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Weltgeschichte in spannenden Einzelheften Heftpreis 75 Pfg.
Jedes Heft 64 Seite...
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LUX
H I S T O R I S C H E
R E I H E
Weltgeschichte in spannenden Einzelheften Heftpreis 75 Pfg.
Jedes Heft 64 Seiten
LUX HISTORISCHE REIHE bringt in fesselnder Darstellung, plastisch und farbig, Zeitbilder und Szenen aus dem großen Abenteuer der Menschheitsgeschichte. Menschen, Völker, historische Schauplätze und Landschaften aus allen Zeitaltern der Vergangenheit erstehen in bunter Folge vor dem Äuge des Lesers. Geschichte wird hier zur lebendigen Gegenwart. Jedes Heft gibt ein abgerundetes und in sich abgeschlossenes Bild des dargestellten Zeitraumes. Titel der ersten Hefte: 1. 2. 3. 4. 5.
Sphinx am Strom Priester und Magier Götter und Helden Die Griechen Die Perserkriege
6. Die Tempel Athens 7. Alexanderzug
Pyrrhus — der Abenteurer Hannibal 10. Untergang Karthagos
Titel der folgenden Nummern: Kaiser ohne Krone Das Goldene Rom Die ersten Christen Caesaren und Soldaten Germanenzüge Die Hunnenschlacht Die Mönche von Monte Cassino Der Prophet Allahs Karl der Große Heiliges Römisches Reich Kaiser und Päpste Die Kreuzfahrer Friedrich Barbarossa Die Hohenstaufen Bürger und Bauern Die Humanisten Der Schwarze Tod Die Renaissance Neues Land im Westen
Fahrendes Volk Ritter und Landsknechte Kaiser der Welt Der Große Krieg Der Sonnenkönig Ruf übers Meer Der Preußenkönig Rokoko Im Schatten der Bastüle General Bonaparte Kaiser Napoleon Kongreß in Wien Eiserne Straßen Der vierte Stand Verschwörer und Rebellen Sieg der Technik Bismarck Die rote Revolution Demokratie und Diktatur
und viele weitere Hefte. LUX HISTORISCHE REIHE bringt jedes Heft mit farbigem Umschlag, Illustrationen, Geschichtskundlichen Landkarten, Anmerkungen und Zeittafel.
VERLAG SEBASTIAN LUX - MURNAU VOR MÜNCHEN
LUX
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OTTO Z I E R E R
DIE TEMPEL ATHENS DAS GOLDENE ZEITALTER DES P E R I K L E S
VERLAG SEBASTIAN LUX MURNAU • MÜNCHEN • INNSBRUCK • ÖLTEN
EINLEITUNG Zu Beginn des 5. vorchristlichen Jahrhunderts gelingt es Griechenland, sich aus der tödlichen Umklammerung durch das persische Weltreich freizukämpfen, das sich über Vorderasien, Ägypten und Nordafrika ausgedehnt hat und alle Außenküsten des östlichen Mittelmeeres beherrscht. Unter Führung Athens schlagen das kleine griechische Landheer und die schnell ausgebaute Flotte zwei Invasionen der gewaltigen persischen Land- und Seemacht überraschend zurück. Die Siegestage von Marathon (490), von Salamis und Platäa (480, 479) geben dem Griechenvolk den Mut, nun selber zu Lande und zur See die Offensive zu ergreifen und im weiteren Verlauf des Perserkrieges bis zur Jahrhundertmitte die Herrschaft über das Meer und die kleinasiatische Küste zurückzugewinnen. Der Triumph über die Großkönige des Ostens wird für Athen auch zum Triumph der Demokratie und zum Beginn der klassischen Kultur des „Perikleischen Zeitalters". Das Athenertum steht auf dem Gipfelpunkt seiner Geschichte. In dieser Zeit erblüht im Bereiche des Geistes, der Dichtung und der bildenden Kunst eine völlig neue Welt, die zwei Jahrtausende lang das Geistes- und Kunstleben des Abendlandes befruchten wird. Durch das Emporwachsen der athenischen Macht aber wird das Gleichgewicht zwischen den beiden Rivalen im griechischen Raum, zwischen Sparta und Athen, zugunsten der attischen Hauptstadt verlagert und der Grund gelegt für die vernichtende Auseinandersetzung des demokratischen Athen mit dem aristokratisch regierten Sparta, das die peloponnesische Halbinsel beherrscht. Am Ende des 5. Jahrhunderts ist keine der beiden Mächte mehr in der Lage, die Regelung der griechischen Verhältnisse entscheidend in Angriff zu nehmen. 2
Im Jahre 4Ä& rüstet die aus dem Schutt des Perserkrieges prächtiger als je erstandene Stadt Athen die Ausfahrt einer Kolonistenflotte nach Süditalien. Dort in der Landschaft Lukanien, am Golf von Tarent, haben die griechischen Bewohner von Kroton vor einem Menschenalter während einer der zahlreichen Bürgerfehden die Stadt Sybaris niedergebrannt. Nun soll aus Buinen eine neue griechische Gemeinde erblühen. Für dieses Unternehmen haben die Griechen Süditaliens die Unterstützung Athens, der Mutterstadt aller griechischen Gemeinden zwischen Süditalien und Kleinasien, erbeten. Der athenische Bedner Lysias hat schon vor Monaten im Bathaus Listen aufgelegt, in die sich die neuen Kolonisten eintragen können. Nun sind die Vorbereitungen beendet, im Hafen von Piräus liegt ein Dutzend Dreiruderer unter gerefften Segeln bereit, die Auswanderer mit Weib und Kind, Hausrat und Getier nach Italien zu führen. Unter den letzten der Dreihundert, die ihre Zeichen auf die Listen setzen, ist auch der berühmte Gelehrte Herodot. Er stammt aus der kleinasiatischen Handelsstadt Halikarnaß, einer ursprünglich dorischen Kolonie, in der heute aber überwiegend Ionier wohnen. Vor zwei Jahren sind die Bücher Herodots, Ergebnis seiner ausgedehnten Beisen nach Ägypten, Kleinasien und in das Zweistromland an Euphrat und Tigris, bei dem Hochfest zu Ehren der Göttin Athene vorgelesen worden; der Zweck dieses bedeutenden Werkes entsprach ganz dem nationalen Charakter des Festes. Denn in ihm waren die reichen, mächtigen, an Hilfsmitteln überströmenden Länder des Orients dem armen, an Zahl und Macht unterlegenen und nur durch die eigene Kraft und den Beistand der Götter gewaltigen Griechenland gegenübergestellt; in diesem Vergleich war die ganze Größe des Befreiungs3
kampfes, den Griechenland gegen das überlegene persische Weltreich glücklich zu Ende geführt hatte, deutlich geworden. Gemeinsam mit den Kolonisten hat Herodot an den feierlichen Opfern in den Tempeln, an der Befragung der Orakel und Vorzeichen teilgenommen und sich nun inmitten der freudig bewegten Menge zum Theater begeben, das sich in die Felsflanke des Akropolishügels schmiegt. Hier soll die Weihe der Ausfahrt durch ein heiliges Festspiel ihren Abschluß finden, wie das bei allen feierlichen Anlässen üblich ist. Dunkles, fast unheilschweres Schweigen lastet über den Auswanderern. Sie stehen im Banne der ergreifenden Stimmung, die von der „Persischen Tragödie" desÄschylos ausgeht. Die dreißig Jahre, die seit der Uraufführung der Dichtung vergangen sind, haben sie in den Augen der jüngeren Generation schon ehrwürdig, geheimnisvoll und ein wenig unverständlich gemacht. Und doch ist dieses ernste Schauspiel einst von den Vätern fast wie eine Auflehnung gegen die alten Götter empfunden worden; führt es doch aus der religiösen Welt der überkommenen Weihespiele unmittelbar in das politische Geschehen des Tages. Im Laufe der Jahre aber hat man sich an diese neue Art gewöhnt; die „Persische Tragödie" ist nun schon ein ehrwürdiges Erinnerungsspiel geworden — an allen hohen Festtagen wird sie aufgeführt. Sie kündet von Griechenlands Sieg über Persien in der Seeschlacht von Salamis, von Griechenlands Größe und Einheit wie kaum eine andere Dichtung. Das Spiel hat begonnen. Aus dem „Königsportal" des Bühnenhauses tritt der Bote von Salamis vor die hochragende Gestalt der persischen Königinmutter Atossa und erstattet Bericht: „Da erhoben die Hellenen laut den Kampfgesang, Um hochgesinnten Mutes zur Schlacht zu eilen. Trompeten strahlten weit drüben mit ihrem Schall. Sie schlugen vereint im Takt die salzige Flut Mit ihren Rudern, ein Rauschen ging auf und a b . . .* Die Menschen in den überfüllten steinernen Rängen des Theaters erinnern sich an das hier anklingende Ereignis des Triumphes über die Perser. Heiß wird ihr Herz. Donnernd und dröhnend beherrscht die Stimme des „Boten" den R a u m : 4
„Zwar widerstand zuerst der Strom des Perserheeres. Doch als der Schiffe Menge sich zusammendrängte Im engen Meer, da halfen sie einander nicht. Von ihrer eignen Schiffe Schnäbel wurden sie Durchbohrt, sie brachen splitternd alles Ruderwerk.." Das ist nicht nur Erzählung oder Bericht wie bei Homer; das ist die von vielen miterlebte Geschichte der großen Völkerschlacht. Vom tiefgelegenen Tanzplatz her nahen mit verhülltem Antlitz, übergroß auf den Stelzschuhen, die sie erhabener erscheinen lassen, die beiden Chöre; sie haben nichts Menschliches an sich und sind irdischen Maßen entrückt. Wenn sich Chor und Gegenchor jauchzend, klagend'»der drohend Antwort geben, dann spricht das vielfältige Schicksal selbst: die Stimme von drüben, die der Ewigkeit angehört. Zwischen dem Chor und dem unabwendbar schreitenden Verhängnis schweben die Stimmen der handelnden Personen unsäglich verlassen: die alte Königin Atossa, der Geist des persischen Großkönigs Darius, des bei MarathonUnterlegenen,undderBesiegtevonSalamis,GroßkönigXerxes. Wie dieFiguren des Spiels, so steht jeder Sterbliche im tragischen Aufzug'des Lebens verloren zwischen den übermächtigen Gestalten; unaufhaltsam näherkommend, übertönt ihr schallender Chor seine einsame Stimme. Das ist kein Spiel zur Freude oder Unterhaltung. Der Hauch der eigenen großen Vergangenheit weht die ergriffenen Zuschauer an, der Klang der Worte verzaubert die Seelen. Darum steht der Chor im Mittelpunkt — ein steigender, fallender, alle Höhen und Tiefen des Lebens wiedergebender Strom von Tönen. Zu Beginn der Tragödie, als die Sorge um das verzweifelt kämpfende Heer auf der persischen Hauptstadt lastet, brodelt und gärt die Stimme des Chores in Ungewißheit und erregender Unrast. Dann wird jäh die Frage nach dem Schicksal der ausgezogenen Männer laut. Langsam wird den Persern das furchtbare Geschehen von Salamis offenbar. Die Kunde von Niederlage und Absturz der Perserherrlichkeit jagt durch die Dörfer und Städte; die Klage steigert sich zur ungezügelten Wildheit, zur Raserei, zum Hader mit dem Schicksal und dann zu ohnmächtiger Ergebung in das Unabänderliche. So tritt Persien vor das Grab des Darius und erhebt Klage wider Xerxes, den Verderber. 5
Kuhiger gehen nun die Szenen des Spieles dahin. Die Erinnerungen an die Tage persischen Glanzes werden wach a ber mitten hinein bricht wieder das Erschütternde: Xerxes ist heimgekehrt ohne Sieg! Die Urgewalten, die er frevelnd im gefesselten und gepeitschten Meer der Dardanellen beleidigt, die Götter, die er durch Schändung ihrer Tempel erzürnt hat, haben sich zu seinem und Persiens Sturz verschworen. Rauschend brandet die Woge des Schmerzes. Chor: 0 weh! 0 weh! Persiens Land geht einen schweren G a n g . . . Xerxes: Wehe über die ganze Stadt! Chor: 0 wehe überall! Xerxes: Nun klaget und verhaltet den Schritt! Chor: 0 weh! 0 weh! Persiens Land geht einen schweren Gang! Xerxes: Ach! Ach! Dreirudrige Boote zogen unsere Männer auf den Grund! Chor: Ich geleite sie mit dumpfem S c h r e i . . . Die Trauerklage steigert sich noch einmal bis zum Unerträglichen und bricht dann jäh ab, König und Chor weichen langsam in das Tor des Palastes. Die ewigen Mächte haben gesprochen und gerichtet... * Die Menge strömt aus den strahlenförmigen Gängen des Theaters und wälzt sich langsam der Stadt zu. Fast das gesamte vornehme Athen ist anwesend gewesen. Gruppen von Sklaven schaffen den wohlbeleibten Besitzbürgern und Adligen E a u m ; denn der Besuch von Theater und Gottesdienst ist auch den Unfreien erlaubt; die Gymnasien und die Volksversammlungen sind ihnen nach dem Gesetz Solons jedoch verschlossen. Unter den Kolonisten sieht man den Redner Lysias, den künftigen Anführer der Italien-Siedlung, und neben ihm Herodot. Man macht achtungsvoll Platz, wo die beiden Männer erscheinen. Nur einmal vertritt man ihnen den Weg, aber es sind alte Freunde. Der angesehene Athener Oloros stellt einen siebzehnjährigen Jüngling vor: „Heil dir, Herodot, unvergessener Gastfreund, dies ist Thukydides 2 , mein Sohn, von dem ich dir schon oft gesprochen habe." 6
Stadtplan von Athen Nach dem Sieg über die Perser umgab man die Stadt mit einer 6 km langen Mauer (schwarze Linie). Für die Hl. Straße nach Eleusis wurde im Norden das Dipylon-Tor gebaut. Die Umgestaltung des Haupt- und Marktplatzes, der Agora, begann unter Kimon, der die,,Bunte Halle", Stoa poikile am Markt errichtete ( 1 ; die übrigen Säulenhallen stammen aus späterer Zeit). Perikles baute die Akropolis aus, schuf die „Langen Mauern" zum Hafen Piräus und errichtete am Markt den herrlichen Hephaestontempel.
Oloros und Herodot kennen sich von Handelsfahrten her; der Athener hat in Halikarnaß oftmals aufmerksame Gastfreundschaft genossen. Prüfend geht der Blick des Gelehrten über das kluge Gesicht des Jünglings, der den Kaufmannsberuf des Vaters haßt und danach strebt, in der Schule des Philosophen Anaxagoras und des Kedners Antiphon die Lehren der Weisheit in sich aufzunehmen. Gemeinsam setzen sie den Weg zum vornehmen Stadtviertel Cydathenaeon fort. Im Gedränge wird die kleine Gesellschaft auseinandergerissen. Herodot sieht sich allein 7
an der Seite des jungen Mannes. Als eine lärmende Rotte von Staatssklaven die Straße versperrt, wählen die beiden den kleinen Felspfad, der unter dem Absturz des Akropolisberges dahinführt. Von selber ergibt sich das Gespräch. „Ist es wirklich deine Absicht, das große Geschäft deines Vaters um der Wissenschaft willen im Stich zu lassen?" fragt der Ältere. Der Jüngling weicht der Antwort aus und zitiert seinen Lehrer Anaxagoras: Nicht Reichtum und Broterwerb, sondern einzig die Durchgeistigung seiner selbst sei das würdige Ziel des höher strebenden Menschen. Auch Anaxagoras habe auf seinen väterlichen Besitz verzichtet, lasse seine Güter brachliegen und die Schafherden verwildern. Herodot ist von der Reife des Jungen überrascht. „Du hast recht", erwidert er, „es ist ein seltsamer Widerspruch in uns Hellenen; kaum gibt es rührigere und unternehmendere Kaufleute, Schiffer und Städtegründer als uns, und doch verachten wir im Grunde das gierige Raffen ebenso wie die unablässige Arbeit. Darum gilt in Athen der Handwerker nichts, deshalb liegen die niederen Geschäfte in den Händen von Sklaven; wo der Broterwerb den ganzen Menschen in Anspruch nimmt, verliert die Arbeit in unseren Augen die Würde und wird zur Tyrannin. Muße gewinnen, um sich den schönen, guten und wahren Dingen zu widmen, das ist der Sinn eines voll ausgelebten Daseins. Ich verstehe dich, ich verstehe Anaxagoras — aber meinst du nicht auch, mein Thukydides, daß sich eine solche Lebenshaltung nur leisten kann, wer ein großes Vermögen, die Arbeit vieler Sklaven oder — wie Anaxagoras •— die Freundschaft des großen Perikles hinter sich weiß?" „Sage das nicht, Herodot!" erwidert der Jüngling. „Es gibt auch arme Philosophen, auch unvermögende Jünger der Wissenschaft, die nur über wenige oder gar keine Sklaven verfügen. Ich kenne den jungen Sokrates, einen Athener, dessen Vater der Bildhauer Sophroniskos und dessen Mutter die Hebamme Phänarete aus dem Armenviertel sind. Obschon Sokrates gewiß ein armer Mensch ist und sich mühselig als Steinmetz sein Brot erwerben muß — eine Marmorgruppe am Fuß der neuen Freitreppe zur Akropolis ist sein Werk —, vernachlässigt er aus echter Liebe zur Weisheit sogar diese kargen Einnahmen. Und 8
da sollte ich, der ich über ein Vermögen verfügen kann, zögern, denselben Mut aufzubringen?" Herodot legt den Arm freundschaftlich um die Schultern seines Begleiters. „Du verstehst es großartig, dich einer direkten Frage zu entziehen, Thukydides. Aber nun sage: Was sind deine Lebenspläne?" Ohne Scheu erzählt der Siebzehnjährige von seinen Studien und von seiner Vorliebe für die Ereignisse der Geschichte, die er aufzeichnen möchte zum Nutzen und zur Freude der Nachwelt. Herodot hat aufmerksam zugehört. „Ich habe, Thukydides, zwanzig Lebensjahre vor dir voraus; freilich, in die Zukunft gerechnet, wirst du dereinst diese zwei Jahrzehnte mir voraus haben. Vielleicht wirst du einmal dort fortfahren, wo ich den Griffel des Geschichtsschreibers fortlegen muß." Er spricht zu Thukydides wie zu einem Gleichaltrigen. „Ich habe in den vergangenen fünfzehn Jahren viele Länder gesehen, aber nirgends fand ich soviel Undank gegenüber den großen Männern eines Volkes, wie bei euch Athenern. Kannst du mir — und später vielleicht deinen Lesern — die Frage beantworten: Warum treibt Athen seine größten Männer aus dem Hause?" „Meine Mutter", antwortet Thukydides vorsichtig abwägend, „entstammt dem Geschlecht des Siegers von Marathon, des Miltiades. Muß ich da nicht ungerecht werden, wenn es etwa gilt, über diesen Mann und sein Schicksal zu urteilen?" „Ich dachte weniger an Miltiades", erwidert Herodot, „sondern an das Ende des großen Themistokles, des Siegers von Salamis. Aber du selbst unterstreichst mit der Nennung des Siegers von Marathon meine Behauptung, daß Athen undankbar ist." Thukydides hebt den Kopf und sinnt eine Weile nach; dann fährt er in seiner leidenschaftslosen, auf Genauigkeit bedachten und weit über sein Alter hinaus reifen Sprache fort. „Ja, dem Themistokles haben die Bürger dasselbe Schicksal bereitet wie dem Miltiades; der Sieger von Marathon und der Sieger von Salamis gingen denselben Gang. Das Volksgericht hat Themistokles, den Begründer attischer Macht und Seegeltung, in die Verbannung ge2(6)
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schickt; Haß und Neid Spartas trieben ihn ins Exil, an den Hof des Artaxerxes. Der Vernichter der persischen Macht beschloß sein Leben als Pensionär des geschlagenen Feindes 3 . Das sind unleugbare Tatsachen, und doch muß ich meine Heimatstadt vor dem Vorwurf des Undankes in Schutz nehmen. Es liegt ein tiefer Sinn in dieser Austreibung der zu groß werdenden Männer. Gewiß, für Sparta, dessen höchstes Staatsziel die Erlangung und Erhaltung äußerer Macht ist, muß die Persönlichkeit siegreicher Helden ehrwürdig und unantastbar sein. Der Geist der athenischen Demokratie aber stellt an seine großen Mitbürger höhere Anforderungen. Athen ist stolz darauf, sein Schicksal selbst zu bestimmen. Wer dem alten Adel angehört oder sich durch Vermögen und Begabung über die Masse der Mitbürger erhebt, muß sich entweder den allgemeinen Gesetzen fügen... oder er muß fortgehen. Mein Vater leitet seine Vorfahren auf ein großes thrakisches Königsgeschlecht zurück, aber trotzdem sitzt er im Theater mit dem Kornhändler Kratos oder dem Gerber Kleon auf derselben Bank und gibt bei den Wahlen nur eine einzige Stimme ab, wie der Töpfer Kalchas oder der Staatsführer Perikles. Der Sinn unseres Gemeinwesens liegt nicht in der äußeren Machtentfaltung, sondern in seiner inneren Kraft; nicht die Verewigung der militärischen Vorherrschaft scheint uns erstrebenswert, sondern die Erhaltung eines Friedens, der uns Muße läßt, zu reisen, zu arbeiten, zu handeln, zu feiern und zu denken und uns des schönen Daseins zu erfreuen. Schon am Tage nach der Niederwerfung des Feindes denken wir an neue Handelsverträge, an den Wiederaufbau des Zerstörten und damit an die friedliche Bereicherung des Lebens. Der Krieg ist für uns nicht Selbstzweck, sondern bedauerliche Unterbrechung des Lebens — für die Spartaner aber ist er das Mittel, Macht und Leben zu erhalten." Über dem Hin und Her des Gesprächs haben die beiden Wanderer jene steilste Stelle des Pfades erreicht, wo selbst die spitzen Kronen der Zypressen, die Silberdächer der Oliven zurücktreten und nur mehr spärliches Kakteengesträuch auf nacktem Stein wuchert. Frei geht der Blick über die weiße, von vielen Baustellen und neuen Straßen gezeichnete Stadt hin, die sich, großräumiger als einst, hinter der neuen Stadtmauer dehnt. Fast 100000 Ein10
Manni Hesse
Digital unterschrieben von Manni Hesse DN: cn=Manni Hesse, c=DE Datum: 2007.05.01 12:46:32 +02'00'
wohner zählt Athen. In tiefem Nachdenken verharrt Herodot und nimmt das schöne Bild in sich auf, dann wendet er seine Aufmerksamkeit wieder dem jungen Manne zu. „Sprich nur, Thukydides, es macht mir Vergnügen, dich zu hören!" „Themistokles", sagt der Jüngling, „war ein Mann, der in stürmischen Tagen das Ruder des Staatsschiffes wie keiner sonst zu führen imstande war. Er hat von seiner Tatkraft so viele glänzende Beweise abgelegt, daß er wohl in der Tat höchste Bewunderung verdient hätte. Als aber der Kampf zu Ende und der Sieg über Persien errungen war, brauchte Athen andere Männer, deren Element der Friede, nicht der Krieg war. Er jedoch trieb den Staat auf eine Bahn, die Krieg, Angriff und Eroberung zu einem Dauerzustand werden ließen. Die Gefahr des Vaterlandes hatte Themistokles zum unentbehrlichen großen Führer der Bürger erhoben •— der Friede würde ihn mit Notwendigkeit zum Tyrannen und Unterdrücker der Volksfreiheit gemacht haben." „Junger Freund!" lächelt Herodot, „ich glaube nun gewiß nicht, im Rufe eines Tyrannenfreundes zu stehen. Es ist dir wohl bekannt, daß ich meine Heimat Halikarnaß jahrelang wegen meiner feindlichen Einstellung gegen den Tyrannen Lygdamis meiden mußte und daß ich einer der Führer jener Partei war, die von Samos aus den Tyrannen gestürzt hat. Aber du bist nicht gerecht in deinem Urteil. Es gibt auch eine gemäßigte Tyrannis, wie die Herrschaft mancher Fürsten beweist. Hast du nie von dem Musenhof der Westhellenen gehört, der zu Syrakus blüht? Von den Dichtern Simonides und Bakschylides und den vielen Künstlern, Gelehrten und Denkern? Sind dir nicht die Verse des Bakschylides 4 vertraut, der mit dem neugewonnenen Frieden zugleich die milde Tyrannis besingt?" Thukydides ist nicht überzeugt: „Gibt es irgendwo auf der "Welt", so fragt er, „mehr geistige Freiheit für Gelehrte, Künstler und Dichter als in den Mauern Athens? Wenn du an das tragische Geschick des Themistokles denkst, so vergiß nicht seinen großen Widersacher Aristides 5 . Athen kennt auch Wertschätzung und Dankbarkeit. Aristides hat dem Staate wahrhaft uneigennützig gedient und niemals versucht, Sonderrechte zu erstreben. Er verwaltete die Beiträge aller Inseln und Städte zum Attischen See11
bund und war trotzdem bei seinem Tode so arm, daß die Staatskasse sein Begräbnis zahlen mußte. Seinen völlig mittellosen Töchtern aber setzte die Volksversammlung aus Dankbarkeit den täglichen Betrag von drei Obolen, später sogar von einer Drachme als Ehrensold aus 6 . Das ist das Drei- und Sechsfache von dem, was das Volk aus öffentlichen Wohlfahrtsmitteln den Kriegsinvaliden und Arbeitsunfähigen zugesteht." Herodot unterbricht den Bedefluß des Jüngeren: „Das sind Almosen, mein Freund; das sind Gesten des Anstands — mehr nicht! Bewilligt die Volksversammlung nicht jedem Olympiasieger ein Ehrengeschenk von 500 Drachmen, bezahlt Perikles nicht jährlich aus Staatsmitteln 120000 Drachmen für Feste, Feiern und freien Theatereintritt ? Warum soll die Stadt nicht ein paar Obolen für die Nachkommen ihrer größten Männer übrig haben? Für Helden gelten andere Gesetze und anderer Lohn!" „Du hast mich nicht verstanden, Herodot. Für uns Athener bleibt auch der Sieger und Held immer ein Bürger wie alle anderen. In Athen hätte der Feldherr von Platäa, der große Pausanias 7 , sich nicht in den größenwahnsinnigen Verräter verwandeln können, zu dem er sich in Sparta, vergöttert durch die Volksmassen, entwickelt hat. Pausanias unterlag den Gefahren, die eine verkrampfte, adelsstolze Erziehung in den Seelen hervorruft. In Sparta wächst schon der Knabe unter den schärfsten Gegensätzen heran; gehört er, wie Pausanias, zum herrschenden Schwertadel, so lernt er frühzeitig wie ein Halbgott über andere Menschen zu herrschen. Weil dieser Schwertadel selber in Kargheit und Entsagung aufwächst, muß der Sieg und der Überfluß Männer dieser Art überheblich machen. H a t sich Pausanias — kaum der Armut seiner spartanischen Heimat entronnen — auf seinen Kriegszügen zu den Dardanellen nicht wie ein orientalischer Despot benommen? Beweist Pausanias nicht, daß die spartanische Seele um so heftiger nach den Genüssen giert, je mehr die erzwungene Tugendhaftigkeit sie zu verzichten gelehrt hat? Wurde dieser Mann nicht zum Verräter, um seinen Ehrgeiz und den Drang nach Luxus befriedigen zu können? Wie kläglich für einen Politiker von so hoher Begabung! Wie ärmlich sein Ende! Man ruft ihn heim, damit er sich vor den Mitbürgern verantworte, er entrinnt in den geheiligten Schutz eines Tempels, und da 12
man das Asylrecht des Heiligtums nicht verletzen darf, mauert man ihn ein, bis er verhungert." Herodot findet keine Antwort. Der Blick, mit dem er manchmal den neben ihm Schreitenden streift, beweist, wie sehr er den Jüngling bewundert. Die beiden Spaziergänger haben die breite Feststraße erreicht, die amjSundbau des Odeons vorüber zur Akropolis führt. Überall dehnen sich hier die von den Arbeitern bereits verlassenen Bauplätze; am Fuß der neuen Freitreppe steht die Figurengruppe, welche die Hand des jungen Sokrates geschaffen hat. Riesige Marmorblöcke, im Hymettosgebirge gebrochen, säumen den terrassenförmig ausgeschachteten Hang. Perikles läßt dort durch Iktinos, den Architekten der Akropolis, einen würdigen Torbau aufführen, der zur neuen, marmorglänzenden Burg der Götter geleiten soll. Diese „Propyläen" wachsen oben, am Rande der Felsen, zwischen den riesigen Mauern empor. Unter den Quadern, Säulenscheiben und Balkenlagen am Fuß der Treppe steht eine windschiefe Bretterhütte, in der der Aufseher sitzt; er zahlt den Steinmetzen und Zimmerleuten gerade den Tageslohn aus. Eintönig ruft er die üblichen Lohnsätze auf: „Vier Obolen! Fünf Obolen..." Herodots Blick umfaßt die Mauern, die aus dem Felsenberg emporstreben, und die gestapelten Steinmassen entlang der Feststraße. „Athen wird Weltstadt!" sagt er. „Gewiß erreicht es noch nicht die Großstädte des Ostens oder Ägyptens; aber es scheint mir auch viel weniger nach Maßlosigkeit als nach Maß, nicht nach Wucht und großartigem Prunk, sondern nach schlichter Schönheit und erhabener Würde zu streben. Das heißt" — fügt er mit einem spöttischen Seitenblick auf den jungen Begleiter hinzu — „Perikles ist es, der danach strebt; denn sein Geist bewegt diesen toten Stein. — Auch Perikles ist ein großer Sohn der Stadt Athen!... Aber, was meinst du, wie wird sein Los sein? Demokratie birgt die Gefahr", fährt er dann ein wenig belehrend fort, „daß sie sich gegen alles Hervorragende wendet, auch gegen den wahren und sich selbst zügelnden Genius. Und darum fürchte ich für euren großen Perikles. Kommt er nicht aus dem alten Adelsgeschlecht der Buzygen, und ist das für die Bürger nicht Grund genug, ihn anzufeinden? Hat er sich nicht als junger Offizier, als Politiker nach dem Tode des Aristides von Stufe zu Stufe 13
hinaufgekämpft? Anlaß genug für alle Erfolglosen, ihn zu hassen! Ist er nicht der Gefährte und Freund aller bedeutenden Köpfe des Landes, ist sein Haus nicht der Sammelplatz der Gelehrten, Künstler und Dichter — alles Gründe für die Trägen, Oberflächlichen und Gemeinen, ihn zu verleumden? Als ich neulich über den Markt ging, hörte ich die politische Eede des Gerbers Kleon, des wichtigtuerischen Schreihalses — ich gestehe, daß mir in seinem Munde jener Beiname ,Der Olympier' — den Freunde dem Perikles geben —, recht häßlich klang. Nur gut, daß die Zuhörer ihn niederzischten. . . " Thukydides erwidert mit Nachdruck: „Sei unbesorgt, Herodot! Die Beliebtheit, deren sich der ,Olympier' erfreut, ist echt und herzlich. Sie entstammte zwar zu Beginn seines Aufstiegs recht durchsichtigen Gründen: Hatte er doch durchgesetzt, daß jeder Bürger, der als Bichter oder Soldat der Gemeinde dient, aus öffentlichen Mitteln für seine Mühe entschädigt wird. Für die ärmeren Volksschichten, deren gleichberechtigten Anspruch auf die Staatsämter er ebenso eifrig vertrat wie seinerzeit der ,gerechte Aristides', hat Perikles die kostenlose Speisung eingeführt und dafür einen Teil der Staatseinnahmen aus den Silbergruben verwendet. Er hat also niemals die Interessen der Adelsgeschlechter oder der Reichen verteidigt, und doch haben ihm auch diese Stände genug zu danken: die Vormachtstellung Athens im Attischen Seebund, die Verlegung der Bundeskasse aus dem Apollotempel zu Delos nach der Akropolis von Athen und die Tatsache, daß sich die leidige Feindschaft und Rivalit ä t mit Sparta immer noch in erträglichen Grenzen hält. Ganz Athen weiß, daß es dem großen Manne Wohlstand und Frieden verdankt. Du kennst sein Wort über die Bürgerrechte: ,Weil unsere Verfassung nicht auf einer Minderheit, sondern auf der Mehrheit der Bürger beruht, trägt sie den Namen Demokratie. Das ist derart zu verstehen, daß nach den Gesetzen alle gleiche Rechte in ihren persönlichen Angelegenheiten haben. Zu den öffentlichen Würden jedoch wird jeder auf Grund seiner Tüchtigkeit herangezogen. Armut darf dabei kein Hindernis s e i n . . . ' Verstehst du, Herodot, warum die große, die bessere Mehrheit des Volkes diesen Mann vergöttert?" 14
„Ich verstehe es gut, verehre ich ihn doch selbst, Thukydides ; aber mich stört das lästernde Geschwätz, das sogar heute, während der Festspiele, nicht verstummte. In der Sitzreihe vor mir unterhielt man sich über politische Fragen. Die ehrsamen Bürger nahmen in den häßlichsten Ausdrücken Anstoß an der Freundschaft des Perikles zu der schönen Milesierin Aspasia. Freilich, die ,Veilchenstadt' Milet hat einen sehr schlechten Ruf, sie war immer eine halb orientalische Weltstadt mit sehr freien Sitten. Auch mag es wohl stimmen, daß Aspasias Herkunft unbekannt ist. Aber warum dieser Haß gegen Aspasia? Ist er nicht im Grunde gegen Perikles selber gerichtet? Die Leute vor mir waren vorsichtig und verschleierten den Namen des Perikles, indem sie spöttisch von ,Zeus' oder .Herakles' sprachen. Aspasia meinten sie, wenn sie sich über ,Hera' und ,Dejinara' unterhielten. Das mißfiel mir sehr, und das Schicksal des Themistokles oder Miltiades kam mir in Erinnerung, ihr Untergang nahm mit solchen Bosheiten seinen Anfang." Thukydides beschleunigt seinen Schritt. „Darin hast du recht, Herodot. Athen lästert ohne Gefühl und Takt. Der Lustspieldichter Kratinos wagte es unter dem Schutz der demokratischen Redefreiheit sogar, Aspasia zur Freude des gröhlenden Mobs von der Bühne herab ,das niederträchtige Weib mit dem Hundeblick' zu nennen. Ich gestehe dir offen, daß ich die geistreiche und hochgebildete Frau nicht weniger verehre als meinen Lehrer Anaxagoras oder Sokrates, meinen Freund. H a t sie nicht eine öffentliche, durch einen Preis ausgezeichnete Rede gehalten? Ich glaube, was manche behaupten, daß Perikles seine glanzvolle rednerische Schulung der Aspasia verdankt. Übrigens wird dir nicht unbekannt sein, daß Perikles sie seit einem halben Jahre zu seiner Gemahlin gemacht hat." „Man hat davon geredet, aber die meisten glauben es nicht." „Ich werde dich in ihr gastfreies Haus bringen, Herodot. Alle Männer von Namen und Geist sind bei ihr zu Gast gewesen, nur die Bosheit und der Neid kauern geifernd vor ihrer Tür." „Das hast du schön gesagt, Thukydides! Aber zur Sache: Athen sollte seine ruhmvolle Demokratie nicht durch persönliche Niedertracht entweihen. Da flüstern an 15
jeder Straßenecke Angeber und Gerichtsläufer von Beruf, Perikles und seine Freunde hätten sich am Geld der Bundeskasse vergriffen. Das Gold, das man im Attischen Seebund für den Mantel des Athene-Standbildes gesammelt hat, sei in die Taschen des göttlichen Phidias, des Freundes von Perikles, gewandert." Thukydides bleibt betroffen stehen: „Man sollte den Athenern den Mund zunähen! Dieses Volk ist unverbesserlich in seiner Schmähsucht..." Herodots schmale Lippen umspielt ein Lächeln. „Man sollte aber auch die Dinge nicht allzu ernst nehmen", entgegnet er. „Ich glaube, um Perikles braucht niemand Sorge zu haben, so lange ihn die Volksversammlung — wie jetzt — Jahr für Jahr zum Strategen8 wählt. Hat er nicht erst kürzlich die höchste Ehrung, die Athen vergibt, den Olivenkranz, erhalten? Und — sieh diese Marmorblöcke, wenn sie dereinst zu Tempeln und Säulenhallen gefügt sind, wenn Phidias sie mit Friesen, Reliefs und Figuren bedeckt hat, dann wird auch der Mann in die Bereiche der Unvergeßlichen eingetreten sein, der all dieses Leben lenkte, aufrührte und mit seinem Geist erfüllte: Perikles, der große Athener!" * Es ist die Stunde kurz vor dem Tag. Noch hängen die tiefen Schatten in den Ecken und Winkeln der Straßen, aber schon gespenstert der dämmernde Schein des neuen Tages in der hohen Wölbung des Himmels. Der skythische Nachtwächter, der mit Laterne und Polizeistock durch das Viertel Kerameikon stapft, blickt gähnend über die flachen Dächer der Häuser hinweg zur Akropolis, die sich wie eine marmorne Krone zu Häupten der großen Stadt erhebt. Der erste Morgenstrahl blitzt auf dem vergoldeten Helmbusch und auf der goldenen Lanzenspitze des Götterbildes der Athene, die auf hohem Sockel inmitten des Tempelbezirks aufragt. Jetzt mögen die Schiffer, die Kap Sunion umrunden, das Wahrzeichen und die Verkündigung Athens begrüßen. Der Tag beginnt. Bildseite rechts: o b e n : die Göttertrarg der Akropolis in Athen mit den Propyläen, dem Standbild der Athene und dem Parthenon-Tempel; M i t t e : ionische Säulen; Tor zum Versammlungs- und Marktplatz der Agora in Athen; griechischer Schwerbewaffneter (Hoplit); u n t e n : altgriechisehe Faustkämpfer.
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Rasch schiebt sich die Sonnenscheibe über die dunklen, nun hell schimmernden Waldhöhen des Hymettos, ein breiter Strom von Licht flutet über das Häusermeer Athens. Weit draußen im Saronischen Golf glühen die roten und gelben Segel der Boote auf, die vom Nachtfischfang heimkehren. Die qualmende Spur der ausschwelenden Fackeln folgt ihrem glitzernden Kielwasser. Die Sonnenstrahlen des jungen Tages laufen über das Gewirr von Masten, die im Hafen Phaleron über dem Verdeck der Kriegsschiffe stehen. Dort liegt ein Teil der dreihundert Schlachtkreuzer des Attischen Bundes vor Anker, während im Piräus drüben — Schatten neben Schatten — Kauffahrer aus aller Welt festgemacht haben. Auch hier weckt das aufblühende Licht Leben und Getriebe. Kais und Hafenstraßen, Verdecks und Ruderräume erwachen, Karren beginnen zu rasseln, Sklaven trotten in Scharen daher, Schimpfworte der Aufseher tönen. In den Bäuchen der Galeeren klirren die Ketten der Ruderer, die von den vorsichtigen Schiffsherren wegen der Nähe des Landes angeschlossen sind. Aus unruhig und traumschwer verbrachter Nacht steigen die Ruderknechte zu neuer Stumpfheit herauf. In den Pechpfannen der Einfahrtstürme flackert letztes rötliches Leuchtfeuer, ersterbendes Zeichen der schwindenden Nacht. Wie groß und weltweit ist alles geworden, seit Perikles die attische Sache führt! Gewaltige, eineinhalb Fahrstunden lange Mauern verbinden die Stadt Athen mit dem Hafen Piräus; die gesamte Bevölkerung von Attika mit Herden und Hausrat könnte in Kriegszeiten Schutz hinter den Wehrmauern finden. Höher schwebt der Feuerball der Sonne. Der Nachtwächter im Kerameikon hat seine Laterne gelöscht: Eine Flut von Helligkeit stürzt wie aus geöffneten Schleusen über die weißgelben Felsen des Akropolisberges herab. Überall rührt sich das Leben. Die Landsleute des Nachtwächters, die als Stadtpolizisten am Nordwesttor und an der Nordpforte Dienst tun, haben wuchtend die riesigen Torflügel aufgestoßen; Bauern mit groben, zweirädrigen Karren, die, vom Lande kommend, schon bei Nachtzeit vor den Pforten gewartet haben, um die ersten am Markte zu sein, drängen herein. Aus den Seitenstraßen tauchen Trupps von Töpfersklaven auf, die 18
ihren Werkstattbetrieben zueilen. Sie haben die Nacht in irgendeinem Stallgebäude oder einer Massenunterkunft auf den Grundstücken ihrer Herren verbracht. Langsam schlendert der Wächter weiter und kommt zum Markt der im neuen, größeren Athen aus kleinen Anfängen zum weiträumigen Platz emporgewachsen und von Säulenhallen, Wohn- und Gesehäftsgebäuden umsäumt ist. Der Skythe begrüßt zwei Männer der Marktpolizei, die das Offnen der Bretterbuden, das Abnehmen der Rohrgeflechte vor den Fensterluken der Verkaufsstände überwachen und darauf achten, daß nicht eher mit dem Handel begonnen wird, bis die Gongschläge des Marktaufsehers ertönen. Müde von der langen Nacht, strebt der Wächter einem Hintergebäude im neuen Stadthause zu, das im vornehmeren Stadtviertel gelegen ist. Dort haust er zusammen mit anderen Wachleuten in kärglicher Unterkunft. Am Wege liegt das Privathaus des Perikles, das mit vorgebautem Säulenportal, unscheinbarer Außenfront, mit Mörtelanwurf bedeckt und, leicht in Ocker getönt, dem Stadthause benachbart ist. Die Fensterläden stecken noch in den schmalen Öffnungen des Obergeschosses; auf dem flachen Dach räkelt sich ein Sklave, und eben, als der Nachtwächter die Straße kreuzt, öffnet sich das Haustor. Der Pförtnersklave — ein graubärtiger Alter — steht mit emporgehobener Öllampe im Dunkel der Torhalle, und eine halbtrunkene, lärmende Gesellschaft wälzt sich auf die morgendliche Straße. Es sind Jünglinge und Mädchen in bunten Gewändern, Kränze und Bänder im Haar. Trotz des Tageslichtes haben sie Fackeln entzündet und schwingen sie lachend. Die Nachtschwärmer ärgert wahrscheinlich der hell hereinbrechende Tag, den sie mit den Lichtern vertreiben möchten. „Alkibiades — wer könnte es anders sein!" brummt der Polizist im Vorübergehen. Er versäumt aber nicht, untertänig zu grüßen; denn Alkibiades, der Neffe des Perikles, ist einer der beliebtesten und angesehensten Adelsmitglieder der Stadt. Im Innern des Hauses — jenseits des Säulenhofes — ist Perikles von dem lärmenden Gepolter erwacht. Er ist unmutig über das wilde Gelage des Neffen, der ihm gestern abend — wie so oft — mit einer Schar von Freunden ins Haus gefallen war. Das junge Volk tollte in dem schönen, bunt bemalten Saal und auf den offenen Baikonen des 19
ersten Stockwerks und erfüllte die Nacht hindurch das ganze Haus mit Lärm, Flötenspiel und trunkenem Gelächter. Perikles richtet sich halb auf und stützt sich auf die Kopfrolle des Bettes, das auf vier erzgegossenen Füßen steht und kunstvolle Einlegearbeiten zeigt. Es ruht sich angenehm auf den schwellenden, mit Federn gefüllten Polstern. Das kühle Leinen schmiegt sich den Gliedern an, auch die reichgewirkte, syrische Decke ist mit Linnen überzogen. Neben dem Bett steht auf niedrigem Dreifuß eine prachtvoll getriebene Bronzesäule, an deren Gabeln drei brennende Öllampen hängen. Perikles ergreift einen kleinen Erzstab und berührt damit den winzigen Gong, der von der Kopflehne des Bettes herabhängt. Lautlos erscheint ein Sklave, kreuzt die Arme über der Brust und verbeugt sich. „Es ist die erste Morgenstunde, Herr", sagt er. „Die Gäste haben das Haus soeben verlassen." Wortlos erhebt sich der „Olympier" und wäscht sich Hände und Gesicht mit köstlich duftendem Wasser. Eine halbe Stunde später verläßt Perikles das Haus — ein hochgewachsener Mann, der ungebeugt seine sechzig Jahre trägt. Drei stabtragende Sklaven gehen ihm voraus, um Platz zu schaffen. Kurze Zeit daraufruft auch Aspasia nach ihrer Dienerin; die Zofe entfernt die ambrafarbene Decke aus feinem, ägyptischem Leinen und hilft der Herrin beim Verlassen des Lagers. Schlank und trotz ihrer vierzig Jahre immer noch jugendlich, dehnt sich Aspasia. Sie tritt an die Säulen, zwischen denen schwere Purpurvorhänge das Zimmer vom mauerumschlossenen Park scheiden, und atmet tief die erquickende Morgenluft. Chloe, die Leibsklavin, wirtschaftet in dem kleinen, mit Steinfliesen ausgelegten Nebenraum. Ihre Aufgabe ist es, der Herrin nach dem Bade bei der Schönheitspflege behilflich zu sein. „Leider brauchen wir das, wir Frauen!" seufzt leise die Vielumschwärmte und nimmt den polierten Silberspiegel zur Hand. „Ach, Chloe! Wer hätte daran gedacht, wie rasch die Jahre dahinfliegen, als man mich noch die ,Veilchenlockige' genannt hat. Und heute? — Was nützt mir das Buch, das ich über die Schönheitspflege ge20
schrieben habe 9 , was nützt der Kampf einer Frau gegen das Alter, wenn die Fältchen an den Augenwinkeln, diese sicheren Male des Vergehens, sichtbarer und deutlicher werden!" Chloe hat eine kostbare „Olpe" geöffnet — ein winziges, aber kunstreich ausgeführtes Gefäß — und läßt eine rötliche, scharf duftende Essenz in die Handfläche träufeln, um sie in Aspasias Haar zu verreiben. Dieses sehr teure Mittel zaubert, wenn man das Haupt nach der Behandlung einige Zeit der Sonne aussetzt, den wundervollen Goldglanz ins Haar, jene begehrte Mischung aus Kupfergold und mattem Feuer, die die Griechinnen lieben. Phryne, die kleine, wendige Lyderin, die die Schminktöpfe verwaltet, lächelt in all ihrer Jugend über die Bekümmernisse der Herrin. Sie hilft — als das Geschäft des Salbens und Ölens vorbei ist—, beim Anlegen des vielfach gefältelten Kleides, das bis zu den Zehen niederfällt. Schließlich legt sie der Herrin den mit Sternchen bestickten Umhang um die Schultern. „Du darfst doch nicht klagen, Herrin", sagt Phryne schnippisch. „Wer gleich dir die fünfzig Schminktöpfe, die Salben, Stifte, Bürsten, Kämme, Flaschen, Pinsel und Farben zur Hand hat, wird immer schön bleiben. Häßlich ist das Alter nur bei den Sklavinnen, die dergleichen nicht besitzen." „Freches Ding!" schilt Aspasia und schlägt mit dem Fächer nach der Vorlauten. „Dein Glück, daß ich keine Römerin bin! Wäre ich die Frau eines Römers, ich würde dich mit langen Nadeln stechen, und weintest du, so überlieferte ich dich dem Hofmeister zur Rutenstrafe. Wir sind viel zu freundlich mit euch!" „Beginn mit der Frisur!" befiehlt sie dann. „Megariste, du magst unterdessen die Augenbrauen auszupfen und mit einem leichten Goldbraun nachziehen." Chloe aber, um die Gebieterin zu versöhnen, bringt das Gespräch noch einmal auf das gefährliche Thema. „Du hast recht, Herrin! Die Schönheit ist wie jene Trosse, die das Schiff am Lande festhält. Reißt sie ab, so treibt das steuerlose Schifflein fort vom sicheren Ufer und verschwindet im grausamen Schlund der Vergänglichkeit." „Wie wohlgesetzt unsere Chloe zu sprechen weiß!" erwidert Aspasia. „Sollte sie von mir im Laufe der Zeit gelernt haben? Aber was du sagst, ist nicht richtig; die 21
rechte Lebensart folgt feineren Gesetzen. Sagt nicht der kluge Sokrates: ,Wir müssen die Freuden nicht aus anderen, sondern einzig und allein aus uns selbst schöpfen?' Schönheit und Reiz, die nur an Gesicht und Körper haften, sind kaltes Feuer, taube Nüsse; denn wie wir die Freude nur in uns selbst finden können, so auch die wahre und höhere Schönheit, nach der die besten unter den Frauen streben: die Harmonie zwischen Körper und Seele, das Funkeln des Geistes. Mit Recht hat Euripides in seiner ,Andromeda' geschrieben: .Kein größerer Schatz als eine edeldenkende Gattin zu finden. „Diese Art der Schönheit, Herrin", ruft Chloe voll echter Bewunderung, „wirst du immer besitzen! Perikles weiß, was er an dir hat!" Aspasia lächelt, sie legt selbst ein wenig Rot auf die blassen Wangen und verreibt die leichte Tönung mit Schwanenfiaum. „Ganz Athen weiß", wagt nun auch die Lyderin wieder ein Schmeichelwort, „daß unsere Herrin die hübschesten Füßchen der Stadt besitzt..." Aber Phryne hat heute kein Glück. Aspasia läßt sich auf dem gepolsterten Sessel nieder und betrachtet die wohlgeformten Fesseln. Als sie aber ein häßlich hervortretendes, blaues Äderchen auf der Haut entdeckt, ist sie entsetzt und stößt einen kleinen Schrei aus. „Aphrodite, was tust du mir an! Ich werde einen Arzt brauchen. Holt mir einen Jünger des Asklepios!" „Der Arzt Menedemos, der am Markt seine Bude hat", ereifert sich Phryne, „gilt für einen hervorragenden Mann. Er trägt eine mit Sternen bestickte Mütze, und man sagt, daß er Geschwüre, gebrochene Glieder und Wunden großartig heilt." „Geschwätz!" weist Chloe die Zofe zurecht. „Menedemos ist ein Quacksalber und Scharlatan, wie die meisten seiner Zunft. Wer sich in seine Behandlung begibt, ist so gut wie verloren. Neulich hing an seiner Bude ein Vers: ,Gestern berührte den steinernen Zeus der Arzt Menedemos : Steinern und Zeus wie er ist — heute begrab en sie ihn.' " Die Sklavinnen kichern. „Ich rate von Menedemos dringend a b " , fährt Chloe fort, „aber ich kenne einen Arzt in der öffentlichen Klinik, der 22
auch die jungen Medizinsohüler — die Asklepiaden — unterrichtet, einen Mann von Ernst und K ö n n e n . . . " „Und einer von denen", wirft eine Sklavin aus Karien vorlaut ein, „die den Mund nicht umsonst öffnen, sondern im voraus das Honorar verlangen!" „Schade, daß Demoked von Ägina nicht mehr lebt!" macht sich Phryne wichtig, „man sagt, er habe Wunder gewirkt. Zuerst hat ihn seine Heimatstadt Kroton auf Ägina mit 4500 Drachmen im Jahr bezahlt, dann soll er in Athen 7500 verdient haben, aber Polykrates von Samos zog ihn endlich für 9000 Drachmen in seinen Dienst." „Tote Ärzte heilen nicht!" erwidert Chloe ärgerlich und scheitelt die ausgebürsteten Haare der Herrin. „Mache die Brennscheren heiß, Phryne!" _ . Das Gespräch um die tüchtigsten Ärzte von gestern und heute geht mit weiblicher Weitschweifigkeit fort, bis endlich die energische Chloe den richtigen Mann nennt, der Aspasias Ader kurieren kann: Es ist der berühmte Herodikos aus Selymbria, der sich in einem kleinen Hause im Viertel der Vornehmen niedergelassen hat und dort nicht nur seine Praxis ausübt, sondern auch Studenten unterrichtet. Während die Frisur ihrer Vollendung entgegengeht — die Haare werden wellig von den Schläfen nach hinten gezogen und zum hohen Helmbusch getürmt •—, gibt Äspasia Phryne Auftrag, den Herodikos zu holen. Phryne soll von zwei Haussklaven begleitet werden und bei ihrem Gang in die Stadt gleich die Einkäufe am Markt mitbesorgen. Als die Sklavin, froh über die Abwechslung, den Ankleideraum verläßt, stehen schon die Zofen mit den Schmuckschatullen, den Bingen, Ohrgehängen, Armreifen und Stirnbändern vor der Herrin. Phryne hört noch den Seufzer Aspasias: „Soviel Schmuck habe ich, aber nichts ist dabei, das den Glanz der Jugend zurückbringt!"
* Inzwischen hat Perikles das Eegierungsgebäude erreicht und sich die eingelaufenen Meldungen und Berichte vorlegen lassen. Seit die Beamten, die aus der Wahl der Volksversammlung hervorgehen, staatlich besoldet werden, 23
drängen sich viele Glücksritter, Wichtigtuer und Ehrgeizige in ihre Reihen, und Perikles steht manchmal einer gefährlichen Dummheit, einer neiderfüllten Mißgunst und dem dumpfen Haß der Mittelmäßigen gegenüber. In Stunden der Nachdenklichkeit und des leise aufsteigenden Überdrusses zieht sich der große „Olympier" am liebsten auf jene hohe Insel zurück, die am reinsten seinen Geist und sein Wollen widerspiegelt: auf die immer noch wachsende und sich entfaltende Akropolis. Auch heute geht er durch die belebte Stadt, überquert den Marktplatz, wird von den flanierenden Stutzern gegrüßt und grüßt seinerseits die ehrwürdigen, unter den Säulenhallen plaudernden, bärtigen Philosophen. In Gruppen zu zweien und dreien, den schlichten Mantelumhang um die Schultern geschlagen und auf Knotenstöcke gestützt, diskutieren sie die Probleme der Welt und Überwelt. Dort oben am Säulenumgang der Stoa poikile — jener bunten Halle, in der die Gemälde des Polygnot hängen — steht auch Sokrates, häßlich, und doch durch ein gütiges Lächeln verschönt; wahrscheinlich stellt er sich wieder einmal als harmloser Frager an und führt die Klugredner auf das Glatteis seiner messerscharfen Logik. Schreiend bahnen die Stabträger Perikles einen Weg durch das Gewühl des Marktes, der nun in vollem Betrieb ist. Überall sind die Gewerbe zur Zunft zusammengeschlossen. In einer Ecke des Platzes bauen sich die Töpfer auf, in einer anderen die Metzger und Bäcker, die Gemüsehändler und Bauern, dort ist der Kleidermarkt, wo die Gewänder an Stangen nebeneinander hängen; da stehen die Fischer mit ihren Körben, den Fang der Nacht und des Morgens anzubieten, während die Feinschmecker Athens — natürlich ist Alkibiades, der Unermüdbare, mit all seinen Freunden dabei — von Stand zu Stand ziehen, lachend und scherzend, um die kostbarsten Seltenheiten zu erwerben. Am Ende des belebten Platzes trifft man die „Giftküchen" der Ärzte, Barbiere, Apotheker, Kräutersammler und Wundermänner. Vor einer jener Buden, deren Wände mit Salbbüchsen, Schröpfköpfen, Schalen, Waschbecken und Arzneidosen dicht behangen sind, findet Perikles Phryne mit den Haussklaven. Als er sie anspricht und nach ihrem Auftrag befragt, erfährt er, daß Herodikos während der Marktstunden hier die Kranken behandelt. 24
Soeben drängt eine Menge Neugieriger um den aus Rohrgeflecht errichteten, halboffenen Anbau; denn dort haben sich die Ärzte um einen ihrer Zunftgenossen versammelt, der sich an einem heulenden Sklaven zu schaffen macht und dem Armen mit Messer und Säge zu Leibe geht. Ein Finger soll kunstgerecht amputiert werden. Als Perikles — von zahlreichen Umstehenden erkannt — nähertritt, macht man ihm ehrfürchtig Platz. Der Arzt, der nach seinen abgeschnittenen Haaren und seinem schäbigen Gewand zu urteilen, selber Sklave ist, geht rücksichtslos zu Werk. Zwei stämmige Gehilfen halten den Kranken mit Bärenkräften auf dem Operationsstuhl fest, ein dritter versucht ihm den einschläfernden Trank aus der Mandragorawurzel einzuflößen10, aber der Sklavendoktor beginnt, ohne auf die Wirkung der Betäubung zu warten, zu schneiden und zu sägen. Ehe noch Perikles ein Wort des Zornes sagen kann, drängt sich ein Mann durch die Zuschauer nach vorn. „Denke an den Eid, Asklepiade"11, sagt er, „mit dem du gelobt hast, der Natur Beistand zu leisten, wenn sie sich gegen Tod und Krankheit wehrt. Was du hier vollbringst, nenne ich Gewalt an ihr üben!"12 Wütend schreit der Scharlatan den Fremden an: „Siehst du nicht, daß dies ein Sklave ist? Noch dazu ein ganz billiger Ein-Obolenmann aus der Töpferei?" „Im Stuhl des Arztes kenne ich nur kranke Menschen, Asklepiade, und ich nahe mich jeder Krankheit als Arzt, mag sie wohnen, wo sie will: in alten oder jungen, schönen oder häßlichen, freien oder unfreien Körpern." „Wer bist du, mein Freund?"fragt Perikles verwundert, denn die Worte des jungen Arztes berühren eine verwandte Saite seiner Seele. Der wendet ihm ein nachdenkliches und kluges Gesicht zu und nennt seine Herkunft: er heiße Hippokrates von Kos und sei ein Schüler des Herodikos. „Und was ist das für ein Eid, von dem du sprachst?" Hippokrates erkennt plötzlich, mit wem er spricht. Achtungsvoll gibt er Antwort. „Wir Verehrer des Asklepios, die wir versuchen wollen, Quacksalberei und Betrügerei, die man heutzutage mit den Kranken betreibt, zu echter Wissenschaft und heiliger Verpflichtung zu erheben, schwören: ,In Keuschheit und Frömmigkeit zu leben und die echte Kunst zu bewahren.' 4(6)
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Perikles legt ihm die Hand auf die Schulter. „Hippokrates", sagt er, „ich bitte dich, in mein Haus zu kommen. Folge dieser Sklavin nach, man sucht dich als Arzt! Doch komme zur späteren Stunde wieder, man wird dich dann als Gastfreund begrüßen!" * Der „Olympier" entzieht sich dem Trubel und Lärm der Agora und. ersteigt die Akropolis. Am Propyläenbau läßt er die Sklaven zurück. Hoch steht die Sonne am Firmament und brennt erbarmungslos hernieder. Die Bauplätze flimmern in der Hitze, der nackte Fels des Berghauptes ist glühend heiß. Verlassen ragt die majestätische Bekrönung des heiligen Bezirks, der große Parthenon-Tempel 13 . Dort findet Perikles seinen altgewordenen Freund, den Bildhauer Phidias, und zieht ihn in den Schatten der Säulenvorhalle, um mit ihm zu plaudern. „Zu Füßen dieses Heiligtums — ich gestehe es offen — habe ich immer das Bedürfnis, dir zu danken, Phidias; denn du hast mit diesem Bau deinen Namen an den Saum der Unsterblichkeit geknüpft und auch mir einen Abglanz deines Ruhmes gelassen." Phidias wehrt betroffen ab. In den Furchen seines Antlitzes zeichnet sich die Qual, in der er um die künstlerische Vollendung ringt und das Höchste begehrt. „Mein Freund", erwidert er, „gibt es für uns Menschen Unsterblichkeit? Wir haben diesen Berg mit Marmor und Erz umgürtet, doch auch Marmor und Erz schwinden unter der erdrückenden Unerbittlichkeit der Zeit dahin. »Versuche nichts zu bergen: denn die alles sieht und alles hört, sie faltet alles auf — die Zeit...' 1 4 . Suchen wir uns nicht zu täuschen, Perikles! Einmal wird auch die Herrlichkeit der Akropolis ausgelöscht sein. Denke daran, was uns damals, vor zehn Jahren, der weitgereiste Herodot aus Ägypten berichtet hat. Die Zeit ist selbst über die Felsentempel und Porphyrstatuen der Pharaonen Siegerin geworden. Auch wir haben das Lied unseres Lebens in Stein gehauen, um ihm ewigen Klang zu geben. Vielleicht haben es die Götter vernommen — ob aber die Spätgeborenen in künftigen Jahrtausenden unser gedenken werden? Wer weiß es? Siehe, mein Perikles, hängt man nicht auch nach durchzechter und durch26
jubelter Festnacht den verwelkten Kranz als Abbild des Gesetzes, unter dem wir leben, mahnend an die Tür der Geliebten, um ihr zu sagen: ,Wie dies Blumengeflecht blühst du — und welkest du dahin...' Einst werden unsere Taten solche welken Kränze an den Toren kommender Geschlechter sein." „Nein, Phidias!" entgegnet Perikles überzeugt, „dein Name und dein Werk werden dauern! Stein und Metall vergehen, die Idee der Schönheit bleibt, die du erdacht hast. Die Erinnerung an die Spur deines Daseins: der Zeus von Olympia, die Athene und der Figurenschmuck des Parthenon-Tempels werden unzerstörbar bleiben, solange die Künste unter den Menschen heilig gelten." „Diese Sicherheit teile ich nicht, mein Perikles", erwidert der Bildhauer. „Künste und Gedanken einer Zeit sind wie der Spiegel, den man der Seele eines Volkes vorhält. Zerbricht dieser Spiegel, so verschwindet auch das Bild, und die Schöpfungen versunkener Völker stehen gleich Grabmälern fremd und unverstanden unter einem neuen, andersempfindenden Geschlecht... Sieh diesen Tempel der Athene, Perikles! Wie breit und der Erde verhaftet lastet sein steinernes Gebälk auf den wuchtigen Säulen! Maß und Würde sind die Gesetze dieses Werkes, Schönheit und stille Heiterkeit seine Seele. Aber einst wird auch für Griechenland der Tag kommen, an dem es in die Unterwelt und Vergessenheit hinabsteigt. Wo werden dann die Menschen sein, die unsere Gefühle und Gedanken aus den stumm gewordenen Denkmälern herauslesen und widerzuspiegeln vermöchten, was einst wir gewesen?" Perikles richtet sich auf. Das leicht gewellte, grau und schütter gewordene Haar umrahmt sein edelgeformtes Antlitz,aus dem immer noch] ugendlich dieblauenAugenblitzen. „Hellas mag einst enden", sagt er ruhig, „nicht aber sein Geist! Immer wird das Erhabene mit dem Niedrigen kämpfen, wie du es, mein Phidias, im Streit der strahlenden Athene mit den finsteren Halbgöttern im Giebelfries dieses Baues dargestellt hast. Denke an das Wort, das Sokrates sagte:,Über der sichtbaren Welt aus Wasser, Feuer, Luft und Erde gibt es ein unsichtbares Eeich der Gedanken. Und dort werden wir dauern, als Menschen, die um Hohes gerungen haben.'" * 27
Die Sonne hat ihre Flammenbahn hoch über der Erdscheibe beendet, und Helios, der Sonnengott, lenkt seinen goldenen Wagen in die purpurnen Tiefen des westlichen Ozeans. Nacht senkt sich auf die Gefilde der Menschen. Perikles hat einen reichen Tag hinter sich. Nach der kurzen mittäglichen Euhepause war er mit den Führern der politischen Parteien zusammengetroffen und hatte ihre Vorschläge und Meinungen gehört. Schreier, die sich auf billige Weise den Namen kühner und einfallsreicher Politiker verschaffen wollten, haben ihn aufs schmählichste angegriffen. Man zielte auf seine nächste Umgebung — auf Aspasia, auf Phidias und den Freund und Weisen Anaxagoras —, aber die Anwürfe galten ihm selber. Es war wieder die Rede von Gottlosigkeit, von Zauberei und ähnlicher Torheit gewesen, mit der man allein den einfältigen Sinn und die ziellose Leidenschaft der Masse aufpeitschen konnte. Manchmal beginnt Perikles die Politik zu hassen — dieses Verteidigenmüssen gegen kleinliche Neider, diese Abwehr schmutziger Geschosse; dann sehnt er sich nach dem Frieden seines Heimes, nach dem Kreis der Freunde und nach dem stillen Reich reiner Gedanken. Der Abend dieses angestrengten Tages sieht in seinem Hause ein großes Symposion — ein Gastmahl; es weilt eine fremde Gesandtschaft in der Stadt, die bei guter Stimmung erhalten werden soll, denn man hofft auf günstige Handelsverträge. Die große Halle im Hause des Perikles und der offene Innenhof sind von der Gesellschaft belebt, die sich in Gruppen zu zweien oder dreien auf niedere Ruhebetten gelagert hat. Der Haushofmeister mischt auf einem polierten Anrichtetisch im Hintergrund des Hofes schweren Cyprerwein mit Wasser und füllt ihn in kraterförmige, mit Figuren bemalte Gefäße. Sklaven in kurzen Linnenröcken gehen reihum und füllen aus den schöngeformten Krügen die silbergetriebenen Becher, die auf den Tischchen vor den Gästen stehen. Flötenspielerinnen und Tänzerinnen sind abgetreten, das Fest strebt seinem Höhepunkt, den ernsthaften, beschwingten Reden der Männer zu. Die Gesandten aus Italien werden von Perikles mit großer Freundlichkeit ausgezeichnet 15 . Hermodorus, ein sehr gebildeter, aus seiner Heimatstadt Ephesus vertrie28
bener Mann, hat die Ausländer in Athen eingeführt. Sie kommen aus der kleinen, mittelitalischen Stadt Rom, einer Gemeinde, deren Geschichte Ähnlichkeit hat mit jener des großen Athen. Die Eömer haben fast in demselben Jahre, in dem die Athener die Demokratie einführten, die Fremdkönige, die sie bis dahin beherrscht hatten, vertrieben und Rom zur Republik gemacht. Da sie die gleichen Feinde haben wie die Griechen von Westhellas, nämlich Karthager und seit 400 Jahren in Mittelitalien eingenistete Etrusker, so ist es nur natürlich, daß sie Anschluß an die griechische Sache suchen. Auch in Rom ist in dieser Zeit Ruhe und Frieden eingekehrt. Das kleine Volk hält den Augenblick für gekommen, sich nach dem Muster der Griechen eine neue, gerechte Verfassung zu geben 18 . Zu diesem Zweck — so berichten die Gesandten — habe das Volk Roms zehn Männer ausgewählt und mit großer Vollmacht ausgestattet. Drei von ihnen, die der griechischen Sprache mächtig sind: Postumius Albus, Manlius und Sulpicius Camerinus sind nach Athen gereist, um sich hier über die Verhältnisse zu unterrichten und vor allem die Solonischen Gesetze zu studieren. „Auf dem Marktplatz von Rom", bemerkt soeben Manlius, „rühmt man vorzüglich die Gesetze, welche die Kreter durch ihren König Minos, die Spartaner durch den Staatsmann Lykurg und die Athener durch den großen Gesetzgeber Solon erhalten haben. Unsere staatliche Ordnung ist andere Wege gegangen: Über uns herrschte zuerst Romulus nach persönlicher Willkür, König Numa leitete das Recht von den Göttern her, und dann war Servius Tullius unser Gesetzgeber. Doch haben sich nach der Vertreibung der Könige die Spannungen zwischen den adeligen Patriziern und den Bürgern empfindlich verschärft. Wir brauchen eine Verfassung nach bewährtem Vorbild." Perikles hebt seinen Pokal gegen die Römer. „Auf gesegnetes Gelingen, ihr Gastfreunde! Freiheit und Wohlfahrt gedeihen wie Früchte auf dem Baum des Rechtes, aber der Baum hat seine Wurzeln tief in die mütterliche Erde der Philosophie gesenkt!" Der Dramatiker Euripides, der sich neben Phidias auf dem Ruhelager ausgestreckt hat, spricht gleichgestimmte eigene Verse: 29
„Selig ist der Mann, der sein Leben der Forschung weiht, der nicht auf Schaden der Bürger und nicht auf Frevel sinnt, der sein inneres Auge nur dem nie alternden Bau ewigen Wesens zuwendet! Bei solchem Geiste hat Arges nimmermehr Raum!" „Seit wir im Hafen von Neapel das Schiff bestiegen haben", berichtet nun Hermodorus, „folgt uns der Schatten der großen griechischen Philosophen. Es schien uns so, als ob Griechenland bereits an den Küsten Italiens begänne. Nicht ferne von Neapel, auf der Höhe von Paestum, steht der weltbekannte Poseidontempel, zu dessen Füßen noch vor einem Menschenalter Xenophanes lebte, der das geistige Wissen höher stellte als alle andere Tüchtigkeit. Als die Küste Lukaniens zu unserer Linken grünte, fuhren wir an Elea vorüber, der Stadt, der die berühmten Gelehrten Parmenides, Schüler des Xenophanes, und der kluge Zenon entstammen. In Kroton — am Meerbusen von Tarent — wurde Alkmaion geboren, der zuerst von allen Forschern Tierleichen zerschnitt, um den Bau des Körpers zu studieren, der das Gehirn als den Sitz der Gedanken und die Nerven als die Organe der Sinne erkannte. Hätte unser Schiff in Alkragas auf Sizilien angelegt, so hätten wir in der Halle des gepriesenen Arztes, Philosophen und Wundermannes Empedokles auf günstigen Fahrwind warten können." „Geist ist eine Ware, die in Rom wenig gehandelt wird...", lacht der alte Postumius Albus. Mühevoll und schwerfällig formt er die griechischen Sätze. „In unserer Stadt leben zwar einzelne hellenische Kaufleute, wir haben auch Verbannte aufgenommen, und manche von ihnen sind — gleich unserem verehrten Freunde Hermodorus — wahre Lehrmeister Roms geworden. Was ihr Griechen aber Philosophie nennt, ist uns im Wesen fremd geblieben. Es gibt bei uns keine Philosophenschulen wie hier in Athen, wie in Milet, Ephesus, Elea und überall in der hellenischen Welt. Und — verzeiht meine Worte: Ich sehe auch nicht den Nutzen, den man aus der Philosophie ziehen kann!" Da erhebt sich langsam der siebzigjährige Anaxagoras17. „Ich will euch Antwort geben, Freunde aus Rom! 30
Es war vor mehr als einem Jahrhundert, als die großen ionischen Gelehrten Thaies, Anaximandros, Anaximenes und Heraklit zuerst die Frage nach dem Urgrund alles Seins, dem Woher und Wohin der Welt gestellt haben. Sie glaubten den sichersten Weg zur Lösung dieses ewigen Menschheitsrätsels zu gehen, indem sie ihre Bemühungen auf die Erkenntnis der natürlichen Ordnung, der Naturgesetze und inneren Zusammenhänge des Weltganzen richteten. So wie ihr, Gesandte Korns, zur Ordnung eures Staates die besten Gesetze finden wollt, so widmete die griechische Wissenschaft ihre Anstrengungen der Entdeckung jener Gesetze, die, für die groben Sinne des Menschen unsichtbar, allen Erscheinungen der Natur innewohnen, den klaren Ablauf des Lebens bestimmen und jedes Ding in das Weltganze einordnen." „Bei den Göttern!" ruft Manlius dazwischen, „das Ziel sehe ich wohl, aber der Weg dorthin scheint mir kraus und unübersichtlich. Ich hatte das Vergnügen, Vorträge bei Empedokles zu hören, er machte auf mich den Eindruck einer Mischung von einem Gelehrten und einem Zauberer. Mit seiner Weltentstehungslehre mochte es angehen: Wasser, Erde, Luft und Feuer als die vier Elemente, aus deren verschiedenartiger Mischung alle Dinge sich bilden: Anziehung und Abstoßung, Liebe und Haß als die bewegenden Kräfte der Welt. Ich entsinne mich sogar seiner Worte: .Zwischen den Dingen webt hin und her die Wahlverwandtschaft, die Gleiches zu Gleichem gesellt, während anderes feindlich voneinander geschieden ist. So ist das Wasser eher dem Weine verwandt, aber es weigert sich seiner Vermengung mit ÖL' " „Einen Trunk auf dein gutes Gedächtnis, Manlius", ruft der junge Römer Sulpicius Camerinus und nutzt nun auch seinerseits die Gelegenheit, mit poetischen Kenntnissen zu prunken. Es ist Schulwissen, erworben bei einem Pädagogen, einem alten griechischen Sklaven. „Alsbald bildeten Sterbliche sich, die früher unsterblich, Und Gemischtes, das einst ungemischt im Wechsel der Pfade. Solcher Mischung entsprossen unzählige Scharen von Wesen In Gestalten wohl tausenderlei: ein" Wunder zu schauen.. ." 31
„Wissenschaft und Verse! Welch unbekömmliches Gemisch!" Anaxagoras hebt abwehrend die Hand. „Mag man mich einen nüchternen Aufklärer und Götterlosen nennen: Ich muß Einspruch erheben, wenn ich sehe, wie Forschung, Dichtung und Sehertum miteinander vermengt werden. Nicht traumhafte Gesichte und vermeintliche Offenbarungen sind Wege zur Philosophie, sondern klares, beweisbares Wissen und die strenge Logik — der gesetzmäßig denkende Verstand." ' Dozierend fährt er fort: Ich stimme Empedokles durchaus in verschiedenen seiner Lehrmeinungen bei. Wenn er sagt: Nichts ist aus dem Nichts geworden, so ist das logisch genug. Aber ich erweitere den Satz — mich an den alten Parmenides18 haltend: .Notwendig ist es, zu sagen und zu denken, daß nur das Seiende ist; Denn es ist möglich, daß es ist; das Nichtseiende ist nicht möglich, Das heißt — seine Existenz ist unmöglich...' " „Also doch wieder Verse!" wirft Sulpicius spöttisch ein. Anaxagoras lächelt: „Es ist nur die Form von Versen, mein Freund; denn Parmenides gehört der Generation vor uns an, die noch gewöhnt war, den Sängern Homers zu lauschen. Aber sein Lehrgedicht ist inhaltlich von strenger Gedankenklarheit. Ich vereine die Lehren des Parmenides und des Empedokles und sage: ,Die Worte ,Entstehen' und ,Vergehen' gebrauchen die Hellenen nicht richtig. Denn kein Ding entsteht oder vergeht, sondern aus den vorhandenen Dingen findet eine Mischung oder Trennung statt, und so müßte man die Entstehung besser als eine neue Mischung, das Vergehen aber als eine Trennung des bisher Vereinten bezeichnen.' Ich sehe mit meinen klaren Sinnen: Aus Allem wird Alles, Speise wird zu Blut, Erde zu Holz, Wasser zu Blättern. Demnach muß alles Seiende — da es eine fortwährende Neuschöpfung nicht gibt — bereits in den Ur-TeilBildseite rechts: e r s t e R e i h e von oben nach unten: der Geschichtsschreiber Herodot, der Staatsmann Perikles, der Philosoph Sokrates; M i 11 e: der Redner Demosthenes, der Philosoph Plato; R e c h t s , von oben nach unten: Ehrensitz im Theater, Schauspielermasken, Schmückung eines Grabes.
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chen vorhanden gewesen sein. Es existiert also nicht nur eine Vielzahl von Elementen; die Urbausteine der Welt sind unzählige, unendlich Heine und daher unsichtbare Atome, aus denen sich der Stoff zusammensetzt..." Euripides zupft den Freund am Chiton. „Sei gnädig, göttlicher Anaxagoras, laß es genug sein, dein Wissen erschlägt uns arme Sterbliche! Unsere Gäste aus Eom unterdrücken mühsam das Gähnen. Wir wollen weniger reden und viel mehr trinken...!" Die buschigen Brauen des Anaxagoras haben sich verfinstert, die schmale Eechte des Philosophen wühlt erregt in den Strähnen des weißen Bartes. Gleich wird es Donner und Blitz geben. Da greift der „Olympier" vermittelnd ein: „Der Name des Parmenides ist gefallen. Wäre es nicht am klügsten, aus der Quelle selber zu schöpfen? Haben wir doch das Glück, daß der Meisterschüler des Parmenides athenischer Bürger geworden ist. Zenon von Elea19 zählt zu den Frühaufstehern. Ich schlage vor, das Fest in den Morgenstunden zu beschließen und dann der Philosophenschule einen Besuch abzustatten." So glätten sich unter dem freundlichen Zuspruch des Perikles die hochgehenden Wogen. In fröhlicher Bunde verläuft die Nacht. * Im Norden der Stadt liegt, von einer stattlichen Mauer umschlossen, der Garten der Schule, die man im Volksmund „Akademie" nennt. Mit vielen anderen Zuhörern sitzen auch Perikles und seine Gäste zwanglos auf den Marmorstufen eines Säulenganges, während Zenon zu den Epheben spricht. Euripides hat neben dem lustigen Manlius seinen Platz und erklärt ihm leise, worum es bei Zenons Vorträgen geht. „Unter uns gesagt, mein Freund, ich glaube, daß sich die Philosophie der Eleaten ein wenig festgefahren hat. Dieses Lehrsystem ist in der Annahme eines einzigen Urgrundes der Welt dahin gekommen, alles Sein als unbewegt und unveränderlich ewig anzunehmen. Werden und Vergehen, Leben und Tod, Kraft und Stoff, die gesamte sichtbare Welt widersprechen offenbar dieser theoretischen Unsterblichkeit des Seienden. Gelänge es freilich, die Bewegung, den ewigen Fluß der Dinge, wegzudiskutieren, so 34
r hätten Parmenides und Zenon recht. Der Tod wäre theoretisch überwunden... nur in Wirklichkeit — leider — bleibt alles beim alten: es wird zerstört, gestorben und ausgelöscht." „Begreife das, wer will!" seufzt Manlius ergeben. „Sieh den großen Parmenides-Schüler, wie er sich abmüht, die unhaltbare Lehre durch um so größeren Aufwand an Geist und Lautstärke zu beweisen..." Man hört Zenon sprechen: „Zuerst laßt mich am Beispiel des fliegenden Pfeiles' die Unwirklichkeit der Bewegung aufzeigen. Der scheinbar fliegende Pfeil muß sich — das werdet ihr mir zugestehen — in einem bestimmten, winzigen Augenblick mit sich selbst im selben Raum befinden. Was aber mit sich selber im gleichen Räume weilt, bewegt sich nicht. Der Pfeil ruht also jeweils einen geringen Augenblick in seiner Bahn. Da sich sein Weg aus vielen solcher Augenblicke zusammensetzt, ergibt sich der Schluß: Was wir Bewegung nennen, ist weiter nichts als die Summe vieler aneinandergereihter Ruhepunkte. Bewegung ist also Trug der Sinne; denn es gibt auf der Ebene einer höheren Wahrheit keine Veränderung des Seienden, von dem Xenophanes zu Recht sagt: ,das All-Eine und Ewige ist ungeworden...' Vernehmt auch den Beweis, der ,Achilleus' genannt wird! Das langsamste Wesen — eine Schildkröte — kann niemals vom schnellsten — nämlich von Achill — eingeholt werden. Die gaukelnden Sinne widersprechen dem, aber die unbestechliche Mathematik beweist auch hier das, was wahr ist. Nehmen wir an, Achill startet eine Stadie hinter der Schildkröte, und er sei zehnmal schneller als sie. Er hat bei gleichzeitigem Aufbruch die Stadie bald hinter sich, doch das Tier legt in der Zeit, die Achill zum Zurücklegen der einen Stadie gebraucht hat, 1 / 10 Stadie zurück; bis Achill den neuen Vorsprung — 1 / 10 Stadie — zurücklegt, wird die Schildkröte wieder ein Zehntel der neuen Strecke, nämlich 1 / 100 Stadie Vorsprung haben. Die Rechnung verläuft im Unendlichen, niemals wird der schnelllaufende Held die Schildkröte einholen."20 Die Verblüffung, die diesem Rechenkunststück folgt, ist so allgemein, daß man fast den Atem der Zuhörer spürt. Dann aber hebt ein leidenschaftliches Diskutieren an, so daß die weiteren Worte Zenons verlorengehen. 35
Nur das Lachen des Römers Postumius übertönt den Lärm der Stimmen: „Gebt mir einen Bogen, Freunde, ich werde diesem Philosophen einen Pfeil in seine verkümmerten Weichteile schießen, und dann mag er entscheiden, ob der Pfeil ruhte oder in Bewegung war...!" Als die Gesellschaft wieder zur Stadt zurückgeht, bewegt die Beweisführung des Zenon noch immer die Gemüter. Der Philosoph müsse doch wissen, meint einer der Römer, daß er bei seiner Übersiedlung aus Elea nach Athen eine gute Strecke Weges zurückgelegt habe. „Aber wie — beim Hunde! — hat er das ohne Bewegung geschafft?" Der ernste Anaxagoras versteht keinen Scherz, er runzelt die Stirne und sucht in Worte zu fassen, was alle empfinden. „Unser Lebensgefühl hat sich unter dem Einfluß der Philosophie offenbar in zwei Ströme gespalten: in Denken und Fühlen. Auch ich gestehe, daß die Beweise des Zenon meinem Gefühl zuwiderlaufen. Also sehe und empfinde ich anders, als ich nach den unumstößlichen Gesetzen der Logik zu denken habe. Kurz: Wir können nicht mehr glauben, was noch unseren Vätern als feststehend galt; denn das wissenschaftliche Denken ist dabei, sich selbständig zu machen. Wir beginnen der Logik mehr zu vertrauen als der geheiligten Überlieferung, mehr als unseren Augen und Ohren." „Sprich das nicht öffentlich aus, mein Freund!" warnt Perikles. „Nicht alle Athener sind Philosophen, nicht alle ringen gleich dir ehrlich um letzte Erkenntnisse. Vielen erscheinen Logik und vorurteilslose Forschung als Verneinung des Götterglaubens. Nicht immer wird es mir gelingen, Angriffe auf dich abzuwehren. Wagst du, die Grenzen zu überschreiten, die Überlieferung und Tradition der frommen Scheu gesetzt haben, so werden dich alle Ängstlichen und Frommen gottlos nennen." „Auch im Bereich der Dichtkunst", bestätigt Euripides, „werden sich das dunkle Eleusis, das geweihte Delphi und die nüchterne Akademie niemals die Hände reichen." Müde und abgespannt nach der durchfeierten Nacht erreichen die Freunde das nahe Dipylonentor; gleichzeitig mit ihnen zieht ein bunter Aufzug stadteinwärts. Ein Mann in weitem Reisemantel und breitkrempigem Hut reitet auf einem Esel, nebenher trabt ein leibhaftiger Mohr 36
und fächelt dem Eeiter mit Straußenfedern Kühlung zu. Voran läuft der Ausrufer in babylonischem Magiermantel. Hintennach, wo die Sklaven die Troßtiere treiben, drängt die Menge der Neugierigen. Am Eingang zum Markt ist der Zulauf so groß, daß der Eeisende sich anschickt, eine Vorstellung zu geben. Auf seinen Wink tritt der Ausrufer vor. „Jedermann höre! Gorgias von Leontinoi ist soeben eingetroffen! Der weltberühmte Weisheitslehrer für jung und alt, der Zauberer mit dem Wort! Gorgias beherrscht die Redekunst wie kein anderer und beweist euch von jeglichem Ding, daß es zugleich groß und klein, schwarz und weiß, gut und böse ist. Er versteht auch Prozesse und Streitfälle zu führen, wie man es wünscht, so daß sie recht oder unrecht, gerade oder krumm, richtig oder falsch genannt werden können. Wer bei dem Sophisten 21 Gorgias gelernt hat, wird in Handel, Politik und Privatleben von Erfolg zu Erfolg eilen. Darum, ihr Männer und ihr Epheben aus gutem Hause, tretet zusammen und bringt die Summe von 150 Minen 22 auf, die der Weise für seine nützlichen Lehrgänge fordert! — Gorgias, der Parmenides undZenon studiert und übertroffen hat, gibt sich nicht mit unfruchtbaren Beweisen ab, ob ein Pfeil fliegt. Ihm erscheint es wichtiger, wohin die Drachmen fliegen, er grübelt nicht über die Schnelligkeit des Achill, er weiß, daß die Schnelligkeit, mit der man reich, mächtig, glücklich und überlegen wird, die einzige ist, die im Leben des Menschen zählt; denn der Mensch ist das Maß aller Dinge! Schreibt euch daher in Massen zu den Kursen ein, die im Lykeion stattfinden werden!" Der Ausrufer zieht sich zurück. Paukenschläger und Flötisten unter den begleitenden Sklaven springen vor, schrille Jahrmarktsmusik ertönt. Der Mohr schneidet Grimassen, der Ausrufer hat sich in einen Fahnenschwenker verwandelt, das Volk aber hat seinen Spaß. Fast unbemerkt drängen sich Perikles und seine Begleitung durch das Gewühl. „Sieh hin, mein Freund", sagt Perikles zu dem nachdenklich gewordenen Anaxagoras, „da hast du die andere Seite der Redegewandtheit! Dem Gelehrten folgt der Scharlatan, dem ehrlich Ringenden der Geschäftemacher auf dem Fuße." Doch der alte Weise schüttelt das Haupt.
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„Allein wichtig ist, daß der Weg des Gedankens weiterführt, daß sich immer wieder Männer finden, die in Stille und Ernst der großen und einzigen Göttin dienen: der ewigen, unbestechlichen Wahrheit!" * Der klassische Tag hat seine Sonnenhöhe überschritten. Schon weht ihn ein erster Schauer der nahenden Dämmerung an. Bei Beginn des letzten Drittels des Jahrhunderts ist die Stellung des „Olympiers" Perikles nicht mehr so festgegründet wie ehedem. Die Atmosphäre des attischen Lebens hat sich fühlbar verändert. Die älteren Gelehrten von der Art eines Anaxagoras oder Zenon waren meist Männer, die vor ausgewähltem Kreise und um der Erkenntnis willen lehrten. Ihr Hauptaugenmerk galt der Natur, den Erscheinungen der Welt und den dahinter verborgenen Gesetzen; freilich führte sie dieses reine Streben nach Wahrheit oft in Konflikte mit den überkommenen Götterlehren und der religiösen Vorstellungswelt der Gläubigen. Aber nun ist eine neue Generation nachgewachsen. „Sophisten" machen aus Weisheit und Wissen ein Geschäft, tragen ihre Theorien auf die Märkte und zerstören die hohe Moral der alten klassischen Philosophie. Statt der religiösen Dinge tritt der Mensch in den Mittelpunkt des philosophischen Nachdenkens. Zwar gewinnen darüber Erziehung und praktische Schulung an Bedeutung; doch im Grunde sind viele dieser „Philosophen" nur auf der Suche nach reichen Jünglingen, denen sie gegen fette Honorare Weltgewandtheit, Redefertigkeit und das „Gedanken-Fangballspiel" beibringen, damit sie schneller zu Rang und Stellung kommen. Die sophistischen Philosophen halten Vortragskurse über Rhetorik, fordern das zahlende Publikum zu Streitgesprächen heraus und rühmen sich — ganz nach Belieben—, diesen oder jenen Standpunkt mit Erfolg vertreten zu können, ohne sich jemals Sorge um die echte Wahrheitsfindung zu machen. Alle Werte geraten ins Schwanken. Im Hause des reichen Bürgers Kallias finden allabendlich Diskussionen statt, bei denen man weder Gesetze noch alte Bräuche und überlieferte Sitten schont. Diese 38
„Händler des Geistes" sind meist Fremde — Kolonialgriechen und Kleinasiaten —, denen das gastfreundliche Athen seine Hallen, Haine und Plätze geöffnet hat. Manche aus der älteren Generation, wie Perikles und seine Freunde, sehen klar den Ablauf der Dinge: Der Sieg brachte den Reichtum, der Reichtum aber baute nicht nur die Pracht der edlen Fassade, sondern vertiefte auch die Zerklüftung der Klassen und unterwühlte den Boden, auf dem die attische Demokratie gewachsen war. Das Volk, das einst durch gemeinsam ertragene Leiden und Entbehrungen, durch die vereinte Gefahr zusammengepreßt worden war, begann auseinanderzufallen. Der besitzenden Oberschicht machten es Vermögen und Stellung möglich, den schönen Dingen, den Künsten und Wissenschaften zu leben, während die Massen weiterhin vergeblich Trost im Zwielicht der Mysterien, in der Bindung an die alten Götter zu finden hofften. Die Volksschichten lösen sich in ihrem Lebensgefühl voneinander und verstehen sich nicht mehr. Alle Werte sind ungewiß; Recht und Unrecht, Moral und Unmoral sind schwankende, ineinander übergehende Begriffe geworden. Die Sophisten predigen das Ideal eines neuen Menschen, für den gut ist, was Nutzen bringt, und schlecht, was den Genuß des Lebens hindert. Diese Lehre lockt vor allem die Jugend der Gymnasien, und verantwortungslose Verführer nutzen ihren Ehrgeiz aus, um zahlreiche zahlende Hörer zu gewinnen. Überall wachsen die Früchte des veränderten Geistes. Politiker treten auf, denen es nicht mehr um das allgemeine Wohl, sondern um persönlichen Ehrgeiz, nicht um die Wahrheit, sondern um den Glanz ihrer Erscheinung geht. Auf den Versammlungsplätzen hört man Redner, die der Menge mit unerfüllbaren Versprechungen schmeicheln. Der Redner Demades fordert die Verschleuderung des in den attischen Bergwerken gewonnenen Silbers für Geschenke an die Wähler, denn, wie er zu beweisen versteht, ist die „Wohltätigkeit der Kitt der Demokratie!" Wie das klingt und tönt ... und wie verlogen das ist! Dunkle Kräfte sind am Werk, die Beliebtheit zu unterhöhlen, die man Perikles bisher noch entgegengebracht hat. Hatte Perikles die Besoldung der öffentlichen Ämter eingeführt und die Theater kostenlos freigegeben, so versuchen die „Demagogen" — die falschen „Volksführer", 39
seine politischen Gegner—die Bürger dadurch zu gewinnen, daß sie auch für die Teilnahme an der Volksversammlung und am Geschworenengericht Geld verlangen. Maulhelden wie Kleon haben entdeckt, wieviel einfacher und müheloser es ist, anderen Eatschläge zur Lebensführung zu geben, als selber ein geordnetes, bürgerliches Leben zu führen; sie nennen Perikles einen adligen Blutsauger, um darzutun, welch selbstlose Volksfreunde sie selber seien. Die Faust ist Kleons eindrucksvollstes Beweismittel und seine laute Stimme das überzeugendste Argument. So gewinnt er sich viele Freunde unter den Faulenzern und Eckenstehern, die von einer Änderung der Verhältnisse etwas zu gewinnen hoffen. Noch wagt sich der Chor der Hasser nicht offen an den Staatsmann heran, aber schon trifft es hie und da aus dem Hinterhalt die geliebten Freunde. Gegen Phidias erhebt man Anklage, er habe das Gold für den Mantel des Standbildes der Athene unterschlagen. Das Gericht muß ihn freisprechen, aber die Sykophanten23 haben schon ein neues, unsühnbares Verbrechen entdeckt. In dem Figurenspiel des Schildschmucks der Göttin glaubt man zwei Gesichter zu erkennen, die denen des Phidias und des Perikles gleichen. Gotteslästerung! rufen die Mißgünstigen, und das Gericht stellt sich auf ihre Seite. Auf Beschluß der Geschworenen wird Phidias in den Kerker geworfen, und selbst Perikles kann ihn nicht schützen. Der Genius der griechischen Kunst endet, noch ehe der Prozeß beginnt, im Verlies24. Auch die nächsten Schläge treffen; zwei weitere Freunde des „Olympiers", der Musiker Dämon und der alte Lehrer Anaxagoras, werden der Gottlosigkeit und der Perserfreundlichkeit beschuldigt. Perikles führt selbst die Verteidigung, er erreicht nur unter äußerster Anstrengung, daß das gegen den Philosophen geplante Todesurteil in Verbannung umgewandelt wird. Anaxagoras ist gelassen: „Selbst ein Todesurteil kann mich nicht schrecken; denn zum Tod hat mich — und uns alle — die Natur mit dem Tage der Geburt verurteilt." So nimmt er Abschied, begibt sich nach Lampsakos an den Dardanellen und gründet dort eine Schule. In Athen aber schwirren neue Geschosse aus dem Köcher der Niedertracht. 40
Die Demagogen haben einen unbedeutenden Dichterling namens Hermippos vorgeschoben, der es unternimmt, nun auch des Perikles Gemahlin Aspasia zu beschimpfen und vor Gericht zu zerren. Die Anklage lautet auf Ketzerei. Stolz und ernst steht Aspasia inmitten des heulenden Pöbels vor den Gerichtsschranken. Die Gefahr ist groß, die Tribünen der Geschworenen sind von Sykophanten und Schreihälsen besetzt. Die Feinde des Staatsführers erleben den Triumph, ihn unter Tränen für die Gefährtin seines Lebens bitten zu hören. Da sie ihn schwach gesehen, wagen sie endlich den direkten Angriff. Die Meute jagt auf der Spur des Löwen. Eben damals erscheint eine historische Schrift des Thukydides, in der dem „Olympier Perikles" der ehrende Beiname eines „Unbestechlichen" zugesprochen wird. Aber die Leute, die nun die Pnyx und den Markt beherrschen, sind blind in ihrem Haß. Kleon und sein Anhang verklagen Perikles, einen Teil der durch seine Hände gegangenen Staatsgelder veruntreut zu haben. Zwar kann Perikles die Beschuldigung zurückweisen, aber seine Stellung ist schwer erschüttert. Auch aus seiner Familie kommt ihm kaum Hilfe; viele haben erwartet, daß der schöne und begabte Neffe Alkibiades 25 , ein junger Mann, den Athen liebt und der sich viermal den Olivenkranz eines olympischen Siegers geholt hat, ein flammender Verteidiger seines großen Oheims sein werde. Doch der hochgebildete, stürmische und unbeständige Jüngling hat keine Zeit für Angelegenheiten des Vaterlandes. DerEennstall, die schöngeistigen Spielereien und ein lockerer Lebenswandel erfüllen seine Tage und Nächte. So verdunkelt schwere Sorge um sein Lebenswerk die späten Jahre des Perikles. Er sieht das Staatsschiff, von einer unwiderstehlichen Strömung erfaßt, der Katastrophe zutreiben. Es gärt rings um Athen; der Neid Spartas schürt jeden Funken alter Feindschaft, der irgendwo gegen Attika glimmt. Die Eifersucht der im Handel überflügeltenDorerstädte Ägina, Korinth und Megara und die Mißgunst der Landstadt Theben blasen die aufzuckenden Flämmchen des Hasses an. Kleine Inseln und ferne Küstenstädte, deren ganze Sicherheit in ihrer Zugehörigkeit zum mächtigen „Seebund" liegt, werden ermutigt, im Vertrauen auf 41
die Hilfe Spartas, Thebens und Korinths ihr Verhältnis zum Attischen Seebund zu lösen. Das aber bedeutet Krieg! Von Phaleron gehen die gerüsteten Kriegsschiffe in See, die Zeughäuser am Piräus werden geöffnet, und Griechenland hört wieder erstmals seit Jahrzehnten das Klirren der Waffen. Aber noch kämpft Perikles heroisch um den Frieden. Er hat die Akropolis nicht gebaut, damit sie unter Brandgewölk versinke. * Vergeblich! Diesmal vermag auch Perikles dem Schicksal nicht Einhalt zu gebieten. Der Streit um eine der abgefallenen Inseln wird zum Anlaß des Peloponnesischen Krieges, der 27 Jahre dauern und an dessen Ende Griechenland verwüstet sein wird. Athen tritt in den Entscheidungskampf um die hellenische Vorherrschaft ein. Seine Hoffnungen beruhen auf der gefüllten Schatzkammer, der gewaltigen Flotte und den starken Befestigungen, während der unter Spartas Führung vereinigte Peloponnesische Bund sich auf überlegene Landstreitkräfte stützt. Von Anfang an aber ist der ausbrechende Kampf zugleich das Ringen zweier Staatsauffassungen: Die von den Adelsgeschlechtern regierten Staaten kämpfen auf Tod und Leben gegen die Demokratie. * In diesem Winter feiern die Athener nach der Sitte der Väter öffentlich das Leichenbegängnis der ersten im Kriege Gefallenen. An dem Trauerzug kann jeder teilnehmen, Bürger oder Fremder; auch die verwandten Frauen ziehen wehklagend zur Bestattung hinaus. Man setzt die Toten in dem öffentlichen Grabdenkmal bei, das in dem schönsten Vorort der Stadt gelegen ist... Sobald die Erde die Toten bedeckt hat, spricht ein von der Stadt erwählter, an Einsicht und Würde hervorragender Mann zu ihrem Lobe, wie es ihnen zukommt. So werden sie bestattet... Für das erste Totenbegängnis wird Perikles zum Sprecher gewählt. Er tritt, um weithin in der Versammlung 42
gehört zu werden, vom Grabe hinweg auf einen Hochtritt, den man errichtet hat, und spricht also: „Die vielen, die vor mir von dieser Stätte aus gesprochen haben, preisen den, der diese Keden des Gedenkens zum Gesetz erhoben hat: gleich als ob es genug der Ehre sei, für die Gefallenen öffentlich zu reden. Mir aber würde es ehrenvoller erscheinen, wenn Männer, die sich durch die Tat geadelt haben, auch durch die Tat geehrt werden..." Die Tausende, die das Gräberfeld umgeben, hängen schweigend an den Lippen des greisen Staatsmannes. Manchmal, wenn er zutiefst an ihre Herzen zu rühren versteht, geht es wie ein schweres Aufseufzen oder wie ein Windstoß durch die Menge. Noch immer bewundert Athen an Perikles den klassischen Fluß der Worte und den Höhenflug der Gedanken. „Wir genießen eine Verfassung, welche die Gesetzgebung anderer Staaten nicht nachahmt; im Gegenteil sind wir eher anderen ein Beispiel, als daß wir sie nachahmen. Und mit Hecht wird sie, da die Gewalt nicht bei wenigen, sondern bei der Gesamtheit ruht, Volksherrschaft genannt. Jedem gebührt nach den Gesetzen gleiches Recht wie den anderen in allen seinen Angelegenheiten; in den öffentlichen Würden aber wird jeder dort, wo er sich auszeichnet, nicht weil er aus einem bestimmten Teil der Bürgerschaft hervorgegangen ist, sondern wegen seiner Tüchtigkeit vorangestellt..." Beifallsgeraune geht über den Platz hin. Ja, das ist die athenische Demokratie, deren Schatten der alte Perikles noch einmal beschwört. Die Bürger wissen, was diese Toten verteidigt haben: Freiheit und Recht! Dann würdigt Perikles die Einrichtung des Staates und legt seinen Mitbürgern die Erhaltung der bewährten Zustände ans Herz. „Es kommt uns zu, zukünftiger Leiden wegen nicht im voraus uns zu sorgen, und wenn sie da sind, uns nicht mutlos als an allem Verzweifelnde zu zeigen. Hierin ist die Stadt der Bewunderung würdig; aber nicht minder in anderem. Denn wir sind Freunde des Schönen im Maße des Rechten und Freunde der Weisheit, ohne der Weichheit zu verfallen... Indem ich alles zusammenfasse, so sage ich, daß 43
unsere Stadt im großen eine Hohe Schule für ganz Griechenland ist und daß im einzelnen jeder von uns vollkommen für jedes menschliche Tun, anmutig und sicher sich bewähren w i r d . . . " * An einem der Tage dieses ersten Kriegsjahres kündigen Ausrufer in Athen die Aufführung eines neuen Trauerspieles des fünfzigjährigen Dichters Euripides an. Die Zugänge können den Andrang des Volkes zu dem im Schatten der Akropolis gelegenen Dionysostheater kaum fassen. Seit der spartanische König Archidamos mit seinen Streifscharen sengend und brennend Attika durchzieht, haust fast die gesamte Bauernschaft mit dem geretteten Hausrat zwischen den „Langen Mauern", die sich von der Stadt zum Hafen Piräus erstrecken. Sie alle wollen sich die Abwechslung eines Weihespiels selbst in diesen unrastigen Tagen nicht entgehenlassen. Treppenförmig steigt das steinerne Halbrund des Theaters den Hügel hinan. Im unteren Drittel haben die Vornehmen Platz genommen, auf den höher gelegenen Sitzreihen drängt sich Kopf an Kopf die Masse der Handwerker, Kleinbürger und attischen Landleute; bis hinauf zu den Zypressen und Olivenbäumen, die das Tal beschatten, ballt sich die Menge. Die Einheimischen zeigen den Flüchtlingen die großen Männer Athens: Dort unten, neben dem grauhaarigen, schon etwas vom Alter gebeugten Perikles sitzt der schöne Alkibiades mit langen, gesalbten Locken, im Purpurgewand, strahlend in seiner Jugend. Als er vorhin, von dem lärmenden Schwärm der Freunde umgeben, das Theater betrat, haben ihn nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen bewundernd begrüßt. Der Sokratesschüler Antisthenes, der in der vierten Reihe sitzt, wendet sich plaudernd an seinen Nachbarn: „Alkibiades ist allezeit stark, mannhaft, ungezogen und rücksichtslos, aber auch schön, wie keiner neben i h m . . . " Der so viel Besprochene unterhält sich liebenswürdig mit dem Politiker Kleon, obschon der Gerber immer wieder den alten Perikles mit wüsten Ausfällen angreift. Einige Plätze weiter ruht der Stratege Nikias — einer der reichsten Männer der Stadt — im Marmorsessel, „feist 44
und mit sizilianischem Fette ausgestopft", wie ihn ein Straßendichter schmähte. Und doch gibt es genug Bürger, die Nikias für einen der ehrlichsten Freunde der Demokratie halten und ihm seine Dickleibigkeit nicht übelnehmen. Er unterhält sich mit einem der Ratsherren und wartet, wie alle die vielen Tausende, auf das angekündigte Erscheinen des Dichters. Aber Euripides bleibt unsichtbar. Als das Volk unruhig wird und laut den Beginn des Spieles begehrt, gibt Perikles ein Zeichen zum Bühnenhaus hinüber: das Schauspiel „Medea" hebt an.
* Fast alle, die hier sitzen, kennen aus der alten, geheiligten Sage die Fabel des zu erwartenden Spiels. Medea, die Tochter eines Barbarenkönigs aus dem Kolcherland, wird vom Helden Jason, dem sie das Leben gerettet hat, als Gemahlin nach der hellenischen Heimat geführt. Hier schenkt sie dem Gatten zwei Knaben. Aber den Helden bezaubert schon bald die schöne Tochter des korinthischen Königs Kreon, eine Ehe mit ihr verspricht ihm Macht und Reichtum. Jason verläßt die den Griechen verhaßte „Barbarin". Medea aber rächt sich, tötet die eigenen Söhne und beschuldigt den Treulosen der ungeheuerlichen Tat. Im Rahmen dieser Sage erwartet das Volk, wie es die Tradition der Weihespiele verlangt, Götter und Heroen zu sehen, und — halb in Furcht, halb in Ehrfurcht — die unabänderlichen Gesetze des waltenden Schicksals zu erfahren. Denn man geht ins Theater, um seine Gedanken von dem Schauer einer größeren und vollkommeneren Welt anrühren, um sich erheben zu lassen. Erhoben — durch Kothurn 26 und Maske — sind ja auch die Gestalten der Darsteller: erhoben über den Alltag, über das Allzumenschliche in die Bereiche einer fernen, beinahe göttlichen Sphäre. So macht sich von Anfang an befremdende Enttäuschung, innerer Widerstand unter den Zuschauern bemerkbar, als deutlich wird, daß die Gestalten der „Medea" mehr blutvollen Menschen als starren, unerschütterlichen Götter- und Heldengestalten gleichen. Die Sprache dieses Dichters hat sich von Kothurn und Maske befreit und ist mitten in das Leben getreten. 45
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Fremde, niegehörte Klänge werden vernommen, Nieunternommenes wird gewagt. Das sind keine handelnden Figuren nach alter Sitte, das ist nicht mehr die mystische Götterstimmung des religiösen Theaters. Grelles Tageslicht bricht in das heilige Dunkel. Die neue Art von Dichtung fordert von den Zuschauern nicht so sehr religiöse Ergriffenheit, als Nachdenklichkeit, Beschäftigung mit den Hintergründen von Eecht und Unrecht, Einsicht in die göttlichen und irdischen Gesetze, Erkenntnis von Gut und Böse. Verzweifelt und drohend ruft Medea: „Du kennst die Künste, Denn besitzen wir doch auch, Wir Frauen, zu den edlen Werken keine Kraft, In allem Bösen aber sind wir große Meister." Der Chor: „Die Quellen nun zu heiligen Strömen fließen, Sitte und Recht, alles bewegt sich zurück. Männer ersinnen jetzt Trug, der Götter Eid Nimmer ist sicher gefügt." Es ist, als ob ein kühler Anhauch das Herz Athens streife. Ein Raunen der Abwehr geht durch das Theater. Diese Medea hadert und kämpft gegen die Schicksalsgewalten, denen sich die Vorzeit in Ehrfurcht gebeugt hat. Sie wagt es, dem göttlichen Schicksalsrecht das irdische Recht des leidenden Menschenherzens entgegenzustellen. Im Dunkeln und Ungewissen verschwimmt das feste Ufer des alten Glaubens. Aber die Sprachkraft des Dichters ist groß und bezwingend. Jason hält der rachedrohenden Barbarin vor, was sie durch Griechenland gewonnen: , , . . . Du hast von meiner Rettung mehr empfangen als gegeben, wie ich zeigen will. Nunmehr bewohnst du statt barbarischen Gebiets der Griechen Erde, du begreifst des Rechtes Macht, du lernst Gesetze üben, nicht nach Willkür t u n . . . " Dieses Lied der hellenischen Welt klingt gut im Ohr der Hörer. Der Chor stimmt den Lobgesang der attischen Erde an, eine Welle des Beifalls steigt empor: „Uraltes, gesegnetes Heroenvolk, Kinder ihr der seligen Götter, ihr nehmet Aus unzerstörtem, heiligem Lande die Frucht: Köstliche W e i s h e i t . . . " 46
Das ist Athen! Da sieht sich das Volk gespiegelt und geschmeichelt, und es dankt dem Dichter durch Händeklatschen und das Schwenken der weißen Mäntel. Doch dunkler und unheilvoller wird nun die übermenschliche Gestalt der Medea. Bloßgelegt liegt, was sie durchdenkt, was sie durchkämpft, ehe der Mord geschieht. Die Seele eines Dämons offenbart sich dem erschreckten Volke: „Auch weiß ich wahrlich, welche Not ich schaffen will! Doch stärker als mein Ja und Nein ist dunkler Trieb, Der unter Sterblichen entfesselt größte N o t . . . " Die Mörderin rückt in menschliche Nähe: „Schleich zu des Lebens Trauerschranke, Zeig dich nicht feige und gedenk der Kindernicht, Wie du sie liebst am meisten, wie du sie gebarst; Vergiß doch deine Kinder diesen kurzen Tag! Dann schluchze! Auch wenn du sie tötest, sind sie Deine Liebsten. Oh, ich unglücksel'ges Weib!" Die Tragödie geht unter tiefem Schweigen zu Ende. Der Chor verläßt in feierlich langsamem Schreiten die Bühne. Doch die Zuschauer verharren wortlos. Dann endlich erheben sich die ersten, zögernd wendet sich die Menge zu den Treppen, die wie Strahlen aus dem Bühnenraum zur Anhöhe steigen. Das Theater leert s i c h . . .
* In einer der untersten Reihen sitzen noch immer zwei Männer ins Gespräch vertieft, der junge Komödienschreiber Aristophanes 27 und der Sophist und Lehrer der Redekunst Protagoras. „Wer des Äschylos ,Perser' gesehen und gehört hat", sagt Aristophanes, „der begreift nicht, wie der athenische R a t diesen Euripides noch als Dichter gelten läßt. Wie konnte es nur ein Preisgericht wagen, ihm die Ehrenkränze zuzuerkennen. Hat dieser Euripides immer noch nichts gelernt? Hat er vergessen, wie ihm nach der Aufführung seines ,Hippolyt' wegen der einen Zeile: ,Die Zunge schwor, die Seele weiß vom Eide nichts!' der Prozeß als Volksverderber gemacht worden ist? Dieses Werk hier ist ein 47
einziger Frevel an den Göttern. Ich sage dir, Protagoras: Äschylos mit Euripides vergleichen, heißt die Größe unseres Verfalls ganz deutlich machen." „Langsam, junger Freund!" — der Sophist legt beruhigend die Hand auf den Arm des Poeten. „Mir scheint, dein eigenes Gedächtnis hat Lücken. Sagt man nicht auch von einem gewissen Aristophanes, er ziehe alle hochgestellten Persönlichkeiten durch die Lästerstraße des Spottes, er verhöhne die Zustände des Staates, die Einrichtungen unserer Verfassung und manchmal sogar die Götter?" „Aber bedenke doch", erwidert der junge Poet, „mit welchen Winkelzügen dieser Euripides die Götter beiseite schiebt und wie er alles Geschehen allein aus den Charakteren der Menschen erklärt! Er beweist damit nur, welch aufmerksamer Zuhörer er bei euch Sophisten gewesen ist; auch ihr haltet ja den Menschen für das Wichtigste auf der Welt. Wo Äschylos noch vom Schicksal spricht, da zergliedert der Neue die Gegensätze von himmlischer und irdischer Moral, von vererbter und persönlicher Schuld. Indem er alles mit seiner Lampe anleuchtet, zersetzt er alles. Er nimmt dem Volke den Glauben an die Götter, an ihre Allmacht und Wirksamkeit. Er hat aufgehört, die ewigen Gewalten zu fürchten. Athen, das einen Äschylos hervorgebracht hat, muß einen Euripides ablehnen, und wenn mich nicht alles täuscht, so ist das heute geschehen." Protagoras schüttelt verneinend den Kopf. „Du irrst, Aristophanes! Was du Euripides vorwirfst, mußt du der Zeit vorwerfen. Jede Generation liebt ihre eigene Auffassung von der Welt und verteidigt sie gegen den Wandel des Denkens; freilich vergeblich. Denke zurück und nimm Äschylos selber als Beispiel! War nicht die älteste Tragödie ehrfürchtiges Weihespiel und geheimnisvoller Gottesdienst? Vor Äschylos wäre Lästerung gewesen, anderes auf die Bühne zu bringen, als die geheiligten Mysterien der Götter und Helden. Als Phrynichos damals, zu des Themistokles Zeiten, sein Schauspiel von der .Zerstörung Milets' zur Aufführung brachte und alle Zuschauer zu Tränen rührte, wurde er zu einer Geldstrafe von 1000 Drachmen verurteilt und das Werk für immer verboten. Da kam Äschylos: .Sträubend den zottigen Schopf des den Nacken umflatternden Haares, 48
Runzelnd die schrecklichen Brauen, liebt er klobengenietete Worte Brüllendzu schleudern, wieBretter heruntergerissen, Schnaubend in titanischer Wut.' Ja, mein Freund — Äschylos war ein Titan, als er die Mittel des Götterspiels an einen Stoff der Gegenwartsgeschichte verwendete! Als unsere Väter jung waren, galt dieses Unterfangen als revolutionär und kühn. Heute ist es gute, geweihte Tradition, und wir — die Generation der Söhne und Enkel — eifern nun gegen den neuen Schritt, den Euripides tut." Aristophanes springt auf. „Nein, Protagoras! Euripides anerkennen, heißt den Verfall der alten Zucht als Fortschritt bejahen. Euripides entheiligt das Theater, seine Figuren sind Menschen wie du und ich, auch die Masken der Schauspieler erheben sie nicht mehr ins Göttliche. Das schlichte Volk hat die Zwiespältigkeit seiner ,Medea' gespürt und darum den Beifallsruf am Ende verwehrt. Medea hat sich aus dem festen Verband ihrer Sippe gelöst und ist dem Schicksal verfallen. Mag sie untergehen nach göttlichem Ratschluß! Was aber tut Euripides ? Er spaltet das eine große Recht in ein göttliches und ein irdisches Teil und drängt unsere Teilnahme auf die Seite des Menschenrechtes. Die Zuschauer sind verwirrt, von Zweifeln erfaßt. Man vergießt Tränen des Mitempfindens für die Barbarin und Kindesmörderin und geht nach Hause, mit den Göttern und sich selber entzweit." „Du gebrauchst schöne Worte, Aristophanes", entgegnet nachdenklich und überlegend Protagoras, „aber du gebrauchst sie gegen die Vernunft. Euripides ist die Entfaltung unserer selbst. Was bei Äschylos noch Gefühl und dunkle Verknüpfung war, wird beim Dichter der ,Iphigenie', der ,Elektra' und ,Medea' zur Erkenntnis; Das Gefühl wird vom Verstände abgelöst, das heilige Dämmerlicht der Vorzeit weicht der Sonne des Tages. Das ist das Entscheidende. Willst du es aufhalten, was so unweigerlich heraufsteigt? Gut wird bleiben, was Anteil am Guten hat, schlecht, was dem Schlechten zugehört. Die Dinge tragen ihr Gesetz in sich, sie bekommen es nicht erst durchlas Urteil der Menschen. Ist die ,Medea' wirklich gut, so wird sie dauern und gerühmt werden, auch wenn sie uns heute gottlos und unwürdig erscheint; ist sie aber schlecht, so helfen alle Lobgesänge nichts." 49
Die beiden Männer haben ihre Plätze verlassen und nähern sich dem Ausgang. „Man nennt Euripides gottlos", beendet Protagoras das Gespräch, „weil er das Schauspiel vom Himmel auf die Erde gerückt hat. Doch bin ich der Ansicht, wenn man zu den Menschen reden will, so kann man es am deutlichsten in ihrer eigenen Sprache. Sagt man nicht auch von Sokrates, daß er gottlos und ein Verderber der Jugend sei? So sind wir wohl alle verworfen!"
* Von neuem wälzt sich die entfesselte Kriegsfurie über das blühende, friedliche Land. Spartanische Heere dringen in Attika ein, peloponnesische Landsknechte hacken jahrhundertealte Ölbäume um und reißen die Weinreben aus den mühsam angelegten Gärten. So wird der bäuerliche Wohlstand der Athener zerstört; denn — zu Lande unterlegen — drängen sie sich ohnmächtig hinter den „Langen Mauern" und begnügen sich mit dem schalen Gefühl gesättigter Rache, wenn im Piräus die Geschwader ihrer Kriegsflotte einlaufen und die Matrosen von den Greueln berichten, die sie an den peloponnesischen Küsten verübt haben. _ Im zweiten Kriegsjahre schleppt ein Getreideschiff aus Ägypten die Pest nach Athen ein. Bald wütet die furchtbare Krankheit unter der zusammengepferchten Bevölkerung; Tausende, die das Schwert verschont hat, rafft der Schwarze Tod dahin. Einer der Toten heißt Perikles. 28
* Heftiger denn je wogt der Kampf der Parteien nach dem Hinscheiden des großen Staatsmannes hin und her. Vergeblich wenden sich zwei der Strategen aus den Tagen des Perikles gegen die Entartung des politischen Lebens. Nach einem unrühmlichen Zwischenspiel des Kleon und dem gelungenen Versuch des Nikias, Ordnung zu schaffen, wirft plötzlich Alkibiades, der zum Bösen wie zum Guten gleich begabte Neffe des Perikles, all seinen Einfluß in die Waagschale der Politik. Seine Freundschaften reichen vom Kreis seines philosophischen Lehrers Sokrates bis in die Kaschemmen der Vorstadt. Ihm scheint der Streit um 50
das dorische Syrakus, das sich die Vorherrschaft auch über die ionischen Städte Siziliens aneignen will, die beste Gelegenheit, sich den Lorbeerkranz des siegreichen Feldherrn aufs Haupt zu setzen. Er braucht den Krieg, um Ruhm zu gewinnen. Die Volksversammlung in Athen beschließt trotz eindringlicher Warnung Kundiger die Expedition nach Syrakus und ernennt Alkibiades zu ihrem Führer. Im Kriegshafen Phaleron liegt eines der stolzesten Geschwader, das Athen jemals ausgesandt hat. Mehr als 40000 Schwerbewaffnete stehen zur Einschiffung an den Kais bereit, und Athen feiert den Abschied des jugendlichen Feldherrn und seiner Freunde. .. Am Morgen wirft die große Flotte los; die Höhen an der Küste sind übersät von Frauen und Männern, die mit Blumen und Blütenzweigen winken. Im Kielwasser der Schiffe des Feldherrn bleiben Neid und ernste Besorgnis zurück. Alkibiades hat viele Gegner, die nun nach seiner Abfahrt das Haupt zu heben wagen. In der Nacht vor der Abfahrt der Flotte sind in den öffentlichen Anlagen die Standbilder des Gottes Hermes geschändet und verstümmelt worden. Es finden sich Zeugen, die unter Eid behaupten, diese Untaten seien durch die Freunde des Alkibiades, vielleicht durch ihn selbst, geschehen. Das Volk, das vor Tagen noch der triumphalen Ausfahrt seines Helden zugejubelt hat, macht ihm nun den Prozeß und scheint entschlossen, ihn wegen Gotteslästerung zum Tode zu verurteilen. In den sizilianischen Gewässern holt eine Staatsgaleere die Flotte ein und ruft den Feldherrn Alkibiades aus seinem angriffsbereiten Heere zurück. Der in seinem Stolz tödlich getroffene Mann hat nicht die Seelengröße des Aristides, der alles dem Vaterlande hingab. Zwar versteht er es, nach außen den Sturm seiner Leidenschaften zu zügeln, aber diese Stunde macht ihn zum Abenteurer. Als ihm die Sendboten der Heimat erlauben, auf eigenem Schiff den Heimweg anzutreten, entweicht er während der Nacht und steuert den rettenden Peloponnes an. Das Heer aber wird von dem hilflosen und engherzigen Nikias nach Sizilien geführt, Lamachos, der Sohn des Xenophanes, steht dem neuen Feldherrn zur Seite. Alkibiades wird in der Verbannung der ärgste Feind Athens und hetzt Sparta, indem er die ihm wohlbekannten Schwächen des attischen Unternehmens aufzeigt, in den 51
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syrakusanischen Krieg. Ein spartanisches Unterstützungsheer geht nach Sizilien ab, wo die Truppen des Nikias das feste Syrakus zu Wasser und zu Lande umschlossen halten. Die Athener werden von diesem Angriff in ihrem Eücken völlig überrascht. Ihre stolze Flotte von 134 Dreiruderern wird von den Spartanern gekapert, das Landheer sucht sich — von Hunger und Krankheit geschwächt — ins Innere der Insel Sizilien zurückzuschlagen. Syrakusaner und Spartaner vereinen sich, und der verbündeten Macht gelingt es, Nikias und die Seinen zu stellen. 30000 Mann kommen in mehrtägigen Kämpfen um, eine Abteilung von 7000 Athenern haut sich eine Gasse durch den Feind, gerät aber in ausweglose Steinbrüche und wird gefangen. Die Feldherrn der Expedition legen zu Syrakus ihre Häupter auf den Kichtblock, die Kriegsgefangenen werden nach dem Brauch der Zeit — die nun schon keinen Unterschied mehr zwischen Hellenen und Barbaren macht — zu Sklaven. „Von den Athenern kamen die meisten durch Krankheit und schlechte Kost in den Steinbrüchen um, indem sie täglich weiter nichts als zwei Handvoll Gerste und einige Tropfen Wasser erhielten..., nicht wenige wurden verkauft und ihnen das Bild eines Pferdes in die Stirn gebrannt..." „Einige verdankten ihre Rettung dem Euripides. Es war nämlich bekannt, daß dessen Werke unter allen auswärtigen Griechen am meisten von jenen auf Sizilien geschätzt wurden. Daher lernten die Gefangenen die Hauptstellen aus seinen Schauspielen auswendig und teilten sie einander mit.. ," 29 Die Verse des Dichters, den seine Heimatstadt so wenig begriffen hat, rezitieren die armen Gefangenen im fremden Land und erhalten dafür Speise und Trank, manche Herren entlassen sie als Dank an den Dichter sogar in die Heimat. Die Vernichtung seines großen Heeres hat Athen furchtbar, ja, fast tödlich getroffen. Von jetzt ab kämpft es um sein Leben. Die kleinen, der attischen Vorherrschaft müden Inselstaaten nützen die Schwäche der einst so machtvollen Weltstadt und verlassen in Scharen den Seebund. Überall werden die athenischen Truppen und Geschwader geschlagen. Das von Haß und Vernichtungswillen beherrschte Sparta empfindet selbst ein Bündnis mit dem Todfeinde alles Griechentums — mit Persien — nicht mehr 52
Alt-Griechenland
als Schande und Verrat. So kreuzen zum ersten Male seit Jahrzehnten wieder persische Flotten im Agäischen Meer, um die Athen treugebliebenen Ionierinseln zu brandschatzen. Der strategische Blick des Alkibiades erkennt die schwächste Stelle Athens. Im Norden seiner Heimatstadt, nur einen halben Tagmarsch von den Themistokleischen Mauern entfernt, liegt die Bergfeste Dekelea. Dieses Felsennest nehmen die Spartaner zwei Jahre nach der Ausfahrt des Alkibiades im Handstreich und unterbinden von 53
dort aus den Nachschub, brennen und sengen rings um die Mauern Athens. Als der Hunger in den Gassen der Stadt umgeht, gärt es auch in den unterdrückten Volksschichten. Viele Tausende von Sklaven laufen zu den Spartanern nach Dekelea über.
* Inzwischen hat sich der Stern des Alkibiades auch am spartanischen Himmel verdunkelt. Man verachtet dort den Verräter der eigenen Heimat und läßt den geistreichen, bei den Frauen beliebten Spötter fühlen, daß er sich nur als Geduldeter betrachten dürfe. Als sein Leben ernstlich bedroht erscheint, benützt er den Aufenthalt einer persischen Gesandtschaft in Sparta, um unter ihrem Schutze zu entfliehen. Alkibiades zahlt den Gastfreunden mit seiner üblichen Münze heim; seinem Einfluß ist es zuzuschreiben, daß die weitere persische Hilfe für Sparta künftig ausbleibt. Dann stellt er der schwer gedemütigten athenischen Heimat Bedingungen. Nachdem — seinem Wunsche gehorchend — die Verfassung Athens in seinem Sinne gewandelt ist, kehrt er heim und wird so überschwenglich begrüßt, als käme er als siegreicher Feldherr, nicht aber als Verräter. Endlich erfüllt sich sein brennender Ehrgeiz. Er wird Oberbefehlshaber Athens. Das Glück, dessen Günstling er so oft gewesen, scheint wiederzukehren. In einer glanzvollen Reihe von Waffentaten wirft er die Spartaner aus Dekelea hinaus, erobert die verlorenen Inseln und Städte zurück und zieht — auf dem Höhepunkt seines Lebens — als Sieger in Athen ein. Zum erstenmal seit langer Zeit wird auf dem Marktplatz wieder Kriegsbeute verteilt, und auf der Heiligen Straße prunkt der Eleusinische Festzug, den Alkibiades selber anführt. Er ist der wiedererstandene Perikles, der Held des Attischen Seebundes. Aber noch im gleichen Jahre stürzt das zerbrechliche Haus seines Glückes zusammen. Als sich eine athenische und spartanische Flotte im Golf von Ephesus gegenüberliegen, läßt sich einer der Admirale in Abwesenheit des Alkibiades in ein Gefecht ein, das zu einer Niederlage der Athener führt 30 . Dem Zorn derer, die ihn vor wenigen 54
Wochen vergöttert haben, entgeht Alkibiades nur durch freiwillige Verbannung. Diesmal ist seine Rolle endgültig zu Ende, es gibt keine Partei mehr, zu der er flüchten könnte. Man kennt ihn überall, das bedeutet: man vertraut ihm nirgends. Auf ruheloser Wanderung von einer persischen Stadt zur andern ereilen ihn ein J a h r später die bezahlten Schergen des rachsüchtigen Sparta. Sein Gastfreund — ein Statthalter Persiens — verkauft ihn und läßt zu, daß der Mann, den die Welt um seiner Geistesgaben, seiner Kühnheit und seiner Schönheit willen bewundert, nie aber wegen seines Charakters geachtet hat, das Opfer der Mörder wird.
* In Athen aber rasen die politischen Leidenschaften zügellos durch die Stadt. Seit der Besuch der öffentlichen Sitzungen besoldet wird, läuft die Masse zur Beratung und zum Gericht wie zu Theater und Sängerwettstreit. Die allmähliche Auflösung des einstmals religiös gebundenen Lebensgefühls, das Umsichgreifen der Kritiksucht und des Eigennutzes, der Untergang der staatsbürgerlichen Gesinnung zerrütten die Grundlagen der athenischen Demokratie. Immer mehr drängen die Schreier und Verantwortungslosen in den Vordergrund. Die letzte Flotte Athens, die das letzte Heer trägt, segelt unter vier Parteimännern zu den Dardanellen, wo der Spartaner Lysander mit seiner Hauptmacht steht. Am Ziegenfluß — Aigospotamoi —• liegt die peloponnesische Flotte in sicherer Bucht. Täglich laufen die athenischen Geschwader in voller Schlachtordnung an die Ausfahrt, um den Kampf anzubieten, den die Spartaner ebenso regelmäßig verweigern. Da begehen die vier athenischen Heerführer den Fehler, die List Lysanders mit Furcht zu verwechseln; sie werden des Spieles müde und entlassen ihre Mannschaften auf kleine Raubzüge ans Ufer. Nun stößt die spartanische Flotte mit tausend schnellen Rudern aus der versteckten Bucht hervor und greift an. Ohne Verluste nehmen die Feinde die Mehrzahl der athenischen Schiffe, fast ohne Schwertstreich fällt das letzte attische Heer. Dann wendet Lysander die Kiele südwärts. 55
Ehe noch die Schreckenskunde in Athen eintreffen kann, erreicht die spartanische Flotte den Hafen Piräus. Zugleich bricht König Agis aus dem wiedergewonnenen Dekelea hervor. Athen fällt unter dem unwiderstehlichen Ansturm seiner Feinde. Die „Langen Mauern" zum Piräus werden überwältigt, die athenische Flotte bis auf das letzte Schiff verbrannt, der Seebund aufgelöst. Unter dem Saitenspiel arkadischer Jungfrauen läßt Lysander die Mauern des Themistokles niederlegen, dessen Werk nun in allen Teilen zerstört erscheint. Dann marschiert Spartas Kriegsmacht unter dem Dröhnen erzener Becken in die geschlagene Stadt, die geheiligte Feststraße zur Akropolis hinauf. Der große Krieg ist beendet. In Athen aber beginnt die Schreckensherrschaft der „Dreißig Tyrannen", einer Gruppe von Pöbelhelden, die mit unbeschränkter, auf die spartanische Besatzung gestützter Gewalt regieren. Sie plündern und morden ohne Hemmung, bis endlich eine Schar entschlossener Männer, unter Führung des Generals Trasybul, der Stadt zum Better wird. Der spartanische König Pausanias, ein Nebenbuhler des Lysander, vermittelt einen tragbaren Frieden31, durch den der Stadt Freiheit und Verfassung wiedergegeben wird. Aber die wirtschaftliche Blüte ist dahin, die Erschütterung so tief, daß die alte Herrlichkeit niemals wiederkehren wird. Hellas, das der geballten Macht Asiens widerstanden hat, ist sich selbst — seiner Eifersucht, Uneinigkeit und Mißgunst — erlegen. * Die Jahre nach dem Abschluß des Peloponnesischen Krieges und nach der Herrschaft der „Dreißig" in Athen sind von inneren Kämpfen durchschüttelt; ein gewaltiger Umwälzungsprozeß vollzieht sich. Der junge Geist der Aufklärung ringt mit dem religiösen Volksbewußtsein; auf der Tribüne der Pnyx hegen Demagogen und verantwortungsbewußte Politiker im Kampf; alle Lebensäußerungen der Zeit geschehen in einer leidenschaftlichen, aufgewühlten Umwelt. Durch dieses gärende Athen wandelt der Philosoph Sokrates, den seine Feinde einen „Sophisten" nennen, weil er sich sophistischer Lehrmethoden bedient. 56
Der alte Gelehrte ist überall anzutreffen, wo diskutiert, getafelt oder gefeiert wird, er belehrt jedermann, der ihm über den Weg läuft, und ehe man sich s versieht, ist man von ihm in tiefgründige Gespräche hineingezogen. Sein Fragen und Diskutieren zielt auf ein neues, besseres Verhältnis des Menschen zur Wahrheit und zum Ewigen, nachdem die alte Gläubigkeit geschwunden ist und sich in den Herzen eine innere Leere aufgetan hat. Sokrates will sie mit einem neuen Gefühl für die sittlichen Werte füllen, das seinen Antrieb aus persönlicher Verantwortung erhält. Erschüttert ist die Welt der Götter, nur noch äußerlich ist die staatliche und gesellschaftliche Ordnung ihr verhaftet; nun müssen neue Bindungen gefunden werden, und Sokrates will die ihm Begegnenden zum Suchen bringen. Eine Stimme aus der Tiefe, sein „Daimonion", zwingt ihn, Anwalt und Lehrer einer neuen Lebensführung zu sein. Vielen mächtigen Männern ist dieses Treiben lästig geworden, und sie beschließen, ihn zu demütigen. So kommt es zu dem Gerichtsverfahren32, dessen ergreifenden Ausgang der genialste Schüler des Sokrates — der junge Piaton33 — aufgezeichnet hat. In dasselbe Jahr fällt die Bückkehr der berühmten „Zehntausend" unter Xenophon, der ebenfalls ein Schüler des Sokrates ist. Bei einer der Auseinandersetzungen im Perserreich — auch sein Gefüge lockert sich — hat der jüngere Cyrus gegen seinen Bruder, der mit ihm den Königsthron teilt, zehntausend hellenische Landsknechte geworben, die bis in die Euphratländer gelangen. Aus wissenschaftlichem Interesse hat sich diesem Abenteuer auch der Philosoph und Historiker Xenophon34 angeschlossen. Aber nach kurzer Zeit findet der Auftraggeber Cyrus in der siegreichen Schlacht von Kunaxa den Tod, und Verrat beraubt die Griechen ihrer militärischen Führung. Als das Unternehmen zusammenbricht, tritt Xenophon an die Spitze seiner so schmählich verlassenen Landsleute. Er vollbringt das Unglaubliche und führt die Zehntausend quer durch eine feindliche Welt an die Küste des ersehnten Meeres. Von dort fahren sie in ihre griechische Heimat. Xenophon bringt die Handschrift eines Buches mit, das er „Anabasis" — Hinaufmarsch — nennt. Die Abenteuer seines Heldenzuges sind darin geschildert. * 57
Ein zweiter Odysseus, betritt Xenophon den geheiligten Boden Athens. In den Säulengängen der Akademie wandeln wie einst die Philosophen auf und a b ; auf dem Sportfeld üben wie immer die Epheben die braungebrannten Körper. Doch vergeblich sucht Xenophon nach dem breiten, wuchtigen Haupt mit den tiefen Augen, nach der gedrungenen Gestalt des Sokrates. Ein tragisches Verhängnis — so erzählt man ihm — hat jenes geistvolle Leben ausgelöscht, das wertvoll wie kein anderes war. Xenophon war einmal der Liebling des Sokrates. Als er von dem Hingang des Lehrers hört, ist sein erster Weg zu Piaton. Er findet ihn zu Füßen des Ölbaumes, unter dem Sokrates so oft mit ihnen zusammen war. Ruhig und sicher spricht Piaton von den letzten Stunden des gemeinsamen Lehrers. Er berichtet dem atemlos Lauschenden von dem ergreifenden Todesgespräch des Meisters, der, den eigenen Untergang vor Augen, noch die herrlichsten Gedanken vom Wesen der Seele, von der Gewißheit der Unsterblichkeit vor seinen Jüngern ausgebreitet und dann wie ein Siegel unter die Echtheit seiner Worte den Tod gesetzt habe. Ausführlich schildert Piaton die letzten Lebensaugenblicke des Lehrers und das Beisammensein in der Kerkerzelle, bevor der Gerichtsdiener dem Meister den Giftbecher reichte, wie es das Urteil bestimmte. 35 „Sokrates, wir reiben gerade so viel Gift an, als nach unserem Ermessen genügt", habe der Henker gesagt. Und Sokrates habe ihm geantwortet: „Ich verstehe, aber beten darf und muß ich wohl zu den Göttern, auf daß meine Reise dorthin mir Glück bringe. Und darum flehe ich auch zu ihnen und ihr Wille soll geschehen." Piaton fährt fort: „So setzte er also den Becher an und trank das Gift aus, ohne alle Mühe und ganz heiter. Viele von uns waren bis dahin noch imstande gewesen, die Tränen zurückzuhalten; da wir ihn aber trinken sahen, ging es nicht mehr, ja, mir kamen mit solcher Gewalt die Tränen, daß ich mein Gesicht verbarg und mich ausweinte — nicht nur über ihn, sondern auch über mein Schicksal; denn welch einen Freund würde ich jetzt verlieren! Kriton war schon vor mir aufgestanden, da er die Tränen nicht bändigen konnte. Apollonoros 58
hatte schon vorher unaufhörlich geweint, jetzt aber schluchzte und schrie er so laut, daß es mit Ausnahme des Sokrates niemand gab, den er nicht gerührt hätte." Sokrates rief: „Was macht ihr nur da, ihr Männer? Ich habe nicht zuletzt darum die Weiber fortgeschickt, damit sie sich nicht allzu albern benähmen, denn ich bin der Meinung, man soll in Ruhe sterben. Also haltet Ruhe und beherrscht euch!" Wir schämten uns auch jetzt und hörten zu weinen auf. Sokrates ging noch herum, meinte aber dann, die Beine würden ihm schwer, und so legte er sich auf den Rücken. Das hatte ihm der Gerichtsdiener geraten. Darauf berührte ihn der, der ihm das Gift gereicht hatte, von Zeit zu Zeit, untersuchte die Füße und Schenkel, und indem er ihm heftig auf den Fuß drückte, fragte er Sokrates, ob er das spüre. Sokrates sagte: nein. Jetzt drückte er die Knie und so ging er den ganzen Körper ab und zeigte uns, wie dieser allmählich ersterbe. Er faßte ihn noch einmal an und sagte: wenn die Kälte bis zum Herzen vorgedrungen sei, werde er tot sein. Schon war ihm der ganze untere Leib erstarrt, da sprach Sokrates zu Kriton: „Ich bin Gott Äskulap noch einen Hahn schuldig, vergiß nicht, ihn zu opfern!" Das war des Sokrates letztes Wort. „Ich will es tun", antwortete Kriton. „Hast du sonst noch etwas zu sagen, denke nach?!" Kriton erhielt keine Antwort mehr, nur noch einige Augenblicke vergingen, da zuckte der Leib zusammen; ein Diener deckte ihn auf: Sokrates' Auge war gebrochen. Kriton trat jetzt heran und drückte dem Toten Augen und Mund zu. So war — mein Xenophon — das Ende unseres Freundes, wir dürfen sagen: das Ende des edelsten Mannes von allen, denen wir je begegnet sind, das Ende des besonnensten und gerechtesten aller Menschen, die jemals g e l e b t . . . " Lange schweigt Xenophon, dann reißt er wie anklagend die Fäuste hoch, hilflos läßt er die Arme wieder sinken. „Nenne mir, Piaton, einen einzigen vernünftigen Grund, warum das Gericht den weisesten und vortrefflichsten 59
aller Bürger sterben ließ? Was tat der gütige Greis den Athenern, daß sie sein Leben zertraten? Worin hat sie das Wirken des Philosophen gestört? Oder war es nur der gemeine, dumpfe Haß der Sykophanten, der ihn verurteilte?" „Sie warfen ihm Gotteslästerung vor, er soll die Jugend zu Freidenkerei und Freveln verführt haben." „Wie? Er? Sokrates? In ihm, der uns zu leben, zu denken und zu streben gelehrt hat, soll eine böse Absicht gewesen sein? Bedachte keiner unter den Richtern, was die Menschheit diesem Manne zu danken hat? Hat nicht er zuerst den Blick auf die menschliche Seele gerichtet und ihre Gesetze ergründet? Hat nicht er den Menschen die Augen geöffnet für die Gebote der Ethik — hat er uns nicht immer wieder gemahnt, ein Leben lang nur nach der höchsten Tugend zu streben?" Piaton, leidenschaftsloser und abgeklärter als Xenophon, beruhigt den Freund. „Du sagst es ja, mein Xenophon! Gerade deshalb reichten die Geschworenen dem Meister den Giftbecher; denn er hat wahrhaft vieles zerstört. Nicht darum mußte er sterben, weil Alkibiades, der Verräter, oder Kritias, der Tyrann, seine Schüler waren, sondern weil er nach der festen Überzeugung des Gerichts die Jugend von den zerbröckelnd alten zu lebendig neuen Altären geführt hat. Sokrates lehrte die Jugend nicht nur zu glauben, sondern auch zu wissen, die Generation vor ihm aber begnügte sich mit dem Glauben. So hat er ein gefährlicheres Feuer vom Himmel gerissen als Prometheus: denn die Vernunft ist die Fackel am Torweg zwischen der Gebundenheit der Vergangenheit und der Freiheit der Zukunft. Und darum wurde er bestraft wie Prometheus. Seine Richter sahen sein Werk weder mit Liebe noch mit Verständnis. Er mußte ihnen als der ewig verneinende, alles zerlegende, jedes Wort bezweifelnde Unruhestifter erscheinen. Ihm mit halbem Ohre lauschend, begriffen sie nur seine Absage an die hohl gewordene Überlieferung; das Neue, Bessere aber erfaßten sie nicht! Wir, die wir mit ganzem Herzen hörten, machen freilich einen Schritt voran, der über den Zweifel zur Erkenntnis führt." „Mich erschüttert die Gelassenheit", sagt Xenophon, „die Erhabenheit, mit der er in den Tod ging. Man hat mir erzählt, dem Gericht wäre es mehr auf eine Demütigung 60
als auf ein Todesurteil angekommen, und wenn Sokrates nur gewollt hätte, hätten sie ihn mit Widerruf und Entschuldigung davonkommen lassen. Aber —ich verstehe—, da ihm Leben und Werk das Gleiche bedeuteten, wählte er den Tod. Rätselhaft nur, daß ein Mann wie Sokrates, der doch alles bis zum Grunde ausgedacht hat, so zufrieden sterben konnte. Selbst der König aller Helden — Achill —• wollte doch lieber auf der Erde Diener eines armseligen Taglöhners, als Herrscher in der Schattenwelt sein." „Eben darum, weil Sokrates alles zu Ende gedacht hat, vermochte er lächelnd zu sterben. Er hat den Tod als ein Nichts erkannt, das vor den hellen Augen der Logik nicht standhält. Als ihm einer der Schüler im Gefängnis zurief: ,Ach, daß du unschuldig sterben sollst!' gab er heiter zur Antwort: ,Wäre es dir lieber, ich stürbe schuldig?' ... Nein, mein Freund, Sokrates ist nicht tot. Er ist nur von der kleinen Agora Athens vor die Menschheit hingetreten, um ihr den Weg zu zeigen, der aus der Enge und der Angst der irdischen Vergänglichkeit in die Weite und Klarheit des Wissens um die letzten Dinge führt."
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ANMERKUNGEN J ) Dieses und die folgenden Zitate stammen aus den ,,Persern"; — 2) der bedeutendste altgriechische Geschichtsschreiber, um 460—395 v.Chr.; er schrieb u. a. die „Geschichte des Peloponnesischen Krieges" und bemühte sich um kritische Sichtung der Geschichtsquellen; — 3 ) Themistokles starb im Jahre 459 v.Chr.; —-4) Chorlyriker aus Keos, um 505—450 v.Chr.; nur einige seiner Gedichte sind bekannt; — 6) athenischer Staatsmann und Feldherr, um 530—467 v.Chr., Führer der gemäßigten Konservativen; — •) Obole, kleinste griech. Münze = 0,7 g Silber; 6 Obolen — 1 Drachme = 4,36 g Silber; — 7) spartanischer Feldherr, siegte 479 v.Chr. bei Platäa über das Landheer der Perser des Xerxes; — 8 ) militärischer und politischer Führer, Ursprung lieh Führer eines Stadtbezirks; —9) das Buch der Aspasia ist nicht erhalten; — 10) die Früchte wurden schon im Altertum wegen ihrer einschläfernden Wirkung als Betäubungsmittel benutzt; die rübenartige Wurzel des Krautes ist der Alraun; — u ) nach Asklepios, dem Gott der Heilkunst, bei dessen Heiligtümern sich Ärzteschulen befanden; —1S) nach Hippokrates, dem größten Arzt der Antike, 459 bis Mitte des 4, Jhs. v.Chr.; — 13 ) Tempel der jungfräulichen Göttin Athene, erbaut 477 bis 432 v.Chr.; im Mittelalter Kirche, 1460 Moschee, heute gewaltige Ruine; — 14) nach dem Tragödiendichter Sophokles, 496—406 v.Chr.; — l 5 ) über den Besuch der Gesandten berichten mehrere antike Schriftsteller; — 1 6 ) nach den römischen Schriftstellern Livius und Plinius d. J.;— 1 ? ) griech. Philosoph, 500—428 v.Chr.; die Grundzüge seiner Naturlehre werden im Text dargelegt; die Sonne hielt er für eine glühende Steinmasse, die viel „größer als der Peloponnes" sei; — ls ) griech. Philosoph aus Elea, 5. Jh., Haupt der „Eleatischen Schule"; — lö ) griech. Philosoph aus Elea, 490—430 v.Chr., Schüler des Parmenides, stellte dem denkenden Geist viele Probleme, die heute noch den Menschen bewegen; — 20 ) es handelt sich um einen Trugschluß; wenn Achill z. B. zehnmal so schnell läuft wie die Schildkröte, selbst aber von ihr 1 Stadie (178,6 m) entfernt ist und beide gleichzeitig zu laufen beginnen, so wird in der Zeit, in der die Schildkröte 1 / 9 Stadie zurücklegt, Achill 10/s Stadien zurücklegen; d.h. er wird sie eingeholt haben, wenn sie 1 / 9 Stadie zurückgelegt hat; •— beim fliegenden Pfeil verwechselt Zenon die beiden Bedeutungen: „den gleichen Raum einnehmen wie früher" und „an der gleichen Stelle des Raumes sein wie früher"; — 21 ) altgriech. Wanderlehrer, die sich den Unterricht in der Beredsamkeit (Rhetorik), Staatskunde und Philosophie bezahlen ließen; neben Verdiensten um die Denkschulung steht der unheilvolle Einfluß auf die Jugend durch die Lehre, daß Religion und Sitte nur nach den jeweiligen Umständen Gültigkeit hätten; — aa) 1 Mine = 60 Drachmen; 60 Minen = 1 Talent (siehe Anm. 6); — 2S) Leute, die aus Denunziation, Bedrohung, Prozeßführung und Anklage ein politisches oder privates Geschäft machten; — 24 ) der größte griechische Bildhauer (geb. um 500) starb im Jahre 431 v.Chr.; — 3Ö) athenischer Staatsmann und Feldherr, um 450—404 v. Chr., Vertreter eines athenischen Imperialismus, Schüler des Sokrates; — 26 ) seit Äschylos wurden K„ hochgesetzte Schuhe, auf der Bühne verwendet, um Helden und Götter zu erhöhen;— 27) bedeutendster griech. Komödiendichter zu Athen, 450—385 v. Chr.; — ») 499—429 v. Chr.; er
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hatte Athen für die kommende entscheidende Auseinandersetzung mit Sparta militärisch und finanziell gerüstet; — a8) nach dem griech.-röm. Historiker Plutarch, 1. Jh. n.Chr.; — M ) im Jahre 4,07 v.Chr.; —31) im Jahre 403 v.Chr.; — 3S) im Jahre 399 v.Chr.; — 33 )grieeh. Philosoph, 427—347 v.Chr., Schüler des Sokrates und Lehrer des Aristoteles; — 34 ) griech. Philosoph, Historiker und Feldherr aus Athen, um 434—355 v. Chr.; — 35) das Folgende nach Piatos philosophischer Schrift „Phaidon".
ZEITTAFEL 477 v.Chr. Nach der Vertreibung der Perser aus Griechenland Errichtung des „Attischen Seebundes" unter Führung des attischen Athen, der stärksten griechischen Seemacht; es ist ein Bund der Insel- und Küstenstädte des Ägäischen Meeres gegen die Perser. In der Folge Zurückdrängung der persischen Flotte bis Zypern. 461 v.Chr. Perikles wirdFührer der Demokraten in Athen Auf Grund seiner Gesetzesanträge Beschränkung der Macht der Aristokratie, Stärkung der Rechte des Rates der 500, der Geschworenengerichte und der Volksversammlung. Einführung der Ämterbesoldung, um auch armen Bürgern die Amtsübernahme zu ermöglichen. 454 v.Chr. Perikles läßt die Bundeskasse des Attischen Seebundes nach Athen überführen. Versuch zur Umwandlung des Bundes in ein Attisches Reich. 448 v.Chr. Abschluß der Perserkriege durch den KalliasFrieden: Persien erkennt die Unabhängigkeit der kleinasiatischen Griechenstädte an und verpflichtet sich, seine Truppen drei Tagemärsche von der kleinasiatischen Küste entfernt zu halten. 445 v.Chr. Abschluß eines „Dreißigjährigen Friedens" zwischen Athen = Mittelgriechenland (Attischer Seebund) und Sparta = Südgriechenland (Peloponnesischer Bund, seit 450). Zölle, Silberbergbau, Goldbergwerke, Bundessteuern 63
ermöglichen die große Bau- und Kunstentfaltung des „Perikleischen Zeitalters", bes. in Athen: Ausbau der Akropolis als Göttersitz (Parthenon, Erechtheion, Propyläen, Niketempel), Bau des Odeon-Theaters und der Bildungsstätte des Lykeions; Künstler: Phidias, Myron, Polyklet, Polygnot, Iktinos, Mnesikles; Geschichtsschreiber: Herodot, später Thukydides; Dichter: Aschylos, Sophokles, Pindar. 431—404 v.Chr.
Peloponnesischer Krieg; Bruch des „Dreißigjährigen Friedens" von 445; Entscheidungskampf um die Vorherrschaft über Griechenland zwischen Athen und Sparta, zwischen Demokratie und Aristokratie.
429 v.Chr. Perikles stirbt an der Pest. 413 v.Chr. Niederlage der Athener bei Syrakus. 404 v.Chr. Athen zur Übergabe und zum Eintritt in den Spartanischen Bund gezwungen. Allumfassende Schwächung ganz Griechenlands. Künftig Einmischung der Perserkönige in die griechischen Verhältnisse. Heraufsteigen des nordgriechischen Volkes der Makedonen. 399 v.Chr. Heimkehr der „Zehntausend" unter Xenophon. 399 v.Chr. Tod des Sokrates.
Alle Hechte vorbehalten. Einbandgestaltung: Karlheinz Dobsky Kartenzeichnungen: Anton Eckert; Illustrationen: H. G. Strick Druckerei: Dr. F. P. Datterer & Cie. - Inhaber Sellier - Ereising
Per Leser, der die in diesem Heft geschilderten Ereignisse im großen Rahmeu weiter verfolgen will, wird auf die spannend geschriebene Weltgeschichte
BILD DER JAHRHUNDERTE von OTTO Z I E R E R verwiesen. In neuartiger, eindrucksvoll erzählender Barstellung behandelt Otto Zierer im „Bild der Jahrhunderte", dem der Text zu dem vorliegenden Heft im wesentlichen entnommen ist, die Geschichte des Abendlandes und der Welt von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.
Gesamtauflage über 2 Millionen Bände Der Umfang des Geschichtswerkes beträgt rund 8000 Seiten. 189 ausgewählte Kunstdrucktafeln und 124 historische Karten ergänzen den Text. Jeder Band enthält im Anhang Anmerkungen, ausführliche Begriffserklärungen, Zeittafeln, Quellen- und Literaturnachweise. Das zum Gesamtwerk gehörende ,,Historische Lexikon" bietet in 12000 Stichwörtern und 500 Bildern einen Querschnitt durch die Universalgeschichte. Der Registerband mit Sach- und Namensverzeichnis und einer Inhaltsübersicht über das Gesamtwerk und Lux-Historischen Bildatlas mit 131 sechsfarbigen Karten 18,5 X 25,5 cm sowie 72 Seiten historische Bilder und Texte ergänzen das „Bild der Jahrhunderte". Preis des Werkes Rotleinenausgabe DM 198,— I Lux-Luxusausgabe DM 250,— Registerband DM 7,50 | Registerband DM 10,50 Lux-Historischer Bildatlas, Lux-Luxusausgabe DM 19,80 Über die günstigen Zahlungsbedingungen unterrichten wir Sie gern. Presseurteile zu Otto Zierer: BILD DER JAHRHUNDERTE „Wenn Napoleons Formulierung, Genie sei die Verbindung von Phantasie und Fleiß, zutrifft, so liegt diesem Werk gewiß Genie zugrunde. Die Wucht, mit der dem wissenden Leser längst Versunkenes wieder emporgeholt, dem weniger wissenden Neues vorgetragen wird, bleibt aller Bewunderung wert." Die Neue Zeitung „Mit einer unwahrscheinlichen Anpassung in Sprache und Szenerie trifft der Autor die Atmosphäre, die aus dem Wissen um die geschichtlichen Ereignisse ein so lebendiges Erleben schafft, daß der Leser sich als Teilnehmer an den abrollenden Ereignissen wähnt. Mehr mag ein Geschichtswerk nicht zu geben. Die Absicht des Autors ist in diesem Werk voll erfüllt." EUROPA-Ünion Prospekte durch jede Buchhandlung und durch den Verlag VERLAG SEBASTIAN L U X - M U R N A U VOR MÜNCHEN