Leo Sillner Gewußt woher Ursprungshandbuch deutschsprachiger Wörter und Redensarten
Deutscher Bücherbund Stuttgart
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Leo Sillner Gewußt woher Ursprungshandbuch deutschsprachiger Wörter und Redensarten
Deutscher Bücherbund Stuttgart
Lizenzausgabe für die Mitglieder des Deutschen Bücherbundes Stuttgart Hamburg München Alle Rechte vorbehalten • Societäts-Verlag © 1973 Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH Gesamtherstellung: Friedrich Pustet, Regensburg Papier: Bohnenberger & Cie, Papierfabrik Niefern -09376/5-
Vorwort Woher kommt das denn, oder warum sagt man so - diese Fragen stellt sich jeder irgendeinmal, wenn ihm ein ungewohntes Wort unterkommt, wenn er plötzlich über den Sinngehalt einer Redensart ins Nachdenken gerät. Meist geht er über die Frage wieder hinweg, denn am Wichtigeren - was das Wort oder die Wendung aussagt - gibt es nur geringere oder gar keine Zweifel. Und doch bleibt ein kleiner Rest dieser Frage hängen. Diese knappe Feststellung mag sogleich deutlich machen, an wen sich das vorliegende kleine Nachschlagewerk wenden will: nicht an den Wissenschaftler, dem ein umfangreicher etymologischer Apparat zur Verfügung steht, sondern an den sprachlich interessierten Laien, der sich hin und wieder mit derartigen Fragen konfrontiert sieht. Das kleine Lexikon entstand auf dem Boden der Zeitungsarbeit. Hauptsächlich auf Anfragen aus dem Leserkreis hin ergab sich die verlockende Gelegenheit, die Beantwortungen in einer regelmäßigen kleinen Kolumne zu geben; sie erscheint seit 1967 wöchentlich in der »Süddeutschen Zeitung«. Dieser Ausgangspunkt mag die Auswahl der Stichwörter erklären. Es waren nicht jene Begriffe der deutschen Sprache, die ihr die breite Grundlage und das feste Gerüst geben, sondern das Interesse entzündete sich mehr an den »ausgefallenen« Wörtern und Wendungen, die freilich in vielen Fällen nicht minder zu ihrem unerläßlichen Bestand gehören. Vollständigkeit auch nur in einem Teilbereich anzustreben war in diesem Rahmen weder beabsichtigt noch möglich. Trotz dieser notwendigen Einschränkungen mag der Leser vielleicht gerade wegen der »Ausgefallenheit« der Auswahl seine Freude an der Vielschichtigkeit und Buntheit der Sprache auskosten und angeregt werden, dem täglichen Werkzeug Sprache ein wenig intensiver auf den Grund zu gehen.
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A A das A und das O: In der Bibel (Offenbarung des Johannes, 1,8) heißt es: »Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige«, Anfang und Ende deshalb, weil Alpha der erste, Omega der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets ist. Abblitzen jemanden a. lassen: Die Vermutung, der Redewendung liege das - wirkungslose - Abblitzen des Pulvers auf der Pfanne, auf das kein Schuß folgt, zugrunde, hat einiges für sich. Jedoch liegt ähnlich nahe das Verb blitzen im Sinne von ausschlagen, wie es Tiere, vor allem Pferde und Esel, tun. So heißt es bei Kaysersberg: »gleich als ein ungezemptes pfert, das da blitzt hinden und fornen, das nieman geheben (halten) kan«. Blitzen liegt auch der Sinn zugrunde: sich schnell bewegen. Dazu gehört etwa das schlesische mit der Tür, dem Fenster blitzen (schlagen). Abenteuer Zugrunde liegt das lateinische Verb advenire (herankommen, erscheinen, sich ereignen, geschehen), das ein vulgärlateinisches adventura (substantiviertes Partizip der Zukunft) für Ereignis ergab. Daraus ergab sich das altfranzösische aventure für unerwartetes Erlebnis, Abenteuer. Das Mittelhochdeutsche übernahm das Wort als aventiure (Adjektiv aventiurlich), woraus dann Abenteuer wurde. Der eigentliche Sinn von Abenteuer ist also das, was auf einen zukommt, ein unerwartetes, aber doch gesuchtes (abenteuerliches) Erlebnis, wie es dem ritterlichen Ideal entsprach.
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Abfahren jemanden a. lassen: So wie etwa ein Werkzeug, mit dem man ungeschickt umgeht, von dem zu bearbeitenden Objekt abfährt, das heißt abgleitet, läßt jemand einen anderen an sich abrutschen oder abgleiten, mit dem er nichts zu tun haben will; er läßt ihn gleichsam an sich abfahren (Goethe: »Fräulein Luise ließ Karin, der sie zum Spaziergange einlud, auf eine sehr schnippische Weise abfahren.«). Abfuhr jemandem eine A. erteilen: Die Redensart entstand in der Studentensprache. Wenn ein Teilnehmer an der Mensur, dem studentischen Zweikampf, verletzt war, wurde er von seinen Sekundanten »abgeführt«. Daß diese Abfuhr manchmal den Charakter des Blamablen hatte, begünstigte die heutige Bedeutung der Redensart, die vielleicht auch von der Wendung jemanden abfahren lassen (vgl. abfahren) beeinflußt wurde. Abgebrannt a. sein: Seit dem 16. Jahrhundert wird das Partizip abgebrannt, das sich eigentlich zunächst nur auf das durch Feuer Vernichtete bezieht, auch auf den Menschen angewandt, der durch einen Brand seine Habe verloren hat. Von da aus nahm es dann den allgemeinen Sinn von völlig mittellos an, weil es am deutlichsten die plötzlich eingetretene Verarmung kennzeichnet. Die Übertragung des Begriffs kommt in einem Zitat Moscheroschs von 1640 zum Ausdruck: »Underwegs stieße uns auff ein gut Gesell, den ich wol kante der beklagte sich, daß er abgebrant war, das ist nach Feldsprach soviel, als daß er umb alles kommen und erarmet war, daß er alles zugesetzt und verlohren hatte.« Abgefeimt Feim ist ein altes deutsches Wort für Schaum, das im übrigen auf die gleiche indogermanische Wurzel wie Schaum - (s)poimno, Schaum, Gischt - zurückgeht und seine Entsprechung im englischen foam (Schaum), aber auch im bairischen foam (das Schriftdeutsch Faim heißen müßte) hat. Dazu gehört das Verb feimen für schäumen und ab-
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schäumen. »Laß das über nacht sten und des morgens so feume es schone«, heißt es in einer Nürnberger Quelle von 1489. Das Abschäumen oder eben Abfeimen einer Flüssigkeit stellt zunächst eine Säuberung, Verfeinerung, Läuterung dar; ähnlich wie das dem Französischen entnommene raffiniert, das ebenfalls eigentlich verfeinert, geläutert bedeutet, nahm dann abgefeimt im Sinne von durchtrieben eine negative Bedeutung an, ein Wort, das sich gehalten hat, auch als Feim in wenige Mundarten verdrängt wurde. Abgekartet ein a.es Spiel, eine a.e Sache: karten als Verb bedeutet Kartenspielen (daneben gibt es die hauptsächlich oberdeutsche Form kartein). Häufig war früher die transitive Form »ein Spiel karten« (es spielen); ebenso »es karten« (Hast dus wol gemischt, so kart es wol«, bei Simrock). Es karten nahm dann die übertragene Bedeutung an, eine Angelegenheit einrichten, einfädeln, künstlich, schlau nach seinem Interesse lenken, »es« wurde dabei häufig durch ein bestimmtes Objekt ersetzt; »das Ding so zu karten suchen«, heißt es bei Lessing. Seit dem 18. Jahrhundert trat dann für karten in diesem Sinne das Verb abkarten in den Vordergrund. Abgetakelt s. aufgetakelt. Abgott Schon im Althochdeutschen ist das Wort als abgot für Götzenbild, Götterbild, Abgott gebräuchlich. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde es in der Frühzeit der Christianisierung zunächst als Adjektiv geprägt, so wie es im Gotischen das Adjektiv afguths für gottlos, frevlerisch, ruchlos gibt. Abhalftern jemanden a.: So wie man einem Pferd die Halfter abnimmt (es abhalftert) und es damit aus dem Gespann nimmt, weil es den Wagen nicht mehr ziehen muß, halftert man jemanden ab, weil man seine Dienste nicht mehr haben will.
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Abbauen Hauen hatte schon im Frühneuhochdeutschen auch die Bedeutung laufen, eilen. So heißt es zum Beispiel bei Kaysersberg um 1500: »Darnoch macht er sich uff die fart und houwt weidlich dohin, vollbringt unverzagt sin bilgerf art.« Auch im älteren Bairisch etwa bedeutete hauen laufen, sich schnell bewegen; es hat sich zum Teil bis heute erhalten, vor allem als davonhauen für wegrennen (er ist davong'haut: er ist weggelaufen, hat sich davongemacht). Im gleichen Sinne hat sich abhauen für weggehen, -laufen, flüchten, sich davonmachen ausgebildet, freilich nur im derben Sprachgebrauch. Es wäre denkbar, daß hauen in dieser Bedeutung sich ursprünglich an das Einhauen der Sporen in das Pferd anlehnte, doch ist es näherliegend, den Ausgang beim Einhauen der Fersen während des Laufens zu suchen. Abknöpfen jemandem Geld, etwas a.: Das Knöpfen ist zwar keine schwierige, aber doch eine etwas mühsame Tätigkeit. Wenn man jemandem Geld abknöpft, befreit man es sozusagen von den Knöpfen, mit denen es am Besitzer haftet, aber man muß einige Mühe und ein bißchen Geschick aufwenden. Abraham in A.s Schoß sitzen: Der Begriff des Schoßes ist in gewissem Sinne mit der Vorstellung des Sitzens verbunden. So sitzt ein Kind auf dem Schoß des Vaters oder der Mutter, aber auch die Seligen sitzen oder ruhen im Schoß Gottes (daraus entstanden auch übertragenere Begriffe wie vom Schoß des Glücks). Wegen seines frommen Lebens und Glaubens gilt Abraham, der Stammvater der Israeliten, als im Paradies bevorrechtet (im Brief des Paulus an die Galater heißt es etwa, daß die, die des Glaubens sind, Abrahams Kinder sind), und im Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus (Lukas 16) wird erzählt, daß Lazarus, nachdem er gestorben war, »ward getragen in Abrahams Schoß«. So wurde der Ausdruck zum Sinnbild für die Geborgenheit.
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Abschaum A. der Menschheit: Abschaum ist eigentlich das, was auf Flüssigkeiten obenauf als Schaum schwimmt und als wertlos oder unreinlich abgeschöpft, abgeschäumt wird; dies ist vor allem bei Flüssigkeiten, die gekocht werden, der Fall; durch das Abschäumen werden sie klar. So nahm das Wort auch die Bedeutung Auswurf, das Schlechteste seiner Art an. Die Zusammenfügung Abschaum der Menschheit findet ihre erste geläufige Verwendung wohl im ersten Korintherbrief, wo (4,13) vom Kehricht, Auswurf oder eben Abschaum der Welt oder Menschheit die Rede ist (Luther übersetzte: ein Fluch der Welt). Abspenstig a. machen: Im Althochdeutschen hieß spenst Verlockung, spenstig verlockend; beide Wörter gehören zu dem Verb spanan (überreden, lokken, verlocken). Davon hatten sich im Frühneuhochdeutschen noch abspanen (ablocken) und abspenig (abspenstig) gehalten; während das Verb verlorenging, entwickelte sich abspenstig zu seiner heutigen Form und Bedeutung. Von gleicher Wurzel ist Gespenst mit dem ursprünglichen Sinn von Lockung. Abstecher Gemeint ist ursprünglich mit dem Bootshaken abstechen, vom Schiff wegschieben. Abstechen wurde vom Niederländischen übernommen, wo afsteken das gleiche heißt. Auch die Wendung einen Abstecher machen geht auf das Niederländische zurück: een afsteker maken. Ursprünglicher Sinn der Wendung war, sich im Boot mit dem Bootshaken vom Schiff »abzustechen«, um eine kurze Fahrt zu unternehmen, woraus sich dann die weitere Bedeutung entwickelte. Achillesferse Achilles galt als der schnellste und stärkste Held der Griechen vor Troj a. Seine Mutter Thetis hatte ihn als Neugeborenen in den Styx, den Fluß der Unterwelt, gehalten, um ihn unverwundbar zu machen. An der Ferse aber, an der sie ihn hielt, hatte das Wasser keine Wirkung. So konnte ihn Paris durch einen Pfeilschuß in die Ferse töten. Deshalb
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nennt man die verwundbare Stelle eines Menschen im übertragenen Sinn Achillesferse. Adam Riese »Nach Adam Riese« sagt man, um die Selbstverständlichkeit, Einfachheit einer Rechnung zu charakterisieren. Adam Riese war ein um 1492 in Staffelstein geborener Rechenmeister, der mehrere sehr weit verbreitete Rechenbücher verfaßte. Adamsapfel Im Hebräischen bedeutet tappuach Erhebung am menschlichen Körper, wörtlich Apfel; tappuach ha adam ist demnach der Schildknorpel des Menschen (adam für Mann, Mensch). Der in mehreren europäischen Sprachen vorhandene Ausdruck Adamsapfel (zum Beispiel italienisch pomo d'Adamo) beruhte dann auf der volkstümlichen Vorstellung, daß Adam der ihm von Eva gereichte Apfel im Hals stecken geblieben sei. Adamskostüm In der Bibel wird berichtet, daß die ersten beiden von Gott geschaffenen Menschen, Adam und Eva, nackt lebten: »Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht« (Mosel, 25); aber als sie beide vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, wurden sie ihrer Nacktheit gewahr und bedeckten sich. Im Adams- oder Evaskostüm meint also völlig nackt. Die Formulierung »der Mensch und sein Weib« beruht darauf, daß in der älteren Sprache Mensch häufig identisch mit Mann war (vgl. Mensch). Adonis Nach der griechischen Mythologie wurde Adonis aus einem Myrrhenbaum geboren (in den seine Mutter verwandelt worden war). Zeus entschied, daß er je ein Drittel des Jahres bei Persephone und bei Aphrodite bleiben sollte, über das dritte Drittel sollte er frei entscheiden; er verbrachte auch dieses mit Aphrodite und wird als Liebling der Aphrodite gewöhnlich als achtzehn- oder neunzehnjähriger Jüngling geschildert von blühendem, rosigem Aussehen und noch flaumbärtig, so daß sein
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Kuß nicht steche. Deshalb nennt man einen schönen jungen Mann Adonis, freilich meist mit einem ironischen Ton. Affe einen A.n haben: In den verschiedensten europäischen Sprachen werden Tiere zum Vergleich herangezogen, um den durch Alkohol bewirkten Rausch des Menschen zu charakterisieren. Am häufigsten ist das der Affe. So heißt es im Deutschen einen Affen haben, im Englischen to suck the monkey (wörtlich: den Affen saugen), im Spanischen dormir la mona (seinen Rausch ausschlafen, mona ist die weibliche Form von Affe und bedeutet auch Rausch), ebenso im Portugiesischen, Italienischen, Tschechischen. Zugrunde liegt, daß ein Betrunkener sich so lebhaft, verrückt, possenartig wie ein Affe benimmt. Affe mich laust der A.: Wanderaussteller und fahrendes Volk früherer Jahre führten in der Regel einen Affen, der sich bekannterweise immer sehr lustig zu geben weiß, mit. Es kam dann häufig vor, daß der Affe ins Publikum sprang und sich einem Zuschauer unvermutet auf die Schulter setzte, in seinen Haaren zu krabbeln anfing, so wie er das auch mit seinen Artgenossen macht, und gleichsam nach Läusen suchte. Aus der Überraschung, die das für den Betroffenen bedeutete, entstand die Redewendung als Ausdruck der Verblüffung. Affenliebe Der Mensch empfindet die Verhaltensweisen des Affen zwar als lustig oder komisch, aber ebensosehr als dumm oder töricht. So führte etwa die Eigenschaft des Affen, Gesten des Menschen nachzuahmen oder sich beibringen zu lassen, zu den Verben äffen, nachäffen (etwas auf so dumme Weise wie ein Affe nachmachen), Albernheit wird mit dem Adjektiv äffisch charakterisiert. Die lebhafte und unentwegte Beschäftigung des Affen mit seinen Jungen führte im Verein mit der allgemeinen Einschätzung des Affen als töricht zu dem Ausdruck Affenliebe für blinde, unvernünftige Liebe vor allem der Eltern zu ihren Kindern.
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Ägyptische Finsternis Eine der Plagen, die Gott durch Moses über Ägypten verhängte, weil der Pharao Moses und sein Volk nicht ziehen ließ, war eine dreitägige Finsternis. Im zweiten Buch Mose (10,21—23) heißt es: »Der Herr sprach zu Mose: Recke deine Hand gen Himmel, daß es so finster werde in Ägyptenland, daß man's greifen mag. Und Mose reckte seine Hand gen Himmel; da ward eine dicke Finsternis in ganz Ägyptenland drei Tage, daß niemand den ändern sah noch aufstand von dem Ort, da er war, in drei Tagen.« Akribie Akribeia bedeutet im Griechischen ebenso wie das davon entnommene Akribie, peinliche Genauigkeit, Gründlichkeit Sorgfalt. Akrobat Das griechische akrobatos bedeutet wörtlich auf den Zehen gehend, zusammengesetzt aus akros (äußerst, oberst) und batein (gehen). Akrobat wurde im Deutschen zunächst Anfang des 19. Jahrhunderts auch nur der Seiltänzer genannt; dann wurde das Wort auf alle turnerischen Zirkuskünste übertragen. Albern Das Wort ist germanischer Herkunft und hatte im Althochdeutschen als alawari die Bedeutung gütig, freundlich. Im Mittelhochdeutschen entwickelte es sich zu alwaere und verschob seinen Sinn gleichzeitig von gütig zu einfältig, dumm (aufgefaßt als allzu gütig, gutmütig dumm). Frühneuhochdeutsch erscheint es als alber für schlicht, naiv, einfältig, unzurechnungsfähig, bis es dann seine dem naheliegende heutige Bedeutung annahm. Alibi Im Lateinischen heißt alibi anderswo. Hat jemand ein Alibi, kann er nachweisen, er sei »anderswo« gewesen als am Ort einer inkriminierten Tat.
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Allerhand das ist a.: Hand hat hier die Bedeutung von Seite; das Wort allerhand meint also eigentlich aller Seiten, von allen Seiten (etwas). Im Mittelhochdeutschen war dieser Genitiv noch deutlich: aller hende, aller hande und später allerhande bedeutete jederart; auch die Verkleinerungsform von hand war gebräuchlich: aller hendlin kauf. Das ist (ja) allerhand meint also, daß man hier von allem möglichen überrascht wird. Allotria aus dem Griechischen. Allotrios heißt fremdartig, sonderbar, auffallend, unpassend. Almauftrieb s. Pfingstochse. Alter biblisches A.: Nach dem ersten Buch Mose erlangten die Patriarchen von Adam bis Noah ein außergewöhnlich hohes Alter (vgl. Methusalem). Der Begriff biblisches Alter für hohes Alter könnte indessen auch noch vom 90. Psalm beeinflußt worden sein, in dem es heißt: »Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre.« Altfränkisch Ein früher Anklang an das Wort findet sich um 1300 bei dem in der Nähe von Würzburg geborenen Hugo von Trimberg: »Man sprichet gerne, swen man lobt hiute, er si der alten frenkischen liute, die waren einveltic, getriu, gewaere, wolte got, daz ich alsam waere.« Als altfränkisch und altfrensch ist das Wort dann im 14. Jahrhundert belegt und meint bereits sowohl altvaterisch wie auch altmodisch. Zugrunde liegt dem Begriff die Erinnerung an die beherrschende politische und kulturelle Stellung der Franken im alten Reich. Von der »altfränkischen Art« ist dann häufig im 16. Jahrhundert die Rede, so bei Hans Sachs:
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» Alfrenkisch sind dein werk und daiding (Gerede), gleich also sind auch all dein klaiding.« So hielt sich das Wort in der gebildeten Sprache bis in die Gegenwart (Wieland: »die etwas altfränkische Sprache«1; Goethe: »daß die Kleidung zwar altfränkisch, aber wohlerhalten und von edlem Stoff sei«). Amen Das hebräische Wort amen bedeutet wahrlich, gewiß, es geschehe also und drückt die Zustimmung der Gemeinde zu Rede, Gebet und Segen aus. Amok A. laufen: Im Malaiischen bedeutet amuk Wut, wütend, rasend. Die Malaien nennen einen Menschen amuk, der in einem plötzlichen Anfall von Geistesverwirrung, die vor allem durch Epilepsie hervorgerufen wird, in einem rasenden Lauf jeden niedersticht. Amüsieren Im Galloromanischen bedeutete musus Schnauze, Maul; der ursprüngliche Sinn des französischen Wortes amuser ist also: jemanden dazu bringen, daß er das Maul aufreißt. Im Altfranzösischen bedeutete es deshalb auch zunächst foppen, narren; erst später nahm es die heutige Bedeutung unterhalten an. Anbinden mit jemanden a.: Vermutlich geht die Redewendung auf die Fechtersprache zurück. Vor dem Kampf wurden die Klingen gekreuzt, übereinandergelegt, gleichsam gebunden. Andrehen jemandem etwas a.: s. Dreh.
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Angeben, Angeber Die eigentliche Bedeutung von angeben ist mitteilen, kundtun. Im Sinne von großtun, prahlen ist das Wort erst seit dem 20. Jahrhundert üblich; es setzt ein näher bestimmendes Adverb wie prahlerisch, großsprecherisch voraus, das indessen nicht ausgesprochen wird, weil der Ausdruck gerade ohne nähere Bestimmung seinen lapidaren Klang hat. Eine humorvoll drastische Intensivierung ist die häufig gebrauchte Redensart angeben wie zehn nackte Neger, die keine Beziehung zur Realität haben will, sondern durch kräftige Absurdität wirkt, wobei allenfalls die Ausgelassenheit »wilder« Naturvölker assoziiert wird. Angebinde Das Wort ist seit dem 17. Jahrhundert in Gebrauch und meinte ursprünglich wörtlich das Geschenk, das dem Beschenkten (an den Arm) angebunden wird. Angeschrieben bei jemandem gut, schlecht a. sein: Die Wendung geht auf den Brauch zurück, daß man beim Einkauf von Waren seinen Schuldbetrag anschreiben ließ, wenn man nicht bar zahlen konnte; ebenso konnte natürlich auch ein Guthaben angeschrieben sein. Schlecht angeschrieben war der, der soviel Schulden hatte, daß er nichts mehr geborgt bekam, gut angeschrieben der Kreditwürdige oder der ein Guthaben hatte. Angetan es jemandem a. haben, von jemandem a. sein: Angetan ist in diesem Fall ein Verhüllungswort, gemeint ist nämlich jemanden bezaubert haben, von jemandem bezaubert sein; man scheut sich gleichsam nur, es auszusprechen. Anhauen jemanden a., jemanden um etwas a.: Jemanden anhauen meint in der Vulgärsprache jemanden ansprechen (zum Beispiel ein Mädchen anhauen), jemanden um etwas anhauen in gleich derber Sprache jeman-
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den um etwas angehen (zum Beispiel jemanden um Geld anhauen). In beiden Fällen liegt die Vorstellung zugrunde, daß man jemanden tatsächlich an-haut, das heißt ihm einen derb-freundlichen oder plumpvertraulichen Schlag auf die Schulter oder in die Seite gibt, um eine Vertrauensbasis herzustellen. Zu anhauen, häufiger angehauen kommen (oberdeutsch: daherhauen, dahergehauen kommen), im Sinne von sich nähern, eilig daherkommen; vgl. abhauen. Anprangern Der Pranger (zu mittelniederdeutsch prangen für drücken, pressen gehörend, das im Mittelhochdeutschen die Entsprechung pfrengen hatte) war ursprünglich ein Halseisen, mit dem ein Verbrecher oder Übeltäter an den Schandpfahl gefesselt wurde, dann nannte man den ganzen Schandpfahl so. Der Delinquent wurde am Pranger dem öffentlichen Schimpf anheimgegeben. Anprangern bedeutet also eigentlich: etwas der Öffentlichkeit zur Verurteilung anheimstellen. Aperitif Als Adjektiv bedeutet das französische aperitif zunächst im medizinischen Sinne sowohl abführend wie auch appetiterregend (erstere Bedeutung ist veraltet). Dann nannte man auch ein Getränk, das den Appetit reizt, so, und in diesem Sinne findet sich das Wort seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in internationalem Gebrauch. Seine Grundbedeutung ist öffnend, zurückgehend auf das lateinische Verb aperire für öffnen. Apparatschik Apparat bedeutet auch im Russischen so wie im Deutschen Apparat, Vorrichtung und übertragen Staatsapparat, das heißt die Gesamtheit der Einrichtungen, mit denen der Staat seine Funktionen ausübt. Apparatschik ist wörtlich ein Mann des Apparats, ein Exekutivorgan, ein Stück des durchführenden Apparats und eigentlich kein führender Politiker. Das Wort hat indessen sehr rasch einen abwertenden Klang angenommen und gilt häufig als negatives Charakteristikum für einen kleinlichen, bürokratischen Funktionär.
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Appetit Im Lateinischen bedeutet appetitus (ebenso wie appetitio) Streben, Verlangen, Trachten, Sehnsucht, Trieb (von appetere, greifen, langen, streben, trachten; zusammengesetzt aus ad, zu, und petere, nach etwas verlangen). Im Französischen verminderte sich die Bedeutung von appetit auf die Eßlust, das Verlangen nach Speise, und in diesem Sinne wurde es im 15. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Argusaugen etwas oder jemanden mit A. beobachten: Argos (lateinisch Argus) Panoptes war nach der griechischen Mythologie ein Hirte und Urenkel eines Sohnes von Zeus und Niobe, der nach den verschiedenen Versionen mit einem Auge, zwei Augenpaaren, hundert oder ungezählten Augen ausgestattet war, in jedem Fall aber als besonders scharfsichtig galt. Die Göttin Hera beauftragte ihn, die Priesterin lo — die Zeus als seine Geliebte in eine Kuh verwandelt hatte, um sie vor Hera zu verbergen — zu beobachten, weil er alles sehen konnte. Argos wurde daraufhin auf Befehl des Zeus von Hermes getötet. Ariadnefaden Nach der griechischen Mythologie gebar Pasiphae, die Gattin des Königs Minos von Kreta, den Minotauros, der halb Mensch, halb Stier war und im Labyrinth eingesperrt war; ihm wurden jährlich sieben attische Jünglinge und sieben attische Mädchen als Sühne für die Tötung eines Sohnes von Minos geopfert. Als Theseus, der attische Herakles, sich freiwillig den Opfern anschloß, gab ihm Ariadne, eine Tochter des Minos, ein Garnknäuel, mit dessen Hilfe er sich im Labyrinth zurechtfinden konnte, um den Minotauros zu töten. Asche sich A. aufs Haupt streuen: Zum Zeichen der Buße oder auch der Trauer, der Demütigung vor Gott streuten sich schon die alttestamentarischen Juden Asche aufs Haupt. So heißt es etwa in der Bibel: »An diesem Ort (Mizpa) kamen sie jetzt auch zusammen, fasteten da und zogen Säcke an, streuten Asche auf ihre Häupter und zerrissen ihre
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Kleider« (1. Makkabäer 3,47). Sich Asche aufs Haupt streuen meint heute vor allem sich demütig geben. Daneben sagt man auch in Sack und Asche gehen, so ebenfalls in der Bibel etwa im Matthäusevangelium (11,21): »Wären solche Taten zu Tyrus und Sidon geschehen, wie bei euch geschehen sind, sie hätten vorzeiten im Sack und in der Asche Buße getan.« Ast sich einen Ast lachen: In der Volkssprache bedeutet A. auch Buckel, Auswuchs, so wie man sich einen knorrigen Ast oder überhaupt etwas Knorriges vorstellt. Sich einen Ast lachen meint also: sich einen Buckel lachen, wobei die Vorstellung zugrunde liegt, daß der Körper- durch die heftigen Zuckungen des Lachens einen Auswuchs bekommt; man sagt aus dem gleichen Grunde: sich bucklig und krumm, sich schief lachen. Astrein Wie lupenrein bezeichnet auch astrein eine gewisse Reinheit, zunächst eines Stoffes, dann auch auf andere Sachen oder menschliches Verhalten übertragen. Eigentlich gemeint ist ein Brett, das keine Äste und damit keine Astlöcher hat, welche seinen Wert mindern. Attentat Das lateinische attentatum bedeutet wörtlich Versuchtes, Versuch, das zu attentare für antasten, beizukommen suchen, angreifen gehört. Im Französischen bildete sich daraus attentat (Angriff, Anschlag); das Wort wurde im 17. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Wiewohl Attentat eigentlich nur den Mordversuch meint, wurde es dann auch für den erfolgreichen Anschlag oder den vollzogenen Mord gebraucht. Das Wort Attentäter ist dann eine zufällige Volksprägung, die die letzte Silbe von Attentat als Tat auffaßte und daraus den Täter machte. Nach einem Attentat auf Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 1844 in Berlin war Attentäter zum erstenmal in einem Drehorgellied zu hören, in dessen Kehrreim es hieß: »So 'n verfluchter Hochverräter, Königsmörder, Attentäter. Hätt' uns ja bei einem Haar, erschossen 's janze Königspaar.«
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Aufgedonnert Donner dürfte bei der Bildung dieses Begriffes nur sekundär mitgewirkt haben. Aller Wahrscheinlichkeit liegt das italienische Wort donna (Dame) zugrunde; den Anstoß könnte das in ganz Europa bekannte Wort Primadonna gegeben haben. Aufgedonnert wurde danach in Analogie zu aufgemacht gebildet und meint also wohl eigentlich wie eine Donna (so pompös) herausgeputzt. Aufgeräumt Aufgeräumt in der übertragenen Bedeutung von heiter, guter Laune leitete sich zunächst von der ganz konkreten Bedeutung des Wortes wie etwa in aufgeräumtes Zimmer ab. Den Übergang dürfte die Vorstellung des durch das Aufräumen zustande gebrachten Geordneten geschaffen haben; aufgeräumt meinte bezüglich der Kleidung der Frau im 16. Jahrhundert auch aufgeputzt (Fischart: »angestrichen und aufgeräumt« für geschminkt und aufgeputzt). Einen Übergang zur übertragenen Bedeutung stellt wohl auch noch die folgende Stelle im Simplicissimus dar: »Ein Mensch, der sich nicht überisset und immer nüchtern und mäßig bleibet, ist allezeit fertiger, seinem lieben Gott zu dienen, ja er bleibet in dem Gedechtnüs und Capacität besser auf geräumet und wird also zu allen Werken munterer und fähiger als so ein angefüllter Freßnarr sein.« Aufgeschmissen a. sein: Schmeißen hat sowohl die Bedeutung werfen wie schlagen. Ist man aufgeschmissen (das heißt, ist man in ausweglose Not geraten, etwa weil man völlig mittelos geworden ist), so will das ausdrücken, daß man gleichsam zu Boden geworfen oder geschlagen worden ist. Aufgetakelt Takelung oder Takelage nennt man die gesamte Segeleinrichtung eines Segelschiffes. Hinweise auf das mit Zacken verwandte Wort geben das mittelniederdeutsche tacke (Zweig, Zacke), das englische tack (Pflock), to tack (lose befestigen). Das Verb takeln bedeutet zunächst ein Schiff mit allem, was zum Segeln gehört, ausrüsten, im engeren Sinne meint
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auftakeln alle Segel setzen. Übertragen nennt man vor allem eine Frau, die sich überladen kleidet und schminkt, aufgetakelt, sie habe sich also mit allen möglichen Attributen versehen. Das Gegenteil ist abtakeln; abgetakelt nennt man jemanden, der alle Zeichen guten Aussehens oder alle nützlichen Eigenschaften abgelegt oder verloren hat. Aufhebens großes A. machen: Die Wendung entstammt der Fechtersprache. Vor dem Beginn des Kampfes wurden die Waffen zur gegenseitigen und zur Begrüßung der Zuschauer in einer Art Zeremoniell aufgehoben; dieses Aufheben ging manchmal, wie es sich versteht, mit viel Getue und Wichtigtuerei vor sich. In einem Drama von Jacob Ayrer um 1600 heißt es: »Nimmt eins (ein Schwert), macht ein Aufhebens, gibt dem Jungen eins, tun ein Gang zusammen.« Aufmöbeln sich mit etwas a., jemanden a.: Das seit Beginn dieses Jahrhunderts gebräuchliche Verb aufmöbeln meint soviel wie munter machen. Der Ausdruck lehnt sich an die Instandsetzung gebrauchter Möbel an, die danach wieder in besserem Zustand oder wie neu sind. Zwar wird aufmöbeln nicht als handwerklicher Fachausdruck verwandt (wohl schon allein deshalb nicht, weil an Anfertigung und Reparatur von Möbeln eine ganze Reihe von Handwerksberufen beteiligt ist), doch Zusammensetzungen mit auf- sind in der Handwerkersprache in diesem Sinn sehr geläufig wie etwa aufrichten (ein Sofa aufrichten) oder aufarbeiten. Vielleicht hat auch mobil (jemanden gleichsam wieder mobil machen) mitgewirkt. Aufmucken s. Mucks (keinen M. machen). Aufmüpfig Mit dem Adjektiv charakterisiert man jemanden, der aufbegehrt; es leitet sich von Mupf (eigentlich der oberdeutschen Form von Muff als Bezeichnung des Murrens oder eines mürrischen Tadlers) ab. Dazu ge-
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hört das Verb mupfen für murren, brummen, die Nase rümpfen, spotten, in manchen Mundarten auch mupfen. Aufnehmen es mit jemandem a. (können): Vor einem Zweikampf lagen die Waffen der Duellanten auf dem Boden, so daß sie von keiner der beiden Parteien berührt werden konnten. Nahm man die Waffe auf, zeigte man sich willens, mit dem anderen zu kämpfen. Das Objekt »es« ist nur eine abstrahierende Verallgemeinerung. Aufpäppeln Papp ist eigentlich ein Kinderwort für Brei, gilt vor allem im Oberdeutschen, daran angelehnt auch für Kleister. Päppeln bedeutet mit Brei füttern, Brei geben, und wenn man ein Kind besonders liebevoll behandelt, verwöhnt, indem man ihm wörtlich und übertragen den Brei löffelweise eingibt, auch weil es nicht kräftig genug ist und deshalb viel nahrhaften Brei zu sich nehmen muß, päppelt man es auf oder päppelt man es groß. Aufschneiden Das Schneiden, Vorschneiden der Speisen am Tisch hat mehrere bildliche Wendungen ergeben. So sagte man früher zum Beispiel Raupen schneiden für einen derben Schwank erzählen. Schneiden ohne Vorsilbe hatte schon im frühen Neuhochdeutsch den Sinn von Prahlen; bei Moscherosch etwa ist die Rede davon, daß einer » daher schneidet«, daß sich die Balken biegen möchten. Noch plastischer ist das Bild vom Aufschneiden: jemand schneidet gleichsam ganz ungewöhnliche, unglaubliche Sachen am Tisch für die ändern auf. Aufsitzen jemanden a. lassen: Läßt einer den anderen im Stich, hintergeht er ihn oder läßt er ihn warten, so läßt er ihn gleichsam aufsitzen, wie ein Boot auf einer Untiefe oder wie ein Wagen auf einem schlechten Weg aufsitzt.
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Aufstecken eine Sache a.: Wenn man eine Sache, eine Beschäftigung oder auch einen Beruf aufgibt, sagt man, man hänge sie oder ihn an den Nagel, so wie man ein Werkzeug, mit dem man gearbeitet hat, nach der Arbeit aufbewahrend an den dafür bestimmten Nagel hängt. Genau das gleiche meint auch aufstecken, indem man ebenfalls das Gerät, dessen man sich bedient hat, gleichsam irgendwo hinsteckt, ganz deutlich zum Beispiel die Nadel in das Nadelkissen oder Werkzeuge mit einem langen Stiel in die Halter. Vom Gerät übertrug sich die Bedeutung auf die Sache, an der man nicht weiterarbeitet. Aufziehen jemanden a.: Wenn man einen aufzieht, verspottet man ihn. Das Bild geht zurück bis auf die Folter, wo ein der Tortur Unterworfener häufig mit Gewichten an den Füßen hochgezogen, aufgezogen wurde; einer, der aufgezogen wird, wird gleichsam quälend verspottet. Augiasstall Augias (griechisch Augeias) war ein elischer König, und sein Stall, in dem er 3000 Rinder hatte, war schon seit drei Jahrzehnten nicht mehr gereinigt worden. Mit dieser Aufgabe wurde nun Herakles (Herkules) betraut, und er säuberte den Stall an einem Tag, indem er den Fluß Alpheios durchleitete. Schon im Altertum diente diese Tat als Beispiel, die Beseitigung von Mißständen zu charakterisieren (vgl. Herkulesarbeit). Auguren Die Auguren (Einzahl Augur) waren ein römisches Priesterkollegium, das der römischen Regierung aus den Vorzeichen, die die Götter zu erkennen gaben, den Willen der Götter deutete. Der Glaube, daß die Götter ihre Zustimmung oder Ablehnung zu einer Handlung der Menschen durch bestimmte Zeichen zu erkennen geben, war im Altertum allge-
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mein verbreitet. Die Auguren machten ihre Weissagung aus dem Flug oder dem Schrei von Vögeln, aus der Art, wie die heiligen Hühner das Korn fraßen, und aus Blitzen und Donnerschlägen. Das Kollegium bestand bis zum Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr.; auch Cicero war Augur. Heute versteht man unter Auguren Eingeweihte, und das Wort tritt etwa in Fragen wie »Was sagen die Auguren?« (Was sagen, meinen die Eingeweihten?) auf; unter Augurenlächeln versteht man das wissende Lächeln Eingeweihter gegenüber den Unwissenden. Ausbaden eine Sache a. müssen: Die öffentlichen Bäder, das heißt Badestuben mit Wannen, spielten im ausgehenden Mittelalter eine ungewöhnlich große Rolle im Volksleben. Selbst die meisten Dörfer hatten eine Badestube, in Wien zählte man 29, in Frankfurt 15, in Nürnberg 12 Badehäuser. In dieser Zeit bildeten sich die Wendungen das Bad austragen müssen (es ausgießen müssen), derber auch es austrinken, aussaufen müssen, und daneben wurde auch sehr häufig ausbaden müssen gebraucht. So mag sicher eine Rolle gespielt haben, daß der letzte, der das Bad benützte und es ausgießen mußte, gleichermaßen etwas auszubaden hatte. Die Redewendung dürfte aber zumindest von folgendem Faktum gefördert worden sein, das noch in die mittelalterliche Badeerotik gehört: dem sogenannten Hochzeitsbad, bei dem am Hochzeitstag oder am Tag vorher oder nachher die Hochzeitsgäste mit dem Brautpaar badeten. Dieses Bad hatte jedenfalls teilweise orgiastischen Charakter. Aus Erfurt ist überliefert, daß es ußbade (Ausbad oder Ausbaden) hieß. Und da es bei diesem Bad ziemlich übermütig und ausgelassen zuging - so war etwa von einem »unordentlichen geseuffe« die Rede -, würde ausbaden auch bedeuten, die Folgen dieses Gelages tragen. Ausbaldowern In der Gaunersprache ist der Baldower (auch Baldowerer, Baldewerer, Baidober) der Auskundschafter, der die Gelegenheit zu einer Diebestat ausspäht. Das Wort leitet sich vom hebräisch-jiddischen baal (Herr, Mann) und dem jiddischen dowor (Sache) ab; der Baldower ist gleichsam der Herr einer Sache, die er an eine Diebesbande weiterverkauft. Das heutige Verb wurde nur durch die Vorsilbe aus- intensiviert, so wie
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schon im Rotwelsch zu Anfang des 19. Jahrhunderts Ausbaldover enthalten ist. Ausbooten jemanden a.: In der Seemannssprache versteht man unter ausbooten jemanden mit dem Boot vom Schiff an Land bringen; vor allem die Passagiere werden bei niedrigem Wasserstand »ausgebootet«. Von hier aus entwickelte sich die Bedeutung: nicht mehr am Geschehen teilnehmen, beiseite gestellt, entlassen werden. Ausbund Das Wort wurde in der Kaufmannssprache entwickelt und bedeutet ursprünglich eine Warenprobe, die oben auf (außen an) den Ballen gebunden war. Da der Ausbund dem Kunden die Ware anpreisen sollte, handelt es sich um ein besonders gutes Stück. Ausbund (ausbündig) wurde sehr rasch im übertragenen Sinn gebraucht (Ausbund von Tugend). Ausgepicht eine a.e Kehle, ein a.er Kerl: Die hölzernen Bierfässer werden innen mit Pech haltbar gemacht, so daß weder das Bier das Holz durchdringen, noch das Holz den Biergeschmack beeinträchtigen kann; diesen Vorgang nennt man auspichen. Wer eine ausgepichte Kehle hat, hat sie gleichsam so intensiv wie ein Faß mit dem Alkohol in Berührung gebracht, ist also ein leidenschaftlicher Trinker; ein ausgepichter Kerl hat ebenfalls viel Erfahrung und ist davon ganz raffiniert geworden, ihm kann so leicht nichts etwas anhaben. Aushecken etwas a.: Im Mittelhochdeutschen bedeutete hecken sich fortpflanzen, begatten, vor allem von Vögeln; im Frühneuhochdeutschen meinte
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dann hecken brüten, Junge werfen, sich hecken, sich fortpflanzen, so wie hecken in der Jägersprache bis in die Gegenwart ausbrüten und Heckzeit bei den Vögeln die Zeit des Eierlegens, Brütens und Aufziehens der Jungen meint (vgl. Nesthäkchen). Im Frühneuhochdeutschen war dann aber auch schon aushecken gebräuchlich, das auch den übertragenen Sinn von ausbrüten, das heißt ersinnen, ausdenken, annahm. Ausposaunen Die Posaune als das lauteste Instrument (s. Posaunenengel) gilt schon in der Bibel als das Instrument der Ankündigung. Ausposaunen in seiner Bedeutung: etwas, das eigentlich geheim bleiben sollte, laut kundgeben lehnt sich aller Wahrscheinlichkeit nach überdies an ein Zitat aus der Bergpredigt an, in der es heißt: »Wenn du nun Almosen gibst, sollst du nicht lassen vor dir posaunen, wie die Heuchler tun in den Schulen und auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gepriesen werden« (Matthäus 6,2). Auspowern Aus dem Französischen wurde im 17./18. Jahrhundert das Adjektiv pauvre (arm) entlehnt und findet sich als pover in der Umgangssprache (Holtei: »Im übrigen fiel die Erbschaft pover aus«). Auspowern im Sinne von bis zur Armseligkeit ausbeuten ist dazu eine verbale Intensivbildung. Ausschlachten eine Sache a.: Schlachten, verwandt mit schlagen, meint im eigentlichen Sinne Vieh töten und zerlegen. Das dazugehörende ausschlachten meint im eigentlichen Sinne ein Schlachttier zerlegen und alle Teile nützen oder verarbeiten. Davon leitete sich der ganz spezielle Ausdruck Güter schlachten (Güter aufkaufen und sie parzellenweise mit großem Gewinn verkaufen) ab, der heute kaum noch gebräuchlich ist, und schließlich die allgemeine übertragene Bedeutung eine Sache ausschlachten (gleichsam eine Sache zerlegen und sie sich soweit wie möglich dienlich machen).
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Ausstechen jemanden a.: Der Ausdruck besagt nicht nur jemanden übertreffen, sondern auch ihn aus dem Wettbewerb nehmen. Er geht zurück auf das ritterliche Turnier: Wer den ändern mit der Lanze vom Pferd stach, stach ihn aus, besiegte ihn und warf ihn aus dem Wettkampf.
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B Badengehen Die Redewendung meint mit einer Sache hereinfallen, Mißerfolg erleiden, gleichsam damit ins Wasser fallen; für das letztere ist badengehen ein verhüllender, beschönigender Ausdruck. Baff b. sein: Baff ist eigentlich ein lautmalerisches Wort; so macht zum Beispiel ein Schuß baff oder paff, und das Wort wird auch in diesem Sinne als Interjektion gebraucht. Daran anlehnen dürfte sich: baff sein im Sinne von völlig überrascht, sprachlos sein, gleichsam wie wenn man einen völlig unvermuteten Knall gehört hätte. Bagatelle Zugrunde liegt das lateinische baca (Beere), das im Italienischen in verkleinerter Form bagatella (Lappalie, Nichtigkeit) ergab, von da ins Französische als bagatelle entlehnt wurde und in der französischen Form ins Deutsche gelangte. Bammel einen B. vor etwas haben: Im Jiddischen bedeutet baalemoh Furchtsamer. Es zog sich im Rotwelsch zu Bammel zusammen und wurde aus einem Mißverständnis zu einem Wort für Furcht, Angst. Banal Heute noch hat im Französischen banal neben abgedroschen, alltäglich (also unserem Wortgebrauch entsprechend) die Bedeutung gemeinnütZ18) jedermann gehörig - zurückweisend auf den ursprünglichen Sinn
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des Wortes, einer Ableitung von ban. Ban gelangte als fränkisches Wort ins Altfranzösische und bedeutete zunächst öffentliche Verkündigung, Aufgebot, Gerichtsbezirk (dazu gehört das althochdeutsche ban, Gebot, Aufgebot zum Gerichtstag, Gerichtsbarkeit, Gebiet einer Gerichtsbarkeit, Bann). So bedeutet ban auch heute noch im Französischen Bekanntmachung, Sprengel, Bezirk, Gerichtsbarkeit (der Sinn von Bezirk, Bereich ist ja auch in den Wörtern verbannen, gebannt sein, im Banne von jemandem sein erhalten). Banal bezeichnete als Adjektiv von ban ursprünglich »was einem ganzen Bann, den innerhalb eines Gerichtsbezirkes angesiedelten Hörigen, gehört«, zum Beispiel four banal, allgemein benutzbarer Ofen. Daraus ergab sich der Sinn von allgemein, ohne besonderen Wert und damit die heutige Bedeutung, wie sie ins Deutsche des 19. Jahrhunderts übernommen worden ist. Auch banalite (Banalität), im 17. Jahrhundert geprägt, meinte zunächst Entschädigung für die Benützung einer von der Herrschaft für die Hörigen errichteten öffentlichen Einrichtung. Banause Das Wort wurde Anfang des 19. Jahrhunderts dem Griechischen als Scheltwort entnommen; griechisch banausos bedeutet ein Handwerk betreibend, handwerksmäßig, Handwerker, niedrig, gemein, Spießbürger. Bande Das Wort wurde im 17. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, wo bände Trupp, Schar bedeutet. Das französische bände geht auf ein westgermanisches banda zurück, das seine Entsprechung im gotischen bandwa (Zeichen, Feldzeichen) hat; gemeint sind also ursprünglich Leute, die einem gemeinsamen Zeichen folgen. In der dann vor allem auf eine Musikkapelle eingeengten Bedeutung findet sich das Wort als bände auch im Italienischen; das auf die gleiche Wurzel zurückgehende spanische banda bedeutet Schar, Partei, Musikkapelle, Orchester; auch das englische band, aus dem Französischen kommend, das Schar Musikkapelle meint und in der letzten Bedeutung in den letzten Jahrzehnten auch in Deutschland gebräuchlich wurde (Jazzband), gehört hierher.
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Bandit Das altfränkische bannjan (verbannen) ergab durch eine Vermischung mit dem westgermanischen banda (Zeichen, dann Schar; vgl. Bande) das italienische bandire (verbannen). Das davon gebildete Partizip bandito (eigentlich Verbannter) nahm die Bedeutung Räuber an und wurde dann über das Schweizerische im 16. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Bank durch die B.: Kennzeichen der Bank ist es, daß auf ihr mehrere, eine ganze Reihe Menschen sitzen, im Gegensatz zum Stuhl; vor unserer Gegenwart war die Bank ein viel gebräuchlicheres Sitzmöbel als heute und fand sich fast an jedem größeren Eßtisch jedenfalls der einfacheren Leute. Die Redewendung hatte nun den Sinn, daß jeder auf der Bank Sitzende gleich behandelt wurde, keine Unterschiede gemacht wurden, alle hintereinander an die Reihe kamen. Sie ist schon im Spätmittelhochdeutschen im übertragenen Sinn überliefert. Bank etwas auf die lange B. schieben: Bevor die Gerichtsakten in Schränken untergebracht wurden, verstaute man sie in langen bankartigen Truhen. Was einmal dort gelandet war, blieb meist lange liegen. Bankert Heute meist nur noch als Schimpfwort für ein ungezogenes Kind gebraucht, ist die eigentliche Bedeutung des Wortes uneheliches Kind; das gleiche bedeutete schon das mittelhochdeutsche banchart. Der Bankert ist eigentlich das auf der Schlafbank der Magd gezeugte Kind. Bar Das englische Wort bar bedeutet Stange, Schranke, Barriere, abgesperrter Platz und davon abgeleitet auch Schanktisch, Büfett und schließlich einen Schankraum, der einen Schanktisch hat, an dem die Gäste Platz nehmen. In den beiden letzten Bedeutungen wurde das Wort Ende des 19. Jahrhunderts ins Deutsche aufgenommen.
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Barbar Das griechische Adjektiv barbaros bedeutet fremdsprechend, unverständlich, nicht griechisch, ausländisch; gemeint waren mit Barbaren im Griechischen also zunächst Leute, die nicht richtig (griechisch) sprechen, nur stammeln oder stottern, also Ausländer. Das Wort ist mit dem altindischen barbarah (stammelnd) verwandt. Die Römer übernahmen barbaros als barbarus und meinten damit die Völker außerhalb ihres Imperiums. Natürlich faßte man das Wort schon in der Antike auch als identisch mit roh und ungebildet auf, wie es das Wort heute meint, doch keineswegs immer; diesen ausschließlichen Sinn hat es erst später im abendländischen Gebrauch bekommen. Barbieren jemanden über den Löffel b.: Der Barbier oder Bader (wie der Friseur landschaftlich noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hieß) schob früher zahnlosen Männern einen Löffel in den Mund, um die Haut zum Rasieren zu straffen, das heißt, sie machten nicht viele Umstände. Erst später bekam die Redewendung auch einen Unterton des Betrügerischen. Barbieren leitet sich vom mittellateinischen barbarius (Bartscherer) ab. Barras So wie Kommiß (s. d.) im engeren Sinn das Brot des Soldaten, im weiteren das Militärische überhaupt meint, tut das auch Barras. Das Wort gelangte zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Mainfranken in die Soldatensprache. Es könnte ihm ebenso das rotwelsche barra für Zopf (zu dieser Zeit bereits als militärische Rückständigkeit empfunden) wie das jiddische baras (Fladenbrot) zugrunde liegen oder auch eine Vermischung aus beiden. Bart Streit um des Kaisers B.: Es gibt mehrere hübsche Erklärungen - beispielsweise die eines angeblichen Gelehrtenstreits, ob die römischen Kaiser Barte getragen hätten —, die aber alle nicht zutreffen. In Wirklichkeit handelt es sich um ein sprachliches Mißverständnis; die Rede-
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wendung müßte richtig heißen: Streit um den Geißbart. In dieser Form geht sie auf Horaz zurück, der einmal harmlose oder wertlose Tischgespräche einen Streit um die Ziegenwolle nannte, um die Frage nämlich, ob man Ziegenhaare mit Wolle bezeichnen könne, einen unsinnigen Streit also. In dieser Form ist die Redewendung in anderen Sprachen heute noch erhalten, zum Beispiel im Englischen: to contend about a goat's wool. Der ähnliche Klang mit dem Wort Kaiser verführte im Deutschen zu der - freilich kräftiger klingenden - Umbildung. Barthel wissen, wo der B. den Most holt: Die Redewendung geht auf zwei ähnlich klingende Wörter zurück; Barthel ist ursprünglich das gaunerdeutsche barzel oder barsei, das so viel wie Eisen, wohl auch Stemmeisen bedeutet (Schoberbarthel galt für Brecheisen); Most ist eine Verballhornung (vielleicht auch ursprüngliche Verschleierung) von Moos, und Moos bedeutet in der Gaunersprache schon seit geraumer Zeit Geld (diese Bedeutung von Moos dürfte sich vom hebräischen maoth, kleine Münze, ableiten und hat also nichts mit dem eigentlichen Moos zu tun). Die ursprüngliche Bedeutung der Redewendung ist also: Bescheid wissen, wo man mit dem Brecheisen Geld holen kann; sie deckt sich so mit dem heutigen Sinn (alle Schliche kennen). Dem gegenüber ist die Auslegung, mit Barthel sei der niederdeutsche Bartheld (Storch) und mit Moos mus (Mäuse) gemeint, von geringer Wahrscheinlichkeit. Basiliskenblick Der Basilisk (griechisch basiliskos, wörtlich: kleiner König) war ein schlangenartiges antikes Fabeltier, das jedes Geschöpf durch seinen Blick töten konnte. Daran lehnte sich wohl auch der Ausdruck vernichtender Blick ursprünglich an. Basta und damit b.: Basta ist ein italienisches Wort und bedeutet genug als Ausruf, abgeleitet von dem Verb bastare (genügen, reichen). Im 17. Jahrhundert drang es ins Deutsche ein.
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Bausch in B. und Bogen: Busch bedeutete im Mittelhochdeutschen einmal Knüttel, Knüttelschlag und überhaupt einen Schlag, der Beulen gibt, dann auch Wulst, Bausch. Der heutige Sinn von Bausch enthüllt sich in dem Verb aufbauschen (oder: etwas bauscht sich), aber in dem Wort Bausch selbst noch, etwa bei einem Wundverband, früher eine zusammengelegte Leinwand, als Kompresse, oder in dem Ausdruck ein Bausch Stroh. Bei Grundstücken nannte man früher eine auswärtsgehende Fläche Bausch (dem der Begriff des Schwellens zugrunde liegt), die einwärtsgehende Bogen (das Einbiegende). Daraus dürfte sich die Redewendung wohl entwickelt haben. Beelzebub s. Teufel, den T. durch Beelzebub austreiben. Befangen b. sein: Das mittelhochdeutsche bevahen (bevan) bedeutete umfassen, umfangen; das dazugehörige Partizip bevangen meinte ergriffen, umfaßt, woraus sich der Sinn von unfrei, schüchtern und dann voreingenommen entwickelte. Beigeben klein b.: Wenn man beim Kartenspiel die Karte des Gegners nicht stechen kann, bleibt nichts übrig, als eine möglichst kleine (niedrige) Karte dazuzugeben, beizugeben; die Fassung klein beigeben entspricht nordund westdeutschem Sprachgebrauch. Beileibe Die ursprüngliche Bedeutung von Leib war Leben (wie noch bei dem verwandten englischen life). Sie hat sich in einigen Begriffen erhalten wie etwa in Leibrente (eigentlich eine Lebensrente, das heißt eine Rente auf Lebenszeit), leibeigen (eigentlich mit dem Leben eigen) und in dem Ausruf beileibe oder beileibe nicht. Beileibe heißt also eigentlich bei (meinem, deinem) Leben, schwurartig ausgesprochen oder als Drohung, das Leben aufs Spiel zu setzen.
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Bekloppt b. sein: s. Hammer, einen H. haben. Bemänteln eine Sache b.: s. Mäntelchen, einer Sache ein M. umhängen. Benjamin Nach der Bibel (erstes Buch Mose 35) war Benjamin der jüngste Sohn Jakobs und Rahels. Rahel nannte den Sohn eigentlich Ben-Oni (Sohn der Schmerzen), weil sie nach der Geburt starb, doch Jakob hieß ihn Ben-Jamin (Sohn des Glücks). Daran angelehnt nennt man den jüngsten Sohn einer Familie und von da aus übertragen den Jüngsten oder auch Kleinsten einer Gruppe Benjamin. Berserker Schon im Altnordischen wurden die Wörter beri (Bär) und serkr (Gewand) zusammengefügt zu berserkr, worunter ein in Bärenfelle gehüllter Krieger verstanden wurde. In der Edda ist berserkr Ehrenname der wilden Krieger der Vorzeit. Berücken jemanden b.: Vogelsteller berückten früher die Tiere, indem sie mit einem Ruck das Netz über ihnen zusammenzogen. Berücken bedeutet also eigentlich (mit dem Netz und mit einem Ruck) einfangen. Später nahm das Wort die Bedeutung bezaubern an, wobei die List, mit der man zu Werke ging, in dem Bild noch eine Zeitlang erhalten blieb. Beschlagen (gut) b. sein: Im Sinne von erfahren, mit guten Kenntnissen ausgerüstet sein, leitet sich beschlagen vom Hufbeschlag der Pferde ab. Ein Pferd, dessen Hufe gut beschlagen sind, ist auch für einen schwierigen Weg gut gerüstet.
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Besten zum besten geben: Das Beste nannte man früher bei Wettkämpfen (etwa einem Schützenwettbewerb) den ersten Preis. Fischart (1576) schreibt zum Beispiel von einem »hauptschießen schön mit lust zugleich mit büchsen und armbrust«, bei dem »das best hundert gülden« war. Zum besten geben meint also eigentlich bei einem derartigen Wettbewerb etwas als (ersten) Preis stiften. Übertragen gibt man dann irgend etwas zum besten, ohne noch an einen Preis zu denken, aber immerhin zunächst noch mit dem Gefühl des Spenders. Betreten b. sein, b. schweigen: Während betreten heute meist nur noch einen sehr einfachen konkreten Sinn hat (ein Zimmer betreten), war seine Bedeutung in der früheren Sprache wesentlich ausgeprägter. So bedeutete betreten etwa an einen herantreten, einen betreffen (zum Beispiel heißt es heute in der Bibel, 4. Mose 20,14: »Du weißt alle die Mühsal, die uns betroffen hat«, während in älterer Übersetzung stand: »Du weist alle die mühe, die uns betretten hat«; indessen steht auch in heutiger Übersetzung noch im 5. Mose31,17: »Und wenn sie dann viel Unglück und Angst treffen wird, werden sie sagen: Hat mich nicht dies Übel alles betreten, weil mein Gott nicht mit mir ist?«). Häufig bedeutete in älterer Sprache einen betreten auch einen erwischen, ertappen, so bei Bürger: »Der Dieb läßt sich betreten.« Aus solchen Bedeutungen hat sich das Partizip betreten im Sinne von betroffen, beschämt erhalten. Betriebsnudel s. Nudel, lustige N. Bettelstab an den B. kommen, jemanden an den B. bringen: Der Stab galt als unerläßliches Requisit eines Menschen, der weit zu gehen hat, etwa des Wanderers (Wanderstab) oder Pilgers. Auch der Bettler befand sich immerfort auf Wanderung und benützte zum bequemeren Gehen einen Stab, den Bettelstab. An den Bettelstab kommen heißt also zum Bettler werden und den Stab benützen müssen. Die Wendung findet sich schon
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im Mittelhochdeutschen, so bei Heinrich dem Teichner: »So tuo dich niur der eren abe und ge betein mit dem Stabe.« Bezirzen Nach der griechischen Mythologie war Kirke (lateinisch Circe) eine Zauberin auf der Insel Aiaia; sie hatte die Fähigkeit, Neuankömmlinge auf der Insel in Tiere zu verwandeln. Auch einige Gefährten des Odysseus verzauberte sie in Schweine, Odysseus selber erhielt von Hermes ein Schutzkraut gegen Kirke, so daß er ihr widerstehen konnte. Von ihrem Namen leitete sich Anfang des 20. Jahrhunderts das vermutlich in der Studentensprache entstandene Verb bezirzen im Sinne von bezaubern, verzaubern ab, meist auf die Verführungskünste einer Frau bezogen. Bier das ist nicht mein B., das ist dein B.: Das Wort Bier steht in einer Anzahl von Redewendungen stellvertretend für das Wort Angelegenheit. Das nimmt nicht wunder, ist Bier doch in den meisten deutschen Gegenden das volkstümlichste Getränk, und gerade weil es meist als etwas Geringeres als der Wein angesehen wird, dadurch freilich um so selbstverständlicher ist, wurde es in Redensarten bevorzugt. Im Rheinland sagt man zum Beispiel »Das ist ein anderes Maß Bier« (das ist etwas ganz anderes); in Norddeutschland kann man hören »Ja, wenn es Bier wäre« (wenn eine schwierige Aufgabe, die man erledigen soll, Bier wäre). So hat sich auch die verhältnismäßig junge Wendung »Das ist nicht mein Bier« (das ist nicht meine Angelegenheit) oder »Das ist dein Bier« (das ist deine Sache) eingebürgert. Bier etwas wie saures B. ausbieten: die sprichwörtliche Redensart, die ausdrücken will, daß man etwas anzubieten hat, das wegen seiner schlechten Qualität niemand haben will, geht auf die Sitte zurück, daß der Bierhersteller tatsächlich ausrufen ging, wenn sein Bier fertig war. Saures (oder sauer gewordenes) Bier mag natürlich niemand. So schon bei Hans Sachs: »Wer meint, das saures pier ausschrey?«
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Biest Das lateinische bestia (Tier, Raubtier, reißendes Tier) ergab über das vulgärlateinische besta das altfranzösische beste (daraus entwickelte sich das neufranzösische bete: Tier, Vieh). Beste wurde vom Mittelniederländischen und Mittelniederdeutschen als beest übernommen und drang von hier ins Frühneuhochdeutsche als biest ein. In der Regel ist die alte Bedeutung geschwunden und wird heute nur noch scherzhaft übertragen gebraucht. Ebenfalls von bestia leiten sich Bestie und das dazugehörige Adjektiv bestialisch ab. Bikini Bikini ist ein zu den Marshallinseln gehörendes Atoll in der Südsee, bei dem 1946 die USA Atombombentests durchführten. In einer eigentlich ziemlich frivolen Übertragung nannte man die zur gleichen Zeit in Gebrauch kommenden zweiteiligen Damenbadeanzüge von einer vorher nicht üblichen Knappheit danach, etwa auf der Basis, daß sie ähnlich explosiv seien oder ebenfalls wie eine Bombe einschlügen. Als dann Mitte der sechziger Jahre von einigen Modeschöpfern eine nur aus dem Unterteil bestehende Badebekleidung (zunächst mit Trägern) für Damen propagiert wurde, erfand man in Anlehnung an Bikini und an das Wort Minimum (lateinisch für das Kleinste, Wenigste, Geringste) den Begriff Minikini, der sich indessen kaum stärker einbürgerte als die Sache selber. Bild im B.e sein: Die Wendung im Sinne von informiert sein entstand erst um die Jahrhundertwende in militärischen Kreisen. Wer auf der Kriegsakademie aus der vorgegebenen Kriegslage nicht die richtigen Schlüsse zog, die Lage also falsch beurteilte, war »nicht im richtigen Bilde«; »richtig« fiel bald weg, und die Wendung wurde auch positiv verwandt. Binsen in die B. gehen: Die Redewendung will sagen, daß etwas verloren-, dann auch danebengeht. Binsen sind krautige, grasartige Pflanzen am Wasser, vor allem an Sümpfen und auf sumpfigen Wiesen, die sehr dicht ste-
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hen und deshalb Vogelwild, das der Jäger nicht richtig getroffen hat, gut verbergen; das Wild entkommt, indem es gleichsam in die Binsen geht. Unterstützt wurde die Vorstellung vom Verlorengehen durch die geringe Nutzbarkeit oder Wertlosigkeit des Binsengewächses, wodurch die Redewendung noch einen zusätzlichen Akzent bekommt: das geht dahin, wo ohnehin nur Wertloses ist. Binsenwahrheit Der Ausdruck kam erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch und wurde an den lateinischen Spruch nodum in scirpo quaerere (den Knoten an der Binse suchen) angelehnt. Die Binse hat keinerlei Knoten am Halm, sondern ist ganz glatt, und so heißt es schon bei Terenz: »Du wirst mir ganz fatal mit deinen Skrupeln, an Binsen suchst nach Knoten du!« Eine Binsenwahrheit ist so selbstverständlich, daß selbst ein derart skrupelhafter Mensch von ihr überzeugt ist. Bisschen ein b.: Ursprünglich war Bißchen nur die Verkleinerung von Biß; das dazugehörige Substantiv, von dem ein Bissen oder Bißchen genommen wurde, stand denn auch gern im Genitiv (ein Bißchen Brotes). Dann wurde bißchen allgemein in der Bedeutung für wenig gebraucht wie heute noch. Bissen da soll einem gleich der B. im Hals stecken bleiben: Heute denkt man bei dieser Redensart daran, daß einem vor Schreck die Schluckfähigkeit vergeht und der Bissen, den man gerade hinunterschlucken wollte, wegen dieser Erstarrung im Hals bleibt. Es gibt indessen im alten Recht das Gottesurteil des sogenannten geweihten Bissens oder Probebissens. Der Geprüfte mußte ein Stück trockenes Gerstenbrot oder dürren Käse hinunterschlucken; er galt als schuldig, wenn er den ziemlich großen Bissen nicht hinunterschlingen konnte.
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Blank b. sein: Dem Wort blank liegt die Bedeutung weiß, glänzend zugrunde (in ersterer ist es in einige romanische Sprachen eingedrungen und hat das lateinische albus verdrängt: französisch blanc, italienisch bianco); so bedeutet althochdeutsch blang weiß, mittelhochdeutsch blanc weißglänzend, eine Bedeutung, die blank heute noch etwa unmittelbar in der Zusammensetzung blankes Eis hat. An das Glänzen erinnert auch noch die Wendung blankziehen von Waffen, die, aus der Scheide gezogen, glänzen, blinken. Blank im Sinne von sauber, rein (ohne Schmutz und daher glänzend) und blankziehen (im Sinne von bloßziehen) hat dann allmählich zu der Bedeutung frei von etwas, entblößt geführt. Blank sein kann so ohne Geld bedeuten (ich bin blank, ich habe kein Geld; beim Kartenspielen: ich habe all mein Geld verloren). Blau jemandem b.en Dunst vormachen: Zauberer lassen bei ihrer Tätigkeit gern blauen Rauch, blauen Dunst hochsteigen, ohne daß sie gänzlich unsichtbar würden und also noch den Anschein der Realität behalten; dadurch werden ihre Manipulationen verhüllt. Beigetragen mag auch haben, daß im blauen Dunst am Horizont die Konturen verschwimmen. Blaustrumpf Das Wort ist eine Lehnübersetzung des englischen blue-stocking (wörtlich blauer Strumpf). Der Begriff erzielte zunächst in England um die Mitte des 18. Jahrhunderts seinen ironischen Sinn, als Teilnehmer eines schöngeistigen Kreises, den Lady Montagu in ihrem Londoner Haus versammelte, blaue Wollstrümpfe statt der konventionellen schwarzen Seidenstrümpfe trugen. Im Sinne von »gelehrtes Frauenzimmer« wurde Blaustrumpf im Deutschen, daran angelehnt, zum erstenmal gegen Ende des 18. Jahrhunderts verwandt. Blech B. reden: Wiewohl Blech in der Herstellung handwerkliches Geschick voraussetzt und zur Fertigung vieler Nutzgegenstände unerläßlich erscheint, steht es doch in keinem guten Ansehen, vermutlich weil es we-
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gen seiner Dünne nicht als solides Metall betrachtet wird; natürlich bezieht sich diese Geringschätzung auf das billige Eisenblech und nicht auf das Blech aus wertvolleren Metallen. So wurde die verhältnismäßig junge Redensart Blech reden zum Synonym für wertloses Zeug reden; vielleicht spielte dabei auch noch der schlechte Klang, den Blech von sich gibt, mit. Blechen Geringe Münzen werden aus dem Blech billiger Metalle hergestellt. Daran lehnt sich blechen im Sinne von zahlen an, das in der Studentensprache des 18. Jahrhunderts gebräuchlich war und auch von Goethe verwandt wurde: »Ist mir mancher schöne Taler nebenaus gegangen. Das unerhörte Blechen!« Blöd Im Althochdeutschen ist blodi (plodi) im Sinne von scheu, zaghaft belegt; daraus wurde mittelhochdeutsch bloede (gebrechlich, schwach, zart, zaghaft). Diese Bedeutungen entsprechen denen verwandter Wörter in anderen germanischen Sprachen, zum Beispiel altnordisch blautr (furchtsam), gotisch blauthjan (kraftlos machen), altenglisch blead (sanft, furchtsam); wurzelverwandt ist vermutlich bloß. So hatte das Wort auch im Frühneuhochdeutschen noch den Sinn von furchtsam, schwach, schüchtern (blödikeit: Zaghaftigkeit, Schüchternheit), und so läßt sich etwa mittelhochdeutsch bloedez blat bei einer Pflanze als zartes Blatt und noch später blöder leib als schwacher Leib verstehen; auch bei Zwingli etwa hat blöd noch den Sinn von verzagt: »Eine meinung, die den festen nit nachteilig und den blöden nit voreilig oder ärgerlich wäre.« Erst im Neuhochdeutschen vollzog sich dann die Einschränkung auf eine Schwäche des Geistes, und blöd wurde vor allem in der Umgangssprache für dumm gesetzt (vgl. entblöden). Blümchenkaffee Sehr schwacher Kaffee wird deshalb so genannt, weil er so dünn ist, daß man die gemalten Blümchen auf der Innenseite und auf dem Boden der Tasse sieht.
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Blümerant aus dem Französischen. Bleu mourant heißt blaßblau, wörtlich sterbendes Blau. Im 17. Jahrhundert ins Deutsche eindringend, bezog sich das Wort zuerst auf die Farbe, bis es dann unter gleichzeitiger lautlicher Veränderung den heutigen Sinn zur Beschreibung eines Schwindelzustandes annahm. Bockbeinig Das hartnäckig bedeutende Adjektiv beruht auf der Vorstellung eines Bockes, der sich mit gespreizten Beinen überaus kräftig sträubt. Bockbier Die bayerischen Herzöge bezogen im 16. Jahrhundert aus der niedersächsischen Bierstadt Einbeck ein damals wegen seines vorzüglichen Geschmackes berühmtes Bier, das wegen seiner Herkunft Ainpöckisch Bier hieß. Auch als die Münchner Braumeister dann selber in der Lage waren, so gutes und starkes Bier zu brauen, blieb der Name, etwa als ampokhisch pier im 17. Jahrhundert. Über Einpockbier und Einbockbier (in der Mundart bald auch Oanbockbier gesprochen, was die Lostrennung von Bockbier erleichterte, weil man um so eher Ein- als unbestimmten Artikel auffassen konnte) wurde schließlich um 1800 endgültig Bockbier daraus. Daß die Volksetymologie die Assoziation zum Bock, der stößt, einen umstößt (das Bockbier ist das stärkste Bier und hat um die 18 Prozent Stammwürze, normales Vollbier dagegen nur circa 11), schuf, hat mit dem Namen nichts zu tun. Er war indessen so einprägsam, und das Bier erlangte einen derartigen Ruf, daß das Französische das Wort bock übernahm, sowohl für Bockbier wie auch für ein Bierglas. Bockshorn jemanden ins B. jagen: Heute bedeutet die Redensart jemandem einen Schrecken einjagen, verblüffen, irreführen, in die Enge treiben; einst aber hatte sie einen ganz konkreten Sinn. Das Bockshorn war nämlich das Fell eines Bockes, in das man denjenigen steckte, an dem das Volk seine Sühnejustiz ausübte (etwa beim süddeutschen Haber-
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feldtreiben). Horn ist nur ein verstümmeltes ham (mittelhochdeutsch ham, hame bedeutet Haut, Hülle, Kleid, sackförmiges Fangnetz). Statt jagen sagte man früher auch ins Bockshorn zwingen, treiben, stoßen. Bodensee wie dem Reiter über den B. ergehen: Die Redensart besagt, daß man erst hinterher über eine bereits ausgestandene Gefahr oder schwierige Situation erschrickt. Sie geht auf eine alemannische Sage zurück, die von einem Mann erzählt, der über den zugefrorenen und von Schnee bedeckten Bodensee ritt, ohne zu wissen, wo er sich wirklich befand; als er hinterher erfuhr, in welcher Gefahr er gewesen war, fiel er vor Schreck tot vom Pferd. Böhmisch b. Dörfer, das sind ihm b. Dörfer: Ähnlich wie man etwa im Englischen »that is Greek to him« (das kommt ihm griechisch vor, das ist griechisch für ihn) oder im Französischen »c'est de l'hébreu pour lui« (das ist hebräisch für ihn) sagt, hat sich im frühen Neuhochdeutschen der Ausdruck von den böhmischen Dörfern eingebürgert, um auszudrücken, daß man eine Sache nicht versteht. Ausgangspunkt war wohl eher die Sprache, die man nicht verstehe, worauf etwa die Redensart »red, das ich verstehe, ich kan nit böhmisch« oder auch Grimmeishausens »Es waren mir nur böhmische Dörfer und alles eine ganz unverständliche Sprache« noch hinweist. Analog zum Englischen und Französischen zog man für den Ausdruck einen geographischen Begriff herbei, der zwar allen bekannt war, der aber eine in der Regel unverständliche, schwere Sprache (in der Folge wohl auch die schwer aussprechbaren Ortsnamen des Böhmischen) meinte. Bohnenstroh dumm wie B.: Das Wort Stroh wird, vor allem in der Zusammensetzung strohdumm, gebraucht, um die Geistlosigkeit eines Menschen zu charakterisieren; einer ist so dumm, daß man ihm unterstellt, er habe gleichsam nur Stroh im Kopf, also etwas Wirres, Wertloses; auch das Stroh selber erscheint in seiner Wertlosigkeit gleichsam als dumm. Das Stroh des Getreides hat in der bäuerlichen Wirtschaft indessen noch
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mancherlei, wenn auch nicht hoch geschätzten Nutzwert, das der Bohnen ist dagegen fast zu gar nichts zu gebrauchen. Ist also jemand dumm wie Bohnenstroh, ist er gleichsam noch dümmer als gewöhnliches Stroh. Von der rauhen Struppigkeit des Bohnenstrohs leitet sich auch der Ausdruck grob wie Bohnenstroh ab. Bombastisch Im Englischen bedeutet bombast Wortschwall, Schwulst, bombastic schwülstig, hochtrabend; als Bombast und bombastisch übernahm sie das Deutsche im 18. Jahrhundert. Zunächst war mit dem englischen bombast eine baumwollene Watte gemeint, mit der man das Wams ausstopfte, eine Kleidermode vor allem des 17. Jahrhunderts, um gewichtiger auszusehen; von hier fand die Übertragung auf Schwulst statt. Das Wort geht auf das persische pänbä zurück, das schon Baumwolle bedeutete und über griechisch pambakion, lateinisch bombacium, altfranzösisch bombace, englisch bombast ergab. Bonze Das Wort ist japanischer Herkunft und gelangte über das Portugiesische (die Portugiesen gründeten die ersten europäischen Niederlassungen in Ostasien) in die europäischen Sprachen. Im Japanischen bedeutet bonzo einen buddhistischen Priester. Wahrscheinlich geht es auf ein chinesisches fan-seng (religiöse Person) zurück, vielleicht liegt ihm auch ein ähnliches japanisches Wort für Frommer zugrunde. Im 18. Jahrhundert meinte es dann auch im Deutschen zunächst nur einen chinesischen oder japanischen Priester, während der Aufklärungszeit bekam es aber immer mehr die Betonung auf das Abergläubische und wurde auch im abwertenden Sinn auf christliche Geistliche angewandt (Wieland unterschied »einen echten christlichen Pfarrherrn von den Pfaffen, Bonzen usw.«). Seit dem 19. Jahrhundert fand Bonze schließlich allgemeine Anwendung auf jeden, den man wegen seiner führenden Stellung oder Pfründe negativ charakterisieren wollte. Bordell Im Altfranzösischen bedeutete borde Bauernhof (das Wort hielt sich fast bis in die Gegenwart). Das Wort geht auf das germanische (fränkische) bord für Brett zurück und ist im Deutschen heute noch als Bord - 42 -
für Wandbrett erhalten (dazu gehört auch das englische board für Brett). Zu borde bildete sich im Französischen die Verkleinerung bordel im Sinne von Hütte {Bretterhütte), ebenso mittellateinisch bordellum und italienisch bordello. Dieses Wort wurde dann für Freudenhaus gebraucht und gelangte noch in frühneuhochdeutscher Zeit ins Deutsche. Bösewicht s. Wicht. Boß Im Englischen heißt boss Meister, Arbeitgeber, Vorgesetzter; daneben auch tonangebender Mann, Macher, Herrscher, Tyrann. Es gelangte erst in den letzten Jahrzehnten ins Deutsche und hat meist einen mehr oder weniger rauhen Klang. Das englische boss leitete sich vom niederländischen baas ab, das Meister bedeutet und seine Entsprechung sowohl im Norwegischen, Dänischen und Schwedischen (bas, Obmann) als auch im Niederdeutschen (Heuerbaas, Matrosenvermittler; Schlafbaas, Matrosenwirt) findet. Die eindeutschende Schreibung mit ß ist eigentlich unsinnig, da der Vokal in Boß seine Kürze behalten hat, und ist auf das gleiche Mißverständnis zurückzuführen wie die pseudodeutsche Schreibung von Miß, Stewardeß und Fairneß. Boulevard Das französische boulevard für Promenadestraße, breite Straße (eigentlich eine die Stadt umgebende Promenade, Baumallee, dann überhaupt eine breite, lange Straße mit Bäumen) wurde im 15. Jahrhundert aus dem Mittelniederländischen entlehnt von bolwerc, das identisch ist mit dem deutschen Bollwerk, bezeichnete also zunächst einen Festungswall, Wallgang zwischen der Brustwehr und der inneren Böschung. Alten Stadtbefestigungen entlang ließen sich später breite Straßen anlegen, im Deutschen oft Ringstraßen genannt. Bourgeoisie Das französische Wort bourgeois (bürgerlich, Bürger) geht über das galloromanische burgensis auf das fränkische bürg (Stadt, Burg) zu-
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rück, dessen ursprüngliche Bedeutung wahrscheinlich befestigte Höhe war (die gleiche Bedeutung hatte das althochdeutsche bürg; ebenso altenglisch bürg). Mit bourgeoisie (Bürgerschaft) war ursprünglich die Stadtbürgerschaft im Gegensatz zum Adel und zu den Bauern gemeint; im 19. Jahrhundert hatte sich dann Bourgeoisie auch als Gegensatz zu den unteren Bevölkerungsschichten der Städte herausgebildet. (So heißt es in einer Definition aus dem Jahre 1850: »Allein in neuerer Zeit hat das Wort einen anderen Sinn bekommen, und man bezeichnet mit Bourgeois nur noch den berechtigten und vermögenden Bürger . . . Also der eigentliche französische Geldadel unteren Ranges, der Spießbürger, Krämer heißt Bourgeois, und das Wort hat die Nebenbedeutung erhalten, daß es einen habsüchtigen, herzlosen, geistig vertrockneten, alles seinem Vortheile opfernden Menschen bezeichnet«.) Die sozialistischen Autoren des 19. Jahrhunderts bedienten sich des Wortes Bourgeoisie dann zur Charakterisierung der »im Besitze der Produktionsmittel befindlichen Kapitalistenklasse«. Boutique Aus dem griechischen apotheke (Niederlage, Ablage, Speicher; unser Wort Apotheke) wurde unter Fortfall der ersten Silbe im Französischen des 14. Jahrhunderts boutique; es bedeutet Kaufladen, Kramladen, Handelsgeschäft, Warenlager (das aber unbedeutender ist als Magazin). In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fand es sich bereits im Kaufmannsdeutsch, wo es sich dann als Butike und Budike deutscher Orthographie anglich und einen verhältnismäßig schlechten Klang bekam und nur noch einen kleinen Laden bedeutete (vermutlich in Anlehnung an Bude), so vor allem in Berlin (Budiker, Inhaber einer kleinen Kneipe). In den jüngst vergangenen Jahren wurde boutique dann in französischer Schreibweise erneut entlehnt und meint heute zwar auch einen verhältnismäßig kleinen Laden, der aber ausgewählte modische Artikel anbietet. Boykott Im Englischen bildete sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Verb to boycott in Anlehnung an den Eigennamen Boycott. Charles Boycott war ein Güterverwalter in Irland, der wegen seiner unnachgiebigen Härte gegenüber den Pächtern auf Initiative der irischen Landliga so
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lang »boykottiert« wurde (keine Arbeiter mehr bekam, keine Geschäftspartner mehr fand, gesellschaftlich geächtet wurde), bis er das Land verließ. Bramarbasieren Der Name Bramarbas ist eine literarische Schöpfung und erscheint zum erstenmal in dem anonymen satirischen Gedicht »Cartell des Bramarbas an Don Quixote« um das Jahr 1700. Er wurde zu dem spanischen Verb bramar (brüllen, heulen) gebildet und dann zunächst literarisch weiterverbreitet (»Bramarbas oder der großsprecherische Offizier« hieß die deutsche Übersetzung eines Lustspiels des dänischen Dichters Ludvig Holberg, der 1754 starb; dabei lehnte sich der Übersetzer auch an das dänische bram für Prunk, Prahlerei an, obwohl im dänischen Original Bramarbas nicht erwähnt ist). Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dazu das Verb bramarbasieren für prahlen, großtun gebildet. Brandbrief Ähnlich wie Fehdebrief, der eine Fehde ankündigt, bedeutete Brandbrief zunächst die Drohung, jemandes Haus und Hof niederzubrennen, und war hauptsächlich norddeutschen Gebrauchs. Im 17. Jahrhundert nahm dann das Wort die Bedeutung einer amtlichen Erlaubnis an, daß ein durch Brand Geschädigter Geld und Gaben sammeln darf. Daraus entwickelte sich, zunächst in der Studentensprache, die Bedeutung Bettelbrief, dringende Bitte um Geld, wobei die Dringlichkeit durch die Assoziation mit brandeilig noch unterstrichen wird. Brandmarken Das Wort meint, jemandem ein Zeichen (eine Marke) einbrennen, genauso sagte man früher auch brandmalen. Es war alter Rechtsbrauch, daß man Verbrechern ein Zeichen einbrannte; heute verwendet man das Wort mehr im Sinne von anprangern.
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Brandschatzen Das Verb taucht im späten Mittelhochdeutschen als brantschatzen auf und bedeutete soviel wie Raub und Brand erlassen und dafür Kontribution auferlegen, eine Maßnahme, deren sich die Heere aller Zeiten bedienten. Im Mittelhochdeutschen bedeutete schetzen (schätzen) das Geld abnehmen, besteuern, Lösegeld auferlegen (neben schätzen, erwägen, meinen). Brennen sich b.: Die Bedeutung sich täuschen des reflexiven Verbs sich brennen geht von der Vorstellung aus, daß man sich gleichsam unversehens am Feuer brennt (Schiller: »Da brennst du dich«). Brenzlig Zu brennen bildete sich im Frühneuhochdeutschen brenzen (verbrannt riechen) und davon wiederum als Verkleinerung brenzeln in der gleichen Bedeutung. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich dazu das Adjektiv brenzelicht, später brenzelich und schließlich brenzlig, zunächst im Sinne von angebrannt, dann übertragen im Sinne von bedenklich, kritisch (man nimmt gleichsam Brandgeruch wahr und merkt dadurch, daß etwas nicht in Ordnung ist). Bresche eine B. schlagen, in die B. springen: Das Wort Bresche wurde Ende des 16. Jahrhunderts aus dem Französischen übernommen, wo breche Bruch, Riß, Scharte und im militärischen Bereich Lücke in einer Befestigungsmauer bedeutet wie im Deutschen (breche geht zurück auf das fränkische breka für Bruch und ist somit mit brechen verwandt). Bresche meinte zunächst nur die Lücke in einer Festungsmauer (eine Bresche sprengen, schlagen), und da beim Sturm auf ein Festungswerk an diesen Einbruchsstellen naturgemäß am heißesten gekämpft wurde, gab es hier auch vor allem auf Seiten des Angreifers die meisten Gefallenen, für die dann jeweils die nächsten in die Bresche sprangen. Die Ausdrücke wurden bald auch übertragen wie heute gebraucht.
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Brief B. und Siegel geben: Das Wort Brief leitet sich vom lateinischen breve scriptum (kurzes Schreiben), das Wort Siegel vom lateinischen sigillum (Bildchen) ab. Im Mittelhochdeutschen meinte brief Urkunde, Brief, Geschriebenes; die Bedeutung Urkunde, vor allem in der Kanzleisprache, war lange die vorherrschende und ist heute noch in Zusammensetzungen wie Pfandbrief und im Verb verbriefen erhalten. Gibt man jemandem Brief und Siegel, das heißt eine Urkunde, die rechtskräftig gesiegelt ist, so ist das gleichsam die höchste Garantie, die man ihm geben kann. Brimborium aus dem Französischen, wo brimborion Kleinigkeit, Lappalie bedeutet. Das französische Wort wiederum leitet sich vom lateinischen breviarium (Urkunde, Brevier) ab. Brotkorb den B. höher hängen: Der Brotkorb ist der Behälter, in dem das Brot aufbewahrt wird. Ihn höher hängen meint, ihn aus der Reichweite dessen nehmen, der essen will, womit man eine aus einer Notlage entstandene größere Sparsamkeit ausdrücken will. Das Bild wurde aller Wahrscheinlichkeit vom Futterkorb für Pferde entlehnt, der, wenn das Pferd satt war, hochgezogen wurde. Brücke jemandem eine goldene B. bauen: Man baut jemandem eine Brücke, wenn man ihn zum Verlassen seines bisherigen Standpunktes, der gleichsam durch einen unüberschreitbaren Graben von dem eigenen getrennt ist, bewegen und ihm dies leichtmachen will. Das Adjektiv golden drückt dabei aus, für wie wertvoll man diese Brücke für den ändern hält. Brummen In der Bedeutung von gefangen sitzen, im Gefängnis sitzen ist brummen seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt und in der Gauner- 47 -
und Studentensprache entstanden. Brummen meint eigentlich unverständliche Töne von sich geben, verdrossen vor sich hin summen, nörgelnd vor sich hin reden, murren. So stellte man sich den mit seinem Geschick hadernden Häftling vor und Übertrag dieses Bild auf das Gefangensein. Entsprechend wurde das Gefängnis Brummstall benannt; dazu: jemandem drei Jahre aufbrummen für jemanden zu drei Jahren Gefängnis verurteilen. Brüskieren jemanden b.: Das französische Verb brusquer bedeutet hart oder barsch anfahren; es wurde von dem Adjektiv brusque abgeleitet. Brusque wurde im 16. Jahrhundert aus dem italienischen brusco (herb, barsch, rauh) gebildet, das zu brusca (Bürste, Striegel) gehört und auf das spätlateinische bruscum (Besenheide) zurückgeht; es bedeutet rauh, barsch, kurz angebunden, unhöflich. Im 18. Jahrhundert wurden brüsk und brüskieren aus dem Französischen entlehnt. Brust sich an die B. schlagen: In der katholischen Kirche ist es üblich, vor Gott seine Schuld mit den Worten »meine Schuld, meine Schuld, meine übergroße Schuld« (lateinisch: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa) zu bekennen und sich dabei dreimal an die Brust zu schlagen. Die Geste, mit der man sowohl auf sich deutet als auch sich selber gleichsam kasteit, will das Bekenntnis intensivieren. Wer sich an die Brust schlägt, gibt seine Schuld zu. Bubenstück, Büberei Der Ursprung des Wortes Bube ist ungeklärt; das mittelhochdeutsche buobe hatte sowohl die Bedeutung Knabe, Diener, Troßknecht wie auch zuchtloser Mensch, buobenie stand bereits für Büberei. Während Bube im Oberdeutschen aber bis in die Gegenwart hauptsächlich im guten Sinn für Knabe oder Junge gebraucht wird, nahm es im nördlichen Deutsch immer stärker einen abwertenden Sinn an, vor allem gefördert durch den Gebrauch des Wortes bei Luther. So finden sich seit dem 16. Jahrhundert die Begriffe Bubenstück und Büberei für eine schurkenhafte Tat.
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Bullenbeißer ursprünglich ein Hund, der auf Stiere (Bullen) gehetzt wurde, Bulldogge (engl. Bulldog). Bungalow Im Hindustani nennt man ein strohbedecktes, in der Regel ebenerdiges Haus bangla; wörtlich bedeutet bangla zu Bengalen gehörend, bengalisch (Bangla Desh, das ist Bengalenland, heißt der 1971 auf dem ehemaligen ostpakistanischen Territorium entstandene bengalische Staat). Die Engländer nahmen das Wort während der Kolonialzeit auf und gaben ihm ihre eigene Orthographie; bungalow spricht sich freilich eher wie bangla aus, als es die deutsche Aussprache von Bungalow tut (solche im Deutschen der englischen Schreibweise angepaßte Aussprache findet sich zum Beispiel auch in Dschungel, das im Indischen dschängäl heißt und deshalb englisch jungle geschrieben wird). Burschikos Das Wort Bursch, Bursche geht auf das mittellateinische bursa zurück, das Ledersack, Beutel, dann auch gemeinsame Kasse bedeutete. Als burse wurde es ins Mittelhochdeutsche übernommen und meinte ebenfalls Beutel, Börse (auch Börse selber geht auf bursa zurück), dann zusammenlebende Genossenschaft (die eine gemeinsame Kasse hat, von ihr lebt), das Haus dieser Genossenschaft, vor allem bei Studenten. Auch im frühen Neuhochdeutschen behielt das Wort als burse diese Bedeutungen bei und erweiterte sich noch zu Wirtshaus, Asyl, Gesellschaft, Gesindel, Haufen von (zehn) Kriegsknechten; bursgesell war der Kommilitone, der der gleichen Burse angehört, auch der Kriegskamerad. Daneben hatte sich aber schon die Form bursch oder bursche herausgebildet. Entsprechend der burse war es zunächst ebenfalls Femininum, bildete dann aber, weil man es mißverständlich als Plural aufzufassen begann, einen neuen, maskulinen Singular: der Bursch(e). Als solcher trat es an die Stelle von bursgesell, zunächst bei den Studenten. Andere Berufsstände nahmen das Wort auf, und so erhielt Bursch(e) den allgemeinen Sinn eines jungen Mannes, teils auch etwas abwertend. In Anlehnung an das Griechische bildete sich in der Studentensprache des 18. Jahrhunderts dann das zunächst scherzhaft ge-
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meinte Adjektiv burschikos heraus und hat seinen Sinn bis heute behalten. Bürstenbinder saufen wie ein B.: Der Berufsstand der Bürstenbinder, nie sehr angesehen, steht durch die Redewendung schon ziemlich lang im Verruf, besonders gern zu trinken. Das ist indessen ein Mißverständnis, denn erst in der Schwankdichtung des 16. Jahrhunderts entstand diese Verbindung. Früher schon ist das Verb bürsten für trinken in Gebrauch gewesen. Es geht auf das mittelhochdeutsche burse für Zechgesellschaft (vgl. burschikos) zurück, zu dem sich bursieren und dann bürschen für zechen bildeten. Bürsten, das man später quasi als Kehle ausputzen verstand, war bis in die jüngste Zeit für trinken, saufen gebräuchlich. Busch auf den B. klopfen: Wenn man (etwa der Jäger oder der Treiber) auf den Busch, das Gebüsch klopft, kommt das darunter verborgene Wild heraus und will flüchten. Da man natürlich nicht von vornherein weiß, ob sich unter dem Busch etwas verbirgt, nahm die Redewendung den Sinn an, daß man gleichsam auf den Busch klopft, in der Hoffnung, es komme etwas heraus. Busenfreund Zurückgehend auf eine indogermanische Wurzel bh(e)u im Sinne von aufblasen, schwellen, bedeutete althochdeutsch buosem, buosen sowohl Busen wie auch Bausch des Gewandes und Schoß; ebenso das mittelhochdeutsche buosem, buosen für Busen, Schoß und den busenbedeckenden Teil des Gewandes. Busen meinte aber nicht nur die weibliche Brust (wobei noch im 18. Jahrhundert nur beide Brüste gemeint waren, nicht aber eine einzelne, etwa wie man heute vom linken oder rechten Busen sprechen kann), sondern auch die männliche Brust (wie das im übertragenen Sinne auch heute noch möglich ist). Ganz wie Brust im allgemeinen Sinne galt der Busen als der Sitz des Herzens und damit der Gefühle und Empfindungen, und so bildete sich im 18. Jahrhundert das Wort Busenfreund für jemanden, den man gleichsam in sein Herz geschlossen hat, für einen vertrauten Freund.
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Butter es ist alles in B.: Butter gilt bis heute als das wertvollste und wohlschmeckendste Fett in der Küche. Die Redensart, alles (sei) in Butter, geht davon aus, daß alles in Butter gekocht und deshalb alles in (bester) Ordnung sei. So wird von einem Berliner Gastwirt erzählt, der, als sich nach 1875 die Margarine verbreitete, auf die Frage, welches Fett er verwende, stolz geantwortet habe: »Bei uns ist alles in Butter!«
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C Canossagang In dem mittelalterlichen Machtstreit zwischen Kaiser und Papst hatte sich die Situation so zugespitzt, daß im Jahre 1076 Reichstag und Synode in Worms Papst Gregor VII. für abgesetzt erklärten. Gregor belegte daraufhin Heinrich IV. mit dem Kirchenbann. Um von diesem Bann wieder freigesprochen zu werden, wovon die Fürsten es abhängig machten, ob Heinrich den Thron behalten könne, pilgerte der König unter schwierigsten Bedingungen nach Italien und erschien Ende Januar 1077 auf der Burg Canossa (am Nordabhang des Apennin) vor Gregor als Büßer. Drei Tage ließ der Papst den König, der ohne königlichen Schmuck, barfuß und mit einem wollenen Hemd bekleidet war, vor dem Tor warten. Dann erst empfing er ihn und löste den Bann unter der Bedingung, daß Heinrich im Streit mit den deutschen Fürsten die Entscheidung des Papstes anerkenne. Daran anlehnend nennt man einen Bittgang unter demütigenden Bedingungen Canossagang. Caudinisches Joch Im Jahre 321 v. Chr. wurden die römischen Legionen von den Samniten, einem italienischen Volksstamm in Mittelitalien, bei Gaudium in eine Falle gelockt und in den Furculae Caudinae, zwei Engpässen, aussichtslos eingeschlossen. Die Samniten entwaffneten sie, dann mußten die Römer durch ein aus Spießen gebildetes »Joch« schmachvoll abziehen. Der Ausdruck caudinisches Joch meint also eine äußerst unangenehme Situation, aus der man sich nur gedemütigt lösen kann. Chance Im Französischen hat chance heute noch im engeren Sinne die Bedeutung Wurf (donner la chance, die Augenzahl, die man werfen will, angeben). Chance (altfranzösisch cheance) hatte denn auch ursprünglich
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den Sinn (glücklicher) Fall der Würfel beim Spiel, ausgehend von vulgärlateinisch cadentia, das ebenfalls Fall bedeutete (cadere, fallen). Erst die weitere Entwicklung gab dem Wort im Französischen seine umfangreiche Bedeutung, und mit dieser drang es dann im 19. Jahrhundert ins Deutsche ein. Während des Mittelhochdeutschen hatte es allerdings bereits das Wort Schanz ergeben, das beim Glücksspiel gebraucht wurde (vgl. zuschanzen). Charme Das Wort wurde im 18. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, wo charme Zauber, Zauberei und übertragen Reiz, Anmut bedeutet, dazu gehören charmant (entzückend, reizend, bezaubernd) und charmeur (Zauberer). Zugrunde liegen lateinisch carmen (Gedicht, Weissagespruch, im Mittellateinischen Zauberformel) und das galloromanische carminare (dichten, mittellateinisch bezaubern). Chef aus dem Französischen, wo chef Haupt, Oberhaupt, Anführer, Vorgesetzter bedeutet, zurückgehend auf lateinisch caput (Kopf, Haupt). Es erscheint Anfang des 17. Jahrhunderts im Deutschen und wurde zunächst auf das Militärische beschränkt; seit dem 18. Jahrhundert hat es den allgemeineren Sinn von Vorgesetzter. Chic Im Französischen bedeutet das Wort als Adjektiv ausgezeichnet, famos, piekfein; im ähnlichen Sinn wurde es im 19. Jahrhundert ins Deutsche übernommen, vor allem auf die Mode bezogen. Es wird manchmal eindeutschend auch schick geschrieben, was allein deshalb einen Nutzen hat, weil damit der bei der Angleichung an das Substantiv oder beim Komparativ auftretenden lautlichen Diskrepanz abgeholfen wird (zum Beispiel: eine chice Frau). Die Schreibung schick ließe sich aber auch deshalb rechtfertigen, weil das französische chic ursprünglich auf ein deutsches Schick zurückgeht. Der Schick ist seit dem 14. Jahrhundert im Hochdeutschen belegt und leitete sich von schicken ab, das im Mittelhochdeutschen neben anderen Bedeutungen auch fügen, ordnen, zurechtlegen, rüsten meinte; so bedeutete der Schick im Neuhochdeut-
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sehen dann gute Art, Ordnung, gutes Aussehen, Anstand, Lebensart; dazu gehört das Adjektiv schicklich; Schick galt freilich im 18. Jahrhundert bereits wieder als veraltet. Im 16. Jahrhundert wurde es vom Französischen aus dem Niederdeutschen, wo es Ordnung, Geschick bedeutete, entlehnt. Chuzpe Im Jiddischen bedeutet chuzpo Unverschämtheit, chuzpeponim frecher, unverschämter Mensch (ponim: Gesicht). Im Sinne von Unverschämtheit, Frechheit wurde es ins Deutsche übernommen, wobei aber häufig ein Unterton von Bewunderung über die mitwirkende Raffinesse mitklingt und Chuzpe eine Art von Unverschämtheit ist, die nicht den Charakter des Gemeinen hat. City Im Englischen heißt city (bedeutende) Stadt, Großstadt; in England auch eine inkorporierte Stadt, meist mit einer Kathedrale, im spezielleren Sinn auch die Altstadt oder das Geschäftsviertel von London. Das Wort geht über das altfranzösische ehe (Stadt) auf das lateinische civitas (Bürgerschaft, Staat, Stadt, Gemeinde) zurück, dem civis (Bürger, Mitbürger, ursprünglich Haus- oder Gemeindegenosse) zugrunde liegt. Das Wort wurde erst in den letzten Jahrzehnten ins Deutsche übernommen und wird hauptsächlich für Stadtkern, Geschäftsviertel einer Stadt gebraucht, wobei es den Begriff Zentrum teilweise verdrängte. Clique Im 13. Jahrhundert erscheint irn Altfranzösischen das Verb cliquer (auch clinquer) für lärmen, klingen, klatschen. Vielleicht lehnte es sich an das gleichbedeutende niederländische Verb klikken an, oder es war nur lautmalerisch. Dazu bildete sich im 14. Jahrhundert das Substantiv clique für Sippschaft, vermutlich aufgefaßt als die Beifall gebende Gesellschaft. Clou Im Französischen bedeutet clou (von lateinisch clavus für Nagel,
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Pflock) sowohl Nagel als auch Glanzpunkt, Hauptzugsmittel, Schlager im Theater. Im Sinne von Glanzstück einer Darbietung, (theatralischer) Höhepunkt wurde das Wort ins Deutsche übernommen. Der übertragenen Bedeutung von clou liegt vermutlich die Vorstellung zugrunde, daß das Glanzstück das Ganze zusammenhalte oder für jedermann sichtbar festnagle. Club Im Englischen bedeutet club eigentlich Keule, Knüttel, Prügel, so wie schon das altnordische klubba und dann das mittelenglische clubbe Keule meinte. Club entwickelte sich deshalb zur Bedeutung Verein, (geschlossene) Gesellschaft (dem Sinn, den das Wort auch aus dem Englischen ins Deutsche brachte), weil die Einladung zu einem Treffen früher dergestalt geschah, daß man ein bestimmtes Brett oder eben eine Keule herumsandte und die in Frage kommenden Männer mit diesem Zeichen aufforderte. Dieser Brauch wird deutlicher, wenn man bedenkt, daß auch hinter dem deutschen Verb (ein-)laden die gleiche Sitte steckt: laden im Sinne von jemanden zum Kommen auffordern geht darauf zurück, daß man ein mit bestimmten Zeichen versehenes Brett herumschickte; noch im Mittelhochdeutschen aber hieß Brett lade, laden. Laden war also: mit dem (der) »lade« zum Kommen auffordern.
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D Dach unter D. und Fach: Dach und Fach werden in der Redewendung als die wesentlichen Teile eines Hauses angesehen, wobei das Fach, das sowohl Wand, Mauer als auch Abteilung bedeuten kann, mehr dem ersten Sinn nach gebraucht wird. Dachs schlafen wie ein D.: Der Dachs hält einen ziemlich langen Winterschlaf, der freilich nicht intensiver ist als der vergleichbarer Tiere; überdies unterbricht er ihn gelegentlich. Das reichte freilich für den Volksmund aus, um ihn zum Vergleich heranzuziehen. Ein Fibelvers lautete: »Drei Viertel seines Lebens verschläft der Dachs vergebens.« Dalli meist dalli dalli: Im Polnischen ist dalej der Komparativ zu dem Adverb daleko (weit) und bedeutet »weiter!«, genauso wie dalli im Sinne von »schnell, vorwärts!«. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Wort ins Ostdeutsche und Berlinische aufgenommen. Damaskus sein D. erleben: s. Saulus, aus einem S. ein Paulus werden. Damm auf dem D. sein: Unter Damm versteht man einerseits einen aufgeschütteten Wall an Gewässern, andererseits, vor allem in Norddeutschland auch eine - aufgeschüttete - Fahrstraße (ebenso Bahndamm). Die Grundbedeutung geht aus dem gotischen faurdammjan für versperren
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hervor, sie liegt auch der Bedeutung Straße zugrunde, weil sie ähnlich wie ein Wasserdamm auf geschüttet wird. Auf dem Damm sein bedeutet soviel wie wohlauf, tüchtig, wachsam sein (in der Verneinung meist nicht gesund sein). Dabei wurde wohl weniger an den Wasserdamm, der Schutz gewährt, gedacht als an den Fahrdamm; wer sich auf ihm befindet, kommt weiter, voran. Die Redewendung entstand auf norddeutschem Gebiet, wo Damm auch die Bedeutung Fahrweg hat. Damoklesschwert Cicero erzählt die Geschichte von Damokles, einem Günstling von Dionys dem Älteren, dem Tyrannen von Syrakus, Damokles habe Dionys als den glücklichsten aller Sterblichen gerühmt; daraufhin habe ihn der Tyrann an all seinen Genüssen und seiner Pracht teilhaben lassen. Über dem Haupt des Damokles aber habe Dionys ein Schwert an einem Pferdehaar aufhängen lassen. Damokles erkannte die Gefahr und verstand die Unsicherheit, die die irdischen Güter nur bedeuten, und bat Dionys, ihn wieder aus dieser nur scheinbar angenehmen Situation zu entlassen. So wurde Damoklesschwert sprichwörtlich für eine drohende Gefahr. Dampf D. (vor etwas) haben: In der Gaunersprache bedeutet Dampf auch soviel wie Angstschweiß; Dampf haben meint also Angst haben. Dämpfer jemandem einen Dämpfer aufsetzen: In der Musik nennt man Dämpfer eine Vorrichtung, die den Klang dämpft, das heißt leiser, weicher macht. Bei der Geige etwa ist es ein kleines Holzstück mit Einschnitten für die vier Saiten, das auf die Saiten gesetzt wird. Diese Art, die Tonstärke zu schwächen, wurde dann auch im übertragenen Sinne gebraucht, wenn man jemanden mit irgendwelchen Mitteln dazu bringt, sich zurückhaltender zu verhalten. Danaergeschenk Bei Homer heißen die griechischen Helden Danaer. Laokoon warnte die Trojaner, das von den Danaern zurückgelassene hölzerne Pferd in die
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Stadt zu schaffen, doch sie hörten nicht darauf und lieferten sich so den Feinden aus. »Was es auch sei«, steht bei Vergil, »die Danaer fürchte ich, auch wenn sie Geschenke geben.« Danaidenfaß Danaiden heißen in der griechischen Mythologie die fünfzig Töchter des Danaos, eines Enkels Poseidons. Die fünfzig Söhne des Aigyptos hatten ihnen die Hochzeit aufgezwungen; die Danaiden aber töteten ihre Männer in der Hochzeitsnacht mit Dolchen. Im Hades müssen sie zur Strafe ständig Wasser in ein Faß mit Löchern schöpfen. In ein Danaidenfaß schöpfen will also heißen: unablässig eine vergebliche, sinnlose Sache tun, die sich nicht vollenden läßt, sondern immer nur neue Kraft oder Mittel beansprucht. Daumen einem den D. halten, drücken: Im alten Volksglauben wurde angenommen, daß die Finger alpartige Geister seien oder deren Kräfte hätten; vor allem der Daumen galt als übernatürlich begabt. So entwickelte sich der Brauch, daß man für jemanden den (eigenen) Daumen hielt, um gleichermaßen den Alp festzuhalten, der sonst das Unternehmen des anderen hätte stören können. Den Daumen drücken meint das gleiche, indem man den Daumen mit den anderen vier Fingern festdrückt. Decke sich nach der D. strecken: Mit der Zimmerdecke hat die Redewendung nichts zu tun. Gemeint ist vielmehr die Decke, mit der man sich zudeckt. Wenn man nicht will, daß die Füße oder andere Körperpartien unbedeckt bleiben und einen dann friert, muß man sich den Maßen der Decke entsprechend strecken. Wer sich nach der Decke streckt, hat also eigentlich eine zu kleine Decke, gibt sich aber Mühe, damit auszukommen. Denkzettel jemandem einen D. verpassen: Denkcedel ist bereits im Mittelniederdeutschen für Urkunde, schriftliche Nachricht belegt. Luther ver-
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wandte dieses Wort für Phylakterion (den Gebetsriemen mit Gesetzessprüchen, den die Juden beim Beten an Haupt und Arm tragen, an Leder befestigte Holzstücke, worin auf Pergament geschriebene Stücke aus dem Gesetz Moses aufbewahrt sind) in seiner Übersetzung des Matthäusevangeliums: »Alle ihre Werke aber tun sie (die Schriftgelehrten und Pharisäer), daß sie von den Leuten gesehen werden. Sie machen ihre Denkzettel breit und die Säume an ihren Kleidern groß.« Daneben aber verwandte er das Wort auch schon im Sinne eines Zettels, auf dem notiert steht, was man nicht vergessen will. Denkzettel nannte man auch jene Zettel in den Lateinschulen, auf denen die Vergehen eines Schülers stehen und den er mit sich führen mußte, um immer daran erinnert zu werden. Daraus entwickelte sich dann allmählich der heutige übertragene Sinn, daß ein Mißgeschick oder eine Strafe als Mahnung empfunden wird. Deut in Redewendungen wie: das kümmert mich keinen Deut. Duit nannte man seit dem 16. Jahrhundert in den Niederlanden eine Kupfermünze von geringem Wert (160 auf den Gulden). Im Mittelniederdeutschen ist das Wort schon als doyt enthalten, ebenso im Englischen (doit). Seine ursprüngliche Bedeutung war abgehauenes Stück. Deutscher Michel Michael (nach dem Erzengel Michael, der in der Offenbarung des Johannes als der siegreiche Bekämpf er des Drachens oder Satans dargestellt wird; der hebräische Name bedeutet »wer ist wie Gott?«) war seit der Verbreitung des Christentums ein häufiger Name im deutschen Gebrauch. Das kirchliche Fest zu seinem Gedächtnis wurde schon von Karl dem Großen eingebürgert. So wurde er, vor allem in Erinnerung als der Satansbekämpfer, in Deutschland gern zum Schutzpatron gemacht, ja oft auch als Schutzpatron Deutschlands verstanden. In Verbindung mit der häufigen Verwendung als Vornamen findet sich dann seit dem 16. Jahrhundert Michel als Appellativum für die Deutschen; die früheste Stelle steht wohl bei Sebastian Frank (»ein rechter dummer Jan, der teutsch Michel«). Doch ist diese Bezeichnung nicht immer nur abwertend gemeint gewesen. Nicht nur der 1625 gefallene pfälzische Generalleutnant Obentraut erhielt die Bezeichnung (Michael Germani-
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cus) als Ehrennamen, auch im 18. Jahrhundert konnte deutscher Michel noch einen tüchtigen Bauern bedeuten. Goethe meinte es freilich ironisch: »Diese Maxime lag zum Grund allen unsern geselligen Gelagen, bei welchen uns denn freilich manchen Abend Vetter Michel in seiner wohlbekannten Deutschheit zu besuchen nicht verfehlte.« Nach den Napoleonischen Kriegen wurde das Wort dann zum reinen Spottnamen, und gelegentliche spätere Aufwertungen unter Bismarck oder während des Ersten Weltkriegs änderten nicht viel an seinem Ruf als biedere, gutmütige, aber unbeholfene, obrigkeitshörige, etwas beschränkte brave Figur. Dick durch d. und dünn: Dick hatte in der älteren Sprache auch die Bedeutung von dicht. So meint durch dick und dünn eigentlich durch Dichtes, das heißt durch Kot, kotigen Schmutz, und durch Dünnes, womit wohl dann an Wasserpfützen zu denken ist; dünn wurde indessen in der Formel mehr des alliterierenden Gegensatzes wegen verwandt. Dienen man kann nicht zwei Herren d.: Die sprichwörtliche Redensart geht auf eine Stelle im Lukasevangelium zurück: »Kein Knecht kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den ändern lieben oder wird dem einen anhangen und den ändern verachten. Ihr könnt nicht Gott samt dem Mammon dienen« (vgl. Mammon). Dietrich Der Nachschlüssel trägt seit dem 15. Jahrhundert als Verschleierung den Namen Dietrich, so auch bei Luther. Es handelt sich um eine scherzhaft gemeinte Übertragung des Personennamens Dietrich, wie sie auch in anderen Sprachen auf Werkzeuge üblich ist; im Frühneuhochdeutschen sagt man auch Diez dazu. Dilettant Vom gleichbedeutenden italienischen dilettante übernommen. Italienisch dilettarsi bedeutet an etwas Vergnügen finden, sich amüsieren, et-
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was aus Vergnügen tun (dilettarsi di un'arte, zu seinem Vergnügen eine Kunst betreiben). Das Wort geht zurück auf das lateinische Verbum delectari (sich ergötzen). Dingfest jemanden d. machen: Die alte Bedeutung von Ding war Volksversammlung (so althochdeutsch thing, ding; das mittelhochdeutsche dinc meinte Gerichtsverhandlung, Gerichtstag neben vielen neuen Bedeutungen). Dazu gehörte das mittelhochdeutsche dincflühtic (der sich durch Flucht dem Gericht entzieht). Wiewohl dingfest erst im 19. Jahrhundert belegt ist, gehört es doch zu dieser alten Bedeutung. Doof Das niederdeutsche doof entspricht neuhochdeutsch taub (mittelhochdeutsch toub, mittelniederdeutsch dof) und ist mit englisch deaf (taub) verwandt. So wie taub im weiteren Sinne nicht nur die Gehörlosigkeit bezeichnet, sondern auch ein allgemeineres Stumpfsein der Sinne, tut das auch doof. Allgemeinen Einzug in die Umgangssprache fand doof erst im 20. Jahrhundert. Doria Donner und D.: In Schillers »Fiesco« flucht Gianettino Doria, der Neffe des Dogen von Genua, von Schiller als »rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren, bäurisch-stolz, die Bildung zerrissen« charakterisiert, auf das Versprechen eines seiner Vertrauten hin, ihm die Bekanntschaft eines Frauenzimmers zu verschaffen: »Donner und Doria! Du sollst Prokurator werden«. Der Ausruf Donner und Doria wurde volkstümlich. Die Doria waren ein genuesisches Geschlecht; Andrea Doria gab Genua eine streng aristokratische Verfassung und wurde zur Gestalt im »Fiesco«. Vielleicht ist es nicht abwegig zu mutmaßen, daß Schiller bei der Formulierung des Fluches auch an den nordischen Donnergott Thor gedacht hat.
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Drachensaat Die griechische Mythologie erzählt, daß Kadmos, ein Sohn des Agenor oder des Phönix, den heiligen Drachen, der den kastalischen Quell bewachte, erschlug, weil er einige seiner Gefährten beim Wasserholen getötet hatte. Athene gab ihm den Rat, die Zähne des Drachen auszusäen; aus diesen Zähnen wuchsen bewaffnete Männer, die einander bis auf fünf töteten (diese fünf waren die Stammheroen der Thebaner). Deshalb nennt man die Ursachen einer Zwietracht Drachensaat, oft in der Wendung die Drachensaat geht auf. Drakonisch Um 621 v. Chr. kodifizierte Drakon das bereits geltende athenische Recht. Diese Strafgesetze waren von beträchtlicher Strenge, was freilich seinen Grund darin hatte, daß man die Geschlechter nur dadurch zur Aufgabe der Blutrache zwingen konnte, wenn an deren Stelle hart urteilende staatliche Instanzen traten. Auf viele Fälle stand die Todesstrafe, und schon im Altertum wurden die »drakonischen Gesetze« als hart angesehen, weil Drakon sie »mit Blut und nicht mit Tinte schrieb« (Plutarch). Drastisch Zu dem griechischen Verb dran (tun, handeln, wirken, bewirken) gehört das Adjektiv drastikos (wirksam), das als drasticus ins Lateinische übernommen wurde. Es wurde vor allem viel in der älteren Medizin gebraucht, um stark wirkende Mittel zu bezeichnen (remedia drastica, Abführmittel). Die heutige Form des Wortes ist an das französische drastique angelehnt; seinen heutigen Sinn bildete es im 19. Jahrhundert aus. Dreck D. am Stecken haben: Mit Stecken ist der Spazierstock, Wanderstab gemeint. Hat man einen langen Weg durch eine unsaubere Gegend hinter
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sich, haftet natürlich Dreck am Stecken. So wird das Bild übertragen aufgefaßt, daß der Teil des Lebens, den jemand durchschritten hat, von Schmutz und unsauberen Dingen erfüllt war, so daß an seinem natürlich imaginären Wanderstab noch etwas von dem Dreck haftet. Dreckspatz s. Schmutzfink. Dreh Das Wort meint Finte, List, Täuschung und entwickelte sich aus der Vorstellung, daß man eine Sache oder Angelegenheit so wendet oder dreht, daß das Gegenüber die Mängel daran nicht bemerkt; es ist hauptsächlich erst im 20. Jahrhundert in Gebrauch gekommen. In der Bedeutung Trick, Geschicklichkeit erfordernder Griff sagt man auch den Dreh heraushaben (wissen, wie man es machen muß, um eine Sache zu meistern oder um Vorteile zu erlangen). Von Dreh im Sinne von Täuschung leitete sich jemandem etwas andrehen ab. Ebenso sagt man einen Dreh finden, was sowohl Täuschung als auch eine durch Geschicklichkeit mögliche Lösung bedeutet. Drei aller guten Dinge sind d.: Die Zahl drei wird in der Zahlensymbolik als die erste nicht zusammengesetzte Zahl und kleinste Vielheit als heilige Zahl, als Zahl der Vollkommenheit angesehen. Nicht nur die Dreieinigkeit der christlichen Gottesauffassung verschaffte der Zahl dieses Ansehen, schon vorher war sie bei religiösen Handlungen von höchster Wichtigkeit. Auch Aristoteles faßte die Dreiheit als Ordnungsgesetz auf. Die Bezüge in Mythologie und Volksbräuchen sind zahllos, häufig kräftig durchsetzt von abergläubischen Pseudogesetzlichkeiten. So entwickelte sich schon in alter Zeit der Glaube, daß die Zahl drei das Gute symbolisiere, daß aller guten Dinge (jeweils) drei seien.
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Drücken sich d.: Der Ausdruck geht auf die Jägersprache zurück, wo er sich auf die Erde oder Äste ducken bedeutet, was vornehmlich vom Hasen, aber auch von anderem Wild gesagt wird, wenn es versucht, sich durch dieses Zubodendrücken den Blicken des Jägers und Hundes zu entziehen. Es drückt sich gleichsam selber zusammen, macht sich kleiner. Übertragen tut das auch jemand, der eine Aufgabe oder einen Auftrag nicht annehmen will und sich deshalb gleichsam unsichtbar macht, indem er sich drückt. Das gelingt ihm freilich am besten, wenn er sich entfernt. So sagt man auch von jemandem, der sich anderen Leuten oder einer Aufgabe entzieht, er verdrückt sich, das heißt, er macht sich klein, um so ungesehen zu verschwinden. Hier hat freilich noch verdrücken im Sinne von verdrängen, beiseiteschieben mitgewirkt. Duckmäuser Im Mittelhochdeutschen bedeutete das Verb tockelmusen Heimlichkeiten treiben, zusammengesetzt aus musen für mausen, Mäuse fangen, suchend schleichen, und vermutlich tocken für verbergen, das später an ducken angeglichen wurde; tockelmuser war ein Schleicher, Heuchler, eben Duckmäuser. Im Frühneuhochdeutschen erscheint das Wort als tuckenmäuser (verschlagener, hinterlistiger Schleicher) und bildete sich dann allmählich zu der heutigen Form aus. Dumm d. wie die Nacht: Als eine Abstumpfung des Geistes und der Sinne bedeutete dumm früher nicht nur töricht, geistlos, sondern auch stumm, taub, finster. Thum und stumb heißt es beispielsweise bei Weckherlin, an einer anderen Stelle ist von einem Mann die Rede, der stumm und dumm (also taub) sei. Die Bedeutung stumm hat sich bis zum 17. Jahrhundert lebendig erhalten, und hier ist wohl der Ursprung des Ausdrucks zu suchen, auch wenn er später nicht mehr verstanden worden ist. Dunkelmänner Das in der Regel nur im Plural gebrauchte Substantiv ist die wörtliche Übersetzung des lateinischen viri obscuri. Ausgang des Begriffs, der erst - 64 -
gegen 1800 deutsch übersetzt gebraucht wurde, waren die »epistolae obscurorum virorum« (wörtlich »Dunkelmännerbriefe«), die in Deutschland kurz vor der Reformation erschienen waren. Der Humanist Johannes Reuchlin hatte das von den Kölner Dominikanern unterstützte Verlangen, alle jüdischen Bücher zu verbieten und zu verbrennen, streng abgelehnt und war daraufhin in eine Kontroverse verwickelt worden. Diese Auseinandersetzung wurde zu einem Streit zwischen der humanistischen und der scholastischen Weltanschauung. Mit den epistolae obscurorum virorum griffen andere Humanisten zugunsten Reuchlins in den Streit ein. Die Briefe waren eine gelehrte Satire (die vorgeblich von den »finsteren« Scholastikern geschrieben war), mit der Engstirnigkeit, Unbildung und Frömmelei getroffen werden sollten. Sie erschienen 1515 und 1517 in zwei Teilen; ihre Autoren waren Crotus Rubeanus, Hütten, N. Gerbel, Herman v. d. Busche und vermutlich noch andere. Durchbrennen Im Sinne von ausreißen, fliehen ist das Verb erst in der Studentensprache der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch gekommen. Zugrunde liegt wohl die Vorstellung, sich gleichsam mit der Kraft des Feuers durchzuschlagen, weil man auch ungewöhnliche Wege ohne Rücksicht auf Hindernisse nimmt, auch wenn das unter Umständen heimlich geschieht. Vielleicht wurde das Bild auch von Wendungen wie »es brennt mir unter den Sohlen « als Ausdruck des Eiligseins beeinflußt. Durchtrieben Das mittelhochdeutsche Verb durchtriben bedeutete durchziehen, durchdringen, durcharbeiten. Das Partizip durchtriben meinte damals schon durch und durch listig, durchtrieben; es hat diese Bedeutung bis heute erhalten, der die Vorstellung zugrunde liegt, jemand sei mit List förmlich durchgearbeitet. Dusel Das mit dösen und Dunst verwandte Wort bedeutete ursprünglich Schlummer, Halbschlaf, wobei die Abwesenheit des Bewußtseins charakterisiert wird. Daraus ergaben sich auch Bedeutungen wie Taumel,
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Schwindel und schließlich eine Betäubung durch Trunkenheit (heute noch umgangssprachlich: sich einen anduseln, sich leicht betrinken). Dusel im Sinne von Glück (einen Dusel haben) leitet sich von dem Glück, das der Betrunkene oder der Träumer hat, ab.
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E Ebenbürtig Ursprüngliche Bedeutung des Worts ist von gleicher Geburt, so schon mittelhochdeutsch ebenbürtig (Schwabenspiegel: »Ist ein man sinem wibe nit ebenbürtic, er ist doch ir vormunt«). Ecke jemanden um die E. bringen: Die Redensart meint ganz konkret jemanden ermorden. Vordergründig dürfte bei ihrer Entstehung das Bild mitgewirkt haben, daß man jemanden um die Straßenecke bringt, um ihn dort außer Sicht zu töten. Doch ist wohl Ecke hier etwas weiter zu begreifen als Knick, Wendung in der Landschaft, hinter denen jemand verschwindet. So bedeutet, schon bevor die obige Redewendung belegt ist, alemannisch oms egg omma gnoh werda nicht nur hart hergenommen werden, sondern auch sterben, und ebenfalls vorher ist auch schon die Redewendung er ist um die Ecke (er ist zugrunde gerichtet, tot, vorüber) überliefert. So ließe sich um die Ecke (um das Eck) also gleichsam als das letzte Stück Land oder Weg deuten, das derjenige durchschreitet oder über das der gebracht wird, der vom Leben zum Tod kommt und hinter dem er dann entschwindet. Im Falle des Ermordens bringt ihn der Mörder dorthin. Analog dazu heißt es im Rotwelschen das Eck machen für sterben. Egal Das lateinische Adjektiv aequalis (gleichhoch, eben, flach, gleichförmig, gleichwertig, das zu aequus für waagrecht, flach, gleich groß gehört), ergab im Französischen egal (gleich); in dieser Form wurde es im 18. Jahrhundert ins Deutsche entlehnt.
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Ei das E. des Kolumbus: Als Kolumbus von seiner ersten Amerikareise zurückkam, meinte auf einem Festmahl der Kardinal Mendoza, Kolumbus' Tat sei gar nicht so schwer gewesen. Kolumbus fragte daraufhin die Anwesenden, wer von ihnen ein Ei auf die Spitze stellen könne. Als niemand das Kunststück fertigbrachte, nahm Kolumbus das Ei und schlug es an der Spitze auf, so daß es ohne weiteres stehen blieb, womit er zeigen wollte, daß es auf den richtigen Einfall ankomme, um eine Aufgabe zu lösen. Diese Geschichte wurde Kolumbus zum erstenmal in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unterstellt und seither mit ihm in Verbindung gebracht. Ihr Wahrheitsgehalt ist indessen keineswegs erwiesen. Die Anekdote mit dem Ei ist vielmehr orientalischen Ursprungs und wurde 1550 auch schon mit dem 1444 gestorbenen Baumeister Filippo Brunelleschi in Verbindung gebracht. Eiertanz einen E. aufführen: Der Eiertanz ist im eigentlichen Sinne tatsächlich ein Tanz gewesen. Der oder die Tänzer führten, häufig mit verbundenen Augen, ihre Tanzbewegungen zwischen auf dem Boden liegenden rohen Eiern aus, was natürlich nicht nur eine große Geschicklichkeit und Sicherheit voraussetzte, sondern auch zu allerhand gekünstelten Schritten zwang, denn es durfte kein Ei zerbrochen werden. Wer einen Eiertanz aufführt, versucht, sich mit allerhand Drehungen und Finten aus einer Sache herauszuwinden; das Bild wird freilich heute viel lockerer als aufgeregtes Getue aufgefaßt. Eigenbrötler Als das Grundnahrungsmittel schlechthin diente Brot schon im Mittelhochdeutschen zur Bildung eines Adjektivs, das denjenigen charakterisierte, der es sich selber buk und damit selber einen Hausstand hatte: einbroetic bedeutete sein eigenes Brot, seinen eigenen Herd habend. Dennoch gelangte Eigenbrötler erst im 19. Jahrhundert aus dem Alemannischen in die allgemeine Umgangssprache. Das Verb eigenbrötlen hatte in den südwestdeutschen Mundarten zunächst ebenfalls den konkreten Sinn: sein eigen Brot essen, dann übertragen für sich allein einen eigenen Haushalt führen, besonders von Ledigen beiderlei Geschlechts.
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Auf dieser Grundlage fand die Differenzierung zu Hagestolz, Sonderling, eigentümlicher Mensch, auch geiziger, selbstsüchtiger Mensch statt. Unterstützt wurden diese Bedeutungen vor allem durch die besonderen Bedeutungen des Adjektivs eigen im Sinne von wunderlich, absonderlich, seltsam, gleichsam Charakterzüge, die einen bestimmten Menschen von den anderen abheben: er ist ein sehr eigener Mensch, das heißt, er ist ein sehr seltsamer Mensch, eine Ausdrucksweise, die vor allem in den Mundarten vertreten ist. Einbleuen jemandem etwas e.: Bleuen bedeutet schlagen, althochdeutsch bliuwan (schlagen, geißeln), mittelhochdeutsch bliuwen (schlagen; dazu bliuwe, Stampfmühle); mit blau (blauschlagen) hat es nichts zu tun. Dazu gehört auch Pleuelstange und Bleuel (ein hölzerner Schlegel, mit dem die Wäsche geklopft wird). Jemandem etwas einbleuen meint also, ihm mit Schlägen etwas beibringen; jemanden verbleuen, ihn verprügeln. Einheimsen Schon im Mittelhochdeutschen gab es das Verb heimsen (heimbringen, an sich nehmen). Zugrunde liegt Heim für Haus, Wohnung. Zu den vielen Zusammensetzungen mit Heim gehört auch einheimisch, das im 15. und 16. Jahrhundert häufig für zu Hause sein (einheimisch sein) gebraucht wurde; daneben einheimisch werden (nach Hause kommen). Wahrscheinlich dürfte diese spezielle Bedeutung von einheimisch die Ableitung einheimsen (auch einheimschen), die nicht vor dem 17. Jahrhundert belegt ist, unmittelbar beeinflußt haben. Einhellig Im Althochdeutschen gab es das Verb hellan im Sinne von klingen, erklingen, ertönen, übereinstimmen; in ein hellan bedeutete im Einklang stehen. Im Mittelhochdeutschen entwickelte sich daraus einhellec für übereinstimmend. Dazu gehört als Gegenstück mißhellig für nicht übereinstimmend.
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Einlegen mit etwas Ehre e.: Einlegen ist in dieser Wendung im Sinne von zurücktragen, heimtragen, einpacken (einer Ware) gemeint. Diese Verwendung des Wortes ist heute nicht mehr gebräuchlich, doch findet sie sich zum Beispiel bei Gryphius: »Legt ein, der Markt ist aus, schließt Kram und Laden zu.« Man kann mit einer Sache oder Leistung also gleichsam die dadurch erworbene Ehre einpacken und davontragen. Eintrichtern jemandem etwas e.: Der Trichter, ein Gerät, das zum Einfüllen dient, wird seit Anfang des 16. Jahrhunderts gern bildlich als Gerät dargestellt, mit dem man dem Menschen Verstandesgaben einfüllt (Höniger, 1574: »Vermeinen also, das sie gelehrt gnug sein, gleich als wann sie die kunst schon gantz durch ein trechter hinab hetten gesoffen durch die viele der bücher«). 1647 erschien in Nürnberg ein Buch von Georg Philipp Harsdörffer mit dem Titel: »Poetischer Trichter, die Teutsche Dicht- und Reimkunst, ohne Behuf der lateinischen Sprache, in VI Stunden einzugießen.« Dieser »Nürnberger Trichter« wurde bald sprichwörtlich, so schon bei Abraham a Santa Clara: »Wann jemand kein unverständiger Esel bleiben will, so muß er die Bücher lesen, sonst wird ihm der Trachter von Nürnberg schlecht Doctorconcepten mitteilen.« Die Redensart: mit einem Trichter eingießen findet sich schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts; dafür bürgerte sich dann das Verb eintrichtern ein. Eisen mehrere E. im Feuer haben: Eisen bearbeitet der Schmied meist in glühendem Zustand, weil es dann bieg- und hämmerbar ist (deshalb auch das Sprichwort, man muß das Eisen schmieden, solang es heiß ist). Während nun der Schmied an dem einen Stück arbeitet, hat er weitere bereits im Feuer, so daß er keine Arbeitsunterbrechung erleidet. Hat man mehrere Eisen im Feuer, heißt das, daß man vielseitig tätig ist, daß man irgend etwas jedenfalls zum Gelingen bringt, auch wenn anderes scheitert.
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Eisenbahn es ist höchste E.: In dem Lustspiel »Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße« von Adolf Glaßbrenner (1810-1876), einem Berliner Lokalhumoristen von schlagfertigem Witz, macht ein schusseliger Postbote einen Heiratsantrag. Aber mittendrin verabschiedet er sich überstürzt, weil er Briefe, die mit der Eisenbahn ankommen, austragen müsse. Er gebraucht dabei die Worte: »Es ist höchste Eisenbahn, die Zeit ist schon vor drei Stunden angekommen.« Die Verbreitung des Zitats als Redewendung wurde durch die als üblich angesehene präzise Ankunfts- und Abfahrtszeit der Eisenbahn gefördert; die »Bahnzeit« gilt bis in unsere Tage als verbindliche genaue Zeit. Eiserner Vorhang Vermutlich ist die übertragene Verwendung des Begriffs in einer gelegentlichen mündlichen oder schriftlichen Äußerung nicht wesentlich jünger als die Sache selbst (eisernen Vorhang nennt man den feuersicheren Bühnenvorhang im Theater). So sagte etwa 1914 die belgische Königin, eine gebürtige Wittelsbacherin, daß zwischen »diesen Leuten und mir« ein eiserner Vorhang (un rideau de fer) niedergegangen sei. Ende 1924/ Anfang 1925 meinte der britische Botschafter in Berlin, Lord Edgar Vincent d'Abernon, daß der beste Schutz zwischen Frankreich und Deutschland ein eiserner Vorhang (eine neutralisierte Zone) sei. Und schließlich gebrauchte Propagandaminister Joseph Goebbels den Ausdruck am 25. Februar 1945 in einem Zeitungsartikel (»Vor diesem einschließlich der Sowjetunion riesigen Territorium würde sich sofort ein eiserner Vorhang heruntersenken«). Aber alle diese Zitate trugen nicht zu einer Begriffsbildung im heutigen Sinne oder zu einem politischen Terminus bei. Das bewirkte erst die Verwendung des Wortes durch Winston Churchill. In einem Telegramm vom 12. Mai 1945 an Präsident Truman meinte der britische Premier: »Ein eiserner Vorhang ist vor ihrer (der sowjetischen) Front niedergegangen. Was dahinter vorgeht, wissen wir nicht.« Und am 4. Juni 1945 wiederholte er in einem Kabel an Truman: »Ich sehe dem im Mittelabschnitt unserer Front beabsichtigten Rückzug der amerikanischen Armee auf unsere Zonengrenzen mit größtem Unbehagen entgegen, ist doch damit der Vormarsch der Sowjetmacht ins Herz Westeuropas und die Senkung eines eisernen Vorhanges zwischen uns und dem ganzen Osten verbun-
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den.« Nun machte das Wort rasch die Runde und wurde zum Begriff für die Trennung zwischen den Ostblockstaaten und den westlichen Ländern; die effektive Ausprägung zum allgemeinen Terminus geht also trotz vorheriger Erwähnungen von Churchill aus. Ekstase Das griechische ekstasis bedeutet wörtlich das Außer-sich-sein (aus ek für aus und histanai für setzen). Über das kirchenlateinische ecstasis (Verzückung) gewann es allgemeine Bedeutung. Elan Das Wort wurde im 19. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt; französisch elan bedeutet Anlauf, Satz, Sprung, Erregung, Feuer, Begeisterung. Elan ist ein postverbales Substantiv zu elancer (vorwärtsschnellen, stürzen), eine Ableitung von lancer (schleudern, loslassen), das auf lateinisch lanceare (die Lanze schwingen) zurückgeht. Elegant Das lateinische Adjektiv elegans bedeutet wählerisch, geschmackvoll, fein, anständig, schicklich (dazu elegantia: feiner Geschmack, Feinheit, Anstand); es gehört zu dem Verb eligere für auswählen. Im Französischen ergab es elegant (fein, zierlich, schick, elegant), das im 18. Jahrhundert ins Deutsche übernommen wurde. Im 16. Jahrhundert war schon Eleganz aus dem Lateinischen entlehnt worden für Gewähltheit, Geschmack in der Rhetorik, das sich dann der Bedeutung von elegant anglich. Element in seinem E. sein: Nach der Naturauffassung der Alten bestand alles aus den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft (zu denen sich als fünftes Element noch der Äther gesellte). Auch die Menschen setzen sich danach aus diesen Elementen zusammen, wobei jeweils eines im Individuum überwiegt. In seinem Element befindet sich also jemand dann, wenn er sich in dem ihn bestimmenden befindet. Vermutlich leitete sich die Redensart mit deutlichem Blick auf die Fische, deren Element das
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Wasser ist, in dem sie sich überaus beweglich und wohlbefindend zeigen, ab. Ende das dicke E. kommt nach: In dem 1763 erschienenen Buch »Schulmeister und dero Sitten« heißt es: »Sie flechten Draht in die Ruten oder kehren die Ruten um und brauchen das dicke Ende.« Das Zitat könnte ein Hinweis auf die Entstehung der Redewendung sein, deren Ausgang dann bei der Bestrafung zu suchen wäre, wo mit dem dickeren Teil des Strafinstruments eine härtere Strafe vollzogen wird, die in der Regel der leichteren folgt. Beigetragen kann dann auch der als dickes Ende verstandene Kolben des Gewehrs haben, mit dem man im Nahkampf zuschlägt; auch bei schweren Raufereien schlägt man mit dem schweren Ende etwa eines Stockes zu. Es dürften indessen Formulierungen wie »jetzt kommt es aber dick, ihm geht es dick hinein« von Einfluß auf die Redensart gewesen sein, wenn sie nicht doch überhaupt Pate gestanden haben; ihnen liegt die Vorstellung zugrunde, daß sich Tatsachen, Ereignisse unangenehmer Natur häufen und zusammen gleichsam eine dicke Masse bilden. Das dicke Ende ist ja auch die größere Massierung unangenehmer Dinge. Entblöden sich (nicht) e.: Wörtlich bedeutet das Verb die Blödigkeit ablegen, in der (eigentlich doppelten) Verneinung die Blödigkeit nicht ablegen, blöd bleiben. Im 17. Jahrhundert in Gebrauch gekommen, bedeutete es zunächst (sich) erkühnen, beherzt, dreist machen (vgl. für die Bedeutungsentwicklung blöd). So heißt es Ende des 17. Jahrhunderts bei Christian Scriver: »Jona verliebt sich so sehr in den Kürbiß, daß er, als er verdorrete, mit dem Herrn selbst zu zürnen und zu keifen sich entblödet.« Im 19. Jahrhundert hat sich dann sich nicht entblöden im heutigen Sinn (meist ungefähr wie sich nicht schämen) durchgesetzt (Seume: »Die entsetzlichen Franzosen hatten sich nicht entblödet, der heiligen Jungfrau offenbar Gewalt anzuthun«), wenn es auch zum Teil noch als unrichtig aufgefaßt wurde.
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Entpuppen sich e.: Puppe nennt man jenen Zustand in der Entwicklung eines Insekts, in dem das Tier »verpuppt« ist, das heißt in einer festen Haut liegt und von der Larve sich zum voll ausgebildeten Tier entwickelt. Am Ende dieses Zustands »entpuppt« es sich, und es kommt dabei heraus, was vorher gleichsam verborgen war. Entrüsten sich e.: Die ursprüngliche Bedeutung von entrüsten war, (jemandem) die Waffen, die Rüstung ausziehen. Über die Bedeutung: aus der Fassung bringen, in Unwillen versetzen kam der heutige Sinn von aufgebracht sein zustande. Erpicht e. sein auf etwas: Im Frühneuhochdeutschen gab es das Verb verpichen (verbichen) für mit Pech bestreichen; im übertragenen Sinn sagte man schon verbicht sein für versessen sein (eigentlich mit Pech bestrichen sein und deshalb festkleben an einer Sache). Ende des 17. Jahrhunderts kam für die übertragene Bedeutung erpichen dazu, das fast immer nur im Partizip gebraucht wurde. Eskalation Der Begriff kam erst während des sich seit 1965 immer mehr ausweitenden Vietnamkrieges in Gebrauch und wurde vom Amerikanischen übernommen, wo escalation das gleiche bedeutet und ebenso junger Herkunft ist. Es liegt ihm das englische Wort scale mit seiner Bedeutung Stufenleiter, Abstufung zugrunde, das über das französische escalier (Leiter, Treppe) auf das lateinische scalae (Leiter, Treppe) zurückgeht. Verwandte ältere englische Wörter sind escalade (Ersteigung einer Mauer mit Sturmleitern) und escalator (Rolltreppe). Gemeint ist mit Eskalation die planungsgemäße Ausweitung der Kriegshandlungen sowohl in räumlicher Hinsicht als auch in der Schwere der Waffen oder in der Stärke der Truppen, wobei auch der Gedanke zugrunde liegt, das Kriegsgeschehen jeweils in dem Maße zu »eskalieren«, wie man sicher zu sein glaubt, diese Erweiterung könne keine neuen internationalen
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Konfliktsituationen herbeiführen. Gerade diese präzisen Überlegungen brachten das neue Wort als speziellen Terminus hervor, der inzwischen aber in verschiedensten Bereichen Verwendung findet. Espenlaub zittern wie E.: Die Blätter der Espe (die auch Zitterpappel genannt wird, lateinisch populus tremula, das ebenfalls Zitterpappel heißt) bewegen sich (zittern) wegen ihres feinen Stieles beim geringsten Lufthauch. Zittern wie Espenlaub wurde deshalb schon zu mittelhochdeutscher Zeit als Vergleich für einen sehr rasch und von großer Furcht erfüllten Menschen gebraucht. Man erzählte sich die Legende, daß sich alle Bäume einmal vor Gott gebeugt hätten, nur die Espe nicht; zur Strafe sei sie in ewige Unruhe versetzt worden. Bürger vergleicht damit die nie zur Ruhe kommende Redelust der Frauen: »Ein Sprichwort, das ich glaube, sagt: Weiberzung hat nimmer Ruh, sie ist von Espenlaube.« Establishment Das lateinische Verb Stabilire (befestigen, stärken; dazu gehören auch die Fremdwörter stabilisieren und stabil) ergab altfranzösisch establir (befestigen) und entwickelte sich im Englischen zum Verb to establish (festsetzen, errichten, einrichten, einsetzen; to establish oneself sich niederlassen, gründen; established bedeutet fest, ständig bestehend, the Established Church, Staatskirche). Ebenso gehört zum französischen Substantiv etablissement (Festmachen, Gründung, Einrichtung, Errichtung, auch Anstalt, Anlage, Niederlassung, Geschäft) das englische establishment mit der Bedeutung von Einrichtung, Gründung, Errichtung, Niederlassung, Einsetzung, Festsetzung, Anstalt, Institut, Geschäft. Establishment enthält also vor allem den Begriff des in den bestehenden Zuständen zur Ruhe Gekommenen, Gefestigten. Die weltweite gesellschaftspolitische Bewegung bedient sich seit Beginn der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts des Wortes, um damit im zumeist abwertenden Sinn eine bestimmte staatsbürgerliche und politische Haltung zu charakterisieren, in der sich nach ihrer Meinung eine nicht akzeptable Zufriedenheit mit den politischen Gegebenheiten spiegelt. Im weiteren Sinn hat sich das Wort in der jüngsten Zeit als genereller und aggressiv kritischer Begriff für jede Art von »etablierter« Ordnung herausgebildet.
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Eule E.n nach Athen tragen: Die Redensart im Sinne von etwas Unnützes tun tritt schon in Aristophanes' satirischer Komödie hervor, wo eine Eule herbeifliegt und die Frage gestellt wird: »Wer hat die Eule nach Athen gebracht?« Das alte Athen war bekannt dafür, daß es viele Eulen beherbergte, besonders in dem zerklüfteten Fels, auf dem die Akropolis steht. Überdies war die Eule das heilige Tier der Göttin Athene, der Schutzgöttin der Stadt, und die Eule findet sich deshalb auch auf athenischen Münzen. Es wäre also sinnlos gewesen, in die eulenreiche Stadt ausgerechnet Eulen zu bringen. Evaskostüm s. Adamskostüm. Exakt Im Lateinischen bedeutet das Adjektiv exactus genau, pünktlich, vollkommen, genau zugewogen. Es gehört zu dem Verb exigere (exegi, exactus), das sowohl den Sinn von hinaustreiben wie auch den von genau abmessen, vollenden hat. Es wurde im 17. Jahrhundert ins Deutsche entlehnt. Extravaganz Zugrunde liegt das mittellateinische extravagans für ausschweifend, zusammengesetzt aus extra (außerhalb, außer, aus — hinaus, über — hinaus) und vagari (umherschweifen, abschweifen, unstet sein). Daraus wurde das französische Verb extravaguer (abschweifen), wozu extravagant (eigentlich: abschweifend; übertragen: überspannt, närrisch, toll) und das Substantiv extravagance (Überspanntsein, Narrheit, Ausgefallenheit) gehören, die im 18. Jahrhundert ins Deutsche entlehnt wurden.
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F Fachidiot Politisch gemeintes Schimpfwort der linken Studentenbewegung gegen Professoren, die sich auf ihr wissenschaftliches Spezialistentum zurückziehen und nach Auffassung der revolutionär gesinnten Studenten die gesellschaftlichen Relationen der Wissenschaft nicht sehen wollen. Das Wort wurde zum ersten Mal im Wintersemester 1966/67 an der Freien Universität Berlin in Umlauf gebracht. Auf einem Flugblatt hieß es: »Wir müssen uns herumschlagen mit schlechten Arbeitsbedingungen, mit miserablen Vorlesungen, stumpfsinnigen Seminaren und absurden Prüfungsbestimmungen. Wenn wir uns weigern, uns von professoralen Fachidioten zu Fachidioten ausbilden zu lassen, bezahlen wir mit dem Risiko, das Studium ohne Abschluß beenden zu müssen.« Fackeln nicht lange f.: Das althochdeutsche Wort faccala (Fackel) geht auf das lateinische facula (ebenfalls Fackel) zurück. Gegen Ende des Mittelhochdeutschen leitete sich das Verb vacklen ab, das zunächst das unstete Flackern der Flamme ausdrückte und dann die heutige übertragene Bedeutung des unsicheren Schwankens annahm. Goethe zum Beispiel spricht vom vielen Hin- und Herfackeln; heute ist das Wort fast nur noch in der festen Formel nicht lange fackeln gebräuchlich. Fad Das Wort wurde im 18. Jahrhundert aus dem Französischen übernommen, wo fade ähnlich wie jetzt im Deutschen abgeschmackt, geschmacklos bedeutet. Es ist eine Kreuzung aus zwei lateinischen Adjektiven: fatuus (albern, einfältig, nüchtern, taub; albern meinte fade auch noch im Altfranzösischen) und vapidus (verdorben), die zusammen ein nicht belegtes galloromanisches fatidus ergeben haben.
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Faden es hängt an einem (seidenen) Faden, an einem Haar: Angelehnt an die Geschichte von Damokles und das drohend über ihm an einem Pferdehaar hängende Schwert (s. Damoklesschwert), will die Redensart ausdrücken, daß eine Sache in äußerster Gefahr ist, zu mißlingen, weil der eine Faden oder das eine Haar, mit dem sie gleichsam nur mit der Verwirklichung verbunden ist oder die sie allein hält, sehr leicht reißen kann. Fair Fair wurde im 19. Jahrhundert im Rahmen der sich ausbreitenden sportlichen Gedanken in seinen Bedeutungen gerecht, ehrlich, unparteiisch, anständig ins Deutsche übernommen; im Englischen hat das Wort erheblich mehr Bedeutungen. Sie alle gehen zurück auf das angelsächsische faeger, das sowohl schön als auch passend, angenehm bedeutete und verwandt ist mit dem gotischen fagrs (geeignet, fähig). Dazugehörig ist im Deutschen auch das Substantiv Fairneß gebräuchlich (englisch fairness; die Schreibung mit ß ist so unsinnig wie bei Boß oder Streß, wobei hier noch die Frage hinzukommt, warum man glaubt, zwar das doppelte s »eindeutschen« zu müssen, dieser Logik aber zuwiderlaufend das gesprochene ä und i in der fremden Orthographie beläßt). Faktotum Das Wort setzt sich aus dem lateinischen fac (Imperativ zu facere, machen; also mach!) und dem lateinischen totum (alles) zusammen, meint also einen, der alles macht, dem man alles befehlen kann, Mädchen für alles. Fan Aus dem Englischen im 20. Jahrhundert übernommen, weiter verbreitet erst seit den letzten zwanzig Jahren. Fan bedeutet im Englischen einen leidenschaftlichen Liebhaber des Sports, Films, Jazz; das Wort ist eine Abkürzung von fanatic (fanatisch), das auf das lateinische fanaticus zurückgeht (vgl. Fanatiker).
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Fanatiker Im Lateinischen bedeutet fanaticus begeistert, rasend, besessen, im eigentlichen Sinne aber von der Gottheit ergriffen; es gehört zu lateinisch fanum; heiliger Ort, Tempel, Heiligtum. Auch im Deutschen behielt fanatisch lange Zeit nur die Bedeutung der religiösen Schwärmerei. Farbe F. bekennen: Im Kartenspiel gibt es vier Farben, das heißt vier verschiedene Reihen von Karten, die sich freilich schon seit langem nicht nur und auch nicht hauptsächlich durch ihre Farbe unterscheiden, aber nach wie vor so genannt werden (bei den sogenannten französischen Karten heißen sie Kreuz oder Treff, Pik, Herz, Karo, bei den Tarockoder deutschen, auch bayerischen Karten Eichel, Grün oder Gras, Herz oder Rot, Schellen). Farbe bekennen bedeutet, daß Partner wie Gegner gezwungen sind, die gleiche Farbe zuzugeben, auf den Tisch zu legen, die angespielt (als erste ausgespielt) ist, auch wenn das für ihn ungünstig ist. So hat sich die Redewendung im Sinne von ehrlich zugeben, sich ehrlich zu erkennen geben eingebürgert. Farbe heraus mit der F.: ursprünglich eine auf das Kartenspiel bezogene Aufforderung (vgl. Farbe bekennen), mit welcher der andere Spieler den Regeln entsprechend gezwungen wird, die entsprechende Farbe auf den Tisch zu legen, auszuspielen, auch wenn ihm das gerade nicht paßt und wozu er (sich) gleichsam bekennen muß. Faust auf eigene F.: Dem Begriff der Faust wohnt die Vorstellung der zum Schlag oder Stoß, zum Kampf geballten Hand inne. Vor allem bei den Hieb- und Stichwaffen spielte eine kräftige Faust ja eine ausschlaggebende Rolle. Das Schwert zur Faust nehmen ist geradezu der Inbegriff des zum Kampf entschlossenen starken Mannes. So entstand etwa auch die Wendung: eine Sache auf die Faust setzen (Luther: »Joab muß ein Geherzter Kriegsmann gewesen sein, denn er setzts frei auf die Feuste «). Unternimmt jemand etwas auf eigene Faust, zieht er gleichsam sel-
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her, allein, ohne die Unterstützung seiner Genossen aus, um die Sache zu erledigen. Faxen F. machen: Das Verb fickfacken für sich hin und her bewegen ist in den Dialekten vielfach beheimatet. Davon leiteten sich die früher gebräuchlichen mundartlichen Substantive Fickfacker (Betrüger), Fickfackerin (Rankemacherin), Fickfackerei (Betrug) ab, ebenso Fickesfackes (Possen). Von letzterem losgelöst, sagte man auch nur Fackes, das wiederum Faxen (meist nur im Plural gebraucht) ergab. Fechten f. gehen: Fechten (gehen) im Sinne von Betteln geht auf Söldner und Landsknechte früherer Jahrhunderte zurück, die, wenn sie aus dem Heer entlassen worden waren, sich damit durchschlugen, daß sie von Ort zu Ort zogen und ihre Fechtkünste vorführten; dafür erhielten sie dann ein paar Pfennige oder Speis und Trank. Die Erscheinung dieser »Fechtbrüder« (Fechtbruder nennt man noch heute einen Bettler oder Schnorrer) war so häufig, daß fechten identisch wurde mit betteln, schnorren. Feder sich mit fremden F.n schmücken: Nach einer Fabel des Phädrus schmückt sich die Krähe mit den Federn des Pfaus. Als Ende des 17. Jahrhunderts die Türken an der Südostgrenze des Reiches geschlagen waren, bediente sich ein Spottlied des Vergleichs gegenüber dem gallischen Hahn, also gegenüber den Franzosen, die sich das Elsaß angeeignet hatten, mit den Worten: »Wenn man hat die Hund geklopft, kann seyn, daß man Vögel ropft, so dermals ungerochen in fremden Federn pochen.« Federfuchser Zugrunde liegt aller Wahrscheinlichkeit nach das mundartliche Verb fucken, schlüpfen, behende sein, hin und her fahren. Hinzu kam das Verb fuchsen (jemanden) ärgern.
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Federlesen nicht viel F.s machen: Mit Federlesen ist eigentlich gemeint von jemandes Gewand die zufällig angeflogenen daraufbefindlichen Federn ablesen. Im gleichen Sinne sagte man früher auch Federklauben; und beide Wörter hatten als Federleser und Federklauber beschimpfenden Sinn, denn Federlesen und Federklauben wurden als schmeichlerische Handlung aufgefaßt. »Du wilt federlesen, du bist ein Lügner!« heißt es bei Kaysersberg. Das Gegenteil dieser Tätigkeit bedeutet dann, mit jemandem oder mit einer Sache ohne Umstände grob verfahren. Die heute allein gebräuchliche Form nicht viel Federlesens machen ist eine Genitivform (eigentlich: nicht viel des Federlesens), die mittlerweile formelhaft geworden ist. Fehdehandschuh jemandem den F. hinwerfen: Das althochdeutsche gifeh und das mittelhochdeutsche geveeh bedeuteten feindselig; dazu mittelhochdeutsch gevehe und vehede für Feindschaft, Haß, woraus das Wort Fehde wurde. Unter Fehde versteht man vor allem die kriegerische Auseinandersetzung zweier verfeindeter Familien. Ein Zeichen, jemanden die Fehde zu erklären, war es, ihm einen Handschuh hinzuwerfen, womit symbolisch ein Schlag mit der Hand ausgedrückt werden sollte, den die ritterlichen Sitten nicht zuließen. Feld das F. behaupten, räumen: Dem Wort Feld liegt die Bedeutung platt, eben, ausgebreitet zugrunde; so stellt es sich als Gegensatz zu Wald und Gebirge und konnte vor allem die Bedeutung Acker annehmen, auch wird es gerne mit der Vorstellung des Weiten, Freien verbunden. Entsprechend dem lateinischen campus, das sowohl Feld, Ebene als auch Schlachtfeld bedeutet, nahm Feld auch im Deutschen den Sinn von Schlachtfeld an, weil sich der große Aufmarsch der Truppen auf freiem Feld leichter vollziehen läßt als in unübersichtlichem Gelände (von da aus bedeutet Feld schließlich überhaupt Kriegsgebiet). Der Sieger kann das Feld behaupten, der Verlierer muß es räumen.
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Fell seine F.e davonschwimmen sehen: Als noch mit Lohe gegerbt wurde, wurden die Felle (Häute) in das nach Möglichkeit fließende Wasser gehängt, um die Gerbstoffe und restlichen Haare abzulösen. Waren die Felle nicht gut genug festgebunden, schwammen sie unversehens davon. Fell jemandem das F. über die Ohren ziehen: Aus der bäuerlichen Sprache; jemanden bei einem Handel derartig betrügen, daß man ihm auch noch das Fell, nämlich die eigene Haut, wegnimmt, indem man es ihm wie beim Enthäuten eines Tieres den Körper entlang über die Ohren herunterzieht. Fersengeld geben Die erste Erwähnung eines ähnlichen Begriffes findet sich im Sachsenspiegel um 1230, wo davon die Rede ist, daß die Wenden ihre Weiber entlassen dürfen, wenn sie ihrem Herrn drei Schillinge als »Fersenpfennige« bezahlen: »Sie muten irme herren die versne penninge geven, dat sin dri Schillinge.« Es liegt zwar die Vermutung nicht fern, daß damit eine Färse (eine Kuh, die noch nicht gekalbt hat, mittelhochdeutsch verse) gemeint war, der entlassenen Frau also Geld zum Erwerb einer Kuh gegeben werden mußte, doch spricht einiges dafür, daß eher die Ferse am Fuß gemeint war, die man bei der Trennung gleichsam zeigte; schon im 13. Jahrhundert erscheint versengelt geben denn auch für fliehen. Jedenfalls fand sehr rasch die Identifizierung mit Ferse statt, die der Fliehende zeigt, mit der er seinen »Tribut« entrichtet. Fertig f. sein, mit jemandem f. sein, jemanden f. machen: Das Adjektiv fertig gehört eigentlich zu Fahrt und fahren. So bedeuteten althochdeutsch fartig und mittelhochdeutsch vertec zum Aufbruch, zur Fahrt bereit; das Mittelhochdeutsche hatte bereits eine Fülle von Bedeutungen in diesem Sinne ausgebildet: gehen könnend, beweglich, gehend, weggehend, im Gange, in Übung, in Ordnung befindlich, geschickt, gewandt, tauglich. Auch noch im Frühneuhochdeutschen meinte fertig fahrtbe-
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reit, bereit, rüstig, geläufig, geschickt; fertigen hatte den Sinn: zur Fahrt bereitmachen, expedieren, bereit halten, entlassen, verabschieden. Aus Zusammensetzungen wie bußfertig oder dienstfertig (die eigentlich die Bereitschaft dazu zu erkennen geben) ist dieser alte Sinn von fertig noch ersichtlich. Aus der Vorstellung des Bereitseins entwickelte sich dann die des Vollendetseins im heutigen Sinne von fertig. Fertig kann so auch bedeuten, daß jemand mit seinen Kräften am Ende ist (umgangssprachlich: er ist fertig) oder daß man jemanden seiner Kräfte entblößt (derbe Umgangssprache: man hat ihn fertiggemacht) oder daß man die Beziehungen zu jemandem als beendet betrachtet (man ist mit ihm fertig). Fesch Englische Mode und Lebensart galten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachahmenswert; das englische Adjektiv fashionable (modisch, modern, elegant) fand Eingang in die deutsche Umgangssprache. Im Wienerischen wurde fashionable dann (der Aussprache entsprechend) zu fesch abgekürzt. Fetisch Im Portugiesischen bedeutet feitico Zauber, Amulett; es leitet sich vom lateinischen facticius (künstlich gemacht, nachgemacht, facticium, Machwerk) ab. Mit feitico bezeichneten die portugiesischen Seefahrer im 15. und 16. Jahrhundert zuerst eine Art Holzfiguren der westafrikanischen Eingeborenen, die als krafthaltig galten oder als Sitz eines Geistes betrachtet wurden; der Fetischglaube findet sich auch bei anderen Naturvölkern. Das Wort glich sich dann im Deutschen des 18. Jahrhunderts der französischen Form (fetiche) an, obwohl es schon vorher bekannt war. Den sexualpathologischen Begriff Fetischismus gebrauchte in Anlehnung an die dem Fetisch angeblich innewohnende Kraft 1877 der französische Psychologe Alfred Binet zuerst. Fett sein F. weghaben, sein F. kriegen: Beide Redewendungen meinen, daß jemand einen Tadel, eine Strafe oder Prügel bekommen hat oder bekommt. Dabei wird Fett im übertragenen Sinn ironisch als eine Gabe empfunden, so wie jemand Fett (Butter, Schmalz, vom Geschlachteten)
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als Entlohnung oder Geschenk erhält. Vor allem auf dem Lande ist es noch heute üblich, daß jemand mit Naturalien wie Fett beschenkt, für eine kleine Dienstleistung auch entlohnt wird. Die Wendung sein Fett kriegen ist verhältnismäßig alt; schon Goethes Mutter äußerte: »Göschen ist ein Lumpenhund . . . Aber er soll sein Fett kriegen, ich habe eine Epistel an Ort und Stelle geschickt und mich gegen dieses unmusterhafte Betragen höchlich beschwert.« Fettnäpfchen (bei jemandem) ins F. treten: In Bauernhäusern stand früher nahe der Tür ein Näpfchen mit Fett. Beim Betreten des Hauses wurde nasses Schuhzeug mit Fett eingeschmiert, damit das Leder nicht hart wurde. Trat nun jemand aus Versehen in diesen Napf (oder warf ihn um), machte er sich bei der Bäuerin verständlicherweise unbeliebt. Feuertaufe In der Bibel (Matthäusevangelium 3) wird berichtet, daß Johannes in der Wüste des jüdischen Landes am Jordan Buße predigte und die Menschen taufte. Dabei sagte er: »Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker denn ich, dem ich auch nicht genugsam bin, seine Schuhe zu tragen; der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.« So verstand man im 18. Jahrhundert unter Feuertaufe die Taufe mit dem Heiligen Geist (»Feuertaufe des Heiligen Geistes«). Später übertrug man den Begriff auf das Militärische und meinte damit das erste Gefecht eines Soldaten, und von da übertrug sich das Wort dann auf die verschiedensten Situationen, in denen sich jemand zum erstenmal zu bewähren hat. FF eine Sache aus dem ff verstehen: Ein Teil des Corpus Juris, der Rechtssammlung Kaiser Justinians aus dem 6. Jahrhundert, hieß die Pandekten oder Digesten; er enthält das alte Juristenrecht. Digesten wurde abgekürzt mit einem D geschrieben, das durchgestrichen war und deshalb so ähnlich wie zwei f aussah. Wer sich in den Digesten gut auskannte, verstand gleichsam eine Sache »aus dem ff«. Mit dem Ausdruck »ff Fleischwaren« etc. hat das nur scheinbar etwas zu tun. In der Handels-
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Sprache wurde es Usus, das Wort fein abgekürzt nur f zu schreiben; analog zu Bezeichnungen in der Musik (p für piano, leise, pp für pianissimo, sehr leise) schrieb man dann für »sehr fein« ff. Filibuster Im politischen Sprachgebrauch bedeutet Filibuster (mit dem Verb filibustern) eine Art Obstruktion im Parlament und auch den Abgeordneten, der diese ausübt; das Wort wurde in diesem Sinn in den Parlamenten angelsächsischer Länder gebräuchlich. Da nicht abgestimmt werden kann, solange Wortmeldungen vorliegen, und da die Redezeit nicht begrenzt ist, kann durch endlos lange Reden und immer neue Wortmeldungen — Filibuster(n) genannt - eine Abstimmung verzögert oder gar verhindert werden, gegebenenfalls auch durch eine Minderheit. Diese Verschleppungstaktik wird zwar als legale, aber ziemlich unfaire Übung aufgefaßt und wurde deshalb mit einem Namen belegt, der eigentlich Freibeuterei bedeutet. Filibuster lehnt sich an das spanische filibustero an, das vom französischen flibustier gebildet wurde; so nannte man im 17. Jahrhundert die westindischen Seeräuber. Es geht auf das niederländische vrijbuiter (frij, frei; buit, Beute) zurück, das identisch ist mit dem deutschen Freibeuter. Filz Schon im Mittelhochdeutschen bedeutete vilz nicht nur den Stoff, sondern wurde auch auf den angewandt, der die aus Filz gefertigte einfache, häufig bäuerliche Kleidung trug; so verstand man unter vilz einen groben oder geizigen Menschen, vilzgebure nannte man einen groben Bauern, auch vilzhuot (Filzhut) diente als Schelte. Genauso meinte im Frühneuhochdeutschen filz einen Menschen, der in Loden gekleidet ist wie die Bauern und daneben einen Tölpel und Geizhals; filzig bedeutete bäuerisch, geizig. Die Bedeutungsübertragung ist hier noch offensichtlich: der (in Filz gekleidete) Bauer galt einmal als grob, zum ändern als geizig. So hat sich Filz im Sinne von Geizhals bis heute erhalten. Filzen Irn Sinne von durchsuchen wurde filzen in der Gaunersprache entwikkelt. Hier heißt der Kamm Filtzer, angelehnt an die Bezeichnung Filz - 85 -
für Haar (eigentlich verworrenes, verfilztes Haar), und filzen war also zunächst auskämmen, durchkämmen; das aber gibt die unmittelbare Assoziation zu durchsuchen, zunächst noch im konkreten Sinne die Kleidung auf Ungeziefer durchsuchen, dann übertragen auf die Untersuchung durch die Polizei. Finger sich etwas aus den F.n saugen: Die Geste allein schon könnte die Entstehung dieser Redensart bewirkt haben, denn der Nachdenkende steckt oft die Spitze eines Fingers in den Mund oder legt ihn an die Lippen. Nach altem Volksglauben hatten die Finger gewisse magische Kräfte (vgl. Daumen, jemandem den D. halten) und auch die der Mitteilungsgabe, eine Vorstellung, die freilich durch die reine Geste erst entstanden sein kann. Wenn etwas nach purer Erfindung oder Unwahrheit klingt, sagt man deshalb auch in einem etwas umgekehrten Sinn, das habe sich jemand aus den Fingern gesogen. In diesen Bereich fällt auch die scherzhaft abergläubische Meinung, daß das Jucken der Hand eine Bedeutung haben könne, etwa wenn die linke Hand jucke, daß man Geld zu bezahlen habe, wenn es die rechte tue, daß man Geld zu erwarten habe. Und in Shakespeares »Macbeth« meinte die dritte Hexe: »Juckend sagt mein Daumen mir: Etwas Böses naht sich hier!« Fingieren s. Finte. Finte Das lateinische Verb fingere (ersinnen, erdichten, verstellen, fälschlich vorgeben) liegt dem italienischen finta für Verstellung, Finte zugrunde; im 16. Jahrhundert wurde finta, zunächst als Ausdruck beim Fechten, ins Deutsche übernommen. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde das Verb fingieren unmittelbar aus dem Lateinischen entlehnt. Firlefanz Aller Wahrscheinlichkeit liegt das altfranzösische virelai zugrunde, das Ringellied bedeutete (virer, sich drehen). Firlei, vierlei und firlefel sind
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dann auch bereits im Mittelhochdeutschen vorhanden und meinen eine Art Tanz; ebenso findet sich firli-fanz im gleichen Sinne. Im Frühneuhochdeutschen wird firlefenzen schon allgemein als Possen treiben verstanden. Fisch gesund wie der (ein) F. im Wasser: Im Gegensatz zu eigentlich allen anderen größeren Tieren, die dem Menschen aus dem Alltag vertraut sind, sieht man im allgemeinen niemals einen kranken Fisch; er wird von den Wasserbewohnern gefressen oder verschwindet sonstwie. Hinzu kommt, daß der Fisch nur selten im Ruhezustand beobachtet wird, also den Eindruck großer Lebenskraft macht. Aus solchen Beobachtungen bildete sich schon früh in der Sprache die Redensart: heraus gesund, wohl wie ein Fisch im Wasser sein. Fisimatenten Das Wort ist seit ungefähr 1500 belegt, vor allem aber seit dem 19. Jahrhundert in Gebrauch, wiewohl es früher kaum literarische Verwendung fand und auch heute noch als minderwertiges Wort der Umgangssprache empfunden wird. Über seine Herkunft gibt es eine ganze Reihe von Deutungen, von denen freilich manche keinen Anspruch auf Gültigkeit haben (wie zum Beispiel die Ableitung vom französischen [je] visite ma tante oder visiter ma tante, ich besuche meine Tante, als Ausrede). Ernsthafterer Betrachtung halten stand: eine Ableitung aus dem italienischen fisima (Laune, Einbildung) oder vistamente (schnell), letzteres als Ausruf von Gauklern verstanden. Unter Hinweis, daß im 16. Jahrhundert auch die Form visipatentes für Albernheit belegt ist, läßt sich vor allem an visae patentes (literae) oder visa patentia für ein ordnungsgemäß ausgefertigtes Patent, ein öffentliches Empfehlungsschreiben, das Marktschreiber benötigten, denken, das dann einen allgemeineren und schlechteren Sinn angenommen hat. Auch ist an das mittelhochdeutsche visament(e), visimente zu denken, das eigentlich Gesicht, Physiognomie, aber auch Beschreibung eines Wappens bedeutet, wobei dann visament in bezug auf Wappen unverständlichen Zierat meinte. Es kann angenommen werden, daß vielleicht mehrere Wörter dieser Art sich vermischt haben, gegebenenfalls auch noch unter Anlehnung an einen Ausdruck wie das frühneuhoch-
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deutsche visigunk (Sonderling), das wohl mit fisel (Scherz) zusammenhängt. Fix Zugrunde liegt das lateinische Adjektiv fixus (fest, bleibend, unabänderlich; in diesem Sinn ist das Wort in Fixstern enthalten, von dem man früher glaubte, daß er sich nicht bewege). Die Alchimisten des 16. Jahrhunderts entlehnten davon fix und gebrauchten es für den festen Aggregatzustand. In dem Verb fixieren (etwas festlegen) ist diese eine Bedeutung von fix noch erhalten. Aus der Vorstellung des Festen, Beständigen entwickelte sich die Vorstellung zu Geschicktem und führte zu der Bedeutung rasch. Die Formel fix und fertig (eigentlich fest, befestigt und fertig) trug dazu bei, fix den Sinn des Raschen zu geben, weil sie ausdrücken will, daß man etwas (schon) erledigt hat. Flausen F. im Kopf haben, F. machen: Ebenso wie Flausch bedeutet auch die Nebenform Flaus ein Büschel Wolle, dazu auch wollener Rock (Flauschrock). Es gehört zu mittelhochdeutsch vlius, vlus, vlies für Schaffell (das Goldene Vlies ist in der griechischen Sage das Fell des goldenen Widders, das die Argonauten zurückholen sollten). Flausen sind kleine Wollflocken, die leicht in der Luft herumfliegen. Wer sie im Kopf hat, hat nichts Gescheites im Sinn, wer sie macht, macht Unsinn. Flegel Das lateinische flagellum (zunächst Peitsche, Geißel, dann Dreschflegel) wurde bereits vom Althochdeutschen als f legil übernommen, was ebenfalls Dreschflegel bedeutete. Als Flegel bezeichnete man dann im Frühneuhochdeutschen auch den Bauern selber (der mit dem Dreschflegel arbeitet), und von da nahm das Wort dann den allgemeinen Sinn eines ungebildeten, rüpelhaften Menschen an.
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Flinte die F. ins Korn werfen: Dieser Ausdruck der Mutlosigkeit und Resignation bezieht sich darauf, daß Soldaten, die nach einer Niederlage in der Schlacht nicht mehr kämpfen wollten, ihre Flinten ins Korn (das heißt ins Getreidefeld) warfen, weil sie nur noch an Flucht dachten. Flirt Aus dem Englischen. Das Verbum to flirt bedeutet schnellen, springen und kokettieren, liebeln. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelangte das Wort ins Deutsche. Es geht auf das französische fleureter (mit Blumen verzieren) zurück, das heute noch schöntun bedeutet. Das Französische übernahm freilich wie das Deutsche in jüngerer Zeit wiederum das englische flirt (flirter). Flitterwochen Im frühen Neuhochdeutschen bedeutete flittern neben der heutigen Bedeutung auch lachen (gevlitter: heimliches, unterdrücktes Gelächter) und ebenso liebkosen, schmeicheln. Dieser Sinn klingt in Flitterwochen noch an, so wie er sich auch aus dem älteren bairischen Wort Kuderwoche entnehmen läßt (kudern: anhaltend lachen, unterdrückt lachen). Floskel Das lateinische flosculus bedeutet Blümlein und ist die Verkleinerung von flos (Blume). Hoskel, das gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Deutschen gebräuchlich wurde, heißt also eigentlich Blümlein, wird aber nur als Wortblume, blumenreiche Ausdrucksweise verstanden. Früher war die Bedeutung nicht ganz so eingeschränkt, zum Beispiel war von seidenen Floskeln die Rede, doch konnte sich dieser Sinn nicht halten. Flötengehen Die Herkunft des Ausdrucks ist noch nicht geklärt, doch spricht einiges dafür, daß es genauso wie Pleite (s. d.) auf das hebräische peleta (Rettung, Entrinnen) zurückgeht, und zwar dürfte es von den Sephardim
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(den spanisch-portugiesischen Juden) aus ins Niederländische und von da ins Niederdeutsche gelangt sein. In Hamburg ist aus dem Jahre 1755 die Redensart dat Geld ist fleuten gähn überliefert, die wohl Kaufmannskreisen entstammt. Föhn Die alten Griechen nannten den milden, warmen Westwind zephyros, die Römer sagten ventus favonius (ventus, Wind) oder nur favonius dazu; letzteres ergab das deutsche Föhn. Favonius leitet sich von fovere (warm halten, erwärmen) ab. Seine vulgärlateinische Form faonius wurde schon vom Germanischen übernommen, doch ins Hochdeutsche drang es aus dem Schweizerischen erst im 16. Jahrhundert ein. Der Föhn ist zwar ein Südwind, da er aber ähnlich wärmende Wirkung hat wie der mittelmeerische Westwind, konnte das Wort ohne weiteres auf ihn angewandt werden. Freilich verstand man lange Zeit darunter nur den stürmischen Wind selber und nicht oder kaum die durch diesen Südwind hervorgerufenen Erscheinungen, die heute vor allem sensibleren Leuten in Alpennähe zu schaffen machen. In einem Zeitungsbericht aus den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts findet sich eine eindrucksvolle Schilderung des Naturereignisses: »Es war der Föhn, der am heißen Sonntag (18. Juli 1841) übermeinem Kopf toste in den Fichten des Perlacherwaldes, am Bodensee haushohe Wellen weit ins Land hinaus wälzte, doch die 500 Lustfahrer des Dampfers Ludwig mit Todesängsten abkommen ließ. Nachrichten aus Italien von demselben Tage sollen zeigen, ob dieser Föhn eine Fortsetzung des Scirocco sey. An demselben Tage hatte man in Wien 29, in Berlin 28 Grad R. (Reaumur) im Schatten. In Coblenz wurde die Schiffbrücke fortgerissen. In Paris Südoststurm mit Blitz und Donner, der Bäume ausriß und Felder nieder blies. In Gundelfingen wurden drey bedeutende, von Süd nach Nord gehende Erdstöße wahrgenommen; in Murten die 365 Jahre alte Sieges-Linde umgerissen.« Wie sich herausstellte, war tags zuvor starker Schirokko in Italien. Fraktur mit jemandem F. reden: Fraktur meint die Frakturschrift, oft auch deutsche Schrift genannt, die deshalb so heißt, weil ihre Buchstaben »gebrochen« aussehen im Gegensatz zur runden lateinischen Schrift,
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der Antiqua (das Wort Fraktur leitet sich von lateinisch fractura für Bruch ab). Die Redensart ist seit dem 17. Jahrhundert gebräuchlich und meint wohl, mit jemandem so eckig reden, wie die Frakturschrift ausschaut (wobei eckig dann als derb oder gerade verstanden worden wäre). Französisch sich auf f. empfehlen: Die unhöfliche Handlung, sich ohne Verabschiedung zu entfernen (die Wendung kann auch flüchten bedeuten im Sinne von sich heimlich davonmachen), hat keine Herleitung von irgendeiner Eigenart der Franzosen. Der Volksmund liebt es nur, negative Handlungen oder Dinge Nachbarvölkern anzuhängen. Analog sagt man auch im Englischen French leave. Übrigens schieben auch die volkstümlichen Namen für die Syphilis in vielen Sprachen die Herkunft dieser Krankheit jeweils einem verachteten Nachbarvolk in die Schuhe (wenngleich das zum Teil identisch ist mit dem Weg, den diese Krankheit gemacht hat): Die Franzosen sprechen (oder sprachen) von neapolitanischer oder sizilianischer Krankheit, daneben auch von spanischem oder persischem Feuer. Die Italiener dagegen reden von französischer Krankheit, ebenso die Spanier mit dem Ausdruck mal galico (gallische Krankheit), die Engländer (French pox; daneben auch noch spanische und neapolitanische Pocken), die Portugiesen, die Deutschen (neben französisch war auch welsch und neapolitanisch in Gebrauch), die Ungarn und die Russen. Bei den Russen iieißt die Syphilis auch noch polnische oder kalmückische Krankheit; bei den Esten wiederum hieß es das russische Übel. Die Araber gaben der Krankheit das Beiwort christlich, die Perser türkisch. Frechdachs Eigentlich kann man vom Dachs nicht behaupten, daß er im Vergleich zu anderen einheimischen Wildtieren besonders frech sei. Man bescheinigt ihm sogar eine gewisse Furchtsamkeit und auch Plumpheit. Andererseits ist er freilich sehr mißtrauisch und setzt sich gegen die Hunde sehr heftig und mutig zur Wehr, was man ihm auch als tückisch und bösartig auslegt. So war seine Klugheit schon bei den Dichtern des 13. Jahrhunderts sprichwörtlich (»kündic wie ein dahs«; kündic meint erfahren). Seine heftige Gegenwehr, verbunden mit seinem mißtraui-
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sehen Einzelgängertum, und vielleicht auch sein verhältnismäßig selteneres Auftreten (das zum Interesse an ihm beitrug) ließen ihn für das Scheltwort Frechdachs geeignet erscheinen. Freibrief (k)einen F. auf etwas haben: Freibrief nennt man eine Urkunde, durch die gewisse Freiheiten zugesichert werden, etwa eine Befreiung von Lasten, oder auch freies Geleit. Der Begriff wird auch übertragen gebraucht. Frivol Das lateinische Adjektiv frivolus bedeutete wertlos, unbedeutend, armselig (dazu friare, zerreiben). In den romanischen Sprachen (französisch frivole, italienisch und spanisch frivolo) nahm es über unbedeutend, nichtig die Bedeutung von leichtfertig an und wurde im 18. Jahrhundert für leichtfertig und in seiner weiteren Ausprägung zu schlüpfrig aus dem Französischen ins Deutsche entlehnt. Früchte an ihren F.n sollt ihr sie erkennen: Das Zitat steht so wörtlich im Mathäusevangelium. Nachdem am Schluß der Bergpredigt vor den falschen Propheten in Schafskleidern, die inwendig aber reißende Wölfe sind, gewarnt worden ist (vgl. Wolf im Schafspelz), fährt der Text fort: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln? Also ein jeglicher guter Baum bringt gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt arge Früchte. Ein guter Baum kann nicht arge Früchte bringen, und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen« (7, 16-18). Frustration, frustrieren Zugrunde liegt das lateinische frustratio (Täuschung, Hinhalten, Verzögerung), dazu frustrare oder frustrari (täuschen, hintergehen, foppen, vereiteln, betrügen). Bis vor wenigen Jahren war Frustration nur ein wissenschaftlicher und weiter kaum bekannter Ausdruck, im Sinne Freuds die Versagung einer Triebbefriedigung durch äußere Einwir-
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kung meinend. Nach psychologischer Erkenntnis kann solche Frustration zu psychischen Schwierigkeiten mit Komplexen und Konflikten als Folge führen. Seit etwa einem Jahrzehnt ist Frustration (dazu frustrieren, frustriert) indessen zu einem Modewort ersten Ranges geworden, mit dem jedes unangenehme Erlebnis, das eine gewisse Enttäuschung gebracht hat, erklärt wird, gleichsam als ob erzieherisches Fehlverhalten, widrige gesellschaftliche Kräfte und ähnliches die Triebhemmung verursacht hätten. Fuchtel Eine Ableitung von fechten (wovon eine mittelhochdeutsche Vergangenheitsform vuhten lautete). Man bezeichnete damit ursprünglich einen Degen mit breiter Klinge zu flachem Schlagen, auch Schlagdegen, Raufdegen genannt. Mit dem unscharfen Fechtdegen konnte man umso kräftigere Hiebe austeilen. Über die Vorstellung der soldatisch strengen Zucht (in das Bild fügt sich auch der strafende Schlag mit der flachen Klinge), daß man gleichsam immer unter dieser drohenden Fuchtel stehe, entwickelte sich die heutige Bedeutung. Von Fuchtel abgeleitet ist das Verb fuchteln, eigentlich mit der Fuchtel hin- und herfahren, was einen weiteren Schluß auf die allzeit hiebbereite Fuchtel zuläßt. Fug mit F. und Recht: Der ursprüngliche Sinn des Verbs fügen war vermutlich: passend verbinden; das althochdeutsche Verb fuogen meinte dann fügen, verbinden, zusammenfügen, zugehören; dazu ist im Mittelhochdeutschen das Substantiv vuoc (Schicklichkeit) belegt. Zu der Bedeutung »das, was paßt« stellt sich »das, was gebührt« und die gebührliche, zukommende Freiheit zu einer Handlung, die begründete Zuständigkeit. Häufige Verwendung fand so die Verbindung Fug haben. Zum Beispiel heißt es bei Melanchthon: »So doch die bawrschaft vil begert, das sie nicht fug hat«; später bei Opitz: »Ein reicher Sinn und gabenreicher Geist, dem obenab der gute Fug verliehen, des Herren Lob in Reimen hoch zu ziehen.« In Verbindung mit anderen Substantiven findet sich »Fug und Macht zu etwas haben« und dann am häufigsten »Fug und Recht«, zumindest seit dem 16. Jahrhundert, das freilich bereits tautologischen Charakter hat. Heute wird Fug in aller Regel nur noch in dieser formelhaften Wendung gebraucht; es findet sich ferner in be-
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fugt, Befugnis, füglich und natürlich in Unfug, dem Gegenteil von Fug, das, anders als Fug, keine Einschränkung erfahren hat. fünf f. gerade sein lassen: s. Gerade, fünf g. sein lassen. Fünfte Kolonne Als im spanischen Bürgerkrieg Francos Truppen in vier »Kolonnen« auf das noch von Republikanern gehaltene Madrid marschierten, sprach der Franco-General Mola über den Rundfunk von fünf Kolonnen, den vier, die die Hauptstadt belagerten, und einer fünften, die sich in der Stadt befinde. Er meinte damit Francos Anhänger in der belagerten Stadt. Der Ausdruck bürgerte sich rasch für eine Gruppe von Leuten ein, die den Feind unterstützen. Furie wie von F.n gejagt: In der griechischen Mythologie waren als Rachegöttinnen die Erinyen gefürchtet, die mitleidlos jeden Frevel bestraften (der Muttermörder Orestes wurde von ihnen zum Beispiel in den Wahnsinn getrieben). Der lateinische Name der Erinyen war Furien (furere bedeutet wüten, rasen, das dazugehörige furia Wut, Raserei). Übrigens wurde früher Furie ohne Anlehnung an die Rachegöttinnen auch für Wut oder Raserei gebraucht (Simplicissimus: »Etliche wollen sie gleich in der ersten Furi todt schießen«). Fuß mit jemandem auf gutem F. stehen: Fuß wird in dieser und vergleichbaren Redewendungen gleichsam als die Basis aufgefaßt, auf der etwas steht. So läßt sich auch in noch stärkerer Abstrahierung sagen mit jemandem auf vertrautem Fuß stehen oder mit jemandem auf dem Duzfuß stehen. Analog zum Duzfuß wurde auch die Wendung mit jemandem auf dem Kriegsfuß stehen gebildet.
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Futsch Das Wort ist in erster Linie wohl lautmalerisch, ein Geräusch bezeichnend, mit dem etwas in großer Geschwindigkeit vorbeihuscht, verschwindet. Es stellt sich freilich auch zu einem Verb futschen für hin und her rutschen (so in der Mundart von Glarus); auch flutschen im Sinne von rasch dahingleiten wird in der Umgangssprache gebraucht. Pseudofremdsprachliche Hinzufügungen wie futschikato sind nur scherzhaft entstanden.
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G Galgenfrist wörtlich und ursprünglich der kurze Aufschub, der einem zum Galgen Verurteilten vor der Hinrichtung gnadenhalber gewährt wurde, auch etwa, um noch eine Sache regeln zu können. Der Ausdruck wurde schon sehr früh im übertragenen Sinn gebraucht. Galgenvogel Gemeint ist eigentlich der Rabe, der den Gehenkten am Galgen umkreist und frißt; davon fand Übertragung auf einen Menschen statt, der für den Galgen reif ist (man nennt in manchen Dialekten und auch in der Umgangssprache einen Menschen, der sich durch lockere Sitten und Unbekümmertheit hervortut, auch einfach Vogel, wohl wegen der ungebundenen Art, die die Vögel zeigen). Genauso kamen die gleiches bedeutenden Ausdrücke Galgenaas, Galgenbraten (analog zu Teufelsbraten für einen Menschen, der so durchtrieben ist, daß er dem Teufel als Braten dienen könnte), Galgenbube, Galgendieb (so diebisch, daß er für den Galgen reif ist), Galgenfrüchtlein, Galgengelichter, Galgengesindel, Galgenschelm, Galgenschwengel (weil er am Galgen wie ein Glockenschwengel baumelt), Galgenstrick (der Strick zum Aufknüpfen wird auf den Menschen übertragen) zustande. Gang und gäbe Gänge ist ein Adjektiv, das sich zu dem althochdeutschen Verb gangan (gehen, schreiten) gebildet hat und schon zu dieser Zeit als genge den Sinn von gebräuchlich hatte. Ebenso ist gäbe (mittelhochdeutsch gaebe für annehmbar, willkommen) Adjektiv zu geben. Heute werden beide Wörter nur noch in dieser formelhaften Verbindung gebraucht.
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Gängelband Das Verb gängeln gehört zu Gang und ist eine Bildung zu dem heute nicht mehr gebräuchlichen Verb gengen (mittelhochdeutsch für gehen machen, losgehen). Das Gängelband ist eigentlich ein Band, an dem ein Kind gehen lernt (Lessing: »Bis an das Gängelband, bis an die Ammenbrust ist, was er litt und tat, ihm alles noch bewußt«). Garaus jemandem den G. machen: Die ursprüngliche Bedeutung von gar (garo) im Althochdeutschen war bereit, fertig; schon im Mittelhochdeutschen bedeutete gar als Adverb gänzlich, völlig, und so hieß es im Frühneuhochdeutschen ganz, völlig, alles, so wie es auch der adverbialen Verwendung in der Gegenwart (ganz, sehr, vollends) entspricht und sich auch in der Wendung »ganz und gar« erhalten hat. Aus dem Frühneuhochdeutschen ist nun schon der garaus überliefert für Untergang, Geläut bei Sonnenauf- und -Untergang, ebenso wie die Redewendungen einem den garaus singen (mit ihm ein Ende machen), ein garaus machen mit jemandem (ihn zugrunde richten). Das Wort bildete sich aus gar in seinen entsprechenden Bedeutungen und aus im Sinne von zu Ende. Der Garaus ist nichts anderes als die Substantivierung des Ausrufes »gar aus!«, unterstützt von dem häufigen Gebrauch von »gar aus« im Sinne von ganz zu Ende, ganz fertig (Luther: »Als sollte der Jüngste Tag ehe daher brechen, denn wir die Heilige Schrift gar aus verdeutschen könnten«). Dieser Ausruf ist besonders überliefert aus Nürnberg und Regensburg, wo zumindest seit Ende des 15. Jahrhunderts mit dem »Garaus«, dem Glockenschlag, der das Ende des Tages ankündigte, die Tore geschlossen werden mußten, aber auch die Wirtschaften, womit sich auch die Assoziation zum endgültigen Austrinken ergab. In der Volkssprache entwickelte sich schon sehr früh die heutige Redewendung im Sinne von jemandem ein Ende machen; so heißt es bei Hans Sachs: »Wenn man die garaußglocken leut, dann muß ichs zalen mit der heut.« Gardinenpredigt Als »Predigt« wurde das vorwurfsvolle Schimpfen von Ehefrauen natürlich schon sehr früh spöttisch-treffend bezeichnet, wie überhaupt
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predigen, entlehnt aus dem kirchenlateinischen predicare (lateinisch praedicare, bekannt machen, ankündigen), neben dem kirchlichen Sinn dann übertragen in der Art eines Predigers etwas vorbringen, ermahnen, schelten bedeutet. Mit Gardine ist der Bettvorhang gemeint, aus dem heraus die Frau ihrem Mann predigt, etwa wenn er zu spät nach Hause kommt. Das plastische Bild wurde auch im Englischen zu dem Ausdruck uartain lecture geprägt. Garn jemandem ins G. gehen, jemanden ins G. locken: da die Netze der Vogelsteller und Fischer aus Garn geflochten sind, steht Garn auch gern allein für dieses Netz. Jemandem ins Garn gehen meint übertragen: in sein Netz gehen, sich von ihm fangen lassen (Schiller: »Ist was ins Garn gelaufen?«). Gau jemandem ins G. gehen: Gau ist die oberdeutsche Form von Gau, mit Ausnahme von geographischen Namen wie Allgäu oder Gäuboden (in Niederbayern) heute in die Mundart abgedrängt. Es hat schon früh den Sinn von Bezirk, Landschaft, Gegend, Gebiet angenommen, und dieser Sinn wurde räumlich reduziert bis auf den Rechtsbereich eines einzelnen Hofes, übertragen bedeutete er dann auch den Wirkungsbereich eines einzelnen Menschen (der Metzger zum Beispiel kaufte das Schlachtvieh früher in - seinem — Gau; vgl. Metzgergang). Jemandem ins Gau gehen meint also, jemandem in dem Bereich, den dieser als seinen eigenen betrachtet, konkurrierend nahetreten, auch einem ins Gehege kommen (s. d.). Gaudi Im Lateinischen bedeutet gaudium Freude, Genuß. Zwar entsprach es auch der Sprache der humanistisch Gebildeten, von einem gaudium zu reden, doch wurde gaudium dabei weiterhin als Fremdwort empfunden. Durch die Kirchensprache drang es indessen auch in die Volkssprache des Oberdeutschen ein und prägte sich in der verkürzten Form als Begriff für ein lustiges, spaßiges, auch derb-lustiges Geschehen aus. Erst in jüngerer Zeit wurde das Wort so auch in die allgemeinere
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Umgangssprache übernommen. Geht man von der Tatsache aus, daß Gaudi im Oberdeutschen schon lang als Femininum gebraucht wurde, ist dieses Geschlecht dem Neutrum vorzuziehen, wiewohl gaudium im Lateinischen Neutrum ist. Gaul einem geschenkten G. schaut man nicht ins Maul: Das Alter und damit den Wert eines Pferdes kann man am besten an den Zähnen erkennen (vgl. jemandem auf den Zahn fühlen). Wenn man einen Gaul geschenkt bekommt, prüft man nicht seinen Wert, und so macht man das mit keinem Geschenk. Gauner Aus dem Frühneuhochdeutschen sind die Wörter jonen (spielen) und joner (Spieler) überliefert, dem Rotwelsch zugehörig, die bald, außerhalb des Rotwelschen, die allgemeinere Bedeutung betrügen, Betrüger annahmen. Die Vermutung dürfte zutreffen, daß dieses jonen auf das jiddische Wort jowen zurückgeht, das Grieche bedeutete; die Griechen waren als betrügerische Spieler bekannt. Geck Das Wort ist niederdeutscher Herkunft; das entsprechende oberdeutsche Wort ist gagg, gaggel, gogg. Seine eigentliche Bedeutung ist Narr (so wie bairisch gacks sein närrisch sein bedeutete). Ende des 14. Jahrhunderts wurden die Hofnarren in Köln und Lüttich gecke genannt; einem ein gecken stechen bedeutete im Frühneuhochdeutschen ihm zum Hohn mit dem Zeigefinger auf die eigene Stirn weisen. Zum Substantiv prägte sich das gleichlautende Adjektiv geck, über den Dialekt hinaus aus dem kölnischen Gebiet als jeck bekannt (Jecken nennen sich die Karnevalsnarren). Gefeit g. gegen etwas sein: Im Mittelhochdeutschen bedeutete feie, fei und feine Fee, zurückgehend auf das vulgärlateinische fata (Schicksalsgöttin), das aus fatua (Weissagerin) entstanden ist. Dazu gehört das Verb
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feinen (nach Art der Feen begaben oder bezaubern, fest machen), das in jüngerer Zeit als feien gebraucht wurde. Davon ist gefeit das Partizip, das heute allein gebräuchlich ist. Gefressen jemanden g. haben: Man sagt von jemandem, den man nicht leiden kann, man könne ihn nicht fressen; er sei so widerlich, daß man ihn nicht einmal wie ein Tier seine Beute fressen könne. An diese Vorstellung lehnt sich wohl die genauso vulgäre Wendung jemanden gefressen haben an, vermutlich mit der Konsequenz, obwohl man ihn eigentlich nicht fressen könne, habe man das doch getan, und nun liege er einem so im Magen, daß man um so mehr spüre, wie wenig ihn man eigentlich fressen könne. Geharnischt s. Harnisch. Gehege jemandem ins G. kommen: Gehege, zu Hag gehörend, ist zunächst eine Einfriedigung, Umzäunung und meint dann auch das eingefriedete Gebiet. Übertragen bedeutet es auch das Gebiet, das jemand als sein eigenes betrachtet, in dem er zu gebieten hat. Kommt man ihm ins Gehege, greift man gleichsam unberechtigt in seine Sachen ein. Geheuer jemandem ist nicht ganz g.: Im Mittelhochdeutschen, wo geheuer die Form gehiure hatte und am häufigsten gebraucht wurde, bedeutete es lieblich, angenehm, nichts Unheimliches an sich habend. In der späteren Sprache verloren sich die meisten Bedeutungen wieder, bis die heute allein übliche Verwendung in der Redewendung übrigblieb. Geheuer geht zurück auf ein indogermanisches kei, dem der Sinn von liegen innewohnt, woraus sich über den Begriff des Lagers die Vorstellung der Heimstätte entwickelte. Germanische Sprachen leiteten davon Adjektive ab, die sich auf die Vertrautheit und Behaglichkeit einer Heimstätte beziehen, so wie sich das in dem mittelhochdeutschen Wort spiegelt.
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Wenn es einem nicht geheuer ist, ist es einem also unheimelig, unheimlich. Daneben findet sich geheuer noch in dem Substantiv Ungeheuer, entsprechend der Bedeutung zahm, die geheuer ebenfalls innewohnte (di thyr geheur unt wild) und die durch die Vorsilbe un verneint wird. Geizhals, Geizkragen Im Mittelhochdeutschen bedeutete giten oder gitesen gierig sein, habgierig sein, geizen; dazu gehörte das Substantiv git(e) für Gierigkeit, Habgier, Geiz (althochdeutsch gitegi stand für Gier der Kehle). Daraus entwickelten sich Geiz und geizen; im Frühneuhochdeutschen meinte geizen noch gierig trachten nach, nichts geben, geizig bedeutete gierig; daneben standen geit für Gier und Habsicht, geiten für gierig sein, geitsack für Geizhals. Ein Rest der ursprünglicheren Bedeutung von Geiz ist heute noch in Ehrgeiz erhalten, das eigentlich Gier nach Ehre bedeutet. Hals als zweiter Teil des Wortes Geizhals weist indessen ebenfalls noch auf die Gier hin, denn eigentlich ist Geizhals, seit dem 16. Jahrhundert belegt, ein gieriger Hals und wurde ursprünglich auch als ein nach Essen und Trinken begieriger Hals verstanden (»Sauf, daß dirs der teufel gesegne, in geitzhals hinein«, heißt es in einem Schwank des 16. Jahrhunderts). Aus der Gier nach Gütern (bei Luther: »alles zu mir gegeitzet und gescharret«) entwickelte sich Geiz dann zu übertriebener Besitzsucht und Sparsamkeit, und Geizhals nahm seinen heutigen Sinn an. Da der Hals auch Kragen genannt wird (es ist sogar die ursprüngliche Bedeutung; erst daran anschließend wurde auch das Kleidungsstück, das den Hals bedeckt, als Kragen bezeichnet), sprach man dann auch von einem Geizkragen. Gelassen Das mittelhochdeutsche Verb gelazen bedeutete sich benehmen, sich niederlassen, anheim geben. Dazu gehörte das Partizip gelazen im Sinne von gottergeben; gemeint ist eigentlich die Welt und sich selbst gelassen und sich Gott gelassen haben. Meister Eckhart (um 1300): »Der mensche, der gelazen hat unde gelazen ist unde nie mer gesiht einen blik uf daz daz er gelazen hat, unde stete unde unbeweget blibet und unwandelliche in ime selber, der mensche ist alleine gelazen.« Vom Begriff der ruhigen Gottergebenheit nahm das Wort dann den Sinn allgemeiner Ruhe des Gemüts an.
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Geld G. stinkt nicht: der römische Kaiser Titus Flavius Vespasianus (69—79), der sich durch eine scharfe Steuerpolitik und große Sparsamkeit auszeichnete, erhob auch auf die öffentlichen Bedürfnisanstalten Steuern. Seinen Kritikern begegnete er damit, daß dieses Geld nicht stinke. In Anlehnung an Vespasian heißen öffentliche Bedürfnisanstalten in Frankreich vespasiennes. Geldschneiderei Das Verb schneiden hat auch die Bedeutung: einen Gewinn erlangen. Es dürfte dabei die Vorstellung zugrunde liegen, daß man das Geld oder den Gewinn gleichsam dem anderen wegschneidet. So sagte man früher auch Finanzen, Almosen schneiden. Demgegenüber dürfte der Vergleich mit dem Beschneiden der (aus Edelmetall gefertigten) Münzen allenfalls sekundär gewirkt haben. Geliefert g, sein: Einen liefern hat auch die ganz konkrete Bedeutung: einen Verbrecher der Obrigkeit oder Justiz übergeben (Schiller: »Man hat tausend Louisd'or geboten, wer den großen Räuber lebendig liefert«). Da der Verbrecher schwere Strafe, häufig auch den Tod zu erwarten hatte, prägte sich die Formel geliefert sein in dem Sinne aus: dem Tod verfallen sein. Im übertragenen Sinn ist dann ein gelieferter Mensch einer, der am Ende ist. Gelt Im ober- und mitteldeutschen Sprachraum wird die Interjektion gelt gern zur Verstärkung einer Behauptung oder Frage gebraucht (in den verschiedensten Dialektfärbungen liegt die Aussprache zwischen gelle und göi). In dieser Verwendung ist gelt seit dem Spätmittelhochdeutschen belegt. So heißt es zum Beispiel in der Züricher Bibel von 1530: »gelt dich habe dein gott vor den löuwenwol mögen beschirmen«. Aber auch noch Annette von Droste-Hülshoff verwendet es: »Und als er just in Schatten die alte Klingel stellt, es kommt ihm wohl zustatten, da
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rauscht es draußen, gelt!« Dieses gelt ist eine konjunktivische Präsensform von gelten, also etwa in dem Sinne: es gelte, gelte es, möge es gelten; sie hat heute meist die Bedeutung von »nicht wahr!«. Gemeinplatz Als lateinisch locus communis wurde der Ausdruck während des Humanismus in der Gelehrtensprache allgemein gebräuchlich. Ursprünglich eine Passage, Stelle, auf die man sich allgemein bezieht, nahm es dann den Sinn einer abgedroschenen Bemerkung, Binsenwahrheit, Plattheit an. Die Übersetzung erfolgte im 18. Jahrhundert ('Wieland: »Es giebt wenige gelehrte Gemeinplätze, wenn uns erlaubt ist, das was man locos communes nennt, durch dieses Wort im Deutschen zu bezeichnen«). Genösse Grundlage des Wortes ist das germanische Substantiv nautaz, das sowohl Vieh wie Eigentum bedeutete (noch im Mittelhochdeutschen als noz für Vieh, Nutzvieh erhalten). Der Genösse ist zunächst also jemand, der zusammen mit anderen etwas besitzt. So war denn wohl auch die ursprüngliche Bedeutung des Verbs genießen mitbesitzen. In dem Substantiv Genossenschaft hat sich der anfängliche Sinn der beiden Wörter am ursprünglichsten erhalten. Im Althochdeutschen haben sich ginoz (ganoz, guenoz, kanoz) und ginozo bereits zu den allgemeineren Bedeutungen von Gefährte, Genösse, Jünger entwickelt; ebenso bedeutet mittelhochdeutsch genoz(e) Genösse, Gefährte. Der ursprüngliche Sinn der gemeinsamen Teilhabe blieb in dem Wort indessen erhalten, auch wenn sie nun von irgendeiner Art sein konnte; sie führte vor allem zu den vielfältigsten Zusammensetzungen wie Eidgenossen, Altersgenossen, Glaubensgenossen, Spielgenossen. Zum politischen Begriff im Sinne der Zugehörigkeit zur gleichen Partei wurde Genösse durch die Arbeiterbewegung, vor allem nach Gründung der sozialdemokratischen Partei. Während in der DDR der Ausdruck Genösse für die Mitglieder der SED verbindlichen Charakter hatte, gab es in der SPD der Bundesrepublik in den fünfziger und sechziger Jahren erhebliche Kontroversen über seine Verwendung. Verschiedene Bestrebungen innerhalb der SPD trachteten auf Abschaffung von Genösse, vor allem mit der Begründung, daß das Wort durch seinen Gebrauch in der kommu-
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nistischen Partei entwertet worden sei. In allerjüngster Zeit hat es sich indessen wieder stärker durchgesetzt. Gerade fünf g. sein lassen: Die Redensart drückt aus, daß man etwas nicht so genau nimmt, daß man durch die Finger sehen will. Fünf ist eine ungerade Zahl; wer sie gerade lassen will, ist gegenüber dem, der dies behauptet, überaus nachsichtig. Die Wendung ist seit dem 16. Jahrhundert belegt und findet sich auch mit anderen ungeraden Zahlen, so im Simplicissimus: »Ich schwiege dem nach also maußstille und ließe immer so hin in allen, was sie nur anfiengen, siebene grad sein«; auch »dreizehn gerade sein lassen« wurde gebraucht. Auch ein Zitat von Wieland drückt noch deutlich aus, daß man an die ungerade Zahl denkt: »Zumal wenn sie wohl verdauten, gut schliefen und keine besondere Ursache hatten, fünf für gerade gelten zu lassen.« Aus der Identifikation mit den fünf Fingern schlich sich dann das Mißverständnis ein, daß die Wendung meine, man lasse aus Trägheit alle Finger ruhen, strecke sie faul weg, um nichts arbeiten zu müssen (deshalb hört man auch alle fünf gerade sein lassen), und die Wendung meint deshalb manchmal stärker ausgeprägt als dem eigentlichen Sinn entsprechend: sich um nichts kümmern. Gerädert sich wie g. fühlen: Wie radebrechen (s. d.) bedeutete auch rädern mit dem Rad hinrichten. Wem die Glieder, etwa nach schlechtem Schlaf, weh tun, der fühlt sich, wie wenn er gerädert worden wäre. Geratewohl aufs G.: Zugrunde liegt dem nur noch in dieser Formel gebrauchten Substantiv der Imperativ »gerate wohl!«, der Wunsch also, etwas möge wohl (gut) geraten. Macht man etwas aufs Geratewohl, verläßt man sich also sehr auf die Kraft dieses Wunsches, ohne noch tätigen Einfluß zu nehmen.
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Gerben jemandem das Fell g.: Gerben bedeutete ursprünglich fertig machen, zubereiten und ist verwandt mit gar. Doch verengte sich die Bedeutung teilweise schon in mittelhochdeutscher Zeit auf die Zubereitung einer tierischen Haut zu Leder, also der heutigen Bedeutung von gerben (mittelhochdeutsch gerwen: gar machen, bereiten, gerben; gerwe: Zubereitung, Zurüstung, Gerberei). Die übertragene Bedeutung prügeln (jemandem das Fell gerben für ihn tüchtig durchprügeln) lehnt sich an das Walken (eigentlich kneten; deshalb sagt man auch: jemanden durchwalken für verprügeln), Klopfen und Kneten des Leders durch den Gerber an; so heißt es auch im gleichen Sinne jemanden ledern. Fell ist ein beliebtes derberes Wort für menschliche Haut. Gerieben ein g.er Bursche: Reiben hat neben anderen Bedeutungen auch sowohl die von drehen, wenden (bairisch Reibe steht für Kurve) wie die von sich feindlich streifen (wovon sich Reiberei ableitet). Mehr aus der ersteren entwickelte sich die Bedeutung durchtrieben, raffiniert; hinzu kam, daß abgerieben (eigentlich abgeschliffen, verfeinert, geglättet) ebenfalls schlau, verschlagen bedeutete, also bei der weiteren Verbreitung des ursprünglich nur oberdeutschen Wortes nur die Vorsilbe ab wegfiel. Die Bedeutung sich feindlich streifen dürfte dann bei der Entwicklung von gerieben mitgewirkt haben (für jemanden, der sich in mancherlei Streitfällen schon bewährt hat). Gerissen ein g.er Bursche: Ausgang der übertragenen Bedeutung von gerissen (dem Partizip von reißen) ist allem Anschein nach die Jägersprache. Ein Tier reißen bedeutet soviel wie es fangen und töten, was hauptsächlich vom Wolf gesagt wird, aber auch von anderem Wild. Danach ist gerissen soviel wie oft angefallen worden sein, doch immer wieder davongekommen sein, übertragen also in vielen kritischen Situationen erprobt, aber mit stark abwertendem Ton gesagt.
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Gerumpel Dem Wort liegt das seit dem Mittelhochdeutschen gebräuchliche Verb rumpeln (auch rummeln, beide für mit Ungestüm, geräuschvoll sich bewegen, fallen, lärmen, poltern) zugrunde. Gerumpel ist also zunächst alter Hausrat, der gleichsam rumpelnd zusammenfällt. Die Kammer, in der das Gerumpel aufbewahrt wird, heißt noch ganz deutlich Rumpelkammer. Gerüttelt g. voll: Wenn man feste Stoffe, wie zum Beispiel Körner (des Getreides), in einen Behälter oder in ein Hohlmaß gibt und dann den Behälter rüttelt, sacken sie noch etwas in sich zusammen (werden die Hohlräume geringer), und es geht mehr hinein; etwas ist dann gerüttelt voll. Geschlagen eine g.e Stunde: Gemeint ist eine volle Stunde bis zum Glockenschlag, an der also auch nicht eine Sekunde fehlt. Noch deutlicher sagte man deshalb früher auch eine ausgeschlagene Stunde (Arndt: »Oft bedurfte es einer vollen ausgeschlagenen Stunde«) oder auch eine Glockenstunde (Fontäne: »Und quäle mich nun schon eine Glockenstunde«), und gleichsam überdeutlich eine geschlagene Glockenstunde. Gesindel Das Wort ist eine Verkleinerungsform von Gesinde und nahm erst im Neuhochdeutschen den abwertenden Charakter an, womit dann auch die alte Bedeutung nicht mehr verstanden wurde. Das mittelhochdeutsche gesinde, auch gesinne, bedeutete Gefolge, Dienerschaft, Kriegsleute, Truppen, Gesellschaft. Es liegt ihm das althochdeutsche Wort sind, mittelhochdeutsch sint zugrunde, das Weg, Gang, Reise, Fahrt bedeutete. Gespenst s. abspenstig, a. machen.
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Gestern nicht von g. sein: In der Bibel (Buch Hiob 8, 8-9) heißt es: »Denn frage die vorigen Geschlechter und merke auf das, was ihre Väter erforscht haben; denn wir sind von gestern her und wissen nichts.« Darauf bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit die Redensart »nicht von gestern sein«, mit der man ausdrücken will, daß man Bescheid weiß. Gesundstoßen sich g.: In der Gaunersprache bedeutet stoßen stehlen, Stoßer ist der Marktdieb. Das dürfte wohl bei der heute einem derben Kaufmannsdeutsch angehörenden und erst in diesem Jahrhundert entstandenen Wendung sich gesundstoßen für reich werden von Einfluß gewesen sein, zumal zumindest darin ein etwas rigoroses Geschäftsgebaren anklingt. Doch war wohl der Ausgang dieser Wendung stoßen im Sinne einer heftigen Bewegung, die auf nichts Rücksicht nimmt, verbunden mit der Vorstellung, daß der wirtschaftliche Gewinn gleichermaßen stoßweise, in einer Folge von Stößen, erfolgt sei. Ghetto Das Wort ist italienisch; über seinen Ursprung gibt es einige Versionen. Sicher ist nur, daß ghetto zu Anfang des 16. Jahrhunderts zum erstenmal in Venedig auftaucht. Das venezianische Judenviertel befand sich zu dieser Zeit in unmittelbarer Nähe einer Eisengießerei, und es wurde ghetto genannt; es wäre demnach möglich, daß dieses Viertel in Venedig schon früher Ghetto geheißen hat, abgeleitet von ghettare für gießen. Eine andere Erklärung ist das hebräische Wort ghet (Scheidung, Absonderung) oder die Ableitung von Aegyptius, was voraussetzen würde, daß man die Juden in Venedig so genannt hätte. Gift auf etwas G. nehmen können: Die zugrunde liegende Vorstellung ist, daß etwas so sicher ist, daß man gleich einem Gottesurteil Gift nehmen könnte, und es würde unwirksam bleiben. Aus dem altdeutschen Recht ist indessen nicht bekannt, daß Gift bei Gottesurteilen verwandt wurde. Die Redensart ist denn auch erst aus dem 19. Jahrhundert literarisch bezeugt, knüpft aber an alte Rechtsvorstellungen an. - 107 -
Gigolo Eigentlich bedeutet das französische (nicht italienische) Wort gigolo Liebhaber einer (Straßen-)Dirne. Es leitet sich nämlich aller Wahrscheinlichkeit von gigolette (Dirne, Straßendirne) ab, ein Wort, das wiederum vermutlich auf gigue (langes Bein, was auf das Hin- und Hergehen der Straßendirnen anspielen könnte) zurückgeht; gigue meint in der derberen Sprache auch mageres flinkes Mädchen. Gigolo wurde dann auch der Eintänzer, der gegen Honorar tanzt, genannt. Gimpel Der Gimpel ist ein Finkenvogel, auch Dompfaff genannt; das Wort leitet sich von dem Verb gumpen (hüpfen, springen) ab. Als hüpfender Vogel läßt er sich leicht einfangen; deshalb nennt man einen tölpelhaften Menschen, der leicht auf andere hereinfällt, Gimpel (Wieland: »Ist gleich die Schlinge zu sichtbar, ein kluges Mädchen zu fangen, so bleibt doch zuweilen daran ein blödes Gimpelchen hangen«). So spricht man auch von Gimpelfang (Gimpelfängerei) für Übertölpelung und nennt einen, der andere wegen ihrer Dummheit hereinlegt, Gimpelfänger. Glauben daran g. müssen: Unter dieser Wendung versteht man im engeren Sinne sterben müssen, im erweiterten etwas Unangenehmes auf sich nehmen müssen. Zugrunde liegt die Vorstellung, daß der Betroffene an die Tatsächlichkeit, Unvermeidlichkeit von etwas glauben müsse, das ihm im höchsten Maße unerwünscht ist, auch wenn er es eigentlich gar nicht glauben kann, daß solches mit ihm geschieht. Glauben wer glaubt, wird selig: In der Bibel (Markusevangelium 16,15-16) stehen die Worte: »Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden.« Daraus machte der Volksmund die meist ironisch gemeinte Redensart.
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Glocke etwas an die große G. hängen: Das Läuten der Glocken spielte im Volksleben bis in die jüngste Vergangenheit eine größere Rolle als heute (so läuteten die Glocken etwa die verschiedenen Tagesabschnitte ein). Auch im Rechtsleben war die Glocke in vielfachem Gebrauch. An die große Glocke laufen bedeutete freilich schon im 16. Jahrhundert soviel wie sich vergeblich beschweren, was darauf schließen läßt, daß diese Übung eines Klägers, sich zu beschweren, nicht mehr lebendig war (große Glocke ist hier wohl die Glocke, die zum Gericht lädt). Etwas an die große Glocke hängen, meint heute etwas allen bekanntmachen. Es gibt keinen Beleg dafür, daß ein Klagezettel oder etwas Ähnliches direkt an die Glocke gehängt worden wäre. Indessen ist hängen wohl nur als eine Umschreibung anzusehen. Genauso gab es die Wendungen an die Glocke schlagen, kommen, bringen, binden, schreiben. Gemeint ist vermutlich in allen Fällen im übertragenen Sinn: etwas der Glocke anheimzugeben, es mitzuteilen; große Glocke soll nur eine Verstärkung sein, weil eine große Glocke weiter zu hören ist als eine kleinere. Glückspik Zugrunde liegt die Vorstellung, daß jemand so plötzlich vom Glück begünstigt werde wie ein Pilz, der aufschießt. Die ursprüngliche Bedeutung war also die eines Emporkömmlings, und diesen Sinn mit negativem Unterton hatte Glückspilz auch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Wort ist nicht sonderlich alt, und es ist anzunehmen, daß es unter dem Einfluß des englischen mushroom, das ebenfalls Pilz und Emporkömmling bedeutet, eingeführt wurde. Golf Im Sinne von Meerbusen leitet sich das Wort vom griechischen kolpos (Busen, Meerbusen) ab, das über das lateinische colphus zu italienisch golfo wurde. Der Name des Rasenspiels Golf geht aller Wahrscheinlichkeit auf das schottische gowf für schlagen (ebenso gowf für Schlag mit der offenen Hand) zurück.
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Gordischer Knoten Der römische Historiker Curtius Rufus (1. Jahrhundert n. Chr.) berichtet, daß sich am Wagen des Königs Gordios, des sagenhaften Gründers der Stadt Gordion in Phrygien (heute Yassihüyük), im Jupitertempel von Gordion ein so kompliziert verschlungener, unentwirrbarer Knoten befunden habe, daß ein Orakel demjenigen, der ihn zu lösen vermöge, die Herrschaft über Asien versprach. Alexander der Große habe 334 auf seinem großen Zug nach Asien den Knoten mit dem Schwert durchhauen und dazu gesagt: »Es kommt nicht darauf an, wie er gelöst wird.« So versteht man heute unter einem gordischen Knoten ein eigentlich nicht zu lösendes Problem; seine Lösung gilt nur durch eine Gewaltmaßnahme als möglich. Gottlose der Rest für die G.n: Im 75. Psalm heißt es: »Denn der Herr hat einen Becher in der Hand und mit starkem Wein voll eingeschenkt und schenkt aus demselben; aber die Gottlosen müssen alle trinken und die Hefen aussaufen.« Daraus entwickelte sich die Redensart als Scherzwort, manchmal auch »Den Gottlosen gehört die Hefe« zitiert. Gras das G. wachsen hören: Wer sich als überklug gebärdet, dem wird gern nachgesagt, daß er das Gras wachsen höre (früher gelegentlich auch das Gras wachsen sehen), wozu Sinnesgaben gehörten, die undenkbar sind. Die Redensart kam in frühneuhochdeutscher Zeit auf; zum Beispiel heißt es in Thomas Murners »Narrenbeschwörung« von 1512: »Die weit ist also wol gelert, das sy das graß yetz wachsen hört.« Ein ähnliches drastisches Wort ist die Flöhe husten hören; früher sagte man auch noch: die Spinnen weben hören, die Krebse niesen hören, die Mücken zur Ader lassen können. Gretchenfrage In Goethes »Faust« fragt Gretchen: »Nun sag, wie hast du's mit der Religion?« Stellt man jemandem die Gretchenfrage, fragt man ihn das
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Entscheidende, fragt man ihn nach seinem Gewissen oder seiner Gesinnung. Griesgram Im Althochdeutschen bedeutete griscramon mit den Zähnen knirschen, klappern, griscramod Grimm; ebenso das mittelhochdeutsche grisgram fürZähneknirschen, grisgramen mit den Zähnen knirschen, brummen, knurren. Zugrunde liegt die Wurzel ghri für hart darüber streichen; das althochdeutsche gram bedeutete zornig. Vor allem hielt sich das Verb griesgramen. Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich dann griesgram als Adjektiv zur Bedeutung von mürrisch, Griesgram als Substantiv zu der von mürrischem Menschen entwickelt. Grill Das Wort gelangte erst im 20. Jahrhundert aus dem Englischen, wo es als Verb rösten (grillen), als Substantiv sowohl Bratrost wie auch Röstfleisch bedeutet, ins Deutsche. Es leitet sich vom lateinischen craticulum, craticula (kleines Flechtwerk, kleiner Rost; von cratis, Flechtwerk, Geflecht) ab und wurde im Altfranzösischen zu grail, graiille, woraus das Verb griller (rösten, mit einem Gitter versehen) entstand. Das Englische entnahm das Wort aus dem Französischen. Grips In verschiedenen deutschen Mundarten ist grippen und gripsen verbreitet im Sinne von an sich raffen (auch stehlen). Von gripsen wurde das Substantiv Grips gebildet, um die Fähigkeit raschen geistigen Erfassens zu beschreiben. Grog Der Name dieses Getränks aus Rum, heißem Wasser und Zucker geht auf den britischen Admiral Edward Vernon (1684—1757) zurück. Ver-
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non hatte wegen seines Mantels aus Grogram-Stoff (das ist ein grober Stoff aus Seide und Wolle) bei den Matrosen den Spitznamen Old Grog (alter Grog). Als er den Schiffsbesatzungen die Rumration kürzte und anordnete, daß Rum mit Wasser verdünnt werde, bürgerte sich Grog als Name für dieses Getränk ein. Großkotzig Im Jiddischen bedeutet kozin Reicher. Das Rotwelsche übernahm das Wort als Kotz (Prahler) und versah es auch mit dem verstärkenden Wort groß. Über das Berlinerische gelangte es in die Umgangssprache. Grün jemandem nicht g. sein: Die ursprüngliche Bedeutung von grün war sprossend, zu dem althochdeutschen Verb gruonen (grünen) und dem mittelhochdeutschen Verb grüejen (grünen, wachsen) gehörend; in grünen hat sich dieser Sinn noch annähernd erhalten. Grün hat dabei im spezielleren Sinne die Bedeutungen des Triebkräftigen, Blühenden, aber auch des Unreifen (noch Wachsenden) angenommen. Dazu gehört auch grün im Sinne von günstig (so meinte das altnordische grönn gut, nützlich), ist man jemandem nicht grün, ist man ihm nicht günstig gesonnen. Grundeis ihm geht der Arsch mit G.: Grundeis, eigentlich das Bodeneis eines Gewässers, wird bildlich im Sinne von auftauendem, morschem Eis gebraucht, vermutlich an die Wendung angelehnt, daß das Grundeis geht, womit das Eis endgültig weggeht. Daran knüpft sich die bildliche Verwendung von Grundeis im Sinne von es geht los, beginnt (»Hie gehet Grundteiß, hie rühret König David allen Wust und Gräwel«, heißt es in einer Psalmenübersetzung aus dem Jahre 1608). Daran lehnen sich Wendungen an, bei denen das freigewordene Grundeis sozusagen ein den Menschen bedrängendes Element darstellt. Gebräuchlich waren etwa der Kopf geht mit Grundeis, bei ihm ging es mit Grundeis, ins Grundeis geraten. Im Sinne von in großer Verlegenheit oder Angst sein
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sagte man seit dem 18. Jahrhundert etwa auch ihm geht der Hintere, der Arsch, das Loch, die Buchse mit Grundeis (Friedrich Engels in einem Brief an Marx: »Die Erklärung des alten Justizrats M. wird dem Stieber schon den Hintern mit Grundeis gehen machen«). Gschaftlhuber Das Wort bezeichnet im Oberdeutschen, vor allem im Bairischen, einen Wichtigtuer, einen, der sich in alles hineinmischt und so tut, als ob seine Betätigung oder Mitwirkung unentbehrlich wäre, einen, der sich anderen bei jeder Gelegenheit aufdrängt. Dem Wort liegt das Verb geschäftein (bairisch gschaftln) zugrunde, das eigentlich kleine Geschäfte machen bedeutet, dann aber auch geschäftig sein, sich wichtig machen; ebenso nannte man früher eine lebhafte Person, besonders ein Kind Gschafterl. Die Verbindung mit -huber lag nahe, weil Huber ein überaus häufiger Familienname im Bairischen ist (er leitet sich von Hube ab, der oberdeutschen Form von Hufe, womit sowohl ein in der Größe schwankendes Landmaß wie ein kleinerer Bauernhof von höchstens 15 Hektar Größe gemeint war). Guerilla Das spanische guerra heißt Krieg. Zugrunde liegt das germanische Wort werra, das mit Wirren zusammenhängt (althochdeutsch werra: Ärgernis, Zwietracht, Streit) und nach der Völkerwanderung in den romanischen Sprachen bellum für Krieg ersetzte (französisch guerre). Guerrilla (die häufige deutsche Schreibweise mit einem r ist eine eigentlich überflüssige Angleichung an das deutsche Lautempfinden) ist eine Diminutivform von guerra und bedeutet also kleiner Krieg, Kleinkrieg; es wird im Deutschen (ebenso wie im Englischen) eigentlich falsch gebraucht, wenn man damit den Guerrillakämpfer meint, wie es in der Regel der Fall ist; das richtige spanische Wort ist guerrillero (als Folge des falschen Gebrauchs wurde dann das tautologische Guerrillakrieg gebildet, zu dem sich dann noch überflüssiger der Guerrillakrieger stellte; in der Zeitungssprache der letzten Jahre läßt sich indessen bemerken, daß nun häufig richtig von Guerrilleros die Rede ist). Das Wort Guerilla bürgerte sich in den europäischen Sprachen durch den Kleinkrieg ein, den
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die irregulären spanischen Freiheitskämpfer (die guerrilleros) gegen die napoleonische Herrschaft führten. Gulasch Gulya heißt im Ungarischen Rinderherde, der Rinderhirte gulyäs. Das gepfefferte Fleischgericht, das sich der Hirte im Kessel kocht, nannte man nun nach ihm gulyäs hüs oder auch gulyäs le (Fleisch oder Suppe der Rinderhirten), in verkürzter Sprache wiederum nur gulyäs genannt (die häufig anzutreffende Schreibweise Goulasch ist also völlig unsinnig). Mit gulyäs bezeichnet man in Ungarn aber nur das sogenannte Kesselgulasch oder auch die sogenannte Gulaschsuppe. So kritisiert denn auch ein ungarisches Kochbuch aus den dreißiger Jahren: »Unter der Bezeichnung >Gulyäs< versteht der Ausländer aber etwas ganz anderes, als was dieser Name auf der Speisekarte bedeutet« und führt auf: Gulyäs (eine mit reichlichem Saft, suppig bereitete Speise), Pörkölt (mit dickem Saft), dazu noch Tokäny (ähnlich wie Pörkölt) und Paprikas (mit Rahm). Das deutsche Gulasch ist also in der Regel eigentlich Pörkölt, doch der Name Gulasch wurde schon von den Österreichern des 19. Jahrhunderts mißverstanden eingebürgert. Güte O du meine G.: Güte wird neben Gnade als die hervorstechendste Eigenschaft Gottes betrachtet; vor allem in Gebeten ist viel von der großen Güte Gottes die Rede. Aus Scheu, den Namen Gottes direkt auszusprechen, wurde es üblich, statt o du mein Gott auch o du meine Güte und o du liebe oder große Güte zu sagen. Gütlich sich g. tun: Das Wort erscheint schon im Althochdeutschen als guotlih (gut, gütig, freundlich, herrlich, ehrenvoll, ruhmreich); das mittelhochdeutsche guotlich bedeutete dann gut, gütig, liebreich, freundlich, ruhmvoll, herrlich. Es leitet sich von gut im generellen Sinn von wohlmeinend, geneigt, freundlich ab und wurde von dem Substantiv Güte im Sinne von Wohlwollen, Freundlichkeit, freundliche Handlungsweise beeinflußt. So sagte man in der älteren Sprache auch einem gütlich tun für ihn freundlich behandeln (Grimmeishausen: »Ließ Joseph auch
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nicht unterwegen, seinen Brüdern gütlich zu tun«) und im engeren Sinne für ihn bewirten. Davon hat sich in der Sprache der Gegenwart vor allem sich gütlich tun gehalten mit dem Sinn es sich gut gehen lassen, sich Angenehmes verschaffen. Daneben wird das Adverb noch in Verbindung wie sich gütlich einigen, vertragen gebraucht.
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H Haar kein gutes H. an jemandem lassen: Ausgang ist die Wendung »an ihm ist kein gutes Haar«, er ist nicht das geringste wert, das einzelne Haar ist gleichsam das Nichtigste am Menschen (Goethe: Dem Menschen treu zu sein, an dem kein gutes Haar). Wer jemandem kein (einziges) gutes Haar läßt, macht ihn so schlecht, wie es überhaupt geht. Haar ein H. in etwas finden: Wiewohl es der Betroffene als wenig appetitlich ansehen mag, wenn er in der Speise ein Haar findet, wird mit der Redensart doch ausgedrückt, daß jemand, der in etwas ein Haar findet, sich an der winzigsten Kleinigkeit stoße. Im Simplicissimus findet sich die Stelle: »Ein Spehvogel rufte Simplicissimus auch herzu und sagte, weil er auch in einem Ei ein Haar finden könte (was schlechterdings eine Unmöglichkeit ist), so solle er sagen, was dieser Tafel mangele, oder worin der Maler gefehlet hätte.« Haar etwas an den H. herbeiziehen: Gemeint ist, daß eine Sache, ein Argument so wenig paßt, daß es sich selber sträubt und nicht anders beizubringen ist, als daß man es wie einen widerspenstigen Menschen oder ein widerspenstiges Tier an den Haaren herbeizieht. Haar H.e auf den Zähnen haben: Ausgang ist aller Wahrscheinlichkeit nach die alte Vorstellung, daß ein starker Haarwuchs beim Mann an Kopf und Bart als Zeichen der Kraft gilt. So bedeutete denn Haare auf den Zähnen haben früher auch, ein starker, ganzer Mann sein (weil sich
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selbst dort Haare befinden, wo sie normalerweise nicht wachsen); im gleichen Sinne: Haare auf der Zunge haben. Die Vorstellung der Stärke wandelte sich in die des Schwierigseins, der Aggressivität, und als der ursprüngliche Sinn dem Sprachbewußtsein entschwunden war, konnte die Redewendung um so leichter auf eine Frau wegen ihrer zänkischen Angriffslust übertragen werden. Die gleiche Vorstellung und Entwicklung liegt auch dem manchmal gebrauchten Ausdruck »ein haariger Mensch, Kerl« zugrunde; wobei haarig auch hier früher im Sinne einer gewissen Tüchtigkeit gebraucht wurde. Haarig eine h.e Sache: Starker Haarwuchs galt als ein Zeichen der Kraft und Männlichkeit, so daß etwa ein haariger Kerl für ein tüchtiger Kerl stand. Von da übertrug sich haarig in die Vorstellung des Ungewöhnlichen (haarig schwer für ungewöhnlich schwer) und in die des Heftigen (es geht haarig her für es geht heftig oder ungestüm her) und schließlich in die des Kritischen (eine haarige Situation oder Sache ist eine kritische, das heißt nicht leicht zu bewältigende Sache oder eine Situation mit Ungewissem Ausgang). Haarspalterei Das Haar wird wegen seiner Dünne in der Sprache gern als Vergleich gebraucht, um Winzigkeit oder Unbedeutendheit auszudrücken. So bedeutet etwa um ein Haar um ein ganz geringes, einander aufs Haar gleichen sich bis ins kleinste ähnlich sein. Wegen seiner Dünne ist es auch mit normalen Mitteln unmöglich, ein Haar der Länge nach zu teilen; wer sich um so eine winzige Kleinigkeit noch auseinandersetzt, betreibt Haarspalterei. Hafer ihn sticht der H.: Ein Pferd, das reichlich mit Hafer (ebenso gutes Schriftdeutsch ist die Form Haber) gefüttert wird, wird temperamentvoll und unbändig; der Hafer sticht (kitzelt, reizt) es gleichsam und reizt es zu erwünschten Kraftanstrengungen wie zu unerwünschten Ausschlägen; auf die zweite Wirkung bezieht sich die Redewendung.
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Haftelmacher aufpassen wie ein H.: Haftel (so die oberdeutsche Form), Haftel oder Heftel nannte man die kleinen Haken und Ösen, mit denen ein Kleidungsstück zusammengehalten wurde. Sie waren meist aus Draht hergestellt und so klein, daß ihre Herstellung, als dies noch in Handarbeit geschah, große Aufmerksamkeit beanspruchte. Hagestolz Das Wort ist im Althochdeutschen als hagustalt und hagastalt überliefert; der erste Teil des Wortes ist das heutige Hag, auf den zweiten weist das gotische Verb staldan (besitzen) hin. Im Mittelhochdeutschen findet sich das Wort als hagestalt, aber auch schon als hagestolz, und es bezeichnete einen Unverheirateten, der noch keinen eigenen Hausstand gegründet hat, auch einen unverheirateten Menschen überhaupt ohne Rücksicht auf das Geschlecht. Der ursprünglichen Bedeutung von Hagbesitzer liegt das alte deutsche Recht zugrunde, daß nur der erstgeborene Sohn das Haupterbe erhält, die Nachgeborenen indessen ein Nebengut ohne die Hofgerechtsame, das heißt einen Hag erhalten (Hag bedeutete zunächst einen Zaun zur Abgrenzung eines Eigentums, dann aber auch diesen Besitz selber, ein Bauerngut, ohne aber je auf ein Hauptgut, einen Herrensitz angewandt zu werden; auch Hag im Sinne eines Gesträuchs, Geheges, Gehölzes gehört hierher). Durch diese Art der Erbvergabe waren die jüngeren Erben in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zum ältesten und in der Gründung eines eigenen Hausstandes behindert. So konnte sich Hagestolz rasch für einen Unverheirateten einbürgern, wobei man freilich nicht übersehen darf, daß -stolz nichts mit dem Stolz, Stolzsein zu tun hat; natürlich erhielt durch diese Verwechslung das Wort seinen eigenen heutigen Klang. Hahn H. im Korb: Ähnlich wie das Wort Korb, das vermutlich aus dem Lateinischen (corbis, Korb) entlehnt wurde und als ursprüngliche Bedeutung Geflochtenes meint, für das Vogelbauer stand (Vogelkorb), wurde auch die korbartige Umzäunung, in der man die Hühner hielt, Korb (Hühnerkorb) genannt; »hunerkorb, darein die hüner legend«, ein Wort, das freilich heute nicht mehr in Gebrauch ist. Am ehesten ist unter Korb
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wohl die Umzäunung oder das Flechtwerk zu verstehen, in die die Hühner nachts eingesperrt wurden. Die den Menschen als Bevorzugung erscheinende Stellung des Hahns inmitten einer Schar von Hennen wurde im Volksmund als Beliebtheit gedeutet. Schon in indischen Mythen erschien der Hahn als Begünstigter von Liebschaften; bei den Vermählungsfesten der alten Römer bezeichnete er den Bräutigam. Aus solcher bevorzugter Stellung entwickelte sich die Redensart Hahn im Korb sein, das heißt in einer Gruppe von weiblichen Wesen der Mann zu sein, dem die meisten Sympathien gelten, dann auch übertragen auf die Bevorzugung eines einzelnen in einer Gesellschaft überhaupt. Hahn danach kräht kein H.: Der Hahn kräht auf dem Hühnerhof bei jeder Gelegenheit; eine Sache, nach der kein Hahn kräht, ist also völlig bedeutungslos und nicht einmal des Aufsehens eines Hahnes wert. Halbwelt Der Titel des 1855 erschienenen Lustspiels »Le Demi-Monde« von Alexandre Dumas d. J. wurde ins Deutsche als Halbwelt übersetzt, was es auch wörtlich heißt. Seither wurde im Französischen wie im Deutschen der Begriff zur Bezeichnung für anrüchige, aber elegant auftretende Frauen. Dumas meinte jedoch, er habe damit nur die Klasse der Deklassierten gemeint; »alle Frauen, die ihre Wurzeln in der regulären Gesellschaft gehabt haben und deren Fehltritt zur Entschuldigung die Liebe hat, nur die Liebe. Diese Welt beginnt, wo die legale Ehefrau aufhört, und endet, wo die käufliche Frau beginnt.« Hals sich (oder einem anderen) jemanden vom Hals schaffen: Ausgang der Wendung ist, daß einem der Gegner - wie an die Gurgel - an den Hals will; er »geht einem an den Hals, will einem zu Halse«. Das Bild wird noch intensiviert durch die Hunde, die das Wild am Hals packen (»auf den Hals hetzen«). Schafft man sich jemanden vom Hals, befreit man sich aus einer bedrängenden Situation.
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Hals H. über Kopf: Der Redewendung, die früher auch in anderen ähnlichen Formen gebraucht wurde (über Hals über Kopf, über Hals und Kopf; im 16. Jahrhundert findet sich auch die Wendung über ars und köpf bürzelen), liegt die Vorstellung zugrunde, daß etwas so eilig getan wird, daß gleichsam die Körperteile des Ausführenden übereinanderstürzen. Halunke Im Tschechischen bedeutet holy nackt, kahl, arm, holomek soviel wie nackter Bettler, Nichtswürdiger. Seit dem 16. Jahrhundert ist das Wort in verschiedenen Schreibweisen im Deutschen nachgewiesen, wie etwa hollunck, helunke, holunke, holanke. Bei Lessing und Schiller heißt es noch Holunke; seit dem 16. Jahrhundert tauchen aber auch schon die Variationen Halluck, Hallunck, Halunke auf. Da das Wort auf der zweiten Silbe betont wird, konnte die Verwechslung von o zu a leicht erfolgen. Anfänglich hatte es auch den Sinn von niederen Bediensteten. Hammelsprung Im parlamentarischen Leben ist es Sitte, bei strittigen Mehrheitsverhältnissen dergestalt abzustimmen, daß alle Stimmberechtigten den Sitzungssaal verlassen und ihn dann durch eine von drei Türen wieder betreten: entweder durch die Tür für die Jastimmen oder durch die für Neinstimmen oder durch die für Enthaltungen; dabei werden sie gezählt. Diesen Vorgang nennt man Hammelsprung. Im alten Berliner Reichstag befand sich ein Bild, auf dem ein Schäfer die durch seine Beine laufenden Schafe zählt. Diese sinnbildliche Darstellung der Stimmenzählung dürfte den Ausdruck inspiriert haben; außerdem wurde schon der Abstimmungsplatz auf dem Marsplatz im alten Rom Schafhürde (ovile) genannt. Hammer einen H. haben: In der vulgären Umgangssprache bedeutet die Redensart soviel wie verrückt sein. Sie beruht ebenso wie der das gleiche bedeutende Ausdruck bekloppt sein auf der Vorstellung, der Betreffende
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habe einen Schlag mit dem Hammer auf den Kopf bekommen und sei davon so benommen, daß er wie ein Verrückter wirke. Hand um jemandes Hand anhalten: Das Ergreifen der Hand eines anderen symbolisiert die Vereinigung (das ist auch der ureigentliche Sinn des Händeschüttelns bei der Begrüßung), das Einigsein, und so wird sie auch zum äußeren Zeichen beim Abschluß eines Bündnisses gegeben. Das Verlöbnis und die Verheiratung werden als Bündnis, Bund aufgefaßt; hält man um die Hand eines Weibes an, bittet man sie, mit einem dieses Bündnis einzugehen, ebenso: jemandem die Hand geben, ihre (seine) Hand ist noch frei. Hand von der H. in den Mund leben: Eigentlicher Sinn ist, was die Hand zustande gebracht, geschaffen, erzeugt hat, wird sogleich vom Mund wieder aufgebraucht, die Hand müsse gleichsam sofort das Verdiente zum Mund führen. Hand etwas von langer H. vorbereiten: Die Hand dient, ähnlich wie auch Arm, Fuß oder Haar, als volkstümliche Maßangabe, und zwar nicht nur für die naheliegenden Raummaße (eine Handvoll, eine Handbreit), sondern auch als Zeitmaß. Das geläufigste Beispiel dafür ist »im Handumdrehen«, also in einer so kurzen Zeit, wie man sie braucht, um die Hand umzudrehen. So entstand auch die formelhafte Verbindung kurzerhand (gleichsam mit sehr kurzer Hand, ohne Umstände zu tun) und der Gegensatz dazu: langer Hand (weniger adverbial abgeschliffen und deshalb nicht zusammengeschrieben). Hand öffentliche H.: Der Begriff meint Staat und Gemeinden in ihrer Eigenschaft als Verwalter des Gemeineigentums und wirtschaftliche Unternehmer. Die Hand ist in vielfältiger Hinsicht und in vielen Redewendungen und formelhaften Ausdrücken Symbol des Besitzes und der
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Gewalt über eine Sache. Ausgangspunkt ist die Hand, die etwas hält, zunächst wörtlich, dann übertragen, so daß die Hand an oder auf etwas legen auch die Besitzergreifung symbolisiert; schon im Mittelhochdeutschen hatte Hand diesen Sinn, wie sie auch schon den Besitzer selber meinte (lebende hant: eine Person, die Eigentum veräußert), und das Mittelhochdeutsche verwandte auch schon die Begriffe obere, höchste Hand als Bezeichnung der obersten Gewalt. Der Begriff öffentliche Hand ist dagegen ziemlich jung; er setzte erst ein republikanisches Denken voraus, das die Staatsgewalt und den Staat als »Öffentlichkeit« verstand. So ist öffentlich in diesem Sinne eine Übertragung des lateinischen publicus (zum Volke, dem Volke, dem Staat gehörig, wie es auch in Republik enthalten ist: res publica, öffentliche Sache, Staat, GemeinHand jemandes rechte H. sein: Da der überwiegende Teil der Menschen rechtshänderisch veranlagt ist, entwickelte sich die Vorstellung, daß die rechte Hand die geschicktere, kräftigere, brauchbarere ist, über die physiologische Tatsache hinaus; so wurde sie auch die schöne, bessere genannt. Hand steht oft als Begriff stellvertretend für den Menschen, und so wird jemand, der einem in enger Verbindung dauernd assistiert, gleichsam mit der eigenen rechten Hand verglichen. Hand unter der H.: So wie man (das liegt) auf der Hand sagt, weil das, was auf der Hand dargeboten wird, von jedermann gesehen werden darf, zur allseitigen Kenntnis dient, gilt das, was unter der Hand gehalten wird, im Gegensatz dazu als verborgen. Dabei behielt der Ausdruck zum einen den Sinn des heimlichen, auch nicht ganz legalen Tuns, zum ändern entwickelte er sich über die Vorstellung »ohne Aufsehen« zur Bedeutung »etwas nebenher tun«, ohne die ganze Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren. Hand und Fuß eine Sache hat H. und F.: Die formelartige Wendung geht von der Vorstellung aus, daß ein Körper nur dann vollkommen, intakt, funktions-
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fähig ist, wenn er alle Gliedmaßen besitzt. So wurde sie in älterer Sprache auch meist in der Mehrzahl gebraucht; bei Schiller heißt es: »Der Brief hat Hand' und Fuß'.« Und eine Quelle aus dem 16. Jahrhundert erklärt: »Ein gerader, ungestümmelter Leib hat sein Art an Händen und Füßen. Also brauchen wir diß Wort, es hat Hand und Fuß, was er thut und redt, das ist, es ist rechtschaffen, es hat einen Bestand, es ist wol gestalt und wol gethon.« Handgemein h. werden: Das Wort handgemein bedeutet eigentlich die Hände vereinigt haben; so war es durchaus möglich, das Wort auch im Sinne einer Vereinigung und nicht einer Auseinandersetzung zu gebrauchen (Theodor Gottlieb Hippel: »Wehe dem Jüngling, der mit einer Dirne handgemein wird, wenn er nicht herzgemein mit ihr zu werden in den Umständen ist«; zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts). Diese Verwendung war freilich selten; in der Regel versteht man unter handgemein einen mit den Händen ausgetragenen Streit, eine Rauferei oder einen Kampf (Schiller: »Sie werden handgemein, die Degen blitzen«). Handwerk jemandem das H. legen: Der Verstoß gegen die strengen Zunftordnungen der Handwerker wurde früher häufig mit dem Ausschluß aus der Zunft geahndet. Das kam vielfach einem Berufsverbot gleich; man nannte dies das Handwerk legen, so wie man heute stillegen sagt. So heißt es in einer Leipziger Ordnung von 1701: »Soll niemand kein Kalb herein schlachten, es habe dann 24 Pfund, was drunter ist, soll ihnen genommen, derjenige auch gestraffet oder ihm das Handwerk geleget werden.« Hanebüchen Die ältere Form des Wortes ist hagebüchen, hagenbüchen (die sich im Bairischen als hagelbüchen erhalten hat), das Adjektiv zu Hagebuche, Hagenbuche (Weißbuche, carpinus betulus) ist. Vor allem im Mitteldeutschen wurde Hagebuche zu Hahnebuche, Hahnbuche, Hainbuche, auch Hanbuche. Das harte, knorrige Holz bot sich zum Vergleich an für einen derben, groben Menschen, dann auch mit der weiteren Bedeu-
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tung von simpel, primitiv, einfältig, Eigenschaften, wie man sie von einem groben Menschen erwartet. Hansdampf H. in allen Gassen: s. Hanswurst. Hänseln Im Mittelhochdeutschen bedeutete hanse eine kaufmännische Gesellschaft oder Vereinigung mit bestimmten richterlichen Befugnissen; im Althochdeutschen hatte hansa den Sinn von Kriegerschar, zurückgehend auf ein germanisches hanso für Schar. Hanse wurde dabei nicht nur auf die bekannten Genossenschaften der norddeutschen Hansestädte angewandt, sondern fand sich auch in Süddeutschland. Zu hanse bildete sich nun das Verb hansen, hänsen, hänseln, das ursprünglich bedeutete: jemanden feierlich unter gewissen Gebräuchen in die hanse aufnehmen. Da die Aufnahmezeremonien vielfach humorvoll ausgeschmückt waren und der Kandidat dabei gefoppt, zum besten gehalten wurde, nahm hänseln den heute alleinigen Sinn an. Hanswurst Der aus Johannes gekürzte Vorname Hans wurde ebenso wie Hinz, Kunz oder Grete schon früh wegen seines häufigen Gebrauchs auch allgemein als Anrede oder Bezeichnung für einen Menschen verwandt. Einen großen Hans etwa nannte man im 16. und 17. Jahrhundert einen reichen, angesehenen Mann; großer Hans, kleiner Hans bezeichnete bei den Landsknechten die höhere oder niedere Stellung im Heer; Hans hat aber daneben und in späterer Zeit immer häufiger auch einen mehr oder minder abwertenden Sinn (Gaffhans für Schwätzer, Schmalhans für Hungerleider, Prahlhans für Angeber u. ä.). So wird Hans seit dem 15. Jahrhundert auch als Synonym für Dummkopf, Narr gebraucht (darauf beruht auch die Redensart: wenn das nicht stimmt, so will ich Hans heißen). In dieser Bedeutung wurde Hans dann mit allerlei treffenden Nachnamen zusammengesetzt, zunächst meist nicht zusammengeschrieben: Hans Äff, Hans Dampf (heute noch zur Charakterisierung eines Menschen, der überall dabeisein will, aber nichts oder nur wertlosen Dampf beizusteuern hat, als Hansdampf und verstärkt als
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Hansdampf in allen Gassen häufig gebraucht), Hans Dumm, Hans Liederlich, Hans Nimmersatt, Hans Trapp ins Mus, Hans Tölpel und schließlich Hans Wurst. Der älteste Beleg für Hanswurst (Hans worst) stammt aus dem Jahre 1519. Der Name will einen Menschen charakterisieren, der so dick wie eine Wurst und also unbeholfen ist. Noch im 16. Jahrhundert tritt der Hanswurst als Narr im Lustspiel auf. Hantieren Das Wort hat heute in den Dialekten und in der Umgangssprache eine beträchtliche Bedeutungsverengung durchgemacht und in der Hauptsache nur noch Bedeutungen, die sich in mehr oder weniger übertragenem Sinn mit Hand in Verbindung bringen lassen, von handhaben bis zu Begriffen wie umtreiben. Daran ist indessen ein Mißverständnis schuld, denn Ausgangspunkt war das altfranzösische Verbum hanter, das häufig aufsuchen, auch hausen und wohnen bedeutete (heute: oft besuchen). Der Ursprung von hanter ist ungeklärt, läßt sich aber wohl mit einem germanischen Stammwort in Verbindung bringen (etwa dem angelsächsischen hamettan, beherbergen). Hanter gelangte zunächst in das Mittelniederländische (hanteeren heißt heute noch im Niederländischen hantieren oder handhaben) und wurde dann vom Deutschen aufgenommen, wo es zunächst handeln, kaufen, verkehren, ein Gewerbe treiben bedeutete. Happig Das ursprünglich niederdeutsche, zu Happen gehörende Wort bedeutet eigentlich begierig zugreifend, gefräßig, gierig (sei nicht so happig: sei nicht so gierig). Von hier fand dann über die Vorstellung des Begierigseins und deshalb des ungebührlichen Verlangens die Übertragung zu happig im Sinne von übertrieben hoch (happige Preise), derb oder ungewöhnlich stark (happig mit einem verfahren) statt. Harke jemandem zeigen, was eine H. ist: Harke ist die hauptsächlich norddeutsche Bezeichnung für das in Süd- und Mitteldeutschland Rechen genannte Garten- und landwirtschaftliche Gerät. Mit der Redewendung will man ausdrücken, daß man jemandem eine an sich völlig ein-
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fache Sache klarmachen will, denn in der früher überwiegend ländlichen Bevölkerung war eine Harke etwas jedermann Bekanntes. So sagt man in Holstein auch von jemandem, der sich in der Heimat, zu Hause wie ein Fremder gebärdet, he kennt de Hark nig, er kennt die Harke nicht (er tut so, als ob er das Selbstverständliche nicht kenne). Harnisch jemanden in H. bringen: Harnisch (das Wort wurde im Mittelhochdeutschen aus dem Französischen übernommen) nannte man im weiteren Sinne die gesamte Kriegsrüstung eines Mannes, im engeren seine gepanzerte Kleidung (so gab es den Bein- und den Brustharnisch). Bringt man jemanden in Harnisch, will man sagen, daß man ihn so aufgebracht hat, daß er seine Rüstung anlegt und den Streit mit Waffen austragen will; ebenso sagt man in Harnisch geraten. Das Partizip geharnischt (eine geharnischte Rede, also eine kriegerische, angriffslustige, militante Rede) gehört zu dem ausgestorbenen Verb hämischen für sich rüsten. Hartnäckig Das Wort bedeutet mit einem harten Nacken ausgestattet und steht deshalb für unnachgiebig, eigensinnig, unbeugsam; die Formen -nackig und -nackig (krummnackig) stehen nebeneinander, wozu früher noch -näckicht kam. Haschisch Das Wort ist arabisch und bedeutet eigentlich Gras, Kraut. Haschisch, das schon in alter Zeit in China bekannt war, kam um 800 v. Chr. nach Indien, verbreitete sich von da über den ganzen Orient, und die Pflanze, aus der es produziert wird, der indische Hanf, wurde von den Arabern einfach Kraut genannt. Im 16. Jahrhundert gelangte das Wort mit dem Produkt nach Europa. Im letzten Jahrzehnt wurde es im Jargon der Haschischkonsumenten zu Hasch abgekürzt (daneben ist mindestens ein Dutzend anderer, zum Teil verschleiernder Wörter in Gebrauch, wie Cannabis, Pot, Tee, Stoff etc.). Von Hasch leiteten sich das Substantiv Hascher (Haschischkonsument) und haschen (Haschisch zu sich nehmen) ab.
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Hase wissen, wie der H. läuft: Wenn der Hase gejagt wird, wechselt er oft unvermutet die Richtung, indem er Haken schlägt, und ist nicht so leicht zu erwischen. Weiß jemand, wie der Hase läuft, kennt er von allen möglichen Wendungen, die eine Sache nehmen könnte, die zutreffende, ist also sehr erfahren. Hase hier liegt der H. im Pfeffer: Der Hase im Pfeffer ist das, worauf es ankommt, und das ist bei einem Gericht das Fleisch, in diesem Fall das Hasenfleisch, das aber in so viel Sauce liegt, daß man es gleichsam gar nicht so leicht findet (wohl weil die Hausfrau sparen will). Pfeffer war, seit er im Mittelalter in Europa bekannt wurde, das beliebteste Gewürz und erlangte deshalb auch eine allgemeinere Bedeutung für Gewürz überhaupt, so daß man Saucen oder Brühen, zu deren Bereitung Pfeffer verwandt wurde, auch Pfeffer nannte, wenn noch andere Gewürze dabei waren. »Der pfeffer«, so heißt es in einem alten Rezept, »wird gemacht uß zymet, ymber, neglin, pfefferkörnli, dieselben specerei allesamt werden under einander gestoßen, vermüschet und geschüt, und würt ein würtz daruß.« So heißen entsprechende Gerichte denn auch Hasenpfeffer, Gänsepfeffer, Schweinepfeffer. Hase mein Name ist Hase, ich weiß von nichts: Die Redensart geht auf einen Vorfall in Heidelberger Studentenkreisen zurück, in den ein Student namens Viktor Hase verwickelt war. Die Geschichte wurde von seinem Bruder so erzählt: »Ende des vorigen Semesters 1854/55 hatte mein Bruder einem fremden Studenten einen Dienst erwiesen. Dieser hatte das Unglück gehabt, im Duell einen anderen zu erschießen, war auf der Flucht nach Heidelberg gekommen, von wo er in Straßburg über die französische Grenze wollte. Dieser Student wandte sich an Viktor um Zuflucht und Hilfe. Nun war jeder Mißbrauch der Studentenlegitimationskarte streng verboten, aber das ließ sich nicht verbieten, die Karte zu verlieren. Viktor verlor sie, jener fand sie, kam glücklich über die Grenze und ließ die Karte wieder fallen. Sie wurde gefunden und als verdächtig dem Universitätsgericht übersandt. Zur Untersuchung ge-
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zogen, äußerte sich der junge Jurist sofort: >Mein Name ist Hase, ich verneine die Generalfragen, ich weiß von nichts!Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten; sehet ihr zu!