Du bist mein Stern Day Leclaire
Julia 1429
26 2/2000
Scanned by suzi_kay
PROLOG "Was soll das heißen, ich bin zu a...
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Du bist mein Stern Day Leclaire
Julia 1429
26 2/2000
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PROLOG "Was soll das heißen, ich bin zu alt, um sechs Kinder zu bekommen?" fragte Maxi Fontaine. "Ich bin noch nicht mal dreißig." Rosie, ihre beste Freundin, die manchmal als Haushälterin für sie arbeitete, besaß doch tatsächlich die Frechheit zu schnaufen. "Gibs auf, Süße. Ich kenne dich schon seit Jahren - seit du mich aus diesem schrecklichen Job nebenan gerettet hast. Du bist genauso alt wie ich. Und das bedeutet, dass du bald einunddreißig wirst." Maxi blickte sie finster an. "Erst nächste Woche." Rosie lehnte sich auf dem Sofa zurück und stellte ihre Teetasse auf ihren runden Bauch. "Sei vernünftig." Sie zählte an den Fingern ab. "Du hast keinen Mann. Du hast nicht mal einen Freund. Angenommen, du begegnest noch in diesem Jahr deiner großen Liebe und heiratest. Dann bist du zweiunddreißig, bevor du dein erstes Kind bekommst." "Und?" "Rechne doch nach. Willst du jedes Jahr ein Baby bekommen?" Maxi hob das Kinn. "Vielleicht." Rosie schnaufte wieder. "Vergiss es. Du weißt genau, dass es weder für dich noch für deine sechs Kinder gut wäre. Denk doch nur an meine Verwandten. Carmela und Daria haben sechs Kinder und sind völlig am Ende." "Aber die Kinder sind so süß", meinte Maxi sehnsüchtig.
"Ich liebe sie auch über alles. Aber man braucht vier Frauen, um sechs Kinder zu bändigen. Was sagt dir das?" Maxi lächelte schalkhaft. "Dass wir verdammt streng sind?" "Du kommst vom Thema ab." "Darin bin ich groß." "Das haben wir alle gemerkt." Rosie trank einen Schluck Tee. Ihre Miene wurde ernst. "Lass es uns logisch betrachten." Maxi schnitt ein Gesicht. "Du weißt, wie ich logisch denkende Menschen hasse." "Süße, wenn du ein Baby bekommen willst, hast du keine andere Wahl. Dann musst du vernünftig sein." Maxi seufzte. "Schon gut, schlag mich. Inwiefern bin ich nicht vernünftig?" "Wenn du alle zwei Jahre schwanger wirst, brauchst du zwölf Jahre. Rechne doch mal nach", wies Rosie sie erneut an. "Ich war noch nie besonders gut in Mathe." "Nein, du warst noch nie besonders gut darin, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Beim sechsten wärst du über vierzig! Ist dir klar, wie alt du bist, wenn dein Jüngstes die High School verlässt? Vorausgesetzt, du bist dann noch bei Verstand. Und vorausgesetzt, deine Einzelteile sind bis dahin noch nicht verkümmert." "Verkümmert!" Rosie machte eine ausschweifende Geste. "He, wie lange ist es her, dass du mal so richtig ausgeflippt bist?" "Momentan ist mir danach, so richtig auszuflippen." "Das habe ich nicht gemeint, und das weißt du auch. Du hast Angst vor der Ehe. Gibs zu." "Also gut. Ich gebe es zu. Ich habe große Angst vor der Ehe." "Und wir wissen beide, warum." Rosie warf ihr einen mitfühlenden Blick zu. "Aber es ist nicht einfach, ohne einen Vater Kinder zu bekommen. Frag Daria. Also falls du keine
Möglichkeit findest, deine Abneigung zu überwinden, schlage ich vor, du überlegst dir das mit den Babys noch mal." Maxi trommelte mit den Fingern auf die Sessellehne. "Ich hasse es, wenn man Nein zu mir sagt." "Tun wir das nicht alle?" "Schon möglich. Aber du hast es immer besser aufgefasst als ich. Also wenn eine Ehe nicht infrage kommt und ich ein Baby möchte ..." Maxi verstummte und lachte. "Ich habe eine Idee. Du meine Güte, ich verstehe nicht, warum ich nicht eher darauf gekommen bin!" "Maxi..." Rosie schloss die Augen und stöhnte. "Ich will es gar nicht wissen. Sag mir nur, dass ich hinterher nicht sauber machen muss." "Nein, musst du nicht." Maxi lächelte breit. "Bestimmt werden Carmela und Daria mit anpacken, wenn das Baby da ist." "Deins oder meins?" fragte Rosie. "Mach dich nicht lächerlich. Deins natürlich. Meins ist erst in der Planungsphase." "Du machst mir Angst, Maxi." "Weißt du was? Ich glaube, ich wache mir selbst Angst." Maxi, lächelte immer noch. "Ist es nicht großartig? Ich bin so begeistert von meiner Idee, dass ich vielleicht sogar eine Liste mache." "Eine Liste?" Rosie nahm Maxis Teetasse und schnupperte daran. "Was machst du da?" "Ich vergewissere mich, ob Drogen drin sind." Rosie schüttelte den Kopf und seufzte. "Nichts. Das kann nur eins bedeuten." "Was?" "Du hast den Verstand verloren." "Hast du den Verstand verloren?"
Babe Fontaine sank in einen der schwarzweiß gestreiften Sessel und streifte ihre Schuhe ab. "Also wirklich, Süßer." Sie griff nach ihren Zigaretten. "Das ist nicht sehr nett." "Du hast Recht." Noah Hawke ging durch Babe Fontaines geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer in Nob Hill, um vor dem Zigarettenrauch zu fliehen, und sein Hund Loner folgte ihm. Noah blieb vor dem großen Fenster stehen und ließ den Blick von San Francisco, das unter ihm lag, zur sonnenbeschienenen Bucht dahinter schweifen. "Tut mir Leid. Ich weiß, dass es keine Entschuldigung ist, aber ich habe gerade ein schwieriges Projekt abgeschlossen." Babe warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. Das war typisch für sie. "Konntest du deinem Kunden helfen?" "Ich kann meinen Kunden immer helfen. Das kann ich am besten." Er drehte sich um. "Leider hat es kein gutes Ende genommen. Ich habe herausgefunden, dass ihr Buchhalter sie ausnimmt." "O Noah, wie schrecklich! Hoffentlich hast du deinen Wolf auf ihn gehetzt." "Wölfe sind wilde Tiere", erklärte er sanft. "Sie zu halten ist illegal. Da ich Loner halte, kann er kein Wolf sein." "Du kannst mich nicht zum Narren halten, Süßer." Babe sprang auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie hatte noch nie lange stillsitzen können, denn sie war das reinste Energiebündel. "Ich erkenne einen Wolf sofort." Mit ihrer Zigarette deutete sie auf Loner, "Und dieser Knabe da sieht wie der große, böse Wolf aus." "Da du nicht Rotkäppchen bist, brauchst du dir wohl auch keine Sorgen zu machen." Babe lachte schallend. Das hatte er immer an ihr gemocht, vielleicht weil sie ganz anders war als er. Verdammt, er mochte fast alles an Babe, obwohl sie rauchte. Sie war einfach phantastisch mit ihrem blonden Haar, den lebhaften blauen Augen und ihrer direkten Art. Er hatte noch nie eine Frau
kennen gelernt, die so offen und so nett war. Doch leider wollte sie etwas von ihm. Und in zehn von zehn Fällen bekam Babe auch, was sie wollte. "Ich habe zu tun", erklärte Noah unvermittelt. "Sag mir, warum du wirklich angerufen hast." "Das habe ich schon." Sie zog an ihrer Zigarette und blickte ihn an. "Du schuldest mir noch etwas, Süßer, und jetzt fordere ich die Schuld ein, so ungern ich es auch tue." "Damit wir uns richtig verstehen. Du bittest mich, alles liegen und stehen zu lassen und Kindermädchen für deine Tochter zu spielen." Er konnte es nicht fassen. "Du machst Witze, oder?" "Es ist mir noch nie im Leben so ernst gewesen." Besorgt beobachtete er, wie sich Sorgenfalten in ihrem Gesicht bildeten. "Noah, ich brauche dich, Schatz. Und du schuldest mir etwas." Das war Ansichtssache. Seiner Meinung nach hatte er seine Schuld beglichen. Nur leider schien es Babe nicht klar zu sein. "Ich habe andere Verpflichtungen, Babe. Ich kann nicht alles liegen und stehen lassen und mich um ... Wie heißt sie noch?" "Maxi." Maxi. Noah fragte sich, ob sie so wie Babe sein mochte oder das genaue Gegenteil. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass es zwei Babes gab. So viel ungezügelte Energie konnte gefährlich sein. "Was für Probleme hat sie denn? Was hat sie angestellt?" "Sie hat gar nichts angestellt. Jemand möchte ihr etwas tun, das ist das Problem," Er seufzte. "Nicht so melodramatisch, Babe. Also, was ist das Problem?" Babe ging zu dem kleinen Tisch neben der Couch und riss die Schublade auf. Dann nahm sie einen cremefarbenen Umschlag heraus, den sie ihm reichte. "Lies das." Noah ließ die Finger über den Umschlag gleiten. "Gute Qualität."
Er konnte lediglich das Wort Maxi entziffern, das in sauberer Handschrift auf dem Umschlag stand. Der Umschlag War nicht zugeklebt und enthielt lediglich einen Bogen. Nachdem Noah ihn herausgenommen und auseinander gefaltet hatte, blickte er starr auf die Worte, die ihm vor den Augen verschwammen. Ungeduldig verzog er das Gesicht und nahm seine Lesebrille aus der Tasche, um sie aufzusetzen. Er überflog den Text und las ihn dann gleich noch einmal, wobei er leise fluchte. "Es ist so weit. Zahl es zurück, oder trag die Konsequenzen." "Wo hast du das gefunden?" fragte er und steckte seine Lesebrille wieder in die Tasche. "Ich bin vor einigen Tagen aus dem Haus ausgezogen, um hier zu wohnen. Ich habe die Nachricht im Haus gefunden." "Willst du wieder heiraten?" Babe lachte - ein wenig bitter, wie es ihm schien. "Du klingst genauso wie Maxi. Nein, ich bin nicht ausgezogen, weil ich wieder heiraten will, sondern ich brauchte mal einen Tapetenwechsel. Als ich meine Post abgeholt habe, war der Brief darunter. Ich glaube, Maxi hat ihn nicht mal gesehen. Nein, bestimmt nicht. Sie kann nämlich kein Geheimnis für sich behalten." "Hast du die Polizei verständigt?" "Nein!" Schnell senkte sie die Stimme. "Nein, das möchte ich nicht. Ich habe dich angerufen, weil du ein erstklassiger Vermittler bist." In ihre Augen trat ein ängstlicher Ausdruck. "Bitte lass die Polizei aus dem Spiel. Versprich es mir." "Warum, zum Teufel?" "Wegen der negativen Publicity." Sie legte die Arme um sich. "Ich habe so ein komisches Gefühl, Noah. Ich glaube, es ist jemand, den Maxi und ich kennen." "Da der Brief nicht mit der Post kam, halte ich es für eine begründete Annahme. Wo hast du ihn gefunden?" "Auf dem Tisch im Vorflur." Sie drückte ihre Zigarette in einem vergoldeten Aschenbecher aus. "Falls er von einem
Freund oder einem Bekannten kommt, möchte ich nicht, dass es bekannt wird." "Warum?" "Ganz einfach." Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. "Weil ich alle Leute mag, die ich kenne." "O verdammt!" Loner, der neben ihm stand, begann zu winseln. Babe ließ den Blick zu dem Hund schweifen und nickte. "Ja. Genauso denke ich auch, alter Knabe." Dann sah sie Noah wieder an. "Machst du es?" Er hatte wohl keine andere Wahl. "Wie hast du es dir vorgestellt?" "Ich möchte, dass du eine Weile bei ihr wohnst. Vielleicht findest du etwas raus." "Willst du ihr von dem Brief erzählen?" "Nein. Und du musst mir versprechen, dass du es auch nicht tust. So wie ich meine Kleine kenne, wird sie versuchen, den Erpresser selbst zu finden. Oder sie wird den Lockvogel spielen." Sie zuckte die Schultern. "Bei ihr kann man nie wissen." "Wie die Mutter, so die Tochter?" Sie warf ihm einen beschämten Blick zu. "So ungefähr." Na toll! "Ich darf also weder die Polizei benachrichtigen noch Maxi sagen, was ich bei ihr mache. Und wie soll ich meine Anwesenheit erklären?" "Das ist ganz einfach." Sie lächelte frech. "Du wirst ihr Geburtstagsgeschenk sein."
1. KAPITEL Als Noah Maxi Fontaines Haus betrat, erwartete ihn das reinste Chaos. Männer jedes Typs waren in der Diele verteilt. Einige saßen auf Stühlen, die am Eingang aufgestellt waren, andere hockten auf der breiten Treppe, die in den zweiten Stock führte. Und ein paar lümmelten sich sogar auf dem Holzfußboden. Verdammt, was sollte das? Noah gab Loner ein Zeichen, an der Tür Platz zu nehmen, während er die Situation analysierte. Babe hatte beschlossen, dass Maxi einen Mann brauchte, der sich zusammen mit ihr um das Haus kümmerte - zumindest hatten sie das als Vorwand ersonnen, um seine Anwesenheit zu rechtfertigen. Anscheinend war Maxi ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen und führte gerade Vorstellungsgespräche. Noah runzelte die Stirn. So etwas war gefährlich, denn jeder konnte einfach hereinspazieren und sich um den Job bewerben. Man konnte nicht einmal sagen, wer hier das Kommando hatte, was darauf schließen ließ, dass Maxi keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hatte. Noah betrachtete die wartenden Männer, doch ihm war klar, dass es keinen Sinn hatte, nach dem Erpresser Ausschau zu halten. Jeder von ihnen konnte es sein ... oder keiner. Verdammt! Das hier war nicht sein Fachgebiet. Was war, wenn etwas schief ging und er alles vermasselte? Wenn er schlau war, fuhr er zum nächsten Polizeirevier und überließ alles den Gesetzeshütern. Babe würde in Tränen aufgelöst sein, und
Maxi würde die Wahrheit erfahren, aber wenigstens hätte er sich verantwortungsbewusst verhalten. Bevor er den Gedanken in die Tat umsetzen konnte, kam ein großer, schlanker Mann aus einem Raum in die Diele. "Sie sind ja verrückt, Lady!" verkündete er. Eine Frau erschien hinter ihm auf der Schwelle. "Meine Anzeige war unmissverständlich formuliert, Mr. Griffith. Es ist nicht meine Schuld, dass Sie sich nicht für den Job eignen." Das muss Maxi sein, dachte Noah. Sie war auf der Schwelle stehen geblieben, und ihr welliges blondes Haar glänzte im Sonnenlicht, das in den Raum fiel. Sie hatte ein süßes Gesicht, war kaum größer als Babe, hatte jedoch etwas ausgeprägtere Kurven. Allerdings war sie im Gegensatz zu ihr keine klassische Schönheit, denn sie hatte kein ovales, sondern vielmehr ein herzförmiges Gesicht, hohe Wangenknochen, große, helle, von dichten Wimpern gesäumte Augen und ein Kinn, das auf einen Dickkopf schließen ließ. Maxi wirkte jedoch genauso energiegeladen wie Babe. Sie war ungeschminkt und barfuß und trug ein kurzes limonenfarbenes Shirt, das einen verführerischen Blick auf ihren flachen Bauch und ihre schmale Taille bot, sowie eine orangefarbene Caprihose, die ihre fraulichen Hüften und ihre schlanken Fesseln vorteilhaft zur Geltung brachte. Maxi wedelte mit einem Zeitungsausschnitt, wobei ein halbes Dutzend farbenfroher Armreifen an ihrem Handgelenk klirrte. "Hier steht es." Sie trat in die Diele und ging auf den armen Griffith zu. "Welchen Teil meiner Anzeige haben Sie nicht verstanden?" "Den Teil, in dem steht, dass Sie verrückt sind!" Er wirbelte herum und wandte sich an die Wartenden. "Wenn Sie schlau sind, verschwinden Sie, solange es noch geht. Laufen Sie, bevor es zu spät ist!" Noah schätzte seine Möglichkeiten ein und traf eine Entscheidung. Wenn er seine Verpflichtung Babe gegenüber
erfüllen wollte, durfte er nicht zulassen, dass jemand anders den Job bekam, den Maxi ausgeschrieben hatte. Griffith hatte zwar keinen Erfolg gehabt, aber die anderen Kandidaten sahen sehr viel versprechend aus. Noah gab Loner ein Zeichen und betrat dann, gefolgt von ihm, den Raum, aus dem Maxi gekommen war. Er bezweifelte, dass irgend jemand es bemerkt hatte, solange sie in der Mitte der Bühne stand. "Mr. Griffith! Dass Sie sich für die Position nicht eignen, bedeutet nicht, dass einer dieser Gentlemen hier nicht der perfekte Kandidat wäre. Bitte versuchen Sie also nicht, die anderen Bewerber abzuschrecken, nur weil Sie schlechte Laune haben." Sie deutete auf die Haustür, wobei ihre Armreifen wieder klirrten. "Ich schlage vor, dass Sie gehen." "Gut, ich gehe." Griffith marschierte in Richtung Tür, blieb dann jedoch stehen und blickte in die Runde. "Und sagen Sie nachher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Sie hat ziemlich merkwürdige Vorstellungen, was den perfekten Bewerber betrifft." Sobald er gegangen war, stieß Maxi die Haustür so unsanft mit dem Fuß zu, dass die Bleiglasfenster auf der Vorderseite vibrierten. Noah schüttelte amüsiert den Kopf. Es wunderte ihn, dass sie sich dabei nicht die Zehen geprellt hatte - Zehen, deren Nägel, wie er nun bemerkte, in knalligem Pink lackiert waren. Wie kam sie nur auf diese Farbkombinationen? Vielleicht schloss sie die Augen und griff wahllos nach irgendeinem Kleidungsstück. Maxi strich sich das Haar aus dem Gesicht und wandte sich an die Männer in der Diele. Ihre Miene hellte sich auf. Noah erstarrte. Es passierte nicht oft, dass er sich überrumpelt fühlte. Er setzte sogar alles daran, dass es so selten wie möglich passierte. Doch ihr Lächeln verblüffte ihn. Und es veränderte Maxi völlig. Alle Männer verstummten und blickten sie fasziniert an. Beeindruckend, entschied Noah. Ohne ein Wort zu sagen, lenkte
sie die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Sie hatte eine sehr einnehmende Persönlichkeit. Sie war zu einer Sirene geworden, zu einem weiblichen Rattenfänger, der willige Männer ins Verderben führte. Nur ein wirklich einzigartiger Mann würde diesem Lächeln widerstehen können. Was bedeutete, dass er schnell herausfinden musste, wie man "einzigartig" wurde, wenn er nicht bald bis zum Hals in Schwierigkeiten stecken wollte. "Okay, man hat Sie gewarnt", verkündete Maxi und lachte hell. Merkte sie denn gar nicht, was für eine Wirkung ihr Lachen auf die Männer ausübte? Er bezweifelte es. "Also, wer ist mein nächstes Opfer?" Einen Moment herrschte Schweigen, und er räusperte sich. "Ich bin bereit." Sie wirbelte herum und blinzelte überrascht. "Oh, ich habe Sie 'gar nicht gesehen. Sind Sie der nächste Bewerber?" Da das Licht von hinten kam, glaubte er nicht, dass sie sein Gesicht erkennen konnte. Doch er konnte ihres sehen. Aus der Nähe fand er sie noch attraktiver. Besonders mochte er ihre Augen. Sie waren grün, und es musste das hellste Grün sein, das er je gesehen hatte. Und er hatte noch nie jemanden getroffen, der so offen wirkte wie sie. Noah seufzte. Mit anderen Worten, sie bedeutete Ärger. "He, ich war als Nächster dran!" protestierte einer der Männer in der Diele. Jetzt nicht mehr, dachte Noah. Maxi würde den letzten Bewerber befragen. "Loner, pass auf." Der Hund trottete in die Diele und setzte sich in die Mitte. Dann bleckte er die Zähne und knurrte. Der Mann hob abwehrend die Hände und wich zurück. "Ich habe mich geirrt. Ich bin nach Ihnen dran." Zufrieden nickend gab Noah Loner wieder ein Zeichen, zog Maxi ins Wohnzimmer und schloss die Tür hinter ihnen. "Das war beeindruckend", stellte sie fest. "Waren Sie wirklich der Nächste?"
"Nein." "Dann haben Sie sich also vorgedrängelt." Um ihre Mundwinkel zuckte es. "Finden Sie das den anderen gegenüber nicht unfair?" "Kein bisschen. Ich lege mehr Wert auf den Job als sie." "Ernsthaft?" "Über so etwas Wichtiges würde ich keine Witze machen." "Wissen Sie ..." sie blickte zur Tür und runzelte die Stirn, "... Ihr Hund sieht aus wie ein Wolf." Fast hatte er mit dieser Bemerkung gerechnet. "Eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden." "Mehr als nur eine gewisse Ähnlichkeit." Maxi ging zu dem Schreibtisch, der an einem Ende des Raumes stand, und griff in eine Pralinenschachtel, die neben einem Stofftier lag. Ironischerweise handelte es sich um ein Wolfjunges. Es sah ein bisschen mitgenommen aus, war aber noch gut zu erkennen. Sie kitzelte es mit dem Zeigefinger. "Meiner Meinung nach sieht er wie ein Wolf aus." Sie war hartnäckig, das musste man ihr lassen. Nicht viele Leute versuchten ihm mehr zu entlocken, als er zu erzählen bereit war. Aus irgendeinem Grund fanden die meisten ihn Furcht einflößend, und normalerweise ließ er sie auch in dem Glauben. Vielleicht lag es daran, dass seine Lieblingsfarbe Schwarz war. Da er ein Einzelgänger war, passte sie zu ihm. Vielleicht lag es auch an seinem Gesichtsausdruck. Wie oft hatte man ihm gesagt, dass seine silbergrauen Augen beunruhigend waren, dass seine Schweigsamkeit andere nervös machte oder seine Objektivität unüberwindbare Mauern schuf? Noah lächelte, was selten genug vorkam. Vielleicht lag es auch gar nicht an ihm, sondern es war Loner, der die Leute zu Tode ängstigte. Maxi neigte den Kopf zur Seite. "Wollen Sie mir nicht antworten?" "Okay. Loner sieht einem Wolf sehr ähnlich."
"Loner? Einzelgänger?" Sie stellte das Stofftier wieder auf den Schreibtisch. "Ein interessanter Name." "Er passt zu ihm." "Ich würde sagen, er passt auch zu seinem Herrchen." Sie hatte seine Neugier geweckt. "Wie kommen Sie darauf?" "Ich habe eine gute Menschenkenntnis. Und Sie ..." Zu seiner Verblüffung tippte sie ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust. Entweder war sie sehr couragiert oder sehr dumm. "... sind sehr selbstgenügsam. Ein Mann, der eigene Wege geht. Habe ich Recht, oder habe ich Recht? Sie sind auch ein Einzelgänger." Noah zuckte die Schultern. "Man hat mir schon schlimmere Bezeichnungen verpasst." "Also, ist er einer?" Als hätte sie gemerkt, dass er ihre Frage nicht verstand, beehrte sie ihn mit einem weiteren MegawattLächeln. "Ich meine, ist Loner ein Wolf?" "Das wäre illegal", erklärte er freundlich. "Privatpersonen ist es gesetzlich nicht erlaubt, wilde Tiere zu halten." "Und Sie würden nichts Illegales tun?" Ihm war klar, dass er sie schlecht belügen konnte. Ihre hellgrünen Augen schienen direkt auf den Grund seiner Seele zu blicken und konnten ihm die Wahrheit entlocken. Ja, diese Lady bedeutete Ärger. Vielleicht konnte er sie irgendwie ablenken. Er verschränkte die Arme vor der Brust. "Wie wärs, wenn wir mit dem Vorstellungsgespräch beginnen würden?" "Das haben wir bereits." Aha. "Über Loner zu sprechen gehört also dazu?" Wieder neigte Maxi den Kopf. "Nein, aber über Ihre Ehrlichkeit zu sprechen." "Sie wollen die Wahrheit hören?" "Ich will immer die Wahrheit hören." Wie oft hatte er das aus dem Mund einer Frau gehört? Dann hatte er immer nachgegeben, es waren Tränen geflossen, und er hatte sich gewünscht, er hätte sich etwas taktvoller ausgedrückt. "Ich habe Loner gefunden, als er ein Welpe war. Jemand hatte
ihn ausgesetzt, und er war verletzt. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass er humpelt." "Der Arme", sagte Maxi mitfühlend. "Ich vermute, dass unter seinen Vorfahren ein Wolf war. Aber als ich seinen ehemaligen Besitzer endlich ausfindig gemacht hatte, sind wir nicht dazu gekommen, das Thema zu erörtern." Nun horchte sie auf. "Sie haben den Besitzer ausfindig gemacht?" "Ja." "Denjenigen, der Loner ausgesetzt hatte." "Richtig." "Warum?" Noah seufzte. "Ich musste ihm erklären, wie wichtig es ist, dass er sich richtig um seine Tiere kümmert." "Ah, verstehe. Und hat er Ihre ... Erklärung überlebt?" "Sagen wir, er wird den Fehler nicht noch einmal machen." "Gut." Ihr Blick verriet Bewunderung, und Noah musste sich eingestehen, dass es ihn freute. "Ich nehme an, dass Loner Ihnen seitdem nicht von der Seite gewichen ist?" "Stimmt. Er ist überall dort, wo ich auch bin." Maxi zog eine Augenbraue hoch. "Selbst im Bett?" "Er schläft bei mir im Schlafzimmer, vor dem Bett." "Aber nicht im Bett?" "Sie stellen vielleicht merkwürdige Fragen, Lady." Als sie ihn unverwandt ansah, seufzte er wieder. "Nein, nicht im Bett." "Ich dachte, das sollten wir vorher klären." "Warum?" "Weil Sie in meinem Bett schlafen werden." "Kost und Logis sind bei der Position also Inbegriffen?" "Position?" Sie lachte. "Wie süß! Hören Sie, warum setzen wir uns nicht, damit wir uns besser kennen lernen, Mr. ...? Du meine Güte, wir haben uns noch nicht einmal miteinander bekannt gemacht." "Ich heiße Noah."
Maxi streckte ihm die Hand entgegen. "Maxi Fontaine. Ist Noah ihr Vor- oder Familienname?" Die nächsten Minuten waren entscheidend. Wenn sie seine Erklärung nicht akzeptierte, würde er dem glücklosen Mr. Griffith nach draußen folgen. "Mein Vorname." "Und ihr Familienname?" "Hawke." "Hawke?" Sie krauste die Stirn. "Hawke. Ich kenne den Namen. Aber woher?" Noah kehrte ihr den Rücken zu und ging zu der Sitzgruppe, auf der sie offenbar die Gespräche geführt hatte. Auf dem Tisch lagen Papiere verstreut. Er setzte sich hin. "Also, wie lauten Ihre Fragen?" Maxi schnippte mit den Fingern. "Ich habs. Meine Mutter wollte mal einen Mann namens Hawke heiraten." Sie folgte ihm zur Sitzgruppe. "Mel Hawke. Sind Sie mit ihm verwandt?" "Das kann man so sagen", meinte er lässig. "So habe ich von dem Job gehört." "Wie bitte?" Sie sank auf den Sessel ihm gegenüber und blickte ihn entgeistert an. "Mel hat Ihnen von meiner Anzeige erzählt? Er weiß davon? Wie, in aller Welt...?" "Eigentlich war Ihre Mutter diejenige, die mir vorgeschlagen hat herzukommen." "Meine Mutter! Ich fasse es nicht. Meine Mutter hat Ihnen ...? Wie? Warum? Wann?" Noah schwieg und wartete. Es war ein wirksames Mittel. Maxi brauchte etwas länger als der Durchschnitt, um zu begreifen, doch als sie es tat, beruhigte sie sich. Sie zog die Beine hoch, stützte das Kinn in die Hände und sah ihn mit funkelnden Augen an. "Sie warten darauf, dass ich mich beruhige, damit Sie meine Fragen beantworten können, stimmts?" "Wenn es Ihnen nichts ausmacht."
"Leider neige ich dazu, andere zu unterbrechen. Ich glaube, dies ist der richtige Zeitpunkt, um Ihnen zu beichten, dass ich es immer gleich ausspreche, wenn mir etwas einfällt." "Ohne nachzudenken?" fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte. "Ja." "Dann ist Ihr Leben bestimmt sehr interessant." "Ja." Maxi beugte sich vor und sprach leise weiter: "Als ich klein war, habe ich mir dadurch ständig Probleme eingebrockt. Ich habe es mir nie abgewöhnt, aber nun, da ich alt genug bin, halten mich die Leute wohl eher für exzentrisch als für schwierig." Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: "Sie wollten mir von meiner Mutter erzählen." "Wollte ich das?" "Und ob." "Ich bin Ihr Geburtstagsgeschenk", erklärte er. Überrascht beobachtete er, wie sie eine ganze Weile schweigend dasaß und ihn entgeistert ansah. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen. "Ist das Ihr Ernst? Meine Mutter weiß, was ich vorhabe? Und sie ..." Maxi rang nach Atem. "Sie hat Sie geschickt? Zu meinem Geburtstag?" "Warum so überrascht?" erkundigte Noah sich vorsichtig. "Sie sind doch erwachsen und können Ihr Leben so gestalten, wie Sie es für richtig halten, oder?" Sie räusperte sich. "Na. Aber meine Mutter ist ein bisschen altmodisch, trotz ihrer ganzen Verlobungen und Ehen - oder vielleicht gerade deswegen." Ihm war nicht ganz klar, was sie damit meinte. "Sie glauben also nicht, dass Babe es gutheißen wird, wenn ein Mann bei Ihnen wohnt?" "Darum geht es nicht..." "Babe wird Ihnen bestimmt versichern, dass ich keine Gefahr für Sie darstelle."
"Das bezweifle ich nicht. Aber ... sind Sie sich wirklich sicher? Sie hat nichts dagegen?" . "Genau. Babe hat mir gesagt, dass der Job eventuell befristet ist. Deswegen ist sie bereit, für die ersten drei Monate zu bezahlen. Danach können wir verhandeln." Verblüfft beobachtete er, wie sie noch mehr errötete. Er wurde aus ihr nicht schlau. In der Diele hatte sie, ohne zu zögern, das Kommando übernommen. War das alles nur Show und Maxi in Wirklichkeit sehr sensibel? Er war enttäuscht, denn gerade ihre Frechheit hatte ihn so fasziniert. Trotzdem war ihm die Wahrheit am wichtigsten, auch wenn er zu einer Notlüge hatte greifen müssen. Noah runzelte die Stirn. Vielleicht war es am besten, wenn er Maxi beruhigte. "Spielt es eine Rolle, dass Babe mich empfohlen hat?" fragte er. "Betrachten Sie es doch einfach als Familienangelegenheit." Maxi schluckte mühsam. "Lieber nicht." "Können wir uns wenigstens darauf einigen, dass Sie meine Dienste in Anspruch nehmen, statt noch mehr Zeit mit weiteren Vorstellungsgesprächen zu verschwenden?" Sie schüttelte den Kopf. "Ich betrachte diese Gespräche nicht als Zeitverschwendung. Dies ist eine schwierige Entscheidung für mich." Clevere Frau. "Dann lassen Sie uns mit dem Gespräch fortfahren, bis Sie eine Entscheidung treffen. Bestimmt haben Sie noch mehr Fragen." "Viele sogar", erwiderte sie prompt. "Schießen Sie los." Aus irgendeinem unerfindlichen Grund brauchte sie einen Moment, um sich zu sammeln. Warum? Die Frage ließ ihm keine Ruhe. Er hatte das ungute Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, und er hatte schon vor langer Zeit gelernt, auf seinen Instinkt zu vertrauen. Allerdings hätte er es nie zugegeben. "Wie alt sind Sie?" erkundigte Maxi sich schließlich.
"Fünfunddreißig." "Sind Sie verheiratet?" "Nein." "Haben Sie Kinder?" "Nein." "Was machen Sie beruflich?" O verdammt! Mit der Frage hatte er nicht gerechnet. "Was ich bis jetzt gemacht habe, meinen Sie?" "Mr. Hawke..." "Noah." "Noah. Es ist nicht gerade ein Vollzeitjob." "Nicht?" "Nachdem ... nachdem ..." Maxi machte eine vage Geste. "... Sie Ihre Pflicht für den Tag erfüllt haben, können Sie machen, was Sie wollen. Eigentlich erwarte ich gar nicht, dass Sie den größten Teil des Tages hier verbringen. Von mir aus können Sie gern noch einen Job annehmen." Das war unmöglich. Wenn er auch nur die geringste Chance haben wollte, den Absender des Briefes zu ermitteln, musste er vierundzwanzig Stunden mit ihr zusammen sein. "Man hat mich angewiesen, Ihnen die ganze Zeit zur Verfügung zu stehen. Und da ich gut dafür bezahlt werde, werde ich es auch tun. Sagen Sie mir, wie, wann und wo, und ich bin dabei." "Wie?" wiederholte Maxi matt. "Ich soll Ihnen sagen, wie?" Was war ihr Problem? Noah betrachtete sie ungehalten. "Sie werden mir Anweisungen erteilen, stimmts? Oder erwarten Sie, dass ich errate, wie Sie es haben wollen?" "Ach du meine Güte!" Sie barg das Gesicht in den Händen. "Ich fasse es nicht. Ich hätte doch in die Klinik gehen sollen. Aber nein, ich musste die Sache ja selbst in die Hand nehmen." Klinik? Vielleicht meinte sie eine Jobvermittlung. Und warum reagierte sie so übertrieben auf alles, was er sagte? Es passte überhaupt nicht zu einer Frau wie ihr. Er hatte eine gute Menschenkenntnis - eine Berufskrankheit, wie er vermutete.
Von Anfang an hatte er sie für kompetent, extrovertiert, ja aggressiv gehalten. Also warum fiel es ihr so schwer, einen Mann für Haushaltstätigkeiten einzustellen? Sie tat so, als könnte sie keine Anweisungen erteilen. "Stimmt etwas nicht?" fragte Noah. "Ich habe nur nicht erwartet..." Sie blickte ihn hinter vorgehaltenen Händen an. "Sie sagten, Sie wären fünfunddreißig. Wissen Sie nicht, was Sie tun müssen?" "Doch. Aber mir ist es lieber, wenn Sie mir genaue Anweisungen erteilen. Die meisten Leute haben bestimmte Erwartungen, und ich muss wissen, wie ich Ihren Anforderungen gerecht werden kann." Maxi wirkte erleichtert. Sie ließ die Hände sinken, doch ihre Wangen waren immer noch gerötet. "Daran hatte ich gar nicht gedacht." "Hören Sie ... Es ist Babes Geburtstagsgeschenk. Warum stellen Sie mich nicht einfach auf die Probe? Sagen wir, für vier oder sechs Wochen. Wenn ich Ihren Anforderungen nicht genüge, lassen wir's. Wenn Sie mit mir zufrieden sind, bleibe ich die drei Monate, für die sie mich bezahlt hat. Vollste Zufriedenheit garantiert. Na, wie klingt das?" "Wenn Sie meinen Anforderungen nicht genügen?" wiederholte sie verblüfft. Okay, vielleicht war sie ein bisschen schwer von Begriff. Er musste nett zu ihr sein. Verständnisvoll. "Wenn Ihnen gefällt, was ich mache, können Sie mich behalten", erklärte er noch einmal. Es schien nichts zu nützen. "Auf keinen Fall. Wenn Sie ... meinen Anforderungen genügt haben, verschwinden Sie. Haben Sie das verstanden?" Nein, hatte er nicht. Allerdings kam er nicht dazu, es ihr zu sagen. "Moment mal! Jetzt begreife ich." Maxi sprang auf und begann, vor ihm auf und ab zu gehen. Dabei zählte sie an ihren
Fingern ab. "Sie sind ein Mann. Sie sind allein stehend. Sie sind fünfunddreißig. Babe möchte, dass Sie mich heiraten, stimmts?" "Was, zum Teufel, wollen Sie ...?" Sie machte eine Handbewegung. "Sie brauchen es gar nicht abzustreiten. Babe versucht schon seit zehn Jahren, mich unter die Haube zu bringen." Als hätte sie damit bereits zu viel gesagt, fügte sie hinzu: "Das heißt, seit ich unter zwanzig war." "Ich bin nicht an einer Ehe interessiert." Maxi schnaufte verächtlich. "Woran wir beide interessiert sind, spielt keine Rolle. Babe versucht wieder einmal, mich zu verkuppeln." Noah stand auf, umfasste ihre Schultern und drückte sie wieder auf ihren Sessel. "Nein", erklärte er heftig, "das tut sie nicht." "Ha! Da kennen Sie sie schlecht." "O doch, ich kenne sie. Und nun passen Sie mal auf, Schätzchen. Ich bin nicht hier, um Sie zu heiraten, sondern ich komme wegen Ihrer Anzeige. Ich bin ein Geburtstagsgeschenk, kein potenzieller Ehemann. Haben wir uns verstanden?" "Und warum wollen Sie dann länger als drei Monate bleiben?" erkundigte sie sich misstrauisch. "Ich wusste ja nicht, wie lange Sie mich brauchen. Vollste Zufriedenheit garantiert, falls Sie es vergessen haben sollten." Sie dachte einen Moment darüber nach. "Und Sie sind sicher, dass Babe nicht versucht, uns zu verheiraten?" "Ganz sicher." Zumindest hoffte er es, denn auf die Idee war er noch gar nicht gekommen. "Ich werde Sie darauf festnageln", warnte sie ihn. In dem Moment kam ihm eine zweite Möglichkeit in den Sinn. Maxi war verrückt. Und je länger er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher schien es ihm. Es würde auch erklären, warum jemand versuchte, sie zu erpressen. Wer weiß, was sie angestellt hat, um das zu provozieren, überlegte Noah.
"Wenn Sie mich einstellen, können Sie mich auf alles festnageln." Maxi betrachtete ihn einen Moment und nickte schließlich zufrieden. "Okay, einverstanden. Nächster Punkt. Wenn ich Ihre Bewerbung annehme, müssen Sie sich einer eingehenden Untersuchung unterziehen." Wofür, zum Teufel? Er beschloss, die Frage nicht ganz so direkt zu formulieren. "Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu erklären, warum?" "Ich dachte, das wäre offensichtlich." "Vielleicht sollten wir uns darauf einigen, keine Mutmaßungen anzustellen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es am besten ist, alles auszusprechen, um Missverständnisse zu vermeiden." "Das klingt vernünftig." Sie hatte die Fassung wiedergewonnen. Allerdings konnte er sie sich überhaupt nicht als Arbeitgeberin vorstellen. Zum Glück war er rechtzeitig gekommen, sonst hätte sie den erstbesten Kandidaten eingestellt, der erkannt hätte, dass sie nicht alle Tassen im Schrank hatte, "Sie müssen sich einer eingehenden Untersuchung unterziehen, damit geklärt wird, dass Sie keine körperlichen Schäden haben, auf Grund deren Sie Ihren Teil der Abmachung nicht einhalten können. Heutzutage muss man eben vorsichtig sein." Noah wurde wütend, riss sich jedoch zusammen. "Haben Sie Angst davor, dass ich Sie mit irgendeiner Krankheit infizieren könnte?" Maxi saß regungslos da, was bei ihr sicher nur sehr selten vorkam. Nicht einmal ihre Armreifen klirrten. Sie betrachtete ihn eingehend, als wollte sie seinen Gemütszustand einschätzen. "Hat meine Mutter Sie schon untersuchen lassen?" fragte sie schließlich. "Nein! Warum hätte sie das tun sollen?"
Maxi verschränkte die Arme vor der Brust. "Dann muss ich leider darauf bestehen. Außerdem brauche ich sämtliche Zeugnisse und einen Lebenslauf. Und dann wäre da noch der Vertrag." "Vertrag?" "Ihnen ist doch klar, dass Sie auf alle Rechte und Pflichten verzichten müssen, sobald unsere ..." Sie machte eine ausholende Geste. "... Verbindung beendet ist? Wenn Sie gehen, möchte ich Sie nie wieder sehen." "Finden Sie das nicht ein bisschen übertrieben?"' "Überhaupt nicht", verteidigte sie sich. "Ich hätte schließlich auch in eine Klinik gehen können." Diesmal beschloss Noah nachzuhaken. "In eine Klinik? Meinen Sie, in eine Agentur?" "Nein. Ich meine eine Klinik. Wenn ich schlau gewesen wäre, hätte ich es dort machen lassen. Dann hätte ich den Spender nie kennen gelernt und er mich nicht. Alles wäre anonym abgelaufen, und ich müsste mir keine Sorgen machen, was etwaigen zukünftigen Kontakt zwischen uns betrifft." "Ein Spender." Vielleicht war er derjenige, der schwer von Begriff war. "Sie haben ,Spender' gesagt, stimmts?" Maxi krauste die Stirn und betrachtete ihn besorgt. "Warum wiederholen Sie alles? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?" Sie war diejenige, die verrückt war. Und falls sie es nicht wusste, würde er es ihr klarmachen. "Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, keine Mutmaßungen anzustellen?" "Ja." "Dann fangen Sie damit an." Sie wollte wieder aufspringen, doch er hielt sie zurück. "Bevor Sie wieder im Zimmer auf und ab gehen, müssen Sie mir etwas erklären." Maxi seufzte entnervt. "Was soll ich Ihnen erklären?" "Ich werde Ihnen eine Frage stellen, und Sie werden mir diese Frage so präzise wie möglich beantworten. Verstanden?" "So präzise wie möglich. Verstanden."
"Okay. Also, von was für einem Spender reden Sie und von was für einer Klinik?" "Von einem Samenspender in einer Fertilitätsklinik." Verwirrt blickte sie ihn an. "Was dachten Sie denn, wovon wir die ganze Zeit reden?"
2. KAPITEL Noah blickte Maxi ungläubig an. "Wofür suchen Sie jemanden?" Sie sprang auf. Warum wirkte er so schockiert? Er hatte doch gesagt, dass ihre Mutter ihn engagiert hätte und von der Anzeige wüsste. Also warum war er plötzlich so wütend? "Um ein Baby zu zeugen, natürlich. Haben wir darüber nicht die ganze Zeit gesprochen?" "Sie vielleicht, aber..." Maxi ging im Zimmer auf und ab, um sich zu beruhigen. "Begreifen Sie denn nicht? Ich habe diese Methode gewählt, weil eine Klinik so ... klinisch ist. So unpersönlich. Das finde ich schrecklich! Ein Baby zu bekommen sollte kein klinischer Vorgang sein. Und auch nicht unpersönlich." Sie nahm sich noch eine Praline und ließ sie auf der Zunge zergehen. Sofort ging es ihr besser. Sie hielt ihm die Schachtel entgegen. "Möchten Sie auch eine?" "Nein. Ich möchte eine Erklärung." "Sie wissen gar nicht, was Ihnen entgeht." Offenbar hatte der Mann keinen Sinn für die Genüsse des Lebens. "Ich möchte alles über den Mann erfahren, der meinen Sohn oder meine Tochter zeugen wird - wie er aussieht, was für Ansichten er hat und ob in seinem Schädel mehr als zwei Gehirnzellen arbeiten." "Brr! Stopp!" Noah fluchte leise. Maxi stemmte die Hände in die Hüften und drehte sich zu ihm. "Was ist?"
"Sind die Männer draußen alle deswegen hier?" "Natürlich." "Sie suchen jemanden, der ein Kind mit Ihnen zeugt?" Sie krauste die Stirn. "Vielleicht sollte ich auch einen Psychotest machen lassen, nur um sicherzugehen." "Ich schlage vor, dass Sie auch einen machen." Noah stand auf und blickte auf sie herab. Vielleicht lag es an seiner Vorliebe für Schwarz, dass er so Furcht einflößend wirkte. Hätte er nicht wenigstens etwas Farbenfrohes dazu tragen können? Vielleicht lag es auch gar nicht an seiner Farbwahl, sondern an seiner muskulösen Statur, die seine Kleidung noch betonte. Oder daran, wie er sie aus seinen grauen Augen ansah. Jedenfalls musste sie sich zusammenreißen, um nicht wie ein Schulmädchen zu erschauern. So hatte sie nicht mehr empfunden, seit... seit... Wenn sie richtig darüber nachdachte, musste sie zugeben, dass sie noch nie so empfunden hatte. "Haben Sie den Verstand verloren?" fragte Noah. Maxi machte ein finsteres Gesicht. "Ich glaube schon. Vielleicht könnte ich einen klaren Gedanken fassen, wenn Sie ..." Sie betrachtete seine muskulöse Brust. "... all das ein Stückchen wegbewegen würden." Er zog die Brauen hoch. Sie waren auch dunkel. Der ärgerliche Ausdruck in seinen Augen wich einem amüsierten Funkeln. "Stehe ich zu dicht vor Ihnen?" "Ja. Ehrlich gesagt, gehöre ich zu den Leuten, die keinen Sinn für persönlichen Freiraum haben. Aber Sie ..." Sie schüttelte den Kopf. "Vielleicht brauche ich eine Pufferzone." Noah wich einen Schritt zurück. "Besser?" "Danke vielmals." "Gut. Jetzt können Sie vielleicht meine Fragen beantworten. Sie suchen per Annonce nach einem Samenspender?" "Ja. Allerdings habe ich es etwas höflicher formuliert." "Wie höflich?"
Maxi ging zum Couchtisch und nahm einen Zeitungsausschnitt in die Hand. "Hat Babe Ihnen das gezeigt?" Noah nahm den Ausschnitt entgegen und seine Lesebrille aus der Tasche. Er runzelte die Stirn, doch das lag vermutlich an der Lesebrille. Jedenfalls hätte sie darauf gewettet, dass er die Brille hasste, weil sie eine Schwäche verriet. Ein Mann wie Noah mochte Schwächen bei anderen akzeptieren, aber bestimmt nicht bei sich. Nachdem er die Brille aufgesetzt hatte, las er den Text vor: Mann zwischen 25 und 40 gesucht, der alles in einer flüchtigen romantischen Begegnung gibt. Gute Bezahlung. Bedingung ist, dass seine Bemühungen Früchte tragen und er in einem Vertrag bestätigt, dass alle Ergebnisse alleiniges Eigentum der Empfängerin sind... "Sehen Sie? Es ist sehr taktvoll." "Sie meinen, es lockt garantiert jeden Verrückten westlich des Mississippi an Ihre Haustür." Er nahm die Brille ab und steckte sie wieder in die Tasche. "Wenigstens waren Sie so vernünftig, ein Postfach anzugeben." "Natürlich." "Ich hoffe, Sie haben außerdem ein Foto, einen Lebenslauf und Zeugnisse verlangt." "Ja, ich..." Maxi verstummte. Moment mal, dachte sie, irgendwas stimmt hier nicht. Und sie brauchte nur wenige Sekunden, um herauszufinden, was es war. Noah hatte die Anzeige noch nie gesehen! Misstrauisch betrachtete sie ihn. "Wenn ich es mir recht überlege, habe ich von Ihnen weder ein Foto noch einen Lebenslauf bekommen. Ich würde mich bestimmt daran erinnern." Und ob sie sich daran erinnern würde! "Also wenn Sie nicht wegen der Anzeige hier sind, warum dann?" "Babe hat mich angerufen, nachdem sie in ihr Apartment gezogen war. Sie hat sich Sorgen um Sie gemacht, weil Sie jetzt
ganz allein sind, und dachte, Sie brauchten vielleicht Hilfe. Ich glaube nicht, dass ihr klar war, wie dringend." "He!" Sie runzelte die Stirn, als ihr einfiel, dass ihre Mutter ihn geschickt hatte. "Vielleicht sollten wir noch mal von vorn anfangen. Wer sind Sie? Was machen Sie hier? Und was hat meine Mütter damit zu tun?" "Wer ich bin, wissen Sie bereits. Mein Name ist Noah Hawke, falls Sie es vergessen haben sollten. Babe hat mich als Geburtstagsgeschenk engagiert. Ich soll für Sie arbeiten. Als ich die anderen Männer gesehen habe, dachte ich, Sie würden Vorstellungsgespräche für den Job führen, für den Ihre Mutter mich angeheuert hat. Deswegen habe ich mich vorgedrängelt." "Und was für ein Job ist das?" "Als Mädchen für alles. Assistent. Kammerdiener." Er zuckte die Schultern. "Suchen Sie sich etwas aus." "Vielen Dank, aber ich brauche keine Hilfe. Ich kann selbst auf mich aufpassen, und für alle anderen Tätigkeiten habe ich bereits Leute." "Außer jemanden, der Ihnen dabei hilft, ein Baby zu zeugen?" "Das geht Sie nichts an." "Komisch. Noch vor fünf Minuten haben Sie mich als potenziellen Vater interviewt." "Das war vor fünf Minuten." Maxi deutete zur Tür. "Jetzt möchte ich, dass Sie gehen." "Natürlich. Ich richte Babe gern aus, dass Sie keinen Mitarbeiter mehr brauchen." Noah machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. "Soll ich stattdessen meine Dienste als Babymacher anbieten? Vielleicht schenkt sie Ihnen das zum Geburtstag statt ein Mädchen für alles." "Nein!" Er stellte sich mit Absicht quer. "Nein, ich will nicht, dass sie davon erfährt." , "Sie wird es sowieso irgendwann herausfinden. Oder wollten Sie sie im Dunkeln lassen, bis das Baby da ist?"
"Ich beabsichtige, es ihr zu sagen." Vergeblich versuchte sie, nicht so zu klingen, als würde sie sich rechtfertigen. "Aber ich will nichts überstürzen." "Sie meinen, wenn sie es herausfindet, bevor es passiert ist, wird sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um Sie davon abzubringen?" Maxi schnitt ein Gesicht. "Es kann sein, dass sie ihre Meinung dazu äußert." Sein Lächeln wirkte sehr selbstgefällig. "Dann haben Sie also beschlossen, das Geburtstagsgeschenk Ihrer Mutter anzunehmen?" "Das ist glatte Erpressung!" Noah verschränkte die Arme vor der Brust. "Stimmt." Sie schmorte volle zwei Minuten. "Ich habe wohl keine andere Wahl", erwiderte sie schließlich. "Nein. Ich habe Ihrer Mutter versprochen, diesen Job zu machen, und was ich versprochen habe, halte ich auch. Immer." Er meinte es ernst, das war offensichtlich, denn seine Miene war entschlossen, sein Tonfall duldete keinen Widerspruch, und er wirkte sehr angespannt. Maxi dachte nach. Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, ihn um sich zu haben. Er machte einen kräftigen und intelligenten Eindruck. Vielleicht konnte er sie bei den Vorstellungsgesprächen unterstützen. Einen Assistenten konnte sie gut gebrauchen. Und sie würde ihre Mutter damit glücklich machen. Das allein war die Unannehmlichkeiten wert, die es mit sich brachte, wenn sie Mr. Hawke für eine Weile bei sich aufnahm. Sie mussten nur noch eine winzige Kleinigkeit aus dem Weg räumen. "Werden Sie tun, was ich sage?" fragte Maxi. "Ich werde für Sie arbeiten, falls Sie das meinen." Sie wusste nicht, ob sie seine Antwort komisch finden oder sich darüber ärgern sollte. "Sie machen das noch nicht so lange, stimmts?" Noah betrachtete sie argwöhnisch. "Was meinen Sie damit?"
"Sie scheinen Probleme damit zu haben, Anweisungen entgegenzunehmen. Ist das etwa Ihr erster Job als Mädchen für alles?" Er zögerte kurz und lächelte schließlich ironisch. Jetzt wirkte er nicht mehr kühl und distanziert, sondern gefährlich attraktiv. "Ist das so offensichtlich?" "Keine Angst", erwiderte sie betont mitfühlend, "ich bin fest davon überzeugt, dass Sie es schaffen. Kein Wunder, dass Sie sich so merkwürdig verhalten haben. Sie wissen nicht, was Sie tun." Seine Augen funkelten gefährlich. "Ich weiß nicht, was ich tue?" "Ich glaube nicht, aber das ist kein Problem. Betrachten Sie das hier einfach als Ausbildung am Arbeitsplatz." "Heißt das, ich kann bleiben?" Bezweifelte er es etwa? Der Arme! "Sicher. Wie könnte ich Sie wegschicken, wenn ich weiß, dass es Ihr erster Job ist? Sie hätten es mir gleich sagen sollen, dann wäre ich Ihnen gegenüber viel nachsichtiger gewesen." Das Atmen schien ihm plötzlich schwer zu fallen. "Lassen Sie mich das klarstellen. Sie behalten mich nur, weil ich keine Erfahrung habe?" Maxi strahlte und tätschelte ihm den Arm. "Genau. Wissen Sie was? Warum nehmen Sie heute nicht frei und ruhen sich aus? Morgen können Sie dann anfangen." Sie ging zur Tür und öffnete sie. "Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden ich muss noch mehr Vorstellungsgespräche führen." Noah folgte ihr zur Tür und warf einen Blick in die Diele. "Ein Vorstellungsgespräch." Verwirrt sah sie ihn an. "Wie bitte?" "Vorstellungsgespräch - Singular, nicht Plural. Ihre potenziellen Daddys haben offenbar das Weite gesucht. Alle außer einem, der auf Ihre Kommode geklettert ist." Er warf dem Betreffenden einen amüsierten Blick zu. "Vielleicht überlegen
Sie es sich noch mal. Er scheint kein besonders viel versprechender Kandidat zu sein." Maxi sah in die Richtung, in die er deutete, und war verblüfft. "Kommen Sie da runter", befahl sie. Der Mann schüttelte den Kopf. "Ich rühre mich nicht von der Stelle. Erst schaffen Sie mir diesen Wolf vom Hals!" Interessiert beobachtete sie, wie Noah seinem Hund ein Zeichen gab, von der Kommode wegzugehen. Die beiden waren ein eingespieltes Team und hingen offenbar sehr aneinander. Schließlich wandte sie sich wieder an ihren letzten Kandidaten. "Okay, er ist weg. Sie können jetzt runterkommen." "Er ist harmlos", bemerkte Noah. "Harmlos!" Der Mann lachte humorlos. "Er hat alle verjagt. Er hat sie angeknurrt, die Zähne gebleckt und sich die Lefzen geleckt. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich nicht hier raufgeklettert wäre." "Genau das, was passiert ist. Gar nichts." Loner legte sich hin, schloss die Augen und begann zu schnarchen. "Sehen Sie? Er ist harmlos." Der Mann kletterte von der Kommode und ging zur Haustür, wobei er einen großen Bogen um Loner machte. "Warten Sie", protestierte Maxi. "Was ist mit dem Vorstellungsgespräch?" "Vergessen Sie's. So verzweifelt bin ich nicht." Die Tür knallte hinter ihm zu, und Maxi stemmte die Hände in die Hüften. "Und was soll ich jetzt bitte tun?" "Ich mache Ihnen einen Vorschlag." "Was?" "Suchen Sie sich einen Mann. Dann können Sie so viele Babys zeugen, wie Sie Wollen. Es ist sicherer. Und cleverer." "Ach du meine Güte", ließ sich eine amüsierte Stimme von der Haustür her vernehmen. "Störe ich?" Noah stellte sich vor Maxi. "Allerdings, wenn Sie wegen der Anzeige kommen."
Sie schlug ihm auf den Rücken, Es nützte jedoch nichts. Er schien nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Stahl zu bestehen. "Aus dem Weg, Sie Irrer. Er ist nicht wegen des Vorstellungsgesprächs hier." "Loner?" Der Hund hob den Kopf, schnupperte und entspannte sich wieder. Noah nickte und trat beiseite. "Okay. Keine Gefahr." Wütend funkelte sie ihn an. "Tatsächlich?" Leider ließ ihr Sarkasmus ihn genauso kalt wie ihre Faust. Sie drängte sich an ihm vorbei und umarmte ihren Besucher, erleichtert darüber, dass sie die Gelegenheit hatte, sich wieder zu fangen. Ihr neues Mädchen für alles übte nämlich eine beunruhigende Wirkung auf sie aus. "Onkel Reggie! Wie schön, dich zu sehen!" "Hallo, meine Liebe", erwiderte Reggie Fontaine herzlich. "Wie geht es dir?" "Gut." Sie krallte die Finger in seinen tadellos gebügelten Hemdkragen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Wo bist du gewesen? Du warst wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe dich vermisst." "Tut mir Leid, meine Liebe. Manchmal geht das Geschäft nun mal vor." Er ließ den Blick zu Noah schweifen. "Willst du uns nicht miteinander bekannt machen?" Das tat sie nur äußerst ungern. Da ihr Onkel jedoch großen Wert auf gute Manieren legte, blieb ihr nichts anderes übrig. "Oh, Entschuldigung. Das ist Noah Hawke. Noah, das ist mein Onkel Reggie Fontaine." Reggie runzelte die Stirn, als er Noah die Hand schüttelte. "Hawke ... Hawke ... Der Name kommt mir bekannt vor." "Du denkst an Mel Hawke, Mutters ehemaligen Verlobten", erklärte Maxi schnell. "Noah ist entfernt mit ihm verwandt." Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht. "Hat Mel wieder Kontakt zu Babe? Ich dachte, es wäre aus und vorbei." "Nein, er hat keinen Kontakt mehr zu ihr", warf Noah ein. "Ja, es ist aus und vorbei. Und ich bin nicht deswegen hier."
Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Ich bin Maxis Mitarbeiter." "Mitarbeiter?" Reggie wirkte überrascht, und in seine sanften blauen Augen trat ein neugieriger und zugleich besorgter Ausdruck. "Ich bin tatsächlich zu lange weg gewesen. Wann ist das passiert?" Maxi blickte von einem zum anderen und spürte ein stillschweigendes Einverständnis zwischen den beiden, das ihr Unbehagen verursachte. "Eben gerade." "Ich bin ein Geburtstagsgeschenk von Babe." Noah verschränkte die Arme vor der Brust und stellte sich vor ihren Onkel. "Was immer Ms. Fontaine braucht, werde ich ihr geben." Reggie zog eine Augenbraue hoch. "Alles?" "Alles", bestätigte Noah. Maxi drängte sich zwischen die beiden und nahm ihren Ellbogen zu Hilfe, um Noah wegzuschieben. Allerdings tat es ihr vermutlich mehr weh als ihm. Dieser unmögliche Kerl! "Ich glaube, Sie haben vergessen, das zu erwähnen." "Das müssen Sie mir nachsehen", erwiderte er ungerührt. "Wir sind noch gar nicht dazu gekommen, über mein Aufgabengebiet zu sprechen. Ich dachte, wir könnten es tun, nachdem ich eingezogen bin." "Nachdem Sie eingezogen sind?" Entsetzt blickte Reggie zwischen ihr und Noah hin und her. "Halten Sie das für klug?" Noah schenkte ihm ein Lächeln, das so unschuldig war wie das eines gefallenen Engels. Es stand ihm. Sein Hund stand jetzt auf und nahm an seiner Seite Platz, was Noah noch gefährlicher erscheinen ließ. "Wie soll ich ihr sonst alles geben, was sie braucht?" "Entschuldigen Sie uns bitte." Reggie umfasste ihren Arm und nahm sie beiseite. "Hast du diesen Mann überprüft?" erkundigte er sich leise. "Kannst du ihn unbesorgt hier einziehen lassen?" "Nein, ich habe ihn nicht überprüft", erwiderte sie geduldig und blickte verstohlen zu Noah, der vermutlich alles mitgehört
hatte. Der ironische Ausdruck in seinen Augen bestätigte ihre Vermutung. "Babe hat ihn engagiert. Wenn es dich beruhigt, frage ich sie, ob sie ihn überprüft hat." "Du weißt, wie wichtig deine Mutter mir ist. Aber sie ..." Reggie seufzte. "Ich möchte nicht unhöflich sein, meine Liebe, aber deine Mutter ist nicht gerade vorsichtig. Es würde mich sehr überraschen, wenn sie mehr getan hätte, als nur einen Blick auf den beeindruckenden Mr. Hawke zu werfen und ihn auf Grund ihres berühmt-berüchtigten Instinkts für geeignet zu befinden." "Sie hat eben kein Glück mit den Männern", räumte Maxi ein. "Das ist sehr taktvoll ausgedrückt, meine Liebe. Meiner Meinung nach hat deine Mutter überhaupt keine Menschenkenntnis." Der Meinung war sie auch. Allerdings hätte sie es ihrem Onkel gegenüber niemals zugegeben. "Bestimmt dachte sie, ich brauche Hilfe, nachdem sie ausgezogen ist", erklärte sie ausweichend. "Dann ..." Ihr Onkel räusperte sich. "Hat deine Mutter einen neuen Freund?" "Wenn ja, hat sie es mir nicht erzählt." "Aber sie zieht nur aus, wenn sie einen neuen Freund hat, stimmts?" Ein bedauernder Ausdruck trat in seine Augen. "Wahrscheinlich werden wir bald eine Einladung zu Hochzeit Nummer fünf bekommen." "Sechs." Maxi berührte ihn am Arm. "Sie hat Daddy über alles geliebt, Onkel Reg. Das weißt du. Niemand wird ihn je ersetzen können." "Trotzdem versucht sie es weiterhin. Nicht, dass mein Bruder leicht zu ersetzen wäre." "Vielleicht ist der nächste Mann anders." Reggie presste die Lippen zusammen. "Kennst du ihn?"
"Wie gesagt weiß ich nichts von einem neuen Freund." Sie schnitt ein Gesicht. "Du kennst Babe." "Ja, meine Liebe." Er lächelte melancholisch. "Ich kenne die Macken deiner Mutter." "Diese ist mir jedenfalls neu. Sie hat immer auf einen Verlobungsring gewartet, bevor sie ausgezogen ist. Diesmal hat sie nicht einmal eine Andeutung gemacht. Vor einigen Tagen hat sie ihre Sachen gepackt, mir einen Kuss auf die Wange gegeben und ist zur Tür hinausgeschwebt. Ich sehe sie nur, wenn sie vorbeikommt, um ihre Post abzuholen." "Was, in aller Welt, führt sie nur im Schilde?" Maxi biss sich auf die Lippe. Was sollte sie darauf antworten? Babe war unberechenbar. "Vielleicht möchte sie eine Zeit lang allein wohnen. Sie ist in das Apartment in Nob Hill gezogen." Ihre Worte machten Reggie nachdenklich. Er stand ganz aufrecht und wirkte angespannt. Schließlich zerrte er an seinem Hemdkragen und fixierte einen Punkt über ihrem Kopf. "Deine Mutter gehört nicht zu den Leuten, die lange allein wohnen können. Wir müssen uns wohl auf das Schlimmste gefasst machen." "Vielleicht ist es diesmal das Beste." Aus irgendeinem Grund deprimierte ihn das noch mehr. "Das können wir nur hoffen. Deine Mutter hat es verdient, glücklich zu werden. Vielleicht würde sie das Glück finden, wenn sie sich nicht von einer Ehe ..." Er verstummte und wurde rot. "In die nächste stürzen würde?" ergänzte Maxi trocken. Reggie machte ein gequältes Gesicht. "Entschuldige, meine Liebe. Das war sehr unhöflich." Sie tätschelte ihm den Arm. "Nicht unhöflich, sondern ehrlich." "Und, Ms. Fontaine?" ließ Noah sich vernehmen. "Wie lautet das Urteil? Wollen Sie Ihr Leben riskieren, um mich zu behalten? Oder soll ich jetzt gehen?"
Maxi lächelte ihrem Onkel aufmunternd zu, bevor sie wieder zu ihrem "Mitarbeiter" ging. Es war lächerlich, ihn so zu nennen, denn sie war noch nie einem Mann begegnet, der so viel Unabhängigkeit verkörperte. Seine Augen waren dunkler geworden, als sie mit ihrem Onkel gesprochen hatte, und funkelten jetzt kalt. "Wie könnte ich das Geburtstagsgeschenk meiner Mutter ablehnen? Oder Ihnen die Chance auf Ihren ersten Job als Mädchen für alles verwehren?" meinte sie lässig. "Ihnen ist doch klar, dass ich Zeugnisse und einen Lebenslauf brauche?" "Sonst sehe ich mich gezwungen, ein Machtwort zu sprechen", erklärte Reggie. "Das ist kein Problem." "Wann würde es Ihnen passen, bei mir einzuziehen?" Bevor Noah antworten konnte, kam ein kleiner Junge ins Haus gestürmt. "Hallo, Maxi! Du musst unbedingt den Wagen draußen sehen. Der ist riesig. Und dann steht da dieser große Typ. Er trägt 'ne Uniform und so." "Hallo, Pudge", begrüßte Maxi ihren Helfer. "Du bist spät dran. Du musstest doch nicht wieder nachsitzen, oder?" "Nee. Ich hab draußen geholfen. Du bist spät dran. Oh!" Er schnippte mit dem Finger. "Das hätte ich beinah vergessen. Komm schnell. Deswegen bin ich ja hier." "Ich glaube, ich sollte jetzt gehen", verkündete Reggie. "O nein", protestierte Maxi. "Kannst du nicht zum Abendessen bleiben?" Er warf einen flüchtigen Blick in Noahs Richtung. "Diesmal leider nicht. Aber wir sehen uns bald wieder." "Versprochen?" "Ich halte meine Versprechen immer, meine Liebe. Das weißt du doch." "Ist das Ihr Wagen?" mischte Pudge sich ein. "Der große vorm Haus?"
Reggie lächelte amüsiert. "Ja, das ist mein Wagen, junger Mann." "Und der Riese auch? Gehört er Ihnen?" "Das ist mein Chauffeur." "Wow!" "Pudge?" fragte Maxi. "Gibt es ein Problem." "Oh ... Du musst schnell kommen. Draußen ist der Teufel los." Reggie gab ihr einen Kuss auf die Wange. "Wir telefonieren, ja?" "Natürlich", erwiderte sie geistesabwesend. Was, in aller Welt, war nur passiert? "Mir passt es immer." "Meine Liebe ..." Er verstummte und schüttelte den Kopf, wobei er zerknirscht lächelte. "Vergiss es. Ein andermal." Irgendetwas an seinem Tonfall machte sie stutzig. "Onkel Reggie?" "Schon gut. Wir holen das später nach." Nachdem er sie umarmt hatte, verließ er das Haus. "Was ist los, Pudge?" erkundigte sich Noah und ließ den Blick von dem Jungen zu ihr schweifen. "Vielleicht kann ich irgendwie helfen." Helfen? Das ist keine gute Idee, dachte Maxi. Noah hatte einen großen Fehler. Er übernahm gern das Kommando. Und dies war eine Situation, mit der sie lieber allein fertig wurde. "Ich kümmere mich schon darum", sagte sie schnell. "Sie wollten sich heute ausruhen, falls Sie es vergessen haben sollten. Sie fangen erst morgen an." Noah zog eine Augenbraue hoch. "Sehe ich so aus, als müsste ich mich ausruhen?" Noch bevor sie darauf antworten konnte, fügte er hinzu: "Was halten Sie davon, wenn ich zuschaue? Dann bekomme ich einen Eindruck vom Tagesablauf hier." Pudge zerrte an ihrem Arm. "Beeil dich!" Maxi blies sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hatte den Eindruck, dass sie keine andere Wahl hatte. Noah wollte ihr
nach draußen folgen, ob sie wollte oder nicht. "Also gut. Aber sehen Sie zu, dass Sie niemandem Angst einjagen." Er musterte sie durchdringend. "Angst einjagen? Was soll das heißen?" Maxi stemmte die Hände in die Hüften. "Sie können sehr Furcht einflößend sein, falls Sie es nicht wissen sollten. Und mir wäre es lieber, wenn Sie niemanden aus der Fassung bringen würden, indem Sie etwas Herausforderndes sagen, Ihre Muskeln spielen lassen oder ihn mit diesem Blick ansehen." "Mit was für einem Blick?" Pudge sprang ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. "Wenn du nicht gleich kommst, bringen sie sich gegenseitig um." Wieder einmal stellte Noah sich vor sie. "Nicht solange ich dabei bin." Sie wollte ihn wegschieben, überlegte es sich dann jedoch anders und ging an ihm vorbei. Dabei warf sie ihm einen wütenden Blick über die Schulter zu. "Mit dem Blick, Tarzan."
3. KAPITEL Maxi ging mit Pudge den Flur entlang zur Rückseite des Hauses. Obwohl sie seine Schritte nicht hörte, spürte sie, dass Noah ihr folgte. Wie seltsam! Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken, und Hitzewellen durchfluteten sie. Wer, zum Teufel, war dieser Mann, und warum hatte Babe ihn engagiert? Er war nicht der Typ, der für andere arbeitete, denn er schien nicht gern Anweisungen entgegenzunehmen. Tatsächlich erteilte er lieber Anweisungen, wie sie, Maxi, inzwischen festgestellt hatte. Und er hatte zugegeben, dass dies sein erster Job als Assistent war. Das brachte sie auf ihre erste Frage zurück. Warum war er hier? Sobald sie allein war, würde sie Babe aufsuchen und einige Antworten von ihr verlangen. Dann würde sie entscheiden, ob sie sich über ihr Geburtstagsgeschenk freuen oder es umtauschen würde. Maxi öffnete eine Tür, die von der Küche abging und zu einem kleinen Gebäude führte. Es war einmal eine Garage gewesen, doch als Widget und Pudge bei ihr eingezogen waren, hatte sie das Erdgeschoss in Mehrzweckräume umgewandelt und das erste Stockwerk in eine Wohnung für ihre neuen Freunde. "Und nun alle Mann ruhig bleiben, ja?" "Du weißt nicht, was da drinnen los ist, sonst würdest du das nicht sagen", warnte Pudge sie. Maxi seufzte. "Na toll!" "Warum gehe ich nicht vor?" schlug Noah vor.
Bevor sie irgendwelche Einwände erheben konnte, öffnete er die Tür und ging voran, wobei er sich zwischen sie und die anderen im Raum stellte. Er wollte sie beschützen, aber es ärgerte sie. Sie blickte um ihn herum und stöhnte. Im Raum herrschte das absolute Chaos. Zwei Frauen schrien sich in zwei verschiedenen Sprachen an, während Kinder lachend und schreiend hin und her liefen. Aus einer großen Box schallte laute Musik, und im ganzen Raum war Kleidung verstreut. Eine dritte Frau kauerte in einer Ecke und wirkte todunglücklich. "Was ist hier los?" fragte Maxi, doch niemand beachtete sie. "He!" "Darf ich?" meinte Noah. Da sie nichts erreicht hatte, nickte sie. "Klar. Warum nicht?" Er blickte seinen Hund an und gab ihm ein Zeichen. Daraufhin sprang dieser bellend in den Raum und scheuchte die Kinder auf eine Seite. Der Lärm ließ nur ein wenig nach. Dann stieß Noah einen schrillen Pfiff aus, und sofort wurde es ruhig. Die Frauen drehten sich um und blickten Maxi und ihn starr an, während die Kinder sich um den Hund versammelten und sich begeistert über ihn äußerten. "Haben Sie ein Problem, Ladys?" erkundigte sich Noah. Sofort stürmten sie auf ihn zu und begannen, auf ihn einzureden. Erstaunt beobachtete Maxi, wie er die Hand hob und sie damit zum Schweigen brachte. "Bitte immer nur eine zur Zeit." Die älteste der Frauen, Daria, stemmte die Hände in die Hüften und wechselte vom Spanischen ins Englische. "Der Plan ist weg, und wir können uns nicht darauf einigen, was wann gemacht werden soll." "Wo ist Rosie?" fragte Maxi. "Sie hat eine Kopie." "Rosie hat einen Arzttermin." Daria deutete auf die Kinder. "Deswegen haben wir niemanden, der auf die Kinder aufpasst. Ich versuche, ein Outfit für Widget herauszusuchen, aber Carmela sagt, sie muss sie schminken und frisieren."
Maxi zuckte zusammen. Widgets schmales Gesicht war grell bemalt und ihr Haar unvorteilhaft toupiert. Das arme Mädchen war den Tränen nahe. Pudge schüttelte verächtlich den Kopf. "Siehst du, was sie mit meiner Schwester gemacht haben? Wie soll sie 'nen Job bekommen, wenn sie wie 'ne Missgeburt aussieht?" "Widget, warum gehst du nicht ins Bad und wäschst dir das Gesicht?" schlug Maxi vor. "Da wir niemanden haben, der auf die Kinder aufpasst, können wir uns ein andermal um dein Haar und dein Make-up kümmern. Vielleicht solltest du heute lieber deinen Lebenslauf schreiben, meinst du nicht?" Widget wirkte sehr erleichtert. "Ja, gern", erwiderte sie leise. "Geh ins Computerzimmer, wenn du fertig bist, und mach dich an die Arbeit." "Gute Idee, aber Leonard ist schon eine Stunde zu spät", warf Daria ein. "Niemand kann ihr mit diesem verrückten Computer helfen." Maxi wandte sich zu Noah um. "Verstehen Sie etwas von Computern und Lebensläufen?" "Sie anscheinend nicht, oder?" "Es ist nicht gerade eine meiner Stärken, nein. Und machen Sie nicht so ein überhebliches Gesicht. Ich könnte es lernen, wenn ich wollte. Ich habe nur keine Lust..." "Vielleicht sollten wir den Gedanken nicht weiterspinnen", sagte er freundlich. Sie schnitt ein Gesicht. "Vielleicht haben Sie Recht. Konzentrieren wir uns auf Widget. Können Sie ihr helfen oder nicht?" "Ich schätze, ich kann mich irgendwie durchwursteln." "Toll." Maxi drehte sich wieder zu den anderen Frauen um. "Okay, Daria? Warum suchst du Widget nicht passende Sachen raus? Da sie nicht als Stripteasetänzerin oder Wahrsagerin arbeiten will, sollte es etwas Schlichtes und Geschäftsmäßiges sein. Ich weiß, ich habe gut reden, aber pass auf, dass es nicht zu
bunt wird." Dann wandte sie sich an Carmela. "Da Rosie nicht da ist, könntest du dich um die Kinder kümmern?" "Kein Problem." "Phantastisch." Erneut wandte Maxi sich an Noah. "Damit wären wir wieder bei Ihnen. Das Computerzimmer ist hier entlang." "Warum erklären Sie mir nicht, was hier los ist?" meinte er. "Klar." Sobald sie außer Hörweite waren, fuhr Maxi fort: "Daria und Carmela sind Verwandte meiner Haushälterin Rosie. Als ich gehört habe, dass sie einen Job suchen, habe ich sie eingestellt, damit sie Widget helfen. Na ja, und Rosie auch, weil sie nächsten Monat ihr Kind bekommt." "Und wobei sollen sie Widget helfen?" "Einen Job zu finden." Es dauerte eine volle Minute, bis Noah antwortete. "Sie haben zwei Frauen eingestellt, damit sie einer anderen Frau bei der Jobsuche helfen?" "Genau." "Warum haben Sie nicht einfach Widget eingestellt?" Dafür, dass er so clever war, fiel es ihm schwer, einfache Sachverhalte nachzuvollziehen - zumindest was ihre eigene Logik betraf. "Weil Daria und Carmela auch einen Job brauchten." "Da komme ich nicht mehr mit." Maxi seufzte ungeduldig. "Keine von ihnen hat besonders gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Daria ist verwitwet und allein erziehende Mutter von vier Kindern. Carmela hat zwei Kinder bekommen, als sie selbst noch eins war, und holt gerade auf dem zweiten Bildungsweg ihren High-School-Abschluss nach." "Sind das eben ihre Kinder gewesen?" "Richtig. Da sie ihre Kinder während der Arbeit bei sich haben können, brauchen sie keine Tagesmutter. Und da keine
von ihnen je einen richtigen Job gehabt hat..." Sie verstummte und zuckte die Schultern. "Jetzt ist mir klar, warum sie Widget eine so große Hilfe sind", bemerkte Noah leise. "Was sind Widget und Pudge eigentlich für Namen?" "Die, auf die sie hören", erwiderte sie ruhig. "Wenn sie ihre richtigen Namen benutzen wollen, benutzen wir die. Haben Sie ein Problem damit?" Er atmete tief durch. "Tut mir Leid, Maxi. Das war unhöflich von mir." "Schon gut. Allerdings wäre es mir lieber, wenn Sie Ihren Sarkasmus auf ein Minimum beschränken würden, besonders den Frauen gegenüber. Sie machen das Beste aus ihrer Situation, und ich möchte nicht, dass Sie ihr Selbstvertrauen untergraben." "Sie haben Recht. Tut mir Leid." Es war offensichtlich, dass er es ernst meinte, und sie verzieh ihm sofort. Man hatte ihn mit einer merkwürdigen Situation konfrontiert, und sie konnte es sich leisten, ihm gelegentliche Fehleinschätzungen nachzusehen. In Anbetracht der Tatsache, dass ihr auch ständig Fehleinschätzungen unterliefen, würde er sich bestimmt bald bei ihr revanchieren. Maxi lächelte. "Entschuldigung angenommen." "Sie sagen, Sie hätten Carmela und Daria eingestellt, damit sie Widget bei der Jobsuche helfen?" "Ja. Ohne Ausbildung hat sie keine guten Aussichten. Sie konnte sich nicht einmal ordentliche Sachen für ein Vorstellungsgespräch leisten." "Was die verstreuten Sachen auf dem Boden erklärt." "Richtig. Und selbst wenn sie die passenden Sachen hat, liegt noch einiges im Argen. Sie weiß nicht, wie sie sich bei einem Vorstellungsgespräch verhalten soll. Allein die Vorstellung, sich um einen Job zu bewerben, macht ihr Angst." "Dann helfen Sie ihr also dabei." "Ja."
"Sie leihen ihr Sachen, zeigen ihr, wie sie sich schminken und frisieren soll, und helfen ihr dabei, einen Lebenslauf zu schreiben. Ich schätze, das ist noch nicht alles, oder?" "Nicht ganz. Man könnte Widget als Gemeinschaftsprojekt bezeichnen. Daria ist für ihre Garderobe verantwortlich. Carmela kümmert sich um ihre Frisur und ihr Make-up." "Auch wenn ich Ihnen damit wieder zu nahe trete, sollten Sie sich vielleicht überlegen, ob Sie Carmela auch Unterricht geben." Maxi lachte. "Sie hat ein bisschen zu tief in den Farbtopf gegriffen, stimmts?" "Nett ausgedrückt. Ich nehme an, Leonard ist für den Lebenslauf zuständig?" "Ja, und außerdem trainiert er mit Widget Vorstellungsgespräche. Sie ist sehr schüchtern. Bisher konnten wir ihr nicht mehr als ein Flüstern entlocken. Aber ich hoffe, dass uns bald der Durchbruch gelingt." "Vielleicht kann ich Ihnen dabei helfen." "Wirklich?" Spontan berührte sie seinen Arm und spürte, wie seine Muskeln sich daraufhin anspannten. Ein Prickeln überlief sie. Warum hatte ihre Mutter einen so attraktiven Mann wie ihn engagieren müssen? Hätte sie nicht jemanden nehmen können, der älter war und weniger gut gebaut oder sogar hässlich? Wenn er hässlich gewesen wäre, hätte es ihr geholfen - bis zu dem Moment, in dem er sie aus diesen silbergrauen Augen angesehen und mit dieser verführerischen Stimme gesprochen hatte. Dann wäre es genauso um sie geschehen gewesen. Maxi zog die Hand zurück und öffnete energisch die Tür zum Computerzimmer. "So", verkündete sie fröhlich, "da sind wir. Hier ist alles, was Sie brauchen, um Widget beim Lebenslauf zu helfen und ein Vorstellungsgespräch zu simulieren. Ah, da kommt sie ja."
"Maxi?" Noah setzte schon wieder seine verführerische Stimme ein. Unwillkürlich wich Maxi einen Schritt zurück. "Ich sehe mal nach Daria und Carmela und vergewissere mich, dass Loner keines der Kinder gefressen hat." Sie setzte ein Lächeln auf. "Das war übrigens ein Witz. Wir sehen uns später." Er neigte den Kopf. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Gut. Bis später." Maxi hob die Hand. "Bye." "Bye." Etwas anderes fiel ihr nicht ein. Sie riss sich zusammen, wandte sich ab und ging. Dabei spürte sie, wie er ihr nachblickte. Allerdings wagte sie es nicht, sich umzudrehen, denn bestimmt lachte er gerade über sie. Wie erniedrigend! Es gelang ihr, Noah fünf Minuten allein mit Widget zu geben. Schließlich gewann ihre Neugier die Oberhand, und Maxi warf einen Blick ins Computerzimmer. Widget saß am Computer und tippte langsam, während Noah hinter ihr stand, die Lesebrille auf der Nase, und ihr zusah. Ab und zu blickte sie über die Schulter und lächelte ihn schüchtern an. Er machte großen Eindruck auf sie, wie Maxi zufrieden feststellte. Doch auf sie hatte er auch großen Eindruck gemacht. Wenn sie bedachte, dass sie mehr als bereit gewesen war, ein Kind mit ihm zu zeugen ... Zum ersten Mal seit langem errötete sie. "Gibt es ein Problem?" rief Noah. "Ich wollte nur mal fragen, ob Sie Hilfe brauchen", erwiderte sie forschfröhlich. "Ich habe alles unter Kontrolle." "Er ist wundervoll", gestand Widget schüchtern. "Er meinte, ich könnte mit ihm üben." Maxi zog die Augenbrauen hoch. "Üben?" In seine Augen trat ein wissender Ausdruck. "Das Vorstellungsgespräch. Ich werde den potenziellen Arbeitgeber spielen."
"Oh:" Wie sollte sie nur ihre nächste Frage formulieren, ohne ihn zu beleidigen? "Wissen Sie denn, was für Fragen Sie stellen müssen?" "Ich glaube schon. Schließlich hatte ich Sie als Vorbild." Wie süß! "Sie sollten Widget hart rannehmen, damit sie auf alles gefasst ist." "Verstanden." Maxi betrat das Zimmer. "Nehmen Sie sie in die Zange. Zwingen Sie sie, sich zu behaupten." "Alles klar." "Vielleicht sollte ich ..." Noah trat vom Computer weg, nahm seine Lesebrille ab und steckte sie in die Tasche. "Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment", sagte er zu Widget und lächelte sie an, woraufhin sie prompt errötete. Dann kam er auf sie, Maxi, zu, nahm sie beim Arm und führte sie nach draußen. "Was ist los?" "Wenn Sie mich besser kennen würden, hätten Sie es nicht für nötig befunden, mich zu kontrollieren." "Aber Sie haben so etwas noch nie gemacht", protestierte sie. "Ich dachte, Sie brauchten vielleicht Hilfe." "Sehe ich aus, als wäre ich unfähig?" "Nein! Ich gebe zu, dass ich Sie nicht unbedingt als unfähig bezeichnen würde." "Mache ich den Eindruck, als wäre ich mir über mein Aufgabengebiet nicht im Klaren?" Maxi räusperte sich. "Nein, den Eindruck machen Sie nicht." Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu. "Sie wirken vielmehr wütend." "Können Sie sich mich in der Rolle des autoritären Arbeitgebers vorstellen?" "Ja, das kann ich." "Und warum denken Sie dann, ich brauchte vielleicht Hilfe?"
Damit hatte er sie. "Weil Sie neu hier sind." Etwas Besseres fiel ihr nicht ein. "Verstehe." Nein, das tat er nicht. Sie mochte in mancher Hinsicht schwer von Begriff sein, doch sein ironischer Tonfall war ihr nicht entgangen. Maxi versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, und Noah ließ sie sofort los. Obwohl er distanziert wirkte, spürte sie, wie es in ihm brodelte. Sie konnte sich nicht entsinnen, dass sie je jemand derart aus der Fassung gebracht hatte. Selbst der hartgesottenste Zeitgenosse schmolz bei ihrem Lächeln förmlich dahin. Noah aber war anders. Ganz anders. "Da ich Ihren Lebenslauf nicht gesehen habe, weiß ich auch nicht, was Sie können. Daher ist es ganz natürlich, wenn ich Sie kontrolliere und mich vergewissere, ob Sie klarkommen." "Ms. Fontaine?" "Bitte nennen Sie mich Maxi. Niemand ..." "Ms. Fontaine." Maxi schluckte. Wann hatte der Rollentausch stattgefunden? Sie hätte schwören können, dass sie die Arbeitgeberin war. Doch Noahs eisiger Tonfall bewirkte, dass sie sich wie eine Anfängerin fühlte. "Ja?" Nur mit Mühe gelang es ihr, ein "Ja, Sir?" zu unterdrücken. "Wenn ich Ihnen sage, dass ich klarkomme, vertrauen Sie mir dann?" "Absolut." Es schien die klügste Antwort zu sein. "Ich gehe jetzt wieder ins Computerzimmer." "Sie möchten nicht, dass ich noch einmal hier auftauche, stimmts?" Noah lächelte doch tatsächlich. Maxi betrachtete ihn fasziniert. "Eine kluge Entscheidung." Er wandte sich ab, ging wieder ins Computerzimmer und schloss die Tür hinter sich. Maxi sank gegen die Wand. "Ach du meine Güte", sagte sie leise, "ich stecke in ernsthaften Schwierigkeiten."
"Und? Hat sie dir die Geschichte abgekauft?" erkundigte sich Babe. Noah seufzte. "Ja, hat sie. Allerdings wird es nichts bringen." "Was meinst du damit?" "Es gibt zu viele Leute, die Zugang zum Haus haben." Das Telefon zwischen Kopf und Schulter geklemmt, faltete er seine Sachen zusammen und tat sie in den Matchbeutel. "Das macht alles viel schwieriger." "Oh. Du meinst Maxis Arbeitslosenprojekt. Deswegen würde ich mir keine Sorgen machen. Ich glaube nicht, dass die Frauen, denen meine Tochter hilft, ihr Schaden zufügen würden." "Unter den gegebenen Umständen würde ich niemanden ausschließen." Er zögerte und wünschte, Maxis anderes "Projekt" erwähnen zu können, doch das ging nicht. Es wäre unprofessionell und unmoralisch gewesen. "Babe, lass uns die Polizei verständigen. Wenn Maxi ein zurückhaltender Typ wäre, der kaum das Haus verlässt, könnte ich sie vielleicht beschützen. Aber sie ist..." Sie war eine Sternschnuppe. Ein Sonnenstrahl. Eine Farbpalette. Mit ihrem welligen blonden Haar, das ihr ins Gesicht fiel, den hellgrünen Augen, den vollen Lippen, die er gern gekostet hätte, und ihrem ansteckenden Humor fegte sie wie ein Wirbelwind über ihn hinweg und warf seine gesamte Logik über den Haufen, Was würde sie tun, wenn er der Anziehungskraft zwischen ihnen verfiel und sie küsste? Sicher würde sie lachen, denn sie lachte über alles. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie es wäre, ihre Lippen zu berühren, wie sie dem Drängen seiner Zunge nachgeben und ihre Belustigung stürmischer Leidenschaft weichen würde. Sein Magen krampfte sich zusammen. Maxi zwang ihn, Noah, sich Gefühle einzugestehen, die er besser unterdrückte. Die nächsten Wochen würden problematisch werden. Sehr problematisch.
"Du kannst niemanden einweihen", erklärte Babe unnachgiebig. "Bist du noch da, Noah? Du hast mir versprochen, dass es unter uns bleibt. Und du schuldest mir etwas, so ungern ich dich daran erinnere." "Ja, richtig." Allerdings hätte er es nie für möglich gehalten, dass sie diese Schuld einfordern würde. "Na gut. Ich gebe uns zwei Wochen, Babe. Wenn wir bis dahin nicht herausgefunden haben, wer den Brief geschickt hat, verständige ich die Polizei. Verstanden?" "Gut." Lachen drang an sein Ohr. Es war dem Maxis sehr ähnlich. "Dann habe ich genug Zeit, um mir eine neue Taktik auszudenken." O verdammt! Babe und Maxi Fontaine waren sein Ruin! "Was für eine neue Taktik?" "Um dich dazu zu bringen, das zu tun, was ich will." Noah seufzte. "Ist nicht drin, Lady." "O Noah. Du weißt doch, dass ich immer meinen Willen bekomme." "Nicht immer", erinnerte er sie. "Lass dich überraschen." Ihre Stimme nahm einen besorgten Unterton an. "Du wirst dein Wort doch nicht brechen, oder? Du hast immer so viel Wert auf Integrität gelegt. Deswegen wusste ich auch, dass ich dir vertrauen kann." "Du kannst mir immer noch vertrauen", versicherte er. "Ich werde mein Wort nicht brechen. Aber mir gefällt das nicht, Babe. Wenn ich dir gebe, was du willst, muss ich Maxi belügen. Und was hat es für einen Sinn, mein Wort zu halten, wenn ich lügen muss? Das ist alles andere als integer." "Wenn du mir ein paar Tage gibst, kann ich eine vernünftige Erklärung dafür finden." Nun musste er lachen. "Das glaube ich dir." "Danke für deinen Anruf, Noah. Halte mich auf dem Laufenden, ja?" "Darauf kannst du dich verlassen."
"Und pass auf meine Kleine auf." "So klein ist sie nicht", erinnerte er sie. Wieder lachte Babe. "Ich habe mich schon gefragt, ob du es gemerkt hast." Sie zögerte und fügte dann hinzu: "Es würde mit euch beiden nicht funktionieren. Das muss ich dir doch nicht sagen, oder?" "Was würde nicht funktionieren?" Es war eine alberne Frage, und Noah bereute sie, kaum dass er sie ausgesprochen hatte. "Mit dir und Maxi. Ihr beide seid völlig verschieden." "Wenn ich mich recht entsinne, kann es sehr aufregend sein, wenn Tag und Nacht aufeinander treffen." "Sie wird dich verbrennen, Noah", meinte sie leise. "Maxi ist genauso wenig eine Frau fürs Leben wie ich." Und das sagte alles. "Vielleicht suche ich gar nicht die Frau fürs Leben." "Natürlich tust du das. Du bist nun mal so. Glaub mir. Wenn ich mich mit etwas auskenne, dann sind es die Männer." Er hätte erfolgreich dagegenhalten können, doch er hatte keine Lust, mit ihr zu diskutieren. Noah warf seine Kulturtasche in den Matchbeutel. Was, zum Teufel, war bloß mit ihm los, dass er mit ihrer Mutter über Maxi sprach? Er hatte nicht vor, eine Affäre mit der Tochter seiner Kundin zu beginnen, zumal Maxi sich auch als seine Arbeitgeberin betrachtete. Je eher er die Sache in Angriff nahm, desto schneller würden Maxi und Babe Fontaine aus seinem Leben verschwinden. Für immer. "Ich rufe dich an, sobald ich etwas Neues weiß", sagte er in geschäftsmäßigem Tonfall. "Danke, Noah. Ich freue mich auf deinen nächsten Bericht", erwiderte Babe genauso förmlich. Noah schaltete das Telefon aus und warf es aufs Bett. Wütend betrachtete er es. Er wollte nicht zu Maxi zurückkehren. Sie bedeutete Ärger. Sie war viel zu attraktiv, besaß die unheimliche Fähigkeit, ihn aus der Fassung zu bringen, und konnte nicht logisch denken. Und falls sich ihm je die
Gelegenheit bieten würde, würde er mit ihr ins Bett gehen und sich von ihr verbrennen lassen. Sicher, er würde vielleicht untergehen, aber er würde dabei in hellen Flammen stehen.
4. KAPITEL "Das ging ja schnell", meinte Maxi überrascht, als Noah, gefolgt von Loner, die Küche betrat. "Ich hatte Sie frühestens in einigen Stunden zurückerwartet." "Soll ich wieder gehen?" fragte er. O nein! "Sie können bleiben." Perfekt. Sie hatte es geschafft, lässig zu klingen. Sie ließ den Blick zu dem schwarzen Matchbeutel schweifen, den er in der Hand hatte. Warum überraschte es sie nicht, dass er sich für diese Farbe entschieden hatte? "Sie ziehen für mindestens einen Monat hier ein, und das ist alles, was Sie mitgebracht haben?" "Das ist alles, was ich brauche - es sei denn, ich soll eine Uniform tragen.". Ach ja! "Mache ich auf Sie den Eindruck einer Arbeitgeberin, die gern von Uniformen umgeben ist?" Noah zuckte lässig die Schultern, wobei sein schwarzes Hemd sich eindrucksvoll spannte. "Ich wollte mich nur vergewissern." "Haben Sie Hunger?" Maxi deutete auf ihren Teller mit Obst und Gemüse. "Möchten Sie etwas essen?" "Ich habe zu Hause gegessen." "Oh." Wie schaffte er es bloß, sie so leicht durcheinander zu bringen? Das Problem hatte sie noch nie gehabt. Sie war neunundzwanzig. Wieder. In dem Alter hätte sie in Gegenwart eines unglaublich gut aussehenden, sexy Mitarbeiters eigentlich
nicht die Fassung verlieren dürfen. Doch immer wenn Noah sich im selben Luftraum befand wie sie, ging ihre Phantasie mit ihr durch und zeigte ihr alle möglichen Verlockungen auf, in denen es um leidenschaftliche Lippen, forschende Hände und süße Worte der Leidenschaft ging. Maxi ließ die Karotte fallen, von der sie gerade abgebissen hatte, und sprang auf. "Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen Ihr Zimmer zeige?" "Einverstanden." "Sie können Ihre Sachen auspacken und sich anschließend ausruhen. Sie brauchen erst morgen mit der Arbeit anzufangen." "Zuerst packe ich meine Sachen aus. Dann sprechen wir über meine Aufgaben. Und anschließend fange ich mit der Arbeit an." "O verdammt... Wer hatte hier noch gleich das Kommando?" Sein lässiges Lächeln beantwortete ihre Frage, und sie schüttelte den Kopf, amüsiert und frustriert zugleich. "Wissen Sie was? Sie sind ein hoffnungsloser Fall. Warum, in aller Welt, müssen Sie nur so stur sein?" "Ich bin stur, weil ich meine Sachen auspacken will? Oder ist es deswegen, weil ich Sie gebeten habe, mir meine Aufgaben zu umreißen?" "Kommen Sie, Noah, Sie wissen genau, was ich meine." Sie deutete auf eine Tür, die von der Küche abging und zu einer steilen Treppe in den ersten Stock führte. "Warum wollen Sie unbedingt heute mit der Arbeit anfangen?" Noah folgte ihr nach oben. Überrascht stellte sie fest, dass Loner sie nicht begleitete, sondern in Richtung Diele humpelte. Offenbar hatte er beschlossen, sein neues Domizil zu erkunden. "Ihre Mutter bezahlt mich dafür, dass ich arbeite", erklärte Noah. "Und dafür soll sie auch etwas bekommen." Maxi hob die Hände. Warum sollte sie sich wegen einer derart lächerlichen Angelegenheit mit ihm streiten? "Also gut, ich gebs auf. Wenn Sie unbedingt heute anfangen wollen, tun Sie es von mir aus."
"Danke. Ich dachte, ich könnte Ihnen noch einige Stunden bei Ihrem Projekt helfen." Welches Projekt meinte er? Wieder ging ihre Phantasie mit ihr durch, und Maxi riss sich zusammen. "Jetzt müssen Sie sich genauer äußern. Welches Projekt meinen Sie?" Sein Lachen hallte in dem schmalen Flur wider und bewies ihr, dass er sie durchschaut hatte. "Ich meine Widget. Was Ihr anderes Projekt betrifft, hoffe ich, dass Sie die Vorstellungsgespräche mit den potenziellen Babymachern beendet haben und das Thema abgehakt ist." "Oh, das habe ich, und das ist es nicht." Sie blickte über die Schulter und lächelte ihn an. "Zumindest vorerst. Morgen ist zum Glück ein neuer Tag." Als sie oben angekommen waren, umfasste Noah ihren Arm und drehte sie zu sich um. Prompt verspürte Maxi wieder ein erregendes Prickeln. Er hatte unglaubliche Hände. Es waren die Hände eines Mannes, der harte Arbeit gewohnt war - lang und schmal, aber dennoch kräftig. Da es im Flur nicht besonders hell und er zudem ganz in Schwarz gekleidet war, konnte sie ihn nicht besonders gut erkennen. Doch er sah sie durchdringend an. Sie konnte den Blick nicht abwenden, sie wollte den Blick nicht abwenden. Du sehnst dich nach einem Kind, nicht nach einem Liebhaber, rief sie sich ins Gedächtnis. Sie konnte sich sogar ihren Sohn vorstellen - einen Jungen mit dunklem, welligem Haar und silbergrauen Augen, einem scharfen Verstand und Sinn für das Absurde. Für den Bruchteil einer Sekunde schaute sie in die Zukunft, und die war viel versprechend. Sie hatte einen Mann, der sie liebte, und führte eine glückliche Ehe. Sie hatte viele Kinder, die ganz schnell erwachsen wurden. Das Glück lag so nahe. Sie musste nur zugreifen. Sie musste nur ... "Wollen Sie damit sagen, dass Sie morgen weitere Vorstellungsgespräche führen?" fragte Noah.
Die Seifenblase zerplatzte, und Maxi kehrte abrupt auf den Boden der Tatsachen zurück. "Natürlich." Verwirrt krauste sie die Stirn. "Dachten Sie, ich würde die Flinte ins Korn werfen, nur weil der erste Tag nicht gut gelaufen ist?" "Ja, verdammt." "Ist nicht drin. Ich möchte ein Baby, Mr. Hawke. Und daran hat sich nichts geändert, nur weil Ihr Wolf heute alle Bewerber in die Flucht geschlagen hat. Nicht, dass es Sie überhaupt etwas angeht", fügte sie spitz hinzu. Noah atmete langsam aus. "Okay." Er ließ ihren Arm los. "Wo soll ich schlafen?" "Hier." Sie öffnete die erste Tür, die vom Flur abging, und bedeutete ihm einzutreten. "Ich habe dieses Zimmer für Sie ausgesucht, weil es mein Lieblingszimmer war, als ich klein war. Ich dachte, es würde Ihnen auch gefallen." Der Raum war groß und hell, hatte eine breite Fensterfront, von der man einen phantastischen Ausblick auf die Golden Gate Bridge hatte. Maxi zog die Gardinen zurück, damit Noah die Aussicht bewundern konnte. Es war Spätnachmittag, und die Brücke lag im Nebel da. Noah trat zu Maxi ans Fenster. "Das ist eine Aussicht!" Er kniff die Augen zusammen und betrachtete sie eingehend. "Aber dieser Raum scheint mir für einen Gast eher geeignet als für einen Angestellten." Sie lächelte schalkhaft. "Wenn es Ihnen lieber ist, bringe ich Sie im Verlies unter." Noah strich sich über den Nacken und warf seinen Matchbeutel auf den nächsten Stuhl. "Das wäre vielleicht sicherer", bemerkte er leise. "Wie weit ist eigentlich Ihr Schlafzimmer von hier entfernt?" Die Frage verblüffte sie. "Wie bitte?" "Falls es ein Problem gibt. Wo ist Ihr Schlafzimmer?" "Drei Türen weiter. Es liegt auch zu dieser Seite." "Dann bin ich mit diesem Zimmer einverstanden."
Maxi wagte nicht zu fragen, warum er sich plötzlich damit zufrieden gab, nur weil ihr Zimmer sich in der Nähe befand. Daher sprach sie das erste Thema an, das ihr einfiel. "Wissen Sie, als ich klein war, bin ich immer hierher gekommen, wenn ich allein sein wollte, obwohl es nicht mein Zimmer war." "Und warum haben Sie es getan?" "Es hatte eine breite Fensterbank und meins nicht. Und hinter diesen Gardinen konnte ich mich verstecken." Maxi berührte die dünne Gardine, und prompt stürmten die Erinnerungen auf sie ein. "Ich habe aufs Meer hinausgeblickt und mir alle möglichen Fabelwesen vorgestellt, die dort draußen im Nebel leben. An einigen Tagen hätte ich schwören können, dass ich eine Riesenflosse oder den Schwanz einer Meerjungfrau gesehen habe. An anderen Tagen tauchte der große Kopf eines Ungeheuers aus dem Nebel auf und blies Rauch in meine Richtung." Sie drehte sich um und lächelte und hoffte dabei, dass ihre Lippen nicht bebten. "Und dann habe ich mir etwas gewünscht." "Was zum Beispiel?" Seine Worte klangen sehr sanft, und daher wandte sie sich schnell wieder ab und bemühte sich um einen lässigen Tonfall. "Ach, Sie wissen schon - was Kinder sich so wünschen. Wünsche, die sich darum drehen, dass ihre Welt wieder in Ordnung kommt, wenn sie nicht mehr heil ist." Noah umfasste ihre Schultern, und sein Atem fächelte ihre Schläfe. "Wünsche, die sich um Väter drehen, die ihre Familie verlassen haben?" "Ja", brachte sie gequält hervor und neigte den Kopf, so dass ihre Wange an seiner Hand ruhte. "Und sie sind nicht in Erfüllung gegangen, oder?" "Ich habe irgendwann herausgefunden, dass man Vergangenes nicht ungeschehen machen kann. Das war sehr schmerzlich."
"Nein, das kann man nicht. Aber man kann die Vergangenheit hinter sich lassen und in die Zukunft blicken." Maxi schloss die Augen. Sie fühlte sich verpflichtet, ihm die Wahrheit zu sagen. "Mein Vater hat uns nicht verlassen zumindest nicht im üblichen Sinne." "Nein?" Es klang so zärtlich. "Dad ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen." "O verdammt, Maxi. Das tut mir Leid." "Es war eine schreckliche Zeit. Meine Familie wurde von einem Tag auf den anderen zerstört. Babe und ich ..." Sie fröstelte. "Wir haben gesucht und gesucht. Aber wir haben nie gefunden, was wir verloren hatten." Noah schwieg eine ganze Weile. Schließlich verstärkte er den Griff um ihre Schultern. "Wenigstens haben Sie erfahren, was es bedeutet, eine Familie zu haben. Das ist mehr, als ich hatte. Ich habe meine Mutter nie kennen gelernt. Sie hat meinen Vater verlassen, als ich klein war." Maxi drehte sich um und legte ihm tröstend die Arme um die Taille. "Hat Ihr Vater versucht, sie zu ersetzen?" "Mein Vater war vielmehr darauf bedacht, sich so schnell wie möglich zu bereichern." Er stützte das Kinn auf ihren Kopf. "Ich glaube, mein alter Herr könnte Babe Konkurrenz machen, was die Anzahl seiner Ehen betrifft. Der Unterschied ist nur, dass Ihre Mutter auf der Suche nach Liebe war, während mein Vater jemanden brauchte, der ihm seine Spleens finanzierte. Und seine Spleens waren sehr kostspielig, das können Sie mir glauben." "O Noah, es tut mir so Leid." Zu ihrer Erleichterung nahm er ihr Mitgefühl an. "Unsere Vergangenheit können wir nicht ändern, Maxi, aber wir können unsere Zukunft selbst gestalten. Wir müssen uns nicht mit Erinnerungen an Geschehnisse quälen, auf die wir keinen Einfluss hatten." Noah wusste ja den Rest nicht, denn das hätte seine Behauptung widerlegt. Doch sie hatte bereits zu viel gesagt. "Ich
versuche ja, meine Zukunft selbst zu gestalten. Sehen Sie das nicht?" "Ich schätze, das bedeutet, dass Sie immer noch ein Baby haben wollen." Er formulierte es nicht als Frage. "Glauben Sie nicht, dass Ihr Kind seinen Vater vermissen würde? Sie haben es schließlich auch getan." Maxi wagte es nicht, ihn anzusehen, aus Angst, die Beherrschung zu verlieren. Sie rang um Fassung. Zu weinen war nicht ihre Art. Ihr ging es immer besser, wenn sie lachte. Sie straffte sich und wandte sich ab. "Tut mir Leid, Noah. Hier ist kein Platz für einen Daddy. Die Beziehung zwischen meinen Eltern war einzigartig, und als mein Vater starb, wäre meine Mutter auch beinah zugrunde gegangen. Was sie durchgemacht hat, möchte ich nicht durchmachen. Aber das bedeutet nicht, dass ich auf Kinder verzichten muss. Ich bin verrückt nach Kindern und kann auch gut mit ihnen umgehen. Ich wünsche mir schon ein Baby, solange ich mich erinnern kann." "Und nun wollen Sie sich den Wunsch erfüllen? Warum? Warum ausgerechnet jetzt?" Maxi wurde wütend. "Haben Sie eine Ahnung, wie alt ich bin, wenn mein Sohn oder meine Tochter den High-SchoolAbschluss macht?" Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. "Wie alt denn?" "Ich bin dann ..." Sie funkelte ihn an. "Ist ja auch egal." "Ist es so schlimm?" "Tatsache ist, dass ich noch etwas davon haben möchte, Mutter zu sein. Ich möchte mein Kind nicht im Rollstuhl durch die Gegend scheuchen." Sein Lächeln wurde breiter. "Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen, selbst wenn Sie noch einige Jahre damit warten würden." "Ich bin jetzt reif dafür! In einigen Jahren bin ich vielleicht vertrocknet."
"Sie haben Recht. Sie sind reif", bestätigte er rau. "Reif, um sich ausnutzen zu lassen. Reif, um sich zu verbrennen. Reif, um tief verletzt zu werden." "Es ist meine Entscheidung, Noah." Bevor Noah darauf antworten konnte, kam Loner schwanzwedelnd und mit einem ausgestopften Tier im Maul ins Zimmer gestürmt. "Mr. Woof", rief Maxi entsetzt und begann zu hyperventilieren. "Tun Sie etwas, Noah! Er frisst Mr. Woof." Offenbar sah Noah ihr an, dass sie nahe daran war, in Panik auszubrechen, denn er drehte sich um und sagte etwas in scharfem Tonfall zu Loner. Sofort legte dieser das Wolfsjunge aus Stoff auf den Boden und ließ den Schwanz hängen. Noah ging hin und hob es hoch, um es zu untersuchen. "An der Ohrnaht ist ein kleiner Riss. Ansonsten hat er es anscheinend nicht beschädigt. Es tut mir Leid, Maxi. Er hat so etwas noch nie gemacht. Soll ich versuchen, Ersatz zu bekommen?" "Nein. Es ist nicht wertvoll ..." Entsetzt stellte sie fest, dass ihr die Stimme versagte. "Weinen Sie?" Sofort war er bei ihr und nahm sie in die Arme. "O verdammt, Sie weinen ja tatsächlich! Bitte nicht. Ich hasse Tränen. Immer sage ich das Falsche und mache alles nur noch schlimmer." "Ich auch", erwiderte sie und schluchzte. "Ich hasse Leute, die weinen. Wissen sie denn nicht, dass man über seine Probleme lachen soll?" "Sie sind ja wirklich traurig. Bitte, Süße! Tränen machen mich fertig." Mit dem Daumen wischte er ihr die Tränen ab und neigte leicht den Kopf, um sie ansehen zu können. "Sagen Sie mir, wie ich es wieder gutmachen kann." "Ich versuche, mich zusammenzureißen. Ehrlich." Maxi atmete tief durch. "Weinen ist furchtbar. Es nimmt alle mit. Sogar Loner ist völlig daneben." Als er seinen Namen hörte, kam der Hund zu ihr, stupste sie an und winselte kläglich.
Prompt musste sie lachen. "Du meine Güte! Ihm geht es ja noch schlechter als uns." "Da bin ich mir nicht so sicher", bemerkte Noah leise. Spontan kniete sie sich hin und umarmte Loner. "Es tut dir Leid, nicht, mein Junge? Du wusstest nicht, wie viel Mr. Woof mir bedeutet, oder?" Er leckte ihr das Gesicht, und sie blickte lächelnd zu Noah auf. Ihre Lippen bebten zwar noch ein wenig, doch es musste reichen. "Da. Sehen Sie? Schon besser." Er wirkte nicht ganz überzeugt. "Sind Sie sicher? Möchten Sie mir sagen, warum ein verletztes Ohr bei einem Stofftier Sie zu so einer Reaktion bewogen hat? Ich bin ein guter Zuhörer." Die Versuchung war groß. Sehr groß. "Vielleicht ein andermal." Offenbar hatte er gespürt, dass er nicht mehr aus ihr herausbekommen würde, denn er nickte widerstrebend. "Ich werde Sie daran erinnern." Maxi nahm das Stofftier von ihm entgegen, ging zum Bett und setzte sich im Schneidersitz darauf. "Wir sind ein bisschen vom Thema abgekommen", erklärte sie betont fröhlich. "Was steht als Nächstes auf dem Plan?" Noah wollte noch etwas sagen, doch dann schüttelte er den Kopf. "Okay, wie Sie wollen. Als Nächstes packe ich meine Sachen aus." Er ging zur Frisierkommode und öffnete die oberste Schublade. Danach holte er seinen Matchbeutel, warf ihn neben ihr aufs Bett und begann, ihn auszupacken. "Wollten Sie hier bleiben und zuschauen?" "Ich hatte mit dem Gedanken gespielt." Sie warf einen Blick in seinen Matchbeutel und zuckte zurück, als er wieder hineingriff. "Du meine Güte, Noah, sind Ihre Sachen alle schwarz?" "Es ist eine praktische Farbe." "Warum?" "Weil alles zusammenpasst." "Oh." Dabei fiel ihr etwas ein. "Sind Sie farbenblind?"
"Nein. Ich bin nur nicht so fürs Bunte." Maxi lachte. "Ach so. Sie haben Angst davor, einen modischen Fauxpas zu begehen, stimmts?" Sie hatte es tatsächlich geschafft, ihn zum Lachen zu bringen. "Jetzt haben Sie mein Geheimnis erraten." Wieder warf sie einen Blick in den Matchbeutel. "Und was ist in diesem Lederetui unter Ihren Boxershorts? Falls Ihr Rasierapparat darin ist, hat er eine merkwürdige Form. Ich wusste gar nicht, dass es dreieckige Rasierapparate gibt." Noah nahm das Etui heraus und legte es in die oberste Schublade. "Das geht Sie nichts an." "Oh." Maxi konnte ihre Neugier kaum noch zügeln. Was mochte darin sein? Etwas, das sie nicht sehen durfte, so viel stand fest. Es erinnerte sie ein wenig an das Pistolenhalfter, das Babes Ehemann Nummer vier besessen hatte. Aber das konnte nicht sein. Wozu brauchte ein Assistent eine Pistole? Wenn sie weniger vertrauensselig gewesen wäre, hätte sie eine Möglichkeit gefunden zu erfahren, was sich in dem Etui befand, und sich somit vergewissert, ob ihre Phantasie wieder einmal mit ihr durchgegangen war. Maxi atmete langsam aus und gab es auf. Jemandem hinterherzuspionieren war nun einmal nicht ihre Art. Außerdem wäre ihr auch keine vernünftige Erklärung eingefallen, wenn Noah sie beim Schnüffeln erwischt hätte. Irgendwie kam die Wahrheit immer heraus, selbst jene dunklen Geheimnisse, die ihr auf der Seele lagen. "Wenn Sie schon mal hier sind", meinte Noah, "können wir doch gleich über meine Aufgaben sprechen." Das war keine Frage. Wieder einmal hatte Maxi den Eindruck, dass nicht sie diejenige war, die hier das Kommando hatte. Wie schaffte er das nur? Vielleicht eignete sie sich einfach nicht zur Chefin, obwohl sie nie Probleme damit gehabt hatte, der Köchin, der Haushälterin oder dem Gärtner Anweisungen zu
erteilen. Nur bei Pudge. Und jetzt bei Noah. Wer hätte nach all den Jahren gedacht, dass sie im Grunde ihres Herzens ein leichtes Opfer war? "Gut, sprechen wir über Ihre Aufgaben." Betont unschuldig sah sie ihn an. "Wollen Sie mir sagen, was Ihre Aufgaben sind?" Er lehnte sich gegen die Frisierkommode und betrachtete sie eingehend. Sein Blick war genauso Furcht einflößend wie Loners. "Was soll das heißen?" Sie zuckte die Schultern. "Da Sie mein Geburtstagsgeschenk sind, weiß ich nicht, warum Babe Sie engagiert hat. Vielleicht sollten Sie sie fragen, was sie von Ihnen will." "Das habe ich Ihnen bereits erklärt. Ich soll Ihnen geben, was Sie wollen." "Ich will ein Baby." Hatte sie das wirklich gesagt? Es war die Wahrheit, und aus irgendeinem Grund hatte sie ihn damit herausfordern wollen. "Wollten Sie Ihre Dienste auch in der Hinsicht anbieten?" Ohne den Blick von ihr abzuwenden, kam Noah auf sie zu. Maxi erstarrte und beobachtete ihn wie gebannt. Sein Gesichtsausdruck war Unheil verkündend. Selbst seine Augen waren dunkler geworden. Sie musste an sich halten, um nicht aufzuspringen und zur Tür zu stürzen. "Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen", meinte sie versöhnlich. "Möchten Sie, dass ich mit Ihnen ins Bett gehe, Maxi?" Seine Stimme klang wie entferntes Donnergrollen. Maxi erschauerte und spürte, wie Hitzewellen sie durchfluteten "Wenn ja, bleiben Sie sitzen, und ich komme zu Ihnen." Schnell sprang sie vom Bett. "Noah ..." "Wollen Sie noch nicht zur Sache kommen? Warum fangen wir dann nicht mit etwas Einfacherem an?" Maxi schluckte. "Mit etwas Einfacherem? Was ... was zum Beispiel?" "Das hier."
Sie wartete auf das Unvermeidliche. Denn sein Kuss war unvermeidlich. Der kurze Moment, bevor Noah die Lippen auf ihre presste, dauerte nur einen Herzschlag ... und gleichzeitig eine Ewigkeit, wie es ihr schien. Als er sie schließlich küsste, war es um sie geschehen. Wenn er sie hochgehoben und vom Trans-America-Gebäude in der Innenstadt hätte fallen lassen, hätte sie nicht tiefer fallen können. Es machte ihr Angst. Es erregte sie. Nicht denken! ermahnte sie sich. Seine Lippen waren warm und fest und hielten ihre gefangen. In diesem Augenblick machte sie eine unglaubliche Entdeckung. Noah schmeckte besser als Schokolade, und das sagte eine Menge, wenn man ihre Leidenschaft für Schokolade bedachte. Sie legte ihm die Arme um den Nacken und gab sich ihrer neusten Leidenschaft hin, einer Leidenschaft, die sie wohl nicht so leicht würde stillen können. Fast von ihrer ersten Begegnung an hatte sie damit gerechnet, dass er sie küssen würde. Mit seinem Furcht einflößenden Äußeren und seiner direkten Art hätte er sie eigentlich von Anfang an einschüchtern müssen. Zumindest hätte sie ihn unattraktiv finden müssen. Stattdessen fand sie ihn faszinierend. Er war ein ganz in Schwarz gekleideter einsamer Wolf, dessen silbergraue Augen direkt auf den Grund ihrer Seele blickten und dessen raue Stimme ihr durch und durch ging. Sie waren grundverschieden, und seine düstere Ausstrahlung wirkte wie eine Folie für ihre Dynamik. Noah presste sie noch fester an sich. Du meine Güte, ist er gut gebaut, ging es Maxi durch den Kopf. Er war groß und kräftig und wusste genau, was eine Frau sich insgeheim wünschte. Er sagte leise etwas zu ihr, das sie noch mehr erregte, bevor er ein leidenschaftliches Spiel mit der Zunge begann.
Maxi stöhnte erregt auf und erschauerte. "Merkst du, wie gut wir uns verstehen? Vielleicht sollten wir das hier immer tun, anstatt zu reden." "Wir haben das hier getan, bis du angefangen hast zu reden." "Oh." Herausfordernd blickte sie zu ihm auf. "Wollen wir uns streiten? Oder wollen wir uns küssen." Noah lachte. "Das hängt wohl davon ab, ob du den Mund hältst oder nicht." Sie dachte zwei Sekunden darüber nach. "Ich glaube, ich kann den Mund halten, wenn du mich wieder küsst." Er neigte den Kopf und presste die Lippen erneut auf ihre. Das Verlangen, das daraufhin in ihr aufflammte, war genauso heftig wie zuvor. Maxi stellte sich auf die Zehenspitzen und ließ die Arme über seine Schultern und seine Brust zu seinem flachen Bauch gleiten. Sie traute sich nicht, sie tiefer gleiten zu lassen, obwohl sie sich danach sehnte. Stattdessen streichelte sie dann seine Wangen. Schade, dass er sich nicht auf meine Anzeige gemeldet hat, ging es ihr durch den Kopf. Er wäre die perfekte Wahl gewesen. "Ach du meine Güte!" sagte sie leise. Schließlich löste er sich von ihr. Seine Miene verriet Entschlossenheit. Unter anderen Umständen hätte sie triumphiert, weil sie ihn so aus der Fassung gebracht hatte. Doch ihm wäre es nicht recht gewesen, seine inneren Bedürfnisse zu offenbaren, nur um sie dann wieder unterdrücken zu müssen. Und genau das musste sie tun. "Noah?" "Was ist?" "Wir sollten das nicht tun." "Und das fällt dir erst jetzt ein?" fragte er trocken. "Du hast mich abgelenkt, sonst hätte ich eher daran gedacht." Seine Augen funkelten amüsiert. "Lässt du dich immer so leicht ablenken?"
"Nicht oft", gestand Maxi. "Vielleicht weil ich noch nie jemandem begegnet bin, der mich so gut ablenken kann." Noah verzog das Gesicht. "Danke." "Das sollte ein Kompliment sein", versicherte sie schnell. "Aber das ändert nichts an einer gewissen Tatsache." "Du meinst die Tatsache, dass Babe mich engagiert hat, damit ich für dich arbeite?" "Genau." Sie streichelte seine Brust. "Du bist mein Angestellter, falls du dich daran erinnerst." "Ja, ich erinnere mich daran." Er umfasste ihre Hand. "Ich schätze, das bedeutet, dass Sie Ihre Angestellten normalerweise nicht küssen." Er unterstrich seine Worte, indem er sie wieder siezte. "Nicht alle. Nicht einmal einige. Leider niemanden." "Aber es wäre in Ordnung gewesen, mich zu küssen, wenn ich auf Ihre Anzeige hin gekommen wäre?" "Ja, obwohl es etwas anderes ist." "Weil ich Ihr ... Ihr Babymacher gewesen wäre? Sie würden mich dann für eine andere Dienstleistung bezahlen, stimmts?" Warum musste es aus seinem Mund so verdammt schäbig klingen? Maxi machte ein finsteres Gesicht. "So ungefähr." "Und in dem Fall wäre für Sie nichts dabei? Sie würden einen Mann dafür bezahlen, dass er Sex mit Ihnen hat?" "Ich zahle nicht für den Sex. Ich zahle für dasselbe Endprodukt, das ich auch in einer Fertilitätsklinik bekommen würde. Es gibt keinen Unterschied." "Es gibt sogar einen großen Unterschied, und das wissen Sie. Ich bin nicht einmal sicher, ob das, was Sie tun, legal ist." "Sie sind unhöflich." Noah zog eine Augenbraue hoch. "Seien Sie doch mal ehrlich." "Ich will ein Kind." "Versuchen Sie es mit Heiraten."
Sie befreite sich aus seinem Griff und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich will aber nicht heiraten. Niemals. Das habe ich Ihnen bereits erklärt." "Dann versuchen Sie es mit Adoption." "Vielleicht tue ich das, wenn ich nicht den Richtigen finde. Aber das geht Sie nichts an." "O doch, es geht mich etwas an, wenn Sie mich fragen, ob ich mit Ihnen schlafen will." Verwirrt krauste sie die Stirn. "Wenn ich ...?" "Sie haben mich gefragt, ob ich meine Dienste auch in der Hinsicht anbieten will." Maxi erschrak. Vielleicht würde sie irgendwann lernen, nicht immer gleich zu sagen, was sie dachte. Es hatte sie schon unzählige Male in Schwierigkeiten gebracht. "Ich habe es nicht ernst gemeint!" protestierte sie. "Es ist mir so rausgerutscht, weil Sie mir angeboten haben, mir alles zu geben, was ich will." Zu ihrer Enttäuschung gewann er die Fassung wieder. "Vielleicht sollten wir jetzt lieber über meine Aufgaben sprechen." Maxi rang sich ein Lächeln ab. "Das wäre jedenfalls sicherer." Noah wich einige Schritte zurück, doch es nützte nicht viel, da er den Kaum noch immer beherrschte. Wenn er tatsächlich zum Vorstellungsgespräch erschienen wäre, hätte sie sich sofort für ihn entschieden. Sicher würde er tolle Babys zeugen. Und sicher würde er auch alles andere, was zur Zeugung führte, toll machen. Allerdings würde sie es niemals herausfinden, denn von diesem Moment an würde Noah Hawke tabu für sie sein. Wenn er sie das nächste Mal küsste, wurde sie es ihm sagen. "Ich habe einen Vorschlag", sagte Noah. "Einen Vorschlag. Und der wäre?" "Es geht um meine Arbeit. Deswegen bin ich hier, falls Sie sich daran erinnern."
"Richtig. Die Arbeit." Sie versuchte, sich zusammenzureißen. Warum brachte er sie nur so durcheinander? "Wie lautet Dir Vorschlag?" "Wie wäre es, wenn ich ungefähr eine Woche in Ihrer Nähe bleiben würde, damit wir beide wissen, welche Aufgaben am besten für mich geeignet sind. Bis dahin helfe ich, wo ich kann." "So wie heute mit Widget?" Noah neigte den Kopf. "Es hat doch funktioniert, finden Sie nicht?" "Ich fand Sie ein bisschen dominant", erwiderte sie vorsichtig. "Daran werden Sie sich gewöhnen." "Verlassen Sie sich lieber nicht darauf. Ich habe meinen eigenen Kopf." "Noch ein Grund dafür, dass Sie auf einen Ehemann verzichten?" "Autsch! Ich dachte, wir wollten nicht mehr über das Thema sprechen." "Stimmt." Er nahm seinen leeren Matchbeutel, öffnete den Kleiderschrank und legte ihn hinein. "Erzählen Sie mir von Widget. Wo haben Sie sie gefunden?" Noch ein Thema, das sie lieber mied. "Sie hat mich gefunden." Noah blickte über die Schulter und betrachtete sie eingehend. Sie hatte das ungute Gefühl, dass er alles analysierte, was sie sagte oder tat. "Erzählen Sie mir mehr." "Sie tun es schon wieder." "Was?" "Anweisungen erteilen." "Das ist eine natürliche Begabung von mir." "Wie süß!" Irgendetwas an seinem Gesichtsausdruck bewog sie hinzuzufügen: "Wir sind uns sozusagen zufällig begegnet." "Sozusagen?"
So einfach würde er sie nicht davonkommen lassen. Noah hatte eine Art, sie starr anzublicken, bis die Wahrheit aus ihr hervorsprudelte. Sie konnte nicht einmal vom Thema ablenken, was ihr sonst überhaupt nicht schwer fiel. "Maxi?" "Ich möchte nicht darüber reden." "Das ist mir klar. Und mir ist außerdem klar, dass Sie versuchen, das Thema zu wechseln. Das bedeutet, dass die Umstände nicht erfreulich gewesen sein können." Er nickte zufrieden. "Ich sehe Ihnen an, dass ich richtig geraten habe." "Wie schaffen Sie das nur?" Noah schüttelte den Kopf. "Das funktioniert nicht, Süße. Nun gestehen Sie schon. Wie habt ihr beide euch kennen gelernt? Hattet ihr einen kleinen Blechschaden?" "Nein." "Seid ihr mit euren Einkaufswagen zusammengestoßen?" "O bitte!" "War es noch aufregender? Mal sehen ... Ihr seid beide auf dem Ghiradelli Square in einen Bottich mit Schokolade gefallen. Ihr seid beim Inlineskaten zusammengestoßen." Er schnippte mit den Fingern. "Ich habs! Ihr habt in Alcatraz zusammen in einer Zelle gesessen. Richtig?" "Nein, nein, nein und - lassen Sie mich nachdenken - nein." "Sie können es mir sagen. Ich gebe nämlich nicht so schnell auf." "Also gut!" Verdammt! "Ich habe Widget kennen gelernt, als sie meine Brieftasche geklaut hat. Sind Sie nun zufrieden?"
5. KAPITEL "O verdammt!" "Ich wusste, dass Sie es nicht gut aufnehmen würden, Noah." Maxi ging in ihrem Schlafzimmer auf und ab. "Deswegen wollte ich es Ihnen ja auch nicht sagen." "Die schüchterne kleine Widget hat Ihnen die Brieftasche geklaut?" "Es war eine Verzweiflungstat." Sie blieb stehen und rang sich ein Lächeln ab. »Sind Sie nicht stolz darauf, dass sie den Mut zu so etwas hatte?" "Stolz?" Maxi zuckte zusammen. "Na gut, ,stolz' ist vielleicht nicht der passende Ausdruck. Aber es gibt Anlass zu Hoffnung", beharrte sie. "Es bedeutet, dass sie in der Lage ist, sich zu behaupten, wenn es nötig ist." "Und was haben Sie getan?" Noah hob die Hand, bevor Maxi antworten konnte. "Nein. Lassen Sie mich raten. Sie haben nicht die Polizei gerufen." "Natürlich nicht. Wie hätte ich so grausam sein können?" "Ich weiß nicht. Vielleicht weil ein Dieb ins Gefängnis gehört?" "Sie glauben, Widget gehört ins Gefängnis? Unsere arme kleine Widget?" "Falsch. Ihre arme kleine Widget." "O nein, das glauben Sie nicht." Sie ging auf ihn zu, und dabei klirrten ihre Armreifen. "So leicht können Sie sich nicht
der Verantwortung entziehen. Sie haben auch mit ihr gearbeitet, und deshalb ist sie jetzt unsere Widget. Und sie hat meine Brieftasche nur geklaut, weil sie Hunger hatte und für ihren Bruder sorgen musste und keinen Job finden konnte." "Also, was haben Sie getan?" Wieder hob er die Hand. "Nein, nein. Ich werde immer besser. Sie haben sie und Pudge mit zu sich genommen und ihnen etwas zu essen gegeben." Maxi hob das Bonn. "Ihr boshafter Tonfall lässt darauf schließen, dass Sie es nicht getan hätten." "Auf keinen Fall." "Was hätten Sie denn getan?" Nun war es an ihr, die Hand zu heben. "O nein. Lassen Sie mich raten. Sie hätten Sie der Polizei übergeben." "Sofort." "Und wie hätten Sie ihr damit geholfen?" "Es hätte sie davon abgehalten, wieder jemandem die Brieftasche zu stehlen." "Nur zu Ihrer Information: Sie hat niemand anderem die Brieftasche gestohlen. Es war ein einmaliger Ausrutscher. Ich helfe ihr bei der Jobsuche, und so muss sie nicht in einer Gefängniszelle dahinvegetieren und sich grämen, weil sie gegen das Gesetz verstoßen hat und Pudge ins Heim musste." Seine Miene war immer noch grimmig, aber wenigstens widersprach er nicht. "Was hat sie gelernt?" "Gar nichts. Bis jetzt." Maxi sprach weiter, bevor er eine unhöfliche Bemerkung machen konnte. "Aber das wird sich ändern. Sie wird einer meiner größten Erfolge werden. Sie wird ihr eigener größter Erfolg werden." "Und in der Zwischenzeit leben sie und ihr Bruder zusammen mit Rosie, Daria, Carmela, deren Kindern und verschiedenen Verwandten auf Ihre Kosten?" "Sie arbeiten für mich, sie leben nicht auf meine Kosten. Und selbst wenn sie es tun würden, könnte ich es mir leisten." "Mein Vater hätte Sie geliebt, Schätzchen."
Verzweifelt stöhnte sie auf. "Jetzt weiß ich, was Ihr Problem ist. Sie sind ein Zyniker. Sie haben den Glauben an das Gute im Menschen verloren." "Ich glaube an das Gute im Menschen. Ich glaube nur nicht, dass es Bestand hat, wenn jemand verzweifelt ist, in Versuchung gerät oder Rache üben will." Sie horchte auf. "Rache? Wie kommen Sie denn darauf?" Noah betrachtete sie forschend. "Sind Sie noch nie jemandem begegnet, der Rache üben wollte, weil ihm Unrecht zugefügt wurde? Oder weil er glaubte, ihm wäre Unrecht zugefügt worden?" "Nein. Vielleicht sollten wir lieber über die Typen reden, mit denen Sie herumhängen." "Sie haben also nie jemanden unbeabsichtigt verärgert?" Maxi zuckte die Schultern. "Doch, natürlich. Ich glaube, ich tue es ständig. Nehmen Sie zum Beispiel uns. Wir kennen uns erst wenige Stunden, und ich habe Sie einige Male verärgert." Seine Miene hellte sich auf. "Stimmt. Aber ich verspüre nicht das Bedürfnis, mich an Ihnen zu rächen." "Zum Glück", erwiderte Maxi ernst. "Sonst hätte ich ein Problem." "Und was ist mit den Leuten, die Sie schon länger kennen?" beharrte er. Du meine Güte! "Das ist verrückt, Noah. Wie sind wir eigentlich auf das Thema gekommen?" "Sie haben meine Frage nicht beantwortet." "Weil sie lächerlich ist." "Nun kommen Sie schon." "O verflixt!" Maxi ließ sich mit ausgebreiteten Armen aufs Bett fallen und blickte starr zur Decke. "Nein. Sind Sie jetzt zufrieden? Nein, soweit ich weiß, habe ich nie jemandem etwas so Schreckliches angetan, dass er sich an mir rächen wollte. Ich mag fast alle Leute, die ich kennen lerne, und die meisten mögen mich auch." Sie stützte sich auf einen Ellbogen und
blickte ihn durchdringend an. "Nur bei Ihnen steht das Urteil noch aus." "Ich bin am Boden zerstört." Noah kam zum Bett und lehnte sich an den Pfosten, der ihr am nächsten war. "Und was ist mit dem Babymacher, den Sie heute Morgen rausgeschmissen haben? Wie hieß er noch gleich? Griffith?" "Was ist mit ihm?" "Machen Sie sich keine Sorgen darüber, dass er über die Zurückweisung wütend sein könnte?" "Überhaupt nicht. Er wird darüber hinwegkommen. Und was ist mit Ihnen?" Zufrieden stellte sie fest, dass er über die Frage erschrak. "Was soll mit mir sein?" "Haben Sie noch nie jemanden dazu gebracht, sich an Ihnen rächen zu wollen?" Er neigte den Kopf. "Schon möglich." "Tatsächlich?" Fasziniert betrachtete sie ihn. Die Geschichte musste sie unbedingt hören. "Und?" "Und was?" "Was hat derjenige getan?" "Gar nichts." "Oh." Sie versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. "Warum nicht?" Langsam richtete er sich auf. "Sehe ich aus wie jemand, der dasteht und nichts tut, wenn er angegriffen wird?" "Nein." Plötzlich kam ihr ein Gedanke. "Und ich?" Noah lächelte breit. "Sie sehen aus wie jemand, der es überhaupt nicht merken würde, wenn er angegriffen wird, und hinterher wahrscheinlich mit dem Angreifer Freundschaft schließen würde." Maxi lächelte triumphierend. "Da irren Sie sich." "Das glaube ich nicht." Sie kreuzte die Beine und deutete mit dem Finger auf ihn. "Und ich sage Ihnen auch, warum."
"Das muss ich hören." "Sie irren sich, weil ich gar nicht erst in so eine Situation geraten würde. Ich bringe niemanden dazu, sich an mir rächen zu wollen." "Kommen Sie, Maxi." "Ich meine es ernst." Maxi zählte an ihren Fingern ab. "Ich verärgere die Leute, aber nie absichtlich. Ich provoziere sie und treibe sie zur Verzweiflung, aber sie sehen es mit Humor. Ich verwirre und bedränge sie sogar. Aber in der Regel komme ich mit jedem gut aus." Der Ausdruck in seinen Augen war sanfter geworden, und ein Lächeln umspielte seine Lippen - die sinnlichsten Lippen, die sie je hatte berühren dürfen. "Sie gehören also zu den Menschen, die jeder mag, ja?" "Ja." "Ich glaube es fast", bemerkte Noah leise. "Nachdem wir das geklärt haben ..." Sie nahm Mr. Woof und sprang vom Bett. "Können Sie jetzt mit der Arbeit anfangen, oder möchten Sie noch weiterphilosophieren? Oder wollen Sie heute frei nehmen, wie ich vorgeschlagen habe, und sich mit Ihrem neuen Domizil vertraut machen?" "Geben Sie mir ein paar Minuten, dann komme ich nach draußen." "Prima. Bis gleich." An der Tür blieb sie stehen und schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. "Sehen Sie, wie entgegenkommend ich bin? Wie könnte man auf jemanden wie mich lange böse sein, geschweige denn sich an mir rächen wollen?" Bevor Noah etwas erwidern konnte, verließ sie schnell das Zimmer und knallte die Tür zu. "Ich bringe niemanden dazu, sich an mir rächen zu wollen", hatte Maxi gesagt. Sobald die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, nahm Noah einen Umschlag aus seiner Gesäßtasche und betrachtete ihn. Er
hatte ihn auf dem Tisch im Vorflur gefunden, wo er für jedermann sichtbar gelegen hatte. Zweifellos würde der Inhalt Maxis Worte widerlegen, denn der Brief konnte von niemand anderem als dem Erpresser stammen. Es waren dasselbe teure Cremefarbene Papier und dieselbe Handschrift wie bei dem Brief, den Babe ihm gezeigt hatte. Wer immer ihn geschrieben haben mochte, war nicht besonders vorsichtig vorgegangen, und falls er, Noah, die Behörden hätte einschalten dürfen, hätte man den Knaben sofort dingfest gemacht. Er setzte seine Lesebrille auf, öffnete den Umschlag und nahm den Bogen heraus. Die Zeit läuft ab. Zahl jetzt, sonst werde ich die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, und zwar bald. Das war kurz und bündig. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, und Noah fröstelte. Was, zum Teufel, hatte Maxi getan, um diese Person so wütend zu machen? Sie hatte Recht. Sie übertraf sich selbst darin, andere zu verwirren und zu bedrängen. Aber sie war gleichzeitig das süßeste, großmütigste Geschöpf, dem er je begegnet war. Selbst wenn sie ihn zur Verzweiflung trieb, brachte sie ihn zum Lachen. Und wenn er sie in den Armen hielt und die Lippen auf ihre presste ... Noah schloss die Augen. Irgendetwas an dieser Mitteilung machte ihm zu schaffen, doch er wusste nicht, was, weil er nach dem Kuss immer noch ganz durcheinander war. Als würde er seine Verwirrung spüren, winselte Loner und stupste ihn mit der Schnauze an. Wütend darüber, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte, kraulte er ihm den Hals. Verdammt! Babe hatte ihn gewarnt. Sie hatte ihn von Anfang an durchschaut und in ihm einen Mann erkannt, der genau wie das Tier, das er gerade streichelte, seinem Partner immer treu sein und ihn bis an sein Lebensende lieben würde. Er wusste schon seit Jahren, dass er so lange allein bleiben würde, bis er dem Menschen begegnen würde, der für ihn bestimmt war. Und woher hätte er wissen
sollen, dass dieser Mensch ein bunter Schmetterling sein würde, der überallhin flog und das Netz, das direkt über ihm schwebte, nicht bemerkte? Noah presste die Lippen zusammen. Ob Maxi es nun wusste oder nicht, sie hatte jetzt zwei Beschützer, die beide für sie kämpfen würde. "Wir werden dafür sorgen, dass niemand sie verletzt, stimmts, alter Junge?" Loner schüttelte sich und humpelte zur Tür. "So ists gut. Suchen wir Maxi. Wir wollen sie nicht allein lassen." Noah gab ihm ein neues Zeichen, eine Kombination aus zwei Gesten, die Loner bereits kannte. "Pass auf Maxi auf. Hast du verstanden, Kumpel? Pass auf Maxi auf." Er öffnete die Tür, damit Loner seinen Befehl ausführen konnte. Als er den Bogen wieder in den Umschlag steckte, fasste er einen Entschluss. Sollte noch ein Brief kommen, würde er ihn der Polizei geben und auf Babes Anweisungen pfeifen. Wer immer Maxi erpresste, kannte sie. Er ging ausgesprochen dreist vor. Und er hatte Zugang zum Haus. Noah zuckte zusammen. Entweder das, oder sie hatte vergessen, die Tür abzuschließen. Er hatte nicht viel Zeit, und nach seinem letzten Gespräch mit Maxi bezweifelte er, dass sie einsichtig sein würde. Jeder mochte sie. Niemand würde sich an ihr rächen wollen. Noah schlug sich mit dem Umschlag aufs Bein. Niemand ... außer diesem Knaben. "Onkel Reggie!" rief Maxi. "Dein Timing ist perfekt. Jetzt kommst du schon zum zweiten Mal in drei Tagen." "Eigentlich bin ich gekommen, um mit dir zu reden, meine Liebe." "Hat das Zeit? Noah hatte nämlich eine tolle Idee, und du würdest unsere Gruppe prima ergänzen. Wir wollen mit Widget, Daria und Carmela ein Vorstellungsgespräch simulieren. Normalerweise arbeiten wir nur mit Widget, aber gestern hat Noah vorgeschlagen, die anderen beiden mit einzubeziehen,
damit sie auch Übung bekommen. Rosie hat sich bereit erklärt, auf die Kinder aufzupassen, und du könntest darauf achten, ob wir Fehler machen." Sie lächelte ihren Onkel an. "Hilfst du uns?" Er rückte seine Krawatte zurecht. "Es wäre mir ein Vergnügen." "Ich wusste es. Du bist ein Schatz." Maxi hakte ihn unter. "Wir hoffen, dass Widget mehr Selbstvertrauen bekommt, wenn andere dabei sind, die ihr Mut machen. Wir versuchen ihr beizubringen, dass sie laut und deutlich spricht und nicht flüstert, wenn sie antwortet." "Widget ist ein bisschen schüchtern." "Aber du bringst immer das Beste in ihr zum Vorschein, Onkel Reggie." Sie küsste ihn auf die Wange. "Wenn du dabei bist, läuft es bestimmt besser." "Was unser Gespräch betrifft..." "Jederzeit." Ungeduldig zog sie an seinem Arm. "Nur jetzt nicht. Komm, Noah wartet schon. Wir müssen uns beeilen, bevor er anfängt, alle zu terrorisieren, und Widget völlig verstummt." "Gut, dass Sie da sind", bemerkte Noah, sobald sie den Raum betraten. "Ich brauche Ihre Hilfe, Maxi." "Das überrascht mich gar nicht", erwiderte Maxi gespielt selbstgefällig. "Mich schockiert es", konterte er trocken. "Trotzdem dachte ich, es wäre eine gute Idee, wenn wir beide einen Schnelldurchlauf machen würden. Dann könnten Widget und die anderen sich einige Punkte merken." Er deutete mit dem Kopf auf Reggie. "Schön, Sie zu sehen, Mr. Fontaine. Wären Sie bereit, den kritischen Beobachter zu spielen?" "Gern." Reggie setzte sich neben Widget. Maxi rieb sich die Hände und ging auf Noah zu. "Wenn Sie aufstehen, setze ich mich an den Schreibtisch und ..."
"Nicht so schnell, Sie Kanone." Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, als wäre es für ihn ganz selbstverständlich, an einem imposanten Mahagonischreibtisch zu sitzen. "Diesmal werde ich den Arbeitgeber spielen und Sie die potenzielle Mitarbeiterin." "Das machen wir sonst aber auch nicht", protestierte sie. "Und das war vermutlich ein Fehler. Sie sind als Arbeitgeberin zu nett." Das klang nicht gerade wie ein Kompliment. "Deswegen werden Sie heute die andere Seite vertreten." "Okay, okay." Solange es ihrem Zweck diente, würde sie großzügig sein und ihm die Führung überlassen. "Was soll ich tun?" "Reinkommen, als würden Sie zu einem richtigen Vorstellungsgespräch erscheinen." Noah schenkte den drei anderen Frauen sein charmantestes Lächeln. "Diesmal werden Sie zusehen, während Maxi und ich Ihnen zeigen, wie mans macht. Dann sind Sie an der Reihe." "Haben Sie das schon mal gemacht?" fragte Maxi, um Zeit zu gewinnen. "Ich meine, waren Sie schon mal Arbeitgeber? Wissen Sie, was Sie sagen müssen?" "Zweifeln Sie etwa an meinen Fähigkeiten?" "Nicht direkt..." "Gut." Er deutete zur Tür. "Los." Sie fügte sich in das Unvermeidliche und ging hinaus. Nachdem sie einige Sekunden gewartet hatte, öffnete sie die Tür wieder, doch bevor sie etwas sagen konnte, verkündete Noah: "Sie haben nicht angeklopft." "Was?" "Ich glaube, es ist üblich, anzuklopfen, wenn eine Tür in einem Büro geschlossen ist." Er wandte sich an Widget. "Wenn Sie nicht von einer Empfangsdame oder Sekretärin ins Zimmer
gebracht werden, klopfen Sie immer an. Maxi fängt noch einmal von vorn an." "Ach ja?" "Ja." "Noah hat Recht, Maxi", meldete Reggie sich zu Wort. Maxi stöhnte. Dann drehte sie sich um, verließ den Raum und knallte die Tür hinter sich zu. Es brachte ihr eine weitere schroffe Ermahnung ein, die sie jedoch geflissentlich ignorierte. Nachdem sie bis zehn gezählt hatte, klopfte sie an und betrat erneut den Raum. "Ich habe nicht .herein' gesagt", erklärte Noah. "Tun Sie einfach so, als ob." Ohne den Blick von ihr abzuwenden, sagte er zu den drei anderen Frauen: "Nicht darauf zu warten, dass man hereingebeten wird, ist riskant." "Ein Besserwisser zu sein ist noch riskanter", konterte sie. "Und mit dem Boss zu diskutieren ist besonders riskant. Ach, und noch ein Tipp." Er schenkte ihr ein unverbindliches Lächeln. "Sehen Sie zu, dass Sie zu einem Vorstellungsgespräch Schuhe tragen." Maxi blickte auf ihre knallblau lackierten Fußnägel und lächelte. "Und was ist, wenn man seine Schuhe ständig verlegt?" "Dann bewerben Sie sich als Rettungsschwimmerin, da braucht man keine Schuhe. So, Sie wurden hereingebeten. Was kommt als Nächstes?" "Das weiß ich." Mit ausgestreckter Hand ging sie auf ihn zu. "Guten Tag, Mr. Hawke. Ich bin Maxi Fontaine." Noah stand auf und schüttelte ihr die Hand. "Freut mich, Sie kennen zu lernen, Ms. Fontaine. Setzen Sie sich." "Danke." Sie wollte es sich auf dem Stuhl bequem machen, doch dann überlegte sie es sich anders. Sie straffte die Schultern und faltete die Hände im Schoß. Er runzelte die Stirn. "Kauen Sie etwa Kaugummi, Ms. Fontaine?"
"Klar. Mit Passionsfrucht- und Himbeergeschmack." "Sehen Sie zu, dass Sie es loswerden." "Wir sind hier nicht in der Schule." "Stimmt. Dies hier ist ein Vorstellungsgespräch, das darüber entscheidet, ob Sie demnächst wieder Ihre Miete bezahlen können oder auf der Straße landen. Das Kaugummi verschwindet." Seine Augen funkelten drohend. Maxi zögerte und überlegte, ob sie einfach weiterkauen oder das Kaugummi auf seinen Schreibtisch legen sollte. Bevor sie sich entscheiden konnte, hob er einen Finger. Daraufhin sprang Loner auf und begann zu jaulen. Ihr Aufschrei brach abrupt ab. Entsetzt blickte sie Noah an. Er lachte. "Sie haben es runtergeschluckt, stimmts?" "Ja", brachte sie hervor. "Geschieht Ihnen recht." Er blickte viel sagend zu den drei anderen Frauen, die sich Mühe gaben, nicht zu lachen. Selbst Onkel Reggie kämpfte mit sich. "Bisher haben Sie gelernt, was Sie vermeiden sollten. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, sie hat es absichtlich gemacht." "He!" "Leider muss ich davon ausgehen, dass Maxi sich besser zur Lehrerin eignen würde." Noah sah sie an und zog eine Augenbraue hoch. "Wollen wir weitermachen?" "Vielleicht sollten wir es lieber lassen." Er beachtete sie jedoch nicht, sondern setzte seine Lesebrille auf, schlug einen Ordner auf und überflog den Inhalt. "Hier steht, dass Sie in den letzten fünf Jahren keinen Job hatten. Würden Sie mir das bitte erklären?" "Ich bin reich." "Ms. Fontaine." "Oh, Entschuldigung. Ich soll mir etwas ausdenken, stimmts?" Noah ignorierte ihre Frage. "Delia, wie hätten Sie darauf geantwortet?"
Delia warf Maxi einen amüsierten Blick zu, bevor sie erwiderte: "Ich hätte wohl gesagt, dass ich vier Kinder großgezogen habe, während mein Mann gearbeitet hat. Aber er ist vor kurzem gestorben, und ich brauche den Job, um meine Familie zu ernähren." "Gut, Delia. So geben Sie Ihrem potentiellen Arbeitgeber zu verstehen, dass Sie ernsthaft an einem Job interessiert sind." "Und was üben wir als Nächstes?" erkundigte Maxi sich trocken. Daraufhin winselte Loner und legte sich wieder hin. Noah wirkte auch nicht viel enthusiastischer. "Vielleicht ist dies der richtige Zeitpunkt, um über unsere Gesprächsstrategien zu sprechen." Er nahm einen Stift in die Hand und klopfte damit auf den Schreibtisch. "Allein." Die drei Frauen verstanden den Wink. Sie standen auf und verließen das Zimmer, gefolgt von Onkel Reggie, der den Kopf schüttelte. Selbst Loner trottete hinaus. Noah fixierte Maxi mit einem harten Blick. "Wollen Sie den Frauen auf diese Weise beibringen, wie sie sich bei einem Vorstellungsgespräch verhalten sollen?" "Normalerweise führe ich die Gespräche." "Das sagten Sie bereits." Er legte den Stift weg. "Ich dachte, Sie nehmen dieses Projekt ernst." "Das tue ich auch!" "Dann bin ich es also, der das Schlimmste in. Ihnen zum Vorschein bringt?" "Sie rufen merkwürdige Reaktionen hervor." Viele merkwürdige Reaktionen. "Das Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit", bemerkte er leise. "Ich schlage vor, dass wir uns auf etwas einigen." "Ich bin für alles offen." "Einigen wir uns darauf, dass wir uns nicht gegenseitig quälen, solange wir nicht allein sind." "Quälen?" wiederholte sie nervös.
Noah lächelte. "Der Ausdruck ist vielleicht etwas zu drastisch." Maxi erstarrte. Sein Lächeln brachte sie völlig durcheinander, und sie konnte nur noch an seinen Kuss denken. Noah zu schmecken, zu riechen und zu spüren hatte sie um den Verstand gebracht. Er hatte etwas tief in ihr angerührt, und sie wüsste nicht, ob sie sich je davon erholen würde. "Maxi?" Sie atmete tief durch und versuchte, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Wovon hatten sie gerade gesprochen? "Würde es Ihnen etwas ausmachen, den letzten Teil zu wiederholen?" Noah verzog das Gesicht. "Vielleicht hätte ich provozieren' statt ,quälen' sagen sollen. Wir müssen aufhören, uns gegenseitig zu provozieren. Es ist den anderen Frauen gegenüber nicht fair." "Dieser Monat wird eine schwere Belastungsprobe, stimmts?" Für sie beide. "Soll ich Sie an Babe zurückgeben?" Er saß regungslos da. "Führen Sie sich deswegen so auf? Damit ich gehe?" "Nein." Maxi zuckte die Schultern. Vielleicht durfte sie nicht so hart mit dem armen Jungen ins Gericht gehen. Er versuchte schließlich nur, für sein Geld etwas zu leisten. "Ich benehme mich eigentlich immer so. Tut mir Leid." "Das hatte ich befürchtet." Sie beugte sich vor. "Ich werde mich schon an Sie gewöhnen. Geben Sie mir nur etwas Zeit." Statt zu kontern, wie sie es erwartet hatte, stützte Noah die Hände auf den Tisch und beugte sich ebenfalls vor, so dass ihre Gesichter sich ganz nahe waren. "Sie haben sich schon an mich gewöhnt, Schätzchen." "Wollten Sie nicht etwas Unhöfliches sagen?" "Warum sollte ich?" Seine dunkle, sinnliche Stimme ging Maxi durch und durch. Sie war ihm hilflos ausgeliefert, wenn er sie so ansah wie jetzt, und das machte ihr Angst. "Ich mag Ihren
Sinn für Humor. Ich mag Sie. Und ich bin ganz verrückt nach Ihrem Mund." Maxi rang nach Fassung. Es wäre so einfach, sich in seinen Worten zu verlieren und dem zu glauben, was sie in seinen funkelnden Augen las. Sie befeuchtete sich die Lippen. "Aber?" "Diese Frauen brauchen Ihre Hilfe. Sie sind nicht reich. Sie können es sich nicht leisten, ihrem Sinn für Humor zu frönen. Diese Jobs sind sehr wichtig für sie, wie Sie durchaus wissen. Sonst würden Sie sich nicht so für sie einsetzen." Maxi schloss die Augen. "Sie haben Recht. Ich weiß nicht, was mit mir los war." "Natürlich wissen Sie das." Sein Tonfall veranlasste sie, die Augen wieder zu öffnen. Noah kam näher und presste die Lippen auf ihre. "Mir ging es genauso." "Wir wollten das doch nicht tun." "Dann halte mich davon ab." "Ich will aber nicht." "Ich auch nicht." Trotzdem schaffte er es. Er sank wieder auf seinen Sessel und bewies dabei eine Willenskraft, um die sie ihn nur beneiden konnte. "Es wird ein interessanter Monat, meinen Sie nicht? Und nur damit Sie's wissen, Babe wird mich nicht zurücknehmen, und ich werde meinen Job auch nicht vorzeitig beenden." "Ihren Job? Und wie lautet Ihre Jobbeschreibung heute?" "'Mädchen für alles' klingt nicht schlecht." "Ich wusste gar nicht, dass ein Mädchen für alles je seinen Job beendet." "Dieses schon." Seine Stimme hatte einen warnenden Unterton. "Babe hat mich nur für kurze Zeit engagiert. Wenn ich hier fertig bin, werden Sie es als Erste erfahren." Auf seine Bemerkung hin legte Maxi sich auf den Schreibtisch und riss eine Schublade auf. Sie nahm eine goldfarbene Schachtel heraus, setzte sich wieder auf ihren Stuhl
und nahm den Deckel ab. "Jetzt brauche ich unbedingt eine Praline." "Haben Sie in jedem Zimmer Pralinenschachteln?" fragte Noah amüsiert. "Und ob. Ich bin auf jeden Notfall vorbereitet." "Und wie ist es zu diesem Notfall gekommen?" Maxi schluckte mühsam. "Ich rede nicht gern übers Ende." "Und deshalb brauchen Sie eine Praline?" "Mit Pralinen ist alles leichter zu ertragen. Und angenehme Dinge werden noch angenehmer." Sie nahm eine Praline heraus und steckte sie sich in den Mund. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Seine Züge "waren angespannt. "Dann geben Sie mir die Schachtel." Maxi schob ihm die Schachtel hin. Sie musste lachen, weil die Situation so absurd war. Noah und sie verzehrten sich förmlich nacheinander, waren aber beide zu misstrauisch, um ihrem Verlangen nachzugeben. "Wir sind wirklich ein tolles Paar, nicht?" Noah öffnete die Augen nicht, doch ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Und was für ein Paar, Schätzchen. Und das werde ich Ihnen demnächst beweisen." Nun brauchte sie noch eine Praline.
6. KAPITEL Irgendetwas war im Busch, das spürte er, Noah. Maxi konnte kein Geheimnis für sich behalten. Ihre unschlüssigen Blicke, ihr Tonfall und das ständige Klirren ihrer Armbänder verrieten sie. Selbst die Art, wie sie Loner streichelte, machte ihn misstrauisch. Vielleicht war es auch ihr Versuch, ihre Lockenmähne zu bändigen, oder die Tatsache, dass Maxi anlässlich dieses "Vorstellungsgesprächs" ihr bestes Top trug, kombiniert mit einer flotten knallroten Hose. Die schwierige Ms. Fontaine wollte sich unbedingt noch mehr Schwierigkeiten einhandeln. Die Frage war nur, worum es sich diesmal handelte. "Und was haben Sie heute vor?" erkundigte Noah sich beiläufig. Maxi zuckte zusammen, was seinen Verdacht bestätigte. "Heute?" "Ja, heute. Ich soll bei Ihnen bleiben, damit ich sehe, wo ich Ihnen am besten helfen kann, falls Sie es vergessen haben sollten." Sie schnippte mit den Fingern. "Oh, richtig. Tut mir Leid, Noah. Heute geht es nicht." "Ach so." Er verschränkte die Arme vor der Brust. "Warum nicht?"
Maxi brauchte nicht lange, um sich eine passende Ausrede auszudenken. "Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass Sie einen Tag frei nehmen sollten." "Tatsächlich?" Noah zog eine Augenbraue hoch. "Ich bin noch nicht einmal eine Woche hier und darf schon frei nehmen?" Sie strahlte übers ganze Gesicht. "Bin ich nicht eine wunderbare Arbeitgeberin?" "Die beste, Schätzchen." "Also, was wollen Sie heute machen, während der Rest von uns sich in die Arbeit stürzt?" fragte sie eine Spur zu enthusiastisch. "Ich werde wohl hier bleiben und sehen, in welche Schwierigkeiten ich geraten kann." "Schwierigkeiten?" Fast hätte er über ihr schuldbewusstes Gesicht gelacht. Sie machte es ihm viel zu leicht. "Was für Schwierigkeiten?" "Ich weiß nicht. Haben Sie einen Vorschlag?" "Vorschlag?" Ihre Stimme überschlug sich beinah. "Wie kommen Sie denn darauf?" Noah beugte sich vor, bis ihre Nasen sich fast berührten. "Ich glaube, Sie hyperventilieren, Ms. Fontaine. Gibt es dafür einen Grund?" "Ich ... Sie ..." Schnell wich Maxi einen Schritt zurück und strich sich einige Locken aus dem Gesicht. "Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, Mr. Hawke." "Das glaube ich nicht." Er streifte mit dem Zeigefinger ihre Nasenspitze. "Dann sehen wir uns später." Sie räusperte sich. "Viel später. Einverstanden?" "Einverstanden." In den nächsten Stunden hielt Noah sich bewusst von Maxi fern, damit sie ihn nicht unter irgendeinem Vorwand loswerden konnte. Er konnte sich denken, was sie vorhatte, aber er wusste nicht, was er unternehmen sollte. Natürlich hatte man ihn nicht
engagiert, damit er etwas unternahm - zumindest nicht, was ihren Wunsch nach einem Baby betraf. Da er jedoch ganz allein für ihre Sicherheit verantwortlich war, blieb es wohl an ihm hängen, zumal kein Ende in Sicht zu sein schien. Bisher hatte er nichts herausgefunden. Ein weiterer Brief war nicht gekommen. Er hatte keinen fremden oder zwielichtigen Typen vor dem Haus herumlungern sehen. Noah verzog den Mund. Nur im Haus. Er war gerade dabei, sich Informationen über alle Leute zu beschaffen, mit denen er in Kontakt gekommen war. Außerdem hatte er den letzten Erpresserbrief seinem Teilhaber gegeben, um ihn auf Fingerabdrücke überprüfen zu lassen. Babe hatte die Behörden nicht einschalten wollen, doch sein Teilhaber war kein Polizist oder Rechtsanwalt. Bis das Ergebnis da war, musste er, Noah, das Beste aus der Situation machen. Am Mittag bestätigten sich seine schlimmsten Befürchtungen. Es klingelte an der Tür, und Maxi lief barfuß hin, um zu öffnen. Schnell dirigierte sie ihren "Gast" ins Wohnzimmer, wo sie auch ihn, Noah, und die anderen Babymacher interviewt hatte. Man brauchte nicht viel Grips, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Sie führte wieder Vorstellungsgespräche. Und was nun? Noah kniff die Augen zusammen, als er seine Möglichkeiten abschätzte. Er konnte einfach ins Zimmer platzen, allerdings würde Maxi ihn vermutlich sofort hinauswerfen. Er konnte sie unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand weglocken - aber nur für höchstens zwei Minuten. Oder er konnte in der Diele warten und zu ihr eilen, wenn sie um Hilfe rief. Leider drangen keine Geräusche nach draußen. Das machte ihm am meisten zu schaffen. Wahrscheinlich würde er sie nicht einmal hören, wenn sie aus Leibeskräften schrie. Dann kam ihm noch ein Gedanke. Es gefiel ihm zwar nicht, aber er hatte wohl keine andere Wahl, wenn er Maxi und ihren "Gast" im Auge behalten wollte. Allerdings würde es
bedeuten, dass er nicht mehr Mädchen für alles war, sondern Platzwart, und das widersprach seinen Grundsätzen. Doch Maxi zuliebe ... Angewidert schüttelte Noah den Kopf. Sieh den Tatsachen ins Auge, Hawke. Für Maxi würde er alles tun. Er würde alles tun, um sie zu beschützen. Sobald er zu diesem Entschluss gelangt war, verschwendete er keine Zeit mehr. Durch die Küche ging er nach draußen und zur Seite des Hauses. Dabei hoffte er, dass niemand beobachtete, wie er im Gebüsch herumschlich, und die Polizei rief. Vielleicht wäre es auch das Beste für alle Betroffenen. Wenn man ihn verhaftete, würde die Erpressung ans Tageslicht kommen, und sein Job wäre beendet. Babe würde einen Rüffel bekommen, aber wenigstens würde Maxi die Wahrheit erfahren. Allerdings ging er, Noah, jede Wette ein, dass sie den Erpresser ausfindig machen, mit nach Hause nehmen und ihm etwas zu essen geben würde. Dann würde sie ihm helfen, einen Job zu finden, oder ihn selbst einstellen. Verdammt! Dieser Mistkerl konnte sofort vom Erpresser zum nächsten Mädchen für alles aufsteigen. Sie würde auch einen neuen Mitarbeiter brauchen, da er, Noah, immer noch im Knast sitzen würde. Er kauerte sich neben eine Bougainvillea und riskierte einen flüchtigen Blick durchs Fenster. Gut. Er hatte das Richtige gefunden. Maxi saß im Schneidersitz auf einem Sessel neben ihrem Gast, der, seiner verzückten Miene nach zu urteilen, auf jeden Fall ein potenzieller Babymacher war. Leider konnte er, Noah, nicht ein Wort verstehen. Vorsichtig versuchte er, das Fenster ein wenig zu öffnen, und war überrascht, als es ihm tatsächlich gelang. Wenn er jetzt erwischt wurde, würde er sich nicht herausreden können, denn es war äußerst unwahrscheinlich, dass es sich bei diesem Mann um den Erpresser handelte. Trotzdem musste er sich bereithalten, um seiner Arbeitgeberin eventuell aus der Klemme zu helfen.
Noah hörte Gemurmel, konnte jedoch kein Wort verstehen. Leise fluchend öffnete er das Fenster noch ein Stück, und es glitt leise nach oben. Verdammt! Gleich nachdem Maxi das Gespräch beendet hatte, würde er ihr einen Vortrag über ihre unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen halten. Zufrieden, weil er nun alles verstehen konnte, kniete er sich hin und tat so, als würde er im Beet Unkraut jäten. "Also ... Mr. Sylvester", hörte er Maxi sagen. "Sagen Sie doch Thomas." "Thomas. Ich habe einige Fragen an Sie, falls es Ihnen nichts ausmacht." "Überhaupt nicht." "Sie wissen, was ich möchte?" "Ein Baby, richtig?" "Richtig. Haben Sie ein Problem damit?" "Überhaupt nicht", verkündete Sylvester fröhlich. "Ich würde Ihnen gern dabei helfen." Dieses Schwein! Noah riss ein Büschel Unkraut heraus. Er würde ihr auch gern helfen - dabei, den guten alten Thomas mit einem Tritt hinauszubefördern. Maxi hingegen schien mit der Antwort zufrieden. "Toll. Ich wollte nur sichergehen, dass Sie wissen, was ich erwarte. Als ich das letzte Mal Vorstellungsgespräche geführt habe, war ein Mann dabei, der meine Anzeige völlig falsch verstanden hatte. Und er war nicht sehr erfreut darüber, als ich es ihm erklärt habe." "Offenbar ist er nicht besonders intelligent." "O doch, das ist er. Sehr sogar. Ehrlich gesagt, verfügte er über alle Eigenschaften, die ich suche. Es handelte sich nur um ein Missverständnis. Wirklich schade." Ihre Stimme klang jetzt nachdenklich. "Er wäre perfekt gewesen." Perfekt? Noah lächelte breit. Sie fand ihn also perfekt. Interessant.
"Ich glaube, Sie werden mich noch perfekter finden", behauptete Sylvester. Er klang nicht besonders glücklich. Dafür hatte er, Noah, Verständnis. Er riss noch mehr Unkraut heraus. Seine Laune hatte sich schlagartig gebessert. "Wir werden sehen", meinte Maxi unverbindlich. "Zuerst muss ich Ihnen einige Fragen stellen." "Schießen Sie los. Ich habe nichts zu verbergen." Noah hörte, wie ihre Armreifen klirrten, und riskierte einen weiteren flüchtigen Blick. Maxi studierte gerade einige Unterlagen, bei denen es sich zweifellos um ihren Fragebogen handelte. Sie sah wirklich phantastisch aus. Und Sylvester war offenbar auch nicht entgangen, was für eine tolle Figur sie hatte. Wenn sie aufgeblickt und seine Miene gesehen hätte, dann hätte sie dem Kerl eine geknallt. "Okay", sagte sie schließlich und beugte sich vor, um die Unterlagen auf den Tisch zu legen. Sylvester konnte den Blick nicht von ihrem Ausschnitt abwenden, und Noah musste an sich halten, um nicht einzuschreiten. Ein falsches Wort, und er würde sich durchs Fenster stürzen. "Frage Nummer eins", begann Maxi. "Wenn Sie die Wahl hätten, mir eine rote Rose oder ein Gänseblümchen zu schenken, wofür würden Sie sich entscheiden?" "Wie?" Noah duckte sich und unterdrückte ein Lachen. Da Sylvester sich mehr auf ihre augenscheinlicheren Attribute konzentrierte, würde er das Gespräch garantiert nicht durchstehen. "Was würden Sie nehmen? Eine Rose oder ein Gänseblümchen", wiederholte Maxi ungeduldig. "Haben Sie mir etwa nicht zugehört?" "Doch, habe ich. Ich würde ... ich würde ..." Thomas strahlte. "Ich würde Ihnen eine rote Rose pflücken. Eine rote Rose, die zu Ihrer ... roten Hose passt."
"Du meine Güte", erwiderte sie enttäuscht. "Das hatte ich befürchtet." "Habe ich ,Rose' gesagt? Ich meinte natürlich, ein Gänseblümchen." "Ihnen ist doch klar, dass ich nicht an einer Ehe interessiert bin, oder?" "Das ist es." Unter anderen Umständen hätte er, Noah, darüber gelacht. Sylvester räusperte sich. "Aber ... was hat das mit Rosen und Gänseblümchen zu tun?" "Alles natürlich." Maxi schnippte mit den Fingern. "Noch eine Frage. Stört es Sie, dass ich keine Schuhe trage?" Noah stöhnte auf. Er ging jede Wette ein, dass diese Frage nicht in ihren Unterlagen stand. Wahrscheinlich machte seine Bemerkung Maxi immer noch zu schaffen. Wieder musste ein Büschel Unkraut dran glauben. "Nein, es macht mir nichts aus", versicherte Thomas. "Ich finde Ihre lackierten Fußnägel sehr hübsch." "Ich konnte mich nicht für eine bestimmte Farbe entscheiden. Deswegen trage ich solange meine drei Lieblingsfarben - Rosa Traum, Blaue Versuchung und Rote Sünde. Welche gefällt Ihnen am besten?" "Rote Sünde?" "Ja, das ist mein Favorit. Sind die Namen nicht zum Schießen? Ich weiß nicht, wer sich so was ausdenkt." Maxi raschelte wieder mit den Papieren, und das Klirren ihrer Armbänder verriet, dass sie zum Fenster kam. Schnell drückte Noah sich an die Hauswand. "Okay. Sind Sie bereit für meine nächste Frage?" "Ich glaube schon." Thomas klang lange nicht mehr so begeistert wie vorher. "Mir ist nicht ganz klar, was Ihre Fragen mit einem Baby zu tun haben."
"Sie sind sehr wichtig", beharrte sie. "Sollte ich mich für Sie entscheiden, müssten Sie den Job so schnell wie möglich erledigen. Haben Sie damit ein Problem?" "Nein. Wie eilig haben Sie es denn?" "Sehr eilig. Ich bin mit meinem Plan auf Widerstand gestoßen, wissen Sie." Das ist kein Witz, hätte Noah fast laut gesagt. Erschrocken stellte er fest, wie sie aus dem Fenster langte und eine tiefrosa Bougainvilleablüte pflückte. Verdammt! Hätte sie nach unten geblickt, hätte sie ihn gesehen. Warum, zum Teufel, hatte er diesen Job bloß angenommen? Er musste verrückt gewesen sein. "Wissen Sie, dieser neue Mitarbeiter, den ich eingestellt habe - derjenige, der meine Anzeige falsch verstanden hat ..." Sie pflückte noch eine Blüte. "Aus irgendeinem Grund findet er meine Idee nicht so gut. Nicht, dass es ihn etwas angeht. Aber er könnte mir Probleme machen." "Dann feuern Sie ihn." Sylvesters Stimme klang plötzlich gedämpft. Maxi seufzte. "Das geht nicht." "Warum nicht? Es ist doch ganz einfach?" Noah fragte sich, wo Sylvester war. Hatte er das Zimmer verlassen? "Das kann ich nicht. Meine Mutter hat ihn mir zum Geburtstag geschenkt. Soll ich ihr sagen, dass ich ihn nicht mag, weil er meine Idee mit dem Baby nicht gut findet?" Wieder seufzte sie und verharrte mitten in der Bewegung. "Meine Mutter würde mich umbringen, wenn sie herausfindet, was ich vorhabe. Aber ich möchte unbedingt ein Kind." "Und da komme ich ins Spiel, stimmts?" Maxi legte die Hand auf die Fensterbank und beugte sich ein wenig vor, um noch mehr Blüten zu pflücken. Gleich würde sie ihn entdecken. Und ihr Top gewährte tiefe Einblicke. Noah versuchte, sich zusammenzureißen, und wandte den Blick ab.
Die Bougainvillea bewegte sich, als Maxi eine weitere Blüte pflückte, und er riskierte einen flüchtigen Blick nach oben. Nun steckte sie sich die Blüten ins Haar. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er es hinreißend gefunden, doch jetzt wurde er wütend, weil ihm die Hände gebunden waren und er zudem im Dreck herumkriechen musste. "Ja, Sie sollen mir dabei helfen, schwanger zu werden", wandte sie sich an Sylvester. "Vielleicht. Wenn ich mich für Sie entscheide, würde ich gern sofort anfangen. Haben Sie ein Problem damit?" "Überhaupt nicht. Ich bin gern dazu bereit. Und wenn Sie sich umdrehen würden, dann würden Sie feststellen, dass ich auch dazu in der Lage bin." Maxi trat vom Fenster zurück, und Noah stand langsam auf. "Was ...?" Sie verstummte und stieß einen schrillen Schrei aus. "Thomas! Was tun Sie da?" "Du wolltest doch sofort anfangen. Komm, Baby, legen wir los." Noah wartete keine Sekunde länger. Ein Blick durchs Fenster bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Mit einem wütenden Aufschrei stemmte er sieh hoch, hechtete durchs Fenster und stürzte sich auf Sylvester. "Sie verdammter Dreckskerl!" Sylvester schrie entsetzt auf und wich zurück. Er hob abwehrend die Hände, besann sich dann aber darauf, dass er besser daran tat, seine Blöße zu bedecken. "Wer sind Sie? Was tun Sie da?" "Wer ich bin? Der Mann, der dir gleich die Zähne ausschlagen wird." Noah drohte ihm mit der Faust. "Und was ich tue, ist ja wohl offensichtlich. Ich bringe den Müll nach draußen." "Warten Sie! Lassen Sie es mich Ihnen erklären." "Kein Bedarf," Mit zwei Schritten war er bei Maxis jüngstem Babymacher-Reinfall, packte ihn und beförderte ihn in die
Diele. Als er den Lärm hörte, kam Loner bellend herbeigelaufen. "Lauf weg, Kumpel", fügte Noah hinzu. "Es ist deine einzige Chance." "Meine Sachen! So können Sie mich doch nicht gehen lassen." "Ich nicht." Noah gab Loner ein Zeichen. "Aber mein Wolf kann es." Mit einem panischen Aufschrei riss Sylvester die Haustür auf und stolperte nach draußen. Maxi erwies sich als großzügig. Sie hob die Sachen auf, die im Wohnzimmer verstreut lagen, eilte ihm nach und warf sie auf die Veranda. "Und kommen Sie ja nicht wieder", rief sie. Noah knallte die Haustür zu und drehte sich zu Maxi um. "Jetzt sind Sie an der Reihe", verkündete er drohend. "Ich? Was habe ich denn getan?" Er umfasste ihren Arm und zog sie ins Wohnzimmer. "Pass auf, Loner", befahl er, bevor er die Tür hinter sich schloss. Dann ließ er Maxi los und wartete. "Sie haben Loner einen Wolf genannt." "Tatsächlich?" "Ja. Vielleicht sollten Sie es erklären." "Vielleicht auch nicht." Alarmiert blickte sie ihn an. "Und Sie versperren die Tür." "Das ist auch meine Absicht." "Und ... und Sie machen so ein finsteres Gesicht." "Überrascht Sie das?" "Eigentlich nicht." Sie räusperte sich und wandte dann eine andere Taktik an. "Mann, Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen. Danke für Ihre Hilfe. Ich gehe jetzt wohl besser. Okay?" "Kommt nicht infrage." Aus irgendeinem Grund fiel es ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen und ein Wort über die Lippen zu bringen. Vielleicht lag es daran, dass er die Zähne
zusammengebissen hatte. Schließlich schaffte er es doch. "Dieser... Mann ... war ... nackt." "Haben Sie das auch gemerkt?" sprudelte sie hervor. "Junge, Junge, er war tatsächlich nackt. Ich weiß nicht, warum ich nicht gemerkt habe, dass er sich ausgezogen hat, aber es ist nun mal passiert. Nächstes Mal muss ich wohl besser aufpassen." Maxi überlegte einen Moment, und er nutzte die Gelegenheit, um die Fassung wiederzugewinnen. "Ich war total schockiert." "Das verstehe ich nicht." Vergeblich bemühte er sich, nicht so zu schreien. "Offensichtlich wollte er prompt auf Ihre Anzeige reagieren." "Man könnte wohl sagen, dass er sich falsche Hoffnungen gemacht hat. Aber Sie haben ihn gestoppt." Sie zuckte zusammen, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. "Und dafür bin ich Ihnen dankbar. Sehr dankbar." "Das ist nicht komisch, Maxi!" "Schreien Sie mich nicht so an." "Das wollte ich nicht." Noah strich sich durchs Haar. "Verdammt! Haben Sie den Verstand verloren? Dieser Mann hätte Ihnen etwas antun können. Wenn ich nicht rechtzeitig reingekommen wäre ..." "Gut, dass Sie das ansprechen. Sie sind durchs Fenster gekommen, stimmts?" "Und?" "Was haben Sie da draußen gemacht?" "Sie gerettet." "Nein, vorher, meine ich." "Mich vergewissert, dass Sie keine Hilfe brauchen." Entgeistert sah Maxi ihn an. "Sie haben mein Gespräch belauscht?" Er weigerte sich, deswegen Gewissensbisse zu verspüren. "Sie haben mir freigegeben. Ich habe beschlossen, im Garten zu arbeiten." Hoch erhobenen Hauptes ging er zum Fenster und deutete auf das Unkraut, das er ausgerissen hatte. "Sehen Sie?"
Maxi kam ebenfalls ans Fenster und blickte nach draußen. "Das ist Minze, kein Unkraut." "Dann ist es ja gut, dass Sie mich nicht als Gärtner engagiert haben." "Haben Sie mein Gespräch belauscht?" wiederholte sie. Nun packte ihn der Zorn. "Seien Sie mir gefälligst dankbar, dass ich da war. Ich glaube nicht, dass der gute alte Thomas ein Nein akzeptiert hätte. Und was hätten Sie dann getan?" "Ich hätte natürlich Hilfe geholt." "Tatsächlich? Tun wir mal so, als wäre ich Thomas." Noah stellte sich vor die Tür und bedeutete ihr, auf ihn zuzugehen. "Kommen Sie. Um Hilfe zu holen, müssen Sie irgendwie an mir vorbeikommen." Langsam kam sie auf ihn zu und blieb schließlich gerade außerhalb seiner Reichweite stehen. Sie war so blass geworden, dass jetzt winzige Sommersprossen auf ihrer Nase zu sehen waren. "Ich habe keine Lust, es zu probieren", sagte sie leise. "Sie sind nicht Thomas und könnten es auch nie sein." "Glauben Sie, Sie wären an ihm leichter vorbeigekommen?" "Wenn es hart auf hart gekommen wäre, hätte ich mich gewehrt." "Das bezweifle ich nicht. Sie sind sehr kampflustig. Aber Sie sind nur ungefähr einsfünfundfünfzig groß und wiegen höchstens fünfzig Kilo." Maxi wollte ihn korrigieren, überlegte es sich dann jedoch anders und schwieg. "Begreifen Sie jetzt, Maxi?" Er breitete die Arme aus. "Ich bin einsfünfundachtzig groß und wiege fünfundachtzig Kilo. Jetzt stellen Sie sich mich nackt und zu allem entschlossen vor." "Oh, versuchen Sie ja nicht, mich zu beruhigen", erwiderte sie scharf. "Sie hätten kündigen sollen, als ich mich zu Tode geängstigt habe." Noah wagte es nicht, auf diese Bemerkung einzugehen. Er versuchte, seine Belustigung zu überspielen, indem er sich
wütend gab. "Sie lassen einen Fremden ins Haus. Sie sagen ihm, dass Sie ein Baby von ihm wollen. Und dann sagen Sie ihm, dass Sie es sehr eilig haben. Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie überrascht oder schockiert sind, wenn er Sie beim Wort nimmt." "Sie haben gelauscht." "Und ob ich gelauscht habe! Was sollte das eigentlich mit den Rosen und Gänseblümchen?" Noah verzog das Gesicht. "Haben Sie allen Bewerbern solche Fragen gestellt?" "Sind Sie jetzt fertig?" "Ich weiß nicht genau." Sie stemmte die Hände in die Hüften. "Wenn Sie fertig sind, antworte ich." "Gut." Er konnte es sich nicht verkneifen, sie ein letztes Mal zu warnen. "Aber wenn Sie noch einmal etwas so Idiotisches machen, werde ich dafür sorgen, dass Sie es bedauern, das schwöre ich Ihnen. So, jetzt bin ich fertig. Erklären Sie mir das mit den Blumen." "Ich wollte herausfinden, ob er sich für mich interessiert." "Oh, ich glaube, das ist Ihnen gelungen." "Das meine ich nicht! Haben Sie dehn nicht begriffen? Rosen!" Noah schüttelte den Kopf. "Offenbar bin ich begriffsstutzig. Ich habe keine Ahnung, was es zu bedeuten hat." "Rote Rosen symbolisieren ewige Liebe. Männer schenken sie Frauen, die sie umwerben wollen. Oder um ernsthafte Absichten auszudrücken." "Nein", verbesserte er sie prompt. "Männer verschenken Blumen, weil Frauen darauf abfahren und irgendwelchen Mistkerlen erlauben, mit Verhaltensweisen davonzukommen, mit denen sie sonst nicht davonkommen würden. Falls es Sie interessiert, für Männer erfüllen Blumen nur zwei Zwecke. Erstens sind sie ein einfacher Weg ins Bett einer Frau. Oder zweitens sind sie ein einfacher Weg, um Problemen mit einer
Frau aus dem Weg zu gehen und die Frau wieder ins Bett zu bekommen." "Sie sind so ein Zyniker!" "Nein, ich bin nur realistisch. Außerdem werden Rosen nur als letzte Rettung benutzt." Maxi horchte auf. "Warum?" "Weil sie viel zu teuer sind - es sei denn, man hat sonst nichts erreicht. Das habe ich von einem Experten gelernt." Gequält blickte sie ihn an. "Von Ihrem Vater?" "Sagen wir, mein guter alter Dad hatte sehr interessante Erziehungsmethoden." Gleichgültig zuckte er die Schultern. "Damit sind wir wieder bei meiner ersten Frage. Warum zwingen Sie Ihre potenziellen Babymacher dazu, sich zwischen einer Rose und einem Gänseblümchen zu entscheiden?" "Ich wünschte, Sie würden sie nicht mehr so nennen", beschwerte sie sich. Als er eine Augenbraue hochzog, kapitulierte sie. "Also gut. Ich lasse sie wählen, weil ich dann weiß, welche Absichten sie verfolgen. Wenn sie die Rose nehmen, heißt es, dass sie mich umwerben möchten. Aber ich möchte keine Romanze. Ich möchte Gänseblümchen." "Sie bekommen weder das eine noch das andere, Schätzchen. Sie werden sich nur ernsthafte Schwierigkeiten einhandeln. Sie haben Glück gehabt, weil ich Mr. Sylvester schnell entmutigen konnte. Was ist, wenn der nächste Bewerber sich als hartnäckiger erweist?" "Sie kennen seinen Namen? Wie lange haben Sie unter dem Fenster gestanden?" "Lange genug." Noah beobachtete, wie Maxi angestrengt nachdachte und versuchte, sich das Gespräch ins Gedächtnis zu rufen. Sie zählte sogar an den Fingern ab, so dass er ihr folgen konnte. Zuerst hatte sie Sylvester nach seinem Namen gefragt. Dann hatte sie sich vergewissert, ob er ihre Anzeige richtig verstanden hatte. Und dann hatte sie ihm von ihm, Noah, erzählt. Sie hatte zwar
nicht seinen Namen genannt, doch es war offensichtlich gewesen, dass sie ihn meinte. Und das Beste war, dass sie ihn als perfekt bezeichnet hatte. Er wartete darauf, dass sie sich daran erinnerte. Es dauerte weniger als zehn Sekunden. "O nein!" Das Blut schoss ihr ins Gesicht, und sie schloss die Augen. "O nein, nein, nein." Noah beugte sich vor. "Stimmt. Ich habe es gehört." "Sie haben was gehört?" fragte sie. Sicher hoffte sie, dass er sie nur hinhielt. "Dass Sie mich als perfekt bezeichnet haben." Maxi schlug die Hände vors Gesicht. "So ein Mist!" "Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, warum ich Ihrer Meinung nach das Zeug zum Daddy habe?" "Ja, es macht mir etwas aus. Das geht nur mich und denjenigen etwas an, für den ich mich entscheiden werde." "Das ist ein schlechter Witz", erklärte er scharf. "Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?" Sie ließ die Hände sinken und funkelte ihn an. "Natürlich ist es mein Ernst. Meine Liste mit den erforderlichen Qualifikationen ist streng vertraulich. Sie sind nur einer aus einem ... einem ganzen Haufen potenzieller Daddys. Andere verfügen vielleicht auch über die richtigen Qualifikationen." Noah musste an sich halten, um nicht frustriert aufzuschreien. "Ich rede nicht von Ihrer verdammten Liste! Ich rede von Ihrem Plan, ein Baby zu bekommen. Nach dem was heute passiert ist, kann ich einfach nicht glauben, dass Sie noch mehr Vorstellungsgespräche führen wollen." Maxi tat seine Besorgnis mit einer wegwerfenden Geste ab. "Das wird nicht wieder passieren. Das nächste Mal werde ich besser aufpassen. Sobald ein Kandidat sich auszieht..." "Ich habe die Lösung für Ihr Babyproblem;" Er hatte keine Ahnung, warum er das sagte oder wann ihm die Lösung eingefallen war. Er wusste nur, dass er im Begriff war, wieder eine moralische Grenze zu überschreiten. Zu überschreiten?
Verdammt, er hatte vor, darüber zu springen, und über einige andere ebenfalls. Sie betrachtete ihn misstrauisch. "Was?" "Es ist gefährlich, diese Vorstellungsgespräche fortzusetzen. Das nächste Mal könnte man Ihnen wehtun." "Ich lasse mich von meinem Wunsch aber nicht abbringen!" "Das wollte ich auch nicht vorschlagen." "Was dann?" "Ich habe zwei Vorschläge. Gehen Sie entweder in eine Klinik, oder lassen Sie es in einer sicheren Umgebung machen." "Oder?" Noah betrachtete sie durchdringend. "Sie haben zu Sylvester gesagt, Sie hätten den perfekten Mann gefunden. Warum fragen Sie nicht diesen Mann, ob er mit Ihnen ein Baby zeugen möchte?"
7. KAPITEL "Der perfekte Mann? Aber ... aber das sind Sie", ereiferte sich Maxi. Noah nickte, ohne den Blick von ihr abzuwenden. "Er steht vor Ihnen, Schätzchen. Mr. Perfect." Sie biss sich auf die Lippe. "Und warum bieten Sie mir das an?" "Würden Sie mir glauben, wenn ich sagen würde, aus einer Laune heraus?" Maxi schüttelte den Kopf. "Nein." Es hatte keinen Sinn, darauf zu beharren. Da ihre Sicherheit vorrangig war, musste er Maxi alles schmackhaft machen, was sie ihm abkaufen würde. Und wenn er Glück hatte, würde sie auf seinen verrückten Vorschlag eingehen. Nicht, dass er die Absicht hatte, diesen wirklich in die Tat umzusetzen. Er musste sie nur hinhalten, bis er den Erpresser gefunden hatte. "Okay. Würden Sie mir dann glauben, dass ich Sie keinem weiteren Risiko aussetzen möchte?" "Klar. Das akzeptiere ich. Vielleicht." Sie betrachtete ihn besorgt. "Es gibt nur ein Problem. Sie waren immer gegen meinen Plan. Deswegen fällt es mir schwer zu glauben, dass Ihre Sorge um meine Sicherheit Ihre Bedenken überwiegt. Es muss also einen anderen Grund dafür geben." "Einen anderen Grund und eine Bedingung." "Oh." Ihre Armreifen klirrten, als sie vor ihm auf und ab zu gehen begann. "Ich wusste es. Was ist der Grund?"
"Ich begehre Sie." Damit hatte sie offenbar nicht gerechnet. Abrupt blieb sie stehen und sah ihn entgeistert an. "Sie ...?" "Ich möchte mit Ihnen schlafen. Ja." Noah zog eine Augenbraue hoch. "Erzählen Sie mir nicht, dass es Sie überrascht." Maxi schluckte. "Irgendwie schon. Und ... und die Bedingung?" Bisher war es ihm gelungen, bei der Wahrheit zu bleiben. Er hoffte nur, dass es auch weiterhin der Fall sein würde. "Sie haben gesagt, dass Sie keine dauerhafte Beziehung mit dem Vater des Kindes wollen. Dem kann ich nicht zustimmen," . "Das müssen Sie aber!" "Den Teufel werde ich tun. Welcher Mann würde ein Kind zeugen und dann einfach gehen? Würden Sie so einen Mann respektieren? Möchten Sie von so einem Mann ein Kind bekommen?" Für einige Sekunden wurde der Ausdruck in ihren Augen sanfter. Doch dann hob sie das Kinn. "Vielleicht." Noah musste lachen. "Nein, würden Sie nicht. Es wäre Ihnen und unserem Baby gegenüber nicht fair." Ganz bewusst betonte er das Wort "unserem", damit sie den Tatsachen ins Auge sah. "Wenn Sie Erfolg mit Ihrem Plan haben, werden wir in weniger als einem Jahr Eltern sein. Wir beide. Wollen Sie mir das etwa vorenthalten?" "Und was schlagen Sie vor?" "Ich möchte, dass wir uns besser kennen lernen, bevor wir es durchziehen." Ihm war alles recht, womit er sie hinhalten konnte. Trotzdem wählte er seine Worte sorgfältig, weil er das Bedürfnis hatte, damit eine tiefe Bindung zwischen ihnen zu schaffen. "Wir müssen ganz sicher sein, dass wir uns richtig entschieden haben. Wenn Sie erst einmal schwanger sind, können wir uns der Verantwortung nicht mehr entziehen.
Deswegen sollten wir sichergehen, dass wir keinen Fehler machen." "Sie möchten, dass wir uns besser kennen lernen?" hakte Maxi nach. "In welcher Hinsicht?" "Auf dieselbe Art und Weise, wie Männer und Frauen normalerweise eine Beziehung aufbauen." "Sie wollen mich umwerben?" "Wäre es Ihnen lieber, wenn ich sagen würde, dass ich mit Ihnen schlafen möchte?" "Wenn das die Wahrheit ist, ja." "Ich möchte mit Ihnen schlafen." Ihre Miene wurde hart. "Ich wusste es. Das Ganze ist nur ein mieser Trick, um mich ins Bett zu bekommen." "Sie ins Bett zu bekommen war nie besonders schwierig." Er wartete einen Moment, bevor er hinzufügte: "Ich möchte Sie auch als Mensch kennen lernen." "Warum?" flüsterte sie. Noch nie hatte er sie so verletzlich erlebt, und es zerriss ihm das Herz. "Sie wissen, warum. Zwischen uns ist etwas, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht." "Ja. Sexuelle Anziehungskraft." Noah schüttelte den Kopf. "Machen Sie sich nichts vor. Es ist mehr als das, Maxi. Sonst hätten wir uns nie geküsst." "Was immer es ist, ich bin nicht interessiert. Alles, was langfristig ist, ist nichts für mich." Er wandte eine andere Taktik an. "Selbst wenn es perfekt ist? Sie sagten doch, Sie wären auf der Suche nach dem perfekten Mann für das perfekte Kind? Warum wehren Sie sich dagegen?" Maxi suchte verzweifelt nach einem anderen Vorwand. "Ich suche einen Mann, der mich ergänzt, dessen Stärken meine Schwächen ausgleichen und umgekehrt." "Genau. Zum Beispiel... Alles Langfristige ist vielleicht nichts für Sie, aber ich übertreffe mich darin selbst." Er sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen. Doch sie wirkte
genauso misstrauisch wie Loner, als er ihn damals als halb verhungerten, völlig verängstigten Welpen gefunden hatte. "Ich kann es Ihnen beibringen. Sie müssen mir nur vertrauen, Schätzchen." "Das ist wirklich keine gute Idee." "Ach nein? Warum finden wir es nicht heraus?" Noah ging zur Sitzgruppe und nahm ihren Fragebogen zur Hand. Er wartete darauf, dass Maxi etwas sagte oder ihm die Papiere entriss. Als sie es nicht tat, setzte er seine Lesebrille auf und überflog die Seiten. Oben auf der ersten Seite hatte Maxi einen Vermerk gemacht, dass sie die Bewerber nach ihrem Namen, Alter und Ehestand fragen sollte. Als Nächstes kam ihre berüchtigte Frage Rose gegen Gänseblümchen sowie mehrere Dutzend weiterer Fragen, alle säuberlich mit dem Computer geschrieben. Und zum Schluss befand sich am Rand eine Aufzählung von Eigenschaften, ebenfalls in ihrer weiblichen, ziemlich merkwürdigen Handschrift. "Stark", hatte sie geschrieben, "sowohl geistig als auch körperlich. Ruhig. Logisch denkend. Geduldig. MUSS gesunden Menschenverstand haben." Das Wort "muss" war mehrfach unterstrichen. "Nett. Großzügig. Immer hilfsbereit. Mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt. Tierlieb. Pluspunkt, wenn er einen Wolf besitzt." Als Noah das las, zuckte es um seine Mundwinkel. "Kräftige, sensible Hände. Macht in Schwarz eine gute Figur. Klare, wache Augen. Weiterer Pluspunkt, wenn sie grau sind. Kann wundervoll küssen. Und das Wichtigste: Bedeutung der Familie muss ihm klar sein." Es dauerte einen Moment, bis er die Fassung wiedergewonnen hatte und sprechen konnte. "Das ist ja eine Liste!" "Sehen Sie? Ich hatte wirklich gute Fragen. Und Sie haben an mir gezweifelt." Maxi lächelte triumphierend. "Das sollte Ihnen eine Lehre sein."
Noah wartete einen Moment, bevor er antwortete. "Ich rede nicht von den Fragen. Ich meine die Liste, die Sie daneben geschrieben haben." Er nahm seine Brille ab und klopfte mit einem Bügel auf die Unterlagen. "Sehen Sie mich wirklich so?" Entsetzt blickte sie ihn an. Offenbar hatte sie den handschriftlichen Zusatz ganz vergessen. "Die ... Liste?" Noah zeigte ihr die entsprechende Seite. "Möchten Sie Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen?" Sie riss ihm das Blatt aus der Hand und überflog es. "Oh, richtig. Das Zeug." "Zeug?" Irritiert warf er seine Brille in Richtung Couchtisch, doch sie landete auf dem Boden. Maxi war so nervös, dass ihre Brust sich beim Atmen hob und senkte. "Das war albern von mir." "Sie haben es also nicht ernst gemeint?" "Na ja, vielleicht das mit den Augen. Und dem Wolf." Sie räusperte sich. "Ach, und das hier, dass Sie in Schwarz eine gute Figur machen. Ich muss zugeben, dass Ihnen die Farbe steht." "Und was ist mit dem Rest?" Maxi fügte sich ins Unvermeidliche. "Was wollen Sie von mir hören, Noah? Dass ich Sie für wundervoll halte? Dass Sie meiner Meinung nach über alle Attribute verfügen, die der Vater meines Kindes haben soll? Also gut, ich gebe es zu. Ja, so sehe ich Sie. Sie verkörpern all das und noch mehr. Sie sind Ich glaube-einfach-nicht-dass-es-wahr-ist-pass-auf-dass-dir-nicht die-Augen-übergehen-wenn-du-ihn-ansiehst-Mr-Perfect. Zufrieden?" Mehr als zufrieden. "Und warum sträuben Sie sich dann gegen meinen Vorschlag?" "Weil ich das komische Gefühl habe, dass Ihnen etwas Langfristiges vorschwebt. Ich ändere meine Meinung öfter als meinen Nagellack." "Ich ändere meine Meinung selten."
Ihre Miene hellte sich auf. "Eben. Wir sind völlig verschieden." "Wir ergänzen uns", konterte Noah. "Nicht wenn ich mich gern um andere kümmere und Sie sie vertreiben." "Nur die Schlechten. Ausgeprägter Beschützerinstinkt. Es war eine der Eigenschaften, die Sie an mir schätzen." "Vielleicht, aber Sie denken immer so logisch." Das klang wie ein Charakterfehler. "Finden Sie nicht, dass einer von uns es tun sollte?" Noah deutete auf den Bogen, den er immer noch in der Hand hielt. "Hier steht es schwarz auf weiß, Schätzchen. .Logisch denkend. Mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt. Ruhig. MUSS gesunden Menschenverstand haben.' Übrigens freut es mich, dass Sie der Ansicht sind, einer von uns sollte ihn haben." "Ich habe beschlossen, das zu streichen." Maxi nahm einen Stift und strich den Teil. "In dem Fall versuche ich, meinen gesunden Menschenverstand und mein logisches Denkvermögen auf ein Minimum zu beschränken. Zufrieden?" "Sie sind wirklich unwiderstehlich." "Falsch. Ich bin körperlich und geistig stark." "Das streiche ich auch." Sie wollte es ebenfalls durchstreichen, zögerte dann jedoch. "Sie geben nicht auf, stimmts?" Er schüttelte den Kopf. "Nein. Und ich werde Ihnen sagen, was ich wirklich von Ihrem Plan halte." "Bitte spannen Sie mich nicht auf die Folter", meinte sie sarkastisch. "Sie wollen weder den perfekten Mann noch das perfekte Baby." "Sie irren sich!" "Hören Sie auf, sich etwas vorzumachen, Schätzchen. Sie wollen etwas Besseres schaffen, damit Sie nicht mehr allein
sind. Deswegen wollen Sie auch einen Mann, dem die Bedeutung der Familie klar ist. Weil es in Ihrem Leben fehlt. Und ein Baby wird es Ihnen nicht geben. Ein Ehemann und Kinder vielleicht." Ein sehnsüchtiger Ausdruck huschte über ihr Gesicht. "Ich glaube nicht, dass das möglich ist." "Das wissen Sie erst, wenn Sie es versuchen." Noah streckte ihr die Hand entgegen. "Einigen wir uns darauf? Zuerst lernen wir uns besser kennen. Wenn es funktioniert, denken wir darüber nach, ob wir zusammen ein Baby bekommen." "Und wenn nicht?" "Dann gibt es immer noch die Klinik." "O Noah, ich weiß nicht." "Ich schon." Diesmal zog er sie an sich. "Komm, ich überzeuge dich." Maxi befeuchtete die Lippen mit der Zunge, und sofort musste er an heiße, süße Küsse denken, die die Sinne berauschten und direkt ins Bett führten. Wenn er clever war, verschwand er jetzt durch diese Tür und aus ihrem Leben. Doch dazu konnte er sich nicht durchringen. Babe hatte Recht gehabt, als sie ihn davor gewarnt hatte, Gefühle für Maxi zu entwickeln. Maxi und er waren völlig verschieden. Er war wie die Nacht und sie wie der Tag, denn sie hatte ein sonniges Gemüt, war herzlich und emotional, er dagegen ruhig und bedächtig und ließ sich von seinem Verstand lenken. "Ich werde dich jetzt küssen", erklärte er. Maxi ließ die Hände über seine Brust nach oben gleiten und legte sie ihm um den Nacken. "Habe ich dir schon gesagt, dass du phantastisch küsst?" "Ich glaube, das habe ich irgendwo gelesen." Sanft berührte er ihre Lippen. "Ich werde mein Bestes tun, um dich nicht zu enttäuschen."
In dem Moment, als er die Lippen auf ihre presste, machte er sich keine Sorgen mehr, dass er Maxi enttäuschen könnte. Er konnte nur noch an eines denken: Sich das zu nehmen, was sie ihm so großzügig anbot. Heißes Verlangen flammte in ihm auf. Als sie den Kopf zurücklegte und die Lippen öffnete, verschwendete er keine Zeit und begann ein erotisches Spiel mit der Zunge. Es war nicht genug. Nicht annähernd genug. Seit er sie zum ersten Mal in einem ihrer farbenfrohen Tops gesehen hatte, hatte er sich gewünscht, herauszufinden, was sich darunter verbarg. Er konnte der Versuchung nicht mehr widerstehen. "Warte, Schatz", sagte er. Noah ließ die Hände zu ihrem Bauch gleiten und dann höher, um ihre Brüste zu umfassen. Erregt stöhnte er auf. Am liebsten hätte er all seine Ideale - oder was davon noch übrig war vergessen und diese Frau hier auf dem Boden auf alle erdenkliche Arten geliebt. Maxi schrie leise auf und legte die Hände auf seine, um ihn zu ermutigen. Daraufhin schob er sie gegen die geschlossene Tür, umfasste ihren Po und hob sie hoch. Spontan schlang sie die Beine um ihn. Während er sie wieder verlangend küsste, schob er ihr Top hoch und entblößte ihre Brüste. Sie waren unglaublich, rund und fest und hatten rosige Knospen, die an die Bougainvilleablüten erinnerten. Er umfasste sie und strich mit den Daumen über die festen Spitzen. Schließlich umschloss er sie mit den Lippen und saugte sanft daran. Als Maxi vor Lust aufschrie, begann Loner draußen zu heulen. Noah erstarrte und ging insgeheim sein gesamtes Repertoire an Flüchen durch. Langsam löste er sich von ihr und hob den Kopf. Sie atmete schneller und sah ihn verzweifelt an. "Bedeutet das, dass wir nicht beenden, was wir angefangen haben?" brachte sie hervor.
"Es sei denn, alle im Haus sollen mitbekommen, was wir machen." "Ich könnte damit leben, aber du sicher nicht." Frustriert beobachtete er, wie sie das Top herunterzog. "Also, wie geht es jetzt weiter?" "Das hängt von dir ab." Er versuchte, die Fassung wiederzugewinnen. "Möchtest du wissen, wo es hinführt?" Maxi erschauerte. "Ich glaube, wir wissen beide, wo es hinführt." "Aber wir sollten uns Zeit lassen, stimmts?" War das eine Frage an sie oder eine Warnung an sich selbst? Aus irgendeinem Grund füllten Maxis Augen sich mit Tränen. "Aber ich habe so lange gewartet." "Spielt es denn eine Rolle, wenn du noch ein bisschen länger wartest?" Noah hauchte ihr einen Kuss auf den Nacken. "Du hattest doch eine eingehende Untersuchung von mir verlangt, bevor wir zur Sache kommen." "Macht es dir nichts aus?" "Ich bin nicht gerade begeistert von der Vorstellung." Er wich einen Schritt zurück. Dabei kam ihm ein Gedanke. "Ich weiß. Wie wärs mit einem Kompromiss?" "Was für ein Kompromiss?" erkundigte Maxi sich misstrauisch und ging von der Tür weg. "Ich lasse mich brav untersuchen, und du lässt dir von mir einige Selbstverteidigungstechniken beibringen. Nach deiner Auseinandersetzung mit Thomas könntest du es gebrauchen." Verwirrt krauste sie die Stirn. "Ist das wirklich nötig? Schließlich bin ich nicht in Gefahr. Nicht wenn ich die restlichen Vorstellungsgespräche absage." "Wie wärs, wenn ich dich, Daria, Carmela und Widget unterrichten würde? Wir fangen gleich heute an. Es macht euch bestimmt Spaß", ermunterte Noah sie. "Heute?" "Jetzt gleich", drängte er.
"Okay. Aber du musst mir noch einen Gefallen tun." Oje. "Was?" Maxi biss sich auf die Lippe. "Ich glaube, ich habe erwähnt, dass ich bald Geburtstag habe." "Ja, ich erinnere mich dunkel." "Na ja, Babe gibt eine große Party, und..." Sie faltete die Hände. "Ich würde mich sehr freuen, wenn du mich begleiten würdest." Das war gar nicht so übel. "Klar." "Du musst einen Smoking tragen." Sie warf ihm einen zögernden Blick zu. "Ich kann dir einen besorgen." "Das ist nicht nötig." Maxi zog eine Augenbraue hoch. "Mein Mädchen für alles hat eine Abendgarderobe?" "Bei mir sind alle Extras inbegriffen." Er seufzte. "Mehr Extras, als ich anfänglich gedacht hatte. Aber das ist wohl meine Schuld." Sie war so nett, nicht auf diese Bemerkung einzugehen. "Es gibt da noch eine winzige Kleinigkeit." Verdammt! "Und die wäre?" "Du musst Loner hier lassen." "Auf keinen Fall." "Die Party findet im Hyatt Regency in Embarcadero statt. Man wird ihn nicht reinlassen. Außerdem wird man bestimmt die Polizei rufen, wenn er einen der Gäste erschreckt. Und die wird sicher annehmen - irrtümlich annehmen -, dass er ein Wolf ist." Damit kam sie der Wahrheit näher, als sie dachte. Diskretion war in dieser Hinsicht sicher angebracht. "Für einen Abend kann ich ihn bestimmt hier lassen." "Toll." Sie eilte zur Tür und lächelte ihm noch einmal über die Schulter zu. "Da du meine Forderungen erfüllt hast, werde ich jetzt alle zusammentrommeln, damit du uns die erste Unterrichtsstunde geben kannst."
Nachdem sie gegangen war, schloss Noah die Augen und lehnte sich an die Wand. Was, zum Teufel, hatte er getan? Und wie, zum Teufel, sollte er sich wieder aus der Affäre ziehen? Aus der Affäre ziehen? Er lächelte humorlos. Das wollte er gar nicht. Im Gegenteil. Es gab nur ein kleines Problem ... Wie sollte er Maxi dazu bringen, ihn hereinzulassen? Maxi machte es sich auf ihrem Sessel am Schreibtisch bequem und untersuchte Mr. Woof auf weitere Schäden. Seit sie ihn das letzte Mal geflickt hatte, gab es keine neuen Risse. Sie nahm das Stofftier in den Arm und dachte an Noah. Vielleicht machte sie einen Fehler, was ihren Wunsch nach einem Baby betraf. Vielleicht hatte er Recht, und sie war zu voreilig. Eine tiefe Sehnsucht überkam sie. Es war so lange her, dass sie Teil einer Familie gewesen war. Möglicherweise war ihr Wunsch nach einem Baby am dringlichsten geworden, als ihre Mutter ausgezogen war. Vielleicht lag es daran, dass Frühling war und der Frühling schmerzliche Erinnerungen mit sich brachte. Vielleicht hatte es auch etwas mit diesem Geburtstag zu tun - einem Geburtstag, vor dem sie, Maxi, sich schon seit zwei Jahrzehnten fürchtete. War ihr Wunsch nach einem Baby so falsch, nur weil sie ihn Noah nicht begreiflich machen konnte? Sollte sie sich den Wunsch nicht erfüllen, nur weil sie nicht verheiratet war oder Noah an ihr Gewissen appelliert hatte? Ehe. Ein Mann. Langfristige Bindung. Verlust. Es war alles so verwirrend. Plötzlich sah sie Noah vor sich, wie er sie in die Arme nahm und ihren Mund mit Küssen bedeckte. Wie er sie in sein Bett trug. Wie er ihr Baby in den Armen hielt. Wie die gemeinsamen Jahre mit ihm vergingen. Es war so schrecklich verlockend. Maxi umklammerte Mr. Woof und neigte den Kopf, als ihr die Tränen über die Wangen liefen. Was sollte sie bloß tun?
Noah wartete am Fuß der Treppe und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Sie waren spät dran. Bisher war Maxi immer pünktlich gewesen. Daher musste er davon ausgehen, dass sie keine Lust hatte, auf ihre Geburtstagsparty zu gehen, was allerdings keinen Sinn ergab. Er runzelte die Stirn. Warum hätte Babe eine so große Party geben sollen, wenn Maxi nichts davon hielt? Leider stand es ihm nicht zu, etwas zu sagen, zumindest nicht, solange er Maxis heimlicher Bodyguard war. Und vor allem nicht, wenn er nichts getan hatte, um den Erpresser zu entlarven. Was die Fingerabdrücke betraf, so hatte er noch nichts gehört, und die Überprüfungen der Personen in Maxis Umfeld hatten ebenfalls nichts ergeben. Schlimmer noch, es fiel ihm zunehmend schwerer, sich auf seinen Job zu konzentrieren statt auf eine gewisse Blondine. Als er Schritte hörte, drehte er sich um und sah Maxi die Treppe herunterkommen. Fasziniert betrachtete er sie. Sie hatte das Haar hochgesteckt, allerdings hatten sich einige widerspenstige Locken bereits gelöst. Unwillkürlich fragte er sich, wie lange es dauern würde, bis die ganze Frisur sich auflöste. Dann ließ er den Blick zu dem schicken roten Abendkleid schweifen, das Maxi trug. Abgesehen davon, dass es asymmetrisch geschnitten war und eine Schulter frei ließ, erinnerte es ihn an die Kleider der zwanziger Jahre, zumal sie ein perlenbesticktes Stirnband dazu trug, in das sie eine große Pfauenfeder gesteckt hatte. Ein ebenfalls mit Perlen besticktes rotes Umhangtuch und hochhackige rote Wildledersandaletten vervollständigten ihr Outfit. "Wow!" sagte Maxi und strahlte ihn an. "In dem Smoking siehst du umwerfend aus." "Gefällt er dir?" "Und er ist schwarz", bemerkte sie, als sie sich zu ihm gesellte. "Na so was!"
"He, mein Hemd ist weiß." "Das habe ich gemerkt." Langsam ging sie um ihn herum. "Was ist passiert? Sind deine schwarzen Hemden alle in der Reinigung?" "Ich trage dieses weiße Hemd nur deinetwegen", behauptete Noah gespielt entrüstet. "Ich wollte dir zeigen, dass ich nicht nur schwarze Sachen besitze." Ungläubig schüttelte sie den Kopf. "Es gibt tatsächlich noch Wunder. Ich weiß nicht, ob ich das verkrafte." "Ich vertraue auf deine Fähigkeit, mit einer so einschneidenden Veränderung fertig zu werden." Er streckte ihr die Hand entgegen. "Du siehst toll aus, Schatz. Zum Anbeißen." Maxi nahm seine Hand und schenkte ihm ein Lächeln, das ein erregendes Prickeln in ihm hervorrief. "Wie Schokolade?" "Besser." Sie krauste die Nase. "Es gibt nichts Besseres als Schokolade." Noah warf ihr einen viel sagenden Blick zu und wartete. Es dauerte nicht lange. "Oh", sagte sie und errötete. Zufrieden neigte er den Kopf und küsste sie verlangend. "Sobald ich die Untersuchung hinter mir habe, beweise ich dir, dass es besser ist als Schokolade", erklärte er leise und strich ihr mit dem Finger über die Lippe. Benommen sah sie ihn an. "Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber ich könnte meine Meinung ändern." Die Pfauenfeder fiel herunter, und er steckte sie wieder ins Stirnband. "So. Bist du so weit?" Ein Schatten huschte über Maxis Gesicht. "Eigentlich nicht. Aber es wäre wohl unhöflich, meine eigene Geburtstagsparty zu schwänzen." "Stimmt." Maxi warf ihm einen anzüglichen Blick zu. "Ich wüsste da etwas Besseres."
"Ich auch." Er betrachtete sie unverwandt. "Aber ich möchte nicht zweite Wahl sein." "Danke. Das wirst du auch nicht." Abrupt wandte sie sich ab und eilte die ersten Stufen hoch. "Ich glaube, ich habe meinen Lippenstift vergessen. Warte hier, ich..." Sie schrie auf, als er sie packte und herunterhob. "Komm, Aschenputtel. Der Ball beginnt gleich." "Mein Lippenstift", protestierte sie. "Lass nur. Ich küsse ihn sowieso wieder weg." "Dann..." Sie legte ihm die Arme um den Nacken. "Bring mich zu unserer Kürbiskutsche, mein Märchenprinz." Bei der Kürbiskutsche handelte es sich um die Limousine, die Reggie ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Bill, der Fahrer, erwies sich als genauso imposant, wie Pudge behauptet hatte. Er grinste, als Noah mit Maxi auf dem Arm das Haus verließ. Dann tippte er sich an die Mütze und öffnete den Schlag. "Guten Abend, Sir. Ma'am." "Hallo, Bill. Wie läufts?" "Gut, Ms. Maxi. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag." Maxi machte ein finsteres Gesicht. "Bitte erinnern Sie mich nicht daran." Er nickte mitfühlend. "Der Neunundzwanzigste ist immer hart." Das munterte sie auf. "Stimmt. Und nächstes Jahr wird er es wieder sein." Bill zwinkerte ihr zu. "Ich werde dran denken." Die Fahrt zum Hyatt Regency dauerte nicht lange. Sie, Maxi, liebte das Hotel mit den gläsernen Aufzügen» den üppigen Grünpflanzen und dem Springbrunnen in der Mitte, und zweifellos hatte ihre Mutter es deswegen ausgesucht. Sie kam oft hierher, um mit einer Freundin bei einem Glas Wein zu plaudern. Unter anderen Umständen wäre sie gern hierher gekommen, aber nicht an diesem Tag.
"Wenn du weiterhin so auf der Lippe kaust, ist dein Lippenstift ganz weg", warnte Noah sie. "Oh, tut mir Leid. Ich bin so nervös." "Ich dachte, eine Party wäre ganz nach deinem Geschmack." "Wahrscheinlich kennst du mich nicht so gut, wie du angenommen hast." Er schwieg wieder, und sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Verdammt! Es brachte sie immer auf die Palme, wenn er in Schweigen verfiel. Dann musste sie nämlich nachdenken. Und an diesem Abend wollte sie auf keinen Fall nachdenken. "Okay, du kennst mich gut", lenkte sie ein. "Also wenn es nicht die Party ist, muss es an deinem Geburtstag liegen." "Ja." Noah legte ihr den Arm um die Taille und zog sie an sich. "Ich hätte nie gedacht, dass ich dir mal jedes Wort aus der Nase ziehen muss. Du warst mir gegenüber immer so offen." Nun wurde sie wütend. "Willst du mich etwa kritisieren?" "Es war nur eine Feststellung", erwiderte er ruhig. "Irgendetwas stimmt nicht. Liegt es daran, dass du ein Jahr älter geworden bist?" "Nein! Ja. Eigentlich nicht." Er nickte wissend. "Ach so." "Verflixt, Noah! Geburtstage sind immer schwer für mich." "Warum?" Bestürzt stellte sie fest, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten. "Ich kann nicht darüber reden. Nicht jetzt. Wenn ich es dir erkläre, werde ich den Abend nie überstehen." "Dann reden wir nicht darüber." Er zückte ein schneeweißes Taschentuch, umfasste ihr Kinn und tupfte ihr die Tränen ab. "Es wird schon klappen." "Noah..."
Noah brachte sie zum Schweigen, indem er ihr einen Finger auf die Lippen legte. "Du siehst wunderschön aus." Er lächelte so zärtlich, dass ihr der Atem stockte. "Aber das tust du immer." "Selbst mit bunten Fußnägeln, ungeschminkt und mit zerzaustem Haar?" "Besonders dann. Kaugummi kauend, mit klirrenden Armreifen, barfuß und mit Blumen oder Federn im Haar." Seine Stimme klang sinnlich, und in seinen grauen Augen lag ein Ausdruck, den Maxi nicht zu deuten wagte. "Das ist Maxi, wie wir sie kennen und lieben."
8. KAPITEL O nein! Das Atmen fiel Maxi schwer. Noah hatte das Wort benutzt, das mit "L" anfing. Es war ihr Geburtstag, der schrecklichste Tag des Jahres, und Noah hatte das Wort benutzt, das mit "L" anfing. Konnte es noch schlimmer kommen? Sie musste einen Ausweg finden. "Wir kommen zu spät." "Wir sind schon spät dran", meinte er schulterzuckend. Maxi rang sich ein Lächeln ab. "Vielleicht ist dir aufgefallen, dass ich normalerweise nie um Ausreden verlegen bin. Aber ehrlich gesagt ..." Ihre Lippen bebten, obwohl sie versuchte, sich zusammenzureißen. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass Noah es bemerkt hatte. "Ich muss unbedingt das Thema wechseln. Also, könntest du dich mit der Ausrede ,Wir kommen zu spät' begnügen?" "Tut mir Leid. Ich wollte dich zu nichts drängen." Er machte einen Schritt auf sie zu und rückte erst die Pfauenfeder und dann ihr Umhangtuch zurecht. Seine Berührung war wie ein Streichern. "Keine Angst, niemand wird merken, dass etwas nicht stimmt." Er hatte ihre Gedanken gelesen und ihr mit einem Satz ihre Angst genommen. Niemand würde merken, dass sie nervös war, ihr Lächeln nicht echt und ihre Augen nicht vor Aufregung glänzten. Maxi schluckte mühsam. "Danke." "Gern geschehen." Noah reichte ihr den Arm, und sie hakte sich bei ihm unter. Selbst durch den Ärmel hindurch spürte sie das Spiel seiner
Muskeln. Es war erstaunlich. Mit seinem dunklen, welligen Haar und den silbergrauen Augen sah er im Smoking genauso umwerfend aus wie in Jeans und T-Shirt. Wo, in aller Welt, hatte ihre Mutter ihn gefunden? In ihren Kreisen waren Typen wie er selten. Er war ein Mann mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt, der bei Bedarf sofort die Führung übernahm und dem man Vertrauen und Loyalität entgegenbrachte. Außerdem kannte er die geheimsten Ängste einer Frau und tat sein Bestes, um sie ihr zu nehmen. Maxi war verwirrt. Ihm standen alle Möglichkeiten offen. Warum hatte er sich ausgerechnet dafür entschieden, in ihrem chaotischen Haushalt das Mädchen für alles zu spielen? Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Vielleicht war dies der richtige Zeitpunkt, um ihn danach zu fragen. Warum hatte sie Noah eigentlich nicht schon längst danach gefragt? Möglicherweise hätte sie es getan, wenn sie nicht so von dem Gedanken besessen gewesen wäre, einen Vater für ihr Baby zu finden. "Noah..." Noah blickte auf sie herab. "Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden sonderlich stört, wenn du dich davonstiehlst, nachdem die Torte angeschnitten worden ist und du deine Geschenke ausgepackt hast. So wie ich Babe kenne, wird der Champagner in Strömen fließen, und in ungefähr einer Stunde wird sich keiner der Gäste daran erinnern, was überhaupt gefeiert wird." Er schenkte ihr ein ansteckendes Lächeln. "Was hältst du davon? Möchtest du abhauen, wenn niemand es merkt? Fühlst du dich bei der Vorstellung besser?" "Ich fürchte, Babe wird ihre nächste Verlobung bekannt geben." Maxi wusste selbst nicht, warum sie das sagte, doch nun war ihr klar, dass sie ausgesprochen hatte, was sie den ganzen Tag beschäftigt hatte. "Ist das der Grund ...?" "Nein", unterbrach sie ihn schnell. "Ich habe nur überlegt, was noch passieren könnte, und dann ist es mir eingefallen."
Noah runzelte die Stirn. "Hast du ein schlechtes Gefühl wegen heute Abend?" "Hast du mir denn überhaupt nicht zugehört, Noah?" Sie war alarmiert, weil ihre Stimme so bebte, aber sie konnte nichts dagegen tun. "Davon rede ich doch die ganze Zeit." "Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust", erwiderte er. "Was?" "Bleib heute Abend in meiner Nähe." Verwirrt krauste sie die Stirn. "Warum?" "Tu es dafür, dass ich dir auch einen Gefallen erweise." "Was für einen Gefallen?" "Kommt dir irgendetwas bekannt vor?" Er hielt den Daumen hoch. "Erstens hast du mich überredet, dich zu diesem Rummel zu begleiten und obendrein noch einen Frack zu tragen." Dann hielt er den Zeigefinger hoch. "Und zweitens hast du mich überredet, Loner zu Hause zu lassen. Ohne ihn bin ich im Nachteil, denn vier Augen sehen mehr als zwei." Maxi lächelte, und zum ersten Mal seit ihrer Ankunft im Hotel war ihr Lächeln echt. "Hattest du vor, mich aufzuspüren?" "Nur wenn ich dich verliere." Sein ernster Tonfall alarmierte sie. "Versprich es mir, Maxi. Versprich mir, dass du heute Abend in meiner Nähe bleibst." "Also gut. Ich verspreche es dir." "Gut." Noah deutete mit einem Nicken auf den Raum, auf den sie zugingen. "Showtime, Schatz. Ich habe gerade deine Mutter gesehen, also lächle. Wenn Babe merkt, dass etwas nicht stimmt, gibt sie keine Ruhe." "Du kennst meine Mutter wirklich gut." Maxi fielen die Fragen ein, die sie vorher beschäftigt hatten. "Du hast mir nie erzählt, woher ihr euch kennt." "Nein?" Sie hatte keine Zeit mehr nachzuhaken, doch sie nahm sich vor, bei der ersten Gelegenheit wieder darauf zu sprechen zu kommen. Sobald Noah und sie den Ballsaal betraten, kam Babe
auf sie zu, umarmte sie stürmisch und küsste sie und redete dabei ununterbrochen auf sie ein. Sie holte nur kurz Atem, um Noah einen fragenden Blick zuzuwerfen, der Nervosität und noch etwas anderes verriet... Schuldgefühle. Plötzlich kam Maxi ein schrecklicher Verdacht. Sie krallte die Hände so krampfhaft in ihr Umhangtuch, dass die Perlen ihr ins Fleisch schnitten. O nein, bitte nicht! Sie war nie auf die Idee gekommen, dass Babe an Noah interessiert sein könnte - dass die beiden sich deswegen so gut kannten. Doch sowohl der flehende Blick ihrer Mutter als auch Noahs Antwort - eine stumme Warnung - verrieten es. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass der Abend noch schlimmer werden könnte. Wie dumm sie doch gewesen war! Ihre Mutter und Noah. Was sollte sie jetzt bloß tun? "Hallo, meine Liebe." Reggie tauchte neben ihr auf und küsste Maxi auf die Wange. "Ich gratuliere dir herzlich zum Geburtstag, aber du musst mir versprechen, dass du mir nicht den Kopf abreißt." Erleichtert wandte sie sich an ihren Onkel und lachte dabei auf, damit er nicht merkte, dass sie den Tränen nahe war. "Du kannst deinen Kopf behalten." "Oh, danke." Er reichte ihr ein Glas Champagner und zog fragend eine Augenbraue hoch. "Ich habe den Eindruck, du kannst es gebrauchen. Oder irre ich mich?" "Nein, du hast Recht." "Ich dachte, wir könnten uns einmal unter vier Augen unterhalten. Aber jetzt ist anscheinend nicht der richtige Zeitpunkt." "Du weißt doch, dass ich immer Zeit für dich habe, Onkel Reg." Sie hakte sich bei ihm unter. "Komm, gehen wir in eine ruhige Ecke und..." Reggie schüttelte den Kopf. "Nicht jetzt." Er deutete auf die Dekoration und wechselte bewusst das Thema. "Und? Gefällt es dir?"
Schnell trank Maxi einen Schluck Champagner und ließ dann den Blick durch den Raum schweifen. Ein großer Teil der Dekoration bestand aus Blumen, Tüll und Silberfolie. "Babe hat wieder einmal Geschmack bewiesen." "Und ob. Allerdings habe ich vielmehr den Eindruck, dass ich auf einem Hochzeitsempfang bin und nicht auf einer Geburtstagsfeier." Er zuckte beschämt die Schultern. "Aber als Mann habe ich vielleicht keinen Sinn für solche Dinge." "Vielleicht hast du aber auch Recht, und es erinnert deswegen an einen Hochzeitsempfang, weil sie mehr Übung mit Hochzeiten als mit Geburtstagen hat." Reggie atmete scharf ein und blickte sie erstaunt an. "Was hast du gesagt?" »Ich ... ich habe gesagt..." Entsetzt stellte Maxi fest, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten. "Ich habe etwas sehr Unhöfliches gesagt, stimmts?" "Ja, meine Liebe. Das hast du. Die Frage ist nur ... Warum?" Gequält blickte sie zu Noah. Als würde er merken, wie verzweifelt sie war, sah er sie ebenfalls an. Dann entschuldigte er sich bei Babe und kam auf sie zu. "Ich glaube, sie spielen unser Lied." Er nickte Reggie zu, nahm Maxi das Champagnerglas ab und reichte es einem Ober, der gerade vorbeiging. "Würden Sie uns bitte entschuldigen?" Ehe sie sich's versah, hatte er die Arme um sie gelegt und sie auf die Tanzfläche gezogen. "Was ist los?" erkundigte er sich schroff. "Was hat Reggie zu dir gesagt?" "Nichts." "Erzähl mir doch nichts. Du warst kurz davor, in Tränen auszubrechen. Also, was ist passiert?" Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. "Er meinte, er hätte den Eindruck, dass er auf einem Hochzeitsempfang ist und nicht auf einer Geburtstagsfeier." Noah runzelte die Stirn. "Und deswegen hast du geweint?"
"Nein. Es war wegen meiner Antwort." Maxi befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge. "Ich ... ich habe ihm gesagt, dass es vielleicht deswegen an einen Hochzeitsempfang erinnert, weil Babe mehr Übung mit Hochzeiten als mit Geburtstagen hat." "Unsinn. So etwas würdest du nie sagen." "Das habe ich aber." Sie schniefte, und wieder kamen ihr die Tränen. Er zog sie weiter in den Raum hinein und gab ihr etwas Zeit, damit sie die Fassung wiedergewinnen konnte. "Und warum hast du es getan?" "Sie hat dich angesehen", platzte sie heraus. Noah kam aus dem Takt. "Wie bitte?" "Meine Mutter hat dich angesehen." Mit der Faust trommelte sie auf seine Brust. "Und du hast sie auch angesehen, verdammt!" "Ich verstehe überhaupt nichts." "Vielleicht hilft dir das auf die Sprünge." Maxi zwang sich, ihm in die Augen zu blicken. "Hast du eine Affäre mit Babe?" "Hast du den Verstand verloren?" fragte er eisig. "Bitte sag Nein. Bitte sag mir, dass du nicht..." Sie brachte es nicht über die Lippen. Es tat zu sehr weh. Noah zog sie an sich, so dass sie seinen Herzschlag spürte. Es übte eine tröstliche Wirkung auf sie aus. "Nein, ich habe keine Affäre mit deiner Mutter." Erleichtert stellte sie fest, dass seine Stimme ganz ernst klang. "Nein, ich habe nicht vor, eine Affäre mit ihr zu beginnen. Und nein, ich hatte nie etwas mit ihr. Bist du jetzt zufrieden?" Maxi schmiegte sich an ihn und atmete tief durch. "Tut mir Leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war. Ich habe beobachtet, wie sie dich angesehen hat und du sie, und dann ..." "Und dann ist deine Phantasie mit dir durchgegangen?" "So ungefähr", gestand sie schroff. "Es ist nur ... Ich weiß ja nicht, woher ihr beide euch kennt. Oder warum sie dich als Geburtstagsgeschenk für mich ausgesucht hat. Oder was du in
meinem Haus machst. Eigentlich ergibt gar nichts einen Sinn, was dich betrifft." "Doch, das tut es." Noah streichelte ihren Rücken, und sie konnte nur noch an eines denken. Sie wollte Babys mit diesem Mann bekommen. Viele Babys. Sie räusperte sich und versuchte, sich zusammenzureißen. "Hilf meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Was hast du gesagt?" Er lächelte wissend. "Ich habe gesagt, dass die Entscheidung deiner Mutter Sinn macht. Babe hat mich als Geburtstagsgeschenk für dich ausgesucht, weil ich vertrauenswürdig bin und sie wusste, dass ich dich beschützen kann." Maxi schnaufte. "O ja. Als müsste man mich beschützen! Das Einzige, wovor man mich beschützen muss, bist du." Noah fluchte leise. "In dem Punkt würde Babe dir wahrscheinlich zustimmen." "Was den Blick erklärt, den ihr beide gewechselt habt", meinte sie. "Wahrscheinlich hat Mutter sich Sorgen gemacht, dass etwas zwischen uns gewesen sein könnte." "Und damit würde sie richtig liegen, stimmts?" "Nein." Maxi biss sich auf die Lippe. "Komisch. Eigentlich hätte sie sich freuen müssen, denn sie stellt mir ständig irgendwelche 'perfekten' Männer vor. Jetzt habe ich einen gefunden, auf den das Attribut zutrifft, und es passt ihr nicht." Verstohlen sah sie zu ihm auf. "Sie hat etwas dagegen, stimmts?" "Stimmt. Ich glaube, sie ist der Meinung, dass wir zu verschieden sind." Er machte eine Drehung und zog sie dabei so eng an sich, dass ihre Hüften sich berührten. "Sie hat Recht, oder? Wir sind wie Tag und Nacht." "Ja", flüsterte sie. "Und es spielt keine Rolle, dass du mich für perfekt hältst, oder? Alles, was langfristig ist, ist nichts für dich."
Sie lachte gequält. "Deswegen sind wir ja so verschieden. Du möchtest das eine und ich ..." "Das Gegenteil davon." "Richtig." Sie tanzten schweigend weiter. Das ist auch gut so, dachte Maxi, denn sie hatten alles gesagt. Noah und sie waren tatsächlich wie Tag und Nacht. Sie hatte Angst vor Bindungen, er nicht. Er zeigte seine Gefühle nicht, während sie sich in der Hinsicht überhaupt keinen Zwang antat. Er war der tollste Mann, den sie je kennen gelernt hatte, und sie ... Ihre Lippen bebten. Sie war dumm, wenn sie vor etwas zurückschreckte, nach dem sie sich so sehnte. Kaum war die Musik verklungen, gesellte Babe sich zu ihnen. Sie drängte sich zwischen sie und legte ihr, Maxi, den Arm um die Taille. "Ich dachte, wir könnten mit den Feierlichkeiten anfangen, wenn ihr beide fertig seid." Sie schenkte Noah ein flüchtiges Lächeln. "Sonst verschwindet meine liebe Tochter nämlich, sobald ich ihr den Rücken zukehre." Maxi zuckte zusammen. "Ein bisschen länger hätte ich damit schon gewartet", schwindelte sie. Babe lachte. "Komm schon, mach mir nichts vor. Lass uns die Torte anschneiden. Wenn du dich dabei für die Geschenke bedankst, hast du alles hinter dir." "Geschenke? O Mom, du hast den Leuten doch nicht etwa gesagt, dass sie Geschenke mitbringen sollen, oder?" "So gut müsstest du mich eigentlich kennen. Ich habe sie gebeten, in deinem Namen für das Frauenhaus zu spenden." Babe zog an ihrem Arm. "Komm, gehen wir." Maxi blieb stehen und sah Noah an. "Kommst du nicht mit?" Er schüttelte den Kopf. "Ich sehe von hier aus zu." "Du wolltest in meiner Nähe bleiben", beharrte sie.
Noah verzog den Mund. "Näher kann ich dir nicht kommen." Seine Worte trafen sie. "Ich bin dein Mädchen für alles. Das sollten wir beide nicht vergessen." Die Musik setzte wieder ein, und die Paare begannen sich auf der Tanzfläche zu drehen und drängten sich zwischen sie. Dadurch wurde der Abstand zwischen ihnen immer größer. Babe zog sie mit sich. "Beeil dich", drängte sie. "Die Torte kommt gerade." Maxi rang sich ein fröhliches Lächeln ab, aber irgendetwas war in ihr zerbrochen. Sie verstand es nicht. Sie war keine Frau, die fähig war, einen Mann zu lieben. Sie wollte sich nicht verlieben. Liebe bedeutete Verlust. Liebe verging. Liebe tat weh. Doch in diesem Moment hätte sie alles darum gegeben, wieder in Noahs Armen zu liegen, seine raue Stimme zu hören und seinen Blick auf sich zu spüren. Im Ballsaal herrschte eine ausgelassene Stimmung. Maxi sah sich um, konnte Noah allerdings nirgends entdecken. "Los, puste die Kerzen aus", rief jemand. Einige riefen im Chor: "Wie viele sind es diesmal?" "Neunundzwanzig." "Schon wieder?" "Wünsch dir etwas, Maxi", sagte Babe. "Am besten, dass du nächstes Jahr wieder neunundzwanzig wirst", schlug eine Frau vor. "O nein", konterte Babe. "Es ist besser für sie, sich zu wünschen, dass wir es glauben." Alle lachten, und selbst Maxi stimmte ein. Dies waren ihre Freunde, und sie meinten es gut mit ihr. Sie konnten nicht wissen, wie schwer es für sie war, diesen Abend durchzustehen. Babe reichte ihr ein Kuchenmesser, und Maxi schnitt die Torte in Stücke und plauderte dabei mit ihren Gästen. Für eine Weile entspannte sie sich sogar so weit, dass sie die Feier genießen konnte.
Nachdem sie sich bei den Gästen für die Spenden fürs Frauenhaus bedankt hatte, ging sie von Gruppe zu Gruppe, um mit jedem einige persönliche Worte zu wechseln. Noah hatte Recht gehabt. Der Champagner floss in Strömen, und kurz darauf wusste niemand mehr, was gefeiert wurde. Babe kam mit Reggie auf sie zu. "Siehst du? Das war doch gar nicht so schlimm." Sie lächelte zaghaft. "Ich weiß nicht, warum du wegen eines Geburtstags so in Panik geraten bist." "Verdammt, Babe", sagte Reggie ungewohnt wütend. "Du weißt doch, warum sie solche Probleme mit Geburtstagen hat." Ein gequälter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. "Natürlich weiß ich das." "Ich befürworte die meisten deiner Entscheidungen, meine Liebe." Reggie schüttelte den Kopf. "Aber dies hier war nicht eine deiner glücklichsten." "Oh, Mutter. Ich habe ja nicht mit allen Geburtstagen solche Probleme", flüsterte Maxi. "Es ist dieser Geburtstag. Wenn du letztes Jahr eine Party gegeben hättest oder wenn ich zweiunddreißig werde. Aber musste es ausgerechnet in diesem Jahr sein?" "Begreifst du denn nicht? Deswegen habe ich es ja getan. Es ist Zeit, nach vorn zu blicken." Babes Augen füllten sich mit Tränen. "Du kannst nicht ewig in der Vergangenheit leben, Maxi. Du musst dich ins Leben stürzen, statt dich zu vergraben. Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber du hast es verdient zu feiern. Und dieses Jahr hast du es ganz besonders verdient." Mehr wollte Maxi nicht hören. Sie wandte sich ab und bahnte sich einen Weg durch die Gäste. Einige sprachen sie an, doch sie lächelte oder winkte nur und ging weiter. Da sie auf ihren hochhackigen Sandaletten nicht so schnell gehen konnte, streifte sie sie kurzerhand ab und eilte dann zum Ausgang. Endlich konnte sie von ihr weg. Sie eilte durchs Foyer. Wenn sie Glück hatte, würde Reggies Limousine noch draußen stehen. Hoffentlich schaffte sie es bis zur Straße! Sie
musste sich nur noch einige Minuten zusammenreißen. Maxi schluchzte auf und entdeckte dann zu ihrer Erleichterung den Wagen im Halteverbot. Sobald sie das Haus verließ, öffnete Bill die hintere Tür. Schnell stieg sie ein. Sobald er die Tür geschlossen hatte, liefen ihr die Tränen über die Wangen. All der Kummer, der sich seit zwanzig Jahren in ihr aufgestaut hatte, brach sich nun Bahn. Wo war Noah? Wo war er, wenn sie ihn am meisten brauchte? Und dann fiel es ihr ein. Sie waren wie Tag und Nacht. Das Schicksal hatte es so bestimmt, dass sie aufeinander trafen. Doch sie würden niemals zusammenkommen. Er brauchte Maxi nicht gehen zu sehen, um zu wissen, dass sie fort war. Es war, als würde der Party plötzlich jegliches Leben fehlen. Noah verließ den Ballsaal, und seine Befürchtungen bestätigten sich, als er ein Paar rote Wildledersandaletten, das ihm bekannt vorkam, in der Nähe der Tür bemerkte. Er hob sie hoch und folgte Maxi. Dabei schimpfte er sich einen Idioten. Man hatte ihn engagiert, damit er Maxi beschützte und herausfand, wer sie erpresste. Stattdessen hatte er so viele Barrieren wie möglich zwischen ihnen errichtet... und sie dann im Stich gelassen. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht gezwungen sein würde, den Preis für seine Dummheit zu bezahlen. Als Nächstes fand er die Pfauenfeder, die einsam und verlassen neben dem Brunnen lag, und hob sie ebenfalls auf. Er lief die Rolltreppe hinunter und stürmte auf die Straße - gerade noch rechtzeitig, um Reggies Limousine davonfahren zu sehen. Noah fluchte wütend. Das war alles seine Schuld. Er hätte in Maxis Nähe bleiben sollen. Er hob den Arm und winkte ein Taxi herbei. Zumindest wusste er, dass man sie nicht entführt hatte, obwohl es nur ein schwacher Trost war.
Die Fahrt nach Pacific Heights schien ewig zu dauern. Kaum hatte der Fahrer angehalten, drückte Noah ihm einen Zwanzigdollarschein in die Hand, sprang hinaus und lief zur Haustür. Als er die Tür öffnete, stellte er fest, dass es in der Diele dunkel war. Es bedrückte ihn. Noch vor kurzem hätte er nicht einmal im Traum daran gedacht, dass er sich einmal nach dem Tag sehnen würde, an dem er Armreifen klirren hörte, während ein blondes Energiebündel mit seinem Hund schimpfte, weil dieser mit ihrem Stofftier gespielt hatte? Als Noah an seinen ständigen Begleiter dachte, rief er leise nach ihm und war erleichtert, als Loner daraufhin gehorsam in die Diele tappte. Falls Maxi etwas passiert wäre, hätte er es ihm sofort mitgeteilt. "Finde sie", befahl Noah und gab ihm ein entsprechendes Zeichen. Loner lief den Flur entlang und die Treppe hoch ins Obergeschoss. Noah folgte ihm und stellte erschrocken fest, dass Loner vor seinem Schlafzimmer saß und Wache hielt. "Sie ist da drinnen?" Er kraulte ihn. "Bleib hier, Junge. Bewach die Tür. Ich möchte nicht, dass uns jemand stört." Leise betrat er den Raum. Obwohl kein Licht brannte, wusste er, wo er Maxi finden konnte. Schweigend ging er zur Fensterfront und blieb vor den halb durchsichtigen Gardinen stehen. Maxi saß mit angezogenen Beinen am gegenüberliegenden Ende auf der Fensterbank und blickte auf die dunkle Bucht hinaus, auf der nur vereinzelt Lichter zu sehen waren. Hielt sie Ausschau nach Meeresungeheuern, oder wünschte sie sich etwas? "Du hast das Fest ohne mich verlassen, Aschenputtel!" war alles, was ihm einfiel. "Es tut mir Leid." Sie hatte geweint, das hörte er. Wie immer versetzte es ihm einen Stich, und er fühlte sich völlig hilflos. "Das war unhöflich von mir."
"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen." Noah zog die Gardine zur Seite und stellte die Sandaletten auf die Fensterbank. "Die hast du auch vergessen." Noch immer hatte Maxi den Blick abgewandt. "Das tue ich oft, stimmts?" "Ja, mir ist aufgefallen, dass du dazu neigst, Schuhe zu verlieren." Er umfasste ihre Schultern und massierte sie sanft. "Was ist los, Maxi? Warum bist du weggelaufen?" Sie zuckte die Schultern. "Ich musste einen schlimmen Abend schnell beenden." Noah wartete einen Moment. "Möchtest du mir sagen, warum?" "Eigentlich nicht." Er spürte, wie sie sich verspannte. "Aber nach allem, was du für mich getan hast, schulde ich dir eine Erklärung." "Erklär es mir nur, wenn du es willst." Als sie nichts erwiderte, fuhr er fort: "Warum sind Geburtstage so schlimm für dich? Ist es der Tag, an dem dein Vater gestorben ist?" "Nein. Nein, das ist es nicht." Ihr Atem ging stoßweise. "Es ist der Tag, an dem meine Schwester geboren wurde." "Du hast eine Schwester?" fragte Noah verblüfft. "Eine Zwillingsschwester?" Maxi schüttelte den Kopf. "Wir wurden am selben Tag geboren, aber im Abstand von zehn Jahren." "Das verstehe ich nicht." "Es ist ganz einfach. Nancy wäre heute einundzwanzig geworden. Sie wäre volljährig geworden - wenn sie noch leben würde." Allmählich begriff er. "Oh, Maxi! Es tut mir Leid!" "Sie kam bei demselben Unfall ums Leben wie mein Vater." "Ich verstehe ja, warum Geburtstage schlimm für dich sind, aber..." "Es ist nicht deswegen, weil sie gestorben ist", verbesserte sie ihn scharf.
"Sondern?" Als sie weitersprach, flüsterte sie. "Es ist wegen der Art und Weise, wie sie ums Leben gekommen ist. Deswegen sind Geburtstage so schlimm für mich. Und dieser besonders." Sie ballte die Hände zu Fäusten. "Es ist nicht fair! Sie hätte nicht so früh sterben dürfen. Diese Geburtstagsparty heute Abend hätte ihr zu Ehren stattfinden sollen, nicht mir zu Ehren. Aber sie ist tot, und wir konnten nicht darauf anstoßen, dass sie volljährig geworden ist. Und es ist alles meine Schuld. Ich habe sie umgebracht, Noah. Es ist meine Schuld, dass sie tot ist."
9. KAPITEL Noah fluchte leise. "Ich dachte, sie wäre zusammen mit deinem Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen." Maxi stützte das Kinn auf die Knie. Ihr rotes Kleid schimmerte schwach in dem dunklen Raum. "Nancy war so ein süßes Ding. Habe ich dir das schon gesagt?" Er mahnte sich zur Geduld. "Nein, das hast du nicht." "Ich habe sie über alles geliebt." Vorsichtig setzte sie Mr. Woof neben sich auf die Fensterbank. "Das war das erste Geburtstagsgeschenk, das ich ihr gekauft habe. Und das letzte." Nun begriff er. "Deswegen bist du in Panik geraten, als du Loner damit gesehen hast." "Es war ihr Lieblingsspielzeug. Sie hat ihn überallhin mitgenommen. Es ist das einzige Andenken an sie, das ich habe." Er musste sie dazu bringen, ihm die Geschichte zu erzählen. "Warum gibst du dir die Schuld an Nancys Tod?" "Weil es meine Schuld war", erwiderte Maxi mit einem ärgerlichen Unterton. "Erzähl mir mehr." Langsam nahm sie ihr Stirnband ab und legte es weg. Dann massierte sie sich einen Moment lang die Schläfen, bevor sie weitersprach. "Wir hatten an einer roten Ampel gehalten." "Wir?" "Habe ich das nicht gesagt?" Sie lachte humorlos. "Ich saß auch in dem Wagen."
Noah musste sich zusammenreißen, um sich nicht anmerken zu lassen, wie schockiert er war. "Nein, das hast du nicht." "Nancy hatte Mr. Woof fallen lassen, und ich ..." Ihr versagte die Stimme. "Wir standen. Ich dachte, es könnte nichts passieren." Er setzte sich neben Maxi und nahm sie in die Arme. "Was hast du getan, Maxi?" "Ich saß vorn neben Dad. Nancy saß hinten. Sie hatte Mr. Woof fallen lassen, und ich kam nicht an ihn ran. Aber an sie kam ich ran. Deswegen habe ich ihren Sicherheitsgurt gelöst und ihr gesagt, sie solle ihn aufheben. Ich dachte, ihr würde nichts passieren. Ich schwöre es!" Sie schmiegte sich an ihn und legte ihm die Arme um die Taille. "'Beeil dich', habe ich gesagt, und ... Ich erinnere mich noch daran, wie mein Vater geflucht hat. Ist das nicht komisch? Er hat nie geflucht. Ich erinnere mich an das Knirschen von Metall. Und ich erinnere mich an die Schmerzen, bevor alles dunkel wurde." "Ein anderer Wagen ist in euren reingefahren?" Maxi nickte. "Er hat die rote Ampel überfahren und ist seitlich in unseren Wagen reingefahren. Als ich aufwachte, lag ich im Krankenhaus. Babe war da." Tränen liefen ihr über die Wangen. "Aber Nancy und Dad waren tot." "Es war nicht deine Schuld." Er umfasste ihre Schultern. "Du warst elf. Es war ein schrecklicher Unfall. Du konntest unmöglich ahnen, was passieren würde." "Das hat Babe auch gesagt. Und meistens glaube ich auch daran. Aber dieser Geburtstag..." Sie schüttelte den Kopf. "Ich hatte Schuldgefühle, weil es ein ganz besonderer Geburtstag für sie gewesen wäre." "Sag mal, Maxi, dein Wunsch nach einem Baby ... Bist du sicher, dass du nicht vielleicht unbewusst versuchst, deine Schwester zu ersetzen?"
"Natürlich hat es mit Nancy zu tun", gestand sie. "Aber es ist nicht der einzige Grund. Ich liebe Kinder über alles. Und ich habe nur deswegen noch keine, weil ich nicht verheiratet bin." "Und wann hast du beschlossen, dass du nicht unbedingt einen Ehemann brauchst?" "Vor kurzem." Maxi setzte eine trotzige Miene auf. "Es gibt viele Frauen, die ein Kind allein großziehen." "Und viele von ihnen wünschten, sie müssten es nicht. Hättest du dir nicht auch gewünscht, dass dein Vater dir noch länger erhalten bleibt?" "Das ist nicht fair, Noah!" Noah zwang sich, den verletzten Unterton in ihrer Stimme zu ignorieren. Er musste sie dazu bringen einzusehen, inwieweit die Entscheidungen, die sie in den nächsten Monaten treffen würde, ihr weiteres Leben beeinflussen würden - und seins auch. "Ich will dir nicht wehtun, Schatz. Aber begreifst du denn nicht? Du betrachtest diese Situation immer noch mit den Augen einer Elfjährigen?" "Ich bin einunddreißig, nicht elf." "Hör zu, Maxi. Du bist eine clevere Frau. Leider musstest du als Kind miterleben, wie deine Mutter den Mann verloren hat, den sie über alles geliebt hat. Und dann hast du miterlebt, wie sie sich in eine Ehe nach der anderen gestürzt hat, um diese Liebe wiederzufinden. Kein Wunder, dass du Angst hast, so eine Bindung einzugehen." Maxi schüttelte den Kopf. "Selbst wenn ich einen Mann finden würde, den ich lieben könnte, würde es keine Garantie geben. Er könnte sterben, aber vielleicht würde die Ehe auch scheitern." "Stimmt. Es gibt keine Garantien im Leben." Noah atmete langsam aus, "Ich verstehe ja, dass du Angst hast. Du hast Angst davor, jemanden zu lieben, weil du sicher bist, dass dieser Mensch entweder sterben oder dich verlassen wird."
"Ja!" Sie schob ihn weg und stand auf. "Bist du jetzt zufrieden? Ich habe Angst. Es ist sicherer, allein zu bleiben und alldem aus dem Wegzugehen." "Glaubst du, Babe hätte sich nicht in deinen Vater verliebt, wenn sie die Wahl gehabt hätte? Glaubst du, sie hätte ihn nicht geheiratet, wenn sie vorher gewusst hätte, was passieren würde?" "Ich habe keine Ahnung." "Doch, hast du. Ich kenne Babe genauso gut wie du, und ich bin sicher, dass sie es getan hätte." "Du kannst dir dessen nicht sicher sein." "O doch, das kann ich. Verdammt, Maxi! Was glaubst du denn, warum sie so oft geheiratet hat? Weil sie immer noch auf der Suche nach Liebe ist. Natürlich hat sie Fehler gemacht. Aber bestimmt ist sie der Meinung, dass es das wert ist, wenn sie die Liebe wiederfindet, die sie mit deinem Vater erlebt hat." Trotzig presste Maxi die Lippen zusammen. "Das ist schön für Babe. Ich habe mich anders entschieden." "Aus Angst." Bevor sie ihn unterbrechen konnte, sprach Noah weiter. "Du hast keine Angst vor der Liebe, sondern vor Verlust. Denk mal darüber nach, Maxi. Nehmen wir an, du verwirklichst deinen Wunsch nach einem Baby. Könntest du mit dem Verlust dieses Kindes besser fertig werden als mit dem Verlust eines Ehemanns?" Gequält sah sie ihn an. "Begreifst du denn nicht? Ich glaube, du wünschst dir ein Baby, um gefühlsmäßig dort weiterzumachen, wo du damals aufgehört hast. Aber dazu wirst du nie in der Lage sein, wenn du dich nicht mit deiner Angst auseinander setzt und sie überwindest. Du musst dir gestatten, bedingungslos zu lieben, sonst macht deine Angst dich zu einem seelischen Krüppel." "Du irrst dich!" "Tatsächlich? Und was passiert, wenn das Baby ein Jahr alt wird?" Er stand ebenfalls auf. "Wirst du immer in Panik geraten,
wenn du mit ihm Auto fährst? Und was ist, wenn es zwei wird? ,Es ist älter geworden als Nancy', wirst du denken. Aber dann wirst du dir unzählige andere Möglichkeiten ausmalen, was ihm zustoßen könnte. Und diese Ängste werden sich auf dein Kind übertragen, auch wenn du es nicht beabsichtigst. Du willst eigentlich gar kein Baby." "Wie kannst du so etwas sagen?" "Weil ich dich beobachtet habe. Ich habe dir zugehört. Ich weiß, wie es in deinem Herzen aussieht. Du wünschst dir eine richtige Familie. Eine Familie, die dir das gibt, was du verloren hast. Deswegen hast du nach dem perfekten Vater für dein Baby gesucht. Weil er auch der perfekte Ehemann für dich sein wird." Noah nahm sie in die Arme und suchte nach den richtigen Worten, um sie zu überzeugen. "Du bist liebenswert und großherzig. Du nimmst Fremde bei dir auf und hilfst ihnen, wo du kannst. Du bist der liebevollste Mensch, den ich kenne, aber wenn die Liebe bei dir an die Tür klopft, lässt du sie nicht rein." "Du irrst dich. Und ich kann es dir beweisen." Maxi legte ihm die Arme um den Nacken. "Liebe mich, Noah. Jetzt." Er schloss die Augen. "Warum begehrst du mich, Maxi? Schließlich hat der Arzt noch keine Entwarnung gegeben." "Das ist mir egal!" "Vielleicht möchtest du für das eigentliche Ereignis üben. Ist es das?" Als sie den Kopf schüttelte, bohrte er weiter. "Dann tust du es, weil du Angst hast? Weil du Geborgenheit suchst?" "Nein, nein und nein", entgegnete sie frustriert. Noah löste sich von ihr, wich einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. "Sag mir, warum, aber sag die Wahrheit." Er kämpfte gegen die Versuchung an, sie hochzuheben und mit ihr in sein Zimmer zu gehen. "Noah, bitte!" Sie schluckte mühsam. "Ich tue es, weil wir nur zusammen ein Ganzes sind." Ein größeres Eingeständnis würde er von ihr nicht bekommen. Er hatte an diesem Abend schwere Schläge
ausgeteilt, und sie hatte sie eingesteckt. Das musste etwas bedeuten. "Wenn ich clever wäre, würde ich dir einen Gutenachtkuss geben und es dabei belassen." Noah lächelte selbstironisch. "Wenn ich wirklich clever wäre, würde ich machen, dass ich wegkomme - bevor es zu spät ist." "Ich hoffe, das bedeutet, dass du nicht clever sein wirst." Ihre Augen funkelten genauso wie die Lichter in der Bucht. "Sonst zwingst du mich dazu, drastische Maßnahmen zu ergreifen." "Was für drastische Maßnahmen?" "Ich müsste dich verführen." Er lächelte noch breiter. "Und wie würdest du das anstellen?" Maxi neigte den Kopf zur Seite. "Zuerst würde ich dich küssen. So, wie man sich küsst, wenn man Barry White hört sinnlich und so erregend, dass es überall prickelt. Mitternachtsküsse. Schlafzimmerküsse." Noah nickte. "Das könnte mich dazu bringen, noch ein bisschen zu bleiben." Sie kam auf ihn zu. Dabei raschelte ihr Kleid verführerisch. "Und während ich dich mit meinen Küssen um den Verstand bringe, würde ich dir das Jackett ausziehen und das Hemd aufknöpfen." "Meinst du, du könntest mich davon abhalten zu gehen, indem du mir das Hemd ausziehst?" "Ganz bestimmt." Er blickte sie herausfordernd an. "Beweise es. Zuerst der Kuss. Sinnlich und so erregend, dass es überall prickelt." Maxi stellte sich auf die Zehenspitzen, schob die Finger in sein Haar und presste die Lippen auf seine. Sie begann ein erotisches Spiel mit der Zunge, und als er schon glaubte, eine Steigerung wäre nicht mehr möglich, begann sie, seine Lippen zu liebkosen, bis es tatsächlich überall prickelte.
Noah umfasste ihre Hüften und drängte sich ihr rhythmisch entgegen. "Erinnere mich daran, dass ich regelmäßig Barry White spiele." "Es wird noch besser." War das eine Warnung oder ein Versprechen? "Jetzt kommen die Mitternachtsküsse." Mit jedem Zungenschlag drohte Maxi ihn um den Verstand zu bringen. Im einen Moment provozierte sie ihn, im nächsten schien sie ihn zu verzehren. Im einen Moment war sie zärtlich, im nächsten fordernd. Er rang nach Atem. "Wenn das Mitternachtsküsse sind, was, zum Teufel, sind dann Schlafzimmerküsse?" Daraufhin ließ sie die Lippen zu seinem Ohrläppchen gleiten und flüsterte ihm ins Ohr, worin der Unterschied bestand. Es erregte ihn noch mehr. "Weißt du jetzt, warum sie aufs Schlafzimmer beschränkt sind?" neckte sie ihn. "Weil man uns festnehmen würde, wenn wir es in der Öffentlichkeit tun würden?" "Na ja ... zumindest einer von uns." Sie umfasste sein Revers und lächelte ihn an. "Ich sollte dich doch ausziehen, während ich dich mit meinen Küssen um den Verstand bringe." "Nur wenn du mich immer noch zum Bleiben bewegen willst." "O ja, das will ich." Amüsiert ließ Noah es geschehen, dass sie ihm das ArmaniJackett auszog und es schließlich achtlos wegwarf, so dass es neben dem Bett landete. Dann folgten sein Kummerbund, seine Manschettenknöpfe und - nach einer Ewigkeit, wie es ihm schien - sein Hemd. Mit nacktem Oberkörper stand er vor ihr und wartete darauf, was sie als Nächstes tun würde. Maxi ließ ihn nicht lange warten. Sie ließ die Fingerspitzen über seine Schultern bis zu der Mulde an seinem Hals gleiten und hinterließ dabei eine Feuerspur. "Möchtest du jetzt gehen?" erkundigte sie sich verführerisch.
Noah versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. "Ich überlege, welche Möglichkeiten ich habe." "Dann solltest du mal darüber nachdenken ..." Maxi ließ den Zeigefinger über seine Brust und seinen Bauch bis zu seinem Hosenbund gleiten. Es kostete ihn Mühe, nicht aufzustöhnen. Wie schaffte sie es bloß, ihn mit einer so leichten Berührung so zu erregen? Sie sah ihn an, und in ihren grünen Augen lag ein sinnliches Versprechen. Nachdem sie seine Hose geöffnet hatte, legte sie ihm die Hand auf den Bauch. "Habe ich dich jetzt zum Bleiben bewogen?" "Fast", brachte er hervor. "Fast?" Sie lachte. "Du kannst mir nichts vormachen, Noah. Du bleibst. Soll ich es dir beweisen?" Ohne auf eine Antwort zu warten, schob sie die Hand in seinen Slip und umfasste ihn. Dabei lächelte sie wissend. Ihm rauschte das Blut in den Ohren, und beinah hätte Noah aufgeschrien. Er war immer so stolz darauf gewesen, sich in jeder Situation beherrschen zu können und die Kontrolle zu behalten, doch nun konnte davon nicht die Rede sein. Farben explodierten hinter seinen geschlossenen Lidern - Limonengrün und Orange, die Farben des Outfits, in dem er Maxi zum ersten Mal gesehen hatte, Rosa Traum, kombiniert mit Blaue Versuchung und Rote Sünde. Unwillkürlich streckte er die Hand nach Maxi aus. Dir Träger zerriss, und raschelnd fiel das Kleid zu Boden. Regungslos stand sie vor ihm, ihre Haut schimmerte im Mondlicht, ihre Augen funkelten wie Smaragde, und ihre feuchten Lippen hatten die Farbe der Leidenschaft. Nur das helle Dreieck zwischen ihren Schenkeln war von einem Dreieck aus schwarzer Spitze bedeckt. Ihre Brüste hoben und senkten sich und verrieten ihre Erregung. Nun ließ er den Zeigefinger von der Mulde an ihrem Hals tiefer gleiten. Zärtlich berührte er ihre feste Knospe, und Maxi stöhnte vor Verlangen auf.
Langsam ließ sie ihn los. "Heißt das, du bleibst?" flüsterte sie. Noah brachte kein Wort über die Lippen. Er verzehrte sich nach dieser Frau. Was war bloß mit ihm los? Mit einer Berührung hatte sie ihn um den Verstand gebracht und ihn auf seine primitivsten Bedürfnisse reduziert. Er krallte die Finger in ihren Slip. "Zieh ihn aus, sonst mache ich es", warnte er sie. Ihr Lächeln hatte etwas Animalisches. "Tu es." Als er den Slip zerriss, verlor er endgültig die Beherrschung. Er stieß sie aufs Bett und entledigte sich seiner Hose, bevor er sich zu ihr legte. Dann erkundete er ihren Körper mit Mund und Händen, liebkoste erst ihre sanften Rundungen und schließlich ihre verborgensten Stellen. Mit den Schlafzimmerküssen, die sie ihm versprochen hatte, verwöhnte er nun sie und drängte sie unerbittlich der Erfüllung entgegen. Maxi erschauerte ein ums andere Mal. "Bitte, Noah. Ich kann nicht mehr." Sie zog ihn auf sich und schlang die Beine um ihn, damit er in sie eindrang. "Jetzt, Noah. Nimm mich jetzt." Er wollte es. Er sehnte sich mehr danach, als sie ahnte. Aber er konnte es nicht. Nicht so. "Noch nicht, Maxi." "Warum?" rief sie. "Noah, bitte." "Ich kann nicht." Was sie jetzt miteinander verband, war Lust. Und das war nicht genug. Nicht mehr. "Du musst es mir sagen, Schatz. Sag mir, dass dir dies mehr bedeutet, als nur ein Bedürfnis zu stillen. Ich kann dir keinen flüchtigen Sex geben." Starr blickte Maxi Noah an. Eine tiefe Röte überzog seine Wangen, und in seinen Augen lag ein verzweifelter Ausdruck. Er begehrte sie, er begehrte sie genauso verzweifelt wie sie ihn. Doch er hielt sich zurück, weil er sich nicht mit ihr vereinigen wollte, solange sie sich nicht zu ihm bekannte. Alles, was er zu ihr gesagt hatte, alles, was sich ereignet hatte, seit er in ihr Leben getreten war, festigte sich in diesem Moment. Die Vergangenheit verschmolz mit der Gegenwart zu
einem Pfad, der sich in die Zukunft gabelte. Der erste Weg war eben und ohne Steine, allerdings war dort nur Platz für einen Wanderer. Sie konnte ihn frei von Schmerzen, aber voller Angst zurücklegen. Den anderen konnte sie nur erreichen, wenn sie sich von einem zerklüfteten Felsen hinunterstürzte - einem Felsen, der ihr unzählige Jahre den Weg versperrt hatte und einen tiefen Fall verursachen würde. Der einzige Trost war, dass Noah unten stand und auf sie wartete. Sie musste nur darauf vertrauen, dass er sie auffing. Vertrauen. Langfristige Bindung. Angst. Liebe. Die Worte klangen ihr in den Ohren und stürzten sie in einen seelischen Konflikt. "Noah!" "Ich bin hier, Schatz." Maxi schloss die Augen und weinte. "Ich kann nicht." "Es ist nichts dabei, wenn du Angst hast. Es ist nicht die Angst, die dir wehtun wird." "Es ist der Fall." "Es ist nicht der Fall. Das wird auch nicht wehtun. Das Weggehen wird wehtun. Geh nicht weg, Maxi. Kämpfe für das, was du willst." Noah strich ihr einige Locken aus dem Gesicht. "Sag es, Maxi. Geh das Risiko ein." "Was passiert, wenn ich es nicht tue?" Er lehnte die Stirn an ihre, und sie spürte, wie angespannt er war. "Schon gut, Schatz. Nichts wird passieren, wenn du weggehst. Überhaupt nichts." Gar nichts würde passieren, sie würde nur allein im Bett liegen und sich verzweifelt nach ihm sehnen! Geh das Risiko ein! Sie öffnete die Augen und sah ihn an. Dann atmete sie tief durch und sagte: "Ich liebe dich, Noah. Ich liebe dich mehr als das Leben." Dann fiel sie. Die Tränen liefen ihr über die Wangen, aber Noah lächelte nur. "Du bist alles, was ich mir bei einer Frau wünsche. Du bist alles, was ich je gewollt habe."
Noah umfasste ihr Gesicht und berauschte sie mit Küssen, wie sie sie ihm beschrieben hatte - sinnlich und so erregend, dass es überall prickelte. Doch das Verlangen, das sie vorher verspürt hatte, war nichts im Vergleich zu dem, das sie jetzt empfand. Vielleicht war es die Freiheit, die daher rührte, dass sie ihm ihr Herz geöffnet hatte. Oder es lag an ihrem bedingungslosen Vertrauen zu ihm. Jede Berührung, jedes Streicheln, jedes geflüsterte Kosewort war ein Ausdruck so großer Ekstase, dass sie schließlich begriff, was ihre Mutter damals verloren hatte. Wieder füllten ihre Augen sich mit Tränen. Tränen der Reue, weil sie sich fast um diese Erfahrung gebracht hatte. Dass sie versucht hatte, etwas so Wundervolles aus ihrem Leben zu verbannen. Dass sie tatsächlich geglaubt hatte, sie hätte ein Kind zeugen können, ohne eine solche Bindung einzugehen. Noah zeigte Verständnis dafür. "Jetzt wird alles gut", sagte er leise. "Liebe mich, Noah. Zeig mir, wie richtig es ist", bat Maxi. Er reagierte sofort darauf, indem er sie an sich zog. Jeder Kuss entfachte ihre Leidenschaft noch mehr, jede Berührung war ein Segen, jedes geflüsterte Versprechen ein weiteres Bekenntnis zueinander. Als Noah sich mit ihr vereinigte, konnte Maxi keinen klaren Gedanken mehr fassen und wurde von Empfindungen durchflutet, die sie niemals für möglich gehalten hätte. Er schenkte ihr Leben, und sie öffnete sich ihm, gab ihm das, was sie noch keinem Mann zuvor geschenkt hatte. Das Einzige, was sie zu bieten hatte. Sie gab ihm ihre Liebe. Bedingungslos. Als sie nach den Sternen griffen, umfing sie die Nacht. Und nachdem sie Erfüllung gefunden hatten, lagen sie eng umschlungen da. Und als sie einschliefen, war es ein tiefer, friedlicher Schlaf.
Seit zwanzig Jahren hatte Maxi nicht mehr so friedlich geschlafen. Denn nun wusste sie, dass sie die Familie gefunden hatte, die sie damals verloren hatte. Noah wurde von einem markerschütternden Schrei geweckt. Als er feststellte, dass Maxi nicht mehr in seinen Armen lag, wusste er, dass der schlimmste Fall eingetreten war. Man hatte sie entführt. Noah musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht in Panik zu geraten. Er sprang aus dem Bett, schnappte sich eine Jeans und zog sie in Windeseile an. Loner begrüßte ihn vor der Tür und bellte wie verrückt. Zusammen liefen sie die Treppe hinunter, wobei sie immer drei Stufen auf einmal nahmen. Widget stand an der Haustür, die geöffnet war. Als sie sie sah, schrie sie wieder. In Anbetracht der Tatsache, dass sie bisher immer sehr leise gesprochen hatte, hatte sie eine sehr kräftige Stimme. "Wo ist sie?" fragte Noah und blieb vor ihr stehen. "Was ist mit Maxi passiert?" "Er hat sie mitgenommen." Widget atmete stoßweise. "Ein Mann hat sie mitgenommen." Mit zittriger Hand deutete sie auf die Armreifen, die auf dem Boden verstreut lagen. Noah schloss die Augen. Loner schnüffelte daran und legte sich schließlich hin, die Schnauze nur wenige Zentimeter von den Armreifen entfernt. Dann jaulte er, als würde der Geruch ihn verunsichern. Bevor Noah weitere Fragen stellen konnte, kamen Pudge, Carmela und Daria in die Diele gestürzt. Rosie folgte ihnen in etwas gemäßigterem Tempo. Noah wandte sich an Widget. "Sagen Sie mir genau, was passiert ist", bat er. Sie nickte. "Okay. Ich gebe mir Mühe." Nervös rang sie die Hände. "Zuerst hat es an der Tür geklingelt. Maxi war gerade die Treppe runtergekommen. Sie wirkte sehr zufrieden ..."
"Keine Einzelheiten", unterbrach er sie schroff. "Kommen Sie zur Sache." Rosie lachte leise. "Noah, Sie Schlingel. Ich wusste ja, wenn jemand sie zur Vernunft bringen kann, dann Sie." Verwirrt blickte sie in die Runde. "Was ist los? Mir war so, als hätte ich einen Schrei gehört." Widget bedeutete ihr zu schweigen. "Die Situation ist ernst, Rosie. Maxi wurde entführt." "Was?" Noah umfasste ihre Schultern und drehte Widget zu sich herum. "Ich kann nur helfen, wenn Sie mir genau sagen, was passiert ist. Maxi ist nach unten gekommen, und es hat an der Tür geklingelt. Ich nehme an, sie hat geöffnet, stimmts?" Widget nickte. "Ja. Draußen stand ein Mann. Er hat ihr eine Schachtel hingehalten. Maxi hat einen Freudenschrei ausgestoßen. Dann hat er sie hochgehoben und ist mit ihr weggegangen." Sie fing an zu weinen. "Bitte, Noah, Sie müssen etwas unternehmen. Wenn Maxi nicht gewesen wäre, würde ich jetzt im Gefängnis sitzen." O verdammt, dachte er, warum muss sie auch noch weinen? "Beruhigen Sie sich", tröstete er sie. "Und versuchen Sie, sich zu konzentrieren. Dieser Mann ... Können Sie ihn beschreiben?" "Er war groß. Sehr groß sogar. Ein richtiger Riese." "Hat er etwas gesagt? Hat Maxi etwas gesagt?" "Er hat gesagt: ,Die sind für Sie, Ms. Maxi.' Und sie hat geschrien und ... Oh! Sie hat ihn umarmt." Ihm stockte der Atem. "Sie hat ihn umarmt?" "Na ja, ich glaube, sie hat es deswegen getan, weil er ihr Pralinen geschenkt hat. Sie wissen doch, wie gern Maxi Pralinen isst." Noah fluchte leise. "In der Schachtel waren Pralinen? Sind Sie sicher?"
"Ganz sicher. Es war dieselbe Sorte, die sie immer isst. Wissen Sie, welche ich meine? Diese hübschen goldfarbenen Schachteln. Mann, sind die lecker! Und sie gibt gern ab." Er wusste genau, welche Pralinen Widget meinte. Wie oft hatte Maxi aus irgendeinem Fach oder einer Schublade eine Schachtel herausgenommen? "Mit Pralinen ist alles leichter zu ertragen", hatte sie unzählige Male gesagt. "Sind Sie sicher, dass er sie entführt hat?" "Ganz sicher. Nachdem er ihr die Schachtel gereicht und sie ihn umarmt hatte, hat er gesagt: ,Tut mir Leid, Ms. Maxi.' Und dann hat er sie hochgehoben, als wäre sie leicht wie eine Feder." "Was hat Maxi gemacht?" "Sie hat geschrien." Widget biss sich auf die Lippe. "Aber ich glaube, weil sie überrascht war. Vielleicht auch, weil ihre Armreifen runtergefallen sind." "Hat sie sich gewehrt?" fragte Noah lauter als beabsichtigt. "Hat sie irgendetwas von dem angewandt, was ich ihr beigebracht habe?" Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen. "Sie ..." "Was?" Widget zuckte zusammen. "Sie hat den Deckel abgenommen und eine Praline gegessen." Sie deutete in eine Ecke. "Sehen Sie? Da liegt der Deckel." Als er sich umwandte, bemerkte er den Deckel. Aus irgendeinem Grund fiel ihm das Atmen schwer. "Sie ... hat... die ... Pralinen ... gegessen?" "Nur eine." Wieder liefen ihr die Tränen über die Wangen. "Dann hat der Typ sich an die Mütze getippt, ist weggegangen und hat Maxi in seine Limousine verfrachtet. An mehr erinnere ich mich nicht." Aufgeregt zupfte Pudge ihn am Ärmel. "Ein großer Typ mit einer Limousine. Haben Sie's kapiert?" "Bill", sagten Noah und er wie aus einem Mund. Widget blinzelte verwirrt. "Das stimmt. Woher wussten Sie das?" Nun
versiegten ihre Tränen. "Das hatte ich fast vergessen. Als er ihr die Pralinen gegeben hat, hat Maxi .Danke, Bill' gesagt." "Warum sollte Reggies Fahrer Maxi entführen?" fragte Rosie. Noah presste die Lippen zusammen. Das wusste er nicht, aber er wusste, was er unternehmen würde. Er dachte an das Lederetui, von dem Maxi geglaubt hatte, es würde seinen Rasierapparat enthalten. Verdammt! Es sah so aus, als würde er seinen Rasierapparat jetzt brauchen. "Ich weiß es nicht. Noch nicht. Aber ich werde es rausfinden." "Oh, Bill hat Maxi nicht entfuhrt." Noah und Rosie wandten sich zu Widget um. Sie lächelte schwach. "Das habe ich auch vergessen. Als er sie hochgehoben hat, hat er gesagt: ",Tut mir Leid, Ms. Maxi.'" Mühsam beherrscht strich Noah sich durchs Haar. "Das haben Sie bereits erwähnt." "Ich weiß. Aber dann hat er gesagt: ,Ich habe meine Anweisungen.' Das bedeutet wohl, dass er für jemanden arbeitet." Sie blickte in die Runde. "Stimmts?"
10. KAPITEL "Noah, das ergibt keinen Sinn", beharrte Babe und zündete sich die sechste Zigarette seit seiner Ankunft an. "Warum sollte Reggie Maxi entführen? Er liebt sie über alles." Es kümmerte ihn einen Dreck, was Reggie für Gründe hatte. Er, Noah, würde dafür sorgen, dass es ihm Leid tat. Zumindest war ihm jetzt klar, was ihn an den Erpresserbriefen gestört hatte. Der Absender hatte weder einen Treffpunkt noch eine Telefonnummer angegeben. Die Briefe hatten lediglich eine Drohung enthalten. Reggie hatte von Maxi erwartet, dass sie erriet, von wem die Briefe kamen, und sich entsprechend verhielt. Nur hatte sie die Briefe nie bekommen. Noah verfluchte sich insgeheim, weil er so dumm gewesen war. Wenn er sich nicht so von einem gewissen Körperteil unter der Gürtellinie hätte ablenken lassen, wäre er viel eher darauf gekommen. Nervös ging er in Babes Wohnzimmer auf und ab. In der vergangenen Stunde hatte er festgestellt, dass es vom Telefon zum Panoramafenster genau zwanzig Schritte waren und zurück neunzehn. "Hast du ihn schon ausfindig gemacht?" "Nein. Und ich habe es mindestens hundert Mal bei ihm zu Hause und im Wagen versucht. Niemand geht ran." "Wohin würde er sie bringen?" fragte er schroff. "Denk nach, Babe."
"Ich habe nachgedacht!" Sorgenfalten bildeten sich in ihren Mundwinkeln, und Babe drückte ihre Zigarette aus. "Es gibt eine Möglichkeit. Reggie hat eine kleine Hütte in den Bergen in der Nähe von Santa Cruz. Sie liegt sehr einsam. Für meinen Geschmack ist sie ein bisschen primitiv, aber ..." "Los, fahren wir hin." "Wir wissen doch gar nicht, ob Reggie sie dorthin gebracht hat", protestierte sie. "Was ist, wenn er inzwischen anruft?" "Dann merkt er, dass niemand zu Hause ist. Er wird es entweder wieder versuchen oder bei Maxi anrufen. Rosie hat meine Handynummer. Sie wird uns erreichen." Er umfasste ihren Ellbogen und ging mit ihr nach draußen zu seinem Jeep, in dem Loner wartete. Als sie sich sträubte, sagte er: "Wir helfen Maxi nicht, wenn wir hier rumsitzen. Begreifst du das denn nicht? Wenn wir zur Hütte fahren, unternehmen wir wenigstens etwas." Babe kapitulierte und stieg ein. Noah setzte sich ans Steuer und fuhr in Richtung Süden. Sobald die Stadt hinter ihnen lag, beschleunigte er das Tempo. Abgesehen davon, dass Babe ihm ab und zu sagte, wo es langging, legten sie die Fahrt, die rekordverdächtige neunzig Minuten dauerte, in angespanntem Schweigen zurück. Erst kurz bevor sie die Hütte erreichten, ergriff Babe wieder das Wort. "Die Hütte ist auf der anderen Seite dieses Hügels", erklärte sie. "Bieg hinter der nächsten Kurve links auf die Schotterpiste ab." "Wird er uns kommen sehen?" "Ja. Aber nur, wenn wir das letzte Stück fahren. Die Hütte liegt oben, und wir nähern uns ihr von hinten. Bis zur letzten Kurve sind wir hinter den Bäumen verborgen. Wenn du am Fuß des Hügels parkst, können wir zu Fuß raufgehen, dann sieht uns vielleicht niemand."
Noah bog in die Schotterpiste ein und fuhr durch Schlaglöcher und Furchen. "Du wartest im Jeep, Babe. Loner und ich übernehmen das." "Auf keinen Fall", protestierte sie. "Ich bleibe nicht allein hier. Wenn du mich zurücklässt, mache ich eine Dummheit." "Lieber in Sicherheit und dumm als clever und verletzt." Er warf ihr einen grimmigen Blick zu. "Wenigstens habe ich dann eine von euch beiden beschützt." Babe seufzte. "O Noah. Du gibst dir doch nicht etwa die Schuld daran, dass Maxi entführt wurde, oder?" "Natürlich gebe ich mir die Schuld daran", erwiderte er boshaft. "So etwas passiert, wenn man seine Deckung vernachlässigt." Ihre Miene wurde sanft. "Oder wenn man seine Reserve aufgibt? Das mit euch beiden ist etwas Persönliches, stimmts?" "Wenn es nicht so wäre, dann wäre Maxi jetzt zu Hause in Sicherheit, und ich würde mich nicht verfluchen, weil ich mich wie der letzte Idiot benommen habe." Er lenkte den Jeep an den Straßenrand und stellte den Motor ab. "Eigentlich kann ich es dir jetzt sagen. Ich liebe deine Tochter." Babe lachte leise. "Natürlich tust du das. Du solltest dich ja auch in sie verlieben." Noah war verblüfft. "Ich dachte ... Du hast doch gesagt, wir würden nicht zusammenpassen." . . Nun lachte sie lauter. "Süßer, es gibt keinen Mann auf der Welt, der ein Nein hören will, wenn es um eine Frau geht. Wenn ich dir Maxi vorgeworfen hätte, hättest du sofort das Weite gesucht. Aber wenn man einem Mann sagt, dass ein hübsches junges Ding tabu ist, kann er nicht die Finger von ihr lassen. Was glaubst du denn, warum ich dich ausgesucht habe?" O verdammt! "Weil ich dir etwas schulde, hast du gesagt." "Du hast mir nichts geschuldet. Das wissen wir beide, stimmts?"
Er war hin- und hergerissen zwischen Belustigung und Wut. "Jetzt ja." "Reg dich nicht auf, Süßer. Du hast es damals gut gemeint. Ich hatte mich nur schon entschieden, Mel nicht zu heiraten. Aber da du unbedingt den edlen Ritter spielen wolltest, habe ich dich in dem Glauben gelassen, dass du mich vor einer Katastrophe bewahrst." Sie öffnete die Wagentür und schüttelte angewidert den Kopf. "Männer. Ihr glaubt wirklich, dass blond gleichbedeutend mit dumm ist." Blond war nicht gleichbedeutend mit dumm. Vielleicht sollte er es sich aufschreiben. Noah stieg ebenfalls aus und gab Loner heimlich ein Zeichen, Babe abzulenken. Dann langte er unter seinen Sitz und zog seinen "Rasierapparat" hervor. Nachdem er die Halbautomatik herausgenommen hatte, entsicherte er sie und steckte sie sich hinten in den Hosenbund. "Deine Tochter ..." begann er, während er das Etui wieder unter dem Sitz versteckte. "Sie ist..." "Genau wie ich, Süßer." Babe, die von alldem nichts mitbekommen hatte, lächelte fröhlich. "Ich schlage vor, dass du auf der Stelle kapitulierst, denn du hast nicht die geringste Chance, das Mädchen auszumanövrieren." Er nickte. "Das habe ich mir gedacht." Sie tätschelte ihm den Arm. "Es wird gar nicht so schlimm. Ehrlich." "Ich werde dich beim Wort nehmen." Noah ließ den Blick über den Hügel schweifen, um zu sehen, welchen Weg er nehmen sollte. "Ich kann dich wohl nicht dazu bewegen, hier zu warten?" "Ich habe meine Meinung in den letzten zwei Minuten nicht geändert." Das überraschte ihn nicht. "Ich schlage Folgendes vor. Wir nehmen den Weg dort drüben." Er deutete in die entsprechende Richtung. "Ich hoffe, Reggie ist genauso nachlässig wie deine
Tochter, was etwaige Sicherheitsmaßnahmen betrifft, und hat die Hintertür nicht abgeschlossen." "Und dann?" "Dann werde ich die Tür öffnen und Loner ein Zeichen geben. Loner wird Reggie überwältigen." "Nein!" "Entweder deine Tochter oder dein Schwager, Babe. Du hast die Wahl." "Es muss doch eine andere Möglichkeit geben." Ihre blauen Augen füllten sich mit Tränen. "Ich habe schon so viele Menschen verloren. Ich möchte Reggie nicht auch noch verlieren." "Loner wird ihn nicht töten", erklärte Noah sanft. "Er wird ihn nur ... nur ein wenig beißen." Babe schlug ihm mit der Faust gegen die Brust. "Und ich sage dir, dass Reggie Maxi nichts zu Leide tun würde. Wenn er sie entführt hat, dann hat er auch einen Grund dafür." Wieder schlug sie ihn. "Ich warne dich, Hawke. Wenn dein räudiger Wolf Reggie verletzt, werde ich nie wieder ein Wort mit dir wechseln. Verstanden?" "Und was ist mit deiner Tochter?" schrie er. "Du wirst eine Möglichkeit finden, in die Hütte zu kommen, ohne dass jemand verletzt wird. Sonst gehe ich zur Vordertür und finde ganz allein heraus, was da vorgeht. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?" Es hatte keinen Sinn, mit ihr zu streiten. "Wir wissen nicht einmal, ob sie da sind. Ich schlage vor, dass wir die Sache langsam angehen lassen." "Ich gebe dir fünf Minuten. Dann mache ich es auf meine Art." "Gut." Noah umfasste ihren Arm und zog Babe zu dem Weg, der zwischen Bäumen und Büschen verlief. Am Ende der Baumgrenze blieb er stehen. Babe hatte Recht gehabt. Die
Limousine stand an der Seite des Hauses. Man konnte allerdings nicht erkennen, ob jemand in der Hütte war. "Duck dich und stell dich links neben die Hintertür." Babe antwortete nicht, aber der Ausdruck in ihren Augen sagte alles. Noah seufzte. "Ich habe es mir anders überlegt. Loner wird Reggie nichts tun, es sei denn, Maxi ist in Gefahr. Das verspreche ich." "Ich hoffe, du hältst dein Versprechen." Sie atmete aus. "Bitte." Das würde er tun. Er hielt seine Versprechen immer. "Warte, bis ich dir ein Zeichen gebe, dann folge mir." Er duckte sich und lief zur Rückseite der Hütte, ohne dass jemand ihn sah. Dann kauerte er sich an die Wand und bedeutete Babe, ihm zu folgen. Sobald sie beide in Stellung gegangen waren, kroch Loner zu ihm heran. Dies war nicht das erste Mal, dass sie einen Angriff übten. Vorsichtig drehte Noah den Türknauf, bis das Schloss aufging, und gab Loner ein Zeichen. Sobald er Loner losließ, stürzte dieser in die Hütte, wobei er Furcht erregend heulte. Als Loner jedoch plötzlich verstummte, sträubten sich Noah die Nackenhaare. Babe brach in Tränen aus, aber er hatte keine Zeit, sich um sie zu kümmern. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, duckte er sich abermals und lief mit gezogenem Revolver in die Hütte ... Maxi und Reggie saßen an einem Tisch und waren in eine Partie Romme vertieft. Statt zu heulen, zu knurren oder zu beißen, hatte Loner sich zwischen ihnen fallen lassen und winselte verzückt, denn Maxi kraulte ihn hinter einem, Reggie hinter dem anderen Ohr. Die einzige Person, die in Gefahr war, schien er, Noah, zu sein. Er räusperte sich. "Reggie", sagte er und nickte. "Schön, Sie zusehen." "Ganz meinerseits, mein Junge." Reggie zog eine Augenbraue hoch und betrachtete den Revolver. "Falls Sie mitspielen wollen, hätten Sie nur zu fragen brauchen."
Maxi knallte ihre Karten auf den Tisch und funkelte Noah wütend an. "Lass mich raten. Das ist der merkwürdig geformte Rasierapparat, den du gar nicht schnell genug in der Schublade verschwinden lassen konntest. Liege ich richtig?" "So ungefähr." Noah sicherte seine Waffe und steckte sie wieder in den Bund seiner Jeans. "Vielleicht sollte ich mich von jetzt an lieber nicht mehr rasieren." Sie kniff die Augen zusammen. "Kluge Entscheidung." "Reggie!" rief Babe, die in diesem Augenblick hereingestürzt kam. "Ist alles in Ordnung, Reggie?" "Er ist nicht derjenige, der entführt wurde, sondern ich, Mom", bemerkte Maxi. Noah ballte die Hände zu Fäusten. "Würde mir bitte jemand erklären, was, zum Teufel, hier vorgeht? Babe zeigt mir Erpresserbriefe, die an Maxi gerichtet sind. Widget sagt, Bill hätte Maxi entfuhrt. Und ich muss mit ... einem geladenen Rasierapparat rumlaufen." "Reggie", meinte Maxi sanft, "du musst jetzt mit der Wahrheit rausrücken." Sorgfältig legte Reggie seine Karten ab. "Romme." "Ich meine es ernst." "Das weiß ich." Er betrachtete weiterhin seine Karten. "Und du weißt, dass ich es nicht kann." "Ich kann es für dich tun." "Nein danke, meine Liebe." Langsam stand er auf und rückte seine Fliege zurecht. "Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet... Ich muss in die Stadt zurück." Babe lief zu ihm und umfasste seinen Arm. "Nein. Du wirst nirgendwohin fahren. Erst will ich einige Antworten." Reggie befreite sich aus ihrem Griff und wich zurück. "Begreifst du denn nicht? Du bist diejenige, der ich es nicht sagen kann," Dann wandte er sich ab und verließ hoch erhobenen Hauptes die Hütte.
"Was habe ich getan?" flüsterte sie, als die Tür sich hinter ihm schloss. "Warum vertraut er mir nicht mehr?" Maxi ging zu ihr. "Du hast gar nichts getan. Er wollte dir nicht die Wahrheit sagen." "Was für eine Wahrheit?" "Er ist pleite, Mom." "Pleite?" Babe wirbelte herum. "Nein. Das ist unmöglich. Die Werbeagentur..." "Er hat sie verkauft, als Daddy gestorben ist." "Aber... warum?" "Nach dem, was er erzählt hat - und das war nicht viel -, nehme ich an, dass Dad der kreative Kopf war, während Onkel Reggie sich um die Einzelheiten gekümmert hat. Doch ohne die Ideen spielte alles andere leider keine Rolle mehr." Verwirrt sah Babe sie an. "Aber die Agentur war ein Vermögen wert. Als er sie verkauft hat, hätte er ausgesorgt haben müssen." Maxi nahm ihre Hand. "Aber nicht, wenn er das Geld weggegeben hat." "Weggegeben? Wem hätte er ...? O nein! Bitte nicht!" "Dad hat das Apartment und das Haus kurz vor seinem Tod gekauft. Pacific Heights. Nob Hill. Das sind Immobilien in bester Lage. Er hat seinen Anteil als Sicherheit geleistet. Onkel Reggie wollte nicht, dass wir ausziehen müssen. Und er hatte nur eine Möglichkeit." "Er hat nichts genommen?" Babe versagte die Stimme. "Wahrscheinlich dachte er, er könnte noch einmal von vorn anfangen und wieder ein Vermögen aufbauen." "Und als es nicht ging, hat er dich entführt, um einen Teil des Geldes wieder reinzubekommen?" Babe schüttelte den Kopf. "Ich fasse es nicht. Er hätte mich doch nur zu fragen brauchen. Ich hätte ihm alles gegeben." "Ich nehme an, er ist zu stolz, um etwas anzunehmen", bemerkte Noah.
Sie wurde wütend. "Aber meine Tochter zu entführen ist richtig?" "Er hat mich nicht entführt." Maxi legte ihr den Arm um die Schultern. "Ich habe vor einigen Jahren durch Zufall von seinen finanziellen Problemen erfahren. Eines seiner Geschäfte war fehlgeschlagen, und der Filialleiter seiner Bank hat mich angerufen, weil er dachte, ich wäre seine Tochter. Danach habe ich ein langes Gespräch mit Bill geführt und erfahren, dass immer dann, wenn Reggie wieder auf die Füße fällt, ein alter oder neuer Freund oder sogar ein Fremder ihn um Geld bittet." Tränen schimmerten in Babes Augen. "Er hatte schon immer ein offenes Ohr für Pechvögel", meinte sie mit bebender Stimme. "Du hast ihm geholfen, stimmts?" fragte Noah Maxi. "Zuerst wollte er kein Geld annehmen", erklärte sie. "Deswegen habe ich Bill gebeten, mir eine Nachricht zu hinterlassen, wenn es eng wird. Bill hat einen merkwürdigen Sinn für Humor und hat mir deswegen immer diese ,Erpresserbrief e' auf den Tisch im Vorflur gelegt. Immer wenn einer kam, habe ich Geld auf Reggies Konto eingezahlt. Aber diesmal ist etwas schief gegangen. Ich habe keine Nachricht erhalten. Ich hatte Bill mal gesagt, dass er mich in einem solchen Fall vom Fleck weg entführen soll, damit ich sofort zur Bank gehen kann." "Deswegen hat Bill also gesagt, er hätte seine Anweisungen." "Widget hat es gehört, stimmts?" Maxi zuckte die Schultern. "Nachdem ich das Geld überwiesen hatte, bin ich hierher gekommen, um Reggie zu besuchen. Er wollte schon lange mit mir sprechen, weil er einige tolle Ideen hinsichtlich meines Arbeitslosenprojekts hatte." Sie blickte von ihm zu Babe. "Also, was ist mit Bills Briefen passiert?" Babe rang die Hände. "Einen habe ich gefunden, nachdem ich ausgezogen war. Er war zwischen meiner Post."
"Nachdem sie ihn gelesen hatte, hat sie mich angerufen", fügte Noah hinzu. "Ich habe schon oft anderen geholfen. Man könnte sagen, ich habe es zum Beruf gemacht." Wieder blickte Maxi zwischen ihm und ihrer Mutter hin und her. "Deswegen hat sie dich mir zum Geburtstag geschenkt." Verdammt! Er wartete darauf, dass sie die nächsten Schlüsse zog. Es dauerte nicht lange. Sie wurde rot vor Zorn. "Du bist gar kein Mädchen für alles, stimmts?" "Nein." "Was bist du dann? Wer bist du?" "Man könnte mich als Vermittler bezeichnen. Ich bin freiberuflich tätig und helfe Leuten, die sich in eine schwierige Situation gebracht haben und allein nicht wieder rauskommen." Noah blickte zu Babe. "Dass ich diesen Beruf gewählt habe, verdanke ich hauptsächlich Mel, denn ich musste ihm unzählige Male aus der Patsche helfen." "Worum hat meine Mutter dich gebeten?" fragte Maxi. "Solltest du mich beschützen?" Er neigte den Kopf. "Ein heimlicher Bodyguard, zu deinen Diensten." "Du hattest nie die Absicht, mich zu schwängern, stimmts? Das war nur ein Vorwand, um mich abzulenken, bis du den Erpresser gefunden hast." "Schwängern?" wiederholte Babe. "Schwängern?" Jetzt wurde er auch wütend. "Nein, ich hatte nie die Absicht, dich zu schwängern. Und ja, ich habe es als Vorwand benutzt." Ohne den Blick von Maxi abzuwenden, ging er auf sie zu. "Aber nur damit du es weißt... Ich hätte alles gesagt und alles getan, um dich davon abzuhalten, diesen idiotischen Plan zu verwirklichen." Maxi atmete schneller. "Sogar mit mir geschlafen?" "Verdammt, Schatz! Ich hätte dich sogar geheiratet."
"Das wars!" Sie wandte sich ab und ging zur Tür. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie barfuß war. Allerdings überraschte es ihn nicht. "Ich fahre mit Onkel Reggie nach Hause." Noah zuckte zusammen, als die Tür hinter ihr zuknallte, und warf Babe einen ironischen Blick zu. "Das hat ja prima geklappt, nicht?" Loner jaulte traurig auf. Babe atmete tief durch. "Weißt du was, Süßer? Ich habe schon viele Heiratsanträge bekommen. Und das war der schlechteste Antrag, den ich je gehört habe." "Danke." "Keine Ursache." Als Noah Maxi Fontaines Haus betrat, erwartete ihn das reinste Chaos. Männer jedes Typs waren in der Diele verteilt. Einige saßen auf Stühlen, die am Eingang aufgestellt waren, andere hockten auf der breiten Treppe, die in den zweiten Stock führte. Und ein paar lümmelten sich sogar auf dem Holzfußboden. "Irgendetwas kommt mir hier bekannt vor", sagte er leise zu sich selbst. Dann blickte er zu Loner und gab ihm ein Zeichen. "Du weißt, was du zu tun hast, Junge. Also los." Dann ging er zur Wohnzimmertür und öffnete sie. Maxi saß mit angezogenen Beinen auf einem Sessel und beugte sich viel zu weit zu dem Mann hinüber, mit dem sie gerade sprach. Noah verschwendete keine Zeit. Mit drei Schritten war er bei dem ehemaligen potenziellen Babymacher, packte ihn und warf ihn hinaus. Dann knallte er die Tür zu und wandte sich an seine zukünftige Ehefrau. "Ich freue mich auch, dich wieder zu sehen", sagte sie scharf. "Und ich bin nicht in der Stimmung für schöne Worte." Maxi sprang auf, "Warum regst du dich so auf? Eigentlich musste ich wütend sein. Du und meine Mutter habt mich hintergangen. Wenn ihr euch die Mühe gemacht hättet, mich
nach diesen Briefen zu fragen, hätte ich alles aufklären können. Stattdessen bist du hier aufgetaucht und ..." "Schatz?" erkundigte er sich besorgt, als ihr die Stimme versagte. Er wollte auf sie zugehen, doch Maxi wich zurück. "Und ich habe mich in dich verliebt, du armseliges Mädchen für alles." Über die Schulter warf sie ihm einen wütenden Blick zu. "Was machst du hier?" "Ich wollte dir das Testergebnis vorbeibringen." Mit einer schwungvollen Bewegung hielt er ihr das Blatt entgegen. "Es wird dich freuen, zu erfahren, dass ich glänzend abgeschnitten habe und du keinen Babymacher mehr brauchst außer dem, der vor dir steht. Mr. Perfect. Erinnerst du dich?" "Ich bin begeistert. Leg es auf den Schreibtisch und geh." Noah zerknüllte den Bericht und warf ihn in den Papierkorb. "Ich gehe nirgendwohin. Nicht bevor wir darüber gesprochen haben." "Es gibt nichts zu besprechen. Du hast mich belegen, und ich bin wütend." "Komisch. Ich hätte schwören können, dass du gerade gesagt hast, du würdest mich lieben." "Das auch." Ihre Lippen bebten. "Warum hast du das getan, Noah? Warum hast du mir nicht alles gesagt, als du zum ersten Mal hier aufgetaucht bist?" "Weil ich Babe versprochen hatte, dir nichts zu sagen." "Du hast mich belegen, um dein Versprechen ihr gegenüber halten zu können?" "So ungefähr." Er streckte die Hand aus und wischte ihr eine Träne von der Wange. "Ich habe ihr etwas geschuldet, Maxi. Oder zumindest dachte ich es." "Warum? Warum hast du ihr etwas geschuldet?" Es war Zeit, ihr die Wahrheit zu sagen. Die ganze Wahrheit. "Wir hatten eine Abmachung." "Was für eine Abmachung."
"Sie hat mir einen Gefallen getan. Dafür habe ich ihr versprochen, ihr zu helfen, falls sie einmal in der Patsche sitzen sollte." Nun wurde Maxi neugierig. "Was war das für ein Gefallen?" "Sie hat die Verlobung mit meinem Vater gelöst. Auf meine Bitte hin." "Mel Hawke war dein Vater?" "Ist. Er ist mein Vater." "Und du ..." Sie befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge, und das brachte ihn fast um den Verstand. "Du wolltest nicht, dass Mom ihn heiratet?" "Ich mag Babe. Sie hatte etwas Besseres verdient als meinen alten Herrn. Und meiner Meinung nach ist es immer noch so." Noah zuckte die Schultern. "Ich habe deiner Mutter angeboten, dass sie alles haben kann, wenn sie Mel verlässt. Sie hat sich darauf eingelassen." "Ich erinnere mich an das, was du über deinen Vater erzählt hast. Du hast ihr nichts geschuldet, sondern sie dir." "Das spielt keine Rolle, Maxi. Sie hat die Verlobung gelöst, und nur das war mir wichtig." "Bis sie die Schuld eingefordert hat." Maxi schlang sich die Arme um die Taille. "Sicher warst du schwer begeistert von deiner Aufgabe." "Falls du glaubst, dass ich auch nur eine Minute bereue, irrst du dich." Er ging auf sie zu. "Es tut mir Leid, Schatz. Ich hätte dir gegenüber ehrlich sein sollen. Wenn es dir irgendwie hilft, verspreche ich, dass es nie wieder vorkommt." "Warum bist du hier, Noah?" "Du weißt, warum. Ich liebe dich. Und du liebst mich auch. Die Frage ist nur, was wir jetzt machen." "Warum musstest du mich belügen, Noah? Und ich meine nicht Babes wegen." Ihr Tonfall war gequält. "Warum hast du dich bereit erklärt, ein Baby mit mir zu zeugen, obwohl du nie die Absicht hattest?"
"Weil ich die Vorstellung nicht ertragen konnte, dass ein anderer Mann es tun könnte." Wieder bebten ihre Lippen, und sie strich sich einige Locken aus der Stirn. Dabei klirrten ihre Armreifen. "Ist dein Angebot diesmal ehrlich gemeint?" "Wenn du willst." Maxi schüttelte den Kopf. "Nein." , . Noah schien es, als hätte man ihm einen Schlag versetzt. Er musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um eine letzte Frage zu stellen. "Warum?" "Weil du dann denken würdest, dass ich dich heiraten würde, weil ich mir ein Baby wünsche." "Und das ist nicht der Fall?" "Wenn ich die Wahl zwischen dir und einem Baby hätte, würde ich mich für dich entscheiden." "Selbst wenn es bedeuten würde, dass du nie ein Kind bekommen würdest?" "Ja." Maxi kam auf ihn zu. Alles an ihr verriet ihre bedingungslose Liebe - ihre Worte, ihre Bewegungen, der hoffnungsvolle Ausdruck in ihren grünen Augen und ihr zaghaftes Lächeln. "Ich liebe dich, Noah Hawke." Sie legte ihm die Arme um den Nacken und wartete. Schließlich seufzte sie ungeduldig. "Jetzt musst du sagen: ,Ich liebe dich auch, Maxi Fontaine.'" "Deine Mutter hat mir schon eröffnet, dass der Heiratsantrag, den ich dir gemacht habe, der schlechteste war, den sie je gehört hat." "Man könnte meine Mutter als Expertin auf dem Gebiet bezeichnen." "Da ich nicht vorhabe, je wieder einen Heiratsantrag zu machen, musste ich es doch wieder gutmachen können." Nun wirkte ihr Lächeln gelöst. "Gib dein Bestes." Noah schob die Hände in ihr Haar und presste die Lippen auf ihre. Diesmal nahm er sich Zeit, um sein Verhalten wieder
gutzumachen und Maxi zu beweisen, dass ihre Liebe zueinander etwas ganz Besonderes war. Sie bedeutete ihm so viel, und er legte sein Leben in ihre Hände. Er war lange genug ein einsamer Wolf gewesen. Er gehörte zu ihr und würde bis ans Ende ihrer Tage bei ihr bleiben. "Es tut mir Leid, dass ich dich verletzt habe, Schatz", sagte er, nachdem er sich von ihr gelöst hatte. "Ein Mann sollte die Frau, die er liebt, nicht verletzen. Und ich liebe dich, Maxi. Ich habe immer gewusst, dass ich eines Tages die Frau finden würde, mit der ich den Rest meines Lebens verbringe. Du bist mein Glück. Meine Zukunft. Mein Leben. Und ich hoffe, dass du bald auch die Mutter meiner Kinder sein wirst. Du bist alles, was ich mir je gewünscht habe, und alles, was ich je brauchen werde. Heirate mich, Maxi." Ihre Augen füllten sich mit Tränen. "Niemand, nicht einmal Babe, hat so einen perfekten Heiratsantrag bekommen. Ja, ich werde dich heiraten." "Keine Ängste mehr?" "Nein. Überhaupt nicht." Noah nickte zufrieden. "Aber ich muss dich warnen. Ich werde nicht genug bekommen, bevor du alle sechs Kinder hast, die du dir immer gewünscht hast." Maxi lächelte schalkhaft. "Versprochen?" "Ich halte meine Versprechen immer." Er zögerte. "Außerdem muss ich dir etwas gestehen." Sie seufzte. "Schon wieder?" "Ich habe Loner ein Zeichen gegeben, alle potenziellen Babymacher aus der Diele zu vertreiben." "Oh... Noah?" "Was ist, Schatz?" "Das waren keine potenziellen Babymacher. Erinnerst du dich an mein Gespräch mit Reggie? Da die Arbeit mit Widget so ein großer Erfolg war, habe ich beschlossen, mein
Arbeitslosenprojekt zu erweitern. Das waren Leute, mit denen ich Bewerbungsgespräche geführt habe." "Ich mache dir einen Vorschlag. Vergiss sie, und stell Reggie ein. Ein erfolgreiches Unternehmen kann immer jemanden brauchen, der sich um die Einzelheiten kümmert. Außerdem ist es für ihn bestimmt besser, wenn er ein Gehalt bekommt statt Almosen, meinst du nicht?" "Nicht, dass er es brauchen würde." Noah zog eine Augenbraue hoch. "Glaubst du nicht?" Maxi lächelte. "Nicht, wenn es nach Babe geht. Ich schätze nämlich, Mutters sechste und somit letzte Ehe steht bevor." Sie nahm seine Hand und zog ihn zur Tür. "Komm schon, die Arbeit wartet auf uns." "Arbeit?" Verdammt! "Willst du nicht erst unsere Verlobung feiern?" "Doch, natürlich. Ich dachte, wir feiern, indem wir üben." "Üben?" Maxi blickte ihn über die Schulter an. "Wenn wir sechs Kinder haben wollen, müssen wir üben, findest du nicht?" Er hob sie hoch und ging mit ihr in die Diele. "Dann sollten wir gleich loslegen." In der Ferne hörte er Loner jaulen. Es war ein ausgesprochen glückliches Jaulen. Und dann stellte er erstaunt fest, dass ein anderer Hund jaulte. "Dabei fällt mir ein ..." Sie faltete die Hände in seinem Nacken. "Wir haben neue Nachbarn. Und sie haben einen Hund, der ganz komisch aussieht. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, dass es ein Wolf ist. Eine Wölfin, um genau zu sein." Noah seufzte. "So wie es sich anhört, kann es gut sein, dass wir Loner demnächst umtaufen müssen." "Ich glaube, du hast Recht." Sie legte den Kopf auf seine Schulter. "Was hältst du von ,Mr. und Mrs. Woof?"
-ENDE