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nl konkret die Reihe für wißbegierige junge Menschen zeigt Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge in der Entwicklung von Natur und Gesellschaft
Was ist Kommunismus? Was man über die Gesellschaft wissen muß — Teil li Aus dem Russischen von Hans Berttrisn • 288 Seiten Broschiert 4,— M
Aus dem Inhalt: Hat die Arbeiterklasse im Sozialismus Sonderrechte? Nehmen die automatischen Maschinen dem Menschen die Arbeit weg? Wie erhält man einen Überfluß an materiellen und geistigen Gütern? Wie lassen sich die sozialen Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen geistiger und körperlicher Arbeit beseitigen? Wird es im Kommunismus irgendeine Gewalt geben? Worin besteht der Sinn unseres Lebens? Hermann Duncker
Der Traum meines Lebens Reden und Aufsätze Mit einem Vorwort von Günter Qriep Broschiert 4,20 M
240 Seiten
Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die Hermann Duncker als marxistischer Lehrer von drei Generationen der Arbeiterklasse gesammelt hat, sind für Lernende und Lehrende ein unentbehrlicher Ratgeber.
Verlag Neues Leben Berlin
Fred Hubert
Die Traumfalle Wissenschaftlich-phantastische Erzählung
Verlag Neues Leben Berlin
© Verlag Neues Leben, Berlin 1974 Lizenz Nr. (305/74/74) LSV 7503 Einband und Illustrationen: Karl Fischer Typografie: Walter Leipold Schrift: 8 p Excelsior Gesamtherstellung: Druckerei Neues Deutschland, Berlin Bestell-Nr. 641895 5
EVP: 0,25
„Wir erreichen das Zielgebiet in dreißig Minuten. Patrouillen fertig machen zum Schleusen. Sektion zwei und neun nach Plan drei beginnen!" Das war die energische Stimme des Kapitäns. Als die Lautsprecher schwiegen, begann in den Gängen des Raumkreuzers emsiges Laufen. Im Steuerraum dagegen blieb es still. „Hier ist also die berüchtigte Raumschiff-Falle!" Der Erste Pilot betrachtete eingehend den Planeten, dem sie sich näherten. „Ist doch merkwürdig, daß wir bisher keine schädlichen Strahlen oder etwas Ähnliches festgestellt haben. Wie konnten hier zwei Schiffe verschwinden?" „Wenn wir das wüßten, hätten wir nicht den weiten Weg zu machen brauchen." Der Funker schüttelte mißbilligend den Kopf, schwieg aber, weil der Kapitän sich räusperte. „Jedenfalls werden wir möglichst nicht das tun, was das erste Suchschiff getan hat, nämlich landen", sagte er. „Die Patrouillen werden doch genügen, um herauszufinden, was hier eigentlich los ist." Der Erste Pilot richtete sich auf. „Bis wir hier etwas finden, können wir jahrelang suchen", entgegnete er ärgerlich. Der Kapitän beschwichtigte ihn. „Immerhin haben wir einen Anhaltspunkt. Das Suchschiff sollte in einem genau festgelegten Abstand zum Äquator niedergehen, wenn eine Landung erforderlich war." „Na, ich bezweifle, daß die Landung so exakt vonstatten gegangen ist. Und womöglich werden wir das dritte Opfer!" „Was heißt hier Opfer? Dieser Planet birgt ein Geheimnis, und wir werden es ergründen, ohne uns in Gefahr zu begeben." „Es ist jedenfalls schon ein Wunder, daß wir in diesem Haufen von Sternen den richtigen gefunden haben", sagte der Navigator und schaltete den Bildschirm ein, auf dem eine Sternenkarte erschien. In ihrer Mitte war der Kugelsternhaufen M13 im Sternbild des Herkules abgebildet. Alle sahen nachdenklich auf das Bild. „Wäre nicht dieser Überriese Ras Algethi mit seinem fast achthundertmal größeren Durchmesser als unsere Sonne, hätten wir unser Ziel nur schwer gefunden." Als der Navigator den Bildschirm wieder ausgeschaltet hatte, schwang der Erste Pilot seinen Sessel herum. „Schließlich haben wir den Planeten aber doch erreicht, und ich hoffe, daß wir die 7500 Parsek nicht nutzlos hinter uns gebracht haben." Die Sirene unterbrach die Gespräche, ein Zeichen, daß die Landekreisel in einer Minute das Schiff verlassen würden. In etwa zwei Stunden konnte man die ersten Ergebnisse erwarten. Mehrere Glockenschläge leiteten den Start ein, und in kurzen Abständen kamen die üblichen Meldungen. Das Raumschiff umkreiste weiter den Planeten, und erst als nach drei Stunden immer noch keine Nachricht von den drei Kreiseln kam, wurde die Schiffsleitung unruhig. Der Kapitän überlegte fieberhaft. Es gab keinen Funkkontakt. Entweder waren alle drei Funkanlagen ausgefallen, oder man 3
hatte die Besatzungen überwältigt. Da das erste unwahrscheinlich war, mußte man mit dem Schlimmsten rechnen Ver"udit es mal mit den k f i n n Ä h H ^ Ä d ° C T h T m g s t e n s einender G e i s e l z u finden sein! Die können sich doch nicht m Luft auflösen " Auf dem Schirm des Navigators blitzte es kurz auf. „Ich glaube, ich habe Kreisel zwei geortet, Kapitän! Er hegt still, und der Schutzschild ist nicht aktiviert. „Warum antworten sie nicht auf unseren R u f " fragte der Kapitän den Funker, aber statt einer Antwort zuckte der nur mit den Schultern. „Hier ist wieder ein Reflex auf dem Bildschirm, und zwar in einem Gebiet, in dem das Suchschiff gelandet sein könnte." Der Navigator drehte an den Knöpfen, und als er einen Verstärker dazuschaltete, sahen es alle deutlich. Der helle Fleck hatte die Form eines Raumschiffes. „Bei der nächsten Umrundung setzen wir eine Markierungsboje, dann brauchen wir nicht erst lange zu suchen", sagte der Kapitän und klopfte mit den Fingern nervös auf das Schaltpult. Unterdessen hatte der Computer die ersten Messungen ausgewertet. „Hier gibt es eine Atmosphäre wie auf der Erde, aber der Planet scheint unbewohnt zu sein", meldete der Biochemiker. „Und wer fängt die Raumschiffe weg?" fragte der Kapitän unwillig. „In diesem Teil der Galaxis wurden bisher keine intelligenten Lebewesen festgestellt." Endlich kam der markierte Punkt wieder in Sicht. Die maximale Vergrößerung des Teleskops holte die Oberfläche bis auf etwa dreihundert Meter heran. Eine Waldlandschaft, .blauschwarz schimmernd, zog langsam über den Bildschirm. „Da, jetzt taucht es auf!" rief der Navigator. Inmitten der Bäume befand sich eine kahle Stelle. Alle Äste und Zweige waren abgestorben. Diese Stelle hatte die Form eines liegenden Raumschiffes. „Was sagen die Sensoren? Irgendein Lebenszeichen? Arbeiten einige Aggregate noch?" fragte der Kapitän ungeduldig. „Keine Spur. Alles negativ." „Demnach ist auch der Phasengenerator außer Betrieb und die Ruhestrahlung des Impulstriebwerks erloschen." „Ja, alles ist wie ausgestorben", antwortete der Navigator bedrückt. Der Kapitän erhob sich zögernd. „Beim nächsten Umlauf einschwenken auf Landespirale! Sicherheitszone aktivieren und Photonentreiber ausfahren. Zur Sicherung der Landung Alarmstufe gelb! Der Leiter des Sicherheitstrupps bitte zu mir. Wir können unsere Patrouillen nicht im Stich lassen und müssen nun doch landen." Als der Kapitän den Raum verlassen hatte, brummte der Pilot: „Also doch in den Schlamassel runter! Die Entscheidung wird dem Alten nicht leichtgefallen sein." Der Kapitän deutete dem Eintretenden an, er solle Platz nehmen. „Wir werden in etwa einer Stunde landen", sagte er. „Sofort nach der Landung wird der Photonentreiber ausgefahren, und zwar so, daß er alle Punkte um das Schiff bestreichen kann. Du wirst unter seinem Schutz einen Elektrozaun aufstellen. Laß ihn mit der Warnanlage koppeln und teile eine Wache ein!" Plötzlich ertönte der Lautsprecher: „Kapitän, wir haben wieder Kontakt mit allen drei Gruppen." 4
Der Kapitän sprang auf und lief zur Zentrale, gefolgt vom Leiter des Sicherheitstrupps. „Hier spricht der Kapitän!" schrie er ins Mikrofon. „Was war los? Wir haben keine Meldung von euch erhalten." „Wir haben ordnungsgemäß gesendet." „Es ist aber nichts angekommen. Wir schwenken zur Landung ein. Laßt euch einweisen und erwartet uns, Ende!" Die drei Truppführer hatten nichts Besonderes zu berichten. Offen blieb das Rätsel der fehlenden Funksprüche. Auch der Funker grübelte vergeblich darüber nach. Die Kosmonauten zwängten sich — auf Deckung achtend—durch das dichte Unterholz. Außer dem Knacken trockener Äste und dem Rascheln der Zweige war es völlig still unter den hohen Bäumen, die metallisch glatte Stämme hatten und blaues Laub trugen. Auch die Zweige der Büsche waren glatt und regelmäßig gewachsen. Allerdings fiel den Männern auf, daß es anscheinend kaum Tiere gab. Doch sie konnten sich keine Gedanken darüber machen, da das verschollene Suchschiff in Sicht kam. Alle blieben wie auf Kommando stehen. „Versuchen wir erst mal herauszubekommen, ob es wirklich die ,Antares' ist. Aber vorsichtig!" rief der Truppführer. Sie näherten sich von der Seite. Hoch über ihnen, quer zum Rumpf, waren einige Buchstaben zu sehen. „Tatsächlich, ein Schiff von der Erde! Sieht aus w i e . . . Ja, es ist die .Antares', ich kann den Namen deutlich erkennen!" antwortete einer von ihnen. „Aber warum liegt das Schiff der ersten Suchexpedition waagerecht? Dieser Typ müßte doch noch auf dem Staustrahl landen." „Das ist sicher der Grund, warum es nicht mehr zurückkehrte." Die Männer arbeiteten sich zum Heck des Schiffes vor, und der Truppführer m a ß sorgfältig die Strahlung. Das Ticken des Zählers blieb jedoch in normalen Grenzen. „Eine Bruchlandung war es jedenfalls nicht, sonst müßte man ja Beschädigungen sehen." „Dann ist es eben umgefallen. Vielleicht ein Beben." „Dann wäre es sicher beschädigt worden. Seht mal, die Bäume sind direkt zwischen den Düsen durchgewachsen!" . Einer der Männer zeigte nach oben. „Die Luke ist ja halb offen, doch die Rampe fehlt. Wie kommen wir da rauf?" Nachdenklich folgten die anderen seinen Blicken. Der Truppführer prüfte den Lichtmesser. „Wenn uns nicht bald etwas einfällt, wird es zu dunkel. Also gehen wir lieber gleich zu unserem Schiff zurück." Als der Kapitän die Meldung zu Ende gehört hatte, blieb es einen Moment still. Dann sagte er: „Sobald es morgen früh wieder hell ist, geht ihr noch einmal hin. Nehmt auch Leitern mit und versucht Aufzeichnungen zu bergen. Für heute machen wir Schluß!" „Na, Arne, ist dir etwas aufgefallen?" Anton Krenkow, der Wachablöser, sah sich um. „Ach wo, eigentlich albern, diese Wache. Eine Ruhe ist das hier, wie im Sanatorium", antwortete Arne Pedderson. „Der Kapitän wird sich schon etwas dabei gedacht haben. Also geh jetzt schlafen, ich übernehme." Als er allein war, setzte er sich auf die unterste Stufe der Rampe und horchte auf die Geräusche der Nacht. Es war 5
tatsächlich absolut still. Mehrmals fielen ihm die Augen zu, und er stand schließlich auf, um sich etwas Bewegung zu verschaffen. Als er in die Nähe des Zaunes kam, stutzte er. Gegenüber, auf der anderen Seite, sah er zwei große Vertiefungen im Boden. Waren sie schon bei der Aufstellung des Zaunes dagewesen? Er überlegte, ob er nicht Meldung machen solle. Während er sich über sein weiteres Vorgehen noch nicht schlüssig war, heulte plötzlich die Alarmsirene auf. Gleichzeitig wurde er gepackt und in die Höhe gehoben. Als die Scheinwerfer aufflammten, war er nicht mehr aufzufinden. Der erste der Wachmannschaft, der aus der Luke stürzte, hörte nur noch einen leisen Schrei. Zu sehen war nichts. Als sich die Männer vorsichtig dem Zaun näherten, entdeckten auch sie die Vertiefungen. Sie riefen den in der Luke stehenden Kapitän heran. „Das sieht aus wie Fußabdrücke", sagte einer der Besatzungsmitglieder. „Holt mal den Biologen, und der Geologe soll auch kommen!" ordnete der Kapitän an. Es dauerte nicht lange, und die beiden waren zur Stelle. „Was haltet ihr davon?" Nach eingehender Musterung sagte der Biologe zögernd: „Ich würde meinen, es sieht aus wie der Abdruck einer Bärentatze und einer Adlerkralle." Als niemand etwas erwiderte, fügte er hinzu: „Ich weiß, es klingt unwahrscheinlich, aber so sieht es aus!" „So etwas gibt es gar nicht!" erwiderte jemand aus der Mannschaft. „Vielleicht ist das Tier längst ausgestorben?" „Ach, Unsinn, die Abdrücke waren doch gestern noch nicht da. Das weiß ich genau, denn ich habe ja selbst die Stellen für die Pfähle markiert. Dabei habe ich mir das Gelände genau angesehen. Solche Löcher wären mir sicher aufgefallen", sagte der Geologe. Der Navigator rechnete auf seinem Tabellator, dann unterbrach er die Mutmaßungen. „Bevor ihr euch weiter streitet, hört mal zu! Nach meiner kurzen Berechnung, ausgehend von der Größe und Tiefe des Abdruckes, müßte dieses Tier etwa dreißig Meter hoch sein und fast sechzig Tonnen wiegen. Hört sich etwas gigantisch an, was?" Der Suchtrupp, der den Zaun kontrolliert hatte, kehrte zurück. „Vom Wachposten keine Spur", meldeten die Männer niedergeschlagen. „Nur einige merkwürdige Abdrücke." „So wie diese hier?" fragte der Kapitän. Die Kosmonauten betrachteten die Vertiefungen eingehend und stimmten schließlich zu. „Dann alles sofort zurück zum Schiff, Luke dicht und volle Energie auf den Treiber!" befahl der Kapitän. Geordnet zog sich die Mannschaft zurück, und summend verschwand die Rampe im Schiff. In der Zentrale versammelte sich die Leitung des Raumschiffes. „Dieser Vorfall hat uns gezeigt, daß wir unsere nächsten Schritte sehr sorgfältig vorbereiten müssen. Da wir den Posten nicht gefunden haben, ist anzunehmen, daß dieses Tier tatsächlich lebt und ihn getötet hat." Der Kapitän schwieg, dann fügte er hinzu: „Der Funker soll Dauerton auf der Helmfrequenz senden. Vielleicht meldet er sich dann doch noch. Wir dürfen ihn nicht aufgeben!" „Aber wovon soll denn dieses Ungeheuer leben? Ist es ein Fleischfresser, würde die hiesige Fauna bei seinem Appetit kaum ausreichen. Und ein Vegetarier kann es auch nicht sein, denn bei dieser angenommenen Größe müßte es ja andauernd fressen, und die Fraßstellen wären uns bestimmt aufgefallen." Der Biologe schüttelte den Kopf. „Warum hat es bloß der Wachposten erst so spät bemerkt?" 6
„Vielleicht ist es unsichtbar!" Betroffen sahen alle auf den Funker, der — ohne es zu wissen — der Sache ziemlich nahekam. „Möglich wäre es, aber nicht wahrscheinlich. Außerdem wollen wir uns nicht in Vermutungen ergehen. Warten wir erst mal den morgigen Tag ab." Während des Restes der Nacht ereignete sich nichts mehr. Der neue Tag war erst zwei Stunden alt, als sich die Gruppe, die das Raumschiff „Antares" untersuchen sollte, bereits wieder auf den Weg machte. Sie hatten mehrere Steckleitern bei sich, um die Einstiegluke zu erreichen. Ohne Schwierigkeiten passierten sie die Luke. Zwei Mann blieben draußen als Wache zurück, und alle übrigen betraten das Raumschiff. Es war nicht leicht, sich darin zu bewegen, denn die waagerechte Lage des Schiffes veränderte die Funktion der Gänge. Was während des Fluges der Boden war, mußte nun mühsam erklettert werden. Die Leitern zu den Etagen befanden sich hochgeklappt an den Wänden und waren schlecht zu erreichen, da ja die Schwerkraft auf die Männer wirkte. „Ist das eine Finsternis hier!" brummte jemand, aber schon flammten die ersten Helmleuchten auf. Sie erhellten einen langen Gang, der leer war. Die erste Kabinentür kam in Sicht. Der Truppführer öffnete sie, indem er sie nach oben hob. Aufmerksam sah er sich um. „Keine Unordnung, alles an Ort und Stelle", sagte er laut. „Schade, daß man nicht rein kann, anscheinend hat sich die kardanische Aufhängung verklemmt." „Vorsicht!" Der Truppenführer ließ die Tür zufallen, und der dumpfe Knall pflanzte sich durch den Gang fort. Der Suchtrupp drang weiter vor. Unterwegs wurden noch etliche Türen geöffnet, aber die dahinter liegenden Räume zeigten alle das gleiche Bild von Ordnung. Endlich waren sie an der Tür zur Zentrale angelangt, doch sie war verschlossen. „Warum ist sie denn gesichert?" fragte der Biologe verwundert. „Einen Moment Ruhe bitte!" Der Truppführer drehte am Handrad und lauschte auf das Einrasten der Sicherungen. „Sie ist von innen gesichert, also muß jemand drin sein", stellte er nach einer Weile fest. Der Biologe drängte sich nach vorn und schlug mit der Faust gegen die Tür. „Was soll dieser Unsinn?" unterbrach ihn der Truppführer. „Wer soll denn da drin sein? Überlege doch mal! Das Schiff ist etwa achtzig Jahre verschollen. Die Besatzung hatte ein Durchschnittsalter von 35 Jahren. 35 plus 80 ergibt 115. Wer sollte hier also noch am Leben sein?" Der Biologe sah zu Boden. „Ich weiß es ja. Es war nur so ein Einfall von mir." „Ist schon gut. Haben wir einen Thermobrenner bei uns?" fragte der Truppführer. „Ja, aber nur mit normaler Ladung." „Das reicht aus. Wir brennen das Schloß aus, das ist am einfachsten und macht keine Umstände." Der Mechaniker, der den Brenner trug, kletterte nach vorn. Er montierte sein Gerät und setzte die Schutzbrille auf. Als die Zündflamme aufleuchtete, wandten sich die anderen ab, denn der grelle Schein blendete sie. Immerhin dauerte es fast zwanzig Minuten, bis sich die Flamme durch das Metall gefressen hatte. Dann fiel das Schloß auf die ausgebreitete Asbestmatte. Der Brennerführer kühlte die Metallteile der Tür ab und schob dann die Riegelstangen beiseite, ohne die Schutzhandschuhe auszuziehen. • Knirschend gab die Tür nach und schlug nach außen gegen die Wand. Um ein Haar hätte sie den Biologen getroffen, der sich zu weit vorgebeugt hatte. Hier 7
hatte die Aufhängung die abnorme Lage des Schiffes ausgeglichen, so daß die Kosmonauten die Steuerzentrale betreten konnten. Die blinden Bildschirme über den Konturensesseln warfen das Licht der Helmleuchten trübe zurück. Zwei der Sessel waren leer, aber im mittleren saß eine zusammengesunkene Gestalt. Es war ein Skelett, in die Reste einer Uniform gehüllt. ^Wortlos scharten sich die Männer um diesen Sessel, und einer flüsterte: „Es ist jemand von der Besatzung. Wie mag er wohl gestorben sein?" Der Truppführer brach den Bann. „Wir nehmen alle Aufzeichnungen mit und kehren zum Schiff zurück. Es bleibt alles so, wie wir es vorgefunden haben." Der Kapitän legte die erste Kassette in die Wiedergabetrommel. Er zögerte einen Moment, schaltete dann aber das Gerät ein. Eine Stimme erklang: „Hier spricht Kapitän Graham vom Raumkreuzer .Antares'. Wir sind mit der Suchexpedition unterwegs zum Sternenhaufen M13. Bis zur Flugzeit 10, 852 gab es keine besonderen Vorkommnisse. Flugzeit 13, 351. Heute haben wir den Kurs korrigiert. Der Doktor hatte seinen ersten Patienten. Maschinist Dellow hat sich bei der Reparatur eines Koppelungsscharniers das rechte Handgelenk gebrochen. Der Doktor meint, es werde keine Komplikationen geben." Die folgenden Meldungen glichen einander fast völlig, aber dann horchten die Anwesenden auf. „Morgen erreichen wir das Zielgebiet, und die Suche kann beginnen. Einziger Anhaltspunkt ist bis jetzt Ras Algethi. Heute haben wir Kurs auf den Planeten des Systems genommen, auf dem wir die Verschollenen vermuten. Er ist unbewohnt, hat aber eine Atmosphäre. Bei der vierten Umkreisung haben die Sensoren in einem der Meere eine metallische Masse festgestellt. Der Form nach könnte es ein Raumschiff sein. Leider liegt es in etwa 600 Meter Tiefe, und wir wissen noch nicht, wie wir am besten herankommen. Die Landung verlief reibungslos. Wir befinden uns in der Nähe des Äquators. Die ersten Suchtrupps sind schon wieder zurück und konnten nichts Besonderes feststellen. Es gibt hier Lebewesen bis zur Größe unserer Rehe, obgleich sie etwas anders aussehen. Anscheinend sind es aber Friedtiere. Wir werden die Suche ausdehnen, auch müssen einige Reparaturen am Generator vorgenommen werden. Deshalb können wir den Standort des Schiffes nicht wechseln. Die Funkverbindung zu den Gruppen ist gut, und sie berichten über ihre Beobachtungen. Diese Meldungen werden vom Biologen gesondert aufgezeichnet. Bei Einbruch der Dunkelheit werden die Gruppen etwa acht Kilometer vom Schiff entfernt sein und ein Lager aufschlagen. Wir versuchen, seit Tagesanbruch pausenlos die Gruppen zu rufen. Bis elf Uhr gab es noch keine Verbindung. Leider können wir die Sensoren nicht benutzen, da wir in einem Talkessel gelandet sind. Der Tag ist fast zu Ende, und immer noch keine Meldung. Gleich morgen früh muß ein Suchtrupp aufbrechen. Wir hatten eine unruhige Nacht. Ich wurde gegen Mitternacht durch ein leichtes Beben wach. Als ich im Steuerraum ankam, waren schon alle Männer versammelt. Wir konnten nicht ermitteln, woher das Beben kam. Die Startposition des Schiffes ist normal. Da die Reparatur des Generators beendet ist, lasse ich die Triebwerke vorwärmen, damit wir sofort starten können, wenn sich das Beben wiederholen sollte. 8
Der Suchtrupp ist unterwegs, und ich bin allein zurückgeblieben. Auf der höchsten Erhebung in Marschrichtung wird eine Relaisstation errichtet, damit der Funkverkehr stabil bleibt. Von den anderen Trupps noch immer keine Nachricht. Da sie nur für drei Tage Verpflegung mit haben, wird die Lage für sie kritisch. Der sechste Tag nach der Landung geht zu Ende. Der Suchtrupp hat Lager bezogen, und sie haben einen Wachdienst eingerichtet. Ich bin früh aufgestanden und erwarte voller Ungeduld die erste Meldung. Der Empfänger läuft bereits seit einer halben Stunde, aber es kommt kein Rufzeichen. Warum melden sie sich nicht? Wieder sind zwei Tage vergangen, ohne daß eine Meldung eingetroffen ist. Ich bereite alles für einen Funkspruch zur Erde vor, der hoffentlich empfangen wird. Leider kann ich den Landegleiter nicht benutzen, um nach den Männern zu suchen, denn man kann ihn nur aus dem fliegenden Raumschiff heraus starten. Das erweist sich jetzt als großer Nachteil. Wenn ich jedoch mit dem Schiff starte, kehren möglicherweise die Männer zurück und finden mich nicht mehr. Daher bin ich mir nicht schlüssig, was ich tun soll. Ehe ich eine Antwort von der Erde habe,\ vergehen fast vier Tage, und dann ist es womöglich schon zu spät. Vergeblich versuche ich immer wieder, Kontakt 9
zu bekommen. Es wird bereits dunkel, und ich kann nichts mehr unternehmen. Bin vor Übermüdung eingeschlafen. Als ich aufwachte, war es gerade Mitternacht. Es ist merkwürdig ruhig im Schiff, irgend etwas fehlt. Bei der Kontrolle der Instrumente habe ich bemerkt, daß der Vorwärmer abgestellt ist. Es kostete ziemlich viel Zeit, bis ich herausgefunden hatte, daß er völlig unbrauchbar geworden ist, denn alle Sicherungen und Verbindungsleitungen sind geschmolzen. Ich stehe vor einem Rätsel. Das Schiff fängt plötzlich an zu vibrieren. Wenn es wieder ein Beben ist, wird der Start gefährdet. Das Warnsignal zeigt an, daß sich die Vertikalachse dem kritischen Punkt nähert. Warum setzt denn die Ausgleichshydraulik nicht ein? Fünf Schläge dröhnen gegen die Außentür. Ich will hinaus, aber die Kabine gleicht gerade die Schräglage aus, und so mußte ich warten. Vielleicht sind die Männer zurückgekehrt. Ich hatte das Gefühl, daß sich das Schiff immer weiter zur Seite neigte. Völlig unerwartet rutschte mir der Boden unter den Füßen weg, und das letzte, was ich verspürte, war ein Schlag gegen den Kopf. Es ist jetzt sechzehn Uhr Bordzeit, also habe ich fast sechzehn Stunden ohne Besinnung gelegen. Gebrochen habe ich mir nichts, aber mein Kopf und die linke Schulter schmerzen. Mußte mich mehrere Male übergeben, was auf eine Gehirnerschütterung hinweist. Nahm ein paar Medikamente und versuchte nach draußen zu gelangen. Es hat fast zwei Stunden gedauert. Als ich endlich die Außenluke geöffnet hatte, war ich vor Schreck mehrere Minuten unfähig zu begreifen, was meine Augen sahen. Die ,Antares' liegt fast waagerecht, und ohne Leiter kann ich nicht nach draußen gelangen. Damit ist an einen Start nicht mehr zu denken. Nur der Steuerraum hat die Lageveränderung nicht mitgemacht. Daher ist es für mich mühsam, mit der schmerzenden Schulter den Gang entlangzukriechen. Da die Stromversorgung ausgefallen ist, kann ich die Leitern nicht herunterklappen. Wenigstens vermochte ich noch den Funkspruch zur Erde abzusetzen. Leider weiß ich nicht..." Der Rest des Satzes ging in ein immer leiser werdendes Gemurmel über, das schließlich ganz erstarb. Nach mehreren Spulenumdrehungen schaltete der Kapitän das Gerät ab. Dann sagte er kopfschüttelnd: „Unbegreiflich, was da vor sich gegangen ist! Welch eine Kraft gehört dazu, solch ein Riesenschiff umzuwerfen. Vielleicht hat doch der Boden gebebt! Aber dann müßte das Schiff doch stark beschädigt sein. Und in den Kabinen wäre nicht alles so ordentlich an seinem Platz. Ob uns diese Aufzeichnungen hier Aufschluß geben?" Er schlug das Buch auf, das einem Bordbuch früherer Zeit ähnelte, und begann zu lesen: „Ich muß meinen Bericht schriftlich weiterführen, da die Notstrombatterie durch einen Kurzschluß erschöpft ist. Einen Tag nach dem Unglück habe ich mir eine Strickleiter angefertigt und mich hinabgelassen. Es sind keine Spuren zu sehen, auch nicht von den Männern. Dann habe ich die Vorratsräume besichtigt. Es ist nur wenig durcheinandergefallen. Heute, es ist der neunte Tag nach der Landung, habe ich draußen ein großes Feuer gemacht, um den Leuten die Richtung zu zeigen. Bin ich tatsächlich der letzte? Die Schulter bereitet mir noch Schmerzen, und auch der Kopf tut noch weh. Das Essen schmeckt mir nicht, und ich habe immer Durst. Zur Nacht verschließe ich sicherheitshalber die Außenluke. Gegen Mitternacht wurde ich durch ein Geräusch wach. Es hörte, sich an, als ob jemand an der Außenwand entlangkratzte, als ob er eine Öffnung suchte. Wenn es die Männer sind, müssen sie sich bis zum Morgen gedulden, 10
denn ich werde im Dunkeln nicht öffnen. Nach fast einer Stunde wurde es wieder ruhig, und am nächsten Morgen fand sich nichts. Es wird immer mühseliger für mich, denn der Schmerz in der Schulter wird heftiger. Nun muß ich auch jeden Morgen die Luke öffnen, weil die Regenerierungsanlage nicht mehr arbeitet. Ein paar Tage habe ich nichts geschrieben, denn ich war zu matt, um von der Luke zum Steuerraum zurückzukriechen. Diese Nacht hat wieder jemand gegen das Schiff geschlagen. Es hat alles gezittert. Die Tür zum Gang läßt sich nicht mehr öffnen. Sie hat sich anscheinend verklemmt, oder ich bin schon zu schwach. Sehr dringend! Wenn jemand diese Seiten findet, soll er sich vor den Gefahren der Nacht schützen. Sie hat uns alle umgebracht. Ich kann nur noch hoffen..." Der Kapitän schwieg und sah nachdenklich in die Runde. Dann sagte der Doktor: „Da haben wir den Beweis, daß es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Sicher war es kein Unfall, wenn ich auch zugeben muß, daß mir einiges unklar ist." „Da hast du wohl recht, aber wir werden nach so langer Zeit kaum die Möglichkeit haben, alles zu rekonstruieren. Eines wissen wir aber: Die Leute der .Antares' sind genauso verschwunden wie die vom Raumschiff des Professors. Anton Krenkow, unser Wachposten, dürfte mit dazugehören. Auch ist der Planet noch genauso unbewohnt wie damals. Bleiben also nur die Fragen, warum sind sie alle verschwunden und wohin hat man sie gebracht?" Ratlos beendeten die Kosmonauten ihre Zusammenkunft. Nachts heulte die Alarmsirene los. Schon kam die Stimme des Wachhabenden: „Unbekanntes Objekt hat den Sicherheitszaun passiert..." Vier Schläge erschütterten das Schiff und unterbrachen die Meldung. Der Kapitän rannte in die Zentrale. Klar kamen seine Weisungen: „Maschinenraum! Volle Energie für Notstart in fünf Sekunden. Wache! Treiber kreisen lassen, bis Ziel erfaßt ist. Bildschirm ein! — Was ist los? Warum heben wir nicht ab?" „Die Außenhaut lädt sich auf!" „Aus welchem Grund?" „Scheint eine Art Kraftfeld zu sein. Es hält uns fest." „Maschinenraum! Fahrt ihr volle Leistung?" „Ja, Kapitän. Mehr kann ich nicht tun. Ich habe schon die Überlastsicherung blockiert, muß sie aber in siebenundzwanzig Sekunden wieder freigeben, sonst bricht der Generator auseinander." Wieder erschütterten mehrere Schläge das Schiff. „Ist denn etwas zu sehen?" „Soeben tauchen einige Konturen auf. Sehr undeutlich auszumachen." „Maschinenraum, Start abbrechen!" Der Navigator hatte den Bildschirm scharf eingestellt, und die Anwesenden sahen, wie der weiße Photonenstrahl auf ein Hindernis stieß. Im kreisrunden Strahl der Entladungen wurde etwas sichtbar. Der Biochemiker war betroffen. „Das sind ja Vogelfedern", rief er erstaunt aus. Langsam wurde der Fleck größer und entwickelte sich zu einer riesigen Gestalt. Auf zwei säulenförmigen Beinen, die in Tatzen endeten, ruhte ein etwa dreißig Meter hoher Körper. Er war mit Federn bedeckt, hatte aber statt der Flügel zwei überlange Arme mit großen Händen. Die Arme waren erhoben, so, als ob sie den Energiestrahl abwehren wollten. Am furchtbarsten sah jedoch der Kopf aus. Es war eine Mischung zwischen Menschen-, Hunde- und Raubvogelkopf mit einem krokodilsähnlichen Rachen. Plötz-
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lieh wurde die Gestalt durchsichtig und löste sich in einem bläulichen Schein auf. Der Kapitän faßte sich als erster. „Maschinenraum, Treiber ausschalten", befahl er. „Notstart in zehn Sekunden." Dann wandte er sich an den Navigator: „Setz eine Peilboje aus, damit wir morgen früh nicht so lange suchen müssen. Morgen früh..." Das Startsignal unterbrach ihn. Eine Erschütterung ging durch das Schiff, und bevor die Kompensation einsetzte, wurden sie einen Moment lang in die Sitze gepreßt. „Start vollzogen! Gewinnen schnell an Höhe", meldete der Erste Pilot erleichtert. „Na endlich. Das ging gerade noch mal gut." Der Biologe wischte sich den Schweiß von der Stirn. Als letzter kam der Energetiker. Er hatten einen Stapel Aufzeichnungen bei sich, die er sorgfältig vor sich ausbreitete. Der Kapitän eröffnete die Besprechung. „Jeder von euch hat einige Fakten dieser merkwürdigen Geschichte gesammelt, um sie zu analysieren. Lassen wir also zuerst den Biologen zu Wort kommen." Der Angesprochene klopfte mit dem Schreiber auf den Tisch. „Viel werde ich euch nicht sagen können. Dieses Tier, oder wie man es sonst nennen mag, ist nicht aus Fleisch und Blut, ich meine, in unserem Sinn. Kein Lebewesen kann den Beschuß durch einen Photonentreiber überstehen. Hinzu kommt, daß die Gestalt erst sichtbar wurde, als die Energieleistung groß genug war. Es kann sich also nur um eine besondere Form von Materie handeln, deren Herkunft uns nicht bekannt ist. Aber auch Antimaterie kann es nicht gewesen sein, sonst wären wir beim Einschalten des Photonentreibers in Atome zerrissen worden." Er lehnte sich zurück und schwieg. „Das ist in der Tat nicht viel, was du uns mitzuteilen hast." Der Kapitän hob beschwichtigend die Hand. „Ich weiß, du konntest nicht mehr herausfinden. Wollen wir doch mal hören, was uns der Energetiker zu sagen hat." „Bevor ich meine Vermutungen anstelle, möchte ich die Vorgänge lückenlos darlegen, denn es sind sicher einige unter uns, die nicht alles miterlebt haben." Er nahm ein Blatt auf. „Um null Uhr neun Bordzeit passierte ein unbekanntes Objekt den Sicherheitszaun und löste Alarm aus. Um null Uhr zehn erfolgte ein Angriff auf das Schiff durch vier Kraftentladungen. Als die Triebwerke zum Start ansprangen, verwandelte sich die Spannung in Magnetismus"; der sich proportional zu unserer Energieleistung steigerte. Anders ausgedrückt: Selbst mit Vollschub wären wir nicht aufgestiegen, denn das Schiff wurde wie von einem Magneten gehalten. Parallel dazu fanden noch fünf Kraftentladungen statt, und erst als die Energie des. Antriebes für den Treiber verringert wurde, sank auch die Kraft des Magnetfeldes. In diesem Moment wurde das Gebilde sichtbar, aber aus unbekannten Gründen wurde es dann durchsichtig und verschwand. Das war um null Uhr sechsundzwanzig, also dauerte die ganze Aktion genau siebzehn Minuten." „Aber woher kommt diese gewaltige Magneteinwirkung, und wozu soll sie^ dienen?" fragte der Kapitän. „Der Zweck steht ja wohl fest. Jedes Raumschiff, das hier landet, wird angegriffen, um die Besatzung unschädlich zu machen." „Dann muß es doch hier jemanden geben, der dieses Monstrum dirigiert." „Nicht unbedingt. Wir haben doch auch Geräte, die automatisch arbeiten. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, daß intelligente Lebewesen ein Ungeheuer produzieren und ohne Aufsicht herumstreunen lassen. Noch 12
dazu, wenn es unsichtbar ist." „Möglicherweise soll es etwas bewachen, das sehr wichtig ist!" „Ja, das könnte sein, aber dann hätte man doch sicher eine Warnung in irgendeiner Form angebracht." „Aber warum greift es in der Nacht an? Das ist ja wie im Märchen." „Da bin ich überfragt." Der Energetiker zuckte mit den Schultern. „Nun, ihr seht selbst, so kommen wir nicht weiter." Der Kapitän stand auf. „Wir landen jedenfalls nur noch am Tage. Bevor es dunkel wird, starten wir in den Orbit." Einen Moment lang hing der Landekreisel unbeweglich über dem Boden. Die Triebwerke verbrannten das Gras, und die Asche wallte in einer dichten Wolke empor. Dann, mit einem kaum merklichen Ruck, setzte er auf. Die Männer versammelten sich vor dem geöffneten Ausstieg und sahen hinaus. Der Truppführer betrachtete durch sein Fernglas aufmerksam die Umgebung. „Keine Menschenseele weit und breit!" sagte er brummend. „Also los! Wir suchen dieses Planquadrat ab und starten dann wieder." „Hoffentlich wird es nicht vorher dunkel!" „Wenn wir uns an die Order halten, nicht. Haro, du bleibst im Landekreisel und hältst Verbindung mit uns. Die anderen kommen mit!" Nacheinander stiegen die Männer aus und entfernten sich. Der Zurückbleibende machte es sich bequem und gab pünktlich seine Meldungen durch. - Im Raumschiff war man inzwischen nicht untätig. Alle Sensoren richteten sich auf die Oberfläche des Planeten und überprüften ein Planquadrat nach dem anderen. Klickend fielen die Kartogramme aus dem Schreiber. „Weiter aufpassen!" sagte der Kapitän, ohne von seinen Aufzeichnungen hochzublicken. Den Wechsel von Tag und Nacht hatte er schon zu oft erblickt, als daß es noch ein Schauspiel f ür"ihn gewesen wäre. Daher schrak er zusammen, als der Navigator ausrief: „Der Infrarottaster spricht an!" Der Kapitän sprang auf und sah sich den Schirm an. Ein kleiner Punkt wanderte von links nach rechts, und als er am Rand verschwand, fiel ein Bild aus dem Aufzeichner. Der Navigator nahm es und las laut die Angaben: „Durchmesser der Wärmequelle 120 Meter, langwellige Strahlung. Nicht identisch mit der Eigenstrahlung des Planeten. 104 Minuten Nord, 23 Ost." Er überreichte dem Kapitän das Bild. Der besah es sich genau. „Was meinst du dazu?" fragte er. „Scheint überhaupt nicht in diese Gegend zu passen!" „Ein Vulkan ist es jedenfalls nicht. Auch kein Reaktor, denn dann verliefe die Kurve ganz anders." „Stimmt. Wenn ich mich recht erinnere, war ja nur das erste Schiff mit einem Brüter ausgerüstet. Diese scharf abgegrenzte Linie sieht wie ein Loch aus. Wann sind wir wieder über der gleichen Stelle?" „In genau 143 Minuten." „Und wann wird es Tag dort?" „Vier Stunden wird es dauern." Mit dem ersten Tageslicht landete das Raumschiff, etwa einen Kilometer von der Wärmeinsel entfernt. Der Kapitän hatte den Erkundungsgang straff organisiert. Der Haupttrupp, bestehend aus sechs Leuten, wurde an den Flanken von je vier Mann gedeckt. Außerdem pendelten drei Verbindungsläufer zwischen den Gruppen hin und her, die sich darüber hinaus durch Funk verständigten. „Achtung, hier Trupp drei. Wir nähern uns einem Haufen von Trümmern. Alle sind überwuchert. Vorsichtshalber umgehen wir sie." 13
„Hier Trupp zwei. Wir sind soeben auf einen dieser Fußtapfen gestoßen. Auch hier liegen Trümmerstücke. Es sieht aber so aus, als ob sie bearbeitet sind. Wir bringen ein paar Stücke mit. Der Fußabdruck zeigt in Richtung Wärmeinsel. Sollen wir folgen?" „Nur bis zum Rand der Insel vordringen und die Messungen vornehmen! Seid vorsichtig beim Durchqueren unübersichtlichen Geländes!" ordnete der Kapitän an. Der Geologe — er befand sich beim zweiten Trupp — klopfte und kratzte an den Steinen. Die anderen standen um ihn herum und sparten nicht mit guten Ratschlägen. „Das verstehe ich nicht", sagte der Geologe nach einer Weile. „Das sieht aus wie gegossen und ist auch kein richtiger Stein." Er steckte ein paar Splitter ein. „Von mir aus kann es weitergehen!" Als der Trupp einen Wall überklettert hatte, schlug ihm Wärme entgegen. „Das ist ja wie im Sommer. Hallo, Raumschiff! Wir haben die Umgrenzung der Insel passiert, und die Temperatur ist um zwölf Grad gestiegen", berichtete der Geologe. „Weiter auf die Temperatur achten! Sonst etwas Besonderes?" fragte der Kapitän. „Es sieht fast so aus, als ragten in der Mitte der Insel vier kleine Dächer aus dem Boden. Wir gehen langsam weiter." „Auch wir nähern uns dem Zentrum", meldete Trupp drei. „Die Temperatur steht konstant auf sechsundzwanzig Grad." „Geht weiter und seht nach, ob ihr einen Eingang findet", sagte der Kapitän und fügte rasch hinzu: „Vergeßt nicht, eine Wache aufzustellen!" „Wir stehen am ersten Gebäude. Der Platz hat hier eine Vertiefung, daher kann man die anderen Bauten nicht sehen. Es sind kleine Bungalows ohne Fenster. Insgesamt vier, sie stehen genau im Viereck", meldete der Geologe und fragte dann: „Was sollen wir jetzt tun?" „Wenn ein Eingang da ist und er sich öffnen läßt, dann seht mal hinein!" Der Geologe näherte sich langsam einer der Türen. Sie war offen. Er stieß sie sachte mit dem Fuß auf und trat sofort zurück. Es geschah nichts. Nun leuchtete er mit seiner Lampe in den dunklen Raum. „Ein paar Einrichtungsgegenstände", sagte er laut, „sieht aus wie Stühle und Tische, weiter nichts... Doch, da hinten ist noch eine Tür!" Er ging durch den Raum und öffnete sie. Diffuses Licht erhellte Stufen, die in die Tiefe führten. „Hier ist eine Treppe. Ich sehe aber nicht, wohin sie führt. — Clint, nimm dir drei Mann und schau dir die übrigen Häuser an. Wir warten hier solange." Es dauerte nur zehn Minuten, dann waren die Männer wieder da. Sie meldeten, daß in allen Häusern die gleiche Anordnung vorhanden sei. „Wahrscheinlich schützen diese Häuser nur die Eingänge nach unten." „Ich bin gespannt, was es dort in der Tiefe gibt." „Das werden wir schon sehen, wenn wir unten sind." „Daraus wird aber heute nichts mehr", meldete sich der Kapitän aus dem Raumschiff. „Es ist schon sechzehn Uhr und lohnt nicht mehr. Kommt jetzt zum Schiff zurück, in zwei Stunden starten wir!" Diesmal gingen sie alle zusammen. Als sie die Trümmer erreichten, sagte Clint: „Wir sollten uns noch einmal umsehen. Eine Weile haben wir doch noch Zeit! Warum ist hier alles zerstört, während die Häuser ganz geblieben sind?" Der Kapitän gab seine Genehmigung. „Also gut", sagte er, „schwärmt noch mal aus! Aber bleibt untereinander in Sichtweite." Lange Zeit war es still, aber dann erklang ein erregter Ruf: „Alles hierher! Ich habe etwas gefunden." Nach und nach scharten sich die Männer um den 14
Rufer, der wortlos zwischen die Trümmer zeigte. In einer Spalte leuchteten die weißen Teile eines Skeletts. „Das sind zweifellos menschliche Knochen", sagte der Geologe leise. „Etwa die von unserem Wachposten?" „Aber nein, dazu liegen sie viel zu lange." Der Geologe rief den Kapitän und markierte die Stelle. Früh am nächsten Morgen waren der Doktor, der Kapitän und einige Männer des Suchtrupps vom Vortage wieder am Fundort, während eine andere Gruppe zu den Häusern unterwegs war. Mit der ihm eigenen Gründlichkeit legte der Doktor das Skelett frei. Einer der Männer filmte diese Arbeit. Der Kapitän stand dicht hinter dem Doktor und konnte daher dessen Selbstgespräch belauschen. „Handelt sich um einen Mann. Etwa hundertsiebzig Zentimeter groß. Aha, hier ist ja der Schädel. Donnerwetter! Zwei Brüche in der Basis, kann nur durch äußere Gewalt passiert sein. Nanu, was haben wir denn da? Kennen Sie so etwas?" Er reichte dem Kapitän etwas hoch: ein kleines Etui, das aber leer war. Dann noch zwei Knöpfe und den Rest eines Brillengestells. „Was meinen Sie, Doktor, wie lange befindet sich das schon hier?" fragte der Kapitän. „Schwer zu sagen. Jedenfalls ziemlich lange. Es liegt geschützt, und das Klima scheint in diesem Gebiet trocken zu sein. Dann muß man noch berücksichtigen, daß anscheinend keine Knochen des Skeletts von Tieren verschleppt wurden. So ist alles gut erhalten, und wir werden im Raumschiff 15
labor leicht feststellen können, wie alt der Fund ist und wessen Überreste wir vor uns haben." „Na gut, machen Sie weiter, ich werde inzwischen die anderen aufsuchen. Packen Sie alles ein, damit wir es im Schiff genau untersuchen können!" sagte der Kapitän und ging in Begleitung zweier Männer zu den Häusern, wo er schon erwartet wurde. „Na, wie sieht es aus?" erkundigte er sich dort. „Das kann man nicht beschreiben. Betrachten Sie es selbst!" Sie betraten das nächststehende Haus und stiegen die gewundene Treppe hinab, bis sie an eine Galerie kamen. Sie umlief einen Schacht von fast dreißig Meter Durchmesser. Als oberster Abschluß war sie gleichzeitig Aus- und Eingang zu einem Bauwerk, das ihnen schweigende Hochachtung abzwang. In Abständen von zwanzig Metern durch weitere Galerien unterbrochen, führte der Schacht in die Tiefe, ohne daß man den Boden erblicken konnte. Zwischen den Galerien hingen in gleichmäßigen Abständen große blanke Kugeln, die durch drei Arme an den Wänden verankert waren. Ein leises Summen kam aus der Tiefe. Der Kybernetiker brach den Bann. „Sieht fast aus wie eine überdimensionale Hochspannungskaskade." „Schauen wir uns mal auf dieser Etage um." Der Kapitän ging langsam voran. Alle zwanzig Schritte gab es Türen. Sie waren unverschlossen. Einige Räume standen voller Schaltschränke, in anderen waren Einrichtungsgegenstände aufgestellt. Vergeblich hielten sie nach einem Lebewesen Ausschau. Die Zeit verrann, und als sie die Galerie abgeschritten hatten, ordnete der Kapitän den Rückmarsch an. Am Abend, das Raumschiff umkreiste den geheimnisvollen Planeten in sicherer Entfernung, saßen alle Besatzungsmitglieder im großen Aufenthaltsraum. Der Arzt ergriff das Wort: „Da unser Computer viele Daten von den Besatzungsmitgliedern der verschollenen Raumschiffe gespeichert hat, haben wir relativ schnell herausgefunden, wessen traurige Überreste wir vor uns haben. Es handelt sich um das Skelett von Professor Bentley, der an der ersten Expedition mit dem Raumschiff .Europa' teilnahm." „Die letzte Meldung von der ,Europa' kam vor" — der Navigator klapperte mit den Tasten seines Taschenrechners — „genau hundertachtundsechzig Jahren, zwei Monaten und vier Tagen." „Und woran starb Professor Bentley?" fragte der Kapitän. „Mehrere Frakturen am Schädel deuten auf einen Sturz aus größerer Höhe hin, obwohl es an dieser Stelle nur ein paar Trümmer gibt, die etwas mehr als mannshoch sind", antwortete der Arzt. „War er nicht Kernphysiker?" „Ja, sogar eine Kapazität auf dem Gebiet der Materieforschung. Er war auf der Suche nach der natürlichen Form der Antimaterie. Seine Hypothese lautete, daß es diese Form der Materie in unserem Sonnensystem nur deshalb nicht gäbe, weil die Rotationsgeschwindigkeit der Planeten zu gering sei. Hier, im Bereich der Riesensonne Ras Algethi, wollte er den Beweis seiner Theorie finden. Leider werden wir wohl nicht erfahren, ob er entdeckt hat, was er suchte." „Es sei denn, wir finden von ihm Aufzeichnungen", rief der Kybernetiker. Wieder war ein Teil der Besatzung im Schacht. Diesmal untersuchten sie die dritte Etage. Schon im zweiten Raum stießen sie auf Dinge, die nur von der Erde stammen konnten: Kisten, in denen Nahrungskonzentrate waren, sowie 16
einen Stapel Raumanzüge und Schußwaffen. Im nächsten Raum lagen mehrere Atmungsgeräte. „Wer mag das wohl hierher geschafft haben? Dieser Planet hat doch atembare Luft, und gegen die fremden Bakterien braucht man doch nur einen Filter." Der Doktor drehte ein Ventil auf, und zischend strömte komprimierte Luft aus. „Na, was ist? Träumst du?" Er stieß den Kybernetiker an. „Keine Spur. Ich habe mir gerade überlegt, wie sich diese Anlage in Betrieb hält. Es muß doch Verschleiß auftreten, denn ein Perpetuum mobile gibt es sicher auch hier nicht. Die Klimaanlage läuft anscheinend Tag und Nacht. Wenn man den Sinn nicht kennt, sieht das alles etwas unnütz aus." Aus dem Nebenraum kamen Clint und der Geologe. „Hallo, Kapitän!" rief Clint erregt. „Wir haben handschriftliche Aufzeichnungen gefunden. Auch paar Rollen Draht sind dabei." Er übergab dem Kapitän sechs kleine Bücher. Die Seiten waren mit sehr kleiner Schrift bedeckt, die fast unleserlich war. Der Kybernetiker besah sich die Drahtrollen. „Das könnten Magnetaufzeichnungen sein." Der Chefphysiker hatte die Aufgabe der Entzifferung übernommen und teilte die Ergebnisse über Bordfunk mit. Er berichtete: „Bevor ich beginne, muß ich erklären, daß es mir leider nicht immer möglich war, die Schrift wortwörtlich zu deuten. Ich habe daher das Fehlende sinngemäß ausgelegt und hoffe, daß mir keine groben Fehler unterlaufen sind. Tatsächlich handelt es sich um die Aufzeichnungen des Professors Bentley. Er schreibt: Seit dem Start hatte ich noch keine Zeit, meine Aufzeichnungen zu beginnen. Erst jetzt, zehn Tage später, fange ich damit an. Es ist noch nichts Wesentliches passiert. Der Start hat mir weniger ausgemacht, als ich dachte. Trotzdem ließ ich mir vorsichtshalber vom Doktor zwei PÜlen geben. Endlich kann ich mich an die letzten Berechnungen machen. Fast vierzig Tage sind schon vergangen, und die Langeweile wird allmählich nervtötend! Hier gibt es dann mehrere Blätter, die nichts Wichtiges enthalten, daher lasse ich sie weg. Aber dann wird es interessant! Der Professor schreibt weiter: Ein weiteres Jahr in diesem fliegenden Gefängnis halte ich wahrscheinlich nicht aus. Wann werden wir endlich wieder unter einem richtigen Himmel stehen? In letzter Zeit werde ich in der Nacht — oder besser: in dem Zeitabschnitt, den wir so bezeichnen — von Alpträumen heimgesucht. Vorgestern war ich als Kind in meinem Elternhaus. Die Sonne schien direkt auf den Tisch vor mir, und ich hatte keine Lust, meine Schularbeiten zu machen. Mein Vater drohte mir, er werde mich in den Keller sperren, wenn ich die Aufgaben nicht erledige. Er wußte genau, daß ich mich im Dunkeln schrecklich fürchte. Daher kletterte ich aus dem Fenster, aber unsere große Dogge hinderte mich an der Flucht. Sie wollte zwar nur spielen, doch sie hat mir schon immer etwas Furcht eingeflößt.Da ich aber um jeden Preis fort wollte, habe ich mit dem großen Hund gekämpft. Mein Vater stand lachend dabei... Ich erwachte dadurch, daß ich aus meiner Koje fiel. Alle Sachen klebten mir am Körper, und ich war am Morgen wie gerädert. Mir kommen immer öfter Zweifel, ob es richtig war, in meinem Alter noch an solch einer langen Reise teilzunehmen. Sollte sich meine Theorie nicht beweisen lassen, bin ich für die Wissenschaft sowieso erledigt. Heute war ich beim Doktor. Er untersuchte mich gründlich und verschrieb mir ein paar Medikamente. Außerdem muß ich ihn jeden Tag aufsuchen, 17
damit er mich mit allerhand Geräten bearbeiten kann. Seither sind vierzehn Tage vergangen, und der Doktor gibt sich zuversichtlich. Mir ist aber der Anblick des kalten schwarzen Raumes, in dem wir scheinbar bewegungslos hängen, so zuwider, daß mir übel wird, wenn ich hinaussehe. Etwas Schreckliches ist passiert. Bei der regelmäßigen Überprüfung des zur Zeit ruhenden Nuklearantriebes wurden versehentlich zwei Männer im Strahlengang eingeschlossen. Erst beim Probelauf wurde ihr Fehlen bemerkt, aber es war schon zu spät. Warum hat nur die Warnanlage nicht funktioniert? Zwei Menschen mußten hier, weitab von ihrer Heimat, ihr Leben lassen, nur weil ein winzig kleiner Teil der Anlage versagt hat. An dieser deprimierenden. Affäre wird erst deutlich, von welchen kleinen Dingen unser Leben abhängt. Schließlich kann uns hier niemand zur Hilfe kommen. Das erinnert mich an ein Erlebnis vor fast zehn Jahren. Damals landeten wir im Proxima-System auf einem Planeten, der als unbewohnt galt. Wir fielen zu viert in die Klauen dieser merkwürdigen Reptilien mit den Schlangenarmen. Wäre ich nicht im letzten Moment vom Suchtrupp befreit worden, hätte ich mein Leben wie die drei anderen verloren. Sie wurden vor meinen Augen zerrissen. Das alles wäre nicht passiert, wenn wir uns nicht auf diese neuartigen Infrarot-Taster verlassen hätten. Sie sollten uns anzeigen, ob sich Lebewesen in unserer Nähe befanden. Da diese Reptilien jedoch Kaltblütler sind, waren die Taster nicht empfindlich genug. Nie werde ich den Anblick dieser schrecklichen Geschöpfe vergessen. Damals schwor ich mir, nie wieder blindlings der Technik zu vertrauen. Aber trotzdem sitze ich hier in diesem kleinen Schiff und fliege fast in die Unendlichkeit. Nun ist es soweit. Wir dringen in das System M 13 ein, wenn man von einem Eindringen überhaupt sprechen kann. Bis jetzt haben sich nur die Koordinaten verändert, und die Sterne wechseln langsam ihre Positionen. Das eigentliche Zielgebiet erreichen wir in etwa drei Monaten. Es erregt mich ungemein zu wissen, daß ich in verhältnismäßig kurzer Zeit wieder unter einem richtigen Himmel stehen werde. Auch der eigentliche Zweck der Reise tritt dagegen in den Hintergrund. Wir sind auf eine Umlaufbahn eingeschwenkt. Der Planet gehört zur Klasse drei und besitzt eine atembare Atmosphäre. Es ist mit intelligentem Leben zu rechnen. Bewohnte Gebiete konnten jedoch noch nicht ausgemacht werden, ebenso gibt es keine Funksignale. In zwei Tagen landen wir, und ich bat den Kapitän, er möge mich an der ersten Landung teilnehmen lassen. Er hat meinem Wunsch entsprochen. Die Erkundungssonde hat einen Fleck geortet, der intensiv Wärme ausstrahlt. Es handelt sich jedoch nicht um einen Vulkan. Bei unserer Landung nahe dem Warmefleck entdeckten wir vier Häuser. Es sind Eingänge zu einem Schacht, der die Wärme ausstrahlt. Bis auf einige kleine Tiere, die nicht vor uns flüchten, haben wir noch kein Lebewesen entdeckt. Die Untersuchung des Schachtes zeigte ein verblüffendes Ergebnis. Es handelt sich um eine Energiequelle von großem Ausmaß. Wir fuhren mit einem Lift sehr tief hinab, haben aber den Grund des Schachtes nicht erreicht. Lange Gänge sind seitwärts in das Innere getrieben. Wir entdeckten ein Rohrsystem, in dem eine plasmaartige Masse pulsiert. Messungen ergaben, daß diese Masse den Magnetismus des Planeten absorbiert und in Energie umwandelt. Wozu dies alles besteht, konnten wir noch nicht ergründen, denn bisher fehlt von den Erbauern j ede Spur. Wenn sie nicht auf diesem Planeten wohnen, ist die Chance sehr gering, daß wir sie überhaupt jemals sehen, es sei denn, sie haben ein Alarmsystem eingebaut. 18
Der Physiker wollte eines der Rohre anbohren, um etwas von der Masse zu entnehmen, aber der Kapitän hat es verboten. Er meint, wir sollten uns nicht an der Anlage zu schaffen machen. Möglicherweise passiert ein Unglück dabei. Wir diskutierten fast vier Stunden lang über den Sinn der Anlage. Daß sie sich selbst unterhält, ist klar, aber aus den wenigen eingravierten Symbolen geht nicht hervor, wie und wozu. Solch ein Objekt zu erbauen dauert nach irdischen Begriffen mindestens achtzig bis hundert Jahre. So etwas läßt man doch nicht einfach im Stich. Diesmal war ich den ganzen Tag allein unterwegs, was anscheinend völlig gefahrlos ist. In der zehnten Etage entdeckten wir einen Raum, in dem sich ein Stuhl befindet, der wie ein Thron aus vergangener Zeit aussieht. Sogar eine Krone ist vorhanden. Sie ist an einem beweglichen Arm befestigt. Einer der Männer hat ihn sarkastisch als elektrischen Stuhl bezeichnet, obwohl er damit sicher weit danebengetroffen hat. Wesen, die eine derartige Anlage erbauen können, haben längst das Verbrechen ausgemerzt und entsprechende Strafen überflüssig gemacht. Das Raumschiff landete etwa einen Kilometer vom Schacht entfernt, denn es war zu umständlich, jedesmal den Ringwall zu übersteigen. Seit vier Tagen beschäftigt sich der Kybernetiker mit den Symbolen, die wir von überall zusammengetragen haben. Der Computer läuft auf Hochtouren. Bei einem Spaziergang mit dem Doktor haben wir über die merkwürdige Tierwelt gesprochen. Es gibt Insekten und Säugetiere, letztere bis zur Größe eines Rehs. Wo aber sind die Raubtiere, die es doch geben müßte, damit das Gleichgewicht in der Natur nicht gestört wird. Sonst müßte dieser Planet ja überquellen von Tieren. Soviel wir auch suchten, es gibt weder fliegende Insekten noch Vögel. Der Doktor hat sich eine Theorie zurechtgelegt, die gar nicht so phantastisch ist, wie sie sich anhört. Er meint, dieser Planet sei so etwas wie eine Außenstation und werde nur in Zeitabständen, die wir nicht kennen, besucht. Bei diesen Besuchen sorgen die Erbauer auch für die Kurzhaltung des Tierbestandes oder, was noch wahrscheinlicher ist, sie halten sich hier Tiere für ihre Ernährung. Meine Stimmung hat sich in den letzten Tagen wieder verschlechtert. Der Kapitän bat mich, aus Sicherheitsgründen nicht zuviel allein herumzulaufen. Ich glaube jedoch, der Doktor hat mit ihm über mich gesprochen. Deshalb konnte ich den Kapitän nicht überzeugen, daß es hier völlig ungefährlich sei. Immerhin hat er mir jeden Tag vier Stunden Ausgang bewilligt, ich darf mich aber nicht weiter entfernen, als das Funkgerät reicht. Wenn er wüßte, wie schön es ist, unter freiem Himmel zu liegen mit dem Gefühl, daß man festen Boden unter sich hat. Wenn ich dann an meine enge Kabine denke, läuft es mir kalt den Rücken herunter. Warum bleiben wir nicht einfach hier? Es ist alles vorhanden, was wir brauchen, und vielleicht lernen wir auch die Erbauer dieser großartigen Anlage kennen. Da ich jedoch sicher bin, daß mir der Kapitän diesen Wunsch nicht erfüllen kann, sage ich ihm lieber nichts davon. Dieser Wunsch läßt mich einfach nicht mehr los. Ich träume schon davon. Mein Entschluß steht fest. Kurz vor dem Start werde ich mich verstecken und mich so lange nicht melden, bis sie abgeflogen sind. Aus dem Lager hole ich mir jeden Tag heimlich Lebensmittel und verstecke sie im Gelände. Vor allem nehme ich Konserven mit Spurenelementen. An Fleisch wird es mir nicht mangeln. Das Gewehr aus der Kabine habe ich schon an mich genommen. Bis jetzt hat noch niemand etwas von meinen Vorbereitungen bemerkt. 19
Ich habe ungewollt ein Gespräch zwischen dem Kybernetiker und dem Kapitän belauscht. Es ist anscheinend gelungen, das Geheimnis des Thrones zu lüften. Aber sie scheinen sich nicht zu trauen, das Gerät auszuprobieren. Deshalb habe ich mich entschlossen, nachts einen Versuch durchzuführen. Da am Schacht keine Wache steht, habe ich eine Entdeckung nicht zu befürchten. Meine Aufzeichnungen trage ich jetzt immer bei mir, denn ich weiß nicht, wann es soweit ist, daß ich mich verstecken muß!" Der Vorlesende schwieg einen Moment und erklärte dann: „Hier sind die schriftlichen Aufzeichnungen zu Ende, aber es gibt noch Tonaufzeichnungen, die ich jetzt original abspielen werde. Selbstverständlich auch wieder nur die wichtigsten Passagen." Es knackte, und dann erklang eine etwas heisere Stimme: „Eine Woche nach meinem heimlichen Experiment bin ich zum Raumschiff zurückgekehrt, um diese Aufzeichnungen zu machen. Es wird sicher ein Suchschiff kommen, um zu ergründen, warum wir nicht zurückgekehrt sind. Merkwürdige Dinge sind passiert. Ich habe in der bewußten Nacht lange im Thronraum gesessen und gezögert, diese Krone aufzusetzen, denn ich war mir durchaus bewußt, daß ich mich möglicherweise in Gefahr begab. Als ich es dann doch versuchte, mußte ich feststellen, daß sie mir nicht paßte. Dann übermannte mich der Schlaf. Die Anspannung der letzten Tage war wohl so stark gewesen, daß ich am Tisch einschlief. Wieder quälten mich Alpträume. Durch ein starkes Geräusch wurde ich aber bald geweckt. Als erstes nahm ich die Krone wahr, deren Stirnband direkt an meinem Kopf lehnte. Der ganze Schacht war von einem lauten Brummen erfüllt, und als ich die Galerie erreichte, waren die Kugeln in einen hellen Schein gehüllt. Ich wollte schnellstens den Schacht verlassen, aber der Lift war außer Betrieb. Nach etwa fünf Minuten verblaßte der Schein um die Kugeln, und der Lift funktionierte wieder. Als ich endlich die Oberfläche erreichte, fand ich das Raumschiff nicht mehr an seinem Platz vor. Mein erster Gedanke war, daß sie gestartet waren, ohne mein Fehlen zu bemerken. Das war zwar unwahrscheinlich, kam aber meinem Wunsch entgegen, und so machte ich mir erst einmal keine Sorgen. Sobald es hell wurde, unternahm ich einen Erkundungsgang, um mich zu überzeugen, ob sie nicht nur den Standort gewechselt hatten. Als ich den Wald nördlich des Schachtes durchquerte, fand ich zu meinem Erschrecken das Raumschiff; es war umgestürzt. Auf meine Rufe antwortete mir niemand. Nur mit Mühe erreichte ich die Einstiegsluke und untersuchte das Schiff, aber es war niemand an Bord. Erst am späten Nachmittag war ich davon überzeugt, daß sich keiner von der Besatzung in der Nähe befand. Ich machte mir große Sorgen um meine Gefährten und hoffte immer noch, daß sie wieder auftauchten, denn ich konnte mir nicht erklären, wo sie geblieben waren. Ich habe über all diese Erlebnisse auf Magnetrollen des Schiffsspeichers berichtet und nehme diese Rollen mit mir, denn es ist anzunehmen, daß über unser Verschwinden Nachforschungen angestellt werden." Der Chefphysiker schwieg eine Weile und sagte dann: „Diese magnetischen Aufzeichnungen sind hier zu Ende. Bei der Entzifferung des letzten Tagebuches hoffte ich auf eine nähere Erklärung, aber leider gibt es nur noch wenige Sätze. Sie lauten: ,Am dritten Tage wollte ich das Schiff noch einmal gründlich untersuchen und noch mehr Lebensmittel mitnehmen, aber es war nicht mehr da! Ich fand nur noch die Lücke im Wald. Diese Tatsache hat mir Angst eingeflößt, denn ich kann sie mir nicht erklären. Ich habe mich in einem der Eingangshäuser einquartiert, da es im Schacht regelmäßig in der 20
Nacht lebendig wird. Das Brummen setzt plötzlich ein, und die Kugeln erstrahlen in hellem Glanz. Deshalb betrete ich den Schacht nur noch am Tage. Warum kommt keiner und holt mich ab? Ihr wißt doch, daß ich hier bin. Bernard, melde dich doch!' Bernard hieß der Kapitän des Raumschiffes", setzte der Chefphysiker hinzu. „Außerdem sind hier die Aufzeichnungen zu Ende, denn die letzten Seiten des Buches wurden herausgerissen und sind nicht aufzufinden." Die Lautsprecheranlage war verstummt. Auch die versammelten Männer in der Kapitänskajüte blieben still. Endlich sagte der Kapitän: „Ihr habt nun selbst gehört, wie verworren das alles ist. Trotzdem wissen wir doch schon etwas mehr durch diese Aufzeichnungen. Erstens geschah das Verschwinden zweier Raumschiffe durch eine Kraft, die wir noch nicht kennen, die aber auch auf uns schon eingewirkt hat. Zweitens erfolgen die Angriffe nur nachts und richten sich gegen jeden, der sich zu dieser Zeit auf dem Planeten befindet. Drittens — und das erscheint mir am wichtigsten — trat diese Kraft das erstemal auf, nachdem der Professor bei seinem Experiment mit der Krone eingeschlafen ist und von Alpträumen heimgesucht wurde. Leider existieren darüber keine ausführlichen Angaben. Aber irgendwie erinnert mich das Ungeheuer, das wir nachts gesehen haben, an den Angsttraum mit der Dogge, den Professor Bentley in seinen Aufzeichnungen beschreibt. Dieses Untier hatte doch auch etwas Hundeähnliches an sich, und wenn es nicht so absurd klingen würde, könnte man sagen, daß dieses Monstrum der Traumwelt des Professors entsprungen ist. Wie dem auch sei, wahrscheinlich hängt die Bedrohung der Raumschiffe mit den Experimenten des Professors zusammen. Also kann es logischerweise viertens nur heißen: Der Professor ist für die Angriffe verantwortlich, wenn auch ohne sein Wissen." „Aber der Professor ist schon lange tot!" warf der Geologe ein. „Die Anlage kann ja das Untier gespeichert haben und jedesmal in Tätigkeit treten, wenn sich ein Lebewesen unserer Art hier niederläßt." „Da kommt mir ein schrecklicher Gedanke!" Der Kybernetiker sprang auf und lief erregt hin und her. „Stellt euch mal vor, die Erbauer der Anlage treffen hier ein. Sie ahnen doch nichts von der Gefahr, in der sie schweben. Vielleicht ergeht es ihnen dann so wie den beiden Besatzungen. Die Anlage ist womöglich auch defekt geworden und wird nicht mehr mit der notwendigen Energie versorgt." „Du könntest recht haben." Der Funker schlug mit der flachen Hand auf den Tisch/^Dann müssen wir die Anlage ganz und gar ausschalten, damit die Fremden aufmerksam werden." „Halt, halt! So einfach ist das nicht. Natürlich wäre es die simpelste Lösung, aber schließlich gehört uns die Anlage nicht, und wir wissen nicht, ob wir durch unseren Eingriff nicht gerade andere Lebewesen in Gefahr bringen." Der Kapitän schüttelte den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß alle Männer der beiden Raumschiffe tot sein sollen. Dann hätten wir doch auch Überreste finden müssen. Außerdem ist es mehr als unwahrscheinlich, daß der Professor die Schuld wissentlich auf sich geladen hat. Sicher, er war anscheinend krank; aber hat das eine mit dem anderen zu tun?" Der Kapitän wandte sich an den Kybernetiker. „Wie lange kann es etwa dauern, bis ihr hinter den Sinn der Anlage gekommen seid?" „Das ist nicht so einfach zu beantworten... Acht Tage, vielleicht auch zelm Auch ein ganzer Monat ist nicht ausgeschlossen. Zuerst müssen wir diesen Thronraum finden." „Ihr könnt sofort morgen früh mit der Arbeit beginnen. Aber nur am Tagq-, ist das klar?" Die Anwesenden nickten zustimmend. — 21
Drei der besten Techniker und der Kybernetiker saßen schon den dritten Tag im Thronraum. Mit wissenschaftlicher Gründlichkeit überprüften sie die Schaltungen und deren Symbole. Bisher hatten sie um den Stuhl immer einen Bogen gemacht. Aber nun, am vierten Tag, setzte sich der Kybernetiker hinein. Er betrachtete lange die Krone. Dieses Ding ist doch von intelligenten Wesen gemacht, dachte er. Warum soll es gefährlich sein, sie aufzusetzen? Sicher würde sie dann nicht für jedermann frei zugänglich sein. Was kann also passieren, wenn ich sie ganz kurz aufsetze? Solange wir keine Beschreibung der Anlage haben, erfahren wir auch nicht, wozu sie dient. Es würde mich schon reizen, eine Probe zu machen. Der Professor hat j a auch weitergelebt. Natürlich ist es nicht richtig, wenn ich mich in Gefahr bringe, denn ich werde auf dem Schiff gebraucht. Wieder bewegte er die Krone hin und her. Das ist sogar meine Kopfgröße. Die wissenschaftliche Neugier siegte aber doch über den Verstand und die Bedenken, er könne mit seinem Versuch unkontrolliert etwas in Gang bringen, das allen schadete. Er setzte sich die Krone auf. Kaum fühlte er das Metall auf seiner Haut, als auf dem Tisch ein etwa dreißig Zentimeter großer, runder Fleck erschien. Die Gefährten hatten den Kybernetiker nicht aus den Augen gelassen. Als nun die helle Stelle erschien, rissen sie ihm die Krone vom Kopf, und sofort erlosch der Fleck. „Hast du es wirklich so eilig, deinen Geist aufzugeben?" rief Clint wütend. „Unsinn! Es ist doch nichts passiert. Gib her, ich probiere es noch einmal. Wenn es dich beruhigt, du kannst sofort eingreifen, wenn etwas nicht deine Zustimmung findet." „Sollten wir nicht lieber den Kapitän benachrichtigen?" „Ja, aber erst danach, oder willst du ihm mit Vermutungen kommen?" „Das eigentlich nicht." Zögernd gab Clint die Krone wieder frei. Der Kybernetiker setzte sie auf und saß reglos da. „Na, was ist?" „Gar nichts! Ich denke schon die ganze Zeit, was wohl passieren könnte." Der Kybernetiker sah Clint an, und da geschah es. Aus dem leuchtenden Fleck wuchs eine Gestalt. Sie ähnelte Clint aufs Haar. Der Kybernetiker folgte dem entsetzten Blick des Technikers und sah gerade noch die verblassende Erscheinung. Er warf die Krone auf den Tisch. „Das ist ja unwahrscheinlich! Ein Adapter, der Gedanken materialisiert. Das müssen wir sofort dem Kapitän melden", sagte er. Der Kybernetiker übernahm selbst die Erklärung. Er berichtete, wie sie auf die Funktion des Gerätes gekommen seien und welche Vermutung er habe. Als er endlich schwieg, sagte der Kapitän: „Zuerst muß ich euch eine Rüge erteilen für euren Leichtsinn. Ihr habt euch unwissenschaftlich verhalten. Wir werden die Situation selbstverständlich ausnutzen. Wenn man also mit diesem Adapter, ich würde jedoch eher von einem Realisator sprechen, Gedanken materialisieren kann, könnte man doch alles erscheinen lassen... Ich denke zum Beispiel auch daran, die Männer der beiden Raumschiffe wiedererstehen zu lassen. Ob das wohl geht?" „Aber die Figur auf dem Tisch war doch nur dreißig Zentimeter hoch! Außerdem fehlen uns gespeicherte Informationen über diese Männer, sozusagen Matrizen." „Wenn dieses Ungeheuer durch den Realisator entstanden ist — und dessen bin ich mir jetzt sicher —, muß es doch möglich sein, auch Gegenstände herzustellen. Schließlich ist es ja auch an die Planetenoberfläche gekommen, 22
und das nicht nur einmal. Ich..." Er stockte. „Das muß die Lösung sein!" rief er dann. „Wenn das Ungeheuer immer wieder auftauchen kann, wird es einen Speicher geben. Den müssen wir finden. Machen wir aber erst einen Versuch, dann haben wir Gewißheit..." Sandro, einer der Männer vom Suchtrupp, saß am Tisch des Realisators. Der Kapitän, der Kybernetiker sowie der Doktor standen um ihn herum. „Also konzentriere dich und wünsch dir was!" Sandro setzte den Helm auf, und es dauerte nur Sekunden, da erschien, aus dem Lichtfleck heraus, eine Frau. Der Kapitän klopfte Sandro auf die Schulter. „Was soll das? Dein Wunsch ist zwar verständlich, aber ich meine etwas anderes." Die Gestalt verschwand wieder, und eine Weile schwebte nur ein Chaos von Farben und Linien über dem Tisch. Es sah aus, als ob sich die Gedanken gegenseitig daran hinderten, eine bestimmte Form anzunehmen. Der Kapitän brach das Experiment ab, und sie kehrten zum Schiff zurück. Dort empfahl der Doktor, der Kapitän solle den Zweiten Funker gewinnen, den Versuch zu machen. Er habe einen ausgeglichenen Charakter und sei ein ernsthafter Mensch. Also setzte sich der Zweite Funker am nächsten Tag an den Tisch. Es verging einige Zeit, und die meisten dachten schon, es passiere nichts, als plötzlich über dem Schacht der Funker erschien. Er schwebte in der Luft und hatte statt der Arme Flügel. Langsam schwebte er auf die Gruppe zu. Seine 23
Gestalt wurde zusehends größer. Aus weitaufgerissenen Augen starrte er die Gefährten an. Sein Mund bewegte sich, und es sah aus, als wolle er jemanden beißen. Wahrscheinlich wegen dieser Bewegung oder aus der unheimlichen Situation heraus verlor einer der Männer die Nerven. Bevor ihn jemand hindern konnte, hob. er seine Waffe und feuerte mehrere Schüsse in die Gestalt. Dieser schien der Beschuß jedoch nichts auszumachen, denn sie kam weiter auf die Kosmonauten zu. Der Kapitän wollte den Schützen zurückreißen, aber es war zu spät. Er hob erneut die Waffe und zog noch einmal durch, aber da geschah etwas Schreckliches. Aus den Augen der fliegenden Gestalt schössen zwei blaue Strahlen und trafen den Mann mit der Waffe. Der schrie auf, warf die Arme in die Luft und stürzte zu Boden. Seine Gefährten standen noch starr vor Schreck, als sich die Gestalt des Funkers aufblähte, größer und größer wurde und schließlich zerplatzte. Das brachte alle wieder zur Besinnung. Zwei Männer kümmerten sich um den bewußtlos am Boden Liegenden, und der Kapitän rannte, gefolgt von den anderen, zum Schacht. Als sie endlich den Raum erreichten, sahen sie das Unglück. Die beiden Männer, die den Versuch überwachen sollten, waren auf den Fußboden gestürzt, während der Funker regungslos in dem thronähnlichen Stuhl hing. Wie sich herausstellte, waren die zwei nur bewußtlos, der Funker jedoch tot. Man schaffte alle zum Raumschiff, und der Kapitän verbot bis auf Widerruf, den Raum zu betreten. Er beorderte zwei Wachen vor die Tür des Raumes. Fast einen Tag lang dauerte die Untersuchung des Toten. Der Arzt stellte unter anderem fest, daß das Gehirn völlig zerstört war. Nach Schilderung der beiden Beobachter verlief der Versuch zuerst ganz normal. Dann habe sich der Funker plötzlich in einen bläulichen Schein gehüllt. Sie waren hinzugesprungen, um ihm die Krone abzunehmen, aber als sie in den blauen Schein griffen, bekamen sie einen fürchterlichen Schlag und verloren die Besinnung. Der Kybernetiker hatte sich von allem Notizen gemacht. Er stellte Berechnungen an und sagte dann zum Kapitän: „Aus allen Aussagen habe ich entnommen, daß sich wahrscheinlich mit der Steigerung der Gedankenintensität auch die Energie erhöht. Es wäre ratsam, beim nächsten Versuch die Krone nicht länger als zwei Minuten aufzubehalten." „Soll das etwa heißen, wir sollen noch einen Versuch unternehmen?" fragte der Kapitän ungläubig. „Du meinst doch nicht im Ernst, daß ich noch einen von uns opfere. Immerhin habe ich die Verantwortung für euch alle. Da müssen wir uns schon etwas anderes ausdenken."— Die beiden, die als Wache eingeteilt waren — der größere hieß Bertie, der kleinere Pedro —, fuhren mit dem Lift abwärts. „Ich kann mir nicht helfen, wir müßten eigentlich schon längst unten sein. Das kommt mir heute ziemlich lange vor." „Hast du auch die richtige Etage angesteuert?" Pedro sah zu Bertie auf. „Na sicher! Ich war doch schon zweimal hier unten." „Aber wenn nun etwas defekt ist? Halte doch mal an und wähle noch einmal!" „Du machst mir Spaß, anhalten! Siehst du vielleicht irgendwo eine Bremse? Der Kybernetiker hat mir nur gezeigt, wie man runter und rauf fährt." Bertie zeigte auf die zwölf Knöpfe. „Sicher weiß er selbst nicht mehr." Er schlug mit der Faust gegen das Armaturenbrett. „Bist du verrückt?" schrie der kleine Pedro. „Wir sollen wohl hängenbleiben. Was meinst du, wie lange das dauert, bis sie uns hier rausholen?" Die Kabine hielt mit einem scharfen Ruck. 24
„Da haben wir schon die Bescherung! So einen Unfug zu machen!" Aber Pedro hatte sich geirrt, denn die Tür öffnete sich, und sie sahen in einen Gang. „Na, was ist? Sind wir hier richtig?" Pedro blickte den zögernden Bertie an. „Ich würde sagen, es sieht so aus. Diese Gänge gleichen sich ja aufs Haar. Also los, gehen wir. Es muß die achte Tür von rechts sein." Als beide den Lift verlassen hatten, schloß sich hinter ihnen die Tür, aber sie achteten nicht darauf. Langsam schritten sie den Gang entlang. An der achten Tür blieb Bertie stehen. „Gehen wir nicht rein?" fragte Pedro. „Hast du nicht gehört, was der Kapitän gesagt hat? Niemand betritt den Raum." „Natürlich habe ich das gehört, aber das gilt doch nicht für uns. Willst du vielleicht die ganze Zeit stehen?" Bertie verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn du nicht stehen möchtest, dann setze dich doch auf den Boden! Hier kommst du jedenfalls nicht rein." „Ja, ja, ist schon gut. Reg dich nicht auf! Aber du hast doch nichts dagegen, wenn ich mir etwas zum Sitzen suche?" „Von mir aus, aber faß nicht alles an, du weißt, der Kapitän kann ganz schön wütend werden!" Pedro nickte nur und schlenderte den Gang entlang. Er öffnete eine Tür nach der anderen, aber was er suchte, fand er nicht. Deshalb ging er weiter und verschwand schließlich hinter der Biegung des Ganges. Bertie machte sich bald Sorgen über das lange Ausbleiben und wollte gerade hinterhergehen, als Pedro im Laufschritt zurückkam. „Bertie, das mußt du unbedingt sehen! Am Ende des Ganges ist ein Raum, in dem steht etwas Merkwürdiges." Pedro war etwas außer Atem geraten. „Nun beruhige dich doch erst mal! Ich kenne alle Räume in dieser Etage und verstehe deine Aufregung. Mir war dort auch vieles neu und aufregend." „Aber hör doch mal zu! Ich habe die Männer von den vermißten Raumschiffen gefunden!" „Was hast du gefunden? Hier, in dieser Etage?" „Ich habe es doch eben gesagt, und wenn du mich nicht unterbrochen hättest, wüßtest du schon alles. Die Männer von den Raumschiffen, sie sind hier, das heißt da hinten in einem der Räume." „Das ist nicht möglich, wir haben doch die ganze Etage bereits abgesucht!" „Also was bist du schwer von Begriff! Du brauchst nur mitzugehen und dich zu überzeugen. Diesen Augenblick wird schon keiner kommen. Nachher kannst du dir meinetwegen die Beine in den Bauch stehen. Ich mache jedenfalls eine Meldung." „Nun warte doch mal, ich komme ja mit." Bertie drehte sich um. „Erst werde ich mal hier reinsehen!" Er öffnete die Tür und blickte verständnislos in den Raum. „Es muß tatsächlich eine falsche Etage sein! Diesen Raum habe ich noch nie gesehen." „Mir kam das gleich so seltsam vor. Aber nun los, es dauert nur ein paar Minuten!" Pedro zog Bertie einfach am Ärmel hinter sich her, denn der grübelte immer noch über die Handgriffe nach, die er im Lift gemacht hatte. Als Pedro eine Tür öffnete, blickte Bertie erstaunt auf einen vitrinenartigen Behälter, der die Mitte des Raumes einnahm. Über dieser Vitrine befand sich ein Metallgitter in Glockenform. Beim Nähertreten sah er, daß in der Vitrine an feinen Metallfäden kleine Kristalle hingen, und beim Betrachten dieser Kristalle wurde sein Blick starr vor Verwunderung. In diesen Kristallen waren kleine Figuren eingeschlossen. Eines hatten sie gemeinsam: Sie 25
trugen alle Raumanzüge. „Das ist doch nicht möglich", flüsterte Bertie. „Die verschwundenen Männer, und hier ist auch Anton Krenkow, unser Wachposten. Das wäre nur erklärlich, wenn das Monstrum die Kosmonauten in die Speicheranlage verschleppt hat. Aber dann müßte ja das Untier ebenfalls in einem Kristall enthalten sein." „Vielleicht ist seine Matrize anders gekennzeichnet", sagte Pedro und ging schon zur Tür, um den Kapitän zu informieren. Er wollte sie öffnen, aber es war kein Handgriff da". Wie sehr er sich auch mühte, sie blieb geschlossen. Bertie trat zu ihm. „Na, was ist?" fragte er. „Geht sie nicht auf? Laß mich mal versuchen!" Aber soviel Bertie sich auch gegen die Tür warf, sie öffnete sich nicht. „Was ist denn mit dem Ding los? Hast du möglicherweise einen verborgenen Kontakt berührt?" „Ich kann mich nicht erinnern^" „Dann sind wir hier eingesperrt. Verstehst du das?" Bertie wanderte im Raum umher und betrachtete aufmerksam die Wände, konnte aber keinen Schalter oder Ähnliches entdecken. „Wir haben uns wie Anfänger benommen. Die Tür hat eben nur außen einen Knauf, und wenn sie sich nicht geschlossen hätte, könnten wir jetzt ungehindert hinausspazieren. Wenn wenigstens unser Funkgerät arbeiten würde!" „In diesem Schacht ist an eine Verständigung durch Funk gar nicht zu denken. Hier ist viel zuviel Metallkram eingebaut. Deshalb werden sie uns kaum finden." „Aber raus müssen wir." „Wenn wir bis zum Abend nicht im Schiff sind, werden sie uns schon suchen. Wenigstens ist der Raum groß genug, so daß wir bis dahin nicht erstickt sind." Sie sahen beide gleichzeitig zur Decke und bemerkten das Gitter. „Das wird der Luftschacht für die Klimaanlage sein, vielleicht kommen wir da raus!" rief Pedro. „Ohne Werkzeug?" fragte Bertie zweifelnd. „Räume mal deine Taschen aus und lege alles auf den Boden!" Sie leerten all ihre Taschen und ordneten den Inhalt. Ein Notizbuch mit Schreiber, zwei Taschentücher, ein Knopf, eine Rolle feiner Draht wurden von Bertie als unbrauchbar beiseite gelegt. Übrig blieben ein kleiner Schraubenzieher, zwei Stahlstifte und die Schnalle von Pedros Gürtel. „Das ist nicht viel, um sich hier herauszuarbeiten", brummte Pedro. „Hast du denn keine Waffe mit?" ' „Wozu eine Waffe? Eine Leiter wäre uns jetzt nützlicher!" Bertie reckte sich hoch, konnte aber die Decke nicht erreichen. „Dann müssen wir uns auf die Vitrine stellen", schlug Pedro vor. „Das können wir doch nicht machen. Stell dir vor, du brichst ein, dann zerstörst du die ganze Anordnung. Sieh dir die vielen feinen Drähte an, das kriegen wir doch nie wieder hin. Wir wissen nicht einmal, was das zu bedeuten hat." „Du hast immer ein Aber bereit. Oder willst du hier nicht raus?" „Natürlich will ich raus, und deshalb wirst du dich auf meinen Rücken stellen und arbeiten. Versuche es mal!" Er gab Pedro den Schraubenzieher, dann stellte er sich unter das Gitter, beugte sich nach vorn und stützte die Arme auf die Knie. Pedro nahm den Schraubenzieher in den Mund und kletterte vorsichtig auf Berties Rücken. Mit einer Hand hielt er sich am Gitter fest, und mit der anderen kratzte er an der Einfassung. „Das wird aber ein schönes Stück Arbeit", sagte er mißmutig. 26
Die Zeit verrann mit Kratzen und Ausruhen. Als Bertie einmal zur Uhr sah, stellte er fest, daß es draußen schon dunkel sein mußte. „Also die ganze Nacht lang möchte ich nicht ununterbrochen Schindern. Etwas Ruhe müssen wir uns schon gönnen." Er reckte seinen schmerzenden Rücken und machte ein paar Freiübungen. „Machen wir zwei Stunden Pause!"— Unruhig sah der Kapitän zur Uhr. „Wo bleiben nur die beiden Wachposten? Sie sollten doch bei Anbruch der Dunkelheit zurück sein." Er beorderte zwei Mann zum Schacht. Sie kamen nach einer knappen Stunde zurück und meldeten, daß sie niemanden gefunden hätten. Der Kapitän war in einer schwierigen Lage. Startete er ohne die Vermißten, mußte er befürchten, daß sie umkamen. Blieb er mit dem Schiff unten, würde er das Leben aller aufs Spiel setzen. Aber auch das Absetzen eines Suchtrupps war zu gefährlich. Während er noch nach einem Ausweg suchte, trat der Navigator ein. „Was ist, Kapitän, starten wir nicht? Es ist fast zweiundzwanzig Uhr!" Der Angesprochene stellte eine Verbindung mit der Lukenwache her. „Ist schon etwas von den beiden zu sehen?" „Nein, die Scheinwerfer sind eingeschaltet, aber es rührt sich nichts!" „Danke. An alle: Wir starten in zehn Minuten." Wohl war dem Kapitän nicht bei diesen Worten. Bertie wurde wach, denn irgend etwas hatte seinen Halbschlaf gestört. Er wußte nur nicht, was. Er weckte Pedro. Der rieb sich die Augen. „Was ist los? Können wir gehen?" „Wir müssen weitermachen, es ist schon nach Mitternacht." Pedro erhob sich. „Mir tun alle Knochen weh", klagte er. „Jetzt möchte ich was Kühles trinken!" Dann horchte er auf. „Sage mal, hörst du nichts?" „Deswegen habe ich dich eigentlich geweckt!" Sie schwiegen beide und lauschten. Ein feines Brummen war zu hören, das ihnen vorher nicht aufgefallen war. Der Boden vibrierte leicht. Bertie ging zur Wand und legte sein Ohr daran. „Es muß sich etwas eingeschaltet haben, irgendeine Maschine oder so was!" Pedro wollte gerade auf den Rücken von Bertie steigen, als Schritte den Gang entlang dröhnten. Pedro rutschte vor Schreck ab und schrie auf. „Verdammt, ich habe mir den F u ß verstaucht!" „Sei doch mal leise!" sagte Bertie erschrocken. „Was war denn das?" „Sicher das Ungeheuer. Es wird doch nachts aktiviert. Hoffentlich hat es uns nicht bemerkt", antwortete Pedro beklommen. Ängstlich warteten die beiden. Erst als es lange Zeit still geblieben war, begannen sie wieder mit ihrer Arbeit. Bald jedoch mußten sie abbrechen, da Pedros Fuß dick angeschwollen war. Sie beschränkten sich jetzt darauf, im SOS-Rhythmus an die Tür zu schlagen. Beim ersten Tageslicht landete das Raumschiff, und der Kapitän ging, gefolgt von zehn Mann, direkt zum Schacht. Truppweise begannen sie eine systematische Suche. Abwechselnd riefen sie laut die Namen der Vermißten. Die Zeit verstrich, aber niemand meldete sich. Als sie sich in der zwölften Etage trafen, um sich zu beraten, vernahmen sie ein rhythmisches Klopfen. Es war sehr leise, kam aus der Tiefe und wiederholte sich nach einer Pause. Im Eilschritt liefen alle die Treppen hinab. Als sie auf die Galerie der achtzehnten Etage einbogen, fanden sie die Tür. Sie gaben den beiden etwas zu trinken, und Pedro erzählte mit krächzender Stimme, was sie erlebt hatten. „Ich habe in der Zwischenzeit die Kristalle gezählt", berichtete Bertie. „Es 27
sind genau sechshundert Stück, immer in Reihen zu dreißig angeordnet. Aber nur hundertachtundsechzig sind mit den Einschlüssen versehen. Die anderen sind leer." Bertie trat zur Seite, und die Kosmonauten drängten sich um die Vitrine. Nur der Arzt kümmerte sich zunächst um Pedros Fuß. „Man kann es kaum glauben, aber es sind tatsächlich Männer von der Erde", sägte der Kapitän leise, „oder zumindest Matrizen von ihnen." „Wenn wir nicht herausfinden, wie man sie wieder zum Leben erweckt, nützt uns das hier wenig", sagte brummend der Arzt. Er sah auf den Kybernetiker. „Was meinst du dazu?" Der rieb sich seine Nase. „Daß es sich um einen Speicher handelt, steht außer Frage, aber es wird nicht einfach sein, ihn zur Wiedergabe zu bringen. Vor allem müssen wir erst mal den Raum finden, in dem sich die Reproduktion vollzieht." „Wir suchen den ganzen Schacht ab, bis wir ihn gefunden haben. Eher verlassen wir diesen Planeten nicht." Der Kapitän klopfte an die Vitrine. „Es sind doch Männer von uns!" „Einige von ihnen werden immerhin eine Zeitspanne von etwa hundertsiebzig Jahren überspringen. Da wird es bestimmt Komplikationen geben", sagte der Doktor nachdenklich. „Damit können wir uns ja immer noch befassen. Also, Leute, immer zu zweit alle Räume gründlich absuchen und untereinander Kontakt halten!" Es dauerte nicht lange, und jemand rief laut: „Kapitän, hier ist etwas." Einer der Männer stand in der geöffneten Tür und winkte. Es mußte sich um eine Art Archiv handeln, denn alle Wände waren mit Regalen verstellt, die mit Büchern gefüllt waren. Bei näherer Betrachtung entpuppten sich diese Bücher jedoch als Behälter für zusammengefaltete Folien. Sie waren mit Linien und Zeichen bedeckt, die entfernt an Schaltpläne erinnerten. „Das könnten Zeichnungen der Anlage sein. Was meinst du?" Der Kybernetiker nickte zustimmend. „Man müßte sie nur lesen können. Wir nehmen einige von ihnen mit, vielleicht lassen sie sich durch den Computer übersetzen." Er sah sich die Regale an. „Alles dieselbe Farbe und keine Bezeichnungen, wird ziemlich lange dauern, bis wir das Richtige gefunden haben. Wenn es überhaupt zu finden ist." Er suchte aus jedem Fach eine Kassette heraus und bezeichnete sie. Dann verließen sie den Schacht. Der Computer lief auf vollen Touren, aber die Ergebnisse waren zunächst unbefriedigend. Erst in einer der letzten Kassetten fanden sie einen Hinweis. Zwei Tage später wußten sie, wo der Raum für die Wiedergabe war, wie diese vor sich ging und was dabei zu beachten war. Nur langsam erfaßten die Männer das Gigantische der Anlage. Aus den noch nicht völlig entschlüsselten Aufzeichnungen ging hervor, daß es sich um weit mehr als nur um einen Empfänger und Sender handelte. Der Raum, in dem sich die Wiedergabe der gespeicherten Materie vollzog, hatte noch eine andere Funktion. Bei entsprechender Schaltung wurde jeder beliebige Gegenstand in seine Moleküle zerlegt und gespeichert. Wie und wo das vor sich ging, konnte man nicht feststellen. Die Kristalle dienten dazu, den genauen Zustand des Gegenstandes vor seiner Zerlegung zu fixieren. Damit war eine naturgetreue Regeneration möglich. Wahrscheinlich hatten die Erbauer der Anlage von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, was die leeren Kristalle bewiesen. Ungeklärt war bisher, wie die Eingeschlossenen in diesen Raum transportiert wurden, denn daß es nicht freiwillig geschah, stand außer Zweifel. Weitere Untersuchungen wurden jedoch aus Zeitmangel zurückgestellt, denn es galt in erster Linie, die Eingeschlossenen zu befreien.
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Außerdem bestand die Gefahr, daß sich das Ungeheuer der neuen Situation anpaßte und am Tage angriff. Das Raumschiff wurde darauf vorbereitet, die — wie die Mannschaft sie insgeheim nannte — Auferstehenden unterzubringen. Jeder freie Platz im Schiff wurde als Wohnraum hergerichtet. Der Wiedergaberaum war eine relativ kleine Kabine. In der Mitte stand eine Art Faradayseher Käfig, der mit Kabeln verbunden war, die in der Decke verschwanden. Lange stand der Kybernetiker vor dem Schaltpult, und als er dann entschlossen einen Schalter betätigte, füllte sich der Käfig mit einem blauen Leuchten. Langsam wurde inmitten dieses Scheines die Gestalt eines Mannes in Raumfahreruniform sichtbar. Als das Leuchten schlagartig erlosch, rollte sich das Netz selbständig auf, und der Mann machte ein paar steife Schritte nach vorn. Verwundert sah er die beiden Männer an, die ihn sofort stützten. „Wer seid ihr denn? Was war eigentlich los?" fragte er benommen. Doch sie führten ihn aus dem Raum und gaben nur ein paar ausweichende Antworten. Langsam füllte sich das Raumschiff mit den Männern aus der Vergangenheit. Sie erkannten bald, daß sie drei verschiedenen Generationen angehörten, konnten sich aber keinen Reim darauf machen, wieso. Es kam zu einer Szene, die bei vielen eine gewisse Beklemmung hinterließ. In der Tür zum Speiseraum standen sich plötzlich zwei Männer gegenüber, die sich erst fassungslos ansahen und dann umarmten. Es waren Großvater und Enkel: Der Enkel war ausgezogen, um den vermißten Großvater zu suchen, und stand ihm nun gegenüber, obwohl er den Älteren auf Grund der verflossenen Zeit gar nicht mehr unter den Lebenden hätte antreffen können, Dieser Vorfall machte auch den anderen deutlich, was sie bei ihrer Rückkehr zur Erde erwartete. Sie würden weder Bekannte vorfinden noch Verwandte, die sie persönlich kannten. In der Zentrale saßen sich mehrere Kosmonauten gegenüber, unter ihnen einige der vorausgegangenen Expeditionen. Sie alle berieten, wie dieses Ungeheuer, das den Planeten zu einer Raumschiff-Falle werden ließ und das Professor Bentley durch die Materialisierung seiner Alpträume und seiner von der Raumkrankheit hervorgerufenen Wahnvorstellungen unbewußt aufgebaut hatte, beseitigt werden könnte. Der Kybernetiker der „Antares" gab einen Hinweis, den alle brauchbar fanden. Sein Vorschlag lautete, man müsse zu dem Ungeheuer ein Gegenstück schaffen, welches so stark sei, daß es die Oberhand gewinne. Dem Raumschiff drohe dabei keine Gefahr, denn es werde während der Aktion auf einer Umlaufbahn kreisen. Man einigte sich, daß der Chefmaschinist über den Realisator eine Raumschiffattrappe schaffen solle, die dann den Kampf aufnehmen werde. Der Chefmaschinist bereitete sich gründlich auf diese Aufgabe vor. Er trainierte seine Gedanken, und mit der Uhr in der Hand überwachte ihn der Doktor. Nach zwei Tagen war es dann soweit. Vorsichtshalber nahm er zwei Beruhigungstabletten und saß nun am Tisch des Realisators. Der Doktor stand beobachtend hinter ihm. In drei Kilometer Höhe schwebte das Raumschiff über dem Schacht. Jeder, der abkömmlich war, saß oder stand vor einem der Bildschirme. Lange Zeit ereignete sich nichts. Dann materialisierte sich am Boden langsam ein mächtiger Raumkreuzer. Er war wesentlich größer als alle Raumschiffe, die je auf der Erde gebaut worden waren, und hatte statt des einen Photonentreibers zwei. „So eine Übertreibung!" brummte der Kybernetiker. Aber da kam schon der Funkspruch, der die beiden Männer an Bord zurückrief. 29
Als sie sich zurückmeldeten, fragte der Kapitän: „Wie bist du daraufgekommen, ein so großes Schiff erstehen zu lassen, noch dazu mit zwei Werfern?" „Das war ganz eigenartig. Als ich so auf dem Stuhl saß, fielen mir einfach die Maße nicht mehr ein. Also dachte ich, lieber etwas größer, und da war es schon passiert. Mit den Werfern erging es mir genauso, aber dann stand ich lieber auf, um nicht noch mehr falsch zu machen. Außerdem war die Zeit fast um." „Na gut! Hoffentlich hast du nicht auch an den Maschinenraum gedacht, denn wenn dieses Prachtschiff plötzlich wegflöge, wer wollte es aufhalten?" „Da brauchen wir uns nicht zu sorgen. Ich habe weder an den Maschinenraum — noch an den Steuerraum gedacht, und ohne sie geht es ja kaum." „Wenn wir die Übertragungsgeräte aufgestellt haben, ziehen wir uns in den Raum zurück", sagte der Kapitän abschließend. Seit zwei Stunden schwebte das Raumschiff in zehntausend Kilometer Höhe. Die Nacht hatte den Schacht erreicht, und die Zeiger der Uhr im Steuerraum rückten langsam auf die Zwölf vor. Die Übertragungsgeräte arbeiteten gut, und deutlich war die Kopie des Raumschiffes zu sehen. Als sich um null Uhr zehn noch nichts ereignet hatte, sagte der Kybernetiker: „Entweder wird ein Schiff nur angegriffen, wenn es lebende Wesen beherbergt, oder das Licht der Scheinwerfer stört. Möglicherweise hat dieses Monstrum mit Licht verbundene schlechte Erfahrungen schon ausgewertet." „Doch da! Es geht los!" rief Clint. Von einem der Werfer der Raumschiff attrappe blitzte ein heller Strahl auf. Der Treiber war in Tätigkeit getreten. Noch war der Strahl schwach, aber er traf auf ein Hindernis, das als gelber Fleck aufleuchtete. Als die Farbe des Strahles weiß wurde, trat der andere Werfer in Tätigkeit. Dort, wo sich die beiden Strahlen vereinigten, wurde der gelbe Fleck zusehends größer. „Hoffentlich reicht die Energie!" murmelte der Kapitän. „Sicher. Als ich an den Werfer dachte, war mein Gedanke etwa folgender: Die Energie ist proportional zur Angriffsleistung zu steigern, bis bei Ausschöpfung aller Reserven eine Neutralisation eintritt. Natürlich weiß ich nicht genau, wann das ist, aber nach unseren Erfahrungen müßte es etwa gegen null Ühr fünfundvierzig sein." Alle sahen zur Uhr, die bereits die dreiundfünfzigste Minute anzeigte. „Das will nichts besagen." Der Kybernetiker winkte ab. „Es hat ja auch später begonnen." Inzwischen veränderte sich das Bild auf dem Planeten. Von einem bläulichen Schein eingehüllt, war die Raumschiffattrappe nicht mehr zu sehen. Bisher nur ein gelber Fleck, hatte nun auch der Angreifer Form angenommen. Die unheimliche Gestalt hatte sich jedoch schnell in einen Feuerball verwandelt, der sich immer weiter ausdehnte. Gebannt schauten alle zu, und dann geschah es. Mit einem Aufblitzen verschmolzen die beiden Energiequellen und bildeten eine wabernde weiße Masse. Lange blaue Blitze schössen aus ihr hervor. „Das scheint außer Kontrolle zu geraten", sagte der Kybernetiker bestürzt, und wie zur Bestätigung fiel eine Karte aus dem Überwachungsgerät. Als der Kybernetiker den Sinn erfaßt hatte, schlug er, ohne zu zögern, auf den Alarmknopf. Erschrocken fuhren alle beim schrillen Klang der Sirenen zusammen. Das Raumschiff vergrößerte den Abstand. „Da unten wird jetzt die kritische Phase der Kernspaltung erreicht!" sagte der Kapitän, ohne die Augen vom Bildschirm abzuwenden. 30
„Lassen sich die Ausmaße der Katastrophe erkennen?" fragte der Geologe. „Dazu ist die Zeit zu knapp." Der Planet wurde zusehends kleiner. Der Rauchpilz einer atomaren Explosion verdeckte die Sicht fast völlig. „Womöglich gehen große Teile der Vegetation und alle Tiere dabei zugrunde", sagte der Doktor bedauernd. „Nicht unbedingt", widersprach der Geologe. „Die Luftzirkulation ist dort so gering, daß sich die Wolke kaum verlagern wird, außer durch die Rotation des Planeten. Wir werden es nach einiger Zeit mit einer Sonde untersuchen." Dann fügte er hinzu: „Aber wozu war diese Anlage nun wirklich da?" Er sah auf den Kybernetiker. „Weißt du es?" Der Angesprochene räusperte sich. „Ich habe alle Aufzeichnungen übersetzen lassen und bin zu folgendem Schluß gekommen: Diese Anlage wurde von Wesen erbaut, die technisch so versiert sind, daß sie die Raumfahrt ohne Raumschiffe beherrschen. Die Anlage dient dazu, ankommende molekulare Energie in Materie umzusetzen. Diese Wesen, leider wissen wir nicht einmal, wie sie aussehen, müssen sich gewissermaßen dort regenerieren, bevor sie weiterfliegen — oder wie man es sonst nennen mag." „Aber warum haben wir noch nie mit ihnen Kontakt gehabt?" „Da gibt es mehrere Vermutungen. Die Wesen fliegen zwischen zwei festen Punkten hin und her, in welchen Zeitabständen, weiß ich natürlich nicht. Da sie überzeugt sind, daß sie die einzigen Vernunftbegabten in unserer Galaxis sind, haben sie nicht mal eine Dauerverbindung zu dieser Anlage hergestellt. Nehmen wir weiter an, daß sie nur alle hundert Jahre solch einen Flug unternehmen und wir zwischen diesen Zeitpunkten 31
dort auftauchten, dann kann es noch lange dauern, bis sie bemerken, daß ihre Station defekt ist. Wenn sie sie überhaupt jemals wieder ansteuern können..." „Und du meinst, deshalb haben sie keine Kontaktmöglichkeit geschaffen?" „Sicher, wozu auch? Die Anlagen laufen automatisch, Fremde gibt es nicht, wozu also? Die Materialisierung der Gedanken in dieser Form war sicher nicht vorgesehen, aber möglich. Vielleicht kennen die Erbauer dieses Phänomen auch, machen aber keinen Gebrauch davon. Wissen wir, was sie für Vorstellungen haben. Unglückliche Zufälle haben diese Ereignisse hervorgerufen, bei denen auch ein beeindruckendes Werk vernunftbegabter Lebewesen zerstört wurde. Wäre der Professor nicht an dem Tisch eingeschlafen, hätte es diese Traumfalle sicher nie gegeben."
Michael Wolf
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Der Mord an Amilcar Cabral
In der Nacht vom 20. zum 21. Januar 1973, als Amilcar Cabral von einem Empfang in der polnischen Botschaft in Conakry zurückkommt, wird er überfallen. Da es den Verrätern nicht gelingt, ihn in ihre Gewalt zu bekommen, machen sie von der Schußwaffe Gebrauch. Eine frei nach Tatsachen gestaltete Erzählung aus Guinea-Bissau.
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