Atlan - Der Held von Arkon Nr. 204
Der Verräter von Protem USO-Spezialist Kennon greift ein und durchkreuzt ein schmut...
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Atlan - Der Held von Arkon Nr. 204
Der Verräter von Protem USO-Spezialist Kennon greift ein und durchkreuzt ein schmutziges Spiel von H. G. Francis In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch die Einwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos. Für Atlan ist jedoch Lebo Axton alias Sinclair Marout Kennon in die Bresche gesprungen. Der Kosmokriminologe der USO, der durch die Illusionsmaschine in das alte Arkon versetzt wurde, operiert geschickt inmitten des Dunstkreises von Verrat, Korruption und Intrige, der den Hof Orbanaschols umgibt. Scheinbar handelt Axton im Auftrag der imperialen Geheimpolizei, doch in Wirklichkeit durchkreuzt er manch schmutziges Spiel. Das gilt auch im Fall: DER VERRÄTER VON PROTEM …
Der Verräter von Protem
3
Die Hautpersonen des Romans: S. M. Kennon alias Lebo Axton - Der USO-Spezialist durchkreuzt ein schmutziges Spiel. Kelly - Kennons seltsamer Roboter. Arayshkat - Planetenfürst von Barthimore. Terlot von Kelthy - Ein professioneller Killer. Quarphon Kap und leraphoton Soph - Zwei Eskaphonen in arkonidischen Diensten.
»Wir haben ihn gefoltert.« »Dann hat er sich also geweigert, mehr als bisher zusagen?« »Wir haben ihn verhört, aber auch jetzt konnte nicht geklärt werden, woher er wirklich kommt. Seine Vergangenheit liegt im dunkeln. Seine Auskünfte waren ausweichend und unbefriedigend.« »Wie lange wurde er befragt?« »Sieben Tage. Danach haben wir die Folter angesetzt. Für zwei Tage.« »Ergebnis?« »Unbefriedigend. Die Lücken konnten nicht geschlossen werden. Er hat alle Maßnahmen unbeschadet überstanden und schließlich jede Aussage verweigert.« »Dann steht immer noch nicht fest, ob man sich wirklich auf ihn verlassen kann?« »Wahrscheinlich ist er loyal.« »Wir werden ihn mit einem Problem konfrontieren, in dem er alle Fragen beantworten muß. Leben oder Tod. Im Preyton soll es sich entscheiden. Zuvor aber schickt ihn nach Barthimore. Vielleicht genügt das schon, und unser Risiko ist geringer.«
1. »Hast du eigentlich so etwas wie einen Schönheitssinn?« »Selbstverständlich, Schätzchen. Mein vorheriger Meister verfolgte die Grundidee, durch mich die Schönheiten der Galaxis zu ergründen. Er hat mich …« »Er hat dich in erster Linie mit einem vorlauten Mundwerkzeug versehen und leider auf alles verzichtet, was man als höhere Werte bezeichnen könnte«, unterbrach Lebo Axton den Roboter an seiner Seite. »Ich bin
vielmehr davon überzeugt, daß du überhaupt keinen Blick für harmonische Formen und ästhetische Linienführungen hast.« »Daraus resultiert meine Vorliebe für dich.« Axton-Kennon verschlug es die Sprache. Er suchte nach Worten, griff dann aber nach einer Klappe am Ovalkörper Kellys, öffnete sie und schaltete den Roboter per Knopfdruck ab. Danach atmete er tief durch. Er war sich seiner Häßlichkeit durchaus bewußt, aber er liebte diesen verwachsenen Körper, denn es war sein eigener, es war der, in dem er geboren und aufgewachsen war. Er hatte nichts gemein mit dem vollendeten Robotkörper, in dem er als Gehirn mehrere Jahrhunderte lang existiert hatte. Kennon trat dem Roboter kräftig gegen die krummen Beine, setzte sich dann wieder in seinen Sessel und richtete die Blicke auf den Ovalschirm. Auf ihm zeichnete sich der Planet Barthimore ab. Diese Welt schien paradiesisch zu sein. Sie erinnerte entfernt an die Erde mit ihren weiten, blauen Meeren, den üppigen Vegetationszonen und den Wüstengürteln. Nur wenige Landstriche waren wirklich erschlossen. Dennoch galt Barthimore als außerordentlich reich. Hier wurden Bodenschätze von höchstem Wert gewonnen, und Kennon hatte die Adligen von Arkon von den Jagdmöglichkeiten auf diesem Planeten schwärmen gehört. Langsam senkte sich das kugelförmige Raumschiff auf einen trapezförmigen Kontinent südlich des Äquators herab. Auf ihm befand sich irgendwo die Traumstadt des Adligen Arayshkat, die von einem der berühmtesten Künstler des Imperiums angelegt worden sein sollte. Als der Raumhafen von Metrobarthimore in Sicht kam, aktivierte Kennon den Roboter
4 wieder. »Wie fühlst du dich, Kelly?« fragte er. »Blendend. Meine Batterien haben sich wieder etwas erholt.« Das war absoluter Unsinn, wie er von einem Robot eigentlich nicht zu erwarten war. Axton fragte sich erneut, von wem das Positronenhirn seines Begleiters programmiert worden sein mochte. »Eine schöne Welt«, fuhr Kelly fort. »Kein Wunder, daß Orbanaschol III. scharf darauf ist.« »Sei lieber still«, riet Axton, »sonst schalte ich dich vielleicht doch noch für immer ab.« Das Raumschiff setzte auf. Auf dem Bildschirm war ein Gleiter zu erkennen, der sich von einem Raumhafengebäude her näherte. Axton gab dem Roboter einen Wink. Die Maschine kniete sich nieder, so daß der Verwachsene auf ihren Rücken steigen konnte, wo für Hände und Füße Haltebügel angebracht waren. Danach nahm der Roboter die wenigen Gepäckstücke auf und trug alles hinaus. Lebo Axton war der einzige Passagier dieses Schiffes. Diese Tatsache allein hätte seiner Persönlichkeit den Herrschenden von Barthimore gegenüber ausreichend Gewicht verleihen müssen. Das aber war keineswegs der Fall, wie er merkte, als er sich dem Arkoniden in dem Gleiter näherte. Der Mann war offensichtlich ein hoher Vertreter des Planetenfürsten Arayshkat. Er trug eine mit Ehrenzeichen und Schmuck förmlich übersäte Uniform. Axton ließ sich durch sie jedoch nicht täuschen. Er sah nur das Gesicht und vor allem die Augen dieses Mannes, und er stieß dabei auf Kälte und Ablehnung. Augenblicklich erkannte er, daß er mit diesem Arkoniden beträchtliche Schwierigkeiten haben würde. Er ließ sich bis an den Gleiter herantragen. Erst als er ihn erreichte, stieg der Bote aus. Ihm war anzusehen, daß er nicht einen Funken Hochachtung vor Axton empfand. »Mein Name ist Peyko Baey«, sagte er. »Ich habe die Aufgabe, Sie abzuholen und
H. G. Francis zum Palast zu fliegen.« Kennon wartete, bis Kelly den Gleiter geöffnet hatte. Dann stieg er bewußt schwerfällig vom Rücken des Roboters herunter und kletterte ächzend in die Flugkabine. Mißbilligend blickte er den Arkoniden an, da dieser keinerlei Anstalten machte, die Tür wieder zu schließen, als auch Kelly im Gleiter saß. Peyko Baeys Augen blitzten auf, und unwillig warf er die Tür zu. Danach setzte er sich hinter die Leitinstrumente und startete. Er sprach kein Wort mehr, bis sie neben dem Palast landeten, der Stammsitz Arayshkats entsprach allem, was Kennon bereits davon gehört hatte. Axton stieg wiederum auf den Rücken des Roboters und ließ sich zum Planetenfürsten führen. Arayshkat betrachtete den Mann, den der Imperator zu ihm geschickt hatte, mit geweiteten Augen und begann zu lachen. »Mir ist manche Kuriosität schon begegnet«, sagte er und ging Kennon einige Schritte entgegen, »aber das ist der Gipfel. Sind Sie tatsächlich Lebo Axton, der Mann, der den unglücklichen Tod von Eid Beste untersuchen soll?« Axton ließ sich vom Rücken des Roboters herab und setzte sich in einen Sessel. »Allerdings«, antwortete er abweisend. »Ich habe die Aufgabe, den Mord an Verbindungsoffizier Eid Beste aufzuklären.« »Mord!« rief Arayshkat theatralisch. »Wie kann man nur so etwas sagen? Es gibt eindeutige Beweise, daß Eid Beste …« Er blieb vor Lebo Axton stehen und musterte ihn kopfschüttelnd. Arayhkat war etwa zwei Meter groß. Das brünette Haar reichte ihm an den Seiten bis auf die Schultern herab, war jedoch im Nacken noch wesentlich länger, so daß es dort mit seinen Spitzen fast den Gürtel erreichte. Der Planetenfürst war ein ausgesprochen schöner Mann. Sein Gesicht war gleichmäßig und gut geschnitten, aber es war nicht das Spiegelbild einer ausgereiften Persönlichkeit. Die Augen blinzelten Axton übermütig an, und auf den Lippen lag ständig ein leichtes Lächeln, das anzeig-
Der Verräter von Protem te, wie wenig Arayshkat bereit war, irgend etwas ernst zu nehmen. »Aber was sprechen wir von Beste«, rief er. »Reden wir doch von Ihnen, Lebo Axton.« »Nein, schweigen Sie. Ich will versuchen, Ihre geheimsten Gedanken zu erraten. Sie sind ein zutiefst unglücklicher Mann, der fürchterlich unter seinem mißgestalteten Körper leidet. Wissen Sie was? Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich kenne einen Chirurgen. Er wird Ihren Buckel beseitigen, Ihre Ohren verkleinern, Ihre Füße verkürzen und Ihre Beine strecken, so daß Sie anschließend ein annehmbares Aussehen haben werden.« Er beugte sich vor, und seine Augen leuchteten auf. »Die Frauen werden Sie wieder ansehen, Lebo Axton. Sie werden Sie bewundern und nicht länger zurückweisen. Nun, was halten Sie davon?« Er trat zurück, richtete sich hoch auf und blickte auf den Verwachsenen herab. »Ich hätte gern etwas zu trinken«, sagte Axton kühl. Peyko Baey trat ein, als habe er die Worte gehört. Er schob eine mit Goldplatten verzierte Antigravgleite vor sich her, die festlich gedeckt worden war. »Sie sehen, ich denke durchaus an Ihr leibliches Wohl, Lebo Axton. Komm, Peyko, mein Gast hat Durst. Wir wollen ihm alles geben, was er benötigt.« Die Antigravgleite senkte sich etwas herab, Baey stabilisierte sie, so daß sie unverrückbar an einer Stelle schwebte und als Tisch dienen konnte. Kennon bediente sich. »Der Imperator ist ungehalten«, bemerkte er zwischen zwei Schlucken. »Eid Beste war ein Freund von ihm. Sein Tod hat ihn schwer getroffen. Er verlangt bedingungslose Aufklärung des Falles, Auslieferung des Mörders und eine finanzielle Entschädigung in noch festzusetzender Höhe.« Arayshkat breitete die Arme aus. »Sehen Sie sich um in meinem Reich«, rief er. »Sie werden kein Zeichen einer Schuld feststellen können.« Axton blickte ihn forschend an.
5 Arayshkat begriff nicht, daß es um seinen Kopf ging. Er erkannte nicht, daß ihm ein Mann geschickt worden war, der den Auftrag hatte, ihn zu töten und den paradiesischen Planeten Barthimore in den Besitz des habgierigen Imperators zu bringen. Arayshkat war ein großer Junge, der die Gefahr einfach nicht sah. Er war Kennon keineswegs unsympathisch. Im Gegenteil. Der Verwachsene mochte diesen Arkoniden sogar, der so offensichtlich von geradlinigem Charakter war. »Ich werde mich informieren, Arayshkat«, erklärte er. »Verlassen Sie sich darauf.« »Ruhen Sie sich ein wenig aus«, riet der Planetenfürst. »Sie sind erschöpft von der Reise. Ich erwarte Sie später zu einem Essen im Kreise meiner Freunde. Sie werden die besten Familien dieses Planeten kennenlernen.« »Hoffentlich kommen Sie nicht auf den Gedanken, mich als Partygag vorzuführen, Arayshkat«, erwiderte Axton. Der Verwachsene kletterte auf den Rücken seines Roboters und ließ sich hinaustragen. Peyko Baey folgte ihm und führte ihn zu den für ihn vorgesehenen Räumen. Er zeigte ihm die technischen Einrichtungen. Schließlich verabschiedete er sich und ging zur Tür. Dort blieb er jedoch noch einmal stehen. »Axton«, sagte er. »Ich habe das Gefühl, daß Sie wirklich glauben, mehr über den Tod von Eid Beste herausfinden zu können, als bisher bekannt ist.« »Allerdings.« »Sie machen einen Fehler, Axton. Warum erfüllen Sie die Erwartungen des Imperators nicht?« »Und welche sind das Ihrer Meinung nach?« »Orbanaschol III. hat Sie nur der Form halber geschickt. Irgend jemand muß sich wohl um Eid Bestes Tod kümmern. Das bedeutet jedoch nicht, daß es auch ein neues Ergebnis der Untersuchungen geben muß. Machen Sie sich nicht lächerlich, Axton.
6 Wenn Sie sich vernünftig benehmen, dann werden wir Sie nach einigen Tagen wieder nach Arkon zurückschicken und uns aus formalen Gründen scharf über Sie beschweren. Wir werden behaupten, daß Sie eine zu gründliche Untersuchung durchgeführt haben. Danach werden alle Seiten zufrieden sein.« »So spricht jemand, der etwas zu verbergen hat.« »Überlegen Sie es sich«, empfahl der Berater Arayshkats Kennon erneut. »Wir werden dafür sorgen, daß Sie nichts zu bereuen haben.« »Sie langweilen mich, Baey.« »Seien Sie kein Narr, Axton. Sie gehen von der Voraussetzung aus, daß der tote Eid Beste Orbanaschol irgend etwas bedeutet hat, und daß der Imperator deshalb mehr über sein Ende wissen will. Aber das ist falsch. Eid Beste war in Ungnade gefallen. Orbanaschol III. hatte ihn bereits kaltgestellt.« Peyko Baey erhob seine Stimme nicht ein einziges Mal. Er sprach ruhig und ohne jede emotionelle Beteiligung. »Sie fangen an, mich zu belästigen. Gehen Sie jetzt«, befahl Axton in bewußt scharfem Ton. Er beobachtete sein Gegenüber, ohne eine gefühlsmäßige Reaktion bei ihm feststellen zu können. Peyko Baey blieb gelassen wie ein Roboter. Als Axton allein war, entkleidete er sich und ging in die Hygienekabine, wo er sich eine halbe Stunde lang mit einer Einrichtung abplagte, die für normal gewachsene Arkoniden, nicht aber für einen Mann seiner Größe gedacht war. Dennoch fühlte er sich anschließend erfrischt. Er genoß die kurze Zeit der Ruhe, in der er von niemandem gestört wurde. So konnte er noch einmal über alles nachdenken. Selbstverständlich dachte er nicht daran, den Planetenfürsten kaltblütig umzubringen. Er war kein Mörder, sondern ein hochqualifizierter Kriminalist. Das wußte selbstverständlich auch der Imperator. Wenn dieser ihn dennoch nach Barthimore geschickt hatte, dann einzig und allein aus
H. G. Francis dem Grund, weil ihn der Besitz Arayshkats lockte. Darüber war Kennon sich klar. Und deshalb haßte er diesen Auftrag. Er war entschlossen, sich so aus der Affäre zu ziehen, daß er allen Seiten gerecht wurde. Bedeutete das aber wirklich, daß Arayshkat sterben mußte? Irgendwo in der Nähe befanden sich Beobachter Orbanaschols. Sie verfolgten das Geschehen mit argwöhnischen Augen und würden ihn sofort zu Fall bringen, sobald er etwas unternahm, was den Interessen des Imperators zuwiderlief. Kennon wußte noch nicht, welchen Plan er verfolgen sollte. Vorläufig konnte er nichts anderes tun, als die Ereignisse so herbeizuführen, daß sie den Tod Arayshkats einleiten mußten. Er mußte sich an das halten, was man ihm im Hauptquartier der arkonidischen Abwehr auf Arkon I vorgeschlagen hatte. Sollte die Entwicklung Arayshkat dann tatsächlich zum Verhängnis werden, was er nicht hoffte, dann würde er vor eine äußerst schwere Entscheidung gestellt werden. Dessen war Kennon sich bewußt, aber er war sich noch nicht darüber klar, wie er damit fertig werden sollte. Er arbeitete einzig und allein für Atlan. Sein Ziel war es, dem Kristallprinzen den Weg zur Macht zu erleichtern. Wollte er die dabei von ihm verfolgte Strategie nur schwarzweiß sehen, dann konnte es nur heißen, alles was Orbanaschol III. schadete, mußte Atlan nützen. Das Schicksal eines Planetenfürsten spielte dabei keine Rolle. Kennon überlegte angestrengt. Sein Gedächtnis funktionierte ausgezeichnet, aber es hatte Erinnerungen aus mehreren Jahrhunderten Leben und Erleben zu bewältigen. Das Spezialgebiet des Kosmokriminalisten, das er mit besonderer Leidenschaft studiert hatte, war die Geschichte der galaktischen Altvölker gewesen. Hier hatte er sich außerordentliche Kenntnisse angeeignet, die ihn nun befähigten, sich im Imperium Arkons zu bewegen, ohne ständig aufzufallen. Nur weil er so viel über die alten Arkoniden wußte, hatte er es überhaupt gewagt,
Der Verräter von Protem sich von der Traummaschine in die Vergangenheit projizieren zu lassen. Er war sich der Gefahren durchaus bewußt gewesen. Durch die geringste Unaufmerksamkeit konnte er Atlan den Weg in die Zukunft verbauen. Und das war es, was ihn jetzt quälte. Ihm war, als habe er den Namen Arayshkat schon einmal gehört. Aber er konnte ihn nicht unterbringen. Immer wieder fragte er sich, ob ein Mann namens Arayshkat eine bestimmte Rolle im Leben des jungen Atlan gespielt hatte. War das tatsächlich der Fall gewesen, dann konnte er sich hier nur die Finger verbrennen. Sollte dieser Arayshkat beispielsweise irgendwann in seinem Leben einmal Atlan das Leben gerettet haben, dann konnte nun Atlans Leben dadurch vernichtet werden, daß Arayshkat vorzeitig starb. Je länger Kennon versuchte, in seinen Erinnerungen zu graben, desto unruhiger wurde er. Schließlich glaubte er, nicht einen einzigen Schritt tun zu dürfen, ohne ihn sorgfältig abgewogen zu haben. Er kam aus der Hygienekabine hervor und kleidete sich an. »Ist uns der Name Arayshkat schon vorher einmal begegnet?« fragte er den Roboter. »Nein«, antwortete Kelly. »Niemals.« »Ist das sicher?« Der Roboter antwortete nicht, weil eine Bestätigung offensichtlich nicht notwendig war. Dadurch stieg die Unsicherheit Kennons noch mehr. Als er den Raum verlassen wollte, kniete Kelly sich nieder, doch Lebo Axton versetzte ihm lediglich einen leichten Tritt gegen den Rücken. »Ich verzichte auf deine Begleitung«, sagte er. »Glaubst du, ich will mir auch noch den Appetit durch dich verderben lassen?« »Hoffentlich findest du einen ähnlich geistvollen Gesprächspartner wie mich, Schätzchen«, entgegnete der Roboter. »Das wird nahezu unmöglich sein«, bemerkte Kennon sarkastisch. Er ließ die Tür zufallen und ging mit
7 schleifenden Füßen auf den nächsten Antigravschacht zu. Treppen gab es in diesem Palast nicht. Kein Arkonide wäre auf den Gedanken gekommen, derartige Einrichtungen noch zusätzlich einzubauen. Man verließ sich auf die Technik. An die Möglichkeit von Brandkatastrophen dachte offenbar niemand. Als er den Schacht verließ, trat ihm ein Diener entgegen, der eine prachtvolle Phantasieuniform trug. Kennon konnte sich ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen, verzichtete jedoch auf eine Bemerkung, die den Mann hätte kränken können. Er wußte nicht, ob er nicht noch einmal auf gerade diesen Arkoniden angewiesen sein würde. Ein zweiter, in gleicher Weise ausstaffierter Diener erschien mit einer silbernen Antigravplatte, die wenige Zentimeter über dem Boden schwebte. »Würden Sie bitte aufsteigen, Lebo Axton?« Er verneigte sich übertrieben tief vor ihm. Kennon stutzte nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann durchschaute er das Spiel. Sein Herzschlag beschleunigte sich, und er spürte, wie ihm heiß wurde. Arayshkat hatte die ungeheure Gefahr, in der er schwebte, tatsächlich nicht begriffen. Damit erfuhren die Ereignisse bereits vorzeitig eine dramatische Beschleunigung, die Axton durchaus nicht behagte. Noch immer wußte er nicht, wie er den Namen Arayshkat in die altarkonidische Geschichte einordnen sollte. Leitete er das Ende Atlans ein, wenn er die Herausforderung annahm? Seine Gedanken überschlugen sich förmlich. Er mußte sich blitzschnell entscheiden, und dabei alle Faktoren gegeneinander abwägen. Eventuelle Beobachter Orbanaschols durften nicht mißtrauisch werden. Seine Aufgabe war es, Arayshkat in eine Sackgasse zu locken, aus der es keinen Ausweg mehr geben konnte. Kam ihm der Planetenfürst dabei nun so weit entgegen, dann mußte er darauf eingehen. Entschlossen trat er auf die Silberplatte. Sie stieg bis etwa zur Hüfthöhe der Diener
8 auf, als einer von diesen mit einem Handgerät die entsprechenden Funkimpulse gab. Dann glitt sie zwischen den beiden Arkoniden auf eine breite Tür zu. Diese öffnete sich langsam und gab den Blick in einen festlich beleuchteten und dekorierten Raum frei, in dem etwa vierzig Männer und Frauen an einer gedeckten Tafel saßen. Aus versteckt angebrachten Lautsprechern ertönten Klänge aus dem gegenwärtig so beliebten Arkonenlied, dessen Disharmonien auf terranische Ohren zermürbend wirkten. Die Augen der Gäste wandten sich Lebo Axton zu, der sich keineswegs gedemütigt fühlte, weil man ihn auf einem silbernen Tablett präsentierte. Er lächelte und deutete eine Verbeugung an, die einige der Damen zu einem schrillen Gelächter veranlaßte. »Ich darf Ihnen vorstellen«, rief Arayshkat. »Der Kriminalistenfürst Lebo Axton, Gesandter des Imperators.« Die Diener geleiteten den Verwachsenen bis zu dem letzten noch freien Platz am Ende der Tafel und ließen ihn hier herab, so daß er sich setzen konnte. Auf den Tellern vor den adeligen Gästen des Planetenfürsten lagen gebratene Fleischstücke und verschiedene Obstsorten von exotischen Planeten. In kostbar geschliffenen Gläsern war eine rote Flüssigkeit zu sehen, die einen verführerischen Duft verbreitete. Vor Axton lag eine grüne Blätterfrucht, die einem terranischen Kohlkopf recht ähnlich war. Es war eine Essoya, das Symbol der armen und bedeutungslosen Arkoniden. Und das Glas vor Kennon enthielt nur klares Wasser. Ein außerordentlich hübsches Mädchen, das neben Arayshkat gesessen hatte, sprang auf. In ihren Augen standen Tränen der Erregung und Empörung. Sie eilte zu Lebo Axton. »Bitte«, sagte sie mit halberstickter Stimme und griff nach seinem Arm. »Bitte, entschuldigen Sie. Ich habe nicht gewußt, was hier gespielt wird. Mein Mann hat …« »Aysha!« rief Arayshkat zornig. Lebo Axton blickte die junge Frau lä-
H. G. Francis chelnd an. Er fand, daß sie außerordentlich schön war. Allerdings störte ihn, daß sie, ähnlich wie die anderen Frauen am Tisch, mehr entkleidet als bekleidet war. Aber das entsprach einem neuen Modetrend. »Schon gut, Aysha«, sagte Axton. »Ich verstehe Sie, aber ich kann nicht anders handeln.« Er schob ihre Hand zurück und stellte sich auf den Stuhl, da er kaum über die Tischkante hätte sehen können, wenn er von ihm herabgestiegen wäre. Einige der Arkonidinnen kicherten albern. Die Männer grinsten Axton unverhohlen an. »Arayshkat, Sie haben mir deutlich gezeigt, was Sie von mir halten. Sie warten auf meine Reaktion. Nun, ich will Sie nicht enttäuschen und Ihnen allen das Vergnügen nicht schmälern. Deshalb fordere ich Sie, Arayshkat, zu Duell. Ich verlange Genugtuung.« Die Wirkung seiner Worte überraschte selbst ihn. Die Männer und Frauen am Tisch brachen in schallendes Glächter aus. Arayshkat entfiel das Glas, das er in der Hand gehalten hatte. Er krümmte sich vor Lachen. Ebensowenig wie die anderen konnte er sich vorstellen, daß ein verkrüppelter Mann wie Axton gegen ihn kämpfen wollte. »Ich denke, Sie werden mir die Wahl der Waffen überlassen?« fragte Kennon. »Selbstverständlich«, rief Arayshkat. Aysha und Axton blickten sich an. Die Frau des Planetenfürsten war die einzige, die nicht lachte. Aus ihren Augen schlug ihm vielmehr das nackte Entsetzen entgegen. »Nun, Arayshkat«, erklärte Axton. »Dann wähle ich das rituelle Mannaxschwert.« Das Gelächter steigerte sich zum Orkan, denn der Verwachsene hatte einen Zweihänder genannt, mit dem nur äußerst starke Männer kämpfen konnten. Als es wieder etwas ruhiger wurde, fügte Kennon hinzu: »Selbstverständlich nach den Austragungsgesetzen von Speutsch!« Schlagartig wurde es still in der Runde. Arayshkat erhob sich. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Seine Augen
Der Verräter von Protem weiteten sich, und der Mund blieb ihm offen stehen. Aysha floh schluchzend aus dem Raum. Lebo Axton gab den Dienern einen Wink. Er stieg auf die Platte und befahl mit scharfen Worten, ihn zum Antrigravschacht zu bringen. Sie gehorchten wortlos.
2. Als Lebo Axton am nächsten Tag die Hyperfunkstation des Palastes betrat, blickten ihn die beiden hier tätigen Offiziere fast furchtsam an. Er ließ sich von Robot Kelly bis zu ihnen herantragen und reichte ihnen eine beschriftete Folie. »Setzen Sie diesen Funkspruch nach Arkon I ab«, befahl er. Einer der Offiziere nahm die Folie entgegen, las sie kurz durch und nickte. »Sie rufen einen Assistenten?« fragte er mit belegter Stimme. Axton antwortete nicht. Befremdet wandte sich der Offizier ab, schaltete die Funkgeräte ein, peilte sich auf Arkon I ein und strahlte den Hyperfunkspruch ab. Es dauerte nicht lange, bis die Bestätigung für Axton einlief. »Darf man fragen, wer Ihr Assistent ist?« fragte der zweite Offizier. Axton behandelte ihn weniger unfreundlich als seinen Kollegen. »Sie dürfen«, entgegnete er. »Sie werden den Mann jedoch kaum kennen. Er heißt Terlot von Keithy.« »Diesen Namen habe ich noch nie gehört.« »Das dachte ich mir.« Axton raunte Kelly einen Befehl zu. Der Roboter trug ihn hinaus auf einen Gang. In einem Antigravschacht schwebten sie weiter nach oben, bis sie das Geschoß erreichten, in dem Eid Beste gewohnt hatte. Nur einige Diener hielten sich hier auf. Sie führten den Verwachsenen augenblicklich in das Zimmer, in dem der Tote gefunden worden war. Axton schickte sie hinaus. Er wollte allein sein. Auf dem Boden lag eine flammend rote
9 Folie. Sie zeichnete die Haltung nach, in der Eid Beste angetroffen worden war. Auf dem Tisch stand ein Aufzeichnungsgerät. Axton schaltete es ein. Auf dem Bildschirm lief das Untersuchungsprotokoll ab, das von einem Offizier Arayshkats angefertigt worden war. Danach schien Eid Beste einem Unglücksfall zum Opfer gefallen zu sein. Er hatte versucht, Primitivwaffen in diesem Zimmer zu reparieren, hatte dabei aber übersehen, daß eine Pfeilspitze vergiftet gewesen war. Er hatte sich die Haut damit geritzt und war an einer Herzmuskellähmung gestorben. Der Bericht war sorgfältig abgefaßt worden und enthielt keine Lücken. Dennoch stieß Axton auf einige winzige Fehler, die einem Kosmokriminalisten mit seiner Erfahrung nicht entgehen konnten. So wurde beispielsweise überhaupt nicht erwähnt, nach welcher Zeit die Wirkung des Giftes eintrat. Das aber war ein außerordentlich wichtiger Faktor, da Eid Beste bei den örtlichen Gegebenheiten bei einer allmählich einsetzenden Wirkung genügend Zeit gehabt hätte, Alarm zu schlagen. Das aber hatte er nicht getan. Lebo Axton ließ den Bericht durchlaufen und konzentrierte sich danach ganz auf die Beschreibung des Labors. Auch hierin waren nur einige ungenaue Hinweise auf die Wirkungsweise des Giftes enthalten. Das waren nicht die einzigen Fehler, die Axton auffielen. Ähnliche, weniger deutliche Spuren einer ungenauen Bearbeitung oder eines bewußten Verfälschung des Falles waren daneben noch vorhanden. Sie bestärkten ihn in der Überzeugung, daß Eid Beste tatsächlich ermordet worden war. Damit stand fest, daß Arayshkat einen schweren Fehler gemacht hatte, als er versucht hatte, den Tod des Verbindungsmanns als Unglücksfall hinzustellen. Bewußt oder nicht bewußt, war nicht entscheidend. Wichtig war allein, daß nicht genau genug recherchiert worden war. Arayshkat unterschätzte die Habgier und die Rücksichtslosigkeit Orbanaschols erheblich, während er sich zugleich allzu sicher wähnte. Er glaubte, zwanzig Lichtjahre von
10 Arkon entfernt, werde er von den Intrigen am Hof nicht mehr tangiert. Er meinte, hier ein Leben von allen Problemen isoliert führen zu können. Das aber war ein Irrtum. Der Tod Eid Bestes hatte ihn in die Schußlinie gebracht. Wenn Axton nicht gewesen wäre, so hätte Orbanaschol einen anderen geschickt. Diesem wäre es vielleicht nicht gelungen, Arayshkat einen Mord nachzuweisen, aber auch er hätte den Planetenfürsten sicherlich in eine tödliche Falle locken können. Arayshkat war bereits so gut wie tot, aber dadurch würde das Schicksal Atlans nicht beeinflußt werden können, denn Arayshkat hatte sein Leben selbst verspielt. Wenn Axton sich an einen Arkoniden namens Arayshkat erinnerte, dann mußte dies ein anderer Mann sein, der zu späterer Zeit gelebt hatte. Nun, da er erst einmal eine Spur gefunden hatte, nahm er sie energisch auf. Er gab sich nicht mit dem Bericht zufrieden, den er vorgefunden hatte, sondern ließ sich die Primitivwaffe bringen, durch die der Verbindungsmann gestorben war. In dem Labor des Planetenfürsten führte er selbst eine Reihe von Analysen durch und testete das Gift anschließend an mehreren Versuchstieren – zuletzt gar am offenen Herzen eines Tieres, das von seinem biologischen Aufbau her den Arkoniden am ähnlichsten war. Das Ergebnis war eindeutig. Das Gift wirkte zwar tödlich, aber erst nach etwa zehn Minuten, wobei die ersten Anzeichen sich bereits nach zwei Minuten einstellten. Eid Beste hätte genügend Zeit gehabt, sich das Gegenmittel zu verschaffen, wenn man ihn nicht daran gehindert hätte. Lebo Axton rief den Planetenfürsten zu sich. Dieser ließ sich jedoch verleugnen. An seiner Stelle erschien der Berater Peyko Baey im Labor. Er sah so kalt und unnahbar aus wie immer, so daß Axton fast geneigt war, einen perfekten Roboter mit einer lebenden Biofolie vor sich zu sehen. Er wußte jedoch, daß die arkonidische Technik noch nicht so weit fortgeschritten war, daß sie derart lebensechte Modelle herstellen konn-
H. G. Francis te. »Ich habe mich entschlossen, etwas Ungewöhnliches zu tun«, eröffnete der Verwachsene das Gespräch. »Ganz gegen meine sonstige Gewohnheit und ohne eine Spur des Täters zu haben, gebe ich Ihnen hiermit bekannt, daß Eid Beste ermordet worden ist.« »Das ist doch nicht Ihr Ernst«, erwiderte Peyko Baey. Seine Augen wurden feucht. Das war das erste Anzeichen einer Gefühlsreaktion. »Es ist mein voller Ernst. Ich habe eindeutige Beweise, die keinen Zweifel mehr zulassen. Sie können sich darauf verlassen, daß ich den Täter entlarven werde, es sei denn, man versucht, mich vorher ebenfalls zu ermorden.« »Axton, was halten Sie von uns!« sagte Baey mit wachsender Erregung. »Ein Mord ist für uns ein absolut ungewöhnliches Ereignis. Niemals zuvor in der Geschichte von Barthimore ist so etwas passiert.« »Unterrichten Sie Arayshkat, und sagen Sie ihm, daß es wenig Sinn hat, sich vor mir zu verstecken.« Mit einer knappen Geste gab er dem Berater des Planetenfürsten zu verstehen, daß die Unterredung beendet war.
* Nun hatte er sich endgültig Respekt verschafft. Das wurde besonders dadurch deutlich, daß Arayshkat zu ihm kam. Der Planetenfürst gab sich ausgelassen und überlegen, so als sei überhaupt nichts vorgefallen, doch Axton durchschaute das Gehabe. »Was wollen Sie?« fragte er schroff. Arayshkat setzte sich ihm gegenüber in einen Sessel und schlug die Beine übereinander. »Das gleiche wollte ich Sie eigentlich fragen«, entgegnete er. »Das habe ich Ihnen doch bereits erklärt, Arayshkat. Ich will den Mörder Eid Bestes.« »Wirklich?« »Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen?« Arayshkat erhob sich und ging im Zim-
Der Verräter von Protem mer auf und ab. Plötzlich sah er ernst und sorgenvoll aus. Alles Jungenhafte fiel von ihm ab. »Lebo Axton, ich bin ein reicher Mann. Ich möchte Ihnen …« »Das interessiert mich nicht«, unterbrach Kennon ihn. »Glauben Sie nur nicht, daß Sie mich bestechen können.« Der Planetenfürst blieb vor dem Verwachsenen stehen. Er rang sichtlich mit sich. »Sehen Sie, Axton, mein Benehmen tut mir aufrichtig leid. Ich möchte mich dafür entschuldigen. Es war abscheulich, was ich mit Ihnen gemacht habe.« Er war am Ende, und jetzt tat er dem Terraner leid. »Ich glaube Ihnen sogar, daß Sie es aufrichtig meinen, Arayshkat«, erwiderte er, »aber ich sehe keine Möglichkeit mehr, die Entwicklung nun noch aufzuhalten. Es ist zu spät für Sie.« »Sie bestehen auf dem Duell.« »Allerdings.« Damit schien Arayshkat nicht gerechnet zu haben. Er verfiel sichtlich, und seine Augen wurden stumpf. »Sie werden mir keine Chance lassen, Axton.« Der Verwachsene antwortete nicht, bis der Arkonide sich langsam in einen Sessel sinken ließ und die Hände vor das Gesicht legte. »Sie lieben das Leben, Arayshkat«, sagte er. »Sie haben überhaupt noch nicht begriffen, daß das Leben auch Schattenseiten hat. Weshalb fliehen Sie nicht? Die Galxis ist groß. Überall gibt es unbesiedelte Planeten, auf denen sie unbehelligt leben können.« »Sie wissen, daß ich das nicht kann.« »Warum nicht?« »Die Ehre verbietet es mir.« »Dann bereiten Sie sich auf Ihren Tod vor«, sagte Axton brutal. Er erhob sich und gab Arayshkat damit zu verstehen, daß er allein sein wollte. Der Planetenfürst verstand. Niedergeschlagen ging er hinaus. Kennon blieb nicht lange allein mit seinem Roboter, der stumm in einer Ecke des Raumes verweilte. Für den Besucher war
11 nicht erkennbar gewesen, ob er aktiviert war oder nicht. Auch Aysha, die junge Frau des Planetenfürsten, konnte es nicht feststellen. Sie warf der Maschine einen irritierten Blick zu. Offensichtlich fühlte sie sich durch ihre Anwesenheit gestört. Axton aber tat, als merke er nichts. Er ging der schönen Arkonidin einige Schritte entgegen und begrüßte sie mit einer artigen Geste. »Was führt Sie zu mir?« fragte er und bot ihr Platz an. »Das wissen Sie nicht?« »Vielleicht doch«, entgegnete er lächelnd. »Sie wollen das Duell verhindern, nicht wahr?« Sie griff nach seinen Händen und blickte ihn beschwörend an. »Sie werden darauf verzichten, nicht wahr?« »Warum sollte ich?« »Weil ich meinen Mann liebe.« Er lächelte über dieses Argument und schüttelte den Kopf. »Aysha, es tut mir wirklich leid, aber ich habe nicht die Macht, das Duell jetzt noch zu unterbinden. Es ist zu spät. Ich habe meinen Assistenten bereits benachrichtigt. Die Beleidigung gilt also auch ihm, und er wird niemals darauf verzichten, sich Genugtuung zu verschaffen.« Sie verhielt sich ähnlich wie zuvor ihr Mann. Sie sprang auf, eilte einige Schritte hin und her und blieb dann am Fenster stehen. Sie bückte lange in den Park hinaus, der tief unter ihr lag. Schließlich drehte sie sich langsam um. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich könnte Ihnen sagen, wer der Mörder von Eid Beste ist, Lebo Axton. Würden Sie dadurch …?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Aysha«, erwiderte er leise. »Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich werde herausfinden, wer Eid Beste getötet hat, auch wenn Sie mir nicht helfen.« Sie tupfte sich die Tränen mit einem Tuch aus den Augenwinkeln. »Ich glaube, jetzt verstehe ich. Sie sind
12 gar nicht nach Barthimore gekommen, weil Sie den Mörder von Eid Beste finden wollen, denn dann hätten Sie mein Angebot angenommen. Orbanaschol, dieser Teufel, hat Sie geschickt, weil Sie Arayshkat umbringen sollen!« Als Axton darauf nichts antwortete, wurde sie noch um eine Nuance bleicher. »Es stimmt also. Sie haben die Beleidigung provoziert. Sie wollten von Anfang an nichts anderes als das Duell. Sie wollten …« »Jetzt ist es aber genug, Aysha«, sagte Axton scharf. »Sie gehen zu weit. In Ihrer Angst um Ihren Mann denken Sie nicht mehr klar und werden ungerecht. Schon bei unserer ersten Begegnung hat mich Ihr Mann maßlos gedemütigt und beleidigt.« »Ich hasse Sie!« »Und Orbanaschol.« »Ihn noch mehr«, entfuhr es ihr. Dann schlug sie sich erschrocken die Hand vor den Mund. »Und ihr Mann auch«, ergänzte der Verwachsene. »Jetzt sehe ich klar. Eid Beste, der Verbindungsmann des Imperators, hat herausgefunden, daß Arayshkat ein Gegner Orbanaschols ist. Ich vermute sogar, daß sich diese Gegnerschaft nicht nur in gelegentlichen Meinungsäußerungen zeigt, sondern …« »Seien Sie still!« »Warum? War es nicht so, daß Ihr Mann von Eid Beste überrascht und entlarvt worden ist? Fühlte sich Ihr Mann nicht durch ihn bedroht? Und ließ er ihn nicht deshalb umbringen?« »Sie sind ja verrückt.« »Eid Beste hantierte mit Waffen, von denen er das Gift entfernt hatte. Er wußte nicht, daß es nachträglich wieder angebracht worden war. Als er sich verletzt hatte und die beginnende Lähmung spürte, rief er um Hilfe, aber niemand kam. Man hat gewartet, bis er tot war, und danach das Zimmer so präpariert, daß alles nach einem Unglücksfall aussah. War es nicht so, Aysha?« Die Arkonidin zitterte vor Angst. Sie schüttelte den Kopf.
H. G. Francis »Nein, Axton, so war es nicht.« »Sie meinen, dazu paßt nicht, daß Arayshkat so sorglos und übermütig war. Sie meinen, er hätte sich fürchten müssen, als ich als Beauftragter Orbanaschols kam, um den Fall zu untersuchen? Keineswegs, Aysha. Ich glaube nämlich, daß er sich seiner Sache so sicher war, daß er eine Aufdeckung der Wahrheit für unmöglich hielt. Nun. Er hat sich getäuscht.« Die junge Arkonidin tat ihm leid, aber er war noch nicht bereit, sie aus ihrer Angst zu befreien. Er hatte nichts mehr als Vermutungen ausgesprochen und dabei sorgfältig auf ihre Reaktionen geachtet. Er wußte nun, daß er der Wahrheit nahe war. Allerdings beunruhigte ihn erheblich, daß Arayshkat ein Gegner Orbanaschols war und irgend etwas getan haben mußte, was dem Imperator beträchtlich schaden konnte. »Sie sind hart und grausam, Lebo Axton.« »Ich suche einen Mörder. Weiter nichts. Finden Sie, daß ein Mörder ungestraft davonkommen sollte?« Aysha antwortete nicht. Sie eilte aus dem Raum. Lebo Axton folgte ihr Minuten später auf dem Rücken seines Roboters Kelly. Er ließ sich zu den Arbeitsräumen Eid Bestes tragen, und hier nahm er die Spur auf, die er entdeckt hatte. Er vertiefte sich in die Aufzeichnungen des Agenten des Imperators. Dabei war er sich klar darüber, daß die Gehilfen des Planetenfürsten alles beseitigt hatten, was Arayshkat belasten konnte, doch das bedeutete für einen Mann wie Sinclair Marout Kennon nur wenig. Ein Mann mit seinem ungewöhnlichen Können und seiner außerordentlichen Erfahrung als USOSpezialist und Kosmokriminalist war von den in diesen Dingen praktisch unerfahrenen Männern des Planetenfürsten nicht zu täuschen. Da er wußte, worum es ging, entdeckte er die Lücken in den Aufzeichnungen und konnte aus ihnen die richtigen Schlüsse ziehen. Die Helfer Arayshkats hatten nicht bemerkt, daß sich wichtige Hinweise und versteckte Andeutungen durch den gesamten
Der Verräter von Protem Bericht zogen. Aus ihnen ließ sich ein mosaikartiges Bild zusammensetzen. Am Abend dieses Tages wußte Kennon bereits, wo er mit der Suche fortfahren mußte. Die Bewohner des Palastes mieden ihn und gingen ihm aus dem Weg, wo sie nur konnten. Er sah weder Aysha noch Arayshkat, und als er versuchte, sie über einen Diener zu erreichen, ließen sie sich verleugnen. Dann geriet Kennon jedoch an einen Punkt, an dem er nicht weiterkam. Arayshkat war ein Gegner Orbanaschols III. Daran zweifelte er nicht mehr. Das bedeutete aber nicht zwangsläufig, daß er ein Freund und Befürworter Atlans war, obwohl Kennon glaubte, einige Hinweise dafür entdeckt zu haben. Eid Beste hatte klare Beweise gegen Arayshkat gefunden. Sie mußten noch vorhanden sein. Kennon vermutete, daß sie in der Bibliothek des Planetenfürsten waren. Er ließ sich über Video mit Peyko Baey verbinden. Der Berater des Planetenfürsten hatte sich wieder in der Gewalt und sah so kalt und distanziert aus wie zuvor. »Ich möchte die Bibliothek besichtigen«, erklärte Axton. »Führen Sie mich sofort dorthin.« »Sie gehört zum privaten Bereich Arayshkats. Niemand hat dort Zutritt.« »Ich weiß, daß ich meine Untersuchung nur dort weiterführen kann. Wollen Sie, daß in meinem Bericht vermerkt wird, daß aufgrund Ihres Verbots Arayshkat als der Hauptverdächtige angesehen wird.« »Warten Sie. Ich melde mich wieder.« Peyko Baey schaltete ab. Axton wartete jedoch nicht. Er stieg auf den Rücken des Roboters und ließ sich von ihm zur Bibliothek tragen. Aus Aufzeichnungen, die er unter der Hinterlassenschaft Eid Bestes gefunden hatte, wußte er, wo sie war. Er kam gerade rechtzeitig, so daß er sehen konnte, daß Arayshkat einige Filmspulen aus dem Archiv entfernen wollte. Der Planetenfürst fuhr erschreckt herum, als er hörte, wie sich das Türschott öffnete. »Ah, Arayshkat«, sagte Axton, als habe er
13 nichts bemerkt, »zu Ihnen wollte ich gerade.« Der Arkonide saß in der Falle. Er wußte es selbst, und er gab allen Widerstand auf. »Treten Sie ein«, sagte er mit matter Stimme. »Wollen Sie mir nicht zeigen, was die Spulen enthalten?« »Nein«, erwiderte Arayshkat unsicher. »Dazu bin ich nicht verpflichtet.« Axton spürte, daß der Arkonide am Ende war. Er schloß die Tür hinter sich und streckte eine Hand aus. In diesem Moment blinkte das Rufzeichen am 3-D-Gerät auf. Der Arkonide schaltete es ein. Er war offensichtlich froh über die Störung, doch die Nachricht, die Peyko Baey ihm übermittelte, war niederschmetternd für ihn. »Der Assistent des Krüppels ist eingetroffen«, meldete der Berater. Lebo Axton stand so, daß die Aufnahmeoptik ihn nicht erfaßte. Bevor Peyko Baey noch mehr sagen konnte, rief Arayshkat hastig: »Lebo Axton ist bei mir.« Der Terraner ließ sich von Kelly bis in den Aufnahmebereich tragen. »Wir möchten Terlot sehen«, erklärte er. »Sorgen Sie dafür, daß die entsprechenden Aufnahmen hierher übertragen werden.« Baey antwortete nicht. Er zog sich eilig zurück und schaltete um. Axton und Arayshkat konnten den Raumhafen sehen. Die Kamera fuhr an ein gelandetes Raumschiff heran. Einige Minuten verstrichen, dann öffnete sich die Schleuse, und ein riesiger Arkonide erschien darin. Der Planetenfürst stöhnte auf, als er ihn sah. Terlot von Keithy war auf den ersten Blick als Arenakämpfer zu erkennen. Sein brutales Gesicht war von Narben übersät. Er trug das Haar kurz, so daß es ihn beim Kampf nicht behindern konnte. Am Gürtel hingen schwere Energiestrahler. »Der Mann kommt mir bekannt vor«, sagte Arayshkat leise. »Das ist kein Wunder«, erwiderte Lebo Axton. »Nach den Austragungsgesetzen von
14 Speutsch darf ich mir einen Stellvertreter aussuchen, der das Duell für mich austrägt. Es ist doch wohl selbstverständlich, daß ich einen Mann wähle, der alle Aussichten hat, den Kampf zu gewinnen. Terlot ist der beste Mannaxschwertkämpfer des Imperiums. Er hat noch nie einen Kampf verloren.« Die Kamera fuhr noch dichter an Terlot heran, so daß sein Gesicht die gesamte Projektionsfläche ausfüllte. Arayshkat wich unwillkürlich etwas zurück. Aus den Augen des Arenakämpfers schlug ihm eine furchterregende Kälte entgegen. »Ich habe keine Chance, Axton«, stellte er fest. Er sprang auf und eilte an den Fächern entlang, die die Aufzeichnungen auf Bildund Tonspulen enthielten. Schließlich öffnete er eines und nahm eine Bildkonserve heraus. Er schob sie in den 3-D-Projektor, ließ das Band halb durchlaufen und schaltete dann auf Projektion. Terlot erschien im Bild. Dieses Mal aber sah Axton ihn in einem wilden Schwertkampf. Die Szene war nur kurz, denn Terlot tötete seinen Gegner rasch. Unmittelbar darauf aber blendete der Film um zu einem Kommentator, der zunächst einige belanglose Worte sagte, dann aber erklärte: »Wieder einmal stieß Terlot auf einen Gegner, der geschwächt erschien. Eine Untersuchung wird zeigen, was hier wirklich geschehen ist. Hartnäckig halten sich Gerüchte, die besagen, daß Terlot die Kampfstätten schon vorher präpariert, so daß sein Gegner es nicht nur mit ihm, sondern auch mit allerlei verborgenen Fallen zu tun hat.« Damit endete der Film. Arayshkat blickte Axton erregt an. »Jetzt verstehe ich«, sagte er. »Was Sie planen, ist kein echtes Duell, sondern Mord. Und das Opfer soll ich sein.« Axton streckte seine Hand aus. »Zeigen Sie mir die Spulen, vielleicht kann ich dann noch etwas für Sie tun.« Arayshkat schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Axton.« »Wenn Sie es nicht tun, dann gibt es
H. G. Francis wirklich keine Chance mehr für Sie. Sie haben selbst festgestellt, daß Sie in einer Falle sitzen, aus der es keinen Ausweg mehr gibt. Da hilft es Ihnen auch nicht mehr, wenn Sie diese Spulen vor mir verbergen.« Der Planetenfürst gab endgültig auf. Er schob Axton die Aufzeichnungen zu. Dieser reichte sie an Kelly weiter, der sie in den Projektor schob. Kennon verfolgte die Filme mit höchster Konzentration, aber er konnte absolut nichts Verdächtiges feststellen. Da er aber merkte, daß Arayshkat ihn ständig beobachtete, und er wußte, daß die Filme belastendes Material enthielten, ließ er sich seine Enttäuschung nicht anmerken, sondern setzte ein leichtes Lächeln auf. Die Filme zeigten nur, wie der Planetenfürst einige Männer am Raumhafen empfing, wie er sich mit ihnen unterhielt, und wie er ihnen schließlich mehrere Kisten übergab, die mit farbigen Symbolen versehen waren. Kennon, der die arkonidische Szene dieser Zeit noch zu wenig kannte, konnte überhaupt nichts damit anfangen. Als die letzten Bilder durchgelaufen waren, wandte er sich Arayshkat zu. Dieser blickte ihn voller Spannung an. »So ist das also«, sagte Axton. Er beobachtete den Arkoniden nicht weniger scharf als dieser ihn. »So etwas Ähnliches habe ich erwartet.« Er hatte sich absolut in der Gewalt, während Arayshkat um sein Leben zitterte. Der Arkonide konnte nicht wissen, wie wenig Axton wirklich von dieser Zeit kannte. So intensiv der Terraner sich auch mit der Geschichte der altgalaktischen Völker beschäftigt hatte, er konnte die Gesichter der vielen Arkoniden nicht kennen, die in dieser Zeit eine Rolle gespielt hatten. Aus allen Epochen waren immer nur die Gesichter der wirklich überragenden Persönlichkeiten bekannt, die der anderen jedoch nicht. Axton ging aber von der Voraussetzung aus, daß sich unter den Männern, die er im Film gesehen hatte, jemand befunden haben mußte, der Orbanaschol den offenen Kampf angesagt und sich vielleicht sogar für Atlan
Der Verräter von Protem ausgesprochen hatte. Arayshkat schwieg eine geraume Weile, während Axton ihn ständig ansah. Dann hielt der Arkonide dem Blick nicht mehr stand. Er wandte sich ab. »Was wollen Sie denn noch?« fragte er resignierend. »Sie wissen jetzt, daß ich mit Weshtrozin, Pouktra und Wentho, dem Bärtigen, verhandelt habe. Na und?« Er sprang auf. »Ja, ich gebe zu, daß ich Orbanaschol verabscheue, und daß ich ihn lieber heute als morgen vernichten würde. Ich gestehe, daß ich versucht habe, dem Kristallprinzen Atlan finanzielle Mittel zukommen zu lassen. Es ist nicht gelungen. Weshtrozin und seine Freunde sind von den Maahks vernichtet worden. Das ist das einzige, was ich wirklich bereue.« Lebo Axton war so erregt, daß ihm für einige Zeit die Stimme versagte, dann aber fragte er heiser: »Sie wissen, wo Atlan ist?« »Ich weiß, wo er für einige Tage war«, antwortete Arayshkat. »Jetzt ist es zu spät. Die Verbindung, die ich zu haben glaubte, ist wieder abgerissen. Aber selbst wenn ich es wüßte, wo Atlan ist, dann würde ich es Ihnen bestimmt nicht verraten.« Sinclair Marout Kennon wußte nicht mehr, was er sagen sollte. Da war es ihm endlich gelungen, jemanden zu finden, der ihm Hinweise über den Aufenthaltsort Atlans geben konnte, der Atlan wirksame Hilfe leisten konnte, und ausgerechnet diesen Mann hatte er in eine Falle gelockt, aus der es kein Entkommen mehr geben konnte.
3. »Sind Sie sicher, daß uns hier niemand hören kann?« fragte Axton. »Natürlich«, erwiderte Arayshkat. »Absolut sicher. Warum fragen Sie?« Der Verwachsene antwortete nicht. Er überlegte fieberhaft, was er tun konnte. Er wollte den Planetenfürsten unter diesen Umständen auf keinen Fall opfern. Arayshkat
15 aber verstand ihn falsch. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sich das Blatt für ihn noch einmal wenden könnte. Dennoch versuchte er, etwas für seine Rettung zu tun. »Ich werde Ihnen sagen, wer Eid Beste getötet hat und warum.« »Das will ich gar nicht wissen.« »Ich werde es Ihnen dennoch sagen. Es war Peyko Baey. Er hat es getan, weil Eid Beste entdeckt hat, daß ich ein Freund Atlans bin. Er wollte mich retten.« »Aber Sie lassen ihn fallen, weil Sie glauben, daß für Sie alles verloren ist«, stellte Axton verächtlich fest. »Vermutlich kann Atlan sich ebenso wenig auf Sie verlassen wie Peyko Baey.« Der Planetenfürst war bleich bis in die Lippen. Mit tränenfeuchten Augen blickte er den Kriminalisten an. »Sie reden, als ob es Ihnen leid täte, daß ich den Namen des Mörders genannt habe.« »Sie haben recht.« Arayshkat war fassungslos. »Wie soll ich das alles verstehen?« fragte er. »Was haben Sie vor, Axton?« »Nun, dann will ich Ihnen die Wahrheit sagen, Arayshkat. Ich bemühe mich, an den Hof Orbanaschols zu kommen. Ich strebe an, ein einflußreicher Mitarbeiter im Geheimdienst des Imperators zu werden. Noch aber genieße ich nicht das volle Vertrauen des Hofes. Ich soll beweisen, daß ich loyal bin. Deshalb habe ich den Auftrag erhalten, Sie zu vernichten, damit Orbanaschol den Planeten Barthimore in seine Gewalt bringen kann. Er hat ein Auge auf diese Welt geworfen und will sie unbedingt haben. Sie sind ihm wegen einiger kleinerer Vorfälle ein Dorn im Auge. Deshalb müssen Sie weg. Das ist alles.« »Dann hätten Sie auf jeden Fall versucht, ein Duell herbeizuführen, auch wenn ich mich ganz anders verhalten hätte?« »So ist es, Arayshkat. Sie waren bereits so gut wie tot, als ich meinen Fuß auf diese Welt setzte.« Der Planetenfürst senkte den Kopf und schwieg.
16
H. G. Francis
Lebo Axton wartete einige Minuten. Als Arayshkat auch dann noch nichts gesagt hatte, fragte er: »Wollen Sie nicht kämpfen?« »Wie denn? Gegen einen perfekten Mörder wie Terlot? Unmöglich.« »Warum?« »Weil die Arena mit Fallen für mich gepflastert sein wird.« »Noch sind Sie der Herrscher hier. Sie können Terlot daran hindern, Ihnen Fallen zu stellen. Sie könnten selbst welche aufbauen.« »Das sagen Sie mir?« »Das sage ich Ihnen, weil es Ihre einzige Chance ist, diese Sache zu überleben. Wenn Sie Terlot töten, haben Sie zumindest einen Aufschub gewonnen. Vielleicht können Sie Orbanaschol später beweisen, daß Sie von großem Wert für ihn sind. Aber das wird dann Ihre Aufgabe sein.« Arayshkat blickte Axton an, als sehe er ihn zum ersten Mal. »Warum tun Sie das?« fragte er verwirrt. »Erst wollen Sie mich töten, und jetzt wollen Sie mich retten. Warum das?« »Als ich kam, um Sie zu töten, wußte ich noch nicht, daß Sie ein Freund Atlans sind. Das ist alles.« Axton gab Kelly einen Wink und ließ sich hinaustragen. In der Tür blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. »Wo ist die Arena?« fragte er. Der Planetenfürst sagte es ihm.
* Die Kampfstätte lag in einer gepflegten Parklandschaft. Sie wurde zu einem kleinen Teil von einem See begrenzt, in dem sich gefährlich aussehende Echsen bewegten. An den anderen Seiten konnten undurchdringliche Energiezäune gezogen werden, wie Axton an verborgenen Projektoren erkannte. Die Zuschauer fanden auf zahlreichen Hochständen Platz, die zwischen blühenden Baumgruppen lagen. Von dort hatten sie einen ausgezeichneten Blick auf das Geschehen.
Als Axton beschloß, sich von Kelly auf einen solchen Stand hinauftragen zu lassen, entdeckte er Terlot von Keithy. Der riesige Arkonide stand zwischen zwei Bäumen. Er trug ein braunes Gewand und hob sich kaum von seiner Umgebung ab. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er die Arena, die mit feinem, rotem Sand ausgelegt war. »Hast du jemals einen so großen Arkoniden gesehen?« fragte er Kelly. »Nein«, antwortete der Roboter. Terlot bückte sich nach einem Koffer, der neben ihm auf dem Boden lag. In diesem Moment bauten sich die Energiezäune bis zu einer Höhe von etwa vier Metern auf. Terlot zuckte sichtlich zusammen. Damit schien er nicht gerechnet zu haben. »Hin zu ihm«, befahl Axton. Der Arkonide fuhr blitzschnell herum, als er die Schritte des Roboters vernahm. Seine Hand glitt zum Energiestrahler am Gürtel und zog ihn so schnell heraus, daß Axton die Bewegung kaum verfolgen konnte. »In jeder Phase der Kämpfer«, sagte Lebo Axton lächelnd. »Ich begrüße Sie, Terlot.« Der Arkonide schob die Waffe in den Gürtel zurück. Er nickte gelassen, deutete dann auf den Energiezaun und sagte: »Wer hat das veranlaßt?« »Ich weiß es nicht. Vermutlich Arayshkat.« »Ich muß die Arena betreten, bevor wir kämpfen.« »Das wird Ihr Gegner nicht zulassen.« Terlot wurde nachdenklich. Daß er keine andere Fragen stellte, verriet Axton, daß man ihn auf Arkon sorgfältig instruiert hatte. »Na schön«, sagte der Kämpfer schließlich. »Dann machen wir es anders. Wann soll der Kampf stattfinden?« »Heute abend.« »So schnell schon?« Lebo Axton antwortete nicht. Terlot bückte sich erneut und öffnete seinen Koffer. Darin lag eine Pistole mit einem auffallend dicken Lauf und eine Anzahl von Geschossen, die mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet waren. Der Arkonide nahm ei-
Der Verräter von Protem nige davon heraus, schob eines in den Lauf der Pistole, richtete diese auf die Arena und feuerte sie ab. Das Projektil glitt lautlos über den Energiezaun hinweg und bohrte sich in den Sand der Arena, ohne eine Spur zu hinterlassen. Terlot nahm die anderen Geschosse und beförderte auch sie über den Zaun. Axton, der ihn sorgfältig beobachtete, stellte fest, daß er sie nach einem ganz bestimmten System verteilte, so daß er sie später wiederfinden konnte, obwohl keine Zeichen im Sand zu sehen waren. Er war sich dessen sicher, daß er behalten würde, wo Terlot seine Fallen aufgebaut hatte.
* »Ich habe mehrere Räume im Palast für Sie reservieren lassen«, sagte Axton, als Terlot seine Vorbereitungen abgeschlossen hatte. »Wenn Sie wollen, können Sie etwas essen und trinken.« Der Kämpfer nahm ein mit Federn, langhaarigem Pelz, seltsamen Gebilden und Symbolen verziertes Etwas aus seinem Koffer hervor, stülpte es sich über den Kopf und setzte sich auf den Boden, die Blicke starr auf die Arena gerichtet. »Ich bleibe hier«, erklärte er mit energischer Stimme. »Ich nehme nichts zu mir, und ich lasse den Kampfplatz nicht aus den Augen, bis alles vorbei ist.« Er sah aus wie ein Sagamore des frühen Amerikas, der sich mit zahllosen Wampuns behängt hatte, um sich auf diese Weise gegen böse Geister zu schützen. Durch seine kompromißlos vorsichtige Haltung wurde er für Kennon zum Problem, denn nun konnten er und Arayshkat keine Vorbereitungen mehr für ihren Kampf treffen. »Wir sehen uns später«, sagte Lebo Axton, versetzte dem Roboter einen Fausthieb gegen den Schädel und gab diesem damit zu verstehen, daß er zum Palast zurückkehren wollte. Mittlerweile kamen von dorther einige adlige Männer und Frauen herbei. Sie
17 blieben in einiger Entfernung von Terlot stehen und betrachteten diesen mit gewisser Furcht. Sie alle wußten, daß dieser Mann von Duell zu Duell zog und nur vom Töten lebte. »Wir sitzen in der Falle«, sagte Axton zu Kelly, als er sicher war, daß niemand sie hören konnte. »Für Arayshkat ist es zu spät, die Arena noch zu präparieren. Außerdem müssen wir etwas tun, um Terlot in Mißkredit zu bringen. Sollte tatsächlich ein Wunder geschehen, dann müssen wir Orbanaschol gegenüber begründen, weshalb Arayshkat überlebt hat und nicht anschließend von uns erledigt worden ist.« »Unmöglich«, erwiderte der Roboter. »Ich sehe keine Wahrscheinlichkeit für irgendeinen Plan, Arayshkat zu retten.« »Du bist zu dumm, überhaupt einen Plan zu fassen, Kelly. Da du das nicht kannst, kannst du die Erfolgsaussichten eines Planes auch nicht beurteilen. War das logisch.« »Logisch.« »Also akzeptierst du, daß du dumm bist?« »Das nicht, aber ich tue alles, um dich psychisch aufzubauen.« Axton packte den Roboterkopf und versuchte, ihn zu drehen, aber es gelang ihm nicht. Hilflos rutschten seine schwachen Hände an dem glatten Metall ab. »Ich bringe dich um«, rief er stöhnend. »Ich vernichte dich Schraube für Schraube.« »Was für eine Idee«, antwortete der Robot, »wo ich doch am ganzen Körper keine Schraube habe.« »Du verstehst eben keine bildliche Sprache. Du bist strohdumm.« »Ich wundere mich sehr über gewisse Ausdrücke, Schätzchen. Sie sind in der arkonidischen Sprache fast unbekannt.« »Kümmere dich nicht darum, sondern hilf mir lieber.« Sie hatten den Palast erreicht. Kelly blieb stehen. Axton blickte an dem Gebäude hoch. Es hatte die Form einer Kugel und schwebte wenige Zentimeter über dem Boden frei in der Luft. Mächtige Antigravfelder trugen es. Arayshkat konnte die wichtig erscheinenden Bereiche der Kugel
18 nach Belieben mit der Sonne wandern lassen. »Eine Idee, Kelly«, sagte der Verwachsene. »Ich brauche eine Idee. Wo kann ich ansetzen?« »Vielleicht bei der Frage, ob die Bibliothek wirklich abhörsicher ist.« »Wie meinst du das?« fragte Kennon betroffen. Der Roboter antwortete, aber der Terraner hörte ihn nicht mehr. Seine Gedanken überschlugen sich förmlich. Er trieb die Maschine in den Palast hinein. Ihm war siedendheiß geworden. Wenn das Gespräch zwischen ihm und Arayshkat irgendwo aufgezeichnet worden war, dann war er ebenfalls verloren. Ungehindert betraten sie die Bibliothek. Kennon begann sofort mit der Untersuchung. Seine Erfahrung half ihm, von vornherein die Stellen aufzufinden, die überhaupt nur in Frage kamen. Eine halbe Stunde lang schien es so, als sei alles in Ordnung, dann aber stieß Kennon auf eine winzige Linse. Schlagartig war ihm klar, daß irgendwo im Palast eine Aufzeichnung gemacht worden war. Er löste die Kamera aus der Wand heraus und stellte fest, daß sie mit einem haarfeinen Kabel verbunden war. Das erleichterte seine Arbeit. Nahezu aussichtslos wäre seine Position gewesen, wenn die Kamera die Bilder per Funk weitergegeben hätte. So aber konnte er die im Ovalkörper des Roboters eingebauten Geräte auf das Kabel einjustieren und Kelly die Suche übergeben. Der Automat peilte sich ein und folgte dem Kabel. Es führte zum Boden, von dort zu einem dreidimensionalen Gemälde einer exotischen Planetenlandschaft und von da aus durch die Wand neben der Tür. Kennon machte sich bereits darauf gefaßt, den halben Palast durchqueren zu müssen. Doch schon nach wenigen Metern verschwand das Kabel in einem kleineren Raum, der als Archiv gekennzeichnet war. Lebo Axton ließ den Roboter als Wache vor der Tür zurück, als es ihm nicht gelang, diese zu öffnen. Zu Fuß machte er sich auf die
H. G. Francis Suche nach dem Planetenfürsten. Er fand Arayshkat in seinen Privaträumen, wo er sich einen Lehrfilm über Schwertkämpfe ansah. »Ich muß Sie stören, Arayshkat«, sagte Kennon. »Sie müssen mir einen Raum zugänglich machen.« Mit knappen Worten erklärte er, was er entdeckt hatte. Arayshkat, der ohnhin schon blaß war, wurde noch um eine Nuance bleicher. »Allmählich begreife ich, daß ich mich wirklich wie ein Narr benommen habe«, sagte er stöhnend. »Ich bildete mir ein, hier von Orbanaschol unbehelligt leben zu können, und dabei stand ich schon auf der Abschußliste.« Er begleitete Axton zum Archiv, schloß es auf und ließ den Verwachsenen eintreten. Der Roboter entdeckte das Aufzeichnungsgerät bereits nach wenigen Sekunden. Es lief noch. »Vielleicht haben wir Glück«, sagte Axton. »Es sieht so aus, als habe der Spitzel des Imperators sich die Aufzeichnung noch nicht angesehen.« »Ist das nicht egal?« fragte Arayshkat mutlos. »Ganz und gar nicht«, erwiderte Axton. »Wer hat Zugang zu diesem Archiv?« »Es sind nur zwei Männer. Kahush und Ouzhan. Bedienstete.« »Könnte sonst jemand sich einen Schlüssel beschafft haben?« »Natürlich, aber das wäre ziemlich sinnlos. Die beiden Männer sind die einzigen außer mir, die diesen Raum hin und wieder betreten. Ich lasse mir die gewünschten Spulen meistens bringen. Ein anderer hätte daher die Robotspione anderswo versteckt, aber nicht hier.« »Gut, dann gehen wir von der Voraussetzung aus, daß diese beiden Männer die Spitzel sind. Schicken Sie sie irgendwohin. Möglichst weit weg. Ich brauche zwei Stunden Zeit.« »Was haben Sie vor?« »Ich werde das Aufzeichnungsband mani-
Der Verräter von Protem pulieren. Danach wird sich das Gespräch so anhören, als hätten wir genau das Gegenteil gesagt. Ich werde Sie als leidenschaftlichen Befürworter Orbanaschols erscheinen lassen.« »Das geht?« »Ich kann es. Und jetzt beeilen Sie sich.« Als er allein war, stürzte Kennon sich auf die Arbeit, die äußerste Konzentration von ihm erforderte. Glücklicherweise konnte ihm das Positronenhirn Kellys die reine Gedächtnisarbeit abnehmen. So brauchte er sich nicht Bildabschnitt für Bildabschnitt zu merken, sondern konnte die Organisation der Manipulation dem Roboter überlassen. Der Terraner hatte derartige Verfälschungen von Filmaufnahmen bereits hundertfach im Rahmen seiner USO-Tätigkeit gemacht. Dort hatte er allerdings den Vorteil gehabt, daß er fast immer eine perfekte Bearbeitungsmaschinerie zur Verfügung gehabt hatte. Hier aber mußte alles mühsam von Hand erledigt werden. Das erforderte Zeit. Es galt nicht nur, die Lippenbewegungen so umzuschneiden, daß sinnvolle Worte dabei herauskamen, Kennon mußte auch insgesamt einen völlig neuen und akzeptablen Dialog entwickeln. Als Arayshkat nach zwei Stunden zurückkehrte, lehnte Axton sich erschöpft zurück. »Ich denke, wir haben es geschafft«, sagte er. »Was hilft das schon. Gegen Terlot habe ich keine Chance«, entgegnete der Planetenfürst. »Vielleicht doch.« »Wie denn, Axton? Sagen Sie mir, wie ich gegen diesen Mann bestehen soll.« »Arayshkat, bleiben Sie ruhig. Mit Hilfe meines Roboters werde ich herausfinden, wie er seine Fallen aktivieren will. Ich vermute, daß es mit Funkbefehlen geschehen wird.« »Das glaube ich nicht. Wie sollte er das machen?« »Beispielsweise dadurch, daß er ein paar versteckte Knöpfe an dem Griff seines Schwertes betätigt.«
19 »Dann glauben Sie, daß ich …« »Ich muß erst die Frequenz herausfinden. Dazu ist es leider notwendig, daß Terlot einige Fallen aktiviert. Das Risiko müssen Sie eingehen. Sie müssen es schaffen, allein aus ihnen herauszukommen. Später werde ich die Fallen einschalten, sobald sich Terlot über ihnen befindet.« Er blickte den Planetenfürsten an. Arayshkat glaubte nicht an seine Chance. Das war ihm anzusehen. Er hatte Angst vor dem Kampf. »Wir spielen jetzt den Film ab«, sagte Axton. »Sind Sie verrückt? In einer halben Stunde beginnt der Kampf. Und Sie wollen, daß ich mir den Film betrachte.« »Ich bestehe darauf.« »Warum?« »Weil ich will, daß Sie sich über die Chance klar sind, die Sie haben, wenn Sie den Kampf überleben.« Axton schaltete den Projektor ab. Arayshkat erlebte staunend ein Gespräch, an dem er selbst teilgenommen hatte, in dem aber kaum ein Satz so war, wie er ihn von sich gegeben hatte. »Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte«, sagte der Arkonide schließlich, »dann würde ich es nicht glauben.« Er schien wieder ein wenig Hoffnung geschöpft zu haben. Zusammen mit Axton verließ er das Archiv. Der Verwachsene richtete nun noch alles rasch wieder so her, wie es gewesen war, so daß die Spitzel des Imperators keine Veränderung feststellen konnten. Dann begaben sich die beiden Männer zum Ausgang des Palastes. Von hier aus konnten sie zur Arena hinüberblicken. Dort hatte sich eine große Menge versammelt. Freunde, Verwandte, Bekannte, Bedienstete und Militärs umgaben die Kampfstätte. Aysha, die Frau des Planetenfürsten, eilte aus dem Palast und umschlang Arayshkat. Dann erst merkte sie, daß Lebo Axton mit seinem Roboter wenige Meter entfernt von ihm stand. Haßerfüllt blickte sie ihn an. »Verschwinden Sie«, forderte sie.
20 »Beruhige dich, Aysha«, sagte der Arkonide. »Es ist alles anders als du glaubst. Axton will mir helfen.« »Und das glaubst du?« »Allerdings.« Mit knappen Worten erklärte er ihr, was vorgefallen war, aber sie war nicht so leicht zu überzeugen. Der Haß in ihren Augen erlosch nicht. »Atlans Freund oder nicht«, erklärte sie schließlich. »Lebo Axton war es schließlich, der dich in diese Situation gebracht hat.« Sie drehte dem Verwachsenen den Rücken zu. »Ich muß zu Terlot«, sagte Axton. »Entschuldigen Sie mich.« Er trieb den Roboter an. Bei der Arena verstummten die Gespräche, als die Zuschauer Axton, Arayshkat und Aysha sahen. Der Verwachsene stieg neben Terlot von seinem Roboter. Der Kämpfer saß noch immer auf seinem Platz und rührte sich nicht. Mit beiden Händen hielt er sein Schwert. Dabei verdeckte er den Griff so, daß Axton keine Schaltvorrichtungen erkennen konnte. »Alles klar?« »Selbstverständlich. Der Kampf wird leicht sein.« »Ich will nicht, daß er allzu schnell vorüber ist«, sagte Axton. Die Lippen des Arkoniden verzogen sich. »Soll ich mit meinem Opfer ein wenig spielen?« »Es soll zumindest nach einem Kampf aussehen, nicht nach einem brutalen Abschlachten.« »Das habe ich noch nie getan. Ich habe immer gekämpft und den Zuschauern gegeben, was sie wollen. Es wird so aussehen, als hätte Arayshkat auch eine Chance.« »Das ist gut.« Axton stieg wieder auf den Roboter und ließ sich bis an den Energiezaun herantragen. Ein Pfiff ertönte. Axton wandte sich um. Arayshakt hatte Terlot erreicht und war neben ihm stehengeblieben. Der Kämpfer erhob sich würdevoll, beachtete den Planetenfürsten jedoch nicht. Unter den Bäumen trat ein Mann hervor, der von Kopf bis Fuß
H. G. Francis in flammend rote Gewänder gekleidet war. Er trug einen breitkrempigen Hut mit einer großen Feder und hielt in den Händen das für Arayshkat vorgesehene Schwert. Langsam schritt er auf Kelly und den Roboter zu. Als er neben ihm war, öffnete sich eine Strukturlücke im Energiezaun. Axton stieg von Kelly herunter und ging neben dem Mannaxmeister bis zum Mittelpunkt der Arena. Unter den Bäumen war es absolut still geworden. Der Rote stieß das Schwert mit der Spitze in den Sand. »Du bist beleidigt worden, Lebo Axton«, rief er. »Nach den Gesetzen des Mannax hast du das Recht, Genugtuung zu verlangen. Bestehst du darauf?« »Ich bestehe darauf«, antwortete der Verwachsene, der steil nach oben sehen mußte, um dem Meister ins Gesicht blicken zu können. »Du hast das Recht, dich durch einen anderen vertreten zu lassen, wenn du dich zu schwach für einen Kampf fühlst. Willst du dein Recht wahrnehmen?« »Ich will«, rief Axton. »So benenne mir deinen Vertreter.« Axton streckte den Arm aus und zeigte auf den Kämpfer. »Es ist Terlot von Keithy.« Ein Raunen ging durch die Menge, als der Benannte die Arena mit gemessenen Schritten betrat und bis zu den beiden Männern ging. »Ich fordere dich auf, den Kampf zu beginnen«, sagte der Verwachsene laut. Er nahm das Schwert von dem Mannaxmeister entgegen und hielt es, bis der Planetenfürst bei ihm war. Dann übergab er es ihm. »Der Kampf soll erst zu Ende sein, wenn einer der beiden Kämpfer tot ist.« »Dann erst ist der Kampf zu Ende«, fügte der Rote traditionsgemäß hinzu. Er setzte sich nun auf den Boden. Lebo Axton ließ sich neben ihm nieder. Er blickte zu Kelly hinüber, der außerhalb des Energiezauns stand. Nun hing alles von dem Roboter ab. Gelang es ihm, rechtzeitig das Geheimnis
Der Verräter von Protem der Fallen zu enträtseln, dann war Arayshkat mit ein bißchen Glück zu retten.
4. Terlot hob das Schwert und drehte es so, daß es das Sonnenlicht reflektierte. Blendend helle Blitze schienen über das Publikum hinwegzugleiten. Arayshkat blickte Axton an. Er hatte Angst. Er war bleich bis in die Lippen, und seine Augen tränten vor Erregung. Ein leichter Wind spielte in seinem langen Haar. Der Mannaxmeister nahm eine grüne Feder aus seinem Ärmel, hielt sie sich vor die Lippen und blies sie in die Luft. Eine Bö erfaßte sie und trieb sie hoch über die Köpfe der beiden Kämpfer. Terlot behielt Arayshkat im Auge, während dieser die Feder beobachtete. Sie verharrte in einer Höhe von etwa drei Metern still in der Luft und fiel dann taumelnd zu Boden. Kurz bevor sie den Sand berührte, wurde sie erneut hochgewirbelt, dann aber sank sie langsam herab. Kaum war sie zur Ruhe gekommen, als sich Terlot mit einem wilden Schrei auf den Planetenfürsten stürzte. Dieser hatte gerade noch Zeit, sein Schwert hochzureißen und zur Seite zu springen. Dennoch war er nicht schnell genug. Die Klinge des Kämpfers strich dicht an seinem Kopf vorbei und trennte ein Haarbüschel ab. Erst in diesem Moment schien Arayshkat bewußt zu werden, wie scharf die Waffe seines Gegners war, und was es bedeutete, wenn er von ihr getroffen wurde. Er wich mit geweiteten Augen zurück. Terlot hob die abgeschnittenen Haare mit der Schwertspitze auf und schleuderte sie in die Luft. »Das war knapp«, sagte er. »Es hätte auch die Halsschlagader sein können.« Langsam richtete er das Schwert auf seinen Gegner, der ihn mit gespreizten Beinen erwartete und seine Waffe schützend vor den Oberkörper hielt. Terlot drang wild auf ihn ein. Die Klingen prallten aufeinander, und Lebo Axton verfolgte entsetzt, daß Arayshkat unter der Wucht dieses Hiebes in
21 die Knie ging. Der Planetenfürst wollte sich nach hinten werfen, aber seine Bewegungen waren so schwerfällig und träge, als klebe er mit den Füßen am Boden. Das tat er tatsächlich! Er war in die erste der Fallen seines Gegners gestolpert. Kennon konnte nur ahnen, wie hoch die Gravitationswerte waren, die an ihm zerrten. Arayshkat kam nicht frei. Er stürzte rücklings zu Boden, und mit zwei schnellen Schritten war Terlot über ihm. Verächtlich lächelnd blickte er auf den Planetenfürsten, hinab. Er hob sein Schwert. In diesem Moment, als die Zuschauer sich erschreckt von ihren Plätzen erhoben und das Ende erwarteten, klang ein dumpfes Rollen über das Land. Terlot zögerte. Er blickte in den blaßblauen Himmel hinauf, aus dem sich ein kugelförmiges Raumschiff mit erheblicher Geschwindigkeit herabsenkte. Innerhalb weniger Sekunden näherte es sich der Kampf statte so weit, daß die klaffenden Einschußöffnungen in der Kugelhülle deutlich zu erkennen waren. Dieses Schiff hatte einen Kampf mit einem offenbar überlegenen Gegner nur knapp überstanden. Es verzögerte mit grell flammenden Abstrahldüsen und senkte sich dann langsam auf den Raumhafen herab. »Wollen Sie, daß der Kampf unterbrochen wird, Lebo Axton?« fragte der Mannaxmeister. »Ich lehne eine Unterbrechung ab«, schrie Terlot energisch. Arayshkat wälzte sich überraschend schnell unter dem Kämpfer hervor, rollte sich über die Schultern ab und hielt das Schwert schützend über sich, als Terlot wütend zuschlug. Über seinem Kopf trafen die Klingen aufeinander. Bevor Terlot ein zweites Mal ausholen konnte, rettete der Planetenfürst sich durch eine erneute Flucht. Der Stellvertreter Axtons wartete, bis er auf den Beinen war, dann folgte er ihm langsam. Dabei fintierte er mehrere Male, griff aber nicht wirklich an. Er trieb Arayshkat in die nächste Falle. Lebo Axton konnte es klar
22 erkennen. Er biß sich auf die Lippen und unterdrückte nur mit Mühe einen Warnruf. Arayshkat war jedoch auf der Hut. Kaum spürte er den Sog einer Gravitationsfalle, als er sich auch schon schwungvoll zur Seite warf. Zwar stürzte er zu Boden, rettete sich jedoch vor Terlot, indem er sich weiterrollte. Dicht neben ihm bohrte sich das Schwert in den Boden, als der Kämpfer es plötzlich wie einen Speer auf ihn schleuderte. Arayshkat sprang geschmeidig auf, seine Klinge wirbelte durch die Luft. Er versuchte, die gegnerische Waffe am Handgriff zu treffen, verfehlte sie jedoch, als Terlot ihr einen Fußtritt versetzte. Sie kippte zur Seite, und das Schwert Arayshkats flog zischend darüber hinweg. Terlot lachte höhnisch auf, als der Planetenfürst vom Schwung seines eigenen Schlages herumgerissen wurde und über seine eigenen Füße stolperte. Der Vertreter Axtons nahm sein Schwert in aller Ruhe auf und wartete, bis sein Gegner wieder sicher auf dem Boden stand. »Du hättest mich angreifen sollen, großer Fürst«, sagte er herablassend. »Dann hättest du vielleicht eine Chance gehabt.« Arayshkat wich ihm rückwärts gehend aus. Er ahnte, daß Terlot ihn wiederum in eine Falle treiben wollte, und versuchte, zur Seite auszuweichen. Doch Terlot attackierte ihn heftig, so daß ihm keine andere Wahl blieb, als sich auf der Linie zurückzuziehen, die zu dem nächsten Raketengeschoß führte. Arayshkat richtete seine Blicke unwillkürlich auf die Hände Terlots, und er sah, daß sie sich bewegten, als ob sie einen Schalter herunterdrückten. Im gleichen Augenblick stieg im der süßliche Geruch eines Gases in die Luft. Seine Blicke verschleierten sich, und jegliche Kraft schien aus seinen Beinen zu weichen. Mit dem letzten Rest seines klaren Verstandes flüchtete er weiter. Er spürte den Hauch einer Bö, die ihm saubere Luft zutrieb. Er sah die Waffe Terlots aufblitzen und hob instinktiv sein Schwert. Mit ungeheurer Wucht hieb Terlot auf ihn ein. Arayshkat erkannte voller Schrecken, daß es seinem Gegner ohne weiteres möglich gewesen
H. G. Francis wäre, seine Deckung zu durchbrechen. Darauf aber legte dieser es noch nicht an. Immer wieder schlug Terlot so zu, daß die beiden Schwerter sich trafen, und jedes Mal ging ein Ruck durch den Körper Arayshkats. Es kostete ihn seine ganze Kraft, diesen Angriffen zu widerstehen. Allmählich schwand die Betäubung. Er konnte klarer sehen und denken, und gleichzeitig wurde ihm voll und ganz bewußt, in welchem Ausmaß Terlot mit ihm spielte. Er hätte ihn längst töten können. Verzweifelt blickte er zu Lebo Axton hinüber. Wie lange brauchte der Roboter denn noch, die Frequenz herauszufinden, auf der die heimtückischen Fallen zu aktivieren waren? Terlot lächelte boshaft. »Nun, hast du es überstanden, Junge?« fragte er leise. »Wie wär's mit der nächsten Dosis. Es wird die letzte sein.« Arajshkat erschrak. Für einen kurzen Moment paßte er nicht auf. Er übersah den Ansatz zur nächsten Attacke. Das Schwert Terlots wirbelte durch die Luft, traf seine Klinge und schmetterte sie ihm aus den Händen. Sie flog mehrere Meter zur Seite und fiel flach in den Sand. Der Planetenfürst wollte ihr nachlaufen, doch Terlot sprang ihm in den Weg. »Nicht doch«, sagte er drohend. »Du hast deine Chancen verspielt.« Arayshkat wich zurück. Seine Hoffnung, daß der Mannaxmeister eingreifen würde, erfüllte sich nicht. Terlot hob das Schwert zum letzten, alles entscheidenden Schlag. Der Planetenfürst fühlte, daß er erneut in eine Gravitationsfalle geraten war. Die im Boden verborgene Maschinerie fesselte ihn förmlich. Er ließ sich in die Hocke sinken, griff in den Sand und schleuderte diesen Terlot mit der linken Hand ins Gesicht. Mit der rechten faßte er das Geschoß. Er wühlte es aus dem Sand und schleuderte es zur Seite. Es erschien ihm schwerer als seine Waffe, die er verloren hatte. Doch als es etwa eine Körper-
Der Verräter von Protem länge von ihm entfernt war, wich der Gravitationsdruck von ihm. Terlot wich vor ihm zurück. Er ließ das Schwert sinken und versuchte, sich den Sand aus den Augen zu reiben. Dennoch erkannte er, daß Arayshkat zu seinem Schwert lief. Er wollte sich ihm in den Weg stellen, war jedoch nicht schnell genug. Der Planetenfürst rammte ihm die Schulter in die Seite und stieß ihn zurück. Dann bückte er sich und riß seine Waffe hoch. Terlot war kampferfahren genug, sich seinem Gegner nun nicht zu stellen. Als der Planetenfürst mit wuchtigen Hieben auf ihn eindrang, beschränkte er sich lediglich auf die Verteidigung. Dadurch gewann er einige Minuten, und das reichte ihm, sich die Augen zu säubern. Arayshkat verzweifelte fast, als ihm bewußt wurde, daß er die einzige Chance in diesem Kampf, die sich ihm geboten hatte, nicht hatte nutzen können. Als der Vertreter Axtons zu einem Angriff ansetzen wollte, schien alles vorbei zu sein. Doch gerade in diesem Moment wurden die Bewegungen Terlots schwerfälliger. Er schien keine Kraft mehr zu haben, seinen Zweihänder zu heben. Verblüfft blickte er auf seine Füße. »Welcher Teufel hat meine …«, begann er stöhnend und blickte Arayshkat haßerfüllt an. Der Planetenfürst begriff. Endlich hatte der Roboter Lebo Axtons eingegriffen. Terlot war in eine seiner eigenen Fallen geraten. Die Gewichte waren plötzlich anders verteilt. Instinktiv warf sich Arayshkat nach vorn. Sein Schwert fuhr hoch. Terlot versuchte zu spät, eine Abwehr aufzubauen. Seine Klinge konnte den Kopf nicht mehr schützen. Der Planetenfürst traf seinen Gegner am Halsansatz. Terlot schrie gellend auf und stürzte zu Boden. Der Mannaxmeister schnellte sich hoch und rannte auf die beiden Kämpfer zu. Er trieb Arayshkat mit energischen Bewegungen zurück. Dann beugte er sich über Terlot und untersuchte ihn. Schon nach wenigen
23 Sekunden richtete er sich wieder auf. Er breitete die Arme aus und rief: »Der Kampf ist beendet.« Das bedeutete, daß Terlot tot war. Arayshkat vernahm das Lärmen der Zuschauer nur wie aus weiter Ferne. Er sah Lebo Axton auf sich zukommen und reichte ihm die Hand. Das Schwert entfiel ihm. »Bei allen Göttern Arkons«, sagte er mit heiserer Stimme. »Ich hatte bereits mit meinem Leben abgeschlossen.« Lebo Axton zog sich von ihm zurück. Kelly kam ihm entgegen, kniete sich vor ihm nieder und ließ ihn aufsteigen. Die Zuschauer strömten von allen Seiten in die Arena. Axton beobachtete, daß Aysha ihrem Mann um den Hals fiel. »Zum Raumhafen, Kelly«, befahl er. »Ich muß wissen, was mit dem Raumschiff passiert ist.«
* Am Raumhafen war wegen des Duells nur ein einziger Offizier der normalen Besatzung zu sehen. Er befand sich in einer heftigen Auseinandersetzung mit dem Kommandanten des gelandeten Raumschiffs. Axton traf die beiden Männer vor der Hauptschleuse an. »Beenden Sie Ihren Streit«, befahl er, als er sie erreicht hatte. Der Standortoffizier blickte ihn fragend an. »Arayshkat hat gewonnen. Terlot ist tot«, sagte der Verwachsene. »Was ist hier passiert?« fragte der Kommandant. »Das geht Sie nichts an«, erwiderte Axton. »Wer ist dieser … Krüppel?« forschte der Kommandant, wobei er sich an den Offizier des Planetenfürsten wandte. »Ein Agent des Imperators«, antwortete Axton für diesen. Das genügte. »Entschuldigen Sie«, sagte der Kommandant erbleichend. »Das konnte ich nicht ahnen. Ich wollte Sie nicht …«
24 »Schon gut«, unterbrach ihn Axton, der sich auf die Schultern seines Roboters stützte. »Berichten Sie lieber, was vorgefallen ist. Weshalb sind Sie havariert?« »Wir kommen aus dem benachbarten System Protem«, erklärte der Schiffsoffizier. »Es ist nur 4,8 Lichtjahre von hier entfernt. Wir sind von dem Methanatmern überfallen worden.« Axton blickte den Standortoffizier an. »Davon haben wir hier nichts gehört?« »Nichts«, antwortete der Untergebene Arayshkats. »Das war der Grund für unsere kleine Auseinandersetzung.« »Mein Name ist Quaa«, bemerkte der Kommandant. »Ich gehörte zu den auf Protem stationierten Einheiten. Der Überfall kam wie aus dem Nichts heraus. Die Maahks stießen blitzschnell zu, zerschlugen unsere Abwehr und landeten beim geheimen Positronikzentrum.« »Weiter«, sagte Axton drängend. »Was geschah dann?« »Die Methans haben mehrere wichtige Offiziere und Ingenieure entführt. Zudem muß es ihnen nach den letzten Informationen, die ich auffangen konnte, gelungen sein, wenigstens einen der Grundbausätze zu stehlen.« »Was sind das für Grundbausätze?« forschte Axton. »Sie gehören zu dem Robotsystem, das auf Arkon 3 entstehen soll.« Kennon erschrak. Wenn der Offizier die Wahrheit gesagt hatte, dann hatten die Maahks eine Beute von außerordentlichem Wert an sich gebracht. Wenn es ihnen dazu gelingen sollte, Informationen und Daten aus diesem Element zu entschlüsseln, dann gelangten sie zwangsläufig in den Besitz unschätzbarer militärischer Geheimnisse. Diese konnten kriegsentscheidend sein. Zumindest aber mußte das arkonidische Imperium mit beträchtlichen Rückschlägen und zahlreichen Opfern im Krieg mit den Maahks rechnen. »Wie war so etwas möglich?« fragte Axton. »Sie sprachen von einem geheimen Po-
H. G. Francis sitronikzentrum.« »Die Produktion auf Protem war auch geheim. Nur wenige Offiziere und Ingenieure wußten, was wirklich auf Protem gebaut wurde.« »Dann liegt also Verrat vor?« »Ich fürchte, ja.« »Danke«, sagte Lebo Axton. »Es ist gut. Ich nehme an, Kommandant Quaa, daß Sie und die Leute im Schiff vorläufig hier auf Barthimore bleiben können. Ich werde mit dem Planetenfürsten darüber sprechen.« »Der Raumer ist überfüllt«, erklärte Quaa. »Die Leute benötigen frische Luft und Wasser. Hier aber scheint man der Ansicht zu sein, gewisse Quarantänebestimmungen unbedingt einhalten zu müssen.« Er blickte den Standortoffizier abfällig an. »Wenn wir uns daran halten, wird es eine Katastrophe geben«, fügte er hinzu. »Ich werde mich für Sie einsetzen«, versprach Axton. »Lassen Sie die Schleusen öffnen. Man wird Ihnen Verpflegung in gewünschter Menge bringen. Ich spreche inzwischen mit dem Planetenfürsten.« Der Roboter Kelly nahm diese Worte als Befehl. Er drehte sich um und marschierte mit Kennon davon. »Ich würde mich den Befehlen dieses Mannes nicht widersetzen«, sagte Quaa zum Offizier Arayshkats. »Dieser Krüppel scheint genau zu wissen, was er will.« »Diesen Eindruck haben wir hier schon lange gewonnen«, entgegnete der Raumhafenoffizier.
* Axton hatte Mühe, zu Arayshkat vorzudringen. Er fand ihn schließlich im Kreise seiner Freunde in einem prunkvoll eingerichteten Saal. Bedienstete fuhren auf goldenen und silbernen Antigravplatten Getränke und Speisen in beängstigender Menge auf. Der Planetenfürst stand sichtlich unter dem Einfluß berauschender Substanzen. »Kommen Sie herein, Lebo Axton«, brüllte er lachend, als er den Verwachsenen
Der Verräter von Protem bemerkte. »Wir feiern das Fest unseres Lebens. Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch die Frauen kommen. Bis dahin trinken Sie mit mir.« »Ich muß Sie dringend sprechen. Allein«, antwortete Axton leise. »Unsinn«, rief der Planetenfürst übermütig. »Ich habe einen einmaligen Kampf gewonnen, Axton. Die Beleidigung ist vom Tisch. Jetzt sind wir Freunde. Oder nicht?« »Ich erwarte Sie nebenan«, erwiderte Axton kühl. Er wandte sich ab. Peyko Baey tauchte neben Arayshkat auf. »Gehen Sie«, sagte er eindringlich. »Gehen Sie, bitte. Machen Sie nicht schon wieder einen Fehler.« Arayshkat folgte Axton und dem Roboter. Er blickte den Verwachsenen unwillig an, als sich das Türschott hinter ihm schloß. »Was soll das, Axton?« fragte er. »Wollen Sie mir die Freude an meinem Sieg verderben?« Mit knappen Worten berichtete der Agent des Imperators, was auf Protem vorgefallen war. »Was interessiert das mich?« erwiderte Arayshkat. »Von mir aus können die Flüchtlinge hier bleiben. Aber diese Entscheidung hätte auch ein anderer treffen können.« Lebo Axton stieg von seinem Roboter herunter. Mit eisiger Miene setzte er sich in einen Sessel. Er befahl dem Planetenfürsten, ebenfalls Platz zu nehmen. Nur zögernd gehorchte dieser. »Ihr Leben hängt an einem seidenen Faden«, erklärte Axton. »Noch sind Sie nicht gerettet.« »Was wollen Sie denn?« Arayshkat lachte übermütig auf. »Terlot ist tot. Damit ist alles erledigt.« Er schien bereits vergessen zu haben, was er erlebt hatte. »Wenn Sie Orbanaschol nicht auf der Stelle beweisen, daß Sie ein wertvoller Mitstreiter für ihn sind, dann wird er keinen Grund haben, Sie zu schonen.« »Was wollen Sie damit sagen?« Arayshkat begriff noch immer nicht. Er erhob sich
25 und ging zur Tür. Offensichtlich dachte er nicht daran, sich noch länger von seinen Gästen und dem Vergnügen zurückhalten zu lassen. »Ich werde Barthimore noch heute verlassen«, erklärte Axton. »Ich werde versuchen, die Spur der Maahks aufzunehmen. Es steht Ihnen frei, mich zu begleiten. Kommen Sie mit, dann beweisen Sie Orbanaschol damit Ihre Loyalität. Bleiben Sie hier, dann …« »Was, dann?« fragte Arayshkat ungeduldig. »Dann unterschreiben Sie damit Ihr eigenes Todesurteil.« Das Lächeln auf den Lippen des Planetenfürsten erlosch. Er wischte sich über die plötzlich feuchte Stirn. »Das ist doch nicht Ihr Ernst, Lebo Axton.« Der Beauftragte des Imperators stieg wieder auf den Rücken seines Roboters. »Ihre Gäste wären sicherlich sehr überrascht, wenn ich nach diesem Ausgang des Duells noch länger hier bliebe. Ich verlasse Barthimore, nachdem ich meinen Bericht abgefaßt habe. Es steht Ihnen frei, mich zu begleiten.« An Arayshkat vorbei ging er nach draußen. Er war verärgert, weil er spürte, daß der Arkonide wieder zu seiner leichtfertigen Haltung zurückgekehrt war, die ihm beinahe zum Verhängnis geworden war. Für diesen Mann hatte er Kopf und Kragen riskiert. Wie Orbanaschol III. sich verhalten würde, war noch völlig offen. Es war durchaus möglich, daß er ihn – Axton – nach dieser Wende auf Barthimore fallenlassen würde. Dann würde alles umsonst gewesen sein, was er vorher mühsam und unter beträchtlichen Gefahren für sich aufgebaut hatte. Aus diesem Grund konnte er keine Rücksicht mehr auf Arayshkat nehmen. Auch wenn dieser bereit war, beträchtliche Summen für den Kristallprinzen und seinen Kampf um die Macht aufzuwenden, konnte er ihn nicht länger stützen, wenn er nicht selbst mehr für sich selbst zu tun gewillt war.
26
H. G. Francis
»Warten Sie, Axton«, rief der Planetenfürst, als der Verwachsene den Raum verlassen hatte. Doch der Agent des Imperators befahl seinem Roboter weiterzugehen. Arayshkat fluchte, griff sich ein Glas von einer vorüberschwebenden Antigravplatte und trank es auf einen Zug leer.
* »Terlot von Keithy ist tot.« »Verrat?« »Das war nicht festzustellen. Arayshkat lebt. Und es scheint, daß es gut so ist.« »Wenn er gesiegt hat, dann wird ein neuer Plan notwendig.« »Es liegen neue Informationen vor.« »Das ändert nichts.« »Sie widersprechen den alten Berichten.« »Demnach ist Arayshkat loyal?« »Entweder ist er loyal, oder er hat unseren Mann getäuscht.« »Man hat mir gesagt, er sei nicht zu täuschen.« »Dann müssen wir die neuen Informationen als richtig anerkennen.« »Abwarten. Die wirkliche Probe steht noch bevor. Dann wird sich zeigen, ob tatsächlich jemand dieses Duell überlebt hat.«
5. Arayshkat strampelte mit den Beinen, schlug mit den Armen um sich und begann gleichzeitig, laut zu schreien. Doch das half ihm alles nichts. Robot Kelly drückte ihm den rechten Fuß kräftig in den Rücken und zwang ihn so, auf dem Boden liegenzubleiben. Der Planetenfürst konnte sich noch nicht einmal auf den Rücken drehen. Ächzend und schnaubend blickte er über die Schulter zurück, konnte jedoch kaum etwas erkennen, weil ihm das Wasser mit eiskalten Strahlen ins Gesicht schoß. Immerhin wurde er sich darüber klar, daß es ein Roboter mit verbeultem Äußeren, krummen Beinen und einer unförmigen Gestalt auf dem Rücken war, der ihn quälte.
»Lebo Axton«, brüllte er außer sich vor Zorn. »Dafür lasse ich Sie umbringen.« »Wie vornehm«, kommentierte Kelly mit quietschender Stimme. »Der Herr bestraft nicht selbst. Er läßt ausführen, was er selbst nicht schafft. Ich kann das Wasser noch etwas kälter stellen, Schätzchen. Wäre das in deinem Sinn?« »Ich überlege gerade, ob wir zur Abwechslung nicht einmal kochendes Wasser nehmen sollten, Kelly«, erwiderte Axton so laut, daß der Planetenfürst ihn hören konnte. »Unterstehen Sie sich«, kreischte der Arkonide. »Ich lasse Ihnen die Haut bei lebendigem Leibe abziehen.« »Diesem zweifelhaften Vergnügen sind Sie zur Zeit näher als ich«, eröffnete ihm Kennon schmunzelnd. »Laß es gut sein, Kelly.« »Schade. Es ist mir selten vergönnt, eine Intelligenz minderen Ranges in dieser Weise pflegen zu dürfen.« Arayshkat schoß vom Boden hoch, kaum daß der Roboter sich von ihm zurückgezogen hatte. Vollkommen unbekleidet und vor Wasser triefend stand er vor Axton. »Sagte diese Metallbestie Intelligenz minderen Ranges?« fragte er keuchend. »Allerdings«, erwiderte der Verwachsene. »Ihr Verhalten erlaubt einem rein sachlich denkenden Positronenhirn nicht, Sie höher einzustufen.« Der Arkonide stellte sich in die Hygienekabine zurück und ließ sich von einem Heißluftstrom trocknen, bis seine Haut krebsrot geworden war und ihm Schweißtropfen auf der Stirn standen. »Wo bin ich?« fragte er mit eisiger Stimme. »An Bord des Diskusraumers BARTHIMORE 337.889.« Arayshkat bückte sich und nahm seine auf dem Boden liegenden Kleider auf. Rasch legte er sie an. »Und wie, Axton, komme ich hierher?« »Oh, das ist ganz einfach. Sie waren unglaublich betrunken, als ich mich erneut um ein Gespräch mit Ihnen bemühte. Ihre Frau
Der Verräter von Protem bezeichnete Sie als bewußtlos. Ich konnte sie davon überzeugen, daß ein kurzer Raumflug für Sie unbedingt notwendig ist.« »Sie haben sie erpreßt«, behauptete Arayshkat. Er schwankte ein wenig auf den Beinen und zeigte Axton damit, daß er noch nicht nüchtern war. Er blickte sich um, eilte dann zu einem Videogerät und schaltete es ein. Das Bild der Hauptleitzentrale entstand im Projektionsfeld. Niemand hielt sich dort auf. »Wir sind allein an Bord«, erklärte Axton. »Das Schiff fliegt mit dem Autopiloten.« »Wohin?« »Nach Protem im Preyton-System. Ich habe eine entsprechende Nachricht nach Arkon I abgesetzt.« »Was für eine Nachricht?« »Ich habe meinen vorgesetzten Behörden gemeldet, daß Sie darauf bestanden haben, die Spur der Maahks aufzunehmen.« »Ich soll …?« Der Arkonide sank in einen der Sessel. Stöhnend strich er sich das Haar aus der Stirn. »Axton, was bei allen Göttern haben Sie mit mir vor?« Der Verwachsene antwortete nicht. Er verließ die Kabine und schwebte im Antigravschacht zur Hauptleitzentrale hinauf. Er saß im Sessel des Kommandanten und bereitete den Sprung durch den Hyperraum vor, als Arayshkat ihm nach einiger Zeit folgte. Aus einem Schrank holte er Medikamente hervor, die er mit Wasser vermischte und zu sich nahm. Er setzte sich auf den Platz des Funkleitoffiziers, blickte eine Weile mit leeren Augen vor sich hin und schlug endlich stöhnend die Hände vor das Gesicht. »Wären Sie doch niemals nach Barthimore gekommen«, sagte er. »Dann hätte ein anderer den Auftrag durchgeführt.« Der Arkonide richtete sich auf, als er diese Worte des Roboters vernahm. »Wieso erlaubt sich dieser Robot, mir etwas Derartiges zu sagen?« fragte er zornig. »Ich pflege nur Feststellungen zu treffen, Schätzchen. Weiter nichts«, antwortete Kel-
27 ly. Arayshkat von Barthimore zuckte zusammen. Diese Worte des Roboters waren für einen Mann seines Ranges eine ungeheuerliche Respektlosigkeit. Lebo Axton lachte laut auf, während er gleichzeitig die Transition einleitete. Diese Maßnahme und der augenblicklich einsetzende Entzerrungsschmerz verhinderten einen Wutausbruch des Adeligen. Als das Schiff rematerialisierte, krümmte er sich ächzend in seinem Sessel. »Das Medikament«, sagte er mühsam. »Ich hätte es nicht nehmen dürfen.« Lebo Axton beachtete ihn nicht. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf das Sonnensystem, in das sie jetzt hineinglitten. Der dritte Planet dieser gelben Sonne war Protem, die Welt, die von den Maahks überfallen worden war. Durch die Panzerplastkuppel konnte er nur wenig erkennen. Der Planet war noch zu weit entfernt. Wesentlich näher war ein jupiterähnlicher Planet von beträchtlicher Größe. Arayshkat richtete sich auf. Unsicher blickte er auf die Instrumente, die sich vor ihm befanden. Auf einer Bildscheibe blinkte in unregelmäßigen Abständen ein Licht auf. »Da ist etwas«, sagte er. Axton rutschte aus seinem Sessel und ging mit schleifenden Schritten zu dem Arkoniden hinüber. »Was ist da?« fragte er. »Ich weiß es nicht«, erwiderte Arayshkat. »Wir empfangen Funkimpulse«, bemerkte Kelly. »Sind Sie kein ausgebildeter Pilot?« fragte Axton den Arkoniden. Arayshkat schüttelte den Kopf. »Aufgrund von Privilegien, die meine Familie besitzt, bin ich vom Kriegsdienst befreit. Ich bin also nie Offizier gewesen. Aber ich habe meine Leute. Warum sollte ich selbst ein Raumschiff fliegen, wenn ich Hunderte von Uniformierten dafür bezahle, daß sie mir gewisse Aufgaben abnehmen?« Jetzt war er wieder der hochmütige Adelige, der glaubte, es sich leisten zu können, weit über den Dingen zu stehen. Er erhob
28 sich und trat demonstrativ vom Funkleitstand zurück, um Axton die Arbeit zu überlassen, mit der er sich nicht befassen wollte. Der Terraner ging mit einem unmerklichen Lächelnd darüber hinweg. Rasch überprüfte er die Instrumentenanzeigen. »Es sind in der Tat Funkimpulse«, sagte er. »Sie kommen von dem Methanplaneten.« »Was bedeuten sie?« »Eine Aussage haben sie nicht«, erklärte Axton. »Ich glaube, daß da unten nur jemand ist, der uns auf sich aufmerksam machen will.« »Warum sendet er dann nicht normal mit Bild und Ton, so daß man ihn auch verstehen kann.« »Weil ihm vermutlich die Ausrüstung dazu fehlt. Ich glaube, daß er nur ein ganz primitives Gerät hat.« »Also jemand, der in Not geraten ist?« »Das ist zu vermuten.« »Dann müssen wir ihm helfen.« »Das hatte ich vor.« »Vielleicht sind es Männer, die von Protem entführt worden sind?« »Nicht so voreilig, Arayshkat«, sagte Axton. »Es kann immerhin auch ein Maahk sein, der verunglückt ist.« »Dann werden wir nicht helfen.« Axton schwieg. Er hielt es nicht für nötig, auf die Worte des Arkoniden einzugehen. Er würde seine Entscheidungen ohnehin so treffen, wie er es für richtig hielt. Entschlossen führte er den Diskusraumer an den Methanplaneten heran, nachdem er die Ortungsinstrumente so geschaltet hatte, daß sie ihm die Informationen auch an seinen Platz übermittelten. Ein Wink genügte überdies, Robot Kelly zum Funkleitstand zu dirigieren. Axton wußte, daß die Maschine alles mit absoluter Zuverlässigkeit überwachen würde. Die Funkimpulse kamen in unregelmäßigen Abständen. Axton leitete sie in die Hauptpositronik, weil er hoffte, daß diese sie vielleicht doch noch entschlüsseln konnte. Als das Raumschiff in die obersten Gasschichten des Planeten hineinglitt, stand jedoch fest, daß die Rufe tatsächlich inhaltslos
H. G. Francis waren. Sie stellten nicht mehr dar als Anwesenheitshinweise, die zur Funkeinpeilung dienen konnten. Axton verzögerte stark, als vor ihm eine Reihe von Warnsignalen aufleuchtete. Erschreckt merkte er, daß er mit zu hoher Geschwindigkeit anflog. Unwillkürlich war er von den Werten ausgegangen, die er als USO-Spezialist bei ähnlichen Landemanövern zugrunde gelegt hatte. Dies aber war keine hochwertige Space-Jet, sondern ein Raumer aus frühester arkonidischer Produktion. Seine Außenhaut hielt derart hohen Belastungen nicht stand. Das Raumschiff erzitterte, als Axton Gegenschub gab. Besorgt blickte der Arkonide zu ihm herüber. Arayshkat spürte, daß etwas nicht so war, wie es sein sollte, doch Axton konnte seinen Fehler korrigieren, bevor es wirklich gefährlich wurde. Der Raumer geriet in ausgedehnte, braune Wolkenbänke. Mit hoher Verzögerung sank er tiefer. »Legen Sie einen Schutzanzug an«, befahl Axton. Der Arkonide kam dieser Aufforderung auffallend rasch nach. Er hatte offensichtlich wenig Zutrauen zu den Flugkünsten Axtons. Der Terraner konnte sich nur noch nach den Instrumenten richten. Eine direkte Sicht bestand nicht mehr. Dichte Gasschleier rasten über die Maschine hinweg. Dann plötzlich klärte sich die Sicht von einer Sekunde zur anderen. Lebo Axton blickte auf eine bizarre und unheimlich wirkende Landschaft hinab, die durch schroffe Fels- und Eisgebilde, eigentümliche Seen und Flüsse charakterisiert war. »Dort unten ist es«, rief Arayshkat erregt. Bevor Axton mehr als einen verwaschenen Fleck erkennen konnte, baute sich eine Regenfront auf. Aus den tief hängenden Wolken stürzten bräunlich-gelbe Wassermassen herab, so daß der Verwachsene sich nun wieder im Blindflug vorantasten mußte. Er verringerte die Geschwindigkeit wiederum und senkte das Raumschiff zugleich weiter ab, bis die ersten Bergspitzen direkt vor
Der Verräter von Protem ihm auftauchten. Er zog den Diskus sanft darüber hinweg. »Massetaster«, meldete Kelly. Axton hatte es bereits gesehen und sich entsprechend eingepeilt. Als der Ammoniakregen lichter wurde, stiegen gleichzeitig Methandämpfe vom Boden auf. In ihnen schienen sich ungefüge Gestalten zu bewegen, die sich dem Flugkörper drohend entgegenreckten. Eisblöcke wirbelten aus den Dünsten hervor, als versuche ein primitiver Gegner aus dem Unsichtbaren heraus, das Schiff mit diesen Geschossen zu treffen. Selbst für einen so erfahrenen Mann wie Sinclair Marout Kennon war diese Erscheinung neu. Er war häufig auf Welten wie diesen gewesen, hatte aber noch nie so etwas erlebt. Er ließ den Diskus schließlich nur noch leicht vorantreiben, bis ein metallischer Körper vor ihm auftauchte. Ein Eisblock prallte mit großer Wucht gegen die Unterseite des Schiffskörpers. »Axton, wollen Sie wirklich hierbleiben?« fragte Arayshkat. »Das ist doch eine Falle.« Der Verwachsene deutete auf das Gebilde, das halb unter Eis begraben lag und kaum noch als arkonidisches Raumschiff zu indentifizieren war. »Da draußen liegt ein Diskusraumer, Arayshkat. Er ist offensichtlich auf diesem Planeten abgestürzt. Darin befinden sich Arkoniden. Wollen Sie sie umkommen lassen?« »Wer sagt, daß es Arkoniden sind? Ich behaupte, es sind diese verfluchten Methanatmer, die nur darauf warten, das wir zu ihnen kommen. Sie werden uns umbringen.« »Kelly wird Sie begleiten.« Der Arkonide blickte Axton kopfschüttelnd an. »Ach ja? Und das bestimmen Sie so einfach?« Er dachte offensichtlich nicht daran, den Befehl auszuführen. Lebo Axton lächelte drohend. Er nickte. »Allerdings«, sagte er. »Ich kann das Schiff nämlich nicht verlassen, weil es kei-
29 nen geeigneten Schutzanzug für mich an Bord gibt. Außerdem sind Sie nicht in der Lage, dieses Schiff zu fliegen. Sie könnten diesen Planeten also nicht wieder verlassen, wenn ich nach draußen ginge und nicht zurückkäme. Wenn Sie zudem Orbanaschol beweisen wollen, daß Sie zu den Leuten gehören, auf die er zählen kann, dann sollten Sie keine Zeit mehr verlieren. Der Sender schweigt. Man wartet dort drüben auf Sie.« Arayshkat fluchte. Seine Miene ließ erkennen, daß er keinerlei freundschaftliche Gefühle mehr für Lebo Axton hegte. Auf Barthimore war alles ganz anders gewesen. Dort hatte er den Rückhalt von vielen tausend Untergebenen gehabt, die ihm alle Aufgaben abnahmen, mit denen er selbst nichts zu tun haben wollte. Hier konnte er sich von niemandem vertreten lassen. »Also gut«, sagte er einlenkend. »Ich gehe. Danach werden sich unsere Wege jedoch trennen.« »Wie Sie meinen«, erwiderte Axton gelassen. Mit einem Laut des Unwillens verließ der Planetenfürst die Zentrale. Er blickte nur kurz auf, als er merkte, daß der Roboter sich ihm anschloß. Er brauchte einen Begleiter, der ihm im Notfall zur Seite stand, und er wußte es. Kennon wartete. Durch die Panzerplastkuppel konnte er nichts mehr sehen. Sie war mit Ammoniakeis bedeckt. Die Objektive der Außenkameras waren allerdings noch frei. Sie boten wegen der Dämpfe und Nebel jedoch nur ein verschwommenes Bild. Immerhin konnte der Terraner ausmachen, daß der havarierte Raumer äußerlich stark beschädigt war. Er sah tatsächlich so aus, als sei er hier abgestürzt oder zumindest notgelandet. Dennoch war nicht ausgeschlossen, daß die Maahks eine Falle aufgebaut hatten. Vor dem Terraner leuchtete ein grünes Licht auf. Es zeigte an, daß der Arkonide und der Roboter die Bodenschleuse passiert hatten. Wenig später erschien die unförmige Gestalt des Adeligen, der sich mit einem schweren Schutzanzug abmühen mußte, auf
30 den Bildschirmen. Der Roboter folgte ihm. Sein Metallkörper setzte hier und da Eis an. Wieder schien es so, als werde der Diskus von ungefügen Gestalten angegriffen. Unwillkürlich legte Kennon seine Hand auf die Abschußtasten des Bordnadlers. Dann jedoch sah er, daß sich lediglich ein Eisklotz vor dem Schiff aufbaute. In wenigen Sekunden erreichte er eine Höhe von etwa fünf Metern, schmolz dann aber unter dem Einfluß des nächsten Windstoßes schon wieder zusammen. Gleich darauf setzte ein Eisregen ein, der eine undurchdringlich scheinende Wand vor den Kameras aufbaute, so daß der Terraner nicht mehr sehen konnte, was draußen geschah. Ungeduldig wartete er darauf, daß Arayshkat und Kelly zurückkehrten. Doch die Minuten verstrichen, ohne daß sich drüben beim Wrack etwas änderte. Der Arkonide nahm offenbar bewußt keinen Funkkontakt mit ihm auf. Kennon verzichtete ebenfalls darauf. Er sagte sich, daß der Planetenfürst sich schon melden würde, falls es kritisch für ihn werden sollte. Auf jeden Fall war von Kelly ein Signal zu erwarten, falls der Roboter etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Nach einer halben Stunde tauchten endlich Arayshkat und Kelly auf. Sie mußten sich durch einen hüfthohen Ammoniaksee hindurchkämpfen, der inzwischen entstanden war. Schwerfällig bewegten sie sich voran, obwohl die Gravitationswerte von fast 3 g durch die technischen Einrichtungen ihrer Ausrüstung neutralisiert wurden. Zwei Personen begleiteten Arayshkat. Kennon setzte unwillkürlich voraus, daß es Arkoniden waren. Um so überraschter war er, als die Geretteten zusammen mit dem Planetenfürsten und dem Roboter in der Zentrale erschienen. Es waren zwei Eskaphonen. Er war so überrascht, daß ihm zunächst die Worte der Begrüßung fehlten. Nicht ein einziges Mal hatte er bis zu dieser Sekunde daran gedacht, daß er diesen Intelligenzwesen begegnen könnte. Die Konfrontation mit ihnen machte ihm schlagartig und mit einer
H. G. Francis bisher nicht erlebten Intensität klar, wo er eigentlich war. Mit Hilfe der Traummaschine war er durch die Jahrtausende in die Vergangenheit geschleudert worden. Er war aus einer Zeit gekommen, in der es kein machtvolles arkonidisches Imperium mehr gab. Das solare Imperium der Terraner war an seine Stelle getreten und hatte eine größere Machtfülle erreicht, als Arkon je gehabt hatte. In dieser Zeit, in der die Terraner galaktische Geschichte bestimmten, besaß man nur noch lückenhafte Kenntnisse über das Imperium Orbanaschols und die Zeit, in der Atlan um seine Thronansprüche kämpfen mußte. Über die Eskaphonen wußte man kaum etwas. Es waren nur wenige Berichte vorhanden, die mehr an Sagen erinnerten als an historisch aussagekräftige Überlieferungen. »Das sind die beiden Flottenoffiziere Quarphon Kap und Ieraphoton Soph«, sagte Arayshkat. »Außer ihnen befand sich niemand mehr an Bord des Wracks.« Die beiden Eskaphonen blickten Axton nicht weniger verwundert an als dieser sie. »Was ist das für ein Trauerspiel?« fragte einer der beiden Geretteten. »Seit wann läßt man Kreaturen wie diese leben. Selbst im Reich der degenerierten Arkoniden pflegt man meines Wissens konsequent zu sein, wenn die Mutter Natur sich mal geirrt hat.« »Seien Sie still, Kap«, sagte Arayshkat mit bebender Stimme. »Sie wissen nicht, was Sie anrichten. Dieser Mann, Lebo Axton, ist ein Beauftragter des Imperators. Ich kann Ihnen nur raten …« »Ich verzichte«, unterbrach ihn Kap schroff. »Derart verunstaltete Kreaturen nötigen mir keinen Respekt ab.« »Das ist auch nicht notwendig«, erklärte Axton ruhig. Er lächelte sogar ein wenig und zeigte damit, daß ihn die Worte des Eskaphonen nicht verletzt hatten. Er war es mittlerweile gewohnt, daß man mehr auf unwichtige Äußerlichkeiten als auf die einzig entscheidende Persönlichkeit achtete. »Tatsache ist, daß ich der Kommandant an Bord bin. Sie haben nur die Alternative, sich meinem Befehl zu beugen oder das Schiff
Der Verräter von Protem sofort wieder zu verlassen. Entscheiden Sie sich.« »Das darf doch nicht wahr sein«, sagte Soph mit einem verächtlichen Seitenblick auf Arayshkat. »Seit wann läßt sich ein adeliger Arkonide das Kommando von so einem …« »Es reicht«, sagte Axton scharf. Die beiden Eskaphonen setzten sich. Ihnen war anzusehen, daß sie mit sich kämpften. Der anerzogene Widerwille gegen mißgestaltete Menschen war außerordentlich. Sie schienen nicht damit fertig werden zu können. »Im Wrack ist noch Sauerstoff für eine Stunde vorhanden«, erklärte Kap. Er sprach den Planetenfürsten dabei an und tat, als sei Axton überhaupt nicht da. »Sie wissen, was das bedeutet.« »Das spielt für Lebo Axton keine Rolle. Ich habe lernen müssen, daß es gefährlich ist, sich ihm zu widersetzen.« Der Verwachsene beobachtete die beiden Eskaphonen. Es waren Umweltangepaßte, die aus einem Kolonialvolk der Arkoniden hervorgegangen waren. Auffallend an ihnen war ihre tiefgrüne Hautfarbe und die seltsam geformten Schädel. Das Gesicht wirkte unter der mächtig aufsteigenden Stirn zusammengequetscht und kindlich klein. Es machte nur etwa zehn Prozent der vorderen Schädelhälfte aus. Die schwarzen, knopfartigen Augen lagen tief in den Augenhöhlen und konnten durch mehrere voreinander gefaltete Lider vor allzu grellem Licht geschützt werden. Die Nase war nur im Ansatz erkennbar. Ihre Spitze reichte bis in die Oberlippe des breiten Mundes hinein. Über den Augen wölbten sich Doppelbögen aus nadelspitzen Dornen, die bei Kap eine Länge von etwa drei Zentimetern erreichten. Bei Soph waren sie etwas kürzer. Wesentlich stumpfere Dornen bedeckten einen kleinen Teil an der oberen Rundung ihrer Schädel. Sie erweckten den Eindruck, als seien die Eskaphonen in ihrer biologischen Entwicklung von pflanzlichem Leben beeinflußt worden. Kennon erinnerte sich daran,
31 gehört zu haben, daß die Eskaphonen einen hohen Anteil eines chlorophyllähnlichen Stoffes im Blut hatten. Dieser ermöglichte es ihnen, auf einer Welt zu überleben, auf der es eine echte pflanzliche Intelligenz gab. Im gleichen Augenblick, als in dem Terraner der Wunsch erwachte, diese Welt kennenzulernen, erkannte er, daß es ihm nicht möglich sein würde, sie zu besuchen. Er hatte nicht gewußt, wie unsinnig die Haltung der Eskaphonen gegenüber körperlichen Unzulänglichkeiten war. »Wir starten«, eröffnete er den Geretteten. »Ich warte auf Ihre Antwort.« Kap drehte sich schwerfällig zu ihm herum. Er war etwa zwei Meter groß und außerordentlich muskulös. Axton schätzte, daß er etwa 150 kg wog. Der Stoff der Offiziersuniform spannte sich über den mächtigen Schultern des Mannes. »Wir gehorchen lediglich der Notlage«, sagte Kap. »Also gut. Das genügt mir.« Lebo Axton drückte einige Tasten. Der Diskus sprengte das Eis von sich ab und stieg steil auf. Schon nach wenigen Metern geriet er in einen plötzlich aufkommenden Sturm. Doch jetzt ließ sich Axton nicht irritieren. Er beschleunigte mit den unter diesen Umständen gerade noch vertretbaren Werten und zog das Raumschiff steil hoch. Er gewann rasch an Höhe, durchstieß die geschlossene Wolkendecke und erreichte mühelos den freien Raum. Er ging jedoch noch nicht auf einen Kurs, der ihn zum dritten Planeten des Preyton-Systems führen mußte, sondern lenkte den Diskus in eine Umlaufbahn um den Methanriesen. Er überließ ihn dem Autopiloten und wandte sich danach wieder an die beiden Eskaphonen. »Es wird Zeit, daß Sie mir erklären, wie Sie in die Notlage gekommen sind, in der wir Sie vorgefunden haben.« »Ich habe bereits alles erfahren, was wir wissen müssen«, antwortete der Arkonide, bevor Kap oder Soph etwas sagen konnten. »Das meinen Sie, Arayshkat«, erwiderte Axton. »Ich will es dennoch von ihnen
32 selbst hören.« Er blickte die beiden Eskaphonen auffordernd an. Zögernd begann Kap zu sprechen: »Wir waren auf Protem stationiert. Der Planet ist von den Methanatmern überfallen worden. Wir haben versucht, die Bestien zu verfolgen. Sie sind in die Atmosphäre von Wrappa, das ist der Methanplanet, eingeflogen. Aber das war nur ein Täuschungsmanöver, mit dem sie uns in eine Falle locken wollten. Wir sind darauf hereingefallen und abgeschossen worden. Das ist alles.« »Die Maahks haben sich nicht mehr um Sie gekümmert?« »Nein. Sie haben Wrappa gleich wieder verlassen. Wir wissen nicht, wo sie geblieben sind.« »Wie groß war das Schiff der Maahks?« »Es war ein Zerstörer.« »Ein bißchen viel Aufwand für einen kleinen Diskusraumer, nicht wahr?« »Was wollen Sie damit sagen?« fragte Kap auffahrend. »Ihre gesamte Funkanlage wurde zerstört?« »Vollkommen«, antwortete Soph unwillig. »Wir konnten nur den Notsender bauen, durch den Sie auf uns aufmerksam geworden sind. Aber weshalb fragen Sie das alles?« »Ich habe meine Gründe.« »Sie sollten sich lieber darum kümmern, wer für den Überfall der Maahks und den daraus folgenden Massenmord auf Protem verantwortlich ist«, sagte Arayshkat aggressiv. »Sollte ich das?« fragte Axton gelassen. »Durchaus«, rief Kap erregt. »Warum?« »Weil Protem durch Verrat verlorengegangen ist.« »Verräter gibt es in jedem Krieg, Kap.« »Aber nicht solchen. Der Mann, der Protem auf dem Gewissen hat, heißt Atlan. Er soll der Sohn des tödlich verunglückten Gonozal und ein Neffe Orbanaschols sein!« sagte Kap. »Atlan?« fragte Axton mit heiserer Stim-
H. G. Francis me. Ihm gelang es nicht, seine maßlose Überraschung und sein Entsetzen vor den beiden Eskaphonen zu verbergen. »Atlan«, bekräftigte Kap. »Er hat uns an die Methanatmer verraten.«
6. Kennon wollte nicht glauben, was er gehört hatte. Ein Mann wie Atlan war kein Verräter. Er kämpfte um sein Recht. Er machte seinen Thronanspruch geltend und befand sich in seinem Kampf gegen den heimtückischen Orbanaschol in ständiger Lebensgefahr. Aber er würde niemals mit den Maahks zusammenarbeiten und Verrat an seinem eigenen Volk üben. Das paßte nicht zu Atlan! »Sie sind überrascht?« forschte Soph argwöhnisch. Axton zuckte zusammen. Er wurde sich dessen bewußt, wie gefährlich die Situation war. Offiziell war er ein Gesandter des Imperators. Er hatte loyal zu diesem zu stehen, nicht aber zu seinem Todfeind Atlan. Wenn dieser des Verrats bezichtigt wurde, dann hatte er daran nicht zu zweifeln. »Allerdings«, antwortete Axton. »Atlan ist mir verhaßt. Er ist der gefährlichste Feind des Imperators. Aber ich hätte nicht von ihm erwartet, daß er in seinem Machtkampf zu so abscheulichen Mitteln greifen würde. Was soll aus dem Imperium werden, wenn die Arkoniden sich selbst vor die Impulskanonen der Methanatmer zerren?« Er schüttelte den Kopf. »Wie ist es passiert?« fragte er dann. »Was hat Atlan getan?« »Er hat Verhandlungsbereitschaft vorgetäuscht. Mit einem Raumschiff erschien er im Preyton-System und wandte sich über Bildfunk an die auf Protem stationierten Einheiten, nachdem der Raumer dort bereits geortet worden war. Er behauptete, er habe eine dringende Nachricht für den Imperator. Er habe sie auf einem umfangreichen Informationsband aufgezeichnet. Dieses wolle er uns übergeben. Er erklärte, das Material
Der Verräter von Protem könne kriegsentscheidend sein. Daraufhin ist ein Kugelraumer mittlerer Größe aufgestiegen. Er wurde von Atlan mit Energiestrahlern empfangen und vernichtet. Das war der Grund dafür, daß acht von den restlichen zehn Kampfeinheiten starteten und nun das Raumschiff Atlans angriffen. Atlan aber zog sich geschickt zurück. Er lockte die Raumer von Protem weg und machte das System damit offen für die Flotte der Maahks. Diese konnte über den Planeten herfallen, ohne auf den geringsten Widerstand zu treffen. Die beiden dort noch verbliebenen Raumschiffe wurden bereits beim ersten Anflug zerstört.« Soph schwieg verbittert. »Das ist allerdings eindeutig«, sagte Axton. »Konnte Atlan identifiziert werden?« »Zweifelsfrei«, erwiderte Soph. »Es war Atlan und niemand sonst.« »Was geschah weiter?« »Das wissen wir nicht. Wir gehörten zu den auf Protem verbliebenen Einheiten. Glücklicherweise konnten wir ausgeschleust werden, bevor der Hauptschlag gegen den Planeten begann. Wir haben uns danach nur noch auf die Verfolgung konzentriert. Unsere Absicht war, den Schlupfwinkel der Maahks aufzuspüren, um einen späteren Gegenschlag zu ermöglichen.« »Haben Sie die Unterredung mit Atlan verfolgt?« »Ich habe die übermittelten Bilder gesehen«, erklärte Soph. »Beschreiben Sie mir Atlan«, forderte Axton. Die beiden Eskaphonen blickten ihn überrascht an. Soviel Interesse für Atlan hatten sie bei ihm nicht vermutet. Sein Verhalten machte sie unsicher, daß sie nicht wußten, welche Absichten er verfolgte. Soph begann jedoch nach kurzem Zögern mit seiner Schilderung. Und er zeichnete das Bild eines Mannes, den Kennon aus nächster Nähe kannte. Soph sprach von Atlan. Dabei erschien es Kennon vollkommen ausgeschlossen, daß Atlan einen derartigen Verrat verübt haben konnte. Er konnte sich
33 noch nicht einmal vorstellen, daß überhaupt irgendein Arkonide eine Heimatwelt den verhaßten Maahks preisgeben würde, auch ein Rebell wider das Imperium wie Atlan nicht. Jemand anders mußte unter dem Namen von Atlan handeln. Wer konnte dafür in Frage kommen? Konnte es im Imperium überhaupt jemanden geben, der seinem eigenen Volk in dieser Weise in den Rücken fallen würde? Axton war ratlos. Er wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht und stöhnte leise. Seine Gedanken überschlugen sich. Er wußte, daß irgendwo ein Fehler in dieser Geschichte war, die die Eskaphonen ihm aufgetischt hatten. Irgend etwas stimmte nicht. Aber was? »Ich brauche ein wenig Ruhe«, sagte er. »Kap, bringen Sie das Schiff auf Kurs Protem. Machen Sie mir Meldung, wenn wir den Planeten erreicht haben.« Axton ging von der Voraussetzung aus, daß der Eskaphone innerhalb des Preyton-Systems mit dem Normaltriebwerk fliegen würde. Eine Transition mußte zu aufwendig sein. »Das ist mal wirklich etwas Neues«, erwiderte Kap zynisch. »Ein Kommandant, der mal rasch eine Pause machen muß. Bricht ihr jämmerlicher Körper unter einer etwas erhöhten Belastung bereits zusammen? Ich könnte Ihnen …« Lebo Axton gingen die Nerven durch. Für einen kurzen Moment verlor er die Kontrolle über sich. »Halten Sie den Mund«, schrie er mit hochrotem Gesicht. »Sie haben wahrhaftig keinen Grund, sich überlegen zu fühlen, denn Sie und Ihr Volk sind Fehlentwicklungen der Natur, die unweigerlich zum Untergang führen müssen.« Kap und Soph sprangen wie von der Feder geschnellt auf. »Was sagen Sie da?« fragte Kap keuchend. »Sie wagen es, uns Mißgeburten zu nennen?« Mit erhobenen Fäusten ging er auf den Verwachsenen zu. Axton hatte sich bereits
34 wieder in der Gewalt. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich hatte nicht die Absicht, das zu tun.« Kap packte ihn an der Brust und hob ihn mühelos aus dem Kommandantensessel. »Wenn Sie schon derartige Beleidigungen aussprechen, Lebo Axton, dann verzichten Sie nicht darauf, auch alles zu sagen.« »Haben Sie den Verstand verloren?« fragte Arayshkat entsetzt. »Lassen Sie Axton sofort los.« Er hielt plötzlich einen Energiestrahler in der Hand und zielte damit auf den Eskaphonen. Dieser ließ Axton in den Sessel fallen. »Er soll erklären, was er gemeint hat«, forderte Kap energisch. »Ich lasse mich nicht eine Fehlentwicklung der Natur schimpfen.« »Also gut«, sagte Axton kalt. »Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, dann werde ich meine Worte begründen. Hoffentlich sind Sie danach für alle Zeiten kuriert.« »So reden Sie schon!« brüllte Soph. »Sie haben die außerordentliche Fähigkeit, Ihren eigenen Fluchtinstinkt zu blockieren, und, wenn Sie in Gruppen zusammenarbeiten, auch den anderer Lebewesen.« »Das ist richtig. Woher wissen Sie das? Wir Eskaphonen glaubten bisher, daß wir unser Geheimnis gut gewahrt hätten«, bemerkte Soph. »Was wäre daran so schlimm, wenn es wahr wäre?« fragte Arayshkat verblüfft. »Die beiden natürlichen Regungen eines jeden Lebewesens beim Eintritt von Gefahr sind Kampf oder Flucht. Um das eigene Leben zu erhalten, stellt es sich entweder dem Gegner, oder es sucht sein Heil im eiligen Rückzug. Die Entscheidung darüber, was geschehen soll, hängt von der Situation ab und selbstverständlich auch von der Persönlichkeit. Der eine ist mutig, der andere feige. Die Reaktion auf eine Gefahrensituation bewirkt die Ausschüttung eines Hormons der Nebenniere, die wiederum von einer Hirndrüse gesteuert wird. Den Eskaphonen ist es möglich, die Wirkung des Nebennierenrindenhormons abzublocken, so daß dieses kei-
H. G. Francis ne Wirkung erzielen kann.« »Ja und?« fragte der Planetenfürst, der noch immer nicht verstand, worauf Axton hinaus wollte. »Im Kampf können die Eskaphonen bei sich selbst diese Hormonwirkung verhindern. Sie schalten damit ihren Selbsterhaltungstrieb aus, so daß sie selbst, dann noch weiterkämpfen, wenn sie längst eingesehen haben, daß sie nicht überleben können.« Axton glitt aus dem Sessel. Er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Kap. »Das war auch der Grund dafür, daß diese beiden Männer dem Raumschiff der Methanatmer so blind gefolgt sind. Sie wußten, daß sie keine Chance hatten, wirklich etwas herauszufinden. Aber sie folgen dennoch hinter dem hundertfach überlegenen Schiff her, und sie bilden sich auch noch etwas darauf ein. Dabei gibt es längst Möglichkeiten, einen etwa vorhandenen Stützpunkt auch aus sicherer Entfernung aufzuspüren. Entweder haben Kap und Soph diese Dummheit begangen, weil sie ihren Fluchtinstinkt blockiert haben – oder die ganze Geschichte ist ein ausgemachter Schwindel.« »Axton, Sie vergessen sich«, rief Arayshkat. Kap und Soph fuhren wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Kap war es, der dieses Mal seinen Energiestrahler zog. Er richtete ihn auf Lebo Axton. »Jetzt reicht es«, sagte er mit zornbebender Stimme. »Ich bin noch nicht zu Ende«, erklärte Axton unbeeindruckt. »Der Fluchtinstinkt könnte das Volk der Eskaphonen vielleicht retten. Sie sind aber fest davon überzeugt, daß die Blockierung dieses Instinkts eine außerordentlich positive Fähigkeit ist. Das wird ihr Untergang sein. Eines Tages werden die Methanatmer den Heimatplaneten dieses Volkes angreifen und völlig vernichten. Kein Eskaphone wird entkommen. Sie alle werden kämpfen bis zum bitteren Ende, ohne zu begreifen, daß sie durch eine Flucht wenigstens die Existenz eines Keimes ihres
Der Verräter von Protem Volkes erhalten könnten.« »Das ist ungeheuerlich«, entgegnete Soph. »Zu keinem Zeitpunkt werden sich alle Eskaphonen auf Eskaphon aufhalten.« »Das ist richtig. Die Männer dienen auf den Raumschiffen der Arkoniden. Die Frauen aber verlassen den Planeten nicht.« Die beiden Umweltangepaßten verfärbten sich. Sie begriffen plötzlich, daß Lebo Axton keine leeren Worte gesagt hatte. »Sie sind nicht der erste, der so etwas prophezeit hat«, antwortete Kap nach geraumer Zeit. Lebo Axton ging zum Antigravschacht. Er gab Kelly einen Wink. Der Roboter folgte ihm. »Warten Sie«, rief Soph. »Das alles ist kein Grund, uns Krüppel zu nennen.« »Was sind Sie denn anderes?« fragte Axton. »Meinen Sie, nur äußerlich sichtbare Mißbildungen zählen.« Er sah, daß der Schock tief saß, und er bereute, daß er so weit gegangen war. Auf der anderen Seite wußte er, daß diese Eskaphonen wahrscheinlich niemanden mehr mit Verachtung begegnen würden, der so stiefmütterlich von der Natur behandelt worden war wie er. »Der Mann ist ein Genie«, flüsterte Arayshkat. Sicherlich dachte er nicht, daß Axton diese Worte hören würde. Weder er noch die beiden Eskaphonen konnten wissen, daß er das Ende des eskaphonischen Volkes wirklich kannte. In der Zeit, aus der Sinclair Marout Kennon kam, gab es keine Eskaphonen mehr. Dieses Volk war ihm jedoch bei seinem Studium der altgalaktischen Völker begegnet. Und aus den lückenhaften Berichten über die Eskaphonen war er auch über ihr Ende informiert. Der Planet würde irgendwann in der Zukunft völlig überraschend von den Maahks überfallen werden, und kein Eskaphone würde überleben. Die Gründe dafür hatte er genannt. Als sie allein in der Kabine waren, die Axton sich ausgesucht hatte, wandte sich der Verwachsene an den Roboter: »Am liebsten
35 würde ich dir gegen die Schienbeine treten, Kelly.« »Warum?« fragte der Roboter. »Weil ich wütend bin und mich verflucht gern an irgend jemand auslassen möchte. Was mich stört, ist, daß es dir Paradebeispiel von einem mißlungenen Robot noch nicht einmal etwas ausmacht.« »Das ist richtig«, antwortete Kelly sachlich. »Ich möchte dich auf eine Beobachtung aufmerksam machen, Schätzchen.« Axton legte sich in das einzige Bett, das sich im Raum befand. Er verschränkte die Arme unter dem Kopf. »Los. Laß hören.« »Im Wrack war noch Sauerstoff für wenigstens drei Tage vorhanden.« »Woher weißt du das?« »Ich habe die Instrumentenanzeige gesehen. Arayshkat hat nicht darauf geachtet.« Axton richtete sich verblüfft auf. »Dann hätten die beiden Eskaphonen gelogen? Warum sollten sie das getan haben?« »Darauf habe ich keine Antwort.« Axton ließ sich wieder sinken. Ächzend streckte er die schmerzenden Beine aus und schloß die Augen. Er überlegte fieberhaft. Er spürte schon lange, daß irgend etwas an der Bergung der beiden Eskaphonen nicht stimmte. Es gelang ihm nicht, sich ausreichend zu konzentrieren. Die Gedanken gingen ihm durcheinander. Müdigkeit überfiel ihn, und er gab sich einer wohligen Entspannung hin. Gleich darauf schlief er ein. Er erwachte wieder, als Kelly ihn an der Schulter berührte. »Wir sind da, Lebo.« Axton fühlte sich wie gerädert. Noch halbwegs benommen richtete er sich auf. Er benötigte einige Minuten, bis er begriffen hatte, wo er überhaupt war. Seine Beine schmerzten. Er massierte ohne dabei den geringsten Erfolg zu erzielen. Beunruhigt fragte er sich, ob er krank wurde. Es war durchaus möglich, daß er sich mit unbekannten Keimen infiziert hatte. Führten die Eskaphonen vielleicht Erreger mit sich, die er nicht
36 vertrug, während sie für andere vollkommen unschädlich waren? Konnte er aber überhaupt krank werden? War er eine körperlich gewordene Projektion, die durch die Jahrtausende geschleudert worden war? Oder war er körperlich hier? War er wirklich erfaßbar für die Gefahren dieser Welt, oder schien es nur so? Hatte er die Folter der Verhöroffiziere nur so gut überstanden, weil eine Projektion nicht zu zermürben ist wie ein wirklich lebender Mensch? Schmerzen waren für ihn nichts Ungewohntes. Sie waren allgegenwärtig. Sein Körper war Belastungen nicht gewachsen. Wenn er nur einige Meter weit schnell laufen mußte, dann ging ihm der Atem aus, und die Lungen schienen platzen zu wollen. Seine dünnen Beine versagten ihren Dienst, sobald er eine Treppe hinaufsteigen mußte, und ständig war die Versuchung da, die Gravitationswerte an Bord der Raumschiffe um einen geringen Wert zu senken. Das würde für andere kaum spürbar sein, für ihn aber eine ganz entscheidende Entlastung bedeuten. Dennoch hatte er dieser Versuchung nie nachgegeben, weil er genau wußte, wie verhängnisvoll das gewesen wäre. Denn schnell würde er sich an den geringeren Wert gewöhnen, so daß bald der Wunsch nach einer weiteren Senkung in ihm aufkommen würde. Das konnte nur dazu führen, daß er sich schließlich überhaupt nicht mehr frei bewegen konnte, sobald er ein Raumschiff verließ. Er stieg aus dem Bett und stöhnte gepeinigt auf. Er wäre zu Boden gestürzt, hätte der Roboter ihn nicht gestützt. Doch darüber freute er sich keineswegs. Im Gegenteil. Er wurde sich seiner ganzen Hilflosigkeit bewußt, und sein hysterischer Haß gegen Robots brach durch. Mit wütenden Faustschlägen, die allerdings selbst ein Kind nicht hätten beeindrucken können, drang er auf Kelly ein. »Verschwinde aus meinen Augen, du Wrack«, schrie er. »Los, raus mit dir.« Der Roboter gehorchte augenblicklich.
H. G. Francis »He, wo willst du hin?« fragte er mit schriller Stimme. »Nach draußen.« »Warum?« Sein Zorn war ebenso schnell verraucht, wie er gekommen war. »Weil du es mir befohlen hast.« »Du gehorchst mir?« fragte Kennon verblüfft. »Du verdammte Bestie tust auch noch so, als wärest du in der Lage, Befehle zu begreifen und zu befolgen?« »Ich bin entsprechend programmiert worden, Schätzchen. Ich kann Befehle, die mir erteilt werden, gar nicht ignorieren.« »Dann hör endlich auf, mich Schätzchen zu nennen, du Miststück.« »Wenn du es gerne möchtest, Schätzchen, werden meine Membranen nie mehr diese Töne produzieren.« Ächzend ließ sich Axton wieder auf das Bett sinken. »Sag das noch einmal«, forderte er. »Wie war das mit deinen Membranen?« »Ich habe den Eindruck, Herzchen, daß du mich ganz gut verstanden hast.« Axton schleuderte einen seiner Stiefel nach Kelly. Der Roboter wich nicht aus. Er hatte offenbar schnell genug berechnet, daß die Hacke nur einen gut geschützten Teil seines Kopfes treffen würde. »Ich geb's auf«, sagte Axton stöhnend. »Aber das verspreche ich dir, Freundchen. Ich werde mit aller Energie nach dem Mann suchen, der dich konstruiert und programmiert hat. Und wenn ich ihn gefunden habe, dann werde ich ihm mit Freuden den Hals umdrehen.« Er wartete einige Sekunden lang auf eine Antwort Kellys, als dieser jedoch schwieg, brüllte er: »Meinen Stiefel!« »Ich befinde mich in einem Befehlskonflikt«, erklärte der Roboter. »Soll ich nun nach draußen gehen, dich Schätzchen nennen oder deinen Stiefel holen?« »Gib mir den Stiefel«, sagte Kennon resignierend. »Und beeile dich ein bißchen.« Kelly bückte sich, nahm den Stiefel auf und brachte ihn ans Bett. Wenig später trug der Roboter den Terraner auf seinem
Der Verräter von Protem Rücken zur Hauptleitzentrale. Kap pilotierte das Raumschiff. Er lenkte es in die obersten Luftschichten des Planeten Protem. »Was ist das?« fragte Axton. Er deutete auf die Ortungsschirme, die von hellen Reflexen geradezu übersät waren. »Die Imperiumsflotte«, antwortete Soph. Axton wechselte einen raschen Blick mit Arayshkat, der sichtlich beunruhigt war. Diese Begegnung kam zu früh. Der Planetenfürst von Barthimore brauchte noch einen handfesten Beweis für seine Loyalität gegenüber Orbanaschol III. Noch konnte er ihn nicht erbringen, und damit konnte Kennon auch noch nicht genügend rechtfertigen, daß er den Arkoniden ins Preyton-System mitgenommen hatte. »Nehmen Sie Verbindung mit dem Oberbefehlshaber der Flotte auf.« befahl Axton. »Beeilen Sie sich, Soph.« »Das habe ich bereits getan. Wir haben die Anweisung erhalten, in der Nähe der zerstörten Stadt Drohten zu landen. Dort wird ein Verbindungsmann zu uns an Bord kommen. Man wußte, daß Sie an Bord sind, Axton.« Kennon hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend. Irgend etwas stimmte nicht. Die mühsam geknüpften Fäden schienen seinen Fingern zu entrinnen. War es ein Fehler gewesen, Arayshkat zu schützen? Hätte er ihn kaltblütig umbringen sollen, so wie man es von ihm verlangt hatte? Die Beweise seiner Parteinahme für Atlan waren eindeutig. Arayshkat war ein Gegner Orbanaschols III. Hatte es sich aber wirklich gelohnt, ihn zu retten? Wurde er nun nicht zu einer Gefahr, weil er nicht die ausgereifte Persönlichkeit besaß, die für eine echte Zusammenarbeit unabdingbar war? »Ich muß Sie sprechen«, sagte er zu dem Arkoniden. »Kommen Sie mit nach unten. Sie, Kap, führen den Befehl des Oberkommandos aus. Sobald wir gelandet sind, können Sie das Schiff verlassen und gehen, wohin Sie wollen. Ich brauche Sie dann nicht mehr.« Die beiden Eskaphonen taten, als hätten
37 sie seine Worte nicht gehört. Axton und der Arkonide schwebten im Antigravschacht nach unten. Kelly folgte ihnen, blieb dann aber vor der Kabine des Verwachsenen stehen, so daß niemand das Gespräch belauschen konnte, das die beiden Männer führten. »Was ist vorgefallen?« fragte Axton, als er mit Arayshkat allein war. »Nichts von Bedeutung. Kap hat versucht, den Oberkommandierenden der Flotte zu sprechen, holte sich aber eine Abfuhr. Er konnte seinen Bericht lediglich bei einem Offizier mittleren Ranges abgeben. Man schien sich nicht besonders dafür zu interessieren. Ich glaube, sie wußten bereits, was Atlan getan hat.« »Dann glauben Sie auch daran, daß es Atlan war?« »Muß ich das nicht?« »Das läßt sich schwer beantworten. Ich kenne Atlan, und ich weiß, daß er niemals einen solchen Verrat begehen würde. Es muß eine Intrige Orbanaschols sein.« »Das verstehe ich nicht.« »Könnte es nicht sein, daß man lediglich versucht, Atlan diesen Verrat in die Schuhe zu schieben, um einen Rufmord an ihm zu begehen? Man würde ihn psychologisch vernichten, wenn man glaubhaft machen kann, daß er ein derartiges Verbrechen begangen hat. Jener Teil der Öffentlichkeit, der für den Sohn Gonozals VII. ist, würde sich von ihm abwenden, und damit hätte Orbanaschol III. seine Macht noch mehr gefestigt als bisher.« »Sie haben recht, Axton. So muß es sein.« »Dennoch steckt noch mehr hinter dieser ganzen Geschichte. Ich habe vorhin einen Blick auf Protem werfen können. Die Zeichen der Zerstörung sind eindeutig. Hier hat tatsächlich vor kurzer Zeit ein Angriff mit atomaren Waffen stattgefunden. Die planetarische Abwehr muß also geschwächt worden sein, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als die Flotte der Maahks hier erschien.« »Ich habe genau auf das geachtet, was die beiden Eskaphonen gesagt haben, aber mir ist nichts aufgefallen«, erklärte der Arkoni-
38 de. »Wir müssen abwarten. Viel schlimmer ist, daß die Flotte des Imperiums hier ist. Ich werde einen vernünftigen Grund dafür finden müssen, daß Sie noch leben.« »Sie haben doch einen Bericht eingereicht.« »Meine Argumente genügen möglicherweise nicht. Sie sind in Gefahr, Arayshkat.« Der Arkonide nahm sich ein Erfrischungsgetränk aus dem Automaten und trank es auf einen Zug aus. Er schüttelte den Kopf, und ein jungenhaftes Lächeln glitt über seine Lippen. »Sie sind ein Pessimist, Axton«, sagte er. »Ich teile Ihre Sorgen nicht. Wir haben dem Imperator Beweise meiner Loyalität geliefert. Was will er mehr?« »Ihren Planeten.« Arayshkat schürzte verächtlich die Lippen. »So einfach ist das nun auch wieder nicht«, erwiderte er leichthin. »Wir sollten wieder nach oben gehen.« Er sah die Unterredung als beendet. Offensichtlich war er nicht bereit, die Sorgen Lebo Axtons zu teilen. Schweigend ging Axton an ihm vorbei. Als er die Zentrale erreichte, setzte das Raumschiff in der Nähe eines vollkommen zerstörten Raumhafengebäudes auf. Die Trümmer von zwei Frachtraumern, die nur etwa hundert Meter entfernt waren, qualmten noch. Kap und Soph erhoben sich. Sie verabschiedeten sich mit einer knappen Geste von Axton. Dieser hielt sie nicht auf. Als Arayshkat in der Zentrale erschien, landete ein kleiner Kugelraumer, der die Symbole der Imperiumsflotte trug. Axton setzte sich in einen Sessel und wartete. Ein Gleiter näherte sich dem Diskusraumer, und drei hochgewachsene Offiziere in grauen Uniformen stiegen aus. Sie erschienen kurz darauf in der Leitzentrale. »Hallo«, sagte Arayshkat leichthin. »Es ist ein beruhigendes Gefühl, die Flotte in der Nähe zu wissen.«
H. G. Francis Die drei Offiziere beachteten ihn nicht. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich allein auf Lebo Axton, der in seinem Sessel sitzen blieb. »Nehmen Sie Platz, meine Herren«, forderte er sie mit ruhiger Stimme auf. »Wir sind überrascht, Sie hier anzutreffen«, erklärte einer der Uniformierten. Er war der älteste der drei Männer. Seine Haut war mit kreisförmigen Narben übersät. Sein dünnlippiger Mund und die Augen ließen erkennen, daß er von unbeugsamer Härte sein konnte. »Sie kennen meinen Auftrag?« »Allerdings.« »Nun, ich habe berichtet, daß Arayshkat von Barthimore offenbar einer Intrige zum Opfer gefallen ist. Ich habe herausgefunden, daß er kein Gegner des Imperators, sondern absolut loyal ist. Er war es, der von mir verlangte, daß wir sofort ins Preyton-System fliegen, als er von dem Überfall der Maahks hörte.« »Wir sprechen später noch darüber, Axton«, antwortete der Sprecher der drei Offiziere. »Zunächst geht es um Atlan, den angeblichen Sohn Gonozals VII.« »Ich halte es für absolut ausgeschlossen, daß er einen Verrat dieser Art verübt haben soll«, erklärte Axton scharf. Die drei Offiziere lachten. Ihre Heiterkeit verblüffte den Kosmokriminalisten. »Die Beweise sind eindeutig, Axton«, sagte der Narbige. »Es gibt überhaupt keinen Zweifel, daß der mutmaßliche Sohn Gonozals dieses Verbrechen begangen hat.« »Sie haben mehr Informationen als ich«, erwiderte Axton vorsichtig. »Das ist richtig. Wir wissen zum Beispiel auch, daß Atlan sich hier auf dem Planeten Protem aufhalten muß.« Axton richtete sich wie elektrisiert auf. Nur mühsam beherrschte er sich. »Das ist doch unmöglich«, sagte er. »Es heißt, daß Atlan die Wachflotte von Protem weggelockt und damit den Weg für die Flotte der Methanatmer frei gemacht hat. Wie kann er dann hier sein?«
Der Verräter von Protem »Er hat selbstverständlich versucht, der Wachflotte zu entkommen. Jeder andere hätte sich so weit wie möglich von hier entfernt. Er aber glaubte offenbar, daß wir ihn hier auf Protem am wenigsten vermuten würden. Daher kehrte er zurück und suchte ein Versteck in diesem System. Dabei wurde er geortet und angegriffen. Nach den uns vorliegenden Meldungen ist er über Protem abgestürzt. Das Wrack haben wir bereits gefunden. Atlan aber muß vorher ausgestiegen und irgendwo gelandet sein.« Lebo Axton kombinierte und reagierte blitzschnell. Jetzt zeigte sich wieder, daß er ein hervorragender Psychologe und Kosmokriminologe war. »Wir müssen ihn finden und erledigen«, sagte er energisch. »Ich denke, Sie werden meine Hilfe nicht ablehnen?« »Ganz und gar nicht«, antwortete der Offizier. »Wenn Sie und Arayshkat sich an der Jagd auf Atlan beteiligen wollen, dann sind Sie uns willkommen. Wir machen Sie jedoch darauf aufmerksam, daß wir ihn lebend haben wollen. Er darf nur im äußersten Notfall erschossen werden. Orbanaschol will diesen Verräter vor ein Militärgericht stellen und zum Tode verurteilen lassen.« »Ich verspreche Ihnen, daß ich dem Henker nicht vorgreifen werde«, erklärte Lebo Axton. »Und Sie, Arayshkat, werden Atlan auch nicht töten.« »Selbstverständlich nicht«, antwortete der Planetenfürst mit unbewegter Miene. »Aber ich werde mich für das Amt des Henkers bewerben.« Das war etwas zu dick aufgetragen. Axton sah es in den Augen der Geheimdienstoffiziere aufflackern. Ihr Mißtrauen erhielt neuen Auftrieb. Diese Männer glaubten nicht daran, daß ein Adeliger wie Arayshkat von Barthimore tatsächlich ein solches Amt übernehmen würde. Sie erhoben sich und verabschiedeten sich mit einem gewissen Respekt von Lebo Axton, wohingegen sie Arayshkat kaum beachteten. »Gehen Sie zum Raumhafengebäude hinüber«, befahl Axton, als er mit dem Arkoni-
39 den allein war. »Ich habe dort einige Männer gesehen. Sie könnten von der Ortungsstation kommen. Versuchen Sie, soviel Informationen wie möglich aus ihnen herauszuholen. Ich werde mir währenddessen überlegen, wie wir am besten vorgehen können.« Arayshkat eilte davon. Lebo Axton aber blieb tief in Gedanken versunken zurück. Er hatte das Gefühl, endgültig in einer Sackgasse gelandet zu sein. Er konnte nicht völlig ausschließen, daß der echte Atlan sich tatsächlich auf Protem befand. Es war durchaus möglich, daß Atlan in eine Falle Orbanaschols getappt war. Vielleicht aber war er auch nur zufällig zwischen die Fronten geraten, als die Maahks Protem angegriffen hatten. Die Schergen Orbanaschols konnten die Chance für eine ungeheuerliche Verleumdung blitzartig erkannt und entsprechend reagiert haben. Axton wurde heiß und kalt zugleich, als ihm klar wurde, daß Atlan wirklich auf Protem sein konnte. So schnell und vor allem so unvorbereitet hatte er nicht in seine Nähe kommen wollen. Die Gefahr eines Zeitparadoxons war zu groß. Eine Begegnung mit Atlan konnte unter diesen Umständen katastrophale Folgen zeitigen. Axton war wie gelähmt. Er wußte nicht, was er tun sollte.
7. Arayshkat kehrte in den Raumdiskus zurück. Kelly brachte ihn in die Zentrale. »Stellen Sie sich vor, Axton«, rief er erregt. »Ich habe tatsächlich neue Informationen bekommen.« Der Terraner schreckte aus seinen Gedanken auf. »Erzählen Sie«, sagte er zerstreut. »Was gibt es?« »Man wollte mir zuerst nichts verraten und verlangte Berechtigungsbescheinigungen und anderen bürokratischen Kram von mir«, begann der Arkonide. Axton unterbrach ihn unwirsch. »Ich will keine Darstellung Ihrer persönli-
40 chen Tüchtigkeit und Ihrer Überredungskünste haben«, sagte er schneidend scharf. »Ich will das Ergebnis Ihrer Bemühungen wissen, und zwar sofort.« »Wie reden Sie denn mit mir, Axton?« »So wie man mit einem Mann reden muß, der das Ziel aus den Augen verloren hat. Begreifen Sie denn nicht, worum es hier geht? Atlan ist in höchster Gefahr. Wir können es uns nicht leisten, Zeit zu verschenken.« »Das müssen Sie mir erklären. Sie glauben doch nicht etwa daran, daß Atlan hier ist?« »Darüber später. Erst will ich wissen, was es Neues gibt.« Arayshkat gab nach. Er räusperte sich und sagte: »Es ist noch eine dritte Flotte in der Nähe gewesen, als die Maahks Protem überfielen.« »Eine dritte Flotte?« »Genau, Axton. Es sind arkonidische Piraten gewesen. Sie konnten einwandfrei identifiziert werden. Einer der Offiziere im Raumhafengebäude, oder was von diesem noch übrig ist, vermutete, daß diese Flotte in eine Falle gelockt werden sollte. Niemand hat damit gerechnet, daß die Maahks auftauchen würden.« »Was ist aus den Piraten geworden?« »Die Maahks haben die Lücke im Verteidigungsgürtel genutzt. Die Piraten sind geflohen.« »Geben Sie mir etwas zu trinken«, forderte Axton. Der Arkonide gehorchte. Er reichte ihm einen Becher mit einer roten Flüssigkeit. Axton trank, überlegte kurz und fuhr dann fort: »Es paßt genau. Die Admiralität Orbanaschols III. muß die Lücke selbst geöffnet haben. Man wollte den Piraten an den Kragen. Zufällig muß Atlan hinzugekommen sein. Und da hat man den Plan geändert. Die Schlappe durch die Maahks war unvermeidbar. Jetzt versucht man, die Katastrophe von Protem in einen Erfolg für Orbanaschol zu nutzen. Man schiebt alles Atlan in die Schuhe. Wissen Sie, was das bedeutet?«
H. G. Francis »Nein«, gab Arayshkat verwirrt zu. »Das heißt, daß hier niemand die Rolle Atlans gespielt hat, sondern daß Atlan wirklich auf Protem ist. Arayshkat, wir müssen verhindern, daß er in Gefangenschaft gerät oder von den Schergen Orbanaschols abgeknallt wird. Dabei müssen Sie mir helfen. Oder wollen Sie noch immer so schnell wie möglich nach Barthimore zurückkehren?« »Das kann ich unter diesen Umständen nicht.« »Dann haben wir uns verstanden.« Lebo Axton entwickelte eine geradezu fieberhafte Aktivität. Er mußte Atlan als erster finden. Nur dann konnte er etwas für ihn tun. Dabei galt es allerdings, ein Zeitparadoxon zu verhindern. Er beobachtete Arayshkat, der sich aus den Schiffsbeständen ausrüstete. Der Arkonide legte eine neue Kombination an, die nicht so auffällig und prunkvoll war wie die, die er bis dahin getragen hatte. Sie war mehr auf Kampf und Tarnung ausgelegt. Dazu wählte er kräftige Stiefel und eine leichte Waffe für kurze Distanzen. Einen Narkosestrahler legte er zusätzlich zur Seite, aber damit ging er auf eine kaum merkliche Weise anders um als mit dem tödlich wirkenden Strahler. Axton stutzte. Er hatte den Arkoniden in verschiedenen Situationen kennengelernt und dabei den Eindruck gewonnen, daß er oberflächlich und nicht besonders zuverlässig war. Nun fragte er sich, ob er es wirklich wagen durfte, diesen Mann in einen gefährlichen Einsatz mitzunehmen. Bestand nicht die Gefahr, daß Arayskat das Zeitparadoxon auslöste, das er so fürchtete? Konnte dieser Mann nicht in höchster Gefahr in Versuchung geraten, Atlan zu erschießen, um seine eigene Haut zu retten? Axton erkannte, daß er unter dem Druck der Ereignisse einen Fehler gemacht hatte. Er hatte Arayshkat zu weit in das Geschehen einbezogen. Es wäre besser gewesen, ihn im Diskus zu lassen und die Jagd auf Atlan allein zu unternehmen. »Hören Sie, Arayshkat«, sagte er zögernd.
Der Verräter von Protem »Ich habe mir etwas überlegt.« Der Arkonide kam zu ihm. Er war wie umgewandelt und glich nun wieder jenem Adeligen, der er bei ihrer ersten Begegnung gewesen war. Hochmütig und selbstsicher blickte er auf Axton herab. »Es bleibt bei meinem Entschluß«, erklärte er mit einer Stimme, die erkennen ließ, daß er sich allen Argumenten verschließen würde. »Fürchten Sie nur nicht, ich könnte versagen. Ich bin ein Freund Atlans, und ich werde alles tun, um ihn aus dieser Falle herauszuholen.« »Na schön«, erwiderte Axton nun ebenfalls in einem Ton, der keine Zweifel aufkommen ließ. »Dann sollten Sie auch wissen, daß mir das Leben Atlans höher steht als Ihres. Sollte ich mich zwischen Ihnen und Atlan entscheiden müssen, dann werde ich mich konsequent auf die Seite von Gonozals VII. Sohn stellen.« »Und ich werde ebenso handeln.« »Dann verstehen wir uns ja.« Der Arkonide drehte sich um und legte seine Ausrüstung an. Axton wußte, daß sich ein Abgrund zwischen ihnen aufgetan hatte, der sich so leicht nicht wieder schließen würde. Er bedauerte das, und er beschloß, sich nur auf sich selbst zu verlassen.
* Die Funk- und Ortungsstation des Raumhafens war zwar weitgehend zerstört worden, die vor dem Angriff aufgezeichneten Beobachtungen waren aber noch gut erhalten. Der ranghöchste Offizier der Station überspielte die Bänder auf die Funk- und Ortungsleitstände des Flaggschiffs, und von dort ließ Lebo Axton sich die entsprechenden Daten geben. Aus ihnen ging hervor, welche Flugbahn das abstürzende Raumschiff Atlans genommen hatte. Axton ließ Arayshkat an der Positronik eine Karte von Protem anfertigen und auf ihr den Korridor aufzeigen, in dem Atlan und die Männer, die ihn vermutlich begleitet hatten, abgesprungen sein konnten.
41 Als die Berechnungen abgeschlossen waren, richtete Arayshkat sich auf. Er pfiff leise durch die Zähne. »Es kann Wochen dauern, bis wir Atlan gefunden haben«, sagte er. »Durchaus«, erwiderte Axton gleichmütig. Er umrandete das Gebiet, das sie zu durchsuchen hatten, mit einem roten Stift. Es war etwa fünftausend Kilometer lang und vierhundert Kilometer breit. »Man kann es auch anders formulieren«, fuhr Axton fort. »Atlans Chancen, nicht entdeckt zu werden, sind beträchtlich. Und das ist gut.« Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als ihm die Admiralität des Flaggschiffes eine von der Hauptpositronik gefertigte Landkarte übermittelte. Befriedigt stellte Axton fest, daß man auf dem großen, perfekt ausgestatteten Raumer zu keinem anderen Ergebnis gekommen war. Die Spezialisten der Schiffsführung hatten lediglich noch Zonen unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit angegeben. Danach war die Wahrscheinlichkeit, daß sich Atlan am Beginn oder am Ende der Absturzkurve befand, gleich klein, während sie von beiden Enden her zur Mitte hin gleichmäßig anstieg. Gleichzeitig ließ man Axton wissen, daß bereits einhundertfünfzig Suchgleiter mit Spezialgeräten aufgebrochen waren. »Die anderen haben einen uneinholbaren Vorsprung«, stellte der Arkonide fest. »Das glaube ich nicht«, entgegnete der Terraner. »Ich bin vielmehr der Ansicht, daß sie einen grundlegenden Fehler gemacht haben. Sie haben rein mathematisch, aber nicht psychologisch gedacht.« »Das müssen sie mir schon erklären.« »Das ist doch wirklich einfach«, sagte Robot Kelly mit quietschender Stimme. Er trat unaufgefordert zu den beiden Männern und legte seine Metallhand auf die Karte. »Darf ich die Zonen der Wahrscheinlichkeit einzeichnen, die du meinst?« »Du darfst«, sagte Axton mit einem versteckten Schmunzeln. Er sah das versteinerte
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Gesicht des Arkoniden, der den heimlichen Wink nicht bemerkt hatte, den er Kelly gegeben hatte. Der Roboter nahm einen gelben Stift und markierte damit den oberen und den unteren Rand des Absturzkorridors. »Atlan wird versuchen, so schnell wie möglich aus diesem Gebiet herauszukommen, entweder nach Norden oder nach Süden. Ist es so, Schätzchen?« Dabei blickte er Arayshkat an, der prompt feuchte Augen vor Empörung bekam. »Wenn diese Maschine nicht sofort von hier verschwindet, werde ich sie zerstrahlen«, erklärte er zornig. Kelly kniete sich hin und ließ Axton auf seinen Rücken steigen. »Das wäre sehr unklug«, erwiderte Kelly. Seine Stimme wurde von Silbe zu Silbe dunkler, da er seine Lautsprecher entsprechend einregulierte. »Wenn ich den Weg allen Schrotts antreten sollte, dann müßtest du meinen Herrn schon tragen, Arayshkat. Dabei wage ich zu bezweifeln, daß du mit einem solchen Kerlchen auf dem Rücken so gut aussehen würdest wie ich.« »Dieser … dieser Roboter ist ein Ungeheuer«, sagte der Arkonide keuchend. »Ich verlange, daß Sie ihn ausschalten, Axton. Er wird unser Verhängnis sein.« »Einverstanden, Arayshkat«, antwortete Kennon gelassen. »Aber nur, wenn Sie mich dann tragen.« Der Planetenfürst wandte sich wortlos ab und verließ die Zentrale.
* Als Axton im Bodenladeraum des Schiffes erschien, hatte der Arkonide den Gleiter bereits vorbereitet. Er packte noch einige Vorräte ein, da sie nicht wußten, wie lange sie dem Diskus fernbleiben würden. »Das habe ich auch schon lange nicht mehr selbst gemacht«, sagte er mit einem verkrampften Lächeln. »Können wir starten?« fragte Axton, ohne auf ihn einzugehen.
»Wir können.« Der Arkonide setzte sich hinter das Steuer der Antigravmaschine. Unwillig blickte er auf Kelly, als dieser mit den Füßen gegen die Innentür stieß, aber er beschwerte sich nicht über diese Ungeschicklichkeit, bei der einige Schrammen zurückblieben. Er zuckte zusammen, als der Roboter die Tür schloß und dabei offensichtlich etwas zu heftig vorging. Sie sprang wieder auf, so daß er sie erneut zuschlagen mußte. »Arkatadische Produktion?« fragte Axton. »Allerdings«, antwortete der Arkonide. »Bis auf einige Kleinigkeiten absolut erstklassig.« »Man sollte auf Arkon II kaufen«, sagte der Verwachsene gleichmütig. »Ich habe erfahren, daß Orbanaschol III. geschäftliche Anteile an der arkonidischen Gleiterproduktion hat. Es stimmt ihn unfreundlich, wenn hochgestellte Persönlichkeiten des Imperiums die Konkurrenz bevorzugen.« »Mir scheint, ich habe eine ganze Reihe von Fehlern gemacht«, erwiderte Arayshkat. Er startete. Der Gleiter schwebte durch die offene Schleuse auf das Raumfeld hinaus und gewann schnell an Höhe. Arayshkat beschleunigte voll. Er zog die Maschine über das Raumhafengebäude hinweg und lenkte es nach Osten. Erst jetzt konnte Lebo Axton das volle Ausmaß der Zerstörungen erkennen. Die Maahks hatten erbarmungslos zugeschlagen. Von der Stadt, die ehemals zu dem Raumhafen gehört hatte, war so gut wie nichts mehr vorhanden. Aus der Aschemasse ragten hier und da zerschmolzene Reste von Gebäuden hervor. Wenn die Stadt nicht rechtzeitig evakuiert worden war – womit Axton nicht rechnete –, dann mußte es hier Millionen von Toten gegeben haben. Und das sollte auf das Konto Atlans gehen? Ausgeschlossen. Hier ging es ausschließlich darum, Atlan für alle Zeiten politisch zu vernichten. Arayshkat flog über eine flache Hügelkette, folgte dann einem allmählich aufsteigenden Bergrücken und überquerte schließlich
Der Verräter von Protem ein Gebirge, das bis zu etwa siebentausend Meter Höhe aufragte. Axton konnte eine vollkommen intakte Stadt mittlerer Größe sehen, die eingebettet zwischen steil aufsteigenden Bergen lag und aus diesem Grunde von den Maahks übersehen worden sein mochte. Die hochstehende Sonne schuf leuchtende Reflexe an den schneebedeckten Hängen, und von einigen Felszacken hingen mächtige Eiszapfen herunter, die in allen Farben schimmerten. In diesem Moment schrie Axton auf. »Arayshkat. Jetzt habe ich es.« Der Arkonide blickte verwundert über die Schulter zurück. »Was haben Sie?« fragte er, befremdet über den Temperamentsausbruch des Verwachsenen. Dieser beugte sich zu ihm herüber und packte ihn am Arm. »Landen Sie dort unten«, befahl er. »Warum? Glauben Sie, daß Atlan dort ist?« »Atlan? Nein. Ich spreche von etwas ganz anderem. Schon seit Tagen habe ich überlegt, woher ich den Namen Protem kenne. Ich wußte, daß ich ihn in irgendeinem Zusammenhang schon einmal gehört hatte.« »Ja und? Was ist daran so aufregend?« Lebo Axton lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Stimmt es nicht, daß Protem eine golden schimmernde Druckfolie auf bestimmte Postsachen setzt?« »Das mag sein«, entgegnete der Arkonide gleichgültig. »Davon verstehe ich nichts. Ist das wichtig.« »Landen Sie endlich.« Der Arkonide begriff nicht, was Axton wollte, aber er gehorchte. Er drückte den Gleiter steil nach unten, bis sie in nur wenigen Metern Höhe über die Häuser der Stadt hinwegglitten. »Dort ist es«, rief der Gesandte des Imperators. Er streckte den Arm aus und zeigte auf ein unscheinbares Gebäude. »Das ist die Post. Was wollen Sie dort?« Axton antwortete nicht. Er wartete, bis
43 der Arkonide gelandet war, dann sprang er aus dem Gleiter und eilte keuchend in das Haus. Wenig später blieb er vor einem Schaukasten stehen, in dem die verschiedenen Goldfolien des Planeten Protem gezeigt wurden. Es waren mehr als fünfzig verschiedene vorhanden. In allen Größen und von unvergleichlicher Reinheit. Auch die gezackte Protem war dabei. Arayshkat erschien neben Axton. »Was ist mit Ihnen los?« fragte er kopfschüttelnd. »Weshalb drehen Sie durch, nur weil es hier ein paar ungewöhnliche Briefmarken gibt.« »Briefmarken«, sagte Axton erregt. »Sie ahnen ja nichts. Hier sehen Sie die größten Kostbarkeiten vor sich, die …« Er stöhnte leise und schüttelte nun ebenfalls den Kopf. »Aber das können Sie schließlich nicht wissen. Davon haben Sie keine Ahnung. Ich sage Ihnen, Arayshkat, diese Folien werden einmal zu den begehrtesten Kostbarkeiten der Galaxis gehören. Ich habe gesehen, wie Männer dafür …« Er brach erneut ab, ging zu einem Automaten, steckte ein paar Münzen hinein und zog mehrere Serien von Goldfolien. Geradezu andächtig schob er sie sich in die Innentasche seiner Kombination. »Jetzt können wir weiterfliegen«, sagte er. Dabei ging er schlurfend auf den Ausgang zu. Er schwankte zwischen Glück und Ärger. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht ein einziges Mal daran gedacht, daß er bei seinem Ausflug in die Vergangenheit des arkonidischen Imperiums Gelegenheit haben würde, die philatelistischen Kostbarkeiten, die es nur noch in ganz geringer Zahl gab, an ihrem Ursprungsort in ihrer Ursprungszeit zu sehen. In der Zeit, aus der er kam, wurden die Goldfolien von Protem, von denen es nur noch fünf in der gesamten Galaxis gab, zu Preisen gehandelt, zu denen man sich auch ein Raumschiff kaufen konnte. Mit seinem Verhalten hatte er sich aber aufs Glatteis begeben. Er wußte es. Er hatte
44 den Argwohn des Arkoniden erweckt. Doch das war ihm egal. Er hätte es sich nie verzeihen können, wenn er darauf verzichtet hätte, diese Chance wahrzunehmen, obwohl er die Folien niemals mit zurück in seine eigene Zeit nehmen konnte. »Ich gebe zu, daß es eigentlich kaum noch etwas gibt, worüber ich bei Ihnen nicht überrascht wäre«, sagte Arayshkat sarkastisch. »Diese Verrücktheit aber müssen Sie mir erklären.« »Später«, erwiderte Axton. »Sehen Sie doch!« Er blieb vor einem Video stehen. Auf dem Bildschirm war eine Art Steckbrief zu sehen. Der Mann auf dem Bild glich dem Atlan, den Kennon kannte, in jeder Weise. Er war lediglich um etwa fünfzehn bis zwanzig Jahre jünger. Darunter stand eine Beschreibung. Der Name Atlan wurde in großen, auffälligen Buchstaben aufgeführt. Eine außerordentlich hohe Belohnung war auf den Gesuchten ausgesetzt, der lebend abgeliefert werden mußte. Axton stutzte. Warum wurde diese Bedingung immer wieder derart betont? »Kommen Sie, Arayshkat. Wir müssen uns beeilen. Wir haben schon genug Zeit verloren.« »Sie tun gerade so, als wäre ich dafür verantwortlich.« Der Roboter saß noch im Gleiter, als die beiden Männer zurückkehrten. »Atlan ist hier gewesen«, sagte er, als Axton neben ihm saß. Wie vom Schlag getroffen, fuhr der Terraner herum. »Wie kommst du darauf?« fragte er. »Ich habe es gehört. Als du da drinnen warst, um unerfindlichen Interessen nachzugehen, kamen hier einige Männer vorbei. Sie hatten ein Fahndungsbild von Atlan gesehen und sprachen darüber. Sie erwähnten, daß sie diesem Mann keine Nahrungsmittel gegeben hätten, wenn sie gewußt hätten, wer es war.« »Wir sind hier weitab von der Wahrscheinlichkeitszone«, wandte Axton ein.
H. G. Francis »Das ändert nichts daran, daß ich diese Worte gehört und gespeichert habe.« »Wo sind diese Männer.« Der Roboter streckte einen Arm aus und zeigte die Straße hinunter. In einer Entfernung von etwa zweihundert Metern stand eine Gruppe von Männern diskutierend zusammen. »Fliegen Sie hin«, befahl Axton. »Schnell.« Der Arkonide startete augenblicklich. Kennon konnte sein Glück nicht fassen. Einem unerhörten Zufall hatten sie es zu verdanken, daß sie die Spur Atlans gefunden hatte. Axton fragte sich, warum er beim Anblick dieser Stadt plötzlich auf einen ungewöhnlichen Gedanken gekommen war. Er erinnerte sich nicht daran, daß er jemals während einer kriminalistischen Arbeit private Interessen verfolgt hatte. Sollte für einen kurzen Moment so etwas wie eine semitelepathische Verbindung zustande gekommen sein? Oder hatte er irgend etwas in der Umgebung der Stadt gesehen, was er unbewußt in sich aufgenommen hatte? Er konnte sich den Vorfall selbst nicht erklären. Der Gleiter landete vor der Gruppe. Lebo Axton gab Kelly einen Wink. Der Roboter stieg aus, kniete sich hin und ließ ihn wortlos aufsteigen. Allein dieser Vorgang genügte, die Männer der Gruppe auf Axton aufmerksam zu machen.
8. »Er ist seit zwei Stunden weg«, sagte der Stadtfürst. Er überragte die anderen Männer deutlich. Ein dichter Bart zierte sein Kinn. Das schlohweiße Haar fiel ihm bis auf die Hüften herab. Ein violettes Insekt, das einer Gottesanbeterin ähnlich sah, aber etwa doppelt so groß war wie diese, bewegte sich träge im Haar des Arkoniden. Dabei gab es zirpende Laute von sich. »In welche Richtung ist er geflogen?« fragte Axton. Der Weißhaarige zeigte nach Nordwesten.
Der Verräter von Protem »Er hat also einen Gleiter gekauft und ist mit den acht Männern verschwunden, die ihn begleitet haben«, faßte Axton zusammen, was man ihm erzählt hatte. »Alle neun Männer waren mit Energiestrahlern bewaffnet. Was ist da oben im Nordwesten? Eine Stadt?« »Eine Großstadt«, erwiderte der Stadtfürst. »Es ist die einzige Großstadt, die unbeschädigt davongekommen ist.« »Wieviele Männer verfolgen ihn?« »Ungefähr dreißig in insgesamt zwanzig Gleitern.« »Haben Sie der Imperiumsflotte gemeldet, daß Atlan hier war?« Der Weißhaarige lachte ihm ins Gesicht. »Wenn Ihr verdammter Roboter nicht zufällig etwas gehört hätte, dann hätten wir Ihnen auch nichts gesagt. Diese Stadt könnte die Belohnung ganz gut gebrauchen. Ich sehe nicht ein, weshalb wir uns selbst um unsere Chance bringen sollten.« Kennon fühlte ein leichtes Pochen im Hinterkopf, das allmählich kräftiger und schmerzhafter wurde. Für einige Sekunden flimmerte es vor seinen Augen, so daß er kaum etwas sehen konnte. Er klammerte sich an die Haltegriffe auf den Schultern des Roboters, da er fürchtete, herunterzufallen. »Vielen Dank«, sagte er mühsam. »Wir werden weiterfliegen. Zum Gleiter, Kelly. Rasch.« Er hob grüßend eine Hand und ließ sich zur Flugkabine zurücktragen. Er fühlte sich erst wieder besser, als er in den Polstern seines Sessels saß. Seine Blicke klärten sich. Er legte die Hände an den Hinterkopf, in dem das schmerzhafte Pochen nachließ. Beunruhigt fragte er sich, was in ihm vorging. »Ist etwas nicht in Ordnung, Axton?« »Doch, Arayshkat. Starten Sie, bitte. Wir wollen keine Zeit verlieren.« Der Arkonide lenkte die Maschine steil in die Höhe und brachte sie dann auf Nordwestkurs. Hin und wieder blickte er zu dem Verwachsenen hinüber, der zusammengesunken neben ihm saß. Das Gesicht Axtons war vor Schmerz verzerrt, und die Hände,
45 die er sich an den Hinterkopf preßte, zitterten. »Mit Ihnen stimmt etwas nicht«, sagte der Planetenfürst. »Ich bringe Sie zu einem Arzt.« »Das ist nicht nötig«, erwiderte Axton. Er richtete sich ächzend auf. Sein Gesicht entspannte sich. »Jetzt scheint es vorbei zu sein.« Er nahm einige Tabletten aus der Bordapotheke und schluckte sie herunter. Die Wirkung setzte schnell ein. Axton versuchte, sich ausschließlich auf die Umgebung und die Jagd auf Atlan zu konzentrieren, aber es gelang ihm nicht ganz. Sie flogen über eine Landschaft von eigenartigem Reiz hinweg. Zwischen niedrigen Hügeln und vereinzelten Felskuppeln lagen zahllose Seen von unterschiedlicher Größe. Ihre Ufer wurden von teils grünen, teil flammend roten Bäumen umsäumt. Und im flachen Wasser hielten sich Schwärme von Vögeln auf, die an Flamingos erinnerten. »Arayshkat, fliegen Sie weiter nach Westen«, sagte Axton. »Ich glaube nicht, daß Atlan in die Großstadt flüchten will. Er wird sich irgendwo auf dem freien Land verstecken.« »Das ist eine Hypothese.« »Wir wollen nicht darüber diskutieren. Gehen Sie auf Westkurs.« Der Arkonide befolgte den Befehl. Er sah nicht, daß die Augen des Mannes neben ihm für einige Sekunden glasig wurden. Axton kämpfte wieder mit den Schmerzen in seinem Kopf, überwand sie dieses Mal aber schnell. Er wunderte sich darüber, daß er sich dessen so sicher war, daß seine Anordnung stimmte. Er spürte förmlich, daß er eine Art Kontakt mit der Atlangruppe aufgenommen hatte, so als könne er sie in der Ferne sehen. Irgendwo weit vor ihm schien ein Punkt zu sein, den er ansteuern mußte, und der einzig und allein als Ziel in Frage kam. Axton wehrte sich nicht gegen dieses Gefühl, da er nicht ausschließen konnte, daß es auf eine parapsychische Kraft zurückging. Es war möglich, daß unter den Freunden At-
46 lans ein Mann war, der ihm half, die Spur zu finden. Das Bild der Landschaft änderte sich. Unter dem Gleiter dehnten sich endlos scheinende Wälder. Die Bäume standen so dicht, daß der Boden nicht zu sehen war. Arayshkat deutete nach unten. »Wenn sie sich da verstecken und alle Energiequellen ausschalten, werden wir sie so leicht nicht finden.« »Irrtum. Sie müßten sich schon von aller Technik und von allem Ausrüstungsmaterial trennen, wenn sie nicht geortet werden wollen. Auf lange Sicht haben sie keine Chance, es sei denn, daß sie ein Raumschiff auftreiben, mit dem sie ihre Flucht fortsetzen können. Wo aber sollte hier so etwas sein?« »Vielleicht da drüben?« Arayshkat zeigte auf einen schwach glänzenden Punkt, der sich südwestlich vor ihnen befand und etwa zwanzig Kilometer von ihnen entfernt war. Der Arkonide änderte den Kurs, ohne eine Anweisung Axtons abzuwarten. Gleichzeitig beschleunigte er, flog aber noch immer in einer Höhe von etwa dreihundert Metern. »Gehen Sie weiter nach unten«, sagte Axton. »Man braucht uns nicht früher zu sehen als unbedingt notwendig.« Arayshkat ließ die Maschine nun so weit absinken, daß sie nur noch knapp über die Baumwipfel hinwegstrich. Ein Verband von sieben Diskusraumern zog hoch über ihnen hinweg. Er lag auf einem nordwestlichen Kurs. Allmählich konnte Kennon besser erkennen, welches Ziel Arayshkat anflog. Drei Türme erhoben sich aus dem Grün der Wälder. Sie schienen aus Metall gefertigt oder verschalt zu sein. Daneben befand sich eine Kuppel. Axton wies den Arkoniden auf eine Bodenrinne hin, in der sie sich weniger auffällig nähern konnten. Arayshkat lenkte den Gleiter hinein und drosselte die Geschwindigkeit. Nun schwebten sie im Sichtschutz der Bäume an die Türme heran, auf denen seltsam verkrümmte Gebilde befestigt waren. »Es ist eine Ruine«, sagte Axton.
H. G. Francis »Vielleicht ist es der Jagdsitz eines Reichen gewesen«, fügte der Arkonide hinzu. Sie erreichten das Ende der Rinne. Hier standen die Bäume so licht, daß sie unter den Kronen hindurchfliegen konnten. Auf diese Weise kamen sie bis an das Ufer eines Sees heran. Die Ruine stand auf einer kleinen Insel und war nur mit einem Gleiter oder einem Boot zu erreichen. Arayshkat stoppte die Maschine hinter einigen Büschen. Axton richtete die Bordoptik auf den halbverfallenen Bau und regulierte die Brennweite neu ein. Auf dem Bildschirm wurden Einzelheiten sichtbar, die mit bloßem Auge nicht erkennbar gewesen wären. Ein kaum hörbares Surren zeigte Axton an, daß Kelly seine optischen Einrichtungen ebenfalls auf die Ruine ausrichtete. »Da ist etwas«, sagte der Roboter. »Ich sehe nichts«, erwiderte Arayshkat. Er beugte sich über den Bildschirm, während Axton den Blickwinkel allmählich veränderte, so daß die Kamera nach und nach das gesamte Gebäude erfaßte. Es schien tatsächlich aus Stahl errichtet worden zu sein. Die Türme waren mit der Kuppel verbunden. Sie hatten nur wenige Fenster, die dicht unter der Spitze lagen. Von dort aus konnte ein Beobachter weit über das Land hinaus sehen. »Wo?« fragte der Kosmokriminalist. »Im rechten Turm am obersten Fenster steht ein Mann«, erklärte der Roboter. Axton richtete die Kamera auf die angegebene Stelle und sah gerade noch, wie eine menschliche Gestalt aus dem Fenster verschwand. »Du hast recht«, sagte er. »Da war jemand.« »Ich habe immer recht«, entgegnete der Roboter mit quietschender Stimme. »Das unterscheidet mich ja von dir. Deshalb frage ich mich manchmal, wer von uns beiden das höhere Geschöpf ist. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß ich …« »Sei endlich still«, befahl Axton. »Deine Schwatzhaftigkeit deutet auf alles andere als ein hohes Niveau hin.«
Der Verräter von Protem »Du hast den falschen Ausdruck gewählt. Schwatzhaftigkeit und Beredsamkeit sind zwei völlig verschiedene …« »Still!« »Aber nur unter Protest, Schätzchen.« Axton seufzte. Kelly hatte die fatale Eigenschaft, stets im unpassendsten Moment Vorträge halten zu wollen. »Da drüben ist jemand«, sagte er. »Es könnte Atlan mit seinen Männern sein. Wir müssen hinüber.« »So offen? Das schaffen wir nie. Die schießen uns ab, bevor wir nahe genug heran sind und mit ihnen sprechen können«, wandte der Arkonide ein. »Es geht nicht anders. Natürlich könnten wir versuchen, Funkkontakt mit ihnen aufzunehmen, aber davon halte ich nicht viel. Damit könnten wir andere Suchtrupps aufmerksam machen, und genau das müssen wir vermeiden. Wir müssen in aller Ruhe mit Atlan reden können, ohne andere anzulocken. Also müssen wir zur Insel und sozusagen mit erhobenen Händen auf Atlan zukommen.« »Das ist gefährlich. Was sollen wir tun, wenn seine Leute das Feuer auf uns eröffnen?« »Das werden sie nicht tun. Sollte es aber doch dazu kommen, dürfen wir auf gar keinen Fall zurückschießen. Wir werden uns trennen.« »Der Roboter kann fliegen?« fragte Arayshkat überrascht. »Er hat ein Antigravtriebwerk«, antwortete Axton. »Ich bin in jeder Hinsicht überragend«, fügte Kelly hinzu. »Auf deine äußerliche Erscheinung trifft das ausnahmsweise zu. Du bist der häßlichste Roboter, der mir je begegnet ist«, sagte Axton. »Und jetzt raus mit dir aus den bequemen Polstern.« Der Roboter stieg aus und blieb neben dem Gleiter stehen. »Sie nähern sich der Insel auf direktem Kurs. Ich fliege mit dem Roboter weiter nach Westen. In fünfzehn Minuten stoßen
47 wir gleichzeitig vor. Und denken Sie daran: nicht schießen!« »Ich habe nicht die Absicht, Gonozals VII. umzubringen. Sie können sich also auf mich verlassen.« Kennon winkte Kelly heran und kletterte auf seinen Rücken. Lautlos erhob sich der Roboter und flog davon. Er blieb unter den Bäumen und bewegte sich geschickt voran, so daß er von der Ruine aus nicht zu sehen war. Als die vereinbarte Zeit verstrichen war, hatte er ungefähr den Punkt erreicht, den er sich zum Ziel gesetzt hatte. »Los jetzt«, sagte Axton. Kelly brach unter den Bäumen hervor. Bis zu diesem Moment hatte er sich aufrecht bewegt, nun aber ließ er sich nach vorn kippen, so daß Axton auf seinem Rücken lag. Er jagte flach über die Wasseroberfläche auf die drei Türme und die Kuppel zu. Kennon konnte Arayshkat sehen, der sich der Ruine mit dem Gleiter näherte. Der Arkonide flog jedoch nur langsam und zögernd. Doch darauf achtete Axton kaum. Er blickte voller Entsetzen nach Süden. Von dort her zog eine Flotte von etwa zwanzig Diskusraumern heran. Die Insel mit den verfallenen Bauten lag genau auf ihrem Kurs. »Schneller«, schrie Kennon. Er wollte die Ruine auf jeden Fall erreicht haben, bevor die Raumschiffe da waren. So hoffte er, sich noch rechtzeitig vor ihnen verstecken zu können. Es galt, jegliche Aktivität zu vermeiden. Ein einziger Schuß aus einer Energiewaffe konnte bereits zum verräterischen Signal werden. Sekundenlang war er versucht, Verbindung mit Arayshkat aufzunehmen, um ihn noch einmal eindringlich zu warnen, aber er verzichtete darauf, weil er damit ebenfalls hätte auffallen können. Kelly erreichte die ersten Bäume auf der Insel. Zum gleichen Zeitpunkt kam der Gleiter etwa hundert Meter von ihnen entfernt bei einem der drei Türme an. Der Roboter jagte an der von Rost bedeckten Metallwand der Kuppel entlang. Erst jetzt konnte Axton sehen, daß ein großes Loch in der Kuppel
48 klaffte. Bisher war es von Bäumen und einem Felsen verdeckt gewesen. Auf diese Öffnung steuerte Arayshkat zu. Zwischen den Trümmern einiger Maschinen tauchten mehrere Männer auf. Unter ihnen befand sich ein athletisch gebauter Arkonide mit schlohweißem Haar. Sinclair Marout Kennon identifizierte ihn augenblicklich als Atlan. Er zweifelte nicht daran, daß dies der Mann war, dem die ganze Suche galt. Einer der Männer hielt einen schweren Energiestrahler in der Armbeuge. Er schoß auf den Gleiter Arayshkats. Der Blitz zuckte aus seiner Waffe hervor und strich dicht über die Flugkabine hinweg. Der Planetenfürst von Barthimore zog die Maschine zur Seite. Wieder fiel ein Schuß. Dieses Mal hatte Atlan gefeuert, und er traf. Im Heck des Gleiters explodierte etwas. Dadurch geriet die Maschine aus dem Kurs. Sie prallte gegen die Metallkuppel und durchstieß sie an einer Stelle, an der sie offensichtlich vollkommen durchgerostet war. Mit dem Bug blieb sie darin stecken. Der Arkonide kletterte durch die herausgeplatzte Frontabdeckung heraus. In der Hand hielt er seinen Energiestrahler. »Nicht«, schrie Axton, doch seine Stimme war heiser und krächzend. Die Erregung übermannte ihn, und seine Warnung kam zu spät. Arayshkat zielte auf Atlan und löste seine Waffe aus. Der Weißhaarige warf sich unglaublich schnell zur Seite. Der Energiestrahl fuhr an ihm vorbei, und schon im nächsten Moment schoß Atlan zurück. Er traf. Der Blitz hüllte Arayshkat ein. Seine Kombination schien aufzuglühen. Für Bruchteile von Sekunden sah es so aus, als werde der Arkonide von einem hautengen Energieschirm umgeben. Doch das täuschte. Er brach zusammen, stürzte auf die Metallkuppel und rutschte daran herab. Kennon sah die Brandwunde, die seine Brust verunstaltete, und er wußte, daß der Planetenfürst tot war.
H. G. Francis Er selbst fühlte sich wie gelähmt. Nun war es ihm endlich gelungen, Atlan zu finden, aber durch die panikartige Reaktion Arayshkats wurden die Schergen Orbanaschols angelockt. Die Raumschiffe senkten sich bereits herab. Wie sollte er Atlan aus dieser Falle herausholen? Es erschien absolut unmöglich, daß es hier noch ein Entkommen geben konnte. Dennoch wollte der Terraner noch nicht aufgeben. »Atlan!« schrie er, und dieses Mal klang seine Stimme klarer und lauter. Der Arkonide hörte ihn. Er fuhr herum und blickte zu ihm herüber. Selbstverständlich konnte er ihn nicht kennen. Er würde ihm ja erst zehntausend Jahre später begegnet sein, wenn Kennon sich nicht durch die Traummaschine in die Vergangenheit hätte schleudern lassen. So sah Atlan in dem Verwachsenen, der nun rittlings auf dem Roboter saß, einen Gegner. Er gestikulierte kurz und zog sich dann fluchtartig mit seinen Männern in die Metallkuppel zurück. Nun war es endgültig zu spät. Kennon blickte nach oben. Die Diskusraumer schwebten direkt über der Ruine. Sie hatten die Energieschüsse bemerkt und würden nun nicht mehr von der Stelle weichen, bis die Kommandanten wußten, was hier gespielt wurde. Die Formation löste sich auf. Die Raumer glitten langsam auseinander und bildeten schließlich einen großen Kreis, dessen Mittelpunkt die Kuppel mit den drei Türmen bildete. Zugleich senkten sie sich herab. »Landen«, befahl Axton. Er wartete, bis der Roboter seine Füße auf den Boden gesetzt hatte. Dann zog er seinen Energiestrahler aus dem Gürtel und überprüfte ihn. Die entsicherte und schußbereite Waffe lehnte er auf die Schulter Kellys. »Langsam voran, Kelly.« Der Roboter setzte sich wieder in Bewegung. Er nutzte die Deckung der Bäume und der Felsen aus, als ob er sich der Gefahr be-
Der Verräter von Protem wußt sei. Axton stellte überrascht fest, daß er sich auch in dieser Situation äußerst geschickt verhielt. Wieder einmal fragte er sich, wem das Positronikgehirn früher einmal gehört haben mochte. Er wäre nicht verwundert gewesen, wenn sich herausgestellt hätte, daß Kelly zu illegalen Aufgaben herangezogen worden war. Als er Arayshkat sah, stoppte er den Roboter. Der Planetenfürst lag in eigenartiger Haltung auf dem Boden. Sein Gesicht war verzerrt. Noch im Tode war es von Angst und Panik gezeichnet. Kennon biß sich auf die Lippen. Jetzt bereute er, daß er den Arkoniden an der Aktion beteiligt hatte. War dies wirklich der einzige Weg gewesen, ihn vor einem neuen Todeskommando Orbanaschols zu retten? Axton blickte auf die Öffnung in der Metallkuppel. Er konnte kaum etwas erkennen. Schrott und Gerumpel lagen im Dunkeln. Atlan und seine Männer konnten überall sein. Sie konnten ihn aus sicherer Deckung heraus abschießen. Er zögerte. Wieder hatte er das Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmte. Das Unbehagen, das ihn erfaßt hatte, seit die ersten Flüchtlinge von Protem nach Barthimore gekommen waren, machte sich verstärkt wieder bemerkbar. Warum floh er nicht einfach? War es nicht bedeutend besser, wenn er sich nicht um Atlan kümmerte? Schließlich wußte er mit absoluter Sicherheit, daß Atlan zehntausend Jahre später noch leben und einer der bedeutendsten Männer des Solaren Imperiums sein würde. Er würde als Lordadmiral Chef der United Stars Organisation sein. Er – Sinclair Marout Kennon – würde durch die Initiative und den Mut dieses Mannes einen Feuerschlag überleben, der normalerweise tödlich sein mußte. Durch ihn würde er zu einem perfekten Robotkörper kommen, in dem er praktisch unsterblich sein würde. Warum floh er nicht?
49 Er wußte doch, daß Atlan nichts passieren konnte. Auf irgendeine Weise würde der Sohn Gonozals VII. aus dieser Falle entkommen. Durfte er überhaupt hier bleiben? Mußte er nicht ein Zeitparadoxon auslösen, wenn er eingriff? Bestand nicht die Gefahr, daß Atlan dann starb, und daß dadurch die Zukunft entscheidend verändert wurde? Unschlüssig blickte Axton zu den Raumschiffen hinauf. Bei ihnen tat sich überhaupt nichts. Axton wischte sich die feucht werdenden Hände an den Oberschenkeln ab. Seine Gedanken überschlugen sich. Er zwang sich zu höchster Konzentration und ging blitzschnell noch einmal alle Fakten durch, die sich in den letzten Tagen ergeben hatten. Die Ereignisse rollten vor seinen Augen ab. Er glaubte, die Stimme eines jeden einzelnen Mannes zu hören, mit dem er gesprochen hatte. Fieberhaft suchte er nach dem Fehler in seinen Überlegungen. Und dann plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er atmete tief durch. Seine Hände krallten sich um die Haltebügel auf den Schultern des Roboters. »Weiter, Kelly«, befahl er. »Wir steigen auf und schleichen uns durch eines der Fenster in den Bau. Los doch, du lahmer Hund, worauf wartest du noch?« Während der Roboter den Befehl befolgte, antwortete er: »Darauf, daß du es dir vielleicht doch noch anders überlegst.« »Ich würde vorsichtig sein. Sieh dich lieber um. Schau dir an, was aus all dem schönen Metall hier geworden ist. Wenn ich will, sorge ich dafür, daß du dich bei vollem Bewußtsein langsam in wunderschönen Rost umwandeln wirst.« »Ich kann nicht rosten. Ich bin aus Edelstahl.« »Das glaubst du, Kelly. Ich weiß es besser. In dieser Hinsicht hat man dir falsche Informationen eingegeben. Sieh dich also vor.« »Ich muß darüber nachdenken.«
50 »Aber leise, wenn ich bitten darf.« Der Roboter hatte ein Fenster an einem der Türme erreicht. Es bestand nur noch aus einem offenen % Rahmen. Glassplitter lagen auf dem Boden herum. Der Automat schwebte in einen mit Gerumpel gefüllten Raum und scheuchte einen Schwarm von Vögeln auf. Kreischend entwichen die Tiere durch das Fenster. Axton hörte, daß sich unter ihnen etwas bewegte. Ein Mann schien über eine Treppe nach unten zu laufen. Der Terraner dirigierte den Roboter zu einer Tür, die halb offen stand. Mühelos schob Kelly sie zur Seite. Er schaltete seinen Scheinwerfer an und beleuchtete damit eine Steintreppe, die nach unten führte. »Fliegen«, befahl Axton. »Lautlos bewegen. Und das Licht aus. Du kannst dich auch mit anderen Mitteln orientieren.« Der Roboter gehorchte. Axton schloß die Augen, um sich schneller an die Dunkelheit zu gewöhnen. Er fühlte, daß Kelly den Flug nach unten begann. Die Maschine konnte sich mit Hilfe ihrer Nachtsichtgeräte mühelos orientieren. Nach etwa einer Minute kamen sie an eine Stelle, an der die Metallwand aufgebrochen war. Offenbar war hier vor langer Zeit einmal ein Geschoß eingeschlagen. Die nach innen gebogenen Aufrißränder deuteten es an. Axton blickte hinaus. Er sah, daß aus den Raumschiffen Bodenkampftruppen und Roboter herabregneten. Die Zeit lief ab. Jetzt kam es nur noch darauf an, wer die letzten nochverbleibenden Minuten besser nutzen konnte. Kelly bewegte sich weiter. Unter ihnen fiel eine Tür quietschend zu, doch sie schloß nicht völlig ab, so daß Lichtstreifen sichtbar blieben. »Vorsicht«, flüsterte Axton, als sie sich ihr näherten. »Noch nicht öffnen.« Er richtete sich auf und beugte sich vor. Behutsam stemmte er seine Hände gegen die Wand und spähte durch die Türspalte hindurch. Atlan stand zusammen mit einem un-
H. G. Francis tersetzten Mann zwischen zwei beschädigten Maschinen, deren ursprüngliche Funktion nicht mehr zu erkennen war. Beide Männer hielten ihre Energiestrahler schußbereit in den Händen, blickten aber nicht zur Tür, sondern in eine andere Richtung. Sie machten einen ruhigen und konzentrierten Eindruck. Schräg über ihnen mußte sich eine Öffnung in der Metallkuppel befinden, denn von dort fiel genügend Licht auf sie herab, so daß sie gut zu erkennen waren. »Achtung«, sagte Kennon. »Kannst du die Tür mit einem Schlag öffnen?« »Bestimmt«, antwortete der Roboter, der vorsichtigen Druck auf die Tür ausübte. »Dann los!« Kelly warf sich kraftvoll nach vorn. Lebo Axton klammerte sich an die Haltebügel, um nicht herunterzufallen. Krachend flog die Stahltür auf. Der Roboter stürmte auf die beiden Arkoniden zu, die offensichtlich vollkommen überrascht waren, obwohl sie doch damit hatten rechnen müssen, aus dem Turm heraus angegriffen zu werden. Atlan reagierte am schnellsten. Er sprang zur Seite und geriet dadurch in die Deckung einer Maschine. Der andere Arkonide riß seine Waffe hoch und feuerte überhastet. Lebo Axton duckte sich unwillkürlich, doch der Blitz zuckte hoch über ihn hinweg und schlug in die Metallkuppel ein. Kennon erwiderte das Feuer. Und er traf. Der Energiestrahl aus seiner Waffe durchbohrte die Brust des Mannes und schleuderte ihn zu Boden. In diesem Moment verlor der Verwachsene den Halt, da Kelly sich ruckartig zur Seite bewegte, um einem Schuß Atlans zu entgehen. Der Terraner stürzte mit einem Aufschrei zu Boden. Er versuchte, sich über die Schulter abzurollen, was ihm in seinem perfekten Robotkörper sicherlich mühelos gelungen wäre. So aber kam er hart und schmerzvoll auf. Die Waffe fiel ihm aus der Hand. Er warf sich rasch nach vorn, packte sie und rollte sich bemerkenswert schnell in Deckung, während Roboter Kelly mit einem Riesensatz hinter einer Maschine ver-
Der Verräter von Protem schwand. Sinclair Marout Kennon hörte die stampfenden Schritte der Roboter und der Arkoniden, die die Metallkuppel stürmten. Vereinzelte Schüsse fielen. Atlan sprang auf und rannte geduckt auf eine Tür zu. »Stehenbleiben«, schrie der Terraner. Als der Weißhaarige weiterlief, hob Kennon den Energiestrahler und schoß. Der nadelfeine Energiestrahl raste fauchend am Kopf Atlans vorbei und zwang diesen, erneut in Deckung zu gehen. »Ich will ihn lebend«, brüllte einer der arkonidischen Offiziere aus den Raumschiffen. »Stellen Sie das Feuer ein.« Atlan stürmte aus seiner Deckung hervor. Er hielt seinen Blaster hoch und zielte dabei auf Lebo Axton. Dieser erkannte die Gefahr rechtzeitig und flüchtete zur Seite. Keine Sekunde zu früh. Atlan feuerte seine Waffe ab. Der Energiestrahl schlug in die Trümmer der Maschine ein und verwandelte sie in ein Chaos aus funkensprühendem und sich verflüssigendem Metall. Kennon schrie gellend auf vor Schmerz, als ihm ein Tropfen glutflüssigen Metalls auf den Arm fiel. Mit der Waffe streifte er ihn ab, ohne dabei eine schwere Verbrennung verhindern zu können. Tränen schossen ihm in die Augen. Er sah Atlan verschwommen vor sich auftauchen, riß seinen Nadelstrahler hoch und löste ihn aus. Seine Umgebung schien plötzlich nur noch aus atomarer Energieflut zu bestehen. Nahezu unerträgliche Hitze trieb ihn hoch und zwang ihn zum Rückzug. Er hörte die lauten Stimmen der arkonidischen Offiziere des Bodenkommandos, und rückwärts schreitend beobachtete er Atlan, der mit geweiteten Augen noch immer an der gleichen Stelle stand. Er preßte beide Hände gegen den Bauch. Sekunden hielt er sich noch auf den Beinen, dann drehte er sich halb um sich selbst und stürzte tot zu Boden. »Sie haben ihn erschossen«, sagte ein arkonidischer Offizier in maßlosem Zorn.
51 »Was sollte ich tun?« fragte Kennon keuchend. »Ich wollte ihn lebend haben, aber er trieb mich in die Enge. In Notwehr blieb mir gar nichts anderes übrig, als zu schießen.« Robot Kelly kam zu ihm, doch Kennon gab ihm kein Zeichen, sich hinzuknien. Der Verwachsene wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und blickte sich um. Wo er eben noch mit Atlan und dem Roboter allein gewesen war, wimmelte es nun von Arkoniden und Kampfrobotern. Ein Arzt kniete neben der Leiche. Er zog den linken Arm, der über dem Leib lag, zur Seite und entblößte damit die Einschußwunde. Lebo Axton ging zu ihm. Mit hängenden Schultern blieb er zunächst neben dem Toten stehen, dann ließ er sich langsam auf die Knie herabsinken. »Ich wollte es wirklich nicht«, sagte er stöhnend. Dabei ließ er seine Hand langsam über das Gesicht des Toten gleiten. Er drückte ihm die Augen zu. »Sie werden in erhebliche Schwierigkeiten kommen«, sagte der Arzt. »Sie haben den Sohn Gonozals VII. getötet.« »Er war ein Verräter an Arkon.« »Orbanaschol wollte ihn lebend.« Lebo Axton krümmte seine Finger. Sie wühlten sich in das Haar des Toten. Bevor der Arzt oder irgendeiner der Offiziere überhaupt begriff, was Axton beabsichtigte, riß er mit aller Kraft daran. Mit einem Ruck löste sich die Maske vom Gesicht des Toten. Darunter wurde das Gesicht eines Mannes sichtbar, der nur eine entfernte Ähnlichkeit mit Atlan hatte. Ein unmerkliches Lächeln spielte um die Lippen Lebo Axtons, als die Offiziere ihn wegzerrten. Er hatte genau gewußt, was er zu tun gehabt hatte. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als er die Insel erreicht hatte, war er sich darüber klar geworden, daß sich hier ein Doppelgänger Atlans befand. Der Widerspruch, der in dem Befehl Orbanaschols gelegen hatte, hatte ihn darauf gebracht. Das erklärte Ziel des Imperators war es,
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H. G. Francis
den Mann zu beseitigen, der ihm als einziger wirklich gefährlich werden konnte. Orbanaschol wollte Atlan töten. Wenn er jetzt aber versucht hatte, ihn moralisch zu vernichten, indem er ihn eines ungeheuren Verrats bezichtigte, dann konnte das nur daran gelegen haben, daß der echte Atlan gar nicht auf Protem war. Orbanaschol hatte genau gewußt, daß Atlan irgendwo in der Galaxis weilte und vorläufig unerreichbar für ihn war. Deshalb war ihm nur die Möglichkeit geblieben, einen Rufmord an ihm zu begehen. Das aber konnte nur gelingen, wenn der Doppelgänger lebend gefangen wurde und später aus der Gefangenschaft entfliehen konnte. Ein toter Doppelgänger war absolut wertlos, da der echte Atlan lebte. Es war dieser Widerspruch in dem Befehl Orbanaschols gewesen, der Kennon alles hatte durchschauen lassen. Und er hatte auch die Absicht gehabt, den Doppelgänger zu töten. Doch das konnte ihm niemand mehr nachweisen. Energisch schüttelte er die Hände der Offiziere ab. Er machte sich um seine Zukunft keine Sorgen.
sen.« »Was geschieht mit Axton?« »Dem Kampfbericht nach hatte er keine andere Möglichkeit. Er hat nicht versucht, mit dem Doppelgänger Kontakt aufzunehmen, sondern er hat ihn entschlossen angegriffen. Ob er den echten Atlan kennt oder nicht, spielt keine Rolle. Er hat geschossen und damit bewiesen, daß er ein Feind Atlans ist. Ein Mann mit diesen Fähigkeiten ist für uns von höchstem Wert. Ich will, daß er in unseren Geheimdienst aufgenommen und mit wichtigen Aufgaben betraut wird.« »Wie Ihr befehlt, Orbanaschol.« »Nach einiger Zeit wird es angebracht sein, ihn zu prüfen. Man soll ihm dann eine Falle stellen, in der er sich fangen muß, wenn er nicht wirklich loyal ist.« »Ich werde alles veranlassen.« »Er hat den Doppelgänger getötet. Eines Tages soll er uns zu dem echten Atlan führen. Dieser wird dann selbstverständlich keine Chance bekommen. Der Befehl bleibt bestehen: Atlan ist auf der Stelle zu töten, wenn er gefunden wird.« »Ich werde noch einmal eine entsprechende Weisung herausgehen lassen, Imperator.« ENDE
* »Axton hat den Plan zunichte gemacht.« »Das ist nun nicht mehr zu ändern. Die Einsatztruppen hätten schneller sein müsENDE