Western-Bestseller Neuauflage der großen Romane des berühmten Autors
G.F. Unger � Die Cheney-Brüder Als sie in der hel...
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Western-Bestseller Neuauflage der großen Romane des berühmten Autors
G.F. Unger � Die Cheney-Brüder Als sie in der hellen Mond- und Sternennacht den Creek erreichen, sehen sie Oldman Cheney mit dem Oberkörper im seichten Wasser liegen. Und da ist ihnen klar, warum ihr Vater nicht wie immer zum Abendbrot heimkam. Es ist lange nach Mitternacht, denn sie haben Stunden nach ihm gesucht. Er war ein alter Mann, dem die harten Jahre eine Menge von seiner Lebenserwartung nahmen. Die drei Brüder halten auf ihren Pferden, und sie wissen, dass sie um Stunden zu spät gekommen sind. Der alte Mann dort unten im Creek, der ihr Vater war, muss schon einige Stunden tot sein. Steve Cheney sagt langsam: »Das ist es also. Unser Alter ist tot. So wie der da unten im Wasser liegt, muss er ertrunken sein, obwohl der Creek kaum noch Wasser führt. Sehen wir nach!« Sie reiten das kurze Stück zum Creek hinunter, dessen Wasser kaum knöcheltief ist. Sie tragen den Toten heraus und legen ihn auf den Rücken. Er hat noch die Augen offen, scheint zu ihnen im Mond- und Sternenschein emporzustarren. »Er hat es geschafft«, murmelt Jake. »Ich wette, als er sich auf den Bauch legte, um sich zu erfrischen, hörte sein Herz plötzlich auf zu schlagen.« »Also ist er nicht ertrunken, denn Tote können kein Wasser mehr schlucken«, spricht Jubal. »Nicht wahr, er kann nicht ersoffen sein im flachen Wasser – oder?« Er blickt nach rechts und links. Dann nimmt er den Hut ab, bückt sich und drückt dem Vater die Augen zu. Als er sich wieder aufrichtet, da sieht er, dass auch seine beiden Brüder die Hüte abnahmen. Eine Weile verharren sie so. Dann spricht Jubal: »Der Himmel möge seiner Seele gnädig sein. Amen.« »Amen«, murmeln auch die beiden Brüder. Steve beginnt dann wieder die Unterhaltung. Er sagt überzeugt: »In den Himmel kommt er gewiss. Ein Mann wie er, der sich sein ganzes Leben lang abrackert und immer wieder zurückgeworfen wird, um dann mit größter Sturheit neu zu beginnen, so ein Mann kommt ins Himmelreich, damit er es endlich besser hat. Oder nicht?« Die beiden Brüder nicken stumm, und es würgt ihnen in den Kehlen. Denn sie mochten ihren Vater. Ja, sie liebten ihn und blieben bei ihm, obwohl sie längst schon die weite Welt lockte. Aber sie konnten ihn nicht verlassen und halfen ihm bei seinem verzweifelten Bemühen, aus der kleinen Hügelranch eine große zu machen. Immer wieder wurden sie in den vergangenen Jahren zurückgeworfen. Da waren die
Comanchen, mexikanische Banditen, die über den Rio Grande kamen, Vieh- und Pferdediebe – und nach einen heißen, trockenen Sommer der große Präriebrand, der bis in ihre Hügel vordrang. Es gab immer wieder große Rückschläge, und der Vater wurde immer älter und verbrauchter, krummer und verwitterter. Nun liegt er da, erlöst von einem Herzschlag. »Er war ein glückloser Kämpfer«, murmelt Steve. »Ein ewiger Verlierer, der es immer wieder neu versuchte«, verbessert Jake. »Und wenn wir noch länger in diesen verdammten Hügeln bei unseren Rindern bleiben, dann werden auch wir eines Tages als Verlierer am Boden liegen«, grollt Jubal. Sie sehen sich an im Schein der Gestirne, und es ist plötzlich so, als gäben sie sich ein stummes Versprechen. Es ist mit einem Mal ein wortloses Einverständnis zwischen ihnen. Dann stiefelt Steve durch den flachen Creek, um das Pferd des Vaters aus den Büschen zu holen. Als er wieder bei ihnen ist, laden sie den Toten auf. Wortlos reiten sie heim. *** Es ist noch am frühen Vormittag, als sie den Sarg in die Grube lassen. Und noch als sie die Erde auf ihn werfen, kommt ein Reiter herangaloppiert. Sie kennen ihn, denn es ist Juleman Scott, der Cowboy ihres Nachbarn. Juleman Scott zügelt sein Pferd bei ihnen und dem Grab. »Euer Vater?« So fragt er. Sie nicken stumm und blicken zu Juleman Scott auf. Dieser nimmt seinen Hut ab. Dann aber spricht er: »Es tut mir Leid um Oldman Cheney. Nun hält euch wohl nichts mehr in den Antelope Hills. Mein Boss kam heute von Antelope heim mit einer verrückten Neuigkeit. Es ist Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten. Vor einer Woche, am zwölften April, hat General Beauregard Fort Sumter beschießen lassen, und mit dem ersten Kanonenschuss begann der Krieg. General Lee hat das Kommando über die Armee der Konföderation des Südens in Virginia übernommen. Man sagt, dass alle Texaner sich zu einer Texasbrigade formieren, die General Jackson unterstellt wird. Ich reite hin. Kommt ihr mit?« Es ist eine herausfordernde Frage. Er ist ein einfacher Cowboy, den jetzt das Abenteuer lockt. Und die drei Cheney-Brüder? Sie sehen sich am Grab ihres Vaters an. Dann spricht Steve Cheney spröde, so als nähme er eine Herausforderung an: »Juleman, wir reiten mit. Morgen bei Sonnenaufgang treffen wir uns in Antelope. Dann reiten wir zu General Jackson und bewerben uns bei der Texasbrigade. Denn schließlich sind wir ja Texaner, nicht wahr?« »So ist es richtig.« Juleman Scott nickt. »Ich freue mich, dass wir zusammen in den Krieg reiten. Wir werden es den Yanks zeigen.« Er zieht sein Pferd herum und reitet wieder zurück.
Sie sehen ihm nach. Steve Cheney ist einundzwanzig Jahre. Jake ist zwanzig. Und Jubal ist neunzehn. Nachdem er geboren wurde, lief ihnen die Mutter weg. Sie hatte genug von dem harten Leben in Texas und vom vielen Kinderkriegen. Sie verließ ihren Mann und die drei noch kleinen Söhne, und vielleicht blieben sie bis jetzt bei ihrem Vater, weil er sie nicht auch verließ, sondern unter unsäglichen Mühen aufzog, dabei aus der Siedlerstätte eine Ranch zu machen versuchte, Pferde einfing, diese zuritt und Rinder zu züchten begann. Dabei war es sicher, dass er die ersten Tiere von irgendeiner entfernten Weide stahl. Steve sagt noch einmal spröde, so als würde er sich herausgefordert fühlen: »Wir reiten also in einen verdammten Krieg. Mal sehen, ob wir ihn überstehen und was in solch einem Krieg aus uns wird. Verdammt, ich bin sicher, dass wir uns gewaltig viel Wind um die Ohren wehen lassen müssen, wenn wir eines Tages ein gewaltiges Stück größer sein wollen als unser Alter.« »Das werden wir bestimmt«, spricht Jake hart. »Denn wir sind noch jung und können noch jede Menge lernen.« »Und wir sind gewiss nicht dumm.« Jubal grinst. »Wir haben den Alten nicht im Stich gelassen, doch nun sind wir frei. Irgendwo wartet ein Schicksal auf uns. Ich möchte herausfinden, was uns bestimmt ist.« *** Am 21. Juli 1861 nehmen die Cheney-Brüder mit Juleman Scott an der Schlacht am Bull Run teil, wo die Unionstruppen unter General McDowell von den Konföderierten unter den Generälen Beauregard, Johnston und Jackson geschlagen werden. General Jackson, der die Texasbrigade befehligt, erhält wegen seiner Standfestigkeit den Beinamen »Stonewall Jackson«. Die Cheney-Brüder werden mit einigen anderen Soldaten von General Jackson für besondere Tapferkeit, Umsicht und kluges Handeln ausgezeichnet und allesamt zum Sergeant befördert. Denn sie haben bei ihrer Truppe diese Funktionen ausgeübt, als die jeweiligen Sergeants durch Tod oder schwere Verwundungen ausfielen. Und der Krieg geht weiter. Die Cheney-Brüder reifen jeden Tag um Monate und lernen immerzu neue Dinge. Noch sind sie verwegene große Jungen, die sich durch Kühnheit behaupten. Ihr Aufstieg hat begonnen. Nur am Leben bleiben müssen sie. Doch sie glauben einfach an ihr Glück. Immer mehr kommen sie zu der Überzeugung, dass das Schicksal mit ihnen noch viel vorhat. Es ist am 29. und 30. August 1862, als die zweite Schlacht am Bull Run ausgetragen wird. Und abermals werden die Truppen der Union, neu gebildet unter General Pope, von den Armeen Lees und Jacksons geschlagen. Und abermals tun sich die drei Cheney-Brüder besonders hervor. Mit ihren Reiterzügen erobern sie eine Artilleriestellung, sodass die vorrückenden Truppen der Konföderation nicht mehr unter Beschuss stehen. Abermals werden die drei Cheney-Brüder wegen außergewöhnlicher Tapferkeit beför-
dert. Nun sind sie Lieutenants. Und der Krieg geht weiter. Doch von nun an gehören die Cheney-Brüder immer wieder zu den Verlierern, so gut sie auch kämpfen. Denn sie stehen auf der falschen Seite. Die Südstaaten werden den Krieg verlieren. Am 4. Juli 1863 nimmt General Grant Vicksburg ein. Von New Orleans bis weit den Mississippi hinauf ist der große Strom nun in den Händen der Unionstruppen, und die Staaten Arkansas, Louisiana und Texas sind vom übrigen Süden abgeschnitten. Ende November findet dann in Virginia bei Chattanooga eine entscheidende Schlacht statt. General Grant besiegt General Johnston. Bei dieser Schlacht tut sich besonders Steve Cheney hervor und wird zum Captain befördert. Es ist dann Ende des Jahres 1864, als Captain Steve Cheney zu General Lee befohlen wird. Als er sich bei ihm meldet, betrachtet ihn der Oberkommandierende der Konföderiertenarmee einige Atemzüge lang fest, und Steve Cheney spürt, wie eine starke Kraft, die von Lee ausgeht, in ihn eindringt. Dann sagt der General: »Ich brauche einen tapferen und umsichtigen Soldaten, einen Offizier, für den seine Männer durch alle Höllen gehen. Ich habe Sie nun schon zweimal wegen besonderer Leistungen befördert. Nun tue ich es zum dritten Mal, Major Cheney. Doch dafür verlange ich etwas.« »Geben Sie mir nur Ihre Befehle, General«, erwidert Steve Cheney. »Ich werde mein Bestes tun.« Der hoch gewachsene General geht einige Schritte in dem karg eingerichteten Raum umher und spricht dann: »Ich vertraue Ihnen zweihundert Pfund Gold an, Major Cheney, Barrengold. Sie fahren damit – getarnt als Baumwollpflanzer, der seine Ernte verkaufen will – den Mississippi hinunter bis nach New Orleans. Es wird ein Seeschiff aus dem Golf heraufkommen, das für uns die besten Gewehre der Welt aus Frankreich an Bord hat. Es sind so genannte Rollblockgewehre mit reichlich Munition. Zwar sind es Remingtonwaffen, aber sie wurden für uns von Patrioten des Südens in Frankreich hergestellt. Es gibt keine besseren Büchsen. Ich will sie haben für die Scharfschützen meiner Armeen. Sie können sich ein halbes Dutzend Freiwillige mitnehmen. Natürlich müssen Sie sich als Zivilisten tarnen. Ein altes Dampfboot, das der Unionsarmee nicht gut genug war, um requiriert zu werden, bekommen Sie. Und genügend Baumwollballen als Ladung auch. Mein Adjutant wird Sie noch in die Einzelheiten einweihen. Viel Glück, Major Cheney.« Er tritt auf ihn zu und reicht ihm die Hand. Und er wiederholt noch einmal: »Ich will diese Gewehre für die Scharfschützen meiner Armee haben, koste es, was es wolle.« Steve Cheney nimmt die Hand des Oberkommandierenden und verspricht: »General, wir werden es versuchen. Ich werde meine beiden Brüder und noch vier Mann mitnehmen.« »Das steht Ihnen frei, Major. Gehen Sie mit meinen besten Wünschen. Sie sind unsere letzte Hoffnung.« Damit ist Major Steve Cheney entlassen. Und er weiß, dass er einen Höllenjob übernommen hat – für den Preis, nun Major zu sein. Als er drei Tage später wieder bei seiner Einheit eintrifft, trägt er bereits die neue Uniform mit den Rangabzeichen. Und die beiden jüngeren Brüder Jake und Jubal staunen ihn an.
»Er ist Major geworden«, sagt Jake und grinst. »Aber warum?« So fragt Jubal argwöhnisch und fügt hinzu: »Pass auf, Jake, jetzt kommt gleich der große Hammer. Ich sehe in seinen Augen, dass der Stern da an seinem Kragen nur eine Art Vorschuss ist. Und pass auf, jetzt zieht er uns mit hinein.« »Richtig.« Steve nickt. »Euch und noch vier Mann nehme ich mit. Und dazu noch zweihundert Pfund reines Gold, in Barren gegossen. Ihr werdet euch wundern.« »Das glauben wir«, erwidert Jubal und lächelt blinkend. »Du wirst es uns gewiss erklären.« *** Es dauert ganze sechs Wochen, bis alles vorbereitet ist. Sie fahren mit dem alten Dampfboot – getarnt als Zivilisten – den Mississippi hinunter. Das Boot, dessen hämmernde Auslassventile einen ständigen Lärm machen, ist beladen mit Baumwollballen, und sie sind sieben Mann an Bord, getarnt als Flussschiffer und Baumwollpflanzer. Das Gold ist gut versteckt. Keinem der Männer sieht man an, dass er in Wirklichkeit ein Soldat der Konföderiertenarmee ist. Der Mississippi befindet sich fest in der Hand der Unionsarmee, seit Vicksburg von den Truppen General Grants erobert wurde. Siebenundvierzig Tage dauerte der Kampf, und die Kanonenbatterien der Union überschütteten die Stadt mit Tod und Verderben. Die Kapitulation fand am 4. Juli 1863 statt, und dies ist das Datum der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten. Man schreibt den 24. Dezember 1864, und bis zum Kriegsende sind es noch fast vier Monate. Es ist ein ziemlich warmer Weihnachtstag. Als die Nacht kommt, wollen sie sich an Vicksburg vorbeitreiben lassen. Doch das schaffen sie nicht. Eine kleine Dampfpinasse hält längsseits neben ihnen. Ihre Karbidscheinwerfer lassen ihr Boot nicht mehr los. Und als sie nahe genug ist, springen Bewaffnete an Bord, bereit zum Töten. Ja, es sind Unionssoldaten. Ihr Offizier – ein Captain – lacht vergnügt und fragt: »He, ihr wolltet euch doch wohl nicht an uns vorbeischleichen? Wer seid ihr? Und wohin wollt ihr?« Steve Cheney tritt langsam vor, indes das Schaufelrad der »Miriam« rückwärts dreht und das Boot in der starken Strömung verharrt, also weder flussabwärts getrieben wird, noch sich stromauf bewegt. Steve Cheney bewegt sich so, als hätte er ein steifes Bein. Unter der Hose hat er sich einen Stock ans Bein gebunden und dieses auf diese Art steif gemacht. »Es ist meine Ladung, Sir«, sagt er ruhig. »Ich bin Baumwollpflanzer aus Hillsboro. Ich will in New Orleans verkaufen. Das Boot habe ich gemietet. Dies hier ist der Eigner und Kapitän. Es ist eine helle Nacht, und ich möchte möglichst schnell mit dem Erlös meiner Ernte zurück nach Hillsboro.« Der Unionscaptain grinst ihn an. »Das alles wird noch geklärt«, erwidert er. »Fahren Sie hinter der Pinasse her bis zu einer der Landebrücken, die Ihnen zugewiesen wird. Sie sind Südstaatler, nicht wahr? Warum sind Sie nicht Soldat? Oder sind Sie es – und alle anderen hier?«
»Nicht alle Südstaatler kämpfen für den Süden«, erwidert Steve Cheney. »Bei uns geht man freiwillig zur Armee oder bleibt daheim. Und überdies habe ich ein steifes Bein.« Er klopft mit seinem Stock gegen die Holzlatte unter der Hose. Man hört, wie der Stock auf Holz schlägt. Die Hose dämpft das Geräusch nur wenig. »Und die anderen?« So fragt der Unionscaptain. »Auch alles Holzbeine?« Seine Stimme klirrt vor Spott. Er zieht plötzlich seinen Revolver und zielt auf Steve Cheneys Bein. »Wenn das ein Holzbein ist, Mister, da kann ich ja wohl hineinschießen, ohne Sie zu verletzen? Soll ich? Oder wollen Sie Ihre Hose ausziehen, damit ich nicht schießen muss?« »Ich werde vor Ihnen gewiss nicht freiwillig meine Hose ausziehen, Captain«, erwidert Steve Cheney ruhig. »Und wenn es Ihnen Spaß macht, einen Krüppel zu demütigen, dann kann ich Sie nicht daran hindern. Nur zu, Captain. Es kostet mich nur eine Hose.« Einen Moment sieht es so aus, als würde der Unionscaptain wirklich in das vermeintliche Holzbein schießen wollen. Seine Soldaten, die sich inzwischen auf dem alten Dampfboot verteilten und auch die Baumwollballen prüften, halten inne und warten. Einige, die unter Deck und auch in die Kabinen wollten, verharren ebenfalls. Doch der Unionscaptain lacht nun amüsiert. »Ein stolzer Sklavenhalter«, spricht er. »Aber sagen Sie mir, warum Sie jetzt erst Ihre Baumwollernte zum Verkauf schaffen? Geben Sie mir eine Erklärung.« »Weil ihr verdammten Yanks mir das Bein abgeschossen habt und ich erst wieder in einem Lazarett gesund – nein, nicht gesund, sondern Zivilist werden musste«, faucht Steve Cheney scheinbar wild vor Zorn. Der Unionscaptain starrt ihn im Licht der Karbidscheinwerfer und einiger nun angezündeter Laternen an. Dann wendet er sich ab. »Ihr könnt weiter«, entscheidet er. Und zu seinen Männern gewandt ruft er laut genug: »Sergeant, wir gehen zurück auf die Pinasse! Dieses Dampfboot kann passieren!« Als sie wenig später alle von Bord sind und die »Miriam« wieder ihre Fahrt stromabwärts fortsetzt, treten die Brüder zu Steve. »Das war hoch gepokert«, knurrt Jake. »Du hättest jetzt wirklich ein Bein verlieren können«, keucht Jubal. »Und es war gewiss nicht das Verhalten eines Gentleman, dich als Krüppel auszugeben.« »Ich bin kein Gentleman, wenn ich zweihundert Pfund Gold durchbringen muss, um Waffen zu kaufen. Verdammt, wie kann ich da ein Gentleman sein?«, grollt Steve Cheney böse. Inzwischen hat das kleine Dampfboot »Miriam« – es ist eigentlich für den Missouri gebaut worden – wieder Fahrt aufgenommen. Das Heckschaufelrad dreht sich wieder, und die Auslassventile hämmern durch die Nacht, so als schlügen Hämmer auf Metall. Der mächtige Mississippi schimmert wie eine gewaltig breite Straße aus Silber im Mond- und Sternenschein. Nur die Wälder an den Ufern bergen geheimnisvolles Dunkel, das nur dann und wann von den Lichtern einzelner Ortschaften oder Gehöfte unterbrochen wird. Einer der beiden Soldaten, welche als Maschinisten fungieren, weil sie dies auch waren, bevor sie Soldat wurden, kommt zu Steve Cheney. »Wir müssen bald Brennholz übernehmen«, sagt er ruhig. »Sonst können wir uns nur
noch von der Strömung treiben lassen. In spätestens zwei Stunden werfen wir die letzten Holzscheite in die Feuerbuchsen. Und in drei Stunden ist kein Dampf mehr in den beiden Kesseln.« »Gut, Barney, wir legen bei der nächsten Stadt an. Der Karte nach müsste es Amalia an der Mündung des Rosalia Creeks sein, etwa zehn Flussmeilen von hier entfernt. Wir legen an, Barney.« Der Corporal geht wieder zu seiner Station, um dort das Feuer in Gang zu halten und auch alle beweglichen Teile der Backbordmaschine zu ölen. Dies muss ständig geschehen, weil sonst die Lager heißlaufen. Der Corporal, der einst in seinem Zivilberuf ein erstklassiger Maschinist war, macht sich eine Menge Sorgen um die beiden Maschinen der »Miriam«. Alles auf diesem Dampfboot ist verbraucht, ausgeleiert, abgenutzt. Die »Miriam« ist fast ein Wrack, und selbst wenn sie mit ihr New Orleans erreichen sollten, stromauf würden sie mit ihr nicht mehr fahren können. Sie könnte gewiss nicht mehr gegen die starke Strömung des gewaltigen Stromes ankämpfen. Ihr morscher Leib würde sich nach und nach gewissermaßen zu Tode vibrieren. Sie würde zerbrechen. Aber sie mussten mit solch einem Dampfboot den Versuch machen. Jedes andere wäre von den Unionstruppen requiriert worden. Auch der Corporal denkt wie alle hier an Bord an das viele Gold. Zweihundert Pfund sind es, genau zwanzig Zehn-Pfund-Barren. Sie beanspruchen nicht viel Platz. Die zweihundert Pfund Gold sind in einem großen Koffer unterzubringen, und deshalb waren sie auch so leicht an Bord zu verstecken. Doch die »Miriam« wurde ja nicht einmal durchsucht. Es ist noch nicht Tag, doch der graue Morgen deutet sich schon im Osten an, als sie auf der Westseite des Stromes die Lichter der kleinen Stadt Amalia an der Mündung des Rosalia Creeks sehen. Es gibt einige Landebrücken und auch einen Holzplatz mit zwei Ladebäumen, an denen die Holzkörbe zu den Schiffen hinübergeschwungen werden können. Die »Miriam« macht beim Holzplatz fest. Und als das Schaufelrad an ihrem Heck nicht mehr den klatschenden Lärm macht, da hören sie das Geheul eines der Maschinisten. Sie verstehen immer wieder die geheulten Flüche und Worte: »Oh, du heilige Scheiße. Jetzt ist es aus und vorbei! Jetzt wird uns alles Feuerholz der ganzen Welt nichts nützen! Verdammt!« Der fluchende Maschinist kommt dann auf das Sturmdeck heraufgesprungen, wo Steve Cheney am Fuße des Ruderhauses steht und auf den Holzplatz blickt, wo sich vorerst noch kein Mensch bewegt. »Was ist, Larkin?« So fragt Major Cheney knapp. »Der Feuerrost unter dem Kessel der Steuerbordmaschine ist hin – durchgebrannt, verschmort! Und ohne Rost kann nicht mehr geheizt werden unter dem Kessel. Auch der Backbordrost macht nicht mehr lange. Wir müssen neue Roste haben. Aber vielleicht bricht dieses armselige Boot ohnehin auseinander. Vielleicht sollten wir hier kein Feuerholz, sondern Holz für ein Floß kaufen, Sir!« Besonders den letzten Satz und das letzte Wort heult der Mann böse heraus. »Schon gut, Larkin«, erwidert Steve ruhig. »Ich werde mich darum kümmern.« Und dann ruft er seine beiden Brüder.
Wenig später gehen die drei Cheney-Brüder an Land. Die kleine Stadt schläft noch. Auch in der Baracke des Holzplatzes rührt sich noch nichts. Doch das wird sich ändern. Es ist bereits Vormittag, als Steve Cheney nach etwa einer Viertelmeile Fußmarsch die kleine Werft unterhalb der Stadt erreicht. Es gibt auf dem Werftgelände auch ein Wohnhaus, aus dem nun eine Frau auf die Veranda tritt und dort verharrt. Sie blickt auf Steve Cheney, der sich Schritt für Schritt nähert und immerzu umsieht. Denn überall liegt Schrott herum, alte Ersatzteile abgewrackter Schiffe, Anker, Winden, Ladebäume, Spanten, Taue und viel rostiges Zeug. Steve Cheney sieht auch Feuerroste, aber alle, die er sehen kann, sind zu groß für die Feuerbuchsen der »Miriam«. Nun nähert er sich der Frau auf der Veranda, will sie nach Rosten fragen, doch sie kommt ihm mit der Frage zuvor: »Sind Sie Mr Perkins, der mir ein Angebot für die Werft machen will?« Steve Cheney steht nun am Fuß der Verandatreppe und blickt zu ihr empor. Er sieht eine Frau, wie sie ihm gewiss bisher noch niemals im Leben begegnet ist. Jedenfalls glaubt er dies von der ersten Sekunde an, da er in ihre grünblauen Augen blickt. O Himmel, denkt er, was ist das für ein Wunder? Vielleicht kann sie seine Gedanken oder Empfindungen in seinen Augen erkennen, die graublau sind wie Stahl. Jedenfalls lächelt sie, und ihr dunkles, rassiges Gesicht wirkt nun mädchenhafter. Und doch ist sie gewiss eine erfahrene Frau. Er sagt: »Nein, ich interessiere mich nicht für eine Werft, Lady. Ich suche zwei Feuerroste für mein Dampfboot, das am Holzplatz festgemacht hat. Es ist ein Boot der Starbuck-Klasse, wie man sie…« »Ich weiß«, unterbricht sie ihn. »Ja, ich kenne mich aus mit der Leitung einer Werft. Denn als mein Mann im Krieg fiel, musste ich mich selbst um alles kümmern. Doch jetzt bin ich pleite. Sie wollen also keine ganze Werft kaufen? Nun, vielleicht habe ich irgendwo noch zwei dieser gusseisernen Roste für die Starbuck-Klasse – vielleicht. Kommen Sie herein, Mister. Ich sitze gerade beim Frühstück. Sie können mithalten. Eier, Speck und Kaffee gibt es reichlich, auch frische Biskuits. Na, kommen Sie schon! Denn wir werden handeln müssen! Wenn Sie die Roste so dringend benötigen, werden Sie mir einen Gefallen erweisen müssen. Kommen Sie, Mister? Wie ist denn Ihr Name?« »Cheney«, erwidert er. »Steve Cheney.« »Ich bin Laura McKenzie«, sagt sie, wendet sich um und verschwindet im Haus. Er bewundert ihre leichten, geschmeidigen Bewegungen, und er wird sich wieder bewusst, dass er schon sehr lange keine Frau mehr in den Armen hielt und noch nie eine, die so begehrenswert wirkte wie diese hier. Er folgt ihr, und es ist ihm, als müsste er einer Zauberkraft folgen. Als er in die Küche tritt, sitzt sie bereits am Tisch. Und sie hat ihm auch schon eine Tasse Kaffee eingeschenkt und einen Teller hingestellt. »Bedienen Sie sich, Steve«, sagt sie. Er sieht, dass der Tisch von Anfang an schon für zwei gedeckt war, was die essbaren Dinge angeht. Also hat sie gar nicht so schnell für ihn gedeckt, sondern nur Kaffee eingeschenkt. Verdammt, denkt er, wen hat sie erwartet? Ist es dieser Mr Perkins, von dem sie sprach? An wessen Stelle sitze ich an diesem Tisch bei ihr? Für wen soll ich Ersatz sein?
Aber er setzt sich, trinkt einen Schluck Kaffee und füllt sich dann Rührei mit Speck auf den Teller, greift auch ein frisches Biskuit aus dem Körbchen. »Also, haben Sie solche Roste, Laura?« So fragt er. Da sie ihn einfach nur mit Steve anredete, tut er dies mit ihrem Vornamen, als ob sie sich schon lange kennen würden. Sie nickt kauend. »Vielleicht«, sagt sie dann. »Nein, gewiss«, verbessert sie sich schnell. »Aber erst ist noch etwas zu erledigen.« »Was?« So fragt er und verspürt eine ungute Ahnung in seinem innersten Kern. Sie deutet mit der Gabel zur offenen Tür. »Da kommt er geritten«, spricht sie ruhig. »Und Sie sehen wie ein richtiger Mann aus, Steve Cheney. Jagen Sie ihn zum Teufel. Sagen Sie ihm, dass Sie mein heimgekehrter Mann seien und er zur Hölle fahren möge. Na los, er wird gleich dort draußen sein Pferd anbinden und hereinkommen.« »Wer?« Wieder fragt er mit einer bösen Ahnung in seinem innersten Kern. »Captain Setterman«, erwidert sie. »Wir haben eine Besatzungstruppe in unserer Stadt. Er ist der Ortskommandant, ein harter Yankee. Er will mich haben, aber ich ihn nicht. Und von ihm bekommen Sie gewiss kein Feuerholz für Ihr Boot.« »Das haben wir schon«, erwidert er. »Und bisher sahen wir noch keinen Unionssoldaten.« »Die waren wahrscheinlich auf Patrouille«, erklärt sie ihm. »Die jagen immer wieder Guerillas der Rebellenstaaten, Jetzt ist er da.« Man hört nun in der Küche des Hauses, wie der Reiter sein Pferd anhält und absitzt. Ein Säbelgehänge klirrt, auch die Gebisskette. Und das Pferd schnaubt leise. Als der Unionscaptain auf die Veranda tritt, erscheint dort Steve Cheney in der offenen Tür. Der Captain hält inne, so als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gerannt. Dann starrt er Steve Cheney böse und drohend an. »Wer sind Sie? Und was tun Sie hier?« So fragt er barsch. Für Steve Cheney aber ist das, was jetzt und hier folgt, ein geradezu unabwendbares Geschehen. Er begreift in diesen Sekunden, dass er gar keine andere Wahl hat und durch diese Situation hindurchmuss, ganz gleich wie. Er trägt ja nicht mehr die Holzlatte unter der Hose, die ihn so echt steifbeinig wirken ließ. Und jetzt bei Tag sieht man ihm an, dass er gewiss kein harmloser Baumwollpflanzer ist, sondern einer dieser Rebellenoffiziere von General Lees Armee. Irgendwie spürt ein erfahrener Unionscaptain dies instinktiv. Steve Cheney spricht langsam: »Ich bin ein Major der Konföderierten, Captain. Sie kamen zum falschen Zeitpunkt her.« Er hat es kaum gesagt, da reißt der Captain einen Dragoon-Colt aus dem offenen Holster, wobei er zischend flucht. Aber er ist nicht schnell genug. Steve Cheney trägt seinen Colt im Schulterholster, und er zaubert seine Waffe heraus, gibt dem Captain keine Chance. Denn wie er schon einmal sagte: Um zweihundert Pfund Gold durchzubringen und einen Auftrag zu erledigen, kann er es sich nicht leisten, ein Gentleman zu sein. Es ist Krieg. Immer noch.
Jener Offizier, den diese Laura McKenzie Captain Setterman nannte, fällt auf die Knie. Er lässt seine Waffe fallen und presst beide Hände gegen die Magengrube, wo ihn Cheneys Kugel traf. Sein Blick hat einen staunenden, ungläubigen Ausdruck. »O Himmel«, stöhnt er, »du verdammter Rebell hast mich erwischt. Aber den Krieg könnt ihr dennoch nicht gewin…« Weiter kommt er nicht. Denn nun fällt er nach vorn und streckt sich für immer. Steve Cheney verharrt mit dem rauchenden Colt in der Hand. Ja, es ist immer noch Krieg. Und wieder einmal hat er getötet. Doch diesmal war der Gegner nicht sozusagen anonym. In diesem Fall hier hat er mit ihm gesprochen, und so wurde es gewissermaßen ein Duell wie unter Revolvermännern. Er verspürt einen Widerwillen. Dann hebt er seinen Blick, denn die schöne Laura McKenzie tritt auf die Veranda. »Sie hätten versuchen sollen, ihn wegzuschicken«, spricht sie herb. »Sie hätten ihm sagen sollen, dass Sie mein heimgekehrter Mann oder Bruder seien. Warum gaben Sie sich als Major der Konföderierten zu erkennen?« Ihre Frage zuletzt klingt vorwurfsvoll. Und dass sie alles hörte, beweist, wie aufmerksam sie drinnen im Haus gelauscht hat. Er schüttelt leicht den Kopf. Dann fragt er: »Bekomme ich nun die Feuerroste für ein Dampfboot der StarbuckKlasse – oder versprachen Sie mir zu viel?« Sie schüttelt ärgerlich den Kopf. »Zuerst schaffen wir ihn ins Haus«, spricht sie ruhig, »und legen ihn in mein Ehebett, in welchem mein Mann nicht mehr liegen kann. Dieser Captain Setterman wollte zu gerne mit mir in diesem Bett liegen. Nun soll er dies wenigstens allein tun können. Denn Sie müssen mich mitnehmen mit Ihrem Dampfboot, Major Cheney.« Sie spricht den letzten Satz hart und spröde, fordernd und entschlossen. Er aber staunt sie an. »Sie wollen mit?« So fragt er, als könnte er nicht glauben, was sie soeben zu ihm sagte. »Ich will nach New Orleans«, sagt sie. »Denn dorthin wollen Sie doch wohl auch, nicht wahr? Wohin sonst? Ich saß hier fest auf einer bankrotten Werft und einem Berg von Schulden und befand mich sozusagen in der Hand dieses Captains. Er war kein Gentleman, sondern ein verdammter Dreckskerl. Wenn seine Männer ihn finden, werden sie mich dafür verantwortlich machen. Ich will nicht nur weg, sondern ich muss es. Also, tragen wir ihn hinein. Und dann zeige ich Ihnen die Feuerroste. Für die würden Sie doch wohl alles tun, nicht wahr, Major Cheney?« Er nickt langsam und steckt seine Waffe weg. Und er denkt dabei: Ja, für die Feuerroste würde ich alles tun. Und auch diese Frau werde ich mitnehmen müssen, obwohl sie mich eigentlich reingelegt hat, mich gewissermaßen benutzte, um sich diesen Captain vom Hals zu schaffen. Sie bücken sich gleichzeitig, um den Toten aufzuheben und ins Haus zu tragen. Steve Cheney stellt dabei fest, dass diese schöne Frau, die nur mittelgroß ist für eine Frau und sicherlich kaum mehr als hundertzehn Pfund wiegt, sehr kräftig ist. Sie trägt den Toten an den Beinen. Er trägt den Oberkörper und muss die Stufen zur Veranda rückwärts hinauf. Der Captain ist ein schwergewichtiger Bursche – nein, er war es, denn er ist tot.
* * * � Es ist früher Nachmittag, als Steve Cheney sich auf den Weg macht. Er zieht einen Handwagen hinter sich her durch den Staub des Weges. Auf dem Handwagen liegen die beiden Feuerroste. Es sind schwere, gusseiserne Dinger, zwar schon gebraucht und etwas verschmort da und dort, aber dennoch gut brauchbar. Wahrscheinlich werden sie die am besten erhaltenen Teile auf der »Miriam« sein, die ja fast schon ein Wrack ist und jeden Moment auseinander brechen kann. Als Steve Cheney den halben Weg zurückgelegt hat, kommen ihm drei Reiter entgegen. Es sind Unionssoldaten. Einer trägt die drei Winkel eines Sergeants. Offenbar reiten sie eine Inspektionsrunde und beobachten auch ständig den Strom. Als sie den Wagen und Steve Cheney erreichen, halten sie an und versperren ihm den Weg. »Wer bist du denn?«, fragt der Sergeant barsch. »Ich kam mit dem alten Dampfboot und der Baumwollballenladung«, erwidert Cheney ruhig. »Und ich brauchte neue Feuerroste. Die bekam ich auf der Werft da hinter mir. Und euer Captain ist auch dort und hat es erlaubt. Stört ihn nur nicht jetzt. Der ist angenehm beschäftigt.« Die drei Soldaten grinsen. Dann sagt einer zum Sergeant: »Sersch, ob der Captain sie jetzt doch endlich vernascht? Ob er sie endlich herumgekriegt hat?« »Das geht dich einen verdammten Dreck an, Skinner«, knurrt der Sergeant mürrisch, und sein scharfes und wachsames Misstrauen prallt gegen Steve Cheney. Aber dann entscheidet er sich dafür, ihn ziehen zu lassen. Er murmelt nur: »Wenn der Captain nichts dagegen hatte…« Dabei reitet er mit seinen beiden Soldaten zur Seite und gibt Cheney und dem Handwagen den Weg frei. Doch dann fragt er noch: »He, Mann, warum sind Sie nicht Soldat? Sie sind doch gewiss auch ein Sklavenhalter. Warum also sind Sie kein Rebell?« »Das hat mich der Captain auch gefragt«, erwidert Cheney. »Und da sagte ich ihm, dass mich der verdammte Scheißkrieg nichts anginge, weil ich eine große Familie zu versorgen hätte. Und meine paar Sklaven liefen mir längst weg und dienen jetzt bei euch in irgendeiner Negerkompanie. Sonst noch etwas, Sergeant?« »Nein«, sagt dieser und grinst, denn er ist zufrieden, zu wissen, dass es diesem scheinbaren Baumwpllpflanzer ziemlich dreckig zu gehen scheint. Steve Cheney kann endlich fahren. Er sieht sich nicht mehr um. Als er sich wenig später mit dem Wagen der Landebrücke beim Holzplatz nähert, da stehen seine Männer staunend an der morschen Reling oder hocken auf den Baumwollballen, die auch überall an Deck gestapelt sind, sodass sie fast wie Brustwälle gegen feindlichen Beschuss wirken. »Oho, wer kommt denn da mit einem Handwagen?« So brüllt Jake. Aber Steve ist nicht zu Scherzen aufgelegt. Er ruft hinüber: »Na los, bewegt euch und holt die Roste an Bord!« Nun stoßen die beiden Maschinisten und Heizer Freudenschreie aus. Steve lässt den Wagen einfach stehen und geht an Bord. Irgendwie fühlt er sich unzufrieden und hat ungute Ahnungen.
Seine Brüder treten zu ihm. Sie blicken ihn neugierig an. »Wir werden weiter stromab eine schöne Frau an Bord nehmen«, spricht er zu ihnen. »Sie will aus vielerlei Gründen, die ich euch vielleicht noch erklären werde, weg von hier. Aber eines müsst ihr jetzt schon wissen: Vor ihrem Wohnhaus im Werftgelände habe ich den Captain der hiesigen Besatzungstruppe erschießen müssen. Habt ihr den Schuss nicht gehört? Die Entfernung beträgt doch nur eine halbe Meile oder sogar noch weniger.« Die Brüder zucken mit den Schultern. »Wir hörten mehrmals Schüsse in der Umgebung«, erwidert Jake. »Offenbar wird hier überall gejagt.« Er hat kaum ausgesprochen, da hört man wieder das Krachen einer Schrotflinte. Am Himmel über dem Strom sind Flugenten. Eine fällt nun nieder, und ein Kanu stößt vom Ufer ab. Ein Junge paddelt darin wie wild, damit er die Ente bergen kann, bevor die Strömung sie zu weit abgetrieben hat. Jubal fragt begierig: »Eine schöne Frau?« »Ihr werdet sie ja sehen«, knurrt Steve und geht hinauf zum Ruderhaus. Denn von dort hat er den besten Rundblick. Er denkt: Wenn wir nur schon genügend Druck in den Kesseln hätten. Denn wenn dieser Sergeant vielleicht doch zu seinem Captain… *** Es ist später Nachmittag, fast schon Abend, als die »Miriam« losmacht und ihr Heckschaufelrad sich zu drehen beginnt. Das Dampfboot vibriert, zittert und ächzt in allen Fugen. Drei Meilen hinter der kleinen Stadt macht der Strom eine Biegung um eine Landzunge. Dahinter gibt es eine große Bucht. In diese Bucht hinein steuert die »Miriam«. Und nun sehen sie die Frau am Ufer auftauchen. Sie tritt aus den Büschen. Die »Miriam« verhält nun im ruhigen Wasser der Bucht. Es gibt hier sogar eine leichte Gegenströmung. »Holt sie mit dem Beiboot an Bord«, gibt Steve Cheney den Befehl. »Hölle und Teufel, ist die schön«, stöhnt Jake. »Die wäre was für mich«, ächzt Jubal. »Was für ein Weib!« Sie blicken auf ihren älteren Bruder, der ja auch ihr Anführer ist, ja sogar ihr militärischer Vorgesetzter. Er deutet jetzt hinüber und sagt: »Seht, sie hat selbst ein kleines Boot dabei. Ihr braucht sie nicht an Bord zu holen mit unserem Beiboot. Sie kommt her ohne unsere Hilfe.« Und so ist es auch. Laura McKenzie kommt in einem kleinen Boot zum Vorschein, welches bisher mit ihrem Gepäck zwischen den Uferbüschen verborgen war. Wenig später helfen sie ihr an Bord. Sie trägt Hosen wie ein Mann, dazu eine Lederjacke. Ihr schwarzes Haar hat sie hinter dem Nacken mit einem roten Band zusammengebunden. Und mit ihren leuchtend blauen Augen betrachtet sie die Brüder nacheinander. Mann für Mann. »Da bin ich«, sagt sie schlicht. »Wir sollten das Boot an Bord nehmen, denn es ist ein sehr gutes Dingi. Man könnte es vielleicht einmal gebrauchen.«
»Sicher«, sagen Jake und Jubal zweistimmig, und sie nicken so gleichmäßig, als hätten sie das einstudiert. Es ist dann eine leichte Sache, mit Hilfe des Ladebaumes und der Seilwinde binnen weniger Minuten das Boot mitsamt dem Gepäck an Bord zu hieven. Und dann geht die »Miriam« ächzend und vibrierend wieder aus der Bucht in den Strom hinaus. Die Brüder umgeben die schöne Frau. »Ihr habt aber ein prächtiges Boot«, spottet sie. »Ein Glück, dass wir mit der Strömung fahren, nicht wahr? Wo kann ich wohnen?« Es ist eine nüchterne Frage, welche die Brüder wieder aus dem Zustand des Staunens in die Wirklichkeit zurückholt. »Ja, wir haben noch eine Kabine frei«, sagt Steve. »Denn auf diesem kleinen Boot gibt es acht Doppelkabinen. Wir aber sind nur sieben. Jeder von uns bewohnt eine Doppelkabine. Kommen Sie, Laura, ich bringe Sie hinauf.« Er nimmt die beiden großen Reisetaschen und geht voraus zum kleinen Kabinendeck hinauf. Sie folgt ihm. Und als sie die Kabine betreten haben und er die Reisetaschen abgestellt hat und sich ihr zuwendet, da verharrt sie in der noch offenen Tür, als wollte sie ihm den Ausgang versperren. »Ich danke Ihnen, Steve«, sagt sie und lächelt. »Und ich werde mich nützlich machen. Zum Beispiel kann ich das Kochen übernehmen.« Nun tritt sie auf ihn zu, bis sie dicht bei ihm ist. Sie legt ihm beide Hände auf die Schultern und zieht sich so auf ihre Zehenspitzen hoch. Und dann küsst sie ihn. »Das ist mein Dankeschön«, sagt sie zurücktretend und ihm den Weg zur offenen Tür freigebend. Er verharrt noch einige Sekunden. Und wenn sie nicht so schnell von ihm zurückgetreten wäre, hätte er sie gegriffen. »Verdammt«, murmelt er, »treiben Sie nur kein Spiel mit mir, Laura. Auch nicht mit den anderen Männern. Sie sind eine verdammt schöne Frau mit einer Ausstrahlung, die gewiss wie ein Zauber wirken kann. Sie könnten uns alle zu Narren machen. Versuchen Sie es nicht. Sonst werfe ich Sie von Bord.« Nach diesen Worten geht er hinaus und wirft die Tür hinter sich zu. Sie aber verharrt noch einige Atemzüge lang, starrt auf die nun geschlossene Tür und lächelt. »O ja«, murmelt sie leise. »Ich könnte euch alle verhexen, Mann für Mann. Und ich wette, ihr seid immer noch Soldaten der Konföderation. Warum seid ihr unterwegs nach New Orleans?« *** Drei Tage später treiben sie in einer schwarzen Regennacht an einer Stadt vorbei, deren Namen sie nicht kennen. Sie richten sich nach den Lichtern an den Ufern und können sonst nichts sehen in der undurchdringlichen Dunkelheit. Jede Sekunde können sie auf ein Hindernis rammen, und dann wird die »Miriam« auseinander fallen wie eine morsche Kiste, gegen die ein Fuß tritt. Es ist wie ein Wunder, dass sie unbemerkt durchkommen.
Sollte das Glück auf ihrer Seite sein? Oder kam es in Gestalt der schönen Laura zu ihnen an Bord? Sie alle beginnen plötzlich daran zu glauben, dass sie gewinnen werden. Doch etwa fünfzig Flussmeilen weiter – als der Tag wegen des Regens kein richtiger Tag werden kann, sondern tief grau und trübe bleibt –, da springt einer der Maschinisten brüllend an Deck. Hinter ihm zischt Dampf aus dem Kesselraum. Zuerst verstehen sie oben im Ruderhaus sein Gebrüll nicht, denn das Zischen des Dampfes und das Rattern des Schaufelrades machen zu viel Lärm. Dazu kommt noch das Hämmern der Auslassventile. Doch Letzteres wird langsamer. Sie verstehen endlich das Gebrüll des Mannes. Denn er ruft immer wieder: »Wir müssen Dampf ablassen! Die Kesselnieten platzen ab! Dieser verdammte Scheißkahn fährt gleich zur Hölle! Sucht einen guten Ankerplatz, solange noch etwas Druck vorhanden ist! Wir müssen Dampf ablassen, o Hölle!« Der Mann verschwindet wieder. Auch aus dem Backborddampfkessel zischt jetzt der Dampf. Offenbar hat der zweite Maschinist dort nun die Ventile aufgemacht, damit das Heckschaufelrad nicht einseitigen Druck erhält von den starken Pleuelstangen, die ja die Verbindung zwischen den Kolben und den Kurbeln des Heckschaufelrades herstellen und die geradlinige Bewegung der Kolben in die rotierende des Schaufelrades verwandeln. Hätte die »Miriam« gegen den Strom ankämpfen müssen, würde sie nun bald abgetrieben werden. Doch mit der Strömung gelingt es ihr, einen guten Ankerplatz zwischen zwei Inseln unter gewaltigen überhängenden Bäumen zu finden. Sie setzt in einer kleinen Bucht sanft auf sandigen Grund. Und aus beiden Dampfkesseln entweicht nun der letzte Druck. Die beiden Maschinisten kommen an Deck und sehen Major Steve Cheney vorwurfsvoll an. Einer spricht: »Major, Sie hätten sich nicht dieses verfaulte und verrostete Boot andrehen lassen dürfen – nicht solch eine Ruine von einem Wrack. Dieses Boot gleicht einer verdammten Hure, die keinen Dollar mehr verdient, weil sie am Ende ist.« »Machen Sie endlich eine präzise Meldung, Corporal«, verlangt Steve Cheney und wirkt nun sehr dienstlich. »Yes, Sir«, schnappt der Maschinist. »Ich melde Ihnen, dass am Steuerbordkessel die Nieten abzuspringen beginnen, weil sie durchgerostet sind. In jeder Sekunde könnte uns der Kessel um die Ohren fliegen. Ich musste höllisch schnell den Druck mindern. Und auch auf der anderen Seite…« »Schon gut, Corporal«, unterbricht ihn Steve Cheney. »Sagen Sie mir lieber, ob wir das reparieren können.« »Vielleicht, Sir, vielleicht. Aber das kann man erst feststellen, wenn wir in den Kessel gekrochen sind, diesen sauber gemacht, also den Kesselstein abgeschlagen haben und herausfinden konnten, wie weit alles verrostet ist. Wir müssten dann die kleine Feldschmiede in Gang bringen und überall an den Kesseln neue Nieten anbringen. Es sind Hunderte. Das Ganze dauert Wochen, Sir. Selbst in einer Werft brauchte man dazu eine Woche. Wir sitzen hier so lange fest.« Der Mann hat nun alles gesagt. Und für Steve Cheney ist es wie ein Keulenschlag mitten auf den Kopf. Einige Atemzüge lang verharrt er mit geschlossenen Augen. Dabei denkt er immer wieder: Oha, warum haben diese Pfeifen vom Armeedepot am
Tennessee River mir dieses morsche Boot gegeben? Warum schickten sie mich auf einem Wrack den Strom hinunter nach New Orleans, diese verdammten Narren! Seine bitteren Gedanken sind natürlich verständlich. Doch zugleich weiß er, dass ein besseres Dampfboot schon bei der ersten Kontrolle requiriert worden wäre. Er öffnet wieder die Augen und sieht den Maschinisten und dann die anderen Männer an, die sich nun um ihn versammelten. »Also gut, wir müssen es versuchen«, spricht er äußerlich ganz ruhig. »Wir müssen diesen verdammten Kessel wieder dicht bekommen. Zum Glück haben wir eine Feldschmiede und auch genügend Nieten an Bord. Wenigstens das gaben sie uns mit. Wir reparieren also. Aber einer von uns muss mit dem Beiboot hinunter nach New Orleans. Denn das Seeschiff mit den Waffen wartet nicht ewig auf uns. Die verkaufen ihre Ladung auch an andere Interessenten. Jemand muss hinunter und denen sagen, warum wir verspätet kommen. Das Seeschiff heißt ›Esther Ree‹, und das Losungswort heißt ›Rainbow‹. Jake, du wirst jetzt sofort mit dem kleinen Boot, das Laura an Bord brachte, losfahren. Es sind noch etwa zweihundert Flussmeilen bis nach New Orleans. Der Strom trägt dich zumindest fünf bis sechs Meilen in der Stunde. Selbst wenn du da und dort anlegen musst, um mal zu schlafen – oder wenn die Nächte zu schwarz sind, sodass du dich nicht treiben lassen kannst –, dürftest du in zwei bis drei Tagen dort sein. Und dann suche die ›Esther Ree‹. Na los, Lieutenant Cheney!« Jake zuckt leicht zusammen, so als begriffe er erst jetzt, dass sein älterer Bruder als sein Vorgesetzter zu ihm spricht. Doch dann salutiert er sogar und sagt: »Zu Befehl, Sir!« *** Die Arbeiten erweisen sich als schwieriger, als zuerst angenommen. Zwei Wochen vergehen, und Jake muss längst in New Orleans sein. Ob er das Seeschiff gefunden und mit dessen Kapitän gesprochen hat? Ob die »Esther Ree« wirklich noch darauf wartet, Waffen gegen das Gold der Konföderierten eintauschen zu können? Die »Miriam« hat ein gutes Versteck gefunden zwischen zwei bewaldeten Inseln und in einer kleinen Bucht der einen Insel. Die Fahrrinne der Schiffe, Flöße und Lastkähne liegt auf der anderen Seite dieser Insel. Der ganze Verkehr auf dem Strom geht also zwischen der Insel und dem Westufer des Stroms vorbei. An einem dieser Tage wandern Steve Cheney und Laura McKenzie auf der lang gestreckten Insel umher. Die Insel ist fast eine ganze Meile lang und bis zu hundert Yards breit. Da sie sich als langer Rücken aus dem Fluss erhebt, konnte das Hochwasser den Bäumen in den letzten hundert Jahren nie etwas anhaben. Es sind uralte, gewaltige Monarchen. Wieder einmal sehen Steve Cheney und Laura McKenzie vom Westufer der Insel aus eines der ganz großen Dampfschiffe stromauf vorbeidampfen. An Bord spielt sogar eine Musikkapelle, so als wäre kein Krieg. An Bord sind gewiss viele Geschäftsleute, die bis nach Saint Louis hinauf wollen, aber auch Zeitungsreporter, die über den Krieg berichten und am Ohio River umsteigen werden.
Steve Cheney sagt: »Wir schaffen es nicht. Wir bekommen dieses Miststück von einem Dampfboot nicht mehr klar. Solch einen Steamer müsste man haben.« Er deutet hinüber auf das vorbeirauschende Dampfschiff, das den stolzen Namen »Mississippi Queen« trägt. Er sieht Laura an. »Warum bist du noch bei uns an Bord, schöne Laura? Du hättest mit Jake mitfahren können und wärst längst in New Orleans.« Sie erwidert seinen Blick und lächelt ihn an. »Ich bleibe lieber bei dir, Steve«, erwidert sie. »Denn wo du bist, ist auch das Gold.« »Du weißt davon?« »Schon lange. Ich hörte, wie deine Männer darüber redeten. Und überdies war mir immer klar, dass ihr die Gewehre, welche ihr von der ›Esther Ree‹ übernehmen sollt, nicht mit wertlosem Konföderiertengeld bezahlen könnt. Die Kriegsgewinnler wollen Gold. Du wirst es bald unter uns teilen müssen.« »Glaubst du?« So fragt er grollend. »Und du rechnest mit einem Anteil?« Sie nickt. »Mir würde auch dein Anteil genügen, Steve. Denn ich denke, dass wir auch nach dem Krieg Gefährten bleiben werden. Steve, du bist der Mann, dem ich gehören möchte.« Sie hat sich ihm zugewandt und sieht ihn fordernd an. Und da kann er nicht mehr anders. Er hat lange dagegen angekämpft, sich mehr herauszunehmen, als er seinen Männern gestatten würde. Doch nun tritt er vor und nimmt sie in die Arme. Sie sinken auf das Gras der kleinen Lichtung. Nein, er konnte ihr nicht länger widerstehen. Nun werden sie ein Paar. Es musste so kommen. Warum auch nicht? Sie ist eine begehrenswerte Frau. Und er ist kein Heiliger. *** Indes macht auch Jake Cheney in New Orleans eine Eroberung dieser Art. Ja, er kam eigentlich recht gut nach New Orleans hinunter. Er ist zwar zuvor noch nie in New Orleans gewesen, doch hat er schon eine Menge von dieser Stadt gehört, von der man sagt, sie sei eine sehr französische Stadt. Er findet das Seeschiff tatsächlich schon am ersten Tag. Als er an Bord geht und sich beim Kapitän meldet, sagt er nur das Losungswort »Rainbow« und wartet dann. Aber der Kapitän verzieht keine Miene. »He, haben Sie nicht gehört, ich sagte ›Rainbow‹«, sagt Jake Cheney nun ziemlich hart, denn er ist in keiner guten Stimmung und will nicht erst noch lange herumtändeln. Aber er versucht es noch einmal, nämlich halb und halb. Er sagt deshalb mühsam »Pluiebow«. Denn irgendwann hat er einmal mitbekommen, dass man Regen auf französisch »Pluie« nennt. Doch Bogen weiß er nicht. Der Seemann beginnt zuerst zu grinsen, dann zu lachen, und schließlich sagt er: »Pluie-arc.« »Aha«, macht Jake ungerührt.
Aber dann lässt der Kapitän einen Dolmetscher kommen, offenbar einen seiner Offiziere. Wenig später weiß Jake Cheney es dann genau. Er bekommt es ganz präzise gesagt, nämlich mit wenigen Worten, welche lauten: »Sie haben Glück, dass Sie von der Flussseite, vom Boot aus, an Bord kamen. Verschwinden Sie wieder auf diesem Weg.« »Waaas?« So dehnt Jake die Frage ungläubig. Der Dolmetscher zuckt mit den Schultern und tauscht mit seinem Kapitän einen kurzen Blick. Dann spricht er zu Jake: »Sie warten nur noch darauf, dass ihr mit dem Gold kommt. Dann schnappt die Falle zu. Und die Waffen holten sie schon von Bord. Dieser Flusshafen ist in den Händen der Union. Der Krieg ist für die Konföderation längst verloren. Wir kamen zu spät für euch. Aber früher waren die Waffen nicht fertig. Verschwinden Sie von Bord, bevor man Sie gefangen nimmt. Schnell!« Jake atmet langsam aus, und vor Wut und Bitterkeit möchte er aufbrüllen. Aber es ist ja wirklich so, dass der Süden den Krieg längst verloren hat und einfach nichts mehr stimmt, was die Planung und Koordination betrifft. Indes er noch verharrt, überlegt und die beiden Seeleute anstarrt, klopft es an der Tür der Kapitänskajüte. Eine Stimme ruft etwas in französischer Sprache. Doch der Erste Offizier, der den Dolmetscher macht, sagt knapp: »Die Yankees kommen an Bord, um Sie zu verhaften. Schnell! Sie können nicht mehr in Ihr kleines Boot. Sie müssen in den Fluss springen. Schnell!« Und der Kapitän ruft: »Vite!« Jake Cheney läuft hinaus aufs Brückendeck und zur Reling. Er zögert nicht lange, keine einzige Sekunde. Er springt im Kopfsprung über Bord. Noch nie in seinem ganzen Leben sprang er aus etwa fünf Yards Höhe kopfüber in einen Fluss oder See. Jake taucht tief unter, und indes er sich von der Strömung tragen lässt, bleibt er so lange unter Wasser, bis er wegen Luftmangels fast ohnmächtig wird. Als er auftaucht, hat ihn die Strömung weit abgetrieben. Er schnappt mehrmals kräftig nach Luft und taucht gleich wieder unter. Beim zweiten Auftauchen ist er schon fast zweihundert Yards stromabwärts von der »Esther Ree« entfernt. Und noch einmal taucht er unter. Als er zum dritten Mal auftaucht – auch alarmiert von einem patschenden und rauschenden Geräusch –, da kann er in der Dämmerung erkennen, dass ein großes Dampfboot von der Landebrücke ablegt, um in den Strom zu gehen. Es will stromauf und hat noch keine Fahrt aufgenommen. Er lässt sich am Steuerbordschaufelrad vorbeitreiben und hält sich an einem Beiboot fest, welches noch nicht an Bord genommen wurde. Über das Beiboot gelangt er an Bord. Wohin? So fragt er sich. Er steigt vom Hauptdeck hinauf zum Kabinendeck und begegnet auf dieser Seite keinem Menschen. Doch dies ist nur zu erklärlich, da fast alle an Bord auf der am Ufer zugewandten Backbordseite stehen, um das Ablegemanöver zu beobachten oder irgendwelchen Menschen zum Abschied an Land zuzuwinken. Er vernimmt auf der anderen Seite des Schiffes einige Rufe, die ihn doch ein wenig irritieren. Zuerst glaubt er, nicht richtig zu hören, doch dann hört er es wieder. Ja, da brüllt tatsächlich eine Männerstimme von der Landebrücke herüber: »Hooo, ihr Süßen von der
›Mayflower‹! Kommt bald wieder in unsere Halbmondstadt und zeigt uns die Künste der Edelhuren dieser Welt, juhu!« Der Brüller scheint betrunken zu sein. Aber als er verstummt, da brüllen und johlen einige Dutzend ebenfalls betrunkene Stimmen los. Jake Cheney ist wirklich einigermaßen irritiert. Doch er beginnt zu ahnen, auf was für ein Schiff er gekommen ist. Er beginnt die Kabinentüren auszuprobieren, sucht also eine, die nicht verschlossen ist. Doch er muss bis ganz nach vorn laufen, um endlich eine zu finden, die sich öffnen lässt, sodass er hineingleiten kann. Leise fluchend verharrt er in der Kabine. Es fällt nicht mehr genug Helligkeit herein, sodass er nicht viel erkennen kann. Doch er sieht, dass die Kabine leer ist. Jake ist noch nass. Es tropft aus seiner Kleidung. Aber vorerst ist er froh, dass er hier an Bord kam und den Häschern entkommen konnte. Denn die »Esther Ree« war eine Falle. Und wären sie mit der »Miriam« und dem Gold dort längsseits gegangen, dann hätten die Yanks sie mitsamt dem Gold geschnappt. Er zieht sich die Jacke aus. Am liebsten wäre ihm, wenn er hier in dieser Kabine trockene Kleidung finden würde. Doch er stellt fest, dass die Kabine von einer Frau bewohnt wird. Es ist eine große Luxuskabine, mit einem Wohn- und Schlafteil. Als er sich noch im Schlafteil umsieht, hört er jemanden vom Deck her eintreten. Dann wird eine Lampe angezündet. Und dann hört er eine Frauenstimme ziemlich ärgerlich sagen: »Verdammt, wer hat mir denn diese Sauerei in die Kabine gebracht?« Sie taucht nun im Schlafteil der Kabine auf, dessen Fenster nach der anderen Seite einen Blick zum Ufer gestatten. Und nun sieht sie im Halbdunkel die Gestalt des Mannes. »He, Mann«, spricht sie ziemlich spröde, »was tun Sie hier? Raus hier! Oder muss ich erst unsere harten Jungs rufen, damit diese Sie über Bord werfen?« Jake tritt langsam auf sie zu. »Lieber nicht, Ma'am«, spricht er. »Wissen Sie, ich bin ein verdammter Rebell auf der Flucht vor den Yankees. Sie sprechen wie eine Texanerin. Vergeben Sie mir, dass ich hier eingedrungen bin. Ich kam aus dem Fluss an Bord, und ich will einfach nur ein Stück weit fort. Gut so?« »Verdammt«, sagt sie, »nichts ist gut so, gar nichts.« Sie zündet nun auch in diesem Raum eine Lampe an, und im schwachen Lampenschein betrachten sie sich. »Irgendwie«, murmelt sie, »kommen Sie mir bekannt vor, Rebell.« »Und Sie mir«, erwidert er. »Mein Name ist Cheney, Jake Cheney.« Sie nickt plötzlich heftig. »Cheney«, murmelt sie. »O ja, Sie waren einer dieser drei Sergeants, die auf unserer Plantage Quartier machten mit ihrer Truppe. Das war vor fast drei Jahren, nicht wahr? Es war in Virginia. Und ich bin keine Texanerin, sondern aus Alabama und war damals in Virginia mit einem alten Mann verheiratet, der im Krieg als Colonel fiel. Gleich in der ersten Woche. Ich war damals erst zwanzig und wieder frei.«
»Richtig«, murmelt Jake Cheney. »Und Sie hatten damals endlich einen richtigen Mann im Bett, nämlich mich, jung und kräftig in jeder Hinsicht. Es war schön mit dir, Jessica. Was für eine Laune des Schicksals, dass ich ausgerechnet in deine Kabine eingedrungen bin. Nun, was wirst du jetzt tun mit einem ehemaligen Liebhaber?« Sie stößt bei seiner Frage ein sarkastisch klingendes Lachen aus. »Dies ist ein schwimmendes Edelbordell«, sagt sie dann. »Es gibt sie ja überall hier auf dem Strom bis hinauf nach Saint Louis, auch auf dem Ohio und in Tennessee – überall, wo Soldaten sind. Nun, ich werde dich nicht aus meiner Kabine jagen.« Sie tritt zu ihm und blickt zu ihm empor. Er ist ein großer, schwarzhaariger, blauäugiger und jetzt bärtiger Bursche. »Immer noch Sergeant?« So fragt sie. »Nein, Lieutenant«, erwidert er. Und da lacht sie. »Da hast du aber Glück, denn dies ist ein schwimmendes Freudenhaus für Offiziere. Hast du Geld?« »Nicht viel.« Wieder lacht sie sarkastisch. Ja, es ist ein Klang von Bitterkeit in ihrer kehligen Stimme. Sie hat kastanienfarbenes Haar, und ihre Augen glitzern gelblich wie die einer Katze im Lampenlicht. »Es war schön damals mit dir«, murmelt sie. »Ich war noch eine sehr junge Witwe. Meine Eltern hatten mich gewissermaßen an den alten Mann verkauft. Du warst für mich der erste wirklich junge Mann, mit dem ich es treiben konnte. Ich war allein, hungrig nach Zärtlichkeit und…« Sie bricht ab. »Aber dann verlor ich mein Erbe, die große Plantage mit dreihundert Sklaven. Fast hätten sie mich totgeschlagen, als die Yankees kamen und die Sklaven sich befreit fühlten. Ich konnte nur meine Haut retten, kam bis zum Ohio und dort in einer kleinen Stadt auf dieses Schiff. Der Krieg wird bald vorbei sein.« »Und dann?« So fragt er. Sie hebt die Schultern und lässt sie wieder sinken. »Zieh dich aus, Jake«, verlangt sie. »Du kannst dich säubern, rasieren und bekommst auch andere Kleidung. Und dann werden wir sehen, nicht wahr?« Er nickt und grinst blinkend zwischen seinem Bart. »Ja, dann werden wir sehen, Jessica«, spricht er. »Du bist noch schöner geworden seit damals. Was drei Jahre doch ausmachen…« *** Als die dritte Woche in der kleinen Bucht zwischen den Inseln anbricht, stellt es sich endgültig heraus, dass die Kessel nicht mehr zu reparieren sind. Es hätte auch keinen Sinn, sich mit dem alten und verrotteten Dampfboot den Strom abwärts treiben zu lassen wie mit einem Floß. Überdies gibt ist es für Steve und Jubal Cheney bald auch anderen Ärger. Denn die vier Mann, die noch bei ihnen sind – zwei Maschinisten und zwei Decksmänner – fassen gemeinsam einen Entschluss. Dies stellt sich bei einem Abendessen heraus, das Laura für sie alle kochte. Es ist der Bootsmann, der für die drei anderen spricht: »Wir haben nachgedacht, Ma-
jor. Und nun wollen wir wissen, was mit dem Gold geschehen soll. Also, was machen wir mit dem Gold? Denn es hat ja wohl keinen Sinn, verspätet damit nach New Orleans gelangen zu wollen. Das Seeschiff mit den Waffen wird gewiss nicht mehr warten. Und wenn doch, wie wollen wir sie übernehmen und zu unserer Armee transportieren? Es war ein dummer Plan, und er war schon zum Scheitern verurteilt, als uns das Armeedepot diesen Mistkahn zuteilte. Major, machen wir uns nichts vor. Der Krieg wird bald für uns verloren sein – wenn dies nicht schon der Fall ist. Wir hörten ja schon länger als drei Wochen nichts mehr vom Stand der Dinge. Wir sind abgeschnitten von allen Nachrichten. Wir sind der Meinung, dass wir das Gold unter uns aufteilen sollten, bevor es die Yankees bekommen. Wie ist Ihre Meinung dazu, Major?« Nun ist alles gesagt. Es herrscht Spannung in dem kleinen Speiseraum neben der Küche. Laura lehnt im offenen Durchgang. Auch sie wartet angespannt. Alle Augen sind nun auf Steve Cheney gerichtet. Dieser tauscht einen Blick mit Bruder Jubal aus. Dann sieht er die vier anderen Männer Mann für Mann an. Sie alle sind Corporals. Altgediente Veteranen, die den Krieg von Anfang an mitmachten, richtig harte Burschen, die kämpfen können. Steve Cheney hat sie sich aussuchen können. Sie waren ein wirklich verschworener Haufen, der bereit war, dem Teufel ins Maul zu spucken und alles zu wagen. Jubal sagt bitter: »Jake ist umsonst nach New Orleans hinunter, umsonst. Denn wir kommen nicht. Und vielleicht ist der Krieg wirklich schon aus. Ich meine, zumindest dies sollten wir herauszufinden versuchen.« Sie alle hören Jubals Worte, obwohl dieser sie eigentlich nur zu Steve spricht. Und noch bevor Steve ihm antworten kann, sagt Corporal Larkin hart: »Es ist uns jetzt scheißegal, ob der Krieg beendet ist oder nicht. Verloren haben wir Südstaatenrebellen ihn sowieso. He, ich will mal ganz deutlich meine Meinung sagen. Und die ist so: Fünf Jahre kämpften wir für die Ehre, für den Stolz des Südens. Jetzt sollten wir nur noch für uns kämpfen. Und da ist das Gold. Wir werden es unter uns teilen, und dabei soll es keine Rangordnung mehr geben. Jeder von uns kann dann mit seinem Anteil seiner Wege gehen. Ja, wir alle sollten uns dann trennen. Also?« Das letzte Wort kommt hart, fordernd, ja fast drohend. Corporal Larkin will eine Entscheidung erzwingen. Er starrt Steve Cheney herausfordernd an und sagt noch eine Spur härter als zuvor: »Wir holen jetzt das Gold aus dem Versteck und teilen es unter uns auf. Ihr könnt Jakes Anteil für ihn in Verwahrung nehmen. Ab sofort sind wir keine Soldaten mehr, sondern gleichberechtigte Partner. Für uns ist der verdammte Krieg beendet. Was zählt, ist nur noch das Gold und die Freiheit unserer eigenen Entscheidungen. Also?« Nochmals wiederholt er dieses »Also« hart und fordernd. In die Stille fragt nun Laura McKenzies Stimme spröde: »Bekomme auch ich einen Anteil, Freunde?« Da beginnen die vier meuternden Corporals zu lachen. Bootsmann Kelly sagt trocken: »Süße, du gehörst doch schon eine Weile dem Major. Vielleicht hätten wir dir etwas abgegeben, wenn dich jeder von uns mal hätte besitzen
können – und wäre es auch nur für eine Nacht gewesen. Aber so wird dir wahrscheinlich – wenn überhaupt – nur der Major etwas abgeben, hahaha…« Weiter kommt er nicht. Denn Jubal Cheney hat plötzlich wie durch Zauberei seinen Revolver in der Faust und schießt ihm ein Loch in die Magengegend. Und weil das Unheil nun nicht mehr aufzuhalten und die Hölle aufgebrochen ist, zaubert auch Steve Cheney seinen Revolver in die Faust und schießt nur einen Sekundenbruchteil später. Aber sie kämpfen gegen erfahrene Kämpfer, die sich nicht einfach so abknallen lassen. Auch die Corporals schnappen blitzschnell nach ihren Revolvern, die sie ja in offenen Holstern tragen wie Zivilisten, nicht wie Soldaten. Nun bricht die ganze Hölle los. Die Waffen krachen. Der Speiseraum ist angefüllt mit dem Detonieren der Schüsse, dem Brüllen der Männer – und mit beißendem Pulverdampf, durch den die Mündungsfeuer aufleuchten. Die ganze Sache dauert nur wenige Sekunden. Es ist ein kurzer, wilder Ausbruch des Bösen, der nicht mehr aufzuhalten war, wie ja auch eine gezündete Explosion nicht mehr aufzuhalten ist, wenn der Zündungsfunke erst in den Sprengstoff schlug. Und dann ist es jäh schrecklich still. Der Pulverdampf im Raum ist nun wie dichter Nebel. Nach den ersten Sekunden der unwirklich anmutenden Stille ist dann das Stöhnen der Getroffenen zu hören – und eine Stimme sagt heiser mit letzter Kraft: »O verdammt, was haben wir jetzt davon? Wir sind verrückt geworden, einfach ganz und gar ver…« Er kann das letzte Wort nicht mehr beenden. Laura McKenzie kommt aus der Küche und reißt die Tür zum Außendeck auf. Frische Luft kommt herein. Sie öffnet auch einige Fenster. Es gibt Durchzug, der die Schwaden des Pulverrauches mit nach draußen nimmt. Laura McKenzie beginnt sich umzusehen. Da und dort liegen oder kauern zusammengekrümmt die Männer. Sie sieht Steve Cheney, der sich aus der Hocke erhebt, sich mit dem Rücken an der Wand hochschiebend. Er blutet aus einigen Wunden. Und auch Jubal, der noch den Colt in der Faust hält, erhebt sich drüben in der Ecke aus kniender Haltung. Er taumelt etwas, und auch er blutet unter der Kleidung. Man kann die Flecken im Lampenschein deutlich erkennen. Jubel spricht stöhnend: »Das war es wohl, großer Bruder Steve. Ich konnte diesen vier Arschlöchern nicht vier Anteile unseres Goldes überlassen. Wenn wir schon dieses Gold nicht den Yanks überlassen wollen, dann soll es allein uns Cheney-Brüdern gehören, keinem anderen. Verdammt, ich verliere Blut. Laura, du solltest dich jetzt nützlich machen und unsere Wunden versorgen. O Hölle, wenn doch Jake bei uns wäre! Aber der wartet wohl immer noch in New Orleans auf uns.« Er verstummt bitter. Steve aber sagt kein Wort. Er hebt nur die Linke und wischt sich über das Gesicht, so als könnte er damit auch all die schrecklichen letzten Minuten fortwischen. Ihm wird in diesen Sekunden klar, dass sich für ihn und seine Brüder die ganze Welt verändert hat. Vorhin waren sie noch Soldaten der Konföderation. � Und jetzt? �
Ja, was sind sie jetzt? Deserteure, Banditen – oder einfach nur Aussteiger aus einem ohnehin schon verlorenen Krieg? Sie gaben ihnen einen verrotteten Steamer, mit dem sie ihren Auftrag nicht ausführen konnten. Aber ist das ein Freibrief? Er nickt plötzlich, dabei immer noch an der Wand lehnend. »Uns gehört nun das Gold«, spricht er heiser. »Das ist besser, als es den Yanks zu überlassen, sehr viel besser. Und warum sollten wir teilen mit denen da?« Er sieht sich um. Die vier Corporals liegen reglos auf dem Boden. Keiner von ihnen überlebte den Kampf. Jubal spricht knirschend: »Die hätten das Gold doch nur verhurt und versoffen. Aber wir Cheneys werden etwas Großes damit auf die Beine bringen. Nicht wahr, großer Bruder?« Steve nickt. »Ja, nur dann hätte das alles einen Sinn«, murmelt er. Er blickt auf Laura. »Willst du uns verbluten lassen?«, fragt er. Aber es ist ein Klang von Nachsicht in seiner Stimme. *** Jake Cheney geht es gut auf der »Mayflower« , dem noblen schwimmenden Bordell, das außer Zivilisten nur Offiziere an Bord lässt, keine gewöhnlichen Soldaten bis zum Sergeant aufwärts. Als Jake Cheney gleich in der ersten Nacht, da die »Mayflower« stromaufwärts dampft, mit der schönen Jessica in deren Doppelbett liegt, da fragt er sie: »Bist du auch eine von diesen Edelhuren hier an Bord? Macht es dir nichts aus, für Geld mit jedem zweibeinigen Bock ins Bett zu gehen?« »So wie jetzt mit dir, Jake?« Sie fragt es spöttisch zurück und scheint nicht beleidigt zu sein wegen seiner Frage. Ja, sie lacht sogar amüsiert. »O Jake«, spricht sie dann, »mein wilder, starker, prächtiger Jake. Ja, so habe ich dich in Erinnerung. He, Jake, was glaubst du denn, wie eine schöne Frau wie ich schnell reich werden kann? Sie hat zwei Möglichkeiten. Die erste ist, dass sie einen reichen Mann findet. Doch dafür müsste sie ihre Freiheit opfern. Das wäre nicht schlimm, wenn sie diesen Mann liebt. Dann wäre alles ideal. Sie wäre reich, eine Queen – und sie gehörte einem von ihr geliebten Mann und möchte gar keinem anderen gehören. Doch dieses Glück hat unter Tausenden vielleicht eine. Ich wurde damals von meiner Familie an einen alten Mann verkauft, der mein Vater hätte sein können, fast schon mein Großvater an Jahren. Was hier auf diesem Dampfboot geschieht, ist ehrlicher. Ja, wir sind Edelhuren. Wir verkaufen uns. Aber wir behalten unsere Freiheit. Und wenn wir wollen, können wir jeden Freier abweisen. Damals als junges Ding bei einem alten Mann konnte ich das nicht, sonst wäre ich mit der Reitpeitsche verprügelt worden. Doch ich kann dich beruhigen, Jake. Ich bin sehr wählerisch. Ich nehme nicht jeden mit hierher in diese Doppelkabine. Ich muss neugierig auf ihn sein. Ich muss mir mit ihm einen Spaß versprechen, so wie jetzt mit dir. Doch du bist ein besonderer Gast. Du musst nicht bezahlen.« Er staunt, und er hält sie indes in seinem Arm und spürt die Wärme unter ihrer samtenen Haut, riecht ihren Duft und drückt sein Gesicht in ihr Haar.
»Aber so kann das nicht ewig gehen«, murmelt er. »Nein«, spricht sie härter. »Nicht ewig. Vielleicht noch zwei oder drei Jahre. Dann bin ich immer noch jung, aber reich. Denn ich nehme ihnen auch beim Spiel die Dollars ab – Yankeedollars, welche auch nach dem Krieg noch etwas wert sind. Ich betrüge sie alle mit den Karten beim Poker und Black Jack. Ja, ich werde bald mehr als nur wohlhabend sein. Und dann beginnt mein neues Leben irgendwo an der Westküste. Und nun liebe mich noch mal so wie damals in Alabama, Jake Cheney.« Sie rollt sich über ihn. Und er vergisst alles auf dieser Welt, einfach alles. Denn sie ist mehr als nur eine schöne Frau. Sie ist Feuer oder süßes Gift, vielleicht eine Hexe. *** Am anderen Morgen stellt Jessica Hart ihn ihren Partnern und Partnerinnen vor. Denn die »Mayflower« gehört ihnen allen, wenn auch mit verschieden großen Anteilen. Nach diesen Anteilen richtet sich ihr Stimmrecht. Jessica tritt mit ihm an der Seite in den großen Speisesalon, in dem an diesem späten Morgen einige Männer und Mädchen beim Frühstück sitzen. Sie alle sind gekleidet wie wohlhabende Leute, wirken wie elegante Passagiere. Aber die Männer sind Spieler, Beschützer, Kartenausteiler, Barkeeper. Und die Mädchen sind Edelhuren, die sich wie echte Ladys geben können, weil sie gebildet sind. Jessica hält mit Jake inmitten der Tische inne und sagt: »Hört mir zu. Dies ist Jake Cheney. Er war Offizier in der Texasbrigade und ist jetzt mein Beschützer.« Sie alle betrachten den Neuen. Dann sagt einer der elegant wirkenden Spieler: »Na gut, Jessica, akzeptiert. Wir werden ja bald herausgefunden haben, ob er kein Fremdkörper in unserer Gilde ist.« Es ist nun ein zustimmendes Gemurmel zu hören. Jessica und Jake setzen sich an einen der kleinen Tische. Sie lächelt ihn an. »Siehst du«, sagt sie, »jetzt liegt es an dir.« Er nickt und denkt an seine Brüder. Aber wie könnte er den mächtigen Strom hinaufkommen? Bis zur »Miriam« sind es zweihundert Flussmeilen. Wie könnte er das schaffen? Niemals mit einem Ruderboot oder Kanu. Die Strömung des Mississippi ist zu mächtig. Er kann nur mit dieser »Mayflower« stromauf gelangen zu seinen Brüdern und dem Gold. Deshalb erwidert er auf Jessicas Worte: »An mir wird es nicht liegen. Ich werde mich einfügen in eure Gilde.« Ein Steward – wahrscheinlich ein Chinese – bringt ihnen nun das Frühstück. »Wir können ab morgen auch in meiner Kabine frühstücken«, sagt Jessica und lächelt. »Doch ich wollte, dass sie dich alle kennen lernen. Ich werde sie dir nach und nach einzeln vorstellen oder dir von ihnen erzählen, was ich weiß. Nur eines solltest du jetzt schon wissen: Sie alle hier sind gewissermaßen besonderes, zweibeiniges Raubwild. Wir machen Beute, verstehst du? Die Männer sind auch mit ihren Revolvern so flink wie Zauberkünstler – nicht nur mit den Karten. Und auch wir Frauen können gnadenlos sein. Wer hier zu uns an Bord kommt, der gerät irgendwie in eine Falle und kommt nur gerupft wieder heraus. Pass gut auf, Jake.«
»Sicher«, erwidert er und streicht sich Ahornsirup auf das frische Biskuit. »Und wer war bisher dein Beschützer, Jessica?« »Ich brauchte keinen«, erwidert sie spröde. »Nicht hier an Bord.« Der gelbe Steward bringt nun Rührei mit gebratenem Speck. Und Jake denkt wieder an seine Brüder und an das Gold. Verdammt, wie lange wird es dauern, bis ich zweihundert Meilen stromaufwärts zu den Inseln gekommen bin?, denkt er. Doch als er die schöne Jessica ansieht, da kommt er zu der Auffassung, dass er sich vielleicht nicht zu sehr beeilen sollte. Am frühen Nachmittag dieses Tages legen sie bei einer kleinen Stadt an, und auch hier gibt es offenbar eine starke Besatzungstruppe der Unionsarmee, die ja den Mississippi von New Orleans bis weit hinauf hinter Vicksburg unter Kontrolle hält und somit drei Südstaaten gewissermaßen von der Konföderation abschneidet. Es kommen etwa ein Dutzend Zivilisten und ebenso viele Offiziere an Bord. Aber auch die Zivilisten sind fast alle Yankees, irgendwelche Geschäftemacher, die am Krieg verdienen. Wahrscheinlich kaufen sie hier billig Land, ganze Plantagen, Post- und Frachtlinien und erlangen mit Hilfe der Besatzungstruppe Monopole. Die Zivilisten und Offiziere kommen mit viel Geld an Bord. Dies zeigt sich schon bald an den Spieltischen. Die schönen »Ladys« der »Mayflower« werden umworben. Jemand spielt Klavier. Eines der Mädchen singt dazu mit russischem Akzent in der kehligen Stimme frivole Lieder. Aber es wird viel getrunken. Man geht die Dinge langsam an, sozusagen mit Stil. Es gibt gutes Essen, erstklassige Getränke. Um Jessica bemüht sich ein löwenhaft wirkender Bursche, dessen dicke, goldene Uhrkette protzig vor seinem Bauch hängt. Und manchmal nimmt er seine Uhr heraus, lässt den Deckel aufspringen und hält sie an sein Ohr. Dann erklingt stets eine glockenhell bimmelnde Melodie. Und einmal sagt er gönnerhaft zu Jessica: »Lady, vielleicht schenke ich Ihnen morgen diese schöne Uhr – vielleicht.« »Was soll ich mit einer Herrentaschenuhr?«, fragt Jessica zurück. »Aber ich bin gern bereit, mit Ihnen um mich zu spielen, Chester Morgan. Heute nach dem Abendessen. Sie müssen tausend Dollar einsetzen. Dann können Sie mich gewinnen für eine Nacht.« Der löwenhafte Bursche starrt sie verblüfft an. Dann aber beginnt er schallend zu lachen. »Tausend Dollar?« So fragt er. »Und die Chance, ob Sie gewinnen oder verlieren, steht eins zu eins«, sagt sie lächelnd. In ihren Augen erkennt er die Herausforderung. Und plötzlich gefällt ihm das. Er nickt. »Ja, heute, nach dem Abendessen«, spricht er, »Doch jetzt möchte ich mit Ihnen tanzen, schöne Jessica.« Er erhebt sich und bietet ihr den Arm, so als wäre er ein wirklicher Gentleman, der die Künste und die schönen Frauen liebt. Jake Cheney, der in einem eleganten Anzug an der Wand lehnt, eine Zigarre raucht und scheinbar der Musik lauscht, hat fast jedes Wort am Tisch verstanden. Und er denkt: Du wirst Jessica nicht bekommen, du Hurensohn! Keiner von euch ver-
dammten Böcken wird sie bekommen, solange ich hier an Bord bin. Darauf könnt ihr alle wetten. *** Es passiert dann etwa zwei Stunden vor Mitternacht und nach dem wirklich guten Abendessen. Jener löwenhafte Bursche, den Jessica Chester Morgan nannte, verliert tausend Dollar an Jessica und kann sie deshalb nicht gewinnen für die Nacht. Er schüttet sich erst einmal zwei Drinks in die Kehle und will dann das Spiel fortsetzen und dabei zweitausend Dollar einsetzen. Doch Jessica schüttelt bedauernd den Kopf. »Nein, Chester Morgan«, spricht sie ruhig. »Sie hatten Ihre Chance. Ich spiele niemals zweimal um mich.« »Aber ich bestehe darauf«, grollt er. Nun schüttelt sie wortlos den Kopf und will sich erheben. Doch die beiden letzten Drinks waren wahrscheinlich zu viel für ihn. Er beugt sich vor, und er ist ein sehr großer und schwergewichtiger Mann mit langen Armen. Er stößt Jessica, die sich erst halb erhob, auf den Stuhl zurück. »Wir spielen weiter«, grollt er, »bis ich dich gewonnen oder deine Kartentricks erkannt habe. Vorwärts, meine Schöne. Ich habe schon von dir gehört. Meinem Partner Louis Kendall hast du in New Orleans das Fell über die Ohren gezogen. Ich bin an Bord gekommen, um…« Weiter kommt er nicht. Denn Jake Cheney tritt an den Tisch und fragt mit ruhiger Höflichkeit: »Miss Jessica, brauchen Sie Hilfe?« Da brüllt Chester Morgan fast freudig auf und ruft: »Hau ab, du Narr, und misch dich hier nicht ein! Hau ab!« Doch Jake bietet Jessica den Arm. Jessica erhebt sich, um sich von Jake fortführen zu lassen. Da fegt der löwenhaft wirkende Chester Morgan mit einer einzigen Armbewegung den Tisch zur Seite und stürmt auf Jake los. Dieser stößt Jessica von sich und lässt den angetrunkenen Mann ins Leere stürmen, stellt ihm jedoch einen Fuß in den Weg. Und so stürzt Chester Morgan brüllend. Aber noch am Boden kreischt er: »Vance, töte ihn!« Der Befehl gilt einem der Männer, die an Bord kamen, und offenbar ist dieser Vance der Beschützer oder Leibwächter von Chester Morgan, ein geschickt als Gentleman getarnter Revolverheld – wahrscheinlich sogar einer der Großen dieser Gilde. Denn er zaubert blitzschnell einen kurzläufigen Colt aus dem Schulterholster und will schießen. Doch da kommt von irgendwoher eine Flasche geflogen und trifft seinen Kopf über dem rechten Ohr wie eine Keule. Der Schuss löst sich und trifft den Gaskessel einer Karbidlampe. Sie explodiert gewaltig und schleudert brennendes Karbid in alle Richtungen. Die Hölle bricht los. Denn die geschleuderte Flasche war noch fast voll. Als sie nach dem Kopftreffer zu
Boden fällt, zersplittert sie. Der Inhalt wird durch eins der brennenden Karbidstückchen sofort zu einer lodernden Pfütze, deren Flammen höher als die Tische und Stühle schlagen. Alles gerät in Aufregung oder sogar Panik. Männerstimmen brüllen fluchend. Und die Mädchen oder Frauen beginnen wild zu kreischen. Es stürzen weitere Tische um, auf denen gefüllte Gläser standen. Und da hier guter Brandy oder Whisky ausgeschenkt wird, vergrößert sich die brennende Pfütze am Boden. Man will hinaus aus dem brennenden Salon, hinaus an Deck. Selbst die Offiziere der Unionsarmee, welche eben noch so selbstherrlich, stolz und männlich wirkten, ergreifen die Flucht. Denn sicherlich sind sie der Meinung, dass das Löschen allein die Aufgabe der Schiffsmannschaft ist. Jake Cheney ist einer der ersten Männer, die ein Löschen versuchen. Er reißt einen schweren Vorhang herunter, der die Hälfte einer kleinen Bühne verbirgt. Er versucht die Flammen zu ersticken, und ein anderer Mann reißt die zweite Hälfte des Vorhanges herunter und macht es Jake nach. Aber sie schafften es nicht. Es geriet von den umgestürzten Tischen zu viel Alkohol aus Gläsern und Flaschen auf den Boden. Und brennende Karbidstückchen lassen sich auch nicht einfach löschen. Das Feuer breitet sich rasend schnell aus und findet überall Nahrung. Als die Mannschaft der »Mayflower« mit Hilfe der Pumpspritze, welche vier Mann mit Hilfe der Schwengel bedienen, zu löschen beginnt, ist es zu spät. Der Salon steht in Flammen. Längst schon sind die Gäste – und auch die Mädchen – an Land geflohen. Sie können sehen, wie rasch sich das Feuer ausbreitet. Bald schießen die Flammen da und dort aus den Fenstern des Spielsalons ins Freie – und dann breitet sich das Feuer auf dem ganzen Dampfschiff aus. Als einer der letzten Männer, rauchgeschwärzt und mit angesengter Kleidung, kommt auch Jake Cheney vom brennenden Schiff. Er sucht nach Jessica und entdeckt sie endlich etwas abseits an einem kleinen Schuppen lehnend, der in der Nähe der Landebrücke steht. Er tritt zu ihr und legt seinen Arm um sie, sodass sie nicht mehr an der Schuppenwand, sondern an ihm lehnt. Sie blickt starr und wie in Trance auf das brennende Dampfschiff. Aber innerlich zittert und vibriert sie. Er spürt es deutlich, denn er hält sie ja fest im Arm. Ihre Schultern sind nackt, sie trägt ja nur das dünne Seidenkleid, das an Bord sozusagen ihre »Arbeitskleidung« war. Die »Mayflower« steht nun in fauchenden Flammen und erhellt die Nacht bis weit hinüber zum anderen Ufer des Mississippi. Nach einer Weile wendet Jessica den Kopf und sieht schräg empor zu Jake. Spröde spricht sie: »Da verbrennt alles – einfach alles. Da steht mein Anteil an der ›Mayflower‹ in Flammen, da auf diesem Schiff verbrennt unser ganzes Geld – alles was sich in der gemeinschaftlichen Schiffskasse befindet – und auch unsere privaten Ersparnisse. Jake, dort auf diesem Boot verbrennen jetzt fast zwanzigtausend Dollar von mir. Ich stehe jetzt wieder am Anfang, so wie damals, ganz am Anfang. O verdammt, Jake, du hast mir kein Glück gebracht! Uns allen hier nicht! Es hätte wohl statt dir ebenso gut auch die Pest zu uns an Bord kommen können. Ich muss wieder ganz von vorn anfangen. Nur die tausend Dollar in meiner Handtasche sind mein Anfangskapital.«
Er sieht nun, dass sie tatsächlich noch ihr Täschchen, in das sie den letzten Spielgewinn stopfte, krampfhaft in den Händen hält. Er lacht leise und sagt dann mit ruhiger Stimme: »Ach, Jessica, du musst das völlig anders sehen. Denn wie alle Dinge hat auch diese Sache hier zwei Seiten. Da im Fluss verbrennt sozusagen deine Vergangenheit. Sie verbrennt ganz und gar, sodass du sie vergessen kannst wie einen bösen Traum. Und vor dir liegt nun ein neuer Anfang. Denn ich brachte dir kein Unglück, Jessica. Ich habe dir das Glück gebracht. Weißt du, ich will dir ein Geheimnis verraten. Zweihundert Meilen flussaufwärts liegt ein kleines Dampfboot in einer verborgenen Inselbucht, das wahrscheinlich nicht mehr zu reparieren ist. Und auf diesem kleinen Dampfboot sind meine beiden Brüder mit zweihundert Pfund Gold. Wir sollten damit Waffen kaufen. Doch das geht nicht mehr. Ich glaube nicht, dass wir diese zweihundert Pfund Gold wieder abliefern werden. Jessica, mit meinem Anteil sind wir ein sehr reiches Paar. Irgendwie schaffen wir die zweihundert Meilen stromaufwärts.« Als er endet, wendet sie sich ganz zu ihm um, sodass sich ihre Körper eng aneinander schmiegen. Wieder blickt sie zu ihm auf. »Und du schwindelst mich jetzt nicht an, um mich zu trösten?« Sie fragt es ernst und hat einen bittenden Klang in der Stimme, der ihn zur Ehrlichkeit zwingen soll. »Ich gebe dir mein Wort«, erwidert er ebenso ernst. *** Laura McKenzie versorgt Steve und Jubal gut. Eine erstklassige Krankenschwester oder ein Feldarzt der Armee hätten es nicht besser tun können. Die kaputte »Miriam« und die zweihundert Pfund Gold gehören ihnen allein. Sie haben dafür kämpfen und töten müssen – sogar ihre eigenen Kameraden, welche zu Meuterern und damit auch zu Banditen wurden. Doch weil sie das Gold gewiss nicht an die Konföderation zurückgeben werden, sind auch sie nichts anderes als Deserteure und Banditen. Als sie einmal darüber reden, sagt Jubal trotzig: »Das macht mir nichts aus. Sie haben uns mit diesem verrotteten Dampfboot reingelegt. Wir konnten damit unseren Auftrag nicht durchführen. Und wahrscheinlich ist der Krieg schon vorbei. Wir werden letztlich mit dem Gold doch noch zu Gewinnern, nicht wahr, Bruderherz?« Steve nickt nur stumm. Dann murmelt Jubal: »Wie mag es Jake in New Orleans ergangen sein? Was mag er dort erreicht haben? Ob dieses Seeschiff immer noch auf das Gold für die Waffen wartet? Es verging schon eine lange Zeit. Jake macht sich sicher Sorgen, weil wir nicht kommen. Wo mag er jetzt stecken?« Bevor Steve oder Laura ihm antworten können, hören sie von der Insel, in deren Bucht das Dampfboot liegt, eine Stimme rufen: »Hoiii, ist da niemand an Bord?« Zuerst wollen sie es nicht glauben. Doch dann flüstert Jubal: »Das ist Jakes Stimme! Da draußen am Ufer ist Jake. Verdammt, ich kann noch nicht wieder richtig laufen. Sonst würde ich hinaus an Deck springen und ihn begrüßen. Oho, wir Cheney-Brüder sind wieder zusammen!« Steve und Laura erwidern nichts. Aber sie gehen hinaus an Deck. Steve hinkt stark und trägt einen Arm in einem Dreieckstuch vor der Brust.
Als sie freie Sicht zum Ufer der Insel haben, sehen sie dort tatsächlich Jake zwischen den Bäumen und Büschen, die mit ihren Zweigen weit über das Wasser ragen. »He, komm endlich an Bord, Jake!«, ruft Steve hinüber. »Oder willst du dir nicht die Füße nass machen? Wir haben die Planke eingeholt, damit keine Tiere an Bord können – Flussratten, Mäuse, Eidechsen und…« Er wird von Jake unterbrochen. »Ich habe keine Angst, mir nasse Füße zu holen. Ich bin nass bis auf die Haut. Wie sollte ich von Land wohl ohne Boot auf die Insel gekommen sein? Was ist passiert?« Jake geht während dieser Worte in das knietiefe Wasser, erreicht nach einigen Schritten das Dampfboot, das hier auf Grund liegt, und schwingt sich bald darauf an Bord. »Was ist passiert?« So fragt er nochmals. »Wir haben uns sicherlich eine Menge zu erzählen«, erwidert Steve. »Komm nur in den Salon, Jake.« Dieser zögert und deutet dann mit seinem Daumen über die Schulter. »Dort an Land habe ich eine Frau, einen Wagen und genügend Pferde«, erklärt er. »Ich möchte sie nicht zu lange warten lassen. Habt ihr noch das Gold? Wo sind die anderen Jungs?« »Komm nur herein, Jake«, wiederholt Steve. »Wir können uns sicherlich mit einigen Worten alles gegenseitig erzählen. Komm nur und nimm einen Drink. Auch trockene Kleidung haben wir. Du musst nicht mehr schwimmen, denn zum Übersetzen haben wir immer noch das Beiboot der ›Miriam‹.« *** Indes wartet Jessica Hart am Westufer des Mississippi. Jake ging weit stromauf, um bis zur Insel nicht zu weit abgetrieben zu werden. Sie sah ihn dann in den Wellen und der starken Strömung schwimmen, und sie dachte immer wieder: Wenn er nur nicht ertrinkt. Dann sah sie ihn drüben – weiter als eine Viertelmeile entfernt – die Insel erreichen und im Wald verschwinden. Denn das kleine Dampfboot, auf dem zweihundert Pfund Gold sein sollen, liegt auf der Ostseite der Insel in einer Bucht. Immer wieder denkt Jessica Hart: zweihundert Pfund Gold. Und eine Frau soll auch bei den sieben Männern sein. Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn ich mit Jake bei seinen Brüdern und dieser Frau bliebe. Denn obwohl ich sie nicht kenne und nicht wissen kann, ob wir Freundinnen oder Feindinnen werden würden, möchte ich das gar nicht erst ausprobieren. Denn eines weiß ich sicher: Frauen können die heile Welt zwischen Brüdern und auch innerhalb der Familien zerstören. Denn eine wird sich stets zurückgesetzt oder irgendwie verletzt fühlen durch unbedachte Worte. Es gibt immer wieder Frauen, die können nur austeilen und niemals selbst etwas einstecken. Ich will Jake und seinen Anteil vom Gold für mich haben – nicht aber seinen ältesten Bruder Steve und den schon gar nicht als Boss. Immer wieder denkt Jessica ähnliche Gedanken, denn fortwährend warnt sie ein Instinkt. Denn obwohl noch jung an Jahren, besitzt sie die Erfahrungen einer sehr viel älteren Frau. Sie möchte nicht zu einer großen Familie gehören, deren Familienrat zwar von Männern gebildet, doch aber von den Frauen dieser Männer beeinflusst werden kann. Und so wartet sie immer ungeduldiger mit dem Wagen und den Pferden. Der Wagen
ist gut bespannt mit vier Tieren. Außerdem gehören noch sechs Sattelpferde dazu. Jessica hat fast die Hälfte ihrer tausend Dollar dafür hergeben müssen. Nun aber hätte sie diesen Einsatz gerne für Jake und sich verhundertfacht. Sie geht am Ufer immer ungeduldiger auf und ab. Am liebsten würde auch sie hinüber zur Insel schwimmen, um dabei zu sein, wenn Jake die Brüder und die anderen Männer zu überzeugen versucht, dass sie das Gold für sich behalten sollten, um diesen Krieg als Sieger zu beenden. Es vergeht eine lange Zeit. Doch dann sieht sie plötzlich ein Boot um die Inselspitze herumkommen. Es muss drüben im Schutze einer Landzunge, hinter der das Wasser drehte, stromauf gerudert worden sein. Nun kommt es also um die Inselspitze herum und wird dann voll von der Hauptströmung erfasst. Sie sieht Jake, der wie verrückt rudert. Und die beiden anderen Ruderriemen werden von einer Frau bedient, die wie ein geübter Flussschiffer zu rudern versteht. Sie kann dann erkennen, dass die beiden anderen Männer im kleinen Boot offenbar nicht in der Lage sind zu rudern. Sie müssen verwundet sein. Aber wo sind die anderen Männer? Als sie sich das fragt, verspürt sie instinkthaft eine wilde Freude. Dabei denkt sie immer wieder: In wie viele Teile wird das Gold geteilt werden, in wie viele Teile… Das Boot wird fortwährend schräg gegen die Strömung gerudert und somit von dieser Strömung zum Westufer getrieben. Gleichzeitig jedoch treiben sie im Boot ab. Aber da sie weit oberhalb um die Inselspitze herumkamen, landen sie in Jessicas Nähe. Sie steht am Ufer, erwartet die Ankömmlinge äußerlich sehr beherrscht. Man sieht ihr nicht an, dass sie an Bord der »Mayflower« mal eine Edelhure war, eine Spielerin und Abenteurerin, die sich die Männer aussuchte, um sie dann auszunehmen. Die beiden Frauen betrachten sich vom ersten Moment an prüfend – und schon von diesem ersten Moment an wissen sie, dass es besser ist, wenn sie sich aus dem Weg gehen. Keine von ihnen würde nämlich bereit sein, die zweite Stelle hinter der anderen einzunehmen. Auch die beiden Brüder von Jake betrachten Jessica Hart wie witternd, indes Jake sie alle gegenseitig vorstellt. Dann hilft er Steve und Jubal in den Wagen. Und dann erst beginnt er mit den beiden Frauen das Gold aus dem Boot zu holen. Jessica sieht, dass es in drei Reisetaschen getan wurde. Auch sie muss eine dieser schweren Taschen zum Wagen tragen. Es sind über siebzig Pfund, die sie schleppt, weit mehr als die Hälfte ihres eigenen Körpergewichtes. Jake muss ihr dann helfen, es hineinzuheben. Und sie denkt: Das ist unser Gold. Sie fragt Jake: »Was ist mit den anderen Männern, die bei deinen Brüdern sein sollten?« »Die sind tot. Es gab schon einen Kampf um das Gold, den meine Brüder gewonnen haben. Warum sonst wären sie angeschossen? Sie konnten nicht mal das Boot rudern. Doch sie werden schon wieder. O ja, sie werden wieder.« Jake sagt es triumphierend. Laura steigt nun zu den beiden verwundeten Brüdern in den Wagen. Jake wendet sich an Jessica. »Ich muss fahren. Willst du neben mir sitzen oder reiten? Wir haben zu viele
Sattelpferde mitgebracht.« »Ich reite«, erwidert sie. »Und ich bringe auch die fünf restlichen Sattelpferde voran.« Nach diesen Worten wendet sie sich einem der Tiere zu, auf dem sie hergeritten ist, indes Jake den Wagen fuhr. Ja, sie fühlt sich besser im Sattel. Und schon immer war sie eine gute Reiterin. Als sie dann dem Wagen folgt und die fünf anderen Sattelpferde wie ein Cowgirl unter Kontrolle hält, da denkt sie immer wieder: Diese Laura McKenzie – ich kenne ihre Sorte. Die will stets den großen Einfluss ausüben. Sie gehört zu Steve, und beide werden uns stets zu sagen versuchen, wo es langzugehen hat. Oha, Jake und ich, wir werden unsere eigenen Wege gehen. Darauf könnt ihr wetten, ihr alle dort im Wagen, die ihr mehr oder weniger auf dem Gold sitzt, oho. *** Sie fahren nach Westen, immer nur nach Westen. Nach drei Tagen erreichen sie eine kleine Stadt, bei der sich die Wagenstraßen oder besser gesagt Wagenwege kreuzen. Hier erfahren sie, dass der Krieg tatsächlich beendet ist und General Lee bei Appomattox am 9. April die Waffen streckte. Sie logieren mit ihrem Gold im besten Hotel der Stadt und treffen sich nach dem Abendessen im Zimmer von Steve und Laura. Jake übernimmt das Reden. Er beginnt mit den Worten: »Machen wir es kurz, Brüder. Jessica und ich, wir wollen unseren eigenen Weg gehen. Hier in dieser Stadt trennen wir uns von euch.« Als er es gesagt hat, da staunen zwar seine beiden Brüder, doch nicht Laura. Diese hat ihren Blick fest und hart auf Jessica gerichtet und spricht ruhig: »Ja, dies ist eine gute Idee. Viel Glück, Jessica. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege mal.« »Vielleicht, liebe Laura.« Jessica lächelt, doch in ihren Augen ist ein harter Ausdruck. »Vielleicht«, wiederholt sie, aber der Ausdruck in ihren Augen ist eine Warnung. Die drei Männer schweigen einige Atemzüge. Längst wissen sie, dass sich die beiden Frauen vom ersten Augenblick an nicht mochten. Steve hebt plötzlich die Hand. »Na gut«, spricht er. »Trennen wir uns also. Das wird ohnehin klüger sein, weil man wegen des verschwundenen Goldes sicherlich nach uns Cheney-Brüdern suchen wird. Aus den Büchern der Depotverwaltung der Konföderation werden sie entnehmen, dass man mir das Gold ausgehändigt hat. Nun gut, trennen wir uns. Dann sind wir keine drei Brüder mehr, sondern drei Einzelgänger. Ich habe schon mit Jube gesprochen, Jake. Da er der Jüngste von uns ist und auch noch keine Frau hat, wird er sich mit sechs Goldbarren begnügen, während wir je sieben bekommen. Und noch eines möchte ich vorschlagen.« Er macht nach diesen Worten eine Pause. Die Brüder und die beiden Frauen sehen ihn forschend an, während er achtungsheischend den rechten Zeigefinger hebt. Dann sagt er: »Geben wir einander unser Wort, dass wir uns in fünf Jahren in Kansas City treffen, um festzustellen, wer von uns es mit Hilfe des Goldes am weitesten brachte. Vielleicht hat unser Kleiner dann auch eine Frau. Nicht wahr, Jube?«
Steve und Jake grinsen Jube an. Der grinst zurück und erwidert: »Darauf könnt ihr wetten. Vielleicht bin ich bis dahin ein Mormone geworden und komme mit vier Frauen nach Kansas City, hahaha!« Die Brüder stimmen in sein Gelächter ein, so als wollten sie dadurch das wehmütige und fast schmerzhafte Gefühl betäuben, das sie plötzlich befällt. Den ganzen Krieg ritten sie zusammen. Und zuvor hielten sie ihrem Vater auf der Hügelranch die Treue. Nun aber… *** Es ist am 24. Mai 1870 – also genau fünf Jahre nach der großen Siegesparade der Unionstruppen in Washington –, als Jubal Cheney mit seiner blonden und dabei schwarzäugigen Frau nach Kansas City kommt. Ja, auch der jüngste der Cheney-Brüder fand eine Frau, die sich mit ihrer Schönheit und ihrer Ausstrahlung mit den schönsten Frauen dieser Erde messen könnte. Jubal Cheney ist jetzt im dreißigsten Jahr seines Lebens, und er ist das, was man einen »gestandenen Mann« nennt, einer von jener Sorte überdies, die man sofort überall als Boss einschätzt, denn er strömt alles aus, was einen Boss ausmacht, nämlich Autorität, Durchsetzungskraft und Menschenkenntnis. Immer dann, wenn Jubal einen Menschen ansieht, scheint er zugleich zu prüfen, inwieweit ihm dieser Fremde nützlich sein oder es eines Tages werden könnte. Er sieht gut aus, dieser Jubal Cheney. Und er hat seinen Namen geändert, denn man suchte noch lange nach den drei Cheney-Brüdern, die einst Offiziere der Konföderation waren und mit zweihundert Pfund Gold verschwanden, als der Krieg verloren war. Die Union wollte sich dieses Gold zu gerne als Siegesbeute aneignen – wie so viele andere Werte des geschlagenen Südens. Jubal Cheney nahm den Namen seiner Frau an, und diese heißt April Boston. Also nennt er sich nun Jubal Boston, und fast vergaß er schon, dass er einmal Cheney hieß nach seinem Vater, der damals so armselig in den Hügeln starb, als er aus einem Creek zu trinken versuchte. Jubal und April Boston kommen auf einem kleinen, aber sehr starken Steamer den Missouri herunter und legen an einer der Landebrücken des Flusshafens von Kansas City – nämlich Westport – an. Auf der Uferstraße wimmelt es nur so von Menschen und Fahrzeugen jeder Sorte, und überall sind Magazine, Reedereien, Lagerplätze. Dampfwinden fauchen, und Ladebäume schwingen Lasten von Bord der Schiffe oder von Land aus zu ihnen hinüber. Jubal wendet den Kopf und blickt auf April nieder, die zu ihm auf lächelt, dabei aber einen forschenden und witternden Ausdruck in ihren schwarzen Augen hat. Der Wind spielt im weizengelben Haar der schönen Frau. Jubal sagt: »Nach Saint Louis wird jetzt Kansas City zum Nabel dieser Welt. Sieh dir das an, April, sieh es dir nur richtig an. Es wird nicht einfach sein, hier alles unter Kontrolle zu bekommen. Aber ich bin jetzt so weit. Und wenn meine Brüder…« Sie lässt ihn nicht weitersprechen, sondern unterbricht ihn mit den Worten: »Warte es ab, Jubal! Du hast fünf Jahre lang nichts von deinen Brüdern gehört. Vielleicht kommen
sie gar nicht.« »Doch«, widersprach er. »Die haben nur andere Namen angenommen, so wie ich. Denn sie mussten ein völlig neues Leben beginnen mit einer anderen Identität. Aber ich bin sicher, dass sie große und mächtige Burschen wurden mit Hilfe ihres Goldanteils. Ich würde meinen Kopf darauf wetten, dass sie hier sind oder noch heute hier ankommen.« »Aber wo und wie willst du sie finden, Jubal? Habt ihr einen bestimmten Treffpunkt ausgemacht hier in Kansas City?« Er schüttelt den Kopf. Dann deutet er an Land. »Nehmen wir eine Kutsche und fahren wir hinüber zur großen Stadt. Da meine Brüder inzwischen gewiss große Burschen wurden, erfolgreiche Bosse wie ich, fangen wir im nobelsten Hotel an. Du wirst sehen, sie denken ebenso wie ich. Schließlich sind wir Brüder, auch wenn wir uns nun anders nennen. Du wirst sehen, sie sind fest davon überzeugt, dass auch ich Erfolg hatte. Und so werden sie im nobelsten und teuersten Hotel von Kansas City auf mich warten. Oho, sie werden über dich staunen, April. Und ihre beiden Frauen werden sich fragen, wer von euch den Schönheitspreis bekommen würde.« »Sind diese Jessica und Laura wirklich so schön?« Sie fragt es scheinbar gleichgültig und nicht sonderlich interessiert. Doch in ihren schwarzen Augen ist ein Funkeln. Er grinst auf sie nieder. »Für mich bist du die Schönste. Doch für andere Männer könnten vielleicht auch Jessica oder Laura…« »Schon gut«, unterbricht sie ihn. »Gehen wir an Land und mieten wir uns eine Kutsche. Sieh, dort stehen ein halbes Dutzend und warten auf Fahrgäste von den Schiffen.« Sie verlassen bald darauf das kleine, starke und sehr nobel ausgestattete Dampfboot, welches den Namen »Eagle« trägt und je ein Geschütz auf dem Vorschiff und auf dem Achterdeck hat. Jubal gibt seinem Steuermann und Flusspiloten noch einige Anweisungen auf der Landebrücke und sagt zum Bootsmann: »Charley, halten Sie mir die Mannschaft nüchtern. Es gibt noch keinen Landgang. Erst wenn ich wieder an Bord bin, entscheide ich.« Dann steigt er wenig später mit April in eine der wartenden Kutschen. »Zum ersten und nobelsten Hotel in Kansas City«, spricht er zum Kutscher. »Das ist das Royal, und es ist wirklich prächtig wie kein anderes«, erwidert der Fahrer und lässt das Gespann antraben. *** Es ist dann kaum mehr als eine halbe Stunde später, als ihnen der Portier den protzigen Eingang aufhält und sie in die große Halle treten. Überall an den Tischen und in den mächtigen Polstersesseln sitzen Menschen, lesen Zeitungen, warten oder führen angeregte Gespräche. Jubal und April bewegen sich langsam durch die große Halle, die der Treffpunkt für viele Geschäftsleute ist. In der Ecke sitzen zwei schöne Frauen. Vor ihnen stehen halb volle Champagnergläser, und eine von ihnen liest in einer Zeitung. Jubal deutet mit einer Kopfbewegung hinüber. »Da drüben«, sagt er und lacht leise, »siehst du die beiden Schönen dort drüben, mein
Schatz, ja? Das sind sie. Das sind Jessica und Laura. Steve und Jake werden in der Bar sein. Nun, dann komm, April, ich werde euch miteinander bekannt machen. Wie gefallen sie dir?« »Sie sind schön und wirken wie wirkliche Ladys«, erwidert April kühl. »O ja, sie machen wirklich etwas her, dass muss ich zugeben. Wenn man bedenkt, was sie mal waren, dann muss ich sie wohl für Schwestern meiner Sorte halten. Deine Brüder scheinen es wirklich zu etwas gebracht zu haben. Ja, stell mich ihnen vor. Ich bin neugierig darauf, welchen Eindruck sie machen, wenn sie den Mund auftun.« Jubal grinst und führt April am Arm an den Tisch. »Hey, Jessica, hey, Laura«, sagt er, und in seiner Stimme ist immer noch ein unterdrücktes Lachen. »Da seid ihr ja. Ich wette, meine Brüder sitzen in der Bar, was sich für euch feine Ladys nicht schickt. Dies ist April, meine Frau. Eigentlich solltet ihr euch als die Frauen meiner Brüder näher kommen wie Schwestern. Na gut, ich gehe hinüber in die Bar.« Er schiebt April nur noch den Stuhl zurecht und geht davon. Die drei Frauen betrachten sich eingehend – und sie alle spüren, dass sie drei Katzen sind, zweibeinige zwar, doch eben Katzen. Und Katzen sind Individualisten. »Ich habe eine Menge über euch gehört.« April lächelt. »Wir sind Schwägerinnen, nicht wahr? Oder haben euch Jubals Brüder nicht geheiratet?« Es ist eine herausfordernd klingende Frage. Jessica und Laura tauschen einen einzigen Blick aus, und obwohl sie sich immer noch nicht mögen und sich fünf Jahre lang nicht sahen, sind sie sich einig wie Zwillingsschwestern. Laura sagt dann für sie beide: »Pass auf, Schwägerin. Leg dich nur nicht mit uns an. Wir wissen genau, was wir sind oder was wir mal waren. Bleib also schön friedlich! Dass sich die drei Brüder treffen wollten, konnten wir nicht verhindern. Aber wir mögen uns nicht sonderlich. Und ich glaube, wir werden auch dich nicht mögen. Denn auch du gehörst zu unserer Sorte und würdest dich niemals in der Reihenfolge mit dem dritten Platz begnügen, so wie wir beide nicht mit dem zweiten. Also sei friedlich und gesittet, bis wir alles hinter uns gebracht haben. Verstanden?« »O ja.« April Boston lächelt. »Jetzt weiß ich Bescheid.« *** Als Jubal in die noble Bar tritt, wo die durstigen Kehlen eine lange Reihe bilden und von einem halben Dutzend Barkeepern mit den verrücktesten Drinks versorgt werden, da erkennt er seine Brüder sofort, obwohl auch sie sich in den vergangenen fünf Jahren verändert haben. Sie sind beide massiger geworden und tragen keine Bärte mehr wie damals während des Krieges. Sie sind gut gekleidet und wirken dennoch nicht wie Dandys, sondern wie Bosse. Er erkennt sie im Spiegel, der hinter der Bar hängt. Und auch sie erkennen ihn darin, als er sich ihnen nähert. Sie schwingen auf den Barhockern herum und grinsen ihn an. »Unser Kleiner«, sagt Jake. »Sieh dir unseren Kleinen an, Steve! Der sieht nun tatsächlich wie ein gestandener Mann aus – oder nicht?«
»Doch – ja«, erwidert Steve. »Scheint tatsächlich was aus sich gemacht zu haben. Gehen wir zu diesem Tisch dort in der Ecke. Denn wir haben uns gewiss eine Menge zu erzählen. Hast du in der Halle Laura und Jessica schon gesehen?« »Ich habe meine Frau bei ihnen abgegeben.« Jubal grinst zurück. Sie staunen. Dann kichert Jake: »Nur eine? Du wolltest doch Mormone werden und mit vier Frauen kommen. He, was ist?« »April genügt mir«, erwidert Jubal ruhig. Da gleiten Steve und Jake von den Hockern und gehen zum Ausgang der Bar, um in die Halle zu blicken. Denn sie wollen Jubals Frau sehen. Die Neugierde ist zu stark. Als sie wieder zu Jubal zurückkommen, hat dieser einen Drink bekommen und schon halb geleert. »Ja, wir haben alle drei verdammt schöne Frauen«, spricht Jake dann ernst. »Doch weil sie so schön sind, will oder kann keine von ihnen der anderen gewissermaßen das Wasser reichen«, murmelt Steve bitter. »Gewiss war es gut, dass wir die letzten fünf Jahre nicht zusammen waren. Es hätte Ärger zwischen uns Brüdern gegeben wegen unserer Frauen. Wie ist denn deine, Jube?« »Wie eure«, erwidert dieser. »Wir haben drei Schönheiten, drei stolze Katzen, die empfindlich auf jedes Wort reagieren, und Frauen können nun mal spitze Worte zueinander sprechen. Sie können zumeist nur austeilen und selten einstecken. Doch das sollte uns Brüder niemals auseinander bringen können, selbst wenn sie sich in die Haare kriegen und einander die Augen auskratzen wollen. Was ist aus euch geworden? Ihr seht wie beachtliche Burschen aus. Nun, Steve, fang du an.« Einer der Keeper bringt ihnen Drinks an den Tisch und verschwindet wieder. Sie trinken sich zu. Dann beginnt Steve zu sprechen. »Ich nahm Lauras Namen an und heiße nun Steve McKenzie. Die Geheimpolizisten der Union haben meine Spur nie gefunden. Sie suchten wahrscheinlich immer nur nach drei Brüdern. Und den ganzen Krieg über trugen wir Bärte. Ich wurde Reeder, besitze eine Flotte von einem Dutzend Dampfbooten und habe in jeder Stadt am Fluss meine Agentur. Ich befördere Menschen und Frachten bis nach Fort Benton hinauf. Mein Hauptoffice ist in Saint Charles, also bei der Missourimündung dicht bei Saint Louis. Aber ich bekomme jetzt eine Menge Ärger. Doch darüber später. Was wurde aus dir, Jube?« »Lass mich erst von Jake hören, was er auf die Beine brachte«, verlangt Jubal. »Immer der Reihe und dem Alter nach, nicht wahr? Und ich bin nun mal der Jüngste von uns. Doch nennt mich nicht mehr Kleiner. Das meine ich ernst.« Sie sehen ihn nochmals forschend an und erkennen in seinen Augen, dass er es tatsächlich ernst meint. Er wurde ein stolzer und erfolgreicher Mann, der nicht mehr der kleine Bruder sein will. Jake steckt sich eine Zigarre an. Dann sagt er ruhig: »Mir gehören alle Post- und Frachtlinien zwischen Fort Laramie und dem Goldland im nordwestlichen Montana. Ich versorge auch die Armee und alle Indianerreservate. Mein Hauptoffice ist in Fort Laramie. Ich kaufe alle Büffelhäute der Büffeljäger und schaffe sie nach Osten. Im vergangenen Jahr waren es mehr als zweihunderttausend Häute. Ich habe eine Art Monopol für mich geschaffen. Aber auch ich bekomme inzwischen eine Menge Ärger. Fast wäre ich gar nicht hergekommen. Ich musste erst nach Omaha und dann…« Er bricht ab, macht eine Handbewegung, als wären seine weiteren beabsichtigten Wor-
te unwichtig, und sieht Jubal an. »Jetzt du, Jube«, verlangt er. Dieser grinst breit und hebt beide Hände, zeigt ihnen seine Handflächen. »Keine Schwielen mehr«, sagt er. »Aber ich hatte gewaltig viele. Mir gehört das Holzgeschäft. Meine Mannschaften schlagen überall in Montana an allen Nebenflüssen die Wälder ab. Dann schaffen meine Floßmannschaften die Riesenflöße den Strom hinunter. Ihr konntet sie unterwegs gewiss sehen. Denn die meisten Flöße gehören der Northern Company, und die bin ich. Mir gehören die Sägemühlen am Strom, die Schindelfabriken – und auch viele der Holzplätze, bei denen sich die Dampfboote mit Brennmaterial versorgen. Ich habe alles mit harten Jungs unter meine Kontrolle gebracht. Vielleicht bin ich größer und mächtiger geworden als ihr. Denn am Anfang hatte ich mächtige Schwielen. Und…«, er macht eine Pause, beugt sich vor und spricht dann weiter, »… und ich musste töten. Ihr nicht?« Da nicken seine Brüder. »Ja, wir auch«, murmelt Steve. »Es war wie im Krieg, nur kämpften wir für uns. Aber du hast keinen Ärger, Jube?« »Doch«, nickt dieser. »Und ich denke mir, dass es der gleiche Ärger ist, den auch ihr zunehmend bekommt. Ich sage nur ein einziges Wort: Trust!« Er lehnt sich zurück und sieht die Brüder fest an. Diese nicken. Dann spricht Steve: »Ja, es kamen mächtige Burschen aus dem Osten. Innerhalb von zwei Jahren wurden sie eine Macht. Und nun wollen sie auch uns fressen. Wir sollen uns ihnen unterwerfen, uns ihrer Vereinigung anschließen, also zu ihrem Trust gehören. Denn nur dann können sie das totale Monopol auf alles erringen und die Preise bestimmen. Brüder, wir wurden große und gewiss auch mächtige Burschen. Aber nun kann ich erkennen, dass wir alle drei ganz zwangsläufig den gleichen Ärger bekommen werden. Ein mächtiger Trust will uns schlucken. Und weil wir bisher alle Konkurrenz, die uns im Weg war, klein machten und übernahmen, sind wir nun selbst an der Reihe, weil es immer einen Stärkeren gibt – immer. Nachdem ich nun weiß, was in den vergangenen Jahren aus euch wurde, ist mir klar, dass wir vor dem gleichen Problem stehen. Man stellte mir ein Ultimatum. Euch auch?« Jake und Jubal nicken. Dann spricht Jake: »Aber dieser Trust weiß noch nicht, dass wir Brüder sind.« »So ist es«, murmelt Jubal. »Wir sind immer noch die Cheney-Brüder. Und zusammen sind wir ebenfalls ein Trust, der es mit diesen Burschen aus dem Osten und ihren Handlangern aufnehmen kann. Weißt du schon wo, Steve?« Dieser nickt. »Ja, ich kenne das Hauptquartier und auch dessen Filialen. Ich habe schon vor einiger Zeit für hohe Prämien Detektive angeworben. Ich hätte auch allein zugeschlagen. Doch ich hoffte auf euch. Es geht um die Beherrschung einer Lebensader von mehr als dreitausend Meilen und das Land rechts und links davon bis zur Nordgrenze. Wollen wir zusammenhalten und kämpfen?« Jubal und Jake nicken. »Das hatte ich mir erhofft.« Sie sagen es zweistimmig und wie einstudiert. Und eines ist ihnen klar. Was auch passiert ist und nun noch geschehen wird, es ist vom Schicksal so gewollt. Denn wie sonst konnte es so kommen, dass sie sich hier nach fünf Jahren mit den glei-
chen Problemen treffen? All dies musste längst so vorgezeichnet gewesen sein, gleichgültig, welche Wege sie zeitweise auch allein gingen. »Gehen wir auf meine ›Eagle‹«, sagt Jubal. »Es ist ein kleines und starkes Boot mit zwei Geschützen. Es wirkt nicht besonders imposant, aber meine Kanoniere schießen jeden riesengroßen Steamer zusammen. Beraten wir bei mir an Bord. Machen wir einen Plan.« »Und unsere Frauen?« So fragt Jake. »Die werden sich vertragen müssen«, erwidert Steve hart. »Sie sind ja schließlich nicht dumm, und sie werden sehr schnell begreifen, dass wir gegen eine starke Macht um unsere Existenz kämpfen und zusammenhalten müssen. Und wenn wir gewinnen, werden wir der große, mächtige Monopol-Trust sein für alles, was sich in diesem Land bewegt, atmet und…« *** Es ist etwa zwei Wochen später, als die »Eagle« bei Saint Charles etwa fünfundzwanzig Meilen flussaufwärts von Saint Louis in einer dunklen Nacht anlegt. Die drei Cheney-Brüder gehen an Land, und die »Eagle« legt wieder ab und fährt zum anderen Ufer hinüber. Die Cheney-Brüder verharren einige Atemzüge. Dann sagt Steve: »Folgt mir. Ich weiß schon, wo wir Pferde bekommen. Denn sonst müssten wir zu Fuß den Hügel hinauf zu dieser weißen Villa.« Sie folgen ihm wortlos zum Rand der kleinen Stadt, die nur scheinbar im Schatten von Saint Louis lebt, in Wirklichkeit aber für die Schifffahrt auf dem Missouri eine immer größere Bedeutung bekommt. Sie erreichen eine Schmiede. Es gibt hier Corrals mit Pferden. Obwohl es fast schon Mitternacht ist, wecken sie den Schmied. Als er den Kopf aus dem Fenster steckt und unwillig brummt, wer zum Teufel ihn zu stören wagt, da sagt Steve nur knapp: »Buck, wir nehmen drei Pferde und Sättel. Hier sind zweihundert Dollar. Kümmere dich nicht um den Hufschlag.« »Sicher nicht«, brummt der Schmied, nimmt das Geld und zieht den Kopf wieder aus dem offenen Fenster. Die drei Cheney-Brüder aber sind wenig später auf dem Weg. Dieser Weg führt zu einer Hügelkette hinauf, wo die Villen der Reichen stehen. Und eines dieser Herrenhäuser, die fast schon Paläste sind, wirkt besonders nobel und könnte die Residenz eines Königs sein. Nur Steve kennt dieses Bauwerk. Seine Brüder können es in der schwarzen Nacht nicht einmal sehen, als sie anhalten und absitzen. »Nun sind wir Indianer«, flüstert Steve. »Ich habe mir den Weg genau beschreiben lassen und könnte ihn mit verbundenen Augen finden. Folgt mir und seid leise wie Geister.« Sie machen sich auf den Weg, sind wieder die drei Cheney-Brüder, die sich während des Krieges verwegen in so manches scheinbar aussichtslose Wagnis stürzten – und Sieger blieben. Sie nähern sich von der Seite her und erreichen die weiße Mauer, die den Garten um-
gibt, in dessen Mitte sich das Haupthaus erhebt. Als sie sich über die Mauer schwingen wollen, da hören sie auf der anderen Seite das Knurren. Sie halten inne. Denn auf Hunde sind sie vorbereitet. Die Hunde auf der anderen Seite der Mauer bellen nicht. Sie sind gut abgerichtete Killerdogs, die jedem Fremden lautlos an die Kehle springen. Dass diese Hunde nun knurren, sollte gewiss nicht sein. Steve Cheney wirft ihnen nun das mitgebrachte Fleisch hinüber. Man hört, wie sie gierig danach schnappen. Es müssen drei Hunde sein. Ihre Geräusche sind nur noch kurze Zeit zu hören. Dann wirkt das Betäubungsmittel, das sie mit dem Fleisch so gierig verschlangen. Doch einer der Hunde stößt noch ein zwar leises, doch sehr klägliches Jaulen aus, bevor er für lange Stunden einzuschlafen beginnt. Die Cheney-Brüder schwingen sich über die weiße Mauer und gehen drüben tief in die Hocke. So verharren sie. Die Nacht wird hier im großen Garten – es ist schon fast ein kleiner Park – von den Lichtbarrieren, die aus der Villa fallen, erhellt. Sie sehen den bulligen Mann kommen und hören ihn leise rufen: »Hector, David, Goliath! Verdammt, was habt ihr? Kommt her!« Aber die Hunde kommen nicht. Der Mann bleibt stehen. Zwischen zwei Lichtbahnen verhält er zwar im Dunkeln, ist aber noch gut zu erkennen. Wahrscheinlich wird er in der nächsten Sekunde einen Alarmruf ausstoßen oder gar die abgesägte Schrotflinte abfeuern, die er bei sich trägt. Da wirft Jake das schwere Messer – und trifft. Sie hören den Mann ächzen, sehen ihn wie einen Betrunkenen schwanken und dann auf die Knie fallen. Als sie bei ihm sind, kniet er immer noch, keucht mühsam und versucht sich das Messer aus der Magengrube zu ziehen. Doch dann gibt er es auf und legt sich seufzend auf die Seite. Die Cheney-Brüder verharren lauschend. Sie sind wieder im Krieg. Ja, es ist wieder so wie damals, als sie sich an den Feind heranschlichen, um Munitionsdepots oder Brücken in die Luft zu sprengen. Nur diesmal sind sie keine Soldaten der Konföderation und werden für das Töten nicht belobigt und befördert – nein, diesmal kämpfen sie für sich, denn seit sie die zweihundert Pfund Gold für sich behielten, haben sie sich gewaltig verändert. Aus Kriegshelden wurden rücksichtslose Eroberer, die über Leichen gehen. Sie bewegen sich nun weiter auf die Villa zu. Als sie den Fuß der Veranda erreichen, tritt ein Mann gähnend aus der großen Tür, über deren Rundbogen eine Laterne leuchtet. Er erkennt die drei geduckten Gestalten links von sich auf der Veranda zu spät. Wieder wirft Jake sein schweres Messer – und abermals trifft er. Sie dringen nun durch die noch halb offene Tür ein. Ungefähr konnte Steve in Erfahrung bringen, wie viele Personen sich in der Villa befinden. Die Spione, die er beauftragte und denen er viel Geld zahlte, leisteten gute Arbeit. Sie finden einen dritten Wächter in einem kleinen Raum gleich rechts neben dem Eingang. Einen weiteren finden sie ebenfalls schlafend in einem nobel ausgestatteten Schlafzimmer – aber sie wissen, dass der Mann nur ein Sekretär ist. Ihn lassen sie am Leben, doch sie nehmen ihn mit nach oben. Denn dort oben soll der
große Boss sein, den mächtige Hintermänner im Osten nach hier entsandten. Dieser Mann soll der große Drahtzieher sein, von dem sie ein Ultimatum gestellt bekamen. Sie sind neugierig auf ihn. Als sie eintreten, dabei den gefangenen Sekretär vor sich herschiebend, sehen sie ihn an einem mächtigen Schreibtisch sitzen. Er sitzt trotz der späten Nachtstunde noch über irgendwelchen Büchern und Papieren. Er hebt den Kopf. »Ja, was ist, Jones? Warum klopfen Sie nicht an?« Dann erst erkennt er, dass hinter seinem Sekretär Fremde kamen. Aber immer noch glaubt er nicht an eine Gefahr, nimmt wahrscheinlich an, dass sein Sekretär einige Boten mit wichtigen Meldungen zu ihm bringt. Doch als Steve den Sekretär dann vorwärts stößt, hinter ihm seine Brüder hereinkommen und Jubal die Tür mit dem Absatz hinter sich zustößt, da begreift er alles. Nein, er springt nicht auf, versucht auch nicht nach einer Waffe zu greifen, die er vielleicht in der Schublade vor sich liegen hat. Er bleibt ganz ruhig sitzen und betrachtet die Eindringlinge. »Es tut mir Leid, Sir«, stammelt der Sekretär. »Aber…« »Schon gut, Jones, schon gut«, unterbricht er ihn. Dann richtet er seinen helläugigen Blick auf Steve. »Dies ist sicher kein freundschaftlicher Besuch, nicht wahr, Gentlemen? Sollte ich Sie vielleicht sogar kennen müssen?« Steve nickt. »Ja, dies sollten Sie wirklich, Mr Elliot Faro. Nicht wahr, das ist Ihr Name? Und Ihr Titel ist wahrscheinlich ›Generalbevollmächtigter‹ oder so ähnlich. Ja, sie hätten besser daran getan, uns kennen zu lernen, bevor Sie uns durch Ihre jeweiligen Agenturen ein Ultimatum zustellen ließen. Aber wir verhandeln nicht mit Ihren Vertretern, sondern kommen direkt zu Ihnen.« »Na gut.« Elliot Faro nickt. »Dann verhandeln Sie mit mir. Das spart Zeit. Jones, schenken Sie den Gentlemen einen Drink ein. Bieten Sie Zigarren an. Nehmen Sie Platz, Gentlemen. Ja, lassen Sie uns miteinander reden. Ich kann mir nun denken, wer Sie sind. Es geht um das Holzgeschäft, um alle Sägemühlen, Schindelfabriken und die Holzkonzessionen oben in Montana. Es geht um alle Post- und Frachtlinien und…« »Es geht für Sie um nichts mehr – nur noch um Ihr Leben«, unterbricht ihn Steve. »Wir kamen her, um einem Kraken den Kopf abzuschlagen, sodass alle seine Fangarme nutzlos werden. Und dieser Kopf sind Sie, Elliot Faro.« Da erhebt dieser sich und schüttelt den grauen Kopf. Er ist ein nur mittelgroßer, drahtig wirkender Mann, eisgrau mit hellen, flintsteinharten Augen. »Ich bin kein Krake«, lächelt er. »Ich bin eher einer der neun Köpfe einer Hydra. Sie wissen doch, Gentlemen, dass diesem Schlangenuntier alle neun Köpfe immer wieder nachgewachsen sind. Und so ist es auch in unserem Falle. Sie können gegen die gewaltige Macht des Trustes nicht ankämpfen.« Da schüttelt Steve den Kopf. »Jene Hydra damals mit ihren neun Köpfen wurde von Herkules getötet. Dieses Untier hatte letztlich keine Chance gegen ihn – so wie Sie jetzt gegen mich. Wir kamen aber nicht nur her, um Sie zu töten und hier alles dem Erdboden gleichzumachen. Wir wollen
auch Ihren Sekretär und alle Bücher und Unterlagen. Nur so können wir alles vernichten, was Sie aufgebaut haben – alle Agenturen, Handlanger und überhaupt das ganze System, das uns gewissermaßen aufsaugen und verschlingen will wie eine Riesenschlange. Es ist Krieg, Mr Faro. Das wollen Sie und Ihre Hintermänner so. Jetzt haben Sie ihn. Und wir fangen bei Ihnen und Ihrem Hauptquartier an und arbeiten uns dann immer tiefer nach unten.« Als er es gesagt hat, nickt Elliot Faro langsam. »Na gut«, sagt er scheinbar gleichmütig, »es ist Krieg, und ich habe verloren. Vielleicht könnt ihr gewinnen wie damals jener sagenhafte Herkules – vielleicht aber auch nicht.« Er hat es kaum gesagt, da hat Steve Cheney plötzlich seinen Colt in der Faust und schießt. Ja, es ist Mord, eine Hinrichtung. Die Cheneys machen wirklich Krieg. Sie sind auf dem Weg zur Hölle. Der Schuss hat natürlich in den Nebenhäusern einige Schläfer geweckt. Doch die Cheney-Brüder sind nicht hergekommen, um die Dienerschaft zu töten. Als sie eine Stunde später mit dem Sekretär und vielen Büchern, Listen, Plänen und Unterlagen die Villa auf dem Hügel verlassen, steht diese hinter ihnen in hellen Flammen… Als sie den Fluss bei der Landebrücke erreichen, kommt die »Eagle« vom jenseitigen Ufer, um sie an Bord zu nehmen. Und dann verschwindet das kleine und starke Dampfboot mit den zwei Kanonen stromaufwärts in der Nacht. »Gute Vorarbeit, Steve«, sagt Jubal und lacht kehlig. »Ja, er hat wahrhaftig gut geplant«, pflichtet Jake ihm bei. Steve aber sagt ernst: »Wir haben Krieg. Es wird viele Tote geben. Denn es könnte sein, dass wir tatsächlich einer Hydra und nicht einem Kraken den Kopf abgeschlagen haben.« »Dann müssen wir so stark sein wie jener Herkules«, ruft Jake heiser. Er und Jubal befinden sich in einer sieghaften und wildverwegenen Stimmung. Sie haben den Krieg gegen einen starken Gegner begonnen, den Trust, und sie wissen, es gelten dabei keine ehrenhaften Regeln. Es geht ums Gewinnen oder Verlieren. Steve spürt diese wildverwegene und sieghafte Stimmung nicht. Er weiß zu gut, was ihm bevorsteht – ihm und seinen Brüdern. Werden sie das alles auf ihr Gewissen nehmen können? Ja, haben sie überhaupt noch ein Gewissen? Sie gehen in den kleinen Saloon der »Eagle«. Den entführten Sekretär des mächtigen Trust-Managers Elliot Faro übergaben sie dem Bootsmann mit dem Befehl, ihn in einer Kammer einzuschließen. Alle drei tragen sie die Bücher, die Unterlagen, den Schriftverkehr und all die anderen Geheimnisse der Hauptzentrale des Trustes unter den Armen oder vor sich her. Drinnen im Saloon sitzen ihre drei Frauen an dem langen Tisch. Sie wirken nicht so, als hätten sie sich freundlich wie Schwägerinnen unterhalten. Als die drei Brüder alles auf den Tisch werfen, sagt Steve: »Morgen arbeiten wir das alles mit Hilfe des Sekretärs durch, sodass wir bald Bescheid wissen über den ganzen Trust.« »Nein, heute.« Jake grinst. »Es ist schon lange nach Mitternacht.«
April Boston aber fragt: »Jube, wann lassen wir unsere lieben Gäste von Bord?« Die drei Brüder wenden sich ihr staunend zu. Dann spricht Jubal langsam: »Mein Engel, ich glaube, du hast es noch nicht richtig begreifen und einschätzen können, und ihr anderen wohl auch nicht, ihr Süßen. Deshalb will ich es euch sagen: Wir haben einen Krieg begonnen. Und wenn wir Cheney-Brüder jetzt nicht mit Volldampf weitermachen und wie Pech und Schwefel zusammenhalten, dann verlieren wir. Entweder seid ihr bald die ganz großen Königinnen – oder ihr fahrt mit uns zur Hölle. Beides ist möglich. Und deshalb sagen wir euch: Seid nett zueinander, so wie gute Schwestern. Und keine von euch wird sich vor der anderen etwas herausnehmen – keine! Verstanden?« Sie erwidern nichts, aber sie starren ihn fast feindselig an, ja, auch April tut es, obwohl sie seine Frau ist. *** Es wird ein Krieg, der sich nicht nur über Wochen, sondern über Monate hinzieht und sich von Saint Louis über Kansas City-Westport bis nach Fort Benton ausbreitet. Und das ist eine Länge von etwa zweitausendsechshundert Meilen. Steve Cheney setzt alle Dampfboote seiner Reederei ein – und das sind mehr als ein Dutzend. Jake Cheney stellt Mannschaften von Revolverschwingern zusammen, die außer seiner Post- und Frachtlinie keine anderen Beförderungsmöglichkeiten dulden. Und auch alle anderen Aufkäufer von Büffelhäuten und Pelzen, alle Handelsgeschäfte und bisher noch selbstständige Agenturen – ja selbst die so genannten »fahrenden Händler« – müssen ihrem Trust beitreten oder werden vernichtet. Besonders hart macht es Jubal. Bald gibt es im Norden keine freien Holzfäller- oder Flößermannschaften mehr. Alles gerät unter die Kontrolle der drei Cheney-Brüder. Denn sie unterdrücken jeden Widerstand, den Elliot Faro aufgebaut hat. Sie haben ja die Namen seiner Agenten, die Lohnlisten seiner vielen Leute. Sie kennen alle Berichte dieser Agenten über deren Geschäfte, Erfolge und Absichten. Sie haben das Hauptquartier ausgeräumt und sind gewissermaßen an Elliot Faros Stelle getreten. Und wer sich ihnen nicht unterwirft, wer sie nicht als die neuen Bosse anerkennt und für sie arbeitet, den lassen sie klein machen. In diesen Wochen und Monaten sterben auf der langen Strecke zu beiden Seiten des Missouri immer wieder Männer, und auch die letzten freien Reeder und Kapitäne, Unternehmer, Handelsgesellschaften und was sonst noch alles von der großen Lebensader des Landes lebt auf zweitausendsechshundert Meilen, werden vom Trust geschluckt. Dieser Trust wird nicht mehr von den mächtigen Bossen der Ostküste durch deren Bevollmächtigten gesteuert und dirigiert – nein, es sind die drei Cheney-Brüder. Und sie nennen den Trust jetzt »Shamrock Company«, also Kleeblatt-Gesellschaft. Und ein Kleeblatt sind sie ja auch – nämlich die drei Cheney-Brüder. Natürlich versuchen die mächtigen Bosse im Osten durch Beauftragte und Unterhändler mit ihnen zu verhandeln, ja, sie schicken sogar Killer zum Missouri, werben Revolvermannschaften an, entfachen einen Krieg. Aber die Cheneys wurden zu stark. Sie beherrschen den Strom, das Land zu beiden
Seiten, auch die Wagenwege von Fort Laramie bis ins Goldland von Montana, also den Bozeman Trail. Sie besitzen alle Holzkonzessionen, vernichten jede freie Holzfäller- und Flößermannschaft. Auch die letzten noch freien Sägemühlen und Schindelfabriken werden übernommen. Und vor allem das große Geschäft mit den Eisenbahnschwellen ist vollständig in ihrer Hand. Als das Jahr langsam in den Winter übergeht, sind sie die absoluten Herrscher geworden. Sie allein bestimmen die Preise. Sie haben das Monopol. Natürlich regt sich da und dort Widerstand. Und so müssen sie ihre harten Burschen ständig auf alle Rebellen gegen ihre Macht ansetzen. Es ist dann am ersten Weihnachtstag, als sie sich mit ihren Frauen im nobelsten Hotel von Saint Charles zusammenfinden, das ihnen inzwischen gehört so wie viele andere Hotels, Saloons, Spielhallen und Tingeltangels. Denn auch diese Unternehmen haben sie übernommen, wo es sich lohnte. Sie haben die obere Etage des Hotels für sich und treffen sich im Saloon, wo das Weihnachtsmahl schon auf sie wartet. Ihre Frauen erscheinen wie Fürstinnen an ihrer Seite. Jeder führt sie am Arm. Sie alle sind elegant gekleidet. Die Frauen tragen Schmuck. Sie führen ihre Frauen zu Tisch und werden bedient. In der Ecke spielt eine DreiMann-Kapelle Weihnachtslieder. Es ist eine feierliche Stimmung. Steve Cheney hebt sein Glas. »Wir haben es geschafft«, spricht er ruhig. »Wir sind oben und haben alles in der Hand. Was kann uns jetzt noch passieren – ah, nichts mehr. Wir haben es den großen Bossen im Osten gezeigt. Nun sind wir noch größer. Darauf trinken wir. Und auf unsere schönen Frauen.« Sie trinken sich zu – auch die drei Frauen tun es. Dann werfen sie die Gläser an die Wände, denn schließlich sind es ihre Wände in einem ihrer Hotels. Als sie neue Gläser gefüllt bekommen, da erhebt sich Jake. »Auf die Shamrock Company, auf unseren Sieg – auf alles, was zu uns gehört!«, fordert er. Und abermals leeren sie die Gläser. Dann beginnt das große Festessen. Und immer wieder leeren sie dazwischen die Gläser mit Champagner aus New Orleans. Ja, es wird eine immer ausgelassener werdende Feier, mehr eine Siegesfeier als ein Weihnachtsfest. Und irgendwann gegen Mitternacht, da wollen sie allein sein, keine Zuhörer mehr haben. Sie schicken die Diener und die Musiker hinaus. Als sie allein sind, erhebt sich Jubal mit dem vollen Glas in der Hand. Er ist schon ziemlich betrunken, doch seine Stimme klingt noch nicht lallend. Er sagt grinsend: »Und nun trinken wir auf alle, die wir klein machten und die jetzt aus dem Jenseits auf uns spucken möchten. Doch ich glaube nicht, dass man aus dem Jenseits spucken kann. Trinken wir also auf alle, die uns hassten!« Sie trinken tatsächlich auf alle ihre vernichteten Gegner, auf all die Toten und Besiegten. Doch dann ruft April ärgerlich: »Verdammt, warum habt ihr die Musik weggeschickt? Ich würde gerne tanzen und euch verdammten Cheney-Brüdern die Köpfe verdrehen! Denn ihr werdet doch wohl alle zugeben, dass ich es tun könnte, wenn ich nur wollte, weil ich nämlich die Schönste bin, schöner als Laura und Jessica. Nicht wahr, das müsst
ihr doch alle zugeben? Oder nicht?« Ja, sie ist ziemlich betrunken. Doch das sind Laura und Jessica auch. »Du verdammtes, größenwahnsinniges Miststück«, ruft Laura auch schon, »du willst doch wohl nicht glauben, dass du unsere Männer scharf machen könntest?« Und Jessica kichert verächtlich: »Die kann doch froh sein, dass Jube sich in sie verknallte. Was wäre sie denn schon ohne Jube und unsere Männer?« Sie hat kaum ausgesprochen, da wirft April ihr das Glas an den Kopf. Und da geht es auch schon richtig los. Laura und Jessica, die sich sonst gar nicht mögen, sind sich jetzt einig. Sie rennen rechts und links um den Tisch herum und bekommen April zwischen sich, prügeln auf sie ein, ziehen sie an den Haaren und reißen ihr fast das Abendkleid vom Körper. Die drei ebenfalls ziemlich betrunkenen Brüder können die drei Frauen nur mit Mühe voneinander trennen. Und so endet die weihnachtliche Siegesfeier der Cheneys recht primitiv und vulgär mit Gebrüll, Geheul und einer ziemlich stillosen Schlägerei. Jubal brüllt seinen Brüdern zu: »Das sind ja Bestien, geifernde Wilde!« »Deine auch!«, brüllt Jake zurück. Doch Steve hebt den Zeigefinger, und tatsächlich halten sie inne, sehen ihn an und warten auf seine Worte. Denn er war ja früher stets ihr Anführer. Ihnen dämmert es in ihren betrunkenen Köpfen, dass sie zu weit gingen, sie alle. Und sie hören Steve sagen: »Kommt alle nur wieder zur Vernunft. Denn wenn wir anfangen, uns wegen unserer Frauen zu hassen – nun, dann…« Er verstummt und winkt bitter ab. »Aaah, dann werden wir bald alle die großen Verlierer sein«, vollendet er schließlich. Danach wendet er sich an die drei Frauen. »Passt auf, ihr verdammten Katzen«, grollt er. »Macht uns nur nicht kaputt, weil ihr euch nicht leiden könnt. Macht uns Cheneys nur nicht kaputt. Dann seid ihr nämlich bald keine von allen beneideten reichen Schönheiten mehr, sondern fallt aus dem Himmel mitten in die Hölle. Ich habe genug von euch.« Er macht eine Pause und sieht Jubal an. »Deine hat angefangen«, sagt er. »Wenn sie sich so dumm benimmt wie ein Flittchen aus einem Saloon, dann gib ihr was aufs Maul. Und nun komm, Laura. Unser Fest ist beendet.« Er sieht sich noch einmal um. Dann fasst er Laura am Handgelenk und zieht sie mit sich. Jake folgt seinem Beispiel mit Jessica, und gewiss werden beide Brüder ihren Frauen auf ihren Zimmern noch eine Menge zu sagen haben. Jubal und April bleiben zurück. »Ich hasse sie«, faucht April. »Sie haben mir fast die Kleider vom Leib gerissen, und sie kratzten wie die Wildkatzen. Jube, ich hasse sie alle, auch deine Brüder. Und wenn du mir auch nur einen einzigen Schlag geben solltest, dann…« Sie verstummt wild. Aber Jubal sagt: »Schwarzauge, ich werde dich niemals schlagen, niemals. Da soll mir eher die Hand abfallen. Komm, gehen wir ins Bett. Die Feier ist beendet, aber jetzt beginnen wir unsere eigene Feier. Komm!« Sie lässt sich von ihm wegführen. Dabei faucht sie jedoch: »Nicht wahr, sie könnten mir nicht das Wasser reichen, die beiden Schnepfen! Ich bin hundert Mal schöner als sie.
Und ich habe den großen Zauber, dem kein Mann widerstehen kann. Sag es mir, Jube!« »Ich sage es dir gleich im Bett«, kichert er. Und so endet das Fest der Cheney-Brüder auf unschöne Weise und wird der Anfang zu ihrem Untergang. Sie wissen es nur noch nicht. *** Es ist drei Tage später, als die »Eagle« – mit Jubal und April an Bord – an der privaten Landebrücke der Shamrock Company in Omaha festmacht. Es ist bitterkalt. Nur die starke Strömung des Missouri verhindert noch ein Zufrieren. Doch an den Rändern oder hinter den Landzungen, wo das Wasser steht, ist schon Eis. Dennoch will Jubal mit der starken »Eagle« noch bis Fort Bismarck und vielleicht sogar bis Fort Buford hinauf. Einige der erwarteten Riesenflöße – sie sind so groß und breit wie die Straßen in New York oder Washington – kamen noch nicht den Strom herunter. Vielleicht wurden sie von Indianern aufgehalten. Aber sie werden von den Sägemühlen bei Saint Louis und auch schon in Westport dringend erwartet. Jubal will nachsehen, warum die Flöße nicht den Strom herunterkamen, und wenn er bis Fort Buford hinaufdampfen muss mit seiner harten Mannschaft, zu der mehr als ein halbes Dutzend Revolvermänner gehören. Als die »Eagle« genügend Feuerholz übernommen hat, entscheidet sich April. »Ich bleibe in unserem Haus in Omaha«, sagt sie zu Jubal. »Ich fühle mich nicht besonders. Vielleicht bin ich schwanger.« Als er das hört, hält er den Atem an. »Schwanger?« So fragt er hoffnungsvoll. »Oho, April, mein schöner Engel, das wäre etwas. Damit könntest du deine Schwägerinnen tatsächlich ausstechen. Doch mit einem dicken Bauch wirst du für eine Weile nicht schöner sein als sie.« Er sagt es scherzend und nimmt sie in die Arme. Doch sie faucht an seiner Schulter: »Ich bin immer schöner als sie und werde es immer sein – noch als alte Frau. Aber ich bleibe hier. Wir werden uns eine Weile nicht sehen, Jube. Und wenn du einfrierst mit der ›Eagle‹, wird das verdammt lange sein. Fang nur kein Verhältnis mit einer Squaw an. Denn keine Frau der Welt könnte mich ersetzen. Keine könnte dich mich vergessen lassen. Bleib mir treu!« »Das schwöre ich«, erwidert er und hält sie lange fest. »Es wäre wundervoll«, flüstert er, »wenn wir ein Kind bekämen. Das würde dich in unserer Sippe an die erste Stelle bringen.« Er bringt sie dann mit einigem Gepäck selbst an Land und übergibt sie dem hier verantwortlichen Agenten der Shamrock Company, der vorher an Bord kam, um seinen Bericht abzuliefern. Als die »Eagle« die Leine losmacht und dampfend in den Strom geht, steht April, eingehüllt in einen kostbaren Pelz, zierlich und zart wirkend auf der Landebrücke und winkt Jubal nach. Dieser lässt aus dem Ruderhaus noch einmal das Dampfhorn ertönen. Er kann natürlich nicht hören, was April leise murmelt, nämlich: »Und nun werde ich die Dinge verändern auf meine Weise.« Sie wendet sich ab, denn die »Eagle« verschwindet um eine Biegung des mächtigen Stromes und folgt dem Agenten und dem Halbblut, das ihr Gepäck trägt.
Es sind nur wenig mehr als zweihundert Schritte. Dann betritt sie das Haus, das Jubal und sie hier in Omaha haben. Eine halbe Meile weiter flussabwärts führt der Schienenstrang der Union Pacific über den Missouri nach Cheyenne und Fort Laramie. Die Haushälterin tritt ihr entgegen. »Ich habe überall gut geheizt, Mrs Boston«, sagt die rundliche Frau freundlich. »Welche Wünsche haben Sie noch?« April Boston trägt immer noch ihren Namen. Denn auch Jubal nahm den Namen seiner Frau an. Die Cheney-Brüder haben immer noch nicht ihren richtigen Namen wieder angenommen, und niemand weiß, dass sie Brüder sind. Sie halten das für besser. Man hält sie nur für Partner, mit wem sie auch gemeinsam zu tun bekommen. Und sie sehen ja auch wirklich nicht wie Brüder aus, haben verschiedene Haar- und Augenfarben. Nur von ihrer Statur her gleichen sie sich. »Nein, Mae, ich habe keine besonderen Wünsche. Wenn genug Holz im Haus ist, werde ich Sie erst morgen wieder brauchen.« Sie sagt es freundlich. Doch dann fügt sie hinzu: »Aber ich will morgen ausreiten. Jemand von der Agentur soll mich begleiten.« *** Es wird ein zwar kalter, doch sehr sonniger Morgen. Überall liegt Schnee, zwar kaum mehr als zwei Zoll hoch, doch alles mit einer weißen Decke unter sich verbergend. Bevor sie das Haus verlässt, wo schon ein Begleiter mit einem zweiten Pferd auf sie wartet, geht sie in Jubals Arbeitszimmer und öffnet dort den Geldschrank. Denn sie kennt die Zahlenkombination gut, schließlich sind es die Zahlen ihres Geburtsdatums. Sie nimmt zehntausend Dollar in großen Scheinen heraus und bringt sie in den Taschen ihrer Felljacke unter, die sie zu Stiefeln und Hosen trägt. Ihre Sporen klingeln, als sie aus dem Haus tritt und sich ohne Hilfe auf das Pferd schwingt. Um die Hüften unter der Jacke trägt sie einen Waffengurt mit einem kleinen Colt. Sie nickt ihrem Begleiter zu. Es ist wieder der Halbblutmann, der sich Joe Crow nennt. Dann reitet sie an, und sie kennt den Weg ganz genau. Denn schon einmal ritt sie ihn mit Jubal. Dieser Weg führt landeinwärts zu einem kleinen Ort, der kaum mehr als eine Siedlung ist. Die Entfernung beträgt etwa zehn Meilen, und sie reitet schweigend und entschlossen, hört nur das Pferd ihres Begleiters hinter sich, der sie beschützen soll. Etwa eine Viertelmeile vor der Siedlung ruft sie Joe Crow über die Schulter zu: »Warten Sie hier auf mich, Joe – dort drüben bei den Tannen!« Dann reitet sie allein weiter. Und als sie die kleine Siedlung erreicht, ist ein Haus am Rande ihr Ziel, zu dem einige Corrals gehören, auch ein langer Stall und eine Scheune. Als sie vor dem Haus hält, tritt ein kleiner Mann heraus. Er wirkt auf den ersten Blick unscheinbar – bis man in seine Augen blickt. Der Mann sieht zur Reiterin hoch und lächelt schmal. Seine Lippen sind bei geschlossenem Mund fast wie eine Messernarbe. Doch nun zeigt er braune Zähne. Es sind kräftige Zähne, doch braun von Tabaksaft. »Hallo, Mrs Boston«, sagt er ruhig. »Sie kommen allein?«
April nickt. »Ja, ich komme zu einem Freund, Kelso. Oder irre ich mich da? Sind Sie nicht mein Freund? Wollten Sie mich nicht malen?« Er nickt »Ja, das wollte ich immer – vom ersten Augenblick, da ich Sie sah. Doch ich würde Sie nur nackt malen wollen – nur so nackt wie die Venus.« Sie bleibt immer noch im Sattel und spricht dann langsam auf ihn nieder: »Das können Sie haben. Doch der Preis dafür ist hoch. Sie haben für meinen Mann schon einige Male gemordet. Nun sollen Sie es für mich tun! Also sollte auch ich einen Preis zahlen. Ich bin bereit.« Er starrt mit schmalen und schrägen Augen zu ihr hoch. Seine Nasenflügel vibrieren witternd. »Ja«, nickt er, »eigentlich bin ich ein hinterhältiger Killer. Doch zugleich bin ich auch ein großer Künstler mit dem Pinsel. Und Sie als nackte Venus zu malen, das wäre fast die Erfüllung meines Lebens.« »Und überdies gibt es noch zehntausend Dollar als Anzahlung«, lächelt sie und sitzt ab. Als sie vor ihm steht, ist sie fast ebenso groß wie er. »Dann muss ich wohl ein besonderes Wild umbringen«, murmelt er und sieht ihr fest in die Augen. »Wen?« »Das können wir besprechen, wenn Sie mich malen. Ist es warm genug im Haus, sodass ich mich entkleiden kann?« *** Der Killer Kelso – ja, er ist ein eiskalter Killer – hat sein kleines Haus sehr wohnlich und bequem eingerichtet. Von außen sieht man diesem Haus nicht an, dass es innen fast kostbar eingerichtet ist. Denn dieser Kelso ist ein Mensch, der sozusagen aus zwei verschiedenen Wesen zu bestehen scheint. Die eine Seite von ihm ist ein eiskalter Killer, und die andere Seite an ihm macht ihn zu einem Künstler, der die Schönheit liebt und diese Schönheit immerzu malen und damit verewigen möchte. Gewiss ist er krank, eine geteilte Persönlichkeit und sich selbst eine Qual. Der Killer Kelso hat schon viele Aufträge erledigt. Er gilt für eine kleine Gruppe von Eingeweihten als absolut zuverlässiger Tötungsspezialist, mit dessen Hilfe man sich Feinde, Konkurrenten und sonstige Gegner vom Hals schaffen kann. Kelso ist ein Geheimtipp, ein Mann, der sich nach verrichteter »Arbeit« stets in sein Haus in diesem kleinen Ort zurückzieht, um zu malen. Und stets ist er dann um viele Dollars reicher. Als er an diesem Morgen April Boston eintreten lässt, ist ein wirkliches Glücksgefühl in ihm. Denn vom ersten Moment an, da er diese Frau kennen lernte, als er von ihr und Jubal besucht wurde, um von Jubal einen Auftrag zu übernehmen, hatte er den heißen Wunsch, diese Schönheit malen zu dürfen – und zwar nackt auf einem kostbaren Zobelpelz liegend. Nun lässt er sie in sein Haus eintreten. Ja, es ist warm in allen Räumen. Im Kamin brennen Holzscheite. Teppiche und Felle sind ausgelegt. Und dann die Bilder… April hält nach wenigen Schritten mitten im Wohnzimmer inne und sieht sich staunend und bewundernd um.
Denn überall an den Wänden hängen die Bilder schöner Frauen. Damals, als sie mit Jubal hier war, um einen Killer anzuwerben, der einen Gegner der Shamrock Company aus dem Weg räumensollte, ließ Kelso sie nicht in sein Wohnzimmer, sondern verhandelte in der nobel eingerichteten Diele mit ihnen. Er wollte wohl verhindern, dass sie sich ein Bild über ihn machen konnten. Doch jetzt lässt er sie eintreten und sein Geheimnis sehen. Ja, es hängen die Bilder wunderschöner Frauen an den Wänden, Frauen oder Mädchen jeder Hautfarbe. Und alle sind sie nackt. April sieht sie sich an. Es sind mehr als ein halbes Dutzend. Dann wendet sie sich Kelso zu. »Sie sind auch auf diesem Gebiet ein großer Künstler«, sagt sie. »Doch es würde mir nicht sehr gefallen, wenn ich eine von ihnen wäre irgendwo da an den Wänden. Ich ertrage keine Konkurrenz. Nicht zuletzt deshalb kam ich her. Vielleicht sollte ich mich doch nicht von Ihnen malen lassen, Kelso. Ich hörte bisher ja nur, dass Sie Schönheiten malen und ein großer Künstler seien auf diesem Gebiet. Aber ich sah noch nicht diese Bilder.« Er schüttelt den Kopf, hebt dann seine Rechte wie zum Schwur und spricht feierlich: »Ihr Bild würde gewiss alle anderen Bilder in diesem Raum bedeutungslos machen. Diese Schönen würden gewissermaßen graue Mäuse werden. Aber ich würde Ihr Bild niemals hier aufhängen.« »Wo dann?« Sie fragt es fast gierig. Da geht er zu einer Tür und öffnet diese. Sie tritt ein und sieht, dass es sein Schlafzimmer ist, eingerichtet wie das Schlafzimmer einer Edelhure. »Hier würde ich es aufhängen«, murmelt Kelso. »Gegenüber vom Bett, sodass ich Sie immerzu bewundern könnte, April Boston. Wollen Sie immer noch gehen?« Er fragt es zuletzt herausfordernd, denn er weiß, dass er ihr von sich jetzt eine ganze Menge offenbarte, so wie zuvor gewiss noch keinem anderen Menschen. Sie zögert tatsächlich ein wenig, denn sie ist sich bewusst, zu was dies alles führen wird. Doch sie will ihn für sich töten lassen, und sie weiß, dass sie keinen anderen Killer finden würde, der dies so tun könnte und würde wie er. Und so beginnt sie sich auszukleiden. Dabei sieht sie ihn an und lächelt, wobei sie spricht: »Nun, Kelso, vielleicht möchten Sie erst sehen, ob ich wirklich von makelloser Schönheit bin. Denn wenn ich Ihnen sage, was ich von Ihnen verlange, dann werden Sie sicher wissen wollen, ob es sich für Sie lohnt, nicht wahr?« Er nickt. »Ich weiß, dass Sie einen makellosen Körper haben, April«, murmelt er kehlig. »Daran zweifle ich nicht. Kamen Sie allein?« Sie schüttelt den Kopf, und sie hat die hinter ihrem Nacken zusammengebundenen Haare gelöst. Nun fällt die goldene Pracht über ihre nackten Schultern. »Nein, ich kam nicht allein«, erwidert sie. »Joe Crow, ein Halbblutmann, wartet eine Viertelmeile vor der Siedlung am Waldrand. Er wird sich ein Feuer gemacht haben. Es war mir zu gefährlich, zehn Meilen allein durch dieses Land zu reiten.« Kelso nickt stumm. Er sieht sie nun nackt vor sich. Und sie dreht sich, wendet sich, bewegt sich ein wenig. Ja, sie zeigt ihm ihre ganze Schönheit. Er wirkt wie verzaubert. Jetzt ist er kein eiskalter Killer, sondern ein mit allen Sinnen
herausgeforderter Mann und Künstler. Seine Stimme klingt etwas heiser, als er sagt: »April, bevor ich dich zu malen beginne, werden wir erst zusammen in dieses Bett da gehen. Denn sonst könnte ich mich nicht auf das Malen konzentrieren.« »Ich weiß«, erwidert sie lächelnd. »Aber wirst du mir dann auch meine Wünsche erfüllen, Kelso?« Er hebt die Rechte. »Ich werde dir jeden Wunsch erfüllen, schöne April Boston. Ich schwöre es dir.« *** Es vergehen zwei Wochen, und jeden Tag reitet April von ihrem Haus in Omaha am frühen Morgen durch den immer tiefer werdenden Schnee zu Kelso, begleitet vom Halbblut Joe Crow. Dieser bleibt dann stets am Waldrand zurück, wo er sich ein Feuer macht. Ja, er hat sich unter den dichten Tannen sogar eine Zweighütte errichtet und verbringt so die kurz gewordenen Tage, bis er mit April nachmittags wieder zurückreitet. Natürlich fragt sich Joe Crow, was die Frau seines Bosses dort in dieser Siedlung macht. Doch sein Instinkt warnt ihn, dies herausfinden zu wollen. Er spürt, dass dies gefährlich für ihn wäre. Er nimmt auch keinerlei Verbindung mit den wenigen Menschen der Siedlung auf, selbst wenn diese in seine Nähe kommen, um aus dem Wald Holz zu holen oder an ihm vorbei irgendwelchen Zielen zustreben. Er kann nie sehen, in welchem Haus April verschwindet, denn es stehen zu viele Bäume zwischen Joe Crow und der kleinen Siedlung und versperren ihm die Sicht. Aber er will es auch gar nicht herausfinden. Er brät sich sein Mittagessen und nimmt hin und wieder einen Schluck aus der Flasche, vermeidet es jedoch, betrunken zu werden. Es ist an einem Nachmittag nach etwa zwei Wochen, als April Boston in Begleitung eines Mannes her angeritten kommt. Diesen Mann kennt Joe Crow vom Sehen. Er sah ihn manchmal in Omaha, beachtete ihn kaum, denn er wirkte zu unscheinbar. Zu dritt reiten sie nun weiter in Richtung Omaha. Nach etwa fünf Meilen müssen sie wieder durch einen dichten Wald. Es herrscht nun schon die Abenddämmerung des kurzen Tages. Joe Crow ist arglos, als sie anhalten und der kleine Mann sein Pferd etwas herumzieht, so als wollte er etwas zu Joe Crow, der hinter ihnen reitet, sagen oder ihm eine Frage stellen. Doch im Halbdunkel erkennt Joe Crow, dass der kleine Mann einen Revolver in der Hand hält. Im nächsten Moment kracht der Schuss, und Joe Crow sieht in das Mündungsfeuer. Die schwere Kugel schlägt in seinem Hirn ein, und er fällt vom Pferd, als wäre niemals Leben in seinem Körper gewesen. Kelso und April verharren auf ihren nervös tänzelnden Pferden. Aber es bleibt alles still in der Umgebung und auch im Wald. Schließlich sagt Kelso ruhig: »Er wird also nicht verraten können, wohin du jeden Tag zwei Wochen lang geritten bist. Weißt du, ich möchte mit deinem Mann Jubal wirklich keinen Ärger bekommen, auch nicht mit seinen Brüdern. Auch haben diese gewiss noch
viele Aufträge für mich. Reite heim, schöner Engel der Sünde. Ich werde mein Wort halten. Ja, ich bringe sie alle um, die du nicht mehr am Leben lassen möchtest. Du kannst dich darauf verlassen.« Sie schweigt einige Atemzüge lang. Dann murmelt sie: »Ich danke dir, Kelso.« Nach diesen Worten zieht sie ihr Pferd mit der Nase in Richtung Omaha und reitet davon. Kelso aber sitzt ab und schleift den Toten tiefer in den Wald hinein. Nein, er bedauert nichts. Er ist jetzt ein gefühlloser Killer, ein Mensch ohne Herz und Seele gewissermaßen, ganz einfach ein schreckliches Wesen. In seinem Schlafzimmer hängt gegenüber seinem französischen Bett, welches er sich aus New Orleans kommen ließ, das Bild der schönen April. Dieses Bild übt einen Zauber auf ihn aus, und er wird sich bis an sein Lebensende daran erinnern und sich immerzu bewusst sein, dass er diese körperlich so makellose Schönheit stets lieben durfte, bevor er sie weiterzumalen begann, Tag für Tag. Dass April Boston schlecht ist, vielleicht auf eine etwas andere Art ebenso krank wie er, dies ist ihm gar nicht bewusst. Er wird ihre Wünsche erfüllen. Und vielleicht – wenn ihr Mann Jubal wieder einmal auf einer langen Reise abwesend sein wird, dann kommt sie wieder zu ihm, ja vielleicht. *** Indes reitet April Boston allein durch die zunehmende Abenddämmerung und sieht bald die Lichter von Omaha in der Nacht. Über die ferne Eisenbahnbrücke rollt ein Eisenbahnzug. Man hört es meilenweit. Irgendwo dort im weiten Westen trifft sich die Union Pacific mit der Central, irgendwo dort im fernen Utah. Sie hat davon gehört. Und einmal möchte sie auch von der Ostküste zur Westküste fahren. Diesen Wunsch wird Jubal ihr erfüllen müssen. Plötzlich denkt sie auch wieder an ihre beiden Feindinnen Jessica und Laura. Ja, sie sind ihre Feindinnen, waren es von Anfang an. Und als sie sich prügelten, kratzten, bissen und kreischten am Weihnachtstag, ihr dabei fast das Kleid vom Leib rissen, da wollte April nur noch ihren Tod. Sie ist eine Frau, welche gnadenlos hassen kann, und von Anfang an wollte sie die erste Frau der ganzen Sippe sein. Niemand sollte ihr diese Stellung streitig machen können. Auch hält sie Jubal für den beachtlicheren der Cheney-Brüder. Ihm steht ihrer Meinung nach der Anspruch zu, die Sippe zu führen, nicht Steve und auch nicht Jake. Und so hat sie alles in die Wege geleitet. Kelso wird ihr Werkzeug sein. Sie hat ihn bezahlt. Nun wird er seine »Arbeit« tun müssen. Es bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Denn ihr Bild – nackt in aller Schönheit auf einem Zobelpelz liegend wie eine Göttin – hängt seinem Bett gegenüber an der Wand. Nein, es bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Davon ist sie überzeugt. *** Etwa eine Woche später nach jenem Tag, da Joe Crow sterben musste, treffen sich die � drei Cheney-Brüder bei ihrer Agentur am White Earth River, etwa zwanzig Meilen oberhalb von Fort Berthold und über hundert Meilen von Fort Buford entfernt, also mitten im �
Indianerland. Steve kommt mit seinem schnellsten Heckraddampfer »Lady Laura«, den er nach seiner Frau nannte. Und Jake trifft noch am selben Tage mit der »Queen Jessica« ein. Als sie an Land gehen – nur sie drei – legen ihre Steamer wieder ab und verschwinden um eine Landzunge. Die Brüder machen sich auf den Weg zur Agentur, welche eine halbe Meile stromaufwärts in einer Bucht liegt und zu der ein Holzplatz und eine Handelsniederlassung gehören. Da Fort Berthold nicht weit ist, kommen immer wieder Armeepatrouillen her und sichern die Agentur. Die meisten Helfer des Agenten sind Halbbluts oder gar Vollblutindianer, so genannte »Befriedete«, welche sich einst taufen ließen und auf Missionsschulen gingen, also einige Bildung haben, die manchmal besser ist als die der Weißen. Als sie das Haupthaus der Agentur erreichen, kommen sie recht überraschend. Es ist Nachmittag, Die Mannschaft hier arbeitet auf dem Holzplatz oder schafft mit Wagen Holz aus dem Wald herbei. Als sie in das Office eintreten, erschrickt der Agent und erhebt sich hinter dem Schreibtisch. Eine Tür zum großen Magazin des Handelsstore steht offen. Dort arbeiten zwei Gehilfen, sortieren Waren, Pelze, räumen Regale um. Jake geht zu dieser Tür und schließt sie, Nun sind die drei Brüder allein mit Phil Jenkins, dem Agenten. »Aaah, Gentlemen«, spricht dieser, nachdem er sich räusperte. »Ich habe Sie gar nicht erwartet. Auch hörte ich kein Dampfboot kommen. Ist das eine Inspektion? Wollen Sie meine Bücher sehen?« Steve schüttelt den Kopf. Dann fragt er mit trügerischer Sanftheit: »Wo ist das Gold der ›Beauty Fee‹?« Der Agent Phil Jenkins versucht zu staunen, aber man sieht ihm an, dass er in seinem Kern erschrocken ist. Denn die Frage ist zu trügerisch in ihrer Sanftheit. Und die drei Bosse der Shamrock Company tauchten zu plötzlich auf. Noch nie kamen sie alle drei zusammen hierher. »Gold?« So fragt Phil Jenkins scheinbar staunend. »Das Gold der ›Beauty Fee‹? Aber die wurde doch von einer Bande, als sie keine fünf Meilen oberhalb von hier auf eine Sandbank lief, überfallen, ausgeraubt und angezündet. Es soll eine Bande von Renegaten, Halbbluts, Indianern und Armeedeserteuren gewesen sein. Natürlich nahmen sie mit der anderen Beute auch das Gold mit. Soll es viel gewesen sein? Ich kann das nicht wissen, denn es gab keine Frachtpapiere mehr auf dem abgebrannten Wrack.« Die Stimme des Agenten Phil Jenkins wurde immer fester und sicherer. Ja, nun hat er sich wieder unter Kontrolle, denn er ist ja eigentlich ein harter und erfahrener Bursche und gewiss kein Feigling. Phil Jenkins blickt auf die drei Besucher, die seine Bosse sind. Nun spricht Jake, und auch er spricht freundlich. Er sagt: »Phil, Sie müssen wissen, dass wir unsere Daumen überall am Puls des Landes haben. Uns wurde berichtet, dass Sie das Gold der ›Beauty Fee‹ geborgen haben. Aber vielleicht bestand sogar die Bande aus Ihren Leuten. Wir erhalten schon eine ganze Weile schlechte Nachrichten über diese Agentur. Also, Jenkins, machen Sie uns nicht erst noch richtig böse. Wenn Sie sich als reumütiger Sünder erweisen, lassen wir Sie vielleicht sogar laufen. Also?« In Phil Jenkins ist nun die heiße oder kalte Furcht, wahrscheinlich abwechselnd. Aber er entschließt sich offenbar, immer noch bei seiner Linie zu bleiben. Ja, er versucht sogar
einen Trick. Denn er sagt: »Ich habe hier in der Schublade den genauen Bericht. Sie können ihn lesen.« Er zieht die Schublade seines Schreibtisches auf und will hineingreifen. Aber noch bevor er den Kolben des griffbereit in der Schublade liegenden Revolvers in die Hand bekommt, fährt ihm Jakes schweres Messer in die Schulter. Er taumelt zurück, lehnt dann ächzend an der Wand und versucht das Messer herauszuziehen. Jake tritt zu ihm, schlägt ihm erst die Hand rechts und links um die Ohren und Wangen und knurrt dabei: »Fass nur nicht mein Messer an, du Hurensohn! Also, wo ist das Gold?« Phil Jenkins ist ein wirklich harter Mann, doch jetzt begreift er, dass er verloren hat und dass ihm niemand mehr helfen kann. Er starrt nacheinander in die harten Augen seiner drei Besucher und erkennt darin nichts, was ihm Hoffnung machen könnte. Jake zieht nun mit einem Ruck das Messer aus Jenkins' Schulter. »Ich könnte dir Schlimmes antun«, murmelt er. »Doch ich will es wirklich nicht. Also sei vernünftig. Dann stirbst du schnell und fast völlig schmerzlos.« Nun erzittert der harte Phil Jenkins. Und er denkt: Verdammtes Gold! Warum wollte ich es haben? Ich musste doch wissen, dass diese drei Tiger wirklich überall ihre Spione haben und ihnen auf dem Strom zwischen Saint Louis und Fort Benton nichts entgeht – nichts, gar nichts. Ich bin tot. Einer meiner Leute muss mich verraten haben. Er sagt heiser: »Die Goldbarren und die vielen Ledersäckchen der Goldsucher, die sie vor dem Winter mit der Post aufgaben, liegen unter diesem Schreibtisch hier. Ihr müsst nur die Dielenbretter entfernen. Lasst mich laufen. Es ist Winter. Mit der Schulterwunde komme ich vielleicht gar nicht weit. Lasst mich laufen. Das wäre Strafe genug, nicht wahr?« »Nein«, erwidert Jake und sticht zu. Als er sich seinen Brüdern zuwendet, da starren diese ihn ungläubig an. Dann murmelt Steve: »Irgendwann werden wir dafür bezahlen müssen – und wenn es in der Hölle ist. Aber irgendwann bekommen wir alles zurück. Ich mag manchmal, wenn ich aus schlimmen Träumen erwache, gar nicht daran denken. Und dann wünsche ich mir, dass wir noch Jungen wären auf der kleinen Ranch bei unserem Alten in den Antelope Hills. Verdammt!« Sie starren ihn zuerst staunend, dann aber immer nachdenklicher an und lauschen schließlich tief in sich hinein. Dann sagt Jubal – und es ist eine Spur von Hilflosigkeit in seiner Stimme: »Aber wir haben doch während des ganzen Krieges immer wieder getötet. Und wir wollen das Gold, das dieser Bastard mit seinen Männern von dem gestrandeten Schiff stahl, ja nicht für uns. Wir wollten es doch an die Adressen weiterbefördern, für die es bestimmt war. Was ist falsch daran, dass wir diesen Mistkerl, der hier unser Agent war und dem wir vertrauten, zur Hölle sandten?« Wieder blicken Jubal und Jake auf Steve, so als könnte dieser ihnen etwas sagen, was ihnen die Überzeugung gäbe, dass sie alles richtig machten und sie sich immer noch auf dem richtigen Weg befänden als Eroberer eines gewaltigen Stromes und des ganzen Landes zu dessen Seiten. Steve zuckt plötzlich mit den Schultern. »Ach was«, sagt er dabei, »wir sollten uns wohl lieber nicht allzu viele Gedanken ma-
chen. Auf dieser Erde gibt es überall Jäger und Gejagte, Fresser und jene, die gefressen werden. Nun gut, holen wir das Gold aus dem Versteck. Hoffentlich sind alle Sendungen noch mit den Anschriften versehen. Die Angehörigen jener Goldgräber, die ihr Gold unserem Postdampfer anvertrauten, werden sich freuen. Vielleicht sind auch Alte wie unser Vater darunter, deren Söhne Glück hatten und das erste Gold nach Hause sandten. Es soll dort ankommen. Holen wir es aus dem Loch.« Sie heben den Schreibtisch weg, nehmen einige Dielenbretter heraus und sehen, dass der Agent sie nicht belogen hat in seiner Todesangst. Sie finden einige Taschen und Säcke und verpacken alles gut. Jubal holt sich aus dem Magazin noch einen Sattel. Es ist ein besonderes Stück, das er hier von einem der Männer, der ein guter Sattler ist, reparieren ließ. Die beiden Arbeiter im Magazin verharren bei den Regalen und starren ihn an. Sie konnten zwar nicht hören und sehen, was im Office vorging, doch ihr Instinkt sagt ihnen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Jubal sagt zu ihnen: »Ihr seid hier fertig. Gleich kommt ein Boot und bringt eine neue Mannschaft.« Er verlässt das Magazin mit dem Sattel über der Schulter. Die Brüder folgen ihm. Und alle schleppen sie die schweren Taschen mit dem Gold. Als sie die Landebrücke erreichen, ist es überall noch still. Doch dann springen hinter ihnen die beiden Magazinarbeiter ins Freie. Ihr Gebrüll schallt weit in die Runde. »Sie haben das Gold, und sie haben Jenkins getötet! Sie wollen weg mit unserem Gold!« Das Gebrüll wird von den Männern beim Holzplatz verstanden, aber auch von den Holzfällern, die mit einer Fuhre Holz aus dem Wald kommen. Und so brüllen bald noch mehr Stimmen ihre Wut hinaus. Nun kommen sie von allen Seiten gelaufen, rotten sich zusammen und nähern sich der Landebrücke. Es zeigt sich, dass sie alle zusammen eine einzige Bande sind, deren Boss der Agent selbst war. Wahrscheinlich aber wurden sie erst zu dieser Bande, als sie so leicht an das Gold des gestrandeten Postdampfers kamen. Als sie sich der Landebrücke nähern, sind sie alle bewaffnet. Eine heisere Stimme brüllt: »Gebt das Gold raus! Ihr kommt mit dem Gold nicht von hier weg! Gebt das Gold raus!« Die drei Cheney-Brüder stehen jetzt am Ende der Landebrücke. Um die Flussbiegung aber taucht die kleine und starke »Eagle« auf, auf der Jubal gekommen ist. Doch es wird ziemlich knapp werden für die Cheney-Brüder. Die »Queen Jessica« und die »Lady Laura« kommen jetzt zwar ebenfalls um die Landzunge herum, aber sie sind weiter zurück. »Wir werden schießen müssen«, knirscht Steve und zieht seinen Colt. Auch die Brüder tun es. So erwarten sie das gute Dutzend Angreifer. Die »Eagle« kommt mit Volldampf näher. Doch dann müssen die Brüder zu schießen beginnen, und die Kugeln der Angreifer fliegen ihnen um die Ohren. Dann aber löst sich aus der Kanone der »Eagle« ein Schuss. Es sind Schrapnellkugeln, die in den angreifenden Haufen fahren, nicht anders als während des Krieges.
Die Wirkung ist ungeheuer. Und Steve brüllt böse: »Oh, ihr verdammten Narren, warum habt ihr uns dazu gezwungen?« Aber sie wurden fast alle mehr oder weniger verwundet. Sie stöhnen und jammern nur. Erst später, als die halbe Mannschaft der »Eagle« an Land kommt und man die Verwundeten versorgt – es gab auch zwei Tote –, da sagt einer der Halbblutmänner: »Verdammt, wir wollten doch nur etwas Gold für uns beiseite legen! Ihr großen Tiger habt euch ja schon den ganzen Strom erobert. Warum konntet ihr uns Kiemen denn nicht wenigstens etwas Beute gönnen? Als der Postdampfer strandete und die Kessel explodierten, als alles in die Luft flog, da holten wir das Gold aus den gesunkenen Wrackteilen. Der Strom hätte binnen weniger Tage Sand darüber gespült, und alles wäre verloren gewesen.« Jake grinst: »Ihr seid zu dumm, um Beute machen zu können.« Da meldet sich ein anderer Verwundeter: »Wer hat uns verraten, Sir? Das würden wir gerne wissen. War es dieser Pete Blue, der plötzlich von hier verschwand?« »Das werdet ihr nie erfahren«, erwidert Jubal. »Und hier seid ihr alle fertig. Wir haben einen neuen Agenten und eine neue Mannschaft für diese Agentur mitgebracht.« *** Am nächsten Morgen trennen sich die drei Dampfboote der Cheney-Brüder. Die sehr schnelle »Eagle« fährt weiter stromauf, denn es gibt auch dort noch hier und da Dinge zu regeln. Und Jubal möchte das vor dem harten Winter tun, der jeden Tag und fast jede Stunde mit dem ersten Blizzard von Norden her hereinbrechen kann. Steve fährt mit der »Lady Laura« stromabwärts und will so schnell wie möglich Saint Louis erreichen, um das Gold von dort aus weiterbefördern zu lassen. Er will auch dafür sorgen, dass die Zeitungen über die Ehrlichkeit der Shamrock Company berichten und so deren Image verbessern. Jake will sich mit der »Queen Jessica« etwas mehr Zeit nehmen und alle Agenturen inspizieren. Er und Steve wissen noch nicht, dass sie sich nun bald von Gewinnern zu etwas verwandeln, was man »Loser« nennt und was Verlierer bedeutet. *** Nachdem er April Bostons Bild fertig hat, macht sich der Killer Kelso auf den Weg nach Saint Charles. Er reist auf einem der nobelsten Dampfboote in einer Luxuskabine, aber er lässt sich bei Tag kaum an Deck blicken. Es ist ein weiter Weg von Omaha bis Saint Charles. Mit dem Strom schafft die »Silver Cloud« mehr als zehn Meilen die Stunde, aber sie muss in den langen Nächten irgendwo anlegen, denn diese sind zu dunkel. Es ist wieder eine Nacht, als die »Silver Cloud« Saint Charles erreicht, aber bis Mitternacht sind es noch vier Stunden. Denn die Tage sind kurz. Der kleine und unscheinbare Mann macht sich sofort auf den Weg, nachdem er mit einer Gruppe anderer von Bord gehender Passagiere unauffällig an Land gelangte. Etwa eine Stunde später erreicht er das Haus von Steve und Laura auf einem sanften
Hügel westlich der Stadt, von dem man bei Tag einen schönen Blick auf den Strom hat. Jetzt leuchten die Lichter der Stadt und auch der vielen festgemachten Schiffe herauf. Auch das Haus von Steve und Laura ist erleuchtet. Einmal sieht Kelso die schöne Laura am Fenster. Sie hat es geöffnet, um die frische und kalte Winterluft dieser Nacht ins Zimmer zu lassen, in dem im Kamin ein Feuer brennt. Die Haushälterin ging längst heim. Laura ist allein. Draußen liegt überall Schnee. Ihre Augen haben sich noch nicht an die Dunkelheit außerhalb des Hauses gewöhnt, aber nach einer Weile erkennt sie den kleinen Mann an der Pforte des Gartenzaunes. Sie beugt sich weiter aus dem Fenster und fragt: »Wollen Sie zu mir mit einer Nachricht? Was war das für ein Dampfboot, das vor einer Stunde anlegte?« Der kleine Mann fragt empor: »Sind Sie Laura McKenzie, die Frau von Steve McKenzie?« »Die bin ich. Haben Sie eine Nachricht von meinem Mann?« »Nein, von ihm nicht, aber von April Boston«, erwidert der Killer Kelso und schießt blitzschnell zweimal. Dann macht er sich auf den Rückweg zum Schiff. Aber er wartet dort, bis wieder eine ganze Gruppe von Passagieren an Bord geht, und mischt sich darunter. Es war einfach, denkt er. Er wird bis Saint Louis mitfahren und dort ein anderes Dampfboot besteigen, welches ihn wieder den Strom hinauf bis nach Omaha bringt. Er denkt an die schöne April, deren Bild gegenüber seinem Bett an der Wand hängt. Vielleicht kommt sie ihn bald besuchen, um zu erfahren, ob er sein Wort gehalten hat. Doch er hat ja ihren Auftrag erst zur Hälfte erledigt. Es ist noch eine Frau umzubringen. Kelso hat zuvor noch nie eine Frau getötet, aber das war wahrscheinlich nur zufällig so, weil er noch nie einen Auftrag dazu erhielt. Er wundert sich nicht besonders darüber, dass es ihm nichts ausmachte. Und das ist ein Beweis dafür, dass er krank ist, nicht normal, kein Mensch mit einem Gefühl für das Böse. Wie schon gesagt, er hat zwei Seiten, und diese eine Seite ist kalt, stumpf, gefühllos und leer. Er ist sich dieses Mangels nicht bewusst. Ja, er ist krank. *** Drei Tage später geht er in Kansas City an Land, und diesmal ist es noch Tag, jedoch schon etwas dämmrig, sodass in den Häusern und Geschäften, Saloons und Wohnhäusern die ersten Lampen angezündet werden. Auch hier findet Kelso das Haus von Jessica und Jake nach der genauen Beschreibung von April Boston ziemlich schnell. Es ist Nacht, als er es erreicht und aus der Dunkelheit beobachtet. Das Haus scheint leer zu sein, denn es brennt nirgendwo eine Lampe. Alle Fenster sind dunkel. Sollte Jessica Hart gar nicht daheim sein? Aber als er sich schon abwenden will, hört er eine Kutsche durch den Schnee kommen und vor dem Hause anhalten. Frauenstimmen lachen. Dazwischen klingt eine Männerstimme und fragt: »Sollen wir mit hineinkommen, Jessica? Es war ein schöner Nachmit-
tag, nicht wahr? Du wurdest uns eine gute Freundin, und unsere Kinder nennen dich jetzt schon liebevoll Tante Jessy!« »Nein, ihr könnt wieder heim, nachdem ihr mich hergebracht habt«, erwidert eine andere Frauenstimme. »Es war ein schöner Theaterabend. Danke, dass ihr mich mitgenommen habt. Wenn Jake wieder hier ist, lade ich euch ein.« Die Kutsche fährt an. An der Tür des Hauses aber sieht Kelso die Gestalt einer Frau, warm in einen Pelz gehüllt und ein wenig nervös, weil ihr der Schlüssel entfiel und sie ihn vor der Haustür suchen muss. Er überquert die Straße und tritt näher. »Kann ich Ihnen helfen, Ma'am?« So fragt er. Sie hat indes den Schlüssel gefunden und wendet sich ihm zu, richtet sich auf dabei. »Wer sind Sie denn?«, fragt sie etwas böse, denn sie hörte ihn nicht kommen. »Ich soll Ihnen einen Gruß überbringen«, erwidert er. »Ich wartete bereits eine Weile auf Sie, schöne Jessica Hart. Die sind Sie doch – oder?« Sie nickt. »Grüße?« So fragt sie. »Von wem denn?« »Eine gewisse April Boston schickt mich«, erwidert er sanft. Und dann sticht er mit einem Messer zu, das er die ganze Zeit in der Hand seines herabhängenden Armes hielt. Als er zum zweiten Mal zustößt, bekommt er es von Jessica Hart. Denn diese griff in die Tasche ihres kostbaren Pelzmantels und schießt mit einem kleinen doppelläufigen Colt-Derringer. Er bekommt beide Kugeln in den Leib – aber es sind Derringer-Kugeln mit schwacher Ladung. Sie müssen Jessicas Pelz durchschlagen und dann auch noch Kelsos Fellmantel. Sie dringen nicht sehr tief in das Muskelfleisch seines Bauches ein, nicht so tief, dass sie seine Därme aufgerissen hätten. Doch er spürt fluchend den Schmerz. Taumelnd wie ein Betrunkener macht er sich auf den Weg zum Schiff. Denn er wird sich die Kugeln in seiner Kabine selbst herausholen und die Wunde allein versorgen müssen. In Kelso ist eine böse Wut. Er weiß, er hat diese Jessica unterschätzt. Hätte sie eine größere Waffe in der Manteltasche gehabt als diese kleine Taschenpistole, dann hätte er jetzt zwei richtige Bauchschüsse. Noch nie ist er von männlichen Gegnern so verwundet worden. Erst eine Frau, die er unterschätzte, konnte ihn in den Bauch schießen. *** Einige Tage vergehen. Kelso schafft es auf dem Schiff bis nach Omaha und dann auch bis zu seinem Haus bei jener kleinen Siedlung. Die beiden Wunden haben sich nicht sehr entzündet, denn sie bluteten zu stark. Auch goss er sich in seiner Kabine immer wieder Whisky auf die Wunden, nachdem er knirschend und stöhnend mit einer Messerspitze die Kugeln herausgehebelt hatte. Als er schon den dritten Tag daheim ist und immer noch im Bett hegt, bekommt er Besuch. Es ist April Boston. Leise schiebt sie sich in das Schlafzimmer und tritt bis ans Fußende des Bettes, versperrt ihm nun den Blick auf ihr Bild an der Wand.
Sie sprechen eine Weile kein Wort. Erst dann fragt sie: »Bist du krank? Warst du noch gar nicht fort?« Er grinst mit seinen harten und schmalen Lippen. »Es geht schon wieder«, spricht er. »Mach Feuer im Kamin und komm dann zu mir ins Bett. Ich will herausfinden, wie gesund ich wieder bin. Ich habe mir eine zusätzliche Belohnung verdient. Denn als ich Jessica umbrachte, da schoss sie mir zwei Derringerkugeln in den Bauch. Komm zu mir, schöne April. Beschenke mich.« Sie verharrt noch bewegungslos. »Und Laura McKenzie?« So fragt sie kehlig. »Du hast keine Konkurrentinnen mehr«, erwidert er. »Ich bin dein treuer Freund und Beschützer. Ich erledige sie alle, die du aus dem Wege geräumt haben willst. Was ist mit den Männern der beiden Frauen? Sind die dir nicht im Weg?« »Nein.« Sie schüttelt den Kopf. »Aber die werden mir nach der Trauerzeit aus den Händen fressen. Die werde ich verzaubern. Dann habe ich drei Ritter, die mir ein Königreich zu Füßen legen. Nein, die sollen leben und das ganze Imperium erhalten, vergrößern und noch mächtiger machen. Ich könnte das nicht. Aber ich werde sie alle beherrschen können. Verstehst du, Kelso?« Dieser nickt in den Kissen. Er sitzt halb und liegt halb. »Und mich hast du immer als Ass im Ärmel«, spricht er langsam Wort für Wort. »Nicht wahr?« Sie nickt und geht zum Kamin, wo die Holzscheite verbrannten. Doch unter der Asche ist noch etwas Glut. Sie bringt das Feuer wieder in Gang und beginnt sich dann auszukleiden. »Ja, dich möchte ich wie einen Joker in einem großen Spiel in der Hinterhand haben«, murmelt sie. »Bist du wirklich wieder so gesund, dass du eine Frau lieben kannst, Kelso? Wie ist überhaupt dein ganzer Name?« »Kelso«, erwidert er, »ich war immer nur Kelso und wuchs bei den Apachen auf. Ich war immer nur Kelso. Komm endlich, mein Engel.« Sie zögert nicht mehr. Nackt steigt sie zu ihm ins Bett. Denn sie ahnt, dass sie ihn vielleicht brauchen wird als Freund und Beschützer. Sie ahnt es instinktiv. *** Es fahren viele Dampfboote der mächtigen Shamrock Company stromauf und stromab. Und mit ihnen gelangen stets die neuesten Nachrichten nach Fort Benton hinauf oder von dort stromabwärts bis nach Saint Louis. Zuerst erfährt Steve Cheney, dass seine Frau Laura erschossen wurde. Von einem den Strom heraufkommenden Steamer, an dessen beiden Schornsteinen das Kleeblatt der Shamrock Company aufgemalt ist, wird ihm dies zur »Lady Laura« hinübergerufen. Und so macht er sich mit Volldampf auf den Heimweg nach Saint Charles. Obwohl mehrere Tage vergingen, hat man Laura noch nicht beerdigt, sondern in einem kalten Raum aufgebahrt. Es ist ja Winter, und so fällt es dem Leichenbestatter nicht schwer, die Tote kühl zu halten. Als Steve dann an ihrem Sarg steht, hat man Laura zuvor geschminkt und richtig zurechtgemacht, sodass man meinen könnte, sie wäre erst wenige Stunden zuvor verschieden.
Steve Cheney verharrt lange in dem eiskalten Raum an ihrem Sarg. Sein Gesichtsausdruck bleibt unbeweglich, ist starr wie eine Maske. Alles, was er fühlt, bleibt tief in ihm verborgen. Nur einmal murmelt er: »Schöne Laura, ich danke dir für alles, was du mir in den vergangenen Jahren geschenkt hast. Ich weiß noch nicht, wer dir das angetan hat. Aber ich finde den Kerl. Ich finde ihn gewiss. Und dann…« Er hebt die Hand und schließt sie, so als würde er eine Maus oder eine Kröte darin zerquetschen. Dann geht er wieder hinaus. Und noch bevor die Beerdigung stattfindet und die Trauergesellschaft – ja, es kommen viele Menschen, denn die Shamrock Company ist mächtig – zusieht, wie der Sarg in das kalte Grab gesenkt wird, da beginnt die Suche nach dem Mörder der schönen Laura McKenzie, deren Namen Steve Cheney annahm. Die mächtige Shamrock Company hat viele Handlanger, Spitzel, Spione – oder seriöser ausgedrückt, Detektive –, mit deren Hilfe sie ständig sozusagen den Daumen am Puls des Stromes und des Landes zu beiden Seiten hält. Es ist dann zwei Tage später, als Steve Cheney in seinem Office sitzt und Besuch erhält von einem kleinen, rundlichen und glatzköpfigen Mann, der seine Melone neben den Stuhl auf den Boden legt. Steve fragt ruhig: »Nun, Mr Clayton, bringen Sie mir eine Erfolgsmeldung, oder wollen Sie mir sagen, dass es nicht die kleinste Spur gibt?« Der kleine, rundliche und glatzköpfige Mann hebt seine Hand und zeigt mit Daumen und Zeigefinger einen winzigen Abstand. Dann spricht er: »Es gibt einen kleinen Verdacht. Aber es kann auch nur ein Zufall sein.« Er zuckt mit den runden Schultern und spricht weiter, indes er in Steve Cheneys graue Augen blickt: »Ihre Frau wurde von zwei Kugeln getötet, deren Einschüsse so dicht nebeneinander lagen, dass man sie mit einer Spielkarte zudecken konnte. Dies sagte mir der Doc.« Steve Cheney nickt nur stumm. Clayton aber spricht weiter: »Es gibt einen Killer, der für eine Interessengruppe gearbeitet hat, die beim Bahnbau der Union Pacific unliebsame Konkurrenten aus dem Wege räumen ließ. Es ging damals um Konzessionen für alles Mögliche. Dieser Killer ist ein unfehlbarer Schütze. Er schießt stets zweimal blitzschnell hintereinander. Die Einschüsse seiner Kugeln…« »Wie heißt er, und wo ist er zu finden?« Mit diesen beiden harten Fragen unterbricht Steve Cheney den Detektiv der Shamrock Company. Und Clayton erwidert knapp: »Der Kerl nennt sich Kelso. Er lebt irgendwo in der Nähe von Omaha. Wer sich mit ihm in Verbindung setzen will, um ihn für einen Auftrag anzuwerben, muss ihm postlagernd nach Omaha schreiben.« »Gut, Clayton«, erwidert Steve Cheney. »Wenn Ihr Tipp zu einem Erfolg führen sollte, erhalten Sie eine Prämie, mit der Sie zufrieden sein werden.« »Danke, Sir«, erwidert Clayton, nimmt seine Melone vom Boden auf und erhebt sich. »Ich arbeite gerne für Sie, Sir«, murmelt er noch und geht wieder hinaus. Steve Cheney aber erhebt sich und tritt ans Fenster. Draußen herrscht dichtes Schneetreiben. Das Wetter ist denkbar schlecht. Dennoch wird er mit der »Lady Laura« nach Omaha hinaufdampfen.
* * * � An dem Tag, da Steve Cheney zum ersten Mal den Namen Kelso hört, tritt auch Jake an den Sarg seiner Jessica, die man ebenfalls in einer kühlen Leichenhalle in Kansas City aufgebahrt hat, damit er sie noch einmal sehen kann. Und auch sie hat der Leichenbestatter hergerichtet, so als würde sie nur schlafen und noch am Leben sein. Jake verhält sich anders als Steve, denn er ist wilder, impulsiver. Er muss losbrüllen, kaum dass er allein ist. Und an Jessicas Sarg flüstert er heiser und fast tonlos: »Jessy, ich schwöre dir, wenn ich deinen Mörder nicht finden kann, dann lasse ich viele für ihn büßen. Denn er könnte ja darunter sein. O ja, dann lasse ich am Strom hier die Hölle los, und wenn ich könnte, dann würde ich sogar die ganze Welt vernichten.« Er ist blindwütig vor Schmerz. Nur eines weiß er: Er und seine beiden Brüder, die als seine Partner gelten für die Menschen am gewaltigen Strom, die mit der Shamrock Company zu tun bekommen, haben sich viele Feinde gemacht. Hat nun Jessica dafür bezahlen müssen? Jake beginnt die ganze Welt zu hassen. Und auch er bringt eine Menge in Gang, setzt auch eine hohe Prämie aus. Eines wissen seine Spitzel und Spione, also die Detektive der Shamrock Company, die ihm hier in Kansas City zur Verfügung stehen: Jessica schoss ihren kleinen Derringer durch die Tasche ihres Pelzmantels ab. Sie muss ihren Mörder wahrscheinlich verwundet haben. Vielleicht musste er einen Arzt aufsuchen oder sich sonst von jemandem helfen lassen? Es muss auch ein kleiner Mann gewesen sein. Denn die Spuren im Schnee wiesen darauf hin. Es waren nur drei verschiedene Spuren im frischen Schnee vor der Haustür, nämlich die von Jessica, die eines Fremden und die der Haushälterin, welche am nächsten Morgen kam und Jessica tot vor der Tür liegend fand. Aber ob das reicht, um Jessicas Mörder zu finden? Jake Cheney hat nicht viel Hoffnung. Dennoch wartet er in seinem Office am Hafen auf die Meldungen seiner ausgeschwärmten Männer. Dabei nimmt er immer wieder einen Drink und ist dankbar dafür, dass der Alkohol seinen Schmerz zu lindern beginnt. Jake war nie ein Trinker. Doch jetzt kann er es vielleicht werden. *** Leider hat Jake Cheney keinen Detektiv wie Clayton in seiner Mannschaft des WestportOffice. Deshalb erfahren seine Leute nichts, gar nichts. Und mit kleinen Fußabdrücken kann man nichts anfangen, was auf eine Spur führen könnte. Dieser einzige Hinweis auf die Körpergröße des Mörders genügt nicht. Auch alle Ärzte und Quacksalber wissen nichts von einem Mann, der zwei Wunden von einem Derringer bekam. Jake Cheney betrinkt sich jeden Tag mehr. Er fühlt sich so hilflos. Die Macht der Shamrock Company reicht nicht aus, um Jessicas Mörder zu finden. Jake kann es nicht fassen. Noch niemals im Leben fühlte er sich so hilflos. Aber er hält seine Leute in Bewegung, erhöht die ausgesetzte Belohnung und hofft auf Hinweise auf eine Spur. Überall in Kansas City sprach es sich herum. Viele Menschen möchten sich die Kopfprämie verdienen durch Tipps und Hinweise.
Doch es gibt keine konkrete Spur, keinen Hinweis auf den möglichen Mörder. Dazu kommt auch noch das schlechte Wetter, der ständige nasse Schneefall. Doch dann staunt ganz Westport. Denn im Flusshafen von Kansas City trifft ein Dampfboot ein, das sich trotz der schlechten Sicht im dichten Schneetreiben von Saint Charles her den Strom hinaufgewagt hat. Ja, es ist die »Lady Laura«. Und wenig später bekommt Jake Besuch von seinem Bruder Steve. Dieser tritt ins Office ein und sieht Jake hinter dem Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer hocken, Flasche und Glas neben sich. Jake starrt ihn ziemlich dumpf an, murmelt schließlich: »Hey, Bruderherz, hast du es schon gehört?« »Man hat auch Laura umgebracht«, erwidert Steve. »Und ich habe eine Spur, die nach Omaha führt. Ihr Mörder kann auch der von Jessica sein. Ja, ich hörte schon an der Landebrücke, dass man Jessica getötet hat. Ich gebe dir eine halbe Stunde. Dann lege ich wieder ab. Ich habe zwei der besten Flusslotsen an Bord.« Jake erhebt sich, steht schwankend und hält sich am Schreibtisch fest. Leicht vorgebeugt starrt er Steve an. »Omaha?« So fragt er. »Omaha! Du hast eine Spur dorthin? Aber in Omaha leben Jubal und April. Ob man auch die Frau unseres kleinen Bruders umgebracht hat? Denn es kann doch kein Zufall sein, dass…« »Komm, Jake, komm nur! Ich lege in einer halben Stunde ab.« Er wendet sich ab und geht hinaus. Und als die »Lady Laura« eine halbe Stunde später im dichten Schneetreiben ablegt, ist auch Jake an Bord. *** Nun, die »Lady Laura« macht also eine verwegene Fahrt. Aber das Schicksal ist ihr wohlgesinnt. Sie meistert alle Gefahren und erreicht schließlich Omaha. Als sie an der Landebrücke der Shamrock Company festmachen, ist Jubals »Eagle« nicht da. Er muss noch irgendwo damit am Oberen Missouri sein. Sicherlich traut er sich bei diesem Wetter nicht stromabwärts. Aber er hat ja auch keinen Grund, ein verrücktes Wagnis einzugehen. Wenig später erfahren Steve und Jake im Office der Shamrock-Agentur, dass sich Jubals Frau April bester Gesundheit erfreut und man erst heute noch eine Fuhre Holz zu ihrem Haus schaffte, damit sie es dort auch schön warm hat. Jake und Steve machen sich auf den Weg zur Posthalterei. Als sie dort eintreten, sind sie mit nassem Schnee bedeckt, den sie von ihren Mänteln schütteln. Der Posthalter hinter der Barriere sagt nichts, denn er erkennt sie als die mächtigsten Männer auf dem Strom, als die Bosse der Shamrock Company. »Was kann ich für Sie tun?« So fragt er. Steve tritt an die Barriere und blickt auf die vielen Fächer, in denen postlagernd Briefe und kleine Päckchen liegen. »Ist da Post für Kelso?« Er fragt es mit trügerischer Sanftheit. »Nein«, erwidert der Posthalter. »Es kam schon lange nichts mehr für ihn. Aber vor zwei oder drei Tagen war er hier und fragte nach Post. Ich traf ihn wenig später im Store, wo er Einkäufe machte.«
»Wie sieht er aus und wo lebt er?« Steves Stimme klingt nun noch sanfter. Aber in seinen Augen funkelt es, sodass der Posthalter ein ungutes und ihn warnendes Gefühl verspürt. »Wie dieser Kelso aussieht – oh, eigentlich sieht er nach gar nichts aus. Man übersieht ihn in jeder Männergruppe. Er ist ein kleiner, unscheinbarer Mann, so zwischen dreißig und vierzig Jahren. Er lebt irgendwo in der Nähe in einer kleinen Siedlung, keine zehn Meilen von hier, denke ich. Aber es gibt ein halbes Dutzend solcher kleinen Siedlungen in der Nähe von Omaha. Ich weiß nicht…« Er verstummt unschlüssig. »Und sonst ist nichts Bemerkenswertes an diesem Kelso?« Der Posthalter denkt wirklich angestrengt nach. Er gibt sich Mühe, denn er weiß, wie mächtig die beiden Männer sind, die ihn besuchen. Er zuckt mit den Schultern. Dann aber fällt ihm etwas ein. »Seine Hände…«, beginnt er, »und seine Handgelenke…« »Was ist mit ihnen?« Nun fragt Jake, und seine Stimme klingt leise, präzise und scharf. »Seine Hände passen nicht zu ihm«, erklärt der Posthalter. »Es sind lange, geschmeidige Hände, und die Handrücken sind breit. Ich glaube, es sind die Hände eines Revolvermannes. Solche Hände können mit einem schweren Colt umgehen. Ja, nun, da ich darüber nachdenke, wird es mir klar. Und noch etwas fällt mir ein. Er kam mal her und hatte Walnüsse in der Tasche. Indes er wartete, bis ich einen anderen Kunden bedient hatte, nahm er eine Walnuss nach der anderen heraus und knackte sie zwischen Daumen und Zeigefinger seiner Rechten – nur so zwischen Daumen und Zeigefinger wie eine reife Pflaume. Verstehen Sie, Gentlemen? Er muss eine ungeheure Kraft in Händen und Fingern haben. Dabei wirkt er sonst so schmal und unbedeutend, und noch etwas, Gentlemen: Wenn er hier nach Post fragte, sah er einem nie in die Augen. Aber das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.« »Es war genug«, nickt Steve. »Wir danken Ihnen.« Sie gehen wieder hinaus. Draußen fragt Jake: »Aber wer kann ihn angeworben haben, unsere Frauen umzubringen? Gewiss, wir haben uns Feinde gemacht, viele Feinde, die uns hassen, weil wir sie zerbrachen. Aber warum lassen sie unsere Frauen dafür büßen? Steve, was ist das für ein Spiel?« »Wir werden ihn fragen«, erwidert Steve. »Denn ich glaube, dass wir ihn gefunden haben. Er schießt immer zweimal blitzschnell hintereinander. Seine Kugeln treffen so dicht nebeneinander, dass man die Löcher mit einer Spielkarte zudecken könnte. Das sagte mir Clayton. Du kennst doch diesen Clayton?« »Ja, den kleinen Dicken mit der Melone«, knurrt Jake. Dann fragt er. »Was machen wir jetzt?« »Vielleicht weiß man im Generalstore oder in einem der Saloons, wo Kelso wohnt«, erwidert Steve. »Wir finden es schon heraus.« *** Kelsos Instinkt ist der eines erfahrenen Wolfes. Und so verspürt er an diesem Tag eine zunehmende Unruhe. Er kennt dieses Gefühl. Es hat ihn schon immer gewarnt.
Was also kommt auf ihn zu? Ist es Jubal Boston, Aprils Mann, der mit seinem Steamer irgendwo auf dem Oberen Missouri unterwegs ist – nein, war? Sind es andere Feinde, Verwandte oder Freunde von Opfern, die er tötete für Geld als angeworbener Killer? Als es Nachmittag ist, hält er es in seinem Haus nicht mehr aus. Er kleidet sich an und nimmt beide Revolver mit. Dann gleitet er hinaus in den dichten Schneefall und zieht sich in den Schuppen zurück, in dem Geräte untergebracht sind, Feuerholz lagert und unter dessen Dach Fleisch hängt. Im Stall steht sein Pferd. Aber obwohl es im Stall wärmer wäre, verzichtet er darauf, sich dort zu verbergen, um abzuwarten. Im unscheinbaren und unter nassem Schnee fast zusammenbrechenden Schuppen fühlt er sich sicherer. Nun wartet er geduldig. Und immer dann, wenn er auf seinen Instinkt lauscht, spürt er, dass sich die Gefahr unablässig nähert. Einmal denkt er böse: Was auch kommen mag, man wird mich im Haus vermuten, nicht in diesem Schuppen. Oder bilde ich mir nur was ein? Macht mein Instinkt mich zum Narren? *** Irgendwie schaffen es Steve und Jake Cheney trotz des dichten Schneefalls. Sie finden an der Kreuzung eines zugeschneiten Weges einen Wegweiser, auf dem der Name der kleinen Siedlung steht, wo dieser Kelso am Ortsrand in einem kleinen Haus leben soll. Wenig später finden sie auch das etwas abseits stehende Haus, zu dem ein Stall und ein Corral gehören. Den unscheinbaren Schuppen, der fast unter der Schneelast zusammenbricht, nehmen sie kaum wahr. Nachdem sie abgesessen sind, verharren sie beide zwischen ihren Pferden. »Das muss es sein«, sagt Steve. »Hoffentlich ist er daheim«, spricht Jake kehlig, und in seiner Stimme ist eine böse, drängende Ungeduld. Er fügt hinzu: »Bruder, wir werden ihn langsam töten, nicht wahr? Er hat unsere Frauen umgebracht. Ich will meine Rache und auch die Vergeltung auskosten.« Steve erwidert nichts. Er setzt sich in Bewegung. Jake hält sich an seiner Seite. Sie halten ihre Revolver schussbereit in den Fäusten. Irgendwie werden sie in dieses kleine Haus gelangen. Vielleicht hätten sie es – wäre nicht der nasse Schnee gewesen – einfach angezündet. Denn sie sind davon überzeugt, dass Kelso der Mörder ihrer Frauen ist. Aber wer hat ihn dazu beauftragt? Wer bezahlte ihn? Sie wollen es wissen. Und so werden sie nicht zuerst schießen, denn Tote können nicht mehr reden. Sie wissen ja nicht, dass drinnen im Haus das Bild der nackten April Boston hängt, das ihnen alles verraten hätte. Als sie die Haustür erreichen, halten sie inne. Dann klopft Steve mit der Faust dagegen. Dabei ruft er: »He, Mr Kelso! Sind Sie daheim? Wir haben eine Sendung vom Generalstore. Sie erwarteten doch Farben, Leinwand und Profilleisten für Bilderrahmen. Wir haben alles mitgebracht.« Steve und Jake haben im Generalstore erfahren, dass Kelso auf diese Sendung wartet,
und so halten sie den Vorwand ihres Besuches für unverdächtig. Als sie noch auf eine Antwort aus dem Haus warten und aufmerksam lauschen, aber nur das Rieseln des nassen Schnees hören, da tritt hinter ihnen Kelso aus dem Schuppen und erreicht nach wenigen Schritten ihre Pferde. Die Entfernung bis zu ihnen beträgt nun nur noch knapp ein Dutzend Schritte. Er hält seine beiden langläufigen Colts in den Händen und ruft schließlich: »Hier bin ich! Wo ist das Zeug? Ich sehe nichts! Wer also seid ihr? Was wollt ihr hier?« Die Brüder wandten sich schon beim ersten Ton seiner Stimme um. Undeutlich können sie ihn im Schneefall zwischen ihren Pferden erkennen. Aber auch er sieht sie nicht viel besser. Nachdem er verstummt ist, entsteht eine Pause von zwei Atemzügen. Dann brüllt Jake: »Kelso, warum hast du unsere Frauen getötet? Wer hat dich dafür bezahlt? Sag es uns, bevor wir dich töten, damit du sicher sein kannst, dass auch dein Auftraggeber…« Weiter kommt Jake nicht in seiner Wut und dem heißen Wunsch nach Rache. Denn Kelso beginnt zwischen den Pferden hervor mit beiden langläufigen Colts zu feuern. Natürlich erwidern sie seine Schüsse nur wenige Sekundenbruchteile später, denn auch sie hielten ja ihre Waffen schussbereit in den Fäusten. Aber er trifft sie um jene wichtigen Sekundenbruchteile früher. Er schießt beidhändig absolut sicher, und obwohl sie selbst Revolvermänner sind, was ihre Schnelligkeit mit den Waffen betrifft, sind sie ihm nicht gewachsen. Der kleine Mann mit den geschmeidigen, kräftigen Händen ist im Revolverkampf unüberwindlich. Sie treffen ihn nicht gut genug, er sie jedoch voll mit je zwei Kugeln. Und auch diesmal sitzen die Einschläge dicht beieinander. Sie haben keine Chance. Als sie vor dem Haus im Schnee liegen, nähert sich Kelso und hält die Revolver immer noch schussbereit. Aber sie sind tot. Wenn er seine leichten Streifwunden versorgt hat, wird er sie irgendwohin in den Wald schaffen und für immer verschwinden lassen, auch die beiden Pferde. Er verspürt einmal mehr Genugtuung darüber, dass er Sieger blieb. Ja, er ist unüberwindlich. Niemand kann ihn im Revolverkampf besiegen, nicht einmal mit einer Übermacht. Nein, er verspürt keine Gewissensbisse, kein Bedauern. Dazu fehlt ihm alles, was in einem Menschen sein sollte, einfach alles, und es ist kaum zu glauben, dass er als Maler und Künstler so ganz anders ist. Als er noch vor den beiden Toten steht im dichten Schneefall, da verspürt er neben dem Gefühl des Sieges bald noch etwas anderes. Und er fragt sich, wie sie ihn gefunden haben. Welchen Fehler machte er, dass sie ihn hier aufspüren konnten? Er hatte so fest daran geglaubt, keine Spuren hinterlassen zu haben. Darauf, dass es seine Eigenart als Killer ist, stets zwei Kugeln dicht nebeneinander zu platzieren, kommt er nicht. ***
Zwei Tage später ändert sich das Wetter. Der Schneefall hört auf. Es wird wieder kalt. Der nasse Schnee wird überall hart. Am dritten Tag nach dem Tod seiner Brüder kommt Jubal mit seiner »Eagle« vom Oberen Missouri zurück nach Omaha. Er hat eine Menge wichtiger Dinge erledigt und Geschäfte abgeschlossen. Die Shamrock Company hat sich nun auch die letzte noch freie Post- und Frachtlinie von Fort Benton nach Bozeman einverleibt. Und mit einigen Indianerdörfern schloss er Friedensverträge ab, sodass Schiffe, welche das Kleeblatt an ihren Schornsteinen aufgemalt haben, in den Engstellen des Stromes nicht mehr angegriffen werden. Jubal Cheney freut sich auf April, und er denkt wieder daran, dass sie ihm sagte, sie sei schwanger. O ja, er ist verrückt darauf, sie wieder in seinen Armen halten zu können, und nimmt sich vor, zumindest zwei Tage und Nächte mit ihr im Bett zu verbringen. Als die »Eagle« festmacht, muss sie dies sozusagen »im Päckchen« tun. Denn an der Landebrücke der Shamrock Company liegen schon zwei Dampfboote, nämlich die »Lady Laura« und die »Queen Jessica«. Er muss als drittes Schiff längsseits gehen, sodass sie alle, die an Land wollen, über die beiden anderen Dampfboote hinweg müssen, um die Landebrücke zu erreichen. Jubal sagt noch zu seinem Kapitän: »Wenn die ›Eagle‹ vom gefrorenen Schnee befreit ist, brauche ich sie gewiss für eine Weile nicht mehr. Sie können den Männern bis auf die notwendigen Wachen Urlaub geben. Und ein mäßiges Feuer soll unter den Kesseln in Gang gehalten werden, damit wir dennoch jederzeit startklar sind.« Nach diesen Worten geht er an Land. Und alle seine Gedanken sind auf April gerichtet. Dennoch besucht er erst die Agentur. Denn er will wissen, ob seine Brüder in Omaha sind oder deren bevorzugte Dampfboote ohne sie nach Omaha kamen. Er will auch alle Neuigkeiten erfahren und glaubt, dass ihn dies auf dem Wege zu April nur wenige Minuten aufhalten wird. Der Agent erhebt sich bei seinem Eintreten. »Gut, dass Sie kommen, Boss«, sagt er. »Wissen Sie, dass die Frauen Ihrer beiden Partner in Saint Charles und Westport-Landing ermordet wurden? Und Ihre beiden Partner ritten vor drei Tagen fort, um – wie mir der Halter des Generalstore sagte – einen gewissen Kelso aufzusuchen, der nicht weit von hier bei einer kleinen Siedlung leben soll. Sie haben für Sie einen Brief hinterlassen, den ich Ihnen sofort übergeben soll, Hier, bitte, ist der Brief.« Dieser liest ihn zweimal, zerknüllt ihn dann und steckt ihn in die Tasche. »Und sie sind beide noch nicht zurück?« So fragt er knirschend. »Nein«, erwidert der Agent knapp. Jubal nickt nur stumm und macht sich auf den Weg zu April und seinem Haus. Die Haushälterin ist dabei, neue Gardinen aufzuhängen. Sie wirkt etwas unsicher, als sie sagt: »Willkommen daheim, Mr Boston. Ich freue mich, Sie wieder versorgen zu können. Doch Ihre Frau ist ausgeritten. Nachdem der nasse Schnee festgefroren ist, wollte sie mal wieder das Pferd bewegen und auch selbst frische Luft atmen. Sie ist seit etwa zwei Stunden weg.« »Mit Joe Crow?« So fragt er. Aber Mrs Larkin schüttelt ihren schon etwas grauhaarigen Kopf. »Nein, Joe Crow ist
schon einige Wochen nicht mehr hier. Der war eines Tages ganz plötzlich verschwunden. Ihre Frau reitet seitdem allein. Aber sie hat stets eine Waffe bei sich.« »Und wohin sie reitet, wissen Sie nicht?« Jubal fragt es ganz ruhig. Nichts ist ihm anzusehen von dem, was in ihm ist an Gedanken und Gefühlen. Aber wenig später ist er unterwegs. Wenn April landeinwärts geritten ist, müsste ihre frische Fährte im Schnee zu finden sein. Denn bei diesem kalten Wetter reiten nicht viele Leute umher. Wohin aber mag sie sein? Dies fragt sich Jubal. Und diesen Kelso kennt er gut genug. Damals, als er ihm einen Mordauftrag gab – es handelte sich darum, einen wichtigen Politiker umzubringen, der gegen die Shamrock Company und deren Monopolstreben etwas in Gang bringen wollte –, da ist er ja sogar mit April zu diesem Kelso geritten. Aber noch glaubt Jubal nicht, dass April zu diesem Killer ritt. Noch ist er davon überzeugt, dass seine schöne Frau wirklich nur in der Winterluft umherreitet. *** Ja, er findet die frische Fährte von Aprils Pferd. Und sie führt schnurgerade und abseits des Wagenwegs zu jener kleinen Siedlung, an deren Rand Kelsos Haus steht. Dorthin ritten auch seine Brüder. Sie teilten es ihm im Brief mit, den er vom Agenten ausgehändigt bekam. Als Jubal das kleine Haus erreicht, scheint noch die kalte Wintersonne. Doch es sind keine Pferde zu sehen, weder das Tier von April noch Kelsos narbiger, grauer Wallach. Der Stall ist leer, aber an den Spuren im harten Schnee kann Jubal mühelos sehen, dass April und Kelso fortgeritten sind. Warum und wohin? Sollte Kelso auch April umbringen? Lockte er sie durch einen Boten hierher, zum Beispiel mit der Nachricht, dass Steve und Jake etwas passiert sei und sie kommen solle? Es gibt viele Möglichkeiten, die man sich ausdenken könnte. Jubal verschafft sich Zugang ins Haus. Durch die Tür der Küche, die einen zweiten Ausgang hat und deren Riegel er mit seinem Messer hochheben kann, wobei er das dünne Messer nur durch den Spalt schieben und dann anheben muss, gelangt er ins Haus. Als er das Schlafzimmer betritt, da sieht er das Bild. Es zeigt April als nackte Schaumgeborene. Ja, Kelso malte sie wie eine frivol aus dem Schaum aufsteigende Venus. Und plötzlich weiß er Bescheid. Es ist ja alles so einfach zu begreifen. April hasste Laura und Jessica, und sie wusste auch, wo sie einen Killer finden konnte. Sie bezahlte Kelso. Mit Geld und mit ihrem Körper. Jubal wird einen Moment übel. Denn er liebte April wirklich, war von ihr verzaubert, geradezu verhext. Auf ihn wirkte sie stets wie ein süßes Gift, dem er verfallen war. Und nun… *** Als April Boston und Kelso von ihrem Ausritt zurückkommen, ist April in denkbar �
schlechtester Stimmung. Ja, Kelso musste ihr zeigen, wo er die beiden Toten und auch die Pferde im Wald verschwinden ließ. Und als sie Kelso Vorwürfe machte, da fragte dieser zurück: »Sollte ich ihnen etwa sagen, von wem ich bezahlt wurde und wer mir den Auftrag gab, ihre Frauen zu töten? Die beiden fanden irgendwie heraus, wer es getan hat. Sie kamen zu mir. Ich musste sie töten. Sei froh.« »Nein, das bin ich nicht«, grollte sie im Wald. »Ohne seine Partner kann Jubal die mächtige Shamrock Company, diesen riesigen Trust, der ein wahres Imperium ist, nicht unter Kontrolle halten. Allein schafft er es nicht. Oooh, ich hatte mir alles ganz anders vorgestellt. Ich wollte sie alle drei um den kleinen Finger wickeln, ihre Queen sein. Ich wollte keine weiblichen Konkurrentinnen haben, Kelso, ich…« Sie sprach im verschneiten Wald nicht weiter, saß auf und ritt zurück. Er folgte ihr, versuchte sie einzuholen, doch er schafft es erst dicht vor seinem Haus. Und hier steht ein Pferd. Es ist Jubals Tier. April kennt es gut genug. Sie möchte fortreiten, die Flucht ergreifen. Doch sie weiß, dass es keinen Sinn mehr hat. Denn auch Jubal kam her wie seine Brüder. Irgendwie ließ das Schicksal sie auf die Fährte zu jenem Kelso kommen. Für April ist Kelso ein Versager. Und so spricht sie vom Sattel aus zu ihm hinüber: »Geh du hinein, Kelso. Da drinnen sitzt Jubal, mein Mann. Und er sah das Bild von mir. Er…« Sie spricht nicht weiter, denn die Tür öffnet sich. Jubal tritt heraus. Er schenkt April nur einen kurzen Blick. Dann sieht er Kelso an. »Sie waren meine Brüder, nicht nur meine Partner. Wir nahmen die Namen unserer Frauen an. Wenn sie tot sind, wohin hast du sie gebracht? Wo sind ihre Gräber?« Kelso sitzt noch bewegungslos im Sattel. Dann deutet er auf April. »Sie bat mich um meine Dienste, denn sie hasste die beiden anderen Frauen. Deine Brüder stießen irgendwie auf meine Fährte. Ich weiß nicht wie. Ich kann es mir nicht erklären.« »Aber ich«, erwidert Jubal. »Sie schrieben es mir auf ein Blatt Papier. Du hast die Eigenart, deine Kugeln dicht nebeneinander in deine Opfer zu schießen. Jemand wusste das. Jetzt musst du es mit mir versuchen.« Nach diesen Worten zieht er. Aber auch aus dem Sattel heraus schießt Kelso schneller. Jubal kann nur noch vor sich in den harten Schnee schießen. Dann stirbt er stehend und fällt tot um. Als Kelso sich nach April umsieht, da ist diese abgesessen und steht hinter ihrem Pferd. »Du verdammter, blöder Killer«, spricht sie heiser. »Nun hast du die ganze Shamrock Company erledigt. Ihre Bosse sind tot. Ich kann nicht an ihre Stelle treten, dazu bin ich zu dumm. Das ganze Imperium wird sich auflösen. Viele zweibeinige Raubtiere werden über es herfallen. Der Kampf um die Monopole geht wieder weiter. Und dir will ich nicht gehören – nicht dir.« Nach diesen Worten drückt sie die Schrotflinte ab, deren Doppellauf sie auf dem Sat-
tel liegen hat. Die Ladungen fegen Kelso vom Pferd. Doch selbst noch sterbend schießt er im Fallen. Und die Kugel fährt in April Bostons Stirn. *** So endet also die Geschichte der Cheney-Brüder, die mächtig wurden im Land des Missouri und auf zweitausendsechshundert Meilen das Monopol ausübten. Sie kämpften, töteten, ließen töten und alle Konkurrenten klein machen. Sie bestachen Politiker und wandten jeden schmutzigen Schachzug an, um mächtig zu werden. Aber sie wären wohl von Anfang an zum Untergang verurteilt. � Wenn wenigstens das stets funktionieren würde auf unserer Erde! � ENDE