Yael Hedaya Die Sache mit dem Glück
Diogenes
Mira führt einen Kampf, den sie nicht gewinnen kann: Ihr Ehemann vergifte...
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Yael Hedaya Die Sache mit dem Glück
Diogenes
Mira führt einen Kampf, den sie nicht gewinnen kann: Ihr Ehemann vergiftet die Ehe mit seinen Erinnerungen an eine damals fünfzehnjährige Geliebte, die ihn nach einem Jahr sitzenließ. Mira hatte gehofft, daß der erinnerungskranke Matti mit den Jahren und durch die beiden Söhne, die sie ihm gebar, allmählich in die Realität zurückfinden würde – statt dessen wird er unheilbar krank. Die Ärzte stellen einen inoperablen Hirntumor fest. Mira pflegt ihren Mann, solange die Kräfte reichen. Sie ist verzweifelt und fühlt sich vom Leben betrogen. Und das alles wegen einem Teenager namens Alona! Und dann taucht die inzwischen Fünfundzwanzigjährige im Krankenhaus auf und begegnet Mira auf dem Flur.
Yael Hedaya Die Sache mit dem Glück Erzählung Aus dem Hebräischen von Ruth Melcer
Diogenes
Das Original erschien 1997 bei Am Oved Publishers Ltd., Tel Aviv, unter dem Titel Matti. im Band >Schloscha sippurej ahawa< Copyright © 1997 by Yael Hedaya Umschlagillustration: Henri Matisse, Junges Mädchen in Schwarz auf gelbem Sessel., 1935 Copyright © 2006 ProLitteris, Zürich/ Succession Henri Matisse, Paris
Für meinen Vater
Alle deutschen Rechte vorbehalten Copyright © 2006 Diogenes Verlag AG Zürich www.diogenes.ch 80/06/52/1 ISBN 13: 978 3 257 06547 3 ISBN 10:
3 257 06547 7
1
Am fünften Mai 1990, einem wunderbaren Frühlingstag, wurde ein Mann bei uns vorstellig, dessen Frau klagte, er leide unter Kopfschmerzen. »Und zwar schrecklich«, sagte sie kopfschüttelnd, »schreckliche Kopfschmerzen«, als seien es die ihren, und drückte die Hand des hochgewachsenen und verlegenen Mannes, der binnen Minuten zu unserem Patienten wurde. Wir ließen sie die Symptome beschreiben, die sie mit Metaphern voller Leid und Phantasie anreicherte, und als sie sich zu uns vorlehnte und flüsternd schloß: »Mein Mann ist nicht mehr der Mensch, der er einmal war«, als ob ihr Mann nicht mit im Raum wäre, nickten wir und fragten: »Seit wann ungefähr?«, und die Frau antwortete: »Seit ungefähr drei Monaten.« »Ungefähr seit Februar?« »Ja, Februar«, bestätigte sie. >Klagt seit Februar über Schmerzen< schrieben wir nieder, und die Frau – sie hob sich aus ihrem Stuhl, um einen kurzen Blick auf das neue Krankenblatt zu werfen, das möglicherweise etwas beinhaltete, was sie erfreuen könnte, eine neue Möglichkeit, gewisse Aussichten, die der Patient allerdings schon bald zerstören sollte - sagte: »Ja, seit Februar. Er hatte eine schwere Grippe, und danach hat es angefangen.« Und wir schrieben mit: >Begann nach einer Grippe über Schmerzen zu klagen.
Einer schweren GrippeBegann nach einer schweren Grippe über Schmerzen zu klagen.< »Schreckliche Schmerzen!« versteifte sie sich und deutete auf unseren Stift, also fügten wir als nette Geste >schreckliche< ein, und die Frau legte ihre Hand zurück in ihren Schoß und unterstrich die Ergänzung mit einem bestätigenden Nicken, als hätten wir soeben gemeinsam den ersten und harmlosen Satz eines Märchens erarbeitet, auf den sogleich die Greuel folgen würden. Sie eignete sich den gängigen Sprachstil umgehend an und begann uns die Krankheitsgeschichte zu diktieren, wobei sie den >schrecklichen< Schmerzen noch die >spitzenblind machendenlähmendenunerträglichenmonströsenunmenschlichen< und >absolut unbeschreiblichen< hinzufügte, und als sie das Gefühl hatte, die Beschreibung des Schmerzes stelle den Schmerz selbst in den Schatten, richtete sie ihren Blick auf den Mann, der sich, den Teppich anstarrend, am Kopf kratzte, und bat ihn mit den Augen, doch auch etwas beizusteuern, ein Wort, das alles zusammenfassen würde, aber der Mann sagte halblaut: »Nein.« »Was - >nein