Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 634 Anti‐ES ‐ Das Arsenal
Die Schattenwesen von Hans Kneifel
Ein Mond vers...
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Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 634 Anti‐ES ‐ Das Arsenal
Die Schattenwesen von Hans Kneifel
Ein Mond verschwindet
Die Verwirklichung von Atlans Ziel, in den Sektor Varnhagher‐Ghynnst zu gelangen, um dort den Auftrag der Kosmokraten zu erfüllen, scheint außerhalb der Möglichkeiten des Arkoniden zu liegen. Denn beim entscheidenden Kampf gegen Hidden‐X wurde Atlan die Grundlage zur Erfüllung seines Auftrages entzogen: das Wissen um die Koordinaten von Varnhagher‐Ghynnst. Doch Atlan gibt nicht auf! Im Bewußtsein, sich die verlorenen Koordinaten wieder besorgen zu müssen, folgt der Arkonide einer Spur, die in die Galaxis Xiinx‐Markant führt, wo die SOL in erbitterte Kämpfe verwickelt wird. Schließlich, gegen Ende des Jahres 3807 Terrazeit, muß die SOL den Sturz ins Nichts wagen, und sie gelangt dabei nach Bars‐2‐Bars, die aus zwei ineinander verschmolzenen Galaxien bestehende Sterneninsel. Die Verhältnisse dort sind mehr als verwirrend, wie die Solaner bald erkennen müssen. Doch während für das Generationenschiff auf dem Planeten der Anterferranter eine Liegezeit wegen notwendiger Reparaturen anbricht, versucht Atlan, zwischen den verfeindeten Völkern von Bars‐2‐Bars Frieden zu stiften. Seine Mission scheint Früchte zu tragen, auch wenn es erhebliche Schwierigkeiten gibt. Und diese Schwierigkeiten verstärken sich, als Atlan wieder die Spur von Anti‐ES, dem eigentlichen Feind des Friedens, aufnimmt. Dabei stößt die SOL auf DIE SCHATTENWESEN …
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan ‐ Der Arkonide begegnet den Duusnorzern. Breckcrown Hayes ‐ Seine SOL muß wieder kämpfen. Mjailam ‐ Die Verkörperung Prezzars schlägt zu. DNʹCarx 4 ‐ Ein Duusnorzer nimmt Kontakt zu Fremden auf. DNʹAjarm 6 ‐ Regierungssekretär von Duusnorz.
1. Ich erinnere mich ganz genau. Als DNʹBrun 2 verschwand, schrieb man auf Duusnorz den 39. Pran im Jahr 00:4665; es war heller Tag. Brun war mein Freund. Das heißt, er ist es noch immer, denn trotz aller andersartigen Erfahrungen und Kenntnisse zweifle ich nicht daran, daß er eines Tages, wo und wie auch immer, wieder auftaucht. Das Verschwinden von DNʹBrun 2 (in unserer planetaren Terminologie bedeutet es soviel wie: Bewohner von Duusnorz, dessen Name Brun ist, und Brun ist der zweite Sohn seines Vaters, was von entscheidender Wichtigkeit in der Erbfolge ist!) war nichts Außergewöhnliches. Unerwartet allerdings war für uns alle, daß es praktisch vor unseren Augen geschah, auf der Laderampe der VRAUNX, unseres Schiffes. Eben noch sprachen wir miteinander und tauschten kurze Informationen über Landung und Flugziel aus. Dann riß seine Rede plötzlich ab, die Luft flirrte, und DNʹBrun 2 löste sich in Nichts auf! Die Luft machte im entstandenen Vakuum ein fauchendes, schnalzendes Geräusch. Ich wandte mich an DNʹCur 3 und rief, nachdem ich meinen Schrecken überwunden hatte: »Er ist weg! Der Feind aus Farynt hat wieder ein Opfer genommen.«
»Er schlägt ohne jedes System zu«, winselte DNʹCur 3. »Vor sechs Tagen löste sich die MUDEYL spurlos auf, mit Männern und Ladung. Und jetzt unser bester Kopilot! Es wird immer schlimmer!« Ratlos starrten wir einander an. Tief unter uns fuhren die Mannschaften und Maschinen fort, das Schiff startklar zu machen. Niemand hatte, außer uns, den schweren Verlust bemerkt. Was sollte ich tun? Alarm? Es war sinnlos – die heulenden Sirenen brachten Brun nicht mehr zurück. Ihn konnten sie nicht mehr zurückbringen, und auch nicht die ungezählten anderen, die im Lauf der Jahre im Czett‐Sonnensystem ebenso spurlos verschwunden waren! DNʹCur 3 sagte erschüttert: »Ich bin unfähig, weiterzuarbeiten. Gehen wir zum Chef. Wir müssen es ihm sagen. Ausgerechnet Brun! Und er hat sich so sehr darauf gefreut, seinen Sproß abspalten zu können, nach diesem Flug.« Ich neigte meine Organfühler nach vorn, jene dünnen, empfindlichen Sensoren, mit deren Hilfe wir die Bilder unserer Umgebung weitaus schärfer aufnehmen können als beispielsweise einer der riesenhaften Anterferranter. Auch Cur führte dieses Zeichen der Trauer und der Besinnung aus. Dann erklärte ich: »Gehen wir. Wir brauchen einen anderen Astrogator.« Unsere Körper hoben sich von dem weichen, federnden Material des Ladestegs. Wir schwebten zwei Handbreit über dem Boden bis zum Ende des stählernen Gerüsts, dann ließen wir uns fallen und fingen unsere Körper dicht über dem Boden wieder ab. Mit einem langen, sanften Energiestoß schwebten wir hinüber zum Kontrollturm und hinauf zu DNʹFael 7. Als er uns wahrnahm, begann seine Organantenne fiebrig zu zucken. Dunkle Schleier einer bösen Vorahnung färbten die fast durchscheinende Haut seines Körpers. »Der böse Feind aus Farynt hat wieder zugeschlagen?« fragte er erschüttert. »Ja. Und abermals ist kein Anzeichen irgendeines Systems zu
erkennen. Was kann ein Feind von DNʹBrun 2 erfahren?« fragte ich zurück und ließ meinen Körper absinken, bis er mit seinem gerundeten Unterteil in der Ruhemulde vor Faels Schreibplatte ruhte. Faels zitternder Fühler bog sich verzweifelt hin und her. »Wir Duusnorzer«, sagte er nachdenklich und voller Trauer, »sind seit dem Jahr, als Bars mit Farynt verschmolz, ein geschlagenes Volk. Raumschiffe verschwinden ebenso wie einzelne Personen. Und nicht einmal die Anterferranter, deren Ortungstechnik weitaus besser ist als unsere Geräte, können uns einen Rat geben.« »Obwohl ihre Riesenschiffe weitaus tiefer ins Universum vorstoßen als unsere kleinen Raumer!« wandte DNʹCur 3 ein. »Armer Brun.« »Armer Brun!« wiederholte Fael und schwieg. Die Anterferranter, deren fellbedeckter Körper mehr als siebenmal so groß war wie der Körper unserer Rasse, hatten keine schlüssigen Beweise für dieses Verschwinden, wohl aber eine neue Theorie. Der Feind aus Farynt – ein unbekanntes Wesen von gewaltiger, unbegreiflicher Macht, dem alles zuzutrauen war – wurde von ihnen personifiziert. Sie nannten ihn Anti‐ES; ein Begriff, den sie von der Besatzung eines gigantischen Sternenschiffs übernommen hatten. Kontakt zwischen Anterferrantern und uns fand häufig statt, aber über diese Fremden wußte man im Czett‐System noch fast gar nichts. Trotzdem: Wer ließ die einzelnen Wesen oder die Schiffe verschwinden? Wer hatte Interesse daran, einzelne oder Gruppen von uns in seine Gewalt zu bekommen? Fael bewegte sich unruhig auf seiner Sitzmulde. Schließlich sagte er: »Ich werde die Meldung weitergeben. Ihr fliegt nach Laacrandel?« »Dorthin wollten wir – aber ohne Astrogator?« erwiderte ich. Die Arme und Finger DNʹFaels bewegten sich schnell. Auf dem
Bildschirm liefen die Namen der verfügbaren Raumfahrer abwärts. Schließlich blinkte einer davon auf. »Ich sehe, daß DNʹCur Vier frei ist und Bereitschaft hat. Ich schicke ihn hinüber zur VRAUNX«, sagte Fael. »Mit einer Verzögerung von einer halben Stunde könnt ihr starten.« »Einverstanden«, sagte ich. »Ich kenne Cur Vier. Er ist ein guter Mann. Wir erwarten ihn.« Im Gegensatz zu beispielsweise den Anterferrantern sind wir, die Bewohner des Sonnensystem‐Hauptplaneten Duusnorz, eingeschlechtliche Wesen und verstehen uns als Männer; dies aber auch erst, seit wir andere Sternenvölker kennengelernt und deren seltsame Bräuche studiert haben. Daher kennen wir, was den Verlust eines Freundes betrifft, keine laute Trauer. Er lebt in seinem jüngeren Semiduplikat weiter, das sich aus identischen Zellen von seinem Körper abspaltet. Aber wir waren von stiller Trauer erfüllt, und vom Bewußtsein, einen großen Verlust erlitten zu haben. Die Namensgleichheit zwischen Cur 3 und Cur 4, war indessen zufällig; es handelt sich um einen häufigen Namen auf Duusnorz. »Zurück zum Schiff?« fragte der Maschinenoffizier neben mir. Ich entgegnete: »Wohin sonst?« »Ich werde DNʹBruns zwei Vorfahren verständigen. Und auch sie werden sein Verschwinden in die lange Reihe unerklärlicher Vorkommnisse einreihen und mit uns den tragischen Fall gebührend tief und lange bedauern.« »Nichts anderes kann unternommen werden«, bestätigte ich und ließ meinen Körper höher schweben, grüßte kurz mit geschlossenen Fingern und schwebte hinaus. DNʹCur 3 folgte mir schweigend. Wir schwebten zurück zu unserem Schiff, das noch immer an den Versorgungsleitungen hing und beladen wurde. Aber schon blinkten die Lichter. Das Hafenkommando stand da und erkundigte sich bei einigen Leuten der Mannschaft nach dem Grund der Verzögerung.
Ihre Organfühler zuckten und peitschten erregt, als sie von uns den wahren Tatbestand erfuhren. »Eines Tages wird der Unbekannte uns noch einen ganzen Straßenzug verschwinden lassen!« schrie einer der Ordnungskräfte aufgebracht. Seine hohe Stimme wurde vom schwarzen Metall des Schiffsrumpfes zurückgeworfen. »Wozu das alles?« Niemand antwortete. Es gab ebenso wenig eine Antwort wie eine Erklärung. Wir schwebten hinauf, dann in die Kanzel und führten die Kontrollen durch. Binnen zwanzig Stundenteilen war die VRAUNX startbereit. Das Versorgungsgerüst rollte zurück. Nacheinander leuchteten die blauen Fertig‐Lichtzeichen auf. Die Maschinen liefen, die halbkugelig geformten Antigraveinheiten wurden eingeschaltet. Der neue Astrogator hob den rechten Arm und sagte: »Erste Teiletappe ist programmiert. Ich schalte nach Erreichen der Freihöhe auf Autopiloten um.« Unsere Raumfahrttechnik war derjenigen der Anterferranter nicht ebenbürtig. Aber zu den größten Erfolgen unserer wenigen Fernraumschiffe zählten die Forschungen im Mittelpunkt der beiden ineinandergreifenden Galaxien. Bars‐2‐Bars wurde diese Konstruktion von unseren Vorbildern genannt; längst hatten wir diesen Ausdruck übernommen. Die bisher längste Fahrt, der weiteste Flug von Duusnorz bis zu dem Schnittpunkt der Sternensysteme betrug sechzehntausend Lichtjahre. Aber normalerweise fand der meiste Verkehr zwischen den Planeten unseres Czett‐Systems statt. Wir flogen zum äußersten Planeten, eben nach Laacrandel, um Vorräte und Besatzungsmitglieder zu einer Schürfstation zu bringen. »Start ist freigegeben.« Ich brachte das Schiff langsam vom schimmernden Untergrund des runden Raumhafens weg, ließ es senkrecht steigen und setzte
mehr und mehr Geschwindigkeit zu. Die VRAUNX war ein altes, erprobtes und sicheres Schiff, das keinerlei unbeherrschbare Eigenschaften hatte. Auf den Monitoren schrumpfte die Landschaft unseres schönen, großen Planeten. Wälder und Meeresbuchten rückten ins Bild, die dünnen Bänder der Fernstraßen für den Güter‐ und Warentransport wurden zu schmalen, fadengleichen Linien. »Freihöhe erreicht. Ich leite Kursänderung ein!« »Verstanden. Volle Leistung auf die Maschinen.« Die VRAUNX jagte durch die letzten Ausläufer der Gashülle, schwang in einem weiten Bogen herum und richtete ihre stählerne Nase auf die Position, die der Planet Laacrandel im Moment unserer Ankunft haben würde. Surrend schaltete sich der Autopilot ein. In allen Teilen des Schiffes ertönten Summer. Unsere Anspannung und Konzentration ließen nach. Wir drehten uns in den tiefen Sitzmulden zueinander herum und richteten die Organantennen auf einen gemeinsamen Mittelpunkt aus. »Ich habe die Hyperfunk‐Kommunikation eingeschaltet«, sagte der Astrogator knapp. »Vielleicht erfahren wir Neuigkeiten.« Seit einiger Zeit, seit der Planet Anterf verschwunden und mitsamt seiner Sonne wieder zurückgekehrt war, flogen die Schiffe der Anterferranter auf Kursen, die in der Nähe unseres Sonnensystems vorbeiführten. Der Kontakt zwischen den Raumfahrern fand immer häufiger statt. Es schien deutlich, daß für Bars‐2‐Bars eine neue, aufregende Zeit angebrochen wäre. »Richtig gehandelt«, erwiderte ich. Die Anterferranter beneiden uns um die Fähigkeit, mit Hilfe der organischen Sensoren ein weitaus größeres Spektrum der Umwelt wahrzunehmen als sie. Ich meine das optische Spektrum, das für uns aus dem Czett‐System weit in beide Richtungen der Skala hineinreicht. »Unzweifelhaft ist für uns alle«, begann DNʹCur 3, »ist die Tatsache, daß innerhalb der Doppelgalaxis die meisten Kämpfe eingestellt worden sind.«
»Wenn nicht alle Nachrichten trügen«, meinte ich, »geht es weiter aufwärts, in die Richtung eines allgemeinen friedlichen Nebeneinanders. Teilweise beginnen sich auch die führenden Persönlichkeiten von Völkern miteinander zu verständigen, die bisher erbittert gegeneinander gekämpft haben.« »Ob es mit dem Auftauchen dieses gigantischen Schiffes zu tun hat, das auf Anterf gelandet ist? Wir haben mit der Administration von Narrm, dem Chef der Raumfahrt, schon lange keine Informationen mehr ausgetauscht.« »Durchaus möglich.« Das vielfarbige Licht aus unzähligen Apparaturen, Geräteanzeigen und Bildschirmen spiegelte sich auf der transparenten Rundung unserer Körper, sickerte durch die Haut und badete einen Teil unseres Blutkreislaufs und der Organe in unterschiedlichen Farben. Cur zog drei Schläuche mit Mundstücken aus dem Getränkeautomaten, gab zwei davon an uns weiter und fragte, was er wählen solle. Ich entschied mich für Apparg II, ein müdigkeitsbeseitigendes Getränk mit einem Hauch narkotischer Wirkung. Der Genuß machte für einen altgedienten Raumfahrer den Flug zu einem reichen inneren Erlebnis. »Drücke eine doppelte Portion Malm«, bat der Astrogator. »Mir scheint, daß überhaupt das Auftauchen der unbegreiflichen Fremden als Katalysator für vieles wirkte.« »Aber noch immer, das berichteten die Nachrichtenoffiziere der Anterf‐Raumfahrer, ist ein Flug durch die Galaxis, ein Fernflug, eine riskante Sache.« »Kein Wunder«, antwortete ich und begann zu fühlen, wie das Apparg zu wirken begann. Eine unbestimmte Heiterkeit und Ruhe breiteten sich in mir aus und ließen die Trauer um den verschwundenen Freund weniger lastend wirken. »Längst noch nicht alle Sternenvölker wissen, was wir in kleinen Dosen erfahren, nämlich, daß das gegenseitige Abschlachten vorbei ist.« »Anti‐ES. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?«
»Vielleicht werden wir es eines Tages erfahren«, meinte ich. »Es ist Zeit, die Linearetappe einzuleiten.« Lootyndol, der kleinste unserer Monde, tauchte schräg voraus aus dem sternenflirrenden Dunkel auf. Seine Schrunde, Klüfte, und Krater waren vom harten Licht der Czett und von den schwarzen Schlagschatten in ein verwirrendes Muster verwandelt worden. Die blinkenden Positionslichter der Lootyndol‐Forschungsstation zeichneten sich scharf auf den vergrößernden Schirmen ab. Wir waren auf diesen Stützpunkt, der in unserem Kampf gegen die »Nachbarn im All« stets eine wichtige Rolle gespielt hatte, nicht weniger stolz. Niemals war er entdeckt und angegriffen worden. Erst seit kurzer Zeit wagten wir, die Lichter ständig eingeschaltet zu lassen. Der Nachrichtenoffizier strahlte einen kurzen Gruß ab, dann schwang sich die VRAUNX in den übergeordneten Raum und steuerte das ferne Ziel an. Endlich! Endlich konnten wir wagen, unsere Flüge innerhalb des Systems ruhig und ohne jede Furcht vor einem Überraschungsangriff durchzuführen. Wir entspannten uns und sahen der Landung auf Laacrandel entgegen. »Vhoyssa!« sagte ich und ließ mich in die Sitzmulde zurückgleiten. Ich hoffte, daß – trotz des unerklärlichen Verschwindens von Personen – die guten Jahre für uns Duusnorzer angebrochen waren. Mochten sie unendlich lange dauern! »Vhoyssa!« antwortete DNʹCur 3 und DNʹCur 4 wie aus einem Mund. 2. Der Arkonide stemmte die Fäuste in die Seiten und sagte in zutiefst nachdenklichem Ton: »Wir Solaner haben uns, teilweise zu Recht, diese Art von
Bewunderung abgewöhnt. Aber niemand kann leugnen, daß dies ein beeindruckendes Bild ist. Für jeden. Sogar für uns beide, Breck.« Der High Sideryt stand zwischen Atlan und Tyari auf einer Terrasse des Gästehauses. Die SOL war etwa zehn Kilometer weit entfernt und schwebte wie eine gigantische Hantel über der Halbwüste weitab von Karn‐Ant. Das grelle Licht Barsanters blendete in unerträglichen Reflexen von der Hülle des Fernraumschiffs. »Richtig. Wir haben schon zu lange nicht mehr die SOL unmittelbar auf einem Planeten gesehen. Tatsächlich ein ungewohnter Anblick.« Die SOL hatte wieder einmal zu einem kurzen Probeflug abgehoben. Die Spuren nahezu aller Zerstörungen waren inzwischen beseitigt worden. Sämtliche Luken standen weit offen; das Schiff übernahm noch immer Frischwasser aus einem der klaren Flüsse Anterfs. »Vermutlich wird die Bevölkerung von Anterf diesen Anblick nicht mehr lange genießen können«, meinte Tyari. »Ihr wißt, daß ich eng mit Narrm und seinen Helfern zusammenarbeite. Sie sammeln mit großer Energie Informationen, die uns weiterhelfen werden.« »Es ist nicht so, daß die Zeit übermäßig drängt«, meinte Atlan versonnen, noch immer in den Anblick des Schiffes versunken, dessen Hülle von Dutzenden schwebender Plattformen, von startenden und einschleusenden Raumfahrzeugen umschwirrt wurde wie eine riesige, seltsame Blüte von funkelnden Insekten. »Aber wir sollten daran gehen, unsere weiteren Unternehmungen klar zu definieren.« Tyari deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Es wird alles vorbereitet. Die Anterferranter richten sich nach meinen Vorschlägen. Niemand macht Schwierigkeiten. Überdies erinnert sich ein jeder von ihnen an das überzeugende Ende des Angriffes auf die SOL.« Breckcrown Hayes winkte ab.
»Für uns ist das lediglich ein aufregendes Stück Vergangenheit. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten über Mjailam?« »Nein. Man ist in Sorge. Wilde Gerüchte schwirren um den Planeten.« Atlan und der High Sideryt waren zufrieden. Die Solaner arbeiteten, von SENECA und den bordeigenen Robotern und Maschinen unterstützt, pausenlos und in drei Schichten. Anterferranter waren ebenso in der SOL gern gesehene Gäste wie die Solaner auf dem Planeten Anterf und in dessen Städten. Wasser, Nahrungsmittel, einzelne Pflanzen für die bordeigenen Grünzonen, Rohstoffe und Metalle wurden eingeladen und großzügig gegen Informationen und technisches Wissen und Können ausgetauscht. An Bord gab es, abgesehen von der gemeinsamen Reparaturarbeit, keine Probleme. Es dauerte nur noch Stunden, allerhöchstens Tage, bis die SOL sich wieder in perfektem Zustand präsentieren würde. Der High Sideryt, einige Stabsspezialisten, Atlan und Tyari verhandelten seit Tagen intensiv mit den hochgewachsenen Wesen, deren Muster und Farben, die sich über die schlanken, muskulösen Raubtierkörper verteilten, noch immer Bewunderung und Faszination auslösten. »Ich weiß«, sagte Breck grollend, »daß wir mit Mjailam noch viel zu tun haben werden.« Richtig, und nicht nur mit ihm, meldete sich Atlans Logiksektor. Auch mit den Problemen, die ungelöst waren: jedes Lebenszeichen fehlte weiterhin von Sanny, Kik und Asgard. Atlan war, zu seinem tiefsten Bedauern, fast sicher, daß sie in die Gewalt von Anti‐ES oder seiner noch unbekannten Helfer gefallen waren. Nach den letzten Ereignissen mußten sie damit rechnen, und SENECAS Analyse lautete nicht anders. »Und wir brauchen auch nicht die Illusion zu pflegen«, schränkte Atlan nach dieser Summierung seiner Überlegungen weiter ein, »daß ein Weiterflug durch die Galaxis problemlos sein wird. Frieden und Verständigung oder gar Freundschaft zwischen all den
Sternenvölkern, die sich bis eben noch erbittert bekämpft haben, dauern ihre Zeit. Vielmehr deren erste, zaghafte Schritte.« »Um die Kämpfe werden wir uns nicht mehr kümmern«, entschied Breck. »Außer, wenn wir angegriffen werden.« »Das habe ich auch den Anterf‐Verantwortlichen deutlich erklärt!« bestätigte Tyari und lächelte Atlan an. »Ich sagte, daß wir alle zusammen uns auf die Hintergründe konzentrieren sollten.« Die Lage war entspannt, aber dennoch waren die Überlegungen vieler Solaner und Anterferranter voller Unruhe und Sorge. Sowohl die Bewohner des Barsanter‐Systems als auch die Solaner waren, was Zwischenfälle und bevorstehenden Ärger betraf, außerordentlich erfahren. Deswegen mißtrauten sie der augenblicklichen Entspannung gründlich. Auch wenn es mit den Prezzarerhaltern in Zukunft keine oder wenige Probleme geben sollte, zeichneten sich alle möglichen Störungen der herrschenden Situation bereits von fern ab. Daß auch die Person Tyaris dazu zählte, erörteten weder Atlan noch Hayes öffentlich. Aber sie alle rechneten mit bösen Überraschungen. »Hast du ihnen auch klar und deutlich gesagt, daß wir und die SOL bestenfalls eine Art Berater‐ oder Schiedsrichterrolle spielen können und werden?« fragte Atlan. »Sie wissen es. Sie haben dafür vollstes Verständnis.« Die Verständigung mit den Anterferrantern bereiteten keinerlei Schwierigkeiten mehr. Die stolzen, kriegerischen Wesen übernahmen eine Reihe von Ausdrücken, hauptsächlich raumfahrttechnischer Bedeutung, von den Solanern. Überdies arbeiteten die Translatoren perfekt, die Gestik von Solanern und den hominiden Fellträgern war über weite Strecken hinweg identisch. Die SOL hatte eine Flut von Informationen gespeichert, die sich alle auf Teile der seltsamen Doppelgalaxis bezogen. Fremde Völker, die Koordinaten der bewohnten Sonnensysteme, Aussehen und Leistungsfähigkeit der Raumschiffe, eine genaue, leicht umrechenbare Chronik unzähliger Begegnungen, Vorfälle,
Freundschaften und Kämpfe. Atlan wandte sich an Breck. »Hast du schon einen Starttermin festgelegt?« »Nein. Ich warte noch die nächsten Diskussionen ab.« »Wann, schätzt du, geht es los?« Breck blickte auf die Anzeigen seines Armbandgeräts. Nach Bordzeit SOL schrieb man 10:22, 02. 02. 3808. Nach einem Zucken seiner breiten Schultern sagte der High Sideryt halblaut: »In rund zehn oder zwölf Stunden, falls nichts Überraschendes passiert.« »Einverstanden.« Sie blieben noch einige Minuten stehen und schauten auf das geschäftige Treiben rund um das mächtige Schiff, das ihre einzige, unverlierbare Heimat darstellte, ihren eigentlichen Lebensraum. Dann wandten sie sich schweigend um und gingen durch den gerundeten, halb vorgewölbten Eingang in den höhlenartigen Raum hinein, dessen Wände weich waren wie das Fell der Anterferranter. Shorrn und Ztyrrh warteten bereits im Mittelpunkt des Raumes. * »Willkommen, Solaner!« sagte Shorrn, der Sicherheitschef des Planeten. Er packte Atlans Ellbogen; kurz spürte der Arkonide die Berührung der Fingerkrallen, und Atlan gab den Gruß ebenso zurück. »Neues vom Schnittachsenbereich?« fragte Atlan und lächelte breit. Die Katzenaugen bohrten sich in seine Augen, der Blick war zwingend, aber von unübersehbarer Freundlichkeit. Mit dem Verantwortlichen für die Planetare Verteidigung wechselten die Solaner einen ebensolchen archaischen Händedruck. »Nicht viel Neues, aber Informationen, die zurückliegende Beobachtungen oder Thesen bestätigen. Die Wissende ist uns
wohlgesinnt.« Shorrn deutete mit einer höflichen Geste auf die Sessel, die sich um einen runden Tisch gruppierten. Überall waren Translatoren aufgestellt. Erfrischungen standen bereit. Sonnenlicht fiel schräg durch die Fenster, die den Öffnungen von Höhlen glichen. Auf seine exotische Art besaß auch dieser Raum eine unübertreffliche Eleganz. »Wir haben aus allen Teilen von Bars‐Zwei‐Bars«, sagte Shorrn in der zischenden, knurrenden Sprache, »weitestgehend gleichlautende Nachrichten.« Die Solaner saßen den Anterferrantern gegenüber. Einige Bildschirme verbanden diesen Raum mit der Hauptzentrale der SOL, andere Monitoren arbeiteten und waren in das Netzwerk des Systems und der Relaisstation geschaltet. »Welche Art von Nachrichten?« Ztyrrh machte eine umfassende Geste. Die Tasthaare seines Raubtiergesichts zitterten aufgeregt. Er wartete einige Sekunden – einige Hundertstel Arcas – lang, ehe er antwortete. »Allgemein glauben die raumfahrenden Völker, daß ihr mit Hilfe eures riesigen Schiffes ein negatives Wesen namens Hidden‐X vernichtet habt. Da wir den Namen kennen, da wir von Hidden‐X mißbraucht und erpreßt wurden, können wir vieles von dem, was geschehen ist, aus eigener Anschauung voll bestätigen. Man glaubt uns also. Uns und euch.« Es war eine gute Zusammenfassung, sagte sich Shorrn und strich über sein weißgrün geschecktes Fell, dem er einige goldfarbene Muster hinzugefügt hatte. Dann hob er die Hand. »Weder Tyar noch Prezzar werden unter denjenigen Völkern, die die Zusammenhänge begriffen haben, als böse Urheber der vergangenen Geschehnisse vermutet. Nicht mehr länger. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie schwierig es ist, und wie lange es dauert, sämtliche Nachrichten aus vielen Teilen der Galaxis zu sammeln und zu ordnen.« Tyari nickte; der Translator an ihrem Ohr geriet in Schwingungen.
»Und zu übersetzen. Es ist gut, zu hören, daß die richtigen Namen Hidden‐X und Anti‐ES gebraucht werden. Es ist die Wahrheit.« Für die Anterferranter war Hidden‐X ein Teil ihrer bewältigten Vergangenheit. Sie wußten es alle, und sie hatten nicht gezögert, den Vertretern eines jeden anderen Sternenvolks diese Wahrheit nachdrücklich mitzuteilen, daß Barsanter, die Sonne, als Pfand für das Leben von zwei Milliarden Planetariern genommen worden war. Sie hatten überall verlauten lassen, daß Hidden‐X nicht mehr existierte. Diese Botschaft wurde gern geglaubt. »Überall dort, wo die Völker zu kämpfen aufgehört haben«, sagte Ztyrrh nachdrücklich, »werdet ihr mit der SOL das Vertrauen und die Freundschaft genießen können, Breckcrown.« »Das freut uns«, sagte der High Sideryt, aber sein Gesicht blieb düster und skeptisch. »Tyar und Prezzar aber können wir nicht ersetzen. Wir sind nicht die bestimmende Intelligenz dieser Doppelgalaxis.« »Wir haben das begriffen!« knurrte Shorrn. Tyari hob den Arm und deutete durch das riesige Fenster hinüber zur SOL. »Ihr habt Verständnis dafür, daß wir wieder in unser Schiff zurückfliegen. Wichtige Arbeiten müssen beendet werden.« »Wir sind ohne jede Schwierigkeit zu erreichen«, meinte der Arkonide und blickte in die Richtung der Bildschirme. »Kein Problem!« knurrte der Tigeräugige mit der Hakennase. »Wir haben versprochen, allen Spuren nachzugehen. Unsere Schiffe sind überall unterwegs. Wenn wir die Spur finden, die zu Anti‐ES führt, seid ihr die ersten, die darüber erfahren.« »So haben wir es abgemacht!« bekräftige Tyari. Bisher hatte die Führung von Anterf allerdings damit wenig Erfolg gehabt. Die drei Solaner standen auf und streckten den Anterferrantern die Hände entgegen. Wieder wurden die ungewöhnlichen Handgriffe gewechselt. Die hohen Stiefel und die
breiten Lederteile der gürtelartigen Bekleidung knarrten leise, als die Anterferranter die beiden Ellbogen der Solaner packten. Die schlanken Wesen waren zwei Meter groß und überragten die Fremdlinge. »Wir wünschen es wirklich, daß nach Jahrhunderten der Kämpfe endlich Frieden herrscht. Ihr habt alle Unterstützung!« meinte Ztyrrh hoffnungsvoll. »Die künstlich erzeugte Doppelgalaxis braucht nichts dringender als Ruhe.« »Wir werden tun, was in unserer Macht liegt«, antwortete Atlan mit Bestimmtheit. Die Anterferranter brachten sie zu einem Lift. Auch dieser Raum war einer kantigen Höhle nachempfunden und mit einem fellartigen Material ausgeschlagen. Atlan wandte sich an den Mann von Anterf mit den faszinierenden Querschraffuren im Fell und fragte: »Shorrn! Kannst du mir sagen, aus welchem Teil eurer Evolution diese Erinnerung an weichgepolsterte Höhlen bis in eure heutige Zeit überkommen ist?« Der Sicherheitschef antwortete ohne jedes Zögern: »Ja. Unsere Urahnen wuchsen in einem Landstrich nahe dem Äquator in einer bergigen Gegend auf. Unsere Archäologen haben herausgefunden, daß der weiche Stein durch Regen und unterplanetarische Wasseradern ausgespült worden war. Dort fanden die ersten Anterferranter Höhlen, kleine und große, deren Wände sie mit Laub und ihren eigenen Körperhaaren warm polsterten, und diese archetypische Erinnerung hat sich bis heute gehalten. Sagt euch diese Art zu?« »Die meisten von uns finden eure Wohnräume und Schiffskabinen sehr angenehm«, erklärte Tyari. Der Lift hielt und entließ sie in die Eingangshalle des Bauwerks, die ebenso gestaltet war. Der Belag schluckte zudem eine Unmenge der Geräusche. Die Solaner stiegen in einen großen Gleiter. Shorrn und Ztyrrh brachten sie in langsamen Flug hinauf zum Mittelteil der SOL und
landeten den Gleiter in der offenen Schleuse. Atlan blickte in die Katzenaugen beider Männer und sagte abschließend: »Ich bin sicher, daß es kein Abschied für lange sein wird. Irgendwann besuchen wir wieder die gastfreundlichen Anterferranter, die mutigen Kämpfer.« »Und die tüchtigen Raumfahrer!« bekräftigte Hayes. »Möge die Wissende euch in der kommenden Zeit helfen.« Die felligen Wesen mit den harten, breiten Muskelsträngen winkten lange, nachdem sie den Gleiter wieder gestartet hatten, zu den drei Personen in der Schleuse zurück. »An die Arbeit!« brummte Hayes und ging mit großen Schritten davon. 3. Auf den Voraus‐Schirmen zeichneten sich klar und scharf die Echos ab. Außer der VRAUNX befanden sich noch sieben andere Schiffe im Anflug auf den zweiten Planeten. Cur 4 drückte mehrere Tasten und bewegte einen Schieberegler. »Die Statistik wird immer besser«, sagte er. »Wieder ein völlig problemfreier System‐Raumflug mehr!« Wisperndes Gelächter erfüllte die Steuerkabine. Wir baten um Landeerlaubnis und einen freien Anflugkorridor und erhielten beides. Eines der anderen Schiffe glitt seitlich aus dem Hauptschirm heraus, das Echo blinkte auf und verschwand. Ich sah zu, wie Lootyndol sich von der Seite heranschob; auch auf unseren Stützpunkt zu bewegte sich ein Schiff in langsamem Flug. »Ein schöner, ruhiger Flug, Freunde!« bestätigte ich. »Irgendwann werden wir zusammen auch die nächstgelegenen Planetensysteme besuchen. Und wenn es in den Schiffen derer von Anterf ist.« »Ein unverbesserlicher Optimist.«
Ich schaltete eine andere Projektion ein. Die Bahnen unserer Monde, die Monde selbst als scharfzeichnende Objekte und die Riesenkugel von Duusnorz füllten den Bildschirm. Lootyndol befand sich, als Cur in den Landekorridor einschwenkte, direkt vor uns und schwang dann entsprechend unserer Kursänderung nach rechts weg. Ich konzentrierte einen Teil meines Fühlerorgans auf den Funkverkehr und setzte die Lautstärke herauf. Die Kabine war abgedunkelt; wir richteten unser Interesse auf die verschiedenen Anzeigen. Ich projizierte unsere Landekurve auf den Übersichtsschirm. Als sich unsere Position in der computergesteuerten Darstellung abzeichnete, als auf dem Schirm unsere bisherige Kurslinie mitsamt der Kurve erschien und sich in winzigen Schritten erweiterte und verlängerte, verschwand das große Echo des nahen Mondes vom Bildschirm. Sofort, noch ehe ich einen unwilligen Laut von mir gab, fokussierte ich mein Sinnesorgan auf einen anderen Bildschirm. Leer! Ich sagte noch immer nichts, innerlich halb erstarrt vor Schreck und dem Gefühl fürchterlichen Unheils. Ich schwebte in die Höhe und zum Bullauge. Hinter dem Spezialglas mußte sich die narbige Oberfläche des Mondes befinden, vor dem Reigen der unzähligen Sterne. Lootyndol war verschwunden. Ich zwang mich zur Ruhe und sagte scharf: »Freunde! Soeben ist unser Mond mitsamt dem Stützpunkt ebenso spurlos verschwunden wie …« Gleichzeitig schalteten sich einige Dutzend Anzeigen auf einen höheren Wert. Nadeln ruckten hin und her. Leuchtzeichen flackerten greller als je zuvor. Aus den Lautsprechern drangen Flüche und Schreie von Bordfunkern, die ebenso verwirrt waren wie wir. »Hier KLEIN CZETT! Der Mond ist weg!«
»Bestätige die Beobachtung. Unsere Instrumente …« »… spielen verrückt! Riesige Energiemengen müssen dort freigeworden sein.« Ich schrie: »An Raumleitstelle Duusnorz Center! Hier Schiff VRAUNX, zurück vom Systemflug! Wir haben soeben das totale Verschwinden unseres Mondes Lootyndol bemerkt! Was sollen wir tun? Unkontrollierter Ausbruch fremdartiger Energien!« Aus den Lautsprechern, die ich leiser schalten mußte, drang ein Gewirr entsetzter, stammelnder und ratloser Stimmen. »… einfach verschwunden! Meldet den Vorfall nach Anterf! Vielleicht wissen sie dort einen Rat!« »Keiner von uns kennt diese Energien. Man meint, sie entsprechen denjenigen, die wir für den Linearflug anwenden.« »Wir sind völlig ratlos. Zwei unserer Vorfahren waren in der Station!« Bildschirme flackerten und veränderten ständig die Wiedergabe. Ununterbrochen schalteten wir uns in Schiffszentralen ein, in denen ebenso offene Ratlosigkeit, Zorn und Schrecken herrschten wie in der VRAUNX. Ich schaltete die Bordsprechanlage ein und sagte, mühsam beherrscht: »Kapitän an alle. Wir landen wie vorgesehen in ein paar Zeiteinheiten. Leider muß ich euch melden, daß vor unseren Augen der Mond verschwunden ist. Tatsache. Alle anderen Schiffe in Planetennähe haben die Beobachtung bestätigt. Näheres erfahrt ihr wenn wir mehr wissen. Mit dem Schiff ist alles in Ordnung.« Unsere Laderäume waren gefüllt mit seltenen Erzen, Mineralien und hochwertigen Extrakten. Der Flug war enorm wichtig für Duusnorz und seine Bewohner. Wir setzten ihn wie vorgesehen fort und versuchten, auf dem Umweg über die unterschiedlichen, vom Flugschreiber präzise notierten Instrumenten‐Überlastungen herauszufinden, mit welcher diabolischen Energie der Feind
operiert hatte. Anti‐ES? Wieder meldete sich die Bodenstelle. »Center an alle Raumfahrer, die auf Empfang sind. Wir haben den Vorgang mit den Hyperfunkgeräten nach Anterf gemeldet. Shorrn, der Verantwortliche für die planetare Sicherheit, hat uns selbst geantwortet. Anterf dirigiert drei Schiffe, die unserem System nahe sind, auf ein neues Ziel um. Wir werden also wieder offizielle Gäste bekommen. Gleichzeitig startet das riesige Schiff derer, die sich Solaner nennen. Es ist die SOL, wie weitestgehend schon bekannt. SOL bedeutet für jene Fremden dasselbe wie für uns Czett. Alle Landungen werden wie vorgesehen ohne Panik durchgeführt. Starts erfolgen vorläufig nicht mehr. Das ungeheuerliche Geschehen verlangt nach wohlüberlegten Maßnahmen, wobei wir wissen, daß wir ziemlich ohnmächtig sind. Das Center fordert auf, die eben empfangene Botschaft zu bestätigen. Ende.« Wir bestätigten. Gleichzeitig drang die VRAUNX in die ersten Schichten der obersten Lufthülle ein und verringerte ihre Geschwindigkeit. Wir schwiegen jetzt. Der Schock hatte uns tief getroffen. Mit mechanischen Bewegungen erledigten wir sämtliche Handgriffe, bis die VRAUNX sicher auf dem Belag des Raumhafens stand. Seltsam, dachte ich. Obwohl DNʹBrun 2 auf dem Boden des Planeten verschwand, fühle ich mich plötzlich auf dem Planeten sicherer als im freien Raum. Sehr seltsam! Die Mannschaften begannen das Schiff zu entladen. Aber auf dem Raumhafen breitete sich Unruhe aus. Immer mehr Männer verschwanden und bildeten Gruppen. Ihre Fühlerorgane zuckten und zitterten. Die gesamte Crew der VRAUNX nahm die Taschen der Ausrüstung und schwebte hintereinander, mit mir an der Spitze, hinüber in die Gebäude der Raumüberwachung. Wir hofften auf mehr Informationen. Und schon begannen sich die Gerüchte über die sieben Planeten
und die fünfzehn Monde auszubreiten. Nicht korrekt. Es waren nur noch vierzehn Monde in unserem Sonnensystem! * Fael schwebte herein. Er wirkte kummervoll und zerstreut. Ein Teil der aufgeregten Unterhaltung hörte auf. Ich schwebte an seine Seite und sagte: »Wann soll die SOL hier landen?« »Noch heute. Noch vor dem vierzigsten Pran.« Seine dünnen Arme mit den schlanken Fingern führten sinnlose Bewegungen aus. Es wirkte, als wolle er durch den Raum schwimmen. Ich sagte so laut, daß es auch die anderen Teams hören konnten: »Anti‐ES hat eine Sonne und einen Planeten verschwinden lassen – ein Ereignis aus der jüngsten Geschichte der Anterf‐Raumfahrer. Die Bedeutung zweier identischer Ereignisse drängte sich auf, oder nicht?« Einige der Raumfahrer tranken, andere aßen, fast alle unterhielten sich. Die eingeschalteten Bildschirme, die den großen, niedrigen Raum mit den wichtigsten Dienststellen verbanden, blieben weitestgehend unbeachtet. »Dasselbe Ereignis!« »Wer oder was könnte das sonst schaffen?« Die Hyperfunkverbindung zwischen uns und den Anterferrantern überbrückte eine Entfernung von dreiundvierzigtausend Lichtjahren. Bisher hatten wir nur lange Textstellen übermittelt; in beide Richtungen. Es gab nur ganz wenige Bilder. In Zukunft sollte sich das bessern und ändern – das hatten die Verantwortlichen miteinander abgesprochen. »Also der Nachfolger, der Gleichwertige oder der Herrscher von Hidden‐X!« rief ich.
»Eindeutig Anti‐ES!« schrie ein anderer Kommandant. Für einige Zeiteinheiten herrschte ein lautes, chaotisches Durcheinander. Ich überlegte: Wie hoch war die Hilfe der unbekannten Solaner anzusetzen? Wenn die Anterferranter sie als Helfer hierher schickten, mußten sie wohl von deren Möglichkeiten viel halten. »Ein Mond. Eine Sonne und ein Planet. Und eine massierte Raumflotte aus Kriegsschiffen!« sagte ein Kollege. »Welche gigantischen, unvorstellbaren Kräfte wirken in solchen Fällen?« »Größere«, bekannte Fael 7, »als wir uns vorzustellen vermögen.« Ein Abteilungsleiter aus der Wissenschaftlichen Sektion schwebte auf uns zu. Wir befanden uns inzwischen, halb geschoben, halb freiwillig, auf einem leicht erhöhten Podium. In seinen dunklen Fingern schwenkte er den Ausriß von einem Rechnerschreibgerät. »Neuigkeiten! Informationen! Ruhe!« schrie er. Die Aufmerksamkeit richtete sich augenblicklich auf ihn. »Sprich! Lies vor, Mann!« kam es aus den hinteren Reihen und den verstreuten Gruppen. »Die Fahrtschreiber oder meinetwegen Flugschreiber«, schrie der Wissenschafter, »haben ihre gesamte Information auf einen Rechner überspielt. Alle die Geräte derjenigen Schiffe, die während des Verschwindens des Mondes, unseres Mondes …« »Kürzer! Prägnanter! Wir sind keine Schulkinder!« brüllte kreischend einer unserer ältesten Fernflieger. »Moment! Laßt mich zu Wort kommen!« »Ungern!« scherzte jemand verzweifelt. »Was ist los?« Der Wissenschaftler entschloß sich also, nicht mehr abzulesen, sondern seine Erkenntnisse zusammenzufassen. »Also«, fing er an und bewegte dankbar seine freie Hand, als ich ihm ein Mikrophon hinüberschob. »Unsere Abteilung hat die Informationen ausgewertet. Einige unserer besten Köpfe arbeiten daran. Sie stellten inzwischen fest, daß es sich um Hyperenergien handelt, die auch mit unseren Möglichkeiten irgendwann zu
kontrollieren sind.« »Was bringt uns das?« zwitscherte DNʹCarm 14. »Einsichten. Verblüffende Erkenntnisse. Sie bauen Geräte und Projektoren um und experimentieren. Es sind hundert Mann oder mehr. Sie werden in Kürze in der Lage sein, ihrerseits durch die Anwendung jener übergeordneten Energien kleine Dinge verschwinden zu lassen. Das Stichwort heißt: Hyperenergie. Wir Duusnorzer sind noch nicht soweit. Noch ist alles im Laboratoriumsstadium. Nicht einmal, das wissen wir, die Leute vom Barsanter‐System haben weitergehende Erfahrungen. Vielleicht finden wir in den nächsten Tagen heraus, mit welcher Art von Macht, Kraft oder Energie unser verdammter Mond verschwunden ist.« Ich schrie: »Beeilt euch. Und bringt ihn bald wieder zurück!« »Habt ihr ein Rezept, ihr verdammten raumfahrenden Besserwisser?« schrillte der Wissenschaftler giftig zurück. »Nicht einmal Shorrn weiß einen Rat. Außer, uns die Fremden zu schicken. Nebenbei – sie sind knapp so groß wie die Anterf‐Leute!« Das Stimmengewirr schlug über uns zusammen. Er faltete resignierend den Bogen der gelben Folie mehrmals und schwebte ohne ein weiteres Wort davon. Ich schwebte hinüber zu einer freien Ruhemulde. Ich ließ mich hineingleiten und entlastete mein körpereigenes Schwebeorgan. Ich »sah« meine Kollegen – ausnahmslos Raumfahrer! – und den Raum, der sich mehr und mehr füllte, und zufällig glitt ein Teil meiner optischen Aufmerksamkeit hinüber zu den großen, farbigen, zweidimensionalen Bildschirmen. Der zweite, schwer in Worte oder klare Gedanken zu fassende Schreck dieses schauerlichen Tages packte mich. Nach einer bemerkenswert kurzen Reaktionszeit packte ich das Mikrophon, deutete auf die beiden Schirme und schrie: »Achtung! Ein neuer Schrecken! Seht dorthin!«
Ich erstarrte wieder, unfähig, wirklich zu begreifen, was ich zu sehen glaubte. Es war entsetzlich. Der große Monitor zeigte einen hohen Raum, in dem sich, halbwegs noch im Projektstadium, die Anlagen, Geräte und Kabelbündel von Hyperfunkgeräten befanden. Wir Duusnorzer verwendeten diese Geräte dazu, mit den Anterferrantern und einigen anderen Sternvölkern zu verkehren. Meine organischen Fühlerantennen erfaßte das Bild und darüber hinaus alle Bewegungen und die huschenden, schießenden und hastenden Figuren von schattenhaften Wesen, die durch einige Räume sprangen und ihre kurzläufigen Waffen auf die Hyperfunkgeräte richteten. Blendende, gleißende Feuer‐ und Glutstrahlen zuckten aus den Projektormündungen, trafen die wertvollen Geräte und zerstörten sie. »Nein! Nicht auch noch das!« schrillte ich. Ich ahnte, daß abermals eine mächtige, mir völlig unbegreifliche Wesenheit einen neuen Angriff startete. Wer? Anti‐ES! Was ich sah, war gleichermaßen entsetzlich und endgültig. Die Wesen waren riesengroß. Mindestens sechsmal oder siebenmal größer als wir. Sie liefen gebückt in den Räumen hin und her, völlig lautlos und schattenhaft. Ihre Körper schienen zweidimensional zu sein, aber dennoch bewies die Realität ihrer feuernden Waffen, daß sie in irgendeiner Weise wirklich sein mußten. Sofort ertönte auf dem gesamten Raumhafengelände der Alarm. Während die Bewaffneten durch sämtliche Ausgänge hinausschwebten, bemühte ich mich, möglichst viel von dem verwirrenden Geschehen mitzuerleben. Ich blieb in meiner Sitzmulde und konzentrierte mich auf die Bildschirmwiedergabe. Ich sah: Es war eine blitzschnelle und, abgesehen von dem Dröhnen der Waffen und dem Klirren und Detonieren der Fernfunkanlagen – stille Invasion. Die Wesen hatten zwei Fortbewegungsgliedmaßen und zwei
Arme, hatten dieselbe Gestalt wie die riesigen Anterferranter, trugen aber sowohl andere Kleidung als auch ein ganz anderes Aussehen. Ihre Körper blieben schattenhaft und verschwanden, wenn sie durch die einzelnen Abteilungen glitten. »Es sind Schattenwesen«, sagte ich zu Fael, der sich ebenfalls außerstande sah, mehr zu tun als den Alarm auszulösen und darauf zu warten, bis die bewaffneten Wächter die überfallenden Gebäude erreichten und versuchten, die Invasoren zurückzutreiben. »Vhoyssa!« schrie er zornig. »Sie wollen verhindern, daß wir mit anderen Völkern Nachrichten austauschen.« Selbstverständlich wurden, wie fast immer, die Aufnahmen gespeichert. Ich sah, wie sich einer der Räume leerte. Die Schattenwesen glitten davon – zurück blieben brennende und rauchende Trümmer. Leitungen schmorten, unersetzliche Teile barsten knallend. Auf dem Vorplatz des kastenförmigen Teiles der Funkanlagen erschienen etwa hundert unserer Wachen. Sie eröffneten sofort das Feuer auf die flüchtenden Schattenwesen. Die Strahlen ihrer Waffen schlugen durch die grauen Silhouetten und richteten nicht einmal Verletzungen an! Noch etwas schoß in diesen langgezogenen Momenten durch meinen Kopf. Die Schattenwesen, die im hellen Sonnenlicht noch mehr zu grauen Schemen wurden, hatten sich für den blitzartig ausgeführten Überfall nur solche Gebäude ausgesucht, die untypisch hoch für uns Duusnorzer waren, also Hallen voller technischer Einrichtung. Unsere Wohnbezirke waren natürlich weitaus weniger hoch. Einer der Schatten nach dem anderen verschwand, obwohl inzwischen auch einige Kampfgleiter herangeschwebt und aus ihren stärkeren Waffen das Feuer auf die Eindringlinge richteten. DNʹFael 7 sagte erschüttert: »Kaum haben die Kämpfe gegen andere Völker geendet, trägt der Feind seine Aktionen mitten in unsere Planeten.«
Von einem Monitor herunter rief ein Nachrichtenmann: »Überall werden die Hyperfunkgeräte vernichtet. Wir versuchen, die Anterferranter zu verständigen.« Wir waren so gut wie hilflos. Natürlich befanden sich die meisten der Hyperfunkanlagen in unmittelbarer Nähe der Raumhäfen oder direkt innerhalb der Kontrollgebäude. Für den Feind war es nicht schwer, die Anlagen zu finden. Sie waren überdies gekennzeichnet durch die großen Sende‐ und Empfangsantennen. Vielleicht konnten unsere Nachrichtentechniker wirklich noch Anterf und einige Raumschiffe erreichen und von diesem neuen Angriff benachrichtigen. Wer war dieser schnelle, schweigende Feind, der in einer derartigen Perfektion handelte? Derselbe, der auch Lootyndol hatte verschwinden lassen? Unablässig trafen neue Alarmnachrichten ein. Die Schattenwesen waren aus dem Center verschwunden, erschienen innerhalb des Raumhafens von Gayrn und schlugen dort zu, obwohl sie bereits erwartet wurden. Beim Versuch, die Schatten‐Invasoren zurückzuhalten, beschädigten die Raumsoldaten mit ihrem massierten Feuer Gebäude und technische Anlagen. Mit tiefem Schrecken in der Stimme sagte Fael: »Obwohl wir versuchen, unsere Anlagen zu verteidigen, richten wir nichts gegen die Fremden aus. Sie sind unverletzlich!« »Aber sie wirken erstaunlich lebendig! Wir haben sogar Tonaufnahmen ihrer Stimmen«, antwortete ich und mußte, ob ich wollte oder nicht, die Geschehnisse mitansehen, die uns auf den Weg der zusammengeschalteten Kommunikationslinien von allen Dienststellen Duusnorzʹ überspielt wurden. »Eine seltsame, fremdartige Sprache!« sagte mein Vorgesetzter. »Erwartest du, daß sie auch noch unsere Sprache verwenden? Es sind Fremde. In dieser Galaxis hat man sie noch nicht gesehen.« »Wenigstens gibt es keine Nachrichten darüber.« Unsere Fachleute benutzten selbstverständlich sämtliche
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öglichkeiten, die ihnen das Nachrichtennetz der Raumhäfen und Planetenstationen bot. Sie verständigten sich zuerst untereinander und warnten planetenweit. Dann, oder in einigen Fällen gleichzeitig, wurden die anderen fünf Planeten und die wenigen Stationen auf deren Monden angefunkt. Fael deutete auf die eingeblendeten Funktionsdiagramme: »Sie sind fast überall gleichzeitig! Fast überall!« Es gab nicht allzu viele Raumhäfen, auf denen Fernsender installiert waren. Ich kannte nicht einen jeden Standort, aber die aufgeregt blinkenden Lichter schilderten uns ebenso deutlich wie die realen Aufnahmen der Kämpfe und Zerstörungen, daß der Überfall schon fast vorbei war. »Es gibt nur noch wenige Stationen, die unversehrt sind!« wimmerte ich. »Sie schneiden uns vom Rest der Galaxis ab!« Natürlich waren wir ohne die Hyperfunkgeräte nicht ganz hilflos. Aber künftig konnten Nachrichten nur mit Lichtgeschwindigkeit übermittelt werden. Dreiundvierzigtausend Jahre für eine Nachricht nach Anterf! Undenkbar und sinnlos. »Das ist der Zweck!« sagte ich und erhob mich. Ich hatte genug gesehen, zuviel brutaler Zerstörung erlebt. »Sehen wir in der Funkabteilung nach, ob noch etwas zu retten ist.« »Du hast recht. Versuchen wir, etwas Sinnvolles zu tun.« Schweigend verließen wir den Raum und schwebten langsam hinüber zum Hauptgebäude. Dort hatten eben die Löschabteilungen ihre Versuche beendet. Es sah alles hoffnungslos aus. Daß auf Voornwarth, dem vierten Planeten, ein weiterer Zwischenfall uns in noch tieferen Schrecken stürzen würde, ahnten wir jetzt noch nicht. 4. Tyari hatte eine Strähne ihres hüftlangen, silberweißen Haares um
den Zeigefinger gewickelt und spielte damit. »Ich muß dir widersprechen, Atlan«, sagte sie. »Es ist nicht so, wie du sagst.« »Ich sagte«, meinte der Arkonide halblaut, »daß wir über zu wenige Informationen verfügen. Was wir wissen, sind in vielen Fällen mehr Sagen und Legenden als Tatsachen.« Die Frau, die nicht älter als dreißig zu sein schien, schüttelte den Kopf. »Immerhin wissen wir, daß in der fernen Vergangenheit – schätzungsweise ein Jahrtausend, wenn wir den Anterferranter glauben – ein Wesen namens ARCHITEKT diese Doppelgalaxis künstlich erzeugte. ARCHITEKT oder Hidden‐X lenkte Farynt in Bars hinein und schuf so Bars‐Zwei‐Bars.« »Richtig«, sagte Atlan und blickte in ihre schwach albinotischen Augen. Wieder einmal fragt er sich, welches Geheimnis sich hinter dieser auffallenden Ähnlichkeit zwischen ihr und ihm verbarg. Es konnte kein Zufall sein. »ARCHITEKT und oder Hidden‐X sind vernichtet. Bei der Herstellung dieses galaktischen Kreuzes halfen ihm der unterjochte Prezzar‐Instinkt und ein zweites Machtwesen, von dem uns Wöbbeking‐NarʹBon Vermutungen mitgeteilt hat.« »Abermals zutreffend. Wenn du das allerdings als hieb‐ und stichfeste Informationen bezeichnest …« Sie saßen, unweit von SOL‐City, in einer leeren Cafeteria an der Bar. Atlan trank Bier, Tyari einen alkoholhaltigen Fruchtsaft; beides große Becher. Im Kunstlicht wirkten ihre Augen hellbraun. Zwischen der Haarsträhne blitzten ihre überlangen Fingernägel auf. »Hidden‐X wollte, und auch diese Information ist zutreffend«, sagte Tyari mit einem kühlen Lächeln, »mit Hilfe der manipulierten Doppelgalaxis in eine Zone vorstoßen, in der er die Quelle der Jenseitsmaterie vermutete. Das gelang ihm nicht, wie wir wissen.« Der Bildschirm des Interkoms zeigte einen Blick in die Hauptzentrale der SOL. Immer wieder blinkten einzelne Signale auf.
SENECA schloß eine Öffnung nach der anderen. Soeben wurde eine Korvette eingeschleust, die eine letzte Gruppe Buhrlos aus dem Weltraum zurückbrachte. Systematisch bereitete sich der riesige technische Organismus auf einen längeren Flug durch die Sterne von Bars‐2‐Bars vor. Die Luft, bemerkte der Arkonide, roch unvergleichlich frisch und gesund. »Aber Anti‐ES übernahm die Vorteile dieser galaktischen Konfiguration, später erst, und von der anderen Seite aus. Dadurch war es ihm möglich – und ist noch immer möglich –, von dort aus in das Normaluniversum hinein zu agieren. Abermals eine klare Information«, antwortete der Arkonide mit einem provozierenden Grinsen. »Und damit ist unsere Weisheit auch schon erschöpft.« Er nahm einen tiefen Schluck aus dem kühlen Becher. »Noch nicht ganz«, erwiderte sie schnippisch. Im Augenblick war es wie ein Spiel zwischen ihnen. Atlan gestand sich ohne jede Einschränkung ein, daß ihn Tyari seit dem Tag faszinierte, an dem sie aufgetaucht war. Bisher hatte die Erinnerung an Barleona seine Gedanken überschattet. Daß Tyari, was ihn betraf, ein über jede persönliche Regung hinausgehendes Ziel hatte, war ihnen beiden klar. Daß sie bis zu einem Teil seine Gedanken erriet, hatte er ein paarmal erkennen können. Und daß sie darüber hinaus eine starke Telepathin war, hatte er auch erfahren. »Ich höre?« murmelte er. »Bars‐Zwei‐Bars wurde also erzeugt, um eine Art Nabel oder Schlund zur Namenlosen Zone herzustellen. Anti‐ES kontrolliert die Übergangsstelle.« »Das setzen wir voraus!« stimmte Atlan zu. Es gab keine einzige Information darüber, wie dieser Schnittpunkt zwischen zwei Universen aussah, an welcher Stelle der sich kreuzenden Galaxien er sich befand, ob er sich periodisch öffnete und schloß oder ständig in Funktion war. Die Solaner konnten, trotz der Hilfe des Bordrechners, nicht einmal ahnen, ob sich hinter dem Nabel eine technische Apparatur verbarg, oder ob es allein
kosmisch‐physikalische Vorgänge waren, von denen der Schnittpunkt betrieben wurde. Und auf welche Weise Anti‐ES diese Vorgänge kontrollierte, davon konnte sich niemand etwas in den kühnsten Träumen vorstellen. Auf dem Bildschirm wurde gezeigt, wie eine Korvette ausschleuste. Die SOL ließ auf Anterf ein zahlenmäßig unbedeutendes Kommando zurück; eine Art diplomatische Vertretung, deren Hauptaufgabe es war, zwischen den Anterferrantern und der SOL eine sichere Hyperfunkverbindung zu gewährleisten. Dann, noch ehe Tyari und Atlan ihre Unterhaltung vertiefen konnten, wechselte das Bild des Interkoms. Breckcrown Hayes tauchte auf, umgeben von den Geräten der Hauptzentrale. Atlan war mit zwei langen Schritten am Interkom und nahm einige Schaltungen vor. Sofort ertönte die Stimme des High Sideryt: »… dringende Nachricht von Ztyrrh. An alle! Schaltet die Interkoms ein und hört zu. Ich glaube, es ist wirklich wichtig für unsere Mission!« Wieder drückte Atlan einen Sensor und sagte: »Ich warte die Meldung ab und bin dann auf dem Weg in die Zentrale, Breck!« »In Ordnung.« Wieder wechselte das Bild. Den Betrachtern sprang der scharfgezeichnete Kopf des einflußreichen Anterferranters entgegen. Ohne Begrüßung und mit allen Zeichen der Aufregung begann Ztyrrh: »Wir haben eine aufregende Neuigkeit, für euch sicher eine wichtige Information. Von uns knapp dreiundvierzigtausend Lichtjahre entfernt liegt die Sonne Czett mit sechs Planeten. Die Hauptwelt heißt Duusnorz und wird von tropfenförmigen Wesen bewohnt, die etwa so groß sind.« Ztyrrh zeigte die Größe seines Kopfes an, der nahezu ebenso groß
war wie ein durchschnittlicher Solanerschädel. »Seit einiger Zeit verschwinden dort einzelne Personen und ganze Raumschiffe, die logischerweise recht klein sind, kleiner als unsere kleinsten Einheiten. Vor wenigen Stunden aber verschwand der Mond Lootyndol mitsamt einer Raumstation. Und nun werden die Planeten von einer Invasion schattenhafter Wesen heimgesucht, die angeblich so groß sein sollen wie ihr und wir. Sie zerstören sämtliche Hyperfunkstationen! Wir haben nicht viel Informationen von Duusnorz erhalten. Sie sind hilflos, und die Schattenwesen sind ihrerseits unangreifbar oder unverletzlich. Sie sprechen sogar. Die Nachrichten, erfahre ich soeben, werden immer spärlicher – das kann nur bedeuten, daß die Duusnorzer alle ihre Fernfunkanlagen verlieren. Einen Augenblick …« Er hielt inne und betrachtete einen außerhalb des Blickfelds der Linsen liegenden Bildschirm, dann nickte er grimmig. Die Haarsträhne des Scheitels und des Nackens sträubte sich. »Die Verbindung ist abgerissen. Das kann nur bedeuten, daß das letzte Gerät vernichtet wurde. Die Übereinstimmung zwischen unseren eigenen Erkenntnissen über das Verschwinden von Sonnen, Planeten und Monden und den Vorfällen auf Duusnorz und Laacrandel und wie die Planeten von Czett alle heißen, ist augenscheinlich. Kann der Vorfall für euch ein Hinweis sein?« »Selbstverständlich!« grollte Breckcrowns Stimme auf. »Was habt ihr den Duusnorzern gesagt? Es war doch praktisch ein Hilferuf, nicht wahr?« Ztyrrh hob seine Krallenhand. Die scharfkantigen Krallen schoben sich direkt vor dem Objektiv hervor und funkelten. »Es war ein Hilferuf. Wir dirigierten einige Schiffe um, die natürlich ihrerseits über Fernfunkanlagen verfügen. Sie werden in kurzer Zeit im Orbit über einem der Duusnorzer‐Planeten sein. Wir sagten den kleinen Wesen, daß die SOL kommt, wir gaben ihnen einige Informationen über euch – es war nicht allzuviel.
Im Moment wird gerade ein Band an euren SENECA überspielt, der alle unsere Informationen über Duusnorz und ihre Kultur in sich aufnimmt. Ihr kommt also nicht unvorbereitet an.« Atlan drehte sich nach Tyari um. Die Abgesandte Tyars war ebenfalls aufgestanden und beobachtete den Bildschirm. Ihr volles Gesicht ließ erkennen, daß sie jedes Wort analysiert hatte. »In die Zentrale!« sagt sie. Der Anterferranter winkte Tyari zu, kaum daß sie neben dem High Sideryt aufgetaucht waren. Einige Alarmsignale blinkten. Hayes hatte den Startzeitpunkt drastisch vorverlegt, und in allen Teilen der SOL wurde hastiges Arbeiten signalisiert. »Vom Mittelpunkt der Galaxis Bars‐Zwei‐Bars ist das System der Duusnorzer rund sechzehntausend Lichtjahre entfernt«, kam es fast ohne Zeitverzögerung aus dem Translator. »Am Rand der gemeinsamen Zone von Farynt und Bars«, erklärte Ztyrrh weiter. »Ich habe euch die Koordinaten überspielen lassen. Eine Region, übrigens, knapp außerhalb der Schnittachsenbereiche. Die Technik der Duusnorzer ist nicht ganz so hoch entwickelt wie unsere. Daher halfen wir ihnen ein wenig, nachdem die Kämpfe aufhörten. Sie anerkennen – auch aus Gründen der geringeren individuellen Körpergröße – eine gewisse führende Stellung von uns an.« Er lachte. »Und einer ihrer universell gebrauchten Kraftausdrücke ist, Vhoyssa!ʹ Niemand weiß, was das bedeutet.« Atlan nickte; die weitergehenden Informationen würde er in kurzer Zeit von SENECA abrufen können. Er grüßte den wartenden Anterferranter und meinte: »Wir starten bald. Die Vorbereitungen sind so gut wie abgeschlossen. Vielleicht kommen wir Anti‐ES auf die Spur!« »Wir werden den Schutz der Wissenden erbitten!« erwiderte Ztyrrh und trennte die Verbindung. Während Cara Doz sich schweigend an ihren Platz setzte und den Kurs zusammen mit dem
Bordrechner ausarbeitete, nahm Atlan in einem anderen Sessel Platz und vertiefte sich in die Informationen, die Anterfs Raumfahrer über die Duusnorzer zusammengetragen hatten. Ununterbrochen liefen Fertig‐Meldungen in SENECAS Speichern zusammen. Langsam, wie ein seltsamer Doppelmond, hob sich die SOL von der Oberfläche des Planeten und stieg fast geräuschlos höher und höher. Luftwirbel bildeten sich, Wolken schoben sich um den riesigen Körper zusammen und wurden zur Seite gedrückt, und dann war die SOL nur noch ein auffunkelndes Doppelpünktchen in dem riesigen Himmel über Anterf. Das Schiff raste auf die Region zu, an der sich die beiden Galaxien ineinandergeschoben hatten; auf den Schnittpunkt, der ein endloses Gewirr von Sonnen, Planeten und Monden bildeten. * Auf dem Bildschirm, genauer in einer perfekten dreidimensionalen Wiedergabe, bewegte sich ein exotisches Wesen. Es war knapp dreißig Zentimeter groß und tropfenförmig. Die Spitze des Tropfens zeigte nach oben und lief in einen Fühler aus, der einmal zitterte, sich dann in verschiedene Richtungen bog und von winzigen Sinneszellen bedeckt war. Dazwischen sprossen feine Härchen. Durch die transparente Haut waren die Organe zu erkennen. Auf dem Körper befanden sich zwei dünne Arme, die jedoch proportioniert wirkten, mit langen Fingern und gegenständigem Daumen. Die Gelenke erlaubten eine hervorragende Beweglichkeit. Zwischen den »Schultergelenken«, etwas mehr zur Spitze hin, öffnete sich ein breiter Mund, der einen Strom von Worten in einer hohen, fast zwitschernden Sprache von sich gab. Zuerst wurde der Text in die Sprache Anterfs übersetzt, dann in diejenige der Solaner; es war eine Begrüßung der »Freunde von Anterf«.
Hin und wieder zogen Schatten in mehreren Farbschleiern über die Haut. Die Informationen besagten, daß es die Zeichen tiefer Emotionen waren. Der Wicht von Duusnorz besaß keine Beine, aber als er aus einem schalenartigen Sitzgerät aufstand, nein, hochschwebte, wurde ein Text eingeblendet, der besagte, daß sich die Duusnorzer mit Hilfe eines Antigravorgangs auf organische Weise fortbewegten; sie stiegen auf und sanken wie Seifenblasen, bewegten sich virtuos hin und her, und diese Art der schwerelosen Beweglichkeit hatte etwas von der Ästhetik des Tanzes. Die Bauwerke der Planetarier waren schön und zweckmäßig; es fehlten Verkehrsflächen wie Treppen und Lifte oder Rampen für den Transport dieser Wesen, nicht aber für den Gütertransport. Sämtliche Raumhafenbauwerke waren so hoch, daß durch ihre großen Portale ein Solaner oder Anterferranter mühelos ein‐ und ausgehen konnte. Die Duusnorzer waren eingeschlechtlich, verstanden sich als Männer, und die Söhne wurden durch Zellsprossung abgetrennt, waren bei der Geburt bereits schwebe‐ und sprechfähig, ernährten sich selbst und nahmen nur noch an Gewicht und Größe zu. Die Anterferranter hatten ermittelt, daß die Söhne Semiduplikate der Väter waren, daß sich die Duusnorzer als stolze Planetarier sahen und danach ihre Namen entwickelt hatten. DNʹ, dann folgte der Eigenname und schließlich eine Zahl, die mehr verzierenden Charakter hatte, denn es gab höchstens 9 Vater‐Sohn‐Folgen. Zwar empfanden sich alle Planetarier als Duusnorzer, aber die Wesen von Voonwarth beispielsweise trugen stolz VW, die von Laacranden LC vor ihrem Eigennamen. Ihre Schiffe sahen wie Spindeln mit abgeschnittenem Ende und Leitwerken sowie halbkugeligen Triebwerkselementen aus. Sie führten bisher wenige Fernflüge aus, hatten ihr Planetensystem erfolgreich verteidigt und verlustreiche Kämpfe mit kosmischen Nachbarn hinter sich, die rund fünfzig Lichtjahre entfernt waren. Die Planetarier befanden sich auf dem Weg, Hyperenergien
bändigen zu können und wurden als gutmütig, stolz, hochintelligent und fähig zu guter Freundschaft zumindest mit Anterf und dessen Wesen geschildert. Atlan blickte hoch, als er eine Hand auf der Schulter spürte. Bjo Breiskoll fragte: »Alles klar?« Die SOL befand sich auf der ersten Linearetappe. Tyari korrespondierte schweigend über einen anderen Terminal mit SENECA. Atlan nickte und entgegnete: »Wir werden ihnen fremder sein als sie uns. Hätten sie Hyperfunkgeräte, könnten wir ihnen schon jetzt erklären, daß wir als Freunde kommen.« »Kennst du SENECAS Vermutung schon? Eine hohe Wahrscheinlichkeit, die er errechnet hat.« »Nein«, sagte Atlan, betätigte einen Tastschalter und fragte: »Was hältst du von den geschilderten Vorgängen im System der Sonne Czett?« Augenblicklich antwortete der Bordrechner: »Die Informationen, die ich auswerte, deuten tatsächlich darauf hin, daß das rätselhafte Verschwinden etwas mit dem sogenannten Nabel zu tun haben könnte, mit dem vermuteten Übergang in die Namenlose Zone. Der Dialog zwischen dem High Sideryt und mir ergab Übereinstimmung in dieser Ansicht. Das angestrebte Ziel erfordert, daß jeder Spur nachgegangen werden muß. Die Vorfälle im Czett‐Sonnensystem sind mehr als nur eine Spur. Der Einsatz des gesamten Schiffes ist daher dringend zu empfehlen, zusammen mit der Relaisstation in Form der Vertreter, die wir auf Anterf zurückgelassen haben. Es ist zu erwarten, daß wir bei den Duusnorzern zu Zeugen ähnlicher oder noch wichtigerer Ereignisse werden.« Atlan grinste Breiskoll an. »Wieder hat SENECA meine Gedanken sicher erraten. Daß ich in meiner Vergangenheit in der Namenlosen Zone eines dieser Wesen
traf, daß sich zudem Duusnorz nannte, weist auf eine Verbindung nach dort hin. Auf zu den Wassertropfenwesen!« Vielleicht auch zur Quelle der Jenseitsmaterie, die Hidden‐X suchte! sagte der Logiksektor. * Wir lebten und arbeiteten zwar in Voonwarth, in der Stadt der elf Pfeiler, aber meine gesamte Gruppe bestand aus Wissenschaftlern und Spezialisten des Planeten Laacrandel. Ich bin LCʹFenya 4. Wir waren durch dicke Glasscheiben und Mauern geschützt. Schräg unter uns, in der ehemaligen Hangarhalle, befand sich der Aufbau unserer Geräte. Im letzten Moment war es uns noch gelungen, eine Hyperantenne aufzustellen, ein funktionsuntüchtiges Modell, und einige auffällige Kabelstränge zu ziehen. Ein unregelmäßiger Kreis von Strahlern, Projektoren, Energieerzeugern, Teilen von Raumschiffsmotoren und anderen zusammenschaltbaren Modellen war verteilt hinter Trägern und Barrieren schützenden und strahlungssicheren Materials. In rasender Eile hatten wir unsere Versuchsanordnung umgeräumt. Im Zentrum der Geräte, die allesamt mit Hyperenergie arbeiteten, standen die übereinander gebauten, miteinander verbundenen und von Bildschirmen und Kontrollpulten umgebenen Hyperfunkgeräten. Sie funktionierten, waren aber nicht eingeschaltet. Noch nicht. Wir warteten auf die Schattenwesen. Die letzten bösen Neuigkeiten, die wir vor wenigen Zeiteinheiten über die Richtfunkstrecken der lichtschnellen planetaren Sender erhalten hatten, ließen uns erkennen, daß von allen vorhanden gewesenen Hyperfunkgeräten nur noch unseres nicht überfallen worden war.
Sämtliche Stationen auf Laarcrandel – überfallen und trotz erbitterter Gegenwehr zerstört. Ich schwebte hinüber zum Schaltpult und sagte: »Achtung! Es ist ein Versuch. Kameras und Linsen an!« »Sämtliche Beobachtungsgeräte laufen!« Wir mußten sichergehen. Mehrere Fernsehprogramme waren angeschlossen. Viele Geräte arbeiteten versteckt. Andere Aufzeichnungsgeräte waren automatisch und besonders geschützt. Wir wollten herausfinden, wer dieser schweigende Feind wirklich war! Ein Techniker rief: »Sie verlassen den Raumhafen! Sie werden unsichtbar, einer nach dem anderen. Es wird Zeit!« Ich aktivierte das Fernfunkgerät, das mit Hyperenergien arbeitete, deren Anwendung uns zwar geläufig, ihre wahre Kontrolle bisher noch nicht vollkommen geglückt war. Gleichzeitig schwebten die meisten von uns in sichere Deckung. Keiner hatte die geringste Lust, ein tödliches Risiko einzugehen. Wir ahnten alle, daß die Schattenkrieger erbarmungslos zuschlugen. Und darüber hinaus gab es die Möglichkeit, daß wir verschwanden wie der Mond Lootyndol. »Volle Leistungsabgabe.« Wir hatten einen kurzen Text vorbereitet, der nach Anterf abgestrahlt werden sollte. Das Band startete. Es schilderte unser Vorhaben in den wichtigsten Einzelheiten. »Achtung! Energie auf die Testgeräte!« Auf einigen Monitoren konnte ich sehen, wie rings um den stillgelegten Kriegshangar sämtliche Verteidigungseinrichtungen aktiv wurden. Überall schwebten Duusnorzer in ihren glockenförmigen Schutzpanzern. Es herrschten äußerste Disziplin, aber ebenso beträchtliche Nervosität. Unser Gebäude befand sich im Brennpunkt von Hunderten verschiedener Projektoren und Waffenläufen. Wir warteten voller Spannung; die Hälfte des Textes
und die Bilder waren bereits durchgelaufen und würden ohne Zweifel auf Anterf empfangen werden. Vielleicht auch von Schiffen, die gerade im Anflug waren. Nach und nach, in winzigen Zeitabständen, schalteten sich die Funktionsanzeigen unseres Probeversuchs ein. Fast sämtliche Leitungen und Verbindungen waren provisorisch und ließen erkennen, daß dies nichts anderes war als der verzweifelte Versuch einiger Techniker und Wissenschaftler, gegen die Schattenkrieger einen Erfolg zu erzielen. »Vorsicht!« schrillte neben mir eine Stimme. Ich reagierte schnell und richtig. Ich schob eine Vielzahl kleiner Hebel nach vorn. Meßgeräte mit großen Speichern liefen an. Unterschiedliche Hyperenergien wurden mehr oder weniger stark gebündelt abgestrahlt, als die ersten Schatten im Licht der Tiefstrahler rund um den Hypersender auftauchten und augenblicklich auf die Frontplatten der Geräte feuerten. Noch mehr Schattenkrieger! Mindestens zwei Dutzend, sagte ich mir und beobachtete das wimmelnde Durcheinander von undeutlichen Schemen. Ich prägte mir das Aussehen derjenigen ein, die sich ein wenig klarer gegen hellere Teile des Hintergrunds abhoben. In ihrer Schattengestalt sah ich sie nur ganz kurze Zeit. Dann ertönten in das Dröhnen der Waffen, das Klirren der Geschütze und das Summen unserer Geräte hinein rauhe Kommandos in einer lauten, niedrigfrequenten Sprache. Für wenige Augenblicke erstarrten die fremden Zerstörer. Dann wurden sie dreidimensional, verwandelten sich unter unseren Augen in wirkliche, faßbare Wesen. Die Schattenwesen wurden dort real, wo sie ein Streukegel eines Geräts erfaßte. Alles ging unfaßbar schnell vor sich. Ohne davon zu wissen, drangen unsere Raumsoldaten in den Hangar ein. Sie schwebten von Deckung zu Deckung, während die Fremden in ihrem Hasten und Rennen miteinander kollidierten und laute Schreie ausstießen. Wieder wurden einige zurückverwandelt
in Projektionen aus verschiedenen, halb durchsichtigen Grautönen. Kampfanzüge und Raumanzüge verloren ihre Farbe, Metall hörte zu schimmern und zu funkeln auf, und im nächsten Moment war wieder alles wie zuvor. Ein schauerliches Kaleidoskop, eine Art Tanz um die brennende, glimmende und funkengarbensprühende Säule der zerstörten Hyperraum‐Funkstation. Der Duusnorzer am Kontrollpult neben der Anlage – wir hatten die ziemlich naturgetreue Plastik aus einem Ausbildungszentrum dorthin gesetzt und festgeklebt – war verbrannt; sein Schutzanzug war verschmort und lag rauchend über dem Bedienungspult. Das gezielte Feuer unserer Soldaten schlug den Schattenkriegern entgegen. Einige von ihnen brachen zusammen und starben. Es waren also lebende Wesen, keine Maschinen. Soviel stand für uns bereits jetzt fest. Ich schwebte langsam rückwärts, auf den zweiten Beobachtungsstand zu. Von hier aus konnte ich nicht mehr in die Funktion der bunt zusammengewürfelten Hyperenergiegeräte eingreifen. Die Duusnorzer hatten den Schauplatz des Überfalls eingekreist. Sie gaben gezielte Schüsse ab. Einige von ihnen trafen unsere Geräte, und es gab kleine, aber unerhört harte Entladungen und Explosionen. Die Schattenkrieger wehrten sich mit ihren schweren Waffen, aber die Verteidiger waren in jeder Hinsicht überlegen. Die Fernsehzuschauer unseres Sonnensystems filmten den Überfall und die folgenden Ereignisse mit. Jeder Planetarier auf Laarcrandel sah, was hier geschah. Minuten oder Stunden später trafen Bilder, Geräusche und Kommentare auf den anderen Planeten ein. Zwei Schattenwesen verschwanden, obwohl sie dreidimensional geworden waren. Drei andere wurden getötet, und ich bemerkte auf einem Gerät, wie ein Zeiger dreimal bis ins Maximum ausschlug. Überdies registrierte ich etwas ganz anderes. Für keinen von uns war diese Empfindung besonders neu oder erregend.
In jedem Kommentar seit Anfang der Überfälle, jedem Gespräch, jeder Nachrichtensendung erwachten wieder auf allen sechs Planeten die alten bekannten Tugenden und Überlegungen. Bisher hatten wir Krieg gehabt. Dann folgte eine kurze Phase des Friedens und der Hoffnung auf Ruhe. Und nun verwandelte sich jeder erwachsene Duusnorzer wieder in einen Kämpfer, einen Mann, der entschlossen war, jeden Angreifer gleich welcher Größe mit allen Kräften zurückzuschlagen. Eine Welle kollektiver Kriegshysterie ging durch das Sonnensystem. Mein Multiorgan konzentrierte sich gleichzeitig auf das gesamte Spektrum der Ereignisse. Ich sah, wie substantiell gewordene Schattenwesen brüllend und tobend auf unsere Raumsoldaten feuerten. Ich bemerkte, wie die Verteidiger einen Angreifer nach dem anderen töteten. Und ganz plötzlich, übergangslos, verschwand das gesamte Bild. Ein Kreis im Boden der Halle, fünfhundertmal so groß im Durchmesser wie einer unserer Körper, verwandelte sich in gähnende Schwärze. Die Geräte, die Dachträger, ein Teil des Daches, die Leichen der Angreifer und ausnahmslos alle Geräte unserer Versuchsanordnung – weg! Die getöteten Schattenwesen, ein rundes Stück des Hallenbodens, einige der beobachtenden Techniker, und sämtliche Geräte unseres Versuches waren verschwunden wie der Mond Lootyndol. Nur noch der Ring der Verteidiger, mein zweiter Schaltplatz und die glühenden und rauchenden Trümmer waren übriggeblieben. Ununterbrochen summten in der furchtbaren Stille die Kameras. Sie übertrugen die Bilder des Entsetzens. Endlich war ich in der Lage, mich zu bewegen. Ich verließ meine Sitzmulde, schwebte hinüber zu einer Studiokamera und hob langsam die Hand. »LCʹFenya Vier spricht. Alle Duusnorzer haben gesehen, daß es uns gelungen ist, mit Hilfe von Hyperenergien die Schattenkrieger
sichtbar und zu wirklichen Wesen zu machen. Welche Art von Energie es war, werden wir nicht mehr feststellen können, denn alle Aufzeichnungen sind ebenfalls verschwunden. Zwischen den vielen Fällen des rätselhaften Verschwindens und den Schattenwesen besteht also ein enger Zusammenhang. Viele der Techniker und Wissenschaftler, die dieses Experiment ermöglicht haben, wurden ins Verschwinden mitgerissen. Spurlos. Wir wollten wenigstens einen der Schattenkrieger fangen, aber eine weitaus mächtigere Wesenheit, die uns haßt und verderben will, hat dies unmöglich gemacht. Durch einen Zufall bin ich übriggeblieben. Vhoyssa! Alle Duusnorzer auf sechs Planeten wissen nun, daß sie einen erbarmungslosen Feind haben. Bis jene Solaner kommen und uns vielleicht helfen können, sind wir auf uns gestellt. Wir werden uns wieder bewaffnen – denn anstelle des bekannten Feindes der letzten Jahrhunderte ist ein anderer, unbekannter Gegner getreten!« Während ich sprach, hatte sich meine Haut verändert. Tiefe Schatten durchzogen die durchsichtige Schicht. Ich war völlig erschöpft und schwebte langsam in mein Quartier, das weit abseits des schrecklichen Ortes lag, idyllisch unter den Bäumen der Parkanlagen. Die elf riesigen, schlanken Wohnhäuser im Mittelpunkt der Stadt lagen im hellen Sonnenlicht. Sie schienen zu vibrieren. Ebenso wie Millionen und aber Millionen von Duusnorzer‐Kriegern, die sich jetzt bewaffneten und zugleich mit den Waffen wieder den Mut, die Entschlossenheit und den Willen zum Kämpfen und Töten aufnahmen. Wir stellten uns! Aber … wo war der Feind? *
Auf den Ortungsschirmen zeichnete sich die Projektion des Zielsystems ab. Die SOL war im Normalraum und drosselte ihre Fluggeschwindigkeit. Das Schiff war von einem Gewimmel von Sternen umgeben, und die Sonne Czett war ein Punkt unter unzähligen anderen, vor einer kühnen Spirale aus kosmischem Staub, am Rand des ungeheuerlichen Wulstes, der die Zone bildete, in der sich zwei galaktische Kerne miteinander vermengt hatten. Die annähernd exakt kreisrunden Bahnen der sechs Planeten erschienen, die Kennziffern für die Art der betreffenden Planeten, und SENECA blendete die Informationen von Anterf ein. Naarvym, der sonnennächste Planet, war unbewohnbar und lediglich eine Schürfstelle für Metalle. Duusnorz, eine erdähnliche Welt, kühl und groß wie Anterf, drehte sich sieben Lichtminuten entfernt um Czett. Auf diesen Planeten steuerte die SOL zu. Ceerme, der dritte Planet, war die Heimat von Stützpunkten, Bergwerken und lieferte Rohstoffe. Eine karge Welt von Marscharakter. Voonwarth folgte, eine Agrarwelt, dann die Heimat – und Wohnplanet Yiither, gefolgt vom letzten Großplaneten Laarcrandel – sie alle waren von Duusnorz aus besiedelt worden wie auch viele der insgesamt vierzehn Monde. Fünfzehn waren es vor dem rätselhaften Verschwinden des Lootyndol gewesen. Tyari berührte unruhig den Griff ihres Strahlers, den sie unter der linken Achsel trug. »Hyperfunk scheidet also aus«, sagte sie halblaut »Hat sich die Ortung schon in die Kommunikationsnetze der Planeten einschalten können?« Die Antwort aus der Ortungsabteilung kam augenblicklich. »Wir sind in wenigen Sekunden fertig. Geduld, Freunde!« »Vhoyssa!« meinte Tyari halb scherzhaft. Die Vorstellung, in wenigen Stunden mit Wesen verkehren zu sollen, die nicht größer als dreißig Zentimeter waren, störte nicht sonderlich – es würde nur gewisse technische Probleme bereiten, wenn die Solaner versuchen würden, die Siedlungen der
Duusnorzer zu betreten. Es würde stets der Versuch sein, eine Spielzeugstadt nicht zu beschädigen. Atlans und Tyaris Gedanken waren seit geraumer Zeit auf dasselbe Ziel gerichtet: Klarheit über das weitere Vorgehen. Ihre Versuche, ihn zu reizen und durch scheinbare Eifersucht zu ärgern, schienen nur Mittel zu einem Zweck gewesen zu sein, nämlich ihn nach Bars‐2‐Bars zu locken. Ihn und die SOL. Nun waren sie in der Doppelgalaxis, und es herrschte zwischen ihnen ein Verhältnis, das dem Arkoniden durchaus zusagte. Aber vergiß nicht, daß sie eine Gesandte, also ein Werkzeug Tyars ist. Und kalkuliere ein, daß sie Telepathin ist. Achtung also! warnte der Logiksektor. Sekunden später flimmerten zweidimensionale Bilder auf den Schirmen und stabilisierten sich schnell. Die Solaner blickten in einen Raum hinein, der sich in einem Regierungsgebäude befinden mochte. Im Vordergrund, auf einem Podium voller Sitzschalen und großer Schreibtische, neigten sich die Organantennen von fünfzehn oder zwanzig Duusnorzern den Linsen und Mikrophonen und der technischen Einrichtung entgegen. Vor Breckcrown Hayes befand sich das Mikrophon, das seine Worte in die Sprache der Anterferranter übertrug, noch waren nicht genug Einzelheiten der fremden Sprache gespeichert. Atlan meinte zu erkennen, daß sich alle Duusnorzer in diesem Zentrum in heller Aufregung befanden. Ihre Antennen zitterten und pendelten hin und her, und ihre Körper waren keineswegs durchsichtig. Langsam sprach der High Sideryt. »Wir sind die Solaner, unser Schiff, die SOL, befindet sich im Anflug auf euren Planeten Duusnorz. Ztyrrh, der Mann von Anterf, und sein Freund Shorrn schickten uns, um euch zu Hilfe zu kommen.« Die Lautsprecher rauschten, und dann schlug den Terranern aufgeregtes Geschrei entgegen. Die Translatoren verweigerten
streckenweise ihre Arbeit. Wortfetzen waren zu verstehen. »… Schattenkrieger … real geworden … Feinde …« Ruhig meldete die Nahortung: »Von den Planeten zwei bis vier starten in diesen Augenblicken riesige Schwärme kleiner Raumschiffe.« Überrascht und unruhig wandte sich Breckcrown an Cara und ordnete an: »Schutzschirme aufbauen und auf dreiviertel Kapazität hochfahren.« »Verstanden.« Auf allen Gesichtern zeichnete sich Erstaunen ab. Mit allem hatten die Solaner rechnen müssen, nicht aber mit diesem Schrecken und offener Feindseligkeit. Atlan hob den Arm und rief Breck zu: »Möglicherweise sind die Funksprüche von Anterf nicht durchgekommen. Oder zumindest wurde ihr Inhalt mißverstanden.« Wenn alle Informationen stimmten, dann war Hyperfunkverkehr zwischen Anterf und dem Czett‐System nicht mehr möglich. Also konnten die Anterferranter den offensichtlichen Irrtum auch nicht mehr berichtigen. Atlan schaltete sich in die Funkleitzentrale und sagte: »Ruft die Verantwortlichen von Anterf. Schildert ihnen, was hier vorfällt. Sie sollen über ihre Fernraumschiffe versuchen, die Duusnorzer zu belehren. Legt die Gespräche hierher in die Hauptzentrale.« »Alles klar.« In der Hauptzentrale legte sich die erste Enttäuschung. Die Ortungsschirme zeigten unmißverständlich, daß sich ganze Flotten kleiner, aber überraschend schneller Schiffe dem Eindringling ins System näherten. Es würde zumindest zwei Stunden dauern, wurde blitzschnell errechnet, bis die ersten Schiffe in bedrohlicher Nähe heran waren. Inzwischen hatten die Translatoren mit SENECAS Hilfe soviel
sprachliche Informationen gesammelt, daß ein Teil der aufgeregten Schreie aus dem Regierungssaal verständlicher wurde. »Das sind die Schattenwesen!« lautete ein immer wiederkehrender Satz. »Sie sind real geworden. Ein ganzes, gigantisches Schiff voller Schattenkrieger!« »Das sind nicht die Freunde, die aus dem Barsanter‐System kommen!« Ein Chor von hellen Stimmen herrschte vor. Er rief etwa folgende Sätze: »Vergleicht die Bilder! Unsere Aufnahmen und die Bildschirme aus der angeblichen SOL! Es sind die Angreifer!« Atlan schüttelte den Kopf und murmelte: »Sie verwechseln uns! Für uns ist das deutlich geworden. Aber sie denken, wir wären irgendein Feind von ihnen. Womöglich derjenige, der ihren Mond gestohlen hat. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht derart ernste Bedeutung hätte.« Die SOL driftete schräg in die Ebene der Ekliptik ein. Alle Planetenbahnen verliefen, bis auf winzige Abweichungen, auf einer gedachten Ebene; es gab keine exzentrischen Bahnkurven. Direkt voraus drehte sich Duusnorz. Eine fast erdgroße Welt mit einer Oberflächenschwerebeschleunigung von knapp unter einem g, grün und wasserreich. Die Sonne spiegelte sich auf einem riesigen Ozean. »Es muß die SOL sein!« schrie ein Duusnorzer auf dem vordersten Pult. In den Augen der Solaner gab es kein einziges Merkmal, um Duusnorzer voneinander zu unterscheiden. Nur die Krieger hinter der Versammlung, die glockenförmige Rüstungen über ihren schwebenden Körpern trugen, mit gepanzerten Armröhren und eine Art Visier vor den optischen Multiorganen, waren durch Chiffren und farbige Streifen gekennzeichnet. »Wir wissen nicht einmal, wie sie aussieht. Es ist kein Vergleich mit den wenigen Bildern aus Anterf möglich!« schrillte ein anderer. Unverändert standen die Bildfunkverbindungen und die
Tonleitung. Hayes knurrte: »Diese Narren! Sie übertragen sicher jedes Wort systemweit. Wir hätten ihnen Blödel oder Wuschel als Kontaktpartner schicken sollen.« »Zu spät – vorläufig!« sagte Tyari skeptisch. »Ich denke, ihre Spindelschiffchen können uns nichts anhaben.« Sie hatte die Informationen aus Anterf studiert und Grund zu dieser Einschränkung. Die Gefahr ging auch nicht von den unzähligen Schiffen aus, sondern von der Tatsache, daß die Bewohner von sechs Planeten durch ihren Irrtum die Solaner unnötig lange aufhielten, keineswegs kooperativ sein würden und zumindest erhebliche Verwirrung stifteten. Wieder versuchte der High Sideryt, die Duusnorzer zu überzeugen. »Wir, die Solaner, kommen als Freunde und Helfer. Wir wurden von Shorrn und Ztyrrh geschickt. Wir kommen, um das seltsame Verschwinden eures Mondes zu untersuchen. Duusnorzer! Wir kämpfen gegen denselben Feind.« »Schattenkrieger! Wir greifen sie mit aller Macht an!« kam es aus den Lautsprechern. »Es sind andere! Auch wenn sie gleich aussehen!« riefen andere Duusnorzer. Die Verwirrung war vollkommen, und seltsamerweise ging von den vielen kleinen Wesen eine gefährliche Entschlossenheit aus. Atlans Extrahirn meldete sich. Offensichtlich halten sie euch für Schattenwesen, die dreidimensional geworden und daher angreifbar sind. Mit Sicherheit hatten sie schlechte Erlebnisse mit den Schattenkriegern. Auch der neuerliche Anruf Breckcrowns, in beschwörendem Ton vorgetragen, nützte nichts. Cara Doz erkundigte sich: »Soll ich den Anflugkurs beibehalten?« »Ja. Keine Änderung. Trotzdem – Alarm für die Feuerleitstellen!« »Alarm bestätigt.«
Fast sämtliche Solaner verfolgten die chaotischen Szenen in den Reihen der Duusnorzer und das aufgeregte Hin‐ und Herschweben der Wassertropfenwesen. Die Translatoren versuchten, etwas von dem aufgeregten Stimmengewirr zu übersetzen. Tyari sagte zu Hayes: »Es ist zu hoffen, daß nicht die Bevölkerung aller Duusnorzer‐ Planeten von der Massenhysterie befallen ist. Ein paar Besonnene müßte es eigentlich noch geben. Ich bin sicher, daß die Schattenwesen ihre Kämpfe oder was auch immer längst beendet haben.« »Wir wissen nicht, was vorgefallen ist«, sagte Breiskoll. »Da! Die Verbindung mit Anterf steht.« Auf dem Bildschirm zeichnete sich der unverwechselbare Schädel Shorrns ab. Er wirkte unsicher und nickte kurz. Dann rief er: »Wir haben vor kurzer Zeit die letzten Hyperfunksignale von Duusnorz aufgefangen. Es fanden in einer Versuchsanordnung Kämpfe mit Eindringlingen statt, die zunächst wesenlos waren und flüchtigen Schatten glichen. Dann, unter dem Einfluß von Hyperenergien, wurden sie substantiell. Bei der erbitterten Gegenwehr der Duusnorzer wurden viele von ihnen getötet. Dann riß die Verbindung ab; wir empfangen keine Hypersignale mehr – jetzt natürlich über das zurückgelassene Relais eures kleinen Schiffes. Eine Warnung! Unterschätzt die kleinen Duusnorzer nicht! Sie sind harte Kämpfer und haben ihren Gegnern lange Kriege geliefert! Solaner Atlan – schaltet mich in euer Netz. Vielleicht kann ich den Duusnorzern zu einer anderen Sicht der Dinge verhelfen.« »Mit Vergnügen, Shorrn!« entgegnete Hayes. »Sofort.« Die Bilder auf den Monitoren wechselten. Sekundenbruchteile später sahen die Duusnorzer statt der vermeintlichen Schattenwesen ihren Freund aus dem Barsanter‐System. Hage Nockemann tauchte in der Zentrale auf und meinte mürrisch:
»Für mich ist es klar. Die Kleinen verhalten sich völlig pragmatisch. Sie sehen, daß wir dreidimensional sind, und meinen, aufgrund dieser Tatsache wären wir leicht umzubringen oder zurückzuschlagen.« »Aus diesem Grund«, bestätigte Tyari, »werfen sich uns Tausende von Raumschiffen entgegen.« Die Ortungsschirme ließen es in aller Deutlichkeit erkennen. Sechs Flotten hatten sich formiert. Die drangen in sichelförmigen Halbkreisen gestaffelt, auf die SOL ein. Hayes gab Befehl, zunächst abzuwarten und dann erst, nach erfolgtem Angriff, mit den Narkoprojektoren und den Schockwaffen zurückzufeuern, nickt mit tödlichen Transformkanonen. Inzwischen versuchte der Anterferranter, die Duusnorzer zu überzeugen. Eine Entwicklung zeichnete sich immer klarer ab, die man in der Zentrale der SOL geahnt hatte: die Duusnorzer hielten Shorrn für eine Projektion, für ein Täuschungsmanöver der Schattenwesen. Sie glaubten ihm nicht; wenigstens die Mehrheit der Vertreter. Die Solaner hörten seine Worte und verstanden sie klar und deutlich. Er versicherte den Duusnorzern, wie es sich wirklich verhielt, aber als er sich schließlich an die Besatzung der SOL wandte, fauchte und knurrte er wütend und unbeherrscht. »Sie glauben mir nicht! Sie unterstellen euch, sie sehr geschickt zu täuschen. Ausgerechnet mit mir! Ich schaffe es nicht!« Atlan versicherte: »Wir bleiben in Funkverbindung. Du wirst erfahren, was wir erreichen. Natürlich rechnen wir mittlerweile mit ernsthaften Verwicklungen.« »Das solltet ihr tun. Ich warte!« »Das kann ein ziemlich langes Warten werden, Shorrn«, wandte Tyari ein. »Ich will es so!« bekräftigte der Anterferranter. Die Schiffe der Duusnorzer griffen an. Sie feuerten einen
gewaltigen Schwarm kleiner Raketen ab, die halb so lang waren wie die Schiffe selbst. Hunderte von Projektilen rasten, lange Feuerstrahlen hinter sich herschleppend, auf die Schutzschirme der SOL zu. Die Feuerleitzentralen reagierten nicht, aber jedes einzelne Schiff stand unter Beobachtung. Majestätisch langsam schwebte das riesige Raumschiff weiter auf den zweiten Planeten zu. Atlan wandte sich an den High Sideryt. »Wir haben auf dem normalen Weg keinen Erfolg, sondern eine denkbar schlechte Begrüßung gehabt.« Im gleichen Augenblick eröffneten einige Strahlengeschütze das Feuer auf die heranrasenden Raketen. Zuerst zuckten dünne Blitze durch das Weltall, dann blähten sich rund um die SOL an mehr als dreißig Stellen kleine, stechende helle Feuerbälle auf. Die ersten Projektile schlugen in die Schutzschirme und detonierten dort lautlos und blendend. Eine zweite Welle folgte und löste sich ebenso auf. Diese Waffe der Duusnorzer war gegenüber der SOL wirkungslos. Das gelegentlich aufzuckende Abwehrfeuer wurde eingestellt. Atlan sprach weiter. »Das bedeutet, daß wir uns etwas anderes einfallen lassen müssen. Ich bin dafür, mit zwei gut ausgerüsteten Schiffen auf Duusnorz zu landen und ihnen vorzuführen, daß wir nicht die erwarteten Schattenkrieger sind.« »Das wäre eine Alternative«, stimmte Tyari zu. Die Angriffe der Duusnorzer‐Flotten wurden stärker. Ununterbrochen rasten kleine Gruppen Raketen heran und explodierten im Feld der Abwehrschirme. Die Schiffe hatten die SOL fast völlig eingeschlossen. Cara Doz leitete ein schnelles, waghalsig erscheinendes Ausweichmanöver ein. Sie versetzte die SOL in langsame Drehung, so daß das Schiff wie eine herumwirbelnde Hantel wirkte, dann beschleunigte sie und zog das Schiff durch die klaffende Lücke in der unregelmäßigen Hohlkugel aus Raumschiffen. Wie ein riesiger, plötzlich aus seiner Bahn rasender Mond walzte
das Schiff auf die Duusnorzer zu. Ihre Raumschiffe wirkten wie Schwärme kleiner Einmann‐Gleiter der solanischen Bauweise. Sie mochten mutige Krieger sein, aber vor diesem riesigen Brocken aus glänzendem Metall, in die fluoreszierenden Schirme gehüllt, flüchteten sie. Die Kommandanten steuerten ihre Schiffe in alle Richtungen davon. Einige der Raumschiffe kollidierten miteinander und wurden beim Kontakt mit den Schirmen förmlich davongeprellt. Die SOL stabilisierte ihre Fluglage wieder, und mit der SZ‐1 voraus flog sie einen riesigen Vollkreis aus. Die meisten Schiffsverbände versuchten, ihr zu folgen und erhoffen sich wohl einen Erfolg. Aber sofort änderte Cara den Kurs erneut und steuerte auf Duusnorz zu. Der Planet, direkt voraus, zeichnete sich bereits als kleine, voll ausgeleuchtete Kugel ab. Die SOL hatte die Sonne Czett in gerader Linie hinter sich. In unheilvoller Ruhe bemerkte der wartende und beobachtende Anterferranter: »Euer Manöver hat sie sicher nicht friedlicher gestimmt. Ich entnahm ihren Antworten, daß sich jeder einzelne Duusnorzer aufgerufen fühlt, diesen neuen Kampf zu gewinnen. Die Enttäuschung, daß nach dem ersten Frieden nur das Aussehen der Feinde gewechselt hat, ist zu groß. Sie vertragen diesen Schock nicht.« »Wir sind nicht ganz ungeschickt, Shorrn«, bemerkte Tyari und lächelte ihn verbindlich an, »auf nachdrücklichem Verhandlungsweg die Planetarier eines Besseren zu belehren. Wir versuchen es auch hier.« »Viel Glück.« Die meisten Schiffe der Flotte waren jetzt zu Verfolgern geworden. Vorübergehend hatte Caras Manöver sie abgeschüttelt. Jetzt holten sie wieder auf. Aufgeregt meldete sich ein Diensthabender aus der Funkabteilung. »Atlan! Tyari! Ich habe einen Funkkontakt. Jetzt … jetzt habe ich
auch das Bild dazu. Einige Duusnorzer wollen die beiden Schattenwesen, die einander so ähnlich sind und weiße Organantennen haben, persönlich sprechen. Es kann sich nur um wichtige Leute handeln, also habe ich den Bildschirm in deinem Arbeitszimmer aufgeschaltet!« »Danke. Geht in Ordnung. Vergiß die Übersetzung nicht.« »Keine Sorge. Wir haben das Bereit‐Zeichen von SENECA.« Atlan und Tyari rannten aus der Zentrale hinaus, über halbleere Korridore und nach SOL‐City. Das Schott schwang lautlos auf. Der Bildschirm war bereits aktiviert und zeigte einen fremdartig aussehenden Innenraum, indem vier Duusnorzer in ihren zylinderförmigen Sitzmulden schwebten. Es schien sich um eine Schaltzentrale zu handeln, denn die Wände des Raumes waren voller Geräte, hell leuchtender Anzeigen und Bildschirme. Atlan und Tyari blieben zunächst vor den Linsen stehen, dann dachten sie gleichzeitig an den beträchtlichen Größenunterschied und setzten sich. Andererseits, fuhr es Atlan durch den Kopf, gab es für den Gesprächspartner im Moment noch keine Möglichkeit, die Größen unterscheiden zu können. Langsam sagte er: »Ihr wollt uns sprechen?« »Wir wollen. Ich bin DNʹCarx Vier. Unser Volk ist im Aufruhr. Wir versuchen, Klarheit zu bekommen.« Inzwischen arbeiteten die Übersetzer in beiden Richtungen fast fehlerfrei. Der Arkonide gab zurück: »Es ist nicht schwer, die Wahrheit herauszufinden. Wären wir wirklich die erwarteten Schattenkrieger, hätten wir uns nicht offen gezeigt. Wir kommen ohne Aufenthalt aus dem Barsanter‐System. Mit Ztyrrh, Shorrn und den anderen stehen wir über Hyperbildfunkverbindung in engstem Kontakt. Wollt ihr mehr Beweise?« Ein anderer Duusnorzer meldete sich zu Wort, indem er beide Arme hob und abwinkelte.
»Wir sind im Normalfunk‐Sendezentrum. Eine große Gruppe Techniker und Nachrichtenfachleute. Wir sind nur wenige, die nicht dem Augenschein glauben. Praktisch alle Duusnorzer werden bis zum letzten Tropfen Aderflüssigkeit gegen euch kämpfen.« Tyari unterbrach. »Berichtet uns zuerst, was wirklich passiert ist. So kurz und informativ wie möglich. Für Fachleute sollte es keine Schwierigkeit sein.« »Kaum. Hört zu. Wir zeigen euch auch Bilder, die wir von den Angriffen mitgeschnitten haben.« Es dauerte etwa zwanzig Minuten. Tyari und Atlan hörten schweigend zu. Jedes Wort und jedes Bild wurde von SENECA aufgenommen und ausgewertet. Ein Monitor übertrug sämtliche Phasen des Berichts in die Hauptzentrale. Die Solaner erfuhren die Einzelheiten des seltsamen Verschwindens von einzelnen Personen, Raumschiffen und des Mondes Lootyndol, und sie sahen Szenen, in denen die Schattenwesen erbarmungslos zuschlugen. Am aufschlußreichsten waren die Invasion und die Kämpfe im Raumschiffshangar, in deren Verlauf das letzte Hyperfunkgerät des Czett‐Systems mitsamt der halben Halle verschwanden. »Zuerst müssen wir es schaffen, zwischen Duusnorzern und uns Einigkeit und ein bestimmtes Vertrauen herzustellen«, sagte Tyari rasch. »Ihr seid an der Wahrheit interessiert. Wollt ihr mit euren Kameras und Nachrichtengeräten und den Technikern in unser Schiff kommen?« Offensichtlich hatte sie einen vielversprechenden Punkt angesprochen. In den Reportern und Journalisten schien Berufsehrgeiz zu erwachen. »Wir wären die ersten, die so etwas versuchen. Aber wie kommen wir in euer Schiff?« Auf den kleinen Bildschirmen im Hintergrund sahen die Solaner Aufnahmen der SOL aus dem Weltraum. Die Informationen kamen von einzelnen Kriegsschiffen, die auch die nutzlosen Angriffe der
Flottenabteilungen zeigten. »Wir schicken ein Beiboot«, schlug Atlan vor. »Erschreckt nicht, denn es ist größer als eine Stadt von euch. Und es wird Schwierigkeiten mit der Landung geben, den wir wollen nichts zerstören.« »Eure Schiffe können, im Gegensatz zu euch, schweben?« »Ja. Auch wir, mit Hilfe bestimmter technischer Einrichtungen.« »Könnt ihr uns finden?« »Könnt ihr ein modifiziertes Funksignal schicken? Dann fliegen wir diesem Peilstrahl entlang. Aber es muß alles gut vorbereitet werden. Wir wollen nicht, daß wir uns gegen schwere Angriffe mit ebensolchen Waffen wehren müssen.« »Unser Senderkomplex liegt nicht im Zentrum einer Stadt. Wir haben ihn abseits, in Meernähe, errichtet. Ihr könnt über dem Wasser bleiben.« »Das klingt nicht schlecht.« »Ist es euch möglich, diese Leitung über längere Zeit hinweg zu betreiben?« fragte Tyari. »Möglicherweise mit Unterbrechungen.« »Wir melden uns bald wieder«, meinte Atlan. »Dann werden wir beschlossen haben, auf welche Weise wir diese unsinnigen Angriffe und die vermeintliche Feindschaft aus der Welt schaffen.« Die Ortungsabteilung und die Funkzentrale hatten inzwischen ohne Schwierigkeiten den Standort des Senders herausgefunden und ihn in eine präzise Weltraumkarte von Duusnorz eingezeichnet. Entsprechende Vergrößerungen lagen vor, denn die SOL befand sich weniger als eine Lichtminute von der Planetenoberfläche entfernt. In der Zentrale nickte Breckcrown Hayes den beiden Weißhaarigen mit breitem Grinsen zu. »Gut eingefädelt, Arkonide! Willst du wirklich dort hinunter?« Er zeigte auf die Reihenaufnahmen des Planeten. Sie waren gestochen klar und sowohl in den Farben als auch in der
holografischen Wiedergabe so exzellent, wie die Solaner es von ihren Geräten und den Spezialisten in der Ortungsabteilung gewohnt waren. Bilder dieser Art zählten für jeden einzelnen Solaner zu den Selbstverständlichkeiten. »Das Risiko ist nicht gerade gering«, sagte Atlan nachdenklich. »Ich rechne sogar damit, daß die Duusnorzer versuchen, uns zu übertölpeln. Aber ich würde es riskieren. Stellt euch vor: sie empfangen Bilder und Nachrichten, gesendet von ihren eigenen Leuten.« »Gleichgültig, was sie senden und kommentieren«, mischte sich Hage Nockemann ein und fuhr mit allen zehn Fingern durch sein mittlerweile nachgewachsenes und längst wieder ungepflegtes Haar, »es liefe darauf hinaus, daß wir nicht die Schattenkrieger sind, sondern einigermaßen kuriose, aber hilfreiche Solaner.« Tyaris Meinung stand längst fest. »Ich würde einen Kreuzer losschicken, schwer bewaffnet und mit hochgefahrenen Schutzschirmen. Dann kommen einige Dutzende Duusnorzer an Bord und sehen uns, wie wir wirklich sind. Sie könnten natürlich auch ohne zeitlichen Verlust mit Anterf sprechen – vielleicht hilftʹs? Wer weiß?« Unaufgefordert meldete sich SENECA. »Hülfe es nichts, das wüßte ich aber. Unter streng rationalistischer Betrachtungsweise, meiner eigenen also, spricht vieles für diesen Versuch. Das Risiko ist minimal, die Effolgschancen sind sehr groß.« Hayes murmelte etwas. Es hörte sich an wie: »Danke für die wohlwollende Unterstützung.« Mit Atlan und Tyari verständigte er sich wortlos, mit ein paar Gesten und Blicken. Dann gab er Befehl, die SZ‐2‐018 startklar zu machen, einen Kreuzer mit dem beziehungsreichen Eigennamen TRASH CAN. Es war eines der Beiboote, die in den letzten Monaten auf Kiel gelegt wurden und den modernsten Stand der SOL‐Technik darstellten. Die CHYBRAIN und die FARTULOON wurden gerade gewartet und waren nur bedingt einsatzbereit.
»Etwas Ähnliches schwebte mir vor«, kommentierte der Arkonide und schlug dem High Sideryt auf die Schulter. Hage winkte aufgeregt. In der Zentrale herrschte für kurze Zeit Ruhe und eine gewisse Gelassenheit. Noch waren die unzähligen Verfolgerschiffe nicht nahe genug herangekommen, um die Solaner ernsthaft zu belästigen, aber in wenigen Minuten würde es wieder soweit sein. Die SOL schwebte in einem Orbit über dem Planeten, ziemlich genau siebzigtausend Kilometer von der Oberfläche entfernt, und jederzeit würde das riesige Schiff ein neues Ausweichmanöver einleiten können, um nicht in Kämpfe verwickelt zu werden. Die Solaner rechneten damit, daß es ihnen in absehbarer Zeit gelingen würde, die Wassertropfenwesen zu überzeugen. Seit dem Start von Anterf waren weniger als vierundzwanzig Stunden vergangen. Atlan durchquerte die Hauptzentrale und blieb vor dem Monitor stehen, der unverändert den Arbeitsraum des Anterferranters zeigte. »Shorrn! Du hast verstanden, was sich mittlerweile geändert hat?« »Jedes Wort davon. Ich schalte mich vorübergehend aus dem Funkverband. Ruft mich, wenn etwas Aufregendes passiert. Spätestens dann, wenn sich die Duusnorzer in der SOL befinden.« »So verbleiben wir!« bestätigte der Arkonide. »Nach deiner Kenntnis der Wassertropfenwesen … gehen wir richtig vor? Verspricht der Versuch einigen Erfolg?« Wieder knurrte der Mann von Anterf scharf und laut. Dann antwortete er: »Ich hasse wie auch ihr diese Art von Nötigung! Sie zwingt die Nachbarn in unserem Universum, sich gegenseitig zu bekämpfen. Ich meine, daß selbst der aussichtsloseste Versuch gewagt werden sollte. Gebt acht, denn ich habe euch bereits vor der Entschlossenheit und der Kampfstärke der Winzlinge gewarnt. Ich meine, daß ihr die berufsmäßige Neugierde und den Ehrgeiz der Duusnorzer ausnutzen solltet.
Zumal wir alle wissen, wie die Wahrheit aussieht. Vielleicht, ich hoffe es mit allem Nachdruck, gelingt euch, was wir nicht schafften. Die Wissende möge euch dabei helfen.« In endgültigem Ton warf Tyari ein, nach einer aufreizenden Geste in Atlans Richtung: »Der Mann neben mir wird sicherlich alle seine Erfahrungen aufbieten, um unserem gemeinsamen Ziel einen Schritt näherzukommen. Besonnenheit, Klugheit und Risikofreudigkeit sind bei ihm gleichgewichtig ausgebildet.« Atlan und Shorrn wechselten einen langen Blick. Der Arkonide wandte sich ab und brummte: »Die geheimnisvolle Abgesandte Tyars hat, wie meist, völlig recht. Ich riskiere es.« Aus dem Schleusenhangar meldete die TRASH CAN Startbereitschaft. Atlan ging hinüber zur Emotionautin und sprach mit ihr die folgenden Manöver ab. In den Schirmen der SOL verglühten jetzt nur noch einzelne Projektile, und nur wenige Kampfschiffe, die nahe genug waren, feuerten mit Strahlengeschützen. Die Duusnorzer Raumfahrer hatten wohl einsehen müssen, daß ihre Kampftechnik diesem übermächtigen Gegner nicht gewachsen war. Die TRASH CAN schleuste wenige Minuten später aus. 5. In dem Augenblick, als sich wieder fast sämtliche Kampfraumschiffe in dichten Gruppen um die SOL versammelt hatten und es aussah, als wollten sie einen neuen Angriff vortragen, änderte das Schiff abermals seine Flugbahn. Aus der Kreisbahn ging es, mit schlagartig heraufgesetzter Geschwindigkeit, in eine Gerade über. Die Bahn zielte auf einen der kleinen Monde des Planeten. Wieder blieb die Flotte weit zurück
und fiel bei der Verfolgung hoffnungslos ins Hintertreffen. Am weitesten Punkt der Geraden, die scharf am Mond vorbeiführte, löste sich von der SOL eine metallisch schimmernde Kugel, passierte durch eine Strukturlücke die Schutzschirme und jagte in einer spiralförmigen Bahn davon. Plötzlich verschwand sie. Und tauchte auf derjenigen Seite des Planeten wieder auf, die dem Kampfgeschehen abgewandt war. Rechts von Uster Brick saß Atlan, vor sich den Monitor mit der planetaren Karte. »Ich hoffe, das wird ein Einsatz nach deinen Vorstellungen, Kleiner«, sagte der Arkonide. »Habt ihr den Peilstrahl?« Der Anflug war präzise vorbereitet. Die TRASH CAN ging tiefer, drang in die obersten Schichten der Lufthülle ein und flog entlang der Trennungsgrenze zwischen dem Land und dem großen Ozean auf den ausgesuchten Punkt zu. Auf dem Monitor erschien ein blinkendes Signal; der Standort der Sendeeinrichtungen, in denen die Duusnorzer um DNʹCarx 4 warteten. Tyari, die links vom Chefpiloten saß, musterte die Ortungsschirme. Hinter den Solanern schwebten sechs Roboter mit schußbereiten Schockprojektoren. »Es kann natürlich sein, daß die Duusnorzer uns eine Falle stellen wollen«, erklärte sie. »Zwar sehe ich noch kein einziges Schiff, das uns verfolgt, aber wir sind von Shorrn deutlich gewarnt worden.« Atlan deutete mit dem Daumen über die Schulter. Alle Besatzungsmitglieder trugen leichte Einsatzanzüge und waren mit Schockwaffen und Blastern ausgerüstet. »Deswegen, unter anderem, die Roboter.« Ein Monitor flammte auf und zeigte wieder die Duusnorzer aus dem Sendezentrum. Sie befanden sich in Aufbruchstimmung und hantierten mit Geräten, die tatsächlich wie TV‐Kameras und Recorder aussahen. Ein Tropfenwesen, bei dem es sich um DNʹCarx 4 handeln konnte, schwebte in den Vordergrund. Er winkte Atlan
und Tyari zu. »Wir erwarten euch in der Nähe der schwarzen Klippe. Es kann sein, daß man auf unseren mutigen Versuch aufmerksam geworden ist.« Die TRASH CAN schlug eine abwärts führende Kurve ein. Über dem Treffpunkt würde es, dem Sonnenstand entsprechend, später Morgen sein. Vor dem Schiff breitete sich das Meer aus, rechts kamen Bergzüge und breite, tiefgrüne Täler in Sicht. Eine der vielen Schalenantennen des planetaren Senders funkelte in einem stechenden Sonnenreflex auf. »Es dauert nur noch zwei Minuten«, sagte Uster. »Ich bleibe dicht über den Wellen.« »Verstanden. Schutzschirm an. Halbe Kapazität.« »Wird ausgeführt.« »Schleuse B öffnungsbereit. Sie ist für die kleinen Wesen nicht zu übersehen.« Inzwischen hatte sich das Beiboot der SOL in ein funkelndes, im Strom der verdrängten Luftmassen heulendes Etwas verwandelt, das über dem Muster der langgezogenen Wellen in einem Halbkreis herumschwang, dabei tiefer ging und eine gewaltige Fahne zerstäubten Wassers hochwirbelte. Die Küste kam näher. Vor einer Zone, die aus Wald und großen, bewachsenen Lichtungen bestand, erhob sich eine schräge, gezackte Felsmasse. Es mußte die schwarze Klippe sein. Die Brandung brach sich an wuchtigen Felsbrocken zu ihren Füßen. Atlan stand auf, sah weit im Landesinnern die kantigen Bauwerke der Sendestationen und die verschiedenen Antennen auftauchen und erkannte, daß der Treffpunkt exakt angeflogen worden war. Das Raumschiff schwebte über dem Wasser langsam auf die schwarze Felsnadel zu. Objektive richteten sich auf die Umgebung der Klippe. Die Insassen der SOL konnten jeden Vorgang mitverfolgen; ununterbrochen wurden die Informationen ausgetauscht. Auch Shorrn hatte sich über das Relais‐Raumschiff auf Anterf wieder
dazugeschaltet. Die Flotte der Duusnorzer war in Verwirrung geraten. Einige Schiffe verließen die Formationen und schlugen Flugbahnen ein, die sie mit größter Wahrscheinlichkeit zurück in ihren Heimatbasen bringen würden. Uster Brick schnalzte mit den Fingern und rief: »Ich habe sie! Links vom Felsen.« Atlan sah, bevor er die Zentrale verließ, daß sich einige Dutzend winziger Punkte neben der hochragenden Gesteinsmasse zusammenballte. Sie schwebten in unterschiedlicher Höhe über dem sandigen Uferstreifen. Der Arkonide war kurze Zeit später in dem Schleusenraum, in dem drei funkelnde Gleiter in ihren Befestigungen ruhten. Ein kleines Empfangskommando hatte sich bereits versammelt. Roboter schwebten herein und bewegten ihre Paralysatoren. »Schleuse auf!« Interkom‐Schirme flammten auf. Die Linsen richteten sich aus. Langsam schwangen die Schleusentore auf. Wachsam spähten die Solaner durch die entstehenden Öffnungen. In etwa fünfhundert Metern Entfernung erhob sich eine Gruppe von etwa zehn Duusnorzern, hielt in ihren dünnen Armen die kofferähnlichen Geräte und schwebte auf die Strukturlücke der Abwehrschirme zu. Noch immer bewegte sich das Raumschiff langsam dem Ufer entgegen. »Da kommen sie«, murmelt Atlan und ging zusammen mit anderen Besatzungsmitgliedern bis zum Rand der Schleusenöffnung. Kühle, frische Luft schlug herein. Sie roch nach Tang und Seewasser. Die Duusnorzer erreichten eine beträchtliche Geschwindigkeit, und es wurden immer mehr. Als die ersten mit ihrer Ausrüstung die Schleuse erreichten, sahen die Solaner, daß sich zwischen dem »Versteck« der Reporter und dem Schiff eine schwebende, durcheinanderwirbelnde Kette von mehreren hundert Wesen spannte. Atlan trat zur Seite und hob den Arm, an dessen Gelenk er den
Translator trug. »Wir begrüßen euch. Verteilt euch im Schiff, aber gebt bitte acht, daß ihr nicht unwillkürlich irgendwelche Schaltungen ausführt. Unsere Atemluft und die Umweltbedingungen entsprechen denjenigen eurer Planeten. Wie viele seid ihr?« Ein Wesen kurvte, als es die Wiedergabe aus dem Gerät verstanden hatte, auf den Weißhaarigen zu und zwitscherte aufgeregt: »Mehr als hundert aus dem Sender. Und uns haben sich noch andere angeschlossen.« Die Schleuse füllte sich immer mehr. Die Solaner winkten die schwebenden Tropfen in die Korridore hinein, einige in die Hauptzentrale, in andere leere Räume. Zwischen den vielen kopfgroßen Duusnorzern entdeckte Atlan einige, die jene Panzer trugen, die er mit ihrem Status als Soldaten gleichsetzen mußte. Er hob die Hand, hielt einen Schweber auf und rief: »Wer von euch ist DNʹCarx Vier?« Inzwischen redeten mindestens hundert Duusnorzer wild durcheinander. Es war wie in einem Käfig aufgeregter, zwitschernder und lärmender Vögel. Auf Atlans Kopf schwebte ein Wesen zu, das ein Gerät zwischen seine Arme und unter dem Mund geschnallt hatte, das wie ein Recorder aussah. »Ich! Es ist alles so riesig hier!« »Du bist DNʹCarx Vier? Wirklich? Uns fehlen die Unterscheidungsmerkmale«, sagte Atlan, der sich inmitten dieser verwirrten Invasion unbehaglich zu fühlen begann. »Natürlich! Wann werden wir in euer großes Schiff gebracht?« Atlan deutete auf die schwebende Prozession der Einzelwesen und erwiderte: »Wenn endlich der Rest eurer Bevölkerung an Bord ist.« »Zu unserem Schutz«, schrillte Carx Vier, »haben wir auch einige Wächter aus den Studios mitgebracht.« Es war schwierig, mit den Wesen zu verkehren, die keine deutlich
fixierbaren Augen besaßen. »Bist du dabei, zu begreifen, daß wir nicht die bösartigen Schattenwesen sind?« fragte Atlan besorgt. Die Schleuse begann sich zu leeren. Es kamen zu der Kette der Schwebenden nur noch wenige Nachzügler. Inzwischen schwebte die TRASH CAN fast direkt über dem Strand und links vom Felsen. »Was wir begreifen, ist zweitrangig. Wir werden die Wahrheit erfahren. Aber die Milliarden unserer Bevölkerung müssen überzeugt werden. Sie hassen jeden, der den Frieden stört.« Eine Schaltung verringerte den Durchmesser der Strukturlücke. Gleichzeitig bewegten sich die Schleusentore. Ein simpler Trick, um die Ankömmlinge zu größerer Eile zu bewegen. Endlich huschte der letzte Duusnorzer in die Schleuse. Atlan hob den Kopf und gab Uster auf dem Interkom das Zeichen. Die TRASH CAN führte einen Schnellstart in den Weltraum hinaus aus, raste um den Mond herum und schleuste in die SOL ein, noch ehe sich die abermals verwirrten Flotten auf den vermeintlichen neuen Gegner eingestellt hatten. * Diesmal ging die schwebende Invasion in geordneten Bahnen vor sich. Von der Schleuse des Beiboots aus schwebten – inzwischen hatte eine, mehr oder weniger genaue Zählung stattgefunden – die Duusnorzer bis zu einem Kabinenbezirk, der wenig belegt war, und geschlossene Schotte sorgten dafür, daß sich kein Duusnorzer »verirrte«. Den Gästen wurde erklärt, wie die meisten Einrichtungen funktionierten, und da sie hochintelligente Raumfahrer waren, begriffen sie das meiste sofort. Schaltungen für die Übersetzungen wurden ausgeführt, und die SOL zog sich in einem langsamen Fluchtkurs von den Flotten zurück. Techniker und Fachleute aus der Funkzentrale halfen den
Duusnorzern, ihre Geräte ans Bordnetz anzuschließen. Zwischen ihrer Sendezentrale und der SOL wurden zwei Übertragungskanäle eingerichtet. Und zudem tauchte auf den Interkom‐Monitoren eine Gruppe der Verantwortlichen aus Anterf auf, mit denen sich die Duusnorzer ungestört unterhalten konnten. Dann ließ man sie für eine Weile allein. * Gegen Mittag des vierten Februar, Bordzeit SOL, war nahezu das gesamte Atlan‐Team im großen Arbeitsraum des Arkoniden in SOL‐ City versammelt. »Offensichtlich«, sagte Breiskoll ruhig, »war das Vorhaben nicht ohne Erfolg. Ich drücke mich vorsichtig aus. Die Erlebnisberichte, die von den Kleinen zu den Planeten gefunkt werden, sind von skeptischer Vorsicht diktiert.« »Sie beginnen jedenfalls zu begreifen, daß die Ähnlichkeit der SOL‐Besatzung mit den Schattenwesen entweder ein unglaublicher Zufall oder ein besonders hinterhältiger Schachzug ist«, unterstützte ihn Insider. Atlan nickte. »Genau das vermute ich!« Noch immer flog Cara Doz mit dem Riesenschiff rund um den Planeten verwirrende Manöver und ließ die Flotte nicht mehr an die Schutzschirme heran. Die Anzahl der Raumschiffe hatte sich inzwischen drastisch verringert; immer mehr Kommandanten gaben auf. Die Solaner, die Grund zu übergroßer Vorsicht hatten, fuhren die Schutzschirme mit neunzig Prozent der Kapazität. Sie befanden sich, das wußte jedermann, in einer gefährlichen Zone des Universums. »Können wir die Nachrichtenleute überzeugen?« »Am ehesten die kleinen Gruppen der Reporter, die ausgeschwärmt sind. Sie sind von unstillbarer Neugierde«, warf
Hage ein. Sternfeuer, Federspiel und Bjo meldeten sich gleichzeitig zu Wort. »Wir glauben sicher zu sein, daß sie bald ihren Irrtum einsehen. Sie wollen, im Zusammenspiel mit ihren Regierungsmitgliedern, in ein paar Stunden eine Beratung durchführen.« »Das meine auch ich herausgefunden zu haben«, bekräftige Tyari und sah zu, wie auf dem Interkom eine Gruppe schwebender Wesen zu sehen war, die sich in einer Cafeteria aufhielt und dort den Solanern, die dort friedlich aßen und tranken, unaufhörlich Fragen stellten. »Ihre Schiffe haben jedenfalls gegen einen Feind von der Größe und Schlagkraft unserer SOL noch niemals erfolgreich gekämpft.« Uster Brick nickte seinem Zwillingsbruder zu. »Aber sie werden ihren kosmischen Nachbarn harte Gefechte geliefert haben, Großer!« sagte er. »Wenn wir sie besser kennen, erfahren wir auch, wie ihre Feinde beschaffen waren.« Die Zeit drängte. An einen schnellen Erfolg war im Augenblick nicht zu denken. Aber die feste Absicht, ohne jede Gewaltmaßnahme Einigkeit mit Duusnorz zu erreichen, konnte nicht binnen Minuten in die Tat umgesetzt werden. Darüber war sich jeder an Bord klar. Mehr Beweise für die rechtschaffene Absicht, zugleich mit der Erforschung der eigenen Probleme auch den Bewohnern des Czett‐ Systems zu helfen, vermochten die Solaner im Moment auch nicht zu liefern. Joscan Hellmut deutete auf den Interkom. »Was tut eigentlich diese Technikergruppe im Wohnzentrum der Winzlinge?« fragte er. »Keine Ahnung«, murmelte der Arkonide, wählte über die SENECA‐Schaltung den betreffenden Raum und stellte eine andere Vergrößerung ein. Dort ertönte ein Summer. Langsam wandten die Solaner ihre Köpfe und drehten sich nach dem Interkom herum. Atlan fragte mit erhobener Stimme:
»Gibt es einen bestimmten Grund, warum ihr euch noch immer mitten unter den Duusnorzern aufhaltet?« Die Techniker hoben gleichgültig die Schultern. Einer antwortete völlig sachlich: »Sie stellen uns Fragen. Und wir beantworten sie, so gut es geht. Ist etwas dagegen einzuwenden?« »Nein. Im Grund nichts. Mich stört nur, daß ihr von offensichtlich bewaffneten Wachen oder Soldaten umgeben seid.« »Sie verhalten sich bisher höchst friedlich. Die Fragen sind auch ziemlich einseitig ausgerichtet.« Gleichzeitig trafen einige Gruppen von wißbegierigen Duusnorzern wieder in ihren Quartieren ein und fingen damit an, ihre Beobachtungen auszuwerten, zu kommentieren und in die planetare Redaktion zu senden. Noch während Atlan mit dem Techniker sprach, mitten in die Rückkehr einer weiteren Gruppe hinein, zeichnete sich auf dem Interkomschirm ein Wesen ab, das plötzlich inmitten von erklärenden Solanern, schwebenden Wachen der Duusnorzer, einem unbeweglich stehenden Servorobot und den umherschwirrenden und auf ihre Geräte konzentrierten TV‐ Fachleuten aufgetaucht war. So groß wie ein Solaner, undeutlich, wie aus kondensierten Nebelschwaden zusammengesetzt, eindeutig humanoid und blitzschnell in seinen Bewegungen. Tyari keuchte erschreckt auf. »Ein Schattenkrieger!« rief der Arkonide. »Breck! Sicherheitsabteilung! Ein Schattenkrieger im Wohnbezirk der Duusnorzer! Alarm!« Die SOL‐Besatzung war solchen Zwischenfällen gegenüber keineswegs wehrlos. Augenblicklich setzten sich Teams, die bisher in halber Alarmbereitschaft gewesen waren, in Bewegung. Sie verfügten über leicht bewegliche Geräte, die Fesselfelder und Paratronschirme erzeugten, über Roboter, die auf unterschiedliche Energien und deren Bündelung programmiert werden konnten.
Mannschaften und Maschinen setzten sich von verschiedenen Punkten aus in die Richtung der Duusnorzer‐Quartiere in Bewegung. Auch ein Teil des Atlan‐Teams verließ rennend den Arbeitsraum und entwickelte während des Laufens Gedanken und Überlegungen über die Information, daß die Duusnorzer selbst Schattenwesen mit Hilfe von Hyperenergie »sichtbar« und »real« hatten werden lassen. Atlan durchbohrte den Interkom förmlich mit seinen Blicken. Hinter ihm war Tyari aufgesprungen und starrte schweigend neben Bjo das Bild an. Der Schattenkrieger, der trotz seiner Undeutlichkeit mehr als nur stärkste Ähnlichkeit mit einem hochgewachsenen Solaner hatte, bewegte sich plötzlich langsamer. Seine Gesten und seine Körperhaltung wurden menschlich. »Ihr habt euch täuschen lassen«, hörte Atlan aus dem Translator an Tyaris Ohr und aus dem Interkomlautsprecher gleichzeitig. »In Wirklichkeit sind wir Solaner die Schattenwesen.« Der Fremde sprach. Und er verwendete die Sprache der Duusnorzer! Atlan fluchte. Dann knurrte er wütend: »Wir müssen ihn fangen! Unbedingt! Mit ein paar Worten sabotierte er unser gesamtes Unternehmen!« Wieder hörten sie die Übersetzung. »Ihr bekommt von mir Waffen. Damit könnt ihr die wahren Schattenwesen dieses Schiffes vernichten. Ihr müßt Atlan töten und das Schiff zerstören!« Die bewaffneten Duusnorzer bildeten plötzlich dichte Gruppen um die wenigen Solaner. Zahllose winzige Waffen richteten sich, nachdem einige schrille Kommandos ertönt waren, auf die verwirrten Techniker. Gleichzeitig entstand um das Schattenwesen ein leerer Kreis von rund sieben Metern Durchmesser. Die Reporter filmten mit und schrien aufgeregt in ihre Mikrophone. Die meisten Duusnorzer
zeigten die Schattierungen der Angst auf oder in ihrer durchsichtigen Haut. Ein Wald von Organfühlern schwankte und pendelte und vibrierte. »Zögert nicht! Nur so könnt ihr weitere Invasionen verhindern! Ich bin ein Rebell, deswegen werden sie mich jagen und töten!« schrie der Fremde in der Tonhöhe menschlicher Sprachorgane und in der Sprache der Wassertropfenwesen. Tyari hielt Atlan am Arm fest und stieß erregt hervor: »Ich erkenne einige seiner Gedanken!« Mindestens fünfzig Teams erreichten die unregelmäßigen Grenzen des Duusnorzer‐Quartiers. Tore, Türen und Schotte zischten auf. Flimmernde Strahlkegel zuckten aus den Projektoren. In fieberhafter Eile sprach der schattenhafte Fremde weiter. Wieder riefen Tyari und Bjo aus: »Er denkt! Er und seine Mitverschworenen haben einem Multiplan zu gehorchen. Er bedeutet die Vernichtung der SOL.« Er wurde unterbrochen von der Übersetzung, die mit zeitlicher Verzögerung kam. »Glaubt mir! Ihr seid in eine großangelegte Falle gegangen. Die SOL wird euch alle töten, wenn ihr den real Gewordenen glaubt!« »… Atlan und die SOL stören die Ruhe des ›Nabels‹… der Multiplan hat viele Einzelheiten.« Mutanten und Einsatzteams, unterstützt durch die Energiefachleute, bahnten sich rücksichtslos und schnell einen Weg bis zum Zentrum des Quartiers. Gleichzeitig richteten sich, während die Duusnorzer in wilder Panik flüchteten, eine Reihe unterschiedlicher Energiefelder auf das Schattenwesen. Noch bevor wenige Teile seiner Extremitäten sich scheinbar zu verfestigen begannen, sprang das Schattenwesen in die Höhe, dann zur Seite, tauchte in einer Serie rasend schneller Bewegungen unter und zwischen den fahl flirrenden und irisierenden Feldern hinweg und stürzte sich durch den nächsten Ausgang. Funkkommandos wurden gebrüllt.
Antworten kamen aus den Lautsprechern. Eine Reihe anderer Teams versperrten den voraussichtlichen Fluchtweg. Kein direkter Hinweis auf Anti‐ES! rief bedauernd das Extrahirn. Atlan schwang sich auf eine Antigravplattform, hinter deren metallenem Schutzschild zwei Solaner saßen und das schwebende Gefährt an die Stelle steuerten, an der vermutlich der Fremde wieder einen breiten Korridor erreichen konnte. »Hyperenergie!« rief einer der beiden Atlan zu. »Modulierbar. Wir haben aufgepaßt. Teile eines Hypersenders!« »Hoffentlich hilftʹs!« rief Atlan zurück. Sein Haar flatterte im Fahrtwind. Weit vor ihnen dröhnten einige Schockwaffen auf. Kreischende Duusnorzer schwebten dicht unter den Leuchtgittern des Korridors in wilder Flucht ihnen entgegen. »Hier sind wir!« »Treibt ihn zu uns!« »Nein! Über die Rampe. Dort arbeitet ein Fesselfeld.« Einige Minuten lang war Atlan Teilnehmer einer Jagd, die einen Unsichtbaren hetzte. Ununterbrochen kamen dessen Standortmeldungen durch. Er wurde hier und dort gesehen und entwickelte die Geschwindigkeit eines Hochleistungsrobots. Dann raste die Plattform eine Rampe hinauf, in einen zylinderförmigen Verteiler hinein und mitten in ein optisches und akustisches Chaos. Sämtliche Ein‐ und Ausgänge waren von Solanern besetzt, von Projektoren und Robots. Atlan sagte im Selbstgespräch: »Wir stören also die Ruhe des Nabels. Gut. Dann werden wir diesen Fremden ebenso stören. Und zwar nachhaltig.« Blauschimmernde Strahlenkegel, hellrote, giftgrüne und gelbe zuckten hinunter und aufwärts. Nach einer Flucht im Zickzack und über etwa tausend Meter Strecke war der Fremde in eine Sackgasse geraten. Aus den schalenförmigen Projektoren des Geräts, auf dessen Träger Atlan saß, zuckte ein kreideweißer Strahl und verbreitete sich langsam zu einem spitzen Kegel. Es war ein gespenstisches Bild.
Der Fremde befand sich am Endpunkt seiner Flucht auf dem Schnittpunkt von sechs Schiffskorridoren, die sich hier waagrecht trafen. Mehrere spiralige Rampen, vorbeiführend an Schotten und Ausgängen und absperrenden Schutzschirmen, führten auf diese runde Fläche. Dort sprang er hin und her, verfolgt von den Entladungen der Projektoren und den Linsen der duusnorzischen Kameraobjektive. Im Lauf von etwa zehn Sekunden veränderte der Schatten seine Struktur. Es war, als gerinne ein Dunst, als würde eine Flüssigkeit oder ein transparentes Material versteinern. Farben lösten das pulverige Grau des Schattens ab. Die Bewegungen wurden langsamer. Das durchaus menschliche Gesicht des Schattenkriegers, dem ein Roboter eine seltsam verformte, rauchende Waffe aus der Hand geschossen hatte, verzerrte sich in stummer Qual. Der Fremde war gestellt. Er verwandelte sich in ein echtes, dreidimensionales Lebewesen, dessen Bewegungen in mehreren Fesselfeldern erschlafften und ebenfalls erstarrten. Ein Paratronschirm legte sich um den Bewegungslosen. Atlan ging, nachdem er sich mit einem Satz von der Plattform geschwungen hatte, bis an den Rand der ineinander wirkenden Felder. Nicht weniger als zehn verschiedene Energien kreisten den Fremden ein und lähmten ihn. Leise sagte der Arkonide in sein Minikom: »Ich brauche schnellstens ein Untersuchungsteam. Wir müssen feststellen, ob dieses Wesen ein biologischer Organismus ist. Möglicherweise sogar ein Mensch wie wir.« »Schon unterwegs.« Aus dem Lautsprecher quäkte es: »Wir haben einen Röntgenabtaster auf ihn gerichtet. Der Knochenbau ist unserem entsprechend.« »Verstanden.«
Die Kleidung des Schattenkriegers glich einem SOL‐Kampfanzug. Einige Spuren ließen deutlich erkennen, daß ihn mehrere Schüsse getroffen hatten. Es gab augenscheinlich keine Wunden. Atlan schloß die Augen, erinnerte sich an die zuletzt gehörten Worte, vergegenwärtigte die Zurufe Tyaris und Breiskolls und kam zu dem Schluß, daß es keinen normalen biologischen Organismus gab, der nicht durch einen Blasterschuß zumindest schwere Wunden davontragen konnte. Mitten in seine skeptischen Gedanken hinein meldete sich wieder der Wissenschaftler am Durchleuchtungsgerät, dem Multi‐Scanner. »Über der Magengegend des Fremden ist ohne jeden Zweifel ein mehr als faustgroßer Fremdkörper. Es ist eine Mischung aus Mikroelektronik, Plastik, verschiedenen Metallen und einigen undefinierbaren anderen Teilen. Es sendet Impulswellen aus. Wir zeichnen, so gut es geht, auf.« »Aufschlußreich!« entgegnete Atlan. Sein Logiksektor wisperte: Vermutlich sorgt dieses Gerät für relative Unverwundbarkeit und für die Wirkung der Schatten‐Eigenschaften, möglicherweise auch für die Schnelligkeit der Bewegungen! Der Fremde lebte. Die Wirkung der Fesselfelder war nicht tödlich. Er konnte seinen Brustkorb bewegen und atmen. Seine Augen und der Mund öffneten und schlossen sich. Mehr Bewegung wurde ihm nicht gestattet. Atlan trat auf ihn zu und fragte, nachdem er sich vergewissert hatte, daß sein Translator auf die duusnorzische Sprache eingestellt war: »Woher kommst du?« Der Fremde starrte ihn, wie es schien, haßerfüllt an und schwieg. Ein Ärzteteam näherte sich, schickte eine winzige Robotsonde durch die Sperren der Energiefelder und entnahm eine noch kleinere Gewebeprobe, nachdem ein kleines Skalpell das Material des Anzugs durchtrennt hatte.
»Die Untersuchung wird nicht länger als eine Viertelstunde dauern«, sagte der Spezialist leise in Atlans Richtung. Der Arkonide nickte und richtete seine Augen unverwandt auf das Gesicht und in die Augen des Schattenwesens. »Du bist offenbar ein Wesen wie wir«, sagte er. In dem Verteiler war es mittlerweile stiller geworden. Einige Geräte und Maschinen wurden abgezogen. »Warum dieser Angriff? Was ist der Multiplan? Kommst du von Anti‐ES?« Keine Reaktion. Hinter Atlan unternahmen die Mediziner die ersten Analysen. Sie rasten mit der Probe auf ihrer Antigravplattform davon und meldeten sich nach einigen Minuten aus einem Bordlabor. »Erste Analyse. Menschliche Zellen, ganz einwandfrei …« Wieder versuchte der Arkonide, die Barriere des Schweigens zu durchdringen, die den rätselhaften Fremden umgab. Das Schattenwesen, ebenso groß wie er, schien nicht die geringste Absicht zu haben, irgendeine Erklärung abzugeben oder sich kooperativ zu verhalten. »Wenn du uns vorwirfst, daß wir die Ruhe des doppelgalaktischen Nabels stören, solltest du uns zuerst erklären, warum. Und wie der Nabel aussieht. Und warum die SOL zerstört werden soll.« Keine Antwort. Schweigen. Der Fremde starrte aus Augen unbestimmter Farbe zurück, blickte an Atlans Schulter vorbei, und im selben Moment hörten alle, die nervös und angespannt im Verteiler standen und ihre Projektoren kontrollierten, die Stimme eines Wissenschaftlers. »Die abschließenden Analysen haben ergeben, daß es sich bei dem Zellgewebe des Fremden um eine Art handelt, die von jedem beliebigen Solaner stammen könnte, nicht aber aus der Haut eines Buhrlos. Sämtliche Chromosomen sind vorhanden. Wir können keinerlei Einfluß jener implantierten Maschine – oder was immer es ist – auf die Zellen feststellen.
Falls jemand denkt, daß es Anti‐ES gelungen sein könnte, Duplikate von uns herzustellen und speziell auszurüsten, dann liegt er damit nur bedingt richtig. Zwar sind unsere Untersuchungen noch nicht völlig ausgewertet, aber es gibt keine Vorbilder für diesen Fremden, nur biologischen Gleichheit.« »Danke, Freunde«, sagte Atlan. Er wandte sich an die verschiedenen Sicherheitsteams. »Transportiert unseren Freund in eine sichere Zelle. Oder besser in einen leeren Hangar oder eine Halle. Vielleicht spricht er mit uns, wenn er lange genug allein mit seinen Gedanken geblieben ist. Er darf nicht entkommen! Er darf auch keinen Schaden nehmen! Paßt also auf.« »Hier, im Magazinsektor, ist ein Kühlraum in Reparatur. Das wäre der beste Platz!« »In Ordnung«, meinte der Arkonide verdrossen. »Schafft ihn dorthin.« Er holte Atem, hielt den Translator an seine Lippen und sagte in ernstem Ton: »Freunde von Duusnorz! Ihr habt alles gesehen und gehört. Selbst wir in diesem großen, sicheren Schiff werden von Schattenwesen heimgesucht. Die Macht, der wir alle Streitigkeiten verdanken, schreckt vor nichts zurück. Sagt euren Freunden auf den Planeten, was geschehen ist …« Er wurde unterbrochen, wirbelte herum und erstarrte. Ein riesiges, breitschultriges Wesen war dicht neben ihm aufgetaucht und gab einen tiefen, brummenden Laut von sich. Zwei Meter groß, dicht behaart, mit einem schwarzen Fell, das an einigen Stellen tiefbraun war. Der Schädel war der eines Urmenschen. Mjailam! Mjailam wiegte seinen Körper schwerfällig hin und her, brummte mit seiner tierartigen Stimme etwas Unverständliches in der Sprache der Beneterlogen. Er sagte nichts zu Atlan, stellte keine Fragen, sondern stieß den Arkoniden mit der Schulter zur Seite. Sein langer,
dichtbehaarter Arm holte weit aus. Er schlug zu, durch die Fesselfelder und Paratronschirme hindurch, und seine Faust traf den Schattenkrieger mit einem einzigen, vernichtenden Schlag. Der Körper wurde nach hinten geworfen, prallte von den Schirmen ab und brach auf dem Boden zusammen. Der Instinkt der Farynt‐Galaxis, der zu einem lebendigen Wesen gestaltet worden war, drehte sich herum und blickte Atlan aus seinen dunklen, tiefliegenden Augen an. Die dicken Wülste zuckten; es schien, als wolle Mjailam etwas sagen, aber dann hob er die Schultern und – verschwand. Mit heiserer Stimme sagte der Techniker hinter dem Multiscanner: »Der Fremde ist tot.« Dann, in plötzlicher Aufregung: »Das Implantat strahlt eine Folge von Impulsen ab. Und … jetzt zerfällt es. Zu bröseligem, metallhaltigem Staub. Aus.« Aus dem Hintergrund kamen Hage Nockemann, der ein Blatt aus einem Schnelldrucker schwenkte. Sein Roboter Blödel stakte an seiner Seite und hatte seine Arme über der Brust zu einem verworrenen Knoten verschlungen. »Hier, die Analyse der Wissenschaftler«, begann Hage, aber der Roboter unterbrach ihn und erklärte: »Ich habe die Impulsfolge gehört. Und verstanden. Mindestens fünfzig Prozent des S.‐Teams haben abermals überraschende Erkenntnisse zur Aufhellung verworrener Probleme beigesteuert.« »Angeber!« fauchte Nockemann. Ungerührt, mit verstärkter Stimmkraft, fuhr der Roboter fort: Meine Mission ist gescheitert. Ich habe versagt. Setzt den letzten Teil des Multiplanes in Kraft. Ein tiefes, resignierendes Schweigen breitete sich aus. Atlan räusperte sich betreten. Schweigend sah er zu, wie der Leichnam des Schattenkriegers weggeschafft wurde. Während dieser Bemühungen begann sich der Körper wieder zu verändern, von den Fingerspitzen und den Füßen
an. Aus einem dreidimensionalen Geschöpf wurde ein durchsichtiger Schatten, der schließlich nur noch als vage Form, als Silhouette auf der Bahre lag und zu einem bedeutungslosen Etwas geworden war. Anti‐ES, das stand für Atlan fest, hatte dieselben schier uneingeschränkten Machtmittel wie ES, jenes Wesen, dem er den Zellschwingungsaktivator zu verdanken hatte. Und Anti‐ES schien nicht die geringsten Skrupel zu haben, eine nicht mehr bezifferbar große Masse von Individuen kaltblütig in den sicheren Tod zu schicken. * Im Verlauf von siebzig Minuten änderte sich die Szene in mehrfacher Hinsicht. Die Duusnorzer versammelten sich in ihren Quartieren. Viele der aufgenommenen Szenen wurden nach Duusnorz gesendet und aufgeregt kommentiert. Inzwischen zeigten die Schaltungen auf den Kommunikationsgeräten, daß die TV‐Nachrichtenleute mit ihren Planetenregierungen sprachen. In der SOL war man sicher, daß sich zwischen den Reportern eine Menge von Sicherheitsleuten, Geheimdienstlern oder wie der betreffende Berufszweig dort lauten mochte, befanden. Die Solaner mischten sich nicht in diese Beratungen, aber während des Wartens wurden sie nervöser. Schließlich, als die Stabsspezialisten und die Verantwortlichen sich in der Hauptzentrale versammelt hatten, als von der Ortung die definitive Aussage getroffen wurde, daß nahezu alle Kriegsraumschiffchen der Duusnorzer abgezogen worden waren, aktivierte die planetare Regierung auf Duusnorz den Bildschirm. Ein einzelnes Wassertropfenwesen schwebte heran und verkündete: »Wir sind durch die große Menge der Information über Vorfälle,
die unserem Schicksal gleichen, überzeugt worden.« Diesmal schien sich der Sprecher nicht so sehr an die beiden Weißhaarigen zu wenden, sondern an den High Sideryt. »Wir vertrauen euch. Wir danken Shorrn und Ztyrrh von Anterf für ihre mühsame Vermittlungsarbeit und entschuldigen uns bei ihnen, denn wir haben zunächst gedacht, sie wären ein Machwerk der Schattenkrieger.« Shorrn zeigte sein Raubtiergebiß, lachte kehlig und rief: »Endlich! Ich habe nämlich noch andere Aufgaben, als passiv‐ betrachtend vor den Linsen zu sitzen. Viel Glück, Solaner und Duusnorzer! Die Wissende wird euch weiterhin helfen.« Die Verbindung wurde abgeschaltet. Auch der Regierungssprecher hatte mit seinen winzigen Fingern dem Mann von Anterf zugewinkt. Jetzt sprach er weiter. »Wir haben dem Kapitän des mondgroßen Raumschiffes, das tapfer und mutig allen unseren Angriffen standgehalten hat, einen Ehrennamen gegeben. Du sollst dein Schiff auf Duusnorz landen, SLʹBreck Eins.« Breckcrown Hayes narbiges Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. Er antwortete: »Die Probleme werden gelöst werden, Freunde von Duusnorz. Natürlich werde ich den Ehrennamen mit Stolz tragen. Wir leiten den Landeanflug ein. Cara!« Cara Doz nickte nur. »Jeder Duusnorzer wird mit euch Solanern zusammenarbeiten. Wir bitten nur, auf unsere Verkehrswege, Bauwerke und Agrarflächen zu achten und nichts zu zerstören. Kommt! Ihr seid willkommen.« Aus der Nachrichtenabteilung im Quartier der Kleinen ertönte ein kreischender Jubel. Breckcrown wartete einige Sekunden und sprach dann, etwas ernster geworden, weiter. »Alle unsere tapferen Frauen und Männer bleiben aber weiterhin in Alarmbereitschaft. Das ist in zweifacher Hinsicht ein Zeichen,
Duusnorzer! Wir können vielleicht euch gegen einen neuen Angriff besser schützen – und zugleich wollen wir selbst uns nicht überfallen lassen. Auf der SOL wird weiterhin Alarmbereitschaft herrschen. Wir kommen! Die SOL wird über dem Meer schweben oder über den unbewohnten Inseln. Die Nachrichtenleute eurer Sender, die einen großen Tag hinter sich haben, werden Lotsen für uns sein.« »Eine Idee, eines großen Kapitäns würdig!« bestätigte der Sprecher. »Und wir organisieren einen Verbindungsdienst zwischen euch und uns.« Atlan zog in einer kameradschaftlichen Geste Tyari an sich und flüsterte: »Gewonnen! Ich bin jetzt eine Stunde lang für niemanden zu sprechen. Ich brauche einen kurzen, tiefen Schlaf.« Sie nickte ihm mit einem unergründlichen, sehr weiblichen Lächeln zu. Eine der ersten Maßnahmen, die Breckcrown Hayes traf, war ein klärendes Gespräch mit den SOL‐Astronomen. Er selbst schwebte hinauf in die Polkuppel der SZ‐1 und besuchte das Team von SPARTAC. Die Wissenschaftler waren beschäftigt; seit dem Moment, an dem die SOL nahe dem Czett‐System den Normalraum erreicht hatte, wurden astronomische Reihenaufnahmen gemacht und ausgewertet. »Wir befinden uns, wie wir wissen, in einem interessanten stellaren Gebiet«, sagte SLʹBreck 1. »Von dem ununterbrochen erwähnten Nabel hat niemand etwas gesehen oder gespürt. Gibt es bei euch irgendwelche Hinweise? Ich frage aus einem bestimmten Grund.« Über die höchstauflösenden Holoschirme bewegten sich unaufhörlich, aber langsam die Sterne, die strahlenden Konstellationen, die Glutnester und die vielen Gasschleier der näheren Umgebung.
»Nein. Natürlich haben wir nur Bruchteile auswerten können. SENECA hat ebenfalls nur allgemeine Daten ermittelt.« »Seit ziemlich genau fünf Jahrhunderten unserer Bordzeit verschwinden auf Duusnorz einzelne Wesen«, sagte Breck. »Für Atlan und mich bedeutet dies, daß sich das Planetensystem im Bereich des Nabels befindet. Wie weit dieser Schnittpunkt entfernt ist, wie weit er wirksam wird – es wäre für uns von größter Wichtigkeit, das herauszufinden.« »Nicht einmal eine Vermutung haben wir!« wurde ihm geantwortet. Während sie diskutierten, verließ die SOL ihren Standort, änderte den Kurs und steuerte gerade auf Duusnorz zu. Neben Cara Doz schwebten sechs Duusnorzer und schilderten schrill und voller Begeisterung die Einzelheiten des Anflugwegs und des Landeplatzes. Für kurze Zeit sorgte die ansteckende, zwitschernde Fröhlichkeit der augenlosen Wassertropfenwesen dafür, daß an Bord der Gedanke an die dauernde Gefährdung der SOL zurückgedrängt wurde. Nachdenklich verabschiedete sich der High Sideryt von den SPARTAC‐Astronomen und betrat die Hauptzentrale in dem Augenblick, als der mächtige Körper der SOL über einer weit geschwungenen Bucht zur Ruhe kam. Unter den Rundungen der Kugel und des Zylinders befanden sich die unbewohnten Inseln. Riesige Vogelschwärme waren aufgescheucht worden und umschwirrten den untersten Teil, der die gischtenden Wellen zu berühren schien. Aber es waren nur die Schutzschirme, die diesen Eindruck hervorriefen. Als sich die ersten Strukturlücken öffneten, um Gleiter und Space‐Jets herauszulassen und die ersten Gruppen der kleinen Wesen, verirrten sich Wasservögel zwischen Bordwand und Schirmen und flatterten hilflos umher.
* Unablässig zogen die Ereignisse und die möglichen Folgen, Überlegungen und Konsequenzen durch Atlans Gedanken. Er hatte die kurze Ruhepause dazu benutzt, um jeden Punkt der Erlebnisse noch einmal durchzugehen und, im Hinblick auf das unklar gewordene Teilziel des Unternehmens Duusnorz, zu analysieren. Atlan stand mit dem Katzer und Tyari in einer offenen Schleuse. Hinter ihnen machte die Bedienungsmannschaft einen schweren Luft‐Boden‐Gleiter startklar. Der Logiksektor schaltete sich abermals in Atlans Gedanken ein. Vergiß es nicht! Wir warten auf den letzten Teil des Multiplanes oder ein gleichbedeutend gefährliches Ereignis! Atlan zog die Schultern hoch. Er betrachtete die Landschaft, die sich vor und unterhalb der SOL ausbreitete. Eine halbmondförmige Küstenstadt namens Haarundel, mit Anlegekais für Schiffe, vielen Grünflächen, breiten Wegen für den Güterverkehr und schlanken, zylindrischen Wohnbauten. Rechts, am Rand einer bizarren Fläche aus Felsen, Hügeln und zungenartigen Wüstengebieten, befand sich ein Konglomerat von konischen, würfet und kugelförmigen und langgestreckten Gebäuden. Es war der Sitz der Regierung von Duusnorz. »Unsere Forschungen und Recherchen auf Duusnorz werden, obwohl wir jede Form der Unterstützung erfahren, nur das schon bekannte Geschehen bestätigen, fürchte ich«, sagte er voller Skepsis. »Trotzdem: fangen wir an?« »Wir werden im Regierungsgebäude erwartet!« meinte Tyari. »Aber wir müssen aufpassen, daß wir nicht die Parkanlagen zertrampeln«, scherzte Breiskoll. »Einverstanden.« Schlagartig hatte sich das Verhalten aller Duusnorzer geändert. Plötzlich waren sie zutraulich – ja, tatsächlich, wie Kinder. Überall im Schiff schwebten einige von ihnen umher, und jeder Solaner, der
entweder einen persönlichen Translator besaß oder sich in der Nähe eines SENECA‐gesteuerten Interkoms befand, wurde unablässig mit Fragen bestürmt. Auch in dem Hangar, in dem Atlan gerade den Gleiter aktivierte und die Hebel der Steuerung bewegte, schwebten zwei oder drei der Wassertropfenwesen. Bjo rief in gemessener Heiterkeit: »Lotst uns einer von euch zum Regierungspalast?« »Ja! Ich. Fliegt hinter mir her!« zwitscherte einer der durchsichtigen Kleinen und schoß durch das Hangartor und die Strukturlücke davon. Atlan steuerte den Gleiter hinter ihm her. Auf einen Knopfdruck hin baute sich das stromlinienförmige Schirmfeld ab. Die kühle, frische Luft des Planeten schlug in die Gesichter der drei Solaner und ließ Tyaris hüftlanges Haar aufregend flattern. »Ich hoffe nicht, daß sich die SOL entvölkert«, rief Bjo nach einigen Minuten, während sie dem Duusnorzer mit gedrosselter Geschwindigkeit folgten. Breiskoll deutete auf andere Gleiter, die sternförmig von der SOL fortstrebten. Auch einige Space‐Jets waren unterwegs und schwebten in langsamem Flug nach rechts und links auf die Küste und das darunterliegende Land zu. »Glaube ich nicht!« rief Tyari. Atlan schüttelte den Kopf, blinzelte im Fahrtwind und rief: »Breck hat die SOL voll im Griff. Er ist eher noch mißtrauischer als ich. Er erwartet jede Sekunde eine böse Überraschung … wie übrigens auch ich.« In geringer Höhe schwebte die Maschine mit gedrosseltem Antrieb auf die Gebäudemasse zu, deren Einzelteile in fröhlichen Farben gehalten waren. Die Farben paßten zum Naturell der Duusnorzer. Offensichtlich war es ihnen gelungen, während des zurückhegenden halben Jahrtausends trotz der Kämpfe und aller negativen Einschränkungen den wahren Charakter ihres Volkes nicht zu verlieren. Beim Näherkommen entwickelten sich sowohl Gebäude als auch
die Zonen der Umgebung anders, als es sich der Arkonide vorgestellt hatte. Die Straßen waren breiter als Pfade; Solaner konnten sich darauf bequem bewegen, und der Untergrund hielt auch deren Gewicht aus. Die Gebäude und die meisten Eingänge waren hoch und breit genug. Im Inneren der Bauwerke sah es, bis auf wenige Ausnahmen, anders aus. Aber als der Gleiter mit Atlan und Tyari landete, wurde er sofort von einem riesigen Schwarm Duusnorzer umringt. »Was können wir für euch tun?« »Stellt eure Fragen.« »Dort, diese Halle ist für Übertragungen vorbereitet.« »Bringt den Gleiter hinein.« Jenseits aller Erlebnisse und Überzeugungen kam derselbe psychologische Faktor zur Geltung, der das Verhältnis der Duusnorzer zu den Anterferrantern aus dem Barsanter‐System kennzeichnete. Verglichen mit den kopfgroßen Schwebewesen waren die Solaner Riesen von siebenfacher oder achtfacher Größe. Ob es nun stimmte oder nicht, von ihnen wurde auch ein Mehrfaches an technischen, geistigen und allen anderen Qualitäten zumindest erwartet. Die Anterferranter hatten die Duusnorzer nicht enttäuscht. Von den Solanern erwarteten die Planetarier dasselbe. Atlan steuerte den Gleiter in eine Halle hinein. Es war ein – für Duusnorzer Verhältnisse – gigantischer Raum, der für Massenveranstaltungen diente. Ein Teil der Bühne war voller kleiner Bildschirme und ähnlicher Anlagen. Sie stellten wohl das Größte dar, über das die Technik dieses Planetensystems verfügte. Die drei Solaner stiegen aus und gingen auf ein Podium zu, das alle Merkmale der Improvisation besaß und augenscheinlich als unbequeme Sitze für die riesigen Fremden gedacht war. Es bestand aus doppelt fingerdicken Stahlrohren, dicken, dennoch ächzenden Bohlen und einem teppichähnlichen Belag. Breiskoll meinte gutgelaunt:
»Von unseren Vorgängern, den Anterferrantern, übernommen!« »So ist es!« schrillte über seinem Kopf ein unbekannter und unidentifizierbarer Duusnorzer. »Also dann!« entschloß sich Atlan zu sagen. »Spielt uns zunächst einmal alle Bildberichte und alle Reportagen vor, die sich mit dem Verschwinden von einzelnen Personen, Schiffen und dem Mond befassen. Vielleicht sind wir alle hinterher klüger.« Die Regierung von Duusnorz hatte ebenso wie die Solaner begriffen, daß jener ferngesteuerte Schattenkrieger eine letzte Drohung ausgestoßen hatte; er oder jenes Implantat. Der letzte Teilplan sollte in Kraft gesetzt werden. Wann? Was sollte geschehen? * Wir waren gut vorbereitet, denn das, was die Solaner wissen wollten, betraf unser gesamtes Volk in weit höherem Maß als die neuen Freunde. Die Stunden der ersten Euphorie, in denen uns die Größe und die Macht der SOL‐Technik fasziniert hatten, vergingen schnell. Jetzt wurde hart gearbeitet. Ich, DNʹAjarm 6, bin der Sekretär unserer Regierung für das Spezialgebiet aller dieser ungeklärten Fälle. Zunächst begrüßte ich SLʹAtlan 1 und legte ihm die Listen der Verschwundenen vor. Ausnahmslos war jeder Duusnorzer in der Liste erfaßt, dessen Verschwinden ungeklärt war. Viele mochten darunter sein, deren Verschwinden nichts mit dem Nabel unserer Doppelgalaxis zu tun hatte, das war ganz sicher. Aber bei mehr als achtzig Prozent aller Fälle war der Feind aus Farynt dafür verantwortlich. Ich verstand die Übersetzung von Atlans Frage. »Es sind vorwiegend Raumfahrer gewesen, Angehörige von
technischen Berufen aller Art. Keine Farmer, keine Männer, die mit der Herstellung von Lebensmitteln etwas zu tun hatten. Oder nur ganz wenige. Hier ist die Auflistung der Berufe. Du siehst, daß wir zwar seit fünf Jahrhunderten etwa feststellen, daß unsere Leute verschwinden, aber wir haben erst später genau nachgeforscht.« »Das ist uns völlig klar«, sagte der riesige Zweibeiner mit der weißen Mähne. »Und euch ist klar, daß dahinter ein bestimmtes System steht?« »Völlig. Die Macht scheint ein Heer zu brauchen. Oder willenlose Raumfahrer. Und Männer, die mit technischen Einrichtungen umgehen können.« »So ist es. Oder, vorsichtiger ausgedrückt, Ajarm Sechs, Hilfstruppen jeder Art. Diese Überlegung drängt sich auf.« Unsere Rechenmaschinen arbeiteten die Listen nach statistischen Erfordernissen auf. Die Verschwundenen und deren Berufe erreichten eine große Anzahl; im Lauf der Jahre waren es Zehntausende gewesen. »Nun zu den Raumschiffen!« sagte unser neuer Freund. Die zahlenmäßige Übereinstimmung des Begriffs Lichtjahr war bei Duusnorzern und Solanern fast gleich. Der Bereich, in dem die Zentren beider Milchstraßen sich getroffen hatten, hatte einen Durchmesser von zwölftausend mal fünfzehntausend Lichtjahren. Wir errechneten einen höheren Wert, erklärlicherweise. Das Czett‐ System lag weit abseits dieser Konstellation aus unzähligen Sonnen. Auf den Bildschirmen erschienen Schriftreihen, und ich übersetzte. Ein kleines Frachtschiff nahe Voonwarth, ein Kriegsschiff mitten im Angriff außerhalb des Systems, ein Forschungsschiff kurz nach dem Start von Duusnorz und so weiter. Auch diese Liste war nicht hundertprozentig korrekt, denn wir hatten während der langen Kämpfe viele Schiffe und Männer verloren. Die meisten Verluste waren klar festzustellen gewesen, aber war ein einzelnes Schiff, das vom Einsatz nicht mehr zurückkehrte, durch den Schlund des Nichts gesogen worden, oder
ohne Einwirkung dieses Feindes explodiert? In diesen Fällen gab es keine Gewißheit. Die Solaner überspielten alle Informationen über Größe der verschwundenen Schiffe, Anzahl der Mannschaft, Koordinaten des Gebiets, in dem der Verlust stattgefunden hatte, oder wo das Schiff verschwunden war. Es ergab, dreidimensional projiziert, ein Muster von Punkten, das völlig zufällig wirkte. Auch unsere Astronomen hatten einen solchen Raster aufgestellt, und auch unsere Überlegungen ergaben trotz der kühnsten Ideen und Einfälle nichts. Es gab weder scheinbar »sichere« Zonen noch solche, in denen Schiffe stets verschwanden. Schierer Zufall schien sich auszuwirken. Ich konzentrierte mein Wahrnehmungsorgan auf die Sehzellen der beiden Weißmähnigen. »Wieder seht ihr, daß der unfaßbare Feind uns keine echte Chance gelassen hat.« »Es sei denn, eure Schiffe wären nicht gestartet«, meinte Atlan. Tyari fügte hinzu: »Eine erstaunliche Menge verschwundener Schiffe!« »Und verschwundener Männer«, meinte SLʹBjo 1. Unsere Nachrichtenleute hatten den Solanern bereits Ausschnitte derjenigen Auseinandersetzung mit Schattenkämpfern gezeigt. Nun lieferte die wissenschaftliche Abteilung der Sonnensystem‐ Regierung die Darstellung des zeitlichen Ablaufs der Vernichtung unserer Hyperfunkgeräte. In vielen Städten auf fünf Planeten unseres Systems waren solche Funkgeräte installiert gewesen; entweder geschenkte Modelle der Anterferranter oder Nachbauten mit wichtigen Einzelteilen aus der Anterf‐Produktion. Sämtliche ermittelte Daten der schattenhaften Überfälle liefen ab – und auch nach dreimaliger Wiederholung ließ sich kein System finden. »Die Schattenwesen kamen, zerstörten und verschwanden nach einem unergründlichen Schema.« Bjo Breiskoll überspielte auch diese Darstellung in die Speicher SENECAS. Vielleicht schaffte es der Bordrechner, was weder die
Duusnorzer noch die Solaner zuwege brachten, nämlich eine Information zu finden, die übersehen worden war. Ich sagte: »Nun können wir euch unser wichtigstes Dokument zeigen. Der Kampf um das letzte Gerät, und das Verschwinden eines halben Raumschiffhangars.« »Auch davon kennen wir einige Ausschnitte«, sagte der Solaner und dachte wohl daran, daß wir nach Anterf gesendet hatten. Wieder und wieder erlebten wir mit, wie Schattenwesen auftauchten, alles um sich herum zu zerstören begannen und dann wirklich wurden, real und ebenso gefährlich. Wir sahen den Kampf gegen unsere Elitetruppen, sahen Duusnorzer und Schattenwesen sterben und schließlich, von einem Zeitbruchteil zum anderen, den riesigen Teil der Anlage verschwinden, mit allem, was sich darin befand. Dann folgten Aufnahmen und Untersuchungsergebnisse des jetzigen Zustands. Tyari meinte: »Wie mit einem Messer abgeschnitten, oder mit einem Desintegrator aufgelöst. Sauber abgetrennt.« Es gab von dem verschwundenen Teil keinerlei Spuren. Unsere Sicherheitsleute hatten weder Gase noch Temperaturen messen können, keinerlei bekannte oder unbekannte Energie, einfach nichts, das sich messen oder feststellen ließ. Die Versuchsanordnung mitsamt den lebenden und toten Schattenwesen und einer Handvoll unserer fähigsten Hyperenergietechniker war verschwunden, als habe sie es niemals gegeben. Ebenso wie der Mond Lootyndol. * Der Bordalarm wurde von der Nahortung ausgelöst.
Binnen einer einzigen Sekunde erfaßte Breckcrown Hayes, aus welchem Grund die Ortung Alarm Rot gegeben hatte. In Gedanken beglückwünschte sich Breck dazu, erstens die SOL in Alarmbereitschaft gehalten und zweitens sich nicht von seinem Sessel wegbewegt zu haben. Noch während er das Echo auf dem Ortungsschirm anstarrte, drückten seine Finger einen großen, flachen Kontakt. »Sämtliche Geschütze feuern sofort auf das Ziel, das aus dem Weltraum den Planeten anfliegt. Feuerbefehl! Feuer frei! Zerlegt das Ding in Fetzen.« Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als die Vibration der ersten Transformzwillingsgeschütze die SOL erschütterten. Ein Mond raste auf den Planeten zu. Vermutlich war es Lootyndol, der verschwundene Mond. Auf den Ortungsschirmen war zu erkennen, daß der Mond eine aberwitzige Geschwindigkeit hatte. Er wurde als Geschoß verwendet. Die Projektion seiner Bahn zielte mit verheerender Präzision genau auf die SOL beziehungsweise das Gebiet des Planeten, über dem sie schwebte. Die Geschütze arbeiteten, die Anzahl der dröhnenden Entladungen erhöhte sich in Sekundenbruchteilen. Mehr instinktiv als mit kalter Überlegung hatte der High Sideryt die richtige Entscheidung getroffen. Jetzt, als er sah, wie die Detonationen den Mond draußen im Weltall erhellte, erschütterte, riesige Trümmer daraus absplittern ließen, wußte er, daß seine Befehle richtig gewesen waren. Die SOL hätte sicherlich in der verbleibenden Zeit noch starten können, aber eine große Anzahl Solaner war von Bord gegangen. Der einschlagende Mond hätte den Planeten getroffen und ihn vernichtet – ohne jeden Zweifel. Ohrenbetäubendes Lärmen erfüllte die drei Schiffszellen. Knapp die Hälfte aller Bordgeschütze feuerten ununterbrochen. Gewaltige Glutbahnen zuckten aus den Rundungen der SOL fast senkrecht in den Raum hinaus. Nacheinander verließen drei Kreuzer im
Alarmstart die Hangars, und die Feuerleitstellen begann schon zu feuern, als die Schiffe noch im rasenden Steigflug begriffen waren. Massiertes Feuer schlug dem Mond entgegen. Über dem Meer und dem Land tobte ein Geräuschorkan. Meteorologische Effekte traten auf; Wolken ballten sich zusammen und wurden zerrissen, die Sonne verschwand hinter dem Schlauch eines schwarzen Tornados. Ununterbrochen arbeiteten die Geschütze. Teile des Mondes begannen aufzuglühen, zu verdampfen und in Form von weißglühender Lava in riesigen Eruptionen in den Weltraum zu entweichen. Gigantische Felstrümmer wurden abgespaltet und begannen zu rotieren, bis sie wieder getroffen und in Teile zerfetzt wurden. Ein breiter Spalt klaffte entlang des Lootyndol‐Äquators. Aber noch immer, knapp eine halbe Million Kilometer entfernt und rasend schnell, war der Mond ein tödliches Geschoß. Das also, sagte sich Breckcrown, war der letzte Teilplan. Er hielt sich die Ohren zu, ließ seinen Blick von einem Schirm zum anderen gehen, verarbeitete die Meßzahlen und sah das Objekt unverändert schnell näherkommen. Wieder barst ein Teil weg, der Spalt verbreiterte sich, und die vergleichsweise riesige Masse begann zu rotieren. Immer wieder wurden große Brocken nach allen Seiten geschleudert und entfernten sich in einer Vielzahl verwirrender, sich überschneidender Kurse. Der Hagel von Kampfstrahlen, Transformbomben und deren grellen Detonationen, die Geschützprojektoren einer ständig größer werdenden Anzahl von Beibooten, die aus sicherer Entfernung operierten, die Explosion von irgend etwas, das in der Mondkruste verborgen gewesen war und jetzt vernichtet wurde, erschütterten den Trabanten und ließen ihn drei Sekunden später in drei Teile auseinanderbersten. Noch dreihunderttausend Kilometer. Von rechts und links wurden die Reste des Mondes unter
schwerstes Feuer genommen. Die ausgeschleusten Kreuzer hatten inzwischen den Weltraum erreicht und hielten sich weit außerhalb des Abwehrfeuers der SOL. Sie versuchten, die größten Bruchstücke Lootyndols auf einen anderen Kurs zu bringen, so daß sie nicht den Planeten trafen, sondern schlimmstenfalls die Atmosphäre streiften. Zweihunderttausend Kilometer über dem Planeten zerfetzte eine Explosion, die nicht vom Beschuß der Solaner verursacht worden war, das größte der Trümmerstücke. Inzwischen hatten sich die Feuerleitstellen auf die unterschiedlichen Ziele eingeschossen und vernichteten ein Trümmerstück nach dem anderen. Wieder vergingen ein paar Sekunden. Breckcrown Hayes machte keinen Versuch, Atlan zu benachrichtigen. Er würde wissen, was geschehen war. Der High Sideryt richtete einige Worte an die Frauen und Männer vor den Zielschirmen und sagte ihnen, worauf sie seiner Meinung nach zu achten hätten. Hundertzehntausend Kilometer betrug der Abstand der ersten Trümmerstücke vom Planeten. Inzwischen hatten die duusnorzischen Observatorien dieselben Informationen wie die Solaner. Eine Welle von Angst und Aufregung ging um den Planeten. Die Duusnorzer wußten zwar, daß sich Lootyndol in einen Hagelschauer großer Brocken verwandelt hatte, wußten ferner, daß einige der Bruchstücke den Planeten verfehlen würden, aber sie rechneten mit dem Schlimmsten. Die Geschütze der SOL feuerten bis zum letzten Augenblick. Beim Eintritt in die Lufthülle des Planeten wurden sämtliche Bruchstücke des Mondes durch die Reibungshitze zunächst in aufglühende Körper verwandelt. Von Staubkorngröße bis hinauf zu Brocken von rund fünfzig Zentimetern Durchmesser wurden die Steintrümmer in weißloderndes Gas verwandelt und zischten als schnelle, aufzuckende Lichtstreifen über den Abendhimmel von Haarundel. Einige hunderttausend Tonnen Materie, die sich nicht ganz
aufgelöst hatte, schlug am Ende der leuchtenden Meteoritenbahnen ins Meer und erzeugte kleine Flutwellen, die niemals die Küste erreichten. Es blieben etwa zwei Dutzend riesige Trümmer übrig, die sich entlang mehrerer Achsen drehten, sich bei ihrem rasenden Sturz durch die tobende, von Blitzen und Stürmen durchfurchte Atmosphäre in kleine Sonnen verwandelten. Noch immer wurden sie von den Kampfstrahlen zerrissen und zerfetzt. Die Stürme verwandelten das Meer in ein gischtendes Inferno. Die Nacht wurde fast so hell wie der Tag über Duusnorz. Das erste Trümmerstück schlug in Polnähe halb ins Meer, halb in die Eiskappe und erzeugte ein kleines Planetenbeben. Gleichzeitig endeten vier Riesenbrocken im Meer. Eine vierfache Flutwelle brach aus. Zum Teil verwüstete sie später viele Uferstreifen, zum anderen vernichteten sich die gegeneinander wirkenden Energien selbst. Zwei Bruchstücke jagten auf entgegengesetzte Hälften von Duusnorz durch die mittleren Schichten der Lufthülle und verließen sie wieder, zwei Schneisen von Verwüstungen hinterlassend, einen ungeheuren Lichtstreifen und jeweils eine gigantische Sturmzone. Man zählte sechs weitere Einschläge auf den Landmassen des Planeten. Wieder liefen schwere Beben über diese Welt. Dann herrschte, bis auf das Wüten der Stürme und die abklingenden, weiterziehenden Gewitterfronten, eine unendliche Ruhe. * Atlan legte beide Hände auf die Schultern des High Sideryt. Die Männer tauschten einen langen Blick aus. Breck war noch immer bleich, und er schien sich unablässig zu fragen, ob er etwas noch schneller, gründlicher oder besser hätte machen können.
»Ich glaube, du hast mehr als nur einen Planeten gerettet, Breck!« sagte der Arkonide. »Milliarden Duusnorzer. Wissen wir schon etwas über ihre Verluste?« wandte sich Breck an Tyari, die sich auf einem freien Platz vor dem Regierungsgebäude befand und von einer kreisringförmigen Abordnung umgeben war. Sie nickte kurz, dann antwortete sie: »Bisher wurden nur typische Planetenbebenschäden gemeldet. Die Duusnorzer sind dank ihrer Schwebefähigkeit wohl von den schlimmsten Folgen verschont geblieben. Längst sind noch nicht alle Meldungen ausgewertet.« »Nun kennen wir den Teilplan«, sagte Atlan schaudernd. »Wie wäre er wohl ausgefallen, wenn die SOL nicht gelandet wäre?« »Anders«, antwortete Hayes. Sie standen in der Zentrale. Der Raum war im Augenblick fast leer. Innerhalb der SOL wurden die meisten Mannschaften abgelöst. Es herrschte die wohltuende Ruhe nach einigen Stunden, in denen niemand Zeit gehabt hatte, zu denken, sondern reagieren mußte. Nacheinander schleusten die Kreuzer wieder ein. »Anti‐ES wollte uns, weil wir das Verschwinden untersuchten und Mjailam den Schattenkämpfer tötete, vernichten. Zusammen mit einem Planeten voller Lebewesen. Das nenne ich Haß, Wut und Rache!« »Und ich sage dir, daß der Mond nicht als Geschoß gedacht war!« brummte der High Sideryt. »Das ist durchaus denkbar!« Aus allen Teilen des Planeten liefen in den Nachrichtenstationen Informationen über die Zerstörungen ein. Flüsse waren über die Ufer getreten und hatten das Land unter Wasser gesetzt. Ein Vulkan war zu neuer Aktivität erwacht. An vielen Meeresküsten waren Gebäude und Anlagen mehr oder weniger stark beschädigt worden. Feuer durch Blitzschläge. Ernten durch Hagelschläge vernichtet. Schneisen gefällter und übereinandergestürzter Bäume in einigen
Wäldern. Dann wieder Berichte von Zonen, in denen zwar die Beben gespürt, aber nichts zerstört worden war. Es wurden Verletzte gemeldet, einige Tote, eine Anzahl stark beschädigter Gebäude in einigen Städten und ein riesiger Krater östlich von Haarundel. Eine zweite Meldung aus dem Gebiet, in dem der Meteorit eine automatische Fabrikationsanlage für Raumschiffstreibstoff unter sich begraben hatte: auf dem Grund der trichterförmigen Einschlagstelle waren Fragmente zu erkennen. »Fragmente? Das würde bedeuten, daß wir ein Trümmerstück möglicherweise untersuchen können«, sagte Atlan. »In wenigen Stunden ist dort im Osten bereits heller Morgen.« »Nimm den Gleiter mit den Übertragungseinrichtungen. Tyari soll dich abholen«, antwortete Breck. »Ich kümmere mich um die SOL. Wir haben unsere Mission beendet, denke ich. Zurück nach Anterf!« »Einverstanden.« Atlan nahm einige Freunde seines Teams mit, flog hinüber zum Regierungsviertel und unterhielt sich mit dem Duusnorzer‐Team, das die Entdeckung gemacht hatte. Sie nahmen den schweren Gleiter, einige Lotsen und starteten nach Osten. Daß nach dem Einschlag eines derart schnellen und großen Körpers noch Einzelheiten zu erkennen waren, zählte ebenfalls zu den Merkwürdigkeiten. An Bord der SOL würde man es vielleicht rekonstruieren können; einer der letzten Schüsse hatte vielleicht die Geschwindigkeit kurz vor dem Einschlag scharf abgebremst. Achtzig Minuten Flug lagen hinter ihnen, als Atlan den Gleiter zuerst in einen Vollkreis steuerte. Unter ihm lag die riesige Narbe, die der Mondbrocken gerissen hatte. Er selbst schien wie ein Splitter geformt zu sein, war dreimal aufgeschlagen, wieder hochgeschleudert worden und hatte dann mit furchtbarer Wucht einen dreieckigen Krater in den Boden gerissen. Das Erdreich war, ebenso wie die Reste des Lootyndol‐
Bruchstücks, schwarz zerschmolzen, atmete Hitze aus wie erkaltende Lava, und tatsächlich glänzten im Licht der aufgehenden Sonne metallische Konstruktionen. Genauer: deren unkenntliche Reste. Atlan schwebte in dem flachen Graben tiefer hinunter. Undeutlich ließen sich Aushöhlungen im Gestein erkennen, annähernd halbrunde Vertiefungen, als sei hier eine sublunare Station in zwei Teile zerschnitten oder zerrissen worden. Metallreste, röhrenförmige Elemente und immer mehr Reste von wuchtigen Maschinen, hoffnungslos zerstört und deformiert, ließen etwas von der ehemaligen Größe, Wucht und Ausdehnung erkennen. Sorgfältig fertigten Tyari und Nockemann Aufnahmen an. Atlan steuerte den Gleiter an dem Bruchstück hin und her; das Teilstück schien mit der ehemaligen Außenseite, also der »Mondoberfläche« ins Erdreich des Planeten geschlagen zu sein. Teile des Innern lagen im Licht. Die Sonne, verborgen hinter Staubwolken und Regenschauern, leuchteten unwirklich und rot. »Vermutlich wird mich keiner auslachen«, sagte Nockemann und bewegte den Zoomschalter des Objektivs, »wenn ich sage, daß diese Maschinenanlage nicht von den Duusnorzern stammt.« »Auf keinen Fall! Wir hatten nur eine Oberflächenstation auf Lootyndol!« riefen die Lotsen. »Vielleicht haben sie einige Garms tief gebohrt, mehr aber sicher nicht.« »Dann halte ich diese Reste für eine Maschinerie, mit deren Hilfe Duusnorzer und deren Raumschiffe verschwanden!« sagte Nockemann mit Bestimmtheit. »Legen wir die Auswertung in SENECAS Ermessen.« »Gern. Ich frage mich nur, was das alles wirklich zu bedeuten hat!« brummte der Arkonide. »Es gibt eine Erklärung. Ich allerdings habe sie nicht.« In einer Art unausgesprochener Überlegtheit wisperte der Logiksektor: Vielleicht kann ich dir später eine Lösung anbieten, Arkonide! Mitunter
bewegen sich deine Überlegungen wie ein verkrüppelter Blinder im Dunkeln! Atlan verzichtete grimmig auf eine Erwiderung und wartete, bis die letzten Aufnahmen gemacht worden waren. Er stellte den Autopiloten auf die SOL ein und lehnte sich zurück. »Wenn du recht hast, Hage, und wir meinen alle, daß es so ist, dann wird künftig kein Duusnorzer mehr verschwinden.« »Wir meinen auch, daß SLʹHage Neun richtig gedacht hat!« zwitscherte einer der Lotsen, die über den Knien Tyaris schwebten und ihre Antennenfühler pendeln ließen. Stimmte es wirklich? War damit, daß der Mond zerstört und dessen geheime Anlagen vernichtet waren, wirklich der Grund für weitere Zwischenfälle ausgeschaltet? Atlan beschloß, den Duusnorzern oder besser ihrer Regierung ein Hyperfunkgerät zur Verfügung zu stellen, damit sie nach Anterf berichten konnten. Aber … waren die Schattenkrieger auch aus dem Innern des Mondes gekommen? Wenn nicht, bestand die Gefahr, daß sie auch dieses Gerät vernichteten. Dann aber, immerhin, würde das Ausbleiben der Nachricht als Nachricht wirken. »Breck hat recht«, sagte der Arkonide und gähnte herzhaft. »Wir fliegen zurück ins Barsanter‐System.« Der Abschied war weniger aufwendig als die Begrüßung. * Als die letzten Raumschiffe, die der SOL gefolgt waren und versucht hatten, eine Ehreneskorte zu bilden, abdrehten, als die Duusnorzer den Funkkontakt abschalteten und die SOL die erste Linearetappe einleitete, summte der Interkom in Atlans Schlafraum. Der Arkonide, dessen Gedanken nur noch um eine lange Dusche und einen tiefen Schlaf kreisten, betätigte den Antwortschalter. »SPARTAC‐Observatorium, Atlan«, meldete sich ein Solaner, der
nicht weniger müde aussah als Atlan sich fühlte. »Wir schicken dir über den Fernkopierer einige Bilder. Sie sind zufällig entstanden. Wir karthographieren das Gebiet, und gerade dort tauchte Lootyndol auf. Wir haben es eben erst gemerkt. Vielleicht kannst du mit dem Bild mehr anfangen als wir.« »Danke«, antwortete Atlan. »Verschont mich in den nächsten zehn Stunden mit Aufregungen, bitte!« »Entschuldige. Wir meinten, es wäre wichtig.« Atlan winkte ab, bedankte sich und schaltete ab. Aus dem Ausgabeschlitz des Spezialgeräts fielen ihm drei Blätter entgegen. Er schob die Aufnahmen in die Wiedergabeanlage und sah zu, wie ein dreidimensionales Bild sich entwickelte. Sehr viel war nicht zu sehen – aber schon das erste Bild weckte eine Erinnerung in ihm. Tiefe, ungreifbare Schwärze. Darin ein kleiner löchriger Brocken oder mehr ein großer Asteroid mit zerklüfteter, kraterbedeckter Oberfläche. Von seiner Oberfläche gingen, als würde sich das Objekt daran festhalten wollen, einige Fäden unbekannter Energie aus, die wie zerfaserte Blitze aussahen. Atlans Erinnerung wußte, wo er diesem Asteroiden begegnet war: Das war der Planetoid, auf dem er dem unfaßlichen Anti‐ES in der Vergangenheit begegnet war! Und das war der Raum, aus dem Lootyndol wieder hervorgekommen war: die Namenlose Zone! ENDE Die SOL befindet sich wieder auf Anterf, wo man die jüngsten Ereignisse auswertet und zu dem Schluß kommt, daß die eigentliche Problematik der ineinander verzahnten Doppelgalaxis Bars‐2‐Bars bei den »Nabelstationen« liegt.
Mehr zu diesem Thema erzählt Hubert Haensel im Atlan‐Band der nächsten Woche. Sein Roman trägt den Titel: DIE NABELWELT