Die Nacht auf Espada
Sandra Marton
Romana 1449
24 – 2/02
gescannt von Almut K.
1. KAPITEL
New York City Samsta...
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Die Nacht auf Espada
Sandra Marton
Romana 1449
24 – 2/02
gescannt von Almut K.
1. KAPITEL
New York City Samstag, den vierten Mai Carin Brewster umklammerte die Hand ihrer Schwester und fragte sich, wie es der Menschheit gelungen war, zu überleben, wenn jede Frau bei der Geburt eines Kindes so unerträgliche Schmerzen durchmachen musste. Sie stöhnte, als sie von einer weiteren Wehe gepeinigt wurde. "So ist es richtig", sagte Amanda al Rashid. "Press, Carin!
„Tue ich ja", stieß Carin nach Atem ringend hervor.
"Mom ist unterwegs."
"Großartig. Sie kann mir versichern, dass sie weiß, wie man das macht."
"Meinst du nicht, es ist an der Zeit, dass du mir verrätst, wer...?"
"Nein!“
"Ich verstehe dich nicht, Carin. Er ist der Vater deines Kindes."
"Brauche ... ihn ... nicht."
"Aber er hat das Recht zu wissen, was vorgeht!“
"Er hat keine ... Rechte." Carin verzog das Gesicht vor Schmerz. Der Mann
war fast ein Fremder. Sie hatte während der vergangenen Monate schwierige Entscheidungen treffen müssen. Ob sie ihr Baby behalten wollte. Ob sie sich an ihre Familie um Hilfe wenden sollte. Raphael Alvares nicht zu sagen, dass er sie geschwängert hatte, war eine einfache Entscheidung gewesen. Sie war ihm völlig gleichgültig, also warum sollte er Bescheid wissen wollen? Warum sollte ein Mann, der eine Stunde mit ihr im Bett verbracht und niemals versucht hatte, wieder Kontakt mit ihr aufzunehmen, erfahren wollen, dass er Vater wurde? Die Wehe ließ nach. Carin sank zurück in die Kissen. "Er ist nicht wichtig. Das Baby gehört mir. Meine Tochter braucht nur mich. " "Das ist verrückt. Bitte verrat mir seinen Namen. Lass mich ihn anrufen. Ist es Frank?" "Nein! Frank ist nicht der Vater. Und mehr sage ich nicht. Du hast mir versprochen, das nicht zu tun, Mandy. Du hast..." "Madame al Rashid? Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss mit Ihrer Schwester sprechen." Amanda machte Dr. Ronald Platz. Der Arzt setzte sich neben Carin und nahm ihre Hand. "Wie geht es Ihnen, Carin?" Sie zögerte. "Gut." Er lächelte. "Sie sind hart im Nehmen, so viel ist sicher. Wir finden jedoch, dass Sie jetzt lange genug dabei sind." Carin gelang ein schwaches Lächeln. "Sagen Sie das dem Baby." "Genau das will ich tun. Wir haben beschlossen, dieses Kind auf die Welt zu holen. Was meinen Sie dazu?"
"Wird es meinem Baby schaden?" Eine neue Wehe ließ Carin aufstöhnen. Der Arzt drückte ihr die Hand. "Nein. Im Gegenteil. Damit sparen Sie und Ihr Baby Kraft. Es ist das Beste, das kann ich Ihnen versichern." Dr. Ronald stand auf und ging beiseite, als zwei Krankenpfleger auf das Bett zukamen. Carin wurde hochgehoben und auf einer Bahre den langen Flur entlanggeschoben. Amanda eilte nebenher, bis vor ihnen Türen aufglitten. Sie beugte sich hinunter und küsste Carin auf die Stirn. "Ich liebe dich." "Ich dich auch", flüsterte Carin, und dann war sie in einem weiß gekachelten Raum und sah über sich ein Licht, das so hell wie die Sonne war. "Entspannen Sie sich einfach, Miss Brewster", sagte jemand, und sie spürte ein brennendes Gefühl im Arm. "Wir fangen an." Das war die Stimme des Arztes. Carin wusste nicht, ob Minuten oder Stunden vergingen. Sie trieb auf einem Meer weicher Wolken, während sie auf den Schrei ihres Babys wartete. Aber der Arzt sagte irgendetwas, Zahlen wurden gerufen, fünf Einheiten Blut verlangt. Carin öffnete die Augen. Das Licht war jetzt blendend. Eine Schwester beugte sich über sie, und Carin versuchte zu sprechen, weil sie plötzlich wollte, dass jemand wusste, was passiert war. Dass sie den Vater ihres Kindes und die eine Stunde in seinen Armen nicht vergessen konnte. Dann wurde alles schwarz, und es war nicht mehr ein warmer Morgen im Frühling, sondern ein heißer Abend im August. Sie war auf "Espada", und bald würde sich ihr Leben für immer ändern. Er war groß und gut aussehend und beobachtete sie, seit sie ins Zimmer gekommen war. Das ist sicher Raphael Alvares, dachte Carin. Den "Latin Lover" hatte sie ihn genannt, als Amanda ihr Bestes getan hatte, um sie davon zu überzeugen, dass sie den Mann einfach kennen lernen müsste. "Er ist ein Freund von Tom, und er ist hier, weil er von Jonas Pferde kaufen will“, sagte Amanda, die bei Carin im Gästezimmer saß und zusah, wie sich ihre Schwester das lange dunkelbraune Haar bürstete. "Und natürlich hat Mutter ihn eingeladen, das ganze Wochenende zu bleiben." Amanda lachte. " Kupplerin, Kupplerin", sang sie. Carin hielt sich die Ohren zu. "Hör auf!" Sie seufzte resigniert. Na gut, eine Überraschung war es nicht. Sie hätte wissen sollen, dass ihre Mutter den Plan nicht aufgeben würde, ihre zwei anderen Töchter unter die Haube zu bringen. Samantha war in Sicherheit, irgendwo in Europa, deshalb hatte Marta Baron Zeit, all ihre Bemühungen auf Carin zu konzentrieren. Sie konnte ja nicht wissen, dass sich Carin geschworen hatte, sich nie wieder mit einem Mann einzulassen. Und selbst wenn Marta Baron es wüsste, hätte sie das auch nicht abgehalten. "Er ist wundervoll", schwärmte Amanda. "Und reich und unglaublich gut aussehend. Na ja, er sieht nicht ganz so gut aus wie mein Thomas, aber er ist wirklich ein besonderer Mann."
"Wie schön für ihn", sagte Carin höflich. "Er heißt Raphael Alvares. Ist das nicht sexy?" "Ich glaube, es ist Spanisch." Amanda kicherte. "Brasilianisch. Was bedeutet, dass er Senhor Alvares ist und nicht Senor Alvares, wie mein Mann mir erklärt hat." Carin hatte fast erwartet, dass Amanda sie aus dem Zimmer zerren würde, damit sie den Mann sofort kennen lernte, aber Amanda hatte sich anscheinend für eine subtilere Methode entschieden. Anstatt ihr Raphael Alvares zu zeigen, hatte sie ihm offensichtlich ihre Schwester gezeigt. Jedenfalls blickte er sie weiter starr an. Gelegentlich lächelte er, und Carin erwiderte das Lächeln aus Höflichkeit, aber er war nicht ihr Typ. Kein Mann war mehr ihr Typ. Sie hob das Glas an den Mund und trank einen Schluck, damit sie nicht länger lächeln musste, denn dazu hatte sie überhaupt keine Lust. Der Wein ging mühelos hinunter, vielleicht weil es ihr zweites Glas war. Oder war es das dritte? Sie trank normalerweise keinen Rotwein, nicht einmal einen wie diesen, der aus dem Weinkeller von Espada kam und wahrscheinlich so viel kostete, wie sie als Miete für ihre erste Wohnung in New York vor sechs Jahren bezahlt hatte. Auf dem Tablett des Obers, den sie zuerst gesehen hatte, waren jedoch nur Gläser mit Rotwein gewesen. „In der Not darf man nicht wählerisch sein", hatte sie gesagt und sich eins genommen. Dieses Wochenende verlangt danach, sich Mut anzutrinken, dachte sie und führte das Glas wieder zum Mund, bevor sie dem Senhor den Rücken zuwandte. Ihre Mutter glaubte, sie sei wegen der Jahresfeier für Tyler und Caitlin auf Espada. Zumindest gab sie vor, es zu glauben, was lieb von ihr war. "Ich kann nicht, Mutter", hatte Carin gesagt, als Marta Baron angerufen hatte. Und sie hatte es aufrichtig bedauert. Eine Zusammenkunft des Clans, all der Barons, Kincaids und al Rashids, war immer ein lautes, aufregendes Ereignis, und dann waren da ja noch die entzückenden Babys. Die Frauen ihrer Stiefbrüder brachten Kinder auf die Welt, als wäre "Fruchtbarkeit" ihr zweiter Vorname. "Ich wünschte, ich könnte, aber ich bin an dem Wochenende auf einer Hochzeit." Natürlich war alles anders gekommen. Latin Lover beobachtete sie wieder. Es war, als spürte sie seinen Blick im Nacken. "Steck dir das Haar hoch", hatte Amanda sie gedrängt, und Carin hatte es getan. Jetzt fühlte sich ihr Nacken nackt an, was natürlich blöd war, aber es war ihr unangenehm, wie Raphael Alvares sie ständig ansah. Sie dachte daran, sich umzudrehen und ihn ebenso starr anzublicken, doch dann würde sie ihn vielleicht veranlassen, sich falsche Vorstellungen zu machen. Das wäre dumm, und sie hatte es satt, dumm zu sein. Carin trank das Glas aus. Auch wenn sie sich nicht unter die Gäste mischte, war es vielleicht doch gut, dass sie gekommen war. Der Mann, mit dem sie fast sechs Monate zusammen gewesen war, hatte gleichzeitig eine Beziehung zu einer ihrer besten Freundinnen gehabt. Es war eine so klischeehafte, jämmerliche Geschichte, dass sie eigentlich nicht
bemerkenswert war - bis auf eine kleine Abweichung. Er hatte nicht nur eine Beziehung zu Iris gehabt, er hatte sich mit ihr verlobt. Die beiden hatten den Hochzeitstag festgesetzt und alle Vorbereitungen getroffen. Carin hatte eine der Brautjungfern sein sollen. „Ich kann nicht glauben, dass ich deinen Verlobten noch nie getroffen habe", hatte sie einmal lachend zu ihrer Freundin gesagt. Iris, ebenso ahnungslos wie Carin, hatte erklärt, er reise viel. Carin entdeckte einen anderen Ober mit einem Tablett. Auf diesem standen Cocktailgläser mit einer farblosen Flüssigkeit und auf kleine Plastiksäbel gespießte Zwiebeln oder Oliven. "Niedlich", sagte Carin. Sie stellte ihr leeres Glas auf das Tablett und nahm sich eins mit einer Zwiebel. Weil es ihr nicht gerade groß vorkam, klemmte sie sich ihre Abendtasche unter den Arm und nahm sich auch noch eins mit einer Olive. Der Ober zog die Augenbrauen hoch. Carin probierte den Drink mit der Zwiebel. "Wow flüsterte sie und trank noch einen Schluck. Es stimmte. Frank war tatsächlich viel gereist. Hauptsächlich zwischen ihrer und Iris' Wohnung. Carin lachte fast, als sie jetzt daran zurückdachte, wie dumm sie gewesen war. Vor einem Monat war alles vorbei gewesen. Frank musste klar geworden sein, dass er nicht länger so weitermachen konnte, nicht mit der nahe bevorstehenden Hochzeit. Er rief eines Abends an und sagte, er müsse sie sofort sehen, er habe ihr etwas Wichtiges mitzuteilen. Carin eilte in den Weinladen an der Ecke, kaufte eine Flasche Champagner und stellte sie in den Kühlschrank. Frank wird mir einen Heiratsantrag machen, dachte sie schwindlig. Stattdessen erklärte er ihr, er habe sich in eine grauenhafte Lage gebracht. Er habe sich mit einer anderen verlobt. Und während Carin ihn entsetzt ansah und versuchte, diese Neuigkeit zu verdauen, gestand er ihr, wer die Frau war. "Du machst Witze", sagte Carin schließlich. Frank zuckte die Schultern und lächelte verlegen. Und da verlor Carin die Beherrschung. Schreiend warf sie eine Vase und den bereitgestellten Weinkühler nach ihm, als Frank zur Tür rannte. Sie überstand es und schaffte es sogar, alles in die richtige Perspektive zu rücken. Frank war kein großer Verlust. Sie wollte keinen Ehemann, der nicht treu sein konnte. Es würde ihr gut gehen, sobald sie den Tag überstanden hatte, an dem ihre ehemalige Freundin und ihr ehemaliger Liebhaber heirateten. Natürlich würde sie nicht an der Hochzeit teilnehmen, aber das bedeutete nicht, dass sie Trübsal blasen würde. Sie würde Pizza bestellen und die Flasche Champagner trinken, die sie an jenem schrecklichen Abend in den Kühlschrank gestellt hatte. Zum Teufel mit Frank. Iris konnte ihn haben. Alles war in Ordnung, oder fast in Ordnung, bis Carin eine Einladung zur Hochzeit erhielt, zusammen mit einem kurzen Brief von Iris, die höflich fragte, ob Carin wohl so freundlich sein würde, ihr Brautjungfernkleid an die Frau weiterzugeben, die ihren Platz einnehmen würde. Carin zerriss den Brief und die Einladung, steckte die Schnipsel in einen Umschlag und schickte ihn dem
glücklichen Paar. Dann gestand sie sich ein, dass sie das Hochzeitswochenende niemals allein durchstehen würde, ohne zu weinen oder vielleicht sogar in die Kirche zu gehen und sich zu melden, wenn der Pfarrer fragte, ob irgendein Anwesender einen Grund wisse, warum die Trauung nicht stattfinden sollte. Deshalb rief sie Marta an und sagte, der Plan sei geändert worden, und sie werde doch zur Party kommen. "Mit Frank?" hatte ihre Mutter gefragt "Nein, allein", hatte Carin erwidert. "Oh", hatte Marta Baron in einem Ton gesagt, der Bände sprach. Falls sie in der Zwischenzeit von Amanda mehr erfahren hatte, so hatte Marta Baron es nicht verraten. Sie hatte Carin bei ihrer Ankunft nur umarmt und geflüstert: "Ich habe ihn sowieso nicht gemocht." Niemand hatte Frank gemocht, wie sich herausstellte. Ihre Sekretärin nicht, Amanda und Thomas nicht, niemand, der halbwegs intelligent war. Nur sie. Carin seufzte. Sie war so dumm gewesen. "Kanapees, Miss?" Carin sah auf, lächelte den Ober an, stellte das leere Glas auf einen Tisch und nahm sich ein Blätterteiggebäck vom Tablett. Dekadent lecker, dachte sie, als sie sich das kleine Hors-d’œuvre in den Mund schob. Sie brauchte nur noch einen Schluck von dem, was in dem Glas mit der Olive war. Es war leer. Wie war das passiert? Tja, das Problem ließ sich leicht lösen. Sie stellte das Glas neben das andere und machte sich auf die Suche nach einem Drink. "Miss?" sagte ein Mann direkt hinter ihr. Carin drehte sich um. Wie sie erwartet hatte, war es der brasilianische Sexbolzen. Aus der Nähe sah er nicht ganz so gut aus, und er sah Frank sehr ähnlich. "Miss", sagte er wieder und gab ihr einen Handkuss. Carin entzog ihm schnell die Hand und unterdrückte den fast überwältigenden Wunsch, sie an ihrem Kleid abzuwischen. "Hallo", erwiderte sie so freundlich, wie sie konnte. "Hallo. " Er lächelte breit. "Ich frage, wer die schöne Dame mit dem dunklen Haar und den grünen Augen ist, und mir sagen, sie ist Carin Brewster, ja?" "Ja." Hörte sich ein portugiesischer Akzent so an? "Danke für das Kompliment, Senhor." Er lachte. "Wie amüsant, dass Sie mich das nennen, Carin Brewster. " Das Gespräch hatte kaum Sinn. Der Latin Lover sprach schlecht Englisch und sie kein Portugiesisch. Außerdem wollte sie sich mit niemand unterhalten, besonders nicht mit einem Mann, der sie an Frank erinnerte. Frank, dieser nichtsnutzige Mistkerl. Der Schleimer. Der Lügner. Andererseits waren alle Männer Lügner. Ihr Vater hatte ihre Mutter belogen. Und sie auch, jedes Mal, wenn sie ihn gebeten hatte, nicht mehr wegzufahren. "Dies ist das letzte Mal", hatte er immer gesagt, aber es hatte niemals gestimmt. Nach dem, was so erzählt wurde, hatte Jonas Baron Lügen zu einer Kunst gemacht. Na
schön, es mochte Ausnahmen geben. Was ihre Stiefbrüder und Amandas neuen Ehemann betraf, war sie optimistisch. Trotzdem, normalerweise ... „Ein guter Witz, ja?" Carin nickte und lachte. Was für einen Witz auch immer der Senhor erzählt hatte, er konnte nicht halb so gut sein wie derjenige, der ihr eingefallen war. Frage: Woran erkennt man, dass ein Mann lügt? Antwort: Seine Lippen bewegen sich. Frank hatte behauptet, sie zu lieben, und jetzt stand er in New York vor dem Altar und heiratete eine andere. Genug, dachte Carin. Der Brasilianer erzählte ihr gerade den nächsten Witz. Sie schüttelte ihm kräftig die Hand und sagte, es sei ihr ein Vergnügen gewesen, ließ sich von seinem verletzten Blick nicht rühren und ging durch die Eingangshalle in die Bibliothek, wo ein Streichquartett gegen den Countrymusic spielenden Fiedler im Esszimmer ankratzte. "He! " sagte Carin zu dem Ober, der sich vor ihr durch das Gedränge schlängelte. Nicht gerade höflich, ihn so auf sich aufmerksam zu machen, aber es funktionierte. Er drehte sich um, und sie nahm sich ein Glas vom Tablett. Es war ein Bowlenglas, das halb mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit und Fruchtstückchen gefüllt war. „Igitt“, flüsterte Carin nach dem ersten Schluck. Amanda und ihr Mann kamen an ihr vorbei. "Pass auf, oder du wirst betrunken", sagte sie leise. Sie hatte Recht. Von den drei Schwestern konnte nur Sam eine ganze Menge vertragen. Carin beschloss, vorsichtig zu sein- Sie wollte sich nicht betrinken und Tyler und Caitlin die Party verderben. Die Party ihrer Schwester. Nein, nicht direkt. Catie war ihre Stiefschwester. Oder nicht? Carin knallte das leere Glas auf einen Tisch. Die familiäre ... familiäre Struktur der Barons, Brewsters, Kincaids und al Rashids war kompliziert. "Pass auf, Mädchen", flüsterte sie. Wenn sie "familiär" nicht mehr denken, geschweige denn aussprechen konnte, war es vielleicht an der Zeit, langsamer zu trinken. Zum Teufel damit. Sie hatte Durst, sie war erwachsen und konnte so viel trinken, wie sie wollte. Sie hatte den Schluckauf. "Entschuldigung", sagte sie kichernd zu niemand im Besonderen. Irgendjemand lachte. Bestimmt nicht über sie. Die meisten Leute gingen auf Partys, um zu lachen und sich zu amüsieren. Sie war gekommen, weil sie vergessen wollte, dass jemand sie dazu gebracht hatte, wie eine Vollidiotin dazustehen und sich auch so zu fühlen. Sie brauchte frische Luft. Ihr war warm. Carin ging zu den Türen, die nach draußen auf die Veranda führten. Frank hatte behauptet, niemals heiraten zu wollen, und sie hatte gesagt, das sei in Ordnung. Was war denn schon die Ehe? Zwei Menschen gaben ein Versprechen, das sie nicht zu halten beabsichtigten. Der Mann jedenfalls nicht. Carin atmete tief die milde Nachtluft ein. Was Sex betraf ... Wie konnte eine Heirat etwas verbessern, was nicht gerade großartig war? Trotzdem hatte sie nach einigen Monaten gedacht, es wäre vielleicht nicht so schlecht, zu heiraten. Am Ende eines langen Tages in ihrem Büro in der Wall Street nicht allein zu Hause zu sitzen. Jemand zu haben, mit dem sie die Sonntagszeitung teilen
konnte. Wie sich herausstellte, hatte nicht nur sie ihre Meinung geändert. Frank war zu dem Schluss gekommen, dass er doch heiraten wollte. Nur nicht sie. Carin befahl sich, nicht länger darüber nachzudenken. Darüber, was sie nicht hatte, was er bei Iris gefunden hatte. Sie brauchte etwas zu essen. Bis auf dieses Hummerdingsbums hatte sie seit Stunden nichts angerührt. Im Haus war ein fantastisches Büfett angerichtet. Muscheln, Austern, Hummersalat, Rippenspeer, pochierter Lachs und Wachteln. Was war das? Sie spürte ein Prickeln im Nacken. Oh nein. Der brasilianische Kerl war ihr gefolgt. Noch einmal würde sie sich nicht umdrehen. Sollte Senhor Wundervoll seinen Charme bei einer Frau ausprobieren, die sich für diese Spiele interessierte. Sie hatte geglaubt, Frank sei über Spiele erhaben, und das hatte ihr zuerst an ihm gefallen. Sie lernten sich bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennen, und er war eine Offenbarung! Mindestens sechs Männer machten sich an dem Abend an sie heran, und alle benutzten die ältesten Aufreißersprüche der Welt. Von "Entschuldigung, sind wir uns nicht schon mal begegnet" bis zu "Ich muss Ihnen einfach sagen, dass Sie die schönste Frau hier sind". Frank kam auf sie zu, schüttelte ihr die Hand, gab ihr seine Visitenkarte und sagte, einer seiner Klienten habe sie erwähnt. "Er hat Sie eine der besten Investmentberater in New York genannt." Carin lächelte. "Ich bin die beste." Das war der Beginn ihrer Beziehung. Sie sahen sich oft, aber jeder führte sein eigenes Leben. So wollten sie es beide. Getrennt leben und keine Abhängigkeit. Sie hatten die Sache ehrlich und pragmatisch besprochen. Keiner hatte dem anderen einen Schlüssel gegeben oder die Zahnbürste in der Wohnung des anderen gelassen. Hatte Frank seine Zahnbürste in Iris' Badezimmer gelassen? "Verdammt." Carin schlug mit der Faust auf das Teakholzgeländer. Hatte Jonas nicht etwas von einem Barbecue auf der Veranda gesagt? Dann war hier draußen sicher auch eine Bar aufgebaut. „Ein Glas Sauvignon Blane, bitte", bestellte sie, als sie die Bar gefunden hatte. Was sie tatsächlich herausbrachte, klang mehr wie ein einziges unverständliches Wort, und fast hätte sie gekichert. Doch der Barkeeper sah sie seltsam an, deshalb erwiderte sie seinen Blick ruhig und wartete. Schließlich schenkte er ihr Wein ein und gab ihr das Glas. Aus irgendeinem Grund hatte sie eine unsichere Hand und verschüttete das meiste. Sie trank aus, was übrig war, und hielt dem Barkeeper das Glas hin. "Noch mal." Er schüttelte den Kopf. "Tut mir Leid, Madam, aber ich glaube Sie haben genug." Carin kniff die Augen zusammen. Als sie sich vorbeugte, wurde ihr schwindlig. Das war normal. Im Sommer war es in Texas selbst in der Nacht noch warm. "Was meinen Sie damit? Dies ist eine Bar, stimmt's? Sie sind Barkeeper und sollen den Leuten Drinks einschenken." "Ich hole Ihnen gern einen Kaffee."
Der Mann sprach leise, aber alle in der Nähe waren verstummt, und seine Worte schienen auf der Veranda widerzuhallen. Carin wurde rot. "Wollen Sie behaupten, ich sei betrunken?" "Nein, Madam." "Dann schenken Sie mir ein Glas Wein ein." "Madam. Wie wäre es mit dem Kaffee?" "Wissen Sie, wer ich bin?" hörte sich Carin fragen und zuckte im Geiste zusammen. "Er weiß es. Und wenn Sie nicht Ihren reizenden Mund halten, werden es auch alle anderen wissen", sagte ein Mann hinter ihr, der nicht ganz akzentfrei sprach. Der Latin Lover, dachte Carin und drehte sich um. "Sie glauben wohl, das sei ihre große Chance ... " Er war es nicht. Diesen Mann hatte sie noch nicht gesehen. Beschwipst oder nicht, und okay, vielleicht war sie ein bisschen betrunken, an ihn hätte sie sich erinnert. Er war breitschultrig und viel größer als der Typ, mit dem Amanda sie hatte zusammenbringen wollen. Er hatte schwarzes Haar, graue Augen und einen sinnlichen Mund. Ein energisches Kinn bewahrte sein Gesicht davor, hübsch zu sein. Nüchtern hätte Carin es niemals zugegeben, beschwipst konnte sie es. Er war ein Traummann, der Inbegriff der Männlichkeit ... Und was sie tat oder sagte, ging ihn nichts an. Sie tippte ihm mit dem Zeigefinger an die harte Brust. "Ich brauche Ihren Rat nicht, Mister." "Sie sind betrunken, Senhora." "Ich bin nicht verheiratet." „In meinem Land werden alle Frauen Senhora genannt, ob ledig oder verheiratet." Er umfasste ihren Ellbogen. Carin sah ihn wütend an und versuchte, sich loszureißen. Sein Griff wurde fester. "Und wir mögen es nicht, wenn sie betrunken sind und unangenehm auffallen." Er sprach leise, damit die Zuschauer der kleinen Szene ihn nicht hörten, und Carin wusste, dass sie sich nach ihm richten, still sein und von der Bar weggehen sollte, aber verdammt, sie würde in dieser Nacht keine Befehle annehmen, besonders nicht von einem Mann. "Mich interessiert nicht, was Sie in Ihrem Land an Frauen mögen oder nicht." " Senhora, hören Sie mir zu …“ "Lassen Sie los." Als er es nicht tat, trat Carin ihm auf den Fuß. Es musste wehtun, denn sie trug schwarze Seidenpumps mit sieben Zentimeter hohen Stilettoabsätzen. Der Fremde zuckte nicht einmal zusammen. Er hob sie hoch und trug sie unter dem Gelächter und Applaus, der Leute auf der Veranda die Stufen hinunter in den Garten. "Sie Mistkerl!" schrie Carin und schlug mit den Fäusten auf seine Schultern ein. "Für wen halten Sie sich?" "Ich bin Raphael Eduardo Alvares", sagte er kühl. "Und Sie, Senhora Brewster, sind der Inbegriff einer verzogenen ... "
"Raphael?" Carin öffnete die Augen und blickte starr in das Licht. "Raphael, wo bist du?" "Wir verlieren sie", sagte jemand. Dann folgte nur Stille.
2. KAPITEL "Rio de Ouro", Brasilien Samstag, den vierten Mai Raphael Eduardo Alvares wachte plötzlich auf. Sein Herz hämmerte, und er schwitzte. Er hatte geträumt, aber wovon? Von der Frau und dem einen Mal, als er mit ihr zusammen gewesen war. Er warf die Decke zurück und setzte sich auf. Warum? Sie und jene Nacht waren nur eine fast neun Monate alte Erinnerung. Trotzdem war der Traum sehr real gewesen und nicht derselbe wie sonst immer. In diesem war sie verletzt worden, bei einem Unfall vielleicht. Und sie rief nach ihm ... Nicht, dass es eine Rolle spielte. Die Frau bedeutete ihm nichts. Außerdem glaubte er nicht an Träume. Wichtig war, was man sehen und anfassen konnte. Träume waren dumm und führten nur zu Kummer. Raphael stand auf, reckte sich und ging zum Fenster. Gerade färbte die Morgendämmerung den Himmel und tauchte die sich bis zu den niedrigen Bergen erstreckende Steppe in hellrosa Licht. Es war gut, dass er früh aufgewacht war. Er würde an diesem Morgen nach Sao Paulo fliegen, wo er sich nach einer geschäftlichen Besprechung mit Claudia zum Mittagessen treffen würde. Seinem Piloten hatte er gesagt, er solle das Flugzeug um acht Uhr startbereit haben. Jetzt konnte er vorher noch zwei Stunden arbeiten. Nachdem er geduscht, sich rasiert und angezogen hatte, ging Raphael nach unten, begrüßte seine Haushälterin, nahm die Tasse Kaffee, die sie ihm reichte, und zog sich in sein Büro zurück. Zwanzig Minuten später schaltete er den Computer aus und gab auf. Er war unfähig, sich zu konzentrieren, weil er wieder an den Traum dachte. Und an die Frau. Würde er sie sich denn niemals aus dem Kopf schlagen können? Raphael rief seinen Piloten an und sagte den Flug ab, dann hinterließ er auf dem Anrufbeantworter seines Geschäftspartners und auf dem Claudias eine Nachricht. Claudia stand immer erst am späten Vormittag auf. Er hatte keinen Grund, zu glauben, dass sie sich in den fünf Jahren geändert hatte, seit er die Verlobung gelöst hatte. Das Mittagessen mit Claudia zu verschieben war kein Problem, auch wenn sie schmollen würde. Aber es passte nicht zu ihm, eine geschäftliche Besprechung abzusagen. Er hatte sein Imperium aus Pferden,
Rindern und Banken nicht aufgebaut, indem er überstürzt handelte, doch es war unlogisch, zu versuchen, sich aufs Geschäft zu konzentrieren, wenn er doch nur an einen Traum dachte, der keinen Sinn ergab. Selbst wenn Carin in Schwierigkeiten wäre, würde sie ihn auf keinen Fall an ihrer Seite haben wollen. Raphael ging zurück nach oben, zog Jeans, ein schwarzes T-Shirt und die abgenutzten Reitstiefel an, die er besaß, seit er vor über einem Jahrzehnt nach Rio de Ouro gekommen war. Vielleicht würde ihm ein langer Ritt zu einem klaren Kopf verhelfen. Unten bei den Stallungen wies er seine Männer ab, holte sein Pferd aus der Box, sattelte es und saß auf. Er hatte Carin Brewster vor Monaten aus seinen Gedanken verdrängt, und mit gutem Grund. Sie hatte deutlich gemacht, dass ihr nichts bedeutete, was passiert war. Eine Stunde, mehr hatte sie nicht von ihm gewollt. Eine einzige Stunde, in der er Ersatz für einen anderen Mann gewesen war. Nicht, dass er mehr von ihr gewollt hatte. Er hatte auf der Party überhaupt nur nach ihr gesucht, weil es die Höflichkeit verlangt hatte. Eine der Töchter des Gastgebers, die Ehefrau seines Freundes Thomas al Rashid, sagte zu ihm, sie hoffe, er würde ihre Schwester kennen lernen. Die übrigen Barons gaben ihm indirekt dasselbe zu verstehen. „Auf der Party werden viele gut aussehende Frauen sein." Jonas lächelte breit. "Klingt mir nach einem feinen Wochenende, Alvares. Am Tag untersuchen Sie den Hengst, an dem Sie interessiert sind, und am Abend prüfen Sie einige der schönsten Mädchen von Texas. " Marta Baron lächelte. "Mein Mann hat Recht. Auf der Party werden bezaubernde junge Frauen sein. Und alle werden Sie kennen lernen wollen, dessen bin ich sicher." "Wie nett", log Raphael höflich. Warum betrachteten Frauen eines gewissen Alters alle unverheirateten Männer als Herausforderung? "Aber ich hatte nicht geplant, zur Party zu bleiben." "Bitte, Raphael! " sagte Amanda al Rashid. "Wirklich, du wirst Spaß haben. Meine Schwester Carin kommt aus New York. Habe ich das schon erwähnt?" Raphael war gewarnt. Er kannte dieses Lächeln und den allzu gleichgültigen Ton. "Nein, hast du nicht", erwiderte er, noch höflicher. "Ah. Tja, tut sie. Und ich weiß einfach, dass ihr beide euch gut vertragen werdet." "Davon bin ich überzeugt." Das war Lüge Nummer zwei. Raphael erwartete nichts dergleichen. Andererseits hatte er as schon oft erlebt. Mütter, Tanten, die Ehefrauen seiner Geschäftsfreunde ... Manchmal glaubte er fast, dass jede Frau auf dem Planeten eine Tochter, Schwester oder Nichte hatte, die ihm ihrer Meinung nach gefallen würde. Das gehörte eben dazu. Er war vierunddreißig, hatte Geld und Grundbesitz, und nach dem, was die Frauen im Bett zu ihm sagten, sah er wohl gut aus. Nur eine Ehefrau hatte er nicht. Aber warum sollte er sich eine wünschen?
Trotzdem, er hatte Jonas Baron, Marta Baron, seinen Freund und Amanda nicht alle gleichzeitig beleidigen wollen. Deshalb war er geblieben und hatte auf der Party nach der Frau gesucht. Höflich Hallo zu sagen und sich anschließend ebenso höflich zu entschuldigen, war ihm einfach vorgekommen. Nur dass es nicht so gelaufen war. Raphael hielt das Pferd an und blickte in die Ferne. Er hatte mit dieser Frau geschlafen. Er hatte schon viele Frauen gehabt. Mehr, als ihm zustanden, würden manche sagen. Aber eine wie sie noch nie. Sie hatte sich an ihn geschmiegt, als wäre er der einzige Mann, den sie jemals begehrt hatte. Ihre wilden Küsse, ihre Reaktion auf seine Liebkosungen. Himmel, sie hatte ihn in Brand gesteckt. Ihr Höhepunkt hatte ihn veranlasst, sich allmächtig zu fühlen. Seiner, Sekunden später, hatte ihn bis ins Innerste erschüttert. Doch hinterher hatte sie sich energisch aus seiner Umarmung befreit und klargemacht, dass er seinen Zweck erfüllt habe und gehen solle. Sie hatte sich im Badezimmer eingeschlossen, und einen verrückten Moment lang hatte er daran gedacht, die Tür einzutreten, Carin Brewster zurück zum Bett zu tragen und ihr zu zeigen, dass sie einen Mann nicht benutzen und dann wie Abfall loswerden konnte. Raphael presste die Lippen zusammen. Der Junge, der er einmal gewesen war, hätte so etwas vielleicht getan. Der Mann, der er geworden war, nicht. Er hatte sich im Dunkeln angezogen, war in sein Zimmer gegangen ... Das Pferd schnaubte und tänzelte. Raphael klopfte ihm auf den Hals. Carin Brewster war nicht nur eine entfernte Erinnerung, sondern auch eine unangenehme. Und warum konnte er die Frau dann nicht vergessen? Jemand hatte gelacht und auf Carin gezeigt, als er an jenem Abend gefragt hatte, wo sie sei. Und dann hatte er auf der Veranda des herrschaftlichen Hauses in Texas gestanden und beobachtet, wie sie sich lächerlich machte. Sollte er wie ein Gentleman einschreiten oder die Szene einfach bis zum Ende ablaufen lassen? Verdammt, er war kein Gentleman und würde es niemals sein. Aber Jonas Baron war sein Gastgeber und Tom al Rashid sein Freund, was bedeutete, dass er auch mit Amanda befreundet war, und die Frau, die sich lächerlich machte, war Amanda al Rashids Schwester. Raphael ging zu Carin, und da sie nicht auf ihn hören wollte, hob er sie hoch und trug sie die Stufen hinunter in den Garten. Andere Partygäste lachten und applaudierten. Niemand versuchte, ihn aufzuhalten. Niemand außer der Wildkatze in seinen Armen, die um sich trat, fluchte und mit den Fäusten auf seine Schultern einschlug. Es schien unmöglich zu sein, dass Toms Frau und ihre Mutter sich auch nur einbildeten, er würde sich für Carin Brewster interessieren. So eine wie sie würde er bestimmt nicht heiraten. Ja, er würde wohl eines Tages heiraten. Ein Mann brauchte Erben, damit nicht alles verloren ging, was er aufgebaut hatte. Aber er würde eine Frau wählen, die willfährig und treu war, die sich ihm und den gemeinsamen Kindern widmen wollte. Das war der einzige Grund, warum man heiratete, richtig?
"Sind Sie verrückt?" schrie Carin, als er sie weiter weg vom Haus trug. "Lassen Sie mich hinunter!" Kein Wunder, dass es für die Familie der Frau so schwierig war, sie unter die Haube zu bringen. Schön war sie ja. Leider war sie auch scharfzüngig, bösartig und egozentrisch. Raphael konnte es kaum erwarten, sie loszuwerden. "Sie Idiot! Sie Trottel! Haben Sie eine Ahnung, wer ich bin?" "Ja", sagte er kalt, "ich weiß genau, wer Sie sind." "Sie können sich nicht einfach eine Frau schnappen und sie wegtragen! " Er reagierte gerade noch rechtzeitig und wich ihrem Faustschlag aus. "Wenn Sie das früher erwähnt hätten, Senhora, hätte ich es nicht getan", erwiderte er gelassen. "Sie ... Sie ... " Carin Brewster belegte ihn mit einem Schimpfnamen, der sich auf die skatologischen Gewohnheiten von Hunden bezog. Raphael lachte. Das machte sie nur noch wütender. Sie schlug wieder wild um sich, und diesmal traf sie ihn am Kinn. Du lieber Himmel. Ein Sprichwort in seinem Land besagte, man solle sich davor hüten, einen Tiger am Schwanz zu packen, ohne einen Plan dafür zu haben, ihn wieder loszulassen. Was würde er jetzt mit Carin Brewster anfangen? "Na, warten Sie! Wenn ich zurück im Haus bin, werden Sie so schnell hinausgeworfen, dass Ihnen schwindelt." "Wie sagt man? Ich zittere vor Angst." "Schlottere. Zum letzten Mal, lassen Sie mich hinunter!“ "Gehen Sie dann in Ihr Zimmer, bitten die Haushälterin, Ihnen eine Kanne Kaffee zu bringen, und trinken jeden Tropfen?" "Warum sollte ich?" "Weil Sie betrunken sind." "Bin ich nicht." "Sie sind betrunken, und Sie sind unangenehm aufgefallen." "Selbst wenn Sie Recht hätten, wäre das meine Sache. Sie hätten sich nicht einmischen dürfen." "Ich habe es für Ihre Familie und den armen jungen Mann getan, dem Sie gedroht haben." „Erwarten Sie wirklich, dass ich das glaube?" „Eigentlich habe ich es für Ihre Schwester getan, die sehr viel von Ihnen hält." "Sie haben doch keine Ahnung, was meine Schwester denkt." „Im Gegenteil, Senhora, ich weiß, dass sie falsche Vorstellungen von Ihnen hat, denn sonst hätte sie nicht angenommen, dass ich Sie reizvoll finden könnte." "Tja, von Ihnen hat sie auch falsche Vorstellungen, Sie ... Sie südamerikanischer Neandertaler. Und Sie sollten anfangen, sich darüber Gedanken zu machen, wie meine Verwandten reagieren werden, wenn ich ihnen erzähle, was Sie getan haben." "Thomas und Jonas würden mir sicher zustimmen, dass ein Knebel gut wäre." Raphael verlagerte ihr Gewicht. Sie war schlank und zierlich, aber sie wand sich, und es war nicht einfach, sie festzuhalten und diesen fliegenden Fäusten
auszuweichen. "Was Ihre Stiefbrüder anbelangt ... Ich habe sie kennen gelernt, und nach dem, was ich von Tyler, David, Travis und Slade weiß, würden sie Raphael blieb stehen. Vor ihm war eine Lichtung. Teakholzbänke umgaben einen geschickt beleuchteten Springbrunnen, in den eine Steinnymphe aus einem Kupferkrug Wasser goss. "Was würden sie?" fragte die warme, süß duftende, übellaunige Frau in seinen Armen. "Sie würden Beifall klatschen, wenn sie sehen könnten, was ich jetzt tue." Raphael ging zum Springbrunnen und ließ sie hineinfallen. Carin Brewster landete auf dem Po und saß mit gespreizten Beinen bis zu den Hüften im Wasser. Abgebraust und nüchtern, dachte Raphael zufrieden, denn jetzt schüttete die Nymphe das Wasser nicht mehr ins Becken, sondern auf Carins Kopf. „Oh..." sagte sie. Und dann stieß sie einen grauenhaften Schrei aus. Wie schade, so ein wundervolles Kleid zu ruinieren! Raphael betrachtete es sachlich. Es war schwarz, kurz und tief ausgeschnitten. Die nasse Seide schmiegte sich an ihren Körper, und er sah, wie durch das kalte Wasser ihre Brustspitzen hart wurden. Wirklich schön, aber das war alles. Kein Mann, der bei vollem Verstand war, würde sie haben wollen ... Nicht fürs ganze Leben. Für eine Nacht könnte sie interessant sein. Plötzlich spürte er, wie er reagierte. Es wäre schwierig, dieses hitzige Temperament zu überwinden und ihre Wut in Leidenschaft zu verwandeln, aber er könnte es schaffen. Er hatte sie hier gezähmt, und er könnte sie im Bett zähmen. Er stellte sich vor, wie er ihr das schwarze Kleid und den schwarzen Spitzenslip ausziehen würde, der darunter zu sehen war, wie sie ihm die langen Beine um die Hüften legen würde, während er das schöne Gesicht umfasste und sie auf diesen sinnlichen Mund küsste ... War er verrückt? Carin Brewster war schön, doch das Haus der Barons war voller schöner Frauen, die sanftmütig, freundlich und nüchtern waren. Letzteres war Carin vermutlich jetzt auch. Ja, dachte er, als er auf sie hinunterblickte. Sie drückte stöhnend die Fingerspitzen an die Schläfen, während sie aufzustehen versuchte. Unwillkürlich hatte er Mitleid mit ihr. Er zögerte, dann beugte er sich zu ihr. "Hier, nehmen Sie meine Hand. Ich helfe Ihnen hoch." "Lieber bleibe ich die ganze Nacht hier." "Wollen Sie sich weiter wie ein verzogener Fratz benehmen? Lassen Sie sich von mir helfen." "Ich kann mir sehr gut selbst helfen." Sie versuchte, es zu beweisen, indem sie sich aufrappelte, aber sie rutschte auf dem nassen Marmor aus, und schließlich hob Raphael sie aus dem Springbrunnen. "Lassen Sie mich..." "Hinunter", sagte Raphael. "Das habe ich vor." Er stellte sie auf die Füße, zog seine Smokingjacke aus und legte sie Carin um die Schultern. Sie wollte sie abschütteln, doch er zog die Aufschläge zusammen und hielt die Jacke zu.
"Ich brauche Ihre Jacke nicht." "Ihnen ist kalt." "Ich bin nass!" brauste Carin auf. "Und wenn Sie sich anstrengen, kommen Sie vielleicht darauf, warum." "Sie waren betrunken." "Und?" "Und jetzt sind Sie es nicht mehr." "Wundervoll. Ist das die brasilianische Methode, mit einem Kater fertig zu werden? Haben Sie noch nie von schwarzem Kaffee gehört?" "Ich habe Kaffee vorgeschlagen, Sie haben abgelehnt." "Und deshalb haben Sie b ... b ... beschlossen, die S ... s ... sache selbst in die Hand zu nehmen." Raphael runzelte die Stirn. "Sie klappern vor Kälte mit den Zähnen." "Das w ... w ... würden Sie auch, wenn j ... jemand Sie in einen Springbrunnen geworfen hätte." "Kommen Sie." Raphael griff nach ihr. Carin wich zurück. "Ich g ... gehe nirgendwo m ... mit Ihnen hin." Sie blickte ihn wütend an. Er seufzte und hob sie wieder hoch. "He! " Ihre Stimme wurde lauter, als er durch die Gartenanlagen zurück zum Haus ging. "Haben Sie T ... Todessehnsucht? Meine Familie w ... wird ... " "Ihre Familie wird Sie im Krankenhaus besuchen, wenn Sie nicht die nassen Sachen ausziehen und heiß duschen", sagte Raphael grimmig. "Dass ich bis auf die Haut nass bin, ist Ihre Schuld!“ "Außerdem sind Sie nüchtern." "Ich kann nicht nüchtern sein. Angenommen, dass ich betrunken war, was ich nicht war, wie kann ich dann fünf Minuten später nüchtern sein?" "Kaltes Wasser. Wenn man Glück hat, wirkt es." "Woher wollen Sie das wissen?" "Ein Mann weiß diese Dinge." Besonders wenn er einmal in einer Provinzbar am Amazonas einen Drink zu viel hatte, dachte Raphael und schauderte. "Legen Sie bitte die Arme um meinen Nacken, Senhora Brewster." "Ich werde nichts dergleichen tun." Raphael seufzte wieder. "Hat das Haus eine Hintertür, so dass wir nicht gesehen werden? Oder ziehen Sie einen dramatischen Auftritt vor? Er könnte Erfolg haben, wenn man bedenkt, wie Sie abgegangen sind." "Sie waren derjenige, der eine Szene gemacht hat." "Der Barkeeper ist vielleicht anderer Meinung." "Welcher Barkeeper?" Raphael hörte Carin scharf einatmen und wusste, dass sie am Boden zerstört sein würde, wenn ihr alles wieder einfiele. "Oh. Ja, ich erinnere mich jetzt. Zumindest an einiges von ... Habe ich mich blamiert?"
Er zögerte. Welchen Sinn hatte es, ihr die Wahrheit zu sagen? "Sie waren ein bisschen lebhaft." "Mit anderen Worten: Ja." "Die Leute vergessen." "Es ist unwahrscheinlich, dass sie eine Frau vergessen, die weggeschleppt werden muss wie ... wie ein schlechter Witz." Raphael beschloss, Mitleid mit ihr zu haben. "Sie werden sich an einen Mann erinnern, der so von Ihrer Schönheit entzückt war, dass er es nicht ertragen konnte, Sie mit anderen zu teilen." "Das ist sehr nett von Ihnen." "Die Geschichte werde ich morgen erzählen, wenn mich jemand fragt." "Das ist mehr als nett, Senhor. Sie sind galant. Und ja, es gibt eine Hintertür, gleich hier neben den Büschen." Die Tür führte in eine gewaltige Speisekammer. "Sie können mich absetzen", sagte Carin. Raphael dachte darüber nach. Es war seine Schuld, dass sie nass war und fror. Wie könnte er sie jetzt im Stich lassen? "Ich bringe Sie in Ihr Zimmer, Senhora. Wo ist es?" Sie sagte es ihm, und er ging schnell die Hintertreppe hinauf in den ersten Stock. Carin streckte die Hand aus und öffnete die Tür, Raphael drückte sie mit dem Ellbogen hinter sich zu. "Sie können mich jetzt hinunterlassen." Raphael nickte. "Natürlich", sagte er, aber er tat es nicht. Er stand mit ihr in den Armen da und wunderte sich darüber, dass Carin nach Jasmin und Rosen duftete, nachdem sie in einem Springbrunnen durchnässt worden war. "Senhor. " Sie atmete tief durch. "Ich muss Sie um Entschuldigung bitten." "Ich nehme sie an." Er lächelte. "Aber nur, wenn Sie mich Raphael nennen. " Carin lachte. "Eigentlich sollten Sie sagen, dass eine Entschuldigung nicht nötig ist." "Ich finde, dass eine angebracht ist. Sie haben mich mit Schimpfnamen belegt, von denen ich wirklich nicht alle verdient hatte. " Sie lachte wieder, lehnte sich in seinen Armen zurück und sah ihm ins Gesicht. "In Ordnung. Es tut mir ehrlich Leid." Deus, sie war schön. Und bezaubernd, jetzt, da sie nüchtern war. Sie musste sich ausziehen, damit sie sich keine Erkältung holte. Ich könnte ihr dabei helfen, dachte Raphael und spürte, wie er wieder erregt wurde. Behutsam stellte er sie auf die Füße. "Sie müssen die nassen Sachen ausziehen und heiß duschen, Carin.“ "Ich weiß." Sie zögerte. "Raphael, ich möchte nicht, dass Sie glauben ... Mir zu Hilfe zu kommen war nett von Ihnen. Ich trinke normalerweise nicht so viel." Er nickte. Das hatte er sich schon gedacht. "Ich habe so etwas noch nie getan. Es ist nur, dass ..." Carin verstummte. Sie schuldete diesem Fremden keine Erklärung, wollte ihm trotzdem eine geben und
wusste keine, die sie nicht noch erbärmlicher aussehen lassen würde. "Hat nichts zu sagen." Sie streckte die Hand aus. "Danke für alles." Raphael nahm ihre Hand. Carin war nahe daran gewesen, ihm zu erzählen, was sie hatte vergessen wollen. Schließlich war das der Grund, warum Leute tranken. Um zu vergessen. Um Schmerz zu heilen. Und ja, trotz ihres Lächelns erkannte er, dass sie litt. Wer hatte ihr wehgetan? Ein Mann? Er hatte es verdient, verprügelt, zu werden. Diese Frau war zu zerbrechlich, zu schön ... Raphael ließ ihre Hand los und trat zurück. "Ich freue mich, dass ich Ihnen helfen konnte", sagte er höflich. "Sie müssen jetzt zusehen, dass Ihnen wieder warm wird. Soll ich die Haushälterin bitten, Ihnen heiße Suppe zu bringen?" "Nein, danke." Carin streifte seine Smokingjacke ab. "Wollen Sie sie so mitnehmen, oder soll ich sie bügeln las..." Raphael wusste, warum sie nicht weitersprach. Er hatte auf ihre Brüste gesehen, und die Spitzen waren sofort hart geworden. "Carin. " Ihr Blick verriet jetzt nicht mehr Schmerz und Verzweiflung, sondern etwas, was sein Blut pulsieren ließ. "Warum haben Sie sich das heute Nacht angetan, Carin?" fragte er rau. „Es war ein schwieriges Wochenende für mich." Sie befeuchtete sich die Lippen. "Deshalb bin ich doch noch zur Party gekommen. Ich wollte eigentlich nicht, aber meine Schwester hat es für eine gute Idee gehalten. Offensichtlich hat sie sich geirrt." Raphael lächelte. "Ihre Schwester ist eine interessante Frau." "Wie meinen Sie das?" "Sie hat mich gedrängt, Ihre Bekanntschaft zu machen. Sie hat gesagt, Sie seien schön und charmant, und ich würde Sie faszinierend finden." Carin wurde rot. "Hat sie nicht!“ "Nein." Raphael lachte. "Nicht direkt. Sie hat jedoch zu verstehen gegeben, dass sie denkt, wir beide würden gut zusammenpassen." "Oh, ist das nicht grässlich?" Carin verdrehte die Augen. „Tatsächlich hat Amanda Sie auch angepriesen. Sie hat mir erzählt, Sie seien unglaublich gut aussehend, unglaublich charmant, unglaublich alles. Ich müsste Sie einfach kennen lernen, denn Sie seien ... " "Unglaublich", sagte Raphael, und sie lachten beide. „Ja. Und da Mandy Sie für ein Muster an Perfektion hält..." „Wollten Sie nichts von mir wissen. Ich von Ihnen auch nicht. Es war zu viel Werbung." "Sie hat bestimmt nicht erwähnt, dass ich mein Bestes tu würde, um blau zu werden." "Blau? Ach so." Raphael lächelte. "Nein, hat sie nicht." Sein Lächeln verschwand. "Wollen Sie mir erzählen, was Sie dazu gebracht hat, sich zu betrinken?" Er sah ihr an, dass sie ein Dutzend bequeme Antworten in Erwägung zog und sich dann entschied, ihm die Wahrheit zu sagen.
"Ein Mann, der mir einmal etwas bedeutet hat..." Sie zögerte. "Er hat heute Abend geheiratet." "Ah." Raphael berührte ihre Wange. Ihre Haut war so zart Carin war wunderschön. Was für ein Mann würde eine andere wollen, wenn er sie haben konnte? "Es tut mir Leid, dass Sie verletzt wurden." "Das ist keine Entschuldigung. Ich hätte mich nicht wie eine Närrin benehmen dürfen." Raphael umfasste ihr Gesicht. "Sie sind keine. Der Mann, um den Sie trauern, ist ein Narr." "Danke. Sie möchten, dass ich mich besser fühle, und das ist nett von Ihnen, aber..." "Glauben Sie, ich würde so etwas sagen, wenn ich es nicht meinte?" Raphael küsste sie sanft und redete sich ein, dass er sie nur nochmals beruhigen wolle, doch dann blickte sie ihn an, er sah den Puls an ihrem Hals heftig schlagen und wusste, dass er sich belogen hatte. Er küsste sie wieder, und gerade als er dachte, er hätte ihren Blick falsch gedeutet, schmiegte sie sich an ihn und erwiderte den Kuss. Sein Herz hämmerte. Er begehrte sie, wie er noch nie eine Frau begehrt hatte. Trotzdem ermahnte er sich, dass es sinnlos war, sie so verzweifelt zu begehren. Dass es nur ein Fehler sein konnte, mit ihr zu schlafen, obwohl sie sich nach einem anderen Mann sehnte. Aber jetzt schob sie ihm die Finger ins Haar und begann, mit seiner Zunge zu spielen. Raphael hörte auf zu denken. Aufstöhnend drückte er Carin fest an sich, so dass sie seine Erregung spürte. Sie seufzte und rieb sich an ihm, und es kostete ihn all seine Selbstbeherrschung, sich zurückzuziehen. "Sieh mich an, Carin", hatte er rau gesagt. "Ich bin nicht der Mann, der dich verloren hat." "Das weiß ich. Du bist der Mann, den ich will.“ Raphael hatte sie hochgehoben und zum Bett getragen. Sie hatte gebrannt vor Verlangen, als er sie mit den Händen und dem Mund liebkost hatte ... "Senhor Raphael!“ Der Ruf riss ihn aus seinen Erinnerungen. Raphael blinzelte sah seinen Hausmeister auf sich zugaloppieren. Joäo fürchtete sich vor Pferden und wurde von den Männern erbarmungslos gehänselt. Er reite nur, wenn eine Katastrophe drohe, behaupteten sie. Raphael ritt ihm entgegen. "Was ist los?" „Ein Anruf, Senhor, von einer Frau namens Amanda al Rashid. Sie sagt, es sei dringend. Es gehe um ihre Schwester. „Carin", flüsterte Raphael. Er gab seinem Pferd die Sporen, beugte sich tief über den gestreckten Hals und jagte zum Haus.
3. KAPITEL
Raphael, wo bist du? Ihre Stimme hallte nur in ihrem Kopf wider. Du träumst, sagte sich Carin ständig. Und sie befahl sich, die Augen zu öffnen und aufzuwachen. Sie konnte nicht. Ihre Lider fühlten sich bleischwer an, und je mehr sie sich bemühte, desto fester hielt sie der Traum. Dennoch kämpfte sie, um ihn aufzugeben. Ihre Vernunft warnte sie, dass ihr Weg ins Nichts führen würde, falls sie der Finsternis erliegen sollte. Schließlich begann die Dunkelheit sie loszulassen, und Carin schwebte in einem trüben Zwielicht. Stimmen durchdrangen die Stille, forderten sie auf, die Augen zu öffnen und den Traum zu vergessen. Wach auf, Carin. Kommen Sie schon, Miss Brewster. Öffnen Sie die Augen. Carin, bitte sieh mich an. Sie erkannte die Stimmen. Ihr Arzt. Ihre Schwester. Sie hörte auch ihre Mutter und ihren Stiefvater. Was machten sie alle hier? Sie spürte, wie sie davontrieb, aber die Stimmen wollten es nicht zulassen. "Carin, es ist an der Zeit, aufzuwachen", sagte ihr Arzt. „Liebling, sieh uns bitte an", flehte ihre Mutter. "Carrie, lass den Quatsch, und öffne sofort die Augen", sagte Amanda energisch. Fast hätte sie gelächelt. Sie war schon seit Jahren nicht mehr "Carrie" genannt worden. Und dann nahm jemand ihre Hand. "Carin", flüsterte ein Mann. "Hörst du mich? Du musst jetzt aufwachen und mich ansehen." Raphael? War er hier? Saß er neben ihr, hielt er ihre Hand, und spendete er ihr Trost, wie er es schon einmal getan hatte? Natürlich nicht. Sie hatte von ihm geträumt, und das war dumm, denn er hatte doch klargemacht, dass er sie nie wieder sehen wollte. Nicht, dass sie ihn wieder sehen wollte. Was zwischen ihnen passiert war, wie sie sich benommen hatte, war falsch gewesen. Schändlich. Unanständig. Die Erregung, seine leidenschaftlichen Berührungen und das ekstatische Gefühl, eins mit ihm zu sein, hatten nichts zu sagen. "Raphael", sagte Carin und wachte so plötzlich auf, dass ihr schwindlig wurde. Sie war allein, in einer Welt nackter Tatsachen und konfuser Erinnerungen. Jene schreckliche Nacht. Sie hatte Sex mit Raphael gehabt. Er hatte ihr gegeben, was sie gewollt hatte. Leidenschaft, die sie alles andere hatte vergessen lassen. Aber als es vorbei war, empfand sie solch einen Selbstekel, dass sie sich aus seiner Umarmung befreite, ins Badezimmer flüchtete und sich einschloss. Sie hatte Angst, er würde ihr folgen... Und sie hoffte, dass er es tun würde. Er klopfte nicht an die Tür und rüttelte nicht am Griff. Er rief nicht : Carin, komm zurück zu mir. Als sie schließlich ins Schlafzimmer zurückkehrte, war Raphael fort. Unten war er auch nicht. Er hatte keine Nachricht hinterlassen. Auch nicht auf dem Anrufbeantworter in ihrer New Yorker Wohnung. Er hatte sich in all den Monaten danach nicht gemeldet.
Eine einzige unglaubliche, wundervolle Stunde. Das war alles gewesen. Nein, das stimmte nicht. Carins Herz schlug schneller. Raphael Alvares hatte ihr in jener Nacht mehr gegeben. Sie war schwanger geworden. Die stundenlangen Wehen. Amanda, die ihre Hand gehalten hatte. Die Entscheidung des Arztes, das Baby auf die Welt zu holen ... "Mein Baby", flüsterte Carin ängstlich. Sie berührte ihren Bauch. Er war flach. Ihre Tochter - das hatte sie im Voraus gewusst - war auf die Welt gekommen. Aber wo war sie? Am Schluss war irgendetwas schief gegangen. Jetzt fiel es ihr wieder Carin setzte sich auf. "Wo ist mein Baby'?" "Carin?" Sie wandte den Kopf, als die Tür aufging. "Oh Schatz! " sagte Marta Baron und umarmte Carin. Carin klammerte sich weinend an ihre Mutter, um die sich die anderen drängten. Jonas war da, Amanda, sogar ihr Stiefbruder Wade und seine Frau Lara. Aber nicht Raphael. Natürlich nicht. Er war nur ein Traum gewesen. "Liebling, es ist so wundervoll, dich wach zu sehen", sagte Marta Baron. "Wie fühlst du dich? Hast du Schmerzen? Lara, würdest du bitte den Arzt holen?" "Sicher." Lara Baron warf Carin eine Kusshand zu und eilte hinaus. "Erzählt mir von meiner Tochter", bat Carin. "Ist sie gesund?" "Ihr geht es gut. Und sie ist schön." Amanda setzte sich auf die Bettkante. Carin ließ sich zurücksinken. Ihr kamen wieder die Tränen, dann lachte sie und wischte sie mit dem Handrücken ab. "Ich will alles wissen. Wie groß ist sie? Welche Farbe hat ihr Haar? Wie viel wiegt sie?" "Sie wiegt dreitausenddreihundertzwanzig Gramm, ist zweiundfünfzig Zentimeter groß und hat schwarzes Haar. Oh Carin, sie ist perfekt." "Ich möchte sie sehen." "Bald, Carin." Ihre Mutter umarmte sie wieder. "Lass uns doch erst auf den Arzt warten, ja?" "Ich brauche ihn nicht." "Wahrscheinlich hast du Recht, aber es wird nicht schaden, wenn er dich untersucht, stimmt's?" Marta Baron tupfte sich mit einem Spitzentaschentuch die Augen ab. "Er hat gesagt, die Krise sei vorbei und dir würde es gut gehen, trotzdem waren wir alle ... " Ihr versagte die Stimme. Jonas tätschelte seiner Frau unbeholfen die Schulter und lächelte Carin an. "Du hast uns wirklich Sorgen bereitet, kleines Fräulein." „Ja? An viel kann ich mich nicht erinnern." "Nein, kannst du wohl nicht. Lass gut sein. Wichtig ist nur, dass jetzt alles in Ordnung ist." "Wo ist mein Baby? Im Säuglingszimmer?" „Ja. Und im Vergleich zu deinem kleinen Mädchen sehen alle anderen reizlos aus", erwiderte Amanda lächelnd. "Sie hat Recht", sagte Marta Baron. "Deine Tochter sieht genau aus wie du. Bis auf die Haarfarbe. Die hat sie wohl von ihrem Vater ..." Marta wurde rot. "Ich meine, sie ist wunderschön."
Carin seufzte glücklich, dann blickte sie Slade an. "Was macht ihr beide hier?" „Lara und ich hatten nichts Besseres zu tun. " Er lächelte breit. „Von Boston bis hierher ist es nur ein Katzensprung. Wir dachten, wir warten zusammen mit den anderen darauf, dass du die Augen aufmachst." "Das war nett von euch."
"Die Barons sind eben nett. Travis, Tyler und David lassen dich grüßen."
"Grüß sie von mir, wenn du mit ihnen sprichst."
"Und mein Thomas wird bald hier sein." Amanda blinzelte die Tränen weg.
"Du hast uns wirklich einen Schrecken eingejagt, Carin.“ "Das wollte ich nicht. Es tut mir Leid, euch das alles zugemutet zu haben." "Mach dir darüber keine Gedanken", sagte Marta Baron. "Ich wünschte nur, du wärst schon vor Monaten zu uns gekommen, um auf Espada zu wohnen ..." Sie räusperte sich. "Wichtig ist, dass du es überstanden und ein gesundes Baby hast." Carin schnürte es plötzlich die Kehle zu. "Ich habe euch enttäuscht. Das tut mir auch Leid." "Unsinn, Liebling. Wer könnte denn über ein neues kleines, Familienmitglied enttäuscht sein?" "Ich habe ihr dasselbe gesagt, Mutter." Amanda sah auf, als Lara hereinkam. "Arzt kommt“, formte Lara unhörbar mit den Lippen. Amanda nickte. "Und dass sie es nicht allein durchstehen müsste, weil wir alle zu ihr halten", sprach sie weiter. "Verdammt richtig", stieß Slade wütend hervor. "Was ist eigentlich aus dem Begriff der Verantwortung geworden?" Lara warf ihm einen warnenden Blick zu, und er runzelte die Stirn. „Na ja, stimmt doch, Süße. Wenn Carin es uns gleich erzählt hätte, wären wir Barons nach Brasilien geflogen und..." "Brasilien?" Carin setzte sich auf und sah ihre Schwester an. „Ich habe dir niemals irgendetwas erzählt." "Nein, zuerst nicht." "Überhaupt nicht. Du hast immer wieder gefragt, aber ich habe niemals …“ "Eigentlich doch.“ Amanda zögerte. "Warum reden wir nicht ein anderes Mal darüber? Wenn du dich besser fühlst?" "Ich fühle mich jetzt gut genug. Was meinst du mit ‚eigentlich doch'?" "Dir ging es schlecht. Und du hast nach ihm gerufen. Nach Raphael Alvares." Carin wurde blass. "Du hast es den anderen verraten? Oh Mandy, warum?" "Ich habe es nur Tom gesagt, aber..." "Und woher weiß es Slade?" „Er weiß es einfach." Amanda warf ihm einen Blick zu. "Von dir. Und wozu? Ich will nicht, dass einer von euch nach Brasilien fliegt und Raphael mitteilt, dass er ... mein Kind gezeugt hat." "Das muss niemand tun", mischte sich Jonas Baron ein. "Weil nämlich ... " "Niemand wird es tun", unterbrach ihn Marta Baron. "Ich hoffe, nicht. Raphael Alvares ist der letzte Mensch, den ich sehen will."
"Das meinst du nicht so, Schatz." "Und ob ich das meine." "Vielleicht ist jetzt nicht der beste Moment für Entscheidungen", sagte Jonas Baron. "Denk über alles nach. Ich habe es ein bisschen spät gelernt, aber ein Kind hat das Recht zu wissen, wer sein Vater ist." "Hört zu", erwiderte Carin müde. "Ich weiß, ihr wollt mich und meine Tochter beschützen. Ihr müsst jedoch begreifen, dass ich das Richtige getan habe. Für dich und Tyler war es anders, Jonas." „Ein Mann hat das Recht zu wissen, dass er Vater ist“, warf Slade ein. "Wenn ihm eine Frau dieses Recht versagt, wird er vielleicht alles tun, um Anspruch auf sein..." "Um Himmels willen, Slade! " Marta Baron blickte ihren Stiefsohn wütend an. "Müssen wir jetzt darüber sprechen?" Er atmete tief durch. „Tut mir Leid, Carin." "Nein, ist okay. Ihr macht euch zu viel Sorgen um mich, aber glaubt mir, bei mir ist es anders als bei dir, Jonas, oder bei dir, Slade." „Ja, sicher." Slade beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Stirn. "Vergiss nur nicht, dass der Mann nicht immer der Feind ist, Kleine." Carin lächelte. "Ich kenne einige, die man sogar als nette Kerle bezeichnen könnte." Aber nicht Raphael Alvares. Ihn würde wohl niemand für einen netten Kerl halten. Was Slade gesagt hatte, passte jedoch zu Raphael. Obwohl sie so wenig über ihn wusste, war sie davon überzeugt, dass er der Typ war, der Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, um zu bekommen, was er wollte. Sie hatte er nicht gewollt. Vor Qual stöhnte sie leise auf. Marta Baron nahm ihre Hand und wollte wissen: "Carin? Was ist los?" "Nichts. Mir geht es gut. Ich habe leichte Schmerzen, das ist alles." "Natürlich. Du hast Schmerzen und bist völlig erschöpft, und wir halten dir Vorträge, anstatt dich ausruhen zu lassen." Marta sah die anderen an. "Ich schlage vor, dass wir in der Lounge warten." Carin umfasste Amandas Arm, als die Barons im Gänsemarsch hinausgingen. "Mandy?" "Ja?" "Versprich mir, dass du nichts unternehmen wirst. Anscheinend sind die anderen auf den Gedanken gekommen, sich mit Raphael in Verbindung zu setzen. Ich will nicht, dass du dir den verrückten Einfall zu Eigen machst.“ Amanda wurde rot. "Tja, tatsächlich habe ich geglaubt ... Du hast immer wieder seinen Namen gerufen. Ich hatte den Eindruck, du wolltest..." "Nicht ihn", sagte Carin heftig. „Konzentrier dich jetzt erst einmal darauf, dich zu erholen. Und denk an deine Tochter, für die du das Richtige tun möchtest.“ "Oh, das werde ich." Carin seufzte. "Ich kann es kaum erwarten, sie zu sehen." "Hör zu, ich versuche, die Schwester zu überreden, dir sofort dein Baby zu bringen. " Amanda umarmte Carin. "Ruh dich in der Zwischenzeit aus, okay?"
Die Tür schlug leise zu. Carin schloss die Augen und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Ihr Baby. Raphaels Tochter. Er sah so gut aus. Die grauen Augen. Das schwarze Haar. Der energische Mund. Raphael Alvares war ein unglaublicher Liebhaber gewesen. Stark. Leidenschaftlich. Er hatte sie berührt, bis sie aufgeschrieen und sich ihm entgegengebogen hatte. Dann war er langsam in sie eingedrungen, und sie war gekommen, immer wieder. Das war ihr noch nie passiert. Zum ersten Mal hatte sie sich gewünscht, dass die Nacht ewig dauern würde ... Woran dachte sie denn da? Sie hatte gerade ein Kind bekommen. Sex war das Letzte, woran sie denken sollte. Und warum romantisierte sie ständig, was geschehen war? Raphael hatte nicht einmal versucht vorzutäuschen, dass es ihm irgendetwas bedeutete, mit ihr zu schlafen. Er hatte sie zurückgelassen, als wäre sie das billige Flittchen, für das sie sich selbst gehalten hatte. Nichts davon spielte jetzt noch eine Rolle. Sie war einfach müde und überreizt nach dem, was sie durchgemacht hatte. Raphael war ihr völlig gleichgültig. Sie hatte in seinen Armen alles Andere vergessen. Das hatte sie gewollt, und er hatte es ihr gegeben. Wenn die Erinnerungen daran sie noch immer quälten, bewies das nur, wie erbärmlich sie war. "Carin?" Sie öffnete die Augen. Ihr Arzt stand am Bett. "Doktor." Sie setzte sich auf und blickte ihn erwartungsvoll an. "Ich möchte meine Tochter sehen." „Ja, das habe ich schon gehört", erwiderte er lächelnd. "Werden Sie. Geben Sie mir nur erst fünf Minuten, um Sie zu untersuchen." "Keine Sekunde mehr." "Sie haben mein Wort. Okay, legen Sie sich zurück. Sie machen gute Fortschritte, Carin. Sie wissen ja wohl, dass es einige Zeit dauern wird, bis Sie sich erholt haben." "Ich nehme mir zwei Wochen frei." "Tja, das reicht nicht. Sie werden erschöpft sein und brauchen jemand, der Ihnen mit dem Baby hilft." "Ich bin stark wie ein Ochse, Doktor. Bestimmt bin ich in null Komma nichts wieder auf den Beinen." "Wenn Sie übertreiben, werden Sie es wahrscheinlich bereuen. So, sehen wir uns den Bauch an..." "Ich finde eine Lösung. Erzählen Sie mir von meiner Tochter. Geht es ihr wirklich gut?" "Und wie! Sie hat die beste Lunge im Säuglingszimmer und alle erforderlichen Finger und Zehen. Eine richtige kleine Schönheit. Tut es weh, wenn ich hier drücke?" Carin zuckte zusammen. "Ein bisschen.“ "Das ist okay. Ihnen geht es gut." Der Arzt richtete sich auf und lächelte sie an. "Erinnern Sie sich noch an das erste Mal, als Sie mich aufgesucht haben? Sie waren in Panik, und ich habe gesagt, alle Probleme würden sich lösen. Und ich habe Recht behalten. Ihre Familie ist begeistert von dem Baby, und der Vater
will an Ihrem und dem Leben Ihrer Tochter teilhaben. Das ist doch ziemlich bemerkenswert." "Ja, ist es wohl ... " Carin erstarrte. "Wie bitte?" "Ich halte es für bemerkens... " "Sie müssen mich mit einer anderen Patientin verwechseln. Der Vater meines Babys wusste nichts von meiner Schwangerschaft, und er weiß nichts von meiner Tochter. Er wird es auch niemals erfahren." Der Arzt räusperte sich. "Das ist natürlich Ihre Sache. So, jetzt sorge ich dafür, dass Sie Ihr Baby sehen können." "Das wäre wundervoll." "Nur eins noch. Die Dinge ändern sich, Carin. Man ist sicher, auf dem richtigen Weg zu sein, und dann stellt man ganz plötzlich fest, dass man einen anderen nehmen sollte." "Das habe ich schon gelernt." "Tja, manchmal lernen wir dieselbe Lektion in mehr als einer..." Die Tür öffnete sich, und der Arzt sah sich um. "Hier kommt Ihr Baby." Er ging hinaus und versperrte Carin die Sicht. "Mein kleines Mädchen", flüsterte sie und setzte sich auf. "Und meins", sagte ein Mann kalt. "Zumindest ist das die Geschichte, die man mir erzählt hat." Carin ließ den Blick von ihrer Tochter zum Gesicht des Mannes gleiten, der das Baby in den Armen hielt. Raphael Alvares.
4. KAPITEL Er war hier. Sie hatte das nicht geträumt. Er war zu ihr gekommen ... Nein. Carin sah ihm noch einmal ins Gesicht und wusste, dass er nicht ihretwegen gekommen war. Warum dann? Sie konnte sich keinen Grund vorstellen, es sei denn, einer ihrer Stiefbrüder hatte etwas unglaublich Dummes getan. "Querida ", sagte Raphael. Der Klang seiner Stimme und das spöttische Lächeln verwandelten den Kosenamen in eine Farce. "Raphael." Angst durchflutete sie, aber das war albern. Slade oder ein anderer von den Barons hatte Raphael hergeholt. Sie musste ihm nur erklären, dass es ein Irrtum gewesen sei. "Du scheinst überrascht zu sein, Carin." „Ja, bin ich. Was willst du hier?" Er kam auf das Bett zu. "Na, na, querida. Ich will dich sehen. Und meine Tochter." Er blickte den schlafenden Säugling in seinen Armen an. "Was machst du mit meinem Baby?" "Meinst du nicht unser Baby? Das ist ja wohl die allgemein übereinstimmende Meinung. Eine der Säuglingsschwestern dachte, der Vater sollte sich mit seinem
Kind bekannt machen. Ich habe beschlossen, mich ihrem kleinen Hirngespinst gegenüber nachsichtig zu zeigen." "Gib mir meine Tochter." "Natürlich. Würdest du so freundlich sein, mir erst zu verraten, warum du behauptet hast, ich sei ihr Vater?" "Ich weiß nicht, wovon du redest." Carins Stimme wurde schärfer. "Gib sie mir, Raphael." Er tat es und beobachtete, wie sie das Baby an ihrer Brust wiegte, vorsichtig die rosafarbene Decke öffnete und jede kleine Zehe und jeden Finger berührte. Tränen schimmerten in ihren Augen. "Mein kleines Mädchen", sagte sie leise und küsste das Baby. Madonna und Kind, dachte Raphael kühl, während sie ihre Tochter wieder in die Decke hüllte. Aber eine Madonna hatte keinen Sex mit einem Fremden und versagte einem Mann nicht das Recht zu wissen, dass er ein Kind gezeugt hatte wenn er es gezeugt hatte. Er konnte akzeptieren, dass einige Frauen so ungezwungen mit Sex umgingen wie Männer. Die Welt hatte sich verändert, besonders in Nordamerika. Offensichtlich war Carin Brewster eine von diesen neuen Frauen. Sie schlief mit einem Fremden, genoss die Lust, die er ihr bereitete, und vergaß die Sache, als hätte sie nur eine Tasse Kaffee mit ihm getrunken. Raphael drehte einen Stuhl herum, setzte sich rittlings darauf und verschränkte die Arme auf der Lehne. Er konnte nur nicht begreifen, warum ihn ihre Zügellosigkeit störte und warum sie ihn als Vater ihrer Tochter angab. "Das Baby stieß einen leisen Schrei aus. "Scht, Schatz", flüsterte Carin. Wenn es sein Kind wäre, würde ihn der Gedanke beunruhigen, eine Frau mit so laschen moralischen Grundsätzen es aufzog. Wer sie jetzt gerade beobachtete, würde natürlich meinen, dass sie die richtigen mütterlichen Instinkte besaß. Raphael presste die Lippen zusammen. War das alles nur eine Vorstellung für ihn? Er war reich. Andere Frauen fanden das faszinierend. Warum sollte diese nicht so sein? Sie hatte einen reichen Stiefvater, aber offensichtlich unterstützte er sie nicht, sonst würde sie nicht arbeiten müssen. Von ihrer Schwester hatte er erfahren, dass Carin Investmentberaterin war. Ein Kind von ihm könnte all das ändern. Wenn er so dumm wäre, nicht an ihren Worten zu zweifeln. Angenommen, das war ihr Plan, warum hatte sie dann ihre Schwangerschaft geheim gehalten? Vielleicht weil sie gewusst hatte, dass er ihr ins Gesicht gelacht hätte, wenn sie versucht hätte, ihn zu einer Vaterschaftserklärung zu verleiten. Das Schicksal hatte ihr in die Hände gearbeitet. Sie hatte bei der Geburt des Kindes, das angeblich seins war, in Lebensgefahr geschwebt. In so einem Fall war ein Mann leichter zu überzeugen. Er war völlig fertig. Zwei Tage Koffein, Wut und Verwirrung hatten ihn zermürbt. Er hatte nur gelegentlich eine kurze Zeit lang im Wartezimmer des Krankenhauses geschlafen. Meistens war er auf dem Flur auf und ab gegangen.
Einhundertmal hatte er sich befohlen, zu gehen und niemals zurückzukehren. Was tue ich hier eigentlich? hatte er sich immer wieder gefragt. Warum hatte er reagiert, als Amanda angerufen und ihm verzweifelt mitgeteilt hatte, ihre Schwester werde entbunden? "Das interessiert mich nicht“, erwiderte er kühl. "Erzähl das ihrem Liebhaber. Dem Mann, der ihr das Kind gemacht hat." "Du bist der Mann, Raphael." "Das ist..." Unmöglich, wollte er sagen, aber das war es nicht. Er hatte kein Kondom benutzt und Carin nicht gefragt, ob sie die Pille nahm. Alles war so schnell passiert. Das schockierende Verlangen, sie zu besitzen, hatte jeden vernünftigen Gedanken verdrängt. "Meine Schwester wollte uns nicht verraten, wer der Vater ihres Kindes ist." "Und jetzt passt es ihr plötzlich in den Kram, das Geheimnis zu lüften?" Amanda fing zu weinen an. Er sagte sich, es bedeute ihm nichts, doch es zerrte an seinen Nerven. "Erzähl", forderte er sie schließlich auf. Sie berichtete ihm, Carin habe viele Stunden in den Wehen gelegen und am Ende sei irgendetwas schief gegangen. "Sie blutete“, flüsterte Amanda. "Und ... und sie scheint zu wissen, dass sie es vielleicht nicht schafft. Sie haben mich zu ihr gelassen. Sie war nur halb bei Bewusstsein, aber sie hat meine Hand genommen und nach dir gerufen." Raphael hatte das Telefon hingeworfen und sich auf den Weg nach New York gemacht. Er hatte gewusst, dass diese Reise sein Leben verändern könnte. Ich tue es wegen des Kindes, mit Carin hat das nichts zu tun, hatte er sich gesagt. Konnte ein Mann, der seinen Vater niemals kennen gelernt hatte, etwas anderes tun? Während des langen Fluges hatte er beschlossen, einen Vaterschaftstest zu verlangen. Er war kein Dummkopf. Aber wenn es sein Kind war ... Was dann? Raphael stand auf, schob die Hände in die Hosentaschen und sah die Frau an, mit der er die leidenschaftlichste Stunde seines Lebens verbracht hatte. Sie war nicht die supergepflegte, teuer gekleidete Schönheit, deren Bekanntschaft er auf jener Party gemacht hatte. Jetzt war sie ungeschminkt und hatte dunkle Schatten unter den Augen, die ihre Zerbrechlichkeit noch betonten. Ihr Haar war zerzaust, und sie trug ein schlichtes weißes Nachthemd. Es spielte keine Rolle. Carin würde immer eine Frau sein, für die ein Mann seinen gesunden Menschenverstand aufgab. So, wie er es getan hatte. Sex ohne Schutz. Jetzt bezahlte er den Preis dafür ... Wenn sie die Wahrheit sagte und das Kind von ihm war. Raphael blickte das Baby an. Carins Tochter war schön. Sie hatte wie ihre Mutter große Augen und eine kleine, gerade Nase. Aber vielleicht sahen alle Babys so aus. Er kannte sich nicht aus mit Kindern. Seine Erinnerung an seine Kindheit war trostlos, und anders als sein Vater hatte er immer darauf geachtet, keine kleinen Abbilder von sich zurückzulassen, wenn er eine Affäre gehabt
hatte. Er atmete tief durch und befahl sich, nicht länger an diese Dinge zu denken. Soviel er wusste, war das Baby von Carins Liebhaber, der in jener Nacht wie eine geisterhafte Erscheinung zwischen ihnen gestanden hatte. Die Tür ging auf, und eine Krankenschwester kam herein. Sie warf ihm das routinierte Lächeln zu, mit dem anscheinend alle neuen Väter in diesem Stockwerk bedacht wurden. "Hallo, Dad. " Raphael wollte etwas erwidern, überlegte es sich anders und nickte nur. "Und Mom. Wie fühlen wir uns?" "Gut", sagte Carin, aber es klang zittrig, und ihm fiel plötzlich auf, dass ihr Gesicht eine zu rosige Farbe hatte. Die Schwester fand das offensichtlich auch. Sie nahm Carin das Baby weg. "Würden Sie bitte einen Moment lang Ihre Tochter halten, Sir?" "Nein" protestierte Carin schnell. "Ich möchte lieber..." Raphael trug das Baby und beobachtete, wie die Schwester Carins Handgelenk umfasste. "Ist sie krank?" fragte er kurz angebunden. "Nein, nein, ich bin sicher, Ihrer Frau fehlt nichts." "Sie ist nicht..." Er verstummte. Ihre Beziehung ging niemand etwas an. "Vielleicht hat sie sich überanstrengt." "Hm. Sie braucht viel Ruhe, wenn sie das Krankenhaus in einigen Tagen verlassen will." "Einige Tage?" wiederholte Carin. "Ich möchte so schnell wie möglich nach Hause." "Sie sollten die Zeit hier nach Kräften nutzen. Wenn Sie erst einmal mit Ihrem Baby zu Hause sind, werden Sie die halbe Nacht auf sein." Carin lächelte. "Nur die halbe?" "Natürlich." Die Schwester nahm Raphael den Säugling ab. "Ihr gut aussehender Ehemann wird doch bestimmt gern helfen. Stimmt's, Dad?" "Gewiss", sagte Raphael steif und fragte sich, wie lange es dauern würde, den Vaterschaftstest machen und die Ergebnisse analysieren zu lassen. "Zwei oder drei Tage", erwiderte der Arzt munter, als würden ihn neue Väter ständig danach fragen. "Ich vermute, es geht noch schneller, wenn Sie bereit sind, Zuschläge zu zahlen." Raphael war dazu bereit. Aber er brauchte Carins Einwilligung. Er wartete, bis ihre Familie beim Abendessen war, dann klopfte er an ihre Tür. "Ja?" rief Carin leise. Er betrat das Zimmer und ging energisch zum Bett. "Wir müssen reden", begann er. Was er sonst noch hatte sagen wollen, blieb ihm im Halse stecken. Carin stillte das Baby. Er warf einen flüchtigen Blick auf ihre Brust und wandte sich schnell ab. "Entschuldige. Ich komme wieder, wenn du..." Auf dem Flur lehnte er sich an die Wand und versuchte, an nichts zu denken, doch es war unmöglich. Die Erinnerungen kehrten zurück. Carin, in seinen Armen. Ihr Körper. Wie sie sich unter ihm bewegt hatte. Wie sie aufgeschrieen hatte. Was sie ihm zugeflüstert hatte. Und jetzt das Kind - vielleicht ihr gemeinsames Kind - an ihrer Brust, die er einmal geküsst und gestreichelt hatte.
Er sehnte sich verzweifelt nach einer Zigarette, was verrückt war, weil er seit Jahren nicht mehr rauchte. Schließlich eilte eine Krankenschwester ins Zimmer und kam mit dem Baby heraus. Er straffte die Schultern und ging wieder hinein. Carin saß im Bett und hatte die Decke um sich festgesteckt. Er beschloss, ihr sofort zu sagen, warum er gekommen war. "Ich habe dafür gesorgt, dass die Tests gleich morgen früh gemacht werden." „Tests?"
"Um festzustellen, ob ich der Vater bin."
Carins Augen funkelten. "Das ist nicht notwendig."
"Doch. Erwartest du etwa, dass ich ohne Beweis die Verantwortung für dein
Kind übernehme?" Warum taten ihr seine Worte weh? Sie wollte nichts von ihm und hatte nichts verlangt. "Nein, ich erwarte nicht, dass du die Verantwortung übernimmst", erwiderte sie höflich. "Du musst keine Angst vor dem Test haben. Sie brauchen nur ein bisschen Blut, das ist alles." "Ich habe keine Angst." "Gut. Dann sage ich im Labor Bescheid..." "Aber ich werde ihn nicht machen, weil es keinen Grund für einen Test gibt." "Wenn du von mir erwartest, dass ich das Kind als meins anerkenne, ist das Grund genug." "Ich erwarte es nicht. Hast du das noch immer nicht kapiert?" "Du hast mich kommen lassen, Carin." "Nein. Amanda glaubt anscheinend, ich hätte deinen Namen gesagt, während ich ... Was auch immer ich gesagt habe, ich habe dich nicht kommen lassen“. Du lieber Himmel, sie war so ruhig und beherrscht. Sie klang, als hätte sie Lob dafür verdient. Aber warum hatte sie es nicht getan, wenn es sein Baby war? Welche Frau würde denn einen Vater von seinem Kind fern halten? Wenn sie sich beherrschen konnte, dann konnte er es auch. "Wie dem auch sei, jetzt bin ich hier. Und ich werde herausfinden, ob wahr ist, was du behauptest." "Ich habe nichts behauptet." "Willst du damit sagen, dass das Kind nicht von mir ist?" Carin blickte ihn starr an. Zu lügen wäre so einfach ... Aber eines Tages würde ihre Tochter wissen wollen, wer ihr Vater war, und sie würde ein Recht auf die Wahrheit haben. "Sie ist meine Tochter. Ich habe sie auf die Welt gebracht." "Das ist keine Antwort auf meine Frage." "Geh einfach." Carin ließ sich zurücksinken. "Ich will nichts von dir." Raphael verschränkte die Arme und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. "Nicht einmal Unterhaltszahlungen?" "Habe ich einen Penny verlangt?" "Wie könntest du? Du hast mich nicht einmal über deine Schwangerschaft informiert." Er verzog den Mund. "Oder dachtest du, es würde mehr Eindruck auf mich machen, wenn du mir ein Kind statt eines dicken Bauchs präsentierst?"
Carin warf die Decke zurück. Er versuchte, sie aufzuhalten, doch sie stieß seine Hand weg. „Fass mich nicht an!" Auf dem Stuhl neben dem Bett lag ein weißer Bademantel. Sie zog ihn an und stand auf. "Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich komme sehr gut allein zurecht. Ich kann aufstehen und laufen. Ich kann alles tun, was ich will, und jetzt will ich, dass du mir aus den Augen gehst!“ "Mir ist gleich, was du willst. Ich tue, was ich tun muss. Wenn sich herausstellt, dass es mein Kind ist, werde ich das Richtige tun.“ Carin lachte und hob trotzig das Kinn. "Warum mache ich es uns nicht einfach, Raphael? Du glaubst also, meine Tochter sei nicht von dir? In Ordnung. Ist sie nicht." Auf die Worte hatte er gewartet, aber was bedeuteten sie, wenn sie ihm so hingeworfen wurden? "Du änderst deine Geschichte von einer Minute zur anderen. Ich bin nicht den ganzen Weg hierher gekommen, damit du mit mir spielst, Carin. Ich habe einen Anspruch auf den Vaterschaftstest. " Du liebe Güte, wie lange muss ich das noch ertragen? dachte Carin. Sie verachtete Raphael Alvares. Sein Ego. Seine Arroganz. Diese unausstehliche Überzeugung, dass sich die Welt nur um ihn drehte. Hatte sie wirklich von dem Mann geträumt? Nein, sie hatte von Sex geträumt, und sie hatte jene Stunde mit ihm nur deshalb nicht vergessen können, weil Frank sie hatte fallen lassen und sie sich bei Raphael zum ersten Mal wieder als Frau gefühlt hatte. Also gut, sie hatte von Raphael Alvares geträumt, doch das war jetzt aus und vorbei. Dass er sie der Lüge beschuldigte und der Verantwortung für sein Kind auszuweichen versuchte, genügte als Beweis, dass es richtig gewesen war, sich nicht mit ihm in Verbindung zu setzen. Je eher sie ihn aus ihrem und dem Leben ihres Babys hinausbeförderte, desto besser. "Hast du gehört, was ich gesagt habe?" Raphael umfasste ihre Schultern. "Ich verlange einen Test. Es ist mein Recht." Carin lachte und riss sich los. "Du hast keine Rechte." "Deine Familie würde dir nicht zustimmen." "Meine Familie trifft nicht meine Entscheidungen." "Du behauptest, ich sei der Vater, und wenn ich zu dir komme und dich bitte, es mit einem Test nachzuweisen, weigerst du dich. Wie willst du deiner Tochter das erklären, wenn sie groß ist?" "Ich werde ihr erzählen, dass sie besser dran war, ohne dich zu kennen", erwiderte Carin kühl. "Ich muss nicht darum bitten", sagte Raphael leise. "Mir wäre es lieber, die Sache friedlich zu erledigen, aber wenn du mich abweist ..." "Das habe ich schon getan. Du willst mein Nein nur nicht akzeptieren." "Ein Richter würde mir das Recht auf so einen Test zusprechen." Raphael zeigte aufs Telefon. "Wenn du mir nicht glaubst, ruf deinen Stiefbruder an, denjenigen, der Anwalt ist. Er wird es dir bestätigen." Carin blickte Raphael lange an, dann tastete sie hinter sich nach dem Bett und sank auf die Kante. "Warum machst du das?"
"Weil ich das Richtige tun will. Wenn es mein Kind ist, wünsche ich mir, dass es anständig aufgezogen wird. Möchtest du das deiner Tochter verweigern?" "Ich möchte ihr nichts verweigern. Dir verweigere ich mich." Ein Nerv zuckte an Raphaels Schläfe. "Die Diskussion ist beendet. Ich bitte dich nicht um diesen Test, ich befehle dir, ihn zu machen." "Wo du herkommst, ist die Einstellung vielleicht ein Bombenerfolg, aber hier bedeutet sie nichts." Carin stand auf und ging einen Schritt auf Raphael zu. Ihr Gesicht war gerötet, und ihre Augen funkelten vor Wut. "Raus!" Als er sich nicht rührte, tippte sie ihm mit dem Zeigefinger an die Brust. "Raus!" Raphael umfasste ihr Handgelenk. "Zeig nicht mit dem Finger auf mich. Das mag ich nicht." „Und ich mag es nicht, wenn man mir Befehle erteilt." „In meinem Land kennen Frauen ihren Platz", stieß Raphael grimmig hervor. „Oh ja, ich wette, sie sprechen nur, wenn sie angesprochen werden. Gehen zwei Schritte hinter ihrem Herrn und Gebieter. Und nachts sind sie sanft und willfährig im Bett." "Willfährig, ja", sagte er rau, "aber nicht im Bett." Plötzlich schien die Luft zu knistern vor Spannung. Die Sekunden zogen sich in die Länge. Dann ließ er Carins Handgelenk los und trat zurück. "Ich bin gekommen, weil ich geglaubt habe, du wolltest mich sehen", sagte er kühl. "Jetzt verlange ich Antworten." Carins Herz raste. Und das nur, weil er sie gerade so leidenschaftlich angeblickt hatte. Dass er noch immer diese Wirkung auf sie hatte, verstärkte ihre Wut. "Ich habe dir Antworten gegeben. Wenn sie dir nicht gefallen, ist das dein Problem." "Warum hast du dich nicht mit mir in Verbindung gesetzt, sobald du erfahren hast, dass du schwanger bist?" "Wozu? Hättest du mir vor neun Monaten eher geglaubt als jetzt?" Ihre Augen funkelten herausfordernd. "Ich bedeute dir nichts, Raphael. Und du bedeutest mir nichts. Belassen wir es dabei." "Wenn wir gemeinsam ein Kind gezeugt haben, ändert das die Gleichung." Im Grunde ihres Herzens wusste Carin, dass er Recht hatte. "Ich habe daran gedacht, mich bei dir zu melden, aber..." "Aber?" Sie war schockiert gewesen, nachdem sie erfahren hatte, dass sie schwanger war, und sie erinnerte sich gut an den einen Moment, als sie die Hand nach dem Telefon ausgestreckt hatte. Dann war es ihr unmöglich vorgekommen, ihm zu sagen, dass sie ein Kind von ihm erwartete. Einem Mann, den sie nicht kannte, der Tausende Meilen weit weg lebte, der Sich von ihr abgewandt und niemals zurückgeblickt hatte. "Ich habe mich dagegen entschieden", sagte sie. "Wir sind Fremde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dich um Hilfe zu bitten." "Fremde, die zusammengekommen sind und ein Baby gemacht haben. Das soll ich glauben, richtig?" "Es ist die Wahrheit."
"Ach ja?" Raphael zuckte die Schultern. "Das wird ein Test zeigen." Carin setzte sich wieder auf die Bettkante. Wenn ihre Schwester ihn doch nur nicht hergeholt hätte. Sie wollte ihn hier nicht haben. Er brachte alles durcheinander. Ihr Leben hatte eine Wendung genommen, die ihr zuerst Angst eingejagt hatte, doch sie hatte sie akzeptiert. Sie hatte sich sogar gefreut, sobald sie zum ersten Mal ihr Baby gespürt hatte. Und jetzt stellte Raphael alles auf den Kopf. Aber er hatte Recht. Ihr Baby hatte ebenso wie er einen Anspruch auf die Wahrheit. "Na schön", sagte Carin leise. "Ich mache den Test." Raphael nickte. Seine Miene verriet nichts. "Weil meine Tochter das Recht hat, den Namen ihres Vaters zu wissen. Und weil ich bei so einer Sache nicht lügen würde." Er lachte unfreundlich. "Natürlich würdest du das tun, querida. Du bist eine Frau, die an ihre Freiheit gewöhnt ist, und jetzt hast du ein ungeplantes Kind. Was wird aus deinem Leben, wenn du tagsüber arbeiten und abends mit einem Baby zu Hause sitzen musst? Wir beide wissen, dass ich das ändern könnte." "Du irrst dich." "So?" Raphael ging langsam auf sie zu. „In welcher Hinsicht?" "Ich führe nicht so ein Leben, wie du es dir anscheinend vorstellst. Und ich habe einen Beruf, in dem ich gut verdiene. Ich werde mit meinem Baby prima zurechtkommen." "Du meinst, du hattest einen Beruf." "Wie bitte?" "Du bist jetzt Mutter." "Und?" "Deine Karriere ist zu Ende." Carin lachte. Sie hatte schon lange nicht mehr richtig gelacht, und es tat gut. "Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Frauen arbeiten und ziehen gleichzeitig Kinder auf. Dir ist das sicher neu, aber ..." "Frauen, die arbeiten müssen, tun es. Frauen, die eine Wahl haben, tun es nicht." Carin hob herausfordernd das Kinn. "Dann ist es ja gut, dass ich eine Wahl habe." „Deine Zuversicht ist amüsant, querida." Raphael blieb vor ihr stehen. "Auch, was dieses Kind betrifft." "Ich glaube es einfach nicht", sagte Carin müde. “Fangen wir jetzt wieder damit an? Ich habe doch gesagt, ich würde den Test machen." „Wir waren nur das eine Mal zusammen. Weißt du, wie die Chancen stehen, bei so einer zufälligen Begegnung schwanger zu werden? Und du bist aus dem Bett eines anderen Mannes gekommen. Ich verspreche dir, du wirst es bereuen, wenn das Kind von deinem Liebhaber ist und du versuchst, mich noch einmal zu benutzen, damit ich das tue, was du dir eigentlich von ihm wünschst." "Ich hasse dich", flüsterte Carin. Tränen traten ihr in die Augen, und sie wischte sie mit dem Handrücken weg. "Ich hasse dich, Raphael!"
"Das hast du in jener Nacht nicht gesagt. Nicht, während ich mit dir eins war", erwiderte er kalt. Er beugte sich zu ihr hinunter, schob ihr die Finger ins Haar und küsste sie. Sofort wurde er erregt, und er zog sich zurück, voller Hass auf sich, auf sie und die grausame Schicksalswendung, die sie beide zusammengebracht hatte. "Du mieser Kerl!" Er dachte daran, ihr zu sagen, dass er genau das sei und nur dafür sorgen wolle, dass sein Kind - wenn es seins war - seinen Namen bekam, aber etwas so Persönliches brauchte sie über ihn nicht zu wissen. "Meine Tochter gehört mir. Ich habe ihr das Leben geschenkt, fast auf Kosten meines eigenen. Und ich treffe die Entscheidungen, die ihr Leben bestimmen. Das solltest du besser akzeptieren.“ "Wir stammen aus verschiedenen Welten, querida. In deiner ist Moralität ein Spiel. In meiner kennt die Frau ihren Platz. Der Mann beherrscht sein Haus, sein Leben und seine Frau." "Wie bedauerlich für die Frauen." Raphael lachte. "So denkst du jetzt, minha dona, aber wenn die Tests beweisen, dass ich tatsächlich der Vater deines Kindes bin, wirst du lernen, dass ein solches Leben Vorteile hat." Er blickte auf ihren Mund, dann sah er ihr in die Augen. „Eine gehorsame Frau muss sich um nichts Gedanken machen. Sie ist gut versorgt." "Das ist die Katze meines Nachbarn auch, trotzdem würde keine Frau in meinem Bekanntenkreis mit ihr tauschen wollen." "Eine ausgezeichnete Analogie. Eine Katze lernt, wo ihr Platz ist, sie lernt, einfache Befehle zu befolgen und in der Nähe des Hauses zu bleiben, und sie wird belohnt. Sie wird gestreichelt, bekommt Spielzeug geschenkt, und wenn sie sehr brav ist, darf sie die Nächte im Bett ihres Besitzers verbringen." "Wovon redest du eigentlich? Was hat das alles mit mir oder meiner Tochter zu tun?" Carin beobachtete, wie Raphael spöttisch den Mund verzog, und plötzlich schien sich ein Abgrund vor ihr aufzutun. "Es ist spät. Bitte geh jetzt. Ich bin sehr müde." Raphael sah ihr an, dass es stimmte. Sie war so blass, dass ihre Haut durchscheinend wirkte. Er dachte daran, sie an sich zu ziehen und zu trösten, was nur bewies, wie gut sie darin war, einen Mann blind gegenüber der Realität zu machen. Alles Übrige konnte er ihr nach den Tests sagen. Wenn sie bewiesen, dass sie nicht gelogen hatte. "Ruh dich aus. Sobald du das Krankenhaus verlässt, wird sich dein Leben ändern. Es ist am besten, wenn du dich darauf einstellst." "Natürlich wird sich mein Leben ändern. Das weiß ich. Und ich bin darauf vorbereitet." Die Hand am Türgriff, drehte sich Raphael langsam um und sah Carin an. "Ich hoffe es, querida", sagte er leise. "Aber ich bezweifle es."
5. KAPITEL Der Frühling in New York war bisher warm und sonnig gewesen, doch das Wetter schlug plötzlich um. Es regnete an dem Morgen, als Carin aus dem Krankenhaus entlassen werden sollte. Der graue Himmel passte zu ihrer Stimmung. In dem Sessel ihr gegenüber saß die Repräsentantin von "Bio Tech Labs", die ihr die Testergebnisse gebracht hatte. Raphael war der Vater ihres Kindes. Obwohl sie es gewusst hatte, war es ein Schock für Carin, die Information schwarz auf weiß zu sehen. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber die Repräsentantin des Labors verstummte mitten in ihren Erklärungen. "Ist alles in Ordnung, Miss Brewster? Soll ich die Krankenschwester rufen?" Carin schüttelte den Kopf. "Nein, mir geht es gut. Es ist nur das Wetter. Kühl heute, stimmt's?" "Ja", sagte die medizinisch-technische Assistentin. Ihr Blick verriet jedoch, dass sie schon oft erlebt hatte, wie schockiert eine Frau reagierte, wenn der letzte Mann auf Erden, mit dem sie etwas zu tun haben wollte, als Vater ihres Kindes bestätigt wurde. Carin faltete das Blatt mit dem Testergebnis zusammen, schob es zurück in den Umschlag und hielt ihn der Repräsentantin hin. "Nein, Miss Brewster. Das ist Ihre Kopie. Haben Sie alles verstanden, oder soll ich Ihnen noch irgendetwas erklären?" Ja, dachte Carin. Wie konnte die blinde Leidenschaft einer einzigen Stunde zu so einem Schlamassel führen? Nicht, dass sie die Geburt ihres Babys damit meinte. Es war noch keine Woche alt, aber sie wusste schon, wie sehr sie ihre Tochter liebte. Carin begriff nicht, dass Raphael plötzlich zu ihrem Leben gehörte. In einem Augenblick war aus einem Fremden der Mann geworden, der verlangte, an der Zukunft ihres Kindes mitzuwirken. Es spielte keine Rolle, dass sie nichts von ihm wollte und alles dafür gegeben hätte, ihn aus ihrem Leben zu verbannen. Er hatte Pläne, die ihre eigenen irgendwie nebensächlich machten. Ob es ihr gefiel oder nicht, sie würde sich mit ihm befassen müssen. "Miss Brewster?" Carin sah auf. "Haben Sie Fragen?" "Nein, danke. Der Bericht ist sehr klar.“ Die Frau schloss ihren Aktenkoffer, stand auf und streckte die Hand aus. "Dann viel Glück. Wir hoffen, dass unsere Arbeit eine Hilfe war." "Danke." Carin schüttelte ihr die Hand und beobachtete, wie die MTA zur Tür ging. "Ich habe doch noch eine Frage." "Ja?" "Hat Senhor Alvares auch eine Kopie des Berichts erhalten?"
"Natürlich. Schon gestern. Es war zu spät, sie Ihnen zu bringen, er hatte jedoch darum gebeten, ihm die Information so schnell wie..." „Danke. Ich verstehe", sagte Carin. Nur dass sie es nicht tat. Sie hörte die Tür zuschlagen, während sie den Bericht auf ihrem Schoß ansah. Wenn Raphael den Beweis schon seit dem Vorabend hatte, warum war er noch nicht wieder aufgetaucht? Er hatte so halsstarrig auf dem Test bestanden und davon geredet, er wolle das Richtige tun. War die Realität mehr, als er akzeptieren konnte? Er musste sich bis zum Schluss an die Hoffnung geklammert haben, dass Frank der Vater war. Carin unterdrückte ein Stöhnen. Wenn sie nur zurückgehen und alles anders machen könnte. Wenn sie nur nicht nach ihm gerufen hätte ... Sie berührte die kleine Hand des Babys, das in einem tragbaren Bett neben ihrem Sessel schlief. "Du bist nicht gemeint, Kleines. Dich würde ich nicht um alles in der Welt eintauschen. Aber bei deinem Vater ist das etwas anderes. Ich wünschte, ich müsste nichts mit ihm zu tun haben." Leider musste sie. Raphaels Arroganz ärgerte sie. Dass er nicht hatte glauben wollen, sie geschwängert zu haben, beleidigte sie. Und es jagte ihr Angst ein, wie er sie angesehen hatte, als er davon gesprochen hatte, dass sich ihr Leben ändern würde. Wusste er etwas, was sie nicht wusste? Er hatte den Beweis verlangt, dass er der Vater ihres Babys war. Okay, den hatte er jetzt, zusammen mit seinem Namen auf der Geburtsurkunde. Sie hatte nicht auf den Laborbericht gewartet, sondern am vergangenen Abend angewiesen, ihn als Vater einzutragen. Außerdem hatte sie ihrer Tochter einen Namen gegeben. Sie sollte Amy heißen. "Amy", sagte Carin und nahm das Baby hoch, gerade als Marta Baron ins Zimmer kam. "Oh, wie schön!" Ihre Mutter strahlte vor Freude über ihre Tochter und Enkelin. "Amy ist so ein bezaubernder altmodischer Name. Gefällt er Raphael?" "Keine Ahnung", erwiderte Carin kühl. "Ich habe ihn nicht gefragt. Es geht ihn nichts an." "Ach, Schatz. Ich weiß, dass du ärgerlich auf ihn bist, aber …“ "Ärgerlich? Auf einen Mann, der einen Test verlangt, bevor er anerkennt, dass er der Vater meines Babys ist?" Carin lachte und stand auf. "Das ist nicht das richtige Wort, Mutter. Die Ergebnisse liegen übrigens vor." Carins Stimme wurde härter. "Raphael hat den Beweis, den er wollte. Er ist Amys Vater." "Natürlich ist er das", sagte Marta Baron und griff nach Amy. "Hallo, Liebling. Wie fühlt sich mein wunderschönes kleines Mädchen denn heute Morgen?" "Gut. Sie will nach Hause. Ich auch." "Noch nicht, Carin. Wir müssen ... warten. Auf ... auf die Krankenschwester. Du kannst nicht einfach so das Krankenhaus verlassen. Sie müssen dich in einem Rollstuhl hinausbringen." "Ich brauche keinen Rollstuhl!" schimpfte Carin und hasste sich, weil sie wie eine verzogene Zwölfjährige klang. "Ich bin durchaus imstande zu laufen." "Sei nicht so ungeduldig. Außerdem habe ich Raphael versprochen ..." Marta Baron biss sich auf die Lippe. "Ich hole die Schwester."
"Einen Moment mal. Carin hielt ihre Mutter am Arm zurück. "Was hast du Raphael versprochen? Und wann hast du überhaupt mit ihm geredet?" "Oh, vor einer Weile." "Ist er hier im Krankenhaus?" "Nein. Noch nicht Marta Baron wurde rot. "Du liebe Güte, ich sage zu viel!" "Du sagst nicht genug. Was geht vor?" "Nichts." Marta Baron konnte ihrer Tochter nicht in die Augen sehen. "Was verschweigst du mir, Mom?" fragte Carin leise. "Was hast du mit Raphael zu besprechen?" "Um Himmels willen, Carin, sei nicht so. Der Mann ist der Vater deines Kindes." "Dank vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit", sagte Carin kühl. "Er ist fest entschlossen, das Richtige für dein Baby und dich zu tun." "Ja, klar. Deshalb hat er nicht einmal angerufen und sich dafür entschuldigt, dass er behauptet hat, ich hätte gelogen und sei mit Frank zusammen gewesen, obwohl er doch der Einzige war..." Carin atmete tief durch. "Was Raphael Alvares glaubt, ist seine Sache. Lass uns jetzt gehen." "Ich bitte dich nur, fair zu sein. Dir selbst, dem Baby und Raphael gegenüber." "Willst du ihn etwa verteidigen?" "Ich finde wirklich, du hättest offener sein können, Carin. Warum hast du uns weisgemacht, ihr beide wärt nur in jener einen Nacht zusammen gewesen?" Carin blickte ihre Mutter starr an. Waren alle verrückt geworden? "Wovon redest du, Mom? Es war nur die eine Nacht. Warum sollte ich mir so etwas ausdenken? Ich weiß nicht, was für ein Märchen Raphael dir erzählt hat, aber ..." "Ich habe ihr alles erzählt, querida. Das hätte ich gleich tun sollen." Carin drehte sich um. Raphael kam ins Zimmer. Er trug ein enges schwarzes TShirt, Jeans und schwarze Lederstiefel und hielt einen großen Strauß leuchtend gelber Rosen im Arm. Sein Lächeln wirkte fast echt, er sah unglaublich gut aus, und einen Moment lang überlegte sie, wie es wohl gewesen wäre, wenn er die ganze Zeit über von Amy gewusst hätte und hier wäre, um sie beide nach Hause zu bringen... "Bom dia, Marta." "Guten Morgen, Raphael." Marta Baron lächelte, als er ihr die Hand küsste. Carin bemerkte den Blick, den die beiden austauschten. Sie wurde nicht schlau aus diesem Blick und fühlte sich wie eine Außenseiterin. Eine besorgte Außenseiterin. "Und Carin." Raphael überreichte ihr den Blumenstrauß und musterte sie schnell von oben bis unten. Sie ärgerte sich, weil er ihr plötzlich bewusst machte, wie sie aussehen musste. Mit Make-up hatte sie sich nicht abgegeben, und sie trug ein Kleid, das über ihren vollen Brüsten spannte. "Dir auch bom dia, querida." "Raphael." "Du hast den Laborbericht gelesen."
Es war eine Feststellung, keine Frage. Carin legte die Rosen aufs Bett und blickte Raphael herausfordernd an. „Ja." „Gut." Er lächelte. "Heute ist ein besonderer Tag für uns beide." "Zweifellos. Ich gehe nach Hause. Dein Name wird in Amys Geburtsurkunde eingetragen." "Amy?" "Warum siehst du so überrascht aus? Du hast doch wohl nicht erwartet, dass ich sie weiter mein ‚Baby' nenne." "Unser Baby", sagte Raphael ruhig. "Ist dir nicht der Gedanke gekommen, den Namen mit mir zu besprechen?" "Warum sollte ich? Du wolltest als ihr Vater anerkannt werden, und ich habe dir den Gefallen getan. Alle anderen Entscheidungen sind meine Sache." "So?" Sein Lächeln war stahlhart. "Meinetwegen, querida. Amy soll es sein. Ich mag den Namen, also ist es kein Problem." Das einzige Problem ist deine Arroganz, dachte Carin, sprach es jedoch nicht aus. Welchen Sinn hatte es, mit ihm zu streiten? Glücklicherweise würde Raphael Alvares bald aus ihrem Leben verschwunden sein. "Tatsächlich kann man Amy für die Kurzform eines Namens halten, den ich immer geliebt habe: Amalia." "Irgendeine Frau in deiner Vergangenheit würde über diese Neuigkeit sicher begeistert sein. Mich interessieren deine Vorlieben nicht." "Carin", mischte sich Marta Baron ein. "Liebling, Raphael sagt doch nur ... " „Er sagt entschieden zu viel. Er wird Amy nicht aufziehen. Das mache ich." "Tja, ich weiß, dass du... Ich meine, so ... Raphael? Möchtest du Carin nicht etwas mitteilen? Ich finde wirklich, du solltest es tun.“ Carin blickte ihre Mutter an. Marta Baron ließ sich nicht leicht aus der Fassung bringen, doch jetzt war sie völlig durcheinander. "Mir was mitteilen?" fragte Carin argwöhnisch. Raphael hatte sich durchgesetzt. Amy hatte seinen Namen. Was konnte er denn noch wollen? Besuchsrechte? Vielleicht hatte er sich mit einem Anwalt in Verbindung gesetzt. Sie hatte Angst gehabt, in einen Prozess mit einem Mann verwickelt zu werden, der über unerschöpfliche Geldmittel verfügte. "Würdest du uns bitte allein lassen, Marta?" "Oh. Natürlich, Raphael. Ich war nur ... Carin? Liebling, ich weiß, du bist noch immer wütend, aber denk daran, wie gern ihr beide euch hattet, bevor das alles passiert ist." "Wovon redest du? Wir hatten uns nicht ...“ "Marta", sagte Raphael leise. Carins Anspannung nahm zu, als ihre Mutter sie nervös anlächelte und mit Amy auf dem Arm aus dem Zimmer eilte. Sie wusste, dass etwas Schreckliches passieren würde. "Was geht hier vor?" fragte sie zittrig. "Wie ist meine Mutter zu dem Schluss gekommen, dass wir beide irgendeine ... Vergangenheit haben?" "Unsere Beziehung hat sie beunruhigt." Raphael lächelte kühl. "Ich habe getan, was ich konnte, damit sie sich nicht so viele Sorgen macht."
"Wir haben keine Beziehung." "Wir haben gemeinsam ein Kind gezeugt. Ich weiß, dass du meine Rolle dabei lieber nicht anerkennen würdest, aber so ist es nun einmal." „Streiten wir uns doch nicht darüber, wer was nicht anerkennen wollte. Sag mir einfach, was du meiner Mutter erzählt hast." Raphael ging langsam auf Carin zu. "Ich habe ihr erzählt, wir hätten uns an jenem Abend auf Espada tatsächlich zum ersten Mal getroffen. Und dann habe ich einige Details hinzugefügt, um alles andere annehmbarer zu machen." "Was für Details?" Erinnerungen durchfluteten Carin, als er ihr die Hand ins Haar schob und ihr mit dem Daumen sanft die Wange streichelte. In jener Nacht hatte er sie zuerst auch so sanft berührt und dann ungestüm und leidenschaftlich... "Was für Details?" wiederholte sie scharf. "Hör auf damit." "Ich berühre dich gern", sagte er leise. "All die Monate habe ich nicht vergessen, wie schön es war, deine zarte Haut zu spüren." Carin ballte die Hände zu Fäusten. Sie erinnerte sich an jeden Moment der Stunde mit ihm, aber das würde sie ihm gegenüber niemals zugeben. "Beantworte meine Frage. Was hast du meiner Mutter erzählt?" Er umfasste Carins Gesicht. "Ich habe es nicht direkt gesagt, doch ich habe sie glauben lassen, dass wir in jener Nacht intim waren." Carin lachte. "Das kann sich jeder denken, der von August bis Mai zählen kann." "Niemand kann sich denken, dass wir uns danach viele Male in New York getroffen haben." "Die Lüge hast du meiner Mutter erzählt? Wir haben uns nicht wieder gesehen, nicht einmal an jenem Morgen auf Espada. Du warst ohne ein Wort abgereist." Raphaels Blick wurde ausdruckslos. Er ließ Carin los, trat zurück und schob die Hände in die Hosentaschen. "Vielleicht hast du meine Abwesenheit ja sogar schon früher bemerkt, als du endlich aus dem Badezimmer gekommen bist“, sagte er kühl. "Gehst du mit deinen Liebhabern immer so um?" Er lächelte unfreundlich und fügte hinzu: "Die Liebe deines Lebens hast du doch sicher nicht so behandelt." "Wen?" "Deinen Frank. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dich nach einer Nacht in seinen Armen im Badezimmer eingeschlossen hast." Bei Frank habe ich mich niemals verletzlich genug gefühlt, um eine Tür abschließen zu wollen, hätte Carin fast gesagt, aber auch das würde sie Raphael gegenüber niemals zugeben. "Du bist doch wohl nicht so dumm, zu glauben, dass sich vergleichen lässt, was ich mit Frank und was ich mit dir gemacht habe." Sie sah, wie er die Lippen zusammenpresste. Gut, dachte sie verbittert. Sie hatte Raphael Alvares an einer empfindlichen Stelle getroffen. "Und wir reden hier nicht über Frank, sondern über den Unsinn, den du meiner Mutter erzählst hast. Meinst du, sie fühlt sich besser, weil du ihr vorgelogen hast, wir hätten uns in New York gesehen? Ich habe ein uneheliches Kind bekommen, Raphael. Heutzutage spielt das für viele Leute vielleicht keine Rolle mehr..."
"Für mich spielt es eine Rolle. Und für deine Familie. Deshalb habe ich deiner Mutter eine angenehmere Geschichte angeboten." "Vielen herzlichen Dank", erwiderte Carin sarkastisch. "Es ist schön, zu wissen, dass du der rücksichtsvolle Typ bist." "Hör zu, und pass genau auf, damit es in unseren Geschichten keine Unstimmigkeiten gibt", sagte Raphael scharf. "Ich habe deiner Mutter erzählt, wir hätten uns oft gesehen und uns sehr zueinander hingezogen gefühlt, aber dann einen Streit gehabt und uns getrennt, bevor wir von deiner Schwangerschaft gewusst hätten." "Ich verstehe nicht, warum du dich mit so einer umständlichen Lüge abgegeben hast. Zweifellos hat sie sich gefreut zu hören, dass wir ein Liebespaar waren, anstatt nur..." "Alle haben sich gefreut. Deine Stiefbrüder haben uns ihre Glückwünsche ausgerichtet und Thomas und Amanda auch. Weißt du, dass sie gestern nach Paris geflogen sind?" „Ja. Amanda ist vorbeigekommen und ... Glückwünsche?" Carin schüttelte verwirrt den Kopf. "Hat meine Mutter dieses lächerliche Märchen weitererzählt? Ich kann nicht glauben, dass irgendjemand in meiner Familie darauf hereinfallen würde." "Sind sie aber alle." Raphael lächelte. "Vielleicht stammst du aus einer Familie von Romantikern, und deine Verwandten stellen sich lieber vor, dass du aus Liebe und nicht notgedrungen heiratest." Er sah ihr den Schock an, und sein Lächeln verschwand. "Ganz recht, querida. Ich habe zu Marta gesagt, wir wollen heiraten.“ Raphael Alvares heiraten? Carin wusste, dass er es nicht ernst meinte. Er hatte das erfunden, um die Situation zu entspannen. Trotzdem, auch nur daran zu denken, seine Frau zu sein... "Das hättest du nicht tun dürfen! Jetzt wird alles nur noch schwieriger. Meine Mutter wird dauernd fragen, wann wir heiraten." "Sie wird nicht fragen", sagte Raphael sanft. Langsam öffnete er die beiden obersten Knöpfe ihres Kleids, ließ die Hände in den Ausschnitt gleiten und umfasste Carins nackte Schultern. Sie hielt den Atem an, und ihr Herz hämmerte. "Doch. Du kennst meine Mutter nicht." "Sie hat keinen Grund dazu, querida, weil ich die Frage schon beantwortet habe. Wir heiraten heute." Carin wurde schwindlig. Sie schwankte, und Raphael verstärkte den Druck seiner Hände. "Soll das ein Witz sein? Ich kann darüber nicht lachen. Und es ärgert mich, dass du meine Mutter belogen hast. Wenn sie die Wahrheit herausfindet..." "Sie kennt die Wahrheit. Du wirst meine Frau." "Du bist nicht witzig, du bist verrückt." Carin riss sich los und knöpfte ihr Kleid zu. "Ich habe alle Vorbereitungen getroffen."
"Du bist wirklich verrückt! Ich glaube, die psychiatrische Abteilung ist im obersten Stock. Frag einfach die Schwester, wenn du gehst." Raphael packte Carin am Arm, als sie an ihm vorbei wollte. Seine Augen funkelten vor Wut. "Das ist kein Scherz. Ich habe die Heiratserlaubnis. " „Für sich allein bekommt man keine Heiratserlaubnis", sagte sie einfallslos. Er lachte. "Wenn man die richtigen Beziehungen hat, schon." Es war ihm ernst damit. Er war verrückt, aber er meinte es ernst. Beruhig dich! befahl sie sich. "Vielleicht. Nur brauchst du mehr als eine Heiratserlaubnis." Sie riss sich wieder los. "Du brauchst eine willige Frau. In den Vereinigten Staaten kannst du keine Frau heiraten, die dich nicht heiraten will. Frauen sind kein Eigentum. Das hätte dir meine Mutter erklären können." "Deine Mutter findet das alles herrlich aufregend", erwiderte Raphael kühl. "Sie weiß, wie glücklich dich diese Neuigkeit macht." Er lächelte angespannt. "Du wirst ihr sagen, wie glücklich du darüber bist." "Vergiss es. Ich werde ihr die Wahrheit sagen. Und sobald ich das getan habe..." "Ich habe nicht nur unsere Heiratserlaubnis, sondern auch alle Dokumente, um meine Tochter mit nach Brasilien nehmen zu können." Carin war auf dem Weg zur Tür. Sie erstarrte, dann drehte sie sich langsam um. "Ich glaube dir nicht. Solche Verfahren dauern Monate, manchmal Jahre Sie verstummte. Raphael hielt ihr Papiere hin. "Sieh sie dir an. Das hier sind die Sorgerechtsunterlagen, und hier ist Amys Pass. Verschwende bitte nicht meine Zeit damit, mir zu erzählen, was man in den Vereinigten Staaten kann oder nicht kann. Ich habe einflussreiche Freunde. Bis du die Dokumente hast, die du brauchst, um mich zu stoppen, sind mein Kind und ich längst auf brasilianischem Boden." "Mein Kind", sagte Carin zittrig. "Unser Kind, wenn du deinen Verstand benutzt und das einzig Vernünftige tust." Einen Moment lang blickte sie Raphael starr an. Sie hasste ihn, hasste sich und die eine Stunde ungezügelter Leidenschaft, durch die sie ihm jetzt auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. "Du hast kein Recht, mir das anzutun", flüsterte sie. "Ich habe das Recht, dafür zu sorgen, dass mein Kind anständig aufwächst." "Du wolltest, dass sie deinen Namen bekommt. Ich habe sie als Amy Alvares registrieren lassen." "Das macht sie nicht legitim." Carin lachte. "Du meine Güte, hör dir nur mal selbst zu! Du sprichst in einem Atemzug über Erpressung und Legitimation." Raphael sah auf seine Armbanduhr. "Entscheide dich bitte. In meinem Hotel wartet schon der Beamte, der uns trauen wird." Es war schon vorher kühl im Zimmer gewesen. Jetzt war ihr eiskalt, und Carin schauderte. "Ich werde dir Besuchsrechte gewähren. Du kannst mein Kind sehen..."
"Unser Kind. Warum fällt es dir so schwer, das zu sagen?" "Unser Kind." Sie kämpfte darum, die Nerven zu behalten. Wir arbeiten einen Plan aus..." "Die Zeit wird allmählich knapp, Carin", unterbrach Raphael sie kurz angebunden. "Ich habe den Piloten angewiesen, mein Flugzeug am Mittag startklar zu haben." "Dein Flugzeug?" „Es ist ein langer Flug nach Brasilien, aber keine Sorge, querida. Ich habe mit deinem Arzt gesprochen und alle seine Empfehlungen für dein Wohlbefinden befolgt." Carin tastete hinter sich nach dem Bett und sank auf die Kante. "Gib mir zumindest Zeit zum Denken, Raphael. Verschieb die Sache bis morgen." Er sah, wie blass sie war, wie groß und dunkel ihre Augen geworden waren, und unerwünscht kehrte die Erinnerung daran zurück, wie groß und dunkel ihm ihre Augen vorgekommen waren, als er Carin in jener Nacht in Besitz genommen hatte. Dann erinnerte er sich an den Rest. Sie hatte ihn benutzt, abgewiesen und versucht, ihm vorzumachen, er hätte kein Kind. Er wurde ihr gegenüber gefühllos. Nur seine Tochter war wichtig. "Wir verschwenden Zeit. Kommst du mit?" "Aber ich lebe hier. Mein Zuhause ist hier." "Von jetzt an lebst du bei mir, in meinem Land. Du wirst Amys Mutter und meine Frau sein. Eine gehorsame, pflichtbewusste Ehefrau, die das Bett mit mir teilt, mir treu ist und andere Männer nicht einmal anblickt." "Ich werde niemals das Bett mit dir teilen, du Mistkerl! Hast du verstanden? Niemals! " Raphael hob Carin vom Bett, zog sie an sich und küsste sie, bis sie den Kuss erwiderte. „Querida ", flüsterte er, "siehst du, wie es zwischen uns sein kann?" Sie wich schwer atmend zurück. Angst, Qual und das Ausmaß der Lüge ließen ihre Stimme zittern. "Ich sehe nur, dass ich so tun kann, als wärst du Frank. Willst du, dass ich mit dir ins Bett gehe, die Augen schließe und mir vorstelle, ich sei mit einem anderen Mann zusammen?" Raphael überlegte nicht. Er holte aus, sah sie zusammenzucken, aber standhalten ... Nein. Um Himmels willen, nein. Er hatte noch nie eine Frau geschlagen. Carin würde ihn nicht in einen Mann verwandeln, der es tat, ganz gleich, wie sehr sie ihn quälte. "Nur das Kind ist wichtig. Mach dir das klar, meine zukünftige Ehefrau. Für Amy tue ich alles, und wenn du klug bist, stehst du mir dabei nicht im Weg."
6. KAPITEL
Sechs Wochen später stand Raphael in dem hohen Gras neben der Start- und Landebahn auf seiner Ranch im Südosten Brasiliens und beobachtete, wie sein Flugzeug abhob. Carins Arzt und die Krankenschwester flogen nach New York zurück. Raphael hatte sie für die Untersuchung seiner Frau kommen lassen. Carin hatte sich geweigert, den Gynäkologen aufzusuchen, den ihm sein Hausarzt empfohlen hatte. Sie hatte gesagt, sie würde lieber in die Staaten zu Dr. Ronald fliegen, aber Raphael hatte den Verdacht gehabt, dass sie irgendeinen Vorwand gefunden hätte, in New York zu bleiben. Deshalb hatte er dafür gesorgt, dass Dr. Ronald hierher nach Rio de Ouro kam. "Ihre Frau ist in Ordnung", hatte der Arzt gesagt und ihm ein Lächeln von Mann zu Mann zugeworfen. "Sie ist völlig wieder hergestellt. Das Leben kann sich normalisieren." Raphael wusste, was das Lächeln bedeutete, doch es ging niemand etwas an, dass er die Absicht hatte, nur dem Namen nach Carins Ehemann zu sein. Der Jet gewann schnell an Höhe und flog auf die Sierra Gaucha zu. Raphael ritt zurück zum Haus. Einer seiner Männer rannte herbei und nahm ihm die Zügel ab, als er absaß. Er bedankte sich, ging über die Terrasse in sein Büro, setzte sich an den Schreibtisch, schaltete den Computer ein und begann, die Geschäftsberichte der vergangenen sechs Wochen zu prüfen. Rio de Ouro war erfolgreich, seit er die Ranch vor zwölf Jahren gekauft hatte. Seine Rinder wurden auf dem Grasland fett, seine Pferde hatten eine der besten Blutlinien der Welt. Und seine verschiedenen Unternehmen in Sao Paulo und Rio de Janeiro waren erfolgreicher, als er es sich jemals vorgestellt hatte. „Alles, was du anfasst, verwandelt sich in Gold", hatte Claudia einmal zu ihm gesagt. Raphael runzelte die Stirn. Das stimmte, wenn man Erfolg nach dem Kontoauszug beurteilte. Wenn man die Beziehung zu seiner Ehefrau als Maßstab nahm ... Was hatte das damit zu tun? Er hatte eine Tochter, die er liebte und die mit Vater und Mutter aufwachsen würde. Das war sein Ziel gewesen, und er hatte es erreicht. Eines Tages würde Amy neben ihm durch dieses Land reiten und es ebenso lieben wie er. Sein Stirnrunzeln verschwand und er lächelte. Man konnte einem Mann doch wohl nicht verübeln, dass er Freude daran fand, seine Träume wahr werden zu sehen. Nach knapp einer Stunde beendete Raphael die Dateien und schaltete den Computer aus. Er drehte den Schreibtischsessel herum, so dass er mit dem Gesicht zu den Glastüren saß, die auf die Terrasse führten, lehnte sich zurück und dachte an den langen Weg, den er zurückgelegt hatte, um dahin zu kommen, wo er war. Sogar jetzt noch konnte er es manchmal kaum glauben. Fast hätte er das zu Carin an dem Abend gesagt, als er sie hierher gebracht hatte. Sie war in seinen Armen aufgewacht. "Wo sind wir?" hatte sie gefragt. Er hatte sie gehalten, seit sie begonnen hatte, sich im Schlaf hin und her zu werfen.
Die Krankenschwester, die sie auf dem Flug nach Brasilien begleitete, öffnete ihre Tasche. "Ihre Frau ist unruhig", sagte sie. "Ich gebe ihr ein Sedativum." Meine Frau, dachte Raphael. Er beobachtete, wie die Schwester eine Spritze aus der Tasche holte. "Nein", widersprach er schnell, "sie braucht das nicht." Er zog Carin an sich, und sie beruhigte sich sofort, legte ihm einen Arm um den Nacken und barg das Gesicht an seiner Schulter, so, wie sie es in jener Nacht getan hatte, als sie sich kennen gelernt hatten. Nur dass er jetzt kein Verlangen spürte, sondern den plötzlichen, heftigen Wunsch, sie zu beschützen. Stundenlang hielt er sie so, obwohl er Krämpfe in der Schulter hatte. Er sagte sich, er tue es nur, weil es richtig sei. Schließlich schlief er auch ein. Und er träumte, dass seine Braut ihn anlächelte, während er sie über die Türschwelle seines Hauses trug. Dass sie in einem langen weißen Spitzennachthemd zu ihm kam und ihn leidenschaftlich küsste. Dass sie in seinen Armen aufwachte und sagte, wie glücklich sie sei, bei ihm zu sein, in dem Haus, das er mit seinen eigenen Händen gebaut hatte. Als das Flugzeug aufgesetzt hatte, waren sie beide aufgewacht und Carin hatte in einem Ton "Wo sind wir?" gefragt, dass er ebenso gut „In der Hölle" hätte antworten können. Raphael stand auf und ging zu den Terrassentüren. Er wusste, dass Carin die Ranch hasste. Gesagt hatte sie es nicht. Sie redete so gut wie überhaupt nicht mit ihm. Aber er sah ihr an, was sie von Rio de Ouro hielt. Ihre Miene verriet es, wenn sie hinausblickte auf die endlosen Pampas oder wenn sie durchs Haus ging. Andererseits hatte er nicht erwartet, dass sie die Ranch liebte. Er hatte sie gegen ihren Wunsch hierher gebracht. Sie verachtete die Ranch, das Haus ... Sie verachtete ihn. Es war unwichtig. Er hatte getan, was er hatte tun müssen, für seine Tochter. Warum sollte es ihn interessieren, was Carin über die Ranch dachte? Er liebte Rio de Ouro. Das genügte. Er hatte dieses Land schon geliebt, bevor er es zum ersten Mal gesehen hatte. Es hatte zu seinem Leben und seinen Träumen gehört, solange, wie er zurückdenken konnte. Seine Mutter hatte die Ranch in ihren Gutenachtgeschichten beschrieben. So, wie sie sich die Ranch jedenfalls vorgestellt hatte, denn sie hatte sie niemals gesehen. Sie war Tänzerin in einem Nachtklub in Rio, als sie seinen Vater kennen lernte. Eduardo da Silva ließ sich nicht dazu herab, seine Geliebte mit zu sich nach Hause zu nehmen, aber er beschrieb ihr seine Ranch, und sie beschrieb sie ihrem Sohn, auch noch nachdem da Silva sie verlassen hatte. Sie erzählte Raphael von dem großen Haus, den Nebengebäuden, der endlosen Grassteppe und den Bergen. Amalia Alvares schenkte ihrem Kind einen Traum. Sie starb, als Raphael zwölf war. An Armut, an Verzweiflung, an dem, was aus Frauen wurde, die ihre Jugend und Schönheit verloren und nichts anderes hatten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Raphael lebte auf der Straße und schlug sich mehr oder weniger ehrlich durch, bis er vierzehn war. Eines Morgens wurde er vom Tritt eines Polizisten geweckt. Frierend, hungrig, wütend auf die Mutter, die gestorben war und ihn allein gelassen hatte, und wütend auf den Vater, der ihn niemals anerkannt hatte,
beschloss er, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Abgemagert und schmutzig machte er sich auf den Weg zu dem Paradies, das seine Mutter geschildert hatte. Er brauchte Wochen, um die Strecke zwischen Rio de Janeiro und den endlosen Grassteppen von Rio Grande Do Sul zurückzulegen. Warum tue ich das? fragte er sich. Weil er dem Mann gegenübertreten wollte, der sein Vater war? Wollte er Eduardo da Silva verfluchen? Ihm sagen, dass die Frau tot sei, die er einmal zu lieben behauptet hatte? Ihn schlagen, bis er um Gnade flehte? Raphael tat nichts davon. Seine lange Reise endete auf einer heruntergekommenen Ranch. Ausgetrockneter Boden, einige knochendürre Kühe und müde Pferde, Nebengebäude kurz vor dem Einsturz, ein Haus mit löchrigem Dach ... und ein im Sterben liegender jämmerlicher alter Mann. Raphael verließ den Ort binnen Stunden. Acht Jahre später kehrte er zurück. Er hatte Lesen und Schreiben gelernt, er hatte gelernt, seinen Verstand und nicht seine Fäuste zu benutzen, und, am besten von allem, er war reich. Seine Taschen waren mit dem Gold gefüllt, das er in einem tief im Regenwald versteckten Fluss ausgewaschen hatte. Und Rio de Ouro, noch schlimmer aussehend als vor acht Jahren, war zu haben. Raphael verkaufte sein Gold, investierte die Hälfte in Aktien, von denen außer ihm niemand etwas hielt, und kaufte mit dem Rest die Ranch. Er ging in die kleinen Städte am Fuß der Sierra Gaucha und suchte sich Männer, die harte Arbeit nicht scheuten. Gemeinsam rissen sie nieder, was von da Silvas Haus noch übrig war, und bauten ein neues. Es war nicht eine düstere Festung im spanischen Stil wie das alte, sondern aus Glas und Ziegeln, offen für die Sonne, den Wind und die Schönheit des Landes. Sie errichteten Ställe, Scheunen und Zäune und verbrannten das Gestrüpp. Raphael arbeitete ebenso schwer wie seine Leute, auch noch nachdem ihm die von anderen verspotteten Investitionen die erste Million eingebracht hatten. Ein Mann wollte seine eigene Welt selbst erschaffen. Die Zeit verging. Raphael bewegte sich in den Kreisen der Reichen und Mächtigen und begann, daran zu denken, all das weiterzugeben, was er aufgebaut hatte. Als er Claudia kennen lernte, schienen sich die Dinge zu ordnen. Sie war charmant und schön und kam aus einer alten brasilianischen Familie. Er glaubte, dass sie verstand, wie wichtig Kontinuität war, aber sie hatte nur Partys, Juwelen und sich selbst im Sinn. Er hatte gewusst, dass sie nicht zusammenpassten, deshalb hatte er die Verlobung gelöst und sich geschworen, beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein und eine Frau zu wählen, die schätzen würde, was er aufgebaut hatte. Raphael nahm einen leuchtend roten Apfel aus einer Silberschale und schob die Glastüren auf. Sofort hüllte ihn die Nachmittagshitze ein. Er ging nach draußen auf die Terrasse, stützte den Fuß auf den Sockel des Gitters und blickte zu den Bergen. Stattdessen hatte er einen einzigen Fehler gemacht, und jetzt hatte er eine Ehefrau, die noch ungeeigneter war, als es Claudia gewesen wäre. Eine Ehefrau,
die ihn und das Leben hier verachtete. Aber er hatte ein Kind. Nur das war von Bedeutung. Alles, was er aufgebaut hatte, würde eines Tages Amalia gehören. So nannte er Amy heimlich. Erstaunlich, was für Spiele das Schicksal trieb. Er hatte mit einer Frau geschlafen und sie gedankenlos geschwängert. Sie hatte ihm eine Tochter geschenkt, der sie den Namen Amy gegeben hatte, ohne zu wissen, dass es die Kurzform für den Namen seiner Mutter war. Er hatte daran gedacht, es Carin zu erzählen, vermutete jedoch, dass sie das Baby dann anders rufen würde, deshalb sagte er nichts. Aber es machte ihm Freude, "Amalia" zu flüstern, wenn er seine Tochter hielt. Ja, er hatte eine Tochter, die er innig liebte. Und eine Ehefrau, die ihm noch immer so fremd war wie in der Nacht, in der er vor fast einem Jahr mit ihr geschlafen hatte. Nach sechs Wochen Ehe wusste er über Carin eigentlich nur, dass sie gern bei seinen Pferden war und ihr sein Anblick verhasst war. Und das ließ sie ihn auch wissen. "Raphael", sagte sie, wenn sie sich auf der Treppe oder im Garten trafen. Dann nickte sie und rauschte an ihm vorbei, als wäre er ein Dienstbote. Nur dass sie seine Hausangestellten nicht so behandelte. Eines Morgens war er in die Küche gekommen, während sie lachend versucht hatte, sich halb auf Englisch, halb auf Portugiesisch mit der Köchin zu unterhalten. Sobald Carin ihn gesehen hatte, war ihr Lachen verschwunden. Sie hatte ihm wieder so herrisch zugenickt und war an ihm vorbeigerauscht. Mit dem Kindermädchen, das sowohl Englisch als auch Portugiesisch sprach, redete sie ebenfalls. Raphael hatte die Stimmen und das Lachen der beiden schon oft bis in seine Räume gehört. Wenn Carin mit ihm redete, lächelte sie nicht einmal. "Fühlst du dich wohl?" pflegte er zu fragen. "Ja", erwiderte sie dann. "Gefallen dir die Sachen, die ich für das Baby bestellt habe?" "Ja.“ "Brauchst du irgendetwas? Soll ich dich nach Sao Paulo oder Rio mitnehmen, damit du einkaufen kannst?" Nein und Nein. Joäo, der an einem guten Tag vielleicht sechs Sätze sagte, war gesprächiger als seine Frau. Das war schlimm genug, wenn sie allein waren, und er hatte in den vergangenen Wochen mehrmals Besuch gehabt. Von seinem Bankier, seinem Steuerberater. Von einem Geschäftsfreund, der von seiner Heirat gehört hatte und unangemeldet vorbeigekommen war. Jedes Mal hatte er Carin erst holen lassen müssen. "Hallo, wie schön, Sie kennen zu lernen", hatte sie höflich gesagt. Dann hatte sie sich in einen Sessel auf der anderen Seite des Zimmers gesetzt und kein Wort mehr von sich gegeben. Weder hatte sie geklingelt und die Haushälterin gebeten, Kaffee zu bringen, noch hatte sie seine Gäste gefragt, ob sie einen Drink oder etwas zu essen wünschten. Sie hatte einfach höflich
lächelnd dagesessen, und er hatte schließlich durchs Zimmer stürmen und sie schütteln, anschreien und küssen wollen, bis sie lebendig wurde. Raphael atmete scharf ein. Verdammt, nein. Er wollte Carin nicht küssen. Warum sollte er? Was er an dem Tag gesagt hatte, als er sie geheiratet hatte, galt nicht mehr. Er war zu einem Entschluss gekommen. Sie würde immer nur dem Namen nach seine Frau sein. Am Abend ihrer Ankunft hatte er sie ins Haus getragen und daran gedacht, sie in sein Zimmer, in sein Bett zu bringen. Nicht, um Sex mit ihr zu haben. Ganz gleich, was sie glaubte, er war kein Monster. Er hatte gewusst, dass sie Zeit brauchte, um sich von der Geburt zu erholen. Aber eine Ehefrau gehörte ins Bett ihres Mannes, und nur ein Idiot würde mit einer schönen Frau zusammenleben, ohne sie zu genießen, selbst wenn die Ehe einem Kind zuliebe geschlossen worden war. Dann hatte er Carin ins Gesicht gesehen. Sie hatte ihn angeblickt, als wäre er wirklich ein Monster. Eine Welle von Selbstekel hatte ihn durchflutet, und er hatte sie in eine der Gästesuiten getragen. Seit sechs Wochen führte sie ihr Leben in diesen Räumen oder im Kinderzimmer oder irgendwo, wo sie nicht das Pech haben würde, ihm zu begegnen. Er brauchte ihr natürlich nur zu befehlen, in seine Suite zu ziehen, und ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als zu gehorchen. In seinem Land hatte er die ganze Macht. Aber er würde es nicht tun, weil sie genau das von ihm erwartete. Tatsächlich wollte er sie überhaupt nicht mehr in seinem Bett haben. In Brasilien mussten sich Männer für ihre Bedürfnisse nicht rechtfertigen. Eine Geliebte zu haben war normal, besonders in seinen gesellschaftlichen Kreisen. Er hatte sich auch schon welche genommen. Bald würde er sich wieder eine zulegen. Die schlichte Wahrheit war, dass ihn Carin nur noch als Mutter seines Kindes interessierte. "Ich habe ihr gesagt, sie dürfe wieder intime Beziehungen zu Ihnen haben", hatte der Arzt erklärt, als Raphael auf das Lächeln nicht reagiert hatte. Raphael hatte genickt. "Ich verstehe." Jetzt überlegte er, ob ihn seine Stimme vielleicht verraten hatte, denn der Arzt hatte ihm einen verständnisvollen Blick zugeworfen. "Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass diese Dinge ein bisschen Geduld erfordern. Manche Frauen brauchen länger als andere, um sich von einer schweren Geburt zu erholen." Raphael öffnete die Pforte und ging zu den Ställen. Die Geburt hatte nichts mit Carins Abneigung gegen ihn zu tun, doch es war ihm gleichgültig. Er wollte jetzt nur noch, dass sie ihre ordnungsgemäße Rolle als seine Ehefrau übernahm. An diesem Abend würde er ihr mitteilen, dass sie ihn nicht länger ignorieren durfte. Sie würde dann essen, wenn er es tat. Sie würde seine Gäste unterhalten und ihm bei gesellschaftlichen Anlässen Ehre machen. Er würde ihr auch sagen, dass er nicht von ihr verlangte, sich in sein Bett zu legen. Das konnte sie sich aus dem Kopf schlagen. Vielleicht würde er sich an Claudia wenden, um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Es war ein Schock für sie gewesen, dass
er verheiratet war. Sie hatte vor einer Woche angerufen, und er hatte es ihr gesagt, ohne Einzelheiten zu erzählen, natürlich. "Ich werde dich vermissen, Darling", hatte sie geklagt, obwohl sie schon lange keine Beziehung mehr hatten. Sie könnten eine haben. Bei allen Fehlern, im Bett hatte ihn Claudia niemals enttäuscht. Und sie hatte klargemacht, dass sie gern wieder mit ihm ins Bett gehen würde. Warum nicht? dachte Raphael, als er am Zaun der Koppel stehen blieb, auf der sich der Hengst austobte, den er von Jonas Baron gekauft hatte. Claudia war schön, und sie würde nicht an einen anderen Mann denken müssen, um vor Ekstase zu stöhnen, wenn sie miteinander schliefen. Dass sie ihm weniger bedeutete als Rio de Ouro, war ihre einzige Beschwerde über ihn gewesen. "Du liebst diesen öden Ort mehr, als du eine Frau jemals lieben könntest", hatte sie gesagt, nachdem er die Verlobung gelöst hatte. "Du denkst immer nur an die Ranch." Raphael seufzte. Es war fast die Wahrheit, aber Claudia zu heiraten wäre auch dann ein Fehler gewesen, wenn er die Ranch niemals gesehen hätte. Sie war ein verzogenes reiches Mädchen, und er war ihrer Spiele, ihrer Zügellosigkeit und ihrer Untreue überdrüssig geworden. In seiner Kultur sah das Gesetz oft in die andere Richtung, wenn ein Mann seine untreue Frau schlug oder sogar tötete. Er hatte Claudia einfach mitgeteilt, er wolle sie nicht länger heiraten. Sie hatte ihn beschuldigt, nur deshalb niemals die Beherrschung zu verlieren und die Hand gegen sie zu erheben, weil er wahre Leidenschaft für sein Land, aber nicht für eine Frau empfinden könne. Er dachte an jenen Moment im Krankenhaus zurück. Carin hatte ihn verspottet, indem sie gesagt hatte, sie müsse so tun, als wäre er Frank, wenn sie mit ihm ins Bett gehe. Da hatte er die Hand erhoben. Zum ersten Mal hätte er fast eine Frau geschlagen, aber es hatte nichts mit Leidenschaft zu tun gehabt. Carin hatte ihn einfach wahnsinnig gemacht. Sie machte ihn wieder wahnsinnig, und das unter seinem Dach. Tja, damit war Schluss. Sie war seine Frau und hatte eine Rolle zu erfüllen. Seine Befehle mussten befolgt werden. Raphael pfiff leise. Das Pferd spitzte die Ohren und sah ihn an. Er öffnete die Hand, zeigte ihm den leuchtend roten Apfel, und der Hengst kam zum Zaun getrabt. Raphael lächelte und belohnte ihn, indem er ihm den Apfel gab. Das Tier war schwierig gewesen, als er es auf die Ranch gebracht hatte. Eigensinnig und fast wild, doch mit Geduld hatte er das geändert. Jetzt kam es, wenn er es rief, es biss ihm auch nicht mehr in die Finger. Einfaches Abrichten hatte Wunder gewirkt. Gutes Benehmen garantierte eine Belohnung, schlechtes nicht. Mit Frauen war es im Grunde nicht viel anders. Sie konnten ebenso wie Pferde lernen. Carin würde auch lernen. Wenn alles so weitergehen sollte wie in den vergangenen Wochen, wenn sie ungestört in ihrer Suite wohnen wollte, würde sie lernen müssen, auf seinen Ruf hin zu kommen, zu lächeln, mit seinen Gästen
und ihm zu essen und höflich zu plaudern. Sie würde ihn privat respektvoll und bei gesellschaftlichen Anlässen mit Ehrerbietung behandeln, die richtigen Dinge sagen und vorgeben, glücklich zu sein. Wenn sie sich nicht benahm, würde er sie gefügig machen. Er könnte das Englisch sprechende Kindermädchen feuern, den Stallburschen befehlen, seine Frau nicht mehr zu seinen Pferden zu lassen, und sie zwingen, sein Zimmer, seine Mahlzeiten und sein Bett mit ihm zu teilen ... Was dachte er denn da? Raphael entfernte sich vom Zaun und ging auf die Stallungen zu. Er wollte Carin nicht in seinem Bett haben. Und selbst wenn er es wollte, seit wann würde er so eine Methode benutzen? Benimm dich, oder ich schlafe mit dir. Ich ziehe dich langsam aus, bis du dich in meinen Armen windest. Ich lasse dich vor mir stehen und küsse dich überall, und wenn ich diese süße Stelle zwischen deinen Beinen erreiche, berühre und küsse ich dich dort, quäle dich, bis du meinen Namen rufst und mich bittest, dich aufs Bett zu legen und tief in dich einzudringen .. Du lieber Himmel, er war erregt. Und das war verrückt, weil er Carin nicht wollte. Er begehrte sie nicht. Hufschläge donnerten hinter ihm, und im nächsten Moment sah Raphael ungläubig seine Frau an ihm vorbeireiten. Sie saß auf einem Hengst, der so groß war, dass er sie zwergenhaft erscheinen ließ. Lachend, tief über den Hals des Pferds gebeugt, ritt sie in den schmalen, mit Kopfstein gepflasterten Hof zwischen den beiden Flügeln der Stallungen. Das Tier gehorchte ihr schnaubend und blieb stehen, tänzelte aber noch ungeduldig, als Raphael angerannt kam. "Bist du wahnsinnig?" schrie er und packte die Zügel. "Hast du eine Ahnung, wie viel Kraft dieser Hengst hat? Steig ab! " Carins Lächeln. verschwand. "Wag es nicht, so mit mir zu sprechen." "Ich spreche mit dir, wie ich will. Steig ab! " Raphael gab die Zügel einem herbeigeeilten Pferdepfleger und griff nach seiner Frau. Sie versuchte, seine Hände wegzuschlagen, aber er ignorierte es und hob Carin aus dem Sattel. Als er sie hinunterließ, trat sie nach ihm und erwischte ihn knapp unter dem Knie. Er stöhnte auf vor Schmerz, stellte sie unsanft auf die Füße und umfasste ihr Handgelenk. "Wer hat dir dieses Tier gesattelt?" "Das geht dich nichts an." "Ricardo? Warst du das?" Raphael sah den Pferdepfleger an. Vor Wut vergaß er, vom Englischen ins Portugiesische zu wechseln, aber der Junge verstand ihn und nickte unglücklich. "Hol deine Sachen. Sag Joäo, er soll dir deinen Lohn geben. Du bist gefeuert. " „Es ist nicht seine Schuld", schimpfte Carin, während sie versuchte, sich loszureißen. "Ich habe mir das Pferd ausgesucht und den Jungen gebeten, es zu satteln." "Er hätte nicht tun dürfen, was du verlangst. Ich bin sein Arbeitgeber. " "Du bist ein Barbar und ein Scheusal. Und ich hasse dich!“ Raphael lächelte mit zusammengebissenen Zähnen. "Das ist nichts Neues, und es ändert nichts an den Tatsachen. Ich bin dein Ehemann. Wenn du reiten willst,
musst du mich erst um Erlaubnis bitten." Er wusste, dass er sich wie ein Monster anhörte, aber es war ihm völlig gleichgültig. Seine Frau hatte ihn ignoriert, zum Narren gehalten, ihn lange genug gequält. Du lieber Himmel, sie hätte sich verletzen oder sterben können ... Raphael atmete tief durch. "Ricardo! " "Sim, Senhor?" "Du bist nicht gefeuert. Nimm das Tier, und kühl es ab. Und denk in Zukunft daran, dass nur ich auf dieser Ranch Befehle erteile. " "Du mieser Kerl!" brauste Carin auf. "Du nichtsnutziger Mist...“ Raphael hatte genug. Er hob seine Frau hoch und legte sie sich über die Schulter. Carin schrie vor Wut und trommelte mit den Fäusten auf seinen Rücken ein. "Verdammt, Raphael! Lass mich hinunter! " Er atmete schwer, während er zum Haus ging. Vor Zorn, nicht wegen des Gewichts seiner Frau. Sie war leicht. Zu leicht, dachte er fuchsteufelswild. Aß sie nicht ordentlich? Der Arzt hatte gesagt, es gehe ihr gut, aber was wusste der schon? Nichts, denn er hatte ihr anscheinend nicht verboten zu reiten. "Du bist noch nicht so gesund, dass du reiten kannst", stieß Raphael grimmig hervor, während er die Haustür öffnete und durch die große Eingangshalle zur Treppe ging. "Ich habe den Arzt gefragt, ob ich reiten dürfe, und er hat Ja gesagt.“ Raphael stieß mit dem Fuß die Tür zu Carins Schlafzimmer auf. "Der Mann ist ein Idiot. Oder hast du ihm verschwiegen, dass du vorhast, einen Elefanten zu reiten?" "Um Himmels willen ... Uff!" Carin landete unsanft auf dem Bett. "Ich reite seit meiner Kindheit. Der Arzt hat mir gute Gesundheit bescheinigt. Ich ... Was soll das?" "Wonach sieht es denn aus?" erwiderte Raphael kühl, während er ihre Sachen aus dem Kleiderschrank riss und auf den Boden warf. "Elena? Joäo? Wo, zum Teufel, sind alle?" brüllte er. Die Haushälterin stürzte herein. Sie starrte Carin an, die ans Kopfbrett gelehnt auf dem Bett saß, dann sah sie weg, als könnte sie den Anblick nicht ertragen. "Sim, Senhor Raphael?" Er drehte sich zu ihr um, die Hände in die Seiten gestemmt. Er sah wütend und gefährlich aus, und Carins Herz setzte einen Schlag aus. "Holen Sie Joäo. Lassen Sie sich von ihm helfen, alle Sachen meiner Frau in meine Räume zu bringen." "Nein", sagte Carin schnell. "Meine Sachen bleiben hier, Elena.“ "Hast du mich vorhin nicht verstanden, Carin?" Raphael ging zum Fußende des Bettes und blickte sie finster an. "Ich bin hier der Arbeitgeber." Er tippte sich mit dem Daumen an die Brust. "Ich stelle die Regeln auf. Du bist meine Frau, und ich habe es satt, Spiele zu spielen. Elena!“ "Sim, Senhor." "Bis zum Abendessen haben Sie alle Sachen der Senhora umgeräumt. Ist das klar?"
Die Haushälterin sah flüchtig Carin an, dann nickte sie." Sim.“ "Und Sie werden heute ein Essen vorbereiten, das für eine kleine Dinnerparty geeignet ist." "Oh, so ist's recht!" Carin setzte sich gerade hin und verschränkte die Arme. "Meine Demütigung mit einer Party feiern. Was willst du mit mir machen, während du mit deinen Freunden darüber lachst? Mich an die Wand ketten?" Raphael ignorierte sie. "Die Senhora, ich..." Er zögerte. "Und vier Gäste. Ja, das klingt gut. Meinst du nicht auch?" Carin schwang die Beine über die Bettkante. "Ich meine, dass du den Verstand verloren hast. Du willst eine Party feiern? Schön. Tu das. Elena?" "Sim, Senhora?" "Ich werde hier oben in meinem Wohnzimmer zu Abend essen", sagte Carin zu der vor Angst zitternden Elena, sah dabei jedoch unverwandt Raphael an. "Etwas Leichtes, bitte. Einen Salat, Eiskaffee ... " "Prosciutto mit Melone", sagte Raphael. "Dann Garnelen in der Soße, die ich so gern mag. Joäo soll einen französischen Weißwein aus dem Keller holen." Er lächelte Carin höflich an. "Drinks um acht, denke ich. Dinner um neun im Esszimmer." "Dinner in der Hölle, du Mistkerl." "Danke, Elena. Das ist alles." Die Haushälterin hastete aus dem Zimmer. Carin blickte Raphael wütend an. "Ich mag keine Garnelen. Ich esse niemals Melone. Ich hasse Weißwein. Und deine Gäste sind zwangsläufig meine Feinde." "Bist du fertig?" "Fürs Erste." "Dann pass jetzt mal gut auf. Ich wiederhole mich nämlich nicht gern." Raphael lächelte verkniffen. "Du wirst baden, Parfüm benutzen, ein feminines langes Kleid anziehen und um kurz vor acht zu mir nach unten kommen, damit wir gemeinsam unsere Gäste empfangen können. Es ist an der Zeit, dass ich dich meinen Freunden vorstelle." "Ich bin nicht im Geringsten daran interessiert, sie kennen zu lernen." "Du wirst mich den ganzen Abend anlächeln und zu mir sagen, was eine Frau zu ihrem Ehemann sagt", sprach Raphael weiter, als hätte Carin ihn nicht unterbrochen. "Meine Gäste sollen nicht in den Genuss deiner scharfen Zunge kommen." Er hielt den Atem an, als Carin herausfordernd das Kinn hob. Sie bot ihm noch immer Trotz, und es machte sie nur schöner. "Hast du nicht gehört? Ich will deine Freunde nicht kennen lernen." "Du tust, was ich sage." "Nein! Du konntest mich zu dieser Ehe zwingen und mich in diese scheußliche entlegene Gegend bringen, wo du Kaiser spielst, aber du kannst mich nicht zwingen, so zu tun, als würde es mir gefallen." Carin stand auf. "Ich bin nicht dein Eigentum. Was ist so lustig?"
Raphael ging lächelnd zu ihr, umfasste ihre Schultern und zog Carin an sich. "Das war ein hübscher Vortrag, querida. Wirklich, ganz hervorragend. Leider irrst du dich. Ich kann alles mit dir machen, was ich will. Du bist meine Frau. Mein Eigentum." "Das ist Unsinn." Ihre Stimme zitterte. Gut, dachte Raphael. Es wurde Zeit, dass sie Angst vor ihm hatte. All die Wochen, in denen sie majestätisch durch sein Haus gerauscht war, als wäre es ein Hotel, als wäre sie eine Prinzessin und er ein Dienstbote ... "Du versuchst, mich einzuschüchtern, aber ich bin nicht dumm. Brasilien ist ein zivilisiertes Land. Es hat Gesetze." „In der Tat. Nur sind die Gesetze völlig anders als in deinem Land." Raphael blickte auf ihren Mund. "Ich wollte die Dinge so lassen, wie sie sind. Ich dachte, wir würden weiter wie Fremde in diesem Haus zusammenwohnen." "Wir sind Fremde, weil wir nichts gemein ha...“ Er brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. Als sie das Gesicht abwenden wollte, umfasste er es und küsste sie, bis sie an seinem Mund seufzte. "Ich könnte dich mit Gewalt nehmen, querida, aber ich werde es nicht tun." "Was soll dann ... ?" "Ehemann und Ehefrau sollten nicht getrennt schlafen", erwiderte er. "Ich habe nicht die Absicht, mit dir zu schlafen." "Du wirst heute Nacht in meinen Armen schlafen, auch wenn du nur das tust. Dabei wird es jedoch nicht bleiben, weil du aus freier Wahl zu mir kommen wirst." Carin lachte unsicher. „Findest du das amüsant?" "Ich finde es erstaunlich, dass du glaubst...“ Raphael küsste sie wieder, bis er spürte, wie sie erschauerte. Dann ließ er die Zunge in ihren Mund gleiten, wartete, bis Carin seinen Kuss erwiderte, und zog sich zurück, obwohl es ihn fast umbrachte. "Wir haben etwas gemein. Vielleicht ist es nicht das, was wir beide uns wünschen, aber es ist mehr, als viele andere Menschen haben." Er streichelte ihr die Wange, bewegte die Hand tiefer und hörte Carin scharf einatmen, als er ihre Brust umfasste. "Du wirst mich bitten, mit dir zu schlafen." "Werde ich nicht", flüsterte Carin zittrig. "Darauf kannst du ewig warten, das schwöre ich dir." Raphael lächelte, neigte den Kopf und küsste den rasenden Puls an ihrem Hals. "Bis heute Abend, minha mulher." Es kostete ihn jedes bisschen Selbstbeherrschung, Carin in Ruhe zu lassen und hinauszugehen.
7. KAPITEL
Carin stand in der Mitte ihres Schlafzimmers und sah zu, wie Elena und Joäo ihre letzten Sachen ausräumten. Zuerst hatte sie versucht, die beiden zu stoppen. "Sie müssen nicht die Befehle eines Barbaren befolgen", hatte sie gesagt, sicher, dass Joäo Englisch verstand und nur vortäuschte, es nicht zu tun. Es war sowieso unwichtig. Er und die Haushälterin wussten, was sie meinte. Elenas Gesicht war gerötet. Sie warf Carin entschuldigende Blicke zu, als wollte sie sagen, sie bedauere ihre Rolle bei dieser Angelegenheit, müsse aber gehorchen. "Der Herr hat gesprochen." Carin warf sich verbittert in einen Sessel und verschränkte die Arme. Sie war noch nie so wütend gewesen, nicht einmal, als ihr klar geworden war, dass sie nur ein One-Night-Stand für den Mann gewesen war, mit dem sie jetzt verheiratet war. Die Haushälterin und Joäo eilten hin und her, bis der Kleiderschrank, die Schubladen der Spiegelkommode und der Toilettentisch im Badezimmer leer waren. Nichts deutete darauf hin, dass Carin diese Gästesuite, die ihr Zufluchtsort gewesen war, jemals bewohnt hatte. Schließlich blieben *die beiden an der Tür stehen, und Joäo verbeugte sich linkisch. "Senhora." Erwartete er, dass sie ihm für die gute Arbeit dankte und ihn entließ? Das war zum Lachen. Raphael hatte klargemacht, dass sie in diesem Haus keine Rechte hatte und nichts als Eigentum war, wie seine Pferde und sein Land. Carin stand auf. "Gehen Sie. Verschwinden Sie einfach." Der Hausmeister verbeugte sich wieder und ging. Elena blieb noch da. „Ist schon in Ordnung", sagte Carin müde. "Wirklich." "Er ist ein anständiger Mann. Er hat ..." Elena suchte nach dem richtigen Wort, dann tippte sie sich an die Brust. „Er ist gut hier drin, sim?" Die Haushälterin lächelte Carin an und eilte aus dem Zimmer. Raphael, ein anständiger, gutherziger Mann? Manche Dinge ließen sich einfach nicht erklären. Sie hätte gern gelacht, spürte jedoch, dass sie sich jetzt kein Gefühl erlauben durfte, weil sie es niemals unter Kontrolle halten könnte. Es war sowieso sinnlos, Zeit mit Weinen, Lachen oder Selbstmitleid zu verschwenden. Emotionen nachzugeben würde nichts ändern. Das hatte sie schon vor Wochen begriffen, während des langen Fluges von New York nach Rio de Ouro. Sie hatte aus dem Fenster gesehen, und ihre vertraute Welt war ihr entglitten. Ihre Gedanken hatten sich im Kreis gedreht, bis sie schließlich vor Erschöpfung in einen von Träumen gestörten Schlaf gefallen war. Schlaf, der tröstend und friedlich geworden war, als sie plötzlich Raphaels Arme um sich gefühlt hatte, Carin ging zum Fenster und blickte über die Grassteppe zu den fernen Bergen. Warum hatte er sie all die Stunden gehalten? Und warum hatte sie es ihm erlaubt? Es war ja nicht so, dass sie sich unbewusst an ihn gekuschelt hatte. Sie war lange genug aufgewacht, um seine starken Arme zu spüren, die Wärme seines Körpers und den beruhigenden Schlag seines Herzens. Sag ihm, er soll dich loslassen, hatte sie gedacht, doch es war zu schön
gewesen. Sie hatte darauf gewartet, dass die schreckliche Angst zurückkehrte und ihr den Atem raubte. Stattdessen hatte die Erkenntnis sie erregt, dass sie Raphaels Frau war und jetzt ihm gehörte, dass er sie nicht wieder verlassen würde. Carin wandte sich vom Fenster ab und verließ das Zimmer. Vielleicht war sie mit einem Verrückten verheiratet. Wie sonst sollte man erklären, warum er in der einen Minute so zärtlich und in der nächsten so gefühllos sein konnte? Vielleicht war sie verrückt, weil sie versuchte, es zu verstehen. Aber sie musste ihn verstehen, weil sie eine Gefangene in diesem Haus, in dieser Ehe war, bis sie ihn irgendwie dazu bringen konnte, einzusehen, dass er keine glückliche kleine Familie erschaffen konnte, indem er die Mitglieder aneinander kettete. Die französische Porzellanuhr im oberen Flur schlug sechs. Drinks um acht und Essen um neun, hatte Raphael gesagt. Sie sollte baden, ein feminines langes Kleid anziehen, nach unten gehen, um seine Gäste zu begrüßen, und sich wie die perfekte Ehefrau benehmen. Am Ende des Abends durfte sie dann in seinem Bett schlafen. Und er war sicher, dass sie bald vor ihm kriechen und ihn bitten würde, sie wie eine Hauskatze zu streicheln. "Nur in deinen Träumen", sagte Carin kalt. Seine Räume waren am anderen Ende des Flurs. Ihr Herz hämmerte, als sie vor der Tür stehen blieb. Sie hob die Hand, um zu klopfen, dann tat sie es doch nicht. Wie eine demütige Bittstellerin wollte sie nicht zu ihm kommen. Mit einem flauen Gefühl im Magen ging sie hinein, schloss die Tür hinter sich und sank dagegen. Ihre gespielte Tapferkeit war verschwunden. Ihre Knie schienen aus Gummi zu sein, während sie das Wohnzimmer des" Kaisers" betrachtete. Einatmen, befahl sie sich, als sie auf die Tür zuging, die ins Schlafzimmer führen musste. Ausatmen. Und nicht das Bett ansehen. Und wie sollte sie das vermeiden? Wahrscheinlich würde es mit schwarzem Satin bezogen sein und den halben Raum ausfüllen. An der Decke darüber würden Spiegel sein ... Carin lachte. Es war nur ein Bett. Übergroß, ja. Aber das war auch alles. Keine Spiegel, kein schwarzer Satin. Es war ein schönes, weiß bezogenes Himmelbett, das gegenüber einer Wand aus Glas stand, die Aussicht auf eine Veranda hatte, die üppig mit Topfpflanzen und -sträuchern begrünt war. Zu ihrer Linken war eine Spiegelwand. In einem der Gästezimmer der Barons war auch so eine, und Carin wusste, dass sich dahinter ein Ankleidezimmer verbarg, das ins Bad führte. Ja, da war das Schnappschloss. Sie schob die Türen auf. Es hatte etwas beunruhigend Intimes, Raphaels und ihre Sachen zusammen zu sehen. Was für ein dummer Gedanke. Ankleidezimmer waren Ankleidezimmer, nichts weiter. Nur dass dieses Raphaels war. Und er war ihr Ehemann. "Hör auf damit“, sagte Carin leise. Blaubart war auch Ehemann gewesen. Verheiratet zu sein machte einen Mann nicht anständig. Raphael war es zweifellos nicht. Er war ein hartherziger Diktator, der glaubte, sie zu besitzen. Tja, tat er nicht. Er konnte sie niemals besitzen. Du wirst baden, Parfüm benutzen, ein feminines langes Kleid anziehen, hatte er gesagt. Er wollte sie an diesem Abend seinen Freunden vorführen. Es war nicht
schwer, zu erraten, was für eine Frau sie erwarteten. Dona Alvares, die elegant gekleidete, perfekt frisierte, fügsame und wohl erzogene Ehefrau, deren einziges Lebensziel war, ihren Gebieter zufrieden zu stellen. Wie eine Katze, die lebte, um gestreichelt zu werden und die Nächte im Bett ihres Herrn zu verbringen. Carin stemmte die Hände in die Seiten. "Katzen haben Krallen, Senhor", sagte sie. Grimmig ließ sie den Blick über die Kleidungsstücke gleiten. Nein, nicht das schwarze Seidenkleid. Das rote auch nicht. Ihrem Möchtegerngebieter würden beide gefallen, deshalb gefielen sie ihr nicht. Was war das denn? Sie hatte niemals so ein zartrosa Seidenkleid besessen. Und dieses silberfarbene ... Das waren die Sachen, die Raphael ihr gekauft hatte! Nachdem er sie nach Rio de Ouro gebracht hatte, waren zwei oder drei Wochen lang regelmäßig Pakete für sie angekommen. Sobald sie erkannt hatte, worum es ging, hatte sie aufgehört, sie zu öffnen. "Was mein Mann mir kauft, will ich nicht haben", hatte sie zu Elena gesagt. "Geben Sie den ganzen Kram weg. Verbrennen Sie ihn. Werden Sie ihn irgendwie los." Stattdessen hatte Elena alle Geschenke in Raphaels Ankleidezimmer versteckt. Jetzt sah Carin zum ersten Mal die Sachen, die er ihr gekauft hatte. Sie waren schön. Aus Seide, Satin und Kaschmir. Farbe und Schnitt waren perfekt. Sie hätte jedes einzelne Stück selbst ausgewählt, wenn sie das Geld gehabt hätte. Besonders das silberfarbene Abendkleid. Was war so schlimm daran, wenn sie es sich einmal ansah? Carin schob es vom Bügel, hielt es sich an und blickte in den Spiegel. Oh, es war wunderschön, schlicht, tief ausgeschnitten, mit schmalen Trägem und einem engen Rock. Sie stellte sich vor, wie sie das Schlafzimmer verlassen und langsam die Treppe hinuntergehen würde. Raphaels Augen würden dunkler werden, wenn er sie sah. "Querida", würde er sagen, nicht spöttisch, sondern leidenschaftlich. Sie würde ihn anlächeln, und er würde sie küssen, hochheben und wieder nach oben tragen, hierher in sein Schlafzimmer, in sein Bett ... "Nein!" Carin warf das silberfarbene Kleid auf den Boden, schob alle übrigen Sachen beiseite, die Raphael ihr gekauft hatte ... Und fand, was sie an diesem Abend anziehen würde. Den limonengrünen Albtraum, den sie auf Franks und Iris' Hochzeit hätte tragen sollen. Carin wartete darauf, dass sie traurig oder wütend werden würde, aber sie fühlte nichts. Es war, als wäre das alles jemand anders passiert. Iris hatte ihr diesen Brief geschickt und sie gebeten, das Kleid weiterzugeben. Sie hatte es nicht getan. Ich habe es bezahlt, und ich werde das Vergnügen haben, es in eine Million Fetzen zu schneiden, hatte sie grimmig gedacht. Und dann hatte sie es völlig vergessen. Jetzt war es hier, eingepackt von Marta, die ihre Wohnung ausgeräumt und ihr alles nach Brasilien geschickt hatte. Es war das stereotype Brautjungfernkleid, über das man Witze machte. Nur noch schlimmer. Tatsächlich war es grauenhaft. Nicht ihre Farbe, nicht ihr Stil. Carin nahm es vom Bügel, hielt es sich an und blickte in den Spiegel. Die grässliche Farbe wurde durch die goldfarbenen Rüschen am Hals und Saum und
den unnatürlichen Glanz des Polyesters noch betont. Die dazu passend gefärbten Schuhe waren auch da, klobige Pumps mit breiten Absätzen und langen Spitzen. Iris hatte das Kleid geliebt. Sie hatte sie in das Geschäft "Beautiful Brides" im Einkaufszentrum geschleppt und geschwärmt, sie habe die perfekten Brautjungfernkleider gefunden. "Ist es nicht wunderschön?" hatte sie gefragt. "Tja, es ist zweifellos ungewöhnlich", hatte Carin schließlich erwidert. Raphael hatte ein feminines langes Kleid befohlen, damit er seine Eroberung angemessen zur Schau stellen konnte. Carin lächelte. Dieses Ding war lang, und Iris hatte es für feminin gehalten. "Verlang nicht etwas, wenn du nicht sicher bist, was du bekommst, Senhor", sagte Carin leise. Sie legte das Kleid aufs Bett, stellte die Schuhe davor, schloss die Tür ab und begann, sich auf ihr Debüt als Dona Alvares vorzubereiten. Für einen Mann, der fast nur aus Ego bestand, würde es ein sehr langer Abend werden. Um sieben war Carin mit Duschen fertig. Die Wanne war verlockend gewesen, aber ohne Badeöl in so etwas Großem und Schönem zu liegen war sinnlos. Und sie wollte sich nicht in einen verführerischen Duft hüllen. Ich bereite mich auf Rache und nicht auf eine Party vor, dachte sie kalt. Sie wickelte sich ein Handtuch um, ging zurück ins Schlafzimmer und wurde starr vor Schreck, weil jemand den Türgriff hinunterdrückte. "Carin?" Natürlich. Wie hatte sie nur vergessen können, dass Raphael verlangen würde, auch zu duschen und sich anzuziehen? "Ja? Was ist?" "Mach auf." Kein "bitte", kein "würdest du so freundlich sein". Ein Befehl. Carin straffte die Schultern und blickte wütend die Tür an. "Nein." "Unsere Gäste werden bald hier sein." "Deine Gäste." "Verdammt, mach auf!" Sie lächelte. Es war herrlich, wie ungläubig er sich anhörte. „Tut mir Leid. Ich ziehe mich gerade an. Du hast mir befohlen, das zu tun, erinnerst du dich?" "Ich habe dir nicht befohlen, mich aus meinen eigenen Zimmern auszusperren.“ Er sprach leise. Sicher wollte er nicht, dass seine Hausangestellten mitbekamen, wie sich ihm dieses unbedeutende Ding widersetzte, das er zu einer Scheinehe gezwungen hatte. "Mach sofort auf." Sein Faustschlag ließ die Tür vibrieren. Carin wich einen Schritt zurück. Sie hatte sich geirrt. Raphael kümmerte es nicht, ob jemand mitbekam, dass sie ihn ausgesperrt hatte. Was, wenn er so wütend wurde, dass er die Tür eintrat? Sie stellte sich vor, wie er ins Zimmer platzen und ihr das Handtuch wegreißen würde. Hitze durchflutete sie. Aus Wut würde Verlangen werden, er würde nach
ihr greifen und sie küssen, bis sie seinen Namen flüsterte und sich an ihn schmiegte ... "Nein! Ich öffne erst, wenn ich bereit bin, nach unten zu kommen." Eine Ewigkeit verging, bevor er wieder etwas sagte. "Du spielst mit dem Feuer, querida", flüsterte er sanft. "Ich rate dir, daran zu denken, dass man sich dabei die Finger verbrennen kann." "Und ich rate dir, dass du dich irgendwo anders für den Abend fertig machst." "Ich könnte die Tür eintreten." „Ja", sagte Carin zittrig. "Dann würden wir beide wissen, dass du wirklich ein Barbar bist." Raphael seufzte laut und erwiderte: "Du willst dich also wie ein verzogener Fratz benehmen? Tu das. Aber nur heute Abend. Noch einmal werde ich so etwas nicht dulden, minha mulher. Verstanden?" Ja, sie hatte verstanden. Er war kein Monster, jedenfalls hielt er sich nicht dafür. Deshalb hatte er sie während der vergangenen Wochen nicht angerührt. Aber ein Mann mit einem Gewissen war er auch nicht. An diesem Abend hatten sich die Regeln geändert. Wieder durchflutete sie die süße Hitze. Carin hörte Raphael davongehen und sank aufs Bett. Sie zitterte immer noch am ganzen Körper, als Elena kurz darauf anklopfte. Carin öffnete die Tür, und die Haushälterin eilte durchs Zimmer und sammelte Raphaels Sachen ein. Eine weiße Smokingjacke, eine schwarze Hose und ein schwarzes T-Shirt aus Seide. Ihr Ehemann würde an diesem Abend großartig aussehen ... Schnell erinnerte sich Carin daran, dass er nicht ihr Ehemann war. Er war der Feind. Elena schob die Kommodenschublade zu. "Senhora", sagte sie höflich. Und erstarrte. Sie sah das scheußliche limonengrüne Kleid auf dem Bett an, dann warf sie Carin einen entsetzten Blick zu. Sie seufzte. "Ich weiß. Aber er hat es verdient." Oh ja, dachte sie, während sie die Tür wieder abschloss. Es würde ein interessanter Abend werden. Ob Raphael wohl der Meinung sein würde, der Preis sei das Spiel wert, wenn sie mit ihm fertig war? Um fünf vor acht stand Carin vor dem Spiegel. Sie sah furchtbar aus. Manche Kleider gewannen, wenn man sie anzog. Dieses nicht. Eher im Gegenteil. Seit sie auf die Ranch gekommen war, hatte ihre Haut einen zarten goldbraunen Ton angenommen. Der leuchtend grüne Stoff verwandelte die Sonnenbräune in ein kränkliches Gelb. Für ihr Haar war die Farbe auch schlecht. Sie hatte es absichtlich nicht geföhnt oder auch nur gebürstet, so dass es glatt herunterhing. Noch schlimmer war jedoch, dass das Grün ihrem Haar jeden Glanz zu entziehen schien. Sie sah aus, als hätte sie den Kopf in einen Eimer mit brauner Farbe getaucht. Carin biss sich auf die Lippe und betrachtete sich von der Seite. Sie war nach Amys Geburt fülliger geworden. Auch wenn sie es nicht gern zugab, sie hatte sich einige Male dabei ertappt, wie sie morgens beim Anziehen in den Spiegel blickte und sich fragte, ob sich Raphael wohl an ihren Körper erinnerte und was er jetzt von ihr halten würde, da ihre Brüste voller und ihre Hüften rundlicher
wären. Nicht, dass ihr irgendetwas an seiner Meinung lag. Nicht, dass sie ihm jemals Gelegenheit geben würde, ihren Körper zu sehen. Aber sie hatte sich gefragt. Fülliger geworden? Vielleicht war das eine Untertreibung. In diesem Kleid sah sie wie eine Wurst aus. Wollte sie sich Raphael so zeigen? Ihr Ehemann war unglaublich attraktiv. Er konnte jede Frau haben, und er hatte sie gewählt ... Nein, das stimmte nicht. Wenn sie nicht schwanger geworden wäre und er nicht diese verrückten moralischen Grundsätze hätte, dann hätte sie ihn nie wieder gesehen. Und es tat weh, das zu wissen. Nachts lag sie wach und dachte daran, wie es gewesen wäre, wenn Raphael zu ihr gekommen wäre, weil er sie wirklich gewollt hatte. Weil er sie liebte. Carin stöhnte auf vor Verzweiflung. Was dachte sie denn da? Raphael liebte sie nicht, und sie liebte ihn nicht. Er glaubte, er würde sie besitzen, aber nach diesem Abend würde er es besser wissen. Sie ging ins Badezimmer. Elena oder Joäo hatte ihre Kosmetika sorgfältig auf eine Seite des gewaltigen Marmorwaschtisches gestellt. Carin öffnete ein halbes Dutzend Tuben und Töpfe und klatschte sich von jedem etwas ins Gesicht. Schließlich benutzte sie noch einen Lippenstift, den sie als Werbegeschenk bekommen hatte und nicht ausstehen konnte, und danach so viel Mascara, dass ihre Wimpern in Klumpen zusammenklebten. Sie trat zurück und musterte sich. "Großartig", flüsterte sie. Bevor sie der Mut verließ, schaltete sie das Licht aus, ging durchs Schlafzimmer und schloss die Tür auf. Leise Musik und Stimmen waren von unten zu hören. Raphaels Gäste waren eingetroffen. Wen er wohl eingeladen hatte? Bestimmt Leute von hier. Wer sonst könnte so kurzfristig kommen? Rancher aus der Gegend, diese Typen, die Jonas gern hatte und Marta ertrug. Grobknochige Männer würden Bourbon trinken, Zigarren rauchen und über Pferde und Kühe reden, während ihre Frauen den neuesten Klatsch austauschten. Und sie würde den ganzen Abend in ihrem scheußlichen Kleid und viel zu stark geschminkt schweigend neben Raphael sitzen, so dass sich seine Nachbarn fragen würde, warum ein Mann, der zweifellos jede Frau haben konnte, eine so unattraktive geheiratet hatte. Carin hatte wieder ein flaues Gefühl im Magen. War es wirklich ein so guter Plan, Raphael zu demütigen? Noch war es nicht zu spät. Sie könnte sich das Gesicht schrubben, neu schminken, die Haare bürsten und das silberfarbene Kleid anziehen, so dass er vor Freude lächeln würde, wenn er sie sah. Seine Augen würden dunkler werden vor Verlangen, so wie in jener Nacht ... Jene Nacht war lange vorbei. Carin atmete einige Male tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Raphael hatte sie geschwängert, sie hatte ihm ein Kind geschenkt, und nur deshalb war er zu ihr zurückgekehrt. Er hatte sie zur Heirat gezwungen und glaubte, diese Ehe würde ihm das Recht geben, sie zu einer Sklavin zu machen.
Carin ging die Treppe hinunter. Sie brauchte Raphael nicht, sie liebte ihn nicht und wollte ganz bestimmt nicht mit ihm verheiratet bleiben. Wenn sie Glück hatte, würde er auch nicht mit ihr verheiratet bleiben wollen. Nicht nach diesem Abend.
8. KAPITEL Wo war Carin? Raphael trank einen Schluck Wein und sah auf seine Armbanduhr. Es war weit nach acht Uhr, und er stand mit seinen Gästen im Wohnzimmer. Die da Sousas waren gekommen, seine nächsten Nachbarn, und Claudia und ihr neuester Liebhaber, die übers Wochenende bei Isabela und Luiz zu Besuch waren. Nur seine Frau fehlte. "Wo ist sie, Darling?" hatte Claudia in dem Moment gefragt, als sie hereingekommen war. "Sie macht sich für ihren frisch gebackenen Ehemann schön", hatte ihr Begleiter gesagt. "Ich bin sicher, sie ist so schön, dass sie so etwas nicht nötig hat. Ein Mann wie Raphael würde sich nicht mit weniger zufrieden geben", hatte Isabela schalkhaft gemeint, und alle hatten gelacht. Alle sprachen mit Rücksicht auf Carin Englisch. Wo, zum Teufel, blieb sie nur? Raphael wusste, dass es lächerlich war, nervös zu sein. Aber an diesem Abend würden seine Freunde zum ersten Mal seine Frau treffen. Er hob wieder das Glas an den Mund. Claudia sagte etwas und lachte trällernd. Obwohl er überhaupt nicht zugehört hatte, lachte er auch. Er konnte nur an Carin denken und daran, wie es sein würde, ihr den Arm um die Taille zu legen, ihren Körper an seinem zu spüren und sie vorzustellen. Das ist meine Frau, würde er sagen, und Claudia, ihr Liebhaber, Isabela und Luiz würden sehen, dass Carin noch schöner war, als sie geglaubt hatten. Schön, aufbrausend und wütend auf ihn. Das würde er später an diesem Abend ändern. Wenn seine Gäste gegangen waren, würde er Carin küssen, bis sich ihre Wut in Leidenschaft verwandelte, und dann würde er sie endlich richtig zu seiner Frau machen. "Ich kann mich noch immer nicht daran gewöhnen, dass du verheiratet bist, Darling." Claudia legte ihm die Hand auf den Arm. "Mein Raphael, mit einer süßen kleinen mulher." Süß? Fast hätte er gelacht. "Reizbar" passte besser auf Carin. Verdammt, wo blieb sie nur? Claudia seufzte dramatisch. "Oh, na schön. Ich muss eben einfach warten, bis du diese satt hast und zu mir zurückkommst. "
Das war der Spruch, den sie seit Jahren benutzte. Er hatte ihn immer lächelnd als Scherz hingenommen, doch jetzt ärgerte er sich wie verrückt darüber. Und warum nannte sie ihn hartnäckig "Darling"? Das hatte ihn bisher auch niemals gestört, und jetzt ging es ihm auf die Nerven. "Ich habe nicht vor, diese satt zu bekommen", erwiderte er so gelassen, wie er konnte. "Carin und ich sind verheiratet, Claudia. Ich habe dir das erklärt, als du angerufen hast." "Sim, hast du." Sie lächelte und strich die Aufschläge seiner Smokingjacke glatt. "Du bist verheiratet und hast ein Kind. Wie schnell du arbeitest, Darling Raphael." Er blickte stirnrunzelnd in sein Weinglas. Vielleicht war es nicht sehr klug gewesen, seine ehemalige Verlobte zum Abendessen einzuladen. Aber er hatte die Dinnerparty so plötzlich organisiert, dass keine Zeit gewesen war, viel zu planen. Außerdem wollte er ja nur sicher sein, dass Carin ihm glaubte, wenn er sagte, sie müsse endlich an seinem Leben teilnehmen und ihre Rolle als seine Ehefrau akzeptieren ... Ihre Rolle in seinem Bett. Unvermittelt sah er sie im Geiste vor sich, nackt in seinen Armen, und heftiges Verlangen durchflutete ihn. Was war mit ihm los? Er hatte Gäste, Claudia redete mit ihm, und er konnte nur daran denken, mit Carin ins Bett zu gehen. "Hörst du mir zu, Darling? Raphael, du verletzt meine Gefühle.“ Er blinzelte und konzentrierte sich auf Claudia, die ihn verführerisch anblickte. Sie flirtete wie verrückt mit ihm. Na gut, das tat sie immer. So war sie eben, und es kümmerte sie nicht, dass ihr Liebhaber drei Meter entfernt stand und Carin jeden Moment zu ihnen kommen würde ... Verdammt, was bin ich für ein Idiot! dachte Raphael. Er hatte seiner früheren Verlobten von seiner Frau erzählt, aber er hatte seiner Frau nichts von seiner früheren Verlobten erzählt. Und das hätte er natürlich tun sollen. Frauen waren bestenfalls schwer zu verstehende Geschöpfe, er sah jedoch ein, dass es für eine Jungverheiratete nicht angenehm war, unerwartet der ehemaligen Verlobten ihres Mannes gegenüberzustehen. Tja, jetzt war es zu spät. Was hatte er sich dabei gedacht, so viele Veränderungen an einem einzigen Tag zu machen? Er hatte Carin in seine Räume befördert, ihr gesagt, es sei an der Zeit, eine echte Ehe zu führen, und jetzt würde er ihr auch noch Claudia vorstellen. Raphael presste die Lippen zusammen. Carin hatte ebenso viel Schuld wie er. Sie hätte ihn nicht so wütend machen sollen. Welcher Mann würde nicht wütend werden, wenn seine Frau ihm brutal klarmachte, dass sie ihn nicht als ihren Ehemann betrachten wollte? "Nächste Woche in Sao Paulo, Darling? Wir könnten zu Abend essen und... " Claudia ließ die Finger über seinen Arm gleiten. Raphael umfasste ihr Handgelenk und hielt es fest. Ihm fiel nichts anderes ein, um sie davon abzuhalten, ihn zu berühren. Und verdammt, er war noch immer wütend. Behandelte eine Frau so ihren Ehemann? Erwies sie ihm so Respekt? Wenn Carin nicht bald auftauchte, würde er nach oben gehen und sie holen, selbst wenn er die Tür eintreten musste. Wie
konnte sie es wagen, ihn auszusperren? Wie konnte sie es wagen, ihn dermaßen herablassend zu behandeln? Damit war jetzt Schluss. Sie würde tun, was von ihr erwartet wurde. Sie würde schön aussehen, sich sittsam benehmen, nur sprechen, wenn sie angesprochen wurde, und seine Gäste bezaubern. Und später, wenn sie allein waren, würde er die Schlafzimmertür abschließen und ihr zeigen ... Raphael trank sein Glas aus. Was würde er Carin zeigen? Dass es ihm erschreckend an Selbstbeherrschung fehlte, was sie anbelangte? Dass sie ihn mit einem kühlen Blick auf die Palme bringen konnte? Dass er sich noch immer danach sehnte, sie wieder in den Armen zu halten? Tudo bem. Na schön. In seiner Erinnerung hatte sich ein simpler Geschlechtsakt in etwas verwandelt, was zu leidenschaftlich war, um real zu sein. Mit Carin zu schlafen würde die Sache normalisieren. "Raphael?" Verdammt richtig. Eine Ehefrau sollte mit ihrem Ehemann schlafen. Es war an der Zeit, sie das zu lehren. Nach dieser Nacht würde sie an keinen anderen mehr denken. Er würde sie nehmen, bis sie erschöpft war und ihr alles wehtat. Er würde den Mann, den sie geliebt hatte und vielleicht noch immer liebte, aus ihrem Körper, ihrem Herzen und ihrer Seele verdrängen. "Raphael", sagte Claudia wieder. "Oh, du meine Güte!" Sie lachte leise. "Pare!" flüsterte Isabel scharf, und Claudia verstummte. Seine Gäste blickten starr an ihm vorbei. "Was ist los?" Er drehte sich um und sah seine Frau in dem bogenförmigen Eingang zum Wohnzimmer stehen. Zuerst dachte er, sie sei krank, dann wurde ihm klar, dass die Farbe des Kleides ihre Haut so gelblich wirken ließ. Du liebe Güte, das leuchtende Grün tat den Augen weh. Und es glänzte. Konnte ein Stoff radioaktiv strahlen? Dieser tat es zweifellos. Außerdem passte das Kleid nicht richtig. Eng anliegende Sachen konnten einer Frau schmeicheln, aber dieses Kleid war anders eng. Es spannte an den Nähten und machte Teigklumpen aus Carins üppigen Rundungen. Was war das am Hals und an den Knöcheln? Rüschen? Raphael blickte entsetzt seine Frau an. In Rüschen hatte er sich Carin niemals vorgestellt. Sie war zu schlank und elegant dafür. Zumindest war sie es bis zu diesem Abend gewesen. Und ihr Haar. Es war wie schokoladenbraune Seide gewesen. Jetzt sah es aus wie mattbraunes Stroh. Raphael atmete scharf ein. Das musste ein böser Traum sein. Oder irgendein grauenhafter nordamerikanischer Scherz. "Raphael", sagte sie lächelnd. Ihr Mund war purpurrot angemalt. Ein Vorderzahn war mit der schrecklichen Farbe verschmiert. "Raphael, bitte verzeih mir. Es tut mir so Leid, dass ich zu spät komme." Sie klang nicht einmal wie sie selbst, sondern wie eine Parodie von Marilyn Monroe. Und warum bat sie ihn um Verzeihung? Die Carin, die er kannte, würde niemals um irgendetwas bitten. Was war passiert? Er hatte den Arzt zu schnell weggeschickt. Gab es nicht so etwas wie postnatale Depressionen? Sim. Die Frau eines Freundes hatte daran gelitten. Vielleicht war diese Psychose eins
der Symptome. War es seine Schuld? Hatte er sie so eingeschüchtert, dass sie sich zu sehr bemühte, ihn zufrieden zu stellen? Claudia kicherte, und Raphael warf ihr einen wütenden Blick zu. Isabela redete flüsternd mit ihrem Mann. Sie klang freundlich. Gut, dass sie hier war. Sie hatte Kinder. Bestimmt wusste sie, wie man damit umging ... "Raphael", sagte Carin leise. Irgendetwas daran, wie sie seinen Namen aussprach, ließ Raphael erstarren. Anstatt das schreckliche Kleid, die scheußlichen Schuhe und den purpurroten Mund anzusehen, blickte er ihr in die Augen ... Und platzte vor Wut. Seine Frau hatte keine Depressionen. Ihre Augen funkelten kalt und boshaft. Sie hatte das absichtlich getan. Er wollte sie umbringen. Nein. Umbringen war eine zu leichte Strafe. Er wollte seine Gäste hinauswerfen und Carin schütteln, bis ihr die Zähne aufeinander schlugen und diese grausigen Rüschen tanzten, bis sie wirklich um Gnade bat. Erst dann würde er ihr das hässliche Kleid vom Leib reißen, sich ausziehen und sie hier auf dem Fußboden nehmen, bis sie wusste, dass er der Herr war und so ein Betragen nicht duldete. Er atmete tief durch und sah sich um. Isabela da Sousa blickte starr die Wand an. Luiz kippte den Rest seines Whiskeys hinunter. Claudias Liebhaber, wie auch immer er heißen mochte, machte vor Schreck Stielaugen. Und Claudia wartete voller Vorfreude auf das, was als Nächstes passieren würde. Tja, sie würde enttäuscht werden. Raphael ließ sie los, rang sich ein Lächeln ab, ging zu Carin und küsste ihr die Hand. "Ah, querida, ich hatte mich gefragt, warum du dich so verspätest. Jetzt weiß ich den Grund. Du hast dich noch schöner gemacht, als du schon bist." Sie versuchte, ihm die Hand zu entziehen, und er verstärkte seinen Griff. "Ich habe unseren Gästen alles über dich erzählt, Carin." Sie kniff die Augen zusammen. Diese Reaktion hatte sie nicht erwartet. Gut, dachte Raphael grimmig. Sollte sie sehen, dass zwei das Spiel spielen konnten. "Komm, querida." Das Beste bis zum Schluss übrig lassend, zerrte er sie an Claudia vorbei zu den da Sousas. "Isabela, das ist meine Frau Carin." Isabela räusperte sich. "Wie nett, Sie kennen zu lernen, meine Liebe." "Und das ist Luiz, Isabelas Mann." Er küsste Carin die Hand. "Ich bin entzückt." Carin Wurde rot. Isabela sah aus, als wäre sie gerade aus einem Pariser Schönheitssalon gekommen, ihr Mann glich Paul Newman aufs Haar. "Alle Freunde von Raphael sind meine Freunde", flüsterte sie. "Und das ist ... Entschuldigen Sie, Senhor, ich habe leider Ihren Namen vergessen." "Carlos Garcia, Dona Carin. Muito gosto." "Ich freue mich auch, Sie kennen zu lernen, Senhor", sagte sie nervös. Hatte sie einen Fehler gemacht? Ihr Auftritt hatte die erhoffte Wirkung gehabt. Raphaels Gäste hatten völlig verblüfft ausgesehen. Er war entsetzt gewesen und dann rot vor Verlegenheit und Wut geworden. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sich so schnell von dem Schock erholen würde. Auch hatte sie sich nicht vor
so eleganten Leuten blamieren wollen. Und wer war die Frau, deren Hand Raphael gehalten hatte, die bildschöne Blondine mit den endlos langen Beinen? Raphael umfasste Carins Taille. Seine Gäste würden es für eine liebevolle Geste halten. In Wirklichkeit war sein Griff stahlhart. "Und jetzt, meine reizende Ehefrau, möchte ich dich mit einer sehr alten und lieben Freundin von mir bekannt machen." Er drehte Carin herum. "Das ist Claudia Suares", sagte er gefährlich sanft. Claudia war groß. Sie war eine umwerfend attraktive Frau und trug ein Kleid, das kaum ihre Oberschenkel bedeckte. Mit ihrem Lächeln hätte sie Zahnpasta, Autos und vielleicht sogar den Weltfrieden verkaufen können. "Hallo", sagte Carin und bewies, dass man die Lippe über einen purpurrot verschmierten Schneidezahn klappen und trotzdem sprechen konnte. "Wie charmant!" Claudia warf Raphael das Megawattlächeln zu. "Was für ein schlimmer Junge du bist, Darling. Die Frau, die du geheiratet hast, und die Frau, die du heiraten solltest, an einen Tisch zu setzen! Oh, was werden wir für einen Spaß haben! " Es machte überhaupt keinen Spaß. Carins Plan war gescheitert. Er hatte sein Leben in dem Moment ausgehaucht, als sie ins Wohnzimmer gegangen war. Claudias Bemerkung war der coup de grace gewesen. Alle hatten über den kleinen Scherz höflich gelacht, und dann hatte Raphael erklärt, dass Claudia und er früher einmal verlobt gewesen seien. "Die Probleme ließen sich nicht lösen", hatte Claudia gesagt und ihn verlangend angesehen. "Nein", hatte er ruhig erwidert. "Aber wir bleiben trotzdem in Verbindung." „In der Tat" , hatte Claudia gesäuselt. Während des Essens fragte sich Carin, was "früher einmal" bedeutete. Vor sechs Monaten? Vor sechs Jahren? Oder waren es nur sechs Wochen? Und welche Probleme ließen sich nicht lösen? Was bedeutete es, dass sie trotzdem in Verbindung blieben? Zum allerersten Mal kam ihr der Gedanke, dass ihr Ehemann vielleicht eine Beziehung gehabt hatte, bevor er sich verpflichtet gefühlt hatte, sie zu heiraten. Vielleicht war ihre Heirat der Grund, warum Raphael und Claudia ihre Probleme nicht hatten lösen können. Ich habe nur an das Leben gedacht, das ich zurücklasse, dachte Carin. Sie war so davon besessen gewesen, wie Raphael ihre Welt auf den Kopf gestellt hatte, dass sie sich niemals gefragt hatte, was sie möglicherweise mit seiner machte. Zweifellos standen sich Claudia und er nahe. All die Blicke. Wie sie sich anlächelten. Wie sie ihm die Hand auf den Arm legte ... Die anderen schienen nicht zu erwarten, dass sich Carin am Gespräch beteiligte, und sie tat es nicht. Schließlich waren sie mit Essen fertig, und sie glaubte, damit sei der Abend zu Ende. Sie irrte sich. "Unsinn, querida", sagte Raphael freundlich und umfasste wieder mörderisch fest ihre Taille. „Es ist noch früh. Wir trinken Kaffee und Brandy auf der Terrasse."
Nein! dachte Carin entsetzt, während die anderen das Esszimmer verließen. "Ich denke, ich gehe schon nach oben. Bitte sag deinen Gästen ...“ "Unseren Gästen. Du wirst erst dann gehen, wenn ich es dir erlaube, oder Ehrenwort, du wirst es bereuen." Sie glaubte ihm. Er führte sie nach draußen auf die Terrasse und zog ihr einen Stuhl heraus, als wäre er der liebevollste aller Ehemänner. Elena brachte den Kaffee. Carin goss ihn in kleine Tassen, die so durchscheinend und zart wie Eierschalen waren, und Raphael schenkte Brandy in Kognakschwenker. Ob ihr anzusehen war, dass sie fast umkam vor Verlegenheit? Die sorgfältig inszenierte Rache hatte sich als Bumerang erwiesen. Anstatt ihren Ehemann zu demütigen, hatte sie sich selbst gedemütigt. Noch quälender war es jedoch, sich das intime Nebenspiel zwischen Raphael und der Frau ansehen zu müssen, die er eigentlich hatte heiraten wollen. Jemand erzählte einen Witz. Jemand anders lachte. Isabela, die ebenso freundlich wie charmant war, sprach mit ihr. Carin lächelte, nickte und hoffte, dass sie den Eindruck machte, als würde sie zuhören. Tat sie nicht. Sie beobachtete Claudia und Raphael. Seine ehemalige Verlobte gab einen Teelöffel Zucker in seinen Kaffee, bevor er nach der Dose greifen konnte. Sie beendete seine Sätze für ihn. Er flüsterte ihr etwas zu, und sie lachte leise. Die beiden waren Liebende, die so voneinander entzückt waren, dass sie den Rest der Welt vergessen hatten. Und plötzlich verstand Carin, warum ihr Mann in den vergangenen Wochen nicht verlangt hatte, dass sie sein Bett mit ihm teilte. Claudia war seine Geliebte. Carin sprang auf und streifte mit dem Kleid, diesem kreuzhässlichen Ding, den Tisch. Ihre Tasse und Untertasse fielen auf den Fliesenboden und zerbrachen. Alle verstummten und sahen erst das kaputte Porzellan und dann sie an. Carin wusste, dass sie sich entschuldigen oder einen kleinen Scherz über ihre Ungeschicklichkeit machen sollte, aber sie brachte kein Wort heraus. „Oh, wie furchtbar." Claudia verzog den perfekten, pinkfarbenen Mund. "Sie haben sich Kaffee auf Ihr Kleid geschüttet. Hoffentlich ist es nicht ruiniert, Carin. Ich kann mir denken, wie schwierig es sein würde, etwas so... so Ungewöhnliches zu ersetzen.“ "Claudia!" sagte Isabela scharf. „Also wirklich, Claudia! " Ihr Begleiter warf ihr einen strengen Blick zu. Raphael sagte nichts. Tränen traten Carin in die Augen. Sie raffte das Kleid zusammen und lief ins Haus. "Carin!" schrie Raphael. Sie hörte seine Schritte und lief schneller. "Carin, warte!" Sie war fertig mit Raphael Alvares' Befehlen, fertig mit dieser Karikatur einer Ehe, und sie wollte ihn nie wieder sehen. Er konnte sie hier nicht festhalten, ganz gleich, womit er drohte. Sie würde ihn noch an diesem Abend mit Amy verlassen. Carin rannte atemlos die Treppe hinauf. Sollte er sich doch einen
Anwalt nehmen. Wenn sie sich nicht so geschämt hätte und nicht so verwirrt gewesen wäre, hätte sie ihm das gleich zu Anfang gesagt ... Sie schrie auf, als Raphael sie von hinten packte. Er hob sie hoch, trug sie ins Schlafzimmer und stieß mit dem Fuß die Tür zu, dann drehte er Carin in seinen Armen herum. "Bist du verrückt?" Er drehte den Kopf weg, um ihren Faustschlägen auszuweichen. "Hör auf damit!" Er bekam ihre Handgelenke zu fassen. "Ich hasse dich", schluchzte sie. "Ich verachte dich." "Und deshalb machst du mir vor meinen Gästen Schande? Was für ein Vergnügen hat es dir bereitet, mich heute Abend in Verlegenheit zu bringen?" "Ich dich?" Carin versuchte vergeblich, sich zu befreien. "Was ist mit dem, was du mir angetan hast? Mir deine Geliebte vorzuführen und deine Freunde einzuladen, damit sie meine Demütigung miterleben." "Red nicht daher wie ein dummes Ding!“ „Es spielt keine Rolle mehr. Ich verlasse dich, Raphael.“ Er gab sie frei, verschränkte die Arme und sah Carin mit zusammengekniffenen Augen an. "Nein, tust du nicht." "Oh doch. Es ist schlimm genug, dass du mich zu dieser Ehe gezwungen hast..." "Wir haben an ein Kind zu denken. Oder bist du so egoistisch, dass du noch immer nur an dich selbst denkst?" "Ich bin egoistisch? Ich denke nur an mich selbst?" Carin stemmte die Hände in die Seiten. "Bin ich etwa in jener Nacht aus dem Schlafzimmer verschwunden und habe niemals zurückgeblickt? Habe ich die Heirat gefordert und einen Haufen blöder, egozentrischer Regeln festgelegt?" "Du bist egoistisch, wenn du nicht einsiehst, dass ein Kind beide Elternteile braucht." "Und du willst Amy mit einem Vater aufwachsen lassen, der eine Ehefrau und eine Geliebte hat und dem es völlig gleichgültig ist, wer davon weiß." "Ich habe keine Geliebte." "Oh, hör auf! Sie sitzt unten auf der Terrasse und lacht darüber, wie gut der Abend gelaufen ist." Raphael wurde rot. "Vielleicht hätte ich Claudia nicht einladen sollen." "Glaubst du etwa, du hättest sie geheim halten können? Ich wäre dahinter gekommen, auch wenn du diskreter gewesen wärst. Nicht, dass es mich interessiert. Meinetwegen kannst du hundert andere Frauen haben." Er lächelte selbstgefällig. "Wenn das stimmt, warum regst du dich dann so auf?" "Bist du schwer von Begriff? Ich rege mich auf, weil ich nicht in dem Haus zum Narren gehalten werden möchte, das angeblich mein Heim sein soll." Raphael fuhr sich seufzend durchs Haar. "Es ist dein Heim." "Nicht mehr lange."
"Carin." Er räusperte sich. "Ich habe schon eingeräumt, dass es wahrscheinlich ein Fehler war, Claudia einzuladen. Außerdem hätte ich dir wohl von ihr erzählen sollen." "Wozu?" Carin lachte. "Glaubst du, ich würde dir meinen Segen geben, bevor du mit ihr ins Bett gehst?" "Du bist meine Frau", sagte Raphael rau. "Du bist die Einzige, mit der ich von jetzt an ins Bett gehe." "Oh, das ist noch besser. Erwartest du von mir, dass ich mich geschmeichelt fühle, weil du mich als Ersatz für deine Geliebte benutzen würdest?" "So, wie ich ein Ersatz für deinen Liebhaber war, meinst du?" Raphaels Stimme war schärfer geworden. "Das ist nicht wahr! Ich habe mit dir geschlafen, weil ich es wollte, weil du Empfindungen in mir geweckt hast ..." Carin blickte ihn starr an. Sie wünschte, sie könnte die törichten Worte zurücknehmen. Die Zeit schien stillzustehen. "Lass mich einfach nach Hause fliegen", flüsterte sie schließlich. "Lass mich das Baby nehmen und..." Raphael umfasste ihre Schultern. "Was hast du in meinen Armen empfunden, querida?" "Nichts. Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe." Es stimmte. Sie hatte sich niemals erlaubt, wirklich über das nachzudenken, was sie in jener Nacht empfunden hatte oder warum sie mit Raphael geschlafen hatte. Und sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken, nicht, während er ihr so nah war. "Bitte lass uns diese Sache beenden. Was wir haben, ist keine Ehe. Es ist eine jämmerliche Seifenoper. Du hast mich Amy zuliebe geheiratet, und sie wird die Wahrheit spüren, wenn sie älter ist. Sie wird wissen ... " Raphael zog Carin an sich. Sie stemmte die Hände gegen seine Brust und versuchte vergeblich, ihn in Schach zu halten. "Antworte mir, minha esposa. Was hast du empfunden, als du dich mir hingegeben hast?" Seine Augen schienen dunkler geworden zu sein. Carin wandte das Gesicht ab. Sie wusste, dass es gefährlich war, in diese Augen zu sehen oder die Frage ehrlich zu beantworten. "Ich habe nichts empfunden." Raphael umfasste ihr Kinn und brachte Carin dazu, ihn anzublicken. "Deshalb hast du damals so gebebt, wie du jetzt bebst. Deshalb bist du damals in meinen Armen zusammengebrochen." Er holte lächelnd sein Taschentuch heraus. "Ich frage mich, was passiert wäre, wenn du so ausgesehen hättest, als wir uns kennen gelernt haben." Er wischte ihr sanft den Mund ab. "Vielleicht hätte ich das hässliche Kleid ignorieren können, aber die Lippenstiftfarbe ... ich weiß nicht." Carin lachte zittrig. "Oh verdammt, was müssen deine Freunde denken?" "Ich werde ihnen erzählen, es sei ein alter nordamerikanischer Brauch. Eine neu vermählte Frau solle sich ihrem frisch gebackenen Ehemann so unattraktiv wie möglich zeigen, um seine Gefühle für sie auf die Probe zu stellen, um zu testen, ob er sie auch noch begehrt, wenn sie ein Kleid in der Farbe ... Welche Farbe ist das? Hat sie einen Namen?"
",Grässlich-Grün'. Du hast das Thema gewechselt. Ist Claudia deine Geliebte?" "Nein." "Was ist sie dann? Welche Rolle spielt sie in deinem Leben?" "Sie ist nur eine Freundin." „Eine äußerst freundliche Freundin." "Tja..." Raphael zuckte die Schultern. „Ich entschuldige mich, querida. Mir ist niemals bewusst gewesen, dass sie mich so oft anfasst. Und, wie ich gesagt habe, ich hätte dir von ihr erzählen sollen." "Aber du warst mit ihr verlobt." "Das ist fünf Jahre her. Noch länger. Ich war derjenige, der Schluss gemacht hat. Sie ist ein verwöhntes Mädchen und keine Frau, querida, und sie ist keinem Mann treu. " Raphael atmete tief durch. "Ich bin der Meinung, dass man das Ehegelöbnis respektieren muss. Ein Mann. Eine Frau. Sonst niemand." "Sie will dich noch immer." "Sie flirtet mit jedem Mann, den sie kennt." Raphael seufzte. „Ja. Stimmt wohl. Ich berate sie in geschäftlichen Dingen, aber vielleicht ist es an der Zeit, dass sie sich bei jemand anders Rat holt." "Meinetwegen brauchst du sie nicht aufzugeben", sagte Carin steif. "Ich habe Claudia schon vor Jahren aufgegeben, querida." Er lächelte. "Außerdem bist du viel schöner als sie." "Glaubst du im Ernst, ich mache mir etwas daraus ... Bin ich das?" "Zweifellos. Obwohl es heute Abend ein bisschen schwer zu erkennen war." "Du meinst, dir gefällt dieses Kleid nicht? Tja, es war deine Schuld. Du hattest kein Recht, mir zu befehlen, in deine Zimmer umzuziehen." "Ich hatte jedes Recht." Raphael schwächte die Worte ab, indem er Carin auf den Mund küsste. "Du bist meine Frau." Schmieg dich nicht an ihn, sagte sie sich, lass das … "Wir sind verheiratet, amada. Warum sollte ich mich selbst belügen? Oder dich? Ich begehre dich, und du begehrst mich." Sie blickte ihm in die Augen und stellte die Frage, die sie all die Monate gequält hatte. "Warum hast du dich in jener Nacht davongemacht?" "Du hast dich im Badezimmer eingeschlossen." Seine Stimme wurde härter. "Du hast mir zu verstehen gegeben, dass ich nicht länger gebraucht werde." Carin seufzte. "Ich habe mich eingeschlossen, weil ich mich dessen geschämt habe, was ich getan hatte." "Mit einem Fremden schlafen." Sie nickte. "Und ... ich war so wild gewesen." Raphael stöhnte auf und küsste sie wieder. Sie hielt sich zurück, aber nur einen Moment lang. Raphael war ihr Ehemann. Sie hatte das Recht, ihn zu begehren, auch wenn sie nicht aus Liebe geheiratet hatten. "Ich konnte jene Stunde mit dir nicht vergessen", sagte er rau, während er ihr sanft den Rücken streichelte. "So etwas hatte ich noch nie erlebt." Carin lehnte sich in seinen Armen zurück und sah ihn an. "Ich auch nicht."
"Du bist so schön. "Schön und zerbrechlich, dachte er und runzelte die StirnSie wog nichts, das hatte er gemerkt, als er sie früher an diesem Tag ins Haus getragen hatte. Jetzt erkannte er, dass ihre Wangenknochen scharf hervortraten. Und sie hatte Schatten unter den Augen. "Du bist erschöpft, querida, und das ist meine Schuld. Dein Arzt sagt, du seist gesund, und ich lade sofort die halbe Welt zum Abendessen ein." Carin lächelte. "Vielleicht nicht ganz die halbe Welt." „Es wäre besser gewesen, wenn wir den Abend allein verbracht hätten. Ich hätte dich schon vor Stunden ins Bett bringen sollen." "Mich ins ... Raphael? Was tust du da?" "Was ich hätte tun sollen, anstatt dich mit Claudia zu quälen." Er hatte Carin herumgedreht, so dass sie mit dem Rücken zu ihm stand. Jetzt öffnete er den Reißverschluss ihres Kleides. "Ich bringe dich ins Bett." "Nein! Ich meine, ich kann selbst …“ "Scht." Raphael schob ihr das Kleid von den Schultern und küsste Carin auf den Nacken. Sie stöhnte leise auf, und es erregte ihn maßlos, dass sie ihn begehrte. Aber er würde in dieser Nacht nicht mit ihr schlafen. Sie war erschöpft, und es war seine Schuld. Dass sie litt, war auch seine Schuld. Er hatte sie in die Ehe gedrängt, anstatt sie langsam an den Gedanken zu gewöhnen, und er hatte sie ihres eigenen Lebens beraubt. In diesem Moment würde er damit anfangen, es wieder gutzumachen. Er würde nicht mit ihr schlafen. Ja, es stimmte, er hatte auf diese Nacht gewartet, doch es würde andere Nächte geben. Viele andere. Er lächelte, als er an all die Jahre dachte, die vor ihnen lagen. Mit dieser Frau konnte er ein Leben aufbauen. Sie würden Leidenschaft, Respekt und die Liebe zu ihrer gemeinsamen Tochter miteinander teilen. Er war niemals so dumm gewesen, an die Liebe zu glauben, die angeblich zwischen Mann und Frau vorkam. Nachdem er mit den erbärmlichen, albernen, sentimentalen Geschichten seiner Mutter und den Realitäten ihres Lebens aufgewachsen war, wusste er, dass es so etwas nicht gab. Eine erfolgreiche Ehe konnte auf viele Dinge gegründet sein. Liebe musste nicht dazugehören. Raphael zog Carin langsam das Kleid über die Hüften, und sein Herz raste, als er spürte, wie sie bei seiner Berührung erschauerte. Sie streifte ihre Schuhe ab, und er stieß sie mit dem Fuß weg, dann umfasste er ihre Taille, küsste ihre Schultern und stöhnte auf, weil Carin nach Honig und Mondschein schmeckte, nach Blumen und Verlangen. Verlangen nach ihm. Raphael atmete tief durch, drehte sie herum und sah sie an. Carin war noch schöner, als er es in Erinnerung gehabt hatte. Sie trug einen weißen Spitzen-BH, einen weißen Spitzenslip und hauchdünne weiße Strümpfe. Raphael berührte ihre Brüste, streichelte ihren flachen Bauch und ließ die Hand zwischen ihre Beine gleiten. Er spürte, wie sehr sie ihn begehrte, und es zwang ihn fast in die Knie. "Magst du es, wenn ich dich berühre, querida?" fragte er leise. "Ja", seufzte sie. "Oh ja, ich..." Sie schrie auf, als er ihren BH öffnete.
Raphael umfasste stöhnend ihre Brüste. "Du bist so schön, minha esposa. Du raubst mir den Atem." "Ich habe zugenommen, und ich habe mich gefragt, was du wohl denkst, wenn du mich siehst. Ich war nicht sicher..." Er liebkoste mit der Zunge ihre hart gewordenen Brustspitzen und sehnte sich danach, den Mund tiefer gleiten zu lassen und auf ihren Mittelpunkt zu pressen, aber er wusste, dass er dann die Beherrschung verlieren würde. Stattdessen trat er zurück und zog sich aus, zog alles aus bis auf seine schwarzen Seidenshorts. Carin hatte ihn nicht wirklich gesehen in der Nacht vor all den Monaten, als sie zusammen gewesen waren. Dafür war es zu schnell gegangen. Jetzt konnte sie sehen, wie schön der Mann war, den sie geheiratet hatte. Die breiten Schultern und die muskulöse Brust, den flachen Bauch, die schmalen Hüften ... und wie erregt er war. Hitze durchflutete Carin. Ihre Knie gaben nach. "Raphael", flüsterte sie, und er hob sie hoch und trug sie zum Bett. Er schlug die Decke zurück, legte sich mit Carin hin und drückte sie an sich. Teufel noch mal, wie gern er ihr das bisschen Spitze abstreifen und seine Shorts ausziehen würde. Nein. Nicht in dieser Nacht. "Carin, ist dir klar, dass wir noch nie zusammen geschlafen haben?" "Wir haben damals auf Espada …“ "Nao, querida. Dazu sind wir nicht gekommen. Du hast mich, allein im Bett zurückgelassen." Raphael küsste sie lange. "Willst du jetzt mit mir zusammen schlafen? Ich meine, wirklich schlafen, nichts sonst." Carin umfasste sein Gesicht. "Das ist sehr nett von dir, doch ich spüre, was du dir wünschst. Ja, ich bin müde, aber du bist mein Mann ... " Er küsste sie wieder. "Sim. Ich bin dein Mann, und ich kann warten. " Mein Mann, dachte sie, während er ihr den Rücken streichelte. Sie seufzte, schloss die Augen und entspannte sich in Raphaels beschützender Umarmung. Minuten später schlief sie fest.
9. KAPITEL Carin hatte gut geschlafen. Raphael nicht. Wie konnte ein Mann mit einer warmen, süß duftenden Frau in seinen Armen schlafen? Ihr Kopf lag auf seiner Schulter, ihr Gesicht war seinem ganz nah, und eine Hand ruhte auf seiner Brust. Als das rosige Licht der Morgendämmerung durch die Fenster schien, rollte sich Raphael vorsichtig auf die Seite und hielt Carin weiter an sich gedrückt. Er wollte den Tag beginnen, indem er ihr schönes Gesicht betrachtete. Ah, sie war wirklich wunderschön. Und sie sah erholt aus. Sie war nur ein einziges Mal aufgewacht. Mutterinstinkt, wie er vermutete, denn er hatte Amy nicht schreien hören.
"Amy ist hungrig", hatte Carin gemurmelt, und er hatte sie ins Kinderzimmer getragen und von Zärtlichkeit erfüllt zugesehen, während sie ihre gemeinsame Tochter gestillt hatte. "Wir haben Amy schon das Fläschchen gegeben", hatte das Kindermädchen leise gesagt. "Sie brauchen sich um den Morgen keine Gedanken zu machen, Senhor. " Raphael hatte das Lächeln der Frau erwidert, Carin wieder hochgehoben und zurück ins Bett gebracht. Sie hatte sich an ihn gekuschelt und war eingeschlafen. Ja, die Schatten unter ihren Augen waren verschwunden. Und er würde dafür sorgen, dass sie zunahm. Von jetzt an würden sie immer zusammen essen. Er würde sie mit den köstlichen Gerichten seiner Heimat bekannt machen. Nicht mit dem feinen Zeug, das er inzwischen aß, sondern mit den kräftigen, würzigen Gerichten, die lange sättigten. Außerdem würde er ein churrasco organisieren. Es ging nichts über ein brasilianisches Barbecue. Er würde die da Sousas und alle seine anderen Freunde einladen, sie bitten, ihre Kinder mitzubringen, und seine Ehefrau Leuten vorstellen, die sie mögen und ihr das Gefühl geben würden, willkommen zu sein. Was Claudia betraf ... Er würde ihr klipp und klar sagen, sie müsse sich einen anderen Finanzberater suchen, er sei ein verheirateter Mann und werde Unhöflichkeit gegenüber seiner Frau nicht dulden. Carin hatte seinen Respekt verdient, seine Loyalität und am allermeisten seine Lie... Raphael hielt den Atem an. Er hob vorsichtig Carins Hand von seiner Brust, dann zog er den Arm unter ihren Schultern hervor. Sie murmelte irgendetwas, legte ihm im Schlaf die Hand um den Nacken und kuschelte sich wieder an ihn. Raphael blickte starr an die Zimmerdecke. Was für ein Unsinn war das denn? Es gab keine Liebe. Lust war eine verständliche Emotion, auf der man eine Ehe aufbauen konnte, wenn andere Dinge dazukamen. Respekt. Loyalität. Treue. Freundschaft. Von diesen Grundsätzen hielt er viel. Carin würde es auch tun. Er würde es von ihr fordern. Ein Mann. Eine Frau. Sonst niemand. Lust hatte sie beide zusammengebracht. Grundsätze würden sie zusammenhalten, wenn das Verlangen verschwunden war. Carin schmiegte sich enger an ihn. Er wollte sie wachküssen, und das war ja wohl Lust. Er erkannte das Gefühl, schließlich hatte er im Lauf der Jahre mit vielen Frauen geschlafen und wusste, wie es war, morgens erregt aufzuwachen. Nur war es jetzt anders. Er empfand ... Aufstöhnend umarmte Raphael seine Frau und ließ das Nachdenken sein. Er küsste sie auf die Schläfe und Wange, legte Carin auf den Rücken und küsste sie sanft auf den Mund. Sie wachte langsam auf und flüsterte seinen Namen. Raphael freute sich so sehr, dass es ihn zutiefst erschütterte. Seinen Namen sagte sie, noch bevor sie völlig wach war. Er küsste sie leidenschaftlicher, und sie schob ihm die Finger ins Haar und erwiderte den Kuss. Sie schmeckte nach Morgensonne und Honig und nach alldem, an das er sich während der vergangenen Monate erinnert hatte. " Carin", flüsterte er, "amada, desejo-te. Ich begehre dich, Schatz. So sehr, dass mir alles wehtut."
Ihr Kuss war die Antwort, die er brauchte. Raphael zog ihr die Decke weg und sah, wie ihre Augen groß wurden und der Puls an ihrem Hals schneller ging. "Du bist schön, querida", sagte er leise, und dann ließ er den Blick langsam über ihre Brüste, die schmale Taille und den flachen Bauch gleiten. Er umfasste eine Brust, ließ die Hand dann tiefer gleiten und streichelte Carin überall. Ihr lustvolles Seufzen vermischte sich mit seinem, und sie schmiegte sich an ihn. Er küsste sie auf den Hals und die Schulter und berührte mit der Zunge die hart gewordenen Brustspitzen. "Raphael", flüsterte sie. "Du bist noch schöner geworden, amada." Er sehnte sich danach, sie zu besitzen, sie endlich zu der seinen zu machen, und er schob ihr den Slip hinunter, zog seine Shorts aus und ließ die Hand zwischen ihre Beine gleiten. Carins Erregung trieb ihn fast zum Wahnsinn. Langsam, befahl er sich. Er hatte Angst, ihr wehzutun, er hatte noch nie mit einer Frau Sex gehabt, die erst wenige Wochen zuvor ein Kind zur Welt gebracht hatte. Er küsste sie sanft auf den flachen Bauch, schob die Hände unter sie, hob sie an und berührte sie mit dem Mund. Carin schrie auf vor Lust. Versunken in das Wissen, dass sie für ihn bereit war, liebkoste Raphael sie mit der Zunge, und als sie an seinen Mund kam, schob er sich auf sie und drang langsam in sie ein. Fast grimmig konzentrierte er sich darauf, sie nicht hart zu nehmen, ihr nicht wehzutun ... "Raphael", sagte Carin und bog sich ihm entgegen. Und er verlor alles, seine Beherrschung, seine Vernunft, sich selbst, als er den Höhepunkt erreichte. Er brach zusammen, sank schwer atmend auf sie, erschöpft und von einer Freude erfüllt, wie er sie noch nie erlebt hatte. Carin drückte ihn an sich und flüsterte seinen Namen. Er flüsterte Koseworte auf Portugiesisch und Englisch und küsste sie. Die Zeit verstrich. Sein Herzschlag normalisierte sich, und plötzlich wurde Raphael bewusst, dass er seine zarte Frau mit seinem ganzen Gewicht auf die Matratze drückte. Er fluchte leise und wollte sich von ihr herunterrollen, Carin verstärkte jedoch den Druck ihrer Arme um ihn. "Nicht", sagte sie unsicher. "Bitte verlass mich nicht." Raphael dachte an jene Nacht zurück, daran, wie Carin neben ihm starr geworden war, wie sie ihn und er sie verlassen hatte, und er küsste sie. "Ich werde dich nie wieder verlassen. Aber ich bin zu schwer für dich." "Nein." "Sim. Du bist so klein...“ Sie schob ihm lachend das zerzauste Haar aus der Stirn. Mein Ehemann, dachte sie. "Ich bin nicht klein." "Zierlich, dann." Er rollte sich auf die Seite, zog Carin an sich und blickte ihr lächelnd in die Augen. "Zierlich und so schön, dass es mir den Atem raubt, dich anzusehen." Sie wurde rot. "Und mir raubt es den Atem, dich anzusehen."
"Das ist nicht der richtige Moment, mir zu sagen, dass ich eine Frau geheiratet habe, die einen gut aussehenden Mann nicht von einem dicken, hässlichen Gaucho unterscheiden kann." "Hör auf, nach Komplimenten zu fischen. Du bist weder dick noch hässlich, und du bist kein Gaucho." Carin warf ihm einen selbstgefälligen Blick zu. "Ich erinnere mich noch an den Geographieunterricht in der sechsten Klasse. Gauchos sind Cowboys." „Sim.“ "Und sie kommen aus Argentinien, nicht aus Brasilien." Raphael lächelte. "In diesem Teil Brasiliens sprechen wir auch von Gauchos, und von den Pampas." Es war wundervoll, in seinen Armen zu liegen und mit ihm zu reden, als würden sie sich schon ewig kennen. Carin schob sich näher an ihn heran. Sie wollte ihn nur ganz an sich fühlen, aber sofort war alles anders. Sein Lächeln verschwand, er wurde erregt, und sie reagierte darauf. "Querida. " Raphael atmete tief durch. "Ich denke ... ich denke, wir sollten aufstehen." "Aufstehen?" "Ja." Du lieber Himmel, er konnte spüren, wie sich seine Muskeln anspannten. "Du weißt schon. Duschen. Frühstücken …“ "Herausfinden, was aus den Gästen geworden ist." Raphael lachte. "Ich vermute, sie haben das Warten aufgegeben und..." Er stöhnte. „Tu das nicht." "Was denn?" Carin bewegte sich ein bisschen. "Duschen ist das Beste", sagte er schnell. "Lange kalt duschen. " "Ich habe einen noch besseren Einfall." Sie umfasste ihn. Raphael drehte sie auf den Rücken und schob sich auf sie. "Du spielst mit dem Feuer", sagte er rau. "Ja", flüsterte sie. Verlangen und ihre Macht über ihn machten sie schwindlig. Er bot seine letzte Selbstbeherrschung auf. "Ich will dir nicht wehtun." "Du kannst mir nur wehtun, indem du mir sagst, du möchtest nicht noch einmal mit mir schlafen." "Das wirst du niemals von mir hören." Langsam drang er in sie ein. " Nimm mich in dir auf, esposa. Und sieh mich dabei an." Carin öffnete die Augen. "Und sag meinen Namen." "Raphael..." Er bewegte sich. "Sag es, minha esposa." "Raphael", schluchzte sie, als er sie ausfüllte. "Wer bin ich? Sag es! " "Du bist mein Ehemann... " Carin bog sich ihm entgegen. Er stieß härter zu, und sie schrie auf. Kurz bevor er seine sorgfältig geordnete, streng kontrollierte Welt losließ, wurde Raphael von einem Gefühl durchflutet, das nichts mit Sex zu tun hatte.
Als Carin aufwachte, war das Zimmer mit goldgelbem Sonnenlicht erfüllt. Sie war allein, aber sie fühlte sich nicht verlassen wie in jener Nacht vor so vielen Monaten, nachdem sie festgestellt hatte, dass Raphael verschwunden war. Wo er gelegen hatte, war das Laken noch warm, und sein sauberer Duft haftete an seinem Kopfkissen. Carin umarmte es, rollte sich auf den Bauch und schloss die Augen. Was für eine unglaubliche Nacht es gewesen war. Raphael und sie waren so wütend aufeinander gewesen. Wer hätte gedacht, dass sich all die Wut in Zärtlichkeit und dann in Leidenschaft verwandeln würde? Raphael war ein bemerkenswerter Mann. Nicht nur das. Er war auch ... Carin drückte das Gesicht ins Kissen. Es war albern, rot zu werden, wenn man allein war, aber sie war sicher, dass sie gerade von Kopf bis Fuß errötete. Raphael war der wundervollste Liebhaber. Der Sex, den sie vor ihm erlebt hatte, war überhaupt nicht so gewesen. Raphael hatte sie überall gestreichelt und geküsst. Das letzte Mal hatte sie sich geweigert, ihn loszulassen, und sie waren noch vereint gewesen, als sie eingeschlafen waren. Sie lächelte. Sie fühlte sich befriedigt. Glücklich. Geliebt. Ihr Lächeln verschwand. Sie drehte sich auf den Rücken und blickte blind an die Decke. Sie hatten miteinander geschlafen. Das bedeutete nicht, dass sie geliebt wurde. Nicht, dass sie von Raphael geliebt werden wollte. Sie konnten auch ohne Liebe eine sehr gute Ehe führen. Was immer "Liebe" war. Ihre Mutter hatte ihren Vater geliebt, und er hatte sie geliebt, aber hätten sie sich schließlich so gehasst, wenn das wirklich "Liebe" gewesen wäre? Ihr Stiefvater beteuerte, alle seine Ehefrauen geliebt zu haben. Ja, richtig. Carin schnaufte verächtlich. Okay. Amanda und Tom waren verrückt nacheinander. Mit ihnen im selben Zimmer zu sein konnte sogar peinlich sein, denn so höflich und freundlich sie auch waren, hatte man doch immer das Gefühl, dass sie lieber allein sein wollten. Bei ihren Stiefbrüdern und ihren Frauen war es das Gleiche, nur war nichts davon Liebe. Es war Lust. Carin stand auf, zog den Morgenmantel an, der am Fußende des Bettes lag, und ging ins Badezimmer. Und das war in Ordnung. Lust hatte Raphael in ihr Leben gebracht. Lust war der Grund, warum sie sich am vergangenen Abend umarmt hatten. Und wenn sie Glück hatten, würde Lust sie zusammenhalten und ihre gemeinsame Tochter. Ja, Raphael hatte Recht. Amy hatte einen Anspruch auf ein Zuhause mit Mutter und Vater. Carin seufzte. Sie hatte geglaubt, sie hätte "Liebe" bei Frank gefunden. Ich liebe dich, Carin, hatte er oft gesagt. Sie hatte die Worte niemals benutzt, aber sie hatte sie gedacht. Man brauchte sich ja nur anzusehen, was daraus geworden war. Franks Vorstellung von "Liebe" hatte ihn in die Arme einer anderen Frau geführt. Und sie hatte sich darunter gewiss nicht vorgestellt, dass sie sitzen gelassen wurde und ihr gebrochenes Herz auskurieren musste ... So war es nicht gewesen. Carin ging zurück ins Schlafzimmer. Sie hatte kein gebrochenes Herz gehabt, sie war wütend gewesen. Weil sie Frank niemals
geliebt hatte. Wenn sie es getan hätte, wäre sie bei seinem Anblick jedes Mal erfreut gewesen. Sie hätte sich so nach seinen Küssen, gesehnt, wie sie sich nach Raphaels sehnte. Sie hätte in seinem Morgenmantel dagestanden, so, wie sie jetzt in Raphaels dastand, hätte seinen Duft- eingeatmet und sich gewünscht, in seinen Armen zu sein... Carin sah auf. Es war nicht wahr. Es durfte nicht wahr sein. Was sie für Raphael empfand, war Verlangen. Und Respekt, auch wenn sie das am Vortag noch geleugnet hätte. Außerdem mochte sie ihn. Warum auch nicht? Er war intelligent, lustig und großzügig. Aber sie liebte ihn nicht. Sie wollte es nicht. Liebe war gefährlich und unsicher und machte einen für den schlimmsten Schmerz anfällig. "Bom dia, querida.” Carin drehte sich um. "Habe ich dich erschreckt?" Raphael kam herein und stieß mit dem Ellbogen die Tür hinter sich zu. Er trug ein silbernes Tablett, das er auf einen kleinen Tisch vor dem Fenster stellte. "Ich dachte, du seist vielleicht wie ich. Mit mir kann man sich erst abgeben, wenn ich meinen Morgenkaffee getrunken habe." Das stimmte nicht. Er war es wert, dass man sich mit ihm abgab. Carins Herz schlug schneller. Raphael hatte sich noch nicht rasiert. Sein Haar war zerzaust. Er hatte den Reißverschluss, aber nicht den Knopf an seinen Jeans zugemacht. Sonst trug er nichts, und sein sexy Lächeln war verheerend. "Sieh nicht so besorgt aus." Raphael setzte sich lächelnd auf eins der beiden zweisitzigen Sofas und schenkte aus der silbernen Kanne den Kaffee ein. Als Carin das Sofa ihm gegenüber nahm, stand er auf, reichte ihr eine Tasse und setzte sich neben sie. "Ich habe ihn nicht selbst gekocht. Das hat Elena gemacht." "Oh." Carin hob die Tasse an den Mund. Oh. War das alles, was sie bei einem Gespräch mit ihrem Ehemann aufbieten konnte? Mit dem Mann, in den sie sich verliebt hatte? Natürlich hatte sie es nicht getan. Es war unmöglich, dass sie ... Vorsichtig stellte sie die Tasse auf den Tisch und warf Raphael ein Lächeln zu, das hoffentlich ruhiger war als ihre Hand. "Tja", sagte sie munter. "Tja." Er erwiderte ihr Lächeln. „Ich muss nach Amy sehen." "Sie hat eine Flasche bekommen und schläft jetzt. Ich bin gerade im Kinderzimmer gewesen." "Oh." "Ich habe dem Kindermädchen gesagt, wir besuchen Amy in der Mittagszeit." "Aber was machen wir denn bis ..." Carin verstummte. Sie war noch nie im Bett eines Mannes aufgewacht, und es wäre sowieso schwierig gewesen, Raphael an diesem Morgen anzusehen, ohne verlegen zu werden. Jetzt war es noch schlimmer. Unmöglich. Er durfte auf keinen Fall wissen, dass sie ... glaubte, sie könnte ihn vielleicht lieben. Sie würde es ihm niemals sagen. Eine Frau gab einem Mann so viel Macht Über sich, wenn sie das zugab. Raphael nahm ihre Hand. "Carin. Was ist los?"
Sie befeuchtete sich nervös die Lippen. "Nichts. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll." "Du sollst dich nur ansehen lassen, esposa. Ich hätte dich fast geweckt, nur um dir zu sagen, wie schön du bist." Sie lächelte unsicher und entzog ihm die Hand. "Danke." "Irgendetwas stimmt nicht. Fühlst du dich nicht wohl?" Seine Augen schienen dunkler geworden zu sein. "Habe ich dir wehgetan?" "Nein! Es ist nur, dass ich diese ... diese Sache am Morgen danach nicht besonders gut kann." Raphaels Miene wurde ausdruckslos. "Warum nicht?“ "Weil ich vor heute Morgen noch nie im Bett eines Mannes aufgewacht bin." Er sagte nichts. Carin wusste plötzlich, dass sie es ihm erzählen musste. Er hatte das Recht, es zu wissen. Und sie wollte, dass er es wusste. Auch wenn es ihn anscheinend nicht interessiert, dachte sie wütend. "Frank ist der einzige Mann, mit dem ich jemals zusammen gewesen bin." Raphaels Gesichtsausdruck blieb unergründlich. "Ich verstehe." Sie sprang auf. "Langweile ich dich? Wenn ja..." "Carin. " Er packte sie am Handgelenk und stand auf. "Warum erzählst du mir das?" "Die Frage stelle ich mir langsam auch. Mir ist der verrückte Gedanke gekommen, du würdest vielleicht gern wissen, dass ich nicht promiskuitiv bin. Dass ich, was Sex angeht..." "Hör jetzt nicht auf“, sagte er leise. "Nicht, wenn es gerade anfängt, interessant zu werden." Sie wurde rot. "Ich habe niemals eine ganze Nacht mit Frank verbracht, und der Sex mit ihm war niemals ... " Raphael umfasste ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. "Wir haben uns gestern Nacht geliebt, querida. Das ist ein Unterschied." Sie seufzte. "Ja." Einen Moment lang habe ich befürchtet, du wolltest mir erklären, Frank sei ein Liebhaber gewesen, den du bis an dein Lebensende nicht vergessen würdest." "Nein. Oh nein. Das ist es ja gerade nicht. Ich habe versucht, dir zu sagen..." Carin biss sich auf die Lippe, dann lächelte sie Raphael strahlend an. "Setz dich. Ich schenke dir noch Kaffee ein." Raphael nickte und setzte sich. Er wollte keinen Kaffee mehr, aber vielleicht kapierte er, was vorging, wenn er hier nur lange genug saß. Carin hatte ihm erzählt, dass sie vor ihm nur mit einem einzigen Mann zusammen gewesen sei und dass es mit ihm nicht so gut gewesen sei wie mit ihm. Warum hatte sie das getan? Nicht, dass er es nicht gern hörte. Aber warum sah sie so unglücklich aus, wenn es stimmte, dass der Schatten verschwunden war, der über ihrer Ehe gehangen hatte? Du liebe Güte, würde ein Mann jemals die Frauen verstehen? Was war in den vergangenen zwei Minuten passiert? Was war passiert, seit sie sich zum letzten Mal geliebt hatten?
Geliebt hatten. Ihm zitterte ein bisschen die Hand. Sich zu lieben und Sex zu haben war wirklich nicht dasselbe. Was er mit Carin gefühlt hatte, war ... Es war anders gewesen. Bleib eins mit mir, hatte sie beim letzten Mal geflüstert. Er hatte es für immer bleiben wollen. In ihren Armen, in ihrem Herzen ... Die Tasse stieß klirrend gegen die Untertasse. Raphael stellte sie vorsichtig hin und stand auf. "Ich werde jetzt duschen", sagte er energisch. Carin nickte. "Ich ziehe mich an." "Gut. Und dann reite ich mit einigen von meinen Männern aus." Sie nickte wieder. "Natürlich." "Ja." Er ging durchs Zimmer, blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „In der Nähe des südlichen Weidelands sind Spuren eines Jaguars gewesen. Die Frage ist, ob wir ihn vertreiben können oder ihn ..." "Raphael", sagte Carin leise. Und ihre Stimme verriet ihm alles, was er wissen wollte. "Querida." Er breitete die Arme aus. Sie lief zu ihm, er zog sie an sich und erkannte in diesem Moment, dass sich sein Leben für immer verändert hatte.
10. KAPITEL Carin saß im Schneidersitz auf einer Decke im Gras. Amy lag neben ihr, ruderte mit ihren kleinen Armen und Beinen in der Luft herum und blickte mit großen Augen zum Himmel. "Sie beobachtet die Wolken", sagte Raphael stolz. "Wie konzentriert sie aussieht, querida! Ich würde gern wissen, worüber sie wohl gerade nachdenken muss." Sein Schatten fiel auf sie beide. Carin sah auf, und wie immer schlug ihr Herz beim Anblick ihres Mannes schneller. Er hatte mit den Pferden gearbeitet. In Jeans, Sweatshirt und abgetragenen Stiefeln war er umwerfend attraktiv. "Hallo", sagte sie lächelnd. "Hallo, querida. " Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie flüchtig auf den Mund. Sie fasste nach seinem Sweatshirt und zog ihn für einen längeren, leidenschaftlicheren Kuss näher zu sich heran. "Ich bin verschwitzt und muss duschen." "Du bist sexy. Ich habe dich vermisst. " Raphael setzte sich breit lächelnd neben sie. "Natürlich hast du mich vermisst. Ich bin fast zwei Stunden nicht mit dir zusammen gewesen." "So viel Selbstbewusstsein, Senhor."
Er umfasste lachend ihr Kinn und küsste sie lange. "Ich weiß, dass du mich vermisst hast, weil ich dich vermisst habe. Gefällt dir das besser?" "Stimmt es denn?" "Ich habe dich sehr vermisst, amada. Tatsächlich haben mir meine Männer streng befohlen, heute Nachmittag nicht wieder zur Arbeit zu kommen. Sie finden es amüsant, dass ich anscheinend unfähig bin, mich zu konzentrieren." "Deine Männer haben es dir befohlen?" "Genau." Raphael küsste Carin noch einmal und wandte sich dann seiner Tochter zu. "Und wie geht es unserem kleinen Mädchen heute?" Er hob Amy hoch. "Siehst du, wie sie lächelt, querida? Sie erkennt ihren papai schon." Carin brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass Amys "Lächeln" wahrscheinlich die Reaktion auf all die Milch war, die vor einer halben Stunde in ihren Bauch geflossen war. Wenn sie es sich recht überlegte, könnte Raphael sogar Recht haben. Welche Frau wäre nicht glücklich, wenn er sie in den Armen hielt? Was für ein Gegensatz, dachte Carin, während sie Raphael und seine Tochter beobachtete. Er, so groß und stark. Amy, so klein und zart. Und dennoch war schon zu sehen, dass sie sein Kind war. Sie hatte das seidenweiche schwarze Haar und die grauen Augen ihres Vaters geerbt. Manchmal schauderte Carin, wenn ihr bewusst wurde, dass sie ihre Tochter und ihren Mann fast voneinander fern gehalten hätte. Dass sie selbst nahe daran gewesen war, ihr Leben ohne ihn zu verbringen. Es war kaum zu glauben, wie viel sich in nur zwei Monaten geändert hatte. Die Tage waren lang und voller Glück. Morgens arbeitete Raphael im Büro, während sie sich mit Amy beschäftigte oder Elena über die Schulter blickte, um die Geheimnisse der brasilianischen Küche zu lernen. Nachmittags ritt Raphael mit ihr aus und zeigte ihr seine Lieblingsplätze: die kleine Waldlichtung, wo das Sonnenlicht auf dem Laub funkelte, das enge Tal, wo er einmal einen Jaguar gesehen hatte, und den smaragdgrünen Teich, in dem sie nackt schwammen und sich am Ufer liebten. Gelegentlich sagte Raphael entschuldigend, er müsse arbeiten. "Du arbeitest jeden Morgen im Büro", hatte Carin beim ersten Mal erwidert. "Aber ich habe andere Dinge zu tun. Ein Nebengebäude braucht ein neues Dach, Wasserpumpen müssen repariert und Pferde zugeritten werden." Carin hatte angenommen, er wolle die Arbeiten beaufsichtigen, doch, dann hatte sie ihn auf der kleinsten Koppel ein Pferd zureiten sehen. Am nächsten Tag sah sie ihn eine mit Wind betriebene Wasserpumpe reparieren. Als sie ihn danach fragte, zuckte er lächelnd die Schultern. "Echte Arbeit ist gut für einen Mann", sagte er. "Sie beruhigt, heitert auf und entspannt." Und sie macht herrliche Muskeln, dachte Carin an jenem Abend, während sie ihn dabei beobachtete, wie er sich auszog. Lange Zeit später hatte er sie geküsst und an sich gezogen, so dass ihr Kopf an seiner Schulter und ihre Hand auf
seiner Brust gelegen hatte, und sie hatte sich gefragt, wie sie jemals anders hatte einschlafen können. Ich bin glücklich, dachte Carin jetzt plötzlich, während sie Raphael und Amy beobachtete. Es stimmte. Sie war noch nie in ihrem Leben so glücklich und zufrieden gewesen. Und so verliebt. Sich etwas vorzumachen war sinnlos. Sie liebte Raphael schon lange, vielleicht schon seit jener ersten Nacht, in der er sie gerettet hatte. Wann es passiert war, spielte keine Rolle, Es genügte, dass sie sich in ihn verliebt hatte und ihr Leben überhaupt nicht die ihr von einem arroganten Fremden auferlegte Strafe war, die sie sich vorgestellt hatte. Es war voller Freude, und nicht einmal Claudias Besuche konnten das Glück trüben. Raphael hatte sein Wort gehalten und ihr gesagt, sie solle sich einen neuen Finanzberater suchen, aber Claudia kam dennoch oft vorbei. Auf einen Kaffee, behauptete sie. Um sich Rat zu holen, nicht wegen Geld, sondern wegen des Autos, das sie sich kaufen wolle. Aus allen möglichen Gründen. Raphael war immer höflich, aber wenn sie ging, seufzte er jedes Mal und sagte, er würde ihr erklären ... "Sie stört mich nicht", pflegte ihn Carin zu unterbrechen. Und das stimmte. Weil er Wert darauf legte, sie an sich zu drücken und sanft auf den Mund zu küssen, während Claudia zu Besuch war. Und sogar wenn er Claudia mit in sein Büro nahm, fühlte sich Carin, als wäre er bei ihr und machte klar, dass sie die einzige Frau war, die er wollte. Noch glücklicher hätte sie nur sein können, wenn er sich in sie verliebt hätte. Manchmal dachte sie, er hätte es getan. Irgendetwas daran, wie er sie anblickte ... "Querida?" Carin sah auf. Raphael stand mit Amy auf dem Arm vor ihr und streckte lächelnd die Hand aus. Carin nahm sie und ließ sich auf die Füße helfen. "Wollen wir ins Haus gehen?" "Ja." Sie wurde von einem so starken Glücksgefühl durchflutet, dass ihr Tränen in die Augen traten. "Carin? Was ist los?" Raphael zog sie an sich. Ich liebe dich und bin glücklich, dachte sie. "Nichts. Ich muss etwas ins Auge bekommen haben." "Ich wette, ich habe ein Mittel dagegen", sagte er und küsste sie. Raphael wollte duschen, sobald sie Amy dem Kindermädchen übergeben hatten. Aber nicht allein. "Das ist so eine Wasserverschwendung", murmelte er, als sie erst einmal in ihrem Schlafzimmer waren. Er zog Carin das T-Shirt über den Kopf und warf es beiseite. „Findest du nicht auch, querida?" Sie hielt den Atem an, während er die Hände über ihre Brüste gleiten ließ. "Ja", sagte sie leise. "Ich bin froh, dass dir solche Dinge bewusst sind." Raphael hakte ihren BH auf, nahm eine Brustspitze in den Mund und liebkoste die andere mit der Hand.
Carin bebte, als er ihr die Jeans auszog und die Schuhe abstreifte. "Ich kann niemals genug von dir bekommen." Raphael stand auf und betrachtete sie. "Und ich kann noch immer nicht glauben, dass du mir gehörst." Sie hatte das Gefühl, dass ihr sein leidenschaftlicher Blick die Haut verbrannte. "Das ist sexistisch", flüsterte sie. Raphael lächelte. "Aber du bist doch glücklich, mir zu gehören, stimmt's? Glücklich, meine Frau zu sein?" "Oh ja, nur dass ... " Sein Lächeln verschwand. "Was?" "Nur dass du noch angezogen bist." Er lachte leise. "Wie du." "Ich nicht." Carin wurde rot. Sie wusste, dass es albern war, konnte aber nichts dagegen tun. "Ich trage nichts weiter als meinen Slip. " "Mmm, du siehst in dem kleinen Stück Spitze zum Anbeißen aus." "Ich will, dass du auch zum Anbeißen bist." Carin sah ihm in die Augen und berührte ihn. Raphael atmete scharf ein und umfasste ihre Hand. "Pass auf, oder du wirst dafür bezahlen müssen." Carin presste sich an ihn und legte ihm die Arme um den Nacken. "Lass mich bezahlen", flüsterte sie, und Raphael hob sie hoch. Seine Sachen lagen überall ums Bett verstreut auf dem Boden. Raphael hatte Recht gehabt. Er war verschwitzt, und Carin mochte es. Sein männlicher Duft, vermischt mit dem Geruch nach Leder und Gras, war wie ein Aphrodisiakum. Sie umfasste sein Gesicht, legte ihm die Beine um die Hüften und nahm ihn tief in sich auf. Hinterher wollte sie ihn nicht loslassen. "Ich bin zu schwer für dich, amada." Sie liebte es, wie er sich anfühlte, wenn er mit seinem ganzen Gewicht auf ihr lag. "Bleib so", bat sie ihn und überlegte, wie und wann sie ihm sagen sollte, dass sie ihn liebte. Wartete eine Frau darauf, dass der Mann die Worte zuerst sagte? In der heutigen Welt vielleicht nicht mehr. Die Regeln hatten sich völlig geändert. Nur war das nicht Raphaels Welt. Er behandelte sie wie eine Gleichberechtigte, aber mit einer zärtlichen Überheblichkeit, die klarmachte, dass er ein Mann und sie eine Frau war. Und sie liebte diesen Machismo. Er machte Raphael zu dem Mann, der er war, zu einem besonderen Ehemann. Sie war mit ihm verheiratet. Als seine Ehefrau konnte sie ihn doch wohl anlächeln und zugeben: Ich habe mich in dich verliebt. Und dann würde er sagen ... "Dusch mit mir, querida." Carin schloss die Augen und öffnete sie wieder. "Nur, wenn du versprichst, mir den Rücken zu waschen", erwiderte sie und spürte, dass Raphael bebte vor Lachen. Ihr den Rücken zu waschen hatte sie beide in der Duschkabine schon oft in Schwierigkeiten gebracht.
Eine Stunde später lagen sie wieder im Bett. Raphael zog Carin an sich. "Du wirst mit jedem Tag schöner, esposa." Sie lächelte. "Unser Baby wird mit jedem Tag schöner." "Sim. Amy entwickelt sich zu einer ebenso großen Schönheit wie ihre Mutter. Und das bedeutet Ärger für mich." Raphael seufzte dramatisch. "Ärger?" "Natürlich. Ich befürchte, dass ich so ein Vater bin, der jeden ihrer Freunde einem Verhör unterzieht. Was sind seine Absichten? Was für ein Auto fährt er? Hat er schon mal einen Strafzettel für zu schnelles Fahren bekommen? Trinkt er? Wohin will er mit meiner Tochter? Wann bringt er sie nach Hause?" Carin lachte. "Ich habe von solchen Vätern gehört." "War deiner denn nicht so, als du angefangen hast, mit Jungen auszugehen?" "Er war nicht da. Meine Eltern waren zu der Zeit schon lange geschieden. " "Das wusste ich nicht." "Wir haben ja auch niemals darüber gesprochen, wie wir aufgewachsen sind." "Nein, haben wir nicht. Ich bin überrascht, Carin. Deine Eltern haben sich scheiden lassen, und du bist ohne Vater aufgewachsen ... Das hätte dich doch aufgeschlossener dafür machen müssen, mich zu heiraten." "Aufgeschlossener für deinen Befehl, dich zu heiraten, meinst du." Carin sagte es heiter, weil es keine Rolle mehr spielte, wie es zu der Heirat gekommen war, aber sie spürte, wie Raphael starr wurde. "Ich hatte keine andere Wahl." Ein bisschen von ihrem Glück verschwand. "Ich weiß, dass du damals so gedacht hast ... " „Ich denke noch immer so." Raphael zog den Arm unter ihr heraus, setzte sich auf und schwang die Beine über die Bettkante. "Du bist ohne Vater aufgewachsen. Wie konntest du deinem Kind nur dasselbe Schicksal wünschen?" Carin setzte sich auch auf und wickelte sich das Laken um. Raphaels Stimme war kühl und anklagend geworden. Erstaunlich, wie verletzlich man sich fühlte, wenn man nackt war. "Es wäre ein Fehler gewesen, wenn meine Eltern zusammengeblieben wären." "Das ist eine moderne Einstellung, die in nordamerikanischen Kreisen sicher lobenswert ist, aber..." „In nordamerikanischen Kreisen? Was soll das denn heißen?" Carin griff nach dem Morgenmantel, der am Fußende des Bettes lag. "Muss ich das wirklich erklären?" Raphael stand auf, ging ins Ankleidezimmer und zog weiße Boxershorts an. „Ein Kind zu zeugen erfordert zwei Menschen. Und es erfordert zwei Menschen, ein Kind aufzuziehen." "Nicht immer. Wenn sich die Eltern nicht lieben..." "Liebe ist in einer Ehe nicht nötig", sagte er kühl. "Erwachsene können zu einer Verständigung kommen." "Wie wir sie haben, meinst du", erwiderte Carin ausdruckslos. Liebe ist nicht nötig. Die Worte klangen in ihrem Kopf nach.
Raphael spürte ihren bohrenden Blick im Rücken. Sie war wütend. Aber warum? Er war derjenige, der das Recht hatte, wütend zu sein. Sie war ohne Vater aufgewachsen, wie er. Deshalb hätte sie begreifen müssen, dass es unmoralisch war, ihn von ihrem gemeinsamen Kind fern zu halten. Stattdessen hatte sie ihn als Schurken hingestellt, weil er sie hatte zwingen müssen, das Richtige zu tun. Das lag jedoch alles hinter ihnen. Sie waren verheiratet, und zu seiner großen Überraschung waren sie glücklich. Carin und er mochten dieselben Dinge, waren gern zusammen und hatten Spaß im Bett. Was noch war denn nötig? Nichts, wenn er von der blinden Überzeugung seiner Mutter absah, dass Liebe die Hauptsache sein sollte. Sie war es nicht. Seine Ehe war der Beweis. Konnte Carin das nicht erkennen? Er atmete tief durch, drehte sich um und blickte sie an. Sie war blass, doch ihre Augen funkelten gefährlich. Ihm wurde klar, dass sie verletzt war, nicht wütend. Und warum sollte sie verletzt sein? Er hatte nur die Wahrheit gesagt. "Ja, wie wir zu einer gekommen sind", erwiderte er. "Unsere Ehe ist ein Erfolg, stimmt's?" Carin antwortete nicht. "Ich bin auch ohne Vater aufgewachsen." "Ach wirklich?" Ihre Stimme klang noch immer ausdruckslos. Raphael zog Jeans und ein TShirt an. „Ja. Vielleicht sollten wir darüber sprechen." "Worüber?" "Unsere Kindheit." Carin verschränkte die Arme. "Wenn du willst." Du liebe Güte, was stellte er jetzt an? Sei doch still! befahl er sich grimmig, aber er schien nicht den Mund halten zu können. "Vielleicht hilft es dir zu verstehen, warum es mir so wichtig ist, dass Amalia - Amy - mit einem Vater aufwächst." Er schob die Glastür auf und ging nach draußen auf die Veranda. Carin zögerte, dann folgte sie ihm. "Ich nenne sie manchmal Amalia." "Du willst wirklich immer alles bestimmen." Carin lächelte angespannt. "Du hast schon erwähnt, dass du den Namen magst. Kannst du dich nicht damit abfinden, dass ich meiner Tochter keinen brasilianischen Namen gegeben habe?" "Es ist ein italienischer, und den hast du ihr gegeben." "Ich habe mein Baby Amy genannt." "Unser Baby. Amy könnte eine Kurzform davon sein. Und es war eine glückliche Wahl, weil meine Mutter Amalia hieß." Das war das Letzte, was Carin erwartet hatte. Sie blickte Raphael starr an, dann setzte sie sich in einen der weißen Korbsessel. "Du hast niemals über deine Mutter gesprochen." "Und du nicht über deinen Vater." Raphael drehte sich zu Carin um und lehnte sich an die Mauer. "Meine Mutter war Tänzerin.“ „In Italien?"
"Nein. Ihre Eltern sind vor ihrer Geburt hierher gekommen. Sie war Brasilianerin. Ihr Traum war es, Balletttänzerin zu werden, aber ..." Raphael zuckte die Schultern. „Es hat nicht geklappt. Sie hat in einem Nachtklub in Rio de Janeiro getanzt. Dort hat sie meinen Vater kennen gelernt." "Was für ein Mann war er?" "Er war ein egoistischer, arroganter Mistkerl." Raphael verzog den Mund. "Sobald er von ihrer Schwangerschaft erfuhr, ließ er meine Mutter sitzen.“ "Oh", sagte Carin leise. „Ja, oh. Sie hat ihn geliebt und versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Er wollte nichts mit ihr und dem Kind zu tun haben, das sie erwartete." "Hat dich deine Mutter allein aufgezogen?" „Ja. Und sie hat mir bis zu ihrem frühen Tod so oft erzählt, wie sehr sie den Mann geliebt habe, bis ich ihn gehasst habe. Er hatte uns fallen lassen. Was gab es an ihm zu lieben?" Raphael zeigte auf die Pampas. "All das hat ihm gehört." "Dann hat er seine Meinung also geändert? Muss er ja, wenn er dir die Ranch vermacht hat." Raphael lachte verbittert. "Er hat mir nichts vermacht. Er hat sein Vermögen verloren und ist mit leeren Taschen gestorben. Die Ranch war verfallen. Ich habe sie von meinem hart erarbeiteten Geld gekauft. Alles, was du hier siehst, habe ich geschaffen. Ich habe sein Versagen in meinen Erfolg verwandelt." Carin stand auf, ging zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm. "Raphael. Es tut mir so Leid..." "Nicht." Er rückte von ihr ab. "Ich kann jammernde Männer nicht leiden. Ich habe dir die Geschichte nur erzählt, weil ich manchmal Amalie - Amy - ansehe und dann daran denken muss, was aus ihrem und deinem Leben geworden wäre..." "Nein! Ich hatte viel mehr Glück als deine Mutter. Ich war eine erfolgreiche Investmentberaterin. Amy und mir wäre es gut gegangen." "Nicht ohne einen Vater für sie und einen Ehemann für dich." Carin wollte ihn wegen dieser anmaßenden Bemerkung schütteln. Vergiss nicht, wie sehr ihn das Leben verletzt hat, ermahnte sie sich. "Vielleicht hast du Recht", sagte sie leise, "auch in dieser Hinsicht hatte ich viel mehr Glück als deine Mutter. Der Vater meines Babys ist ein anständiger Mann, der mir nicht den Rücken gekehrt hat. Er hat mich geheiratet." "Du lässt es wie ein Opfer klingen, querida." Sie sah ihm in die Augen. "War es das nicht?" "Nein. Ich bin froh, dich geheiratet zu haben." Ihr Herz schien stillzustehen. Vielleicht hatte sie sich geirrt. Vielleicht hatte Raphael sie aus den falschen Gründen geheiratet, und jetzt war ihre Beziehung trotzdem so geworden, wie sie sein sollte. "Wirklich?" "Natürlich. Ich habe das Richtige getan." Sie war den Tränen nahe. Wie dumm du bist, Carin, sagte sie sich. "Weiß Claudia über deine Mutter und deinen Vater Bescheid?" "Was hat Claudia mit diesem Gespräch zu tun?"
"Weiß sie es?" Raphael nickte. "Sim. Ich habe es ihr erzählt, als ich sie gebeten habe, mich zu heiraten. Ich habe es für wichtig gehalten, dass sie die Wahrheit kennt." "Ah. Dass deine Ehefrau die Wahrheit kennt, ist dir nicht wichtig gewesen." "Carin. " Er streckte die Hand aus, aber Carin wich zurück. "Und ich nehme an, Claudia weiß, dass du mich geheiratet hast, weil es das Richtige war?" "Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst, querida." "Würdest du bitte aufhören, mich querida zu nennen? Es klingt so affektiert. Ich finde es wirklich ärgerlich." "Das hättest du mir schon früher sagen sollen", erwiderte Raphael kühl. "Ich hätte dir gern den Gefallen getan." "Danke. Und jetzt beantworte meine Frage. Hast du Claudia die Umstände unserer Heirat erklärt?" "Das war nicht nötig." "Aber sie weiß, dass wir geheiratet haben, nachdem ich Amy bekommen hatte." "Jeder, der rechnen kann..." „Ja, du hast Recht. Jeder, der rechnen kann. Erstaunlich, das hat Frank auch gesagt." "Frank", wiederholte Raphael und sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Tja, habe ich vielleicht, dachte Carin. Aber ihr brach gerade das Herz. Jeder, der Raphael kannte, wusste, warum er sie geheiratet hatte. "Du erinnerst dich doch an Frank, stimmt's?" "Sim. Gut sogar. Was hat er damit zu tun?" Raphael presste, die Lippen zusammen. „Ach, nichts. Mir ist nur plötzlich eingefallen, dass wir einmal im Bett gelegen und geredet haben - wie man nach dem Sex eben so redet - und ich einen Bekannten von uns erwähnt habe, der plötzlich zu heiraten beschlossen hatte. Frank hat neun Monate an den Fingern abgezählt und gesagt... " Carin schrie auf, als Raphael sie an den Schultern packte. "Du tust mir weh!" "Wie kannst du es wagen, mir damit zu kommen, worüber du dich mit diesem Mann im Bett unterhalten hast." Raphael schüttelte Carin. "Meinst du, ich will das hören? Hast du kein Schamgefühl? Keinen Respekt?" "Ich weiß wirklich nicht, warum du dich so aufregst. Frank ist Vergangenheit. Mehr als deine Verlobte." "Claudia?" "Claudia. Die unerwartet auftaucht, Kaffee mit dir trinkt, dich tausendmal am Tag anruft. Mit der du dich in deinem Büro einschließt ..." "Ich verstehe nicht, was hier vorgeht." Raphael ließ Carin los. "Claudia bedeutet mir nichts mehr." "Frank bedeutet mir auch nichts."
"Aber du denkst an ihn." Raphael verschränkte die Arme und warf Carin einen kalten, forschenden Blick zu. "Das ist nur natürlich. Er war mir sehr wichtig. Wenn du, zum Beispiel, davon redest, wie sehr du Fußball liebst, fällt mir Frank ein. Ich meine, er war Fußballfan ..." Er hätte einen Fuß- nicht von einem Tennisball unterscheiden können, und sie dachte überhaupt nicht mehr an ihn. Sie hatte auch niemals über irgendetwas im Bett mit ihm gesprochen, aber welche Rolle spielte das? Sie liebte ihren Ehemann, er liebte einen antiquierten Ehrenkodex und bedauerte noch immer, nicht Claudia geheiratet zu haben. "Du bereust wohl, mich geheiratet zu haben?" "Was für eine Frage. Du hast mir keine Wahl gelassen." Raphael presste die Lippen zusammen. "Ich habe das Richtige ...“ "Wenn du das noch ein einziges Mal sagst, werfe ich irgendetwas nach dir." Seine Miene verfinsterte sich. "Vielleicht haben wir heute schon mehr gesagt, als wir hätten sagen sollen." Carin wusste, dass er fuchsteufelswild war und versuchte, seine Wut zu beherrschen. Ihr war klar, dass es klug wäre, wenn sie dasselbe tun würde. Sie war jedoch über Vorsicht oder Vernunft hinaus, weil sie es kaum ertragen konnte, dass sie sich in einen Mann verliebt hatte, der sie niemals lieben würde. "Vielleicht hätten wir das alles schon früher sagen sollen." "Ich weiß, dass diese Veränderung in deinem Leben nicht einfach für dich ist ..." Raphael sprach nicht weiter und wartete darauf, dass Carin ihm erklärte, er irre sich. Sie tat es nicht! "Du hast Recht. Hier zu leben, in so einer abgeschiedenen Gegend, weit weg von meinem Zuhause, meinen Freunden... " Carin unterdrückte ein Schluchzen. Sie wünschte, sie würde ihr Zuhause und ihre Freunde vermissen, anstatt die Ranch und Raphael zu lieben. "Darüber hast du niemals nachgedacht." "Ich hatte keine andere Wahl! "Schrei mich nicht an!" "Ich schreie nicht! " brüllte Raphael. "Vielleicht musst du daran erinnert werden, was uns überhaupt an diesen Punkt gebracht hat. Dein feiner Liebhaber hat dich sitzen lassen." "Und?" "Und du bist so außer dir gewesen, dass du mit mir ins Bett gegangen bist." "Nein!" "Entschuldige, wenn ich die Einzelheiten falsch verstanden habe. Dann war es wohl so: Wir sind uns auf der Party begegnet. Du wolltest so viel Spaß wie nur möglich haben und bist deshalb mit dem ersten Mann ins Bett gegangen, den du zu Gesicht bekommen hast." "Das ist nicht wahr, Raphael! "Nicht? Tja, versuchen wir etwas anderes. Wir sind uns auf der Party begegnet. Du warst betrunken. Und weil du betrunken warst, schien es ein guter Einfall zu sein, mit einem Fremden ins Bett zu gehen."
Carin ohrfeigte ihn. Er griff ihr Handgelenk und drehte ihr den Arm auf den Rücken. "Ich war unglücklich. Das weißt du." "Unglücklich genug, um mit dem ersten Mann zu schlafen, der dich wollte?" "Nein! So war es nicht. Und das weißt du auch. Das zwischen uns war anders." "Wirklich?" „Ja.“ Raphael blickte Carin lange an und wartete darauf, dass sie mehr sagte. Dass sie ihm erklärte, es sei anders gewesen, weil ... Warum war es anders gewesen? Würde sie sagen, dass sie ihn liebte und er sie? Nein. So ein Gefühl wie "Liebe" gab es nicht. Und wenn sie davon sprechen würde, dann würde er zu ihr sagen ... "Warum war es anders, mit mir zu schlafen?" fragte er und verabscheute es, wie kalt seine Stimme klang und wie ihm das Herz bis zum Hals schlug. Er wusste plötzlich, dass ihre Antwort die wichtigste seines Lebens sein würde. Carin riss sich los. Ihr war, als würden ihre Träume wie die Scherben eines zerbrochenen Spiegels zu ihren Füßen liegen. Sie hatte nur noch ihren Stolz und die Lüge, die ihr erlauben würde, ihn zu behalten. "Es war anders, weil du mich geschwängert hast."
11. KAPITEL Das fahle Licht der Herbstsonne durchdrang kaum die Fenster der Gästesuite in Toms und Amandas Penthouse in New York City. Das normalerweise helle und freundliche Zimmer schien mit Trübsinn erfüllt zu sein. Amanda blieb einen Moment lang an der Tür stehen und beobachtete ihre Schwester. Carin saß in einem mit blauem Samt bezogenen Sessel und stillte Amy. Oder sie versuchte, Amy zu stillen. Amanda rang sich ein Lächeln ab und ging energisch weiter ins Zimmer hinein. "Hier drin ist es dunkel wie in einem Verlies." Sie schaltete eine Lampe ein und zog die blauen Samtvorhänge zu. "Wenn das andauert, werden wir alle Höhensonnen brauchen." Sie blickte Carin an, die sich jedoch völlig auf Amy konzentrierte. Das Baby drückte den Kopf an Carins Brust und schrie unglücklich. Carins Gesichtsausdruck nach zu urteilen war sie überzeugt, als Mutter versagt zu haben. Amanda sah eine Zeit lang zu, dann seufzte sie und beschloss, es noch einmal zu versuchen. "Carin?" "Hm?" "Warum probierst du es nicht mit einer Flasche?" "Sie hat heute Morgen eine bekommen." "Aber wenn du Schwierigkeiten hast..."
"Ich habe keine Schwierigkeiten. Ich mache nur eine Phase durch, in der es länger dauert. Das ist völlig normal." "Es wäre auch normal, Amy öfter die Flasche zu geben oder ganz umzustellen. Im Buch steht ... " "Ich weiß, was dort steht. Vielleicht erinnerst du dich, dass ich es gekauft habe." "Natürlich, aber..." Carin sah mit zusammengekniffenen Augen auf. Okay, sei diplomatisch, befahl sich Amanda. "Ich dachte nur, du hast vielleicht einige Sachen flüchtig gelesen oder missverstanden", sagte sie. "Ich fasse es nicht!" schimpfte Carin. "Du liest ein einziges Buch über Babys, deins ist noch nicht einmal auf der Welt, und schon bist du eine Expertin?" Amanda versuchte, geduldig zu bleiben. "Ich bin deine Schwester. Ich liebe dich. Und ich liebe meine Nichte." "Und?" "Ich finde, du solltest noch einmal darüber nachdenken, Amy die Flasche zu geben. Sieh mich nicht an, als würdest du mich gern umbringen. Du bist schon gestresst genug ...“ "Ich bin nicht gestresst." "Ohne dass du dich über mich auch noch aufregst." "Höre ich mich an, als würde ich mich aufregen?" "Nein, du hörst dich wie eine Idiotin an!" sagte Amanda scharf. Oh verdammt. So viel zu Geduld und Diplomatie. "Tut mir Leid. Du bist keine Idiotin. Ich bin eine, weil ich dir das Leben schwer mache." "Nein, du hattest Recht." Carins Stimme zitterte. "Nimm das Baby, ja?" Amanda nahm Amy auf den Arm. "So ein liebes Mädchen", flötete sie, aber das Baby war nur daran interessiert, eine Mahlzeit zu bekommen. "Oh Süße, Tante Ammy kann dir nicht helfen." "Tante Ammy?" wiederholte Carin lächelnd. "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Kleinkind ,Tante Amanda' sagt. Es ist schön, dich lächeln zu sehen." "Ja." Carin knöpfte ihre Bluse zu. "Okay, suchen wir die Küche. Ich mache Amy eine Flasche." "Die Küche suchen? Was meinst du damit?" Amanda hakte Carin unter. "Sie ist genau da, wo sie sein soll. Irgendwo unten, versteckt zwischen den Billionen von anderen Räumen. Würdest du mir glauben, dass dieses Penthouse kleiner ist als Toms Palast?" "Hättest du gedacht, dass du jemals etwas Größeres als Espada sehen würdest?" Amanda lächelte, während sie die Treppe hinuntergingen. "Nein. Und ich hätte niemals gedacht, dass ich schließlich in einem Penthouse wohnen würde." "Vergiss nicht den Palast!" "Den werde ich niemals vergessen." Amanda lachte, gab Carin das Baby und bereitete eine Flasche vor. "Dafür hat Tom gesorgt, als er mich im Harem hat
einsperren lassen. Was für verrückte Dinge Männer tun, wenn sie verlie..." Sie biss sich auf die Lippe. "Tut mir Leid." "Was denn?" Carin lächelte strahlend. "Ich erwarte nicht, dass die Leute zensieren, was sie zu mir sagen, nur weil ich mich von Raphael getrennt habe. Tom hat etwas Verrücktes getan, weil er in dich verliebt war und dachte, du würdest ihn nicht lieben. Na und? Sollst du jetzt etwa so tun, als wäre es nicht passiert, wann auch immer du mit mir redest?" "Ja. Jedenfalls, solange die Wunde noch frisch ist." "Welche Wunde? Ehrlich, da ist keine. Ich habe dir alles erzählt. Meine Ehe hatte mit Liebe nichts zu tun. Raphael hat mich Amys wegen geheiratet, und er hat klargemacht, was für ein armer Kerl er ist, weil er mich zur Frau genommen hat." "Mistkerl." Amanda gab Carin die Flasche. „Jetzt geht es los Amy. Tante Ammy hat dein Abendessen fertig." "Nenn ihn nicht so", sagte Carin scharf. "Um Himmels willen, der Mann ist doch ein..." "Ich habe niemals behauptet, er sei schrecklich." "Wenn er so ein Heiliger ist, warum willst du dich dann von ihm scheiden lassen?" "Ich habe auch niemals behauptet, er sei ein Heiliger. Raphael ist einfach ... ein Mann." "Entschuldigung. Senhora Carin?" Amys Kindermädchen blickte von Carin zu Amanda und wieder zurück. "Wenn Sie einverstanden sind, bringe ich Amy jetzt nach oben." Das Baby war mit dem Sauger der Flasche im Mund eingeschlafen. Carin übergab Amy vorsichtig dem Kindermädchen. "Sie ist ein bisschen gereizt gewesen." "Sim, Senhora. " "Vielleicht wacht sie auf. Das ist früher auch schon vorgekommen, erinnern Sie sich?" „Sim.“ "Wenn sie es tut..." Ich werde Sie sofort rufen", sagte das Kindermädchen höflich. Carin seufzte. "Danke, Teresa. Obrigado." "Sie scheint sehr nett zu sein", meinte Amanda, nachdem Teresa das Baby aus der Küche getragen hatte. "Oh, ist sie." "Willst du Kaffee?" "Klar." Minuten später saßen sich die Schwestern gegenüber, und Amanda schenkte ihnen ein. "Der ist gut." "Mein einziges kulinarisches Talent." Amanda lachte. "Die Köchin sieht ihren freien Tag ganz entspannt. Sie weiß, dass sie von mir nichts zu befürchten hat."
„In unserer Kindheit hast du immer Kekse gebacken." "Und du hast eher über alles andere geredet als über das, was dich aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Manche Dinge ändern sich anscheinend niemals." Carin wurde rot. Sie stellte ihre Tasse ab und faltete die Hände auf dem Tisch. "Ich bin nicht aus dem Gleichgewicht." "Du hast deinen Mann verlassen." "Ich habe einen Mann verlassen, den ich überhaupt nicht hätte heiraten sollen." Amanda seufzte. Carin verdrehte die Augen. "Du hast früher schon jedes Mal so geseufzt, wenn du deine Nase in fremde Angelegenheiten stecken wolltest." "Gut", sagte Amanda. "Dann bist du ja nicht überrascht, wenn ich dir die nahe liegende Frage stelle." "Frag, was immer du willst. Erwarte nur nicht, dass ich antworte. " "Warum hast du ihn geheiratet, obwohl du es nicht hättest tun sollen?" Carin schenkte sich noch Kaffee ein und hielt die Kanne hoch. Ihre Schwester schüttelte den Kopf. "Zu viel Koffein für den kleinen Prinzen. " „Vielleicht ist es eine Prinzessin." "Nein. Nur ein Junge benimmt sich, als würde er in meinem Bauch Fußball spie... Oh Carrie, was habe ich denn gesagt?" "Nichts. Was wolltest du gerade wissen?" "Warum hast du Raphael geheiratet? Du bist doch keine Frau, die einen Mann heiraten würde, wenn sie Zweifel hätte." "Tja, ich habe es getan. Aber schließlich ist mir klar geworden, dass ich mir von ihm nicht den Rest meines Lebens ruinieren lassen will." "Weinst du?" "Nein." Tränen rollten ihr über die Wangen. Carin schlug die Hände vors Gesicht. Amanda ging um den Tisch und umarmte ihre Schwester. "Erzähl mir bitte, was passiert ist. Hast du schon bald nach der Hochzeit erkannt, dass du einen Fehler gemacht hattest?" "Dass es ein Fehler ist, habe ich schon in dem Moment gewusst, als ich eingewilligt habe, Raphael zu heiraten." "Aber wir haben ein Dutzend Mal miteinander telefoniert, während du auf der Ranch gelebt hast. Am Anfang hast du so teilnahmslos geklungen. Ich dachte, du hättest eine kleine postnatale Depression." Amanda zog einen Stuhl heran und setzte sich neben Carin. "Ich wollte dir einen Überraschungsbesuch abstatten, doch nach ungefähr einem Monat ..." "Nach sechs Wochen und einer Nacht“, sagte Carin und wurde rot. Amanda wurde auch rot. "Okay, also da hast du dich plötzlich angehört, als wärst du noch nie glücklicher gewesen." „Ich bin eine gute Schauspielerin." "Du bist eine ebenso miserable Schauspielerin wie ich. Sam durfte bei der Schulaufführung das Aschenbrödel spielen. Wir beide waren die bösen Stiefschwestern."
„Ja. Wir hatten weniger Text, den wir verhunzen konnten." "Genau." Amanda stand auf, riss mehrere Haushaltstücher von der Rolle über der Spüle und gab sie Carin. "Putz dir die Nase." Carin gehorchte und seufzte. „In Ordnung. Ich war glücklich. Irgendwie." "Und?" "Und dann war ich es nicht mehr. Deshalb habe ich Raphael verlassen. " Amanda setzte sich wieder hin. "Das ist alles?" Diesmal weinte Carin herzzerreißend. „Er liebt mich nicht." "Hat er dich tatsächlich geliebt, als er dich gebeten hat, ihn zu heiraten?" "Er hat mich nicht gebeten, er hat mich erpresst. Sonst hätte ich niemals Ja gesagt." "Aha, ich hatte Recht. Ich habe gleich zu Tom gesagt, irgendetwas an der Sache sei faul. Mom hat es wie ein romantisches Abenteuer klingen lassen. Der schneidige Brasilianer und die schöne Amerikanerin lernen sich auf Espada kennen, verbringen eine leidenschaftliche Nacht und setzen ihre Affäre in New York fort ..." "Haben wir nicht. Die leidenschaftliche Nacht auf Espada war alles. Den Rest hat Raphael erfunden, um es Mom leichter zu machen." "Ich hatte mir schon so etwas gedacht. Wir beide haben telefoniert und uns zum Mittagessen getroffen, und du hast nicht ein einziges Mal einen neuen Freund erwähnt, geschweige denn Raphael." „Er hat gedroht, mir Amy wegzunehmen, wenn ich ihn nicht heirate." "Wie bitte? Das hätte er doch niemals geschafft." „Ich habe die Dokumente gesehen, die er sich besorgt hatte. Er hat gesagt, er habe Beziehungen." "Der Mistkerl." „Also hatte ich keine Wahl. In den ersten sechs Wochen unserer Ehe haben wir so gut wie getrennt gelebt. Und dann ... dann ist etwas passiert, und ich habe mich in ihn verliebt. Ich meine, ich habe geglaubt, mich in ihn verliebt zu haben. Natürlich habe ich es nicht getan. Es war nur Sex." "Wenn zwei Menschen wirklich glücklich sind, kann Sex eine wundervolle Bekräftigung ihrer Liebe sein." "So war es nicht. Es war nur... " Carin biss sich auf die Lippe. "Na gut. Ich habe mich in Raphael verliebt. Ich hätte nie gedacht, dass ich einen Mann so lieben könnte. Aber er liebt mich nicht. Er hat mich nur Amys wegen geheiratet." "Du hast ihn aus demselben Grund geheiratet." Carin schlug mit der Hand auf den Tisch und sprang auf. "Hast du nicht zugehört? Ich habe Raphael geheiratet, weil ich keine andere Wahl hatte. Und ich liebe ihn nicht mehr. Ich hasse und verachte ihn! " Sie rannte aus der Küche. "Warte", rief Amanda. "Carrie ... " "Lass sie gehen", sagte Tom. "Sie muss eine Weile allein sein.“ Amanda drehte sich um. Ihr Mann stand an der Tür, die ins Esszimmer führte. „Ein typischer Schlamassel, stimmt's?" fragte er.
„Ja." Amanda ging zu ihm, küsste ihn und fragte sich, warum anscheinend nicht eine der Brewster-Schwestern einen Mann kennen lernen, sich verlieben und glücklich werden konnte, ohne Höllenqualen durchmachen zu müssen. Carin saß in dem blauen Samtsessel und blickte aus dem Fenster auf das Lichtermeer New Yorks. Zu Hause war auch Nacht, aber über Rio de Ouro würde der Himmel schwarz und mit Sternen übersät sein. Was dachte sie denn da? Sie war zu Hause. Rio Grande do Sul war Raphaels Zuhause. Sie war seelisch und körperlich erschöpft, das war das Problem. Es würde bald besser werden. Sie war ja erst seit einer Woche zurück. Oder schon länger? Montag? Dienstag? Wann war sie von zu Hause abgeflogen? Verdammt. Was war mit ihr los? "Ich bin zu Hause!" sagte sie. Sogar Raphael hatte schließlich eingesehen, dass sie in ihre Welt gehörte. Warum sonst hatte er sie gehen lassen? Nach dem Streit hatte sie sich nicht gefragt, ob er es tun würde. Ihre Liebe hatte sich in so einen bitteren Hass verwandelt, dass sie zitternd vor Wut ihre und Amys Sachen gepackt hatte. Sie war fast fertig, als sie die Haustür zuknallen und Raphael die Treppe heraufkommen hörte. Ich hätte mich einschließen sollen, dachte Carin, doch jetzt war es zu spät. Er kam herein und stieß mit dem Fuß die Tür hinter sich zu. "Was soll das?" "Wonach sieht es denn aus?" Carin warf Kleidungsstücke in einen Koffer. "Ich verlasse dich." "Du verlässt mich nicht! " brüllte Raphael. "Doch. Und du solltest besser nicht versuchen, mich daran zu hindern." "Du bist meine Frau." "Nicht mehr lange. Sobald ich zu Hause bin..." "Du bist zu Hause." "Sobald ich in New York bin, werde ich die Scheidung einreichen." "Ich werde es nicht erlauben." Carin lachte. "Ich brauche deine Erlaubnis nicht." "Du brauchst meine Genehmigung, um geschieden zu werden." "Warten wir ab." "Außerdem ist dies eine rein theoretische Diskussion. Ich werde dir nicht gestatten, das Haus zu verlassen." "Nein? Hast du vor, mich einzusperren? Ich verlasse dich. Je eher du das begreifst, desto besser." Raphael verschränkte die Arme und blickte sie kalt an. "Na schön, dann geh doch. Ich will dich sowieso nicht haben." "Du hast mich niemals wirklich gewollt." Er kniff die Augen zusammen. " Sag du mir nicht, was ich wollte, Carin." "Ich sage nur die Wahrheit, aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Ich gehe, und ich nehme, mein Baby mit." "Nein. Amalia gehört mir."
"Ihr Name ist Amy, und ich nehme sie mit. Wenn du versuchst, mich daran zu hindern, rufe ich meine Botschaft an." Carin riss Kleidungsstücke von einem Sessel und warf sie in den Koffer. "Ruf an, wen du willst. Wir sind in Brasilien, und du bist meine Frau." "Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, und du bist verrückt, wenn du glaubst, ich lasse meine Tochter bei einem Mann, der kein Herz hat." "Ich habe ein Herz", sagte Raphael. Carin sah auf, weil seine Stimme irgendwie anders klang, aber Gesichtsausdruck und Körperhaltung hatten sich nicht verändert. "Du hast keins, das funktioniert", erwiderte sie kühl, während sie beide Koffer zumachte und abschloss. "Geh mir bitte aus dem Weg. Das Flugzeug müsste bald hier sein." "Welches Flugzeug?" "Ich habe deinen Freund Thomas al Rashid angerufen. Meinen Schwager. Ich weiß nicht, warum mir nicht schon viel früher bewusst geworden ist, dass er wahrscheinlich noch bessere Beziehungen hat als du. Ich habe zu Tom gesagt, ich wolle nach Hause, und er schickt mir sein Flugzeug. Wenn ich mit Amy nicht an Bord bin, wird er wissen, dass du mich mit Gewalt daran gehindert hast, von hier fortzugehen." Carin erwähnte nicht, dass Tom gemeint hatte, sie habe den Verstand verloren. "Hol Raphael ans Telefon", hatte er dauernd verlangt, und sie hatte immer wieder gesagt, dazu bestehe kein Grund und sie wolle nach Hause. Schließlich hatte Tom geseufzt und ihr versprochen, das Flugzeug zu schicken. "Willst du wirklich eine Schlammschlacht daraus machen?" fragte Raphael empört. „Einen Skandal? Einen Krieg, in dem es keinen Sieger geben wird?" "Ich werde tun, was auch immer nötig ist, damit meine Tochter von dir wegkommt. Du hältst Vorträge über das, was richtig ist. Über Pflicht und Verantwortung. Aber du sprichst niemals über die Dinge, die wirklich wichtig sind und die meine Tochter begreifen soll. Liebe, zum Beispiel." "Liebe." Raphael verzog den Mund. "So etwas gibt es nicht.“ Tränen traten Carin in die Augen. "Nein, in dir nicht. Deshalb verlasse ich dich mit unserem Baby. Ich wäre dir dankbar, wenn ich Amys Kindermädchen mitnehmen dürfte." "Ich werde meine Tochter sehen, wann auch immer ich will. Verstanden? Wenn du versuchst, mich von ihr fern zu halten ..." Carin atmete auf. Er würde sie gehen lassen. "Ich habe nicht vor, dich aus Amys Leben auszuschließen", sagte sie ruhig. "Nicht wegen deiner Drohungen, sondern weil du mit einem Recht hattest: Ein Kind sollte eine Mutter und einen Vater haben. Ich teile dir meine Adresse und Telefonnummer mit, sobald ich eine Wohnung gefunden habe. Fürs Erste wohne ich bei Tom und Amanda. Ruf an, wenn du unsere Tochter besuchen möchtest, dann treffe ich die Vorbereitungen." "Vorbereitungen?" „Ja. Damit wir uns nicht begegnen. Ich will dich nie wieder sehen, Raphael." Er sagte nichts. Er blickte sie nur an, als wäre sie eine Fremde.
Carin wandte ihm den Rücken zu. Tränen liefen ihr übers Gesicht, während sie darauf wartete, dass Raphael hinausging. Aber er war noch geblieben. "Carin? Beantworte eine einzige Frage", hatte er geflüstert. "Diese Liebe, von der du so oft sprichst. Könntest du dir vorstellen, sie für mich zu empfinden?" Wenn sie geantwortet hätte, wäre sie zusammengebrochen. Nach einer Weile hatte sie ihn die Tür öffnen und hinausgehen hören. Carin weinte, als sie jetzt daran zurückdachte. "Oh Raphael", sagte sie leise, "ich werde dich immer lieben." Und dann wurde ihr klar, dass sie Tom um einen Gefallen bitten musste. Raphael brauchte es niemals zu erfahren. Sie schuldete es dem kleinen Jungen, der er einmal gewesen war. Dem Mann, den sie verloren hatte, aber immer lieben würde.
12. KAPITEL Thomas al Rashid hätte gern gewusst, was sein schweigsamer, finster blickender Freund dachte. Raphael war vor einer Stunde auf dem "Kennedy Airport" gelandet, und sie hatten höchstens ein Dutzend Worte gewechselt, seit Tom ihn abgeholt und mit ihm zu seinem Klub gefahren war. Zehn waren von Tom gekommen. Raphael konnte anscheinend nur Ja und Nein sagen. Der Ober begann, die Tagesgerichte zu beschreiben. Irgendwo zwischen Hummerschwänzen und Lendensteak sah Raphael auf und warf dem Mann einen kalten Blick zu. Der Ober verstummte. "Steak für mich", sagte Tom schnell. "Und du, Raphael? Er nimmt auch das Steak. Und wir hätten gern zwei Bourbon. Kein Eis, ein bisschen Wasser..." "Kein Wasser", stieß Raphael hervor, was seinen Wortschatz um zwei Worte vergrößerte. Das ist immerhin ein Fortschritt, dachte Tom. Der Ober musste beschlossen haben, kein Risiko einzugehen. Er brachte die Drinks in Rekordzeit. Tom hob sein Glas. "Auf die Freundschaft. " Raphael nahm seins, nickte, kippte den Bourbon hinunter, sah sich nach dem Ober um und zeigte auf das leere Glas. Verdammt, dachte Tom. Das lief nicht gut. Raphael wollte sein Mittagessen, trinken und schweigen, und er sollte doch im Auftrag seiner Frau Antworten finden. Tatsächlich hatte er das sowieso vor. "Und? Wie war der Flug?" fragte er energisch. Raphael sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. "Lang. Das Wetter war gut. Achtundzwanzigtausend Fuß auf der ganzen Strecke. Möchtest du noch irgendetwas wissen?"
Tom schüttelte seufzend den Kopf. Eigentlich hatte er auch nicht erwartet, dass Raphael viel sagte. Das war einer der Hauptunterschiede zwischen Männern und Frauen. Ein Mann behielt sein Problem für sich. Eine Frau redete unaufhörlich darüber. Und dann redete sie noch mehr, nur um sicher zu sein. Carin und Amanda redeten schon die ganze Woche. Nonstop. In der Gästesuite. In der Küche. Im Wohnzimmer. Auf der Terrasse. In der Bibliothek. Seine Frau und seine Schwägerin hörten nur auf, wenn er hereinkam. Dann blickten sie ihn starr an, bis er nervös lächelte, eine Entschuldigung murmelte und sich zurückzog. "Worüber redet ihr?" hatte er seine Frau eines Nachts im Bett gefragt. Amanda hatte die Schultern gezuckt. "Über dies und das." "Ist Carin unglücklich?" "Ja.“ "Können wir irgendetwas tun?" "Du könntest etwas tun. Carin möchte dich um einen Gefallen bitten." Tom trank seinen Bourbon aus, überprüfte Raphaels und gab dem Ober Zeichen, noch zwei zu bringen. Am nächsten Morgen hatte Carin ihm gesagt, was sie wollte. "Ich soll herausfinden, ob du den Vornamen deines Babys ändern kannst. Ist das richtig?" hatte er ratlos nachgefragt. "Gefällt er dir plötzlich nicht mehr? Das verstehe ich nicht. Ich meine, es ist doch ein schöner ..." Carin hätte ein Schluchzen unterdrückt, und der böse Blick seiner Frau hatte Tom verstummen lassen. "Sicher, ich höre mich um und sehe, was erforderlich ist." Und dann hatte er wie ein Idiot wiederholt, das verstehe er nicht, Amy sei doch ein schöner Name. Carin war in Tränen ausgebrochen. Seine Frau hatte ihn eisig angesehen und ihre Schwester aus dem Zimmer geführt. Schließlich hatte er begriffen, was der Wunsch seiner Schwägerin bedeutete. Und es war traurig. Sie wollte nicht nur raus aus ihrer Ehe, sondern auch alles loswerden, was mit Raphael zu tun hatte. Tom sah seinen Freund an, der den Salat für seinen Drink beiseite geschoben hatte. "Okay, lass dich meinetwegen voll laufen, wenn du willst. Aber du kannst nicht den Ober ermorden. Ich glaube nicht, dass meine diplomatische Immunität so weit reichen würde. " "Ich bin nicht in der Stimmung für deinen Humor." Raphael runzelte die Stirn. "Gut, dass du mir das sagst. Bis jetzt dachte ich, wir würden einige Stunden Spaß haben." Das Stirnrunzeln vertiefte sich. Dann lächelte Raphael schwach. „Tut mir Leid. Ich weiß, dass es nicht besonders nett ist, mit mir zusammen zu sein." "He, Mann, warum solltest du eine Ausnahme sein? Amanda läuft herum, als wäre ich der Feind, nur weil ich Hosen trage. Und Carin benimmt sich, als...“ Verdammt! „Es muss das Wetter sein. Dieser frühe Herbst ist ..." Raphael stand auf und beugte sich über den Tisch. "Was ist mit Carin? Ist sie krank?" "Nein."
"Das Baby? Ist Amy ... ?" "Nein! Ich meine, es geht ihr gut. Es geht ihnen beiden gut. Ich hatte nicht die Absicht, Carin zu erwähnen, weißt du." Raphael setzte sich wieder hin. "Sie ist meine Frau", sagte er steif. "Es ist unmöglich, sie nicht zu erwähnen." "Ich wollte nur nicht..." "Wenn sie krank wäre, würde ich es wissen wollen. Auch wenn wir nicht mehr zusammenleben, würde ich trotzdem... " Raphael verstummte. Als er diesmal aufsah, verriet seine Miene nur noch Qual. "Oh Mann", flüsterte Tom und winkte dem Ober, um zu zahlen. Aber Raphael hatte schon einen Geldschein auf den Tisch geworfen und war auf dem Weg zur Tür. "Ich weiß nicht, warum sie mich verlassen hat." Raphael und Tom saßen auf einer Bank im Central Park. Es war ein kalter, windiger Tag. Tom fror, aber Raphael redete, und nicht einmal eine Lungenentzündung wäre ein zu hoher Preis dafür. "Wir sind gut miteinander ausgekommen", sagte Raphael. "Am Anfang vielleicht nicht, doch das war zu erwarten." "Sicher. Ihr habt euch ja erst wenige Monate gekannt." "Eine Nacht. Die Geschichte über unsere Beziehung in New York war eine Lüge." "Ah." Interessant, dachte Tom. Wusste Amanda darüber Bescheid? "Damit sich Marta nicht allzu sehr über euer Durchbrennen aufregt?" „Wir sind nicht durchgebrannt“, sagte Raphael niedergeschlagen. "Ich habe Carin zur Heirat gezwungen, indem ich gedroht habe, ihr unsere Tochter wegzunehmen. Sieh mich nicht so an, Thomas! Ich habe getan, was ich für richtig gehalten habe. Und es hat funktioniert. Carin hat die Dinge schließlich so wie ich gesehen." Raphael stand auf. Tom schloss sich ihm an, und sie gingen zur Straße. "Wie hast du das geschafft? Ich liebe meine Frau, aber es ist nicht immer einfach, sie dazu zu bringen, die Dinge so wie ich zu sehen." Raphael dachte an die Nacht, als er zum ersten Mal mit Carin zusammen geschlafen hatte, und daran, wie sie sich am nächsten Morgen geliebt hatten. "Sie hat es eben getan", sagte er steif. "Und danach ... danach war ich glücklich. Sie schien auch glücklich zu sein. Und dann ... " Er seufzte. "Dann hatten wir einen Streit. " "Hör zu, das ist normal. Amanda und ich haben auch schon einige Auseinandersetzungen gehabt. Erst im vergangenen Monat hat sie mich zu überzeugen versucht, dass wir das Kinderzimmer in einer Farbe streichen sollten, die sie ‚Honiggelb' nennt, aber glaub mir, ‚Ranziggelb' passt besser. Ich meine ... " "Wir haben uns gestritten, Tom", sagte Raphael leise. "Es war ein schlimmer Streit, und danach wusste ich die Wahrheit." "Die Wahrheit?"
"Meine Frau liebt noch immer den Mann, der sie sitzen gelassen hat." Tom blieb stehen. "Frank? Auf keinen Fall. Der Gedanke ist mir auch gekommen, deshalb habe ich Amanda gefragt. Carin sehnt sich nicht nach Frank." "Doch." Raphael blieb auch stehen und drehte sich um. "Sie hat es mir gesagt." Tom seufzte. "Hör zu, alter Junge, eins hat mich das Eheleben gelehrt. Was eine Frau sagt, ist nicht immer das, was sie meint." Raphael blickte ihn finster an. "Nennst du meine Frau eine Lügnerin?" Verdammt, dachte Tom und versuchte es noch einmal. "Ich nenne dich naiv, falls du wirklich denkst, Frauen würden uns nicht täuschen, wenn sie es für nötig halten." "Vielleicht. Aber dies war anders. Glaub mir, sie liebt Frank." "Also habt ihr euch seinetwegen gestritten?" "Nein." "Was war dann der Grund?" "Nichts. Alles." Raphael zögerte. "Es war verwirrend. Carin liebt diesen Mann noch immer, aber später, als ich darüber nachgedacht habe, was vorgegangen war ... Vielleicht wollte sie, dass ich ihr sage, ich würde sie lieben." Tom blickte seinen alten Freund starr an. "Du meinst, sie hat dich verlassen, weil du ihr nicht gesagt hast, dass du sie liebst?" "Richtig." Raphael wurde rot. "Es war verwirrend", wiederholte er. "Mir kommt es unkompliziert vor. Warum hast du es ihr nicht einfach gesagt?" "Weil ich es nicht tue! Carin ist eine wundervolle Frau. Sie ist schön und intelligent, und sie hat mich glücklich gemacht. Aber Liebe? Das Wort benutzen Leute, die an Märchen glauben. Es täuscht diejenigen, die behaupten, sie zu empfinden. Hätte ich meine Frau anlügen sollen? Hätte ich sagen sollen ,Ich liebe dich', nur um sie zu behalten?" "Du musst mir bei dieser Sache helfen, Raphael", erwiderte Tom vorsichtig. "Hast du mir nicht versichert, Carin würde noch immer Frank lieben?" „Ja. Und?" "Warum sollte sie von dir hören wollen, dass du sie liebst, wenn sie ihn liebt?" „Ich weiß nicht." "Und warum regst du dich darüber auf, dass sie einen anderen Mann liebt, wenn dir Liebe nichts bedeutet?" Raphael presste die Lippen zusammen. "Ihr bedeutet sie etwas." "Und wenn du gesagt hättest, du würdest sie lieben, nur um sie glücklich zu machen, und sie hätte gesagt, sie würde dich auch lieben? Hättest du ihr dann erklärt, sie wisse nicht, wovon sie rede?" „Sim.“ "Vielleicht hättest du auch behauptet, sie würde lügen." Raphael packte Tom an den Aufschlägen. "Meine Frau lügt nicht!" "Reg dich ab", befahl Tom leise. "Santos Deus " flüsterte Raphael. Er ließ Toms Jackett los und machte einen Schritt zurück. "Entschuldige. Ich weiß nicht, was mit mir nicht stimmt. Ich
kann nicht mehr klar denken, schnauze meine Haushälterin und meine Sekretärin an ... Meine Leute geben sich besondere Mühe, mir aus dem Weg zu gehen." Tom lächelte. "Raphael, alter Junge, du bist verliebt." "Nein! Ich habe dir gesagt, ich glaube nicht an ..." Raphael stöhnte gequält. "Na schön. Ich habe keine Ahnung, wieso ausgerechnet ich mich verliebt habe, aber ich liebe Carin. Sie ist mein Leben." Er packte Tom am Arm, diesmal aus Verzweiflung. "Welche Rolle spielt das? Sie liebt diesen Mann." "Vergiss das. Ich habe es dir doch erklärt. Was Frauen sagen, ist nicht immer das, was sie meinen." "Dann gibt es eine Chance? Meinst du, ich kann zu ihr gehen, sie umarmen und ... ? Was ist? Warum siehst du mich so an, Tom?" "Verdammt, Raphael. Es tut mir Leid. Ich denke, für eine Versöhnung ist es zu spät. Carin hat mich um einen Gefallen gebeten. "Tom atmete tief durch. "Ihr habt den Namen eures Babys zusammen ausgesucht, stimmt's?" "Was hat der Name unserer Tochter damit zu tun?" "Tja, das war der Gefallen, um den mich Carin gebeten hat. Ich sollte feststellen, wie sie den Namen rechtsgültig ändern kann." Raphael erstarrte. "Sie kann meinem Kind nicht meinen Namen wegnehmen. Er steht auf der Geburtsurkunde. Amy Alvares. " „Alvares ist ja noch da. Amy ist verschwunden. Dein kleines Mädchen heißt nicht mehr Amy Alvares. Sie heißt jetzt Amalia ... Raphael? Was soll denn das?" Raphael rannte schon über die Fifth Avenue, um seiner Frau zu sagen, dass er sie liebe. Ganz so einfach war es nicht. Raphael ging im Wohnzimmer des Penthouse der al Rashids auf und ab. Er musste abwarten, ob seine Frau überhaupt bereit war, ihn zu sehen. Tom hatte ihn eingeholt, nach oben gebracht und Carin gesagt, ihr Mann sei da. Dann hatte er Amanda gedrängt, ihren Mantel anzuziehen und mit ihm die Wohnung zu verlassen. "Aber, aber, aber", hatte Amanda immer wieder protestiert und Raphael unfreundliche Blicke zugeworfen. Schließlich hatte Tom seine Frau mit einem Kuss zum Schweigen gebracht und zur Tür gezogen. Jetzt konnte Raphael nur noch warten und hoffen. "Hallo, Raphael." Er drehte sich um. Carin kam die Treppe herunter. Sie trug Jeans und einen Pullover, ihr Haar war zerzaust, und sie war ungeschminkt. Mit anderen Worten, sie sah unglaublich schön aus. Er machte zwei Schritte auf sie zu. "Hallo, Carin." "Mir ist klar, dass du Am.. deine Tochter sehen möchtest, nur schläft sie jetzt. Wenn du morgen früh gegen neun..."
"Natürlich will ich sie sehen. Aber ich bin gekommen, um mit dir zu reden."
"Ich habe dir die Regeln genannt, Raphael. Du sollst anrufen, bevor du..."
"Du hast den Namen unserer Tochter ändern lassen."
Carin wurde rot und biss sich auf die Lippe.
Und in diesem Moment wusste Raphael, dass sie nur ihn liebte.
"Tom ist ein Idiot“, sagte sie scharf. "Warum hat er dir das erzählt?"
Lächelnd ging Raphael auf sie zu. "Er dachte, es bedeute, dass du mich nie
wieder in dein Leben lassen würdest, querida, und er wollte nicht, dass ich mir Hoffnungen mache." "Er hatte Recht. Mach dir keine Hoffnungen. Ich bin nicht..." "Warum hast du den Namen geändert?" "Aus Tradition. Und Respekt." Carin hielt den Atem an, als Raphael ihr die Wange streichelte. "Bitte tu das nicht." "Früher hast du es gemocht, dass ich dich berühre, amada." "Du sollst nicht unangemeldet hierher kommen. Und du sollst diese Worte nicht benutzen, wenn sie keine Bedeutung für dich haben." "Was für Worte?" Raphael küsste sie auf den Mund. "Das weißt du ganz genau. Querida. Amada." "Sie bedeuten, dass du mein Herz besitzt, Carin." Er lächelte. "Aber du hast mich niemals querido oder amado genannt." "Warum sollte ich? Ich liebe dich nicht." "Doch", sagte Raphael sanft. "Du liebst mich." Er atmete tief ein. "Und ich liebe dich." "Das behauptest du nur, damit ich zurückkomme und unsere Tochter in deiner Heimat aufwächst." "Sim. Ich wünsche mir das. Aber am meisten wünsche ich mir, dass ich dir den Rest meines Lebens beweisen kann, wie sehr ich dich liebe. Carin, ich habe niemals verstanden, was Liebe ist. ich dachte, es sei ein Traum für die Schwachen, ein Zeitvertreib für diejenigen, die herumspielen. Jetzt weiß ich, was Liebe ist, querida. Ich glaube daran, weil ich dich liebe, und wenn du mich wirklich verlässt, werde ich im Innersten für immer leer sein." Carin schluchzte auf. "Oh Raphael, mein Schatz..."
Er zog sie an sich und küsste sie. "Lass uns Amy holen."
"Amalia", sagte Carin und lächelte.
Raphael küsste sie wieder. "Und dann fliegen wir nach Hause, querida."
"Sim, querido ", flüsterte Carin. "Bring mich bitte nach Hause.
- ENDE