiefe. Docro Ktamvayn war nur noch als winziger Punkt zu sehen, der in der glänzenden Helle des lichterfüllten Schachtes rasch kleiner wurde. Nossi feuerte zwei Salven hinter ihm her, aber sie reichten nicht weit genug, um Ktamvayn gefährlich zu werden. Nossi wußte Besseres zu tun, als Ktamvayn zu folgen. Die beiden Männer konnten sich nicht aus eigener Kraft befreit haben. Wahrscheinlich hatten sie Helfer, die draußen auf sie warteten. Ihnen würde er in die Arme laufen, wenn er hinter Ktamvayn her rannte. Er würde es anders anfangen. Zuerst mußte er zum Kommandostand, um von dort zu beobachten, wohin Ktamvayn sich wandte. Dann würde er weitersehen. Amos Dalcon lag halbwegs zwischen dem Antigravschacht und der Mündung des Ganges, in dem Nossi sich versteckt hatte. Nossi drehte ihn auf den Rücken. Die Salve war Dalcon in die Brust gefahren. Er hatte die Augen weit geöffnet. Ihr Blick war starr. Amos Dalcon war tot. Nossis Finger glitten über die Tastatur. Bildschirme leuchteten auf und zeigten die Umgebung der SMARGENT in unwirklichen Farben. Kräftige Scheinwerfer an den Kugelwandungen des Raumschiffskörpers waren aufgeflammt. Aber sie arbeiteten nicht mit sichtbarem Licht, sondern mit Infrarot. Annorvan Nossi kam gerade zurecht, um die Gestalten zweier Männer in dem Gestrüpp verschwinden zu sehen, das den Landeplatz der SMARGENT nach Süden hin abgrenzte. Er fluchte verbissen. Wenige Augenblicke später sah er aus dem Gestrüpp einen flachen, langgestreckten Gleiter sich erheben und mit ho-
her Beschleunigung nach Westen auf Fahrt gehen. Docro Ktamvayn war ihm vorläufig entkommen. Das erfüllte ihn mit unbeherrschtem Zorn; aber neben dem Zorn empfand er Angst wegen der Eruption, die ihn am kommenden Morgen erwartete, wenn Bilfnei Gloddus aufwachte und von den Ereignissen der Nacht erfuhr. Er mußte Ktamvayn wieder einfangen. Welche Pläne hatte er überhaupt? Er und der Terraner, der am Fuße der SMARGENT auf ihn gewartet hatte? Warum hatten sie sich nicht auf dem geradesten Wege zur KAMARAC begeben? Sie mußten damit rechnen, daß sie verfolgt wurden. Wenn sie wirklich zur KAMARAC wollten, warum nahmen sie dann durch den Umweg zusätzliches Risiko auf sich? Und was, überlegte Nossi, wenn die KAMARAC nicht ihr Ziel war? Wohin konnten sie sich dann gewendet haben? Er zerbrach sich darüber den Kopf, während er den entschwindenden Gleiter mit Hilfe des Funkorters verfolgte, was ihm nur kurze Zeit möglich war, da das Fahrzeug sich dicht über dem Boden bewegte und bald hinter dem Horizont verschwand. Es hatte auf das halbe Grad genau östlich Kurs eingeschlagen. Wohin flog es? Warum so haarscharf genau nach Osten? Plötzlich, fiel es Annorvan Nossi wie ein Schleier von den Augen. Narr, der er gewesen war! Noch heute Abend hatte er selbst darüber nachgedacht, welche Ziele die Terraner wohl damit verfolgten, daß sie Bilfnei Gloddus hinhielten. Welche Ziele gab es auf Tromcap denn überhaupt zu verfolgen? Der Planet stand unter Bedrohung. Bilfnei Gloddus hatte Sprengkörper in der Nähe der beiden Pole deponiert und wollte sie zünden, falls das Solare Imperium sich nicht willfährig zeigte. Atlan und seine Leute mußten davon erfahren haben. Der Mann, der Ktamvayn befreit hatte, war darauf aus, die Bomben zu finden und sie unschädlich zu machen. Nossi sprang auf. Hier bot sich ihm eine Chance. Er wußte nicht, zu welchem Pol die beiden Männer sich zuerst gewandt hatten. Sie hatten Ostkurs eingeschlagen, um ihn über ihre Absicht hinwegzutäuschen. Später würden sie entweder nach Norden oder nach Süden abbiegen. Wenn er sich sofort auf den Weg machte, konnte er ihnen zuvorkommen. Er beschloß, als erstes den Nordpol anzufliegen. War der auch das Ziel des Gegners, so konnte er es erreichen, ein paar Minuten früher dort zu sein, da er kein Täuschungsmanöver zu fliegen brauchte. Wandte der Feind sich jedoch zuerst nach Süden, dann würde er bequem Zeit haben, sich in der Nähe des Nordpols in ein Versteck einzunisten und dort zu warten, bis Docro Ktamvayn und sein Befreier auftauchten. Er fuhr hinauf zur Hangarschleuse. Um seine dünnen Lippen spielte ein böses- Lächeln, als er einen der schnellsten Fluggleiter startbereit machte.
Die beiden Strahlschüsse waren unschädlich hoch über Docro Ktamvayn verpufft. Trotzdem blickte er besorgt nach oben, fest davon überzeugt, daß Annorvan Nossi ihm entweder sofort folgen oder sich zumindest eine schwerere Waffe besorgen würde, um ihn zu guter Letzt doch noch an der Flucht zu hindern. Als er weder Nossi auftauchen sah, noch die Salven eines schweren Strahlers nach ihm zu züngeln begannen, atmete er auf. Und gleichzeitig mit dem Aufatmen kam ihm die Erkenntnis, daß Amos Dalcon, der ihm mehr als Kamerad denn als Untergebener gegolten hatte, nicht mehr war. Tiefe Traurigkeit befiel ihn und zugleich bitterer Zorn gegen den Mörder, der Dalcon über den Haufen geschossen hatte, weil er es für angebracht hielt, ihn für seinen Fluchtversuch zu „bestrafen". Er erreichte den unteren Ausgang des Antigravschachts und gelangte mühelos ins Freie. Er sah sich um und hörte aus südlicher Richtung einen gellenden Pfiff. Er wandte sich dorthin. Die Nacht war sternenklar. Er gewahrte die unregelmäßigen Umrisse eines Gebüschs. Davor erhob sich die Gestalt eines Mannes. „Salgouz.. . ?" „Ja. Wo ist Ihr Erster Offizier?" „Erschossen", antwortete Ktamvayn dumpf. „Jemand muß gewußt haben, was wir vorhatten. Nossi wartete auf uns. Ich entkam nur wie durch ein Wunder." Salgouz schien wenig berührt. „Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte er. „Mein Gleiter steht mitten im Gebüsch. Kommen Sie!" Halb benommen folgte ihm Ktamvayn. Er war kaum eingestiegen, da hob das Fahrzeug vom Boden ab und beschleunigte in den Horizontalflug, so daß er tief in das Polster seines Sitzes gedrückt wurde. „Wohin?" fragte er matt. . „Zuerst zum Südpol. Dort ist Tageslicht, und wir haben bessere Aussichten, die Bomben zu finden, die Gloddus dort deponiert hat. Sie erinnern sich an die Szenerie, die Sie sahen, als die SMARGENT über den Polen anhielt?" „Ich erinnere mich einigermaßen", antwortete Ktamvayn. „Aber ich weiß nicht, welches der Süd- und welches der Nordpol war." „Das ist einfach zu entscheiden. Am Nordpol herrscht Nacht, am Südpol Tag. Da jedoch Tromcap nur eine geringe Achsneigung hat, ist an den Polen die Nacht nicht besonders dunkel und der Tag nicht, besonders hell. Immerhin mußte es einen wahrnehmbaren Unterschied gegeben haben... " „Der Nordpol kam zuerst", unterbrach ihn Ktamvayn, als er sich erinnerte. „Gut", nickte Salgouz befriedigt. „Das stimmt mit den Angaben der Siedler überein." Sonst sprachen sie nicht viel. Lelle Salgouz wandte das Fahrzeug schließlich nach Süden. Mit Höchstgeschwindigkeit ging es auf den Pol zu. Als die Küsten des Südpolarkontinents auf dem Funkorterschirm
auftauchten; wurde es draußen dämmriger Tag. Bergketten wurden sichtbar, Schneekappen auf den Häuptern. Weiter südlich wurde der Schnee dichter und reichte schließlich bis in die Täler hinab. Plötzlich sagte Ktamvayn: ,,Dort, diesen Berg mit dem Horn habe ich von der SMARGENT aus gesehen, als wir anhielten!" Die Form des Berggipfels war in der Tat charakteristisch. „In welcher Richtung entfernte sich Gloddus vom Raumschiff?" wollte Salgouz Wissen. Ktamvayn sah sich um, um sich zu orientieren. „Dorthin", sagte er schließlich Und wies mit det Hand nach links. Seitwärts des gehörnten Berges breitete sich eine schneebedeckte Hochebene aus. Es gab dort nur unbedeutende Erhebungen. Das Gelände schien für das Verstecken eines Explosionskörpers, der nach Salgouz' Ansicht von nicht unbedeutendem Umfang war, denkbar ungeeignet. Beim Überfliegen der Hochebene stellte er jedoch fest, daß es hier, da der Böden offenbar karstig war, eine Menge tief eingeschnittener Spalten gab. Er führte eine empfindliche Tastapparatur an Bord. Die Bombe, die Bilfnei Gloddus hier deponiert hatte, war, höchstwahrscheinlich eine gatasische Kernbrandbombe, die über eine kornplizierte Elektronik verfügte. Im Augenblick würde die Elektronik sich zwar im Wartezustand befinden und nur geringe Aktivität entwickeln. Andererseits jedoch war der Äther über dem Südpol völlig frei von Störungen, so daß der Taster auch das leiseste Streusignal einwandfrei empfangen würde, vorausgesetzt, es kam aus nicht allzu großer Entfernung. Es dauerte zwei Stunden, bis der Taster die erste positive Reaktion lieferte. Salgouz ging dem Signal nach und fand eine etwa zehn Meter breite Spalte, deren Wände senk recht bis in unergründliche Tiefen abstürzten. Er dirigierte den Gleiter dort. hinab. Die Spalte hatte eine Tiefe von mehr als einhundert Metern. Auf der Sohle herrschte dichte Finsternis, die die Scheinwerfer des Fahrzeugs zerschnitten. Nach kurzer Suche war die Bombe 'gefunden, ein eiförrniger Gegenstand von annähernd einem Meter Höhe und siebzig Zentimetern Dicke: Lelle Salgouz landete den Gleiter. In mühseliger Arbeit löste er die Verkleidung der Bombe und gewann Zutritt zu der komplizierten Elektronik. Auch ohne das Wissen, das ihm seine Ausflüge in die Welt des Zeitflimmerns vermittelt hatten, wäre er hier ohne weiteres zurechtgekommen; denn er kannte sich mit den Prinzipien der Blues'schen Elektronik aus. Er zerstörte den Empfänger, durch den die Bombe aus der Ferne hätte gezündet werden sollen, und danach richtete er an einigen Stellen der Schaltung ein heilloses Ducheinander an, so daß der Zündmechanismus nunmehr völlig unbrauchbar und die Bombe ungefährlich war.
Dann erst kehrte er zu dem Gleiter zurück. Docro Ktamvayn konnte ihm am Gesicht ablesen, daß er Erfolg gehabt hatte. Das Fahrzeug kletterte aus der Spalte in die Höhe und nahm etwa dreihundert Meter über dem vereisten Boden mit Höchstbeschleunigung Kurs auf den anderen Pol von Tromcap. Im Nordpolargebiet kam ihnen der Zufall zu Hilfe. Docro Ktamvayn konnte sich an kein Geländedetail mehr erinnern. Daraufhin schaltete Lelle Salgouz den Taster ein und erhielt auf Anhieb eine positive Reaktion. Ein fröhliches Grinsen glitt über das aufgedunsene Gesicht. „Wir haben einen Schutzengel auf unserer Seite", sagte er halblaut. Das Versteck lag in einem von hohen Bergen umgebenen Talkessel. Am Rande des Kessels führte zwischen zwei eisbedeckten Erhebungen eine schmale Schlucht in die Bergwelt hinein. Aus der Schlucht kamen die Signale. Der Schluchteingang war so schmal, daß Lelle Salgouz' flach und breit gebautes Fahrzeug ihn nicht passieren konnte. Der Gleiter wurde deshalb außerhalb der Schlucht auf dem Boden des Talkessels abgesetzt. Salgouz und Ktamvayn stiegen aus und drangen zu Fuß in die Schlucht ein. Der Einschnitt vollführte zahlreiche Windungen. Nach etwa zwanzig Minuten erreichten die beiden Männer eine steile Felswand, an der die Schlucht endete, ohne daß sie Bilfnei Gloddus' Bombe zu Gesicht bekommen hätten. „Wir müssen irgendeine Abzweigung übersehen haben", entschied Docro Ktamvayn. „Vielleicht eine Höhle oder so etwas." Sie gingen zurück. Sorgfältig untersuchten sie die von faustdickem Eis bedeckten Wände der Schlucht. Sie waren vom Ausgang kaum noch achtzig Meter entfernt, als Salgouz hinter einem Felsvorsprung tatsächlich den kaum mannshohen Eingang einer Höhle entdeckte. „Da drinnen muß es sein", sagte er. „Ich möchte wissen, wie Gloddus die Bombe hierhergebracht hat!" Ktamvayn schätzte die Breite der Schlucht. „Kommt darauf an, welchen Fahrzeugtyp er benutzte", meinte er. „Ein normaler Transportgleiter könnte bei einiger Vorsicht hier hereinbugsiert werden." Lelle Salgouz bückte sich ein wenig, um die Höhle zu betreten. In diesem Augenblick hörte er aus der Richtung des Schluchtausgangs eine helle, scharfe Stimme. „Das Warten war also nicht umsonst! Der Teufel soll euch holen, ihr Galgenvögel!" Er wirbelte herum und hörte im selben Augenblick ein leises Singen. Docro Ktamvayn, der jetzt vor ihm stand, warf die Arme in die Höhe und brach mit ächzendem Laut zusammen. Dadurch kam Lelle Salgouz in die Schußlinie des Schockers. Er warf sich instinktiv zur Seite, aber seine Bewegung kam zu spät. Der Schockerstrahl traf und lähmte ihn
augenblicklich. Im Stürzen noch sah er den hageren, hochgewachsenen Mann, der hinter der nächsten Krümmung der Schlucht hervorgetreten war und die Waffe auf ihn gerichtet hatte: Annorvan Nossi. Befriedigt schob Nossi die Waffe wieder in den Gürtel. Er hatte lange überlegt, ob er hier den Blaster oder den Schocker einsetzen sollte und sich schließlich für den letzteren entschieden. Er überzeugte sich, daß sowohl Ktamvayn als auch Salgouz bewußtlos waren. Dann ging er zum Ausgang der Schlucht und stieg in seinen Gleiter, den er unmittelbar neben Salgouz' Fahrzeug geparkt hatte. Zum zehnten Mal betätigte er den Radiokom und versuchte, Bilfnei Gloddus an Bord der SMARGENT zu erreichen. Aber Gloddus pflegte noch immer der Ruhe, aus der er laut Anweisung nicht gestört werden wollte, und antwortete nicht. Fluchend machte Annorvan Nossi sich auf den Weg, die beiden Bewußtlosen in seinen Gleiter zu laden. Dämmernd kam Lelle Salgouz zu sich. Er fühlte Schmerzen in der rechten Körperhälfte und begriff sofort, daß er keinen vollen Treffer erhalten hatte. Er konnte nicht allzu lange bewußtlos gewesen sein. Er spürte, daß er auf einer angenehm weichen Unterlage ruhte und daß es ringsum warm war. Er hörte aus geringer Entfernung ein raschelndes Geräusch und öffnete äußerst vorsichtig die Augen. Es fiel ihm zunächst nicht leicht, sich zu orientieren. Es dauerte eine Weile, bis er erkannte, daß die drei Berge, die vor ihm in die Höhe ragten, die Rücklehnen von drei Schalensitzen waren. Über eine der Lehnen ragten hagere Schultern, ein dürrer Hals und ein langgestreckter Schädel empor. Das war Annorvan Nossi. Er saß im Pilotensitz und hielt den Blick nach vorne gerichtet. Lelle Salgouz registrierte, daß er selbst sich auf einer der rückwärtigen Sitzbänke eines Gleiters befand. Von seinem Standort aus konnte er durch das rechte Seitenfenster blicken und erkannte schneebedeckte Bergspitzen. Das waren die Berge, die die Hochebene umrahmten. Sie befanden sich also noch immer in der Gegend des Nord Pols von Tromcap. Er sah sich nach Dacro Ktamvayn um, konnte ihn jedoch nirgendwo finden. Hinter der Bank, auf der er selbst lag, gab es noch eine weitere. Wahrscheinlich befand sich Ktamvayn dort, und ebenso wahrscheinlich war er immer noch bewußtlos. Er war voll getroffen worden, während Salgouz, wie er jetzt zu wissen glaubte, nur einen Streifschuß erhalten hatte.Es war still. Er mußte darauf ach ten, sich nicht zu bewegen. Nossi hätte selbst das geringste Geräusch gehört. Warum wartete er überhaupt? Warum war er nicht längst zur SMARGENT zurückgekehrt. Er sah, wie der Hagere sich plötzlich nach vorne beugte. Es gab ein leises „Klick", als das Radiokom Mikrophon sich aus der Halterung löste. Nossi begann zu sprechen. „Nossi an SMARGENT. . . bitte melden Sie sich, Herr l"
Er wollte sich also mit Bilfnei Gloddus in Verbindung setzen, bevor . er die Rückfahrt antrat, wahrscheinlich sich Anweisungen holen, ä' „Nossi an SMARGENT. . . bitte melden Sie sich, Herr!" Lelle Salgouz verzog abfällig das Gesicht. „Herr" mußte er Gloddus nennen. Das Wort schien ihm leicht über die Lippen zu gehen. Wer mochte wissen, was er dabei empfand. Plötzlich stand Bilfnei Gloddus' laute Stimme im Innern des Gleiters. „Ich höre dich, Nossi", rief er. „Ich bin soeben aufgestanden und erfreue mich des neuen Tages!" Salgouz wagte es, sich langsam in die Höhe zu schieben. Es ging recht gut. Die Unterhaltung war so laut, daß Annorvan Nossi ihn nicht hören konnte. „Sie befanden sich in Gefahr, Herr", sagte Nossi. „Zwei Männer... " „Sprich nicht von Gefahr, Nossi", unterbrach ihn Gloddus. „Sprich lieber von meinem Triumph, den ich über die Terraner errungen habe. Ich werde bald der Kaiser des Weltalls sein. Für mich gibt es keine Gefahr mehr, Nossi. Ich bin der Mächtigste. Niemand kann mir etwas anhaben." Salgouz hatte sich soweit in die Höhe geschoben, daß er den kleinen Bildschirm sehen konnte, auf dem Bilfnei Gloddus' nichtssagendes Gesicht ihm selbstbewußt entgegenlächelte. „Nossi", sagte er, „hast du Respekt?" Annorvan Nossi war verblüfft. „Aber natürlich, Herr", antwortete er. „Nicht genug", widersprach ihm Bilfnei Gloddus. „Wie nennst du mich? Herr? Das ist nicht gut genug, Nossi. Ich bin mehr als das. Du wirst mich anders nennen müssen, wenn du deinen Respekt beweisen willst. Ich bin der Held von Bernal! Das ist meine Anrede, Nossi, merk es dir!" Da barst in Annorvan Nossis Bewußtsein ein Damm, hinter dem er schon seit Tagen den Ärger und die Wut über Bilfnei Gloddus' zunehmende Anmaßung aufgestaut hatte. „Ich will dir was sagen, du aufgeblasener Bursche!" schrie er Bilfnei Gloddus an. „Du magst dich nennen, wie du willst, aber du wärest trotzdem in der vergangenen Nacht auf ganz unprosaische Weise umgebracht worden, wenn ich nicht gewesen wäre. Unter den Terranern gibt es einen, der genauso viel kann wie du! Er hat heimlich das obere Rampenschott der mittleren Kugel geöffnet. Zwei Männer flüchteten, Ktamvayn und Dalcon. Ich erwischte Dalcon, aber Ktamvayn entkam. Der Terraner wartete auf ihn. Sie flogen zum Südpol und entschärften deine Bombe. Sie hätten auch die am Nordpol entschärft; aber ich kam ihnen zuvor... " Bilfnei Gloddus' Gesicht hatte zunächst einen ungläubigen, dann einen entsetzten Ausdruck angenommen. Ungläubig wegen der Respektlosigkeit, die sein getreuer Diener Annorvan Nossi plötzlich an den Tag legte. Entsetzt zunächst wegen Nossis schlimmer Nachrichten, und dann, weil Lelle Salgouz sich mittlerweile in den Blickbereich der Radiokom-Kamera geschoben hatte und auf Gloddus' Bildschirm sichtbar
wurde. Gloddus wollte einen Warnruf ausstoßen, aber der Laut blieb ihm im Halse stecken. Salgouz fuhr Nossi mit den Händen um den Hals. Nossi gab würgende Geräusche von sich, wand sich und strampelte. Salgouz, von dem Schocker zwar nicht voll getroffen, aber in seiner Beweglichkeit noch immer gehemmt, konnte Nossi nicht halten. Der Dürre entwand sich ihm und warf sich durch das offene Luk ins Freie. Salgouz wälzte sich mühselig über die Lehne des Pilotensitzes und fiel mehr, als daß er stieg, aus dem Fahrzeug hinaus. Inzwischen hatte Nossi den Blaster in der Hand. Mit hämischem Grinsen legte er auf Salgouz an. Salgouz blieb nichts anderesübrig: er sprang. Noch bevor Nossi abdrücken konnte, prallte er gegen ihn. Nossi hatte den Finger schon auf dem Auslöser gehabt. Der Aufprall löste den entscheidenden Muskelreflex aus. Der Blaster entlud sich fauchend, aber inzwischen war sein Lauf von Lelle Salgouz beiseite geschlagen worden und zeigte Annorvan Nossi auf den Leib. Nossi erschoß sich selbst. Mit gequältem Schrei stürzte er zu Boden und rührte sich nicht mehr. Annorvan Nossi, der Mann, der sich geweigert hatte, seinen Wohltäter und Herrn „Held von Bernal" zu nennen, war tot. Für Atlan kam der Start der SMARGENT völlig überraschend. Er hatte bislang von Lelle Salgouz, der sich aufgemacht hatte, den Kapitän und den Ersten Offizier des Forschungsschiffes zu befreien, keinerlei Nachricht und war besorgt, daß Salgouz sich womöglich an Bord der SMARGENT befinde. Kurze Zeit später jedoch wurde er eines Besseren belehrt. Salgouz meldete sich aus dem Nordpolargebiet. Beide Bomben waren entschärft worden. Tromcap war außer Gefahr. Salgouz berichtete von den Geschehnissen der vergangenen Nacht. Da wurde klar, warum Bilfnei Gloddus sich aus dem Staub gemacht hatte: Er hatte das Komplott der Terraner durchschaut. Nicht einmal die Blues schienen zu wissen, was sie von Gloddus' überstürzter Abreise zu halten hatten. Sie hielten den Ring um Tromcap weiterhin geschlossen. Aber als plötzlich am Orterhorizont zweitausend unbekannte Raumschiffe auftauchten die USO-Flotte, die sich seit einigen Tagen in gemächlichem Anmarsch auf das Fjogda-System befand -, da ergriffen sie Hals über Kopf die Flucht, denn sie wußten, daß sie diesem Gegner nicht gewachsen waren. Für manche allerdings kam die Entscheidung zu spät. Die USO-Raumschiffe eröffneten unbarmherzig das Feuer, wenn ihnen eine der Blues Einheiten zu nahe kam. Das Problem „Tromcap" war gelöst. Docro Ktamvayn feierte ein begeistertes Wiedersehen mit seinem Vetter Seer Ongevain. Die Siedler waren des Lobes voll für die Entschlossenheit der USO, die sie vor dem sicheren Untergang bewahrt
hatte. Die Nachricht von Bilfnei Gloddus' Flucht erreichte innerhalb weniger Stunden Terrania-City. Der Abzug der Solaren Flotte aus der Eastside wurde unterbrochen. Man begann, nach der SMARGENT zu suchen. Aber das Forschungsschiff schien spurlos verschwunden zu sein. Nur zwei Männer gab es auf Tromcap, die mit der Entwicklung der Dinge nicht ganz zufrieden waren. Erstens Lelle Salgouz. Er hatte gehofft, er werde Bilfnei Gloddus hier auf Tromcap ein für allemal unschädlich machen und dann wieder zu seinem gewohnten, unbeschwerten Leben zurückkehren können. Die Hoffnung hatte sich nicht bewahrheitet; und er war durch sein Ver sprechen verpflichtet, dem Arkoniden bei seiner Suche nach Gloddus weiterhin zur Seite zu stehen. Und Atlan. Er allein begriff, wie nichtig der Sieg war, den er über Bilfnei Gloddus errungen hatte. Zuvor war Gloddus überheblich und daher unvorsichtig gewesen. Bisher hatte man glauben dürfen, es könne nicht allzu schwer sein, Bilfnei Gloddus von dem Thron herunterzuholen, den er sich selbst gezimmert hatte. Aber jetzt war Gloddus gewarnt, und er hatte nichts von seiner Macht eingebüßt. Das, was er mit Tromcap vorgehabt hatte, konnte er jederzeit einer anderen Welt wieder androhen -unter denselben Bedingungen, mit denselben Folgen. Atlan wartete... Lesen Sie nächste Woche ATLAN-exclusiv Nr.130/14 EIn Abenteuer des Helden von Arkon Meister der Echsen von Clerk Darlton Eine unheimliche Armee marschiert - Saurier gehorchen Funkbefehlen.