Heinz G. Francis Die Roboter von Warrow Rex Corda Band Nr. 35 Version 1.0 Die Roboter von Warrow Im Jahre 1992 gerät die...
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Heinz G. Francis Die Roboter von Warrow Rex Corda Band Nr. 35 Version 1.0 Die Roboter von Warrow Im Jahre 1992 gerät die Erde in die jahrtausendealte Auseinandersetzung zwischen Orathonen und Laktonen. Unser Planet wäre vernichtet worden, wenn nicht der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Rex Corda, eingegriffen hätte. Corda verbündet sich mit den Laktonen und vertreibt mit ihrer Hilfe die Orathonen. Eigentlich ist Terra innerhalb dieser galaktischen Auseinandersetzung nur ein unwichtiger Planet am Rande der Milchstraße. Aber Rex Corda, zum Präsidenten von Terra gewählt, ahnt bereits, daß die Erde gegen einen dieser galaktischen Riesen die endgültige Entscheidung herbeiführen muß oder untergehen wird. Da erhält Rex Corda die entscheidende Hilfe: Der geniale terranische Wissenschaftler Walter Beckett erfindet einen Kunststoff mit überragenden Eigenschaften. Rex Corda nennt diesen Stoff Becon. Der unzerstörbare Stoff saugt alle Energien wie ein Schwamm in sich auf. Beängstigend ist, daß sich mit Becon das Hirn eines Menschen ebenfalls beeinflussen läßt. Ein Mensch, in den dieser Kunststoff hineinoperiert wird, ist unverwundbar. Sehr schnell haben die Orathonen und Laktonen die Bedeutung dieses Stoffes erkannt. Die Jagd auf Becon beginnt. Dem Flottenkommandeur der Orathonen, Sigam Agelon, gelingt es sogar, sich ein Stück Becon ins Hirn einsetzen zu lassen. Sigam Agelon will mit Hilfe seiner neuen Fähigkeiten die Herrschaft über die ganze Galaxis an sich reißen. Er versucht, das Reich der »Zeitlosen«, der Wächter über die gesamte galaktische Ordnung, zu zerstören. Rex Corda eilt den »Zeitlosen« mit dem Raumschiff »Walter Beckett« zu Hilfe und entscheidet den Kampf zugunsten der »Zeitlosen«. Sigam Agelon muß sich zurückziehen. Seine Flucht führt zum Planeten der Warrows. Die friedfertigen Kugelwesen von Warrow sind jetzt die Geiseln des wahnsinnigen Orathonenführers! Die wichtigsten Personen Rex Corda : der Präsident Terras kämpft für die Warrows Tsati Mutara : der terranische Mutant kehrt zurück Sigam Agelon : bereitet sich auf die letzte Schlacht vor John Haick : wird zum Boten der Orathonen EinsMark : Patriarch der Warrows ZweiM’Statt : sein politischer Gegner *** Sigam Agelon starrte auf den mächtigen Holografen in der Kommandozentrale des orathonischen
Raumschiffs.
Eine kleine blaugrüne Welt drehte sich vor dem blauen Hintergrund der Raumvakuole. Eine gelbe Sonne
überstrahlte den einsamen Planeten.
»Wir werden uns auf diesem Planeten einmal umsehen! Wir müssen so bald wie möglich wieder volle
Kampfkraft erreichen!« sagte Sigam Agelon.
Er strich sich mit der Hand über den Hinterkopf. Für einen winzigen Augenblick verharrte die Hand an
der Stelle, an der dem Featherhead die kleine BeconSchale eingepflanzt worden war, die ihn zu einem
unbesiegbaren Giganten machte. »Wir landen auf dem Planeten. Jeder Widerstand wird zerschlagen!«
Tsati Mutara biß die Lippen heftig zusammen.
»Wo sind wir?« fragte er leise.
Sigam Agelon drehte sich um und sah den terranischen Mutanten, der sein Gefangener war, an.
Er lachte boshaft, als er auf ihn zu ging.
»Niemand weiß das, mein Freund!« antwortete er mit einem sardonischen Grinsen. »Auch die ›Zeitlosen
‹ und unser gemeinsamer Freund Rex Corda werden ihre Mühe haben, uns zu finden!«
Blitzschnell zuckte seine Faust vor.
Der Trop Thali kreischte ängstlich in der Hand des Orathonen. Sigam Agelon warf den Trop einem der
Bronzeroboter in die Arme.
»Wenn Mutara Verrat verüben will, töte den Trop!« befahl er. In seinen Augen blitzte es teuflisch auf.
Der Roboter nahm den Arm Mutaras.
Tsati Mutara drehte sich zornbebend um und verließ die Zentrale.
Bis zu diesem Augenblick war Tsati Mutara fest entschlossen gewesen, Rex Corda unter allen
Umständen zu helfen. Er gab sich keinen Illusionen mehr hin. Seine eigenen Chancen waren auf Null
gesunken. Er hatte nur eine einzige Aufgabe, die Energieschirme zu brechen, mit deren Hilfe die »
Zeitlosen« die Antriebsaggregate der Raumschiffe blockieren konnten und hinter denen sie sich selbst
in Sicherheit wähnten!
Er sollte Sigam Agelon helfen, der Mächtigste der Galaxis zu werden!
Sein eigenes Leben galt nichts! Mutara wußte, daß er jetzt hilflos war. Der Trop ThaliFenberthFen
Berthnyen war die Geisel des Orathonen!
Mutara konnte niemals zulassen, daß Thali ermordet wurde!
*
Mutara saß in dem harten Sessel vor seiner Liege. Er starrte wie benommen auf den kleinen
Holografen, der ihm das gleiche Bild übermittelte wie der große Hauptholograf in der
Kommandozentrale.
Tsati Mutara konnte die Aktionen der neun orathonischen Hantelraumer verfolgen. Die Invasion lief
nach einem alten und bewährten Plan ab.
Computer steuerten die Aktionen. Die Hantelraumer schlossen den Planeten kugelförmig ein.
Wie giftige zornige Insekten hingen die Kampfschiffe über ihrem Opfer.
Tsati Mutara erhob sich und verstellte den Ausschnitt des Hologramms. Der Planet sprang auf ihn zu.
Der Terraner konnte bereits Einzelheiten erkennen.
Er sah weite Wohngebiete mit zierlichen Häusern, die in dichtgesponnenen Netzen hingen.
Geschwungene Straßen zogen sich durch die Landschaft, in der Grün und Gelb vorherrschte. Mutara
erkannte weite Gebiete, die offensichtlich landwirtschaftlich genutzt wurden. Er entdeckte nur
wenige industrielle Anlagen. Die Luft schien außergewöhnlich klar über den Städten. Es gab keine der
Dunstglocken, an der sich bestimmte industrielle Entwicklungsstufen ablesen ließen.
Mutara warf einen Blick auf den Trop, der ängstlich auf dem Arm des Roboters saß.
Ein scharfer Brummton jagte durch die Gänge des Hantelraumers. Sekunden später schossen aus allen
Raumschiffen, die den kleinen Planeten umklammerten, Diskusraumer hervor. Aus jedem einzelnen
Hantelraumer kamen nach Tsatis erster Schätzung mindestens zweihundert Diskusraumer. Zwei
Minuten nach dem Ausschleusungskommando schloß sich die letzte Lücke über dem Planeten. Ein
dichtes Netz aus Raumschiffen hing über der blaugrünen Welt.
Tsati Mutara hörte die schrillen Worte Sigam Agelons, den er selbst nicht sehen konnte.
Ein eiskalter Schauer jagte ihm über den Rücken, als er hörte, mit welchen Mitteln der Orathone die
Herrschaft über diesen Planeten erringen wollte.
»ZeroStrahler in Betrieb nehmen!« bellte die Stimme Sigam Agelons aus den Lautsprechern.
Diese Waffe hatten die Orathonen von den Laktonen übernommen, sie kam bei den Orathonen jedoch
nur in sehr seltenen Fällen zum Einsatz.
Tsati Mutara fragte sich unwillkürlich, welchen Zweck diese Waffe hier erfüllen sollte.
Der ZeroStrahler wurde im Jargon auch »Energieverdunster« genannt. Es war ein
Miniaturchemiewerk, das in der Lage war, in kürzester Zeit größte Mengen eines Plastikgespinstes
auszuschleudern. Das Gespinst wurde wie ein Gladiatorennetz über Hunderte von Kilometern im Raum
verteilt. In Abständen von zwanzig Kilometern wurden Kondensatoren eingebaut. Im Netz verfing sich
alle abgestrahlte Energie. Sie floß zu den Kondensatoren und wurde dort gespeichert.
»Der gesamte Kampfraum wird mit Hilfe des ZeroStrahlers eingefaßt«, erklärte Sigam Agelon mit
harter Stimme, aus der seine ganze Entschlossenheit sprach.
Tsati Mutara hörte das zynische Lachen des Orathonen.
»Darf ich fragen, welchen Zweck Sie damit verfolgen, Herr?« fragte eine andere Stimme.
Mutara horchte auf.
»Wir sind den ›Zeitlosen‹ durch einen Hypersprung entkommen«, erklärte der Agelon willig.
»Im Augenblick weiß niemand, wo wir sind! Die ›Zeitlosen‹ und die Terraner suchen uns fieberhaft! In
dem Augenblick, in dem wir auch nur einen Schuß abgeben, orten sie uns! Das Gespinst wird jedoch alle
abgestrahlte Energie aufsaugen.
Es wird eine Ortung unmöglich machen! Niemand wird feststellen können, was hier geschieht!«
Sigam Agelon lachte selbstgefällig.
»Wenn die ›Zeitlosen‹ uns endlich gefunden haben, dann wird es zu spät für sie sein. Dann haben wir
uns so weit erholt, daß wir sie mühelos schlagen können!«
*
EinsMark war eine stattliche Erscheinung unter den Warrows. Der Patriarch war über zweieinhalb
Meter groß, und dicht über dem blauen Augenband auf der obersten Kugel seines imposanten Körpers
hatten sich vier harte rote Knoten gebildet. Sie galten als Zeichen großen Alters und großer
Intelligenz.
EinsMark stand unter dem milden Säurestrahl, der seinen Körper überspülte, als er die Nachricht
auffing. Er bemühte sich nicht, sie zu verstehen – das war Aufgabe seiner zahlreichen Nachkommen.
Er wußte nur, daß etwas geschehen war, was er wissen sollte.
Er schaltete den Säurestrahl ab und ließ sich von heißer Luft bestrahlen, als AchtM’Mark den Raum
betrat. Die zahlreichen Greifarme und Tentakel zwischen seinen beiden oberen Körperkugeln befanden
sich in heftiger Bewegung. Die natürliche orangefarbene Tönung seiner noch jungen Haut war in einen
Kupferton übergewechselt.
AchtM’Mark hatte offensichtlich Mühe, seine Nachricht so klar abzustrahlen, wie es die Höflichkeit
seinem Vater gegenüber befahl.
»Raumschiffe haben den Planeten eingekesselt«, berichtete AchtM’Mark erregt. Die von ihm
abgestrahlten Radiowellen zeugten von seiner Angst.
»Das ist kein Grund, aufgeregt zu sein«, gab EinsMark gelassen zurück. »Dies ist eine friedliche Welt.
Eine Gefahr ist undenkbar!«
Er verließ den Raum und begab sich auf die große Terrasse am Meer, von der aus er den Himmel gut
beobachten konnte. Er erschrak nicht, als er die zahllosen Raumschiffe sah, die am Himmel standen.
Wieder kam eine Nachricht an. Sie kam aus Zero, der Regierungshauptstadt.
Fragend sah EinsMark seinen Lieblingssohn an.
»Nun?«
»ZweiM’StattM’Ruf bittet dich ins Zentrum!« antwortete sein Sohn, der die Funknachricht
aufgefangen und umgeformt hatte.
EinsMark drückte zwei Tentakel gegen die mittlere seiner drei Körperkugeln, um den aufwallenden
Schmerz in seinem Hirn einzudämmen.
ZweiM’StattM’Ruf – Zwei, der der Sohn des Statt war, welcher wiederum von dem berühmten Ruf
abstammte. Dieser Warrow war der entschiedene Gegner EinsMarks, ein Vertreter der jungen
Generation, die die Unendlichkeit mit neuen Mitteln, denen der Gewalt, erobern wollte.
Ein Gefühl der Bitterkeit stieg in EinsMark auf.
Er gab seinem Sohn den zögernden Befehl, ein schnelles Kurierboot für ihn fertigzumachen.
Er sah auf das ruhige Meer hinaus, dessen Dünung weich gegen die Küsten der Insel schlug.
Das Meer war ein Symbol der WarrowPolitik – es war so friedlich wie das ganze Volk, das diesen
Planeten bewohnte.
Es dauerte nur Minuten, bis das Boot fertig war.
EinsMark lehnte jede Begleitung ab. Er stieg in das Boot und schob sich in die gepolsterte Halterung,
die es seinem Körper erlaubte, sich etwas auszuruhen. Die zwei unteren Kugeln seines mächtigen Leibes
preßten sich in die angenehmen Polster.
Im Hafen von Zero herrschte Ruhe.
Die Warrows gingen in aller Gelassenheit ihrer Arbeit nach. Nur hin und wieder sahen sie in den
Himmel hinauf.
EinsMark stieg in einen Elektrowagen um, der ihn unter den hängenden Häusern hindurch sehr schnell
in das Regierungszentrum brachte.
Erregtes Stimmengewirr herrschte im großen parlamentarischen Saal, als der Warrow den Raum
betrat.
ZweiM’Statt beherrschte die Szene. Er sprach sowohl akustisch als auch mit Hilfe von Radiowellen
auf die Parlamentarier ein. Seine Stimme war voll Haß und Zorn.
EinsMark blieb betroffen stehen. Dann jedoch ging er entschlossen zum Rednerzentrum. Ihm stand
das Recht zu, ZweiM’StattM’Ruf zu unterbrechen. Und er tat es.
»Niemand hat das Recht, Warrow an sich zu reißen«, begann der Patriarch von Warrow. »Dennoch
scheint es jetzt so, als wollten sich jene, deren Raumschiffe wir sehen, über unsere Welt hermachen.
Sie handeln wider die Gesetze, die von den ›Zeitlosen‹ stammen. Wir brauchen uns keine Sorgen zu
machen. Warrow wird bestehen.«
Er trat ab und begab sich zu seinem Platz.
ZweiM’Statt begab sich sofort wieder in den Rednerkreis. Seine Haut glänzte wie gehämmertes
Kupfer. Er glühte förmlich vor Erregung.
»Ich verehre EinsMark«, sagte der junge Warrow. »EinsMark ist das große Vorbild aller
Generationen. Wenn er sagt, daß die Fremden im Unrecht sind, so hat er recht. Niemand kann seine
Worte widerlegen.«
Damit hatte ZweiM’Statt den richtigen Ton getroffen. Die Warrows hörten ihm zu. Sie spendeten ihm
wohlwollenden Beifall.
»Wir sind ein friedliches Volk«, fuhr ZweiM’Statt fort. »Es hat niemals Gewalttätigkeiten auf
unserem Planeten gegeben, seitdem wir auf ihm leben.
Es soll auch niemals Gewalttätigkeiten zwischen uns und denen geben, mit denen wir sprechen können!«
Er machte eine kleine Pause. Das optische System seiner Augenbänder blitzte energisch auf.
»Was aber geschieht, wenn wir mit den Fremden nicht in der Sprache des Friedens reden können? Was
geschieht, wenn sie unsere Welt zerstören und zerfetzen? Was geschieht, wenn sie uns töten?«
Er wandte sich an EinsMark und beantwortete die rhetorische Frage mit beispiellosem Zynismus: »
Auch dann werden wir noch im Recht sein! Auch dann werden die Angreifer im Unrecht sein, und die
Strafe derer, die die Zeit vergessen hat, wird sie treffen!«
»Dann ist es zu spät!« antwortete einer jener alten Warrows, die bisher ganz eindeutig zur Partei von
EinsMark gehört hatten.
»Also müssen wir Vorbereitungen für den Fall treffen, daß die Fremden nicht so friedlich sind, wie wir
hoffen!« strahlte ZweiM’Statt energisch ab.
Für jedes andere Volk wäre diese Forderung ganz selbstverständlich gewesen. Für die Warrows nicht.
Die Warrows kannten keine Gewalttätigkeit. Es war kaum vorstellbar, daß es eine friedlichere Rasse in
der Galaxis gab als die Warrows.
Wie ein Schock brachen die Worte des Warrows über die Parlamentarier herein. Sie erhoben sich alle
aus ihren Polsterstützen. Ihre Empörung gellte durch den Raum.
In diesem Augenblick lief ein unheimliches Zittern durch den Boden. Sie fühlten es alle. Und plötzlich
schwiegen sie. Sie lauschten nach draußen.
Aber überall war Stille.
Dann gellte ein Schrei des Entsetzens um den Planeten.
Die Parlamentarier bemühten sich zum erstenmal seit langer Zeit wieder, eine Nachricht selbst zu
verstehen, da niemand der Söhne dabei war, sie aufzunehmen.
Sekunden später wußten alle Warrows, daß die Fremden eine ganze Stadt im Süden vernichtet hatten.
Sie hatten nur einmal geschossen.
Das reichte aus, um eine Stadt mit fünftausend Warrows auslöschen!
Das Entsetzen lähmte die Parlamentarier.
ZweiM’Statt starrte EinsMark voller Erschütterung an.
EinsMark marschierte erregt zum Rednerkreis.
Erschreckt bemerkte sein junger Gegner ZweiM’Statt, daß die friedliche Stimmung des Alten
umgeschlagen war. Er erschauerte. Seit Jahren hatte er gegen das Übermaß an Friedfertigkeit
gekämpft, weil es ihm unsinnig erschien. Jetzt merkte er, daß die Tendenz umzuschlagen drohte.
War EinsMark bisher zu friedlich gewesen, so war er jetzt zu sehr von Haß und Rachsucht erfüllt.
ZweiM’Statt wich unwillkürlich zurück. Auch aus dem Parlament schlug ihm die gleiche Stimmung
entgegen. Er hörte nicht, was EinsMark sagte. Er merkte nur, daß sich die Rachsucht bis zur Ekstase
steigerte.
Er wollte EinsMark aus dem Rednerkreis drängen, doch es war schon zu spät.
Noch bevor Sigam Agelon seinen Fuß auf diese Welt gesetzt hatte, hatte er das Feuer des Hasses und
der Vernichtung angezündet!
*
Rex Corda stand unbeweglich in der Zentrale der »Walter Beckett«, als das Raumschiff der »Zeitlosen
« sich entfernte.
»Ich verstehe das nicht ganz«, murmelte John Haick, der Freund Cordas. »Weshalb ziehen sich die ›
Zeitlosen‹ zurück?«
John Haick, der Chef der Funk und Ortungsabteilung, befand sich in der anderen Kugel des
Hantelraumers. Er stand per Holograf mit Rex Corda in Verbindung.
Cordas Augen richteten sich auf den Physiker.
Er antwortete nicht, aber seine Enttäuschung grub zwei tiefe Falten in seine Mundwinkel.
»Schließlich sind wir hier, um den ›Zeitlosen‹ zu helfen!« sagte Dr. Haick. »Sie werden allein nicht mit
Sigam Agelon fertig! Das haben sie inzwischen doch schon gemerkt. Weshalb verschwinden sie dann,
kaum daß sie mit uns Verbindung aufgenommen haben?«
»Ich kann dir deine Fragen nicht beantworten!« erklärte Rex Corda. Er sah sich kurz um. Die
wichtigsten Männer der Besatzung standen um ihn herum in der Zentrale des Raumschiffes. Sie alle
warteten auf eine Antwort von ihm. Direkt vor Rex Corda stand GaVenga, der zwergenhafte Kynother.
Wie immer trug er die enganliegende schwarze Kombination mit dem flammend roten Brustkeil. Ein
unsicheres Lächeln schwebte auf seinen Lippen. Er kratzte sich an den blauen Augenbrauen, die in
dünnem Bogen bis an sein Kinn herabreichten. Dann wippte er auf den Zehenspitzen und sah Corda fest
an.
»Warum verschwinden wir nicht einfach von hier?« fragte er. »Die ›Zeitlosen‹ wollen uns nicht! Sonst
wären sie nicht verschwunden. Sie haben uns einfach stehenlassen. Dümmer kann auch ein Kynother
nicht von einem Laktonen behandelt werden!«
Er warf den Laktonen Percip und Bekoval einen spöttischen Blick zu.
»Die Raumvakuole der ›Zeitlosen‹ ist angeschlagen«, fuhr GaVenga, das Sprachgenie, fort. »Ich habe
das Gefühl, daß bald alles um uns herum zusammenbricht. Weshalb bleiben wir dann noch?«
Rex Corda lehnte sich gegen die Computerbank. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah die
anderen Männer auf der Kommandobrücke ernst an.
»Es gibt zwei wichtige Gründe, GaVenga! Der erste ist: Sigam Agelon ist durch eine terranische
Erfindung zu einer Gefahr für alle Völker der Galaxis geworden. Wir sind ihm am nächsten. Wir haben
ihn in die Enge getrieben. Niemand wird ihn vielleicht jemals wieder in so schwacher Position haben.
Vielleicht wird sich niemals wieder eine Chance bieten, seine Macht zu brechen, wenn wir uns jetzt
nicht der Verantwortung stellen. Zweitens: Tsati Mutara befindet sich noch immer in der
Gefangenschaft der Orathonen. Ich werde nicht eher von hier weichen, bis wir ihn befreit haben! Gibt
es dagegen ernste Einwände?«
Seine klaren Augen sahen einen Mann nach dem anderen an. Der Blick war hart und bannend.
Niemand konnte ihm ausweichen.
Rex Corda nickte GaVenga lächelnd zu.
»Ich wußte, daß wir uns im Grunde völlig einig sind!« sagte er. »GaVenga – zu welchem Ergebnis ist der
Computer gekommen?«
Der Kynother schluckte. Er eilte zu dem Computer hinüber und nahm die entschlüsselte Auswertung
auf.
Corda las das Ergebnis. Er preßte die Lippen zusammen.
»Der Computer wertet die Chance, Sigam Agelon zu finden, mit 8,6 zu 100 – also äußerst gering!«
»Erstaunlich!« warf Percip, der Laktone, ein.
»Die Raumvakuole der ›Zeitlosen‹ ist nur klein! Weshalb sollten wir die Orathonen nicht finden?«
»Die Orathonen sind mit einem Hypersprung entkommen. Der Computer konnte nicht errechnen, wie
weit der Sprung der Orathonen führte, da die Störungen der Vakuole die Messungen zu stark
beeinflußten. Unsere Raumschiffe, die die Orathonen suchen, können nicht schneller als das Licht
fliegen, wenn wir die Vakuole nicht auch gefährden wollen. Weitere Hypersprünge könnten dieses
Kleinstuniversum zusammenbrechen lassen. Unsere Suche kann also unter Umständen Jahre dauern.
Wir haben nur dann eine Chance, wenn wir die nächsten Sonnensysteme absuchen. Uns bleiben fünf
Sonnensysteme. Wir können sie in etwa sieben Wochen abgesucht haben.«
»Dann können wir nur hoffen, daß Sigam Agelon vorher angreift!« seufzte GaVenga.
»Oder daß die ›Zeitlosen‹ sich doch entschließen, mit ihren Mitteln nach den Orathonen zu suchen!«
warf John Haick ein. Er lächelte sie vom Holografen herab an.
*
GaVenga schreckte hoch. Er stieß einen kurzen überraschten Laut aus, der John Haick und Percip, den
Laktonen, aufmerksam machte.
John Haick kam aus der Schlafkoje in die kleine Zentrale des Diskusraumers, mit dem sie jetzt schon
seit mehr als einem Tag mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch die Raumvakuole rasten.
»Was gibt es?« fragte Haick.
Der zwergenhafte Kynother zeigte schweigend auf den großen Holografen, der ihnen das Zielgebiet
zeigte. John Haick sah die Sonne, die sie anflogen, nicht mehr. An ihrer Stelle schwamm ein
verwaschener grauer Fleck auf dem Holografen.
Percip kam ebenfalls zum Kommandostand.
Stirnrunzelnd musterte er den Holografen. Er nahm einige Kontrollschaltungen vor. Das Bild
veränderte sich nicht.
»Sehen Sie sich die Ortungsinstrumente an!« bat GaVenga.
John Haicks Blick glitt über die Anzeigegeräte.
Er schüttelte ratlos den Kopf. Kein Instrument zeigte noch vernünftige Werte an. Die Raumvakuole
schien die gesamte empfindliche Maschinerie des Raumschiffes durcheinandergebracht zu haben.
»Gehen Sie mit der Fahrt ‘runter! Schnell«, rief John Haick.
Der Kynother schaltete die starken Antriebsaggregate des Diskusraumers blitzschnell um. Die drei
Männer merkten nichts von der enormen Verzögerung. Die Antigravitationsautomaten glichen die
starken Beschleunigungseffekte aus. Die Aggregate heulten für einige Sekunden schrill, beruhigten
sich dann aber schnell wieder.
Percip nickte zufrieden vor sich hin.
»Ich übernehme den Kommandostand!« sagte er.
GaVenga glitt zur Seite. Percip setzte sich an die Instrumente.
»Das sind sie!« sagte er überzeugt. »Wir haben sie gefunden!«
»Wie kommen Sie darauf?« fragte John Haick verblüfft. Percip lachte.
»Für einen Augenblick habe ich mich täuschen lassen. Es ist wirklich zu einfach. Sigam Agelon hat einen
schweren Fehler gemacht. Er hat ZeroStrahler eingesetzt. Sie wissen, die Strahler streuen das
Gespinst aus, das alle Energie in sich aufsaugt. Deshalb kommt auch das Licht der Sonne nicht mehr
voll durch! Deshalb der graue Fleck! Sigam Agelon wollte sich hinter dem Gespinst verstecken, doch
damit hat er uns nur aufmerksam gemacht!«
Der Diskus bewegte sich jetzt nur noch mit halber Lichtgeschwindigkeit.
»Verständigen Sie die ›Walter Beckett‹!« bat Percip den Kynother.
GaVenga programmierte den Holografen vor, um eine Verbindung mit dem Flaggschiff herzustellen, als
der Holograf plötzlich wieder aufflammte, dann jedoch sofort wieder erlosch. Diesmal wurde das
ganze Hologramm stumpfgrau.
GaVenga schaltete die Verbindung zur »Walter Beckett« ein – erzielte jedoch keine Reaktion.
»Ich bekomme keine Verbindung!« sagte er verblüfft.
Percip stieß einen Fluch aus. Er verzögerte stärker. Wieder heulten die Antriebsaggregate auf.
»Was ist passiert?« fragte John.
»Wir sind mitten in das Gespinst gerast!« erregte sich Percip, der sich sichtlich über sich selbst
ärgerte. Er zeigte auf die Instrumente. »Das sind Anzeichen dafür, daß wir das Netz zerrissen haben
und jetzt vollkommen von dem Gespinst umgeben sind!«
Plötzlich kamen starke Erschütterungen durch.
Der Boden neigte sich mehrfach stark nach vorn, so daß die drei Männer sich festklammern mußten, um
nicht von den Füßen gerissen zu werden.
Die Antriebsaggregate stotterten!
»Verdammt – wir geben zuviel Energie ab!« rief John Haick. »Das Gespinst saugt uns förmlich aus!«
Percip sprang auf. Er hastete zur Schleuse hinüber. Er riß eine magnetische Schrankverriegelung auf
und stieg blitzschnell in einen Raumanzug.
»Legen Sie vorsichtshalber Raumanzüge an!« befahl er.
Er stampfte schwerfällig zur Schleuse und schob sich hinein. Zischend schlossen sich die Schotten
hinter ihm. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sich das Außenschott öffnete.
Percip atmete tief und hastig. Er ballte die Fäuste immer wieder. Er machte sich heftige Vorwürfe. Er
hatte viel zu langsam reagiert. Diese Panne hätte ihm nicht passieren dürfen!
Percip schob sich durch das Schott hinaus in den freien Raum. Mit grimmiger Miene sah er sich um.
Verwaschene graue Dunkelheit herrschte in der Umgebung des Diskusraumschiffes. Er konnte keinen
einzigen Stern entdecken. Der Diskus schien durch undurchdringlichen Nebel zu rasen.
Plötzlich blitzte weit hinter ihnen etwas auf. Der Funke verschwand sofort wieder.
Percip kniff die Augen zusammen.
Da war es wieder. Ganz deutlich erkannte Percip eine winzige Sonne gegen den dunkelblauen
Hintergrund der Raumvakuole. Wieder funkelte der Stern nur für einen winzigen Augenblick, um dann
zu verschwinden.
Jetzt wußte Percip, daß seine Vermutung richtig war.
Der Diskus flog in einem riesigen Sack aus dem ZeroGespinst. Das energieschluckende Material hüllte
den Diskus völlig ein. Nur ab und zu öffnete sich das riesige Netz weit hinter ihnen ein wenig, um sich
dann jedoch sofort wieder zu schließen.
Percip stieg auf die obere Wölbung des diskusförmigen Raumschiffes. Er streckte die Arme nach oben.
Seine Fingerspitzen berührten das Gespinst, das in grauem Nebel verborgen zu sein schien. Er zog es
an sich heran. Es kostete viel Kraft. Ohne die mechanische Unterstützung durch seinen Raumanzug
hätte Percip es nicht geschafft.
Als er das Gespinst dicht vor dem Raumhelm hatte, konnte er es erkennen. Er wollte es zerreißen, aber
das erwies sich als unmöglich. Er konnte es nicht einmal dehnen.
Percip schaltete das Helmfunkgerät ein. Er atmete auf, als er merkte, daß es noch funktionierte.
»Bis auf Null herab verzögern!« sagte er. »Wir dürfen keine Fahrt mehr machen!«
Sie rasten mitten in ein Sonnensystem hinein.
Das ZeroGespinst bewies ihnen eindeutig, daß die Orathonen hier standen. Sie selbst konnten nichts
sehen. Percip wußte nicht, wie weit sie schon in das Sonnensystem eingedrungen waren.
Es war durchaus möglich, daß sie direkt neben einem orathonischen Hantelraumer herflogen.
Es war auch nicht ausgeschlossen, daß sie jetzt bereits auf einen Planeten abstürzten!
Sie waren blind!
*
»Kommen Sie sofort mit!« befahl der Bronzeroboter.
Tsati Mutara schreckte aus seinen Gedanken auf. Er wandte sich vom Holografen ab und sah den
Roboter überrascht an.
»Wohin?«
»Das werden Sie gleich erfahren!«
Mutara sah voller Zorn auf den Roboter, der offensichtlich einen Funkbefehl erhalten hatte. Die
metallene Hand lag locker auf der hageren Schulter des Trops ThaliFenberthFenBerthnyen, bereit,
jeden Augenblick zuzudrücken. Die Augen des Trops glühten voller Angst. Seit Stunden schon hatte er
kein Wort mehr gesprochen. Tsati Mutara kam sich verlassen vor.
Er vermißte die Worte des Trops, der es liebte, zu jeder beliebigen Situation Vergleiche zu
Ereignissen aus seiner traditionsreichen Familiengeschichte anzuführen.
Mutara verließ die Kabine und ging mit raschen Schritten vor dem Roboter her. Der Bronzene führte
ihn auf die Kommandobrücke der »Lynthos II«.
Sigam Agelon stand hinter dem Piloten. Er krampfte seine Hände um die gepolsterte Lehne des
Pilotensitzes. Sigam Agelon merkte sofort, daß der Terraner in seiner Nähe war, obwohl er sich nicht
nach ihm umdrehte. Seine Blicke blieben starr auf die großen Holografen gerichtet, die das Bild des
eingekesselten Planeten wiedergaben.
»Mutara – ich habe mich entschlossen, Sie ab sofort meiner Leibwache einzugliedern!« sagte Sigam
Agelon.
Tsati Mutara zuckte zusammen. Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Sigam Agelon wußte genau,
daß Mutara sein Feind war.
Sigam Agelon drehte sich halb um und sah spöttisch zu dem Terraner hinüber. Die mächtigen Muskeln
spielten zuckend unter dem dünnen Stoff seiner roten Prachtuniform. Der Agelon schnippte mit den
Fingern der rechten Hand zu dem Holografen hinüber, der ihn mit dem Waffenleitstand verband.
Tsati Mutara stöhnte auf, als sich mehrere Blitze aus dem Verband der Hantelraumer lösten. Sie
zuckten auf den Planeten hinab. Im nächsten Augenblick tat sich die Hölle über einem grünen,
langgestreckten Tal auf, in dem Tsati Mutara deutlich die weißen Konturen einer Stadt erkannt hatte.
Die Energiestrahlen knallten mitten in die Stadt. Sie verwandelten das Tal innerhalb von wenigen
Sekunden in einen brodelnden, brennenden Glutsee. Riesige schwarze Rauchwolken stiegen über dem
Tal auf.
»Sie sind ein Monster, Sigam Agelon!« keuchte Mutara.
Eine metallene Faust krachte mit fürchterlicher Wucht auf seinen Nacken herab. Mutara brach wie
von der Axt getroffen zusammen. Sekundenlang blieb er ohne Bewußtsein. Als er die Augen öffnete,
starrte er verständnislos auf den boshaft grinsenden Bronzeroboter, der breitbeinig über ihm stand.
»Sie überlassen es besser uns, wie wir einen Planeten unterwerfen!« empfahl der Bronzene kalt. »
Stehen Sie auf!«
Der Terraner taumelte benommen auf die Beine.
Sigam Agelon trat dicht vor ihn hin. Er packte seinen Gürtel und drehte dann die Faust herum, so daß
er den Leib Mutaras unerträglich einschnürte. Tsati bemühte sich um stoische Ruhe.
Obwohl rasende Schmerzen über seinen Rücken tobten, verzog er keine Miene. Seine dunklen Augen
sahen wie teilnahmslos auf den massigen Orathonen herab, der ihm knapp über den Gürtel reichte.
Tsati Mutara überragte mit seiner Größe von 2,12 m sogar jeden Bronzeroboter.
»Ich kann mir jetzt keine Panne mehr leisten«, sagte Sigam Agelon hart. Wie immer sprach er
orathonisch. Seine Worte wurden von dem elektronischen Dolmetscher auf seiner Brust übersetzt. »
Ich werde die ›Zeitlosen‹ vernichtend schlagen. Sie können sich nur noch durch einen persönlichen
Angriff auf mich retten! Es ist Ihre Aufgabe, das zu verhindern, Mutara!«
Tsati Mutara nickte mühsam. Der Orathone schnürte seinen Leib so hart ein, daß der Terraner
taumelte. Rote Schleier wirbelten vor seinen Augen.
»Sobald ein ›Zeitloser‹ in meiner Nähe erscheint, werden Sie ihn angreifen. Sie werden den
Energieschirm brechen, mit dem er sich schützt. Sie werden jeden ›Zeitlosen‹ töten, bevor er seine
Waffe auf mich anlegen kann!«
Mutara nickte ächzend. Der Griff lockerte sich. Tsati konnte wieder atmen.
»Wenn Sie diesmal meinen Befehlen genau folgen, werden Sie den Trop zurückerhalten! Wenn nicht –
nun, Sie kennen meine Befehle!«
Er stieß den Terraner zurück. Tsati Mutara mußte seinen ganzen Willen aufbieten, um nicht
zusammenzubrechen. Er taumelte. Er schaffte es mit größter Konzentration, sich auf den Beinen zu
halten. Nur langsam klärte sich sein Blick. Die Schmerzen in seinem Rücken ebbten langsam ab.
Er konnte freier atmen.
Jetzt erst bemerkte er, daß fast alle Diskusraumer auf dem Planeten gelandet waren.
»Keine Abwehrreaktionen!« meldete ein Offizier der Waffenleitzentrale mit unbeteiligter Stimme.
Sigam Agelon ließ sich in einen der freien Sessel fallen.
Die Computerbänke begannen zu surren.
Tsati Mutara erschauerte.
Niemand sprach auf der Kommandobrücke. Alle beobachteten schweigend die Holografen. Die Invasion
lief. Nur selten blitzte es hier und da bei den gelandeten Diskusraumern auf. Die mächtigen
Energiegeschütze der Hantelraumer schwiegen. War schon aller Widerstand zerschlagen?
Mutara wußte, was das Wispern und Surren in den Computern zu bedeuten hatte. In diesen
Augenblicken liefen pausenlos die Berichte der Landetruppen ein. Alle Informationen, die vom Planeten
kamen, wurden in den Computern gesammelt und verarbeitet.
Auf einem mittelgroßen Holografen, direkt vor Sigam Agelon, flackerten blaue und rote Punkte auf
einer sehr vereinfachten Karte des Planeten.
Sie zeigten die umkämpften Gebiete an. Doch die roten und blauen Punkte verschwanden sehr schnell.
Die Gebiete wurden sehr schnell grün. Die grüne Front der Orathonen überrollte den Planeten.
»Landen!« befahl Sigam Agelon.
Er wies mit der Hand auf ein großes grünes Gebiet.
Das Raumschiff bewegte sich. Ein kaum spürbares Vibrieren lief durch den Boden. Die schweren
Aggregate erschütterten den Hantelraumer. Dann schoß ihnen der Planet entgegen.
*
EinsMark stürzte voller Erregung zum Hauptausgang des Plenarsaales, in dem die Entscheidung
gefallen war. Der Warrow, der schon zu Lebzeiten zu einer Gestalt geschichtlicher Größe geworden
war, fühlte, daß er die Ereignisse nicht mehr ganz im Griff hatte.
Eine Welle des Hasses raste um die sonst so friedliche Welt.
EinsMark sah, daß sich sein bisheriger Gegner ZweiM’Statt zu ihm durchdrängte. Die drei
Körperkugeln des Jüngeren glänzten voller Erregung.
Einer seiner Tentakel schoß zu EinsMark vor.
»Wir müssen eine Panik verhindern!« peitschten die Radiowellen des anderen.
EinsMark hatte die Terrasse erreicht. Er wich zur Seite und ließ den Strom der flüchtenden
Parlamentarier an sich vorbeifließen. Nur ZweiM’Statt kam zu ihm. Die Augenbänder des jungen
Warrows glänzten fiebrig.
»Das habe ich nicht gewollt!« sagte er erschüttert. »Bei allen Göttern – ich wollte, daß wir uns wehren.
Ich wollte nicht, daß wir uns abschlachten lassen. Deshalb rief ich zum Kampf. Doch jetzt scheint es
mir, daß wir uns selbst töten werden!«
Der gewaltige EinsMark schenkte ihm nur einen beruhigenden Radioimpuls. Seine Augenbänder
verengten sich noch weiter. EinsMark starrte zu den scheibenförmigen Raumschiffen hinauf, die
langsam über die Stadt hinwegtrieben. Ab und zu blitzte es am Rand dieser Scheiben auf. Blendend
helle Glutstrahlen donnerten in die Häuser der Stadt und stürzten sie ins Chaos.
EinsMark sah, daß viele Einwohner Elektroschockpfeile gegen die Raumschiffe verschossen.
Diese Pfeile wurden bisher bei sportlichen Wettkämpfen benutzt. Sie entluden sich mit scharfen
Elektroschocks, wenn sie im Ziel aufschlugen.
Doch diese Waffe war völlig nutzlos gegen Raumschiffe. Immer wieder blitzte es in den flimmernden
Energieschirmen auf, die die Scheiben umgaben. Doch keiner der Pfeile erreichte die Haut des
Raumschiffes.
»Diese Narren! Sie hätten zumindest warten müssen, bis die Fremden gelandet sind!« donnerte Eins
Mark zornbebend. »ZweiM’Statt, haben wir denn gar keine anderen Waffen?«
»Wir müssen warten, bis die Feinde gelandet sind!« antwortete der jüngere Warrow. »Gegen
Raumschiffe können wir nicht kämpfen! Sie, großer EinsMark, haben schon immer gegen den Bau von
Waffen gekämpft!«
Ein dunkler Tentakel schoß blitzschnell auf ZweiM’Statt zu und umschlang seinen Leib mit wütender
Gewalt.
»Es ist jetzt nicht die Zeit für Vorwürfe!« antwortete der Alte scharf. In diesem Augenblick senkte sich ein Diskus direkt neben dem weißen Regierungsgebäude auf den Boden. Die sorgfältig gepflegten Parkanlagen vergingen innerhalb einer Sekunde. Wie erstarrt standen die beiden Politiker und sahen auf die massigen grünhäutigen Fremden, die aus dem Diskus stiegen. Ein junger Warrow eilte über die Treppen. Seine Radiowellenimpulse zeigten an, daß er nach seinem greisen Vater suchte. Da hob einer der Grünhäutigen seine Waffe. Es blitzte nur ganz kurz auf – aber der junge Warrow verschwand im gleichen Augenblick. Eine graue Asche rieselte über die Stufen. EinsMark stieß einen Laut tiefster Empörung aus. Er sprang in die Nische, in der die Elektroschockschleuder stand. Er riß die Sportwaffe an sich. Wie von selbst glitt der Schockpfeil in die Magnetkammern. EinsMark hob die Waffe und richtete sie auf den Schützen. Lautlos raste der Schockpfeil durch die Magnetkammern, wo er scharf beschleunigt wurde. Dann zischte er aus dem Zielrichter. Längst richtete EinsMark die Waffe zum zweitenmal. Und wieder zischte ein Schockpfeil aus den Magnetkammern. EinsMark sah das grünhäutige Gesicht des Feindes genau im Zielfeld. Die dunklen Augen waren starr auf ihn gerichtet. Nie zuvor hatte der Warrow so kalte und grausame Augen gesehen. Das Bild des Gefiederten verschwand hinter einem elektrischen Blitz. »Kommen Sie, EinsMark!« rief ZweiM’Statt erregt. EinsMark schloß die Augenbänder für einen Augenblick. Ein Gefühl maßloser Erregung schwemmte durch seinen Körper. Er wehrte sich gegen den Haß und die Rachsucht, die in ihm tobten. Vergebens. »Wir müssen uns retten! Schnell!« Jetzt wurden ihm die Worte des Jüngeren bewußt, der bis eben noch sein schärfster Gegner gewesen war. »Warum fliehen Sie nicht?« fragte er. »Sie müssen mit mir kommen, EinsMark!« drängte ZweiM’Statt. »Ich lasse Sie nicht allein.« Jetzt folgte der Ältere. Er ließ sich über die steilen Treppen an der Seite des ehrwürdigen Gebäudes bis hinab in die Parkanlagen schleppen. Sie konnten die scheibenförmigen Raumschiffe der Fremden nicht mehr sehen, weil die hohen Bäume sie vor ihren Blicken verbargen. Die Isolation von den Ereignissen in der Stadt beruhigte den alten Staatsmann ein wenig. Er begann nüchterner und klarer zu denken. »Wir müssen zu meiner Insel!« sagte er entschlossen. »Hier sind zu viele Fehler gemacht worden. Hier können wir keinen Anfang finden!« »Was meinen Sie damit?« fragte ZweiM’Statt. »Wie können wir überhaupt noch einen Anfang finden? « Sie eilten durch die Alleen bis zum Rand des Parks. Ihr Gespräch verlief lautlos. Niemand hätte es verstehen können. Warrows waren nicht mehr auf rein akustische Verständigung angewiesen. Sie konnten sich mit Hilfe von Radiowellen verständlich machen. Jeder von ihnen konnte sie erzeugen und sich damit jedem mitteilen. Am Rande des Parks konnten die beiden Warrows über die Steilküste auf große Gebiete der Stadt herabsehen. EinsMark zählte sieben Raumschiffe, die über den Häusern schwebten. Zahlreiche Brände waren entstanden. Im Hafen wimmelte es von Warrows, die sich über das Meer in Sicherheit zu bringen suchten. »Es ist aussichtslos«, sagte ZweiM’Statt. Doch der Alte reagierte nicht auf diese Worte. Er eilte den schmalen Weg hinunter, der zum Hafen führte. ZweiM’Statt hatte Mühe, ihm zu folgen. Als der Weg sich mit der breiten Küstenstraße vereinigte, begegneten sie immer häufiger flüchtenden Warrows, die mit ihrer letzten Habe dem Chaos entkommen wollten. EinsMark hielt sich nicht auf. Er konnte diesen Warrows keine Hilfe bringen, wenn er jetzt mit ihnen sprach. Die Hilfe mußte aus anderer Richtung kommen. Sie erreichten den Hafen. ZweiM’Statts Atem ging schwer und keuchend, während EinsMark kaum erschöpft schien. Der alte Politiker kämpfte sich energisch durch die Warrows zu seinem schnellen
Motorboot durch.
*
Percip zwängte sich durch die Schleuse in den Diskus.
GaVenga und John Haick wirkten sehr ruhig.
Sie ließen durch nichts erkennen, was sie fühlten.
»Was ist passiert?« fragte John Haick.
»Genau das, was ich schon sagte! Wir sind in das Gespinst geflogen. Jetzt stürzen wir in das
Sonnensystem, in dem sich Sigam Agelon versteckt hält«, antwortete Percip, der den Raumhelm
zurückgeklappt hatte.
»Wie ist das Gespinst zu zerstören?« fragte John Haick.
»Es zerfällt unter dem Einfluß von Sauerstoff«, erklärte Percip. »Geben Sie mir einige
Sauerstofflaschen, dann erledige ich das schon!«
GaVenga, der zwergenhafte Kynother, spitzte die Lippen und stieß einen schrillen Pfiff aus.
Percip sah ihn ärgerlich an.
»Ein Kommentar ist jetzt nicht notwendig!« sagte er scharf.
GaVenga lächelte dünn.
John Haick sah den Kynother fragend an.
»Was ist so schwierig dabei, Kleiner?«
GaVenga hängte die Daumen in seinen Gürtel und zauberte grinsende Sorglosigkeit auf seine Lippen.
»Nichts ist schwierig, John! Überhaupt nichts«, sagte er. »Ich stellte mir nur eben vor, wie groß das
ZeroNetz sein könnte. Vermutlich hängen wir in einem Gespinst, das mehrere Quadratkilometer groß
ist. Im Vergleich dazu führt Percip mit ein paar Sauerstoffflaschen wirklich gewaltige Waffen ins
Feld!«
Die Augen des Sprachgenies GaVenga blitzten spöttisch auf.
»Percip muß vielleicht nur einen schmalen Durchschlupf schaffen!« warf John Haick ein.
»Vielleicht!« nickte GaVenga. »Nur – ich stelle mir das Gespinst, in dem wir stecken, als ziemlich
großen Knäuel vor!«
»Halten Sie den Mund, GaVenga!« donnerte die zornige Stimme Percips aus dem Lautsprecher. »
Bemühen Sie sich lieber, den Diskus unter Kontrolle zu bringen!«
*
Percip kämpfte sich bis an den Rand des Diskusraumers vor. Er preßte die Sauerstofflaschen an sich.
Er hatte keine große Hoffnung. Er glaubte, daß GaVenga recht hatte. Sie stürzten nicht an der Spitze
eines trichterförmigen Gespinstnetzes auf einen Planeten zu, sondern lagen in einem dichten Knäuel!
Percip gab es auf, mit Sauerstoff das Netz auflösen zu wollen. Es hatte nicht viel Sinn. Sie mußten
warten, bis sie in die Sauerstoffatmosphäre eines Planeten gerieten. Unter dem Einfluß rasch
steigender Temperaturen würde sich das Netz bald auflösen.
Doch würde der Vorgang schnell genug ablaufen?
Percip verlor keine Zeit mehr. Er hastete zur Schleuse zurück und kroch in das Raumschiff.
Das Schott schwang zurück. John Haick und zwei Offiziere sahen Percip erwartungsvoll entgegen. Er
schüttelte den Kopf und schob die noch vollen Sauerstoffflaschen in die Halterungen zurück.
»Es ist sinnlos. Bei einem Versuch blieb es. Wir können jetzt nur noch abwarten. Es dauert nicht mehr
lange!«
»Wie meinen Sie das?« fragte John Haick gelassen. Er ließ sich in einen der Andrucksessel fallen.
»Die Orathonen schießen auf uns! Eben sah ich das Explosionslicht einer Raummine neben uns!«
»Sie können uns ebensowenig orten wie wir sie!« warf der Kynother ruhig ein.
»Aber sie können sich ausrechnen, daß das Gespinst nicht von selbst mit so hoher Geschwindigkeit
einfliegt!« antwortete Percip.
Die Motoren ruckten. GaVenga arbeitete angestrengt. Seine Finger glitten hastig über die
Schalttafel. Percip ging zu seinem Sessel. Er gab den beiden Offizieren einen befehlenden Wink.
»Aus eigener Kraft kommen wir nicht mehr aus dem Netz! Jetzt müssen wir abwarten!«
Er sah zu dem Holografen auf. Wieder blitzte es in dem verwaschenen Grau des Gespinstes. Percip
lächelte grimmig.
Die Orathonen verschossen ihr Pulver vergeblich!
Doch dann richtete der Laktone sich ein wenig auf. Das Grau des Gespinstes wurde heller. Es färbte
sich leicht rötlich.
»Es ist soweit«, kommentierte GaVenga. »Wir fliegen jetzt in eine Sauerstoffatmosphäre ein. Die
Farbe zeigt es an. Das Gespinst löst sich auf!«
»Verzögern Sie stärker!« befahl Percip.
»Seit Stunden versuche ich, unsere Fahrt herabzusetzen. Ich habe keine Vergleiche. Ich weiß nicht,
wie schnell wir sind!« rief GaVenga. Er beugte sich ein wenig vor und beobachtete die Instrumente
genau. »Hm – vielleicht läßt sich etwas machen!«
*
Rex Corda schreckte auf, als die Sirene aufheulte. Er sah zu dem Computer hinüber, stand auf und ging
eilig zu dem Gerät. Mehrere kleine Synopsen flogen heraus. Corda nahm die Plastikscheiben und gab sie
in den Klartextcomputer, der die Angaben des Synopsiscomputers verständlich machen sollte. Es
dauerte nur wenige Sekunden, bis der Klartext kam.
Inzwischen hatte Corda, der sich mit einem Offizier allein auf der Kommandobrücke aufhielt, Bekoval
und Fan Kar Kont verständigt. Die beiden Laktonen erschienen auf der Brücke, als der Klartext kam.
»Ein Suchdiskus ist verschwunden!« sagte Corda. »Bis vor wenigen Augenblicken erhielten wir die
ständigen Impulse von John Haick. Jetzt schweigt der Diskus.«
Fan Kar Kont sah zum Eingangsschott hinüber.
Der »Zeitlose« Verlho, mit dem sie bereits mehrfach verhandelt hatten, betrat die Zentrale.
Er kam allein. Niemand wußte, woher er gekommen war. Er war plötzlich in der »Walter Beckett«. Er
kam ohne Ankündigung. Er war einfach da.
Rex Corda runzelte die Stirn. Er sah besorgt auf den geheimnisvollen Mann, der die Verbindung mit der
Rasse der »Zeitlosen« aufrecht erhielt.
Weißes Haar wölbte sich über der auffallend hohen Stirn des »Zeitlosen«. Pechschwarze skeptische
Augen sahen Corda an. Der Präsident der Erde wich dem prüfenden Blick des »Zeitlosen« nicht aus. Die
in leuchtenden Farben schillernden Augenlider brachten Corda die Fremdartigkeit des »Zeitlosen« ins
Bewußtsein.
»Eines unserer Raumschiffe ist verschollen!« erklärte Corda. Er ging zu dem Holografen, der ein Bild
der Raumvakuole übermittelte. Er zeigte auf eine gelbe Sonne, die in nicht sehr großer Entfernung von
der »Walter Beckett« stand. »Dies ist das Zielgebiet des Raumschiffes!«
Der »Zeitlose« ging langsam an den Holografen heran. Rex Corda bemerkte, daß sich die Farbe seiner
Augenlider mehrfach veränderte. Ein Gefühl der Verwirrung und der Unsicherheit ging von dem »
Zeitlosen« aus.
»Wir wissen, daß in diesem System etwas nicht stimmt«, erklärte Verlho. »Wir werden es überprüfen.
Es ist das System der Warrows.«
Er drehte sich um und sah Corda an. Er verzog die Lippen zornig.
»Die Warrows sind in unser Reich eingedrungen und haben sich hier niedergelassen, obwohl wir sie
nicht gerufen haben. Wir werden das System bei Gelegenheit überprüfen!«
»Bei Gelegenheit?« dehnte Corda.
»Meine Freunde antworten nicht mehr! Sie benötigen unsere Hilfe jetzt!«
»Wir haben keine Möglichkeit, schon jetzt einzugreifen!«
Corda wollte auf den »Zeitlosen« zugehen, um ihn zu größerer Eile zu veranlassen. Doch plötzlich
verschwand der Fremde. Es schien so, als ob er durchsichtig wurde, doch das war eine Täuschung.
Das Auge wollte sich nur noch nicht so schnell daran gewöhnen, daß die Stelle, an der Verlho eben noch
gestanden hatte, jetzt leer war.
»Sehen Sie, Sir!« sagte ein Offizier erregt.
Corda hielt den Atem überrascht an, als er auf den Holografen sah.
Die Sonne verlosch allmählich. An ihrer Stelle erschien ein schmutziggrauer Fleck.
Corda drehte sich um und ging zum Computer. In rasender Eile gab er die Daten in das Gerät, die für
die Fragestellung notwendig waren. Er stellte eine Verbindung mit dem Holografen her, um dem Computer die Eindrücke direkt zu übermitteln. »Das sieht ganz so aus, als werde die Sonne von einem ZeroGespinst abgeschirmt!« sagte Fan Kar Kont. Corda richtete sich auf. Der Computer begann zu surren. »Der gleichen Meinung bin ich auch«, nickte Corda. »Dennoch halte ich es für unwahrscheinlich. Ich glaube einfach nicht daran, daß Sigam Agelon sich in großer Nähe aufhält. Er hätte es nicht nötig gehabt, mit einem Hypersprung vor den ›Zeitlosen‹ zu fliehen, wenn er nur eine so geringe Entfernung zwischen sich und die ›Zeitlosen‹ bringen will. Ich bin jetzt gespannt, was der Computer sagt!« »Er wird sagen, daß Sigam Agelon geblufft hat!« kündigte Bekoval selbstsicher an. Rex Corda wandte sich an den Offizier, der die Kontrollverbindung mit allen ausgesandten Suchraumschiffen überwachte. »Rufen Sie alle Diskusraumer zurück zur ›Walter Beckett‹!« befahl er. * Unruhig sah ZweiM’Statt immer wieder zu dem Diskus zurück. Die Küste war bereits unter dem Horizont versunken. Die Residenz von EinsMark stieg bereits aus dem Wasser. Sie hatten es bald geschafft. Der Diskus feuerte Strahlenschüsse auf das Wasser ab. Hinter den beiden Politikern stiegen zischende Dampfwolken auf. »Sie treiben die anderen Flüchtlinge nach Zero zurück«, sagte ZweiM’Statt. »Gleich werden sie uns holen!« Der Patriarch EinsMark stieß einen verächtlichen Laut aus. Er wollte etwas äußern, doch der Schrecken blockierte ihm die Sinne für einige Sekunden. Im dunstverhangenen Himmel leuchtete es rot auf. Ein Glutball wanderte über den Himmel und verschwand dann unter dem Horizont. Der Dunst spaltete das Licht auf und verteilte das Rot über das ganze Meer. Der orathonische Diskus hinter ihnen stoppte. EinsMark erfaßte eine sprunghaft steigende Nachrichtenübermittlung. Die Invasoren waren offensichtlich nicht weniger überrascht als er. Die Fahrt des Motorbootes hatte sich verringert. Jetzt schreckte der Warrow auf und beschleunigte wieder. Surrend raste das Elektroboot über die Wellen. Wenige Minuten vergingen. EinsMark erreichte bereits das seichte Wasser an der Insel. Da schrie ZweiM’Statt auf. Der Patriarch wuchtete die Masse seiner drei Körperkugeln herum. Der jenseitige Horizont begann zu leuchten. Ganz langsam erhellte er sich in blutigem Rot. Doch jetzt hatte sich die Geschwindigkeit jener unheimlichen Erscheinung wesentlich verringert. EinsMark beobachtete große Glutteppiche, die langsam über den Himmel wanderten, um dann allmählich zu verlöschen. Der Ball mit dem fast weißen Glutkern zog jetzt immer höher, doch er flog längst nicht mehr so hoch. »Er kommt direkt auf uns zu!« keuchte ZweiM’Statt. Er fiel in die verachtete akustische Äußerung zurück, da die Erregung ihm jede Beherrschung nahm. Das glühende Etwas wuchs mit rasender Geschwindigkeit an. Die scheibenförmigen Raumschiffe der Invasoren schossen nach den Seiten davon, um einen Zusammenprall zu vermeiden. Doch ein riesiges hantelförmiges Raumschiff senkte sich langsam aus dem Himmel herab. Es schien den Zusammenprall mit dem Glutball nicht zu fürchten. * Die Holografen leuchteten in intensivem Rot. Es gab keinen Zweifel mehr für die Männer der »Walter Beckett« in dem Diskus. Sie wußten, daß sie auf einen Planeten abstürzten. Percip saß auf dem Sitz des Piloten. Er versuchte verzweifelt, die Antriebsaggregate unter seine Kontrolle zu bringen. Doch immer wieder saugte das jetzt schon glühende Gespinst die Energien ab. Immer wieder fielen die Maschinen aus. »Es kann nicht mehr lange dauern!« keuchte Percip. Er warf einen flüchtigen Blick zu John Haick
hinüber, der sich bemerkenswert ruhig verhielt und die Kontrollen mit erstaunlicher Gelassenheit und
Konzentration überwachte. »Das Gespinst ist längst überladen. Es muß jeden Augenblick
auseinanderfliegen!«
»Hoffentlich nicht!« versetzte John trocken.
GaVenga stieß einen verblüfften Laut aus.
»Wie ist das zu verstehen?« fragte er.
»Wir stürzen doch mitten in die orathonische Flotte hinein«, erklärte John Haick. »Je länger das
Gespinst hält, desto besser!«
»Ansichtssache!« knurrte GaVenga.
Percip stieß einen leisen Pfiff aus.
Das ständige Stoßen und Schwanken des Diskusraumers verlor sich.
»Die Antigravitationsautomaten arbeiten wieder einwandfrei!« sagte der Laktone. »Das Gespinst kann
nur noch sehr dünn sein!«
»Wir sind nur noch zweihundert Meter hoch!« schnappte GaVenga erschreckt.
Er zeigte auf die Instrumente. Auch sie arbeiteten offensichtlich wieder korrekt.
Plötzlich flatterte das Gespinst vor dem Diskus auseinander. Der Holograf übermittelte ein klares Bild
mit glutenden, flammenden Rändern. Sie sahen wie durch ein brennendes Fenster auf das Meer und die
Insel.
Percip riß den Diskus zur Seite.
Sofort verhüllte sich der Holograf wieder in brodelnde Glut. Die Antigravitationsautomaten
stotterten.
»Sie sind direkt in das Netz hineingeflogen!« brüllte John Haick. »Warum? Wir hätten es fast
geschafft gehabt!«
Sie fühlten die außerordentlich scharfe Verzögerung. Percip wandte seine ganze Kunst auf, um den
Diskus noch in letzter Sekunde abzufangen.
Dann kam ein fürchterlicher Schlag durch. John Haick fühlte sich aus seinem Andrucksessel
emporgeschleudert. Für einen Augenblick schwanden ihm die Sinne. Als er wieder klar sehen konnte,
merkte er, daß er noch immer in den breiten Sicherheitsgurten hing. Der Holograf vor ihm war völlig
dunkel.
Die leistungsstarken Maschinen des Diskusraumers schwiegen.
Percip grinste schief. John konnte ihn kaum erkennen, weil die Notbeleuchtung ein äußerst schwaches
Licht lieferte. John fühlte sich seltsam leicht, so als ob er einem fehlerhaft justierten
Antigravitationsautomaten ausgesetzt sei.
»Was ist los, Percip?« fragte er.
Wieder grinste der Laktone schief.
»Über uns ist sicherlich der Teufel los«, antwortete er. »Bei uns ist im Augenblick alles okay!«
»Ich wette meinen Kopf, daß die Grünhäutigen uns jetzt fieberhaft suchen!« kicherte GaVenga.
»Wir liegen im Meer, nicht wahr? Wie tief sind wir, Percip?«
»Ich schätze, daß wir in etwa dreihundert Meter Tiefe liegen!«
»Ich wette meinen Kopf, daß sie uns nicht finden!« grinste der Kynother.
»Wenn Sie schon wetten wollen, Sie Wichtelmann, dann setzen Sie doch bitte etwas Wertvolles ein, ja!
« versetzte Percip mürrisch. »Ich möchte wissen, wie wir hier unentdeckt bleiben sollen!«
»Wir liegen noch immer unter einem dünnen Mantel dieses teuflischen Gespinstes«, erklärte John
Haick. »Wie sollen sie uns orten?«
Percip stand auf. Er ging zu dem Schrank hinüber, in dem die Raumanzüge hingen. Wortlos legte er
seinen Raumanzug wieder an.
»In spätestens dreißig Minuten ist von dem Gespinst nichts mehr übrig. Die Gefiederten brauchen nur
so lange zu warten. Dann können sie uns orten! Bis dahin müssen wir weg sein!«
*
Die Faust knallte auf das Polster.
»Diese verdammten Spürhunde!« knurrte Sigam Agelon ärgerlich. Er warf die Plastikscheibe zur Seite,
auf der ihm die Computer die Ergebnisse ihrer Berechnungen mitgeteilt hatten.
Die Orathonen wußten, daß sich in dem flammenden Plastikgespinst ein terranischer Suchdiskus
befinden mußte.
Sigam Agelon beobachtete, wie der Flammenball sich auf das Meer hinabsenkte. Im letzten Augenblick
verringerte sich die Geschwindigkeit außerordentlich stark.
»Suchen Sie den Diskus und erledigen Sie ihn, wenn Sie ihn gefunden haben!« befahl der Orathone. »
Landen Sie jetzt endlich!«
Der riesige Hantelraumer senkte sich auf eine kleine Ebene vor der Stadt. Tsati Mutara, der in der
Nähe Sigam Agelons stand, sah, daß weite Teile der Stadt brannten.
ThaliFenberthFenBerthnyen, der Trop, stieß einen zornigen Seufzer aus. Die Hand des
Bronzeroboters schloß sich sofort fester um seinen Hals.
Sigam Agelon erhob sich und ging mit schnellen Schritten zum Ausgangsschott. Tsati Mutara folgte
ihm sofort. Der Roboter blieb dem Terraner dicht auf den Fersen. Mutara hörte seine Schritte kaum
noch.
Im zentralen Schacht schwebten sie nach unten bis zur Hauptschleuse. Zahlreiche Kampfroboter
verließen den Hantelraumer. Orathonische Offiziere und Bronzeroboter leiteten die Kampfaktionen.
Über der Stadt wachten mehrere Diskusraumer.
Immer wieder blitzte es bei ihnen auf.
»Die Stadt ist längst geschlagen!« sagte Tsati Mutara. »Warum wird noch immer geschossen?«
Sigam Agelon beachtete den Terraner nicht. Er musterte die seltsamen Wesen, die zwischen den
brennenden Häusern erschienen. Sie wurden von mindestens zwölf Orathonen flankiert.
Interessiert musterte Mutara die Bewohner der Stadt. Sie waren noch größer als er. Ihre Körper
bestanden aus drei festen Kugeln. Zwischen der obersten und der mittleren Kugel ragten zahlreiche
Greifwerkzeuge und Tentakel hervor. Auf der oberen Kugel zogen sich mehrere Augenbänder dahin,
die den Kugelwesen erlaubten, nach allen Seiten zu sehen.
Mutara hustete. Die Rauchwolken bissen ihm in die Kehle. Auf den ersten Blick machten die Kugelwesen
einen friedlichen Eindruck, doch plötzlich fühlte Mutara eine seltsame Drohung, die von ihnen ausging.
Dicht vor der Schleuse blieb der Gefangenentrupp stehen. Einer der orathonischen Offiziere trat
näher.
»Es sind Parlamentarier«, erklärte er. »Wir konnten sie im Regierungsgebäude festnehmen!«
Er drehte sich halb zu den Kugelwesen um. Er wollte offensichtlich einen von ihnen zu sich
heranwinken.
In diesem Augenblick hob einer der Kampfroboter neben der Schleuse seine beiden Waffenarme.
Mutara taumelte entsetzt zurück. Zwei weiße Glutbündel schossen krachend aus den Kampfarmen. Sie
vernichteten den Orathonen auf der Stelle.
Der Roboter drehte sich langsam um. Er zielte auf die anderen Offiziere. Und wieder feuerte er.
Mutara sprang mit einem weiten Satz zur Seite der Schleuse. Seine Fäuste krachten auf die
Sicherungen herab. Gedankenschnell schloß sich das Außenschott.
Mutara taumelte zurück, als der Bronzeroboter sich auf ihn stürzte.
»Zurück!« brüllte Sigam Agelon.
Seine schwere Strahlwaffe richtete sich auf den Bronzeroboter.
Der Roboter erstarrte mitten in der Bewegung. Seine flache Hand schwebte dicht über dem Kopf des
Terraners, so wie ein Beil, das ihm den Schädel spalten soll.
Mutara wich bis an die Schleusenwand zurück. Seine Blicke fielen auf das Schleusenschott, auf dem
sich zwei blutigrote Glutkreise bildeten.
Die Roboter feuerten mit ihren Strahlwaffen auf das Schott!
ThaliFenberthFenBerthnyen versuchte, die sich ihm bietende Chance zu nutzen. Er wollte den
Klauen des Roboters entweichen. Doch der Bronzene packte blitzschnell zu.
»Fliehen Sie! Schnell!« rief Mutara. »Die Roboter werden das Schott gleich durchbrochen haben!«
Sigam Agelon starrte verwirrt auf das Schott.
Glühende Hitze strahlte auf sie herab. Das Schott warf Blasen.
Mutara bemerkte, daß die grünen Lippen des Orathonen fassungslos zuckten. Langsam richteten sich
die Blicke Sigam Agelons auf den Bronzeroboter, der noch immer mit zum Schlag erhobener Hand vor
Mutara stand.
»Laß ihn in Ruhe!« zischte er.
Der Bronzene lächelte zynisch. Langsam trat er zurück.
»Soll ich ihn bewachen?«
»Du folgst ihm!«
Sigam Agelon stürmte aus der Schleuse. Mutara blieb ihm auf den Fersen. Der Orathone schaltete die
Holografen neben dem zentralen Gravoschacht ein.
Er taumelte zurück.
Der Holograf übermittelte ein Bild von der Kampfstätte vor dem Schleusentor.
Die Roboter waren Herr der Lage. Sie waren zu Robotern von Warrow geworden!
Kein Orathone lebte mehr! Die Kugelwesen flüchteten gerade in diesem Augenblick in die Stadt zurück.
Langsam ließen die Kampfroboter die Arme sinken. Sie erstarrten mitten in der Bewegung und stellten
den Kampf ein.
*
EinsMark klammerte sich mit aller Kraft an das Boot. Die Glutwelle raste heran. Sie versengte seine
empfindliche Haut. ZweiM’Statt schrie vor Schmerz.
Plötzlich erkannte EinsMark die diskusförmige Raumscheibe inmitten des Glutballes. Sie stürzte mit
atemberaubender Geschwindigkeit auf das Wasser herab, doch kurz bevor sie die Oberfläche
erreichte, bremste sie scharf ab. Für einen winzigen Augenblick schien das Raumschiff stillzustehen.
Dann knallte es auf die Wellen.
Bevor die tobende Gischtwelle heran war, stürzte EinsMark sich ins Wasser. Er wußte, daß dies die
einzige Rettung für ihn war. Er pumpte sich voll Sauerstoff und ließ die Wellen dann über sich
zusammenschlagen.
Heftige Impulswellen zuckten durch das Wasser. Sie hämmerten auf sein empfindliches Gehirn ein und
stürzten ihn in namenlosen Schmerz.
EinsMark fühlte die hart zupackenden Tentakel von ZweiM’Statt, dessen jugendliche Kraft sich
jetzt doch überlegen zeigte.
Sie sanken tiefer in das kühle Wasser hinab.
Die Haut entspannte sich wieder. EinsMark spürte, daß irgendwo in der Nähe die Raumscheibe auf den
Grund des Meeres sank. Ein Gefühl bitteren Zornes stieg in ihm auf. Er schüttelte die hilfreichen
Tentakel von ZweiM’Statt ab und gab dem jungen Politiker durch einen freundlichen Impuls zu
verstehen, daß er sich wieder wohl fühlte.
»Wir sehen uns das Raumschiff an!« beschloß EinsMark.
»Es ist zu gefährlich!«
»Es gibt nichts mehr auf Warrow, was nicht gefährlich wäre«, wies EinsMark den Jüngeren zurecht. »
Komm!«
Er reckte die Tentakel weit aus und fächerte sie, so daß er sie gut als Schwimmflossen benutzen
konnte. Sein mächtiger Körper neigte sich.
EinsMark schoß in die Tiefe. Der rasch ansteigende Druck machte ihm nichts aus. Er spürte ihn kaum.
Plötzlich verharrte er. Er lauschte mit allen Sinnen in die dunkle Tiefe. Er hatte sich nicht geirrt.
Das feine Spiel elektronischer Steuerungen wurde spürbar.
Die Besatzung des Raumschiffes verließ das abgestürzte Fahrzeug.
EinsMark gab ZweiM’Statt ein befehlendes Zeichen.
Die beiden Warrows gingen zum Angriff über!
*
Die zahlreichen Suchraumschiffe schossen von allen Seiten auf die »Walter Beckett« zu. In
unerhörtem Tempo glitten sie in die Hangarschleusen, um sofort von den umfangreichen Elektroniken
übernommen zu werden. Während die Mannschaften die Diskusraumer verließen, wurden die
komplizierten Raummaschinen bereits auf Herz und Nieren geprüft. Um diese Dinge brauchte sich die
Besatzung der »Walter Beckett« kaum noch zu kümmern.
Eine verwirrende Vielzahl von Befehlen knallte aus den Holografen.
Rex Corda war die beherrschende Persönlichkeit auf der Kommandobrücke der »Walter Beckett«.
Obwohl die Antwort des Computers noch nicht vorlag, war er überzeugt davon, daß er die Lage richtig
sah.
Es gab keinen Zweifel. Sie waren dem geflüchteten Orathonen Sigam Agelon auf die Spur gekommen!
»Geben Sie an die Funkabteilung weiter, O’Connor«, befahl Corda dem Verbindungsmann zur
Funkstation, die in der anderen Kugel des Hantelraumers untergebracht war, »daß wir das System
anfliegen, in dem wir die Orathonen vermuten!«
Corda ging bis vor den großen Holografen. Er sah kurz auf Bekoval, den massigen Laktonen, hinab. Der
Kommandant des terranischen Flaggschiffes machte ein ungewöhnlich ernstes Gesicht.
»Sir – wenn Sigam Agelon dort nicht ist, dann haben wir kaum eine Aussicht, ihn jemals zu fassen!«
sagte er.
Corda nickte.
Das war klar. Die Raumvakuole der »Zeitlosen« war nur klein, dennoch würde man Jahre brauchen, wenn
man sie mit einfacher Lichtgeschwindigkeit durchfliegen wollte. Hypersprünge verboten sich von
selbst, da sie die Existenz der Vakuole gefährdeten.
»Einschleusungsmanöver beendet!« meldete O’Connor, als der Überwachungscomputer grünes Licht
zeigte.
»Starten Sie!« befahl Corda. »Volle Kampfbereitschaft! Wenn wir auf Sigam Agelon stoßen, nehmen
wir den Kampf auf!«
*
John Haick glitt hinter Percip und GaVenga in das klare Wasser hinaus. Er konnte nicht sehr weit
sehen, da er den Helmscheinwerfer auf geringe Helligkeit geschaltet hatte. Rick Charles und Sven
Olkan, die beiden Offiziere, folgten dichtauf.
John Haick hörte den ruhigen Atem Percips in seinen Helmlautsprechern.
Geschickt schaltete er die Antigravitationsautomaten in seinem Raumanzug, mit deren Hilfe er sich
ausgezeichnet im Wasser bewegen konnte, da er den Auftrieb sehr genau bestimmen konnte, den er
erfuhr. Er fühlte, daß eine leichte Strömung ihn in die Richtung trieb, in der er die Insel vermutete.
Das Wasser wurde bereits heller, als zwei dunkle Schatten auf sie zuschossen.
John handelte blitzschnell, noch bevor er die Gefahr wirklich erfaßt hatte. Er schaltete seine
Antigravitationsautomaten auf Null, so daß er nach oben gerissen wurde. Zwei Tentakel knallten gegen
die Sichtscheibe seines Raumanzuges, glitten jedoch ab.
John hörte den Schrei Rick Charles’, eines der beiden Offiziere. Er zögerte kurz, dann veränderte er
die Justierung abermals. Er sank wieder ab.
»Rettet euch!« keuchte die Stimme des Offiziers in seinen Helmlautsprechern. »Ihr könnt gegen die
Teufel nichts tun. Sie versuchen, den Helm zu zerbrechen!«
»Schieß doch auf sie!« rief John erregt aus.
Er sah suchend um sich, doch er konnte nichts erkennen. Die Dunkelheit war zu dicht. Er konnte noch
nicht einmal die Lichtpunkte der anderen Helmscheinwerfer ausmachen.
Plötzlich kam ein Schrei! Dann ein entsetzliches Gurgeln und Krachen. Dann Stille.
»Wir gehen alle nach oben!« kam die ruhige Stimme Percips. Der Laktone hatte sich voll in der Gewalt.
»Ich habe versucht, Rick zu retten. Doch es war zu spät!«
John löschte die Gravitation wieder aus. Abermals schoß er rasend schnell nach oben. Es wurde sehr
schnell heller um ihn. Er erkannte mehrere große Fische, die ganz in seiner Nähe vorbeischwammen. Sie
sahen gefährlich aus.
»Ich konnte eines von diesen Biestern abschütteln!« sagte Percip. »Sie sind uns auf der Spur.
Wir haben keine Chance, wenn wir unten bleiben! John? Sind Sie in Ordnung?«
»Okay, Percip!« murmelte John Haick. Er sah sich vorsichtig um. Er war allein. Die Wasseroberfläche
schoß auf ihn zu. Er verringerte den Auftrieb und ließ sich von der in dieser Tiefe starken Strömung
mitreißen. Sie trieb ihn auf die Insel zu.
Er sah den Korallenboden auf sich zusteigen. Das Sonnenlicht spielte in unzähligen Farbreflexen auf
dem Korallenstock. Zu jeder anderen Zeit hätte John sich an dem Bild begeistern können. Jetzt
registrierte er nur, daß er die Insel fast erreicht hatte.
»GaVenga?«
»In Ordnung! Ich bin schon am Strand. Alles klar!«
»Sven Olkan?«
»In Ordnung! Ich habe die beiden großen Biester gerade abgeschüttelt. Sie sehen komisch aus!«
antwortete der Schwede.
John Haick zuckte zusammen. Ganz in seiner Nähe stieg ein Schatten aus der Tiefe auf. John justierte
seinen Antigravitationsautomaten neu. Er glitt auf den Schatten zu. Es war Sven Olkan, der zweite
Offizier, der mit an Bord des Suchdiskus gewesen war. John erkannte ihn an dem gelben Raumanzug.
Dicht unter ihm jedoch schwammen zwei mächtige Gestalten, deren Körper aus drei Kugeln bestanden,
zwischen denen ein gefährliches Gewirr von Tentakeln wirbelte. Die langen Greifarme reckten sich
immer wieder nach dem Offizier aus.
John Haick zog seine Strahlenpistole.
»Nicht schießen, John!« rief Sven Olkan erschreckt. »Sehen Sie einmal hoch.«
John drehte sich auf den Rücken herum, während er rasch auf die Insel zutrieb. Durch das
kristallklare Wasser konnte er den drohenden Schatten eines Diskusraumers erkennen.
Blitzschnell änderte Sven Olkan jetzt seine Bewegungsrichtung. Die beiden Angreifer glitten mit
wirbelnden Armen an ihm vorbei.
John Haick trieb auf ihn zu. Er packte den Arm des Schweden, der einen außerordentlich erschöpften
Eindruck machte. Er zog ihn mit sich.
Wenig später berührte er den Boden mit den Füßen. Vorsichtig schob er den Kopf aus dem Wasser
heraus.
In einigen hundert Metern schwebten mehrere Diskusraumer lauernd über dem Wasser. John tauchte
sofort wieder unter. Dabei bemerkte er die beiden Angreifer, die sich knapp zwanzig Meter hinter
ihnen befanden.
»Kommen Sie! Schnell!« keuchte er.
Im gleichen Augenblick begannen seine Helmlautsprecher zu jaulen und zu kreischen. Hastig stellte
John sie leiser. Doch das Geräusch blieb. Die Lautsprecher waren zu dicht an seinen Ohren.
»Schalten Sie nicht aus!« befahl John dem Schweden. »Wir müssen Kontakt halten!«
Sie glitten durch die Korallenbänke. Wieder wagte John es, den Kopf über die Wellen zu heben. Da sah
er die blendenden Blitze, die aus dem orathonischen Raumschiffen ins Wasser zuckten.
Gleichzeitig wölbte sich das Meer gischtend auf. Eine kochende, brodelnde See wälzte sich auf die
beiden Männer zu.
Die Orathonen hatten den Diskus geortet. Sie vernichteten ihn.
John zerrte den Schweden mit sich. Jetzt achtete er nicht mehr auf die gefährlichen Korallen, die
unter Umständen ihre Raumanzüge aufschlitzen konnten. Die schäumende brüllende See ergoß sich
über sie. Sie versanken in der brodelnden Gischt. John fühlte sich mitgerissen. Es gelang ihm nicht,
sich gegen die Gewalten zu behaupten.
Sven klammerte sich an ihn.
Und dann kam die mörderische Druckwelle, die sie weit auf die Insel hinaufschleuderte. Die See schien
überzukochen. Gewaltige Wellen donnerten gegen die Insel, als der Diskus explodierte. John Haick
kämpfte mit seinem Bewußtsein. Vor seinen Augen wirbelten feurige Lichter. Er fühlte, daß der Körper
Sven Olkans erschlaffte. Dann fiel John Haick in tiefe Bewußtlosigkeit.
*
John Haick erwachte, als die kalte Dusche in sein Gesicht schoß. Er schlug benommen die Augen auf.
Das besorgte Gesicht Percips schwebte über ihm. Die Spannung im Gesicht des Laktonen löste sich.
»Es wurde Zeit, John!« sagte Percip.
John Haick richtete sich auf. Seine Schultern schmerzten. Die Bewegung machte ihm Mühe.
»Was ist passiert?«
Percip antwortete nicht. Es war auch nicht nötig. Der Atomphysiker John Haick erkannte es auch so.
Über dem Meer stand ein riesiger Atompilz. Er gab Zeugnis von der Vernichtung des Diskusraumers.
Die kleine Gruppe lag zwischen den deckenden Bäumen der Insel weit im Inneren. Noch jetzt war
deutlich zu erkennen, wie weit die Flutwelle die Insel überschwemmt hatte. John bemerkte zahlreiche
Fische, die verendet zwischen den Büschen und Bäumen lagen, Seetang und zerfetzte Medusen hingen
in den Zweigen der Bäume und Büsche.
»Die Orathonen haben uns gerettet«, erklärte GaVenga. »Die Flutwelle hat uns weit genug auf die
Insel geschwemmt. Ich mußte wieder ins Wasser flüchten, weil es am Ufer sonst keine
Deckungsmöglichkeiten gegen die Grünhäutigen gab.«
»Rick Charles?« fragte John tonlos.
»Er ist tot!« bestätigte Percip. »Die Kugelwesen haben ihn umgebracht!«
GaVenga sprang in höchster Erregung auf.
Sein Arm zeigte auf die Küste.
»Dort – seht doch!«
John richtete sich auf. Und jetzt entdeckte er die beiden mächtigen Gestalten auch, die sich hastig
über den weißen Sand am Ufer der Insel bewegten.
Es waren die beiden Kugelwesen, die sie angegriffen hatten!
Sie schienen keine Furcht zu kennen. Sie kümmerten sich nicht um den Diskus, der in etwa dreihundert
Meter Entfernung von der Insel neben dem Atompilz schwebte. Die beiden eilten auf eine Landzunge
zu und verschwanden unter den grünen Bäumen.
»Ich war fest davon überzeugt, daß es Meeresbewohner waren!« stöhnte GaVenga.
»Sie machen durchaus nicht den Eindruck!« sagte Percip nachdenklich. »Im Gegenteil, sie wirken hier
viel natürlicher!«
Plötzlich stieß er einen schrillen Pfiff aus.
»Das sind doch die Warrows, die es auch auf dem Trümmerplaneten am Eingang der Raumvakuole gab!«
rief er aus. »Natürlich – das sind Warrows!«
John Haick erhob sich.
»Ich glaube, dann brauchen wir uns vor ihnen nicht zu verstecken. Die Warrows waren doch durchaus
friedlich!« sagte er. »Sie verständigen sich mit Hilfe von Radiowellen!«
»Damit versuchten sie vorhin schon, uns zu erreichen!« nickte Sven Olkan, der wieder einen erholten
Eindruck machte.
»Die Lautsprecher kreischten! Erinnern Sie sich?«
»Gehen wir ihnen nach!« schlug Percip vor.
Als niemand Widerspruch erhob, führte er sie durch eine schmale Schneise in einen Bodeneinschnitt.
Hier waren sie vor den Blicken der Orathonen besser geschützt. John stellte seinen
Antigravitationsautomaten auf Automatik um. Das Gerät pendelte sich sofort ein. John stellte fest,
daß die Gravitation auf diesem Planeten etwas geringer war als die der fernen Erde.
Jetzt, da er sich in größerer Sicherheit wähnte, sah er sich etwas mehr und bewußter um als vorher.
Er sah sich die fremdartigen Bäume mit den schwertförmigen Blättern und die hellgrünen Büsche mit
den tellergroßen Blütenständen im Vorbeigehen an. Er entdeckte auch kleinere Tiere, die sich im
Bodengestrüpp bewegten. Einige von ihnen sahen aus wie handlange Tausendfüßler, deren Leib jedoch
an mehreren Stellen eingeschnürt war.
Trotz des riesigen Atompilzes, der das Sonnenlicht nahm, beruhigte sich die Natur dieser Insel schnell
wieder. Kirschrote Vögel mit vier Flügeln erhoben sich aus den Büschen und flatterten über die Köpfe
der vier Männer hinweg. John Haick lächelte.
Diese Insel machte einen beruhigend friedlichen Eindruck. Selbst die Orathonen schienen die Ruhe nur
vorübergehend stören zu können. Er wandte sich zu Percip um, der etwas zurückgeblieben war.
»Achtung!« schrie GaVenga.
John Haick fuhr blitzschnell herum.
Direkt vor ihnen erhob sich ein Warrow!
Er war unvermittelt zwischen den Büschen hervorgekommen. In einem seiner Tentakel trug er ein
Instrument, das einen gefährlichen Eindruck machte.
GaVenga warf sich zur Seite. John Haick duckte sich gedankenschnell ab. In diesem Augenblick
krachte es direkt vor ihm. Ein sengend heißer Blitz zuckte an seinem Kopf vorbei.
Percip stieß einen wütenden Schrei aus. Er feuerte. Doch der Warrow hatte seinen Standort so schnell
gewechselt, daß der Energiestrahl in einen Baum schlug. Das Holz flammte sofort auf. Eine krachende
Flammensäule erhob sich vor dem Terraner.
John Haick sprang in die Büsche, um dem Warrow die Flucht abzuschneiden. Doch der Fremde war
verschwunden. John glaubte, ein kurzes kupfernes Leuchten zwischen den Büschen zu sehen. Doch er
war sich nicht sicher.
Beunruhigt kehrte er zu den anderen zurück.
»Er ist mir entkommen!« sagte er, als er durch die Büsche auf die Schneise trat.
Betroffen blieb er stehen.
GaVenga und Percip knieten neben dem reglosen Körper des schwedischen Offiziers, der auf dem
Boden lag. Rasch trat er näher. Percip richtete sich auf. Ernst sah er John Haick an.
»Das hätte nicht passieren dürfen!« sagte er.
Durch das offene Visier des Raumhelmes konnte John das sehen, was von Sven Olkan übriggeblieben
war.
Oberst Olkan war in der mörderischen Glut eines elektrischen Blitzes verbrannt.
GaVenga klappte den Raumhelm zu und rastete den Blendschutz ein, der die Sichtscheibe von außen
undurchsichtig machte.
»Achtung – ein Diskus!« rief Percip.
Sie fuhren herum. Durch das Laub der Bäume erkannten sie einen orathonischen Diskus, der sich
suchend der Flammensäule näherte. Percip riß John Haick und GaVenga herum.
»Wir müssen ihn allein lassen!« sagte Percip hart.
Sie folgten ihm auf seiner Flucht zwischen die dichten Bäume der Insel. John Haick bemerkte mit
Befriedigung, daß Percip in die Richtung floh, in die die beiden Warrows gegangen waren.
Percip wollte einer erneuten Begegnung nicht ausweichen!
*
EinsMark, der Patriarch, hastete auf seine Residenz zu. ZweiM’Statt folgte ihm. Entsetzt sah der
Patriarch immer wieder auf die gigantische Explosionswolke, die sich über der See erhoben hatte. Nie
zuvor hatte EinsMark etwas Derartiges gesehen. Nie zuvor hatte er sich vorstellen können, daß es
möglich war, derartige Gewalten zu entfesseln. Auch jetzt noch zweifelte er an dem, was er sah. Und
er mußte immer wieder hinsehen, um zu begreifen, daß er wirklich bei Verstand war.
»Es war ein Fehler, sich gegen diese Pest zu wehren«, teilte ihm ZweiM’Statt resignierend mit.
»Gegen diese Macht gibt es keine Abwehr!«
Der Patriarch schickte ihm einen Impuls, in dem er seinen grimmigen Zorn über die Invasion
ausdrückte.
»Noch gebe ich nicht auf!« antwortete er.
Die weißen Gebäude seiner Residenz erhoben sich vor ihm. Die beiden Warrows eilten auf die Häuser
zu. Mehrere seiner Söhne stürzten dem Alten entgegen. Große Erleichterung ging von ihnen aus. Sie
fühlten sich nicht mehr so hilflos wie zuvor.
Als EinsMark seine Residenz erreichte, sah er, daß eines der Raumschiffe sich langsam näherte.
Es war unübersehbar, daß es zur Landung ansetzte.
EinsMark bedauerte jetzt, daß er jahrelang gegen den Aufbau einer eigenen Raumflotte gekämpft
hatte. Die Warrows besaßen durchaus die Möglichkeit, Raumschiffe zu bauen. Es gab mehrere
Raumschiffe auf dieser Welt. Doch sie waren noch niemals gestartet. Vor langen Jahren waren einmal
mehrere Raumschiffe gestartet. Man verfolgte das Ziel, die Raumvakuole zu verlassen, um wieder in
das Universum zurückzukehren, aus dem die Warrows vor Äonen gekommen waren.
Doch da man nie wieder etwas von jener Expedition gehört hatte, hatte sich der Einfluß von EinsMark
schließlich durchgesetzt. Die Raumfahrt wurde wiedereingestellt.
Jetzt hätte Warrow einige kampffähige Raumschiffe gebrauchen können!
»Bewaffnet euch mit Elektroschockschleudern!« befahl EinsMark.
Seine Söhne stürzten wortlos ins Haus. Noch bevor der Diskus gelandet war, kehrten sie bewaffnet
zurück. Sie brachten auch Waffen für EinsMark, ihren Vater, und für ZweiM’Statt mit.
EinsMark war entschlossen, den aussichtslosen Kampf aufzunehmen.
Da gellte ein Schrei in ihm auf. Eine Radiowellennachricht höchster Intensität peitschte auf seine
Sinne ein.
»Die Kampfmaschinen der Grünhäutigen werden mit Radiowellen gelenkt. Sie können gestört werden!«
lautete die Botschaft, die aus dem Priesterseminar in der Hauptstadt Zero kam. »Als die Invasoren
einige von uns verschleppen wollten, richteten sie ein verzweifeltes Gebet an die großen Götter des
Alten Universums. Die Götter halfen! Sie gaben uns die Roboter in die Hand und lenkten sie gegen ihre
Herren! Betet zu den Göttern des Alten Universums!«
Der Diskus landete. Die Schotten öffneten sich.
Zwei Orathonen sprangen auf den Boden herab. Sie trugen tödliche Strahlwaffen in den Fäusten. Sie
richteten die Waffen auf die Warrows.
»Legt die Waffen nieder!« kam es drohend aus den kleinen Geräten, die die Untersetzten auf der
Brust trugen.
Hinter den Orathonen erschien ein Roboter in der Schleuse. Ruhig schwebte die Kampfmaschine auf
den Boden hinab.
Voller Verachtung sah EinsMark auf die Orathonen hinab, die im Vergleich zu ihm winzig waren.
EinsMark richtete seine Aufmerksamkeit auf den Roboter. Er schickte ihm einen Radiowellenimpuls
auf der gleichen Frequenz, auf der sie sonst zu den Göttern zu sprechen pflegten.
*
John Haick blieb kurz stehen und sah zurück. Ihre Flucht führte durch dichtes Gestrüpp, in dem es
von fremdem Getier wimmelte. Der Boden war tückisch. Obwohl er überall trocken und fest aussah,
verbargen sich unter der trockenen Oberfläche häufig schlammige Gruben.
John Haick konnte zwischen zwei Bäumen hindurch zu der Lichtung hinübersehen, auf der sie Sven
Olkan zurückgelassen hatten.
Der orathonische Diskusraumer landete!
»He!« rief der Atomphysiker.
Percip und GaVenga blieben stehen. Sie kamen zu ihm, als sie ihn winken sahen. Stumm zeigte er auf
den gelandeten Diskus. Ein Bronzeroboter war ausgestiegen. Vorsichtig ging er zu dem toten Schweden
und beugte sich über ihn.
»Verdammt – das war ein Fehler!« sagte Percip ärgerlich. »Jetzt wissen sie es ganz genau, daß wir sie
suchen.«
GaVenga nickte.
»Wir werden sie gleich auf unserer Spur haben!«
»Und was tun wir jetzt?« fragte John.
»Wir müssen angreifen! Wir müssen verhindern, daß sie uns jagen! Wir müssen ihnen zuvorkommen!«
sagte Percip entschlossen. Blitzschnell öffnete er seinen Raumanzug und kletterte heraus.
»Was haben Sie vor, Percip?« forschte John beunruhigt. »Wir haben keine Zeit zu verlieren! Wir
werden den Diskus angreifen! Sehen Sie – jetzt ist auch noch ein Orathone ausgestiegen! Die
Gelegenheit ist günstig!« Percip hatte seinen Raumanzug jetzt völlig abgelegt. Er schloß ihn wieder und
justierte den Antigravitationsautomaten auf eine geringe Einheit über Null. In der Folge erfuhr der
Raumanzug einen leichten Auftrieb. Percip öffnete die Sauerstoffventile. Der Raumanzug füllte sich
schnell mit Luft. Er wurde prall und fest.
Vorsichtig regulierte Percip den Antigravitationsautomaten, bis der leere Raumanzug aufrecht stand
und auch stehen blieb. Als Percip jetzt den Blendschutz herabließ, war nicht mehr zu erkennen, ob der
Raumanzug leer war oder nicht.
Percip löste ein kleines Funkgerät aus dem Gürtel des Raumanzuges. Ein flüchtiges Grinsen lief über
sein hartes Gesicht.
»Mit diesem Ding hier kann ich den Antigravitationsautomaten fernsteuern. Der Trick ist bekannt,
aber immer noch recht wirksam. Kommen Sie jetzt!« Sie ließen den leeren Raumanzug zurück, der zwischen den Bäumen stand. Vorsichtig eilten sie durch das dichte Gestrüpp zu der Schneise hinunter, in der der Diskus gelandet war. Ein Orathone und ein Bronzeroboter standen an der Leiche Sven Olkans. Erst jetzt war es ihnen gelungen, die Scheibe des Raumhelmes transparent zu machen. Percip bewegte sich mit ungeheuerer Geschicklichkeit auf den Diskus zu. Er benutzte jede Deckung. John und GaVenga hatten größte Mühe, ihm lautlos zu folgen. Jetzt kauerten sie nur noch zwanzig Meter vom Diskus entfernt, als es oben zwischen den Bäumen laut krachte. John Haick kniff die Augen zusammen und versuchte, etwas gegen das blendende Sonnenlicht zu erkennen. Zwischen den Bäumen stand eine Gestalt in einem geschlossenen, blauen Raumanzug. Es war ein Raumanzug der terranischen Flotte. Mit ruhigen, festen Schritten kam der Mann über den Hang herab. Seine Beine waren im Unterholz verborgen, das er rücksichtslos niedertrampelte. John rieb sich über die Augen. Doch dann begriff er plötzlich, als er die spielenden Finger Percips an dem kleinen Funkgerät sah. Natürlich kam nur der Raumanzug über den Hang herab! John konnte deutlich sehen, daß die vermeintlichen Schritte des Raumanzuges nur geschickt gesteuerte Fall und Auftriebsbewegungen waren. Percip veränderte den Antigravitationsautomaten ständig. Dadurch wurde der prall gefüllte Raumanzug mal hochgerissen, mal niedergedrückt. Da der Weg über einen Hang führte, rutschte der Raumanzug immer tiefer herab. Verblüffend ähnlich waren die Bewegungen denen eines brutal heranstampfenden Mannes. Der Orathone und der Bronzeroboter standen wie erstarrt an der Leiche des Schweden. Langsam hob der Roboter die rechte Hand, in der er die Strahlwaffe Sven Olkans trug. Percip gab GaVenga und John einen Wink. GaVenga richtete sich auf. John Haick folgte ihm sofort. Sie strebten auf den Diskus zu. Als sie ihm bis auf wenige Meter nahe gekommen waren, nahm Ga Venga einen kleinen Stein auf und warf ihn vorsichtig durch die Luft. Er fiel auf den Diskus zu, ohne auf einen Prallschirm zu stoßen. Der kleine Kynother lächelte zufrieden. John Haick erreichte den Diskus zuerst. Er glitt an dem kühlen Panzerplast entlang auf die offene Schleuse zu. In diesem Augenblick löste sich ein Energiestrahl aus dem Waffendrehkranz im Kopf des Bronzeroboters. Der weiße Strahl zischte heiß durch die Luft. Im nächsten Augenblick explodierte der sauerstoffgefüllte Raumanzug. Ein brüllender Feuerball wälzte sich über den Hang. John Haick schnellte sich in die Schleuse. GaVenga wollte ihm folgen. Doch in diesem Augenblick fuhr der Bronzeroboter herum. GaVenga griff daneben. Seine Hand rutschte ab. Er fiel in das scharfe Gras hinab. Der Glutstrahl aus dem Kopf des Roboters fauchte dicht an seinem Kopf vorbei und knallte gegen den Diskus. GaVenga schrie gellend auf. Er preßte seine Hände gegen die aufplatzende Haut seiner Stirn. Seine sich weitenden Augen starrten auf den Roboter. Eine Welle unfaßbar heller Glut jagte ihm entgegen. Sie platzte direkt vor seinen Augen. GaVenga wußte, daß es keine Möglichkeit mehr für einen Fehlschuß gab – zu offen lag er vor den Augen des Roboters. Rasende Schmerzen stachen in seinem Kopf. GaVenga taumelte blind auf die Füße. Seine Hände preßten sich gegen die geblendeten Augen. * John Haick taumelte unwillkürlich zurück. Er sah keinen Ausweg mehr. Er legte die Hände vor die Augen, als der Bronzene schoß. Deshalb wurde er auch nicht so hart geblendet wie GaVenga. Er erfaßte, daß der Energieschuß des Bronzeroboters sich in dem plötzlich errichteten Energieschirm des Diskusraumers verfing. John erfaßte die Situation sofort, als der Diskus auf den Bronzeroboter zu schießen begann. Der
armdicke Energiestrahl durchbohrte die Brust des Roboters und erledigte ihn auf der Stelle.
Der Orathone, der dicht neben dem Roboter gestanden hatte, wurde von der ungeheueren Druckwelle
zu Boden geschleudert. John sah ihn sofort wieder aufspringen. Der Orathone verkannte die Situation
völlig. Statt jetzt zu dem Diskus zurückzukehren, wendete er sich zur Flucht.
Er hastete den Hang hinauf. Er ging den umgekehrten Weg, den eben noch der leere Raumanzug
genommen hatte.
Die Außenlautsprecher des Diskusraumers brüllten auf. Offensichtlich versuchte der Orathone, der
noch in dem Raumschiff war, den Flüchtenden zurückzurufen.
Da teilte sich das Gebüsch vor dem Orathonen. Der Gefiederte blieb wie vom Schlag getroffen stehen.
Keine drei Meter vor ihm erhob sich die mächtige Gestalt eines Warrows. Das Kugelwesen trug etwas
Blitzendes in den Greifwerkzeugen. Ein Blitz umfackelte den Orathonen, der auf der Stelle
zusammenbrach.
Der Warrow verschwand wie vom Erdboden verschluckt. Der Energieschuß, der nach einigen Sekunden
kam, traf ihn nicht mehr.
John Haick zögerte. Er wollte GaVenga zu Hilfe kommen. Doch da merkte er, daß der Boden unter
seinen Füßen vibrierte. Der Orathone im Diskus wollte starten! Er würde GaVenga im Schutzschirm
mit sich reißen und ihn töten!
*
John Haick ließ das Schott zuknallen. In der nächsten Sekunde öffnete sich das Innenschott. John
Haick stürzte sich auf den Orathonen, der hinter den Kontrollen saß.
Der Roboter zeigte sofort die Reaktion, als die Radiowellen ihn trafen.
EinsMark sah, wie die Waffenarme des Roboters herumschwenkten und sich auf die Orathonen
richteten. Er wollte schon triumphieren, als die Bewegungen des Roboters plötzlich stockten.
Die beiden Orathonen drehten sich gleichmütig zu dem Roboter um.
»Das konnte euch nur einmal gelingen«, sagte einer der beiden Featherheads kalt zu den Warrows. »
Wir waren darauf vorbereitet. Wir wollten euch nur zeigen, daß wir gegen solche Angriffe nicht
wehrlos sind. Wir haben den Roboter ausgeschaltet. Also macht, was ihr wollt. Es hilft euch nichts!«
Er kehrte an die Schleuse zurück, in der ein faustgroßer blitzender Gegenstand lag. Er nahm ihn in die
Hand und wandte sich wieder an die Warrows. Die Kugelwesen zeigten sich nicht im geringsten dadurch
beeindruckt, daß die Orathonen mit Hilfe der elektronischen Dolmetscher zu ihnen sprechen konnten.
Es war für sie ein Zeichen der Primitivität.
Wer sich auf Warrow mit Hilfe von gesprochenen Worten verständigte, stand weit unter ihnen.
Die Warrows waren von dieser Ansicht so überzeugt, daß sie die technische Meisterleistung der
elektronischen Dolmetscher völlig übersahen.
Der Orathone nahm das faustgroße Ding und schleuderte es bis weit an den Strand hinunter. Es fiel in
den Sand.
Der Orathone lächelte maliziös.
»Wenn du willst, kannst du mit diesem Ding ›reden‹«, sagte er. »Du brauchst nur auf der gleichen
Frequenz zu senden wie eben, als du den Roboter umpolen wolltest!«
EinsMark zögerte. Er verstand nur ungefähr, was der grünhäutige Feind ihm sagen wollte. Er sah
ZweiM’Statt fragend an. Der einstige Gegner schickte einen Impuls der Zustimmung.
EinsMark schickte einen Gedanken an das blitzende Etwas im Sand. Der Gedanke bewegte sich in dem
Bereich, in dem sonst nur die Götter des Alten Universums angesprochen wurden.
Der Boden wölbte sich auf. Ein weißglühender Feuerball rollte über den Strand, und eine heiße
Druckwelle warf EinsMark und die anderen um mehrere Meter zurück. Über dem Strand erhob sich
eine pilzförmige Wolke, die langsam nach oben stieg.
»Nun?« fragte der Featherhead. »Wie ist deine Antwort?«
»Ich verstehe nicht!«
Zwei Orathonen erschienen in der Schleuse des Diskusraumers. Sie stiegen aus, als sich an der
Unterseite des Raumschiffes ein breiter Spalt bildete. Eine blitzende Kugel mit einem Durchmesser
von etwa einem Meter rollte heraus. Die Orathonen wälzten die Kugel bis unmittelbar vor die
zahlreichen Füße der Warrows.
»In dieser Stunde werden wir Hunderte solcher Kugeln auf dieser Welt absetzen«, sagte der
Orathone kalt. »Es sind Bomben.«
Er zeigte auf den schwelenden Trichter am Strand, um anzudeuten, daß es sich um die gleiche Waffe
handelte.
Die Warrows wichen scheu zurück. Sie erfaßten sofort, daß diese Bombe ungleich wirksamer sein
mußte.
»Ihr könnt diese Bomben zur Explosion bringen!« erklärte der Orathone. Er trat an die Kugel heran und
setzte seinen Fuß verächtlich darauf.
»Ihr könnt sie alle mit einem Radiowellenimpuls zur Explosion bringen. Aber dann wird eure Welt nicht
mehr bestehen. Sie wird mit euch untergehen!«
»Was wollt ihr von uns?« fragte EinsMark, der sich voller Abscheu akustischer Mittel bediente, um
sich verständlich zu machen.
»Nicht viel. Wir wollen nur, daß ihr den Kampf gegen uns aufgebt! Das ist alles – und ich hoffe, ihr habt
mich verstanden!«
»Warum wendet ihr euch an mich?« fragte EinsMark.
Der Warrow wußte nicht, was das Mienenspiel des Orathonen zu bedeuten hatte. Aber er hatte ein
feines Gespür für die Haltung des Feindes. Er fühlte die kalte Verachtung, die ihm entgegenschlug.
»Es gab genügend Warrows, die uns den Weg hierher zeigten!« antwortete der Orathone.
Er drehte sich um und ging zum Diskus.
Der Roboter aktivierte sich. Er stieg in das Raumschiff zurück. Eine aufgeregte Stimme hallte ihm aus
dem Inneren entgegen. Der Orathone verharrte für einen Augenblick zögernd, dann stürzte er erregt
in die Zentrale.
»Sie müssen ganz in der Nähe sein!« rief der Orathone, der vor den Holografen saß.
John Haick ging mit eiskalter Berechnung vor.
Er stieß einen Schrei aus. Der Kopf des Orathonen fuhr herum. Johns Handkante knallte gegen die
Kehle des Grünen. Der Featherhead sackte lautlos zusammen.
John stieß ihn aus dem Sessel und setzte sich selbst hinein. Er schaltete den Schutzschirm aus und
öffnete die Schotten, um Percip und GaVenga den Weg freizumachen. Dann aber konzentrierte er sich
voll auf die wichtigste Aufgabe, die ihm gestellt war.
Er schaltete die Holografen um und adjustierte sie neu. Er arbeitete geschickt und sehr schnell. Die
lange Spezialausbildung, die er genossen hatte, zahlte sich aus.
Während Percip und GaVenga in der Schleuse erschienen, strahlte John Haick seine Nachricht zur »
Walter Beckett« bereits ab. Er verzichtete darauf, eine direkte Holografenverbindung mit dem
Flaggschiff aufzunehmen, da er keinen Zeitverlust riskieren wollte.
Er sprach seinen Bericht in die Mikrofone und strahlte ihn mit höchster Intensität ab.
Sekunden später flammte der Holograf auf. Das besorgte Gesicht Rex Cordas erschien auf dem Bild.
»Wir haben die Sendung empfangen, John! Die ›Walter Beckett‹ befindet sich bereits im Anflug auf
das System. Keine Sorge, wir holen euch ‘raus!«
»Okay, Rex!« sagte John hastig. »Wir haben leider nicht länger Zeit. Rick Charles und Sven Olkan sind
gefallen. Die Orathonen sind uns auf der Spur. Wir werden diesen Diskus jetzt starten – allerdings
steigen wir vorher aus. Vielleicht lassen sich die Featherheads einige Zeit täuschen!«
Er nickte Corda zu und schaltete ab.
Percip bereitete die Finte bereits vor. GaVenga versorgte sich aus der Bordapotheke mit einer
Augensalbe, um seine tränenden, geschwollenen Augen zu beruhigen. Er hatte sichtlich Mühe. Er schien
immer noch wenig sehen zu können. Seine Hände tasteten nur zu deutlich über den Schrank, bevor er
die Salbe fand. Doch auf seinen Lippen lag ein kleines fremdes Lied mit einer herausfordernden
Melodie.
»Ein Diskus startet in unserer Nähe!« rief Percip. »‘raus jetzt!«
John Haick zerrte GaVenga mit sich. Er half ihm beim Verlassen des Raumschiffes. Der Diskus stieg
bereits sanft an, als Percip hinter ihnen heraussprang. Dann jaulten die Motoren des Raumschiffes
scharf auf. Der Diskus neigte sich zur Seite und stieg mit ungeheuerer Beschleunigung schräg in den
Himmel hinauf.
»Hoffentlich geht das gut«, keuchte Percip, als sie durch die Schneise weiter nach Norden liefen.
»Der Featherhead, den Sie niedergeschlagen haben, John, regte sich schon wieder. Ich habe ihm noch
einen kleinen Schlag versetzt, aber ich weiß nicht, ob er noch lange bewußtlos bleibt!«
Plötzlich tauchte der andere Diskus über ihnen auf. Sie warfen sich blitzschnell auf den Boden und
hofften, daß die Büsche sie ausreichend deckten. Der Diskus strich surrend über sie hinweg, ging bei
dem Landeplatz des anderen Diskus für einige Sekunden nieder und stieg dann mit scharfer
Beschleunigung auf, um dem anderen Diskus zu folgen.
Die drei Männer atmeten erleichtert auf.
Die Täuschung war gelungen!
*
Sigam Agelon wirkte erleichtert, als er erfuhr, daß seine Streitkräfte den Planeten Warrow fest in die
Hand bekommen hatten.
Die Ausplünderung der Welt konnte beginnen!
Tsati Mutara hatte alle Phasen der grausamen Eroberung mitverfolgt. Er wußte auch, wie es jetzt
weitergehen würde. Sigam Agelon legte in erster Linie Wert darauf, daß die Schäden aus der Schlacht
mit der »Walter Beckett« und den Raumschiffen der »Zeitlosen« behoben wurden.
Sigam Agelon erhob sich von seinem Sessel, von dem aus er die letzten Aktionen geleitet hatte.
»Der Bluff ist gelungen, Terraner!« sagte er grinsend zu Tsati Mutara, der dicht hinter dem Sessel
stand. »Die Warrows sind wie erwartet auf den Trick hereingefallen. Nachdem wir ein paar kleine
Bomben hochgehen ließen, glauben sie jetzt auch, daß die ausgedienten Batteriesätze Bomben
enthalten!«
Er lachte kurz auf.
»Ich wußte, daß sie es nicht wagen würden, jetzt mit der alten Taktik weiterzuarbeiten!«
Ein Zwischenruf von dem Funkverbindungsoffizier ließ ihn schweigen.
»Terraner auf Warrow? Also doch!« knurrte Agelon.
Er ging zu dem Verbindungsoffizier hinüber und ließ sich die Meldung vorlegen, die die Funkabteilung
übermittelt hatte.
Seine Stirn krauste sich. Er warf Tsati Mutara kurze überlegende Blicke zu. Der Terraner fühlte, wie
sich sein Magen zusammenkrampfte. Der Trop auf der Schulter des Bronzeroboters stieß einen
ärgerlichen Laut aus.
»Du wirst mir einen kleinen Gefallen tun, Terraner!« versetzte Sigam Agelon. »Du wirst jetzt sofort zu
dieser Insel fliegen und die Terraner hierherbringen!«
»Nein!« antwortete Tsati Mutara fest.
Sigam Agelon gab dem Roboter einen Wink.
»Erledige den Trop!« befahl er kalt.
»Nein!« schrie Tsati Mutara.
Der Roboter zögerte.
»Also, was willst du eigentlich?« fauchte Sigam Agelon. »Glaubst du, es wäre für uns wirklich
schwierig, diese Terraner zu fassen? Keineswegs.
Wenn wir wollen, haben wir sie in wenigen Augenblicken erledigt. Daran liegt mir jedoch nichts.
Ich will sie hier haben. Ich will mit ihnen reden.
Tote sind wertlos für mich. Geh jetzt – hole sie!«
Tsati Mutara sah den Trop an. ThaliFenberthFenBerthnyen starrte ihn aus großen traurigen Augen
an. In ihnen spiegelte sich die ganze Qual, die der Trop durchlitt. Tsati Mutara schüttelte den Kopf. Er
konnte es nicht zulassen, daß Sigam Agelon den Trop tötete.
Es war besser, wenn er die Terraner jetzt von der Insel holte, als wenn Sigam Agelon sie durch eine
Bombe töten ließ.
So blieb ihnen noch eine Chance!
*
»Das ist zu früh!« sagte Percip enttäuscht, als er sah, daß der zweite Diskus den ersten schon in
wenigen tausend Metern Höhe erreichte und abfing.
»Wir müssen von dieser Insel herunter!« sagte GaVenga. »Wenn wir das schaffen, haben wir vielleicht
gewonnen!«
»Dort unten sind Gebäude!« warf John Haick ein.
»Wir werden dort hingehen! Wir müssen Verbindung mit den Warrows aufnehmen!« sagte Percip.
Er fand keinen Widerspruch. Sie alle wußten, wie notwendig und wie gefährlich der Weg war, den sie
einschlugen. Es gab keinen anderen mehr.
Sie brauchten nur fünf Minuten bis zu den Gebäuden. Schließlich lag nur noch ein flacher freier Platz
vor ihnen, der sie von den weißen Häusern trennte. Jetzt konnten sie die kunstvolle architektonische
Anlage voll übersehen. Die Häuser hingen in einem Stahlnetz von außerordentlicher Harmonie. Das Netz
hakte sich an mehrere schlanke Träger, die den Gebäudekomplex umstanden.
Sie zögerten nur kurz. Dann gingen sie auf die Gebäude zu.
Als sie ihnen bis auf fünfzehn Schritt nahe gekommen waren, stürzten mehrere Warrows aus den
Türöffnungen. Sie richteten die blitzenden Stäbe auf die drei Männer. Schweigend standen sich die
beiden Gruppen gegenüber. Die Warrows zögerten. Die drei Männer streckten ihre Arme aus, um den
Warrows zu zeigen, daß sie nicht daran dachten, sich zu wehren.
Da trat eine imposante Erscheinung durch die Türöffnung heraus. Der Warrow war größer als die
anderen. Trotz der ungeheueren Fremdartigkeit seiner Gestalt vermittelte er den Terranern sofort
das Gefühl großer Autorität und patriarchalischen Alters. Der Warrow war sicherlich mehr als
zweieinhalb Meter groß. Auf der oberen Körperkugel glänzten vier dicke rote Knoten, die wie Narben
aussahen.
Im elektronischen Dolmetscher John Haicks trat ein eigentümliches Zirpen und Kreischen auf. Ga
Venga trat vorsichtig vor. Eigentümliche Laute kamen über seine Lippen. Laute – wie sie John Haick von
den Warrows auf dem Trümmerplaneten gehört hatte.
GaVenga beherrschte die Sprache der Warrows nicht, doch er konnte sich ein wenig verständlich
machen.
»Wir beherrschen die vollkommene Sprache nicht«, sagte er geschickt. »Dennoch sind wir in der Lage,
Grüße zu senden von denen, die vor langer Zeit versuchten, dieses Universum zu verlassen!«
GaVenga hatte offensichtlich genau die richtigen Worte gefunden. Die blitzenden
Elektroschockwaffen senkten sich.
Der Patriarch sagte etwas. GaVenga lauschte den Worten mit höchster Konzentration. Dann drehte er
sich zu Percip und John Haick um.
»Wir sollen ins Haus kommen, hat er gesagt!«
Sie wollten der Einladung in aller Ruhe folgen, um sich der Würde anzupassen, mit der der Alte
gesprochen hatte, als zwei Diskusraumschiffe dicht über das Haus hinwegjagten. Die drei Männer
folgten den Warrows in großer Eile. Es blieb ihnen keine Zeit, sich im Inneren umzusehen.
Durch eine transparente Wand hindurch sahen sie, daß die beiden Raumschiffe direkt vor den Häusern
landeten. Die Schotten öffneten sich. Ein Bronzeroboter trat aus der Schleuse.
Dann kam eine dunkelhäutige Gestalt aus dem anderen Diskus.
John Haick stürzte vor. Seine Hände klammerten sich um ein gepolstertes Möbelstück.
»Tsati Mutara!« keuchte er voller Überraschung.
*
»Hallo – Terraner!« rief Tsati Mutara. Er sprach englisch. »Kommt heraus, wenn ihr in diesem Haus
seid!«
John Haicks Haltung lockerte sich. Er atmete tief durch, drehte sich dann um, ging ruhig an dem
Warrow vorbei und verließ das Haus.
Er sah Mutara zusammenzucken, als er in die Sonne hinaustrat. Er hob die rechte Hand zum Gruß.
Mutara nickte nur, doch dann riß der terranische Mutant die Augen weit auf.
»Dr. Haick!« rief er. »Dr. Haick – was machen Sie hier?«
John ging langsam auf ihn zu. Er beachtete den Bronzeroboter nicht, der reglos hinter dem Mutanten
stand.
»Percip! GaVenga!« Tsati Mutara schrie diese Worte fast hinaus.
John Haick sah sich nicht um. Er wußte auch so, daß seine Begleiter das Haus der Warrows verlassen
hatten. Seine Augen waren starr auf den Mutanten gerichtet.
Tsati Mutara trug einen leichten Raumanzug in roter Farbe. Sein dunkles Gesicht lag unter einer
Schicht glänzender Schweißtropfen. Die Lippen zuckten.
»Ich hätte nicht erwartet, daß ausgerechnet Sie uns hier herausholen, Mutara!« sagte Percip mit
einem unüberhörbaren Unterton.
In dem Gesicht des Farbigen zuckte kein Muskel.
»Ich muß Ihnen sagen, daß Sie Gefangene des Orathonen Sigam Agelon sind!« erklärte Tsati Mutara
ruhig.
»Ich habe es nicht für möglich gehalten, daß Sie noch leben, Mutara!« sagte Percip kalt. »Ich habe es
erst recht nicht für möglich gehalten, daß Sie unter solchen Bedingungen leben!«
Er machte eine kurze Pause, in der er auf eine Antwort des Mutanten wartete. Doch Mutara schwieg.
»Oder tragen Sie einen Semibioten?«
Mutara zuckte unmerklich zusammen. Er senkte die Blicke für einen kurzen Augenblick. Als er die
Augen wieder hob, war kein Ausdruck in ihnen.
»Gehen Sie in den Diskus«, bat er mit unbeteiligter Stimme.
Percip ging dicht an ihm vorbei. Seine Augen wandten sich ihm zu. In ihnen konnte Mutara Verachtung
lesen. GaVenga und John Haick sahen ihn nicht an. Doch in den Zügen John Haicks bemerkte Mutara
einen sehr nachdenklichen Zug.
Tsati Mutara hätte ihnen gern gesagt, daß es die einzige Möglichkeit gewesen war, sie zu retten.
Anders wären sie nicht lebend von der Insel heruntergekommen. Er wußte, daß sie sich keinem seiner
Argumente beugen würden. Sie würden ihm nicht glauben.
Er preßte die Lippen zusammen und schwieg.
Der kalte Zorn lag tief hinter seinen Augen verborgen, als er den Bronzeroboter ansah, der ihn ständig
bewachte. Der Trop war diesmal nicht bei dem Roboter. Thali hatte im Hantelraumer Sigam Agelons
zurückbleiben müssen.
Tsati Mutara bestieg den Diskus.
Er lehnte sich an die Wand und sah durch die drei Terraner hindurch. Die Welt des Mißtrauens trennte
sie scharf.
Mutara zog sich in sich selbst zurück. Er wußte, daß er es sonst nicht aushalten konnte. Die Qual war
zu groß. Fast hatte er die Hoffnung verloren gehabt, jemals wieder Terraner zu sehen.
Und jetzt traf er jene Männer, an deren Seite er in den ersten Invasionstagen auf der Erde gegen die
Orathonen gekämpft hatte. GaVenga und Percip waren die ersten Außerirdischen gewesen, die er
kennengelernt hatte.
Doch sie sprachen nicht mit ihm.
Sie verachteten ihn, weil sie ihn für einen Verräter hielten!
*
Der Diskus landete im Schleusenhangar der »Lynthos II«. Die drei Männer konnten die Vorgänge genau
auf den Holografen verfolgen. Nicht nur Percip war sich darüber klar, daß jetzt jede ihrer Äußerungen
abgehört werden würde. Deshalb schwiegen sie, um nicht ungewollt etwas Wichtiges zu verraten.
»Steigen Sie aus!« sagte Mutara.
Sie gingen an ihm vorbei.
Im Hangar standen zwei Kampfroboter mit angeschlagenen Waffen. Sie warteten auf die Gefangenen.
»Zur Zentrale!« schnarrte eine der beiden Kampfmaschinen.
Sie schlossen sie ein. Auch der Bronzeroboter blieb bei ihnen. Mutara ging als letzter. John Haick
bemerkte, daß ein Trop aus einem Seitengang schnellte und Tsati Mutara zu erreichen suchte.
Der Bronzeroboter fing ihn mit blitzschnellen Bewegungen ab und setzte ihn auf seinen Arm. Das rote
Pelzbündel preßte sich zitternd an die Uniform des Bronzenen.
»Tsati! Weshalb sprechen Sie nicht mit dir?« schnatterte der Trop in englischer Sprache.
John Haick zuckte zusammen.
Er drehte sich überrascht um und starrte den Trop unsicher an. Auch der Trop machte einen
unsicheren Eindruck.
Dr. John Haick ging langsam weiter, als der Bronzeroboter eine ärgerliche Geste machte.
Sie glitten in den Gravoschacht, der sie zur Zentrale trug. Unwillkürlich schlug das Herz John Haicks
schneller, als er Sigam Agelon in seiner roten Prachtuniform sah. Er fühlte, wie sich seine Muskeln
spannten. Er hätte sich am liebsten auf diesen Orathonen geworfen, doch er wußte, wie sinnlos das war.
Er konnte Sigam Agelon nicht besiegen. Sigam Agelon war durch das Becon in seinem Hirn ein
unbesiegbarer Gigant.
Der Orathone machte durchaus keinen interessierten Eindruck, als er die Gefangenen musterte.
Er zeigte gelassen auf den Holografen hinter sich. Er zeigte einen kleinen Teil des Sternenhimmels der
Raumvakuole. Der größte Teil wurde von dem verwaschenen Grau verdeckt, das durch das
energieaufsaugende Gespinst erzeugt wurde.
»Eure Freunde kommen bereits«, sagte Sigam Agelon in orathonischer Sprache. Als GaVenga merkte,
daß der Orathone seinen elektronischen Übersetzer ausgeschaltet hatte, übersetzte er die Worte. »
Die ›Walter Beckett‹ ist deutlich auszumachen.«
John Haick unterdrückte die aufkommende Erleichterung. Er wußte, daß es keinen Grund gab, sich
weniger bedroht zu fühlen als bisher.
»Wir brauchen hier Ruhe«, erklärte Sigam Agelon. »Wir sind nicht so schwach, wie ihr glaubt. Aber wir
sind noch nicht stark genug, um die ›Zeitlosen‹ vernichtend zu schlagen.«
John Haick fragte sich, warum der Orathone weitaus offener war, als sie erwartet hatten. Wozu ließ
er sie ahnen, wie groß seine Kampfkraft wirklich war?
»Einer von euch wird der ›Walter Beckett‹ entgegenfliegen und ihr mein Ultimatum überbringen!« fuhr
Sigam Agelon fort. Er lehnte sich gegen die Computerbank und musterte die Terraner.
»Welches Ultimatum?« fragte John Haick.
»Wir werden die Kräfte dieser Welt für uns beanspruchen. Wir werden alle Schäden, die während der
Auseinandersetzungen entstanden sind, zusammen mit den Warrows beheben. Dafür brauchen wir noch
etwas Zeit. Einer von euch wird die ›Walter Beckett‹ aus diesem System fernhalten. Er wird auch
dafür sorgen, daß die ›Zeitlosen‹ hier nicht erscheinen!«
John Haick lächelte.
»Und warum sollte einer von uns das tun?«
Im nächsten Augenblick merkte John Haick, daß Sigam Agelon genau gewußt hatte, was er sagte. Von
dem verwirrten Geist war überhaupt nichts zu bemerken!
»Überall auf dieser Welt haben wir Raumminen abgelegt. Jede Raummine verfügt über eine
Sprengkraft von 100 Kilotonnen TNT!« übersetzte GaVenga, der die Angaben Sigam Agelons in für
John Haick verständliche Maße umrechnete und einfügte. »Insgesamt lagern mehr als tausend
Raumminen auf Warrow! Wir werden sie alle zünden, wenn Rex Corda mit der ›Walter Beckett‹ in
dieses Sonnensystem eindringt.«
Er drückte sich leicht von der Computerbank ab und kam auf die drei Männer zu. Seine Hacken
erzeugten ein unheimlich dumpfes Geräusch auf dem Boden. Dicht vor John Haick blieb er stehen.
»Sie sollten mich kennen, um genau zu wissen, daß ich keinen Augenblick zögern werde, diese ganze
Welt zu vernichten, wenn es um meine Ziele geht!« sagte er drohend.
John Haick hielt den Blick aus diesen grausamen Augen nicht aus. Er blickte über Sigam Agelon hinweg.
*
Der Roboter ließ die Tür zuschnappen.
Tsati Mutara war allein mit GaVenga und Percip. Unsicher sah er die beiden Männer an.
GaVenga räusperte sich.
»Stimmt das, was der Irre gesagt hat?«
Tsati Mutara nickte.
»Soweit ich weiß, stimmt es«, antwortete er.
»Doch ich warne Sie davor, ihn einen Irren zu nennen. Sigam Agelon ist zu gefährlich. Es wäre falsch,
sich über ihn lustig zu machen. Es wäre ein tödlicher Fehler. Ich habe gesehen, wie er sogar Freunde
tötete, weil er glaubte, sie brächten ihm nicht genügend Respekt entgegen.«
Tsati Mutara sah sich unsicher in dem kleinen Raum um. Ein verzweifeltes Lächeln glitt über seine
Lippen.
»Entschuldigen Sie mein Verhalten«, sagte er. »Ich bin es nicht mehr gewohnt, ohne Begleitung eines
Roboters zu sein. Sonst steht ständig ein Roboter hinter mir und bewacht mich.«
»Die Maschine steht wahrscheinlich vor der Tür.«
»Glauben Sie, daß John etwas für uns tun kann?« fragte Percip.
Mutara schüttelte den Kopf.
»Niemand kann etwas für uns tun. Zu oft habe ich versucht, aus dieser Hölle zu entkommen!«
Plötzlich glitt ein Lächeln über Percips Züge.
»Ich glaube, wir haben Ihnen unrecht getan!«
Mutara sah überrascht auf. Seine Züge entspannten sich.
»Es ist schon gut. Sie konnten es nicht wissen!«
GaVenga legte demonstrativ seine Hand an den Arm des Mutanten.
»Mt. Mutara – ich glaube, zu dritt schaffen wir es doch!«
»Mt. Mutara?« fragte der Mutant überrascht. »Was bedeutet das?«
»Mt. ist die auf Terra gebräuchliche Abkürzung für Mutant! Es ist eine Ehrenbezeichnung.«
Die Tür flog auf. Der Bronzeroboter trat ein. Er sprach kein Wort. Er stellte sich nur im Raum vor die
Tür. Die kalten Linsen bewegten sich, als er die Gefangenen sorgfältig musterte. Der Trop auf seinem
Arm zitterte.
»Ich muß Ihnen mitteilen, daß dieser Trop sofort getötet wird, wenn Sie einen Fluchtversuch machen!
« verkündete er mit einem sardonischen Grinsen auf den metallenen Lippen. »Machen Sie sich für ein
Verhör bereit. Wir sind an allen Informationen interessiert, die die ›Walter Beckett‹ betreffen. Es
geht insbesondere um das Material, mit dem das Raumschiff gepanzert ist!«
Der Roboter verließ den Raum.
Die drei Gefangenen sahen sich schweigend an.
Eine unheimliche Drohung lag über ihnen.
Endlich räusperte sich Percip.
»Die Orathonen dürfen nicht erfahren, was Becon ist«, erklärte er ruhig. »Wenn sie erfahren, von
welcher Bedeutung dieses Material ist, werden sie über die Erde herfallen, um das Geheimnis mit aller
Gewalt herauszuholen.«
»Das ist klar«, nickte Tsati Mutara schwer. »Deshalb dürfen keine Orathonen aus der Vakuole der ›
Zeitlosen‹ entkommen. Sie sind die einzigen, die etwas von diesem Material wissen. Die Überraschung
war groß, als es nicht gelang, die ›Walter Beckett‹ zu zerstören.«
Percip erhob sich. Unruhig ging er im Raum auf und ab. Erst jetzt erfaßte er wirklich, welche Gefahr
auf die Erde zukam. Früher oder später würde Orathon auf die Erde aufmerksam werden.
Orathonische Agenten würden zur Erde kommen, um das Geheimnis zu ergründen.
Percip schüttelte den Kopf.
Cordas Hoffnung, die Erde könne sich vielleicht auch jetzt noch aus dem großen galaktischen
Geschehen heraushalten, konnte sich niemals erfüllen. Percip bewunderte den großen Terraner, der so
entschlossen für die Existenz der Erde kämpfte, obwohl die Aussichten so gering waren. Die Erde war
zu schwach, um jemals eine wichtige Rolle im Kräftespiel der Giganten Orathon und Lakton spielen zu
können. Rex Corda wollte die Erde auch nicht zu einem Machtfaktor machen. Er wollte nur die Existenz
der Erde und damit die der Menschheit erhalten. Rex Corda wollte verhindern, daß die Menschheit als
gedemütigte Sklavenrasse in den Sog der Laktonen oder Orathonen geriet.
Die Aussichten der Erde waren denkbar gering.
Percip blieb stehen. Er war zu einem Entschluß gekommen.
»Ich werde nicht zu einem Verhör gehen«, erklärte er.
GaVenga und Mutara sahen ihn ernst an. In ihren Mienen konnte Percip lesen, daß sie genau die
gleichen Gedanken verfolgt hatten wie er.
»Ich werde tot sein, bevor die Orathonen die Verhörsonden angelegt haben«, versetzte GaVenga
entschlossen.
Mutara senkte den Kopf.
Es gab nur noch eine Alternative, wenn sie dem Verhör entgehen wollten – Flucht oder Tod!
*
EinsMark, der Patriarch der Warrows, wartete geduldig darauf, daß die Invasoren sich von der Insel
zurückzogen.
Als er allein war, rief er seine Söhne zusammen und erteilte ihnen den Auftrag, die Bombe in ein Boot
zu verladen und sie auf das Meer hinauszubringen.
Er überwachte die Arbeiten scharf. Er fühlte erst Erleichterung, als das Boot am Horizont
verschwand. Eine Nachricht erreichte ihn, als sie die Kugel ins Meer warfen, wo sie mehrere tausend
Meter in die Tiefe sank.
Er machte sich bereit, seine Residenz zu verlassen. Es zog ihn nach Zero, dem Zentrum des Reiches.
Zwei Stunden später erreichte er die Stadt. Die Brände waren gelöscht. Es war wieder ruhig
geworden. Über der Stadt schwebten mehrere Diskusraumer, die alle Vorgänge genau überwachten. In
den Straßen patrouillierten Kampfroboter.
Vor der Stadt stand ein riesiges Raumschiff. Es war höher als jedes Gebäude, das es auf Warrow gab.
Mit seiner unglaublichen Masse schien es die Stadt erdrücken zu wollen. Roboter hatten große Teile
der Außenverkleidung des Raumschiffes entfernt. Sie nahmen Reparaturen vor. EinsMark konnte die
zahlreichen Befehle, die zwischen der elektronischen Zentrale des Schiffes und den Robotern hin und
hergingen, verfolgen. Aber er wagte es nicht, einzugreifen, sosehr die Versuchung ihm zusetzte. Zu
groß war die Gefahr, daß er mit einem unvorsichtigen Impuls die Bomben auf dem Planeten zündete.
Stoßtrupps der Invasoren besorgten sich alles aus den Fabriken, was sie benötigten. In wahrhaft
verblüffendem Tempo errichteten die Fremden selbst Fabriken, in denen sie die Ersatzteile, die sie
brauchten, mit dem Material von Warrow produzierten. Schonungslos plünderten die Orathonen den
Planeten aus, um sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Grünhäutigen nahmen keine Rücksicht auf
die Belange der Warrows. Sie nahmen sich, was sie wollten.
Das wirtschaftliche und kulturelle Leben der Warrows in der Stadt Zero war zum Erliegen gekommen.
Auf seinem Weg zum Regierungszentrum sah EinsMark nur verzweifelte Warrows, die zu retten
suchten, was zu retten war. Niemand verrichtete die Arbeit, die sonst in seinem Aufgabenbereich lag.
Jeder kämpfte nur um das Lebensnotwendige. Einen organisierten Widerstand gab es nicht.
EinsMark betrat das Regierungszentrum mit einem Gefühl tiefer Niedergeschlagenheit. Jetzt
erkannte er voll und ganz, daß es falsch gewesen war, sich auf eine mögliche militärische
Auseinandersetzung nicht vorzubereiten.
Das Parlament war fast vollzählig versammelt.
Tiefer Ernst bestimmte die Stunde.
EinsMark warf einen kurzen Blick auf seinen früheren Rivalen, ZweiM’Statt, der ihm folgte. Er
richtete sich entschlossen auf. Noch war das letzte Wort nicht gefallen.
Sie würden kämpfen!
Sie würden alle Mittel einsetzen, die sie hatten.
Die Invasoren sollten es fühlen!
Ganz wehrlos war Warrow nicht!
*
Der Diskus näherte sich der »Walter Beckett« in rasendem Tempo. John Haick hatte eine ständige
Holografenverbindung mit der Zentrale des Flaggschiffes. Die Computer übernahmen den Diskus und
lenkten ihn sicher in die Hangarschleuse.
John Haick verließ das Raumschiff sofort und eilte in die Kabine Rex Cordas, in der auch Fan Kar Kont,
Ralf Griffith und Bekoval erschienen waren. Rex Corda begrüßte seinen Freund.
»Wo sind die ›Zeitlosen‹?« fragte John atemlos.
Corda hob die Arme.
»Ich begreife die ›Zeitlosen‹ auch nicht, John.«
Seit Stunden versuche ich, sie zu erreichen.
Erst vor einer halben Stunde erhielt ich eine Bestätigung. Sie haben mich gehört. Das war alles.«
»Dann stecken sie also selbst in großen Schwierigkeiten?« fragte John Haick.
»Wir sind davon überzeugt!« nickte Bekoval.
»Die Schwierigkeiten müssen ganz erheblich sein«, fügte Ralf Griffith hinzu. »Sie würden uns sonst
nicht allein lassen!«
John Haick biß sich auf die Lippen.
»Sigam Agelon stellt uns ein Ultimatum. Er verlangt, daß wir ihn solange in Ruhe lassen, bis er seine
Raumschiffe repariert hat. Er will auf volle Kampfstärke kommen! Greifen wir schon jetzt an, will er
starten und die Welt, auf der er gelandet ist, vernichten. Es ist die Welt der Warrows. Von hier sind
die Warrows gekommen, die wir auf dem Trümmerplaneten trafen!«
Rex Corda zögerte.
»Glaubst du, daß er den ganzen Planeten zerstört?«
»Ich bin überzeugt davon.«
»Welche Möglichkeiten gibt es, seinen Plan zu zerstören?«
»Wir müssen das Bombennetz, das er gelegt hat, lahmlegen!«
»Und wie ist das zu schaffen?« fragte Corda.
»In Einzeleinsätzen!« antwortete John, der sich alles genau überlegt hatte. »Die Warrows
verständigen sich mit Hilfe von Radiowellen. Wenn es uns gelingt, per Funk mit ihnen in Verbindung zu
treten, dann können wir von ihnen erfahren, wo Sigam Agelon die Bomben abgelegt hat. Die Warrows
können uns zu allen Bomben führen. Wir können sie entschärfen. Die Waffensysteme sind uns bekannt!
«
»Das Risiko ist sehr hoch!« sagte Bekoval, der Kommandant der »Walter Beckett«.
Corda nickte entschlossen.
»Eine andere Möglichkeit gibt es aber nicht! Bekoval – verständigen sie die ›Zeitlosen‹ von der
Situation. Die ›Walter Beckett‹ nähert sich dem Planeten bis auf eine Astronomische Einheit. Dann
werden wir versuchen, Einzelkommandos auf den Planeten zu bringen. Den Diskus schicken wir zurück,
wie der Agelon es verlangt. Aber John wird nicht an Bord sein.«
»Was wird mit Mutara, GaVenga und Percip?« fragte John.
Corda sah ihn ernst an.
»Im Augenblick können wir ihnen noch nicht helfen! Ich werde alles versuchen, sie zu befreien. Aber
jetzt geht das Schicksal der Warrows vor!« antwortete er.
*
Tiefe Nacht senkte sich über die Stadt, an deren Rand die »Lynthos II« gelandet war.
Die drei Gefangenen konnten die Stadt auf dem Holografen sehen, der in ihrer Kabine angebracht war.
Durch zahlreiche Schaltmöglichkeiten konnten sie sich in alle Holografensendungen des Schiffes
einschalten. Auf mehreren Umwegen konnten sie die Kamera erreichen, die den Abschnitt vor ihrer
Kabine beobachtete. Sie konnten den Bronzeroboter sehen, der regungslos vor der Tür der Kabine
stand. Er hielt den Trop im Arm, bereit, ihn jeden Augenblick zu töten.
Mutara nickte GaVenga und Percip zu.
Dichter Schweiß perlte auf seiner Stirn.
Die Entscheidung stand bevor!
Sie durften nicht länger zögern. Das erste Verhör sollte in einer halben Stunde durchgeführt werden.
Die Orathonen wollten Percip vernehmen.
Wie das vor sich ging, wußte Mutara genau. Die Orathonen würden eine Gehirnwäsche durchführen, in
der Percip nichts verheimlichen konnte.
»Der Trop ist mein Freund«, sagte Mutara, als er die Hand an die Tür legte.
Percip und GaVenga nickten. Sia wußten, was der Mutant damit sagen wollte. Mutara würde alles
versuchen, den Trop zu retten.
Die beiden Männer fragten sich jedoch, wie Mutara den Roboter überwinden wollte. Ein MagnetSmash
stand ihm nicht zur Verfügung. Und das war die bisher einzig bekannte Waffe, mit der ein Roboter
besiegt werden konnte.
Die Tür flog auf.
Der Roboter drehte sich langsam um.
»Wir haben kein Trinkwasser«, sagte Mutara. »Die Leitung ist tot!«
Der Trop ThaliFenberthFenBerthnyen sah ihn mit großen Augen an. Mutara senkte die Augenlider
für einen winzigen Moment. Der Trop blinzelte. Er hatte verstanden.
Der Roboter betrat die Kabine. GaVenga und Percip standen neben der offenen Tür. Mit einem Schritt
konnten sie auf den Gang hinaustreten.
Der Roboter schien sie nicht zu beachten. Er ging zu dem Getränkeautomaten und streckte die Hand
danach aus.
In diesem Augenblick glitt Thali blitzschnell an ihm hoch. Er umklammerte seinen Kopf und preßte
seinen Leib vor die Linsen des Roboters.
Mutara blieb das Herz stehen.
Thali preßte seinen Leib nicht nur gegen die Augen, sondern auch gegen die Strahlwaffensysteme des
Roboters, die im Kopf untergebracht waren.
»Nimm ihm alle Energie weg, Tsati!« kreischte der Trop. »Schnell!«
In diesem Augenblick blitzte es schon auf.
Der Trop Thali war sofort tot!
Der Energiestrahl fuhr mitten durch seinen Leib! Doch er hatte Mutara das Leben gerettet.
Der Roboter konnte nichts sehen. Er schoß an Mutara vorbei.
Glühende Hitze erfüllte die enge Kabine.
GaVenga und Percip sprangen durch die offene Tür nach draußen. Mutara stürzte sich auf den
Roboter. Er berührte seine Brust, während die metallenen Arme hochfuhren und den toten Trop vom
Kopf rissen.
Mutara konzentrierte sich scharf und verzweifelt auf den kleinen Atomreaktor, der den Roboter mit
Energie versorgte. Ein schmerzhafter Knoten bildete sich in seinem Kopf. Dichter Schweiß brach ihm
aus allen Poren. Die heiße Luft brannte ihm die Kehle in Sekundenbruchteilen trocken.
Mutara saugte dem Roboter die Energie ab.
Der Bronzene erstarrte mitten in der Bewegung. Der tote Trop ThaliFenberthFenBerthnyen fiel zu
Boden.
Mutara leitete die Energien in den Boden. Er fühlte die Macht unter seinen Füßen knistern. Und dann
spürte er die nahende Katastrophe. Es gelang ihm nicht, sich genau auf den Reaktor einzustellen. Der
Nuklearprozeß begann seiner Kontrolle zu entgleiten.
Mutara zog sich zurück. Langsam wich er bis zur Tür zurück. Er fühlte die Gefahr körperlich. Er
glaubte fast, die Energieprozesse sehen zu können, die im Inneren des Robotkörpers abliefen.
»Mutara!« schrie Percip.
Eine Hand packte seinen Kragen. Sie riß ihn zurück. Der Mutant fiel rücklings aus der Kabine. Instinktiv
rollte er sich zur Seite.
Im nächsten Augenblick brach die Hölle los.
Mutara umklammerte Percip und GaVenga, die neben ihm lagen. Über ihnen platzte die Kabine
auseinander. Ungeheure, unvorstellbare Hitzewellen tosten über sie hinweg.
Mutara fühlte etwas sengend heiß über seinen Rücken jagen. GaVenga schrie. Percip preßte sich an den
Mutanten.
Mutara kämpfte mit der tobenden Energie. Ohne ihn wären die beiden anderen Männer schon in der
ersten Sekunde nach der Explosion tot gewesen. Sein mutiertes Gehirn lenkte die tödlichen
Energiewellen von ihnen ab. Es gelang Mutara sogar, einen Teil der Energien gezielt an die Alarmanlagen
abzuleiten, die er damit blockierte.
Dennoch heulten die Sirenen in anderen Teilen des Raumschiffes auf.
»Schnell!« keuchte Mutara aufspringend.
Um sie herum tobte ein Flammenmeer. Der Mutant riß GaVenga und Percip mit sich. Die beiden Männer
taumelten unter dem Schock der Explosion, doch sie fingen sich rasch.
An Mutaras Seite stürmten sie den Gang entlang, direkt auf das Schott zu, das zu den Diskushangars führte. * Die ›Walter Beckett‹ bremste den Flug ab und ging auf Warteposition. Auf den Holografen war das WarrowSystem nicht zu sehen. Das ZeroGespinst lag zwischen dem Flaggschiff und dem System. Jetzt war eine Serie der von Computern gesteuerten Spezialkameras – sogenannte »Augen« – auf dem Wege zu dem Loch, das der Diskus John Haicks gerissen hatte. Die Kameras sollten von dort ein Bild des Systems übermitteln, um über die Aktionen der Orathonen Aufschluß zu geben. Die Spezialkommandos machten sich bereit. Unter der Leitung des laktonischen Wissenschaftlers Fan Kar Kont waren zahlreiche Raum und Kampfanzüge mit leistungsfähigeren Antigravitationsautomaten ausgestattet worden. Sie erlaubten es den Männern, mit ihren Raumanzügen auf dem Planeten zu landen. Das Spezialkommando stand unter dem Befehl Ralf Griffiths. Rex Corda erreichte den Hangar, als Griffith von einem Einsatz am ZeroGespinst zurückkehrte. »Wir haben einen Spalt geschaffen, der groß genug für uns ist!« meldete er. »Die Stelle ist ausreichend markiert.« Im gleichen Moment meldete sich die Funk und Ortungsabteilung, um mitzuteilen, daß sie die Markierung exakt erfaßt hatten. Rex Cordas Blicke glitten über die Männer. Das Einsatzkommando bestand aus zehn Gruppen zu je drei Mann. Jeder von ihnen wußte, was zu tun war. Jeder kannte auch das Risiko. Rex Corda hatte die Männer auswählen müssen. Es hatten sich mehr Freiwillige gemeldet, als eingesetzt werden sollten. Oberst Polley, der Chef der Besatzungsmannschaft, half Rex Corda beim Anlegen des Raumanzuges. »Beginnen Sie mit dem Ausschleusen!« befahl Corda. Neben Ralf Griffith und dem Leutnant Sarow betrat er als erster die Schleuse. Hinter ihm schlossen sich die schweren Schotten. Das Licht erlosch. Die Luft wurde abgesaugt. Dann öffnete sich die von dem Gespinst grau gefärbte Raumvakuole der »Zeitlosen« vor ihnen. Corda sprang in die eisige Nacht hinaus. Schon Sekunden später griff der mächtige Traktorstrahl nach ihm. Ralf Griffith und Leutnant Sarow schlossen zu dem Präsidenten auf. Die »Walter Beckett« versackte im Dunkel hinter ihnen. »Achtung – Beschleunigungsphase X3!« kam die elektronische Stimme des Computers, der den Traktorstrahl steuerte. Der kurze Countdown verlief blitzschnell. Plötzlich wuchs die graue Wand riesengroß vor ihnen auf. Unwillkürlich spannten sich die Muskeln Cordas. Er faßte den Arm Ralf Griffiths fester. Das elektronische »Leuchtfeuer«, das den Spalt in dem Plastikvorhang markierte, konnten sie nicht sehen. Corda bemerkte nur plötzlich einen Lichtschimmer vor sich. Dann zuckte das Graue an ihnen vorbei. Sie stürzten in das WarrowSystem hinein. Der Traktorstrahl der »Walter Beckett« hatte ihnen eine Geschwindigkeit von mehr als 40 m/sec gegeben. Corda drehte sich langsam. Ganz schwach konnte er die anderen drei Gruppen erkennen, die hinter ihnen durch das Gespinst rasten. Jede Gruppe hatte einen anderen Kurs, so daß sich jede dem Planeten Warrow anders nähern würde. Langsam wuchs der Planet vor ihnen an. Weit hinter ihm leuchtete die gelbe Sonne. Von orathonischen Wachbooten war nichts zu sehen. Das blaue Nichts wirkte friedlich. Doch gerade das war es, was an den Nerven Cordas zerrte. Er wußte, daß die Orathonen wachsam waren. Die Featherheads mußten eine Aktion wie diese zumindest für wahrscheinlich halten. Es war undenkbar, daß sie den Raum über dem Planeten nicht überwachten. * Tsati Mutara stieß das Schott auf. Ein schmaler Schacht öffnete sich vor ihnen, der zu dem nächsten Diskushangar hinabführte. Ohne zu zögern, stürzte Mutara sich in das tragende Feld, das ihn nach
unten transportierte. GaVenga und Percip folgten ihm unmittelbar.
Über ihnen fielen Schüsse. In der ersten Verwirrung jagten die Orathonen vermutlich die falschen
Flüchtlinge.
Der Diskushangar war frei.
Mutara warf den Hebel herum, der die automatische Wartung abschloß. Die elektronisch gesteuerten
Arme zogen sich zurück. Die Hangarschotts standen offen, nur deshalb hatten sie überhaupt eine
Chance. Überall am Schiff wurde gearbeitet.
Die meisten Sicherheitssysteme mußten zwangsläufig ausfallen.
Percip und GaVenga sprangen bereits in den Diskus. Tsati Mutara riß einen Waffenschrank im Hangar
auf. Er nahm einen Strahler heraus, mit dem er einen Energieschuß auf das Hauptverbindungsschott
abfeuerte, das sich zu den zentral gelegenen Abteilungen des Hantelraumers hin öffnen konnte. Mit
dem Schuß verschweißte er das Schott.
Dann sprang auch er in den Diskus, der bereits einen halben Meter über dem Boden schwebte.
Percip betätigte einige Schalter.
Sie spürten nichts von der Beschleunigung, da die Antigravitationsautomaten den Effekt voll abfingen.
Doch auf dem Holografen konnten sie sehen, wie die Schotten vorbeihuschten.
Percip riß den Diskus sofort zur Seite. Er wollte nicht direkt über die Stadt hinwegfliegen. Er wählte
einen Kurs, der tief in das Land hineinführte.
Kaum geriet die Stadt aus der Fluchtrichtung, als Percip abermals den Kurs wechselte. Es war eine
Maßnahme, die ihnen das Leben rettete. Von der »Lynthos II« löste sich ein Raumtorpedo. Er fauchte
nur wenige Meter an ihnen vorbei. Seine empfindliche Steuerelektronik ließ sich durch die
Schutzfelder des Raumschiffes irritieren. Der Torpedo jagte steil nach unten und bohrte sich in ein
trockenes Waldgebiet, das sofort in hellen Flammen aufging.
Sekunden später blitzte einer der Energiestrahler auf. Die Glut fauchte schräg über den Diskus
hinweg, traf jedoch auch nicht voll. Offensichtlich gelang es nicht, das Bordwaffensystem des
Hantelraumers so schnell auf Computer umzustellen.
Der Diskus begann zu trudeln, doch Percip fing ihn ab, bevor er die Kuppe eines Hügels erreichte.
Abermals blitzte es drüben auf, aber jetzt versackte der Diskus schon hinter den Hügeln.
Der Laktone riß den Diskus sofort herum. Das Raumschiff legte sich scharf auf die Seite. Die Motoren
jaulten auf. Harte Verzögerungseffekte kamen durch. Die überbeanspruchten
Antigravitationsautomaten begannen zu stottern. Mutara fühlte sich hart in die Polster seines
Andrucksessels gestoßen.
Dann hatte Percip es geschafft. Der Diskus heulte, dicht über dem Boden fliegend, in scharfem Winkel
nach Süden. Die Automaten arbeiteten wieder einwandfrei.
»Raumanzüge anlegen!« befahl Percip.
Mutara stemmte sich mühsam hoch. Sein Rücken schmerzte unerträglich. Die Schrankwand vor seinen
Augen wankte.
»Mutara – Sie sind verletzt!« rief GaVenga erschrocken.
Der Mutant sank erschöpft auf die Knie. Verwirrt sah er um sich. Seine Augen klärten sich. Er erhob
sich schwankend. Er sah den kleinen Kynother kaum, der an ihm vorbeieilte und die Bordapotheke
aufriß.
»Ein Splitter muß Ihren Rücken getroffen haben!« sagte GaVenga. »Legen Sie sich hin! Schnell! Wir
haben keine Zeit!«
Nur zu gern folgte Tsati Mutara diesem Befehl.
Er legte sich auf den Bauch und gab für einen Augenblick der ungeheueren Müdigkeit nach, die ihn
überfiel. Doch er zuckte zusammen, als GaVenga die armlange Rückenwunde eilig reinigte. Die
Schmerzen wuchsen unerträglich an.
Mutara biß sich so hart auf die Lippen, daß sie zu bluten begannen. Dann schwand der Schmerz. Die
ausgezeichneten Pharmazeutika der Orathonen begannen zu wirken. GaVenga versiegelte die Wunde.
»Es ist nicht weiter gefährlich, Mutara! Nur eine Fleischwunde! Sie haben Blut verloren!«
»Ich werde faßweise Whisky trinken, wenn ich erst einmal wieder an Bord der ›Walter Beckett‹ bin!«
grinste Tsati mühsam. »Damit läßt sich der Verlust sicherlich ausgleichen!«
GaVenga half ihm in den Raumanzug. Erst dann stieg er selbst in einen anderen. Mutara hatte Mühe. Er
war viel zu groß für den Anzug. Er mußte sich zusammenkrümmen, damit der Anzug überhaupt
geschlossen werden konnte. GaVenga dagegen füllte den Anzug noch nicht einmal zu einem Drittel aus.
Er war nur wenig kleiner als die Orathonen, aber er besaß bei weitem nicht die Masse.
»Die Entwürdigung der Kynother schreitet fort!« lachte das kleine Sprachgenie und übernahm den
Pilotenstand, um Percip Gelegenheit zu geben, nunmehr auch einen Raumanzug anzulegen. Percip sah
sich in der gleichen Notlage wie Tsati Mutara. Auch er mußte sich zusammenkrümmen, um in den
Raumanzug zu kommen.
GaVenga bereitete den Abschluß der Aktion vor.
Percip führte Tsati Mutara zur Schleuse. Sie stiegen zusammen hinein. Er schaltete das
Helmsprechgerät ein und stieß einen leisen Pfiff aus. GaVenga pfiff zurück.
Percip stieß das Außenschott auf. Noch merkten sie nichts von dem scharfen Windzug, da die
Schutzschirme standen. Doch als GaVenga sie ausschaltete, riß es sie wie mürbes Papier aus der
Schleuse. Sie stürzten sofort ab. Der Diskus flog nur zweihundert Meter hoch. Unter ihnen lag dichtes
Waldgebiet.
Percip klammerte sich an Mutara, um ihm zu helfen. Geschickt schaltete er die
Antigravitationsautomaten der Raumanzüge. Der wilde Sturz verwandelte sich in ein sanftes Gleiten.
Da blitzte es weiter hinten gleißend hell auf.
Percip warf den Kopf herum.
Der Diskus brannte! Er stürzte schräg in die Tiefe. Sekunden später wuchs ein rot flammender
Atompilz über dem Waldgebiet auf.
»Wo ist GaVenga?« ächzte Mutara.
Dann sanken sie zwischen die Bäume. Percip schaltete die Antigravitationsautomaten ab und öffnete
seinen Raumanzug und den Mutaras.
»Wo ist GaVenga?« wiederholte Tsati Mutara.
Percip schwieg. Er sah zu dem Verband der fünf Diskusraumschiffe hinauf, der auf die
Explosionsstelle zusteuerte. Es waren Diskusraumer der AVautTKlasse, die über stärkste
Bewaffnung verfügten.
»Ich will nicht wieder zu diesen Teufeln zurück!« keuchte Tsati Mutara mit bebenden Lippen. »Lieber
will ich sterben! Nie mehr Sigam Agelon sehen!« Er sah Percip verwirrt an.
»Wo ist GaVenga?« fragte er leise. »Ist er… tot?«
*
Der Planet Warrow wurde rasend schnell größer.
Rex Corda konnte keine andere Einsatzgruppe mehr erkennen. Er wußte auch nicht, ob es zu
Zwischenfällen gekommen war. Die angeordnete Funkstille hüllte alles in tiefes Schweigen.
Ralf Griffith nahm den miniaturisierten ZeroStrahler von der Hüfte und richtete ihn aus. Corda sah
das hauchdünne Plastikgespinst aus den Düsen schießen. Sofort bildete sich eine graue Wolke vor
ihnen, die mit der gleichen Geschwindigkeit wie sie auch auf den Planeten zujagte.
Ralf Griffith behielt einige Fäden in der Hand.
Die drei Männer rückten enger zusammen.
Dann justierten sie die Antigravitationsautomaten mit aller Vorsicht neu. Dennoch trieben sie mehr als
zwanzig Meter auseinander, als die Verzögerung einsetzte. So geringe Unterschiede ließen sich nicht
vermeiden.
Geschickt steuerten sie wieder zusammen.
Die gefährlichste Phase der Aktion – die Landung – hatte begonnen! Immer neue Veränderungen an den
Automaten bewirkten immer neue, immer stärkere Verzögerungen.
Fünfhundert Kilometer über Warrow glitten sie in eine Kreisbahn um den Planeten ein.
Da gellte plötzlich ein Schrei in den Helmlautsprechern der Männer auf.
Corda erschrak. Erregt sah er sich um. Er wußte nicht, wer den Schrei ausgestoßen hatte, woher er
kam.
»Wir sind geortet worden!« brüllte der andere.
Weit von ihnen entfernt, am Rande der blauen Lufthülle, klar gegen den tiefblauen Hintergrund zu
erkennen, blitzte es weiß auf.
Ein entsetzliches Geräusch kam aus den Helmlautsprechern, bevor es totenstill wurde.
Corda biß sich auf die Lippen.
Er gab Ralf Griffith und Leutnant Sarow ein Zeichen. Ralf nickte sofort.
Sie klammerten sich aneinander und schalteten die Antigravitationsautomaten hoch. Sie sanken ein in
eine Wolke aus energieabsorbierendem ZeroGespinst. Der scharfen Verzögerung folgte ein sanfter
Sturz. Plötzlich hoben sich die Horizonte.
Der Planet unter ihnen wuchs heftig an. Sie fielen in die Nachthälfte hinein.
In wenigen Kilometern Entfernung entstand plötzlich ein weißer Energieball im Nichts.
Rex Corda erschauerte. Er wußte nur zu gut, was das zu bedeuten hatte! Wieder waren drei Männer
der »Walter Beckett« den aufmerksamen Featherheads in die Hände gefallen. Und die Orathonen
gaben keinen Pardon!
Die Kondensatoren des sie umhüllenden Gespinstes glühten auf.
Wurde auch auf sie geschossen?
Corda konnte nichts entdecken. Dann erst fiel ihm auf, mit welch rasender Geschwindigkeit sie in die
Lufthülle des Planeten fielen. Das Gespinst nahm die ungeheuere Reibungswärme in sich auf!
Tief unter ihnen zog ein Schwarm Diskusraumschiffe vorbei. Er flog über hügelligem, bewaldetem
Land, in dem mehrere kleine Ortschaften lagen. Am Rande der Hügellandschaft, dicht vor der Küste
eines grünlich schimmernden Meeres, explodierte ein anderer Diskus und stürzte ab.
Wieder verzögerten sie. Wieder schalteten sie die Antigravitationsautomaten hoch. Die
hochentwickelten Geräte bremsten den Fall kräftig ab.
Dann dehnte sich das Land plötzlich weit unter ihnen. Einzelheiten wurden deutlich. Sie erkannten
Wald, sie machten die Häuser der Städte aus.
Und sie beobachteten den einzelnen Diskus, der in wenigen Kilometern Entfernung von ihnen
vorbeistrich, um plötzlich steil in den freien Raum hinaufzuschießen.
Doch kurz bevor der Diskus im Nichts verschwand, verharrte er einen Augenblick. Sekunden später, als
Rex Corda, Ralf Griffith und Leutnant Sarow zwischen den Baumkronen hindurch zu Boden schwebten,
erschien der Diskus wieder.
Er flog im Sturzflug direkt auf sie zu.
Corda schlug den Raumhelm zurück. Er machte Ralf auf den Diskus aufmerksam. Griffith führte sie
sofort zwischen dichter stehende Bäume, wo sie vor direkter Sicht geschützt waren. Wieder
aktivierte er den ZeroStrahler. Weißgelbes Gespinst schoß knatternd aus den Düsen. Es verfing sich
überall in den Ästen und Zweigen und umgab sie bald wie ein Spinnennetz.
»Gegen direkte Sicht schützt es uns nicht«, bemerkte Ralf Griffith. »Immerhin können die
Featherheads uns nicht orten! Wir brauchen nur ein bißchen Glück!«
Sie hörten nur das bedrohliche Zischen der Luft, die sich in den Schutzschirmen des Diskusraumers
auflud, als er dicht über sie hinwegstrich.
Würde die Dunkelheit sie schützen?
*
Tsati Mutara ließ sich gegen die rauhe Rinde eines Baumes sinken. Noch fühlte er sich erschöpft, doch
die Schmerzen in seinem Rücken hatten nachgelassen. Langsam kehrten die Kräfte zurück.
Percip starrte angestrengt nach oben. Das Plastikgespinst, das sie einhüllte, schützte sie. Dennoch
schirmte es nicht völlig gegen direkte Sicht ab. Percip konnte die Schatten der Diskusraumer
erkennen, die langsam über sie hinwegflogen.
Mutara achtete nicht mehr darauf. Er wollte nicht darauf achten, um nicht daran denken zu müssen,
daß auch dieser Fluchtversuch gescheitert sein könnte.
Seine Blicke fielen auf ein seltsames Tier, das langsam über die Baumrinde neben seinem Kopf kroch.
Das Tier sah aus wie ein kleiner kirschroter Reif, der sich langsam über die Rinde schob. In der Mitte
des Ringes taumelte eine kleine blaue Kugel, so groß wie eine Perle. Zahlreiche dünne Fäden verbanden
sie mit dem Reif.
Plötzlich drehte sich der Reif heftig hin und her.
Die Baumrinde brach auf. Ein Schwarm gelber Fluginsekten versuchte zu entkommen, doch der Reif
preßte sich fest auf die Öffnung. Die Insekten fingen sich in den zahlreichen Fäden, die wie Speichen
in dem Reif saßen.
Mutara wandte den Kopf ab. Er fühlte eine häßliche Kälte in sich aufsteigen. Er sprang auf.
Er stieß den orathonischen Raumanzug, den er getragen hatte, mit dem Fuß zur Seite.
»Ich will weg hier!«
Percip neigte den Kopf zu dem Raumhelm seines Raumanzuges, den er ebenfalls abgelegt hatte.
Ein leiser Pfiff ertönte. Er kam nur ganz kurz, aber er wiederholte sich einige Male.
»GaVenga!« stieß Percip erleichtert aus.
Er spitzte die Lippen und stieß ebenfalls einen kurzen Pfiff aus. Für einen neutralen Beobachter
mußten sich diese Töne wie kleine Störungen anhören, die immer vorkommen konnten.
Plötzlich knackte es hinter ihnen.
Beide Männer fuhren herum. Percip riß seinen Strahler blitzschnell hoch, doch dann ließ er ihn
ungläubig sinken. Der Helmscheinwerfer von Mutaras abgelegtem Raumanzug erhellte die Szene.
»Sir!« rief er.
Tsati Mutara taumelte.
»Präsident Corda!« stammelte er. »Wie…?«
Er fand keine Worte.
Rex Corda, Ralf Griffith und Leutnant Sarow traten unter den Bäumen hervor. Corda legte seine Hände
auf die Schultern des dunkelhäutigen Mutanten.
»Tsati – ich habe kaum gehofft, daß ich dich jemals wiedersehen könnte!«
Tsati Mutaras Lippen zuckten. Er lachte, während seine Augen feucht wurden.
»Wie haben Sie uns gefunden?« fragte Percip schnell.
»Das war einfach! Wir sahen die Diskusraumer, die dieses Gebiet absuchten. Um ein Haar hätten sie
uns aufgespürt. Wir sind einfach in diese Richtung gegangen!« antwortete Corda.
Der Präsident gab Leutnant Sarow einen Wink.
Der Offizier veränderte die Schaltung seines Antigravitationsautomaten. Der Druck der Gravitation
verlor seinen Einfluß auf ihn. Langsam stieg er auf, durchbrach das blaugrüne Blätterdach und sah sich
um. Sein Raumhelm war geöffnet.
»Die Orathonen suchen bei dem abgestürzten Diskus!« rief er. Er ließ sich wieder absinken. »Hier ist
alles okay!«
Corda nickte. Er drückte eine kleine Taste an seinem Raumhelm. Ein kurzer Rufimpuls für John Haick
ging ab. John war in einer anderen Dreiergruppe zum Planeten geflogen.
Es klickte kaum hörbar in den Helmlautsprechern Rex Cordas. Seine Lippen entspannten sich.
»John ist angekommen!« sagte er leise.
Er drückte die Taste abermals.
»Er versucht, uns zu erreichen!«
»Hoffentlich schafft GaVenga es auch bald!« fügte Percip hinzu. »Wir, haben nicht mehr viel Zeit!
Wir müssen so schnell wie möglich zu diesem Warrow EinsMark zurück, mit dem wir schon Kontakt
hatten.«
»John hat davon berichtet«, bestätigte Corda. »Dieser Warrow muß uns weiterhelfen. Ohne Hilfe der
Warrows können wir die Bomben Sigam Agelons nicht alle aufspüren.«
Erschrocken sah Leutnant Sarow auf, als es über ihnen in den Ästen der Bäume krachte.
Im ersten Augenblick sah es so aus, als käme ein leerer orathonischer Raumanzug herabgeflogen. Doch
dann sahen sie das vergnügte Gesicht GaVengas hinter der Transparentscheibe.
»Es war ziemlich leicht, euch zu finden!« behauptete er. »Man kann nur hoffen, daß die Orathonen
weiterhin dort hinten suchen!«
»Wohin müssen wir, Percip?«
Der Laktone zeigte in die Richtung der Hauptstadt Zero.
»Dann brechen wir sofort auf. Wir haben keine Zeit zu verlieren!«
»Und John Haick?« fragte Percip.
»Er wird in der gleichen Richtung vorstoßen! In der Nähe der Stadt treffen wir zusammen!« entschied
Corda.
Wieder stieg Sarow auf, um das Gelände zu sondieren. Jetzt war kein Diskus mehr zu erkennen. Weit
hinten am Horizont stand der noch immer glühende Atompilz und markierte die Stelle, an der der
Diskus abgestürzt war.
Die Männer stiegen auf. Percip und Tsati Mutara lösten die Antigravitationsautomaten von den
orathonischen Raumanzügen und legten sie sich an. Für sie war es wesentlich bequemer, ohne
Raumanzüge zu fliegen.
*
Wieder nahm Rex Corda vorsichtig Verbindung mit John Haick auf und benachrichtigte ihn.
John Haick konnte die Nachricht Rex Cordas mit einem kurzen Signalimpuls bestätigen, aber antworten
konnte er nicht.
Die Gruppe hatte große Schwierigkeiten zu überwinden. Sie transportierte das empfindliche Gerät, mit
dessen Hilfe Kontakt mit den Warrows aufgenommen werden sollte. Aus der Begegnung mit den
Warrows auf dem Trümmerplaneten hatte man zahlreiche Grundelemente der akustischen Sprache der
Warrows gewonnen, doch längst nicht genug, um sich bei einer Begegnung ausreichend verständigen zu
können. Jetzt wollte John Haick mit Hilfe einer Radiowellensendung eine Verständigung herstellen.
Doch das elektronische Gerät war beschädigt worden.
In ihrer unmittelbaren Nähe waren die drei Männer einer anderen Einsatzgruppe von den Orathonen
erschossen worden. Mehrere Splitter der explodierenden Raumrakete hatten Leutnant Jos Mitriach an
der Schulter getroffen. Ein Splitter streifte das Gerät.
Jetzt kauerten die drei Männer in der Nähe eines Bahnstranges, der schnurgerade durch den Wald
schnitt. Irgendwo im Dunkel lauerten mehrere Warrows. Sie gehörten offensichtlich einer
Polizeidienstgruppe an.
John Haick kauerte sich tief ins Gras, als ein Elektrogeschoß dicht über sie hinwegzischte.
»Doktor – wir müssen uns zurückziehen!« preßte Leutnant Mitriach zwischen den Lippen hervor. »Geben
Sie es auf! Noch können wir uns nicht mit ihnen verständigen!«
»Kommen Sie!« flüsterte John.
Sie krampften ihre kalten Hände um die Griffe des schweren Gerätes und krochen über den Grasboden
weiter unter die Bäume.
John Haick hörte ein feines Singen in seinen Helmlautsprechern.
Die Warrows!
Irgendwo waren sie. John konnte sie nicht anpeilen, er konnte nur die Signale auffangen, mit denen sie
sich verständigten. Er konnte sie nicht verstehen.
Liefen sie ihnen direkt in die Arme?
Leutnant Tho, der zweite Offizier, der John begleitete, hob seine Strahlwaffe.
»Nicht schießen! Auf keinen Fall schießen!« zischte John.
Der Leutnant ließ seine Waffe ärgerlich sinken.
»Sie werden uns abknallen!« keuchte er.
John Haick richtete sich etwas auf. Gebückt eilte er tiefer in den Wald hinein. Die beiden Offiziere
mußten ihm folgen, ob sie wollten oder nicht.
Da plötzlich zischte es hell vor ihnen auf. Ein Blitz zerschmetterte einen Baum, als eines der
gefährlichen WarrowGeschosse in seine Rinde peitschte.
Die drei Männer lagen bereits im Gras. Atemlos lauschten sie auf andere Geräusche als jenes
unheimliche Singen und Wispern in ihren Helmlautsprechern.
Die Warrows waren in unmittelbarer Nähe!
Hatten sie sie gesehen, oder hatten sie nur einen Schuß auf gut Glück abgegeben?
Es blieb dunkel. Doch ein Diskus flog langsam über die drei Männer hinweg. Sie sahen das glutende
Auge seiner Abstrahldüse. Es war ein Diskus des PonTyps, der nur wenig Platz bot. Auch dieses
Raumschiff barg eine tödliche Gefahr für die drei Terraner!
John Haick hatte befürchtet, daß die Orathonen früher oder später auf dem Kampfplatz erscheinen
würden. Jetzt konnten die Antigravitationsautomaten der Raumanzüge überhaupt nicht mehr
eingesetzt werden. Sie würden sofort von den Orathonen geortet werden.
Jos Mitriach glitt lautlos durch die Büsche.
»Jos!« rief John Haick scharf. Er befürchtete, der Leutnant würde sich zu weit von ihnen entfernen.
»Ich lenke sie ab!« zischte Mitriach.
Bevor John ihn zurückhalten konnte, verschwand er im Dunkeln. Haick biß die Zähne zusammen.
Ärgerlich schüttelte er den Kopf.
Er zerrte Leutnant Tho mit sich. Jetzt arbeiteten sie sich schneller durch den Wald vor.
John Haick blieb stehen, als er das bezeichnende Krachen und Knistern der Elektrogeschosse hörte.
Weit neben ihnen ging ein Baum in Flammen auf.
Sekunden später kam ein gellender Schrei, der schaurig durch die Nacht hallte.
»Das war Leutnant Mitriach!« keuchte Tho.
John gab keine Antwort. Er zerrte den Offizier mit sich. Zusammen schleppten sie das elektronische
Gerät weiter. Sie konnten sich keine Pause erlauben.
Plötzlich knallte die keuchende Stimme Leutnant Mitriachs aus ihren Helmlautsprechern: »Bin okay!
Keine Sorge!«
Dann war es wieder still.
»Er macht die Orathonen aufmerksam!« sagte Leutnant Tho ärgerlich. »Er hat den Verstand verloren!«
»Abwarten!«
Rechts von ihnen erhellte sich der Wald. Ein Elektrowagen jagte mit ungeheuerer Geschwindigkeit über
die Schiene, die den Wald zerschnitt.
Sie waren in weitem Bogen abermals an den Schienenstrang zurückgekehrt.
Plötzlich knackte es in ihren Lautsprechern. Jemand stieß zwei leise Pfiffe aus. Dann wurde es wieder
still.
»Mitriach!« nickte John erleichtert. »Er ist durchgekommen!«
Da leuchtete der Wald südlich von ihnen auf. Mehrere Elektrowaffen krachten. Zahlreiche Geschosse
knallten in den Wald.
»Die Warrows haben Corda gefunden!« sagte Tho leise.
*
Sigam Agelon entließ die vier Warrows mit einer verächtlichen Handbewegung. Die Gewohnheiten
dieses Volkes interessierten ihn nicht. Bei Verhandlungen richtete er sich nicht nach ihnen.
Er verlangte, daß sie die Verhandlungen genau nach seinen Vorstellungen abwickelten.
Sigam Agelon stieß einen scharfen Ruf aus, als die Warrows die Offiziersmesse verlassen wollten, in
der sie mit ihm gesprochen hatten.
Die mächtigen Kugelwesen drehten sich langsam um. Mißtrauisch beobachtete Sigam Agelon die
Tentakel, die lang genug waren, ihn auch jetzt noch zu erreichen.
Der Orathone verabscheute Intelligenzen, die keine humanoide Form hatten. Es war so schwer, ihre
Absichten zu erkennen.
»Ihr habt keine Wahl!« erklärte der Gefiederte, und die grünen Lider schlossen sich fast ganz. »
Entweder versorgt ihr uns mit allem, was wir fordern, oder wir vernichten diesen Planeten völlig. Für
euch geht es nur darum, ob ihr auch noch auf diesem Planeten leben könnt, wenn wir weg sind! Um mehr
nicht!«
»Mein Name ist EinsMark«, sagte der größte der vier Warrows in seiner Sprache. Ein elektronisches
Gerät machte die Laute für Sigam Agelon verständlich. »Ich verbürge mich dafür, daß ihr alles
bekommt, was ihr benötigt!«
Das elektronische Gerät stieß drei kleine Piepser aus. Sigam Agelon zog die Augenbrauen, die aus
winzigen schimmernden Federn bestanden, argwöhnisch auf die Stirn hinauf.
»Die volle Bedeutung dieses Satzes läßt sich nicht klar erkennen«, teilte die Elektronik mit. »Eine
Doppelbedeutung ist nicht ausgeschlossen!«
Sigam Agelon preßte die Lippen zusammen. Er erhob sich und ging langsam auf den größten der Warrows zu. »EinsMark, überlege dir genau, was du tust! In einigen Tagen sind wir weg! Schlagen und besiegen könnt ihr uns nicht! Ihr könnt uns nur behindern! Das aber könnte schon das Ende dieser Welt bedeuten!« sagte Sigam Agelon drohend. »Überlege dir genau, was du tust!« Die Warrows drehten sich herum und verließen die Messe endgültig. Die zahlreichen kleinen Beine trippelten raschelnd über den glatten Boden des Ganges. Es war erstaunlich, wie leise sich diese mächtigen Wesen bewegen konnten. Sigam Agelon begab sich direkt zur Kommandozentrale. Der technische Stab der »Lynthos II« hatte dringend davon abgeraten, die Warrows hierher zu lassen. Ihre Fähigkeit, Radiowellen auszustrahlen, hätte zu erheblichen Störungen in der technischen Ausrüstung führen können. Der Kommandant der »Lynthos II« sah Sigam Agelon entgegen. »Die Arbeiten müssen schneller abgewickelt werden!« versetzte der Agelon. »Die Zeit ist knapp!« Der Kommandant machte den Agelon auf den großen Holografen aufmerksam. »Die ›Walter Beckett‹ ist näher gekommen!« sagte er. »Das ZeroGespinst löst sich allmählich auf. Das terranische Schiff konnte geortet werden. Außerdem sind zwei Raumschiffe der ›Zeitlosen‹ im System aufgetaucht. Die Pyramidenschiffe durchflogen das System. Es handelte sich offensichtlich um einen Erkundungsflug!« »Was ist mit dem Boten! Ist John Haick zurückgekehrt?« erkundigte sich Sigam Agelon scharf. »Der Diskus ist zurückgekehrt, wie vereinbart. Der Bote befand sich nicht mehr an Bord!« Sigam Agelon ließ sich in seinen Sessel fallen. Er preßte die Lippen zusammen. Hart zuckten die Muskeln unter der grünen Haut seiner Wangen. »Die Disziplin läßt nach!« sagte er zornig. »Haick kehrt nicht zurück! Tsati Mutara entflohen! Mit ihm sind die anderen Gefangenen entkommen! Die ›Walter Beckett‹ kommt näher als vereinbart! Die › Zeitlosen‹ zeigen sich wieder!« Er sprang auf und stampfte erregt in der Zentrale auf und ab. Tiefe Falten gruben sich in seine Stirn ein. »Geben Sie eine Meldung an die Terraner durch!« befahl Sigam Agelon endlich. »Protestieren Sie gegen den Bruch der Vereinbarungen. Protestieren Sie gegen den Erkundungsflug der ›Zeitlosen‹! Kündigen Sie an, daß beim nächsten Einflug der ›Zeitlosen‹ die Hauptstadt dieses Planeten gesprengt wird! Sorgen Sie dafür, daß der Sprengsatz nochmals kontrolliert wird! Wir machen unsere Drohung wahr!« Der Kommandant gab durch eine militärische Ehrenbezeigung zu verstehen, daß er die Befehle ausführen würde. »Geben Sie eine Erklärung an die Mannschaften aus. Jegliche Nachlässigkeit wird hart bestraft werden. Wir können die ›Zeitlosen‹ nur noch besiegen, wenn wir hart und konsequent zuschlagen. Jeder Widerstand auf diesem Planeten ist hart und kompromißlos zu brechen. Ansonsten kümmern wir uns nicht viel um das, was auf diesem Planeten passiert! Uns geht es nur darum, unsere höchste Kampfkapazität so bald wie möglich wieder zu erreichen!« Sigam Agelon justierte die Kameras des Hauptholografen neu. Die vier Warrows, die gerade jetzt die » Lynthos II« verließen, kamen groß ins Bild. »Und glaubt nicht, daß ich Rücksicht nehme, wenn es darum geht, die ›Zeitlosen‹ aus dieser Galaxis zu fegen!« knirschte Sigam Agelon. »In diesem Kampf gibt es keine Gnade!« * Vor ihnen erhob sich das lange bizarre Gebilde im Wald. Es bestand aus mehreren flachen Baueinheiten, die in einem architektonisch reizvoll gestalteten Stahlnetz hingen. Die Gebäude faßten ein schmales Stück jener glänzenden Schiene ein, die den Wald teilte. Es war offensichtlich so etwas wie eine Bahnstation. Nur war ihr Sinn hier mitten im Wald völlig unklar. Rex Corda hatte nicht damit gerechnet, hier auf eine Art Bahnstation zu stoßen. Deshalb war der Überfall der Warrows auch völlig überraschend gekommen. Jetzt konnten sie die Gebäude kaum noch erkennen. Tödliche Stille lag über der Station. Die Warrows
verbargen sich irgendwo.
»Ich gehe nach vorn!« wisperte Ralf Griffith.
Corda drückte seinen Arm. Ralf erhob sich blitzschnell und übersprang den Wassergraben, der sich
ihnen in den Weg stellte. Ralf landete drüben auf dem weichen Boden.
Geduckt eilte er weiter. Er übersprang die blitzende Bahnschiene und eilte dann auf das größte der
hängenden Gebäude zu, als es in einem der Fenster aufblitzte.
Ein Blitz fuhr über die Schultern Ralf Griffiths.
Der mit Becon veränderte Terraner blieb hochaufgerichtet stehen. Seine dunkle Gestalt hob sich
scharf gegen die Gebäude ab.
Für Bruchteile von Sekunden war es still. Dann aber krachten überall die Waffen. Blaue Blitze zuckten
durch die Nacht. Sie schlugen in die Schultern und den Kopf des Terraners ein. Zuckendes, tobendes
Licht umloderte ihn. Immer wieder knallten die Elektrogeschosse gegen seinen Körper.
Unendlich langsam hob Ralf die Arme. Es schien ihn ungeheuerliche Kräfte zu kosten, diese tobenden
Energien zu überwinden.
Da sprang Tsati Mutara auf. Er hetzte an Rex Corda vorbei, bevor dieser ihn aufhalten konnte. Er
schnellte sich über den Graben. Drüben rollte er sich ab, weil er sich nicht auf den Füßen halten
konnte. Er sprang hoch und rannte dann auf Ralf Griffith zu.
Mitten im rasenden Lauf duckte er sich ab, sprang zur Seite, warf sich über die Schiene hinweg. In
dem immer wieder aufblitzenden Elektrofeuer, das Ralf überschüttete, konnte Corda die dunklen
Kapseln sehen, die an Tsati Mutara vorbeiflitzten.
Tsati Mutara erreichte Ralf Griffith.
Er stellte sich ruhig neben ihn. Und jetzt explodierten auch vor ihm die Kapseln. Die Blitze zuckten auf
ihn zu – und verschwanden plötzlich im Nichts.
Das helle Lachen Tsati Mutaras hallte durch die Nacht.
Die Elektrowerfer stellten das Feuer ein.
Ralf Griffith schaltete den elektronischen Dolmetscher ein, den er auf der Brust trug. Dieses Gerät
enthielt alle Sprachelemente, die sie von den Warrows erhalten hatten. Es waren sehr wenige. Corda
fürchtete, daß es zuwenig Elemente waren, um eine ausreichende Verständigung zu ermöglichen.
Die fremden Laute hallten durch die Nacht.
Corda wartete voller Spannung. Besorgt sah er zu den beiden Männern hinüber, die durch ihre Haltung
das gefährliche Feuer zum Erliegen gebracht hatten.
Da kam die Antwort von den Gebäuden. Sie bestand nur aus einem einzigen Laut. Die Elektronik gab
keine Übersetzung.
»Wir sind die Feinde der grünhäutigen Fremden!« sagte Ralf Griffith. Die Elektronik übersetzte den
einfachen Satz.
Ein Elektrowerfer bellte auf. Ein flammender Blitz zuckte um den Kopf Ralf Griffiths. Der Terraner
lachte.
Mit dieser Waffe war er nicht zu gefährden! Er trug eine BeconSchale unter seinem Schädel. Sie
befähigte ihn, diese Energien mühelos in sich aufzunehmen. Die Warrows kräftigten ihn nur, ohne es zu
wissen. Tsati Mutara hatte leichte Schwierigkeiten. Er mußte alle Energien, die er in sich aufnahm,
sofort wieder ableiten, wenn sie ihn nicht vernichten sollten. Solange er sie ableiten konnte, bestand
keine Gefahr.
Da rauschte es nördlich von ihnen laut auf. Die Schiene erzitterte leise und begann dann zu singen.
»Verdammt – ein Zug!« flüsterte Percip, der neben Rex Corda im Gras lag.
Da blitzte es direkt über dem Kopf von Rex Corda auf. Ein blauer Blitz fuhr knallend über die Äste
eines Baumes und ließ ihn aufflammen.
Die Männer zogen sich sofort zurück und versuchten, sich vor den Warrows zu verbergen.
Rex Corda lauschte mit allen Sinnen. Das bedeutete, daß er mehr wahrnahm als die anderen, die bei ihm
waren. Rex Corda war Empath. Er konnte die Gefühle anderer wahrnehmen – und unter günstigen
Umständen auch beeinflussen.
Corda vernahm den Haß, der in den zahlreichen Warrows schwelte. Er begegnete diesem Haß überall,
wohin er auch seine Sinne lenkte.
Die Warrows hatten sie umzingelt!
Die Schiene sang hell. Ein grelles Licht schoß durch die Bäume. Es hob Ralf Griffith und Tsati Mutara
aus der Nacht. Die beiden Terraner blieben zögernd stehen.
Die starken Elektromotoren des Zuges heulten auf, als sie die Geschwindigkeit verringerten. Der Zug
schob sich zwischen Rex Corda und die beiden Männer vor dem Gebäude.
Wieder blitzten Schüsse. Wieder flammte die Nacht unter den starken elektrischen Entladungen auf.
Zahlreiche Warrows stürzten aus dem Zug.
Corda wußte, daß es zu spät zur Flucht war.
»Ganz ruhig verhalten!« befahl er. Seine klare Stimme beherrschte die anderen. »Auf gar keinen Fall
die Waffen gebrauchen. Wir können es uns nicht leisten, daß sie auf uns schießen!«
*
Sie kamen aus dem Zentrum der Raumvakuole!
Bekoval, der Kommandant der »Walter Beckett«, zählte zwanzig pyramidenförmige Raumschiffe, die
sich dem Flaggschiff der terranischen Raumflotte näherten.
»Die ›Zeitlosen‹ kommen!« meldete die Funk und Ortungszentrale.
Bekoval, der massige Laktone, verzichtete auf einen bissigen Kommentar. Seine Finger strichen
langsam über die etwas plumpe Nase. Er überlegte fieberhaft, wie er die »Zeitlosen« von einem
Überfall auf den Planeten Warrow zurückhalten konnte.
»Hoffentlich melden sie sich wenigstens hier!« knurrte er.
»Weshalb sollten wir nicht mit Ihnen zusammenarbeiten?« fragte eine spöttische Stimme hinter ihm.
Bekoval fuhr herum.
Ein »Zeitloser« stand vor ihm, ein herablassendes Lächeln auf den Lippen. Es war jener Mann, der sich
Verlho nannte. Seine auffallend hohe Stirn war klar. Unter den farbigen Augenlidern leuchteten
willensstarke schwarze Augen.
Zwei Männer standen sich gegenüber, die zumindest eines gemeinsam hatten: Sie fühlten sich anderen
überlegen und zeigten das auch gern.
Bekoval ließ immer wieder durch Bemerkungen erkennen, daß er als Laktone den Terranern weit
überlegen war. Nur zu gern gab er seinem Spott Ausdruck.
Jetzt stand er einer Intelligenz gegenüber, die sich ihm eindeutig überlegen dünkte. Und Verlho, der »
Zeitlose«, zeigte es Bekoval durch das herablassende Lächeln.
»Wir dürfen Sigam Agelon jetzt noch nicht angreifen!« sagte Bekoval. Er sprach englisch, weil die
anderen auf der Kommandobrücke ihn dann verstanden. Er hatte den elektronischen Übersetzer auf
die Sprache der »Zeitlosen« umgeschaltet.
»Wir haben die Nachricht erhalten!« versetzte der »Zeitlose« gleichmütig.
»Also werden Sie warten!«
Der »Zeitlose« legte einen Finger an das muschelartige Gebilde seiner Ohren. So etwas wie ein
amüsiertes Lächeln glitt über sein Gesicht.
»Warum sollten wir warten?«
»Wenn Sie angreifen, wird Sigam Agelon den Planeten der Warrows sprengen!« sagte Bekoval heftig.
»Das interessiert uns nicht! Jetzt ist der Orathone geschwächt. Wir werden nicht warten, bis er sich
erholt hat!«
Bekoval preßte die Lippen zusammen.
»Wo ist Rex Corda?« fragte Verlho.
»Er ist auf dem Planeten, um den Warrows zu helfen!«
Verlho strich sich mit den Fingerspitzen über die Lippen. Seine Blicke glitten zu dem Holografen, auf
dem die pyramidenförmigen Raumschiffe der »Zeitlosen« deutlich zu erkennen waren.
»Wir – die ›Zeitlosen‹ – haben diese Raumvakuole geschaffen, dieses MiniaturUniversum am Rande
dieser Galaxis. Es ist unser Raum, es ist unsere Schöpfung. Die Vakuole gehört uns. Es ist erklärtes
Recht, daß wir die Herren sind«, versetzte der »Zeitlose« langsam. Fast schien es, als wolle er Zeit
gewinnen. »Die Warrows sind ebenso wie zahlreiche andere Völker gegen unseren Willen in diesen Raum
gekommen. Sie haben sich über alle Hindernisse, die wir ihnen in den Weg legten, hinweggesetzt. Sie
haben einen Planeten an sich gerissen, den wir, die Herren dieses Universums, für einige Zeit verlassen
hatten. Die Warrows sind Parasiten. Sie haben gegen das Recht verstoßen. Niemand wird sich darüber
erregen, wenn wir Parasiten auslöschen. Sigam Agelon mag tun mit diesem Planeten, was er will, uns
stört es nicht. Er wird uns durch nichts aufhalten!«
Bekovals Blicke glitten zu den Raumschiffen der »Zeitlosen«. Der Kurs führte klar in das Warrow
System.
»Sie dürfen das nicht tun!« rief er erregt. »Sie dürfen jetzt nicht angreifen! Sie vernichten nicht nur
die Warrows. Sie bringen auch Präsident Corda und seine Männer um! Ist das Ihr Ziel?«
Verlho, der »Zeitlose«, zögerte.
Da schaltete sich die Funkstation ein. Ein Offizier, der John Haick vertrat, meldete sich.
»Die Orathonen rufen uns!« sagte er.
Bekoval eilte zu dem Holografen. Er legte einen kleinen Kipphebel um. Schlagartig wechselte das Bild.
Sigam Agelon starrte sie aus engen Augen vom Holografen herab an. In dem brutalen Gesicht des
Orathonen zuckte kein Muskel. Mit unversöhnlichem Haß musterte er den »Zeitlosen« Verlho.
»Ich warne Sie ein letztes Mal!« sagte Sigam Agelon kalt. Die mit dem Holografen gekoppelten
Computer übersetzten seine Worte. »Sobald der Verband der Pyramidenschiffe in das Warrow
System einfliegt, wird die Hauptstadt gesprengt. Es wird einige Tausend Tote geben!«
»Das wagen Sie nicht!« entfuhr es Bekoval.
Sigam Agelon lachte sardonisch.
»Mein Feldzug gilt den ›Zeitlosen‹, Verräter«, antwortete er, auf den Übertritt des Laktonen in das
terranische Lager anspielend. »Die Warrows interessieren mich nicht. Wenn wir angegriffen werden,
dann machen wir alle Mittel mobil, um den Angriff abzuwehren. Wenn es notwendig ist, eine Stadt zu
zerstören, dann wird die Stadt zerstört – gleichgültig, wie viele Warrows darin leben!«
Sigam Agelon lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust.
Seine Blicke glitten zur Seite. Offensichtlich beobachtete er einen anderen Holografen, auf dem er
den Kurs der Pyramidenschiffe verfolgen konnte.
»Ich warte«, sagte er.
Demonstrativ schob sich seine breite grüne Hand vor. Sie legte sich auf einen Hebel.
»Kehren Sie um – oder die Hauptstadt fliegt in die Luft. Wenn das noch nicht reicht, dann wird der
ganze Planet vernichtet!«
*
John Haick stand wie gelähmt am Rand der Schneise. In seinen Helmlautsprechern konnte er das
Gespräch abhören, das Sigam Agelon mit der »Walter Beckett« führte. Die Absicht Bekovals war
deutlich. Er strahlte das Gespräch nach Warrow zurück, um Rex Corda zu informieren. Da die Sendung
synchron mit dem Gespräch des Orathonen lief, hoffte Bekoval, daß es den Orathonen nicht auffiel.
John Haick atmete schneller, als es still wurde. Seine Augen suchten den Offizier an seiner Seite.
»Haben Sie es gehört?«
Tho nickte.
»Wir müssen die Warrows informieren! Wenn der Agelon die Hauptstadt tatsächlich sprengt, dann
werden Hunderttausende sterben!« sagte John.
Wieder ertönte ein leiser Pfiff. John Haick sah auf. Leutnant Jos Mitriach schwebte dicht über der
Schiene durch die Schneise heran. Er hatte seinen Raumhelm geöffnet.
John Haick rief ihn leise. Mitriach schaltete an seinem Antigravitationsautomaten, der ihn von der
Schwerkraft unabhängig machte, und glitt heran.
John Haick wollte etwas antworten, doch jetzt begann die Schiene zu singen. Wenig später zischte ein
Elektrozug vorbei. Die Form der Schiene ließ erkennen, daß er auf Rollen lief, dennoch lief der Zug
äußerst leise.
»Ich bin der Meinung, Sir, daß die Schiene uns vor Ortung schützt! Auf jeden Fall können wir uns in
ihrer Nähe schneller vorwärtsbewegen!«
»Hinterher!« befahl John Haick.
Sie nahmen das elektronische Gerät auf, das eine Verständigung mit den Warrows ermöglichen sollte.
Eine kurze Schaltung hob die Schwerkraft für sie weitgehend auf. Sie schwebten zu der Schiene hin.
Die Luftwirbel packten sie und wirbelten sie herum, doch mit geschickter Steuerung stabilisierten sie
ihren Flug. Immer wieder sanken sie sanft zu Boden. Dann lehnten sie sich nach vorn und polten die
Antigravitationsautomaten um, so daß sie einen Abstoßeffekt erzielten. Dann glitten sie schräg in die
Höhe, um dann in weiten Kreisen allmählich wieder in die Schneise herabzusinken.
Sie konnten die matten Lichter des Zuges sehen, der in rasender Geschwindigkeit durch die Dunkelheit
fuhr.
Die elektrischen Entladungen waren seltener geworden. Zuerst hatten sie einen Lichthof ausmachen
können, der weit von ihnen entfernt in der Schneise leuchtete. Jetzt blitzte es dort nur ab und zu
einmal auf.
John Haick suchte den Himmel ständig ab. Aber er konnte keine Diskusraumer entdecken. Die
Orathonen schienen sich nicht für die Ereignisse zu interessieren. Offensichtlich bereiteten sie sich
auf den Kampf mit den »Zeitlosen« vor. Alles andere wurde unwichtig.
Das war ihre Chance!
»Tsati Mutara ist dort!« schrie Leutnant Tho scharf. »Ich kann ihn deutlich sehen!«
John Haick strengte seine Augen an. Er konnte den Mutanten noch nicht erkennen. Er richtete die
elektronische Einrichtung seiner Ohren vorsichtig aus. Die Wissenschaftler der »Walter Beckett«
hatten John Haick diese Geräte eingepflanzt, nachdem seine Trommelfelle bei einem Angriff zerstört
wurden. John Haick besaß jetzt ein weitaus leistungsfähigeres Hörsystem als je zuvor. Doch jetzt
konnte er nichts hören, denn niemand sprach. In gespenstischer Lautlosigkeit drängten sich die
Warrows in der Bahnstation um Tsati Mutara und Ralf Griffith.
Die drei Männer ließen sich lautlos absinken. Vorsichtig beobachteten sie die Ereignisse an der Station.
Leutnant Tho griff nach dem Arm John Haicks, als Rex Corda und seine Begleiter von den Warrows an
den Zug geführt wurden.
»Wir müssen eingreifen, Doktor! Wir müssen etwas tun!«
John Haick nickte entschlossen. Er stand auf, griff nach dem Gerät und wartete, bis auch Tho anfaßte.
Dann ging er ruhig auf die Station zu.
Sein Weg führte an dem haltenden Zug entlang. Leutnant Jos Mitriach folgte ihnen in einigem Abstand.
Er hielt sich seine Schulter. Sein Arm schmerzte.
Kein Schuß fiel. Kein Laut durchbrach die Stille.
Nur die Schritte der drei Männer waren hörbar.
Sie machten die Warrows aufmerksam. Plötzlich flammten helle Lampen auf. John Haick, Leutnant Tho
und Leutnant Mitriach gingen ruhig weiter.
Sie kümmerten sich nicht um die blitzenden Geräte, die die Warrows in ihren Greifklauen und
Tentakeln trugen, obwohl sie wußten, daß diese Geräte tödliche Elektrogeschosse abfeuern konnten.
John Haick ging bis dicht vor Rex Corda. Hier setzte er das Gerät ab. Er löste den Deckel des Gerätes
und begann in aller Ruhe die Verbindungen mit einer winzigen Lampe abzuleuchten.
Er hörte das Wimmern und Singen in seinem Helm, das ihm die Radiowellengespräche der Warrows
anzeigte. Er kümmerte sich nicht darum. Er reagierte auch nicht, als ein dunkler Tentakelarm sich fest
um seine Schultern legte.
Er hatte den Fehler gefunden. Vorsichtig versuchte er, die gebrochenen Verbindungen
wiederherzustellen. Die Warrows rissen ihm die Waffen aus dem Gürtel – er reagierte nicht.
»Vorsichtig, John! Treib es nicht zu weit!« sagte Rex Corda leise.
»Okay – ich beeile mich schon!« murmelte John. Er sah nur ganz kurz zu seinem Freund auf. Die klaren
ruhigen Augen Rex Cordas beruhigten ihn.
Die Nervosität, die er mühsam unterdrückt hatte, verschwand. Plötzlich bewegten sich die Finger viel
schneller und sicherer.
Ralf Griffith versuchte es noch mal mit akustischer Verständigung, doch die Warrows reagierten
nicht. Ralf sah, daß sie ihn anstarrten. Die Augen richteten sich deutlich auf ihn, aber es kam keine
Antwort.
Er schaltete das Gerät ab.
Da richtete sich John Haick auf. Das Gerät zu seinen Füßen summte leise.
Rex Corda beugte sich über den Spezialsender. Er zog ein Mikrofon vor seine Lippen.
»Verwechselt uns nicht mit den Grünhäutigen!« sagte er langsam. Er wußte, daß jetzt ein äußerst
komplizierter elektronischer Vorgang ablief. Seine Worte wurden in Radiowellen umgewandelt, die für
die Warrows verständlich waren. »Wir sind als Freunde gekommen, um euch zu helfen. Die Grünen
wollen euch vernichten. Wir wollen euch im Kampf gegen die Grünen helfen.«
Er wartete und sah sich um. In den Lautsprechern des Gerätes quietschte es. Dann kam eine
niederschmetternde Antwort.
»Wie wollt ihr uns helfen, obwohl ihr noch nicht einmal in der Lage seid, ohne Technik mit uns zu
sprechen?« tönte es aus dem Gerät.
»Wir kommen aus den Weiten des Raumes, wo wir jene Warrows trafen, die versuchten, den Weg ins
große Universum zurückzufinden!« antwortete Corda. »Sie erklärten uns, wie wir mit euch sprechen
können. Sie baten uns, euch gegen die Grünen zu helfen!«
Die Worte entsprachen nicht ganz den Tatsachen, aber Corda hatte die Warrows genau dort gepackt,
wo es notwendig war.
»Was wißt ihr von jenen, die in das Alte Universum aufgebrochen sind?« fragte einer der Warrows.
Niemand konnte feststellen, wer es war, da das Gerät die ausgesandten Radiowellen aufnahm,
umwandelte und übersetzte, ohne daß einer der Warrows einen Laut ausstieß. »Sie sind seit unendlich
langer Zeit verschollen! Niemand von ihnen lebt noch. Du lügst!«
Cordas Gesicht entspannte sich nicht, obwohl sich ihm ein Lächeln auf die Lippen drängen wollte.
»Wir haben nicht mit jenen gesprochen, die aufgebrochen sind, sondern mit ihren Nachfahren«,
erklärte er ruhig. Er wandte sich an Ralf Griffith.
»Zeig ihnen den Kristall!«
Ralf Griffith hatte den Kristall von den Warrows erhalten, die von den Orathonen gejagt wurden, als
die »Walter Beckett« auf den Trümmerplaneten, am Eingang der Raumvakuole, herabgezwungen wurde.
Die dort gestrandeten Warrows hatten Ralf Griffith den Kristall als Ausdruck ihrer Dankbarkeit
überreicht.
Jetzt holte Ralf den Kristall, der die Erinnerung der verstorbenen Warrows einer Familie enthielt, aus
seiner Tasche hervor. Er hielt den Kristall hoch. Aus einer offenen Tür des Zuges fiel Licht auf den
Kristall und ließ ihn hell erstrahlen. Die Warrows wichen zurück. Und jetzt hörte Corda das leise
Murmeln, das aus ihren Atemlöchern drang. Die Überraschung ließ die Warrows akustische Signale
ausstoßen.
»Die Warrows haben den Ausgang aus der Vakuole erreicht, doch es gelang ihnen nicht, ihn zu
durchbrechen, da die ›Zeitlosen‹ es verhinderten«, fuhr Rex Corda fort. »Wir konnten entkommen,
weil wir über eine bessere Technik verfügen als die Warrows!«
Ein dunkler Tentakelarm fuhr blitzschnell vor, packte den Kristall und riß ihn Ralf Griffith aus den
Händen. Blitzende Waffen richteten sich auf die Terraner.
»Steigt in den Zug. Sofort. Schnell!« tönte es aus dem Gerät zu ihren Füßen.
Rex Corda gab den Offizieren einen Wink. Sie nahmen das kostbare Gerät auf und trugen es voran, als
sie in den Zug stiegen.
Der Zug war nach den Bedürfnissen der Warrows eingerichtet und bot den Terranern nicht die
Andeutung einer Bequemlichkeit. Die üppigen Polster paßten sich nur den Kugelformen der Warrows an.
Die Terraner mußten stehen.
Rex Corda konnte den Ausdruck in den zahlreichen Augen, die ihn anstarrten, nicht erkennen.
Aber er empfing die Ausstrahlungen der Warrows.
Die Kugelwesen waren erfüllt von Mißtrauen und Skepsis. Es schien so, daß sie es sich einfach nicht
vorstellen konnten, daß Hilfe von diesen Zweibeinern kommen konnte. Es mochte ihnen völlig
unbegreiflich erscheinen, daß diese Wesen nur mit Hilfe komplizierter Technik zu ihnen sprechen
konnten und doch über kampfkräftigere Waffen verfügen sollten als sie.
»Wohin bringt ihr uns?« fragte Corda.
Das aufblinkende Licht des Gerätes zeigte ihm an, daß seine Worte ausgestrahlt wurden.
»Nach Zero – der Hauptstadt unseres Reiches«, antwortete irgendeiner der Warrows.
»Zu wem bringt ihr uns?« fragte Rex Corda.
Er erhielt keine Antwort. Der Zug ruckte scharf an. Die Beschleunigung riß die Terraner von den
Beinen. Während sie die Warrows sanft in die Polster drückte, schleuderte sie die Männer von der
fernen Erde wild durch den Wagen.
GaVenga prallte gegen den harten Kugelleib eines Warrows. Ein Tentakel schoß vor und wollte ihn
wegstoßen. Doch GaVenga hielt sich an den kleineren Greifwerkzeugen des Warrows fest.
»Halt mich fest, Freundchen!« grinste der Kynother furchtlos. »Ich liege nicht gern flach!«
Der Warrow stieß ihm zwei Tentakel so hart vor den Leib, daß GaVenga aufstöhnte.
Er fiel auf den Boden, überschlug sich und hielt sich dann an Rex Corda fest, dem es gelungen war,
wieder aufzustehen.
»Es gibt eben Sprachen, die du noch nicht beherrschst, Kleiner!« lächelte Corda.
Er traf den Kynother an seiner empfindlichsten Stelle. GaVengas Augen funkelten zornig.
»Ich werde diesen Zwergen schon beibringen, in welcher Sprache sie mit mir zu reden haben!« rief er
wütend. Er ballte seine kleine Faust und drohte zu den Warrows hinauf, die ihn um mehr als das
Doppelte überragten.
*
EinsMark, der patriarchalische Führer der Warrows, schreckte aus seinen Gedanken auf, als ihn der
Impuls traf. Er verließ seine Arbeitsräume sofort und eilte auf den leise surrenden Fließbändern durch
die unterirdisch angelegten Räume des Parlamentsgebäudes.
Unaufhörlich trafen die Nachrichten ein, die ZweiM’Statt, sein ehemaliger Gegner, ihm übermittelte.
EinsMark trieb sich zu größerer Eile an. Ungeduldig wartete er, bis die Lichtzellen die Tore
aufwarfen.
ZweiM’StattM’Ruf erwartete ihn bereits.
Von der Höhe des Parlaments aus konnten sie zu dem orathonischen Riesen hinübersehen, dessen
Hantelkugeln zweihundert Meter in die Höhe ragten. Zahlreiche Gleiter schossen aus den Öffnungen
der Kugeln. Sehr deutlich konnten sie die langen schlanken Geräte erkennen, die auf den Gleitern lagen.
»Weißt du, was das bedeuten soll?« fragte EinsMark.
ZweiM’Statt verneinte.
Ein Gleiter flog direkt auf das Parlament zu. Die beiden Politiker zogen sich bis an die Türen zurück.
Als sie die Lichtschranke durchstießen, öffneten die starken Elektromotoren die Türen hinter ihnen.
Doch sie traten nicht ein. Sie starrten auf den Gleiter, der unmittelbar vor dem Parlament niederging.
Langsam traten sie wieder vor. Der Gleiter war bei der kugelförmigen Bombe gelandet, die die
Orathonen direkt vor dem Regierungsgebäude abgelegt hatten. Jetzt nahmen die Roboter aus dem
Gleiter die kugelförmige Bombe wieder auf.
Dafür hoben sie den schlanken Körper, der doppelt so lang war wie sie, von dem Gleiter und legten ihn
auf den Boden. Sie zogen sich zum Gleiter zurück, ließen ihn bis in eine Höhe von fünf Metern
aufsteigen und schalteten dann an einem kleinen Kasten, der auf dem Armaturenbrett befestigt war.
Die beiden Warrows konnten alles genau beobachten.
Die Rakete richtete sich langsam auf und stellte sich auf die Enden der vier Stabilisierungsflossen. Sie
ragte jetzt knapp bis an den Gleiter heran. Die Roboter zogen sich noch weiter zurück. Und wieder
schalteten sie. Plötzlich breitete sich knisternd ein elektrisches Feld aus.
Der Gleiter mit den Robotern schwenkte herum.
EinsMark und ZweiM’Statt sahen sich den kalten Linsen der Arbeitsroboter gegenüber. Ein kleines
Gerät, das lose auf dem Armaturenbrett des Gleiters lag, sprach zu ihnen.
»Die Bomben wurden ausgewechselt. Wir warnen davor, das Zündfeld der BARSX zu berühren. Bei
einer Berührung wird die BARSX gezündet!«
Die beiden Warrows sahen sich beunruhigt an.
Sie wußten nicht, was sie von dieser Aktion der Orathonen zu halten hatten.
Da lief eine Nachricht ein. Sie kam aus einem Elektrozsug, der sich der Hauptstadt Zero in rasender
Fahrt näherte. Die Fremden, die schon das Haus von EinsMark betreten hatten, dann aber von den
Orathonen aufgegriffen wurden, kehrten zurück. Sie wollten Kontakt mit EinsMark aufnehmen!
*
Der »Zeitlose« schnippte mit den Fingern, als Sigam Agelon die Verbindung unterbrochen hatte.
»Wenn die Orathonen den Planeten zerstören, vernichten sie sich selbst!« sagte er. »Dann brauchen
wir es nicht mehr zu tun!«
Bekoval hatte das Gefühl, in eiskaltes Wasser gesprungen zu sein.
Der »Zeitlose« dachte mit jener tödlichen Kälte und Sachlichkeit, die auch bezeichnend für die
Orathonen war. War dies jene legendäre Macht, von der alle Völker in der Galaxis verehrend und nur
flüsternd sprachen? Waren dies die Hüter der Großen Gesetze, mit denen die Selbstvernichtung der
Rassen in der Galaxis und die Zerstörung des galaktischen Gleichgewichtes verhindert werden sollte?
Konnten diese Worte des »Zeitlosen« überhaupt ernst gemeint sein. Bekoval sah Verlho starr an.
Seine Augen erfaßten jede Regung in dem arroganten Gesicht des anderen. Nichts entging ihm – auch
nicht jenes grausame Leuchten in den Augen des »Zeitlosen«, das ihm verriet, wie Verlho seine Worte
gemeint hatte. Humor kannte dieser »Zeitlose« offenbar nicht.
»Warum greift ihr Sigam Agelon nicht so an, wie ihr könnt? Warum stoßt ihr nicht so bis in seine
unmittelbare Nähe vor, wie ihr in unsere Raumschiffe eindringt? Wo sind die Mittel der ›Zeitlosen‹?
Warum laßt ihr nicht jene Macht spielen, vor der die Völker der Galaxis erzittern?« fragte Bekoval. In
seiner Stimme tönte gereizte Ironie mit.
Verlho fuhr herum. Seine Blicke bohrten sich in die Augen des Laktonen, der nicht auswich.
»Es wäre sinnlos!« behauptete der »Zeitlose«. »Sigam Agelon selbst ist mit keiner unserer bisherigen
Waffen zu schlagen. Wir können auch nicht so in seinem Schiff arbeiten, wie wir es möchten.
Er hat einen Kämpfer bei sich, der unsere Energieschirme durchstoßen kann. Nein – wir werden mit
geballter Macht angreifen!«
»Dann warten Sie, bis wir Rex Corda verständigt haben!« rief Bekoval. Er wollte bemerken, daß Verlho
den Terraner Tsati Mutara gemeint hatte, als er von dem Kämpfer sprach. Bekoval verzichtete darauf,
um das Wichtigste sagen zu können. »Ich kann nicht zulassen, daß Sie Rex Corda töten, jenen Mann,
dem Sie es überhaupt verdanken, daß Ihr Reich noch nicht in Schutt und Asche versunken ist!«
»Sie übertreiben!« antwortete der »Zeitlose« spöttisch.
»Sigam Agelon hätte Ihre Flotte längst zerschlagen, wenn die ›Walter Beckett‹ nicht eingegriffen
hätte!« empörte sich Bekoval.
Verlho senkte den Blick. Er sah für einen Augenblick auf seine Füße. Bekoval beobachtete den
Holografen, auf dem er die Flotte der »Zeitlosen« verfolgen konnte. Die Raumschiffe näherten sich
dem System mit unerhörter Geschwindigkeit.
Das ZeroGespinst war jetzt soweit zusammengebrochen, daß die Orathonen nahezu alle Vorgänge im
Raum verfolgen konnten. Auch die »Walter Beckett« konnte klar erfaßt werden!
»Sie fordern unsere Dankbarkeit heraus?« forschte der »Zeitlose«.
Bekoval lachte zornig und ein wenig resignierend auf.
»Mit Dankbarkeit rechnet niemand bei uns«, sagte er dann ruhiger. »Aber wer sagt Ihnen, daß der
Orathone Sigam Agelon nicht abermals einen Trick bereit hat? Wer sagt Ihnen denn, daß dieses Spiel
des Agelon nicht eine Falle ist? Woher wollen Sie wissen, daß Sie über die Orathonen siegen, wenn Sie
jetzt keine Rücksicht auf Corda und auf die Warrows nehmen?«
Der »Zeitlose« nickte nachdenklich. Bekoval warf einen nervösen Blick auf die Flotte der »Zeitlosen«.
Es ging um Minuten. Jeden Augenblick konnte Sigam Agelon den Befehl geben, der den Tod für einige
Tausend Warrows – und für Rex Corda bedeutete!
»Ich kann nicht allein entscheiden«, versetzte Verlho. »Ich komme wieder!«
Gleichzeitig begannen seine Umrisse unklar zu werden. Bekovals Hand stieß vor. Der Laktone wollte den
»Zeitlosen« halten, doch seine Hand stieß ins Leere.
Der »Zeitlose« war verschwunden!
*
Die Männer der Erde hatten keine Blicke mehr für die Warrows oder die phantastisch erbauten
Häuser. Sie starrten nur beklommen auf den Hantelraumer, der sich donnernd über der Stadt erhob.
Obwohl noch zahlreiche Schutzplatten an der Außenhaut der »Lynthos II« fehlten, startete das
Raumschiff! Ihm folgten ganze Schwärme von Gleitern und Diskusraumern, die in ihrem Traktorfeld
zahlreiches Material mitschleppten!
Wenn sich die Orathonen von der Hauptstadt zurückzogen, dann konnte das nur bedeuten, daß sie
gefährdet war!
Rex Corda fühlte sich von einem harten Tentakel herumgerissen. Er wäre fast gestürzt. Mit einem
energischen Hieb auf den Tentakel befreite er sich. Der Koloß zog sich schnaufend von ihm zurück.
Cordas Blicke wanderten empor zu jenem großen Gebäude, das auf dem höchsten Punkt der Stadt in
einem blitzenden Metallgerüst hing. Das Gebäude war nicht weit von ihnen entfernt.
Wieder fuhren die Elektrokarren der Warrows surrend voraus. Die Terraner mußten folgen.
Plötzlich schalteten sich die Lautsprecher in Cordas Helm knackend ein. Eine rauhe Stimme meldete
sich.
»An alle Warrows!« bellte Bekoval in englischer Sprache. »Achtung – Warrow! Hier spricht der
Kommandant des terranischen Flaggschiffes ›Walter Beckett‹. Es besteht die dringende Gefahr, daß
die Invasoren die Hauptstadt des Planeten zerstören werden. Wir empfehlen Ihnen, die Stadt sofort
zu räumen!«
»Verdammt, Bekoval, das war durchsichtig!« knurrte Percip. »Deutlicher hätte er den Orathonen kaum
sagen können, daß wir Agenten auf diesem Planeten eingesetzt haben!«
Corda winkte ab.
»Er hat keine andere Möglichkeit gehabt. Schnell jetzt!« sagte er.
Sie hatten das Parlamentsgebäude erreicht. Zwei Warrows kamen ihnen langsam entgegen.
»Das ist doch der Bursche, in dessen Haus wir waren!« rief John Haick. »Er hat genau die Beulen, die
ich…«
»Still jetzt!« unterbrach Corda.
Die Offiziere setzten den Radiowellenumwandler neben Corda ab und schalteten ihn eilig ein. Rex
Corda verlor keine Zeit.
»Soeben erhielten wir die Nachricht, daß die Invasoren diese Stadt zerstören wollen«, sagte er. »Sie
müssen sie sofort räumen!«
EinsMark fuhr erschrocken zurück. Unwillkürlich zeigten einige seiner Tentakel auf jene Baumgruppe,
hinter der die BARSX stand. Ralf Griffith, der etwas abseits stand, entdeckte die Bombe.
»Sir – da steht die Bombe!« rief er.
Er eilte auf die Bäume zu. Einige Warrows rissen ihre Elektrowerfer hoch und feuerten auf ihn. Auf
seinem Rücken knatterten die elektrischen Entladungen als Blitzbündel. Doch Ralf Griffith blieb erst
stehen, als Rex Corda ihn dazu aufforderte.
»Das ist die Bombe, mit der sie uns alle vernichten wollen!« sagte er zu dem Warrow.
»Was sollen wir tun?« fragte EinsMark, der in der Erregung alle Konventionen vergaß und akustische
Signale ausstieß.
»Die Stadt räumen!« empfahl Corda.
Da legte EinsMark einen Tentakel sanft an die Schulter des Terraners und drehte ihn herum, so daß
sein Blick auf die Stadt fiel. Corda hielt den Atem an. Zero, die Hauptstadt des Planeten, reichte bis
an den Horizont. Obwohl es in der Stadt auffallend viele Grünanlagen gab, die viel Platz beanspruchten,
mußte es Hunderttausende geben, die die Stadt bevölkerten.
»Wir können nicht mehr fort. Es ist zu spät!« antwortete EinsMark jetzt.
»Dann müssen wir die Bombe entschärfen!«
»Das ist unmöglich!« stieß EinsMark aus. Ein zweiter Warrow, der einen wesentlich jüngeren Eindruck
machte, trat heran. Der Patriarch duldete ihn an seiner Seite.
Mit hastigen Worten erklärte der zweite Warrow, auch auf Radiosignale verzichtend, wie die
Orathonen die Bombe gesichert hatten.
Corda ging zu der Baumgruppe hinüber, ohne daß ihn jemand behinderte. Zwischen den Bäumen blieb er
stehen. Er sah zu der Bombe hinauf. Sie schien in einen rötlichen Schleier gehüllt, der die Luft
flimmern ließ.
»Wenn es nicht anders geht, zerbreche ich sie einfach«, knirschte Ralf Griffith.
»Das ist unmöglich!« sagte Corda. »Sobald Sie den Energieschirm berühren, explodiert die Rakete.«
»Wie sollen wir sie dann entschärfen?« fragte Ralf unruhig. »Das ist ein neuer Typ. Wir kennen den
Zünder nicht. Wir benötigen Zeit, ihn kennenzulernen!«
»Zeit haben wir überhaupt nicht«, sagte Corda.
*
Bekoval lehnte sich schnaufend zurück, als er die Warnung durchgegeben hatte. Im gleichen
Augenblick klickten die Füße des »Zeitlosen« Verlho hinter ihm auf den Boden.
Bekoval drehte sich demonstrativ langsam um.
Er wollte den »Zeitlosen« unsicher machen.
Verlho war nicht allein. An seiner Seite war eine zweite Gestalt. Die Züge dieses »Zeitlosen« waren
weicher. Die Figur wirkte irgendwie weiblicher, wenn auch nicht anziehend. Bekoval war überzeugt
davon, daß der zweite »Zeitlose« eine Frau, war, obwohl die Unterschiede nur gering waren.
Verlho sah auf den Holografen.
»Wir werden warten. Wir müssen wissen, ob Sigam Agelon seine Drohung wahr macht!« sagte Verlho.
Bekoval zuckte zusammen.
»Sie dürfen nicht warten!« rief er heftig. »Rex Corda ist auf Warrow! Ich halte es für sehr
wahrscheinlich, daß er jetzt in der Hauptstadt des Planeten ist. Wenn Sie abwarten, was Sigam Agelon
tut, dann wird er Rex Corda töten!«
Das offenbar weibliche Wesen an der Seite Verlhos lächelte.
»Deine Freunde denken so unklar, wie ich vermutet habe«, versetzte es mit spöttischem Unterton. »
Sie wissen nicht einmal, wo sich ihr Oberbefehlshaber befindet. Sie wissen nicht einmal, ob der Agelon
wirklich die Druckmittel hat, die er angeblich einsetzt. Und doch wollen sie seinen Erpressungen
nachgeben!«
»Schaffen Sie mir dieses närrische Weib aus den Augen!« donnerte Bekoval. »Hier geht es um einiges
mehr als um ein läppisches Spiel!«
Verlho trat erbleichend einen Schritt zurück.
Die Frau an seiner Seite tat, als ob sie Bekovals Worte nicht gehört hätte.
»Sie wissen nicht, was Sie reden!« sagte Verlho.
Bekoval trat auf ihn zu. Seine Hände griffen nach den Schultern des »Zeitlosen«, doch sie erreichten
sie nicht. Die Hände glitten dicht vor dem Körper Verlhos von einem unsichtbaren Kraftfeld ab. Sie
flogen zur Seite. Bekoval konnte den »Zeitlosen« nicht berühren.
Der Laktone beherrschte sich meisterhaft. Er zeigte nicht, wie überrascht er war.
»Wenn Rex Corda nicht lebend auf die ›Walter Beckett‹ zurückkehrt, dann werde ich tatenlos
zusehen, wie die Orathonen die Macht der ›Zeitlosen‹ zerschlagen«, sagte Bekoval beherrscht.
»Wir benötigen Ihre Hilfe nicht!« fuhr die Frau auf, die Bekoval plötzlich doch ansah.
Bekoval antwortete nicht. Er lächelte nur herablassend, fast mitleidig. Auf seinen festen Lippen lag
der ganze Zorn eines Mannes, dem die Genugtuung widerfährt, die Phalanx der Arroganz durchbrochen
zu haben.
Die beiden »Zeitlosen« verschwanden innerhalb einer Sekunde. Plötzlich war die Stelle, auf der sie
noch eben gestanden hatten, leer.
*
»Tsati!« peitschte die Stimme Cordas.
Der Neger kam mit gelassenen Schritten zu Rex Corda.
»Eine Aufgabe für mich, Sir?«
»Wir müssen die Bombe entschärfen«, erklärte Corda. »Und offensichtlich haben wir keine Zeit mehr!
«
Er zeigte auf die Küste. Überall, wohin Tsati Mutara sah, starteten orathonische Diskusraumer und
Gleiter. Die »Lynthos II« war kaum noch zu erkennen. Sie landete in den Bergen, die den Horizont
begrenzten.
Tsati Mutara nickte.
Er streckte die Hände vor, dem flimmernden Schirm entgegen. Er tat einen Schritt nach vorn.
EinsMark stieß einen heiseren Schrei aus.
Blitzschnell schoß einer seiner Tentakel vor und packte Mutara. Doch Corda stellte sich zwischen die
beiden. Er fühlte die Panik, die in EinsMark aufzusteigen drohte.
»Ohne ihn schaffen wir es nicht!« erklärte er.
Gleichzeitig konzentrierte er sich scharf auf den Warrow. Er versuchte, die heraufkommende Panik
unter seine empathische Kontrolle zu bringen.
Der Tentakel erschlaffte und zog sich zurück.
Tsati Mutara senkte den Kopf. Dichter Schweiß lief ihm über die Stirn.
Plötzlich knisterten kleine blaue Flammen auf seinen Schultern und auf seinen Händen, die er vor den
Kopf hielt. Mutara schien sie nicht zu bemerken. Er trat noch einen Schritt näher an die Rakete heran
und jetzt verschwanden die Flammen wieder. Mutaras Schultern sanken herab.
Er hantierte an seinem Antigravitationsautomaten, den er noch immer um die Hüften trug. Langsam
stieg er auf. Seine linke Hand glitt über das Metall der BARSX nach oben.
Die Warrows traten näher heran. Plötzlich standen die Terraner inmitten einer größeren Menge von
Warrows, die von allen Seiten herandrängten und das Geschehen mit atemloser Spannung verfolgten.
GaVenga stand neben Rex Corda, der wie ein Fels vor den anderen Terranern stand und eine
beherrschende Ruhe ausstrahlte. Der kleine Kynother summte eine leise Melodie vor sich hin.
Tsati Mutara hatte die Spitze der Rakete erreicht. Seine geschickten Hände glitten über das Metall.
Er schien sich mit der Waffe genau auszukennen. Das war nicht unbedingt überraschend, da er jetzt
seit Monaten schon bei den Orathonen gewesen war, wo er sich genügend informieren konnte. Jetzt
zeigte sich, daß Tsati Mutara die Zeit genutzt hatte. Er wußte, wie die komplizierten magnetischen
Verschlüsse des Zünders zu öffnen waren.
Plötzlich knackten die Helmlautsprecher wieder.
Rex Corda hörte die Stimme Bekovals. Sie war heiser und hoffnungslos.
»Die Lage hat sich verschlechtert«, gab der Laktone durch, ohne diesmal eine Nachricht an die
Warrows vorzutäuschen. »Die ›Zeitlosen‹ gehen nicht auf die Bedingungen der Orathonen ein. Es muß
damit gerechnet werden, daß Sigam Agelon seine Drohung wahr macht!«
Bekoval schaltete ab.
Corda fühlte, wie die Augen der anderen, die die Nachricht auch gehört hatten, sich auf ihn richteten.
Doch Rex Corda sah nur zu Tsati Mutara hinauf.
Mutara arbeitete in fieberhafter Eile. Rex Corda sah, wie er geschickt Einzelteile aus dem Zünder
entfernte.
*
Sigam Agelon hatte seit Wochen nicht mehr geschlafen! Er trug eine kleine Schale unter seiner
Schädeldecke, die aus einem dem Becon sehr nahe verwandtem Material bestand. Seine Kräfte waren
unerschöpflich. Das Becon entgiftete seinen Körper ständig.
Sigam Agelon kannte keinen Schlaf mehr. Seine Kräfte versiegten nie. Er war der einzige, der fast
ständig in der Kommandozentrale des Flaggschiffes war.
Er war auch der erste, der bemerkte, daß die Raumschiffe der »Zeitlosen« die Bahn des äußersten
Planeten überflogen hatten. Sie kamen jetzt ebenfalls so nahe heran wie die »Walter Beckett«.
Sigam Agelon gab Alarm an seine ganze Flotte.
Überall auf dem Planeten schreckten die Orathonen hoch. Auf allen Raumschiffen heulten die Sirenen.
Sigam Agelon schaltete die Holografen ein, die ihn mit der gesamten Flotte verbanden. Auf allen
Hantelraumern, auf allen Diskusraumern, sogar auf allen Gleitern, war die Stimme Sigam Agelons zu
hören.
»Die ›Zeitlosen‹ greifen an«, sagte der Orathone. »Sie haben sich bisher durch meine Drohung nicht
beeinflussen lassen. Die Regierungshauptstadt dieses Planeten wird zerstört. Dann stellen wir uns zum
Kampf. Wir müssen die Flotte der ›Zeitlosen‹ zerschlagen. Wir können es! Wenn wir diese Schlacht
gewinnen, dann sind wir die Herren der Galaxis! Jeder, der an dieser Schlacht teilnimmt, wird nach
unserer Rückkehr in die Galaxis zu den bedeutendsten Männern des orathonischen Reiches gehören!
Wir sind die neuen Herren!«
Sigam Agelon änderte den Tonfall.
»Ich erwarte die Bestätigung der Kampfbereitschaft«, setzte er seiner Rede kühl hinzu.
Er wußte genau, wie er die Orathonen an seiner Seite packen mußte. Er wußte, daß sie seine Worte
genau verfolgt hatten. Er wußte auch, daß sie seinen Fähigkeiten ab und zu mißtrauten. Es gab noch
immer Skeptiker, die bezweifelten, daß er diesen Kampf gegen die »Zeitlosen« gewinnen konnte. Doch
die in kaltem Tone hinzugefügte Forderung hämmerte jedem ein, daß Sigam Agelon noch immer ein
klarer, kühler Mann war, der genau wußte, was er tat.
Er lehnte sich zurück und wartete. Innerhalb weniger Sekunden liefen die Meldungen der
Kommandanten ein. Die Lichter des Computers leuchteten auf.
Die Flotte der Orathonen war kampfbereit!
Sigam Agelon beugte sich vor und ließ seine Hand auf den Hebel herabfallen, der vor ihm auf dem
Instrumentenpult leuchtete.
Mit diesem Handgriff jagte der Orathone den zündenden Impuls hinaus.
Zero, die Hauptstadt, sollte untergehen!
*
Tsati Mutara schrie laut auf.
Sie alle hörten es – weil der Energieschirm zusammengebrochen war. Und sie alle sahen, wie die blauen
Flammen um seine Fingerspitzen zuckten.
Mutara riß ein faustgroßes Metallstück aus dem Zünder heraus und warf es zu Boden. Dann ließ er sich
selbst herabsinken. Er schüttelte seine Hand, weil er offensichtlich seine Finger verbrannt hatte.
»Ich habe einen Moment nicht aufgepaßt«, sagte er wie zur Entschuldigung zu Rex Corda. »Und schon
habe ich mir die Finger verbrannt!«
Corda atmete unmerklich schneller.
»Gehörte die Entladung zum normalen Programm, oder hat Sigam Agelon…«
Mutara wurde ernst. Seine Augen richteten sich auf Corda.
»Sigam Agelon hat den Zündimpuls gegeben«, erklärte er. »Wenn der Impuls auch nur eine
Zehntelsekunde früher gekommen wäre, dann lebten wir alle nicht mehr! Es war gut, daß Sie mich
vorher zur Eile angetrieben haben!«
»Sir – sehen Sie!« schrie GaVenga.
Ein Schwarm von mindestens dreißig Diskusraumern jagte aus Südwesten herbei.
»Flieht!« rief Rex Corda. »Schnell – flieht in den Bahnhof!«
Ein Tentakel schlang sich um den Körper Cordas. Der Patriarch von Warrow zerrte ihn mit sich.
Corda folgte ihm.
Kaum eine Sekunde später erhob sich ein Glutball von ungeheuerer Helligkeit über dem Meer. Für einen
Augenblick verblaßte das Sonnenlicht, bis der Glutberg sich nach oben hin verjüngte und als
brodelnder Pilz in den Himmel hinaufwuchs.
»Das müßte bei der Residenz dieses Alten gewesen sein!« vermutete John Haick. Er zeigte auf den
Patriarchen, der Rex Corda mit sich zog. Jetzt blieb der Warrow stehen. Er sah auf das Meer hinaus,
ungeachtet der blendenden Helligkeit.
Ralf Griffith stürzte sich auf Rex Corda und riß ihn aus den Fängen des Patriarchen, um mit ihm
zusammen den anderen zu folgen. Jetzt erwachte auch EinsMark wie aus einem Traum.
Er sah sich um, bemerkte die heranrasenden Diskusraumer wieder und gehorchte jetzt endlich den
Radiowellen von ZweiM’Statt, der ihn zum Bahnhof dirigierte.
Als sie in dem schräg nach unten führenden Schacht verschwanden, schossen zwei der Diskusraumer
auf das Parlamentsgebäude. Sie verwendeten die energiereichen Strahlkanonen. Mit drei Schüssen
zerstörten sie das Regierungsgebäude völlig. Sie fegten es förmlich von der Höhe herunter.
Die lange Bahnhofshalle dröhnte wie eine schwingende Glocke. Der Bahnsteig schwankte unter den
Füßen der Flüchtenden.
Rex Corda arbeitete sich bis zu EinsMark vor.
*
Bekovals Atem stockte, als er die Explosionen auf dem Planeten entdeckte. Zuerst glühte nur eine
kleines, aber sehr helles Licht in der Atmosphäre Warrows, dann aber schwoll das Licht sehr schnell
an. Ein rötlicher Blitz jagte um den halben Planeten, und ein häßlicher Atompilz kroch in die obersten
Luftschichten hinauf.
Ein einzelnes pyramidenförmiges Schiff jagte plötzlich durch die obersten Ausläufer er
Explosionswolke. Der Laktone hatte den Einflug dieses Raumschiffes nicht beobachtet. Wie aus dem
Nichts war es aufgetaucht.
Die anderen Männer auf der Kommandobrücke der »Walter Beckett« schwiegen. Alle starrten auf den
Kommandanten. Niemand wußte in diesem Augenblick, ob Rex Corda noch lebte.
Plötzlich erschien Verlho wieder auf der Kommandobrücke. Er war allein.
Bekoval drehte sich langsam um, als der »Zeitlose« seinen Namen rief. Kein Muskel zuckte in dem
massigen Gesicht des untersetzten Laktonen.
Der »Zeitlose« wirkte noch blasser als sonst. Die Metallspange, die sonst sein weißes Haar im Nacken
zusammenhielt, war ihm entfallen. Locker fiel das Haar bis auf die Schultern herab. Es verdeckte die
muschelartigen Ohren.
»Wir haben nicht damit gerechnet, daß Sigam Agelon seine Drohung wahr machen würde!« sagte
Verlho.
Bekoval antwortete nicht.
»Was führt Sie zu uns?« fragte einer der anwesenden Offiziere mit beispielloser Kälte.
»Wir werden jetzt noch nicht angreifen!« sagte Verlho zögernd.
Bekoval lachte zornig.
»Das interessiert uns jetzt nicht mehr! Wir werden versuchen, überlebende Terraner von Warrow zu
bergen. Dann werden wir diesen Bereich verlassen und nach Terra zurückkehren. Es ist uns
gleichgültig, ob Sigam Agelon siegt oder nicht!«
Verlho biß sich heftig auf die Lippen. Er trat auf Bekoval zu und legte ihm die Hand auf den Arm.
»Das dürfen Sie nicht tun!« sagte er unsicher.
Bekoval schüttelte die Hand ab.
»Sie hätten früher zu der Erkenntnis kommen sollen! Jetzt ist es zu spät!«
Ein starker Summton machte Bekoval aufmerksam. Er sah zu den Holografen hinüber, die auf die
Raumflotte der Orathonen justiert war.
Die Orathonen starteten.
Neun Hantelraumer der WonnKlasse hoben sich aus der blauen Atmosphäre des WarrowPlaneten. Im
Verband der startenden Raumschiffriesen flogen zahlreiche Diskusraumer.
»Der Angriff kommt zu früh!« stieß Verlho heftig aus.
Bekoval schüttelte resignierend den Kopf. Jetzt verstand er die »Zeitlosen« überhaupt nicht mehr.
»Der Angriff der Orathonen ist nur eine Antwort.
Wie kann er unter diesen Umständen zu früh kommen?« fragte er.
Der »Zeitlose« antwortete nicht. Er starrte auf den Holografen und beobachtete, wie die Raumschiffe
der »Zeitlosen«, die bereits abgeschwenkt hatten, sich erneut auf den Planeten Warrow ausrichteten.
Plötzlich knackte es in dem Holografen. Die Funk und Ortungsstation meldete sich mit nüchterner,
unbeteiligter Stimme: »Präsident Corda meldet sich!«
Bekoval fuhr wie vom Blitz getroffen herum. Er schaltete den Holografen ein. Ein scharfes Rauschen
übertönte zunächst alle Laute.
»Hier spricht Corda! Hier spricht Corda! Bekoval – greifen Sie in den Kampf ein! Helfen Sie den ›
Zeitlosen‹, die Macht der Orathonen zu zerschlagen! Schicken Sie mir einen Diskus, der mich ‘rausholt,
sobald die Lage es zuläßt!«
Corda schaltete ab.
Bekoval fuhr herum. Seine flache Hand klatschte auf die Schulter des »Zeitlosen« Verlho herunter.
»Gratulieren Sie sich, Verlho! Sie sind noch einmal davongekommen!« grinste der Laktone.
Seine Faust fiel auf einen roten Hebel herab. Die Alarmsirenen heulten durch das Schiff, das wenige
Sekunden später schon volle Kampfbereitschaft erreichte.
Die »Walter Beckett« beschleunigte. Sie fiel in das WarrowSystem ein.
*
»Überall auf diesem Planeten stehen diese Bomben«, sagte Corda drängend zu EinsMark. Wieder half
ihm die Elektronik, sich verständlich zu machen. »Wir müssen wissen, wo die Bomben stehen, damit wir
wenigstens einige von ihnen entschärfen können.«
ZweiM’Statt drängte sich nach vorn bis nahe an den Zug heran, an dem Rex Corda stand.
ZweiM’Statt sprach laut, um sich besser verständlich machen zu können. Die Warrows hatten ihre
hochmütige Zurückhaltung völlig aufgegeben. Sie anerkannten die Leistung der Terraner voll.
»Wir stehen mit allen Warrows auf diesem Planeten in Verbindung«, sagte ZweiM’Statt. »Es gibt nur
noch drei solcher Bomben wie beim Parlament. Die anderen sehen aus wie große Kugeln!«
»Wo ist die nächste dieser Bomben?«
»Der Zug bringt uns hin.«
Corda überlegte kurz, dann gab er seine Zustimmung. Er befahl seine Begleiter in den Zug und ließ nur
EinsMark und ZweiM’Statt mit ihren Beratern als Mitfahrer zu. Er wollte sich so wenig wie möglich
belasten.
Sie stiegen in den Triebwagen und verzichteten auf die anderen Waggons, weil sich so eine höhere
Geschwindigkeit erzielen ließ.
Diesmal brauchten die Terraner nicht zu fürchten, daß sie in dem Wagen herumgeschleudert wurden.
Die Warrows verzichteten auf ihre gepolsterten Buchten und überließen sie den Terranern. Sie selbst
hielten sich mit ihren Tentakeln fest, und sie fanden genügend Halt.
Als der Zug anfuhr, setzte Corda sich mit der »Walter Beckett« in Verbindung. Er wußte, daß die
Orathonen ihn sofort anpeilen würden. Doch in wenigen Augenblicken würde er schon weit von hier
entfernt sein. Die Featherheads konnten ihn nicht aufspüren.
Die laufende Elektronik des Umwandlungsgerätes zeigte an, daß die Warrows ständig mit den
Schaltstellen in Verbindung standen, die den Zug auf die richtige Schiene lenkten.
Nach einer halben Stunde Fahrt bremste der Zug und hielt endlich an. EinsMark führte Rex Corda
nach draußen.
»Wir müssen den Zug hier verlassen«, sagte er. Er wählte wieder die akustische Verständigung.
Der Warrow stieß eine Tür auf und ließ Corda hinaussehen.
Der Zug stand am Rande eines weiten und qualmenden Erdbebengebietes. Überall entdeckte Corda
Geiser, die ihre heißen Fontänen in die Luft schleuderten.
»Es hat viele Katastrophen in der letzten Zeit gegeben«, erklärte EinsMark. »Der Frieden auf dieser
Welt ist gestört. Kurz bevor die Grünhäutigen hier erschienen, drohte das Sonnensystem zu
zerbrechen. Vulkane brachen auf. Im Süden gab es schwere Verwüstungen durch Überschwemmungen.
Eine ganze Stadt versank im Meer.«
Corda rief seine Begleiter zu sich. Die Warrows führten sie am Rande des Lavafeldes entlang durch
einen kleinen Wald zu einer weißen Stadt, die sich kilometerweit an der Küste des Meeres entlangzog.
Den Ozean sahen die Terraner erst, als sie den Wald durchquert hatten.
Mitten in der Stadt erhob sich eine BARSXRakete. Die Bombe stand auf einem weiten Platz, auf dem
alle Verkehrsadern der Stadt zusammenliefen. Jetzt war keines der farbigen Elektrofahrzeuge zu
sehen, die sonst die Straßen bevölkerten. Nur am Rande der Stadt warteten einige Fahrzeuge, die die
Terraner und EinsMark mit seiner Begleitung aufnahmen, um sie zum Platz zu fahren.
Zu ihrer Rechten schimmerte das blaue Meer im Glanz der weißen Sonne. Schwärme fremdartiger
Vögel zogen nach Süden.
Plötzlich zuckten helle Blitze über den Himmel.
Die Terraner sahen unruhig nach oben. Immer wieder blitzte es auf. Sie wußten, was das zu bedeuten
hatte. Der Kampf zwischen den Orathonen und den »Zeitlosen« hatte begonnen.
GaVenga sprang auf, als plötzlich ein Hantelraumer zerbrechend aus dem Blau des Himmels
herabdonnerte. Riesige Flammenkaskaden schossen aus den Hantelkugeln, und unendlich langsam brach
das Raumschiff in zwei Teile auseinander. Zahlreiche Diskusraumer begleiteten das Raumschiff in
seinem Todesflug. Corda konnte Orathonen erkennen, die sich als winzige Punkte zwischen dem brennenden Wrack und den Diskusraumern bewegten. Die Diskusraumer nahmen die Schiffbrüchigen mit Traktorstrahl auf. Der Himmel bedeckte sich in Minutenschnelle mit dunklen Wolken, während der Hantelraumer donnernd ins Meer stürzte. Corda schrie seinen Männern Befehle zu. Blitzschnell beschleunigte der Elektrokarren, um dann im Schutz eines natürlichen Bodenwalles zu stoppen. Die Insassen sprangen heraus und preßten sich an den Boden, während über dem Meer eine künstliche Sonne aufging. Sekunden vergingen. Dann kam die mörderische Druckwelle. Der heiße Sturm riß die kunstvoll gestalteten Häuser der Warrows aus den tragenden Netzen und zerschmetterte sie auf dem Boden. Trümmerstücke und Steine heulten über die Männer hinter dem Schutzwall hinweg. Corda wartete die erste Druckwelle ab. Dann riß er Tsati Mutara hoch und sprang mit ihm zusammen in einen Elektrokarren. EinsMark erschien wie selbstverständlich neben ihnen. Der Wagen ruckte an und jagte in selbstmörderischem Tempo durch die leeren Straßen. Minuten später hielten sie dicht neben der BARSXRakete, die auf dem Platz stand. Wenn sie fiel, mußte sie zünden! Zum Glück hatte die Druckwelle diesen Teil der Stadt nicht mehr erfaßt! Tsati Mutara arbeitete sich wie ein Besessener an die Rakete heran. Er taumelte schweißgebadet durch das flimmernde Energiefeld hindurch, das vor ihm zurückwich. Blitzschnell stieg er auf und begann an dem Zünder zu arbeiten. Rex Corda rannte über den Platz auf das Meer zu. Er erreichte eine Straßenecke, von der aus er einen Blick hinauswerfen konnte. Der Atem stockte ihm. Mehrere Kilometer vor der Küste rollte eine unvorstellbar hohe Flutwelle heran. Corda schätzte sie auf fast hundert Meter Höhe. Er hetzte zu EinsMark zurück und schrie die Nachricht hinaus. Der Warrow schien zu taumeln. Die Augen schlossen sich. Die Tentakel wirbelten hilflos durch die Luft. Corda packte einen Greifarm und hielt den Patriarchen fest. Da jagten die anderen Elektrokarren heran. Corda hörte den elektronischen Dolmetscher, der die Radiowellenimpulse der Warrows umformte und verständlich machte, aufheulen! Jetzt erfaßte er, was wirklich geschah! EinsMark benachrichtigte alle Warrows von der nahenden Katastrophe! Plötzlich ergoß sich eine Welle von Warrows auf die Straßen. Überall schossen Elektrokarren aus den Häusern. Innerhalb weniger Minuten füllten sich die Straßen bis zum Bersten mit hastenden, flüchtenden Warrows. Ein Verkehrschaos ohnegleichen entstand. Und mitten auf dem Platz stand die mörderische Bombe, an deren Spitze Tsati Mutara fieberhaft arbeitete. Ein gewaltiges Donnern ließ Rex Corda aufblicken! Unwillkürlich stieß er einen Schrei aus. Ein graues Raumschiff stürzte auf flammenden Abstrahldüsen in die Tiefe. Flammend rot leuchtete der Schriftzug »Walter Beckett« auf dem Verbindungsarm zwischen den beiden Kugeln der Hantel! Neben dem Raumschiff flogen mehrere Diskusraumer, die an der roten Kennzeichnung sofort als terranische Waffensysteme zu erkennen waren. Corda schaltete sein Helmsprechfunkgerät ein. »Corda an ›Walter Beckett‹! Corda an ›Walter Beckett‹!« schrie er. »Die ›Walter Beckett‹ befindet sich genau auf dem Anflug zur Stadt, in der wir uns befinden! Kurs beibehalten! Wir befinden uns genau im Zentrum der Küstenstadt!« Bekoval meldete sich fast augenblicklich. »Hier ›Walter Beckett‹!« schrie er. »›Walter Beckett‹ an Corda! Eine riesige Flutwelle rast auf die Stadt zu. Wir geben Ihnen noch höchstens vier Minuten, dann hat die Flutwelle die Stadt erreicht!« »Holen Sie uns ‘raus! Wir versuchen, uns mit Antigravitationsautomaten zu retten!« antwortete Corda, jetzt schon wesentlich ruhiger. Er drehte sich um, als ein Tentakel seine Schulter berührte. Tsati Mutara hatte es geschafft! Die BARSX war entschärft! »Mutara – bergen Sie den Zünder!« befahl Corda, der jetzt keine Rücksicht mehr darauf nahm, ob die Orathonen die Gespräche abhören konnten oder nicht. »Bergen Sie den Zünder und bringen Sie ihn auf
die ›Walter Beckett‹!« Er gab den Befehl an die Terraner, sich mit Hilfe der
Antigravitationsneutralisatoren ihrer Raumanzüge zu retten.
Die »Walter Beckett« war bereits riesenhaft angewachsen. Die ersten Diskusraumer erreichten die
Stadt. Der Platz war jetzt völlig leer.
Er packte EinsMark und preßte sich fest an ihn. Dann schaltete er den Antigravitationsautomaten
hoch. Augenblicklich stieg er auf.
Die ersten Wassermassen schossen über den Platz. Auch die anderen Terraner stiegen jetzt auf.
Percip und Tsati Mutara packten ZweiM’Statt und hoben ihn mit hoch. Da raste die Flutwelle heran.
Die Terraner wirbelten hoch. Der Sturm packte sie und schleuderte sie zu den Bergen hinauf.
Die »Walter Beckett« war heran. Die Traktorstrahlen der Diskusraumer packten die Männer und
brachten sie in Sicherheit.
Rex Corda glitt in die Schleuse eines Diskusraumers vom AVautTTyp. Er gab EinsMark frei. Der
Warrow richtete sich hoch auf. »Alles war falsch, was wir gemacht haben«, sagte er. »Wir allein wären
ohne eure Hilfe verloren gewesen!«
»Fliegen Sie die Berge an! Wir müssen die Warrows dort absetzen!« befahl Corda.
Der Diskus flog bereits in den Hangar der »Walter Beckett«. Corda wartete nicht ab, bis er aufsetzte.
Er sprang aus der Schleuse. Der Diskus fegte sofort wieder aus dem Hangar, während Corda zur
Kommandobrücke hinaufstürmte.
*
Die »Walter Beckett« schoß aus der Atmosphäre des Planeten heraus. Alle Stationen standen auf
höchster Kampfbereitschaft. Ganze Bündel von hochexplosiven Raketen verließen die Startrampen.
Doch der Kampf war bereits entschieden!
Als die »Walter Beckett« den freien blauen Raum erreichte, zeichnete sich der Rückzug der
Orathonen bereits deutlich ab. Die restlichen acht Hantelraumer entfernten sich weiter vom Zentrum
der Vakuole.
Corda riß das Funkkommando mit einer Spezialschaltung an sich. Die großen Antennen der »Walter
Beckett« richteten sich auf die Flotte Sigam Agelons aus.
»›Walter Beckett‹ ruft ›Lynthos II‹!« rief Corda. »›Walter Beckett‹ ruft Sigam Agelon!«
Der »Zeitlose« Verlho erschien plötzlich in der Zentrale. Er legte seine Hände auf die Schultern
Cordas.
»Was beabsichtigen Sie, bitte?« fragte er höflich, aber drängend.
»Ich will Sigam Agelon davor warnen, mit Hilfe der Hypersprungtechnik zu fliehen!« antwortete Corda.
Verlho nickte ernst.
Der Holograf flammte auf.
Rex Corda sah sich dem Orathonen Sigam Agelon gegenüber. Der Orathone schrie wild auf. Schaum
stand auf seinen Lippen. Seine Augen waren kaum zu erkennen, die Lider waren fast geschlossen.
Corda hörte jemanden heftig hinter sich atmen.
Er drehte sich um. Tsati Mutara stand hinter ihm. Er sah Sigam Agelon gelassen an. Ein ruhiges Lächeln
lag auf den Lippen des Mutanten.
»Ich wollte Sie warnen, Sigam Agelon!« sagte Tsati Mutara nach einem fragenden Blick auf Rex Corda.
»Verzichten Sie auf die Hypersprungtechnik! Wir lassen Sie entkommen – aber gehen Sie nicht in den
Hyperraum! Die Raumvakuole der ›Zeitlosen‹ würde die Erschütterung nicht mehr aushalten! Das
System ist gefährdet! Ein weiterer Hypersprung könnte zum totalen Zusammenbruch führen! Das aber
kann nicht Ihr Ziel sein!«
Sigam Agelon antwortete nicht. Er starrte Tsati Mutara mit dem Ausdruck ungeheueren Zornes an.
Seine Unterlippe zitterte.
»Hypersprung!« bellte er dann.
»Nein – er darf das nicht tun!« keuchte Verlho, der »Zeitlose«.
In diesem Augenblick verschwanden die acht orathonischen Hantelraumer vom Holografen. Acht Blitze
flammten vor dem blauen Hintergrund der Raumvakuole auf.
Dann erloschen die Lichter auf der »Walter Beckett«! Rex Corda fühlte einen Schlag, der ihn
benommen in die Dunkelheit starren ließ. Dann raste ein fürchterlicher Schmerz durch seine Brust.
Corda stürzte in bodenloses Dunkel.
Die Aggregate der »Walter Beckett« verstummten.
Als Rex Corda wieder erwachte, lagen die meisten anderen Männer auf der Kommandobrücke noch
immer in tiefer Bewußtlosigkeit. Corda stemmte sich hoch.
Die Holografen gaben ein grauenvolles Bild wieder. Rex Corda konnte sehen, daß der erste Planet des
WarrowSystems langsam auseinanderbrach. Der Planet befand sich auf einer Sturzbahn, die in der
Sonne enden mußte.
Die Raumschiffe der »Zeitlosen« waren verschwunden!
Corda beugte sich über Verlho und schüttelte ihn. Langsam öffnete der »Zeitlose« die Augen.
Lange Minuten vergingen, ohne daß er ein Wort sagte. Dann richtete er sich langsam auf. Corda half
ihm. Verlho ging zu den Holografen und sah sie lange an.
»Das System ist nicht mehr zu retten!« sagte er endlich.
»Dann müssen Sie helfen!« drängte Corda.
Verlho drehte sich langsam um. Er senkte den Kopf.
»Es ist sinnlos, Mr. Corda«, sagte er. Erstmals bediente er sich der englischen Sprache, die er
scheinbar mühelos beherrschte. »Das Zentrum der Vakuole ist in Gefahr. Wir fürchten, daß die
Stunden unseres Reiches gezählt sind!«
Corda war für einen Augenblick fassungslos.
»Dann sind Ihre Raumschiffe zum Zentrum zurückgekehrt?«
Verlho nickte. Und jetzt wechselte er wieder zu seiner Sprache über, so daß die Elektronik übersetzen
mußte.
»Im Zentrum ist es zu einer ungeheueren Katastrophe gekommen. Ich habe die Nachricht gerade
erhalten!«
»Wir helfen Ihnen!« sagte Corda spontan.
Ein Lächeln stahl sich auf die Lippen Verlhos.
»Ich nehme Ihre Hilfe gern an«, sagte er. Er reichte Corda die Hand und drückte sie fest.
Rex Corda setzte sich mit den Hangars in Verbindung. Die Stände der Diskusraumer waren fast alle
gesperrt. Überall waren die elektronischen Steuergeräte ausgefallen. Corda konnte nur zwei
Diskusraumer von AVautTTyp ausschleusen. Er besetzte sie mit zwei Bedienungsrobotern und
beorderte sie auf den Planeten. Das war die einzige Hilfe, die er den Warrows im Augenblick leisten
konnte.
»Bitte – nehmen Sie Kurs auf das Zentrum der Vakuole«, bat Verlho. »Wir benötigen Ihre Hilfe
dringend!«
»Schicken Sie den Warrows Raumschiffe, damit sie sich von dem Planeten retten können!« forderte
Corda.
Verlho neigte den Kopf.
»Ich werde mich bemühen«, versprach er. »Ich hoffe, daß die Raumvakuole sich noch so lange hält!«
Corda sah den »Zeitlosen« prüfend an.
Das Mienenspiel Verlhos erschreckte ihn.
Corda wußte, was der Zusammenbruch der Raumvakuole bedeutete – sie würden nie mehr nach Terra
zurückkehren können, wenn es keinen Durchschlupf aus diesem Kleinstuniversum mehr gab.
Die Stationen der »Walter Beckett« meldeten nach und nach wieder ihre Einsatzbereitschaft.
Der Hantelraumer erwachte wieder zum Leben.
Die »Walter Beckett« nahm Kurs auf das Zentrum der Vakuole.
Corda fragte den »Zeitlosen«, welche Katastrophe über das Zentrum hereingebrochen war, doch
Verlho antwortete nicht.
Er verschwand wortlos von der Kommandobrücke der »Walter Beckett«.
ENDE