Allan Cole / Chris Bunch Sten-Chroniken 5
Feindgebiet
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Gelehrter, Bonvivant, Gentleman und Teilzei...
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Allan Cole / Chris Bunch Sten-Chroniken 5
Feindgebiet
scanned by Jamison
Gelehrter, Bonvivant, Gentleman und Teilzeit-Werwolf
Vorbemerkung: Die Titel der einzelnen Bücher wurden der Sprache Japans entlehnt, einer alten Nation auf der Erde, die in einem bestimmten Abschnitt ihrer feudalen Geschichte die Kunst des Schwertkampfes ebenso formalisierte wie alle anderen Lebensbereiche. Damals nannte man diese Kunst kenjutsu. Ma-ai bezeichnete das erste Aufeinandertreffen der Gegner bei einem Kampf. Suki bedeutet die Möglichkeit, den Kampf tatsächlich zu beginnen. Kobo-ichi beschreibt die offensiven und defensiven Kampfhandlungen. Zahshin ist die letztendliche Überlegenheit des einen Gegners über den anderen. AC und CRB
Buch I _______________ MA-AI
Kapitel l Er zog mit aller Kraft an dem letzten Schuttbrocken und zuckte zusammen, als sich das rauhe Mauerwerk in seine empfindlichen Fingerspitzen bohrte. Mit einiger Anstrengung hob er das Gewicht bis auf Kniehöhe an, stolperte einige Schritte damit weiter und ließ es auf den Haufen fallen. Senior Captain (Nachrichtendienst) Lo Prek trat zurück, um seine Arbeit zu begutachten. Nur noch eine große, verbogene Stahltür versperrte ihm den Weg. Der Tahn-Offizier arbeitete schon stundenlang daran, diese Tür freizubekommen. Hinter ihr befand sich, so hoffte er jedenfalls, die Auflösung des Puzzles, dessen Einzelteile er schon seit so vielen Jahren zusammentrug, daß er mit dem Zählen aufgehört hatte. Er wartete einige Minuten, als fürchtete er sich vor einer möglichen Enttäuschung. Fast geziert wischte sich Prek das Gesicht mit einem seidenen Taschentuch ab, das er sogleich wieder im Ärmel seiner Uniformjacke verschwinden ließ. Für einen Tahn war Prek sehr groß und so dünn, daß es beim Hinschauen fast weh tat. Sein Körper bestand aus kaum mehr als Haut und Knochen; darauf saß ein langes Pferdegesicht mit zu weit auseinanderstehenden Augen und einer zu kurzen Nase, die seine Oberlippe unnatürlich lang erscheinen ließ. Prek löste einen kleinen Laserschneider von seinem Koppel und fing an, die Tür aufzuschneiden. Prek gehörte nicht zu den Leuten, die bei der Arbeit vor sich hin summten oder fluchten, wenn es einmal nicht so rasch wie geplant voranging. Auf seiner letzten Stelle, auf der er fast sein ganzes Berufsleben verbracht
hatte, war er für seine sogar für einen Tahn ungewöhnlich ausgeprägte Vorliebe für absolute Ruhe bekannt gewesen und dafür, daß er sich jeder auch noch so kleinen Aufgabe mit vollster Hingabe widmete. Niemals erlaubte er seinen Gedanken auch nur die geringste Abschweifung. Das gleiche erwartete er auch von seinen Untergebenen. In seinem alten Büro machte der Scherz die Runde, daß, ginge es nach Prek, in die Stellenausschreibung ein in den Kopf implantierter Monitor als Grundvoraussetzung aufgenommen werden müßte. Prek war der Scherz zu Ohren gekommen. Obwohl er nicht wußte, was daran so komisch sein sollte, erkannte er doch seinen wahren Kern an. Captain Prek wußte um seine obsessive Persönlichkeit. Er empfand sie weder als besonders wünschenswert, noch ärgerte er sich darüber. Er war nun einmal so. Er hatte gelernt, mit dieser Charakterschwäche zu leben und sie zu seinem Vorteil zu nutzen. Ein metallisches Knirschen verriet, daß die Tür ihr eigenes Gewicht nicht mehr halten konnte; dann knallte sie flach auf den Boden. Prek hängte den Schneidbrenner wieder an sein Koppel und betrat das Dokumentationszentrum der besiegten 23. Imperialen Raumflotte. Hätten die Tahn Götter gehabt, Prek hätte garantiert ein Gebet geflüstert. Er war sehr weit gereist und hatte sehr viele Anläufe genommen, um an diesen Punkt zu gelangen. Wenn Prek nicht völlig falsch lag, konnte er an diesem Ort die Spur des Mannes aufnehmen, der seinen Bruder ermordet hatte. STEN, (kein Vorname). Commander der Imperialen Raumflotte. Letzter bekannter Einsatz: Befehlshabender Offizier, 23. Taktisches Einsatzgeschwader, 23. Imperiale Flotte. Zuvor: Cmdr. Imperiale Leibwache. Zuvor: Lt. Eintrg. Dienst bei versch. Gardeeinheiten. BEMERKUNG: Nachr.dienst hält diese Angaben für gefälscht; wahrsch. Kat.l. STEN höchstwahrscheinlich mehrmals eingesetzt bei versch. Geheimdienstmissionen. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG:
Spezies: Mensch. Geschlecht: männlich. Alter: unbekannt (Aufzeichnungen vernichtet); geschätzt: erstes Viertel der Lebensspanne. Geburtsort: unbekannt. Größe: knapp unter Imperialer Norm. Körper: athletisch, wenig Körperfett, hoher Muskelanteil. Haar: schwz. Allg. Ges.zustand: hervorragend. Unveränderliche Kennzeichen oder besondere Eigenschaften: keine. Familie: unbekannt. Interessen: kein Eintrag. Freunde: kein Eintrag. Prek verzweifelte keineswegs, als sein Blick auf das Bild der Verwüstung fiel. Durch die Einwirkung gewaltiger Hitze waren Ordnerschränke zu bizarren Gebilden verformt worden. An den Stellen, an denen einst Raumteiler und Möbel gestanden hatten, befanden sich jetzt überall im ganzen Raum verteilt kleine Häufchen weißer Asche. Beim Gehen wirbelten Preks Stiefel feine Aschewölkchen auf, die sich alsbald in Mund und Nase bemerkbar machten. Er stülpte sich ein Atemgerät über das Gesicht und fing an, das Durcheinander, das einmal die 23. Flotte gewesen war, systematisch zu durchkämmen. Einmal, als er unter einem geborstenen Stahlträger ein winziges Stück Mikrofilm fand, machte sein Herz einen Luftsprung. Er schob es in den Schlitz seines Lesegeräts und hätte fast losgeheult, als er sah, daß es sich lediglich um eine Rechnung für irgendwelche Büroartikel handelte. Prek rügte sich seiner kindischen Reaktion wegen. So persönlich seine Mission auch sein mochte, die einzige Aussicht auf Erfolg bestand darin, so professionell wie möglich vorzugehen. Prek riß sich zusammen und fing noch einmal ganz von vorne an. Er stellte sich vor die Umrisse dessen, was einmal der Schreibtisch des Leiters des Dokumentationszentrums gewesen sein mußte. Er wühlte sich von der Mitte ausgehend systematisch durch den Schutt - immer weiter bis zum Rand. Er rief sich ins Gedächtnis, daß er nach weit mehr als nach irgendwelchen Einzelheiten im Leben eines bestimmten Mannes
suchte. Viel wichtiger war es, herauszufinden, nach welchem Schema die Daten hier aufbewahrt und verwaltet worden waren. Prek wußte, daß jedes Büro eine ganz eigene Logik entwickelte. Mit dem Kommen und Gehen der unterschiedlichen Büroleiter mochte sich zwar das eine oder andere ändern, doch der gesamten Organisation des Büros lag stets das Muster des ersten Wesens zugrunde, das hier das erste, dann das zweite und dann das tausendste Dokument in Empfang genommen und eingeordnet hatte. Der Tahn-Captain war fest davon überzeugt, daß er seinen Mann finden würde, sobald sich dieses Muster seinem geistigen Auge wie eine Landkarte offenbarte. Obwohl sie in Privatunternehmen gearbeitet hatten, waren auch Preks Eltern ihr Leben lang Bürokraten gewesen, ebenso langweilige Persönlichkeiten mit einem ebenso unattraktiven Äußeren wie Prek selbst. Sie waren unbestritten intelligente Leute, doch jeder Psychologe hätte ihre Intelligenz als »sehr zielgerichtet« bezeichnet. Als Prek zehn Jahre alt war, wurde sein Bruder Thuy geboren. Seit dem ersten Atemzug des Säuglings war die Familie davon überzeugt, mit einem ganz besonderen Jungen gesegnet worden zu sein. Thuy war all das, was der Rest der Familie nicht war. Zunächst einmal war er sehr schön. Blondes, lockiges Haar und blaue Augen, und dann ein Körper, der bereits zu Beginn der Pubertät den vollkommenen Adonis ahnen ließ. Er war klug und nahm mit Leichtigkeit alles auf, was ihm vor die Nase kam. Außerdem konnte Thuy beinahe jeder Situation eine komische Seite abgewinnen. In seiner Gesellschaft fiel es schwer, sich nicht von seinem sonnigen Gemüt anstecken zu lassen. Lo war alles andere als eifersüchtig und liebte seinen kleinen Bruder abgöttisch. Er widmete ihm seine gesamte Aufmerksamkeit, was soweit ging, daß er sich finanziell sehr kurz hielt, um dem Jungen die allerbeste Ausbildung zu ermöglichen, die das Tahn-System zu bieten hatte.
Die Investition zahlte sich aus. Thuy stieg rasch ins Diplomatische Korps auf, wo er sich sogar noch weiter entfaltete. Seine Vorgesetzten gerieten allenfalls darüber in Streit, wer denn tatsächlich der Mentor dieses jungen Tahn sein mochte. Als die heiklen Friedensverhandlungen mit dem Ewigen Imperator aufgenommen wurden, hatte man Thuy sogleich Lord Kirghiz und den anderen Tahn-Vertretern als jungen diplomatischen Offizier zur Seite gestellt. Es war ein Karrieresprung, der rundum als Beginn einer noch weitaus erfolgreicheren Karriere gewertet wurde. Die Tahnflotte traf sich mit der Imperialen Flotte im Funkschatten des Pulsars NG467H. Die eigentlichen Verhandlungen gingen rasch und zur Zufriedenheit aller Beteiligten über die Bühne. Alle waren davon überzeugt, daß ein gütliches Übereinkommen, bei dem die Tahn sehr gut abschnitten, nur noch reine Formsache war. Nachdem der Ewige Imperator die Würdenträger der Tahn zu einer abschließenden Feier an Bord seines Schiffes eingeladen hatte, stellte Lord Kirghiz rasch die Gruppe von Tahn zusammen, die ihn begleiten sollte. Thuy war einer von ihnen. Was danach geschah, wußte kein Tahn genau zu sagen. Prek fand, daß die Tatsachen für sich sprachen. Sämtliche Tahn, die sich an Bord der Normandie begeben hatten, fielen einem entsetzlichen Blutbad zum Opfer, das während des Festbanketts angerichtet wurde. Mit Hilfe seiner kriecherischen Anwälte und besonders ausgewählter Richter hatte der Ewige Imperator die Sache so hingedreht, als wären die Tahn bedauerlicherweise einem Anschlag zum Opfer gefallen, der allein ihm, dem Imperator selbst, gegolten hätte. Die Tahn jedoch - und besonders Prek waren überzeugt davon, daß diese freche Lüge keines weiteren Kommentars bedurfte. Und die einzige Antwort auf diese Lüge
und den Verrat war ein unbarmherziger Rachefeldzug, ein Krieg bis zum letzten Atemzug und bis zum letzten Blutstropfen. Ein Krieg, an den Prek so fest glaubte wie jeder andere Tahn, wobei der große Krieg lediglich den Hintergrund für seinen privaten Feldzug abgab. Prek erinnerte sich nicht mehr daran, wann ihn die Nachricht vom Tode seines Bruders erreicht hatte. Er hatte in seinem Büro beim Nachrichtendienst gesessen, als plötzlich sein Vorgesetzter eingetreten war. Als er wieder zu sich kam, lag Lo in einem Krankenhausbett. Vier Monate waren vergangen, vier Monate, die er, wie man ihm erzählte, in einem katatonischen Zustand zugebracht hatte. Der Krieg stand vor der Tür, und so wurde Lo als geheilt entlassen und wieder zur Arbeit geschickt. Zum gleichen Zeitpunkt rief er seinen Privatkrieg aus. Prek untersuchte jede noch so winzige Information, die etwas mit dem Tod seines Bruders und der anderen Tahn-Diplomaten zu tun haben konnte. Nach und nach offenbarte sich ihm, wer an diesem Vorfall die Schuld trug. Den Imperator selbst schloß er nicht ein, das wäre auch sinnlos gewesen. Auf den Imperator loszugehen, war nicht nur unmöglich, sondern völlig verrückt. Nein. Die Ziele, die er sich steckte, mußte er auch erreichen können. Er hatte es auf die Männer abgesehen, die tatsächlich die Messer gezückt und die Gewehre abgefeuert hatten. Einer dieser Männer, dessen war sich Prek völlig sicher, war Sten. Er hatte sich eine Kopie von Stens militärischem Lebenslauf besorgt, einen abenteuerlichen Abriß, den er für ein großes Lügengespinst hielt. Immerhin war es ein Anfang, genug, um sich ein Bild von diesem Mann zu machen. Die offiziellen Aufzeichnungen entwarfen das Profil eines Mannes, der eine Reihe von leicht überdurchschnittlichen Posten innegehabt und ein paar Medaillen mehr erworben hatte als der durchschnittliche Gardist und der regelmäßig befördert worden war. Dann war es ohne ersichtlichen Grund mit seiner Karriere
plötzlich steil bergauf gegangen: Er wurde zum Kommandanten der Leibwache des Imperators berufen. Bald darauf führte ihn ein weiterer ungewöhnlicher Wechsel von der Armee zur Flotte, wo er rasch zum Commander befördert wurde. Prek war davon überzeugt, daß diese Beförderung aufgrund gewisser Dienste erfolgt war, die Sten dem Imperator geleistet hatte. Stens Daten waren gefälscht. Prek ging davon aus, daß Sten in Wahrheit ein wichtiger Geheimdienstmann war. Der Wechsel zur Flotte und das Kommando über vier taktische Einsatzschiffe waren die Belohnung für ganz bestimmte Dienste. Zu diesen Diensten, daran zweifelte Prek keine Sekunde, gehörte auch die Ermordung seines Bruders. Prek hatte Stens Spur bis zur Entscheidungsschlacht um Cavite-City verfolgt, bei der beide Seiten schwere Verluste erlitten hatten. Aufzeichnungen der Tahn besagten, daß Sten höchstwahrscheinlich in diesen Kämpfen umgekommen war, obwohl niemand es gesehen oder seine Leiche gefunden hatte. Von offizieller Seite waren sogar besondere Anstrengungen unternommen worden, etwas mehr über das Schicksal dieses Mannes zu erfahren, da »besagter Imperialer Offizier« sich im Vorfeld der Schlacht um Cavite einiger »krimineller Handlungen schuldig gemacht« haben sollte. Prek glaubte nicht an Stens Tod. Sein Steckbrief wies ihn als jemanden aus, der alles daransetzte, am Leben zu bleiben. Prek glaubte auch nicht, daß Sten mittlerweile an einem anderen Ort Dienst tat. Er gehörte zu der Sorte Offiziere, die immer an vorderster Front kämpften, und er war obendrein ein Held, den der Ewige Imperator nur allzugern in den Dienst seiner Propagandamaschinerie gestellt hätte. Nein. Sten war noch am Leben. Und Prek war dazu entschlossen, ihm auf die Schliche zu kommen. Er würde den Mann aufspüren und dann ... Der Tahn verscheuchte den Gedanken rasch wieder. Er durfte nicht zulassen, daß sich sein Jagdinstinkt mit nutzlosen Gefühlen vermengte.
Senior Captain (Nachrichtendienst) Lo Prek hatte recht. Sten war tatsächlich noch am Leben.
Kapitel 2 Zwei ausgemergelte, kahlgeschorene Männer duckten sich in den knietiefen Matsch. Einer von ihnen war der ehemalige Commander Sten, der frühere kommandierende Offizier des zerstörten Imperialen Kreuzers Swampscott. Sten hatte das Kommando über die veraltete Rostschüssel beim letzten Rückzug vom Planeten Cavite übernommen und ein verzweifeltes Nachhutgefecht gegen eine ganze Tahn-Flotte ausgetragen. Selbst unter schwerem Beschuß, hatten die Raketen der Swampscott ein ultramodernes Schlachtschiff der Tahn vernichtet und ein zweites schrottreif geschossen. Im allerletzten Augenblick hatte Sten sein Funkgerät aktiviert und sich dem Gegner ergeben. Dann war er ohnmächtig geworden, noch bevor die Tahn den zerschossenen Rumpf des Kreuzers geentert hatten. Letzteres hatte ihm mit ziemlicher Sicherheit das Leben gerettet. Nur wenige Sekunden, nachdem Sten zusammengebrochen war, kam der Technische Offizier Alex Kilgour, ein Schwerweltler, ehemaliger Auftragskiller der Sektion Mantis und Stens bester Freund, allmählich wieder zu Bewußtsein. Auf dem einzigen noch intakten Bildschirm der Swampscott erkannte er, daß sich die Tahn-Schiffe näherten. Noch etwas benommen malte er sich aus, daß die Tahn, »Barbaren kaum weniger schlimm als eine Rotte Campbells«, den Mann, der eines der modernsten Schiffe ihrer Flotte ins Weltall geblasen hatte, höchstwahrscheinlich nicht mit allen Ehren empfangen
würden. Eher katapultierten sie Sten aus der nächstbesten Schleuse ins Vakuum. »Das ist weder korrekt noch wünschenswert«, murmelte Kilgour, bahnte sich den Weg zu einem am Boden liegenden Leichnam, entsiegelte den Anzug und riß dem Toten die Namensschilder von der Uniform. Dann warf er einen Blick auf eine Anzeige an der Wand. Im Nachrichtenraum hielt sich noch immer ein Rest Atmosphäre. Kilgour öffnete Stens Anzug. Etwas Luft trat zischend aus, dann tauschte er die Namensschilder seines Freundes aus. Kilgour hörte und spürte das Krachen, mit dem die Tahn eine Schleuse aufsprengten, und beschloß, daß es auch für ihn günstiger wäre, wenn er sich bewußtlos stellte. Weniger als dreißig blutverschmierte, unter Schock stehende Imperiale Raumfahrer wurden aus dem Wrack der Swampscott geborgen und in den Laderaum eines Truppentransporters der Tahn verfrachtet. Unter ihnen befand sich ein gewisser Feuerleitschütze Samuel Horatio. Sten. Nur notdürftig mit Wasser und etwas Nahrung versorgt, und ohne daß man sich um ihre Verletzungen gekümmert hätte, wurden die siebenundzwanzig Überlebenden auf einem Sumpfplaneten ausgeladen, den die Tahn widerwillig zum Kriegsgefangenenlager erklärt hatten. Die Tahn hielten den Tod in der Schlacht für die glorreichste Art zu sterben. Feigheit oder Kapitulation waren undenkbar. Ihrer Überzeugung zufolge sollte jeder Soldat oder Angehörige der Raumflotte, dem das Unglück widerfuhr, gefangengenommen zu werden, um den sofortigen Tod bitten. Allerdings war ihnen auch bekannt, daß ändere Kulturen etwas anders darüber dachten und diese Art von Hilfestellung für die Entehrten womöglich in den falschen Hals bekamen. Also ließen sie ihre Gefangenen am Leben. Zumindest noch eine Zeitlang.
Die Tahn sahen allerdings keinen Grund, weshalb die Gefangenen, die ihnen soviel unnötige Mühe bereiteten, nicht einen Teil dieser Mühe zurückzahlen sollten. Und zwar mit Schweiß - mit Sklavenarbeit. Medizinische Versorgung? Fand sich unter den Gefangenen ein Arzt, dann waren sie ausreichend versorgt. Hilfsmittel wurden nicht zur Verfügung gestellt. Eventuelle medizinische Ausrüstung aus den Beständen des Imperiums wurde konfisziert. Unterkunft? Den Gefangenen war es erlaubt, sich in ihrer arbeitsfreien Zeit mit den nicht anderweitig benötigten und von den Lageroffizieren bewilligten Gegenständen eigene Unterkünfte zu bauen. Verpflegung? Für Menschen gab es eine geschmacklose Pampe, die den Organismus notdürftig mit dem Allernötigsten versorgte - bis auf die Tatsache, daß ein schwer arbeitender Mensch ungefähr 3.600 Kalorien pro Tag brauchte, die Gefangenen hingegen mit weniger als l.000 Kalorien zurechtkommen mußten. Ähnlich mangelhafte Rationen wurden den nonhumanoiden Gefangenen zugeteilt. Da es sich bei den Gefangenen um entehrte Wesen handelte, bestand auch ihr Wachpersonal aus in Ungnade gefallenen Soldaten. Einige von ihnen gehörten zu den Schlaubergern, denen klar war, daß die Schande, in einer Wacheinheit zu dienen, immer noch besser war, als in einem Sturmregiment verheizt zu werden. Es gab auch einige wenige Wachen, die sich bereits vorher auf zivilen Gefängniswelten der Tahn als Wachpersonal hervorgetan hatten. Die Regeln für die Gefangenen waren einfach: strammstehen, wenn man von einem Wachmann angesprochen wurde, auch wenn man als General von einem einfachen Rekruten angehalten wurde; jeden Befehl im Laufschritt erledigen. Die Strafe für Ungehorsam: Tod. Die Strafe für nicht innerhalb der dafür gesetzten Zeit oder nicht auf die gewünschte Weise
erledigte Aufgaben: Tod. Mindere Bestrafungen: Schläge, Einzelhaft, Hungertod. In den Kriegsgefangenenlagern der Tahn überlebten nur die Härtesten. Sten und Alex waren nun schon seit drei Jahren in Gefangenschaft. Auch ihre Regeln waren einfach: Niemals vergessen, daß der Krieg nicht ewig dauern kann. Niemals vergessen, daß du Soldat bist. Hilf immer deinen Mitgefangenen. Iß immer alles auf, was dir angeboten wird. Beide hatten sich schon des öfteren gewünscht, eine religiöse Erziehung genossen zu haben - der Glaube an einen oder alle möglichen Götter hielt viele Gefangene aufrecht. Sie hatten gesehen, was anderen Gefangenen widerfahren war, denjenigen, die alle Hoffnung aufgegeben hatten, denjenigen, die sich nicht dazu imstande sahen, Tierexkremente nach Getreidekörnern zu durchsuchen, denjenigen, die rebellierten, und denjenigen, die dachten, sie würden es nur allein schaffen. Nach drei Jahren waren sie alle tot. Sten und Alex hatten überlebt. Daran dürfte auch ihre Ausbildung in der supergeheimen Sektion Mantis des Mercury-Corps mit ihrem ausgeklügelten Überlebenstraining einen nicht geringen Anteil gehabt haben. Außerdem wußte Sten sehr genau, daß er es nur mit Alex' Unterstützung geschafft hatte. Insgeheim dachte Kilgour genauso. Und es gab noch einen dritten Punkt: Sten war bewaffnet. Vor vielen Jahren, noch bevor er in den Geheimdienst des Imperiums eingetreten war, hatte sich Sten eigenhändig eine Waffe angefertigt - ein winziges Messer. Es verfügte über eine zweischneidige, rasiermesserscharfe Klinge, war aus einem exotischen Kristall gefertigt und konnte jedes bekannte Metall oder Mineral zerschneiden. Das Messer ruhte in einer Scheide in
Stens Unterarm und glitt bei Bedarf durch Muskelkontraktion in seine Handfläche. Es handelte sich um eine tödliche Waffe, doch während ihrer Gefangenschaft hatten sie es meistens als Werkzeug benutzt. In dieser Nacht sollte es ihnen zur Flucht verhelfen. Es gab nur sehr wenige Fluchtversuche aus den Gefangenenlagern der Tahn. Zuerst hatte man diejenigen, die wieder eingefangen wurden, hingerichtet; die meisten Entflohenen wurden wieder eingefangen. Der erste Schritt - aus dem Lager herauszukommen oder von einem Arbeitstrupp wegzulaufen - war nicht so schwierig. Das Problem, vom Planeten selbst wegzukommen, war hingegen beinahe unüberwindlich. Einige hatten es als blinde Passagiere geschafft; jedenfalls hofften das die verbliebenen Gefangenen. Andere konnten entkommen und lebten in der Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges und ihre Errettung irgendwo dort draußen unter Bedingungen, die sich nicht sehr vom Leben im Lager unterschieden. Im letzten Jahr war eine Verfahrensänderung eingetreten. Gefangene, die zu fliehen versuchten, wurden nicht sofort umgebracht. Statt dessen wurden sie auf einen Bergbauplaneten verfrachtet, eine Welt, auf der, wie ihnen die Wachen mit unverhohlener Genugtuung mitteilten, die Lebenserwartung der Gefangenen nach Stunden bemessen wurde. Während der drei Jahre ihrer Gefangenschaft hatten Sten und Alex vier Fluchtversuche unternommen. Zwei Tunnel waren zu früh entdeckt worden, ein dritter Versuch, bei dem sie über den Zaun entkommen wollten, wurde abgeblasen, nachdem ihre Leiter entdeckt worden war, und der letzte wurde fallengelassen, nachdem keiner wußte, was sie tun sollten, sobald sie auf der anderen Seite des Zaunes angekommen waren. Doch jetzt mußte es klappen. Im nahe gelegenen Schilf bewegte sich etwas. Alex stürzte darauf zu und kam mit einem schlammigen, sich windenden und
kreischenden Nagetier zurück. Sofort hielt Sten die kleine Kiste auf, das Wassertier wurde hineingeworfen und die Kiste wieder verschlossen. Sehr gut. »Ihr zwei da! Steht auf«, brüllte die Stimme eines Aufsehers. Sten und Alex standen stramm. »Seid ihr scharf aufeinander?« »Nein, Sir. Wir jagen, Sir.« »Jagen? Stinker?« »Jawohl, Sir.« »Wir hätten euch alle gleich umlegen sollen«, meinte der Aufseher und spuckte Sten automatisch und treffsicher ins Gesicht. »Aufstellen!« Sten kümmerte sich nicht um die Spucke. Er und Alex wateten aus dem Tümpel zum Deich hinüber, wo bereits zehn andere Gefangene in einer langen Reihe standen. Die Kolonne setzte sich in Richtung Lager in Bewegung. Von den drei Wachen trug nur einer eine Projektilwaffe; sie wußten genau, daß keiner der Marschierenden eine ernsthafte Bedrohung für sie darstellte. Sten hielt die Kiste so ruhig wie möglich und gab beruhigende Laute von sich. Er wollte nicht, daß sein neues Kuscheltier vorzeitig entwischte. Der Stinker - ein übelriechendes Wassertier mit nicht verwertbarem Fell, ranzigem Fleisch und sehr leistungsfähigen Moschusdrüsen unter dem Schwanz - war das letzte Werkzeug, das ihnen noch für die Flucht fehlte.
Kapitel 3 Die Kriegsgefangenenlager funktionierten mittels einer doppelten Kommandostruktur. Die Aufseher waren die äußerlich sichtbaren. Tatsächlich wurde das Lager jedoch von den Gefangenen selbst geführt. In einigen Lagern übernahmen sehr rasch die Starken und Brutalen die Führungsrolle. Diese anarchistischen Lager waren Todeslager, in denen man als Gefangener ebensogut seinen Mitgefangenen wie den Aufsehern zum Opfer fallen konnte. Stens Lager war nach wie vor militärisch organisiert, woran er und Alex einen gewissen Anteil hatten. Nach langen Monaten des Deliriums waren die beiden allmählich wieder genesen. Eines Tages ging es Sten wieder so gut, daß er eine wichtige Entdeckung machte: nicht nur, daß er hier unter dem ziemlich blöden Namen Horatio lief, nein, der Technische Offizier Kilgour war auch noch ranghöher als er. Eine dunkle Ahnung beschlich ihn, daß Alex sich das damals im Nachrichtenraum auf der Swampscott wohl überlegt hatte. Wie auch immer, die Rangordnung mußte eingehalten werden. Diejenigen, die meinten »der Krieg ist jetzt vorbei« oder glaubten »wir müssen jetzt nicht mehr auf die verdammten Typen hören, die uns erst in diese Scheiße hineingeritten haben«, wurden rasch eines Besseren belehrt. Wenn das nicht funktionierte, wurden andere Methoden angewandt. Auch wenn Sten kaum mehr als ein Skelett war, so kannte er verdammt viele Tricks, die weit über den dritten Grad hinausgingen. Und
Kilgour von der 3G-Welt Edinburgh war noch immer das stärkste Lebewesen im Lager, einschließlich des Lagerältesten Battery Commander (Lieutenant Colonel) Virunga. Die N'Ranya waren nicht besonders zivilisiert aussehende Primaten, die sich aus fleischfressenden Baumbewohnern entwickelt hatten. Da ihnen ihre Abstammung ein instinktives Verständnis für Geometrie und Trigonometrie mitgegeben hatte, waren sie vor nicht allzulanger Zeit als die überlegenen Artillerieexperten des Imperiums bekannt geworden. Ihr Körpergewicht von über 300 Kilogramm erwies sich beim Hantieren mit schweren Granaten auch nicht gerade als Nachteil. Colonel Virunga war vor seiner Gefangennahme schwer verwundet worden und bewegte sich noch immer an einer Krücke humpelnd durch das Lager. Nur sehr wenige, die wie Sten und Alex überlebt hatten, hielten es für klug, sich den Befehlen des Colonels zu widersetzen. Der ranghöchste Offizier der Imperialen Gefangenen war General Bridger, eine dünne, schmächtige Frau, die sich aus dem Ruhestand reaktiviert und bis zuletzt Widerstand geleistet hatte, nachdem ihr Planet angegriffen worden war. Ihr einziges Ziel bestand darin, noch lange genug am Leben zu bleiben, um die Flagge des Imperiums über dem Lager wehen zu sehen. Erst dann würde sie sich erlauben zu sterben. Nachdem Sten und Alex in der Abenddämmerung ihre ekelhaften Rationen verspeist hatten, kamen General Bridger und Colonel Virunga vorbei, um sich zu verabschieden. »Mr. Kilgour und Horatio«, sagte sie. »Ich hoffe, daß ich Sie beide niemals wiedersehe.« »Genau das wünsche ich mir auch«, grinste Kilgour. Virunga trat auf sie zu. Es dauerte eine Weile, bis man sich an die Sprechweise der N'Ranya gewöhnte, da sie Reden prinzipiell für Zeitverschwendung hielten und nur soviel
verlautbaren ließen, daß man sich die Bedeutung zusammenreimen konnte. »Hoffe ... Glück ... wenn wieder frei... nicht vergessen.« Nein, das würden sie nicht. Sten und Alex salutierten und machten sich daran, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Wie verabredet und ohne weitere Erklärung hatten die anderen Gefangenen mit dem begonnen, was Sten »zwei rein, einer raus, einer rein, drei raus« nannte. In kleinen Gruppen bewegten sie sich auf eine der wenigen Latrinen des Lagers zu, eine, die zufällig kaum drei Meter vom inneren Zaun entfernt lag. Sten und Alex schlössen sich ihnen an. Die kleine Kiste mit dem Stinker hing, von einem zerrissenen Handtuch verdeckt, um Stens Hals. Die Wachen in den nahe gelegenen Wachtürmen konnten unmöglich verfolgen, wie viele Gefangene in die Latrine hineingingen und wie viele wieder herauskamen. Die Latrine war ein über einer tiefen, dunklen, mit Exkrementen angefüllten Grube errichteter Schuppen mit einer Rinne auf einer Seite und den Lokussitzen - kreisförmige Löcher, die in einen länglichen, roh zusammengezimmerten Holzkasten geschnitten waren - auf der anderen. Bereits vor einigen Tagen hatten Sten und Kilgour auf der Innenseite des Kastens Haken eingeschlagen. Beide hatten sich Nasenstöpsel aus Wurzelfasern in die Nase geschoben. Die Stöpsel taugten keinen Schuß Pulver. >DurchhaltenNicht in Ohnmacht fallen. Nicht darüber nachdenken, ob diese Spinne, die da über deinen Arm kriecht, giftig sein könnte. Nur durchhalten.< Schließlich jaulten die Sirenen zur Sperrstunde, und die Geräusche der Gefangenen verstummten allmählich. Schritte kamen näher, eine Klotür wurde aufgerissen. Wegen des Gestanks sahen die Wachen nur sehr flüchtig herein. Am besten wäre es gewesen, wenn Sten und Alex bis tief in die Nacht gewartet hätten, doch sie mußten vor Morgengrauen noch einige Kilometer hinter sich bringen. Kaum war es richtig
dunkel geworden, tauchten sie aus ihrem Versteck auf und grinsten sich an. Der nächste Schritt lag bei Colonel Virunga. Es fing mit Brüllen, Geschrei und Gelächter an. Sten und Alex sahen, wie der Suchscheinwerfer über die Risse im Dach der Latrine hinweg in Richtung der Baracken schwenkte. Sie glitten aus der Latrinentür hinaus ins Freie. Theoretisch hätten sie nicht weitergehen dürfen. Das Lager war von einem inneren Drahtverhau umgeben, gefolgt von einer zehn Meter breiten »verbotenen« Zone, auf die ein äußerer Zaun folgte. Die Posten auf den Türmen überwachten das Gelände mit Suchscheinwerfern sowie mit wesentlich gefährlicheren Beobachtungsinstrumenten: mit Restlichtverstärkern und Geräuschsensoren. Der Vorschrift nach hätte jeder Detektor mit einem Wachtposten bemannt sein sollen. Doch die Aufseher waren schlampig. Warum, in aller Welt, war es nötig, daß mitten in der Nacht drei Mann auf dem Turm saßen? Es gab ohnehin kein Entkommen aus dem Lager. Selbst wenn es einer der Imperialen schaffte - wo sollte er draußen hin? Den Bauern, die sich rings um das Lager angesiedelt hatten, waren für jeden abgelieferten Entflohenen saftige Belohnungen versprochen worden, egal in welcher Verfassung sie ihn ablieferten. Doch selbst wenn es einem Imperialen gelingen sollte, an den Bauern vorbeizukommen - was dann? Er befand sich nach wie vor inmitten des Tahn-Imperiums auf einer Welt der Tahn. Deshalb hatte sich ein kluger Aufseher eine Methode ausgedacht, wie man die drei Überwachungsgeräte miteinander koppeln konnte. Jetzt genügte ein einziger Mann, um alle drei zu bedienen. Als nun Virunga das Zeichen zum Einsatz des sorgfältig orchestrierten Radaus in einer der Baracken gab und der
Wächter seinen Scheinwerfer herumriß, konzentrierten sich sämtliche Sensoren dieses Turmes weit weg von den beiden schleichenden Schatten, die sich auf den Drahtverhau zubewegten. Bevor sie in die verbotene Zone gelangten, mußten Sten und Alex drei Reihen Draht zerschneiden; drei mit rasiermesserscharfen Spitzen versehene Metallplastik-Streifen. Mit Hilfe von Stens Messer müßte dieser Teil der Flucht reibungslos vonstatten gehen. Die losen Drahtenden würden allerdings innerhalb weniger Minuten entdeckt werden. Aus diesem Grund hatte Alex während der vergangenen Zyklen zwölf Metallhaken gesammelt. Mit einer raschen Bewegung ließ Sten sein Messer aus der fleischigen Scheide gleiten. Vorsichtig bohrte er dicht nebeneinander zwei Löcher in einen gespickten Streifen. Alex schob die Haken hindurch und drückte sie dann mit seiner schieren Körperkraft in einen der aus Hartplastik bestehenden Zaunpfosten. Nachdem der Drahtstreifen derart festgenagelt war, fing Sten an zu schneiden. Eins ... zwei ... drei ... dann durch den Spalt hindurch ... den Draht wieder festklemmen... und schon waren sie in der verbotenen Zone. Auf der anderen Seite des Streifens angelangt, zerschnitten sie den zweiten Zaun und ersetzten auch hier die Drahtstücke. Zum ersten Mal seit drei Jahren standen Sten und Alex ohne die Begleitung ihrer Wächter außerhalb des Gefangenenlagers. Die Versuchung, einfach drauf loszurennen und eine möglichst weite Strecke zurückzulegen, war fast unwiderstehlich. Statt dessen krochen sie jedoch langsam voran, die Finger tastend vorausgestreckt, stets auf der Hut vor Sensoren und Alarmsirenen. Es gab keine. Sie hatten es geschafft. Jetzt mußten sie nur noch von diesem Planeten wegkommen.
Kapitel 4 »Wo zum Henker ist jetzt dieser verdammte Wachtposten?« flüsterte Sten. »Mach dir da mal keine Gedanken, Horrie, alter Junge«, grummelte Alex. Horrie. Alex war es nicht nur gelungen, Sten zu degradieren, er hatte auch noch eine lächerliche Abkürzung für Horatio gefunden. »Das wirst du mir noch teuer bezahlen.« »Alles klar«, erwiderte Alex. »Aber die Rückzahlung einer Verpflichtung ist bei weitem nicht so lustig wie der Spaß, den man ursprünglich damit hatte.« Sten enthielt sich einer Antwort. Sein Blick richtete sich auf das Kurierschiff, das weniger als 100 Meter von ihrem Versteck entfernt auf einer Hügelkuppe stand. Sten und Alex hatten diese Möglichkeit, den Planeten zu verlassen, in Betracht gezogen, als sie für eine bestimmte Arbeit auf dem Landeplatz des Gefangenenlagers abgestellt worden waren. Beiden war das kleine Kurierschiff aufgefallen, ein ehemals hochmodernes Viermann-Schiff, das jetzt nur noch für Kurierdienste zwischen den Planeten eingesetzt wurde. Wenn es auch veraltet war, so verfügte es doch sowohl über einen Yukawa- als auch über einen AM2-Antrieb. Sie mußten es sich nur noch unter den Nagel reißen.
Nachdem sie den Stacheldraht des Lagers hinter sich gelassen hatten, hätte es ihnen keine großen Schwierigkeiten bereiten sollen, die wenigen Kilometer zwischen dem Lager und dem Landeplatz zurückzulegen. Trotzdem dauerte es länger, als sie dafür veranschlagt hatten. Keiner von ihnen hatte in Betracht gezogen, daß Nachtblindheit einer der Nebeneffekte von schlechter Ernährung war. So stolperten sie trotz ihrer Mantis-Ausbildung wie ungeübte Zivilisten durch die Dunkelheit. Nur ihre Reflexe, die sie bei Mantis in bezug auf Dunkelheit und Lautlosigkeit gelernt hatten, bewahrten sie davor, gleich auf den ersten Gehöften, die das Lager umringten, geschnappt zu werden. »Wenn wir sowieso ein bißchen spät dran sind«, sagte Alex, »könnte ich dir ebensogut was von den gefleckten Schlangen erzählen.« »Wenn du das tust, steche ich dich meuchlings ab.« »Der Kerl hat keinen Sinn für Humor«, beschwerte sich Alex bei dem schlafenden Stinker in der winzigen Kiste vor ihnen. »Aber jetzt kommt unser Einsatz, meine kleine Superratte.« Ein Stück unterhalb von ihnen schlenderte der Wachtposten in ihr Sichtfeld. Die Sicherheitsvorkehrungen am Landefeld waren Vergleichsweise komplex: ein umherwandernder Wachtposten, ein Drahtverhau, ein breiter Streifen, auf dem Wachtiere patrouillieren, ein zweiter Drahtverhau sowie interne elektronische Sicherheitsvorrichtungen. Nachdem sie die Runde des Wachtpostens beobachtet und zeitlich abgeschätzt hatten, machten sich Sten und Alex an die Arbeit. Sie krochen an den ersten Drahtverhau heran. Alex klopfte beruhigend auf die kleine Schachtel. »Jetzt los, du kleiner Stinker, lauf los und verdien dir deine Rente.« Er klappte den Deckel auf, und der Stinker sprang heraus.
Etwas verwirrt von der neuen Umgebung, spazierte er durch den Draht in die Sperrzone. Dort setzte er sich hin, leckte sich den Pelz, überlegte sich, wo wohl das nächste Wasser sein könnte, und wachte allmählich auf. Seine langsamen Gedankengänge wurden von einem leisen Fauchen unterbrochen. Ein Caracajou - drei Meter groß, fellbedeckt und tödlich watschelte heran. Der Riesenvielfraß war wütend, was der normalen Disposition dieser Spezies entsprach. Die Kreuzungen und Mutationen, denen die Tahn seine Vorfahren unterzogen hatten, machten das Säugetier sogar noch aggressiver. Es wußte mit dumpfem Bewußtsein, daß Zweibeiner seine einzigen Feinde waren, und irgendwie wurde es dazu gezwungen, zu den Zweibeinern, die es fütterten, freundlich zu sein, alle anderen Zweibeiner hingegen zu töten. Außerdem hielt man es davon ab, sich fortzupflanzen und sich ein eigenes Revier zu suchen. Dieser Caracajou hatte fünf Jahre seines Lebens damit verbracht, den durch den Draht vorgegebenen Korridor auf und ab zu marschieren, ohne irgendeine Möglichkeit, seine Aggressionen loszuwerden. Und plötzlich war da dieser Stinker. Der Vielfraß machte einen großen Satz - ganz seinen Instinkten und seinem aufgestauten Zorn entsprechend. Der Stinker gehorchte ebenso seinen Instinkten und seinem Zorn, wirbelte herum, rollte seinen wurmartigen Schwanz über dem Rücken zusammen und sprühte eine volle Ladung ab. Der Strahl aus seinen Analdrüsen traf den Caracajou mitten auf die Schnauze. Die Kreatur stellte sich sofort auf die Hinterpfoten, heulte auf und taumelte davon, wobei sie versuchte, den ekelhaften Gestank aus ihren Nasenlöchern zu reiben; eines der Konditionierungsmuster des Vielfraßes besagte, daß er sich in Sicherheit bringen mußte, das andere befahl ihm, die Zweibeiner aufzusuchen, die ihm helfen würden.
Der Stinker stieß ein zufriedenes Zischen aus und huschte davon. »Unser Stinketrick hat geklappt«, flüsterte Alex. Sten war beschäftigt. Wieder wurde die Drahtbarriere durchbohrt, aufgeschnitten und, nachdem sie hindurchgeschlüpft waren, zusammengepinnt. Das Schiff lag, in ölige Dunkelheit getaucht, kaum fünfzig Meter von ihnen entfernt. Keiner der beiden Männer rührte sich. Alex griff langsam in seine zerschlissene Uniformjacke, zog vier kurze Röhren von jeweils weniger als einem Zentimeter Durchmesser heraus und steckte sie ineinander. Das Blasrohr war jetzt knapp einen Meter lang. An ein Ende klemmte Alex eine durchlöcherte Fischblase, die mit fein pulverisiertem Metallstaub gefüllt war. Kilgour hob das Blasrohr an die Lippen, zielte auf einen Busch und blies in das Rohr hinein. Der unsichtbare Staub wehte heraus, wirbelte rings um den Busch und setzte sich allmählich ab. Beide Männer steckten die Nase in den Dreck und dachten unsichtbar. Wenige Minuten später kam die Tahn-Patrouille angepoltert, hielt kurz an und lief aufgeregt auf und ab. Bei ihrem ursprünglichen Fluchtplan hatten Sten und Alex elektronische Detektoren innerhalb der Postenlinie des Landefelds berücksichtigt. Nach ihrer Einschätzung aus der Ferne waren diese Detektoren ziemlich simple, höchstwahrscheinlich auf Radarbasis arbeitende Geräte. Schließlich befanden sie sich hier auf einem Planeten, der weit hinter der Front lag. Der Tahn-Corporal, der die Patrouille anführte, hob sein Sprechgerät. »Wache ... hier Rover. Befinden uns jetzt im fraglichen Gebiet.« »Rover ... Wache. Irgendwelche Anzeichen für unbefugtes Eindringen?«
»Hier Rover. Dranbleiben.« Der alternde und übergewichtige Corporal suchte mit seiner Taschenlampe den Boden ringsherum ab. »Rover. Nichts.« »Hier Wache. Absolut sicher? Die Sensoren zeigen genau in diesem Gebiet noch immer etwas an.« »Das weiß ich auch«, murrte der Corporal. »Ich kann aber verdammt noch mal nichts sehen.« »Rover, hier Wache. Halten Sie die Funkvorschriften ein. Ihre Inspektion des Geländes wird aufgezeichnet ... Ihr Bericht ins Log eingetragen: kein Eindringen erfolgt. Rückkehr zum Posten. Hier Wache. Over.« »Na prima«, grollte der Corporal. »Wenn dort draußen niemand ist, haben wir etwas falsch gemacht. Wenn aber tatsächlich jemand da ist, werden wir dafür verantwortlich gemacht. Sonderkommando ... Aufstellung!« Die Tahn-Wachen entfernten sich im Laufschritt. >Schön, sehr schönWir haben Ideen entwickelt, die besonders -« »Ich habe davon gehört«, unterbrach ihn der Imperator. »Sie taugen nichts. Sie verlangen, daß ich die AM2-Steuer von zwei Tausendstel auf drei oder sogar vier erhöhe. Was jedoch nicht in Ihre Köpfe zu kriegen ist, ist die Tatsache, daß man den Leuten nicht das Geld aus der Tasche ziehen darf, mit dem sie die wenigen Dinge kaufen sollen, die wir dann noch produzieren. Die großen Imperien der Geschichte wurden nicht durch Kriege zerstört. Immer nur durch Geld, besser gesagt durch den schlechten Umgang mit Geld. Sobald die Soldaten ihre Pflicht getan haben, hat man diese mordsmäßige Rechnung am Hals. Und diese Rechnung fängt sofort und unablässig an, Zinsen zu fressen. Dann begeht man besser nicht den Fehler, diese
Rechnung mitsamt der Zinsen nicht zahlen zu wollen. Sonst drehen einem die Leute beim nächsten Mal, wenn man wieder kämpfen muß, einfach den Rücken zu und verjubeln das bißchen Geld, das sie besitzen, lieber selbst, statt daß sie es einem noch einmal leihen. Das gleiche gilt für den Burschen, dessen Leben wir aufs Spiel setzen. Wenn er zu Hause nur Elend vorfindet, dürfte er das nächste Mal nicht sehr begeistert sein, wenn er wieder für einen in den Krieg ziehen soll, ganz egal, wie edel und gerechtfertigt der Grund dafür auch sein mag. Ich persönlich denke daran, meine Hörner wieder einzuziehen; die Steuern auf die Margen der Friedenszeiten zurückzuschrauben. Ein Tausendstel. Mehr nicht. Nach einer gewissen Zeit dann vielleicht eine allmähliche Senkung bis auf zwei Drittel eines Tausendstels. Auf diese Weise können die Lokalregierungen ein Viertel Tausendstel als eigene Steuer draufschlagen, um ihren Anteil der Kosten an diesem blödsinnigen Krieg zurückzahlen zu können.« Bei dieser Vorstellung klappte Sullamora ungläubig den Mund auf. »Wenigstens können wir den Ausstoß von AM2 erhöhen«, sagte er. »Das bringt mehr Steuern. Abgesehen davon, daß die Herstellungskosten dadurch gleichzeitig billiger werden.« »Ganz bestimmt«, sagte der Ewige Imperator. »Nebenbei wird es den Wert des Credits ziemlich schnell auf den Hund bringen. Dann kommen die Leute mit dem Schubkarren voller Credits in die Kneipe, um sich ein Bier zu kaufen.« Sullamora wußte nicht, was ein Schubkarren war, aber er verstand so ungefähr, was sein Gegenüber damit ausdrücken wollte. »Sie haben Bier erwähnt«, sagte er. »Es gibt einen Weg, wie man zu Geld kommt, gegen den niemand etwas haben kann. Eine Steuer auf Bier. Eine Steuer auf Betäubungsmittel. Eine Steuer auf Freuden -« »Hieß früher mal Sündensteuer«, sagte der Imperator trocken. »Genauso eine dumme Idee. Die Tahn und ich, wir haben so
viele Leute getötet und verstümmelt, daß ich eigentlich nicht darüber nachdenken will. Was uns jetzt übrig bleibt, ist eine ziemlich mies gelaunte Truppe von Untertanen. Die Leute in dieser Truppe sind nicht bei vielen Dingen einer Meinung. Aber wenn wir es soweit kommen lassen, dann wird das Elend der erste Hammer sein, den sie gegen uns aufheben. Und mit dem werden sie uns anständig eins überbraten, Tanz. Das kann ich Ihnen garantieren. Nein. In diesen Zeiten heißt es vielmehr, ein bißchen mehr an Sünde zuzulassen. Jede Menge Spektakel, so dicht an kostenlos wie nur irgend möglich.« Das alles war Sullamora völlig unverständlich. Der Imperator tat so, als würde er es nicht bemerken und fuhr fort. »Da wir gerade davon reden, die Leute glücklich zu machen«, sagte er. »Ist Ihnen klar, daß wir alle von einigen heftigen Steigerungen in puncto Einkommen reden? Wenn Sie etwas verkaufen wollen, müssen die Preise drastisch fallen, das ist Ihnen doch auch bewußt, oder nicht? Da viele meiner Mitkapitalisten normalerweise nur mit viel zu großer Verspätung kapieren, wo der Hase langläuft, ziehe ich diesbezüglich einige schwerwiegende neue Gesetze in Erwägung.« »Wie... wie kommen Sie denn zu dieser Einschätzung?« stieß Sullamora hervor. »Ganz einfach. Wenn weniger Leute arbeiten, heißt das höhere Löhne. Niedrigere Preise bedeutet mehr Produktion von Dingen, die sich diese Leute auch leisten können. Und jede Menge billiger Materialien, aus denen diese Dinge hergestellt werden. Jeder, der ein wenig Weitblick hat, versteht das. Nehmen Sie zum Beispiel Ihre Schiffe, Tanz«, sagte der Imperator und stieß Sullamora damit den Dolch genüßlich zwischen die Rippen. Sullamora wurde klar, daß der Imperator ihm jede Menge dieser schon bald nutzlosen Kriegsschiffe unterjubeln wollte. »Mit ein paar kreativen Maßnahmen haben
Sie jede Menge Reste von so gut wie jedem herkömmlichen Material, aus dem sich nützliche Dinge herstellen lassen.« »Zum Beispiel?« Sullamora flüsterte beinahe. Der Ewige Imperator zuckte die Schultern. »Da bin ich überfragt. Sie verfügen doch über jede Menge Entwicklungsund Designgenies. Sie sollen sich gleich daran machen, einige neue Sachen zu erfinden, mit denen man Essen kochen anstatt feindliche Soldaten grillen kann. Das kann doch nicht so schwer sein. Herrgott noch mal, Tanz. Je mehr ich darüber nachdenke, desto deutlicher stehen mir die Möglichkeiten vor Augen, die sich uns damit öffnen. Fast tut es mir leid, daß ich diesen blöden Job hier habe. Mit nur einem bißchen Hirn, einem bißchen Geld und viel Unternehmungsgeist stehen einem schon bald alle Wege offen.« Sullamora mußte noch einige Fragen stellen. »Glauben Sie das wirklich?« »Aber sicher«, antwortete der Imperator. »Zumindest weiß ich, daß ich es schaffen würde, auch wenn Sie mich jetzt für großmäulig halten. Tatsache ist, daß die meisten Imperatoren so denken. Es gab mal eine Königin, schon lange her, die sagte ihren Beratern auch meistens das gleiche. Wenn man sie vom Thron stoßen und nur mit ihren Petticoats bekleidet an einer trostlosen Küste aussetzen würde, sagte sie immer, so würde es nicht lange dauern, bis sie erneut sämtliche Fäden in der Hand hielt. Einige ihrer Ratgeber lachten sie hinter ihrem Rücken deswegen aus. Ihr Name war Elizabeth. Elizabeth I. Schon mal von ihr gehört?« Tanz Sullamora schüttelte den Kopf und wußte, daß seine Audienz sich dem Ende zuneigte. »Sie muß eine sehr bemerkenswerte Frau gewesen sein«, erzählte der Imperator weiter. »Einige Historiker sind der
Meinung, sie sei die beste Herrscherin aller Zeiten gewesen. Vielleicht haben sie recht.« Ein kleiner, verwegener Gedanke schoß Sullamora durch den Kopf. Er fragte sich, was wohl mit den Ratgebern geschehen war. Mit denjenigen, die gelacht hatten. Hatten sie jemals daran gedacht ... »Natürlich war sie auch schnell mit der Axt bei der Hand«, sagte der Imperator jetzt, als habe er Sullamoras Gedanken gelesen. Der Raumschiffbaron erhob sich so rasch, daß er beinahe seinen Drink umgeschüttet hätte. »Entschuldigen Sie mich bitte, Sir«, stammelte er. »Aber ich glaube...« »Geht es Ihnen nicht gut?« erkundigte sich der Imperator und warf Sullamora einen verwirrten Blick zu. Aber vielleicht bildete sich Tanz das einfach nur ein. Er deutete an, daß er sich nicht ganz wohl fühlte, und nachdem er entlassen war, eilte er zur Tür. Gerade, als sie aufzischte, rief der Imperator ihn noch einmal beim Namen. Sullamora mußte sich zu einer Antwort zwingen. »Ja, Sir?« »Keine Überraschungen mehr, klar, Tanz?« sagte der Imperator. »Ich kann Überraschungen nicht ausstehen.« Tanz Sullamora stieß keuchend ein Versprechen hervor und eilte davon, wobei er sich schwor, dieses Versprechen bei der erstbesten sich bietenden Gelegenheit zu brechen. Er sprach eine volle Stunde, ohne ein einziges Mal unterbrochen zu werden. Die Mitglieder des Privatkabinetts lauschten mit eiskaltem Schweigen der exakten Wiedergabe des Gesprächs zwischen ihm und dem Imperator. Sullamora färbte seinen Bericht in keiner Weise schön und versuchte auch nicht, sich selbst besser darzustellen, als er in Wirklichkeit gewesen war. Er hatte es hier mit Geschäftsleuten zu tun, die keine Lust
auf Übertreibungen hatten. Sie wollten nichts als Fakten, und sie bekamen auch nichts anderes als Fakten. Das Schweigen hielt an, nachdem er seinen Vortrag beendet hatte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, da jeder einzelne von ihnen fieberhaft über die Konsequenzen nachdachte, die die Pläne des Imperators für ihn oder sie persönlich haben würden. Volmer ergriff als erster das Wort. »Aber ... aber ... das ist ja die reinste Katastrophe! Versteht er denn nicht... Mein Gott! Wir müssen ihn aufhalten!« Dann traf ihn die Bedeutung dessen, was er gerade gesagt hatte, wie ein Keulenschlag; er errötete, stotterte leise etwas vor sich hin und verfiel wieder in Schweigen. Nach einer angemessenen Pause machte Sullamora einen Vorschlag. Er sagte, daß ihnen allen ein Spaziergang im Wald wahrscheinlich sehr guttun würde. »Ein Spaziergang im Wald« war eine uralte politische Redewendung, die ursprünglich »ein Zusammenstecken der Köpfe in entspannter Atmosphäre« bedeutet hatte, bei dem der Repräsentant des einen Lagers den anderen davon überzeugen wollte, daß beiden ein gewisses Maß an bitterer Medizin bevorstand. Sie beschrieb eine Methode, mit der sich eine schwierige Entscheidung ohne den Druck der Außenwelt herbeiführen ließ. Etwas Ähnliches schwebte auch Tanz Sullamora vor, als er den Spaziergang vorschlug. Mit dem Unterschied, daß es zwischen den Köpfen in diesem Fall bereits eine Übereinkunft gab. Er war sich sicher, daß alle wußten, was zu tun war, daß aber jeder sich scheute, den Vorschlag als erster zu äußern. Sullamoras Einschätzung war neunzigprozentig richtig. Die Ratsmitglieder gingen viele Kilometer auf sich schlängelnden Pfaden durch den Wald, legten hier und da eine Pause ein, um sich an der frischen Luft oder dem Gesang eines Vogels zu erfreuen. Sie täuschten Interesse vor. Sie täuschten
Freude an den einfachen Dingen des Lebens vor. Innerlich brodelte es in den Gedärmen dieser Wesen. Letztendlich war es Kyes, der das Thema auf den Tisch brachte. »Volmer hat recht«, sagte er. »Ich sehe keinen anderen Ausweg. Wahrscheinlich ist es auch gut so. Der Mann hat offensichtlich jeden Kontakt mit der Realität verloren.« Alle nickten, erleichtert darüber, daß es endlich ausgesprochen war. Alle außer Volmer. Der Mann wirkte schockiert, ja verschreckt. Seiner Meinung nach wurde seine in der Erregung ausgestoßene Bemerkung jetzt verdreht und in etwas verwandelt, mit dem er nichts zu tun haben wollte. Volmer mochte an Königsmord gedacht, er mochte sogar etwas von Königsmord gesagt haben, doch jetzt wurde es als blutiger Verrat auf ihn zurückgeworfen. »Was sagen Sie da? Großer Gott, ich möchte nichts ... Sehen Sie, wir stehen alle unter einem unglaublichen Druck. Wir denken nicht sehr klar. Tragen wir doch alle unsere Päckchen und machen uns an die Arbeit. In Ordnung? Es ist an der Zeit, nach Hause zu gehen. Wir machen uns alle wieder an die Arbeit, ja?« Sullamora fuhr wie eine Schlange dazwischen. Beruhigend legte er einen Arm um Volmer, klopfte ihm auf den Rücken, fuhr ihm durch die Haare und führte ihn sanft ein Stück von den anderen weg. »Ein Mißverständnis ... das meinte er doch nicht... Bildhaft gesprochen ...« Und so weiter. Volmer krallte sich an die Phrasen wie ein Ertrinkender, stimmte ihm zu, gab nach und beruhigte sich wieder. Als Sullamora den Mann durch die Tür des Hauptgebäudes führte, drehte er sich zu den anderen um. Sie starrten ihn ohne Ausnahme an. Das Geschäft war gemacht, der Handel perfekt. Sullamora lachte über einen faulen Witz Volmers und klopfte ihm erneut gutmütig auf die Schulter; dabei dachte er bereits daran, daß das wohl die erste Stelle war, an der das Messer ihn treffen würde.
Kapitel 32 Der Rest von Stens und Alex' Flucht war nicht aus dem Stoff, aus dem man Livies dreht. Chetwynd stand zu seinem Wort und versteckte die beiden in einer Welt des Luxus, die aus einem überdimensionalen Bett mit echter Bettwäsche und unbegrenzter Zeit, sich darin aufzuhalten, bestand - allein und zum Schlafen. Es bedeutete auch, zum ersten Mal seit Jahren frei von Ungeziefer zu sein, nach Lust und Laune in sauberem Wasser zu baden. Und dann das Essen! Kalorien in allen Zusammensetzungen und Mengen! Zuerst gab es nur einfache Gerichte, um die malträtierten Verdauungssysteme nicht überzubeanspruchen. Dann aber folgte die Ekstase, als sie sich zum ersten Mal von einer Mahlzeit erhoben und Reste auf ihren Tellern zurückließen. Die verschiedenen Joygirls und Joyboys, die ihnen andere Dienste anboten, waren wahrscheinlich über mangelnde Reaktion enttäuscht, doch wie Kilgour für sie beide erklärte: »Das ginge momentan nicht ohne Gipsschiene, aber trotzdem danke, daß Sie an mich gedacht haben.« Chetwynd ließ sie in Ruhe. Er wußte, wie lange es dauerte, bis ein Gefangener wiederentdeckte, daß er mehr war als eine hartnäckige Überlebensmaschine. Schließlich wurden die beiden von Heath weggebracht. Versteckt unter anderthalb Tonnen Metallschrott auf einem uralten, behelfsmäßig zusammengeflickten A-Grav-Gleiter schaffte man sie, wie Sten vermutete, auf das private Anwesen
eines Oberschurken der Tahn. Chetwynd schwieg sich in dieser Hinsicht natürlich aus. Das winzige Schmugglerschiff schwebte mit summendem Yukawa-Antrieb über dem Landeplatz. Sten und Alex wurden an Bord verfrachtet, das Schiff verließ die Atmosphäre und schaltete auf AM2-Antrieb um. Irgendwo traf das Beiboot auf sein Mutterschiff, auf dem sie von Sr. Jon Wild begrüßt wurden. Er erzählte ihnen, daß er Romney gerade noch rechtzeitig hatte verlassen können. Das prickelnde Gefühl, das ProfiGauner entwickeln, wenn es brenzlig wird, hatte ihn rechtzeitig gewarnt - und Wild hatte die sofortige Evakuierung angeordnet. Er verlor sieben Schiffe und seinen Stützpunkt, doch alle seine Leute und, was noch wichtiger war, sämtliche Waren konnten gerettet werden. »Und jeder«, erklärte er und hielt dabei bedeutungsvoll die Finger aneinander, »kann ein Schiff und einen Platz zum Landen finden.« Er war hocherfreut, Sten und Alex mit seinen bescheidenen Mitteln helfen und in Sicherheit bringen zu können, beteuerte er. Schließlich schulde er Sten noch etwas. Vor einiger Zeit war einer seiner kleinen Konvois im Imperialen Sektor geschnappt worden. Normalerweise hätten die Schiffe und die Waren konfisziert und gegen Wild und seine Besatzungen entsprechende Strafen verhängt werden müssen. »Man sprach sogar von Gefängnisplaneten«, fuhr er fort. »Anderen von uns, die als rehabilitierbar eingestuft wurden, boten sie hingegen etwas Schreckliches namens Strafbataillon an. Genauer wollte ich es gar nicht wissen.« Sten war Wilds As im Ärmel gewesen. Mit heiligem Zorn hatte er seine Bewacher gefragt, mit welchem Recht sie sich in eine Operation des Imperialen Geheimdienstes mischten. Sie hatten ihn nur laut ausgelacht. »Ich schlug ihnen vor, sich mit ihrem eigenen G, S oder welchen Buchstaben sie für die entsprechende Abteilung
benutzen, auseinanderzusetzen. Kurz danach gaben die Spionageheinis durch, ich sei ein Gentleman, treu dem Dienst der Fahne ergeben. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie damals den Papierkram ordnungsgemäß erledigt haben, junger Mann.« Unter kleinlauten Entschuldigungen hatte man Wild und seine Leute wieder freigelassen, woraufhin sie ungestört ihrer eigenen, recht profitablen Wege ziehen durften. Sie verschifften Tahn-Luxusgüter an reiche Imperiale - und umgekehrt. »Ich schätze mal, wenn dieser Krieg noch ... sagen wir zehn Jahre dauert, dann bin ich soweit, den Schritt in die Legitimität zu wagen.« Wild lief bei diesem Gedanken ein leiser Schauer über den Rücken. »Allein deswegen, Commander, oder welchen Rang Sie auch immer bekleiden mögen, werden Sie auf dieser Reise behandelt, als wären Sie der illegitime Sohn des Imperators selbst.« Die Reise war vom langsamen, aber stetigen Anwachsen ihrer Hüftringe sowie von einigen schweißtreibenden Momenten gekennzeichnet, als entweder Tahn- oder Imperiale Patrouillen aufkreuzten und ausmanövriert wurden - und von noch mehr Schlaf. Als er Alex dabei ertappte, wie er sich in die Kabine einer der attraktiveren weiblichen Offiziere Wilds verdrückte, gewann Sten den Eindruck, daß sie einigermaßen in die Normalität zurückgekehrt waren. Zum Zeitpunkt ihrer Landung auf einem Imperialen Stützpunkt, bei dem es sich zufälligerweise um ein System handelte, in dem Wild »einige interessante Leute« treffen mußte, gaben die beiden ehemaligen Kriegsgefangenen nur noch sehr schlechtes Propagandamaterial ab. Dafür hätten sie langbärtig, abgemagert, ausgemergelt, vernarbt sein müssen, bereit, die monströsen Verbrechen der Tahn gegen die Menschlichkeit zu bezeugen, zugleich aber die Aussicht, daß
man sich als mutiger Imperialer Soldat überall durchzubeißen wußte. Die Propagandamühlen wurden nicht einmal angeworfen. Beide Männer wußten zuviel, als daß man die journalistische Meute in ihre Nähe gelassen hätte. Man brachte sie so rasch wie möglich zur Erstwelt, wo sie von den besten Befragungsspezialisten des Imperators bearbeitet wurden, die bis auf die Gehirnsonde so gut wie jede Ausfragetechnik einsetzten. Sten hatte die Prozedur mit der Sonde schon einmal durchgemacht und verzichtete dankend auf eine Wiederholung. Als die Geheimdienstleute widerstrebend zugaben, daß alles weitere von eventueller Bedeutung in den inzwischen gequälten und erschöpften Gehirnzellen verborgen lag, kamen sich Sten und Kilgour vor, als wären sie von den Folterknechten der Tahn gekreuzigt worden. Doch dann fingen die wirklichen Überraschungen erst an. Sowohl Sten als auch Alex rechneten mit mehreren Orden. Nicht, weil sie der Meinung waren, sie hätten während ihrer Gefangenschaft besonders heroische Taten vollbracht, wenn man von der Tatsache einmal absah, daß sie sich so schnell wie möglich aus dem Staub gemacht hatten - und selbst dafür hätten sie anstelle einer Glitzerspange freien Alk bis zum Lebensende vorgezogen -, sondern aufgrund der Tatsache, daß die Überlebenden mit um so mehr Auszeichnungen überschüttet werden, je häßlicher ein Krieg wird. Natürlich bekamen sie ihre Orden. Beide erwarteten eine Beförderung. Auf der langen Heimreise hatten sie Zeit genug, sich zu überlegen, ob man sie nur eine oder gleich zwei Stufen hinaufbefördern würde. Soweit sollte es jedoch nicht kommen - noch nicht. Ihre Befehle lauteten ganz ähnlich: STEN (KEINE VORNAMEN) (GESPERRT) Zu folgender (GESPERRT) Abflugzeit nach (GESPERRT) beordert, autorisierter Transfer nach (GESPERRT). Nach Ihrem
Dienstantritt melden Sie sich bei (GESPERRT), um weitere Befehle entgegenzunehmen. Bedingungen zur Rückmeldung zu weiteren Dienstverpflichtungen wird Ihnen bis zum (GESPERRT) Datum mitgeteilt. KILGOUR, ALEX (GESPERRT) Zu folgender (GESPERRT) Abflugzeit nach (GESPERRT) beordert, autorisierter Transfer zum Planeten Edinburgh oder anderen Systemen seiner Wahl. Nach Ihrem Dienstantritt melden Sie sich bei (GESPERRT), um weitere Befehle entgegenzunehmen. Bedingungen zu weiteren Dienstverpflichtungen werden Ihnen bis zum (GESPERRT) Datum mitgeteilt. Sten und Alex blickten einander an. Jemand dort oben hatte ihre Zukunft bereits verplant. Wahrscheinliche Zukunftsaussichten unangenehm. Doch außer Desertion blieb ihnen nicht viel übrig, und dafür hatten sie beide schon genug Zeit auf der Flucht verbracht. Schritt zwei hieß, ihren rückständigen Sold einzusammeln, der sich inzwischen zu einem kleinen Vermögen angehäuft haben mußte. Ein produktiver Zeitvertreib der Kriegsgefangenen hatte darin bestanden, sich auszurechnen, wieviel Sold mittlerweile fällig war und wie sie die Summe am besten ausgeben würden. Das Imperium bezahlte sein Militär etwas anders als die Regierungen in der Vergangenheit. Der Soldat bekam seinen Sold entweder bar auf die Hand ausgezahlt oder auf eine zivile Bank überwiesen, wo sich die jeweils geltenden Zinsen oder Überziehungszinsen ansammeln konnten, je nachdem, wie der einzelne damit umging. Das geschah nicht aufgrund einer besonderen Zuneigung, die der Ewige Imperator jedem einzelnen seiner Soldaten entgegenbrachte. Vielmehr gab es dafür drei einfache Gründe, die der Imperator einmal vor langer, langer Zeit an einem trunkenen Abend Mahoney erläutert hatte:
1. Wir leben in einem kapitalistischen Imperium. Deshalb ist zirkulierendes Geld gesünder als Geld, das irgendwo in einem Sparstrumpf liegt. 2. Ich verstehe sehr viele Dinge. Wenn du möchtest, kann ich dir die mathematische Korrelation der neun grundlegenden Kräfte des Universums in groben Zügen darlegen. Von Wirtschaft verstehe ich nichts, wie alle anderen auch. Deshalb werde ich mich da nicht einmischen. 3. Die Banker, die das Geld meiner Soldaten bekommen, sind sehr, sehr rationale Leute. Das heißt, sie tun verdammt noch mal das, was ich ihnen sage und wann ich es ihnen sage; falls nicht, finden sie sich sehr rasch auf der »Nicht für Militärische Guthaben empfohlen«-Liste wieder. Und so erwarteten Sten und Alex, als sie in die Erstwelt-Bank hineinmarschierten, die, aus welchen Gründen auch immer, seit Jahren von der Operativen Abteilung des Mercury-Corps und der Sektion Mantis favorisiert wurde, höflich begrüßt zu werden, geradeso, als wären sie Aktionäre. Sie hatten nicht erwartet, daß man sie sofort ins Büro des Bankpräsidenten geleitete und darüber informierte, daß sie inzwischen die Mehrheit der Bank hielten. Und falls es den Gentlemen genehm wäre, da sie jetzt ohnehin... ähem, zur Verfügung stünden, ob sie da nicht den gegenwärtigen Vorstandsmitgliedern hinsichtlich zukünftiger Investmentpolitik mit Rat und Tat zur Verfügung stehen wollten? Sten schluckte schwer. Kilgour hingegen packte die unerwartete Gelegenheit sofort beim Schöpf. Er griff nach einem Stumpen echten Tabaks - wie es aussah - in einem für konstante Luftfeuchtigkeit sorgenden Behälter, riß auf dem augenscheinlich aus echtem Holz bestehenden Schreibtisch des Präsidenten ein Streichholz an und inhalierte. Es gelang ihm, den folgenden Hustenanfall zu unterdrücken und nonchalant einen Ausdruck ihrer beider Konten zu verlangen.
Sie waren nicht nur wohlsituiert. Sie waren reich. Sie hielten beide bedeutende Anteile an den hervorragendsten Holdings des Imperiums. Plus einen gewissen Prozentsatz an exotischen Metallen. Plus einen Prozentsatz an Kriegsanleihen. Plus... Sten starrte ungläubig auf Seite 36 oder 37 des Ausdrucks. Er war wirklich dankbar dafür, daß der Bankdirektor sich zurückgezogen hatte. »Äh ... Kilgour. Mir gehört ein ganzer Planet.« Kilgour amüsierte sich ebenso königlich. »Ich habe jetzt... ich meine, es sieht ganz so aus ... Mir gehört das reichste Anwesen auf Edinburgh. Ich kann mir ohne weiteres leisten, das Familienschloß restaurieren zu lassen.« »Du hast ein Schloß?« »Jetzt schon.« Den beiden ging erst ein Licht auf, als der katzbuckelnde Banker mit dem Inhalt eines bestimmten Schließfachs zurückkehrte, der, wie er betonte, ihnen nur persönlich und streng vertraulich ausgehändigt werden durfte. Dann zog er sich wieder zurück. Sie öffneten das Fach, fanden ein Fiche und holten es auf den Bildschirm. Das nicht ganz den konventionellen Schönheitsidealen entsprechende Gesicht der Zigeunerin Ida erschien auf dem Monitor. Ida hatte früher einmal zu Stens und Alex' Mantis-Team gehört. Sie war eine Gaunerin, eine Investorin und einer der besten Piloten, mit denen Sten jemals geflogen war. Sie war schon vor vielen Jahren aus dem Militärdienst verschwunden, doch bevor sie verschwand, hatte sie sich irgendwie in die Bankverbindungen ihrer Ex-Kollegen eingeklinkt und investiert, investiert, investiert - und sie dadurch immer reicher gemacht.
Jetzt kam auch der Ton: »Ihr seid vielleicht ein paar Schwachköpfe! Wie habt ihr es nur geschafft, daß diese Blödmänner euch schnappen? Kilgour, du bist so dumm wie fett. Steh, warum hörst du noch immer auf diesen Schwachkopf? Egal. Als ich hörte, daß ihr vermißt seid, habe ich mich ein wenig eurer Credits angenommen. War mir sofort klar, daß die Tahn nicht schlau genug sind, euch sofort allezumachen; also seid ihr noch am Leben. Jetzt hoffe ich nur, daß wirklich ihr selbst und nicht eure Erben oder Rechtsnachfolger an das Zeug herankommt - und daß der Krieg vorüber ist. Ich habe angefangen, alle eure Credits, die dort unnütz herumlagen, einzusetzen. Ich muß wohl ein wenig auf euch zwei Schwachköpfe aufpassen. Soweit ich es überblicke, kann eigentlich nichts schiefgehen, es sei denn, der Imperator ergibt sich den Tahn; selbst dann habt ihr, nebenbei gesagt, einige Anteile an Firmen in den TahnWelten. Ansonsten dürftet ihr schon bald richtig reich sein. Warum ich das alles auf einem Fiche erzähle und nicht selbst anwesend bin, wenn ihr erfahrt, wie gut ich mich um euch gekümmert habe, ist ... äh, Dreck, ich habe da auf jemanden gehört, und, naja, jetzt wollen sie, daß ich etwas irgendwo weit draußen drehe. So ist es nun einmal. Ich bin dumm und sehne mich manchmal nach den alten Tagen.« Idas Abbild verstummte, und Sten war entsetzt, als er sah, daß sich so etwas wie eine Träne in ihrem Auge bildete. Glücklicherweise blieb das Bild nur noch einen Augenblick stabil, in dem die Romafrau plötzlich aufstand, sich umdrehte und den Rock hob.
Was durch die Verzerrung der Vidlinse wie zwei überdimensionale Brotlaibe aussah, kam gerade noch mit auf das Bild. Dann wurde der Monitor dunkel. »Das Mädel läuft immer noch ohne Unterhosen herum«, stieß Alex hervor. Es gelang ihnen, die richtigen Geräusche zu produzieren, um den Banker wieder herbeizuzitieren. Dann gingen sie schnurstracks in die nächstbeste Kneipe, bewaffnet mit einer Aktentasche, deren Inhalt keinen Zweifel daran ließ, daß sie echt reich waren. Einen oder zwei Tage später, nachdem sie wieder nüchtern waren, tauschten sie untereinander die jetzt fälligen Geräusche aus. Tut mir leid, daß wir uns trennen müssen, Kumpel, aber so ist es nun mal beim Militär, meine Güte, die Welt ist klein, wir werden uns schon wieder mal über den Weg laufen. Sten brachte Kilgour noch an Bord des Schiffes, das nach Edinburgh flog, dann setzte er sich hin und überlegte. Zuerst verlangte es ihn nach einem ruhigen Ort, wo er sich näher überlegen konnte, an welchem Ort er seinen Urlaub verbringen wollte, bevor irgend etwas anderes passierte. Mochten diese GESPERRT-Rubriken enthalten, was sie wollten. Ganz abgesehen von dem Planeten, den er ganz offensichtlich besaß. >Planet?< dachte er. >Niemandem gehört ein ganzer Planet. Das ist ja ekelhaft. Aber vielleicht ist es ja wirklich so. Wenn ja, dann würde ich gerne nachsehen gehen, wie es um meinen Grund und Boden bestellt ist. Wenn möglich mit einem guten Freund.< Er suchte das nächste Com und rief die Polizei an. Genauer gesagt, rief er beim Morddezernat der Erstwelt an und verlangte nach Lisa Haines. Vor Jahren waren er und Lisa ernsthaft ineinander verliebt gewesen, bevor Sten in das Chaos hineingezogen wurde, das ihm zuerst den Krieg mit den Tal»
und dann die Kriegsgefangenschaft beschert hatte. Er hoffte inständig, daß sie immer noch solo war und sich noch an ihn erinnerte. Die Polizeistelle teilte ihm mit, daß es bei der Polizei noch immer eine Lisa Haines gab und daß sie gerne eine Nachricht für sie entgegennähmen. Leider sei sie selbst momentan nicht erreichbar. »Wann erwarten Sie sie zurück?« »Diese Information darf ich leider nicht weitergeben«, begann die künstliche Stimme, doch dann erlosch der Schirm, und eine andere, menschliche Stimme schaltete sich ein. Eine sehr höfliche Stimme. »Hier ist die Mitteilungszentrale. Sie wollten Captain Lisa Haines erreichen. Wir sind bereit, eine Nachricht weiterzuleiten ... bleiben Sie dran. Wir können Sie nicht deutlich empfangen. Bitte die Verbindung nicht unterbrechen. Sobald das Signal korrigiert wurde, meldet sich die Vermittlung wieder.« Sten hielt sich aus Gewohnheit und aufgrund seines Trainings nie innerhalb des Erfassungsbereichs einer Kamera auf. Deshalb war er nicht zu sehen, als das EMPFANGS-Lämpchen aufleuchtete. Kurz danach stand er ein Stück weit weg und befand sich mitten in Kaufverhandlungen mit einem Ladeninhaber, als zwei schwergewichtige Kerle mit kurzgeschorenem Haar auf die Com-Kabine zustürmten. Er hielt sie sofort für Sicherheitsleute, zahlte zügig und tauchte dann in der Menge unter. Lisa war irgendwo im Krieg, offensichtlich in der Maschinerie des Geheimdienstes verschwunden. Von wegen Mitteilungszentrale. Sten verzog das Gesicht. Es sah ganz so aus, als müßte er seinen Urlaub allein verbringen, jedenfalls so lange, bis ihm eventuell vor Ort eine Dorfschönheit über den Weg lief. Bei diesem Gedanken fiel ihm ein, daß er sich zuerst in einer Bibliothek schlau machen wollte, ob sein Besitz überhaupt Dörfer mit Schönheiten aufzuweisen hatte.
Was, jedenfalls mehreren Infofiches zufolge, nicht der Fall war. Der Name des Planeten lautete Smallbridge. Er maß ungefähr 87 Prozent der Erdgröße, verfügte über akzeptable Schwerkraft, eine E-normal-Atmosphäre und befand sich drei AE von einem sterbenden gelben Stern entfernt. Klima: tropisch bis subarktisch. Flora/Fauna... Der karge Eintrag der Imperialen Gesellschaft für Vermessung besagte, daß es auf dem Planeten Smallbridge damals hieß er noch Vermessungsplanet XM-Y1134 plus weitere endlose Zahlen und Buchstaben - nichts von besonderem Interesse gab, abgesehen von weitverbreiteten Mitgliedern der Familie der Orchideen, riesenhafte Exemplare von Polypodiosida... blah ... Insektenleben ... blah ... blah ... ungefährlich ... Wasser trinkbar, mit folgenden blah blah Vorkommen ... folgende Wasserkreaturen als genießbar empfunden ... Fauna... nichts, was es darauf angelegt hatte, Sten aufzufressen, mit Ausnahme einer kleinen, ziemlich scheuen katzenähnlichen Kreatur, die ihn vielleicht angriff, wenn er ausgerechnet vor ihrem Höhleneingang Mittagsschlaf hielt; aber nur vielleicht. Sonst nichts weiteres von Interesse, was nur besagte, daß nichts versucht hatte, das Vermessungsteam zu töten. KEINE LEBEWESEN HÖHERER ENTWICKLUNGSSTUFEN BEOBACHTET. Wie es aussah, war Sten Eigentümer von acht Zehnteln des Paradieses, auch wenn dieses Paradies nicht gerade sehr fortschrittlich war. Was hatten die Menschen unternommen, um diesen Garten Eden nach seiner Entdeckung zu vermurksen? Immerhin hatte jemand dieser Vermessungswelt Nummer soundso einen Namen gegeben. Sten gab das Fiche aus seinem eigenen Dokument ein. Die Antwort lautete - nichts. Der Planet war von einem Unternehmer erworben worden, der sein Vermögen mit etwas verdiente, an das sonst niemand gedacht hatte, und der dann
beschlossen hatte, ein gutes Händchen als Unternehmer zu haben. Er hatte der Welt einen Namen gegeben, für sich und, wie Sten annahm, seine bezahlten Freunde ein ziemlich wunderbares Anwesen hingestellt, dazu einen hochmodernen Landeplatz für Raumschiffe, und war dann bei dem Versuch, ein zweites, drittes und so weiter Vermögen zu machen, bankrott gegangen. Woraufhin der Planet wieder zu Eden wurde. Sten fluchte einen eher erstaunten Fluch in der niederen Tahnsprache, bei dem angedeutet wurde, daß die Schamteile der Mutter des Beleidigten einem ganzen Bataillon Unterschlupf gewähren könnten - und zuckte vom Bildschirm hoch, als er ein leises Kichern hörte. Das Kichern kam von einer sehr jungen, sehr großen, sehr blonden Frau, die am Terminal neben ihm saß. »Haben Sie das etwa verstanden?« fragte er. »Allerdings.« Sten, dem schlagartig bewußt wurde, daß seine ohnehin begrenzten gesellschaftlichen Manieren durch die Zeit im Lager nicht gerade geschliffen worden waren, wurde rot und entschuldigte sich. Die Frau, die sich ihm als Kim Lavransdotter vorstellte, klärte ihn über die Hintergründe auf. Sie sprach Hoch-, Nieder-, Mittel- und Kriegstahn. Sie war Forscherin und Historikerin, Doktor von diesem in Tann-Kultur und jenem in Tahn-Geschichte, und sehr erfreut darüber, daß ihre Studien durch eine Einladung zur Erstwelt Anerkennung gefunden hatten, wo sie jetzt für die Imperiale Sozialforschung arbeitete. »Vielleicht darf ich Ihnen das nicht verraten«, sagte sie mit besorgtem Gesichtsausdruck. »Ich glaube, wir hängen irgendwie mit dem Geheimdienst zusammen, obwohl natürlich niemand etwas darüber verlauten läßt.« Sten beruhigte sie.
Er hatte Zugang zu allen geheimen Daten. Bis zu und inklusive »Streng vertraulich - Nur für Imperiale Stabsangehörige«, obwohl er ihr das natürlich nicht alles auftischte. Sie war sehr schön. Und Sten war sehr einsam. Er fragte, ob er sie zu einem Caff einladen dürfe. Sie blieb weiterhin sehr schön. Sten lud sie zum Essen ein. Am nächsten Tag nahm er sie mit, als er zwei alte Freunde besuchte: Marr und Senn in ihrem kristallenen Lichtturm. Sie bezauberte die beiden. Sie bezauberte auch Sten nach wie vor. Und sie war wirklich sehr schön, wie er am nächsten Morgen erneut zugeben mußte, als sie nackt neben ihm lag. Vielleicht... Sten war sehr glücklich, als er erfuhr, daß es höchste Zeit für Kim war, ihren Urlaub zu nehmen, und sie obendrein sehr von der Idee angetan war, mit Sten nach Smallbridge zu fliegen. Sie kannte niemanden, der einen eigenen Planeten besaß, geschweige denn eine Rennyacht, die sie dorthin brachte. Es hätte ihm auffallen müssen. Es fiel ihm nicht auf. Vielleicht war Stens Auffassungsgabe noch immer durch die Zeit im Gefängnis abgestumpft. Vielleicht lag es auch an Kim. Vielleicht aber auch an Smallbridge selbst. Eden ... das Paradies. Von den arktischen Hügeln bis zu den ausgedehnten Sandstränden rings um die Inseln, mit Wellen, die sich endlos und geradezu perfekt brachen. Die Früchte schmeckten köstlich, das Anwesen war verschwenderisch ausgestattet, robotisiert und, wie es aussah, mit allen Getränken und Nahrungsmitteln versehen, die man mit Geld und Beziehungen kaufen konnte.
Selbst dieses katzenähnliche Raubtier erwies sich als relativ freundlich und eher an den Notrationen von Rettungsbooten als an einem menschlichen Arm interessiert. Während sie faulenzten und alles erforschten, lernte Sten. Ihm wurde klar, daß Lavransdotter jeden einzelnen ihrer akademischen Grade und noch einige dazu verdiente. Sie war eine Tahn-Expertin. Selbst Sten, der glaubte, unter der Knute seiner Aufseher alles gelernt zu haben, was es über diese Kriegerkultur zu lernen gab, erfuhr Dinge, von denen er noch nie etwas gehört hatte. Dabei ließ sein Haß auf die Tahn nach. Fast taten ihm die einzelnen Tahn leid, die allein aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Kultur so unterdrückt wurden. Fast. Nicht ganz. Erst nachdem der letzte Tahn-Lord vernichtet und ihre Kultur sowie ihre Fabriken in Scherben lagen, wollte er ihnen eventuell zugestehen, daß es den Tahn möglich war, in den Kreis der zivilisierten Völker einzutreten. Eventuell. Nicht unbedingt. So verging der Urlaub mit seinen träumerischen Tagen und Nächten. Es hätte Sten auffallen müssen. Doch es fiel ihm nicht auf. Nicht bis zu jenem Morgen, als ein Sensor seines Landeplatzes summte und ihn aufweckte. Kim gähnte, legte den Kopf wieder auf seinen Oberschenkel, atmete tief durch und schlief wieder ein. Sten streckte sich und schaltete den Monitor ein. Er erblickte das große Schiff auf seinem Landeplatz, neben dem seine Yacht wie ein Spielzeug aussah, brummte mürrisch und schwang sich aus dem Bett. Er warf Kim, die erneut aufgewacht war, sich streckte und ihn anlächelte, einen finsteren Blick zu. »Welchen Rang bekleidest du?« Kim hörte nicht auf zu lächeln. »Sehr gut, Sten. Colonel.«
»Mercury-Corps?« »Mercury-Corps.« Das riesige Schiff, das drüben auf dem Landeplatz stand, war die Normandie. Die Privatyacht des Ewigen Imperators. »Wie konnte ich jemals auf die Idee kommen«, wunderte sich Sten laut, »ich sei irgendwie auch nur im Entferntesten so charmant und attraktiv, daß sich die schönste Frau der Welt rein zufällig in einer öffentlichen Bibliothek in mich verlieben könnte?« »Du stellst dein Licht unter den Scheffel, Sten«, sagte Kim. »Vielen Dank. Aber warum ausgerechnet du?« »Der Ewige Imperator meinte, daß ich dir sagen soll - sobald und falls du es herausfindest -, daß das beste Wörterbuch das ist, mit dem man ins Bett geht.« »Aahh! Verdammt!« »Der Krieg ist wirklich die Hölle«, meinte Kinn mitfühlend. »Und jetzt ... wollen wir uns anziehen und bei unseren Vorgesetzten melden?«
Kapitel 33 Noch auf der Rampe der Normandie blickte Sten finster drein, grüßte den Offizier vom Dienst, knurrte Kim etwas zu, als sie versuchte, sich von ihm zu verabschieden, und stapfte davon, wobei er wie angeordnet einem schnippischen uniformierten Adjutanten folgte. Dabei fiel die interessante Tatsache, daß acht Gurkhas vor ihm salutierten, als er an Bord kam, kaum auf, bis auf die Tatsache, daß sie mit ihren weißen Handschuhen ungewöhnlich blöde aussahen. Gerade als ihn der Adjutant in einen holzgetäfelten Konferenzraum führte, sprang der Yukawa-Antrieb summend an, und das Schiff hob ab. Sten war nicht sehr erstaunt darüber, Warrant Officer Alex Kilgour in dem Raum anzutreffen. Alex war allein und schimpfte lautstark vor sich hin. »Dieser verdammte Imperator. Hat mich voll erwischt, wo ich gerade dabei war, die Marmorlieferung für meinen Speisesaal zu überwachen. Diese verdammten Typen haben von nix 'ne Ahnung. Haben mich einfach so mitgenommen, ohne ein Wort, und dabei fängt nächste Woche die Jagdsaison an!« Alex unterbrach seine Suada gerade lange genug, um Sten zu bemerken. »Boss! Tut mir echt leid, daß dich das verdammte Pissperium auch erwischt hat, verdammter Imperator noch mal. Jetzt
müssen wir kühlen Kopf bewahren, Anarchie bringt uns hier überhaupt nicht weiter.« Das war eindeutig eine Nummer zu heftig. Stens Finger signalisierten in der Mantis-Zeichensprache: Hält's Maul, Blödmann. Der Raum wird überwacht! Kilgour schnaubte verächtlich. »Ist mir egal, er und seine verdammten Schnüffler und das ganze verdammte Imperium! Ich rede, wann ich will. Was hat der Idiot eigentlich vor? Will er uns nach Heath zurückschicken?« »Genau das hatte ich mir vorgestellt.« Die trockene Stimme gehörte natürlich dem Imperator selbst. Flottenmarschall Ian Mahoney ließ die brabbelnde Woge der Empörung von sehen der Politiker abklingen. Er ging zum Fenster des Konferenzraums hinüber und blickte betont lässig nach schräg oben. Zwölf Imperiale Schlachtschiffe hingen mit voll aktivierten Schirmen über der Hauptstadt von Gorj. Mahoney drehte sich wieder zu den versammelten Regenten von Gorj um. »Ich rufe Ihnen die gegenwärtige Situation noch einmal ins Gedächtnis, meine Herren. Gorj hat sich dazu entschlossen, in diesem Krieg neutral zu bleiben. Der Imperator respektiert diese Entscheidung. Trotzdem verlangte Gorj in dem ursprünglich zwischen dem Imperator und Ihrem Planeten geschlossenen Vertrag unsere Unterstützung und Hilfe, falls Gorj zu irgendeiner Zeit in der Zukunft von einem Angriff bedroht wird. In diesem gleichen Vertrag verpflichteten Sie sich dazu, daß Gorj alle nötige logistische Hilfe bei dieser Unterstützung leistet. Das Imperium ist der Meinung, daß sich Gorj in unmittelbarer Gefahr befindet, von den Tahn überfallen zu werden. Das werden wir nicht zulassen.
Im Gegenzug dafür, daß wir Ihre Unabhängigkeit sichern, verlangen wir nicht mehr als Zugang zu drei Ihrer primären Raumhäfen und das notwendige Areal, um einen Stützpunkt für Imperiale Instandsetzungsmannschaften aufzubauen.« »Und wenn wir Ihnen diese Häfen nicht freiwillig überlassen?« »Dann steht uns nach Imperialem Recht zu«, fuhr Mahoney fort, »entweder nach der Force Majeure oder nach dem Enteignungsrecht vorzugehen. Selbstverständlich wird das Imperium für angemessene Entschädigung sorgen.« »Die Tahn machen keine Anstalten, uns zu überfallen!« »Sie gehen sehr subtil vor«, antwortete Mahoney. Allmählich kam er sich schon wie ein Diplomat vor, obwohl er die Sitzung mit ganz anderen Worten hatte beginnen lassen wollen: Hört mal zu, Jungs, ihr sitzt hier direkt an der Grenze zum TahnImperium und sackt sämtliche Annehmlichkeiten der Neutralität ein. Leider habt ihr auch die einzigen bewohnten und entwickelten Planeten, auf die wir momentan zurückgreifen können. »Dagegen werden wir Protest einlegen!« rief ein anderer Politiker. »Dieses Recht steht Ihnen selbstverständlich zu. Wenn ich Ihnen einen kleinen Tip geben darf: das Imperiale Admiralitätsgericht hat momentan einen Bearbeitungsstau von siebzehn Jahren.« »Das ist moralisch nicht vertretbar! Wir lassen sofort unsere Streitkräfte mobilisieren!« Mahoney nickte höflich, blickte erneut zu der schwebenden Flotte hinüber und nahm seinen goldbetreßten Hut vom Tisch. »Sie haben sechs Stunden, um zu einer Entscheidung zu kommen. Guten Tag, Gentlemen.« Der Krieg war schon zu lange im Gange, als daß man auf moralische Feinheiten noch großartig Rücksicht nahm.
Momentan zeigten sämtliche Wandschirme des großen Auditoriums etwas, das wie ein ziemlich fettes Walroß aussah, das in einem vollautomatisierten Schwimmtank herumtobte. Das »Walroß« war Rykor, die mit Abstand beste Psychologin des Imperiums. Das Auditorium war mit ihren obersten Ratgebern und der Elite der Propagandamaschine des Imperiums besetzt. Rykor sprühte Schaum aus ihren Barthaaren, woraufhin die Lautsprecher des Auditoriums grell aufquietschten, und faßte ihre Analyse zusammen: »Ich bin wohl kaum dazu in der Lage, den hier versammelten ehrenwerten Spezialisten zu erklären, wie sie ihre Arbeit zu tun haben. All die unterschiedlichen Vorschläge und Hinweise, die Sie auf dem Schirm gesehen haben, werden Ihnen zugänglich gemacht werden. Sollten Sie sich dazu entschließen, auf einen davon zurückzugreifen, fühlen wir uns geschmeichelt und geehrt. Selbstverständlich kann bei dieser Zusammenkunft keine der möglichen grauen oder schwarzen Aktionen diskutiert werden. Insgesamt sollte Ihr Stoß in zwei Richtungen erfolgen: Erstens: Der Sieg im Durer-System ist der Anfang vom Ende. Diejenigen, die dem Imperium in seinem Bestreben, den Sieg rasch zu vollenden, beiseite stehen, werden dafür reichlich belohnt werden. Zweitens: Es sollte herausgestellt werden, was es bedeutet, unter dem Zepter der Tahn zu leben - insbesondere dann, wenn man kein Tahn ist. Planeten, die wir von den Tahn zurückerobert haben, werden ab sofort für akkreditierte Journalisten und Livie-Teams zugänglich gemacht. Die Akkreditierungspolitik wird auf mein Geheiß hin äußerst großzügig gehandhabt. Vielen Dank. In unseren Seminaren werden wir jetzt versuchen, weitere und konkretere Strategien zu entwickeln.«
Eine Frau erhob sich aus dem Publikum. »Was ist mit den Tahn? Welche Richtung schlägt die Imperiale Propaganda diesbezüglich ein?« »Ich wiederhole: graue und schwarze Gebiete kann und will ich hier nicht diskutieren. Es wird jedoch recht einfach verlaufen. An den Säumen des Imperiums werden große Sendeeinheiten eingerichtet und im Laufe unserer Rückeroberungserfolge weiter mit nach vorne genommen. Die Tahn werden auf unseren Sendern genau mitkriegen, was dort draußen vor sich geht.« »Auch wenn wir noch eine Schlacht verlieren?« »Auch dann. Wir versuchen den Tahn-Bürgern zu vermitteln, daß ihre eigenen Anführer ihnen niemals die Wahrheit sagen.« , »Was ist mit Subversionsversuchen?« »Richtig. Ich nehme an, Sie meinen damit die Greuelpropaganda, Livies, die die Korruption an der Heimatfront zeigen, und dergleichen. Ich habe in dieser Hinsicht einige genaue Anweisungen vom Ewigen Imperator erhalten. Vielleicht drücke ich sie dem Wortlaut nach etwas höflicher aus, aber ... er meinte, es gehört nicht zu unseren Aufgaben, die Dummen aufzuhalten, die sich weiterhin als Kanonenfutter für die Tahn verheizen lassen wollen. Ich danke Ihnen.« »Wie ich die Sache sehe«, sagte der junge Mann, »hat unsere Rasse ein einziges Problem.« Sr. Ecu, der rangälteste Diplomat der Manabi, schwebte über dem makellosen Boden der verlassenen Fabrik; sein drei Meter langer Schwanz schlängelte sich elegant hinter ihm. »Ah«, summte er in seinem betont neutralen Ton. »Ich hoffte, Sie verstehen das«, sagte der junge Mann. Ecus Flügel winkten, was man als leichte Ermunterung auffassen konnte. »Wir sehen unsere Rasse als ein einziges Wesen, das sich von der Steinzeit auf einem Planeten namens Erde, den wir durch die
Überlegenheit unserer Spezies beherrschten, bis in die Tage erstreckte, als uns eine stärkere Rasse überfiel und beinahe vernichtete. Doch wir hielten weiterhin über Jahrhunderte durch. Als wir von unserem eigenen System emigrierten, beschlossen wir, niemals wieder Geschöpfe des Augenblicks zu sein. Die Geschichte und unser kollektives Gedächtnis hielten uns das immer wieder vor Augen. Wir beschlossen, langfristig zu denken und zu planen. Das war unser erster Irrtum: wir dachten nicht daran, woher unser tägliches Brot kommen sollte. Zweitens vergaßen wir, daß diejenigen, die auf dem Zaun sitzen, für beide Seiten ein hervorragendes Ziel abgeben. Das Endresultat? Vor dem Krieg bauten wir einige Fabrikanlagen. Dann brach der Krieg aus. Wir weigerten uns, Kriegsmaterialien herzustellen, doch niemand interessierte sich mehr für etwas anderes. Abgesehen von denen«, stieß der junge Mann mit Abscheu in der Stimme hervor. »Diejenigen, die wollen, daß wir uns an der Spekulation beteiligen. Mit einer Aufteilung von neun zu zehn. Neun für sie, weil sie die großen Gurus sind, und eins für uns. Aus dem einfachen Grund, weil wir uns bereit erklären, für sie zu produzieren und in ihr Geheul miteinzustimmen. Und dann jene anderen, die Tahn, denen wir wohlweislich so lange nicht den geringsten Grund geliefert haben, Streit mit uns anzufangen. Als Beweis unserer Neutralität bestehen sie darauf, daß wir ihre Schiffe hier landen lassen, verproviantisieren und den Bedürfnissen ihrer Besatzungen entgegenkommen; schließlich besteuern sie uns auf unerträgliche Weise, weil sie festgestellt haben wollen, daß wir sie unterstützen möchten; und so weiter und so fort. Damit kann man gerade noch leben. Wir haben genug Ressourcen, um unseren Arbeitern, die nichts zu tun haben, unter die Arme zu greifen. Außerdem bringen wir genügend
Toleranz für diejenigen auf, die ihre Dienste und ihre Arbeitskraft an die Tahn verkaufen. Aber was wird danach kommen?« Die Manabi wurden im ganzen Imperium als Diplomaten anerkannt und entsprechend eingesetzt. Bei ihnen handelte es sich um schwebende Geschöpfe, die völlig neutral und deshalb ideal für die Verhandlungen der Staaten untereinander sind. Dabei war niemandem bekannt, daß die Manabi dem Imperium kurz nach Ausbruch des Krieges mit den Tahn ihre Unterstützung angeboten hatten; nicht, weil sie den Imperator für den Inbegriff der zivilisatorischen Entwicklung hielten, sondern weil sie eine Niederlage des Imperiums mit dem Rückfall in die Barbarei gleichsetzten. Diese Unterstützung war außer dem kollektiven Nachrichtendienst der Manabi und dem Ewigen Imperator niemandem bekannt. Für die Tahn, die neutralen Systeme und das Imperium selbst blieben die Manabi das, was sie immer gewesen waren - die perfekten Diplomaten. »Was danach kommt, kann niemand wissen«, entgegnete Sr. ECU. »Ich hoffe nur, daß die Schlüsse, die Sie aus der Vergangenheit ziehen, und Ihr Glaube an die Identität des Volkes Ihnen den rechten Weg weisen. Ich danke Ihnen auch für Ihr Vertrauen und bringe Ihren Problemen viel Mitgefühl entgegen. Der Grund, weshalb ich hier bin, hat jedoch überhaupt nichts damit zu tun. Ich wurde von einem Repräsentanten des Ewigen Imperators beauftragt, folgendes auszurichten: >Der Imperator hat zur Kenntnis genommen, daß das feierliche Gelöbnis der Fünf Nationen einer großen Belastung ausgesetzt ist. Er wird deshalb veranlassen, daß die vertragsgemäßen Zuwendungen von Antimaterie Zwei für Ihre Planeten verdoppelt werden, und er hofft inniglich, daß Ihre Probleme damit leichter zu bewältigen sind.« Sr. ECU war von dem jungen Mann, dessen Gesichtsausdruck während dieser Botschaft nur dreimal
wechselte, sehr beeindruckt. Er fragte sich, ob es die Menschen nach einigen weiteren Epochen vielleicht doch noch schaffen könnten. »Wo liegen die Haken?« »Pardon?« »Die Bedingungen.« »Es gibt keine.« »Das kann ich nicht glauben«, sagte der junge Mann. »Ich wurde darauf vorbereitet, daß Sie es nicht glauben würden«, fuhr Sr. ECU fort. »Ich wurde weiterhin beauftragt, Ihnen anzukündigen, sieh auf die Ankunft von sechs Imperialen Energieschiffen vorzubereiten, die innerhalb von sechs E-Tagen in Ihrem System eintreffen werden.« Da Sr. ECU seine Nachricht übermittelt hatte und momentan keine Antwort erhielt, erhob er sich, und sein großer schwarzer, rotgeränderter Körper glitt auf das Schiff zu. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis die Fünf Nationen ihre Neutralität erklärten und sie dem Imperium mitteilten. Es war schade, fand er, daß er das, was Glücksspiel genannt wurde, nicht näher verstand, und daß er auch niemanden kannte, mit dem er eine Wette abschließen konnte. Sr. ECU befand, daß er allmählich ein wenig degenerierte und machte sich deshalb Sorgen, weil ihm diese Erkenntnis keinerlei Sorgen bereitete. Geschützführer Heebner war ein glücklicher Mann in einer ansonsten verzweifelten Situation. Noch vor einiger Zeit war er mit allem erheblich unzufriedener gewesen. Er wurde von den Tahn zum Militärdienst eingezogen und an die Front geschickt, obwohl er sich in den Apfelplantagen seiner Familie viel wohler gefühlt hätte; trotzdem hatte er jede Menge Glück gehabt. Seine Einheit war ausgelöscht worden, er selbst jedoch geradewegs in einen hartnäckigen Imperialen Stützpunkt hineingestolpert - und wieder heraus. Er informierte seine
Vorgesetzten über den Zugang zu dem Fort und mußte an dem folgenden blutigen Angriff nicht einmal selbst teilnehmen. Statt dessen hatte man ihn befördert und an einen netten, sicheren Posten verschoben. Nicht, wie er sich gewünscht hätte, in ein nettes kleines Rekrutierungsbüro oder dergleichen, sondern, um seinen neuen und beunruhigenden Rang zu rechtfertigen, als verantwortlichen Unteroffizier einer Luftabwehrbatterie in der Superverteidigungsanlage der Tahn auf dem Planeten Etan. Als dekoriertem Soldaten hatte man ihm eine Raketenbatterie hoch in den Bergen zugeteilt, ein Ehrenposten, der ihn allen Imperialen Einheiten, die dumm genug waren, Etan anzugreifen, als ersten auf dem Präsentierteller anbieten würde. Heebner, der schon einige Erfahrung darin gesammelt hatte, daß man ständig auf ihn schießen wollte, kam sehr rasch und sehr korrekt zu der Annahme, daß sein Ehrenposten einen Haken hatte. Er war ein Ziel. Und Ziele wurden getroffen. Heebner wußte nicht genau, wie er mit der Situation umgehen sollte. Er wußte auch nicht, wie er seine Soldaten auf ordentliche militärische Weise führen sollte, damit er nicht abgelöst und wieder in eine Fronteinheit gesteckt wurde. Wichtiger noch: Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sich selbst zurückziehen sollte, falls seine Raketenbasis tatsächlich angegriffen wurde. Heebner hatte erneut unglaubliches Glück. Die meisten seiner Soldaten waren Freiwillige aus der »Bewegung Kampfbereiter Tahnjugend«, die darauf brannten, ihrem Anführer, einem Helden der Schlacht um Cavite, diesem Scout, der dem sehr heldenhaften, sehr ehrenwerten, sehr dekorierten und sehr toten Sturmregiments-Captain Santol den Weg in dieses Imperiale Fort gewiesen hatte, zu zeigen, daß sie sich seines Vertrauens als würdig erweisen würden.
Übersetzt hieß das, daß sie sich ihre eigenen Regeln machten, die sogar noch etwas strenger als die Reglementierungen der Tahn ausfielen; sie gestalteten ihre eigenen Lebensbedingungen überaus spartanisch und arbeiteten eigenständig einen Dienstplan aus. Geschützführer Heebner mußte nur zur gegebenen Stunde aus seinem Quartier heraustreten, entsprechende Bemerkungen loslassen und sich dann um seine eigenen Dinge kümmern. Günstig wirkte sich auch der Umstand aus, daß Heebner weder auf eine luxuriöse Unterkunft besonderen Wert legte, noch auf Rangdünkel oder Privilegien als Befehlshaber. Seine Kampfbereite Tahnjugend bewunderte seine spartanische Lebensweise. Er lebte ihnen wirklich vor, was es bedeutete, ein Tahn zu sein. In Wirklichkeit war Heebner einfach nur zu dumm, um zu erkennen, welche Vorteile er aus seiner Stellung hätte ziehen können. Da sein Kommando sozusagen wie von selbst lief, verbrachte Heebner viele Stunden damit, zwischen den Felsbrocken umherzuwandern und sich nach einem netten, sicheren Ort umzusehen, an dem er sich verstecken konnte, wenn das Unheil über ihm zusammenschlug. Mit großem Interesse entdeckte er eines Tages, daß nicht weit unterhalb seiner Raketenbatterie mehrere seit langem unbewirtschaftete Hektar Land mit Obstbäumen lagen. Heebners winziger Verstand flackerte schwach auf. Er fragte nach, ob es wohl in der Waffenkammer der Batterie Werkzeug zum Beschneiden der Bäume gab. Sein verdutzter Assistent nahm an, daß ihnen der Held von Cavite auf seine eigenwillige Art etwas mitteilen wollte; vielleicht ging es darum, in anderen Kategorien zu denken. Zwei Schichten später wurde Geschützführer Heebner mit Haken, Baumscheren, Hebegeräten und Körben versorgt. Dermaßen vorbildlich ausgerüstet verschwand er frohgelaunt
bergabwärts. Seine Tahnjugend war fest davon überzeugt, daß sie zu gegebener Zeit verstehen würde, was er da eigentlich tat. Noch eine Glückssträhne: Etans kommandierender Admiral, ein gewisser Molk, interessierte sich zufälligerweise für die Kunst des Obstanbaus. Er fragte sich, aus welchem Grund eine bestimmte strategische Raketenabschußbasis Gegenstände angefordert hatte, bei denen es sich offensichtlich um landwirtschaftliches Gerät handelte und beschloß, besagter Basis einen Überraschungsbesuch abzustatten. Die Tahnjugend, die vor Stolz fast platzte, sandte Admiral Molk zusammen mit seiner Leibwache die Felsen hinab, um mit eigenen Augen zu sehen, was ihr ehrenwerter Commander dort so trieb. Heebner zählte mit sich lautlos bewegenden Lippen Knospen und versuchte herauszufinden, welcher Zweig an welcher Stelle beschnitten werden sollte, als er plötzlich das Knirschen herannahender Stiefelabsätze hörte. Auch Molk war ein Tahn mit einer gehörigen Portion Glück. Denn ungefähr in diesem Moment donnerten sechs Imperiale Flotten auf Etan herab. Wie unverwüstliche Generäle werden auch unverwüstliche Forts mit der Zeit nachlässig, da sie ohnehin nur Lebensmüde und Verrückte angreifen würden. Und so ruhten sie sich auf ihren immer fetter werdenden Hintern aus. Genau das taten die todesmutigen Angreifer nicht. Der befehlshabende Admiral der Imperialen Flotten war sehr enttäuscht, daß er auf Etan keine großen Tahn-Schiffe vorfand. Nach dem Desaster von Durer waren sie alle zur Neugruppierung nach Heath zurückbeordert worden. Trotzdem richtete er mit einer Serie gnadenloser Attacken gehörigen Schaden an. Geschützführer Heebners Raketenbatterie wurde gleich beim ersten Schlag ausradiert;
zum Glück für ihn und seine Obstbäume wurden keine Nuklearsprengköpfe eingesetzt. Das wiederum konnte seiner Kampfbereiten Tahnjugend herzlich egal sein. Nur drei von ihnen überlebten den Luftangriff, und auch das aufgrund schrecklicher Verbrennungen nur um wenige Minuten. Nachdem das Feuer, der Rauch und die Detonationen endlich nachließen, lagen sechs Tahn-Kreuzer, zwölf Zerstörer und viele Hilfsfahrzeuge und Transporter zerschmettert auf den Landeplätzen. Etan war immer noch unverwüstlich. Doch ohne ein bedeutendes Kriegsschiff auf dem Planeten und nachdem die Imperialen Streitkräfte die Nachschublinien nach Etan unterbrochen hatten, spielte das keine Rolle mehr. Etan konnte tun oder lassen, was es wollte, bis der Krieg vorüber war. Auf diese Weise wurden mehrere hundert andere TahnZitadellen auf dem Planeten vom allgemeinen Kriegsgeschehen isoliert und handlungsunfähig gemacht. Was nicht hieß, daß Geschützführer Heebner nichts zu tun gehabt hätte. Im Gegenteil. Er war vollauf damit beschäftigt, den Kommandierenden Admiral Molk in die Geheimnisse des Obstanbaus einzuweisen. Eine durchaus wichtige Aufgabe, denn Tausende von isolierten und vergessenen Tahn mußten etwas essen. Nach neun Monaten demütigen Unterrichts schlug Admiral Molk Heebner vor, ihn doch einfach Yuki zu nennen. Admiral Mason definierte Diplomatie als ein Wort, das im Wörterbuch irgendwo zwischen Dildo und Dissidenz zu finden war. Das erklärte seine Reaktion auf die Beschwerde des vergeblich neutralen Konvois, die da lautete: »Imperiale Einheiten ... Imperiale Einheiten ... verstehe Ihren Befehl nicht, daß wir uns zur Überprüfung bereithalten sollen. Wir kommen von den Umed-Systemen. Wiederhole: Umed-Systeme. Wir sind
Verbündete des Imperiums. Unsere Fracht besteht aus dringend erwartetem Energienachschub. Bitte antworten, over.« Wäre Mason höflich gewesen, hätte er über das Com antworten oder an Bord gehen können, um die gleiche Information zu überbringen. Die Umed-Systeme waren tatsächlich Verbündete des Imperiums - auf dem Papier jedenfalls - und wurden mit einer bestimmten Menge von AM2 versorgt. Den Spionen des Imperiums zufolge praktizierten die Systeme drastische Sparmaßnahmen. Beinahe 20 Prozent des ihnen zugeteilten AM2 wurde nicht auf die übliche Art verbraucht, sondern sehr profitabel an die Tahn verkauft. Das wäre die Antwort eines höflichen Mannes gewesen. Mason hindessen antwortete folgendermaßen: »UmedSchiffe. An alle Umed-Schiffe. Euch bleiben noch sieben Minuten. Bereitmachen zur Überprüfung. Wir kommen an Bord. Jeder Widerstand wird mit vollster Härte quittiert. An alle Umed-Schiffe. An alle Umed-Besatzungen. Bereitmachen zum Verlassen der Schiffe. Ihre Schiffe sind mitsamt der Ladung konfisziert. Imperiale Streitkräfte Mason, over.« Es blieb zu hoffen, daß Admiral Mason den Krieg nicht überlebte und damit den Imperator dazu zwang, sich mit diesen eigenmächtigen Kapriolen auseinanderzusetzen. »Durchtrennen«, befahl Haines. Der Soldat nickte, berührte den Knopf des Laserschneiders und zerschnitt das Hauptstromkabel, das in dem schäbigen Mietshaus über ihnen verschwand. »Gut. Los!« rief Haines. Mit einem Betäubungsknüppel in der einen, einer Willygun in der anderen Hand sowie zwei verschiedenen Rangabzeichen auf der Uniform führte Major (Imperiale Streitkräfte-MercuryCorps-Reserve-Vorübergehend) und Captain (Imperiale PolizeiErstwelt-Morddezernat-Permanent) Lisa Haines den Razziatrupp nach oben. Zwei Mammuts vom Sicherheitsdienst
brachen die Tür mit so perfektem Timing auf, daß Haines nicht anhalten mußte und direkt in die Ahnung hineinstürmte. Die grauhaarige alte Frau fuhr erschrocken in ihrem Bett auf und zurrte die Überreste eines ehemaligen Spitzennachthemds um die knochigen Schultern. »Imperialer Geheimdienst«, informierte sie Haines pro forma. »Andrea Hayyl. Sie stehen als verdächtige Agentin einer feindlichen Macht unter Arrest. Sie werden darüber in Kenntnis gesetzt, daß Sie ohne Recht auf Verhandlung oder einen Anwalt bis zu sechs Zyklen festgehalten werden dürfen. Sie werden außerdem darüber in Kenntnis gesetzt, daß Sie kriegsbedingten Befragungstechniken entsprechend der diesbezüglichen Konventionen ausgesetzt werden können. Sie werden außerdem darüber in Kenntnis gesetzt, daß jede freiwillige Zusammenarbeit vermerkt und von extremer Wichtigkeit als Beweismaterial gewertet wird, wenn Sie vor Gericht stehen.« Ohne auf weitere Befehle zu warten, schnappten sich die beiden Bullen die Frau und waren auch schon mit ihr draußen auf der Treppe. Dann kam das Durchsuchungsteam herein. Wie erwartet wurde der Sender innerhalb weniger Sekunden gefunden; er war amateurhaft in einer scheinbar wertvollen antiken Kommode mit falschen Schubladen versteckt. Bestimmt ein Möbel, das die Frau sehr geliebt hatte. Das war jetzt Vergangenheit. Haines ließ die Spurensicherung ein paar Fotos machen und ging die Treppe hinunter. Bis jetzt also sechs. Blieben noch zwei. Mehr als 12.000 Razzien wurden vom Imperialen Geheimdienst zum gleichen Zeitpunkt durchgeführt. Seit Jahren hatte man daran gearbeitet, Langzeitagenten der Tahn auf sämtlichen Hauptplaneten zu identifizieren. Jetzt wurden sie alle fast gleichzeitig hochgenommen.
Haines war von sich und ihrem Job gehörig angewidert, mehr noch als nach dem offiziell sanktionierten »Verschwinden« einiger Leute, dessen Zeugin sie nach Hakones fehlgeschlagener Verschwörung geworden war; der Verschwörung, die den Krieg eingeleitet hatte. Die Agenten wurden isoliert und dann vor eine einfache Wahl gestellt: entweder als Doppelagenten zu arbeiten oder exekutiert zu werden. Die Strafen für Spionage in Kriegszeiten änderten sich nie. Die Methode funktionierte fast sofort und fast immer. Der Geheimdienst der Tahn erhielt immer mehr völlig falsche Informationen. Die wenigen Agenten, die dem Imperium durch die Lappen gegangen waren und auch weiterhin korrekte Daten lieferten, wurden schon bald so behandelt, als wären sie diejenigen, die man umgedreht hatte. Gelegentlich gingen sie doch hoch in die Falle, wurden verurteilt und hingerichtet, gemeinsam mit denjenigen Agenten, die beschlossen hatten, auch weiterhin treue Patrioten ihrer eigenen Sache zu bleiben. Das Endresultat lief darauf hinaus, daß das von den Tahn so geliebte eigene Spionagenetz sich in eine der schlagkräftigsten Waffen des Imperiums verwandelte.
Kapitel 34 Nachdem ihm klar wurde, daß er nicht nur aufs übelste über den Ewigen Imperator, seinen Ewigen Boß, hergezogen hatte und dabei belauscht worden war, sondern daß besagter Imperator sogar anwesend war, erlitt der technische Offizier Alex Kilgour eine Art Bombenschock. Der Imperator schenkte ihm ein frostiges Lächeln. »Vielen Dank für Ihre offenen Worte, Mr. Kilgour. Vielleicht sind Sie daran interessiert, ins nächste Zimmer einzutreten, wo Sie weiterführende Informationen erhalten werden.« Alex salutierte benommen und ging mit steifen Beinen durch das angezeigte Schott, das zischend vor ihm zur Seite und gleich hinter ihm wieder zuglitt. »In Zeiten wie diesen«, bemerkte der Imperator, »neigt man dazu, sich billige kleine Scherze wie den eben zu erlauben. Gieß den Stregg ein, mein Freund.« Sten ging ebenso dienstbeflissen zu der Vitrine hinüber und goß zwei Schnapsgläser mit dem höchstwahrscheinlich auf Hydrazin basierenden Getränk voll, mit dem er den Ewigen Imperator vor einigen Jahren vertraut gemacht hatte. Als Sten ihm den Drink reichte, saß der Imperator in einem bequemen Sessel und streckte die Füße auf den Tisch. »Chin-Chin«, prostete ihm der Imperator zu. Sten murmelte etwas und trank. »Ja, ganz richtig«, fuhr der Imperator fort. »Ich möchte euch zwei Haudegen wieder nach Heath schicken.«
»Jawohl, Sir«, sagte Sten, nachdem er seine fünf Sinne wieder einigermaßen beisammen hatte. »Trotzdem ... als ich Heath hinter mir ließ, gab es dort eine Reihe von Leuten, die ... echtes Interesse an mir hatten.« »Jetzt nicht mehr«, winkte der Imperator ab. »Jemandem muß dein Lächeln so gut gefallen haben, daß er einen Virus in den Zentralcomputer der Tahn geschleust hat. Sieht ganz danach aus, als hätte jemand namens Sten oder ein Feuerleitschütze namens Horatio niemals existiert. Keine Kennkarte, kein Eintrag in den Gefängnisakten, überhaupt nichts. Hast du eine Vorstellung davon, wer dein unbekannter Wohltäter sein könnte?« Sten hatte nicht die geringste Ahnung. »Dann würde ich an deiner Stelle eine Dankeskerze für den Schutzheiligen der Computerprogrammierer anzünden. Wer immer das auch sein mag. Wärst du unter diesen Umständen bereit, nach Heath zurückzugehen? Das ist eine ehrliche Frage. Wenn du mir sagst, ich soll mich zum Teufel scheren, dann hast du dir wahrscheinlich schon ausgemalt, wie dein nächster Auftrag lautet.« Sten hatte sich noch nichts ausgemalt. »Äh«, sagte er zögernd. »Wahrscheinlich darf ich irgendein Müllboot durch die Gegend schippern.« »Admiräle befehligen keine Mülleimer.« »Ha?« Mehr brachte Sten nicht heraus. Der Imperator lächelte. »Du bist sehr unaufmerksam, Sten. Denk nach. Wie viele meiner Gurkhas standen mit dümmlichem und höchst unbequemem Gesichtsausdruck und weißen Handschuhen an der Rampe, als du an Bord gingst?« Acht. Jetzt fiel es Sten wieder ein. »Genau«, sagte der Imperator. »Vier Dummbeutel geleiten dich an Bord, wenn du
ein ganz normaler Hansel bist. Acht, sobald du deinen Stern angepinnt kriegst.« Ohne Aufforderung erhob sich Sten, goß sich noch ein Gläschen Stregg ein, schüttete es in einem Zug hinunter und schenkte sich, während er sich davon erholte, gleich noch einmal nach. »Wenn du nicht nach Heath zurückgehst, bekommst du das Kommando über eine Zerstörerschwadron, mit der du wieder ausfahren und neue Heldentaten vollbringen kannst, jede Menge Medaillen einheimsen und als Kämpfer zurückkommen, den ich stolz in allen Medien vorführen werde. Sten, das einzige, an dem es mir nicht fehlt, sind Helden. Was mir fehlt, ist jemand, der weiß, wie es im Lager der Schurken wirklich zugeht.« >Eine ZerstörerschwadronUnd ein Stern.< Das ging um einiges über seine kühnsten Träume hinaus. Noch vor wenigen Jahren hatte er erklärt, beim Militär Karriere machen zu wollen. Am Ende dieser Karriere hatte er sich, wenn nicht gleich einen vorzeitigen Grabstein oder eine ehrenhafte Verwundung und frühen Rücktritt als Colonel in den Ruhestand allerhöchstens, wenn man seine Ausbildung bei der Raumflotte in Betracht zog, einen Commodore ausgemalt. Der Imperator füllte sein eigenes Glas nach und schwieg weiterhin. >KlarIch könnte den Tahn ordentlich in den Arsch treten. Ich weiß, wie was in ihren Hirnwindungen schaltet. Ich könnte jedem Tahn-Schiff oder jeder Formation unter einem Schlachtschiff die Hölle heiß machen. Aber wie der Imperator gerade sagte, bin ich nicht der einzige, der das kann.< »Warum?« fragte er mit möglichst ausdruckslosem Gesicht und ausdrucksloser Stimme, als stünde er einem Aufseher der Tahn gegenüber.
»Meine Agenten auf Heath sind Erbsenzähler. Vielleicht. Die verdammten Netze, die ich gezogen habe, bewegen sich auf der untersten Ebene und sind, wie ich vermute, von den Tahn bereits umgedreht worden. Das ist nur eins der Probleme. Dein kräftiger Kumpel kann dort ja mal auf den Busch klopfen, wenn er Lust hat, mitzugehen. Ich brauche jemanden vor Ort auf Heath, der garantiert mein Agent ist. Wir sind, wie man so schön sagt, wenn auch nicht am Anfang vom Ende, so doch am Ende des Anfangs angekommen. Ich suche jemanden, der als Spion arbeiten und sich gleichzeitig als Diplomat ausgeben und wie einer reden kann. Ich möchte dich nicht in den Himmel loben, gewiß nicht. Du bist mindestens ein Jahrhundert zu jung und mehrere Aufträge zu blutig, um mein Traumpartner zu sein. Mahoney wäre der richtige Mann dafür; der Mahoney von damals, der dir zum erstenmal auf Vulcan begegnete - jetzt spring nicht gleich an die Decke, ich habe mich auf diese Unterredung vorbereitet. Aber er ist dafür ein wenig zu alt und verdammt noch mal zu gut als Flottenmarschall, als daß ich ihn auf Heath vergeuden möchte. Damit möchte ich dir nicht zu nahe treten. Und jetzt habe ich genug Zeit damit verbracht, mit dem Unterkiefer zu wackeln, während du über den Vorschlag nachdenken konntest. Die Zeit der Entscheidung ist gekommen.« Sten hatte seine Entscheidung bereits getroffen. Nicht nur, daß er auf Heath tatsächlich mehr ausrichten konnte, als jeder draufgängerische Zerstörerkommandant, es gab auch noch das eine oder andere, um das er sich gerne persönlich gekümmert hätte. Zum Beispiel um die Gefangenen von Koldyeze. »Ich danke Ihnen, Admiral«, sagte der Imperator, ohne darauf zu warten, daß Sten seiner Entscheidung mit Worten Ausdruck verlieh. »Meine Geheimdienstleute werden Sie über alles unterrichten und mit Ihnen den Einsatzplan besprechen.«
Sten erhob sich. »Ich glaube, ich würde lieber auf meine eigene Weise dorthin zurückkehren.« »Wie Sie wollen, Admiral. Wie schon gesagt, diesmal bin ich der einzige Boß, den Sie haben. Sämtliche Befehle, die Sie erhalten, kommen direkt von mir. Wie Sie sie ausführen - und sogar ob Sie sie ausführen oder nicht - bleibt Ihnen überlassen. Sie sind der Mann vor Ort. Ach ja, bevor ich es vergesse. Mahoney hat da etwas, das recht hilfreich sein könnte. Er sagte, auf Koldyeze befindet sich ein Kriegsgefangener, ich glaube, sein Name war Sorensen. Stimmt das?« Sten nickte und erinnerte sich an das runde, lächelnde Gesicht des Bauernsohns. Er hatte sich stundenlang mit Alex darüber gestritten, ob Sorensen ein Mantis-Schlachtcomputer war oder nicht. »Schön«, sagte der Imperator. »Mahoney bat mich, Ihnen mitzuteilen, daß Sorensens Codewort >Saider< ist. Was immer das zu bedeuten hat.« Wenn es in Koldyeze hart auf hart kam, hatte das unter Umständen eine ganze Menge zu bedeuten. Sten grinste in sich hinein, doch der Imperator war noch nicht ganz fertig. »Einen Gefallen noch?« Sten wartete. »Wenn Sie diese verdammte Regierung stürzen, setzen Sie bitte keinen Anthropoiden ein, der Stregg mag und nicht die gleiche Sprache wie ich spricht, okay?« Sten salutierte vor einer sich rasch schließenden Schleusentür. Jetzt mußte er sich nur noch über die Details informieren lassen, Kilgour zuhören, weshalb es eine verdammt gute Idee war, nach Heath zurückzukehren, sowie Wild ausfindig machen und ihm mitteilen, daß die Zeit für unbeteiligte Schmuggler endgültig abgelaufen war.
Kapitel 35 Volmer, seines Zeichens Medienzar und Mitglied des Privatkabinetts des Imperators, war sehr stolz auf seinen vielschichtigen Intellekt. Er konnte völlig unsichtbar in der letzten Ecke einer tosenden Barbarenhölle, einer der heruntergekommensten Spelunken von Soward, dem Raumhafen der Erstwelt, sitzen und ungeachtet des Lärms und von den anderen Gästen unbemerkt seinen schwerwiegenden Gedanken nachhängen. Auf einer Ebene dachte er darüber nach, was dieser Abend wohl bringen würde. Volmer hatte den Ausdruck »polymorph pervers« noch nie gehört, wäre jedoch höchst erbost darüber gewesen, wenn ihn jemand auf ihn gemünzt ausgesprochen hätte - natürlich, nachdem er die Bedeutung von »polymorph« im Lexikon nachgeschlagen hätte. Doch das war nur eine von Volmers Bewußtseinsebenen. Da er jenseits jeder Vorstellung reich und jederzeit dazu in der Lage war, für sicheren, sauberen, bequemen Sex zu zahlen, fand er es wesentlich interessanter, seinen Genuß in der Gosse zu suchen. Volmer fand es mindestens ebenso befriedigend, zusammengeschlagen im Rinnstein zu liegen, als neben einem unglaublich attraktiven und unersättlichen Sexobjekt aufzuwachen. Das war sein geheimes Leben, von dem nur die oberen zwei Prozent seiner Reporter wußten und worüber sie sich insgeheim amüsierten. Er hatte einst gerüchteweise gehört, daß der Ewige Imperator der gleichen Vorliebe frönte und sechs
Journalisten gefeuert, weil sie nicht in der Lage waren, Näheres herauszufinden. Dessen ungeachtet gab Volmer seinen Leibwächtern und seinem Stab mindestens einmal im Monat zwei Tage frei und stahl sich in der passenden Verkleidung aus einem verborgenen Ausgang seines Anwesens, um, verkleidet als »einer dieser Leute«, auf der wilden Seite des Lebens zu verschwinden. Er glaubte, unauffällig in der Unterwelt des Sex aufzugehen und als ein höchstens etwas geheimnisvoller Mann akzeptiert zu werden. Tatsächlich wurde er als kranker Irrer akzeptiert. Doch erst vor kurzem war ein weiteres Gerücht aufgetaucht; ein Gerücht, das heute abend Auswirkungen zeigen sollte. Die zweite Ebene von Volmers Bewußtsein reflektierte das letzte Treffen mit Sullamora und den anderen auf der Erde. Vielleicht hatte er eine Spur zu rasch reagiert. Vielleicht hatten Sullamora und die anderen ihre zukünftigen Probleme sorgfältiger bedacht als er. Vielleicht hätte er schweigen sollen, vielleicht größeres Interesse bekunden - falls, wie ihm plötzlich auffiel, falls er sie wirklich richtig verstanden hatte. Womöglich zog er nur die falschen Schlüsse aus ihren Andeutungen. Volmer belohnte sich selbst dafür, daß er alle Möglichkeiten in Betracht zog, selbst wenn eine davon nicht gerade sehr befriedigend für ihn selbst ausfiel. Diese Art zu denken, fügte er hinzu, hatte ihn zu dem erfolgreichen und respektierten Medienzaren gemacht, der er heute war. Er wußte nicht, daß seine engsten Mitarbeiter von ihm als »Old Ademony-Kademony« sprachen, ein Ausdruck aus der Frühgeschichte des Journalismus, der in etwa einen Schwätzer beschrieb, der sich niemals so recht entscheiden konnte. Wenn seine Annahme sich jedoch als richtig erwies, führte er in Gedanken weiter aus, sollte er dann nicht lieber den Imperator von seinem Verdacht in Kenntnis setzen? Aber angenommen, er hatte die Aussagen von Sullamora und den anderen
mißverstanden - stand er dann nicht als Spinner da, als Hysteriker gar, wenn er den Imperator mit derartigem Unsinn belästigte? Vielleicht war es am besten, schloß er daraus, nichts zu unternehmen. Vielleicht sollte er ein wenig auf Distanz zu Tanz gehen und abwarten, wie sich die Situation entwickelte. Genau. So würde er sich verhalten. Zufrieden darüber, daß er wieder einmal auf geniale Weise zu einer Entscheidung gekommen war, wandte er seine primäre Aufmerksamkeit den Freuden zu, die der Abend zu bieten hatte. Interessiert hörte er dem gutaussehenden jungen Mann zu, der plötzlich neben ihm an der Bar stand und mit ihm über einige verwirrende Möglichkeiten hinsichtlich bestimmter Sexpartner sprach, zu denen sich auch der junge Mann selbst durchaus zählte. Volmer dachte über diese Möglichkeit nach, doch weitaus mehr reizte ihn das, was der junge Mann über höchst ungewöhnliche Vorkommnisse innerhalb des Stabes eines gewissen Krankenhauses erwähnte; Vorkommnisse, die sich um den Kühlraum des Krankenhauses drehten. Der gutaussehende junge Mann war wirklich käuflich. Aber nicht als Hure. Man konnte die Dienste dieses jungen Mannes zu einem weit höheren Preis in Anspruch nehmen, besonders dann, wenn es darum ging, sich ein Problem vom Hals zu schaffen. Das Gerücht, das in letzter Zeit hinsichtlich des kranken Irren kursierte, besagte, daß er viel mehr war, als es den Anschein hatte; daß er in Wirklichkeit ein sehr hinterhältig und verdeckt arbeitender Polizist sei. Warum hätte man sonst im letzten Monat einen von Sowards einflußreichsten Sexkönigen festgenommen, angeklagt und ohne viel Federlesens verurteilt? Das Gerücht, von dem niemand wußte, woher es kam, klang sehr plausibel. Aus diesem Grund war es nur logisch, daß die Unterweltbosse, von denen sich jeder für wichtiger und mächtiger hielt, als er in Wirklichkeit war, ein Kopfgeld auf den
kranken Irren ausgesetzt hatten. Der gutaussehende junge Mann hatte ihnen angeboten, die Aufgabe zu erledigen. Zwei Stunden später lauschte der betrunkene Volmer fasziniert den Ausführungen, die ihm der junge Mann hinsichtlich der Nekro-Spielchen im Krankenhaus zuflüsterte, als er plötzlich einen exakt dosierten Schlag unter das rechte Ohr erhielt; anschließend wurden seine Taschen durchwühlt, seine Juwelen und seine halbhohen Stiefel gestohlen. Zu guter Letzt wurde der bewußtlose Körper über ein Geländer gekippt, woraufhin er schwer auf dem vier Stockwerke tiefer gelegenen Betonboden aufschlug. Als die Leiche zwei Tage später entdeckt und gemeldet wurde, drückte Tanz Sullamora in angemessener Weise seine Bestürzung aus. Er kündigte an, daß er seinem eigenen Schiffssicherheitsdienst Anweisung geben wolle, seine Rundgänge auf die umliegenden Gebiete auszudehnen. Dieser schreckliche Unfall sei sicherlich nur deshalb geschehen, weil Volmer, ein allseits respektierter Journalist, auf eigene Faust Recherchen über die vermutete Korruption, die die Kriegsanstrengungen schwächte, angestellt hatte. Sullamora schrieb sogar eine Belohnung für die Ergreifung der Raubmörder aus, die seinen Freund umgebracht hatten.
Kapitel 36 Die vier Tahn-Offiziere blickten St. Clair finster an. Selbst im Glanz ihrer glitzernden Paradeuniformen wirkten sie drohend, unheilvoll. Ohne auf ihre Rangabzeichen zu achten, erkannte sie sofort am Schnitt ihrer Uniformjacken und den glänzenden, unvermeidlichen Willyguns, die sie an der Hüfte trugen, daß es sich um Leute aus der höheren Riege handelte. Mit ihrer Anwesenheit war der kleine Vorraum beinahe voll, und St. Clair mußte den Impuls unterdrücken, voller Panik die Flucht zu ergreifen. Ihre Gesichter waren automatisch auf den groben Drohmodus geschaltet, den alle Tahn-Offiziere draufhatten, wenn sie wollten, daß alles nach ihrer Pfeife tanzte. Statt wegzurennen, begrüßte sie St. Clair mit ihrem einnehmendsten Lächeln. »Ladies und Gentlemen«, sagte sie. »Bitte Waffen und Credits an der Tür abgeben.« Mit dieser Bemerkung winkte sie ihre Gäste in die große Lounge des K'ton Klub, der exklusivsten und erfolgreichsten Spielhölle im ganzen Chaboya District von Heath. >Und das alles gehört mir, mir alleinSchnurr schon! Du sollst schnurren, L'n!< »Ja«, sagte sie. »Es ist eine besondere Katzenart, jedenfalls etwas in der Richtung. Eine sehr seltene Rasse ...« In diesem Augenblick fing L'n zu schnurren an und rettete durch diesen in der Geschichte des Imperiums wohl einzigartigen telepathischen Akt zwischen zwei verschiedenen Spezies sich und St. Clair das Leben. Und nachdem sie einmal zu schnurren angefangen hatte, hörte sie nicht mehr damit auf. Sie schnurrte die ganze Unterhaltung hindurch. St. Clair log, was das Zeug hielt. Fischauge glaubte ihr. Und etwas später winkte er ab, als sie nach ihren Papieren, die es nicht gab, suchen wollte, und marschierte davon; ein glücklicher Tahn, der seiner netten TahnFrau eine tolle Geschichte zu erzählen hatte. »Du kannst wieder aufhören zu schnurren«, flüsterte St. Clair L'n schließlich zu. »Nie im Leben«, flüsterte L'n zurück. »Das Kind wird jetzt mindestens noch die nächsten sechsundfünfzig Jahre schnurren. Und du auch, wenn du weißt, was gut für dich ist.« Jetzt wurde St. Clair klar, daß L'n nicht wußte, daß man sie für ein Haustier gehalten hatte. Auch gut. Sie würde noch etwas warten, bis sie ihre pelzige Freundin darüber aufklärte. Sie würde ganz schön an die Decke gehen, wenn sie es erfuhr. Einige Zeit später, als St. Clair es ihr erklärt und ihre Freundin von der Decke des Abteils abgekratzt hatte, mußte sie einfach fragen. »Hast du denn vorher schon gewußt, wie man schnurrt?« »Nein«, erwiderte L'n. »Ich habe noch nie in meinem Leben etwas von einer Katze gehört!« »Aber wie ...«
L'n zuckte mit ihren rosabepelzten Schultern. »Keine Ahnung. Ich habe nur tief in mich hineingehört, und ... geschnurrt, verdammt! Jetzt hör schon auf mit dem Quatsch, sonst zeige ich dir, was ich mit meinen Zähnen alles anstellen kann!« Dieses Erlebnis markierte den Wendepunkt im Leben eines ehemals scheuen Wesens namens L'n. Von da an gab es kein Zurück mehr. Kaum in der Stadtmitte angekommen, zog es St. Clair instinktiv nach Chaboya. In jedem Gebiet, in dem die Sünde weitgehend toleriert wurde und die Korruption hüfthoch schwappte, neigten die Polizisten dazu, sowohl die Übeltäter als auch ihre Opfer zu ignorieren. Die Härte des Gesetzes traf für gewöhnlich diejenigen allseits bekannten Typen, die nicht genug Geld ausgespuckt hatten, um weiterhin im Geschäft zu bleiben. Credits gingen von Hand zu Hand, und dann verlief alles wieder in den gewohnten Bahnen. St. Clair fand einen vorübergehenden Unterschlupf, wo sie sich verkriechen konnten; dann trieb es sie auf die Straße. An den ersten zwei oder drei Tagen machte sie sich mit ein paar Falschspielertricks warm und füllte damit gleichzeitig ihre Brieftaschen ein wenig auf. Dann machte sie sich an die Casinos heran. Ohne aufzufallen durchstreifte sie eins nach dem anderen, ließ hier ein wenig liegen, nahm dort ein wenig mehr mit, hielt sich jedoch stets bedeckt. Im K'ton Klub fand sie endlich, was sie suchte. Die wenigen Besucher und die schäbigen PlasWände verrieten ihr, daß er kurz vor der Pleite stand. Eine Zeitlang spielte sie ein wenig am Würfeltisch und beobachtete die Leute. Sie erkannte den Eigentümer sofort. Es war ein älterer, gutaussehender Mann, der sich eine Spur zu auffällig kleidete. Ihr fiel auf, daß er nicht viel Zeit im Saal verbrachte und sich nur zeigte, wenn gelegentlich ein anderer offensichtlich einsatzfreudiger Spieler auftauchte.
Den begrüßte er dann persönlich, und die beiden verschwanden nach oben, wo, wie St. Clair wußte, die richtig großen Dinger über die Bühne gingen. Die Zeit zum Zuschlagen war gekommen. Sie investierte ein ordentliches Stück ihres Gewinns in den auffälligsten, aufreizendsten Aufzug, den sie auftreiben konnte, kehrte in den Club zurück und sah für jeden, der ein Auge dafür hatte, wie eine gelangweilte Profispielerin auf der Suche nach ein wenig Action aus. Der Eigentümer bemerkte sie sofort. Es folgte ein kleiner Flirt, einige neckische Bemerkungen wurden ausgetauscht, um die Spielernatur des Gegenübers einzuschätzen. Dann folgte die Einladung. Kurz darauf wurde sie in das Büro des Eigentümers geführt. Kaum hatte sie den Raum betreten, wußte sie, daß sie wieder zu Hause war. In der Mitte des Tisches stand der Pot. In ihm befand sich keineswegs dieses seltsame Geld, das die Tahn lächerlicherweise als Credits bezeichneten. Statt dessen gab es seltene Edelsteine und exotischen Nippes aus schweren Mineralien. Außerdem erblickte sie ganze Stapel pergamentartiger Papiere, bei denen es sich nur um Imperiale Wertpapiere und Immobilienurkunden handeln konnte. Eine Woche unablässigen Spielens später, entließ sie den Eigentümer mit einer tiefen Verneigung aus seinem eigenen Büro; die Besitzurkunde zu seinem Club hielt sie jetzt in der Hand. Auch alle anderen Objekte, die den Pot ausgemacht hatten, gehörten ihr. Sie erwartete, daß der Mann sich aufblasen und sie bedrohen würde. Und sie war darauf vorbereitet. St. Clair hatte eine Minipistole im voluminösen Ärmel ihrer Bluse versteckt. Eigenartigerweise schien es dem Mann nicht allzuviel auszumachen. Er meinte, er habe ohnehin daran gedacht, weiterzuziehen, und die Karten, die sie alle anbeteten, hatten das ja wohl bestätigt. Auf dem Tisch lag eine weitere Urkunde, die sich als weitaus wichtiger herausstellte, als man auf den ersten Blick
angenommen hätte. Sie war auf die scheinbar wertlose Ladung eines Frachters ausgestellt - eines Museumschiffes, das aufgrund des Krieges inmitten seiner Ausstellungstour mittellos gestrandet war. Sobald sie und L'n den Zugang zu dem geborstenen Laderaum aufgebrochen hatten und hineingestiegen waren, roch St. Clair Geld. Dort drinnen befand sich eine Wanderausstellung altertümlicher Casinos im Stil der alten Erde, mechanische Glücksspielautomaten, Würfeltische, Bingomaschinen, Rouletteräder, jede Menge noch vollständiger Spielkartenpacken aus echtem Papier. Und Vids über Vids, in denen dargestellt wurde, wie die Leute damals, vor Tausenden von Jahren, ihr Geld verloren hatten. St. Clair ließ den K'ton Klub bis auf das Erdgeschoß abreißen und installierte dort die Maschinen. Gerüchte über faire Prozente und nostalgische Glücksspiele lockten die Kunden herbei wie die Fliegen. Die Spielsüchtigen waren sicher, daß sie nicht übers Ohr gehauen werden konnten, weil kaum Elektronik im Spiel war. Apparaten, die Knarz-Knarz-Surr machten, traute man weit eher zu, den Gesetzen der Natur zu gehorchen, als Computern, die mit einem redeten, einen an der Nase herumführten und nach Livie-Art mit der Wirklichkeit spielten, während sie einem pausenlos die Credits aus der Tasche zogen. Von Anfang an wollte St. Clair ihr Etablissement so exklusiv wie möglich gestalten. Anstelle von grell erleuchteten Reklametafeln zeigte nur eine kleine, glitzernde Plakette vor dem Eingang an, was sich dahinter verbarg: »K'ton Klub. Nur für Mitglieder.« St. Clair beglückwünschte sich, während sie durch die recht schmucklos gekleideten Besucher glitt, aus denen das Publikum im Erdgeschoß bestand. Sie registrierte sofort, was richtig lief, und, weit wichtiger noch, alles, was nicht so gut funktionierte falls es so etwas überhaupt gab. Der Raum war von einarmigen Banditen aus dem Museumsschiff umgeben. In diesem
Stockwerk brachten sie fast das meiste Geld, wurden nur noch von den Würfeltischen übertroffen; an dritter Stelle lagen die Bingo-Marathons, bei denen es auch einen Pot zu gewinnen gab, der jeden Tag voller wurde, bis kein Spieler aus der großen Masse der Versuchung wiederstehen konnte und seine Credits auf Spiel setzte. Um ein wenig Elitegefühl und soziales Klassenbewußtsein aufrechtzuerhalten, wurde die Mitte des Raums von einer erhöhten, mit Seilen abgetrennten Plattform beherrscht, auf der immer ein Whist-Spiel mit höchsten Einsätzen am Laufen war. Um ständig neue Spieler zum Mitmachen zu ermuntern, verlangte St. Clair für einen Platz am Tisch nur sehr niedrige Gebühren und nahm für das Haus überhaupt keine Beteiligung. Ständig gingen verführerisch gekleidete Männer und Frauen durch die Menge, boten Cocktails, Narkotiks und Snacks an. Zu Friedenszeiten hätte das alles zum kostenlosen Service gehört, doch jetzt waren die Spieler so dankbar, daß es überhaupt etwas gab, daß sie gerne dafür bezahlten. Von hier aus standen dem Kunden zwei Wege offen. Er konnte entweder hinaus auf die Straße gehen und das Haus verlassen - der Weg führte ihn allerdings durch ein Bordell, wo ihn Joyboys und Joygirls dazu ermunterten, die letzten eventuell noch verbliebenen Credits mit ihnen zu verprassen -, oder er gelangte über die Treppe hinauf ins nächste Casino, wo die Einsätze entsprechend der Klasse der Klientel nach oben schnellten. Der vorhergehende Eigentümer hatte ein ähnliches Konzept verfolgt, indem er auf jedem der drei Stockwerke ein Casino und ganz oben einen Nachtclub mit Restaurant betrieb. Er hatte jedoch Eingangskontrollen und Fahrstühle eingesetzt, um die armen Zocker und die Mittelklasse von den reichen Kunden deutlich abzugrenzen. Mit zu den ersten Dingen, die St. Clair in Angriff nahm, gehörte die Abschaffung der separaten Eingänge und Aufzüge. Jeder kam auf dem gleichen Weg bis nach oben,
und ohne Ausnahme wurde auf jedem Stockwerk Geld zurückgelassen. St. Clair ging die Stufen hinauf und kontrollierte, ob die Rausschmeißer auf jeder Ebene säuberlich die creditbeladene Spreu vom Weizen trennten. Das zweite Casino ging eher in Richtung Roulette und Kartenspiele mit hohen Einsätzen sowie Würfeltische. Ins nächste Stockwerk gelangte man nur mit einer Einladung zu einer exklusiven Runde eines Kartenspiels, zumeist Poker, Whist, T'rang, Bezique und Bridge. Der Nachtclub befand sich im obersten Stockwerk. Hier gab es keinen Verzehrszwang, kein Minimum. Auch das war St. Clairs Idee. Die Preise, die sie für Essen, Trinken und den Sex mit den Unterhaltungskünstlern, die es darauf angelegt hatten, verlangte, waren astronomisch, selbst für diese inflationären Zeiten. Alles andere den Nachtclub betreffend war L'ns Idee. Sie hatte ihn so ausgestattet, daß der Zocker und sein Partner gleich beim Eintritt überwältigt waren. Sogar St. Clair haute es um, obwohl sie wußte, was sie erwartete. Sie war höchst beeindruckt von den bunten Lichtern, die kippten, schwenkten, wirbelten und rauchten, die Aufmerksamkeit des Besuchers wie ein weicher Handschuh umschlangen und ihn oder sie in die Arme der Entertainer führten, die auf drei Bühnen tanzten, sangen und umherwirbelten. In dem Augenblick, in dem L'n den alten, staubigen, mit High-Tech-Stühlen vollgestopften Saal erblickt hatte, wußte sie, daß sie an der Schwelle der Entdeckung einer neuen Kunstform stand, einer lebendigen Kunstform, die sämtliche ihrer Talente miteinbezog, die sie über all die Jahre entwickelt hatte. Sie setzte unterschiedlichste Lichtquellen ein, erreichte jedoch die besten Effekte durch den Einsatz von mittels Widerständen manipulierten Vakuumbirnen und besonders durch Kerzen und Fackeln, deren brennende Flammen sie in beweglichen Spiegeln auffing, in Prismen
spaltete und dann neu zusammensetzte, um sie auf jede gewünschte Stelle umzulenken. Das alles kontrollierte L'n von einer Computerkonsole in einer dunklen Ecke in der Nähe der Tür aus, die zu ihren Privaträumen und den Büros führte. Zu Anfang hatte sie diese Ecke mit einem Vorhang abgetrennt, doch mit zunehmender Selbstsicherheit ließ sie den Vorhang wieder entfernen. Wenn man in ihre Richtung blickte, konnte man sehen, wie sie mit dem dramatischen Ausdruck und dem Flair eines großen Konzertpianisten die Schaltungen betätigte. St. Clair kam lautlos um die Ecke, um das Publikum nicht zu stören. L'n hatte sie jedoch sofort erblickt, verschob einige Regler und brachte die Lichter mit einem Joystick zu einem neuerlichen Crescendo. Dann wies sie mit einer Kopfbewegung zur Tür hinüber. Jemand wartete im Büro. St. Clair grimassierte ein »Wer ist es?« hinüber, doch L'n lächelte nur. Sehr mysteriös. Sie betrat den hinter der Tür gelegenen Flur und marschierte auf die Bürotür zu. Sie konnte sich nicht daran erinnern, daß sie sich plötzlich öffnete, und doch mußte sie sich geöffnet haben, denn mitten im Raum stand Horatio mit einem breiten Grinsen im Gesicht. St. Clair stieß einen Schrei aus, schluchzte auf und warf sich ihm bedenkenlos in die Arme. Sie küßte seinen Hals, sein Haar und alles andere, was ihr sonst auf die Schnelle unterkam. Und Horatio tat das gleiche, bis die aufflammende Hitze in ihrem Unterleib sie in die Realität zurückholte. Von allen Männern, mit denen sie je zusammengetroffen war, stand dieser Kerl hier ganz oben auf ihrer Haßliste. Der schleimige Was-auch-immer war wahrscheinlich nur gekommen, um ... St. Clair schob ihn rüde von sich. Ihre Augen sprühten Funken, und sie stieß ihm mit den Fingern gegen die Brust. »Hör mir gut zu, du Dreckskerl«, sagte sie. »Ich gehöre nicht zu deinem verdammten Militär, erinnerst du dich? Ich bin Zivilistin. Und ihr rührt auch nicht ein einziges Tausendstel
unseres hartverdienten Geldes an. Hast du kapiert, Freundchen?« Sten blickte sie verdutzt an. Was ging ihn das alles an? Abgesehen davon war er von dem, was soeben zwischen ihnen vorgefallen war, nicht weniger verwirrt als sie. Was war mit dieser Frau überhaupt los? »Soll mir recht sein«, sagte er. »Du bist wahrscheinlich der Ansicht, du müßtest mich von hier rausholen«, sagte St. Clair. »Falsch gedacht! Ich habe Transponder installieren lassen, die ein kodiertes >SOS - hier sind wir< von der Hälfte aller Tahn-Frachter der Handelsmarine hinausposaunen. Trotzdem weiß ich nicht, wieso diese Blödmänner so lange brauchen. Ich habe hier ein gutes Ding laufen, und ich kann euch ein höllisch gutes Angebot machen. Wir haben hier Kunden, Generäle und Admiräle, und -« »Weiß ich«, konterte Sten. »Wir haben deine Nachricht erhalten.« »Was? Was blubberst du da vor dich hin? Wer hat welche Nachricht erhalten ? Wann denn ?« Dann kapierte St. Clair. Sten lächelte und bewunderte sie dafür, daß sie auch dann überaus reizend aussah, wenn ihr Unterkiefer vor Staunen fast den Fußboden berührte. »Fangen wir noch mal ganz von vorne an«, sagte er. »Zunächst einmal mit der Vorstellung. Wenn mich noch mal jemand Horatio oder Horrie oder sonstwas nennt, das mit einem H beginnt, bringe ich ihn um. Mein Name ist Sten. Soviel hinsichtlich Boy meets Girl. Und jetzt: wo willst du von hier aus eigentlich hin?« St. Clair wollte etwas besonders Bissiges und besonders Kluges sagen. Sie kannte etwa sechs wohlerprobte Arten der Entmannung, die sie diesem unerträglichen kleinen ... Aber das war ein völlig anderer gewesen, oder? Es war ...
Sie verkniff sich die Bemerkung und sah Sten einfach nur erwartungsvoll an. Es traf sich gut, daß der Büroschreibtisch ein Museumsstück war, denn das, was als nächstes geschah, hatte er in früheren Zeiten höchstwahrscheinlich schon öfter als einmal erlebt.
Kapitel 37 Er hieß Chapelle. Bis vor kurzem war er Fluglotse auf einem der betriebsamsten Raumhäfen des Imperiums gewesen. Wie die meisten Controller war er sehr jung und stand sehr unter Streß. Der Druck, der auf ihm lastete, garantierte einen Burnout mit vierzig. Im Gegensatz zu den meisten Fluglotsen drehte sich sein Leben ausschließlich um Raumhäfen. Er trieb sich auch den Großteil seiner Freizeit auf dem Hafengelände herum. Immer wieder war er durch die Hügel gewandert, die den Raumhafen umgaben. Er hatte sich sämtliche Gebäude, die rings um den Hafen lagen, angesehen. Er rühmte sich damit - wenn auch nur vor sich selbst, denn Chapelle war ein geradezu neurotisch scheuer Mensch -, daß er ein Schiff allein durch Intuition und mündliche Anweisungen sogar dann landen könnte, wenn sämtliche Radars, Lasereinweisungen und anderen automatischen Anflugkontroll-Systeme des Raumhafens ausfielen. Er konnte sich »seinen« Raumhafen aus jedem erdenklichen Winkel vorstellen, egal bei welchen Wetterverhältnissen. Chapelles stolzester Besitz waren zwei Hologramme. Eines zeigte die Imperiale Yacht Normandie, wie sie auf »seinem« Landefeld aufsetzte, und das andere war ein signiertes Porträt des Ewigen Imperators. Sein Staatsoberhaupt, das er sicher zur Landung gebracht hatte. Natürlich war das Autogramm ein Faksimile, und das Porträt wurde von der PR-Abteilung des
Imperators bei jeder x-beliebigen Publicity-Tour hundertfach verteilt. Doch als er unerwarteterweise befördert und zum Zentralraumhafen auf der Erstwelt versetzt wurde, wußte Chapelle, daß man auf seine Fähigkeiten aufmerksam geworden war. Sofort fing er mit dem gleichen Selbsterziehungsprogramm an, das er schon zuvor so erfolgreich durchgeführt hatte. Möglicherweise verstand sein Vorgesetzter nicht so recht, was er da tat, oder aber Chapelles Obsession wurde schlimmer. Es spielte keine Rolle. Der Inspektor hatte ihm mit aller Nachsicht vorgeschlagen, daß Chapelle einen kleinen Urlaub in Erwägung ziehen sollte, ohne Statusverlust oder dergleichen. Vielleicht könnte er auch einmal darüber nachdenken, einen Spezialisten aufzusuchen. Chapelle konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, den Mann nicht zu schlagen. Vielleicht hatte sein Inspektor ja recht - was die übertriebene Hingabe an den Beruf betraf. Was Chapelles Bedürfnis nach psychologischer Hilfe anging, täuschte er sich jedoch gewaltig. Und ja, er würde ein wenig Urlaub nehmen. Zu diesem Zeitpunkt wurden Tanz Sullamoras Agenten auf Chapelles interessantes Datenprofil aufmerksam. Chapelle fühlte sich erholt und war bereit, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren, als in seinem Hochhausapartment eine Nachricht aus dem Fax herausfiel, wonach Chapelle auf unbestimmte Zeit zu unbezahltem Urlaub verdonnert wurde. Chapelle nahm allen Mut zusammen, rief seine Abteilung per Vid an und erkundigte sich nach dem Grund. »Den Grund dafür darf ich Ihnen nicht bekanntgeben.« >Nicht bekanntgeben, wunderte sich Chapelle. >Warum denn nicht? Wer würde denn so etwas tun? Wer hatte das Recht dazu?< Niemand ... außer... und sein Blick fand das lächelnde Porträt an der Wand. Aber weshalb denn?
Er war der ergebenste Untertan des Imperators. Hatte er die Normandie denn nicht vor einer möglichen Bruchlandung bewahrt? Chapelle saß vier Stunden in seiner winzigen Wohnung und starrte das Bild an. Die spärlichen, von der Wohlfahrt bereitgestellten Rationen, die aus dem Nahrungsschlitz kamen, rührte er kaum an. Etwas mußte völlig falschgelaufen sein. Er beschloß, die Bibliothek aufzusuchen. Vielleicht mußte er mehr über seinen Imperator wissen. Während seiner Abwesenheit wurde seine Wohnung durchsucht. Erst mehrere Stunden nach seiner Rückkehr fiel es ihm auf. Das Porträt, von dem er immer gedacht hatte, daß es ihn anlächelte, war jetzt von einem grausamen Zug geprägt. Das Zwinkern im Auge des Imperators war nicht mehr das einer freundlichen Führergestalt, sondern das einer Person, die es spaßig fand, ihrem treuesten Untertan mutwillig einen sinnlosen Streich zu spielen. Ja. Vielleicht hatte er sich in seinem Imperator getäuscht. Die Geschichtsbücher, in denen er gelesen hatte, deuteten an, daß der Imperator mehr war als der Übervater des Universums. Er mußte unbedingt noch mehr über ihn herausfinden. Und wieder wurde seiner Wohnung ein Besuch abgestattet. Und wieder war das Bild des Imperators verändert. Es war jetzt, wie Chapelle auffiel, das Abbild des Bösen. Er war ein Narr gewesen. Er hätte dem Imperium einen besseren Dienst erwiesen, wenn er die Normandie hätte zerschellen lassen. In dieser Nacht fingen die Stimmen an.
Kapitel 38 Eigentlich hätte es eine Routinesitzung sein sollen, Kilgours dritte an diesem Tag. Er mußte lediglich bei der Rückkehr des Fahrdienstleitergehilfen still in dessen funktional eingerichtetem Apartment sitzen. Nachdem sich der Mann erholt hätte, würde sich Kilgour dafür entschuldigen, daß er ihn, einen der wichtigsten Agenten der Gegenspionage der Tahn, so lange nicht mehr kontaktiert hatte. Dann würde er ihm erklären, daß sein Kontaktoffizier dringend in einem Kampfsektor gebraucht worden wäre, und daß unglücklicherweise momentan ein gewisses Durcheinander herrschte. Jetzt sei er, Senior Specialist Fohch, gekommen, um den Mann wieder zu aktivieren. Nichts würde sich ändern. Er sollte nur weiterhin jede auch noch so geringe gegen die Tahn gerichtete Äußerung an seiner Arbeitsstelle weiterleiten und vor allem beschreiben, wie sich diese auf die Effizienz seiner Fabrik auswirkten. Es gab keinen wichtigeren Aspekt der Kriegsanstrengung als die kontinuierliche Produktion von Imperium X, das für die Abschirmung von Antimaterie Zwei gebraucht wurde. Die einzige Änderung, wie Kilgour ihm erfreulicherweise mitteilen könnte, ergab sich daraus, daß seine Vorgesetzten einer Erhöhung des kleinen Honorars, das sie dem Fahrdienstleitergehilfen zahlten, zugestimmt hatten. Sobald das Imperium endgültig in die Knie gezwungen war, würde den Männern und Frauen, die weitab von der kämpfenden Truppe lebenswichtige Aufgaben durchgeführt hatten und ebenso wie
der hochdekorierte Kriegsheld für den schon bald erwarteten Sieg verantwortlich waren, die ihnen zustehenden Medaillen verliehen. Und so weiter, und so weiter. Gewiß gab es keinen Grund, den guten Mann mit der Realität zu verwirren. Wenn er sich gut dabei fühlte, seine Arbeitskollegen für den Tahn-Geheimdienst auszuhorchen, dann bot ihm Kilgour jede erdenkliche Unterstützung an. Also kletterte er die Notrutsche hinauf, machte sich kurz am Fenster zu schaffen, und drinnen war er. Vielleicht, so hoffte er jedenfalls, hatte der Mann ein wenig Alk kaltgestellt. »Spionieren macht durstig«, dachte Kilgour. Er fand einen halbleeren Behälter, der nach Sojawein schmeckte. Kilgour würgte, nahm jedoch hin und wieder einen Schluck davon, während er in der Wohnung herumlief und mit seinen behandschuhten Händen routiniert Gegenstände hochhob, zur Seite schob und durchsuchte. Er nahm eine Lampe in die Hand und schüttelte traurig den Kopf. Dann stellte er die Flasche wieder in den Kühler zurück und kletterte aus dem Fenster. Nichts wies darauf hin, daß er das Zimmer jemals betreten hatte. Kilgour wanderte zur nächsten Haltestelle und dachte über seine Möglichkeiten nach. >Höchst interessant, dachte er. >Hier gibt es so gut wie keine Sicherheitskräfte. Und die armen Arbeiter drängen sich vor den Zügen wie die Lachse vor dem Wehr. Wäre doch schade, wenn ein kleiner Fahrdienstleitergehilfe, der leider eine Wanze in seiner Wohnung hat, die dort nicht hingehört, einen Salto vor den einfahrenden Zug machte.< Es war sehr schade. Der Mann machte den Salto. Und Kilgour machte sich auf den Weg zur nächsten Adresse. Nicht schlecht. Dreißig Agenten bis jetzt. Fünf verschwunden, drei hatten die Nerven verloren, und zwei wurden umgedreht. Die anderen brummten noch alle vor sich hin, fühlten sich sicher
wie in Abrahams Schoß und gaben das weiter, was ihnen gesteckt wurde, und zwar an diejenigen Spionagedienste, die Alex für sie für richtig hielt. Sten bewunderte kurz sein Spiegelbild. Er sah im Abendanzug ziemlich schneidig aus, dachte er, selbst wenn es für seinen Geschmack eine Nummer zu aufgesetzt wirkte. Doch schließlich waren große Gangster noch nie für ihre Unauffälligkeit bekannt gewesen. Alle Minuten rückte er einen Hemdsärmel zurecht, nippte am Brandy, lehnte sich zurück und wartete darauf, daß Connl den nächsten Zug machte. Es sah alles nach einem sauberen Geschäft aus. Connl besaß ein vom Zoll ordnungsgemäß verplombtes Lagerhaus voller hochproteinhaltigem Glop, mit dem die Tahn ihre Schiffsrationen anreicherten. Sten wollte besagten Glop erwerben. Ein sauberes Geschäft - auf dem Schwarzmarkt. Wie Connl in den Besitz dieses Glop gekommen war, mußte Sten nicht interessieren. Sten hatte ihm ein Angebot unterbreitet, das pro Kilo mehrere Einheiten über dem lag, was Connl von anderen Schwarzmarkthändlern bekam, und weit über dem, was die Tahn zu zahlen bereit waren. Außerdem war er bereit, harte Imperiale Credits dafür zu zahlen. Die Einzelheiten hinsichtlich Durer waren noch immer nicht durchgesickert, doch die Unternehmer hatten schlimme Sachen gehört. Außerdem waren sie nicht besonders begeistert davon, ihre Geschäfte in den bereits inflationären und auf gutem Glauben basierenden Tahn-Credits zu tätigen. Selbst wenn die Tahn gewinnen sollten, verloren die Imperialen Credits nicht an Wert. Daran zweifelte niemand. Außerdem waren Imperiale Credits niet- und nagelfest. Wenn man sie unter der Terrasse seines Anwesens in der Erde vergrub, waren sie sicher vor Witterung, Verwesung und Nagetieren.
Diese Tatsache beruhigte jeden Eigentümer hinsichtlich einer möglichen Festnahme. Im schlimmsten Fall konnte man sich auf eine saftige Bestechung verlassen. Connl fuhr mit der Fingerspitze über den Rand seines Cognacschwenkers. »Ihr Angebot ist durchaus interessant. Darf ich eine neugierige Frage stellen?« »Bitte sehr.« »Es kursieren einige interessante Geschichten über Ihre Herkunft.« »Ich kenne einige davon.« »Verbindungen bis direkt zum Hohen Rat, habe ich gehört. Ein Mann mit einer Privatarmee, erzählte mir jemand. Sehr, sehr interessant.« »Eine oder zwei dieser Geschichten beruhen auf Tatsachen«, lenkte Sten ein. »Möglich.« Connl hatte es nicht eilig. Seine Frage sollte Sten lediglich zu einer Reaktion verleiten. Natürlich hatte er sich dazu nicht hinreißen lassen. »Um zum Geschäft zurückzukehren. Sie stehen nicht in dem Ruf, ein Narr zu sein«, sagte Connl. »Also gehe ich davon aus, daß Sie eine Vorstellung vom momentanen Marktwert meines Hochproteinhaltigen haben.« »Allerdings. Heute früh wurde die Kilotonne, frei Übergabe, auf 75 Einheiten veranschlagt.« »Und trotzdem bieten Sie 80. Interessant. Wenn Sie kein Narr sind, will ich es auch nicht sein. Angebot akzeptiert.« Connl wurde innerhalb einer Stunde ausgezahlt und ging einigermaßen erleichtert seiner Wege. Er hatte einen satten Profit eingefahren und mußte dafür nicht einmal seine Finger mit diesem schleimigen Hochprotein-Zeug schmutzig machen. Außerdem war er darauf gekommen, worauf Sten wahrscheinlich aus war. Der Mann wollte den Markt eng machen. Sobald er genug von dem Zeug gebunkert hatte, konnte er die Schraube zuziehen.
Connl selbst entschloß sich dazu, zu reinvestieren. Sein Halbe-Million-Lagerhaus voller Hochproteinhaltigem war natürlich beinahe eine dreiviertel Million wert. Er würde den Preis sofort korrigieren. Das Endresultat von Stens Manöver: sogar weniger hochprozentiges Additiv war den Tahn zu keinem Preis mehr zugänglich. Außerdem hatte er seinen Teil dazu beigetragen, die Währung zu destabilisieren. Wenn diese Credits nicht vergraben wurden, flössen sie wieder in den Kreislauf zurück und trugen ihren Teil dazu bei, die Tahn-Währung weiter zu entwerten. L'n lag zusammengerollt auf einem Seidenkissen und sah wie ein niedliches, schlafendes Kuscheltier aus. Ihr Ohr war jedoch wie ein Sonar auf das Gespräch am Nebentisch gerichtet. Die vier Tahn-Offiziere spielten ein unglaublich kompliziertes Spiel mit Spielautomaten, mehreren Würfelpaaren und variablen Regeln, ein Spiel, das nur von Militärs erfunden sein, geschweige denn bis zur Perfektion gespielt werden konnte, die schon viele Stunden beim Wachdienst totgeschlagen hatten. Genauso war es auch. Das erhob das Spiel zu einem Statussymbol. Jeder, der die Regeln kannte und sogar wußte, wie man dabei gewann, war natürlich intelligent, ein Teil der Tahn-Hierarchie und höchstwahrscheinlich adlig. Das Spiel ging weiter. Die Offiziere unterhielten sich arglos, ohne weiter auf St. Clairs Haustier, das da neben ihnen schlief, zu achten. Die Unterhaltung war höchst interessant. Dieser oder jener sei ohne eigenes Verschulden von seinem Posten enthoben worden. Einheit X würde niemals rechtzeitig nach Sektor Y verschoben, nicht beim gegenwärtigen Engpaß der Waffenproduktion. Und hast du das von dem armen Admiral Whoosis gehört? Sein neues Flaggschiff, die Sabac, das erste Exemplar der neuen Amtung-Klasse? Der reinste Schrotthaufen!
Die Zielerfassung kann nicht mehr als sechs Ziele anvisieren, sonst stürzt ihr Programm ab. Ich weiß, daß der Maschinenraum mehrere Lecks vom Antrieb hat. Zum Glück ist Whoosis so was wie ein Held. Gelächter ertönte, und Spiel wie Unterhaltung wurden fortgesetzt. L'n prägte sich jede wichtige Information zur späteren Übermittlung an das Imperium ein. Kilgour ließ sich von der Dachluke auf die oberste Kiste des hochaufgetürmten Stapels fallen. Er blickte sich in dem verlassenen Lagerhaus um, überlegte sich seine Taktik und machte sich an die Arbeit. Das Lagerhaus war voller versandfertiger Proviantkisten. Jede Kiste enthielt fünfzig Rationspäckchen. Jedes Päckchen enthielt die Tagesration für zehn Soldaten im Feld. Kilgour hatte sechs Büchsen in den Taschen seines Overalls, die er auf mehrere Rationspäckchen verteilte, worauf er Päckchen und Kiste ohne Spuren wieder versiegelte. Der arme Kerl, der diese Büchse erwischte, war nicht zu beneiden. In den Büchsen befand sich nichts Tödliches; jede enthielt das, was außen draufstand und war so genießbar, wie es Militäressen nur sein konnte. Jede Büchse enthielt jedoch einen kleinen Zusatz. >Armes, kleines Vieh