Stephan Klecha · Wolfgang Krumbein (Hrsg.) Die Beschäftigungssituation von wissenschaftlichem Nachwuchs
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Stephan Klecha · Wolfgang Krumbein (Hrsg.) Die Beschäftigungssituation von wissenschaftlichem Nachwuchs
VS RESEARCH
Stephan Klecha Wolfgang Krumbein (Hrsg.)
Die Beschäftigungs f situation von wissenschaftlichem Nachwuchs Mit einem Geleitwort von Petra Maria Jung
VS RESEARCH
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Das dieser Veröffentlichung zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen M186900 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Herausgebern.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Christina M. Brian / Anita Wilke Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-15908-9
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
Petra Maria Jung Geleitwort......................................................................................... 7 Stephan Klecha / Wolfgang Krumbein Vorwort ............................................................................................ 9 Stephan Klecha / Melanie Reimer Wissenschaft als besonderer Arbeitsmarkt .................................... 13 Ursula Birsl Das Alles-oder-Nichts-Prinzip....................................................... 89 Frank Möbus „Lasciate ogni speranza“.............................................................. 121 Klaus Dörre / Matthias Neis Forschendes Prekariat? ................................................................ 127 Autorenverzeichnis ...................................................................... 143
Geleitwort
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Geleitwort
Das Thema „Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ wurde in den vergangenen Jahrzehnten intensiv diskutiert. Zu diesem Thema existieren eine Vielzahl an Studien, Stellungnahmen und Empfehlungen der verschiedenen Akteure. So zieht sich das Thema wie ein roter Faden u.a. durch die Entschließungen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und die Veröffentlichungen des Wissenschaftsrates. Dem schließt sich der hier veröffentlichte Sammelband zum wissenschaftlichen Nachwuchs und dem Umgang mit unsicherer Beschäftigung nahtlos an. Die hier dargestellten qualitativen Forschungsergebnisse zur Beschäftigungssituation junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen geben uns wichtige Einblicke und Hinweise auf künftige Förderstrategien. Die Wurzeln des heutigen Förderungssystems für den wissenschaftlichen Nachwuchs reichen weit in die 1980er Jahre zurück. Gleiches gilt für manche Aspekte der aktuellen Debatte, wie der über das Pro und Contra strukturierter Doktorandenausbildung und der darin enthaltenen Frage, ob es sich bei der Promotionsphase um die letzte Phase der Ausbildung oder die erste Phase einer wissenschaftlichen Tätigkeit handelt. Generell verbindet sich die Nachwuchsthematik mit Fragen des künftigen Bedarfs an Hochschulpersonal und seiner Deckung. Künftigen Promovierenden sollte aber auch klar sein, dass eine Dissertation nicht nur die wissenschaftliche Befähigung des Kandidaten auszeichnet, sondern auch seine sonstigen Schlüsselqualifikationen, die ihm oder ihr dann auch Berufswege außerhalb der Hochschulen eröffnen sollen. Ein heutiger Promovend/Promovendin sollte sich deshalb nicht nur Türen in die Wissenschaft offen halten, sondern ebenfalls bereit sein, andere Berufslaufbahnen z.B. in der Wirtschaft ins Auge zu fassen, auch um prekäre Beschäftigungssituationen frühzeitig zu vermeiden. Eine maßgebliche Voraussetzung dafür, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im deutschen Wissenschaftssystem ihren Karriereweg einschlagen, bzw. nach Rückkehr aus einem anderen System weiter verfolgen, sind gute Beschäftigungsbedingungen, die einerseits eine attraktive Bezahlung ermöglichen und andererseits Mobilitätshindernisse vermeiden. Die zunehmende Internationalisierung aller Wissenschaftsbereiche führt zu neuen Anforderungen und auch Gestaltungsmöglichkeiten in der Ausbildung des
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Geleitwort
wissenschaftlichen Nachwuchses. Ein wichtiger Aspekt der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses betrifft den internationalen Austausch junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Mobilität über Ländergrenzen hinweg ist ein hoher Wert für unsere Hochschul- und Forschungslandschaft. Es bleibt aber parallel eine zentrale Aufgabe, Bedingungen zu schaffen, damit die besten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in Deutschland ein attraktives Forschungsumfeld finden und in Deutschland gehalten oder nach Deutschland zurück gewonnen werden. Wir brauchen in Deutschland ein attraktives und konkurrenzfähiges Wissenschaftssystem. Die Voraussetzung dafür ist die bestmögliche Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Das bedeutet auch, Lösungen zu finden, wie wir dem wissenschaftlichen Nachwuchs mit berechenbaren Karrierewegen frühzeitig attraktive Perspektiven in Wissenschaft und Forschung bieten können. Wir müssen mehr junge Männer und vor allem mehr junge Frauen für eine Tätigkeit in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen begeistern. Es gilt, wissenschaftliche Qualifizierung, Exzellenz und ein angemessenes Maß an Planbarkeit erfolgreich mit mehr Selbständigkeit und größerer Freiheit in Wissenschaft und Forschung zu verbinden. Die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland muss transparenter und berechenbarer werden, damit noch mehr junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland in der Wissenschaft verbleiben und exzellente Leistungen erbringen können. Das bedeutet aber auch, dass alle neuen Fördermaßnahmen noch zielgenauer auf junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler ausgerichtet werden müssen. Wichtige Impulse erwarten wir uns durch eine Verstärkung der Hochschulforschung und die regelmäßige Berichterstattung im Bundesbericht zur Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses (BuWiN) und einem neu einzurichtenden Kommunikations- und Informationssystem für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Bestehende Defizite auch unseres Fördersystems müssen behoben und neue Maßnahmen eingesetzt werden, um die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler noch besser zu fördern. Das Ziel der Bundesregierung ist es, ein transparentes, effizientes und aufeinander abgestimmtes System der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland zu etablieren. Das kann nur gelingen, wenn alle Verantwortlichen in Bund und Ländern, in Stiftungen und in der Wirtschaft daran mitwirken. Petra Maria Jung
Vorwort
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Vorwort Die Leiden der jungen Wissenschaftler/innen
Johann Wolfgang Goethe schrieb im Laufe seines Lebens zwei besonders herausragende Werke: In seiner frühen Phase, im Sturm und Drang, beschrieb er in den Leiden des jungen Werther die Melancholie eines unglücklich Verliebten, der seinem Leben vorzeitig ein Ende setzte. Bestürzend auch Goethes anderes großes Opus, der Faust, in dem mehrere Tragödien sich in dem Werk zu einer schillernden Geschichte verbinden. Eine Tragödie sei dabei herausgegriffen, die Gelehrtentragödie. Der Gelehrte Heinrich Faust muss am Ende seines langen Forscherdaseins erkennen, dass er nicht ergründen konnte, was die Welt im Innersten zusammenhält, was ihn beinahe in den Tod stürzen lässt. Heute erleben Nachwuchswissenschaftler zwar auch Lebenskrisen wie Werther oder verzweifeln an den Möglichkeiten ihrer Fachdisziplin wie Faust, doch haben sich die meisten Wissenschaftler mittlerweile damit abgefunden, dass sie keine allumfassende Erkenntnis schaffen können und dass ihr Streben danach letztlich unerfüllt bleiben wird. Insofern geht es Wissenschaftlern heute besser als Heinrich Faust und doch durchleiden sie in ihrer Qualifikationsphase eine Schwebephase, in der sie lange Zeit nicht wissen, welche Folgen ihr Streben haben wird. Sie verdingen sich in Projekten, deren Folgefinanzierung fraglich ist. Sie promovieren und habilitieren und stehen am Ende möglicherweise doch mit Mitte 40 als Berufsanfänger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, für den sie überqualifiziert, überspezialisiert und möglicherweise auch bereits zu alt sind. Die schöne Welt der Wissenschaft, sie wird für diesen Kreis schnell zur Sackgasse. Auf der anderen Seite sehen wir ein Hochschulsystem im Umbruch. Noch vor wenigen Jahren kritisierte der damalige niedersächsische Wissenschaftsminister Thomas Oppermann, dass die Hochschullandschaft nivelliert sei, dass sie keine Innovationskultur und Risikobereitschaft besitze und sich ein „System organisierter Gleichgültigkeit“ herausgebildet habe (Oppermann 2002). Oppermann und andere Wissenschaftsminister machten sich ans Werk und warfen die Hochschulen aus ihrer angeblichen Lethargie. Seitdem verwenden die Hochschulen einen immensen Aufwand an Personal- und Sachressourcen, um neue Studiengänge einzurichten, um Forschungsgelder einzuwerben, Evaluationen vorzunehmen, Strukturentwicklungsberichte zu verfassen und für die ständig wach-
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Vorwort
senden Anforderungen an ein ‚modernes’ Steuerungssystem die passenden Leistungsdaten bereit zu halten. Für den Fall, dass es die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen schaffen, durch das Dickicht von Finanzierungsmodellen und Exzellenzbewerbungen durchzudringen, ergeben sich mitunter günstige Arbeitsbedingungen. Die Exzellenzinitiative schuf ausgewählten Wissenschaftsstandorten die Möglichkeit sich auf verschiedene Art und Weise zu profilieren, neue Strukturen aufzubauen und der chronischen Unterfinanzierung mancher Fächer und Fakultäten entgegenzuwirken. Alle Hochschulen nahmen im Zuge knapper Haushaltsmittel in den letzten Jahren Restrukturierungen vor, die teilweise zur Schließung von Einrichtungen geführt haben. Parallel dazu stiegen alle Hochschulen durch den Bolognaprozess in eine weit reichende Reform der Studienprogramme eine, welche mittelbar erste Auswirkungen auf die wissenschaftliche Qualifizierung haben. Strukturierte Promotionsprogramme und Graduiertenschulen versprechen eine Abkehr vom Typus des jungen Wissenschaftlers, der in seinem Studierzimmer nicht vorwärts kommt, lange bis zum Abschluss seiner Promotion braucht und überdies im Wissenschaftsbetrieb nicht hinreichend angebunden ist. Juniorprofessuren, so die Hoffnung, ermöglichen dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine ganz neue Einstiegsmöglichkeit. Die Universitäten haben sich dem ihnen verordneten Wettbewerb unterworfen und sind heute als Organisationen im Umbruch anzusehen. Doch wie steht es um den wissenschaftlichen Nachwuchs selbst? Gelingt es dem Wissenschaftssystem tatsächlich, die besten und klügsten Köpfe für eine Wissenschaftslaufbahn zu gewinnen? Erreichen die Umstrukturierungs- und Fördermaßnahmen nur eine kleine Anzahl privilegierter jüngerer Wissenschaftler oder sind größere Ausstrahlungseffekte zu erwarten? Unsere pessimistische Ausgangsthese vor der Durchführung der in diesem Band abgedruckten Studie war, dass ein nicht unwesentlicher Anteil an Wissenschaftlern verunsichert ist und es wegen der unklaren Karrierechancen auch bleibt. Möglicherweise misstrauen nicht wenige den Versprechungen oder lassen sich durch missglückte Karrieren eher demotivieren. Wir waren uns dabei nicht sicher, ob diese These, die rein aus der Anschauung im erweiterten Nahbereich unseres Faches, der Politikwissenschaft an der Universität Göttingen, erwuchs und somit einer breiteren empirischen Grundlage entbehrte, wirklich ihre Berechtigung finden würde. Deswegen wollten wir grundlegend nach den Lebens- und Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Nachwuchses fragen. Mit der freundlichen und großzügigen Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung konnten wir an unserem Institut eine Studie durchführen, die diese empirische Grundlage in Ansätzen schaffen
Vorwort
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sollte. In diesem Sammelband legen Stephan Klecha und Melanie Reimer die Ergebnisse dieser Untersuchung vor. Sie kommen zu dem bemerkenswerten Befund, dass die Wissenschaftslandschaft ausgesprochen vielschichtig ist. Einige der gebildeten Typologien machen deutlich, dass einige Nachwuchswissenschaftler sich mit dem Qualifizierungssystem bestens arrangieren können, entweder weil sie keine Wissenschaftsorientierung haben oder weil sie tatsächlich die gegenwärtigen Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachwuchs verinnerlichen. Wiederum andere frustriert der Rückblick auf ihre bisherige Laufbahn. Dazwischen wird eine fragile Mitte identifiziert. Hierbei handelt es sich um Wissenschaftler, die ihre eigenen Zukunftsaussichten an der Hochschule ambivalent beurteilen, die nachdenken, die grübeln, die unsicher sind, die gleichermaßen optimistisch und pessimistisch dreinblicken, wenn sie ihre Lage reflektieren. Diese ambivalente Gruppe wirft offenkundig eine Reihe von Fragen auf, welche die Politik sich stellen muss, will sie künftig sicherstellen, dass tatsächlich die wissenschaftlichen Talente in der Wissenschaft verbleiben. Wir führten im Rahmen der Untersuchung mit Unterstützung und Beteiligung unseres Zuwendungsgebers einen Workshop durch, bei dem wir die Gelegenheit nutzten, unseren theoretischen Analyserahmen sowie die Fachspezifika zweier der von uns untersuchten Fächer näher zu beleuchten. Diese Beiträge haben wir in diesen Sammelband aufgenommen. Ursula Birsl und Frank Möbus liefern wichtige Überlegungen zu ihren Fachdisziplinen Politikwissenschaft und Germanistik, sodass deutlich wird, dass der von uns gewählte regionale Blick auf einzelne universitäre Wissenschaftsdisziplinen durchaus mehr liefert als bloße Momentaufnahmen. Klaus Dörre und Matthias Neis von der Universität Jena gehen in ihrem Beitrag nochmals vertiefend auf den Analyserahmen ein, der unserer Studie mit zugrunde lag. Deutlich wird dabei, dass dieser Analyserahmen sehr anschlussfähig sowohl für den Wissenschaftsbereich als auch für die weitere Hochschulforschung ist. Wir sehen, die Leiden der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind es wert, von sehr verschiedenen Seiten betrachtet zu werden. Es wird sich zeigen, wie die politischen Entscheidungsträger unsere Impulse und den vom BMBF demnächst vorzulegenden Bundesbericht zur Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses aufnehmen. Wir freuen uns jedenfalls auf eine weiter gehende und fruchtbare Diskussion. Zu danken haben wir unserem Zuwendungsgeber, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, namentlich Petra Maria Jung, die freundlicherweise auch ein Geleitwort für diesen Band verfasste, und Hendrik Vogt. Des Weiteren danken wir Elina Priedulena und Niki Schliebs, die als studentische Hilfskräfte
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Vorwort
engagiert mitgeholfen haben, dass die Studie entstehen konnte. Für den sachlichen Rat und die konstruktive Kritik danken wir Jürgen Wilhelm. Unterstützung im Institut lieferten Petra Füllekrug und Martin Kathenbach. Schließlich bedanken wir uns beim VS Verlag für Sozialwissenschaften, namentlich Christina M. Brian und Anita Wilke, die das Lektorat übernommen haben. Stephan Klecha / Wolfgang Krumbein
Literatur Oppermann, Thomas 2002: Vom Staatsbetrieb zur Stiftung – Impulse für neue Hochschulen, in: ders. (Hrsg.), Vom Staatsbetrieb zur Stiftung, Moderne Hochschulen für Deutschland, Göttingen, S. 10-25.
Wissenschaft als besonderer Arbeitsmarkt
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Wissenschaft als besonderer Arbeitsmarkt Grundtypologien des Umgangs mit unsicherer Beschäftigung beim wissenschaftlichen Personal Stephan Klecha / Melanie Reimer
In seinem Vortrag „Wissenschaft als Beruf“ bezeichnete Max Weber einst das akademische Leben mit dem Streben auf eine Professur als „Hazard“ (Weber 1930). Weber sprach dabei von den Unsicherheiten, Unwägbarkeiten und biographischen Brüchen, welche die Laufbahn eines Wissenschaftlers begleiten. Auch mehrere Jahrzehnte nach Webers Vortrag ist das Hochschulwesen hiervon geprägt und so finden sich vielfach unstetige Beschäftigungsverläufe von Wissenschaftlern. In staatlichen oder staatlich geförderten Forschungseinrichtungen überwiegen bei den wissenschaftlich Beschäftigten Anstellungen mit befristeten Verträgen. Auch Werkverträge und Scheinselbstständigkeit sind anzutreffen (Matthies 2005: 151). Der Wissenschaftsrat stellte jüngst fest, dass 75 % der 106.500 wissenschaftlichen Mitarbeiter an deutschen Hochschulen befristete Beschäftigungsverhältnisse besitzen (Wissenschaftsrat 2007: 11). Auf dem Gesamtarbeitsmarkt sind lediglich 9,7 % aller Arbeitsverhältnisse befristet, allerdings ist hier eine steigende Tendenz festzustellen (Dietz/Walwei 2007a: 194). Auffällig ist schließlich die Teilzeitquote bei wissenschaftlichen Mitarbeitern. So sind 39 % aller entsprechenden Beschäftigungsverhältnisse an deutschen Hochschulen Teilzeittätigkeiten (Wissenschaftsrat 2007). Obwohl seit der Wiedervereinigung die Teilzeitquote auf dem Gesamtarbeitsmarkt insgesamt stark angestiegen ist, liegt diese mit 32,4 % (Dietz/Walwei 2007a: 191) immer noch signifikant niedriger als im Wissenschaftsbereich. Dieser Befund offenbart eine Besonderheit des Wissenschaftssektors im Vergleich zum Gesamtarbeitsmarkt, in welchem der Status des so genannten Normalarbeitsverhältnisses bei allerdings erheblichen geschlechts-, regional- und sektorspezifischen Unterschieden dominiert (Müller 2004: 277f.; Knuth u.a. 2002: 322f; Wagner 2000: 222f.; Bartelheimer 2005). Unter Normalarbeitsverhältnis ist ein abhängiges Arbeitsverhältnis zu verstehen, welches unter den Bedingungen eines dauerhaften Anstellungsverhältnisses in Vollzeitbeschäftigung mit sozialer und tarifrechtlicher Absicherung abgeschlossen wurde (Hoffmann/Walwei 1998: 410; grundlegend auch Mückenberger 1985). Dabei kommt es nicht allein auf die empirische Häufigkeit, sondern auch auf die normativen
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Erwartungen von Gesellschaft, Politik und Rechtssystem an (Blanke 2007: 60). Hiervon abweichende Formen der Erwerbstätigkeit sind demnach entweder unerwünscht oder verlangen nach spezifischen Formen der Regulierung. Phasenweise (auftretende) atypische Beschäftigung kann allerdings gleichermaßen zur Integration in eine dauerhafte und standardisierte Erwerbstätigkeit beitragen, beziehungsweise wird in einigen Fällen gar als deren Voraussetzung angesehen (Minks/Schaeper 2002; Schreyer 2001; Holtkamp 2000; s.a. Moncel/Rose 1995). In diesem Zusammenhang wird von „Karrieremobilität“ gesprochen, welche darin besteht, dass unterwertige oder prekäre Tätigkeiten zeitlich begrenzt deswegen in Kauf genommen werden, da man annimmt, dass sie sich langfristig und nachhaltig in Form einer besseren, also sicheren Stellung rentieren werden. (Büchel 1996: 280). Im Wissenschaftsbereich lassen die überaus hohen Befristungs- und Teilzeitquoten darauf schließen, dass das Normalarbeitsverhältnis als empirischer Fakt eindeutig keine dominierende Rolle spielt und eben nicht die Norm, sondern die Ausnahme darstellt. Dabei handelt es sich auch nicht ausschließlich um kurzfristige Karrieremobilität. Bei einer Auswertung der Daten des Mikrozensus stellten Kerstin Janson, Harald Schomburg und Ulrich Teichler fest, dass selbst die promovierten Wissenschaftler an den Hochschulen in höherem Maße von Befristung betroffen sind als diejenigen Promovierten außerhalb der Hochschule (Janson u.a. 2007: 112f.). Das bedeutet, dass es sich bei Karrieren im Hochschulbereich anscheinend nicht nur um kurzzeitige, sondern um sehr viele längerfristige Übergangslagen handelt. Jürgen Enders spricht in diesem Zusammenhang davon, dass, auf den Geltungsanspruch des Normalarbeitsverhältnisses bezogen, der Wissenschaftssektor eine „exterritoriale Zone“ sei (Enders 2003: 257). Fraglich ist, ob das Abweichen vom Normalarbeitsverhältnis und die Formen atypischer Beschäftigung bei wissenschaftlichen Mitarbeitern als prekäre Beschäftigungsform zu problematisieren ist, wie es der verstorbene französische Soziologe Pierre Bourdieu mit Blick auf das Erodieren stabiler Erwerbsbiografien getan hat (Bourdieu 1998). Dazu wollen wir im Rahmen dieser Untersuchung den Umgang des wissenschaftlichen Nachwuchses mit unsicherer Beschäftigung erforschen. Zunächst gilt es dabei, sich des Begriffs prekärer Beschäftigung bewusst zu machen.
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Prekaritätsdiskurs und die Arbeit im Wissenschaftsbereich
In der Literatur wird sehr unterschiedlich definiert, welche Art von Abweichung vom Normalarbeitsverhältnis nun letztlich als prekär bezeichnet werden soll. In
Wissenschaft als besonderer Arbeitsmarkt
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einer Literaturstudie klassifiziert Ulrike Kress all diejenigen Tätigkeiten als prekär, die keine Existenzsicherung des Einkommens zuließen (Kress 1998: 492). Weiter geht Michael Vester: Er bezieht die Prekarität zum einen auf einen relativ zu anderen Arbeitsverhältnissen niedrigeren Standard in den Arbeitsbedingungen und zum anderen auf die Labilität der sozialen Lage, welche durch alltägliche Schicksalsschläge ein Absinken unterhalb die Armutsschwelle möglich werden lasse (Vester 2001: 90f.). Sogar drei Dimensionen macht Nicole Mayer-Ahuja auf. Neben der materiellen Prekarität müsse die rechtliche Prekarität, in Form geringerer, oder gar fehlender arbeits- und sozialrechtlicher Standards, gesehen werden. Schließlich bestehe ein betriebliches Prekaritätspotenzial in Form fehlender Integration in die betrieblichen Strukturen und Schutzmechanismen (Mayer-Ahuja 2003: 52f). Etymologisch-materialistisch geht Dirk Hauer vor, der auf die aus der Unsicherheit und der Widerruflichkeit der gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen herrührenden Problematiken hinweist (Hauer 2007). Besonders umfassend ist die Verwendung des Prekaritätsbegriffs bei Jan Berting. Demnach werde eine Kultur der Prekarität durch die Unsicherheiten der modernen Arbeitswelt geschaffen, wobei die Armen und sozial Ausgeschlossenen hiervon besonders betroffen, und die Arbeitnehmer in gesicherten Positionen hiervon bedroht seien (Berting 1998: 8). Ähnlich gehen Matthias Knuth u.a. vor; sie fokussieren sich dabei hauptsächlich auf die betriebliche Ebene, in dem sie die Trennung von (gesicherten) Stamm- und (prekären) Randbelegschaften thematisieren (Knuth u.a. 2002: 314); weswegen in ihrer Analyse auch Teilzeitarbeit einem „pluralisierten Normalarbeitsverhältnis“ zugerechnet wird (320, 344, 355). Bernd Keller und Hartmut Seifert haben kürzlich eine arbeitsmarktzentrierte Definition vorgelegt und als Kriterien subsistenzsicherndes Einkommen, Integrationsgrad in die sozialen Sicherungssystem, Beschäftigungsstabilität und Beschäftigungsfähigkeit benannt, dabei allerdings bewusst auf eine Gewichtung der einzelnen Kriterien verzichtet (Keller/Seifert 2007: 20f.).
1.1 Erosion und Stabilität Die vielen Definitionen des Normalarbeitsverhältnisses führen dazu, dass sich bei Längsschnittbetrachtungen je nach Definitionsvariante durchaus sowohl eine Erosion, als auch eine Stabilisierung des Normalarbeitsverhältnisses im Ergebnis darstellen lässt (vgl. Wagner 2000: 208ff; siehe auch die Befunde bei Erlinghagen/Knuth 2004). Vielfach wird auch dargelegt, dass die absolute Zahl von Normalarbeitsverhältnissen konstant geblieben sei, die Zunahme der Erwerbsbe-
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teiligung in den letzten Jahren jedoch nicht von diesem absorbiert werden konnte, so dass neue Beschäftigungsmöglichkeiten nur in der Form atypischer Beschäftigung entstanden seien (Frey u.a. 2004: 274). Die Tatsache, dass unverändert ein großer Teil der Arbeitsverhältnisse als Normalarbeitsverhältnis betrachtet werden kann, darf aber wiederum nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Zuwachs atypischer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse „Prekarisierungstendenzen“ im Normalarbeitsverhältnis mit sich bringt (Meyer-Ahuja 2003: 45), beziehungsweise dazu beiträgt, dass die Angst vor einem sozialen Abstieg bei allen Arbeitnehmern zunimmt (Dörre 2006: 9). In den letzten Jahren hat die Sozialwissenschaft verstärkt den Versuch unternommen, die theoretische Konstruktion von Prekarität empirischen Untersuchungen zugänglich zu machen. Dabei sind mehrdimensionale Modelle entwickelt worden, welche versuchen sowohl objektive, wie subjektive Elemente einzubeziehen (Betzelt 2006, Leiva 2006, Dörre 2006). Subjektive Elemente spielen in der Debatte um prekäre Beschäftigung insofern eine wichtige Rolle, als dass sich bei der Prekarität eben nicht um eine Form absoluter Verelendung, sondern um „eine relationale Kategorie“ (Dörre 2007: 57) handelt, bei der die Relation zum Normalarbeitsverhältnis zwar ein zentraler, jedoch nicht der einzige Gesichtspunkt ist. Auch die gesellschaftliche und die individuelle Verarbeitung von prekären Lebenslagen muss dabei als ebenso wichtiges Element mitgedacht werden. Vor allem gilt es zu prüfen, ob es Formen der Absicherung atypischer Beschäftigung gibt, die das Potential zur Prekarität begrenzen.
1.2 Operationalisierung für den Wissenschaftsbereich Eine wichtige Überlegung liefert dabei der Ansatz von Robert Castel dar (Castel 2000). Castel stellt für die französische Gegenwartsgesellschaft einen Zusammenhang aus Position im Arbeitsleben, Teilhabe an Netzen primärer Sozialbeziehungen und den Sicherungssystemen fest (Castel 2000: 13). Hieraus folgt bei Castel die Konstruktion von Zonen sozialer Kohäsion. Die Zonen stellen ein formales, nicht statisches Analyseraster dar, das sich nicht genau mit sozialer Schichtung deckt (ebd.). Hierbei steht eine Zone der Integration, mit festen, stabilen und gesicherten Arbeitsverhältnissen, einer Zone der Entkopplung gegenüber, in der sich arbeitsmarktferne Personen befinden. Dazwischen wird eine Zone der Instabilität, der Verwundbarkeit, eben der Prekarität, ausgemacht. Aufbauend auf diesem Modell dreier, aus der gesellschaftlichen Arbeitsteilung herrührenden Zonen haben Ulrich Brinkmann, Klaus Dörre, Silke Röbenack, Klaus Kraemer und Frederic Speidel den gegenwärtig vielleicht ambitio-
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niertesten Begriff für Prekarität erarbeitet, auf Deutschland übertragen und einer empirischen Untersuchung zugeführt (Brinkmann u.a. 2006). Diesem Ansatz folgend könne ein Erwerbsverhältnis dann als prekär bezeichnet werden, „wenn die Beschäftigten aufgrund ihrer Tätigkeit deutlich unter ein Einkommens-, Schutz und soziales Integrationsniveau sinken, das in der Gegenwartsgesellschaft als Standard definiert und mehrheitlich anerkannt wird. Und prekär ist Erwerbsarbeit auch, sofern sie subjektiv mit Sinnverlusten, Anerkennungsdefiziten und Planungsunsicherheiten in einem Ausmaß verbunden ist, das gesellschaftliche Standards deutlich zuungunsten der Beschäftigten korrigiert“ (Brinkmann u.a. 2006: 17). Diese Definition prekärer Beschäftigung grenzt sich ab von jenen Formen atypischer Beschäftigung, welche einer langfristigen und grundsätzlich berechenbaren Statusverbesserung dienten. Dabei kommt es auf die Üblichkeit in der Gegenwartsgesellschaft an. Üblich sind seit geraumer Zeit im Wissenschaftsbereich insbesondere die ausgesprochen langen Ausbildungszeiten mit Studium, Promotion und Habilitation, welche als Phasen des Statusüberganges verstanden werden. Trotz der Differenz zum Normalarbeitsverhältnis, welches weniger lang anhaltende Berufseinmündungsphasen kennt, sind die Arbeitsverhältnisse als wissenschaftlicher Mitarbeiter deswegen nicht per se prekär. Immerhin besitzt der Wissenschaftsbereich einen spezifischen Typus des Normalarbeitsverhältnisses, die Stellung als Hochschullehrer auf Lebenszeit. Hierbei handelt es sich weniger um den empirisch anzutreffenden „Normaltypus“, der quantitativ dominiert, sondern eher um den „Normtyp“, der den sektorspezifischen Arbeitsmarkt prägt und an dem sich die verschiedenen Arbeitsverhältnisse orientierten. Somit könnte Prekarität, die zwischenzeitlich auftritt und mit Qualifikationen wie einer Promotion oder ähnlichem verbunden ist, durchaus ein – zwar von den Betroffenen vielleicht ungewolltes, aber durchaus akzeptables – Element einer langfristigen Integration in ein spezifisches Normalarbeitsverhältnis (Kraemer/Speidel 2004: 13; Kraemer/Bittlingmayer 2001: 316f.; Büchel 1996: 280) sein. Gerade die Promotion ist in Deutschland die zwingende Zugangsvoraussetzung für eine Karriere im Wissenschaftsbereich. In einigen Fächern – wie Biologie oder Chemie – ist sie sogar faktische Voraussetzung für jede fachadäquate Anstellung (Neuweiler 1996: 25; Enders/Schimank 2001: 171; anders etwa Großbritannien siehe Baruch/Hall 2004: 249). Dass sich damit eine Zielvorgabe im Wissenschaftsbereich verbindet, wird schon daran deutlich, dass diejenigen Mitarbeiter in Wissenschaft und Forschung, die sich noch nicht in diesem Status befinden, als „wissenschaftlicher Nachwuchs“ tituliert werden. Diese Formulierung gilt dabei unbeschadet der
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Tatsache, dass die in Forschungseinrichtungen Tätigen nicht in dem Maße den Beruf des Hochschullehrers anstreben, wie es idealtypisch angelegt ist und normativ vorgegeben zu sein scheint. Eine ältere Studie von Rolf Holtkamp u.a. stellte für lediglich 35 % der promovierten Nachwuchswissenschaftler eine solche Orientierung fest, während 43 % in anderer Form an den Hochschulen oder in Forschungsinstituten tätig werden wollten (Holtkamp u.a. 1986: 130). Jürgen Enders kam vor wenigen Jahren zu dem Schluss, dass ungefähr die Hälfte aller Doktoranden über alle Fächer hinweg, nach ihrer Promotion in der Forschung oder an der Hochschule verblieben, mehrheitlich dabei nicht als Professor, während die andere Hälfte in einen wissenschaftsfernen Beruf wechselte (Enders 2005: 39). Das bedeutet, dass ein nennenswerter Anteil von promovierten Wissenschaftlern keine akademische Karriere im Sinne der Wissenschaftslaufbahn als Professor einschlägt, obgleich die Promotion grundsätzlich als Qualifikationsstufe für den Wissenschaftsbereich konzipiert ist. Obgleich es in nahezu ganz Europa einen Überhang an Promovierten zu Stellen für Promovierten im Wissenschaftsbereich gibt, nimmt Deutschland dahingehend eine Sonderstellung ein, dass in keinem Land in Europa ein derart hoher Anteil an Hochschulabsolventen dem Studium eine Promotion folgen lässt (Kehm 2006: 69f.). Wir sehen also, dass die wissenschaftliche Qualifikationsstufe Promotion trotzdem nicht zwingend zu einer wissenschaftlichen Tätigkeit in Lehre und Forschung führt. Fraglich ist, ob das soziale Schutzniveau und der subjektive Umgang hierauf einen Einfluss hat, welche Zielvorstellungen Nachwuchswissenschaftler für ihr berufliches Fortkommen in der Wissenschaft entwickeln. Besonders haben wir daher die individuellen Planungsunsicherheiten in den Blick genommen. Fehlt etwa eine langfristige Lebensplanung, so dürfte dieses individuell als prekär wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund sind die Abweichungen vom gesamtgesellschaftlichen Normalarbeitsverhältnis zwar signifikant, allerdings so lange sie noch ein hohes Maß an Stabilität, an Sicherheit und Strukturierung besitzen, so lange eine Planbarkeit in der Erwerbsbiografie vorhanden ist, bedeutet dies, dass wir allein aus der bloßen Existenz von befristeter Tätigkeit und Teilzeitarbeit noch nicht ableiten können, dass es sich im Wissenschaftsbereich um prekäre Beschäftigung im Sinne Castels handelt. Es könnte sich dabei genauso gut um eine Phase von Statusübergängen in Bezug auf das Streben nach einer Professur, oder einer anderen Lebenszeitstelle handeln, als auch um eine zwar formal atypische, jedoch insgesamt stabile Form der Beschäftigung. Das bedeutet, wir müssen den individuellen Umgang, die Reflexion der Situation und die hieraus resultierende Strategie der Lebenswegplanung von Nachwuchswissenschaftlern untersuchen.
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Atypik und Prekarität des Wissenschaftsbereich im historischen Verlauf
Während wir einerseits aus dem bisherigen empirischen Material noch nicht alleine auf prekäre Beschäftigung schlussfolgern können, liefert uns andererseits der eingangs zitierte Aufsatz Webers wichtige Hinweise dahingehend, als dass er auf einige weitere Elemente der Fragilität der Wissenschaftslaufbahn hinweist. Besonders scharf, allerdings in der Sache zustimmend (zur Kritik Wilhelm 1983) arbeitete Weber die Kastenbildung der professoralen Seite heraus und die damit verbundenen Schwierigkeiten wissenschaftlicher Nachwuchskräfte, sich im Wissenschaftssystem zu etablieren. Weber beschrieb ein Wissenschaftssystem, welches sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts verfestigt und der Professur einen zentralen Stellenwert zugewiesen hatte, was durch die Einführung der Habilitation besonders unterstrichen wurde (Klose 1996). Ein dauerhafter akademischer Mittelbau, der streng hierarchisch der Professur untergeordnet war, entstand unterhalb der Ebene der Ordinarien. Nachdem in der Weimarer Republik Ansätze einer Reform der Ordinarienuniversität nur halbherzig umgesetzt wurden, war es schließlich der Mangel an qualifizierten, also habilitierten Wissenschaftlern, welcher nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 dazu führte, dass Assistentenstellen zunehmend als Nachwuchsstellen für eine wissenschaftliche Karriere verstanden wurden (Wilhelm 1978: 112). Dieses schmälerte die zentrale Stellung der Ordinarien an den Hochschulen nicht. Die traditionelle deutsche Hochschulpolitik konnte trotz alliierter Vorstöße nach 1945 zunächst ungebrochen fortgeführt werden (Stucke 2001: 119). Erst am Ende der 1950er und verstärkt in den 1960er Jahren ergaben sich unter den Bedingungen eines expandierenden Hochschulwesens vielfältige Möglichkeiten für eine akademische Karriere abseits der Professur. Gleichwohl blieb die Professur immer noch der Orientierungspunkt wissenschaftlicher Laufbahnen (Enders 1996: 88ff.). So war diese Welle des Ausbaus von Wissenschaftseinrichtungen in Westdeutschland noch gekennzeichnet von einem wachsenden Gewicht der wissenschaftlichen Mitarbeiter im akademischen Mittelbau. Mit der zweiten Phase der Hochschulexpansion Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre wurden auch Stellen des Mittelbaus in Professorenpositionen gewandelt (Enders 1996: 62), was den Übergang in das wissenschaftliche Normalarbeitsverhältnis grundsätzlich erleichterte und zusätzliche Möglichkeiten bot, eine dauerhaft gesicherte Lebenszeitstelle in der Wissenschaft zu erlangen. Während dieser Zeit stieg zwar die Zahl der Akademiker an, der Ausbau der (befristeten) Mittelbaustellen wurde jedoch nicht von einem Ausbau der Lebenszeitstellen
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begleitet. Hierzu trug schließlich insbesondere der kontinuierliche Zuwachs an Drittmittelforschung in Projekten bei (Enders 1996: 107; Kaddatz 1987: 303, Reichertz 2003: 367; Münch 2007: 25). Die Grundmittel stiegen in den 1990er Jahren jährlich nur um ein Prozent jährlich an, da sie unterhalb der Inflationsrate und Lohnsteigerungen jener Jahre blieben, bedeutete dies faktisch eine Verminderung der Grundausstattung von Hochschulen. Die Drittmittelförderung wuchs hingegen im selben Zeitraum um jährlich 4 % (Hornborstel 2001: 141). Die Drittmittelstellen wurden in den 1990er Jahren deutlich ausgebaut. Ihre Zahl stieg zwischen 1993 und 2000 um 138%. Dieser Trend setzte sich zu Beginn diesen Jahrzehnts verstärkt fort, so betrug 2002 das Drittmittelaufkommen je Universitätsprofessor noch 132.400 €, was gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von 9 % bedeutete (Statistisches Bundesamt 2004). Dieser Wert stieg 2003 um 4,7 % auf 138.300 € an (Statistisches Bundesamt 2005). 2004 betrug dieser Wert sogar 154.100 €, was einem Zuwachs von 11,4 % entspräche1 (Statistisches Bundesamt 2006a). Im Jahre 2005 schließlich erreichten die Drittmittel je Universitätsprofessor einen Wert von 165.000 €, was einem neuerlicher Zuwachs von 6,6 % entspricht (Statistisches Bundesamt 2007a). Rund jede zweite befristete Stelle an Hochschulen wird mittlerweile über Drittmittel gefördert, außerdem finanzieren sich diverse freie Mitarbeiter aus Stipendien und Honorarverträgen, oder sie überbrücken Phasen ohne vertragliche Anstellung durch Mittel aus der Arbeitsmarktförderung (Wissenschaftsrat 2002: 13f; Matthies 2005: 163; Kunze 2007). 2.1 Die wachsende Bedeutung von Drittmitteln Während das Drittmittelvolumen an Hochschulen deutlich wächst, stagniert beziehungsweise sinkt sogar die Grundausstattung. In einer Gegenüberstellung der Jahre 2003 und 2004 für alle Hochschulen stellte das statistische Bundesamt fest, dass lediglich in den Ländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen und Sachsen-Anhalt die Grundmittel je Professor angestiegen sind, während alle anderen Bundesländer die Grundmittel je Professor zurückgefahren haben. Bundesweit sank die Grundmittelausstattung je Professor um 6,4 %, während die Drittmittelausstattung je Professor um 0,7 % anwuchs.2 Im Kern unter1
2
Das statistische Bundesamt selbst weist nur einen Zuwachs von 1,4% aus (Statistisches Bundesamt 2006). Möglicherweise hat es Korrekturen des Vorjahreswertes gegeben. http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bildung ForschungKultur/BildungsKulturFinanzen/Tabellen/Content75/ProfessorenLaender.psml (25.7.2007)
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streicht diese Momentaufnahme, dass es eine Verlagerung von der Grundfinanzierung hin zur Drittmittelfinanzierung gibt und dass überdies die Drittmittelfinanzierung dazu beiträgt, die verminderte Grundausstattung zu ersetzen. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass die Art der Beamtenbesoldung sowie durch die bisherigen Formen der Angestelltenvergütung dazu führt, dass älteres Personal höhere Vergütungen beziehungsweise Gehälter bezieht als jüngeres. In der Folge könnten diese Zahlen dann verzerrt sein, wenn Hochschulen im Zuge von Neuberufungen mit großen personellen Umbrüchen konfrontiert sind. In diesem Falle kann es durch eine Verjüngung des Personals zu verringerten Ausgaben kommen, ohne dass dieses Einfluss auf die quantitative Personalstruktur hat. Qualitativ bedeutet der Zuwachs an Drittmittelausgaben vor allem eine Vermehrung der Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Zwischen 1996 und 2005 stagnierte die Zahl der Professorinnen und Professoren an Hochschulen bei knapp 38.000, während die Zahl der wissenschaftlichen (und an den Kunsthochschulen künstlerischen) Mitarbeiter von 94.626 auf 111.343, also um 17,7 % stieg (Statistisches Bundesamt 2006b: 31). Bei diesen Zahlen ist jedoch unklar, ob sich die Zahl der Stellen dabei vollzeitäquivalent gesteigert hat. So könnte die Erhöhung der Personen auch aus vermehrten Stellenteilungen resultieren. Im selben Zeitraum wuchs die Zahl der Lehrbeauftragten um 35 % von 41.947 auf 56.756, während sich die Zahl der Assistenten fast halbiert hat (ebd.). Im Ergebnis sind insgesamt deutlich mehr Personen an den Hochschulen beschäftigt. Die Relationen verschoben sich dabei so, dass die Lebenszeitstellung als Professor vor diesem Hintergrund immer unwahrscheinlicher geworden ist. Da zudem die Zahl der Studierenden im selben Zeitraum um etwa 10 Prozent zugenommen hat (Janson u.a. 2007: 53), ist vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Zahl an Professorinnen und Professoren eine Verlagerung der Lehrbelastung zu Lehrbeauftragten und wissenschaftlichen Mitarbeitern anzunehmen, wobei diese auch zunehmend mit Dienstleistungsaufgaben wie Klausuren- und Hausarbeitenkorrektur, Unterstützung bei Prüfungen etc. für Professoren betraut werden. Parallel zum Drittmittelzuwachs hat es also eine stetige Veränderung der Stellenstruktur gegeben. Die Lebenszeitpositionen verlieren relativ an Bedeutung, während Projektstellen beziehungsweise Drittmittelstellen zunehmen. Unter dem Eindruck des gewachsenen Drittmittelanteils erodiert das wissenschaftliche Normalarbeitsverhältnis zugunsten von Projektstellen. Die wissenschaftli-
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chen Mitarbeiter bekommen außerdem mehr Tätigkeiten zugewiesen und können folglich weniger eigene wissenschaftliche Arbeit tätigen. Daraus folgt eine Aufwertung der Stellung der Professoren. Je singulärer und unerreichbarer Professuren als Lebenszeitstellung sind, desto mächtiger wird die Position der Stelleninhaber, da diese über die Rekrutierung in diese Stelle maßgeblich entscheiden. Während wir hier eine qualitative Veränderung beobachten können, wird die wachsende Bedeutung von Drittmittelforschung unter dem Gesichtspunkt des Forschungsoutputs durchaus positiv bewertet. So scheint es einen Zusammenhang zwischen effizienter Publikationstätigkeit, das heißt auch wahrgenommener Publikationstätigkeit und Drittmitteleinwerbung zu geben. Je mehr Drittmittel also pro Wissenschaftler eingeworben werden, desto höher ist die Publikationstätigkeit (Hornborstel 2001). Dagegen argumentiert Richard Münch. Seinen Ausführungen folgend bestünden erhebliche Differenzen zwischen den einzelnen Fächern. Während in einigen Fächern ein Zusammenhang zwar vorhanden sei, ließen sich in einigen anderen Fächern aber sogar gegenteilige Effekte ausmachen. Demnach behindere eine starke Orientierung auf Drittmittelförderung sogar Publikationstätigkeiten. Überdies sei ferner selbst bei jenen Fächern mit tendenziellen Zusammenhängen zwischen Drittmitteln und Publikationen eine deutliche Varianz zwischen verschiedenen Fachbereichen zu finden (Münch 2007: 261ff.). Die gewachsene Drittmittelforschung ist in arbeitsinhaltlicher Hinsicht durchaus kritisch zu sehen. Eine Untersuchung über die Drittmittelförderung von Forschungsprojekten kommt zu dem Schluss, dass trotz bestimmter Vorteile in der Ausstattung einer solchen Finanzierung eine hohe Unzufriedenheit in den projektbezogenen Stellen vorherrsche (Enders 2002: 222f.). Die mit Drittmittelfinanzierung teilweise vergleichbaren leistungsbezogenen Anreizsystemen, wie sie in den 1980er Jahren in Großbritannien und Australien sowie seit dem Ende der 1990er Jahre auch in Deutschland implementiert wurden, werden in einigen Untersuchungen gleichsam kritisch bewertet: Forschungsergebnisse seien selten innovativ, die Ergebnisse kurzfristiger Projekte werden seltener wahrgenommen als die langfristiger Förderungen, ein Teil der Forschungsgelder werde ineffizient für das Schreiben von Anträgen oder die Evaluation eingesetzt. Untersuchungen hierzu sind jedoch oftmals methodisch wie systematisch unzureichend aufgebaut, sodass bestimmte Befunde und Einschätzungen schwerlich verallgemeinert werden sollten (siehe Gläser u.a. 2002). Unbestritten ist allerdings, dass die Bedeutung von Drittmitteln zugenommen hat und gleichermaßen alle Fächer betrifft. Gerade die Geisteswissenschaften sind damit in den letzten Jahren konfrontiert worden. Bei der mit Abstand wichtigsten Drittmittelgeberin in
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Deutschland, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), stiegen von 2003 bis 2006 die Bewilligungsquoten nach Anzahl der Anträge für die Einzelförderung kontinuierlich von 44,5 % auf 51,1 %, allerdings profitierten von der Zunahme vorrangig die Lebens- und Naturwissenschaften, geringfügig die Ingenieurwissenschaften, während die Bewilligungsquote im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften bei circa 47 % verharrte (DFG 2007: 136). Die unter Einschluss der Nachwuchsförderung und koordinierten Programme insgesamt bewilligten Mittel in den Geistes- und Sozialwissenschaften stiegen im selben Zeitraum immerhin um 26,7 % an, zugleich allerdings verzeichnen die Lebenswissenschaften einen Zuwachs von 29,7 % und die Naturwissenschaften von 27,4 % (vgl. ebd.: 31). Folglich profitieren die Natur- und Lebenswissenschaften stärker von der Ausweitung der Drittmittelfinanzierung als die Geistes- und Sozialwissenschaften. Der Geschäftsführer der ebenfalls in der Drittmittelvergabe aktiven Volkswagenstiftung, Wilhelm Krull, befürchtet, dass diese Entwicklung auf lange Sicht die Geisteswissenschaften schädigen werde (Krull 2007: 65; ähnlich Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen 2004: 14).
2.2 Expansion des Hochschulwesens und Personalstruktur Insgesamt konnte die Expansion des Hochschulwesens bei der Entwicklung der Planstellen nicht mithalten. Stellenteilungen oder Beschäftigung über das Einwerben externer Forschungsgelder waren die Konsequenz (Enders 1996: 63; Neuweiler 1996: 29f.). Die Vielfalt von Wegen der akademischen Karriere und von Möglichkeiten der Forschung an und in Hochschulen bedeuteten gleichzeitig, dass die Weiterqualifizierung von Graduierten zur Promotion und von Promovierten zur Habilitation zu einem "Wildwuchs im Bereich der Doktorandenförderung" (Holtkamp u.a. 1986: 13) führte. Mit dem Graduiertenförderungsgesetz von 1971 und dem Hochschulrahmengesetz von 1976 sollte dieser Entwicklung Abhilfe geschaffen werden. Eine größere Freiheit der Assistenten und die Schaffung von einigen wenigen Lebenszeitstellen für nicht habilitierte Wissenschaftler ermöglichte es dem wissenschaftlichen Nachwuchs selbstständiger zu forschen und näherte seinen sozialen Status an das Normalarbeitsverhältnis an (Matthies 2005: 161). Doch diese Instrumente waren nicht geeignet, das tradierte System wissenschaftlicher Qualifizierung aufzubrechen. Jürgen Enders weist darauf hin, dass die damaligen Regelungen einen Kompromiss darstellten, dessen Ziel es war, „eine Balance herzustellen zwischen der Wahrung angestammter Rechte und Privilegien der Ordinarienuniversität einerseits und einer Befriedung inneruniversitärer Statusauseinandersetzungen
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durch die Gewährung vermehrter Aufstiegs- und Partizipationsmöglichkeiten für den wissenschaftlichen Nachwuchs andererseits" (Enders 1996: 94). Besonders die möglich gewordene Lebenszeitstellung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf Ratsstellen oder ähnlichem wurde unterminiert und von politischer wie von universitärer Seite massiv in Frage gestellt. In der Konsequenz entwickelte sich ein zwar vielfältiger werdender Arbeitsmarkt, zugleich allerdings nahmen vor allem die befristeten Tätigkeiten in Projekten und an den Hochschulen zu (Matthies 2005: 162ff.), womit sich das Wissenschaftssystem wieder stärker jenem Modell näherte, welches im 19. Jahrhundert etabliert worden war. Die Professur war weiterhin Fixpunkt und unumstößliche Konstante im Wissenschaftsbetrieb. Während der in den letzten 15 Jahren laufenden Reformdiskussion blieben in Anbetracht der starken professoralen Stellung einige Ansätze der 1960er und 1970er Jahre aktuell. Enders und Schimank nennen in diesem Zusammenhang die wachsende Bedeutung der Doktorandenausbildung durch Graduiertenkollegs, aber auch den Versuch, die Juniorprofessur zu etablieren und damit die Habilitation zu ersetzen (Enders/Schimank 2001: 161f.). Letzteres stellt den bislang vorerst letzten Versuch dar, jenes traditionelle System wissenschaftlicher Nachwuchsförderung grundlegend aufzubrechen. Dabei sollten promovierte Wissenschaftler schneller einer selbstständigen Lehr- und Forschungstätigkeit nachgehen als zuvor, das Erstberufungsalter gesenkt und die Habilitation als zentrale Zugangsvoraussetzung einer Professur entbehrlich werden. Dieses traf seinerzeit durchaus auf Zustimmung beim wissenschaftlichen Nachwuchs. 41 % der Habilitierten und 45 % der Habilitanden sprachen sich bei der bayrischen Habilitandenstudie für die Abschaffung der Habilitation aus und weitere 31 % bzw. 41 % plädierten für eine wesentliche Veränderung (Berning u.a. 2001: 99). Die Juniorprofessur erfüllte indessen nicht jene Erwartungen, welche Teile des wissenschaftlichen Nachwuchses genauso wie die damalige Bundesregierung in sie gesetzt hatten. Angestrebt wurden einst 6.000 Stellen, diese Zahl wurde schließlich auf 1.600 berufene Juniorprofessoren bis Ende 2007 reduziert (Janson u.a. 2007: 88). Weder entstanden an den Hochschulen quantitativ so viele Stellen wie erwartet, noch gelang es, die Habilitation zu verdrängen. Die Umsetzung der Reform blieb in den Bundesländern „unvollständig“, da Möglichkeiten einer festen Laufbahnzusage bei erfolgreicher Evaluation (so genannte Tenure-Track) fehlten und die Habilitation fortexistierte (Mlynek 2002: 43). Außerdem entsprach die Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln oftmals nicht den Anforderungen an eine eigenständige Wissenschaftstätigkeit (Buch u.a.. 2004). In der Konsequenz entschlossen sich etliche, die eine Wissenschaftskarriere anstrebten, bewusst gegen eine Juniorprofessur.
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Den Reformeifer des Bundes begrenzte das Bundesverfassungsgericht 2004 schließlich, als es einer Klage dreier Bundesländer gegen die Regelungskompetenz des Bundes Recht gab. Obwohl sämtliche Landeshochschulgesetze die Juniorprofessur mittlerweile kodifiziert haben, dürfte deren weiterer Ausbau eher begrenzt erfolgen (Frank u.a. 2004; Buch u.a. 2004; Knodt u.a. 2004: 115). Eine jüngere Untersuchung des CHE kam zu dem Schluss, dass es letztlich von den Hochschulen selbst abhänge, ob und in welchem Maße Juniorprofessuren als Karriereweg etabliert würden (Federkeil/Buch 2007: 20). Durchaus vielfältig seien somit die Entwicklungen an den einzelnen Hochschulen.
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Wissenschaftler und die Zone der Verwundbarkeit
Wir sehen also, dass allen Reformbestrebungen zum Trotz das Webersche Urteil heute unverändert Relevanz besitzt. Das deutsche Wissenschaftssystem scheint gegenüber Veränderungen insgesamt recht resistent zu sein und bietet – ebenso wie andere Wissenschaftssysteme auch – seit mehreren Dekaden wegen der langen Qualifikationszeiten und der Unsicherheiten beim Berufseinstieg Grund zur Klage (Baruch/Hall 2004: 245; Janson u.a. 2007; Kehm 2006: 70). Berücksichtigen wir in diesem Zusammenhang für Deutschland die empirischen Daten des Wissenschaftsrats, so stoßen wir auf eine – in den Worten Castels gesprochen – Zone der Stabilität, in welcher wir die meist professorale Anstellung in einer beamteten Lebenszeitstelle an einer Hochschule finden, die scharf gegenüber den restlichen Beschäftigungsverhältnissen abgrenzt sind. Die wenigen Hierarchiestufen im Wissenschaftsbereich sind dadurch gekennzeichnet, dass auf der einen Seite die Gruppe der Professoren sämtliche Vorteile akademischer Tätigkeiten genießt und einer stabilen langfristigen Beschäftigung nachgehen kann, während auf der anderen Seite die Gruppe derer ist, die sich in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen befindet und danach strebt, selbst in den Kreis der Professoren aufgenommen zu werden (Enders/Kaulisch 2006: 87; Reichertz 2005: 222).
3.1 Operationalisierung des Prekaritätsdiskurses Die Frage ist, ob die hiervon abgegrenzten übrigen Beschäftigungsverhältnisse schon alleine deswegen als prekär anzusehen sind, weil sie eben von jener Zone der Integration geschieden sind. Wir kommen an dieser Stelle auf diese Untersuchung von Brinkmann u.a. (2006) zurück, weil sie Castels Modell für Deutsch-
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land operationalisiert hat und damit auch eine gute Ausgangsbasis für eine sektorale Untersuchung, wie wir sie hier vorgenommen haben, liefert. Brinkmann u.a. (2006) konnten in ihrer auf den gesamten Arbeitsmarkt bezogenen Studie drei Formen prekären Arbeitens in der Zone der Verwundbarkeit identifizieren: den Typus der Hoffenden, der Realisten und der Zufriedenen. Zu den Hoffenden zählten dabei atypisch Beschäftigte mit einem Bruttoeinkommen bis 2000 €, die ihre Arbeit als positiv erleben und keine anhaltenden Frustrationsgefühle haben. Die Realisten unterscheiden sich von den Hoffenden dadurch, dass sie Phasen der Arbeitslosigkeit oder von unsicherer Beschäftigung erdulden müssen und zudem Frustrationserfahrungen machen mussten. Zu den Zufriedenen zählte eine Gruppe von temporär oder dauerhaft arbeitsmarktfernen Gruppen wie Hausfrauen oder Rentnern, welche sich trotz atypischer Arbeit gut mit dieser Situation arrangieren können. Diese Gruppe ist für unsere Untersuchung irrelevant, da sie keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Hingegen scheint ein Blick auf die beiden ersten Gruppen von Interesse zu sein. Die Einkommensgrenze von 2000 €, die Brinkmann u.a. allerdings für die gesamte Zone der Prekarität gewählt haben, führt unweigerlich dazu, dass wir einen Teil der im Wissenschaftsbereich Tätigen nicht sachgerecht erfassen. Es scheint uns nämlich angemessen zu sein ebenso bei denjenigen nach Prekarität zu fragen, die in Vollzeit arbeiten und damit ein Bruttoverdienst von über 2000 € realisieren, jedoch mit strengen Befristungsregelungen konfrontiert sind. Das Schema von Brinkmann u.a. würde diese Gruppe in die Kategorie der atypischen Integration einordnen, in diesem Zusammenhang wird von „Selbstmanagern“ und „Unkonventionellen“ gesprochen. Bezeichnend sind demnach Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten, sowie positive Arbeitserfahrungen, trotz der atypischen Beschäftigung(smöglichkeiten). Wenn wir den Wissenschaftsbereich als eigenes Untersuchungsfeld betrachten, so müssen wir dessen Besonderheiten beachten. Der Wissenschaftsbetrieb in Deutschland erfolgt überwiegend im öffentlichen Dienst. Während der öffentliche Dienst insgesamt ein relativ hohes Ansehen besitzt, da dieser Sektor als hochwertig und vor allem sozial gut geschützt gilt, prägt den Wissenschaftsbereich ein demgegenüber höheres Maß an Unsicherheiten beim Weg zur Lebenszeitstelle. Hinzu kommt, dass der Großteil der wissenschaftlichen Nachwuchskräfte zwischen 25 und 40 Jahre alt ist, sich also in einem Alter befindet, in dem die Familiengründung eine wichtige Rolle spielt. Wir wissen aus verschiedenen Untersuchungen, dass die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie gerade Nachwuchswissenschaftlerinnen anscheinend von einer wissenschaftlichen Karriere abhält (siehe die Übersicht bei Lind 2004: 64f; siehe auch Matthies 2005:
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156; Häberle/Schubö 1996: 47f; Berning u.a. 2001: 50f), oder dazu führt, dass auf Kinder (vorerst) verzichtet wird (Krull 2007: 69). Hinzu kommt, dass die Wege zur Lebenszeitstelle nicht standardisiert und nur wenig formalisiert sind (Enders 2003: 256). Unter diesen Bedingungen ist es schwerlich möglich, atypische Beschäftigung als Form von Karrieremobilität einzuplanen, was wiederum in derjenigen Lebensphase, in der Stabilität besonders wichtig ist, zu einem großen Problem wird.
3.2 Wissenschaft als fortwährende Übergangslage Gerade weil die Arbeit als wissenschaftlicher Nachwuchs als Übergangslage organisiert ist und die betreffenden Personen hoch qualifiziert sind, stellen sich jedem einzelnen eine Reihe strategischer Fragen beim Aufbau einer Karriere im Wissenschaftsbereich. Insbesondere bedarf es einer Art Masterplan bei der Gesamtplanung einer wissenschaftlichen Laufbahn (Reichertz 2003: 360). Und selbst dieser verspricht nicht, in eine Lebenszeitstelle einzumünden. Bereits der Beginn einer wissenschaftlichen Tätigkeit stellt viele vor große Probleme. Die Zusage der Betreuung einer Promotion bedeutete noch lange keine Absicherung durch eine Stelle. Zwar steht eine große Anzahl an Finanzierungsmöglichkeit bereit, allerdings ist die Graduiertenförderung undurchdringlich und intransparent (Krull 2007: 62ff). Wir entnehmen der Tabelle 1, dass ungefähr auf jede Professorenstelle 8 Personen in nicht-professoraler Stellung entfallen. Bei Erneuerungsraten von Professorenstellen von phasenweise gerade einmal 2 % pro Jahr (so Kaddatz 1987: 234, für das laufende Jahrzehnt wird allerdings von 4,1 % ausgegangen, siehe Janson u.a. 2007: 94f.), beziehungsweise einer Wahrscheinlichkeit eines Habilitierten, sich erfolgreich auf eine Professur bewerben zu können von 3,5 bis 3,8 zu 100 (Matthies 2005: 174), ist das Versprechen auf eine lebenslange Beschäftigung in der Wissenschaft somit grundsätzlich sehr fraglich. Schätzungen gehen zudem davon aus, dass zur Zeit 70.000 bis 80.000 Personen an Universitäten mit ihrer Promotion beschäftigt sind und dass davon circa 50.000 eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter bekleiden (Janson u.a. 2007: 61). Das bedeutet, dass in etwa jede zweite Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters von einem Doktoranden besetzt ist. Folglich ist bereits der Markt an Positionen für die Phase nach der Promotion davon geprägt, dass es potenziell viele Bewerber, jedoch sehr wenige Stellen gibt.
5.780
Darunter Mathematik, Naturwissenschaften
Quelle: Statistisches Bundesamt 2007b
3.319
4.698
Darunter Sprach- und Kulturwissenschaften
Darunter Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
20.903
Professoren
1.624
892
1.186
7.342
Dozenten und Assistenten
28.432
9.351
10267
112.256
Wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter
361
151
2.038
3.871
Lehrkräfte für bes. Aufgaben
Haupt- und nebenamtliches wissenschaftliches Personal an Universitäten
Insgesamt
Tabelle 1:
3.910
4.362
10.338
30.583
Lehrbeauftragte
3.509
2.495
2.868
13.493
Wiss. Hilfskräfte
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29
Wissenschaftler müssen unter dem Gesichtspunkt der Kosten-NutzenRelation genau überlegen, ob sie bereit sind, Phasen in Kauf zu nehmen, in denen sie knapp oberhalb des Existenzminimums auf halben Stellen promovieren, sich hiernach auf befristete Stellen und schließlich auf eine möglicherweise ebenfalls befristete Professur bewerben. Petra Dobner jedenfalls spricht von der „Mär (…), dass der akademische Nachwuchs ein paar Studienjahre lang Lohnverzicht betrieben hat, um hinterher viel besser zu verdienen“ (Dobner 2001: 185). Schon alleine deswegen muss jeder einzelne Schritt auf der Karriereleiter wohl überlegt werden. Insbesondere ist dabei jedes Mal zu fragen, ob der Aufstieg auf die nächste Stufe genommen werden soll und falls nicht, welche Alternativen sich ergeben. So könnte die Form der akademischen Nachwuchsausbildung dazu führen, dass eine Reihe von hochqualifizierten Wissenschaftlern darauf verzichtet, jene „Strickleitern in einer prekären Profession“ (Enders 2003) allzu hoch zu klettern, da die Fallhöhe mit jeder weiteren Sprosse , die man auf dem Weg zur professoralen Idealprofession erklimmt, höher wird. Dass die Besonderheit wissenschaftlicher Berufsbiografien eher abschrecken, findet sich immer wieder als Randnotiz in verschiedenen Untersuchungen. Dieses gilt insbesondere für Karrieren von Wissenschaftlerinnen (siehe Krais/Krumpeter 1997). Jutta Allmendinger stellte in diesem Kontext die These auf: Je unstrukturierter der wissenschaftliche Werdegang ausgestaltet ist, desto weniger ergebe sich für Wissenschaftlerinnen eine Laufbahn als Professorin (Allmendinger 2003). Bei der Planung von Wissenschaftskarrieren kommt es nicht alleine darauf an, die Zugangsmechanismen, die Prüfungsmodalitäten und die Strukturierung der Ausbildungswege zu durchleuchten, sondern es dürfte einiges davon abhängen, wie die gesamte beruflich-wissenschaftliche Laufbahn fortgeführt werden kann.
3.3 Von der Berufung zur Wandelhalle Gerade die ausgeweitete Drittmittelfinanzierung lässt sich, da sie auf Projektanträgen und Ausschreibungen aufbaut, nicht derart verstetigen, wie die öffentliche Finanzierung. Auch lassen sich nicht, oder nur selten, Kooperationsbeziehungen zu Drittmittelgebern aufbauen, die eine ähnliche Verlässlichkeit, Verstetigung und Planbarkeit mit sich bringen, wie sie hingegen aus der Absatzplanung eines Privatunternehmens möglich ist. Mit dem wachsenden Anteil derartiger Drittmittelfinanzierungen wird es entsprechend fragiler und schwieriger, den wissenschaftlichen Werdegang zu planen beziehungsweise einen solchen Plan auch
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bruchlos realisieren, da es zu einer wachsenden Konkurrenz um die insgesamt stagnierenden oder sogar rückläufigen Drittmittel kommt (Matthies 2005: 165; Reichertz 2005: 225f). Gerade innovative und interdisziplinär arbeitende Wissenschaftler laufen zusätzlich Gefahr bei der Bewilligung von Drittmitteln und bei der Neubesetzung von Professuren leer auszugehen, da sie auf einen Hochschulbereich treffen, der strukturell Neuerungen gegenüber skeptisch eingestellt ist (Laudel 2006: 503; Krull 2007: 67). Wissenschaftler, die in ihrem Studium den BAföGHöchstsatz erhielten oder die einen Studienkredit aufnehmen mussten, haben schließlich die Schwierigkeit, dass sie neben ihrem laufenden Lebensunterhalt ihre Verbindlichkeiten abtragen müssen, was stetige Bezüge voraussetzt (Dobner 2001: 186). Somit stellt sich die Frage, ob aus dem Wissenschaftsbereich ausgeschieden werden soll, ob der Weg zur Professur weiterverfolgt werden kann, oder ob es eine Möglichkeit des Arrangements in einer weiteren Übergangslage gibt. Dabei sehen wir, dass die Entscheidung nicht alleine von Qualifikation und Leidenschaft für den Wissenschaftsbereich abhängt, sondern eben auch außerhalb des beruflichen Fortkommens liegende Faktoren Einfluss auf die letztendliche Entscheidung haben. Gerade weil die Akquise von Folgeprojekten unsicher ist und weil es Schwierigkeiten gibt, neue Drittmittel zu generieren, gewinnen möglicherweise Alternativen außerhalb des Wissenschaftsbereichs an Attraktivität. Dafür spricht auch eine Untersuchung des Wissenschaftsrats, wonach der größte Teil der Nachwuchskräfte die Hochschulen nach Abschluss der Promotion verlässt (Wissenschaftsrat 2007). Doch die Unsicherheit alleine mag dabei noch nicht einmal ausschlaggebend sein, schließlich wirbt die Wirtschaft ihrerseits in einigen Fächern um die besten Nachwuchskräfte und offeriert vielfach höhere Einkommen als der öffentliche Dienst es kann (Enders/Schimank 2001: 171). Die Hochschulen werden von den Nachwuchswissenschaftlern in diesem Falle nur als „zeitlich befristete Wandelhalle einer weiteren Qualifikation“ angesehen (ebd.). Diese Wandelhalle führt nun wiederum nicht gradlinig auf eine wissenschaftliche Laufbahn zu, sondern wird von einer Mehrheit des wissenschaftlichen Nachwuchses als Weg aus der Hochschule heraus gewählt. Das System Wissenschaft liefert selbst eine Reihe von Anhaltspunkten, die gegen eine Wissenschaftslaufbahn sprechen, doch ein Vergleich mit der allgemeinen Beschäftigungslage von Akademikern kann die sektorspezifischen Problematiken unter Umständen wieder relativieren. So kann auch dann eine Strategie des Verbleibs an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen erstrebenswert bleiben, selbst wenn der Weg in die
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gesicherte Dauerstellung versperrt bleibt. Denn die Hoffnung auf eine stabile Berufskarriere außerhalb der Wissenschaft ist für Hochschulabsolventen insgesamt vage. Zwar können Hochschulabsolventen davon ausgehen, nach dem Ende eines befristeten Vertrags oder im Falle einer (betriebsbedingten) Kündigung eine Anschlussbeschäftigung zu erhalten. Allerdings wissen sie nicht, an welchem Ort oder in welchem Betrieb (Schreyer 2001; Groß 2001). Ist räumliche Mobilität dann nicht gegeben oder problematisch, so sind die Möglichkeiten einer alternativen Absicherungsstrategie stark eingeschränkt. Diejenigen, die nun vor diesem Hintergrund grundsätzlich für einen längerfristigen Zeitraum in die Wissenschaft einsteigen, werden damit konfrontiert, dass sich allerdings die Berufschancen bei einem Umstieg aus der Wissenschaft in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit zunehmender Verweildauer im Bereich der Forschung verschlechtern (Enders 1996: 223). Das wiederum bedeutet, dass der Weg in die Wissenschaft zur Sackgasse werden kann. Ein zu später Umstieg kann dann zur Folge haben, dass dort die Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem in Form der seit den 1970er Jahren zunehmenden atypischen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen (vgl. Dietz/Walwei 2006; Fuchs 2003: 153f.; Keller/Seifert 1995: 234f.). Demnach muss ein Nachwuchswissenschaftler sich immer vergegenwärtigen, ob die Lage auf dem Arbeitsmarkt allgemein sich ihm günstiger darbietet als diejenige im Wissenschaftsbereich. Für die Arbeitsverhältnisse im Wissenschaftsbereich sind seit einer Novellierung des Hochschulrahmengesetzes im Jahre 1987 gesetzlich spezielle Befristungsregelungen geschaffen worden, um etwaige Ansprüche des wissenschaftlichen Mittelbaus auf Übernahmen in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse zu unterbinden (Klose 1996: 8). Eine Studie von Michael Bochow und Hans Joas stellte in Anbetracht der Debatte um diese Novellierung fest, dass die Betroffenen jene instabilen Beschäftigungsformen ambivalent beurteilen (Bochow/Joas 1987: 107). Als problematisch erachteten besonders jene Wissenschaftler diese Regelungen, deren Bemühen um eine wissenschaftliche Laufbahn weniger erfolgreich war. Andererseits sahen dieses vor allem jene als unproblematisch an, die ohnehin den Ausstieg aus der Wissenschaft planten. Die Eckpunkte jener gesetzlichen Regelung prägten auch spätere Gesetzesanpassungen. Nachdem das Verfassungsgericht 2004 entschieden hatte, dass dem Bund bei den Juniorprofessuren die Gesetzgebungszuständigkeit fehle und damit die bisherigen Befristungsregelungen en passant mit außer Kraft setzte,3 sah sich der Bundesgesetzgeber veranlasst, das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung 3
BVerfG, 2 BvF 2/02 vom 27.7.2004, Absatz-Nr. (1 - 184), http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs20040727_2bvf000202.html
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dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich (HdaVÄndG) als „Reparatur-Gesetz“ zu beschließen und sämtliche Bestimmungen zur Befristung von Arbeitsverträgen im Wortlaut der vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten 5. HRG-Novelle (§§ 57 a-f HRG) zu reaktivieren und zwar rückwirkend für alle Arbeitsverträge, die seit dem 23. Februar 2002 abgeschlossen wurden. Dieses Gesetz stellte den Status quo ante wieder her. Die Übergangsbestimmungen eröffnen aber ein deutlich erweitertes Zeitfenster: Beschäftigte, die bereits vor dem 23.02.2002 einen befristeten Arbeitsvertrag hatten, können ungeachtet der Bestimmungen über die zeitlichen Höchstgrenzen noch bis Ende Februar 2008 problemlos weitere befristete Arbeitsverträge erhalten. Bemerkenswert ist die Begründung für dieses großzügige Zeitfenster. Dieses solle dazu genutzt werden, Vorschläge - z.B. des Wissenschaftsrates, aber auch der Gewerkschaften - für eine Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten nach der Qualifizierungsphase weiterzuverfolgen und die Übernahme in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse unterhalb der Professur" zu erleichtern. Denn das gegenwärtige Befristungs- und Kündigungsrecht sei ein Hemmnis für wissenschaftliche Karrieren (Klein-Brabender 2004). Stets heftig umstritten waren bei den letzten Novellen die Regelungen zur Befristung von Arbeitsverträgen des wissenschaftlichen Personals. Die Kritik richtet sich gegen jene Klausel, welche den Zeitraum für befristete Verträge an Hochschulen auf 12 Jahre (bei Medizinern 15 Jahre) begrenzt und eine darüber hinaus gehende Tätigkeit eine unbefristete Stelle verlangt. Kritiker sehen diese Regelung als ein „de facto Berufsverbot“ an, da das Verbot befristet zu arbeiten nur gegenüber den Angestellten gilt, es aber fast ausschließlich befristete Stellen in der Wissenschaftswelt gibt - außer den seltenen und schwer erreichbaren Professuren (Herbert 2002). Im Vorgriff auf die Aufhebung des HRG erfolgte die letzte inhaltliche Revision durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVertrG) vom 12. April 2007, mit der die Regelungen der §§ 57a-f HRG aus dem HRG entfernt und in veränderter Form im WissZeitVertrG verankert wurden. Neu geschaffen ist die Möglichkeit zur befristeten Beschäftigung über die Qualifizierungsphase hinaus, wenn der Beschäftigte bei einem zeitlich begrenzten, überwiegend durch Drittmittel finanzierten Projekt mitarbeiten soll. Dazu müssen jedoch drei Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Die Beschäftigung muss überwiegend aus Drittmitteln finanziert sein. 2. Die Finanzierung muss für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt sein. 3. Der Mitarbeiter muss überwiegend der Zweckbestimmung der Drittmittel entsprechend beschäftigt werden.
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Eine Finanzierung aus Drittmitteln gilt dann als „überwiegend“, wenn mehr als 50 % der Finanzierung nicht aus Haushaltsmitteln des Arbeitgebers bestritten wird. Neu ist auch, dass durch das Gesetz Kindererziehungszeiten anerkannt werden. In der Qualifizierungsphase verlängert sich die insgesamt zulässige Befristungsdauer bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder um zwei Jahre je Kind (Bundesministerium für Bildung und Forschung o.J.). Das neue WissZeitVG wird von vielen Seiten beanstandet. Besonders die Tatsache, dass die §§ 57a ff. aus dem HRG in das Gesetz übernommen wurden, wird kritisch gesehen. Aber auch die Neuregelung einer Beschäftigung über die 12-Jahresfrist hinaus in einem Drittmittelprojekt betrachten viele Nachwuchswissenschaftler eher mit Skepsis. Vielen ist die Drittmittelvergabe trotz des Zuwachses der letzten Jahre einfach zu unberechenbar (Blöß 2007). Für die Frage nach dem Verbleib in der Wissenschaft dürften die Einschätzungen über die Arbeitsmarktlage insgesamt eine wichtige Rolle spielen. So ist besonders das Risiko einer Befristung für die Gruppe der Hochschulabsolventen gegenüber den Erwerbstätigen mit mittleren Abschlüssen grundsätzlich erhöht. Dieses erhöhte Risiko lässt sich eher mit demjenigen von gering qualifizierten oder ungelernten Arbeitnehmern vergleichen (Giesecke/Groß 2002: 97). Sektoral sind die Befristungen typisch „in Branchen mit erheblichen, aber vorhersagbaren Nachfrageschwankungen und mit hohen Anteilen gering qualifizierter Beschäftigung“ sowie im öffentlichen Dienst (Giesecke/Groß 2007: 85). Im öffentlichen Dienst sind Befristungen das zentrale Instrument zur Steuerung von Umstrukturierungen oder Personalanpassungen unter Vermeidung von Kündigungen. Vor dem Hintergrund der reduzierten oder stagnierenden Grundfinanzierung sowie des wachsenden Anteils von Drittmittelfinanzierung an den Hochschulen wird deutlich, dass dieses Modell der Personalbedarfsanpassung an die öffentliche Haushaltslage im öffentlichen Dienst insbesondere im Hochschulbereich Anwendung findet. Elemente der Begrenzung von Qualifikationsphasen mögen zwar eine Rolle bei der Ausgestaltung der rechtlichen Vorgaben spielen, es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass über auslaufende befristete Stellen Haushaltsmittel im Hochschulbereich einfach eingespart werden können. Ebenfalls bietet das Tarifrecht Einsparpotenziale. Die Beamtenbesoldungsgesetze und der bis 2005 bundesweit einschlägige Bundesangestelltentarifvertrag sehen – beziehungsweise sahen – für jüngere Beschäftigte eine geringere Entlohnung als für ältere vor. Der nun gültige Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder sieht für neu eingestelltes Personal geringere Vergütungen vor als für Personen, die länger bei ein und demselben Arbeitgeber arbeiten. Vor dem Hinter-
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grund stark begrenzter öffentlicher Mittel und stagnierender, beziehungsweise sinkender Grundfinanzierung begünstigt dieses hohe Fluktuationsraten, da in geringerem Maße Mittel verausgabt werden müssen. Auch bei Drittmittelprojekten kann es attraktiv werden, auf langfristige Beschäftigung derselben Personen zu verzichten, um Mittel für andere Ausgaben bei einer gegebenen Fördersumme nutzen zu können. Für die Beschäftigten ist Unsicherheit in diesem Zusammenhang die zentrale Kategorie. Unsicherheit besteht in einer diffusen Angst vor Veränderungen, Arbeitslosigkeit und Abbruch der Berufslaufbahn. Dieser diffusen Angst stehen positive Erfahrungen mit der inhaltlichen Seite der Arbeit im Wissenschaftsbereich gegenüber. Hierzu zählen unter anderem eine anspruchsvolle und abwechslungsreiche Arbeit und eine grundsätzlich hohe gesellschaftliche Reputation. Für Akademiker bieten sich eine weitgehende Unabhängigkeit und eine starke, individuelle Verhandlungsposition in Bezug auf die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen, einschließlich der Arbeitszeiten und der autonomen Gestaltung von Arbeitsformen. Das heißt der Wissenschaftsbereich offeriert eine Reihe besonderer Risiken, er bietet aber auch etliche Vorteile und Privilegien. Unabhängig von der jeweiligen Entscheidung für oder wider den Verbleib im Wissenschaftsbereich führt die zunehmende Dauer im Wissenschaftsbereich dazu, dass die hierin tätigen Personen mit erheblichen Unsicherheiten in der Lebensplanung konfrontiert sind. Familienplanung, gesellschaftliche Verankerung an einem Ort und der Aufbau stabiler Umfeldbeziehungen sind hiervon betroffen. Letztendlich bedeutet das, dass neben dem traditionellen, idealtypischen Aufstieg im Wissenschaftsbereich auf eine Lebenszeitstelle, vorzugsweise derjenigen der Professur, auf der horizontalen Ebene zwei idealtypisch konstruierte Extremwerte beziehungsweise Pole, zu finden sind. Der eine Pol ist definiert durch den Ausstieg aus der Wissenschaft, der andere durch ein Einrichten in den prekären Bedingungen der Wissenschaft.
Wissenschaft als besonderer Arbeitsmarkt Abbildung 1:
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Handlungsmöglichkeiten im Wissenschaftsbereich
Professur
Einrichtung in Prekarität
Ausstieg aus Wissenschaft
Für den wissenschaftlichen Nachwuchs ergeben sich also prinzipiell drei Richtungen, in welche sie idealtypisch ihre Karrieren weiterverfolgen können: 1. Fortgesetzte Orientierung auf die Professur: Prekarität ist dabei eine Übergangserscheinung, aus der heraus eine Dauerzeitstelle als Professor möglich wird. 2. Einrichten in der Prekarität: Die prekäre Beschäftigung wird als Dauerzustand angesehen, mit dem man sich arrangieren muss. 3. Ausstieg aus der Wissenschaft: Hierbei wirkt die vorhergehende Möglichkeit als abschreckendes Beispiel. Wir vermuten, dass es verschiedene Formen des Umgangs mit wissenschaftlicher Prekarität gibt. Außerdem erwarten wir gleichermaßen Zwischenstufen und hybride Formen.
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Dimensionen prekärer Beschäftigung im Wissenschaftsbereich
In welche Richtung sich wissenschaftliche Nachwuchskräfte konkret orientieren, hängt unseres Erachtens davon ab, wie die betreffenden Akteure ihre Lage selbst
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reflektieren. Die Schlüsselfrage ist dabei, ob - und in welcher Hinsicht - sie ihre Lage als prekär ansehen und welche Alternativen offen stehen. Die bereits erwähnte Studie von Brinkmann u.a. (2006) geht dabei von einem mehrdimensionalen Charakter von Prekarität aus. Sie untersucht eine reproduktiv-materielle, eine sozial-kommunikative, eine rechtlich-institutionelle, eine Status- und Anerkennungsdimension sowie eine Dimension der Arbeitsinhalte. Diesen Zugriff haben wir übernommen, da insbesondere die subjektive Wahrnehmung von Prekarität im Wissenschaftsbereich erfassbar wird. Wir haben für unsere Untersuchung diese Dimensionen mit wissenschaftsspezifischen Indikatoren unterlegt. Die Dimensionen prekärer Arbeit und ihr Bezug zur Arbeit im Wissenschaftsbereich machen deutlich, warum wir unsere Untersuchung sehr bewusst als qualitative Studie angelegt haben. Die Offenheit und die Flexibilität, die einem qualitativen Vorgehen zueigen ist, schienen uns adäquat zu sein, um Auskunft über die Indikatoren zu erhalten, welche dann Aufschluss darüber liefern, wie die Dimensionen von Prekarität selbst wahrgenommen werden und welche Strategien hiermit einher gehen. Wir haben bereits dargelegt, dass die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses gemessen am allgemeinen, wie am spezifisch akademischen Normalarbeitsverhältnis als überwiegend atypisch einzustufen ist. Insofern wohnt dieser Arbeit ein Prekaritätspotential inne. In dieser Untersuchung gilt es zu überprüfen, ob und in welcher Form dieses von den Betroffenen wahrgenommen und problematisiert wird. Wir rekonstruieren also Wahrnehmungen und Einschätzungen. Die Reflexion der eigenen Lage und der Umgang damit ist in der Forschung bislang nur unzureichend berücksichtigt worden. In den Klassikern der Wissenschaftssoziologie (z.B. Eulenburg 1908, Plessner 1924; Weber 1930) geschah dies nur andeutungsweise und war stärker von der Theorie als von der Empirie geprägt. Im Fokus standen dabei immer die Professur und der Karriereweg hierzu. Vor dem Hintergrund der noch wenig ausdifferenzierten akademischen Werdegänge war diese Perspektive verständlich. Auf der empirischen Seite lieferte die unter der Leitung Helmuth Plessners entstandene Göttinger Professorenstudie (Asemissen u.a. 1956 bzw. Busch 1956) wichtiges Material. In späteren Untersuchungen war hierin die Analyse des akademischen Mittelbaus vielfach problematisch, da vor dem Hintergrund der starken Stellung der Professoren die Bereitschaft über die eigene Lage zu sprechen sehr eingeschränkt war. Abgesehen von einigen qualifikations- und professionsbezogenen Arbeiten (u.a. Wilhelm 1978) steht die Forschung über den wissenschaftlichen Nachwuchs zu einem
Wissenschaft als besonderer Arbeitsmarkt Tabelle 2:
(1)
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Dimensionen der Prekarität und Indikatoren
Reproduktiv-materielle Dimension
(2)
Lebensplanung kann nicht über längeren Zeitraum erfolgen Größere Anschaffungen (Haus, Auto) sind nicht möglich Familienplanung wird behindert (insbesondere geschlechtsspezifisch untersuchen) Vermögen kann nicht aufgebaut werden oder muss sogar eingesetzt werden, um Forschungserfolg sicher zu stellen Materielle Lage bleibt hinter eigenen Erwartungen oder derjenigen der Vergleichsaltersgruppe zurück
Sozial-kommunikative Dimension
Einzelkämpfer, Projektmitarbeiter Kaum Kontakt zu „Kollegen“, wenn keine Lehrverpflichtung Homogenes Milieu Keine geregelten Arbeitszeiten Auflösung und Verlust des vorherigen Studienumfeld Abhängigkeit von Doktorvater/Doktormutter/Lehrstuhlinhaber Fehlende soziale Netzwerke für berufliches Fortkommen
Fehlender oder verminderte Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung Kündigungsschutz Interessenvertretung innerhalb der Forschungseinrichtungen setzt sich nicht für Beschäftigte ein Fehlende gewerkschaftliche oder berufsständische Interessenvertretung Beteiligungsmöglichkeiten in wissenschaftlichen Vereinigungen (DVPW, DGS u.a.) Vertragslaufzeit
(3)
Rechtlich-institutionelle oder Partizipationsdimension
(4)
Status- und Anerkennungsdimension
(5)
Nach Außen ist Tätigkeit schwer vermittelbar Es gibt kein Berufsbild „Doktorand“ Diskrepanz zwischen dem „Ist“ = Hochschulabschluss und dem „Sein“ = wiss. Hilfskraft o. ä. Innerhalb der Uni-Hierarchie unterer Rang
Arbeitsinhaltliche Dimension
Spezialist/in für ein bestimmtes Thema (Überqualifizierung) Andere Fähigkeiten werden vernachlässigt Nicht Abschalten können Verlust des Privatlebens Entwertung von Qualifikationen aus Studium, die nicht für den wissenschaftlichen Prozess verwertet werden können.
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überwiegenden Teil im zeitlichen Zusammenhang mit Novellierungen des Hochschuldienstrechts, beziehungsweise den Finanzierungsformen der Qualifizierung. So handeln einige Studien die Übergangssituation nach der Hochschulausbildung ab (Kerst/Minks 2005; Briedis/Minks 2004; Brüderl/Reimer 2002 mit weiteren Nachweisen) und eine andere Reihe an Studien thematisiert die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses allgemein (Bochow/Joas 1987; Holtkamp u.a. 1986; Holtkamp 2000; Enders 1996, 2002, 2003). Schließlich ergänzen Evaluationen von Institutionen der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung noch die Informationen über den Verbleib nach Abschluss einer Qualifikation (Enders/Mugabushka 2005; Frohwieser u.a. 2006; Funke u.a. 1986). Dieses überwiegend quantitativ ermittelte Material lässt jedoch nicht dezidiert und zugespitzt Rückschlüsse über die Prekarität der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Wissenschaftsbereich zu.
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Fallauswahl
Wir wissen, dass es beim Forschungsbetrieb erhebliche Differenzen zwischen den einzelnen Fächern und den einzelnen Standorten gibt. Wegen des explorativen Charakters unserer Arbeit haben wir uns daher exemplarisch auf drei Fächer konzentriert. Die Kluft zwischen den vorliegenden empirischen und quantitativen Befunden und den qualitativen Problematiken erfordert ein möglichst enges Untersuchungsfeld, mittels dessen wir feine Verästelungen, Spezifika und Details erkennen konnten. Wir haben uns zu diesem Zweck auf drei verschiedene Fächer mit unterschiedlichen Traditionen und Arbeitsmarktorientierungen festgelegt, die ihrerseits einen bestimmten Ausschnitt aus dem Wissenschaftssektor liefern und prinzipiell einem Vergleich zugänglich gemacht werden können. Natur- und Ingenieurwissenschaften haben wir dabei ebenso wie die Medizin ausgespart, da in diesen Fächern wissenschaftlicher Nachwuchs stärker auch im Zusammenhang mit privatwirtschaftlichem Engagement ausgebildet wird oder die Promotion de facto integrierter Teil der Primärausbildung ist.
5.1 Fachauswahl Germanistik Unsere Wahl fiel zum ersten auf die Germanistik als klassische Philologie mit deutlichem Ausbildungsbezug für den staatlichen Arbeitsmarkt, insbesondere für das Lehramt. Die personale Ausstattung der Universitäten ist sehr unterschiedlich. Im Vergleich der norddeutschen Hochschulen für die Jahre 2003/2004 waren an
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größeren Universitäten wie Kiel, HU Berlin, Göttingen, Hannover, aber auch in Potsdam in der Lehreinheit4 Germanistik zwischen 10 und 20 vollzeitäquivalente5 Professoren tätig. Die Universität Hamburg ragt mit 27 Vollzeitäquivalenten Professoren bei diesem Vergleichsring heraus, während die meisten Universitäten weniger als 10 vollzeitäquivalente Professoren beschäftigten (Dölle u.a. 2007: 75). Auf eine Professur entfallen im arithmetischen Mittel 1,5 weitere wissenschaftlich Beschäftigte (ebd.: 77). Dieses Fach bietet formal nur geringe unmittelbare Einstiege in den Arbeitsmarkt über das Segment der Schulen und der Hochschulen hinaus. In den kommenden Jahren verlassen im Schnitt jährlich rund 2.000 Absolventen in der zusammengefassten Fächergruppe Anglistik/Germanistik die Hochschulen, der Großteil davon Germanisten. Altersbedingt scheiden allerdings lediglich 700 bis 800 aus dem Erwerbsleben aus (Uni Duisburg-Essen o.J.), sodass mehr als jeder Zweite einen Beruf anstreben muss, der nicht originär für Germanisten ausgerichtet ist. Geisteswissenschaftler besitzen dabei aber durchaus gute Chancen, da sie oftmals Schlüsselqualifikationen mitbringen, welche sehr zentral in Auswahlverfahren berücksichtigt werden (Bundesagentur für Arbeit 2007b: 20). Ein großer Teil der ausgebildeten Germanisten, die nicht in Schule und Hochschule arbeiten, betätigt sich als Mitarbeiter von Verbänden, Organisationen oder Stiftungen (Kerst/Minks 2005: 59). Der Einstieg in den privaten Sektor erfolgt in der Regel als Quereinstieg durch außerfachliche Zusatzqualifikationen (Vähning 2002; ähnlich bereits Asemissen 1956: 135). Insofern ist die Germanistik per se prekär, was Perspektiven auf fachstudienadäquate Beschäftigung angeht. Lediglich das Lehramt ist hiervon etwas ausgenommen, obgleich auch hier ein deutliches Risiko von Arbeitslosigkeit besteht (o.V. 2006), da das Einstellungsverhalten in den Schuldienst sehr starken Schwankungen unterworfen ist. Zwei Drittel aller Absolventen in Sprach- und Kulturwissenschaften gaben an, dass die Arbeitsmarktgesichtspunkte bei der Wahl des Studiums keine oder nur eine geringe Rolle gespielt hatte. Dieser Wert liegt zwar oberhalb des Durchschnitts aller Fächer von 60 %, ist jedoch deutlich niedriger als in Fächern wie Architektur/Raumplanung, Physik, Biologie, Humanmedizin, Psychologie, Pädagogik. Die Bandbreite dieser Fächer führt zu dem Schluss, dass eine an ökonomischen Nutzenkalkülen orientierte Berufswahl eher die absolute Ausnahme zu sein scheint und inhaltliche Motivationen eine wesentlich größere Rolle spie4
5
Die HIS GmbH rückt in den Mittelpunkt des Ausstattungs-, Kosten- und Leistungsvergleich die kapazitätsrechtlich abgegrenzte Lehreinheit. Der Ausstattungs-, Kosten- und Leistungsvergleich der HIS GmbH berücksichtigt dabei tatsächlich Beschäftigte, nicht Planstellen.
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len (Briedis/Minks 2004: 28f). Dass Sprach- und Kulturwissenschaftler hiervon keine Ausnahme und im Vergleich zu vermeintlich „arbeitsmarktnahen“ Fächern wie Physik oder Humanmedizin sogar unterdurchschnittlich die Arbeitsmarktperspektive zum Motiv ihrer Studienwahl machen, überrascht. Bezieht man die Beurteilung des Werts des Studiums durch diese Gruppe jedoch ein, so fällt auf, dass 39 % der Absolventen eine Kombination aus Berufsinteresse und Bildungsorientierung wert schätzen. Dieser Wert ist der höchster aller Fächer (ebd.: 31). Sprach- und Kulturwissenschaftler scheinen folglich nach einem ausgewogenen Verhältnis aus inhaltlicher Kompetenz und beruflicher Befähigung zu streben und schätzen dabei ihre Berufschancen weder besonders pessimistisch noch besonders optimistisch ein. Sechs Monate nach dem Abschluss des Studiums gehen erst 40 % aller Absolventen der Fachrichtungen Sprach- und Kulturwissenschaften einer regulären Erwerbstätigkeit nach, nach 24 Monaten steigt diese Quote auf 50 % und erreicht nach fünf Jahren schließlich 86 % (Kerst/Minks 2005: 13; 42). Insgesamt verzerrt die Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Lehramtsstudierenden das Referendariat ableistet. So gehen fünf Jahre nach Studienabschluss nur knapp die Hälfte der Sprach- und Kulturwissenschaftler einer unbefristeten Erwerbstätigkeit in Vollzeit nach (ebd.: 47), während immerhin ein Achtel der erwerbstätigen Sprach- und Kulturwissenschaftler sich zu diesem Zeitpunkt noch im Referendariat oder einer vergleichbaren Position befindet (ebd.: 42). Die Promotionsintensität, gemessen als Zahl der abgeschlossenen Promotionen in Relation zur Zahl der Diplom-, Magister- und Staatsprüfungen ohne Lehramt, ist sowohl in Bezug auf alle Fächer (ohne Medizin) als auch auf die Fächergruppe der Sprach- und Kulturwissenschaftler unterdurchschnittlich und beträgt knapp ein Zehntel (Janson u.a. 2007: 70). Dieser Wert deckt sich grundsätzlich mit den Angaben über die Promotionsabsichten der Absolventen. Insgesamt streben 18 % der Sprach- und Kulturwissenschaftler eine Promotion an. Unter allen Absolventen will immerhin ein Drittel promovieren (Briedis/Minks 2004: 50), sowohl über alle Fächer hinweg als auch innerhalb der Gruppe der Sprach- und Kulturwissenschaftler lässt sich festhalten, dass ungefähr die Hälfte diesen Plan auch realisiert, sofern man die Daten von Janson u.a. (2007) eben mit jenen von Briedis/Minks (2004) in Vergleich setzt.6 Das bedeutet, dass die
6
Während Janson u.a. (2007) die Promotionsintensität an Hand der amtlichen Statistik ex post konstruieren und damit von der Grundgesamtheit ausgehen, haben Briedis/Minks (2004) die Promotionsbereitschaft ex ante per repräsentativer Befragung ermittelt und haben somit nur eine Stichprobe, deren subjektiven Einstellungen sie erfragen. Prinzipiell müssen diese unterschiedlichen Herangehensweisen sehr vorsichtig verglichen werden. Vorliegend haben wir aber
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Promotion in diesem Fach nicht die Regel und folglich die Konkurrenz um die Stellen für Promotion und Post-Doktoranden-Phasen im Vergleich zu den anderen Fächern eher gering sein müsste. Dieses spricht dafür, dass die an eine Promotion anschließenden Beschäftigungsmöglichkeiten im Wissenschaftsbereich eine geringere Bewerberzahl als in anderen Fächern erwarten lässt.
5.2 Fachauswahl Politikwissenschaft Als zweites Fach wurde mit der Politikwissenschaft ein „junges Fach mit alter Tradition“ (Alemann 1995: 22) untersucht. Die Lehreinheiten Politikwissenschaften7 im Ausstattungs-, Kosten- und Leistungsvergleich der HIS verfügen in der Regel über 3 bis 6 vollzeitäquivalente Professoren, lediglich Berlin und Hannover überragen mit jeweils 17 vollzeitäquivalenten Professuren die anderen Lehreinheiten deutlich, wobei Hannover noch Soziologie und Psychologie umfasst und deswegen schlecht vergleichbar ist. Im arithmetischen Mittel kommen auf einen Professor 1,4 weitere wissenschaftliche Mitarbeiter (Dölle u.a. 2007: 107). Anders als die Germanistik besitzt die Politikwissenschaft kein „natürliches“ Berufsfeld. Gleichwohl bestehen außerhalb der Wissenschaft im politiknahen Bereich oder in großen Organisationseinheiten einschließlich der Großkonzerne, eine Reihe von Tätigkeiten, die zum Studium unmittelbar adaptionsfähig und damit auch als fachadäquat gelten können (Alemann 1995: 62ff.). Politikwissenschaftler sind vielseitig verwendbar und wie alle Sozialwissenschaftler damit konfrontiert, dass die wenigsten Stellengesuche sich vorrangig oder ausschließlich an Absolventen ihrer Fachrichtung wenden. Sozialwissenschaftler konkurrieren mit Hochschulabsolventen anderer Fachrichtungen je nach Studienschwerpunkt. Bevorzugte Arbeitsfelder von Politologen sind neben Bildungsund Forschungseinrichtungen Marketing- und Medienfirmen, Unternehmensberatungen, Handel oder der Beruf als Journalist. Einzelne Traineestellen sprechen gezielt Geistes- und Sozialwissenschaftler an und vermitteln fehlende betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Dafür müssen Politologen kurzzeitige Lohneinbußen hinnehmen (Hinrichs 2007). Gleichwohl verdienen sie damit dennoch besser als auf einer (halben) Projektstelle an der Universität.
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in der Tendenz recht eindeutige Befunde, die auch unter Berücksichtigung größerer Konfidenzintervalle als signifikant einzustufen sind. Oftmals bestehen keine eigenständigen Lehreinheiten Politikwissenschaft, sondern die Politikwissenschaft wird in der Lehreinheit Sozialwissenschaft angeboten.
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Gänzlich einfach vollzieht sich der Berufseinsteig dennoch selten. Selbst in einer wirtschaftlich günstigen Phase gibt es nur geringe Anzeichen für eine Bewerberverknappung, wohl aber bessere Einstiegschancen für Berufsanfänger (Bundesagentur für Arbeit 2007c: 7-9). Dieses deutet daraufhin, dass Politikwissenschaftler latent Gefahr laufen, bei der Verstetigung ihres beruflichen Werdegangs Schwierigkeiten zu haben. Sozialwissenschaftler sind von Beginn ihres Studium an darauf eingerichtet, sich mit einer schwierigen Berufseinmündungsphase auseinanderzusetzen, können allerdings darauf vertrauen, dass es auch außerhalb der Universität einen Arbeitsmarkt mit attraktiv entlohnten und qualifikationsadäquaten Stellen gibt. Dieses Bild zeichnen auch Verbleibsstudien von Hochschulen. Geringe Arbeitslosenquoten, hohe Zufriedenheit mit dem ausgeübten Beruf und ein breit gefächertes Tätigkeitsfeld werden regelmäßig festgestellt (o.V. 2003). Obgleich sich für Politikwissenschaftler außerhalb des Wissenschaftsbereichs recht gute Berufsperspektiven ergeben, schließen Politik- und Sozialwissenschaftler insgesamt überdurchschnittlich oft eine Promotion ab. Die Promotionsintensität beträgt über ein Sechstel, liegt damit leicht über dem Schnitt aller Fächer (ohne Medizin) und doppelt so hoch wie der Schnitt der Fächergruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler (Janson u.a. 2007: 70). Die Promotion verbessert dabei keineswegs die Arbeitsmarktsituation, verschlechtert diese aber auch nicht unbedingt. Der Doktortitel ist zwar für den Wissenschaftsbereich unabdingbar, außerhalb der Wissenschaft kann dieser Titel Sozialwissenschaftlern jedoch auch sehr hilfreich sein. Hinsichtlich der Verweildauer im Wissenschaftsbetrieb beträgt bei Politikwissenschaftlern die durchschnittliche Dauer für eine Promotion 6,3 Jahre und für eine Habilitation 9,3 Jahre. Nach der Habilitation vergehen bis zur Professur nochmals 2,8 Jahre (Knodt u.a. 2004: 110).
5.3 Fachauswahl Wirtschaftswissenschaft Als drittes Fach haben wir uns für die Wirtschaftswissenschaften entschieden. Die jeweiligen Lehreinheiten8 verfügen in der Regel über 20 vollzeitäquivalente Professoren je Universität. Die Universität Hamburg verfügt über 37. Einige Universitäten (Greifswald, Potsdam, TU Berlin) beschäftigen etwas mehr als 10 8
Manche Universitäten trennen dabei zwischen Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre. Die hier genannte Zahl bezieht sich bei denjenigen Universitäten auf die Summe beider Lehreinheiten.
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vollzeitäquivalente Professoren. In den Lehreinheiten Wirtschaftswissenschaften entfallen auf jeden vollzeitäquivalenten Professor weitere 2,1 wissenschaftliche Mitarbeiter. Die gegenüber den beiden anderen Fächern bessere personelle Ausstattung je Professor ist vor allem auf eine höhere Grundausstattung und nicht auf eine höhere Drittmitteleinwerbung zurückzuführen. In den Wirtschaftswissenschaften werden je Professor rund 43.500 € Drittmittel eingeworben, während die Politikwissenschaften rund 90.000 € erzielt und die Germanistik rund 36.500 € einwirbt (Dölle u.a. 2007: 108f). Dieses vor allem in die Bereiche Betriebs- und Volkswirtschaftslehre unterteilte Fach9 weist eine hohe Arbeitsmarktorientierung auf und besitzt bei der Studienfachwahl eine sehr hohe Präferenz. Auf einen Studienplatz in der Betriebswirtschaft entfallen durchschnittlich 2,35 Bewerber. Allerdings bestehen zwischen den einzelnen Standorten erhebliche Differenzen. Während an den ostdeutschen Universitäten Freiberg, Greifswald, Halle und Magdeburg, sowie an den westdeutschen Universitäten Gießen, Marburg und Osnabrück ein deutlicher Überhang an Studienplätzen besteht, mit teilweise nur einem Bewerber auf vier Plätze (TU Freiberg), haben die Universitäten Düsseldorf, Köln, Mannheim, Mainz, München, Tübingen, FU und HU Berlin einen erheblichen Bewerberüberhang, auf einen Studienplatz kommen hier vier und mehr Bewerber. Die Universitäten Dresden und Potsdam melden neben der HU Berlin als einzige ostdeutsche Universitäten übrigens einen nennenswerten Bewerberüberhang (Staufenbiel u.a. 2002) Die Volkswirtschaftslehre hatte in Deutschland bis 1945 eine eigenständige Tradition mit vielfältigen Bezügen zu anderen Fächern, während sie sich nach dem Krieg in Bezug auf Methoden und Ausbildungsinhalten stärker an einem internationalen Kontext orientiert hat und somit in besonderem Maße davon geprägt ist, dass eine Abwanderung aus dem deutschen in andere Wissenschaftssystem leicht möglich ist (Ritschl 2002). Ihr Nachbarfach, die Betriebswirtschaftslehre, hat sogar einen noch ausgeprägteren Praxisbezug. Das Arbeitsfeld der Kaufleute reicht in alle Wirtschaftsbereiche. Für hochqualifizierte Wirtschaftswissenschaftler ergeben sich vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Bundesagentur für Arbeit urteilte, dass „abgesehen von den Juristen (…) keinem Beruf so viele Branchen offen [stehen] wie den Betriebswirten“ (Bundesagentur für Arbeit 2007a: 7). Dieser positive Befund für die Betriebswirte lässt sich auf die Volkswirte nicht im gleichen Maße übertragen. Dort dominieren öffentliche Verwaltungen, Sozialversicherungen, Hochschulen, Rechts-, 9
Hinzu kommen noch an einzelnen Universitäten Fächer wie Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsmathematik, Wirtschaftsinformatik oder Wirtschaftspädagogik.
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Steuer- und Unternehmensberatungen den Markt. Außerdem wird eine bemerkenswerte Konzentration auf bestimmte Zentren festgestellt. Wir haben beide wirtschaftswissenschaftlichen Fächer ausgewählt, weil es zwischen beiden Fächern in der Ausbildung erhebliche Überschneidungen gibt, sodass sich für die Absolventen oftmals in beiden Fächern ähnliche Perspektiven ergeben. So gilt für sämtliche Studierende eines wirtschaftswissenschaftlichen Faches der Befund, dass die Berufschancen überdurchschnittlich gut sind (Staufenbiel u.a. 2002: 18). Einer regulären Erwerbstätigkeit gehen 18 Monate nach Studienabschluss 90 % aller Universitätsabsolventen in Wirtschaftswissenschaften nach. Eine ähnliche Quote der Integration in den Arbeitsmarkt erreichen ansonsten noch Absolventen des Maschinenbaus, der Pharmazie, der Informatik und der Mathematik (Kerst/Minks 2005: 11ff.). Unbefristet beschäftigt sind fünf Jahre nach dem Studium 88 %. Keine andere Gruppe von Universitätsabsolventen erzielt eine derart hohe Quote unbefristeter Tätigkeiten (ebd.: 46). Die Betriebswirtschaftsabsolventen der Universitäten konkurrieren auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit jenen aus den Fachhochschulen. Dieses ist ein Spezifikum gegenüber den anderen beiden untersuchten Fächern. Bei der Promotion hingegen sind die Universitätsabsolventen weitgehend vor möglicher Konkurrenz durch Fachhochschulabsolventen geschützt. Hier besteht ein weitgehendes Monopol für Absolventen der Universitäten. Für Spitzenjobs in der Wirtschaft ist die Kombination Hochschulstudium plus Promotion eine Absicherung vor Konkurrenz durch Fachhochschulabsolventen. Hingegen stellt die Promotion selbst beim Berufseinstieg ein Jobrisiko dar, weil die Absolventen als promovierte Wirtschaftswissenschaftler erst verspätet in den Arbeitsmarkt eintreten. Das bedeutet, dass die Promotion selbst als Verlängerung der Studienphase aufzufassen wäre und diese mit Blick auf eine höher dotierte Tätigkeit auf sich genommen wird. Dabei wird das Risiko für bestimmte, typische Berufseinsteigerstellen (insbesondere Trainee) nach Abschluss der Promotion zu alt zu sein, in Kauf genommen (siehe auch Staufenbiel u.a. 2002: 97). Diese Risiken spiegeln sich auch in der Promotionsintensität wider. Mit knapp sechs Prozent schließen nur wenige Absolventen der Wirtschaftswissenschaften eine Promotion im Anschluss an ihr Studium ab. Lediglich das Fach Kunst/Kunstwissenschaft weist einen ähnlich niedrigen und nur das Fach Sport weist einen geringeren Wert auf (Janson u.a. 2007: 70; vgl. auch Kerst/Minks 2005: 43). Die Absolventenstudie von Kolja Briedis und Karl-Heinz Minks weist nur den Architekten und Pädagogen eine geringere Bereitschaft zu, eine Promotion anzustreben. Allerdings gelangt diese repräsentative Befragung aller Absolventen des Jahre 2001 zu dem Ergebnis, dass immerhin 17 % der Absolventen in
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den Wirtschaftswissenschaften eine Promotion anstreben und mithin rund drei Mal so viele Absolventen eine Promotion anstreben wie sie hinterher abschließen. Diese Schwundquote von Promotionsintensität zu Promotionsabsicht von ungefähr zwei Dritteln ist beachtlich, vergleicht man sie etwa mit der Schwundquote über alle Fächer hinweg, welche nur die Hälfte beträgt (siehe Briedis/Minks 2004: 50; Janson u.a. 2007: 70). Anscheinend trägt die Konkurrenz an gut dotierten außeruniversitären Arbeitsverhältnissen auch dazu bei, dass überdurchschnittlich viele Wirtschaftswissenschaftler die Promotion dann letztendlich als hohes Risiko ansehen und auf die Aufnahme selbiger verzichten oder diese nicht abschließen, da eine anderweitige Berufsperspektive vielversprechender erscheint und sich eher mit der in den Wirtschaftswissenschaften ausgeprägten beruflichen Karriereorientierung in Einklang bringen lässt. Dieses scheinen auch die Forschungseinrichtungen und Hochschulen zu registrieren und bieten Doktoranden in den Wirtschaftswissenschaftlern wie in den ebenfalls umworbenen Ingenieurswissenschaften tendenziell häufiger Anstellungen auf Stellen an als in den Geistes-, Kultur-, Rechts- und Sozialwissenschaften. Im Vergleich zu den Naturwissenschaftlern, die ebenfalls vielfach in festen Beschäftigungsverhältnissen promovieren, fällt bei den Wirtschaftswissenschaftlern die hohe Rate an Vollzeitstellen auf (so für Bayern Berning/Falk 2006: 32). Als nachrangig wichtig für die Berufsperspektive wird der Studienort eingeschätzt (Staufenbiel u.a. 2002: 62). Das bedeutet, dass Studierende unsere untersuchte Universität wahrscheinlich aus anderen Gründen auswählen als dem möglichen wissenschaftlichen Renommee. Dieses bestätigt sich auch. So schätzt der Direktor der zuständigen Einheit den Anteil von Studierenden aus der Region auf mittlerweile rund 80 %. Das früher existente Studienplatzvergabeverfahren der ZVS habe einen höheren Anteil externer Bewerber ergeben. Seitdem dieses weggefallen sei, habe der Anteil von Studierenden aus der Region zugenommen. Lakonisch wird in einem Ratgeber der Sachverhalt einer regionalen Bindung kommentiert: „Wo Waschmaschine und Herd der Eltern stehen, wird eben grundsätzlich auch gerne studiert“ (Staufenbiel u.a. 2002: 68).
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5.4 Räumliche Differenzierung Wir haben neben dem fachlichen Kontrast auch einen räumlichen einbezogen.10 Wir vermuteten, dass je nach regionalen Umfeldbedingungen unterschiedliche Strategien des Prekaritätsmanagements anzutreffen wären. Konzentrieren sich die Berufsperspektiven vor allem auf die Forschung mangels privatwirtschaftlicher Alternativen, so vermuteten wir eine besonders ausgeprägte Prekaritätsdynamik in der Wahrnehmung der Betroffenen. Bestünden am Standort der Forschungseinrichtung jedoch Ausweichmöglichkeiten in andere Tätigkeitsbereiche, so könnte die Prekaritätswahrnehmung dort gemildert sein, da Umstiege in andere Bereiche am selben Ort eine realistische Perspektive darstellten. Letztgenanntes könnte darüber hinaus auch auf die Forschungseinrichtung rückwirken, da auf dem Arbeitsmarkt diese stärker bestrebt sein müsste, die Wissenschaftler zu halten. Aus diesen Überlegungen heraus haben wir eines der auszuwählenden Institute in einer Stadt oder Region gewählt, in welcher die Universität eine untergeordnete Rolle für die Wirtschaftsentwicklung spielt, somit die Möglichkeiten eines Ausstiegs aus der Wissenschaft leichter möglich sind, ohne regional mobil zu werden. In Anbetracht des nicht klar strukturierten Marktes für Politikwissenschaftler erwarten wir, dass gerade deswegen der Ausstieg aus der Wissenschaft dann wahrscheinlicher wird, wenn in der Region ein entsprechendes Arbeitsangebot besteht. Wir haben uns deswegen entschlossen, das politikwissenschaftliche Institut in einer solchen größeren Stadt auszuwählen. Hierbei handelt es sich um eine Großstadt mit einer heterogen strukturierten Wirtschaft, die vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet. Die Arbeitslosigkeit konzentriert sich in der Stadt dabei vorwiegend auf geringer qualifizierte Personen als auf solche mit Hochschulabschluss. Für die Germanistik haben wir einen Standort ausgewählt, an welchem abseits der Universität keine bedeutenden Wertschöpfungseinheiten zu finden sind. Wir erhalten somit eine besonders starke Kontrastierung zum ersten Fall. Wir unterstellten, dass Germanisten in einer kleinen Universitätsstadt große Schwierigkeiten haben, außerhalb des Wissenschaftsbereichs beruflich Fuß zu fassen und sich deswegen im Wissenschaftsbereich notfalls auch in einer prekären Tätigkeit einrichten. 10
Wenn wir im Folgenden vereinzelt Detailinformationen über den regionalen Arbeitsmarkt ohne Angabe einer Quelle geben, so hat das den Hintergrund, dass wir die Anonymität der Befragungen wahren wollen. Eine Quellenangabe, welche eindeutig einen bestimmten Universitätsstandort benennt, würde zur Folge haben, dass wir unmittelbar angeben würden, wen wir interviewt hätten.
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Bei der Wirtschaftswissenschaft wiederum haben wir mit einem ostdeutschen Standort eine sehr besondere Konstellation ausgewählt. Während das Fach beziehungsweise die Fächer selber gute Beschäftigungsperspektiven eröffnen, sind auf dem regionalen Arbeitsmarkt immer noch die Folgen des wirtschaftlichen Transformationsprozess der Wendejahre 1989ff sichtbar. Allerdings gibt es regionale Differenzen. Einige der ostdeutschen Regionen haben wirtschaftlich zu Westdeutschland aufgeschlossen, oder weisen eine eindeutig positive wirtschaftliche Entwicklung auf. Vorzugsweise sind dies Standorte mit Forschungseinrichtungen (so z.B. für Sachsen Ragnitz 2004: 30) oder solche, in denen starke „ökonomische Entwicklungskerne“ bestehen (Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik 2006: 177). Je nach Zuschnitt der Studie werden mal zwölf Wachstumszentren in ganz Ostdeutschland, mal 13 Wachstumsstandorte im Umland von Berlin und mal nur eine einzige Region (Jena) als besonders wirtschaftsstark hervorgehoben (Jakszentis/Hilpert 2005: 56f). Wir haben, um die Fragilität dieser Entwicklungslinien besonders gut herauszuarbeiten, ein wirtschaftswissenschaftliches Institut herausgesucht, welches nach unserer Einschätzung einer solchen ostdeutschen Wachstumsregion grundsätzlich zuzuordnen ist. Wir vermuten, dass hier die Ambivalenz der Nachwuchswissenschaftler am größten sein wird, da sie zwar Alternativen zum Wissenschaftsbetrieb besitzen, welche sich auch teilweise in der Region befinden, zugleich allerdings ist ihnen bekannt, welche allgemeinen Schwierigkeiten sich auf dem regionalen Arbeitsmarkt ergeben. Abbildung 2: Idealtypischer Umgang mit den Handlungsdimensionen
Professur
Fall 3 Fall 1
Einrichtung in Prekarität
Fall 2
Ausstieg aus Wissenschaft
Gute Beschäftigungsmöglichkeiten im studierten Tätigkeitsfeld
Universität wichtiger, aber nicht einziger Arbeitgeber in der Region Wachstumsregion Ostdeutschland
Wirtschaftswissenschaft
3
Keine genauen ausbildungsadäquaten Tätigkeiten
Großstadtregion Wirtschaftlich eher stark Westdeutschland
Politikwissenschaft
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Ausbildungsadäquate Tätigkeit im Kontext des Faches eher mäßig
Universität Hauptarbeitgeber Region wirtschaftlich eher schwach Westdeutschland
Germanistik
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Fachliche Situation Arbeitsmarkt
Region
Fach
Übersicht zur Fallauswahl
Fall
Tabelle 3:
Arbeitsmarkt insgesamt angespannt, aber mit Entwicklungsmöglichkeiten
Große Zahl an Alternativen zur Wissenschaft für Hochqualifizierte
Alternativen zur Wissenschaft eher gering
Regionale Situation Arbeitsmarkt
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Bei allen drei Fällen bestehen in der Region auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die in mehr oder weniger enger Kooperation mit den jeweiligen Hochschulen stehen. Wir haben bei der Auswahl der Gesprächsteilnehmer auch versucht, diesem Umstand Rechnung zu tragen. In den Fällen 2 und 3 interviewten wir dezidiert Wissenschaftler, die an außeruniversitären Forschungseinrichtungen im regionalen Umfeld ihre Promotion erstellen beziehungsweise erstellten oder für diese Einrichtungen während ihres Studiums als Hilfskräfte arbeiteten. Im Fall 1 gelang uns dieses nicht. Unter Berücksichtigung unserer theoretischen Vorüberlegungen vermuteten wir, dass sich die jeweiligen Fälle idealtypisch innerhalb der skizzierten Handlungsdimensionen verorten ließen. In der empirischen Bestandsaufnahme galt es, diese Vermutungen nun zu überprüfen.
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Methodisches Vorgehen
Wir haben eine themenzentrierte, beziehungsweise fokussierte Befragungsweise (Merton/Kendall 1979) gewählt. So erhielten wir entsprechende vergleichbare Aufschlüsse über die Eigeneinschätzung der Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses. Alle Interviewpartner befanden sich zum Zeitpunkt des Interviews in einer wissenschaftlichen Qualifizierungsphase (Promotion, Habilitation) und verfügten über befristete Verträge oder über befristete Finanzierungen (z.B. Stipendien). Um vorab ein Verständnis für die Problematiken der einzelnen Einrichtungen zu erhalten, haben wir den Gesprächen mit Doktoranden und Assistenten jeweils Experteninterviews an den jeweiligen Standorten vorweg gestellt. Diese Experteninterviews hatten dabei sowohl explorativen, als auch systematisierenden Charakter (zur Begrifflichkeit siehe auch Bogner/Menz 2001). Explorativ waren die Experteninterviews in der Hinsicht, dass sie geholfen haben, fehlende Elemente des Leitfadens zu identifizieren, der in den Gesprächen mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs eingesetzt wurde. Systematisierend waren die Gespräche dahingehend, dass sie Wissen zugänglich gemacht haben über die Bedeutung des Faches, des Standorts und der jeweiligen Wissenschaftskarriere, welche sich dem Forscherteam des Instituts für Regionalforschung anderenfalls nicht erschlossen hätte. Anders als im reinen explorativen Interview, haben wir bereits vor den Gesprächen mit den Experten einen Entwurf unseres Fragebogens ausgearbeitet, mittels dessen wir die Nachwuchswissenschaftler dann befragt haben. Anders als im systematisierenden Interview wurden jedoch die Experteninterviews ohne einen eigenen Fragebogen geführt. Diese Forschung auf der Grenzlinie zwischen zwei Interviewformen resultierte daraus, dass wir in
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einem begrenzten Zeitraum ein Forschungsfeld explorativ erschließen und hierbei zugleich nutzbringende Ergebnisse erarbeiten wollten. Dazu bedienten wir uns entsprechend derjenigen methodischen Instrumente, die beiden Zielen möglichst optimal gerecht werden. Die Expertengespräche nutzten wir auch, um eine Gruppendiskussion in einem Kreis von Doktoranden und Diplomanden anzubahnen. Problematisch war es im Fall 1 das Expertengespräch zu führen, sowohl der amtierende wie auch der vorhergehende Direktor lehnten aus Zeitmangel ein Gespräch ab. Wir konnten aus diesem Grunde nur auf anderweitige Quellen (Evaluationsberichte, Studierende, persönliche Kontakte) zurückgreifen, um fragmentarisch einen Eindruck von der Einheit zu erhalten. Dafür war es uns ausschließlich im Fall 1 möglich ein Gruppengespräch zu organisieren. Grund für die Schwierigkeiten der Gruppendiskussion in den Fällen 2 und 3 war, dass wir zum Zeitpunkt des Projekts in die Endphase der Vorlesungszeit und in den Beginn der Urlaubszeit geraten sind und somit terminliche Koordinationen sich als schwieriger erwiesen als geplant. Für sämtliche Gesprächsformen galt, dass gemäß der anerkannten Forschungsethik in der qualitativen Forschung (Hopf 2004) allen Gesprächsteilnehmern bereits im Vorfeld eine entsprechende Anonymisierung zugesichert worden ist, damit freier und unbefangener über die eigene Situation berichtet werden konnte. Um die Gesprächsführung und Auswertung transparent zu machen, legten wir allen Interviewpartnern die Forschungsfrage, das Forschungsinteresse und die Hintergründe der Studie vor dem Gespräch dar. Wir hofften so, das Interesse für unsere Forschungsfrage nachhaltig bei den Befragten zu wecken. Die Gesprächsverläufe wurden stichwortartig protokolliert. Auf die Erstellung eines Wortprotokolls wurde verzichtet, allerdings wurden wichtige, zentrale Wendungen aus dem Gespräch wörtlich notiert. In den Einzelgesprächen mit wissenschaftlichen Nachwuchskräften griffen wir auf einen Leitfaden zurück. Dieser beinhaltete Fragen zum beruflichwissenschaftlichen Werdegang (Studienwahl, Berufsziele, Promotionsthema, motivation, vorherige Ausbildung), zum Arbeitsumfeld (Arbeitsumstände, Finanzierung, Einbindung in Lehre und Forschung), zur Zukunftsplanung (Perspektiven, Berufschancen, gewünschte Region) und sozialstatistische Merkmale (Geschlecht, Alter, Familienstand, Elternhaus). Außerdem wurden Fragen zur Reflexion gestellt (Würden Sie im Rückblick etwas anders machen?) Die Fragen wurden dabei flexibel eingesetzt, um einen Gesprächsfluss nicht zu behindern. Die Auswertung und Analyse der Interviews erfolgte unter Einsatz der bereits erläuterten Dimensionen für die prekäre Beschäftigung. Wir erhielten durch
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die Zuordnung der Interviewaussagen zu diesen Dimensionen bereits einen ersten Überblick, welche Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten sich bei den drei Untersuchungsfällen ergeben. Wir haben versucht, Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten der jeweiligen Interviews herauszuarbeiten und haben diejenigen Interviews zusammengefasst, die uns vergleichbar erschienen. Dazu haben wir versucht vergleichbare Lebensläufe und Lebensentwürfe einander zuzuordnen. Wir haben nach diesen Zuordnungen versucht, von den Einzelfällen zu abstrahieren und so Typologien zu beschreiben, welche sowohl weitergehenden qualitativen, wie quantitativen Untersuchungen zugänglich sind. In einem weiteren Durchgang haben wir das vorhandene Material nochmals unter dem Gesichtspunkt der Prekarität betrachtet und versucht Unstimmigkeiten bei den Typologien ausfindig zu machen. Wir haben sodann das Material nochmals neu geordnet. Schließlich haben wir unter Zuhilfenahme verfügbarer quantitativer Daten versucht unsere Typologien nochmals zu stützen und insofern auch zu validieren. Diese so entwickelten Typologien liefern im Ergebnis einen Eindruck über Entwicklungsprozesse und können zum Ausgangspunkt einer grundsätzlichen Debatte über die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses genutzt werden.
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Die Feldphase
Ausgehend von den Internetpräsentationen der beteiligten Einrichtungen wurden in einer ersten Welle jeweils 10 Personen des wissenschaftlichen Nachwuchses per E-Mail kontaktiert. Bei der Auswahl versuchten wir, Männer und Frauen angemessen zu berücksichtigen und sowohl die Promotions- als auch die PostDoc-Phase einzubeziehen. Der Rücklauf dieser ersten Anfrage verlief überraschend schleppend. Es folgten nur spärliche Rückmeldungen positiver wie negativer Art. Nach einer einwöchigen Frist wurden alle diejenigen, von denen keine Rückmeldung erfolgt war, nochmals mit einer Erinnerungsmail angeschrieben. Darüber hinaus wurden nochmals sechs bis acht weitere potenzielle Interviewpartner per E-Mail kontaktiert. Insgesamt verbesserte sich der Rücklauf ein wenig, allerdings mussten wir doch deutliche Differenzen zwischen den einzelnen Fällen feststellen. Im Falle 1 erhielten wir rasch die Rückmeldung von insgesamt fünf Interviewpartnern (vier Männer, eine Frau). Im Fall 2 erhielten wir einige positive wie negative Reaktionen. Von den insgesamt 17 angesprochnen Nachwuchswissenschaftlern meldeten zwei zurück, dass sie zeitlich wegen Forschungsreisen, beziehungsweise auswärtiger Verpflichtungen sich nicht in der Lage sahen, einen Termin zu vereinbaren, bekun-
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deten zugleich aber Interesse an der Arbeit. Positiv meldeten sich schließlich sechs Nachwuchswissenschaftler zurück, mit denen wir Interviewtermine vereinbaren konnten (zwei Frauen, vier Männer). Als besonders schwierig erwies sich nur der Fall 3. Wir haben hier zunächst eine Rückmeldung erhalten, allerdings in negativer Hinsicht, da die betreffende Person gegenwärtig nicht an dem untersuchten Hochschulstandort weilt, wohl aber bereit war, ein Telefoninterview zu führen. Erst in der Nachfassphase bekundete eine Nachwuchswissenschaftlerin ihre Bereitschaft, an der Befragung teilzunehmen. Da wir in der Zwischenzeit deutlich über zwanzig Wissenschaftler kontaktiert hatten, vermuteten wir bereits, dass hinter der fehlenden Rückmeldung mehr stecken würde als bloßer Zufall. Beim Experteninterview wurde seitens der Direktion der dortigen Volkswirtschaftslehre vermutet, dass in der Folge der Umstellung auf Bachelor- und Masterstrukturen möglicherweise die zeitliche Belastung zur Zeit vergleichsweise hoch sei. Wir nutzten deswegen die Gelegenheit und suchten unsere möglichen Interviewpartner unmittelbar vor Ort an ihrem Arbeitsplatz auf, riefen unsere E-MailAnfrage in Erinnerung und baten um einen Interviewtermin. Dabei bestand seitens der Wissenschaftler eine besondere Sorge, ob im Abschlussbericht irgendwelche Rückschlüsse auf den Ort, das Promotionsthema, den Lehrstuhl oder die eigene Person möglich sein würde. Wir konnten diese Sorgen nur durch nachdrückliche Hinweise darauf zerstreuen, dass wir sämtliche Angaben anonym und vertraulich behandeln würden und legten dar, dass wir somit nur wenige Rückschlüsse auf den Universitätsstandort im Endbericht zulassen. Nachdem wir diese Vorbehalte relativieren konnten, gelang es uns, insgesamt sieben Interviewtermine (fünf Männer, zwei Frauen) am Standort zu vereinbaren. Offensichtlich besteht eine immense Sorge darüber, dass die Reflexion über die eigene Lage dem Doktorvater oder der Doktormutter oder auch einem Dritten bekannt wird. Wir haben hierfür mehrere Hypothesen: Gerade weil im Fall 3 die Ausstiegsoption sehr real ist und dieses uns auch im Expertengespräch vermittelt wurde, scheint es denkbar, dass die betroffenen Personen unter keinen Umständen wollen, dass man davon erfährt. Geschützt werden soll dabei das Verhältnis zum Lehrstuhlinhaber, auf dessen Unterstützung und Zustimmung man angewiesen ist. Möglicherweise bestehen im Verhältnisse von Lehrstuhlinhabern zu ihren Assistenten und Mitarbeitern Probleme in der Hierarchie. Die Mitarbeiter würden sich davor schützen wollen, dass ihre Vorgesetzten davon Kenntnis erlangen. Denkbar wäre auch eine positive Identifikation mit der betreffenden Einrichtung, bei gleichzeitiger Kritik an bestimmten Praktiken innerhalb der
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Einrichtung. Möglicherweise fürchten die Wissenschaftler um den Ruf ihrer Einrichtung, falls Kritik als grundlegende Kritik aufgefasst werden würde. Möglicherweise gibt es aber auch eine grundsätzliche Zurückhaltung Ostdeutscher gegenüber Gesprächen dieser Art. Dafür spricht, dass die einzige Interviewpartnerin, die sich umgehend selbst bereit fand, aus Westdeutschland stammt. In allen drei Fällen konnten wir verschiedene Formen der Finanzierung der Qualifikationsphase (Planstelle, Stipendium, Lehraufträge, Hilfskraftstellen etc.) finden. Im Fall 3 überwiegen als einzigem Fall Anstellungen an der Universität auf Planstellen. Wie bereits festgestellt, sind Wirtschaftswissenschaften jedoch durch die bessere Grundausstattung diesbezüglich insgesamt gegenüber den anderen Fächern etwas begünstigt.
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Typologien
Während wir idealtypisch von drei Typen des Umgangs mit unsicherer Beschäftigung ausgegangen sind, haben wir in den Interviews fünf Typologien ermitteln können: Den Prekaritätsmanager Den karriereorientierten Idealisten Die fragile Mitte Den Gelegenheitswissenschaftler Den Übergangswissenschaftler 8.1 Prekaritätsmanager Der Prekaritätsmanager entspricht im Wesentlichen jener Idealtypologie, die wir für den Fall 1 angenommen haben. Der Prekaritätsmanager hat sein Studium bereits in Kenntnis dessen begonnen, dass berufliche Perspektiven unter Umständen in einer prekären Beschäftigung enden könnten. Er hat zwar vor diesem Hintergrund erwogen, verbliebene Sicherheitsoptionen wahrzunehmen und beispielsweise auf Lehramtsexamen studiert, dann allerdings entweder auf ein Magisterstudium gewechselt oder die Möglichkeit nicht wahrgenommen, anschließend das Referendariat zu absolvieren, da ihm der Einstieg in eine wissenschaftliche Tätigkeit dank guter Referenzen leicht eröffnet wurde. Sein besonderes fachliches Interesse ist seitens der Professoren gefördert worden. Auch sein
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Elternhaus, akademisch vorgebildet und materiell solvent, hat ihn bei diesem Weg sehr unterstützt. Der Prekaritätsmanager besaß die Möglichkeiten auf einer Stelle an der Universität oder im Umfeld der Universität zu promovieren. Dabei kamen neben Planstellen auch Projektstellen oder die Arbeit als wissenschaftliche Hilfskraft in Frage. Hieran schlossen sich weitere befristete Tätigkeiten an, während derer der Prekaritätsmanager bereit war, weitreichende Entscheidungen in seinem Privatleben zu treffen und entschied sich in Kenntnis der relativen Unsicherheit seines Beschäftigungsverhältnisses zur Familiengründung oder zum Kauf von Wohneigentum und ging dazu längerfristige Verbindlichkeiten ein. Das heißt, obwohl er eigentlich in reproduktiv-materieller Dimension Probleme haben müsste, längerfristige Pläne zu schmieden, empfindet er bereits kurzzeitige Sicherheiten als Perspektive. Wir fanden den Prekaritätsmanager interessanterweise nur im Fall 1. Dies entspricht unserer vorab getroffenen Vermutung, wonach die Konstellation des Falles 1 einen derartigen Typus idealtypisch hervorbringt. Die Habilitandenstudie des bayrischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung stützt dies mit dem Hinweis darauf, dass es in den Geistes- aber auch in den Naturwissenschaften jede fünfte Habilitation mehr als sechs Jahre bis zum Abschluss braucht (Berning u.a. 2001: 34). Folglich sind leichter Wissenschaftler in unsicheren Übergangslagen zu finden. Wir mussten allerdings feststellen, dass wir in den Fällen 2 und 3 induktiv auf die Existenz solcher prekären Wissenschaftsbiographien schließen konnten, wenn nämlich bei Gesprächen auf derartige Beispiele aus dem eigenen Bekanntenkreis verwiesen wurden. Es könnte sein, dass kein Prekaritätsmanager in den Fällen 2 und 3 zum Gespräch bereit war, weil hier möglicherweise keine Kultur des offenen Umgangs mit prekärer Beschäftigung besteht. Hierfür sprechen auch die Schwierigkeiten, die wir hatten, im Fall 3 Interviews zu vereinbaren, während sich im Fall 1 gerade diejenigen zurückmeldeten, die von prekärer Arbeit betroffen waren. Es scheint also in den Geisteswissenschaften eine stärkere Bereitschaft zu geben, sich selbst mit prekären Potenzialen auseinanderzusetzen. In den Wirtschaftswissenschaften eröffnen sich hingegen sehr gute Beschäftigungsmöglichkeiten mit soliden Verdienstperspektiven, und der Markt für Politikwissenschaftler scheint weit besser zu sein als sein Ruf, während Geisteswissenschaftler wohl unvermindert Schwierigkeiten haben, ein klar umrissenes Berufsbild zu beschreiben und damit auch Alternativen zur Wissenschaftskarriere wahrzunehmen. Daraus folgt, dass diejenigen im Fall 2 und 3, die sich in einer prekären Lage sehen, befürchten, dass sie als Verlierer wahrgenommen werden
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könnten und sich deswegen einem reflektierenden Gespräch hierüber verweigern. Der Prekaritätsmanager sieht gerade im Fall 1 vor dem Hintergrund seines fachlichen Profils in der Position befristeter Beschäftigung schon eine große Absicherung im Vergleich zu dem, was er auf dem Arbeitsmarkt außerhalb der Universität erwartet. Außerhalb der Universität müssen Absolventen versuchen über Praktika oder kurzzeitige Beschäftigung in der Privatwirtschaft einen Zugang zu einem Beruf zu finden. Insofern bietet der Verbleib an der Hochschule kurzzeitige Sicherheiten und zudem auch noch qualifikationsadäquate Beschäftigung. Trotzdem verzichtet ein Teil der Absolventen in der Germanistik hierauf, da er befürchtet, in eine Sackgasse zu geraten. So sehen einzelne Absolventen in den Magisterstudiengängen die Hochschulkarriere dann in erster Linie als Notnagel, wenn andere (prekäre) Formen des Berufseinstiegs entfallen sollten. Dieses Ergebnis legte jedenfalls das Gruppengespräch nahe. Möglich erscheint uns außerdem auch, dass es eine Verdrängung des Phänomens gibt. So schilderten uns Prekaritätsmanager, dass sie und Bekannte die Lage der prekären Beschäftigung erst dann als solche empfunden hatten, als die Befristungsgrenzen fast erreicht wurden oder Beschäftigungsverhältnisse ohne Folgetätigkeiten einfach ausliefen. Der Prekaritätsmanager orientiert sich zwar noch auf eine mögliche Professur und publiziert dazu in den einschlägigen Journalen und Magazinen, nimmt an Konferenzen teil und organisiert selber Tagungen, vertritt seine Interessen in den Gremien der Hochschule oder engagiert sich in den wissenschaftlichen Vereinigungen seines Fachs. Mit all diesen Aktivitäten engt sich aber mehr und mehr der Freundes- und Bekanntenkreis im außerwissenschaftlichen Bereich ein. Dem Prekaritätsmanager sind dabei die Altersgrenzen mancher Landeshochschulgesetze ebenso bekannt, wie er das Ende seiner Befristungszeit und die Befristungsobergrenzen fürchtet. Hinweise darauf, welchen bildungspolitischen Sinn die Befristungsregelungen hatten, empfindet er als „zynisch.“ Er sieht in den Befristungen „Berufsverbote“, hält die Regelungen vor dem Hintergrund eigener Befristungszeiten für eine „Katastrophe.“ Dieses Urteil verfestigt sich umso mehr, je näher er an die Befristungsgrenzen gerät und er feststellen muss, dass die anfangs so aussichtsreiche Professur doch in weiter Ferne zu sein scheint und Alternativen sich mehr und mehr erledigt haben, da er in arbeitsinhaltlicher Dimension bereits thematisch zu festgelegt ist. So sehen die Prekaritätsmanager ihre Chancen, außerhalb der Wissenschaft beruflich Fuß zu fassen als schlecht an, da sie sich für überqualifiziert halten.
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Mit zunehmender Verbleibszeit im Wissenschaftsbetrieb bekommt der Prekaritätsmanager Zweifel darüber, wie sein Leben und seine berufliche Tätigkeit weitergehen könnten. Dabei ist der Prekaritätsmanager schon redlich bemüht, sich allumfassend im Wissenschaftsbereich einzubringen und Gelegenheiten zu erschließen. Er bewirbt sich auf freie Stellen, oder schaut sich nach Drittmittelquellen um. Der Prekaritätsmanager hat dabei im Verlauf seiner wissenschaftlichen Laufbahn wiederholt an Ausstiege aus dem Wissenschaftsbereich gedacht. Dabei hat er günstige Gelegenheiten entweder in der Hoffnung verstreichen lassen, doch im Wissenschaftsbereich dauerhaft tätig werden zu dürfen, oder er hat erkennen müssen, dass er mit zunehmender Qualifikationsstufe mehr und mehr spezialisiert wurde und dass ihn potenzielle Arbeitgeber außerhalb des Wissenschaftsbereichs bereits als überqualifiziert ansahen. Der Prekaritätsmanager ist am Anfang seiner wissenschaftlichen Laufbahn noch fasziniert von der zwar vagen, aber doch greifbaren Hoffnung auf eine dauerhafte Tätigkeit im Wissenschaftsbereich. Im Laufe der Zeit wird aus Faszination dann Frustration. Die Befristungszeiten waren ihnen ursprünglich als Brücke in die Lebensstellung angeboten worden. Prekaritätsmanager erleben, dass sie aber eingesperrt sind in befristeten Stellen und sie fürchten den „Drehtüreffekt“ (Dietz/Walwei 2007b: 174), der sie in die Arbeitslosigkeit bringen kann. Prekaritätsmanager sichern ihre Existenz auch dadurch ab, dass der jeweilige Lebenspartner, die jeweilige Lebenspartnerin, einen Beruf nachgeht, der dauerhaft ein Auskommen sichert. Der jeweilige Partner hat dazu mitunter selbst eine wissenschaftliche Laufbahn ausgeschlagen, um für die gemeinsame Familie die Sorge zu übernehmen. Dadurch mindert der Prekaritätsmanager sein prekäres Potenzial in der rechtlich-institutionellen ebenso, wie in der reproduktivmateriellen Dimension ab beziehungsweise verlagert es. Räumlich hat er sich darauf eingestellt, mobil bleiben zu müssen, wobei es ihm große Sorge bereitet, eigenen Kindern einen Schulwechsel zuzumuten.
8.2 Karriereorientierter Idealist Der karriereorientierte Idealist ist sehr von sich und seiner Qualifikation überzeugt. Er hat nach einem guten Schulabschluss zügig sein Studium absolviert. Die Regelstudienzeit sieht er hierbei als Obergrenze an. Ein längeres Studium ist aus seiner Sicht Zeitverschwendung. Trotzdem hat er sowohl seine Fächerkombination, als auch seinen Abschluss ausschließlich daran ausgerichtet, was ihn inhaltlich interessiert. Erfolg im Studium ist ihm der sichere Schritt in eine auskömmliche Berufstätigkeit, unabhängig vom studierten Fach. Auf Grund seines
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Erfolgs sieht er es als logisch an, dass hiernach das Angebot folgte, an einem Lehrstuhl angestellt zu werden. Der karriereorientierte Idealist hat selten ein konkretes Berufsziel vor Augen, er favorisiert aber eine berufliche Anstellung innerhalb der Universität. Er ist davon überzeugt, dass er prinzipiell auch außerhalb der Wissenschaft reüssieren kann und ist sich über die jeweiligen Schwierigkeiten der Berufseinmündung prinzipiell bewusst. Er verbindet seinen Verbleib in der Universität daher mit der klaren Option, dort Erfolg zu haben. Karriereorientierte Idealisten suchen sich eine solche Promotionstätigkeit nicht zwingend an ihrer Studienuniversität aus. Eine exponierte Stellung derjenigen Universität, an der sie promovieren, ist ihnen wichtig, aber nicht alleine ausschlaggebend. Vielfach kennen sie ihren Doktorvater nämlich bereits aus der Lehre an ihrem Studienort. Dort nahm dieser eine Vertretungsprofessur wahr, hielt Vorträge oder Kolloquien ab, oder arbeitete dort vor einem Ruf als Assistent. Dem karriereorientierten Idealisten kommt es darauf an, im Umfeld und in Kooperation mit seinem wissenschaftlichen Mentor arbeiten zu können. Stimmen die Rahmenbedingungen an der jeweiligen Studienuniversität, verbleibt der karriereorientierte Idealist auch dort, sucht dann aber Anschluss an außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Im Zuge der oftmals damit verbundenen räumlichen Veränderung ist der karriereorientierte Idealist bereit, in der sozialkommunikativen Dimension Abstriche in Kauf zu nehmen. Der karriereorientierte Idealist ist bestrebt, diesen Mangel zu kompensieren, in dem er einerseits Kontakte zu seinen Studienkollegen aufrecht erhält und andererseits versucht, Anschluss an den Lehrstuhl zu finden. Der karriereorientierte Idealist empfindet die reproduktiv-materielle Dimension seines Handelns durchaus als prekär. Immerhin entspricht sein Verdienst nicht dem, was eigentlich seiner Qualifikation entspricht. Grundsätzlich akzeptiert er diese Lage jedoch als Übergangslage. Dafür ist er einverstanden, zunächst auf einer halben Stelle zu arbeiten, was zur Folge hat, dass er sich bei seinen Ausgaben einschränken muss. Er versucht seine materielle Lage noch dadurch ein wenig aufzubessern, dass er wissenschaftlich inspirierte Publikations- und Vortragstätigkeiten außerhalb der Wissenschaft entfaltet. Dieses Vorgehen verbessert nicht nur sein materielles Auskommen, sondern hilft ihm auch, ein Standbein außerhalb der Wissenschaft aufzubauen. Der karriereorientierte Idealist scheut es in Anbetracht der Herausforderungen und seiner eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten jedoch, feste Bindung einzugehen, eine Familie zu planen, Wohneigentum zu erwerben oder für das Alter vorzusorgen. Er möchte zunächst unabhängig bleiben, bis sein Karriereweg endgültig feststeht. Bindungen, insbesondere Familie sieht er als potenzielles Hindernis an, wenn es gilt,
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mobil zu sein. Der karriereorientierte Idealist verzichtet deswegen meistens auf Ehe oder Kinder, solange er kein gesichertes Einkommen hat. Der karriereorientierte Idealist befürchtet ausgeprägt in den Fällen 1 und 3 schon während der Promotion in arbeitsinhaltlicher Dimension durch seine Spezialisierung auf ein bestimmtes Thema in eine prekäre Lage abzurutschen. Im Fall 2 wird dieses eher negiert. Wir führen dieses darauf zurück, dass karriereorientierte Idealisten in der Wirtschaftswissenschaft, wie in der Germanistik durch ihre Promotion eine besondere Vertiefung eines Teilbereichs oder sehr spezifische Fragestellungen innerhalb des Fachs vornehmen. Da dieser Teilbereich beispielsweise im Rahmen von Magisterstudiengängen bereits ein eigenes Studienfach darstellt, wird die Promotion als besondere Spezialisierung gewertet. Politologen hingegen vertiefen ihr Wissen eben nur in einem Teilbereich des gesamten Faches und sind nach ihrer Promotion nicht zwingend derart spezialisiert. Eine Ausnahme stellen jedoch jene karriereorientierten Idealisten dar, die in strukturierten Promotionsprogrammen arbeiten und hier eine besonders exponierte Wissenschaftsorientierung an den Tag legen. Hier wird auch in arbeitsinhaltlicher Hinsicht die eigene Lage als prekär eingeschätzt. Den Ambitionen seines Doktorvaters ordnet sich der karriereorientierte Idealist in der Promotionsphase unter. Im Rahmen seiner Karriereorientierung erachtet er es daher als sinnvoll, Hilfstätigkeiten und Zuarbeiten für den Doktorvater und Lehrstuhlinhaber zu leisten. Er übernimmt von diesem vereinzelte Vortragsanfragen, bereitet Aufsätze vor, die unter dem Namen seines Betreuers veröffentlicht werden und unterstützt diesen insbesondere bei der Lehrtätigkeit. Der karriereorientierte Idealist beklagt sich zwar über Zeitmangel bei der Bewältigung der Dissertation und sucht nach Wegen seine Belastungen zu vermindern. Ganz überwiegend arrangiert er sich jedoch mit dem Mechanismus der Unterordnung und Zuordnung. Es ist anzunehmen, dass karriereorientierte Idealisten eher zur Minderheit im Wissenschaftsbetrieb gehören. Aus der bayrischen Habilitandenstudie gibt es Angaben darüber, dass über alle Fächer hinweg 76 % aller Habilitanden die hierarchische Struktur als Hindernis ihrer Selbstständigkeit ansehen und 46 % die Weisungsgebundenheit beklagen (Berning u.a. 2001: 41). Der karriereorientierte Idealist beklagt sich hierüber nicht, da er nämlich davon ausgeht, dass sich ihm im Gegenzug so der Zugang zu wissenschaftlichen Zirkeln eröffnen werde, welche ihm für spätere Tätigkeiten an der Universität nützlich sein könnten. Dabei verlässt er sich grundsätzlich auf seinen Mentor. Eigene Publikationstätigkeiten in Fachzeitschriften stellt er ebenso zunächst hinten an, wie er sich in den wissenschaftlichen Vereinigungen zurückhält. Wird er dort dennoch unabhängig von seinem Mentor aktiv, so spielt er seine eigene
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Bedeutung herunter. Dem karriereorientierten Idealisten genügt es, seine wissenschaftlichen Fähigkeiten in der Zeit nach der Promotion in einschlägigen Journalen und Magazinen zu entfalten. Bei karriereorientierten Idealisten handelt es sich durchgängig um Männer. Anscheinend ist der hier gewählte Karriereweg in der Wissenschaft keiner, der für Frauen eine besondere Attraktivität beinhaltet. In diesem Zusammenhang ist die zusammenfassende Darstellung von Antonia Kupfer über die Schwierigkeiten von Frauen beim Aufbau einer Wissenschaftskarriere beachtenswert (Kupfer 2004: 155ff) sowie die empirischen Befunde der bayrischen Habilitandenstudie (Berning u.a. 2001: 49f). Meist männlich dominierte Netzwerke haben eine Wissenschaftskultur hervorgebracht, in der Verbindungen, Abhängigkeitsverhältnisse und Kontakte zentral sind, um Stellenbesetzungen langfristig und unabhängig von Leistung und Qualifikation zu realisieren. Dieses scheint Frauen sehr grundlegend abzuschrecken. Genau diesem Modell unterwirft sich der karriereorientierte Idealist jedoch, ja er spricht teilweise offen vom „Deal“ den er mit seinem Mentor eingegangen ist. Sozialstrukturell setzt sich die Gruppe der karriereorientierten Idealisten sowohl aus Personen zusammen, in deren Familie die Eltern bereits über einen akademischen Hintergrund verfügten, als auch aus solchen Personen, die einen Bildungsaufstieg vollzogen haben. Letztere gehören allerdings nur dann zur Gruppe der karriereorientierten Idealisten, sofern sie bereits während des Studiums durch ein Stipendium gefördert wurden. Der karriereorientierte Idealist weiß um die Notwendigkeit und Wichtigkeit seiner eigenen Promotion. Für die Zeit im Anschluss an seinen befristeten Vertrag am Lehrstuhl kennt der karriereorientierte Idealist bereits die Wege, die zur Folgefinanzierung führen. Der Prekaritätsmanager ist ihm ein abschreckendes Beispiel. Doch der karriereorientierte Idealist vertraut darauf, nicht so zu werden. Entsprechend wenige Probleme bereiten ihm zunächst die Befristungsregelungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Insgesamt zwölf Jahre hält er für eine auskömmlich lange Zeit. Auch hier ist möglicherweise eine geschlechtsspezifische Haltung festzustellen, die im Einklang mit den Befunden der bayrischen Habilitandenstudie steht. In dieser waren es dezidiert Männer, welche mehrheitlich eine zügige Habilitation als maßgeblich für ihre weitere Karriere empfanden, während zwei Drittel der Frauen dieses dezidiert verneinten (Berning u.a. 2001: 70f.). Obwohl der karriereorientierte Idealist für sich keinerlei Probleme mit der Befristung sieht, ist er empathisch und kann beurteilen, dass es Konstellationen geben kann, in denen diese Befristungsregelungen zu Problemen führen. Die
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Situation von Arbeitskollegen ist ihm dabei persönlich eine Warnung. Der karriereorientierte Idealist denkt nämlich durchaus darüber nach, ob sein Verbleib an der Hochschule dauerhaft sein kann. Dazu setzt sich der karriereorientierte Idealist einen Zielzeitpunkt. Gelingt es ihm bis dahin nicht, denjenigen Erfolg (feste Anstellung, Juniorprofessur, Professur) realisiert zu haben, so betont er, dass er konsequent die Alternativen ergreifen würde. Diese können auch in einer wissenschaftlichen Laufbahn außerhalb Deutschlands liegen. Er kann sich aber genauso gut vorstellen, der Wissenschaft den Rücken zu kehren. Fraglich ist, ob seine Orientierung auf die Wissenschaft zu diesem Zeitpunkt noch genügend Alternativen zulässt. Aus diesem Grund pflegt der karriereorientierte Idealist während seiner wissenschaftlichen Weiterqualifikation weiterhin eng seine Studienkontakte, um darüber Anschlussmöglichkeiten an den Arbeitsmarkt aufbauen zu können. Außerdem legt der karriereorientierte Idealist seine Publikations-, Vortrags- und Arbeitstätigkeit nicht alleine auf den Wissenschaftsbereich aus. Er sucht daher den Kontakt zu Institutionen, Praktikern oder Medien. Folglich meint der karriereorientierte Idealist sich nicht wie der Prekaritätsmanager auf den Wissenschaftsbereich alleine zu konzentrieren. Der karriereorientierte Idealist kam in allen Fällen vor. Differenzen bestanden in der Einschätzung der prekären Lage bei der arbeitsinhaltlichen Dimension. Hier wird im Fall 1 und 3 diese Gefahr durchaus gesehen, im Fall 2 nicht. Ansonsten stuft der karriereorientierte Idealist seine Lage zwar ambivalent ein, sieht jedoch in den Rahmenbedingungen an den Hochschulen nur wenige Probleme für sein Fortkommen, obgleich er sich stark eingespannt sieht. Durch die Karriereorientierung und seine klare zeitliche Perspektive meint er, das Risiko zum Prekaritätsmanager zu werden verringern zu können. Allerdings besteht die Gefahr, dass der karriereorientierte Idealist durch seine fachliche Spezialisierung den geplanten Ausstieg aus der Wissenschaft nicht realisieren kann. Dieses hätte dann zur Folge, dass die Lage des karriereorientierte Idealisten mehr und mehr unsicher wird. Das Risiko wächst mit zunehmendem Alter und zunehmenden Verbleib in der Wissenschaft eindeutig.
8.3 Die fragile Mitte Die fragile Mitte setzt sich aus Nachwuchswissenschaftlern zusammen, die bereits im Studium stringent, eigeninitiativ und karriereorientiert, allerdings nicht alleine in Richtung Wissenschaft studiert haben. Anders als die karriereorientierten Idealisten haben sie dabei ihr Studium immer mit Blick auf etwaige Erfor-
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dernisse des Arbeitsmarktes ausgerichtet. Dazu gehörte es, die Fächer, die Studienschwerpunkte und Praktika so auszuwählen, dass sie in irgendeiner Weise für den Arbeitsmarkt adaptionsfähig sind. Die fragile Mitte bedenkt daher bei jedem weitergehenden Qualifikationsschritt gründlich, ob er ihr für den Lebenslauf hilfreich ist. In dem Maße, wie die fragile Mitte schon während oder auch bereits vor dem Studium Schritte unternimmt, die eigene Marktposition zu verbessern, wird auch eine Wissenschaftslaufbahn dem Grundsatz nach angelegt. Zur fragilen Mitte zählen diejenigen Nachwuchswissenschaftler, die auf eigenständige Forschung, eigene Qualifikation und eigenes Fortkommen setzen. Die fragile Mitte emanzipiert sich stärker von ihrem Doktorvater als die karriereorientierten Idealisten. Sie bringen sich selbstständig in die Forschung ein, nehmen an Kolloquien, Tagungen und Konferenzen teil, publizieren in einschlägigen Journalen oder Zeitschriften. Gleichwohl ist die fragile Mitte nicht restlos davon überzeugt, dass sich ihre Qualifikation und ihre Aktivität in eine adäquate wissenschaftliche Tätigkeit umsetzen lassen. Die fragile Mitte ist skeptisch gegenüber den denkbaren Möglichkeiten einer Wissenschaftskarriere. Zwar hofft die fragile Mitte auf eine Möglichkeit, eine Nische zu finden, doch die Frage der Wissenschaftslaufbahn wird sehr ambivalent beurteilt. Die fragile Mitte sieht mit Sorge, dass sie möglicherweise einem eher diffusen Lebensplan anhängen könnte und dass die im Studium oder auch in einer vorhergehenden Berufsausbildung erworbenen Qualifikationen bei zu langem Verbleib in der Wissenschaft entwertet werden könnten. Verfolgt die fragile Mitte eine Wissenschaftslaufbahn allerdings, so will sie sich unabhängig vom Elternhaus finanzieren. Die fragile Mitte willigt dabei anfangs in der reproduktiv-materiellen Dimension durchaus in eine prekäre Lage ein, will dies aber möglichst nicht längerfristig auf sich nehmen. Nimmt diese Dimension zu sehr überhand oder hält die Phase des Übergangs zu lange an, so trägt dieses dazu bei, dass sich Wissenschaftler dieses Typus aus der Wissenschaft zurückziehen oder gar auf die Fortsetzung einer Wissenschaftslaufbahn gänzlich verzichten. Wissenschaftler der fragile Mitte orientieren sich für ihre Promotion an der Materie, die sie in ihrer Examensarbeit bereits bearbeitet haben, da sie den Forschungsstand kennen und wissen, welche Schritte in ihrer Arbeit zu beachten sind, um zügig abzuschließen. Dabei sind sie bezogen auf die Materie intrinsisch motiviert. Sie haben zugleich ihr berufliches Fortkommen im Blick. Sie schließen Optionen außerhalb einer Wissenschaftslaufbahn keineswegs aus und wollen
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diese Optionen nicht durch einen zu langen Verbleib im Wissenschaftsbereich und durch eine etwaige Überqualifikation gefährden. Sie haben dabei ihren vorherigen Ausbildungsweg stets den jeweiligen Anforderungen an sie selbst, wie den vermutlichen Erwartungen Dritter angepasst. Sie haben Praktika absolviert in der Annahme, dass dieses einem späteren beruflichen Fortkommen nützen könnte. Sie haben auch vielfach einige Zeit im Ausland verbracht. Verlängerte sich die Studienzeit, hat die fragile Mitte hierfür plausible Gründe. Auslands- oder Praktikumssemester werden dabei ebenso angeführt, wie fehlendes methodisches oder inhaltliches Wissen, welches als unabdingbar für das weitere Vorgehen angesehen wird. Sie vertiefen also ihr Wissen in der Annahme, dass dieses essentiell sei, um beruflichen Erfolg zu erlangen. Sofern es als sinnvoll angesehen wurde, haben sie schließlich vor ihrem Studium eine berufliche Ausbildung absolviert. Ergeben sich andere Optionen und Berufsmöglichkeiten, so werden sehr bewusst solche Schritte überdacht und es wird abgewogen, welche weiteren Optionen sich dadurch ergeben oder ob dadurch Alternativen wegfallen. So, wie die fragile Mitte ihre Ausbildung angelegt hat, geht sie in ihrer wissenschaftlichen Karriere vor. Sie schließt sich den wissenschaftlichen Fachvereinigungen an, oder baut eigene fachbezogene Netzwerke auf, sie publiziert in einschlägigen Journalen, besucht Konferenzen, sie engagiert sich in Vereinen oder Initiativen, die mit ihrem Thema zu tun haben. Sie vernetzt sich mit denjenigen Wissenschaftlern, welche in einem ähnlichen Themenbereich forschen. Wissenschaftler der fragilen Mitte verinnerlichen für ihre Laufbahn das Konzept des Karrieremanagements, des ,Wissen warum, wie und wen’ (Arthur u.a. 1995) und setzen dabei stärker als die karriereorientierten Idealisten auf Eigeninitiative. Sie sind mit der Einbindung in den Hochschulbetrieb tendenziell unzufrieden. Oftmals waren bei den Inhabern von Planstellen Klagen über die Belastungen in der Lehre zu vernehmen. Wissenschaftler der fragilen Mitte sind zur räumlichen Veränderung immer dann bereit, wenn sie damit günstiger in ein passendes wissenschaftliches oder persönliches Umfeld eingebunden werden. Hieran werden aber sehr strenge Kriterien angelegt. Die fragile Mitte betrachtet hierzu sämtliche Vor- und Nachteile und berücksichtigt sowohl wissenschaftliche wie private Faktoren. Ein mutmaßlich gutes wissenschaftliches Umfeld alleine genügt der fragilen Mitte nicht. Grundsätzlich verbleiben deswegen die meisten auch für die Zeit der Promotion, wie auch der Post-Doc-Phase, an derjenigen Universität, an der sie studiert haben.
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Wissenschaftler der fragilen Mitte verzichten für wichtige Qualifikationsschritte auf Freizeit oder gehen einem Nebenjob nach, falls die Einnahmen aus der wissenschaftlichen Arbeit zum Bestreiten des Lebensunterhalts nicht ausreichen. Sie suchen nach Wegen, um ihre Familie, beziehungsweise ihr privates Umfeld möglichst mit ihrem beruflich-wissenschaftlichem Fortkommen zu vereinbaren. Sie sind bereit, dafür bis an die Grenze der Erschöpfung zu gehen. In sozial-kommunikativer Hinsicht empfinden sie ihre Lage meistens als prekär, oder sehen Gefahren in eine prekäre Lage zu geraten. Sie sehen für ihr wissenschaftliches Fortkommen die unsicheren Beschäftigungsformen und die Befristungen durchaus als Problem an. Sie versuchen anfangs, sich den Rahmenbedingungen anzupassen. Sie finden dabei Wege, um in rechtlich-institutioneller Hinsicht Prekarität zu vermeiden. So werden Wege gesucht und gefunden, die Absicherung durch die Sozialversicherung bestmöglich auszugestalten. Die fragile Mitte hat dabei aber immer die Gefahren durch den Verbleib in einer solchen Lage vor Augen. Sie sehen im privaten Umfeld und in der Planung des gesamten Lebenslaufes erhebliche Probleme mit diesen Rahmenbedingungen verbunden. Die Befristungsklauseln werden als prinzipielles Hindernis angesehen, um private Dispositionen wie Familiengründung, Wohnungseigentum erwerben oder Rentenvorsorge zu realisieren. Dieser Punkt führt dazu, dass die fragilen Mitte mit der Zeit latent zweifelt, ob sie in Anbetracht ihres gesamten bisherigen Lebenslaufs nach Abschluss ihrer laufenden Qualifikationsphase in der Wissenschaft verblieben soll. Dabei spielt auch die soziale Herkunft eine Rolle. Sofern die jeweiligen Elternhäuser am weiteren Erfolg Zweifel hegen, begünstigt dieses eine Entscheidung gegen den Verbleib in der Wissenschaft. Sie befürchten ohne längerfristige Perspektive als Nomaden im Wissenschaftsgeschäft zu enden. Die dauerhaft prekäre Lage in der reproduktiv-materiellen Dimension wird als Bedrohung für die weitere biografische Planung angesehen. Da die fragile Mitte im Wissenschaftsbereich sehr kommunikativ tätig ist und gut mit den anderen Typen wissenschaftlicher Arbeit vernetzt ist, kennt sie dauerhaft prekäre Lagen von anderen Wissenschaftlern. Die fragile Mitte befürchtet selbst, Prekaritätsmanager zu werden. Auch sieht sie durch ihre Arbeit eine thematische Einschränkung auf ein Thema und eine daraus resultierende Überqualifikation und Überspezialisierung fürchtet sie sehr. Die fragile Mitte kennzeichnet somit einen Übergangstypus von Wissenschaftlern in der Schwebephase zwischen Studium und gesicherter, aber vager Wissenschaftskarriere. Betrachtet man die fragile Mitte unter dem Gesichtspunkt Lebensalter beziehungsweise Verbleibszeit in der Wissenschaft, so bricht die fragile Mitte als
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Gruppe im Laufe der Zeit mehr und mehr auseinander. Letztendlich führt diese Entwicklung bei einem Teil der fragilen Mitte dazu, dass sie den Ausstieg aus dem Wissenschaftsbetrieb wählt, während der andere Teil darauf hofft, wenigstens für einen überschaubaren Zeitraum im Wissenschaftsgeschäft angestellt zu werden. Konsequenz aus der Spezialisierung ist in diesem Falle einer Tätigkeit zu wählen, in der das Spezialwissen bestmöglich zur Anwendung gebracht werden kann. In den Blick werden dabei auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen genommen.
8.4 Gelegenheitswissenschaftler Der Gelegenheitswissenschaftler hat bereits sein Studium oftmals ohne konkrete Vorstellung von Berufsmöglichkeiten und Profilen aufgenommen. Sein sozialer Hintergrund, das heißt konkret seine Eltern als Hauptfinanziers des Studiums, machte es ihm möglich, eine längere Einmündungsphase im Studium einschließlich etwaiger Fachwechsel vorzusehen. Oftmals studierte der Gelegenheitswissenschaftler auch besonders ausgiebig und brauchte bis zum Abschluss deutlich länger als die Regelstudienzeit. Er betrachtet dabei die Länge seines Studiums als unproblematisch, da er kein Semester verbummelt oder vertrödelt hat. Gelegenheitswissenschaftler führen dabei ein Interesse an vielfältigen Fragestellungen und Themen an. Während Wissenschaftler der fragilen Mitte ihr Studium verlängert haben, um sich inhaltlich zu vertiefen, hat der Gelegenheitswissenschaftler sich inhaltlich verbreitert. Rückblickend würden sie folglich nur unwesentlich kürzer studieren wollen. Der Gelegenheitswissenschaftler wird in seiner Examensphase vom Betreuer seiner Abschlussarbeit darauf angesprochen, ob er sich eine Promotion vorstellen kann. Da andere Berufsmöglichkeiten dem Gelegenheitswissenschaftler noch nicht hinreichend konkretisiert sind und ihm zugleich auch für ein oder zwei Jahre eine befristete Stelle in einem Drittmittelprojekt am Lehrstuhl seines Doktorvaters angeboten wird, willigt der Gelegenheitswissenschaftler ein. Der Gelegenheitswissenschaftler nutzt diese erste Einstellung, um parallel oder in Verbindung mit dem Drittmittelprojekt eine Dissertation zu konzipieren. Dabei sucht er sich das Promotionsthema selbst und entwickelt es Stück für Stück zusammen mit dem Betreuer oder mit Freunden. Der Gelegenheitswissenschaftler gelangt zwar zufällig in einen Dissertationsprozess, er verfolgt sein Vorhaben dann aber entschlossen und ernsthaft. Dabei muss er sich allerdings von Anfang an auf eine wechselhafte Finanzierung einstellen. Der ersten Anstellung im Drittmittelprojekt folgt im günstigsten Falle eine weitere Projektfinan-
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zierung, die aber selten unmittelbar Bezug zum Dissertationsvorhaben hat. Der Gelegenheitswissenschaftler sieht in der Vollendung seiner Promotion eine Herausforderung, die er ebenso wie sein Studium meistern will. Er ist deswegen auch bereit, auf Hilfskraftstellen zu arbeiten, bezahlte Lehraufträge anzunehmen, oder kurzzeitig in anderen Drittmittelprojekten zu arbeiten. Kurzzeitig kann er auch eigenes Vermögen einsetzen, oder sich phasenweise wieder von seinen Eltern unterstützen lassen. Auch versucht der Gelegenheitswissenschaftler, Stipendien einzuwerben, ist dabei aber nicht sonderlich erfolgreich. Insgesamt ist der Gelegenheitswissenschaftler sehr findig, Finanzierungsquellen und Anschlussfinanzierungen im Wissenschaftsbereich zu erschließen. Er geht dabei jedoch keineswegs strategisch vor, sondern nutzt einfach die erstbeste sich ihm bietenden Möglichkeiten. In der reproduktiv-materiellen Dimension werden von ihm somit die unsteten Erwerbsformen auch nicht als Problem gesehen. Die Eltern sind wegen dieser instabilen Form der Finanzierung eher misstrauisch, was den Entwicklungsweg ihres Sohnes oder ihrer Tochter angeht, allerdings sind sie dann bereit diesen Weg aktiv zu unterstützen, wenn sie selber eine akademische Laufbahn eingeschlagen hatten. Allerdings muss der Gelegenheitswissenschaftler sich beim Konsum einschränken, oder er Schritte der Familienplanung vorläufig zurückstellen. Er kann sich damit aber noch ganz gut arrangieren. Die Promotionsphase wird schließlich auch als Privileg verstanden. Dem Gelegenheitswissenschaftler war von Anfang an bewusst, dass seine soziale Lage für den Zeitraum der Arbeit problematisch sein würde. Er hatte seine Berufswahlphase ja zum Zeitpunkt der Aufnahme der Promotion noch nicht abgeschlossen, folglich war gerade zu Beginn des Vorhabens jede Anstellung für ihn besser und weniger prekär als eine unsichere Berufsfindungsphase. Ein Teil der Gelegenheitswissenschaftler entscheidet sich für eine Promotion erst, nachdem anderweitige Möglichkeiten, beruflich Fuß zu fassen, erfolglos blieben. Er akzeptiert diese Übergangslage und auch seine Eltern sowie sein Partner unterstützen ihn bei seinem Fortkommen weitestgehend. Ein eigener akademischer Hintergrund beider begünstigt dieses. Der Gelegenheitswissenschaftler empfindet nur selten bezüglich der Status- und Anerkennungsphase Prekarität. Gelegenheitswissenschaftler führen weder zu Beginn des Studiums, noch zu Beginn der Promotion, noch während der Promotionsphase eine vollständige Lebensphasenplanung durch. Sie nutzen aber gerne Gelegenheiten, die sich ihnen bieten. Sie sind neugierig, andere Dinge kennen zu lernen. Zugleich sehen sie in der Promotion Möglichkeiten, sich einmal vertiefend einzuarbeiten. Sie orientieren sich dabei an machbaren, an nachvollziehbar realisierbaren Zielen.
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Entsprechend kritisch stehen sie auch einer Wissenschaftlerkarriere gegenüber. Sie wissen, wie schwierig es mitunter sein kann, eine Festanstellung in der Wissenschaft zu erlangen. Würde es sichere Stellen im akademischen Mittelbau geben, die den eigenen wissenschaftlichen Schwerpunkten entsprächen, würden die Gelegenheitswissenschaftler sich einer Laufbahn im Wissenschaftsbereich nicht verschließen. Doch in Ermangelung solcher Möglichkeiten ist dem Gelegenheitswissenschaftler dieser Weg irgendwie zu unsicher und bietet zu wenig Orientierungspunkte. Auch ergeben sich für den Gelegenheitswissenschaftler meistens aus der Promotion heraus nur wenige Anknüpfungspunkte in die Scientific Community. Außer derjenigen Monographie, die er als Dissertation einreicht, ist der Gelegenheitswissenschaftler am Publizieren wenig interessiert. Den wissenschaftlichen Fachvereinigungen gehört er nicht zwingend an. Lieber besucht der Gelegenheitswissenschaftler Kolloquien und Arbeitsgruppen, denen er zufällig begegnet, oder auf die er explizit und mit Nachdruck von seinem Betreuer hingewiesen wird. Dafür ist der Gelegenheitswissenschaftler oftmals in der Lehre präsent. Einerseits sichert dieses teilweise sein Auskommen, andererseits hat er zu Beginn seiner Laufbahn hieran auch Spaß. Wie bereits in seinem Studium, versucht der Gelegenheitswissenschaftler sich zu verbreitern. Er schränkt diese Tätigkeit aber schließlich ein, wenn er nicht zwingend finanziell darauf angewiesen ist und er anderenfalls dadurch seinen Promotionserfolg als gefährdet sieht. Der Gelegenheitswissenschaftler ist zwar einerseits an Gelegenheiten orientiert und plant nur mittelfristig, er hat aber andererseits immer ein klar strukturiertes Ziel im Visier. So hat er trotz längerer Studiendauer bereits sein Studium zu einem erfolgreichen Abschluss geführt und so schließt er mit unterschiedlichen Finanzierungsformen seine Promotion ab. Gerade weil er entsprechend zielorientiert ist, lehnt er vage Perspektiven ab. Die aus seiner Sicht unzureichende Stellensituation im Hochschulbereich veranlasst ihn, trotz grundsätzlicher Aufgeschlossenheit für den Wissenschaftsbetrieb, auf eine weitere Wissenschaftslaufbahn zu verzichten. Dabei ist der Gelegenheitswissenschaftler keineswegs risikoscheu, sondern bringt sogar eine hohe Bereitschaft mit, räumlich mobil zu sein. Bezogen auf die weitere Berufswahl ist er flexibel, oder erwägt sogar die Selbstständigkeit. Den Doktortitel hält er dabei auch außerhalb der Wissenschaft für insgesamt hilfreich. Der Gelegenheitswissenschaftler entschließt sich zum Ausstieg aus der Wissenschaft, weil ihm die arbeitsinhaltliche Dimension auf Dauer als zu prekär erscheint. Die Gefahr, zu stark auf eine bestimmte Fragestellung spezialisiert zu sein, sieht er. Im Zuge seines Promotionsverlaufs stellt er auch fest, dass sein
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soziales Umfeld sich verengt, homogenisiert. Der Gelegenheitswissenschaftler weiß sehr genau, dass er in sozial-kommunikativer Hinsicht Gefahr läuft, in eine zunehmend prekäre Lage zu rutschen, teilweise befindet er sich sogar schon hierin. Wir fanden den Gelegenheitswissenschaftler nur in den Fällen 1 und 2. Wir führen dieses darauf zurück, dass Germanisten und Politologen sich insgesamt ein diffuses Berufsfeld eröffnet, weswegen gerade die Promotion Gelegenheit zur Orientierung bietet. Wir vermuten, dass dieser Befund über die untersuchten Fächer hinaus gut verallgemeinert werden kann. Dieses wird dadurch gestützt, dass Wirtschaftswissenschaftler zu 42 % bereits während des Studiums einen zügigen Studienabschluss angestrebt haben und zu 47 % es ihnen gleichsam wichtig war, sich mit Themen zu beschäftigen, die nicht unbedingt im Fachstudium verlangt wurden. Während wir in den Wirtschaftswissenschaften also ein ausgewogenes Verhältnis finden zwischen zügigen Studienverhalten und thematischer Verbreiterung, haben Sprach- und Kulturwissenschaftler, Pädagogen, Psychologen, aber auch Informatiker, Mathematiker und Architekten zu über 60 % die Neigung, Themen außerhalb des Fachstudiums zu belegen, aber nur circa ein Drittel der Absolventen hat ein zügiges Studium anvisiert (Briedis/Minks 2004: 27). Abgesehen von den Architekten haben alle genannten Studiengänge sehr vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten, aber eben nicht das „typische“ Arbeitsfeld, wie es sich in den Rechts- oder Wirtschaftswissenschaftlern oder den Ingenieursstudiengängen anbietet.
8.5 Übergangswissenschaftler Der Übergangswissenschaftler besitzt sowohl Ähnlichkeiten mit der fragilen Mitte als auch mit dem Gelegenheitswissenschaftler. Ähnlich der fragilen Mitte betrachtet er seine Promotion als Möglichkeit seinen Lebensweg zu optimieren, legt es dabei aber in keinem Fall systematisch auf eine wissenschaftliche Laufbahn an. So hatte der Übergangswissenschaftler zu Beginn seines Studiums bereits eine ungefähre Vorstellung des Arbeitsmarkts, für den er qualifiziert wurde. Während Gelegenheitswissenschaftler eher eine längere Studienzeit bis zum Diplom-, Magister- oder Staatsexamensabschluss gebraucht hatten, waren Übergangswissenschaftler in der Regel innerhalb der Regelstudienzeit geblieben. Auch versuchten sie, vergleichbar der fragilen Mitte, ihre Arbeitsmarktchancen durch Praktika zu verbessern. Eine Wissenschaftslaufbahn lag dabei außerhalb ihrer unmittelbaren Vorstellungen, jedoch besaß die Vorstellung zu promovieren für Übergangswissenschaftler stets einen Reiz.
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Übergangswissenschaftler suchten bereits am Ende ihres Studiums einen Job außerhalb der Wissenschaft, hatten bereits erste konkrete Angebote und entschlossen sich dann auf ein Angebot ihres Professors vor Ort dazu, eine Promotion zu bestreiten. Übergangswissenschaftlern bietet sich ähnlich dem Gelegenheitswissenschaftler die Möglichkeit zur Promotion oftmals zufällig an. Der Wunsch zu promovieren ist bei ihnen jedoch stärker ausgeprägt als bei den Gelegenheitswissenschaftlern. Während die Gelegenheitswissenschaftler die Idee einer Promotion als Möglichkeit der weiteren Orientierung ansehen und die passende Finanzierung im Prozess organisieren, haben Übergangswissenschaftler einen inneren Antrieb, eine intrinsische Motivation für ein bestimmtes Thema, oder eine bestimmte Fragestellung und ergänzen dieses mit einer bestimmten Vorstellung davon, welchen Nutzen ihnen die Promotion auf dem Arbeitsmarkt bringen kann. Vor diesem Hintergrund wollen Übergangswissenschaftler die Promotion in einem überschaubaren Zeitraum abschließen. Sie wollen damit denjenigen Dingen nachkommen, die in ihrem Studium nur kurz abgehandelt werden konnten. Insofern nehmen sie das Angebot zur Promotion dankbar an. Während die Promotion bei den Gelegenheitswissenschaftlern schlicht eine günstige Gelegenheit in Ermangelung anderer Gelegenheiten war, spielen bei Übergangswissenschaftlern neben der Leidenschaft für ein Thema also Überlegungen eine Rolle, wie sich durch die Promotion die Berufschancen außerhalb der Wissenschaft verbessern können. Übergangswissenschaftler wollen von Anfang an grundsätzlich keine wissenschaftliche Laufbahn anstreben. Die Befristungsregelungen kommen ihnen dabei sogar sehr zugute. Sie können einerseits oftmals wesentlich besser planen als bei einem Berufseinstieg, der mit teilweise kürzeren Befristungszeiten einhergeht. Sie schätzen entsprechend den klaren und verlässlichen zeitlichen Rahmen ihrer Tätigkeit. Sie haben aber andererseits eine Perspektive, bis zu welcher sie ihre Promotion abschließen müssen. Während die Gelegenheitswissenschaftler die Perspektive Promotion als Fluchtpunkt ihres beruflichen Fortkommens betrachten, diesen aber neben anderen (Projekt-)Tätigkeiten nachkommen, oder unstete Formen der Beschäftigung oder Finanzierung in Kauf nehmen, rücken Übergangswissenschaftler ihre Promotionstätigkeit in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit, verlangen dafür aber Sicherheiten in der Finanzierung und Strukturierung ihres Promotionsverlaufs. Wir konnten dabei feststellen, dass wir Übergangswissenschaftler ausschließlich in den Wirtschaftswissenschaften gefunden haben, während wir Gelegenheitswissenschaftler in der Politikwissenschaft wie in der Germanistik fanden. Wir führen den Unterschied zwischen unseren Fällen auf zwei Faktoren zurück: Die gegenüber den Geisteswissenschaften oftmals klarere Strukturierung des Studiums trägt dazu bei, dass das Studium eher weniger in die Breite
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angelegt wurde, wie es eben die Gelegenheitswissenschaftler oder teilweise auch die fragile Mitte getan haben. Dieses begünstigt ein Denken in klar abgegrenzten Strukturen, was wiederum den Promotionsprozess systematischer strukturiert. Während wir in den Sozial- und Geisteswissenschaften abgesehen von Lehramtsberufen keine klar umrissenen Berufsfelder finden, empfinden sich Wirtschaftswissenschaftler als wesentlich stärker arbeitsmarktnah qualifiziert. Wirtschaftswissenschaftler weisen bereits bei der Studienwahl zu 48 % den Arbeitsmarktgesichtspunkten eine große bis sehr große Rolle zu. Ein vergleichbar hoher Wert wird lediglich bei den Wirtschaftsingenieuren und Pharmazeuten erzielt (Briedis/Minks 2004: 28f). Ihnen ist von Anfang an bewusst, welche Möglichkeiten sich ihnen bieten. Entsprechend ist die Promotion nicht die günstigste Gelegenheit, die man halt in Ermangelung anderer Ideen und Vorstellungen verwirklicht, sondern eine bewusste Entscheidung in Abgrenzung zu anderen Tätigkeiten. Zugleich sehen Wirtschaftswissenschaftler in der Promotion eher eine strategische Möglichkeit auf verbesserte Berufsperspektiven. Hierauf verwiesen auch Ewald Berning und Susanne Falk (Berning/Falk 2006: 37), die in einer quantitativen Untersuchung extrinsischen Motiven bei den Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern einen hohen Stellenwert zusprachen. Übergangswissenschaftler empfinden ihre Tätigkeit in keiner Dimension als prekär. Sie arrangieren sich mit den Befristungsregelungen bestens. Da sie eine weitere wissenschaftliche Karriere faktisch ausschließen, stellen sich ihnen weder die Problemlagen der Prekaritätsmanager, noch müssen sie sich mit Ausstiegsterminen oder –szenarien befassen, wie dieses bei den karriereorientierten Idealisten oder der fragilen Mitte der Fall ist. Übergangswissenschaftler brauchen nicht verbissen um ihre Karriere an der jeweiligen Hochschule kämpfen. Sie können sich geradezu altruistisch in die Gremien einbringen, oder sie nehmen an Konferenzen teil, ohne sich unter den Druck zu setzen, referieren zu müssen, um Netzwerke zu bilden. Übergangswissenschaftler pflegen entsprechend ihre Kontakte aus der Studienzeit ebenso, wie sie um ein kollegiales Verhältnis am Lehrstuhl bemüht sind. Sie erhalten vom Elternhaus oder von ihren Partnern sogar Anerkennung für ihre Arbeit. Der akademische Hintergrund der Familie des Übergangswissenschaftlers ist nicht sonderlich ausgeprägt. Die Eltern haben nicht unbedingt studiert und auch die Geschwister entscheiden sich tendenziell gegen ein Studium oder besaßen dazu keine Möglichkeit. Entsprechend drückt sich darin eine Anerkennung für den sozialen Aufstieg aus. Möglicherweise wird aber auch honoriert, dass der Übergangswissenschaftler sich nicht auf vage Risiken einlässt und auf eine Wissenschaftslaufbahn nach der
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Promotion verzichtet. Aus Sicht seiner Eltern macht der Übergangswissenschaftler etwas aus seinem Leben. Da ihnen die Wissenschaftslaufbahn unwichtig ist, besteht für Übergangswissenschaftler in arbeitsinhaltlicher Sicht auch kein Grund zur Besorgnis, dass sie überqualifiziert auf den Arbeitsmarkt eintreten könnten. Sie halten in der Regel ihr Promotionsthema für interessant und verwertbar genug, dass es eine Resonanz bei möglichen Arbeitgebern hervorrufen werde. Darüber hinaus glauben sie sogar, dass sie gerade wegen ihrer Spezialisierung besser einen Job finden, der zu ihnen passt, als wenn sie direkt nach dem Studium auf den Arbeitsmarkt getreten wären. Dieses korrespondiert mit einer zunehmenden Neigung von Wirtschaftswissenschaftlern der Spezialisierung im Fach selber als Erfolgsfaktor für die Stellensuche zu betrachten. Immerhin 61 Prozent der wirtschaftswissenschaftlichen Absolventen des Jahrgangs 2001 erachten dieses als wichtig bis sehr wichtig. 1997 waren es nur 56 %, 1993 52 % und 1989 sogar nur 36 % der Absolventen, die Spezialisierung als Erfolgsfaktor ansahen. Lediglich in Psychologie wird die Spezialisierung in ähnlichem Maße als Erfolgsfaktor angesehen (Briedis/Minks 2004: 85). Während ein Teil der fragilen Mitte sich mehr und mehr von der Vorstellung distanziert, sich im Laufe des Promotionsprozesses in der Wissenschaft zu etablieren, nähert sich der Übergangswissenschaftler diesem Gedanken teilweise an und erwägt ernsthaft eine berufliche Tätigkeit in der Lehre, oder unter Umständen auch eine Habilitation. Dieser Gedanke wird aber in der Regel mit dem Antritt einer Stelle außerhalb der Wissenschaft schnell wieder verworfen, oder mit einer Position in Verbindung gebracht, die außerhalb der Universität liegt (z.B. Erwachsenenbildung oder auch Fachhochschule).
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Dimensionen prekärer Arbeit und Typologien
Wir haben bereits bei der Vorstellung der einzelnen Typologien eine Einordnung in die verschiedenen Dimensionen von Prekarität vorgenommen. Wir wollen das nun noch einmal systematischer vornehmen. Dazu haben nochmals alle Interviews systematisch danach durchgesehen, wie ausprägt möglicherweise die jeweilige Dimension als prekär empfunden wurde.
Reproduktiv-materielle Dimension a. Starkes Prekaritätsempfinden: Prekaritätsmanager, b. Starkes bis mittleres Prekaritätsempfinden: Fragile Mitte
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c.
Mittleres Prekaritätsempfinden: Karriereorientierte Idealisten, Gelegenheitswissenschaftler d. Geringes Prekaritätsempfinden: Übergangswissenschaftler Sozial-kommunikative Dimension a. Starkes Prekaritätsempfinden: Prekaritätsmanager b. Starkes bis mittleres Prekaritätsempfinden: Fragile Mitte c. Mittleres Prekaritätsempfinden: Gelegenheitswissenschaftler, karriereorientierte Idealisten d. Geringes Prekaritätsempfinden: Übergangswissenschaftler Rechtlich-institutionelle oder Partizipationsdimension a. Starkes Prekaritätsempfinden: Gelegenheitswissenschaftler b. Mittleres Prekaritätsempfinden: Prekaritätsmanager c. Geringes Prekaritätsempfinden: Karriereorientierte Idealisten, fragile Mitte, Übergangswissenschaftler Status- und Anerkennungsdimension a. Starkes Prekaritätsempfinden: Keiner b. Mittleres Prekaritätsempfinden: Prekaritätsmanager c. Geringes bis mittleres Prekaritätsempfinden: fragile Mitte, Gelegenheitswissenschaftler d. Geringes Prekaritätsempfinden: karriereorientierte Idealisten, Übergangswissenschaftler Arbeitsinhaltliche Dimension a. Starkes Prekaritätsempfinden: Karriereorientierte Idealisten, Prekaritätsmanager b. Mittleres Prekaritätsempfinden: Gelegenheitswissenschaftler, fragile Mitte c. Geringes Prekaritätsempfinden: Übergangswissenschaftler
Daraus ergibt sich eine Rangfolge der Prekarität, an dessen Ende wir jene Typologie finden, die von Beginn an ihres Promotionsprozesses bereits auf einen weiteren Verbleib in der Wissenschaft weitgehend verzichtet hat: Die Übergangswissenschaftler, welche sich von Anfang an nicht gezwungen sahen, sich mit den besonderen Regelungen im Wissenschaftsbereich auseinander zu setzen. Diese Gruppe sieht die Arbeit im Wissenschaftsbereich unverkrampft als Zwischenstation an.
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Stephan Klecha / Melanie Reimer Prekaritätsdimensionen und Typologien Sozial-kommunikative
Rechtlichinstitutionelle
Statusdimension
Arbeitsinhaltlich
Prekaritätsmanager
++
++
+
+
++
Gelegenheitswissenschaftler
++
+
++
+
+
+/++
+/++
+
+
+
+
Dimension der Prekarität
Reproduktivmaterielle
Tabelle 4:
Fragile Mitte Karriereorientierter Idealist
++
Übergangswissenschaftler
Ein wenig anders sieht es bei den karriereorientierten Idealisten aus. Diese weisen die Frage prekärer Beschäftigung von sich. Sie setzen auf ihren bisherigen Erfolg. Dafür nehmen sie die reproduktiv-materielle und sozial-kommunikative Prekarität temporär in Kauf. Die Frage ist, ob die karriereorientieren Idealisten ihr eigenes Ausstiegsszenario umsetzen können. Da sie sich in arbeitsinhaltlicher Hinsicht durchaus als sehr prekär einschätzen, kann es sein, dass ihnen keine Alternative bleibt, außer jener, im Wissenschaftsbereich zu bleiben. Hier wiesen sie die höchste Deckung mit dem prekärsten Typus, dem Prekaritätsmanager auf. Die fragile Mitte empfindet die reproduktiv-materielle und die sozialkommunikative Dimension als ein wenig bis stark prekär. Die fragile Mitte wehrt sich dagegen in diesen Dimensionen ins wissenschaftliche Prekariat abzusinken. Fehlende Anerkennung in ihrem Umfeld verstärken die Befürchtung, bei weiterem Verbleib in der Wissenschaft auch noch in arbeitsinhaltlicher Dimension abzurutschen. Gerade in arbeitsinhaltlicher Dimension versucht die fragile Mitte sich gegenüber Entwertung bereits erworbener Qualifikationen abzusichern. In der fragilen Mitte kumuliert jene Ambivalenz zwischen vagem Karriereversprechen, intrinsischer Motivation, unsicherer Beschäftigungslage und inhaltlicher Motivation. Ein Teil empfindet die Lage als prekärer als diejenige des karriereorientieren Idealisten, da nämlich nicht nur in arbeitsinhaltlicher, sondern auch in sozial-kommunikativer Hinsicht bereits Erfahrungen mit großer Prekarität vorliegen. Unter diesen Umständen kann die Karriereorientierung beider
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Typen zu einem Ritt auf der Rasierklinge beziehungsweise zu einem echten „Hazard“ werden! Entweder die Karriere in der Wissenschaft lässt sich realisieren, oder der Status als Prekaritätsmanager droht. Karriereorientierte Idealisten, aber auch die fragile Mitte entsprechen also insofern durchaus auch Webers Vorstellung vom wissenschaftlichen Werdegang. Während aber karriereorientierte Idealisten die Regeln des Systems akzeptieren und antizipieren, wehrt sich die fragile Mitte noch dagegen, sich nur auf die Regeln des System wissenschaftlicher Nachwuchsausbildung einzulassen. Es ist dabei auszuschließen, dass es der fragilen Mitte im Unterschied zum karriereorientierten Idealisten an Selbstbewusstsein mangelt, sondern die fragile Mitte sieht die Rahmenbedingungen innerhalb derer sie Leistung bringen soll, wesentlich kritischer als die karriereorientierten Idealisten. Die Bereitschaft, eine unsichere Beschäftigungslage hinzunehmen, Teile der eigenen Qualifikation nicht mehr nutzen zu können, spezialisiert zu sein und Erwartungen anderer an den Inhalt wissenschaftlicher Arbeit zu erfüllen, sagt der fragilen Mitte nicht zu. Einfach aus dem Wissenschaftsgeschäft auszusteigen, scheint jedoch auch keine Lösung zu sein. Die fragile Mitte hadert mit ihrer Situation und weiß, dass sie sich entscheiden muss. In Anbetracht ihres bisherigen Lebenswegs jedoch bieten sich der fragilen Mitte mehr Anknüpfungspunkte außerhalb der Wissenschaft als innerhalb der Wissenschaft. Etwas anders verhält es sich mit dem Gelegenheitswissenschaftler. Er ist in sozial-kommunikativer, aber vor allem in arbeitsinhaltlicher Dimension nicht in dem Maße auf Wissenschaft festgelegt, wie ein Teil der fragilen Mitte und die karriereorientieren Idealisten. Seine unstete Form der Promotion bevorteilt ihn letztlich bei einem Ausstieg aus der Wissenschaft. Seine fehlende explizite Orientierung auf den wissenschaftlichen Karriereweg führt dazu, dass er im Gegensatz zur fragilen Mitte und den karriereorientieren Idealisten wenig Gefahr laufen wird, den wissenschaftlichen Weg überspezialisiert weiterzuverfolgen. Wenn er sich dennoch für einen Beruf im Wissenschaftsbereich entscheiden sollte, wird er sich in Bewusstsein einer prekären Lage einrichten und in den Status eines Prekaritätsmanagers wechseln. Das heißt, wir können bei einer systematischen Einordnung in das Schema der Prekarität von der Momentaufnahme ausgehend den Prozess möglicher Prekarisierung herleiten. Sortieren wir nun unsere Typologien nochmals in das skizzierte Schema ein, so erhalten wir folgendes Bild:
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Abbildung 3:
Grundtypologien des Umgangs wissenschaftlichen Nachwuchses mit Prekarität
Professur
Karriereorientierter Idealist
Die fragile Mitte Übergangswissenschaftler Prekaritätsmanager
Einrichtung in Prekarität
Gelegenheitswissenschaftler Ausstieg aus Wissenschaft
10 Fazit Unsere Untersuchung hat sehr differenzierte Ergebnisse zu Tage gefördert. Es ist zunächst festzuhalten, dass die ganz überwiegende Mehrheit unserer Befragten ihre eigene Lage als überwiegend positiv einschätzt. Die allgemeinen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt und die Probleme der Verunsicherung sozialer Gruppen durch prekäre Beschäftigung scheinen im Wissenschaftssektor nur in Ansätzen vorzukommen. Möglicherweise ist die Vermutung von Yehuda Baruch und Douglas T. Hall richtig, wonach die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre sich zwar auch im Wissenschaftsbereich auswirken, allerdings in einer besonderen Art und Weise (Baruch/Hall 2004: 260). Deswegen finden wir durchaus eine Entsprechung für unseren idealtypisch bereits konstruierten Typus desjenigen Wissenschaftlers, der sich in einer prekären Lage einrichten musste. Wir haben ihn vor dem Hintergrund unserer empirischen Daten als Prekaritätsmanager bezeichnet.
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Verteilung der Typen nach Untersuchungsfällen
Prekaritätsmanager Karriereorientierter Idealist Fragile Mitte Gelegenheitswissenschaftler Übergangswissenschaftler
Fall 1 X X X X
Fall 2 O X X X
Fall 3 O X X X
X = Unmittelbar angetroffen; O = Rückschlüsse auf Existenz
Wie erwartet, fand sich dieser Typus sehr dezidiert im Fall 1. Allerdings konnten wir aus den Schilderungen der anderen Gesprächspartner in den Fällen 2 und 3 auch dort auf seine Existenz schließen. Auf ihn nehmen nämlich besonders die karriereorientierten Idealisten, ebenso wie die fragile Mitte Bezug. Der Berufsverlauf des Prekaritätsmanagers schreckt Teile der fragilen Mitte sichtbar ab, während die karriereorientierten Idealisten zwar die Gefahren sehen, jedoch nicht glauben, hiervon irgendwann betroffen zu sein. Es könnte sein, dass die anderen Typen ihr prekäres Potenzial so lange als möglich verdrängen. So haben wir festgestellt, dass diejenigen, deren Vertragsende noch weit entfernt war, den Gedanken an „die Zeit danach“ hinausgeschoben haben, bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese Frage virulent wurde. Konkrete Zukunftspläne für Anschlusstätigkeiten hatten daher nur die Wenigsten, wohl bestanden allerdings Vorstellungen über denkbare Möglichkeiten und Perspektiven. Vor allem die fragile Mitte denkt ständig über die ihr möglichen Optionen nach. Nicht zuletzt weil die fragile Mitte hin- und hergerissen ist zwischen den Optionen in und denen außerhalb der Wissenschaft, besitzt dieser Typus auch geringe Schnittmengen mit den karriereorientieren Idealisten und mit dem Gelegenheitswissenschaftler. Hervorzuheben ist, dass es sich bei den von uns gefundenen Typologien im Wissenschaftsbereich nicht um ein statisches System handelt, sondern dass sich die einzelnen Nachwuchswissenschaftler im Zeitverlauf weiterentwickeln und von einem Typus zu einem anderen wechseln können. So kann beispielsweise auch ein karriereorientierter Idealist im Laufe der Zeit zu einem Prekaritätsmanager werden. Die karriereorientierten Idealisten versuchen sich ihrerseits hiergegen abzusichern, dass sie sich einen Zeitpunkt setzen, an dem sie über ihren Verbleib in der Wissenschaft entscheiden. Ihre Bereitschaft, sich dem Wissenschaftssystem unter- und einzuordnen ist jedoch groß genug, um kurzzeitige prekäre Lagen im Anschluss an die Promotion zu überbrücken. Bei den karriereorientierten Idealisten drückt sich die Anpassung an das System wissenschaftlicher Nachwuchsrek-
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rutierung sehr deutlich aus. Während die fragile Mitte noch jene Schritte mitgeht, die ihr sowohl aus karrieretechnischen, wie aus inhaltlichen Gründen zwingend geboten erscheinen, fügen sich die karriereorientierten Idealisten in ein zirkuläres System von Selbstrekrutierung im Wissenschaftsbereich ein, dessen zentrale Kategorie nicht wissenschaftliche Leistung ist. Karrieren sind im Wissenschaftsbereich planbar, sofern man die Bereitschaft mitbringt, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Karriere ist demnach nur unter Fügung in die Verhältnisse möglich. Das scheint die Devise dieser Gruppe zu sein und damit verschreiben sie sich einem Wissenschaftsverständnis, wie es Pierre Bourdieu mit Blick auf dem Habitus beschrieb (Bourdieu 1988). Der karriereorientierte Idealist verneint offiziell seine prekäre Lage, sieht allerdings wohl das Problem prekärer Beschäftigungsverläufe im Wissenschaftsbereich auf sich zukommen und stellt auch in einigen Dimension seine Lage als prekär dar, doch erachtet er dieses noch nicht als gravierendes Problem. Für karriereorientierte Idealisten gilt die These von dem Exodus aus der Wissenschaft vor dem Hintergrund einer prekären Lage mit Sicherheit ebenso wenig wie für die Prekaritätsmanager. Während die karriereorientierten Idealisten sich im System der Nachwuchsqualifizierung arrangieren, unter- und einordnen, bleibt den Prekaritätsmanagern keine andere Möglichkeit mehr übrig. Sie sind gefangen im System. Sie haben teilweise wie die karriereorientieren Idealisten begonnen oder stammen aus der fragilen Mitte. Sie haben jedoch später den einst kurz erwogenen oder sogar geplanten Absprung aus der Wissenschaft nicht mehr geschafft, da sie ihre Chancen auf eine Wissenschaftslaufbahn als günstig einschätzten. Die Gelegenheitswissenschaftler hatten zu keinem Zeitpunkt ernsthaft eine wissenschaftliche Karriere angestrebt. Gleiches gilt für die Übergangswissenschaftler. Bei letzteren ist jedoch auffällig, dass es sich bei allen um Wissenschaftler aus wissenschaftsfernen Familien handelt und dass sich alle auf Planstellen innerhalb einer damit – in Relation zu Politikwissenschaft oder Germanistik – grundsätzlich besser ausgestatteten Wissenschaft qualifizierten. Ferner bringen sich alle Übergangswissenschaftler in das Wissenschaftssystem ein, kennen die Rahmenbedingungen wissenschaftlichen Arbeitens und verfolgen durchaus innovative, wie aber auch praxisbezogene Themen. Wir folgern daraus, dass es bei klarerer Struktur des wissenschaftlichen Werdegangs und bei einfacheren Möglichkeiten von Tenure-Track ein gewisser Anteil dieser Personen in der Wissenschaft gehalten werden könnte. Gleichwohl stellen beide Gruppen jenen Teil des wissenschaftlichen Nachwuchses dar, der die Stufe der Promotion zwar schafft, jedoch bewusst nicht dauerhaft an der Universität tätig sein will.
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Für die Zukunft des wissenschaftlichen Nachwuchses kommt es auf eine genaue Betrachtung der fragilen Mitte an. Diese hat zwar eine ähnliche Wissenschaftsorientierung wie die karriereorientierten Idealisten geht allerdings sehr kritisch mit den Rahmenbedingungen um. Sie reflektiert ihre Lage sehr eingehend und sehr gründlich. Sie zögert und zaudert, wenn es darum geht, die Wissenschaftslaufbahn fortzuführen. Die fragile Mitte ist sich bewusst darüber, dass mit zunehmendem Verbleib an der Universität ihre Lage prekärer, unsicherer, eben fragiler wird. Die fragile Mitte wägt ab, ob ihr die folgenden Schritte noch sinnvoll erscheinen oder ob Alternativen besser sind. Dabei kommt es keineswegs auf die Verdienstmöglichkeiten an, sondern eher auf Sicherheiten. Die fragile Mitte fürchtet sich vor dem Nomadenwesen in der Wissenschaft, sie scheut die dauerhaft befristete Beschäftigung auf Projektstellen bei wechselnden Orten und Arbeitgebern. Wenn sich die fragile Mitte hierauf für einen überschaubaren Zeitraum einlässt, fordert sie Garantien ein, dass es ihr nicht so ergeht, wie dem Prekaritätsmanager. Sie verlangt andere Rahmenbedingungen als jene, unter denen der karriereorientierte Idealist arbeitet. Die fragile Mitte befindet sich in einem Dilemma. Einerseits hat sie immens in eine wissenschaftliche Laufbahn investiert und ist von der inhaltlichen Arbeit überzeugt, andererseits fürchtet die fragile Mitte, dass all diese Investitionen in eine lange Ausbildung und Qualifizierung möglicherweise am Wissenschaftsmarkt vorbeigehen könnten und Alternativen sich mehr und mehr ausschließen, womit eine Wissenschaftslaufbahn in einer Sackgasse münden würde. Bei einem Teil der fragilen Mitte überwiegt schließlich die inhaltliche Motivation. Dieser Teil sucht im Wissenschaftsbereich oder in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen nach Lücken und Nischen. Mancher wird sich im Verlauf anpassen und den karriereorientieren Idealisten annähern. Finden sich diese Lücken nicht oder misslingt die Anpassung, so droht der Absturz in den Status des Prekaritätsmanagers. Wir schätzen auf Grund unserer Befragungen diesen Teil für den kleineren Teil der fragilen Mitte ein. Der größere Teil entschließt sich gegen eine Wissenschaftskarriere. Zwar wird nicht ausgeschlossen, dass sich vielleicht über Umwege doch noch eine Perspektive im Wissenschaftsbereich ergibt, doch zieht dieser Teil der fragilen Mitte es vor, aus der Wissenschaft auszusteigen und andere, qualifikationsadäquate Tätigkeiten auszuüben. Die Habilitations möglichkeit wird jedenfalls verworfen, da sie als Sackgasse wahrgenommen wird. Wir sind auch davon überzeugt, dass ein größerer Teil der fragilen Mitte eine Wissenschaftslaufbahn anstreben würde, wenn ihnen während ihrer jeweiligen Qualifikationsphasen planbarere Perspektiven in Aussicht gestellt würden. Hier deutet einiges auf einen politischen Handlungsbedarf hin. Dazu könnten das
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bereits erwähnte Tenure-Track ausgebaut und mit transparenten Mechanismen unterlegt werden. Dieses gilt auch für die Juniorprofessur, welche in Konkurrenz zur Habilitation und wegen des fehlenden Tenure-Track oftmals als Sackgasse gesehen wird. Für einen Teil der Wissenschaftler könnte es auch als Perspektive ausreichen, wenn es unter klar definierten Regelungen für Überbrückungszeiten zwischen zwei Projektanträgen Lösungen geben würde, die eine Weiterbeschäftigung unkompliziert ermöglichen würden. Dieses könnte über eine Umschichtung von Dritt- und Sondermitteln zu strukturierten Programmen mit vereinfachten Vergabeverfahren oder über eine zweckgebundene Stärkung der Grundfinanzierung der Hochschulinstitute finanziert werden. Möglicherweise würde die fragile Mitte es auch als Stabilisierung ansehen, wenn die Qualifikationsphasen in der Promotionsphase oder im Anschluss an diese offener gestaltet wären als gegenwärtig. Der Generalsekretär der königlichschwedischen Akademie der Wissenschaften, Gunnar Öquist, regte diesbezüglich an, dass Promotionsprogramm offener und flexibler für die allgemeinen Erfordernisse des Arbeitsmarktes angelegt werden sollten (Öquist 2006: 103). Dieses müsste einhergehen mit einer stärkeren Durchlässigkeit der Hochschulen in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt. Gelänge es mehr Sicherheiten in der biografischen Planung von Nachwuchswissenschaftlern zu verankern, oder die wissenschaftlichen Qualifikationsstufen von ihrem Charakter als Einbahnstraßen zu befreien, könnte sich dieses nicht nur für die fragile Mitte positiv auswirken, sondern auch die Gelegenheitswissenschaftler und die Übergangswissenschaftler motivieren, den Wissenschaftsbereich als künftiges Arbeitsfeld zu sehen. Bei der fragilen Mitte wirkt sich gegenwärtig jener Umstand aus, dass möglicherweise die Besten und die am meisten Befähigten auf eine Wissenschaftslaufbahn verzichten. Hierbei handelt es sich um ein Phänomen, welches scheinbar in mehreren Wissenschaftssystemen als Problem identifiziert wird. So stellen Untersuchungen über das amerikanische Hochschulsystem auf deren unattraktiven Arbeitsmöglichkeiten im Vergleich zu außerwissenschaftlichen Tätigkeiten ab und heben ebenso die Kategorie der Unsicherheit hervor (siehe Janson u.a. 2007: 35ff.). Bei der individuellen Einschätzung und Wahrnehmung der persönlichen Lage scheint die Region nebensächlich zu sein und ausschließlich die fachliche Seite prekäres Potenzial zu befördern. Alle Interviewpartner im Fall 1 messen der Region, in der sie jetzt ansässig sind keine oder nur geringe Bedeutung zu. Sofern Familie vorhanden ist, wird zwar ein Verbleib in der Region angestrebt, aber nicht in den Mittelpunkt der beruflichen Perspektiven gerückt. Entgegen unserer Vermutung äußerten die Interviewpartner im Fall 2 auch eine hohe Be-
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reitschaft, räumlich mobil zu sein. Im Fall 3 fanden wir tendenziell eher eine Haltung vor, die auf eine regionale Veränderung zielte. Für den Typus der Übergangswissenschaftler bestand so die Möglichkeit diese Entscheidung noch etwas hinauszuzögern. Interessanterweise wirkt sich die Variable Region kaum auf das Karrieremanagement der hier befragten Nachwuchswissenschaftler aus. Zwar wünschen sich einige Übergangswissenschaftler und auch die Prekaritätsmanager einen Verbleib in derjenigen Region, in der sie gegenwärtig leben und arbeiten, allerdings stellt sich das Gros als flexibel dar. Anscheinend ist die Bedeutung von Region wesentlich geringer, als von uns vor Beginn unserer Studie angenommen. Entgegen unserer Vermutung waren im Fall 2 auch keine besonderen Orientierungen aus der Wissenschaft heraus erkennbar. Dass wir lediglich im Fall 1 explizit Prekaritätsmanager ausfindig machen konnten, halten wir entgegen unserer anfänglichen Einschätzung für einen Zufall, da wir indirekt auf die Existenz dieses Phänomens in den beiden anderen Fällen schließen konnten. Allerdings scheint der Umgang der Betroffenen selbst im Fall 1 deswegen offener zu sein, weil es auf Grund der fachlichen Qualifikation und den besonderen Schwierigkeiten von Geisteswissenschaftlern zur Berufseinmündung eine offenere Kultur des Umgangs mit dieser Form gibt. Unsere Typologien liefern einen Eindruck über die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses an deutschen Hochschulen, wie sie sich aus den Fallkonstellationen, die wir unmittelbar untersucht haben, ergeben haben. Obwohl wir diese Typologien in Teilen mit anderen empirischen Untersuchungen abstützen und insofern validieren konnten, müssen wir auch auf die Grenzen qualitativer Untersuchungen hinweisen. Wir nehmen bewusst nicht in Anspruch die gesamte Forschungslandschaft und sämtliche hierin vorhandenen Typologien abbilden zu können. Dieses ist alleine schon deswegen nicht möglich, da wir weder die Natur- noch die Lebenswissenschaften untersucht haben. Allerdings ermittelten wir für die gewählten Regional- und Fallkonstellationen treffende und präzise Einschätzungen. Diese Konstruktionen von Typologien sind grundsätzlich anschlussfähig für weitergehende Studien und zwar sowohl für solche, die quantitativ vertiefend vorgehen als auch für jene, die qualitativ unseren Untersuchungsgegenstand verbreitern wollen. Literatur Alemann, U.v. 1995: Grundlagen der Politikwissenschaft, Opladen, 2. Auflage. Allmendinger, J. 2003: Strukturmerkmale universitärer Personalselektion und deren Folgen für die Beschäftigung von Frauen, in: Wobbe, T. (Hrsg,), Zwischen Vorderbühne und Hinterbühne, Beiträge zum Wandel der Geschlechterbeziehungen in der Wissenschaft vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Bielefeld, S. 259-277.
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Wilhelm, J. 1978: Qualifikationsarbeiten: eine soziologische Untersuchung über den Zusammenhang von wissenschaftlicher Arbeit, Ausbildung, Förderung und Forschungsprozeß an deutschen Universitätsinstituten, Göttingen. Wilhelm, J. 1983: Die Stammeskultur der Ordinarienuniversität, in: Baethge, M./Eßbach, W. (Hrsg.), Soziologie: Entdeckungen im Alltäglichen, Hans Paul Bahrdt, Festschrift zu seinem 65. Geburtstag, Frankfurt/New York, S. 477-495. Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen 2004: Forschungsevaluation an niedersächsischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Germanistik mit Niederdeutsch, Niederlandistik und Skandinavistik, Kulturantropologie/Europäische Ethnologie, Medienwissenschaften, Ergebnisse und Empfehlungen, Hannover. Wissenschaftsrat 2002: Empfehlungen zur Doktorandenausbildung, Drs. 5459/02, Saarbrücken. Wissenschaftsrat 2007: Empfehlungen zu einer lehrorientierten Reform der Personalstruktur an Universitäten, Drs.7721-07, Berlin.
Das Alles-oder-Nichts-Prinzip
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Das Alles-oder-Nichts-Prinzip Zur Unwägbarkeit von Karriereplanungen in der Politikwissenschaft Ursula Birsl
In den vergangenen Jahren wurden kleinere und auch umfangreichere Studien zu Karriereverläufen in der Politikwissenschaft an deutschen Hochschulen durchgeführt. Sie beschäftigen sich entweder mit den unterschiedlichen Strategien und Wegen, die junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wählen, um sich für eine Professur zu qualifizieren oder mit den Determinanten, die zu einer Berufung führen. Dass sich hierbei ein „erfolgreicher“ Karriereverlauf daran misst, auf eine ordentliche Professur berufen zu werden, hat einen einfachen Grund: „Das deutsche Hochschulsystem weist nur (noch, d. Verf.) wenige unbefristete akademische Stellen unterhalb der Professur auf. Wer eine akademische Karriere anstrebt, lässt sich deshalb auf einen ‚Alles oder nichts‘-Wettbewerb mit vielen Unbekannten ein. Habilitierte, die nicht schnell einen Ruf auf einen der begehrten, aber notorisch knappen Lehrstühle erhalten, müssen sich damit anfreunden, als Gesamtnetzabonnent der Deutschen Bahn immer wieder Vertretungsstellen anzunehmen oder sich im für den außerakademischen Arbeitsmarkt hohen Alter von über 40 Jahren nach einer neuen Tätigkeit umzusehen“ (Plümper/Schimmelfennig 2007:97).
Ein berufliches Umsteuern in einer früheren Lebensphase mit besseren Chancen, in einen nicht-akademischen Beruf zu wechseln, ist schwierig, weil erst am „Karrierewendepunkt“ (Arendes/Buchstein 2004) Habilitation oftmals ersichtlich wird, ob der Karriereverlauf wirklich als „Erfolg versprechend“ eingeschätzt werden kann. Erst wenn dieser Wendepunkt im beruflichen und qualifikatorischen Werdegang erreicht ist, lässt sich ungefähr abschätzen, wie der Arbeitsmarkt aktuell strukturiert ist und welche Determinanten u.U. gerade relevant für eine Berufung auf eine Professur sind. Die Strukturierung und Stellensituation am akademischen Arbeitsmarkt sowie die Berufungsdeterminanten sind einem permanenten Wandel oder einer Intransparenz unterworfen. Diese Situation wird dadurch verschärft, dass nur eine geringe Durchlässigkeit zwischen dem nicht-akademischen und akademischen Arbeitsmarkt existiert. Zumindest für die Politikwissenschaft - und auch für die Sozialwissenschaften insgesamt - kann gesagt werden, dass berufliche Erfahrungen und Qualifikationen, die außerhalb von Forschungseinrichtungen und Hochschulen erworben werden, in diesen keine Rolle spielen. Im Gegenteil: Sie sind eher kontraproduktiv. Das gilt selbst
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für forschungsnahe Berufsfelder und bedeutet, dass ein Wechsel auf eine nichtakademische Stelle nach der Promotion und vor allem nach der Habilitation - sei es auch nur um sich zeitlich befristet nach einem Karrierewendepunkt ökonomisch über Wasser zu halten oder die Tür für eine berufliche Alternative zu öffnen - eine Rückkehr in das akademische System erschwert. Gleiches kann für den nicht-akademischen Arbeitsmarkt beobachtet werden. Hier werden mehrjährige Erfahrungen in Forschung und Lehre sowie im Wissenschaftsmanagement u.ä. nicht als berufliche Erfahrungen anerkannt. Wer habilitiert ist, gilt zumeist als überqualifiziert oder als beruflich gescheitert, weil sie bzw. er keine Professur erhalten hat. Das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ greift nach der Promotion. An diesem Karrierewendepunkt muss die Entscheidung fallen, ob die wissenschaftliche Karriere weiter verfolgt wird oder ein Ausstieg der bessere Weg für den beruflichen Werdegang und die ökonomische Absicherung ist. Die Ursachen für diese Situation sind vielschichtig. Sie sind sowohl in politischen Entscheidungen auf Bundes- und Länderebene (Makro-Ebene), in der universitären und Forschungsförderpraxis (Meso-Ebene) als auch in den Strukturen und der Rekrutierungspraxis im Wissenschaftsbetrieb zu finden (MikroEbene). Im Nachfolgenden liegt das Hauptaugenmerk auf der Mikro-Ebene. Entscheidungen, Praxen und Strukturen der Makro- und Meso-Ebene werden dort thematisiert, wo sie die Praxis auf der Mikro-Ebene beeinflussen. Es wird danach gefragt, wie sich Karriereverläufe in der Politikwissenschaft seit der Gründung der Disziplin 1949 gewandelt haben und was sie heute auszeichnet. Ob die Beschäftigungslage junger Politikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an Hochschulen generell als prekär eingestuft werden können, oder ob es ein sehr ausdifferenziertes Feld an Lagen gibt, kann mit dem vorliegenden statistischem Material und den Studien nicht analysiert werden. Dennoch ist es möglich, strukturelle Probleme und eine kulturelle Praxis zu identifizieren, die begründete Fragen darüber aufwerfen, ob Qualifikation sowie fachliche und berufliche Kompetenz realiter ausschlaggebend für einen „erfolgreichen“ Karriereverlauf sind. Vieles von dem, was in diesem Beitrag diskutiert wird, kann nicht als typisch für die Politikwissenschaft klassifiziert werden. Zum einen fehlen systematische Vergleichsuntersuchungen, die es ermöglichen, ein Bild von der disziplintypischen Praxis zu zeichnen. Zum anderen unterliegt die Politikwissenschaft im Wesentlichen denselben Existenzbedingungen wie andere Disziplinen, vor allem der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Bevor nun detaillierter auf die
Das Alles-oder-Nichts-Prinzip
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Beschäftigungslage in der Politikwissenschaft eingegangen wird, soll das Fach kurz vorgestellt und die Stellensituation erläutert werden.
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Das Fach Politikwissenschaft
Die Politikwissenschaft ist in Deutschland eine relativ junge Wissenschaftsdisziplin, die sich erst nach dem Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg unter dem Einfluss der US-amerikanischen und auch britischen Alliierten an bundesdeutschen Hochschulen zu etablieren begann. Ein Vorläufer war die Deutsche Hochschule für Politik, die in der Zwischenkriegszeit in Berlin gegründet wurde. Bereits in der Weimarer Republik wurde die Politikwissenschaft als Demokratiewissenschaft begriffen. Dieses Selbstverständnis als Demokratiewissenschaft und kritische Sozialwissenschaft war nach 1945 leitend bei der konzeptionellen Ausgestaltung des Faches. Aber erst die Bildungsexpansion der sechziger und siebziger Jahre führte zu einem Ausbau und zur Konsolidierung der Disziplin. Im Hintergrund stand die flächendeckende Einführung des Unterrichtsfaches Sozialkunde/Gemeinschaftskunde mit politikwissenschaftlichem Anteil in den Schulen, für das Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden mussten und der Ausbau der außerschulischen politischen Bildung sowie eine Stärkung der Sozialwissenschaften in der sozialliberalen Ära. Bis zu dieser Zeit war die Politikwissenschaft lediglich an wenigen Standorten vertreten. Nur am Otto-SuhrInstitut der Freien Universität zu Berlin war ein Vollstudium möglich1. Mittlerweile ist das Fach an rund 70 Universitäten mit zumindest einer Professur vertreten (vgl. Schüttemeyer 2007; Zimmer/Wurm 2007). Politikwissenschaftliche Institute sind in der Regel mit drei bis vier Lehrstühlen ausgestattet. Bis weit in die neunziger Jahre hinein galten „das politische System der Bundesrepublik Deutschland/Innenpolitik“ bzw. „Regierungslehre“, „Internationale Beziehungen“, „Vergleichende Politikwissenschaft“ und „politische Theorie und Ideengeschichte“ als die vier Subdisziplinen oder Teilbereiche des Faches. Wenn diese durch Professuren vertreten waren, wurden politikwissenschaftliche Institute als so genannte Voll-Institute begriffen. Seit Mitte der neunziger Jahre lässt sich eine Auffächerung und Spezialisierung beobachten, die sich aktuell auch in
1
Vgl. zur Geschichte und Entwicklung der Politikwissenschaft u.a. Beiträge in den Sammelbänden herausgegeben von Leggewie, 1994, von Falter/Wurm, 2003 und zu Westeuropa von Klingemann, 2007 sowie in der Monographie von Hartmann, 2003.
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den neuen Bachelor- und insbesondere in den Master-Studiengängen abbilden2. So gewinnen etwa Governance-Forschung, Europa-Studien, Policy-Forschung (oftmals Sozial- oder Sozialstaatspolitik), politische Ökonomie und Area-Studies an Bedeutung. Diese Spezialisierungen liegen oftmals quer zu den Subdisziplinen und führen zu einer eher gegenstandsbezogenen Ausrichtung in Lehre und Forschung an den einzelnen Standorten. Für diese Entwicklung dürfte es im Wesentlichen zwei Gründe geben: (1) Sie wird durch die Instrumente und die Praxis der Forschungsförderstiftungen, vor allem der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie durch das Forschungsprogramm der EU forciert. Insbesondere bei der Akquise größerer Forschungszusammenhänge wie Forschergruppen oder Sonderforschungsbereiche (SFB) ist Interdisziplinarität Voraussetzung, die über den Forschungsgegenstand hergestellt wird. Große Forschungszusammenhänge binden neben den drittmittelgeförderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gleichfalls das wissenschaftliche Personal sowie die Antragsteller der involvierten Institute und beziehen die Promotions- und Habilitationsförderung (Graduiertenkollegs, Graduiertenschulen) mit ein. Über die Drittmittelakquise wird u.a. versucht, Mittelkürzungen an Hochschulen zu kompensieren und durch die Beteiligung an einer Forschergruppe oder einem SFB die Existenz eines Faches abzusichern. Hinzu kommt eine Ökonomisierung in der Hochschulpolitik, die ihren Ausdruck u.a. in Zielvereinbarungen über leistungsgebundene Mittelzuweisungen zwischen Land und Universitäten und innerhalb der Universitäten zwischen Präsidium und Fakultäten findet. Hierüber werden die Höhe der Globalhaushalte der Universitäten und die budgetierten Haushalte der Fakultäten festgelegt. In diesen Zielvereinbarungen ist Drittmittelakquise zu einer wichtigen und marktorientierten Kennziffer geworden3. Damit ist drittmittelgeförderte Forschung in ihrem Stellenwert auch für Disziplinen von größer werdender Bedeutung, die in der Vergangenheit hierauf nicht konzentriert waren. Politikwissenschaft gehört zwar zu den forschungsintensiven aber in der Vergangenheit nicht zu den drittmittelstarken Disziplinen. (2) Im Kontext der Exzellenzinitiativen, aktuellen Hochschulpolitik der Länder, aber auch der Universitäten sind Fakultäten sowie Institute zur Profilbildung gezwungen, die ebenfalls eine Spezialisierung im Forschungsfeld vorantreibt. Diese Spezialisierung oder Gegenstandsbezogenheit widerspricht tendenziell einer Politikwissenschaft 2
3
Vgl. zur Schwerpunktsetzung von BA- und MA-Studiengängen die Recherchen der Geschäftsstelle der größten Fachvereinigung der Politikwissenschaft Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) bei Zimmer/Wurm, 2007. Diese Kennziffer – gemessen an der DFG-Förderung – gewinnt darüber hinaus im nationalen und internationalen Vergleich etwa über das CHE-Ranking an Bedeutung und positioniert Fächer und Hochschulen in einem Wettbewerb.
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als umfassende Demokratiewissenschaft. Dieser Wandel hat – wie sich noch zeigen wird – Einfluss auf die akademischen Karriereverläufe. Gemessen an den Studierendenzahlen gehört Politikwissenschaft zu den größeren Fächern an bundesdeutschen Hochschulen4. Im europäischen Vergleich ist das Fach in Deutschland nach Großbritannien am stärksten vertreten (vgl. Schüttemeyer 2007; Zimmer/Wurm 2007:130). Im Wintersemester 2006/2007 waren etwas über 28.5000 Studierende eingeschrieben. Hinzu kommen 3.000 Lehramtsstudierende im Unterrichtsfach Sozialkunde (Statistisches Bundesamt, 2007a). Ihnen stehen 965 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im wissenschaftlichen Personal gegenüber. Darunter befinden sich 281 ordentliche Professorinnen und Professoren (Statistisches Bundesamt 2007b). Damit besteht ein Betreuungsverhältnis zwischen diesen und in der Politikwissenschaft eingeschriebenen Studierenden (ohne Lehramt) von 1 zu knapp über 100. Die Stellenentwicklung weist trotz stabiler Studierendenzahlen einen negativen Trend auf. Bis 2004 konnte beim hauptberuflichen Personal noch ein moderater Zuwachs festgestellt werden, seitdem ist wieder ein Abwärtstrend zu verzeichnen. Damit gehört die Politikwissenschaft zu den wenigen Disziplinen in der Fächergruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, bei denen dies der Fall ist. Auch die Zahl der Professuren sinkt, was zu dem ungünstigen Betreuungsverhältnis führt. Nach der deutschen Vereinigung wurde die Politikwissenschaft institutionell zwar ausgedehnt, jedoch fiel dabei der Zuwachs an Personal und Professuren relativ gering aus. Es konnte durch die Ausdehnung lediglich der Verlust an Stellen insgesamt kompensiert werden, der in Westdeutschland seit den achtziger Jahren drohte (vgl. Statistisches Bundesamt 2007b; Arendes/Buchstein 2007:24). Wie die Tabelle 1 zeigt, ist das Fach in Studium und Lehre darüber hinaus auf das nebenberufliche wissenschaftliche Personal angewiesen, und hier insbesondere auf die Tätigkeiten von Lehrbeauftragten und Habilitierten ohne (adäquate) Stelle, also auf die so genannten Privatdozentinnen und -dozenten. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen rund 48 % und damit fast die Hälfte des Gesamtpersonals aus. Ein solches Größenverhältnis zwischen haupt- und nebenberuflichen Personal ist für die Fächergruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften symptomatisch, aber nicht für das gesamte Hochschulsystem. Denn insgesamt sind an allen deutschen Hochschulen im wissenschaftlichen 4
Unter den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern ist eines der größten. Rechtswissenschaften, Medizin, Wirtschaftswissenschaften und –informatik, Mathematik, Informatik und einige naturwissenschaftliche Fächer sind insgesamt die stärksten Disziplinen (vgl. Statistisches Bundesamt, 2007a).
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Personal 58 % hauptberuflich und nur 32 % nebenberuflich tätig (vgl. Statistisches Bundesamt 2007b und eigene Berechnungen). Fächer der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und damit auch die Politikwissenschaft können personell als unterausgestattet bezeichnet werden5. Zum Abschluss soll noch auf eine weitere Auffälligkeit in der Tabelle 1 hingewiesen werden, die im Abschnitt 4 noch intensiver behandelt wird: Die Politikwissenschaft ist ein männerdominiertes Fach. Das gilt - anders als etwa bei der Soziologie - auch für das Studium. Die Unterrepräsentanz von Frauen schlägt sich aber in einem besonderen Maß im Personal nieder, und zwar abhängig von Statusgruppen. Sind Frauen unter wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch zu über 40 % vertreten, sinkt ihr Anteil unter den wissenschaftlichen Assistentinnen und Assistenten (Stellen zur Habilitation) bereits auf ein Drittel. Nur auf 18,5 % aller Professuren sind Wissenschaftlerinnen berufen. Das heißt, 81,5 % aller Lehrstühle sind von Männern besetzt. Zwar ist der Anteil der Frauen damit seit den achtziger Jahren mehr als verdoppelt worden, jedoch wäre durch die institutionelle Ausdehnung nach Ostdeutschland und die seit der Jahrtausendwende angelaufene Pensionierungswelle mit Neubesetzungen auf den Lehrstühlen eine spürbarerer Anstieg zu erwarten gewesen. Die Pensionierungswelle ebbt nun wieder ab und die Zahl der neu zu besetzenden Professuren wird merklich sinken. Das bedeutet, dass der Anteil von Frauen erst einmal auf diesem niedrigen Niveau eingefroren werden dürfte. Die Politikwissenschaft ist mit diesen Relationen zwischen den Geschlechtern kein Ausreißer in der deutschen Hochschullandschaft, sondern liegt damit im allgemeinen (traurigen) Trend. Interessant sind jedoch zwei Aspekte: (1) Frauen entscheiden sich proportional oder sogar überproportional im Verhältnis zu ihrem Anteil unter den Studierenden dazu, nach dem Studium wissenschaftlich tätig zu werden. Wie sich noch zeigen wird, gehen sie dem Fach aber an den Karrierewendepunkten nach und nach verloren. (2) Befunde aus der Untersuchung von Berufungsdeterminanten von Plümper und Schimmelfennig (2007) deuten darauf hin, dass hier subtile, von den Akteuren nicht immer reflektierte Diskriminierungsmuster greifen, die sowohl innerhalb der Gruppe der Politikwissenschaftlerinnen als auch gegenüber Männern wirken. Es kann also nicht allein von einem Gender-Gap in den Karriereverläufen und in der Berufungspra5
In einer vergleichbaren Situation befinden sich die Sprach- und Kulturwissenschaften. Diese Situation kann nicht damit begründet werden, dass es Fächer mit besonderen Anforderungen in Lehre und Forschung gibt, die eine andere personelle Ausstattung erfordert. Technisches und anderes nicht-wissenschaftliches Personal etwa für Labortätigkeiten in Natur- und Technikwissenschaften sind in diesen Stellenrelationen nicht enthalten. Des Weiteren betrifft diese Unterausstattung nicht alle geisteswissenschaftlichen Fächer.
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xis gesprochen werden. Hinter diesen Diskriminierungsmustern verbergen sich zum einen Strukturen und Denkweisen, die nicht nur als androzentrisch, sondern als tradiert patriarchal und konservativ bezeichnet werden können. Zum anderen offenbaren sich hierin Probleme in der Gleichstellungspolitik.
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Ursula Birsl Qualifizierung und Beruf, oder: Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler zwischen den Stühlen
In diesem Beitrag ist bewusst auf den Begriff des Nachwuchswissenschaftlers verzichtet worden. Er drückt das Dilemma aus, in dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im deutschen Wissenschaftssystem bis zur abgeschlossenen Habilitation oder Berufung auf eine Professur befinden. Obwohl sie mit dem Examen über einen berufsqualifizierenden Abschluss verfügen, einer beruflichen Tätigkeit in ihrer Fachwissenschaft nachgehen und ihnen in aller Regel dabei auch wissenschaftliches Arbeiten für eine Forschungseinrichtung oder einen Lehrstuhl abverlangt wird, wird ihnen über den Begriff „Nachwuchswissenschaftler“ der Status einer Auszubildenden oder eines Auszubildenden zugewiesen. Das heißt, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bewegen sich gleichzeitig im Bildungs- und im Berufssystem. An Hochschulen sind sie Lernende und Lehrende zugleich, und dies bis zu einem Alter von 40 Jahren. Nach diesem Verständnis wird Wissenschaft erst mit der Berufung auf eine Professur zur Profession. Der Status als Nachwuchswissenschaftlerin/Nachwuchswissenschaftler oder Auszubildende/Auszubildender hat Folgen für die ökonomische Absicherung der Lebenslagen und die Beschäftigungsverhältnisse. Bis in die achtziger Jahre war es in der Bundesrepublik durchaus üblich, bereits Promovierende in mehrjährigen Vollzeit-Angestellenverhältnissen zu beschäftigen. Im Zuge der Mittelkürzungen an Hochschulen wurde aus diesen Arbeitsverhältnissen Teilzeitbeschäftigung. Forciert wurde zu der Zeit diese Umstellung durch die DFG, die bei Projektanträgen nur noch halbe Stellen mit dem Argument bewilligte, dass die Stelleninhaberin oder der Stelleninhaber neben der wissenschaftlichen Arbeit im Forschungsprojekt verfügbare Zeit zur Promotion benötige. Dieses Argument ist bis heute der ausschlaggebende Grund für die Teilzeitbeschäftigung in den Hochschulen und der Forschungsförderung. Bei der Bewilligung von Sachbeihilfen für Forschungsvorhaben wird von den Förderstiftungen im Regelfall davon ausgegangen, dass Forschungsprojekt und Promotionsprojekt sich nicht demselben Gegenstand widmen. Hierdurch wird das Promovieren in und mit einem drittmittelgeförderten Projekt faktisch unmöglich. Damit wurde der Status der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiter diffundiert und wissen-
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schaftliche Arbeit an einer Hochschule oder in einer Forschungseinrichtung von der wissenschaftlichen Arbeit an einem Promotionsprojekt weiter entkoppelt6. Die moderate Aufstockung des Stellenpools an den Hochschulen und die institutionelle Ausdehnung von Fachwissenschaften wie der Politikwissenschaft nach der Vereinigung dürften vor allem durch mehr Teilzeitbeschäftigung möglich gewesen sein. In der Phase der Habilitation wirkt derselbe diffuse Status fort, gleichzeitig steigt der Druck. Wie aus der Tabelle 1 ablesbar, sind Stellen zur Habilitation wie die der wissenschaftlichen Assistentinnen und Assistenten (C1) in der Politikwissenschaft ein knappes Gut. Diese sind zudem - wie auch die der akademischen Rätinnen und Räte - durch die Reform des Hochschulrahmengesetzes von 2002 und in der Umsetzung der Länder weitgehend abgeschafft. Juniorprofessuren (W1), die die C1-Stellen und die Habilitation als Zugangsvoraussetzung zur Professur ersetzen sollten, haben sich aber bislang nicht durchsetzen können. Nach Recherche der DVPW-Geschäftsstelle sind in der Politikwissenschaft weit weniger als 20 solcher Professuren eingerichtet worden. Das hat zwei Konsequenzen: (1) Die Habilitation bleibt relevant für die Berufung auf eine Professur, auch wenn sie etwas an Bedeutung verloren hat. Ob dies eine Trendwende bedeutet, ist noch nicht abzusehen. Denn es gab Phasen in der jüngeren Geschichte der Politikwissenschaft in der Bundesrepublik, in denen die Habilitation eine weit weniger wichtige, ja sogar eher untergeordnete Rolle bei der Besetzung von Professuren gespielt hat (vgl. Abschnitt 3). Aufgrund dieser unsicheren Lage streben selbst Juniorprofessorinnen und -professoren eine Habilitation an. (2) Auch wenn es sich in den Statistiken des Statistischen Bundesamtes noch nicht ablesen lässt, dürften die ohnehin schon knappen Stellen noch knapper werden, auf denen die Voraussetzungen für die Lehrbefugnis und für eine Berufung erworben werden können. Auf andere Beschäftigungsverhältnisse - wie etwa auf eine Ratsstelle - kann nun aber nicht mehr ausgewichen werden. Dies trifft „Nachwuchswissenschaftlerinnen“ und „Nachwuchswissenschaftler“ in einem Lebensalter von 30 und mehr Jahren. Hinzu kommt, dass ein anderer Stellentypus immer populärer wird. Es sind „Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben“, die mit einem Lehrdeputat von 14 und mehr Semesterwochenstunden ausgestattet sind. Die Zunahme dieser befristeten Stellen ist ebenfalls in den Statistiken noch nicht sichtbar, weil es sich um eine 6
Die Forschungspraxis lehrt, dass wissenschaftliche Tätigkeit auf einer halben Stellen bedeutet, Vollzeit zu arbeiten. Neben einem Forschungsprojekt zu einem anderen Thema - selbst wenn es eine thematische Nähe gibt - zu promovieren, verzögert oder verhindert den Abschluss der Dissertation.
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neue Entwicklung und Folge der Umstellung auf BA- und MA-Studiengänge nach den Lehrkapazitätsverordnungen der Länder handelt. Diese Stellen werden aus dem vorhandenen und für die „Nachwuchsförderung“ vorgehaltenen Stellenpool entnommen und umgewidmet. Eine wissenschaftliche Qualifizierung ist in diesen Arbeitsverhältnissen nicht möglich. Sie entfallen für diesen Zweck und können für die Lehrkräfte beruflich in eine Sackgasse führen, wenn sie sie nicht nur kurzzeitig für eine Statuspassage nutzen können. An Universitäten in den Bundesländern, in denen Studiengebühren erhoben werden, werden die Lehrkräfte zum Teil aus diesen finanziert, und die Stellen sind zusätzliche. Aber auch hier gilt, dass die Tätigkeit für den beruflichen Werdegang kaum nützlich ist. Aus Studiengebühren werden darüber hinaus Tutorien und wissenschaftliche Hilfskräfte für die Lehre finanziert. Hierüber dürfte sich das Verhältnis zwischen haupt- und nebenberuflichen Personal weiter zugunsten letzterer verschieben.
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Geschlossene Gesellschaft?
Der diffuse Status und die Beschäftigungsstruktur beschreiben die Rahmenbedingungen, unter denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterhalb der Professorenebene im Hochschulsystem tätig sind. Ihre Lage ist damit aber noch nicht hinreichend beleuchtet. Vor allem ob diese als prekär gekennzeichnet werden kann und wie sie sich konkret in der Politikwissenschaft gestaltet, ist hieran allein nicht zu bewerten. Hinweise darauf, ob sich die Lage und die Karriereverläufe im Verhältnis zu den geschilderten strukturellen Rahmenbedingungen insgesamt ungünstig entwickeln, bieten drei aktuelle Untersuchungen in der Fachdisziplin. Dabei handelt es sich um eine schriftliche Befragung unter DVPWMitgliedern mit unterschiedlichem akademischen Grad und in unterschiedlichen sozio-ökonomischen Positionen zu Karriereverläufen in der Politikwissenschaft. Die Befragung wurde 2003 von Michèle Knodt, Ulrich Willems und Peter Kotzian durchgeführt7. An ihr nahmen 426 Befragte oder rund 30 % der DVPWMitglieder teil (Knodt/Willems/Kotzian 2004). In einer weiteren Untersuchung wurden Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler ebenfalls schriftlich befragt, die zwischen 1990 und 2004 habilitiert oder ohne Habilitation einen Ruf auf eine Professur erhalten haben. Thomas Plümper und Frank Schimmelfennig konnten für diesen Zeitraum 357 Personen ermitteln, auf die diese Krite7
An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei meiner Kollegin und meinen beiden Kollegen dafür bedanken, dass sie mir für diesen Beitrag die Tabellen und Schaubilder aus der Untersuchung als Datei überlassen haben.
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rien zutreffen. Von 150 haben sie auswertbare Fragebögen erhalten. Ziel war es, empirisch zu ermitteln, welche Determinanten realiter zu einer Berufung auf eine Professur führen. Wie wird beispielsweise Leistung in der Berufungspraxis bemessen, welche Rolle spielen Alter und Geschlecht sowie informelle Netzwerke in der Chancenstruktur? Welche persönlichen und wissenschaftlichen Merkmale können kontraproduktiv für eine erfolgreiche Bewerbung sein (Plümper/Schimmelfennig 2007)? Eine weitere, DFG-geförderte Studie umfasst eine kollektivbiographische Analyse der sozialen Gruppe der Professorinnen und Professoren in der Politikwissenschaft und fragt, wie sich diese Kollektivbiographie seit Gründung des Faches 1949 bis 1999 verändert hat. Aus dieser Studie von Gerd Arendes und Hubertus Buchstein ist für diesen Beitrag vor allem interessant, was sich in der Kollektivbiographie an den Karrierewendepunkten verändert hat. Für die Analyse wurde eine Grundgesamtheit von 603 Inhaberinnen und Inhabern von Professuren im Untersuchungszeitraum ermittelt. Mit Hilfe von Hochschulverzeichnissen, Mitgliederverzeichnissen von Fachvereinigungen und anderem Quellenmaterial sowie mit einer Befragung unter den noch lebenden und erreichbaren 529 Hochschullehrerinnen und -lehrern, von denen sich 269 beteiligt haben, konnte eine Kollektivbiographie entworfen werden, die je nach Kategorie und verfügbarem empirischen Material eine Stichprobengröße zwischen rund 250 und über 600 Fällen umfasst (Arendes/Buchstein 2004). Die Untersuchungen erfassen ausschließlich diejenigen, die sich entweder als Professorinnen und Professoren bereits etabliert oder zumindest in das Wissenschaftssystem eingefädelt und für eine akademische Karriere entschieden haben. Diejenigen, die einen solchen Karriereweg ins Auge gefasst, aber dann aufgegeben haben, also ausgestiegen sind, sind nicht einbezogen. Es bedürfte einer zusätzlichen „Aussteigerstudie“ vor allem am Karrierewendepunkt Promotion, um ein vollständigeres Bild über die Beschäftigungslage, die Arbeits- und Qualifizierungsbedingungen und über Selektionsmuster zu zeichnen. Denn aus eigener Beobachtung gestaltet sich die Phase oder Statuspassage zwischen Abschluss der Doktorarbeit und Einstieg in eine finanziell abgestützte Habilitationsphase als äußerst problematisch. Es existieren nur wenige so genannte Postdoc-Stellen zur Vorbereitung eines Habilitationsprojektes und für Bewerbungen auf entsprechende Stellen oder ein Stipendium. Die Abhängigkeit von den Aktivitäten und von dem Wohlwollen einer Lehrstuhlinhaberin bzw. zumeist eines Lehrstuhlinhabers ist in dieser Phase besonders hoch. Ist also die Bereitschaft vorhanden, eine Promovierte oder einen Promovierten eine Postdoc- oder Habilitationsstelle zu vermitteln oder alternativ einen Antrag für ein Drittmittelprojekt als Antragsteller zu unterstützen, also zu fördern? In dieser Phase zeigt
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sich, ob jemand als „geeignet“ angesehen wird, später u.U. in den Stand der Professorinnen und Professoren aufgenommen zu werden8. Welche Kriterien bei der Selektion angelegt werden, ist noch intransparenter als in der Berufungspraxis. Interessant wäre es zu untersuchen, ob ähnliche Muster zu erkennen sind wie in Studien zum Einfluss sozialer Herkunft, des Migrationshintergrundes und von Geschlecht auf Schullaufbahnempfehlungen durch Lehrerinnen und Lehrer in Grundschulen9. Obwohl über die Selektionsmechanismen wenig bekannt ist, weisen die Untersuchungen dennoch indirekt darauf hin, dass auf dem Karriereweg eine Schließung der Profession „Politikwissenschaft“ nach sozialer Herkunft, oder genauer: sozialem Stand, Nationalität und Geschlecht greift10. Zumindest hinterlassen die Befunde zur Kollektivbiographie von Professorinnen und Professoren diesen Eindruck: „Die kollektivbiographische Untersuchung ergibt in der Zusammenschau, dass es sich bei der Politikwissenschaft an den deutschen Universitäten um eine Disziplin handelt, deren Professoren/-innen einem national äußerst homogenen und der Tendenz nach städtischen und bürgerlich geprägten sozialen Hintergrund entstammt. An den Karrierewendepunkten Promotion (30 Jahre), Habilitation (38 Jahre) und erste Berufung (41 Jahre) zeigt das durchschnittliche Alter, dass die Politikwissenschaft sozusagen eine ‚normale’ Disziplin ist“ (Arendes/Buchstein, 2004:27). 8
9
10
Der „Eignungstest“ ist dann das Habilitationsverfahren, das oftmals als entwürdigend erlebt wird. In aller Regel – aber nicht durchgängig – soll ein Promotionsverfahren mit den Bestnoten „summa cum laude“ oder „magna cum laude“ abgeschlossen werden, um als „habilitationsfähig“ eingeschätzt zu werden. Bislang ist ungeprüft, in welchem Umfang subjektive bzw. Personen bezogene Kriterien in die Notenvergabe einfließen. Mittlerweile setzt die Selektion schon zu einem früheren Zeitpunkt ein, und zwar im Zugang zur Phase des Promovierens. Bei der Zulassung zu Promotionsstudiengängen, bei der Immatrikulation als Doktorandin oder Doktorand, bei der Aufnahme in Graduiertenkollegs oder –schulen spielt immer häufiger die Examensnote eine vorrangige Rolle. Das Exposé zu einem Promotionsprojekt kann eine Note schlechter als „gut“ nur selten ausgleichen. Es sei denn, eine Betreuerin oder ein Betreuer setzt sich ein. Dabei bleibt unberücksichtigt bzw. wird gezielt ausgeblendet, unter welchen Bedingungen ein Studium absolviert wurde. Musste das Studium mit Jobben finanziert werden, oder handelt es sich um eine ausländische Bewerberin oder einen ausländischen Bewerber mit Deutsch als Zweitsprache? Eine Sekundäranalyse von HIS-Daten hat zudem offen gelegt, dass die neuen gestuften Studiengänge die Selektion noch einmal im Bildungsgang weiter vorverlegen. Hier kann von einem sozialen Schließungsprozess gesprochen werden, der bei der Zulassung zum BA und dann noch einmal beim Zugang zum MA greift (Kretschmann 2007). Dies gilt für die neuen Studiengänge insgesamt. Forciert wird dieser Prozess durch die Lehrkapazitätsverordnungen, die Studienplätze zu einem eher knappen Gut bei steigenden Studierendenzahlen machen. Aber dies ist nicht allein der Grund. In universitätsinternen Debatten wird relativ offen geäußert, dass in einen Masterstudiengang vor allem „exzellenter Nachwuchs“, die künftige „akademische Elite“ Zugang erhalten soll, was auch immer das bedeutet. Vgl. Gender in Science, zu Schließungsprozessen in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen Costas, 2003.
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Vor allem bleibt die Kollektivbiographie über die Jahrzehnte hinweg relativ stabil. Das gilt sowohl für die soziale Herkunft als auch für den geringen Zugang von Frauen zu Lehrstühlen, die Dauer der Qualifikationsphasen und den Altersdurchschnitt an den Karrierewendepunkten. Nur in Ausnahmephasen spielten formale Qualifikationen wie die Habilitation und das Senioritätsprinzip bei Erstberufungen eine geringere Rolle. Es sind im Wesentlichen die Jahre zwischen 1960 und 1969 sowie zwischen 1970 und 1979 – also die Phase der Bildungsreformära während der sozialliberalen Regierung – als der Bedarf an Professorinnen und Professoren nach oben schnellte. Zu der Zeit spielte die Habilitation bei mehr als der Hälfte aller Erstberufungen in der Politikwissenschaft keine Rolle und das Erstberufungsalter sank ein wenig, jedoch weniger als vermutet werden könnte. Die Generation der damals Berufenen kann als Gewinnerin, oder zugespitzt: als einzige Gewinnerin der Bildungsexpansion und Öffnung der Universitäten gezählt werden. Wie die Befunde in der Tabelle 1 veranschaulichen, ist das Durchschnittsalter an den Karrierewendepunkten sukzessive gestiegen. Gleichzeitig hat die Habilitation an Bedeutung gewonnen. Lag der Anteil der Habilitierten an den Erstberufenen in den beiden Dekaden zwischen 1960 und 1979 bei nur 47 % bzw. 44 %, so stieg er in den Jahren zwischen 1980 und 1989 auf über 85 % und verblieb im darauf folgenden Jahrzehnt auf etwas über 78 % (vgl. ebenda: 21f.). In der Untersuchung von Plümper/Schimmelfennig waren im Sample von den 100 zwischen 1990 und 2004 Erstberufenen 86 % habilitiert. Einige NichtHabilitierte haben dann noch nach der Berufung ihr Habilitationsverfahren abgeschlossen (2007: 106f., eigene Berechnung), wohl in der Überzeugung, bei weiteren Bewerbungen bessere Chancen zu haben oder mit der Habilitation ein besseres Standing in der Scientific Community zu gewinnen11. Dieser hohe Anteil überrascht aus dem Grund, dass nach Recherchen von Plümper/Schimmelfennig in den Zeiträumen zwischen 1993 und 1996 sowie noch einmal zwischen 2002 und 2005 sich Erstberufungen vor der Habilitation häuften (ebenda:107).
11
Vgl. zu hohen Wert von symbolischen Kapital im kulturellen Kapital im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem Münch, 2007:344ff.
30,5 Jahre
31,0 Jahre
1980-1989
1990-1999
41,8 Jahre 43,9 Jahre
39,5 Jahre
38,4 Jahre
40,7 Jahre
Erstberufung
38,0 Jahre
37,2 Jahre
36,5 Jahre
Habilitation
3,8 Jahre 4,4 Jahre
8,5 Jahre
1,2 Jahre
4,2 Jahre
HEB
7,5 Jahre
6,6 Jahre
8,7 Jahre
PH
Sequenz
12,9 Jahre
11,3 Jahre
7,8 Jahre
12,9 Jahre
PEB
Arendes/Buchstein, 2004:22; Promotion (P): N=510, Habilitation (H): N=311, Erstberufung (EB): N=517.
30,6 Jahre
1970-1979
Quelle:
27,8 Jahre
Promotion
Karrierewendepunkt
Durchschnittsalter an den Karrierewendepunkten und durchschnittliche Sequenzen zwischen den Wendepunkten nach der Studie von Arendes/Buchstein
1960-1969
Erstberufung zwischen
Tabelle 2:
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Das Alles-oder-Nichts-Prinzip
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Die Entwicklung in der Politikwissenschaft ist nicht außergewöhnlich, sondern bewegt sich im allgemeinen Trend. Da überrascht es nicht, dass sich Juniorprofessuren als alternativer Karriereweg bislang nicht durchsetzen konnten und bei jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Skepsis stoßen. Hinzu kommen die Erfahrungen in der Alltagspraxis. Oft wird bemängelt, dass Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren einer relativ hohen Verpflichtung in Studium und Lehre sowie in der akademischen Selbstverwaltung unterliegen und deshalb nicht ausreichend Freiraum für Forschung und zum Publizieren hätten. Dies würde jedoch nicht allzu schwer wiegen, wenn sie als Professorinnen und Professoren in der Alltagspraxis anerkannt würden. Stattdessen sind letztendlich auch sie „wissenschaftlicher Nachwuchs“, was sich vor allem an zwei Symptomen ablesen lässt: (1) Die wissenschaftlichen Qualifikationsanforderungen an Juniorprofessorinnen und –professoren entsprechen ungefähr dem einer Habilitation plus. Das heißt, dass – allerdings je nach Universität oder Fakultät unterschiedlich – bei der Evaluation nach den ersten drei Jahren für die Verlängerung der Professur um weitere drei Jahre zusätzlich eine Art Lehrprobe absolviert werden muss. (2) Auch wenn in Bundesländern per Erlass vorgeschrieben ist, dass die Inhaberinnen und Inhaber von Juniorprofessuren den Professorentitel verliehen bekommen, hält sich hartnäckig die Zusatzbezeichnung „Junior“ oder in Kurzform: „JProf.“. In Abgrenzung hierzu oder auch zu Fachhochschulkolleginnen und –kollegen oder Inhaberinnen und Inhaber von Sonderprofessuren finden sich auf Briefköpfen und Visitenkarten von Hochschullehrern die Bezeichnungen „ordentlicher Professor“, „Universitätsprofessor“ oder gar „ordentlicher Universitätsprofessor“. Was für Außenstehende etwas seltsam anmuten mag, hat einen ernsten Hintergrund. Es erinnert an die ständische Selbstbehauptung und Chancenregulierung bzw. an die (Ab-)Schließungsprozesse, wie sie aus der Milieu- und Bildungsforschung gerade für das Milieu der „Bildungsaristokratie“ und seinen Teilmilieus, zu den die Professorinnen und Professoren gehören, bekannt sind. Dabei handelt es sich nicht allein um eine alte konservative Bildungsaristokratie, sondern u.a. auch um eine „Progressive Bildungselite“ und eine „Moderne Dienstleistungselite“, die ihren Bildungs- und Milieuaufstieg in den sechziger und siebziger Jahren erlebten und einem ausgeprägten meritokratischen Ethos folgen (vgl. Vester, 2005; Birsl/Schley, 2007). Dass sich eine relativ stabile Kollektivbiographie über die Jahrzehnte hinweg halten konnte, ist erklärungsbedürftig. Denn die Bildungsexpansion – auch wenn sie sozial und geschlechtlich hoch selektiv war – und die veränderten Rahmenbedingungen, wie sie am Beispiel der Politikwissenschaft vorgestellt wurden, hätten durchgreifendere Folgen für die Rekrutierungspraxis und für die Kollek-
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Ursula Birsl
tivbiographie in der Disziplin erwarten lassen. Zu den Gründen ließe sich einiges spekulieren oder aus den Erkenntnissen der Milieuforschung ableiten, dennoch wäre hier ein Bedarf an weiterführender Forschung anzumelden, die sich intensiver mit den Schließungsprozessen, den Selektionsschwellen und den ständischen Regulierungen der akademischen Aufstiegschancen beschäftigt. Eines dürfte jedoch als sicher angesehen werden: Es gibt heute keine akademische „Normkarriere“ mehr, die dazu beiträgt, den Karriereweg auf der einen Seite planbar und die ständische Reproduktion auf der anderen Seite mit im Vergleich zu heute einfachen und unhinterfragten Mitteln zu garantieren. Für die Politikwissenschaft und die Sozialwissenschaften dürfte dies in einem besonderen Maß gelten: „In der ‚guten alten Zeit’ gab es zweifellos eine akademische Normkarriere (…). Diese zeichnete sich dadurch aus, dass der akademische Nachwuchs nach der Dissertation eine Assistenten-Stelle an einem Lehrstuhl innehatte, sich auf dieser Stelle habilitierte und eventuell schon Erfahrung in der universitären Gremienarbeit sammelte. Der Betreuer der Habilitation, der oftmals bereits der Doktorvater (Doktormütter gab es zu dieser Zeit noch weniger als heute) war, vermittelte dann seinem Zögling eine Stelle an einem befreundeten Fachbereich. Oder freundlicher formuliert: Die Normallaufbahn versprach perfekt für den universitären Lehrstuhlbetrieb sozialisierte Bewerber hervorzubringen. Demnach sollte eine Normkarriere sich positiv auf die Berufungschancen ausgewirkt und zugleich die Dauer zwischen Habilitation und Erstberufung verkürzt haben“ (Plümper/Schimmelfennig 2007:101).
Die Ergebnisse der Befragung von Plümper/Schimmelpfennig sprechen nun dafür, dass zwar Rudimente dieser Normkarriere noch fortbestehen. Das betrifft u.a. die Wirkkraft so genannter informeller Netwerke bei Berufungsverfahren, die empirisch allerdings nur schwer gemessen werden können. Jedoch ist heute sehr viel unklarer, welche wissenschaftlichen Qualifikationen und Leistungen relevant sind, den Karriereverlauf erfolgreich zu gestalten. In der Studie von Plümper/Schimmelfennig wurden neben Fragen zur wissenschaftlichen Laufbahn (Promotion, Habilitation etc.) und Einbindung in informelle Netzwerke auch einige zur Leistung erhoben. Dabei wurden Leistungskriterien zugrunde gelegt, wie sie vom Wissenschaftsrat empfohlen und als Evaluationskriterien herangezogen werden. Dazu zählen Veröffentlichungen in sichtbaren nationalen und internationalen Fachzeitschriften und Drittmittelakquise. Es sind Kriterien, die nach eigener Beobachtung jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern immer wieder ans Herz gelegt werden. Hinzu kommen Auslandsaufenthalte und dass Karrierewendepunkte in einem möglichst frühen Alter erreicht werden sollten. Weiterhin sind persönliche Merkmal gemessen worden, die für eine Erstberufung ausschlaggebend sein können, wie das Alter (Senioritätsprinzip), Geschlecht und Elternschaft.
Das Alles-oder-Nichts-Prinzip
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In der Zusammenschau der zentralen Befunde zeigt sich, dass den Leistungskriterien in Berufungen uneinheitliche Bedeutung zukommt. So ist das Veröffentlichen in sichtbaren, vor allem nationalen Fachzeitschriften von hohem Stellenwert, aber Drittmittelakquise tendenziell kontraproduktiv. Neben der Drittelmittelakquise kann auch Gremienarbeit als eher kontraproduktiv für erfolgreiche Bewerbungen angesehen werden. Dass Schnelligkeit auf dem Weg von Karrierewendepunkt zu Karrierewendepunkt keinen Einfluss auf die Erfolgschancen hat, hat bereits die Kollektivbiographie offen gelegt. Einschränkend kann gesagt werden, dass nach den Daten der Studie das Berufungsalter sinkt (vgl. ebenda: 111). Offen muss allerdings bleiben, ob dies etwas mit der Pensionierungswelle zu tun hat, die während des Untersuchungszeitraums bereits in vollem Gang war. Eine kleine Gruppe in der Studie weist zudem eine interessante Abweichung auf. Es ist die Gruppe derer, „die eine Professur erhalten haben und sich danach dennoch habilitieren. Aufgrund der niedrigen Fallzahl und der hohen Standardabweichung lasst sich wenig Allgemeingültiges über die Mitglieder dieser Gruppe sagen. Sie sind zumindest im Schnitt wesentlich langsamer als die übrigen Personen im Sample. Sie promovieren und habilitieren später und erhalten ihren Erstruf dennoch im gleichen Alter wie diejenigen, die bereits habilitiert sind. Daraus ließe sich vielleicht erschließen, dass der Erstruf primär eine Frage des Alters ist, dass sich ein Ruf also ‚ersitzen’ lässt, und die Habilitation ab einem gewissen Alter keine oder eine nur noch untergeordnete Rolle spielt“ (ebenda: 107)12.
Insgesamt gilt für die Gruppe, deren Mitglieder ohne Habilitation berufen werden, dass sie über bessere Kontakte verfügen und viel publizieren – „und sie sind typischerweise Männer ohne Kinder“ (ebenda: 108). Relevanter als Schnelligkeit und Alter sind Elternschaft und Geschlecht in Kombination mit publizistischer Aktivität (vgl. hierzu Abschnitt 4). Weiterhin ist ausschlaggebend, auf welche Spezialisierung man sich festgelegt hat. Wer sich auf „Politische Ökonomie“ konzentriert, wartet nach der Habilitation im Durchschnitt 1,77 Jahre auf die erste Berufung, wer hingegen „Kommunal- und Regionalpolitik“ zum Gegenstand hat, muss sich auf 3,86 Jahr einstellen. Selbst in den Teilbereichen „Internationale Politik“, „politisches System Deutschlands“ oder in der Europaforschung dauert es drei Jahre und mehr (ebenda: 106). Das heißt, dass die im Abschnitt 2 geschilderte Spezialisierung und Gegenstandsbezogenheit im Fach auf die Berufungschancen durchschlägt. Auf dem langen Karriereund eben auch Bildungsweg bis zur Habilitation können sich neue Schwerpunkte 12
Diese Interpretation ließe sich nach Angaben der Autoren allerdings erst mit einer höheren Fallzahl prüfen.
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Ursula Birsl
in der Fachdisziplin auftun, für die nur wenige eine Kompetenz erworben haben. In den traditionellen Teilbereichen oder bereits stärker etablierten Schwerpunkten wie der Europaforschung bewegt sich ein großer Teil der jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Aus diesen Teilbereichen werden nun aber während der Pensionierungswelle Professuren mit den neuen Spezialisierungen denominiert und besetzt. Der akademische Arbeitsmarkt wird dadurch noch unkalkulierbarer. An den Untersuchungsergebnissen irritiert zudem, dass berufliche Kompetenzen wie zum Beispiel Erfahrungen in der Gremienarbeit und damit in der akademischen Selbstverwaltung nicht nur eine untergeordnete Rolle spielen, sondern eher kontraproduktiv bei Bewerbungen wirken. Das irritiert deshalb, weil die Anforderungen an Hochschulehrerinnen und Hochschullehrer gerade in diesem Bereich bekanntermaßen stark gestiegen sind. Die Tätigkeiten besitzen mittlerweile Managementqualität mit hoher Eigenverantwortung auch für das Fach bzw. Institut, das es zu leiten und zu vertreten gilt. Selbst die Erfahrungen in der Gremienarbeit, die als „wissenschaftlicher Nachwuchs“ erworben werden, reichen als Qualifikation oftmals noch nicht aus, später erfolgreich ein Institut oder eine Fakultät zu führen. Sie wären aber eine sinnvolle „Vorbildung“, solange wissenschaftliches und universitäres Management nicht Ausbildungsbestandteil an Hochschulen ist. Erstberufene sind somit nicht auf die Anforderungen vorbereitet, die sie auf ihren Lehrstühlen erwartet. Es dürfte eine Schockwirkung auslösen, wenn sie mit diesen konfrontiert werden und zu Resignation führen. Auch dass Erfahrungen in der Drittmittelakquise in der Tendenz nicht immer hilfreich für Bewerbungen sind, ist problematisch. Es ist nicht allein deshalb problematisch, weil das Einwerben von Stiftungsgeldern zu einem wichtigen Evaluationskriterium und zu einer Kennziffer in der leistungsgebundenen Mittelzuweisung geworden ist und Erfahrungen in diesem Feld nach der Berufung notwendig sind, sondern gleichfalls deshalb, weil jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Drittmittelprojekte angewiesen sind, um sich auf ihrem Karriereweg ökonomisch über Wasser zu halten. Dies legen die Ergebnisse der Befragung von Knodt/Willems/Kotzian nahe. Drittmittelstellen machen in der Befragung unter DVPW-Mitgliedern auf dem akademischen Karrierepfad mit einem fast 20prozentigen Anteil die drittwichtigste Finanzierungsquelle nach Stellen an den Universitäten und Stipendien für Promovierende aus. Die Abbildung 1 zeigt, dass die finanzielle Unterstützung der Eltern auch noch in dieser Qualifikationsphase eine Rolle spielt. Die Untersuchung bestätigt, dass eine Beschäftigung auf dem nichtakademischen Arbeitsmarkt zu vernachlässigen ist. Das gilt auch während der
Das Alles-oder-Nichts-Prinzip
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Bewerbungszeit nach der Habilitation bis zur Berufung. Mehr noch: „Die Wartezeit bis zur Erstberufung erhöht sich, wenn die Habilitierten in der Privatwirtschaft, im öffentlichen Dienst oder in einem Drittmittelprojekt beschäftigt sind“ (Knodt/Willems/Kotzian, 2004:110). Abbildung 1:
Finanzierungsquellen einzelner Karrierephase nach der Studie von Knodt/Willems/Kotzian (Angaben in Prozent)
70 (Mehrfachnennungen möglich) 60
Promotion
50
Habilitation 40
bis Professur
% 30 20 10 0
Uni.
Dritt.
Priv./Öff. Wirt.
Promotion
53
19,1
8,7
35
2,8
5,7
11,3
Habilitation
58
7,3
3,1
9,6
0,8
3,1
0,6
30,3
3,8
6
2,2
0
1,6
0,3
bis Professur
Stip.
Grad.Koll Partner .
Eltern
Quelle: Knodt/Willems/Kotzian, 2004:112, eigene Modifikationen in der Darstellung.
Insbesondere in dieser Phase stehen aber an den Universitäten nur wenige Stellen zur Verfügung. Die Habilitierten im Wartestand bleiben „ihrer“ Universität als „PD“ zwangsläufig verbunden. Sie müssen, um ihre Lehrbefugnis nicht zu verlieren, eine bestimmte Anzahl von Semesterwochenstunden (zumeist zwei) im akademischen Jahr lehren. Seit einigen Jahren ermöglicht es die DFG Habilitierten, Forschungsvorhaben mit eigener Stelle zu beantragen. Dies wäre - neben dem Heisenbergstipendium - eine Finanzierungsvariante für diese Statuspassage. Nach den Ergebnissen sowohl der Studie von Knodt/Willems/Kotzian als auch
108
Ursula Birsl
der von Plümper/Schimmelfennig führt dies jedoch nicht unbedingt zu einer schnellen Erstberufung. Weiterhin unterstreicht die Befragung die Skepsis über die Juniorprofessur als alternativen Qualifikationsweg. Sowohl in der Gruppe der Promovierten als auch in der der Habilitierenden meint nur eine Minderheit, dass die Juniorprofessur der neue, die Habilitation ersetzende Weg ist: „Ihre Entscheidung gegen Bewerbungen auf eine Juniorprofessur begründen sowohl die Habilitierenden als auch die Promovierten zu etwa je einem Drittel mit den Befristungsregeln; als weiteren Grund führen vor allem die Habilitierenden an, dass die Habilitation noch einige Zeitzentrale Voraussetzung für Berufungen bleiben wird, während die Promovierten ihre Ablehnung eher mit der erwarteten hohen Lehr- und Arbeitsbelastung begründen. Zu den weiteren Gründen zählen u.a. der Zweifel, dass die angestrebte Unabhängigkeit der Juniorprofessuren in der Praxis Bestand haben werden“ (ebenda:114).
Nach den Befragungsergebnissen in Abbildung 2 antizipieren die Promovierten und Habilitierenden realistisch die relativ eingeschränkten Chancen über eine Juniorprofessur zu einer Berufung auf einen Lehrstuhl zu gelangen. Denn unter den Professorinnen und Professoren, die in den Berufungskommission tonangebend und wegen der so genannten „Professorenmehrheit“ die entscheidende Gruppe sind, fällt die Einschätzung über die Qualifikationswege noch eindeutiger aus. Bei ihnen scheint mehrheitlich kein Weg an der Habilitation vorbei zu gehen, und selbst dann nicht, wenn jemand eine Juniorprofessur übernommen hat.
Das Alles-oder-Nichts-Prinzip Abbildung 2:
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Bewertung von Qualifikationswegen nach der Studie von Knod/Willems/Kotzian (Angaben in Prozent) 60
50
40
%
30
20
10
0
Promovenden
nichthabiliDr.habil/ Prohabilitieren tierende PD/HD/apl fessoren de Dr. Dr. . Prof
Habil. zentraler Weg
7
5
11
18
24
Jun.Prof. zentraler Weg
4
4
3
Jun.Prof./ Habil. gleichwichtig
7
1
10
8
20
Jun.Prof./ Habil. ergänzen
46
Jun.Prof./ Habil. ersetzen
10
34
44
18
55
14
14
5
18
4
Quelle: Knodt/Willems/Kotzian, 2004:114, eigene Modifikationen in der Darstellung. Oben sind bereits die Wartezeiten bis zur Erstberufung angesprochen worden. Insgesamt dürften die Berufungschancen bis zum Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts noch relativ günstig sein. Sie sind günstiger als in anderen Disziplinen, differieren aber nach den Teilbereichen der Politikwissenschaft zum Teil erheblich (vgl. ebenda:113). In Abbildung 3 sind die Gruppen des „wissenschaftlichen Nachwuchses“ im Verhältnis zu den Professuren sowie
110
Ursula Birsl
den Hochschullehrerinnen und -lehrern im Alter von 60 Jahren und mehr aufgeschlüsselt. Abbildung 3:
Kandidatinnen und Kandidaten und potenzielle Stellen in den Teilbereichen nach der Studie von Knodt/Willems/Kotzian
40
habilitierende Doktoren Dr.habil/PD/HD/apl.Prof Professuren Prof. 60-65
35 30 25 20 15 10 5 0 PTh
Pol.Sys
Vergl.
IB
Abkürzungen: PTh = Politische Theorie, Pol.Sys = Politisches System Deutschlands, Vergl. = Vergleichende Politikwissenschaft, IB = Internationale Beziehungen. Quelle: Knodt/Willems/Kotzian, 2004:112;
Ein Nachwuchsproblem baut sich hiernach im Teilbereich „politische Theorie“, aber auch tendenziell in dem zum „politischen System Deutschlands“ auf. Letzteres überrascht insofern, als dass die Wartezeit von Habilitierten hier relativ lang ist. Unter Umständen liegt es daran, dass Professuren aus dieser Subdisziplin mittlerweile knapper bemessen sind, weil sie für eine Neubesetzung eine andere Denominierung erfahren13. Interessant ist auch das Verhältnis zwischen Habilitierenden und Habilitierten zu Professuren in der „vergleichenden Politikwissenschaft“. Diese Subdisziplin hat erst in den achtziger Jahren und beginnenden neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen, sich zu etablieren und zu vergrößern. Dies ging mit einer Internationalisierung in Forschung sowie
13
Das würde den Eindruck aus Ausschreibungen von Professuren der letzten Jahre bestätigen.
Das Alles-oder-Nichts-Prinzip
111
Studium und Lehre der Politikwissenschaft einher. Eine Orientierung hierauf galt (und gilt auch noch heute) als fast unausweichlich, um sich erfolgreich in der Scientific Community einzufädeln und auf einen erfolgreichen akademischen Karriereweg zu begeben. Ähnliches gilt - wenn auch nicht im selben Umfang für „Internationale Beziehungen“. Es hat also in der Ausbildung und in der Orientierung jüngerer Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler eine Bewegung weg von den beiden traditionellen Teilbereichen gegeben. Das kann im Ergebnis bedeuten, dass der Arbeitsmarkt in der Politikwissenschaft nicht quantitativ, sondern strukturell in eine Schieflage geraten ist. Weiterhin stützen die Ergebnisse das Argument, dass es äußerst schwierig ist, auf dem langen Qualifikations- und Karriereweg - rein funktional gedacht - eine wissenschaftliche Schwerpunktsetzung vorzunehmen, die dann auch die Chancen am Karrierewendepunkt Habilitation auf eine (baldige) Erstberufung erhöhen. Obwohl die Kollektivbiographie der Gruppe der Professorinnen und Professoren über die Jahrzehnte relativ konstant geblieben ist, zeigen sich doch Risse, die eher unterschwellig spürbar werden. Noch vermittelt die Profession den Eindruck einer geschlossenen Gesellschaft. Die Risse zeigen sich aber besonders in den Abweichungen von der „Normkarriere“, die bis in die achtziger Jahre hinein bestimmend für den Karriereweg bis zur Erstberufung gewesen ist. Die Rekrutierungspraxis und Reproduktion der akademischen Elite folgt heute - zugespitzt formuliert - nicht mehr so ausgeprägt dem oligarchischem System (vgl. Münch: 2007a) oder Professor-Zögling-Verhältnis. Es hat allerdings in der Politikwissenschaft, wie auch in den anderen Sozialwissenschaften, nie die Ausformungen angenommen hat, wie es in anderen Fächern zu beobachten ist. Die ständische Regulierung von Zugangschancen läuft heute eher darüber, dass Karrierestufen zu Karrierewendepunkten und zu Selektionsstufen geworden sind. Die Selektion wird durch „Leistung“ legitimiert. Meritokratie wird zum bestimmenden Faktor im beruflichen und qualifikatorischen Werdegang und scheint gemeinhin als glaubhaft eingeschätzt zu werden. Fundiert wird diese Form der Selektion durch die meritokratisch orientierte Hochschul- und Evaluationspolitik und durch die Ökonomisierung des Wissenschaftssystems, die sich mit einem meritokratischen Denken verschränkt. Was jedoch „Leistung“ sein soll, ist variabel und bleibt für jüngere Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler - wenn sie sich daran orientieren wollen - nicht beherrschbar oder kontrollierbar. Es widersprechen sich etwa Empfehlungen des Wissenschaftsrats oder die Anforderungen, die an künftige Hochschullehrerinnen und -lehrer formuliert werden mit den Kriterien die letztendlich in Berufungsverfahren entscheidend sind. Die Meritokratie erweist sich auch hier als nicht tragfähig; sie entspricht aber dem Ethos
112
Ursula Birsl
des hier vertretenen Milieus. Dadurch wird soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheit quasi institutionalisiert. Aber dennoch: Selektion nach meritokratischen Kriterien kann zu Unwägbarkeiten in der Rekrutierungspraxis führen, informelle Netzwerke und damit das soziale Kapital schwächen und diejenigen stärken, die über ein solches soziales Kapital nicht hinreichend verfügen. Hierin liegen Chancen, und hierin sind die Risse in der geschlossenen Gesellschaft zu finden, die in den Ergebnissen der vorgestellten Studien durchscheinen.
4
Es lebe das Patriarchat
Ob sich hierin auch Chancen für Frauen in der Politikwissenschaft eröffnen, ist noch nicht ausgemacht. Feststellbar ist, dass junge Politikwissenschaftlerinnen dem Fach im Verlauf des akademischen Karrierewegs verloren gehen. Unter den Promovierenden und auch unter den Habilitierenden sind sie leicht überproportional im Verhältnis zu ihrem Anteil unter den Studierenden vertreten. Wie die Abbildung 4 zeigt, kippt dann die Situation: Unter den tatsächlich Habilitierten und in der Professorenschaft werden sie zu einer kleinen Minderheit von rund 17 %. Nach der Befragung von Knodt/Willems/Kotzian dauert die Phase der Promotion bei Frauen etwas länger als die der Männer. Nach Einschätzung der Autorin und der Autoren bleibt dies jedoch folgenlos für die weitere wissenschaftliche Karriere, weil es zwischen den einzelnen Phasen auf dem Karriereweg keine Verbindung gibt und Chancen, auf die nächste Stufe zu gelangen, nicht von der Dauer der Phasen abhängt (vgl. ebenda:113). „Der Befund, dass das Verhältnis von Frauen und Männern unter den Habilitierenden weniger ungleich ist als unter den Promovierten, deutet darauf hin, dass auch die Karriereverläufe jüngerer Frauen, die sich noch auf den unteren Karrierestufen befinden, trotz grundsätzlich verbesserter Aussichten nach wie vor eine durch geschlechtsspezifische Prioritätsentscheidungen und schlechtere Opportunitätsstrukturen bedingte höhere ‚Ausstiegswahrscheinlichkeit‘ aufweisen. Diese Vermutung wie auch die Gründe, die zum Abbruch oder Ausstieg führen, lassen sich jedoch nur durch eine Untersuchung derjenigen prüfen bzw. in Erfahrung bringen, die an einer der Karrierestationen ‚aussteigen‘“ (ebenda:113).
Status der Geschlechter nach der Studie von Knodt/Willems/Kotzian (Angaben in Prozent)
Quelle: Knodt/Willems/Kotzian, 2004: 113, eigene Modifikationen in der Darstellung.
Abbildung 4:
Das Alles-oder-Nichts-Prinzip 113
114
Ursula Birsl
Vor allem ist erklärungsbedürftig, warum Frauen in einem besonderen Umfang augenscheinlich ihre Habilitation abbrechen oder nur geringe Chancen auf eine Berufung haben. Mutterschaft dürfte ein zentraler Faktor in diesem Geschehen sein. Es ist aber strukturell gesehen wenig plausibel. Denn anders als in Beschäftigungsverhältnissen im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft verfügen Inhaberinnen und -inhaber von Wissenschaftsstellen zumindest in sozialwissenschaftlichen Fächern über mehr Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung. Auffällig ist, dass es vor allem Frauen ohne Kinder sind, die ihre Habilitationen abschließen. Ihre Chancen auf eine Professur sind insgesamt höher als die von Frauen mit Kindern, jedoch sind sie im Verhältnis zu Männern immer ungleich viel geringer (vgl. hierzu Plümper/Schimmelfennig, 2007). Hier müssen also andere, und zwar strukturelle und kulturelle Diskriminierungsmechanismen greifen. In der Studie von Plümper/Schimmelfennig scheint ein Phänomen durch, dass auf diese Diskriminierungsmechanismen hinweist: Frauen liegen bei der Drittmittelakquise teilweise vor den Männern; gerade auch Frauen mit Kindern sind mit Drittmitteln relativ gut ausgestattet (ebenda: 108f.). Gleichzeitig liegt der Anteil von Frauen auf etatisierten Habilitationsstellen, wie den C1-Stellen, nach Tabelle 1 bei einem Drittel und der der Männer bei zwei Dritteln. Über 40 % der Habilitierenden sind jedoch Frauen. Diese Diskrepanz ist damit zu erklären, dass der Zugang zu den wenigen, aber begehrten und mehrjährigen Stellen geschlechtsspezifisch segregiert ist. Frauen sind stärker darauf angewiesen, sich etwa über Drittmittel ihren Karriereverlauf quasi selbst zu organisieren. Stellen in Drittmittelprojekten sind jedoch wesentlich kürzer befristet und das Arbeitszeitarrangement festgelegter. Drittmittelgebundenes wissenschaftliches Arbeiten führt - und da beißt sich die Katze in den Schwanz - zu geringerem publizistischem Output. Dieser ist aber zentral in der Berufungspraxis. Die individuellen Folgen sind weitreichend und weitreichend bekannt; sie werden durch die Befragung von Plümper/Schimmelfennig noch einmal bestätigt: „Da Frauen mit einer akademischen Karriere weniger wahrscheinlich Kinder bekommen als Männer im selben Beruf, müssen wir davon ausgehen, dass die Opportunitätskosten einer akademischen Karriere für Frauen höher ausfallen“ (ebenda:109).
In alldem liegen auch die Gründe, warum Frauen länger promovieren und auch in einem höheren Alter habilitieren als Männer. 2006 lag das Durchschnittsalter der Politikwissenschaftlerinnen, die ihr Habilitationsverfahren abgeschlossen haben, bei 43,2 Jahren, das der Politikwissenschaftler bei 40 Jahren (Statistisches Bundesamt 2007b).
Das Alles-oder-Nichts-Prinzip
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Die Studie von Plümper/Schimmelfennig bestätigt zudem, dass Frauen schlechter „vernetzt“ sind als ihre Kollegen (2007:108). Auch dies ist kein überraschender Befund. Hier geht es aber um die Art der Vernetzung. Aus eigener Beobachtung binden sich Frauen seltener oder wenn, dann weniger intensiv an Lehrstuhlinhaber. Das gilt sowohl für die persönliche Anbindung als auch für die thematische Ausrichtung. Sie begeben sich in der Regel auch nicht mit der Intensität in die informellen Zirkel der Fachvereinigungen, auch wenn sie Funktionen in den Gremien, Sektionen und Arbeitskreisen übernehmen. Es ist bekannt, dass Frauen ein anderes Verständnis von Vernetzung haben und ein anderes „Networking“ betreiben. Das Networking ist eher auf ein Ergebnis hin orientiert, eher funktional und weniger persönlich vereinnehmend im Sinn von bündisch. Insofern vernetzen sich Politikwissenschaftlerinnen durchaus. Es sind aber im Wesentlichen die männertypischen Netzwerke, die über ihren Karriereverlauf bestimmen. Präziser formuliert, handelt es sich mehr um „alt-männertypische“ Netzwerke. Denn auch unter jüngeren Wissenschaftlern - so auch in der Politikwissenschaft - scheint sich das Networking zu wandeln und in Richtung der Praxis von Frauen zu bewegen. In diese neuen Netzwerke finden Frauen wie Männer Zugang14. Auch hierin liegen Chancen einer Öffnung der Politikwissenschaft. Zwar verbessern die traditionellen männertypischen Netzwerke die Gelegenheitsstruktur von Männern für eine Erstberufung, jedoch engen diese auch stark ein, und sie verpflichten. Diese als patriarchal zu bezeichnende Struktur in der Rekrutierungspraxis kann sich auch gegen Männer selbst richten. So könnten Teilergebnisse von Plümper/Schimmelfennig interpretiert werden. Sie stellen auf der Grundlage ihrer Befragung fest, dass Frauen mit Kindern mit einer höheren Wahrscheinlichkeit keinen Ruf erhalten. Das wird damit begründet, dass sie weniger Publizieren. Auf diese Begründung ist noch einzugehen. Interessant ist in diesem Kontext vielmehr, wie sich das Bild verändert, wenn Frauen mit Kindern berufen werden. Sie werden bei gleicher Leistung besser gestellt als Frauen ohne Kinder, und: als Männer mit Kindern, also als Väter (vgl. ebenda:111). Dieser Befund sagt nicht, dass die patriarchale Praxis durchbrochen ist. Dieser „Mutterbonus“, wie es Plümper/Schimmelfennig nennen, kann vielmehr als Teil davon angesehen werden. Vier Aspekte könnten zu diesem Bonus führen: (1) Die Professur, die es zu besetzen gilt, ist zumeist keine C4- bzw. W3-Stelle, wird als nicht so relevant für das Fach angesehen oder deckt einen Bereich ab, der eher ungeliebt ist. Durch die Berufung einer Mutter kann aber dem Druck (u.U. auch 14
Dieser Eindruck wird durch einen recht gut recherchierten Beitrag von Gaschke/Grunenberg in Die Zeit vom 6. Dezember 2007 gestärkt.
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einer Quotenregelung in einem Gleichstellungsplan) nachgegeben werden, eine Frau zu berufen und gleichzeitig das Prestige verbessert werden, familienfreundlich und offen zu sein. In Hintergrund steht zudem häufig ein weiteres Besetzungsverfahren – auf eine W3-Professur. In diesem Verfahren muss dann nicht mehr auf Bewerberinnen besonders geachtet werden. (2) Der Vorgang kann aber auch paternalistische Züge tragen. Dabei werden Frauen auf Mütter oder Mutterdasein reduziert, und weniger als Politikwissenschaftlerin wahrgenommen. (3) Väter verkörpern nicht mehr das, was sie sollen: zeitlich und räumlich flexibel zu sein und der Wissenschaft im vollen Umfang und damit der Reputation des Faches vor Ort zur Verfügung zu stehen. (4) Eine ungenannte Gleichstellungsbeauftragte meint, Frauen mit Kindern sind keine Konkurrenz, weil sie aufgrund ihrer familiären Verpflichtung weniger wissenschaftlich aktiv sein können und eine Prioritätensetzung aufweisen, die sich nicht auf den Beruf beschränkt. Dieser letztgenannte Aspekt dürfte durchaus gewichtig sein, denn Frauen mit Kindern auf Professuren veröffentlichen nach den empirischen Daten in der Tat weniger als andere. Letztendlich muss es jedoch Spekulation bleiben, welche Aspekte von zentraler Bedeutung sind, oder ob sie sich miteinander verschränken. Zusammengenommen kann gesagt werden, dass sich die Situation von Frauen in der Politikwissenschaft nach wie vor nicht grundlegend verändert hat. Wichtig ist festzuhalten, dass es strukturelle und kulturelle Diskriminierungen gibt, die das ungleiche Geschlechterverhältnis prägen. Dabei werden aber auch Frauen untereinander (Frauen ohne Kinder vs. Frauen mit Kindern) und Männer gegen Frauen ausgespielt. Von daher ist es nicht einfach nur ein Gender-gap. Die Dominanz meritokratischer Legitimierung einer ungleichen Chancenverteilung im akademischen Werdegang und in der Berufungspraxis gereicht zum Nachteil von Frauen. Bot in der Vergangenheit das offensichtlich männerbündische in der Normkarriere einen Hebel für Gleichstellungsforderungen, so hebelt die oben erläuterte Meritokratie Gleichstellungsbemühungen in der Tendenz aus. Etwa mit dem Argument, Frauen publizieren weniger oder weniger in sichtbaren Fachzeitschriften15, kann ihre vermeintlich fehlende Leistung begründet werden. Warum aber der publizistische Output ein zentraler, wenn nicht sogar der zentrale Maßstab von Leistung sein soll, ist nirgends geklärt, aber weitgehend akzeptiert. Gleichstellungsbeauftragte geraten in Berufungskommissionen in die Defensive, wenn sie den Leistungsbegriff neu füllen wollen. Wenn sie nicht „vom Fach“ 15
Es bedürfte eines eigenen Beitrags, die Strukturen und die Praxis in den so genannten „sichtbaren“ Fachzeitschriften, vor allem in den Peer-Review-Verfahren näher zu diskutieren und dabei der Frage nachzugehen, in welcher Form hier die Selektion ihre Fortsetzung findet.
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sind, können ihre Einwände schnell verhallen. Sie müssen dann auf andere, auf Personen bezogene Merkmale ausweichen wie „Mutter“ oder einfach „Frau“. Die Strukturellen Diskriminierungsmuster und die kulturelle Praxis der Berufungen geraten dabei aus dem Blick. Warum aber die Segregation von Frauen in der Wissenschaft und auch in der Politikwissenschaft? Aus der Professionsforschung ist bekannt, dass eine Profession an Bedeutung verliert, wenn Frauen Zugang zu dieser finden. Zugespitzt formuliert findet dann im (deutschen) Berufsverständnis eine Ent-Professionalisierung statt. Deshalb verbinden sich ständische Selbstregulierung mit patriarchaler Handlungsorientierung. Die Politikwissenschaft ist hier also kein Sonderfall; sie ist mit ihren Diskriminierungsmustern noch nicht einmal ein Regelfall im engeren Sinn. Denn in Natur- und Humanwissenschaften oder Rechtswissenschaften greifen diese noch tiefgehender (vgl. Costas 2003)
5
Was folgt?
Zunächst muss noch einmal festgehalten werden, dass die Bedingungen für eine akademische Karriere in der Politikwissenschaft eher noch günstig sind im Vergleich zu anderen Fächern und dass die Profession eine weniger geschlossene Gesellschaft ist als andere im Hochschulsystem. Selbst die geschlechtsspezifische Ungleichheit fällt moderater aus - aber nur im Vergleich. Für die Beschäftigungslage und den Karriereverlauf spannen sich fünf Problemfelder auf der Mikro-Ebene auf: 1. Obwohl die Politikwissenschaft mit mehr als 28.500 Studierenden zu den Massenfächern zählt, ist sie personell unterausgestattet, und sie ist in einem relativ großen Umfang auf nebenberufliches Personal angewiesen. Gleichzeitig sinkt die Zahl des hauptberuflichen Personals. Damit steigt die Belastung nicht allein unter Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, sondern in einem besonders Maß auch für den so genannten Mittelbau. Qualifizierungsstellen drohen zugunsten von Stellen für Lehrkräfte für besondere Aufgaben in den neuen gestuften Studiengängen weiter abgebaut zu werden. Drittmittel und Stipendien können dies nicht kompensieren. 2. Ein intransparenter und sich ständig wandelnder Arbeitsmarkt macht eine Karriereplanung unwägbar. Die fehlende Durchlässigkeit zwischen nichtakademischem und akademischem Arbeitsmarkt zwingt zudem zu einer Alles-oder-Nichts-Entscheidung nach der Promotion. 3. Der Status jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als „wissenschaftlicher Nachwuchs“ ist ein diffuser. Sie sind ausgebildete Politikwissenschaftlerinnen/ Politikwissenschaftler und Auszubildende, Lehrende und
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Lernende zugleich. Dieser diffuse Status rechtfertigt befristete Stellen sowie eine geringe und unsichere ökonomische Absicherung. Das gilt sowohl für die einzelnen Qualifikationsphasen als auch für die Statuspassagen. Für diese stehen an Universität in aller Regel keine Stellen zur Verfügung. 4. Positiv ist zu verzeichnen, dass die Normkarriere heute nur noch rudimentäre Bedeutung hat. Die Kehrseite ist, dass in der gewandelten Rekrutierungspraxis Karrierestufen zu Karrierewendepunkten sowie zu Selektionsstufen geworden sind. Die eher ständische Normkarriere wird durch einen Karriereverlauf mit meritokratischer Selektion ersetzt. Was jedoch Leistung sein soll, bleibt intransparent. Denn selbst Leistungskriterien, die zu Normkriterien im Wissenschaftssystem vom Wissenschaftsrat oder von Ministerien erklärt sind, greifen nicht an den Karrierewendepunkten und in der Berufungspraxis. 5. Das Beharrungsvermögen des traditionellen Professionsverständnisses führt zu strukturellen und kulturellen Diskriminierungsmustern gegenüber Frauen. Die meritokratische Selektion und intransparenten Leistungsanforderungen fundieren die Benachteiligung. Schlussfolgerungen, die aus dieser Situation gezogen werden, laufen auf eine Forderung hinaus, die der Soziologe Richard Münch in einem Beitrag für die Wochenzeitung Die Zeit und für Aus Forschung & Lehre so zugespitzt hat: „Schafft den Mittelbau ab! Einheit von Forschung und Lehre jenseits von Oligarchie und Patriarchat“ (Münch 2007b). In einer zuvor erschienen Monographie „Die akademische Elite“ beschäftigt er sich u.a. auch mit diesem Thema. Die in diesem Beitrag diskutierte Situation auf der Mikro-Ebene von Universität beschreibt er folgendermaßen: „Die von Bund und Ländern seit Mitte der 1980er Jahre systematisch betriebene Umschichtung von Finanzmitteln von der Grundausstattung der Universität zu den Drittmitteln und zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat zu einer vollkommenen Schieflage in der Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses geführt (…). Die Bewältigung immer größerer Studentenmassen und die damit einhergehende Einforderung von immer umfangreicherer und zeitaufwendigerer pädagogischer und didaktischer Betreuung von zunehmend weniger qualifizierten und mit mehr Praktika als mit dem Studium beschäftigten Studierenden hat ihnen wie auch den Professoren eine Lehrbelastung aufgezwungen, die sie in der Konkurrenz mit den Nachwuchskräften in den außeruniversitären Instituten ins Hintertreffen bringt“ (Münch, 2007a: 366).
Im Fokus seiner Kritik steht darüber hinaus das Lehrstuhlprinzip mit Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterstab nach patriarchalem Muster, das die jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Stab entmündigt. Von daher sieht er in den Geistes- und Sozialwissenschaften nur noch in einer radikalen Kehrtwende eine mögliche Lösung für die hier diskutierten Probleme. Er schlägt
Das Alles-oder-Nichts-Prinzip
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nach angelsächsischem Vorbild vor, erstens die Lehrstühle abzuschaffen, „dafür aber angemessene Departments mit Senior- und Juniorprofessoren in einem ausgewogenen Verhältnis (…) einzurichten. Zweitens müsste auf Drittmitteleinwerbung als Indikator für Forschungsleistungen verzichtet werden. Stattdessen dürften allein Publikationen zählen. Das freiwerdende Budget der DFG wäre für die Einrichtung von Juniorprofessuren zu verwenden. Ein Department mit 20 bis 30 gleichberechtigten Professoren (Senior- und Juniorprofessuren, d. Verf.) hätte mit einer nach Forschungsleistung variierenden Lehrverpflichtung zwischen vier und sechs Stunden in der Woche weder zu wenig Lehrkapazität noch zu wenig Forschungskapazität. Beide Seiten kämen voll zur Geltung. Der entsprechende Umbau könnte kostenneutral erfolgen“ (ebenda: 360). Dieses Programm besticht, da es die fünf Problemfelder in ihrem Kern anspricht. Es existieren allerdings zwei Hemmnisse: (1) Seit der ersten Stufe der Föderalismusreform von 2006 wäre es nun allein Aufgabe der Bundesländer, sich auf dieses Programm und ein Umschichten von DFG-Mitteln zu einigen. Dem Bund stehen hier kaum noch Gestaltungskompetenzen zu. (2) Die vorgeschlagene Stellenstruktur könnten Benachteiligungen von Frauen im akademischen Karriereverlauf entzerren, aber nicht aufheben. Zunächst müssten sich das Verständnis von Profession und die Berufungspraxis ändern, um die geschlechtsspezifische Segregation zu überwinden. An Gleichstellungsplänen für die Universitäten und Departments mit verbindlichen Zielquoten und einem wirksamen Anreiz-Sanktion-System wird bis dahin kein Weg vorbei führen. Fraglich ist, ob dies den Universitäten überlassen bleiben soll oder hier die Landespolitik in der Pflicht ist. Dem steht dann aber wiederum die Autonomie der Universitäten, vor allem der Stiftungsuniversitäten im Weg. Und es können zwei Einwände angemeldet werden: (1) Ein beruflicher Werdegang müsste hiernach die Professur zum Ziel haben, um an der Universität in Forschung und Lehre tätig zu sein. Alternative Beschäftigungsverhältnisse wären zu thematisieren, denn nicht jede/jeder will Hochschulehrerin bzw. Hochschullehrer werden (müssen). (2) Es fehlt in dem Programm die Anerkennung von Lehre sowie von Tätigkeiten in Gremien und im Wissenschaftsmanagement als Leistung. Literatur Arendes, Cord/Buchstein, Hubertus 2004: Politikwissenschaft als Universitätslaufbahn: Eine Kollektivbiographie politikwissenschaftlicher Hochschullehrer/-innen in Deutschland 1949-1999, in: Politische Vierteljahresschrift, H. 1, S. 9-31.
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„Lasciate ogni speranza“ Nachwuchsförderung in der Germanistik oder die Furcht vor dem Prekariat. Frank Möbus
Ob es einem habilitierten Wissenschaftler gelänge, aus der Position eines Privatdozenten oder Hochschulassistenten in ein hoch besoldetes, langfristig gesichertes Ordinariat aufzusteigen, das sei, so stellte Max Weber bereits 1919 in seinem Vortrag „Wissenschaft als Beruf“ fest, weniger seinem wissenschaftlichen Potential, seiner Lehrfähigkeit, seiner Publikationstätigkeit usw. geschuldet, sondern eher dem: Glück. Oder eben dem: Unglück. Geradezu leitmotivisch verwendet Weber in seinem Text in diesem Zusammenhang den Begriff „Hasard“ – fünf Mal nimmt er innerhalb seines relativ kurzen Textes diesen Begriff auf, um ihm schließlich noch ein steigerndes Adjektiv hinzuzufügen: Ein „wilder Hasard“ sei das akademische Leben, namentlich das Streben nach einer Professur (Weber 1985: 588). Nicht von ungefähr haben Stephan Klecha und Melanie Reimer dieses Zitat gleich eingangs ihrer in diesem Band vorgelegten Überlegungen verwendet; an Webers Diagnose scheint sich wenig geändert zu haben. Im Gegenteil: Das Problem hat sich verschärft. Nun ist das Wort „Hasard“ kommentierungswürdig; um die beträchtliche Tragweite der Weberschen Metapher zu übersehen, reicht es durchaus nicht hin, das Wort schlicht mit „Glücksspiel“ zu übersetzen – man muss ein wenig über die (1919 noch allgemein bekannte) Geschichte dieser berüchtigsten aller Glücksspielvarianten wissen, das seinen Namen dem arabischen Wort az-zahr, dem Plural der Vokabel für Spielwürfel, verdankt. Hasard oder Hazard war in Europa seit spätestens dem 14. Jahrhundert verbreitet; es wird mit zwei Würfeln gespielt und folgt komplexen Regeln, die hier aber keine Rolle spielen. Hasard ist ein so genanntes „reines“ Glücksspiel: Die Geschicklichkeit oder Intelligenz des Spielers spielt dabei nicht die mindeste Rolle, es gibt weder Erfolg versprechende Strategien noch Nutz bringende Koalitionen; mit Spielen wie Black Jack oder Poker ist es deshalb nicht vergleichbar. Offenkundig verfügt das sehr schnelle Spiel Hasard dennoch – oder gerade deshalb? – über hohe Attraktivität und ein beträchtliches Suchtpotential.
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Wie verbreitet Hasard im 17. und 18. Jahrhundert war, wie schädlich seine gesellschaftlichen Auswirkungen waren, das verdeutlicht der einschlägige Eintrag in einem enzyklopädischen Lexikon des frühen 19. Jahrhunderts (Krünitz 1833: Sp. 593): „Um die Spielsucht, Spielwuth, in Hazardspielen zu steuern, sind von den Regierungen in allen Ländern Europas Verordnungen dagegen erlassen, und solche immer wieder von Zeit zu Zeit, mit Zusätzen, worin die Strafe darauf verschärft worden, erneuert und dem Publikum zur Warnung öffentlich bekannt gemacht worden. Auch in Deutschland ist dieses von den Regenten zu verschiedenen Zeiten, besonders aber in dem 17ten und 18ten Jahrhunderte geschehen, wo diese Spiele an vielen Orten öffentlich, wie auch heimlich, sehr stark getrieben, und dadurch viele Individuen aus höhern Ständen mit ihren Familien sind zu Grunde gerichtet worden.“ Denn die allseits bekannte Redewendung, jemand habe „Haus und Hof verspielt“, verdankt sich namentlich den katastrophalen Neigungen zu eben jenem Spiel. Der „wilde Hasard“, eine akademische Karriere anstreben zu wollen, ist hingegen niemals unter Strafe gestellt worden. Es blieb, wie bei Max Weber, bestenfalls bei dem studentischen „Publikum öffentlich bekannt“ gemachten Warnungen, in deren Tradition sich nun auch dieser hier vorliegende Band einreiht. Die hier versammelten soziologischen, mit harten statistischen Fakten untermauerten Studien machen in aller Deutlichkeit klar, dass Webers Diagnose an Gültigkeit nichts eingebüßt hat. Im Gegenteil. In universitären Sprechstunden besonders der geisteswissenschaftlichen Fächer gehört das intensive Gespräch über ein hasardeurhaftes Fortsetzen der akademischen Laufbahn zum Tagesgeschäft; besonders häufig zu führen ist es mit jenen Studierenden, die ihre Fähigkeiten als Forscherinnen und Forscher eben durch ein blendendes Staatsexamen oder einen vorzüglichen Magisterabschluss bewiesen haben und nun entweder aus eigenem Antrieb eine Promotion ansteuern oder von ihren Lehrenden zu einem Dissertationsvorhaben ermuntert werden sollen. Nachgerade zwangsläufig münden dergestalte Gespräche sehr rasch nicht in wissenschaftliche, sondern finanzielle Machbarkeitsstudien ein. Die Möglichkeit, Doktoranden anhand von Verträgen als Wissenschaftliche Hilfskraft mit akademischer Abschlussprüfung und einem den Lebensunterhalt sichernden Stundendeputat auch über mehrere Jahre hinweg beschäftigen zu können, besteht aufgrund der an vielen Instituten radikal verkürzten Mittelzuweisungen für diesen Bereich der Forschungsförderung kaum mehr; in den allermeisten Fällen müssen sich die diesbezüglichen Überlegungen auf die – sicher den Königsweg darstel-
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lende – Unterbringung der potentiellen Doktoranden in einem Graduiertenkolleg oder die Versorgung durch ein Promotionsstipendium konzentrieren. In dieser Situation nun stehen Absolventen allerdings bereits unter einem wirtschaftlichen Sachzwang (und der Begriff Sachzwang ist ja nichts anderes als die etwas freundlicher konnotierte Umkehrung des Wortes Zwangssache). Rückzahlungen von BAföG-Bewilligungen und Krediten zur Abdeckung der Studiengebühren stehen bevor; elterliche Ergänzungen des Budgets sind nach Abschluss des eigentlichen Studiums oftmals nicht mehr zu erwarten, zumal das für Familien mit mehreren Kindern im Studium oft einfach nicht zu machen ist. Schon allein die Frage, ob die/der Lehrende denn in der Lage sei, eine Versorgung durch Vermittlung in eine Graduiertenschule oder durch Aufnahme in ein Stipendienprogramm sicherzustellen, lässt sich in der weitaus dominanten Zahl der Fälle bestenfalls durch ein immens spekulatives „Vielleicht“ beantworten. Nur wenige Stipendiengeber geben Auskunft über das Zahlenverhältnis von bewilligten und nicht-bewilligten Anträgen; laut inoffiziellen Schätzungen sind die Erfolgsaussichten eines Antrags mit maximal ca. 15 % zu beziffern; 85 % der Anträge werden (zumindest vorläufig) zurückgewiesen; ein kleiner Anteil dieser Anträge erhält die Chance auf Nachbesserung und erneute Beratung durch die Gutachtergremien. Schon in dieser ersten Runde des Hasard-Spiels stehen die Gewinnchancen alles andere als gut; es bedarf nicht nur hohen Selbstvertrauens, sondern auch einer ausgeprägten Risikobereitschaft, um sich darauf einzulassen. Im nächsten Teil des Beratungsgesprächs ist in aller Regel vom für einen Stipendienantrag notwendigen Arbeits- bzw. Forschungsaufwand zu sprechen. Angesichts der durch die Verknappung von Stipendienmitteln und Verringerung der Zahl von Förderungsinstitutionen eklatant angestiegenen Wettbewerbssituation um die wenigen Futtertröge gleichen elaborierte Antragsentwürfe heutzutage oftmals schon sehr weit fortgeschrittenen Forschungsarbeiten; Ungenauigkeiten, Vagheiten und spekulative Elemente haben dort richtigerweise nichts zu suchen. Aber bei einem frisch zu konzipierenden Promotionsvorhaben darf man den Zeitaufwand für Grund legende Forschung, Analyse der vorliegenden Literatur, Formulierung eines aussichtsreichen Antrags mit kaum weniger als sechs Monaten veranschlagen – und zwar unter der Prämisse, dass dies ganztägliches Engagement fordert, eventuell auch begleitet von Arbeitsaufenthalten an anderen Universitäten, Bibliotheken, Archiven. Die Finanzierung dieser ersten Arbeitsphasen ist den Nachwuchswissenschaftlern notwendigerweise selbst überlassen. Das Hasardspiel beginnt also unter denkbar schlechten Voraussetzungen; die Kombattanten müssen zunächst
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dafür sorgen, die für eine Zulassung zum Spiel überhaupt notwendigen Einsatzmittel aufbringen zu können. Phase 3 des Gesprächs befasst sich dann mit der zu erwartenden Dauer des gutachterlichen Verfahrens. Viele Stiftungen entscheiden zweimal, manche einmal jährlich über ihre Zuwendungen. Kaum eine die Forschung fördernde Institution kann eine Entscheidung innerhalb von weniger als sechs Monaten zusichern; auch aufgrund der Überbelastung von Gutachtern ist es durchaus realistisch, eher von einer einjährigen Wartezeit auszugehen. Für den akademischen Junghasardeur bedeutet das, dass also zunächst zwölf bis achtzehn Monate abzuwarten und finanziell zu überbrücken sind, bis überhaupt über Gewinn oder Verlust des ersten Einsatzes – der selbst finanzierten Forschungszeit für den Antrag – befunden wird. Und die Gewinnchancen auch für extrem viel versprechende Projektentwürfe belaufen sich auf 15 %! Sich darauf einzulassen, das grenzt schon an Tollkühnheit. Beim realen Hasardspiel sind die Einsätze hoch, die Gewinnchancen niedrig – aber es besteht immerhin die wenn auch mathematisch geringe Hoffnung auf hohen und höchsten Gewinn. Man kann – zumindest theoretisch – reich werden dabei, und dieser Tatsache verdankt sich die hohe Strahlkraft des Spiels. Beim akademischen Hasard hingegen gibt es in dieser Phase keinerlei Aussicht auf Reichtum. Ein auch sehr gut dotiertes Stipendium mit einem Umfang von vielleicht 1.200 € und vereinzelten Zuschüssen für Bücherbeschaffung und kleinere Forschungsreisen gewährleistet alles andere als eine sorglose Nahzukunft, zumal Beiträge zur Sozialversicherung grundsätzlich nicht übernommen werden können und in der Regel die notwendige Krankenversicherung schon einen happigen Batzen des ohnehin nicht sonderlich umfangreichen Leistungsumfanges verschlingt. Auch für einen hoch motivierten Spieler stellt sich hier die Frage, ob das Verhältnis von Einsatzhöhe und möglichem Maximalgewinn akzeptabel ist. Den klassischen Hasardeur treibt die Lust an der Vorstellung eines extrem hohen wirtschaftlichem Gewinns von Runde zu Runde; den akademischen Hasardeur unserer Tage – ja, was denn eigentlich? Die Lust an der Vorstellung, möglicherweise und sogar mit einigermaßen hoher Wahrscheinlichkeit lebenslang ins Prekariat gehören zu dürfen? Das senkt die Freude am Spiel beträchtlich. Das Prekariat I des Doktoranden als Vorstufe von Prekariat II des Promovierten mit der Endaussicht Prekariat III des Habilitierten – das ist nun wirklich alles andere als eine attraktive Motivationsgrundlage.
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Schon zu Max Webers Zeiten war der Weg in die Hochschullaufbahn mit denkbar hohen Risiken behaftet; der heutigen Generation junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gilt diese Epoche freilich vergleichsweise als Goldenes Zeitalter im Milch-und-Honig-Land unbegrenzter Möglichkeiten. Spätestens in dem Moment, in dem sich das im Vorfeld eines Promotionsvorhaben zu führende Beratungsgespräch an diesem Punkt befindet, stellt sich bei vielen Graduierten die Einsicht in die weit gehende Hoffnungslosigkeit dieses Unterfangens ein. „Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate!“ Diese Worte stehen laut Dante Alighieris „Divina Commedia“ (Inferno III, 9) am Portal der Hölle zu lesen: „Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“ Das Zahlenmaterial und die soziologischen Analysen dieses Bandes sprechen eine beredte Sprache, die eigentlich keinerlei Interpretationsspielraum anbietet. Ihrer auch sozialen Verantwortung bewusste Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer müssen den akademischen Nachwuchs ohne Wenn und Aber mit dieser Situation konfrontieren; im Vorfeld einer Promotion wird eine unter Umständen nicht mehr revidierbare Entscheidung getroffen, die ein beträchtliches Risiko birgt. Die Furcht vor dem Prekariat zwingt heute mehr und mehr hoch qualifizierte Studierende dazu, einen anderen Weg als den der wissenschaftlichen Karriere einzuschlagen. Die Zahl der Promovenden – nicht nur in der Germanistik, nicht nur in den Geisteswissenschaften – nimmt ab, und sie wird weiter abnehmen. Der gesamtgesellschaftlich nachvollziehbaren Forderung, wir akademischen Lehrer müssten den Ausstoß an hoch qualifizierten Absolventen mit Doktortitel erhöhen, können wir guten Gewissens gegenüber dem hoch qualifizierten Absolventen ohne Doktortitel nicht nachkommen. Aus der Praxis gesprochen, sich zugegebenermaßen einer kaum intersubjektiv verifizierbaren Individualerfahrung verdankend: In den letzten beiden Jahren haben zwei meiner ohnehin wenigen Doktoranden ihr Dissertationsvorhaben aufgegeben, weil sie in fachfremde Positionen in der Wirtschaft gewechselt sind. Zwei weitere haben mitgeteilt, ihr Forschungsprojekt nicht weiter verfolgen zu können, weil ihre berufliche Tätigkeit das nicht erlauben würde. Alle vier besitzen das Potential für eine akademische Laufbahn; in allen vier Fällen: Gut für die (ehemaligen) Doktoranden, schlecht für die Wissenschaft. Für die Wissenschaft prekärer noch ein anderer, aktueller Fall: Eine Absolventin mit einem Prädikatsexamen (Note 1,0 in allen Fächern bzw. Teilfächern), sechssprachig, 24 Jahre alt, eben mit dem Exposé ihres Stipendienantrags für eine Dissertation beschäftigt, hat einen Zweijahresvertrag bei der Lokalredaktion
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eines dem „Unterschichtenfernsehens“ angehörigen privaten Sender erhalten, wo sie 1.900 € netto verdient und die Aussicht auf eine Dauerbeschäftigung erhält. Wird sie es verantworten können, im Falle, dass diese Arbeit ihr die Fertigstellung des Forschungsförderungsantrags ermöglicht und dieser bewilligt werden sollte, an die Universität zurückzukehren, um mit einem ca. 50 % ihres vorherigen Gehaltes entsprechenden Stipendium an einer akademischen Laufbahn ohne feste Aussicht auf Dauerbeschäftigung zu arbeiten? Wohl kaum. Und niemand, ihr akademischer Lehrer schon gar nicht, wird versuchen, sie dazu zu überreden. Die Furcht vor dem Prekariat führt heute dazu, dass viele akademische Laufbahnen gar nicht erst begonnen oder bei erster sich bietender Gelegenheit zugunsten gesicherter Beschäftigungsverhältnisse abgebrochen werden. Wie sieht angesichts dessen die Zukunft aus, wenn wir nur mehr oder minder realitätsblinde Hasardeure davon überzeugen können, dass ihre eigene Investition in das Glücksspiel Wissenschaftskarriere sich lohnen wird? Oder nur noch jene jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler promovieren, die über einen sorgenfreien sozialen und finanziellen Hintergrund verfügen? Oder, um diese Frage noch einmal zu verschärfen: Wer spielt hier eigentlich Hasard? Die Nachwuchswissenschaft – oder die Gesellschaft, die sich solch ein breites akademisches Prekariat leistet? „Lasciate ogni speranza“. Literatur Krünitz, J. G. 1833: Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der StaatsStadt- Haus- u. Landwirthschaft […]. Theil 157, Berlin 1833 Weber, M. 1985: Wissenschaft als Beruf. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Hg. von Johannes Winckelmann. 6. Auflage, Tübingen 1985
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Forschendes Prekariat? Mögliche Beiträge der Prekarisierungsforschung zur Analyse atypischer Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft Klaus Dörre / Matthias Neis
Die Wissenschaft verlangt von denjenigen, die sie als Beruf betreiben wollen, traditionell ein langfristiges Arrangement mit der Unsicherheit (Enders 1996, Matthies 2005). Die konkreten Beschäftigungsverhältnisse können dabei sehr unterschiedlich aussehen. Unter ihnen finden sich: befristete Arbeitsverträge, Teilzeit, Werkverträge, geringfügige Beschäftigung, neuerdings sogar einige 1Euro-Jobs. Die einzige Gemeinsamkeit dieser verschiedenen Formen wissenschaftlicher Erwerbsarbeit ist, dass sie keine „Normalarbeitsverhältnisse“ (Mückenberger 1985) sind. Dauerbeschäftigung in Vollzeit gibt es im Wissenschaftssystem im Wesentlichen nur in Form der Professur. Schon das Ordinarienprinzip verknüpfte dauerhafte wissenschaftliche Arbeit im Wesentlichen mit dieser einen Beschäftigungsform. Wer keinen der begehrten – und natürlich zu jeder Zeit raren – Lehrstühle (später allgemeiner Professuren) ergatterte, fand im Wissenschaftssystem schon immer nur wenige dauerhafte Arbeitsplätze.1 Der Ausbau von Dauerstellen im so genannten Mittelbau während der westdeutschen Bildungsreformphase war hier nur eine teilweise und inzwischen längst wieder revidierte Abhilfe. Dauerbeschäftigung war und ist die Ausnahme von der Regel, die im Wissenschaftssystem lautet: atypische Beschäftigung. Lange Zeit war die Struktur der Wissenschaft als Beschäftigungsfeld damit relativ singulär, dominierte doch die Normalarbeit den koordinierten Kapitalismus Nachkriegs-Deutschlands fast ausnahmslos. Angesichts der heute allgemein stattfindenden Veränderungen könnte man bei oberflächlicher Betrachtung damit die Wissenschaft (im Westen Deutschlands) als Vorreiter der „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ (ein Überblick über die Diskussion beispielsweise bei Struck/Köhler 2004) sehen. Tatsächlich werden wir zeigen, dass wissenschaftliche Arbeitsformen einige Parallelen zu 1
Durch die Einführung einer weiteren, niedriger besoldeten Professur neben den Lehrstühlen kann man nicht mehr direkt von einem Ordinarienprinzip sprechen. Am Prinzip der Verknüpfung von wissenschaftlicher Dauerbeschäftigung mit einem einzigen Status ändert sich dadurch allerdings nichts.
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privatwirtschaftlich relativ neuen Typen von Erwerbsarbeit aufweisen. Daraus allerdings tatsächlich eine Antizipation der neuen Formen kapitalistischer „Landnahme“ durch das Beschäftigungssegment Wissenschaft abzuleiten, hieße, seine besonderen Funktionsprinzipien zu ignorieren. Weit mehr als ein Vorreiter scheint das Wissenschaftssystem gegenwärtig ein Getriebener der Umbrüche des Kapitalismus zu sein. Die damit einhergehende Neujustierung wissenschaftlicher Funktionalität ist bisher noch kaum greifbar. Ob man in diesem Zusammenhang von prekärer Arbeit oder von Prekarisierung im Wissenschaftsbereich ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Eine Einschätzung kann nur auf der Grundlage eines Vergleichs der allgemeinen Entwicklung der Erwerbsarbeit mit den besonderen Bedingungen in der Wissenschaft erfolgen. Das ermöglicht erst die Einschätzung des prekären Potentials dieser Arbeitsverhältnisse und ihrer politischen Gestaltbarkeit. Die empirische Basis für eine solche Analyse ist bisher nicht ausreichend. Gerade von Seiten der Prekarisierungsforschung wurde dem Feld lange nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Der hier vorliegende Band ist ein Zeichen dafür, dass sich daran aktuell etwas ändert. Daher aber auch aufgrund der Veränderung, die das Wissenschaftssystem im Rahmen der umfassenden Umbrüche gegenwärtig erfährt, ist es sinnvoll, von vorhandenen – aus Erhebungen in anderen Erwerbsfeldern gewonnenen – Ergebnissen auszugehen. Sie können dann kritisch auf wissenschaftliche Beschäftigungsverhältnisse bezogen werden, um deren besonderes Profil beschreiben zu können. Wir wollen das hier anhand eines Beispiels aus der Vielfalt wissenschaftlicher Erwerbsarbeit versuchen. Zunächst jedoch soll der Charakter der gegenwärtigen Veränderungen der Erwerbsgesellschaft skizziert werden, der den Bezugsrahmen wissenschaftsspezifischer Entwicklungen bildet.
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Umbrüche: Finanzmarkt-Kapitalismus und neue Landnahme
Begünstigt durch die außergewöhnlich lange Nachkriegsprosperität ging die Verallgemeinerung von Lohnarbeit nach 1949 mit einer Tendenz zur Einhegung von Einkommens-, Armuts- und Beschäftigungsrisiken einher. Lohnarbeit wurde zu einer Institution, gekoppelt mit „sozialem Eigentum“ – einem Eigentum zur Existenz- und Statussicherung, das sich u. a. in garantierten Rentenansprüchen, Kündigungs- und Arbeitsschutz, Mitbestimmungsrechten sowie verbindlichen tariflichen Normen manifestierte. Sozialstaatlich regulierte Erwerbsarbeit wurde Basis für einen Bürgerstatus, der zuvor besitzlosen Klassen und Gruppen trotz fortbestehender Ungleichheiten zu einem respektierten Status in der Gesellschaft
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verhalf. Die Integrationskraft dieses Arbeiterbürger- oder Arbeitnehmerstatus erstreckte sich niemals gleichmäßig auf alle Gruppen, die von abhängiger Erwerbsarbeit leben mussten. Migranten, Frauen und so genannte gering Qualifizierte waren niemals gleichberechtigt integriert. Und auch die vertikalen Ungleichheiten, die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen, wurde allenfalls graduell korrigiert. Dennoch herrschte in großen Teilen der Arbeitsbevölkerung Gewissheit, dass man, gestützt auf die eigene Erwerbsarbeit, mit einer langsamen aber stetigen Verbesserung des eigenen Lebensstandards rechnen könne. Seit den 1980er Jahren erleben wir in den meisten kontinentaleuropäischen Gesellschaften eine allmähliche Umkehrung dieser Entwicklung.2 Dafür gibt es vor allem zwei Ursachen. Erstens drängen die neuen Formen von „immaterieller“ Dienstleistungs- und Informationsarbeit nach einem flexibleren Arbeitsmanagement, das in einem Spannungsverhältnis zu Regelungsformen des Nachkriegskapitalismus steht. Zweitens vollzieht sich der Übergang zu nachfordistischen Arbeitsgesellschaften unter dem Druck eines internationalisierten Finanzmarkt-Kapitalismus (Windolf 2005), dessen Dynamik auf Prozessen beruht, die man als neue „Landnahmen“ bezeichnen kann. Kapitalistische Wirtschaftsdynamik beruht seit jeher nicht nur, aber eben auch auf der „Landnahme“ nichtkapitalistischer Milieus (Luxemburg 1975: 428 ff.). Burkard Lutz (1984) hat gezeigt, dass die Nachkriegsprosperität nicht zuletzt aus einer solchen „Landnahme“ (Aufhebung des Arbeitsmarktdualismus von Stadt und Land) resultierte. Der zeitgenössische Finanzmarkt-Kapitalismus betreibt nun eine „Landnahme“ völlig anderer Art. Nach außen betreibt er die Integration ganzer Subkontinente – etwa der so genannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) – in den Weltmarkt (Wilson/Purushotaman 2003). Nach innen zielt sie auf eine umfassendere Nutzung menschlichen Arbeitsvermögens, die Produktion neuer Konsumformen (nicht nur) für Hightech-Produkte, entsprechende Lebensweisen, aber eben auch auf die Einschränkung, Beschneidung oder gar Beseitigung von „Sozialeigentum“. Diese zuletzt genannte Form der Landnahme ist für den hier interessierenden Kontext von besonderem Interesse. Unter dem Druck finanzmarktgetriebener Konkurrenzen sorgen kapitalmarktorientierte Steuerungsformen von Konzernen, die Führung dezentraler Einheiten mittels Gewinnvorgaben und ständiges Benchmarking für eine Verstetigung von Wettbewerbssituationen im Inneren der Unternehmen. Sämtliche Schutzmechanismen von der tariflichen Begrenzung 2
Ottmar Schreiner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Feststellung für die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten so nicht gilt.
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der Wochenarbeitszeiten bis hin zum arbeitsrechtlich garantierten Kündigungsschutz, also Kernbestände von „Sozialeigentum“, werden tendenziell zum Zielobjekt entgrenzender Verwertungsstrategien. Mittels solcher Grenzverschiebungen zwischen Markt und Status sichernder Organisation können Unternehmen eine Art Flexibilisierungsarbitrage erwirtschaften, die überwiegend aus nur kurzfristig wirksamen und zudem höchst fragilen Kostenvorteilen resultiert. Schon wegen der Flüchtigkeit dieser Wettbewerbsvorteile gelangen derartige „Landnahmen“ nie an ihr Ziel. Treten die prophezeiten Wohlfahrts- und Beschäftigungseffekte nicht ein, muss aus Sicht vor allem der Finanzmarktakteure eben noch umfassender dereguliert und flexibilisiert werden. In der Konsequenz driften einzelwirtschaftliche Rationalität und Wohlfahrt auseinander. Trotz rekordverdächtiger Gewinne bauen Konzerne Beschäftigung ab.3 Selbst rentable Betriebe fallen einseitig kosten- und renditeorientierten Wettbewerbsstrategien zum Opfer. Im Gleichklang mit einer flexiblen Produktionsweise, die auf knappen Personal-, Zeit- und Materialpuffern beruht, erschweren zeitlich begrenzte Absicherungen von Stammbelegschaften Neueinstellungen. Daher kommt es selbst in Phasen anziehender Konjunktur nur in vergleichsweise geringem Maße zu Beschäftigungsaufbau. Produktionsspitzen werden mit flexiblen Arbeitskräften, mit befristet Beschäftigten, Leih- und Zeitarbeitern, teilweise auch mit Mini- und Midijobbern abgefedert. Auf diese Weise fördert die Durchsetzung flexibelmarktzentrierter Produktionsmodelle die Ausbreitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Faktisch spalten sich die nachfordistischen Arbeitsgesellschaften in Zonen unterschiedlicher Sicherheitsniveaus (Castel 2000: 336 ff.). Eine aus eigenen empirischen Erhebungen gewonnene und im Anschluss an das Castelsche Zonenmodell konstruierte Typologie (Schaubild 1, Dörre u.a. 2006: 9 ff., Dörre 2005) vermittelt einen Einblick in die neue Hierarchie der nachfordistischen Arbeitsgesellschaft.
3
Die Telekom (-32.000 Stellen) und. Henkel (-3.000), IBM (-620), Mercedes-Benz (-8.500), Siemens (-2.400), die Deutsche Bank (-1920), Infineon (-800) und AEG/Elektrolux (-1.750) gehören genauso in diese Unternehmens-Phalanx wie Samsung (-800), Continental (-400) oder der Versicherungskonzern Allianz (-7.500; vgl. FR, 23.06.06; „Die Zeit“ 29.12.05, „Die Zeit“, 01.12.05). Die leichte Entspannung am Arbeitsmarkt, mitunter bereits als „Beschäftigungsruck“ („Die Zeit“, 27.06.06) gefeiert, dürften an dieser Grundkonstellation wenig ändern.
Forschendes Prekariat? 2
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Zonen der Arbeitsgesellschaft: Zwischen Freiheitsgewinn und Prekarisierung
Die Typologie illustriert, dass Beschäftigungs-, Einkommens und Statussicherheit, aber auch Identifikation mit der Arbeitstätigkeit und soziale Anerkennung von oben nach unten abnehmen. Parallel dazu lockert sich die Zugehörigkeit zu sozialen Netzen, die Unsicherheit abfedern könnten. Allerdings zeigt sich auch, dass Unsicherheit in den jeweiligen Zonen in Abhängigkeit von Lebensalter, Geschlecht, Qualifikation und Familienverhältnissen höchst unterschiedlich verarbeitet wird. Diese verschiedenen Dimensionen von Prekarität ergeben erst in der Zusammenschau ein klares Bild der verschiedenen Typen und Ausprägungen von Prekarität. Tabelle 1:
(Des-)Integrationspotentiale vor Erwerbsarbeit - eine Typologie
Zone der Integration (80,6 %) 1. Gesicherte Integration („Die Gesicherten“; 31,5 %) 2. Atypische Integration („Die Unkonventionellen“ oder „Selbstmanager“; 3,1 %) 3. Unsichere Integration („Die Verunsicherten“; 12,9 %) 4. Gefährdete Integration („Die Abstiegsbedrohten“; 33,1 %) Zone der Prekarität (13,8 %) 5. Prekäre Beschäftigung als Chance / temporäre Integration („Die Hoffenden“; 3,1 %) 6. Prekäre Beschäftigung als dauerhaftes Arrangement („Die Realistischen“; 4,8 %) 7. Entschärfte Prekarität („Die Zufriedenen“; 5,9 %) Zone der Entkoppelung (1,7 %) 8. Überwindbare Ausgrenzung: („Die Veränderungswilligen“) 9. Kontrollierte Ausgrenzung / inszenierte Integration („Die Abgehängten“)
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Die Typologie basiert auf einer qualitativen Erhebung mit ca. 100 Befragten aus allen Zonen der Arbeitsgesellschaft, die Klaus Dörre gem. mit Klaus Kraemer und Frederic Speidel durchgeführt hat. Die Prozentzahlen stammen aus einer quantitativen Befragung des INIFES Stadtbergen, die auf einer geschichteten, zufällig ausgewählten Stichprobe (n=5.388) basiert. Tatjana Fuchs hat versucht, mit der Typologie zur rechnen. Die Prozentangaben müssen insofern relativiert werden, als die Zuordnung des repräsentativen Materials zu unseren Typen nur annähernd erfolgen konnte. 3,9 % der quantitativ Befragten waren nicht zuzuordnen. Versucht man diese Typologie in einer explorativen Näherung auf das Feld wissenschaftlicher Erwerbsarbeit anzuwenden, so zeigen sich Parallelen zu verschiedenen Typen, die bei vielen wissenschaftlich Beschäftigten für die Einordnung mal in diese, mal in jene Kategorie sprechen würden. Es wird deutlich, dass die Besonderheit des wissenschaftlichen Feldes nach einer eigenen Typisierung verlangt. Allerdings lassen sich bestimmte Muster wieder finden, die das Potential einer an Prekarisierungsdimensionen orientierten Analyse wissenschaftlicher Arbeit verdeutlichen. Die deutlichsten Ausprägungen sehen wir im Bezug auf zwei Typen, die im Folgenden näher dargestellt werden sollen.4
2.1 Die Selbstmanager (Typ 2) Nach wie vor gibt es Gruppen, bei denen von einer gesicherten Integration in den Arbeitsmarkt gesprochen werden kann. Dazu gehören Facharbeiter und Spezialisten sowie akademische qualifizierte Angestellte, aber auch die Selbstmanager, z. B. Freelancer in der IT-Industrie oder abhängig Selbständige in der Werbeoder der Medienbranche. In den zuletzt genannten Gruppen lassen sich spezifische Kombinationen von kreativer Arbeit und marktgetriebener Flexibilisierung beobachten. Gerade für Hochqualifizierte gilt, dass das Interesse an der Tätigkeit und der Freiheitsgewinn, der mit flexiblen Arbeitsformen verbunden ist, das Empfinden sozialer Unsicherheit überlagert. Das zeigt sich bei problemlösenden, kundenbezogenen Arbeitstätigkeiten, denen ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit eingeschrieben ist. Soweit Marktanforderungen als unabänderlich gelten, stellt sich Freiheit im subjektiven Empfinden aber auch in kreativen Jobs nicht selten mittels Anpassung ein. Je weniger realistisch es erscheint, den eigenen Lebensentwurf auf marktbegrenzende kollektive Regelungen und Sicherheiten zu gründen, desto wahrscheinlicher wird eine Verinnerlichung des Marktzwangs. 4
Eine ausführliche Darstellung der gesamten Typologie findet sich in: Dörre u.a. 2006.
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Die Bereitschaft zum Freiheitsgewinn durch Selbstunterwerfung tritt bei Führungskräften der unteren und mittleren Ebene, aber auch bei Spezialisten und qualifizierten Angestellten häufig in Reinkultur hervor. Hier wirkt häufig ein Modus der Selbstzuschreibung, der die Probleme nicht in der Schrankenlosigkeit des Wettbewerbs, sondern in der eigenen Person verortet. Neu ist indessen, dass sich dieser Modus der Selbstzuschreibung nicht nur bei Managern und qualifizierten Angestellten, sondern zunehmend auch im Arbeiterbereich findet. Es ist nicht primär die Konkurrenz, das äußere Zwangsmoment, das in diesen Gruppen die Bereitschaft zu permanenten Höchstleitungen erzeugt. In den Segmenten mit anspruchsvollen, kreativen Tätigkeiten appelliert marktzentrierte Kontrolle immer auch an die Professionalität der Arbeitssubjekte. Befriedigung entspringt aus dem Bestreben, die Arbeit so gut wie möglich, eben professionell, erledigen zu wollen. Das Streben nach Bestätigung in der Arbeit kann problematische, mitunter geradezu pathologische Formen annehmen. So kann die permanente Zeitnot der high potentials in „Arbeitssucht“ ausarten, psychischen Schäden und Entspannungsunfähigkeit hervorrufen. Das Privatleben leidet; früher oder später wirken zerrüttete Sozialbeziehungen auf das Arbeitsvermögen zurück. Der innere Antrieb für hohe Arbeitsleitungen entfällt, Kreativität geht verloren und das Arbeitsvermögen wird mitunter dauerhaft geschädigt. Doch solche Schwierigkeiten resultieren gerade nicht mehr aus den Belastungen standardisierter, monotoner Teilarbeit. Was in der fordistischen Ära durch ausdifferenzierte Hierarchien, strukturierte Laufbahnen und klar definierte Kompetenzbereiche von Außen auferlegt wurde und dem Alltagsleben einen Rhythmus gab, wird nun zumindest teilweise der Entscheidung von Individuen oder Kleingruppen überantwortet. Das kann befreiend wirken, aber auch Unsicherheit erzeugen. In der Regel verfügen jedoch nicht nur die „Gesicherten“, sondern auch die „Selbstmanager“ in nicht-standardisierten, häufig befristeten oder projektbezogenen Arbeitsverhältnissen über genügend Ressourcen, um Phasen der Einkommens- und Beschäftigungsunsicherheit ohne Statusängste überstehen zu können. Diese Feststellung muss allerdings mit einer wichtigen Einschränkung versehen werden. Auch in kreativen, qualifizierten Arbeitsmarktsegmenten gibt es Übergänge in die Zone der Prekarität. So arbeiten viele Beschäftigte in der Kulturwirtschaft, im Medienbereich, der Film und Fernsehindustrie in Verhältnissen, die, gemessen an Einkommens- und Beschäftigungssicherheit, als prekär bezeichnet werden müssen (TAZ 2006, Kulturwirtschaft 2005). Hier sind es neben der Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit vor allem die Hoffnung auf den großen Durchbruch (z.B. eines Designerstudios oder Techno-Labels) und das schillernde Image der Branche („Ich bin beim Film“), die die Repräsentanten
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„kreativer Milieus“ zu geduldigen Prekariern werden lassen. Dennoch ist die Unterschicht selbst in diesen Gruppen eine ferne soziale Realität, die Verkörperung all dessen, was man selbst sozial und ästhetisch ablehnt. Und je prekärer die eigene Situation, desto ausgeprägter das Bemühen, sich zumindest symbolisch von diesen deklassierten Gruppen abzuheben.
2.2 Die Hoffenden (Typ 5) Gruppen in auch formal unsicheren Beschäftigungsverhältnissen agieren in einer „Zone der Verwundbarkeit“ bzw. der „Prekarität“. Hier agiert das eigentliche Prekariat. In ihren subjektiven Verarbeitungsformen bedeutet das Ausüben einer prekären Beschäftigung die Auseinandersetzung mit einer eigentümlichen Schwebelage. Auf der einen Seite haben die betreffenden LeiharbeiterInnen, befristet Beschäftigten, Teilzeitkräfte und GeringverdienerInnen den Anschluss an die „Zone der Normalität“ noch immer vor Augen, weshalb ein Teil von ihnen alle Energien mobilisiert, um den Sprung in eine gesicherte Beschäftigung doch noch zu schaffen. Permanente Anstrengungen sind auf der anderen Seite aber auch nötig, um einen dauerhaften sozialen Abstieg zu vermeiden. Wer in seinen Anstrengungen nachlässt, dem droht der Absturz in die „Zone der Entkoppelung“. Aufgrund der Diskontinuitäten des Beschäftigungsverhältnisses besitzen die „modernen Prekarier“ keine Reserven, kein Ruhekissen. Sie sind die ersten, denen in Krisenzeiten Entlassungen drohen. Ihnen werden bevorzugt die unangenehmen Arbeiten aufgebürdet. Sie sind die Lückenbüßer, die „Mädchen für alles“, deren Ressourcen mit anhaltender Dauer der Unsicherheit allmählich verschlissen werden. Die Betreffenden entwickeln unterschiedliche Strategien zur Bewältigung sozialer Unsicherheit. So handelt es sich bei den Hoffenden in erster Linie um jüngere, qualifizierte Beschäftigte, die ihr prekäres Arbeitsverhältnis als Sprungbrett in eine Normalbeschäftigung betrachten. Sie alle setzen auf den viel beschworenen „Klebeeffekt“ einer flexiblen Beschäftigung. Kontakte zu Beschäftigern und Kollegen sowie gute Arbeitsleistungen sollen die Gewähr dafür bieten, dass die „Normalisierung“ der Erwerbsbiographie letztendlich doch noch gelingt. Diese Erwartungshaltung treibt die Befragten an. Konsequent kritisieren sie vor allem fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten, die mit der prekären Beschäftigung verbunden sind. Wir werden anhand eines Beispiels aus der Wissenschaft verdeutlichen, dass in diesem Feld insbesondere Elemente aus diesen beiden Typen zusammenfallen, was gleichermaßen die Prekarisierungsperspektive, wie die Notwendigkeit einer eigenständigen wissenschaftsbezogenen Analyse stützt.
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Zunächst gilt es daher zu umreißen, wie sich die Entwicklung der Wissenschaft zur eingangs beschriebenen Veränderung der Arbeitswelt im Gesamten verhält.
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Marktanpassung und wissenschaftliche Eigengesetzlichkeit – Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Erwerbsarbeit
Die offensichtlichste Besonderheit wissenschaftlicher Erwerbsarbeit ist, dass sie zum übergroßen Teil in öffentlicher Verantwortung geleistet wird. Noch immer dominiert die staatliche Steuerung und Finanzierung die wissenschaftlichen Einrichtungen, insbesondere die Hochschulen. Allerdings geschieht das heute durchaus unter sich verändernden Vorzeichen. So zeigt die gegenwärtige Umstrukturierung des Steuerungsmodus der Wissenschaftslandschaft nach den Prinzipien des New-Public-Management, dass mindestens auf der Ebene gesellschaftlicher Zuschreibungen auch hier eine „Landnahme“ stattfindet. In den Forschungsorganisationen sollen Wettbewerbssituationen implementiert werden, die marktadäquates Handeln von den Einrichtungen ebenso fordern wie von den Wissenschaftlern. Wird etwa die Ressourcensteuerung nach Outputkriterien verbunden mit der Konzentration von Entscheidungskompetenzen bei Leitungsorganen, so sind Anleihen bei den beschriebenen privatwirtschaftlichen Managementpraktiken unübersehbar. Gleichwohl treffen diese Steuerungsformen mindestens bei den Hochschulen auf eine Organisation, die geradezu auf einer hohen Autonomie der wissenschaftlichen Akteuren (eigentlich der Professoren) basiert. Diese Autonomie ist der Kern der verbreiteten organisationssoziologischen Beschreibung von Hochschulen als „lose gekoppelte Systeme“ bzw. „lose gekoppelte wissenschaftliche Disziplinen“ (Kern, 2000, S. 28). Sie erhöht im Falle der Hochschulen die – allen Organisationen innewohnende – Fähigkeit, ihre Handlungspraxen entgegen veränderten Strukturen und gesellschaftlichen Zuschreibungen zu behaupten. Gerade das Beispiel der atypisch Beschäftigten wird zeigen, dass einstweilen noch wissenschaftliche Funktionsprinzipien volle Gültigkeit haben, die einem marktadäquaten Verhalten von Wissenschaftlern entgegen stehen; häufig mit durchaus prekarisierenden Wirkungen. Trotz der hier aufscheinenden Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft deutet doch viel darauf hin, dass die beiden oben dargestellten Typen Ansatzpunkte bieten, um das besondere Prekarisierungsprofil wissenschaftlicher Arbeit zu erfassen. Gerade die neuen Formen „immaterieller“ Dienstleistungs- und Informationsarbeit in der Privatwirtschaft verlangen nach Arbeitsweisen, wie sie im Wissenschaftsbereich von jeher anzutreffen waren. Vor diesem Hintergrund
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werden viele Entsprechungen von wissenschaftlicher Arbeit und dem Profil der „Selbstmanager“ verständlich. Allerdings macht die Vielfalt der Beschäftigungsformen deutlich, dass man von einem einheitlichen Typus des wissenschaftlich Beschäftigten nicht ohne weiteres sprechen kann. Materiell und institutionell, aber auch in Bezug auf soziale Integration und subjektive Verarbeitungsformen, unterscheiden sich diese Formen deutlich. Beispielhaft wollen wir die wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Hochschulen herausgreifen. Sie sind die größte Beschäftigtengruppe und zugleich organisatorisch fest im Wissenschaftssystem verankert, das heißt zentral an der Forschungs- wie der Lehrleistung beteiligt.
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Beispiel: Die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen
Die größte Gruppe von hauptberuflich beschäftigten Wissenschaftlern bilden mit 106.000 Personen (Stand 2004) die wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter an den Hochschulen. Zugleich hat es nur bei ihnen in jüngerer Zeit bedeutendes Beschäftigungswachstum gegeben (Stand 1995: 92.500). Gewachsen sind dabei allerdings fast ausschließlich befristete und Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse. Fast 75 Prozent der Beschäftigten haben Zeitverträge. Unter diesen Befristeten finden sich mehr als 30.000 Teilzeitbeschäftigte. Die Gruppe von wissenschaftlich Beschäftigten, die gleichzeitig in Befristung und Teilzeit arbeiten – also beide formalen Prekarisierungsrisiken auf sich vereinen -, ist damit beinahe so groß wie die der ProfessorInnen (38.000).5 Freilich differenzieren sich diese Zahlen nach Forschungsdisziplinen aus. Teilzeitbeschäftigung ist etwa in den Sozialwissenschaften weit häufiger anzutreffen, als in den Natur- oder Ingenieurwissenschaften. Die Befristetenquote von drei Vierteln ist allerdings über alle Fakultäten fast gleich. Die aktuelle Entwicklung in vielen Disziplinen verstärkt diesen Trend noch, denn es ist gängige Praxis, freiwerdende Dauerstellen in befristete umzuwandeln. Das Verhältnis verschiebt sich kontinuierlich zugunsten der atypischen Beschäftigungsverhältnisse. Dem korrespondiert, dass auch in der außeruniversitären Forschung, wo zumindest bei den „Big Four“ (MPG, FhG, WGL, HGF) unbe-
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Die geschlechtsneutrale Formulierung ist in diesem Fall noch immer fast unangebracht. Immer noch werden fast 90 % der Professuren in Deutschland von Männern besetzt. Bei den wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und Lehrbeauftragten – also den vornehmlich unsicheren Beschäftigungsverhältnissen - sind Frauen dagegen keineswegs unterrepräsentiert. Damit ist das Prekarisierungsproblem auch in der Wissenschaft in starkem Masse ein Gender-Problem.
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fristete Beschäftigung lange üblicher war, immer mehr befristete Verträge ausgegeben werden. Eine solche Zusammensetzung von Beschäftigten – zumal hochqualifizierten – gibt es in keinem anderen Bereich des öffentlichen Dienstes (öD). Gerade die Zugehörigkeit zum öD kann in dieser Struktur zu einem großen materiellen und institutionellen Prekaritätsgefälle beitragen. Nicht nur die verbeamteten Professoren, sondern auch andere dauerbeschäftigte Wissenschaftler im Angestelltenverhältnis sind in Bezug auf ihre Arbeitsplatzsicherheit gegenüber ihren befristeten Kollegen deutlich privilegiert. Demgegenüber gehört es zum Charakter der Zeitverträge, dass sie die Arbeitnehmer schon von weiten Teilen des rechtlichen Schutzes ausschließen. Die gut geschützten Arbeitsverhältnisse auf der anderen Seite der „Prekaritätsscheide“ Dauerbeschäftigung wirken so als zusätzliche Hürde für die Befristeten, denn sie können nicht mit hoher Fluktuation außerhalb der Alterszyklen der Wiederbesetzung rechnen. Es stehen also nicht nur sehr wenige, immer enger werdende Kanäle des Übergangs in gesicherte Beschäftigung zur Verfügung; diese sind auch chronisch verstopft. Das Zusammenspiel der Dominanz atypischer Beschäftigung einerseits und der Formalisierung des öffentlichen Dienstes andererseits gibt der Frage nach der Prekarität wissenschaftlicher Arbeit somit eine besondere Brisanz. Diesen besonderen Charakter gilt es im Auge zu behalten, wenn man das prekäre Potential dieses Beschäftigungssegments insgesamt einschätzen will.
4.1 Materielle Prekarität und konkrete Berufstätigkeit Die materielle und institutionelle Dimension reichen bei der Bewertung der Prekaritätsrisiken von wissenschaftlichen Mitarbeitern nicht aus. Es müssen sozialkommunikative oder sinnhaft-subjektbezogene Elemente mit hinzugenommen werden. Hier stechen Parallelen zum oben charakterisierten Typus des Selbstmanagers ins Auge. Die konkrete Berufstätigkeit wissenschaftlicher Mitarbeitern ist geprägt von einem geringen Formalisierungsgrad, hoher sozialer Integration und Selbstorganisation. Die Wahl von Zielen und Mitteln erfolgt ebenso wie die Arbeitsorganisation weitgehend eigenverantwortlich. Die Bearbeitung von Forschungsproblemen ebenso wie die oft eigenverantwortliche Gestaltung und Durchführung von Lehrangeboten komplettieren die Erfahrung eines Freiheitsgewinns, der durch gleichzeitige persönliche Abhängigkeiten nicht prinzipiell in Frage gestellt wird.
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Arbeit ist für Wissenschaftler zudem mindestens ideell nicht nur Erwerb, sondern intrinsisch motiviert und mit einer hohen Sinnhaftigkeit aufgeladen. Auch die Entwicklung von Netzwerken in der Doppelfunktion in der Forschung sowie „beim Stricken der eigenen Karriereleiter“ (Enders 2003) bleibt in der Wissenschaft unerlässlich. Wissenschaftliche Arbeit befördert also auf der Ebene der konkreten Berufstätigkeit eine Selbstwahrnehmung der wissenschaftlichen Mitarbeiter als hochprofessionelle, sozial und fachlich eingebundene Individuen. Ähnlich wie „Selbstmanager“ verbinden sie also eine sozial-kommunikativ hochintegrierende Tätigkeit und ein materiell teils sehr prekäres Beschäftigungsverhältnis. Diese Ähnlichkeit würde dafür sprechen das prekäre Potential wissenschaftlicher Mitarbeiter als begrenzt anzusehen. Allerdings gibt es gravierende Unterschiede zu den „atypisch Integrierten“, die vor allem aus der staatlichen Steuerung, verstärkt durch innerwissenschaftliche Funktionsprinzipien entstehen.
4.2 Staatlich produzierte Prekarität und persönliche Abhängigkeit Wie an der ambivalenten Wirkung des öffentlichen Dienstes zu sehen ist, führt diese Konstellation keineswegs zu einer Entschärfung der Prekarität in der Wissenschaft. Vielmehr verbindet sich für die Wissenschaftler gegenwärtig der Druck des staatlich gelenkten „Pseudo-Marktes“ mit ihrer im Vergleich zur Privatwirtschaft sehr eingeschränkten Bewegungsfreiheit zu einem nicht unerheblichen Prekaritätswachstum in materieller Hinsicht. Die staatliche Verantwortung wirkt in dieser Konstellation nicht prekaritätsdämpfend, sondern teils verschärfend. Entsprechend findet bei wissenschaftlichen Mitarbeitern eine andere Verinnerlichung externer Zwänge statt als bei den „Selbstmanagern“: Nicht der Marktzwang wird verinnerlicht, sondern viel eher das wissenschaftliche „Matthäus-Prinzip“ (Merton 1985). Je arrivierter ein Wissenschaftler ist, umso leichter fällt es ihm weitere Reputation zu erlangen. Dieser Mechanismus hat weitreichende Folgen. Er zwingt Nachwuchswissenschaftler in letzter Konsequenz, das eigene wissenschaftliche Fortkommen an einen Mentor zu binden, wodurch sich systematisch Abhängigkeitsstrukturen entwickeln. Ein banales und gleichwohl wirkungsmächtiges Beispiel für die Wirksamkeit des Matthäusprinzips ist die Verteilung von Drittmitteln. Versuchen Nachwuchswissenschaftler unter ihrem eigenen Namen Mittel zu akquirieren, scheitern sie in den meisten Fällen. Entwickeln sie dagegen den gleichen Antrag für
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arrivierte Forscher, die ihren Namen leihen, so steigen die Chancen beträchtlich. Dieser Sachverhalt hat sich in den letzten Jahren noch verschärft, da leistungsbezogene Mittelvergabe und Evaluationskriterien Professor dazu zwingen, selbst verstärkt Drittmittel einzuwerben.
4.3 Biographische Spreizung und lange Qualifizierungswege Ein weiterer gravierender Faktor der die Wissenschaft von anderen Bereichen unterscheidet, die biographische Spreizung atypischer Erwerbsformen. Wissenschaftler sind, anders als andere Hochqualifizierte, nicht nur zu Beginn ihrer Karriere atypisch beschäftigt. Den „sicheren Hafen“ der Professur erreicht der kleine Teil von Wissenschaftler, der überhaupt dorthin gelangt, erst mit durchschnittlich 41,1 Jahren;6 eine Leitungsstelle an außeruniversitären Instituten nicht wesentlich früher. Bis zu diesem Punkt gilt jeder Wissenschaftler in Deutschland als „wissenschaftlicher Nachwuchs“.7 An diesem Begriff ist ablesbar, dass das deutsche Wissenschaftssystem prinzipiell nur Hochschullehrer kennt und solche, die es noch werden wollen. Wissenschaftliche Arbeit unterhalb der Professur ist entsprechend immer auch Qualifikationsarbeit, ganz gleich, ob sie tatsächlich auf einer Qualifikationsstelle, im Zusammenhang eines Projektes oder – die eigentlich schärfste Form materieller Prekarität – Im Rahmen eines Stipendiums verrichtet wird. Diese immens lange Qualifizierungsphase hat zwei Auswirkungen auf das prekäre Potential. Zum einen verstärkt sie persönliche Abhängigkeitsstrukturen. Auf der anderen Seite wirkt sie im Hinblick auf die Selbstwahrnehmung prekaritätsdämpfend. Eine dauerhaft unsichere Beschäftigung, gar unterbrochen durch Arbeitslosigkeit, belastet zwar, kann aber immer als Weg zur nächsten Qualifizierungsstufe gerechtfertigt werden. Die meisten Wissenschaftler befinden sich subjektiv immer in einer Entwicklung, an deren Ende implizit die Professur steht. Im Ergebnis dieser Faktoren ist das Zeitfenster, das für eine Statuspassage auf die sichere Seite offen steht, sehr eng. Wer es verpasst, steht womöglich mit 45 Jahren vor einer Karriere-Sackgasse. Aus dieser Position ist ein Schritt auf andere Arbeitsmärkte vielfach schwierig bis unmöglich. 6 7
Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand: 2002 „Mit der Berufung auf eine Professur in einer Universität bzw. Fachhochschule oder mit dem Antritt einer (leitenden) Stellung mit wissenschaftlichem Profil außerhalb der Hochschulen wird die Qualifizierungsphase als 'wissenschaftlicher Nachwuchs' erfolgreich beendet.“ (HRK, http://www.hrk.de/de/home/1242_1201.php; Stand: 1.12.2006).
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Wissenschaftliche Traditionen und die Organisation wissenschaftlicher Beschäftigung in Deutschland sind wesentliche Elemente, die wissenschaftliche Beschäftigungsverhältnisse – in unserem Beispiel die der wissenschaftlichen Mitarbeiter – von denen der atypisch Integrierten unterscheiden. Insbesondere die Verquickung von Qualifizierung und Erwerbsarbeit produziert dabei Verarbeitungsformen, wie sie etwa bei der Gruppe der Hoffenden in unserer Typologie anzutreffen sind. Die Zugehörigkeit zum Wissenschaftssystem wird auch unter hohem materiellen Druck aufrechterhalten, in der Hoffnung, durch besonderen Einsatz eine langfristige Perspektive zu erschließen. Eine Betrachtung von wissenschaftlicher Arbeit am organisatorischen Rand des Wissenschaftssystems, etwa bei den Lehrbeauftragten, würde diese Elemente wahrscheinlich noch stärker zum Tragen bringen. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Typologie die Besonderheiten wissenschaftlicher Erwerbsarbeit wie erwartet nicht komplett einfangen kann. Sie lässt aber darauf schließen, dass dieses hochqualifizierte Beschäftigungssegment gegenwärtig möglicherweise bis in seine Kernbereiche hinein einen Prekarisierungsschub erfährt. Umso dringender scheint der Bedarf, sich mit den Mitteln der Prekarisierungsforschung dem Wissenschaftssystem zu nähern. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Erfassung der subjektiven Verarbeitungsformen die entscheidend für Optionen der politischen Gestaltung wissenschaftlicher Erwerbsarbeit sind.
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Fragen an eine wissenschaftsorientierte Prekarisierungsforschung
Nur auf der Grundlage bisher vorliegender Daten ist die Frage nach dem prekären Potential wissenschaftlicher Erwerbsarbeit also nicht zu beantworten. Dafür ist die Bei einer oberflächlichen Anwendung des Rasters von Prekarisierungsdimensionen ergeben sich auf der materiellen und institutionellen Ebene, aber vor allem auch im Bezug auf die Planbarkeit des eigenen Lebens deutliche Hinweise auf – sich verstärkende – prekäre Verhältnisse. Anderseits sind die sinnhaltsubjektbezogenen und sozial-kommunkativen Dimensionen konkreter wissenschaftlicher Berufstätigkeit integrierende und damit prekaritätsdämpfende Elemente. Kernaufgabe einer Forschung, die versucht, sich mit wissenschaftlicher Erwerbsarbeit aus der Warte der Prekarisierung zu beschäftigen, müsste es demnach sein, das Feld mittels einer eigenen Typologie zu strukturieren. Will man diese tatsächlich im Hinblick auf die Prekarisierung fruchtbar machen, darf das
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zonale Modell dabei nicht aufgegeben werden. Die Frage nach der Prekarität ist auch immer eine nach der Hierarchie von Sicherheit und Integration. Gerade in der Wissenschaft existiert eine Vielzahl von Merkmalen, die eine solche Differenzierung sinnvoll erscheinen lassen. Zunächst ist ein gravierender Unterschied zwischen den Disziplinen zu konstatieren, gerade was die materielle Ausstattung von Wissenschaftlerstellen betrifft. Die relativ schwache Position dieser hochqualifizierten Experten, wie wir sie dargestellt haben, könnte sich dort relativieren, wo es realistische Ausstiegsoptionen in die private Wirtschaft gibt. Ein auch in diesem Beitrag unterbelichteter Aspekt ist eine mögliche Genderdimension von Prekarität. Der mit jeder Qualifizierungsstufe abnehmende Frauenanteil zeigt eine strukturelle Benachteiligung, die sich für die Frauen in der Wissenschaft auch als verschärfte Prekarisierung äußern könnte. Angesichts der biographischen Spreizung atypischer Erwerbsarbeit und der relativ späten Statuspassage zur Professor ist zudem insbesondere im Hinblick auf die subjektive Verarbeitung ein altersspezifisches Element von Prekarisierung zu erwarten. Von besonderem Interesse sollte dabei eben jene begrenzte Phase einer Wissenschaftsbiographie sein, in der eine Berufung möglich ist. Ohnehin wäre zu klären, ob sich gegenwärtig Muster der Wahrnehmung der eigenen Situation und Strategien der Bewältigung allgemein verändern. Unterstellt man einen höheren Druck auf die atypisch Beschäftigten durch schlechtere materielle Bedingungen, so wäre von dieser Seite insbesondere zu fragen, ob sich traditionelle individuelle Strategien eher verfestigen, oder ob eine Gegenbewegung in Richtung kollektiver Ansätze (Organisation, Netzwerke) entsteht. Ob man von einem – eventuell gar wachsenden – prekären Potential wissenschaftlicher Erwerbsarbeit sprechen kann, betrifft im Ergebnis nicht nur die relativ überschaubare Gruppe der Wissenschaftler. Vielmehr hängt auch die Qualität von Forschung und Lehre ganz wesentlich von den atypisch Beschäftigten ab. Sollte sich deren Situation tatsächlich nachhaltig prekarisieren, so würde das nicht ohne negative Folgen für die Produktivität und Reproduktionsfähigkeit der Wissenschaft bleiben. Literatur Brinkmann, U./Dörre, K./Röbenack, S. (2006): Prekäre Arbeit. Ursachen, Ausmaß, soziale Folgen und politische Verarbeitungsformen unsicherer Beschäftigungsverhältnisse. Eine Expertise. MS. Jena. Castel, R. (2000): Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit. Konstanz.
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Autorenverzeichnis
Ursula Birsl ist Professorin am Institut für Gesellschaftswissenschaften und historischpolitische Bildung der Technischen Universität Berlin. Klaus Dörre ist Professor für Arbeits-, Industrie-, und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Petra Maria Jung ist Leiterin des Referates „Wissenschaftlicher Nachwuchs, wissenschaftliche Weiterbildung“ im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Stephan Klecha ist Doktorand in der Arbeitsgruppe Parteien- und politische Kulturforschung am Seminar für Politikwissenschaft der Georg-August-Universität Göttingen. Wolfgang Krumbein ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Regionalforschung und Professor am Seminar für Politikwissenschaft der Georg-August-Universität Göttingen. Frank Möbus ist außerplanmäßiger Professor am Seminar für Deutsche Philologie der Universität Göttingen und Distinguished Fellow am Institute of Advanced Study der Universität Durham. Matthias Neis ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena Melanie Reimer war Mitarbeiterin am Institut für Regionalforschung.