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José A. Campos Nave Die ertragsteuerneutrale und identitätswahrende Sitzverlegung der GmbH in Mitgliedstaaten der Europäischen Union
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Forschungsreihe Rechnungslegung und Steuern Herausgegeben von Professor Dr. Norbert Herzig, Universität zu Köln Professor Dr. Christoph Watrin, Universität Münster
José A. Campos Nave
Die ertragsteuerneutrale und identitätswahrende Sitzverlegung der GmbH in Mitgliedstaaten der Europäischen Union Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Christoph Watrin
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Münster, 2009 D6
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske / Anita Wilke Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1557-3
Für Grit
Geleitwort Deutsche Mittelständler, die ihr Unternehmen in der Rechtsform der GmbH betreiben, überlegen zunehmend aus steuerlichen und anderen Gründen eine Sitzverlegung in das Ausland vorzunehmen. Ausgehend von der These, dass mittelständische Unternehmer beim Wegzug an der gewohnten Rechtsform der GmbH festhalten wollen und einem Wechsel hin zur SE, SPE oder einer ausländischen Unternehmensform kritisch gegenüberstehen, diskutiert der Verfasser, ob eine identitätswahrende und steuerneutrale Sitzverlegung einer GmbH ins europäische Ausland möglich ist. Dabei wird ein breites Spektrum von gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Fragen erörtert. Der Verfasser zeigt auf, welche Steuervorschriften, die Sitzverlegungen betreffen, nach wie vor gegen Europarecht verstoßen und welche Maßnahmen der Gesetzgeber ergreifen müsste, um eine europarechtskonforme Rechtslage zu schaffen. Die Arbeit beeindruckt durch die große Bandbreite von Themenkomplexen und Fragestellungen, die der Verfasser souverän abarbeitet. Die von ihm vorgetragenen Thesen und Schlussfolgerungen sind sorgfältig abgeleitet, aber durchaus provokativ und geeignet, die weitere Diskussion um die Behandlung stiller Reserven beim Wegzug zu beleben. Die Arbeit ist gleichermaßen für Unternehmer und ihre Berater sowie Wissenschaftler und Politiker von Interesse. Ich wünsche ihr eine gute Aufnahme in diesen Kreisen.
Christoph Watrin
VII
Vorwort Die Globalisierung in der Unternehmenswelt schreitet bereits seit Jahren voran. Bislang haben Unternehmen bei einer Entscheidung gegen den deutschen und für einen ausländischen Standort nach und nach ihre Geschäftsaktivitäten in Deutschland eingeschränkt und im Ausland wieder aufgebaut. In diesem Zusammenhang verblieb die ursprüngliche Gesellschaft in Deutschland und es musste zumindest für eine Übergangszeit eine neue und ergänzende Unternehmensstruktur im Ausland aufgebaut werden. Diese Unternehmensverlagerung war durch den Abbau in Deutschland und den Wiederaufbau im Ausland insbesondere für den deutschen Mittelstand mit hohen Kosten verbunden, so dass diese Möglichkeit der Optimierung der Unternehmensstruktur von kleinen und mittleren Betrieben faktisch nicht genutzt werden konnte. Eine Unternehmensverlagerung ins Ausland steht gegenwärtig rechtlich auch auf einer nicht hinreichend gesicherten Grundlage. Die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten zur Sitzverlegung und die steuerlichen Konsequenzen aus einer solchen Unternehmensverlagerung sind nicht hinreichend kodifiziert. Ohne die verlässlichen gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Grundlagen kann eine Verlagerung eines Unternehmens jedoch nicht mit planbaren und beherrschbaren Risiken vollzogen werden. Spätestens seit der Centros-Entscheidung des EuGH befinden sich diese rechtlichen Fragen in einem dynamischen Fortentwicklungsprozess. Der EuGH zwingt letztlich durch seine Rechtsprechung die EU-Mitgliedsstaaten dazu, den Unternehmen die Niederlassungsfreiheit und damit die Zuzugs-, aber auch die Wegzugsfreiheit zu gewährleisten. Damit schafft der EuGH unter Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Art. 43, 48 EGV, die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen für eine Verlagerung des Unternehmens in einen ausländischen EU-Mitgliedsstaat. Die Rechtsfortbildung des EuGH erfasst in diesem Zusammenhang auch die steuerrechtlichen Grundlagen für eine solche Unternehmensverlagerung. Letztlich können Unternehmen die Niederlassungsfreiheit nur nutzen, wenn keine nachteiligen steuerlichen Folgen den Wegzug aus Deutschland in einen ausländischen EU-Staat sanktionieren. Der EuGH hat sich damit zu einem „Motor“ für die Mobilität von Unternehmen und für Sitzverlagerungen ins EU-Ausland entwickelt.
IX
Diese Arbeit geht zunächst von den europarechtlichen Grundlagen für die Mobilität von Unternehmen aus und stellt die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten für eine Sitzverlegung dar. Anschließend werden die steuerlichen Konsequenzen unter besonderer Bezugnahme zur europäischen Niederlassungsfreiheit untersucht. Letztlich zeigt die Untersuchung, dass der deutsche Gesetzgeber haushaltspolitisch weitsichtig handeln würde, wenn insbesondere im Steuerrecht keine „Abwehrgesetze“ erlassen werden, die den Wegzug von Unternehmen in andere EU-Staaten erschweren. Vielmehr ist insbesondere im gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Bereich die derzeitige Rechtslage mit dem Europarecht zu harmonisieren. Die europarechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Überlegungen dieser Arbeit schließen eine Lücke in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre insbesondere an deren Schnittstelle zum Europarecht, dem Rechtsgebiet, das das deutsche Steuerrecht und das Gesellschaftsrecht in den letzten Jahren maßgeblich beeinflusst und verändert hat. An dieser Stelle möchte ich insbesondere meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Christoph Watrin, für seine umfassende Unterstützung, Betreuung und nachhaltige Förderung sehr herzlich danken. Die Anregung für diese Arbeit stammt bereits aus dem Aufbaustudium des Autors zum Executive Master of Business Administration (Accounting & Controlling) an der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster, das Herr Prof. Dr. Watrin im steuerrechtlichen Bereich leitete und betreute. Ein zusätzlicher Dank gilt Herrn Prof. Dr. Wolfgang Berens für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für seine Förderung meiner Promotion. Meiner Ehefrau, Dipl. Betriebswirtin Dipl. Leasing- und Finanzierungswirtin Grit Campos Nave danke ich insbesondere für ihre nachhaltige und ermutigende Unterstützung, die die Erstellung dieser Arbeit erst ermöglichte. Diese Arbeit wurde an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster im Wintersemester 2008/2009 als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Februar 2009 abgeschlossen und berücksichtigt Rechtsprechung und Literatur bis zu diesem Zeitpunkt.
José A. Campos Nave
X
Inhaltsübersicht Geleitwort Vorwort Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Einführung A. B.
Problemstellung Vorgehensweise der Untersuchung
1. Kapitel Betriebswirtschaftliche Ausgangssituation für die Sitzverlegung in das EU-Ausland A. Zielvorgaben eines Unternehmens B. Standortfaktoren für die Unternehmensentscheidung C. Zwischenergebnis
VII IX XIII XXI XXVII 1 3 11
13 13 15 38
2. Kapitel Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche 41 Grundlagen der Sitzverlegung einer GmbH in das EU-Ausland 1. Teil Das Gemeinschaftsrecht als Normengrundlage für gesellschaftsrechtliche Gestaltungen und die steuerlichen Konsequenzen 41 A. Struktur des Gemeinschaftsrechts 41 45 B. Das Gemeinschaftsrecht als vorrangiges Recht C. Der Einfluss der europäischen Grundfreiheiten auf das Steuerrecht 52 D. Die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) als relevante Grundfreiheit bei der Sitzverlegung 65 70 E. Zwischenergebnis 2. Teil Gesellschaftsrechtliche Sitzverlegungsmöglichkeiten 71 71 A. Grundsätzliche Sitzverlegungsmöglichkeiten B. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft 74 107 C. Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft 125 D. Zwischenergebnis
XI
3. Teil Ertragssteuerrechtliche Konsequenzen der Sitzverlegung A. Systemprinzipien des Steuerrechts B. Die Entstrickungskonzeption beim Wegzug ins Ausland C. Die Wegzugsbesteuerung nach Einführung des SEStEG D. Zwischenergebnis
126 127 135 139 191
3. Kapitel Gestaltungskonzepte zur europarechtskonformen Umsetzung und Ausgestaltung von Sitzverlegungen in das EU-Ausland A. Gesellschaftsrechtliche Konzeption B. Steuerrechtliche Konzeption
193 194 195
4. Kapitel Die wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung A. Ergebnisse B. Bewertung C. Ausblick D. 10 Thesen als Überprüfungsmaßstab der gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Regelungen bei Sitzverlegungen in das EU-Ausland E. Verfasserempfehlung F. Schlussbetrachtung Bibliografie EG-Vertrag, Europäische Verordnungen und Richtlinien Entscheidungsregister
XII
209 209 212 215
216 217 218 219 239 241
Inhaltsverzeichnis Geleitwort Vorwort Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Einführung A. Problemstellung I. Europäische und deutsche Gestaltungsalternativen II. Sitzverlegung einer Gesellschaft III. GmbH als Mittelstandsrechtsform IV. Untersuchungsgegenstand B. Vorgehensweise der Untersuchung 1. Kapitel Betriebswirtschaftliche Ausgangssituation für die Sitzverlegung in das EU-Ausland A. Zielvorgaben eines Unternehmens I. Eingangsbetrachtung II. Relative Steuerbarwertminimierung B. Standortfaktoren für die Unternehmensentscheidung I. Maßgebliche Standortfaktoren 1. Steuerquote des Standortes 2. Weitere Standortfaktoren II. Internationaler Wettbewerb der Standorte 1. World Economic Forum – The Global Competitiveness Report 2007-2008 2. IMD Institute for Management Development World Competitiveness Yearbook 2008 3. The World Bank – Doing Business 2008 4. Heritage Foundation – 2008 Index of Economic Freedom 5. Fraser Institute – Economic Freedom of the World 2007: Annual Report 6. Zusammenfassung III. Auswahl der entscheidenden Standortfaktoren 1. Verfahren zur Standortwahl a) Phase 1 der Standortwahl b) Phase 2 der Standortwahl c) Phase 3 der Standortwahl
VII IX XI XXI XXVII 1 3 3 7 8 10 11
13 13 13 13 15 16 16 19 22 24 25 27 28 30 31 32 33 33 34 34
XIII
2. a) b) c) d) e)
Die steuerlichen Wirkungen der Sitzverlegung als Entscheidungsfaktor bei der Standortwahl Nationale Standortwahl Internationale Standortwahl Liquiditätsauswirkungen der Sitzverlegungsbesteuerung Sitzverlegungssteuern im Rechnungswesen des Unternehmens Ansatz der Sitzverlegungssteuern im betrieblichen Rechnungswesen Zwischenergebnis
C. 2. Kapitel Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Grundlagen der Sitzverlegung einer GmbH in das EU-Ausland 1. Teil Das Gemeinschaftsrecht als Normengrundlage für gesellschaftsrechtliche Gestaltungen und die steuerlichen Konsequenzen A. Struktur des Gemeinschaftsrechts I. Zielsetzung des Gemeinschaftsrechts II. Rangverhältnis europarechtlicher Normen 1. Primärrecht 2. Sekundärrecht 3. Vereinbarkeit des Sekundärrechts mit dem Primärrecht B. Das Gemeinschaftsrecht als vorrangiges Recht I. Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber deutschem Verfassungsrecht und einfachgesetzlichem Recht II. Rechtliche Folgen einer EuGH-Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht III. Bindungswirkung der EuGH-Entscheidungen für den deutschen Gesetzgeber, die Finanzverwaltung und die Rechtsprechungsorgane IV. Zeitliche Wirkung der EuGH-Entscheidungen V. Eigene Rechtsansicht C. Der Einfluss der europäischen Grundfreiheiten auf das Steuerrecht I. Allgemeiner Prüfungsmaßstab bei europarechtlichen Grundfreiheiten II. Der Einfluss des Europarechts auf das nationale Steuerrecht 1. Allgemeiner Schutzbereich der Grundfreiheiten im Steuerrecht
XIV
34 35 35 36 37 37 38
41
41 41 41 42 43 43 44 45 45 46
48 49 51 52 53 55 56
2. 3. 4. a) b) c) d) e) f) g) h) i) j) k) l) m) III. D. I. II. III. E.
Allgemeiner Eingriff in den Schutzbereich Allgemeine Rechtfertigungsgründe für Eingriffe in die Grundfreiheiten durch steuerrechtliche Normen Rechtfertigungsbegründung bei Besteuerungssachverhalten Vermeidung von Steuervorteilen Vereinfachung der Steuererhebungen Fehlende Harmonisierung der direkten Steuern in der EU Sicherstellung einer lückenlosen Besteuerung Verhinderung von Steuermindereinnahmen Negative Auswirkung auf die Haushaltslage Verhinderung der Steuerflucht Kohärenz des Steuerrechts Kompensation der Diskriminierung durch anderweitige Vorteile Entgegenstehende Doppelbesteuerungsabkommen Fehlende Aufklärungs- und Vollstreckungsmöglichkeit Territorialitätsprinzip Anerkannte Rechtfertigungsgründe Eigene Rechtsansicht Die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) als relevante Grundfreiheit bei der Sitzverlegung Schutzbereich Eingriff in den Schutzbereich Europarechtliche Rechtfertigungsmöglichkeiten Zwischenergebnis
2. Teil Gesellschaftsrechtliche Sitzverlegungsmöglichkeiten A. Grundsätzliche Sitzverlegungsmöglichkeiten B. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft I. Verlegung des Verwaltungssitzes nach deutschem Recht 1. Rechtsstand bis zum EuGH-Urteil Lasteyrie du Saillant 2. Die geltende Rechtsprechung des BGH bis zum 13.03.2003 3. Beschluss des BGH vom 30.03.2000 a) Sachverhalt b) Entscheidung des EuGH 4. Rechtsprechungsänderung des BGH mit Urteil vom 13.03.2003 II. Verlegung des Verwaltungssitzes nach europäischem Recht 1. Die Daily Mail-Entscheidung des EuGH a) Sachverhalt
57 58 59 60 60 60 60 60 61 61 61 62 62 62 63 64 64 65 65 68 69 70 71 71 74 74 74 77 78 78 79 79 80 80 80
XV
b) 2. a) b) 3. a) b) 4. a) b) 5. a) b) 6. a) b) 7. a) b) 8. 9. a) b) c) 10. a) b) aa) bb) 11. III. C. I. 1. 2. 3. II.
XVI
Entscheidung des EuGH Die Centros-Entscheidung des EuGH Sachverhalt Entscheidung des EuGH Die Überseering-Entscheidung des EuGH Sachverhalt Entscheidung des EuGH Die X und Y Entscheidung des EuGH Sachverhalt Entscheidung des EuGH Die Inspire Art-Entscheidung des EuGH Sachverhalt Entscheidung des EuGH Die Lasteyrie du Saillant-Entscheidung des EuGH Sachverhalt Entscheidung des EuGH Die N-Entscheidung des EuGH Sachverhalt Entscheidung des EuGH Zwischenstand der EuGH-Rechtsprechung Das Cartesio-Vorlageverfahren des EuGH Sachverhalt Zu erwartende Entscheidung des EuGH Schlussanträge des Generalanwalts Die Cartesio-Entscheidung des EuGH Entscheidung des EuGH Bewertung der EuGH-Entscheidung Verlegung des Verwaltungssitzes Verlegung des Satzungssitzes Verlegung des Verwaltungssitzes nach dem reformierten § 4a GmbHG Zusammenfassung Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft Verlegung des Satzungssitzes de lege lata im deutschen Recht Literatur- und Rechtsprechungsansicht Eigene Rechtsansicht Zusammenfassung Verlegung des Satzungssitzes nach europäischem Recht
81 82 82 82 83 83 83 84 84 85 85 85 86 89 89 89 91 91 91 93 95 96 96 97 101 101 103 103 104 106 107 107 107 108 112 113 113
1. 2. 3. a) b) 4. 5. D.
Sitzverlegung auf der Grundlage des europäischen Primärrechts Sitzverlegung auf der Grundlage einer Sitzverlegungsrichtlinie Sitzverlegung unter Einbeziehung bisheriger europäischer Gestaltungsmöglichkeiten Die europäische Verschmelzungsrichtlinie Gründung einer Societas Europaea Eigene Rechtsansicht Zusammenfassung Zwischenergebnis
3. Teil Ertragssteuerrechtliche Konsequenzen der Sitzverlegung A. Systemprinzipien des Steuerrechts I. Das Individualprinzip II. Das Leistungsfähigkeitsprinzip III. Das Markteinkommensprinzip IV. Das Realisationsprinzip V. Steuerliche Ersatzrealisationstatbestände VI. Die Wegzugsbesteuerung als Ersatzrealisationstatbestand VII. Spannungsfeld zwischen Doppelbesteuerungsabkommen und der Wegzugsbesteuerung VIII. Steuerneutralität bei unternehmerischen Gestaltungen IX. Eigene Rechtsansicht X. Zusammenfassung B. Die Entstrickungskonzeption beim Wegzug ins Ausland I. Allgemeiner Entstrickungstatbestand des BFH und der Finanzverwaltung II. Europarechtliche Würdigung C. Die Wegzugsbesteuerung nach Einführung des SEStEG I. Normierung der Entstrickungsregelungen 1. EU-Fusionsrichtlinie 2. Konzeption der steuerlichen Wegzugsnormen II. Liquidationsbesteuerung (§ 11 Abs. 1 KStG) 1. Verlegung des Verwaltungssitzes 2. Verlegung des Satzungssitzes 3. Europarechtliche Würdigung 4. Eigene Rechtsansicht und Zusammenfassung
113 117 119 119 120 121 124 125 126 127 127 129 129 130 130 131 132 132 134 135 135 136 137 139 139 139 140 141 143 143 146 148
XVII
III. 1. a) aa) bb) cc) dd) ee) ff) (1) (2) gg) b) aa) bb) cc) dd) 2. a) b) c) d) e) f) g) h) i) j) 3.
XVIII
Wegzugsbesteuerung auf Ebene der GmbH (§ 12 Abs. 1 KStG) Wegzugsbesteuerung bei Verlegung der Geschäftsleitung oder des Sitzes ins Ausland Konzeption des § 12 Abs. 1 KStG Konkludenter Betriebsstättenvorbehalt Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte (DBA-Staat) Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte (kein DBA-Staat) Erstmaliger Abschluss eines DBA / Bei bestehendem DBA: Wechsel von der Anrechnungs- zur Freistellungsmethode Änderung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der Gewinne aus der Nutzung Beibehaltung einer Betriebsstätte im Inland Definition der Zentralfunktion des Stammhauses Zuordnung der Wirtschaftsgüter Rückfallklauseln Rechtsfolge der Entstrickung bei Sitzverlegungen Gewinnneutralisierung durch Ausgleichpostenmethode Verlegung des Satzungssitzes Verlegung des Verwaltungssitzes Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes Bewertungen der körperschaftssteuerlichen Konzeption zur Entstrickung Prinzip der Sofortversteuerung Einschränkung auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens Erweiterung der Besteuerung bei Verbringung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs „Beschränkung des Steuerrechts Entstrickung durch Entnahme zum gemeinen Wert Rückwirkung des Gesetzes Ungleichbehandlung zwischen Kapitalgesellschaften und natürlichen Personen Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Stammhaus Erhöhung des Körperschaftssteuersatzes Eigene Rechtsansicht Vereinbarkeit der Konzeption der Wegzugsbesteuerung mit dem Europarecht
149 149 150 150 151 152 152 153 153 154 155 157 157 158 160 161 162 163 163 164 165 166 166 167 167 168 169 169 170
a) aa) bb) cc) b) aa) bb) c) d) IV. 1. a) aa) bb) (1) (2) b) 2. a) b) 3. D.
Vereinbarkeit mit der europäischen Fusionsrichtlinie Konzeption der Fusionsrichtlinie Anwendbarkeit der Fusionsrichtlinie auf die Sitzverlegungen einer GmbH Vereinbarkeit der Fusionsrichtlinie mit europäischem Primärrecht Vereinbarkeit mit der europäischen Niederlassungsfreiheit Eingriff in die Niederlassungsfreiheit Europarechtliche Rechtfertigung Rechtsansicht der EU-Kommission Eigene Rechtsansicht Wegzugsbesteuerung auf Ebene der Gesellschafter Gesellschaftsanteile im Betriebsvermögen Beschränkung oder Ausschluss des Besteuerungsrechts Grundsatzregelung Einschränkungen des Besteuerungsrechts Einschränkungen aufgrund DBA Einschränkungen aufgrund beschränkter Steuerpflicht Verzögerte Besteuerung Gesellschaftsanteile im Privatvermögen Beschränkung oder Ausschluss des Besteuerungsrechts Verzögerte Besteuerung Eigene Rechtsansicht und Zusammenfassung Zwischenergebnis
3. Kapitel Gestaltungskonzepte zur europarechtskonformen Umsetzung und Ausgestaltung von Sitzverlegungen in das EU-Ausland A. Gesellschaftsrechtliche Konzeption I. Gesellschaftsrechtliche Anpassungen II. Bewertung der Maßnahmen B. Steuerrechtliche Konzeption I. Steuerrechtliche Anpassungen 1. Anpassung der deutschen Steuernormen a) Änderung von § 12 Abs. 1 KStG b) Änderung von § 4 Abs. 1, S. 4 EStG 2. Anpassungen im Gemeinschaftsrecht 3. Ersatzloser Wegfall der Wegzugsbesteuerung mit Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen
171 171 172 173 177 177 180 181 183 185 186 186 186 187 187 187 188 188 188 189 190 191
193 194 194 194 195 195 196 196 197 198 199
XIX
4. 5. 6. 7. 8. 9. II. 1. 2.
Fortgeltende Wegzugsbesteuerung bei staatlichem Ziel der Missbrauchsabwehr Anwendung der bisherigen Wegzugsbesteuerung auf Drittstaaten Periodische Feststellung und Besteuerung der stillen Reserven Besteuerung beim Wegzug mit anschließender Stundung bis zum Realisierungsfall Wertverlustberücksichtigung zwischen Stundung und Veräußerung Sicherheitsleistung zur Sicherung des Steueranspruchs Bewertung der Maßnahmen Abzulehnende Gestaltungsmöglichkeiten Vorzugswürdige Gestaltungsmöglichkeiten
4. Kapitel Die wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung A. Ergebnisse B. Bewertung C. Ausblick D. 10 Thesen als Überprüfungsmaßstab der gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Regelungen bei Sitzverlegungen in das EU-Ausland E. Verfasserempfehlung F. Schlussbetrachtung Bibliografie EG-Vertrag, Europäische Verordnungen und Richtlinien Entscheidungsregister
XX
201 201 202 202 203 203 204 204 206 209 209 212 215
216 217 218 219 239 241
Abkürzungsverzeichnis A a. A. ABl.EG Abs. a.F. AG AktG AO Art. AStG AWD Az. B BayObLG BB Bd. BDI BewG BFH BFHE BFH/NV
BGBI. BGH BGHZ BIP BMF BR-Drucksache BRIC BStBl. BT-Drucksache BVerfG
anderer Auffassung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz alte Fassung Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Abgabenordnung Artikel Außensteuergesetz Außenwirtschaftsdienst heute: Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Aktenzeichen Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Bundesverband der Deutschen Industrie Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Steuerrechtliche Entscheidungssammlung der nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bruttoinlandsprodukt Bundesministerium der Finanzen Bundesrat-Drucksache Bezeichnung für die Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China Bundessteuerblatt Bundestag-Drucksache Bundesverfassungsgericht
XXI
BVerfGE bzw. C ca. CSC
D d.h. DB DBA DNotZ DStJG DStR DStRE DStZ E E EFTA EG EGBGB EGBGB-E EGV EK endg. EStG etc. EU EuGH EuGHE
EuR EUV
XXII
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise circa Código das Sociedades Comerciais (portugiesisches Gesetzbuch der Handelsgesellschaften) das heißt Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Deutsche Notar Zeitschrift (Zeitschrift) Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Entwurf European Free Trade Association Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch-Entwurf Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Eigenkapital endgültig Einkommenssteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs Europarecht (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung der Europäischen Union
EuZW EWG EWiR EWR EWS F f. FA FAZ ff. FG FG-Prax FR FRL FS FVerlV G GA GG GmbH GmbHG GmbHR GPR H h. M. HGB hrsg. Hrsg. HS I IFSt i.H.v. IntGesR IPR
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgende Finanzamt Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Finanzgericht Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zeitschrift) Finanzrundschau (Zeitschrift) Europäische Fusionsrichtlinie Festschrift Funktionsverlagerungs-Verordnung Generalanwalt beim EuGH Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffen die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht (Zeitschrift) herrschende Meinung Handelsgesetzbuch herausgegeben Herausgeber Halbsatz Institut Finanzen und Steuern in Höhe von Internationales Gesellschaftsrecht Internationales Privatrecht
XXIII
IPRax i.S.d. IStR i.V.m. IWB J JStG JZ K KG KGaA KLR KMU KOM KStG L Lit. lit. M MA MoMiG MüKo m.w.N. N n.F. NJW NJW-RR Nr. NWB NZG O OECD OECD-MA OFD
XXIV
Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) im Sinne des Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) in Verbindung mit Internationale Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) Jahressteuergesetz Juristenzeitung (Zeitschrift) Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kosten- und Leistungsrechnung Kleine und mittlere Unternehmen Kommissionsdokument Körperschaftssteuergesetz Literatur littera (Lateinisch = Buchstabe) Musterabkommen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Nummer Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen Oberfinanzdirektion
OHG OLG R RIW RG RGZ RL Rn. Rs. S S. SA S.A.R.L. SCE SCE-AG SE SE-EG SEStEG
SE-VO Slg.
SPE sog. StuW
Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Recht der Internationalen Wirtschaft (bis 1974 AWD) (Zeitschrift) Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Europäische Richtlinie Randnummer Rechtssache Seite, Satz Société Anonyme Société à responsabilité limitée Societas Cooperativa Europaea Ausführungsgesetz zur Societas Cooperativa Europaea Societas Europaea Einführungsgesetz zu Societas Europaea Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften Societas Privata Europaea sogenannte, -r, -s Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
T Tz. U UmwG UmwStG Urt.
Umwandlungsgesetz Umwandungssteuergesetz Urteil
V v. vgl.
von vergleiche
Textziffer
XXV
VvaG VO VO-E VRL W WFBV Z z. B. ZEW ZfbF ZGR ZHR zit. ZIP ZRP
XXVI
Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Verordnung Verordnung-Entwurf Verschmelzungsrichtlinie Wet op de formeel buitenlandse Vernootschappen zum Beispiel Zentrum für Europäische Wirtschaftsförderung Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Zeitschrift) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) zitiert Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Zeitschrift) Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift)
Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Gewerbeanmeldungen 2006 nach Rechtsformen
9
Tabelle 2
Rechtsformen nach Rechtsformwechsel 2002/2003
9
Tabelle 3
Effektive Steuerbelastung von Unternehmen in Europa 2007
18
Tabelle 4
World Economic Forum The Global Competitiveness Report 2007-2008 (Auszug)
24
IMD Institute for Management Development World Competitiveness Yearbook 2008 (Auszug)
25
The World Bank Doing Business 2008 (Auszug)
27
Heritage Foundation 2008 Index of Economic Freedom (Auszug)
28
Fraser Institute Economic Freedom of the World 2007: Annual Report (Auszug)
30
Tabelle 5
Tabelle 6
Tabelle 7
Tabelle 8
XXVII
Einführung Die Globalisierung kennt keine innerstaatlichen Schranken und schreitet voran. Zunehmend liegen Presseberichte über Unternehmensverlagerungen von Deutschland in das Ausland vor.1 Der wirtschaftliche Drang von Unternehmen, das Gefälle hinsichtlich der Arbeitskosten und der Standortfaktoren zwischen Deutschland und dem Ausland zu nutzen, steigt beständig.2 Aus der Wirtschaftspresse ist vermehrt zu entnehmen, dass namhafte Unternehmen, beispielsweise NOKIA und WÜRTH, deren wirtschaftliche Aktivität aus Deutschland in das Ausland verlagern.3 Im Ausland finden diese Gesellschaften nach verbreiteter Ansicht des jeweiligen Managements verbesserte Standort- und Produktionsbedingungen vor, um mit den eigenen Produkten und Dienstleistungen international konkurrenzfähig zu bleiben. Letztlich ist es unter anderem das niedrigere Produktionskosten- und Lohnniveau bei gleicher oder höherer Qualifikation der Mitarbeiter sowie die umfangreichen staatlichen Investitionsanreize, die Unternehmen zu einem Wegzug aus Deutschland motivieren. Des Weiteren nimmt die Bedeutung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit zu, so dass Unternehmen zu prüfen haben, ob eine Unternehmenstätigkeit im Ausland vor Ort bei den ausländischen Kunden vorteilhafter ist, als aus Deutschland heraus.4 Diese Sichtweise mag Anlass zu Kritik geben, da sie bei erster Betrachtung verkürzt wirkt. Allerdings stehen deutsche Unternehmen mit deren Produkten und Dienstleistungen nicht nur im Wettbewerb mit der innerdeutschen Konkurrenz, sondern konkurrieren mit Unternehmen, die in anderen Ländern deren Sitz haben und die betreffenden Produkte und Dienstleistungen ebenfalls anbieten. Im Ausland sitzende Unternehmen haben andere Produktionsfaktoren und -bedingungen, die sich sodann insbesondere auf den Preis der Produkte und Dienstleistungen auswirken. Sobald sich das Produkt jedoch nicht in der Qualität unterscheidet, wird die Kaufentscheidung des Kunden im Wesentlichen von einem Faktor bestimmt werden – dem Preis des Produktes. Im Ausland sitzende Unternehmen können die niedrigeren Standort- und Produktionskosten sowie lokale staatliche Subventionen in die Preiskalkulation ein1 2 3
4
Vgl. beispielhaft Börsenzeitung v. 18.7.2008, 6 Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 278 NOKIA schloss ein Werk in Bochum, das mit staatlichen Fördergeldern zuvor errichtet worden war und verlagerte das Werk nach Rumänien; der Schraubenhändler WÜRTH beabsichtigt derzeit die Welt-Zentrale des Unternehmens von Deutschland in die Schweiz zu verlegen, vgl. FAZ v. 29.7.2008, 16 Die Bedeutung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit lässt sich anhand der Exportquote ableiten. Diese gibt an, welchen Anteil der in Deutschland erzeugten Waren und Dienstleistungen in das Ausland exportiert werden. Die Exportquote betrug im Jahr 2004 ca. 38,25 %. Folglich stellt sich im Hinblick auf diesen hohen Anteil die unternehmerische Frage, ob diese Waren und Dienstleistungen nicht bereits vor Ort im Ausland produziert werden könnten, um etwaige ausländische Standortvorteile zu nutzen, vgl. Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 3
J. A. C. Nave, Die ertragsteuerneutrale und identitätswahrende Sitzverlegung der GmbH in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, DOI 10.1007/ 978-3-8349-9484-4_1, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
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fließen lassen und somit den Preis für das Produkt oder die Dienstleistung senken. Solche Preissenkungen werden die in Deutschland produzierende Unternehmen in diesem Umfang nicht darstellen können. Die in Deutschland bestehenden höheren Standort- und Produktionskosten spiegeln sich in dem erhöhten Preis des Produktes und der Dienstleistung wider. Eine wesentliche staatliche Gestaltungsmaßnahme, dieses Preisgefälle zu Gunsten der inländischen Unternehmen wieder zu korrigieren, bietet sich mit der Verhängung von Einfuhrzöllen an, die sodann Auswirkung auf den Preis für das Produkt oder die Dienstleistungen im Inland haben. Im Interesse der Weiterentwicklung des Handels zwischen den Staaten wurden jedoch Handelsabkommen abgeschlossen, um diese Einfuhrzölle zu beseitigen. In Europa hatten sich mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und mit der EFTA Wirtschaftsgemeinschaften gebildet, die die Realisierung des freien Handels zwischen den Abkommensländern zum Gegenstand haben. Einfuhrzölle wurden in diesem Zusammenhang beseitigt. Als Konsequenz zum Wegfall des ursprünglichen „Nivellierungsinstruments“ – der Einfuhrzölle – wirken sich nunmehr die unterschiedlichen Standort- und Produktionsfaktoren gestaltend auf die jeweiligen Preise der Produkte und Dienstleistungen aus. Im Hinblick auf dieses Preisgefälle kann nachvollzogen werden, dass Unternehmen in Deutschland die unternehmerische Entscheidung treffen, deren Standort- und Produktionskosten durch eine Verlagerung des Unternehmens in das Ausland zu optimieren. Da es auch in der Europäischen Union (fortan „EU“ genannt) keine einheitlichen Standort- und Produktionsbedingungen gibt, untersuchen in Deutschland ansässige Unternehmen die Standort- und Produktionsbedingungen in den Mitgliedsländern der EU, um sodann eine Sitzverlagerung in das jeweilige Zielland zu vollziehen. Diese Entscheidung ist unternehmerisch bedingt und beinhaltet im Kern die Wahrnehmung der Freiheit, innerhalb der Europäischen Union sich so „bewegen zu können“ wie innerhalb eines föderalen Staates. Um diese Freiheiten zu gewährleisten, beinhaltet der EG-Vertrag Grundfreiheiten, die diese Rechte für natürliche und juristische Personen sicherstellen sollen. Für Gesellschaften sind dies insbesondere die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 58, 48 EGV). Die nationalen Staaten sollen gehindert werden, ein Normengefüge zu errichten, das die „Bewegungsfreiheit“ von natürlichen und juristischen Personen einschränkt. Die Wirksamkeit solcher nationalen Normengefüge muss sich an deren Vereinbarkeit mit den europäischen Grundfreiheiten messen. Die europäischen Grundfreiheiten stellen einen Wertemaßstab dar, nach denen sich die jeweiligen nationalen Regelungen zu richten haben. Im Hinblick auf die Sitzverlagerung von in Deutschland ansässigen Unternehmen in einen Mitgliedsstaat der EU ist es daher unerlässlich, dass sowohl gesellschafts-
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rechtliche als auch steuerrechtliche Regelungen eine solche Sitzverlagerung ohne nachteilige Effekte für die Unternehmen oder deren Gesellschafter ermöglichen. Lägen solche nachteiligen Effekte beispielsweise durch eine anlässlich des Wegzuges eintretende Zwangsauflösung der Gesellschaft oder die Realisierung und Besteuerung der stillen Reserven im Unternehmen vor, könnten sich diese Rechtswirkungen faktisch dahingehend auswirken, dass die im EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten in der unternehmerischen Praxis faktisch nicht genutzt werden könnten bzw. deren Ausübung erschwert wird.
A. Problemstellung Um die unternehmerische Freiheit, günstigere Produktions- und Standortbedingungen in anderen Mitgliedsstaaten der EU zu nutzen, ist zu untersuchen, in welchem Umfang die Sitzverlagerungen von in Deutschland ansässigen Unternehmen in die betreffenden EU-Mitgliedsstaaten vollzogen werden können. I. Europäische und deutsche Gestaltungsalternativen Zur Fortentwicklung der unternehmerischen Handlungsmöglichkeiten und Gestaltungsalternativen wurde im Zuge der weiteren Verwirklichung eines gemeinsamen EU-Wirtschaftsraumes auch auf der Ebene der Europäischen Union das Bedürfnis nach einer länderüberschreitenden Gesellschaft erkannt und mit der Societas Europaea (SE) eine europäische Gesellschaftsform geschaffen. Zudem sind die EUKommission und das EU-Parlament bestrebt, dem Mittelstand eine neue mittelstandsgerechte europäische Rechtsform als Alternative zur SE anzubieten5, die „Europäische Privatgesellschaft" Societas Privata Europaea (SPE).6 Der entsprechende EU-Verordnungsentwurf liegt seit dem 25.06.2008 vor.7 Ebenso wie die SE verfügt die SPE über eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist damit selbständige Rechts- und Vermögensträgerin.8 Zugleich ist die SPE auch als Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung verfasst. Den Gesellschaftsgläubigern haftet nur die SPE mit ihrem Gesellschaftsvermögen.9 Diese Gesellschaftsform soll für den Mittelstand adäquater sein,10 da sie mit einfacheren Gründungsvoraussetzungen versehen ist und die Kosten für die Gründung als auch für den Betrieb der SPE geringer sein sol5
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Vgl. Pressemitteilung der EU-Kommission IP/08/1003 „Small Business Act“ vom 25.6.2008 Vgl. zu den Einzelheiten: Teichmann, Fortschritte bei der Europäischen Privatgesellschaft, GmbHR 2008, R 113 f. Vorschlag für eine EU-Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft „Small Business Act“ KOM (2008) 394 endg. Art. 3 Abs. 1 lit.c VO-E Art. 3 Abs. 1 lit.b VO-E Die Bundesregierung und der Bundesrat haben den Verordnungsentwurf zur SPE begrüßt, da die SPE sich insbesondere für kleinere mittelständische Unternehmen zu einer praktikablen europäischen Gesellschaftsform und zu einer Gestaltungsalternative gegenüber der SE entwickeln kann, vgl. BR-Drucksache 486/08 v. 9.7.2008 - Unterrichtung durch die Bundesregierung zur SPE; BR-Drucksache 486/08 (Beschluss) v. 10.10.2008 – Beschluss des BR zur SPE-Kommissionsmitteilung KOM (2008) 394 endg.
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len als bei der SE.11 Voraussichtlich vom 1. Juli 2010 an sollen Einzelpersonen oder Unternehmen mit nur 1 Euro Gründungskapital in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine SPE gründen können, die sodann als neue supranationale Rechtsform zur Verfügung steht. Nach der EU-Verordnung zur SPE könnten Unternehmen in allen EU-Ländern nach den gleichen Gesellschaftsrechtsvorschriften eine SPE gründen.12 Die SPE wird sich nach der derzeitigen Konzeption auch für den grenzüberschreitenden Einsatz eignen. In dieser Hinsicht ist im Gegensatz zur SE für deren Gründung kein grenzüberschreitender Bezug gefordert. Des Weiteren stellt der SPE-Verordnungsentwurf auch keine Regeln für die Größe von Unternehmen auf, die sich dieser Rechtsform bedienen können. Eine weitere denkbare Gestaltungsalternative, in nächster Zukunft eine Sitzverlegung einer Gesellschaft auf der Grundlage einer europäischen Sitzverlegungsrichtlinie zu vollziehen entfällt, da die Europäische Kommission ihre Arbeit an einer EU-Sitzverlegungsrichtlinie13 eingestellt hat14. Die EU-Kommission argumentiert hierzu, dass mit den vorliegenden Möglichkeiten einer SE-Gründung oder einer Verschmelzung „über die Grenzen“ hinweg ausreichende Möglichkeiten vorlägen, um nationalen Gesellschaften den Wegzug aus einem Staat in einen anderen Mitgliedsstaat der EU zu
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In der Begründung zum Entwurf der SPE-Verordnung heißt es, dass Klein- und Mittelbetriebe die Motoren der europäischen Volkswirtschaft seien. Gleichwohl würden diese mittelständischen Betriebe das Potential des Binnenmarktes nicht ausschöpfen. Lediglich etwa 5 Prozent der Kleinund Mittelbetriebe verfügen über Zweigstellen im Ausland oder sind dort an Unternehmen beteiligt. Die EU-Kommission schätzt, dass in der EU etwa 1,15 Millionen kleinere Unternehmen an der SPE interessiert sein könnten. Bei großen Unternehmen ist dagegen jedes fünfte auch im Ausland präsent. Unter ihnen dürften sich etwa 7.600 für die Privatgesellschaft interessieren. Eine Europäische Privatgesellschaft kann aber auch durch Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung bestehender Unternehmen entstehen. Jede im einzelstaatlichen Recht bestehende Gesellschaftsform sollte in eine SPE umgewandelt werden können. Die SPE kennzeichnet, dass ihre Anteile im Gegensatz zur Aktiengesellschaft nicht öffentlich gehandelt werden. Eingetragener Sitz und Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung der Privatgesellschaft müssen in einem EULand sein. Sitz und Zentrale können jedoch in verschiedenen EU-Ländern sein. Es gelten die Mitbestimmungsvorschriften des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. In Anlehnung an die schon bestehende Gesellschaftsform der SE sieht der SPE-Vorschlag Sonderregelungen vor, damit Mitbestimmungsrechte nicht umgangen werden können. Nach dem Verordnungsvorschlag zur Privatgesellschaft müssen die Behörden sicherstellen, dass ein Antrag auf Registrierung auch elektronisch gestellt werden kann. Zudem muss im Gegensatz zur SE eine SPE nicht in mehreren Ländern über Filialen verfügen. Vgl. hierzu zunächst den Vorschlag für eine 14. gesellschaftsrechtliche Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat mit Wechsel des, für die Gesellschaft maßgeblichen, Rechts v. 22.4.1997, abgedruckt in ZIP 1997, 1721, bzw. ZGR 1999, 157. Zu diesem Entwurf einer Sitzverlegungsrichtlinie siehe Meilicke, Zum Vorschlag der Europäischen Kommission, GmbHR 1998, 1053; Behrens, Niederlassungsberechtigte, EuZW 1998, 353; di Marco, Vorschlag der Kommission, ZGR 1999, 3; Neye, Vorschlag einer 14. Richtlinie, ZGR 1999, 13; K. Schmidt, Sitzverlegungsrichtlinie, ZGR 1999, 20; Priester, EU-Sitzverlegung, ZGR 1999, 36. Mitteilung der EU-Kommission vom 12.12.2007, SEC (2007) 1707, abrufbar unter: ec.europa.eu/internal_market/company/seat-transfer/index_de.htm; vgl. hierzu: Kindler, in MüKo, internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 61 f..; Grohmann/Gruschinske, Satzungssitzverlegung, GmbHR 2008, 27
ermöglichen. Folglich – so die EU-Kommission – bestünde nunmehr kein weiteres Bedürfnis nach einer EU-Sitzverlegungsrichtlinie. Im Rahmen der Umsetzung der europäischen Verschmelzungsrichtlinie (VRL)15 in das deutsche Recht besteht nunmehr mit den Regelungen in §§ 122 a bis 122 l UmwG die Möglichkeit, eine Verschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft mit einer Gesellschaft eines anderen EU-Staates durchzuführen. Durch die Möglichkeit einer Verschmelzung der deutschen Gesellschaft auf einen ausländischen Rechtsträger, könnte die Ansicht vertreten werden, dass durch diesen Verschmelzungsvorgang ein faktischer Wegzug der deutschen Gesellschaft ins Ausland erfolgt und dies eine Gestaltungsalternative zur Durchführung einer Sitzverlagerung ist. Des Weiteren hat das Bundesjustizministerium am 07.01.2008 im Zuge der Europäisierung des Gesellschaftsrechts einen Referentenentwurf eines „Gesetzes zum internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen“ vorgelegt. Der Gesetzentwurf kodifiziert die bislang überwiegend im angloamerikanischen Rechtskreis vorherrschende Gründungstheorie im deutschen Recht. Hierzu soll das geplante Gesetz, das, auf eine Gesellschaft anwendbare, nationale Recht regeln sowie das, auf Umwandlungen von Gesellschaften anwendbare, Recht. Außerdem ist geplant, den Wechsel des anwendbaren Rechts (grenzüberschreitender Rechtsformwechsel) gesetzlich zu regeln. Auch dieser Regelungsansatz bietet nach seiner gesetzlichen Umsetzung für eine Gesellschaft keine Lösung, die ihre bestehende Rechtsform bei einer europaweiten Sitzverlegung beibehalten will. Ausweislich des Referentenentwurfs wird nicht die identitätswahrende Sitzverlegung aus Deutschland ermöglicht, sondern nur ein identitätswahrender Rechtsformwechsel. Ein Rechtsformwechsel in das Recht eines ausländischen europäischen Staates ist jedoch genau die Konsequenz, die kleinere Unternehmen zu verhindern versuchen werden. Andernfalls würden diese kleineren Unternehmen den „sicheren Rechtsboden“ des deutschen Gesellschaftsrechts verlassen und fortan einer ihnen nicht vertrauten ausländischen Rechtsordnung unterfallen. In Ansehung der europäischen Rechtsformen SE und der zukünftigen SPE könnte die Ansicht vertreten werden, dass damit ausreichende Alternativen für mittelständische Unternehmen vorliegen würden, um in den EU-Mitgliedsstaaten tätig zu werden. Es käme daher nicht mehr darauf an, ob die deutsche Gesellschaft ihren Sitz in das europäische Ausland verlegen könnte. Im Bedarfsfalle könnten sich mittelständi15
Diese wird in der Literatur synonym auch als „gesellschaftsrechtliche Fusionsrichtlinie“ bezeichnet; vgl. Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten. Die am 26. Oktober 2005 verabschiedete und am 25. November 2005 veröffentlichte Richtlinie („Verschmelzungsrichtlinie“ oder „gesellschaftsrechtliche Fusionsrichtlinie“) dient der Einführung des gesellschaftsrechtlichen Instrumentariums, um grenzüberschreitende Verschmelzungen sowie grenzüberschreitende Umwandlungen innerhalb der EU zu ermöglichen.
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sche Unternehmen von der deutschen Rechtsform lösen und in die neuen europäischen Rechtsformen wechseln. Damit läge eine ausreichende Möglichkeit für den deutschen Mittelständler vor, mit einer Gesellschaft (SE oder SPE) im europäischen Ausland tätig zu werden. Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass insbesondere in Deutschland eine Vielzahl von kleinen und mittleren Gesellschaften vorherrschen, die die oben beschriebenen Probleme des Kostendrucks und der Konkurrenz mit billigeren Angeboten aus dem Ausland haben. Gerade diese Gesellschaften, die das „Rückgrat“ der deutschen Wirtschaft bilden, müssen ebenso wie die großen Kapitalgesellschaften die Optionen des Wegzugs ins Ausland prüfen.16 Allerdings stehen ihnen hierbei nicht die finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung, über die die großen Gesellschaften verfügen. Für ein kleines bis mittleres Unternehmen kommt die Nutzung der Gründung einer SE für eine Sitzverlegung de facto nicht in Betracht,17 da hierfür oftmals die Mittel für die Kapitalisierung der SE in Höhe von mindestens 120.000 € nicht vorliegen dürften.18 Des Weiteren erfordert die rechtliche und steuerliche Unterhaltung einer SE im Ausland eine erhöhte Liquidität, über die kleine Unternehmen gerade nicht verfügen. Es ist daher nicht überraschend, dass ausschließlich große Gesellschaften der deutschen Unternehmenslandschaft wie BASF, PORSCHE, FRESENIUS oder ALLIANZ in die Rechtsform einer SE gewechselt sind. Kleineren Unternehmen ist diese Möglichkeit faktisch verwehrt. Auch die Verschmelzung einer deutschen Gesellschaft auf eine ausländische Gesellschaft ist bei genauerer Betrachtung keine umsetzbare Möglichkeit für ein kleines mittelständisches Unternehmen. Durch die Verschmelzung geht die deutsche Gesellschaft unter, so dass der Unternehmer sich nunmehr mit einer für ihn fremden ausländischen Rechtsform zurecht finden muss. Der Unternehmer müsste ausländisches Gesellschaftsrecht „lernen“, um insbesondere im Innenverhältnis mit der Gesellschaft sachgerecht umgehen zu können. Das neue Gesellschaftsstatut wäre ein ausländisches und damit auch ein bislang unbekanntes Recht. Insbesondere bei Gesellschaften mit mehr als einem Gesellschafter ist es jedoch erforderlich, dass die Gesellschafter in Kenntnis des jeweiligen auf sie anwendbaren Gesellschaftsrechts handeln, um Rechte und Pflichten eines Gesellschafters zu kennen und durchsetzen zu können. Zudem war die Ausgangslage für die unternehmerische Überlegung, dass schlicht eine Verlegung des Sitzes der Gesellschaft in das Ausland erfolgen
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Während in der Vergangenheit häufig große Gesellschaften grenzüberschreitend tätig waren, sind dies nunmehr zunehmend auch mittelständische und kleinere Unternehmen, vgl. Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 4 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 892 Grohmann/Gruschinske, Satzungssitzverlegung, GmbHR 2008, 27, 31
sollte und nicht, dass damit eine Änderung des, auf die Gesellschaft und die Gesellschafter anwendbaren, Rechts oder ein Rechtsformwechsel erfolgen sollte. Für kleine und mittlere Unternehmen sind daher die, von der EU-Kommission propagierten, Alternativen (SE-Gründung oder „Hinausverschmelzung“ der bestehenden nationalen Gesellschaft und zukünftig die SPE-Gründung) keine geeigneten Gestaltungsmittel für eine grenzüberschreitende Verlagerung der unternehmerischen Aktivitäten. Offensichtlich erkennt der EU-Gesetzgeber diese faktischen Nutzungshemmnisse für mittelständische Unternehmen. Die EU-Kommission ist wie bereits dargelegt damit befasst, mit der Einführung der Europäischen Privatgesellschaft (SPE) nunmehr auch dem Mittelstand eine adäquate europäische Gesellschaftsform anzubieten. Mit der SPE können sich insbesondere mittelständische Unternehmen im gesamten EURaum einer einheitlichen Gesellschaftsform bedienen. Bei einer gleichzeitigen Tätigkeit in mehreren EU-Ländern wäre es demnach nicht mehr notwendig, in den jeweiligen Ländern unterschiedliche nationale Gesellschaftsformen zu wählen. Der mittelständische Unternehmer soll sich an die „einheitliche“ SPE gewöhnen und dieses, ihm sodann bekannte Gesellschaftskonstrukt, in allen EU-Ländern nutzen können. Allerdings steht die Umsetzung dieser neuen Gesellschaftsform noch am Anfang ihrer Entwicklung. Zudem wird auch durch diesen konzeptionellen Ansatz nicht das unternehmerische Bedürfnis gelöst, die dem mittelständischen Unternehmer bereits vertraute und bestehende nationale Gesellschaft in einen anderen EU-Staat identitätswahrend zu verlegen. Aus den vorstehenden Erwägungen ist zu folgern, dass das unternehmerische Ziel, die in Deutschland bereits bestehende Gesellschaft identitätswahrend und vollständig in einen anderen EU-Staat zu verlegen, nicht mit den zuvor dargestellten Alternativen sachgerecht erreicht wird. II. Sitzverlegung einer Gesellschaft Ziel dieser Arbeit ist es daher, zu untersuchen, wie die identitätswahrende Verlagerung der in Deutschland bestehenden Gesellschaft ins EU-Ausland vollzogen werden könnte. Grundsätzlich kommen für eine Unternehmensverlagerung verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht. Unter anderem könnte die Gesellschaft durch eine „Hinausverschmelzung“ auf einen ausländischen Rechtsträger ins Ausland „abwandern“. Des Weiteren könnte es möglich sein, durch die Implementierung einer Betriebsstätte im Ausland und der sukzessiven Übertragung der Funktionen aus der deutschen Gesellschaft an die ausländische Betriebsstätte, die unternehmerische Tätigkeit faktisch ins Ausland zu verlagern. Ungeachtet der diversen Gestaltungsansätze soll in dieser Untersuchung die aus Unternehmenssicht naheliegendste Möglichkeit einer Verlagerung des Unternehmens analysiert werden – die Sitzverlegung 7
der deutschen Gesellschaft ins EU-Ausland. Hierbei soll die bestehende deutsche Gesellschaft umfänglich in das EU-Ausland verlegt werden, so dass die Verlegung des Satzungssitzes und des Verwaltungssitzes der Gesellschaft hierfür erforderlich sein wird. Um in Deutschland den Sitz einer Gesellschaft zu verlagern bietet das Gesellschaftsrecht als Gestaltungsweg die Sitzverlegung an. Hierbei kann der Sitz einer Gesellschaft an einen beliebigen Ort in Deutschland verlegt werde. Dies erfolgt auch über die Grenzen der jeweiligen Bundesländer hinweg ohne den Eintritt von gesellschaftsrechtlichen oder steuerrechtlichen Sanktionen. Hieran anknüpfend soll nunmehr in dieser Arbeit die Gestaltungsvariante der Sitzverlegung bezügliches des Satzungssitzes und des Verwaltungssitzes zum Zweck einer vollständigen Verlagerung der Gesellschaft ins EU-Ausland untersucht werden. Hierbei bleiben die möglichen Gestaltungsvarianten einer Funktionsverlagerung nach der Funktionsverlagerungs-Verordnung19 oder der Verlagerung von einzelnen Wirtschaftsgütern ins EU-Ausland außer Betrachtung. III. GmbH als Mittelstandsrechtsform Die Sitzverlegungsmöglichkeit besteht in Deutschland für alle Gesellschaftsformen, ungeachtet dessen, ob es sich hierbei um Personen- oder -Kapitalgesellschaften handelt.20 Gleichwohl wird diese Untersuchung sich auf die Sitzverlegung der in Deutschland für den Mittelstand am bedeutsamsten Rechtsform mit einer Haftungsbeschränkung der GmbH beschränken. Die Bedeutung der GmbH für den Mittelstand kann empirisch bereits aus deren Verbreitung unter den in Deutschland bestehenden Gesellschaftsformen abgeleitet werden. Für diese Beurteilung ist jedoch nicht die prozentuale Verteilung der vorhandenen Gesellschaftsformen zu einem Stichtag maßgeblich, da die unternehmerische Entscheidung für die Wahl einer Rechtsform in der Vergangenheit getroffen wurde und sich nunmehr lediglich in der vorhandenen Anzahl einer bestimmten Gesellschaftsform zu einem Stichtag abbildet. Die Aussage über die „Attraktivität“ einer Rechtsform kann vielmehr aus der Analyse gewonnen werden, welche Rechtsform bei den aktuellen Gewerbeanmeldungen von den Unternehmern favorisiert wird und welche Zielrechtsform bei aktuellen Rechtsformwechseln am verbreitetsten ist.
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Funktionsverlagerungsverordnung-FVerlV v. 12.8.2008, BGBl. 2008 I., 1680 Auf europäischer Ebene kann bei einer SE deren Satzungssitz innerhalb der Europäischen Union identitätswahrend verlegt werden, vgl. Art. 8 Abs. 1 SE-VO
Tabelle 1 - Gewerbeanmeldungen 2006 nach Rechtsformen Rechtsform Einzelunternehmen
% 81,73
Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft
0,53
Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co. KG
2,28
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts
4,60
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
8,80
Aktiengesellschaft
0,51
Private Company Limited by Shares
0,98
Sonstige Rechtsformen
0,57
Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2007, 488 Tabelle 2 - Rechtsformen nach Rechtsformwechsel 2002/2003 Rechtsform
%
GbR
1,1
Sonstige
1,7
Partnerschaftsgesellschaft
2,3
GmbH & Co. KG
10,3
GmbH
68,4
KG
2,9
OHG
2,3
Einzelunternehmen
7,5
AG
3,4
Quelle: Buschmann, in: Achleitner/Klandt/Koch/Voigt, Jahrbuch Entrepreneurship 2004/2005, 132
9
Aus den Gewerbeanmeldungen ist zu entnehmen, dass die GmbH als Rechtsform zwar in ihrer Verbreitung bei den Gewerbeanmeldungen erst nach den Einzelunternehmen folgt. Gleichwohl ist die GmbH mit deutlichem Abstand die verbreitetste Rechtsform mit einer Haftungsbeschränkung. Ebenso wird diese Verbreitung durch den signifikanten Anteil der GmbH als Rechtsform nach einem durchgeführten Rechtsformwechsel belegt. IV. Untersuchungsgegenstand Für die Problemstellung dieser Untersuchung, eine Sitzverlegung einer GmbH in einen EU-Mitgliedsstaat zu vollziehen, wird es daher maßgeblich sein, ob diese Sitzverlegung ohne gesellschaftsrechtliche oder steuerliche Sanktionen erfolgen kann. Die unternehmerische Entscheidung über die Durchführung einer Sitzverlegung wird stets unter dem Vorbehalt stehen, dass durch die Sitzverlegung „über die nationalen Grenzen hinweg“ keine nachteiligeren Folgen eintreten als bei einer Sitzverlegung im Inland. Nachteilige Folgen können sich durch gesellschaftsrechtliche als auch durch steuerrechtliche Regelungen dahingehend ergeben, dass alleine der Umstand der Sitzverlegung aus Deutschland heraus belastende und nachteilige rechtlichen und steuerlichen Folgen eintreten lassen. Sitzverlegungen innerhalb von Deutschland sind ohne rechtlich nachteilige Folgen möglich. Sitzverlegungen aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedsstaat könnten jedoch beim „Grenzübertritt“ nachteilige Folgen entstehen lassen. Sofern es zu unterschiedlichen rechtlichen Folgen der Behandlung eines Inland- und eines Auslandfalles anlässlich der Sitzverlegung kommt, könnten Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Rechtslage bei einer Sitzverlegung im Hinblick auf die europäischen Grundfreiheiten bestehen. Die europäischen Grundfreiheiten dienen der Schaffung eines gemeinsamen und einheitlichen EU-Wirtschaftsraumes. Die Grundfreiheiten gewährleisten, dass grenzüberschreitende Fälle nicht nachteiliger behandelt werden als Inlandsfälle. Die Grundfreiheiten statuieren demnach Entscheidungsfreiheiten für natürliche und juristische Personen. Gleichzeitig beinhalten die Grundfreiheiten Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote gegenüber den EUMitgliedsstaaten, Auslandssachverhalte nicht nachteiliger als Inlandsfälle zu regeln. Bestandteil der europäischen Grundfreiheiten sollte demnach auch die Freiheit sein, ein Unternehmen in demjenigen EU-Staat zu gründen oder von Deutschland in diesen Staat zu verlagern, in dem die für das Unternehmen günstigsten Standortbedingungen bestehen bzw. durch den „Zuzugsstaat“ gewährt werden. Beispielsweise könnte ein, in Aachen ansässiges, Unternehmen prüfen, ob nicht bessere Standortbedingungen in der unmittelbaren niederländischen Nachbarstadt Venlo bestehen, obgleich mit einer Sitzverlegung von Aachen nach Venlo das deutsche Staatsgebiet verlassen wird und das Unternehmen fortan der Gesetzgebungs- und Steuerhoheit
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der Niederlanden unterliegt. Durch den standortwahlbedingten Wechsel der Staaten sollte dem Unternehmen nach dem Grundverständnis des EG-Vertrages und der europäischen Grundfreiheiten kein weitergehender Nachteil entstehen als dies bei einem Wechsel des Unternehmensstandortes im Inland, beispielsweise von Frankfurt am Main (Hessen) nach Münster (Nordrhein-Westfalen), der Fall wäre. Es ist daher in dieser Arbeit zu untersuchen, ob die, für kleine und mittlere Unternehmen sinnvolle, identitätswahrende Sitzverlegung der GmbH in einen EU-Mitgliedsstaat nach der derzeitigen deutschen und europäischen Gesetzes- und Rechtslage möglich ist. Damit wird zu untersuchen sein, ob eine solche identitätswahrende Sitzverlegung auch ertragsteuerneutral gestaltet werden kann. Denn eine rechtliche Möglichkeit für eine identitätswahrende Sitzverlegung erweist sich als unbrauchbar, wenn hiermit für das Unternehmen oder deren Gesellschafter negative, d.h. belastende ertragsteuerliche Konsequenzen verbunden sind. Die Untersuchung ist darauf beschränkt, die rechtlichen Möglichkeiten und die ertragssteuerlichen Wirkungen ausschließlich bezüglich einer GmbH im Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland bei einer Sitzverlegung in einen Staat der Europäischen Union darzustellen („Outbound“-Untersuchung).21
B. Vorgehensweise der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung zeigt die unternehmerische Ausgangslage für die nationale und internationale Standortwahl auf und beleuchtet die unternehmerische Motivation, aus Deutschland heraus Sitzverlegungen über die Grenzen hinweg in das europäische Ausland zu vollziehen. Sodann wird das Europarecht als Wertungsmaßstab für die jeweiligen nationalen Regelungen bei Sitzverlegungen dargestellt. Es schließt sich daran die konkrete Untersuchung an, welche gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten bestehen, um das unternehmerische Ziel der Sitzverlegung aus Deutschland heraus in das europäische Ausland zu vollziehen. Hierbei wird zu bewerten sein, ob die bisherigen gesetzlichen Möglichkeiten zur Umsetzung dieses Ziels ausreichend sind oder ob sie bereits ihrerseits eine Beschränkung der europäischen Grundfreiheiten darstellen. Anschließend werden die steuerlichen Wirkungen dieser zuvor untersuchten gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten zur Sitzverlegung untersucht. Die Untersuchung erfolgt ebenfalls am Maßstab der Vereinbarkeit dieser steuerlichen Regelungen mit dem Europarecht. Schließlich zeigt der Verfasser alternative Gestaltungsmöglichkeiten auf, wie die etwaig bestehenden europarechtswidrigen steuerrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Regelungen europarechtskonform ausgestaltet werden könnten. Die Untersuchung endet mit einer Dar21
Vgl. zu einzelnen betriebswirtschaftlichen Aspekten eines Outbound-Falles: Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 21 ff.
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stellung der wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung und einer Schlussbetrachtung des Autors zu der Wegzugs- und Sitzverlegungsproblematik, deren Bewertung und den Lösungsmöglichkeiten. Schließlich fasst der Autor die Ergebnisse der Untersuchung in 10 Thesen als Überprüfungsmaßstab einer gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Regelung bei der Sitzverlegung zusammen und gibt einen Ausblick auf die künftige Entwicklung dieser Rechtsmaterie.
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1. Kapitel Betriebswirtschaftliche Ausgangssituation für die Sitzverlegung in das EU-Ausland Unabhängig von den rechtlichen und steuerrechtlichen Bezügen müssen die Konsequenzen einer Sitzverlegung auch auf ihre Auswirkungen in der betriebswirtschaftlichen Praxis des Unternehmens geprüft werden.
A. Zielvorgaben eines Unternehmens I. Eingangsbetrachtung Jedes Unternehmen verfolgt das betriebswirtschaftliche Ziel, die vorhandenen Kosten zu senken und den Gewinn des Unternehmens zu maximieren.22 Dies erfolgt regelmäßig durch eine weitere Markterschließung und einen zunehmenden Absatz der eigenen Produkte und Dienstleistungen. Da sich die Marktbedingungen und die Faktoren für den Betrieb eines Unternehmens in regelmäßigen Abständen ändern, gebietet es die betriebswirtschaftliche Praxis, dass in regelmäßigen Abständen23 die Maßnahmen des Unternehmens zur Erreichung der oben genannten Ziele überprüft werden („Zielkonformitätstest“).24 Ein solcher Test ist vor allem bei der Implementierung eines neuen Betriebes durchzuführen. Denn in diesem Fall ist zu beurteilen, ob der neue Betrieb am bisherigen Standort aufgebaut oder an einem anderen Standort, beispielsweise auch im Ausland, gegründet und betrieben werden soll. Sofern ein Unternehmen bereits betrieben wird und an einem neuen Standort bessere Standortbedingungen vorliegen, kommt die Sitzverlegung des bestehenden Unternehmens an diesen neuen Standort in Betracht. II. Relative Steuerbarwertminimierung Neben diesen unternehmerisch geleiteten Motiven für die Investition eines Unternehmens an einem Standort ist auch die Steuerbelastung des Unternehmens am jeweiligen Standort ein maßgebliches betriebswirtschaftliches Kriterium.25 Aus dem Ziel, den Unternehmensgewinn zu maximieren26 folgt die Notwendigkeit, die Steuerbelastung des Unternehmens bei einem Wegzug an den neuen Standort zu minimieren, um auch an diesem neuen Standort einer geringeren Besteuerungs22
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Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 35 f.; Ausnahmen bestehen hier bei gemeinnützigen Unternehmen, die nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, sondern auf die Erreichung des gemeinnützigen Zwecks. Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 17 Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 273 f. Die steuerliche Belastung eines Unternehmens hängt von deren Rechtsform und von dem Standort des Unternehmens ab. Die Rechtsformwahl der Gesellschafter für den Betrieb deren Unternehmen als Personengesellschaft oder als Kapitalgesellschaft löst unterschiedliche Besteuerungsfolgen aus. Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 647
J. A. C. Nave, Die ertragsteuerneutrale und identitätswahrende Sitzverlegung der GmbH 13 in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, DOI 10.1007/ 978-3-8349-9484-4_2, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
quote zu unterfallen. Die betriebswirtschaftliche Zielsetzung besteht folglich darin, die unternehmerische Tätigkeit derart zu organisieren, dass unter den bestehenden Bedingungen die hieraus resultierende steuerliche Belastung möglichst minimiert wird (relative Steuerbarwertminimierung).27 In Zusammenhang mit der Sitzverlegung des Unternehmens an einen neuen Standort sind nicht nur die steuerlichen Wirkungen zu analysieren, die durch den Sitzverlegungsvorgang entstehen, sondern auch die am neuen Standort erfolgende Besteuerung des Unternehmens und der Gesellschafter. Erfolgt die Sitzverlegung innerhalb von Deutschland wird die relative Steuerbarwertminimierung von der Gewerbesteuer, bzw. dem Gewerbesteuerhebesatz der Gemeinde am neuen Standort abhängig sein.28 Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist jedoch die Sitzverlegung in einen EU-Mitgliedsstaat, so dass die relative Steuerbarwertminimierung von der Steuerquote im jeweiligen EU-Zuzugsstaat beeinflusst wird. Die einzelnen Steuerwirkungen können hierbei nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, sondern sind insgesamt zu beurteilen. Zudem sind bei der Steueranalyse sämtliche Steuerarten in dem vorgenannten Zusammenhang zu berücksichtigen. Die Sitzverlegung einer GmbH an einen neuen Standort und deren zukünftiger Tätigkeit an diesem Standort fallen zeitlich auseinander, da die Sitzverlegung zwangsläufig der späteren Tätigkeit der Gesellschaft am neuen Standort zeitlich vorausgehen muss. Folglich kommt es zu einem zeitlichen auseinanderfallen der diversen Steuern und deren Entstehung. Es ist für die Vergleichbarkeit der Besteuerungshöhe daher nicht auf die absolute Steuerbelastung abzustellen. Vielmehr sind die Steuerbarwerte der einzelnen Steuerbelastungen auf den Zeitpunkt der Tätigkeit des Unternehmens am neuen Standort durch Diskontierung zu ermitteln. In diesem Zusammenhang liegt keine absolute Steuerbarwertminimierung vor, da eine solche nur vorliegen kann, wenn das Unternehmen deren wirtschaftliche Aktivität einstellt. Die Zielsetzung eines Unternehmen ist jedoch nicht eine Steuerquote von Null (absolute Steuerbarwertminimierung), sondern die maximale Gewinnerzielung mit einer optimierten Steuerbelastung. Folglich ist das Ziel einer Sitzverlegung an einen neuen Standort die Erreichung einer relativen Steuerbarwertminimierung,29 so dass eine Minimierung des Steuerbarwerts unter Berücksichtigung der Ziele der Sitzverlegung an einen neuen Standort erfolgt. Eine Steuerbelastung wird hierbei verringert, wenn an den hierfür entscheidungserheblichen Faktoren,30 nämlich an der
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Vgl. Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 17; Schmidt-Ahrens, Steuerplanung aus Sicht eines international tätigen Unternehmens, in: Oestreicher, Internationale Steuerplanung, 147, 153 Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 648 Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 138 Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 74 ff.
Bemessungsgrundlage für die Steuern, dem Steuertarif und an den Anrechnungsbeträgen, die die tarifliche Steuer minimieren, Änderungen eintreten. Eine relative Steuerbarwertminimierung wird bei einer in dieser Arbeit zu untersuchenden Sitzverlegung erreicht, wenn der Sitzverlegungsvorgang der Gesellschaft ertragssteuerneutral erfolgt und die steuerliche Belastung des Unternehmens im jeweiligen EU-Zuzugsstaat geringer als in Deutschland ist.31
B. Standortfaktoren für die Unternehmensentscheidung Der Unternehmensstandort Deutschland steht seit Jahren dauerhaft in der Kritik. Vor allem Wirtschaftsverbände und ein Großteil der Wirtschaftspresse sehen im Unternehmensstandort Deutschland ein Auslaufmodell, das im Wettbewerb mit den etablierten Industriestaaten sowie den aufstrebenden Schwellenländern, wie beispielsweise die BRIC-Staaten, nämlich Brasilien, Russland, Indien und China, droht, entscheidend zurück zu fallen. Die Anfang der neunziger Jahre einsetzende Globalisierung ermöglicht es Unternehmen, global ihre Strategien zu verfolgen und umzusetzen. Nach einer in der Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt veröffentlichten Statistik, setzt sich der erzielte Gesamtumsatz der 30 deutschen DAX-Unternehmen nur noch zu ca. 30-50 % aus erzieltem Umsatz in der Bundesrepublik Deutschland zusammen. Diese Zahl wird sich in Zukunft noch weiter nach unten korrigieren. Der Globalisierungsdruck wird weiter zunehmen. In der jüngeren Vergangenheit zeigte sich die rasante Entwicklung der Globalisierung am Kauf des luxemburgischen Stahlunternehmens ARCELOR durch das indische Stahlunternehmen MITTAL. Es war das erste Mal in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte, dass ein großer globaler Konzern europäischen Ursprungs von einem Unternehmen aus einem Schwellenland übernommen wurde. Bis vor kurzem bedeutete Globalisierung vor allem das Ausnutzen günstiger Produktionsbedingungen sowie die Erschließung von aufstrebenden Märkten durch Unternehmen in den westlichen Industrienationen. Dies hat sich grundlegend verändert. Konzerne aus Schwellenländern drängen auf den europäischen, asiatischen und nordamerikanischen Markt und werden zu ernsten Mitbewerbern für westliche Konzerne. Daher sind die Konzerne aus den westlichen Industriestaaten gezwungen, sich in den Wachstumsmärkten der Zukunft zu etablieren, um ein möglichst langfristiges und kontinuierliches Wachstum, das nachhaltig auf hohem Niveau in den westlichen Industriestaaten nicht möglich ist, in den nächsten Jahren zu erzielen. Hierdurch soll dem aufkommenden verstärkten Wettbewerb mit Konzernen aus den Schwellenländern entgegnet werden. Folglich haben auch deutsche Unternehmen im 31
Eine Darstellung der diversen Besteuerungsquoten der EU-Mitgliedsstaaten erfolgt unter 1. Kapitel, B. I. 1.
15
letzten Jahrzehnt ihre Produktion und zum Teil auch ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen ins Ausland verlagert, um von geringeren Lohn-, Produktions- und Entwicklungskosten im Ausland zu profitieren und damit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die prosperierende Zukunft des Unternehmens ist jedoch dadurch bedingt, dass unter den diversen Standorten, der, für das Unternehmen und seine Produkte, Günstigste32 identifiziert wird und das Unternehmen sodann deren Sitz an diesen Standort verlagert. Die entscheidende unternehmerische Maßnahme besteht eingangs darin, aus den diversen Standortfaktoren diejenigen zu ermitteln, die für das Unternehmen und deren positive Fortentwicklung entscheidend sind.33 I. Maßgebliche Standortfaktoren Die betriebliche Praxis zeigt, dass die Entscheidungen über Standortverlagerungen eines Unternehmens oder die Standortgründungen im In- und Ausland für die wenigsten Unternehmen eine alltägliche Aufgabe sind. Die Vielzahl möglicher Standorte und die zahlreichen, zu berücksichtigenden, Faktoren erfordern eine genaue und systematische Analyse der Standortbedingungen im Hinblick auf das Produkt oder die Dienstleistung des Unternehmens.34 Die Standortwahl im In- und Ausland muss stets im eigenen Unternehmen beginnen, da die einzelnen Faktoren von dem Produkt oder der Dienstleistung des Unternehmens sowie von den spezifischen, durch das Unternehmen angestrebten, Zielen abhängig sind. Meist wird eine Reihe von Zielen angestrebt, die zunächst ungewichtet aufgestellt werden. Beispielhaft sind die Kostenreduzierung und die Markterschließung eine der häufigsten Zielvorgaben. Daneben spielt jedoch meist eine Reihe weiterer Faktoren eine entscheidende Rolle. 35 1. Steuerquote des Standortes Die Steuern36 am Sitz eines Unternehmens beeinflussen die unternehmerischen Entscheidungen bei der Auswahl des jeweiligen Standortes.37 In Kenntnis dieses Zusammenhangs versuchen Staaten, durch die Gestaltung der jeweiligen nationalen Steuerquoten,38 Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen zu erlangen 32 33 34
35
36
37 38
Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 4 ff. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 272 ff. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 274 ff.; Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 63 ff. Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 64 f.; Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 72 f. Maßgeblich für die betriebswirtschaftliche Entscheidung wird jedoch nicht ausschließlich die Höhe der Steuerbelastung sein, sondern vielmehr das Nach-Steuer-Ergebnis am jeweiligen Standort, vgl. Schmidt/Sigloch/Henselmann, Internationale Steuerlehre, 466 Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 650 Vgl. zu den Methoden des Steuerbelastungsvergleich: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 136 ff.
16
und sich eine vorteilhafte Position im Steuerwettbewerb der Staaten zu sichern.39 Hierbei streben Staaten an, durch die Gestaltung von günstigen Steuerquoten die Unternehmen zu einer Ansiedlung im jeweiligen Staatsgebiet zu veranlassen.40 Durch die hierauf folgende unternehmerische Tätigkeit der angesiedelten Unternehmen fließen den neuen Ansässigkeitsstaaten in der Folgezeit kalkulierte Steuereinnahmen zu. Wie vorstehend bereits dargelegt ist eines der unternehmerischen Ziele die relative Steuerbarwertminimierung. In Hinblick auf das internationale Steuergefälle könnte zur relativen Steuerbarwertminimierung zur Prüfen sein, das Unternehmen an einen steuerlich günstigeren Standort bzw. in einen solchen ausländischen Staat zu verlagern.41 Aus der nachstehenden Tabelle ist die Steuerbelastung eines Unternehmens in Deutschland im Vergleich42 zu anderen EU-Staaten zu entnehmen.43
39 40 41
42
43
Vgl. Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 74 f. Menck, in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rn. A 84 Vgl. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union, 59-90, 134139 Um im Rahmen von Steuerbelastungsvergleichen aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, müssen die zur Steuerberechnung herangezogenen Faktoren sowie die entsprechenden Modelle und Methoden eine Reihe von Mindestanforderungen erfüllen, insbesondere sind dies die Einbeziehung aller belastungsrelevanten Einflussgrößen (tax drivers), die Beachtung unterschiedlicher ökonomischer Verhältnisse sowie die Mehrperiodigkeit des Steuervergleichs, vgl. Jacobs, Analyse der Steuerbelastung von Unternehmen in Europa und den USA, in: Oestreicher, Internationale Steuerplanung, 28 ff. Die in der Tabelle ausgewiesene effektive Steuerbelastung bezieht alle belastungsrelevanten Ertrags- und Substanzsteuern mit ein. Dazu werden neben den jeweiligen Steuertarifen auch die wichtigsten Vorschriften zur Bestimmung der Bemessungsgrundlagen, beispielsweise Abschreibungsvorschriften, berücksichtigt. Unberücksichtigt bleiben Zinsschranke, gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Finanzierungsanteile, Besteuerung von Funktionsverlagerungen und Verlustnutzungsbeschränkungen; vgl. auch die speziellere tabellarische Darstellung der effektiven Durchschnittssteuerbelastung für Kapitalgesellschaften in der EU in: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 147.
17
Tabelle 3 - Effektive Steuerbelastung von Unternehmen in Europa 2007 Staat
%
Deutschland 2007
35,8
Frankreich
34,9
Spanien
33,6
Italien
30,9
Vereinigtes Königreich
28,6
Deutschland 2008
28,2
Norwegen
25,7
Luxemburg
25,2
Belgien
24,7
Schweden
24,0
Finnland
23,9
Niederlande
23,1
Österreich
22,4
Dänemark
22,0
Tschechien
20,4
Slowenien
20,2
Ungarn
18,9
Polen
17,0
Slowakei
16,3
Irland
14,1
Quelle: Die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland, BDI, 2008, 16 Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, ZEW http://www.bdi-online.de/Dokumente/Steuer-Haushaltspolitik/ Steuerbelastung_Brosch_0908.pdf
18
Die Tabelle berücksichtigt die im Jahr 2008 in Deutschland in Kraft getretene umfassende Unternehmenssteuerreform. Diese beinhaltet eine deutliche Senkung der Ertragssteuersätze. Nach der Unternehmenssteuerreform besteht in Deutschland ein effektiver Durchschnittssteuersatz von 28,2 Prozent. Deutschland liegt nunmehr im oberen Mittelfeld der Durchschnittssteuerquoten in der EU. Hierbei sind jedoch aktuelle Steuerreformen in anderen EU-Ländern nicht berücksichtigt. Vor der Unternehmenssteuerreform lag der Durchschnittssteuersatz in Deutschland bei 34,9 Prozent. Deutschland hatte die höchste Durchschnittsteuerquote in der EU. Bei internationalen Steuervergleichen ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass diese aufgrund der differierenden methodischen Ansätze einen unterschiedlichen Aussagegehalt haben und zu differierenden Aussagen führen können. Die herangezogenen Indikatoren sind der Tarifvergleich, die Steuerquoten in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), mikro- und makroökonomisch basierte effektive Durchschnittssteuersätze sowie modellgestützte effektive Grenz- und Durchschnittssteuersätze.44 Trotz der denkbaren Abweichungen bei der Berechnung45 der effektiven Durchschnittssteuersätze lässt sich gleichwohl die Tendenz für die Einordnung der unterschiedlichen Steuerquoten der in den Steuervergleichen berücksichtigten Länder ableiten. Deutschland hat nach dieser Darstellung nicht die günstigste effektive Durchschnittssteuerquote, so dass eine relative Steuerbarwertminimierung durch eine Sitzverlegung eines Unternehmens in einen Staat mit einer geringeren Steuerquote erzielt werden könnte. Dies setzt jedoch voraus, dass die Sitzverlegung ertragssteuerneutral erfolgt. Dieser Untersuchungsgegenstand wird daher in der weiteren Untersuchung behandelt werden. 2. Weitere Standortfaktoren Obgleich die Steuerquote am jeweiligen Standort ein wichtiges Indiz für eine erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit ist, fließen noch weitere Aspekte in die Standortwahl ein. Die Sprache an dem jeweiligen Standort ist bei der Gesamtbetrachtung von entscheidender Bedeutung. Sprachliche und kulturelle Barrieren können den betrieblichen Erfolg erschweren oder sogar zunichte machen. Der betriebliche Erfolg hängt von dem Absatz der Produkte des Unternehmens im Markt ab. Es ist daher unerlässlich für das Unternehmen, auch die Kunden und deren Kultur zu verstehen und diese bei dem Absatz der Produkte zu berücksichtigen. Beispielsweise ist bei der Sprache zu berücksichtigen, dass fremdsprachliche Ausdrücke, die aus deutscher Sicht wertneutral sind, in einer betreffenden kulturellen Umgebung eine negative Assoziation hervorrufen können. Diese negative Assoziation wird dazu führen, dass die Produkte 44
45
Brügelmann, Unternehmensbesteuerung im internationalen Vergleich, IW-Trends-Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung, Heft 1/2008, 1 Zu Grundfragen der Steuerbelastungsrechnung und deren Aussagegehalt auf die Steuerquote, vgl. Schmidt/Sigloch/Henselmann, Internationale Steuerlehre, 448 f.
19
und Dienstleistungen nicht oder nur erschwert absetzbar sind.46 Des Weiteren ist das kulturelle Verständnis der jeweiligen Zielregion ausreichend zu beleuchten, da auch in diesem Fall ein kulturelles Verständnis aus Europa heraus, beispielsweise in arabischen Ländern, auf Missfallen stoßen kann.47 Zudem sind auch Gebräuche und Rituale des jeweiligen Ziellandes zu kennen. Beispielsweise ist es für den betrieblichen Erfolg in fernöstlichen Ländern, zum Beispiel in Japan, entscheidend, Begrüßungsrituale zu kennen und auch ein entsprechendes Hierarchieverständnis zu haben, das sich beispielsweise darin äußert, welcher von mehreren Geschäftspartnern im Zielland als erster begrüßt wird.48 Ein gutes Produkt oder eine Dienstleistung kann nur durch qualifiziertes Personal hergestellt werden. Es ist daher ein entscheidender Faktor, im jeweiligen Zielland auch sicherzustellen, dass ausreichendes und qualifiziertes Personal zur Verfügung steht.49 Das wirtschaftliche Umfeld im jeweiligen Zielland ist ebenso von maßgebender Bedeutung und es muss sichergestellt werden, dass das Produkt oder die Dienstleistung im Zielland auch Abnehmer finden wird. Je nachdem, ob es sich hierbei um ein hochpreisiges Produkt oder eine Dienstleistung handelt, ist es daher entscheidend, dass das Produkt auch von einer ausreichenden Käuferschicht erworben werden kann. Das beste Produkt wird seinen Absatz nicht finden, wenn es im betreffenden Zielland zu teuer ist und sich, auch bei ausreichendem Interesse der potentiellen Käufer, keine Käuferschicht findet.50 Schließlich sind auch politische und rechtlich stabile Verhältnisse im Zielland notwendig, um eine fortdauernde und zumindest mittelfristige Planung aus Unternehmenssicht zu ermöglichen. Jeder Unternehmensaufbau ist in der ersten Phase von Investitionen geprägt, die in der Anlaufphase noch nicht zum gewünschten Ertrag führen. Es ist daher entscheidend, dass diese Investitionen, zumindest mittelfristig, in einen betrieblichen Ertrag gewandelt werden können und sich dadurch amortisieren. 46
47
48
49
50 50
20
Auch die Farben der Produkte sind in den verschiedenen Absatzländern mit den unterschiedlichen Assoziationen belegt. So ist es beispielsweise für einen Waschmittelhersteller bei der Produktgestaltung entscheidend zu wissen, ob in dem jeweiligen Zielland des Absatzes, die Farbe „blau“ ebenfalls für Reinheit steht, wie dies in Deutschland der Fall ist. In Deutschland sind aus diesem Grunde die Waschmittelsprenkel des Herstellers Henkel KGaA für das Produkt „PersilMegaperls“ blau eingefärbt, um den Konsumenten bei dem Produkt die Assoziation zu „Reinheit“ und „Frische“ zu vermitteln. Die europäische Sitte, dem Geschäftspartner zum Abendessen einen Wein anzubieten, kann von einem moslemischen Gesprächspartner als Beleidigung verstanden werden, da Moslems nach der islamischen Religion keinen Alkohol trinken dürfen. In Betracht kommt beispielsweise eine Priorität bei der Begrüßung nach dem gesellschaftlichen oder unternehmerischen Rang des Begrüßungspartners oder nach dem jeweiligen Alter. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 274; Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 63 ff.; Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 68, 69 Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 278 Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 72
Hierbei muss für das Unternehmen weitestgehend sichergestellt sein, dass es sodann auch auf diesen Ertrag zugreifen kann. Es muss eine Planungssicherheit bestehen, dass es im betreffenden Zielland nicht zu gesetzlichen oder behördlichen Eingriffen auf diese Erträge kommt. Staatliche Investitionsprogramme im betreffenden Zielland sind ebenfalls ausreichend zu würdigen. Es kann sich hierbei um direkte Subventionen, beispielsweise in Form von Zuschüssen, handeln. Eine staatliche Subvention liegt jedoch auch vor, wenn für eine gewisse Zeit steuerliche Anreize vereinbart werden können.51 Entscheidend ist weiterhin, dass eine infrastrukturelle Anbindung des Unternehmens besteht und dass das Zielland auch über eine ausreichend ausgebaute Infrastruktur verfügt.52 Andernfalls muss zum Aufbau des Unternehmens und später zum Vertrieb der Waren und Dienstleistungen eine einfache Infrastruktur durch das Unternehmen selbst aufgebaut werden. Diese Maßnahme bindet jedoch Unternehmenskapital und ist primär keine Aufgabe des Unternehmens, sondern eine strukturpolitische Aufgabe des betreffenden Ziellandes bzw. der dortigen Region des Unternehmensstandortes. Schließlich sind auch die Produktionskosten53, insbesondere die Lohnkosten54, ein entscheidender Standortfaktor.55 Dies gilt vor allem für lohnkostenintensive Produktion in Bereichen, in denen eine Automatisierung nicht durchgesetzt werden kann.56 Neben den Lohnkosten sind insbesondere in Zeiten der Verknappung und Verteuerung von Energie die Energiekosten von entscheidender Bedeutung. Es ist zu klären, wieweit die Energieversorgung gesichert ist und in welcher Höhe die Kosten für Energie im Zielland liegen. Die Energiekosten sind bei der Standortwahl insbesondere für energieintensive Unternehmungen beachtlich.57 Letztlich ist ebenso maßgeblich, ob das wirtschaftliche Umfeld bei der Verlegung des Unternehmens ins Ausland vorteilhaft ist. Unter wirtschaftlichem Umfeld ist die Kun51
52 53 54
55
56
57
Sonderwirtschaftszonen werben häufig Investoren mit der Zusage, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, keine Steuern zu erheben bzw. lediglich niedrige Steuersätze auf das Unternehmen anzuwenden. Die Steuerpolitik des betreffenden Staates kann daher auch Investitionsanreize bieten. Letztlich verzichtet der Staat auf seine grundsätzliche Befugnis, ein höheres Maß an Steuern zu erheben. Auch dies ist letztlich eine staatliche Investition, vgl. zu Besteuerungsaspekten, Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 74 Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 70 Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 5 Vgl. zu den Arbeitskosten im internationalen Vergleich: Schröder, Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich, in: IW-Trends, Nr.4/Oktober 2007 Einige vergleichende Aufstellungen der Lohnkosten in den verschiedenen Ländern finden sich in: Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 69; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 275 Die personal- und damit auch lohnkostenintensive Textilindustrie hat über mehrere Jahre hinweg Produktionen in Portugal unterhalten, da dort die Lohnkosten im europäischen Vergleich am niedrigsten waren. Mit dem Zerfall des Warschauer Paktes und mit der Öffnung der osteuropäischen Länder für ausländische Investoren, ist in Europa nunmehr Rumänien ein favorisierter Standort für die Textilindustrie, da dort für EU-Verhältnisse die Lohnkosten am niedrigsten sind. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 276
21
dendichte, die Kaufkraft, die Verbrauchsgewohnheiten, die Lieferantennähe und die Anzahl und Stärke der Mitbewerber auf dem Absatzmarkt des Ziellandes zu bezeichnen.58 Diese Standortfaktoren spielen allerdings nur eine untergeordnete Rolle, soweit das Zielland nur als Produktionsstandort genutzt werden soll und das Produkt in diesem Zielland bereits Eingangs nicht angeboten werden soll.59 Sofern der neue Sitz des Unternehmens auch als Absatzmarkt betrachtet wird, sind die genannten Standortfaktoren für den Erfolg eines Unternehmens maßgeblich. Bei der Produktion von hochwertigen Produkten muss für deren Verkauf im Absatzmarkt des Ziellandes auch eine ausreichende Käuferschicht vorliegen, die die hochwertigen Produkte auch erwerben können. Ähnlich verhält es sich bei der Nähe zu den Lieferanten im Zielland. Liegt bei der Produktion eine Abhängigkeit von Zulieferern vor, die einen Teil des Produktionsprozesses übernehmen oder die Rohstoffe für die Produktion beschaffen, sollten diese Zulieferer möglichst nahe am eigenen Unternehmen sein60. Probleme bei der Rohstoffbeschaffung wirken sich stets nachteilig und unmittelbar auf den Produktionsprozess und die korrespondierenden Kosten aus.61 Von Bedeutung ist auch die Lage der Mitbewerber im Zielland. Vor allem die Anzahl, Größe und Art der konkurrierenden Unternehmen sind zu untersuchen.62 Sind die Mitbewerber auf dem Markt des Ziellandes bereits dominierend vertreten, wird sich die Sitzverlegung des Unternehmens in einen solchen Markt oder Staat als nicht zielführend erweisen, da die vorherrschende Marktmacht der bereits lokal ansässigen Unternehmen nur mit erheblichen Kostenaufwand durchbrochen werden kann. II. Internationaler Wettbewerb der Standorte Der Auswahlprozess für einen neuen oder alternativen Unternehmensstandort beschränkt sich nicht mehr nur auf Deutschland, sondern ist weltweit, zumindest jedoch europaweit, anzustellen.63
58 59
60
61
62 63
22
Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 278 So produzieren z.B. viele deutsche Automobilunternehmen in Südafrika Rechtslenkerautos für den westeuropäischen oder nordamerikanischen Markt, die in Südafrika gar nicht angeboten werden. Für die Automobilunternehmen in Südafrika ist Südafrika hauptsächlich ein Produktionsstandort und kein Absatzmarkt. Auch hier sei als Beispiel die Automobilindustrie angeführt. In Südafrika haben z.B. die drei großen deutschen Automobilhersteller DAIMLER, BMW und VW zusammen mit vielen deutschen Zulieferbetrieben in sogenannten “Clustern“ in Johannesburg und East London ihren Sitz vor Ort. Ähnlich verhält es sich in Deutschland. Beispielsweise sind im Industriepark Höchst bei Frankfurt/Main die chemische Industrie und Ihre Zulieferer gemeinsam angesiedelt. Eine schlechte Qualität der Ausgangsrohstoffe setzt sich auch an der Qualität der Produkte fort. Für mangelhafte Produkte oder solche mit geringer Qualität kann ein hoher Preis am Markt nicht durchgesetzt werden. Zudem wirken sich auch Lieferengpässe oder -verzögerungen nachteilig auf die Produktion aus. Aus Unternehmenssicht ist zu vermeiden, dass durch Verzögerungen im Produktionsprozess die Auslieferung der Produkte nicht verspätet wird und dadurch Konventionalstrafen durch die Kunden der Unternehmen ausgelöst werden. Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 72, 73 Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 79
Auf der Suche nach dem, für das jeweilige Unternehmen vorteilhaftesten, Standort entwickelt sich ein Wettbewerb der unterschiedlichen Staaten um die weitere Ansiedlung von Unternehmen. Es entsteht ein Standortwettbewerb um Investoren und Unternehmen.64 Um in diesem internationalen Standortwettbewerb zu bestehen, sind die konkurrierenden Staaten bemüht, für die in- und ausländischen Investoren die attraktivsten Standortbedingungen vorzuweisen.65 Hierbei ist nicht ein einzelner Standortfaktor entscheidend, sondern die einheitliche Abstimmung der einzelnen Standortfaktoren auf die anzusiedelnden Unternehmen ist maßgeblich.66 Für die Ansiedlung von Aluminiumhütten in einer Region wird es entscheidend sein, dass für diese energieintensive Produktion Energie zu niedrigen Kosten bereitgestellt wird. Zudem ist eine Infrastruktur erforderlich, um die Rohstoffe zu der Produktionsstätte und die fertigen Aluminiumprodukte wieder abtransportieren zu können. Diese Standortfaktoren sind für Unternehmen des IT-Bereichs nicht von entscheidendem Gewicht. Vielmehr wird es hier darauf ankommen, eine sichere und verlässliche ITInfrastruktur mit ausreichend hohen Bandbreiten bei den Datenleitungen für die Datenübertragung vorzufinden. Derjenige Staat wird letztlich den „Zuschlag“ durch das Unternehmen erhalten, der die günstigsten Standortbedingungen vorweist. In diesem Zusammenhang ist die internationale Positionierung der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die Standortbedingungen zu untersuchen. Hierzu wurden im Rahmen dieser Untersuchung die nachstehenden Rankings beleuchtet.
64
65 66
Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei dem internationalen Standortwettbewerb ist die Gesamtsteuerbelastung des Unternehmens. Es liegt damit ein Steuerwettbewerb vor. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist Deutschland das Land mit einer der höchsten Gesamtsteuerbelastung für die Unternehmen, vgl. hierzu Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 278. Konsequenterweise folgt hieraus die unternehmerische Planung, die Gesamtsteuerbelastung zu reduzieren und hierfür den Sitz des Unternehmens in das entsprechend ausländische „Ziel“-Land zu verlegen, vgl. Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 74. Vgl. Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 74 f. Schmidt/Sigloch/Henselmann, Internationale Steuerlehre, 447
23
1. World Economic Forum – The Global Competitiveness Report 2007-2008 Tabelle 4 – The Global Competitiveness Report 2007-2008 (Auszug) Land
Position
United States
1
Switzerland
2
Denmark
3
Sweden
4
Germany
5
Finland
6
Singapore
7
Japan
8
United Kingdom
9
Netherlands
10
Korea
11
Hong Kong SAR
12
Canada
13
Taiwan, China
14
Austria
15
Norway
16
Israel
17
France
18
Australia
19
Belgium
20
Malaysia
21
Ireland
22
Iceland
23
New Zealand
24
Luxembourg
25
Chile
26
Estonia
27
Thailand
28
Spain
29
Kuwait
30
Quelle: http://www.weforum.org/pdf/Global_Competitiveness_Reports/Reports/gcr_2007/gcr 2007_rankings.pdf
24
Der Global Competitiveness Report 2007-2008 untersuchte 131 Volkswirtschaften auf deren Wettbewerbsfähigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland belegt bei dieser Untersuchung insgesamt Rang 5. Der Global Competitiveness Index umfasst maßgebliche Indikatoren, die zu drei Viertel auf Umfragewerten beruhen. Gegliedert ist der Global Competitiveness Index insbesondere in die Untergruppen Infrastruktur, Produkt-, Arbeits- und Finanzmarkteffizienz. Unter Wettbewerbsfähigkeit versteht die Untersuchung die Ansammlung von Faktoren, Maßnahmen der Politik und Institutionen, die einen Einfluss auf das Produktivitätsniveau und damit auf den Lebensstandard und das Wirtschaftswachstum eines Landes haben. 2. IMD Institute for Management Development World Competitiveness Yearbook 2008 Tabelle 5 - World Competitiveness Yearbook 2008 (Auszug) Land
Position
USA
1
Singapore
2
Hong Kong
3
Switzerland
4
Luxembourg
5
Denmark
6
Australia
7
Canada
8
Sweden
9
Netherlands
10
Norway
11
Ireland
12
Taiwan
13
Austria
14
Finland
15
Germany
16
China Mainland
17
New Zealand
18
Malaysia
19
Israel
20
United Kingdom
21
Japan
22
25
Estonia
23
Belgium
24
France
25
Chile
26
Thailand
27
Czech Republic
28
India
29
Slovak Republic
30
Quelle: http://www.imd.ch/research/publications/wcy/upload/scoreboard.pdf
Das vom Institute for Management Development (IMD) in der Schweiz veröffentlichte World Competitiveness Yearbook 2008 untersuchte insgesamt 55 Volkswirtschaften auf deren Wettbewerbsfähigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland belegte bei der Untersuchung insgesamt Rang 16. Um die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften und Regionen messen zu können betrachtet das IMD Fakten und Politikmaßnahmen, die eine Volkswirtschaft in die Lage versetzt, Rahmenbedingungen zu schaffen und zu erhalten, um mehr Wertschöpfung der Unternehmen und mehr Wohlstand für die Menschen der Volkswirtschaft zu fördern. Der Fokus der Untersuchung liegt auf den westlichen Industriestaaten und den Schwellenländern aus Asien und Lateinamerika. Sehr arme Entwicklungsländer (vor allem aus Afrika) sind in der Untersuchung nicht vertreten. Das Ranking des IMD zeichnet sich durch eine große Anzahl von analysierten Indikatoren aus. Über 200 unterschiedliche Indikatoren, und damit mit Abstand mehr als die anderen Rankings, benutzt das IMD zur Messung der Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften. Gruppiert werden die Indikatoren in Untergruppen „Wirtschaftsperformance“, „staatliche Effizienz“, „Unternehmenseffizienz“ und „Infrastruktur“. Diese vier Gliederungsgruppen werden in weiteren Subgruppen unterteilt. Wie bei dem Ranking des World Economic Forum stützt sich die Analyse des IMD hauptsächlich auf Umfragedaten.
26
3. The World Bank – Doing Business 2008 Tabelle 6 - Doing Business 2008 (Auszug) Land
Position
Singapore
1
New Zealand
2
United States
3
Hong Kong
4
Denmark
5
United Kingdom
6
Canada
7
Ireland
8
Australia
9
Iceland
10
Norway
11
Japan
12
Finland
13
Sweden
14
Thailand
15
Switzerland
16
Estonia
17
Georgia
18
Belgium
19
Germany
20
Netherlands
21
Latvia
22
Saudi Arabia
23
Malaysia
24
Austria
25
Lithuania
26
Mauritius
27
Puerto Rico
28
Israel
29
South Korea
30
Quelle: http://www.doingbusiness.org/Downloads/ 27
Der Doing Business 2008 Index von The World Bank untersuchte insgesamt 178 Volkswirtschaften auf deren Wettbewerbsfähigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland belegt bei diesem Ranking Platz 20. Der inhaltliche Fokus des Doing Business 2008 Berichts liegt im Gegensatz zu den anderen Standortrankings nicht vollständig auf der individuellen Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Vielmehr konzentriert sich die Untersuchung auf die Frage, ob und wie stark eine Volkswirtschaft seine eigenen Unternehmen durch staatliche Regulierung behindert und, soweit eine Behinderung stattfindet, wie sehr sich diese auf die Beschäftigungsentwicklung und den Wohlstand in der Volkswirtschaft auswirkt. Der Bericht von The World Bank umfasst zunächst Indikatoren und gruppiert diese in die maßgeblichen Untergruppen ein, nämlich „Unternehmensgründung“, „Genehmigungsverfahren“, „Arbeitsmarktflexibilität“, „Immobilienregistrierung“, „Kreditverfügbarkeit“, „Anlegerschutz“, „Steuerregeln“, „Außenhandelsregeln“, „Vertragsdurchsetzung“ und „Insolvenzrecht“. 4. Heritage Foundation – 2008 Index of Economic Freedom Tabelle 7 - 2008 Index of Economic Freedom (Auszug) Land
Position
Hong Kong
1
Singapore
2
Ireland
3
Australia
4
United States
5
New Zealand
6
Canada
7
Chile
8
Switzerland
9
United Kingdom
10
Denmark
11
Estonia
12
Netherlands
13
Iceland
14
Luxembourg
15
Finland
16
Japan
17
28
Mauritius
18
Bahrain
19
Belgium
20
Barbados
21
Cyprus
22
Germany
23
Bahamas
24
Taiwan
25
Lithuania
26
Sweden
27
Armenia
28
Trinidad and Tobago
29
Austria
30
Quelle: http://www.heritage.org/research/features/index/countries.cfm
Der von der Heritage Foundation veröffentlichte 2008 Index of Economic Freedom untersuchte 162 Volkswirtschaften auf deren Wettbewerbsfähigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland belegte bei dieser Untersuchung Rang 23. Die Heritage Foundation geht davon aus, dass Länder mit einer größeren ökonomischen Freiheit langfristig höhere Wachstumsraten und einen höheren Lebensstandard haben als Länder mit einer niedrigen ökonomischen Freiheit. Als Freiheit definiert die Heritage Foundation die Freiheit eines jeden einzelnen zu arbeiten, zu produzieren, zu konsumieren und zu investieren. Ziel der Untersuchung der Heritage Foundation ist die Erfassung der ökonomischen Freiheit in den untersuchten Ländern. Das Ranking der Heritage Foundation gliedert sich insbesondere in die Untergruppen „Handelspolitik“, „fiskalische Belastung“, „Regulierung der Wirtschaft“ und „informeller Sektor“.
29
5. Fraser Institute – Economic Freedom of the World 2007: Annual Report Tabelle 8 - Economic Freedom of the World 2007: Annual Report (Auszug) Land
Position
Hong Kong
1
Singapore
2
New Zealand
3
Switzerland
4
United States
5
United Kingdom
5
Canada
5
Estonia
8
Ireland
9
Australia
9
Finland
11
Luxembourg
11
Iceland
11
Chile
11
Denmark
15
Netherlands
15
United Arab Emirates
15
Germany
18
El Salvador
18
Oman
18
Austria
18
Cyprus
22
Hungary
22
Lithuania
22
Sweden
22
Latvia
22
Mauritius
22
Norway
22
Japan
22
Panama
30
Quelle: www.fraserinstitute.org/researchandpublications/publications/4872.aspx 30
Der vom Fraser Institute veröffentlichte Bericht Economic Freedom of the World 2007: Annual Report untersuchte insgesamt 141 Volkswirtschaften auf deren Wettbewerbsfähigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland belegte bei dieser Untersuchung Platz 18. Der Economic Freedom of the World 2007 Report stellt nicht, wie die anderen Studien, explizit auf die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder ab. Vielmehr handelt es sich bei der Untersuchung des Fraser Institutes um eine Untersuchung, das Ausmaß an ökonomischer Freiheit in den untersuchten Ländern zu messen. Dahinter steht der Grundgedanke, dass eine freie und wenig regulierte Marktwirtschaft wohlstandsfördernd sei. Der Report umfasst Einzelindikatoren. Diese werden in folgende Untergruppen gegliedert: „Staatseinfluss“, „Rechtssystem und „Eigentumsrecht“, „internationale Offenheit“, „Geldwertstabilität“ und „Regulierungsintensität“ auf dem Finanz- und Arbeitsmarkt sowie im Unternehmensbereich. Wie auch bei den Studien des World Economic Forum sowie des IMD greifen die Autoren bei über der Hälfte der Indikatoren auf Umfragewerte zurück. Der überwiegende Teil der Indikatoren wurde beim Report des Fraser Institutes vom Report des World Economic Forum und zum geringen Teil vom Report des IMD übernommen. 6. Zusammenfassung Aus der Analyse der zuvor beschriebenen Untersuchungen ergibt sich ein differenziertes Bild der Attraktivität und der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandortes Deutschland. Die Betrachtung der Einzelergebnisse für Deutschland in den Standortrankings führt zunächst zu einer positiven Gesamtbetrachtung. Mit den Rängen 5, 16, 18, 20 und 23 von 55 bis 178 untersuchten Volkswirtschaften weltweit, belegt Deutschland mit Rang 5 einen führenden Platz, bzw. mit den Rängen 16, 18, 20 und 23 eine Positionierung im oberen Mittelfeld. Diese zunächst positive grundsätzliche Aussage ist jedoch zu relativieren. Die Positionierung von Deutschland in den Rankings hängt entscheidend davon ab, welche Indikatoren für die Positionierung untersucht wurden, welche Gewichtung den jeweiligen Faktoren zugemessen wurde und welche Länder in die jeweiligen Untersuchungen einbezogen wurden. Vergleiche zwischen unterentwickelten Volkswirtschaften wie denen in Afrika oder Lateinamerika mit der deutschen Volkswirtschaft haben nur eine sehr reduzierte Aussagekraft und sind letztlich nicht geeignet, einen Indikator für die Attraktivität des Unternehmensstandortes Deutschland abzubilden. Mit Ausnahme im Global Competitivness Index des World Economic Forum liegen nahezu alle großen und bedeutenden Industrienationen der Welt in den Rankings vor Deutschland. Vor allem die skandinavischen Länder wie beispielsweise Dänemark, Schweden, Finnland oder Norwegen sind in nahezu allen Rankings besser positioniert als Deutschland. Auch die Benelux-Staaten Nieder31
lande, Luxemburg und Belgien sowie Staaten wie Irland und Großbritannien sind in der Mehrzahl der Rankings deutlich besser positioniert als Deutschland. Interessanterweise ist mittlerweile auch ein osteuropäischer Staat wie beispielsweise Estland in mehreren Rankings vor Deutschland platziert. Andere osteuropäische Länder wie z.B. Litauen, Ungarn oder die Slowakei sind in den anderen Rankings nur noch wenige Plätze von Deutschland entfernt. Hieraus lässt sich ableiten, dass deutschen Unternehmen mit Sitz im Inland alternative und günstigere Standorte in ausländischen Staaten für deren unternehmerische Aktivitäten zur Verfügung stehen. Aus dem faktischen Fehlen einer Positionierung von Deutschland als Unternehmensstandort unter den „Top 10“ ist ersichtlich, dass andere ausländische Staaten mittlerweile Standortbedingungen vorweisen, die deutsche inländische Unternehmen zu einem Wegzug in diese ausländischen Staaten veranlassen können. Augenfällig ist, dass mit den Ländern Dänemark, Schweden, Finnland, Großbritannien, Niederlande, Luxemburg, Irland, Estland Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nunmehr Mitbewerber im internationalen Standortwettbewerb vorliegen. Deutsche Unternehmen, die günstigere Standortbedingungen suchen, müssen daher nicht in noch nicht ausreichend entwickelte Volkswirtschaften, beispielsweise nach Rumänien, „emigrieren“. Mit den zuvor beschriebenen EUMitgliedsstaaten liegen Länder für eine Unternehmensansiedlung vor, die sowohl dem europäischen Rechtsraum angehören als auch eine Positionierung im Standortvergleich haben, der günstiger ausfällt als für den Unternehmensstandort Deutschland.67 Der Wegzug aus Deutschland in einen oben benannten EU-Mitgliedsstaat wird daher zunehmend eine Alternative zum Unternehmensstandort in Deutschland darstellen.68 Diese Einschätzung wird durch zahlreiche Berichte in der Wirtschaftspresse gestützt. Hiernach treibt das schlechte bzw. unbefriedigende Steuerklima die Steuerzahler und Unternehmen ins Ausland. Zudem führt die „Kontrollwut“ der Finanzbehörden zu Ausweichreaktionen und damit zu Verlagerungen der Unternehmen ins Ausland.69 III. Auswahl der entscheidenden Standortfaktoren Unter Würdigung der vorstehenden Erkenntnisse ist nunmehr zu klären, welcher Entscheidungsprozess bis zur Verlagerung des Unternehmens ins Ausland erfolgt und welche Standortfaktoren für diese unternehmerische Maßnahmen maßgeblich 67
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Zu einer im Ergebnis gleichlautenden Folgerung kommt eine im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen durchgeführte Studie des Zentrum für Europäische Wirtschaftsförderung (ZEW). Hierzu hat das ZEW 5 Standortfaktoren in 18 OECD-Staaten vergleichend analysiert. Nach der dortigen Analyse kommt Deutschland im Länderranking lediglich auf Platz 12. Ohne die Einbeziehung des Auswahlkriteriums „Infrastruktur“ wäre Deutschland nur auf Platz 16 angesiedelt gewesen, vgl. Länderindex der Stiftung Familienunternehmen 2008, 6 Vgl. Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 201 f. Vgl. beispielhaft Börsenzeitung v. 18.7.2008, 6
sind. Unbestritten gilt hierbei, dass bei der Standortwahl kein Standortfaktor der alles entscheidende Faktor sein kann. Vielmehr ist unter den diversen Standortfaktoren eine Gewichtung vorzunehmen.70 Die Gewichtung ist hierbei stets abhängig von dem betreffenden Produkt und der Dienstleistung des Unternehmens. Alle Standortfaktoren stehen in Wechselbeziehung sowie in Wechselwirkung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Jede Standortlösung ist ein Kompromiss der, aus Unternehmenssicht, optimalen Lösung.71 1. Verfahren zur Standortwahl Die Standortwahl wird durch ein einfaches, mehrstufiges Verfahren durchgeführt. Ziel dieses Verfahrens ist es, eine möglichst große Auswahl von Standorten zu berücksichtigen. Dadurch wird vermieden, die interessantesten Standorte durch eine unnötige Voreinschränkung der Suche auf eine Reihe von weithin bekannten Standorten möglicherweise zu übersehen. Das zweite Ziel dieses Verfahrens besteht darin, ein möglichst realitätsnahes Bild der zu erwartenden Investitionsrenditen an den verschiedenen Standorten zu gewinnen. Hierzu wird die geplante Investition an den verschiedenen Standorten mittels „Cash-flow-Modellierung“ abgebildet.72 a) Phase 1 der Standortwahl In der ersten Phase werden die Länder ermittelt, die grundsätzlich für die avisierte Investition in Betracht kommen könnten. Dazu sollten bereits eine Reihe entscheidender Voraussetzungen für den Erfolg einer Auslandsinvestition untersucht werden. Am Anfang steht hierbei eine Analyse der politischen Situation im Land. Politische Risiken bei Auslandsinvestitionen werden häufig unterschätzt, besonders wenn die amtierende Regierung zum Zeitpunkt der Standortwahl einen investitionsfreundlichen Eindruck hinterlässt. Doch die Laufzeit der geplanten Investition sollte den Zeitraum der Analyse bestimmen. Regierungen in Mittel- und Osteuropa bleiben selten über 10 Jahre oder länger im Amt. Häufige, unter Umständen drastische politische Kurswechsel, können das Umfeld einer Investition beeinträchtigen.73 Ein klares Verständnis der gesamten politischen Landschaft im Land ist daher unabdingbar für eine realistische Einschätzung der zukünftigen Risiken. Die volkswirtschaftliche Situation im Land kann ebenfalls ein Ausschlusskriterium für eine Investition darstellen. Ein unberechenbarer Verlauf der Inflationsraten, kombiniert mit Wechselkursschwankungen, kann die Vorabeinschätzung erheblich nachteilig revidieren. Wichtig ist zudem die Kenntnis über die Stabilität und das Wachstums70 71 72
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Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 273 Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 273, 274 Vgl. zu den Vorgehensweisen: Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 74; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 278 f Beispielhaft in Polen, Russland und Rumänien
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potential der Volkswirtschaft, welche die Umgebung der Auslandsinvestition für die gesamte Laufzeit der Planung bestimmen wird. Insbesondere ist der Faktor „Wachstum“ nicht mit dem Faktor „Stabilität“ einer Volkswirtschaft gleich zu setzen. Am Ende dieser ersten Phase steht eine Grobauswahl („long-list“), die mindestens 10, aber nicht mehr als 30 Länder, umfassen sollte. b) Phase 2 der Standortwahl Während der zweiten Phase werden die, in Phase 1 ermittelten, Länder auf die relevanten Standortfaktoren untersucht. Grundlage hierfür ist das zu erstellende Anforderungsprofil des Unternehmens an seinem neuen Standort im Hinblick auf das zu vertreibende Produkt oder die Dienstleistung. Wie oben bereits dargestellt, besteht eine Wechselwirkung der unterschiedlichen Standortfaktoren. Es muss daher produktbzw. dienstleistungsspezifisch untersucht werden, welche die entscheidenden Standortfaktoren sind. Durch eine geeignete Markt- und Standortanalyse kann dies ermittelt werden. Am Ende dieser zweiten Phase steht sodann eine Liste von 3 bis 6 möglichen Standortalternativen („short-list“). c) Phase 3 der Standortwahl In der letzten Phase der Standortwahl wird die geplante Auslandsinvestition an diesen 3 bis 6 Standorten abgebildet. Hierzu wird nunmehr die Investitionsrechnung oder die Kostenstruktur der Produktion auf die neuen Standorte übertragen. Die Cash-flow-Modellierung der Investition an den verschiedenen Standortalternativen ermöglicht eine Berechnung der zu erwartenden Rendite und der Kostensenkungspotentiale. Am Ende dieser Phase zeigt sich schließlich, welcher der Standorte die gewünschte, bestmöglichste Rentabilität und das größte Kostenoptimierungspotential verspricht. 2. Die steuerlichen Wirkungen der Sitzverlegung als Entscheidungsfaktor bei der Standortwahl Wie bereits ausgeführt, besteht das unternehmerische Ziel darin, den größtmöglichen Gewinn bei einer größtmöglichen Kostenreduktion zu erzielen.74 Bei den Kosten ist nunmehr zu berücksichtigen, dass durch eine Standortverlegung eines bestehenden Unternehmens Steuern in Form von „Wegzugssteuern“ entstehen können. Dieser steuerliche Aufwand, den das Unternehmen sodann zahlen muss, ist bei den Standortkosten mit einzubeziehen. Das Ziel der Neuinvestition muss daher sein, die
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Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 278
unternehmerischen Ziele mit möglichst geringer Liquiditäts- und Steuerbelastung zu erreichen.75 a) Nationale Standortwahl Bei einer nationalen Standortwahl hat die Wegzugsbesteuerung keine Bewandtnis, da durch die Sitzverlegung eines Unternehmens in ein anderes Bundesland oder in eine andere Gemeinde keine Ertragssteuern ausgelöst werden. Die nationale Sitzverlegung ist ertragssteuerneutral möglich. Es ist lediglich zu beachten, dass eine höhere Besteuerung im Rahmen der Gewerbesteuer in der Zielgemeinde entstehen kann. Der Zielstandort muss daher dahingehend überprüft werden, ob dort nicht mit einem erhöhten Hebesatz bei der Gewerbesteuer und damit mit einer höheren Gewerbesteuerbelastung zu rechnen ist.76 b) Internationale Standortwahl Maßgeblich sind hierbei nicht nur die jeweiligen Steuern, die im betreffenden Zielland auf das Unternehmen bzw. deren Ertrag erhoben werden. Zu beachten sind auch die indirekten Steuern, die das Ergebnis des Unternehmens nachhaltig beeinflussen können.77 Internationale Standorte können hierbei einem Steuerbelastungsvergleich unterzogen werden. Mit den entsprechenden Berechnungsmodellen78 können Simulationen hinsichtlich der Gesamtsteuerbelastung79 an den verschiedenen internationalen Standorten durchgeführt werden, um die „effektive Unternehmenssteuerbelastung“ zu ermitteln.80 Entscheidendes Kriterium ist jedoch aus Sicht des deutschen Unternehmens mit einem Standort in Deutschland, ob durch den Wegzug in ein anderes Land nicht auch mit einer Wegzugsbesteuerung zu rechnen ist. In der nachfolgenden Untersuchung wird darzulegen sein, ob die derzeitige Konzeption der Wegzugsbesteuerung europarechtswidrig ist. Unterstellt, dies würde beim Wegzug in einen EU-Staat vorliegen, 75
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Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 74; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 277 Aus den unterschiedlichen Hebesätzen folgt ein innerdeutsches Steuergefälle. Strukturschwache Regionen haben hierbei einen niedrigeren Hebesatz als strukturstarke Gebiete. Durch die unterschiedlichen Hebesätze sollen Investitionen in die strukturschwachen Gebiete gelenkt werden, vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 277 Vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 277 Beispielsweise Devereux/Griffith-Modell, vgl. in Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union, 59-90 und 134-139 Die Ermittlung der Gesamtsteuerbelastung eines Staates und der weitere Vergleich dieser Steuerquote mit der anderer Staaten ist bereits methodisch problematisch, da ein Abstellen auf den Steuersatz nicht ausreichend ist. Für eine genauere Analyse müssten alle Faktoren einbezogen werden, die die Steuerquote beeinflussen können, beispielsweise die Abschreibungsdauer der Wirtschaftgüter, vgl. Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 75 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 139 f.; vgl. die Darstellung zur effektiven Gesamtsteuerbelastung in ausgewählten Ländern in: Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 277; Kaminski/Strunk, Steuern in der internationalen Unternehmenspraxis, 76
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könnte gleichwohl eine solche Rechtslage vom deutschen Gesetzgeber durchaus in eine europarechtskonforme Wegzugsbesteuerung umgewandelt werden. Es kann daher bei der Planung über eine internationale Standortwahl und einer hiermit verbundenen Sitzverlegung des Unternehmens ins Ausland nicht damit gerechnet werden, dass der deutsche Staat grundsätzlich auf eine Wegzugsbesteuerung, d.h. auf die Besteuerung der in Deutschland gebildeten stillen Reserven der Wirtschaftsgüter des Unternehmens, verzichten wird. Bei Überlegungen zur internationalen Sitzverlegung eines Unternehmens ist daher auch weiterhin von der Möglichkeit auszugehen, dass der deutsche Staat bei einer Sitzverlegung eines Unternehmens in einen EUStaat, eine europarechtskonforme Besteuerung anlässlich des Wegzugs des Unternehmens ausgestalten könnte. Bei einem Wegzug eines Unternehmens in ein Drittland kann der deutsche Staat grundsätzlich weiter an seiner bisherigen Konzeption der Wegzugsbesteuerung festhalten, so dass auch weiterhin aus Sicht des Unternehmens mit einer Liquiditätsbelastung durch die Wegzugsbesteuerung zu rechnen ist. c) Liquiditätsauswirkungen der Sitzverlegungsbesteuerung Das gesetzliche Leitbild ist eine Besteuerung des Gewinns. Das Unternehmen kann die Steuern bezahlen, da dem Unternehmen zuvor Liquidität durch die Gewinnerzielung zugeht.81 Die Konzeption der Wegzugsbesteuerung beinhaltet jedoch die Besteuerung der in Deutschland gebildeten stillen Reserven an den Wirtschaftsgütern eines Unternehmens. Hier liegt die betriebswirtschaftliche Problematik, denn durch den Grenzübertritt werden die stillen Reserven aufgedeckt und besteuert.82 Die Steuerlast ist in Form von Liquidität seitens des Unternehmens zu zahlen. Die Besonderheit besteht darin, dass das Unternehmen zuvor jedoch keinen tatsächlichen Gewinnrealisierungsvorgang mit einem damit verbundenen Zufluss von Liquidität verwirklicht hat. Obgleich zuvor keine Liquidität zugeflossen ist, entsteht eine Steuer. Diese Steuerlast ist eine maßgebliche Belastung für das Unternehmen. Insbesondere bei Unternehmen, die werthaltige Wirtschaftsgüter seit mehreren Jahren in ihrer Bilanz führen, beispielsweise Grundstücke oder entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter, bilden sich über die Jahre hinweg hohe stille Reserven, da der Verkehrswert der einzelnen Wirtschaftsgüter deutlich höher als der Buchwert der Wirtschaftgüter ist. Sofern die Problematik der Wegzugsbesteuerung bei der Standortverlagerung nicht bedacht wird, wird im Einzelfall eine erhebliche Steuerlast lediglich durch den Weg81 82
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Sog. Markteinkommensprinzip i.V.m. dem Realisationsprinzip Mit der Wegzugsbesteuerung liegt ein sog. Ersatzrealisationstatbestand vor, da durch die Sitzverlegung dem Unternehmen keine Liquidität zufließt, aber gleichwohl eine Steuerpflicht für die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern des Unternehmens ausgelöst wird.
zug ausgelöst, die sodann auch durch Liquidität des Unternehmens zu bezahlen ist. Gerade diese Liquidität kann jedoch für den weiteren Unternehmensaufbau und die Unternehmensfinanzierung fehlen. d) Sitzverlegungssteuern im Rechnungswesen des Unternehmens Das Rechnungswesen eines Unternehmens ist die Gesamtheit aller Verfahren, die das betriebliche Geschehen erfassen, überwachen und dadurch einen Beitrag zur Steuerung des Unternehmens leisten. Das betriebliche Rechnungswesen bezeichnet hierbei die systematische, regelmäßig oder fallweise durchgeführte Erfassung, Aufbereitung, Auswertung und Übermittlung der Daten, die das Betriebsgeschehen betreffen. Dies erfolgt durch eine quantitative Ermittlung der betreffenden Daten (Mengen- und Wertgrößen) mit dem Ziel, diese für Planungs-, Steuerungs- und Kontrollzwecke innerhalb des Betriebs zu nutzen.83 Zudem sollen diese Daten, je nach Art des Rechnungswesens, zur Information von Dritten dienen. Aus Sicht der Unternehmensleitung liefert das interne Rechnungswesen hierbei Daten für die Steuerung des Unternehmens. Demgegenüber liefert das externe Rechnungswesen Informationen für berechtigte oder interessierte Dritte, beispielsweise für Gläubiger, Investoren und für die Finanzverwaltung. e) Ansatz der Sitzverlegungssteuern im betrieblichen Rechnungswesen Das betriebliche interne Rechnungswesen wird durch die Kosten- und LeistungsRechnung (KLR) abgebildet. Hierdurch wird eine, auf den jeweiligen Betrieb individuell angepasste, Aufstellung des Werteverzehrs (Kosten) und der Werteerstellung (Leistungen) dargestellt. Bei der Gestaltung dieses internen Rechnungswesens unterliegt das Unternehmen keinen Einschränkungen. Vielmehr ist das interne Rechnungswesen an den Informationsbedürfnissen des Unternehmens auszurichten. Bei einem Unternehmen, dessen Sitz aus Deutschland heraus verlagert werden soll, sind die aufgrund der derzeitigen Rechtslage entstehenden Steuern frühzeitig in die Kalkulation des internen Rechnungswesens einzubeziehen. Für die Planungssicherheit ist es unerlässlich, diese Steuern in einer Modellrechnung zu antizipieren und die Auswirkungen auf das Unternehmen, insbesondere die Liquiditätsauswirkungen, vorwegzunehmen. Bei der Planung einer Standortverlagerung sind damit insbesondere die, durch den „Wegzugsfall“ potentiell entstehenden, Steuern im Rechnungswesen abzubilden. Im internen Rechnungswesen sind diese Steuern in der KLR als kalkulatorische Kosten auszuweisen. Damit wird sichergestellt, dass für die internen Controlling-Bedürfnisse des Unternehmens die Ertragslage des Unternehmens nicht besser dargestellt wird als diese tatsächlich sein wird, wenn die „Wegzugssteuern“ zu zahlen sein werden.
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Vgl. im Einzelnen unter Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 1029 ff.
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Im externen Rechnungswesen, das durch den Jahresabschluss eines Unternehmens gemäß § 242 ff. HGB erstellt wird, sind die potentiellen Steuern ebenfalls zu berücksichtigen, denn die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens darf wegen des handelsrechtlichen Vorsichtsgebots (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) nicht besser dargestellt werden, als diese tatsächlich ist. Vorhandene Risiken sind bereits zu antizipieren und durch eine Rückstellung (§ 249 Abs. 1 HGB) zu berücksichtigen. Rückstellungen sind gewinnmindernde Passivposten mit dem Zweck, Aufwendungen, deren Existenz oder Höhe am Abschlussstichtag noch nicht sicher sind und die erst später zu einer Auszahlung führen, der Periode der Verursachung zuzurechnen.84 Insoweit besteht eine Passivierungspflicht. Handelsrechtlich ist in dem Jahr des Wegzugs zu schätzen, in welcher Höhe die Steuern, bedingt durch diesen Wegzug, entstehen werden. In der handelsrechtlichen Bilanz zum Ende des Wirtschaftsjahres des Wegzugs sind diese potentiellen Steuerverpflichtungen in der wahrscheinlichen Höhe somit als Rückstellungen auszuweisen (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB).85 Fallen später die Steuern nicht an, weil der Gesetzgeber beispielsweise die Wegzugsbesteuerung ersatzlos abgeschafft hat, so ist diese Rückstellung im Jahr des Wegfalls des „Rückstellungsgrundes“ gewinnerhöhend aufzulösen. Für die Steuerbilanz einer Kapitalgesellschaft besteht ebenfalls die Verpflichtung, eine Rückstellung zunächst zu bilden und diese bei Wegfall des „Rückstellungsgrundes“ wieder aufzulösen.
C. Zwischenergebnis Mit Blick auf die zuvor dargelegten „Rankings“ ist festzustellen, dass Deutschland faktisch nicht mehr unter den ersten 10 der attraktivsten Unternehmensstandorte positioniert ist. Auch aus der Darstellung zur effektiven Durchschnittssteuerbelastung in den EU-Mitgliedsstaaten folgt, dass Deutschland mit seiner Steuerquote nur einen Platz im mittleren Bereich einnimmt und andere EU-Mitgliedsstaaten eine günstigere Steuerquote vorweisen. Die Berichte aus der Wirtschaftspresse legen zudem dar, dass eine Vielzahl der deutschen mittelständischen Unternehmen bereits deren Sitz aus Deutschland an einen vorzugswürdigeren ausländischen Standort verlegt haben oder in Vorbereitung einer solchen Maßnahme stehen. Insbesondere Mitgliedsstaaten der EU sind attraktive ausländische Unternehmensstandorte. Bei der Entscheidung über eine entsprechende Sitzverlegung haben die Unternehmen jedoch unter anderem die Wegzugssteuern zu beachten, die durch einen Wegzug des Unternehmens aus Deutschland in einen anderen Staat realisiert werden könnten. Nur wenn eine Besteuerung anlässlich einer Sitzverlegung eines Unter84 85
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Baumbach/Hopt, HGB, § 249 Rn. 1 Baumbach/Hopt, HGB, § 253 Rn. 4
nehmens in einen EU-Mitgliedsstaat unterbleibt, kann durch diese Maßnahme eine relative Steuerbarwertminimierung erreicht werden, sofern der Zuzugsstaat eine niedrigere effektive Durchschnittssteuerbelastung als Deutschland hat. Die Problematik der Wegzugsbesteuerung geht hierbei über die rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen für das Unternehmen weit hinaus. Bereits bei einer unternehmenspolitischen Maßnahme einer neuen Standorterrichtung oder einer Standortverlagerung eines bestehenden Unternehmens sind die, potentiell durch diesen Vorgang entstehenden, „Wegzugssteuern“ zu berücksichtigen. Sofern diese Steuern entstehen, erfolgt ein Liquiditätsabfluss aus dem Unternehmen, ohne dass diesem Nachteil gleichzeitig ein Gegenwert für das Unternehmen zukommt. Diese Belastungen des Unternehmens sind auch in dem Rechnungswesen des Unternehmens auszuweisen und in die Risikobetrachtung mit einzubeziehen. Folglich beinhaltet die Sitzverlegung eines Unternehmens bereits im Vorfeld einer solchen Maßnahme die Verpflichtung, im Rahmen einer sachgerechten Unternehmensführung die etwaigen Nachteile für das Unternehmen zu antizipieren und im externen und internen Rechnungswesen des Unternehmens – soweit zulässig – abzubilden. Es bleibt nunmehr zu untersuchen, ob die bestehende deutsche und europäische Gesetzes- und Rechtslage bei einer Sitzverlegung einer GmbH in das europäische Ausland ausreichende Möglichkeiten bietet, um die zuvor beschriebenen nachteiligen Auswirkungen auf das Unternehmen durch Wegzugssteuern zu verhindern. Dies läge vor, wenn rechtliche Grundlagen bestünden, die im Gesellschaftsrecht die europaweite Sitzverlegung rechtssicher vollziehbar machen würden. Zudem dürften anlässlich des Wegzuges des Unternehmens keine nachteiligen steuerlichen Wirkungen für das Unternehmen eintreten.
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2. Kapitel Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Grundlagen der Sitzverlegung einer GmbH in das EU-Ausland 1. Teil Das Gemeinschaftsrecht als Normengrundlage für gesellschaftsrechtliche Gestaltungen und die steuerlichen Konsequenzen A. Struktur des Gemeinschaftsrechts Um die bestehenden gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten einer Sitzverlegung und die damit korrespondierenden Besteuerungsfolgen im Hinblick auf deren Konformität mit dem Europarecht zu überprüfen, muss zunächst untersucht werden, welche Grundfreiheiten bei der Sitzverlegung der GmbH und der damit korrespondierenden Besteuerungstatbestände betroffen sind. Anschließend ist zu untersuchen, ob durch die staatlichen Maßnahmen anlässlich der Sitzverlegung ein Eingriff in diese Grundfreiheiten vorliegt und ob dieser Eingriff europarechtlich gerechtfertigt ist. I. Zielsetzung des Gemeinschaftsrechts Wesentliches Ziel des EG-Vertrages ist es, einen gemeinsamen Markt zu schaffen.86 Die europäischen Verträge statuieren diesen Grundgedanken in Art. 3 Abs. 1 lit. c und Art. 14 Abs. 2 EGV. Ziel dieser Leitgedanken ist, einen europäischen Binnenmarkt zu schaffen, ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Zur Umsetzung dieses Leitzieles sollen alle Hindernisse, die diesem Ziel entgegenstehen, beseitigt werden.87 Grundvoraussetzung für einen gemeinsamen Markt ist die Möglichkeit, sich innerhalb der EU in einem anderen Mitgliedsstaat betätigen zu können, ohne auf direkte oder indirekte Weise benachteiligt zu werden.88 Um dies zu gewährleisten, normiert der EGV neben einem allgemeinen Diskriminierungsverbot in Art. 12 EGV89 Grundfreiheiten, die darauf angelegt sind, im Binnenmarkt alle faktischen und rechtli-
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Vgl. Präambel des EGV (Unterabschnitt 8); Geiger, EUV/EGV, Präambel Rn. 2; EuGH, Rs. 26/62-Van Gend & Loos/NL Finanzverwaltung, Urt. v. 5.2.1963, Slg. 1963, 3 Schießl, Unternehmensbesteuerung, NJW 2005, 849 Stapperfend, Einfluss der Grundfreiheiten, FR 2003, 165, 165 Aus dem Diskriminierungsverbot wird in Verbindung mit weiteren Grundfreiheiten, beispielsweise der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) auch ein Beschränkungsverbot allgemein abgeleitet.
J. A. C. Nave, Die ertragsteuerneutrale und identitätswahrende Sitzverlegung der GmbH 41 in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, DOI 10.1007/ 978-3-8349-9484-4_3, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
chen Grenzen abzubauen, die einem ungehinderten Austausch von Kapital, Waren und Dienstleistungen entgegenstehen können.90 Die Grundfreiheiten beinhalten Diskriminierungsverbote.91 Dabei können die Diskriminierungen sowohl offen als auch verdeckt erfolgen.92 Eine Regelung enthält einen offenen Diskriminierungstatbestand, wenn sich aus ihr ausdrücklich ein Nachteil für das Steuersubjekt ergibt, falls dieses einen grenzüberschreitenden Tatbestand verwirklicht und die Regelung zwischen in- und ausländischem Sachverhalt differenziert.93 Werden Personen oder Unternehmen ausländischer Herkunft nicht direkt angesprochen, aber dennoch typischerweise von der Regelung stärker betroffen als Inländer, liegt eine versteckte Diskriminierung vor.94 Das Diskriminierungsverbot verleiht den Grundfreiheiten einen gleichheitsrechtlichen Charakter.95 Aus dem Diskriminierungsverbot folgt auch das Gleichstellungsgebot. Hiernach sind natürliche und juristische Personen in objektiv vergleichbaren Konstellationen gleich zu behandeln.96 Die Grundfreiheiten beinhalten nicht nur einen gleichheitsrechtlichen, sondern auch einen freiheitsrechtlichen Charakter, da aus ihnen ein generelles Verbot von Beschränkungen und Behinderungen abgeleitet wird.97 Der EuGH hat hierzu die, nach klassischem Verständnis als Diskriminierungsverbote qualifizierten, Grundfreiheiten sukzessive zu allgemeinen Beschränkungsverboten98 im Bereich der direkten Steuern weiterentwickelt.99 Eine Beschränkung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn der grenzüberschreitende Sachverhalt behindert oder weniger attraktiv wirkt, selbst wenn keine offene oder verdeckte Schlechterstellung grenzüberschreitender Vorgänge gegenüber inländischen Vorgängen vorliegt. II. Rangverhältnis europarechtlicher Normen Hinsichtlich des Europarechts ist zwischen dem Primärrecht und dem Sekundärrecht zu unterscheiden und deren Rangverhältnis zueinander zu bestimmen.
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Cordewener, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 6, 6; Rödder, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 1629 Rödder, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 1629 Ernst & Young, EuGH-Rechtsprechung Ertragsteuerrecht, 44 Die EU-Grundfreiheiten beinhalten einen allgemeinen Gleichheitssatz, vgl. Jarass, EU-Grundrechte, § 24, Rn. 1 ff. Geiger, EUV/EGV, Art. 12 Rn. 8 Körner, Europarecht, IStR 2004, 697, 700 Ernst & Young, EuGH-Rechtsprechung Ertragsteuerrecht, 44 EuGH Rs. 152/73-Sotgiu, Urt. v.12.2.1974, Slg. 1974, 87; Rs. C-107/94-Asscher, Urt. v. 27.6.1996, Slg. 1996, I-3089, Rn. 36; vgl. Ernst & Young, EuGH-Rechtsprechung Ertragsteuerrecht, 46 Allgemein zur Anerkennung des Beschränkungsverbotes vgl. Pache, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 10 Rn. 23 f Vgl. zum Beschränkungsverbot im Steuerrecht exemplarisch EuGH Rs. C-385/00-de Groot, Urt. v. 12.12.2002, Slg. 2002, I-11819
1. Primärrecht Das Primärrecht beinhaltet u.a. die Rechtssätze, die in dem EG-Vertrag normiert sind sowie die ungeschriebenen europäischen Rechtssätze durch die Rechtsprechung des EuGH.100 2. Sekundärrecht Das Sekundärrecht beinhaltet die Rechtssätze, die von den EU-Organen selbst geschaffen wurden, nämlich die EU-Verordnungen101 und die EU-Richtlinien102. EUVerordnungen entfalten unmittelbare Wirkungen auf alle Mitgliedsstaaten und deren Bürger. EU-Richtlinien binden grundsätzlich nur die Normadressaten, nämlich die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Die Richtlinien beinhalten die Verpflichtung an die EU-Staaten, diese jeweilige Richtlinie innerhalb einer Umsetzungsfrist in innerstaatliches Recht zu transformieren. Sofern die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, ohne dass das jeweilige Mitgliedsland die Richtlinie in innerstaatliches Recht umgesetzt hat, sind die nachstehenden Fallgruppen zu unterscheiden.103 Für die jeweiligen natürlichen und juristischen Personen des betreffenden EU-Mitgliedsstaates entfalten belastende Richtlinien eine Rechtswirkung nur nach einer entsprechenden Umsetzung in das nationale Recht. Bei einer begünstigenden Richtlinie können sich die natürlichen und juristischen Personen des betreffenden EUMitgliedsstaates unverzüglich nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist auf diese Regelungen berufen und hieraus die, für sie günstigen, Rechtswirkungen ableiten. Der diesem Grundsatz zugrunde liegende Rechtsgedanke ist, dass die Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts nicht durch den jeweiligen nationalen Gesetzgeber unterbunden werden kann, der die Richtlinie nicht innerhalb der Umsetzungsfrist in nationales Recht transformiert hat. Soweit innerstaatliche begünstigende Regelungen über die Regelungen der Richtlinie hinausgehen, können sich natürliche und juristische Personen des betreffenden EU-Mitgliedsstaates auf die, für sie günstigere, nationale Regelung berufen. Bleibt hingegen das nationale Recht nach der Transformation hinter der Richtlinie zurück, kann eine Berufung auf die günstigeren Regelungen der Richtlinie erfolgen. Die Richtlinien statuieren hierbei Mindeststandards, die vom nationalen Gesetzgeber überschritten, aber nicht unterschritten werden dürfen. Da sich sowohl die Richtlinien als auch ihre Umsetzung ins nationale Recht am Maßstab der Grundfreiheiten messen lassen müssen, bleiben ausschließlich die Grundfreiheiten des EG-Vertrages alleiniger Prüfungsmaßstab des EuGH, wenn 100 101 102 103
König, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 2 Rn. 1 König, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 2 Rn. 26 f. Remien, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 14 Rn. 22 f. Vgl. hierzu insgesamt König, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 2 Rn. 44 ff.
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Richtlinien nicht bestehen oder die nationale Regelungslage für Inlandsbeziehungen über eine bestehende Richtlinie hinausgehende Vorteile vorsieht. Eine Richtlinie kann nicht zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von In- und Auslandssachverhalten herangezogen werden, wenn die Ursache der Ungleichbehandlung die großzügigere Regelung des Inlandssachverhaltes ist. 3. Vereinbarkeit des Sekundärrechts mit dem Primärrecht Da sich das Sekundärrecht als Rechtsnorm von den EU-Organen ableitet, ist ersichtlich, dass das Sekundärrecht sich dem Primärrecht unterordnet.104 Das Primärrecht selbst schafft einen Wertemaßstab für die europarechtliche Überprüfung des Sekundärrechts.105 Das Primärrecht kann folglich nicht durch das Sekundärrecht eingeschränkt werden. Beispielsweise beschrieb der EuGH die Verschmelzungsrichtlinie106 als hilfreich zur Erleichterung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung. Jedoch stellt der EuGH auch klar, dass eine Richtlinie keine Vorbedingung für die Durchführung der in Art. 43, 48 EGV verankerten Niederlassungsfreiheit ist.107 Damit konnten sich die Unternehmen bereits vor der Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie in nationales Recht auf die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung berufen. Die Grundlage folgte unmittelbar aus der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV). Hieraus folgt, dass die Grundfreiheiten auch gegenüber den Organen der Gemeinschaft als Beschränkungsverbote gelten müssen.108 EU-Verordnungen und EU-Richtlinien können die Umsetzung der Grundfreiheiten erleichtern, aber nicht erschweren. Ebenso wenig kann hierdurch der Schutzumfang einer Grundfreiheit eingeschränkt werden. Die EU-Verordnungen und EU-Richtlinien dienen der Umsetzung der Grundfreiheiten und können daher keine Regelungen enthalten, die eben diese Grundfreiheiten einschränken.109 Folglich kann eine EU-Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber keine Freiheiten oder Gestaltungsspielräume gewähren, die den nationalen Gesetzgebern durch die Grundfreiheiten untersagt worden wären.
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Scheuing, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 6 Rn. 13 Jarass, EU-Grundrechte, § 3 Rn. 7 Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten. Vgl. EuGH Rs. C-411/03-Sevic, Urt. v. 13.12.2005, ABl.EG v. 11.2.2006, 5, Rn. 28 Schön/Schindler, Grenzüberschreitende Sitzverlegung, IStR 2004, 571, 575 f. Vgl. EuGH Rs. 24/75-Petroni, Urt. v. 21.10.1975, Slg. 1975, 1149, Rn. 11
B. Das Gemeinschaftsrecht als vorrangiges Recht I. Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber deutschem Verfassungsrecht und einfachgesetzlichem Recht Das Europarecht ist höherrangiges Recht und geht deutschem Verfassungsrecht110 sowie dem deutschen einfachgesetzlichen Recht vor.111 Das Europarecht besitzt daher Anwendungsvorrang vor dem deutschen Recht.112 Dieser Anwendungsvorrang ist mit der Autonomie und der besonderen Qualität der Gemeinschaftsrechtsordnung sowie der Notwendigkeit der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedsstaaten zu begründen.113 Aufgrund dieses Anwendungsvorranges dürfen europarechtswidrige Normen des deutschen Rechts grundsätzlich nicht mehr angewendet werden.114 Die Struktur der europäischen Grundfreiheiten ist auf ein Beschränkungsverbot und auf ein Gleichbehandlungsgebot ausgerichtet. Der Normadressat der Grundfreiheiten kann sich unmittelbar und unverzüglich auf die Grundfreiheiten berufen, sofern eine europarechtswidrige Regelung vorliegt.115 Eine missbräuchliche Berufung auf die Grundfreiheiten ist unzulässig. In einem solchen Fall ist die Berufung auf die, im Inlandsfall geltenden, Regelungen nicht möglich.116 Da die europäischen Grundfreiheiten unmittelbare Wirkung gegenüber den Adressaten der Grundfreiheiten haben, sind diese Rechte damit auch vor den mitgliedsstaatlichen Gerichten einklagbar.117 Das Europarecht und seine Grundfreiheiten werden maßgeblich durch die Rechtsprechung des EuGH konkretisiert und weiterentwickelt. Für das Steuerrecht besteht auf der Grundlage des EG-Vertrags (Art. 93 EGV) ein Harmonisierungsauftrag für den Bereich der indirekten Steuern.118 Für den Bereich der direkten Steuern besteht ein solcher Harmonisierungsauftrag nicht,119 so dass zuvor dem Europarecht im Bereich der direkten Steuern wenig Beachtung entgegengebracht wurde. Diese Betrachtungsweise änderte sich maßgeblich nach dem Schumacker-Urteil des EuGH. 110 111 112
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Jarass, EU-Grundrechte, § 3 Rn. 9 Grundlegend EuGH Rs.6/64-Costa/E.N.E.L., Urt. v. 15.7.1964, Slg. 1964, 1253 Vgl. EuGH Rs. C-213/89-Factortame, Urt. v. 19.6.1990, Slg. 1990, I-2433 Rn. 18; vgl. “Solange“Rechtsprechung des BVerfG in BVerfGE 102, 147, 161 ff.; BVerfGE 89, 155, 174 ff.; BVerfGE 73, 339, 374 ff.; BVerfGE 37, 271, 280 ff.; vgl. Ernst & Young, EuGH-Rechtsprechung Ertragsteuerrecht, 53 Schießl, Unternehmensbesteuerung, NJW 2005, 849, 851 Cordewener, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 6, 12 Vgl. EuGH Rs. C-18/95-Terhoeve, Urt. v. 26.1.1999, Slg. 1999, I-345, Rn. 57; Rs. C-15/96-Schöning-Kougebetopoulou, Urt. v. 15.01.1998, Slg. 1998, I-47, Rn. 31 ff.; Bleckmann in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 762 f.; Hahn, § 8 a KStG, DStZ 2003, 489, 490 ff. EuGH Rs. C-373/97-Diamantis, Urt. v. 23.3.2000, Slg. 2000, I-1705, Rn. 33; Rs. C-212/97-Centros, Urt. v. 9.3.1999, Slg. 1999, I-1459, Rn. 24 Cordewener, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 6, 7; Frenz, Handbuch Europarecht, § 1, Rn. 1850, 1863 ff. Wernsmann, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 30 Rn. 14 ff. Wernsmann, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 30 Rn. 61
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In diesem Urteil stellte der EuGH klar, dass auch der Bereich der direkten Steuern kein, vom EG-Recht vollständig unbeeinflusster, Rechtsbereich ist. Das Gemeinschaftsrecht und vorrangig das EU-Primärrecht bilden damit einen Werte- und Wirksamkeitsmaßstab für einfachgesetzliche nationale Regelungen. Dies gilt auch für Steuernormen. II. Rechtliche Folgen einer EuGH-Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht Die europäischen Grundfreiheiten werden durch die Rechtsprechung des EuGH konkretisiert und fortentwickelt. Im Rahmen des sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens hat der EuGH die Aufgabe, für eine einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu sorgen (Art. 234 EGV).120 Ungeachtet der bereits erwähnten Tatsache, dass es im Bereich der direkten Steuern derzeit keinen expliziten Harmonisierungsauftrag gibt, muss der EuGH auch in diesem Bereich über die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben wachen. Die wichtigste Funktion des Vorabentscheidungsverfahrens ist daher auch die Wahrung der Rechtseinheit im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts. Die unterinstanzlichen Finanzgerichte sind dabei dazu berechtigt, aber nicht verpflichtet, dem EuGH Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen (Art. 234 Abs. 2 EGV). Der BFH als letztinstanzliches deutsches Gericht auf dem Gebiet des Steuerrechts ist dagegen zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, sofern Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts für den betreffenden, beim BFH anhängigen, Fall für die Entscheidung des BFH maßgeblich sind (Art. 234 Abs. 3 EGV).121 Gemäß Art. 220 EGV hat der EuGH die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des EG-Vertrages zu sichern. Zu Recht hat sich der EuGH als „Motor“ der Fortentwicklung des europäischen Gemeinschaftsrechts bewährt. Zunehmend kommt dem EuGH auch die Funktion eines „Ersatzgesetzgebers“ zu. Der EuGH wurde im Jahr 1957 errichtet. Dennoch stammt die erste Entscheidung auf dem Gebiet der direkten Steuern aus dem Jahr 1986122. Ein Meilenstein in der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet der deutschen Steuern war die bereits benannte Schumacker-Entscheidung aus dem Jahr 1995123. Seit Ende der neunziger Jahre haben sich Tempo und Frequenz der EuGH-Entscheidungen auf dem Gebiet der direkten Steuern beschleunigt. Die Tendenz in den ergangenen Entscheidungen war bisher eindeutig: Der EuGH hat im Zweifel für die Grundfreiheiten und gegen die betroffenen mitgliedschaftlichen Fiskalinteressen geurteilt. Die Ent120
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Dem EuGH kommt damit die „Letztauslegungskompetenz“ über die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu, vgl. Ernst & Young, EuGH-Rechtsprechung Ertragsteuerrecht, 52 Der EuGH hat das alleinige „Verwerfungsmonopol“ bezüglich des Gemeinschaftsrechts, vgl. Ernst & Young, EuGH-Rechtsprechung Ertragsteuerrecht, 52 f. EuGH Rs. 270/83-Kommission/Frankreich, Urt. v. 28.1.1986 EuGH Rs. C-279/93-Schumacker, Urt. v. 14.2.1995, Slg. 1995, I-225
scheidungen erfolgten hierbei ausnahmslos ohne Rücksicht auf die innerstaatlichen Auswirkungen dieser Urteile und orientierten sich an den Grundfreiheiten und deren Weiterentwicklung. Erst in jüngerer Zeit deutet sich in den Entscheidungen des EuGH, aber auch in den vom EuGH im Ergebnis meist übernommenen Schlussanträgen der Generalanwälte, eine gewisse Korrektur-Tendenz an. Es ist nicht auszuschließen, dass die Rechtsprechung des EuGH in Zukunft differenzierter ausfallen wird. Bei den Regierungen der Mitgliedsstaaten und deren Finanzressorts besteht ein starkes Interesse an einer derartigen Änderung der Rechtsprechungskultur des EuGH. Insbesondere ist es ein Anliegen der Mitgliedsstaaten, zumindest eine zeitliche Einschränkung der Geltung von EuGH-Urteilen zu erreichen124. Hierbei wird im fiskalpolitischen Interesse oftmals durch die Mitgliedsstaaten versucht, eine Rückwirkung der Entscheidungen des EuGH zu verhindern. Anders als das BVerfG beschränkt der EuGH die Wirkung seiner Entscheidungen in zeitlicher Hinsicht jedenfalls bisher nicht darauf, den Gesetzgeber des betroffenen Mitgliedsstaats dazu zu verpflichten, unter Einhaltung bestimmter Anpassungsfristen eine Rechtslage herzustellen, die dem EG-Recht entspricht. Die vorliegende Rechtsprechung des EuGH geht vielmehr davon aus, dass den Entscheidungen des EuGH unmittelbare Geltung zukommt, und zwar ohne zeitliche Limitierung. Dies läuft letztlich auf eine Rückwirkung der Entscheidung und damit auf eine Entscheidung mit „ex-tunc“-Wirkung hinaus125. Dies hat sich auch nicht in dem EuGH-Urteil „Meilicke“ geändert. Trotz der Argumente der Bundesregierung für eine Begrenzung der zeitlichen Wirkung und den Ausführungen des Generalanwalts Tizzano erfolgte keine zeitliche Beschränkung durch das EuGH-Urteil.126 Eine Entscheidung des EuGH zu Rechtsnormen eines Mitgliedsstaates gilt zunächst nur für den Einzelfall, d.h. für das konkrete Ausgangsverfahren des vorliegenden nationalen Gerichts eines bestimmten Mitgliedsstaates. Die betroffene Norm oder der betroffene Normenkomplex des Rechts des Mitgliedsstaates ist dabei nicht nichtig, sondern nach dem Grundsatz des sog. Anwendungsvorrangs des EG-Rechts nur 124
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Auch vor diesem Hintergrund ist das Verfahren zur EU-Rechtmäßigkeit der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer in der Rs. Meilicke, C-292/04 zu erklären. Die vom Generalanwalt Tizzano am 10.11.2005 vorgelegten Schlussanträge konnten insofern als Etappensieg der Bundesregierung angesehen werden, weil der Generalanwalt aufgrund der zu erwartenden sehr hohen Erstattungsansprüche für den deutschen Fiskus dem EuGH vorgeschlagen hat, die zeitliche Wirkung des Urteils zu beschränken. Im Ergebnis hat der EuGH jedoch die Beschränkung einer Rückwirkung abgelehnt. Vgl. Schütz/Bruha/König, Case Book Europarecht, 413 f. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in der Rs. C-292/04-Meilicke, Urt. v. 10.11.2005, RIW 2005, 954 mit Kommentar von Dautzenberg, wonach dieser vorschlägt, dass es Steuerpflichtigen für vor dem 6.6.2000 (= Tag der Verkündung der Entscheidung in der Rs. C35/98-Verkooijen) bezogene Dividenden nur dann möglich sein soll, sich auf das Urteil zu berufen, wenn sie vor dem 11.9.2004 die Anrechnung ausländischer Körperschaftssteuer beantragt haben oder einen ablehnenden Bescheid angefochten haben. Für Dividenden, die nach dem 6.6.2000 bezogen wurden, unterliegt der Antrag nur den deutschen verfahrensrechtlichen Beschränkungen.
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unanwendbar. Die sich anschließende Frage ist, welche Auswirkungen eine derartige Entscheidung für vergleichbare Rechtsvorschriften anderer Mitgliedsstaaten hat. Zutreffenderweise wird man aus einer Entscheidung des EuGH eine zumindest mittelbare Bindungswirkung auch für vergleichbare Steuerrechtsnormen oder Regelungskomplexe anderer Mitgliedsstaaten ableiten müssen, verbunden mit der Verpflichtung der EU-Kommission, notfalls entsprechende Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten (Art. 226 EGV). In diesem Zusammenhang wird daher aus der Verpflichtung der einzelnen Mitgliedsstaaten zum gemeinschaftsrechtstreuen Verhalten (Art. 10 EGV) abgeleitet, dass die Mitgliedsstaaten entsprechende Rechtsänderungen vornehmen müssen, um eine europarechtskonforme Rechtslage herzustellen.127 III. Bindungswirkung der EuGH-Entscheidungen für den deutschen Gesetzgeber, die Finanzverwaltung und die Rechtsprechungsorgane Die Urteile des EuGH haben, wie innerdeutsche Urteile, zunächst grundsätzlich nur zwischen den am Rechtsstreit beteiligten Parteien eine Bindungswirkung (Bindungswirkung „inter partes“).128 Den Urteilen des EuGH kommt jedoch eine sekundäre Wirkung zu, da diese Urteile und damit die Rechtsprechung des EuGH, die Grundfreiheiten des EG-Vertrages konkretisieren. Das Gemeinschaftsrecht und die, durch die Rechtsprechung des EuGH konkretisierten, Grundfreiheiten sind von den mitgliedsstaatlichen Staatsgewalten zu beachten und umzusetzen. Es gilt der Grundsatz des mitgliedschaftlichen Vollzuges von Gemeinschaftsrecht (Art. 10 EGV).129 Einem Urteil des EuGH, in dem die Rechtslage der betroffenen Grundfreiheiten ausgelegt und konkretisiert wird, kommt Bildungswirkung auf alle ähnlichen und gleichgelagerten Sachverhalte zu, auf die das Gemeinschaftsrecht Anwendung findet (Bindungswirkung „erga omnes“).130 Nach dem gemeinschaftsrechtlichen Prinzip des mitgliedschaftlichen Vollzugs von Gemeinschaftsrecht (Art. 10 EGV) ist in allen Mitgliedsstaaten bei einer vergleichbaren Rechtslage das Gemeinschaftsrecht auch anhand der konkretisierenden Rechtsprechung des EuGH anzuwenden. Das Gemeinschaftsrecht ist damit gegenüber dem staatlichen Recht eines Mitgliedsstaates vorrangig.131 Durch diesen Grundsatz des gemeinschaftsrechtlichen Vorrangs vor den jeweiligen nationalen Vorschriften sind sowohl die Gerichte als auch die Finanzverwaltung ge127 128 129
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Vgl. Schaumburg, Außensteuerrecht, DB 2005, 1129, 1131 Vgl. EuGH Rs. 29/68–Milchkontor, Urt. v. 24.6.1969, Slg. 1969, I-165 ff., AWD 1969, 290 statt vieler, EuGH Rs. C-312/93-Peterbroeck, Urt. v. 14.12.1995, Slg. 1995, I-4599, Rn. 12 ff., RIW 1996, 346; EWS 1996, 107 Ernst & Young, EuGH-Rechtsprechung Ertragsteuerrecht, 53 f. Ist ein deutsches Gericht mit einer vergleichbaren Rechtsfrage befasst, kann es die EuGH-Rechtsprechung zu dieser Frage anwenden oder dem EuGH diese Rechtsfrage erneut vorlegen. Bei vergleichbaren Fällen wird der EuGH seine, zuvor betreffend eines anderen Mitgliedslandes erfolgte, Rechtsprechung erneut bestätigen.
bunden. Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass nicht nur nationale Gerichte, sondern auch sonstige Hoheitsträger verpflichtet sind, nationale Vorschriften richtlinienkonform auszulegen.132 Auch die Finanzbehörden müssen auslegungsbedürftiges innerstaatliches Recht richtlinienkonform auslegen und anwenden.133 Art. 10 EGV verpflichtet alle innerstaatlichen Organe zur Gemeinschaftstreue und zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts. Daher sind nicht nur EU-Verordnungen und EU-Richtlinien, sondern auch das, vom EuGH ausgelegte und konkretisierte, Gemeinschaftsrecht anzuwenden. Die deutschen Finanzbehörden sind gem. Art 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz sowie entsprechend auch an die Entscheidungen des EuGH gebunden.134 Obwohl der Bereich der direkten Steuern nicht vom Harmonisierungsauftrag des EG-Vertrags erfasst wird, müssen die Mitgliedsstaaten ihre diesbezügliche Gesetzgebung dahingehend ausüben, dass sie mit dem EG-Vertrag übereinstimmt.135 Erfolgt dies nicht, geht der EG-Vertrag dem nationalen Recht vor. Mangels spezifischer europarechtlicher Verfahrensvorschriften ist der Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die nationalen Verfahrensregelungen zu gewährleisten. Durch die Leitwirkung des europäischen Rechts entsteht damit auch für das deutsche Steuerrecht ein Überprüfungsmaßstab sowie eine ständig zunehmende Harmonisierung des Steuerrechts der Einzelstaaten der Europäischen Union. Eine, in einer ähnlichen Rechtsfrage betroffene, natürliche oder juristische Person kann sich demnach unmittelbar auf das, in dieser Rechtsfrage bereits ergangene, Urteil des EuGH berufen.136 Das Urteil des EuGH Lasteyrie du Saillant zu der Problematik der Wegzugsbesteuerung von natürlichen Personen entfaltet demnach auch eine Bindungswirkung für die deutschen Staatsgewalten. Das deutsche nationale Recht und auch die hierzu ergehende Rechtsprechung zur Wegzugsbesteuerung müssen sich an den Grundsätzen des EuGH zu diesen Rechtsfragen ausrichten. IV. Zeitliche Wirkung der EuGH-Entscheidungen Die bisherige Entscheidungspraxis des EuGH zeigt, dass die Urteile des Gerichtshofs grundsätzlich mit Rückwirkung, folglich mit Wirkung „ex-tunc“, ergehen.137 Für die Nichtigkeitsklage gegen Gemeinschaftsrechtsakte gemäß Art. 231 EGV hat der EuGH die Möglichkeit, bestimmte Wirkungen einer in diesem Verfahren aufgeho132 133 134
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EuGH Rs. 103/88-Constanzo, Urt. v. 22.6.1989, Slg. 1989, 1839 BFH BStBl. 1992 II, 267 EuGH Rs. C-91/92-Paola Faccini Dori, Urt. v. 14.7.1994; vgl. BFH BStBl. 2002 II, 553; Sachs in: Sachs, GG-Kommentar, Art. 20, Rn. 107 EuGH Rs. C-270/83-Avoir Fiscal, Urt. v. 28.1.1986, Slg. 1986, 273; vgl. BFH IStR 2003, 314 EuGH-Urteile entfalten daher eine faktische Bindungswirkung auch gegenüber einer dritten Partei, die nicht an dem jeweiligen Verfahren Verfahrensbeteiligte war. Es liegt eine Wirkung des EuGH-Urteils „erga omnes“ vor. Vgl. Ernst & Young, EuGH-Rechtsprechung Ertragsteuerrecht, 54
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benen Verordnung für fortgeltend zu erklären.138 Der EuGH muss demnach beurteilen, ob die grundsätzliche „ex-tunc“-Wirkung seiner Urteile durch Übergangsregelungen modifiziert werden sollen. In Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV kann der EuGH in analoger Anwendung des Art. 231 Abs. 2 EGV ebenfalls entscheiden, ob eine Übergangsregelung und damit eine Modifizierung der zeitlichen Wirkung seines Urteils erfolgen soll.139 In den Vorabentscheidungsverfahren wird der EuGH um die Auslegung des Gemeinschaftsrechts angerufen. Die Urteile des Gerichtshofs haben insoweit keine gestaltende Wirkung, da der Gerichtshof nur feststellt, wie eine Norm auszulegen ist. Es ist ersichtlich, dass sich die Entscheidung des EuGH hierbei auf den gesamten Geltungszeitraum einer Norm und damit auch auf die Vergangenheit bezieht.140 Gleichwohl hat der EuGH auch in Vorabentscheidungsverfahren bereits die zeitliche Wirkung seiner Urteile begrenzt. Erstmals erfolgte dies in dem Urteil Defrenne.141 In der Begründung zu dieser Entscheidung betonte der EuGH, dass dem Gerichtshof ein Ermessen bei der Anordnung der zeitlichen Wirkung seiner Urteile zukommt. Allerdings kann die Wirkung eines EuGH-Urteils für die Vergangenheit nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden, da in einem solchen Fall die Diskriminierung für die Vergangenheit faktisch geduldet werden würde. Der EuGH hat seine im Urteil Defrenne entwickelten Grundsätze bis heute beibehalten und lediglich weiter präzisiert. Hinsichtlich der Rückwirkung bei steuerrechtlichen Sachverhalten betonte der EuGH, dass die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einer Vorabentscheidung für einen Mitgliedsstaat ergeben können, für sich alleine die zeitliche Begrenzung der Wirkung des betreffenden Urteils nicht rechtfertigen.142 Trotz der zeitlichen Rückwirkung sind bestandskräftige Verwaltungsakte und Steuerbescheide jedoch grundsätzlich nicht zu korrigieren.143 Zu einem anderen Ergebnis gelangte der EuGH ausnahmsweise in den Urteilen EKW144 und Sürül.145 Hierbei war die maßgebliche Argumentation, dass eine zeitliche Rückwirkung die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme der Mitgliedsstaaten rückwirkend erschüttern
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Vgl. Art. 231 Abs. 2 EGV EuGH Rs.300/86-van Landschoot, Urt. v. 29.6.1988, Slg. 1988, 3443; Rs. C-38/90, C-151/90 (verbundene Verfahren)-Lomas, Urt. v. 10.3.1992, Slg. 1992, I-1781 EuGH Rs. C-453/02, C-462/02 (verbundene Verfahren)-Linnweber/Akritidis, Urt. v. 17.2.2005, Slg. 2005, I-1131 unter Verweis auf Rs. C-367/93, C-377/93 (verbundene Verfahren)-Roders, Urt. v. 11.08.1995, Slg. 1995, I-2229 EuGH Rs. 43/75-Defrenne, Urt. v. 08.04.1976, Slg. 1976, 455 EuGH Rs. C-453/02, C-462/02 (verbundene Verfahren)-Linnweber/Akritidis, Urt. v. 17.2.2005, Slg. 2005, I-1131 unter Verweis auf Rs. C-367/93, C-377/93 (verbundene Verfahren)-Roders, Urt. v. 11.8.1995, Slg. 1995, I-2229; Rs. C-104/98-Buchner, Urt. v. 23.5.2000, Slg. 2000, I-3625 EuGH Rs. C-453/00-Kühne & Heitz, Urt. v. 13.1.2004, Slg. 2004, I-837 EuGH Rs. C-437/97-EKW, Urt. v. 9.3.2000, Slg. 2000, I-1157 EuGH Rs. C-262/96-Sürül, Urt. v. 4.5.1999, Slg. 1999, I-2685
würde. Zudem bestand eine objektive und bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts. V. Eigene Rechtsansicht Obgleich die grundsätzliche Rückwirkung der EuGH-Entscheidungen zu steuerlichen Belastungen für den inländischen Fiskus führt, ist es systemkonform, gerade diese Rückwirkung auch weiterhin zu fordern. Der EuGH stellt die Europarechtswidrigkeit einer Norm fest. Da das Europarecht bereits bei Erlass dieser Norm bestand, ist es konsequent, dass die streitige Norm „als von Anfang an“ europarechtswidrig anzusehen ist. Aufgrund der zeitlichen Rückwirkungen müssten zuvor ergangene steuerliche Belastungen bei Steuerpflichtigen rückwirkend wieder neutralisiert werden. Im Wesentlichen führt dies zu einer rückwirkenden Erstattung von Steuern, die, auf der Grundlage der, nunmehr für europarechtswidrig angesehenen, Regelung erhoben wurden. Diese rückwirkende Steuererstattung belastet die jeweiligen nationalen Haushalte, da regelmäßig ab Erhebung der Steuern bis zur Feststellung der Europarechtswidrigkeit der Norm durch den EuGH mehrere Jahre vergehen. Im Zeitpunkt der sodann zurückzuerstattenden Steuern sind diese Beträge nicht im Haushaltsplan des Staates vorgesehen. Gleichwohl würde eine Rechtsansicht, die eine Wirkung der EuGH-Urteile nur für die Zukunft anerkennt, faktisch zu einer endgültigen Festschreibung der Europarechtswidrigkeit der Norm und der Duldung der Verletzung der Grundfreiheiten führen. Falls eine Wirkung lediglich „ex nunc“ und damit ab dem Zeitpunkt des Urteils bestehen würde, könnten die EU-Mitgliedsstaaten bewusst zunächst europarechtswidrige Normen erlassen und auf dieser Grundlage Steuern erheben. Hierbei wäre einkalkuliert, dass eine EuGH-Entscheidung zu dieser Steuer aufgrund praktischer Gründe erst einige Jahre nach der betreffenden Steuererhebung ergehen würde. Bis zu dieser Entscheidung würde sodann der Staat bewusst die Grundfreiheiten verletzen, ohne mit einer Sanktion rechnen zu müssen. Eine Wirkung „ex-nunc“ leistet einem europarechtswidrigen Verhalten eines Staates Vorschub, da das europarechtswidrige Vorgehen des Staates keine Sanktionen zur Folge hat. Im Hinblick darauf und unter Zugrundelegung des europarechtlichen Leitgedankens zu den Grundfreiheiten müssen die EuGH-Urteile zwingend eine Wirkung „ex-tunc“ haben, da nur auf diese Weise ein abschreckender Sanktionseffekt auf die nationalen staatlichen Gesetzgeber besteht, keine europarechtswidrigen Regelungen zu beschließen. Als Konsequenz der Europarechtswidrigkeit einer Rechtsnorm hat der Gesetzgeber zwei Handlungsmöglichkeiten. Dieser kann die Anwendung der, bislang nur für die Inlandsfälle geltenden, steuergünstigen Regelungen auch auf die Auslandssachver-
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halte erweitern oder die abweichende günstige inländische Regelung beseitigen.146 Durch beide Möglichkeiten wird die Ungleichbehandlung von Inlandssachverhalten zu Auslandssachverhalten beseitigt.147 Dies ist jedoch lediglich der innerstaatliche Ansatz, die festgestellte Europarechtswidrigkeit zu beseitigen. Da sich Deutschland jedoch in einem komplexen Normengefüge befindet, ist der Lösungsansatz, lediglich die innerstaatlichen Regelungen anzupassen, ein verkürzter Lösungsansatz. Vielmehr sollte die Lösung durch die Anpassung supranationaler Normen und Abkommen, beispielsweise der Doppellbesteuerungsabkommen, gefunden werden. Auf diese Weise könnten Konflikte durch das Nebeneinander der verschiedenen Steuerrechtsordnungen vermieden werden.148
C. Der Einfluss der europäischen Grundfreiheiten auf das Steuerrecht Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass das Europarecht den Wirksamkeitsmaßstab für die innerstaatlichen Normen in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bildet.149 An diesem Überprüfungsmaßstab müssen sich damit auch steuerrechtliche Normen der Mitgliedsstaaten messen lassen. Aufgrund der Besonderheiten der steuerrechtlichen Normen für die Finanzierung der nationalen Staatshaus146
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Eine Steuerverschärfung erfolgte beispielsweise anlässlich der Gesellschafterfremdfinanzierung (§ 8 a KStG) und der Dividendenbesteuerung (§ 8 b Abs. 5 KStG). Nach § 8 a KStG a. F. erfolgte bei Vergütungen auf das Fremdkapital, die von einer ausländischen Muttergesellschaft an ihre deutsche Tochtergesellschaft überlassen wurden, eine Umqualifizierung in eine verdeckte Gewinnausschüttung, sofern dadurch eine Überschreitung eines bestimmten Verhältnisses zwischen Eigenkapital und Fremdkapital vorlag. Durch die Entscheidung des EuGH in der Rs. C324/00-Lankhorst-Hohorst (Urt. v. 12.12.2002, Slg. 2002, I-11779) wurde die bislang geltende Fassung des § 8 a KStG a.F. als mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) für unvereinbar erklärt und die Europarechtswidrigkeit der bisherigen Fassung des § 8 a KStG a.F. festgestellt. Entscheidungserheblich war hierbei die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Inlands- und Auslandsfällen durch die Regelung des § 8 a KStG a.F. Um die Europarechtswidrigkeit zu beseitigen, konnte der Gesetzgeber die Regelung des § 8a KStG a.F. entweder streichen oder tatbestandlich auf Inlandssachverhalte erweitern. Letzteres ist erfolgt, so dass aufgrund der notwendigen Beseitigung der festgestellten Europarechtswidrigkeit im Ergebnis eine Steuerverschärfung eingetreten ist. Eine weitere Steuerverschärfung durch die Erweiterung der steuerlich nachteiligeren Auslandsregelung auf den Inlandsfall erfolgte hinsichtlich der Dividendenbesteuerung (§ 8 b Abs. 5 KStG). Nach § 8 b Abs. 5 KStG a.F. wurden Dividendeneinkünfte einer Körperschaft, welche diese direkt oder indirekt über eine inländische Beteiligung bezog, nicht besteuert. Dementsprechend konnten die mit den steuerfreien Dividendeneinkünften zusammenhängenden Betriebsausgaben steuerlich nicht abgezogen werden. Im Falle einer Dividendenzahlung einer ausländischen Tochtergesellschaft an eine deutsche Muttergesellschaft lag ein Abzugsverbot in Höhe von 5 % der ausländischen Dividendenbezüge vor. Damit waren gemäß § 8 b Abs. 5 KStG a.F. im Ergebnis nur 95 % der ausländischen Dividendeneinkünfte steuerbefreit. Folglich lag eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Inlands- und Auslandsfällen vor. Der Gesetzgeber hat bei dieser Ungleichbehandlung durch § 8 b Abs. 5 KStG n.F. mit einer Steuerverschärfung reagiert, indem nunmehr auch bei Dividendeneinkünfte von inländischen Körperschaften nur noch 95 % der Dividendeneinkünfte steuerbefreit sind. Dörr, Organschaft, IStR 2004, 265, 269 Haase, Schlussbesteuerung, IStR 2004, 232, 236 Zum Einfluss der gerichtlichen Entscheidungen des EuGH auf das deutsche Steuerrecht am Beispiel des § 8a KStG, vgl. Neumann, Entwicklung der Steuergesetzgebung unter dem Einfluss des Binnenmarktes, in: Oestreicher, Internationale Steuerplanung, 253 ff.
halte ist zu untersuchen, welche konkreten Auswirkungen die EU-Grundfreiheiten für die deutschen Steuernormen haben und unter welchen Gesichtspunkten ein etwaiger Eingriff in eine EU-Grundfreiheit gerechtfertigt sein kann. Dies insbesondere im Hinblick auf die Sitzverlegung einer inländischen GmbH in einen ausländischen EUStaat und eine etwaige hieraus resultierende Wegzugsbesteuerung. I. Allgemeiner Prüfungsmaßstab bei europarechtlichen Grundfreiheiten Für den Bereich der direkten Steuern sind die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten berechtigt, die Regelungen für die Steuertatbestände für das jeweilige Staatsgebiet zu erlassen. Das Recht, Steuern zu erheben gehört zum Kernbereich der Finanzhoheit eines jeden Staates, so dass diese Befugnis nicht auf die Europäische Union übertragen wurde, sondern bei jedem Staat unmittelbar verblieb.150 Im Bereich der direkten Steuern besteht kein Harmonisierungsauftrag durch das Gemeinschaftsrecht. Der Harmonisierungsauftrag151 nach dem EGV wurde lediglich gemäß Art. 93 EGV für den Bereich der indirekten Steuern verankert.152 Eine Harmonisierung im Bereich der direkten Steuern könnte daher nur auf Art. 94 EGV gestützt werden. Nach dieser Grundnorm sind die Mitgliedsstaaten zur Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften verpflichtet.153 Im Hinblich auf die Regelung von Steuersachverhalten zwischen einzelnen Staaten sind die EU-Mitgliedsstaaten befugt, die Kriterien für die Aufteilung der Steuern und der jeweiligen Steuerhoheit untereinander festzulegen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden oder zu beseitigen.154 Die Auswahl der Staaten bezüglich der unterschiedlichen Anknüpfungskriterien für die Aufteilung der Steuerhoheit untereinander ist hierbei per se keine gemeinschaftsrechtlich verbotene Diskriminierung.155 Allerdings steht die Regelungshoheit der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten unter dem Vorbehalt des Gemeinschaftsrechts. Durch den Abschluss des EG-Vertrags mit seinen Grundfreiheiten haben die einzelnen Staaten sich dem Wertekatalog der Europäischen Union, der in den EU-Grundfreiheiten seine Ausprägung findet, unterworfen. Die einzelstaatlichen Gesetze oder Abkommen müssen den EU-Grundfreiheiten entsprechen. Der EuGH weist hierzu in ständiger Rechtsprechung hin, dass beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts kein Harmonisierungsauftrag der EU für den Bereich der direkten Steuern besteht. Allerdings müssen die Mitgliedsstaaten deren Befugnisse zur Festlegung und Erhebung von direkten 150
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Ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. EuGH Rs. C-311/97-Royal Bank of Scotland, Urt.v. 29.4.1999, DStRE 1999, 520; Rs. C-196/04-Cadbury Schweppes, Urt. v. 12.9.2006, IStR 2006, 670, Rn. 40 Thömmes, in: Lenz, EG-Handbuch, 566 Eine Ausprägung des Harmonisierungsauftrages ist für das Umsatzsteuerrecht zu finden. Dieses wurde auf der Grundlage der EU-Umsatzsteuerrichtlinie angepasst. Klein, Einfluss des Europarechts, 23 EuGH Rs. C-336/96-Gilly, Urt. v. 12.5.1998, Slg. 1998, I-2793 EuGH Rs. C-336/96-Gilly, Urt. v. 12.5.1998, Slg. 1998, I-2793, Rn. 30, 53
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Steuern unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben.156 Sofern sich natürliche und juristische Personen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten durch staatliche Maßnahmen benachteiligt sehen, ist die Berufung auf die EU-Grundfreiheiten zulässig.157 In diesem Zusammenhang hat der EuGH in einer Vielzahl von Entscheidungen158 das Gemeinschaftsrecht hinsichtlich des nationalen Steuerrechts konkretisiert und weiterentwickelt.159 Für den Bereich der direkten Steuern sind im Europarecht insbesondere die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 EGV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EGV) von Relevanz. Ergänzend kommen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EGV), das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 12 EGV) sowie die allgemeine Freizügigkeit für EUBürger (Art. 18 EGV) hinzu. Im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 EGV) geht es um die grenzüberschreitende Ausübung nichtselbstständiger Tätigkeiten, die nach der Rechtsprechung des EuGH durch ein aus Art. 39 EGV abzuleitendes Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot geschützt wird. Diskriminierend ist aus Sicht des EuGH insbesondere, wenn ein Arbeitnehmer, der in einem anderen Mitgliedsstaat als seinem Wohnsitzstaat arbeitet, schlechter behandelt wird als ein Angehöriger dieses anderen Mitgliedsstaats, der sich in einer vergleichbaren Lage befindet. In seiner Schumacker-Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass ein Arbeitnehmer, der sein Einkommen ganz oder fast ausschließlich aus diesem anderen Mitgliedsstaat bezieht, unter Zugrundelegung seiner persönlichen Verhältnisse, nicht höher besteuert werden darf als ein Staatsangehöriger dieses anderen Staates.160 Im Rahmen der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) wird die Niederlassung von Staatsangehörigen oder Gesellschaften (Art. 48 EGV) eines Mitgliedsstaates in einem anderen Mitgliedsstaat geschützt, z.B. zur Ausübung einer selbständigen oder einer gewerblichen Tätigkeit. Zusätzlich fällt auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unter die Niederlassungsfreiheit, sofern diese eine Kontrollmöglichkeit vermittelt.161
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Vgl. beispielsweise EuGH Rs. C-436/00-X und Y, Urt. v. 21.11.2002, Rn. 32; Rs. C-141/99 und C-397/98-Metallgesellschaft/Hoechs (verbundene Verfahren), Urt. v. 8.3.2001, Rn. 37 Birk, Besteuerungsgleichheit in der Europäischen Union, in: Lehner, Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG Band 19, 76 Seit 1985 bis zum 18.7.2007 war in mehr als 100 Steuerfällen die konkrete Ausgestaltung der Steuernormen der nationalen Staaten und deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht der Gegenstand von EuGH-Entscheidungen, vgl. Borgsmidt, Leitgedanken der EuGH-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten in Steuerfällen - eine Bestandsaufnahme, IStR 2007, 802 Vgl. Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, 132 EuGH Rs. C-279/93-Schumacker, Urt. v. 14.2.1995, RIW 1995, 336 Hierbei wird zwischen der primären und der sekundären Niederlassungsfreiheit unterschieden. Bezüglich der Gesellschaften gilt, dass die primäre Niederlassungsfreiheit die unmittelbare Tätigkeit der Gesellschaft durch Verlegung in den Zielstaat ermöglichen soll. Die sekundäre Nieder-
Die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EGV) hingegen schützt den ungehinderten grenzüberschreitenden Kapitaltransfer. Hierunter fallen z.B. Einkünfte aus Minderheitsbeteiligungen („Streubesitz“) oder auch Immobilieninvestitionen. Eine Beschränkung des Kapitalverkehrs liegt dann vor, wenn eine innerstaatliche Maßnahme eines Mitgliedsstaates dazu führt, dass die grenzüberschreitende wirtschaftliche Betätigung für den Steuerpflichtigen unattraktiver wird als die vergleichbare inländische Betätigung.162 Noch ungeklärt ist derzeit die Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Nicht-EU-Staaten. Zum einen wird in Drittstaatenfällen der Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit durch die sog. Stillstandsklausel des Art. 57 Abs. 1 EGV zusätzlich eingeschränkt, zum anderen ist nicht auszuschließen, dass der EuGH im Verhältnis zu Drittstaaten einen anderen Maßstab als im Verhältnis zu EU-Staaten anlegen wird163. Zur europarechtskonformen Ausgestaltung einer Steuernorm im Sinne der EUGrundfreiheiten muss der Besteuerungstatbestand und seine Folgen vom zeitlichen164, räumlichen165, persönlichen und sachlichen Schutzbereich der jeweiligen Grundfreiheit erfasst sein. II. Der Einfluss des Europarechts auf das nationale Steuerrecht Die Rechtsnormen des nationalen Steuerrechts der Mitgliedsstaaten der EU sind zunehmend Gegenstand der Rechtsprechung des EuGH geworden. Während dies auf dem Gebiet der indirekten Steuern schon länger Tradition ist, weil in diesem Bereich auch die Harmonisierung des Steuerrechts der Mitgliedsstaaten formalisiert und dadurch entsprechend fortgeschritten ist166, gibt es im Bereich der direkten Steuern derzeit keinen umfassenden Harmonisierungsauftrag.167 Die direkten Steuern fallen auch nach dem EG-Vertrag in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Ihnen ist freigestellt, ob und in welcher Höhe sie Steuern erheben und wie sie die Bemessungs-
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lassungsfreiheit gewährleistet bezüglich der Gesellschaften, dass diese in dem Zielstaat durch Gründung einer Agentur oder einer Zweigniederlassung wirtschaftlich tätig werden können. Ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. EuGH Rs C-315/02-Lenz, Urt. v. 15.7.2004, IStR 2004, 522 ff.; EuGH Rs. C-319/02-Manninen, Urt. v. 7.9.2004, RIW 2004, 871 Vgl. EuGH Rs. C-492/04-Lasertec, Beschluss v. 10.5.2007, ABl.EG C 155 v. 7.7.2007, 7: das FG Baden-Württemberg hatte dem EuGH die Frage der Vereinbarkeit von § 8 a KStG a. F. mit der Kapitalverkehrsfreiheit in einem Drittstaaten-Fall im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt. Art. 312 EGV Art. 299 EGV Siehe dazu die Sechste Richtlinie 77/388 EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern v. 17.05.1977 sowie die zahlreichen Entscheidungen sowohl des EuGH als auch der Finanzgerichte der Mitgliedstaaten im Bereich der Umsatzsteuer EuGH Rs. 465/03-Kretztechnik, Urt. v. 26.5.2005, DStR 2005, 965 Art. 94 EGV ermächtigt zur Harmonisierung bei den direkten Steuern nur insoweit, als sich die entsprechenden nationalen Regelungen unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des gemeinsamen Markts auswirken. Diese Ermächtigung steht aber unter dem allgemeinen Subsidiaritätsvorbehalt des Art. 5 EGV. Ausfluss dieses (eingeschränkten) Harmonisierungsauftrags sind bisher insbesondere die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Fusionsrichtlinie und deren Änderung sowie die Zins- und Lizenzrichtlinie.
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grundlage und den Steuersatz festlegen.168 Die Mitgliedsstaaten sind gehalten, ihre Regelungskompetenz unter Beachtung und Wahrung des Gemeinschaftsrechts auszuüben. Damit steht der Bereich der direkten Steuern unter dem Gemeinschaftsrechtsvorbehalt.169 Insbesondere bedeutet dies, dass die Mitgliedsstaaten bei der Festlegung der direkten Steuern die Grundfreiheiten beachten und wahren müssen.170 Die Rechtsprechung des EuGH hat in letzter Zeit dennoch zunehmend – gestützt auf die auch für Rechtsnormen des Steuerrechts uneingeschränkt geltenden EU-rechtlichen Grundfreiheiten – faktischen Einfluss auf die nationalen Steuerrechtsordnungen genommen. Dieser auch als „stille Harmonisierung“171 bezeichnete Vorgang hat dazu geführt, dass bei grenzüberschreitenden Steuersachverhalten im Bereich der Anwendbarkeit der EU-rechtlichen Grundfreiheiten, die entsprechende Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen ist. Die Mitgliedsstaaten wurden durch diese Entwicklung vor die Anforderung gestellt, dass die von ihnen unter dem vormals selbstverständlichen Blickwinkel der Steuerhoheit über ihr jeweiliges Staatsgebiet erlassenen Rechtsvorschriften nunmehr an den EU-Grundfreiheiten gemessen und vielfach verworfen werden. Die nationalen Gesetzgeber haben auf diese geänderten Gegebenheiten nur äußerst unzureichend reagiert: Im Wesentlichen wurde versucht, die jeweils vom EuGH verworfene Regelung durch eine – nach Ansicht des nationalen Gesetzgebers – europarechtlich wirksame Klausel zu ersetzen. Nachteilig ist bei dieser Vorgehensweise, dass es diesbezüglich vielfach zu keiner grundlegenden Überprüfung und Änderung der steuerlichen Konzeption kommt. 1. Allgemeiner Schutzbereich der Grundfreiheiten im Steuerrecht Die Grundfreiheiten werden vom EuGH grundsätzlich als Diskriminierungsverbote ausgelegt, welche in ständiger Rechtsprechung des EuGH zu einem allgemeinen Beschränkungs- und Behinderungsverbot ausgeweitet wurden.172 Hierbei ist wie folgt zu unterscheiden: Im sog. Inbound-Fall wird danach gefragt, ob ein vergleichbarer inländischer Steuerpflichtiger besser behandelt wird als der ausländische Steuerpflichtige, der inländische Aktivitäten entfalten möchte (Grundsatz der Inländer-
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Rödder, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 1629, 1630 Nichts anderes meint der EuGH, wenn er in gefestigter Rechtsprechung ausführt: „Die direkten Steuern fallen zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, diese haben jedoch ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts auszuüben”, vgl. EuGH Rs. C-347/04-Rewe Zentralfinanz, Urt. v. 29.3.2007 EuGH seit EuGH Rs. C-279/93-Schumacker, Urt. v. 14.2.1995, Slg. 1995, I-225, Rn. 21, vgl. Körner, Europarecht, IStR 2004, 697, 700 m.w.N. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 10 ff. Vgl. Haslehner, Das Konkurrenzverhältnis der Europäischen Grundfreiheiten in der Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2008, 565; EuGH Rs. 136/78-Auer, Urt. v. 7.2.1979, Slg. 1979, 473 Rn. 16 und 23 f.
gleichbehandlung).173 Zusätzlich ist allerdings aufgrund der Weiterentwicklung der Rechtsprechung des EuGH auch der Steuerpflichtige eines Mitgliedsstaates im sog. Outbound-Fall geschützt. In diesen Fällen wird beurteilt, ob eine vergleichbare rein inländische Aktivität besser gestellt wird als die vergleichbare grenzüberschreitende Aktivität.174 Für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bedeutet dies, dass zu bewerten sein wird, ob eine grenzüberschreitende Sitzverlegung durch staatliche Normen bei den Besteuerungsfolgen nachteiliger behandelt wird, als eine inländische Sitzverlegung. Die Grundfreiheiten schützen auch vor sog. versteckten Diskriminierungen, d.h. Normen, die zwar nicht direkt an die Staatsangehörigkeit oder Ansässigkeit anknüpfen, de facto aber Angehörige anderer Mitgliedsstaaten benachteiligen. 2. Allgemeiner Eingriff in den Schutzbereich Nach der Feststellung, dass der Schutzbereich einer europarechtlichen Grundfreiheit eröffnet ist, muss positiv festgestellt werden, dass ein Eingriff in diese Grundfreiheit erfolgt ist. Bezüglich der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Eingriffes verwendet der EuGH keine einheitliche Terminologie. So führt der EuGH in seinen Entscheidungen aus, dass Verletzungen175, Behinderungen176, Erschwernisse177, Beschränkungen178 der Grundfreiheiten oder ein Verstoß179 gegen die Grundfreiheiten vorliegen. Durch die vorstehende Typologie der Eingriffe ist zunächst jede offene oder versteckte Diskriminierung gemeint, die immer dann gegeben ist, wenn auf vergleichbare Sachverhalte unterschiedliche Regelungen Anwendung finden oder gleiche Regeln auf unterschiedliche Situationen. Entscheidend ist danach, ob sich die betroffene Konstellation von dem inländischen Sachverhalt im Tatbestand signifikant unterscheidet, d.h. objektive Unterschiede bestehen, die eine Andersbehandlung rechtfertigen. Darüber hinaus geht die ganze herrschende Meinung180 davon aus, dass 173
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175 176 177 178 179 180
Vgl. EuGH Rs. 175/88-Biehl, Urt. v. 8.5.1990, Slg. 1990, I-1779 Rn. 14; Rs. C-209/01-Schilling, Urt. v. 13.11.2003, Slg. 2003, I-13389; Rs. C-29/95-Pastoors, Urt. v. 23.1.1997, Slg. 1997, I-300; Rs. C-270/83-Avoir Fiscal, Urt. v. 28.1.1986, Slg. 1986, 273; Rs. C-307/97-Saint-Gobain, Urt. v. 21.9.1999, Slg. 1999,I-6161, Rn. 61 ff.; Rs. C-397/98 und 410/98 (verbundene Verfahren)–Metallgesellschaft und Hoechst, Urt. v. 08.03.2001; Wernsmann, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 30 Rn. 106 ff. EuGH Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004, Slg. 2004, I-2409 ; Rs. C-324/00-Lankhorst-Hohorst, Urt. v. 12.12.2002, Slg. 2002, I-11779 Rn. 44; Rs. C-431/01-Mertens, Beschluss v. 12.9.2002, EuGHE 2002 I, 7073 Rn. 23, 28 ff.; Wernsmann, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 30 Rn. 82 EuGH Rs. C 175/88-Biehl, Urt. v. 8.5.1990, RIW 1990, 846, EWS 1991, 238 EuGH Rs. C-415/93-Bosman, Urt. v. 15.12.1995, Slg. 1995, I-4921 EuGH Rs. C-118/96-Safir, Urt. v. 28.4.1998, Slg. 1998, I-1897 EuGH Rs. 270/83-Avoir Fiscal, Urt. v. 28.1.1986, Slg. 1986, 273 EuGH Rs. C-167/01-Inspire Art, Urt. v. 30.9.2003, ABl.EG C 275 v. 15.11.2003, 10 Vgl. exemplarisch Herdegen, Europarecht, 225; für das Gebiet des Steuerrechts vgl. Terra/Wattel, European Tax Law, 33
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alle Grundfreiheiten auch ein Beschränkungsverbot enthalten, welches eine unterschiedslose – also nicht diskriminierende – rechtliche oder tatsächliche Behinderung der Grundfreiheiten verbietet. Tatbestandliche Eingriffe in europarechtliche Grundfreiheiten stellen nicht per se auch einen rechtswidrigen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht dar. Sie können durch Rechtfertigungsgründe getragen sein. Abstrakt formuliert bedeutet dies, dass Eingriffe durch zwingende Allgemeininteressen unter der Bedingung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit der Eingriffsmaßnahme EU-rechtlich gerechtfertigt sein können.181 3. Allgemeine Rechtfertigungsgründe für Eingriffe in die Grundfreiheiten durch steuerrechtliche Normen Aus dem Eingriff einer staatlichen Norm in eine Grundfreiheit folgt noch nicht unmittelbar deren Europarechtswidrigkeit. Bestimmte Grundfreiheiten enthalten spezielle Eingriffsvorbehalte.182 Ein Eingriff in die Grundfreiheiten ist nur dann europarechtswidrig, wenn dieser nicht gerechtfertigt ist. Diesem Grundsatz folgt auch die Rechtsprechung des EuGH, nach der eine Beschränkung der Grundfreiheiten unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt werden kann.183 Es besteht der allgemeine Rechtfertigungskatalog des Art. 30 EGV. Zudem besteht als besondere Rechtfertigungsschranke, dass der Eingriff nach der Vier-Konditionen-Lehre184 nur gerechtfertigt ist, wenn die Beschränkung der Grundfreiheit nicht in diskriminierender Weise erfolgt, ein legitimes, mit dem EG-Vertrag zu vereinbarendes, Ziel verfolgt und zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dient.185 Zudem muss die Beschränkung zur Erreichung des Ziels geeignet sein und darf nicht über das zur Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinausgehen.186 Lässt sich ein Eingriff nicht rechtfertigen, so liegt ein Verstoß gegen das Europarecht vor. Hieraus folgt, dass das jeweilige nationale Recht aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht angewendet werden darf.187
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EuGH Rs. C-55/94-Gebhard, Urt. v. 30.11.1995, Slg. 1995, I-4165, 4197, RIW 1996, 160 Beispielsweise Art. 36 Abs. 1, Art. 55 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 EGV Körner, Europarecht, IStR 2004, 697, 700; Körner, § 8 a KStG, IStR 2004, 253, 261; Schindler, Wegzugsbesteuerung, IStR 2004, 300, 303 ff. Müller-Graff, in : Streinz, EU/EG, Art. 43, Rn. 70 ff.; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EU/EG, Bd. 1, Art. 43 EG Rn. 104 ff, 114 ff. EuGH Rs. C-55/94-Gebhard, Urt. v. 30.11.1995, Slg. 1995, 4165; Rs. C-9/02Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004 Stapperfend, Einfluss der Grundfreiheiten, FR 2003, 165, 168; Schindler, Wegzugsbesteuerung, IStR 2004, 300, 308 Vgl. zur Kollision des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht, Schroeder, in: Streinz, EU/EG, Art. 249 EG, Rn. 40
4. Rechtfertigungsbegründungen bei Besteuerungssachverhalten Zur Ermittlung einer in Betracht kommenden Rechtfertigung ist auf einer abstrakten Stufe ein akzeptabler Rechtfertigungsgrund für die jeweilige Beschränkung zu ermitteln. Sodann ist dieser abstrakte Rechtfertigungsgrund im konkreten Fall auf deren Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.188 Dieser unbestimmte Rechtsbegriff des „akzeptablen Rechtfertigungsgrundes“ wurde durch die EuGH-Rechtsprechung konkretisiert. Dogmatisch kommt eine Rechtfertigung nur durch „zwingende Gründe des Allgemeinwohls“ in Betracht. Um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht zu werden, kommt bei einem Eingriff in eine Grundfreiheit durch eine Steuernorm auch nur eine Rechtfertigung aus steuerlichen Gründen in Betracht.189 Rechtfertigungsgründe außerhalb des Steuerrechts scheiden von vornherein aus. Aufgrund des hohen Schutzgutcharakters der Grundfreiheiten können Eingriffe in diese Freiheitsrechte nur bei eng auszulegenden Rechtfertigungsgründen gerechtfertigt sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nur wenige Gründe bereits auf einer abstrakten Prüfungsebene geeignet, diese Eingriffe grundsätzlich zu rechtfertigen.190 Die Rechtfertigungsgründe bilden hierbei einen Teil der vom EuGH entwickelten allgemeinen Schemata aller Grundfreiheiten. Die Rechtfertigungsgründe haben selbst eine Entwicklung in der Rechtsprechung des EuGH durchlaufen. Seit 1985, als vom EuGH fortan auch Steuerfälle geprüft und beurteilt wurden, entwickelte der EuGH eine Kasuistik zu den anerkannten und den nicht anerkannten Rechtfertigungsgründen im Bereich des Steuerrechts. Hierbei ist die Anerkennung von Rechtfertigungsgründen der Ausdruck der bei den Mitgliedsstaaten verbliebenen Zuständigkeiten. Hierzu zählen nicht nur das materielle Steuerrecht, die Aufteilung der Steuerhoheit der Mitgliedsstaaten untereinander, sondern auch die Steuerkontrolle und die Bestimmung der Begriffe „Steuerhinterziehung“ und „Steuerumgehung“.191 Nachstehend werden daher die Rechtfertigungsgründe dargestellt, die in den EuGH-Verfahren zu Steuernormen regelmäßig von den betroffenen EU-Mitgliedsstaaten zu Rechtfertigung der Eingriffswirkung durch deren nationalen Steuernormen vorgebracht werden.
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Cordewener, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 6, 7 ; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 322 ff. Engert, Umstrukturierungen, DStR 200, 664, 666 Wernsmann, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 30 Rn. 112 ff. Auch bei gleichbleibendem Vertragstext des EGV vollzieht sich in diesem Bereich eine Entwicklung. Durch die Amtshilferichtlinie und die Beitreibungsrichtlinie der EU, sollen u.a. auch die Interessen der Mitgliedsstaaten, die durch Steuerhinterziehung bedroht werden, berücksichtigt werden. Auf der Grundlage der Beitreibungsrichtlinie werden Vollstreckungstitel aus anderen Mitgliedsstaaten unmittelbar anerkannt und ohne weitere Maßnahmen als inländische Vollstreckungstitel behandelt. Dies stellt die Durchsetzung von staatlichen Steueransprüchen auch bei einem Wegzug des Steuerpflichtigen in einen anderen Mitgliedsstaat sicher.
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a) Vermeidung von Steuervorteilen Aufgrund des unterschiedlichen Besteuerungsniveaus in den unterschiedlichen EUMitgliedsstaaten entsteht ein Steuergefälle zwischen den einzelnen Staaten. Eine steuerpflichtige Gesellschaft kann durch Ausübung der Niederlassungsfreiheit und eine entsprechende Sitzverlegung in den Staat mit dem geringeren Besteuerungsniveau das unterschiedliche steuerliche Gefälle der EU-Mitgliedsländer nutzen, um den sich hieraus ergebenden Wettbewerbsvorteil einer geringeren Besteuerung zu beanspruchen. Gleichwohl werden staatliche Maßnahmen, die es verhindern sollen, dass die Unternehmen diese steuerlichen Vorteile nutzen können, vom EuGH nicht als Rechtfertigungsgründe für den Eingriff in Grundfreiheiten anerkannt.192 b) Vereinfachung der Steuererhebungen Staatliche Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Steuererhebung zu vereinfachen, mit der Konsequenz, dass sich diese Maßnahmen ebenfalls als Eingriffe in die Grundfreiheiten auswirken, werden vom EuGH nicht als Rechtfertigungsgründe anerkannt.193 c) Fehlende Harmonisierung der direkten Steuern in der EU Eine grundfreiheitseinschränkende staatliche Maßnahme kann auch nicht mit dem Hinweis gerechtfertigt werden, dass die direkten Steuern in der EU noch nicht harmonisiert sind.194 d) Sicherstellung einer lückenlosen Besteuerung Das staatliche Bedürfnis, eine lückenlose Besteuerung sicherzustellen, ist ebenfalls kein ausreichender Rechtfertigungsgrund.195 e) Verhinderung von Steuermindereinnahmen Der wohl häufigste von den am Rechtsstreit beteiligten Regierungen der EU-Staaten vorgebrachte Rechtfertigungsgrund ist derjenige, durch die staatlichen Beschränkungen der Grundfreiheiten, Steuermindereinnahmen verhindern zu wollen. Der EuGH verwirft diesen Begründungsansatz für einen Rechtfertigungsgrund.196 Ein solches Ziel, welches rein wirtschaftlicher und haushaltspolitischer Natur ist, kann kein aus192
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EuGH Rs. C-294/97-Eurowings, Urt. v. 26.10.1999, Slg. 1999, I-7447, Rn. 43ff.; Rs. C-307/97Saint-Gobain, Urt. v. 21.9.1999, Slg. 1999, I-6161, Rn. 54; Rs. C-330/91-Commerzbank, Urt. v. 13.7.1993, Slg. 1993, I-4017, Rn. 16 ff.; Rs. 270/83-Avoir Fiscal, Urt. v. 28.1.1986, Slg. 1986, 273, Rn. 21 EuGH Rs. C-87/99-Zurstrassen, Urt. v. 16.5.2000, Slg. 2000, I-3337, Rn. 24 f.; Rs. C-279/93Schumacker, Urt. v. 14.2.1995, Slg. 1995, I-225, Rn. 43 ff. EuGH Rs. C-204/90-Bachmann, Urt. v. 28.1.1992, Slg. 1992, I-249, Rn. 10 f.; Rs. C-270/83Avoir Fiscal, Urt. v. 28.1.1986, Slg. 1986, 273 Rn. 23 EuGH Rs. C-35/98-Verkooijen, Urt. v. 6.6.2000, Slg. 2000, I-4071, Rn.60; Rs. C-307/97-SaintGobain, Urt. v. 21.9.1999, Slg. 1999,I-6161, Rn. 61 ff. EuGH Rs. C 264/96-ICI, Urt. v. 16.7.1998, Slg. 1998, 4695; Rs. C-307/97-Saint Gobain, Urt. v. 21.09.1999, Slg. 1999, 6161; Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004
reichender Rechtfertigungsgrund sein.197 Obgleich der Finanzbedarf nationaler Haushalte ein legitimes Ziel darstellt, können jedoch keine auf Steuereinnahmen gerichtete Steuergesetze erlassen werden, die europarechtswidrig sind. f) Negative Auswirkung auf die Haushaltslage Die aus Sicht des betroffenen EU-Staates sich ergebenden negativen Auswirkungen einer EuGH-Entscheidung auf die Haushaltslage der betroffenen Mitgliedsstaaten stellt keine Rechtfertigung dar198 und hat den EuGH bisher auch nicht dazu bewogen, die zeitliche Wirkung seiner Entscheidungen zu beschränken.199 In diesem Zusammenhang wird von den Mitgliedsstaaten zur Begründung angeführt, dass die Rückwirkung der solchen EuGH-Entscheidung unverhältnismäßig ist, da der durch die EuGH-Entscheidung betroffene Staat, die zuvor erhobenen Steuern nunmehr für einen rückwirkenden Zeitraum wieder an das Steuersubjekt zurückerstatten muss. Diese finanziellen Belastungen seien jedoch nicht in den Haushaltsplänen der Staaten vorgesehen, so dass sich aus den Rückzahlungspflichten der Staaten unverhältnismäßige Belastungen für den betreffenden Staat ergeben. Der EuGH lässt diesen Begründungsansatz gleichwohl nicht zu, denn europarechtswidrige staatliche Maßnahmen sind von Beginn an unzulässig, so dass auch die Rechtswidrigkeit von Beginn an – und damit rückwirkend – festgestellt werden muss.200 g) Verhinderung der Steuerflucht Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerflucht sind ebenso keine, durch den EuGH anerkannten, Rechtfertigungsgründe, sofern diese allgemein und nicht auf den Einzelfall bezogen wirken.201 Zudem ist die Ausnutzung eines Steuergefälles in der EU nach der Rechtsprechung des EuGH kein Gestaltungsmissbrauch sondern eine legitime Ausübung der Grundfreiheiten.202 h) Kohärenz des Steuerrechts Als möglicher Rechtfertigungsgrund ist zunächst das Kohärenzargument zu nennen, auch wenn es in der bisherigen Rechtsprechung des EuGH trotz entsprechender Eingaben der Mitgliedsstaaten meist nicht anerkannt wurde. Ein Eingriff in eine 197
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Dieses, durch die EU-Mitgliedsstaaten vertretene, Argument wurde noch in keinem Verfahren durch den EuGH als Rechtfertigungsgrund angesehen, vgl. EuGH Rs. C-307/97-Saint Gobain, Urt. v. 21.9.1999, Slg. 1999, 6161; Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004; Rs. C35/98-Verkooijen, Urt. v. 6.6.2000, Slg. 2000, I-4071, Rn. 48; Rs. C-484/93-Svensson, Urt. v. 14.11.1995, Slg. 1995, I-3955, Rn. 15; Rs. 288/89-Collectieve Antennevoorziening Gouda, Urt. v. 25.7.1991, Slg. 1991, I-4007, Rn. 11 Ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. EuGH Rs.C-446/03-Marks & Spencer, Urt. v. 13.12.2005, IStR 2006, 19 EuGH Rs. C-292/04-Meilicke, Urt. v. 6.3.2007, IStR 2007, 247, Rn. 30 Vgl. beispielhaft EuGH Rs. C-315/02-Lenz, Urt. v. 15.7.2004, Slg. 2004, I-7063 EuGH Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004 EuGH Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004 ; Rs. C-196/04-Cadbury Schweppes, Urt. v. 12.09.2006; Sedemund, Europäisches Ertragssteuerrecht, Rn. 459
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Grundfreiheit ist danach gerechtfertigt, wenn er zur Bewahrung der Kohärenz der nationalen Steuerrechtsordnung bzw. des in Frage stehenden Normkomplexes notwendig ist, weil ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang zwischen konkreten Steuervor- und -nachteilen bei ein und demselben Steuerpflichtigen besteht. Folglich müssen die Regelungen der nationalen Steuersysteme so miteinander verknüpft sein, dass bei dem betroffenen Steuerpflichtigen zwischen dem steuerlichen Nachteil und einer diesen Nachteil kompensierenden Begünstigung ein unmittelbarer funktioneller Sachzusammenhang besteht. Dieser Rechtfertigungsgrund wurde vom EuGH im Bachmann-Urteil anerkannt.203 Dieser Rechtfertigungsgrund wird zwar in ständiger Rechtsprechung weiter bestätigt.204 Gleichwohl weist die Rechtsprechung hierfür keinen weiteren Anwendungsfall auf. Nach einem neueren Verständnis des Kohärenzgedankens soll auch grenzüberschreitend die mit einer Steuerregelung verfolgten Zwecksetzung zu berücksichtigen sein. Selbst wenn der Kohärenzgedanke sachlich einschlägig ist, muss dieser nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch im konkreten Einzelfall und unter Würdigung der Besonderheiten dieses Einzelfalls in verhältnismäßiger und insbesondere erforderlicher Weise umgesetzt werden. i) Kompensation der Diskriminierung durch anderweitige Vorteile Eine Diskriminierung oder eine Beschränkung der Grundfreiheiten kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass diesen Einschränkungen anderweitige Vorteile gegenüberstehen. Eine solche Gesamtbetrachtung und Saldierung der Vor- und Nachteile lehnt der EuGH außerhalb des Kohärenzprinzips ab.205 j) Entgegenstehende Doppelbesteuerungsabkommen Das staatliche Argument, dass bestehende Doppelbesteuerungsabkommen und deren Bindungswirkung es für die Staaten unmöglich machen, EU-Ausländer und -Inländer gleich zu behandeln, wird durch den EuGH nicht anerkannt.206 Es obliegt hierbei den Mitgliedsstaaten, nationale Regelungen zu treffen, die die zuvor beschriebene Rechtslage europarechtskonform ausgestalten. k) Fehlende Aufklärungs- und Vollstreckungsmöglichkeit Von den Mitgliedsstaaten wird in zahlreichen Verfahren das Argument vorgebracht, dass eine nationale Besteuerung eines „auswanderungswilligen“ Steuersubjektes sichergestellt werden muss.207 Sobald das Steuersubjekt aus dem Staat ausscheide, 203 204
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EuGH Rs. C-204/90-Bachmann, Urt. v. 28.1.1992, Slg. 1992, I-249 EuGH Rs. C-80/94-Wielockx, Urt. v. 11.8.1995, Slg. 1995, I-2493; Rs. C-386/04-Centro di Musicologia Walter Stauffer, Urt. v. 14.9.2006, IStR 2006, 675 EuGH Rs. C-270/83-Avoir Fiscal, Urt. v. 28.1.1986, Slg. 1986, 273 EuGH Rs. C-270/83-Avoir Fiscal, Urt. v. 28.1.1986; Slg. 1986, 273 Ständige Rechtsprechung, vgl. EuGH Rs C-315/02-Lenz, Urt. v. 15.7.2004, IStR 2004, 522 ff; Rs. C-397/98 und 410/98 (verbundene Verfahren)–Metallgesellschaft und Hoechst, Urt. v. 8.3.2001; Rs. C-35/98-Verkooijen, Urt. v. 6.6.2000, Slg. 2000, I-4071 Rn.60
könne der Staat einen etwaigen Steueranspruch nicht mehr durchsetzen. Daher müsse eine Besteuerung im letzten Moment der Ansässigkeit des Steuersubjektes im Staat zulässig sein. Diese Argumentation wird vom EuGH stets verworfen.208 Durch die bestehende EU-Amtshilfe- und der EU-Beitreibungsrichtlinie wird ausreichend sichergestellt, dass der Staat seinen Besteuerungsanspruch nicht verliert.209 Der zur Steuererhebung berechtigte Staat kann auf das Steuersubjekt auch zugreifen, wenn das Steuersubjekt aus seinem Staatsbereich in einen anderen Mitgliedsstaat abwandert. Das Bestehen der EU-Amtshilfe- und der EU-Beitreibungsrichtlinie widerlegt damit das vielfach vorgebrachte Argument, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Sachaufklärung erschwert bzw. nicht möglich und eine Vollstreckung der Ansprüche nicht durchsetzbar sei. l) Territorialitätsprinzip Die Bedeutung des Territorialitätsprinzips ist weitestgehend ungeklärt. Durch das internationale Steuerrecht wurden Verteilungsnormen der steuerlichen Kompetenz aufgestellt. Diese binden in den Regelwerken der Doppelbesteuerungsabkommen die Mitgliedsstaaten zwar ein, jedoch verbleibt den Mitgliedsstaaten ein Gestaltungsspielraum. Folglich gilt in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, dass die Aufteilung der Steuerhoheit in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten fällt. In der älteren Rechtsprechung des EuGH wurde dieses Prinzip auf der Tatbestandsebene behandelt. In der neueren Rechtsprechung des EuGH wird dieses jedoch nunmehr auf der Ebene der Rechtfertigungsgründe behandelt.210 Das Territorialitätsprinzip findet demnach in der Rechtsprechung des EuGH ausdrückliche Anerkennung. Demgemäß steht nach der Rechtsprechung des EuGH eine Steuerregelung, wonach für die Berechnung der Bemessungsgrundlage des in einem bestimmten Mitgliedsstaat gebietsfremden Steuerpflichtigen nur die Gewinne und Verluste berücksichtigt werden, die aus deren Tätigkeit in diesem Staat stammen, mit dem im internationalen Steuerrecht verankerten Territorialitätsprinzip, das vom Gemeinschaftsrecht anerkannt wird, im Einklang.211 Hinsichtlich eines grenzüberschreitenden Wegzuges einer GmbH ist das Territorialitätsprinzip jedenfalls unbeachtlich, da es hierbei nicht um die Frage geht, wie ein Besteuerungsrecht aufzuteilen ist oder wie latente Wertsteigerungen besteuert werden dürfen. Es stellt sich lediglich die
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Vgl. bereits EuGH Rs. C-204/90-Bachmann, Urt. v. 28.1.1992, Slg. 1992, I-249 sowie zur folgenden ständigen EuGH-Rechtsprechung, u.a. EuGH Rs C-315/02-Lenz, Urt. v. 15.7.2004, IStR 2004, 522 ff; Rs. C-397/98 und 410/98 (verbundene Verfahren)–Metallgesellschaft und Hoechst, Urt. v. 8.3.2001; Rs. C-35/98-Verkooijen, Urt. v. 6.6.2000, Slg. 2000, I-4071 Rn.60 Vgl. hierzu indirekt: EuGH Rs. C-290/04-FKP Scorpio, Urt. v. 3.10.2006, IStR 2006, 743, Rn. 36 EuGH Rs. C-250/95-Futura, Urt. v. 15.5.1997, Slg. 1997, I-2471 Rn. 22; Körner, § 8 a KStG, IStR 2004, 253, 263 Ständige Rechtsprechung, vgl. beispielsweise in EuGH IStR 2006, 19-Marks & Spencer
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Frage, ob die, zur Ausübung des Besteuerungsrechts erlassenen, Maßnahmen im Einklang mit der Niederlassungsfreiheit stehen. m) Anerkannte Rechtfertigungsgründe Grundsätzlich anerkannte Rechtfertigungsgründe werden in ständiger Rechtsprechung des EuGH bestätigt. In den konkreten Anwendungsfällen für Besteuerungsfälle erscheinen jedoch eher die Grenzen für diese Rechtfertigungsgründe. Bereits in der Casis de Dijon-Entscheidung hat der EuGH die steuerliche Kontrolle als Rechtfertigungsgrund anerkannt.212 In ständiger Rechtsprechung wird dieser Rechtfertigungsgrund auch weiterhin anerkannt.213 In diesem Zusammenhang ist die Wirksamkeit der Steuerkontrollen ein Gesichtspunkt, der einen Mitgliedsstaat dazu berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen, die die klare und eindeutige Feststellung der Höhe der in diesem Staat aufgrund von Beteiligungen am Kapital ausländischer Tochtergesellschaften abzugsfähigen Aufwendungen ermöglichen.214 Trotz dieser grundsätzlichen Anerkennung verweist der EuGH sodann in den praktischen Anwendungsfällen wiederholt auf die EU-Amtshilferichtlinie. Der EuGH weist darauf hin, dass ein Mitgliedsstaat nach der EU-Amtshilferichtlinie die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedsstaates um alle Auskünfte ersuchen kann, die er für die ordnungsgemäße Festsetzung seines Steueranspruchs benötigt. Der Steueranspruch könne sodann auch in einem anderen EU-Staat auf der Grundlage der EU-Beitreibungsrichtlinie vollstreckt werden.215 Der gesetzgeberische Spielraum für darüber hinausgehende Steuergesetze ist daher durch die bereits vorhandene EU-Amtshilfe- und EU-Beitreibungsrichtlinie äußerst begrenzt. III. Eigene Rechtsansicht Die bisherigen Urteile des EuGH zeigen in ihrer Tendenz auf, dass der EuGH den Mitgliedsstaaten nicht zubilligt, mit deren Steuergesetzen in EU-Grundfreiheiten einzugreifen. Insbesondere sind nationale und fiskalpolitische Gründe für einen Eingriff in die Grundfreiheiten nicht ausreichend, diese Eingriffe zu rechtfertigen. Zudem sind auch faktische Erschwernisse bei der Feststellung und der Vollstreckung von Steueransprüchen der jeweiligen Staaten nicht als Rechtfertigungsgründe anerkannt. Letztlich verliert der Staat seinen Steueranspruch nicht, sondern muss die Möglich212 213
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EuGH Rs. C-120/78-Cassis de Dijon, Urt.v. 20.2.1979, Slg. 1979, 649 Vgl. EuGH Rs. C-250/95-Futura, Urt. v. 15.5.1997, DStRE 1997, 514; EuGH Rs. C-347/04, IStR 2007, 291-Rewe Zentralfinanz EuGH Rs. C-347/04, IStR 2007, 291-Rewe Zentralfinanz Vgl. EuGH Rs C-315/02-Lenz, Urt. v. 15.7.2004, IStR 2004, 522 ff; Rs. C-250/95-Futura, Urt. v. 15.5.1997, DStRE 1997, 514; Rs. C-80/94-Wielockx, Urt. v. 11.8.1995, Slg. 1995, I-2493; Rs. C279/93-Schumacker, Urt. v. 14.2.1995, Slg. 1995, I-225; Rs. C-204/90-Bachmann, Urt. v. 28.1.1992, Slg. 1992, I-249
keiten der bestehenden Realisierungsinstrumente in der Europäischen Union, nämlich die EU-Amtshilfe- und EU-Beitreibungsrichtlinie, nutzen. Im Ergebnis ist der Rechtsprechung des EuGH zuzustimmen. Die Grundfreiheiten dienen der Verwirklichung eines einheitlichen EU-Wirtschaftsraumes. Folglich sind diesem Ziel die nationalen Interessen der Mitgliedsstaaten unterzuordnen. Insbesondere die fiskalpolitischen Erwägungen können als Begründung für Eingriffe in die europäischen Grundfreiheiten nicht überzeugen, da andernfalls jeder Staat aus nationalen haushaltspolitischen Gründen in die Grundfreiheiten eingreifen würde. Rechtfertigungstatbestände für Eingriffe in Grundfreiheiten können nicht die Regel, sondern nur eng definierte Ausnahmetatbestände sein. Andernfalls „liefen die Grundfreiheiten leer“ und wären sinnentleert. Ein solches Vorgehen der Nationalstaaten würde jedoch letztlich die Zielsetzung des EG-Vertrages unterlaufen und den Bestand der Grundfreiheiten gefährden. Der EuGH ist damit ein „Hüter der Grundfreiheiten“, der nicht im Einzelinteresse eines Staates die Grundfreiheiten auslegt, sondern dem übergeordneten Ziel der Realisierung der Europäischen Union verpflichtet ist.
D. Die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) als relevante Grundfreiheit bei der Sitzverlegung Aus den zuvor dargestellten Erwägungen bilden die EU-Grundfreiheiten einen Rahmen für die nationalen staatlichen Steuergesetze. Bei dem Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, der Sitzverlegung einer GmbH, können nationale Regelungen, die die Sitzverlegung im Gesellschafts- und Steuerrecht einschränken, sich dahingehend auswirken, dass in Grundfreiheiten der sitzverlegenden Unternehmen eingegriffen wird. Es könnte daher die europäische Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) der sitzverlagernden GmbH betroffen sein. Gemäß Art. 48 EGV untersteht auch eine GmbH als juristische Person des Privatrechts dem Schutz der Niederlassungsfreiheit.216 Es ist nunmehr zu untersuchen, ob die Niederlassungsfreiheit bei solchen die Sitzverlegung einschränkenden staatlichen Maßnahmen verletzt ist und ob Rechtfertigungsgründe hierfür bestehen. I. Schutzbereich Art. 43 EGV garantiert Unionsbürgern (Art. 17 EGV) das Recht auf Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Tätigkeit (primäre Niederlassungsfreiheit).217 Unionsbürgern, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates der EU ansässig sind, wird zudem das Recht zur Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder
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Geiger, EUV/EGV, Art. 48 Rn. 10 f. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 193
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Tochtergesellschaften gewährt (sekundäre Niederlassungsfreiheit).218 Art. 48 EGV stellt Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaates gegründet wurden und ihren Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben219, den Unionsbürgern gleich.220 Der Wortsinn des Art. 43 Abs. 1 und Abs. 2 EGV nimmt hierbei lediglich auf Zuzugsbeschränkungen Bezug.221 Der Wortsinn erfasst damit diejenigen Hemmnisse, die den Gründern der Europäischen Gemeinschaft/Europäischen Union als schwerwiegendst regelungsbedürftig erschienen. Gleichwohl ist unter Einbeziehung der Rechtsprechung des EuGH222 über den eigentlichen Wortlaut der Regelung hinaus auch die Wegzugsfreiheit in den Schutzbereich des Art. 43 EGV mit einzubeziehen.223 Nach allgemeiner Ansicht ist beispielsweise eine transnationale Fusion eine Betätigungsform einer internationalen Niederlassung. Demnach ist die transnationale Fusion eine Möglichkeit, von der Sitzänderung- und Sitzverlegungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, die vom Schutzbereich des Art. 43 EGV erfasst wird und damit unter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit steht.224 Teilweise wird jedoch zwischen den einzelnen Verschmelzungsvarianten unterschieden. Die „Hinausverschmelzung“ beschreibt die Verschmelzung eines inländischen Rechtsträgers auf einen ausländischen Rechtsträger. Die „Hineinverschmelzung“ beschreibt die Verschmelzung eines ausländischen Rechtsträgers auf einen inländischen deutschen Rechtsträger. Der Schutzbereich der Art. 43, 48 EGV erfasst demnach systematisch grenzüberschreitende Unternehmensgründungen. Hierbei ist es unerheblich, auf welchem verbandsrechtlichen Wege diese Gründungen herbeigeführt werden.225 Die grenzüberschrei218 219 220 221
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Tiedje, in Ehlers, Europäische Grundrechte, 240, 251 f. Vgl. Sedemund, Europäisches Ertragssteuerrecht, Rn. 201 f. Fischer/Köck/Karollus, Europarecht, 790, Rn. 1660 Vgl. Roth, Die Wegzugsfreiheit für Gesellschaften, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 385, der bereits aus dem Wortlaut des Art. 43 EGV eine Einschränkung auf die Zuzugsfreiheit entnehmen will. Nach richtiger Ansicht ist diese weitreichende Auslegung abzulehnen, denn gerade aus dem Wortlaut folgt diese Einschränkung nicht, möglicherweise jedoch aus dem Wortsinn der Norm. Die Ausübung der Wegzugsfreiheit darf von dem Sitzstaat, aus dem der Wegzug der Gesellschaft erfolgt, nicht zum Anlass genommen werden, die Gesellschaft zu liquidieren. Dies folgt bereits unmittelbar aus der Urteilsbegründung des EuGH in der Rs. Daily Mail. Der EuGH führt dort (Tz. 16) konsequent zur Niederlassungsfreiheit aus: „(...) die (...) gewährten Rechte (wären) sinnentleert, wenn der Herkunftsstaat Unternehmen verbieten könnte auszuwandern, um sich in einem anderen Mitgliedsstaat niederzulassen.“ Streitig; nach richtiger Ansicht ist jedoch mit den nachfolgenden Darstellungen und Begründungen die Rechtsmeinung zu vertreten, dass die Niederlassungsfreiheit nicht nur auf die Zuzugsfreiheit beschränkt werden kann und daher auch die Wegzugsfreiheit zwingend umfassen muss. Ebenso im Ergebnis, vgl. Roth, Die Wegzugsfreiheit für Gesellschaften, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 385; Pache, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 10 Rn. 168 Hailbronner, Handkommentar EGV, Art. 58 EGV, Rn. 16; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, Stand und Entwicklung, ZGR-Sonderheft 1, 1991, 42; Schlosser, Die gesellschaftlichen Niederlassungen, 83 Franzen, Privatrechtsangleichung, 209; Kloster, Verschmelzung, GmbHR 2003, 1413, 1414; Schön, Europäisches Unternehmensrecht, EWS 2000, 281, 281
tende Verschmelzung, unabhängig ob „Herausverschmelzung“ oder „Hineinverschmelzung“, ist vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst.226 Ein Verschmelzungsvorgang einer GmbH auf einen ausländischen Rechtsträger im Wege der Hinausverschmelzung (§ 122a UmwG) führt im Ergebnis dazu, dass die inländische deutsche GmbH in Deutschland erlischt und das Vermögen ins Ausland auf die aufnehmende Gesellschaft übergeht (§ 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwG). Folglich wäre auf diesem Wege eine Verlegung des inländischen Unternehmensvermögens ins Ausland erfolgt. Damit läge eine faktische Sitzverlegung der GmbH ins Ausland vor, die vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst wäre. Schließlich ist die Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft nach richtiger Ansicht ebenfalls vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst. Die derzeit wohl noch herrschende Ansicht der Rechtsprechung und der Literatur227 erkennt nach der Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH in den Urteilen Centros, Überseering, Inspire Art und Lasteyrie du Saillant nunmehr zumindest die Möglichkeit zur Verlegung des Verwaltungssitzes ins EU-Ausland an. Die von der derzeit noch herrschenden Meinung fehlende Wegzugsfreiheit bezüglich des Satzungssitzes wird überwiegend aufgrund der nicht mehr haltbaren Bezugnahme auf das Daily Mail-Urteil des EuGH begründet.228 Diese die Niederlassungsfreiheit einschränkende Ansicht erscheint sachwidrig. Die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch die Wegzugsfreiheit kann vom Sitz- oder „Heimat“-staat einer Gesellschaft nicht zum Anlass genommen werden, die Gesellschaft durch die Ausübung deren Wegzugsfreiheit aus diesem Anlass zu liquidieren.229 Die Tatsache, dass eine Gesellschaft zunächst nach dem Recht ihres Heimatund erstmaligen Ansässigkeitsstaats gegründet wird, rechtfertigt es nicht, dass den Gesellschaften der Schutz der Niederlassungsfreiheit anlässlich deren Wegzugs in einen anderen EU-Staat verwehrt wird.230 Dies gilt nicht nur für die Verlegung des Verwaltungssitzes, sondern auch für die Verlegung des Satzungssitzes. Denn nur auf diesem Wege ist es möglich, dass eine GmbH von deren Sitzverlegungsfreiheit im Rahmen der Niederlassungsfreiheit umfassend Gebrauch machen kann. Die Niederlassungsfreiheit gewährleistet eine umfassende Mobilität von Gesellschaften (Art. 43, 48 EGV).
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Brecht, Fusion von Kapitalgesellschaften, 265; Kloster, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, 154; EuGH Rs. C-411/03-Sevic, Urt. v. 13.12.2005 Vgl. hierzu im Einzelnen: 2. Kapitel, 2. Teil, B. ff. Vgl. hierzu und zur Begründung 2. Kapitel, 2. Teil, C. I. 1 zustimmend: Baudenbacher/Buschle, Niederlassungsfreiheit für EWR-Gesellschaften, IPRax 2004, 24,26; Eidenmüller, Mobilität und Restrukturierung von Unternehmen, JZ 2004, 24, 29 Roth, Die Wegzugsfreiheit für Gesellschaften, in: Lutter europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 393
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Folglich muss damit auch die umfassende und vollständige Verlegung der GmbH mit deren Verwaltungs- und Satzungssitz dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit unterstellt werden. Dieses erfordert es, dass eine GmbH beim Wegzug nicht einen „Teil“-Sitz, nämlich den Satzungssitz, in Deutschland belassen muss. Denn durch diesen noch verbleibenden Satzungssitz knüpfen sich abermals Rechtfolgen gegenüber der GmbH in Deutschland an. Die Sitzverlegung soll jedoch gerade die vollumfängliche Loslösung der GmbH von Deutschland als ehemaligen Sitzstaat ermöglichen. Nur durch diese Maßnahmen können die bereits beschriebenen Standortvorteile im Ausland im Rahmen einer Sitzverlegung in vollem Umfang genutzt werden. II. Eingriff in den Schutzbereich Art. 43 EGV beinhaltet zunächst ein Diskriminierungsverbot, nachdem eine unterschiedliche Behandlung einer natürlichen oder juristischen Person aufgrund deren Staatszugehörigkeit unzulässig ist. Im Steuerrecht liegt eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht vor, da das Steuerrecht deren Wirkungen nicht an die Staatszugehörigkeit knüpft, sondern der Wohnsitz oder der Sitz des Unternehmens bzw. der Geschäftsleitung der Anknüpfungspunkt für den Steuertatbestand ist. Denkbar sind jedoch Steuertatbestände, die ausländische juristische Personen faktisch stärker treffen als inländische juristische Personen. Diese Ungleichbehandlung wäre ebenfalls vom Diskriminierungsverbot umfasst. Im Rahmen der Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts ist anerkannt, dass die Niederlassungsfreiheit auch ein Beschränkungsverbot enthält.231 Dieses verbietet staatliche Maßnahmen, die faktisch dazu führen, dass natürlichen und juristischen Personen die Ausübung der Niederlassungsfreiheit faktisch erschwert wird, bzw. die Ausübung der Grundfreiheiten behindern oder unattraktiv macht.232 Folglich liegt hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit ein Eingriff vor, wenn die Regelung geeignet ist, die betroffene Person bzw. das Unternehmen vom Gebrauch der Grundfreiheit abzuhalten. Es sind selbst unbedeutende und geringfügige233 Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit verboten.234 Es reicht bereits eine potentielle Beeinträchtigung aus, um den Eingriff in den Schutzbereich zu bejahen.235 Bei der Sitzverlegung einer GmbH durch eine „Herausverschmelzung“ ergeben sich rechtliche Auswirkungen in beiden beteiligten Staaten. Folglich können sich auch Beschränkungen für die Sitzänderung aus beiden beteiligten Rechtsordnungen erge231
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EuGH Rs. C-208/00– Überseering, Urt. v. 5.11.2002, Rn. 78; Schlag, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 43, Rn. 45 ff. EuGH Rs. C-19/92–Kraus, Urt. v. 31.3.1993, Slg. 1993, I-1689 Vgl. EuGH Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004, Tz. 43, RIW 2004, 392 EuGH, Rs. C-251-/98-Baars, Urt. v. 13.4.2000, Slg. 2000, I-2787, Rn. 28 EuGH Rs. 8/74-Dassonville, Urt. v. 11.7.1974, Slg. 1974, 837
ben. Da die transnationale Verschmelzung von der Niederlassungsfreiheit erfasst ist, ist es jedoch unbeachtlich, durch welche Rechtsordnung Einschränkungen entstehen und in welchem Staat sich diese Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auswirkt.236 Die Verschmelzung einer GmbH auf einen ausländischen Rechtsträger erfolgt nur ertragssteuerneutral, d.h. unter Vermeidung der Auflösung der stillen Reserven, soweit das Vermögen der „hinausverschmelzenden“ und dadurch sitzverlegenden GmbH einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet und damit in Deutschland steuerverstrickt bleibt (§ 12 Abs. 2 KStG).237 Damit würde ein vollumfänglicher Wegzug der GmbH aus Deutschland nicht realisiert werden können. Es verbliebe stets ein „Rest“ der GmbH in Deutschland. Andernfalls würden die stillen Reserven aufgedeckt werden. Mit der Auflösung der stillen Reserven würde ein Besteuerungsanspruch gegen die GmbH entstehen. Folglich liegt mit dem Steueranspruch eine faktische Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor, da die Steuerfolgen aufgrund der damit letztlich verbundenen Zahlungspflicht für die GmbH eine Wegzugserschwernis wären. Aus den vorstehenden Einschränkungen folgt, dass obgleich eine faktische Sitzverlegung durch eine transnationale Verschmelzung nicht per se gesetzlich unzulässig ist, sich jedoch aus den praktischen und rechtlichen Wirkungen die genannten steuerlichen Nachteile ergeben. Aufgrund dieser steuerrechtlichen Nachteile wird die Ausübung der Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv als die bloße innerstaatliche Durchführung von Verschmelzungen. Demnach liegen dadurch Eingriffe in den Schutzbereich vor. Eine durch den Wegzug der GmbH realisierte Entstrickung von Wirtschaftsgütern mit der Folge einer Sofortbesteuerung der stillen Reserven wirkt sich als Liquiditätsnachteil aus.238 Einen solchen Liquiditätsnachteil hätte ein Unternehmen bei einer inländischen Sitzverlegung nicht. Folglich ist diese negative Wirkung auf die Liquidität des Unternehmens ebenfalls eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.239 III. Europarechtliche Rechtfertigungsmöglichkeiten Beeinträchtigt die nationale gesellschaftsrechtliche oder steuerrechtliche Gesetzesvorschrift die Niederlassungsfreiheit unmittelbar oder mittelbar, liegt zunächst ein Eingriff vor. Es ist sodann zu untersuchen, ob für den Eingriff eine ausreichende europarechtliche Rechtfertigung vorliegt. Liegt eine solche nicht vor, so ist die nationale Norm europarechtswidrig. 236
237 238 239
Behrens, Grenzüberschreitende Sitzverlegung, IPRax 1989, 354, 369; Gillesen, Europäische transnationale Fusion, 137; EuGH Rs. 81/87-Daily Mail, Urt.v. 27.9.1988, Slg. 1988, 5483, Rn. 16 sog. Betriebsstättenvorbehalt Vgl. hierzu die Darstellung unter 2. Kapitel, 3. Teil, C. ff. Vgl. EuGH Rs. C-397/98 und 410/98 (verbundene Verfahren)–Metallgesellschaft und Hoechst, Urt. v. 8.3.2001
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Hierbei können offene Diskriminierungen nur durch die ausdrücklichen („geschriebenen“), im EG-Vertrag genannten, Gründe240 gerechtfertigt werden. Versteckte Diskriminierungen und Beschränkungen können hingegen daneben auch durch „zwingende Gründe des Allgemeinwohls“ gerechtfertigt werden. Bei der Anwendung der Rechtfertigungsgründe ist jedoch stets das Verhältnismäßigkeitsprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts zu beachten. Diese Schranke gilt auch für den ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der zwingenden Allgemeininteressen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert im Einzelnen, dass die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Schließlich muss der konkrete Eingriff angemessen sein, d.h. er darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des verfolgten Zieles stehen. Der EuGH beschränkt seine Prüfung jedoch, wie auch bei den anderen Grundfreiheiten, auf die ersten beiden Elemente. Die in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe sind zudem in Bezug auf die konkrete Norm zu ermitteln, die in die Niederlassungsfreiheit eingreift.
E. Zwischenergebnis Die Bundesrepublik Deutschland hat sich durch deren Beitritt zur Europäischen Union den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, dem EG-Vertrag und in diesem Zusammenhang insbesondere den EU-Grundfreiheiten unterworfen. Diese EU-Grundfreiheiten bilden einen Wertemaßstab, an dem die nationalen Regelungen der Mitgliedsstaaten gemessen werden. Zudem sind auch Regelungen der EU-Organe, insbesondere EU-Verordnungen und EU-Richtlinien an diesen Grundfreiheiten zu messen. Das EU-Sekundärrecht mit seinen Verordnungen und Richtlinien muss ebenfalls mit dem europäischen Primärrecht vereinbar sein. Der EuGH wacht im Rahmen seiner Rechtsprechung über die Einhaltung der EU-Grundfreiheiten und erklärt nationale Normen für europarechtswidrig, die in diese Grundfreiheiten eingreifen, ohne dass ein Rechtfertigungsgrund hierfür vorliegt. Die Nationalstaaten verfolgen insbesondere bei Steuergesetzen eigene haushaltspolitische Interessen, so dass vielfach versucht wird, Steueransprüche zu realisieren, obgleich damit eine Verletzung der Grundfreiheiten verbunden ist. Die jeweiligen Rechtfertigungsgründe, die von den Nationalstaaten wegen des dadurch häufig verbundenen Eingriffs in Grundfreiheiten vorgebracht werden, werden in der Rechtsprechung des EuGH weitestgehend nicht anerkannt. Der EuGH erkennt insbesondere nationale fiskale Interessen nicht an, die einen Steueranspruch sichern sollen, aber dadurch in Grundfreiheiten eingreifen. Dies ist auch konsequent, denn andernfalls wären die Grundfreiheiten sinnentleert. Im Zusammenhang mit der Sitzverlegung einer GmbH ist festzustellen, dass eine solche durch die Verlegung des Verwaltungssitzes als 240
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Vgl. Art.58 Abs.1 lit. a EGV im Bereich des Steuerrechts
auch des Satzungssitzes erfolgen kann. Nach richtiger Ansicht kann eine vollständige Verlagerung der GmbH in einen ausländischen EU-Staat jedoch nur durch eine umfassende Verlegung der GmbH und damit nur mit der Verlegung des Verwaltungsund des Satzungssitzes der GmbH erfolgen. Hierbei wird nicht verkannt, dass auch eine „Herausverschmelzung“ einer GmbH auf einen ausländischen Rechtsträger zu einer faktischen Sitzverlegung führt. Alle diese Sitzverlegungstatbestände sind dem Grunde nach von der Niederlassungsfreiheit als maßgebliche EU-Grundfreiheit erfasst. Inwieweit dieser Eingriff in die Niederlassungsfreiheit europarechtlich gerechtfertigt ist, bleibt stets eine Frage des Einzelfalls und der Norm, die zu einem Eingriff in die Grundfreiheit führt.
2. Teil Gesellschaftsrechtliche Sitzverlegungsmöglichkeiten Nach der durchgeführten Analyse zum europäischen Normenrahmen, der durch das Gemeinschaftsrecht für das Steuerrecht und das Gesellschaftsrecht besteht, ist ersichtlich, dass die deutschen Rechtsvorschriften, die die Grundlage für die Sitzverlegung einer GmbH bilden, ebenfalls mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein müssen. Die Fragestellung dieser Arbeit kann nur beantwortet werden, wenn zunächst gesellschaftsrechtlich die Möglichkeit eröffnet ist, das eine GmbH deren Sitz in das EU-Ausland verlegt. Sofern sich aus der Untersuchung ergeben sollte, dass keine rechtliche Grundlage für eine solche Sitzverlegung der GmbH vorliegt, kann die Sitzverlegung nicht durchgeführt werden. Eine steuerrechtliche Prüfung hinsichtlich der aus der Sitzverlegung folgenden Konsequenzen wäre demnach obsolet. Folglich ist nachstehend zu untersuchen, auf welcher Grundlage die GmbH ihren Sitz in das EU-Ausland verlegen könnte.
A. Grundsätzliche Sitzverlegungsmöglichkeiten Zur Umsetzung einer Sitzverlegung müssten entsprechende gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten vorhanden sein, die im Ergebnis eine Verlegung der GmbH in das EUAusland ermöglichen würden. Denkbar wären zunächst Regelungen im Gemeinschaftsrecht, die eine solche Sitzverlegung ermöglichen würden. Das Recht der Kapitalgesellschaften in Europa gilt als das am dichtesten harmonisierte Rechtsgebiet im Gemeinschaftsrecht. Neuerdings steht für Gestaltungsmaßnahmen die Europäische Gesellschaft (SE) mit der Möglichkeit zur Sitzverlegung zur Verfügung.241 Für den mittelständischen Bereich liegt bereits der EU-Verordnungsentwurf zur Einfüh241
Die SE kann unter Wahrung von deren Rechtspersönlichkeit ihren Sitz in der EU verlegen. Hierbei ist ein Auseinanderfallen von Verwaltungssitz und Satzungssitz unzulässig (Art. 8 Abs. 1 SEVO), vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 183
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rung der Europäischen Privatgesellschaft (SPE) vor. Zudem liegt mit der EU-Verschmelzungsrichtlinie242 ein einheitlicher Rechtsrahmen vor, um eine GmbH über die Staatsgrenzen hinaus mit einer anderen Gesellschaft eines europäischen Staates zu verschmelzen. Der deutsche Gesetzgeber hat die EU-Verschmelzungsrichtlinie zwischenzeitlich auch in nationales Recht durch die Reform des Umwandlungsgesetzes und dem Umwandlungssteuergesetz umgesetzt.243 Eine explizite Regelung der Sitzverlegung einer Gesellschaft ist bislang gleichwohl nur für die SE erfolgt. Gemäß Art. 8 Abs. 1 SE-VO kann eine SE deren Sitz in einen anderen EU-Mitgliedsstaat verlegen. Von dieser Möglichkeit abgesehen liegt keine rechtliche Regelung für Sitzverlegungen von Gesellschaften über die Grenzen hinweg weder auf europäischer noch auf deutscher Rechtsebene vor. Um eine Sitzverlegung von einer GmbH zu vollziehen, sind daher zunächst Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, die eine solche Gestaltungsmaßnahme grundsätzlich ermöglichen könnten. Als einfachste denkbare Variante für diese Umsetzung eines „Wegzuges“ einer GmbH kommt der Vollzug einer formalrechtlichen Sitzverlegung – die Verlegung des Satzungssitzes – der Kapitalgesellschaft in das EU-Ausland in Betracht. Der Satzungssitz wird allein durch den Ort bestimmt, den die Gesellschafter der GmbH bestimmt und in der Satzung der Gesellschaft festgeschrieben haben. Gleichwohl kann das unternehmerische Ziel einer Sitzverlagerung in das EU-Ausland nicht nur durch eine formale Sitzverlegung durchgeführt werden. In Betracht könnte ebenfalls die Verlegung des Verwaltungssitzes der GmbH kommen. Hierbei würde der Satzungssitz in Deutschland verbleiben. Der Verwaltungssitz wird faktisch bestimmt. Dieser befindet sich unabhängig von einer rechtlichen Zuordnung des Satzungssitzes an dem Ort, an dem die „Geschicke der Gesellschaft“ gelenkt und gesteuert werden. Dies ist der Ort der „geschäftlichen Oberleitung“ der Gesellschaft. Bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland würde die „geschäftliche Oberleitung“ der GmbH jedoch vom Ausland aus erfolgen. Die GmbH wäre faktisch ins Ausland verzogen. In Deutschland verbliebe nur der Satzungssitz. Des Weiteren könnte grundsätzlich noch in Betracht gezogen werden, ob die GmbH nicht durch andere Gestaltungsmaßnahmen deren Sitz in das Ausland verlegen könnte. Für das unternehmerische Ziel ist entscheidend, dass die Kapitalgesellschaft 242
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Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten Im Hinblick auf diese zwei Gestaltungsmöglichkeiten hat die EU-Kommission deren Arbeiten an einer EU-Sitzverlegungsrichtlinie (14. gesellschaftsrechtliche Richtlinie) eingestellt. Nach Ansicht der EU-Kommission liegen mit der SE und der Verschmelzungsrichtlinie ausreichende rechtliche Instrumente zur Umsetzung einer Sitzverlegung für eine Gesellschaft vor, vgl. Mitteilung der EUKommission vom 12.12.2007, SEC (2007) 1707, abrufbar unter: ec.europa.eu/internal_market/company/seat-transfer/index_de.htm
nach dem Vollzug der Gestaltungsmaßnahme im Ausland ansässig ist. Für die Umsetzung dieser Gestaltung kommt daher neben der „Sitzverlegung“ auch eine faktische Sitzverlagerung durch die Verschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine, im EU-Ausland befindliche, Gesellschaft in Betracht. Durch diesen Verschmelzungsvorgang könnte das unternehmerische Gestaltungsziel ebenso umgesetzt werden. Die zunächst in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft ist nach dieser „Hinausverschmelzung“ aus Deutschland auf eine, im EU-Ausland befindliche, Gesellschaft verschmolzen und fortan nicht mehr in Deutschland ansässig. Durch die „Hinausverschmelzung“ hätte eine Sitzänderung bzw. eine Sitzverlagerung faktisch stattgefunden. Zudem könnte eine faktische Sitzänderung einer in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaft nicht nur durch die Sitzänderung der gesamten Kapitalgesellschaft vollzogen werden, sondern es könnte ausreichend sein, die betreffenden Funktionsteile der deutschen Kapitalgesellschaft auf eine, im EU-Ausland befindliche, Gesellschaft zu übertragen. Gesellschaftsrechtlich käme hierzu eine grenzüberschreitende Aufspaltung, Abspaltung oder Teilübertragung eines Teils der Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Gesellschaft in Betracht.244 Schließlich könnte sich anbieten, die Sitzänderung der deutschen Kapitalgesellschaft durch die Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) zu vollziehen. Nach der SE-Verordnung können zwei Aktiengesellschaften mit Sitz in unterschiedlichen EU-Mitgliedsstaaten durch eine Verschmelzung miteinander eine SE mit einem ausländischen Sitz gründen. Durch die Gründung der SE würde die zuvor in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft ihren Sitz aus Deutschland in den neuen Ansässigkeitsstaat der SE verlagern. Die dargestellten Gestaltungsansätze zeigen auf, dass der Sitz nicht nur durch eine formale Sitzverlegung ins Ausland verlegt werden kann. Allerdings erfordern diese weiteren Möglichkeiten zusätzliche Gestaltungsmaßnahmen. Zudem bietet sich die Sitzverlegung durch Gründung einer SE für ein einfaches mittelständische Unternehmen nicht an, da diese Gestaltungsmaßnahme mit einem hohen und für den Mittelständler nicht zumutbaren finanziellen Aufwand verbunden ist.245 Diese Gestaltungsmöglichkeiten sollen daher in dieser Arbeit nicht näher untersucht werden. Vielmehr besteht das, in 1. Kapitel beschriebene, Ausgangsinteresse eines mittelständischen Unternehmers darin, durch eine „einfache“ und kostengünstige Sitzverlegung, wie dies innerhalb von Deutschland möglich ist, den Sitz der beste244
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Der Gesetzgeber hat diese Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis erkannt und darauf mit der Änderung von § 1 AStG und der Besteuerung von Funktionsverlagerungen (§ 1 Abs. 3 AStG) reagiert. Inwieweit die zukünftige Europäische Privatgesellschaft (SPE) eine sachgerechte Alternative ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Es liegt lediglich ein Entwurf einer entsprechenden EU-Verordnung vor.
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henden GmbH in das EU-Ausland zu verlegen. Folglich ist die weitergehende Untersuchung auf diese Möglichkeit hin zu beschränken.
B. Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft Die Zulässigkeit für eine etwaige Sitzverlegung einer, in Deutschland ansässigen, GmbH bestimmt sich nach den Regelungen des deutschen Gesellschaftsrechts, den europäischen Grundfreiheiten und dem entsprechenden EU-Sekundärrecht (Verordnungen und Richtlinien). Entscheidend ist zudem das Werteverhältnis der unterschiedlichen Rechtsnormen zueinander. Hierbei ist entscheidend, dass der ranghöchste Überprüfungsmaßstab für eine Regelung durch das Europarecht, insbesondere durch die europarechtlichen Grundfreiheiten, festgelegt wird. Deutsche innerstaatliche Rechtsnormen sind stets im Lichte der Grundfreiheiten auszulegen und deren Wirksamkeit richtet sich letztlich nach der Vereinbarkeit mit den europäischen Grundfreiheiten. I. Verlegung des Verwaltungssitzes nach deutschem Recht Im Hinblick auf die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft ins EU-Ausland wurde bislang von der Rechtsprechung246 und der Literatur247 die Ansicht vertreten, dass der Satzungssitz und der Verwaltungssitz nicht voneinander getrennt werden könnten. Nach diesen Ansichten folgte aus dem deutschen Sachrecht und dem Kollisionsrecht, dass der Satzungssitz nicht ins Ausland verlegt werden könnte, da der Satzungssitz einer Gesellschaft zwingend mit der Rechtsordnung verbunden ist, nach deren Recht die Gesellschaft gegründet wurde. Aufgrund der „Untrennbarkeit“ von Satzungs- und Verwaltungssitz könne damit auch der Verwaltungssitz nicht ins Ausland verlegt werden. Diese Rechtsansicht wandelte sich im Zuge der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit. Diese Rechtsprechung und die konsequente Weiterentwicklung der Niederlassungsfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH erfordern eine Neubewertung der Fragestellung zur Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes einer Gesellschaft in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. 1. Rechtsstand bis zum EuGH-Urteil Lasteyrie du Saillant Verlegt eine deutsche Kapitalgesellschaft ihren Satzungssitz ins Ausland, hatte dies nach der Rechtsprechung und einer vertretenen Meinung bislang die Auflösung der
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BayObLG ZIP 1992, 842; RGZ 7, 68 und RGZ 88, 53; OLG Hamm DB 1997, 1865; OLG Hamm NJW 2001, 2183; OLG Düsseldorf NJW 2001, 2184 Vgl. z.B. Leible in: Michalski, GmbHG, Bd. 1, Systematische Darstellung 2, Rn. 131; Großfeld in: Staudinger, Kommentar zum BGB, IntGesR, R. 617; weitere Nachweise bei Kindler in: Münchner Kommentar, BGB, IntGesR, Rn.393, Fn. 856
Gesellschaft und damit ihre Liquidation zur Folge.248 Die Verlegung des Satzungssitzes wurde als unzulässige „Flucht“ aus dem deutschen Gesellschaftsstatut angesehen. Diese war nach den benannten Ansichten gemäß deutschem materiellem Gesellschaftsrecht, unabhängig von der Anerkennung einer solchen Verwaltungssitzverlegung im Zuzugsstaat, unzulässig.249 Das deutsche Gesellschafts-echt untersagte für die GmbH mit § 4a Abs. 2 GmbHG, im Gegensatz zum niederländischen oder dem britischen Gesellschaftsrecht, den Wegzug einer GmbH und sanktionierte diese Maßnahme mit der Zwangsauflösung der Gesellschaft. Als Wegzug galt nicht nur die Verlegung des Satzungssitzes, sondern bereits die Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland. Hieran anknüpfend versagte auch die Rechtsprechung die Verlegung des Verwaltungssitzes. Die deutsche Rechtsprechung250 begründet diese Rechtsfolge mit einem Verweis auf die Sitztheorie, ohne zu begründen, weshalb dieser richterliche Bezug auf die Sitztheorie erfolgt. Die Sitztheorie stellt lediglich ein Verfahren zur Bestimmung des Personalstatuts einer Gesellschaft dar und ist maßgeblich für die Rechtsordnung, die auf eine Gesellschaft und auf gesellschaftsrechtliche Verhältnisse anwendbar ist. Die gegenwärtige Gesetzeslage enthält zu dieser Fragestellung keine Bestimmung. Der Gesetzgeber hat zur Frage nach der Anwendung einer Rechtsordnung bisslang bewusst keine Festlegung getroffen. Art. 37 Nr. 2 EGBGB nimmt das Gesellschaftsrecht ausdrücklich von der für Schuldverhältnisse geltenden Kollisionsregelungen der Art. 27 ff. EGBGB aus. Der Gesetzgeber hat mit dieser Selbstbeschränkung ausdrücklich Rücksicht auf die Vereinheitlichungsbemühungen der Europäischen Union genommen.251 Gegenwärtig liegt nunmehr ein Referentenentwurf zum internationalen Gesellschaftsrecht vor, um diese Rechtsmaterie zu kodifizieren.252 Nach dem bislang geltenden deutschen Kollisions- und Sachrecht sowie der vertretenen Sitztheorie253 bestimmte sich das Personalstatut einer Gesellschaft nach dem Recht des Staates, in dem sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Der Ansatz der Sitztheorie soll die Regelungs- sowie Kontrollbefugnis eines Staates für alle von
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Roth in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 395; Knobbe-Keuk spricht in diesem Zusammenhang von einer unzulässigen Nationalitätenänderung der Gesellschaft. Die Gesellschaft löse sich aus der Rechtsordnung, der sie ihre Existenz verdanke, vgl. Knobbe-Keuk, Umzug von Gesellschaften in Europa, ZHR 154 (1990), 325, 352 Staudinger/Großfeld, Kommentar zum BGB, IntGesR, Rn. 608 ff.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, 199; Kegel/Schurig, IPR, § 17 II; OLG Hamm NZG 2001, 562; OLG Düsseldorf NZG 2001, 506 Beispielsweise, vgl. OLG Hamm NJW 2001, 2183 Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Neuregelung des IPR, BT-Drucksache 10/504, 29 siehe hierzu die Ausführungen unter: 2. Kapitel, 2. Teil, C. I. 1. In Deutschland folgte die Rechtspraxis gewohnheitsrechtlich der Sitztheorie, vgl. Ehricke in: Großkommentar zum AktG , § 45 Rn. 42; Zimmer, in K.Schmidt/Lutter, AktG, IntGesR, Rn. 12
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seinem Staatsgebiet aus geführten Aktivitäten stärken. Hieraus folgt für das deutsche Staatsgebiet, dass für inländische Gesellschaften immer nur das deutsche Gesellschaftsrecht zur Anwendung kommen soll. Die Sitztheorie wurde allerdings für den umgekehrten Fall entwickelt. Für den Fall, dass eine ausländische Gesellschaft ihren Sitz nach Deutschland verlegt (Zuzug einer ausländischen Gesellschaft), kam die Sitztheorie zur Anwendung. Die ausländische Gesellschaft wurde nach dem Grenzübertritt sogleich nach deutschem Recht beurteilt. Die ausländische Gesellschaft war nicht nach den Vorschriften des deutschen Gesellschaftsrechts gegründet. Folglich konnte die Gesellschaft nicht als Rechtssubjekt anerkannt werden und war daher weder rechts- noch parteifähig. Mit der Sitztheorie versuchte die deutsche Rechtsprechung die Umgehung deutscher Schutzvorschriften und gesellschaftsrechtlicher Regelungen zu erschweren, die einen hohen Gläubigerschutz bezwecken und daher vielfach als zu restriktiv angesehen werden. Die Fragestellung dieser Untersuchung, die grundsätzliche Befugnis einer GmbH, deren Satzungssitz ins EU-Ausland zu verlegen, stand nur sehr selten zur Entscheidung an. Eine BGH-Entscheidung zum Wegzug deutscher Gesellschaften ins Ausland ist bislang nicht ergangen. Zu einer Entscheidung mit Alleinstellungscharakter gelangte das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 01.02.2001254. Das OLG Hamm erläutert in dieser Entscheidung die Rechtsfolgen, die sich auf Grundlage der Sitztheorie ergeben, wenn der tatsächliche Verwaltungssitz – nicht jedoch der Satzungssitz – einer deutschen Kapitalgesellschaft in einen Staat verlegt wird, der der Gründungstheorie folgt. Nach Auffassung des OLG Hamm bleibt deutsches Recht auf die weggezogene Gesellschaft anwendbar, wenn der Zuzugsstaat der Gründungstheorie folgt. Dies wird damit begründet, dass das Recht des Zuzugsstaates, der der Gründungstheorie folgt, auf Grundlage der Gründungstheorie auf das deutsche Recht verweist. Es findet sodann kein Wechsel des Personalstatuts statt. Das Ergebnis ist hingegen ein anderes, wenn auch der Satzungssitz verlegt wird. In dem Urteil vom 01.02.2001 entschied das OLG Hamm, dass die Verlegung des Satzungssitzes nicht in das Handelsregister eingetragen werden kann, sondern zwangsläufig zur Auflösung der deutschen Gesellschaft führt. Die herrschende Meinung in der Literatur folgt der vom OLG Hamm vertretenen Rechtsansicht fast einstimmig.255
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OLG Hamm NJW 2001, 2183 Vgl. Bandehzadeh/Thoß, Sitzverlagerung, NZG 2002, 803,806; Dreissig, Verlegung der Geschäftsleitung, DB 2000, 893; Ebenroth/Auer, Sitzverlegung ins Ausland, DNotZ 1993, 190,193 m.w.N.
Zudem liegen eine Reihe von obergerichtlichen Entscheidungen vor, die – wohl noch geprägt von der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Sitztheorie – bezüglich der Verlegung des Verwaltungssitzes zu einer im Ergebnis gleichen Bewertung kommen und eine solche Sitzverlegungsmöglichkeit ablehnen. In den wenigen, durch die Rechtsprechung entschiedenen, Fällen handelte es sich stets um eine gleichzeitige Verlegung des Hauptverwaltungssitzes und des Satzungssitzes.256 In den zitierten Urteilen entschied die Rechtsprechung, dass eine Sitzverlegung ins Ausland nicht möglich sei und zur Auflösung der Gesellschaft führe.257 Nach Auffassung der Gerichte führt auch die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes ins Ausland, auf der Grundlage der Sitztheorie, zu einer Änderung des Personalstatuts der Gesellschaft und damit zu ihrer Auflösung nach deutschem Recht. Eine detaillierte, argumentativ tragfähige und überzeugende Begründung fehlt gleichwohl in diesen Urteilen. Die Gerichte führen zur Begründung lediglich punktuell das deutsche Sach- und Kollisionsrecht an und verweisen auf die BGH-Urteile zum Zuzug ausländischer Gesellschaften.258 2. Die geltende Rechtsprechung des BGH bis zum 13.03.2003 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH in den Urteilen vom 30.01.1970 und vom 21.03.1986259 beurteilte sich die Frage, ob eine Gesellschaft nach demjenigen Recht, das am Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes der Gesellschaft galt („Sitztheorie“), rechtsfähig war.260 Dies galt nach Meinung des BGH auch dann, wenn eine Gesellschaft in einem anderen Staat wirksam gegründet worden war und sodann Ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegte. Die einmal erworbene Rechtsfähigkeit setzte sich nach Ansicht des BGH nicht ohne Weiteres in Deutschland fort. Es kam nach Ansicht des BGH vielmehr darauf an, ob die Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaates im Wegzugsfall fortbesteht und ob sie folglich auch nach deutschem Recht rechtsfähig ist. Die Anknüpfung an den tatsächlichen Verwaltungssitz führte dazu, dass eine, im Ausland gegründete und in der Bundesrepublik Deutschland zunächst als rechtsfähig anerkannte, Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verlor, wenn sie ihren ständigen Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegte. Die Gesellschaft konnte, soweit sie nunmehr nach der Sitzverlegung der deutschen Rechtsordnung unterlag, weder Träger von Rechten und Pflichten noch Partei in einem Gerichtsverfahren 256 257
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BayObLG NJW-RR1993, 43; OLG Hamm NJW-RR1998, 615; OLG Düsseldorf NZG 2001, 506 Zuletzt BayObLG DStR 2004, 1224; kritisch hierzu Wachter, Zur Sitzverlegung ins EU-Ausland, EwiR 2004, 375, 376 Vgl. BGH in BGHZ 53, 81; BGH NJW 1986, 2194; BGH NZG 2000, 926 BGH-Urteil v. 30.1.1970 (V ZR 139/68) BGHZ 53, 181; BGH-Urteil v. 21.3.1986 (V ZR 10/85) NJW 1986, 2194 Vgl. im Einzelnen Jasper in: Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 75 Rn. 18 ff. m.w.N.
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sein. Um am Rechtsverkehr teilnehmen zu können, musste die Gesellschaft in Deutschland in einer Weise neu gegründet werden, die das deutsche Gesellschaftsrecht für die Gründung und für die Erlangung der Rechtsfähigkeit vorsah. Die Sitztheorie der Rechtsprechung261 entstand in Analogie zur Wohnsitzanknüpfung bei natürlichen Personen. Sie ist eine Schutztheorie, welche gewährleistet, dass das Recht des jeweiligen Staates durchgesetzt wird, der am meisten von einer Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft in sein Staatsgebiet betroffen ist.262 In der Regel ist dies der „Aufnahmestaat“. Zudem hat die „Sitztheorie“ nach Ansicht des BGH den Vorzug der Sachnähe. Sie ermöglicht eine wirksame, staatliche Kontrolle und bietet den größtmöglichen Schutz der Gläubigerinteressen.263 3. Beschluss des BGH vom 30.03.2000 Aufgrund der vorausgegangenen Centros-Entscheidung des EuGH264 war das Festhalten des BGH an der Sitztheorie nicht mehr unumstritten. Im Beschluss vom 30.03.2000265 sah der BGH zum ersten Mal die Notwendigkeit, die Art. 43 und 48 EGV vom EuGH auslegen zu lassen, um zu klären, ob die vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretene Sitztheorie gegen die in Art. 43 und 48 EGV kodifizierte Niederlassungsfreiheit verstieß. a) Sachverhalt Dem BGH lag die Revision einer niederländischen BV (Besloten Vennootschap)266 vor. Die Klägerin, die die Revision führte, wurde in den Niederlanden wirksam als Gesellschaft gegründet. Sie schloss einen Bauvertrag mit der Beklagten ab und verlegte danach ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland. Vor den deutschen Gerichten machte sie aus dem Bauvertrag einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beseitigung von Mängeln und von Schäden geltend. Das Landgericht und das Oberlandesgericht hatten die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin (BV) nach deutschem Recht nicht rechtsfähig und damit auch nicht parteifähig war. Der BGH legte das Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vor (Art. 234 EGV), weil der BGH für sein Urteil eine Entscheidung des EuGH über die Auslegung der Art. 43 und 48 EGV für erforderlich hielt. Bei Anerkennung der Niederlassungsfreiheit müsste der BGH folglich auch die Rechts- und Parteifähigkeit der 261 262 263
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Vgl. BGHZ 53, 181, 183; BGHZ 53, 383, 385 Vgl. Kindler, Niederlassungsfreiheit für Scheinauslandsgesellschaften, NJW 1999, 1993 In der Europäischen Union wurde die Sitztheorie neben Deutschland von Mitgliedstaaten wie Belgien, Frankreich, Luxemburg, Österreich, Portugal und Italien vertreten. Die „Gründungstheorie“ wird hingegen in angelsächsischen Rechtsordnungen, beispielsweise in Großbritannien, USA, Australien und mit Einschränkungen in der Schweiz vertreten, vgl. hierzu im Einzelnen: Staudinger/Großfeld, Kommentar zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 33 m.w.N. EuGH NZG 1999, 298 = NJW 1999, 2027-Centros BGH-Beschluss v. 30.3.2000 (VII ZR 370/98) NZG 2000, 926; = BB 2000, 1106 Die BV ist die der deutschen GmbH vergleichbare Rechtsform in den Niederlanden
„zuziehenden“ BV nach Deutschland anerkennen. Hierbei ließ der BGH in seinem Beschluss aber erkennen, dass er weiter an der, in ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vertretenen, Sitztheorie festhalten wollte. b) Entscheidung des EuGH Mit Urteil vom 05.11.2002 entschied der EuGH267, dass das Erfordernis, die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland neu zu gründen, der Negation der Niederlassungsfreiheit gleich kommt. Es verstößt gegen die Art. 43 und 48 EGV, wenn einer Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedsstaates, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, gegründet worden ist und von der nach dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates angenommen wird, dass sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz dorthin verlegt hat, in diesem neuen Mitgliedsstaat („Zuzugsstaat“) die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit abgesprochen wird. Diese Auslegung der Art. 43 und 48 EGV durch den EuGH war für den BGH gemäß Art. 234 EGV bindend. Sie verpflichtete den BGH zu einer Anwendung der „Gründungstheorie“ und damit zu einer Rechtsanwendung, die nicht zu einer beanstandeten Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führt. 4. Rechtsprechungsänderung des BGH mit Urteil vom 13.03.2003 Mit Urteil vom 13.03.2003268 entschied der BGH das oben bereits beschriebene Verfahren, welches der BGH dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte. Mit diesem Urteil gab der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur „Sitztheorie“ auf269, folgte nunmehr der „Gründungstheorie“ und setzte die Grundsatzentscheidung Überseering des EuGH vom 05.11.2002270 konsequent um.271 Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH ist daher eine Gesellschaft, die unter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit steht, berechtigt, ihre EG-vertraglichen Rechte in jedem Mitgliedsstaat geltend zu machen, wenn sie nach der Rechtsordnung des Staates, in dem sie gegründet worden ist und in dem sie ihren Satzungssitz hat, hinsichtlich des geltend gemachten Rechts rechtsfähig ist. Bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes muss der „Zuzugsstaat“ die Wirksamkeit dieser Gesellschaftsgründung anerkennen.272 267 268 269
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EuGH Rs. C208/00 NZG 2002, 1164 = DB 2002, 2425-Überseering BGH-Urteil v. 13.3.2003 (VII ZR 370/98) NZG 2003, 431; BB 2003, 915 Die Gründungstheorie gilt jedoch nur im Verhältnis zu Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Für Drittstaaten bleibt es bei der Anwendung der bisherigen Sitztheorie, vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2008 (II ZR 158/06), BB 2009, 14 EuGH Rs. 208/00 NZG 2002, 1164 = DB 2002, 2425-Überseering Der BGH stellte fest, dass die Auslegung des EuGH zum Umfang der Niederlassungsfreiheit der Art. 43 und 48 EGV für den BGH bindend ist. Die EuGH-Rechtsprechung verpflichte den BGH zu einer Rechtsanwendung, die nicht zu den beanstandeten Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit führt. Für den Bereich des internationalen Gesellschaftsrechts zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika entschied der BGH mit Urteil v. 13.10.2004 – I ZR 245/01, BB 2004, 2595, dass nach Art. XXV Abs. 5 S. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages mit den USA, eine in den USA gegründete Gesellschaft, mit Verwaltungssitz in Deutschland,
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Als Zwischenergebnis ist daher festzustellen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH nunmehr der Gründungstheorie folgt und die bislang geltende Sitztheorie aufgegeben hat. Folglich muss bei der Verlegung des Verwaltungssitzes einer ausländischen Gesellschaft nach Deutschland die Rechtsfähigkeit der ausländischen Gesellschaft in Deutschland weiterhin anerkannt werden. Eine Aussage zur Möglichkeit einer GmbH, deren Verwaltungs- oder Satzungssitz ins EU-Ausland zu verlegen, ist hiermit gleichwohl noch nicht verbunden. Es ist daher zu untersuchen, ob eine solche „Wegzugsfreiheit“ der GmbH auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts gegeben ist und welche Konsequenzen für die Verlegung des Verwaltungs- und Satzungssitzes hieraus abzuleiten wären. II. Verlegung des Verwaltungssitzes nach europäischem Recht Für die Beantwortung der Fragestellung nach der Möglichkeit, den Verwaltungssitz einer Gesellschaft nach Maßgabe des europäischen Rechts zu beurteilen ist es maßgeblich, in welchem Umfang die europäische Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) eine solche Sitzverlegung und damit einen Wegzug der GmbH erfasst. Entscheidend ist daher, ob die Niederlassungsfreiheit nicht nur die Zuzugsfreiheit beinhaltet, sondern auch die Wegzugsfreiheit von Unternehmen schützt. In diesem Zusammenhang legte der EuGH in einer Reihe von Entscheidungen die europarechtlichen Grundfreiheiten der Art. 43 und 48 EGV weit und zu Gunsten der Niederlassungsfreiheit aus. Hierbei weist jedes zeitlich nachfolgende Urteil des EuGH eine stetige Fortentwicklung der Niederlassungsfreiheit gegenüber dem jeweils vorrangegangenen EuGH-Urteil auf. Sofern sich aus den Urteilen des EuGH und dem europäischen Primärrecht Verbote zu staatlichen Maßnahmen ergeben würden, die den Wegzug von Unternehmen beschränken, könnte die Niederlassungsfreiheit unmittelbar als Rechtsgrundlage für einen Wegzug einer GmbH ins EU-Ausland dienen. 1. Die Daily Mail-Entscheidung des EuGH273 a) Sachverhalt Die Daily Mail plc, eine in Großbritannien gegründete Aktiengesellschaft, beabsichtigte aus steuerlichen Gründen ihren Sitz in die Niederlande zu verlegen. Allerdings sollte die Daily Mail plc ihre, nach englischem Recht anerkannte, Gesellschaftsform beibehalten. Die englische Behörde, die mit diesem Anliegen befasst war, verlangte von Daily Mail plc, dass sich diese zunächst auflösen und sich nach der Auflösung
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auch in Deutschland anerkannt werden muss. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist hierfür ein „genuine link“ zwischen den USA und Deutschland betreffend die Gesellschaft in den USA. Der „genuine link“ liegt bereits vor, wenn die Gesellschaft in den USA irgendwelche, wenn auch nur geringfügige, geschäftlichen Aktivitäten hat, vgl. BGH ZIP 2004, 549. Liegen diese vor, ist die Gesellschaft als fortbestehend in Deutschland anzuerkennen, unabhängig davon, ob die gesamten geschäftlichen Aktivitäten in Deutschland durch die Zweigniederlassung ausgeübt werden. EuGH Rs. 81/87- Daily Mail, Urt. v. 27.9.1988, NJW 1989, 2186
sodann gemäß dem niederländischen Recht (Zuzugsstaat) neu gründen sollte. Da die Gesellschaft die Auflösung verweigerte, versagte die englische Behörde die damals erforderliche Wegzugsgenehmigung aus Großbritannien. Die Gesellschaft sah darin einen Verstoß gegen die Grundfreiheit der Binnenmarktfreiheit (Niederlassungsfreiheit) aus Art. 43, 48 EGV begründet, da sie in ihrer Wegzugsfreiheit beschränkt wurde. Daraufhin legte das englische Registergericht dem EuGH die Frage vor, ob das Verbot, den (steuerlichen) Sitz ohne Zustimmung des Staates zu verlegen, gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. b) Entscheidung des EuGH Der EuGH entschied in seiner Daily Mail-Entscheidung“, dass das Verbot, den (steuerlichen) Sitz ohne Zustimmung des Wegzugsstaates zu verlegen, nicht gegen die im EG-Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit verstößt. Nach Auffassung des EuGH werde vielmehr, anders als für natürliche Personen, die Niederlassungsfreiheit “im Allgemeinen“ durch die Errichtung von inländischen Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften von ausländischen Gesellschaften, im jeweiligen Zielstaat verwirklicht. Ferner sei es Gesellschaften möglich, durch eine Neugründung in einem anderen Mitgliedsstaat, ihren Sitz zu verlegen. Des Weiteren führte der EuGH aus, dass für die Existenz einer Gesellschaft nur die Rechtsordnung maßgeblich sei, nach der sie gegründet wurde. Diese Rechtsordnung könne umfänglich bestimmen, ob der Wegzug von Gesellschaften, die nach dieser Rechtsordnung gegründet wurden, möglich ist. Es stehe dem Staat damit zu, etwaige Wegzugsbeschränkungen für die Gesellschaften vorzusehen. Im Ergebnis beantwortete der EuGH die Vorlagefrage dahin, dass die Art. 43 und 48 EGV (beim damaligen Stand des Gemeinschaftsrechts) einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaates gegründet worden ist und in diesem die Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz hat, nicht das Recht gewähren, den Sitz ihrer Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedsstaat zu verlegen. Gleichwohl hob der EuGH in seiner Entscheidung hervor, dass dieses Ergebnis lediglich beim damaligen Stand der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts gelte. Zudem stehe dem Wegzugsstaat nicht völlig frei, den Wegzug der nach seinem Recht gegründeten Gesellschaften zu verhindern. Andernfalls liefe die in Art. 43, 48 EGV statuierte Niederlassungsfreiheit leer.274
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EuGH Rs. C-81/87– Daily Mail, Urt. v. 27.9.1988, Rn. 16, NJW 1989, 2186
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2. Die Centros-Entscheidung des EuGH275 a) Sachverhalt In dieser Entscheidung des EuGH ging es um die Centros Ltd., eine 1992 in England und Wales gegründete und eingetragene Private Limited Company. Die Gesellschafter leisteten keine Kapitaleinlage, da das englische Gesellschaftsrecht keine Einzahlung eines Mindestkapitals verlangte. Am eingetragenen Gesellschaftssitz entfaltete die Centros Ltd. keine Geschäftstätigkeit. In der Folgezeit wurde die Eintragung einer Zweigniederlassung der Centros Ltd. ins dänische Handelsregister beantragt mit dem erklärten Ziel, die eigentliche Geschäftstätigkeit in Dänemark zu betreiben, ohne das Mindestkapital des dänischen Rechts von 200.000 Kronen für eine „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ aufbringen zu müssen. Die zuständige Verwaltungsbehörde verweigerte die Eintragung einer Zweigniederlassung mit dem Hinweis, dass die Centros Ltd. nur nach Nachweis der Einzahlung des Mindestgesellschaftskapitals für die dänische „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ eingetragen werden könne. Ferner unterstellte das Registergericht den Gesellschaftern, dass der Antrag zur Eintragung der Zweigniederlassung nur mit dem Ziel geschehe, die Mindestkapitalisierungsvorschriften für eine Gesellschaftsgründung in Dänemark umgehen zu wollen. b) Entscheidung des EuGH Der EuGH musste sich in seiner Entscheidung mit der Frage befassen, ob eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, durch die Versagung des Zuzugs der Centros-Gesellschaft, gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt war. Der EuGH hat dies verneint, da nach Ansicht des EuGH die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit in diesem Fall nicht gerechtfertigt sei. Nach Ansicht des EuGH stellt es keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts dar, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates, der eine Gesellschaft zu gründen beabsichtigt, diese in dem Mitgliedsstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen, und sodann in anderen Mitgliedsstaaten Zweigniederlassungen der zuvor errichteten Gesellschaft gründet. Anders als noch in der Daily Mail-Entscheidung des EuGH276, bei der die mangelnde Harmonisierung des Gesellschaftsrechts das entscheidende Argument für die Vereinbarkeit der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit war, führt der EuGH nunmehr aus, dass es unerheblich sei, dass das Gesellschaftsrecht in der Gemeinschaft nicht vollständig harmonisiert sei.277 Der EuGH statuierte damit die Anwendbarkeit der Gründungstheorie.
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EuGH Rs. C-212/97-Centros, Urt. v. 9.3.1999, NZG 1999, 298 = NJW 1999, 2027 EuGH Rs. 81/87-Daily Mail, Urt. v. 27.9.1988, NJW 1989, 2186 Diese Entscheidung des EuGH hatte Folgen für die vom BGH in ständiger Rechtsprechung entwickelte Sitztheorie. In der Literatur wurde die Centros-Entscheidung teilweise bereits als Ab-
3. Die Überseering-Entscheidung des EuGH278 a) Sachverhalt Die Überseering B.V., eine in den Niederlanden gegründete Aktiengesellschaft, hatte Ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt. Vor Gericht verklagte die Überseering B.V. eine deutsche Gesellschaft auf Mängelgewährleistung. Die beklagte deutsche Gesellschaft verteidigte sich mit dem Argument, dass die klagende Überseering B.V. wegen der Sitzverlegung nach Deutschland nicht rechts- und damit auch nicht parteifähig sei. Der BGH legte dem EuGH diesen Sachverhalt zur Vorabentscheidung der Frage vor, ob die Sitzverlegung nach Gemeinschaftsrecht anzuerkennen sei. b) Entscheidung des EuGH Der EuGH entschied in der Überseering-Entscheidung, dass es gegen die Art. 43 und 48 EGV verstößt, wenn einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaates gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, bei Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes von dem Staat, in den sie ihren Sitz verlegt hat, die Rechts- und Parteifähigkeit abgesprochen wird. Die deutsche Regierung machte im Laufe des Verfahrens hilfsweise für den Fall, dass der Gerichtshof die Anwendung der Sitztheorie als eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ansehen sollte, geltend, dass die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch die Bundesrepublik Deutschland ohne Diskriminierung angewandt werde. Diese sei durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und stehe in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen. Der EuGH verwarf diese Argumentation. Bei der Begründung seines Urteils führte der EuGH aus, dass Gründe für die Rechtfertigung einer Neugründung nach deutschem Recht, beispielsweise zum Zwecke des Gläubiger-, Minderheiten- oder Arbeitnehmerschutzes, nicht vorlagen. Allerdings lasse sich nicht ausschließen, dass zwingende Gründe des Gemeinwohls, wie der Schutz der Interessen der Gläubiger, der Minderheitengesellschafter, der Arbeitnehmer oder auch des Fiskus, unter bestimmten Umständen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können. Solche Ziele können jedoch
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kehr von der Sitztheorie interpretiert. Was die Entscheidung Cassis de Dijon für den freien Warenverkehr gewesen sei, werde die Centros-Entscheidung für das Niederlassungsrecht von Gesellschaften werden. In seinem Urteil führte der EuGH diese Schlussfolgerung allerdings nicht mit der gewünschten Deutlichkeit aus. Zum einen betraf das Urteil nur eine Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft und damit nur die sekundäre Niederlassungsfreiheit. Zum anderen könnte aus dem Urteil gefolgert werden, dass der EuGH lediglich das Recht auf Geschäftstätigkeit per Zweigniederlassung verankern wollte, darüber hinaus aber die Geltung des ausländischen Gesellschaftsstatuts nach wie vor dem nationalen Recht und nicht der primären Niederlassungsfreiheit unterwirft. EuGH Rs. C-208/00-Überseering, Urt. v. 5.11.2002, NZG 2002, 1164 = DB 2002, 2425
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nicht rechtfertigen, dass einer Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedsstaat ordnungsgemäß gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes in einen anderen EU-Staat abgesprochen wird. Anlässlich dieser Entscheidung betonte der EuGH wiederholt die Anwendbarkeit der Gründungstheorie. 4. Die X und Y Entscheidung des EuGH279 a) Sachverhalt Das EuGH Urteil X und Y betrifft die Gewährung von Steueraufschub bei Auslandsbezug. Der EuGH hatte sich in diesem Fall mit einer Regelung des schwedischen Steuerrechts zur Aufdeckung der stillen Reserven bei der Übertragung von Aktienpaketen auf Kapitalgesellschaften auseinandersetzen müssen. Das schwedische Steuerrecht hatte in einem solchen Fall zwar den Aufschub der Gewinnrealisierung zugelassen, sofern es sich bei der aufnehmenden Gesellschaft um eine inländische Gesellschaft handelte, nicht jedoch wenn die aufnehmende Gesellschaft im Ausland tätig war oder die inländische Gesellschaft von einer ausländischen Gesellschaft beherrscht wurde. Die schwedischen Staatsangehörigen X und Y beantragten beim Skatterättsnämnd einen Vorbescheid über die Anwendung der Bestimmungen über die Übertragung von Aktien an der X AB, einer schwedischen Gesellschaft, zum Anschaffungswert der Aktien auf die Z AB, ebenfalls eine schwedische Gesellschaft, die wiederum eine Tochtergesellschaft der Y SA, einer belgischen Gesellschaft, war. Im Rahmen der Umstrukturierung des Konzerns hielten es X und Y für zweckmäßig, bestimmte Tätigkeiten der Y SA zuzuordnen. Die X AB war die Muttergesellschaft eines Konzerns, die zu gleichen Teilen X und Y sowie einer Gesellschaft maltesischen Rechts gehörte. An dieser letztgenannten Gesellschaft waren X und Y nicht beteiligt. Die Y SA war ebenfalls Muttergesellschaft, die den gegenwärtigen Eigentümern der X AB gehörte. In ihrem Antrag an den Skatterättsnämnd warfen X und Y u. a. die Frage nach den etwaigen unterschiedlichen steuerrechtlichen Auswirkungen auf, je nachdem, ob die Aktien auf eine schwedische Gesellschaft ohne ausländischen Anteilseigner oder auf eine schwedische Gesellschaft mit ausländischen Anteilseignern zu einem ermäßigten Preis übertragen werden. Es war fraglich, ob angesichts des belgisch-schwedischen Abkommens einerseits und der europäischen Grundfreiheiten, nämlich Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit, andererseits, eine Ungleichbehandlung aufrechterhalten werden konnte. In dem erlassenen Vorbescheid vertrat der Skatterättsnämnd die Auffassung, dass die Übertragung der Aktien der X AB, in dem Auslandsfall, falls sie vorgenommen werde, als Übertragung zum gemeinen Wert
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EuGH Rs. C-436/00–X und Y, Urt. v. 21.11.2002, IStR 2003, 23
erfolgen würde. Die Niederlassungsfreiheit sei nicht betroffen und in Bezug auf den freien Kapitalverkehr würden etwaige Ausnahmebestimmung keine Anwendung finden. X und Y sahen in der Entscheidung einen Verstoß gegen die Niederlassungsund die Kapitalverkehrsfreiheit. b) Entscheidung des EuGH Der EuGH hat die Frage, ob die Benachteiligung des auf das Ausland gerichteten Aktientausches gegen die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, bejaht. Als Begründung führte der EuGH an, dass der Staat in einem Doppelbesteuerungsabkommen auf sein Recht zur Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von inländischen Beteiligungen freiwillig verzichtet, wenn dieser Staat auch das Argument, die Kohärenz der eigenen Steuerordnung durch die Aufdeckung stiller Reserven zu wahren, eingebüßt habe. Des Weiteren könnten von den betreffenden Gesellschaften bzw. Gesellschaftern Sicherheitsleistungen verlangt werden, um im Fall eines späteren Wegzugs des Übertragenden in das Ausland, die Besteuerung der stillen Reserven sicher zu stellen. Der EuGH hat daher für Recht erkannt, dass der Niederlassungsfreiheit nationale Rechtsvorschriften entgegen stehen, wonach im Fall einer Übertragung von Aktien zu einem ermäßigten Preis, dem Übertragenden für die Besteuerung des Gewinns aus diesen Aktien kein Steueraufschub gewährt wird, wenn die Aktien auf eine europäische ausländische juristische Person übertragen wurden. Obgleich diese EuGH-Entscheidung nicht unmittelbar zur Frage der Sitzverlegung ergeht, so steht sie dennoch im Kontext mit der in dieser Arbeit untersuchten Problematik. Die Ungleichbehandlung im Fall X und Y erfolgte für den Auslandsfall, um dem schwedischen Staat die Besteuerung der stillen Reserven zu ermöglichen. Nach den Doppelbesteuerungsabkommen steht im Fall der Veräußerung einer Beteiligung das Besteuerungsrecht nur dem jeweiligen Ansässigkeitsstaat der Beteiligung zu. Der Ursprungs- oder Wegzugs-Staat hat daher ein fiskalisches Interesse daran, vor dem Grenzübertritt „im letzten Moment“, die stillen Reserven dieser Beteiligung zwangsweise aufzudecken, um einen Steueranspruch zu realisieren. Faktisch folgt aus solchen nationalen Steuernormen, dass die Beteiligung „nicht ins Ausland wegzugsfähig“ ist. Die Niederlassungsfreiheit wäre hierdurch betroffen. 5. Die Inspire Art-Entscheidung des EuGH280 a) Sachverhalt In Großbritannien wurde die Inspire Art Ltd. gegründet. Wenige Tage nach ihrer Gründung nahm die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit in den Niederlanden auf, wo
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EuGH Rs. C-167/01-Inspire Art, Urt. v. 30.9.2003, NZG 2003, 1064 = NJW 2003, 3331
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auch ihr einziger Gesellschafter und Geschäftsführer seinen Wohnsitz hatte. Eine Geschäftstätigkeit in Großbritannien war zu keinem Zeitpunkt geplant. Die Zweigniederlassung der Gesellschaft wurde im Handelsregister der Handelskammer Amsterdam ohne den Zusatz eingetragen, dass es sich um eine „formal ausländische Gesellschaft“ handelt. Ein solcher Zusatz wäre aber nach der „Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen“281 (Gesetz über formal ausländische Gesellschaften) erforderlich gewesen. Die Amsterdamer Handelskammer beantragte daraufhin, beim zuständigen niederländischen Gericht anzuordnen, dass die Eintragung der Inspire Art Ltd. um den nach Art. 1 WFBV (Gesetz über formal ausländische Gesellschaften) erforderlichen Zusatz „formal ausländische Gesellschaft“ ergänzt wird. Als formal ausländische Gesellschaft hätte die Inspire Art Ltd. die Vorschriften des WFBV beachten müssen, die neben besonderen Offenlegungspflichten für ausländische Gesellschaften auch ein Mindestkapital vorschreibt, das genau so hoch ist wie für niederländische Gesellschaften282. Das Gericht in Amsterdam stellte fest, dass die Inspire Art Ltd. eine „formal ausländische Gesellschaft“ sei und legte dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vor, ob das WFBV gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. b) Entscheidung des EuGH Der EuGH stellte fest, dass die Unterwerfung der Gesellschaft unter die Regelungen des WFBV gegen die Niederlassungsfreiheit verstieß. Nach Ansicht des EuGH kann der Argumentation der niederländischen Regierung zu den Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit nicht gefolgt werden. Die niederländische Regierung hatte diesbezüglich argumentiert, dass die WFBV keineswegs die Niederlassungsfreiheit beeinträchtige, da ausländische Gesellschaften in den Niederlanden uneingeschränkt anerkannt würden und ihre Eintragung in das niederländische Handelsregister auch nicht verweigert werde. Vielmehr stelle die WFBV lediglich eine Reihe zusätzlicher, „administrativer“ Verpflichtungen für die ausländischen Gesellschaften auf. Nach Ansicht des EuGH haben die Normen des WFBV zur Folge, dass die Vorschriften des niederländischen Gesellschaftsrechts über das Mindestkapital zwingend auf ausländische Gesellschaften, wie die Inspire Art Ltd., angewandt werden, wenn sie ihre Tätigkeiten ausschließlich oder nahezu ausschließlich in den Niederlanden ausüben. Die von Seiten der niederländischen Regierung angeführten Rechtfertigungsgründe wies der EuGH ebenso ab. Die niederländische Regierung war der Ansicht, dass das WFBV der Bekämpfung von Betrügereien, dem Schutz der Gläubiger, der Gewährleistung der Wirksamkeit von Steuerkontrollen und der Lauter281 282
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WFBV Zum damaligen Zeitpunkt betrug das Mindestkapital 18.000 €
keit des Handelsverkehrs dient. Der EuGH vertrat die Ansicht, dass keiner der, von der niederländischen Regierung vorgebrachten, Rechtfertigungsgründe die Behinderung der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könne. Das Urteil des EuGH zu Inspire Art beinhaltet folglich eine entscheidende richterliche Rechtsetzung mit fünf Kernaussagen: Nach Auffassung der europäischen Richter muss eine Gesellschaft, die ordnungsgemäß in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union gegründet und in das dortige Register eingetragen worden ist, in jedem anderen Mitgliedsstaat als rechts- und parteifähige Gesellschaft anerkannt werden. Damit bestätigten die europäischen Richter abermals die Anwendbarkeit der Gründungstheorie. Der EuGH stellt in dem Urteil zu Inspire Art ausdrücklich klar, dass selbst die Gründung von „Briefkastengesellschaften“ in einem Mitgliedsland zulässig sei, um das eigene nationale Gesellschaftsrecht zu umgehen. Diese Gestaltung soll nur dann unzulässig sein, wenn sie missbräuchlich ist. Der EuGH lässt offen, welche Konstellation als missbräuchlich anzusehen wäre. Allerdings dürfte ein „missbräuchliches Verhalten“ nur dann vorliegen, wenn bei der Gesellschaftsgründung in „betrügerischer Absicht“ gehandelt wird oder wenn eine strafbare Handlung vorliegt. Der Missbrauch muss zudem im konkreten Einzelfall nachgewiesen sein. Die Beweislast hierfür obliegt dem jeweiligen Mitgliedsstaat, der die Eintragung der Zweigniederlassung aufgrund dieser „Missbrauchsargumentation“ zurückweisen möchte. Folglich ist daher grundsätzlich von der Rechtmäßigkeit der Gestaltung einer Auslandsgründung auszugehen. Die Niederlassungsfreiheit im Gesellschaftsrecht verbietet auch die Diskriminierung einer ausländischen Gesellschaft. Eine Diskriminierung liegt bereits dann vor, wenn nationale Gesetze ausländische Rechtsformen weitergehenden Erfordernissen unterstellen, als dies bei den eigenen nationalen Gesellschaften der Fall ist. Solchen „Abwehrgesetzen“ gegenüber fremden Gesellschaften ist die Legitimationsgrundlage entzogen worden. Derartige Gesetze sind europarechtswidrig. Weiterhin judiziert der EuGH, dass keine persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer einer ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union besteht, wenn Geschäftsführer einer Gesellschaft dieses jeweiligen Mitgliedslandes ebenfalls keiner persönlichen und gesamtschuldnerischen Haftung unterliegen. Zudem darf keine „Hochstufung“ in den gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen der ausländischen Gesellschaft auf das Niveau der inländischen Gesellschaften erfolgen. Sobald die ausländische Gesellschaft wirksam in einem Mitgliedsland errichtet ist, ist sie eine in jedem Mitgliedsland zu respektierende Rechtspersönlichkeit. Weitergehende inländische Voraussetzungen an die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft muss die ausländische Gesellschaft nicht erfüllen. Es ist von jedem Mitglieds87
land anzuerkennen, dass ausländische Rechtsordnungen durchaus geringere Gründungsvoraussetzungen in dem jeweiligen Gesellschaftsrecht vorsehen können. Schließlich ist die europäische Richtlinie über die Errichtung von Zweigniederlassungen in anderen EU-Mitgliedsländern („Zweigniederlassungsrichtlinie“)283 abschließend. Damit erteilt der EuGH der vom BGH entwickelten „Mindestnormtheorie“284 eine Absage. Nach dieser Ansicht sollte die Richtlinie lediglich Mindeststandards für die Voraussetzungen bei der Errichtung einer Zweigniederlassung beinhalten, die von dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber noch ergänzt werden könnten. Diese Rechtsansicht ist nunmehr überholt. Die Voraussetzungen und die Anforderungen an die zu errichtende Zweigniederlassung sind abschließend in der Zweigniederlassungsrichtlinie genannt. Dies gilt insbesondere für die Publizitätsanforderungen und für Angaben auf den Geschäftsbriefen. Die EuGH-Entscheidung zu Inspire Art schloss daher konsequent an die in den vorhergehenden Urteilen entwickelten Grundsätze zur Niederlassungsfreiheit an. Durch die genannten gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen waren damit die Zuzugsfälle sowohl im Bereich der primären als auch der sekundären Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) einer eindeutigen Auslegung durch den EuGH zugeführt. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sind daher nur in engen Grenzen europarechtlich zulässig, insbesondere zur Bekämpfung von Missbrauch der Grundfreiheiten285 sowie bei Betrug. Ansonsten sind Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit unzulässig.286 Der EuGH traf in dem Urteil zu Inspire Art nur eine Aussage zur europarechtlich geforderten und einzuhaltenden Zuzugsfreiheit. Alle nationalen staatlichen Maßnahmen, die die Zuzugsfreiheit beschränken, sind europarechtswidrig. Diese Schlussfolgerung zog der EuGH ausdrücklich nicht für die „Wegzugsfreiheit“. Bestünde die „Wegzugsfreiheit“, könnte beispielsweise eine deutsche Gesellschaft unter Formund Identitätswahrung den tatsächlichen Gesellschaftssitz ins europäische Ausland verlegen und aus Deutschland ohne gesellschaftsrechtliche oder steuerliche Beschränkungen „wegziehen“. Vielmehr betonte der EuGH noch in dieser Entscheidung 283
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Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates v. 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABl.EG 1989 L395/36 BGHZ 110, 45 ff. Der EuGH betonte in seinem Urteil zu Inspire Art, dass die Umgehung des eigenen Gesellschaftsrechts durch die Gründung einer Briefkastengesellschaft in einem EU-Staat, der ein Gesellschaftsrecht mit geringeren Gründungsvoraussetzungen als dem Heimatstaat hat, kein missbräuchliches Verhalten ist. Vielmehr sei es durch die Niederlassungsfreiheit ausdrücklich gewünscht, dass ein Wettbewerb der jeweils nationalen Gesellschaftsrechte und Gesellschaftsformen eintrete. Die bewusste Umgehung des heimatlichen Gesellschaftsrechtes stellt alleine noch keinen Betrugstatbestand dar. EuGH NJW 1999, 2027 Rn. 38; vgl. Schlussantrag des Generalanwalts Mischo in der Rs. C-9/02Hughes de Lasteyrie du Saillant, dort Tz. 62-64; Geiger, EUV/EGV, Art. 48 Rn. 11
die in seinen früheren Urteilen getroffene Unterscheidung zwischen „Zuzugs- und Wegzugsfreiheit“ und hielt an dieser Differenzierung fest.287 6. Die Lasteyrie du Saillant-Entscheidung des EuGH288 Von der bisherigen, vorstehend dargestellten Rechtsprechung weicht der EuGH nunmehr in seinem Urteil Lasteyrie du Saillant ab und erkennt die „Wegzugsfreiheit“ als Teil der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) an. a) Sachverhalt Als der Kläger Hughes de Lasteyrie du Saillant im September 1998 Frankreich verließ, um seine Erwerbstätigkeit in Belgien auszuüben, hielt er in den letzten fünf Jahren vor seinem Wegzug aus Frankreich mit seinen Familienangehörigen unmittelbar oder mittelbar Wertpapiere, die zum Bezug von mehr als 25 % der Gewinne einer Gesellschaft berechtigten. Diese Gesellschaft war gesellschaftssteuerpflichtig und hatte ihren Sitz in Frankreich. Der Kläger wurde gemäß den Vorschriften des Code Général des Impôts, die für Steuerpflichtige gelten, die ihren steuerlichen Wohnsitz ins Ausland verlegen, beim Wegzug nach Belgien sofort für die latenten, aber noch nicht realisierten, Wertsteigerungen dieser Wertpapiere steuerpflichtig. Der Kläger sah diese „Wegzugsbesteuerung“ als Eingriff in seine Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EGV an. b) Entscheidung des EuGH Der EuGH hatte sich in dieser Rechtssache mit der Wegzugsbesteuerung auf der Ebene einer natürlichen Person zu befassen. Die sich für den Kläger als natürliche Person durch die gesetzlichen Vorschriften des Code Général des Impôts ergebende Wegzugsbesteuerung bewertete der EuGH ebenfalls als einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Niederlassungsfreiheit.289 Ist eine nationale Maßnahme geeignet, die Niederlassungsfreiheit zu beschränken, so ist diese Maßnahme nach der ständigen EuGH-Rechtsprechung nur zulässig, wenn mit dieser Maßnahme ein mit dem EGVertrag vereinbartes Ziel verfolgt wird und diese Maßnahme durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Hierbei muss die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und des mit ihr verfolgten Ziels gewahrt werden. Da durch den EG-Vertrag die Grundfreiheiten ausgeweitet werden sollen und die in Art. 43 287
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EuGH Rs. 81/87-Daily Mail, Urt. v. 27.9.1988, NJW 1989, 2186. In seinem Urteil zu Daily Mail betonte der EuGH, dass staatliche Wegzugsbeschränkungen nicht gegen die europäische Niederlassungsfreiheit verstoßen. EuGH Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004, GmbHR 2004, 504 mit Kommentar W. Meilicke; vgl. Wassermeyer, Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 613 Die Besonderheit aus diesem Urteil folgt aus der Feststellung des EuGH, dass steuerliche Konsequenzen bei Wegzug eines Rechtssubjektes aus einem EU-Staat in einen anderen EUStaat eine Beschränkung darstellen und damit gegen die Wegzugsfreiheit verstoßen. Diese Einschränkung der Wegzugsfreiheit verletzt die europarechtliche Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV.
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EGV kodifizierte Niederlassungsfreiheit weitestgehend ausgestaltet und nicht eingeschränkt werden soll, stellt der EuGH sehr hohe Anforderungen an die Rechtfertigungen für die Einschränkungen der europäischen Grundfreiheiten auf. In der Entscheidung Lasteyrie du Saillant erkannte der EuGH keine rechtfertigenden Gründe für die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit an. Eine gegen Art. 43 EGV verstoßende Regelung ist nur dann zulässig, wenn mit dieser Maßnahme ein berechtigtes und mit dem EG-Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird. Die Maßnahme muss auch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Zudem muss die staatliche Maßnahme zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was zur Zielerreichung erforderlich ist.290 In diesem Zusammenhang ist die gesetzgeberische Absicht, eine Steuerflucht oder Steuermindereinnahmen zu verhindern, nicht ausreichend für einen Eingriff in die Grundfreiheit des Art. 43 EGV. 291 Bloße fiskalische Gründe können keine ausreichende Rechtfertigung für die Einschränkung der Grundfreiheiten sein. Zudem erkannte der EuGH auch das Argument der Kohärenz des Steuersystems für die Wegzugsbesteuerung nicht an.292 Die Grundaussage des Kohärenzprinzips besteht darin, dass nachteilige steuerliche Wirkungen in den Zusammenhang des gesamten Steuersystems zu setzen sind. Beschränkungen in einem Teil sind daher zulässig, wenn sie durch begünstigende Effekte an anderer Stelle kompensiert werden. Eine solche rechtfertigende Kompensation erkannte der EuGH jedoch im Hinblick auf das hohe Schutzgut der Niederlassungsfreiheit nicht an.293 Schließlich stellte der EuGH fest, dass der Wegzug aus einem EU-Staat auch nicht als Anhaltspunkt für eine Steuerflucht oder Steuerhinterziehung dienen kann. Mit der „Wegzugsbesteuerung“ liegt nach Ansicht des EuGH eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Auslandsfalles gegenüber Steuerpflichtigen, die innerhalb eines Staates deren Sitz ver290
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EuGH (Hughes de Lasteyrie du Saillant) Tz. 49 mit Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH Rs.C-250/95-Futura, Urt. v. 15.5.1997, Slg. 1997, I-2471, Tz. 26 und mit weiterem Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung. In den Entscheidungsgründen stellte der EuGH nochmals unter Bezugnahme auf die vorangegangene Rechtsprechung klar, dass eine Einschränkung der Wahrnehmung der Grundfreiheiten nicht mit der generellen Vermutung zu rechtfertigen sei, die Betroffenen begingen Steuerflucht oder Steuerumgehung. Die Wahrung der Kohärenz des Steuersystems hatte der EuGH als Rechtfertigungsgrund für die Einschränkung der Grundfreiheiten, jedoch im Bachmann-Urteil, anerkannt, vgl. EuGH Rs. C204/90-Bachmann, Urt. v. 28.1.1992, Slg. 1992, I-249, Tz. 21 ff.; RIW 1992, 955 Dieser Rückschluss des EuGH ist folgerichtig: Verzichtet ein Staat durch ein DBA auf sein Besteuerungsrecht, kann er sich gegenüber einem wegzugswilligen Steuersubjekt nicht darauf berufen, dass dem Staat durch den Wegzugsfall nunmehr das Besteuerungsrecht verloren geht, so dass der Staat im letztmöglichen „Wegzugs“-Moment ein Besteuerungsrecht ausüben möchte. Bei einem Besteuerungsverzicht eines Staates in einem DBA bezüglich der auf seinem Staatsgebiet entstandenen, aber noch nicht realisierten, stillen Reserven, würden die Grundfreiheiten in Verbindung mit diesem DBA eine Wegzugsbesteuerung faktisch ausschließen, vgl. EuGH Rs. C436/00–X und Y, Urt. v. 21.11.2002; IStR 2003, 23
legen, vor. Ein Staat sei zwar berechtigt, Maßnahmen zur Besteuerung der stillen Reserven zu erlassen. Eine Sofortversteuerung dieser stillen Reserven anlässlich des Wegzuges des Steuersubjektes sei jedoch unzulässig.294 Die abschreckende Wirkung der solchen „Wegzugsbesteuerung“ führt bei einer natürlichen Person295 zu einem Eingriff in die Niederlassungsfreiheit.296 7. Die N-Entscheidung des EuGH297 a) Sachverhalt N war alleiniger Gesellschafter dreier Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach niederländischem Recht, deren Geschäftsführung sich auf den Niederländischen Antillen befand. Im Jahr 1997 verlegte N seinen ständigen Wohnsitz von den Niederlanden in das Vereinigte Königreich. Aufgrund dieses Wegzuges setzten die niederländischen Finanzbehörden für das Jahr 1997 ein steuerpflichtiges Einkommen aus wesentlicher Gesellschaftsbeteiligung unter Berücksichtigung des Gewinns fest. Der Steuertatbestand nach nationalem Recht bestand darin, dass eine Besteuerung zu erfolgen hat, wenn ein in den Niederlanden ansässiger Inhaber einer wesentlichen Beteiligung seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedsstaat verlegt. Der niederländische Gesetzgeber führte zur Begründung dieser Steuerpflicht einen latenten Wertzuwachs von Gesellschaftsanteilen und die Vermeidung einer späteren Doppelbesteuerung an. Auf Antrag von N wurden die Steuerforderungen gestundet. Die Stundung wurde von Sicherheitsleistungen abhängig gemacht, worauf N seine Gesellschaftsanteile verpfändete. Nach der Entscheidung des EuGH in dem vorangegangenen Verfahren Lasteyrie du Saillant gab der niederländische Fiskus die Sicherheiten frei. Gegenstand der Vorlagefrage an den EuGH war nunmehr im Wesentlichen, ob eine nationale Besteuerung des Wertzuwachses bei Wegzug aus dem Staatsgebiet mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist und ob die Pflicht zur Leistung von Sicherheiten zum Zwecke der Stundung einer Steuerschuld eine Einschränkung der Grundfreiheiten darstellt. b) Entscheidung des EuGH Der EuGH kommt in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Wegzugsbesteuerung nach niederländischem Modell die Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 43 EGV beschränkt. In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, dass die speziellen Bestimmungen zu den Grundfreiheiten den allgemeinen Freizügigkeitsbe294 295
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Vgl. Wassermeyer, Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 613 ff. Die Grundsätze der Entscheidung zu Lasteyrie du Saillant sind auch auf juristische Personen übertragbar, vgl. hierzu bereits die EU-Kommissionsmitteilung v. 19.12.2006, KOM (2006) 825 endg., die eine Wegzugsbesteuerung anlässlich des Wegzuges von Unternehmen für europarechtswidrig hält. Vgl. Schindler, Wegzugsbesteuerung, IStR 2004, 300 EuGH Rs. C 470/04-N, Urt. v. 7.9.2006, IStR 2006, 702
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stimmungen vorgehen und letztere nur subsidiär zur Anwendung kommen. Dem Urteil nach ergibt sich eine Beschränkung bereits aus der Tatsache, dass die niederländischen Bestimmungen geeignet sind, den Steuerpflichtigen von einem Wegzug in einen anderen EU-Staat abzuschrecken und die Freizügigkeit hierdurch einzuschränken. Nach Ansicht des EuGH käme eine beschränkende Wirkung dem Umstand zu, dass eine etwaige Wertminderung der Gesellschaft im Zuge der Verlegung des Wohnsitzes nicht steuermindernd berücksichtigt wird. Die Steuer auf den zu diesem Zeitpunkt nicht realisierten Wertzuwachs könne die Steuer bei Veräußerung ohne Wegzug übersteigen. Vorliegend verstößt der niederländische Gesetzgeber gegen Gemeinschaftsrecht. Das zur Zielereichung Erforderliche wird durch die nationalen Vorschriften überschritten. So wäre es möglich gewesen, die Steuerschuld gegenüber dem Staat des ursprünglichen Wohnsitzes zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung festzusetzen. Letzteres hätte nicht zu geringeren Steuerverpflichtungen geführt. N wäre verpflichtet gewesen, den Verkaufswert der Beteiligungen zum Zeitpunkt der Verlegung seines Wohnsitzes nachzuweisen und eine entsprechende Steuererklärung bei den niederländischen Behörden abzugeben. Eine Doppelbesteuerung hätte durch bilaterale Abkommen vermieden werden können. Des Weiteren kommt dem einseitigen Erfordernis der Sicherheitsbestellung eine das Gemeinschaftsrecht beschränkende Wirkung zu. Der Steuerpflichtige wird an der Nutzung der als Sicherheit geleisteten Vermögenswerte gehindert. Zwar wird die Erhebung von Steuern bei Gebietsfremden durch die Bestellung von Sicherheiten gewährleistet. Insofern dient die Sicherheitenbestellung einem legitimen Zweck. Jedoch kann eine Inanspruchnahme innerhalb der Mitgliedsstaaten auch über gegenseitige Amtshilfe erfolgen. Da die Leistung von Sicherheiten regelmäßig mit Kosten verbunden ist und zudem die Bonität des Steuerpflichtigen mindert, können die Folgen nicht durch einfache Freigabe der zuvor erhobenen Steuermittel behoben werden. Der Mitgliedsstaat muss sich im Übrigen um eine angemessene Kompensation bemühen. Mit dieser Entscheidung bestätigt der EuGH seine bisherige Rechtsprechung, nach der auch mittelbare Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit von natürlichen Personen gemeinschaftsrechtswidrig sind. Zudem beschränkt sich die Pflicht der Mitgliedsstaaten bei gemeinschaftsrechtswidrigem Verhalten nicht auf die bloße Rücknahme des jeweiligen staatlichen Aktes. Vielmehr hat eine darüber hinausgehende Kompensation durch den steuererhebenden Staat zu erfolgen. Schadensersatzansprüche kommen jedenfalls dann in Betracht, wenn der steuererhebende Staat im Rahmen seiner Steuergesetzgebung vorsätzlich gegen Gemeinschaftsrecht verstößt oder sich in einem vermeidbaren Rechtsirrtum befindet.
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8. Zwischenstand der EuGH-Rechtsprechung Die EuGH-Urteile Centros, Überseering und Inspire Art, die den BGH zu einer neuen Rechtsprechung veranlasst hatten, betrafen die Fälle des Zuzugs einer ausländischen Gesellschaft in einen anderen Mitgliedsstaat.298 Das vor der Cartesio-Entscheidung bislang einzige EuGH Urteil Daily Mail, das die Frage der Zulässigkeit eines Wegzugs einer Gesellschaft aus einem Staat betraf und damit die relevante Frage für die Verlegung des Sitzes einer GmbH aus Deutschland heraus, stellte fest, dass der Wegzug einer Gesellschaft als juristische Person nicht von der Niederlassungsfreiheit umfasst ist und daher jeder Staat die Möglichkeit habe, seinen nationalen Gesellschaften den Wegzug in das Ausland zu unterbinden. Allerdings deutet sich eine Änderung dieser Rechtsprechung durch das EuGH Urteil Lasteyrie du Saillant an, da der EuGH hier, wie bereits oben dargelegt, jede Beschränkung des Wegzugs einer natürlichen Person299 als europarechtswidrig ansieht. Zudem ergibt sich aus der Entscheidung zu X und Y, dass ein Staat, der Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, sich nicht auf die Argumentation berufen kann, dass das Besteuerungsrecht im Wegzugs- oder Übertragungsfall auf den Auslandsstaat übergeht. Gerade diese Folge ist das Wesen von Doppelbesteuerungsabkommen, nämlich territorial abzugrenzen, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht. Schließlich bestätigt der EuGH auch in dem Verfahren N seine zuvor entwickelte Rechtsprechung über die Unzulässigkeit von Beschränkungen bei Wegzugsfällen und die hierbei sodann vorliegende Verletzung der Niederlassungsfreiheit. Die Verfahren Lasteyrie du Saillant und N sind für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit insbesondere daher maßgeblich, da der EuGH in diesen Entscheidungen die Frage zur Wegzugsfreiheit behandelte. Hierbei stellte der EuGH fest, dass der Wegzug von natürlichen Personen in einen anderen EU-Staat nicht durch Steuern beschränkt werden dürfe, die anlässlich des Wegzuges entstehen. Weiterhin handelte es sich in dem Verfahren N um die Aufdeckung von stillen Reserven anlässlich des Wegzugs. Der EuGH sah hierin bereits eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit. Diese Rechtsfolge ist jedoch identisch mit der des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit, nach dem keine Wegzugshindernisse vorliegen dürfen, die den Wegzug eines Steuersubjektes beschränken. Da die bisherigen maßgeblichen Entscheidungen Lasteyrie du Saillant und N, die der Autor für den Wegzugsfall heranzieht, lediglich zur Wegzugsbesteuerung von natürli298
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Mit diesen Urteilen wurde insbesondere im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht aber auch im Steuerrecht ein Rechtsfortbildungsprozess eingeleitet, der derzeit lediglich in den ersten Konkretisierungen erkennbar ist, vgl. Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004; Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004 Die sich daraus ergebende Frage, ob die Grundsätze der Entscheidung zu Lasteyrie du Saillant auch auf juristische Personen übertragbar sind, wird nachstehend behandelt.
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chen Personen ergingen, ist fraglich, ob diese Entscheidungsgrundsätze auch auf das Untersuchungssubjekt dieser Arbeit, die GmbH als juristische Person, analog anwendbar sind. Gegen eine solche analoge Anwendung könnte sprechen, dass der EuGH in den Entscheidungsgründen zu Lasteyrie du Saillant und N keine ausdrückliche Anwendung seiner Rechtsansicht auf alle Steuersubjekte anordnet, die von etwaigen Wegzugssteuern betroffen sein könnten. Zudem liegt mit Daily Mail ein EuGH Judikat vor, in dem der EuGH es dem jeweiligen Staat überlässt, die Voraussetzung der Entstehung und auch des Erlöschens einer Gesellschaft frei zu regelt. Da eine juristische Person ihre Existenz dem nationale Gesellschaftsstatut verdanke, könne der Staat auch die entsprechenden Rechtswirkungen bezüglich des Erlöschens einer Gesellschaft anordnen. Hiermit sei auch eine Besteuerung anlässlich des Wegzuges und der damit verbundenen Auflösung der Gesellschaft verbunden.300 Gegen diese einschränkende Ansicht spricht jedoch, dass über Art. 48 EGV die Niederlassungsfreiheit auch auf juristische Personen Anwendung findet, so dass sich auch eine GmbH auf die Wegzugsfreiheit als Bestandteil der Niederlassungsfreiheit berufen kann. Letztlich ist es die Aufgabe des EuGH, die Grundfreiheiten weiter zu entwickeln. Ziel der Niederlassungsfreiheit ist die umfassende Ermöglichung der „Bewegungsfreiheit“ von natürlichen aber auch von juristischen Personen in Europa. Demnach kann eine im Lichte der Bestrebungen des EG-Vertrages ausgelegte Niederlassungsfreiheit nur dahingehend interpretiert werden, dass diese Grundfreiheit sowohl die Zuzugsfreiheit aber auch die Wegzugsfreiheit garantiert. Ist eine Gesellschaft durch ihre Entstehung einmal dem Schutzbereich des EG-Vertrags und seiner Grundfreiheiten unterstellt worden, entfalten die Grundfreiheiten ungehindert deren Schrankenwirkung gegen nationale Normen, die diese Grundfreiheiten einzuschränken versuchen.301 Soweit ein inländischer Sachverhalt betreffend die Sitzverlegung und den Wegzug ebenfalls nicht zu einer sofortigen Wegzugsbesteuerung führt, ist es gemeinschaftsrechtswidrig, den entsprechenden Wegzugsfall ins EU-Ausland ungleich und steuerverschärfend zu gestalten.302 Hinsichtlich der von der abzulehnenden Ansicht herangezogenen Entscheidung Daily Mail kommt damit eine Sonderrolle zu. Der EuGH verneinte hierbei die Wegzugsfreiheit von Gesellschaften. Allerdings stellte der EuGH klar, dass diese Rechtsauffassung auf der Grundlage des damaligen Standes der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts erging. Zudem sind seit dieser Entscheidung aus dem Jahr 1989 fast 20 Jahre vergangen, in denen sich das Gemeinschaftsrecht beständig fortentwickelt hat. Der EuGH hatte während dieser 300
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Vgl. Franz, Wegzugsbesteuerung, EuZW 2004, 270, 271; Zimmer, Grenzüberschreitende Rechtspersönlichkeit, ZHR 168 (2004), 355, 360 m.w.N. Zustimmend, vgl. Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 409, 422 Zustimmend: Nagler/Kleinert, Wegzugssteuer tot, BMF in Not, GmbHR 2005, R 282
Zeit in diversen Verfahren, insbesondere bei Lasteyrie du Saillant und N die Gelegenheit, seine damalige Rechtsansicht fortzuentwickeln. Aus diesen benannten Entscheidungen ist abzuleiten, dass der EuGH nunmehr wegzugshindernden staatlichen Maßnahmen, insbesondere den Wegzugssteuern, jede Rechtfertigung im Hinblick auf die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aberkennt. Der Umstand, dass die Entscheidungen Lasteyrie du Saillant und N zur Steuerpflicht von natürlichen Personen ergingen, ist unbeachtlich, da die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV gemäß Art. 48 EGV auch auf juristische Personen Anwendung findet. Die Entscheidungsgrundsätze dieser EuGH-Judikate sind daher auch auf die Wegzugsbesteuerung von juristischen Personen anzuwenden.303 Da sämtliche EuGH Entscheidungen nationale staatliche Maßnahmen, die die Niederlassungsfreiheit einschränken, kassieren, war zu erwarten, dass der EuGH bei nächster Gelegenheit eindeutig judizieren würde, dass die Wegzugsfreiheit ein Bestandteil der Niederlassungsfreiheit ist. Staatliche Maßnahmen, insbesondere Steuernormen, die im letzten Moment der Ansässigkeit vor dem Wegzug belastende Steuerfolgen auslösen, wären sodann als europarechtswidrig zu qualifizieren. Es war zu erwarten, dass der EuGH in dem Vorlageverfahren Cartesio seine Rechtsprechung zur Wegzugsfreiheit dementsprechend weiterentwickeln würde.304 9. Das Cartesio Vorlageverfahren des EuGH Seit der Entscheidung zu Daily-Mail hat der EuGH seine Rechtsprechung sukzessive durch die Urteile Centros, Überseering, Inspire Art, Lasteyrie du Saillant, X und Y sowie N zu Gunsten der Niederlassungsfreiheit ausgebaut. In diesen Urteilen hatte der EuGH jedoch keine Veranlassung, die Thematik zur Wegzugsfreiheit von Gesellschaften zu entscheiden, da es sich in den Entscheidungen zur Wegzugsbesteuerung Lasteyrie du Saillant und N, um den Wegzug von natürlichen Personen handelte. Diesen Urteilen ist die Grundaussage des EuGH gemein, dass staatliche Regelungen der Mitgliedsstaaten europarechtswidrig sind, wenn diese die freie Niederlassungsfreiheit von natürlichen Personen und damit deren Wegzug einschränken oder zumindest erschweren.
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Vgl. Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004, 804, 809 f.; Nagler/Kleinert, Wegzugssteuer tot, BMF in Not, GmbHR 2005, R 282; wohl auch Wassermeyer, Lasteyrie du Saillant“, GmbHR 2004, 613, 616 Vgl. Richter, Der identitätswahrende Wegzug deutscher Gesellschaften ins EU-/EWR-Ausland auf dem Vormarsch, IStR 2008, 719, 720. Nach zutreffender Ansicht von Richter ist der damalige Meinungsstand des EuGH in der Rs. Daily Mail durch die Fortentwicklung der EuGH-Rechtsprechung zu verwerfen. Zudem sei eine Weiterentwicklung der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit unter Einbeziehung der Wegzugsfreiheit zu erwarten.
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Durch das Vorlageverfahren Cartesio305 hatte sich der EuGH nunmehr mit der Frage zu befassen, ob die Niederlassungsfreiheit auch den Schutz der „Wegzugsfreiheit“ von Gesellschaften beinhaltet. a) Sachverhalt Im Jahr 2004 wurde die, nach dem ungarischen Handelsrecht gegründete, Cartesio KG in das Handelsregister eingetragen. Ein ungarisches Ehepaar war Komplementär bzw. Kommanditist der KG. Nach ungarischem Recht wird der Sitz der KG zwingend durch den Ort der Hauptverwaltung bestimmt. Im Jahre 2005 erklärte die KG gegenüber dem Registergericht, sie habe ihren operativen Sitz nach Italien verlegt und beantragte die Eintragung dieses Wechsels. Das Gericht lehnte die Eintragung wegen Fehlens einer Regelung zur Sitzverlegung im ungarischen Recht ab. Gegen diese Entscheidung legte die KG Berufung beim Regionalgericht ein und regte eine Vorlage zum EuGH an. b) Zu erwartende Entscheidung des EuGH Im Hinblick auf die Rolle des Gemeinschaftsrechtes, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum in der Europäischen Union zu schaffen und natürlichen und juristischen Personen länderübergreifend dieselben Möglichkeiten wie im Inland zukommen zu lassen, war die Ansicht begründet, dass sich der EuGH deutlich von seiner Rechtsprechung in Daily Mail distanzieren würde und die „Wegzugsfreiheit“ als „Spiegelbild“ der bereits in zahlreichen Urteilen anerkannten und weiterentwickelten „Zuzugsfreiheit“ anerkennt. In einem gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum müssen sich Sitzverlegungen von Gesellschaften genauso einfach vollziehen lassen, wie dies beispielsweise innerhalb eines föderalen Staates wie der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Daher kann es europarechtlich vor dem Hintergrund des bestehenden gemeinsamen Binnenmarkts keine unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen, ob Cartesio KG den Verwaltungssitz nur innerhalb Ungarns verlegt hätte oder aber wie vorliegend von Ungarn in den Mitgliedsstaat Italien verlegt hat. Ländergrenzen können im europäischen Binnenmarkt keine Rolle bei der Verlegung des Verwaltungssitzes von Gesellschaften spielen. Für diese Ansicht sprach bereits die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant und N. Wie vorstehend beschrieben, bewertete der EuGH die streitgegenständliche „Wegzugsbesteuerung“ ebenfalls als einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit. Dieser Eingriff ist auch nicht gerechtfertigt, da keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses diese Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen. Insbesondere ist die gesetzgeberische Absicht, eine Steuerflucht oder Steuermindereinnahmen zu verhindern, nicht ausreichend für diesen Eingriff in die 305
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EuGH Rs. C-210/06–Cartesio; ZIP 2006, 1536
Grundfreiheiten des Art. 43 EGV. Schließlich stellte der EuGH fest, dass der Wegzug aus einem EU-Staat auch nicht als Anhaltspunkt für eine Steuerflucht oder Steuerhinterziehung dienen kann. Mit der „Wegzugsbesteuerung“ liegt nach Ansicht des EuGH eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Steuerpflichtigen, die innerhalb eines Staates deren Sitz verlegen, vor. Die abschreckende Wirkung der „Wegzugsbesteuerung“ führt zu einem Eingriff in die Niederlassungsfreiheit. Juristische Personen können sich über Art. 48 EGV ebenfalls auf die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV berufen. In den Entscheidungen Lasteyrie du Saillant und N war die Konsequenz des Wegzuges eine Wegzugsbesteuerung. In dem Vorlageverfahren Cartesio ist die Sanktion, dass das ungarische Registergericht die Cartesio KG faktisch in den Grenzen von Ungarn verhaftet hält. Diese Rechtsfolge ist deutlich belastender als die Wegzugsbesteuerung, denn die Gesellschaft ist dadurch im Gemeinschaftsraum nicht „bewegungsfähig“. Konsequenterweise müsste der EuGH daher die bisherige ungarische Rechtslage als europarechtswidrig ansehen. Zudem war nach dem damaligen Stand der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts und der entsprechenden Rechtsprechung des EuGH kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Wegzugsfreiheit, die der EuGH bereits den natürlichen Personen zuerkannt hat, nunmehr den Gesellschaften als juristische Personen nicht ebenfalls zuerkennen würde. Schließlich ging es in dem Verfahren Cartesio um den Wegzug des Verwaltungssitzes und nicht des Satzungssitzes, so dass eine Entscheidung des EuGH auch nur zur Wegzugsfreiheit des Verwaltungssitzes zu erwarten war. Gleichwohl könnten aus einer solchen, die Wegzugsfreiheit bejahenden Entscheidung, weitere Schlüsse auf die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts bezüglich der Wegzugsfreiheit des Satzungssitzes gezogen werden. Dies ist im gesellschaftsrechtlichen Bereich der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. c) Schlussanträge des Generalanwalts Der Generalanwalt des EuGH Poiares Maduro vertritt in seinen Schlussanträgen zum Vorabentscheidungsverfahren vom 22.05.2008306 die Auffassung, dass die Bestimmungen des EG-Vertrages zur Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) auf die vorliegende Rechtssache eindeutig anwendbar sind.307 Aus seiner Sicht behandeln die in Rede stehenden ungarischen Vorschriften grenzüberschreitende Sachverhalte ungünstiger als rein nationale Sachverhalte, da sie die Verlegung des operativen Geschäftssitzes einer Gesellschaft nur innerhalb Ungarns erlauben. Auch wenn Gesellschaften nur gemäß nationalem Recht bestünden und in den Mitgliedsstaaten völlig unterschiedliche Gründungsvorschriften gelten, so könnten diese die Verhält306
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Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Poiares Maduro v. 22.5.2008, IStR 2008, 478 ff. mit Anmerkungen Rainer; Pressemitteilung des EuGH Nr. 32/08 v. 22.5.2008 Tz. 25 der Schlussanträge des GA Poiares Maduro
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nisse der nach ihrem nationalen Recht errichteten Gesellschaften nicht völlig frei ohne Berücksichtigung der Folgen für die Niederlassungsfreiheit regeln.308 Dies gelte, obgleich der EuGH sich im Urteil Daily Mail dafür entschieden hatte, dass eine Gesellschaft sich nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen könne, um deren Sitz in einen anderen EU-Mitgliedsstaat zu verlegen.309 Nach Ansicht des Generalanwalts sind aus seinen Erwägungen zu Cartesio nationale Regelungen, die die Verlegung des operativen Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen EU-Mitgliedsstaat verhindern, europarechtswidrig. Die Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften hat sich seit dem Urteil zu Daily Mail mit den Urteilen Centros, Überseering, Inspire Art, Lasteyrie du Saillant und N weiterentwickelt. Es wurden verschiedentlich durch den EuGH Begründungsansätze entwickelt, um zwischen dem Urteil Daily Mail und den Urteilen Centros, Überseering, Inspire Art, Lasteyrie du Saillan und N zu unterscheiden. Hierbei wurden Differenzierungen zwischen Erst- und Zweitniederlassungsfreiheit getroffen. Zudem wurde unterschieden, ob der Gesellschaftssitz aus einem anderen Mitgliedsstaat in den betreffenden Mitgliedsstaat oder ob der Sitz aus dem betreffenden Mitgliedsstaat verlegt wird. Diese Bemühungen des EuGH konnten nach Ansicht des Generalanwalts nie ganz überzeugen. Insbesondere die Unterscheidung zwischen den Sachverhalten, in denen ein Mitgliedsstaat Gesellschaften, die nach seinem eigenen Gesellschaftsrecht gegründet wurden, daran hindert oder davon abbringt, eine ausländische Niederlassung zu gründen, und Sachverhalten, in denen der Aufnahmemitgliedsstaat die Niederlassungsfreiheit beschränkt, passte nicht in den allgemeinen analytischen Rahmen, den der EuGH an die Art. 43 EGV und 48 EGV anlegt. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass die angeführten Feststellungen aus den Urteilen Daily Mail sowie Inspire Art die Rechtsprechung und die ihr zugrunde liegende Logik nicht zutreffend wiedergeben. Zum einen ist es, auch wenn die Urteile Inspire Art und Centros etwas anderes zu besagen scheinen, unter Umständen nicht immer möglich, sich erfolgreich auf die Niederlassungsfreiheit zu berufen, um sich als Gesellschaft pro forma in einem anderen Mitgliedsstaat niederzulassen, wenn dies allein dem Zweck dient, das eigene nationale Gesellschaftsrecht zu umgehen. Der EuGH hatte in seinem Urteil Cadbury Schweppes wiederholt, „(…) dass der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedsstaat mit dem Ziel gegründet worden ist, in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, für sich allein nicht ausreicht, um auf eine missbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit schließen zu können.“310
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Tz. 31 der Schlussanträge des GA Poiares Maduro Tz. 28 der Schlussanträge des GA Poiares Maduro Tz. 29 der Schlussanträge des GA Poiares Maduro
Der EuGH hat jedoch hervorgehoben, dass die Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen können, mit denen künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität zuwiderlaufende Gestaltungen verhindert werden, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften zu entgehen. Nach Ansicht des Generalanwalts ist dies eine erhebliche Einschränkung der Feststellungen in den Urteilen Centros und Inspire Art sowie eine Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des EuGH zum Grundsatz des Missbrauchs des Gemeinschaftsrechts, auch wenn der Gerichtshof den Begriff „Missbrauch“ weiterhin nur sehr eingeschränkt verwendet. Zum anderen schließt der EuGH keine speziellen Rechtsbereiche der Mitgliedsstaaten a priori vom Geltungsbereich der Niederlassungsfreiheit aus. Vielmehr konzentriere sich der EuGH auf die Wirkungen, die nationale Vorschriften oder Praktiken auf die Niederlassungsfreiheit haben können. Der EuGH prüft die Vereinbarkeit dieser Wirkungen mit der durch den EG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit. Im Hinblick auf die nationalen Vorschriften über die Gründung von Gesellschaften, lässt sich der Gerichtshof von zwei Überlegungen leiten. Erstens steht es den Mitgliedsstaaten nach derzeitigem Stand des Gemeinschaftsrechts frei, ob diese ihr Rechtssystem auf die Theorie des tatsächlichen Sitzes oder auf die Gründungstheorie stützen; und tatsächlich haben sich die verschiedenen Mitgliedsstaaten für völlig unterschiedliche Gründungsvorschriften entschieden. Zweitens erfordere die wirksame Ausübung der Niederlassungsfreiheit zumindest einen gewissen Grad an gegenseitiger Anerkennung und Koordinierung der unterschiedlichen Rechtssysteme. Diese Herangehensweise führe aber dazu, dass die Rechtsprechung nationale Vorschriften, die sich auf Gesellschaften beziehen, unabhängig davon anerkennt, ob sie auf der Theorie des tatsächlichen Sitzes oder der Gründungstheorie basieren. Gleichzeitig impliziere die wirksame Ausübung der Niederlassungsfreiheit jedoch, dass keine Theorie bis in die letzte Konsequenz angewandt werden könne. Im Ergebnis ist der Generalanwalt der Auffassung, dass beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts unmöglich argumentiert werden kann, dass die Mitgliedsstaaten frei über „Leben und Tod“ der nach ihrem nationalen Recht gegründeten Gesellschaften verfügen können, ohne dass die Folgen für die Niederlassungsfreiheit zu berücksichtigen wären.311 Um den Wertungswiderspruch zwischen der Niederlassungsfreiheit und der hierzu widersprüchlichen Ansicht des EuGH nach der „Geschöpftheorie“ zu verdeutlichen, führt der Generalanwalt ironischerweise aus: „Der Staat hat´s gegeben, der Staat hat´s genommen und damit müssen wir uns abfinden.“
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Tz. 31 der Schlussanträge des GA Poiares Maduro
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Insbesondere für kleine und mittlere Gesellschaften könne eine innergemeinschaftliche Verlegung des operativen Geschäftssitzes eine einfache und wirksame Möglichkeit sein, echte wirtschaftliche Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedsstaat auszuüben, ohne den Kosten und administrativen Belastungen ausgesetzt zu sein, die mit der Abwicklung der Gesellschaft in ihrem Herkunftsstaat und dem anschließenden kompletten Wiederaufbau im anderen Mitgliedstaat verbunden seien. Außerdem könne die Abwicklung einer Gesellschaft in einem Mitgliedsstaat und ihre anschließende Neugründung nach dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats viel Zeit in Anspruch nehmen, in der die betreffende Gesellschaft möglicherweise an der Fortsetzung des Geschäftsbetriebs gehindert sei. Der Generalanwalt sieht es daher als eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit an, wenn einer Gesellschaft die Verlegung ihres operativen Geschäftssitzes von einem Mitgliedsstaat in einen anderen verwehrt wird. Nach Ansicht des Generalanwalts könne eine solche Beschränkung allerdings aus Gründen des allgemeinen öffentlichen Interesses, wie zum Beispiel zum Schutz vor Missbrauch oder betrügerischem Verhalten oder zum Schutz der Interessen von beispielsweise Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern, Arbeitnehmern oder Finanzbehörden, gerechtfertigt sein. In der vorliegenden Rechtssache Cartesio schließe jedoch das ungarische Recht die Verlegung generell aus, ohne dass es dafür irgendeinen Rechtfertigungsgrund gäbe. Der Generalanwalt begründet seine Rechtsansicht sodann weiter mit dem Argument, dass beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Mitgliedsstaaten nicht uneingeschränkt über das Entstehen oder das Erlöschen von Gesellschaften entscheiden können. Andernfalls würde den Mitgliedsstaaten der „Freibrief“ erteilt werden, nach Belieben die „Todesstrafe“ über eine nach ihrem Recht gegründete Gesellschaft zu verhängen, nur weil diese sich zur Ausübung der Niederlassungsfreiheit entschließt.312 Deshalb schlägt der Generalanwalt dem Gerichtshof vor zu entscheiden, dass die streitgegenständlichen ungarischen Rechtsvorschriften, nach denen die Verlegung des operativen Sitzes einer Gesellschaft ins EU-Ausland unzulässig ist, mit dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar sind.313 Der Bewertung des Generalanwaltes ist zuzustimmen. Im Interesse der Verwirklichung eines einheitlichen und ohne zwischenstaatliche Barrieren bestehenden EUWirtschaftsraumes erscheint es sachfremd, die Niederlassungsfreiheit lediglich auf 312 313
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Tz. 31 der Schlussanträge des GA Poiares Maduro Zu beachten ist jedoch, dass die Ansicht des Generalanwalts für den Gerichtshof nicht bindend ist. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Gleichwohl folgte der EuGH in der Vergangenheit häufig den Schlussanträgen des jeweiligen Generalanwalts.
die Zuzugsfreiheit zu reduzieren. Die Zuzugsfreiheit und die Wegzugsfreiheit sind die zwei Seiten der einheitlichen Medaille „Niederlassungsfreiheit“. Andernfalls stünde es im Ermessen eines jeden Staates, den Wegzug der eigenen Gesellschaften zu beschränken. Auf die Frage der Zuzugsfreiheit durch den „aufnehmenden“ Zuzugsstaat käme es letztlich nicht mehr an. Folglich fordert die Zuzugsfreiheit konzeptionell, dass der Ausgangsstaat (Ansässigkeitsstaat) zunächst den Wegzug erlaubt. Andernfalls würde die Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften im Ergebnis „leer“ laufen. Durch eine Entscheidung des EuGH sind sowohl die Gerichte als auch die Finanzverwaltung gebunden. Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass nicht nur nationale Gerichte, sondern auch sonstige Hoheitsträger verpflichtet sind, nationale Vorschriften richtlinienkonform auszulegen.314 Auch die Finanzbehörden müssen auslegungsbedürftiges innerstaatliches Recht richtlinienkonform auslegen und anwenden.315 Art. 10 EGV verpflichtet alle innerstaatlichen Organe zur Gemeinschaftstreue. Daher ist das vom EuGH ausgelegte Gemeinschaftsrecht anzuwenden. Die deutschen Finanzbehörden sind gemäß Art 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz und entsprechend auch an die Entscheidungen des EuGH gebunden.316 Es war daher in diesem Verfahren zu erwarten, dass der EuGH bei Fortentwicklung seiner Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit und im Konkreten zur Wegzugsfreiheit, den vorliegenden Anträgen des Generalanwalts entspricht und im Ergebnis die Wegzugsfreiheit als Bestandteil der Niederlassungsfreiheit anerkennt. 10. Die Cartesio-Entscheidung des EuGH317 a) Entscheidung des EuGH Die zuvor besprochenen Schlussanträge des Generalanwalts Poaires Maduro beruhten auf den entscheidungsrelevanten Vorentscheidungen des EuGH in den Verfahren Centros, Überseering und Inspire Art sowie der nachweislichen Tendenz in der EuGH-Rechtsprechung, die Niederlassungsfreiheit beständig fortzuentwickeln. Überraschenderweise judizierte der EuGH in der Rechtssache Cartesio nunmehr mit einer gespaltenen Betrachtungsweise bezüglich der Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes. Fortan wird zukünftig nach den beiden Alternativen zu unterscheiden sein. Nach der Ansicht des EuGH verstößt die ungarische Rechtspraxis, der Cartesio-Gesellschaft den Wegzug des Verwaltungssitzes nach Italien zu untersagen, nicht ge314 315 316
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EuGH Rs. 103/88-Constanzo, Urt. v. 22.6.1989, Slg. 1989, 1839 BFH BStBl. 1992 II, 267 EuGH Rs. C-91/92-Paola Faccini Dori, Urt. v. 14.7.1994; BFH BStBl. 2002 II, 553; EuGH Rs. C270/83-Avoir Fiscal, Urt. v. 28.1.1986, Slg. 1986, 273; BFH IStR 2003, 314 EuGH Rs. C-210/06-Cartesio, Urt. v. 16.12.2008, GmbHR 2009, 86 ff. mit Anmerkungen von W. Meilicke; NJW 2009, 569 f.
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gen die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit.318 Die Frage, ob die Cartesio-Gesellschaft sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann, setzt voraus, dass überhaupt eine Gesellschaft im Sinne des Gemeinschaftsrechts vorliegt. Dies sei eine Vorfrage, die mangels Regelung im Gemeinschaftsrecht auf der Grundlage der nationalen Rechtsordnungen zu beurteilen ist.319 Da Gesellschaften deren Rechtsexistenz der jeweiligen nationalen Rechtsordnung verdanken, nach der diese gegründet wurden, könne dieses nationale Gründungsrecht auch bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft erhalten bleibt und unter welchen Umständen diese Gesellschaften deren Rechtspersönlichkeit verlieren. Der Gründungsstaat stattet die Gesellschaften mit diversen Rechten aus und darf folglich auch Beschränkungen für den Wegzug auferlegen. Aufgrund der engen Bindung zwischen Gründung und Existenz der Gesellschaften und des Fehlens einer einheitlichen gemeinschaftsrechtlichen Definition von „Gesellschaften“, denen die Niederlassungsfreiheit zugutekommt, behalten die Mitgliedsstaaten ihre Autonomie darüber, in ihrem nationalen Recht festzulegen, unter welchen Voraussetzung die Gesellschaften ihrer Rechtsordnung entstehen und auch, dass eine Verknüpfung der Gesellschaften mit dem Territorium vorliegen muss.320 Als Anknüpfungspunkt für den Rechtserhalt einer Gesellschaft könne daher auch ein inländischer Verwaltungssitz als Voraussetzung gewählt werden. Konsequenterweise müsste sich die Cartesio-Gesellschaft bei der Verlegung des Verwaltungssitzes nach ungarischem Recht auflösen und sich anschließend nach dem Recht des Zuzugsstaates Italien neu gründen. Gleichwohl führt diese grundsätzliche Befugnis der Staaten zu keinerlei Immunität des nationalen Rechts bezüglich der Gründung und Auflösung von Gesellschaften im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht und die entsprechende Niederlassungsfreiheit.321 Ohne in dem konkreten Cartesio-Verfahren dazu Veranlassung zu haben nimmt der EuGH in einem obiter dictum zu einer Verlagerungsmöglichkeit einer Gesellschaft Stellung, die von der Niederlassungsfreiheit geschützt ist. Von der Verlegung des Verwaltungssitzes unterscheidet der EuGH nunmehr die Verlegung des Satzungssitzes. Hierzu stellt der EuGH fest, dass der Gründungsstaat es gewährleisten muss, dass eine Gesellschaft deren Satzungssitz durch eine identitätswahrende Umwandlung in eine Gesellschaft nach dem Recht des Zuzugsstaates verlegt.
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Leible/Hoffmann, Cartesio und Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58, 59; Tz. 110 des Cartesio-Urteils Tz. 109 des Cartesio-Urteils; vgl. Werner, Internationales Gesellschaftsrecht, GmbHR 2009, 191, 194 Vgl. Leible/Hoffmann, Cartesio und Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58, 59; der EuGH knüpft in seiner Begründung partiell an die Begründungen in der Rechtssache Daily Mail an und verweist auf diese Entscheidung, vgl. Zimmer/Naendrup, Rück- oder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht, NJW 2009, 545 f. Tz. 109, 110 des Cartesio-Urteils
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Diese Sitzverlegungsfreiheit des Satzungssitzes durch eine Umwandlung322 sei von der Niederlassungsfreiheit geschützt, „soweit dies nach diesem (ausländischen) Recht möglich ist“.323 b) Bewertung der EuGH-Entscheidung Die Cartesio-Entscheidung versagt nicht grundsätzlich den Wegzug einer Gesellschaft aus dem Gründungsstaat. Für das Gesellschaftsrecht ist die Cartesio-Entscheidung nach richtiger Ansicht daher nicht als ein Rückschritt oder als ein Ausschluss der Mobilität von Gesellschaften anzusehen. Es ist fortan vielmehr zwischen der Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes einer Gesellschaft zu differenzieren. Der EuGH nimmt insoweit eine Aufspaltung der Möglichkeiten von Sitzverlagerungen vor. Aus den Entscheidungsgründen ist das Bestreben des EuGH zu erkennen, es zu verhindern, dass eine Gesellschaft einen Verwaltungs- und einen Satzungssitz in zwei verschiednen Rechtsordnungen hat. Der EuGH folgt hierbei wohl der Konzeption der SE, bei der eine Aufspaltung von Verwaltungs- und Satzungssitz in zwei verschiedenen Rechtsordnungen ebenfalls unzulässig ist.324 aa) Verlegung des Verwaltungssitzes Das Urteil ist inkonsequent, da der EuGH bezüglich der Verlegung des Verwaltungssitzes zunächst auf das nationale Recht der Mitgliedsstaaten verweist und es deren Befugnis überlässt, ob die Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland als zulässig erachtet wird. Gleichzeitig betont der EuGH, dass mit diesem Rechtssatz keine „Immunität der nationalen Gesetze bezüglich Gründung und Auflösung von Gesellschaften besteht.“ Die anfängliche Rechtsansicht des EuGH wird damit wieder relativiert. Unbeantwortet bleibt, in welchem Maße die benannte „Immunität“ besteht, wie sich die Immunität praktisch auswirkt und welche Rechtsfolgen hieraus abzuleiten sind. Zudem bezieht sich diese EuGH-Entscheidung nicht auf eine Kapitalgesellschaft und damit gerade nicht auf eine juristische Person. Bei der Cartesio-Gesellschaft handelt es sich um eine Kommanditgesellschaft, die nach ungarischem Recht eine Personengesellschaft ist. Es ist daher bereits fraglich, ob der EuGH bei einer ähnlichen Konstellation, jedoch mit einer juristischen Person als Niederlassungsberechtigte, zur gleichen Entscheidung gekommen wäre.325 Schließlich überzeugt die Begründung des EuGH für die Anknüpfung der Gesellschaft an das Territorium nicht. 322
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Der EuGH komplettiert damit seine Rechtsprechung zu den Umwandlungsfällen. In der Rechtssache Sevic (Rs. C-411/03, NJW 2006, 425) hatte der EuGH die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der „Hereinverschmelzung“ festgestellt. Nunmehr wird diese Rechtsprechung dahingehend erweitert, dass Umwandlungen „aus dem Herkunftsstaat heraus“ gemeinschaftsrechtlich von der Niederlassungsfreiheit geschützt sind. Der Wegzugsstaat darf für solche gesellschaftsrechtlichen Vorgänge keine Beschränkungen aufstellen. Tz. 112 des Cartesio-Urteils Vgl. Art. 7, 8 Abs. 1 SE-VO Vgl. Leible/Hoffmann, Cartesio und Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58, 59
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Bei einer natürlichen Person würde der Verlust der Staatsangehörigkeit beim Wechsel in einen anderen Staat, die Niederlassungsfreiheit eindeutig und nachhaltig beschränken. Weshalb diese Rechtsfolge, bei der Gesellschaft nunmehr zum Verlust von deren Gesellschaftsstatut beim Wechsel in einen anderen Staat führt und dieser Rechtsverlust nunmehr weniger einschneidend sein soll als bei einer natürlichen Person, erschließt sich aus der Begründung der EuGH jedoch nicht.326 Letztlich vermag auch die Differenzierung zwischen Zuzugs- und Wegzugsfällen durch den EuGH nicht zu überzeugen.327 Die Zuzugsfreiheit ist das „Spiegelbild“ der Wegzugsfreiheit. Sofern der Wegzugsstaat berechtigt ist, Wegzugshindernisse zu errichten, wird es keine Zuzugsfälle aus der Sicht des Zuzugsstaates geben. Wegzugsbeschränkungen stellen sich aus der Sicht des Zuzugsstaates damit faktisch als Zuzugsbeschränkungen dar.328 Gerade diese Zuzugsbeschränkungen werden vom EuGH bislang in ständiger Rechtsprechung329 als gemeinschaftswidrig qualifiziert. bb) Verlegung des Satzungssitzes Von der Fragestellung zur Verlegung des Verwaltungssitzes ist die Problematik über die Verlegung des Satzungssitzes unter Wahrung der Identität der Gesellschaft zu unterscheiden. Der Wegzugsstaat ist nicht berechtigt, bei einer solchen Satzungssitzverlegung, eine Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft beim Grenzübertritt anzuordnen, wenn die Gesellschaft sich in eine Gesellschaftsform des Zuzugsstaats wandelt. Dieses obiter dictum zur Verlegung des Satzungssitzes zeigt nach richtiger Ansicht die Tendenz des EuGH auf, eine vollständige Verlegung einer Gesellschaft mit Verwaltungs- und Satzungssitz dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit zu unterstellen. Die Formulierung „soweit dies nach geltendem Recht (des ausländischen Zuzugsstaates) erlaubt ist“ wird nach einigen Ansichten als echte Tatbestandsvoraussetzung für eine zulässige Verlegung des Satzungssitzes interpretiert.330 Diese einschränkende Betrachtungsweise begegnet jedoch systematischen Bedenken. Sofern die Urteilsformulierung „soweit dies nach geltendem Recht erlaubt ist“ als Voraussetzung für die wirksame Sitzverlegung durch eine Umwandlung interpretiert wird, würde dies faktisch bedeuten, dass die Sitzverlegungsmöglichkeit aus dem Herkunftsstaat von der Zulässigkeit und der „Aufnahmebereitschaft“ des Zuzugsstaates331 abhängen würde. Dem Zuzugsstaat stünde daher die Möglichkeit of326
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Vgl. Zimmer/Naendrup, Rück- oder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht, NJW 2009, 545, 546 f. Der Generalanwalt Poaires Maduro sprach sich gegen eine solche Differenzierung aus, vgl. Tz. 28 der Schlussanträge des GA Poaires Maduro Kußmaul/Richter/Ruiner, Grenzenlose Mobilität, EWS 2009, 1, 7 Vgl. hierzu insbesondere die EuGH-Rechtsprechung in den Rechtssachen Centros, Überseering und Inspire Art Zimmer/Naendrup, Rück- oder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht, NJW 2009, 547 Beispielsweise lässt das portugiesische Recht den identitätswahrenden Zuzug von Auslandsgesellschaften zu, wenn diese sich in eine Rechtsform nach portugiesischem Recht
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fen, den Zuzug von europäischen Gesellschaften durch die Gestaltung seines Gesellschaftsrechts zu verhindern. Eine solche Rechtseinräumung an den Zuzugsstaat kann jedoch von dem EuGH nicht im Cartesio-Verfahren beabsichtigt gewesen sein, da der EuGH in den „Zuzugsfällen“ es den Zuzugsstaaten versagt hatte, den Zuzug von Auslandsgesellschaften zu behindern. Unter Anführung der Zuzugsfreiheit hatte der EuGH Zuzugsbeschränkungen stets als europarechtswidrig qualifiziert. Es wäre daher eine Umkehr der bisherigen Rechtsprechungspraxis, die Formulierung „soweit dies nach geltendem Recht erlaubt ist“ als Gestaltungsmöglichkeit des Zuzugsstaates zu interpretieren. In einem solchen Fall hätte der EuGH sich zur Rechtsklarheit eindeutig auf die vorherigen Urteile zur Zuzugsfreiheit332 bezogen und die dort vertretene Rechtsmeinung als überholt qualifiziert. Eine solche Abkehr von der EuGHRechtsprechung in den „Zuzugsfällen“ liegt jedoch in dem Cartesio-Verfahren gerade nicht vor. Die Urteilsformulierung hat damit lediglich eine Ordnungsfunktion, die den Zuzugsstaaten aufgibt, entsprechende konkrete gesetzliche Regelungen, beispielsweise zur grenzüberschreitenden Umwandlung, zu schaffen.333 Es liegt daher keine echte Tatbestandsvoraussetzung für die Zulässigkeit der Satzungssitzverlegung vor. Folglich ist für einen wirksamen Wegzug der Gesellschaft durch die Verlegung des Satzungssitzes im Rahmen einer identitätswahrenden Umwandlung, der Zuzugsstaat nicht berechtigt, diesen Zuzug der Gesellschaften zu beschränken. Des weiteren ist nicht hinreichend geklärt, ob der Wegzug durch die Verlegung des Satzungssitz nur dann von der Niederlassungsfreiheit erfasst ist, wenn der Wegzug durch eine identitätswahrende Umwandlung erfolgt. Nach richtiger Ansicht handelt es sich bei der vom EuGH angeführten Umwandlungsmöglichkeit nicht um eine abschließende Formulierung der Gestaltungsmöglichkeiten, sondern um die beispielhafte Anführung einer Möglichkeit, wie der Wegzug des Satzungssitzes gestaltet werden kann. Hierfür spricht, dass auch bei einem identitätswahrenden und rechtsformwahrenden Wegzug des Verwaltungs- und des Satzungssitzes es nicht zu einer Rechtsaufspaltung kommt. Für die Gesellschaft wäre nach der Gründungstheorie weiterhin uneingeschränkt das Gründungsrecht anwendbar.334 Für diese Ansicht spricht insbesondere, dass diese Interpretation des Cartesio-Urteils auf der Entscheidungslinie der mobilitätserleichternden Rechtsprechung des EuGH liegt. Schließlich geht der EuGH bei seinen Entscheidungsgründen auch nicht auf die
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wandeln, d.h. die Statuten entsprechend ändern und in das portugiesische Handelsregister eingetragen werden, vgl. hierzu Art. 3 CSC; Leible/Hoffmann, Cartesio und Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58, 60 Vgl. die EuGH-Verfahren Centros, Überseering, Inspire Art Vgl. Mörsdorf, Beschränkung der Mobilität, EuZW 2009, 97, 100; a.A. Zimmer/Naendrup, Rückoder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht, NJW 2009, 545, 548 Eine solcher statutenwahrender Wegzug einer Gesellschaft liegt bereits dann vor, wenn das Kollisionsrecht des Zuzugsstaates auf das Recht des Gründungsstaates (Herkunftsstaates) zurückverweist, beispielsweise bei Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, vgl. Leible/Hoffmann, Cartesio und Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58, 61
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Schlussanträge und die Begründungen des Generalanwalts Poaires Maduro ein. Dies ist ein Indiz dafür, dass der EuGH den Begründungserwägungen des Generalanwalts nicht grundsätzlich widersprechen will. Andernfalls hätte sich der EuGH mit den Begründungen des Generalanwalts inhaltlich differenziert auseinandergesetzt. Das Urteil bestätigt damit die grundsätzliche Berechtigung einer Gesellschaft, deren Satzungssitz in das europäische Ausland zu verlegen. Beispielhaft aber nicht ausschließlich kann dies durch eine Umwandlung der „Wegzugs“-Gesellschaft in eine Rechtsform des Zuzugsstaates erfolgen. Das Urteil im Cartesio-Verfahren wird nicht das Ende der gemeinschaftsrechtlichen Entwicklung für die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften sein. Ein zwangsweise angeordneter Rechtsformwechsel würde nämlich auch eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit sein, da nunmehr ein fremdes Recht für die Gesellschaft fortan gelten würde. Diese Beeinträchtigung kann sich auch als ein faktisches Wegzugshindernis darstellen. Gerade diese Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit beabsichtigt der EuGH jedoch zu beseitigen. Der angeordnete Rechtsformwechsel scheint in der Urteilsbegründung vielmehr aus praktischen Erwägungen geprägt zu sein, um den Aufnahmestaaten nicht Gesellschaften mit fremden Rechtsordnungen zuzumuten und den Wegzugsstaaten die Kontrolle von nationalen Gesellschaften weiterhin zu ermöglichen. Praktikabilitätsgründe können jedoch keine Rechtfertigung für Einschränkungen der europäischen Grundfreiheiten sein. Konsequenterweise muss im Hinblick auf die Schlussanträge des Generalanwalts sowie die vom EuGH nach richtiger Ansicht formulierte beispielhafte Sitzverlegungsmöglichkeit durch eine identitätswahrende Umwandlung gefolgert werden, dass der EuGH die einheitliche Sitzverlegungsmöglichkeit von Verwaltungs- und Satzungssitz als von der Niederlassungsfreiheit geschützt ansieht und in dieser Hinsicht das Gemeinschaftsrecht durch das Cartesio-Urteil fortentwickelt hat. 11. Verlegung des Verwaltungssitzes nach dem reformierten § 4a GmbHG Unabhängig von der europarechtlichen Bewertung über die Zulässigkeit der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft in das EU-Ausland hat der deutsche Gesetzgeber diese Gestaltungsmöglichkeit nunmehr anerkannt. Im Rahmen der Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG wurde der bisherige Absatz 2 von § 4a GmbH gestrichen. Dieser beschränkte den Verwaltungssitz der GmbH bislang auf das Inland. Durch die Streichung des Absatz 2 besteht nunmehr die Möglichkeit, den Verwaltungssitz einer GmbH ins Ausland zu verlegen.335 Obgleich diese reformierte Regelung im Hinblick auf das Europarecht erfolgte, ist der Verwaltungssitz einer
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Eine analoge Regelung erfolgt durch das MoMiG für die Aktiengesellschaft in § 5 AktG
GmbH fortan nicht nur auf das Gebiet der Europäischen Union beschränkt, sondern kann auch in Drittstaaten verlegt werden.336 III. Zusammenfassung In den vorangegangenen Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit hat der EuGH stets im Sinne der Erweiterung der Grundfreiheiten entschieden. Hierbei war der EuGH von dem Leitbild des EG-Vertrages geleitet, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum der EU-Staaten zu schaffen, ohne Einschränkungen oder Diskriminierung der Ausländer gegenüber den Inländern. Nach richtiger Ansicht erfolgte diese Weiterentwicklung der Niederlassungsfreiheit auch durch das Cartesio-Urteil, da ein gesellschaftsrechtlicher Weg durch den EuGH aufgezeigt wurde, den Satzungssitz einer Gesellschaft in das Ausland zu verlegen. Es ist daher weiterhin zu erwarten, dass der EuGH seine bisherige Rechtsprechungslinie, die Niederlassungsfreiheit weiterzuentwickeln, beibehält. Es wäre eine ungerechtfertigte Verkürzung der Niederlassungsfreiheit, wenn diese nur die Zuzugsfreiheit, aber nicht auch die Wegzugsfreiheit beinhalten würde. Die Sicherstellung der verankerten Niederlassungsfreiheit erfordert es konsequenterweise, dass auch die Wegzugsfreiheit als Bestandteil der Niederlassungsfreiheit angesehen wird.337 Durch die Neufassung des § 4a GmbHG besteht die Verlegungsmöglichkeit des Verwaltungssitzes nunmehr bereits auf der Grundlage des deutschen Rechts.
C. Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft Für die Fragestellung der Untersuchung dieser Arbeit ist es nicht ausreichend, ob der Verwaltungssitz einer Gesellschaft in das EU-Ausland verlegt werden kann. Die eingangs genannte Zielsetzung der Unternehmen, die vollständige Verlegung der GmbH aus Deutschland in das EU-Ausland zu vollziehen, erfordert sowohl die Verlegung des Verwaltungssitzes als auch des Satzungssitzes der Gesellschaft. Es ist daher im Weiteren zu untersuchen, ob sich aus den bisher erläuterten Rechtsgrundsätzen ebenfalls die Möglichkeit ableitet, nunmehr auch den Satzungssitz der GmbH ins EU-Ausland zu verlegen. I. Verlegung des Satzungssitzes de lege lata im deutschen Recht Das deutsche Recht versagte, wie bereits ausgeführt, bislang bereits die Verlegung des Verwaltungssitzes. Erst aufgrund der Rechtsprechung des EuGH wurde das deutsche Recht entsprechend in § 4a GmbHG angepasst, so dass die Verwaltungssitzverlegung nunmehr möglich ist. Interessanterweise wurden bislang von den ablehnenden Meinungen stets Argumentationen gegen die Verlegung des Verwaltungssitzes vorgebracht, die jedoch letztlich einer europarechtlichen Prüfung nicht 336 337
Westermann, in: Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, § 5, Rn. 10 Zustimmend: Grohmann/Gruschinske, Satzungssitzverlegung, GmbHR 2008, 27, 31
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Stand hielten. Die Begründungsansätze beruhten diesbezüglich auf den deutschen sach- und kollisionsrechtlichen Normen, die nach diesen ablehnenden Ansichten eine Verlegung des Verwaltungssitzes untersagten.338 Bezüglich der nunmehr relevanten Fragestellung zur Verlegung des Satzungssitzes wird von den ablehnenden Ansichten in einer im Ergebnis gleichlautenden Weise argumentiert. 1. Literatur- und Rechtsprechungsansicht Im Rahmen der Reform des § 4a GmbHG durch das MoMiG hat es der Gesetzgeber versäumt, die Mobilität der GmbH umfassend europakonform zu regeln. Nicht die Verlegung des Satzungssitzes, sondern lediglich die Verlegung des Verwaltungssitzes wurde im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des EuGH im GmbH-Recht integriert. Hierbei schuf der deutsche Gesetzgeber jedoch keine neuen Möglichkeiten für die Mobilität der GmbH, sondern passte lediglich das deutsche Recht dem vorrangigen und bereits geltenden europäischen Recht an. Die Verlegung des Verwaltungssitzes führt jedoch nicht zu den umfassenden rechtlichen Wirkungen, wie dies durch die Satzungssitzverlegung erreicht wird. Es bleibt daher die Erforderlichkeit bestehen, die rechtlichen Möglichkeiten für eine umfassende Verlegung des Sitzes einer GmbH – die nur durch die Verlegung des Satzungssitzes möglich ist – zu untersuchen. Die noch herrschende Ansicht in der Literatur339 und in der Rechtsprechung340 lehnt die Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH in das EU-Ausland unter Bezugnahme auf deutschen Sach- und Kollisionsrechts ab.341 Hinsichtlich der Rechtswirkungen einer solchen Satzungssitzverlegung resultieren im Ergebnis die gleichen Rechtsfolgen, unabhängig davon, ob der ausländische Zuzugsstaat der Sitz- oder der Gründungstheorie folgt.342 Erfolgt eine Verlegung des Satzungssitzes (statutarischer Sitz) in einen Staat, der der Sitztheorie folgt, ist sodann das ausländische Recht auf die Gesellschaft anzuwenden. In diesem Fall gilt nach einer vertretenen Ansicht auf der Grundlage des deutschen Sachrechts der Beschluss zur Sat-
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Vgl. hierzu die Ausführungen im 2. Kapitel, 2. Teil, B. I. ff. Stellvertretend für diese Meinung, vgl. Roth, Die Wegzugsfreiheit für Gesellschaften, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 395 m.w.N. Vgl. OLG Zweibrücken, 3 W 170/05, DB 2005 2293, Rn. 22; OLG München, 31 Wx 36/07, BB 2007, 2247, Rn. 5 ff; ebenso OLG Brandenburg FGPrax 2005, 78, 79 Eine identitätswahrende grenzüberschreitende Sitzverlegung ist bislang ausschließlich für die SE positiv normiert. Gemäß Art. 8 Abs. 1 SE-VO kann der Sitz der SE identitätswahrend in einen anderen EU-Mitgliedsstaat verlegt werden. Es ist hierbei jedoch zwingend, dass der Verwaltungssitz und der Satzungssitz der SE sich im gleichen Staat befinden. Nach der Sitztheorie bestimmt sich das Personalstatut einer Gesellschaft nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Nach der Gründungstheorie ist für das Personalstatut das Recht des Staates maßgeblich, nach deren Recht die Gesellschaft ursprünglich gegründet wurde, vgl. Ehricke in: Großkommentar zum AktG, § 45 Rn. 42; Zimmer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, IntGesR, Rn. 12
zungssitzverlegung als konkludenter Liquidationsbeschluss,343 da das deutsche GmbH-Recht den Satzungssitz nur im Inland vorsieht.344 Zumindest wird die tatsächliche Verlegung des Sitzes als Auflösungsgrund angesehen, da mit der Sitzverlegung bei der Gesellschaft ein Wechsel vom deutschen Recht in das ausländische Recht eintritt. Es läge ein Wechsel des Personalstatus der Gesellschaft vor. Diese Ansicht wird mit dem Verweis auf § 4a GmbHG begründet. Demnach setzt § 4a GmbHG einen inländischen Satzungssitz voraus. Zudem wird gegen die Möglichkeit einer Satzungssitzverlegung eingewendet, dass das Personalstatut einer Gesellschaft untrennbar mit dem Satzungssitz in dem jeweiligen Heimatstaat verbunden sei. Die GmbH „verdanke“ ihre rechtliche Existenz ihrem Personalstatut, so dass die GmbH untrennbar und „auf Lebenszeit“ mit deren Personalstatut verbunden sei. Bei einer Verlegung des Satzungssitzes aus dem Heimatstaat würde daher aufgrund des Personalstatuts die Gesellschaft zwangsweise aufgelöst werden.345 Zudem würde eine GmbH deren Rechtsfähigkeit erst aufgrund der Eintragung in das deutsche Handelsregister erlangen. Die Verlegung des Satzungssitzes würde nunmehr dem Handelsregister die Zuständigkeit für die GmbH entziehen (§ 7 Abs. 1 GmbHG). Mit der Verlegung des Satzungssitzes würden nunmehr die Regelungszwecke, die mit der Registereintragung und der Registerführung verbunden sind, beseitigt werden. Bei einem Wegzug in einen Staat, der der Gründungstheorie folgt, wäre die Gesellschaft im Zuzugsstaat nicht ordnungsgemäß gegründet worden, da die Gesellschaft nicht die Gründungsvoraussetzungen des Zuzugsstaates eingehalten hätte. Das ausländische Kollisionsrecht verweist auf deutsches Recht zurück. Diese Rückverweisung wird im deutschen Recht angenommen, das sodann die Anwendung des deutschen Sachrechts anordnet (§ 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Das deutsche Sachrecht folgert aus einem Sitzverlegungsbeschluss wie bereits zuvor bei Anwendung der Sitztheorie jedoch einen konkludenten Auflösungsbeschluss. Im Ergebnis führen daher beide Theorien bei einer Satzungssitzverlegung ins Ausland zu einer zwangsweisen Liquidation der Gesellschaft.346 Nach diesen Ansichten ist festzuhalten, dass auf der Ebene des einfachgesetzlichen Rechts, die Verlegung des Satzungssitzes von der herrschenden Meinung in der Literatur und von der Rechtsprechung bislang für unzulässig erachtet wird. Der 343
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beispielsweise Großfeld, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, IntGesR Rn. 617 m.w.N.; Horn, Europäisches Gesellschaftsrecht und EuGH-Rechtsprechung, NJW 2004, 893, 896 Nach einer weiteren Ansicht wäre ein solcher Gesellschafterbeschluss bereits nichtig, vgl. Drinhausen/Gsell, Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten grenzüberschreitender Mobilität, BB-Spezial 8/2006, 3, 7; Hoffmann in: Michalski, GmbHG, § 53, Rn. 116 RGZ 7, 68; Hoffmann, Möglichkeiten zur identitätswahrenden Sitzverlegung in Europa, ZHR 164 (2000) 43, 46 Vgl. Peters, Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der GmbH ins Ausland, GmbHR 2008, 245, 246; Süß, Grundlagen des internationalen Gesellschaftsrechts, in: Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 1, 19; Hoffmann, Sitzverlegung, in: Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 203, 208 f. m.w.N.
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Satzungssitz einer GmbH muss sich in Deutschland befinden. Der Gesetzgeber stellt durch die Gesetzesformulierung „Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland (…)“ in § 4a GmbHG klar, dass die identitätswahrende Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland unerwünscht ist. Wird der Satzungssitz aus Deutschland heraus verlagert, führt dies zu einer Zwangsauflösung der GmbH beim „Grenzübertritt“ und zu deren Liquidation. Nach der noch herrschenden Ansicht347 ist es ausgeschlossen, dass deutsche Gesellschaften ihren Satzungssitz ins Ausland verlegen und gleichzeitig die bisherige Rechtsform beibehalten können.348 Begründet wird dies mit dem Argument, die Niederlassungsfreiheit gewährleiste nicht jegliche Form des Grenzübertritts einer Gesellschaft. Für eine nach deutschem Handelsrecht gegründete Gesellschaft bedürfe es zwingend einem Satzungssitz in Deutschland. Dies gelte auch für einen Satzungssitz einer GmbH gemäß § 4a GmbHG. Ein ausländischer Satzungssitz würde die Durchsetzung des deutschen Gesellschaftsrechts durch deutsche Gerichte und Behörden erschweren, mithin verhindern. Bei einer Sitzverlegung wäre den deutschen Behörden und Gerichten, die ihnen nach internationalem Recht zukommende Zuständigkeit für die Gesellschaften entzogen, die dem deutschen Recht unterliegen.349 An diesem gesetzlichen Zustand wird auch die Umsetzung des Gesetzentwurfs zum internationalen Gesellschaftsrechts nichts ändern. Mit dem Gesetzentwurf zum internationalen Gesellschaftsrecht350 soll diese Rechtsmaterie und die Frage des für 347
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Vgl. Peters, Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der GmbH ins Ausland, GmbHR 2008, 245, 246; Süß, Grundlagen des internationalen Gesellschaftsrechts, in: Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 1, 19; Hoffmann, Sitzverlegung, in: Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 203, 208 f. m.w.N.; nach einer Mindermeinung soll jedoch eine gleichzeitige Verlegung von Satzungssitz und Verwaltungssitz möglich sein, da sich hierbei ein Statutenwechsel vollziehen soll. Hiergegen könnte eingewandt werden, dass es nach geltendem Kollisions- und Sachrecht zweifelhaft ist, dass sich ein Statutenwechsel anlässlich der Sitzverlegung ins Ausland vollzieht. Im Übrigen ist es Ziel dieser Untersuchung darzulegen, ob eine identitätswahrende Sitzverlegung erfolgen kann. Dieses Ziel könnte auch bei unterstellter Zulässigkeit dieser Mindermeinung nicht erreicht werden, da auch die Mindermeinung nicht von einer Identitätswahrung der Gesellschaft, sondern von einem Statutenwechsel ausgeht, vgl. Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 460 In der Praxis wird die faktische Sitzverlegung des Gesellschaftssitzes nur äußerst selten von den Registergerichten pönalisiert. Wurde der Satzungssitz zunächst zulässig gewählt, aber ändern sich die tatsächlichen Verhältnisse so, dass weder ein Betrieb noch die Geschäftsleitung oder die Verwaltung am Satzungssitz verbleiben, so stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen. Nach herrschender Meinung müsste in diesem Fall die Satzung angepasst werden, vgl. Scholz/Emmerich, GmbHG, Bd. 1, § 4 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rn. 25. Würden alle relevanten Orte nunmehr im Ausland liegen, müsste einer dieser Orte ins Inland zurückverlegt werden. Geschieht dies nicht, müsste eine sogenannte Amtslöschung der Gesellschaft erfolgen. Allerdings sind die Gerichte in dieser Frage sehr liberal. Liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wobei hierfür auf eine fortdauernde postalische Erreichbarkeit abgestellt wird, so wird die faktische Sitzänderung ohne weitere Konsequenzen, insbesondere ohne die „Auflösungskonsequenz“, hingenommen. Staudinger/Großfeld, Kommentar zum BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 652; zustimmend BayObLG GmbHR 2004, 490 Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Neuregelung des IPR, BT-Drucksache 10/504, 29
Gesellschaftsverhältnisse anwendbaren Rechtes im internationalen Privatrecht (EGBGB) kodifiziert und die Gründungstheorie im deutschen Recht verankert werden. Hiernach gilt für das Gesellschaftsstatut und damit insbesondere für Fragestellungen der inneren Verfassung einer Gesellschaft und deren Auftreten im Rechtsverkehr das Recht des Staates, in dem die Gesellschaft gegründet wurde.351 Der aktuelle Gesellschaftssitz ist für die Rechtsbestimmung unbeachtlich.352 Nach dem geplanten Art. 10b EGBGB-E wird es möglich sein, einen Statutenwechsel unter Wahrung der Identität der Gesellschaft und damit eine faktische Verlegung der Gesellschaft ins Ausland zu vollziehen.353 Hierzu ist jedoch erforderlich, dass sowohl der Wegzugsstaat als auch der Zuzugsstaat diese Gestaltung in ihren Rechtsordnungen ermöglichen.354 In Deutschland wäre es nach der Konzeption des Art. 10b EGBGB-E hierzu erforderlich, dass eine Verlegung des Satzungssitzes der GmbH ins EU-Ausland zugelassen wird. Gerade diese Möglichkeit sieht § 4a GmbHG jedoch nicht vor. § 4a GmbHG ermöglicht nur die Verlegung des Verwaltungssitzes, aber nicht die Verlegung des Satzungssitzes. Folglich kann auf der Grundlage von Art. 10b EGBGB-E eine Satzungssitzverlegung nicht stattfinden, da beim Wegzug aus Deutschland der deutsche Staat die Sitzverlegung ins Ausland nicht zulässt.355 Die Voraussetzungen für eine Verlegungsmaßnahme, die sowohl die Zulässigkeit des Auslandsstaates zu dieser Maßnahme als auch die Möglichkeit nach der deutschen Rechtsordnung erfordert, liegt nicht vor. Des Weiteren beinhaltet Art. 10b EGBGB-E bei näherer Betrachtung rechtlich nicht die Möglichkeit einer identitätswahrenden Sitzverlegung.356 Vielmehr soll hierdurch lediglich ein identitätswahrender Rechtsformwechsel ermöglicht werden.357 Damit bleibt der Gesetzentwurf hinter dem 351
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Nach der Lehre vom gesellschaftsrechtlichen Einheitsstatut bemessen sich nach dem Gesellschaftsstatut einer Gesellschaft alle Verhältnisse, die gesellschaftsrechtlich qualifiziert werden können, vgl. Weller, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kapitel 18, Rn. 30 Nach dem maßgeblichen Art. 10 Abs. 1 S. 1 EGBGB-E unterliegen Gesellschaften künftig dem Recht des Staates in dem sie in ein öffentliches Register eingetragen sind. Sofern eine Eintragung in ein öffentliches Register nicht vorliegt gilt nach Art. 10 Abs. 1 S. 2 EGBGB-E das Recht des Staates nach dem die Gesellschaften organisiert sind (Gründungsrecht). Damit wird der jahrzehnte-lang andauernde Streit zwischen Gründungs- und Sitztheorie zu Gunsten der Gründungstheorie entschieden. Die Verlegung des Verwaltungssitzes ist nicht Gegenstand des Gesetzesentwurfes. Dies wird bereits abschließend durch § 4a GmbHG n.F. geregelt. Knof/Mock, Neuregelung des Internationalen Gesellschaftsrechts, GmbHR 2008, R65 f. Solange das materielle Gesellschaftsrecht in Deutschland eine Verlegung des Satzungssitzes nicht erlaubt, wird die kollisionsrechtliche Regelung des § 10b EGBGB-E keine praktische Anwendung finden. Ausreichend für eine Satzungssitzverlegung einer GmbH ist jedoch die Möglichkeit auf der Grundlage des europäischen Primärrechts gemäß Art. 43, 48 EGV. Leuering, Von Scheinauslandsgesellschaften hin zu „Gesellschaften mit Migrationshintergrund“, ZRP 2008, 76 Diese Folgerung ergibt sich aus dem Beispiel, das von dem Bundesjustizministerium in seiner Pressemitteilung zum Gesetzentwurf gebildet wurde: Einer deutschen GmbH wird es ermöglicht, identitätswahrend deren „Sitz“ nach Frankreich zu verlegen und sich dort als „Société á Responsabilité Limiteé (S.A.R.L.) in das französische Handelsregister eintragen zu lassen. Eine Beibehaltung der Rechtsform GmbH erfolgt hierdurch nicht.
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Vorschlag der Kommission „Internationales Gesellschaftsrecht“, auf dem der Gesetzentwurf beruht, zurück. Der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht hatte einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt, der die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verlegung des Satzungssitzes einer in einem EU-Staat gegründeten Gesellschaft in einen anderen EU-Mitgliedsstaat vorsah.358 Die Möglichkeit der Satzungssitzverlegung wurde jedoch vom Bundesjustizministerium im Referentenentwurf für ein Gesetz zum internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen nicht übernommen.359 2. Eigene Rechtsansicht Es ist augenfällig, dass der deutsche Gesetzgeber unter „Umsetzungs- und Europäisierungsdruck“ bei der Reform des internationalen Gesellschaftsrechts stand. Um der bestehenden aber auch der erwarteten Rechtsprechung des EuGH zu entsprechen, wird die vollständige Mobilität, und zwar auch bezüglich des Satzungssitzes, mit der Formulierung des Art. 10b EGBGB-E „propagiert“. Gleichwohl scheint der Gesetzgeber jedoch die steuerpolitischen Konsequenzen zu erahnen, die mit einem vollständigen Wegzug der GmbH aus Deutschland verbunden wären. Um eine Abwanderung des Steuersubstrats aus Deutschland zu verhindern, wird daher die Liberalisierung und Flexibilisierung im internationalen Gesellschaftsrecht „durch die Hintertür“ mit § 4a GmbHG wieder beseitigt. Bei einer derartigen Vorgehensweise ist der Wertungswiderspruch des deutschen Gesetzgebers augenfällig. Zudem ist auffällig, dass der Schwerpunkt der Begründung gegen die Möglichkeit der Verlegung des Satzungssitzes auf formalen Erwägungen beruht. Insbesondere erscheint fragwürdig, weshalb die nach der Sitzverlegung entfallende Registerzuständigkeit ein derart gewichtiges Argument sein kann, dass dadurch die Verwirklichung der europäischen Niederlassungsfreiheit in Frage gestellt werden kann. Zudem werden gegen die Verlegung des Satzungssitzes ähnliche Argumente vorgebracht wie dies bei der Verlegung des Verwaltungssitzes erfolgt ist. Diese Begründungsansätze wurden vom EuGH in den bereits besprochenen Urteilen zur Zuzugsfreiheit jedoch kassiert. Es ist daher zweifelhaft, ob die vorherrschende Rechtsansicht, nach der die Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft ins Ausland zur Liquidation führt, europarechtlich Bestand
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Art. 10d EGBGB-E nach dem Vorschlag der Spezialkommission, abgedruckt bei Sonnenberger, Vorschläge und Berichte zur Reform des europäischen und deutschen internationalen Gesellschaftsrecht, 2007, 13; Sonnenberger/Bauer, Vorschlag zur Neuregelung des Internationalen Gesellschaftsrechts, RIW Beilage 1 zu Heft 4/2006 Die Gründe für die fehlende Aufnahme der Möglichkeit zur Satzungssitzverlegung sind nicht nachvollziehbar. Möglicherweise war das Bundesjustizministerium der Ansicht, für die Mobilität der Gesellschaften reiche die Verlegung des Verwaltungssitzes aus. Nach richtiger Ansicht dürften jedoch die nicht absehbaren steuerlichen Folgen für den deutschen Staatshaushalt im Falle einer völligen Freigabe der Sitzverlegung von Gesellschaften in das Ausland ausschlaggebend gewesen sein.
haben kann.360 In der nachfolgenden Darstellung wird diese Fragestellung zu untersuchen sein. 3. Zusammenfassung Auf der Grundlage des einfachen Rechts ist eine Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH aus Deutschland in einen anderen EU-Staat nicht möglich. Zwar sieht Art. 10b EGBGB-E diese Möglichkeit im „Rechtskleid“ eines identitätswahrenden Formwechsels grundsätzlich vor. Allerdings wird diese Möglichkeit durch die Regelung des § 4a GmbHG wieder beseitigt. De lege lata führt die Satzungssitzverlegung in das EUAusland daher zu einer zwangsweisen Auflösung und Liquidation der Gesellschaft. Nachstehend wird daher zu untersuchen sein, ob die, nach einfachgesetzlichen Normen fehlende, Möglichkeit zur Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH nicht bereits auf der Grundlage des Europarechts vorliegt. II. Verlegung des Satzungssitzes nach europäischem Recht Um die Möglichkeit einer Satzungssitzverlegung auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts zu untersuchen, ist es entscheidend zu klären, ob durch den EuGH im Rahmen seiner Auslegung des europäischen Primärrechts oder durch Regelungen auf sekundärrechtlicher Ebene bereits Argumentationsgesichtspunkte vorliegen, die auf eine solche Möglichkeit schließen lassen. Letztlich würden bereits bestehende Möglichkeiten für eine Satzungssitzverlegung darauf schließen lassen, dass im Rahmen des Europarechts eine derartige Möglichkeit für die Freizügigkeit von Gesellschaften vorgesehen ist, die in der Folgezeit durch Gesetzgebungsakte auf der Ebene des europäischen Sekundärrechts noch konkretisiert und ausgestaltet wird. 1. Sitzverlegung auf der Grundlage des europäischen Primärrechts Die zuvor dargestellte Ansicht in der Literatur und in der Rechtsprechung, die die Satzungssitzverlegung de lege lata ablehnt, sieht auch im Hinblick auf das Europarecht in der jetzigen Entwicklung keine Notwendigkeit für eine Korrektur deren Rechtsmeinung.361 Nach den zuvor dargelegten Meinungen ergäbe sich auch aus dem Europarecht keine Möglichkeit zur Verlegung des Satzungssitzes. Europarechtlich wird diese Ansicht auf die Daily Mail-Entscheidung des EuGH gestützt. In dieser Entscheidung judizierte der EuGH, dass Art. 43 EGV bei dem damaligen Stand der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts nicht die Freiheit beinhaltet, dass Gesell360
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Diese Rechtsfolge ist nach der Cartesio-Entscheidung nicht mehr vertretbar, da der EuGH ausdrücklich die zwangsweise Auflösung und Liquidation anlässlich der Verlegung des Satzungssitzes verneint, vgl. Tz. 112 der Cartesio-Entscheidung. Beispielsweise wird vertreten, dass aufgrund der engen Verknüpfung von Handelsregisteraufsicht, Konstitutive Entstehung der Gesellschaft durch die Registereintragung und Satzungssitz eine ausreichende Rechtfertigung für den Eingriff in die Niederlassungsfreiheit durch die staatlichen Wegzugsbeschränkungen vorliegt, vgl. Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht und Niederlassungsfreiheit: Das Rätsel vor der Lösung?, BB 2000, 1361, 1362
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schaften deren Sitz in einen anderen EU-Mitgliedsstaat verlegen. In dieser Entscheidung vertrat der EuGH noch die Ansicht, dass die Wegzugsfreiheit einer Gesellschaft nicht von der Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV erfasst war. Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass die, seit der Daily Mail-Entscheidung ergangenen, Entscheidungen des EuGH die Niederlassungsfreiheit stets erweitert haben. Zwar hatte der EuGH seit Daily Mail bislang noch keine Veranlassung, zu der Rechtsproblematik Stellung zu nehmen, ob die Niederlassungsfreiheit auch die Wegzugsfreiheit von Gesellschaften beinhaltete. Allerdings hat der EuGH in der Daily Mail Entscheidung ausdrücklich betont, dass diese Entscheidung mit der entsprechenden europarechtlichen Wertung auf der Grundlage des damaligen Standes der Entwicklung des Europarechts erging. In den maßgeblichen Folgeentscheidungen hat der EuGH weiterhin stets betont, dass durch die Niederlassungsfreiheit die Schaffung eines einheitlichen Rechtsraumes in der Europäischen Union ermöglicht werden soll. In diesem Zusammenhang hat der EuGH in den Folgeentscheidungen seit Daily Mail alle Maßnahmen, die eine Einschränkung der Mobilität und der Freizügigkeit darstellten, für europarechtswidrig erklärt. Es ist daher bei Würdigung der Entscheidungshistorie des EuGH und der Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts nicht vertretbar, eine „überholte“ Entscheidung des EuGH für die Beurteilung der aktuellen Fragestellung dieser Untersuchung heranzuziehen. Eine weitere Ansicht begründet die Ablehnung der Satzungssitzverlegung mit der Interpretation des Anwendungsbereichs der Art. 43, 48 EGV. Hiernach fallen in den Anwendungsbereich der Art. 43, 48 EGV nur die Maßnahmen, die den Zugang zu einem anderen Mitgliedsstaat ermöglichen und die dortige wirtschaftliche Betätigung zu den selben Möglichkeiten wie für die inländischen Wirtschaftsbeteiligten garantieren. Für eine Teilnahme am Wirtschaftsverkehr in einem anderen Staat sei nach dieser Ansicht jedoch die Verlegung des Satzungssitzes nicht erforderlich. Eine Gesellschaft könne durch Nutzung einer dortigen inländischen Zweigniederlassung oder durch die Gründung einer entsprechenden Tochtergesellschaft am Wirtschaftsverkehr zu den gleichen Bedingungen wie die inländischen Unternehmen teilnehmen.362 Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen, denn Art. 43, 48 EGV soll eine umfassende Niederlassungsfreiheit ohne staatliche Vorbehalte oder Grenzen ermöglichen. Die Niederlassungsfreiheit beinhaltet auch die freie Wahl einer geeigneten Rechtsform für die Tätigkeit in dem jeweiligen Zielland. Diese freie Rechtsformwahl kann dadurch ausgeübt werden, dass die bisherige Gesellschaft des Heimatlandes in dem jeweiligen Zielland zu denselben Bedingungen genutzt werden kann, wie dies bislang
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Vgl. beispielhaft Arnold, Grenzüberschreitende Satzungssitzverlegung von Vereinen?, GPR 2007, 235, 236
im Heimatstaat erfolgte.363 Eine andere Betrachtungsweise würde zu einer Verkürzung der Niederlassungsfreiheit führen. In der Rechtsprechung wird auch in neueren Entscheidungen die Verlegung des Satzungssitzes abgelehnt. Das OLG Zweibrücken364 und das OLG München365 begründen deren ablehnende Entscheidungen ebenfalls unter Berufung auf die Daily-Mail-Entscheidung des EuGH.366 Es wird hierbei zwischen natürlichen und juristischen Personen unterschieden. Im Gegensatz zu natürlichen Personen wird bei juristischen Personen deren Rechtsfähigkeit durch den jeweiligen Staat und deren Rechtsordnung begründet. Außerhalb der nationalen Rechtsordnung, die die Gründung und die Existenz regelt, haben die juristischen Personen keine Realität, sogenannte „Geschöpfthese.367 Bei einer Sitzverlegung in einen ausländischen Staat liegt eine „Nationalitätenänderung“ vor, die die Gesellschaft aus der Rechtsordnung lösen soll, der die Gesellschaft ihre Existenz verdankt.368 Diesen Erwägungen folgte bereits auch das BayObLG und lehnte die Eintragung einer Sitzverlegung einer GmbH von Deutschland nach Portugal in das Handelsregister ab.369 Einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht sah das BayObLG nicht, da nach dem derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts kein Rechtsanspruch auf die Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland bestünde. Die Grundsätze der Daily-Mail-Entscheidung können jedoch unter Würdigung des aktuellen Standes der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts keinen Bestand haben. Art. 48 EGV ordnet eine Gleichstellung von Gesellschaften mit natürlichen Personen an, so dass sich bereits hieraus eine Schlechterstellung von Gesellschaften gegenüber natürlichen Personen verbietet. Zudem beruht die „Geschöpfthese“ des EuGH auf einer falschen Auswahl der mit den Gesellschaften zu vergleichenden Gruppe. Die maßgebliche Vergleichsgruppe ist nicht, wie der EuGH vorgibt, die „natürlichen Personen“, sondern gemäß Art. 43 Abs. 1 EGV „die Staatsangehörigen von Mitgliedsstaaten, die Unionsbürger“ (Art. 17 EGV). 370 Die Staatsangehörigkeit ist 363
364 365 366 367
368 369 370
Vgl. EuGH Rs. C-307/97-Saint Gobain, Urt. v. 21.9.1999, GmbHR 1999, 1149, 1153; Schlussantrag des Genaralanwalts Tizzano in der Rs. C-411/03-Sevic, ZIP 2005, 1227, 1229 OLG Zweibrücken, 3 W 170/05, DB 2005 2293, R. 22 OLG München, 31 Wx 36/07, BB 2007, 2247, Rn. 5 ff. Ebenso OLG Brandenburg FGPrax 2005, 78, 79 Das OLG München ging bei seiner Entscheidung über deren Rechtsprechungskompetenz hinaus. Alle mitgliedschaftlichen Gerichte, die letztinstanzlich – wie vorliegend – entscheiden, sind zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, wenn die Auslegung des europäischen Primärrechts für die Entscheidung von Relevanz ist (Art. 234 Abs. 3 EGV). Nur dem EuGH steht das Auslegungsmonopol zum Gemeinschaftsrecht zu. Da der Rechtstreit vor dem OLG München letztlich um die Frage des Umfangs der Niederlassungsfreiheit und der Wegzugsfreiheit ging, hätte das OLG München dem EuGH diese Auslegungsfrage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorlegen müssen. So auch Knobbe-Keuk, Umzug von Gesellschaften in Europa, ZHR 154 (1990), 325, 352 BayObLG v. 11.2.2003- 3 Z BR 175/03, IStR 2004, 214 Müller-Graff, in: Streinz, EU/EG 2003, Art. 43, Rn. 27; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 43 Rn. 8
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ebenso wie eine Gesellschaft abhängig von dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Erst bei Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen wird einer natürlichen Person die Staatsangehörigkeit zuerkannt. Dies gilt auch für Gesellschaften, deren Entstehung ebenfalls von definierten Entstehungsvoraussetzungen abhängig ist. Die Kompetenz zur Regelung der Staatsangehörigkeit steht ebenso wie bei einer Gesellschaftsgründung allein dem jeweiligen Staat zu. Somit erfordert sowohl die Erlangung einer Staatsangehörigkeit einer natürlichen Person sowie die Zuerkennung der Rechtspersönlichkeit einer Gesellschaft die Einhaltung von staatlich definierten Voraussetzungen. Der vom EuGH beschriebene elementare Unterscheid zwischen natürlichen Personen und Gesellschaften für die Beurteilung der Wegzugsfreiheit besteht demnach nicht. Das vom EuGH an diese unzutreffende Prämisse geknüpfte Judikat kann daher keinen Bestand haben. Die gegensätzliche Ansicht verkennt zudem, dass der EuGH seit der Centros-Entscheidung die „Gründungstheorie“ anerkannt und stets fortentwickelt hat, zuletzt im Urteil Inspire Art. Das Wesenselement der Gründungstheorie ist jedoch die Feststellung, dass eine Gesellschaft, die im Rechtssystem eines Mitgliedsstaates gegründet wurde, von den anderen Mitgliedsstaaten anerkannt werden muss. Die einmal erlangte Rechtsfähigkeit kann daher nicht durch einen Staat wieder beseitigt werden. Die Gründungstheorie löst damit die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft von dem jeweiligen Staat ab. Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft wird von deren Sitz entkoppelt. Faktisch verleiht die Gründungstheorie einer juristischen Person die gleiche „transportable“ Rechtsfähigkeit wie diese bei einer natürlichen Person unzweifelhaft besteht. Folglich kann nicht mehr argumentiert werden, dass eine Gesellschaft als juristische Person jenseits deren „Heimat“-Rechtsordnung keinen Bestand mehr hat. Genau dieser Bestand der Rechtsfähigkeit wird durch die Niederlassungsfreiheit sowohl für natürliche aber auch für juristische Personen gewährleistet (Art. 48 EGV). Die bisherigen EuGH-Entscheidungen beschäftigen sich lediglich mit der Verlegung des tatsächlichen Sitzes (Verwaltungssitz) einer Gesellschaft. Letztlich wurde diese Möglichkeit unter Heranziehung der Niederlassungsfreiheit vom EuGH auf der Grundlage der Art. 43, 48 EGV bejaht. Hingegen ist durch den EuGH noch nicht abschließend geklärt, ob die Niederlassungsfreiheit auch das Recht garantiert, den Satzungssitz identitätswahrend innerhalb der Europäischen Union verlegen zu können.371 Ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen des AG Heidelberg vom 3.3.2000372 wurde vom EuGH aus prozessualen Gründen373 als unzulässig zu371
372
In der Cartesio-Entscheidung bestätigt der EuGH diese Möglichkeit nur für den Fall, dass der Satzungssitz im Rahmen einer grenzüberschreitenden Umwandlung verlegt wird. AG Heidelberg EuZW 2000, 414, NZG 2000, 927; vgl. dazu auch Behrens, Reaktionen mitgliedsstaatlicher Gerichte auf das Centros-Urteil des EuGH, IPRax 2000, 384, 388; Jaeger, Kapitalgesellschaften in der EU, NZG 2000, 918; W.-H. Roth, Die Sitzverlegung vor dem EuGH, ZIP 2000, 1597
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rückgewiesen374. Nach einer vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Satzungssitzverlegung um keinen niederlassungsrechtlich relevanten Vorgang; denn die bloße Umwandlung einer inländischen in eine ausländische Gesellschaftsform ist nicht unmittelbar für die Lokalisierung des Unternehmensstandorts relevant375. Gleichwohl besteht ein wirtschaftliches Bedürfnis, eine Satzungsverlegung durchzuführen, so dass auch eine Notwendigkeit für die Klärung dieser Rechtsfrage besteht. Aufgrund der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts und den Ausführungen des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Cartesio war zu erwarten, dass der EuGH umfassend zu der Wegzugsfreiheit einer Gesellschaft Stellung nimmt. Wie bereits zuvor dargestellt376 kann aus dem obiter dictum des EuGH in der Rechtssache Cartesio nach richtiger Ansicht nunmehr der Rechtssatz abgeleitet werden, dass die Niederlassungsfreiheit auch das Recht einer Gesellschaft umfasst, den Satzungssitz zu verlegen. Diese Satzungssitzverlegung377 darf durch den Wegzugsstaat auch nicht erschwert oder beeinträchtigt werden.378 2. Sitzverlegung auf der Grundlage einer Sitzverlegungsrichtlinie Die Sitzverlegung in einen anderen EU-Mitgliedsstaat könnte auch nach deren Vorliegen aufgrund der EU-Sitzverlegungsrichtlinie379 durchgeführt werden.380 Auf-
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374 375
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Das Vorlageverfahren wurde vom EuGH zurückgewiesen, da es in dem gegenständlichen handelsregisterrechtlichen Verfahren, das der Vorlagefrage zugrunde lag, an einem gemäß Art. 234 EGV zu entscheidenden Rechtsstreit fehlte, vgl. EuGH Rs. C-86/00-HSB-Wohnbau, Beschluss. v. 10.7.2001, Slg. 2001, I-5355 Vgl. EuGH Rs. C-86/00-HSB-Wohnbau, Beschluss. v. 10.7.2001, NZG 2001, 1027 Behrens, Reaktionen mitgliedsstaatlicher Gerichte auf das Centros-Urteil des EuGH, IPRax 2000, 384, 389; im Ergebnis ebenso Binge/Thölke, Das Gesellschaftsrecht nach Inspire Art, DNotZ 2004, 21, 27 f. Vgl. die Darstellung zur Cartesio-Entscheidung unter 2. Kapitel, 2. Teil, B. II 10 In der Literatur wird vereinzelnd die Ansicht vertreten, die Verlegung des Satzungssitzes könne zwar auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit erfolgen, allerdings sei dies mit einem Wechsel der Statuten der Gesellschaft verbunden, vgl. Roth, Die Wegzugsfreiheit für Gesellschaften, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 400 f. Gegen diese Ansicht spricht jedoch die Niederlassungsfreiheit, die auch geringfügige Beschränkungen dieser Grundfreiheit für europarechtswidrig erklärt, vgl. EuGH Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004, RIW 2004, 392. Durch den Statutenwechsel anlässlich der Satzungssitzverlegung wird der Gesellschaft und deren Gesellschaftern ein fremdes Rechtsstatut aufgezwungen. Die vormals deutsche GmbH würde durch einen Statutenwechsel zwangsweise in eine ausländische Rechtsform gewandelt werden. Die Rechtsfolgen aus diesem neuen ausländischen Recht sind andere als zuvor bei der GmbH. Bereits hierdurch liegt eine nicht nur geringfügige Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit vor. Nach richtiger Ansicht gilt, dass die Wegzugsfreiheit einer Gesellschaft nicht an einen zwingenden Statutenwechsel gebunden sein kann. Vgl. Tz. 111,112 der Cartesio-Entscheidung Vorschlag für eine vierzehnte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat mit Wechsel des für die Gesellschaft maßgeblichen Rechts v. 22.4.1997, abgedruckt in ZIP 1997, 1721 bzw. ZGR 1999, 157. Zu diesem Entwurf einer Sitzverlegungsrichtlinie siehe Meilicke, Zum Vorschlag der Europäischen Kommission, GmbHR 1998, 1053; Behrens, Niederlassungsberechtigte, EuZW 1998, 353; di Marco, Vorschlag der Kommission, ZGR 1999, 3; Neye, Vorschlag einer 14. Richtlinie, ZGR 1999, 13; K. Schmidt, Sitzverlegungsrichtlinie, ZGR 1999, 20; Priester, EU-Sitzverlegung, ZGR 1999, 36.
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grund dieser 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie381 sollte es ermöglicht werden, dass eine Gesellschaft innerhalb der Europäischen Union formwahrend und steuerneutral den Satzungssitz aus einem Mitgliedsstaat in ein jeweils anderes EU-Mitgliedsland verlegt.382 Die sitzverlegende Gesellschaft würde nicht zwangsliquidiert werden, so dass sich hieran auch keine nachteiligen steuerlichen Folgen knüpfen könnten.383 Die EU-Kommission kam jedoch im Dezember 2007 auf Basis des Folgenabschätzungsberichts zum Ergebnis, dass derzeit eine Sitzverlegungsrichtlinie nicht mehr erforderlich sei.384 Der Folgenabschätzungsbericht analysiert die Konsequenzen der verschiedenen Konstellationen, die ohne und mit der Einführung einer EU-Sitzverlegungsrichtlinie entstehen würden. Bei ihrer Entscheidung legte die EUKommission dar, dass die Kapitalgesellschaften nach der Fusions- und der Verschmelzungsrichtlinie mittelbar auch ihren Sitz in einen anderen Mitgliedsstaat verlegen können und die anstehende Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Cartesio möglicherweise auch richtungsweisend sein könnte. Zudem könne bereits heute eine SE ihren Sitz laut europäischer Vorschriften verlegen. Folglich bestünden ausreichende Möglichkeiten, um in der EU die Mobilität der Gesellschaften zu ermöglichen. Nach Abwägung der vorgebrachten Argumente hat EU-Kommissar McCreevy beschlossen, dass kein weiterer Bedarf für ein Tätigwerden auf EU-Ebene in diesem Bereich besteht. Die Arbeiten an der 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Sitzverlegungsrichtlinie) wurden eingestellt.385 Bis zu einer abschließenden Klärung der Wegzugsfreiheit von Gesellschaften durch den EuGH, gelten weiterhin die jeweils nationalen Rechte der EU-Mitgliedsstaaten. Die EU-Mitgliedsstaaten folgen in verschiedenen Ausprägungen teilweise der Gründungstheorie und teilweise der Sitztheorie. Grundsätzlich ist festzustellen, dass EU380
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Die EU-Kommission hatte den Vorentwurf einer Sitzverlegungsrichtlinie bereits im Jahr 1997 vorgelegt. Damit lag dieser Entwurf vor den EuGH-Urteilen Centros, Überseering und Inspire Art vor. Bei dem Vorentwurf ging die EU-Kommission noch davon aus, dass aus der Niederlassungsfreiheit kein Recht auf Verlegung des Verwaltungssitzes bezüglich der Gesellschaften abzuleiten sei. Aufgrund der Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts hatte die EU-Kommission einen weiteren Entwurf für eine Sitzverlegungsrichtlinie vorbereitet, vgl. Leible, Niederlassungsfreiheit und Sitzverlegungsrichtlinie, ZGR 2004, 531 Vgl. den Vorentwurf der Sitzverlegungsrichtlinie in ZIP 1997, 1721 Vorschlag für eine vierzehnte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedsstaat mit Wechsel des für die Gesellschaft maßgeblichen Rechts v. 22.4.1997, abgedruckt in ZIP 1997, 1721 bzw. ZGR 1999, 157. Zu diesem Entwurf einer Sitzverlegungsrichtlinie siehe Meilicke, Zum Vorschlag der Europäischen Kommission, GmbHR 1998, 1053; Behrens, Niederlassungsberechtigte, EuZW 1998, 353; di Marco, Vorschlag der Kommission, ZGR 1999, 3; Neye, Vorschlag einer 14. Richtlinie, ZGR 1999, 13; K. Schmidt, Sitzverlegungsrichtlinie, ZGR 1999, 20; Priester, EU-Sitzverlegung, ZGR 1999, 36 Vgl. Grohmann/Gruschinske, Satzungssitzverlegung, GmbHR 2008, 27 Mitteilung der EU-Kommission vom 12.12.2007, SEC (2007) 1707, abrufbar unter: ec.europa.eu/internal_market/company/seat-transfer/index_de.htm; vgl. hierzu: Kindler, in MüKo, BGB, internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 61 f.; Grohmann/Gruschinske, Satzungssitzverlegung, GmbHR 2008, 27
Mitgliedsstaaten mit einer kolonialen Vergangenheit eher der Gründungstheorie folgen. Der Grund hierfür bestand in dem praktischen Erfordernis einer Gesellschaft, die beispielsweise im Großbritannien gegründet wurde, den Wegzug in einen anderen Staat des Commonwealth zu ermöglichen und die Gesellschaft auch im Zuzugsstaat des Commonwealth weiterhin anzuerkennen.386 Eine EU-Sitzverlegungsrichtlinie hätte die gewünschte Rechtsklarheit gebracht, die nunmehr noch nicht ausreichend gewährleistet ist. Allerdings kann aus den Begründungserwägungen des EU-Kommissars McCreevy geschlossen werden, dass die EU-Kommission die Sitzverlegungsmöglichkeiten von Gesellschaften nicht beschränken wollte, sondern bereits ausreichende Grundlagen für die Realisierung der entsprechenden Wegzugsfreiheit von Gesellschaften als gegeben ansieht. Aus dieser Rechtsansicht ist abzuleiten, dass der europarechtliche Normenrahmen die Sitzverlegungsfreiheit – und damit auch bezogen auf den Satzungssitz – umfassend gewährleisten soll. Andernfalls hätte EU-Kommissar McCreevy wohl argumentiert, dass eine solche Mobilität von Gesellschaften aufgrund der noch nicht bestehenden hinreichenden Rechtssicherheit nicht von der EU-Kommission gewünscht wäre. Da EUKommissar McCreevy jedoch argumentierte, dass europarechtlich ausreichende Möglichkeiten für eine Mobilität von Gesellschaften vorliegen, kann diese Rechtsmeinung nur dahingehend interpretiert werden, dass bereits unter Bezugnahme auf das europäische Primärrecht eine Möglichkeit zur Verlegung des Satzungssitzes besteht. 3. Sitzverlegung unter Einbeziehung bisheriger europäischer Gestaltungsmöglichkeiten Obgleich im formellen Europarecht noch keine normierten Regelungen vorliegen, die die Satzungssitzverlegung einer GmbH vorsehen, bestehen Regelungen, die das Gestaltungsziel dieser Untersuchung – die Satzungssitzverlegung einer GmbH in einen EU-Mitgliedsstaat im Ergebnis faktisch ermöglichen könnten. Für die Beurteilung der bereits bestehenden europarechtlichen Möglichkeiten zur Verlegung des Satzungssitzes sind die bisherigen Umsetzungsmaßnahmen des europäischen Gesetzgebers zu würdigen. a) Die europäische Verschmelzungsrichtlinie Durch eine einheitliche Verschmelzungsrichtlinie387 sollte es ermöglicht werden, dass Gesellschaften über die nationalen Grenzen hinweg miteinander verschmolzen werden können. Leitgedanke für diese Richtlinie war auch in diesem Fall, dass die europäische Niederlassungsfreiheit weiterentwickelt werden muss. Die Verschmelzung
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Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten
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„über die Grenzen hinweg“ ist ebenso der Ausdruck einer unternehmerischen Gestaltungsvariante wie die einfache Verlegung des Satzungssitzes. Durch die Verschmelzungsrichtlinie wurde dieser Europäisierungsgedanke konkretisiert. Da die nationalen Staaten erwartungsgemäß die Verschmelzungsrichtlinie noch nicht als Rechtsgrundlage für die länderübergreifende Verschmelzung anerkannt hatten, bedurfte es auch in diesem Fall einer klärenden EuGH-Entscheidung. Mit seinem Urteil zu Sevic388 klärte der EuGH, dass die Verschmelzung von Gesellschaften über die Grenzen hinweg ein Bestandteil der Niederlassungsfreiheit ist. Dies ergäbe sich unmittelbar bereits aus der Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EGV. Obgleich die Sevic-Entscheidung nur den Fall der „Hineinverschmelzung“ eines ausländischen Rechtsträgers auf einen inländischen deutschen Rechtsträger betroffen hat, muss unter verständiger Würdigung der Art. 43, 48 EGV die „Verschmelzungsfreiheit“ auch für den Fall der „Herausverschmelzung“ gelten. Andernfalls ergäbe sich wie bereits zuvor bei der Zuzugs- und Wegzugsfreiheit untersucht, nur eine eingeschränkte Niederlassungsfreiheit. Der deutsche Gesetzgeber passte daher das nationale Umwandlungsrecht an, so dass nunmehr die Verschmelzung über die Grenzen hinweg auch möglich ist.389 Eine Verschmelzung einer inländischen GmbH auf einen ausländischen Rechtsträger führt im Ergebnis zum „Wegzug“ der inländischen GmbH aus Deutschland ins Ausland. Die Anerkennung dieser Gestaltungsmöglichkeit strahlt auch auf die Überlegungen zur Verlegung des Satzungssitzes der GmbH ab. In beiden Fällen erfolgt ein Wegzug der Gesellschaft aus Deutschland und damit im Ergebnis eine Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland. Dieser Rechtsgedanke aus dem Europa- und Verschmelzungsrecht hat folglich indizielle Wirkung auch für die gegenständliche Fragestellung dieser Untersuchung.390 b) Gründung einer Societas Europaea Mit der Verordnung zur Gründung einer Societas Europaea (SE) liegt eine europarechtliche Normengrundlage für eine Gestaltungslösung einer Sitzverlegung unter Nutzung der SE vor. Da die SE nur aus einem Umwandlungsvorgang entstehen kann, ist sie zunächst nicht geeignet, eine Grundlage für eine Verlegung des Satzungssitzes einer bereits bestehenden GmbH zu bilden. Die SE entsteht durch Verschmelzung von zwei Aktiengesellschaften aus verschiedenen EU-Staaten zu einer SE mit dem Sitz in einem europäischen Staat. Die deutsche GmbH könnte da388 389 390
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EuGH Rs. C-411/03-Sevic, Urt. v. 13.12.2005, Slg. 2005, I-10805, NJW 2006, 425 Vgl. die Regelungen nach der Neufassung des UmwG insbesondere in §§ 2, 3 ff. UmwG Hierbei werden jedoch nicht die unterschiedlichen Wirkungen der Verschmelzung und der Sitzverlegung verkannt. Bei der Verschmelzung einer deutschen GmbH auf einen ausländischen Rechtsträger erlischt die übertragende GmbH durch den Verschmelzungsvorgang. Bei der Sitzverlegung erfolgt jedoch gerade kein Untergang der GmbH. Diese kommt gesellschaftsrechtlich im Ausland in dem Zustand an, wie dieser beim Wegzug in Deutschland bestand.
her zunächst einen Formwechsel in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft vollziehen und sodann mit einer französichen SA zu einer SE mit Sitz in Frankreich verschmelzen.391 Die SE kann in der Europäischen Union sodann deren Satzungssitz ohne die Auflösung der SE verlegen.392 Hierbei ist ein Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Satzungssitz unzulässig. Der europäische Gesetzgeber entwickelt daher die Niederlassungsfreiheit weiter, indem er gesetzliche Grundlagen für einen grenzüberschreitenden Zusammenschluss von Gesellschaften und deren Sitzverlegung in der EU schafft. Aus der SE-Verordnung ist daher die europarechtliche Interpretation des EU-Verordnungsgebers bezüglich der Niederlassungsfreiheit zu entnehmen, dass grenzüberschreitende Verlagerungsmöglichkeiten von Gesellschaften, unabhängig ob durch eine Verschmelzung oder eine formale Sitzverlegung, möglich sein sollen. 4. Eigene Rechtsansicht Die bisherige deutsche Rechtsprechung und die vorherrschende Ansicht in der Literatur zur Unzulässigkeit der Satzungssitzverlegung vermögen in ihren Begründung nicht zu überzeugen. Im Lichte der europäischen Grundfreiheiten sind diese Argumente bezüglich der Satzungssitzverlegung genauso wenig stichhaltig, wie dies bei der Verlegung des Verwaltungssitzes der Fall war. Es ist unzulänglich, die Prinzipien, insbesondere des Sach- und Kollisionsrechts, zu einer Begründung für die ablehnende Meinung heranzuziehen. Das bestehende Sach- und Kollisionsrecht ist in der derzeitigen Fassung nicht mehr europarechtskonform.393 Diese Prinzipien stammen aus einer Zeit, in der das Gemeinschaftsrecht noch nicht derart entwickelt war, wie dies heute vorliegt. Auf der Grundlage des heutigen Entwicklungsstandes des Gemeinschaftsrechts fördern die aktuellen sach- und kollisionsrechtlichen Normen nicht die Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts, sondern sie behindern diese. Demnach kann nach richtiger Ansicht nicht mehr auf diese zur Begründung zurückgegriffen werden. Im Übrigen erscheint es sachwidrig, zunächst vordergründig die Verwirklichung und Fortentwicklung der Europäischen Union zu postulieren, jedoch andererseits sich dafür zu „exkulpieren“, dass diese Ziele aufgrund der bestehenden innerstaatlichen Normen nicht möglich sei.394 Nicht die innerstaatlichen Normen geben die Möglichkeiten für die Verwirklichung der Grundfreiheiten wieder, sondern ausschließlich der EG-Vertrag in der Konkretisierung durch die Rechtsprechung des EuGH. Die gesellschaftsrechtliche Problematik der Rechtsfolgen bei einer Sitz391 392
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Verschmelzungsfähige Rechtsträger sind nur Aktiengesellschaften, vgl. Art. 2 Abs. 1 SE-VO Die Satzungssitzverlegung der SE erfolgt auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 1 SE-VO nach Maßgabe der Voraussetzungen der Abs. 2 bis 13 Zustimmend zu dieser Rechtsansicht, dass das deutsche Sach- und Kollisionsrecht mit dem Europarecht vereinbar sein muss, vgl. Grohmann/Gruschinske, Satzungssitzverlegung, GmbHR 2008, 27, 29 Vgl. vorstehend die Ausführungen zu § 4a GmbHG
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verlegung ist im Lichte der bisherigen kontinuierlichen und stets im Sinne der Niederlassungsfreiheit liberalen Entscheidungspraxis des EuGH zu beurteilen. Der Rückgriff auf die EuGH-Entscheidung Daily Mail ist nicht sachgerecht, da sich das Gemeinschaftsrecht durch die Cartesio-Entscheidung zu Gunsten der Niederlassungsfreiheit weiterentwickelt hat. Die europarechtliche Niederlassungsfreiheit soll eine umfassende Mobilität von natürlichen und juristischen Personen in Europa ermöglichen. Ausgehend von dem Vergleichsbild in einem föderalen Staat, kann kein sachgerechter Grund dafür herangezogen werden, einen Unterschied zwischen der Verlegung des Verwaltungssitzes und des Satzungssitzes zu begründen. Jegliche Einschränkung und Sanktion eines Staates gegen den Wegzug einer Gesellschaft aus seinem Staatsgebiet ist als eine unzulässige und nicht gerechtfertigte Einschränkung der Niederlassungsfreiheit zu bewerten. Die Argumente gegen die Zulässigkeit einer Verlegung des Satzungssitzes vermögen nicht zu überzeugen. Eine solche Argumentation ist geprägt von dem Grundsatz „was nicht sein darf, kann auch nicht sein“ und verschließt sich der Rechtsentwicklung durch den EuGH. Zuzustimmen ist zunächst, dass der EuGH in seinen bisherigen Urteilen zur Niederlassungsfreiheit nicht à priori alle nationalen Maßnahmen für europarechtswidrig erklärt hat, die eine Gesellschaft an deren Satzungs- und Herkunftsstaat weiterhin knüpfen wollen. Vielmehr geht der EuGH konsequent von einer Europarechtswidrigkeit aus, wenn durch die jeweilige staatliche Maßnahme die Niederlassungsfreiheit nicht verwirklicht werden kann. Nun könnte der These gefolgt werden, dass die Niederlassungsfreiheit in einem anderen Staat auch verwirklicht werden könnte, wenn in dem „Ziel-Staat“ die wirtschaftliche Aktivität der Gesellschaft durch eine Zweigniederlassung ausgeübt wird. Es ist offensichtlich, dass eine Gesellschaft in dem Zuzugsstaat deren unternehmerische Tätigkeit auch über Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften realisieren könnte, so dass es faktisch auch nicht der endgültigen Sitzverlegung bedürfte. Hiergegen spricht jedoch, dass durch die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV in Europa die vergleichbaren Freiheiten eines Staatsgebiets verwirklicht werden sollen wie diese in einem föderalen Bundesstaat, beispielsweise in Deutschland bestehen. Es soll eine völlige Warenund Dienstleistungsfreiheit im „Staatsgebiet“ Europa entstehen. Diese ist auch an die Niederlassungsfreiheit geknüpft. In Deutschland würde ein Handelsregister in München die Sitzverlegung einer „preußischen“ Berliner Gesellschaft in das Münchener Handelsregister auch nicht zurückweisen, obgleich es sich um eine Gesellschaft handelt, die aus einem anderen Bundesland stammt. Diese Betrachtungsweise muss nunmehr auch im Lichte der jüngsten EuGH-Urteile auf Sitzverlegungen von Gesellschaften in Europa angewendet werden. Die Verwirklichung des gemeinsamen EUWirtschaftsraumes und der europäischen Grundfreiheiten lassen keine einschrän122
kende Betrachtungsweise zu. Vielmehr müsste nunmehr im deutschen Handelsregister auch eingetragen werden, nach welchem nationalen Recht die Gesellschaft gegründet wurde. Hierdurch könnte ermittelt werden, welche Rechtsordnung auf die mit dem Gesellschaftsstatut verbundenen Fragen anzuwenden wäre. Die wohl noch herrschende Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur, dass der EuGH in seinem Daily Mail-Urteil sich gegen die Sitzverlegungsmöglichkeit entschieden hat, vermag nach dem gegenwärtigen Stand der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit nicht zu überzeugen. Zunächst ist zu konstatieren, dass die Daily Mail-Entscheidung eine Absage an die Sitzverlegungsmöglichkeit ist. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Entscheidung aus dem Jahr 1988. Seit dieser Entscheidung hat der EuGH seine Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit fortwährend im Sinne der Niederlassungsfreiheit fortentwickelt. Sämtliche Beschränkungen, die die Niederlassungsfreiheit, d.h. die Zuzugs- und Wegzugsfreiheit einschränken könnten, wurden vom EuGH als unzulässig verworfen.395 Zudem hat auch der EuGH bei seiner Entscheidung 1988 die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass seine Ansicht aus dem Daily Mail-Urteil zu einem späteren Zeitpunkt gegenläufig ausfallen könnte. Der Kernsatz der Daily Mail-Entscheidung lautet, dass „ (...) beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts (...)“ die Wegzugsfreiheit nicht von der Niederlassungsfreiheit umfasst ist. Damit ist offensichtlich, dass die seinerzeit – 1988 vertretene Ansicht durchaus im Lichte der zukünftigen Entwicklung des Gemeinschaftsrechts interpretiert werden muss. Seit 1988 hat der EuGH seine Rechtsprechung „mobilitätsfreundlich“ weiterentwickelt. Insbesondere unter Zugrundelegung der Erwägungen des EuGH in den Rechtssachen Lasteyrie du Saillant und N ist ersichtlich, dass der EuGH an seiner restriktiven Ansicht aus Daily Mail nicht weiter festhalten will. Zudem sprechen auch die Begründungsausführungen des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Cartesio für die Anerkennung der Verlegungsmöglichkeit des Satzungssitzes. In der Cartesio-Entscheidung sieht der EuGH nunmehr die Satzungssitzverlegung als eine Maßnahme an, die durch die Niederlassungsfreiheit geschützt ist. Dies gilt zumindest, sofern die Satzungssitzverlegung durch eine grenzüberschreitende Umwandlung erfolgt. Schließlich besteht auch aus Sicht des EU-Verordnungsgebers das gerechtfertigte Bedürfnis, den Satzungssitz einer Gesellschaft innerhalb der Europäischen Union zu verlegen. Im Rahmen der SE wurde diese Möglichkeit durch die SE-Verordnung gewährleistet. Es erscheint sachgerecht, nicht nur die SE als „große“ Gesellschaft mit diesem Privileg auszustatten, sondern aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes, das sich ebenfalls aus den Grundfreiheiten ableitet, allen Gesellschaftsformen und damit auch der GmbH, die Satzungssitzverlegung zugänglich zu machen. Gegenläufige Argumentationen 395
Vgl. zur Zuzugsfreiheit die EuGH-Entscheidungen Centros, Überseering, Inspire Art und zur Wegzugsfreiheit die Entscheidung Lasteyrie du Saillant und N
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überzeugen aus den oben genannten Gründen nicht. Vielmehr haben die bisherigen Rechtssetzungsakte der Europäischen Union mit der SE-Verordnung eine faktische indizielle Wirkung. Im Interesse der einheitlichen Verwirklichung des EUWirtschaftsraumes sollten auch die Arbeiten an der EU-Sitzverlegungsrichtlinie wieder aufgenommen werden. Die EU-Kommission erkennt richtigerweise an, dass eine mittelbare Sitzverlegung mittlerweile möglich ist. Allerdings besteht im Rechtsverkehr weiterhin das Bedürfnis nach einer unmittelbaren und rechtssicheren Möglichkeit, den Satzungssitz einer Gesellschaft zu verlegen. 5. Zusammenfassung De lege lata bietet das deutschen Recht derzeit keine Möglichkeit für die Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH ins EU-Ausland. Wird gleichwohl der Beschluss zu einer solchen Satzungssitzverlegung gefasst, folgt hieraus konkludent ein Liquidationsbeschluss, der zur Auflösung der GmbH „an der Grenze“ zum Ausland führt. Zudem statuiert der Gesetzgeber durch die Gesetzesformulierung im reformierten § 4 a GmbHG, dass eine solche Gestaltungsmöglichkeit auch nicht gewollt ist. Das Mobilitätsbedürfnis von Gesellschaften in Europa und die derzeitigen ungeklärten Rechtsfragen hätten es jedoch gerechtfertigt, dass europaweit durch eine Sitzverlegungsrichtlinie ein einheitlicher Rahmen geschaffen werden würde, den Satzungssitz von Gesellschaften und damit der GmbH ins Ausland zu verlegen. Eine solche Regelung liegt derzeit gleichwohl nicht vor. Nach richtiger Ansicht bietet das Europarecht mit Art. 43, 48 EGV beim jetzigen Stand der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts jedoch bereits jetzt eine ausreichende rechtliche Grundlage für die europaweite Mobilität der GmbH an. Der EuGH hat durch seine Rechtsprechung in den zuvor dargestellten Urteilen die Niederlassungsfreiheit ausreichend konkretisiert, um daraus die Grundlage für die Verlegung des Satzungssitzes abzuleiten. Durch die europarechtliche Vorgabe der EuGH-Entscheidung Lasteyrie du Saillant und N im Hinblick auf Art. 43, 48 EGV und das eindeutige Judikat in der Cartesio-Entscheidung zur Unzulässigkeit der Zwangsauflösung396 lässt sich die bisherige Rechtsfolge von der Zwangsauflösung und der Liquidation der Gesellschaft nicht mehr aufrecht erhalten. Eine in Deutschland wirksam gegründete Gesellschaft muss vom deutschen Recht und der Rechtsprechung auch bei einer Verlegung des Satzungssitzes als weiterhin bestehende Gesellschaft anerkannt werden. Eine formwahrende Sitzverlegung in einen anderen EU-Staat ist konsequente Rechtsfolge aus der Niederlassungsfreiheit des Art. 43, 48 EGV. Des Weiteren zeigen auch die ersten Umsetzungsmaßnahmen des europäischen Normgebers mit der Verschmelzungsrichtlinie und der SE-Verordnung, dass grenzüberschreitende Gestaltungsmaßnahmen von Gesellschaften grundsätzlich möglich sein 396
Vgl. Tz. 112 der Cartesio-Entscheidung
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sollen. Grundlage hierfür ist abermals die Niederlassungsfreiheit. Zudem entwickelt der EuGH seine Rechtsprechung stets zugunsten der Niederlassungsfreiheit und der uneingeschränkten Mobilität der Gesellschaften in Europa weiter. Dies erfolgt nicht nur bei entsprechenden Vorlagefragen zu formalen Sitzverlegungen, sondern auch bezüglich anderer Gestaltungsmaßnahmen, die letztlich zu einer Verlegung der Gesellschaft über die Grenzen hinweg führen. Die Niederlassungsfreiheit erfuhr in den EuGH-Entscheidungen Sevic397 und Cartesio weitere Konturen. Dieses Ergebnis zur grenzüberschreitenden Verschmelzung ist aufgrund der vergleichbaren Interessenlage übertragbar und gilt sowohl für die Verlegung des Verwaltungssitzes als auch für die Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH in einen EU-Mitgliedsstaat. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die formalrechtliche Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH in das EU-Ausland auf der Grundlage des europäischen Primärrechts der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) zulässig ist.
D. Zwischenergebnis Nachdem der EuGH durch seine Rechtsprechung die Niederlassungsfreiheit und in diesem Zusammenhang auch die Wegzugsfreiheit beständig weiterentwickelt hat, musste auch der deutsche Gesetzgeber seine zunächst ablehnende Vorgehensweise aufgeben und die Verlegung des Verwaltungssitzes einer GmbH anerkennen. Dies ist mit der Neufassung des § 4a GmbHG für die GmbH erfolgt. Folglich besteht nunmehr auf einfachgesetzlicher Ebene die Möglichkeit zur Verlegung des Verwaltungssitzes einer GmbH in das EU-Ausland. Hinsichtlich der Untersuchungsfragestellung ergibt sich nach richtiger Ansicht, dass bereits aus der vorhandenen Rechtsprechung des EuGH in einer konsequenten Fortentwicklung der Wegzugsfreiheit auch die Freiheit zur Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH in das EU-Ausland abgeleitet werden kann. Hierfür sprechen bereits die ersten entsprechenden Umsetzungsmaßnahmen bezüglich der SE in der SE-Verordnung sowie die Ausführungen des Generalanwalts des EuGH Poiares Maduro in der Rechtssache Cartesio, aus denen zu entnehmen ist, dass das Gemeinschaftsrecht umfassend die Mobilitätsfreiheit garantiert und damit zwangsläufig auch die Freiheit, den Satzungssitz einer GmbH zu verlegen. In der Cartesio-Entscheidung bestätigt der EuGH sodann in einem obiter dictum im Ergebnis diese Gestaltungsmöglichkeit. Eine einfachgesetzliche Kodifizierung einer solchen Möglichkeit besteht im normierten deutschen Recht derzeit jedoch noch nicht. De lege lata im deutschen Recht würde hierbei eine Liquidation der Gesellschaft erfolgen. Da das Gemeinschaftsrecht jedoch dem nationalen Recht vorgeht, greift eine Zwangsliquidation gleichwohl nicht ein, sodass konsequenterweise die rechtliche Möglichkeit zur Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH bereits besteht und unter Berufung auf 397
EuGH Rs. 411/03-Sevic, Urt. v. 13.12.2005, Slg. 2005, I-10805
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das Gemeinschaftsrecht und die Niederlassungsfreiheit die Satzungssitzverlegung unmittelbar vollzogen werden kann.
3. Teil Ertragssteuerrechtliche Konsequenzen der Sitzverlegung Nach der zuvor dargelegten und entwickelten Ansicht ist die Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH in das EU-Ausland zwar nicht auf der Grundlage des geltenden deutschen Gesellschaftsrechts, jedoch bereits unmittelbar auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit in deren konkreter Ausprägung als Wegzugsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) möglich. Für eine wirtschaftliche Umsetzung der, im 1. Kapitel beschriebenen, unternehmerischen Motivation zur Verlegung der GmbH „über die Grenze“ und zur Erreichung des Unternehmensziels einer relativen Steuerbarwertminimierung reicht dieses Zwischenergebnis jedoch nicht aus. Für das Unternehmen wird – nach der Bejahung der grundsätzlichen gesellschaftsrechtlichen Möglichkeit – vielmehr entscheidend sein, welche steuerlichen Konsequenzen sich aus einer solchen Sitzverlegung ergeben. Hierbei ist der maßgebliche Gesichtspunkt, welche ertragssteuerlichen Folgen eine solche Sitzverlegung für das Unternehmen haben kann. Die unternehmerische Zielsetzung einer relativen Steuerbarwertminimierung kann durch die Sitzverlegung nur erreicht werden, wenn der Sitzverlegungsvorgang ertragssteuerneutral erfolgen würde. Bereits an dieser Stelle der Untersuchung ist zu nennen, dass eine Steuer, die durch die länderübergreifende Sitzverlegung entsteht, ohne dass bei dem Unternehmen ein Liquiditätszufluss erfolgt, für das Unternehmen existenzgefährdend sein kann. Eine vernünftige Unternehmensführung wird die Aktivitäten des Unternehmens und entsprechende Gestaltungen derart steuern, dass die Steuerbelastung für das Unternehmen möglichst gering ausfällt. Hierbei sind die Steuern für das Unternehmen einschneidender, die ohne einen vorherigen Liquiditätszufluss beim Unternehmen entstehen. In diesem Zusammenhang wird bei der vorliegenden Untersuchung die Wirkung einer Sitzverlegung der GmbH auf die etwaige Realisierung von stillen Reserven bei der GmbH begrenzt. Die „stillen Reserven“ bilden sich aus der Differenz der Buchwerte der Wirtschaftgüter und deren Verkehrswerten. Dieser Differenzbetrag wird bei einer Aufdeckung von stillen Reserven von der Finanzverwaltung als Realisierung eines Wertes mit einem korrespondierenden Liquiditätszufluss fingiert, so dass auf diese fiktive Werterealisierung eine Steuer zu erheben ist. Besonders nachteilig wirkt sich diese rechtliche Folge für das Unternehmen dahingehend aus, dass Steuern zu zahlen sind, aber ein Liquiditätszufluss, aus dem die Steuern bezahlt werden könnten, jedoch zu keinem Zeitpunkt stattgefunden hat.
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Wegen diesen Liquiditätsbelastungen besteht daher eine Wechselwirkung zwischen der Sitzverlegung und der Realisierung von stillen Reserven. Eine Sitzverlegung, die mit einer Aufdeckung von stillen Reserven und der hiermit verbundenen Steuerpflicht verbunden ist, wirkt sich faktisch als Erschwerung der Sitzverlegung aus. Abhängig vom Einzelfall des jeweiligen Unternehmens und der Höhe der durch die Sitzverlegung realisierten Steuerbelastung wird sich diese Erschwerung bis hin zu einer faktischen Unmöglichkeit einer Sitzverlegung auswirken können. Konsequenterweise kann daher die Sitzverlegung auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit nur realisiert werden, wenn die Sitzverlegung per se nicht zur Aufdeckung von stillen Reserven führt. Bei einer Sitzverlegung einer GmbH über die nationalen Grenzen hinweg stellt sich damit in der Untersuchung die Problematik, inwieweit dieser gesellschaftsrechtliche Vorgang ertragssteuerneutral erfolgen kann. Im Ertragssteuerrecht ist, wie bereits ausgeführt, die maßgebliche Frage, ob die Sitzverlegung ohne die Aufdeckung der, im Inland bei der GmbH gebildeten, stillen Reserven erfolgen kann. Folglich ist zu untersuchen, ob die im Inland gebildeten stillen Reserven ins Ausland „transportabel“ sind, oder ob das deutsche Ertragssteuerrecht beim Überschreiten der „Steuergrenzen“398 diese Übertragbarkeit bereits aufgrund der Systemprinzipien des Steuerrechts ausschließt. Zur Untersuchung dieser Frage sind daher zunächst die tragenden Prinzipien des Steuerrechts darzustellen. Hieran anschließend ist die Entstrickung als sog. „Ersatzrealisationstatbestand“ im Rahmen der in Betracht kommenden Wegzugsbesteuerung für die „wegziehende“ Gesellschaft und für die Gesellschafter zu untersuchen. Schließlich ist das Ergebnis der steuerrechtlichen Analyse im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit dem Europarecht zu überprüfen.
A. Systemprinzipien des Steuerrechts Eingangs ist nunmehr zu prüfen, ob bereits auf der Grundlage der Systemprinzipien des deutschen Steuerrechts eine Besteuerung ohne einen vorherigen Liquiditätszufluss bei Steuersubjekt ermöglicht wird. I. Das Individualprinzip Das Ertragssteuerrecht wird von dem Individualprinzip beherrscht. Es verlangt, dass jedes Steuersubjekt (natürliche Person, Personengesellschaft, Körperschaft) sein eigenes Einkommen versteuert. Dies folgt aus dem Grundgedanken der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. Hierbei versteuert jedes Steuersubjekt sein eigenes Einkommen.399 Das Individualprinzip wird auch als Steuersubjektprinzip be398 399
Schulze-Brachmann, Steuergrenzen, AWD 1966, 269 Beisse, Gewinnrealisierung, in: Ruppe, Gewinnrealisierung im Steuerrecht, DStJG, Bd. 4, 14
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zeichnet. Für natürliche Personen unterwirft § 1 Abs. 1 EStG eine natürliche Person der Besteuerung mit den Einkünften, die die natürliche Person aus den Einkünften gemäß § 2 Abs. 1 EStG erzielt. Für Körperschaften normiert § 1 Abs. 1 KStG dieses Individualprinzip. Die Ausgestaltung des Ertragssteuerrechts auf die Besteuerung eines Steuersubjektes wird in der Literatur400 und der Rechtsprechung401 als tragendes Prinzip anerkannt. Da die Besteuerung aufgrund der realisierten Besteuerungstatbestände des Steuersubjektes erfolgt, werden konsequent die stillen Reserven auch dem Steuersubjekt zugeordnet, bei dem sie entstanden sind. Die stillen Reserven entstehen aus der Wertdifferenz zwischen dem Buchwert und dem Verkehrswert der bei der GmbH bilanziell erfassten Wirtschaftsgüter. Die stillen Reserven bleiben mit dem betreffenden Steuersubjekt verhaftet. Eine Übertragung von stillen Reserven auf ein anderes Steuersubjekt ist grundsätzlich ausgeschlossen. Bei einer Veräußerung eines Wirtschaftsgutes an ein anderes Steuersubjekt werden die latent vorhandenen Wertsteigerungen des Wirtschaftsgutes als „stille Reserven“ aufgedeckt und damit automatisch der Gewinnbesteuerung zugeführt. Bei der Umstrukturierung von Unternehmen konnte sich das Individualprinzip in dieser Konsequenz jedoch nicht behaupten. Umstrukturierungen zur Anpassung an veränderte Marktbedingungen sind zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen und damit ihrer Ertrags- und Steuerkraft unerlässlich. Es liegt daher insbesondere im fiskalischen Interesse, die Umstrukturierungsvorgänge nicht durch steuerliche Hindernisse zu erschweren oder gar unmöglich zu machen. Das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) mildert deshalb die Steuerbelastung, zu der die, auf Umwandlungsvorgänge nicht zugeschnittenen, Besteuerungstatbestände des EStG und des KStG führen würden. Damit wird es den Unternehmen erleichtert, die Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform oder Organisationsstruktur vorrangig nach unternehmerischen und kaufmännischen Zweckmäßigkeitserwägungen zu treffen. Diese Erwägungen sollen daran ausgerichtet werden, die für den Gesellschaftszweck geeignetste Rechtsform zu wählen, ohne steuerlich nachteilige Folgen, beispielsweise durch Aufdeckung stiller Reserven, erwarten zu müssen. Durch das Umwandlungssteuerrecht werden daher zusätzliche Möglichkeiten eröffnet, die Umstrukturierung von Unternehmen steuerneutral zu gestalten. Im grenzüberschreitenden Bereich liegt eine vergleichbare Modifizierung des Individualprinzips bisher nicht vor. Hier gilt auch für Umstrukturierungsvorgänge weiterhin der Grundsatz, dass stille Reserven von dem Steuersubjekt versteuert werden müs400
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Vgl. Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof, EStG Kommentar, § 1 Rn. A 77; Zugmaier in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, § 2 Rn. 14 m.w.N. BVerfG Entscheidung v. 17.1.1957, BVerfGE 6, 55, 67; BVerfG Beschluss v. 3.12.1958, BVerfGE 9, 3, 12 f.
sen, welches die stillen Reserven begründet hat. Ausschlaggebend dafür ist der Verlust der Besteuerungshoheit des Staates, der mit dem Übergang der stillen Reserven auf ein anderes Steuersubjekt verbunden sein kann. Geht mit der Übertragung des Unternehmens das Recht zur Besteuerung auf einen ausländischen Staat über, dann ist die Fortführung der stillen Reserven nicht nur mit einem Besteuerungsaufschub verbunden, sondern hat aus der Sicht des inländischen Fiskus einen endgültigen Steuerausfall zur Folge. Dies wäre aus fiskalischer Sicht nur annehmbar, wenn der begünstigte Staat auf der Grundlage der Gegenseitigkeit402 zu einem gleichen „Steueropfer“ bereit wäre.403 II. Das Leistungsfähigkeitsprinzip Die Höhe der Besteuerung wird nicht durch den staatlichen Finanzbedarf bestimmt, sondern durch die individuelle Leistungsfähigkeit des Steuersubjektes, Steuern zu zahlen.404 Hierbei werden von dem Einkommen des Steuersubjektes die Aufwendungen abgezogen, die das Steuersubjekt für die Erzielung des Einkommens und die Existenzsicherung aufwendet.405 Dieses Prinzip wird als „Nettoprinzip“ bezeichnet. Verfassungsrechtlich leitet sich dieses Leistungsfähigkeitsprinzip aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ab. Auf Kapitalgesellschaften und damit auch die GmbH findet der Gleichheitssatz über Art. 19 Abs. 3 GG ebenfalls Anwendung und garantiert die Besteuerungsgleichheit von Unternehmen.406 III. Das Markteinkommensprinzip Die Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips erfordert die Festlegung, welche Einnahmen des Steuersubjektes als Einkommen der Besteuerung unterworfen werden. Nach der Reinvermögenstheorie wird das zu versteuernde Einkommen aus der Differenz zwischen den Reinvermögensbeständen des Steuersubjektes am Anfang und am Ende einer Besteuerungsperiode ermittelt. Die Bemessungsgrundlage er-
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Die Gegenseitigkeit bei der Erhebung von Steuern bzw. bei dem Verzicht auf die Besteuerung wird in der Regel auf der Grundlage von Doppelbesteuerungsabkommen erzielt. Folglich sind weitere Fortschritte beim Abbau der steuerlichen Hemmnisse für nationale und internationale Unternehmensumstrukturierungen nur durch internationale Vereinbarungen zu erwarten. Der deutsche Gesetzgeber bleibt aufgrund des EG-Vertrages sowie des europäischen Sekundärrechts verpflichtet, die bisherigen steuerlichen Regelungen gemeinschaftsrechtskonform anzupassen. Im Hinblick auf die bisherigen Umsetzungsdefizite kommt der Rechtsfortbildung durch den EuGH eine umso größere Bedeutung zu. Der EuGH hat bereits in diversen Urteilen, vgl. EuGH Rs- C-286/04, C-340/95, C-401/95, C-47/96 (verbundene Verfahren)-Molenheide, Urt. v. 18.12.1987, Slg. 1997, I-7281, ausgeführt, dass die mangelhafte und unterbliebene Umsetzung der europäischen Richtlinien durch die nationalen Gesetzgeber nicht dazu führen kann, dass die europäischen Rechte versagt werden und die Fortentwicklung der europarechtlichen Grundfreiheiten eingeschränkt wird. In diesen Fällen erfolgte eine Rechtsfortbildung und faktische Rechtssetzung durch die Rechtsprechung des EuGH. Tipke, Steuerrechtsordnung I, § 9 Nr. 2.3; Kirchhof, Leistungsfähigkeit, StuW 1985, 320 Die jeweiligen Aufwendungen können jedoch nicht in unbegrenzter Höhe einkommensmindernd angesetzt werden, sondern sind der Höhe nach beschränkt. BVerfG Beschluss v. 10.11.1998, BVerfGE 99, 246, 260; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, 165
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fasst Vermögensmehrungen und auch unrealisierte Wertsteigerungen.407 Die in der Literatur herrschende408 und im EStG verankerte Markteinkommenstheorie409 erfordert jedoch für die Hinzurechnung von Einnahmen zur Bemessungsgrundlage, dass diese Einnahmen am Markt erzielt worden sein müssen. Wertsteigerungen, die erzielt, aber am Markt nicht realisiert wurden, sog. stille Reserven, werden nicht zur steuerlichen Bemessungsgrundlage hinzugerechnet. IV. Das Realisationsprinzip Das Realisationsprinzip liegt dem Bilanzsteuerrecht konzeptionell zugrunde. Durch das Realisationsprinzip410 soll sichergestellt werden, dass das Steuersubjekt nur dann einer Besteuerung und dem damit verbundenen Liquiditätsabfluss unterworfen wird, wenn zuvor ein Liquiditätszufluss bei dem Steuersubjekt stattgefunden hat. Dies ist Ausfluss des Leistungsfähigkeits- und Markteinkommensprinzips. Damit soll ein Bestandschutz gewährleistet werden um sicherzustellen, dass das Steuersubjekt nicht Wirtschaftsgüter veräußern muss, um den Besteuerungsanspruch des Staates zu erfüllen. Nicht die Wertentwicklung im Bestand eines Wirtschaftsgutes ist steuerbar, sondern die tatsächlich am Markt erzielte und realisierte Wertsteigerung.411 Sofern der Marktwert eines Wirtschaftsgutes wächst und dieses Wirtschaftsgut jedoch nicht veräußert wird, entstehen in dem Wirtschaftsgut sog. stille Reserven. Aus dem Realisationsprinzip folgt, dass die stillen Reserven daher nicht bereits während des Bestandes besteuert werden, sondern nur im Realisierungsfall.412 V. Steuerliche Ersatzrealisationstatbestände Aus den zuvor dargestellten Systemprinzipien folgt, dass eine Besteuerung nur bei einer zuvor erfolgten Gewinnrealisierung erfolgt. Erst in diesem Fall fließt dem Steuersubjekt Liquidität zu, die es ermöglicht, Steuern zu zahlen, ohne den bestehenden Vermögensstamm hierfür aufbrauchen zu müssen. Dieses Prinzip der Besteuerung bei einer zuvor erfolgten Gewinnrealisierung wird jedoch durch steuerliche Ersatzrealisationstatbestände durchbrochen. Bei den steuerlichen Ersatzrealisationstatbeständen wird die Besteuerung unabhängig von einer vorherigen Gewinnrealisierung oder einem vorherigen Liquiditätszufluss durchgeführt.413 Der diesen Ersatzrealisationstatbeständen zugrunde liegende gesetz407 408 409
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Tipke, Steuerrechtsordnung II, 624 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung II, 629; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 227 Die funktionale Verankerung folgt aus § 2 Abs. 3 EStG, nachdem sich die Summe der Einkünfte aus den, in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 EStG genannten, Einkünften ergeben. Den Einkunftsarten ist gemein, dass sie als steuerbare Tätigkeiten ausschließlich reale Leistungsbeziehungen mit den, in Erscheinung getretenen, Wertzu- und Wertabflüssen erfassen. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 404 Kirchhof, Leistungsfähigkeit, StuW 1985, 327 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 letzter HS HGB Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 271; Schaumburg, Grundsätze grenzüberschreitender Gewinnrealisierung, in: Schauburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb
geberische Gedanke besteht darin, das staatliche Besteuerungsrecht sicher zu stellen und im letzten Moment durchzuführen, bevor das Steuersubjekt aus der Besteuerungshoheit des Staates ausscheidet. VI. Die Wegzugsbesteuerung als Ersatzrealisationstatbestand Im Hinblick auf die untersuchte Fragestellung ist bei einer Sitzverlegung einer GmbH in das EU-Ausland die sog. „Wegzugsbesteuerung“ als Spezialfall der steuerlichen Ersatzrealisationstatbestände näher zu beleuchten. Der Wegzug von Kapitalgesellschaften und damit der GmbH ist ein Problemfeld der grenzüberschreitenden Gewinnrealisierung. Die gesetzgeberische Intension durch die diversen Regelungen zur „Wegzugsbesteuerung“ besteht darin, bei einem Wegzug des Steuersubjektes aus Deutschland, die Besteuerung der, auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgebauten, stillen Reserven eines Wirtschaftsgutes sicher zu stellen.414 Bevor die GmbH als Steuersubjekt aus dem deutschen Staatsgebiet ausscheidet und damit nach Maßgabe der steuerlichen Regelungen des § 12 KStG steuerrechtlich entstrickt wird, sollen die stillen Reserven der Besteuerung zugeführt werden, sog. „Wegzugsbesteuerung“.415 Die Konzeption der Wegzugsbesteuerung416 setzt derzeit implizit bei dem Wegzug einer Kapitalgesellschaft voraus, dass der „Wegzug“ in der Art und Weise erfolgt, dass die Kapitalgesellschaft in Deutschland nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig ist. Hierzu darf die Kapitalgesellschaft weder ihren Sitz noch die Geschäftsleitung im Inland haben (§ 1 Abs. 1 KStG). Sofern diese Maßgabe beachtet wird und die Kapitalgesellschaft jedoch weiterhin Einkünfte im Inland erzielt, bleibt die Gesellschaft im Inland mit den inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig (§ 2 KStG). Die Wegzugsbesteuerung ist als Ersatzrealisationstatbestand keine klassische Veräußerungsgewinnbesteuerung gemäß § 17 EStG, sondern eine Besteuerung der, sich im Vermögen des Steuersubjektes befindenden, aber noch nicht realisierten, stillen Reserven.
414 415
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im Ausland, Forum der internationalen Besteuerung, Bd. 18, 11; Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 409 f. Vgl. BFH BStBl. II 1974, 255, 256 Die Wegzugsbesteuerung in der Ausprägung des § 6 AStG wurde 1972 im Rahmen der Neuordnung des deutschen Außensteuerrechts eingeführt. Hauptursache hierfür war die „Steuerflucht“ im Fall Horten, der steuerneutral - aufgrund einer bislang fehlenden Wegzugsbesteuerung - seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegte. Vgl. die Literaturübersicht zur Wegzugsbesteuerung bei Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 1998, Rn. 5, 378; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2002, 621
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VII. Spannungsfeld zwischen Doppelbesteuerungsabkommen und der Wegzugsbesteuerung Die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung im deutschen Ertragssteuerrecht sind die gesetzgeberische Konsequenz zu dem System der Doppelbesteuerungsabkommen. Nach der Konzeption der meisten mit Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen417 erfolgt beispielsweise die Besteuerung bei Veräußerung von Gesellschaftsanteilen ausschließlich in dem jeweiligen Ansässigkeitsstaat des Steuersubjektes. Die stillen Reserven werden somit erst in dem neuen „Zuzugsstaat“ aufgedeckt und besteuert. Der „Wegzugsstaat“ verliert insoweit sein Besteuerungsrecht. Die jeweiligen Regelungen der mit Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen folgen diesbezüglich im Wesentlichen der Regelung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA.418 Im Wegzugsfall einer GmbH aus Deutschland endet daher das Besteuerungsrecht von Deutschland als Herkunftsstaat für die, auf seinem Staatsgebiet entstandenen, stillen Reserven an der Staatsgrenze. Nach dem Ausscheiden aus diesem Staatsgebiet hat folglich nur noch der neue Ansässigkeitsstaat des Steuersubjektes das alleinige Besteuerungsrecht.419 Dieses Besteuerungsrecht erstreckt sich auch auf die stillen Reserven eines Wirtschaftgutes, die zuvor in Deutschland gebildet wurden. Der Gesetzgeber sah es demnach bislang als legitim und haushaltspolitisch geboten an, seine Fiskalansprüche vor dem Grenzübertritt des Steuersubjektes durch die Wegzugsbesteuerung sicherzustellen und zu realisieren. VIII. Steuerneutralität bei unternehmerischen Gestaltungen Zur konsequenten Umsetzung der zuvor beschriebenen Systemprinzipien des Steuerrechts ist es erforderlich, dass insbesondere eine ertragssteuerliche Belastung in den Fällen ausscheidet, in denen grundsätzlich ein Steuerrealisierungstatbestand vorliegt, aber gleichwohl die Steuern durch unternehmerische Gestaltungen ohne einen, damit verbundenen, Liquiditätszufluss ausgelöst werden. Die unternehmerischen Gestaltungen müssen in diesem Zusammenhang dadurch veranlasst sein, dass durch die Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit und der Bestand der Unternehmung gesichert werden sollen. Letztlich profitiert auch der Fiskus von wettbe417
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Die Bundesrepublik Deutschland hat mit etwa 90 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Im Wesentlichen basieren diese bilateralen Abkommen auf dem OECD-Musterabkommen. Im Einzelfall enthalten die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen jedoch unterschiedliche Regelungen, beispielsweise Anwendung der Freistellungsmethode statt der Anrechnungsmethode, so dass sich eine pauschale Beurteilung verbietet und der Einzelfall am jeweils anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen zu beurteilen ist. Die Vereinbarkeit der Wegzugsbesteuerung mit dem DBA-Recht ist umstritten. Für einen Verstoß: vgl. Flick, Doppelbesteuerung, BB 1971, 250; Vogel, Fragen des Außensteuerrechts, BB 1971, 1185 ff.; dagegen: Toifl, Die Wegzugsbesteuerung, 128; offen: Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, OECD-MA, Art. 13, Rn. 128 Vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA
werbsfähigen und ertragsstarken Unternehmen, da durch diese Unternehmen Gewinne erwirtschaftet werden, die sodann der Besteuerung unterliegen. Gesetzessystematisch müssen daher insbesondere nationale und auch grenzüberschreitende Umstrukturierungsmaßnahmen ertragssteuerneutral ermöglicht werden. Dies gilt jedoch nur, soweit die stillen Reserven im Inland weiterhin verhaftet bleiben und der deutsche Fiskus diese sodann im Realisierungsfall besteuern kann. Diese Ansicht wird seit Jahrzehnten von der Rechtsprechung420 und der herrschenden Meinung in der Literatur421 vertreten. Die Steuerrealisierungstatbestände des KStG i.V.m. dem EStG erfahren eine entsprechende Modifikation für die Fälle von Umstrukturierungen durch das UmwStG. Hiernach werden unternehmerische Gestaltungsmaßnahmen, die nach dem KStG grundsätzlich eine Steuerpflicht auslösen würden, steuersystematisch von einer Besteuerung ausgenommen. Konzeptionell liegt in der Übertragung bzw. in dem Ausbleiben der Realisierung von stillen Reserven der Wirtschaftsgüter von Unternehmen eine staatliche Subvention vor, da der Staat auf seinen Anspruch zur Realisierung der stillen Reserven und der Besteuerung aufschiebend bedingt verzichtet.422 Zur Schonung der Wirtschaftskraft der Unternehmung wird durch die Stundung des Steueranspruchs faktisch ein zinsfreier Steuerkredit gewährt.423 Die Übertragung der stillen Reserven auf einen anderen Rechtsträger, beispielsweise im Rahmen einer Verschmelzung, bzw. die Beibehaltung der stillen Reserven im Unternehmen, wie dies beim Formwechsel erfolgt, beruht auf dem Prinzip der Buchwertfortführung. Hierbei werden die Wirtschaftsgüter zu den Werten übertragen bzw. fortgeführt, zu denen die Wirtschaftsgüter in den Bilanzen des Ausgangsunternehmens stehen. Diese Buchwerte werden entsprechend fortgeführt.424 Die stillen Reserven werden erst bei der Vornahme des entsprechenden Umsatzgeschäftes realisiert und der Besteuerung zugeführt. Die Konzeption der Buchwertfortführung bedarf stets einer normativen Ausprägung und ausdrücklichen Nennung im Gesetz. Andernfalls ordnet das Steuergesetz konkludent stets die Aufdeckung der stillen Reserven und damit verbunden die sofortige Besteuerung an.425 Damit ist das Prinzip der Buchwertfortführung mit der aufgeschobenen Besteuerung die gesetzliche Ausprägung der zuvor dargestellten Steuerprinzipien, insbesondere des Leistungsfähigkeits- und Realisationsprinzips.426 420
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Vgl. beispielsweise BFH v. 25.5.1962, I 155/59 U, BStBl. III 1962, 351; BFH v. 29.3.1972, I R 43/69, BStBl. II 1972, 537 Flume, Unternehmenskonzentration, ZfbF 1968, 90; Thiel, Gewinnverwirklichung, DB 1959, 1096 f.; Herzig, Rechtsformneutralität, StuW 1988, 342; Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 5 Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, 213 Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, 213 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 405 Schaumburg, Unternehmenssteuerreform, 512 Verfassungsrechtlich ist das Prinzip der Buchwertfortführung auch erforderlich, da andernfalls durch eine sofortige Besteuerung der stillen Reserven ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte gemäß Art. 3 Abs. 1, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG vor-
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IX. Eigene Rechtsansicht Die ausgeführten grundlegenden Prinzipien des Steuerrechts zeigen, dass der Steuergesetzgeber durchaus den Fall bedacht hat, dass Steuern nur erhoben werden können, wenn zuvor ein Liquiditätszufluss beim Steuerpflichtigen stattgefunden hat. Dieses Realisationsprinzip wird gleichwohl „außer Kraft gesetzt“, sobald der staatliche Besteuerungsanspruch in Gefahr steht, an einen ausländischen Zuzugsstaat zu entfallen. Aus fiskalpolitischen Gründen versucht der Staat, zumindest im letzten Moment der Ansässigkeit einer GmbH in Deutschland, den Besteuerungsanspruch zu realisieren. Diese gesetzgeberische Intension vermag haushaltspolitisch einleuchten – abkommens- und europarechtlich ist sie jedoch fragwürdig. Mit dem Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen erkennt der Ansässigkeitsstaat, dass bei einem Wegzug eines Steuersubjektes bzw. bei einem „Grenzübertritt einer Beteiligung“ der jeweils neue Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht erhält.427 Der Herkunftsstaat verliert dieses. Durch den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen trifft der Herkunftsstaat damit eine eindeutige Wertung zum Übergang des Besteuerungsrechts.428 Mit dem Übergang des Besteuerungsrechts auf den neuen Ansässigkeitsstaat liegt ein konkludenter Verzicht des Herkunftsstaats hinsichtlich seines Besteuerungsanspruchs vor. Der bisherige Ansässigkeitsstaat verzichtet zugunsten des neuen Ansässigkeitsstaates. Folglich erscheint es sachwidrig, wenn der bisherige Ansässigkeitsstaat im letzten Moment der Ansässigkeit des Unternehmens auf seinem Staatsgebiet noch einen Steuerrealisierungstatbestand schafft. Dadurch würde der Besteuerungsanspruch des Zuzugsstaats für den Fall des anschließenden Wegzugs des Unternehmens „ins Leere“ gehen.429 Bezüglich des Europarechts wirkt sich die, im Wegzugsfall zu zahlende, Steuer durch die Aufdeckung von stillen Reserven als eine faktische Wegzugsbeschränkung aus. Einer solchen Wegzugsbeschränkung würde eine inländische GmbH bei einer Sitzverlegung in ein anderes Bundesland nicht unterfallen.430 Folglich liegt hier eine Un-
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liegen würde, vgl. im Einzelnen Eggers, Gründung und Sitzverlegung einer SE aus ertragssteuerlicher Sicht, 38 ff. Durch den Wechsel des Wohnsitzes oder des Ortes des gewöhnlichen Aufenthaltes bei einer natürlichen Person erfolgt der Wechsel des Besteuerungsrechtes. Bei einer juristischen Person hängt der Wechsel des Besteuerungsrechtes davon ab, ob in dem Wegzugsstaat noch Wirtschaftsgüter der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Vgl. hierzu die ähnliche Argumentation des EuGH in: EuGH Rs. C-436/00–X und Y, Urt. v. 21.11.2002, IStR 2003, 23 In der Entscheidung zu X und Y (Rs. C-436/00) sah der EuGH ebenfalls in dem Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen einen Verzicht auf das bisherige Besteuerungsrecht des Herkunftsstaates, Bei einem Wechsel von einem Bundesland in ein anderes Bundesland kommt es zwar nicht zu einem Wechsel des Besteuerungsrechtes bezüglich der Körperschaftssteuer. Gleichwohl verliert die Herkunftsgemeinde durch den Wegzug der GmbH das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewerbesteuer an die Zuzugsgemeinde. Dies erfolgt, ohne dass zuvor bei der Herkunftsge-
gleichbehandlung des Auslandsfalles gegenüber dem Inlandsfall vor. Nachstehend wird zu untersuchen sein, ob diese Ungleichbehandlung europarechtlich zulässig ist. Bereits an dieser Stelle erscheint es jedoch bedenklich, die Realisierung der europäischen Niederlassungsfreiheit aus haushaltspolitischen Gründen durch eine Wegzugsbesteuerung zu verhindern bzw. einzuschränken. X. Zusammenfassung Aus den vorstehenden Ausführungen zeigt sich, dass die Systemprinzipien des Steuerrechts zugunsten des Besteuerungsrechts des Staates durchbrochen werden, sobald der Verlust der Steuererhebungshoheit eintreten würde und eine Entstrickung von Wirtschaftsgütern vorliegt. Ein solcher Verlust der Besteuerungshoheit folgt bei dem Ausscheiden der GmbH aus dem deutschen Besteuerungsgebiet. Sobald die GmbH aus dem deutschen Staatsgebiet „wegzieht“ und dadurch deren Wirtschaftsgüter steuerrechtlich „entstrickt“ werden, knüpfen Steuertatbestände zur letztmaligen Besteuerung an. Die europarechtliche Möglichkeit zur Sitzverlegung einer GmbH in das EU-Ausland wird damit durch das Prinzip der Schlussbesteuerung beim Wegzug erschwert.
B. Die Entstrickungskonzeption beim Wegzug ins Ausland Die Fragestellung, ob eine ertragssteuerliche Besteuerung bei einer Sitzverlegung eintritt, hängt von dem Vorhandensein eines Entstrickungstatbestands ab. Dies bedeutet, dass sich aus dem Gesetz oder der Rechtsprechung ein Steuertatbestand entnehmen lassen muss, der bei der Grenzüberschreitung einer GmbH in das EUAusland zwingend die Auflösung der stillen Reserven anordnet. Mit der Einführung des SEStEG431 hat der Gesetzgeber erstmalig mit § 4 Abs. 1 S. 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG gesetzliche Entstrickungstatbestände normiert.432 Hierbei erfolgt eine Legaldefinition der „Entstrickung“ in Fortführung und Weiterentwicklung der bisherigen Entstrickungsregelungen der Literatur und des BFH. Im Ergebnis kommt es hiernach zu einer Aufdeckung der stillen Reserven, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Die Entstrickung erfolgt ebenfalls in den Fällen eines Rechtsträgerwechsels durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge oder wenn Wirtschaftsgüter die betriebliche Sphäre des Unternehmens verlassen.
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meinde eine Wegzugssteuer als Kompensation für den Verlust der Gewerbesteuern erhoben wird. „Gesetz über die steuerlichen Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften“ (SEStEG) v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782 Vgl. zu § 4 Abs. 1 S. 3: Stadler/Elser, Der Regierungsentwurf des SEStEG: Einführung eines allgemeinen Entstrickungs- und Verstrickungstatbestandes und andere Änderungen des EStG, BB-Special 8/2006, 18 ff.; vgl. zu § 12 Abs. 1 KStG: Blumenberg/Lechner, Der Regierungsentwurf des SEStEG: Entstrickung und Sitzverlegung bei Kapitalgesellschaften, BB-Special 8/2006, 25 ff.;
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Mithin wurden durch das SEStEG die steuerrechtlichen Vorschriften an die, inzwischen neu eingeführten, Gesellschaftsformen, der Europäischen Gesellschaft (SE)433 und der Europäischen Genossenschaft (SCE)434 angepasst. Zudem erfolgte durch das SEStEG die Einführung der steuerrechtlichen Fusionsrichtlinie (FRL)435 in das deutsche Recht. Ziel der FRL war es, bei Einhaltung der EU-Richtlinienvoraussetzungen, Sitzverlegungen und Verschmelzungen über die europäischen Grenzen hinaus ertragssteuerneutral gestalten zu können. Dies soll auf der Ebene der Gesellschaft, aber auch auf der Ebene der Gesellschafter erfolgen.436 Schließlich ergab sich aus den bereits besprochenen Entscheidungen des EuGH von Centros bis X und Y, N sowie Sevic das europarechtliche Bedürfnis zur Anpassung des deutschen Steuerrechts an das Gemeinschaftsrecht.437 I. Allgemeiner Entstrickungstatbestand des BFH und der Finanzverwaltung Bis zum Erlass des SEStEG kannte das Steuerrecht keinen allgemeinen gesetzlichen Entstrickungstatbestand für diejenigen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, die aus dem deutschen Besteuerungsrecht ausscheiden. Vielmehr existierten diverse Vorschriften oder Rechtsgrundsätze zur Entstrickung, nämlich der Aufdeckung der stillen Reserven ohne Realisierung des Wertes des Wirtschaftsgutes am Markt. Die Aufdeckung der stillen Reserven erfolgte bei einem Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus der deutschen Besteuerungshoheit. Die bislang geltende Entstrickungskonzeption beruhte zum einen auf den entsprechenden Einzelsteuergesetzen (§ 6 AStG a. F., § 12 KStG a. F.). Zum anderen wurden die „Wegzugsfälle“ durch die Rechtsprechung des BFH aufgrund der finalen Entnahmetheorie438 und durch die Finanzverwaltung in Verwaltungsanweisungen über eine Entnahmefiktion anlehnend an § 4 Abs. 1 S. 1 EStG behandelt. Hierbei wurde beim Verlust des Besteuerungsrechts eine Entnahme der jeweiligen Wirtschaftsgüter zum Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG angenommen439. Gleichermaßen nahm der BFH beim Wegzug eines Unternehmens aus Deutschland ins Ausland eine Betriebsaufgabe anlehnend an § 16 Abs. 3 EStG an. Die Bewertung und Besteuerung erfolgte nach § 16 Abs. 3 S. 7 EStG mit dem gemeinen Wert des Betriebsvermö-
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SE-Verordnung Nr. 2157/2001 v. 8.10.2001, ABl.EG Nr. L 294, 1; SE-EG v. 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675 SCE-Verordnung Nr. 1435/2003 v. 22.7.2003, ABl.EG Nr. L 207, 1; SCE-AG v. 14.8.2006, BGBl. I 2006, 1911 Richtlinie 2005/19/EG v. 17.2.2005, ABl.EG Nr. L 058, 19 Die ertragsteuerliche Neutralität wird in der Fusionsrichtlinie von dem sog. „Betriebsstättenvorbehalt“ abhängig gemacht. Die Umgestaltungsmaßnahe bzw. die Sitzverlegung erfolgt nur steuerneutral, soweit die Wirtschaftsgüter der Gesellschaft in einer inländischen Betriebsstätte steuerverhaftet bleiben, vgl. Art. 4, 8, 10b, 10d FRL n. F. Vgl. hierzu die Darstellung der einzelnen Urteile unter 2. Kapitel, 2. Teil, B. I. ff. Vgl. BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; BFH v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771 Vgl. Looks, in: Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, 329 Rn. 838
gens.440 Der gemeine Wert ist gemäß § 9 Abs. 2 BewG nach dem Preis im Wirtschaftsverkehr für das Wirtschaftsgut zu bestimmen, der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und bei einer Veräußerung des gesamten Betriebes gezahlt werden würde. Bei der Veräußerung des Gesamtbetriebes wird es marktüblicherweise zu einem Abschlag im Preis für das einzelne Wirtschaftsgut kommen, da die Gesamtheit des Betriebes übertragen wird. Aufgrund dieses „Rabattes“ für das jeweilige Wirtschaftsgut ist der Teilwert eines Wirtschaftsgutes stets niedriger als der sogenannte gemeine Wert des Wirtschaftsgutes. In seiner bisherigen Rechtsprechung hatte der BFH stets die Rechtsansicht vertreten, dass bei Wirtschaftgütern, die aus dem, in Deutschland ansässigen, Stammunternehmen herausgelöst werden und sodann in eine ausländische Betriebsstätte überführt werden, eine Steuerpflicht ausgelöst wird.441 Fast wie unter Anwendung von Gewohnheitsrecht tritt nach dieser Rechtsansicht die Gewinnrealisierung durch eine Fiktion der Entnahme des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen mit der Folge ein, dass durch die Einlegung dieses Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte der ausländische Staat fortan das Besteuerungsrecht hat. An diese Ansicht knüpft sich die Herangehensweise der Finanzverwaltung in dem Betriebsstättenerlass an.442 Hiernach kommt es bei einer Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte grundsätzlich zu einer Realisierung der stillen Reserven. Als Entlastungsmaßnahme sieht der Betriebsstättenerlass vor, dass die Besteuerung der stillen Reserven außerbilanziell über die Bildung eines Merkpostens zu erfolgen hat, der über einen Zeitraum von 10 Jahren zu verteilen ist. Folglich liegt faktisch eine verzögerte Gewinnrealisierung vor. II. Europarechtliche Würdigung Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung im Betriebsstättenerlass kannte das deutsche Steuerrecht bis zum Inkrafttreten des SEStEG keinen gesetzlichen Tatbestand eines allgemeinen Entstrickungstatbestandes.443 Konzeptionell hat sich der Gesetzgeber vielmehr darauf beschränkt, Einzelfallregelungen für die Besteuerungen verschiedener Vermögenszuwächse im Inland, für den Fall des Wegzugs, zu schaffen.444 440 441
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Kessler/Huck, Grenzüberschreitender Transfer von Betriebsvermögen, StuW 2005, 195. Ständige Rechtsprechung seit BFH v. 16.7.1969, BFHE 97, 342; zuletzt BFHE 154, 309 – durch diese Rechtsprechung versucht der BFH die stillen Reserven im letzten, noch möglichen, Zeitpunkt zu besteuern. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.6.1 HM vgl. BFH v. 26.1.1977 - VIII R 109/75, BStBl. II 1977, 283 ff.; Kaminski, Überführung von Wirtschaftsgütern, IStR 2001, 129 ff.; Pfaar, Wirtschaftsgüter in ausländischen Betriebsstätten, IStR, 2000, 42 Ettinger/Eberl, Wegzugsbesteuerung, GmbHR 2005, 152, 153
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Gegen eine solche Konzeption werden bereits durch die Literatur erhebliche Bedenken entgegengebracht.445 Die Wegzugsbesteuerung wird als faktisches Wegzugshindernis für Unternehmen angesehen. Insbesondere gilt dies seit der Möglichkeit zur Gründung einer Europäischen Gesellschaft, der „Societas Europaea“ (SE). Die SE kann identitätswahrend deren Sitz innerhalb der Europäischen Union verlegen. Ertragssteuerlich erfolgt dies steuerneutral jedoch nur, soweit bei der Sitzverlegung die Wirtschaftsgüter der SE in einer inländischen Betriebsstätte verbleiben. Gleichwohl wird in der SE und deren Sitzverlegungskonzeption ein Leitmodell für andere Gesellschaften gesehen.446 Auch aus der Rechtsprechung des BFH konnte im Lichte der europarechtlichen Vorgaben des EuGH zu Lasteyrie du Saillant kein solcher Entstrickungstatbestand begründet werden.447 Schließlich stand dieser Ansicht zudem die europarechtliche Freiheit gegenüber, in einem anderen Mitgliedsstaat eine Betriebsstätte ohne weitere, nachteilige steuerliche Folgen begründen zu können. Solche nachteiligen Folgen durch eine eingreifende Besteuerung würden auch nicht bei einer inländischen Betriebsstättengründung entstehen. Zudem ging die herrschende Meinung davon aus, dass Veräußerungsgewinne, die tatsächlich in einer ausländischen Betriebsstätte anfallen, unter Veranlassungsgesichtspunkten anteilig dem Stammhaus zugerechnet werden können.448 Folglich war der bisherigen Entscheidungspraxis des BFH jeder Rechtfertigungsgrund entzogen. Die bisherige Rechtsprechung war mit Art. 43, 48 EGV unvereinbar, so dass eine Anrufung des Großen Senats des BFH nicht notwendig war, wenn ein Senat des BFH von dieser bisherigen BFH-Rechtsprechung abweichen wollte. An das Europarecht sind alle Senate gebunden, so dass bei einer divergierenden Rechtsprechung der BFH-Senate vielmehr der EuGH angerufen werden muss, um dort die Vorfrage entscheiden zu lassen, wie Art. 43, 48 EGV auszulegen sind. Folglich konnten die ergangenen Rechtsprechungsgrundsätze des BFH sowie des Betriebsstättenerlasses wegen der aufgezeigten Europarechtswidrigkeit und der beständigen Weiterentwicklung der Niederlassungsfreiheit durch den EuGH, zuletzt in seiner EuGH-Entscheidung Lasteyrie du Saillant, nicht mehr angewendet werden.
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Vgl. zu den Kritikpunkten Looks, in: Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, 329 Rn. 838 m.w.N. Vgl. Laule, Auswirkung der EuGH-Rechtsprechung auf deutsche Steuervorschriften, 35; Kleinert/Probst, Endgültiges Aus für steuerliche Wegzugsbeschränkungen bei natürlichen und juristischen Personen, DB 2004, 673 ff. Zustimmend z.B. Kaminski, Überführung von Wirtschaftsgütern, IStR 2001, 129, 130 Vgl. BMF BStBl. I 1999, 1076; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, DBAMA Art. 7 Rn. 246 ff.
C. Die Wegzugsbesteuerung nach Einführung des SEStEG I. Normierung der Entstrickungsregelungen 1. EU-Fusionsrichtlinie Bei der Reform der Wegzugsbesteuerung durch das SEStEG hat der Gesetzgeber unter anderem die steuerrechtliche EU-Fusionsrichtlinie449 (FRL)450 umgesetzt. Ziel dieser EU-Richtlinie ist es, Behinderungen grenzüberschreitender Umstrukturierungsmaßnahmen durch nationales Steuerrecht zu vermeiden und gleichzeitig eine spätere Besteuerung durch den „Herkunfts“-Mitgliedsstaat im Zeitpunkt der Realisierung von stillen Reserven sicher zu stellen. Dieses Ziel soll durch den Aufschub der Besteuerung des Wertzuwachses der eingebrachten Vermögenswerte bis zu deren tatsächlicher Realisierung erreicht werden.451 In Anlehnung an die FRL soll damit auch eine ertragssteuerneutrale Sitzverlegung innerhalb des EU-Raumes, insbesondere von Gesellschaften, ermöglicht werden, um so die Niederlassungsfreiheit zu realisieren. Diese EU-Richtlinie sieht ebenfalls die Konzeption einer steuerneutralen EU-weiten Fusion von Gesellschaften vor.452 Bis zur Anpassung des Umwandlungsgesetzes an die gesellschaftsrechtliche EU-Verschmelzungsrichtlinie (VRL)453 mit der Möglichkeit, nunmehr auch europaweit Gesellschaften zu verschmelzen, blieb die FRL weitgehend unbeachtet, da es an den gesellschaftsrechtlichen Umsetzungsmechanismen fehlte, um die europaweite Verschmelzung durchzuführen. Mit der Einführung dieser gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten im reformierten Umwandlungsrecht454 wurde die FRL auch praktisch relevant.455 Der deutsche Gesetzgeber setze daher die FRL im Rahmen der Reform seines „Wegzugsbesteuerungskonzeptes“ durch das SEStEG in der Neufassung des § 12 KStG um.
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RL 90/434/EWG, ABl.EG 1990 L 225, 1; ergänzt durch die Richtlinie des Rates 2005/19/EG v. 17.2.2005, ABl.EG Nr. L 58/19 Die, in dieser Arbeit untersuchte, FRL bezieht sich ausschließlich auf die steuerliche Fusionsrichtlinie. Daneben besteht eine gesellschaftsrechtliche Verschmelzungsrichtlinie (VRL), die in der Literatur häufig synonym als Fusionsrichtlinie bezeichnet wird. Nach EuGH Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11. 3. 2004, Slg. 2004, I-2409, RIW 2004, 392 steht nicht nur die Fusionsrichtlinie, sondern generell die Niederlassungsfreiheit Art. 43 EGV einer sofortigen Besteuerung entgegen. Art. 1 FRL n. F., vgl. Buchheim, Europäische Aktiengesellschaft, 89 Vgl. Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten. Die am 26. Oktober 2005 verabschiedete und am 25. November 2005 veröffentlichte Richtlinie („Verschmelzungsrichtlinie“ oder „gesellschaftsrechtliche Fusionsrichtlinie“) dient der Einführung des gesellschaftsrechtlichen Instrumentariums, um grenzüberschreitende Verschmelzungen sowie grenzüberschreitende Umwandlungen innerhalb der EU zu ermöglichen. Vgl. §§ 122 a bis l UmwG Die gesellschaftsrechtliche Grundlage zur Ermöglichung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung erfolgte bereits durch den EuGH in der Rs. Sevic, nach dem grenzüberschreitende Fusionen unter Berufung auf das europäische Primärrecht ermöglicht wurden.
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2. Konzeption der steuerlichen Wegzugsnormen Durch das SEStEG456 sollte das deutsche Steuerrecht an das europäische Steuerund Gesellschaftsrecht, insbesondere an die zwischenzeitlichen EuGH-Entscheidungen, angepasst werden. Mit dem SEStEG wurde ein allgemeiner gesetzlicher Entstrickungstatbestand durch die Regelungen in § 4 Abs. 1, S. 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG eingeführt.457 Während § 4 Abs. 1 S. 3 EStG eine Entnahme fingiert, beinhaltet § 12 Abs. 1 KStG die Fiktion der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes zum gemeinen Wert. Sofern bei einer Körperschaft ein Verlust oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsgutes vorliegt, erfolgt eine Aufdeckung der in ihren Wirtschaftsgütern gebildeten stillen Reserven. Hiermit verbunden ist die Besteuerung der stillen Reserven.458 § 12 Abs. 2 KStG betrifft die Verschmelzung, nämlich die Übertragung des gesamten Vermögens eines inländischen beschränkt Körperschaftssteuerpflichtigen auf einen anderen ausländischen Rechtsträger.459 Hierbei wird eine Entstrickung vermieden, wenn die vorher steuerverhafteten Wirtschaftsgüter in einer inländischen Betriebsstätte verbleiben und zur Erzielung des inländischen steuerrechtlichen Ergebnisses beitragen.460 § 12 Abs. 3 KStG regelt die steuerlichen Folgen bei einer Verlegung der Geschäftsleitung oder des Geschäftssitzes, insbesondere einer Körperschaft, die dazu führt, dass das Steuersubjekt durch diese Sitzverlegung in keinem anderen Staat der EU oder des EWR weiterhin ansässig und unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtig ist.461 Von dieser Vorschrift werden daher die Verlegungen aus dem Inland in Staaten außerhalb der EU oder des EWR erfasst bzw. die Fälle, bei denen zuvor eine unbeschränkte Steuerpflicht in der EU oder EWR bestand und durch den Wegzug wegfällt.462 In diesen Fällen erfolgt unter Verweis auf § 11 KStG eine Realisie-
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Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BT-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006 Die Regelungen des SEStEG hierzu beruhe auf der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die EU-Fusionsrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Vgl. Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 12 KStG Rn. 1 Vgl. Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 12 KStG Rn. 2 Vgl. Art. 4 Abs. 1 b und Art. 10b FRL n. F. Vgl. Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 12 KStG Rn. 3; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1214 Blumenberg/Lechner, Der Regierungsentwurf des SEStEG: Entstrickung und Sitzverlegung bei Kapitalgesellschaften, BB-Special 8/2006, 25, 32.
rung der stillen Reserven der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens unter Ansatz von deren gemeinen Wert.463 Wie dargelegt, enthält § 12 Abs. 3 KStG einen umfassenden Gewinnrealisierungstatbestand, der lex spezialis gegenüber der Regelung in § 12 Abs. 1 KStG ist464, sofern eine Körperschaft deren Sitz in einen Staat außerhalb der EU oder des EWR verlegt.465 Gegenstand dieser Untersuchung ist die Sitzverlegung einer GmbH in einen EU-Staat, so dass diese Fallgestaltung der Sitzverlegung bereits durch § 12 Abs. 1 KStG466 und deren allgemeinen körperschaftsteuerrechtlichen Entstrickungstatbestand erfasst wird.467 In der weiteren Untersuchung ist nunmehr zu klären, welche ertragssteuerrechtlichen Folgen sich ergeben, wenn der Verwaltungs- bzw. Satzungssitz einer GmbH in das EU-Ausland verlegt wird. II. Liquidationsbesteuerung (§ 11 Abs. 1 KStG) Durch die Verlegung der Gesellschaft in das EU-Ausland könnte eine Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 Abs. 1 KStG ausgelöst werden.468 Diese steuerliche Folge könnte jedoch voraussetzen, dass eine solche Sitzverlegung gesellschaftsrechtlich zuvor ebenfalls zu einer Liquidation der Gesellschaft geführt hat.469 Nach der bislang vertretenen Rechtsansicht im Gesellschaftsrecht wurde eine Gesellschaft zwangsläufig aufgelöst, sobald diese aus dem deutschen Staatsgebiet deren Verwaltungs- oder Satzungssitz verlegte.470 Welche steuerrechtlichen Folgen 463
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Die nunmehrige Rechtsfolge des § 12 Abs. 3 KStG n.F. entspricht der bisherigen Rechtsfolge des § 12 Abs. 1 KStG a. F., der eine sofortige Besteuerung für den Fall anordnete, dass Wirtschaftsgüter aus der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland herausfallen. Olgemöller, in: Streck, KStG, § 12 Rn. 26 Der Wortlaut des Satz 1 ist insoweit missverständlich. Nach diesem erfasst die Regelung des § 12 Abs. 3 KStG auch Sitzverlegungen innerhalb der EU und des EWR, die dazu führen, dass der Steuerpflichtige aus der unbeschränkten Körperschaftssteuerpflicht in einem EU-Staat oder EWR-Staat ausscheidet und in einem anderen EU bzw. EWR-Staat körperschaftssteuerpflichtig wird. Aus Abs. 3 S. 2 der Norm zeigt sich und wird durch die Gesetzesbegründung (BR-Drucksache 542/06, 49) bestätigt, dass Verlegungen innerhalb der EU und des EWR und zwischen EU und dem EWR gerade vom Anwendungsbereich dieser Norm ausgenommen werden sollen, vgl. Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 12 KStG Rn. 94 m.w.N. Olgemöller, in: Streck, KStG, § 12 Rn. 26 Aufgrund der abschließenden Regelung der §§ 11, 12 KStG für die Wegzugsbesteuerung verbietet sich der Rückgriff auf den allgemeinen Ersatzrealisationstatbestand der Betriebsaufgabe gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 16 Abs. 3 EStG, vgl. Hartmut, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 16 Rn. 13 Bei einer SE erfolgt eine Sitzverlegung auf Gesellschaftsebene ertragssteuerneutral, sofern das Vermögen einer inländischen Betriebsstätte verhaftet bleibt und die Buchwerte und die bisherigen Abschreibungsmethoden fortgeführt werden (Art. 10 b FRL). Auf Gesellschafterebene ist die Sitzverlegung grundsätzlich ebenfalls ertragssteuerneutral, sofern ein Entstrickungstatbestand bezüglich der Gesellschaftsbeteiligung nicht realisiert wird; vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 184 und siehe die Ausführungen unter 2. Kapitel, 3. Teil, C. IV. Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 11 KStG Rn. 20 ff. Vgl. stellvertretend für diese Meinung, Roth, Die Wegzugsfreiheit für Gesellschaften, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 395 m.w.N.; OLG Zweibrücken, 3 W
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sich aus einer solchen gesellschaftsrechtlichen Liquidation ergeben, ist jedoch umstritten. Nach einer Mindermeinung471 knüpfen die steuerrechtlichen Konsequenzen an die zivilrechtliche Wertung an. Demnach führt die zivilrechtliche Liquidation steuerrechtlich zwangsläufig zu einer Liquidationsbesteuerung des § 11 KStG. Sofern eine Liquidationsbesteuerung vorläge, wäre nunmehr streitig, ob die Liquidationsbesteuerung auch solche Wirtschaftsgüter erfasst, die zu einer inländischen Betriebsstätte gehören und damit steuerverhaftet bleiben, oder nur solche Wirtschaftsgüter, die durch die „Auflösung“ der Gesellschaft472 steuerentstrickt werden. Nach einer diesbezüglichen herrschenden Meinung473 umfasst die Liquidation die vollständige Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft. Es kann daher nicht auf die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu einer etwaigen inländischen Betriebsstätte ankommen, da bei einer inländischen Liquidation ebenfalls alle Wirtschaftsgüter der auflösenden Gesellschaft von der Liquidationsbesteuerung erfasst werden. Nach dieser Ansicht erfasst die Liquidationsbesteuerung auch im „Wegzugsfall“ alle Wirtschaftsgüter der Gesellschaft. Die steuerliche Bewertung schließt sich daher der gesellschaftsrechtlichen Feststellung an, dass ein Liquidationssachverhalt vorliegt. Um zu bestimmen, ob ein solcher gesellschaftsrechtlicher Liquidationssachverhalt vorliegt, müsste nach dieser Ansicht nachfolgend zwischen der Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes der Gesellschaft unterschieden werden. Die herrschende Meinung474 folgt dieser steuerrechtlichen Würdigung jedoch nicht. Hiernach lag mit § 12 KStG a. F. eine ausdrückliche Regelung für den Sitzverlegungsfall vor, so dass die Sitzverlegung gerade nicht durch § 11 KStG steuerlich erfasst wurde und die Anwendung von § 12 KStG a. F. unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Bewertung erfolgte. Zudem spricht gegen die Anwendung einer Liquidationsbesteuerung des § 11 KStG, dass hierfür die Gesellschaft nicht nur rechtlich aufgelöst wird, sondern dass die Gesellschaft auch tatsächlich abgewickelt475 werden muss.476 Eine tatsächliche Abwicklung liegt bei einer Sitzverlegung
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170/05, DB 2005 2293, Rn. 22; OLG München, 31 Wx 36/07, BB 2007, 2247, Rn. 5 ff; ebenso OLG Brandenburg FGPrax 2005, 78, 79 Vgl. Ebenroth/Auer, Grenzüberschreitende Verlagerung, RIW 1992, Beihefter 1, 19 m.w.N. Vgl. Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 KStG n.F. Rn. 21; Wacht, in: Ernst & Young, KStG, § 12 Rn. 31; Frotscher, in: Fortscher/Maas/Herrmann, KStG, § 12 Rn. 12; Kolbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, § 12 Rn. 17 Vgl. hierzu Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 12 Rn. 41 m.w.N. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Tz. 17.144; Hügel, Internationale Sitzverlegung, ZGR 1999, 98 m.w.N.; Dreissig, Verlegung der Geschäftsleitung, DB 2000, 894; Schaumburg, Wegzug, 2005, 417 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1212 f. Vgl. Olgemöller, in: Streck, KStG, § 11 Rn. 6; FG Baden-Württemberg EFG 1990, 540 Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen (II), GmbHR 1996, 585, 592; Kolbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, § 12 KStG Rn. 418; Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 11 KStG Rn. 20; Ebenroth/Auer, Grenzüberschreitende Verlagerung, RIW 1992, Beilage 1, Rn. 39 ff;
jedoch typischerweise gerade nicht vor, denn das unternehmerische Interesse und die Absicht sind, die Gesellschaft identitätswahrend in das Ausland zu überführen.477 Eine Abwicklung findet daher nicht statt.478 Da das Steuerrecht an den tatsächlichen Lebenssachverhalt anknüpft ist daher überzeugend, dass im Fall einer Sitzverlegung ohne eine tatsächliche Abwicklung der Gesellschaft, diese Ansicht daher vorzugswürdig ist und eine Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 KStG gerade nicht eingreift. Da die beiden divergierenden Ansichten zu unterschiedlichen steuerrechtlichen Folgen führen, ist zu untersuchen, wie sich diese Ansichten auf die Verlegung des Verwaltungssitzes und des Satzungssitzes der Gesellschaft auswirken. 1. Verlegung des Verwaltungssitzes Bis zur Änderung des § 4a GmbHG konnte der Verwaltungssitz einer GmbH auf der Grundlage des einfachen Rechts nicht in das Ausland verlegt werden.479 Das Gesellschaftsrecht in Verbindung mit der vertretenen Sitztheorie erforderte einen Verwaltungssitz der Gesellschaft im Inland. Sobald dieser ins Ausland verlegt wurde, erfolgte eine zwangsweise Liquidation der Gesellschaft. Im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit hat der Gesetzgeber durch das MoMiG zumindest für die Gestaltungsvariante der Verlegung des Verwaltungssitzes seine Gesetzgebung an die europarechtlichen Vorgaben angepasst, so dass diese Gestaltung nunmehr zulässig ist. Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer GmbH in das EU-Ausland führt damit gesellschaftsrechtlich nicht zu einer Auflösung der GmbH, so dass eine Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 KStG mangels Liquidationstatbestandes nach beiden zuvor dargestellten Ansichten ausgeschlossen ist.480 2. Verlegung des Satzungssitzes Auch die Reformierung des GmbH-Rechts durch das MoMiG führte nicht zur Einführung der Möglichkeit, den Satzungssitz einer GmbH in das EU-Ausland zu verlegen. De lege lata bleibt die Satzungssitzverlegung auf der Grundlage des deutschen Rechts unzulässig. Hierbei ist erkenntlich, dass der deutsche Gesetzgeber seine Gesetzgebung stets nur soweit europarechtlich liberalisiert, wie dies durch die Urteile
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Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rn. 13; a.A. Birk, Zuzug und Wegzug, IStR 2003, 469, 471 Vgl. Hügel, Internationale Sitzverlegung, ZGR 1999, 98 m.w.N.; Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 KStG Rn. 13 Selbst wenn unterstellt werden würde, dass durch die Sitzverlegungsentscheidung ein konkludenter Liquidationsbeschluss vorliegen soll, ergibt sich aus der fehlenden Abwicklung der Gesellschaft, dass die GmbH in diesem Fall zumindest als OHG fortbesteht; vgl. Sedemund, Europäisches Ertragssteuerrecht, Rn. 961 Gleichwohl war die Verlegung des Verwaltungssitzes bereits unter unmittelbarer Berufung auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) möglich. Vgl. die Ausführungen unter: 2. Kapitel, 2. Teil, B. f. Diese Rechtsfolge ergibt daraus, dass durch die Verlegung des Verwaltungssitzes eine Abwicklung der Gesellschaft nicht erfolgt, vgl. Kolbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, § 12 KStG Rn. 418; Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 12 KStG Rn. 10
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des EuGH zwangsläufig vorgegeben wird. Die Urteile des EuGH betrafen fast ausnahmslos die Frage zur Verlegung des Verwaltungssitzes, die europarechtlich zu fordern war. Folglich passte der deutsche Gesetzgeber auch nur die Möglichkeit zur Verlegung des Verwaltungssitzes entsprechend den europarechtlichen Vorgaben an. Auch dem Gesetzesentwurf zu Art. 10b EGBGB-E ist, wie dargelegt, letztlich nicht die Möglichkeit zu entnehmen, rechtsformwahrend den Satzungssitz in das EU-Ausland zu verlegen. Hier bleibt der deutsche Gesetzgeber hinter den Vorgaben der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit zurück. Jedoch statuiert der Gesetzgeber nunmehr die „Gründungstheorie“ und gibt die bislang vorherrschende „Sitztheorie“ auf. Damit wird klargestellt, dass eine GmbH bei Verlegung des Sitzes – hier jedoch nur des Verwaltungssitzes – nicht automatisch aufgelöst wird. Auf der Grundlage des kodifizierten deutschen Gesellschaftsrechts kann de lege lata eine Satzungssitzverlegung einer GmbH derzeit nicht identitätswahrend erfolgen.481 Nach einer abzulehnenden Meinung482 ist der Gesellschafterbeschluss, den Satzungssitz aus Deutschland heraus zu verlegen, konkludent als Auflösungsbeschluss zu werten, der die Liquidation der Gesellschaft zur Folge hat. Sofern dieser Ansicht gefolgt werden würde, hätte dies nach der oben genannten Mindermeinung483 zu § 11 KStG die Liquidationsbesteuerung auf der Ebene der Gesellschaft gemäß § 11 Abs. 1 KStG zur Folge.484 Die zu diesem Zeitpunkt bestehenden, aber noch nicht realisierten, Gewinne (stille Reserven) werden vor dem Wegfall der Gesellschaft als Körperschaftssteuersubjekt der Besteuerung unterworfen, wenn sie aus Anlass der Auflösung realisiert werden. Im Rahmen der Liquidationsbesteuerung würde das Abwicklungsergebnis aus der Liquidation als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung ermittelt werden.485 Dieses folgt im Rahmen eines Betriebsvermögensvergleichs aus der Differenz zwischen Abwicklungs-Endvermögen und dem Abwicklungs-Anfangsvermögen (§ 11 Abs. 2 KStG). Hinsichtlich der Bewertung des, zur Verteilung kommenden, Vermögens gelten hierbei die allgemeinen Regelungen des Bewertungsgesetzes486 mit Ausnahme von § 10 BewG.487 Demnach sind Sachwerte mit dem gemeinen Wert (§ 9 BewG) und
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485 486 487
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Demgegenüber kann eine SE identitätswahrend deren Satzungssitz innerhalb der Europäischen Union verlegen. Bei einer Sitzverlegung aus Deutschland in einen anderen EU-Staat würde mangels Liquidation der SE § 11 Abs. 1 KStG keine Anwendung finden. Vgl. die Darstellung unter 2. Kapitel, 2. Teil, C. I. Vgl. Ebenroth/Auer, Sitzverlegung ins Ausland, RIW 1992, Beihefter 1, 19 m.w.N. Vgl. Großfeld, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, IntGesR Rn. 617 m.w.N.; Horn, Europäisches Gesellschaftsrecht und EuGH-Rechtsprechung, NJW 2004, 893, 896; Drinhausen/Gsell, Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten grenzüberschreitender Mobilität, BB-Spezial 8/2006, 3, 7; Hoffmann in: Michalski, GmbHG, § 53, Rn. 116 Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 495 f. Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 11 KStG Rn. 51 f. Vgl. BFH I 246/62, Urt. v. 14.12.1965, BStBl. III 66, 152
Wertpapiere, Anteile, Kapitalforderungen sowie Schulden gemäß §§ 11 und 12 BewG zu bewerten.488 Die steuerrechtliche Liquidation der Gesellschaft könnte auch auf der Ebene der Gesellschafter Besteuerungsfolgen haben. Hierbei würde bei einer Beteiligung im Privatvermögen eine Liquidationsbesteuerung gemäß § 17 Abs. 4 EStG489 bzw. bei einer Beteiligung im Betriebsvermögen einer Körperschaft eine Liquidationsbesteuerung gemäß § 8 b Abs. 1 KStG erfolgen. Auf der Ebene des Gesellschafters treten anlässlich einer Liquidation jedoch erst steuerrechtliche Folgen ein, sobald dem Gesellschafter Geld oder sonstiges Vermögen anlässlich der Liquidation zufließt. Ein, dem Gesellschafter zustehender, Gewinn, der sich aus diesem, ihm anlässlich der Liquidation zufließenden, Vermögen ergibt, wäre hierbei mit dem gemeinen Wert anzusetzen und zu besteuern. Die, anlässlich der Liquidation erfolgenden, Vermögenszuflüsse werden in diesem Zusammenhang als Liquidationsraten bezeichnet. Bei der derzeitigen Geltung des Halbeinkünfteverfahrens ist anlässlich der Auszahlung der Liquidationsraten zu differenzieren. Die Liquidationsraten können als nicht steuerpflichtige Kapitalrückzahlung oder als steuerpflichtige Ausschüttung zu behandeln sein. Eine steuerfreie Kapitalrückzahlung liegt vor, wenn eine Auszahlung von Liquidationsraten erfolgt und hierfür Beträge des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 KStG verwendet werden.490 Als steuerpflichtige Ausschüttungen sind Zuwendungen an den Gesellschafter zu behandeln, soweit für diese Auszahlung ein ausschüttbarer Gewinn verwendet wird.491 Steuerpflichtig ist zudem eine Ausschüttung, bei deren Auszahlung ein Teil des Nominalkapitals der Gesellschaft zur Verwendung kommt, der als Sonderausweis gemäß § 28 Abs. 1, S. 3 KStG als, aus Umwandlung von Rücklagen entstandenes, Stammkapital ausgewiesen ist.492 Auf Gesellschaftsebene setzt die Liquidationsbesteuerung des § 11 KStG nach richtiger Ansicht493 jedoch voraus, dass die Gesellschaft tatsächlich aufgelöst und abgewickelt wird.494 Wie vorstehend bereits dargelegt, besteht die unternehmerische Intension anlässlich einer Satzungssitzverlegung in der Aufrechterhaltung der Gesellschaft und nicht in deren Auflösung oder Abwicklung. Mangels tatsächlicher Ab488 489
490 491 492 493
494
Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 11 KStG Rn. 51 f. Vgl. § 17 Abs. 4 S. 3 EStG zum Ausschluss einer Besteuerung nach § 17 Abs. 4 S. 1 EStG, sofern die Bezüge zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 KStG gehören.; Ebling, in: Blümich, EStG, § 17 EStG Rn. 260 § 20 Abs. 1 Nr. 2, 2. HS EStG § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 27 Abs. 1, S. 5 KStG § 20 Abs. 1 Nr. 2, S. 2 EStG Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Tz. 17.144; Hügel, Internationale Sitzverlegung, ZGR 1999, 98 m.w.N.; Dreissig, Verlegung der Geschäftsleitung, DB 2000, 894; Schaumburg, Wegzug, 2005, 417 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1212 f. Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 403, 422
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wicklung der Gesellschaft ist § 11 KStG daher nicht anwendbar. Zudem ist nach richtiger Ansicht die Meinung, nach der bei einer Satzungssitzverlegung gesellschaftsrechtlich eine Liquidation der Gesellschaft erfolgt, abzulehnen. Wie vorstehend bereits nachgewiesen,495 besteht bereits jetzt die gesellschaftsrechtliche Möglichkeit, unter direkter Berufung auf das Europarecht, auch den Satzungssitz der GmbH in das EU-Ausland zu verlegen. Da das deutsche Gesellschaftsrecht wegen des Gebotes zur gemeinschaftskonformen Auslegung des nationalen Rechts496 demnach keine Liquidation der GmbH bei einer Verlegung des Satzungssitzes anordnen kann, kann mangels vorhandener gesellschaftsrechtlicher Liquidation auch keine Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 Abs. 1 KStG Anwendung finden.497 Im Hinblick auf die Handhabung dieser Rechtsproblematik durch die Finanzverwaltung ist jedoch davon auszugehen, dass sich bei der Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH die Finanzverwaltung aus fiskalischen Interessen der abzulehnenden Ansicht anschließen würde. Solange noch kein eindeutiges EuGH-Judikat vorliegt, könnte die Finanzverwaltung argumentieren, dass das kodifizierte Gesellschaftsrecht de lege lata gerade keine Satzungssitzverlegung zulässt. Dies mit der Konsequenz, dass eine Liquidation mit einer, damit verbundenen, Liquidationsbesteuerung des § 11 KStG eingreift. Aus den oben dargestellten systematischen Erwägungen des § 11 KStG und dem Erfordernis einer Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 KStG an die tatsächliche Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft wäre eine solche Ansicht der Finanzverwaltung im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens gleichwohl zu widerlegen. 3. Europarechtliche Würdigung Eine Wegzugsbesteuerung anknüpfend an die Liquidationsbesteuerung des § 11 KStG verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit, da Gesellschaften den natürlichen Personen gleichgestellt sind (Art. 48 EGV) und sich damit ebenfalls auf die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EGV berufen können. Gesetzliche Normen, die den Wegzug von Gesellschaften beschränken, müssen als europarechtswidrig qualifiziert werden. Die Zwangsliquidationsfolge ist eine Beschränkung der Wegzugsfreiheit, da diese gegen den Willen des Steuersubjektes zu einer Zwangsliquidation führt. Folglich wäre auch eine, sich hieran anknüpfende, Liquidationsbesteuerung europa495 496 497
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Vgl. 2. Kapitel, 2. Teil, C. Vgl. Ehlers, in Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 11 Rn. 28, 29 Die noch herrschende Meinung hält gleichwohl die Satzungssitzverlegung für unzulässig, so dass in diesem Falle die Gesellschaft bei deren Auflösung und Abwicklung der Liquidationsbesteuerung des § 11 Abs. 1 KStG unterfällt, vgl. Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 421 ff.; Lenz, in: Erle/Sauter, Heidelberger Kommentar zum Körperschaftssteuergesetz, § 12 Rn. 19. Mit dem Eingreifen der Liquidationsbesteuerung werden die stillen Reserven der Gesellschaft aufgelöst und der Besteuerung zugeführt, vgl. Klein, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, §11, Rn.60 ff.
rechtswidrig,498 da diese die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) verletzt. Zu dieser Bewertung kommt auch der EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Cartesio. Eine anlässlich der Satzungssitzverlegung zwangsweise angeordnete Auflösung und Liquidation ist europarechtlich nicht gerechtfertigt und damit gemeinschaftsrechtswidrig.499 Eine Berufung auf die Niederlassungsfreiheit käme allerdings dann nicht in Betracht, wenn der deutsche Staat berechtigt wäre, die Gesellschaft im Zeitpunkt ihrer Sitzverlegung entsprechend den Grundsätzen der Sitztheorie als nicht mehr existent zu behandeln und damit von einer faktischen Liquidation auszugehen. Nach der nunmehr überholten Rechtsansicht kann auf die Sitztheorie nicht mehr zurückgegriffen werden. Anknüpfend an die Sitztheorie wurde im Schrifttum zum Teil gefolgert, dass damit der Gründungsstaat den Wegzug von Gesellschaften wirksam beschränken kann, die Niederlassungsfreiheit somit effektiv nur Gesellschaften aus Gründungstheoriestaaten zustand.500 Folgte man dieser umstrittenen Ansicht, so war für die Anwendung des § 11 KStG wie folgt zu differenzieren: Körperschaften, die nach der Sitztheorie gegründet waren, d.h. insbesondere in Deutschland gegründete Gesellschaften, konnten sich im Zeitpunkt der Sitzverlegung nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit berufen und unterlagen daher der Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG. Demgegenüber wäre eine Liquidationsbesteuerung mit der Niederlassungsfreiheit nicht zu vereinbaren, wenn sie Körperschaften beträfe, die nach der Gründungstheorie gegründet waren, d.h. Gesellschaften, die nach einem gemeinschaftsrechtlich zulässigen Zuzug nach Deutschland ihren Sitz sodann in einen anderen Mitgliedsstaat zurückverlegen.501 Nach der nunmehr für alle EU-Mitgliedsstaaten durch die geltende EuGH-Rechtsprechung und durch den künftigen Art. 10b EGBGB-E statuierte Gründungstheorie muss damit auch in Deutschland die Gesellschaft als fortbestehend anerkannt werden, wenn diese ihren Sitz in einen anderen EU-Staat verlegt. Anknüpfend an den Fortbestand der Gesellschaft kann nicht mehr gefolgert werden, dass eine Auflösung der Gesellschaft vorliegt. Dies gilt sowohl bei der Verlegung des Verwaltungssitzes als auch, nach richtiger Ansicht, bei der Verlegung des Satzungssitzes. Eine GmbH besteht auch bei einer grenzüberschreitenden Verwaltungs- und Satzungssitzverlegung fort, da sie in einem EU-Staat wirksam gegründet wurde. Die Rechtserhaltung der 498
499 500 501
Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 258; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt, IStR 2004, 297 Vgl. Tz. 112 der Cartesio-Entscheidung Vgl. Leible/Hoffmann, Gesellschaftskollisionsrecht, ZIP 2003, 929 f. m.w.N. Letzteres gilt ab Oktober 2004 auch für die Europäische Gesellschaft ("Societas Europaea"), da Art. 8 der Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (Verordnung (EG) Nr. 2157-2001 v. 8.11.2001, ABl.EG Nr. L 29 v. 10.11.2001) eine Sitzverlegung der Gesellschaft unter Wahrung ihrer Rechtspersönlichkeit ausdrücklich zulässt.
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Gesellschaft muss – bezogen auf das EU-Staatsgebiet – daher in gleicher Weise erfolgen wie bei einer Sitzverlegung von Frankfurt am Main in Hessen nach Münster in Nordrhein-Westfalen.502 4. Eigene Rechtsansicht und Zusammenfassung Nach der EuGH-Entscheidung zur Wegzugsbesteuerung in den Rechtssachen Lasteyrie du Saillant und N ist jede Beschränkung der Sitzverlegung auch eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Eine etwaig durch Gesetz zwangsläufig angeordnete Auflösung der Gesellschaft bei der Satzungssitzverlegung in einen EU-Staat ist aufgrund der belastenden Folgen503 unzulässig. Diese Beurteilung folgt auch aus der Cartesio-Entscheidung. Sowohl aus der Anwendung der, nunmehr auch in Deutschland anerkannten, Gründungstheorie als auch aus der Anwendung der jüngsten EuGH-Rechtsprechung folgt, dass bei einer Sitzverlegung des Verwaltungs- aber auch des Satzungssitzes eine Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 KStG nach richtiger Ansicht nicht in Betracht kommen kann. Zudem ergibt sich der Ausschluss der Anwendung des § 11 KStG bereits aus der tatsächlichen Gegebenheit, dass eine Gesellschaft bei einer Sitzverlegung nach der unternehmerischen Intension gerade nicht aufgelöst oder abgewickelt wird. Da die GmbH nach der Sitzverlegung ins Ausland fortbesteht, kann auch der Ersatzrealisationstatbestand der Betriebsaufgabe gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 16 Abs. 3 EStG504 bereits tatbestandlich nicht in Betracht kommen. Die GmbH wird im Sitzverlegungsfall nunmehr im Ausland fortgeführt und gerade nicht eingestellt oder beendet. Im Übrigen schließt die Spezialregelung der §§ 11, 12 KStG den Rückgriff auf den Ersatzrealisationstatbestand der Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) aus, da der Gesetzgeber insbesondere durch das SEStEG abschließend die Konzeption der Wegzugsbesteuerung neu geregelt hat.505 Des weiteren verbietet sich eine steuerverschärfende Rechtsfortbildung. In der Literatur506 und der Rechtsprechung507 werden hierzu unterschiedliche Ansichten vertreten. Im Ergebnis wird einer Steuer502
503
504
505 506
507
148
Vgl. zur analogen Behandlung der Inlandssitzverlegung mit der Auslandssitzverlegung: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 258 beispielsweise die sich an die Auflösung anknüpfenden steuerlichen Folgen einer solchen „Betriebsaufgabe“ Auch das FG Rheinland-Pfalz verneint die Betriebsaufgabe gem. § 16 Abs. 3 EStG anlässlich des Wegzuges in einen EU-Staat unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit. Obgleich das Urteil zum Wegzug eines Handelsvertreters erging, können die europarechtlichen Grundsätze auch bezüglich einer Betriebsaufgabenproblematik einer Gesellschaft herangezogen werden, vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.01.2008 – 4 K 1347/03, EFG 2008, 680; das Verfahren ist nunmehr beim BFH anhängig, vgl. BFH, Az. I R 28/08 Gänger, in: Bordewin/Brand, EStG, § 16 Rn. 8 Gegen eine Rechtsfortbildung: Friauf, Rechtsfortbildung, 61 ff.; Olgemöller, in: Streck, KStG, § 12 Rn. 1; dafür: Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rn. 193; dafür aber nur unter engen Grenzen: Weber-Grellet, Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung, DStR 1991, 442 Vgl. für eine steuerverschärfende Rechtsfortbildung nur BFH v. 20.10.1983, IV R 175/79, BStBl. II 1984, 221, 224; dagegen BFH v. 27.11.1985, I R 42/85, BStBl. II 1986, 272, 273.
verschärfung durch Rechtsfortbildung sehr enge Grenzen gesetzt werden müssen, da die Steuererhebung aufgrund des staatlichen Eingriffs in verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter der Steuersubjekte nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen kann. Dies gebietet das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG.508 III. Wegzugsbesteuerung auf Ebene der GmbH (§ 12 Abs. 1 KStG) Wie oben dargelegt, scheidet gesellschaftsrechtlich eine Liquidation bei einem Wegzug einer GmbH nach richtiger Ansicht auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) aus. Eine Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 Abs. 1 KStG kommt nach richtiger Ansicht folglich nicht in Betracht, da ein Liquidationssachverhalt bzw. die Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft anlässlich des Wegzuges der GmbH nicht vorliegt. De lege lata gilt unter Heranziehung des Gemeinschaftsrechts, dass eine GmbH bei einer Satzungssitzverlegung im EU-Zuzugsstaat identitätswahrend fortbesteht. Obgleich damit eine Besteuerung auf der Grundlage einer Liquidation der GmbH ausscheidet, ist weiterhin zu prüfen, ob bei einem vollständigen Wegzug der GmbH aus Deutschland durch eine Verlegung des Verwaltungssitzes sowie des Satzungssitzes ein anderer Besteuerungstatbestand realisiert wird. Bei der Neugestaltung des „Wegzugsbesteuerungskonzeptes“ war es für den Gesetzgeber letztlich entscheidend, dass das deutsche Besteuerungsrecht erhalten bleibt und kein Verlust von Steuersubstrat eintritt. Konsequenterweise knüpft der reformierte Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 KStG nunmehr an einen Verlust oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland an. Folglich sind Gestaltungsmaßnahmen, die zu einer solchen Verkürzung der Besteuerung führen, steuerschädlich gemäß § 12 Abs. 1 KStG. 1. Wegzugsbesteuerung bei Verlegung der Geschäftsleitung oder des Sitzes ins Ausland § 12 Abs. 1 KStG beinhaltet einen eigenständigen Tatbestand der Wegzugsbesteuerung.509 Nach dieser Norm der Wegzugsbesteuerung in Verbindung mit § 11 KStG ist im Wegzugsfall in einen EU-Staat der fiktive Auflösungsgewinn der Gesellschaft510 zu versteuern. Der Auflösungsgewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen 508 509
510
Lehre des Vorbehalts des Gesetzes, vgl. BFH v. 27.11.1985, I R 42/85, BStBl. II 1986, 272, 273. § 12 regelt hierzu einen allgemeinen Entstrickungstatbestand für Körperschaften. In seinem Wortlaut stimmt § 12 KStG weitestgehend mit der parallelen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG überein. Bei einer SE erfolgt eine Sitzverlegung auf Gesellschaftsebene ertragssteuerneutral, sofern das Vermögen einer inländischen Betriebsstätte verhaftet bleibt und die Buchwerte und die bisherigen Abschreibungsmethoden fortgeführt werden (Art. 10 b FRL). Auf Gesellschafterebene ist die Sitzverlegung grundsätzlich ebenfalls ertragssteuerneutral, sofern ein Entstrickungstatbestand bezüglich der Gesellschaftsbeteiligung nicht realisiert wird; vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 184
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dem gemeinen Wert des vorhandenen Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt des Wegzuges und dem Buchwert des Betriebsvermögens der Gesellschaft zum Schluss des, dem Wegzug vorausgehenden, Wirtschaftsjahres ( § 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 3, 4 KStG). Das Anknüpfungskriterium für die Besteuerung ist ausweislich des Titels der Norm des § 12 KStG der Verlust oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Ausweislich der Gesetzesbegründung511 zum SEStEG umfasst die Entstrickungsregelung des § 12 Abs. 1 KStG daher Sachverhaltsgestaltungen, in denen ein Rechtsträgerwechsel durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge stattfindet, Vermögen die betriebliche Sphäre verlässt, die Steuerpflicht endet oder Wirtschaftsgüter dem deutschen Besteuerungsrecht entzogen werden. Ein Verlust oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts erfolgt jedoch nicht durch die Gewährung einer Befreiung gemäß § 5 KStG, denn diese Befreiung wird gerade in Ausübung des deutschen Steuerrechts gewährt. Die Rechtsfolgen hieraus ergeben sich somit aus § 13 KStG und nicht aus § 12 Abs. 1 KStG. a) Konzeption des § 12 Abs. 1 KStG Es ist im Folgenden zu untersuchen, in welchem im Zusammenhang mit einer Sitzverlegung einer GmbH in das EU-Ausland ein Verlust bzw. eine Einschränkung des Besteuerungsrechts Anwendung findet und der Tatbestand des § 12 Abs. 1 KStG eingreift.512 Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 KStG lautet: Wird bei der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert; § 4 Abs. 1 Satz 4, § 4g und § 15 Abs. 1a des Einkommensteuergesetzes gelten entsprechend. aa) Konkludenter Betriebsstättenvorbehalt Dieser Tatbestand sieht nunmehr eine Besteuerung von stillen Reserven in steuerverstrickten Wirtschaftsgütern einer Kapitalgesellschaft für den Fall des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland vor. Damit folgt die Konzeption zu § 12 Abs. 1 KStG der Konzeption der 511 512
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Gesetzesbegründung zum SEStEG, BT-Drucksache 16/2710, 31 Bei der Einführung des SEStEG und in diesem Zusammenhang von § 12 KStG betonte der Regierungsentwurf, dass die Beseitigung steuerliche Umstrukturierungshemmnisse nicht zu einer Gefährdung des deutschen Steueraufkommen führen dürfe. Mit dem SEStEG sollen daher im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben deutsche Besteuerungsrechte konsequent gesichert werden.
EU-Fusionsrichtlinie (FRL) mit dem darin enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.513 Nach dem Betriebsstättenvorbehalt der EU-Fusionsrichtlinie erfolgt eine grenzüberschreitende Sitzverlegung oder Verschmelzung nur ertragssteuerneutral ohne Aufdeckung der stillen Reserven, wenn die Wirtschaftsgüter in einer inländischen Betriebsstätte verbleiben.514 Auf diese Weise stellte der EU-Richtliniengeber sicher, dass durch den Wegzug oder die Hinausverschmelzung einer Gesellschaft515 dem Wegzugsstaat kein Steuersubstrat verloren geht.516 Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland wird bei dem Wegzug einer GmbH in das EU-Ausland nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt, wenn die Wirtschaftsgüter der GmbH in einer inländischen Betriebsstätte verbleiben. Obgleich der Betriebsstättenvorbehalt nicht explizit in § 12 Abs. 1 KStG genannt wird, geht der Gesetzgeber konkludent von dem Betriebsstättenvorbehalt aus517, da nur in einem solchen Fall aufgrund der sodann resultierenden beschränken Steuerpflicht des deutschen Staates eine Beschränkung und nicht bereits ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts vorliegt. Nachstehend ist nunmehr zu untersuchen, in welchen Fallkonstellationen eine Einschränkung oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts erfolgt. bb) Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte (DBA-Staat) Bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes aus einer, in Deutschland befindlichen, GmbH in eine ausländische Betriebsstätte in einem DBA-Staat ist das Freistellungsverfahren518 anzuwenden. Hiernach geht das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland unter, da das Wirtschaftsgut nunmehr der ausländischen Betriebsstätte und nicht mehr der inländischen GmbH zuzuordnen ist. In einem Veräußerungsfall ist der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen. Der deutsche Staat hat aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts des DBA diesen Gewinn aus der Veräußerung oder der Nutzung in Deutschland von einer Besteuerung freizustellen.519 Diese steuerliche Wirkung gilt ebenfalls, wenn zuerst das Wirtschaftsgut in eine ausländi513
514
515
516
517 518 519
Vgl. Art. 4 Abs. 1 b FRL n. F.; in der FRL finden sich weitere Betriebsstättenvorbehalte beispielsweise in Art. 10 b Abs. 1 FRL n. F. hinsichtlich der Sitzverlegung einer SE oder SCE. Vgl. Art. 4 Abs. 1 b FRL n.F.; Blumers/Kinzl, Änderung der Fusionsrichtlinie: Warten auf den EuGH, BB 2005, 971, 972 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 258 Louven/Dettmeier/Pöschke/Weng, Optionen grenzüberschreitender Verschmelzungen innerhalb der EU – gesellschafts- und steuerrechtliche Grundlagen, BB 2006, Special zu Heft 11, 1, 5 ff. Die Absicherung des Staates bezüglich eines Verlustes seines Besteuerungsrechtes wird auch im vierten Erwägungsgrund der Fusionsrichtlinie genannt. Durch den Betriebsstättenvorbehalt soll „eine Wahrung der finanziellen Interessen des Staates hinsichtlich der einbringenden oder erworbenen Gesellschaft gesichert werden. Frotscher, Betriebsstättenbedingung, IStR 2006, 65, 68 vgl. hierzu Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 663 f. Nach der Ansicht der Finanzverwaltung gemäß dem Betriebsstättenerlass erfolgte bis zum § 12 Abs. 1 KStG n.F. wahlweise eine Sofortbesteuerung oder eine auf 10 Jahre aufgeschobene Besteuerung, vgl. BMF-Schreiben v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rn. 2.6.1.
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sche Betriebsstätte eines Nicht-DBA-Staates verbracht wird und erst später dieser Staat mit der Bundesrepublik ein entsprechendes Doppelbesteuerungsabkommen abschließt.520 Nach einer vertretenen Ansicht führt die Überführung eines Wirtschaftsgute in eine ausländische Freistellungsbetriebsstätte nicht zu einem Verlust des deutschen Besteuerungsrechts. Deutschland behält auch in diesem Fall das Besteuerungsrecht an den überführten stillen Reserven, da diese nach Art. 7 OECD-MA dem deutschen inländische Staat zuzuordnen sind, da die stillen Reserven bis zum Zeitpunkt der Überführung in Deutschland entstanden sind.521 Hiergegen spricht jedoch die Ansicht der OECD, die gemäß Art. 7 OECD-MA bei einem Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht von einer umfassenden Gewinnrealisierung ausgeht.522 cc) Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte (kein DBA-Staat) Sofern das Wirtschaftsgut aus einer inländischen GmbH in eine ausländische Betriebsstätte verbracht wird, die nicht in einem DBA-Staat liegt, wird auch in diesem Fall, das deutsche Besteuerungsrecht zumindest eingeschränkt. Bei der Veräußerung des Wirtschaftsgutes oder deren Nutzung im Ausland würde ein Gewinn in Deutschland zu versteuern sein. Gleichwohl ist eine etwaige ausländische Steuer in Deutschland anzurechnen (§§ 26 KStG, 34c EStG).523 dd) Erstmaliger Abschluss eines DBA / Bei bestehendem DBA: Wechsel von der Anrechnungs- zur Freistellungsmethode Der Besteuerungstatbestand greift auch ein, sofern Deutschland mit einem NichtDBA-Staat erstmals ein DBA mit Freistellungsmethode abschließt, oder wenn bei einem bestehenden DBA von Anrechnungs-524 zur Freistellungsmethode gewechselt wird. Zudem führt auch die Überführung von Wirtschaftsgütern von einer ausländischen Anrechungs- in eine Freistellungsbetriebsstätte zu einer Besteuerung gemäß § 12 Abs. 1 KStG.525 Diese Rechtsfolgen treten damit unabhängig von einem Zutun des Steuerpflichtigen ein.526
520
521 522 523
524 525
526
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Vgl. Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderung des KStG, DB 2006, 2649; vgl. Gesetzesbegründung zum SEStEG, BT-Drucksache 16/2710, 28 Wassermeyer, Verlust des Besteuerungsrechts, DB 2006, 1176 Vgl. Art. 7 OECD-MA Vgl. Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderung des KStG, DB 2006, 2649; vgl. Gesetzesbegründung zum SEStEG, BT-Drucksache 16/2710, 28 vgl. hierzu Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 664 Benecke, Entstrickung und Verstrickung bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens, NWB 2007, 3231, 3237 Vgl. Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderung des KStG, DB 2006, 2649
ee) Änderung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der Gewinne aus der Nutzung Die neue Konzeption des § 12 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG erfasst nunmehr auch die Fälle, in denen ein Wirtschaftsgut einer inländischen GmbH nicht dauerhaft der ausländischen Betriebsstätte zugeordnet wird, sondern nur eine Nutzung durch die ausländische Betriebsstätte erfolgt.527 In diesen Fällen erfolgt eine dauerhafte Neuzuordnung des Wirtschaftsgutes, da es bei der inländischen GmbH verbleibt und nur von der ausländischen Betriebsstätte genutzt wird. In dieser Fallkonstellation sind nicht die gesamten stillen Reserven des Wirtschaftsgutes aufzudecken, da keine endgültige Überführung des Wirtschaftsgutes in das Ausland erfolgt. Der deutsche Staat behält weiterhin das Besteuerungsrecht. Vielmehr ist die Nutzungsüberlassung in Höhe eines fremdüblichen Entgeltes zu besteuern.528 Der Vorgang, der hierbei die Besteuerung auslöst, ist nicht wie im Fall einer fiktiven Veräußerung ein einmaliger, sondern ein dauerhafter stets wiederkehrender Vorgang. Die Problematik besteht hierbei in der angemessenen Wertfindung529 für die Höhe der Nutzungsgebühr als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung.530 ff) Beibehaltung einer Betriebsstätte im Inland Ein im Sinne von § 12 Abs. 1 KStG tatbetandsrelevanter Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes könnte auch vorliegen, sofern der Sitz der Gesellschaft ins Ausland verlegt wird und in Deutschland eine Betriebsstätte verbleibt.531 Die Gesellschaft wäre sodann mit deren Sitz im Ausland und mit der Betriebsstätte in Deutschland ansässig. Sofern die Wirtschaftsgüter der wegziehenden Gesellschaft weiterhin der inländischen Betriebsstätte zugeordnet bleiben, entfiele eine Besteuerung nach § 12 Abs. 1 KStG. Sobald die Wirtschaftsgüter jedoch nunmehr der, im Ausland ansässigen, Gesellschaft, d.h. dem Stammhaus, zugeordnet werden, könnte sich daraus eine für § 12 Abs. 1 KStG relevante Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ergeben. Da die Betriebsstätte nicht eigenständig, sondern ein Teil der GmbH ist, ist fraglich, welchem Rechtssubjekt – GmbH oder Betriebsstätte – bestimmte Wirtschaftsgüter 527
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530 531
Die Erbringung von Dienstleistungen wird von diesem Steuertatbestand nicht erfasst. Insoweit gilt das BMF-Schreiben v. 24.12.1999 unverändert fort; vgl. Benecke, Entstrickung und Verstrickung bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens, NWB 2007, 3231, 3237 bei der Überlassung von gewerblichen Schutzrechten, beispielsweise Patente, Gebrauchsmuster, Marken, etc. entspricht das fremdübliche Entgelt der marktüblichen Nutzungsgebühr. Vgl. zur Problematik der neuen Nutzungswertbesteuerung: Benecke/Schnitger, Neuregelung des UmwStG, IStR 2006, 765; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG, DStR 2006, 1481, 1484; Werra/Teiche, SEStBeglG, DB 2006, 1455, 1456 Vgl. Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderung des KStG, DB 2006, 2649 Diese Gestaltung würde dem gesetzlichen Leitbild des § 12 KStG entsprechen: die GmbH verlegt ihren Sitz in das europäische Ausland. Gemäß dem konkludenten Betriebsstättenvorbehalt des § 12 Abs. 1 KStG verbleibt hierbei zur Vermeidung der Aufdeckung der stillen Reserven in Deutschland eine Betriebsstätte mit entsprechend zugeordneten Wirtschaftsgütern.
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zuzuordnen sind.532 Diese Problematik gilt insbesondere für Beteiligungen der wegziehenden GmbH an Tochtergesellschaften, den Firmenwert, immaterielle Wirtschaftsgüter sowie für die gemeinsam von der GmbH und der Betriebsstätte genutzten Wirtschaftsgüter. Da die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung im Zweifel von der Zentralfunktion des Stammhauses533 ausgehen534, besteht aus fiskalischer Sicht die große Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Wirtschaftsgüter535 im Zweifel der wegziehenden GmbH (dem „Stammhaus“) zugeordnet werden536 und dadurch zwangsweise eine Realisierung der stillen Reserven erfolgt.537 Diese, vom Willen der handelnden Rechtssubjekte unabhängige, Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum nunmehr ausländischen Stammhaus erscheint unter Berücksichtigung der, zuvor in dieser Arbeit diskutierten, Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EGV als faktische und nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Folglich wäre diese Zuordnung als europarechtswidrig anzusehen. 538 (1) Definition der Zentralfunktion des Stammhauses Es zeigt sich, dass auch bei einer Gestaltung im Sinne des § 12 Abs. 1 KStG, nämlich der Beibehaltung einer inländischen Betriebsstätte mit ihr zugeordneten Wirtschaftsgütern, bedeutsame Zweifelsfragen nicht durch die neue Konzeption gelöst werden. Aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts ist die Zuordnung jedoch entscheidend für das Maß der, im Zusammenhang mit der Sitzverlegung erfolgenden, Besteuerung. Obgleich der Betriebsstättenbegriff in § 12 AO und Art. 5 OECD-MA konkretisiert wird, gibt es keine Legaldefinition des „Stammhaus“-Begriffes. Mit dem Stammhaus wird der Unternehmensteil bezeichnet, welcher all jene Funktionen erfüllt, die dem Gesamtunternehmen und nicht nur einer einzelnen Betriebsstätte dienen. Folglich ist das Stammhaus nichts anderes, als eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte. 539
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Eine gesetzliche Zuordnungsregelung besteht derzeit nicht, vgl. Olgemöller, in: Streck, KStG, § 12 Rn. 12 Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll es generell nicht zulässig sein, der Betriebsstätte eine Finanzierungsfunktion, eine Holdingfunktion oder eine Lizenzgeberfunktion einzuräumen, vgl. Betriebsstättenerlass, BMF-Schreiben v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, geändert durch BMFSchreiben v. 20.11.2000 BStBl. I 2000, 1509, dort Tz. 2.4. Abs. 4 BMF-Schreiben v. 24.12.1999; Maier, in: Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, Rn. 602 ff. insbesondere Beteiligungen, der Geschäfts- oder Firmenwert, immaterielle Wirtschaftsgüter sowie gemeinsam von der GmbH und der Betriebsstätte genutzte Wirtschaftsgüter Faktisch liegt daher eine gesetzlich bedenkliche „Zwangsentstrickung“ vor. Vgl. BFH I R 47/02 v. 17.12.2003, BFH NV 2004, 771 Ebenso Werra/Teiche, SEStBeglG, DB 2006, 1455; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG, DStR 2006, 1481, 1525 Kessler/Jehl, Kritische Zentralfunktion des Stammhauses, IWB 2007, 833
(2) Zuordnung der Wirtschaftsgüter Die Finanzverwaltung540 ordnet die Wirtschaftsgüter entsprechend den, von den einzelnen Unternehmensteilen ausgeübten, Funktionen zu. Eine anteilige Zuordnung scheidet hierbei aus. Entweder können die Wirtschaftsgüter dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden. Dienen die Wirtschaftsgüter mehreren Unternehmensteilen, ist der Wille der Geschäftsleitung maßgeblich. Für einige Wirtschaftsgüter sieht jedoch die Finanzverwaltung ein Zuordnungsgebot zum Stammhaus. Dies wird als Zentralfunktion des Stammhauses bezeichnet. Wie zuvor bereits erläutert, dürfen Beteiligungen und Finanzmittel, die dem Gesamtunternehmen dienen, sowie immaterielle Wirtschaftsgüter und der Geschäfts- und Firmenwert nur dem Stammhaus zugeordnet werden.541 In der deutschen Rechtsprechung542 erfolgt die Zuordnung der Wirtschaftsgüter aufgrund einer funktionalen Betrachtungsweise. Die Funktionen bestimmen sich durch die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Sofern die Funktionen in verschiedenen Unternehmensteilen erfüllt werden, gilt für die Zuordnung das Veranlassungsprinzip. Folglich kann das Wirtschaftsgut bei der hier zu untersuchenden Frage nur dann der inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden, wenn das Wirtschaftsgut der Zweckerfüllung der Betriebsstätte dient und im Funktionszusammenhang zur Erreichung des Betriebszwecks steht.543 Für die Anwendung dieser Grundsätze auf Sachverhaltsgestaltungen, bei denen sich das Stammhaus nach einer Sitzverlegung im Ausland befindet und die Betriebsstätte im Inland liegt, sind abkommensrechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist das Betriebsstättendiskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 3 OECD-MA beachtlich. Die Besteuerung einer Betriebsstätte darf nicht ungünstiger ausgestaltet sein, als die Besteuerung eines rechtlich selbständigen Unternehmens im Betriebsstättenstaat, welches die gleiche Tätigkeit ausübt. Die zuvor bereits erläuterte Handhabung der Finanzverwaltung der „Zwangszuordnung“ eines Wirtschaftsgutes zum Stammhaus führt zu einer Schlechterstellung als dies der Fall wäre, wenn im Wegzugsfall im Inland ein selbständiges Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit verbleiben würde. In diesem Fall würden die benannten Wirtschaftsgüter nicht zwangsweise dem, sich nunmehr im Ausland befindenden, Stammhaus zugeordnet werden. Den Steuersubjekten wird es damit faktisch verwehrt, in Deutschland eine einfache Betriebsstätte zu unterhalten. Zur Meidung der steuerlichen Belastungen dürfte keine Betriebsstätte in Deutschland unterhalten werden. Vielmehr müsste es sich um eine 540 541 542 543
Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, Tz. 2.4 BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, Tz. 2.4; BFH v. 30.8.1995, I R 112/94 Vgl. BFH I R 47/02 v. 17.12.2003, BFH/NV 2004, 771 BFH v. 29.7.1992, II R 39/89
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eigenständige Gesellschaft handeln. Der faktische Zwang zur Unterhaltung einer selbständigen Gesellschaft in Deutschland, an Stelle einer einfachen Betriebsstätte, benachteiligt die Gestaltung mit einer Betriebsstätte. Folglich liegt eine Ungleichbehandlung der Betriebsstätte und damit eine Verletzung des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbotes vor. Eine Rechtfertigung, wie dies das Europarecht bei einem Eingriff in eine Grundfreiheit zulässt, kennt das Abkommensrecht nicht.544 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die bisherige Verfahrensweise der Finanzverwaltung durch die Anwendung der Grundsätze über die „Zentralfunktion des Stammhauses“ auch bei einer Beibehaltung einer inländischen Betriebsstätte im Wegzugsfall einer GmbH zu der Aufdeckung von stillen Reserven führt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Beteiligungen, des Geschäfts- oder Firmenwertes, oder der immaterieller Wirtschaftsgüter, die zwangsläufig dem ausländischen Stammhaus unter Aufdeckung von stillen Reserven zugerechnet werden. Folglich kollidiert diese Handhabung der Betriebsstätte und der Zuordnung der Wirtschaftsgüter mit der Wegzugsbesteuerungskonzeption des § 12 Abs. 1 KStG. Selbst bei der Durchführung der im Gesetz vorgesehenen Gestaltung, nämlich der Sitzverlegung der GmbH unter Beibehaltung einer inländischen Betriebsstätte, wird es durch die zwangsweise Zuordnung von einzelnen Wirtschaftsgütern zur fortan im Ausland sitzenden GmbH (dem „Stammhaus“) zu einer Aufdeckung von stillen Reserven kommen.545 Bereits diese Rechtsfolge steht im Widerspruch mit dem eigentlichen Ziel der EU-Fusionsrichtlinie, nämlich die Steuerneutralität für grenzüberschreitende Gestaltungen zu gewährleisten. Es zeigt sich, dass eine Einschränkung des Besteuerungsrechts bereits die Rechtsfolgen und den Tatbestand des § 12 Abs. 1 KStG auslöst. Eine Beschränkung des Besteuerungsrechts liegt bereits bei einer geringfügigen Kürzung oder anderweitigen Beschneidung des Besteuerungsrechts vor. Damit ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber den deutschen Staat umfassend gegen eine Abwanderung des Steuersubstrates absichern wollte. Sobald ein Verlust oder eine Einschränkung des Besteuerungsrechts durch die Sitzverlegung erfolgt, wird der Entstrickungstatbestand realisiert.546 544 545
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Kessler/Huck, Grenzüberschreitender Transfer von Betriebsvermögen, StuW 2005, 207 Lediglich die deutsche Finanzverwaltung und das interkantonale Doppelbesteuerungsrecht der Schweiz kennen eine Zentralfunktion des Stammhauses. Weder das OECD-MA, noch die deutsche Rechtsprechung, oder das österreichische oder holländische Recht beinhalten solche pauschalen Zuordnungen, vgl. Kessler/Jehl, Kritische Zentralfunktion des Stammhauses, IWB 2007, 844 Für diese Einschätzung spricht bereits die Gesetzesformulierung des § 12 Abs. 1 KStG. Dort wird keine tatbestandliche Einschränkung des Wortlautes für eine Beschränkung des Besteuerungsanspruchs vorgenommen. Der Gesetzgeber hätte hierbei durchaus – bei einem entsprechenden gesetzgeberischem Willen – die tatbestandliche Einschränkung vornehmen können, dass der Besteuerungsanspruch lediglich bei einer nachhaltigen oder maßgeblichen Beschränkung des Besteuerungsanspruchs realisiert werden würde. Es obläge sodann der Rechtsprechung diese unbestimmten Rechtsbegriffe zu konkretisieren.
Hierbei bleibt beachtlich, dass der Tatbestand des § 12 Abs. 1 KStG nicht nur den Fall eines Ausschlusses oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes im Hinblick auf einen Veräußerungsgewinn erfasst, sondern auch bezüglich des Gewinns aus der Nutzug eines Wirtschaftsgutes Anwendung findet.547 gg) Rückfallklauseln Problematisch ist die Behandlung der sogenannten Rückfallklauseln für die Bewertung, ob ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts vorliegt. Rückfallklauseln kommen in zahlreichen Ausprägungen vor. Nach einer abkommens- oder gesetzlichen Rechtslage kann dem ausländischen Staat das Besteuerungsrecht zustehen. Insoweit wäre § 12 Abs. 1 KStG erfüllt. Jedoch kann auf der Grundlage dieser abkommensrechtlichen oder gesetzlichen Regelungen dem deutschen Staat durch Rückfall abermals das Besteuerungsrecht zukommen, obgleich dieses zunächst ausgeschlossen war.548 Den Rückfallklauseln ist gemein, dass zunächst das deutsche Besteuerungsrecht nicht bestand. Es könnte die Ansicht vertreten werden, dass eine Steuerpflicht zunächst nicht eintritt, da ex ante nicht beurteilt werden kann, ob dem deutschen Staat in einem späteren Moment das Besteuerungsrecht wieder zufällt. Für diese Ansicht könnte eingangs sprechen, dass im Hinblick auf die Steuererhebung und die belastenden Wirkungen einer Steuer, das Steuersubjekt erst in dem Moment belastet werden soll, wenn endgültig feststeht, dass der deutsche Staat sein Besteuerungsrecht verliert. Gegen eine solche Rechtsauffassung steht jedoch das Finanzierungsinteresse des deutschen Fiskus und das berechtigte Interesse an der Planbarkeit des Staatshaushaltes. Es erscheint sachgerecht, dass bereits bei einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts die Steuer erhoben wird. Denn gerade durch den Ausschluss des Besteuerungsrechts wird unmittelbar der Steuertatbestand erfüllt. Dies gilt unabhängig, ob in einem späteren Zeitpunkt das deutsche Besteuerungsrecht wieder auflebt und die ursprünglich erhobene Steuer nunmehr nicht mehr erhoben werden könnte. Um Unbilligkeiten zu vermeiden, kann bei einem späteren Rückfall des Besteuerungsrechts an den deutschen Staat, die Steuererhebung rückwirkend wieder neutralisiert werden.549 b) Rechtsfolge der Entstrickung bei Sitzverlegungen Die voranstehenden Ausführungen zeigen auf, dass der Gesetzgeber durch die neue Konzeption der Wegzugsbesteuerung eine gesetzliche Implementierung der Weg547
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Die Nutzungsüberlassung kann beispielsweise entgeldlich durch einen Miet-, Leasing-, oder Pachtvertrag erfolgen. Abkommensrechtlich findet sich beispielsweise in Art. 12 Abs. 1 DBA-Südafrika und einfachgesetzlich in § 50d Abs. 8 und 9 EStG eine entsprechende Rückfallklausel. Beispielsweise könnte die Neutralisierung der zunächst erhobenen Steuern durch den Ansatz von erhöhten Werten bei den Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten erfolgen.
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zugsbesteuerung vorgenommen hat. Gleichwohl ergeben sich aus der tatbestandlichen Abfassung des Gesetzestextes in § 12 Abs. 1 KStG Zweifelsfragen hinsichtlich der genauen Anwendung der Wegzugsbesteuerung und der damit verbundenen Rechtsfolgen. Schließlich ist zu konstatieren, dass durch § 12 Abs. 1 KStG eine Verschärfung bei der Wegzugsbesteuerung gegenüber der vorherigen Rechtlage vollzogen wurde. Der Fiskalgesetzgeber passt vordergründig seine Konzeption der Wegzugsbesteuerung dem Europarecht an. Allerdings könnte der Besteuerungstatbestand bei genauerer Untersuchung zu einer Schlechterbehandlung der, ins EUAusland wegziehenden, GmbH gegenüber der inländischen Sitzverlegung der GmbH führen. Um die europarechtliche Zulässigkeit der Wegzugsbesteuerung in § 12 Abs. 1 KStG zu beurteilen, ist zunächst erforderlich, die einzelnen, mit der Wegzugsbesteuerung verbundenen, Konsequenzen zu untersuchen. aa) Gewinnneutralisierung durch Ausgleichspostenmethode Sofern es durch die Sitzverlegung der GmbH zu einem Ausschluss oder einer Einschränkung des Besteuerungsrechts kommt, erfolgt gemäß § 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1, Satz 3 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG die sofortige Versteuerung der stillen Reserven der Wirtschaftsgüter der Gesellschaft. Hierbei ist das jeweilige Wirtschaftsgut mit dem gemeinen Wert anzusetzen. In dem bisherigen Körperschaftssteuerrecht war der gemeine Wert bislang nicht enthalten. Vielmehr wurde hierbei vom niedrigeren Teilwert ausgegangen. Der gemeine Wert entspricht dem Veräußerungspreis eines einzelnen Wirtschaftsgutes und enthält folgerichtig auch einen Gewinnzuschlag. Zur Abmilderung der Besteuerungsfolge und zur Abwendung der offensichtlichen Europarechtswidrigkeit einer Sofortversteuerung im Hinblick auf das EuGH-Urteil Lasteyrie du Saillant hat der Gesetzgeber die Stundungsmöglichkeit für den Steueranspruch gesetzlich eingeführt.550 Im Bereich des Einkommenssteuerrechts lag bereits beim Inkrafttreten des SEStEG mit § 4g Abs. 1 EStG eine gesetzliche Regelung zur Stundung des Steueranspruchs vor. Für das Körperschaftssteuerrecht bestand diese Möglichkeit beim Inkrafttreten des SEStEG gesetzlich nicht, da sich in § 12 KStG ein Verweis auf § 4g EStG nicht befand. Dies wurde jedoch von der Literatur bereits eingangs als Formulierungsversäumnis des Gesetzgebers angesehen. Der Gesetzgeber hat sodann dieses Versäumnis im Rahmen des JStG 2008 korrigiert, so dass nunmehr in § 12 Abs. 1 KStG ein entsprechender Verweis auf § 4g EStG mit der gesetzlichen Stundungsmöglichkeit beinhaltet ist.
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In dem Betriebsstättenerlass bestand bislang die Möglichkeit, die Steuer auf 10 Jahre zu stunden.
§ 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g EStG ordnet bei einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts eine fiktive Veräußerung an.551 Diese fiktive Veräußerung steht einer Entnahme des Wirtschaftsguts für betriebsfremde Zwecke gleich. Dieser fiktive Veräußerungsvorgang ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1, 2 HS EStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Soweit die Voraussetzungen für die Bildung eines Ausgleichspostens nicht vorliegen, erfolgt eine Sofortversteuerung des, sich aus der fiktiven Veräußerung ergebenden, Gewinns. Der Verweis auf die fiktive Veräußerung führt jedoch nicht dazu, dass das als veräußerte Wirtschaftsgut nicht mehr in der Steuerbilanz der Gesellschaft auszuweisen ist. An der rechtlichen Zuordnung des Wirtschaftsguts zur Gesellschaft hat sich durch die fiktive Veräußerung nichts geändert. Die Veräußerung erfolgte nicht tatsächlich, sondern lediglich „fiktiv“. In dieser Hinsicht ist das Wirtschaftsgut in der Bilanz der Gesellschaft, wie dargelegt, mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Bei § 4g Abs. 1 EStG handelt es sich lediglich um eine innerbilanzielle Korrekturvorschrift.552 Das Wirtschaftsgut gilt als veräußert und als zum gemeinen Wert wieder angeschafft. Zur Abwendung der sonst offensichtlichen Europarechtswidrigkeit der fiktiven Veräußerung erfolgt über § 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g EStG die Möglichkeit, über die Merkpostenmethode eine Stundung des Steueranspruchs zu erhalten.553 Die sitzverlegende Gesellschaft kann in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert der ihr zugeordneten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einen Ausgleichsposten bilden. Der Ausgleichsposten wird auf unwiderruflichen Antrag der Gesellschaft in deren Steuerbilanz jährlich einheitlich für alle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens der sitzverlegenden Gesellschaft gebildet. Die Bildung des Ausgleichsposten ist bei den Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens und bei einer Entstrickung von Nutzungen nicht zulässig.554 Der Ausgleichsposten ist im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den vier darauf folgenden Jahren jeweils gewinnerhöhend zu einem Fünftel aufzulösen (§ 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g Abs. 2 EStG). Der Ausgleichsposten ist jedoch in voller Höhe aufzulösen, wenn das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausscheidet (§ 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g Abs. 2, S. 2 Nr. 1 EStG). Zudem ist der Ausgleichposten unverzüglich aufzulösen, wenn die Gesellschaft eine Sitzverlegung in einen Staat vollzieht, der nicht zur Europäischen Union gehört. In diesem Fall würde die Sonderregelung des § 12 Abs. 3 KStG eingreifen, die die sofortige Liquidations551
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Im Bereich des Einkommenssteuerrechts wird eine fiktive Entnahme angeordnet. Da bei Körperschaften kein Privatvermögen vorliegt, sondern nur Betriebsvermögen, kann eine Entnahmenfiktion nicht eingreifen, sondern vielmehr eine Veräußerungsfiktion. Vgl. Benecke, Entstrickung und Verstrickung bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens, NWB 2007, 3248 Auf Anregung des Bundesrates wurde die Stundungsmethode im Rahmen des SEStEG eingeführt, vgl. Bundestags-Drucksache 16/2710, 57 Kessler/Winterhalter/Huck, Ausgleichspostenmethode, DStR 2007, 133
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besteuerung nach § 11 KStG anordnet. Diese ist zwangsläufig damit verbunden, dass die stillen Reserven aller Wirtschaftsgüter der Gesellschaft aufgelöst werden. Folglich würden auch die Ausgleichposten gewinnerhöhend aufzulösen sein. Trotz der Möglichkeit zur Bildung eines Ausgleichspostens ist erkennbar, dass das reformierte Konzept der Entstrickung eine Steuerverschärfung darstellt, da nunmehr von höheren Bewertungsansätzen ausgegangen wird. Durch § 12 KStG liegen damit körperschaftssteuerrechtliche Entstrickungstatbestände vor. In diesem Zusammenhang ist beachtlich, dass ein gewerbesteuerrechtlicher Entstrickungstatbestand durch das SEStEG nicht eingeführt wurde.555 Da der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung zum SEStEG eine umfassende Entstrickungs- und Verstrickungskonzeption regeln wollte, ist im Rahmen der Auslegung des Gesetzestextes davon auszugehen, dass dem Fiskalgesetzgeber die Möglichkeit zur Regelung einer zusätzlichen gewerbesteuerrechtlichen Entstrickung bekannt war. Gleichwohl hat der Gesetzgeber bewusst auf ihre Einführung verzichtet. Es verbietet sich damit eine Übertragung des Rechtsgedankens zur Entstrickung gemäß § 12 KStG analog auf das Gewerbesteuerrecht, da der Gesetzgeber eine solche gewerbesteuerrechtliche Entstrickung gerade nicht einführen wollte. Im Übrigen liegt bei einer staatlichen Erhebung von Steuern ein Fall der sogenannten Eingriffsverwaltung des Staates vor. Nach dem Rechtstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wäre damit für einen solchen Eingriff in die Grundrechtspositionen des Steuerpflichtigen, insbesondere in das Grundrecht auf Schutz des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 GG, eine gesetzliche Regelung erforderlich. Mangels einer gesetzlichen Entstrickungsregelung für das Gewerbesteuerrecht scheidet damit eine gewerbesteuerrechtliche Entstrickung und damit verbundene Realisierung von Gewerbesteuern aus.556 Um die sich aus der Entstrickung ergebenden Konsequenzen und die Konzeption der Wegzugsbesteuerung näher zu untersuchen, sind die nachstehenden Einzelfälle zu beleuchten. Hierbei wird für den Besteuerungstatbestand auf der Ebene der Gesellschaft, die Verlegung des Satzungssitzes und die Verlegung des Verwaltungssitzes der GmbH zu unterscheiden sein. bb) Verlegung des Satzungssitzes Nach der bereits dargestellten richtigen Ansicht ist die Verlegung des Satzungssitzes gesellschaftsrechtlich unter direkter Anwendung der Niederlassungsfreiheit möglich. 555 556
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Vgl. Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG, DStR 2006, 1484 m.w.N. Der Rechtsgedanke der finalen Entnahmetheorie war im übrigen durch die Rechtsprechung und Literatur auf das Einkommens- und Körperschaftssteuerrecht beschränkt. Auch unter diesem Gesichtspunkt kommt eine gewerbesteuerrechtliche Entstrickung daher nicht in Betracht, vgl. BFH v. 14.6.1988, VIII R 387/83, BStBl. 1989 II, 187; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG, DStR 2006, 1484.
Verlegt die GmbH nunmehr ausschließlich den Satzungssitz557, kann eine Wegzugsbesteuerung nicht eingreifen, denn der tatsächliche Verwaltungssitz der GmbH und damit konsequenterweise eine Betriebsstätte verbleiben in Deutschland.558 Aufgrund der alternativen Anknüpfung des § 1 Abs. 1 KStG für die unbeschränkte Steuerpflicht, ist die GmbH mit dem Verwaltungssitz in Deutschland weiterhin in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Folglich kommt es nicht zu einer steuerlichen Entstrickung und damit auch nicht zu einer Wegzugsbesteuerung, da diese den Verlust der unbeschränkten Steuerpflicht durch den Wegzug voraussetzen würde.559 Einige Auffassungen in der Literatur560 bejahen allerdings auch in diesem Fall die Wegzugsbesteuerung. Diese abzulehnenden Ansichten folgern aus der Satzungssitzverlegung gesellschaftsrechtlich eine Liquidation der Gesellschaft561 mit einer hieran verbundenen Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 KStG. Diese Ansicht kann jedoch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des EuGH zur Gründungstheorie, die Cartesio-Entscheidung des EuGH sowie Art. 10b EGBGB-E mit der gesetzlichen Anerkennung der Gründungstheorie nicht mehr aufrecht erhalten werden.562 Eine gesellschaftsrechtliche Zwangsauflösung und Liquidation ist nicht mehr zulässig, so dass für die Anknüpfung der Wegzugsbesteuerung an § 11 KStG kein Raum mehr bleibt.563 cc) Verlegung des Verwaltungssitzes Wird nur der tatsächliche Verwaltungssitz ins Ausland verlegt, bleibt ebenfalls weiterhin die alternative Anknüpfung des § 1 Abs. 1 KStG für die unbeschränkte Steuerpflicht, so dass eine Wegzugsbesteuerung gemäß § 12 Abs. 1 KStG ebenfalls nicht eingreifen kann. Dies gilt nicht, wenn der Satzungssitz und der Ort des Verwaltungs-
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Die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit ist streitig. Nach richtiger Ansicht wäre die Zulässigkeit zu bejahen, vgl. unter 2. Kapitel, 2.Teil, C. I und II In diesem Fall unterbleibt eine Auflösung und Abwicklung der GmbH. Folglich kommt auch eine Liquidationsbesteuerung nicht in Betracht, vgl. Kolbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, § 12 KStG Rn. 418; Hofmeister, in: Blümich, EStG, § 11 KStG Rn. 20; Ebenroth/Auer, Grenzüberschreitende Verlagerung, RIW 1992, Beilage 1, Rn. 39 ff; Dötsch, in: Dötsch/ Eversberg/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 Rn. 13; a.A. Birk, Zuzug und Wegzug, IStR 2003, 469, 471 Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 12 Rn. 42; Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, KStG, § 12 KStG n.F. Rn. 20 Vgl. Wassermeyer, in: Schöberle/Hofmeister, KStG, § 12 Rn. 6; Olgemöller, in: Streck, KStG, § 12 Rn. 3; Debatin, Die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, GmbHR 1991, 164, 167; Ebenroth/Auer, Grenzüberschreitende Verlagerung, RIW 1992, Beilage zu Heft 3, 19 Vgl. hierzu die Ausführungen unter 2.Kapitel, 2. Teil, C. I. 1. Der reformierte § 4 a GmbHG ermöglicht zwar nur die Verlegung des Verwaltungssitzes einer GmbH ins Ausland und nicht auch deren Satzungssitzes. Allerdings dürfte § 4 a GmbHG im Lichte der Schlussanträge des EuGH Generalanwalts Poaires Maduro in der Rs. Cartesio sowie auf Grundlage der jüngeren Rechtsprechung des EuGH in seiner reformierten Fassung europarechtswidrig sein. Zustimmend Haase, Schlussbesteuerung, IStR 2004, 232
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sitzes auseinanderfallen und ein Doppelbesteuerungsabkommen die Entstehung der unbeschränkten Steuerpflicht an den Verwaltungssitz anknüpft.564 dd) Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes Verlegt eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige GmbH ihren Satzungssitz und ihre Geschäftsleitung (Verwaltungssitz) ins Ausland und scheidet dadurch aus der unbeschränkten Steuerpflicht aus, so führt dies gemäß § 12 Abs. 1 KStG grundsätzlich zu einer Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven der Gesellschaft. Ausreichend ist hierbei, wenn das DBA-Recht beim Auseinanderfallen von Geschäftsleitung und Satzungssitz die unbeschränkte Steuerpflicht an den Ort der Geschäftsleitung knüpft.565 Sofern der Ort der Geschäftsleitung im Ausland wäre, entfiele die unbeschränkte Steuerpflicht der Gesellschaft in Deutschland. Folglich läge eine Beschränkung des Besteuerungsrechts von Deutschland mit der damit verbundenen Aufdeckung der stillen Reserven (§ 12 Abs. 1 KStG) vor. Das Körperschaftssteuerrecht sieht jedoch die Möglichkeit vor, dass trotz der Verlegung des Satzungs- und Geschäftsleitungssitzes der GmbH, diese Sitzverlegung steuerneutral erfolgen kann. Notwendig ist hierfür, dass die Wirtschaftsgüter der GmbH einer, in Deutschland liegenden, inländischen Betriebsstätte zugeordnet bleiben. Dies wird, wie bereits dargelegt, als sogenannter „Betriebsstättenvorbehalt“ bezeichnet. Sofern bei einem Wegzug einer GmbH durch Verlegung des Satzungs- und Geschäftsleitungssitzes weiterhin eine Betriebsstätte in Deutschland verbleibt, erscheint bereits die Zwangsauflösung der stillen Reserven des Betriebsstättenvermögens nicht mehr sachgerecht. Die Gesellschaft unterläge bezüglich ihrer Betriebsstätte einer fortbestehenden, beschränkten, inländischen Körperschaftssteuerpflicht (§ 2 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG). Die, der Betriebsstätte zuzuordnenden, stillen Reserven blieben steuerverhaftet und könnten weiterhin besteuert werden.566 Durch eine teleologische Reduktion des § 12 Abs. 1 KStG folgt, dass diese Wegzugsbesteuerung nicht eingreift, wenn sichergestellt ist, dass die stillen Reserven in Deutschland – wenn auch nur im Rahmen einer beschränkten Steuerpflicht – steuerverhaftet bleiben.567
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Thiel, Grenzüberschreitende Umstrukturierung, GmbHR 1994, 277, 278; Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen (II), GmbHR 1996, 585, 591 Thönnes, Identitätswahrende Sitzverlegung von Gesellschaften in Europa, DB 1993, 1021 Wie bereits unter 2. Kapitel, 3. Teil, C. III. 1. a) ff) dargestellt, gilt dies nicht, wenn bezüglich der Beteiligungen, dem Geschäfts- oder Firmenwert sowie sonstiger immaterieller Wirtschaftsgüter der Gesellschaft der Ansicht der Finanzverwaltung in deren „Betriebsstättenverwaltungsgrundsätzen / Betriebsstättenerlass“, BMF-Schreiben v. 24.12.1999, gefolgt wird. Wassermeyer, in: Schöberle/Hofmeister, KStG, § 12 Rn. 14, a.A. Haase, Schlussbesteuerung, IStR 2004, 232, 233, der der Ansicht folgt, dass das Gesetz nach seinem Wortlaut es für einen Ausschluss des § 12 gerade nicht genügen lässt, wenn lediglich eine beschränkte Steuerpflicht vorliegt.
2. Bewertungen der körperschaftssteuerlichen Konzeption zur Entstrickung Die zuvor besprochenen steuerrechtlichen Konsequenzen bei einer „vollständigen“ Sitzverlegung568 in das EU-Ausland zeigen, dass der Gesetzgeber letztlich keine Freigabe einer uneingeschränkten Sitzverlegungsmöglichkeit von Gesellschaften in Europa verfolgt. Der Fiskalgesetzgeber erkennt die europarechtliche Grundfreiheit zur uneingeschränkten Sitzverlegung nur so lange an, wie sein eigener Besteuerungsanspruch nicht eingeschränkt wird. Die neue gesetzliche Konzeption zur Wegzugsbesteuerung durch die Einführung eines gesetzlichen Entstrickungstatbestandes begegnet zahlreichen Bedenken in einfachgesetzlicher, verfassungsrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht. Zudem führt die neue Konzeption der Wegzugsbesteuerung gegenüber dem bislang maßgeblichen Betriebsstättenerlass zu erheblichen Steuerverschärfungen. Nachfolgend sollen die einzelnen Bedenken dargestellt und diskutiert werden. a) Prinzip der Sofortversteuerung Anders als im ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorgesehen, kann die Besteuerung der aufgedeckten stillen Reserven nunmehr durch Antrag auf fünf Jahre verteilt werden.569 Der Antrag ist für alle betroffenen Wirtschaftsgüter einheitlich und unwiderruflich auszuüben. Bilanztechnisch geschieht die Stundung durch die Bildung eines Ausgleichspostens (§ 4g EStG), der über einen Zeitraum von fünf Jahren zu jeweils einem Fünftel p.a. gewinnerhöhend aufzulösen ist.570 Die Bildung eines gewinnmindernden Ausgleichspostens erfolgt auf unwiderruflichen Antrag des Steuerpflichtigen und ist für jedes Wirtschaftsjahr einheitlich für sämtliche Wirtschaftsgüter auszuüben. Die Anwendbarkeit des § 4g EStG ist jedoch auf die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens beschränkt. Gleichwohl ist nicht einsichtig, auf welcher konzeptionellen Grundlage die Stundungslösung nur für 5 Jahre gewährt wird. Dies ist eine Steuerverschärfung gegenüber der Rechtslage nach dem Betriebsstättenerlass. Hiernach war eine Stundung auf 10 Jahre möglich. Im Hinblick auf das erklärte Ziel571 der Neukonzeption, grenzüberschreitende Mobilität und Umstrukturierungen von Gesellschaften zu ermöglichen, wäre es sachgerecht gewesen, bei der Neukonzeption des Gesetzes eine Stundungslösung bis zur Realisierung der stillen Reserven aufzunehmen, zumindest 568 569
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Dies umfasst die Verlegung des Satzungs- und des Verwaltungssitzes. Das ursprüngliche Konzept sah bei einer Entstrickung eine Sofortversteuerung vor. Nach heftiger konzeptioneller Kritik aus der Wirtschaft und von den beteiligten Verbänden, wurde diese Rechtsfolge jedoch entschärft. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen der, in den Verwaltungsgrundsätzen-Betriebsstätte vorgesehenen, Merkpostenmethode, BMF, Schreiben v. 24.12.1999, BStBl. 1999 I, 1076, Tz. 2.6.1 Nach richtiger Ansicht ist das tatsächliche Ziel der Neukonzeption, das Steuersubstrat in Deutschland zu erhalten und deren Abwanderung in Ausland zu verhindern. Dies lässt sich bereits aus der Gesetzesbegründung zum SEStEG entnehmen.
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jedoch die, in der Praxis bewährten, 10 Jahre für die Stundungslösung beizubehalten. Die Begründung des Gesetzgebers, eine dauerhafte Stundungslösung wäre mit einem zu hohen administrativen Aufwand verbunden, kann nicht überzeugen. Der Orientierungsmaßstab für Rechte und Pflichten von Gesellschaften und deren Gesellschafter ergibt sich aus dem geltenden Recht, insbesondere aus höherrangigem Gemeinschaftsrecht. Am Gemeinschaftsrecht sowie deren Festlegungen und Wertungen haben sich die nationalen Rechtsvorschriften zu orientieren. Die in dem EGVertrag verankerten Grundfreiheiten, insbesondere die, für diese Untersuchung maßgebliche, Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) sollen sicherstellen, dass die nationalen Staaten keine diese Grundfreiheiten beschränkenden Regelungen erlassen. Der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung sind aufgrund des verfassungsrechtlichen Rechtstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) an Recht und Gesetz gebunden. Hierzu gehört auch das Gemeinschaftsrecht. Aus Umsetzungsdefiziten des Gesetzgebers oder Erschwerungen bei der praktischen Umsetzung von gesetzlichen Bestimmungen können sich folglich keine Rechtfertigungen dafür ergeben, dass höherrangiges Gemeinschaftsrecht verletzt wird. Letztlich ist es eine originäre Aufgabe des Gesetzgebers, effiziente Regelungen zum gesetzeskonformen Verwaltungsvollzug zu erlassen. Sofern mit einem hohen administrativen Aufwand argumentiert wird, spricht dies dafür, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht effizient sind. Es obliegt dem Gesetzgeber, diesem Zustand abzuhelfen. Defizite bei dem Erlass und der Umsetzung von effizienten Normen, die der Gesetzgeber selbst erlassen hat, können daher nicht überzeugend dazu führen, dass Verpflichtungen und Vollzugsmaßnahmen, die sich aus höherrangigem Recht ableiten, nicht umgesetzt werden. Das Argument des „hohen administrativen Aufwands“ für die Ablehnung der dauerhaften Stundungslösung, erscheint daher maßgeblich von Zweckmäßigkeitserwägungen der Finanzverwaltung getragen „so schnell wie möglich“, den Steueranspruch zu realisieren. Letztlich hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer zinslosen Stundung mit einer Versteuerung im Zeitpunkt der Veräußerung und Gewinnrealisierung auch als tragfähigen Kompromiss angesehen und diesen für die Wegzugsbesteuerung von natürlichen Personen in § 6 AStG geregelt. Systematische und tragfähige Gründe, diesen Lösungsweg nicht auch bei Kapitalgesellschaften anzuwenden, bestehen nicht. b) Einschränkung auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens Des Weiteren erstreckte sich nach dem Betriebsstättenerlass die Stundungslösung sowohl auf die Wirtschaftsgüter des Anlage- als auch des Umlaufvermögens. Die, durch das SEStEG eingeführte, Konzeption nimmt nunmehr das Umlaufvermögen von dieser bereits europarechtlich gebotenen Stundungslösung aus. Sachlich ge164
rechtfertigte Gründe nennt der Gesetzgeber hierfür nicht. Diese Konzeption benachteiligt Unternehmen, deren Aktiva fast ausschließlich aus Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens bestehen. Beispielsweise betrifft dies Handelsunternehmen, die durch die Kategorie des Geschäftsbetriebs lediglich eine geringe Anzahl an Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorweisen, jedoch einen hohen Bestand an Umlaufvermögen haben. Nach richtiger Ansicht gibt der Gesetzgeber die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens „zum Wegzug frei“, da er davon ausgehen wird, dass anlagevermögenintensive Geschäftsbetriebe Mühe habe werden, deren Anlagevermögen im Wegzugsfall „über die Grenze“ zu bewegen. Es erscheint zweifelhaft, ob beispielsweise Atomenergieunternehmen, die eine hohe Intensität an Anlagevermögen haben572, diese Wirtschaftsgüter im Wegzugsfall tatsächlich abbauen und über die Grenze zum neuen Betriebssitz verlagern würden. Im Zweifelsfall wird dies nicht erfolgen, so dass der Gesetzgeber steuerpolitisch auch keine ernsthaften Bedenken haben musste, dass zu hohe stille Reserven in der Form von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in das Ausland „exportiert“ werden. Folglich konnte er für diese Wirtschaftsgüter eine Steuerstundungsmöglichkeit vorsehen. Bei den fungiblen und für den Wegzug besser geeigneten Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens wurde eine solche Regelung fiskalpolitisch und ergebnisorientiert daher auch nicht eingeführt.573 c) Erweiterung der Besteuerung bei Verbringung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte Bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte erfolgt durch § 12 Abs. 1 KStG nunmehr eine Gewinnbesteuerung durch Auflösung der stillen Reserven. Diese ist jedoch mit einer Stundungsmöglichkeit auf 5 Jahre verbunden. Nach dem bisherigen Recht wurde bislang eine Stundung auf 10 Jahre gewährt. Die Besteuerung erfolgte erst nach der Veräußerung des Wirtschaftsgutes oder nach Ablauf von 10 Jahren. Zuvor sind die, in den abnutzbaren Wirtschaftsgütern bislang gebildeten, stillen Reserven über die Nutzungsdauer aufzulösen.574 Anders als nach dem bisherigen Recht löst auch das Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus der deutschen Besteuerung durch nachträglichen Abschluss eines DBA mit Freistellungsmethode eine fiktive Entnahme aus. In diesen Fällen erfolgt die Aufdeckung der stillen Reserven, ohne dass der Steuerpflichtige dies beeinflussen kann. Dadurch wird ohne sachliche Begründung von der bisherigen Rechtsprechung des BFH und der Ansicht der Finanzverwaltung abgewichen, wonach eine Entnahme ei572
573
574
Beispielsweise die Gebäude und sonstigen betrieblichen Bauten sowie Maschinen zum Betrieb eines Atomkraftwerkes Die bisherige Regelung nach dem Betriebsstättenerlass für Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens ist seit Einführung des SEStEG für Sachverhalte, die in einem Wirtschaftsjahr nach Ablauf des 31.12.2005 enden, nicht mehr anwendbar. Vgl. Tz. 2.6 BMF-Betriebsstättenverwaltungsgrundsätze
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nen Entnahmewillen und eine Entnahmehandlung des Steuerpflichtigen voraussetzt.575 d) Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs „Beschränkung des Steuerrechts“ Die Neuregelungen begegnen auch verfassungsrechtlichen Bedenken, da die verwendeten Begrifflichkeiten zu unbestimmt sind. Eine für eine Entstrickung ausreichende „Beschränkung des Besteuerungsrechts“ kann durch vielfältige Konstellationen eintreten. Es ist ungeklärt, ob jede geringfügige „Beschränkung des Besteuerungsrechts“ zu einer Entstrickung führt oder ob dies lediglich bei Beschränkungen erfolgt, die eine wesentliche materielle Konsequenz für das Besteuerungsrecht haben. Eine Beschränkung kann bereits vorliegen, wenn ein Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte eines Staates überführt wird, mit dem kein DBA besteht. In diesem Fall wäre eine etwaige ausländische Steuer in Deutschland anzurechnen, so dass bereits dadurch eine „Beschränkung des Besteuerungsrechts“ eintreten kann. Zwar besteht das Besteuerungsrecht von Deutschland fort, aber durch die zwingende Anrechnung wird es der Höhe nach beschränkt. e) Entstrickung durch Entnahme zum gemeinen Wert Die bei der Entstrickung fingierte Veräußerung erfolgt nicht zum Teilwert, sondern zum höheren gemeinen Wert (§ 12 Abs. 1, § 8 Abs.1 KStG i.V.m § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Der gemeine Wert enthält einen Gewinnzuschlag, so dass durch diesen Wertansatz eine fiktive Veräußerung des Wirtschaftsguts unterstellt wird. Hingegen ist der Teilwert der Wert, den ein Erwerber bei Erwerb des gesamtes Betriebes für ein Wirtschaftsgut zu zahlen bereit ist. Bei Übernahme des gesamtes Betriebes ist ein Erwerber jedoch nicht bereit, den tatsächlichen (gemeinen) Wert für das Wirtschaftsgut zu bezahlen. Es erfolgt daher ein Wertabschlag auf das Wirtschaftsgut. Durch die neue Konzeption und den Ansatz des höheren gemeinen Wertes erfolgt hierdurch eine Überbesteuerung, ohne dass es zu einem entsprechenden Liquiditätszufluss kommt. Des Weiteren enthalten die gesetzlichen Bestimmungen keine Regelung, dass bei der Entstrickung auf den gemeinen Wert der Sachgesamtheit abzustellen ist. Hiernach müssten für die Wertfindung auch stille Lasten und ein negativer Firmenwert berücksichtigt werden. Ohne eine entsprechende Regelung besteht die Möglichkeit, dass durch die Entstrickung eine höhere Steuer als bei einer tatsächlichen Veräußerung des Wirtschaftsgutes entsteht, da bei einer realen Veräußerung wertmindernde Umstände in die Kaufpreisfindung einfließen. Dies ist jedoch bei der fiktiven Veräußerung nicht der Fall. Es ist daher systemwidrig, dass für Pensionsrückstellungen § 6a EStG anzuwenden ist (§ 12 Abs. 1, S. 2 KStG). Hierdurch wird verhindert, dass 575
166
Vgl. BFH v. 20.11.2003, BStBl. II 2004, 272
die sich in der Körperschaft befindenden stillen Lasten (Pensionsrückstellungen) bei der Wertfindung auch wertmindernd berücksichtigt werden. Folglich entsteht bereits hierdurch im Entstrickungsfall eine höhere Besteuerung als bei einem tatsächlichen Veräußerungsfall. Da die neue Entstrickungskonzeption keine Abstimmung mit dem “Zugangswert“ im Ausland vorsieht, kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen, wenn für die ausländischen Besteuerungszwecke ein geringerer Wert als der gemeine Wert angesetzt wird und der ausländische Staat den höheren gemeinen Wert nicht steuermindernd berücksichtigt. f) Rückwirkung des Gesetzes Die gesetzlichen Regelungen (§ 12 Abs. 1, § 8 Abs.1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) sind erstmals für die nach dem 31.12.2005 endenden Wirtschaftsjahre anzuwenden (§ 34 Abs. 8 KStG). Folglich entfaltet das Gesetz eine Rückwirkung. Die betroffenen Unternehmen konnten sich mangels Planbarkeit der konkreten gesetzlichen Neuregelung nicht hinreichend auf die steuerverschärfte Wegzugsbesteuerung einstellen. Die rückwirkende Schlechterstellung erscheint unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bezüglich der Vorhersehbarkeit von Gesetzen und des Vertrauensschutzes des Steuersubjektes auf eine bestehende Gesetzeslage verfassungsrechtlich hinsichtlich Art. 20 Abs. 3 GG äußerst bedenklich.576 g) Ungleichbehandlung zwischen Kapitalgesellschaften und natürlichen Personen Im Zuge der europarechtlichen Neuregelung der Wegzugsbesteuerung von natürlichen Personen wurden die bisherigen Tatbestände für den Wegzug von natürlichen Personen neu geregelt. Bislang galt das Prinzip der Sofortversteuerung bei einem Ausscheiden der natürlichen Person aus der deutschen Besteuerungshoheit. Im Hinblick auf das EuGH-Urteil Lasteyrie du Saillant war die bisherige Regelung als europarechtswidrig anzusehen. Durch das SEStEG wurde § 6 Abs. 5 AStG nunmehr europarechtskonform ausgestaltet. § 6 Abs. 5 AStG sieht jetzt bei einem Wegzug einer natürlichen Person innerhalb des Gemeinschaftsgebietes nicht mehr die sofortige Steuerpflicht vor. Vielmehr ist nunmehr eine unbeschränkte zinslose Stundung möglich. Erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung von stillen Reserven, beispielsweise durch eine Veräußerung des Wirtschaftsgutes, tritt die Steuerpflicht ein. Bei einem Wegzug einer Kapitalgesellschaft besteht eine solche unbeschränkte und zinslose Steuerstundungsmöglichkeit nicht. Nach der Ausgleichpostenmethode (§ 4g
576
Richtungsweisend zur Rückwirkung von Steuergesetzen bereits BVerfG Urt. v. 19.12.1961, BVerfGE 13, 243
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EStG) wird die Steuerschuld auf fünf Jahre gestundet und ratierlich jedes Jahr um 1/5 durch Auflösung des Ausgleichspostens erhoben. Rechtsdogmatisch ist nicht ersichtlich, weshalb der Steuergesetzgeber hierbei eine Unterscheidung zwischen natürlichen Personen und Kapitalgesellschaften getroffen hat. Da der Gesetzgeber die unbeschränkte Steuerstundungsmöglichkeit gesehen hat, hätte eine parallele Lösung auch für den Wegzug von Körperschaften gewählt werden können. Folglich ist zu vermuten, dass hauptsächlich haushaltspolitische fiskalische Gründe für diese Ungleichbehandlung vorliegen. h) Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Stammhaus Nach der gesetzlichen Konzeption wird eine Entstrickung vermieden, wenn die Wirtschaftsgüter einer Betriebsstätte im Inland weiterhin zugeordnet bleiben. Diese vermeintlich einfache Zuordnung der Wirtschaftsgüter zur deutschen Betriebsstätte wird in der Praxis zu Streitfällen mit der Finanzverwaltung führen, da insbesondere Beteiligungen der wegziehenden GmbH an Tochtergesellschaften, der Firmenwert, immaterielle Wirtschaftsgüter (Marken, Patenten, etc.) sowohl von der Betriebsstätte als auch von dem Stammhaus gemeinsam genutzt werden. Zudem besteht bei einem Unternehmen auch ungebundenes Vermögen. Ungebundenes Vermögen ist gegeben, wenn das jeweilige Wirtschaftsgut für die Funktion des Betriebes ohne Bedeutung ist und somit nicht zwangsläufig einer bestimmten Betriebsstätte zuzuordnen ist. Aus der Interessenlage der satzungssitzverlegenden GmbH wird die Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter tendenziell zur, im Inland verbleibenden, Betriebsstätte erfolgen, da hierdurch die Besteuerung vermieden wird. Die Ansicht der Fiskalverwaltung an der Erhebung von Steuern führt zweckorientiert zu einer gegenteiligen Zuordnung. Da die Fiskalverwaltung und die Rechtsprechung in Zweifelsfällen von der Zentralfunktion des Stammhauses577 ausgehen, besteht für die sitzverlegende GmbH die Gefahr, dass die Wirtschaftsgüter letztlich dem in das EU-Ausland „sitzverlegenden“ Stammhaus zugeordnet werden578, mit der Konsequenz der Aufdeckung der stillen Reserven und der nachteiligen Besteuerungsfolgen.579 Die stillen Reserven müssten in diesem Fall zum gemeinen Wert realisiert werden.580 Dies gilt selbst dann, wenn das Anlage- und Umlaufvermögen einer Betriebsstätte zugeordnet wird, die in der Bundesrepublik Deutschland verbleibt.
577 578 579
580
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Vgl. Betriebsstättenerlass, BMF-Schreiben v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Rn. 2.6.1 Vgl. Tz. 2.4 BMF-Betriebsstättenverwaltungsgrundsätze Diese Problematik stellt sich insbesondere bei einer nicht klar bestimmten Zuordnung von sonstigen Wirtschaftsgütern einer GmbH. Insbesondere bei Nutzung von immateriellen Rechten wird die Finanzverwaltung bei lebensnaher Betrachtung häufig wohl zu dem Ergebnis kommen, dass immaterielle Rechte von der, nicht mehr im Inland ansässigen, Unternehmung genutzt werden mit der Konsequenz, dass ein Steueranspruch realisiert wird. Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02; BFH/NV 2004, 771
i) Erhöhung des Körperschaftssteuersatzes Für die Anwendungsfälle, in denen die Körperschaftssteuerfestsetzung vor dem 28.12.2007 erfolgt ist, sind die, zwischenzeitlich gestrichenen, Regelungen der § 40 Abs. 5 und Abs. 6 KStG weiter anzuwenden. Gemäß Art. 40 Abs. 5 KStG erhöht sich die Körperschaftssteuer u.a. wenn eine Sitzverlegung einer, zuvor in Deutschland unbeschränkten, steuerpflichtigen GmbH in das Ausland erfolgt und dies zur Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland führt. In diesem Fall erhöht sich die Körperschaftssteuer in dem Maße, als ob die Körperschaft im Zeitpunkt des Vermögensübergangs (Übertragungsstichtag) bzw. im Zeitpunkt des Wegfalls der unbeschränkten Steuerpflicht, ihr vorhandenes Vermögen mit Ausnahme des Betrages, der dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben ist, für eine Gewinnausschüttung verwendet hätte. Sofern EK02 vorhanden sein sollte, führt dies zu einer Körperschaftssteuererhöhung und hat eine Nachversteuerung zur Folge. Zur Wahrung der Europarechtskonformität sieht § 40 Abs. 6 KStG eine Sonderregelung für den Fall vor, dass die GmbH deren Sitz in einen Staat der Europäischen Union verlegt. Hiernach wird bis zum Auslaufen der Übergangsregelung (31.12.2018) der, gemäß § 40 Abs. 5 KStG erhöhte, Steuerbetrag gestundet, sofern eine Verwendung des EK02 bis zum 31.12.2018 tatsächlich nicht stattgefunden hat. Die sitzverlegende GmbH hat jeweils bis zum 31.5 des Folgejahres nachzuweisen, dass eine Verwendung des EK02 nicht erfolgt ist. j) Eigene Rechtsansicht Die Konsequenzen für die Wegzugsbesteuerung aus dem neuen gesetzlichen „Entstrickungskonzept“ sind mannigfaltig und gehen deutlich über das Maß und die Gebotenheit hinaus, die zur Neuregelung dieses steuerlichen Bereichs sachgerecht sind. Insbesondere ist die neue Wegzugsbesteuerung mit der korrespondiererenden Entstrickungskonzeption eine verdeckte Steuerverschärfung an Stelle einer Steuerliberalisierung im europarechtlichen Kontext. So erfasst der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g EStG nicht alle Wirtschaftsgüter, sondern nur die des Anlagevermögens. Von dem Prinzip der „Steuerstundung“ werden die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sowie die immateriellen Wirtschaftsgüter nicht erfasst. Dies ist eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Handhabung der Finanzverwaltung im Betriebsstättenerlass. Hier wurden diese Wirtschafsgüter auch erfasst und der Stundungszeitraum betrug 10 Jahre. Des Weiteren ist auch die Steuerverschärfung gegenüber der alten Rechtslage im Betriebsstättenerlass bei Verbringung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte nicht gerechtfertigt. An der unternehmerischen Notwendigkeit
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zur Verbringung der Wirtschaftsgüter in eine ausländische Betriebsstätte besteht weiterhin Bedarf. Schließlich ist auch die Unberechenbarkeit der Besteuerung nicht sachgerecht. Die Aufdeckung von stillen Reserven durch eine Entnahmehandlung und den entsprechenden Entnahmewillen verhinderte bislang, dass es zu zufälligen Besteuerungsfolgen kam. Mit der nunmehrigen Konzeption ist das Unternehmen von Fremdeinflüssen abhängig, so dass dies auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht wegen des Rechtsstaatgebotes (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Vorhersehbarkeit und Planbarkeit von Besteuerungsfolgen in hohem Maße bedenklich ist. Die neue gesetzliche Regelung berücksichtigt auch die Marktgegebenheiten bei dem Ansatz des „gemeinen Wertes“ nicht. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, dass der Fiskus für die Berechnung seines Steueranspruchs nicht – wie bislang – von dem niedrigeren Teilwert, sondern nunmehr steuererhöhend von dem gemeinen Wert ausgeht. Ebenfalls ist die Schlechterbehandlung von Körperschaften gegenüber natürlichen Personen bei den Steuerstundungsmöglichkeiten unangemessen, da auch Körperschaften von den Besteuerungsfolgen wie eine natürliche Person getroffen werden. Ein sachlicher Grund für eine Privilegierung von natürlichen Personen ist unangebracht. Letztlich kann auch der Betriebsstättenvorbehalt nicht sachgerecht sein, da die Zuordnung der wesentlichen Wirtschaftgüter durch die Finanzverwaltung ergebnisorientiert wohl immer zum Stammhaus erfolgen wird. Aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses kommt es bei einer Sitzverlegung einer GmbH („dem Stammhaus“) damit im Ergebnis stets zu einer Entstrickung der Wirtschaftgüter und zu einer erhöhten Besteuerung. Diese Konsequenzen aus den wesentlichen Folgen der neuen „Entstrickungskonzeption“ zeigen, dass die europarechtliche Vorgabe von dem Gesetzgeber bei der Neugestaltung der Wegzugsbesteuerung nicht eingehalten wurden. 3. Vereinbarkeit der Konzeption der Wegzugsbesteuerung mit dem Europarecht Die zuvor dargestellte neue Grundkonzeption der Wegzugsbesteuerung gemäß § 12 Abs. 1 KStG zeigt, dass die Besteuerung der stillen Reserven ausgelöst wird, sobald das Besteuerungsrecht des deutschen Fiskus ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Die bereits behandelten Gesichtspunkte in diesem Zusammenhang zeigen, dass bereits auf einfachgesetzlicher und konzeptioneller Ebene nachhaltige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Konzeption zur Wegzugsbesteuerung gemäß § 12 KStG bestehen.
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Es ist daher zu prüfen, ob die neue Konzeption der Wegzugsbesteuerung mit dem Europarecht vereinbar ist. Hierbei ist zu untersuchen, ob der Tatbestand des § 12 Abs. 1 KStG nicht bereits durch die europäische Fusionsrichtlinie581 gerechtfertigt ist. Sodann ist zu klären, ob die Fusionsrichtlinie und die Wegzugsbesteuerungskonzeption des § 12 Abs. 1 KStG mit der europäischen Niederlassungsfreiheit vereinbar sind. a) Vereinbarkeit mit der europäischen Fusionsrichtlinie aa) Konzeption der Fusionsrichtlinie Ziel der FRL war die Möglichkeit, grenzüberschreitende Umstrukturierungsmaßnahmen und Sitzverlegungen zu ermöglichen.582 Dies sollte unter gleichzeitiger Wahrung der finanziellen Interessen der EU-Mitgliedsstaaten und unter Vermeidung von steuerlichen Belastungen für die betroffenen Rechtssubjekte erfolgen.583 Diese Zielsetzung verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die, in der FRL genannten, Vorgänge steuerneutral zu behandeln und bei den, von der FRL erfassten, Maßnahmen auf die Fiktion der Liquidation mit der damit verbundenen Aufdeckung der stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern und der korrespondierenden Besteuerung zu verzichten.584 Damit erfolgt ein Besteuerungsaufschub, der u.a. durch die Methode der Buchwertfortführung gewährt wird. Durch die FRL sollte es den, von der FRL erfassten, Rechtssubjekten585 jedoch nicht ermöglicht werden, die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern aus dem Herkunftsstaat in einen anderen Staat zu transferieren. Um die finanziellen und steuerlichen Interessen der EU-Mitgliedsstaaten zu schützen, sieht die FRL den bereits besprochenen Betriebsstättenvorbehalt bzw. die „Betriebsstättenbedingung“ vor.586 Hiernach ist eine Maßnahme des Rechtssubjektes gemäß der FRL nur steuerneutral, wenn die Wirtschaftsgüter dieses Rechtssubjektes im inländischen Wegzugsstaat auch nach der jeweiligen Umstrukturierungsmaßnahme in
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582 583 584 585
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Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringungen von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedsstaaten betreffen v. 23.7.1990; RL 90/434/EWG, ABl.EG 1990 L 225, 1; ergänzt durch die Richtlinie des Rates 2005/19/EG v. 17.2.2005, ABlEG Nr. L 58/19. Durch diese Ergänzung erfasst die FRL nunmehr auch die teilweise Spaltung oder Abspaltung von Unternehmensteilen (Art. 1a FRL n. F.) sowie die Sitzverlegung einer SE oder einer SCE in einen anderen Mitgliedsstaat (Art. 1b FRL n. F.). Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 161 f. Vgl. die Erwägungsgründe der FRL Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, Stand und Entwicklung, ZGR-Sonderheft 1,4 Unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtige Kapitalgesellschaften, die im Anhang zur FRL genannt werden, die in einem EU-Staat ansässig sind (Art. 3 FRL n. F.) und die unterschiedlichen EU-Staaten zugehörig sind (Art. 1 FRL n. F.). Die geänderte FRL erweitert den Anwendungsbereich auf die SE. Die Betriebsstättenbedingung der FRL ist im Zusammenhang mit dem abkommensrechtlichen Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) zu beurteilen. Hiernach ist das Besteuerungsrecht für Gewinne grundsätzlich dem Sitzstaat des Steuersubjektes zugewiesen.
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einer inländischen Betriebsstätte steuerverstrickt bleiben.587 Auf diese Weise verhindert die FRL, dass Steuersubstrat in das Ausland „abwandert“ und der Herkunftsstaat durch die Umstrukturierungsmaßnahme finanzielle Nachteile daraus erleidet. Des weiteren setzt die FRL die Steuerverhaftungsbedingung voraus. Die schlichte Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte reicht nicht aus. Erforderlich ist hiernach zudem, dass die Wirtschaftsgüter auch zur Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses der Betriebsstätte beitragen.588 Sofern die Bedingungen der FRL vorliegen, erfolgen die jeweiligen Umstrukturierungsmaßnahmen und die Sitzverlegung auf Gesellschaftsebene steuerneutral. Auf der Ebene der Gesellschafter erfolgt eine verzögerte Besteuerung. Anlässlich der Maßnahme resultiert noch keine Steuerwirkung für den Gesellschafter. Diese erfolgt erst, wenn es zu der Realisierung der stillen Reserven kommt.589 Unter Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen zu § 12 Abs. 1 KStG ist festzustellen, dass die dargestellten Prämissen der FRL in dieser neuen Konzeption des § 12 Abs. 1 KStG berücksichtigt und umgesetzt wurden.590 bb) Anwendbarkeit der Fusionsrichtlinie auf die Sitzverlegungen einer GmbH Durch die FRL sind Regelungen der grenzüberschreitenden Verschmelzung, Spaltung und zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung eingeführt worden. Hierbei gelten die Regelungen über die grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen (Art. 4-10 FRL n. F. ) für alle im Anhang der FRL aufgeführten Gesellschaftsformen.591 Die Regelungen für die Sitzverlegung (Art. 10b-10d FRL n. F.) gelten jedoch nur für die SE und die SCE und damit direkt nicht für die GmbH. Sowohl für die grenzüberschreitende Umwandlung als auch für die grenzüberschreitende Sitzverlegung macht die FRL die Steuerneutralität dieser Maßnahmen davon abhängig, dass im Herkunftsstaat eine Betriebsstätte mit allen Wirtschaftsgütern verbleibt. Wie bereits dargelegt, wird dies als „Betriebsstättenvorbehalt“ oder als „Betriebsstättenbedingung“ bezeichnet. Obgleich die FRL damit nicht die GmbH erfasst, ist zu bestimmen, ob die Sitzverlegung einer GmbH auch unter die Bestimmungen der FRL fällt. Der europäische Richtliniengeber kennt die GmbH und hat diese gleichwohl nicht in den Katalog der FRL für die Sitzverlegung aufgenommen. Dies kann im Umkehrschluss jedoch nicht dahingehend gewertet werden, dass die GmbH nach der FRL ohne die Betriebsstättenbedingung den Sitz ins Ausland verlegen soll. Vielmehr wird eine eindeutige 587 588 589 590
591
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Art. 4 Abs. 1b FRL n.F. (Art. 4 Abs. 1FRL a.F) Art. 4 Abs. 1b FRL n.F. (Art. 4 Abs. 1 2. Spiegelstrich 2. Halbsatz FRL a.F.) und Art. 10b FRL n.F. Art. 8 FRL n. F. Zur Umsetzung der Wegzugsbesteuerung auf Ebene der Gesellschafter vgl. die Ausführungen unter 2. Kapitel, 3. Teil C. IV. Dies sind die SE, SCE und für Deutschland insbesondere die AG, KGaA, GmbH, VvaG, Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften sowie für alle Gesellschaftsformen, die dem Körperschaftssteuerrecht unterliegen.
Wertung aufgestellt, dass eine steuerneutrale Sitzverlegung davon abhängig gemacht wird, dass die stillen Reserven bei einer inländischen Betriebsstätte und damit im Herkunftsstaat verbleiben. Es könnte die Ansicht vertreten werden, dass eine Verlagerung von GmbHs durch den EU-Richtliniengeber nicht beabsichtigt war. Hierfür könnte sprechen, dass der Richtliniengeber die GmbH, trotz dessen Kenntnis von dieser Rechtsform, ausdrücklich nicht in den Katalog der sitzverlagerungsfähigen Gesellschaften bei der FRL aufgenommen hat. Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass die Regelungen über die grenzüberschreitende Verschmelzung gleichwohl ausdrücklich auf die GmbH Anwendung finden. Da die grenzüberschreitende Verschmelzung im Ergebnis ebenfalls dazu führt, dass eine deutsche GmbH durch den Verschmelzungsvorgang auf eine ausländische Gesellschaft aus Deutschland „wegzieht“, ist nach richtiger Ansicht hierdurch die Absicht des Richtliniengebers erkennbar, auch der GmbH den „Fortgang“ aus dem Herkunftsstaat, mithin aus Deutschland heraus, zu ermöglichen. Zudem dient die FRL dem Zweck, Gesellschaften umfassend den Fortgang aus deren Herkunftsstaat zu ermöglichen. Folglich wäre es sinnwidrig, aus der Formulierung der FRL zu interpretieren, dass die FRL nicht auch auf die Sitzverlegung einer GmbH Anwendung findet. Für diese Anwendbarkeit spricht weiterhin die Einbeziehung der GmbH in den Katalog der, durch Verschmelzung, „fortgangs- und wegzugsfähigen“ Gesellschaften. Demnach ist zu folgern, dass der EU-Richtliniengeber der FRL, nachdem er die GmbH ausdrücklich in den Katalog der, durch Verschmelzung, fortgangs- bzw. faktisch wegzugsfähigen Gesellschaften aufgenommen hat, es nicht mehr für regelungsbedürftig gehalten hat, die GmbH nunmehr explizit auch in den Katalog der formell „sitzverlegungsfähigen“ Gesellschaften aufzunehmen. Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass die FRL auch für die Sitzverlegung von GmbHs gilt. cc) Vereinbarkeit der Fusionsrichtlinie mit europäischem Primärrecht Nachdem festgestellt wurde, dass die FRL auch auf die Sitzverlegung von GmbHs Anwendung findet, müsste demnach auch der Betriebsstättenvorbehalt gemäß Art. 4 Abs. 1 b FRL n. F. für die Sitzverlegung der GmbH gelten. Der Betriebsstättenvorbehalt bedeutet, dass ohne den Verbleib einer inländischen Betriebsstätte und der ihr zugeordneten Wirtschaftsgüter bei einer Sitzverlegung einer GmbH ins EU-Ausland stille Reserven aufgedeckt werden.592 Die Konzeption des Betriebsstättenvorbehalts der FRL wurde vom deutschen Fiskalgesetzgeber durch das SEStEG auch zur Grundlage für die Neukonzeption der Wegzugsbesteuerung herangezogen. In § 12 KStG macht der Gesetzgeber die Er592
Vgl. Blumers//Kinzl, Änderung der Fusionsrichtlinie: Warten auf den EuGH, BB 2005, 971, 972 f.
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tragssteuerneutralität einer Verschmelzung (§ 12 Abs. 2 KStG) und einer Sitzverlegung593 (§ 12 Abs. 1 KStG) davon abhängig, dass das Besteuerungsrecht des deutschen Staates weder ausgeschlossen noch eingeschränkt wird. Dies kann praktisch nur erreicht werden, wenn nach dem Sitzverlegungs- oder Verschmelzungsvorgang einer GmbH eine Betriebsstätte mit den Wirtschaftsgütern im Inland verbleibt. Es liegt damit kein offen ausgewiesenes Tatbestandsmerkmal der „inländischen Betriebsstätte“ in der Formulierung des § 12 Abs. 1 KStG vor. Jedoch geht der Gesetzgeber von der Betriebsstättenbedingung für die Ertragssteuerneutralität konkludent aus. Des Weiteren diente das SEStEG gerade der Umsetzung der FRL in nationales Recht, so dass auch hieraus zu folgern ist, dass der deutsche Gesetzgeber auch mit seiner Regelung des § 12 Abs. 1 KStG die Vorgaben der FRL umsetzen wollte. Folglich ist der Betriebsstättenvorbehalt auch für die Sitzverlegung einer GmbH Bestandteil der Wegzugsbesteuerungskonzeption. Im Hinblick auf die dargestellten Konsequenzen zu dem Betriebsstättenvorbehalt der FRL ist nunmehr fraglich, ob die FRL ebenfalls mit dem europäischen Primärrecht und seinen Grundfreiheiten vereinbar ist.594 EU-Richtlinien dienen dazu, das europäische Primärrecht des EG-Vertrages umzusetzen und zu konkretisieren. Durch eine EU-Richtlinie können daher Freiheiten, die sich direkt aus den europäischen Grundfreiheiten ergeben, weder beseitigt noch eingeschränkt werden.595 Die Wirksamkeit der FRL muss sich demnach an höherrangigem europäischen Primärrecht596 messen lassen und mit diesem vereinbar sein.597 Diese Fragestellung setzt zunächst die Klärung voraus, ob die FRL als europäisches Sekundärrecht überhaupt gegen europäisches Primärrecht verstoßen und damit selbst europarechtswidrig sein kann.598 Die Europarechtswidrigkeit einer EU-Richtlinie setzt damit voraus, dass dem EG-Vertrag Anwendungsvorrang vor den EURichtlinien und EU-Verordnungen zukommt. Die Rechtsmacht des Europäischen Parlaments, Rat und EU-Kommission beruht auf Art. 249 EGV. Die Maßnahmen der zuvor genannten EU-Organe erfolgen gemäß dem Wortlaut des Art. 249 EGV „nach
593 594
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597 598
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Hierbei jedoch durch einen konkludenten Betriebsstättenvorbehalt Vgl. Louven/Dettmeier/Pöschke/Weng, Optionen grenzüberschreitender Verschmelzungen innerhalb der EU – gesellschafts- und steuerrechtliche Grundlagen, BB 2006, Special zu Heft 11, 1, 6 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 258 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 258 f. Das europäische Primärrecht umfasst die EU-Grundfreiheiten und die konkretisierende Rechtsprechung des EuGH hierzu. Sedemund, Europäisches Ertragssteuerrecht, Rn. 64; Arndt/Fischer, Europarecht, 79 Für die erforderliche Vereinbarkeit der FRL mit den primärrechtlichen Grundfreiheiten, vgl. Schön/Schindler, Grenzüberschreitende Sitzverlegung, IStR 2004, 576; Rödder, Europäische Aktiengesellschaft, DStR 2005, 895, a.A. Frotscher, Betriebsstättenbedingung, IStR 2006, 70. Vgl. zum Vorrang des primären Gemeinschaftsrechts Lüdicke/Hummel, Zum Primat des primären Gemeinschaftsrechts, IStR 2006, 694; Forsthoff, Die eigenständige Bedeutung des sekundären Gemeinschaftsrechts, IStR 2006, 698 ff.
Maßgabe dieses Vertrages“. Folglich ist ersichtlich, dass die Maßnahmen dieser bezeichneten, EU-Organe deren Grenzen in dem EG-Vertrag mit seinen Grundfreiheiten finden. Die EU-Grundfreiheiten beschränken daher die Rechtsmacht der EU-Organe und die Reichweite deren Rechtssetzungsakte.599 Der Anwendungsvorrang des EG-Vertrages mit seinen Grundfreiheiten ergibt sich auch aus Art. 7 EGV. Hiernach dürfen die EU-Organe nur im Rahmen der Befugnisse handeln, die ihnen durch den EG-Vertrag zugewiesen wurden.600 Dies gilt auch für den Erlass von EU-Richtlinien. Die EU-Richtlinien sollen die Verwirklichung und die Weiterentwicklung der EUGrundfreiheiten fördern und diese nicht einschränken. Schließlich haben die EUGrundfreiheiten faktischen Verfassungsrang für die Europäische Union. Die Grundfreiheiten der europäischen Union können daher nicht von deren eigenen EU-Organen „ausgehebelt“ werden.601 Bei der aufgeworfenen Fragestellung ist darauf abzustellen, ob der Betriebsstättenvorbehalt der FRL und damit die Einschränkung für Gesellschaften beim Wegzug, deren Wirtschaftsgüter in einer inländischen Betriebsstätte zu belassen, mit der Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EGV vereinbar ist.602 Nach einigen Ansichten der Literatur wird die europarechtliche Konformität der FRL bejaht.603 Gegen die Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit spricht jedoch, dass die Argumentation des EuGH zum Wegzug in dem Verfahren Lasteyrie du Saillant als übertragbar für den Fall der sogenannten Hinausverschmelzung angesehen wird.604 Bei einer Hinausverschmelzung wird letztlich auch der Sitz der „hinausverschmelzenden Gesellschaft“ aus Deutschland heraus verlegt. Diese Gestaltung ist daher auch auf die Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH in das Ausland anwendbar.605
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Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 249 Rn. 232 ff.; Streinz, EU/EG, Art. 249, Rn. 17, 21 Jedes EU Organ handelt „nach Maßgabe der, ihm in diesem Vertrag zugewiesenen, Befugnisse.“, vgl. Art. 7 Abs. 1 EGV So auch im Ergebnis EuGH Rs. 294/83-Les Verts, Urt. v. 23.4.1986, Slg. 1986,1339, Rn. 23 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 258 So Thiel, Europäisierung des Umwandlungssteuerrechts: Grundprobleme der Verschmelzung, DB 2005, 2316, 2318, der die FRL mit europäischem Primärrecht für vereinbar hält, da die FRL alleine den „Wegzugsfall“ betrifft. Unter Verweis auf das EuGH Urteil zur Daily Mail sei der Wegzug nicht von der Niederlassungsfreiheit geschützt. Dieses Argument von Thiel überzeugt jedoch nicht, da zwischenzeitlich die Rs. Lasteyrie du Saillant bereits den „ Wegzugsfall“ betroffen hat und der EuGH auch den Wegzug – in diesem Fall einer natürlichen Person – von dem Schutz der Niederlassungsfreiheit erfasst sieht. Nach richtiger Ansicht sind die Grundsätze des Urteils in der Rs. Lasteyrie du Saillant, die zu natürlichen Personen ergingen, auch auf juristische Personen übertragbar, vgl. Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004, 804, 809 f.; Nagler/Kleinert, Wegzugssteuer tot, BMF in Not, GmbHR 2005, R 282; Wassermeyer, Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 613, 616; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 257; ablehnend: Franz, Wegzugsbesteuerung, EuZW 2004, 270, 271. Vgl. Blumers/Kinzl, Änderung der Fusionsrichtlinie: Warten auf den EuGH, BB 2005, 971, 973; Rödder, Europäische Aktiengesellschaft, DStR 2005, 893, 895 f.; Voß, SEStEG, BB 2006, 411,
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Die Bedingung, einen Wegzug einer GmbH in einen Mitgliedsstaat von dem Verbleib einer inländischen Betriebsstätte abhängig zu machen, stellt eine Erschwernis für den Wegzug von Gesellschaften dar. Letztlich wird durch einen Wegzug und die Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft bezweckt, dass die komplette Gesellschaft aus Deutschland in einen Mitgliedsstaat „umzieht“. Von diesem Umzug sollen bei einer sachgerechten Betrachtung sämtliche Wirtschaftsgüter einer GmbH ebenfalls erfasst werden, denn nicht nur die GmbH als Hülle „zieht um“, sondern die GmbH als Gesellschaft mit allen Aktiva und Passiva soll sitzverlegt werden. Ziel einer Sitzverlegung kann es daher nicht sein, dass gerade die Wirtschaftsgüter in einer inländischen Betriebsstätte verbleiben. Die Betriebsstättenbedingung stellt daher nicht nur eine Erschwernis für eine Sitzverlegung dar, sondern sie verhindert faktisch den Wegzug und die Sitzverlegung einer Gesellschaft und damit auch der GmbH in einen anderen EU-Mitgliedsstaat. Der Eingriff in die Grundfreiheiten könnte jedoch gerechtfertigt sein. Denkbar wäre eine Rechtfertigung des Betriebsstättenvorbehalts durch das Prinzip der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle606. Im Urteil zu Lasteyrie du Saillant hat der EuGH eine hierauf gestützte Rechtfertigung zwar nicht in Betracht gezogen.607 Dies lässt sich aber damit erklären, dass eine Stundung der Steuer bis zur Veräußerung der Anteile ein milderes Mittel gewesen wäre. Eine sofortige Besteuerung war daher nicht erforderlich. Gegen einen solchen Rechtfertigungsgrund spricht jedoch, dass es eine Angelegenheit und originäre Aufgabe der Fiskalverwaltung ist, ausreichende Regelungen für die Sicherstellung der steuerlichen Kontrollen zu etablieren. Aus der eigenen Unzulänglichkeit und etwaigen Versäumnissen der staatlichen Verwaltungsorgane kann nicht die Rechtfertigung für den Eingriff in die europäischen Grundfreiheiten abgeleitet werden. Zudem stehen durch die europäische Amtsauskunft- und Beitreibungsrichtlinie ausreichende Grundlagen zur Sicherung der steuerlichen Kontrolle und der Steuererhebung zur Verfügung. Überzeugende Rechtfertigungsgründe für den Eingriff in die Niederlassungsfreiheit durch den Betriebsstättenvorbehalt liegen
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420; für eine Übertragung der Grundsätze der Lasteyrie du Saillant-Entscheidung auf juristische Personen allgemein votiert auch Horn, Die Europa-AG im Kontext des deutschen und europäischen Gesellschaftsrechts, DB 2005, 147, 153. Demgegenüber hält Thiel, Europäisierung des Umwandlungssteuerrechts: Grundprobleme der Verschmelzung, DB 2005, 2316, 2318 die FRL für mit europäischem Primärrecht vereinbar. Zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten durch das Prinzip der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle EuGH Rs. C-324/00-Lankhorst-Hohorst, Urt. v. 12.12.2002, Slg. 2002, I-11779, Rn. 44 = EWS 2003, 23 ff.= IStR 2003, 55 ff. Körner, Europarecht und Wegzugsbesteuerung - das EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004, 424, 426 f. und die Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 13.3.2003 in der Rs.C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Rn. 57 ff.
nicht vor. Der Betriebsstättenvorbehalt der FRL verstößt daher gegen die Niederlassungsfreiheit und damit gegen europäisches Primärrecht.608 Nach den vorstehenden Erwägungen ist zu folgern, dass die FRL gegen europäisches Primärrecht und damit gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Die FRL ist somit keine ausreichende europarechtliche Grundlage für die Neukonzeption der Wegzugsbesteuerung gemäß § 12 KStG. b) Vereinbarkeit mit der europäischen Niederlassungsfreiheit Nachdem die FRL keine ausreichende Grundlage für die Wegzugsbesteuerungskonzeption bietet, ist zu untersuchen, ob die europäische Grundfreiheit in der Gestalt der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Wegzugsbesteuerungskonzeption darstellt. aa) Eingriff in die Niederlassungsfreiheit Art. 43, 48 EGV dienen der umfassenden Schaffung eines einheitlichen EU-Wirtschaftsraumes. Jede unmittelbare aber auch mittelbare Beschränkung der Niederlassungsfreiheit stellt einen Eingriff in diese europäischen Grundfreiheiten dar. Unzweifelhaft wird eine, aus einer Sitzverlegung durch Auflösung der stillen Reserven verursachte, Besteuerungsfolge zumindest faktisch Unternehmen davon abhalten, den Satzungssitz innerhalb des EU-Wirtschaftsraumes zu verlegen. Diese faktische Begrenzung der unternehmerischen Freiheit liegt nicht vor, wenn eine GmbH deren Satzungssitz innerhalb der Bundesrepublik Deutschland verlegt und auch dann nicht, wenn diese Sitzverlegung über die Grenzen von Bundesländern hinweg erfolgt. Es ist daher festzustellen, dass eine negative Besteuerungsfolge in die Freiheit des Unternehmens eingreift, deren Sitz in ein anderes EU-Mitgliedsland zu verlegen. Ein Eingriff durch § 12 Abs. 1 KStG in die europarechtliche Niederlassungsfreiheit liegt damit vor.609 Eine Gegenansicht610 verneint jedoch einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit im Hinblick auf die Argumentation des EuGH in seiner Daily-Mail-Entscheidung.611 In dieser Entscheidung judizierte der EuGH, dass die Zuzugsfreiheit ein Bestandteil der Niederlassungsfreiheit sei. Gleichwohl vertrat der EuGH die Ansicht, dass die Wegzugsfreiheit nicht von der Niederlassungsfreiheit umfasst ist und ein EU- Staat auto608
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Grundsätzlich kann auch europäisches Sekundärrecht gegen europäisches Primärrecht verstoßen. Vgl. zum Rangverhältnis: Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Bd. 3, 28; vgl. zum Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit Blumers/Kinzl, Änderung der Fusionsrichtlinie: Warten auf den EuGH, BB 2005, 971, 973; Rödder, Europäische Aktiengesellschaft, DStR 2005, 893, 895 f.; Voß, SEStEG, BB 2006, 411, 420 Vgl. Richter, Der identitätswahrende Wegzug deutscher Gesellschaften ins EU-/EWR-Ausland auf dem Vormarsch, IStR 2008, 719, 722 Vgl. zu dieser Ansicht u.a. Franz, Wegzugsbesteuerung, EuZW 2004, 270, 271; Zimmer, Grenzüberschreitende Rechtspersönlichkeit, ZHR 168 (2004), 355, 360 m.w.N. EuGH Rs. 81/87-Daily Mail, Urt. v. 27.9.1988, Slg. 1988, 5483
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nom in der Festlegung auch von negativen Folgen ist, die mit einem solchen Wegzug verbunden sind. Im Gegensatz zu natürlichen Personen beziehen nach dieser Ansicht Körperschaften ihre Rechtsfähigkeit aus der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die deren Gründung und Existenz regelt. Die jeweilige nationale Rechtsordnung bestimmt das anwendbare Gesellschaftsstatut der Gesellschaft. Das Gesellschaftsstatut bestimmt die Existenz und regelt auch die Voraussetzungen, nach denen die Körperschaft gegründet wird und auch wieder erlischt.612 Insbesondere ist es nach dieser Ansicht rechtmäßig, wenn das Gesellschaftsstatut die Frage der Existenz einer Körperschaft an den Verbleib dieser Körperschaft in deren Staatsgebiet knüpft. Außerhalb dieser Rechtsordnung haben die Körperschaften keine Realität.613 Folglich könnte auch der jeweilige Staat regeln, dass Körperschaften, die das Staatsgebiet verlassen, nicht mehr existent nach dieser Rechtsordnung sind und die damit verbundenen Folgen regeln. Als Konsequenz dieser Ansicht wäre in diesem Zusammenhang der Wegzugsstaat damit auch berechtigt, bei einem Wegzug der Gesellschaft, die Auflösung der Gesellschaft anzuordnen und als steuerliche Folge hieraus die Auflösungs- oder Liquidationsbesteuerung hierfür zu bestimmen.614 Solange die Niederlassungsfreiheit bereits auf gesellschaftsrechtlicher Ebene die freie Sitzverlegung einer Gesellschaft nicht ermögliche, könne auch die sich sodann an die Sitzverlegung anknüpfende Liquidationsbesteuerung nicht europarechtswidrig sein. Die steuerliche Aufdeckung der stillen Reserven sah der EuGH in der DailyMail-Entscheidung damit nicht als Verletzung der Niederlassungsfreiheit an. Gegen diese Ansicht spricht jedoch bereits die Einschränkung, die der EuGH selbst zu seiner damaligen Rechtsansicht formulierte. Bezüglich der Folgen des Wegzuges einer Gesellschaft könne der Wegzugsstaat nicht völlig frei in seiner Ausgestaltung sein. Andernfalls liefe die Niederlassungsfreiheit leer.615 Zudem spricht gegen die weitere Anwendung der damaligen EuGH-Rechtsansicht der Zeitablauf seit der EuGH-Entscheidung zu Daily Mail. Seit 1988 hat der EuGH seine Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit fortlaufend weiterentwickelt und die Niederlassungsfreiheit auch für Körperschaften ausgebaut. Sukzessive durch die Entscheidungen Centros, Überseering, Inspire Art, Lasteyrie du Saillant bis hin zu X und Y und N hat der
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Sogenannte „Geschöpfthese“ So Frotscher, Betriebsstättenbedingung, IStR 2006, 65, 70 Vgl. EuGH Rs. 81/87-Daily Mail, Urt. v. 27.9.1988, Slg. 1988, 5483; Der EuGH statuierte noch in der Entscheidung Überseering, dass der Gründungsstaat, den, seinem Gesellschaftsstatut unterliegenden, Gesellschaften „Beschränkungen hinsichtlich der Verlegung des Verwaltungssitzes“ auferlegen kann. Die Art dieser Beschränkung wird in der Entscheidung nicht eingeschränkt. Vgl. Daily-Mail Entscheidung, Rn. 16
EuGH alle Einschränkungen zur Niederlassungsfreiheit verworfen.616 Dies ist auch konsequent, denn der nationale Staat soll nicht die Rechtsmacht haben, die Grundfreiheiten einzuschränken. Die Niederlassungsfreiheit soll die „Beweglichkeit“ u.a. von Gesellschaften im gemeinsamen EU-Wirtschaftsraum ermöglichen. Bereits aus der Präambel des EG-Vertrages ist zu entnehmen, dass im EG/EU-Raum ein einheitlicher und gemeinsamer Wirtschaftsraum geschaffen werden soll. Dieser Wirtschaftsraum soll ohne Hindernisse sein, so dass etwaig bestehende Hindernisse auch zu beseitigen sind. Hätten die Mitgliedsstaaten die Rechtsmacht, die Existenz von Gesellschaften von deren Verbleib in der jeweiligen nationalen Rechtsordnung und Staatsgebiet abhängig zu machen, hätte die Niederlassungsfreiheit sodann nur noch einen geringen Anwendungsbereich. Jeder Staat könnte unter Bezugnahme auf sein Gesellschaftsstatut die Existenz der Gesellschaften von deren Verbleib in seinem Staatsgebiet abhängig machen. Konsequenterweise wären die Gesellschaften an deren Freizügigkeit in der EU fortan eingeschränkt, da das Gesellschaftsstatut faktisch die Berufung auf die Niederlassungsfreiheit versagen würde. Damit hätte jeder EU-Mitgliedsstaat die Befugnis, selbst zu regeln, in welchem Umfang die Niederlassungsfreiheit in seinem Staatsgebiet für die Gesellschaften gelten sollte. Der Bestand der Niederlassungsfreiheit wäre damit eingeschränkt. Nicht die jeweiligen nationalen Gesellschaftsstatute stellen die Richtlinie dar, an denen sich die nationalen Gesetze zu messen haben, sondern die EU-Grundfreiheiten. Diese bilden mit ihrem „quasi Verfassungsrang“ einen Wertemaßstab, denen die nationalen Gesetze zu entsprechen haben. Folglich ist ein Gesellschaftsstatut, das die Niederlassungsfreiheit einschränkt, europarechtswidrig.617 Des Weiteren lässt sich der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit durch eine Wegzugsbesteuerung auch aus dem neueren EuGH-Urteil in der Rechtssache Cartesio ableiten. Hierbei stellt der EuGH fest, dass ein staatliches Hemmnis für eine Satzungssitzverlegung im Rahmen einer Umwandlung, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei. Als Hemmnis bezeichnet der EuGH beispielhaft die zwangsweise Auflösung und Liquidation der Gesellschaft beim Grenzübertritt.618 Unter Würdigung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit ist zu folgern, dass jegliches Hemmnis und damit insbesondere nachteilige steuerliche Konsequenzen einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit darstellen.
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Für eine Übertragbarkeit der Grundsätze der EuGH-Entscheidung Lasteyrie du Saillant auch auf juristische Personen vgl. Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004, 804, 809 f.; Nagler/Kleinert, Wegzugssteuer tot, BMF in Not, GmbHR 2005, R 282; Wassermeyer, Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 613, 616. Zu einer ähnlichen Bewertung kommt im Ergebnis auch der Generalanwalt beim EuGH Poaires Maduro in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Cartesio. Vgl. Tz. 112, 113 der Cartesio-Entscheidung
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Nach alldem ist zu folgern, dass die Ansicht, die einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit durch wegzugsbeschränkende, staatliche Maßnahmen verneint, nicht überzeugt. Unter Würdigung der Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts und der neueren Entscheidungen des EuGH ist richtigerweise die Ansicht zu vertreten, dass die Beschränkungen durch die Konzeption des § 12 Abs. 1 KStG einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit darstellen.619 bb) Europarechtliche Rechtfertigung Der Eingriff wäre gerechtfertigt, wenn ein europarechtlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt. Die einzelnen Rechtfertigungsgründe bei Eingriffen in Grundfreiheiten durch Steuergesetze wurden bereits vorstehend dargelegt.620 Auch im Hinblick auf die besondere Problematik der Wegzugsbesteuerung greift kein Rechtfertigungsgrund ein, um den Eingriff zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang wird daher vollumfänglich auf die voranstehenden Ausführungen verwiesen.621 Insbesondere können auch keine haushaltspolitischen Gründe für eine solche Rechtfertigung herangezogen werden. Es liegt naturgemäß im Interesse eines jeden Staates, sein Steueraufkommen zu vermehren. Letztlich kommt dies seinen Bürgern und anderen Steuersubjekten wieder zugute. Offensichtlicherweise wird daher jeder Nationalstaat versuchen, Besteuerungssubstrat, das auf seinem Staatsgebiet gebildet wurde, auch in seinem Staatsgebiet zu besteuern. Auf diesem Grundsatz beruhen auch die Doppelbesteuerungsabkommen, die jedoch nicht im Lichte der europäischen Grundfreiheiten abgeschlossen wurden. Vielmehr erfolgt hierbei eine Abgrenzung der Besteuerungshoheiten, ohne jedoch auf die Besonderheiten bei europäischen Staaten und insbesondere bei der Problematik des Wegzugs von Gesellschaften einzugehen. Die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen bieten keine Lösung für die widerstreitenden Interessen des Wegzugsstaates und des wegziehenden Unternehmens an. Der Sinn dieser Wegzugsbesteuerung ist nicht die Vermeidung der Steuerflucht, sondern die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven zu einem Zeitpunkt, in dem ein steuerlicher Zugriff auf die stillen Reserven des Wirtschaftsgutes möglich und ohne Schwierigkeiten für den Staat durchführbar ist. Dies ist u.a. der Fall, wenn die Geschäftsleitung einer GmbH noch in Deutschland sitzt. Die Anknüpfung der Besteuerung an den inländischen Sitz der Gesellschaft ist kein sachgerechtes Kriterium, da eine inländische Sitzverlegung ebenfalls nicht mit einer Besteuerung sanktioniert wird. Die Verwirklichung eines gemeinsamen EU-Wirtschaftsraumes und der 619
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Ebenso: Rainer, Verlegung des operativen Geschäftssitzes in einen anderen Mitgliedsstaat ohne jedoch den Rechtsstatus nach den Rechtsvorschriften des Herkunftsstaates zu verlieren, IStR 2008, 478, 482 Vgl. die Ausführungen in 2. Kapitel, 1. Teil, C. ff. Vgl. die Ausführungen in 2. Kapitel, 1. Teil, C. ff.
europarechtlichen Grundfreiheiten622 widersprechen einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von inländischen und europaweiten Sitzverlegungen. § 12 Abs. 1 KStG ist daher in seiner gegenwärtigen Fassung europarechtswidrig.623 Diese Ansicht erscheint konsequent im Hinblick auf die Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit durch die neuere Entscheidung in der Rechtssache Cartesio. Obgleich der EuGH in der Daily-Mail-Entscheidung und zuletzt in der Rechtssache Überseering und Inspire Art, die auf die DailyMail-Entscheidung verwiesen haben, noch die Ansicht vertrat, in Wegzugsfällen sei eine Schlussbesteuerung zulässig, führen die neueren EuGH-Entscheidungen nunmehr zu einer gegenläufigen Bewertung. Im Hinblick auf die EuGH-Urteile Lasteyrie du Saillant, N und Cartesio sowie Art. 43, 48 EGV muss gefolgert werden, dass die Grundsätze dieser Entscheidungen auch auf juristische Personen übertragbar sind624 und der EuGH eine Wegzugsbesteuerung als unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ansieht.625 Entsprechende Steuernormen, die zu einer solchen Rechtsfolge führen, sind daher gemeinschaftsrechtlich unzulässig.626 c) Rechtsansicht der EU-Kommission Die EU-Kommission hat in verschiedenen Mitteilungen vom 19.12.2006 Stellung zu aktuellen steuerlichen Themen im Europäischen Binnenmarkt auf der Grundlage der, zwischenzeitlich ergangenen, EuGH-Rechtsprechung genommen. Diese Mitteilungen haben keinen rechtlich verbindlichen Charakter. Gleichwohl kommt den EU-Kommissionsmitteilungen erhebliche faktische Bedeutung für die derzeitige und zukünftige Handhabung entsprechender Fälle durch die Mitgliedsstaaten und deren Fiskalverwaltungen zu. Die Mitteilungen dienen als Auslegungs- und Anwendungshilfe. Hierdurch sollen maßgebliche EU-Regelungsbereiche kohärent und koordiniert geregelt werden. Diejenigen, die die Ergebnisse dieser Mitteilungen ignorieren, handeln im offenen Widerspruch zur EU-Kommission und der, von ihr ausgelegten, EuGHRechtsprechung. In einem solchen Fall würde sich die Wahrscheinlichkeit der Einleitung von EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen den betreffenden Staat erhö622 623
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Insbesondere Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit So auch im Ergebnis Rainer, Verlegung des operativen Geschäftssitzes in einen anderen Mitgliedsstaat ohne jedoch den Rechtsstatus nach den Rechtsvorschriften des Herkunftsstaates zu verlieren, IStR 2008, 481, 482 Für eine Übertragbarkeit der Grundsätze der EuGH-Entscheidung Lasteyrie du Saillant auch auf juristische Personen vgl. Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004, 804, 809 f.; Nagler/Kleinert, Wegzugssteuer tot, BMF in Not, GmbHR 2005, R 282; Wassermeyer, Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 613, 616; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 257; ablehnend: Franz, Wegzugsbesteuerung, EuZW 2004, 270, 271. Zustimmend Richter, Der identitätswahrende Wegzug deutscher Gesellschaften ins EU-/EWRAusland auf dem Vormarsch, IStR 2008, 719, 723 So auch im Ergebnis Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 430; Meilicke, GmbHR-Kommentar zur Cartesio-Entscheidung, GmbHR 2009, 92, 93; Leible/Hoffmann, Cartesio und Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 62
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hen.627 Obgleich der EuGH in seinen Urteilen das Gemeinschaftsrecht weiterentwickelt, erfolgt durch die Rechtsprechung stets nur eine Rechtskonkretisierung für den jeweiligen Einzelfall. Insbesondere bei Besteuerungskonzeptionen, die mehrere Länder berühren, bedarf es jedoch eines Gesamtkonzeptes, um im gesamten EURaum eine einheitliche und aufeinander abgestimmte Anwendung der Besteuerungskonzeption sicherzustellen. Im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist die EUKommissionsmitteilung zur Wegzugsbesteuerung maßgeblich.628 In der Mitteilung zur Wegzugsbesteuerung erkennt die EU-Kommission grundsätzlich das Recht eines jeden Staates an, für die, auf seinem Staatsgebiet entstandenen, latenten Wertsteigerungen in Wirtschaftsgütern des Betriebs- und Privatvermögens ein Besteuerungsrecht zu beanspruchen.629 Aus den EuGH-Urteilen Lasteyrie du Saillant und N leitet die EU-Kommission das Besteuerungsrecht des Staates ab, bei einem Wegzug von natürlichen Personen eine Wegzugsbesteuerung durchzuführen. Allerdings dürfe anlässlich des Wegzuges nur der Steueranspruch festgestellt werden. Eine vor der Wertrealisierung durchgeführte oder eine höhere Besteuerung als beim Inlandsfall, die nur durch den Wegzug des Steuersubjektes in einen anderen EU-Staat veranlasst ist, sei jedoch europarechtswidrig. Dem Wegzugsstaat ist jede Maßnahme untersagt, die dem Steuersubjekt beim Wegzug eine höhere wirtschaftliche Belastung auferlegt, als das Steuersubjekt beim inländischen Wegzugsfall zu tragen hätte. Der Wegzugsstaat müsse daher einen bedingungslosen Steueraufschub gewähren. Eine Besteuerung könne nur durchgeführt werden, wenn die stillen Reserven tatsächlich realisiert werden. Die so lange zu gewährende Steuerstundung dürfe nicht von der Gestellung von Sicherheitsleistungen seitens des Steuersubjektes abhängig gemacht werden. Die vorhandenen Instrumente, nämlich die EU-Amtshilfe-630 und die EU-Beitreibungsrichtlinie,631 seien ausreichend, um den staatlichen Besteuerungsanspruch im Wertrealisierungsfall zu sichern. Hinsichtlich der Wegzugsbesteuerung für Unternehmen erschöpft sich die EU-Kommissionsmitteilung in dem Verweis auf das Statut der SE. Nach Ansicht der EUKommission gilt das Verbot der Wegzugsbesteuerung bei natürlichen Personen ebenfalls für den Fall des Wegzuges eines Unternehmens in einen anderen EU627
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Anlässlich von § 6 AStG a.F. hatte die Eu-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EGV eingeleitet, da die EU-Kommission nach dem Urteil des EuGH zu Lasteyrie du Saillant die bestehende Regelung des § 6 AStG als nicht mehr mit dem Europarecht für vereinbar hielt, vgl. Mitteilung der EU-Kommission v. 19.4.2004, IP/04/493 EU-Kommissionsmitteilung vom 19.12.2006 IP/06/1829, abrufbar unter http://ec.europa.eu/taxation KOM (2006) 825 endg. RL 77/779/EWG RL 76/308/EWG und RL 2001/44/EG
Staat. Dies folge bereits aus den Rechtsetzungsakten der Europäischen Union, nämlich der Verordnung zur Europäischen Gesellschaft (SE)632 sowie aus der geänderten Fusionsrichtlinie.633 Zudem bestätigt die EU-Kommission, dass sich Gesellschaften über Art. 43 i.V.m. Art. 48 EGV ebenfalls auf die Niederlassungsfreiheit berufen können.634 Die Freiheit der Unternehmens zum Wegzug ohne die Aufdeckung der stillen Reserven einerseits und der grundsätzliche Anspruch des Staates auf Besteuerung der, auf seinem Staatsgebiet gebildeten, stillen Reserven andererseits, führen in der praktischen Anwendung zu einem erhöhten Verwaltungs- und Befolgungsaufwand des Staates. Es ist den Steuersubjekten damit zuzumuten, dass diese verpflichtet sind, mit den Steuerbehörden zusammenzuwirken. In diesem Zusammenhang wird es zwischen den beteiligten Steuerbehörden des Wegzugs- und des Zuzugsstaates zum Informationsaustausch und zur Amtshilfe kommen müssen.635 Zur Sicherstellung einer EU-weiten und einheitlichen Konzeption der Wegzugsbesteuerung beabsichtigt die EU-Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten, eine entsprechende Konzeption zu entwickeln. Bislang liegt diese jedoch nicht vor, so dass aus dieser EU-Kommissionsmitteilung lediglich Leitlinien für die abweichende Anwendung der deutschen gesetzlichen Wegzugsbesteuerungskonzeption abgeleitet werden können. d) Eigene Rechtsansicht Der bestehende § 12 Abs. 1 KStG greift mit seiner Konzeption zur Wegzugsbesteuerung in die Niederlassungsfreiheit ein. Da dieser Eingriff nicht gerechtfertigt ist, ist die bestehende Fassung des § 12 Abs. 1 KStG europarechtswidrig. Aufgrund der unzulässigen Anwendbarkeit des § 12 Abs. 1 KStG und seiner angeordneten steuerlichen Folgen, kann bei einer Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH keine Aufdeckung der stillen Reserven erfolgen. 632
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Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl.EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, 1-21 Die ursprüngliche Fusionsrichtlinie musste durch die Einführung der SE-Verordnung geändert werden, vgl. RL 2005/19/EG des Rates v. 17.2.2005 zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG, ABl.EG v. 4.3.2005, L 58, 19 In Umsetzung dieser Rechtsansicht hat die EU-Kommission nunmehr Schweden förmlich aufgefordert, die restriktiven nationalen Vorschriften für die Wegzugsbesteuerung von Unternehmen zu ändern, vgl. KOM IP / 08 / 1362 v. 18.09.2008. Die EU-Kommission hält eine Wegzugsbesteuerung von Unternehmen, die aufgrund des Wegzuges aus Schweden aufhören, in Schweden steuerpflichtig zu sein, für europarechtswidrig. Da diese Wegzugssteuern die betreffenden Unternehmen davon abhalten könnten, die Niederlassungsfreiheit zu nutzen, seien Art. 43, 48 EGV verletzt. Der Rechtsstandpunkt der EU-Kommission beruht auf dem EG-Vertrag gemäß der Auslegung durch den EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant (Rs. C-9/02) und der Mitteilung der EU-Kommission über Wegzugsbesteuerung vom 19.12.2006 (KOM (2006) 825 endg. Nach der Rechtsprechung des EuGH, zuletzt EuGH Rs. C-345/04-Centro Equestre, Urt. v. 15.2.2007, IStR 2007, 212, sind die Möglichkeiten der innergemeinschaftlichen Beitreibung und Amtshilfe bereits so weit fortgeschritten, dass hierin kein nennenswertes Hindernis mehr liegen sollte.
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Gesellschaften und damit auch die GmbH können unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EGV den Satzungssitz in ein anderes EU-Mitgliedsland verlegen. Die Niederlassungsfreiheit ist höherrangiges Recht, so dass § 12 Abs. 1 KStG als einfaches nationales Gesetz keine ausreichende Grundlage bietet, in diese EU-Grundfreiheit einzugreifen. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht, da andernfalls Staaten jederzeit im nationalen Besteuerungsinteresse die EU-Grundfreiheiten einschränken könnten und würden. Die EU-Grundfreiheiten würden somit jedoch stets unter dem Vorbehalt der nationalen Steuerinteressen stehen. Bei lebensnaher Betrachtungsweise würden die EU-Grundfreiheiten damit letztlich „leer laufen“. Im Interesse der Schaffung eines einheitlichen EU-Wirtschaftsraumes sind daher Beschränkungen und Eingriffe in die EU-Grundfreiheiten abzulehnen, so dass das erzielte Ergebnis auch sachgerecht ist. Gegen diese Ansicht spricht auch nicht das EuGH-Judikat zu Daily Mail. Darin hatte der EuGH die Ansicht vertreten, dass es dem jeweiligen Staat überlassen bleibt, die Entstehungs- und Erlöschungsvoraussetzungen für eine Gesellschaft zu definieren. Hiermit verbunden sind sodann auch die steuerlichen Folgen, die sich beispielsweise aus der Auflösung einer Gesellschaft ergeben. Aufgrund der Fortentwicklung der EuGH-Rechtsprechung, insbesondere in den Urteilen Lasteyrie du Saillant, X und Y sowie N ist jedoch ausreichend klargestellt, dass sich auch Gesellschaften auf die Niederlassungsfreiheit in deren Ausprägung als Wegzugsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) berufen können. Konsequenterweise können nationale Steuernormen keine nachteiligen steuerlichen Folgen an einen Wegzug einer Gesellschaft in einen anderen Staat knüpfen, denn dadurch würde ungerechtfertigt in die Niederlassungsfreiheit eingegriffen werden. Im Lichte der neueren Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Cartesio bleibt hinsichtlich der Wegzugsbesteuerung kein Raum mehr für die Anwendung der Grundsätze aus der überholten EuGH-Entscheidung zu Daily Mail. In seiner neueren Cartesio-Entscheidung sieht es der EuGH als europarechtswidrig an, wenn der Wegzug einer Gesellschaft durch eine zwangsweise Auflösung oder Liquidation der Gesellschaft an der Staatsgrenzen sanktioniert wird. Derartige Beschränkungen der Wegzugsfreiheit seinen unzulässig. Als Beschränkungen wirken sich jedoch nicht nur gesellschaftsrechtliche Konsequenzen bei einem solchen Wegzug aus, sondern insbesondere auch die sich daran anknüpfenden steuerrechtlichen Rechtsfolgen. Der EuGH formulier hierzu, dass hierbei „insbesondere“ die zwangsweise Auflösung und Liquidation unzulässig seien. Folglich bestehen für den EuGH noch weitere Sachverhalte bzw. Sanktionen, die den vollständigen Wegzug einer Gesellschaft erschweren könnten und damit auch unzulässig wären. Eine Wegzugsbesteuerung, die zu einer zwangsweisen Auflösung von stillen Reserven führt, stellt sich damit ebenfalls als Beschränkung der Wegzugsfreiheit dar, die im Lichte der Cartesio-Entscheidung als europarechtswidrig zu qualifizieren ist. 184
Die Kernaussagen der bereits besprochenen EU-Kommissionsmitteilung zur Wegzugsbesteuerung sowie die zwischenzeitlich ergangene förmliche Mitteilung der EUKommission an Schweden,636 die schwedische Wegzugsbesteuerungskonzeption zu ändern, führen ebenfalls zu diesem Ergebnis. Auch Unternehmen können sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen. Aus der Verlautbarung der EU-Kommission zur Sitzverlegungsmöglichkeit und dem generellen Verweis auf die SE-Verordnung ist in diesem Zusammenhang nach richtiger Ansicht zu entnehmen, dass allen Gesellschaften die Möglichkeit offen steht, deren Sitz in einen anderen EU-Staat zu verlegen. Aus der SE-Verordnung ist damit ein allgemeiner europarechtlicher Rechtsgedanke zu entnehmen, der die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Gesellschaften, unabhängig von deren Rechtsform und nicht nur begrenzt auf die SE, ermöglicht. In Anlehnung an die SE-Verordnung folgert die EU-Kommission somit, dass der Wegzug von Unternehmen nicht durch die Realisierung von stillen Reserven und durch einen Steueranspruch anlässlich des Wegzugs erschwert werden dürfe. Die Interessen der Steuerpflichtigen und der legitime Anspruch der Fiskalverwaltungen, Steuern zu erheben, seien ausreichend durch die europäische Amtshilfe- und die Beitreibungsrichtlinie in schonenden Ausgleich gebracht. IV. Wegzugsbesteuerung auf Ebene der Gesellschafter Im Zusammenhang mit der Untersuchung der Wegzugsbesteuerung bei der Sitzverlegung einer GmbH bedarf es nicht nur der Klärung der steuerlichen Konsequenzen auf der Ebene der GmbH. Eine zuvor dargestellte ertragssteuerneutrale und identitätswahrende Sitzverlegung einer GmbH bleibt nur dann eine sachgerechte unternehmerische Gestaltungsoption, wenn durch den Sitzverlegungsvorgang auch keine nachteiligen Steuerfolgen auf der Ebene der Gesellschafter entstehen. Es wird für die folgende Darstellung davon ausgegangen, dass der betreffende Gesellschafter als natürliche Person seinen Wohnsitz in Deutschland hat, bzw. dass bei einer juristischen Person als Gesellschafterin, sich deren Geschäftsleitung oder Sitz im Inland befindet. Des Weiteren ist für die ertragssteuerlichen Konsequenzen nachstehend zu unterscheiden, ob sich die Gesellschaftsanteile an der sitzverlegenden GmbH im Betriebs- oder Privatvermögen des Gesellschafters befinden. Nach einer bereits untersuchten und abzulehnenden Ansicht folgt aus der Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes der GmbH aus Deutschland in einen EUStaat gesellschaftsrechtlich die Liquidation der Gesellschaft.637 Hiermit verbunden 636
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vgl. KOM IP / 08 / 1362 v. 18.09.2008. Die EU-Kommission hält eine Wegzugsbesteuerung von Unternehmen, die aufgrund des Wegzugs aus Schweden aufhören, in Schweden steuerpflichtig zu sein, für europarechtswidrig. Da diese Wegzugssteuern die betreffenden Unternehmen davon abhalten könnten, die Niederlassungsfreiheit zu nutzen, seien Art. 43, 48 EGV verletzt. Vgl. die Darstellung zum Gesellschaftsrecht und den Folgen der Sitzverlegung unter 2.Kapitel, 2. Teil, B. und C.; diese Ansicht steht nunmehr im Widerspruch zur Cartesio-Entscheidung des EuGH, vgl. dort Tz. 112
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wäre auf der Ebene der GmbH die Liquidationsbesteuerung (§ 11 Abs. 1 KStG), sofern die Gesellschaft auch tatsächlich aufgelöst und abgewickelt wird.638 Soweit dieser Ansicht gefolgt wird, ergäbe sich für die Besteuerung der Gesellschafter639 mit der Beteiligung im Privatvermögen eine Liquidationsbesteuerung gemäß § 17 Abs. 4 EStG640 bzw. bei einer Beteiligung im Betriebsvermögen einer Körperschaft eine Liquidationsbesteuerung gemäß § 8 b Abs. 1 KStG. Nach richtiger Ansicht hat die Verlegung des Verwaltungssitzes und des Satzungssitzes der GmbH aus Deutschland in einen EU-Staat jedoch wegen der Wegzugsfreiheit gerade nicht die Liquidation zur Folge. Gesellschaftsrechtlich und ertragssteuerrechtlich bleibt die GmbH fortbestehen641, so dass auch eine Liquidationsbesteuerung auf der Ebene des Gesellschafters nicht erfolgen kann. Gleichwohl wird nachstehend zu prüfen sein, ob nicht bereits durch den identitätswahrenden Sitzverlagerungsvorgang der GmbH eine Besteuerungsfolge für den Gesellschafter begründet wird. 1. Gesellschaftsanteile im Betriebsvermögen a) Beschränkung oder Ausschluss des Besteuerungsrechts aa) Grundsatzregelung Bei Gesellschaftsanteilen im Betriebsvermögen des Gesellschafters gelten die Regelungen des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG für eine natürliche Person bzw. § 12 Abs. 1 KStG für eine juristische Person als Gesellschafter. Führt die Sitzverlegung dazu, dass auf der Ebene des Gesellschafters das Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, erfolgt hierdurch eine Aufdeckung der stillen Reserven mit Sofortversteuerung unter Ansatz des gemeinen Wertes für die Beteiligung. Dies wäre der Fall, wenn Deutschland aufgrund des nicht mehr Vorhandenseins der Gesellschaft in Deutschland auch eine spätere Anteilsveräußerung auf der Ebene des Gesellschafters nicht mehr unbeschränkt besteuern könnte. Eine solche Besteuerungsfolge bildet jedoch nach den mehrheitlich von Deutschland mit anderen EU-Staaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen den Ausnahmefall.642 Nach diesen DBA steht das Besteuerungsrecht für den Gewinn aus der Veräußerung einer Be638
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Sofern eine Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft nicht erfolgt, scheidet nach richtiger Ansicht die Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 KStG aus. Die ertragssteuerlichen Folgen richten sich in diesem Fall nach § 12 Abs. 1 KStG, vgl. hierzu die Darstellung unter 2. Kapitel, 3. Teil, C. II. Vgl. die Ausführungen unter 2. Kapitel, 3. Teil, C. II. 2. Vgl. § 17 Abs. 4 S. 3 EStG zum Ausschluss einer Besteuerung nach § 17 Abs. 4 S. 1 EStG, sofern die Bezüge zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 KStG gehören; Ebling, in: Blümich, EStG, § 17 EStG Rn. 260 Vgl. die Darstellung zum Gesellschaftsrecht unter 2.Kapitel, 2. Teil, B. und C und zum Steuerrecht unter 2. Kapitel, 3.Teil, C. II. und III, vgl. Tz. 112 der Cartesio-Entscheidung Ebling, in: Blümich, EStG, § 17 EStG Rn. 279c
teiligung regelmäßig dem Staat des Wohn- oder des Geschäftssitzes des Gesellschafters zu.643 Wie in der Ausgangsprämisse unterstellt, bleibt der Gesellschafter der GmbH weiterhin in Deutschland ansässig bzw. hat weiterhin dort den Geschäftssitz. Das Besteuerungsrecht des deutschen Staates bezüglich der Gesellschaftsbeteiligung wäre folglich nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt, so dass eine Wegzugsbesteuerung auf der Ebene des Gesellschafters unterbliebe. bb) Einschränkungen des Besteuerungsrechts Ein, nach dem Wegzug der Gesellschaft fortbestehendes, uneingeschränktes Besteuerungsrecht auf Ebene des Gesellschafters besteht jedoch in den nachstehenden Fällen nicht. (1) Einschränkungen aufgrund DBA Beispielsweise ergibt sich aus dem DBA Deutschland-Tschechien, dass nach einem Wegzug einer Gesellschaft von Deutschland nach Tschechien für den deutschen Staat hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung eine Verpflichtung zur Anrechung der tschechischen Steuer besteht (Art. 23 Abs. 1 lit. b) Nr.3 i.V.m. Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien). Aus dieser Anrechungsverpflichtung folgt eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Zudem kann sich eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ergeben, wenn zwar die Sitzverlegung aus Deutschland in einen „ersten“ Staat steuerneutral erfolgt, jedoch danach, durch die Sitzverlegung aus diesem „ersten“ in einen „zweiten“ Staat, es zu einem Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts bezüglich der Gesellschaftsbeteiligung kommt.644 (2) Einschränkungen aufgrund beschränkter Steuerpflicht Des Weiteren könnte sich eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ergeben, wenn der Gesellschafter in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig wäre. Ein Gesellschafter an einer in Deutschland ansässigen deutschen Gesellschaft, der im Inland nicht seinen Wohn- oder Geschäftssitz hat, ist in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig, sondern wird bezüglich seiner Gesellschaftsbetei643
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Vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. Dieser Musterregelung folgen die meisten mit Deutschland abgeschlossenen DBA. Der Gesellschafter A hat seinen Wohnsitz in Münster. Er ist an der B-Limited, mit Sitz in UK, beteiligt. Die B-Limited verlegt ihren Sitz von UK nach Prag. Die Beteiligung wird im Privatvermögen gehalten. Gemäß § 17 EStG i.V.m Art. 8 Abs. 3 DBA stand Großbritannien das Besteuerungsrecht bezüglich der Veräußerung der Geschäftsanteile an der Limited Deutschland zu. Nach der Verlegung des Verwaltungssitzes der Limited nach Prag entfällt dieses Besteuerungsrecht aufgrund von Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien. Gemäß Art. 23 Abs. 1b Nr. 3 ist die tschechische Steuer auf die deutsche Steuer anzurechnen. Damit liegt eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts vor. Da es sich hierbei um eine Sitzverlegung innerhalb der EU handelt, ist § 17 Abs. 5 S.2 EStG einschlägig. Es erfolgt keine Sofortbesteuerung. Vielmehr besteuert Deutschland im Fall späterer Veräußerung, unbeachtet eines DBA, den Veräußerungsgewinn ohne Anrechnung der ausländischen Steuer.
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ligung im Veräußerungsfall beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e) i.V.m. § 17 EStG). Ist der Gesellschafter in einem ausländischen DBA-Staat ansässig, kann der deutsche Staat diese Gesellschaftsbeteiligung gleichwohl nicht besteuern, da die DBA regelmäßig das Besteuerungsrecht für eine Gesellschaftsbeteiligung dem Wohnsitzstaat des Gesellschafters zuweisen.645 Durch eine Sitzverlegung der Gesellschaft in einen EU-Staat würde das deutsche Besteuerungsrecht daher nachträglich und anlässlich dieser Sitzverlegung auch nicht eingeschränkt werden. Ist der Gesellschafter jedoch in einem Nicht-DBA-Staat ansässig, so ist er – abweichend von der zuvor besprochenen Konstellation – in Deutschland mit seiner Gesellschaftsbeteiligung zunächst beschränkt steuerpflichtig. Durch den Wegzug der Gesellschaft aus Deutschland entfällt die Steuerverstrickung des Gesellschaftsanteils im Inland. Folglich läge in diesem Fall, anlässlich der Sitzverlegung der Gesellschaft, eine nachträgliche Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts vor, so dass eine Besteuerung auf der Ebene des Gesellschafters die Folge wäre. b) Verzögerte Besteuerung Die dargestellte Sofortbesteuerung besteht jedoch nicht, wenn es sich bei der wegziehenden Gesellschaft um eine SE oder eine SCE handelt. Im Zeitpunkt des Wegzuges einer SE oder SCE entsteht auf der Ebene der Gesellschafter keine Besteuerungsfolge. Vielmehr erfolgt eine Besteuerung erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des Gesellschaftsanteils.646 Hierbei wird ein Gewinn im Veräußerungszeitpunkt in der Weise besteuert, als wenn der Wegzug nicht stattgefunden hätte (§ 4 Abs. 1 S. 4, § 15 Abs. 1a EStG, § 12 Abs. 1, 2. HS KStG). Die Besteuerung erfolgt hierbei bezogen auf den tatsächlichen Veräußerungsgewinn und nicht beschränkt auf den gemeinen Wert der Beteiligung im Zeitpunkt der Sitzverlegung.647 Dies gilt ungeachtet etwaiger Regelungen in einem Doppelbesteuerungsabkommen („treaty overriding“).648 2. Gesellschaftsanteile im Privatvermögen a) Beschränkung oder Ausschluss des Besteuerungsrechts Befindet sich die Beteiligung an der wegziehenden GmbH im Privatvermögen des Gesellschafters, ergibt sich aus § 17 Abs. 5 S. 1 EStG, dass anlässlich der Sitzverle645 646 647
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Vgl. beispielsweise DBA Deutschland-Frankreich, Art. 7 Abs. 1 Diese Regelung entspricht Art. 10 d FRL n. F. Die Bemessungsgrundlage bei dieser verzögerten Besteuerung ist größer, da durch die Bezugnahme auf den tatsächlichen Veräußerungserlös auch die Wertsteigerungen erfasst werden, die im Ausland nach dem Wegzug der SE oder SCE bezüglich des Gesellschaftsanteils erzielt wurden. Blumenberg/Lechner, Der Regierungsentwurf des SEStEG: Entstrickung und Sitzverlegung bei Kapitalgesellschaften, BB-Special 8/2006, 25, 31.
gung der Gesellschaft eine Besteuerung auf Gesellschafterebene erfolgt, sofern das Besteuerungsrecht von Deutschland ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Es wird eine Veräußerung zum gemeinen Wert fingiert. Sofern die Gesellschaftsbeteiligung im Privatvermögen gehalten wird und kein Fall einer Beteiligung nach § 17 Abs. 1 EStG649 vorliegt, scheidet diese Steuerfolge mangels Sonderregelung jedoch aus.650 Auch bei der Beteiligung im Privatvermögen ist zu konstatieren, dass in den meisten DBA der Wegzug einer Gesellschaft nicht zu dem Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts bezüglich des inländischen Gesellschafters und seiner Beteiligung führt.651 In diesem Zusammenhang kann daher auf die vorstehenden Ausführungen zum Gesellschaftsanteil im Betriebsvermögen verwiesen werden sowie auf die Ausnahmetatbestände, die das deutsche Besteuerungsrechts entfallen lassen bzw. einschränken können.652 b) Verzögerte Besteuerung Im Gegensatz zu der Steuerfolge bei einer Gesellschaftsbeteiligung im Betriebsvermögen, ordnet § 17 Abs. 5 S. 2 EStG für eine Gesellschaftsbeteiligung im Privatvermögen eine hiervon abweichende Regelung an.653 Eine Besteuerung auf Gesellschafterebene bei einem Wegzug einer Gesellschaft entfällt, wenn der Wegzug in einen EU-Staat erfolgt und es sich bei der wegziehenden Gesellschaft um eine SE oder eine andere Kapitalgesellschaft handelt.654 Mit der Einbeziehung auch „anderer Kapitalgesellschaften“ in den Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 5 S. 2 EStG geht diese Gesetzesformulierung über den Wortlaut der FRL hinaus. Die FRL sieht gemäß Art. 10 d Abs. 1 n. F. lediglich die SE und die SCE vor und ordnet an, dass bei einer entsprechenden Sitzverlegung einer SE oder SCE eine Besteuerung der Gesellschafter anlässlich der Sitzverlegung unzulässig ist.655 Im Hinblick auf die Gesetzesformulierung des § 17 Abs. 5 S. 2 EStG sind damit auch die Gesellschafter einer GmbH in diese steuerliche Privilegierung einzubeziehen. Eine Besteuerung der Gesellschafter anlässlich des Wegzuges der GmbH in einen EU-Staat entfällt hiernach.
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Dies wäre der Fall, wenn der Gesellschafter mit weniger als 1% an der Gesellschaft beteiligt ist. Es ist hierbei unbeachtlich, ob eine Spekulationsfrist gem. § 23 EStG bereits abgelaufen ist. Da die in dieser Arbeit untersuchte Sitzverlegung nach richtiger Ansicht identitätswahrend erfolgt, beginnt mit dem Wegzug der Gesellschaft auch keine neue Spekulationsfrist, vgl. Blumenberg/Lechner, Der Regierungsentwurf des SEStEG: Entstrickung und Sitzverlegung bei Kapitalgesellschaften, BB-Special 8/2006, 25, 31. Vgl. Benecke/Schnitger, Neuregelung des UmwStG, IStR 2006, 768 Vgl. die Ausführungen in 2. Kapitel, 3. Teil, IV. 1. Vgl. Benecke/Schnitger, Neuregelung des UmwStG, IStR 2006, 768 Vgl. Benecke, Entstrickung und Verstrickung bei Wirtschaftsgütern des Privatvermögens, NWB 2007, 14757, 14761 Auch die Gesetzesbegründung nimmt nur Bezug auf die Sitzverlegung einer SE oder einer SCE und verweist in diesem Zusammenhang auf Art. 10 d Abs. 1 FRL n. F., vgl. BR-Drucksache 542/06 v. 11.08.2006, 43
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Eine Gewinnbesteuerung erfolgt erst in dem Fall einer späteren Veräußerung der Gesellschaftsbeteiligung. Unabhängig von den Bestimmungen der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen vollzieht sich die Besteuerung in der gleichen Weise, wie wenn zuvor keine Sitzverlegung der Gesellschaft durchgeführt worden wäre (§ 17 Abs. 5 S. 3 EStG).656 Die Besteuerung erfolgt damit erst bei der späteren Veräußerung, allerdings bezogen auf den tatsächlichen Veräußerungsgewinn und nicht auf der Grundlage des gemeinen Wertes657 der Beteiligung im Zeitpunkt der Sitzverlegung.658 Damit fehlt bei einer späteren Veräußerung der Anteile die in § 17 Abs. 5 S. 1 EStG bestehende Beschränkung der Ermittlung des Veräußerungsgewinns auf den gemeinen Wert.659 3. Eigene Rechtsansicht und Zusammenfassung Nach alldem ist festzustellen, dass damit auf Ebene des Gesellschafters eine Besteuerung nicht erfolgt, wenn dem deutschen Staat weiterhin das Besteuerungsrecht an der Gesellschaftsbeteiligung uneingeschränkt zusteht. Obgleich bei der behandelten Fallkonstellation dieses Recht in den Doppelbesteuerungsabkommen regelmäßig Deutschland zusteht, können sich aus einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen Abweichungen ergeben. Nach einigen wenigen Doppelbesteuerungsabkommen660 wird das Besteuerungsrecht von Deutschland bezüglich der Gesellschaftsbeteiligung ausgeschlossen, wenn die GmbH deren Sitz fortan im ausländischen Abkommensstaat hat. In diesem Fall würde eine Besteuerung der Gesellschaftsbeteiligung erfolgen.661 Die gesetzlichen Regelungen mit Einführung des SEStEG ordnen bei einem Wegzug einer SE oder SCE und der Zugehörigkeit der entsprechenden Gesellschaftsanteile zum Betriebs- oder Privatvermögen des Gesellschafters eine verzögerte Besteuerung an. Die Besteuerung auf Gesellschafterebene erfolgt nur anlässlich der Veräußerung und nicht bereits anlässlich des Wegzuges der Gesellschaft. Dies allerdings unter Besteuerung des späteren Veräußerungserlöses und nicht beschränkt auf den gemeinen Wert der Beteiligung. Bei einem Wegzug einer GmbH würde diese Privilegierung nicht gelten. Lediglich bei einer Gesellschaftsbeteiligung im Privatvermögen führt der Wegzug der GmbH nicht 656 657
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Ebling, in: Blümich, EStG, § 17 EStG Rn. 279 e Blumenberg/Lechner, Der Regierungsentwurf des SEStEG: Entstrickung und Sitzverlegung bei Kapitalgesellschaften, BB-Special 8/2006, 25, 31. Der Veräußerungsgewinn errechnet sich aus dem Veräußerungserlös abzüglich der historischen Anschaffungskosten. Folglich erfasst die Besteuerung auch die, im Ausland angewachsenen, stillen Reserven. Kritisch hierzu, vgl. Ebling, in: Blümich, EStG, § 17 EStG Rn. 279 e, der im Hinblick auf die damit verbundene Schlechterstellung vorschlägt, die Beschränkung auf den gemeinen Wert auch für den Fall der verzögerten Besteuerung aufzunehmen. Beispielsweise DBA-Tschechien Vgl. Benecke/Schnitger, Neuregelung des UmwStG, IStR 2006, 768
zu einer sofortigen, sondern ebenfalls zu einer wie bei der SE bestehenden verzögerten Besteuerung. Hingegen wäre die eintretende Besteuerung auf der Ebene des Gesellschafters bei einem Wegzug der GmbH und der Gesellschaftsbeteiligung im Betriebsvermögen alleine aufgrund der Sitzverlegung der GmbH veranlasst. Diese Besteuerungsfolge ist für den Gesellschafter eine belastende Maßnahme, die ihn oder die Gesellschaft von einer Sitzverlegung in einen Europäischen Staat abhalten könnte. Eine europarechtliche Rechtfertigung für diese Steuerfolge ist nicht ersichtlich. Die steuerliche Privilegierung bei einer Gesellschaftsbeteiligung im Privatvermögen könnte im Kontext mit dem EuGH-Urteil Lasteyrie du Saillant662 und dem ursprünglich gegen Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens zur Änderung von § 6 AStG a.F.663 stehen. Der Gesetzgeber war offensichtlich darum bestrebt, im Lichte des Urteils zu Lasteyrie du Saillant, steuerliche Beschränkungen bei natürlichen Personen und deren Beteiligungen im Privatvermögen entfallen zu lassen, die anlässlich des Wegzuges aus Deutschland entstehen könnten. Gleichwohl sind diese gesetzlichen Regelungen nicht ausreichend, da in den zuvor dargestellten Fällen eine Besteuerung auf Gesellschafterebene erfolgen könnte. Eine solche Besteuerungsfolge wäre jedoch ebenfalls ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die europäische Niederlassungsfreiheit des Gesellschafters, da die Steuerpflicht anlässlich des Wegzuges der Gesellschaft aus Deutschland erfolgt. Die bereits dargestellten Ausführungen zur Niederlassungsfreiheit sind auch für den Gesellschafter heranzuziehen.664 Auf der Grundlage des Europarechts sind auch auf Gesellschafterebene etwaige Wegzugssteuern damit unzulässig und stellen einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Niederlassungsfreiheit des Gesellschafters (Art. 43 EGV) dar.665
D. Zwischenergebnis Die aktuellen Gesetze, die bereits durchgeführten Reformen und auch die neueren Gesetzgebungsvorlagen zeigen auf, dass der Gesetzgeber vordergründig darum bemüht ist, seine Gesetze dahingehend anzupassen, um den nationalen Gesellschaften eine Mobilität über die Grenzen in das EU-Ausland zu ermöglichen. Dies auch ohne den Eintritt von negativen steuerrechtlichen Konsequenzen. Bei näherer Untersuchung wird jedoch ersichtlich, dass der Gesetzgeber, vor allem durch nationale Fiskalinteressen, geprägt ist und seine Gesetzeslage ergebnisorientiert dahingehend anpasst. Aus den voranstehenden Untersuchungen ist zu folgern, 662 663 664 665
EuGH Rs. C-9/02-Lasteyrie du Saillant, Urt. v. 11.3.2004 Vgl. Mitteilung der EU-Kommission v. 19.4.2004, IP/04/493 Vgl. hierzu die Ausführungen unter 2. Kapitel, 1.Teil, C. und D. Im Hinblick auf die möglichen, aber im Ergebnis nicht einschlägigen, europarechtlichen Rechtfertigungsgründe wird auf die Ausführungen unter 2. Kapitel, 1. Teil, C. 4. und 2. Kapitel, 3. Teil, C. 3. sowie auf das EuGH Urteil Lasteyrie du Saillant verwiesen.
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dass der Gesetzgeber letztlich versuchen wird, den vollständigen Wegzug666 der nationalen Gesellschaften und damit auch der GmbH in das EU-Ausland zu verhindern, ohne zuvor die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern der GmbH aufzudecken und zu besteuern. Dies zeigt sich an der bisherigen fehlenden Möglichkeit im deutschen Recht, den Satzungssitz einer GmbH vollständig aus Deutschland zu verlegen. Gleichwohl kann dieses Gestaltungsziel durch direkte Anwendung des europäischen Primärrechts erreicht werden. Auf der steuerlichen Ebene setzt sich diese faktische „Blokadehaltung“ des Gesetzgebers fort. Eine ertragssteuerneutrale Sitzverlegung einer GmbH über die Grenzen hinweg wird nur solange ermöglicht, wie dies nicht zu einer Verkürzung des Besteuerungssubstrates für die Bundesrepublik Deutschland führt. Faktisch liegt damit ebenfalls eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor. Unter direkter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit ist es dem nationalen Fiskus jedoch versagt, an die zulässige grenzüberschreitende Verlegung der Gesellschaft mit ihrem Satzungs- und Verwaltungssitz in einen EU-Mitgliedsstaat, einen Steuerrealisierungstatbestand zu knüpfen. Zu dieser Ansicht gelangt auch die EU-Kommission in deren bereits dargestellten EU-Kommissionsmitteilung. Folglich ist die Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes einer GmbH in einen ausländischen EU-Staat bereits auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit ohne die Aufdeckung der stillen Reserven ertragssteuerneutral möglich. Die Ertragssteuerneutralität gilt sowohl auf Ebene der Gesellschaft als auch auf Ebene der Gesellschafter.
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Darunter ist die Verlegung des Satzungs- und des Verwaltungssitzes zu verstehen.
3. Kapitel Gestaltungskonzepte zur europarechtskonformen Umsetzung und Ausgestaltung von Sitzverlegungen in das EU-Ausland Das Europarecht und vorrangig das europäische Primärrecht zwingen den nationalen Gesetzgeber zu einer Anpassung seines Normensystems bezüglich deren Vereinbarkeit mit dem Europarecht. Dies gilt sowohl für das Gesellschafts- aber auch für das Steuerrecht. Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit – den ertragssteuerneutralen Wegzug einer GmbH in das EU-Ausland – ist der Gesetzgeber gezwungen, die, in dieser Untersuchung festgestellte, Ungleichbehandlung von Inlandsfällen und Auslandsfällen und die damit einhergehende Diskriminierung bei der Sitzverlegung einer GmbH in das EU-Ausland zu beseitigen. Bislang werden Sitzverlegungsgestaltungen der GmbH im Inland und Ausland im Wesentlichen aus fiskalpolitischen Gründen ungleich behandelt. Bei Inlandsfällen, d.h. bei der Sitzverlegung einer GmbH innerhalb von Deutschland, riskiert der Fiskus keinen Verlust von Steuersubstrat. Unabhängig von dem Sitz der GmbH im jeweiligen Bundesland fließen die Steuereinnahmen aus dem Körperschafts- und Einkommenssteuerrecht bei der Realisierung des Steuertatbestandes dem bundesdeutschen Fiskus zu. Lediglich bei der Gewerbesteuer entsteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen der Wegzugsgemeinde und der Zuzugsgemeinde. Bei einer Sitzverlegung einer GmbH über die deutschen Staatsgrenzen in das EU-Ausland („Auslandsfall“) wird der Zielkonflikt zwischen Deutschland als Wegzugsstaat und dem ausländischen Zuzugsstaat offenkundig und materiell gewichtig. Soweit in Deutschland bislang stille Reserven in den Wirtschaftsgütern der GmbH entstanden sind, hat Deutschland als Wegzugssaat ein fiskalpolitisches Interesse daran, im letzten Moment seiner Zugriffsmöglichkeit – an der Grenze – seinen Besteuerungsanspruch zu realisieren. Es soll verhindert werden, dass in Deutschland gebildetes Steuersubstrat ins Ausland abwandert. Gleichwohl ist die steuerpolitische Betrachtungsweise nicht geeignet, den Interessenkonflikt im Lichte der europäischen Grundfreiheiten zu lösen. Es sind daher Konzeptionen zu entwickeln, die alle beteiligten Interessen in einen schonenden Ausgleich bringen. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass die Konzeptionen ausgehend von den europäischen Grundfreiheiten bis auf die nationale Gesetzesebene herunter entwickelt werden müssen („topdown“-Ansatz) und nicht aus der Ebene des nationalen Steuerrechts heraus. Dem Gesetzgeber stehen hierbei grundsätzlich zwei Möglichkeiten offen. Zunächst können die Regelungen für die Behandlung von Inlandsfällen auch für die Auslandsfälle
J. A. C. Nave, Die ertragsteuerneutrale und identitätswahrende Sitzverlegung der GmbH 193 in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, DOI 10.1007/ 978-3-8349-9484-4_4, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
analog erweitert werden. Alternativ kann eine Gleichbehandlung der Auslandsfälle durch den Wegfall der Vergünstigungen für den Inlandsfall erreicht werden.667
A. Gesellschaftsrechtliche Konzeption I. Gesellschaftsrechtliche Anpassungen Da die EU-Grundfreiheiten einen einheitlichen Wirtschaftsraum schaffen sollen, sind auf EU-Ebene die gleichen gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten zu schaffen, die für die Sitzverlegung im Inland bestehen. Bei der Realisierung des gemeinsamen Wirtschaftsraumes müssen Gesellschaften eine Sitzverlegung über die staatlichen Grenzen hinweg genauso einfach und sanktionslos durchführen können wie bei Sitzverlegungen innerhalb eines Staates, beispielsweise bei Sitzverlegungen über einzelne Bundesländer in Deutschland hinweg. Zur europaweiten Sitzverlegung der GmbH müssen daher die Regelungen betreffend die Sitzverlegung in Deutschland auch auf die EU-weite Sitzverlegung angepasst werden. Es wird daher vorgeschlagen, § 4a GmbHG im Hinblick auf eine EU-weite Sitzverlegung des Satzungssitzes wie folgt anzupassen:668 § 4a GmbHG Satzungssitz oder Verwaltungssitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland oder in einem Staat der Europäischen Union, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. II. Bewertung der Maßnahmen Gegen diese vollständige Freigabe könnte zunächst sprechen, dass der deutsche Staat damit die Zugriffsmöglichkeit auf die, zunächst nach seinem Recht gegründete, GmbH verliert. Allerdings geht das Europarecht dem nationalen Recht vor, so dass eine gesetzliche Neukonzeption zunächst an den höherrangigen europäischen Normen auszurichten ist. Da das Gemeinschaftsrecht eine umfassende Mobilität von Gesellschaften in den EU-Staaten vorsieht, können staatliche Souveränitäts- und Kontrollverlustbedenken nicht berücksichtigt werden. Um gleichwohl eine weitere Kontrolle über die, eingangs nach deutschem Recht gegründete, GmbH beizubehalten, könnte der Zuzugsstaat verpflichtet werden, in regelmäßigen Abständen Kontrollmitteilungen an den „Herkunfts“-Staat oder an das „Herkunfts“-Handelsregister zu erteilen. Es ist offensichtlich, dass ausreichend Kontrollinstrumente zwischen den beteiligten EU-Staaten entwickelt werden könnten, um weiterhin die Aufsicht über die GmbHs bzw. andere nationale Gesellschaften beizubehalten.
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Dörr, Organschaft, IStR 2004, 265, 269 Die Unterstreichungen im Gesetzestext geben den Vorschlag des Verfassers für die entsprechenden Ergänzungen des Gesetzestextes wieder.
Um die, in der Präambel des EG-Vertrages genannten, Ziele der Europäischen Union zu verwirklichen und eine Ungleichbehandlung zwischen inländischen und grenzüberschreitenden Sitzverlegungen des Satzungssitzes zu vermeiden, ist es daher sachgerecht, die vollständige und beschränkungslose Mobilität von Gesellschaften und damit auch der GmbH durch eine gesetzliche Regelung rechtssicher zu ermöglichen.
B. Steuerrechtliche Konzeption I. Steuerrechtliche Anpassungen Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung, die Besteuerungstatbestände bei einer Sitzverlegung im deutschen Steuerrecht dahingehend anzupassen, dass keine Beschränkungen bei einer europaweiten Sitzverlegung einer GmbH vorliegen. Der Maßstab für die zu erfolgenden Anpassungen sind die europäischen Grundfreiheiten in ihren Konkretisierungen durch die Rechtsprechung des EuGH (Primärrecht) und die, auf diesen Sachverhalt anzuwendenden, europäischen Richtlinien und Verordnungen (Sekundärrecht). Die bisherigen Entstrickungstatbestände sind aus den vorstehend dargestellten europarechtlichen Gründen nicht mehr anwendbar. Andererseits hat der deutsche Fiskus nach der Entstrickung und dem Wegzug der GmbH in einen anderen Staat nach den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen keine Besteuerungshoheit mehr. Die EU-Kommission der Europäischen Gemeinschaften hatte mit Schreiben vom 03.04.2003 gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 ff. EGV eingeleitet, weil sie Zweifel an der Vereinbarkeit des § 6 AStG mit den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen über die Freizügigkeit von Personen und damit auch von Gesellschaften hatte. Im Hinblick auf das EuGH-Urteil Lasteyrie du Saillant war die EU-Kommission der Ansicht, dass die deutschen Regelungen zur Wegzugsbesteuerung weitergehende Beschränkungen als die französische Wegzugsbesteuerung enthalten haben und Deutschland die hoheitlichen Befugnisse zur Besteuerungsgestaltung im Hinblick auf das Europarecht überschreitet.669 Zwischenzeitlich hat die Bundesrepublik Deutschland durch das SEStEG § 6 AStG an die europarechtlichen Vorgaben angepasst. Im Hinblick auf die dargestellte Europarechtswidrigkeit der Besteuerungsregelungen in § 12 Abs. 1 KStG, für den Fall einer Sitzverlegung in das EU-Ausland, ist zukünftig zu erwarten, dass auch bezüglich der, oben bereits dargestellten, Normen zur Wegzugsbesteuerung von Kapitalgesellschaften Vertragsverletzungsverfahren gegen die 669
Gemäß Verfügung der OFD Berlin v. 30.7.2004, DStR 2004, 1385, war bis zum Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens § 6 AStG vorerst weiter anzuwenden. Bei Rechtsbehelfen einer Person oder einer Gesellschaft in einem anderen EU-Staat war Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
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Bundesrepublik Deutschland eingeleitet werden.670 Diese Vertragsverletzungsverfahren bezwecken, dass die EU-Mitgliedsstaaten die jeweiligen nationalen Regelungen europarechtskonform umgestalten. Folglich gebietet es sich bereits jetzt, alternative europarechtskonforme Regelungen zu einer Wegzugsbesteuerung auf der Ebene der wegziehenden Gesellschaft und der Gesellschafter zu konzipieren. 1. Anpassung der deutschen Steuernormen a) Änderung von § 12 Abs. 1 KStG Nach richtiger Ansicht ist § 12 Abs. 1 KStG in der jetzigen Fassung europarechtswidrig und kann daher wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht angewendet werden. Der nationale Gesetzgeber muss diese Norm daher europarechtskonform ausgestalten. Aus den besprochenen EuGH-Urteilen zur Wegzugsfreiheit und zur Wegzugsbesteuerung folgt für den deutschen Staat nicht das absolute Verbot, eine Wegzugsbesteuerung einzuführen. Unzulässig ist lediglich, die Wegzugsbesteuerung an die Verlegung des Sitzes (Satzungs- und Verwaltungssitz) der Gesellschaft zu knüpfen. Der Auslandsfall darf steuerlich für die Gesellschaft nicht ungünstiger behandelt werden, als der Inlandsfall. Sofern der deutsche Gesetzgeber jedoch für einen Inlandsfall keine Wegzugsbesteuerung einführt, kann eine solche auch nicht für den Auslandsfall ausgestaltet werden. Bei dem jetzigen Stand der Diskussion und der Ankündigungen des Gesetzgebers und der Bundesregierung kann davon ausgegangen werden, dass eine Wegzugsbesteuerung für den Inlandsfall, beispielsweise bei einem Wegzug einer Gesellschaft aus Hessen nach Niedersachsen nicht eingeführt wird. Konsequenterweise kann eine solche Wegzugsbesteuerung auch nicht für den Auslandsfall bestand haben. Zur Vermeidung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland empfiehlt der Verfasser daher, § 12 Abs. 1 KStG nunmehr europarechtskonform auszugestalten. Anlehnend an die gesellschaftsrechtliche Konzeption wird vorgeschlagen, auch den, für die Sitzverlegung in das EU-Ausland maßgeblichen, § 12 Abs. 1 KStG im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht anzupassen. Dies erfolgt durch eine Erweiterung der bisherigen Gesetzesformulierung. Gesetzestechnisch wird die, bereits in § 12 Abs. 1 KStG vorgesehene, Besteuerungsfolge ausgeschlossen, soweit es sich um Steuersubjekte mit Sitz in Staaten der Europäischen Union handelt. Es wird daher vorgeschlagen, § 12 Abs. 1 KStG im Hinblick auf eine EU-weite Sitzverlegung wie folgt anzupassen:671 670
196
Vgl. hierzu bereits die EU-Kommissionsmitteilung v. 19.12.2006, KOM (2006) 825 endg., die eine Wegzugsbesteuerung anlässlich des Wegzuges von Unternehmen für europarechtswidrig hält.
§ 12 KStG – Verlust oder Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (1) Wird bei der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert; § 4 Abs. 1 Satz 4, § 4g und § 15 Abs. 1a des Einkommensteuergesetzes gelten entsprechend. Absatz 1 gilt nicht für einen Verlust oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland infolge einer Sitzverlegung einer Körperschaft oder Personenvereinigung in einen Staat der Europäischen Union. b) Änderung von § 4 Abs. 1 S. 4 EStG Um die Sitzverlegung einer GmbH ins EU-Ausland europarechtskonform und ertragssteuerneutral zu ermöglichen, muss diese Steuerneutralität auch für die Gesellschafter der wegziehenden Körperschaft statuiert werden. Bei der SE und SCE hat der Gesetzgeber diesen Sachverhalt bereits entsprechend geregelt. Diesbezüglich sieht bei Gesellschaftsanteilen im Privatvermögen § 17 Abs. 5, S. 2 EStG bereits vor, dass beim Wegzug einer SE, SCE und anderer Kapitalgesellschaften auf Gesellschafterebene keine Wegzugsbesteuerung erfolgt. Die wegziehende GmbH in dieser Untersuchung ist daher bereits von dieser Norm erfasst. In diesem Wegzugsfall ergäbe sich für einen Gesellschafter mit der GmbH-Beteiligung im Privatvermögen keine Besteuerungsfolge anlässlich des Wegzugs der Gesellschaft. Bei einer Gesellschaftsbeteiligung im Betriebsvermögen einer natürlichen Person (§ 4 Abs. 1 S. 4 KStG) oder einer Körperschaft (§ 12 Abs. 1, 2. HS. KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 4 EStG) ist die Ertragssteuerneutralität für den Gesellschafter lediglich für den Wegzug einer SE oder SCE normiert. Die GmbH wird von dieser Privilegierung derzeit nicht erfasst. Zur Vermeidung von belastenden Besteuerungsfolgen auf Gesellschafterebene und der bereits untersuchten Europarechtswidrigkeit im Wegzugsfall schlägt der Verfasser vor, die GmbH in den betreffenden Steuernormen analog der SE und der SCE zu behandeln und § 4 Abs. 1 S. 4 EStG672 wie folgt anzupassen:673
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Die Unterstreichungen im Gesetzestext geben den Vorschlag des Verfassers für die entsprechenden Ergänzungen des Gesetzestextes wieder. Bei einer Körperschaft als Gesellschafterin würde § 4 Abs. 1 S. 4 EStG i.V.m. § 12 Abs. 1 2. HS KStG Anwendung finden. Die Unterstreichungen im Gesetzestext geben den Vorschlag des Verfassers für die entsprechenden Ergänzungen des Gesetzestextes wieder.
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§ 4 EStG Gewinnbegriff im Allgemeinen (1) 1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. 2Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. 3Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich. 4Satz 3 gilt nicht für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft, Europäischen Genossenschaft oder einer anderen Kapitalgesellschaft, die nach dem Recht eines der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegründet wurde in den Fällen 1. einer Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. EG Nr. L 294 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 885/2004 des Rates vom 26. April 2004 (ABl. EU Nr. L 168 S. 1), 2. einer Sitzverlegung der Europäischen Genossenschaft nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. EU Nr. L 207 S. 1), und 3. einer Sitzverlegung einer anderen Kapitalgesellschaft, die nach dem Recht eines der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegründet wurde. 2. Anpassungen im Gemeinschaftsrecht Bei der durchzuführenden Neugestaltung einer Wegzugsbesteuerung besteht die Ausgangsproblematik darin, welchem Staat in einem Wegzugsfall das Besteuerungsrecht zustehen soll. Es ist hierbei eine ausgewogene Lösung, unter Berücksichtigung der Besteuerungshoheiten der einzelnen Mitgliedsstaaten zu entwickeln. Bei der Zuweisung des Besteuerungsrechts an einen Staat muss insbesondere berücksichtigt werden, auf welchem Staatsgebiet die stillen Reserven gebildet wurden. Eine ausgewogene Lösung kann sachgerecht nur auf der Ebene des Gemeinschaftsrechtes erzielt werden, da eine ausschließliche nationale Regelung die eigenen 198
staatlichen Interessen bevorzugen wird und im Zweifel den Zuzugsstaat bei der Gestaltung und Verteilung der Besteuerungsrechte benachteiligt. Eine gemeinschaftsrechtliche Lösung würde eine „Schiedsfunktion“ bei den widerstreitenden Besteuerungsinteressen der einzelnen Staaten übernehmen. Konflikte durch das Nebeneinander der verschiedenen nationalen Steuerrechtsordnungen würden vermieden werden. Im Interesse einer gemeinschaftsweiten Lösung der Problematik ist dieser Ansatz vorzugswürdig.674 Die Fragen der Besteuerung bei einer Sitzverlegung wären hiernach durch europäische Richtlinien und Verordnungen zu regeln. Eine solche Anpassung der Sitzverlegungsbesteuerung hätte auch den Vorteil, dass durch eine EU-Richtlinie bzw. EU-Verordnung die erforderlichen Änderungen in den Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den europäischen Staaten unmittelbar erfolgen würde. 3. Ersatzloser Wegfall der Wegzugsbesteuerung mit Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland könnte für die Lösung optieren, dass künftig eine Wegzugsbesteuerung, gleich welcher Art, ersatzlos wegfiele. Aufgrund der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen würde eine Besteuerung der stillen Reserven in dem jeweiligen Zuzugsstaat als neuem Ansässigkeitsstaat erfolgen. Bei dieser Lösung würde Deutschland jedoch weit über die Grundsätze des EuGH zur „Wegzugsbesteuerung“ hinausgehen. In dem Urteil Lasteyrie du Saillant wurde die Wegzugsbesteuerung nicht grundsätzlich als europarechtswidrig qualifiziert, sondern nur in ihrer derzeitigen gesetzlichen Ausprägung. Denkbar wäre daher ein Wegfall der Wegzugsbesteuerung mit gleichzeitiger Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen.675 Bei einer solchen Änderung müsste Deutschland das Besteuerungsrecht für die stillen Reserven erhalten, die auf deutschem Staatsgebiet gebildet wurden.676 Dies wäre eine strukturelle Abweichung von der bisherigen Abkommenslage, nach der der jeweilige Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht erhält und dies unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Staatsgebiet die entsprechenden stillen Reserven von dem Steuersubjekt gebildet wurden.677 Derjenige Staat, in dem die stillen Reserven ursprünglich gebildet wurden, verliert durch den Wegzug der Gesellschaft damit das Besteuerungsrecht. Ein „nachlaufendes“ Besteuerungsrecht findet sich nur in wenigen Doppel-
674 675 676
677
Haase, Schlussbesteuerung, IStR 2004, 232, 236 Wassermeyer, 15 Jahre Außensteuergesetz, DStR 1987, 635, 638 Im Ergebnis zustimmend: Wassermeyer, Entstrickung versus Veräußerung und Nutzungsüberlassung steuerrechtlich gesehen, IStR 2008, 176, 180; Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rn. D 1162 ff. Vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. An diese Musterregelung lehnen sich die meisten Doppelbesteuerungsabkommen an.
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besteuerungsabkommen.678 Im Sinne einer EU-weiten und vereinheitlichten Verfahrensweise könnte daher Art. 13 des OECD DBA-MA um eine Regelung erweitert werden, die dem Herkunftsstaat stets die Besteuerung der, auf seinem Staatsgebiet erzielten, stillen Reserven ermöglicht. Der Autor schlägt in diesem Zusammenhang die nachstehende Neufassung des Art. 13 OECD-MA vor:679 Artikel 13. Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen (1) Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person oder aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens im Sinne des Artikels 6 bezieht, das im anderen Vertragsstaat liegt, können im anderen Staat besteuert werden. (2) Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebstätte ist, die ein Unternehmen eines Vertragsstaates im anderen Vertragsstaat hat, einschließlich derartiger Gewinne, die bei der Veräußerung einer solchen Betriebstätte (allein oder mit dem übrigen Unternehmen) erzielt werden, können im anderen Staat besteuert werden. (3) Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, und von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe oder Luftfahrzeuge dient, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. (4) Gewinne, die eine, in einem Vertragsstaat ansässige, Person aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen bezieht, deren Wert zu mehr als 50 vom Hundert unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht, das im anderen Vertragsstaat liegt, können im anderen Vertragsstaat besteuert werden. (5) Gewinne aus der Veräußerung des, in den Absätzen 1 bis 4 nicht genannten, Vermögens können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist.
678
679
200
Vgl. DBA-Finnland, Art. 13 Abs. 5; DBA-Österreich, Art. 13 Abs. 6; DBA-Dänemark, Art. 13 Abs. 5; DBA-Schweden, Art. 13 Abs. 5 Die Unterstreichungen im DBA-Text geben den Vorschlag des Verfassers für die entsprechenden Ergänzungen des DBA-Textes wieder.
(6) Absatz 5 berührt nicht das Recht des erstgenannten Staates (Herkunftsstaat), bei Anteilen an Gesellschaften oder bei betrieblichem Vermögen diese nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften bis zu einem Ansässigkeitswechsel der ansässigen Person oder des ansässigen Unternehmens zu besteuern. Nach einem Ansässigkeitswechsel behält der erstgenannte Staat weiterhin das Besteuerungsrecht für den, bis zu dem jeweiligen Ansässigkeitswechsel erfolgten, Vermögenszuwachs an den Anteilen an Gesellschaften oder am betrieblichen Vermögen. 4. Fortgeltende Wegzugsbesteuerung bei staatlichem Ziel der Missbrauchsabwehr Sofern der deutsche Staat in seiner neuen Konzeption der Wegzugsbesteuerung lediglich den fiskalischen Zweck der Missbrauchsabwehr verfolgt, könnte die bisherige Wegzugsbesteuerung modifiziert beibehalten werden. Eine Wegzugsbesteuerung könnte nach den bisherigen Vorschriften für den Fall beibehalten werden, dass ein Steuersubjekt nach einem verhältnismäßig kurzen Aufenthalt in einem „Niedrigsteuerland“ und nach dortiger Realisierung der stillen Reserven wieder nach Deutschland zurückkehrt. Der in dem kurzen Aufenthalt in einem „Niedrigsteuerland“ gesetzte Anschein würde nahelegen, dass es sich hierbei nicht um eine „echte“ Sitzverlegung in einen anderen Staat handelt. Vielmehr drängt sich in einem solchen Fall die Vermutung auf, dass durch diesen „unechten“ Wegzug lediglich das unterschiedliche Steuergefälle für die Realisierung der stillen Reserven genutzt werden sollte und dies unter dem „Deckmantel der europäischen Wegzugsfreiheit“. Das Europarecht dient jedoch nicht dazu, dass Steuersubjekte unterschiedliche Steuergefälle in Europa ausnutzen, sondern es dient der Verwirklichung der europäischen Grundfreiheiten. Folglich stünden die steuerpolitischen Interessen des Steuersubjektes nicht unter dem Schutz des Europarechts und der europäischen Niederlassungsfreiheit. 5. Anwendung der bisherigen Wegzugsbesteuerung auf Drittstaaten Die europäischen Grundfreiheiten gelten gemäß dem EG-Vertrag nur für die EUMitgliedsstaaten.680 Auf Drittstaaten entfalten diese Grundfreiheiten keine Rechtswirkung.681 Der Gesetzgeber könnte daher das bisherige Außensteuerrecht nunmehr lediglich auf Drittstaaten anwenden, da im Verhältnis zu diesen Drittstaaten die Nie680
681
Art. 10 EGV regelt den Grundsatz der innerstaatlichen Geltung von Gemeinschaftsrecht. Aus diesem Grundsatz folgt die unmittelbare Geltung von primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, vgl. EuGH Rs.-6/64-Costa/ENEL, Urt. v. 15.7.1964, Slg. 1963, 1253 Der EG-Vertrag bindet als völkerrechtlicher Vertrag nur die Vertragsstaaten. Eine belastende Wirkung für einen Drittstaat ist damit bereits nach dem Völkerrecht nicht möglich. Denkbar wäre jedoch, dass die Vertragsstaaten für einen Drittstaat günstige Regelungen treffen, die für den Drittstaat nur Wirkung entfalten, wenn der Drittstaat sich auf diese Regelungen beruft.
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derlassungsfreiheit des EG-Vertrages keine Anwendung findet. Im Interesse einer Weiterentwicklung des Außensteuerrechtes und einer zulässigen gesetzlichen Konzeption für alle Länder, ist dieses einseitige Vorgehen jedoch abzulehnen. 6. Periodische Feststellung und Besteuerung der stillen Reserven Die gesetzliche Regelung könnte dahingehend umgestaltet werden, dass nunmehr in periodischen Abständen eine Bewertung der stillen Reserven mit einer anschließenden Besteuerung erfolgt. Die stillen Reserven wären hiernach zum Verkehrswert zu bewerten. Hiergegen sprechen jedoch verfassungsrechtliche Bedenken, da es hierbei zu einer Steuererhebung käme, obgleich das Steuersubjekt zuvor keinen Liquiditätszufluss erhalten hat und demnach die Steuern zunächst nicht aus erhaltenen Geldmitteln bezahlt werden könnten. Des Weiteren wäre dies auch eine Abkehr vom Prinzip der Veräußerungsgewinnbesteuerung. Ein Prinzip, das das deutsche Steuerrecht immanent prägt. 7. Besteuerung beim Wegzug mit anschließender Stundung bis zum Realisierungsfall Nach dieser Konzeption erfolgt beim Wegzug des Steuersubjektes eine Feststellung der stillen Reserven. Anschließend wird auch die Steuer festgesetzt. Diese Steuer wird jedoch nicht unmittelbar beim Wegzug erhoben, sondern erst, wenn das Steuersubjekt die stillen Reserven, beispielsweise durch eine Veräußerung, realisiert. Hierin liegt eine Stundung des Steueranspruchs, der verfahrensrechtlich durch das Institut der vorläufigen Steuerfestsetzung gemäß § 165 AO umgesetzt werden würde.682 Um keine nachteiligen Wirkungen zu entfalten, sollte diese Stundung automatisch erfolgen und nicht durch eine vorherige Antragstellung bedingt sein.683 Um auch keine nachteiligen Wirkungen durch eine Zinserhebung eintreten zu lassen, sollten auch keine Stundungszinsen für den Stundungszeitraum erhoben werden.684 Diese Vorgehensweise wird bereits bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte angewendet und ist daher im Grundsatz bereits von der Finanzverwaltung anerkannt.685 Hierfür müssten jedoch die Doppelbesteuerungsabkommen dahingehend angepasst werden, dass im Wegzugsfall der Ansässigkeitsstaat (Zuzugsstaat) das Besteuerungsrecht nicht für die stillen Reserven erhält, die zuvor durch das Steuersubjekt in einem anderen Staat (Wegzugsstaat) gebildet wurden. Es wäre eine wertmäßige Periodenabgrenzung der stillen Reserven zwischen dem Wegzugsstaat und dem Zuzugsstaat durchzuführen.686 682 683 684
685 686
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Birk, in: Kirchhof/Jakob/Beermann, Steuerrechtsprechung, 163, 172 Kraft/Müller, Schlussfolgerungen, RIW 2004, 336, 339 Rödder, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 1629, 1633; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt, IStR 2004, 289, 296 Vgl. Betriebsstättenerlass des BMF v. 24.12.1999 Zustimmend Pohl, Wohnsitzwechsel, IStR 2002, 541
Durch die EU-Amtshilferichtlinie687 kann sichergestellt werden, dass der Wegzugsstaat von der Realisierung der stillen Reserven im Zuzugstaat Kenntnis erlangt und seine Besteuerungsansprüche sodann geltend machen kann. Anschließend kann der Steueranspruch des Wegzugsstaates durch die EU-Beitreibungsrichtlinie688 auch gegen das, nunmehr nicht mehr im Wegzugsstaat befindliche, Steuersubjekt vollstreckt werden. 8. Wertverlustberücksichtigung zwischen Stundung und Veräußerung Die, im Zeitpunkt der Sitzverlagerung festgesetzte, Steuer muss jedoch auch die Wertentwicklung zwischen dem Zeitpunkt der Steuerfestsetzung mit anschließender Stundung und dem späteren Realisierungsmoment berücksichtigen. Sofern der Wert der stillen Reserven im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation unter deren Wert im Zeitpunkt der Sitzverlagerung liegt, müssen die späteren Wertverluste auf die Höhe des zu versteuernden Reservevolumens angerechnet werden.689 Folglich ist der geringere Wert im Zeitpunkt der Realisierung maßgebend. Andernfalls würden Wertzuwächse besteuert werden, die jedoch tatsächlich zu keinem Zeitpunkt erzielt wurden. Es käme hierdurch im Vergleich zu einem Inlandssachverhalt zu einer überhöhten Besteuerung.690 Des Weiteren wären auch Änderungen des Steuersatzes zwischen Feststellungszeitpunkt und Realisierungszeitpunkt zu beachten. Ein im Realisierungszeitpunkt niedrigerer Steuersatz wäre für die endgültige Steuerberechnung anzuwenden. Andernfalls läge eine ungerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber dem Inlandssachverhalt vor. 9. Sicherheitsleistung zur Sicherung des Steueranspruchs Ausgehend von der Überlegung, dass der deutsche Staat beim Wegzug eine Besteuerung nicht durchführt, sondern lediglich den Steueranspruch feststellt und erst bei einer späteren Veräußerung im Ausland besteuert, stellt sich die Frage, ob der deutsche Staat den, in der Zukunft liegenden, Steueranspruch nicht bereits jetzt besichern könnte. Als Sicherungsmittel könnte eine Sicherheitsleistung auf den zukünftigen Steueranspruch vom Steuersubjekt verlangt werden. Gemeinschaftsrechtlich ist nicht geklärt, ob die Erhebung einer Sicherheitsleistung europarechtskonform ist. Der EuGH und auch der Generalanwalt haben sich in dem Verfahren Lasteyrie du Saillant nicht im grundsätzlichen Sinne mit der Zulässigkeit 687 688
689 690
Richtlinie 77/799/EWG, ABl.EG L 336/15 v. 19.12.1977 Richtlinie 76/308/EWG v. 15.3.1976, zuletzt geändert durch Richtlinie 2001/44/EG, ABl.EG L 175, 17; vgl. Müller, Beitreibungsrichtlinie, IWB 1999, 563 Schön, Besteuerung im Binnenmarkt, IStR 2004, 289, 296 f. Schindler, Wegzugsbesteuerung, IStR 2004, 300, 310; Schnittger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragssteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, BB 2004, 804, 813
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einer Sicherheitsleistung befasst, so dass dieses Sicherungsmittel in die Gestaltungsüberlegungen einbezogen werden könnte.691 Allerdings spricht gegen diesen Ansatz die europäische Amtshilferichtlinie692 und die korrespondierende Beitreibungsrichtlinie.693 Durch diese beiden Verfahrensinstrumente sind bereits zwei Beitreibungs- und Sicherungsinstrumente in das europäische Recht umgesetzt worden, die den Vollzug des Steueranspruchs sicherstellen.694 Die zusätzliche Erhebung einer Sicherheitsleistung belastet das Steuersubjekt erheblich, da für die Sicherheitsleistung Liquidität zur Verfügung gestellt werden muss, die dem Steuersubjekt im Zweifelsfall nicht zur Verfügung steht. Ein Wegzug könnte daher faktisch mangels Geldmittel nicht vollzogen werden. Gerade diese faktischen Wegzugsbeschränkungen verbietet jedoch das Gemeinschaftsrecht und auch die Rechtsprechung des EuGH. Vor dem Hintergrund der ausreichenden alternativen Sicherungsmittel, nämlich Amthilfe und Beitreibung, ist die zusätzliche Erhebung einer Sicherheitsleistung als unverhältnismäßige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu bewerten und damit als europarechtswidrig zu qualifizieren.695 II. Bewertung der Maßnahmen Die vorstehend genannten Gestaltungsalternativen zur Modifizierung der Wegzugsbesteuerung haben unterschiedliche Regelungsansätze, die die Steuersubjekte in unterschiedlicher Weise belasten. Aus den Gestaltungsalternativen ist nunmehr durch eine Abwägung unter Berücksichtigung der Besteuerungsinteressen des Staates und der Niederlassungs- und Wegzugsfreiheit des Unternehmens diejenige Gestaltungsmöglichkeit zu ermitteln, die beide Interessen in einen schonenden Ausgleich bringt. 1. Abzulehnende Gestaltungsmöglichkeiten Die vorstehenden Ansätze der gesetzlichen Neuregelung der Wegzugsbesteuerung berücksichtigen die Problematik der widerstreitenden Interessen nicht umfänglich. Gegen manche Gestaltungsansätze sprechen bereits die fiskalpolitischen Interessen des Staates, der nicht auf die Besteuerung der, auf seinem Staatsgebiet gebildeten, stillen Reserven ersatzlos verzichten kann. Andererseits kann die Niederlassungsund Wegzugsfreiheit der Steuersubjekte nicht unangemessen eingeschränkt werden. 691
692 693
694 695
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Vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Mischo v. 13.3.2003 zur RS. C-9/02–Lasteyrie du Saillant, a.A. Schnittger, BB 2004, 804, 807, wonach der EuGH bereits eine Änderung seiner Rechtsprechung eingeläutet haben soll. Richtlinie 77/799/EWG, ABl.EG L 336/15 v. 19.12.1977 Richtlinie 76/308/EWG v. 15.3.1976, zuletzt geändert durch Richtlinie 2001/44/EG, ABl.EG L 175, 17 Rödder, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 1629, 1633 Körner, Europarecht und Wegzugsbesteuerung – das EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004, 424, 424; Kraft/Müller, Schlussfolgerungen, RIW 2004, 336, 369; Rödder, Unternehmensbesteuerung, DStR 2004, 1629, 1633
Dies verbietet bereits das Europarecht. Zudem muss eine gesetzliche Neuregelung der Wegzugsbesteuerung auch praktisch mit möglichst wenig Verwaltungsaufwand durchführbar bleiben. In diesem Spannungsfeld der verschiedenen steuerlichen „Stakeholder“ müssen die neuen Regelungsansätze gestaltet werden. Die unterschiedlichen Interessen müssen in einem schonenden, angemessenen und europarechtlich zulässigen Abwägungsprozess berücksichtigt werden. Ein vollständiger Wegfall der Besteuerung der stillen Reserven ist unangemessen. Ein Unternehmen baut stille Reserven auf einem Staatsgebiet dadurch auf, indem der Verkehrswert eines Wirtschaftsgutes seinen Buchwert übersteigt. Ein Verkehrswert steigt, wenn in dem Markt ein steigender Preis für das Wirtschaftsgut bezahlt wird. Dieser Preis wird im Wesentlichen auch durch die marktwirtschaftlichen Bedingungen in einem Staat beeinflusst. Zudem profitiert ein Unternehmen auch von den staatlichen Rahmenbedingungen, Infrastruktur etc., so dass der Erfolg einer Unternehmung zu einem gewissen Teil auch an die jeweiligen staatlichen Rahmenbedingungen geknüpft ist. Der Staat, in dem die stillen Reserven gebildet wurden, hat daher bis zu einem gewissen Grad auch ein Anrecht, an den stillen Reserven des Unternehmens zu partizipieren, da diese auf seinem Staatgebiet unter Nutzung der staatlichen Rahmenbedingungen gebildet wurden. Folglich ist das Ziel der Besteuerung der stillen Reserven fiskalpolitisch legitim, so dass ein ersatzloser Wegfall einer „Wegzugsbesteuerung“ durch eine gesetzliche Neuregelung abzulehnen ist. Abzulehnen ist ebenfalls eine Wegzugsbesteuerung auf die Fälle der Missbrauchsabwehr zu beschränken. Dieses Regelungsziel ist zwar berechtigt, allerdings stellt der EuGH hohe Anforderungen an die Tatbestände der Missbrauchsabwehr, um zu gewährleisten, dass die Staaten die europäischen Grundfreiheiten nicht stets durch den Hinweis auf eine rechtfertigende Missbrauchsabwehr unterlaufen. Die gesetzliche Neuregelung der „Wegzugsbesteuerung“ sollte konzeptionell europarechtskonform gefasst werden und nicht bereits „im Keime“ die Europarechtswidrigkeit beinhalten. In der Praxis würde es stets zweifelhaft sein, ob es sich bei einer Neufassung der Wegzugsbesteuerungskonzeption zur Missbrauchsabwehr bereits um eine europarechtswidrige oder gerade noch um eine europarechtskonforme Regelung handelt. Wie oben bereits ausgeführt, ist bei einer Neuregelung nicht zwischen EU-Staaten und Drittstaaten zu unterscheiden. Eine solche Differenzierung bietet nicht die erforderliche Rechtssicherheit. Bei einer Erweiterung der Europäischen Union wäre eine zuvor rechtmäßige Wegzugsbesteuerung nunmehr als europarechtswidrig zu qualifizieren, wenn der Drittstaat nunmehr EU-Mitgliedsstaat werden würde. Da die Europäische Union darauf ausgerichtet ist, sich zu erweitern, wäre eine reine Drittstaatenlösung nur von eingeschränkter Dauer. Der Gesetzgeber sollte jedoch die Gelegen-
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heit nutzen, eine dauerhaft rechtmäßige Neuregelung sowohl bezüglich der EUStaaten als auch im Hinblick auf Drittstaaten zu gestalten. Abzulehnen sind ebenfalls Gestaltungskonzeptionen, die das Unternehmen einer Besteuerung unterwerfen, obgleich eine Gewinnrealisierung noch nicht eingetreten ist. Eine periodische Feststellung und Besteuerung der stillen Reserven belastet die Unternehmen, da in diesem Fall nicht realisierte Buchgewinne besteuert werden würden. Dem Unternehmen würde keine Liquidität zufließen, um die Steuern zu bezahlen. Eine Neuregelung sollte jedoch die Steuerlast für die Unternehmen nicht weiter erhöhen und auch nicht zu einer Liquiditätsschwächung der Unternehmen führen. 2. Vorzugswürdige Gestaltungsmöglichkeiten Den Vorzug verdient die Konzeption, nach dem die Wegzugsproblematik durch eine gemeinschaftsrechtliche Lösung einheitlich neu geregelt wird. Hierdurch kann verhindert werden, dass die einzelnen Staaten Lösungen entwickeln, die hauptsächlich an deren eigenen Besteuerungsinteressen ausgerichtet sind und hierbei die übergeordneten Interessen der Europäischen Union vernachlässigen und übergehen. In diesem Zusammenhang sollte die bisherige Konzeption einer Wegzugsbesteuerung durch eine Konzeption der Transaktionsbesteuerung ersetzt werden. Hiernach würde der Steueranspruch erst realisiert werden, wenn sich ein Wechsel der zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümerstellung bezüglich des Wirtschaftsgutes ergibt. Durch eine EU-Richtlinie könnten die Mitgliedsländer verpflichtet werden, deren Gesetze und auch bestehende Doppelbesteuerungsabkommen dahingehend zu ändern, dass bei einem Zuzugsfall von Unternehmen, die stillen Reserven, die bereits in dem Unternehmen aus seinem Wegzugsstaat verhaftet sind, auch nur in diesem Wegzugsstaat besteuert werden dürfen. Die stillen Reserven blieben daher im Wegzugsstaat bis zu einer Realisierung „konserviert“.696 Verfahrensrechtlich wären hierzu die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zu ändern, die derzeit eine analoge Regelung zu Art. 13 Abs. 5 OECD-MA vorsehen. Hiernach sind im Wegzugsfall die stillen Reserven nur im Zuzugsstaat als neuem Ansässigkeitsstaat zu versteuern. Der Wegzugsstaat verliert insoweit das Besteuerungsrecht. Bei einer Neuregelung würde im Wegzugsfall der Wegzugsstaat die stillen Reserven in dem „wegziehenden“ Unternehmen feststellen und auch die betreffende Steuer festsetzen. Diese Steuerfestsetzung wäre sodann mit einer Stundung von Amts wegen bis zum Zeitpunkt der Gewinnrealisierung verbunden. Hierdurch wäre gewährleistet, dass die bestehenden stillen Reserven im Wegzugsstaat 696
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Im Ergebnis zustimmend: Wassermeyer, Entstrickung versus Veräußerung und Nutzungsüberlassung steuerrechtlich gesehen, IStR 2008, 176, 180; Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rn. D 1162 ff.
letztlich besteuert werden. Das Unternehmen wäre nicht mit der Steuer im Zeitpunkt des Wegzugs belastet, da diese erst bei der tatsächlichen Gewinnrealisierung fällig werden würde.697 Bei der Realisierung der stillen Reserven würden zudem Wertminderungen und auch eine Reduzierung des zu diesem Zeitpunktes anwendbaren Steuersatzes entsprechend berücksichtigt werden. Das Besteuerungsverfahren würde an eine Mitteilung durch das Handelsregister geknüpft werden. Sobald das Unternehmen seinen Sitz aus Deutschland durch einen Sitzverlegungsantrag beim deutschen Handelsregister verlegen würde, erhielte die Finanzverwaltung hiervon eine Kontrollmitteilung. Die Umsetzung der Sitzverlegung im deutschen Handelsregister in einen anderen EU-Staat müsste an eine Zustimmungserklärung des Finanzamtes geknüpft werden. Das Finanzamt würde verpflichtet sein, diese Zustimmungserklärung zu erteilen, nachdem die stillen Reserven zuvor festgestellt und die Steuer – verbunden mit einer Stundung der Zahlungspflicht von Amts wegen – entsprechend festgesetzt werden würde. Aufgrund der europäischen Amtshilfe- und Beitreibungsrichtlinie wäre für die deutsche Finanzverwaltung sodann sichergestellt, dass diese von dem Veräußerungsvorgang und der Aufdeckung der stillen Reserven erfahren würde, so dass der Steueranspruch letztlich auch beigetrieben und vollstreckt werden könnte. Diese Verfahrensweise bringt die verschiedenen Interessen des Wegzugsstaates und des Unternehmens in einen schonenden Ausgleich. Der Wegzugsstaat behält seinen Steueranspruch und kann diesen im transaktionsbedingten Realisierungsfall auch nachvollziehen und beitreiben. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Land das Unternehmen bei der Gewinnrealisierung ansässig ist. Gleichzeitig ist auch das wegziehende Unternehmen im Wegzugsfall nicht belastet, da der Steueranspruch beim Wegzug aus Deutschland nicht fällig wird. Lediglich bei einer Gewinnrealisierung mit einem damit verbundenen Liquiditätszufluss wäre die Steuer zu entrichten. Aufgrund der bestehenden Mitteilungspflichten des Handelsregisters an das Finanzamt wäre auch dem Informationsbedürfnis der Finanzverwaltung entsprochen. Die Beitreibung des Steueranspruchs wäre durch den Wegzugsfall auch nicht erschwert, da die Finanzverwaltung durch die EU-Amtshilfe- und EU-Beitreibungsrichtlinie über ausreichende Beitreibungs- und Vollsteckungsmöglichkeiten verfügen würde. Gleichwohl wäre die Umsetzung dieser beschriebenen Konzeption auf bilateralem Wege nur der erste Schritt. Zur Vermeidung von Doppelbesteuerungstatbeständen erscheint der Abschluss von einheitlichen multilateralen Abkommen als sachgerecht. Hierdurch wird vermieden, dass einzelne bilaterale Regelungen mit Regelungen eines Drittstaates nicht harmonisiert werden können. 697
Mit Verweis auf die „Ultima Ratio“-Besteuerung zustimmend: Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 425
207
Zur Meidung von unterschiedlichen Auslegungen der rechtlichen Normen zur Wegzugsbesteuerung erscheint es zielführend, eine EU-Clearing-Stelle zu schaffen.698 Diese würde unabhängig und ohne einen Interessenkonflikt zu einer nationalen Rechtsordnung den jeweiligen Sachverhalt beurteilen und verbindlich festlegen, welchem Staat – Wegzugs- oder Zuzugsstaat – der Besteuerungsanspruch im Wegzugsfall zusteht. Im Hinblick auf die, in dieser Untersuchung dargelegte, Europarechtswidrigkeit einer Wegzugsbesteuerung in der bisherigen Ausprägung ist es sachgerecht, die bisherige Konzeption der Wegzugsbesteuerung zugunsten einer transaktionsorientierten Besteuerung zu modifizieren.
698
208
Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 425
4. Kapitel Die wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung A. Ergebnisse 1.
Für deutsche Unternehmen besteht aus Unternehmenssicht im Zuge der Globalisierung und aufgrund des steigenden Wettbewerbs auch mit Anbietern aus dem Ausland das Bedürfnis, die im Ausland günstigen Rahmen- und Produktionsbedingungen für die unternehmerische Tätigkeit zu nutzen. Insbesondere bei Gesellschaften, die sich in Grenzregionen, beispielsweise zur Tschechischen Republik, Polen, etc. befinden, müssen bei der Überprüfung der Standortwahl nicht nur deutsche Standorte miteinbezogen werden, sondern auch Standorte im Ausland. Oftmals wird eine Verlegung des Unternehmenssitzes in das nahe Ausland geeignet sein, die hohen deutschen Lohn- und Produktionskosten zu senken und günstigere steuerliche Rahmenbedingungen und staatliche Beihilfen zu erhalten als in Deutschland. Im Hinblick auf einen, noch abschließend zu entwickelnden, einheitlichen EU-Wirtschaftsraum entspricht es einer Maßnahme der guten Unternehmensführung, die, sich in EU-Europa befindenden, Vorteile für die eigene Unternehmung zu sichern. Alle EU-Staaten stehen im Wettbewerb, Unternehmen aus anderen Regionen und Ländern „abzuwerben“ und im eigenen Staatsgebiet anzusiedeln. Die Unternehmen werden sodann unter Abwägung aller relevanten Aspekte den günstigsten Standort auswählen. Die in dieser Arbeit genannten Untersuchungen sowie die entsprechenden Rankings zeigen deutlich auf, dass die Bundesrepublik Deutschland an Attraktivität verliert und ausländische Staaten – insbesondere auch die EUOststaaten – im gleichen Maße an Attraktivität für den neuen Unternehmensstandort gewinnen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Einschätzung der zukünftigen potentiellen Entwicklung, sondern es liegen bereits konkrete Wegzugsfälle von Unternehmen aus Deutschland in ausländische Staaten vor, beispielsweise im Fall von NOKIA. Betriebswirtschaftlich besteht daher ein Bedürfnis für die Nutzung und Durchführung von Sitzverlegungsmöglichkeiten. Dies gilt auch für die Sitzverlegung einer GmbH, als Gesellschaftsform, die im Mittelstand die meiste Verbreitung und Akzeptanz findet.
2.
Hinsichtlich einer GmbH wird eine Sitzverlegung aus Deutschland in einen ausländischen EU-Staat nur vollzogen werden, wenn die Sitzverlegung nicht beschränkt und insbesondere nicht durch steuerliche Folgen anlässlich einer solchen Sitzverlegung belastet und erschwert wird. Das gegenwärtige deutsche Steuerrecht sanktioniert den Wegzug des Steuersubstrates mit der zwangsweisen Aufdeckung der stillen Reserven. Diese Rechtsfolge tritt nicht erst bei ei-
J. A. C. Nave, Die ertragsteuerneutrale und identitätswahrende Sitzverlegung der GmbH 209 in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, DOI 10.1007/ 978-3-8349-9484-4_5, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
nem Verlust des deutschen Besteuerungsrechts ein, sondern bereits bei einer etwaigen Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (§ 12 Abs. 1 KStG). 3.
Das Europa- bzw. Gemeinschaftsrecht schafft durch seine Ausprägung im EGVertrag und der Konkretisierung der EU-Grundfreiheiten durch die Rechtsprechung des EuGH einen maßgeblichen Normen- und Werterahmen, innerhalb dessen die nationalen Gesetze ausgestaltet sein müssen. Bezüglich der Sitzverlegung einer GmbH ist hierbei die Niederlassungsfreiheit in ihrer Ausprägung als Wegzugsfreiheit einschlägig. Sowohl gesellschaftsrechtliche als auch steuerrechtliche Regelungen müssen an der Niederlassungsfreiheit gemessen werden. Nach zutreffender Ansicht beinhaltet die Niederlassungsfreiheit nach dem Stand der gegenwärtigen Entwicklung des Gemeinschaftsrechts nicht nur die Zuzugsfreiheit, sondern auch die Wegzugsfreiheit (Art. 43, 48 EGV). Diese gilt auch für die GmbH als juristische Person des Privatrechts.
4.
Auf der Grundlage der deutschen Gesetze besteht derzeit keine Möglichkeit, den Satzungssitz einer GmbH in den jeweiligen „Ziel“-EU-Staat zu verlegen. Gleichwohl besteht diese Möglichkeit bereits jetzt auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts. Aufgrund der konsequenten Weiterentwicklung der Niederlassungsfreiheit durch den EuGH sind Gesellschaften und folglich auch die GmbH nach richtiger Ansicht berechtigt, nicht nur den Verwaltungssitz, sondern auch den Satzungssitz in einen ausländischen EU-Staat zu verlegen. Nur durch die Verlegung des Satzungssitzes kann der umfassende und abschließende Wegzug einer GmbH in einen ausländischen EU-Staat vollzogen werden. Eine einfachgesetzliche gesellschaftsrechtliche Regelung besteht zwar hierzu derzeit nicht. Gleichwohl sind das Gemeinschaftsrecht und die Niederlassungsfreiheit bereits ausreichend entwickelt, so dass die benannte Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH unmittelbar auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit, die auch für Gesellschaften gilt, vollzogen werden kann (Art. 43, 48 EGV).
5.
Für den Bereich der Ertragssteuern beinhalt der EG-Vertrag zunächst keinen Harmonisierungsauftrag. Gleichwohl entfaltet die Niederlassungsfreiheit mit der Wegzugsfreiheit das Verbot, dass der Wegzug einer GmbH durch eine, mit diesem Wegzug verbundene, Besteuerung erschwert oder zumindest beschränkt wird. Die derzeitige Konzeption der Wegzugsbesteuerung in § 12 Abs. 1 KStG greift ungerechtfertigt in die Niederlassungsfreiheit der sitzverlegenden GmbH ein. Obgleich der Gesetzgeber mit der Reform der Wegzugsbesteuerung ein europarechtskonformes Konzept implementieren wollte, liegt dies bei näherer Untersuchung gerade nicht vor. Der nationale Gesetzgeber ist weiterhin primär von dem fiskalischen Interesse geleitet, die, auf seinem Staatsgebiet gebildeten,
210
stillen Reserven vor einem Verlust seines Besteuerungsrechts anlässlich des Wegzuges einer Gesellschaft „im letzten Moment“ zu besteuern. Dieses Prinzip der Aufdeckung von stillen Reserven bei einer Entstrickung der Wirtschaftgüter der GmbH anlässlich deren Wegzuges ist europarechtswidrig und verstößt gegen Art. 43, 48 EGV. 6.
Bei einem Wegzug einer GmbH in einen ausländischen EU-Staat besteht ein Interessenkonflikt zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem Zuzugsstaat. Nach den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen steht bei einem Wegzug einer GmbH nach dem Wechsel deren Ansässigkeit in den Zuzugsstaat nur diesem Zuzugsstaat das Besteuerungsrecht für die, in den Wirtschaftsgütern der GmbH befindlichen, stillen Reserven zu. Obgleich die stillen Reserven zunächst im Herkunftsstaat gebildet wurden, hat dieser nach einem „Grenzübertritt“ der GmbH kein Besteuerungsrecht mehr. Der Wegzugsstaat wird daher seine nationalen Steuernormen dahingehend gestalten, dass beim Verlust oder der Beschränkung seines Besteuerungsrechts, die stillen Reserven zwangsläufig aufgelöst werden, so dass eine Besteuerung im letzten Moment stattfinden kann. Diese Konzeption liegt auch dem, für die Untersuchungsfrage maßgeblichen, § 12 Abs. 1 KStG zugrunde. Die Lösung des Interessenkonflikts zwischen der sitzverlegenden GmbH und dem Wegzugsstaat Deutschland kann sachgerecht nicht durch eine Änderung der nationalen steuerrechtlichen Vorschriften erfolgen. Vielmehr muss die Lösung EU-einheitlich erfolgen, beispielsweise durch eine EU-Verordnung oder eine EU-Richtlinie in Verbindung mit dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen. Nach einer solchen Maßgabe müssten die einzelnen Nationalstaaten deren bestehende Doppelbesteuerungsabkommen ändern. Es ist sachgerecht, das gegenwärtige Prinzip in den Doppelbesteuerungsabkommen, nachdem beim Wechsel der Ansässigkeit des Unternehmens nur noch der Zuzugsstaat das Besteuerungsrecht hat, umfänglich aufzugeben. Vielmehr müssen die, in einem Staatsgebiet gebildeten, Reserven eines Unternehmens auch in diesem Staat im Realisierungsfalle der Besteuerung zugeführt werden. Dies gilt unabhängig von der jeweiligen konkreten Ansässigkeit des Unternehmens im Realisierungsfall. Bis zu einer Realisierung der stillen Reserven bleiben die stillen Reserven jedoch „konserviert“. Bei deren Realisierung verbleibt dem bisherigen Ansässigkeitsstaat, in dem die stillen Reserven gebildet wurden, das Besteuerungsrecht. Die in der Literatur und von der Finanzverwaltung vorgebrachten Bedenken gegen die Aufgabe der bisherigen Entstrickungskonzeption sind nicht sachgerecht. Der Vorschlag des Verfassers in dieser Untersuchung beruht auf einem schonenden Ausgleich der widerstreitenden Interessen. Der Wegzugsstaat behält sein Besteuerungsrecht. Gleichwohl wird die Verlegung des Satzungssitzes einer 211
GmbH in einen ausländischen EU-Staat nicht durch einen Steueranspruch oder eine Besteuerungsfolge erschwert. Vielmehr werden die Steuern für die, bereits beim Wegzugsfall vorhandenen, stillen Reserven „konserviert“. Erst im Realisierungsfall führt der Herkunftsstaat seinen Besteuerungsanspruch durch. Diese Vorgehensweise führt nicht zu einer Vereitlung der Besteuerungsmöglichkeiten des Herkunftsstaates. Mit der EU-Amtshilfe- und EU-Beitreibungsrichtlinie bestehen bereits Durchführungsinstrumente, die die Ermittlung und die Durchsetzung des Besteuerungsanspruchs des Herkunftsstaates bei einem Wegzug einer Gesellschaft in das EU-Ausland sichern und ermöglichen.
B. Bewertung Die in dieser Untersuchung festgestellten Ergebnisse überraschen nicht, da Ausgangsgrundlage des dieser Arbeit zugrundeliegenden Untersuchungsgegenstandes das Gemeinschaftsrecht ist. Um die Möglichkeiten für eine fachgerechte Konzeption der Wegzugsbesteuerung zu entwickeln, können nicht die jeweiligen nationalen staatlichen Interessen Ausgangspunkt für Gestaltungsüberlegungen sein. Da die nationalen gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Regelungen stets unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem höherrangigen Gemeinschaftsrecht stehen, muss eine Wegzugskonzeption ausgehend vom Gemeinschaftsrecht entwickelt werden. Aus der Präambel des EG-Vertrages sind die Ziele der Europäischen Union, nämlich die Verwirklichung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes insbesondere mit Kapitalverkehrsfreiheit und sonstiger Freizügigkeit für juristische Personen, unzweifelhaft zu entnehmen. Dieser Leitgedanke muss daher die Grundlage für eine entsprechende nationale Besteuerungskonzeptionen sein. Die Niederlassungsfreiheit gibt damit den Weg vor, dass sich Gesellschaften und damit auch die, in dieser Arbeit zugrundeliegende, GmbH ohne Beschränkungen der unternehmerischen Tätigkeit über die nationalen Grenzen der EU-Mitgliedsstaaten hinweg entwickeln können. Der Wechsel einer GmbH von einer Jurisdiktion eines europäischen Staates in den anderen europäischen Mitgliedsstaat muss ebenso problemlos möglich sein wie der Umzug einer GmbH von einem Bundesland in das andere Bundesland innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Nur durch diese Betrachtungsweise und Auslegung des EGVertrages und der einschlägigen Niederlassungsfreiheit können die, in der Präambel des EG-Vertrages verankerten, Ziele der Europäischen Union verwirklicht werden. Nachvollziehbarerweise werden jedoch die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten solange diese Freizügigkeit in gesellschaftsrechtlicher und steuerlicher Hinsicht nicht umsetzen, wie eine Harmonisierung der Besteuerung für die, auf deren Staatsgebiet gebildeten, stillen Reserven innerhalb der Europäischen Union nicht verwirklicht wird. Es ist sachgerecht, wenn der Herkunftsstaat einer GmbH, in dem die stillen Reserven der Wirtschaftsgüter der GmbH ursprünglich gebildet wurden, diese stillen Re212
serven auch in seinem Staatsgebiet zu besteuern versucht. Letztlich sind die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern unter Ausnutzung der Standortbedingungen des jeweiligen Staates entstanden. Die Standortbedingungen wurden eingangs u.a. auch durch Finanz- und Strukturmittel seitens des Staates geschaffen. Dieser „Herkunftsstaat“ ist daher berechtigt, nunmehr auch die Fruchtziehung durch eine Besteuerung bezüglich der entsprechenden Unternehmensgewinne zu realisieren. Es überrascht nicht, dass in steuerlicher Hinsicht keine ausgereifte Konzeption vorliegt, die einen länderübergreifenden Wegzug von Gesellschaften ohne ertragssteuerliche Belastung ermöglicht. Der deutsche Staat hat in diesem Zusammenhang konsequenterweise auch noch nicht die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für einen solchen vollständigen Wegzug der GmbH mit deren Satzungssitz in ein EUMitgliedsland geschaffen. Dies erinnert an die europäische Fusionsrichtlinie, die lange Zeit ein Schattendasein führte. Die Bundesrepublik Deutschland argumentierte in diesem Zusammenhang, dass die Fusionsrichtlinie zu dieser Zeit nicht zu beachten sei, da die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten zur Umsetzung einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung oder Verschmelzung noch nicht vorlagen. Im Verlaufe dieser Untersuchung konnte der Verfasser feststellen, dass vordergründig stets auch in den Gesetzesbegründungen dargelegt wird, dass der deutsche Staat die europäischen Grundfreiheiten verwirklichen will und damit auch die Niederlassungsfreiheit. Bei näherer Betrachtungsweise fiel jedoch auf, dass die Regelungen dahingehend restriktiv konzipiert wurden, so dass letztlich eine vollständige Umsetzung der Wegzugsfreiheit faktisch nicht möglich ist. Der vollständige Wegzug einer GmbH mit deren Satzung würde durch erhebliche steuerrechtliche Konsequenzen und steuerliche Mehrbelastungen erschwert bzw. faktisch unmöglich gemacht werden. Diese Blockadehaltung des deutschen Staates kann auch im Hinblick auf den Referentenentwurf zum internationalen Gesellschaftsrecht nachgewiesen werden. In dem dortigen Artikel 10b EGBGB-E ist die Möglichkeit verankert, dass eine GmbH vollständig aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedsstaat wegziehen kann. Allerdings steht diese Möglichkeit unter dem Vorbehalt, dass sowohl der neue Zuzugsstaat als auch die Bundesrepublik Deutschland als Wegzugsstaat einen solchen umfassenden Wegzug ermöglichen. Gerade dies wird durch den reformierten § 4 a GmbHG jedoch nicht gestattet. Dieser ermöglicht lediglich die Verlegung des Verwaltungssitzes, aber nicht des Satzungssitzes in das EU-Ausland. Es ist erkennbar, dass der Gesetzgeber bewusst Hindernisse in die gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Regelungen „einbaut“, um den vollständigen und sanktionslosen Wegzug einer GmbH in das EU-Ausland zu beschränken. Da die aktuelle deutsche gesetzliche Rechtslage weder eine Verlegung des Satzungssitzes noch eine ertragssteuerneutrale Sitzverlegung ermöglicht, kann dieses Gestaltungsergebnis, wie in dieser Arbeit nachgewiesen, jedoch bereits auf un213
mittelbarer Grundlage der europäischen Niederlassungsfreiheit erreicht werden. Nach richtiger Ansicht beinhaltet die Niederlassungsfreiheit nicht nur die Zuzugsfreiheit, sondern auch die Wegzugsfreiheit. Es ist sachwidrig, das hohe Schutzgut der europäischen Grundfreiheiten, insbesondere der Niederlassungsfreiheit, lediglich auf den Teilbereich der Zuzugsfreiheit zu reduzieren. Die umfassende Verwirklichung der Freizügigkeit von Unternehmen kann nur unter der Maßgabe erfolgen, dass auch der Wegzug einer Unternehmung aus einem Staat als Bestandteil der Niederlassungsfreiheit gewertet wird. Eine entsprechende Argumentation vertrat im Ergebnis auch der Generalanwalt in der Rechtssache Cartesio. Demnach wäre folgerichtig bereits auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit eine Wegzugsmöglichkeit des Satzungssitzes einer GmbH in einen anderen EU-Mitgliedsstaat gegeben. Zudem macht eine gesellschaftsrechtliche Sitzverlegungsmöglichkeit nur Sinn, wenn mit dieser Sitzverlegung keine belastende steuerliche Folge verbunden ist. Konsequenterweise kann mit einer solchen Satzungssitzverlegung über die europäischen Grenzen hinweg, eine ertragssteuerliche Belastung in Ausprägung der Auflösung von stillen Reserven nicht rechtmäßig sein. Auch in dieser Hinsicht gebietet die Niederlassungsfreiheit den sanktionslosen Wechsel des Satzungssitzes aus Deutschland heraus in einen anderen EU-Mitgliedsstaat. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht, denn andernfalls lägen nur die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten zum Wegzug einer GmbH vor. Jedoch könnten diese aufgrund der belastenden steuerlichen Wirkungen faktisch nicht genutzt werden. Eine Grundfreiheit wird nicht genutzt, wenn damit erhebliche belastende Konsequenzen verbunden sind. Die Niederlassungsfreiheit erfordert daher, dass sowohl gesellschaftsrechtlich als auch steuerlich keine Sanktionen irgendwelcher Art mit dem Wegzug einer GmbH in das EU-Ausland verbunden sind. Um dem Wegzugsstaat gleichwohl die Realisierung der auf seinem Staatsgebiet zunächst gebildeten stillen Reserven zu ermöglichen, muss eine entsprechende europaweite Wegzugsbesteuerungskonzeption geschaffen werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bereits aktuell als auch zukünftig die Sitzverlegung von Unternehmen innerhalb der Grenzen der Europäischen Union zunehmen wird. Die Unternehmen werden stets die günstigsten Standortbedingungen auswählen und deren Sitz an denjenigen europäischen Standort verlegen, an dem die besten Standortbedingungen vorherrschen. Folglich ist die Konzeption der Wegzugsbesteuerung auf europäischer Ebene zu regeln. Ausgangspunkt der Konzeption sollte es sein, dass demjenigen Staat die Besteuerung der stillen Reserven zusteht, auf dessen Staatsgebiet sie gebildet wurden. Es ist lediglich zu klären, wie dieser Besteuerungsvorgang in der praktischen Anwendung ausgestaltet wird. Der Verfasser schlägt diesbezüglich die Feststellung der stillen Reserven beim „Grenzübertritt“ der GmbH in das EU-Ausland vor. Aufgrund erweiterter Meldepflichten zwischen dem deutschen Staat 214
und dem neuen Zuzugsstaat wird sichergestellt, dass der deutsche Staat Kenntnis von der Veräußerung der entsprechenden Wirtschaftsgüter und der Aufdeckung der stillen Reserven erhält. In diesem Zeitpunkt fließt dem Unternehmen Liquidität aufgrund dieses Veräußerungsvorgangs zu. Sodann könnte eine Besteuerung der stillen Reserven erfolgen. Die Lösung beruht daher auf einem eng abgestimmten Besteuerungsverfahren zwischen den einzelnen EU-Mitgliedsländern und entsprechend erweiterten Melde- und Kontrollpflichten. Der erste Schritt in diese Richtung ist die bereits bestehende EU-Amtshilferichtlinie. Des Weiteren ist eine Anpassung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen und der diesen Abkommen immanente, Konzeption der Zuweisung von Besteuerungsrechten erforderlich. Derzeit hat nur der jeweilige Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht beim Veräußerungsvorgang von stillen Reserven. Daher ist es nachvollziehbar, dass der deutsche Staat im letzten Moment „beim Grenzübertritt“ den Zugriff auf die stillen Reserven versucht, um eine Besteuerung durchzuführen. Der Verfasser schlägt konsequenterweise vor, dass dieses Prinzip modifiziert wird. Die stillen Reserven, die in einem anderen Staat gebildet wurden, sollen auch nur in diesem jeweiligen „Herkunftsstaat“ zur Besteuerung herangezogen werden. Damit wäre ein sachgerechter Interessenausgleich zwischen den Mitgliedsstaaten ermöglicht. Kein Mitgliedsstaat erhielte die Berechtigung, stille Reserven, die zu keinem Zeitpunkt auf seinem Staatsgebiet gebildet wurden, zu besteuern. Jeder Staat behielte das Besteuerungsrecht für die, unter Zuhilfenahme seiner staatlichen Mittel gebildeten, stillen Reserven. Die konzeptionelle Lösung erfordert nunmehr einen engen Abstimmungsprozess der EUMitgliedsstaaten. Um diesen Harmonisierungsprozess zu fördern, sollte der EU-Verordnungs- und EU-Richtliniengeber die Staaten zu einer entsprechenden Harmonisierung verpflichten. In diesem Regelungszusammenhang wären auch die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen mit den darin enthaltenen Zuweisungen der Besteuerungsrechte anzupassen. Damit läge letztlich ein interessengerechtes Wegzugsbesteuerungskonzept vor.
C. Ausblick Der Wettbewerb der europäischen Länder um ertragreiche Unternehmen, insbesondere auch von Zukunftstechnologien, ist bereits im vollen Gange. Jegliche Behinderungen der Staaten werden es letztlich nicht unterbinden können, dass Unternehmen aus dem eigenen Staat in andere Staaten mit günstigeren Standortbedingungen abwandern. In einer solchen Situation des Wettbewerbs der verschiedenen Staaten und Standorte ist es zielführender, die Rechtsgrundlagen für eine rechtssichere Verlegungsmöglichkeit des Satzungssitzes einer GmbH zu schaffen. Ein entsprechender „Europäisierungsdruck“ liegt bereits vor. Mit der Europäischen Gesellschaft (SE) und
215
der Europäischen Privatgesellschaft (SPE) werden Gesellschaftsformen vorliegen, die eine noch stärkere Mobilität der Gesellschaften und der unternehmerischen Betätigungsfreiheit in der Europäischen Union ermöglichen. Es ist dem deutschen Staat anzuraten, in diesem Zusammenhang nicht lediglich abzuwarten, sondern bereits jetzt seine Rechtsgrundlagen sowohl im Gesellschaftsrecht als auch im Steuerrecht entsprechend anzupassen, um die deutsche GmbH im Wettbewerb mit den anderen Gesellschaftsformen und nunmehr auch den europäischen Rechtsformen konkurrenzfähig zu erhalten. Letztlich wird sich der deutsche Staat dem Europäisierungsdruck auch nicht verschließen können. Durch den Beitritt zur Europäischen Union und der Geltung des EG-Vertrages innerhalb der Bundesrepublik Deutschland sind bereits die Grundlagen geschaffen, um auch in Deutschland die aktuellen einfachgesetzlichen Normen unter der Maßgabe der europäischen Grundfreiheiten anzupassen. Es ist daher davon auszugehen, dass sowohl im Gesellschaftsrecht als auch im Steuerrecht die Verlegungsmöglichkeit des Satzungssitzes einer GmbH ohne jegliche Sanktionen umgesetzt wird. Hier ist der deutsche Staat gut beraten, da andernfalls seitens der EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden könnten.
D. 10 Thesen als Überprüfungsmaßstab der gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Regelungen bei Sitzverlegungen in das EU-Ausland 1.
Deutsche Unternehmen stehen in Konkurrenz mit ausländischen Wettbewerbern und müssen die eigene Produktivität erhöhen.
2.
Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit erfolgt durch die Auswahl der günstigsten Standortbedingungen.
3.
Der Satzungssitz einer GmbH kann bereits auf der Grundlage der europäischen Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 EGV in das EU-Ausland verlegt werden. Auf der Grundlage des bestehenden GmbH-Rechts ist dies nicht möglich. Die gegenwärtige einfachgesetzliche Normenlage ist europarechtswidrig.
4.
Die bestehenden Steuergesetze führen bei einer vollständigen Sitzverlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz in das EU-Ausland zu einer Aufdeckung der stillen Reserven. Diese Rechtsfolge ist europarechtswidrig.
5.
Auf der Grundlage der europäischen Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 EGV verbietet sich eine ertragssteuerliche Belastung des Unternehmens und deren Gesellschafter aufgrund der Sitzverlegung aus dem Staatsgebiet der
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Bundesrepublik Deutschland in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union. 6.
Eine Änderung des deutschen nationalen Steuerrechts führt nicht zu sachgerechten Ergebnissen.
7.
Die Wegzugsbesteuerung betrifft alle EU-Mitgliedsstaaten, so dass sich auch eine EU-einheitliche Regelung durch eine entsprechende EU-Verordnung oder EU-Richtlinie gebietet. Einzelfalllösungen durch einzelne Staaten führen nicht zu einer einheitlichen Lösung und sind daher abzulehnen.
8.
In den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen ist das Prinzip aufzugeben, nach dem die Besteuerungshoheit des Herkunftslandes bei einer Sitzverlegung in den Zuzugsstaat endet. Die stillen Reserven, die beim Wegzug im Unternehmen bestehen, bleiben „konserviert“. Im Realisierungsfall hat nur der Herkunftsstaat, in dem die stillen Reserven gebildet wurden, das Besteuerungsrecht.
9.
Der bestehende Besteuerungsanspruch des Herkunftsstaates kann durch das bestehende Instrumentarium mittels der EU-Amtshilfe- und Beitreibungsrichtlinie durchgesetzt werden.
10. Die Weiterentwicklung bei der Wegzugsbesteuerung sollte nicht auf der Ebene der Entstehung des Steueranspruchs erfolgen, sondern auf der Ebene der Sicherung der Besteuerung im Realisierungsfalle. Eine transaktionsorientierte Konzeption der Besteuerung von stillen Reserven ist eine sachgerechte Lösung der widerstreitenden Interessen im Wegzugsfall.
E. Verfasserempfehlung Um Unternehmen und den Wirtschaftsraum der Europäischen Union zu fördern und beständig zu entwickeln, sind planbare und eindeutige Normen im gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Bereich erforderlich. Wie bereits dargestellt, kann die unbeabsichtigte Folge im Gesellschaftsrecht, nämlich die Zwangsliquidation der Gesellschaft bzw. eine belastende Folge im Steuerrecht, die Entstrickung der Wirtschaftsgüter mit der damit verbundenen Aufdeckung von stillen Reserven, beim Wegzug einer GmbH zu einer Beschränkung deren Wegzugsfreiheit führen. Es ist nicht ausreichend, wenn Deutschland eine eigene und von anderen EU-Mitgliedsstaaten losgelöste Konzeption zur Wegzugsbesteuerung entwickelt. Um Doppelbelastungen der Unternehmen zu vermeiden und ebenfalls den staatlichen Besteuerungsansprüchen zu entsprechen, ist es daher ratsam, eine EUeinheitliche Konzeption zur Wegzugsbesteuerung zu entwickeln. Mit dieser wäre auch eine Anpassung des aktuellen Doppelbesteuerungsrechts erforderlich. Die
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Bundesrepublik Deutschland könnte einen Lösungsvorschlag auf der Grundlage der Vorschläge in dieser Arbeit entwickeln und in diesem Zusammenhang als Initiator für eine zukünftige europarechtlich harmonisierte Wegzugsbesteuerungskonzeption dienen. Letztlich wird die Freizügigkeit der Unternehmen nicht verhindert werden können. Es ist daher sinnvoller, aktiv den zukünftigen Veränderungsprozess zu gestalten und zu beeinflussen. Der Verfasser schlägt damit vor, dass gesellschaftsrechtliche und steuerliche Regelungen, die den Wegzug einer GmbH und die damit verbundene Satzungssitzverlegung beschränken, im Lichte der Niederlassungsfreiheit und nach Maßgabe der, in dieser Untersuchung vorgeschlagenen, Lösungswege angepasst werden.
F. Schlussbetrachtung Mit der Zugehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Union kann sich der deutsche Staat nicht mehr auf seine Staatssouveränität berufen, um losgelöst von den geltenden europäischen Grundfreiheiten eigene Konzeptionen zur Sitzverlegung von Gesellschaften zu gestalten. Der Wettbewerb um attraktive Unternehmensstandorte wird sich in der Zukunft absehbar noch verstärken. Anstatt dass der deutsche Staat es versucht, mit gesellschaftsrechtlichen oder steuerlichen Regelungen den Wegzug von Gesellschaften zu verhindern, sollte vielmehr eine Konzeption entwickelt werden, die der deutschen GmbH das Wegzugsrecht umfassend ermöglicht und nicht sanktioniert. Im Ergebnis würden solche Sanktionen vom EUGH zu einem späteren Zeitpunkt verworfen werden. Da die Rechtsprechung des EUGH in der Regel immer mit einer Rückwirkung der EuGH-Entscheidungen verbunden ist, sind die Folgen für den deutschen Staatshaushalt nicht planbar. Es ist daher sachgerechter, die aktuellen gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Normen an das Europarecht anzupassen, um für die Zukunft eine rechtssichere Grundlage für die Beurteilung der gesellschaftsrechtlichen, steuerlichen und die damit verbundenen haushaltspolitischen Konsequenzen beim Wegzug von Gesellschaften zu erhalten. Der Europäisierungsprozess in Gesellschafts- und Steuerrecht schreitet voran. Nationale Normen, die diesen Fortentwicklungsprozess aufzuhalten versuchen, werden letztlich keinen Bestand haben. Sie sollten daher bereits jetzt europarechtskonform ausgestaltet werden.
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