Ted Arnold blieb mit dem Fuß an einem Dielenbrett hängen.
Er stolperte und ließ die Tür los, die mit lautem Knall zufi...
8 downloads
469 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Ted Arnold blieb mit dem Fuß an einem Dielenbrett hängen.
Er stolperte und ließ die Tür los, die mit lautem Knall zufiel.
Jack Marrow, fünfzehn Meter entfernt, im blassen Licht einer
baumelnden Lampe, sprang auf und warf die Arme in die Höhe.
Als Arnold hinüberkam, kauerte er hinter der niedrigen Sperrholzwand,
die als Schutz für die Instrumententafel diente.
Kurz vor dem Nervenzusammenbruch, dachte Arnold, unangenehm.
Marrow richtete sich auf und streckte eine zitternde Hand
aus, um sich im Gleichgewicht zu halten.
Alles bereit?” fragte Arnold.
Marrow befeuchtete sich die Lippen und warf nervös einen
Blick hinter sich.
Zehn Minuten, sagte Arnold.
Er besah sich die Anlage, stellte fest, daß eine Skala falsch eingestellt
war, und ging hinüber, um sie neu einzurichten.
“Newark”, sagte er.
Marrow schluckte und sagte: “Oh, ich hab' nicht -”
“Schon gut”, sagte Arnold. “Sie werden nicht gebraucht. Wenn
Sie lieber im Büro warten wollen, bitte.”
Marrow schluckte wieder. “Ich glaube... “ Er verstummte und
machte sich auf den Weg zum Büro. Arnold sah ihm nach. Die
Tür klappte wieder zu, dann war es still, abgesehen von den
Schritten, die hinter der Bürowand ruhelos hin- und herwanderten.
Trapp, knarr, trapp, trapp, knarr. Pause. Trapp, trapp,
knarr, knarr, Pause. Arnold lauschte und zählte. Im Büro gab
es siebzehn knarrende Dielen. Er kannte sie alle, wußte die verschiedenen
Geräusche genau voneinander zu unterscheiden.
Am anderen Ende des alten Lagerhauses hob sich noch eine
Lichtoase heraus. Dazwischen war zugige Leere, umgeben von
durchhängenden Böden und schmutzigen Länden, nackten Deckenbalken
und an einer Stelle sah man den Sternenhimmel, wo
das Dach durchlöchert war. Arnold machte sich auf den Weg.
Walt Perrin sah ihn kommen und erwartete ihn grinsend. Arnold
lachte ihn an, erfreut bei dem Gedanken, daß Perrin ganz
sicher nicht die Nerven verlieren würde. Auch dort sah er sich
die Instrumente an. Alles war in Ordnung.
Perrin stieß mit der Schuhspitze gegen ein Dielenbrett. Es
bog sich durch, gab den Blick auf unterirdische Schwärze frei.
“Solang im hier auch schon herumlaufe, meinte Perrin, an
diese Diele bin im bisher nicht gekommen. Vor einer Minute
trat ich drauf und hätte mir beinahe den Hals gebrochen. Man
müsste den Bau für unbewohnbar erklären.”
“Längst geschehen”, erwiderte Arnold.
“So? Wär' ja ein Witz, wenn die Polizei mit dem Ausweisbefehl
käme, während wir gerade anfangen.”
“Keine Gefahr”, sagte Arnold. “Der Besitzer hat Einspruch erhoben. Ab heute Abend ist das sowieso egal. Entweder können wir in einen anständigen Bau ziehen, oder wir sind erledigt. Würde es Ihnen etwas ausmachen, die X-7-R zu übernehmen? Sie haben Zeit genug, wieder 'rüberzukommen.” “ Was ist denn mit Marrow los?” “Die Nerven.” “Pech. Kann man ihm nicht übel nehmen. Sich Glassplitter aus den Haaren zu kämmen, macht auf die Dauer kein Vergnügen. Natürlich übernehm' ich das.” Arnold schaute auf die Uhr. “Vier Minuten”, sagte er. “Es wird langsam Zeit.” Er ging mit Perrin zurück, überließ ihm die X-7-R und verfügte sich wieder ins Büro. Das technische Büro der Universal-Teleport-AG war in einer Ecke des heruntergekommenen Lagerhauses untergebracht. Das ungestrichene Sperrholz der Wände stand in merkwürdigem Gegensatz zu den geschwärzten Wänden gegenüber, und das Sperrholz war schon verstaubt und von Handabdrücken verschmiert. Hochloben an der Wand gab es ein schmutziges, unvergittertes Fenster. Von einem Deckenbalken hing eine nackte Glühbirne. Das Mobiliar bestand aus einem verkratzten Tisch, einem Karteischrank und ein paar Klappstühlen. Auf dem Tisch standen drei Telefonapparate und eine Leuchtstofflampe. Der kleine elektrische Ventilator auf denn Karteischrank ratterte. Marrow hatte einen Stuhl in den schützenden Schatten des Karteischranks gestellt. Der andere Mann im Raum schritt ruhelos hin und her. Arnold ging zum Tisch, setzte sich vorsichtig auf einen Klappstuhl, sie brachen häufig beim leisesten Anlass in sich zusammen und griff nach einem Telefonhörer. Der andere blieb stehen. “Ted ?” Arnold drehte sich um. “Tut sich schon etwas?” “Noch eine gute Minute”, sagte Arnold und sah auf die Uhr. Der andere nahm die Wanderung wieder auf. Arnold kramte nach einem Taschentuch, und während er sich den Schweiß vorn kahlen Kopf wischte, blieb der andere wieder stehen. “Eine Minute sagst du?” Arnold nickte und nahm den Hörer ab. Er wählte eine Nummer und wartete, ungeduldig auf die Uhr starrend. Endlich meldete sich jemand. Arnold hörte schwere Atemzüge, dann ein gereiztes Knurren. “Macht ihr etwa einen Ausflug?” fauchte er. “Im wünsche, daß jemand am Telefon ist. Die ganze Zeit. Alles fertig?” “Sicher. Meyers wird gleich durchkommen, wenn es nicht
schon so weit ist.”
“Noch zwanzig Sekunden”, sagte Arnold. “Sorgen Sie dafür,
daß jemand am Telefon bleibt.”
Er legte auf. “Newark ist jedenfalls bereit”, sagte er, ohne
den Blick vom Zifferblatt zu nehmen. “Meyers wird - jetzt gleich durchkommen.”Das weiße Telefon summte. Arnold riss den Hörer an sich.
“Meyers ist durch”, sagte Perrin.
“Gut, Perrin. Wenn…..“
Das Gebäude erzitterte unter Explosionen. Schutt polterte
gegen die Trennwand. Staub zog in einer dicken Wolke herüber
und schwebte langsam zu Boden. Der Ventilator kippte vom
Karteischrank, verfehlte Marrow nur knapp, knallte auf den
Boden und ratterte weiter. Marrow hatte die Hände vors Gesicht
geschlagen und reagierte nicht. Arnold erwischte seine
Tischlampe im letzten Augenblick, bevor sie kippte. Er atmete
tief ein, erwischte zu viel Staub und nieste kräftig.
“Jemand verletzt?” fragte er in die Muschel. Er bekam keine Antwort.
“Hallo, ist jemand verletzt?” schrie er.
“Alles in Ordnung, Chef”, sagte Perrin. “Sie brauchen nur
eine X-7-R abzuschreiben.”
Ein anderes Telefon läutete. “Weitermachen”, sagte Arnold
und griff nach dem Hörer. “”Hallo? Arnold.”
“Station Baltimore. Unsere X-7 -R ist explodiert.”
“Verletzte?”
“Ein paar kleinere Platzwunden.”
“Gut. Versuchen Sie, auf dem laufenden zu bleiben.”
Arnold legte auf und lehnte sich vorsichtig zurück. Der
unruhige Wanderer war auf einen Sessel in der anderen Ecke des
Raumes gesunken. Er starrte den Boden an.
“Jetzt werden wir bald Bescheid wissen”, meinte Arnold.
Der andere zuckte hoch und starrte ihn an, mit eingesunkenen
Wangen, beinahe ein Geist. Arnold wurde von Mitgefühl
für Thomas ]. Watkins übermannt. Als Chefingenieur der
Universal- Teleport-AG hatte Arnold nicht mehr zu verlieren als
seinen Stolz und seine Stellung. Sein Stolz war so oft gekränkt
worden, daß er gegen derlei Dinge immun war, und um eine neue
Stellung zu bekommen, bedurfte es eines einzigen Anrufs.
Aber Watkins hatte jeden Cent seines eigenen Geldes in der
Gesellschaft angelegt, ganz zu schweigen von beträchtlichen Summen,
die nicht ihm gehörten. Er war am Rande des Ruins und
wußte es auch. Er sah Jahrzehnte älter aus als vierundsechzig.
Ein jüngerer Mann hätte wieder auf die Beine kommen können.
dachte Arnold, aber wenn ein älterer Finanzier sein Geld verlor,
war er für alle Zeiten erledigt.
Es ist aus, nicht wahr?” fragte Watkins.
Wir fangen gerade erst an”, erwiderte Arnold. “Was da explodiert
ist, war eine X-7-R, das alte Modell. Der Apparat in
Baltimore ging in die Luft und Philadelphia - das müsste Philadelphia sein.”
Er nahm den Hörer vom summenden Telefon, lauschte kurz
und stellte mit dem Ingenieur in Philadelphia einen Uhren vergleich an.
“Das wär's”, sagte er, als er auflegte. Alle drei X-7-R sind
demoliert. Jetzt versuchen wir es mit der X-8-R.”
“Dann haben wir immer noch eine Chance?”
Arnold sagte ernsthaft: “Für mich steht es fünfzig zu fünfzig.”
Watkins lächelte. "Ich habe mim schon auf schlechtere Chancen
eingelassen und gewonnen”, meinte er nachdenklich. “Aber
jetzt - diese Sache -”
Arnold brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
Er hatte den Hörer des weißen Telefons abgenommen und bekam
keine Antwort. Mit einem Satz war er an der Tür und riss
sie auf.
Perrin rief ihm zu: “Tut mir leid. Meyers und ich sind gerade
dabei, uns zu verbinden.” - “Ich dachte, Sie hätten gesagt-”
“Nur ein paar Platzwunden. Meyers hat eine tiefe Schnittwunde im Gesicht, aber es geht schon noch. Vielleicht muß das
später genäht werden. Wir schaffen's.”
Arnold ging hinüber, um sich Meyers anzusehen. Der kleine,
unverwüstliche Ingenieur grinste, während Perrin Heftpflaster
über die Wunden klebte.
“Wenn es so schlimm ist”, sagte Arnold, “nehmen wir einen
andern.”
“Quatsch”, knurrte Meyers. “Ich tu seit Wochen nichts anderes,
als Glassplittern auszuweichen. Glauben Sie, daß ich jetzt
aufhöre? Ein Übergang, ohne bei der Ankunft in die Luft gesprengt
zu werden - mehr verlange im nicht.”
“Hoffentlich klappt es jetzt”, sagte Arnold. Er sah auf die
Uhr. “Bei mir ist es jetzt genau zwei Uhr siebenundvierzig.”
“Stimmt”, sagte Perrin. “Drei Minuten. Wir sind soweit.”
Arnold kehrte ins Büro zurück. Marrow schien sich wieder in
der Gewalt zu haben. Er war mit dem Stuhl an den Tisch herangerückt, und Arnold überlegte sich, was er ihm zu tun geben
könnte, aber es fiel ihm nichts ein. Watkins ging wieder auf und
ab. Arnold setzte sich, stellte eine Verbindung mit der Station
Newark auf dem einen Telefon und mit Perrin auf dem anderen
her und wartete, während er sich fragte, ob er nicht zu optimistisch
gewesen sei, als er die Chance mit fünfzig zu fünfzig angegeben hatte.
“Meyers ist fertig”, erklärte Perrin.
“Also gut, Newark”, sagte Arnold. “Macht euch bereit.”
Newark informierte ihn, daß man schon seit fünf Minuten
warte. Wo, zum Teufel, bleibe Meyers?
“Schaut doch auf die Uhr”, fauchte Arnold. “Los, Perrin.”
“Er ist durch”, sagte Perrin.
“Er ist durch”, wiederholte Newark.
Arnold presste den Hörer ans Ohr und wartete. Er legte den
weißen Hörer weg und bemerkte erst nach ein paar Sekunden,
daß Perrin lärmend wissen wollte, was passiert sei.
“Nichts ist passiert”, sagte Arnold.
“Nichts?”
“Nichts”, sagte Newark. “Sollen wir ihn zurückschicken?”
“Ja. Umstellen, Perrin. Er kommt zurück.”
Es blieb eine Weile still, dann sagte Perrin: “Er ist wieder da.
Alles in Ordnung.”
Gut, Weitermachen. Umstellen, Newark.”
Schon erledigt”, sagte Newark. “Er ist wieder durch.”
“Noch ein paar Mal.” Arnold legte beide Hörer auf. Philadelphia
rief an, dann Baltimore. Arnold lauschte und gab Anweisung,
weiterzumachen. Er lehnte sich zurück und starrte zu
Watkins hinüber. Plötzlich fühlte er sich total erschöpft. Es hatte
drei Jahre gedauert, und er hatte gewonnen - vielleicht - Jetzt
setzte die Reaktion ein
“Das wär's”, sagte er. X>X-8-R. Wir sind im Geschäft.”
“Es funktioniert?” fragte Watkins.
Arnold nickte..
“Dann können wir anfangen. Dann -” Watkins sprang auf.
“Dann können wir weitermachen”, sagte er erregt. “Wir bekommen
Geld und haben's geschafft.”
“In letzter Minute”, murmelte Arnold. “Möchten Sie kurz mal
nach Newark?”
“Jetzt?” fragte Watkins begeistert. “Im Ernst?”
Arnold führte ihn hinüber zum anderen Ende des Lagerhauses,
wo Perrin grinsend an der Instrumententafel saß. Meyers,
der gerade die zehnte Rundreise zwischen Newark und Manhattan
vollendet hatte, sprang auf Arnold zu und ergriff seine
Hand. “Wir haben's geschafft, Chef!” schrie er.
Arnold deutete auf einen Metallrahmen.
“Gehen Sie einfach da durch”, sagte er zu Watkins.
Ohne zu zögern trat Watkins vor und verschwand. Meyers
sprang ihm nach.
Perrin schnitt eine Grimasse. “Meyers wird sich den Hals
brechen, wenn er so weitermacht. Wissen Sie, was der Trottel
vorhat? Er möchte über einem Betonboden von einem Sprungbrett
durch einen Sender flitzen und über einem Swimmingpool
in Miami herauskommen.”
“Klingt ganz gut”, meinte Arnold. “Kann sein, daß wir so
etwas brauchen, für die Publicity.”
Perrin warf einen Blick auf die Instrumente und betätigte
einen Hebel. Lange Zeit rührte sich nichts, bis Arnold unruhig
wurde, dann tauchte Meyers wieder auf.
“Der Alte wollte nicht glauben, daß er in Newark war”, sagte
Meyers. “Er musste unbedingt zu einem Fenster hinausschauen.”
Arnold schnüffelte argwöhnisch. “Sie sind ja beschwipst!”
“Na ja die Jungs in Newark feiern. Jedes mal, wenn ich dort
lande, muss ich ein paar Gläser kippen. Wie lange machen wir
denn das?”
Watkins tauchte vor ihnen auf. Sein Gesicht war gerötet, sein
weißes Haar flatterte. Er schwenkte eine Flasche Champagner.
“Ist es nicht verboten, Alkohol über die Grenze zu bringen?”
fragte Perrin verschmitzt.
Watkins brüllte vor Lachen. “Ich hab' keine Grenze gesehen.
Ich hole die Direktoren her. Alle miteinander. Wir geben eine
richtige Party.”
“Sie sind vielleicht nicht in der Stimmung”, meinte Arnold.
“Es ist drei Uhr früh.”
“Dafür sind sie schon in Stimmung. Sie müssen mitmachen.
Ihre Leute auch. Sie können ja 'rüberkommen.” Er breitete die
Arme aus. “Hier ist Platz genug für eine große Party.”
“Tut mir leid”, sagte Arnold. “Auf uns können Sie nicht zählen.
Und es wäre mir lieber, wenn Sie Ihre Party nicht hier
feiern würden.”
Watkins sah ihn mit großen Augen an. “Was ist denn los?”
“Nichts ist los. Wir sind mit der Arbeit noch nicht fertig. Ich
muss den Test weiterlaufen lassen und überlegen, wie ich möglichst
schnell ein paar hundert Sender nachbauen lassen kann.
Meyers? Wo ist oh. Das wird der letzte Versuch. Newark kann
sich auf Miami einstellen, und wir nehmen San Franzisko.”
“Gemacht!” sagte Meyers und sprang in den Sender.
2 Jan Darzek lehnte sich bequem zurück und sah Ted Arnold zu,
der gerade über seine Hamburger herfiel. Wie schon oft zuvor
dachte er, daß Arnold eher wie ein Hausmeister als wie ein hervorragender Ingenieur aussah. E.. war klein, dick und glatzköpfig.
Er wirkte älter als fünfundvierzig. Er sah auch ein bisschen
vertrottelt aus. Und das alles bewies nichts außer der Tatsache,
daß Äußerlichkeiten höchst irreführend sein konnten, was
niemand besser wusste als Privatdetektiv Jan Darzek.
“Gestern Nacht hatte ich einen seltsamen Traum”, sagte Darzek.
“Ich war auf dem Mond und schaute auf die Erde hinunter.”
“Geht nicht”, sagte Arnold.
“Was geht nicht?”
“Auf die Erde hinunterschauen, wenn man auf dem Mond
ist. Die Erde wäre ein großer Mond am Himmel. Man müsste
zu ihr hinaufsehen.”
Oh. Daran habe ich nicht gedacht. Das beweist nur, daß
mein Unterbewusstsein nicht wissenschaftlich orientiert ist. Ich
habe jedenfalls nach unten geschaut.
“Und?”
“Und was?”
“Was hast du getan?” fragte Arnold. “Einfach geschaut?”
“Das war alles.”
Arnold seufzte kauend. “Eine lange Reise, nur wegen der
Aussicht.” Er seufzte wieder und betupfte sich den kahlen Schädel
mit einem Taschentuch. “Ein Hoch auf alle Klimaanlagen.”
“Es ist verdammt beiß”, sagte Darzek. “Bist du endlich mit
dem Essen fertig, damit du mir sagen kannst, warum du aus der
Geschichte einen Gruselroman machen musst? Es tut mir weh,
wenn meine Freunde sich so anstrengen, mein täglich Maß an
Geheimnistuerei noch zu vermehren.” Er sprach in wütendem
Ton, aber seine blauen Augen funkelten fröhlich und der
strenge Zug um seine Lippen verbarg das Lächeln dahinter
nicht ganz.
“Was für ein Geheimnis?” fragte Arnold.
“Warum bestand Walker darauf, daß wir uns in dieser”
er sah sich hastig um, ob nicht irgendwo eine Kellnerin lauerte “in dieser schäbigen Kneipe treffen? Warum kommst du wie
ein Gesetzesbrecher mitten in der Nacht hereingeschlichen?”
Arnold sah traurig auf seinen Bauch hinunter und richtete seine
Krawatte gerade. “Männer mit meiner Figur schleichen nie.”
“Du bist geschlichen. Ich habe schon zu viele Leute beschattet,
um die klassischen Symptome nicht zu erkennen, wenn sich
jemand verfolgt fühlte. Ein Wunder, daß du dir nicht den
Hals verrenkt hast, so wie du dich andauernd umgesehen hast.
Du bist an die Tür geschlichen und hast die Passanten auf beiden Straßenseiten eine ganze Minute lang beobachtet. Dann
hast du mich aus einem relativ bequemen Sessel hier in die
Nische gezerrt, damit wir unter uns sind. Und das trotz der
Tatsache, daß wir hier die einzigen Gäste sind. Selbst die Kellnerin
treibt sich nicht herum. Sie ist in den Koch verliebt.”
“Tatsächlich?” sagte Arnold und sah interessiert zur Küchentür
hinüber. “Sich hier zu treffen, war nicht Walkers Einfall,
sondern meiner. Mir ist aufgefallen, daß der Laden hier um
diese Nachtzeit gewöhnlich leer ist.”
Darzek beugte sich vor und sagte leise: “Wann geht es bei
der Universal Teleport los?”
Arnold zuckte zusammen und sah sich um. Er flüsterte heiser:
“Woher weißt du das?”“Ganz einfach”, sagte Darzek “Zu der Zeit, als unser Börsenclub
alle Aktien abstieß und - auf deine Empfehlung hin,
wie du vielleicht noch weißt - jeden Cent in Aktien der Universal
Teleport investierte, kramte ich meine Ersparnisse zusammen und
kaufte mir hundert Anteile. Auch auf deine Empfehlung hin.
Davon war schon mal die Rede.”
“Du hast damals davon gesprochen”, sagte Arnold, “und
inzwischen mindestens dreimal wöchentlich, seit die Aktien
gefallen sind.”
Darzek lache. “Wirklich? Hatte ich ganz vergessen. Jedenfalls
war vor einem Monat der Marktwert der Universal-Te1eport-Aktien
nicht höher als ein Cent pro Anteil, ohne Käufer,
versteht sich, und ein geheimnisvoller Mensch rief mich an und
bot mir Fünfhundert für meine hundert Aktien. Er sagte,
er vertrete ein Syndikat von Maklern, die Universal Teleport
unter Kontrolle bringen wollten, um aus den Grundstücken,
die die Gesellschaft im ganzen Land gekauft oder gepachtet
hatte, etwas zu machen. Ich hielt ihn hin, und er hat seither
dreimal angerufen. Das letzte Angebot belief sich auf Zweitausend - genau das, was mich die Aktien gekostet haben. Dazu die
Tatsache, daß Walker dieses Treffen vereinbart hat. Wahrscheinlich
wollte er ein Angebot über die Aktien unseres Clubs
machen. Außerdem bin ich heute zufällig durch die Eighth Avenue
gekommen und habe dort Leute arbeiten sehen. Sie rissen
das Gebäude nicht ab, also gab es nur eine Antwort. Universal-Teleport
kommt ins Geschäft.” Arnold nickte. “Wann hat der Kerl zum ersten
mal bei dir angerufen?”
“Vor einem Monat.”
Arnold nickte wieder. “Universal Teleport eröffnet nächsten Montag.
Aber vor einem Monat wußte das noch niemand.
Ich selbst wußte es noch nicht, und da konnte es auch kein anderer wissen.
Vor einem Monat hätte ich dir für deine hundert Aktien keine fünfhundert
Pfund gegeben.”
“Jemand wußte Bescheid”, sagte Darzek. “Warum sonst das Angebot?”
“Keine Ahnung. Es hat erst vor fünf Tagen geklappt, und bis
zu diesem Augenblick sah es aus, als sei Universal Teleport erledigt.”
Darzek zündete sich eine Zigarette an und stieß einen Rauchring aus.
“Merkwürdig”, sagte er. “Wir haben schon schlimmere Sachen erlebt. Angesichts der Klagen unserer Aktionäre - ich glaube, es sind jetzt einunddreißig Verfahren, der Patentstreitigkeiten, der Untersuchungskommission im Kongress, der Ermittlungen des Handelsministeriums, der Drohungen der Armee, das Ganze zu übernehmen, ist es ein Wunder, daß wir überhaupt noch eine Firma haben. Dann kommen noch die Beschränkungen von Seiten der Regierung hinzu. Und Sabotage. Ich habe nichts beweisen können, bin aber davon überzeugt, daß es sich um Sabotage handelt. Das Schlimmste von allem waren aber die technischen Versager. Jedes Mal, wenn wir glaubten, anfangen zu können, gab es irgendeinen Defekt. Ich wage nicht, daran zu denken, wie oft das passiert ist; und die ganze Zeit hatte ich den Eindruck, daß irgendwelche Außenseiter genauso gut informiert waren wie ich. Vielleicht noch besser. Ich bin die letzten beiden Jahre immer wieder beschattet worden, und das macht mich langsam nervös.” “Ich möchte nur wissen, wo Walker bleibt”, sagte Darzek. “Er hat einen Auftrag. Er wird schon kommen.” Darzek lehnte sich zurück, streckte die langen Beine unter dem Tisch aus und betrachtete die blinkende Neonreklame im Fenster des Restaurants. Er versuchte gerade aus den Worten >EGALNA-AMILK. schlau zu werden, als die Tür aufgerissen wurde und Ron Walker hereinstürmte. Er hastete zu ihrer Nische, warf seinen Hut auf den Tisch nebenan und setzte sieb neben Darzek. “Was gibt es Neues?” fragte Darzek. “Nicht viel”, meinte Walker achselzuckend. “Es heißt, daß der Bürgermeister das Wasser rationiert, wenn es nicht regnet. Laut Wetteramt wird dieser Sommer 1986 der heißeste seit 48 Jahren. Oder vielleicht seit 84 Jahren. Drei Kongressausschüsse werden nächste Woche in der Stadt erwartet - einer davon soll sich übrigens mit der Universal Teleport befassen. In Detroit oder vielleicht in Chicago entschied ein Richter, daß das Versäumnis eines Ehemannes, sein Haus mit einer Klimaanlage auszustatten, keinen Scheidungsgrund darstellt. Der Sommer wird also recht langweilig werden.” “Das war offensichtlich die falsche Frage für einen Reporter”, meinte Arnold. “Er riecht nach Rauch.” “Feuer in einem Lagerhaus“, sagte Walker. “Leeres Lagerhaus. Langweilig. Sogar die Feuerwehrmänner haben sich geärgert. Wo ist die Kellnerin? Ich habe Hunger.” Arnold nahm die leere Kaffeetasse und warf sie an die Küchentür. Die Tasse zersplitterte, und einen Augenblick später tauchte die Kellnerin mit erschrockenem Gesicht auf. “Setzen Sie's auf die Rechnung”, sagte Arnold. Sie warteten stumm, bis sie Kaffee und einen Teller mit Wurstbroten für Walker gebracht hatte. “Das mit dem Koch stimmte übrigens”, sagte Arnold zu Darzek,
als sie wieder in der Küche verschwunden war. “Ihr Haar war ganz zerwühlt.” Walker wedelte mit einem Wurstbrot herum. “Darzek hat immer recht. Wahrscheinlich hat sie zu viel Zeit. Hört mal, wir haben uns offiziell nicht mehr getroffen, seit - wann war das? Ein paar Jahre bestimmt. Die Aktien der Universal Teleport standen so niedrig, daß wir praktisch bankrott waren. Was würdet ihr zu einem anständigen Gewinn sagen?” “Wie viel?” fragte Darzek. “Ich kann dreizehntausend für unsere sechshundert Aktien bekommen. Das sind tausend mehr, als wir bezahlt haben. Ich weiß nicht, was dieser Idiot mit den Aktien tun will, wollte euch aber Bescheid sagen.” “Ein Maklersyndikat?” fragte Darzek. "Ja. Er sagte “ Walker drehte sich langsam um und starrte Darzek an. “Woher weißt du das?” “Ich habe selber hundert Aktien der Universal Teleport. Vor einem Monat hat man mir ein Angebot gemacht.” “Offenbar hat da einer soviel Geld, daß er es zum Fenster hinauswerfen kann.” “Keineswegs”, sagte Arnold. “Wenn die Universal Teleport am Montag eröffnet, werden unsere Aktien zehn Minuten später das Doppelte dessen wert sein, was wir dafür bezahlt haben.” Walker sprang auf, dabei seine Tasse umwerfend. “Ist das amtlich?” wollte er wissen. “Amtlich und vertraulich”, erwiderte Arnold. “Setz dich und wisch das auf.” Walker wischte den verschütteten Kaffee mit einer Handvoll Papierservietten auf. “Da hab' ich mir schöne Freunde ausgesucht”, murrte er. “Letzte Woche hielt Darzek eine Woche lang einen Juwelenraub geheim, und ich erfuhr überhaupt nichts.” “Ich hab' dir drei Stunden vorher Bescheid gesagt, als ich den Fall löste”, sagte Darzek. “Und ich wette, daß dein Redakteur mit der Sache nichts zu tun haben will. Wie viele groß angekündigte Eröffnungen sind das jetzt für die Universal Teleport? Sechs?” “Sieben”, sagte Arnold. “In den Zeitungen werden sie nicht einmal mehr lästern über uns. Die Presse wird morgen Mittag amtlich verständigt, aber wir rechnen damit, daß viele Zeitungen die Nachrichten gar nicht bringen.” “Oder sie verstecken”, sagte Walker. “Seite 32 unter der Beerdigungsliste. >Die Universal- Teleport-AG gab heute bekannt, daß sie kommenden Montag ihren Betrieb eröffnen wird. Punkt. Kommt ihr diesmal mit ganzseitigen Anzeigen heraus?” “Nein. Wir haben uns überlegt, daß die Leute ja doch nicht darauf achten, und wir sparen uns das Geld. Jedenfalls hat der
Alte es so begründet, aber ich persönlich glaube, daß er das Geld
gar nicht hat. Jedenfalls werden wir Reklame genug haben, sobald wir Passagiere befördern, und zwar umsonst.”
Walker nickte. “Ich sorge dafür, daß ich zur Eröffnung kommen
kann. Sonst wird sowieso keiner den Auftrag übernehmen
wollen. Alle dafür, daß wir die Aktien behalten? Angenommen.
Die Sitzung ist vertagt. Hoffentlich hast du recht, Ted.”
“Bestimmt - abgesehen von Unfällen. Am Montag wirst du
froh sein, daß wir die Fluggesellschaft-Aktien abgestoßen haben.”
“Ich möchte noch Kaffee”, sagte Walker.
Arnold rief der Kellnerin, und sie saßen stumm da, während
sie die Tassen füllte.
“Mich stört nur eines”, sagt Darzek, als sie wieder in der
Küche verschwunden war. Warum hat jemand versucht, meine
Aktien zu kaufen, bevor in der Universal Teleport etwas von
der Eröffnung bekannt war?”
“Spekulanten, sagte Walker. “Oder vielleicht gibt es wirklich
ein Maklersyndikat. Ich habe schon merkwürdigere Dinge gehört.”
Arnold schüttelte den Kopf. “Wahrscheinlich möchte jemand
die Firma übernehmen und sie kaputtmachen. Für dauernd. Die
Fluggesellschaften, oder die Vertreter der Eisenbahn- und
Transportinteressen, oder natürlich Grundstücksmakler. Warum
nicht? Könnt ihr euch vorstellen, Was die Universal Teleport für
Auswirkungen auf den Wert von Grundstücken haben wird?
Wenn wir voll im Geschäft sind, wird man in Kalifornien wohnen
und durch den Sender leichter täglich nach Wall Street kommen
können als bisher vom Central Park West aus. Die Kosten
werden vergleichbar sein mit dem, was der durchschnittliche
Berufstätige für ein Zugbillett ausgibt. Ihr müsst den Alten über
dieses Thema reden hören. Er behauptet, daß die Universal
Teleport unsere Lebensweise stärker revolutionieren wird als das
Automobil, und Er unterbrach sich und starrte Walker an.
“Hast du vorhin gesagt, ein Lagerhausbrand?”
“Drüben in der West Side, sagte Walker.
Arnold stand langsam auf. Er ging langsam zum Münzfernsprecher,
und als er zurückkam, setzte er sich auf den Stuhl und starrte die Wand an
“Das gefällt mir nicht”, erklärte er schließlich “Das war mein
Lagerhaus. Wir haben es für Tests benützt.”
“Wird sch das auf die Eröffnung auswirken?” erkundigte sich Darzek.
Arnold schüttelte den Kopf. “Wir haben dort nicht viel untergebracht
und es heute Nachmittag abgeholt.”
“Dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen. Schreib es an.
Es war ja versichert, nicht wahr?”
“Ich nehme an. Wir haben es nur gemietet.”
“Um so besser.”
“Es gefällt mir nicht. Wir haben soviel erlebt-”
“Wahrscheinlich ein Zufall”, sagte Darzek.
“Da täuschst du dich”, sagte Walker. “Nach dem Brandinspektor handelt
es sich eindeutig um Brandstiftung.”
Nur eine New Yorker Zeitung berichtete auf der ersten Seite
über die Eröffnung der Universal-Telepon-AG. Die anderen
Blätter im Land behandelten die Ankündigung als Füllsel, gewöhnlich
unter der kurzen Zeile: ,Schon wieder?” Es gab kaum
Kommentare. Sorge die Redakteure waren es müde, mit schneidendem
Sarkasmus darauf hinzuweisen, daß die Universal Teleport nur Propaganda
suche, um sich wieder einmal über die Zeit zu retten.
Der Mann von der Straße wollte von der Universal Teleport nichts wissen.
Er war nicht nur nicht begeistert, sondern völlig gleichgültig.
Aus diesem Grunde waren zur Stunde der Eröffnung die Stationen der
Universal Teleport, abgesehen von den Angestellten, völlig leer.
Die elegante, halbfertige Station in New York an der Eighth
Avenue südlich des Pennsylvania-Bahnhofs machte keine Ausnahme.
Ron Walker betrat sie an jenem Montagmorgen eine Minute nach
acht Uhr und kam zu dem bedrückenden Schluss,
daß man ihn zum Besten gehabt hatte. Es war ein Problem gewesen,
den Auftrag überhaupt zu erhalten, nicht, weil ihn jemand anderer
wollte, sondern weil sein Redakteur nicht daran
dachte, an die Universal Teleport Zeit zu verschwenden.
Das einzige, was Walker daran hinderte, sich umzudrehen und das
Gebäude zu verlassen, war die Erkenntnis, daß er seinem Redakteur
zwanzig Minuten lang in den Ohren gelegen hatte, um
ihn von der Bedeutung der Eröffnung zu überzeugen; es blieb
ihm also nichts anderes übrig, als einen Artikel zu produzieren.
Walker blieb 30m Informationsschalter stehen und wurde in
den Souterrain dirigiert, wo er eine Reihe von Fahrkartenschaltern
fand. Er verlangte ein Billett nach Philadelphia. Man verkaufte ihm
eine Fahrkarte nach Philadelphia, gab ihm dazu eine
Broschüre über die Freuden der direkten Übermittlung und
eine kostenlose Versicherungspolice über fünfzigtausend Dollar
und wies ihn zu einem Passagiersteig. Dort gab er seine Fahrkarte ab, marschierte durch ein Drehkreuz und einen kurzen
Korridor, der von dort aus abbog, um Sekunden später von
einer Telefonzelle in Philadelphia aus in unzusammenhängenden
Worten die Meldung durch zu schreiten. Beinahe bevor sein verblüffter
Redakteur aufgelegt hatte, war Walker wieder in New
York und wenige Minuten, nachdem ein Bote ihm einen beträchtlichen
Betrag für Reisespesen gebracht hatte, telefonierte
er aus London an. Nach dieser Leistung konnte nicht einmal
der abgehärtetste Skeptiker leugnen, daß die Universal Teleport
im Geschäft war.
Aber an diesem schwülen Julitag ließ sich die Lethargie des Mannes von der Straße nicht so leicht überwinden. Um zehn Uhr standen nur vereinzelte Fußgänger vor der Station in Manhatten und pressten die Nasen an die großen Fenster. Ein elegant gekleideter junger Mann winkte ihnen von einer Plattform aus zu, trat durch eine Sendeanlage und erschien, immer noch winkend, auf einer anderen Plattform in dreißig Metern Entfernung. Er machte ein paar Schritte, trat durch eine zweite Anlage und kehrte zu seinem Startplatz zurück. Der durchschnittliche New Yorker sah drei Minuten lang zu, ohne hinter den Gag zu kommen, und setzte murrend seinen Weg fort. Um zehn Uhr zehn kam ein Angestellter der Universal Teleport auf die rettende Idee, holte eine gut gebaute Blondine von einem Fahrkartenschalter weg, ließ einen Badeanzug holen und befahl dem jungen Mann, das Mädchen von Plattform zu Plattform zu jagen. Binnen Minuten entwickelte sich die gewaltigste Verkehrsstockung in der Geschichte Manhattans. Es bedurfte nur noch eines genialen Funkens, um die Eighth Avenue in ein Chaos zu stürzen. Um halb zwölf ließ der Geschäftsführer der Station ein riesiges Schild an den Fenstern aufhängen. Kommen Sie herein und versuchen Sie es selbst -kostenlos!' Die Menge stürmte in die Station. Die ersten mochten mehr Interesse daran gehabt haben, die Blondine zu verfolgen, als sich von den Sendeanlagen versetzen zu lassen, aber es ging los, und die Blondine wurde als Verkehrshindernis schnellstens weggeschafft. Die Polizei versuchte, in der Vorhalle mühsam Ordnung zu halten, und schrie heftig nach Verstärkung. Autos wurden auf der Straße stehen gelassen, als die Fahrer sich in die Station vorkämpften, um zu sehen, was hier überhaupt los war. Endlose Schlangen wanden sich durch den riesigen Raum, als ein New Yorker nach dem anderen vorsichtig auf die Plattform stieg, durch den Sender trat, auf der anderen Plattform herauskam, zurückkehrte und zum Ausgang geschoben wurde. Die Anzahl der Menschen, die an diesem Tag durch die Sendeanlagen gingen, ließ sich nie genau feststellen. Die Universal Teleport sprach von hunderttausend, was absurd war, aber ein Reporter verfolgte das Schauspiel eine Stunde lang mit der Stoppuhr und erklärte, daß in jeder Minute ein Minimum von zwanzig und ein Maximum von vierzig Menschen durch die Sendeanlagen geschleust worden sei. Am Nachmittag beschränkte man den Durchgang auf einen Weg quer durch die Vorhalle, so daß von nun an die doppelte Anzahl von Menschen durchgeschleust werden konnte. Noch um Mitternacht standen die Leute in Schlangen an, und an den Schaltern wurden zahllose Billetts verkauft. Reisende, die vom Pennsylvania-Bahnhof kamen, um zuzusehen, stellten
sich vor den Schaltern an und erreichten ihr Ziel Stunden oder Tage, bevor man sie erwartete. Eine Flut von Abbestellungen ergoss sich über die Büros der Fluggesellschaften. Wall Street erholte sich von einer Panik später Verkäufe, bei denen die Aktien der Verkehrsgesellschaften unerhörte Tiefstwerte erreichten. Die Aktien der Universal Teleport waren vermutlich emporgeschossen, aber niemand wußte etwas Genaues, weil nichts zum Verkauf angeboten wurde. Die Aktionäre der Universal Teleport klammerten sich triumphierend an ihre Anteile. Zu jedem Punkt der Welt, wo die Universal Teleport eine Station erstellte, betrug die Reisezeit durch den Sender null Minuten, oder, um genau zu sein, soviel Zeit, wie ein Passagier brauchte, um durch den Eingang zu schlendern, einen kurzen Korridor entlangzugehen und zu einem Ausgang heraus zu kommen. Die Aufsichtsräte vieler Gesellschaften tagten an diesem Montagabend, mürrisch die Tatsache besprechend und ihre Bedeutung würdigend. Die Weitsichtigeren machten sich daran, Inventare auszugleichen, Fabriken zu schließen, neue Produktionen in die Wege zu leiten. Das Zeitalter des Autos, das Zeitalter des Flugzeugs war erledigt. Für alle Zeiten. Und zum ersten Mal in drei Jahren gingen die Direktoren der Universal-Teleport-AG früh zu Bett, um gut zu schlafen. Jan Darzeks einzige Angestellte war ein ehemaliges Mannequin namens Jean Morris. Sie stellte eine großartige Verzierung seines Büros dar, das sie mit unbarmherziger Tüchtigkeit leitete und bei gewissen Aufträgen im Außendienst leistete sie Unübertreffliches. Sie hatte bei Darzek angefangen, weil sie sich in ihn verliebte. Sie entdeckte schnell, daß Jan Darzek kein gewöhnlicher Sterblicher war, sondern eine Institution merkwürdiger Talente, ausschließlich darauf gerichtet, Informationen zu beschaffen und sie in Berichten an Klienten niederzulegen. Nach einer Weile übertrug sie ihre Liebe auf den Detektivberuf und entwickelte ihre eigenen Talente. Sie waren ein ungeheuer erfolgreiches Team. Am Tag der Eröffnung der Universal Teleport kam Darzek vom Mittagessen zurück und ertappte sie dabei, daß sie sich stirnrunzelnd mit einem Telefonanruf befasste. Aus Berlin”, sagte sie. “Angeblich von Ron Walker.” Was du nicht sagst.” Ein R-Gespräch.” Hab' ich mir gedacht”, sagte Darzek lächelnd. Wenn er noch einmal anruft, nimmst du das Gespräch nicht an.” "Ich hab' mir schon gedacht, daß es ein Witz ist. Oder war das Rons Zwillingsbruder, den ich heute hier gesehen hab'?” “Ron hat keinen Zwillingsbruder, und das Ganze ist kein Witz. Heute früh war er in New York. Jetzt ist er in Berlin. In
der Zwischenzeit war er in London, Paris und Rom. Er ist für
seine Zeitung unterwegs. Ich habe beim Essen einen seiner Kollegen
getroffen und alles erfahren.”
,.Oh”, sagte sie. “Die Sache mit den Sendern.”
“Richtig. Ron unternimmt eine Weltreise über die Sendeanlagen
und schickt Artikel über die Reaktion der Bevölkerung.
Natürlich möchte er mir persönlich alles schildern, damit ich die
Telefonrechnung bezahlen kann. Wenn er wieder anruft, sagst
du der Vermittlung, daß ich eben per Sender nach Sibirien abgereist bin.”
Zwanzig Minuten später hatte Darzek einen Besucher, einen
Geschäftsmann, der sich auf einer Reise nach Paris im vergangenen
Frühling nicht hatte beherrschen können. Es gab Komplikationen.
Paris?” sagte Darzek lächelnd. "Vergangene Woche hätte ich
Ihnen sagen müssen, daß ich keine Zeit habe. Aber jetzt - ich erledige
das morgen.”
Der Geschäftsmann seufzte erleichtert auf. “Gut. Ich überlasse
alles Ihnen. Wenn Sie zurück sind - am Freitag?”
“Ich mache das morgen Nachmittag “, sagte Darzek. Ich
spreche mit der jungen Dame und komme sofort zurück. Es
wird nur ein paar Stunden dauern.”
Der Geschäftsmann hob verblüff!: die Brauen, dann lächelte er
plötzlich. ,.Ah - die Universal Teleport! Das hatte ich vergessen.”“Sie werden es nie mehr vergessen”, meinte Darzek.
Am Dienstag morgen entschloss sich die Polizei zur Kapitulation.
Man sperrte drei Blocks der Eighth Avenue ab. Die schwitzenden Menschen
stauten sich von Bürgersteig zu Bürgersteig.
Die Universal Teleport befürchtete plötzlich mit Recht, daß die
Menschenmassen dem Geschäft schädlich sein könnten, und öffnete
einen Seiteneingang für zahlende Passagiere. Als Jan Darzek
Dienstagnachmittag auf der Szene erschien, brauchte er fünfundvierzig
Minuten, um sich vom Pennsylvania-Bahnhof zur Station der
Universal Teleport durch zu kämpfen, und er wurde
nur dadurch an der Aufgabe gehindert, daß die Menschenmassen hinter
ihm undurchdringlicher erschienen, als jene vor ihm.
Endlich erreichte er die Station, glitt erleichtert durch den
Seiteneingang und fuhr mit dem Lift nach oben. Er blieb ein
paar Minuten stehen, um die Leute unten in der Halle zu beobachten.
An einem der Vorführsender drohte ein Chaos. Eine ältere Dame hatte
ihren Schirm hindurch gesteckt und dann gezögert, ihm zu folgen.
Sie zerrte verzweifelt an dem Schirm, von dem die Hälfte an der
jenseitigen Plattform herausragte. Der Schirm bewegte sich nicht.
Der kombinierten Überredungsgabe von sechs Angestellten gelang es
schließlich, die Dame dazu zu bewegen, daß sie den Schirm ganz
hindurch schob und ihm folgte. Darzek sah ihr nach, als sie
davon wackelte, und runzelte die Stirn.
Die Temperatur betrug dreißig Grad, am Himmel stand keine Wolke, und warum ein Schirm? Schutz gegen die Sonne? Hör schon auf, mahnte er sich. Wofür hältst du dich eigentlich? Etwa für einen Detektiv? Einen Augenblick später überlegte es sich eine Oberschülerin anders, nachdem sie neugierig einen Arm in den Sender gesteckt hatte. Sie hing hilflos da, während ihr Unterarm aus der am anderen Ende des Saales befindlichen Empfangsanlage ragte. Ihre Schreie übertönten das Stimmengewirr in der Station. Einer der Aufseher schob sie schließlich hindurch, sie hastete die Treppe hinunter und lief davon. In der allgemeinen Aufregung steckte ein anderer Aufseher seinen Arm ebenfalls hindurch und musste sich auf die Empfangsplattform versetzen lassen. Die Zuschauer lachten. Strikter Einbahnverkehr, dachte Darzek. Aber für die meisten genügt das ja wohl. Die Menge schien durch die beiden Pannen eher belustigt als erschrocken. Die Schlangen bewegten sich vorwärts, aber Darzek bemerkte, daß die Leute sich dem Sender argwöhnisch näherten, tief einatmeten, als träten sie unter die kalte Dusche, und dann mit geschlossenen Augen und vorgestreckten Armen hindurchtaumelten. Darzek klemmte sich die Mappe unter den Arm und ging hinüber zu einer der Schlangen an den Schaltern. Vor ihm drehte sich eine gut gebaute Blondine um, besichtigte Darzek mit seinen muskulösen einsachtzig und dem welligen blonden Haar mit kühler Überlegenheit und wandte sich um. Darzek beschloss, sie zu ignorieren. In der Schlange nebenan sprach ein jovialer, dicker Geschäftsmann aufgeregt auf seinen mageren, düster blickenden Begleiter ein. “Ich hab's unten versucht. Gar nichts dabei, man spürt überhaupt nichts. Wie es in den Anzeigen steht, es ist genauso, als gingen sie von einem Zimmer ins andere. Wirklich das Tollste, was ich je gesehen habe. Ein Schritt, und da stehst du, auf der anderen Seite des Saales.” Der andere kaute nervös an einer Zigarre. Quer durch den Saal ist nicht dasselbe wie von hier nach Chikago.” Genau dasselbe. Du kannst bis nach Singapur gehen - wenn es dort eine Station gibt -, und das dauert nicht länger, als den Saal zu durchqueren. Für mich ist Schluss mit der Fliegerei. Das ist zwar ungefährlich, aber ab und zu stürzt doch ein Flugzeug ab, und hier riskiert man überhaupt nichts. Deswegen bekommt man auch die Versicherungspolice. Kein Mensch gibt einem fünfzigtausend Dollar Versicherungssumme umsonst, wenn man nicht ganz sicher ist, daß nichts passieren kann.” Hm!” sagte der Zigarrenkauende. “Das tun sie nicht wegen der Sicherheit, sondern weil es sich um etwas ganz Neues handelt
und manche Leute natürlich davor Angst haben. Man soll
eben glauben, daß nichts passieren kann. Vielleicht erklärst du
mir mal, was geschieht, wenn so ein Apparat defekt wird, während
du zur Hälfte hier und zur Hälfte in Chikago bist.”
“Mensch - daran hab' ich nicht gar nicht gedacht! Wir fragen
mal am Schalter.”
Alle Leute schienen beruhigender Zusicherungen zu bedürfen,
und es ging nur langsam vorwärts. Die bei den Geschäftsleute
kamen an den Schalter, unterhielten sich längere Zeit mit einem
geduldig grinsenden Angestellten und kauften schließlich ihre
Karten. Die Blondine vor Darzek trat gerade an das Schalterfenster.
Sie nahm ein Ungetüm von Handtasche von der Schalter,
öffnete sie und betrachtete sich im Spiegel, während der Fahrkarten Verkäufer ungeduldig mit einem Bleistift auf die Theke
klopfte. Schließlich klappte sie die Tasche zu und betrachtete den
Angestellten mit derselben kühlen Überlegenheit wie vorher Darzek.
“Ich möchte nach Honolulu”, sagte sie.
“Gern. Haben Sie einen Ausweis bei sich?”
Einen Ausweis.” Es war schwer zu sagen, ob sie eine Frage
stellte oder die des Angestellten beantwortete.
“Ich brauche irgendeinen Ausweis, damit ich Ihre Versicherungsurkunde
ausstellen kann. Zusammen mit Ihrem Billett erhalten Sie eine Police
über fünfzigtausend Dollar, gültig in der Zeit zwischen dem Betreten
des Reisesteigs hier in New York und dem Verlassen des Empfangssteigs
in Honolulu. Haben Sie einen Ausweis - Führerschein, Steuerkarte?”
“Tragen die Passagiere Schwimmwesten?” fragte die Frau.
Der Fahrkartenverkäufer zuckte zusammen. Nein. keine
Schwimmwesten.”
“Wissen Sie ganz genau, daß das ungefährlich ist? Zwischen
hier und Honolulu ist sehr viel Wasser, und im möchte nicht
gern hineinfallen. Im kann nicht mal schwimmen.”
Der Angestellte rollte die Augen zum Himmel.
“Es ist vollkommen ungefährlich. Sie haben nichts zu befürchten.
Sind Sie schon durch den Sender im Foyer gegangen?”
“Du lieber Himmel, nein! Ich kam gar nicht heran.”
“Sie können von hier aus zusehen. Es ist genauso, als gingen
Sie von einem Zimmer ins andere. Sie gehen hier durch eine
Tür, und in Honolulu, oder wo Sie sonst hinwollen, durch eine
andere. Mehr ist nicht dran.”
“Ich will aber nach Honolulu”, sagte sie. "Schicken Sie mich
ja nicht nach China oder sonst wohin.”
"Sie möchten eine Fahrkarte nach Honolulu kaufen?”
“Das sag' ich Ihnen ja schon die ganze Zeit!”
“Ihren Ausweis bitte.”
“ Wissen Sie ganz genau, daß es ungefährlich ist?”
“Wenn Sie wirklich Zweifel haben, warum sind Sie dann nicht
eine Weile in den Saal gegangen und haben zugesehen?”
Zögernd gab sie ihren Führerschein ab. “Ich hoffe nur, daß
ich nicht in den Ozean falle. Mein Haar verträgt kein Salzwasser.”
“Ist das Ihre jetzige Anschrift?”
“Ja. Ich kann mich einfach nicht damit abfinden, daß ich so
viel Wasser ohne Flugzeug, Boot oder sonst etwas überqueren soll. “
Der Angestellte schrieb emsig. Darzek sah zu den anderen
Schaltern hinüber. Alle Angestellten wirkten nervös, und ein
paar begannen zu fauchen.
Die Blondine kramte in ihrer Handtasche nach Geld. Da sich
das Ganze unmittelbar vor Darzek abspielte, sah er sich die
Handtasche gründlich an. Es handelte sich um ein kofferähnliches
Ungetüm aus schimmerndem schwarzem Leder, kunstvoll
mit Verzierungen überzogen, die an die alte Kultur der Majas
erinnerten. Er hatte so etwas in seinem ganzen Leben noch nicht
gesehen und fragte sich, ob die Tasche vielleicht aus Mexiko stammte.
Sie schob das Geld durchs Fenster und bekam dafür Wechselgeld,
eine Karte, eine Versicherungsurkunde und die Broschüre
der Universal Teleport.
“In dem Buch steht alles, was Sie über Teleportation wissen
müssen”, sagte der Angestellte. “Bitte auf Steig 10 melden.”
Die Frau stopfte alles in ihre Handtasche.
“Sind Sie sicher - ich meine, so viel Wasser-”
“Lady”, platzte der Angestellte heraus, "Sie werden nicht
einmal Gelegenheit haben, sich die Füße zu waschen.”
Die Blondine drehte sich verärgert um, während die Leute
hinter Darzek auflachten. Darzek trat vor.
“Ja?” sagte der Fahrkartenverkäufer erschöpft.
Darzek schob seinen Führerschein durchs Fenster. “Das ist
meine jetzige Adresse. Paris, bitte.”
Der Angestellte schrieb, nahm das Geld, gab heraus.
“Hier, bitte. In dieser Broschüre -”
“Ich weiß schon”, sagte Darzek. “Das les' ich, wenn ich dort bin.”
Der Angestellte schob mit ernsthafter Miene das Gitter hoch,
beugte sich hinaus und ergriff Darzeks Hand.
“Melden Sie sich bitte auf Steig 9”, sagte er.
Es gab Platz für etwa fünfzig Reisesteige, aber nur ein
Dutzend war in Betrieb. An den nächsten Anlagen wurde bereits
gearbeitet. Darzek sah Ted Arnold mit fuchtelnden Armen herumeilen
und Anweisungen erteilen. Darzek mischte sich unter
die wartenden Passagiere, von einer Begeisterung erfüllt, die nur
ein lang gepeinigter Aktionär der Universal Teleport zu begreifen
vermochte. Er fand Steig 9 und stellte sich an.
Hübsche junge Hostessen in eleganten Kostümen eilten hin und her, beantworteten Fragen und sprachen den Ängstlichen Mut zu. Darzek sah die Blondine von vorhin die Geduld einer der Hostessen strapazieren. Aber das junge Mädchen wurde bald von männlichen Passagieren beiseite gedrängt, die sich um die Blondine versammelten und ihr aus der Broschüre ganze Absätze vorlasen. Darzek wandte sich angewidert ab. Man konnte es auch übertreiben, fand er, und die Blondine war ihm von Anfang an auf die Nerven gegangen. Die Hostess lächelte ihn an: “Alles in Ordnung? Darzek nickte. Es geht aber recht langsam... “Wir haben erst wenige Sender in Betrieb. Es kommt selten vor, daß zwei Passagiere hintereinander dasselbe Ziel haben, so daß jedes mal umgestellt werden muss. Das hier ist der Europasteig mit den Passagieren nach London, Paris, Bern, Oslo, Madrid, Rom und Athen. Sobald jeder dieser Orte einen eigenen Steig hat, geht es wesentlich schneller.” Sie hastete davon, um eine dicke Frau moralisch aufzurichten, die an der Sperre angekommen war und den Mut zu verlieren schien. Darzek sah ihr nachdenklich nach. Ohne längeres Studium fielen ihm wenigstens zwei Möglichkeiten ein, das Problem zu lösen: Sie konnten alle Passagiere für ein Ziel zusammen nehmen und sie durchlaufen lassen oder für jeden Ort eine bestimmte Zeit ansetzen. Er erinnerte sich daran, daß die Gesellschaft erst auf die Erfahrungen eines einzigen Tages zurückblicken konnte, und daß man zweifellos experimentieren würde, um eine befriedigende Lösung zu finden. Im übrigen würden natürlich mehr Sender die Sache vereinfachen. Eine andere Hostess ging an der Reihe der Passagiere entlang und erklärte die Sicherheitsvorkehrungen der Universal Teleport. Sie wies darauf hin, daß man sich beim Gang durch die Anlage vorsehen solle. Erst heute morgen hatte sich ein Mann den Knöchel verstaucht, als er durch den Sender gerannt sei. Nach ihr kam eine dritte Hostess, die das langsame Tempo darauf zurückführte, daß die Passagiere zu vorsichtig seien. Man möge doch möglichst schnell durch den Sender gehen. Die Schlange quälte sich vorwärts. Die Passagiersperren schienen gut zu funktionieren. Jede Sperre wurde von einem Angestellten beaufsichtigt, der in einem erhöhten Kontrollhäuschen saß. Auf das Signal des Angestellten hin gab der Passagier seine Fahrkarte ab, durchschritt ein Drehkreuz und betrat einen im spitzen Winkel abbiegenden schmalen Korridor. Er verschwand schnell aus dem Blickfeld der ängstlich Wartenden, aber Darzek fiel auf, daß der Kontrolleur den Korridor überblicken und den Passagier beobachten konnte, bis er in den Sender trat. Die Korridore waren durch hohe Wände voneinander getrennt, um die Passagiere
daran zu hindern, die falsche Sendeanlage zu betreten. Darzek hatte seine Sperre fast erreicht, als nebenan Unruhe entstand. Die Blondine war durch Sperre 10 getreten und hatte sich plötzlich überlegt, daß sie noch ein paar Auskünfte benötigte. Der Kontrolleur und drei Hostessen sprachen auf sie ein, aber sie blieb stehen und wippte ungeduldig mit einem Fuß. Aus langer Übung heraus hatte Darzek sich ihr Gesicht bereits ein geprägt. Jetzt begann er sie kritisch zu betrachten. Die Warze an der linken Wange - die müsste sie entfernen lassen. Ihre langen Wimpern waren wahrscheinlich falsch. Sie trug mehr Makeup als nötig und ihre nervösen Gesten - das Wippen mit dem Fuß, die Art, wie sie das lange Haar mit der linken Hand zurückstrich und mit der rechten den Verschluss ihrer Handtasche befingerte – verleiteten Darzek zu der Annahme, daß ein Psychiater bei ihr nicht fehl am Platze gewesen wäre. Sie spielte zu offensichtlich die hilflose, gehirnlose Blondine. Das war Schauspielerei, die sie nicht nötig hatte. Ihr Gesicht war sehr hübsch ihre Figur wohl proportioniert, und ihr weißes Sommerkostüm verriet die Herkunft aus einem der ersten Modehäuser. Ihre Erscheinung war auffallend genug, um überall Aufmerksamkeit zu erregen. Eine Frau, die so aussah, schadete sich selbst, wenn sie sich so aufführte. Ihre hohe, spröde Stimme übertönte die Gespräche der anderen Passagiere. “Sind Sie sicher? Ich meine, so viel Wasser. Schließlich drehte sie sich um und verschwand im Korridor. Es blieb eine Weile still, während der Kontrolleur abwechselnd auf seine Instrumententafel und zum Sender blickte, dann kam die Blondine zurück. “Was muss ich machen?” fragte sie. Einfach weitergehen? Am anderen Ende ist ja nur eine Wand.” Der Kontrolleur warf die Arme hoch. “Hören Sie zu. Sie gehen einfach weiter, kommen durch den Sender und sind in Honolulu. Wollen Sie die Reise machen oder nicht?” "Ich will nicht den ganzen Weg gehen.” Darzek starrte die Blondine an. “Nicht zu fassen!" murmelte er. Eine Hand berührte seinen Arm. “Paris, Sir?” sagte die Hostess. Darzek gab seine Fahrkarte ab. “Geradeaus, Sir.” Darzek drehte sich noch einmal nach der Blondine um. Wir warten auf Sie, Sir.” Er zuckte die Achseln. Das Ganze ging ihn schließlich nichts an. Er ging durch das Drehkreuz und marschierte den Korridor entlang auf die Wand zu. Plötzlich sah er an Stelle der Wand einen Ausgang, wo ein lächelnder Kontrolleur wartete. Er wurde zur Zoll Abfertigung geleitet, und zwei Minuten später
trat er aus der Station der Universal Teleport in Paris auf die
Champs Elysees.
In der Station New York brachte die Blondine immer neue
Einwände vor. Die wartenden Passagiere wurden ungeduldig.
Der Kontrolleur rief seinen Vorgesetzten, und dieser übersah die
Situation mit einem Blick und bat die Blondine an einen 'Schalter,
um ihr das Geld zurückzuzahlen. Sie drehte sich plötzlich
um, lief durch den Korridor und verschwand. Der Kontrolleur
seufzte erleichtert und starrte auf seine Instrumententafel. Fünf
Minuten später rief er seinen Vorgesetzten wieder.
"Ich bekomme keine Empfangsbestätigung aus Honolulu, sagte er.
“Verdammt! Wie lange ist es schon her?”
“Über fünf Minuten.”
Der Vorgesetzte kratzte sich am Kinn.
“Vielleicht ist die Lampe ausgefallen. Ich hole einen Techniker.”
“Ja. Und was ist mit -” Er deutete auf die wartenden Passagiere.
“Wir müssen sie auf die anderen Steige verteilen. Holen Sie
ein paar Hostessen her.”
Sie verteilten die Passagiere von Steig 0 auf die anderen
Sperren, was Zeit kostete und unter den Leuten Unwillen hervorrief.
Ein Techniker kam, überprüfte die Anlage und fand sie
in Ordnung. Der Aufsichtführende fluchte und hastete zum
Personalsender, um sich schnellstens nach Honolulu zu verfügen.
Drei Minuten später kam er mit blassem Gesicht zurück.
“Die Frau ist in Honolulu nicht aufgetaucht”, sagte er. “Ihre
Handtasche kam an, aber ohne sie. Sie warten immer noch. Sie
muss davongelaufen sein.”
“Nein”, sagte der Kontrolleur entschieden. “Sie ist durch die
Anlage gegangen. Ich habe sie beobachtet.”
“Wo ist sie denn dann?”
“Woher soll ich das wissen?”
Der Aufseher begann zu schwitzen.
“Ich muss sofort Arnold Bescheid geben.”
Ted Arnold sprach mit dem Kontrolleur, begab sich nach Honolulu,
kam zurück und setzte sich mit seinem Personal zu einer
Besprechung zusammen. Er schickte seine Leute in alle Richtungen,
nach Honolulu, nach allen Stationen der Universal Teleport,
die in Betrieb waren, und stellte die Ergebnisse zusammen.
Drei Stunden später musste der Chefingenieur kapitulieren.
Am zweiten Tag nach der Eröffnung hatte die Universal
Teleport einen Passagier verloren.
Es war nicht die beste Rede in der langen Laufbahn Thomas
J. Watkins', aber seine wichtigste.
“Die Aufgabe der Universal-Teleport-AG”, erklärte er, "ist weitgehend missverstanden worden. Ich habe Dutzende von Berichten gelesen, Vorträge, Debatten, Diskussionen und Interviews gehört. Alles läuft auf die fälschliche Annahme hinaus, die Universal Teleport sei daran, den linearen Raum endgültig zu besiegen. Diese so genannten Fachleute befinden sich in einem grundlegenden Irrtum. Der Mensch hat seit langem auf diesem Planeten den Raum besiegt. Mit dem entsprechenden Aufwand an Zeit und Geld war es dem Menschen seit vielen Jahren möglich, jeden beliebigen Punkt der Erde zu erreichen und dort so lange zu bleiben, wie es ihm beliebte. Die Universal Teleport hat nur die zeitliche Komponente verändert. Die Beziehung zwischen Zeit und Entfernung quält den Menschen seit der Eiszeit, und die bedeutendsten Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts im Transportwesen haben diese Beziehung nicht verändert, sondern nur gemildert. Der Materiesender dagegen hat sie vollkommen beseitigt. Lassen Sie mich wiederholen: Der Materiesender steht den endgültigen Sieg des Menschen über die Zeit dar. Wo immer Sie jetzt auch sein mögen, Sie sind - in der Zeit - nicht weiter von mir entfernt als die Herren bei mir am Tisch. Das Zimmer nebenan ist - in der Zeit - nicht weiter entfernt als die andere Halbkugel der Erde. Da diese Tatsache nicht einmal annähernd begriffen wurde, hat niemand ihre Bedeutung erkannt, nicht einmal das Direktorium der Universal Teleport. Wir waren zu sehr beschäftigt damit, unsere Sendeanlagen in Betrieb zu setzen. Aber wir wissen, daß wir heute den zweiten Tag einer neuen Ära erleben. Der Materiesender wird auf die Zivilisation eine größere Wirkung haben, als jede andere Erfindung der Geschichte. Im Vergleich dazu wird die bemerkenswerte Entwicklung des Automobils nicht mehr als ein kleiner Absatz im Buch der Geschichte sein. und weiter nichts.“ Watkins beugte sich vor und drückte auf einen Knopf. Der Fernsehschirm wurde dunkel. “Genug davon”, sagte er. “Aber sehr gut ausgedrückt”, sagte der Mann neben ihm, Charles Grossman, dessen Stellung als Schatzmeister der Universal Teleport bis zu diesem Tag rein nomineller Natur gewesen war. Er hatte eben einen Bericht über den Umsatz am ersten Tag gelesen und war guter Stimmung.” Was mir besonders gefiel”, fuhr er fort, “ war die Art, wie Sie angedeutet haben, daß man immer noch Geld braucht, um zu reisen, auch wenn die Universal Teleport das Erfordernis der Zeit abgeschafft hat. Wie lange glauben Sie, daß wir Flugpreise verlangen können?” Zu lange”, erwiderte Watkins. Im Augenblick brauchen wir möglichst viel Geld, um unsere Schulden zahlen und unser
Unternehmen ausbauen zu können. Aber die Zeit wird kommen, wo wir durch niedrigere Preise soviel zusätzlichen Umsatz erzielen können, daß Gewinne möglich bleiben. Und dann werden die Eisenbahnen und Omnibusgesellschaften zu schreien anfangen. Im Augenblick stehen wir nur mit den Fluggesellschaften im Wettbewerb. Wo waren wir, als die Fernsehsendung anfing oh, beim Polizeipräsidenten. Er verlangte, daß wir die Vorführung im Foyer einstellen, damit wieder Ordnung einkehrt. Wir haben uns gerne gefügt. Wir brauchten die Sendeanlagen, und die Menge verscheuchte zahlende Passagiere.” Grossman lachte. “Das wollen wir natürlich nicht.” “Der nächste Punkt”, sagte Watkins. “Wir haben von über All her Telegramme bekommen. Will sie jemand lesen?” Er ließ den Blick um den Tisch gleiten. Außer ihm waren nur fünf Männer anwesend. Man hatte eine Vollsitzung einberufen, aber einige Direktoren standen nicht sofort zur Verfügung, und andere hatten sich nicht durch die Menge in der Eighth Avenue gewagt. ,.Ich lasse sie von drei Sekretärinnen sortieren”, fuhr Watkins fort. Ein paar müssen beantwortet werden - die Telegramme vom Präsidenten, den Mitgliedern des Kongresses, den fremden Regierungschefs und so weiter. Ich werde das veranlassen. So, meine Herren, damit wären wir fertig, wenn Sie nicht noch irgendwelche Vorschläge haben. Ja, Miller?” Carl Miller, ein kleiner Mann mit dunklem Teint, fragte sachlich: “Was wird bezüglich des Frachttransports unternommen?” Watkins verbarg seine Belustigung. Miller war erst spät zum Direktorium gestoßen, durch den Besitz eines großen Aktienpakets, das er während der dunkelsten Zeit der Gesellschaft gekauft hatte, außerdem vertrat er eine Reihe anderer Aktionäre. Er hatte Zutrauen zur Firma gehabt und sich nützlich gemacht, aber wenn es um die Fracht ging, war er fast ein Fanatiker. Watkins war dafür, zunächst den Passagierdienst auszubauen. Die Firma konnte dabei mehr verdienen und hatte sich außerdem mit weniger komplizierten Problemen herumzuschlagen. Die Passagiere übernahmen die Verantwortung für den Transport von und zu den Stationen, und sie brauchten nicht gelagert zu werden, bis man sie abrief. “Im Augenblick haben wir noch nicht einmal das Problem des Passagiergepäcks endgültig gelöst”, sagte Watkins. “Aber wir vergessen natürlich die Bedeutung der Fracht nicht. Arnold ist eben dabei, einen Spezialsender zu konstruieren, mit dem sich Fracht transportieren lässt. Ich habe das Gefühl, daß man das Frachtgeschäft völlig vom Passagierdienst trennen sollte. Meiner Meinung nach können wir, auf die Dauer gesehen, Frachtstationen
leichter einrichten als unsere Passagierstationen auf den Transport von Fracht umzustellen. Wir haben auch Anfragen von der Post und von mehreren großen Konzernen, die Sendeanlagen von uns mieten wollen. Das Ganze muss eingehend geprüft werden. Möchten Sie einem Ausschuss vorsitzen, der sich damit befasst, Miller?” Miller nickte. "Ich bin auch der Ansicht, daß es nicht klug wäre, ohne präzise Planung anzufangen. Andererseits -” Die Tür öffnete sich. Watkins drehte sich lächelnd um und winkte. "Kommen Sie 'rein, Ted. Wir sind gerade - was ist denn los?” Grossman blickte Arnold an und warf verzweifelt die Arme hoch “Na bitte. Ich hab' mir doch schon gedacht, daß alles zu glatt gelaufen ist.” Arnold zog sich müde einen Stuhl heran und berichtete von dem verschwundenen Passagier. “Wie ist das möglich?" fragte Watkins. “Es ist eben nicht möglich”, sagte Arnold. -Aber es ist geschehen.” “Es scheint passiert zu sein.” "Wohin könnte denn ein Passagier verschwinden?” Wollte Miller wissen. "In die neunte Dimension oder was?” Drücken wir es anders aus”, sagte Vaughan, einer der Direktoren. "Wie viele Dimensionen gibt es zwischen den Sendestationen? Wenn ihr Techniker wirklich verstehen würdet, wie das Ding funktioniert -” Arnold unterbrach ihn zornig. “Wir wissen, wie der Sender arbeitet. Machen wir uns nichts vor. Wir wissen nicht, warum er funktioniert, aber den Ablauf haben wir vollkommen unter Kontrolle. Wir würden sonst keine Passagiere teleportieren. Es gibt kein )dazwischenbarbarisch< gerne definiert.” “Das war kein sehr glücklicher Ausdruck", meinte der junge Mann. “Sie scheinen Ihre Worte sonst sehr gut zu wählen. Im übrigen sind Aussprache und Grammatik fehlerlos. Wo haben Sie Englisch gelernt?” Der andere antwortete nicht. Darzek war auf sich selber wütend. Er hatte bisher nichts erreicht und konnte sie nicht auf die Dauer mit seiner Waffe in Schach halten. Selbst wenn er sie fesselte, wußte er nicht, wann Verstärkungen durch den Sender eintreffen würden, und früher oder später mußte er einmal schlafen. Wieder wandte er seine Aufmerksamkeit der Instrumententafel zu und versuchte, an den Scheiben zu drehen. Alle waren unverrückbar festgeklemmt. “Schade, daß ich kein Werkzeug mitgebracht habe”, sagte er. “Hammer und Meißel zum Beispiel.” Er rutschte von dem Hocker und sah sich die andere Seite der Konsole an. Der Apparat war mindestens dreißig Zentimeter dick, aus irgendeinem nichtmetallischen Stoff, mit abgerundeten Ecken und ohne sichtbare Schweißnähte. Darzek fuhr mit der Hand über die Rückseite, schlug ein paar mal dagegen, ließ die Hand daran entlang gleiten. Plötzlich öffnete sich kräuselnd die gesamte Rückwand, und er stand vor dem Traumgebilde eines Elektronikingenieurs. Schimmernde, durchsichtige, vielfarbige Fäden bildeten ein Gespinst von unglaublicher Kompliziertheit. "Das ist toll””, meinte Darzek. “Eine intelligente Spinne würde sich vor Neid umbringen.” Er bezwang einen Impuls, mit der Pistole darin herumzustochern, statt dessen hob er einen Fuß, zog den Schuh aus und stieß den Absatz mit einer blitzschnellen Bewegung durch daszarte Elektronikgewebe. Die dünnen Fäden zerrissen, Splitter flogen in alle Richtungen, Funken zuckten auf, und Rauch Fäden schlängelten sich in die Höhe. Eines der Wesen setzte sich in Bewegung. Darzek hob die Waffe und trieb es zurück, schlug ein zweites mal mit dem Schuh zu. Das Wesen plapperte Unverständliches. “Sprechen Sie englisch!” befahl Darzek. “Sie kann nicht englisch sprechen”, sagte Miss X. “Sie sagt,
es wird - es wird Stunden dauern, um den Schaden zu beheben.” “Das würde mich gar nicht überraschen