Machiavelli Der Fürst
Kröner
kröners taschenausgabe band 235
MACHIAVELLI
Der Fürst »IL PRINCIPE«
übersetzt und he...
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Machiavelli Der Fürst
Kröner
kröners taschenausgabe band 235
MACHIAVELLI
Der Fürst »IL PRINCIPE«
übersetzt und herausgegeben von RUDOLF ZORN
alfred kröner verlag stuttgart
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Machiavelli, Niccolò: Der Fürst / übers. u. hrsg. von Rudolf Zorn. – 6. Aufl. – Stuttgart: Kröner, 1978. (Kröners Taschenausgabe; Bd. 135) Einheitssacht.: Il principe -dt. isbn 3-510-23506-4
© Copyright 1978 by Alfred Kröner Verlag in Stuttgart Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany Druck: Süddeutsche Verlagsanstalt und Druckerei GmbH, Ludwigsburg
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung zur Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ix xxiii xxxi 1
I. KAPITEL Von den Herrschaftsformen und den Mitteln zur Erwerbung einer Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. KAPITEL Von den ererbten Herrschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
III. KAPITEL Vermischte Alleinherrschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
IV. KAPITEL Warum das von Alexander eroberte Reich des Darius sich nach Alexanders Tod nicht gegen seine Nachfolger aufgelehnt hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
V. Kapitel Wie man Städte oder Herrschaften regieren muß, die vor ihrer Eroberung nach ihren eigenen Gesetzen lebten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. KAPITEL Von neuen Herrschaften, die man mit eigenen Waffen und durch Tüchtigkeit erobert . . . . . . . . . . . .
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VII. KAPITEL Von neuen Herrschaften, die man mit fremden Waffen und durch Glück erobert . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
VIII. KAPITEL Vom Erwerb einer Herrschaft durch Verbrechen . . . .
33
IX. KAPITEL Von der Herrschaft eines Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . .
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X. KAPITEL Wie man die Stärke jeder Herrschaft feststellen kann
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XI. KAPITEL Von geistlichen Herrschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XII. KAPITEL Von den Möglichkeiten der Heeres-Organisation und von Söldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIII. KAPITEL Über Hilfstruppen, gemischte Verbände und Volksheere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIV. KAPITEL Wie sich ein Herrscher zum Heerwesen zu verhalten hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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xv. kapitel Weshalb die Menschen und vor allem die Herrscher gelobt und getadelt werden . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVI. KAPITEL Über Freigebigkeit und Sparsamkeit . . . . . . . . . . . . . .
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XVII. KAPITEL Über Grausamkeit und Milde; und ob es besser ist, geliebt oder gefürchtet zu werden oder umgekehrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVIII. KAPITEL Inwieweit Herrscher ihr Wort halten sollen . . . . . . . .
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XIX. KAPITEL Vor Verachtung und Haß muß man sich hüten . . . . .
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XX. KAPITEL Ob der Festungsbau und viele andere Vorkehrungen, die täglich von Herrschern angewendet werden, nützlich sind oder nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXI. KAPITEL Was sich für einen Herrscher zu tun schickt, um zu Ansehen zu kommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXII. KAPITEL Von vertrauten Mitarbeitern, die die Herrscher in ihrer Umgebung haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXIII. KAPITEL Schmeichler muß man meiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXIV. KAPITEL Warum die Herrscher Italiens ihr Land verloren haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 xxv. kapitel Was Fortuna in den Dingen dieser Welt vermag und wie man ihr begegnen soll . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 XXVI. KAPITEL Aufruf, in Italien die Macht zu ergreifen und es von den Barbaren zu befreien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Einleitung Machiavellis Schrift »Il Principe« ist unter dem Titel »Der Fürst«, »Le Prince«, »The Prince«, Weltliteratur geworden. Die ersten Übersetzungen ins Französische, Englische und Deutsche entstammen der Vorstellungswelt des Barock, für die der Träger der höchsten Gewalt im Staat der Fürst von Geblüt war. Für Machiavellis politische Konzeption spielte es jedoch keine Rolle, ob das Staatsoberhaupt ein legitimer Fürst aus altem Herrschergeschlecht oder ein zur Herrschaft gelangter Bürger, ob er ein Kirchenfürst oder ein Condottiere ist; für ihn ist der Principe der römische princeps, der Träger der höchsten Gewalt im Staat, also der Herrscher; und die principati sind nicht bloß Fürstentümer, sondern mehr oder minder monarchisch regierte Staaten. Es ist daher wohl richtiger, den Begriff »principe« im allgemeinen mit »Herrscher« und »principati« mit Herrschaften wiederzugeben, was nicht ausschließt, daß im einzelnen Fall auch einmal ein legitimer Fürst bzw. ein Fürstentum damit gemeint sein kann. Die Abhandlung mit ihren 26 nach Inhalt und Umfang scheinbar ungleichwertigen Kapiteln stellt sich trotzdem als eine Schrift von großer Einheitlichkeit und Geschlossenheit der Gedankenführung und der Komposition dar. Jedes Kapitel wächst organisch aus dem vorhergehenden. Es kann keine Rede davon sein, daß es sich beim »Principe«, wie manche Kritiker meinen, um unorganisch aneinandergereihte Gedanken handle. Der rote Faden ist vom Anfang bis zum Ende unverkennbar. In den Kapiteln II bis XI werden die verschiedenen Arten der Herrschaften, ihre Gründung und Erwerbung, ihre Behauptung und ihr Verlust behandelt. Dann folgen drei Kapitel über das Heerwesen unter besonderer Berücksichtigung des Volksheeres, dieses neuartigen Heerestyps, der dem neuen Staatstyp entspricht, wie er sich während des 15. Jahrhunderts entwickelt hatte und von Machia-
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velli in den vorhergehenden Kapiteln besprochen wurde. Bis zum XIV. Kapitel werden also der geschichtliche Ursprung des Herrschertums und seine militärischen Grundlagen behandelt. Vom Kapitel XV an befaßt sich Machiavelli nun mit den eigentlichen Regierungsproblemen, mit dem politischen Aufbau des Staates vom Standpunkt des Herrschers aus gesehen. Diese Schilderungen gehen bis zum Kapitel XXIII. Diese Kapitel sind das Kernstück des »Principe«. Nun zieht Machiavelli die Schlußfolgerungen aus dem Gesagten. In den letzten drei Kapiteln befaßt er sich mit der Frage, warum die Herrscher Italiens ihre Staaten verloren haben. Er erklärt die Bedeutung der Fortuna in der Politik und schließt im letzten Kapitel mit der flammenden Ermahnung an das Haus Medici, in Italien die Macht zu ergreifen und es von den Barbaren zu befreien. Es ist da und dort die Meinung vertreten worden, daß das letzte Kapitel nicht recht zu den vorhergehenden passe und daß es ein mehr oder weniger gewaltsames Anhängsel des Ganzen wäre. Dem kann nicht zugestimmt werden; denn der Aufbau des ganzen Traktates führt gradlinig zum Aufruf im letzten Kapitel. Für Machiavelli kam es in seinem Traktat vom Fürsten nur auf die kraftvolle Herrscherpersönlichkeit an, die imstande ist, einen Staat zu gründen und zu ordnen. Ihr erteilt er Ratschläge. Und jedes Jahrhundert hat diese anders ausgelegt. Es nimmt daher nicht wunder, daß kaum eine andere Schrift der Weltliteratur ein so wechselvolles Schicksal hatte wie gerade der »Principe«. Es begann bereits mit der Niederschrift und der Widmung. Geschrieben wurde das Werkchen aus dem Zwang der Not, um sich den Medici als zuverlässiger Helfer zu empfehlen, und gleichzeitig aus Schmerz über das Schicksal Italiens, das zu semer Zeit, wie er selber in dem hinreißend geschriebenen letzten Kapitel des »Principe« sagt: »Versklavter als die Juden, geknechteter als die Perser, zerrissener als die Athener, ohne Oberhaupt, ohne Ordnung, geschlagen, geplündert, zerrissen«, vom Feind überrannt war 1 und dem sich noch kein Retter aus seiner verzweifelten Lage gezeigt hatte. In welcher Not und in welcher Stimmung dieses Werk geschrieben wurde, wissen wir aus dem berühmten Brief Machiavellis vom 10. Dezember 1513 an seinen Freund Francesco Vettori, den florentinischen Ge-
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sandten am päpstlichen Hof in Rom 2. Er schildert darin die Armseligkeit des äußeren Lebens, das er nach seiner Entlassung aus dem Dienst der Republik auf seinem ererbten Landgütchen Sant’ Andrea in Percussina bei San Casciano in der Nähe von Florenz zu führen gezwungen war. Am 7. November 1512 war der damals 43jährige durch einstimmigen Beschluß der Signoria aller seiner Ämter enthoben worden, nachdem sein Chef, der Gonfaloniere der Republik Florenz, Piero Soderini, gestürzt und die Medici nach einer Entscheidung der »Heiligen Liga« wieder als Herren von Florenz eingesetzt worden waren 3. Er durfte das Rathaus nicht betreten und das Florentiner Gebiet nicht verlassen. Ein halbes Jahr nach seiner Absetzung wurde er sogar wegen des Verdachts der Teilnahme an einer Verschwörung gegen die Medici ins Gefängnis geworfen und in die Streckfolter gespannt. Noch lange waren seine Handgelenke davon geschwollen, wie er seinem Freund Vettori schrieb. Er hatte das heute so wohlbekannte Schicksal eines hohen Staatsbeamten vorweggenommen, der im Zug eines politischen Umschwungs seiner Ämter entsetzt und von heute auf morgen zu Tatenlosigkeit und Armut verdammt wird. Zweifellos hat er sein Schicksal nicht mit jener stoischen Ruhe getragen, die er in seinen Schriften als menschliches Ideal gefeiert hat. Er konnte es nicht fassen, nur wegen der Änderung der Leitung der Republik amtsenthoben zu werden, nachdem er doch 14 Jahre lang mehr als seine Pflicht erfüllt hatte. Immer wieder klagte er das Schicksal an, das so hart und grausam mit ihm umsprang. Es mag wohl seine Leidenschaft für die Politik, aber auch die Sorge um seine Frau und seine fünf Kinder gewesen sein, die ihn veranlaßt haben, de- und wehmütige Briefe zu versenden und Eingaben an die neuen Herren mit der Bitte um Wiederverwendung zu machen. Es war alles vergebens. Und so schrieb er sich in der Einsamkeit seines Landgütchens seine politische Sehnsucht vom Herzen. »Ich muß vom Staat reden oder das Gelübde tun zu schweigen«, wie er einmal an Vettori schrieb. So entstand der »Principe«. Der Traktat war als Zweckschrift gedacht und wurde zur politischen Bibel; er war eine Gelegenheitsarbeit und wurde im Lauf der Jahrhunderte zur politischen Richtschnur.
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Aus dem Brief an Vettori vom 10. Dezember 1513 erfahren wir das erstemal, daß er eine kleine Schrift »de Principatibus« verfaßt habe. »Ich erörterte darin das Wesen der Herrschaft, ihre verschiedenen Arten, die Mittel zu ihrer Erwerbung und Behauptung, die Ursachen ihres Verlustes … Einem Herrscher, zumal einem neu zur Macht gekommenen, müßte sie willkommen sein. Deshalb widme ich sie seiner Durchlaucht Giuliano de’ Medici. Filippo Casavecchia 4 hat sie gesehen; er kann euch von der Schrift und von unseren Gesprächen darüber berichten, obwohl ich vorläufig noch dabei bin, sie zu erweitern und zu feilen.« Ursprünglich sollte also die Schrift dem Giuliano de’ Medici, dem Bruder des im gleichen Jahr (1513) zum Papst gewählten Leo X., gewidmet werden. Es ging damals das Gerücht, der Papst wolle für seine Familie eine Herrschaft schaffen und sein Bruder Giuliano solle Herr von Parma, Modena, Piacenza und Reggio werden. Nun wurde Giuliano 1514 von seinem päpstlichen Bruder als Gonfaloniere der päpstlichen Truppen nach Rom berufen. Doch alle politischen Hoffnungen, die man auf diesen ausgezeichneten Mann setzte, gingen mit seinem Tode dahin. Er starb bereits 1516 im 37. Lebensjahr. Seine Stelle in der Familienpolitik der Medici nahm nun Lorenzo, der Sohn des unglücklichen Piero und Neffe des Papstes, ein. Er war ein 24jähriger junger Mann, als er von seinem päpstlichen Onkel mit dem Herzogtum von Urbino belehnt wurde, das er mit Hilfe der päpstlichen Truppen erobert hatte. Es gelang ihm nicht, in Florenz den einfachen Bürger zu spielen und gleichzeitig Herzog von Urbino zu sein. Wegen seines Dünkels und einer Anmaßung war er den Florentinern verhaßt. Mehrere Verschwörungen gegen ihn wurden blutig niedergeschlagen. Auch Lorenzo lebte nicht lange. Er starb bereits 1519 an einer leichten Verwundung, die sein durch Ausschweifungen geschwächter Körper nicht mehr ertrug. Die einzige legitime Erbin der auf den großen Cosimo zurückgehenden Medicilinie war bei seinem Tode ein zwanzig Tage altes Töchterchen Caterina, das einmal Königin von Frankreich werden sollte. Diesem Lorenzo widmete Machiavelli im Jahre 1516 nun endgültig seinen »Principe«. Bei den guten politischen Informationen, über die er trotz seines erzwungenen Ruhestands verfügte,
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wußte er sicherlich über die Persönlichkeit Lorenzos Bescheid. Wenn er diesem trotzdem seine Schrift zudachte, so sicherlich deshalb, weil eben das Haus Medici in der damaligen Zeit das einzige Geschlecht in Italien war, bei dem er die Möglichkeit der Verwirklichung seiner politischen Pläne für Italien und für sich selber sah. Dazu kommt, daß die Unfähigkeit und mangelnde Eignung des Lorenzo im Jahr 1516 noch nicht so klar zutage treten konnte wie einige Jahre später. Denn zur Zeit der mutmaßlichen Widmung im August 1516 regierte Lorenzo erst einige Monate. Im übrigen hat der »Principe« seinen Adressaten wohl nie erreicht. Die Schrift dürfte Ende 1513 im wesentlichen beendigt gewesen sein. Der Originaltitel war lateinisch »De principatibus«, desgleichen die Überschriften der einzelnen Kapitel. In den »Discorsi« spricht Machiavelli einmal von seinem Traktat »de Principatibus« und an anderer Stelle nennt er es »del Principe 5«. Erst als der Traktat zum erstenmal gedruckt wurde, nämlich 1532, geschah dies unter dem Titel »Il Principe«. Machiavelli erlebte also den Druck seiner politischen Schriften nicht mehr; dieser erfolgte erst fünf Jahre nach seinem Tode. Am 4. Januar 1532 erschienen in der päpstlichen Offizin des Antonio Blado, durch Breve mit allen päpstlichen Privilegien ausgestattet, der »Principe«, die »Discorsi« und die »Geschichte von Florenz«. In den kommenden Jahren wurde der »Principe« mehrmals in Florenz nachgedruckt und feiner auch in Venedig, das damals der Hauptplatz der Welt für den Verlagsbuchhandel war. Die Verbreitung der Schrift vom »Principe«, die bereits in vielen Ausgaben erschienen war, konnte auch durch ihre Indizierung nicht verhindert werden. Unter dem Papst Paul IV. aus dem Hause Caraffa in Neapel (1555 bis 1559), dem Papst der Gegenreformation, dem Förderer des Jesuitenordens und der Inquisition, von dem nach Gregorovius »der schreckliche Alba gestand, daß er nie das Angesicht eines anderen Menschen so gefürchtet habe als das dieses Greises«, setzte die Indexkommission den »Principe« und die »Discorsi« auf den Index (1557). Das päpstliche Dekret wurde 1564 vom Konzil von Trient bestätigt. Man nahm dem Florentiner seine Angriffe auf den Kirchenstaat und die Diener der Kirche nicht weiter übel, wohl aber seine
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Auffassung von der Autonomie der Politik, der im höheren Interesse des Staates auch gestattet sein sollte, die Forderungen der Kirche und der Moral außer acht zu lassen. Auch seine Denkmethode, die auf Erfahrungen und Tatsachen beruhte, erschien mit jener der Kirche, die sich auf die Scholastik stützte, unvereinbar. Trotzdem wurden die Werke Machiavellis und besonders der »Principe« in alle Sprachen übersetzt; so 1533 das erstemal ins Französische, 1566 ins Lateinische und 1580 das erstemal ins Deutsche. Immerhin setzte mit der Indizierung des »Principe« auch die Diffamierung des Namens Machiavelli ein. Jede Abgefeimtheit, jede Untat wurde in den kommenden Jahrhunderten mit seinem Namen und seinen Empfehlungen in Verbindung gebracht. »Machiavelli« ist geradezu zum Schimpfwort geworden. Und heute noch wird das Wort »Machiavellismus« als der Inbegriff einer rücksichtslosen, sich über alle Gesetze der Religion und der Moral hin wegsetzenden und nur nach dem eigenen Interesse ausgerichteten Staatskunst gebraucht. Wie der Traktat vom »Fürsten« selber, so hat auch die Gegnerschaft gegen Mann und Werk seine Geschichte. Im gleichen Jahr, in dem der »Principe« auf den Index gesetzt wurde, verbrannten die Jesuiten in Ingolstadt das Bild Machiavellis, da sie in ihm »einen Teufel oder einen Helfer des Teufels« sahen. Unterstützung fanden die Jesuiten durch die Hugenotten Frankreichs. Sechzig Jahre nach der Dedikation des »Principe« an Lorenzo (1576) erschien in Paris die Schrift eines hugenottischen Advokaten Innocent Gentillet: Discours sur les Moyens de bien gouverner et maintenir en bonne paix un Royaume ou autre Principauté … Contre Nicholas Machiavel, Florentin. [Abhandlung über die Methoden zu einer guten Regierung und zur Befriedung eines Königsreichs oder einer anderen Herrschaft … Gegen Niccolò Machiavelli aus Florenz.] Der Haß der französischen Hugenotten gegen ihre Königin Caterina von Medici wurde auf Machiavelli und die Lehren des »Principe« ausgedehnt. Man machte ihn und seine Schrift sogar verantwortlich für die Bartholomäusnacht. Das Erscheinungsjahr der Schrift des hugenottischen Advokaten kann man geradezu als das Geburtsdatum
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des Begriffs »Machiavellismus« und der internationalen Verfemung Machiavellis bezeichnen. Diese Schrift wurde bald in ganz Europa verbreitet. Das ganze 16., 17. und 18. Jahrhundert, Jahrhunderte, die geistig teils von der Gegenreformation, teils von der Aufklärung geprägt wurden, gefielen sich in einem zur Schau getragenen Moralismus; sie stempelten den »Principe« zum Musterbuch aller Schlechtigkeit und Machiavelli zum Gipfelpunkt aller Gewissenlosigkeit im politischen wie im privaten Leben. Jean Bodin, der berühmteste Staatsrechtslehrer des 16. Jahrhunderts und Verfasser des Buchs »De la République« (1593), entzog sich dem allgemeinen Verdammungsurteil so wenig wie in England Marlowe und Shakespeare. Und der preußische Kronprinz Friedrich schrieb 1739 eine Streitschrift »Anti-Machiavel«, die er seinem Berater Voltaire mit dem Auftrag schickte, sie zu redigieren und drucken zu lassen. Friedrichs Schrift, geschrieben in französischer Sprache, beginnt mit folgenden Worten: »Der ‚Fürst‘ des Machiavelli ist bezüglich der Moral das, was das Buch des Spinoza bezüglich des Glaubens ist. Spinoza untergrub den Grund des Glaubens und suchte das Religionsgebäude umzustürzen; Machiavelli verdarb die Staatskunst und unternahm es, die Lehren der gesunden Moral zu vernichten.« Und trotzdem handelten alle erfolgreichen Herrscher und Staatsmänner zu allen Jahrhunderten nach den Lehren des Florentiners. Friedrich von Preußen hatte Größe genug, später seinen Jugendirrtum über Machiavelli einzusehen. Im Vorwort »Zur Geschichte seiner Zeit« schreibt er: »Es tut mir leid, aber ich bin gezwungen zu gestehen, daß Machiavelli recht hat.« Zu allen Zeiten findet Machiavelli nicht nur Tadel und Verfemung, sondern auch höchstes Lob. Vor allem sind es die Herrscher, und zwar meist die bedeutenden, die im »Principe« geradezu ein Brevier der Staatskunst sehen. Karl V., sein Sohn Philipp II. von Spanien, Caterina von Medici, Heinrich III. und IV. von Frankreich, Cromwell, Ludwig XIV., Napoleon, Cavour gehörten zu den begeisterten Bewunderern des »Principe«. In Deutschland erkannten Denker wie Herder, Hegel, Fichte, Ranke, Jacob Burckhardt, Nietzsche, Dilthey, Treitschke die Größe des Florentiners. Ihnen allen sagten die Kenntnis der Geschichte und ihre menschliche Erfahrung, daß die Interessen
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des Staates und seine Sicherheit seit je in der Politik den Vorrang vor allen ethischen Erwägungen hatten. Daß die Ergebnisse verhängnisvoll waren, war den meisten von ihnen durchaus bewußt. Doch änderte dies nichts an ihrer Diagnose der Politik. Es gibt kaum einen Vorwurf, den man dem Menschen Machiavelli und seinen Ideen nicht gemacht hätte. Und selbst heute noch, wo sein Leben und sein Werk bis in jede Einzelheit hinein erforscht sind und sich im Lauf der Jahrhunderte Tausende von Politikern und Gelehrten mit ihm auseinandergesetzt haben, gewittert es immer noch um seinen Namen. In jüngster Zeit waren es Hitler und Mussolini, die seinen Namen durch ihre Berufung auf ihn erneut in Verruf gebracht haben. Doch nicht nur ihre schließliche Erfolglosigkeit, sondern der völlige Mangel aller jener Eigenschaften, die nach Machiavelli zur Führung eines Staatswesens nötig sind, beweisen, wie wenig diese sein Herrscherideal erfüllt haben. Entschlossenheit, Großmut, Klugheit und Gerechtigkeit, das sind die Eigenschaften, deren Zusammenklang Machiavelli für seine erträumte Herrschergestalt wünscht. Der Florentiner muß aus seiner Zeit heraus verstanden werden. Seine Ratschläge fußen auf der Erfahrung, auf seinen Eindrücken, deren Wirklichkeit nicht zu bestreiten ist. Das Stadtbürgertum hatte mit Geld und Geist seine Vorherrschaft aufzurichten begonnen gegenüber dem Vorrecht der Geburt und der geistlichen Privilegierung der mittelalterlichen Oberschicht. Zusammen mit den neuen sozialen Schichtungsfaktoren »Reichtum und Bildung« haben Züge von Rechenhaftigkeit und Zweckrationalismus, die in gleicher Weise dem ökonomischen wie dem intellektuellen Menschen eigen sind, die Zeit geprägt. Das geistliche und ritterliche Denken des Mittelalters, das jenseits aller rationalen Erwägungen voll ständischer Schranken und voll irrationaler Hemmungen und Gefühle ist, war in den italienischen Städten fast völlig im Schwinden. Geld und Intellekt, diese beiden Motoren des Aufstiegs des Stadtbürgertums, kannten in ihrer Rationalität und in ihrer unpersönlichen Sachlichkeit keinerlei Hemmungen. Rücksichtslosigkeit galt als eine durchaus positive Eigenschaft des Verhaltens. Dies wird besonders deutlich erkennbar am Bedeutungswandel des Wortes virtus, virtù. Schon im 14. Jahrhundert beginnt bei den ersten
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Humanisten der virtus-Begriff seinen moralischen Inhalt zu verlieren und zur Tüchtigkeit, Klugheit und Energie im praktischen Leben zu werden. Diese geistige Atmosphäre zeigte sich auch in den politischen Methoden. Seit 1494 ist der italienische Stadtstaat politisch zusammengebrochen. Lediglich Venedig machte hier eine Ausnahme. In diesen Stadtstaaten herrscht das Gesetz des Dschungels. Allein die Macht und die Stärke eines Staatswesens sind entscheidend dafür, ob man sich durchsetzt oder nicht. Die katholische Einheitsverpflichtung war zerschlagen; es gab keine Norm, die der Staat außer und über sich anzuerkennen brauchte. Da es keine Macht außerhalb des Staats mehr gab, war es für Machiavelli Aufgabe der Majestät des Staates, die Menschen zu korrigieren, zu erziehen und zu regieren. Was gut und was böse ist, erfuhren die Menschen ja nicht mehr durch die Religion und nicht mehr durch die Stimme ihres Gewissens, sondern aus den Strafandrohungen der staatlichen Gesetze. Die Staatsgewalt ist daher für Machiavelli nicht mehr wie im Mittelalter die Vollstreckerin religiöser Offenbarungen, sondern umgekehrt die Religion die Gehilfin der Staatsgewalt. Hier deutet sich bereits der Rechtspositivismus an, der grundsätzlich nur die Rechtsetzung des politischen Machthabers anerkennt. Es gibt also dem Grundsatz nach nur eine Moral, und zwar die, die der Staat jeweils bestimmt. Der Mensch ist für Machiavelli nicht wie für die antiken Schriftsteller das zoon politicon, der homo sapiens, das vernunftbegabte Wesen mit angeborenem Gerechtigkeitssinn, das nach geselliger Vereinigung strebt, sondern ein Wesen, von dem »nur Schlechtes erwartet werden kann, wenn man es nicht zum Guten zwingt«. Und der Staatsführer ist für ihn nicht wie in der Antike eine ausgewogene Persönlichkeit von Weisheit und Mäßigung, von Kraft und Entschlossenheit, sondern ein Wesen von leidenschaftlichem Machtwillen, das die wankelmütige und neidische Fortuna mit virtù, also mit kämpferischer Tüchtigkeit, bändigt. Aufgabe des Herrschers ist es, die Menschen zu regieren. Regieren aber ist für Machiavelli Therapeutik. Daher vergleicht er häufig die politische Praxis mit der Tätigkeit eines Arztes. Um zu heilen, darf der Arzt auch Gift verschreiben. Was aber Gift ist und was Heilmittel, darüber entscheidet nach einem
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Wort des Hippokrates die Dosis. Selbstverständlich ist auch Gewalt erlaubt; in ihr sieht Machiavelli eine chirurgische Notwendigkeit. Sie ist für ihn der notwendige Ausfluß der Macht, ohne die sich kein Staatswesen denken laßt. Sie ist ein konstitutives Element des Staats. Auch Anfänge rechtsstaatlichen Denkens sind bei ihm vorhanden; doch ist in seinem »Principe« alles auf die große Herrscherpersönlichkeit projiziert, von der er immer auch Gerechtigkeit fordert. Sein Traum ist Macht, die von Gerechtigkeit getragen ist. Es sind zwar keine moralischen Erwägungen, warum sich Machiavelli auch für eine gerechte Behandlung der Untertanen einsetzt, sondern rein rationale; denn nach seiner Anschauung ist Macht ohne Gerechtigkeit nicht dauerhaft. Der Staat beruht in seinen Augen nicht wie bei Aristoteles auf Gerechtigkeit, sondern auf Macht. Die politische Macht, die im Notfall die Kraft haben muß, sich über moralische Wertungen hinwegzusetzen, ist für ihn immer ein Prinzip der Ordnung und des Aufbaues. Darum lehnt Machiavelli den Tyrannenstaat ab, der von der Willkür eines einzelnen abhängt. Willkür bedeutet für ihn immer Chaos. Darum haßt und verwünscht er die Tyrannei. Seine politische Sehnsucht gilt dem Volksstaat, der durch eine gute Verfassung und durch gute Gesetze regiert wird und der sich auf ein Volksheer stützt. Er wird nicht müde, diesen Zweiklang in einem guten Staatswesen zu fordern: gute Gesetze und ein gutes Heer. Nach seiner Anschauung gedeiht das Gemeinwohl in Republiken am besten. Auch seinem Herrscher rät er, das Volk zufriedenzustellen und es zu überzeugen, daß seine Herrschaft für dessen Wohl von Vorteil ist. Machiavelli ist wie alle Großen dem Schicksal nicht entgangen, daß man sein Werk für die entgegengesetztesten Anschauungen in Anspruch nimmt. Er wird als Kronzeuge für und gegen die republikanische Staatsform, als Lehrer der Tyrannen und als Wegweiser für Tyrannenmörder, als Vertreter der Lehre von der Staatsraison und als absoluter Antimoralist in Anspruch genommen. Für jede dieser Meinungen lassen sich Belegstellen in seinem Werk finden. Die verschiedenen von ihm geäußerten Ideen über die Herrscherpersönlichkeit, über den republikani-
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schen Staat, über Regierungsmethoden sind immer nur unter dem Gesichtspunkt der Relativität aller staatlichen Ordnung zu verstehen. Er spricht sich auch nie darüber aus, ob eine Staatsform gut oder schlecht ist, sondern immer nur, ob sie unter den gegebenen Verhältnissen zweckmäßig ist oder nicht. Eine Ausnahme macht hiervon nur die Tyrannis, die er als vernunftwidrig ablehnt. Es mag dahingestellt sein, ob Machiavelli in der Politik weiter nichts sieht als einen ethisch indifferenten Interessen- und Machtkampf. Er weist nur auf die Grenzen hin, die durch die Beschränktheit und die nach seiner Meinung grundsätzliche Schlechtigkeit der menschlichen Natur der Verwirklichung ethischer Forderungen in der Politik gesetzt sind. Er verwirft jeden Illusionismus und Utopismus. In seinem ganzen Werk spürt man seinen nüchternen, sich auf Erfahrung gründenden Realismus. Aus diesem Grund fragt er auch nie, ob eine Handlung in der Politik mit den Gesetzen der Moral und der Religion übereinstimmt, sosehr er sonst die moralischen Werte im privaten Bereich anerkennt und Gut und Böse auch für ihn unabdingbare Begriffe sind. Es kann wohl als der Ausdruck einer ethischen Grundhaltung gelten, daß er das Willkürregiment der Tyrannis ablehnt und daß er sich eine Herrschergestalt bei allem Machtstreben immer nur als weise, großmütig und gerecht vorzustellen vermag. Und wenn die Gesetze der Moral in der Politik aus der Notwendigkeit heraus im Interesse der Ordnung nicht beachtet werden, so geschieht dies bei seinem Herrscher immer nur aus Verantwortungsbewußtsein für Staat und Staatsvolk. Was ist aber Verantwortungsbewußtsein der führenden Persönlichkeit anderes als eben der Ausdruck eines moralischen Imperativs, mag dieser auch im Zwang der Notwendigkeit nicht mit den Lehren der Kirche und der Moral übereinstimmen. In der Politik müssen nun einmal sittliche Grundsätze anders bewertet werden; ihre Geltung ist jedenfalls in Notzeiten zum Wohle des Staates noch stets außer Kraft gesetzt worden. Hier entscheidet allein die Zweckmäßigkeit, die zum Erfolg führt. Diese Haltung Machiavellis ist nichts anderes als die Bejahung der Staatsräson. Wenn er dieses Wort auch nicht gebraucht, so stellt für ihn die Idee der
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Staatsräson unumstößlich fest. Er hat den Begriff aus dem Wesen des altrömischen Staats abgeleitet, der außerhalb und über der Gesellschaft stand und daher Staatsräson besaß. Darüber hinaus war für Machiavelli der Staat die einzige Autorität, die sich im Zusammenbruch aller bisher geltenden Werte erhalten hatte. Er wußte aber, daß sich die Staatsautorität, nur behaupten kann, wenn sie sich auf Tradition und Religion stützt. Die Tradition wird bei ihm im Hinblick auf die römische Tradition durch die Gründung des Staatswesens bestimmt. Darum spielt bei ihm der Begriff der Gründung des Staats auch eine zentrale, entscheidende Rolle in seiner Staatslehre. Die Tradition, wie sie von der Kirche repräsentiert und interpretiert wurde, lehnte er mit Spott und Verachtung ab. Dagegen wies er der Religion eine entscheidende Bedeutung zur Stützung der staatlichen Autorität und der Tradition zu. Es hat noch keinen Staatsdenker gegeben, der diese Werte für die Gründung und Behauptung eines Staatswesens geleugnet hätte. Machiavelli hat sie nur mit harter Aufrichtigkeit vertreten. »Seine politische Objektivität ist allerdings bisweilen entsetzlich in ihrer Aufrichtigkeit«, sagt Jacob Burckhardt. Es mag nicht uninteressant sein, darauf hinzuweisen, daß auch Goethe das Recht der Staatsräson anerkannt hat, das er u. a. darin sah, im Notfall auch mit außerrechtlichen Mitteln zu handeln. So sagte er bei der Belagerung von Mainz: »Es liegt nun einmal in meiner Natur: Ich will lieber eine Ungerechtigkeit begehen als Unordnung ertragen.« Dieses Wort enthält auch die Wurzel seines Staatsdenkens (Meinecke, Die Entstehung des Historismus). Eine ähnliche Anschauung vertrat er auch einmal im Gespräch mit Kanzler Müller. Hier verwirft er das Urteil der »gewöhnlichen platten moralischen Politiker« und erklärt: »Kein König hält Wort, kann es nicht halten, muß stets den gebieterischen Umständen nachgeben … für uns arme Philister ist die entgegengesetzte Handlungsweise Pflicht, nicht für die Mächtigen der Erde.« Machiavelli will nur Regeln für die politische Taktik geben, und zwar vor allem für das Herrschen, nicht für die Verwaltung. Verwalten heißt für ihn ordnen, dafür sorgen, daß die Staatsgeschäfte reibungslos erledigt werden. Herrschen dagegen heißt gestalten, neu schaffen, führen.
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Mit Recht weist Waetzoldt 6 darauf hin, daß Machiavelli selber ein vorzüglicher Verwalter, ein ausgezeichneter, erfolgreicher Beamter war, daß ihm aber die Fähigkeiten des Herrschers fehlten. Für einen so klaren und kritischen Geist war es selbstverständlich, daß er die Begrenzung seiner Fähigkeiten erkannte. Daher fühlte er sich zur großen Herrscherpersönlichkeit hingezogen, in der sich seine politischen Träume verwirklichten. Seine Ratschläge waren auch nicht für die Zeiten friedlicher Ordnung bestimmt, sondern für Krisenzeiten, für die gefahrvollen Perioden des Verfalls und der Auflösung 7. Da in solchen Zeiten die Freiheitswünsche der Menschen hinter der Notwendigkeit des Staats zurücktreten müssen, liegen die Akzente seines in einer Notzeit geschriebenen und für eine Notzeit berechneten Traktats auf der Herrscherpersönlichkeit, und nicht auf dem freien Volksstaat, dem an sich seine ganzen Sympathien gehören. Machiavelli steht an der Schwelle eines neuen Zeitalters, dem er als erster das geistige Rüstzeug zu seiner Behauptung gegeben hat. Er ist noch in der Vergangenheit verwurzelt, die ihm die Bilder für seine politischen Konzeptionen lieferte, doch sie sagten ihm nichts mehr. Seitdem die christliche Epoche des Abendlandes in seinem Jahrhundert, das man die Renaissance zu nennen pflegt, zu verebben beginnt, ist der Lebensstil nicht mehr spezifisch christlich, sondern wissenschaftlich, technisch und politisch bestimmt. Der Wille zur Macht ist das herrschende Prinzip geworden. Den Florentiner trifft das historische Schicksal, einer der Wegbereiter unserer Zeit zu sein. Die von ihm geäußerten Gedanken haben auch heute noch nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Man braucht oft nur die Namen im »Principe« zu wechseln, und man hat ein lebendiges Bild der eigenen Zeit. An seinem Namen entzündet sich immer wieder der ewige Gegensatz zwischen den Realisten der Politik einerseits, die die Geschichte als den unverhüllten Ausdruck der Macht deuten und dem Geschichtsprozeß alle ethischen Werte absprechen, und den Idealisten andererseits, die die moralischen Schwächen des Staats übersehen oder bagatellisieren und ihn als Werkzeug der göttlichen Vorsehung betrachten, die nach ihrer Meinung
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die Menschheit allmählich zur Vollkommenheit führt. Für Machiavelli ist der Staat nur die Verkörperung der menschlichen Macht, deren einziges Gesetz die Notwendigkeit ist. Er betrachtet die politischen Erscheinungen mit rückhaltloser Illusionslosigkeit. Ideologien sind für ihn unfruchtbar und wegen ihrer Wirklichkeitsfremdheit gefährlich. Er ist überzeugt, daß der Mensch von Trieben, Leidenschaften und Gefühlen beherrscht wird. Sein Werk vermittelt das technische Wissen, wie diese politisch zu nutzen sind. Und trotzdem war Machiavelli nie ein Machiavellist in des Wortes diffamierender Bedeutung. Gegen die politischen Erscheinungen, die wir heute mit »Machiavellismus« bezeichnen, hat Machiavelli selber die Empfehlungen für die Erhaltung einer freiheitlichen Demokratie gegeben: »Vermeidung allzu großer Unterschiede des Besitzstands, legale und begrenzte Amtsübertragung durch Wahlen, Ermöglichung von Anklagen zur Erhaltung der Freiheit und Ablenkung von gehässigen Leidenschaften, vor allem aber ständige Verlebendigung des Verfassungsgeistes sowie die Errichtung eines wirksamen Systems von Wächtern der Freiheit durch die reale Balance der wichtigsten inneren Machtfaktoren.« Auf den Ideen Machiavellis fußend, gründeten die einflußreichsten Soziologen unseres Jahrhunderts, Sorel, Michels und Pareto, ihre Lehren vom Verhältnis zwischen Führer und Masse, zwischen Regierung und Wählern und vom Kreislauf der Eliten. Im Hinblick hierauf ist es unverständlich, wenn ein Schriftsteller vom Rang Gabriele d’Annunzios den Helden seines Romans »Fuoco« sagen läßt: »Von Machiavellis Politik ist nichts übriggeblieben als die Kraft seiner Prosa.« So großartig Machiavellis Stil in seiner nüchternen Klarheit, seiner Antithetik, seinem Bilderreichtum ist, so hat er uns doch viel mehr gegeben als nur die Schönheit seiner Sprache. Er hat die Dämonie der Macht und das Wesen des souveränen Staates entdeckt. Zum erstenmal hat er auf den Dreiklang hingewiesen, von dem jede Politik bestimmt wird, nämlich auf die necessità, virtù und fortuna (Zwang der Notwendigkeit, Energie u. Glück). Es gibt eben nur eine Art Politik, gleichgültig, ob sie von Diktatoren oder Demokraten betrieben wird; das ist die Politik Machiavellis.
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Lebenslauf Machiavellis und die wichtigsten Ereignisse seiner Zeit 1469 Am 3. Mai wurde Machiavelli in Florenz geboren. Sein Vater war ein angesehener Jurist, der jedoch keinen politischen Einfluß in Florenz hatte. Die Machiavellis sind eine alteingesessene Patrizierfamilie aus Montespertoli. Der Name Machiavelli kommt von Mali clavelli (Schlecht-Nagel). Nägel waren auch das Wappenzeichen der Familie. Die Schreibweise des Namens Macchiavelli (mit zwei c), die bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts üblich war, beruht auf einem orthographischen Irrtum. Lorenzo il Magnifico wird Stadtherr von Florenz. Unter ihm wird Florenz der Mittelpunkt der Renaissance in Italien. Ferdinand V. von Aragonien und Isabella von Kastilien heiraten. Dadurch wird der spanische Nationalstaat begründet. Venedig entwickelt sich zum bedeutendsten Druckort und Buchhandelsplatz der Zeit 1470 Der toscanisch-florentinische Dialekt wird durch den Dichter Pietro Bembo zur Schriftsprache. Die Portugiesen überqueren auf ihren Seefahrten den Äquator. 1471 Sixtus IV. aus dem Hause della Rovere wird Papst. Er fördert Kunst und Wissenschaft, aber auch Nepotismus und Simonie. Albrecht Dürer geboren. Die älteste deutsche Landkarte wird gedruckt. 1472 Dantes »Göttliche Komödie« wird zum ersten Mal gedruckt. 1473 Fugger tritt mit den Habsburgern in Geschäftsverbindung. Kopernikus, der Begründer des heliozentrischen Weltbildes, geboren (gestorben 1543). 1475 Cesare Borgia, Sohn des nachmaligen Papstes Alexander VI. geboren. Bartolommeo Colleoni, bekannter Söldnerführer, gestorben. Michelangelo Buonarotti geboren. 1476 Galeazzo Maria Sforza in Mailand ermordet. 1478 Giuliano de’ Medici, Bruder des Lorenzo, wird anläßlich einer Verschwörung der Familie Pazzi, von Papst Sixtus IV. angestiftet, ermordet. 1481 Ludwig XI. vereinigte Anjou, Maine und Provence mit der französischen Krone.
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1483 Karl VIII. von Frankreich tritt nach dem Tode Ludwigs XI. die Regierung an. 1484 Papst Sixtus IV. gestorben. Sein Nachfolger wird Innozenz VIII. Er regiert bis 1492. Seine Hexenbulle löst zahlreiche Hexenverfolgungen aus. 1486 Maximilian I. wird zum deutschen Kaiser gewählt. 1492 Wahrscheinlich ist Machiavelli in diesem Jahr, protegiert von seinem Lehrer Marcello Virginio Adriani, der Chef der 2. Staatskanzlei in Florenz war, in diese eingetreten. Über den Bildungsgang Machiavellis wissen wir nichts. Lorenzo il Magnifico gestorben. Alexander VI. aus dem Hause Borgia wird Papst. 1493 Cesare Borgia, Sohn des Papstes Alexander VI. wird Kardinal. Columbus entdeckt Amerika (Westindien). Durch Schiedsspruch teilt Papst Alexander VI. die neue Welt zwischen Spanien und Portugal. Das Haus Habsburg erhält die deutsche Kaiserkrone und behält sie bis 1806. Paracelsus, der deutsche Arzt und Philosoph, geboren. 1494 Die Medici werden aus Florenz vertrieben, wo sie seit 1434 geherrscht hatten. Rabelais und Hans Sachs geboren. 1495 Die Syphilis verbreitet sich als neuartige Seuche von Neapel aus, das von den Franzosen belagert wurde, über ganz Europa. Auf dem Wormser Reichstag erfolgt eine Reichsreform und der Erlaß des ewigen Landfriedens. Das Reichskammergericht wird gegründet. 1497 Papst Alexander VI. verleiht Ferdinand von Aragonien und Isabella von Kastilien den Titel »Katholische Majestäten«. 1498 Am 19. Juni wird Machiavelli unter vier Bewerbern zum Sekretär der 2. Staatskanzlei ernannt, die ein kleines Kriegsministerium und auswärtiges Amt zugleich war. Diese Kanzlei war dem Ausschuß der Dieci di pace e di libertà (die Zehn des Friedens und der Freiheit) unterstellt, deren Sekretär Machiavelli gleichfalls wurde. Sein Jahresgehalt betrug 200 Dukaten. Girolamo Savonarola, der florentinische Bußprediger und Gegner des Borgia-Papstes Alexander VI. und der Medici, wird verbrannt. Vasco da Gama entdeckt den Seeweg nach Ostindien. 1499 Machiavelli verfaßt für den Ausschuß der Zehn eine Denkschrift über die Angelegenheiten von Pisa. Er wird als Gesandter zu Jacopo IV. von Appiano nach Piombino und zu Caterina Sforza nach Forli geschickt. Frankreich erobert das Herzogtum Mailand. 1500 Machiavelli wird Sekretär der Kommissare, die die Republik Florenz zur Überwachung der Belagerung von Pisa bestellt hat. Im gleichen Jahr begibt er sich als Gesandter nach Frankreich, um dem französischen König Bericht über die Meuterei zu erstatten.
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die französische Truppen bei der Belagerung Pisas wegen zu geringen Soldes gemacht hatten. Der Vater Machiavellis stirbt. Machiavelli wird nach Pistoja geschickt, das sich gegen Florenz empört hat. Er war dreimal dort, um Ruhe zu stiften. In das gleiche Jahr fällt seine Gesandtschaft zu Pandolfo Petrucci in Siena, um dessen Hilfe gegen Cesare Borgia zu erreichen. Ludwig XII. von Frankreich und Ferdinand von Aragonien erobern vorübergehend das Königreich Neapel. Eine päpstliche Bulle verfügt die Verbrennung von Büchern gegen die kirchliche Autorität sowie Kirchenstrafen gegen ihre Verbreitung. Machiavelli schreibt einen Bericht über Pistoja, das sich wieder empört hat und nun endgültig niedergeworfen wird. Im gleichen Jahr wird er zweimal zu Cesare Borgia nach Urbino und Sinigaglia geschickt. In dieses Jahr fällt seine Verheiratung mit Marietta di Ludovico Corsini. Seine Frau überlebt ihn 26 Jahre; sie stirbt 1553. Die Universität Wittenberg wird gegründet. Eine öffentliche Reiterpost von Wien nach Brüssel wird von Franz Taxis eingerichtet. Machiavelli wird wieder als Gesandter zu Pandolfo Petrucci in Siena geschickt. Er versucht, diesen für ein Bündnis mit Florenz und dem Papst zu gewinnen. Papst Alexander VI. gestorben. Machiavelli begibt sich im Auftrag der Republik als Beobachter zum Konklave nach Rom. Er besucht Cesare Borgia im Gefängnis. Im gleichen Jahr entsteht auch der Bericht, wie die Rebellen im Chianatal, die von Florenz abgefallen waren, zu behandeln sind. Der Nachfolger Alexanders VI. wird Papst Pius III. aus dem Hause Piccolomini. Dieser stirbt nach zwei Monaten. Dessen Nachfolger wird Papst Julius II. aus dem Hause della Rovere, ein Neffe des Papstes Sixtus IV. Machiavelli geht als Gesandter an den französischen Hof nach Lyon, um Hilfe gegen Spanien und Venedig zu erbitten. Er wird ferner wieder zu Jacopo di Appiano nach Piombino geschickt, um zu erreichen, daß dieser Pisa keine Hilfe leistet. Im gleichen Jahr verfaßt er eine Reimchronik über die italienische Geschichte seit 1494 und ein Lustspiel »Die Masken« nach dem Vorbild der »Wolken« des Aristophanes. In dieses Jahr fallen wieder zwei Gesandtschaften zu Giovanni Pagolo Baglioni nach Perugia und zu Pandolfo Petrucci nach Siena. Ferner wird Machiavelli nach Pisa geschickt, dessen Belagerung keine Fortschritte macht. Michelangelo wird von Papst Julius II. nach Rom berufen. Machiavelli gründet im Einvernehmen mit seinem obersten Chef, dem Gonfaloniere Soderini, die florentinische Miliz, ein Volksheer, das auf dem Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht beruht. Er begleitet im Auftrag der Republik Papst Julius II. auf seinem Kriegszug nach Bologna. Der Neubau der Peterskirche durch Bramante in Rom beginnt.
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1507 Machiavelli wird zum Kanzler der neugebildeten Militärbehörde »Nuovo della Milizia« ernannt. Zusammen mit Francesco Vettori wird er zum Kaiser Maximilian, der einen Kriegszug gegen Italien plant, nach Konstanz geschickt, wo gerade der Reichstag stattfindet. Er sollte sich die Besitzungen der Florentiner gegen Lösegeld vom Kaiser garantieren lassen. 1508 Machiavelli wird wieder zu Kaiser Maximilian nach Innsbruck gesandt. Dort schreibt er seinen berühmt gewordenen Bericht über den Kaiser. Nach seiner Rückkehr wird er zum Kommissar der Miliz ernannt, die vor Pisa liegt. Kaiser Maximilian, Frankreich, Spanien und der Papst schließen die »Liga von Cambrai« gegen Venedig. Raffael beginnt die Gemächer des Papstes im Vatikan (die Stanzen) auszumalen. 1509 Machiavelli erhält die Oberleitung über die Belagerung von Pisa. Er läßt die Arnomündung abdämmen, um Pisa vom Meer abzuschneiden. Mit seiner Miliz erobert er schließlich das ausgehungerte Pisa, das sich auf Gnade und Ungnade ergibt. Dies war der Höhepunkt der Laufbahn Machiavellis. Im gleichen Jahre reist er nach Verona, um dem deutschen Kaiser eine Subsidienzahlung zu überbringen. Er trifft ihn aber nicht mehr an, da dieser bereits abgereist war. Er schreibt die zweite Reimchronik der italienischen Geschichte von 1504 bis 1509. Jakob Fugger, der Augsburger Bankier, finanziert dem deutschen Kaiser mit 170 000 Dukaten den Krieg gegen Venedig. 1510 Machiavelli wird als Gesandter zum König von Frankreich nach Lyon abgesandt, um ihn zu beruhigen, da dieser über die Haltung von Florenz in dem Konflikt zwischen Julius II. und den Franzosen empört ist. 1511 Machiavelli geht wieder als Gesandter nach Frankreich, um die von dem französischen König Ludwig XII. beabsichtigte Einberufung eines Konzils nach Pisa zu verhindern. Papst Julius schließt mit Venedig die »Heilige Liga« gegen Frankreich, nachdem er 1508 mit Frankreich und dem Kaiser eine Liga gegen Venedig geschlossen hatte. 1512 Die »Heilige Liga«, zu der sich Papst Julius u. Spanien, Venedig und England zusammengeschlossen haben, beschließt, nach dem endgültigen Sieg über die Franzosen die Medici wieder in Florenz einzusetzen. Der Gonfaloniere Soderini tritt nach der Niederlage der florentinischen Miliz zurück. Mit dem Sturz Soderinis wird auch Machiavelli entlassen. Er darf das Florentiner Stadtgebiet nicht verlassen und das Rathaus nicht betreten. Die Franzosen räumen Italien. 1513 Machiavelli wird fälschlich beschuldigt, an einer gegen die Medici gerichteten Verschwörung beteiligt zu sein. Er wird gefoltert, aber auf Veranlassung des Kardinals Giulio de’ Medici, dem nachmaligen Papst Clemens VII. wieder freigelassen. Er zieht sich nach seinem Bauernhof Sant’ Andrea in Percussina bei San Cas-
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ciano bei Florenz zurück. Er lebt dort in Armut und widmet sich ganz seinen Studien. Dort schreibt er 1513 den »Principe« und beginnt die »Discorsi« über die erste Dekade des Titus Livius. Erhalten ist uns ein reichhaltiger Briefwechsel mit seinen Verwandten und Bekannten, die den Umsturz der Verhältnisse in Florenz glücklicher überstanden haben als er, so vor allem mit Francesco Vettori, dem florentinischen Gesandten am päpstlichen Hof, und dem pästlichen Staatsmann und Geschichtsschreiber Guicciardini. Leo X. ein Sohn des Lorenzo de’ Medici, wird Papst. Er fördert Kunst und Wissenschaften; seine Ablaßbriefe für den Bau der Peterskirche machen besonders in Deutschland böses Blut. 1514 Machiavelli schreibt das Lehrgedicht vom »Undank«. Bramante stirbt. 1515 Ludwig XII. König von Frankreich, stirbt. Sein Nachfolger, Franz I., beginnt die Rückeroberung Italiens. Er erneuert das Bündnis mit Venedig und greift Mailand an. Papst, Kaiser, Spanien, Mailand und die Schweiz schließen eine Liga gegen Frankreich. Die Franzosen siegen über die Schweizer Söldner bei Marignano. Kaiser Maximilian I. muß im Frieden zu Brüssel Mailand an Frankreich und Verona an Venedig abgegeben. Die Manufakturen kommen auf. Staatliche Waffen- und Tapetenfabriken werden allerorts gegründet. 1516 Machiavelli widmet den »Principe« dem Lorenzo de’ Medici. Er schreibt das Lehrgedicht vom »Ehrgeiz«. Karl I. wird König von Spanien, Neapel-Sizilien und der burgundischen Niederlande. Unter dem Namen Karl V. wird er römischdeutscher Kaiser ab 1519. Michelangelo schafft den Moses, Raffael die sixtinische Madonna. 1517 Machiavelli schreibt die Verserzählung »L’Asino d’Oro«. Luther schlägt 95 Thesen an die Schloßkirche zu Wittenberg. Beginn der Reformation in Deutschland. Am Oberrhein stehen die Bauern auf. Hutten wird vom Kaiser Maximilian zum Dichter gekrönt, 1518 Machiavelli ist wieder in Florenz. Er besucht den politischen Club der Orti Oricellarii, so genannt nach den Gärten des Cosimo Rucellai, zu deren Gästen auch Zanobi Buondelmonti gehört. Diesen beiden widmet er die »Discorsi« über Livius. Dort trägt er seine Werke vor. 1519 Machiavelli wird von den Medici beauftragt, Vorschläge für eine Verfassung für Florenz auszuarbeiten. Er spricht sich für eine konstitutionelle Monarchie aus. Gleichzeitig schreibt er das Lustspiel »La Mandragola« (Die Alraunwurzel). Kaiser Maximilian, geboren 1459, stirbt. Er war der »letzte Ritter«, der Förderer des Landsknechtswesens und des Humanismus. Sein Enkel Karl wird als Karl V. deutscher Kaiser. Die Fugger finanzieren seine Wahl gegen Franz I. von Frankreich. Leonardo da Vinci stirbt. Die ersten Anfänge des Barock machen sich geltend.
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Luther wird vom Papst gebannt. Zwingli beginnt die Reformation in der Schweiz. Machiavelli schreibt die »Arte della Guerra«. Er wird nach Lucca gesandt, um einen Streit in Handelssachen zu schlichten. Dort schreibt er den Essay über das Leben des Castruccio Castracani, des bedeutenden Feldhauptmanns und Beherrschers von Lucca (1322 bis 1328). Diese Biographie ist das biographische Gegenstück zum »Principe«. Gleichzeitig verfaßt Machiavelli einen Bericht über die Verfassung von Lucca. In diesem Jahr erhält er auch auf Anregung des Kardinals Giulio de’ Medici den Auftrag, die Geschichte von Florenz zu schreiben. Das dafür ausgesetzte Honorar betrug 100 Dukaten jährlich. Raffael stirbt. Suleiman II. der Große wird Sultan der Türkei. Er regiert bis 1560. Luther verbrennt die päpstliche Bannbulle. Machiavelli lehnt die ihm angebotene Stelle eines Sekretärs beim Fürsten Colonna in Rom ab. Er erhält einige kleinere Aufträge, so z. B. einen Prediger für die Wollweberzunft zu besorgen. In Florenz findet eine Verschwörung gegen die Medici statt, in die seine Freunde aus den Orti Oricellarii verwickelt sind. Einer wird hingerichtet, die anderen fliehen. Machiavelli hat sich nicht beteiligt. – Hadrian VI., der letzte deutsche Papst, wird gewählt. Er regiert bis 1523. Das Neue Testament in der Luther-Übertragung wird gedruckt. Clemens VII. aus dem Hause Medici, als Kardinal Giulio bekannt, wird Papst. Er regiert bis 1534. Machiavelli schreibt das Lustspiel »Clizia« nach dem Vorbild einer Komödie des Plautus. Es wird 1525 in Rom aufgeführt. Machiavelli reist nach Rom, um dem Papst seine Geschichte von Florenz zu überreichen. Er bespricht sich mit ihm wegen der Bildung eines Volksheeres. Der Papst schickt ihn zu Guicciardini, um mit diesem wegen der Aufstellung eines Volksheeres Rücksprache zu nehmen. Machiavelli ist in Florenz wieder für alle Staatsämter wählbar. Er wird nach Venedig geschickt, um dort wegen der Beraubung einiger Florentiner Kaufleute zu verhandeln. Karl V. bricht durch den Sieg bei Pavia die französische Vorherrschaft in Italien zugunsten Spaniens und nimmt den französischen König Franz I. gefangen. Jakob Fugger, der Augsburger Handelsherr und Bankier, der durch seine Kredite stark in die Politik der damaligen Zeit eingegriffen hat, stirbt. Die Kaiserlichen unter Karl V. bedrohen Florenz. Machiavelli wird Kanzler der städtischen Verteidigungsbehörde. Er geht zu Guicciardini ins Lager der Liga in der Lombardei. Ende des ersten Krieges zwischen Karl V. und Franz I. um Italien. Franz I. verzichtet auf Mailand, Burgund und Neapel.
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Der zweite Krieg Karls V. gegen Franz I. beginnt. Der Reichstag zu Speyer überläßt den Landesfürsten die Stellung zur Religion. Machiavelli folgt zunächst dem Heer der Liga; dann geht er nach Cività Vecchia, um den päpstlichen Admiral zum Eingreifen gegen die Truppen des deutschen Kaisers zu bewegen. Die Kaiserlichen rücken von Mailand nach Rom und plündern es (Sacco di Roma); Die Medici in Florenz werden im Verfolg der Niederlage der französischen und päpstlichen Truppen gestürzt. Machiavelli wird als Anhänger der Medici von allen Ämtern ausgeschlossen. Er stirbt am 22. Juni im 58. Lebensjahr. Er hinterläßt seine Familie (Frau, vier Söhne und eine Tochter) in größter Armut. Er wird in der Kirche Santa Croce begraben. Das heute noch zu sehende Grabmal wurde 1787 von einem britischen Bewunderer, Lord Cowper, errichtet. Von diesem stammt auch die Inschrift: »Tanto nomine nullum par elogium« (die Größe dieses Namens mißt kein Lob). Im Damenfrieden zu Cambrai, der den zweiten Krieg zwischen Karl V. und Franz I. beendigt, verzichtet Franz I. auf Italien. Die Türken belagern zum erstenmal Wien. Michelangelo wird mit der Aufsicht über den Festungsbau von Florenz beauftragt. Florenz wird vom kaiserlich-päpstlichen Heer belagert. Der Papst Clemens VII. krönt Karl V. in Bologna. Es war die letzte Krönung eines deutschen Kaisers durch den Papst. Die Stadt Florenz übergibt sich. Sie führt die erste Geldlotterie ein. Reichstag zu Augsburg und Confessio Augustana. Papst Clemens VII. genehmigt durch Breve vom 23. 8. dem Drucker Antonio Blado den Druck des »Principe«, der »Discorsi« und der »Geschichte von Florenz«. Zwingli fällt in der Schlacht von Kappeln im Kampf gegen die katholischen Urkantone und Österreich. Der Friede verhindert die Ausbreitung der Reformation über die ganze Schweiz. Am 4. Januar erscheint die 1. Ausgabe des »Principe«, von Blado in Rom gedruckt. Von 1532 bis 1540 wurde das Werk von Drukkern in Florenz und Venedig oftmals abgedruckt. 1557 wurde es von Papst Paul IV. auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Thomas Morus, der englische Staatsmann und Humanist, wird wegen Verweigerung des Eides auf Heinrich VIII. König von England, der sich zum Oberhaupt der Kirche aufgeworfen hatte, enthauptet. Der »Principe« wird zusammen mit den »Büchern von der Kriegskunst« das erstemal ins Deutsche übersetzt.
Vorbemerkung zur Übersetzung Friedrich Nietzsche sagt in der Schrift »Jenseits von Gut und Böse«. »Was sich am schlechtesten aus einer Sprache in die andere übersetzen läßt, ist das Tempo ihres Stils: als welcher im Charakter der Rasse seinen Grund hat, physiologischer gesprochen, im Durchschnitts-Tempo ihres ‚Stoffwechsels‘. Es gibt ehrlich gemeinte Übersetzungen, die beinahe Fälschungen sind, als unfreiwillige Vergemeinerungen des Originals, bloß weil sein tapferes und lustiges Tempo nicht mit übersetzt werden konnte, welches über alles Gefährliche in Dingen und Worten wegspringt, weghilft … … wie vermöchte die deutsche Sprache, und sei es selbst in der Prosa eines Lessing, das Tempo Macchiavells nachzuahmen, der, in seinem Prinzipe, die trockne feine Luft von Florenz atmen läßt und nicht umhin kann, die ernsteste Angelegenheit in einem unbändigen Allegressimo vorzutragen: vielleicht nicht ohne ein boshaftes Artisten-Gefühl davon, welchen Gegensatz er wagt, – Gedanken, lange, schwer, hart, gefährlich, und ein Tempo des Galopps und der allerbesten mutwilligsten Laune« (KTA Bd. 76, 28). Nietzsche hat recht: das Tempo des Stils Machiavells, der große Atem seiner Satzperioden, die Leichtigkeit, der Bilderreichtum, die Antithetik seiner Sprache sind in einer Übersetzung nicht wiederzugeben. Machiavelli hat den Principe teils in der gehobenen Amtssprache seiner Zeit, teils im Florentiner Dialekt geschrieben. Diese Unterschiede in einer Übersetzung zum Ausdruck zu bringen, ist kaum möglich. Einige Schwierigkeiten ergeben sich auch aus dem Bedeutungswandel mancher Begriffe und Redewendungen. Dabei ist zu bedenken, daß Machiavelli die Sprache der Staatswissenschaft zu einem gut Teil erst schaffen mußte. Selbstverständlich versuchte der Übersetzer, sich dem Original nach Möglichkeit anzupassen, um wenigstens einen schwachen Begriff von Sprache und Vorstellungswelt Machiavellis zu
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vorbemerkung zur übersetzung
geben. Doch wo dies nur auf Kosten des Verständnisses möglich gewesen wäre, mußte zu einer freieren Übertragung gegriffen werden; insbesondere mußten um des besseren Verständnisses willen längere Satzperioden aufgelöst werden. Auch die heute unverständliche Interpunktion in den alten Texten mußte modernisiert werden. Eine große Erleichterung boten für die Übersetzung vor allem die sprachlichen Erläuterungen nicht mehr gebräuchlicher Redewendungen im Kommentar Luigi Russos. Ihm ist der Übersetzer besonders verpflichtet. Bei den vielen Möglichkeiten der Übertragung entschloß sich der Übersetzer immer zur möglichsten Schlichtheit, eingedenk der Empfehlung Goethes in »Dichtung und Wahrheit«, daß die schlichte Übertragung noch immer die beste ist.
Der Fürst
Niccolò Machiavelli dem erlauchten lorenzo de’ medici 8 Wer sich bei einem regierenden Herrn in Gunst zu setzen trachtet, pflegt diesem meist mit den kostbarsten Dingen aus seinem Besitz näherzukommen oder doch mit Dingen, die diesem nach seiner Meinung Freude bereiten; daher werden ihm häufig Pferde, Waffen, Brokatstoffe, Edelsteine und ähnliche Schmuckstücke, der Bedeutung des Regierenden würdig, zum Geschenk dargebracht. Da ich nun Eurer Hoheit mit irgendeinem Zeichen meiner Ergebenheit näher treten möchte, habe ich unter meinem Besitz nichts gefunden, was mir lieber wäre, und was ich höher schätzte als die Kenntnis der Taten großer Männer, die ich mir durch lange Erfahrung mit den Verhältnissen unserer Zeit und durch ständige Lektüre der Verhältnisse vergangener Zeiten verschafft habe: diese habe ich nun lange und sorgfältig durchdacht und überprüft und nun in einem kleinen Band zusammengefaßt, den ich Eurer Hoheit übergebe. Obwohl ich mir bewußt bin, daß dieses Werk keine Eurer Hoheit würdige Gabe ist, vertraue ich doch darauf, daß Eure Güte es in Gnaden aufnehmen wird mit Rücksicht darauf, daß ich nicht imstande wäre, ein größeres Geschenk zu machen, als Euch die Möglichkeit zu verschaffen, in kürzester Zeit alles das aufzunehmen, was ich in so vielen Jahren und unter soviel Entbehrungen und Gefahren 9 kennengelernt und vernommen habe. Das Werk bietet sich schmucklos dar; es finden sich weder weitschweifige Phrasen noch schwülstige, prunk-
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widmung
volle Worte, noch irgendeine andere Künstelei oder äußerlicher Zierat, mit denen viele Schriftsteller ihre Schriften aufzuputzen pflegen; denn ich wollte, daß allein sein Inhalt es ehrt und daß nur die Vielseitigkeit des Stoffs und das Gewicht des Gegenstands es empfehlen. Ich möchte auch nicht, daß es als Anmaßung empfunden wird, wenn ein Mann aus niedrigen und drückendsten Verhältnissen 10 die Kühnheit hat, die Handlungen der Staatenlenker zu erörtern und ihnen Regeln vorzuschreiben; denn wie die Landschaftszeichner ihren Standpunkt in der Ebene suchen, um die Beschaffenheit der Berge und hochgelegenen Orte zu überschauen, und auf Berggipfel steigen, um die Beschaffenheit der Täler zu betrachten, so muß man Herrscher sein, um das Wesen der Völker zu durchschauen, und man muß ein Mann des Volks sein, um das Wesen der Herrscher zu erkennen. So geruhen denn Eure Hoheit, dieses kleine Geschenk mit der Gesinnung entgegenzunehmen, mit der ich es darbiete. Wenn Eure Hoheit es sorgfältig durchdenken und lesen wollten, so werdet Ihr darin meinen innigsten Wunsch erkennen, daß Ihr zu jener Größe emporsteigen möget, die Euch das Schicksal und Eure Talente in Aussicht stellen! Und wenn Eure Hoheit manchmal von Eurer erhabenen Höhe in die Niederungen herabschauen, so werdet Ihr erkennen, wie unverdient ich eine große, andauernde Tücke des Schicksals zu erdulden habe 11.
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I. Kapitel
Von Herrschaftsformen und den Mitteln zur Erwerbung einer Herrschaft Alle Staaten, alle Gewalten, die Macht über Menschen gehabt haben und noch haben, sind entweder Freistaaten oder Alleinherrschaften. Die Alleinherrschaften sind entweder erblich, wenn das Geschlecht ihres Herrschers schon lange regiert hat, oder sie sind neu erworben. Die neugegründeten sind entweder völlig neu, wie es Mailand für Francesco Sforza 12 war, oder sie wurden als Gliedstaaten mit dem ererbten Staat des Herrschers, der sie erobert hat, vereinigt, wie das Königreich Neapel mit den Staaten des Königs von Spanien 13. Die so erworbenen Gebiete sind entweder gewohnt, unter einem Alleinherrscher zu leben, oder sie sind gewohnt, frei zu sein: Man erobert sie entweder mit fremden oder mit eigenen Waffen, durch Glück oder durch persönliche Tüchtigkeit. II. Kapitel
Von ererbten Herrschaften Ich befasse mich nicht weiter mit der Erörterung der Freistaaten, da ich mich darüber an anderer Stelle 14 ausführlich verbreitet habe. Ich wende mich ausschließlich den Alleinherrschaften zu und werde in der oben angegebenen Anordnung ausführen, wie diese regiert und behauptet werden können. Ich stelle zunächst fest, daß in Staaten mit geregelter Erbfolge, die mit dem Haus ihres Herrschers vertraut sind, die Schwierigkeiten, sich zu behaupten, viel geringer
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iii. kapitel
sind als in neuerworbenen Herrschaften. Es genügt bereits, die Regierungsmethoden der Vorfahren fortzuführen und sich den Zeitverhältnissen anzupassen; auf diese Weise wird sich ein Herrscher mit nur durchschnittlichen Fähigkeiten immer in seinem Staat halten, es sei denn, daß ihm dieser durch eine außergewöhnliche und überlegene Macht entrissen wird; er wird aber seine verlorene Herrschaft beim geringsten Mißgeschick des Eroberers wieder zurückgewinnen. Wir haben hiefür in Italien ein Beispiel am Herzog von Ferrara 15, der sich gegen die Angriffe der Venezianer im Jahr 1484 und jene des Papsts Julius im Jahr 1510 nur deshalb behauptete, weil seine Familie von alters her in diesem Gebiet regierte. Für den angestammten Herrscher besteht weniger Ursache und weniger Zwang zur Härte. Daher kommt es, daß er beliebter ist als ein Usurpator, und wenn er sich nicht durch ungewöhnliche Laster verhaßt macht, so ist es verständlich, daß seine Untertanen eine natürliche Zuneigung zu ihm haben. Durch das Alter und die Tradition einer Herrschaft werden die Gedanken an Neuerungen und die Ursachen dazu ausgelöscht; denn immer gibt eine Veränderung im Staat Anlaß zu weiteren Veränderungen. III. Kapitel
Vermischte Alleinherrschaften In einer neuerworbenen Alleinherrschaft hingegen bestehen Schwierigkeiten. Zuerst sei eine solche erwähnt, die nicht völlig neu ist, sondern einem ererbten Staat angegliedert wird (in diesem Fall kann man das Ganze gewissermaßen eine vermischte Herrschaft nennen). Hier entstehen Umwälzungen aus der natürlichen Schwierigkeit, die es in allen neuen Herrschaften gibt: daß nämlich die Menschen gerne ihren Herrn wechseln in dem
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Glauben, ihre Lage dadurch zu verbessern. Doch sie täuschen sich; denn die Erfahrung zeigt, daß sie nachher ihre Lage nur verschlechtert haben. Dies ist ganz natürlich und unvermeidlich, da ein Herrscher seine neuen Untertanen immer verletzen muß, und zwar mit militärischen Besetzungen und tausend anderen Gewalttätigkeiten, die eine neue Eroberung mit sich bringt. So machst du dir alle die zu Feinden, die du bei der Eroberung deiner Herrschaft geschädigt hast, und du kannst dir auch die Freundschaft derjenigen nicht erhalten, die dich herbeigerufen haben, weil du ihre Erwartungen nie voll befriedigen kannst und weil du gegen sie nie grausame Mittel anwenden darfst, da du ihnen verpflichtet bist. Mag man sich auch auf eine starke Armee stützen können, so braucht man doch stets die Zuneigung der Einwohner, wenn man in ein Land einmarschieren will. Aus diesem Grunde nahm Ludwig XII. König von Frankreich 16, rasch Mailand ein, aber er verlor es ebenso rasch wieder. Das erste Mal reichten die eigenen Streitkräfte Ludovico Sforzas aus, um ihm die Stadt wieder zu entreißen; denn die gleichen Leute, die ihm die Tore geöffnet hatten, sahen sich in ihren Erwartungen und Zukunftshoffnungen getäuscht und konnten die Belästigungen durch den neuen Herrn nicht verwinden. Es ist zweifellos richtig, daß Länder, die nach einem Abfall zum zweiten Mal erobert werden, nicht so leicht wieder verlorengehen, und zwar deshalb, weil der Abfall dem Herrscher Anlaß gibt, seine Macht ohne jede Rücksicht durch Bestrafung der Schuldigen, durch Beobachtung der Verdächtigen und durch Schutz seiner schwachen Stellen zu sichern. Um Mailand wieder den Franzosen zu entreißen, brauchte Herzog Ludovico das erste Mal nichts weiter zu tun, als an den Mailänder Grenzen Unruhe zu stiften; das zweite Mal aber ging es Frankreich erst verloren, als es die ganze Welt gegen sich hatte und
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iii. kapitel
seine Armeen vernichtet oder aus Italien vertrieben waren 17. Dies ergibt sich aus den obengenannten Gründen. Immerhin wurde Mailand das erste und zweite Mal den Franzosen wieder entrissen. Die allgemeinen Gründe, warum dies das erste Mal geschah, habe ich bereits besprochen; es bleibt jetzt nur noch übrig, die Gründe anzuführen, warum dies das zweite Mal geschah, und zu untersuchen, welche Hilfsmittel dem König von Frankreich zur Verfügung standen und welche Mittel ein anderer Herrscher in derselben Lage zweckmäßigerweise anwenden würde, um sich besser im Besitz seiner Eroberung zu behaupten, als es dem König von Frankreich gelang. Es kommt zunächst darauf an, ob die Staaten, die man durch Eroberung seinem Stammgebiet angliedert, demselben Land und demselben Sprachgebiet angehören oder nicht. Im ersteren Fall ist es sehr leicht, die Herrschaft zu halten, besonders wenn die Einwohner nicht daran gewöhnt sind, als freie Bürger zu leben; zur Sicherung des Besitzes ist es ausreichend, das Geschlecht des ehemaligen Herrschers unschädlich zu machen. Die Bevölkerung wird sich ruhig verhalten, wenn man ihr in allen anderen Dingen die alte Ordnung läßt und ihre Lebensgewohnheiten nicht ändert. Dies ist an dem Beispiel Burgunds, der Bretagne, der Gascogne und der Normandie zu sehen, die schon sehr lange mit Frankreich vereinigt sind 18; trotz der Verschiedenartigkeit der Sprache sind doch die Lebensgewohnheiten ähnlich und fügen sich ohne Schwierigkeiten ineinander. Wer solche Staaten erobert, muß zwei Dinge beachten, wenn er sie halten will: 1. muß er das Geschlecht des vorigen Herrschers unschädlich machen, 2. darf er deren Gesetze und Abgaben nicht verändern; so entsteht binnen kürzester Zeit zusammen mit dem alten Staat ein einheitliches Ganzes.
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Doch wenn man Staaten in einem Gebiet erobert, in dem eine andere Sprache gesprochen wird, und andere Sitten und Gesetze herrschen, gibt es Schwierigkeiten. Man muß schon großes Glück haben und viel Geschicklichkeit aufwenden, um sie zu behaupten. Eines der besten und wirksamsten Mittel wäre es, wenn der Eroberer seine Residenz dorthin verlegen würde. Dies würde seine Herrschaft sicherer und dauerhafter machen. So hat es der Türke mit Griechenland gemacht 19; dieses hätte trotz aller Maßnahmen zu seiner Behauptung nicht gehalten werden können, wenn nicht sein Herrscher die Residenz dorthin verlegt hätte. Hast du nämlich dort deine Residenz und entdeckst entstehende Unruhen, so kannst du sie schnell unterdrücken; wohnst du aber nicht dort, so erfährst du von ihnen erst, wenn sie sich schon weit ausgebreitet haben und es kein Mittel mehr dagegen gibt. Außerdem kann das Land auch nicht von deinen Beamten ausgeplündert werden. Die Untertanen sind froh, den neuen Herrscher in ihrer Nähe zu haben; daher werden sie häufiger Anlaß haben, ihn zu lieben, wenn sie guter Gesinnung sind, und ihn zu fürchten, wenn dies nicht der Fall ist. Wenn ein fremder Machthaber etwa Lust hätte, ein solches Land anzugreifen, so wird er größere Hemmungen haben; denn solange der Herrscher dort residiert, kann es ihm nur sehr schwer wieder entrissen werden. Das zweitbeste Mittel besteht darin, an einem oder zwei Plätzen Kolonien anzulegen, die gleichsam wie Fesseln in diesem Land wirken. Man muß entweder dies tun oder dort eine starke Besatzung halten. Kolonien verursachen wenig Kosten; man gründet und erhält sie völlig ohne oder nur mit geringem Aufwand, und man fügt nur denen Schaden zu, denen man Felder und Häuser wegnimmt, um sie den neuen Siedlern zu geben; aber diese machen nur einen ganz kleinen Teil des eroberten Landes aus.
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iii. kapitel
Da diejenigen, denen dadurch Unrecht zugefügt wurde, im ganzen Lande zerstreut wohnen und in Armut leben, können sie dem neuen Herrscher niemals schaden. Alle anderen Einwohner bleiben unbehelligt (sie werden sich infolgedessen beruhigen); auch hüten sie sich vor Verstößen aus Angst, das gleiche Schicksal zu erleiden wie die, die ausgeplündert wurden. Ich ziehe daraus die Schlußfolgerung, daß derartige Kolonien keine Kosten verursachen, zuverlässiger sind und die Bevölkerung weniger schädigen; auch können die Betroffenen keinen Schaden zufügen, da sie arm sind und im ganzen Land zerstreut wohnen, worauf ich bereits hingewiesen habe. Man muß sich daher merken, daß man die Menschen entweder mit Freundlichkeit behandeln oder unschädlich machen muß; denn wegen geringfügiger Kränkungen nehmen sie Rache, wegen schwerer Schädigungen können sie es nicht. Wenn man also jemand schlecht behandelt, dann muß dies in einer Weise geschehen, daß man nicht seine Rache zu fürchten braucht. Wenn man an Stelle neuer Siedlungen eine Besatzung hält, so kostet dies viel mehr; man braucht alle Einkünfte des eroberten Staats zu seiner Überwachung. So bringt dessen Eroberung nur Verluste; man fügt auch viel mehr Ärger zu, weil man durch die ständigen Umquartierungen der Besatzungsarmee das ganze Land in Mitleidenschaft zieht; dies empfindet jeder als Last und wird so zum Feind des neuen Herrn: und zwar sind dies lauter Feinde, die ihm schaden können, da sie zwar getroffen sind, aber dennoch in ihren alten Verhältnissen bleiben. In jeder Hinsicht ist daher diese Art der Bewachung ebenso schädlich, wie die durch Kolonien zweckmäßig ist. Der Beherrscher eines Landes mit anderen Gesetzen und Lebensgewohnheiten – darauf wurde schon hingewiesen – muß sich zum Oberhaupt und Verteidiger der schwächeren Nachbarn machen. Er muß auch darauf be-
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dacht sein, die Mächtigsten unter diesen zu schwächen, und muß sich ferner vorsehen, daß nicht aus irgendeinem Anlaß ein fremder Machthaber dort einfällt, der ebenso stark ist wie er selber. Ein solcher wird immer von denen, die aus allzu großem Ehrgeiz oder aus Angst mißvergnügt sind, ins Land gerufen: So riefen die Ätoler 20 die Römer nach Griechenland; wo immer diese einfielen, wurden sie von den Einheimischen herbeigerufen. Es ist der gewöhnliche Lauf der Dinge, daß alle minder Mächtigen eines Landes sich aus Mißgunst gegen ihren ehemaligen Überwinder unverzüglich dem fremden Eroberer anschließen. Diese minder Mächtigen zu gewinnen, verursacht dem Eroberer keine besondere Mühe; denn sogleich machen sie alle miteinander gerne mit dem siegreichen Staat gemeinsame Sache; er hat nur darauf zu achten, daß sie nicht zuviel Macht und Einfluß bekommen; er kann dann ohne Schwierigkeit mit seinen eigenen Streitkräften und mit ihrer Zuneigung die Mächtigen niederhalten und Herr der eroberten Provinz bleiben. Wer diese Rolle nicht geschickt spielt, wird rasch verlieren, was er erworben hat, und wird, solange er das eroberte Land in Händen hat, dort zahllose Schwierigkeiten und Sorgen haben. Die Römer beachteten in allen Ländern, die sie eroberten, diese Maxime ganz genau. Sie siedelten Kolonien an, verpflichteten sich die minder Mächtigen, ohne deren Macht zu mehren, sie hielten die Mächtigen nieder und gestatteten auswärtigen Machthabern keinen Einfluß auf die Einwohner. Es soll mir die Provinz Griechenland als einziges Beispiel hierfür genügen. Unterstützt wurden von ihnen die Achäer und Ätoler: das Königreich der Mazedonier wurde gedemütigt 21, Antiochus wurde daraus vertrieben 22; auch hinderten die guten Dienste der Achäer und Ätoler 23 die Römer nie daran, diesen die Erweiterung ihres Machtbereichs zu versagen; auch die
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Überredungskünste Philipps 24 verleiteten sie nie, mit diesem Freundschaft zu schließen, ohne ihn gleichzeitig in Schach zu halten; auch Antiochus vermochte trotz seiner Macht ihre Zustimmung nicht zu erreichen, die von ihm eroberte Provinz zu behalten. Die Römer taten in diesen Fällen das, was alle klugen Staatsführer tun sollten: sie haben nicht nur auf die augenblicklichen Gefahren achtzugeben, sondern müssen auch den zukünftigen vorbeugen und diesen mit aller Energie begegnen; denn man kann leicht heilen, was man lange vorhersieht; wartest du aber, bis dich das Übel bedrängt, dann gibt es kein Mittel mehr dagegen, weil die Krankheit unheilbar geworden ist. Damit verhält es sich geradeso wie mit der Schwindsucht, von der die Ärzte sagen, daß sie im Anfangsstadium leicht zu heilen und schwer zu erkennen ist; doch im fortgeschrittenen Stadium ist sie, wenn man sie anfangs nicht erkannt und behandelt hat, leicht zu erkennen und schwer zu heilen. So geht es auch mit der Politik; hat man die Übel, die im Staat aufkeimen, schon lange vorher erkannt, wozu natürlich nur ein kluger Kopf fähig ist, so werden sie rasch bereinigt; doch wenn man sie nicht erkennt und sie so weit um sich greifen läßt, bis sie jeder merkt, dann hilft kein Mittel mehr dagegen. Wenn daher die Römer Gefahren voraussahen, griffen sie immer zu und ließen sie niemals fortschlittern, nur um einen Krieg zu vermeiden; denn sie wußten, daß der Krieg nie aufgehoben, sondern immer nur aufgeschoben wird zum Vorteil des Gegners; daher trachteten sie danach, mit Philipp 25 und Antiochus 26 in Griechenland zum Krieg zu kommen, um mit diesen nicht in Italien kämpfen zu müssen. Sie konnten damals beiden Kriegen ausweichen; sie unterließen es jedoch. Das Wort, das die Siebengescheiten unserer Zeit täglich im Munde führen: Kommt Zeit, kommt Rat [wörtlich die Wohltat der Zeit genie-
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ßen], fand nicht ihren Beifall; sie erwarteten Erfolg nur von ihrer Tüchtigkeit und ihrer politischen Klugheit; denn die Zeit jagt alles vor sich her, sie kann Gutes wie Schlechtes und Schlechtes wie Gutes bringen. Doch wenden wir uns Frankreich zu und untersuchen, ob es auch nur einen der genannten Grundsätze befolgt hat. Ich mochte dabei von Ludwig 27 und nicht von Karl 28 sprechen, da sich dieser länger in Italien gehalten hat und daher seine Taten besser in Augenschein genommen werden können. Ihr werdet sehen, daß er gerade das Gegenteil von dem getan hat, was man tun müßte, um seine Macht in einem ganz andersgearteten Land zu halten. König Ludwig wurde nach Italien gerufen durch das Machtstreben der Venezianer, die die halbe Lombardei durch seinen Einmarsch zu gewinnen hofften. Ich möchte den Entschluß des Königs nicht tadeln. Da er nun einmal in Italien Fuß fassen wollte und in diesem Land keinen Freund hatte, sondern im Gegenteil wegen des Verhaltens des Königs Karl 29 alle Tore verschlossen fand, war er gezwungen, jedes sich ihm bietende Bündnis zu schließen. Dieses gut durchdachte Unternehmen hätte Erfolg gehabt, wenn er bei seinen anderen Maßnahmen keinen Fehler begangen hätte. Nach der Eroberung der Lombardei gewann der König sofort wieder den guten Ruf zurück, um den Karl Frankreich gebracht hatte: Genua ergab sich 30; die Florentiner wurden seine Freunde 31; der Marchese von Mantua 32 , der Herzog von Ferrara 33, Bentivoglio 34, die Herrin von Forli 35, die Herren von Faenza 36, von Pesaro 37, von Rimini 38, Camerino 39, Piombino 40, die Republiken Lucca, Pisa, Siena 41, sie alle suchten ihn auf, um seine Freundschaft zu erwerben. Jetzt konnten sich die Venezianer über die Unbedachtheit ihres Vorgehens klarwerden: um zwei Orte in der Lombardei zu gewinnen, machten sie den König zum Herrn über den dritten Teil Italiens.
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iii. kapitel
Man beachte nun, wie leicht der König seinen Einfluß in Italien hätte behalten können, wenn er die oben angeführten Grundsätze befolgt und seine Bundesgenossen gesichert und geschützt hätte; sie waren, obwohl zahlreich, doch ohnmächtig und in ständiger Furcht teils vor der Kirche, teils vor den Venezianern und mußten daher unentwegt auf seiner Seite bleiben; durch sie hätte er sich mit Leichtigkeit gegen die mächtig gebliebenen Nachbarn sichern können. Aber kaum war er in Mailand, da tat er gerade das Gegenteil, indem er den Papst Alexander 42 bei der Eroberung der Romagna unterstützte. Bei diesem Entschluß entging es ihm, daß er sich selber schwächte, indem er dadurch seine Bundgenossen und alle die verlor, die sich ihm angeschlossen hatten, und daß er außerdem die Kirche stärkte, indem er auf ihre geistliche Macht, die ihr schon so viel Autorität gibt, noch eine so bedeutende weltliche häufte. Nachdem er nun den ersten Fehler gemacht hatte, war er gezwungen, in dieser Richtung fortzufahren. Um dem Ehrgeiz Alexanders Schranken 42 zu setzen und ihn an der Eroberung Toscanas zu hindern, sah er sich genötigt, selber nach Italien zu kommen. Nicht genug damit, daß er die Macht der Kirche vergrößert und seine Bundgenossen verloren hatte, teilte er das Königreich Neapel, statt es in seinen alleinigen Besitz zu nehmen, mit dem König von Spanien. Während er bisher der alleinige Herr Italiens war, setzte er sich dadurch einen Mitregenten an die Seite und gab damit den Ehrgeizigen und Mißvergnügten des Landes einen Rückhalt. Obwohl er in Neapel einen ihm tributpflichtigen König 43 hätte lassen können, entfernte er diesen und setzte einen anderen Herrscher ein, der ihn vertreiben konnte. Eroberungssucht ist eine ganz natürliche und weitverbreitete Eigenschaft. Immer, wenn die Menschen nach besten Kräften Eroberungen machen, so werden sie ge-
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lobt oder wenigstens nicht getadelt. Doch wenn ihre Kräfte nicht ausreichen und sie versuchen, trotzdem um jeden Preis Eroberungen zumachen, so ist dies ein tadelnswerter Fehler. Wenn demnach Frankreich imstande war, mit eigenen Kräften Neapel anzugreifen, so hätte es dies tun sollen; war es aber nicht dazu imstande, so durfte es die Herrschaft doch nie teilen. Wenn Frankreich die Lombardei mit den Venezianern teilte, so verdient es Entschuldigung, weil es hierdurch in Italien Fuß faßte; die Teilung Neapels aber verdient Tadel, da sie nicht mit dem Zwang der Verhältnisse zu entschuldigen ist. Ludwig beging also fünf Fehler: Er richtete die Schwächeren zugrunde 44, er verstärkte in Italien die Macht eines besonders Mächtigen 45, er zog einen außerordentlich mächtigen Fremden ins Land 46, er schlug in Italien nicht seine Residenz auf und gründete dort auch keine Kolonien. Selbst diese Fehler hätten ihm bei seinen Lebzeiten nicht geschadet, wenn er nicht noch einen sechsten begangen hätte, nämlich den, den Venezianern Land wegzunehmen 47: Hätte er nämlich den Kirchenstaat nicht groß gemacht und die Spanier nicht nach Italien gerufen, so wäre es sehr vernünftig und auch notwendig gewesen, die Venezianer zu schwächen. Nachdem er aber nun einmal die vorgenannten Entscheidungen getroffen hatte, durfte er keinesfalls in deren Ruin einwilligen; denn solange die Venezianer mächtig waren, hätten sie andere stets von einem Angriff gegen die Lombardei abgehalten; sie hätten ja nur unter der Bedingung einem solchen zugestimmt, wenn sie selber Herren der Lombardei geworden wären. Die anderen aber hätten nie die Absicht gehabt, die Lombardei den Franzosen zu entreißen, um sie den Venezianern zu überlassen; beide aber anzugreifen, hätte ihnen der Mut gefehlt. Wenn nun einer einwenden würde, König Ludwig hat dem Alexander die Romagna und den Spaniern das Kö-
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nigreich Neapel überlassen, um einen Krieg zu vermeiden, so verweise ich auf die bereits genannten Gründe: Man soll nie einem Übelstand, seinen Lauf lassen, um einen Krieg zu vermeiden; denn man vermeidet ihn nicht; man schiebt ihn nur auf zu seinem eigenen Nachteil. Wenn nun einige darauf hinweisen, daß der König dem Papst sein Wort gegeben hat, für ihn die Eroberung der Romagna durchzuführen als Gegenleistung für die Scheidung seiner Ehe und für die Kardinalswürde für Rouen 48, so verweise ich auf das, was ich später über Versprechungen von Herrschern und deren Erfüllung sagen werde 49. König Ludwig hat also die Lombardei verloren, weil er keine der Regeln beachtet hat, die andere beachtet haben, die erobertes Land halten wollten. Diese Folge ist durchaus nicht befremdend, sondern normal und verständlich. Darüber sprach ich in Nantes 50 mit dem Kardinal von Rouen, als der Valentino – so wurde im Volk Cesare Borgia, der Sohn Alexanders, genannt 51 – die Romagna besetzte. Als mir der Kardinal von Rouen sagte, die Italiener verstünden nichts von der Kriegskunst, antwortete ich ihm, daß die Franzosen nichts von der Staatskunst verstünden; denn sonst würden sie die Kirche nicht zu solcher Macht kommen lassen. Die Erfahrung zeigte auch, daß die bedeutende Macht der Kirche und Spaniens in Italien auf Frankreich zurückzuführen ist und daß Frankreichs Zusammenbruch von diesen beiden verursacht wurde. Daraus läßt sich eine allgemeine Regel ableiten, die nie oder nur selten fehlgeht: Wer die Ursache für die Macht eines andern ist, richtet sich selbst zugrunde; denn die eigene Macht ist entweder auf Tüchtigkeit oder auf gewaltsames Vorgehen zurückzuführen, und beides ist dem verdächtig, der neu zur Macht gelangt ist.
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IV. Kapitel
Warum das von Alexander eroberte Reich des Darius sich nach Alexanders Tod nicht gegen seinen Nachfolger aufgelehnt hat Bedenkt man die Schwierigkeiten, die man mit der Behauptung eines neu eroberten Staats hat, so könnte man sich darüber wundern, woher es kommt, daß Alexander der Große 52 in wenigen Jahren Herr über Asien wurde und daß sich das ganze Reich trotz seines kurz nach der Eroberung erfolgten Todes nicht empört hat, wie es wohl zweckmäßig gewesen wäre. Im Gegenteil! Alexanders Nachfolger 53 behaupteten sich; sie hatten keine anderen Schwierigkeiten als die, die sie sich gegenseitig durch ihre eigene Herrschsucht machten. Darauf ist folgendes zu sagen: Alle Herrschaften, die man aus der Geschichte kennt, werden auf zweierlei Weise regiert: entweder von einem Alleinherrscher; dann sind alle anderen seine Diener und haben ihn als Minister auf Grund seiner Gnade und mit seiner Erlaubnis bei den Regierungsgeschäften zu unterstützen; oder sie werden regiert durch einen Fürsten und die Barone [Vertreter des Feudaladels], die nicht durch fürstliche Gnade, sondern wegen des Alters ihrer Geschlechter diese Stellung einnehmen. Diese Barone haben eigene Herrschaftsgebiete und eigene Untertanen, die sie als ihre Herren anerkennen und eine natürliche Ergebenheit für sie haben. In den Staaten, die von einem Alleinherrscher und dessen Dienern regiert werden, hat der Herrscher größere Autorität; denn im ganzen Land gibt es keinen, der mehr gilt als er. Und wenn die Untertanen einem anderen gehorchen, so tun sie es nicht aus besonderer Zuneigung, sondern eben deshalb, weil er Minister und Beamter ist.
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iv. kapitel
Beispiele für diese beiden Regierungsarten geben in unserer Zeit der Türke und der König von Frankreich. Die ganze türkische Monarchie wird von einem einzigen Herrn regiert; die anderen sind nur seine Diener. Er teilt sein Reich in Sandschaks ein und schickt dorthin seine verschiedenen Statthalter. Er setzt sie ein und beruft sie ab, ganz nach seinem Belieben. Der König von Frankreich dagegen ist umgeben von einer Anzahl alteingesessener Herren, die in ihren Herrschaften von ihren Untertanen anerkannt und geliebt werden: sie haben ihre Vorrechte, die ihnen kein König nehmen kann, ohne sich selber zu gefährden. Betrachtet man diese beiden Staaten, so wird man finden, daß die Eroberung des Türkenreichs schwierig ist; doch wenn man es unterworfen hat, so ist es sehr leicht, es zu behaupten. Im Gegensatz hierzu ist es in mancher Hinsicht leichter, den französischen Staat zu erobern, aber sehr schwer ihn zu behaupten. Die Gründe für die Schwierigkeiten der Eroberung des Türkenreichs liegen darin, daß man von den hohen Würdenträgern dieses Reichs nicht herbeigerufen werden kann und auch nicht hoffen darf, daß man sich durch eine Empörung der Umgebung des Herrschers die Eroberung erleichtern kann. Dies ergibt sich aus den oben genannten Gründen. Da diese ja alle Sklaven und Kreaturen des Herrschers sind, ist es schwer, sie zu bestechen; und selbst wenn sie sich wirklich bestechen ließen, so kann man sich nur wenig Vorteil davon erhoffen, da sie aus den oben genannten Gründen das Volk nicht mitreißen können. Wer also die Türkei angreift, muß daraufgefaßt sein, auf ein geeintes und geschlossenes Reich zu stoßen; er tut gut daran, seine Hoffnung mehr auf die eigene Kraft als auf die Zwietracht des Feindes zu setzen. Doch angenommen, der Türkenbeherrscher wäre besiegt und in offener Feldschlacht so geschlagen, daß er kein Heer mehr aufstellen kann, so hat man nichts ande-
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res mehr zu fürchten als dessen Familie. Ist diese unschädlich gemacht, so ist niemand mehr da, den man zu fürchten hätte, da ja niemand sonst Vertrauen beim Volk genießt. Wie der Sieger vor dem Sieg von diesem nichts erhoffen konnte, so hat er nach dem Sieg von ihm nichts zu befürchten. Gegenteilig verläuft die Eroberung eines Staats, der wie Frankreich regiert wird. Hier kannst du mit Leichtigkeit einfallen, indem du einen der Barone des Königreichs auf deine Seite bringst; denn immer finden sich Mißvergnügte und Neuerungssüchtige. Diese können dir aus den oben genannten Gründen den Weg zur Eroberung öffnen und den Sieg erleichtern. Willst du dich aber dann behaupten, so siehst du dich unendlichen Schwierigkeiten gegenüber, die sowohl von denen herrühren, die dich unterstützt haben, als auch von denen, die du unterdrückt hast. Da genügt es nicht, das Herrscherhaus unschädlich zu machen; denn es bleiben immer noch genug Herren übrig, die sich an die Spitze neuer Umwälzungen stellen können. Da du diese weder zufriedenstellen noch vernichten kannst, verlierst du das Land bei der nächstbesten Gelegenheit. Untersucht man nunmehr das Wesen der Regierung des Darius 54, so wird man es dem Türkenreich 55 ähnlich finden; deshalb mußte Alexander gegen Darius zunächst mit aller Macht vorgehen und ihn zwingen, sich in befestigte Plätze zurückzuziehen. Nach diesem Sieg blieb das Land aus den oben genannten Gründen auch nach dem Tod des Darius sicher in der Hand Alexanders. Wären seine Nachfolger unter sich einig gewesen, so hätten sie sich ungestört der Herrschaft freuen können; denn es brachen in diesem Reich ja keine anderen Unruhen aus als die, welche sie selber verursachten. Es ist jedoch unmöglich, Staaten, die wie Frankreich regiert werden, mit einer solchen Mühelosigkeit in sei-
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nem Besitz zu halten. Auch die häufigen Aufstände gegen die Römer in Spanien, Frankreich und Griechenland kamen von den vielen Fürstentümern, die es in diesen Staaten gab 56. Solange die Erinnerung an diese fortlebte, konnten sich die Römer in ihrem Besitz nie sicher fühlen. Erst wenn die Erinnerung an sie durch die Macht und die lange Dauer des Imperiums verklungen war, wurden sie die unangefochtenen Besitzer des Landes. Selbst als sich die Römer untereinander bekämpften 57, konnte jede der streitenden Parteien einen Teil dieser Provinzen auf ihre Seite ziehen, je nach dem Ansehen, das sie sich dort erworben hatte 58. Da die Familien ihrer früheren Herren nicht mehr existierten 59, erkannten diese Länder nur die Römer als ihre Herren an. Auf Grund des Studiums dieser Verhältnisse wird sich niemand über die Leichtigkeit wundern, mit der sich Alexander in Asien behauptete, und niemand wird sich über die Schwierigkeiten wundern, die Pyrrhus 60 und viele andere hatten, um ihre Eroberungen zu halten. Der Grund hierfür liegt nicht in der größeren oder geringeren Tüchtigkeit des Siegers, sondern in der Verschiedenheit der unterworfenen Länder. V. Kapitel
Wie man Städte oder Herrschaften regieren muß, die vor ihrer Eroberung nach ihren eigenen Gesetzen lebten Wenn ein Staat, den man in der besprochenen Art erobert hat, gewohnt ist, nach eigenen Gesetzen und in Freiheit zu leben, so gibt es drei Möglichkeiten, seinen Besitz zu behaupten: entweder 1. ihn zerschlagen oder 2. dort seine Residenz einrichten oder 3. ihm die eigenen Gesetze lassen, ihn aber tributpflichtig
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machen und eine Regierung von wenigen Bürgern einsetzen, die für eine freundliche Haltung der anderen garantieren. Da diese vom Eroberer eingesetzte Re gierung weiß, daß sie ohne dessen Wohlwollen und Macht nicht bestehen kann, muß sie alles aufbieten, um diesen zu halten. Es ist leichter, eine freiheitge wohnte Stadt mit Hilfe ihrer eigenen Bürger zu be haupten als auf irgendeine andere Weise, falls man sie nicht zerstören will. Beispiele dafür bieten die Spartaner und die Römer. Die Spartaner hielten Athen 61 und Theben 62, indem sie dort die Macht einigen wenigen Bürgern übertrugen; trotzdem verloren sie beide Städte wieder. Die Römer zerstörten Kapua, Karthago und Numantia, um sich dort zu behaupten 63; sie verloren diese Städte nicht. Griechenland wollten sie nach Spartas Beispiel halten 64, indem sie ihm seine Freiheit und seine Gesetze ließen; sie hatten keinen Erfolg damit; so waren sie gezwungen, viele Städte dieses Landes zu zerstören, um sich dort zu behaupten. So gibt es in der Tat kein sichereres Mittel, sich im Besitz einer eroberten Stadt zu halten, als sie zu zerstören. Wer Herr einer freiheitgewohnten Stadt wird und sie nicht zerstört, hat zu erwarten, von ihr zugrunde gerichtet zu werden. Denn immer dient ihr bei einem Aufstand der Gedanke an die Freiheit und an ihre althergebrachten Einrichtungen zum Vorwand. Diese geraten weder durch die Länge der Zeit noch durch Wohltaten in Vergessenheit. Was ein Eroberer auch tun oder vorbeugen mag: die Einwohner vergessen, wenn sie nicht auseinandergerissen oder verstreut werden, ihre Freiheit und ihre alten Einrichtungen nie und führen sie unversehens beim geringsten Anlaß wieder ein. So machte es Pisa, obwohl es 100 Jahre unter florentinischer Herrschaft gestanden hatte 65. Doch wenn Städte oder Länder gewohnt sind, unter einem Herrscher zu leben und die Familie desselben
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nicht mehr existiert, so wissen sie trotzdem nicht, in Freiheit zu leben, da sie nun einmal an Gehorsam gewohnt sind; andererseits können sie sich nach dem Verlust ihres ehemaligen Gebieters auch nicht über die Wahl eines neuen Herrn einigen. Darum greifen sie nur zögernd zu den Waffen. Ein Eroberer kann sie mit weniger Mühe für sich gewinnen und sich ihrer versichern. In Republiken dagegen herrscht stärkeres politisches Leben, stärkerer Haß und mehr Rachsucht. Die Erinnerung an die alte Freiheit verläßt die Bürger nie und kann sie nie ruhen lassen: daher ist es das sicherste Mittel, Freistaaten entweder zu vernichten oder dort seine Residenz einzurichten, VI. Kapitel
Von neuen Herrschaften, die man mit eigenen Waffen und durch Tüchtigkeit erobert Man wundere sich nicht, wenn ich in den nachstehenden Betrachtungen über gänzlich neue Herrschaften, bei denen sowohl Herrscher als auch staatliche Ordnung neu sind, die bedeutendsten Beispiele 66 anführe; denn die Menschen gehen fast immer nur auf Wegen, die bereits von anderen begangen wurden, und richten sich bei ihren Handlungen nach Vorbildern. Trotzdem man weder den Wegen anderer in allem folgen noch die Tüchtigkeit ihrer Vorbilder erreichen kann, wird ein Mann von Klugheit doch immer Wege einschlagen, die von bedeutenden Männern begangen wurden, und immer die trefflichsten Vorbilder wählen, damit seine Tüchtigkeit, auch wenn sie nicht hinreicht, doch dadurch einigen Glanz erhält. Er muß es machen wie die geschickten Bogenschützen: scheint diesen das Ziel zu weit, so visieren sie, da sie die Reichweite ihres Bogens kennen, hoch über das angestrebte Ziel hinaus, nicht um es mit ihrem Pfeil in solcher
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Höhe zu treffen, sondern um mittels des hohen Anvisierens imstande zu sein, ihr Ziel zu erreichen. Ich sage also, daß in einer gänzlich neuen Herrschaft, in der auch der Herrscher neu ist, die Schwierigkeit, sie zu behaupten, größer oder geringer ist, je nach der größeren oder geringeren Geschicklichkeit dessen, der sie erwirbt. Ein solches Ereignis wieder Aufstieg eines Privatmanns zur Macht eines Herrschers setzt Tüchtigkeit und Glück voraus; man sollte also glauben, daß sowohl die eine als auch die andere dieser beiden Voraussetzungen viele Schwierigkeiten wenigstens teilweise verringert: trotzdem behauptet sich der besser, der sich weniger auf das Glück verlassen hat. Eine Erleichterung wird auch noch der Herrscher haben, der gezwungen ist, im neuerworbenen Land deshalb zu residieren, weil er keine anderen Besitzungen hat. Um nun auf die zu sprechen zu kommen, die durch eigene Tüchtigkeit und nicht durch Glück Herrscher geworden sind, nenne ich als die hervorragendsten Moses, Cyrus, Romulus, Theseus 67 und ähnliche. Obwohl man sich über Moses 68 kein Urteil erlauben darf, weil er nur der Vollstrecker göttlicher Befehle war, erwirbt ihm doch schon die Gnade Bewunderung, die ihn für ein Gespräch mit Gott würdig machte. Doch betrachten wir Cyrus 69 und die anderen Eroberer und Staatengründer; sie sind alle bewunderungswürdig: wenn man sich ihre Handlungen und ihre Anordnungen im einzelnen ansieht, so scheinen sie sich nicht von denen des Moses zu unterscheiden, der einen so erhabenen Lehrmeister hatte. Prüft man ihre Taten und ihr Leben, so sieht man, daß sie dem Glück nur die Gelegenheit verdankten, die ihnen den Stoff bot, in den sie die Form prägten, die ihnen gut schien: ohne diese Gelegenheit hätten ihre Kraft und Tüchtigkeit keine Wirkungsmöglichkeit gehabt, und ohne ihre Kraft und Tüchtigkeit hätte sich die Gelegenheit vergeblich eingefunden.
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So war es notwendig, daß Moses in Ägypten das israelitische Volk versklavt und von den Ägyptern unterdrückt vorfand, damit es sich, um der Knechtschaft zu entrinnen, entschloß, ihm Gefolgschaft zu leisten. Es gab sich auch, daß Romulus 70 nicht in Alba aufwuchs und gleich nach seiner Geburt ausgesetzt wurde, um Roms König und Gründer der Stadt werden zu können. Es war ferner notwendig, daß Cyrus die Perser, überdrüssig der Herrschaft der Meder, und die Meder, durch einen langen Frieden völlig verweichlicht, antraf. Theseus 71 hätte seine Fähigkeiten nicht unter Beweis stellen können, wenn er die Athener nicht in zerstreut liegenden Wohnsitzen angetroffen hätte. Vor allem diese Gelegenheiten machten das Glück dieser Männer, und ihre hervorragende Begabung ließ sie die Gelegenheit erkennen; dadurch wurde ihr Vaterland berühmt und erlebte besonders glückliche Zeiten. Diejenigen, welche, ähnlich wie die Genannten, durch ihre persönliche Tüchtigkeit Staatsführer werden, erwerben ihre Herrschaft unter Schwierigkeiten, doch sie behalten sie mit Leichtigkeit. Die Schwierigkeiten, die sie bei der Erwerbung ihrer Herrschaft haben, kommen zum Teil von den neuen Gesetzen und Gewohnheiten, die sie einführen müssen, um den Staat zu gründen und ihre persönliche Sicherheit zu festigen. Man muß sich nämlich darüber im klaren sein, daß es kein schwierigeres Wagnis, keinen zweifelhafteren Erfolg und keinen gefährlicheren Versuch gibt, als sich zum Leiter eines Staats aufzuwerfen und eine neue Ordnung einzuführen; denn jeder Neuerer hat alle die zu Feinden, die von der alten Ordnung Vorteile hatten, und er hat an denen nur laue Verteidiger, die sich von der neuen Ordnung Vorteile erhoffen. Diese Lauheit kommt zum Teil von der Furcht vor den Gegnern, die die Gesetze zu ihren Gunsten nützen können [wörtlich: die die Gesetze auf ihrer Seite haben], teils von dem
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Mißtrauen der Menschen, die wirkliches Zutrauen zu den neuen Verhältnissen erst haben, wenn sie von deren Dauerhaftigkeit durch Erfahrung überzeugt worden sind. Daher kommt es, daß die Feinde der neuen Ordnung diese bei jeder Gelegenheit mit aller Leidenschaft angreifen und die anderen sie nur schwach verteidigen, so daß der neue Herrscher zusammen mit diesen in Gefahr gerät. Will man diesen Punkt gründlich behandeln, so muß man untersuchen, ob solche Neuerer aus eigener Kraft bestehen können oder ob sie von anderen abhängen; das heißt, ob sie zur Durchführung ihrer Unternehmung Hilfe erbitten müssen oder ob sie dazu aus eigener Kraft fähig sind. Im ersten Fall fahren sie immer schlecht und erreichen nichts; doch wenn sie eigene Truppen haben und Zwang ausüben können, gefährden sie sich nur selten. Daher kommt es, daß alle bewaffneten Propheten gesiegt haben, die unbewaffneten zugrunde gegangen sind 72. Zu allem, was ich angeführt habe, kommt noch der Wankelmut der Menge; es ist leicht, sie zu einer Sache zu überreden, aber schwer, sie bei der Stange zu halten. Darum ist es gut, darauf eingerichtet zu sein, daß man sie, wenn sie nicht mehr glauben, dazu zwingen kann. Moses, Cyrus, Theseus und Romulus wären nicht imstande gewesen, ihre Einrichtungen lange gültig zu erhalten, wenn sie unbewaffnet gewesen wären, wie es in unserer Zeit Fra Girolamo Savonarola 73 war. Er fand bei seinen gesetzlichen Neuerungen den Untergang, als die Menge aufhörte, an ihn zu glauben; er hatte kein Mittel, diejenigen, die an ihn glaubten, zu halten, und keines, um die Zweifler zum Glauben an ihn zu zwingen. Daher haben solche Herrscher mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Alle Gefahren liegen auf dem Weg; sie müssen ihrer mit Tüchtigkeit Herr werden. Doch wenn sie diese Gefahren überwunden haben und allmählich zu Ansehen
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kommen, dann behalten sie, nachdem sie die Neider ihrer Tüchtigkeit unschädlich gemacht haben, ihre Macht und leben in Sicherheit, geehrt und glücklich. Diesen so erhabenen Beispielen möchte ich noch ein geringeres hinzufügen; es steht aber doch in Beziehung zu diesen. Es soll mir statt aller anderen Beispiele ähnlicher Art dienen: es ist Hiero von Syrakus 74. Er stieg vom Privatmann zum Herrscher von Syrakus empor: auch er hatte dem Glück nichts anderes als die günstige Gelegenheit zu danken; denn als die Syrakusaner bedrängt wurden, wählten sie ihn zu ihrem Feldherrn; so verdiente er sich den Thron. Er zeigte schon als Privatmann solche Fähigkeiten, daß ein Schriftsteller von ihm sagte: »quod nihil illi deerat ad regnandum praeter regnum« [zum König fehlt ihm nur noch das Königreich]. Er löste das alte Heer auf und schuf ein neues. Er gab die alten Verbindungen auf und knüpfte neue; und als er ergebene Freunde und Soldaten hatte, konnte er auf einer solchen Grundlage jeden Bau errichten. So kostete es ihn zwar viel Mühe, auf den Thron zu kommen, aber wenig, ihn zu behaupten. VII. Kapitel
Von neuen Herrschaften, die man mit fremden Waffen und Glück erobert Wer nur durch Glück vom Privatmann zum Leiter eines Staats aufsteigt, hat wenig Mühen, aber deren viele, um sich zu behaupten. Der Weg bereitet ihm keine Schwierigkeiten, weil er die Macht im Flug erwirbt; aber alle Schwierigkeiten beginnen, wenn er emporgestiegen ist. Das ist der Fall, wenn einem die Macht durch Geld oder durch die Gunst eines anderen zufällt. So erging es vielen [Politikern] in Griechenland, wo sie von Darius 75 in den
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Städten Ioniens und am Hellespont als Machthaber eingesetzt wurden, damit sie diese zu seiner Sicherheit und zu seinem Ruhm behaupten sollten. Hierzu gehören auch die römischen Kaiser 76, die durch Bestechung der Soldaten aus dem Privatstand zur Kaiserwürde emporstiegen. Alle diese hängen einfach vom guten Willen und vom Glück dessen ab, dem sie die Herrschaft verdanken. Dies aber sind zwei sehr schwankende, unbeständige Stützen. Diesen Herrschern fehlt die Fähigkeit und die Macht, ihren Rang zu behaupten: die Fähigkeit fehlt ihnen; denn es ist unwahrscheinlich, daß jemand, der immer in privaten Verhältnissen gelebt hat, zu regieren versteht, es müßte denn sein, daß er ein Mann von großer Begabung und Tüchtigkeit wäre; und es fehlt ihnen die Macht; denn sie haben keine Truppen, die ihnen zugetan und treu wären. Ferner können sich plötzlich entstandene Staaten geradeso wie alle anderen Dinge in der Natur, die schnell entstehen und wachsen, nicht verwurzeln und verzweigen. So reißt sie der erste Sturm nieder, es sei denn, daß die so plötzlich zur Herrschaft Gekommenen, wie ich schon sagte, die Tüchtigkeit besitzen, daß sie verstehen, die Macht, die ihnen das Glück in den Schoß geworfen hat, sofort festzuhalten und die Fundamente, die andere vor ihrer Machtergreifung errichtet hatten, nachträglich zu legen. Ich möchte für die beiden vorgenannten Möglichkeiten des Erwerbs einer Herrschaft durch Tüchtigkeit oder durch Glück zwei Beispiele aus unserer Zeit anführen: Francesco Sforza 77 und Cesare Borgia 78. Francesco stieg durch geeignete Mittel und durch seine außerordentliche Tüchtigkeit aus seinem privaten Stand zum Herzog von Mailand empor; was er mit unzähligen Mühen erreicht hatte, behauptete er mit geringer Mühe. Cesare Borgia dagegen (im Volksmund Herzog Valentino genannt) erwarb die Herrschaft mit der glücklichen Hilfe seines
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Vaters und verlor sie wieder mit dessen Tod, obwohl er jedes Mittel benützte und alles tat, was ein kluger und tüchtiger Mann tun mußte, um in Ländern festen Fuß zu fassen, die er den Waffen und dem Glück anderer zu danken hatte. Denn wer das Fundament nicht schon von Anfang an legt, kann dies, wie ich oben sagte, nur bei außerordentlicher Tüchtigkeit nachholen, wenngleich dies für den Baumeister mit Mühseligkeiten und für den Bau mit Gefahren verbunden ist. Wenn man das ganze Vorgehen des Herzogs betrachtet, so bemerkt man, daß er eine sichere Grundlage für seine künftige Macht errichtet hatte. Hierauf näher einzugehen, halte ich nicht für überflüssig; denn ich wüßte einem neuen Machthaber keine besseren Lehren zu geben als das Beispiel seiner Taten. Und wenn seine Maßnahmen auch keinen Erfolg hatten, so war es nicht seine Schuld; es ist vielmehr auf die außerordentliche und ungewöhnliche Tücke des Schicksals 79 zurückzuführen. Alexander VI. hatte bei der Absicht, seinen Sohn, den Herzog, zur Macht zu bringen, in der Gegenwart wie in der Zukunft viele Schwierigkeiten. Zuerst sah er keinen anderen Weg, ihn zum Herrn irgendeines Staats zu machen, als ihm Land des Kirchenstaats zu geben. Beabsichtigte er aber der Kirche Land zu nehmen, so wußte er, daß der Herzog von Mailand 80 und die Venezianer 81 ihre Zustimmung hierzu nicht erteilen würden; denn Faenza und Rimini standen bereits unter dem Schutz der Venezianer. Überdies sah er, daß die Heere Italiens und besonders diejenigen, deren er sich hätte bedienen können, unter dem Kommando von Männern standen, die die Vermehrung der päpstlichen Macht fürchten mußten. Er konnte sich also nicht auf sie verlassen, da sie alle in den Händen der Orsini, der Colonna 82 und ihrer Parteigänger waren. Der Papst mußte also die Ordnung der italienischen Staaten stören und Verwirrung unter ihnen stiften, um sich un-
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gestört eines Teils derselben bemächtigen zu können. Dies wurde ihm leicht; denn gerade hatten sich die Venezianer aus anderen Gründen entschlossen, die Franzosen wieder nach Italien zu rufen. Der Papst 83 erhob dagegen nicht nur keinen Einspruch, sondern er begünstigte dieses Vorhaben noch durch Scheidung der ersten Ehe König Ludwigs. Der französische König kam also mit Hilfe der Venezianer und mit Einwilligung Alexanders nach Italien. Kaum war er in Mailand, da erhielt der Papst von ihm auch schon Truppen zur Eroberung der Romagna 84; auf Grund des Ansehens des Königs erhob niemand dagegen Einwendungen 85. Nachdem der Herzog [Cesare Borgia] die Romagna erobert 86 und die Truppen Colonnas besiegt hatte, wollte er seine Eroberung festigen und weiter vordringen. Da stellten sich ihm zwei Hindernisse in den Weg: das eine kam von seinen Truppen, die ihm nicht zuverlässig erschienen, das andere von den Absichten Frankreichs. Er mußte nämlich fürchten, daß ihn die Truppen der Orsini, deren er sich bedient hatte, verraten und nicht nur an weiteren Eroberungen hindern, sondern ihm seine bereits durchgeführten Eroberungen wieder entreißen würden. Vom König befürchtete er ähnliches. Von dem Verhalten der Orsini bekam er eine Probe, als er nach der Eroberung Faenzas Bologna angriff; es schien ihm, daß sie beim Sturm recht säumig vorgingen. Und des Königs Gesinnung 87 erkannte er, als er nach der Eroberung des Herzogtums von Urbino die Toscana angriff 88; an dieser Unternehmung hinderte ihn der König. Von da an entschloß sich der Herzog, sich von den Waffen und dem Glück anderer unabhängig zu machen. Zuerst schwächte er die Parteien der Orsini und Colonna in Rom; er gewann alle ihre Anhänger, soweit sie Edelleute waren, indem er sie in seine Dienste nahm, ihnen beträchtliche Apanagen aussetzte und sie mit Ehren-
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ämtern und je nach ihrer Befähigung mit Kommandound Regierungsstellen betraute. So verlor sich innerhalb weniger Monate die Anhänglichkeit an ihre alten Parteien, und alles wandte sich dem Herzog zu. Hiernach wartete er auf die Gelegenheit, die Hauptleute der Orsini zu vernichten, nachdem er die Hauptleute aus dem Haus der Colonna zersprengt hatte. Diese bot sich ihm gut, und er nutzte sie noch besser. Als die Orsini spät genug merkten, daß der Machtzuwachs des Herzogs und des Kirchenstaats ihren Untergang bedeutete, veranstalteten sie eine Zusammenkunft in Magione bei Perugia 89. Von hier nahmen die Empörung von Urbino, die Unruhen in der Romagna und zahllose Gefahren für den Herzog ihren Ausgang; mit allem wurde er mit Hilfe der Franzosen fertig 90. Sein Ansehen hob sich wieder; doch vertraute er weder Frankreich noch anderen fremden Mächten. Da er sie nicht auf die Probe stellen konnte, versuchte er es mit List. Er verstand es so gut, seine Gesinnung zu verbergen, daß sich die Orsini durch Vermittlung des Paolo Orsini 91 mit ihm aussöhnten. Diesem gegenüber ließ es der Herzog, um sich seiner zu versichern, an keiner Höflichkeitsbezeugung fehlen und schenkte ihm Geld, Gewänder und Pferde. Die Harmlosigkeit der Orsini war so groß, daß sie sich ihm in Sinigaglia in die Hand gaben 92. Nachdem der Herzog nun die Hauptleute beseitigt und ihre Anhänger zu seinen Freunden gemacht hatte, hatte er eine sehr gute Grundlage für seine Macht geschaffen; denn er besaß jetzt die ganze Romagna mit dem Herzogtum Urbino; er konnte auch der Meinung sein, daß ihm besonders die Romagna wohlgesonnen sei. Er gewann nämlich das ganze Volk für sich, da es sich erst unter seiner Herrschaft wohlzufühlen begann. Da dieser Vorgang wert ist, bekanntgemacht zu werden und Nachahmung verdient, möchte ich ihn nicht
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übergehen. Nach der Eroberung der Romagna sah der Herzog, daß diese von unfähigen Herren beherrscht wurde, die ihre Untertanen mehr ausgeplündert als in Zucht gehalten und diesen nur Anlaß zur Uneinigkeit und nicht zur Einigkeit gegeben hatten. Deshalb machten sich in diesem Land Räubereien, Händel und jede Art Gewalttat breit. Er hielt es für nötig, dem Land eine gute Regierung zu geben, um es wieder zu befrieden und seiner herrscherlichen Gewalt gefügig zu machen. Daher setzte er Herrn Ramiro de Orco 93, einen grausamen und schnell zupackenden Mann, als Statthalter mit weitestgehenden Vollmachten ein. Dieser stellte in kurzer Zeit Ruhe und Einigkeit wieder her und erwarb sich dadurch den besten Ruf. Bald darauf hielt der Herzog solch außerordentliche Machtbefugnisse nicht mehr für angebracht, da er fürchtete, sie könnten zu Haß führen. Er setzte nun im Land eine Zivilverwaltung mit einem hervorragenden Präsidenten ein, bei der jede Stadt ihren Fürsprecher hatte. Da er erkannte, daß ihm die bisherige Härte bei manchen Haß eingetragen hatte, wollte er, um sich beim Volk von jedem Verdacht reinzuwaschen und es wieder ganz für sich zu gewinnen, zeigen, daß etwa begangene Grausamkeiten nicht auf ihn zurückzuführen seien, sondern auf den bösartigen Charakter seines Vertreters. Bei nächster Gelegenheit ließ er ihn in Cesena eines Morgens auf dem Marktplatz in zwei Stücke hauen und mit einem Stück Holz und einem blutigen Messer an der Seite ausstellen 94. Dieses furchtbare Schauspiel erfüllte die Einwohner mit Genugtuung und machte gleichzeitig tiefen Eindruck auf sie. Aber kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück. Ich stelle fest, daß der Herzog sehr mächtig und vor drohenden Gefahren teilweise auch gesichert war, da er nunmehr eigene Truppen hatte und die Streitkräfte, die ihm wegen ihrer Nähe gefährlich werden konnten, zu einem
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gut Teil vernichtet hatte. Wollte er mit seinen Eroberungen fortfahren, so brauchte er nur noch Rücksicht auf den König von Frankreich zu nehmen 95; denn er wußte, daß der König, der spät seinen Irrtum eingesehen hatte, diese nicht dulden würde. Als infolgedessen die Franzosen in das Königreich Neapel marschierten, um die Spanier, die eben Gaeta belagerten, zu vertreiben 96, begann er nach neuen Bündnissen Ausschau zu halten und mit Frankreich ein Doppelspiel zu treiben. Seine Absicht ging dahin, sich der Franzosen zu versichern. Es wäre ihm rasch gelungen, wenn Alexander am Leben geblieben wäre. Dies waren die politischen Maßnahmen des Herzogs hinsichtlich der gegenwärtigen Lage. Für die Zukunft jedoch mußte er vor allem fürchten, daß ihm ein neuer Papst nicht freundlich gesinnt wäre und versuchen würde, ihm wieder zu nehmen, was ihm Alexander gegeben hatte. Dem dachte er auf vierfache Weise vorzubeugen: 1. zuerst beabsichtigte er, die ganze Verwandtschaft der Herren, die er der Herrschaft beraubt hatte, auszurotten, um dem Papst jeden Anlaß zum Eingreifen zu nehmen; 2. wollte er alle römischen Edelleute für sich gewinnen, worauf ich schon hinwies, um mit deren Hilfe den Papst in Schach halten zu können; 3. wollte er das Kardinalskollegium soweit als möglich auf seine Seite ziehen; 4. beabsichtigte er noch vor dem Tode des Papstes so viel Macht zu erwerben, daß er dem ersten feindlichen Ansturm aus eigener Kraft standhalten konnte. Von diesen vier Aufgaben hatte er beim Tod Alexanders drei durchgeführt; die vierte hatte er fast zu Ende gebracht. Von den Herren, die er ihrer Herrschaft beraubt hatte, brachte er alle um, deren er habhaft werden konnte; nur ganz wenige konnten sich retten. Die römischen Edelleute hatte er für sich gewonnen, und vom Kardinalskollegium hatte er den größten Teil auf seiner Seite. Und was seine neuen Eroberungen anbelangt, so
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hatte er die Absicht, Herr von Toscana zu werden; Perugia und Piombino besaß er bereits, und über Pisa übte er die Schutzherrschaft aus 97. Wie wenn er es nicht mehr nötig gehabt hätte, auf Frankreich Rücksicht zu nehmen – er brauchte es in der Tat auch nicht mehr; denn die Franzosen hatten bereits das Königreich Neapel an die Spanier verloren, so daß sowohl die Franzosen als auch die Spanier gezwungen waren, seine Freundschaft zu erwerben –, wollte er sich auf Pisa stürzen. Daraufhin hätten sich Lucca und Siena rasch ergeben, teils aus Neid gegen die Florentiner, teils aus Furcht; und die Florentiner hätten kein Mittel zur Rettung gehabt. Wenn ihm dies gelungen wäre (und es wäre ihm im selben Jahr geglückt, in dem Alexander starb), dann hätte er über eine solche Streitmacht und über ein solches Ansehen verfügt, daß er sich aus eigener Kraft hätte behaupten können und nicht mehr vom Glück und der Waffenhilfe anderer abhängig gewesen wäre, sondern nur noch von seiner eigenen Macht und Fähigkeit. Doch Alexander starb fünf Jahre, nachdem Cesare begonnen hatte, das Schwert zu ziehen 98. Er verließ ihn, als nur die Herrschaft in der Romagna gesichert war und der ganze andere Besitz noch in der Luft hing, mitten zwischen zwei mächtigen feindlichen Heeren 99 und überdies todkrank. Im Herzog steckte so viel Unbändigkeit und Tüchtigkeit, er verstand es außerdem so gut, die Menschen zu gewinnen oder zu verlieren, und die Grundlagen, die er sich in kurzer Zeit geschaffen hatte, waren so fest gefügt, daß er alle Schwierigkeiten überwunden hätte, wenn ihn nicht die beiden Heere bedroht hätten oder aber wenn er selbst gesund geblieben wäre. Daß die Grundlagen seiner Macht dauerhaft waren, ist aus folgendem zu ersehen: Die Romagna 100 wartete länger als einen Monat auf ihn; in Rom war er, obwohl nur noch halb am Leben, doch
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in Sicherheit; obgleich die Baglioni, die Vitelli und Orsini 101 nach Rom kamen, unternahmen sie nichts gegen ihn. Und wenn er auch den päpstlichen Stuhl nicht nach Willkür besetzen konnte, so konnte er doch die davon ausschließen, die er nicht wünschte. Wäre er beim Tode Alexanders gesund gewesen, so wäre ihm alles leicht gefallen. Er selber sagte mir in den Tagen, als Julius II. gewählt wurde 102, daß er an alle Möglichkeiten beim Tode seines Vaters gedacht und für alles eine Lösung gefunden hätte; doch hätte er nie an die Möglichkeit gedacht, bei dessen Tod selber todkrank zu sein. Fasse ich nun alle Maßnahmen des Herzogs zusammen, so könnte ich ihm keinen Vorwurf machen; es scheint mir im Gegenteil richtig, ihn, wie ich es getan habe, allen denen zur Nachahmung zu empfehlen, die durch Glück und mit fremder Waffenhilfe zur Herrschaft emporgestiegen sind. Da er herrschen wollte und voll großer Pläne war, konnte er gar nicht anders handeln; nur die kurze Lebensdauer Alexanders und seine eigene Krankheit verhinderten die Ausführung seiner Pläne. Wer es für nötig hält, in einer neuerworbenen Herrschaft sich vor seinen Feinden zu sichern, Freunde zu gewinnen, sich mit Gewalt oder mit List durchzusetzen, sich beliebt zu machen und gleichzeitig gefürchtet zu werden, die Soldaten in Zucht zu halten und von ihnen verehrt zu werden, wer es ferner für nötig hält, diejenigen zu beseitigen, die ihm schaden könnten und zwangsläufig schaden werden, sowie die alten Ordnungen durch neue zu ersetzender es weiterhin für nötig hält, streng und liebenswürdig, großmütig und freigebig zu sein, wer es für nötig hält, untreue Truppen aufzulösen und eine neue Streitmacht aufzustellen, ferner sich die Freundschaft mit Königen und Herrschern zu erhalten, damit sie ihm gerne Hilfe leisten oder sich hüten, ihn anzugreifen, der kann keine näherliegenden Beispiele finden als die Taten dieses Mannes.
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Man kann ihm nur sein Verhalten bei der Ernennung des Papstes Julius zum Vorwurf machen; hier hatte er eine schlechte Wahl getroffen 103. Da er, wie ich schon sagte, den päpstlichen Stuhl nicht nach seinem Willen besetzen konnte, so stand es doch bei ihm, durchzusetzen, daß einer nicht Papst wurde. Er durfte keinesfalls der Wahl eines Kardinals zum Papst zustimmen, den er einmal beleidigt hatte und der ihn nach seiner Erhebung zum Papst zu fürchten hatte. Denn die Menschen befehden einander aus Furcht oder aus Haß. Diejenigen Kardinäle, die er gekränkt hatte, waren u. a. der von San Pietro ad Vincula, ferner Colonna, der von San Giorgio und Ascanio 104; alle anderen hatten, einmal Papst geworden, Anlaß, ihn zu fürchten mit Ausnahme des Kardinals von Rouen 105 und der spanischen Kardinäle 106; diese wegen ihrer Verwandtschaft und sonstigen Bindungen, jener wegen seiner Macht, da das Königreich Frankreich hinter ihm stand. Infolgedessen mußte der Herzog in erster Linie einen Spanier zum Papst machen, und wenn er dazu nicht imstande war, so durfte er seine Zustimmung nur zur Wahl des Kardinals von Rouen und nicht zu der des Kardinals von San Pietro ad Vincula geben. Wer glaubt, daß große Herren wegen neuer Wohltaten alte Kränkungen vergessen, täuscht sich. So beging der Herzog bei dieser Wahl einen Fehler; dies war der Anlaß zu seinem schließlichen Untergang. VIII. Kapitel
Vom Erwerb einer Herrschaß durch Verbrechen Doch gibt es noch zwei Möglichkeiten, wie ein Privatmann zur Macht emporsteigen kann; beide kann man nicht ohne weiteres dem Glück oder der Tüchtigkeit zuschreiben. Ich möchte sie aber nicht unerwähnt lassen,
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obwohl man von der einen dieser Möglichkeiten eingehender in der Abhandlung über Freistaaten sprechen kann. Diese beiden Möglichkeiten sind folgende: man steigt durch verbrecherische und ruchlose Mittel zur Herrschaft empor, oder ein Privatmann wird durch die Gunst seiner Mitbürger Herr seines Vaterlandes. Bezüglich der ersteren Möglichkeit führe ich zwei Beispiele an, eines aus der Antike, das andere aus unserer Zeit, ohne mich dafür einzusetzen; denn nach meiner Meinung ist es genug, wenn man sie notgedrungen nachahmt. Der Sizilianer Agathokles 107 stieg nicht einmal aus bürgerlichem, sondern aus ganz niederem, verachtetem Stand zum König von Syrakus empor. Er war der Sohn eines Töpfers; von Jugend an ließ er nie von seinem verbrecherischen Lebenswandel: immerhin verübte er seine Untaten mit so viel Verstand und Energie, daß er, Soldat geworden, alle Dienstgrade der militärischen Laufbahn durchlief und schließlich Prätor von Syrakus wurde. Als er diesen Rang erreicht hatte, faßte er den Entschluß, Fürst zu werden und mit Gewalt und ohne Rücksicht auf andere zu behaupten, was ihm bereits freiwillig zugestanden worden war. Von dieser seiner Absicht gab er dem Karthager Hamilkar 108 Kenntnis, der mit seinen Truppen in Sizilien Krieg führte. Eines Morgens berief er Volk und Senat von Syrakus angeblich zu einer Beratung über Angelegenheiten der Republik zusammen und ließ auf ein verabredetes Zeichen alle Senatoren und die reichsten Bürger der Stadt von seinen Soldaten niedermetzeln; nach diesem Mord bemächtigte er sich der Herrschaft über die Stadt und behielt sie ohne jede Anfechtung seitens der Bürger. Obwohl er zweimal von den Karthagern geschlagen und schließlich belagert wurde, vermochte er nicht bloß die Verteidigung seiner Stadt durchzuführen, sondern griff, während er einen Teil seiner Leute zur Abwehr der Belagerung zurückließ, mit dem anderen Teil
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Afrika an, entsetzte in kurzer Zeit Syrakus und brachte die Karthager in eine außerordentliche Zwangslage: sie wurden nämlich gezwungen, sich vertraglich mit ihrem Besitz in Afrika zufriedenzugeben und Sizilien dem Agathokles zu überlassen 109. Wer die Maßnahmen und das Leben des Agathokles näher betrachtet, wird erkennen, daß dabei wenig oder gar nichts auf Rechnung des Glücks zu setzen ist; denn er stieg nicht, wie oben erwähnt, durch die Gunst eines andern, sondern über die militärischen Rangstufen, die er unter tausend Mühen und Gefahren erreicht hatte, zur Herrschaft empor und behauptete sie mit vielen kühnen und gefahrvollen Entschlüssen. Man kann es freilich nicht Tüchtigkeit nennen, wenn man seine Mitbürger umbringt, seine Freunde verrät und wenn man ohne Treue, ohne Erbarmen und ohne Religion ist; auf diese Weise kann man zwar Macht, aber kaum Ruhm erwerben. Betrachtet man jedoch die Energie des Agathokles beim Eintritt von Gefahren und bei ihrer Überwindung sowie die Seelengröße, mit der er Unglück ertrug und überwand, so ist nicht einzusehen, warum er ungünstiger beurteilt werden soll als irgendein anderer bedeutender Feldherr. Trotzdem lassen seine unerhörte Grausamkeit und Unmenschlichkeit sowie seine zahllosen Verbrechen nicht zu, ihn zu den größten Männern zu zählen. Man darf also weder dem Glück noch dem Verdienst zuschreiben, was er ohne beides erreicht hat. In unserer Zeit, und zwar während der Regierung Alexanders VI. ist Oliverotto 110 zu nennen. Er wurde in seiner Kindheit, da er ohne Vater war, von einem seiner Onkel mütterlicherseits namens Giovanni Fogliani aufgezogen und in der ersten Jünglingszeit zur Truppe des Paolo Vitelli gegeben, um, entsprechend ausgebildet, zu höherem militärischem Rang emporzusteigen. Nach Paolos 111 Tod diente er unter dessen Bruder Vitellozzo 112;
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binnen kürzester Zeit wurde er wegen seiner Schlauheit und seiner körperlichen und geistigen Vorzüge der erste Mann in dessen Heer. Da es ihm knechtisch schien, im Dienst eines anderen zu stehen, beabsichtigte er, mit Hilfe einiger Bürger von Fermo, denen die Knechtschaft lieber war als die Freiheit ihres Vaterlandes, sowie mit Einwilligung der Vitelli, Fermo in Besitz zu nehmen. Er schrieb an Giovanni Fogliani, er wolle, da er schon mehrere Jahre nicht mehr zu Hause gewesen wäre, ihn und seine Stadt besuchen und sich auch etwas nach seinem väterlichen Vermögen umsehen; er habe sich nur deshalb so abgemüht, zu Ehren zu kommen, damit seine Mitbürger sähen, daß er seine Zeit gut genützt habe. Daher wolle er würdig in Begleitung von 100 Berittenen aus seinem Freundeskreis und seiner Dienerschaft einziehen. Auch bat er ihn, ihm mit der Anordnung eines ehrenvollen Empfangs durch die Einwohner von Fermo eine Freude zu machen; dies würde nicht bloß ihm selber zur Ehre gereichen, sondern auch dem Giovanni als seinem Erzieher. Giovanni ließ es infolgedessen seinem Neffen gegenüber an keiner gebührenden Höflichkeit fehlen. Oliverotto wurde von den Bürgern von Fermo ehrenvoll empfangen und wohnte in Giovannis Palast. Dort verbrachte er einige Tage und ordnete heimlich alles an, was zur Ausführung seines verbrecherischen Vorhabens nötig war. Er veranstaltete ein besonders festliches Bankett, wozu er Giovanni Fogliani und die ersten Bürger von Fermo einlud. Nach Beendigung der Tafel und der bei ähnlichen Gastmählern üblichen anderen Unterhaltungen lenkte Oliverotto das Gespräch geschickt auf gewisse beunruhigende Fragen, indem er von der Größe des Papstes Alexander und seines Sohnes Cesare sowie von deren Unternehmungen sprach. Als Giovanni und die anderen auf dieses Gespräch eingingen, erhob er sich plötzlich mit der Bemer-
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kung, das seien Dinge, über die man nur an einem geheimeren Ort sprechen dürfe, und er zog sich in ein Zimmer zurück, wohin ihm Giovanni und alle anderen Bürger folgten. Kaum hatten sie sich gesetzt, als aus Verstecken Soldaten hervorbrachen und Giovanni und alle anderen niedermachten. Nach diesem Mord stieg Oliverotto aufs Pferd, sprengte davon und belagerte im Stadthaus die höchste Behörde 113; aus Angst ließ sich diese zwingen, ihm zu gehorchen und eine Regierung zu bilden, zu deren Oberhaupt er sich selber machte. Nachdem alle, die ihm wegen ihrer Unzufriedenheit schaden konnten, tot waren, stärkte er seine Herrschaft durch die Neuordnung der Verwaltung und der Truppe. So blieb er im Laufe eines Jahres, während dem er die Herrschaft innehatte, nicht bloß in der Stadt Fermo unbehelligt, er war auch bei allen seinen Nachbarn gefürchtet. Seine Vertreibung wäre ebenso schwierig gewesen wie die des Agathokles, wenn er sich nicht von Cesare Borgia hätte täuschen lassen, als dieser in Sinigaglia, worauf ich schon oben hinwies, die Orsini und Vitelli gefangensetzte. Dort wurde auch er festgenommen und ein Jahr nach der Ermordung seines Onkels zusammen mit Vitellozzo, der ihn zur Tüchtigkeit und auch zu allen seinen Verbrechen erzogen hatte, erdrosselt. Nun könnte man sich fragen, woher es kommt, daß Agathokles und mancher andere seiner Art nach unzähligen Verrätereien und Grausamkeiten lange unbehelligt in ihrer Vaterstadt leben und sich gegen äußere Feinde verteidigen konnten und daß sich ihre Mitbürger nie gegen sie verschworen hatten, während doch viele andere trotz Anwendung grausamer Mittel nicht imstande waren, in Friedenszeiten ihre Herrschaft zu halten, geschweige denn in den unsicheren Zeiten des Krieges. Dies hängt meiner Meinung nach davon ab, ob man von den Grausamkeiten einen schlechten oder guten Gebrauch macht.
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Gut angewandt kann man grausame Mittel nur nennen – wenn es überhaupt erlaubt ist, etwas Schlechtes gut zu heißen –, wenn man sie auf einmal anwendet und nur aus der Notwendigkeit heraus, um sich zu sichern, dann aber nicht damit fortfährt und sie jedenfalls zum größtmöglichen Nutzen der Untertanen wendet. Schlecht angewandt sind grausame Mittel, die, mögen sie anfangs auch gering an Zahl sein, mit der Zeit eher zunehmen als aufhören. Diejenigen, welche die erstere Methode anwenden, können mit Gottes und der Menschen Hilfe dadurch manches Sicherungsmittel zur Befestigung ihrer Herrschaft gewinnen, wie es bei Agathokles der Fall war; den anderen ist es unmöglich, ihre Herrschaft zu halten. Daher muß man sich merken: der Eroberer, der nach einer Herrschaft greift, sollte alle Gewalttaten, die er zwangsläufig begehen muß, genau überlegen und mit einem Schlag durchführen, damit er nicht jeden Tag von neuem damit anfangen muß; nur wenn er sie nicht immer von neuem begeht, kann er die Menschen beruhigen und durch Wohltaten für sich gewinnen. Wer es aus Mangel an Entschlossenheit oder aus Übelwollen anders macht, ist immer gezwungen, das Messer in der Hand zu halten; er kann sich nie auf seine Untertanen verlassen, da sich diese wegen der immer neuen und andauernden Gewalttaten nie vor ihm sicher fühlen können. Gewalttaten müssen also alle auf einmal angewandt werden, damit sie weniger gespürt werden und deshalb weniger verletzen. Wohltaten dagegen soll man nur nach und nach erweisen, damit sie besser empfunden werden. Vor allem muß sich ein Herrscher so zu seinen Untertanen verhalten, daß kein Ereignis, mag es böse oder gut sein, ihn zwingt, etwas daran zu ändern; denn kommen durch widrige Zeiten Zwangslagen, so gehe man nicht jäh zu Gewalttaten über. Auch das Gute, das du tust, nützt dir nichts mehr, weil es erzwungen wirkt und es dir niemand dankt.
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Von der Herrschaft eines Bürgers Ich komme nun zu einer anderen Art 114 der Herrschaft: wenn nämlich ein Privatmann nicht durch Verbrechen oder eine andere unerträgliche Gewalttat, sondern durch die Gunst seiner Mitbürger der Beherrscher seines Vaterlandes wird. Man kann dies eine Volksherrschaft 115 nennen. Um diese zu erreichen, bedarf es weder besonderer Tüchtigkeit noch besonderen Glücks, sondern eher einer vom Glück begünstigten Verschlagenheit. Man steigt meiner Meinung nach zu dieser Art Herrschaft empor entweder durch die Gunst des Volks oder durch die Gunst der großen Herren. In jeder Stadt finden sich diese beiden gegensätzlichen Richtungen. Dies ist darauf zurückzuführen, daß sich das Volk von den großen Herren nicht beherrschen und nicht unterdrücken lassen möchte, die großen Herren dagegen das Volk zu beherrschen und zu unterdrücken trachten. Aus diesen zwei gegensätzlichen Bestrebungen entstehen in einer Stadt drei verschiedene Wirkungen, und zwar entweder die Alleinherrschaft oder die Freiheit oder die Anarchie. Die Alleinherrschaft wird entweder vom Volk oder von den großen Herren eingeführt, je nachdem die eine oder die andere der beiden Parteien Gelegenheit dazu findet. Wenn nämlich die großen Herren sehen, daß sie dem Volk keinen Widerstand leisten können, dann beginnen sie einen von ihnen besonders herauszustellen und machen ihn zum Alleinherrscher, um unter seinem Schutz ihre Absichten rücksichtslos verfolgen zu können. Und wenn das Volk sieht, daß es mit den großen Herren nicht fertig werden kann, dann hebt es einen ihrer Mitbürger besonders heraus und macht ihn zum Alleinherrscher, um durch seine Macht Schutz zu finden. Wer mit Hilfe der großen Herren zur Alleinherrschaft kommt, hat
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mehr Schwierigkeiten, um sich zu halten, als der, der mit Hilfe des Volks Alleinherrscher wird; denn in der Umgebung eines solchen Herrschers finden sich viele, die sich mit ihm gleichrangig dünken; infolgedessen kann er diesen weder befehlen noch sie willkürlich behandeln. Wer aber durch die Gunst des Volks zur Herrschaft gelangt, steht allein da, er hat niemanden oder nur ganz wenige in seiner Umgebung, die sich seinen Anordnungen entziehen. Außerdem kann man die großen Herren nie zufriedenstellen, wenn man rechtschaffen bleiben und den andern kein Unrecht zufügen will; wohl aber kann man das Volk zufriedenstellen. Denn das Streben des Volks ist rechtschaffener als das der großen Herren, da diese das Volk unterdrücken wollen, das Volk dagegen nur nicht unterdrückt werden möchte. Ferner kann sich ein Herrscher, dem das Volk feindlich gesinnt ist, nie sicher fühlen, weil er es mit zuviel Personen zu tun hat; vor den großen Herren dagegen kann sich ein Herrscher sichern, da es ihrer nur wenige sind. Das Schlimmste, das einen beim Volk verhaßten Herrscher erwartet, ist, daß es ihn im Stich läßt. Wer dagegen die großen Herren zu Feinden hat, hat nicht nur zu fürchten, von ihnen im Stich gelassen zu werden, er hat auch zu fürchten, daß sie sich gegen ihn wenden; denn da sie umsichtiger und schlauer sind, bringen sie sich immer noch rechtzeitig in Sicherheit und suchen sich dem anzubiedern, dessen Sieg sie erwarten. Auch ist es für einen Herrscher zwangsläufig, immer mit dem gleichen Volk zusammenzuleben; dagegen kann er gut ohne die gleichen großen Herren auskommen, da er jeden Tag irgendwelche Personen dazu befördern und wieder absetzen kann und ihnen ganz nach Belieben Würden nehmen und geben kann. Um dies noch verständlicher zu machen, sage ich, daß man beim Umgang mit großen Herren hauptsächlich zwei Gesichtspunkte beachten muß: entweder benehmen
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sie sich im Lauf der Ereignisse so, daß sie alles auf deine Karte setzen, oder sie tun es nicht. Die dem Herrscher Ergebenen muß man, sofern sie nicht raubgierig sind, in Ehren und Freundschaft halten; bei denen, die nicht ergeben sind, muß man zwei Möglichkeiten in Betracht ziehen: entweder sind sie es nicht aus Ängstlichkeit und einem angeborenen Mangel an Mut; dann mußt du dich ihrer bedienen, besonders wenn sie dich gut beraten können; denn in guten Zeiten ehrst du dich selber damit und in schlechten brauchst du sie nicht zu fürchten. Wenn sie sich dir absichtlich und aus ehrgeizigen Motiven entziehen, so ist dies ein Zeichen dafür, daß sie mehr an sich als an dich denken; vor diesen muß sich ein Herrscher vorsehen und sie wie offene Feinde fürchten; denn in widrigen Zeiten tragen sie immer zu seinem Sturz bei. Wer also durch die Gunst des Volks zur Macht emporsteigt, muß sich daher bemühen, beliebt zu bleiben; dies wird ihm leicht gemacht, da das Volk nur verlangt, nicht unterdrückt zu werden. Doch wer gegen das Volk nur durch die Gunst der großen Herren zur Macht emporsteigt, muß in allererster Linie das Volk für sich zu gewinnen suchen. Dies wird ihm leicht gelingen, wenn er nur dessen Schutz übernimmt. Wenn nämlich die Menschen Gutes von einem Mann erfahren, von dem sie Schlechtes erwarteten, so sind sie ihrem Wohltäter stärker verpflichtet und das Volk wird ihm sofort geneigter sein, als wenn er durch dessen Gunst zur Herrschaft gekommen wäre. Ein Herrscher kann das Volk auf vielfache Weise gewinnen. Infolge des ständigen Wechsels der Umstände kann man keine bestimmten Regeln dafür aufstellen; ich werde sie infolgedessen übergehen. Ich komme nun zu dem Schluß, daß ein Herrscher bei seinem Volk beliebt sein muß; sonst hat er in widrigen Zeiten keinen Rückhalt. Nabis 116, der Machthaber von Sparta, hielt dem Ansturm von ganz Griechenland und
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einem der siegreichsten römischen Heere stand und verteidigte gegen beide sein Vaterland und seine Herrschaft. Als die Gefahr hereinbrach, brauchte er nur einige wenige Personen festzunehmen, was nicht genügt hätte, wenn ihm das Volk feindlich gesinnt gewesen wäre. Man halte dieser meiner Meinung nicht das abgedroschene Sprichwort vor, daß der auf Sand baut, der dem Volk vertraut. Dies ist zwar richtig, wenn sich ein Privatmann im Vertrauen auf diese Grundlage einbildet, das Volk werde ihn retten, wenn ihm vom Feind oder von der Obrigkeit Gewalt angetan wird. In diesem Fall würde er sich meist getäuscht sehen wie in Rom die Gracchen 117 und in Florenz Giorgio Scali 118. Doch wenn sich ein Herrscher auf das Volk verläßt, der zu befehlen versteht und mutig ist, in schlechten Zeiten nicht verzagt, es an den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen nicht fehlen läßt und durch seinen Mut und seine Anordnungen das ganze Volk in guter Stimmung hält, der wird niemals von ihm enttäuscht werden, und er wird den Beweis haben, daß er auf festen Grund gebaut hat. Wenn eine Regierung daran geht von einer gemäßigten bürgerlichen Ordnung zu einer unumschränkten Herrschaft überzuspringen, so gerät sie immer in Gefahr; denn Machthaber üben die Gewalt entweder persönlich oder durch Beamte aus. Im letzteren Fall ist ihr Regiment immer schwächer und gefährdeter, da sie allein vom guten Willen jener Bürger abhängen, die zu Beamten eingesetzt worden sind. Diese können ihnen, besonders in widrigen Zeiten, mit großer Leichtigkeit die Regierung entreißen, indem sie sich offen gegen sie wenden oder ihnen den Gehorsam verweigern. Für den Herrscher ist es nicht der richtige Zeitpunkt, in der Gefahr die unumschränkte Herrschaft an sich zu reißen; denn die Bürger und Untertanen, die gewohnt sind, von den Behörden die Anweisungen zu empfangen, werden seinen Anordnungen in Zeiten der Be-
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drängnis nicht gehorchen; er wird in unsicheren Zeiten immer Mangel an Leuten haben, denen er vertrauen kann. Er kann sich auch nicht auf seine Erfahrungen in ruhigen Zeiten verlassen, wo die Bürger die Regierung brauchen; da drängt sich jeder zu ihr, jeder macht Versprechungen, jeder will für sie sterben, solange der Tod nicht droht. Doch in widrigen Zeiten, wenn die Regierung die Bürger braucht, da finden sich nur wenige. Diese Erfahrung ist um so gefährlicher, als man sie nur einmal machen kann. Daher muß sich ein kluger Herrscher darüber Gedanken machen, welche Maßnahmen nötig sind, damit seine Bürger immer und unter allen Umständen den Staat und ihn brauchen; dann werden sie ihm immer ergeben sein. X. Kapitel
Wie man die Stärke jeder Herrschaft feststellen kann Wenn man die Verhältnisse einer Herrschaft untersucht, muß man noch eine andere Betrachtung anstellen, nämlich, ob ein Herrscher so viel Macht hat, daß er sich im Notfall aus eigener Kraft behaupten kann, oder ob er stets fremde Hilfe braucht. Um diesen Punkt besser zu beleuchten, bemerke ich, daß ich diejenigen für fähig halte, auf eigenen Beinen zu stehen, die über genug Menschen und Geld verfügen, um ein brauchbares Heer aufstellen und gegen jeden Angreifer eine Schlacht schlagen zu können. Diejenigen dagegen haben nach meiner Meinung immer fremde Hilfe nötig, die sich mit dem Feind nicht in offener Schlacht messen können, sondern gezwungen sind, ihre Zuflucht in Festungen zu suchen und diese zu verteidigen. Vom ersteren Fall 119 ist schon gesprochen worden; bei Gelegenheit werde ich mehr darüber sagen. Im zweiten Fall kann man einem solchen Herrscher zum Trost nichts anderes sagen, als daß er seine Stadt
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stark befestigen und das Land ringsum preisgeben soll. Wer seine Stadt gut befestigt hat und sich in seinen Regierungsmaßnahmen bei seinen Untertanen so benommen hat, wie ich oben gesagt habe und im folgenden noch sagen werde 120, wird immer mit großem Respekt angegriffen werden; denn die Menschen sind immer Gegner von Unternehmungen, bei denen Schwierigkeiten zu erwarten sind; und ein Angriff gegen einen Herrscher, der seine Stadt wohl befestigt hat und beim Volk nicht verhaßt ist, ist nie eine Leichtigkeit. Die deutschen Städte 121 sind völlig frei; sie haben nur wenig Land und gehorchen dem Kaiser nur insoweit, als sie es gerne tun, sie fürchten weder ihn noch einen anderen Machthaber in ihrer Nachbarschaft; denn sie sind so stark befestigt, daß jeder ihre Eroberung für langwierig und schwierig halten muß. Sie haben nämlich alle wohl angelegte Gräben und Mauern und genügend Geschütze. In ihren öffentlichen Magazinen halten sie stets einen Jahresbedarf an Getränken, Nahrungsmitteln und Brennholz; außerdem haben sie immer, um das Volk ohne Belastung der Stadtkasse ernähren zu können, für ein Jahr Arbeitsgelegenheit in den öffentlichen Gewerbebetrieben, die der Lebensnerv der Stadt sind und von denen das niedere Volk lebt. Auch halten sie die militärischen Übungen in Ehren und haben in dieser Beziehung viele Verordnungen zu deren Pflege. Demnach kann ein Herrscher, der eine stark befestigte Stadt besitzt und sich nicht verhaßt macht, nicht überfallen werden. Wenn dennoch ein Angreifer käme, so würde er mit Schande abziehen müssen; denn der Lauf der Welt ist so wechselvoll, daß es dem Feind fast unmöglich ist, mit seinen Truppen ein Jahr lang untätig vor einer Stadt zu liegen. Nun mag man einwenden: wenn das Volk seine Besitzungen außerhalb der Stadt hat und sie in Flammen aufgehen sieht, werde es die Geduld ver-
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lieren und wegen der langen Belagerung und aus Sorge um seinen Besitz den Herrscher im Stich lassen. Darauf antworte ich, daß ein mächtiger und mutiger Herrscher stets alle diese Schwierigkeiten überwinden wird, wenn er seinen Untertanen bald Hoffnung macht, daß das Unglück nicht mehr lange dauert, bald ihnen Furcht vor der Grausamkeit des Feindes einjagt und dann sich geschickt derer versichert, die ihm allzu dreist erscheinen. Überdies muß der Feind vernünftigerweise das Land auf seinem Anmarsch niederbrennen und verwüsten, also zu einer Zeit, wo die Gemüter noch kampflustig und verteidigungswillig sind. Daher braucht der Herrscher um so weniger zu befürchten; denn nach einigen Tagen, wenn die Begeisterung nachgelassen hat, ist der Schaden bereits geschehen und das Unheil eingetroffen; es gibt keine Abhilfe mehr. Dann aber wird sich das Volk um so enger mit seinem Herrscher zusammenschließen; denn es glaubt, daß sein Herrscher ihm zu Dank verpflichtet sei, weil zu seiner Verteidigung die Häuser eingeäschert und die Besitzungen zerstört worden sind. Es liegt in der Natur des Menschen, sich ebenso verbunden zu fühlen wegen der Wohltaten, die sie erweisen, wie wegen der Wohltaten, die sie empfangen. Wenn man alles richtig überlegt, so fällt es einem klugen Herrscher nicht schwer, die Herzen seiner Bürger während einer Belagerung zur Standhaftigkeit zu bewegen, wenn es nur nicht an Lebensmitteln und Waffen fehlt. XI. Kapitel
Von geistlichen Herrschaften Es bleibt uns jetzt nur noch übrig, von den geistlichen Herrschaften 122 zu reden. Bei diesen liegen alle Schwierigkeiten vor der Machtergreifung. Man gewinnt sie nämlich entweder durch persönliches Verdienst oder durch
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Glück, behauptet sie aber ohne beides; denn sie werden durch altüberlieferte, in der Religion wurzelnde Einrichtungen gestützt, die so stark und von solcher Art sind, daß sie den Herrscher an der Macht halten, wie immer dieser auch handeln und leben mag. Nur diese Art Herrscher haben Staaten und verteidigen sie nicht, sie haben Untertanen und regieren sie nicht. Obwohl ihre Staaten schutzlos sind, werden sie ihnen nicht geraubt; es berührt ihre Untertanen nicht, daß man sie nicht regiert; diese denken weder daran abzufallen noch können sie von ihnen abfallen. So ist allein diese Art Herrschaften sicher und glücklich. Doch da sie nach höheren Gesichtspunkten geleitet werden, an die der menschliche Verstand nicht heranreicht, unterlasse ich es, darüber zu sprechen. Da sie von Gott gegründet und beschützt werden, wäre es anmaßend und frivol, darüber zu urteilen. Würde ich trotzdem nach den Gründen gefragt, warum die Kirche in der irdischen Welt zu solcher Größe emporgestiegen ist und warum vor Alexander 123 die italienischen Machthaber, und zwar nicht nur die, die wirkliche Macht hatten 124, sondern jeder Baron und Herr, mochte er noch so unbedeutend sein, die Kirche bezüglich ihres weltlichen Einflusses geringschätzte, während jetzt ein König von Frankreich 125 vor ihr zittert, und warum sie diesen aus Italien vertreiben 126 und die Venezianer 126 vernichten konnten, so scheint es mir doch nicht überflüssig, diese Dinge, obwohl sie noch bekannt sind, in großen Zügen ins Gedächtnis zurückzurufen. Bevor Karl 127, König von Frankreich, in Italien einfiel, stand dieses Land unter der Herrschaft des Papstes, der Venezianer, des Königs von Neapel, des Herzogs von Mailand und der Florentiner. Ihre Regierungen hatten zwei Hauptsorgen: einmal, daß kein Fremder mit einem Heer in Italien einfällt, und ferner, daß keiner von ihnen seine Macht vermehrt. Besondere Sorge machten ihnen
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der Papst und die Venezianer 128. Um die Venezianer in Schranken zu halten, mußten sich alle anderen verbünden, wie es bei der Verteidigung von Ferrara 129 geschah; und um den Papst niederzuhalten, bediente man sich der römischen Barone. Sie waren in zwei Parteien, die Orsini und Colonna, gespalten; es gab daher zwischen ihnen immer Grund zu Streitigkeiten. Da sie unter den Augen des Papstes ständig bewaffnet einander gegenüberstanden, hielten sie die päpstliche Herrschaft in Schwäche und Ohnmacht. Wenn auch manchmal ein entschlossener Mann, wie Sixtus 130, Papst wurde, so konnten ihn doch weder Glück noch Klugheit von diesen Mißhelligkeiten befreien. Schuld daran war auch die Kürze des Lebens des einzelnen Papstes; denn in den zehn Jahren, die ein Papst durchschnittlich 131 noch lebte, hatte er Mühe, mit einer der beiden Parteien fertig zu werden: und wenn beispielsweise der eine Papst die Colonna fast völlig unschädlich gemacht hatte, so ließ der andere Papst, der ein Feind der Orsini war, sie wieder hochkommen, und um die Orsini zu vernichten, war keine Zeit. Dies war der Grund, warum die päpstliche Macht in Italien wenig geachtet war. Dann kam Alexander VI. 132 auf den päpstlichen Stuhl, der als einziger von seinen Vorgängern zeigte, welche Macht ein Papst mit Geld und Truppen erreichen konnte; mit Hilfe des Herzogs Valentino 133 führte er anläßlich des Einfalls der Franzosen in Italien 134 alles das durch, was ich oben bei Betrachtung der Aktionen des Herzogs berichtet habe. Wenn es auch nur seine Absicht war, den Herzog und nicht die Kirche groß zu machen, kam doch alles, was er tat, der Macht der Kirche zugute, die nach seinem Tod und nach dem Untergang des Herzogs 135 Erbin seiner Anstrengungen wurde. Dann folgte Papst Julius 136; er fand die Kirche mächtig vor. Sie besaß die ganze Romagna, die römischen Barone waren unschäd-
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lich gemacht und ihre Parteien durch die Verfolgungen und Ausplünderungen Alexanders erledigt. Außerdem stand der Weg zur Erschließung neuer Geldquellen 137 offen, die vor Alexander nicht üblich waren. Diese Politik setzte Julius nicht bloß fort, er baute sie noch weiter aus; er hatte nämlich die Absicht, Bologna zu gewinnen 138, die Venezianer zu vernichten 139 und die Franzosen aus Italien zu vertreiben 140. Alle diese Unternehmungen glückten ihm. Sie gereichten ihm zu um so größerem Ruhm, als er dies alles nur tat, um die Macht der Kirche zu mehren und nicht die irgendeines Privatmannes. Die Parteien der Orsini und Colonna hielt er in denselben Schranken, wie er sie vorfand. Wenn es unter ihnen auch manchen Anlaß zu Streitigkeiten geben mochte, so hielten sie doch aus zwei Gründen Ruhe: einmal war es die Macht der Kirche, die sie schreckte, und zum anderen war es die Tatsache, daß der Papst aus ihren Familien keine Kardinäle hatte, die die eigentliche Ursache der Streitigkeiten untereinander waren. Nie werden diese Parteien Ruhe halten, solange sie Kardinäle in ihren Reihen haben; denn diese schüren in- und außerhalb Roms die Parteispaltungen, und die Barone werden genötigt, ihre Parteien zu schützen. Daher ist der Ehrgeiz der Prälaten die Quelle der Zwietracht und der Streitigkeiten unter den Baronen. So fand Seine Heiligkeit, Papst Leo 141, das Pontifikat in höchster Machtfülle vor. Und wenn seine Vorgänger es durch Waffengewalt groß gemacht haben, so erhofft man von ihm, daß er es durch seine Güte und seine zahlreichen anderen hervorragenden Eigenschaften besonders mächtig und verehrungswürdig machen werde.
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XII. Kapitel
Von den Möglichkeiten der Heeres-Organisation und von Söldnern Nachdem ich alle Eigenschaften jener Herrschaften, über die zu sprechen ich mir eingangs vornahm 142, im einzelnen dargestellt sowie einigermaßen auch die Ursachen ihres Aufstieges und Niederganges behandelt und auch die Mittel aufgezeigt habe, mit denen so mancher Herrscher sie zu erobern und zu behaupten gesucht hat, bleibt mir nur noch übrig, ganz allgemein über Angriff und Verteidigung, in die jeder Herrscher einmal geraten kann, zu sprechen. Wir haben oben darauf hingewiesen, daß ein Staat gute Grundlagen haben muß; sonst geht er rettungslos zugrunde. Die wichtigsten Grundlagen, die alle Staaten haben müssen, sowohl die neugegründeten, als auch die altererbten oder die aus beiden Arten gemischten Staaten, sind gute Gesetze und ein gutes Heer 143. Da es aber keine guten Gesetze geben kann, wo ein gutes Heer fehlt, und da dort, wo das Heer gut ist, auch die Gesetze gut sein müssen, will ich auf die Gesetze nicht weiter eingehen und nur vom Heerwesen sprechen. Ich stelle also fest, daß das Heer, mit dem ein Herrscher seinen Staat verteidigt, entweder aus Landeskindern oder aus Söldnern, aus Hilfstruppen oder aus beiden zusammen 144 besteht. Söldner und Hilfstruppen nützen nichts und sind gefährlich. Ein Herrscher, der sich auf Söldner stützt, wird niemals auf festem Boden stehen und sicher sein; denn Söldner sind uneinig, machtgierig, ohne Disziplin und treulos, überheblich gegenüber den Freunden, feig vor dem Feind, ohne Furcht vor Gott, ohne Redlichkeit gegen die Menschen. Man schiebt seinen Untergang nur so lange hinaus, als man den Angriff hinaus-
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schiebt 145. Im Frieden wird das Land von ihnen ausgeplündert, im Krieg vom Feind. Der Grund hierfür ist der, daß sie sich durch nichts gebunden fühlen und kein anderes Motiv sie im Feld hält als das bißchen Sold, der nicht ausreicht, um sie gerne für dich sterben zu lassen. Sie wollen wohl deine Soldaten sein, solange du keinen Krieg führst; doch wenn wirklich Krieg kommt, so werden sie fahnenflüchtig oder ziehen ab. Dies zu beweisen, dürfte nicht viel Mühe machen; denn der gegenwärtige Verfall Italiens hat keine andere Ursache, als daß es sich seit vielen Jahren auf Söldner verlassen hat. Sie erkämpften zwar für den einen oder anderen Staat einen Erfolg und schienen tapfer zu sein, solange sie unter sich waren. Als aber fremde Heere 146 kamen, zeigten sie ihren wirklichen Wert. Daher konnte König Karl von Frankreich Italien mit der Kreide in der Hand erobern 147. Wenn jemand gesagt hat, daß unsere Sünden daran schuld gewesen wären, so hat er die Wahrheit gesagt 148; nur waren es nicht die Sünden, die er meinte, sondern die, die ich aufgezählt habe. Da es die Sünden der Regierenden waren, haben sie auch dafür büßen müssen. Ich will noch eingehender das Unheil schildern, das von dieser Art Truppe kommt. Söldnerführer sind entweder hervorragende Fachleute des Kriegshandwerks oder sie sind es nicht: im ersteren Fall kannst du dich nicht auf sie verlassen; denn sie streben immer nur danach, ihre eigene Macht zu vergrößern, und setzen entweder dich, ihren Herrn, oder Fremde gegen deinen Willen unter Druck. Ist aber ein Söldnerführer nicht tüchtig, so richtet er dich auf dem gewöhnlichen Weg zugrunde. Wendet man dagegen ein, daß jeder, der über Truppen verfügt, so handeln wird, gleichgültig, ob er Söldner ist oder nicht, so möchte ich erwidern, daß es darauf ankommt, ob sich ein Alleinherrscher oder ein Freistaat der
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Truppe bedient. Der Alleinherrscher muß persönlich ins Feld ziehen und sein eigener Feldherr sein. Ein Freistaat soll einen seiner Bürger damit beauftragen. Und wenn sich der Beauftragte nicht als erfolgreich erweist, so soll er ihn absetzen; ist er dagegen erfolgreich, so soll er ihn durch Gesetze entsprechend in Schranken halten, damit er seine Kompetenzen nicht überschreitet. Die Erfahrung beweist, daß Alleinherrscher und Freistaaten mit eigenen Truppen hervorragende Erfolge erzielen, während Söldnerheere stets nur Schaden anrichten. Ferner gerät ein Freistaat, der eigene Truppen besitzt, viel schwerer unter die Botmäßigkeit eines seiner Bürger als ein Freistaat, der sich fremder Truppen bedient. So blieben Rom und Sparta viele Jahrhunderte durch ihre Heere frei. Und die Schweizer 149 sind ganz besonders wehrhaft und genießen die größten Freiheiten. Ein Beispiel für das Söldnerwesen im Altertum liefern die Karthager 150; sie hätten nach dem ersten Krieg mit den Römern durch ihre eigenen Söldner fast ihre Freiheit verloren, obwohl sie zu deren Führern ihre eigenen Mitbürger bestellt hatten. Philipp von Macedonien 151 wurde nach dem Tod des Epaminondas 152 von den Thebanern zum Führer ihrer Truppen ernannt, und nach dem Sieg raubte er ihnen die Freiheit. Die Mailänder nahmen nach dem Tod des Herzogs Philipp 153 den Francesco Sforza 154 gegen die Venezianer in Sold; nachdem dieser die Feinde bei Caravaggio 155 besiegt hatte, verband er sich mit ihnen, um die Mailänder, seine Herren, zu unterwerfen. Sein Vater Sforza 156/157, der im Dienst der Königin Johanna von Neapel stand, ließ diese von heute auf morgen wehrlos zurück. Um ihr Reich nicht zu verlieren, sah sie sich gezwungen, sich dem König von Aragon 158 auszuliefern. Und wenn die Venezianer und Florentiner bisher mit Hilfe von Söldnertruppen ihre Macht vergrößert haben und ihre Feldherren sich trotzdem nicht zu Herrschern
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aufgeworfen, sondern sie verteidigt haben, so erwidere ich darauf, daß die Florentiner hierbei vom Zufall begünstigt worden sind; denn einige ihrer tüchtigen Feldherren, die sie zu fürchten gehabt hätten, haben keine Siege davongetragen, andere haben Widerstand gefunden und wieder andere haben ihrem Ehrgeiz ein anderes Ziel gesetzt. Nicht gesiegt hat Johann Aucut 159, dessen Loyalität man deshalb nicht auf die Probe stellen konnte. Jeder wird zugeben, daß die Florentiner im Falle seines Sieges in seiner Gewalt gewesen waren. Sforza hatte immer den Anhang des Braccio 160 zum Gegner; so bewachte einer den andern. Francesco hatte sich zum Ziel seines Ehrgeizes die Lombardei ausersehen, Braccio die Kirche und das Königreich Neapel. Doch wenden wir uns einem Ereignis der jüngsten Vergangenheit zu. Die Florentiner machten Paolo Vitelli 161 zu ihrem Feldherrn, einen außerordentlich begabten Mann, der es aus einfachen Verhältnissen zu höchsten Ehren gebracht hatte. Wenn dieser Pisa erobert hätte, so wird niemand leugnen, daß die Florentiner seine Herrschaft hätten ertragen müssen; denn wäre er in den Dienst der Feinde getreten, so wären sie verloren gewesen; wenn sie ihn aber behalten hätten, so hätten sie ihm gehorchen müssen. Betrachtet man die Erfolge der Venezianer, so sieht man, daß sie so lange erfolgreich und ruhmvoll operiert haben, als sie die Kriege mit eigenen Streitkräften führten (dies war der Fall, ehe sie ihre Angriffe auf das Festland 162 richteten). Damals kämpften sie mit ihrem Adel und dem bewaffneten Volk außerordentlich tapfer. Doch als sie auf dem Festland Krieg zu führen begannen, gaben sie diese treffliche Übung auf und folgten der italienischen Kriegsgepflogenheit 163. In der ersten Zeit ihrer Eroberungen auf dem Festland hatten sie nicht viel von ihren Söldnerführern zu fürchten, weil ihr Besitz dort noch
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klein und ihr Ansehen und ihre Macht groß waren 164. Als sie sich aber unter Carmagnola 165 weiter ausbreiteten, hatten sie ihren Fehler zu spüren. Sie erkannten dessen ungewöhnliche Tüchtigkeit – hatten sie doch unter seiner Führung den Herzog von Mailand geschlagen 166 – andererseits merkten sie, wie sein Kampfeifer nachließ. So kamen sie zu der Überzeugung, daß sie mit ihm keine Siege mehr erringen konnten, weil diese nicht in seiner Absicht lagen, und daß sie ihn auch nicht entlassen konnten, weil sie sonst ihre Eroberungen wieder verlieren würden. Um sich vor ihm zu sichern, sahen sie sich daher genötigt, ihn umzubringen. Dann wählten sie zu ihren Söldnerführern Bartolomeo von Bergamo 187, Ruberto von San Severino 168, den Grafen von Pitigliano 169 und andere; bei diesen hatten sie nur Verluste und keine Erfolge zu fürchten. So geschah es dann auch bei Vailà 170, wo sie an einem Tag verloren, was sie in 800 Jahren unter sehr großen Anstrengungen erobert hatten. Denn allein die Söldnertruppen sind die Ursache, wenn Eroberungen zögernd, verspätet und schwächlich vor sich gehen, Verluste jedoch jäh und unerhört 171 eintreten. Da ich mit diesen Beispielen nach Italien geraten bin, wo seit vielen Jahren das Söldnerwesen zu Hause ist, möchte ich das Problem von seinen Anfängen an behandeln, damit man seinen Ursprung und seine Entwicklung kennenlernt und auf diese Weise eher die Mittel zu seiner Abschaffung findet. Man muß sich darüber im klaren sein, daß Italien in viele Staaten zerfiel, kurz nachdem vor nicht allzulanger Zeit die Herrschaft des deutschen Kaisers 172 in Italien zu schwanken begann und der Papst zu größerer weltlicher Macht kam. Viele reiche Städte ergriffen die Waffen gegen ihren Adel, der, zunächst vom Kaiser unterstützt, sie unterdrückt hatte. Und die Kirche begünstigte sie dabei, um ihrer weltlichen Macht Ansehen zu verschaffen.
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In vielen anderen Städten warfen sich Bürger zu Alleinherrschern auf. So war Italien fast ganz in die Hand der Kirche und einiger Freistaaten geraten. Da die Priester und die zu Machthabern gewordenen Bürger vom Kriegshandwerk gewöhnlich nichts verstanden, begannen sie Fremde anzuwerben. Der erste, der dieser Truppe Ansehen verschaffte, war Alberigo von Cunio aus der Romagna 173. Aus seiner Schule gingen u. a. Braccio und Sforza 174 hervor, die zu ihrer Zeit die Schiedsrichter Italiens waren. Nach diesen kamen die vielen anderen, die bis in unsere Tage hinein Söldnerheere geführt haben. Das Resultat ihrer ganzen Tüchtigkeit bestand darin, daß Italien von Karl überrannt 175, von Ludwig ausgeplündert 176, von Ferdinand bezwungen 177 und von den Schweizern in ihrer Ehre herabgesetzt 178 wurde. Die Politik, die sie machten, bestand zunächst darin, daß sie, um ihren eigenen Leuten Achtung zu verschaffen, den guten Ruf des Fußvolkes zerstörten 179. Sie taten dies, weil sie sich, ohne politische Macht und nur auf ihr Waffenhandwerk angewiesen, mit ein paar Infanteristen kein Ansehen erwerben, aber eine größere Anzahl nicht ernähren konnten. Daher beschränkten sie sich darauf, nurmehr Reiterei zu halten, mit der sie auch bei einer geringeren Zahl Unterhalt und Ehre fanden. So war es dazu gekommen, daß sich in einem Heer von 20 000 Mann keine 2 000 Infanteristen befanden. Überdies hatten sie viel Fleiß darauf verwendet, sich und ihren Soldaten Mühe und Angst zu ersparen, indem sie sich im Handgemenge gegenseitig nicht töteten, sondern sich gefangennehmen ließen und ohne Lösegeld wieder freigaben. Nachts machten sie keine Angriffe auf belagerte Städte, und die Belagerten machten keine Ausfälle 180; sie befestigten das Lager weder mit Pfählen noch mit Gräben. Im Winter kämpften sie überhaupt nicht 181. Alles das war nach ihren Kriegsregeln erlaubt und von ihnen ausge-
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dacht, um Anstrengungen und Gefahren, wie ich schon sagte, zu vermeiden. So haben sie über Italien Knechtschaft und Schande gebracht. XIII. Kapitel
Über Hilfstruppen, gemischte Verbände und Volksheere Von Hilfstruppen, der zweiten Art unbrauchbarer Truppen, spricht man, wenn man eine andere Macht herbeiruft, damit sie dir mit ihren Streitkräften zu Hilfe kommt und dich verteidigt. So machte es in jüngster Zeit Papst Julius, der nach der traurigen Erfahrung mit seinen Söldnern beim Unternehmen gegen Ferrara nunmehr zu Hilfstruppen seine Zuflucht nahm 182. Er schloß mit König Ferdinand von Spanien einen Vertrag, wonach ihn dieser mit seinen Leuten und Streitkräften unterstützen sollte 183. Solche Hilfstruppen können brauchbar und tüchtig sein zugunsten dessen, der sie zur Verfügung stellt, doch für den, der sie ruft, sind sie fast immer unheilvoll 184; denn werden sie geschlagen, so bist du verloren; siegen sie, so bist du ihr Gefangener. Obwohl die Geschichte des Altertums eine Menge Beispiele hierfür bietet, möchte ich doch vom Beispiel des Papstes Julius II. nicht abgehen, das noch frisch im Gedächtnis ist. Seinem Entschluß fehlte jede Überlegung; denn um Ferrara zu bekommen, stürzte er sich förmlich in die Hand einer fremden Macht 185. Doch sein guter Stern verhalf ihm zu einer dritten Möglichkeit, so daß er die Früchte seiner verkehrten Entscheidung nicht zu ernten brauchte; denn nachdem seine Hilfstruppen bei Ravenna 186 aufgerieben worden waren, griffen die Schweizer ein 187 und verjagten die Sieger, entgegen der allgemeinen Meinung, die er selber und alle anderen vertreten hatten. So kam es, daß er nicht der Gefangene seiner Feinde wurde,
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da diese ja in die Flucht geschlagen wurden, aber auch nicht der Gefangene seiner Hilfstruppen, da er ja mit anderen Truppen und nicht mit diesen gesiegt hatte. Die Florentiner, die ohne alle Truppen waren, führten 10 000 Franzosen gegen Pisa, um es zu erobern. Durch diesen Entschluß gerieten sie in größere Gefahr als je in der ganzen Zeit ihres Kampfes 188. Der Kaiser von Konstantinopel 189 schickte, um sich seiner Nachbarn zu erwehren, 10 000 Türken nach Griechenland. Diese wollten nach Beendigung des Krieges nicht wieder abziehen. Das war der Anfang der Versklavung Griechenlands durch die Ungläubigen. Wer also die Möglichkeit des Sieges verspielen will, der verwende Hilfstruppen; denn sie sind viel gefährlicher als Söldner. Durch sie ist der Untergang sicher; denn sie sind untereinander einig und stehen allemal unter dem Kommando anderer. Söldnertruppen dagegen brauchen im Falle des Sieges viel Zeit und eine gute Gelegenheit, um gegen dich vorzugehen, da sie keine geschlossene Einheit bilden und von dir angeworben und besoldet sind. Auch kann ein Dritter, den du zu ihrem Führer bestellst, nicht gleich so viel Einfluß gewinnen, um dir zu schaden. Kurz und gut, bei Söldnern ist ihre Feigheit gefährlicher, bei Hilfstruppen ihre Tüchtigkeit. – Daher will ein kluger Herrscher mit dieser Art Truppen nichts zu tun haben und immer nur eigene verwenden. Er zieht es vor, lieber mit seinen eigenen Truppen zu verlieren, als mit fremden zu siegen, in der Erkenntnis, daß der Sieg mit fremden Truppen nie ein wahrer Sieg ist. Ich trage nie Bedenken, Cesare Borgia 190 und seine Aktionen abzuführen. Der Herzog fiel in die Romagna mit Hilfstruppen ein. Es waren lauter Franzosen, mit denen er Imola und Forli 191 eroberte. Da ihm aber diese Truppen wenig zuverlässig dünkten, ersetzte er sie durch Söldner, die er für weniger gefährlich hielt; er warb die
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Orsini und Vitelli an. Als er auch diese beim Einsatz unzuverlässig, treulos und gefährlich fand, löste er sie auf und ersetzte sie durch eigene Truppen. Man kann den Unterschied zwischen beiden Arten von Streitkräften leicht erkennen, wenn man den Unterschied im Ansehen des Herzogs in Betracht zieht, als er allein auf die Franzosen und dann auf die Orsini und Vitelli angewiesen war, und später, als er über eigene Soldaten verfügte und sich auf die eigene Kraft stützte. Man wird finden, daß sein Ansehen stets wuchs; er war nicht eher wirklich geachtet, als bis jeder merkte, daß er völlig Herr seines Heeres war. Ich wollte an sich nur italienische Beispiele aus der jüngsten Zeit bringen; trotzdem möchte ich auf Hieron von Syrakus 192 zurückkommen, da ich ihn schon oben erwähnt habe. Als dieser, wie ich schon sagte, von den Syrakusanern zum Heerführer ernannt worden war, erkannte er sofort 193, daß das Söldnerheer unbrauchbar war; denn es wurde von Condottieri, ähnlich unseren italienischen Condottieri, geführt; da er diese nach seiner Meinung weder behalten noch entlassen konnte, ließ er sie alle in Stücke hauen. Danach führte er Krieg mit seinen eigenen Truppen, and nicht mit fremden. Ich will noch eine Gestalt des Alten Testamentes in Erinnerung bringen, die hier angebracht ist. Als David 194 sich dem Saul anbot, mit Goliath, einem Philister 195, der die Israeliten herausgefordert hatte, zu kämpfen, stellte ihm Saul, um ihm Mut zu machen, seine eigenen Waffen zur Verfügung. David legte sie an, wies sie aber mit den Worten zurück, daß er sich mit diesen nicht auf seine eigene Kraft verlassen könne, er wolle dem Feind nur mit seiner Schleuder und seinem Messer entgegengehen. Schließlich ist eine fremde Rüstung immer entweder zu weit, zu schwer oder zu klein 196. Nachdem Karl VII. 197, der Vater Ludwigs XI., durch Glück und Tüchtigkeit Frankreich von den Engländern
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befreit hatte, erkannte er die Notwendigkeit, ein eigenes Heer zu schaffen, und ordnete in seinem Reich die Aushebung zu den Gens d’Armes und zur Infanterie an. Später löste sein Sohn Ludwig XI. 198 die Infanterie wieder auf und begann Schweizer anzuwerben. Dieser Fehler, den seine Nachfolger fortsetzten 199, ist, wie man jetzt deutlich sieht 200, die Ursache der Gefahren, die Frankreich bedrohen; denn dadurch, daß er den Schweizern zu Ansehen verhalf, setzte er sein eigenes Heer herab. Die Infanterie hatte er völlig aufgelöst und so seine Reiterei in die Abhängigkeit von fremden Truppen gebracht; diese hatte sich nämlich daran gewöhnt, zusammen mit den Schweizern zu kämpfen, und waren nun der Meinung, ohne diese nicht mehr siegen zu können. So kommt es, daß die Franzosen den Schweizern nicht mehr gewachsen sind und ohne die Schweizer im Kampf gegen andere nichts ausrichten. Das französische Heer ist also gemischt, nämlich teils aus Söldnern, teils aus Einheimischen. Diese beiden zusammen sind viel besser als nur Hilfstruppen und nur Söldner, aber viel schlechter als ein Volksheer. Das angegebene Beispiel möge genügen; denn das Königreich Frankreich wäre unüberwindlich, wenn die Heeresorganisation Karls VII. vervollkommnet oder erhalten worden wäre. Aber die Menschen beginnen in ihrer Kurzsichtigkeit eine Sache, weil sie ihnen für den Augenblick Gutes verspricht und weil sie das Gift nicht bemerken, das darin verborgen ist. Im Hinblick darauf habe ich bereits oben den Vergleich mit der Schwindsucht gemacht. Wer deshalb in einem Staatswesen die Übel nicht schon in ihren Anfängen erkennt, ist nicht wirklich klug; aber dies ist nur wenigen gegeben. Wenn man den Ursachen des Verfalls des Römischen Reiches nachgeht, so wird man finden, daß dieser mit der Anwerbung gotischer Truppen begonnen hat 201; denn von dieser Zeit an be-
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gann die Kraft des Römischen Reiches zu erschlaffen, und alle Tüchtigkeit, die die Römer verloren, ging auf die Goten über. Daraus ziehe ich die Schlußfolgerung, daß ein Staat ohne eigenes Heer nicht gesichert ist, sondern vielmehr völlig vom Glück abhängt, da er ja keine Macht hat, die im Unglück treu zu ihm steht und ihn schützen könnte. Es war immer Meinung und Urteil kluger Männer: »quod nihil sit tam infirmum aut instabile, quam fama potentiae non sua vi nixa« 202. Ein eigenes Heer ist ein solches, das aus Untertanen oder Bürgern oder aus Leuten besteht, die vom Herrscher abhängig sind; jedes andere Heer ist ein Söldnerheer oder eine Hilfstruppe. Ein eigenes Heer aufzustellen ist nicht schwer, wenn man sich die Maßnahmen der von mir oben erwähnten Herrscher 203 zum Beispiel nimmt und auch beachtet, auf welche Weise sich Philipp 204, der Vater Alexanders des Großen, und viele Freistaaten und Herrscher Heere geschaffen haben. Auf deren Methoden berufe ich mich im wesentlichen. XIV. Kapitel
Wie sich ein Herrscher zum Heerwesen zu verhalten hat Ein Herrscher soll also kein anderes Ziel, keinen anderen Gedanken haben und sich keiner anderen Kunst widmen als der Kriegskunst, ihren Regeln sowie der militärischen Disziplin; denn dies ist die einzige Kunst, deren Beherrschung man von dem erwartet, der die Befehlsgewalt hat. Sie hat eine solche Wirkung, daß sie nicht nur Fürsten von Geburt auf ihrem Thron erhält, sondern oft auch Männer aus einfachen Verhältnissen zu solcher Würde erhebt. Umgekehrt aber macht man die Erfahrung, daß Herrscher, die mehr auf Vergnügungen als auf das Kriegshandwerk bedacht waren, ihre Herrschaft ver-
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loren haben. Die erste Ursache zu deren Verlust ist die Vernachlässigung der Kriegskunst und das beste Mittel zu deren Erwerb ist die Hingabe an die Kriegskunst. Francesco Sforza 205 stieg vom Privatmann zum Herzog von Mailand nur deshalb empor, weil er sich aufs Kriegshandwerk verstand. Seine Nachkommen 206 wurden aus Herzögen zu einfachen Privatleuten, weil sie die Strapazen des Waffenhandwerks scheuten. Zu den anderen Nachteilen, die das Nicht-gerüstet-Sein mit sich bringt, kommt noch, daß du deshalb verachtet wirst; dies aber ist ein Schimpf, vor dem sich ein Herrscher besonders hüten muß, wie ich später ausführen werde 207; denn zwischen einem Herrscher, der gerüstet ist, und einem nichtgerüsteten gibt es keinen Vergleich. Es widerstrebt auch der Vernunft, anzunehmen, daß ein Herrscher, der gerüstet ist, einem Waffenlosen gern gehorcht und der Unbewaffnete unter bewaffneten Mietlingen sicher ist 208. Da diese ihn verachten und er gegen sie Argwohn hegt, können sie unmöglich zusammenarbeiten. Ein Herrscher, der vom Kriegshandwerk nichts versteht, kann daher zu allem anderen Unglück, wie bereits erwähnt, weder die Achtung seiner Soldaten besitzen noch auf ihre Ergebenheit rechnen. Er darf deshalb nie den Gedanken an das Kriegshandwerk aufgeben, und zwar muß er sich im Frieden noch mehr damit befassen als im Krieg. Dies kann ei auf zweierlei Weise tun: einmal durch praktische Übungen und ferner durch theoretisches Studium. Was die praktischen Übungen anlangt, so soll er, außer daß er seine Soldaten in Zucht und ständiger Übung hält, stets auf die Jagd gehen, um dadurch seinen Körper abzuhärten und dabei auch die Beschaffenheit der Landschaft zu studieren, also um kennenzulernen, wie die Berge ansteigen, wie die Täler auslaufen, wie die Ebenen liegen und ferner um sich über die Beschaffenheit der Flüsse und Sümpfe zu unterrichten.
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Hierauf soll er die größte Sorgfalt verwenden. Diese Kenntnis ist in doppelter Hinsicht von Nutzen: einmal lernt er sein Land kennen und vermag sich dadurch besser über dessen Verteidigung zu unterrichten, ferner wird er sich dank der praktisch erworbenen Kenntnisse des heimischen Geländes in einer fremden Gegend, die er zu erkunden hat, leicht zurechtzufinden; denn die Hügel, Täler, Ebenen, Flüsse und Sümpfe beispielsweise in Toskana haben eine gewisse Ähnlichkeit mit denen in anderen Landschaften. Wer infolgedessen das Gelände in der einen Landschaft kennt, wird es leicht haben, sich in dem anderer Landschaften zurechtzufinden. Dem Herrscher, dem diese Erfahrung fehlt, mangelt die wichtigste Eigenschaft, die ein Feldherr haben muß; denn nur so lernt man den Feind auskundschaften, Lagerplätze aussuchen, die Marschrichtung bestimmen, das Schlachtfeld wählen, eine Festung belagern, und zwar so, wie es eben am vorteilhaftesten ist. Philopömen, der Führer der Achäer 209, wird von den alten Geschichtsschreibern 210 u. a. deshalb besonders gepriesen, weil er in Friedenszeiten stets an den Kriegsfall dachte. Wenn er mit seinen Freunden auf dem Land war, hielt er oft an und überlegte mit ihnen: wenn der Feind dort auf dem Hügel stünde und wir befänden uns mit unserem Heere hier, wer von uns wäre im Vorteil? Wie könnte man in geschlossener Front vorgehen und ihn angreifen? Wenn wir uns zurückziehen wollten, was hätten wir da zu tun? Wenn sich der Feind zurückgezogen hat, wie müßten wir ihn verfolgen? So legte er ihnen unterwegs alle Möglichkeiten vor, in die ein Heer geraten könnte. Er hörte ihre Meinungen an, legte seine eigenen dar und begründete sie entsprechend. Infolge dieser dauernden Überlegungen konnte ihm bei der Führung des Heeres kein Ereignis zustoßen, dem er nicht gewachsen gewesen wäre.
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Was das theoretische Studium betrifft, so muß sich ein Herrscher mit der Geschichte vertraut machen und hierbei die Taten bedeutender Männer studieren. Er muß sein Augenmerk darauf richten, wie sie sich im Krieg verhalten haben, er muß die Ursachen ihrer Siege und Niederlagen erforschen, um diese zu vermeiden und jene sich zum Vorbild zu nehmen. Vor allem muß er so handeln, wie so mancher bedeutende Mann der Vorzeit gehandelt hat, der sich einen gefeierten Helden zum Vorbild genommen und dessen Taten und Verhalten immer vor Augen gehabt hat. So sagt man, daß sich Alexander der Große 211 den Achilles, Cäsar 213 den Alexander und Scipio den Cyrus 213 zum Vorbild genommen haben. Wer das Leben des Cyrus bei Xenophon nachliest, wird in Scipios Leben finden, wieviel Ruhm ihm diese Nacheiferung eingebracht hat und wie sehr er sich in seiner Sittenstrenge, seiner Leutseligkeit, seiner Menschlichkeit und Freigebigkeit nach den Eigenschaften gerichtet hat, die Xenophon von Cyrus erzählt. In ähnlicher Weise soll ein kluger Herrscher verfahren und nie darf er im Frieden müßig sein; vielmehr soll er fleißig die Zeit ausnützen, um in widrigen Umständen fest zustehen, damit ihn das Schicksal, falls es sich wendet, zum Widerstand bereitfindet. XV. Kapitel
Weshalb die Menschen und vor allem die Herrscher gelobt und getadelt werden Es bleibt noch zu untersuchen, wie sich ein Herrscher gegen seine Untertanen und seine Freunde zu verhalten hat. Da es mir bewußt ist, daß schon viel darüber geschrieben wurde, fürchte ich, daß man mich für anmaßend hält, wenn auch ich darüber schreibe, zumal ich gerade bei der Erörterung dieses Stoffes von der üblichen
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Behandlungsweise abgehe. Da es aber meine Absicht ist, etwas Brauchbares für den zu schreiben, der Interesse dafür hat, schien es mir zweckmäßiger, dem wirklichen Wesen der Dinge nachzugehen als deren Phantasiebild. Viele haben sich Vorstellungen von Freistaaten und Alleinherrschaften gemacht, von denen man in Wirklichkeit weder etwas gesehen noch gehört hat; denn zwischen dem Leben, wie es ist, und dem Leben, wie es sein sollte, ist ein so gewaltiger Unterschied, daß derjenige, der nur darauf sieht, was geschehen sollte, und nicht darauf, was in Wirklichkeit geschieht, seine Existenz viel eher ruiniert als erhält. Ein Mensch, der immer nur das Gute möchte, wird zwangsläufig zugrunde gehen inmitten von so vielen Menschen, die nicht gut sind. Daher muß sich ein Herrscher, wenn er sich behaupten will, zu der Fähigkeit erziehen, nicht allein nach moralischen Gesetzen zu handeln sowie von diesen Gebrauch oder nicht Gebrauch zu machen 214, je nachdem es die Notwendigkeit erfordert. Ich lasse also alles beiseite, was über Herrscher zusammenphantasiert wurde, und spreche nur von der Wirklichkeit. Da ist zunächst zu sagen, daß allen Menschen und insbesondere regierenden Persönlichkeiten infolge ihres außerordentlichen Rangs bei Unterhaltungen über sie manche Eigenschaften zugesprochen werden, die ihnen Tadel oder Lob eintragen. Da wird der eine für freigebig gehalten, der andere für »filzig« (ich benütze hier einen toskanischen Ausdruck; denn »geizig« ist nach unserem Sprachgebrauch auch der, der aus Habgier nach Besitz trachtet, während wir »filzig« den nennen, der allzu wenig Gebrauch von seinem Besitz macht). Mancher gilt für freigebig, mancher für habgierig, der eine für grausam, der andere für weichherzig, der für wortbrüchig, jener für treu; den einen heißt man weibisch und feig, den anderen kraftvoll und mutig, freundlich heißt der eine, hochfahrend der andere; der gilt als ausschwei-
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fend, jener als keusch; der eine als aufrichtig, der andere als verschlagen; der als hartherzig, jener als nachgiebig; dieser als schwerblütig, jener als leichtsinnig; der eine als fromm, der andere als ungläubig usw. Ich bin mir wohl bewußt, daß es nach aller Meinung das Löblichste wäre, wenn ein Herrscher von all den aufgezählten Eigenschaften nur die besäße, die für gut gelten. Da es nun einmal unmöglich ist, sie alle zu besitzen oder sie alle miteinander zu beachten, und zwar wegen der menschlichen Anlage, die dies nun einmal nicht zuläßt, muß ein Herrscher so klug sein, den schlechten Ruf jener Laster zu meiden, die ihn um die Macht bringen können; und auch vor den Lastern, die seine Macht nicht in Gefahr bringen, soll er sich, wenn irgend möglich, hüten. Ist er jedoch nicht dazu imstande, so kann er sich hierin mit einiger Vorsicht gehen lassen. Es braucht ihn auch nicht zu berühren, den schlechten Ruf jener Laster auf sich zu nehmen, ohne die er sich nur schwer an der Macht halten kann; denn wenn man alles genau betrachtet, so wird man finden, daß manches, was als Tugend gilt, zum Untergang führt, und daß manches andere, das als Laster gilt, Sicherheit und Wohlstand bringt. XVI. Kapitel
Über Freigebigkeit und Sparsamkeit Ich mache also mit den ersten der oben genannten Eigenschaften den Anfang und sage, wie gut es wäre, für freigebig gehalten zu werden. Doch Freigebigkeit, die so gehandhabt wird, daß sie auffällt, schadet dir 215. Wird sie aber vernünftig und maßvoll ausgeübt, wie man sie eben ausüben sollte, dann bleibt sie unbekannt und schützt dich nicht vor dem Vorwurf des Geizes. Will man also bei den Menschen den Ruf der Freigebigkeit
von der freigebigkeit und sparsamkeit
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behaupten, so darf man keine Art Aufwand und Prachtentfaltung scheuen. Ein Herrscher, der so handelt, wird für solche Zwecke stets sein ganzes Vermögen vergeuden; er wird schließlich, wenn er weiterhin im Ruf der Freigebigkeit stehen möchte, genötigt sein, das Volk mit außerordentlichen Abgaben zu belasten, Steuern einzutreiben und alles nur Mögliche zu tun, um sich Geld zu verschaffen. So fängt er an, sich bei seinen Untertanen verhaßt zu machen und infolge seiner Armut von allen gering geschätzt zu werden. Da er mit dieser Art Freigebigkeit viele vor den Kopf gestoßen und nur wenigen Vorteil gebracht hat, wird er beim geringsten Anlaß Schwierigkeiten haben und bei der ersten besten Gefahr seine Herrschaft verlieren. Wenn er dies merkt und eine Änderung eintreten lassen will, so zieht er sich sofort den Vorwurf der Knauserigkeit zu. Da also ein Herrscher die Tugend der Freigebigkeit ohne eigenen Schaden nicht in der Weise ausüben kann, daß sie allgemein bekannt wird, darf er, wenn er klug ist, den Ruf der Knauserigkeit nicht scheuen. Denn der Ruf seiner Freigebigkeit wird im Laufe der Zeit immer mehr wachsen, wenn man sieht, daß er infolge seiner Sparsamkeit mit seinen Einkünften auskommt, daß er sich gegen den, der Krieg gegen ihn führt, verteidigen und selber Unternehmungen durchführen kann, ohne das Volk zu belasten. So kommt er in den Ruf der Freigebigkeit bei allen denen, denen er nichts nimmt – und das sind Unzählige – und in den Ruf der Knauserigkeit bei allen denen, denen er nichts gibt – und das sind nur wenige. In unserer Zeit haben wir die Ausführung bedeutender Unternehmungen nur durch solche Männer erlebt, die für knauserig galten; die anderen sind zugrunde gegangen. Papst Julius II. 216 machte sich den Ruf der Freigebigkeit zunutze, um auf den päpstlichen Stuhl zu kommen. Später dachte er nicht mehr daran, diesen Ruf zu pflegen,
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um Krieg führen zu können. Der derzeitige König von Frankreich 217 hat viele Kriege geführt, ohne seine Untertanen mit außerordentlichen Abgaben zu belasten; denn alle Kosten hierfür hat er durch seine vieljährige Sparsamkeit aufgebracht. Der jetzige König von Spanien 218 hätte nicht so viele Feldzüge siegreich durchführen können, wenn er den Ruf der Freigebigkeit angestrebt hätte. Der Ruf der Knauserigkeit soll daher einen Herrscher wenig kümmern. Die Hauptsache ist, daß er seine Untertanen nicht auszuplündern braucht, daß er sich verteidigen kann, daß er nicht in Armut gerät und dadurch verächtlich wird und daß er nicht gezwungen wird, raubgierig zu werden. Knauserigkeit ist jedenfalls eine Untugend, die die Herrschaft erhält. Wenn mir jemand entgegenhalten würde, Cäsar 219 wäre durch seine Freigebigkeit zur Weltherrschaft gelangt und viele andere wären zu den höchsten Ämtern emporgestiegen, weil sie im Ruf der Freigebigkeit standen, so gebe ich folgendes zur Antwort: es kommt darauf an, ob man bereits die Macht hat oder ob man auf dem Weg dazu ist, sie zu erwerben. Im ersteren Fall ist Freigebigkeit schädlich; im zweiten Fall ist es wohl nötig, für freigebig gehalten zu werden. Cäsar gehörte zu denen, die die Herrschaft über Rom anstrebten. Wäre er nach Erreichung seines Zieles länger am Leben geblieben und hätte er seinen Aufwand nicht eingeschränkt, so hätte er seine Herrschaft zugrunde gerichtet. Würde jemand einwenden, daß es viele Herrscher gegeben hat, die mit ihren Heeren Bedeutendes geleistet und doch als außerordentlich freigebig gegolten haben, so gebe ich zur Antwort: es kommt darauf an, ob ein Herrscher seine Aufwendungen mit eigenen Mitteln und den Mitteln der eigenen Untertanen bestreitet oder aus dem Gut anderer Leute. Im ersten Fall muß er sparsam sein, im zweiten Fall darf er keine Gelegenheit zur Freigebigkeit vorübergehen lassen.
grausamkeit und milde; liebe oder furcht
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Der Herrscher, der im Feld mit seinen Truppen von Beute, Plünderungen und Kontributionen lebt, verfügt über fremdes Gut; er muß freigebig sein; sonst verweigern ihm seine Soldaten den Gehorsam. Was nicht dir oder deinen Untertanen gehört, kannst du viel großzügiger verschenken. So haben es Cyrus, Cäsar und Alexander gemacht; denn die Verschwendung fremden Gutes beeinträchtigt dein Ansehen nicht, es wird vielmehr dadurch erhöht. Nur die Verschwendung deines eigenen Gutes schadet dir. Nichts verzehrt sich selber so sehr wie die Freigebigkeit; indem du sie ausübst, schmälerst du gleichzeitig die Möglichkeit, sie auszuüben. Du wirst entweder arm und verachtet oder, um der Armut zu entgehen, raubgierig und verhaßt. Vor nichts muß sich ein Herrscher mehr in acht nehmen als vor Verachtung und Haß; Freigebigkeit aber führt zu beiden. Daher ist es klüger, im Ruf der Knauserigkeit zu stehen, die nur Schimpf, aber keinen Haß mit sich bringt, als im Rufe der Freigebigkeit stehen zu wollen und dadurch gezwungen zu sein, sich den Ruf der Raubgier zuzuziehen, der immer Schimpf und gleichzeitig Haß mit sich bringt.
XVII. Kapitel
Über Grausamkeit und Milde; und ob es besser ist, geliebt oder gefürchtet zu werden oder umgekehrt Ich möchte den vorgenannten Eigenschaften eines Herrschers 220 noch andere hinzufügen, indem ich bemerke, daß jeder Herrscher danach trachten sollte, im Ruf der Milde und nicht in dem der Grausamkeit zu stehen. Doch muß er darauf achten, daß er von der Milde keinen schlechten Gebrauch macht.
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Cesare Borgia galt als grausam. Trotzdem hat diese Grausamkeit die Romagna geordnet und geeinigt und ihr wieder Frieden und Ergebenheit [gegenüber dem Herrscher] gebracht 221. Wenn man alles genau betrachtet, wird man finden, daß er viel barmherziger war als das Volk von Florenz, das, um dem Ruf der Grausamkeit zu entgehen, die Zerstörung von Pistoja 222 zuließ. Ein Herrscher darf sich also um den Vorwurf der Grausamkeit nicht kümmern, wenn er dadurch seine Untertanen in Einigkeit und Ergebenheit halten kann. Statuiert er nämlich einige wenige abschreckende Beispiele, so ist er barmherziger als diejenigen, die infolge allzu großer Milde Unordnung einreißen lassen, aus der Mord und Plünderung entstehen. Diese treffen gewöhnlich die Allgemeinheit; Exekutionen, die vom Herrscher ausgehen, treffen nur einzelne. Unter allen Herrschern ist es einem neu zur Macht gekommenen unmöglich, den Ruf der Grausamkeit zu vermeiden, da eine neu gegründete Herrschaft voller Gefahren ist. Virgil sagt durch den Mund der Dido 223: Res dura, et regni novitas me talia cogunt Moliri, et late fines custode tueri 234. Doch darf ein Herrscher nicht leichtgläubig und beeinflußbar sein; er darf sich auch nicht vor vermeintlichen Gefahren fürchten. Vielmehr soll er maßvoll, klug und menschenfreundlich handeln, damit ihn allzu großes Vertrauen nicht unvorsichtig und allzu großes Mißtrauen nicht unerträglich machen. Daran schließt sich eine Streitfrage: ist es besser, geliebt als gefürchtet zu werden oder umgekehrt? Die Antwort lautet, daß man sowohl das eine als das andere sein sollte. Da es aber schwer ist, beides zu vereinigen, ist es viel sicherer, gefürchtet als geliebt zu sein, wenn man schon auf eines von beiden verzichten muß. Denn von den Menschen kann man im allgemeinen sagen, daß sie un-
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dankbar, wankelmütig, verlogen, heuchlerisch, ängstlich und raffgierig sind. Solange du ihnen Vorteile verschaffst, sind sie dir ergeben und bieten dir Blut, Habe, Leben und Söhne an, aber nur, wie ich oben schon sagte 225, wenn die Not ferne ist. Rückt sie aber näher, so empören sie sich. Ein Herrscher, der ganz auf ihre Versprechungen baut und sonst keine Vorkehrungen trifft, ist verloren; denn Freundschaften, die man nur mit Geld und nicht durch Großherzigkeit und edle Gesinnung gewinnt, erwirbt man zwar, doch man besitzt sie nicht und kann in Notzeiten nicht auf sie rechnen. Auch haben die Menschen weniger Scheu, gegen einen beliebten Herrscher vorzugehen als gegen einen gefürchteten; denn Liebe wird nur durch das Band der Dankbarkeit erhalten, das die Menschen infolge ihrer Schlechtigkeit bei jeder Gelegenheit aus Eigennutz zerreißen. Furcht dagegen beruht auf der Angst vor Strafe, die den Menschen nie verläßt. Trotzdem soll ein Herrscher nur insoweit gefürchtet sein, daß er, falls er schon keine Liebe erwirbt, doch nicht verhaßt ist; denn es kann sehr wohl vorkommen, daß man gefürchtet und doch nicht verhaßt ist. Einem Herrscher wird dies stets gelingen, wenn er sich nicht an der Habe und den Frauen seiner Mitbürger und Untertanen vergreift. Und wird er auch in die Notwendigkeit versetzt, jemandem das Leben zu nehmen, so mag er es tun, wenn er eine hinreichende Rechtfertigung und einen ersichtlichen Grund hierfür hat. Doch keinesfalls darf er das Eigentum anderer antasten; denn die Menschen vergessen rascher den Tod ihres Vaters als den Verlust ihres väterlichen Erbes. Abgesehen davon fehlt es nie an Gründen, sich fremdes Gut anzueignen. Und wer erst anfängt, von Raub zu leben, findet immer Anlaß, sich fremdes Gut anzueignen. Im Gegensatz hierzu sind die Gelegenheiten zum Blutvergießen seltener und häufig fehlen sie ganz.
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Befindet sich jedoch der Herrscher im Feld und hat eine Menge Soldaten unter seinem Kommando, dann darf er keinesfalls den Ruf der Grausamkeit scheuen; denn ohne einen solchen Ruf ist noch nie die Geschlossenheit und Schlagkraft eines Heeres aufrechterhalten worden. Zu den bewunderungswürdigen Leistungen Hannibals rechnet man es, daß in seinem riesigen Heer, das, aus zahllosen Rassen zusammengewürfelt, im fremden Land kämpfte 226, nie ein Streit ausbrach, weder unter den Soldaten noch mit dem Befehlshaber, weder in schlechten noch in guten Zeiten. Dies kam von nichts anderem als von seiner unmenschlichen Grausamkeit, die ihm in Verbindung mit seinen zahlreichen, außergewöhnlichen Eigenschaften in den Augen seiner Soldaten stets Bewunderung und Furcht verschaffte. Ohne diese Grausamkeit hätten seine anderen hervorragenden Eigenschaften nicht vermocht, eine solche Wirkung zu erzielen. Oberflächliche Schriftsteller bewundern einerseits diese seine Leistung und verdammen andererseits deren wichtigste Ursache 227. Daß tatsächlich alle anderen hervorragenden Eigenschaften Hannibals nicht ausgereicht hätten, kann man an Scipio 228 sehen, diesem nicht nur in seiner eigenen Zeit, sondern auch nach weltgeschichtlichem Urteil einzigartigen Mann. Gegen ihn empörten sich seine Truppen in Spanien. Dies hatte keine andere Ursache als seine allzu große Milde, die seinen Soldaten mehr Freiheit gelassen hatte, als sich mit der militärischen Zucht vertrug. Dieser Vorfall wurde im Senat von Fabius Maximus 229 getadelt, der ihn den Verderber des römischen Heeres nannte. Als die Locrer von einem Legaten Scipios 230 mißhandelt wurden, nahm er weder Rache für diese noch zog er den Legaten wegen dessen Anmaßung zur Rechenschaft, was alles eine Folge seiner nachgiebigen Natur war. Daher bemerkte einer, der ihn entschuldigen wollte, im Senat,
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es gäbe viele Menschen, die besser verstünden, selber keinen Fehler zu machen, als die Fehler anderer zu bestrafen 231. Diese Veranlagung hätte mit der Zeit dem Ruf und Ruhm Scipios schwer geschadet, wenn er den Oberbefehl noch länger in dieser Weise geführt hätte. Doch da er unter der Herrschaft des Senats lebte, zog diese schädliche Eigenschaft keine Folgen nach sich; sie gereichte ihm vielmehr zum Ruhme. Ich kehre also zum Thema »Liebe und Furcht« zurück und stelle abschließend fest: Da es vom Belieben der Menschen abhängt, ob sie Zuneigung empfinden, und vom Willen des Herrschers, ob sie Furcht empfinden, darf ein kluger Herrscher sich nur auf das verlassen, worüber er zu bestimmen hat, und nicht auf das, worüber andere bestimmen. Nur soll er bemüht sein, dem Haß zu entgehen, wie ich bereits erwähnte. XVIII. Kapitel
Inwieweit Herrscher ihr Wort halten sollen 232 Jeder sieht ein, wie lobenswert es für einen Herrscher ist, wenn er sein Wort hält und ehrlich, ohne Verschlagenheit seinen Weg geht 233. Trotzdem sagt uns die Erfahrung unserer Tage, daß gerade jene Herrscher Bedeutendes geleistet haben, die nur wenig von der Treue gehalten und es verstanden haben, mit Verschlagenheit die Köpfe der Menschen zu verdrehen 234; und schließlich haben sie über die die Oberhand gewonnen, die ihr Verhalten auf Ehrlichkeit gegründet haben. Ihr müßt euch nämlich darüber im klaren sein, daß es zweierlei Arten der Auseinandersetzung gibt: die mit Hilfe des Rechts und die mit Gewalt. Die erstere entspricht dem Menschen, die letztere den Tieren. Da die erstere oft nicht zum Ziele führt, ist es nötig, zur zweiten
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zu greifen. Deshalb muß ein Herrscher gut verstehen, die Natur des Tieres und des Menschen anzunehmen. Dies haben die Schriftsteller des Altertums den Herrschern mit versteckten Worten empfohlen, indem sie berichten, daß Achill und viele andere Herrscher der Vorzeit dem Chiron 235 zur Erziehung übergeben worden seien, der sie unter seiner Zucht halten sollte. Daß ein Herrscher ein Wesen halb Tier, halb Mensch zum Lehrer erhält, soll nichts anderes bedeuten, als daß es ein Herrscher verstehen muß, beide Naturen in sich zu vereinigen; denn die eine ohne die andere ist nicht von Bestand. Wenn sich also ein Herrscher gut darauf verstehen muß, die Natur des Tieres anzunehmen, soll er sich den Fuchs und den Löwen wählen; denn der Löwe ist wehrlos gegen Schlingen, der Fuchs ist wehrlos gegen Wölfe. Man muß also Fuchs sein, um die Schlingen zu wittern, und Löwe, um die Wölfe zu schrecken. Wer nur Löwe sein will, versteht seine Sache schlecht. Ein kluger Machthaber kann und darf daher sein Wort nicht halten, wenn ihm dies zum Schaden gereichen würde und wenn die Gründe weggefallen sind, die ihn zu seinem Versprechen veranlaßt haben. Wären die Menschen alle gut, so wäre dieser Vorschlag nicht gut; da sie aber schlecht sind und das gegebene Wort auch nicht halten würden, hast auch du keinen Anlaß, es ihnen gegenüber zu halten. Auch hat es einem Herrscher noch nie an rechtmäßigen Gründen gefehlt, seinen Wortbruch zu bemänteln. Man könnte hier zahllose Beispiele aus unserer Zeit anführen, wie viele Friedensschlüsse, wie viele Versprechungen infolge der Treulosigkeit der Herrscher nichtig und vergeblich geworden sind. Wer am besten Fuchs zu sein verstanden hat, ist am besten gefahren! Doch muß man sich darauf verstehen, die Fuchsnatur gut zu verbergen und Meister in der Heuchelei und Verstellung zu sein 236. Die Menschen sind ja so einfältig und gehorchen so leicht den Be-
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dürfnissen des Augenblicks, daß der, der betrügen will, immer einen findet, der sich betrügen läßt. Eines der Beispiele aus der jüngsten Zeit möchte ich nicht verschweigen: Alexander VI. tat und sann nichts anderes, als die Menschen zu hintergehen, und er fand auch immer Objekte, die sich hintergehen ließen 237. Es gab noch nie einen Menschen, der seine Beteuerungen wirkungsvoller vorgebracht, seine Versprechungen feierlicher beschworen und weniger gehalten hätte. Trotzdem gelangen ihm seine Betrügereien stets nach Wunsch; so gut kannte er die schwache Seite der Menschen. Ein Herrscher braucht also alle die vorgenannten guten Eigenschaften nicht in Wirklichkeit zu besitzen; doch muß er sich den Anschein geben, als ob er sie besäße 238. Ja, ich wage zu behaupten, daß sie schädlich sind, wenn man sie besitzt und stets von ihnen Gebrauch macht, und daß sie nützlich sind, wenn man sich nur den Anschein gibt, sie zu besitzen. So muß ein Herrscher milde, treu, menschlich, aufrichtig und fromm scheinen und er soll es gleichzeitig auch sein; aber er muß auch die Seelenstärke besitzen, im Fall der Not alles ins Gegenteil wenden zu können. Man muß Verständnis dafür haben, daß ein Herrscher, und vor allem ein solcher in einer neu gegründeten Herrschaft, nicht alles beachten kann, wodurch die Menschen in einen guten Ruf kommen, sondern oft gezwungen ist, gegen Treue, Barmherzigkeit, Menschlichkeit und Religion zu verstoßen, eben um die Herrschaft zu behaupten. Darum muß er die Seelenstärke haben, sich nach den Winden des Glücks und dem Wechsel der Verhältnisse zu richten und, wie ich oben sagte, vom Guten so lange nicht abzugehen, als es möglich ist, aber im Notfall auch verstehen, Böses zu tun. Ein Herrscher muß also sehr darauf bedacht sein, daß kein Wort über seine Lippen kommt, das nicht von den oben genannten fünf Eigenschaften zeugt, damit
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jeder, der ihn sieht oder hört, den Eindruck hat, als sei er die Milde, Treue, Redlichkeit, Menschlichkeit und Gottesfurcht in Person. Besonders notwendig ist es, den Eindruck zu erwecken, daß er gerade die letztere Tugend besäße. Die Menschen urteilen im allgemeinen mehr nach dem, was sie mit den Augen sehen, als nach dem, was sie mit den Händen greifen; denn jedem wird es einmal zuteil, etwas in Augenschein zu nehmen; aber nur wenige haben Gelegenheit, etwas zu berühren. Jeder sieht, was du scheinst, und nur wenige fühlen, was du bist. Und diese wenigen wagen nicht, sich der Meinung der großen Masse entgegenzustellen, die die Majestät des Staates, der sie schützt, auf ihrer Seite hat. Die Handlungen aller Menschen und besonders die eines Herrschers, der keinen Richter über sich hat, beurteilt man nach dem Enderfolg. Ein Herrscher braucht also nur zu siegen und seine Herrschaft zu behaupten, so werden die Mittel dazu stets für ehrenvoll angesehen und von jedem gelobt. Denn der Pöbel hält sich immer an den Schein und den Erfolg; und in der Welt gibt es nur Pöbel. Die wenigen zählen nicht gegen die Masse, wenn diese am Staat einen Rückhalt hat [wörtlich: wenn die Mehrheit eine Stütze hat]. Ein Fürst unserer Zeit 239, den man besser nicht nennt, führt nur die Worte »Friede und Treue« im Munde und ist in Wirklichkeit deren größter Feind. Beide hätten ihn des öfteren Ansehen und Herrschaft gekostet, wenn er an ihnen festgehalten hätte. XIX. Kapitel
Vor Verachtung und Haß muß man sich hüten Da ich von den Eigenschaften, deren ich oben Erwähnung 240 tat, die wichtigsten besprochen habe, will ich doch noch in Kürze die übrigen unter der allgemeinen Regel zusammenfassen, daß nämlich ein Herrscher, wie
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bereits angedeutet, sorgfältigst alles vermeiden muß, was ihn verhaßt und verächtlich machen kann. Vermag er dies immer zu umgehen, so hat er das Seinige getan, und keine andere Beeinträchtigung seines guten Rufs wird ihm Gefahr bringen. Verhaßt macht er sich vor allem, wenn er, wie ich schon sagte 241, raubgierig ist und sich am Vermögen und an den Frauen seiner Untertanen vergreift. Dies muß er unterlassen! Die meisten Menschen sind zufrieden, wenn man ihnen weder Vermögen noch Ehre nimmt, und man hat es nur noch mit dem Ehrgeiz einiger weniger 242 zu tun, mit dem man auf mannigfache Weise und mit Leichtigkeit fertig wird. Verächtlich macht sich ein Herrscher, wenn er für launisch, leichtfertig, weibisch, feige und entschlußlos gilt; davor muß er sich hüten wie vor einer Klippe. Er muß sich bemühen, daß man in allen seinen Handlungen Großmut, Kühnheit, Ernst und Kraft spürt. Hinsichtlich der Privatangelegenheiten seiner Untertanen soll er darauf bedacht sein, daß sein Urteil unwiderruflich ist und daß er in einem solchen Ruf steht, daß niemand es wagt, ihn zu täuschen oder zu hintergehen. Ein Herrscher, über den die öffentliche Meinung in dieser Weise urteilt, wird hoch geachtet. Gegen den aber, der geachtet wird, ist es schwer, sich zu verschwören, und es ist auch schwer, ihn von außen her anzugreifen, wenn man nur weiß, daß er tüchtig ist und von seinen Untertanen verehrt wird. Ein Herrscher hat nämlich zweierlei zu fürchten: einmal die Gefahren im Innern von Seiten seiner Untertanen und ferner die äußeren Gefahren von selten fremder Machthaber. Gegen die letzteren schützt man sich mit einem tüchtigen Heer und zuverlässigen Bundesgenossen. Immer, wenn man ein tüchtiges Heer hat, hat man auch zuverlässige Bundesgenossen; und immer wird im Innern Ruhe sein, wenn die auswärtige Lage beruhigt ist, es sei denn, daß gerade eine Verschwö-
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rung Verwirrung bringt. Doch selbst wenn die auswärtige Lage in Bewegung gerät, wird ein Herrscher stets jeden Angriff aushalten, vorausgesetzt, daß er sich so verhalten und so gelebt hat, wie ich geraten habe, und daß er den Mut nicht verliert. Ich habe dies bereits am Beispiel des Spartaners Nabis 243 gezeigt. Herrscht außenpolitische Ruhe, so ist von selten der Untertanen nur zu fürchten, daß sie sich insgeheim 244 verschwören. Hiergegen sichert sich ein Herrscher am besten dadurch, daß er Haß und Verachtung zu vermeiden sucht und das Volk mit ihm zufrieden ist. Darauf muß er unbedingt bedacht sein, wie ich oben ausführlich dargelegt habe. Eines der besten Mittel, die ein Herrscher gegen Verschwörungen hat, ist, daß er bei der Masse nicht verhaßt ist. Denn die Verschwörer sind immer der Meinung, durch die Ermordung des Herrschers den Wunsch des Volkes zu erfüllen. Glauben sie aber, es dadurch in Erregung zu versetzen, so fassen sie nicht den Mut zu einem solchen Entschluß; denn die Schwierigkeiten auf Seiten der Verschwörer sind außerordentlich zahlreich. Die Erfahrung zeigt, daß viele Verschwörungen stattgefunden, aber nur wenige ein gutes Ende genommen haben. Denn wer eine Verschwörung anzettelt, kann dies nicht allein tun, er kann sich nur mit Leuten verbünden, die seiner Meinung nach mit der Regierung unzufrieden sind. Sobald du aber einem Mißvergnügten deine Absicht entdeckt hast, gibst du ihm sogleich das Mittel an die Hand, die Quelle seines Mißvergnügens zu beseitigen; denn durch eine Anzeige darf er jeden Vorteil erhoffen. Da ihn auf der einen Seite sicherer Gewinn und auf der anderen nur Unsicherheit und Gefahr erwarten, müßte er entweder ein seltener Freund oder ein unversöhnlicher Gegner des Machthabers sein, wenn er dir die Treue hält. Um es kurz zu machen, sage ich, daß unter den Verschwörern immer nur Angst, Eifersucht und Furcht vor
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Strafe herrschen, die sie schrecken. Auf seiten des Herrschers stehen die Majestät des Staats, die Gesetze, der Schutz durch die Freunde und die Staatsgewalt, die ihn verteidigen. Und kommt zu all dem noch die Zuneigung des Volkes, so ist wohl kaum jemand so verwegen, eine Verschwörung zu beginnen. Denn wenn ein Verschwörer für gewöhnlich schon vor der Ausführung seines Verbrechens Angst haben muß, so muß er, wenn er das Volk zum Feind hat, auch noch später nach der Durchführung seiner Tat Angst haben, da er ja nirgends auf Zuflucht hoffen kann. Hierfür könnte man zahllose Beispiele anführen. Doch möchte ich mich mit einem einzigen aus der Zeit unserer Väter begnügen. Herr Hannibal Bentivoglio, der Beherrscher Bolognas, der Großvater des jetzt lebenden Herrn Hannibal, wurde von den Parteigängern der Canni 245, die sich gegen ihn verschworen hatten, umgebracht. Von der ganzen Familie blieb nur noch sein Sohn Giovanni übrig, der damals noch in den Windeln lag. Sofort nach diesem Mord erhob sich das Volk und tötete sämtliche Anhänger der Canni. Dies war die Folge der Beliebtheit, derer sich das Haus Bentivoglio damals beim Volk erfreute. Diese war besonders groß: da es nämlich in Bologna kein Familienmitglied der Bentivoglio mehr gab, das nach dem Tod Hannibals die Regierung hätte übernehmen können, jedoch Anzeichen dafür vorhanden waren, daß in Florenz noch ein Abkömmling der Bentivoglio 246 lebte, der bisher für den Sohn eines Schmieds gegolten hatte, holten die Bologneser diesen aus Florenz und übertrugen ihm die Herrschaft über ihre Stadt. Sie wurde so lange von ihm ausgeübt, bis Herr Giovanni im regierungsfähige Alter kam 247. Ich ziehe daraus den Schluß, daß ein Herrscher sich wenig um Verschwörungen sorgen soll, wenn ihm das Volk wohlgesinnt ist. Ist es ihm aber feind und haßt ihn,
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so muß er Angst vor jeder Gelegenheit und vor jedem Menschen haben. Gut geleitete Staaten und kluge Herrscher waren mit aller Sorgfalt darauf bedacht, die Großen nicht zur Verzweiflung zu treiben, dem Volk wohlzutun und es zufriedenzustellen. Dies ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Herrschers. Zu den gut geordneten und regierten Staaten gehört in unserer Zeit Frankreich. Dort bestehen zahlreiche vorzügliche Einrichtungen, von denen die Unabhängigkeit und Sicherheit des Königs abhängen. An erster Stelle ist hier das Parlament 248 und seine Autorität zu nennen. Derjenige nämlich, der dem Königreich seine Verfassung gab, kannte den Ehrgeiz und die Maßlosigkeit der Mächtigen und hielt es für nötig, ihnen einen Zaum anzulegen, um sie in Zucht zu halten; andererseits kannte er auch den Haß der Menge gegen die Großen, dessen Quelle immer die Angst ist, und wollte daher diese in Schutz nehmen. Doch wünschte er nicht, daß den König diese Sorge allein belaste. Um ihn nicht dem Vorwurf auszusetzen, den ihm die Großen wegen Begünstigung des Volks und das Volk wegen Begünstigung der Großen machen könnten, schuf er eine dritte Einrichtung mit richterlichen Befugnissen, die ohne Nachteil für den König die Großen bändigen und die Kleinen schützen sollte. Es konnte keine bessere und klügere Verfassung geben und keine stärkere Gewähr für die Sicherheit des Königs und seines Reiches. Hieraus kann man noch eine weitere Lehre ziehen: ein Herrscher muß unliebsame Dinge auf andere abwälzen und die angenehmen sich selber vorbehalten. Ich fasse also nochmals zusammen, daß ein Herrscher die Großen achten muß, sich aber keinesfalls beim Volk verhaßt machen darf. Bei der Betrachtung des Lebens und Todes manches römischen Kaisers könnte es vielleicht scheinen, daß sie Beispiele gegen diese meine Ansicht abgäben; denn es
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gibt unter ihnen gar manchen, der immer vorbildlich gelebt, große Tatkraft bewiesen, trotzdem aber sein Imperium verloren hat oder von seinen Untertanen, die sich gegen ihn verschworen hatten, ermordet wurde. Um diese Einwürfe zu widerlegen, werde ich die Eigenschaften einiger Kaiser erörtern und die Ursachen ihres Sturzes aufzeigen, die sich nicht von den oben geschilderten unterscheiden. Dabei werde ich auf Dinge hinweisen, die für jeden bemerkenswert sind, der sich mit dem Studium der Geschichte jener Zeiten beschäftigt. Es dürfte genügen, nur die Kaiser herauszugreifen, die von Marcus, dem Philosophen, bis zu Maximin 249 in der Herrschaft aufeinanderfolgten: es waren Marc Aurel, sein Sohn Commodus, Pertinax, Julianus, Severus, dessen Sohn Antoninus Caracalla, Macrinus, Heliogabal, Alexander und Maximin. Hierzu ist folgendes zu bemerken: während man in anderen Herrschaften nur gegen den Ehrgeiz der Großen und die Unbotmäßigkeit des Volkes zu kämpfen hatte, bestand für die römischen Kaiser noch eine dritte Schwierigkeit, nämlich die Grausamkeit und Habgier der Soldaten ertragen zu müssen. Diese Aufgabe war so schwierig, daß sie für viele zur Ursache ihres Sturzes wurde; denn es war nur schwer möglich, Soldaten und Volk in gleicher Weise zufriedenzustellen. Das Volk liebte die Ruhe, deshalb liebte es die friedliebenden Kaiser; die Soldaten dagegen liebten den Herrscher, der kriegerischen Geist hatte, streitbar, grausam und raubgierig war. Sie wollten gerne, daß der Kaiser diese Eigenschaften dem Volk gegenüber an den Tag legen sollte, damit sie ihre Löhnung verdoppeln und ihrer Habgier und Grausamkeit freien Lauf lassen konnten. Aus diesem Grund gingen immer die Kaiser zugrunde, die wegen ihres Charakters oder wegen ihrer Taten kein so großes Ansehen genossen, daß sie mit Hilfe desselben
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Volk und Soldaten im Zaum zu halten vermochten. In der Erkenntnis der Schwierigkeiten, die diese beiden Aufgaben mit sich brachten, suchten die meisten Kaiser und besonders die, welche als Neulinge zur Macht emporgestiegen waren, ihre Soldaten zufriedenzustellen und kümmerten sich wenig darum, wenn sie dem Volk Unrecht taten. Diese Maßnahme war notwendig; denn wenn ein Machthaber schon nicht vermeiden kann, von einer Partei gehaßt zu werden, so soll er sich doch in erster Linie bemühen, sich nicht den Haß der Allgemeinheit zuzuziehen. Wenn er dies nicht erreichen kann, so soll er mit aller Kraft danach trachten, dem Haß derjenigen Parteien zu entgehen, die am mächtigsten sind. Daher hielten es die Kaiser, die als Emporkömmlinge besondere Unterstützung brauchten, lieber mit den Soldaten als mit dem Volk. Ob dies zweckmäßig war oder nicht, hing davon ab, inwieweit es ein Kaiser verstand, sein Ansehen bei ihnen zu behaupten. Die oben angeführten Gründe machen es verständlich, daß von Marcus 250, Pertinax 251 und Alexander 252, die sämtliche ein einfaches Leben führten, Freunde der Gerechtigkeit, Feinde der Grausamkeit, menschlich und gutherzig waren, nur Marcus kein trauriges Ende nahm. Marcus allein lebte und starb hochgeehrt, da er als rechtmäßiger Erbe in der Herrschaft nachfolgte und diese weder den Soldaten noch dem Volk zu danken hatte. Überdies besaß er viele Vorzüge, die ihn verehrungswürdig machten, er hielt stets während seines ganzen Lebens das Heer in Zucht und das Volk in Schranken; auch war er nie verhaßt oder verachtet. Pertinax wurde gegen den Willen der Soldaten zum Kaiser gewählt; diese waren unter Commodus 253 an ein zügelloses Leben gewohnt und konnten das ehrbare Leben, an das sie Pertinax wieder gewöhnen wollte, nicht ertragen. So machte er sich verhaßt, zum Haß gesellte
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sich wegen seines Alters die Verachtung, und so stürzte er bereits in den ersten Anfängen seiner Regierung. Man muß sich also merken, daß man sich durch gute Taten ebenso wie durch schlechte Haß zuziehen kann. Deshalb ist ein Herrscher, der die Macht behaupten will, oft gezwungen, amoralisch zu handeln 254; ich führte dies oben bereits aus. Denn wenn die Partei – mögen es das Volk, die Soldaten oder die Großen sein –, die du nach deiner Meinung zur Behauptung deiner Herrschaft brauchst, verderbt ist, so mußt du dich ihr anpassen, um ihr zu gefallen; dabei ist dir ein Verhalten nach moralischen Grundsätzen 255 nur schädlich. Doch kommen wir zu Alexander 256: er hatte ein so gütiges Wesen, daß er in den 14 Jahren seiner Regierung niemand ohne richterliches Urteil töten ließ, wie man ihm u. a. nachrühmte. Trotzdem verschwor sich das Heer gegen ihn und brachte ihn um, und zwar deshalb, weil er als weibischer Mann galt, der sich von seiner Mutter beherrschen ließ und deshalb verachtet wurde. Betrachtet man im Gegensatz hierzu die Eigenschaften des Commodus, des Severus 257, des Antoninus Caracalla 258 und des Maximin 259, so wird man finden, daß diese äußerst grausam und raubgierig waren. Um die Soldaten zufriedenzustellen, ließen sie jedes nur denkbare Unrecht gegen das Volk zu. Mit Ausnahme des Severus nahmen sie alle ein trauriges Ende. Dieser war von so hervorragender Tüchtigkeit, daß er, getragen von der Gunst der Soldaten, trotz Bedrückung des Volkes immer glücklich regieren konnte. Seine hervorragenden Eigenschaften verschafften ihm bei den Soldaten wie beim Volk solche Bewunderung, daß dieses förmlich geblendet und gebannt war, während die Soldaten gehorsam und zufrieden blieben. Da die Taten des Severus für einen neu zur Macht gekommenen Herrscher bedeutend und bemerkenswert waren, möchte ich kurz zeigen, wie vorzüglich er es ver-
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stand, sich das Wesen des Fuchses und des Löwen zu eigen zu machen, deren Charaktereigenschaften sich ein Herrscher zum Vorbild nehmen muß, wie ich oben sagte. Da Severus die Feigheit des Kaisers Julian 260 kannte, überredete er sein Heer, dessen Befehlshaber er in Illyrien war, daß es zweckmäßig wäre, nach Rom zu ziehen, um den Tod des Pertinax zu rächen, der von den Prätorianern ermordet worden war. Unter diesem Vorwand führte er das Heer gegen Rom, ohne seine Absichten auf den Thron zu zeigen. Er war in Italien, bevor man seinen Aufbruch erfahren hatte. Nach seiner Ankunft in Rom wählte ihn der Senat aus Angst zum Kaiser, und Julian wurde ermordet. Nach diesem Anfang erwarteten den Severus noch zwei Hindernisse, um die Herrschaft über das ganze Reich zu bekommen: das eine in Asien, wo sich Pescennius Niger 261, der Befehlshaber der asiatischen Legionäre, zum Kaiser hatte ausrufen lassen, und das andere im Westen, wo Albinus 262 stand, der gleich ihm nach der Herrschaft trachtete. Da es Severus für gefährlich hielt, beiden zugleich feindlich gegenüberzutreten, beschloß er, den Niger anzugreifen und den Albinus in die Irre zu führen. Diesem schrieb er, er sei vom Senat zum Kaiser erwählt worden, wolle aber mit ihm diese Würde teilen. Er gab ihm den Titel »Cäsar« und erkannte ihn auf Grund eines Senatsbeschlusses als Mitkaiser an. Dies alles wurde von Albinus für ehrlich gehalten. Doch nachdem Severus den Niger besiegt 263 und getötet sowie den Osten befriedet hatte, kehrte er nach Rom zurück und beklagte sich im Senat darüber, daß Albinus, wenig dankbar für die von ihm erwiesenen Wohltaten, den heimtückischen Versuch gemacht habe, ihn zu ermorden; infolgedessen sei er gezwungen, ihn für seine Undankbarkeit zu strafen. Darauf griff er ihn in Frankreich 264 an und nahm ihm Herrschaft und Leben.
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Wer sich die Taten des Severus gründlich ansieht, wird in ihm einen Löwen von außerordentlicher Kühnheit und einen Fuchs von ungewöhnlicher Schlauheit erkennen. Er wird ferner sehen, daß er allgemein gefürchtet und verehrt und beim Heer nicht verhaßt war. Und so wird man sich auch nicht wundern, daß er als Emporkömmling ein so großes Reich behaupten konnte; denn sein außerordentliches Ansehen schützte ihn stets vor dem Haß, den das Volk wegen seiner Räubereien hätte empfinden können. Auch sein Sohn Antoninus 265 war gleich ihm ein Mann von ungewöhnlichen Eigenschaften, die ihm beim Volk Bewunderung und bei den Soldaten Beliebtheit verschafften. Er war eine soldatische Natur, ertrug jede Strapaze, war ein Verächter feinschmeckerischen Essens und jeder anderen Verweichlichung; dies machte ihn beim ganzen Heer beliebt. Doch seine Wildheit und Grausamkeit waren so groß und so unerhört – er hatte durch unzählige Einzelhinrichtungen einen Großteil der Bevölkerung Roms und die ganze Einwohnerschaft Alexandriens hingemordet –, daß er der verhaßteste Mensch der Welt wurde. Auch seine Umgebung begann ihn zu fürchten. So wurde er von einem Centurio 266 mitten in seinem Heer ermordet. Hierzu ist zu bemerken, daß ähnlichen Mordanschlägen, die einem unbeugsamen Entschluß entspringen, kein Herrscher entgehen kann; denn jedermann, der keine Angst vor dem Tod hat, kann ihn anfallen. Doch davor braucht sich ein Herrscher nicht zu fürchten, da solche Anschläge sehr selten sind. Er muß sich nur hüten, denen schweres Unrecht zuzufügen, deren Dienste er für sich persönlich in Anspruch nimmt und die er in seiner Umgebung für seine Regierung verwendet. Dies aber hatte Antoninus getan, der einen Bruder jenes Centurio mit Schimpf und Schande 267 getötet hatte und diesen selber täglich bedrohte. Trotzdem behielt er ihn in seiner Leib-
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wache; dies war ein Leichtsinn, der ihm zum Verderben gereichen mußte, wie es ja auch geschah. Doch kommen wir zu Commodus, für den es sehr leicht war, seine Herrschaft zu behaupten, da er sie rechtmäßig als Sohn des Marcus ererbt hatte. Er brauchte nur in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, und Soldaten und Volk wären zufrieden gewesen. Aber da er grausam und unmenschlich war. ging er, um seine Raubgier am Volk auslassen zu können, dazu über, das Heer zu gewinnen und dessen Zügellosigkeit zu fördern. Da er andererseits seine Würde nicht wahrte und oft in die Arena hinabstieg, um mit den Gladiatoren 268 zu kämpfen, und andere gemeine, der kaiserlichen Majestät wenig würdige Dinge tat, machte er sich in den Augen der Soldaten verächtlich. Von der einen Seite gehaßt, von der anderen verachtet, wurde er anläßlich einer Verschwörung ermordet. Es bleibt noch übrig, die Charaktereigenschaften des Maximin zu schildern. Er war eine äußerst kriegerische Natur. Da dem Heer die Weichlichkeit Alexanders 269 langweilig war – ich berichtete oben davon –, erhob es ihn nach dessen Ermordung auf den Thron. Doch behauptete er diesen nicht lang; denn zwei Dinge machten ihn verhaßt und verächtlich: einmal, weil er von ganz niedriger Herkunft war und früher in Thrazien die Schafe gehütet hatte – dies war allgemein bekannt und beeinträchtigte überall sein Ansehen erheblich –; ferner, weil er sich den Ruf außerordentlicher Grausamkeit zugezogen hatte; er hatte nämlich am Anfang seiner Regierung die Reise nach Rom und die Besitzergreifung des kaiserlichen Thrones aufgeschoben und durch seine Präfekten in Rom und an allen Orten des Reiches viele Grausamkeiten verüben lassen. So war er wegen der Gewöhnlichkeit seiner Abstammung von der ganzen Welt verachtet und aus Furcht vor seiner Unmenschlichkeit verhaßt. Infolgedessen empörten sich zuerst Afrika 270, dann der
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Senat zusammen mit dem Volk von Rom, und ganz Italien verschwor sich gegen ihn. Dem schloß sich sein eigenes Heer an. Als dieses Aquiläa belagerte und hei der Eroberung Schwierigkeiten hatte, brachte es ihn um, da es seiner Grausamkeit überdrüssig war und wegen seiner zahlreichen Feinde keine große Furcht mehr vor ihm hatte. Ich will weder von Heliogabal noch von Macrinus noch von Julian 271 sprechen, die infolge allgemeiner Verachtung rasch zugrunde gingen, sondern komme nunmehr zur Schlußfolgerung dieser Betrachtung. Hier stelle ich fest, daß die Herrscher unserer Tage weniger Schwierigkeit haben, in ihrem Befehlsbereich die Soldaten mit außerordentlichen Mitteln zufriedenzustellen. Wenn sie auf diese auch einige Rücksicht nehmen müssen, so läßt sich dies doch leicht ermöglichen; denn keiner der heutigen Machthaber verfügt über ein Heer, das mit der Regierung und Verwaltung des Landes von alters her so verbunden wäre, wie es die Heere des römischen Reiches waren. Wenn es damals nötig war, mehr die Soldaten als das Volk zufriedenzustellen, so kam dies daher, daß die Soldaten größeren Einfluß hatten als das Volk. Heute dagegen ist es für alle Herrscher, ausgenommen den Türken und den Sultan 273, nötiger, das Volk zu befriedigen als die Soldaten; denn das Volk hat heute größere Macht als die Soldaten. Davon nehme ich den Türken aus, weil er ständig 12 000 Mann Infanterie und 15 000 Reiter um sich hat, von denen die Sicherheit und Stärke seiner Herrschaft abhängt. Dieser Herrscher muß sich unter Außerachtlassung jeder anderen Rücksicht deren Geneigtheit erhalten. Da in ähnlicher Weise auch das Reich des Sultans 273 völlig in der Hand der Soldaten ist, muß auch dieser ohne Rücksicht auf das Volk mit ihnen gut stehen. Es ist zu beachten, daß sich die Herrschaft des Sultans von der aller anderen Staatswesen unterscheidet. Sie ist dem
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Papsttum der Christen ähnlich, das man weder als ererbte noch als neu erworbene Herrschaft bezeichnen kann; denn nicht die Söhne des alten Herrschers sind Erben und bleiben die Herren; vielmehr wird der Sultan zu dieser Würde von denen erhoben, die dazu die Macht haben. Da dies eine althergebrachte Einrichtung ist, kann man nicht von einer neu erworbenen Herrschaft sprechen; denn bei ihr sind manche Schwierigkeiten nicht vorhanden, die man bei neuen Herrschaften hat. Wenn auch der Herrscher neu ist, so ist doch die Organisation dieses Staates alt und so eingerichtet, wie wenn der neue Herr den Thron geerbt hätte. Doch kommen wir zum Thema zurück. Jeder, der die obigen Darlegungen verfolgt, wird einsehen, daß entweder Haß oder Verachtung die Ursache des Untergangs der genannten Kaiser waren, und er wird ferner den Grund erkennen, warum sowohl von den Kaisern 274, die mit der einen Methode, als auch von denen, die mit der entgegengesetzten Methode regierten, nur einer ein glückliches Ende nahm, alle anderen aber ein unglückliches; denn für Pertinax und Alexander, die beide als Emporkömmlinge zur Herrschaft kamen, war es unzweckmäßig und schädlich, den Marc Aurel, der die Herrschaft rechtmäßig ererbt hatte, nachzuahmen. Ebenso war es für Caracalla, Commodus und Maximin verderblich, sich den Severus zum Beispiel zu nehmen, da sie nicht die außerordentliche Tüchtigkeit besaßen, die nötig gewesen wäre, um in seine Fußstapfen zu treten. Deshalb kann sich ein neuer Herrscher in einem neu begründeten Reich nicht die Methode des Marc Aurel zum Muster nehmen, und er darf auch nicht die des Severus befolgen; vielmehr muß er von Severus übernehmen, was man zur Begründung einer Herrschaft braucht, und von Marcus, was geeignet und ruhmvoll ist, um einen bereits bestehenden und gefestigten Staat zu erhalten.
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Ob der Festungsbau und viele andere Vorkehrungen, die täglich von Herrschern angewendet werden, nützlich sind oder nicht Einige Herrscher haben zum Zweck der Staatssicherheit ihre Untertanen entwaffnet; andere haben in den eroberten Gebieten die Uneinigkeit der Bürger gefördert. Einige haben die Feindschaft gegen sich selber geschürt; wieder andere sind dazu übergegangen, diejenigen für sich zu gewinnen, die ihnen zu Beginn ihrer Herrschaft verdächtig waren. Einige haben Festungen gebaut, andere haben sie geschleift und zerstört. Obwohl man über alle diese Maßnahmen kein Urteil abgeben kann, ohne auf die besonderen Verhältnisse des Staates einzugehen, in dem ähnliche Entscheidungen zu fällen sind, werde ich doch wenigstens im allgemeinen, wie es durch den Gegenstand geboten ist, darüber sprechen. Noch nie hat ein neu zur Macht gekommener Herrscher seine Untertanen entwaffnet; vielmehr hat er sie, wenn er sie waffenlos vorfand, stets mit Waffen versehen. Bewaffnest du sie aber, so wirst du auch Herr über sie; diejenigen, welche dir verdächtig waren, werden dir, wenn du sie bewaffnest, ergeben sein und die dir Ergebenen bleiben es. So machst du Untertanen zu deinen Anhängern. Natürlich kann man nicht alle Untertanen bewaffnen. Wenn du nun die, welche du bewaffnest, bevorzugst, so kannst du mit den anderen verfahren, wie es deine Sicherheit fordert. Merken nun die Waffentragenden den Unterschied in der Behandlung, so fühlen sie sich dir verpflichtet. Die anderen entschuldigen dein Verhalten, da sie einsehen, daß diejenigen höheren Lohn verdienen müssen, die größere Gefahren und mehr Pflichten auf sich nehmen. Doch wenn du die Untertanen entwaffnest, so
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fängst du dadurch an, sie zu beleidigen, und zeigst, daß du kein Vertrauen zu ihnen hast, sei es aus Angst, sei es aus Mißtrauen; beides hat Haß gegen dich zur Folge. Da du ja nicht unbewaffnet bleiben kannst, bleibt dir nichts anderes übrig, wie Söldner anzuwerben, von derer Eigenschaften ich oben gesprochen habe. Selbst wenn diese tüchtig wären, so kannst du sie doch nicht in solcher Zahl halten, daß sie dich vor mächtigen Feinden und gleichzeitig vor verdächtigen Untertanen schützen. Deshalb hat, wie ich schon gesagt habe, ein neuer Herrscher in einer neu erworbenen Herrschaft noch immer Truppen aufgestellt. Dafür gibt es in der Geschichte viele Beispiele. Doch wenn ein Herrscher ein neues Land erobert, das er seinem alten angliedert, so muß er die Einwohner des neuen Gebietes entwaffnen, mit Ausnahme derer, die bei der Eroberung auf seiner Seite standen. Auch diese muß er mit der Zeit und bei Gelegenheit verweichlichen und weibisch machen 275 und es so einrichten, daß alle Waffen seines ganzen Machtbereichs nur in den Händen der eigenen Soldaten sind, die im alten Staat in seiner Umgebung lebten. Unsere Vorfahren, und zwar gerade die, welche man für klug hielt, pflegten zu sagen, man müsse Pistoja durch Parteien und Pisa durch Festungen beherrschen. Deshalb schürten sie in mancher ihnen untertänigen Stadt die Parteistreitigkeiten, um diese besser behaupten zu können. Das mochte in der Zeit, wo sich Italien in einem gewissen Gleichgewicht befand 276, richtig gewesen sein. Doch glaube ich nicht, daß man sich dies heute zur Lehre nehmen kann. Ich glaube auch nicht, daß aus Parteihader je etwas Gutes entspringt; vielmehr gehen Städte, die durch Parteistreitigkeiten zerrissen sind, notwendig zugrunde, wenn der Feind naht; denn immer wird sich die schwächere Partei auf die Seite der auswärtigen Macht schlagen, und die andere Partei wird sich dann nicht an der Macht halten können.
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Die Venezianer unterstützten nach meiner Meinung nur aus den oben genannten Gründen in den von ihnen beherrschten Städten beide Parteien, nämlich die Guelfen und die Ghibellinen 277. Obwohl sie es nie zu Blutvergießen kommen ließen, schürten sie doch die Gegensätze zwischen beiden, um die Bürger mit ihren eigenen Streitigkeiten zu beschäftigen und zu verhindern, daß sie sich vereint gegen sie wandten. Dies gereichte ihnen, wie man weiß, nicht zu ihrem Vorteil; denn sogleich nach ihrer Niederlage bei Vailà 278 faßte ein Teil dieser Städte 279 Mut und schüttelte ihre Herrschaft völlig ab. Solche Methoden sind daher immer ein Beweis für die Schwäche eines Herrschers; denn in einem kraftvollen Staat werden derartige Spaltungen nicht geduldet. Sie bringen nämlich nur in Friedenszeiten Nutzen, da man mit ihrer Hilfe die Untertanen leichter beherrschen kann; im Krieg jedoch zeigen derartige Methoden ihre Tücken. Ohne Zweifel werden Herrscher groß, wenn sie die Schwierigkeiten und Widerstände, die sich ihnen entgegenstellen, überwinden. Daher stellt das Glück einen Herrscher, besonders aber, wenn es einen Emporkömmling groß machen will, der Ansehen nötiger hat als ein erblicher Monarch, Feinden gegenüber und verwickelt ihn in Widerwärtigkeiten, um ihm Gelegenheit zu geben, diese zu überwinden und auf der Leiter höher zu steigen, die ihm seine Feinde nachgetragen haben. Deshalb sind viele der Meinung, daß sich ein kluger Herrscher, wenn er Gelegenheit dazu hat, mit List irgendeinen Feind schaffen muß, um ihn zu besiegen und dadurch höheren Ruhm zu erwerben. Die Machthaber und besonders die neu zur Herrschaft gekommenen haben bei den Männern, die beim Beginn ihrer Regierung verdächtig erschienen sind, immer mehr Anhänglichkeit und Vorteile gefunden als bei denen, die bereits anfangs ihr Vertrauen besaßen. Pandolfo Pe-
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trucci 280, der Beherrscher Sienas, stützte sich bei seiner Regierung mehr auf die Männer, die ihm verdächtig gewesen waren, als auf die anderen. Doch kann man diesen Fall nicht eingehend erörtern, weil er je nach den Umständen verschieden gelagert ist. Ich möchte nur das eine bemerken, daß ein Herrscher die Männer, die ihm bei Beginn seiner Regierung feindlich gesinnt waren, stets mit größter Leichtigkeit für sich gewinnen kann, wenn sie eine Stütze zur Sicherung ihres Lebensunterhalts brauchen. Diese ihrerseits sind um so mehr gezwungen, ihm, in Treue zu dienen, je mehr sie die Notwendigkeit erkennen, durch Taten die ungünstige Meinung zu verwischen, die er von ihnen hatte. So hat ein Herrscher von diesen immer mehr Vorteil als von denen, die, seines Vertrauens allzu sicher, seine Interessen vernachlässigen. Da es der Gegenstand fordert, will ich nicht versäumen, die Machthaber, die einen Staat mit Hilfe seiner Einwohner erst seit kurzem gewonnen haben, daran zu erinnern, daß sie genau die Beweggründe zur Begünstigung ihres Unternehmens prüfen. Geschah es nicht aus natürlicher Zuneigung, sondern deshalb, weil sie mit der bisherigen Regierung nicht zufrieden waren, so wird der neue Herrscher nur mit großer Anstrengung und Schwierigkeit deren Freundschaft erhalten können, da es ihm unmöglich sein wird, sie zufriedenzustellen. Untersucht man an Hand der Beispiele aus der alten und neueren Geschichte den Grund hierfür, so wird man einsehen, daß es für den neuen Herrscher viel leichter ist, diejenigen zu Freunden zu gewinnen, die mit der bisherigen Regierung zufrieden und deshalb seine Feinde waren, als diejenigen, die aus Unzufriedenheit seine Freunde wurden und ihn bei der Eroberung der Herrschaft unterstützten 281 . Es ist bei den Machthabern üblich, daß sie zur größeren Sicherheit ihrer Herrschaft Festungen bauen als Zügel und Zaum für die, die feindliche Absichten hegen, und
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gleichzeitig um eine sichere Zuflucht im Falle eines unerwarteten Angriffs zu haben. Ich lobe dieses Verfahren 282; denn es ist seit alters her üblich. Nichtsdestoweniger hat in unseren Tagen Herr Niccolò Vitelli 283 zwei Festungen in Città di Castello schleifen lassen, um das Land zu halten. Guido Ubaldo 284, Herzog von Urbino, machte nach der Rückkehr in seine Herrschaft, aus der ihn Cesare Borgia vertrieben hatte, alle Festungen seines Landes dem Erdboden gleich. Er war der Meinung, ohne Festungen die Herrschaft weniger leicht zu verlieren. Die Familie Bentivoglio 285 tat bei ihrer Rückkehr nach Bologna ähnliches. Festungen sind also je nach den Umständen nützlich oder schädlich. Wenn sie dir auf der einen Seite von Nutzen sind, so schaden sie dir auf der anderen. Man kann hierzu folgendes sagen: der Herrscher, der mehr Angst vor seinem Volk als vor fremden Mächten hat, soll Festungen bauen; wer aber auswärtige Mächte mehr fürchtet als sein Volk, soll es unterlassen. Das von Francesco Sforza 286 erbaute Kastell von Mailand hat dem Hause Sforza 287 mehr kriegerische Verwicklungen eingebracht und wird es noch tun als alle inneren Unruhen. Die beste Festung, die es gibt, ist, beim Volk nicht verhaßt zu sein. Wenn du auch Festungen besitzest, aber beim Volk verhaßt bist, so retten sie dich nicht; denn hat ein Volk einmal die Waffen ergriffen, so findet es immer eine fremde Macht, die ihm hilft. In unserer Zeit haben, wie man sieht, Festungen keinem Herrscher genützt, mit Ausnahme der Gräfin von Forli 288 nach dem Tode ihres Gemahls, des Grafen Girolamo 289; in ihrer Festung konnte sie dem Ansturm des Volks entkommen, die Hilfe von Mailand abwarten und die Herrschaft wiedergewinnen 290. Die Lage war damals so, daß keine auswärtige Macht dem Volk helfen konnte. Doch später nützten auch ihr die Festungen wenig, als Cesare Borgia 291 sie angriff und sich das ihr feindlich gesinnte
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Volk mit dem Fremden verband. So wäre auch für sie damals und vorher die Zuneigung des Volkes ein sichererer Schutz gewesen als der Besitz ihrer Festungen. Wenn man dies alles in Betracht zieht, so lobe ich den, der Festungen baut, geradeso wie den, der keine baut; ich tadle aber jeden, der im Vertrauen auf Festungen den Haß des Volkes gering achtet. X XI. Kapitel
Was sich für einen Herrscher zu tun schickt um zu Ansehen zu kommen Nichts verschafft einem Herrscher so großes Ansehen als bedeutende Unternehmungen und seltene Beispiele, die er durch seine Handlungen gibt. Dies sehen wir in unserer Zeit bei Ferdinand von Aragonien 292, dem gegenwärtigen König von Spanien. Man kann von ihm beinahe sagen, daß er neu zur Herrschaft gekommen ist, da er aus einem machtlosen Fürsten durch den Ruhm seines Namens zum ersten Herrscher der Christenheit geworden ist. Betrachtet man seine Taten, so wird man finden, daß sie alle bedeutend und einige ganz außerordentlich sind. Zu Beginn seiner Regierung griff er Granada 293 an. Dieser Feldzug war die Grundlage für seine Macht. Er führte diesen Krieg in einer Zeit inneren Friedens und ohne Furcht, daran gehindert zu werden; denn durch diesen Krieg waren die Gemüter der kastilianischen Barone 294 ausgefüllt, die über dem Gedanken an den Krieg nicht an einen Umsturz dachten. Ferdinand gewann damit Ansehen und Macht über sie, ohne daß sie es merkten. Mit dem Geld der Kirche 295 und des Volkes konnte er Truppen unterhalten und durch diesen langen Krieg den Grund für seine Streitmacht legen 296, die ihm später viel Ruhm eingebracht hat. Außerdem griff er, um
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noch größere Unternehmungen durchführen zu können, immer unter dem Vorwand der Religion, zu einer schmerzlichen Grausamkeit, indem er die Marrannen 297 vertrieb und damit sein Reich beraubte. Es gibt keinen Vorgang, der beklagenswerter und einzigartiger wäre als dieser. Unter demselben Vorwand griff er Afrika 298 an, unternahm den Feldzug in Italien 299 und hat jüngst Frankreich 300 angegriffen. So hatte er immer große Dinge angestiftet und durchgeführt, die seine Untertanen stets in Erwartung und Bewunderung versetzten und auf den Ausgang gespannt machten 301. Dabei reihte sich eine Unternehmung an die andere, so daß zwischen den einzelnen Aktionen niemand Zeit fand, ihm in Ruhe entgegenzuarbeiten. Es ist ferner für einen Herrscher von großem Nutzen, wenn er in der inneren Politik ungewöhnliche Leistungen vollbringt, wie man von Messer Bernabò 302 von Mailand berichtet. Man macht z. B. viel von sich reden, wenn man bei jedem Anlaß die Menschen, die in ihrem bürgerlichen Leben etwas Besonderes im Guten oder im Bösen getan haben, entsprechend zu belohnen oder zu bestrafen versteht. Vor allem soll ein Herrscher danach trachten, daß er sich bei all seinen Taten den Ruf eines großen und geistig bedeutenden Mannes erwirbt. Ein Herrscher wird auch geachtet, wenn er ein echter Freund und ein echter Feind ist, d. h. wenn er sich ohne irgendwelche Rücksichten für den einen gegen den anderen entscheidet. Ein solcher Entschluß ist immer nützlicher, als neutral 303 zu bleiben; denn wenn zwei mächtige Nachbarn in Streit geraten, so liegt die Sache entweder so, daß du, falls einer von ihnen siegt, den Sieger zu fürchten hast oder daß du ihn nicht zu fürchten brauchst. In beiden Fällen ist es für dich immer nützlicher, dich offen zu entscheiden und einen ehrlichen Krieg zu führen. Im ersteren Fall wirst du, falls du dich nicht entscheidest,
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immer die Beute des Siegers werden zur Freude und Genugtuung des Besiegten, und du hast weder Aussicht auf Schutz noch auf Zuflucht; denn der Sieger will keine verdächtigen Freunde, die ihm in der Not keine Hilfe leisten. Der Besiegte aber gewährt dir keine Zuflucht, weil du nicht mit den Waffen sein Los teilen wolltest. Antiochus 304 war auf Verlangen der Ätoler nach Griechenland gekommen, um die Römer zu vertreiben. Er schickte Gesandte zu den mit den Römern verbündeten Achäern, um sie zu veranlassen, neutral zu bleiben; andererseits suchten die Römer sie zu überreden, auf ihrer Seite zu kämpfen. Diese Angelegenheit wurde dem Rat der Achäer, in dem der Gesandte des Antiochus sie zur Neutralität zu veranlassen suchte, zur Entscheidung vorgelegt. Darauf antwortete der römische Legat: »Quod autem isti dicunt non interponendi vos bello, nihil magis alienum rebus vestris est; sine gratia, sine dignitate, praemium victoris eritis 305.« Es wird immer so sein, daß der, der dir nicht freundlich gesinnt ist, dich um Neutralität ersucht, und derjenige, der dir freundlich zugetan ist, dich bittet, ihm Waffenhilfe zu leisten. Unentschlossene Herrscher gehen in den meisten Fällen zur Vermeidung augenblicklicher Gefahren den Weg der Neutralität und richten sich damit meistens zugrunde. Doch wenn sich ein Herrscher entschieden zu einer Partei bekennt und wenn derjenige, dem du dich anschließt, siegt, so ist er dir, mag er noch so mächtig sein und magst du noch so sehr von ihm abhängen, doch verpflichtet, und die Freundschaft zwischen euch ist geschlossen. Die Menschen sind nie so ehrlos, daß sie eine so beispiellose Undankbarkeit begingen und dich knechteten. Auch ist ein Sieg nie so eindeutig, daß der Sieger nicht einige Rücksicht nehmen müßte, besonders auf die Gerechtigkeit. Doch wenn der, an den du dich anschließt, unterliegt, so findest du bei ihm Zuflucht;
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er hilft dir, solange es ihm möglich ist, und du wirst der Gefährte eines Loses, das sich auch wieder zum Besseren wenden kann. Auch im zweiten Fall, wenn die Verhältnisse bei den Kämpfenden so liegen, daß du auch den Sieger nicht zu fürchten brauchst, ist es erst recht klug, Partei zu ergreifen; denn du trägst zum Untergang des einen mit Hilfe dessen bei, der ihn, wenn er klug wäre, retten müßte 306. Wenn er siegt, so ist er von dir abhängig, und es ist unmöglich, daß er mit deiner Hilfe nicht siegt. Hier ist zu bemerken, daß ein Herrscher darauf achten muß, sich nie mit einem Mächtigeren zu verbünden, um andere anzugreifen, außer wenn ihn die Not dazu zwingt; ich habe bereits oben davon gesprochen 307. Denn wenn dieser siegt, wirst du sein Gefangener, und Herrscher müssen nach Möglichkeit vermeiden, in Abhängigkeit von anderen zu geraten. Die Venezianer 308 verbündeten sich mit Frankreich gegen den Herzog von Mailand; sie hätten das Bündnis vermeiden können. Jedenfalls ist darauf ihr Verderben zurückzuführen. Kann man sich einem solchen Bündnis nicht entziehen (wie es bei den Florentinern 309 der Fall war, als der Papst und der König von Spanien mit ihren Heeren die Lombardei angriffen), dann muß ein Herrscher aus den oben genannten Gründen Partei ergreifen. Auch sollte keine Regierung glauben, sie könne nur absolut sichere Entscheidungen fällen; du solltest vielmehr damit rechnen, daß der Erfolg aller deiner Entscheidungen zweifelhaft ist. Dies liegt nun einmal im Lauf der Dinge, daß man nie einem Übelstand entgehen kann, ohne in einen anderen hineinzugeraten. Die Klugheit besteht eben darin, die Art eines Übelstandes zu erkennen und das kleinere Übel als etwas Gutes hinzunehmen. Ferner muß sich ein Herrscher als Freund tüchtiger Leistungen zeigen, indem er ordentliche Leute fördert und die Hervorragenden eines Faches ehrt. Außerdem
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soll er seine Mitbürger ermuntern, ruhig ihre Arbeit zu verrichten im Handel, in der Landwirtschaft und in jedem anderen Gewerbe, damit sich der eine nicht scheut, seinen Besitz zu mehren aus Furcht, er könnte ihm wieder genommen werden, und der andere sich aus Furcht vor Steuern nicht scheut, ein Handelsgeschäft zu eröffnen. Er sollte vielmehr Belohnungen aussetzen für jeden, der solches unternehmen will und der die Absicht hat, in irgendeiner Weise den Wohlstand seiner Stadt oder seines Landes zu fördern. Überdies sollte er zu geeigneten Zeiten des Jahres für die Unterhaltung des Volkes mit Festen und Schauspielen Sorge tragen 310. Da es in jeder Stadt Zünfte oder Stände gibt, sollte der Regierende auf diese Gruppen Rücksicht nehmen, manchmal mit ihnen zusammenkommen und immer ein Beispiel der Leutseligkeit und Freigebigkeit geben, nichtsdestoweniger aber immer die Majestät seines hohen Ranges wahren; denn daran darf er es bei keiner Gelegenheit fehlen lassen. X XII. Kapitel
Von vertrauten Mitarbeitern 311, die die Herrscher in ihrer Umgebung haben Von nicht geringer Wichtigkeit für einen Herrscher ist die Auswahl seiner Mitarbeiter. Ob diese gut oder schlecht sind, hängt von der Klugheit des Herrschers ab. Der erste Eindruck, den man sich von der Intelligenz eines Herrschers macht, wird durch die Männer seiner Umgebung bestimmt. Sind diese fähig und treu ergeben, so kann man ihn stets für klug halten, weil er es verstanden hat, deren Fähigkeiten zu erkennen und sich ihre Ergebenheit zu erhalten. Sind sie es aber nicht, so kann man sich immer ein ungünstiges Urteil über den Herrscher bilden, denn der erste Fehler, den er begeht, ist diese Auswahl.
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Jeder, der Messer Antonio da Venafro 312 als vertrauten Mitarbeiter des Pandolfo Petrucci, Herrn von Siena, kannte, beurteilte Pandolfo Petrucci als einen außerordentlich tüchtigen Mann, da er einen solchen Mitarbeiter hatte. Es gibt drei Arten der Intelligenz: die eine versteht alles von selber, die zweite vermag zu begreifen, was andere erkennen, und die dritte begreift weder von selber noch mit Hilfe anderer. Die erste Art ist hervorragend, die zweite gut und die dritte unbrauchbar. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß Pandolfo Petrucci, wenn er schon nicht zur ersteren Art gehörte, sicherlich zur zweiten zu rechnen ist; denn wenn einer das Gute oder Schlechte in den Handlungen und Worten anderer zu beurteilen vermag, auch wenn er selber keine Initiative hat, so erkennt er doch die schlechten und guten Leistungen seines Mitarbeiters und lobt die einen und rügt die anderen. Der Mitarbeiter kann nicht hoffen, ihn zu täuschen, und bleibt daher anständig 313. Doch wie kann ein Herrscher seine Mitarbeiter durchschauen? Hierfür gibt es ein untrügliches Zeichen: Merkst du, daß der Mitarbeiter mehr an sich denkt als an dich und bei allen Handlungen seinen Vorteil sucht, so wird er nie ein brauchbarer Mitarbeiter werden, und du kannst ihm nie trauen; denn wer Regierungsgeschäfte besorgt, darf nie an sich denken, sondern immer nur an seinen Herrscher, und er darf dessen Absichten nie auf Dinge lenken, die nicht im Interesse des Staates sind. Andererseits muß der Herrscher auch an seinen Mitarbeiter denken, um sich dessen Ergebenheit zu sichern; er muß ihn auszeichnen und wohlhabend machen, ihn sich verpflichten und ihn an allen Ehren und Pflichten teilhaben lassen, damit der Mitarbeiter sieht, daß er ohne ihn nicht bestehen kann, und damit er, mit vielen Ehren und Reichtümern ausgestattet, nicht nach immer mehr Ehren und Reichtümern
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strebt und die vielen Verpflichtungen ihn von einer Änderung der Verhältnisse abschmecken. Wenn also die Mitarbeiter so beschaffen sind und Herrscher und Mitarbeiter sich so zueinander verhalten, dann können sie einander vertrauen; andernfalls wird es für den einen oder den anderen immer ein schlimmes Ende nehmen. X XIII. Kapitel
Schmeichler muß man meiden Einen wichtigen Punkt und einen Fehler will ich nicht übergehen, dem Herrscher leicht verfallen, wenn sie nicht sehr klug sind oder wenn sie nicht eine glückliche Hand bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter haben. Ich meine die Schmeichler, deren es so viele an den Höfen gibt. Die Menschen sind ja von solcher Selbstgefälligkeit und täuschen sich in ihrer Meinung über sich selber so sehr, daß es ihnen schwerfällt, sich gegen diese Seuche zu schützen. Wer sich davor schützen will, läuft Gefahr, mißachtet zu werden. Es gibt nämlich kein anderes Mittel, Schmeicheleien zu vermeiden, als den Menschen beizubringen, daß sie dich nicht beleidigen, wenn sie dir die Wahrheit sagen. Doch wenn dir jeder die Wahrheit sagen darf, so fehlt es dir gegenüber an der Ehrerbietung. Deshalb soll ein kluger Herrscher einen dritten Weg einschlagen und für seine Regierung weise Männer auswählen, denen allein er die Freiheit geben soll, ihm die Wahrheit zu sagen, und auch dies nur über die Dinge, nach denen er fragt. Doch soll er sie auf jeden Fall um Rat fragen, ihre Meinungen anhören und dann seine Entscheidung nach Belieben fällen. Gegen jeden einzelnen dieser Ratgeber soll er sich so verhalten, daß jeder merkt, daß er ihm um so willkommener ist, je freimütiger er redet. Außer diesen soll er niemandem Gehör schenken. Er soll
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ferner auf eine einmal entschiedene Sache nicht mehr zurückkommen und fest auf seinen Entscheidungen beharren. Wer anders handelt, wird entweder ein Opfer der Schmeichler oder er ändert infolge der Verschiedenheit der Meinungen häufig seine Entschlüsse. Die Folge davon ist, daß er wenig geachtet wird. Ich will hierfür ein Beispiel aus unserer Zeit anführen: der Priester Luca 314, ein Vertrauter des jetzigen Kaisers Maximilian 315, sagte mir im Gespräch über seine Majestät, daß sich diese mit niemand berate und trotzdem nie etwas nach eigenem Gutdünken tue. Dies kommt daher, daß er stets das Gegenteil von dem oben Gesagten tut. Der Kaiser ist nämlich ein verschwiegener Mann, teilt seine Pläne niemandem mit und nimmt auch von niemand einen Rat an. Doch da seine Pläne anläßlich ihrer Ausführung offenbar werden und vor aller Augen liegen, setzt auch der Widerspruch dagegen aus seiner Umgebung ein, und da er nachgiebig ist, gibt er sie wieder auf. So kommt es, daß er das, was er an einem Tag tut, am anderen wieder aufgibt, und daß man nie weiß, was er will oder beabsichtigt, und daß man sich auf seine Entscheidungen nie verlassen kann. Ein Herrscher soll sich daher stets beraten lassen, aber nur, wenn er selber es will, und nicht, wenn es die anderen wollen; vielmehr soll er jedem den Mut nehmen, sich ihm mit einem Rat zu nähern, wenn er nicht gefragt ist. Doch soll er selber unentwegt Erkundigungen einziehen und bei allem, was er fragt, geduldig die Wahrheit anhören. Und wenn er merkt, daß man sie ihm aus Rücksicht nicht sagt, so sollte er sich darüber erregen. Wenn auch viele der Meinung sind, daß ein Herrscher, der als klug gilt, diesen Ruf nicht seiner natürlichen Anlage danke, sondern den guten Beratern seiner Umgebung, so irren sie sich zweifellos; denn es ist eine allgemeine Regel, die nie täuscht: ein Herrscher, der selber nicht ge-
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scheit ist, kann auch nicht gut beraten werden, es gäbe denn der Zufall, daß er sich völlig der alleinigen Führung eines außergewöhnlich gescheiten Mannes unterstellt. In diesem Fall könnte es gut gehen; aber es würde nicht lange dauern. Denn der tatsächliche Leiter des Staats würde ihm binnen kurzem die Herrschaft entreißen. Berät sich ein Herrscher, der selber nicht klug ist, mit mehreren, so wird er nie übereinstimmende Ratschläge bekommen und er wird es selber nicht verstehen, sie miteinander in Einklang zu bringen. Jeder dieser Ratgeber wird an seinen eigenen Vorteil denken und der Herrscher vermag sie nicht zu berichtigen noch zu durchschauen. Und geeignetere lassen sich kaum finden; denn die Menschen werden dir immer schlecht gesinnt sein, wenn sie nicht zum Guten gezwungen werden. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß gute Ratschläge, woher sie auch kommen mögen, meist auf die Klugheit des Herrschers zurückzuführen sind und nicht seine Klugheit auf gute Ratschläge. X XIV. Kapitel
Warum die Herrscher Italiens ihr Land verloren haben Wenn die oben gegebenen Ratschläge mit Verstand beachtet werden, dann gibt es keinen Unterschied zwischen einem neu zur Macht gekommenen Herrscher und einem Erbfürsten, und seine Herrschaft wird von vornherein geradeso sicher und dauerhaft sein, wie wenn sie ererbt wäre; denn ein Emporkömmling wird bei seinen Taten viel genauer beobachtet als ein Erbfürst. Und wenn man diese als tüchtig erkennt, so beeindrucken sie die Menschen viel stärker und binden sie viel mehr an den neuen Mann, als das Alter des Geschlechts es vermöchte. Denn die Menschen werden von der Gegenwart viel stärker bestimmt als von der Vergangenheit.
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Und wenn sie in der Gegenwart ihr Auskommen finden, so freuen sie sich darüber und suchen keine Änderung; ja sie werden mit allen Kräften für den Schutz des Herrschers eintreten, wenn er nur seine Pflichten nicht versäumt. So wird sein Ruhm ein doppelter sein: einmal weil er den Grundstein zu einer neuen Herrschaft gelegt hat und ferner weil er diese durch gute Gesetze, ein gutes Heer und gute Beispiele zu Ehren gebracht und befestigt hat, wie den Herrscher doppelte Schande trifft, der sein ererbtes Land durch seine Torheit verloren hat. Betrachtet man die Machthaber, die in Italien zu unserer Zeit die Herrschaft verloren haben, wie der König von Neapel 316, der Herzog von Mailand 317 und andere, so wird man bei ihnen zunächst einen gemeinsamen Fehler als Ursache finden, nämlich das Versäumnis der Rüstung, worüber ich oben eingehend gesprochen habe 318. Man wird ferner sehen, daß einige von ihnen entweder beim Volk verhaßt waren oder, wenn sie beim Volk beliebt waren, es nicht verstanden haben, mit den Großen fertig zu werden. Ohne diese Fehler gehen die Staaten nicht verloren, die noch so viel Lebenskraft haben, um ein Heer ins Feld schicken zu können. Philipp von Macedonien 319 – nicht der Vater Alexanders, sondern jener, der von Titus Quinctius besiegt wurde – hatte im Verhältnis zur Größe des Römerreiches und Griechenlands, die ihn angriffen, nicht viel Macht. Trotzdem hielt er den Krieg gegen diese mehrere Jahre durch, da er ein guter Soldat war, es verstand, sich die Ergebenheit des Volkes zu erhalten und sich vor den Großen zu schützen. Wenn er schließlich die Herrschaft über einige Städte verlor, so blieb ihm doch sein Königreich. Unsere Machthaber, die nach vieljähriger Regierung schließlich ihre Herrschaft verloren haben, sollten daher nicht das Schicksal anklagen, sondern ihre eigene Feigheit. Denn in ruhigen Zeiten dachten sie nie daran, daß
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xxv. kapitel
sich diese ändern könnten (wie es ein allgemeiner Fehler der Menschen ist, bei Meeresstille nicht mit dem Sturm zu rechnen); und als widrige Zeiten kamen, dachten sie nur an die Flucht statt an Verteidigung 320 und trugen sich mit der Hoffnung, das Volk würde sie aus Empörung über die Übergriffe der Sieger zurückrufen 321. Dieser Entschluß ist richtig, wenn man keine anderen Möglichkeiten hat; doch ist es falsch, darüber andere Hilfsmittel zu vernachlässigen. Es wird ja niemand nur deshalb stürzen wollen, weil er hofft, jemand zu finden, der ihm wieder auf die Beine hilft. Dies kommt entweder überhaupt nicht vor oder, wenn es vorkommt, dann geschieht es nur auf Kosten deiner Sicherheit. Eine solche Hilfe ist verächtlich und hängt auch nicht von dir selber ab. Nur die Verteidigungsmittel sind brauchbar, sicher und zuverlässig, die allein von dir und deiner Tüchtigkeit abhängen. X XV. Kapitel
Was Fortuna in den Dingen dieser Welt vermag und wie man ihr begegnen soll 322
Es ist mir nicht unbekannt, daß viele der Meinung waren und noch sind, daß die Dinge dieser Welt so sehr vom Glück und von Gott gelenkt werden, daß die Menschen mit all ihrer Klugheit nichts gegen ihren Ablauf ausrichten können, ja, daß es überhaupt kein Mittel dagegen gibt. Daraus könnte man folgern, man solle sich nicht viel mit den Dingen abquälen, sondern sich vom Zufall leiten lassen. Diese Anschauung ist in unserer Zeit wegen der großen Umwälzungen, die wir erlebt haben und täglich erleben und die außerhalb jeder menschlichen Berechnung liegen, weit verbreitet 323. Wenn ich dies bisweilen bedenke, neige auch ich in mancher Hinsicht zu dieser Anschauung. Doch da wir einen freien Willen haben, halte ich es nichts-
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destoweniger für möglich, daß Fortuna zur Hälfte Herrin über unsere Taten ist, daß sie aber die andere Hälfte oder beinahe so viel uns selber überläßt. Ich vergleiche sie mit einem reißenden Strom, der bei Hochwasser das Land überschwemmt, Bäume und Häuser niederreißt, hier Land fortträgt und dort anschwemmt; alles ergreift vor ihm die Flucht, jeder weicht seinem Ungestüm aus, ohne nur den geringsten Widerstand leisten zu können. Obwohl die Dinge so liegen, bleibt doch nichts anderes übrig, als daß die Menschen in ruhigen Zeiten durch den Bau von Deichen und Dämmen Vorkehrungen treffen, und zwar derart, daß die steigenden Fluten entweder durch einen Kanal abgeleitet werden oder ihre Wucht gehemmt wird, damit sie nicht so rasend und verheerend wird. Ähnlich steht es mit Fortuna; sie zeigt ihre Macht dort, wo es an der Kraft des Widerstands fehlt, und sie richtet dorthin ihren Angriff, wo sie weiß, daß sie nicht durch Dämme und Deiche gehemmt wird. Wenn man Italien betrachtet, das der Schauplatz dieser Umwälzungen ist und dazu den Anstoß gegeben hat, so sieht man, daß es ein Land ohne Dämme und ohne den geringsten Schutz ist. Hätte es die Kraft zu einer entsprechenden Rüstung aufgebracht wie Deutschland, Spanien und Frankreich 324, so hätte entweder diese Überschwemmung 325 keine so großen Verheerungen zur Folge gehabt oder sie wäre überhaupt nicht eingetreten. Mehr möchte ich über den Widerstand gegen Fortuna im allgemeinen nicht sagen. Doch möchte ich mehr auf Einzelheiten eingehen und feststellen, daß man einen Herrscher heute im Glück leben und morgen stürzen sieht, ohne daß sich seine Naturanlage oder irgendeine seiner Eigenschaften geändert hätte. Dies ist meiner Meinung nach zunächst auf die vorher ausführlich besprochenen Ursachen zurückzuführen, daß nämlich ein Herrscher, der sich völlig auf das Glück verläßt, zugrunde geht, sobald sich dieses ändert, Auch
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glaube ich, daß nur der erfolgreich ist, der seine Handlungsweise mit dem Zeitgeist in Einklang bringt, wie der erfolglos sein wird, dessen Vorgehen nicht mit den Zeitverhältnissen übereinstimmt. Man sieht, daß die Menschen verschieden vorgehen, um zu dem Ziel zu kommen, das ihnen vorschwebt, nämlich zu Ruhm und Reichtum: der eine geht mit Zurückhaltung vor, der andere feurig, ein dritter braucht Gewalt, wieder ein anderer List, ein weiterer wendet Geduld an, ein anderer das Gegenteil davon; man kann also mit den verschiedensten Methoden zum Ziel kommen. Es ist möglich, daß von zweien mit entsprechenden Eigenschaften 326 der eine sein Ziel erreicht, der andere nicht und daß ebenso zwei mit ganz verschiedenen Neigungen in gleicherweise Glück haben, und zwar der eine mit bedächtigem Vorgehen, der andere mit draufgängerischem. Dies hängt allein davon ab, ob man sich den Zeitverhältnissen mit seiner Handlungsweise anpaßt oder nicht. Davon kommt es auch – ich wies bereits daraufhin –, daß zwei bei Anwendung verschiedener Methoden die gleiche Wirkung erzielen und daß von zweien bei Anwendung der gleichen Methoden der eine zu seinem Ziel kommt, der andere nicht. Davon hängt auch der Wechsel des Glücks ab. Wenn demnach einer mit Bedacht und Geduld verfährt und seine Methode der Zeit und den Verhältnissen entspricht, so kommt er vorwärts; doch wenn sich die Zeiten und die Verhältnisse ändern, so geht er zugrunde, weil er seine Methode nicht ändert 327. Es gibt kaum einen so klugen Menschen, der es verstünde, sich den Zeiten anzupassen; denn niemand kann gegen seine natürliche Anlage handeln, und ferner kann sich niemand entschließen, von einem Weg abzugehen, den er stets mit Erfolg begangen hat. Wenn daher die Zeit ein stürmisches Vorgehen fordert, so vermag ein bedächtiger Mann nicht danach zu handeln, und er geht zugrunde. Würde er
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mit den Zeiten und Verhältnissen sein Wesen ändern, so würde sich das Glück nicht ändern. Papst Julius II. 328 ging in allen seinen Unternehmungen mit Ungestüm vor; seine Methode paßte so vorzüglich zu den Zeitverhältnissen, daß er immer alles zu einem glücklichen Ende brachte. Man erinnere sich nur an seine erste Unternehmung gegen Bologna 329, als Herr Giovanni Bentivoglio noch lebte. Die Venezianer gaben hierzu nicht ihr Einverständnis, ebensowenig der König von Spanien. Mit Frankreich stand er wegen dieser Unternehmung erst in Unterhandlung. Trotzdem stürzte er sich persönlich mit dem ihm eigenen unbändigen Draufgängertum in diesen Feldzug. Angesichts dieses Schrittes verhielten sich Spanien und die Venezianer abwartend und still, und zwar die Venezianer aus Furcht, und Spanien, weil es danach trachtete, das ganze Königreich Neapel zurückzugewinnen 330. Andererseits zog der Papst dadurch den König von Frankreich auf seine Seite. Als dieser nämlich die Schritte des Papstes bemerkte, wünschte er ihn als Freund zu gewinnen 331, um die Venezianer zu demütigen, und glaubte, ihm seine Truppen nicht versagen zu können, ohne ihn offensichtlich zu beleidigen. Julius erreichte also mit seinem stürmisch durchgeführten Feldzug, was kein anderer Papst bei aller menschlichen Klugheit erreicht hätte. Wenn er nämlich mit seinem Ausmarsch aus Rom gewartet hätte, bis der Vertrag geschlossen und alle Vorbereitungen getroffen waren, wie es jeder andere Papst getan hätte, hätte er sein Ziel nie erreicht; denn der König von Frankreich hätte tausend Ausflüchte gebraucht und die anderen hätten tausend Bedenken gehabt. Von den anderen Unternehmungen des Papstes, die alle ähnlich verliefen und die alle erfolgreich waren, will ich nicht sprechen. Da er nicht mehr lange lebte 332, brauchte er Rückschläge nicht zu erfahren. Wären Zeiten gekommen, die ein bedächtiges Vorgehen ver-
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langt hätten, so hätte dies seinen Untergang zur Folge gehabt; denn nie hätte er von seiner Handlungsweise, zu der er von Natur neigte, gelassen. Ich komme also zu folgendem Schluß: da sich das Schicksal wandelt und die Menschen auf ihre Methoden versessen sind, werden sie nur dann Erfolg haben, solange sich beides miteinander im Einklang befindet, und sie werden Mißerfolge haben, wenn beides nicht übereinstimmt. Ich bin aber der Meinung, daß es besser ist, draufgängerisch als bedächtig zu sein. Denn Fortuna ist ein Weib; um es unterzukriegen, muß man es schlagen und stoßen. Man sieht auch, daß es sich leichter von Draufgängern bezwingen läßt als von denen, die kühl abwägend vorgehen. Daher ist Fortuna immer, wie jedes Weib, den jungen Menschen freund; denn diese sind weniger bedächtig und draufgängerischer und befehlen ihr mit größerer Kühnheit. X XVI. Kapitel
Aufruf, in Italien die Macht zu ergreifen und es von den Barbaren zu befreien Wenn ich alles, was ich bisher gesagt habe, betrachte und mir Gedanken darüber mache, ob gegenwärtig in Italien die Zeiten einem neuen Herrscher günstig sind und ob ein kluger und tüchtiger Mann Gelegenheit hat, den derzeitigen Zuständen Form zu geben zum eigenen Ruhm und zum Wohl des ganzen italienischen Volkes, scheint mir so vieles zugunsten eines neuen Herrschers zu sprechen, daß ich keine Zeit wüßte, die für ihn geeigneter wäre. Wie ich oben ausführte, mußte das Volk Israel von den Ägyptern geknechtet werden, damit die Führereigenschaft des Moses sichtbar wurde, die Perser mußten unter dem Joch der Meder leiden, um die Seelengröße des Cyrus zu erkennen; die Athener mußten [in allen
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Winden] zerstreut wohnen, damit das hervorragende Talent des Theseus sich zeigen konnte. So mußte auch heute Italien in die augenblicklichen Verhältnisse geraten, damit die Kraft italienischen Geistes erkennbar wird. Es mußte versklavter werden als die Juden, geknechteter als die Perser, zerrissener als die Athener 333, ohne Oberhaupt, ohne Ordnung mußte es geschlagen, geplündert, zerrissen, vom Feind überrannt werden und jede Art des Niedergangs erduldet haben. Und wenn sich auch bisher mit mancher Persönlichkeit 334 ein Hoffnungsstrahl gezeigt hat, so daß man meinen konnte, sie wäre von Gott zur Befreiung Italiens auserkoren, so hat man doch später gesehen, wie sie auf dem Gipfel ihrer Laufbahn vom Glück verlassen wurde. So ist Italien in einem Zustand, als ob es ohne Leben wäre; es steht in Erwartung dessen, der seine Wunden heilen, den Plünderungen der Lombardei 335, den Leiden des Königreichs Neapel und der Toscana 336 ein Ende bereiten und es von seinen seit langem schwärenden Plagen befreien könnte. Wir sehen, wie es Gott bittet, er möge ihm einen Mann schicken, der es von den Grausamkeiten und Gewalttätigkeiten der Barbaren befreit. Wir sehen auch, daß es durchaus bereit und willens ist, einem Banner zu folgen, wenn nur ein Mann da ist, der es ergreift. Doch zeigt sich gegenwärtig niemand, auf den es größere Hoffnungen setzen könnte als auf euer erlauchtes Haus, das sich auf Grund seines Glücks und seiner Tüchtigkeit, begünstigt von Gott und der Kirche, deren Haupt es augenblicklich ist 337, zum Führer des Befreiungswerks machen könnte. Dies dürfte keine großen Schwierigkeiten machen, wenn ihr euch die Taten und das Leben der oben genannten Persönlichkeiten 338 vor Augen haltet. Wenn diese Männer auch einzigartig und bewunderungswürdig waren, so waren es doch Menschen, und keiner fand günstigere Umstände vor als die gegenwärtigen. Ihr
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Vorhaben war nicht gerechter und nicht leichter als das jetzige, und Gott war ihnen nicht geneigter als euch. Es handelt sich hier um eine gerechte Sache: »iustum enim est bellum quibus necessarium, et pia arma ubi nulla nisi in armis spes est 339.« Die Umstände sind ungewöhnlich günstig; und wenn die Umstände günstig sind, kann die Schwierigkeit nicht groß sein, wenn sich euer Haus nur nach den Maßnahmen derer richtet, die ich als Vorbilder genannt habe. Überdies wurde man wunderbare Zeichen gewahr, Zeichen ohnegleichen, von Gott gesandt: das Meer hat sich aufgetan, eine Wolke hat euch den Weg gezeigt, Wasser ist einem Felsen entsprungen, Manna hat es geregnet. Alles hat sich zu eurer Größe vereint. Was noch übrigbleibt, müßt ihr selber tun. Gott will nicht alles tun, um uns nicht den freien Willen zu nehmen und den Teil des Ruhms, der uns selber angeht. Es ist nicht zu verwundern, wenn keiner der vorgenannten Italiener 340 vollbringen konnte, was man von eurem erlauchten Haus erhoffen darf, und wenn es bei so viel Umwälzungen in Italien und so viel kriegerischen Verwicklungen den Anschein hat, als ob es bei uns mit aller Tüchtigkeit im Waffenhandwerk für immer vorbei wäre. Dies kommt daher, daß die alte Organisation des Kriegswesens nichts taugte und sich keiner fand, der es verstanden hätte, eine neue zu schaffen. Und doch bringt nichts einem Mann, der neu zur Macht emporsteigt, so viel Ehre wie der Erlaß neuer Gesetze und die Neuordnung des Heerwesens. Wenn diese Dinge auf guter Grundlage aufgebaut und Größe in sich haben, so verschaffen sie ihm Verehrung und Bewunderung. In Italien fehlt es nicht an Stoff, dem man jede Form geben kann. Hier steckt noch viel Tüchtigkeit in den Gliedern, wenn sie nur den Köpfen nicht fehlen würde. Man sieht bei Zweikämpfen und kleinen Fehden, wie sehr die Italiener an Kraft, an Gewandtheit und Verstand überlegen sind.
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Doch wenn es zur Bildung eines Heeres kommt, versagen sie. Alles dies kommt von der Schwäche der Führer. Denn diejenigen, die etwas verstehen, finden keinen Gehorsam, und jeder glaubt, etwas zu verstehen, da bis jetzt noch keiner aufgetreten ist, der durch Tüchtigkeit und Glück seine Überlegenheit bewiesen und sich dadurch die anderen gefügig gemacht hätte. Daher kommt es, daß in der ganzen Zeit, in all den Kriegen der letzten zwanzig Jahre 341 sich jedes Heer, das nur aus Italienern bestanden hat, schlecht bewährt hat. Beweis hierfür liefern die Schlachten am Taro 342 , dann die bei Alessandria 343, Capua 344, Genua 345, Vailà 346, Bologna 347, Mastre 348. Wenn also euer erlauchtes Haus dem Beispiel jener bedeutenden Männer folgen wollte, die ihr Land befreiten 349, so ist vor allem andern als sichere Grundlage für jedes Unternehmen nötig, ein eigenes Heer zu schaffen; denn man kann keine treueren, echteren und besseren Soldaten haben. Wenn schon jeder einzelne von ihnen tüchtig ist, so sind alle zusammen noch tüchtiger, insbesondere wenn sie wissen, daß sie unter dem Kommando ihres Herrschers stehen, von ihm geschätzt und unterhalten werden. Daher gilt es, solche Truppen aufzustellen, um mit italischer Tüchtigkeit die fremden abwehren zu können. Obwohl die schweizerische und die spanische Infanterie für furchtbar gelten, so haben doch beide Fehler, auf Grund deren eine dritte Streitmacht ihnen nicht bloß Widerstand leisten, sondern sogar hoffen könnte, sie zu besiegen. Die Spanier sind nicht imstande, sich gegen die Kavallerie zu behaupten, und die Schweizer müssen Furcht vor der Infanterie haben, wenn sie im Kampf ebenso verbissen ist wie sie selber. Daher hat die Erfahrung gezeigt und wird es weiter zeigen, daß die Spanier sich nicht gegen französische Kavallerie halten können und die Schweizer der spanischen Infanterie unterliegen. Obwohl man bezüglich des letzteren Punkts noch keine abgeschlossenen Er-
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fahrungen gesammelt hat, so hat man doch in der Schlacht von Ravenna 350 eine Probe erlebt, wo spanische Infanterie mit deutschen Truppen zusammenstieß, die dieselbe Taktik haben wie die Infanterie der Schweizer. Die Spanier waren dank ihrer körperlichen Geschicklichkeit und geschützt durch ihre Schilder zwischen und unter die Reihen der Spieße der Deutschen eingedrungen und vermochten diese unbehelligt anzugreifen, ohne daß die Deutschen etwas dagegen machen konnten; und wenn nicht die Kavallerie gegen sie vorgestoßen wäre, hätten sie alle Deutschen vernichtet. Wenn man die Mängel der spanischen und der schweizerischen Infanterie kennt, so ist man imstande, eine andere Truppe aufzustellen, die der Kavallerie Widerstand leistet und keine Furcht vor der Infanterie hat. Die Art der Bewaffnung und die Änderung der Taktik werden es bewirken. Dies sind Neuerungen, die einem neuen Herrscher Ruhm und Größe verschaffen. Man sollte also diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, damit Italien nach so langer Zeit seinen Retter findet. Ich vermag nicht auszudrücken, mit welcher Liebe er in allen Gebieten empfangen würde, die unter dem Einfall der Fremden gelitten haben, mit welcher Rachgier, mit welch unerschütterlicher Treue, mit welcher Hingabe und mit welchen Tränen! Welche Türe würde sich ihm verschließen, wer würde ihm den Gehorsam verweigern? Wer könnte ihm mit Neid begegnen? Welcher Italiener würde ihm die Huldigung versagen: Jeden ekelt die Herrschaft der Barbaren an. So übernehme denn euer erlauchtes Haus diesen Auftrag mit dem Mut und mit der Hoffnung, die eine gerechte Sache beseelen, damit unter seinem Banner unser Vaterland wieder zu Ehren komme und unter seinem Schutz das Wort Petrarcas 351 Wahrheit werde:
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»Virtù contro a furore, Prenderà l’arme; e fia el combatter corto: Ché l’antico valore Nelli italici cor non è ancor morto 352.«
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Anmerkungen EINLEITUNG 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Siehe XXVI, Kap. Francesco Vettori (1474 bis 1539) war florentinischer Gesandter am päpstlichen Hof bei Leo X. Mit ihm verband Machiavelli nahe Freundschaft. Der Briefwechsel zwischen beiden ist erhalten, Siehe KTA Bd. 173, Einleitung. Philippo Casavecchia war ein gemeinsamer Freund Machiavellis und Vettoris und Bewunderer des Genies Machiavellis. Siehe »Discorsi« II, 1 und III, 42. Siehe Wilhelm Waetzoldt, »Niccolò Machiavelli, S. 169 ff. Siehe Gerhard Ritter, »Die Dämonie der Macht«, S. 49 ff. Widmung
8.
Geboren 1492, gestorben 1519. Sohn des unglücklichen Piero de’ Medici, Enkel des Lorenzo Magnifico, Neffe des Giovanni de’ Medici, des nachmaligen Papstes Leo X. und des Giuliano de’ Medici, des nachmaligen Gonfaloniere der päpstlichen Truppen, sowie Vater der Katharina de’ Medici, nachmals Königin von Frankreich. Als sein Onkel Giuliano, Herzog von Nemours, vom Papst Leo X. im Jahr 1513 zum Gonfaloniere der päpstlichen Truppen ernannt wurde, bekam Lorenzo die Regierungsgewalt in Florenz übertragen. Auf Veranlassung des päpstlichen Onkels eroberte er an der Spitze der päpstlichen Truppen 1516 Urbino, vertrieb den Herzog della Rovere, den Neffen des nachmaligen Papstes Julius II. und wurde selber zum Herzog von Urbino erhoben. In Florenz den einfachen Bürger zu spielen und in Urbino den Herzog, gelang ihm nicht. Sein Hochmut, sein ausschweifendes Leben und nicht zuletzt die kriegerischen Verwicklungen, die der Eroberung von Urbino folgten, zogen ihm den Haß der Florentiner zu. Er vermählte sich mit einer Verwandten des französischen Königs, Madeleine de la Tour d’Auvergne. Diese starb bereits 14 Tage nach der Geburt ihrer Tochter Katharina im Kindbett. Sechs Tage später, am 4. 5. 1519, starb auch Lorenzo mit 27 Jahren an den Folgen einer Verwundung, die er im Kampf gegen den Herzog della Rovere erhalten hatte. Andere sagen, daß seine Ausschweifungen an seinem frühen Tod
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9.
10. 11.
anmerkungen schuld gewesen seien. Er war der letzte legitime Nachkomme der älteren Medicilinie, deren Stammvater Cosimo, der pater patriae war. Lorenzo wurde gleich seinem Onkel Giuliano auf Anordnung des Papstes Leo X. in der neuen Sakristei von San Lorenzo in Florenz bestattet. Michelangelo erhielt den Auftrag, ihm ebenso wie dem Giuliano die Grabdenkmäler zu bauen. Der sitzende Krieger über dem Grab Lorenzos hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Toten in der Gruft, ebensowenig wie sie der Krieger über dem Sarkophag Giulianos hat. Es sind Phantasiegestalten Michelangelos. Dieser hat die Arbeiten im März 1521 begonnen; sie wurden vom Papst Clemens VII., dem Vetter Leos X., besonders gefördert. 13 Jahre arbeitete Michelangelo an der Grabkapelle San Lorenzo, die erst 1534 vollendet wurde. Wahrscheinlich hat Lorenzo das ihm von Machiavelli gewidmete Werk gar nicht zu Gesicht bekommen. Gemeint sind die Entbehrungen und Gefahren bei seinen politischen Missionen und Gesandtschaften. Die Gesandtschaften führten ihn nach Frankreich und Deutschland, zu Cesare Borgia und den kleinen italienischen Machthabern, wo er oft monatelang unterwegs war. Die bedeutendste militärisch-politische Mission war die Oberleitung der Belagerung von Pisa. Machiavelli war amtsenthoben und lebte in ärmlichen Verhältnissen. Siehe Einleitung. I. KAPITEL
12.
13.
Francesco Sforza (1401 bis 1466) ist der Sohn des berühmten Condottiere Muzio Attendolo da Catignuola. Sforza (Bezwinger) war ursprünglich der Beiname, den ihm seine Söldner gegeben haben. Sein Sohn Francesco heiratete die Tochter des Herzogs Philipp Maria Visconti von Mailand. 1447 verteidigte er Mailand gegen die Venezianer. Durch schlecht verhüllten Verrat gewann er die Hilfe der gleichen Venezianer, die er bekämpfen sollte, und wurde Herr von Mailand. Francesco Sforza war der klassische Condottiere des 15. Jahrhunderts, dem es durch seine militärischen Unternehmungen gelang, eine Herrschaft zu schaffen. Ferdinand der Katholische schloß im Vertrag von Granada am 11. November 1500 mit Ludwig XII. König von Frankreich, ein Bündnis zur Eroberung des Königreichs Neapel. Die vereinigten Spanier und Franzosen eroberten dieses rasch. Sein König Friedrich von Aragon wurde als Gefangener nach Frankreich abgeführt, wo er 1504 starb. Die Verteilung der Beute führte unter den Verbündeten zu Streitigkeiten und endlich zum Krieg, in welchem die Franzosen nach verschiedenen Niederlagen das Land räumten, das schließlich die spanischen Könige 1504 in Besitz nahmen. Ferdinand
anmerkungen
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gliederte es seinem Stammland als Vizekönigtum an. Für Machiavelli war Ferdinand der Katholische zusammen mit Francesco Sforza und Cesare Borgia das Ideal eines Herrschers. II. KAPITEL 14.
15.
In den Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio (siehe KTA Bd. Nr. 173), entstanden zwischen 1513 und 1519; das 1. Buch der Discorsi wurde ebenso wie der Principe im Jahr 1513, dieser jedoch etwas vor dem 1. Buch, geschrieben. Machiavelli hat hier zwei Herzöge von Ferrara im Auge, nämlich Ercole d’Este (1471 bis 1505), der mehrmals von den Venezianern geschlagen und deren Obrigkeit anerkennen mußte, und ferner Alfonso d’Este (1505 bis 1531), der im Krieg der Heiligen Liga zwar für einige Zeit abgesetzt, aber sich schließlich doch gegen Papst Julius II. behauptete. III. KAPITEL
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18. 19.
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Ludwig XII., der nach dem Tode Gian Galeazzo Viscontis Erbansprüche auf Mailand erhob, ließ im Februar 1499 ein Heer unter der Führung des tüchtigen Feldherrn Gian Giacomo Trivulzio in die Lombardei einrücken. Er besetzte Mailand am 11. September 1499 im Bündnis mit den Venezianern. Der Herzog von Mailand Ludovico il Moro floh nach Deutschland zu Kaiser Maximilian. Die Mailänder waren bald der neuen Herren überdrüssig, vertrieben sie und riefen Ludovico am 5. Februar 1500 zurück. Am 5. April des gleichen Jahres wurde er nach dem Abfall seiner Schweizer Söldner von den Franzosen bei Novara (Oberitalien) geschlagen; sie nahmen ihn gefangen; er starb 1512 in französischer Gefangenschaft. Dies war erst 1512 im Krieg der sog. Heiligen Liga, die Papst Julius II. gegründet hatte. In dieser hatten sich Venedig, König Ferdinand von Aragon und Heinrich VIII. von England gegen Frankreich verbündet. Die Franzosen wurden bei Ravenna am 11. April 1512 geschlagen und aus der Lombardei vertrieben. Die Eroberung dieser Provinzen erfolgte zu ganz verschiedenen Zeiten. Die Normandie wurde 1204 an Frankreich angegliedert, die Gascogne 1453, die Bourgogne 1477 und die Bretagne 1491. Unter Griechenland versteht Machiavelli den ganzen Balkan, der nach und nach von Bajazet (1347 bis 1403), Murad II. (1422 bis 1451), Mohamet II. (1451 bis 1481) und Selim (1467 bis 1520) erobert wurde; mit der Eroberung Konstantinopels (1453) konstituierte sich das Türkische Reich in Europa. Die Ätoler waren in Griechenland die minder Mächtigen; Philipp V. von Mazedonien der Mächtige und Antiochus von Syrien
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23. 24.
25. 26. 27. 28. 29. 30.
31.
32:
anmerkungen der mächtige fremde Herrscher. Rom machte sich zum Führer und Verteidiger der Ätoler, zog gegen Philipp V. von Mazedonien ins Feld und schlug ihn. Dann verbündeten sich die Römer mit demselben Philipp gegen Antiochus von Syrien, der von den mit der römischen Schutzherrschaft unzufriedenen Ätolern ins Land gerufen wurde. Antiochus begann den Krieg gegen die Römer, auf deren Seite der Achäische Bund und Philipp von Mazedonien standen. Er wurde in der Schlacht bei Thermopylae 192 v. Chr. geschlagen, entkam nach Syrien und verlor nach einer weiteren Niederlage bei Magnesia 190 v. Chr. einen großen Teil seines Reichs. Auf diese Weise unterstützten die Römer zunächst die minder mächtigen Ätoler, schwächten den Stärkeren und bekriegten den fremden Machthaber. Durch die Schlacht von Cynoscephalae, in der König Philipp V. von Mazedonien (221 bis 179 v. Chr.) von dem römischen Konsul Titus Qu. Flamininus 197 v. Chr. geschlagen wurde. Antiochus III., König von Syrien (223 bis 187 v. Chr.), landete 192 v. Chr. von den Ätolern gerufen in Griechenland; er erlag den Römern in der Schlacht bei Magnesia in Kleinasien 190 v. Chr. Die Achäer und Ätoler wurden von den Römern wohl geschützt, aber ihr Machtbereich nicht vergrößert. Philipp V. schloß sich den Römern im Kampf gegen Antiochus von Syrien an; er mußte jedoch die von ihm in diesem Krieg gemachten Eroberungen zurückgeben, da die Römer keine Vergrößerung seines Landes duldeten. Im zweiten Mazedonischen Krieg 200 bis 197 v. Chr. Im Syrisch-Ätolischen Krieg 192 bis 191 v. Chr. Ludwig XII. von Frankreich war 13 Jahre in Italien und zwar von 1499 bis 1512; er verlor seine Besitzungen im Krieg mit Julius II. Karl VIII. blieb nur vom September 1494 bis Oktober 1495 in Italien. Karl VIII. hatte fast ganz Italien zum Feind Frankreichs gemacht. Die Republik Genua war durch zwei Parteien zerrissen, die Adelspartei und die Volkspartei. Der Adel hielt zu Ludwig XII., das Volk zu Papst Julius II., dem erbitterten Feind Frankreichs. Ludwig drang in die Stadt ein und beseitigte die Führer der Volkspartei. So gelang es ihm, die Stadt zu unterwerfen. Die Florentiner mußten Ludwig XII. mit Waffen und Geld bei seiner Expedition nach Neapel unterstützen, der König seinerseits den Florentinern bei der Unterwerfung Pisas helfen. Auch Giovanni Francesco Gonzaga, der Gemahl Isabellas von Este, der noch gegen die Truppen Karls VIII. gekämpft hatte, bemühte sich um die Gunst Ludwigs XII. und schloß sich Frankreich an. In seinem Gefolge befand sich übrigens Baldassare Castiglione, der im
anmerkungen
33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40.
41. 42.
43. 44. 45. 46. 47.
48.
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»Cortigiano« an die Begegnung des Gonzaga mit dem französischen König erinnert. Ercole d’Este. Giovanni Bentivoglio, Herr von Bologna; er wurde heftig von Papst Julius II. verfolgt. Die berühmte Catarina Sforza, Gräfin von Imola und Forli, Mutter des Giovanni delle Bande nere. Astorre Manfredi. Giovanni Sforza. Pandolfo Malatesta. Giulio Cesare da Varano. Jacopo degli Appiani. Nicht allen war die französische Protektion von Vorteil: Astorre Manfredi und da Varano wurden von Cesare Borgia, der von Frankreich unterstützt wurde, ermordet; Giovanni Sforza, der erste Mann Lucrezia Borgias, wurde seines Staats beraubt. Lucca, Pisa, Siena waren Freistaaten. Papst Alexander VI. Borgia suchte für seinen Sohn Cesare einen Staat zu gründen. Nach der Eroberung von Imola und Forli verjagte Cesare Borgia im Oktober 1500 seinen Schwager Giovanni Sforza aus seiner Herrschaft in Pesaro, Pandolfo Malatesta aus Rimini, dann ging er auf Faenza los, wo er den jungen Astorre Manfredi gefangennahm und ihn schließlich im Tiber ertränkte. Um den von Cesare Borgia beabsichtigten Angriff auf Bologna und Toscana zu verhindern, schaltete sich Ludwig XII. ein. Friedrich von Aragon war bereit, die Oberherrschaft Frankreichs anzuerkennen. Die verschiedenen Herren der Städte in der Romagna durch seinen Verbündeten Cesare Borgia. Den Papst und seinen Sohn Cesare Borgia. Ferdinand den Katholischen von Spanien. Dies geschah durch die Liga von Cambrai, die am 10. Dezember 1508 zwischen Papst Julius II., König Ludwig XII. von Frankreich, Ferdinand dem Katholischen, dem König von England, den Herzögen von Savoyen und Ferrara und dem Marchese von Mantua geschlossen wurde, um die Macht Venedigs zu brechen. Am 14. Mai 1509 erlitten die Venezianer eine schwere Niederlage und mußten große Teile ihrer Besitzungen auf dem Festland an die Sieger abtreten. Ludwig XII. wollte sich von seiner Gemahlin Johanna, der Schwester Karls VIII. und Tochter Ludwig XI., scheiden lassen, um die Witwe Karls VIII., Anna von Bretagne, zu heiraten. Papst Alexander VI. ließ seinen Sohn Cesare Borgia die Scheidungsbulle mit großem Pomp aushändigen und ernannte vereinbarungsgemäß den Erzbischof von Rouen, der gleichzeitig erster Minister des Königs
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49. 50. 51.
anmerkungen war, zum Kardinal. Als Gegenleistung verpflichtete sich Ludwig XII. den Papst bei der Eroberung der Romagna zu unterstützen. S. XVIII. Kap. Die Unterhaltung fand wahrscheinlich anläßlich der 1. Gesandtschaft des Machiavelli an den französischen Hof statt, der sich im Oktober und November 1500 in Nantes aufhielt. Cesare Borgia war zunächst seit 1493 Kardinal von Valencia in Spanien. Nachdem er die Kardinalswürde aufgegeben hatte (1498), wurde er von Ludwig XII. von Frankreich mit der Grafschaft Valence in der Dauphine belehnt, die zum Herzogtum erhoben wurde. Daher der Titel »Herzog von Valentinois«, aus dem der Volksmund »Valentino« machte. IV. KAPITEL
52. 53.
54. 55. 56.
57. 58. 59. 60.
Alexander der Große (356 bis 323 v. Chr.) eroberte in sieben Jahren Asien und starb vier Jahre nach der Eroberung. Es waren sieben griechische Generäle, die sich untereinander bekämpften (Diadochenkämpfe) und ihre Kräfte in Kriegen gegeneinander erschöpften. Aus den Trümmern des Reichs Alexanders entstanden elf Königreiche, unter denen folgende vier hervorragten: Ägypten unter den Ptolemäern, Syrien unter den Seleukiden. Kleinasien (Pergamon) unter den Attaliden und Makedonien unter den eigentlichen Nachfolgern Alexanders. Darius III. Codomanus (337 bis 330 v. Chr.) verlor das Perserreich an Alexander den Großen. Die Satrapien des Perserreichs erinnern an die Sandschaks des Osmanischen Reichs. Geschichtlich unrichtig; denn in Spanien, Gallien und Griechenland gab es keine Fürstentümer feudalen Typs. Machiavelli denkt hier wohl an verschiedene Häuptlinge, die in den Provinzen persönliches Ansehen genossen, z. B. an Vercingetorix, den Führer der Gallier gegen Cäsar u. ä. In den Bürgerkriegen zwischen Cäsar und Pompejus. Gallien stand auf seiten Cäsars, Griechenland und Spanien auf seiten des Pompejus. Auch diese Feststellung ist historisch unrichtig; denn weder in Gallien noch in Spanien noch in Griechenland gab es erbliche Stammesfürstentümer. Pyrrhus, König von Epirus (306 bis 272 v. Chr.), kämpfte in Italien gegen Rom; trotz seiner Tüchtigkeit und zweier erfolgreicher Schlachten (280 bis 279 v. Chr.) konnte er in Italien nicht festen Fuß fassen.
anmerkungen
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V. KAPITEL 61.
62.
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Die Spartaner setzten nach Beendigung des Peloponnesischen Kriegs im Jahr 404 v. Chr. in Athen eine Regierung von 30 ihnen ergebenen Bürgern ein (die sogen. 30 Tyrannen), die von Trasybulos bereits ein Jahr später, 403 v. Chr. gestürzt wurde. In Theben gründeten die Spartaner gleichfalls eine Oligarchie aus einigen ihnen ergebenen Bürgern (382 v. Chr.), die von Pelopidas mit Hilfe des Epaminondas gestürzt wurde (379 v. C hr.). Damit wurde die spartanische Herrschaft in Theben gebrochen. Capua wurde 211 v. Chr. im 2. Punischen Krieg zerstört, Carthago 146 v. Chr. im 3, Punischen Krieg und Numantia in Spanien 133 v. Chr. von Scipio dem Jüngeren. Nach der Schlacht bei Cynoscephalae, in der der Konsul Titus Quinctius Flamininus den König Philipp V. von Mazedonien besiegte (197 v. C hr.), proklamierte dieser die Freiheit des griechischen Volks. Da aber die Griechen ständig rebellierten und sich mit den Feinden Roms verbanden, sahen sich die Römer gezwungen, das Land völlig niederzuwerfen; Theben wurde 167 v. Chr. zerstört, Korinth 146 v. Chr. Griechenland wurde römische Provinz. 1405 hatten die Florentiner die Stadt Pisa von den Visconti gekauft; 1406 gelang es ihnen, die Stadt zu unterwerfen. Sie verloren Pisa aber wieder 1494, als sich dieses anläßlich des Durchzugs Karl VIII. von Frankreich empörte und seine Unabhängigkeit wieder eroberte. Erst 1509 eroberte Florenz die Stadt zurück. Um die Wiedereroberung Pisas erwarb sich Machiavelli besondere Verdienste. VI. KAPITEL
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Moses, Cyrus, Romulus, Theseus. Machiavelli stellt die mythischen und historischen Persönlichkeiten einander gleich. Abgesehen davon, daß er die Geschichte noch nicht kritisch betrachtet wie das 19. Jahrhundert, sieht er auch in der Legende einen natürlichen Vorgang des geschichtlichen Lebens; sie gibt ihm Symbole für seine Beweisführung. Moses, Volksführer und Religionsstifter, zwar eine geschichtliche, aber sagenumwobene Gestalt (etwa 1225 v. Chr.), befreit die Israeliten aus ägyptischer Gefangenschaft und wird zum Begründer des jüdischen Staats. Der geschichtliche Kern dieser Vorgänge wird heute nicht mehr bestritten. Machiavelli ironisiert diesen Vorgang, wenngleich auch er ihn nicht in Abrede stellt. Cyrus der Ältere, Begründer des Perserreichs (559 bis 529 v. Chr.); er eroberte Medien, Lydien, Kleinasien und Babylon. Romulus galt nach der Sage als der Sohn des Mars und der Vestalin
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anmerkungen Rea Silvia, der Tochter des Königs Numitor von Alba. Die von der Vestalin geborenen Zwillinge Romulus und Remus wurden von ihrem Großonkel Amulius, der seinen Bruder Numitor vom Thron gestoßen hatte, auf dem reißenden Tiber in einem Kasten ausgesetzt, der an einem Feigenbaum hängenblieb. Die Kinder wurden von einer Wölfin gesäugt und später von einem Hirten erzogen. Die Einrichtung des Staats mit Senat und Volksversammlung, Patriziern und Plebejern ging angeblich auf Romulus, den ersten König von Rom, zurück. Theseus, sagenhafter athenischer König, verrichtete viele kühne Taten; u. a. bezwang er mit Hilfe der Ariadne den Minotaurus, König von Kreta. Machiavelli hat hier wohl Moses und Savonarola im Auge. Savonarola (1452 bis 1498) war nach der Vertreibung der Medici der tatsächliche Herr von Florenz, Er wurde auf Betreiben des Papsts als Ketzer verbrannt. Machiavelli spottet bei jeder Gelegenheit über ihn »als waffenlosen Propheten«, der notwendig zugrunde gehen mußte. Hiero II. seit 269 v. Chr. König von Syrakus. VII. KAPITEL
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Machiavelli spielt hier auf die Einteilung des Perserreiches in Satrapien an, die von Darius (521–486 v. Chr.) durchgeführt wurde. Das Perserreich umfaßte auch die Griechenstädte in Kleinasien und am Hellespont; Griechenland selber gehörte nicht dazu. Es sind dies die Kaiser von Commodus (180 bis 192 n. Chr.) bis Maximinus Thrax (235 bis 238) (s. auch XIX. Kap.). S. I. Kap. Anm. i. S. III. Kap. Machiavelli stand mit Cesare Borgia auf vertrautem Fuß. Zwischen 5. Oktober 1502 und 31. Januar 1503 vertrat er seine Vaterstadt Florenz bei ihm. Der Tod seines Vaters, des Papstes, und die eigene Krankheit. Herzog von Mailand war Ludovico il Moro, unter dessen Schutz seine Nichte, die berühmte Catalina Sforza, Herrin von Forli, und Giovanni Sforza, Herr von Pesaro, standen. Die Venezianer waren die Schutzherren von Faenza und Rimini. Die Orsini und Colonna, römische Barone, gehörten zu den berühmtesten Condottieri ihrer Zeit. Papst Alexander VI. begünstigte den Einmarsch Ludwigs XII. von Frankreich nach Italien, indem er die Ansprüche des französischen Königs auf das Herzogtum Mailand legitimierte. Dies war dadurch möglich, daß er die erste Ehe des französischen Königs mit Johanna von Bretagne schied und diesem dadurch die Möglichkeit gab, die
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Witwe Karls VIII. zu heiraten. Diese Ehe gab dem französischen König das Recht, sich unter Berufung auf die Abkunft seiner Frau gegen die Visconti Anspruch auf Mailand zu erheben. Machiavelli berichtete in einem Brief an seine Behörde in Florenz diese politischen Beweggründe des Papstes. Ludwig XII. marschierte am 6. Oktober 1499 in Mailand ein; im November desselben Jahres begann Cesare Borgia seinen Angriff auf die Romagna mit 100 Lanzenreitern, die ihm der König von Frankreich zur Verfügung gestellt hatte, sowie mit angeworbenen Söldnern. Ludwig XII. erfreute sich nach seinem Einmarsch in Mailand großen Ansehens in Italien (s. III. Kap.). Alexander VI. hatte unter dem Vorwand, daß die Herren der Romagna und der Marken der Kirche nicht die geschuldeten Tribute zahlten, seinen Sohn Cesare beauftragt, sie niederzuwerfen. Dieser unterwarf zwischen November 1499 und Januar 1500 Imola und Forli; im Oktober 1500 Pesaro und Rimini; zwischen April und September 1501 Faenza und Piombino, im Juni 1502 Urbino und dann Sinigaglia, wo er im Dezember seine aufrührerischen Hauptleute umbringen ließ. 1503 eroberte er Perugia. Ludwig XII. erkannte allmählich die Bedeutung der Unternehmungen Cesares. Als dieser gegen Florenz marschieren wollte, legte er ein Veto ein. Ludwig XII. war mit Florenz verbündet. Gleich nach der Eroberung Urbinos, das unter der Herrschaft des Guidobaldo Montefeltro stand, kam Machiavelli als f lorentinischer Gesandter zu Cesare Borgia. In dem Bericht an seine vorgesetze Behörde vom 26. Juni 1502 schildert er mit Begeisterung die Politik und Person Cesares. Magione ist ein Dorf in der Nähe von Perugia. Dort trafen sich am 9. Oktober 1502 die Orsini, der Kardinal Pagolo, der Herzog von Gravina, Vitellozzo Vitelli, Oliverotto da Fermo, Giampagolo Baglioni, ferner ein Vertreter des Pandolfo Petrucci, des Herrn von Siena, und einige andere. Man sprach sich über die Pläne des Herzogs aus und beschloß, seinen Machthunger zu zügeln. Sie wollten vor allem versuchen, Florenz zu gewinnen. Am 17. Oktober 1502 wurden seine Truppen von den Orsini geschlagen. Cesare befand sich ohne Truppen in Imola und mußte nun fürchten, völlig unbewaffnet Krieg führen zu müssen. In diesem Zeitpunkt wurde Machiavelli von den Florentinern zu Cesare gesandt, um ihm Hilfe gegen seine neuen Feinde anzubieten. Die Florentiner hatten nämlich aus alten Familienfeindschaften beschlossen, die Orsini und Vitelli nicht zu unterstützen. Nun faßte Cesare wieder Mut, warb neue Truppen an und bat den König von
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anmerkungen Frankreich um Unterstützung. Dieser stellte ihm 500 Lanzenreiter zur Verfügung. Paolo Orsini ging am 25. Oktober 1502 nach Imola, um mit Cesare Frieden zu schließen. Am 31. Dezember 1502 ließ Cesare die von ihm abgefallenen Hauptleute Vitellozzo und Oliverotto umbringen; Paolo Orsini und der Herzog von Gravina wurden am 18. Januar 1503 umgebracht. Sein eigentlicher Name ist Remigius de Lorqua. Er kam 1498 mit Cesare aus Frankreich. Am 26. Dezember 1502. Machiavelli, der Zeuge dieses Vorgangs war, berichtete seiner Behörde hierüber in einem Gesandtschaftsbericht vom gleichen Tage. Cesare hatte auf Ludwig XII. wegen seiner alten Verpflichtungen Rücksicht zu nehmen. Wegen der Teilung des Königreichs Neapel führten Franzosen und Spanier miteinander Krieg, in dem Frankreich zwei schwere Niederlagen erlitt (April 1503). Alexander VI. trat nun mit den Spaniern, die gerade Gaeta belagerten, in Verbindung, um zusammen mit ihnen Toscana und die Lombardei zu erobern. Doch am 18. August 1503 starb Alexander VI. Piombino hatte er am 3. September 1501, Perugia am 6. Januar 1503 erobert, Pisa, über das er bereits die Schutzherrschaft hatte, wäre sehr bald sein geworden. Dann wäre es ihm nicht mehr schwer gewesen, die bisher geübte Rücksicht auf den französischen König, der den Einmarsch in die Toscana nicht geduldet hatte, fallen zu lassen. Im Jahre 1498 erhob Ludwig XII. den Cesare Borgia zum Herzog von Valence, nachdem dieser den Kardinalspurpur abgelegt hatte. Ein Jahr später (1499) wurde er zum Gonfaloniere der Kirche ernannt; in diesem Jahr begann er auch mit seinen Eroberungen. Es war das spanische Heer, das Gaeta und andere Festungen des Königreichs Neapel belagerte, in die sich die Franzosen nach ihren Niederlagen zurückgezogen hatten, und ferner ein Teil des französischen Heeres, das in der Nähe Roms lag. Es waren vor allem die Städte Imola, Forli, Cesena, die nichts von der Herrschaft der Kirche wissen wollten, und das Regiment Cesares vorzogen. Es waren Söldnerführer und gleichzeitig die Herren von Gebieten, die dem Herzog feindlich gesinnt waren. Obwohl die Gelegenheit zur Rache günstig war, unternahmen sie nichts. Julius II. wurde mit den Stimmen der Borgiafreundlichen Kardinäle gewählt, weil er dem Herzog Versicherungen der Freundschaft
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gegeben hatte, die er dann nicht hielt. Machiavelli befand sich im Auftrag seiner Behörde zwischen Oktober und Dezember 1503 in Rom, um die Vorgänge beim Konklave zu beobachten. Bei dieser Gelegenheit besuchte er den Cesare im Gefängnis. Diese bestand darin, daß er sich verführen ließ, den Kardinal Giuliano della Rovere, den er gekränkt hatte, wählen zu lassen. Der Kardinal von San Pietro ad Vincula war Giuliano della Rovere, aus dem Haus Colonna stammte Kardinal Giovanni, der Kardinal von San Giorgio war Raffaello Riario di Savona, Kardinal Ascanio stammte aus dem Haus der Sforza; er war der Sohn des Galeazzo, Herzogs von Mailand. Es handelt sich hier um den Erzbischof von Rouen, Georges d’Amboise, der von Alexander VI. zum Kardinal erhoben wurde. Im Kardinalskollegium waren elf spanische Kardinäle, von denen keiner den Ehrgeiz hatte, Papst zu werden. VIII. KAPITEL
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317 v. Chr. wurde er König; er starb 289. Vorfahre des Hamilkar Barkas, Vaters des Hannibal. Dies ist nicht richtig; nur der griechische Teil Siziliens wurde von Syrakus beherrscht, der andere Teil stand unter der Herrschaft Karthagos. Oliverotto wurde von Cesare Borgia in Sinigaglia ermordet, ein Jahr, nachdem er ihn zum Herrn von Fermo erhoben hatte. Von den Florentinern, deren Truppen er im Krieg gegen Pisa befehligt hatte, des Verrats verdächtigt, wurde er 1499 hingerichtet. Vitellozzo wurde in Sinigaglia von Cesare Borgia ermordet. Fermo hatte eine republikanische Verfassung. IX. KAPITEL
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Siehe Anfang des VIII. Kap. Machiavelli versteht darunter keine absolute Herrschaft, sondern einen republikanischen Typ. Der Machthaber ist auch kein Fremder, sondern Bürger der Stadt. Nabis war zwischen 205 und 192 v. C hr. Tyrann von Sparta; er kam durch Gewalt und allerhand demagogische Versprechungen zur Macht; so versprach er dem Volk auch Landzuteilungen. Er wurde von den Achäern mit Unterstützung der Römer schließlich geschlagen, als er seine Herrschaft vergrößern wollte. Tiberius und Gajus Gracchus waren Volkstribunen; der erstere wurde von den Patriziern ermordet, (133 v. C hr.) der zweite ließ sich von einem Sklaven töten, (121 v. Chr.) um nicht in die Hand seiner Feinde zu fallen. Giorgio Scali, ein reicher florentinischer Bürger, bekam nach dem
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anmerkungen Aufstand der Ciompi (Genossen unter Führung eines Wollarbeiters) im Jahr 1378 eine fürstenähnliche Stellung in der Stadt Florenz. Doch entfremdete er sich wegen seines unverschämten Auftretens das Volk und wurde hingerichtet (1388). X. KAPITEL
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Von dieser Art Herrscher wurde im VI. Kap. gesprochen. Sie wird noch in den Kap. XI bis XIII behandelt werden. Im IX. Kap. und XLX. Kap. ff. Machiavelli hat die lebhafteste Sympathie für die Deutschen, sehr wenig jedoch für die Franzosen. In verschiedenen Äußerungen in den Discorsi III und anderen Schriften und Berichten weist er darauf hin, daß die Macht in Deutschland bei den verschiedenen Gliedern des Reichs, besonders den Städten, in Frankreich dagegen beim König liegt, der absoluter Herrscher ist. Machiavelli kannte die Schweiz und Tirol aus eigener Anschauung; er war dort einige Monate des Jahres 1507 und anfangs 1508 als Gesandter beim Kaiser Maximilian. Mit Begeisterung sprach er von den hervorragenden Eigenschaften der Schweizer und Tiroler und dehnte diese auf alle Deutschen aus. Die freien Reichsstädte entsprachen dem politischen Ideal Machiavellis. XI. KAPITEL
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Machiavelli lehnt die geistlichen Herrschaften ab. Im Kirchenstaat sieht er eine der größten Gefahren für die Einigkeit Italiens; denn er verhindert nach seiner Meinung die Bildung einer italienischen Monarchie, die den Franzosen und Spaniern gewachsen wäre. Mit beißender Ironie spricht er über die geistlichen Herrschaften und mit Schärfe verurteilt er die Vermischung von Religion und Politik. Alexander VI. Borgia (1492 bis 1503) legte den Grundstein zur weltlichen Macht des Papstes. Machiavelli hat Florenz, Mailand, Venedig und Neapel im Auge. Gemeint ist Ludwig XII., König von Frankreich (1498 bis 1515). Anläßlich seiner Gesandtschaft an den französischen Hof hatte Machiavelli in bezug auf Ludwig XII., dem es widerstrebte, mit dem Papst Krieg zu beginnen, an seine Behörde folgendes geschrieben: »Mag ein Papst als Freund auch nicht viel gelten, als Feind schadet er sehr, einmal wegen des Ansehens, das die Kirche überall genießt, und ferner deshalb, weil man ihm nicht unmittelbar den Krieg erklären kann, ohne sich die ganze Welt zum Feind zu machen.« Hier spielt Machiavelli besonders auf das Bündnis von Cambrai an, das Papst Julius II. zunächst zusammen mit Frankreich gegen Venedig geschlossen hatte und dann dasselbe Bündnis in eine
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»Heilige Liga« gegen Frankreich, seinen ehemaligen Bundesgenossen, umwandelte. Die Folge dieses Bündnisses war, daß die Franzosen nach der verlorenen Schlacht von Ravenna gezwungen waren, Italien zu räumen. Papst Julius II. aus dem Haus della Rovere (1503 bis 1513) gründete 1508 die Liga von Cambrai zwischen Frankreich, dem Kaiser, Spanien, Mailand, Ferrara und Mantua gegen Venedig; sie schlug die Venezianer in der Schlacht bei Vailà 1509 vernichtend. 1511 gründet der gleiche Papst die Heilige Liga mit Spanien, Venedig und England gegen Frankreich und Florenz, über das der Kirchenbann verhängt wird. Nach anfänglichem Sieg werden die Franzosen schließlich doch geschlagen, verlieren ihre italienischen Eroberungen und gehen nach Frankreich zurück. Karl VIII., König von Frankreich (1483 bis 1498). Der Papst und die Venezianer waren Herde der Unruhe im damaligen Italien, sie suchten ständig ihre Macht zu vergrößern. 1482 war zwischen Venedig und dem Markgrafen Ercole d’Este von Ferrara Krieg ausgebrochen, da sich dieser von der Oberherrschaft Venedigs befreien wollte. Zu seiner Hilfe bildete sich eine Liga zwischen dem Papst Sixtus IV., König Alfons von Neapel, Lorenzo il Magnifico von Florenz und Ludovico Sforza von Mailand. Der Krieg endete 1484 mit dem Frieden von Bagnolo, durch den Ferrara seine völlige Selbständigkeit erhielt und Venedig mit einem kleinen Gebietszuwachs bedacht wurde. Sixtus IV. (1471 bis 1484) aus dem Hause della Rovere, Onkel Papsts Julius II. Er war eine äußerst energische Persönlichkeit, hatte aber einen sehr schlechten Ruf. Infolge seiner Tüchtigkeit war er General des Franziskanerordens geworden und dann Kardinal. Papst geworden, verfolgte er mit den schamlosesten Mitteln die Zwecke der weltlichen Herrschaft; das Papsttum wurde zur Tyrannis, die Kirche sank immer tiefer in den Abgrund der Korruption. Er war der Anstifter der Verschwörung der Pazzi in Florenz gegen die Medici. Die Päpste dieser Zeit waren Sixtus IV., der 13 Jahre regierte (1471 bis 1484), Innozenz VIII. regierte acht Jahre (1484 bis 1492), Alexander VI. regierte 11 Jahre (1492 bis 1503), Pius III. weniger als einen Monat, sein Nachfolger Julius II. regierte zehn Jahre (1503 bis 1513). Machiavelli macht hier einen Gedankensprung; nach Sixtus IV. kam nicht Alexander VI. sondern Innozenz VIII.; diesem folgte erst Alexander VI. Der Herzog Valentino (der Sohn des Papstes Alexander VI.), wie Cesare Borgia im Volksmund genannt wurde, war ursprünglich
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anmerkungen Kardinal des spanischen Valencia, wurde dann aus Freude am Wortspiel von Gnaden des französischen Königs Karl VIII. zum Herzog von Valence ernannt; er vollendete die Niederwerfung der Barone und lokalen Despoten im Kirchenstaat, der Orsini, Colonna, Malatesta, Manfredi; er hetzte sie gegeneinander, überfiel und beseitigte sie. In das Pontifikat Alexanders VI. fiel der große Wendepunkt des italienischen Schicksals, mit dem ein jahrhundertelanger europäischer Konflikt beginnt. Karl VIII. von Frankreich nahm die Tradition der deutschen Könige auf und marschierte nach Italien. Er benutzte die italienische Zerrissenheit zu einer Außenpolitik großen Stils. Italien wurde Schauplatz und Gegenstand des Ringens zwischen den Häusern Habsburg und Valois-Bourbon, Italien und Deutschland waren der Preis (s. Veit Vaientin, Weltgeschichte, S. 306 ff.). Cesare Borgia wurde von Papst Julius II. solange gefangengehalten, bis er die ganze Romagna abgetreten hatte. Er floh dann nach Spanien und fiel nach einem wüsten, im Dienst seines Schwagers, des Königs von Navarra, verbrachten abenteuerlichen Leben 1507 bei der Belagerung von Viana. Auch dies ist ein Gedankensprung. Auf Alexander VI. folgte Pius III., der nur einen Monat regierte; ihm folgte Julius II. Die neuen Geldquellen waren der Verkauf geistlicher Ämter (Simonie). Alexander VI. vergab 43 Kardinalshüte, deren Preis zwischen 1 000 und 30 000 Goldgulden schwankte. Auch Julius II. setzte diese Politik fort. Der Unterschied bestand nur darin, daß er sich und seine Familie nicht bereicherte, sondern alles für die Kirche tat. Nach seinem triumphalen Einzug in Perugia nahm Julius II. am 11. November 1506 Bologna, nachdem Giovanni Bentivoglio geflohen war. Durch die Liga von Cambrai. Durch die Heilige Liga. Leo X., Sohn des Lorenzo Magnifico, wurde am 21. Februar 1513 zum Papst gewählt. Machiavelli schrieb den »Principe« in den ersten Monaten seines Pontifikats. Die Medici beherrschten wieder Florenz. Machiavelli setzte alle Hoffnungen auf die Medici, um wieder ins Amt zu kommen; daher der schmeichlerische Appell! XII. KAPITEL
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Bis zum Ende des Kap. XI hat Machiavelli die verschiedenen Formen einer Herrschaft behandelt. In den folgenden zehn Kapiteln befaßt er sich mit der Organisation des Heeres sowie mit den Eigenschaften, die ein Herrscher haben muß, um erfolgreich zu sein. Das Gedeihen jedes Staatswesens hängt letzten Endes von der
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Tüchtigkeit seines Herrschers ab. Der tüchtige Herrscher sorgt für gute Gesetze und eine entsprechende Streitmacht. »Das Volk in Waffen« ist dabei einer der Grundsätze, die Machiavelli für das Gedeihen eines Staates für unerläßlich hält. »Gute Gesetze und ein gutes Heer« ist die Formel, die Machiavelli immer wieder benützt, wenn er von der guten Organisation eines Staatswesens spricht. Von Hilfstruppen und sonstigen Verbänden spricht Machiavelli in Kapitel XIII. Dieses Kapitel handelt nur von Söldnern. Das heißt: der Angriff bringt entweder den Sieg oder die Niederlage. Unterliegt man, so wird man durch den Feind ruiniert; siegt man, so wird man durch den Übermut der Söldner ruiniert. Die Franzosen. Das heißt: die französische Truppe braucht nicht zu kämpfen, sondern nur mit der Kreide die Quartiere zu bezeichnen. Der Feldzug Karl VIII. dauerte nur ein Jahr, vom September 1494 bis Oktober 1495. Machiavelli spielt hier auf Savonarola an, der dies in seiner Predigt vom 1. November 1494, gesagt hat, als Karl VIII. Florenz bedrohte. In den Augen Machiavellis sind die Schweizer, die für ihn mit den Deutschen identisch sind, das gleiche, was die Römer im Altertum waren. In den »Discorsi« nennt er sie »die Meister der modernen Kriege«. Ihre Truppenorganisation diente ihm beim Aufbau der florentinischen Truppe zum Vorbild. Der Aufstand der Söldner war für Karthago gefährlicher, als der ganze erste punische Krieg. Dieses Beispiel ist nicht richtig; denn Philipp von Mazedonien, der Vater Alexander des Großen (360 bis 336 v. Chr.), war kein Söldnerführer; er befehligte nur die Thessaler und Thebaner gegen die Phoker im sog. 1. Heiligen Krieg (356 bis 352 v. Chr.). Im 2. Heiligen Krieg verbündete sich Theben mit Athen; es wurde bei Chäronea 338 v. C hr. von den Mazedoniern geschlagen; Philipp besetzte die Stadt. Von da an begann Philipp den Griechen ihre Unabhängigkeit zu nehmen. Der thebanische Feldherr Epaminondas war 362 v. Chr. in der siegreichen Schlacht bei Mantinea gegen Sparta gefallen. Trotz des Sieges wurde die thebanische Vorherrschaft in Griechenland gebrochen. Philipp Maria Visconti starb am 13. August 1447. Siehe I. Kap. Anm. 12. Das Gefecht bei Caravaggio war am 15. September 1448. Im gleichen Jahr noch versöhnte er sich mit den Venezianern und marschierte 1450 in Mailand ein.
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anmerkungen bis 158. Muzio Attendolo Sforza, der Vater des Francesco Sforza, war zunächst im Dienst der Königin Johanna II. von Neapel (1414 bis 1435), die mit dem Papst in Fehde lag. 1426 empörte er sich gegen sie. Sie warb nun den Söldnerführer Andrea Braccio an, adoptierte den König Alphons von Aragonien und Sizilien und machte ihn zu ihrem Nachfolger. Es handelt sich hier um den Engländer John Hawkwood, der von 1361 bis zu seinem Tode 1393 als Condottiere an vielen Kriegen in Italien teilnahm. Von 1377 bis 1393, seinem Todesjahr, stand er im Dienst von Florenz. Er hatte die Aufgabe, Florenz vor seinen äußeren Feinden zu verteidigen, aber nicht seinen Machtbereich zu vergrößern. Die Truppen der Sforza und der Braccio waren typisch für die Rivalitäten und Gegensätzlichkeiten im Italien des 14. Jahrhunderts. Sie waren weniger Söldner als verschworene Gemeinschaften, die auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden waren. Ihre ersten Führer waren Muzio Attendolo Sforza und Andrea Braccio von Montone. Ihnen folgte Francesco Sforza und auf der anderen Seite Niccolò Piccinino und Niccolò Fortebraccio nach. Paolo Vitelli (s. VIII. Kap. Anm. 111) stand in florentinischen Diensten gegen Pisa. Er wurde unter dem Verdacht des Verrats am 1. Oktober 1499 hingerichtet. Machiavelli riet in seiner Eigenschaft als Sekretär des Zehnerausschusses zu dieser Hinrichtung. Die Festlandpolitik der Venezianer begann mit der Eroberung von Treviso 1339. Dann folgte die Eroberung von Vicenza 1404, hierauf die von Padua und Verona 1405 und die von Bergamo und Brescia 1428. Machiavelli verurteilte die imperialistische Politik Venedigs. Sie war auch in Venedig sehr unpopulär und wurde nur als eine Angelegenheit des Ehrgeizes des oligarchischen Regiments empfunden. Um diese Eroberungen durchzuführen, hatte Venedig Söldnertruppen angeworben. Gemeint ist die Anwerbung von Söldnern. Dies war zur Zeit der Eroberung von Treviso 1339; die nächsten Eroberungen erfolgten erst 65 Jahre später. / 166. Francesco Bussone da Carmagnola (1390 bis 1432) stand zunächst im Sold des Herzogs Philippo Visconti von Mailand, dann im Dienst Venedigs gegen Mailand. Er besiegte den Mailänder Herzog bei Maclodio am 11. Oktober 1427; 1428 eroberte er für Venedig Bergamo und Brescia. Seine hinhaltende Politik brachte ihn bei den Venezianern in Verdacht. Schließlich wurde er von ihnen, am 5. Mai 1432 enthauptet. Manzoni schrieb eine Tragödie über das Schicksal des Carmagnola. Bartolomeo da Bergamo, bekannt unter dem Namen Colleoni
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(1400 bis 1475), stand zunächst im Sold der Venezianer, dann im Sold des Philippo Visconti von Mailand, ging schließlich wieder in den Dienst Venedigs. Er wurde von Francesco Sforza 1448 bei Caravaggio geschlagen. Sein Name ist nicht wegen seiner Feldherrnkunst und seiner Eroberungen der Nachwelt erhalten geblieben, sondern wegen des großartigen Reiterdenkmals des Verrocchio in Venedig. Ruberto da S. Severino stand zunächst im Sold der Florentiner, dann in dem der Venezianer. Er war der Feldherr der Venezianer in dem unglücklichen Krieg gegen Ferrara, in dem die Venezianer der Liga zwischen Papst Sixtus IV., König Alfons von Neapel, Lorenzo Magnifico und Ludovico Sforza erlagen (1484). S. XL Kap. Anm. 129. Dies ist Niccolò Orsini, der in den Diensten der Venezianer stand und ihr Feldherr in der unglücklichen Schlacht von Vailà oder Agnadello (1509) war. In der Schlacht von Vailà, die die Liga von Cambrai 1509 gegen Venedig gewann, verlor dieses Padua, Vicenza, Treviso, Verona, Bergamo, Brescia und noch viele andere Städte auf dem Festland. Hier spielt Machiavelli auf den Einmarsch Karls VIII. von Frankreich in Italien an. Nach Kaiser Friedrich II., dem Enkel Barbarossas {1194 bis 1250), begann der Abstieg Italiens. Alberigo Graf von Cunio gründete gegen Ende des 14. Jahrhunderts die erste Söldnertruppe, die Campagnia di San Giorgio. Er starb 1409. Es waren Braccio da Montone und Muzio Attendolo Sforza. S. Anm. 160. Im italienischen Feldzug eroberte Karl VIII. von Frankreich (1483 bis 1498) ohne einen Schwertstreich Italien. In den italienischen Feldzügen peinigte Ludwig XII. von Frankreich (1498 bis 1515) während einer Zeit von 13 Jahren (1499 bis 1512) das italienische Volk. Ferdinand der Katholische, König von Spanien (1479 bis 1516), eroberte das Königreich Neapel und breitete seinen Einfluß über ganz Italien aus. Die Schweizer bewiesen ihre militärische Überlegenheit in den Schlachten von Novara 1500 und von Ravenna 1512. Für Machiavelli war die Infanterie die Seele jedes Heeres; in den »Discorsi« erinnerte er daran, daß die Römer das Fußvolk höher schätzten als die Reiterei. Das Fußvolk war für ihn auch der Ausdruck der neuen politischen Ordnung, die er im »Bürgerstaat« sah, während die Reiterei die Waffe des Feudalstaates war. Es war üblich, nachts Angriffe auf belagerte Städte und Ausfälle
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anmerkungen daraus zu machen, um die Wachen im Schlaf zu überraschen. Machiavelli will damit sagen, daß die Söldner auf die Anlage aller Befestigungen verzichteten, die Arbeit und Mühe machten. Auch vermieden sie es, im Winter zu kämpfen, weil die Strapazen in der schlechten Jahreszeit viel größer sind als in der guten. XIII. KAPITEL
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Nachdem Papst Julius II. Bologna erobert hatte, wandte er sich 1510 gegen Alfonso d’Este, dessen Land er als ein Lehen der Kirche betrachtete. Dieser leistete jedoch Widerstand. Da sich die Söldner des Papstes schlecht schlugen, verlor Julius II. auch Bologna. Er wandte sich nun um Hilfe an Ferdinand den Katholischen. Auf diese Weise kam die sog. »Heilige Liga« zustande, die gegen Ludwig XII. von Frankreich geschlossen wurde. Machiavelli schätzt den militärischen Wert der Hilfstruppen höher ein als den der Söldnertruppen; denn schließlich sind sie immerhin gewöhnt, sich für ihren Herrn zu schlagen; politisch hält er sie auf jeden Fall für schädlicher als Söldner. Spanien. Die Franzosen siegten in der Schlacht von Ravenna über die Spanier, die Verbündete des Papstes waren, am 11. April 1512; doch fiel ihr Feldherr Gaston de Foix in der Schlacht. Das Eingreifen der 20 000 Schweizer, die im Sold des Papstes standen, rettete, den Tod des französischen Feldherrn ausnützend, die Situation und brachte die Franzosen um die Früchte ihres Sieges; sie mußten ihre italienischen Besitzungen aufgeben. Dadurch wurden dem Papst Julius II. die schwerwiegenden Folgen seiner fehlerhaften Entscheidung erspart. Die Florentiner hatten etwa 10 000 Mann, Gascogner und Schweizer, von Ludwig XII. von Frankreich zur Hilfe bekommen, um Pisa zu erobern. Nach einem erfolglosen Angriff meuterten die Truppen und desertierten teilweise. Machiavelli, der in seiner Eigenschaft als Sekretär des Zehnerausschusses an der Belagerung von Pisa teilgenommen hatte, wurde im Juli 1500 nach Frankreich geschickt, um dem französischen König hierüber Bericht zu erstatten. Im übrigen hatte er wegen der Habsucht und Disziplinlosigkeit der französischen Söldner ständig außerordentliche Schwierigkeiten. Der Kaiser Johannes Kantakuzenos verbündete sich 1346 mit dem türkischen Sultan, um sich gegen die Paläologen, die Rivalen seines Throns, zu verteidigen. So kamen 1353 10 000 Türken unter dem Kommando Solimans, des Sohns des Sultans, nach Europa. Hier zogen sie nicht mehr ab. Dies war der Anfang der türkischen Expansion auf dem Balkan.
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198. 199.
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Siehe VII. Kapitel. Immer wieder beschäftigt sich Machiavelli mit Cesare Borgia, mit dessen Politik und dessen Zielen, die er mit analythischer Methode untersucht. Es waren die Truppen, die Ludwig XII. von Frankreich dem Papst bzw. dem Cesare Borgia zur Verfügung stellte, um die Romagna zu erobern. Hieron II., König von Syrakus (siehe VI. Kapitel) (306 bis 214 v. Chr.). Er regierte seit 269 v. Chr. bis zu seinem Tode (214). Hieron merkte dies im Krieg gegen die Mamertiner; so nannten sich die Samniten, die 289 v. Chr. in Messina einen Räuberstaat errichtet hatten. Er begann Messina 264 v. Chr. zu belagern. Ein Teil der Einwohner wandte sich an die Karthager um Hilfe, die sofort kamen und in Messina eine Garnison einrichteten. Die Mehrheit der Mamertiner suchte Hilfe bei Rom, das seine Lebensinteressen bedroht sah, wenn Karthago die Meerenge von Messina besetzt hielt. Die Römer schickten ein starkes Heer nach Sizilien; die karthagische Garnison mußte abziehen. Angesichts der gemeinsamen Gefahr schloß Hieron zunächst ein Bündnis mit den Karthagern. Da den Karthagern und ihm die Einnahme von Messina nicht gelang, stellte er sich auf die Seite der Römer, die ihm die Anerkennung seiner Herrschaft versprachen. Ohne seine Hilfe hätten die Römer den Endsieg im ersten Punischen Krieg kaum erringen können. Syrakus war der hauptsächlichste Stützpunkt der Römer im ersten Punischen Krieg. Im 10. Jahrhundert war David, der Schwiegersohn Sauls, König über Israel und Juda. Die Philister waren ein nicht-semitisches Nachbarvolk der Juden; sie wurden unter Saul und David entscheidend geschlagen. Wörtlich: Schließlich fallen fremde Waffen entweder von dir ab oder sie erdrücken oder erdrosseln dich. Karl VII. von Frankreich (1422 bis 1461) beendete den hundertjährigen Krieg Frankreichs gegen England (1337 bis 1451). Sein Glück bestand darin, daß Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orleans, sich der Sache Frankreichs annahm; dem König gelang es, während eines Waffenstillstandes mit den Engländern, die Grundlagen für ein stehendes Heer zu schaffen. Die Gens d’Armes war eine aus Edelleuten bestehende Reitertruppe, die 1445 ins Leben gerufen wurde. 1448 erfolgte die Gründung der Infanterie, die aus Bogenschützen (Francs Archers) bestand. Ludwig XI. von Frankreich (1461 bis 1483) warb Schweizer an, um gegen Karl den Kühnen von Burgund zu Felde zu ziehen. Nachfolger Ludwig XI. (1461 bis 1483) war Karl VIII. (1483 bis 1498), dessen Nachfolger Ludwig XII. (1498 bis 1515).
132 200.
201.
202.
203. 204.
anmerkungen Machiavelli meint die Erfahrung, die man mit den Franzosen in der Schlacht von Ravenna gemacht hat. Obwohl sie gesiegt hatten, fühlten sie sich doch infolge des Todes ihres Feldherrn Gaston de Foix als besiegt (1512) und in der Schlacht von Novara (Juni 1513) wurden sie völlig geschlagen. Unter den Kaisern Valens (364 bis 378 n. C hr.) und Theodosius (379 bis 395). Machiavellis Auffassung ist irrig: Die Anwerbung der Goten und anderer Barbaren war nicht die Ursache des Verfalls des Römischen Reiches, sondern die Folge der Dekadenz der Römer, die nicht mehr die Kraft zur Verteidigung ihres Reiches aufbrachten. Dies ist ein Wort des Tacitus (Annalen XIII), jedoch ungenau, offensichtlich aus dem Gedächtnis zitiert, was bei Machiavelli häufig vorkommt. Zu deutsch: Daß nichts so unsicher und unbeständig ist, wie der gute Ruf einer Macht, die sich nicht auf ein eigenes Heer stützen kann. Cesare Borgia, Hieron von Syrakus, Karl VIII. von Frankreich und David. Philipp von Macedonien schuf die Feldordnung der Phalanx, mit der sein Sohn Alexander seine Siege errang. XIV. KAPITEL
205. 206.
207. 208. 209.
210. 211.
Francesco Sforza siehe I. und VII. Kapitel. Die Nachkommen des Francesco Sforza waren sein Sohn Galeazzo Maria, ein grausamer Tyrann; er wurde, 32 Jahre alt, ermordet (1476). Dessen Sohn Gian Galeazzo war beim Tod seines Vaters zwei Monate alt; er wurde von seinem Onkel Ludovico il Moro wahrscheinlich vergiftet (1494). Ludovico verlor sein Herzogtum 1499/1500 durch die Franzosen, in deren Gefangenschaft er starb. Siehe XV. Kapitel. Söldner oder Hilfstruppen haben naturgemäß keine Achtung vor einem waffenlosen Herrscher, der ja auch immer vor seinen bewaffneten Söldnern Angst haben muß. Philopömen, Führer des achäischen Bundes, geboren um 253 v. Chr. in Megalopolis in Arkadien, spielte im Kampf gegen Sparta eine entscheidende Rolle. Ab Feldherr des Bundes besiegte er die Spartaner mehrere Male. 183 v. C hr. wurde er von den Makedonern gefangen und durch Gift hingerichtet, im gleichen Jahr übrigens, in dem auch Hannibal und Scipio starben. Plutarch und Livius. Dies erzählt Plutarch in den vergleichenden Lebensbeschreibungen, die Machiavelli in einer lateinischen Übersetzung gekannt hat. Griechisch verstand er nicht.
anmerkungen 212. 213.
133
Dies berichtet Sueton im »Cäsarenleben« Cajus Julius Caesar. Dies berichtet Xenophon in seiner Kyropädie, die Machiavelli in lateinischer Übersetzung gekannt hat. XV. KAPITEL
214.
Wörtlich: … ein Herrscher … muß lernen, nicht gut sein zu können und davon entsprechend der Notwendigkeit Gebrauch zu machen oder nicht Gebrauch zu machen. XVI. KAPITEL
215. 216.
217. 218. 219.
Sie ist deshalb schädlich, weil man, um durch Freigebigkeit aufzufallen, viel geben muß und weil man, um viel geben zu können, das Volk belasten muß. Es gelang dem Papst Julius II. durch Bestechung und Versprechungen im Konklave 1503 gewählt zu werden. Machiavelli befand sich damals in Rom, um seiner Behörde Bericht über den Verlauf des Konklaves zu erstatten. Julius II. war äußerst sparsam. Nur dadurch war es ihm möglich, zusammen mit der »Liga von Cambrai« gegen die Venezianer (1508/09) und später mit der »Heiligen Liga« gegen die Franzosen Krieg führen zu können. König Ludwig XII. von Frankreich hieß »der Sparsame«. Ferdinand der Katholische hatte den Ruf außergewöhnlichen Geizes. Cäsar machte sich durch seine riesigen Spenden bei den Massen Roms äußerst populär. Aus dieser, wie aus verschiedenen anderen Bemerkungen Machiavellis geht hervor, daß er für Cäsar wenig Sympathie hatte. Cäsar war in seinen Augen ein Tyrann. Die Tyrannis ist aber für Machiavelli immer unpolitisch, da er der Meinung ist, daß sie sich schließlich immer gegen ihren Schöpfer wendet. Machiavelli verficht wohl den absoluten Herrscher, er verabscheut aber den Cäsarismus in jeder Form. Für ihn ist die Diktatur immer noch ein freiheitliches Regime, im Gegensatz zur Tyrannis Cäsars. Uns hat die politische Gegenwart anderes gelehrt. XVII. KAPITEL
220. 221. 222.
Siehe XV. und XVI. Kapitel. Siehe VII. Kapitel. Die Florentiner begünstigten die Parteistreitigkeiten in Pistoja; sie hielten es mit der schwächeren Partei und konnten dadurch die Stadt erobern. Sie scheuten sich aber, den Parteizerwürfnissen ein Ende zu bereiten und die Parteiführer unschädlich zu machen. Dadurch entstanden erhebliche Unruhen, Straßenkämpfe und Plünderungen, zu deren Beruhigung Machiavelli mehrmals abgeordnet wurde.
134 223. 224. 225. 226.
227. 228.
229.
230. 231.
anmerkungen Dido ist nach der Sage die Tochter des Königs von Tyros in Syrien. Sie floh vor ihrem Bruder nach Afrika und gründete dort Karthago. Da Äneas ihre Liebe verschmähte, beging sie Selbstmord. Zu deutsch: »Meine schwierige Lage und die Neuheit meines Reiches zwingen mich, solche Maßnahmen durchzuführen und die ausgedehnten Grenzen zu schützen.« (Aeneis I, 563 ff.) Siehe IX. Kapitel. In Hannibals Heer, mit dem dieser im zweiten Punischen Krieg (218 bis 201 v. Chr.) in Italien kämpfte, standen bunt zusammengewürfelt Afrikaner, Spanier, Ligurer, Gallier, Punier, Italer und Griechen. Offensichtlich spielt Machiavelli auf Livius an, der die »inhumana crudelitas« Hannibals tadelt, aber sein Feldherrngenie lobt. Publius Cornelius Scipio Africanus Major (253 bis 184 v. Chr.), der schließlich Hannibal bei Zama besiegte (202 v. C hr.) und damit den zweiten Punischen Krieg beendete, war gegen seine Soldaten von außergewöhnlicher Milde. Während er krank war, empörten sich diese in Spanien gegen ihn (206 v. Chr.). Dies war Quintus Fabius Maximus Cunctator (gest. 203 v. Chr.), berühmt durch seine abwartende Haltung gegenüber Hannibal nach den verschiedenen von den Römern verlorenen Schlachten (217 und 216 v. Chr.). Er vermied die Schlacht, blieb aber Hannibal ständig auf den Fersen und zermürbte auf diese Weise allmählich dessen Heer. Der Proprätor Quintus Pleminius, der Untergebene des Scipio, plünderte die Stadt Locri, die er gegen die Karthager verteidigen sollte, und ließ eine Reihe angesehener Bürger hinrichten. Der Ausdruck stammt von Livius, der ihn im Ton des Tadels bringt. XVIII. KAPITEL
232.
233.
234.
Die Diffamierung Machiavellis ist vor allem auf dieses Kapitel zurückzuführen; und doch enthält es nichts anderes wie die logische Schlußfolgerung seiner Anschauung über die Eigengesetzlichkeit der Politik, die sich nicht an die hergebrachten moralischen und religiösen Bindungen halten kann. Auch daraus ist zu entnehmen, wie sehr Machiavelli sittliches Handeln zu schätzen weiß; sein Wert wird von ihm nie in Zweifel gezogen. Doch stellt er fest, daß List und Tücke oft zum Ziele führen, wenn auch damit keine moralischen Eroberungen gemacht werden können. Machiavelli spielt hier wohl auf Ferdinand den Katholischen und Francesco Sforza an.
anmerkungen 235. 236. 237.
238. 239.
135
Der Centaur Chiron war nach der Sage der Lehrer vieler antiker Helden wie des Jason, des Herkules, des Theseus sowie des Achill. Machiavelli hat hier wohl wieder Ferdinand den Katholischen, König von Spanien (1474 bis 1516) im Auge, ferner den Papst Alexander VI. und Cesare Borgia, die Meister der Verstellung waren. Der florentinische Geschichtsschreiber, Gesandter der Republik und spätere Gonfaloniere des Papstes Clemens VII., F. Guicciardini, ein Freund Machiavellis (1483 bis 1540), schrieb: Die Verstellung und Heuchelei bei der Kurie in Rom war so groß, daß man sprichwörtlich sagte: der Papst tut nie, was er sagt, und Cesare sagt nie, was er tut. Machiavelli kann sich bei dieser Empfehlung auf Aristoteles berufen, der in seiner »Politik« die gleiche Empfehlung zur Aufrechterhaltung der Tyrannis gibt. Ferdinand der Katholische von Spanien. xIx. kapitel
240. 241. 242. 243. 244.
245.
246.
Siehe XV. bis XVII. Kapitel. Siehe XVII. Kapitel. Siehe IX. Kapitel. Siehe IX. Kapitel Anm. 116 In seiner Geschichte von Florenz beschrieb Machiavelli eine Reihe von Verschwörungen, die in seinerzeit eine wichtige Rolle spielten. Eindringlich schilderte er insbesondere die Verschwörung der Pazzi gegen die Medici (1478). In die jüngste Verschwörung, die von Pietro Boscoli und Agostino Capponi, seinen Freunden aus den Orti Oricellari, einem politischen Klub in Florenz, gegen die Medici angezettelt wurde, schien Machiavelli einen Augenblick selber verwickelt zu sein (1513). Dies war jedoch nicht der Fall. Er wäre sich ja selber untreu geworden; denn er war ein absoluter Gegner von Verschwörungen. Im übrigen ist Machiavelli bei der Darstellung der Verschwörungen, über die er sich besonders in den »Discorsi« verbreitet, weitgehend von Aristoteles beeinflußt. Die Canni und die Bentivogli waren zwei mächtige Familien in Bologna. Um die bestehende Rivalität zu beseitigen, verschwägerten sie sich. Hierzu sagt Machiavelli in seiner Geschichte von Florenz, Buch VI: »Zwischen Männern, die nach derselben Größe streben, läßt sich leicht Verwandtschaft, aber keine Freundschaft schließen.« Am 24. Juli 1445 griff das Familienhaupt der Canni die Familie der Bentivoglio an und tötete Hannibal, den damaligen Herrn von Bologna. Dies war ein illegitimer Sohn des Vetters des Hannibal, Bentivoglio, namens Santi. Er wuchs bei einem Schmied auf. Mit großem Pomp
136
247.
248.
249.
250.
251. 252.
253. 254. 255. 256. 257.
258.
anmerkungen wurde er in Bologna eingeführt und mit der vorläufigen Regierung betraut. Er regierte dort mit großer Klugheit, lebte friedlich und starb von allen geehrt (1445 bis 1462). Giovanni Bentivoglio herrschte in Bologna 1462 bis 1506; in diesem Jahr wurde er von Papst Julius II. seiner Herrschaft beraubt. Er starb 1508. Seine Angehörigen kehrten 1511 nach Bologna zurück. Machiavelli hat das Parlament von Paris im Auge, eine Art oberstes Gericht, das bereits Hugo Capet begründet, und Ludwig IX., der Heilige, König von Frankreich (1226 bis 1270), umorganisiert hatte. Dem Parlament oblag auch die Überwachung des Gesetzesvollzugs. Dies ist die Zeit zwischen 161 bis 238 n. Chr.: Marc Aurel 161 bis 180 n. Chr.; Commodus 180 bis 192 n. Chr.; Pertinax 193 n. Chr.; Julianus 193 n. Chr.; Septimius Severus 193 bis 211 n. Chr.; Antoninus Caracalla 211 bis 217 n. Chr.; Macrinus 217 bis 218 n. Chr.; Heliogabal 218 bis 222 n. Chr.; Alexander Severus 222 bis 235 n. Chr.; Maximinus Thrax 235 bis 238 n. Chr. Marc Aurel, der stoische Philosoph (161 bis 180 n. Chr.), war Adoptivsohn und gleichzeitig Schwiegersohn des Antoninus Pius. Marc Aurel war von seinem Adoptivvater für die Herrschaft bestimmt worden. Er starb bei Wien im Krieg gegen die Markomannen an der Pest. Pertinax war nur drei Monate Kaiser, er wurde bei einem Prätorianeraufstand am 26. März 193 n. Chr. ermordet. Auch Alexander Severus (222 bis 235 n. C hr.) wurde von seinen Soldaten während eines Feldzuges gegen die Germanen ermordet. Er und seine Mutter Mammaea bemühten sich, den römischen Adel mit ihrer Militärherrschaft zu versöhnen und erneuerten einige alte Formen des öffentlichen Lebens. Commodus war der entartete Sohn Marc Aurels (180 bis 192), ein zweiter Nero, dem eine Palastverschwörung das Leben kostete. Wörtlich: nicht gut zu sein. Wörtlich: gute Handlungen. Alexander Severus wurde von seinen Soldaten unter der Führung des nachmaligen Kaisers Maximin erschlagen. L. Septimius Severus (193 bis 211 n. Chr.), Afrikaner von Geburt, mit einer Syrerin verheiratet, lebte ganz in orientalischen Vorstellungen. Er wandelte das Prinzipat in eine Militärmonarchie um. Das Heer genoß seine besondere Fürsorge. Er reorganisierte das Heer, hielt die Barbaren an den Grenzen in Abhängigkeit und konsolidierte das Reich. Er starb an einer Krankheit 211 n. Chr. Sein Nachfolger war sein Sohn Antoninus Caracalla (211 bis 217 n. Chr.). Er ermordete seinen Bruder Geta, um allein zu regieren.
anmerkungen
259.
260. 261. 262.
263. 264. 265. 266.
267. 268. 269.
270.
271.
272.
137
Wegen seiner Grausamkeit gefürchtet, wurde er 217 n. C hr. von einem Centurio wahrscheinlich auf Anstiftung des Prätorianerpräfekten Macrinus getötet. Maximin (235 bis 238 n. Chr.) war der Mörder des Kaisers Alexander Severus. Auch er wurde von seinen Soldaten bei Aquiläa im Jahre 238 n. Chr. getötet. Siehe Amn. 252, 256. Didius Julianus hatte die Kaiserwürde für 25 000 Sesterzien gekauft. Er regierte nur etwas mehr als zwei Monate (193 n. Chr.). Pescennius Niger befehligte ein starkes Heer in Syrien. Decimus Clodius Septimius Albinus, Befehlshaber der römischen Legionen in Britanien, hatte sich 193 n. C hr. im Einvernehmen mit Severus zum Kaiser ausrufen lassen. Schließlich wurde er von diesem bei Lyon besiegt, nach Rom gebracht und enthauptet (195 n. Chr.). Bei Nikäa 195 n. Chr. Bei Lyon. Antoninus Caracalla siehe Anm. 258. Durch Certus Julius Marcialis, der den Tod seines Bruders rächen wollte. Möglicherweise hat ihn auch der Präfekt Macrinus, Befehlshaber der Prätorianer, der gleichfalls fürchtete, ermordet zu werden, dazu angestiftet. D. h. ohne Überprüfung der Schuld. Er ließ seine Siege über die Gladiatoren in die Annalen eintragen. Man nannte ihn den römischen Herkules. Alexander Severus stand völlig unter dem Einfluß seiner Mutter, des Rechtsgelehrten Ulpianus und des Geschichtsschreibers Diocassius; seine Menschlichkeit war den Prätorianern verhaßt. Siehe Anm. 252. Das afrikanische Volk erhob Marcus Antoninus Gordianus, einen römischen Senator, der damals Prokonsul von Afrika war, zum Kaiser. Er nahm sich aber bald das Leben, nachdem sein Sohn von einem Parteigänger des Maximin getötet worden war. Als Maximin gegen Rom marschierte, ernannte der Senat zwei Senatoren zu Gegenkaisern. Die chronologische Reihenfolge ist nicht gewahrt. Macrinus war der Nachfolger des Caracalla, der sich selber entleibt hatte. Da er völlig unfähig war, erhoben die Soldaten Heliogabal, einen syrischen Priester auf den Thron, der nach vierjähriger Regierung 222 n. Chr. ermordet wurde. Ihm folgte Alexander Severus in der Regierung. Nach dessen Tod kaufte Didius Julianus die kaiserliche Würde. Siehe Anm. 260. Siehe Kapitel IV. Die Türken hatten ein stehendes Heer, darunter die Janitscharen, eine 1329 geschaffene Leibgarde des Sultans, die
138
273. 274.
anmerkungen europäischen Ruf hatte. Gemeint ist der Sultan von Ägypten, dessen Reich 1517 der Türkei einverleibt wurde. Wie oben der Sultan von Ägypten. Pertinax und Alexander, zwei Emporkömmlinge, schadeten sich, weil sie die Methode der Milde verfolgten, die der legitime Thronerbe Marc Aurel angewendet hatte. Caracalla, Commodus und Maximin schadeten sich, weil sie dem grausamen Beispiel des Severus folgten, ohne dessen Tüchtigkeit zu besitzen. XX. KAPITEL
275. 276.
277.
278.
279. 280.
281.
Diese Regel befolgten die Römer bei der Behandlung der Griechen und die Spanier bei der Behandlung der Neapolitaner wie überhaupt die fremden Herrscher gegenüber den Italienern. Es war die Zeit des Lorenzo Magnifico (1449 bis 1492). Er sorgte für das Gleichgewicht Italiens, das damals in fünf größere staatliche Gebilde zerfiel, im Süden das Königreich Neapel, in Mittelitalien der Kirchenstaat, im Nordosten die Republik Venedig, im Nordwesten das Herzogtum Mailand und umgeben von allen anderen die Republik Florenz. Während des ganzen Mittelalters waren die italienischen Städte in diese beiden Parteiungen gespalten. Die Ghibellinen waren kaisertreu (Anhänger der Hohenstaufen), die Guelfen waren Anhänger des Papstes. Am 14. Mai 1509 erlagen die Venezianer in der Schlacht bei Vailà der Liga von Cambrai, die 1508 zwischen Frankreich, Spanien, dem deutschen Kaiser und dem Papst geschlossen worden war. Siehe XI. Kap. Dies waren Verona, Brescia, Vicenca und Padua, die teils zum deutschen Kaiser, teils zu den Franzosen übergingen. Pandolfo Petrucci (1450 bis 1512) wurde 1500 Herr von Siena, nachdem er Niccolò Borghese hatte umbringen lassen. Er war einer der erbittertsten Gegner Cesare Borgias und galt als Hirn der Verschwörung von Magione. Machiavelli kannte ihn persönlich, da er dreimal bei ihm in Siena als Gesandter war. Er schilderte ihn als einen Mann, der in seiner gefährlichen Lage mit außerordentlicher Gerissenheit zu lavieren verstand. Petrucci wurde auf Veranlassung Cesare Borgias verbannt, kehrte aber nach kurzer Zeit wieder mit Hilfe der Franzosen nach Siena zurück. Sein Sohn, der ihm nach seinem Tod in der Regierung folgte, wurde von dem MediciPapst Leo X. seiner Herrschaft beraubt. Machiavelli will damit offensichtlich den Medici klar machen, daß sie auf seine zuverlässigen Dienste trotz seiner ursprünglichen Gegnerschaft rechnen können.
anmerkungen 282.
283.
284.
285.
286.
287. 288. 289.
290.
291.
139
Im allgemeinen hält Machiavelli nichts von Festungen, die man zur Abwehr äußerer Angriffe baut, weil sie nach seiner Meinung die moralische Kraft der Truppe beeinträchtigen. Zum Schutz gegen aufrührerische Untertanen läßt er sie gelten. Der Söldnerführer Niccolò Vitelli wurde mit Hilfe der Medici Herr von Città di Castello. Im Jahr 1474 vertrieb ihn Papst Sixtus IV. Er kehrte aber bereits 1484 nach dem Tod des Papstes wieder zurück. Er ließ die beiden vom Papst gebauten Festungen schleifen, weil er der Meinung war, daß ihn nicht die Festungen, sondern die Gunst des Volkes im Besitz der Herrschaft halten müsse (Discorsi II, 24). Guido Ubaldo, Herzog von Urbino (1482 bis 1508), in seiner Zeit ein sehr geschätzter Söldnerführer, war 1502 von Cesare Borgia vertrieben worden und flüchtete nach Venedig. Nach dem Tod des Papstes Alexander VI. und dem Zusammenbrach der Herrschaft Cesares kehrte er 1503 wieder zurück und ließ die Festungen Gubbio und Pergola schleifen. Die Erben des Giovanni Benrivoglio, der vom Papst Julius II. 1506 aus Bologna vertrieben wurde und 1508 in der Verbannung gestorben war, kehrten 1511 wieder zurück und ließen die vom Papst errichtete Festung Porta Galliera schleifen. Francesco Sforza, siehe I. Kapitel (1401 bis 1466), Sohn des berühmten Condottiere und Schwiegersohn des Filippo Visconti, Herzog von Mailand, wurde zum Begründer des Herzogshauses Sforza, das von 1450 bis 1540 in Mailand regierte. Im Vertrauen auf ihre Festung behandelten die Sforza das Volk schlecht; die Franzosen wurden daher als Befreier begrüßt. Dies war Catarina Sforza. Nach der Ermordung ihres Gemahls, des Grafen Girolamo Riario, am 14. April 1488 wurde sie zusammen mit ihren Kindern gefangen gesetzt. Es gelang ihr durch eine List, sich von den Verschwörern zu befreien und in ihre Burg zu fliehen. Ihr Onkel Ludovico il Moro, Herzog von Mailand, befreite Caterina und setzte sie wieder in ihre Herrschaft über Imola und Forli ein. Cesare Borgia kam am 19. Dezember 1499 nach Forli und griff am 28. Dezember die Festung an, in die Caterina geflüchtet war. Die Belagerung dauerte nur bis zum 12. Januar 1500; dann fiel sie in Cesares Hand.
140
anmerkungen XXI. KAPITEL
292. 293.
294.
295.
296.
297.
298. 299. 300.
301. 302.
Ferdinand der Katholische (1479 bis 1516). Machiavelli erwähnt ihn häufig lobend in seinen Briefen und im Principe. Der Kampf gegen das Königreich der Mauren, deren Hauptstadt Granada war, dauerte zehn Jahre. Er endete mit dem Sieg Ferdinands am 4. Januar 1492, der in der damaligen Zeit als Sieg der Christenheit über die Heiden galt. Die kastilianischen Barone waren eifersüchtig auf ihre Unabhängigkeit bedacht. Die Vereinigung von Kastilien und Aragonien in den Händen Ferdinands, zu der es durch seine Heirat mit Isabella von Kastilien gekommen war, war ihnen verhaßt. Der Kampf gegen die Mauren, der für sie ein Religionskrieg war, lenkte sie von ihren inneren Kämpfen ab. Der Krieg gegen die Mauren wurde von der Kirche sehr begünstigt. Wenn er die Hilfe der Kirche und des Volkes auch unter dem Vorwand der Förderung der Religion erhalten hatte, so kam es ihm immer nur darauf an, auf diesem Weg die Einigung Spaniens zu erreichen. Die spanische Infanterie hatte in der Zeit Machiavellis einen sprichwörtlichen Ruf der Tüchtigkeit; ihre Disziplin unter Ferdinand war hervorragend. »Marrannos« nannte man die gewaltsam zum Christentum bekehrten Juden und Mauren, die im Herzen an ihrem alten Glauben festgehalten hatten. Sie wurden zwischen 1501 und 1502 aus Spanien vertrieben. Dies wirkte sich auf geistigem und wirtschaftlichem Gebiet für Spanien außerordentlich schädlich aus; denn von nun an herrschte in Spanien ein starrer und unnachgiebiger Katholizismus. Außerdem verlor das Land mit der Austreibung der Marrannos viele Wissenschaftler, Künstler und Handwerker, die gerade diese Kreise dem Land geschenkt hatten. 1509 besetzte Ferdinand die afrikanische Küste von Oran bis Tripolis. Es war die Eroberung des Königreichs Neapel 1504. Siehe I. und III. Kapitel. Es handelt sich hier, genauer gesagt, nicht um einen Krieg mit Frankreich, sondern um den Krieg mit Navarra, das von Frankreich unterstützt wurde (1512). Während Frankreich in Italien Krieg führte, bedrohte er es von den Pyrenäen her. Es handelt sich hier um die bekannte Methode, Mängel im Innern durch Ablenkung auf die Außenpolitik zu verdecken. Bernabò Visconti war von 1354 bis 1385 zusammen mit seinem Bruder Galeazzo II. Herr von Mailand, bis er von seinem Neffen
anmerkungen
303. 304.
305.
306. 307. 308.
309.
310.
141
Gian Galeazzo gefangengenommen und vergiftet wurde. Seine innenpolitischen Maßnahmen wurden in vielen Novellen des 14. Jahrhunderts mit bizarrem Humor beschrieben. Machiavelli ist kein Freund der Neutralität; dies zeigt sich in allen seinen Schriften. Siehe III. Kapitel, Anm. 22 Antiochus III. (der Große) König von Syrien (223 bis 187 v. Chr.) landete 192 v. C hr. auf Veranlassung des Ätolischen Bundes in Griechenland. Er wurde 190 v. C hr. bei Magnesia in Kleinasien von den Römern besiegt. Zu deutsch: »Wenn jene euch sagen, ihr sollt euch nicht in den Krieg einmischen, so liegt dies keinesfalls in eurem Interesse; ihr werdet ohne Dank und ohne Ehre der Preis des Siegers werden.« Diese Stelle ist in dem zur Zeit Machiavelli’s üblichen KanzleiLateinisch geschrieben. Bei Livius, auf den sie dem Sinne nach zurückgeht, lautet sie etwas anders. Machiavelli steht immer auf dem Standpunkt, daß es die politische Klugheit erfordere, daß die weniger mächtigen Staaten zusammenstehen sollten, um dem Stärkeren gewachsen zu sein. Siehe III. Kapitel. Im III. Kapitel sagte Machiavelli über diese Politik der Venezianer: »Um Herr über zwei Städte in der Lombardei zu werden, machten sie den König von Frankreich zum Herrn über den dritten Teil Italiens.« Auf Grund eines Vertrages mit Ludwig XII. von Frankreich also mit einem mächtigeren Staat, wollte Venedig zwei Plätze in der Lombardei erobern (1499). Da Florenz in dem Kampfe zwischen Ludwig XII. von Frankreich und der »Heiligen Liga« neutral geblieben war, führte es seine Niederlage herbei. Es unterlag den spanischen Truppen. Prato wurde geplündert, das republikanische Regime unter Soderini gestürzt und die Medici unter dem Druck des Papstes wieder eingesetzt. Machiavelli ist selber das Opfer der Neutralitätspolitik von Florenz geworden (1512). Im Karneval und bei anderen Gelegenheiten. Man denke an Lorenzo Magnifico, der selbst Karnevalsverse gedichtet hat, die vom Volk gesungen wurden. XXII. KAPITEL
311.
In der Überschrift spricht Machiavelli von secretarii, im Text von ministri. Für ihn ist im Verhältnis zum Herrscher beides das gleiche. Wir verbinden mit beiden Worten andere Vorstellungen als die Zeit Machiavelli’s. Für Machiavelli ist sowohl der secretario wie der ministro der Mann des Vertrauens, aber in dienender Stellung. Für
142
312.
313.
anmerkungen unsere Vorstellungswelt trifft dies beim Sekretär zu, nicht aber beim Minister. Aus diesem Grunde wird hier die Bezeichnung Mitarbeiter gewählt. Antonio Giordani da Venafro (1459 bis 1530) war Rechtslehrer in Siena, dann Richter und schließlich Berater des Pandolfo Petrucci. Er vertrat Pandolfo Petrucci bei der Zusammenkunft der Söldnerführer in Magione, die gegen Cesare Borgia rebellierten. Siehe VII. Kapitel. Machiavelli schiebt dem Herrscher die Verantwortung nicht nur für die richtige Auswahl des Mitarbeiters zu, sondern auch dafür, daß dieser rechtschaffen bleibt. XXIII. KAPITEL
314.
315.
Pater Luca Rinaldi, ein naher Vertrauter des Kaisers Maximilian, wurde gelegentlich auch als Gesandter verwendet. Machiavelli lernte ihn anläßlich seiner Tiroler Gesandtschaft am Hofe des deutschen Kaisers kennen (Dezember 1502 und Juni 1503). Kaiser Maximilian (1459 bis 1519) »der letzte Ritter« seit 1493 erwählter, nicht in Rom gekrönter römischer Kaiser, machte auf Machiavelli einen außergewöhnlichen Eindruck. In einem seiner Gesandtschaftsberichte lobt er dessen außerordentliche Vorzüge als Feldherr und gerechter Monarch; »er stünde nicht an, ihn vollkommen zu heißen, wenn er seine Freigebigkeit und Nachgiebigkeit mehr zügeln würde«. XXIV. KAPITEL
316.
317. 318. 319.
320. 321.
Friedrich von Aragon, König von Neapel, verlor, da er völlig ungerüstet war, 1501 sein Reich an seinen Verwandten Ferdinand den Katholischen, König von Spanien, und die mit ihm verbündeten Franzosen (siehe III. Kapitel). Auch Ludovico il Moro verlor Mailand 1500 an Ludwig XII. von Frankreich. Auch er hatte keine Truppen und war außerdem beim Volk verhaßt (siehe III. Kapitel). Siehe XIII. und XIV. Kapitel. Philipp V. von Macedonien wurde vom Konsul Titus Quinctius Flamininus im 2. Mazedonischen Krieg 197 v. C hr. bei Cynoscephalae in Thessalien besiegt. Er verlor nicht sein Reich, Macedonien wurde nur auf seinen ursprünglichen Besitz beschränkt. Die Flucht ergriffen Friedrich von Aragonien und Ludovico il Moro. Ludovico il Moro hoffte, daß die Mailänder die Übergriffe der französischen Besatzung schlecht ertrügen.
anmerkungen
143
XXV. KAPITEL 322.
323.
324. 325. 326. 327.
328.
Fortuna (Glück oder Schicksal) ist für Machiavelli eine Naturgewalt, ohne die kein Staat und kein politischer Führer seine Aufgaben erfüllen kann. Sie ist für ihn unentbehrlich, doch darf er sich auch nicht völlig auf sie verlassen; denn sie ist launenhaft, ihre einzige Beständigkeit ist der Wechsel. Machiavelli spielt hier wohl auf die unvorhergesehenen Änderungen der italienischen Verhältnisse an, die im Jahr 1494 eintraten. Frankreich eroberte das Königreich Neapel, die Medici wurden aus Florenz vertrieben, in dem sie seit 1434 geherrscht hatten. Erst 1512 sind sie wieder zurückgekehrt. Deutschland, Spanien und Frankreich hatten schlagkräftige Heere aufgestellt. Machiavelli spielt hier auf die Überschwemmung Italiens mit fremden Truppen, mit Franzosen und Spaniern an. Machiavelli hat hier die Bedächtigen und Geduldigen, die Feurigen und Gewalttätigen im Auge. Diesen Tadel erhebt Machiavelli gegen Savonarola und Soderini, die es nicht verstanden haben, ihre Politik zu ändern, obwohl dies nötig gewesen wäre. Beide hätten Gewalt anwenden müssen, um sich zu halten; sie brachten es aber nicht fertig, der eine, weil er als Mönch keine Macht hatte, der andere, weil ihm seine politischen Gremien, die die Macht gehabt haben, sie ihm nicht gegeben haben. Julius II., Papst von 1503 bis 1513, aus dem Haus della Rovere. Mit kühnen, draufgängerischen Methoden gelang es ihm, den Kirchenstaat neu zu ordnen Als er die Regierung antrat, befand sich der Kirchenstaat in Auflösung; als er starb, war er geordnet und um die Städte Parma, Piacenza, Reggio und Urbino vergrößert. Seine Eroberungen führte er nicht für sein Haus, sondern für die Kirche durch. Seine Rücksichtslosigkeit gegen die Kardinäle war bekannt; doch hat er keinen einzigen ermorden lassen, obwohl er sie sämtliche beerbte, allerdings zugunsten der Kirche. Man hieß ihn den »Pontifice terribile«. Er war übrigens der erste Papst, der wieder einen Bart trug als Zeichen männlicher Kraft. Diese Sitte ahmten die Monarchen seiner Zeit nach. Der Kunst gab er mächtige Impulse. Raffael hat sein Bild gemalt. Er legte den Grundstein zu St. Peter. Die Malereien Michelangelos in der Sixtina, die Loggien des Bramante, die Stanzen des Raffael, der Plan zu seinem großartigen Grabmal, von dem Michelangelo nur den berühmten Moses geschaffen hatte, diese unsterblichen Kunstdenkmäler gehen sämtlich auf Julius II. zurück. Besonders interessant ist das Verhält-
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anmerkungen nis zwischen Julius II. und Michelangelo: beide waren ähnliche Charaktere, die ständig aufeinander prallten; weil die Vollendung der Sixtinischen Kapelle zu lange dauerte, schlug er den Michelangelo sogar einmal mit dem Stock. Siehe XI. Kapitel, Anm. 125, 126, 138. Die Venezianer besaßen das Land zwischen der adriatischen und ionischen Küste, das ihnen Ferdinand II. von Aragonien zum Lohn für ihre Hilfe gegen Karl VIII. von Frankreich überlassen hatte (1494); durch die Schlacht von Vailà verloren sie 1509 das Land an die Spanier und diese hofften nun das ganze Königreich Neapel wiederzubekommen. Dies führte zur Liga von Cambrai 1508. Als Greis mit 70 Jahren wurde Julius 1503 Papst, 1513 starb er. xxvI. kapitel
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Wie die Juden Sklaven der Ägypter, so waren die Italiener innenpolitisch Sklaven der Barbaren (der Franzosen und Spanier); wie die Perser unter der Herrschaft der Meder standen, so die Italiener außenpolitisch unter der Herrschaft fremder Mächte; und außerdem war Italien in viele kleine Herrschaften aufgeteilt, genau so wie es die Athener waren vor dem Zusammenschluß Attikas. Hier denkt Machiavelli wohl an Cesare Borgia. Die Lombardei war der Schauplatz aller Kriege seit 1494. Wenn das Land nicht von fremder Soldateska geplündert wurde, dann wurde es von den Königen und Kaisern mit riesigen Kriegskontributionen belegt wie das Königreich Neapel und die Städte der Toscana. Seit 1513 ist Leo X.. der zweite Sohn des Lorenzo Magnifico, Papst. Moses, Cyrus, Theseus, Romulus, »Denn der Krieg ist für den gerecht, der dazu gezwungen wurde, und die Waffen sind heilig, wenn sie die einzige Hoffnung sind.« Livius XX, 1. Francesco Sforza, Cesare Borgia usw. 1494 bis 1514, seit dem Feldzug Karl VIII. von Frankreich. In der Schlacht bei Fornovo am Taro 1495 gelang es dem König Karl VIII. von Frankreich, die italienischen Truppen der Liga von Venedig zu besiegen. Alessandria wurde 1499 von Ludwig XII. König von Frankreich, geplündert, nachdem es vorher von dem von Ludovico il Moro eingesetzten Kommandanten übergeben worden war. 1501 nahmen die Franzosen Capua im Krieg gegen das Königreich Neapel ein.
anmerkungen 345. 346. 347. 348.
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Bei Genua kämpften die Genuesen mit Ludwig XII. von Frankreich; sie erlagen, Ludwig zog in Genua ein, 1507. Bei Vailà siegten die Franzosen über die Venezianer 1509. 1511 eroberten die Franzosen Bologna und setzten die Bentivoglio wieder ein. Der Legat des Papstes Julius II. mußte fliehen. 1513 zerstörten die Truppen der Liga von Cambrai, in der Spanien, der deutsche Kaiser, der Papst und England zusammengeschlossen waren, Mastre, heute Mestre bei Venedig; der spanische Feldherr ließ Venedig beschießen, um es wegen seiner Allianz mit Frankreich zu bestrafen. Moses, Cyrus, Theseus und Romulus. In der Schlacht von Ravenna am 11. April 1512 kämpften deutsche Söldner unter dem Franzosen Gaston de Foix gegen die Spanier, die sich Schweizer Söldner bedienten. Francesco Petrarca (1304 bis 1374), Dichter und Humanist; er bereitete die Renaissance vor. Mannesmut wird gegen die Wut der Feinde zu den Waffen greifen; kurz wird der Kampf sein. Denn die alte Tapferkeit ist in den Herzen der Italer noch nicht erloschen. (Petrarca, Canzone 16 (Italia mia …) Strophe 6, Vers 13–16.)
Literaturverzeichnis ITALIENISCHE LITERATUR Niccolò Machiavelli, Il Principe e Pagine Dei »Discorsi« e Delle »Istorie« con Introduzione e Note di Luigi Russo. Dodicesima Edizione, Firenze Niccolò Machiavelli, Opere Complete con molte correzioni e giunte, nonché un cenno bibliographico e critico. Napoli 1877 Edoardo Bizzarri, Machiavelli Antimachiavellico F. Chabod, Del »principe« di Niccolò Machiavelli. Roma 1926 Giuseppe Prezzolini, Vita di Niccolò Machiavelli Fiorentino. Milano 1927 (ins Deutsche übertragen: Dresden 1929) Francesco de Sanctis, Storia della litteratura Italiana. Bari 1939 (ins Deutsche übertragen: Stuttgart 1943 KTA 156 und 157) Pasquale Villari, Niccolò Machiavelli e i suoi tempi. 3 Bände, Firenze 1877– 1882 (Deutsch von Mangold, Rudolstadt 1877–1883) DEUTSCHE ÜBERSETZUNGEN Niccolò Machiavelli, Gesammelte Schriften, herausgegeben von Hanns Floerke. München 1923 Niccolò Machiavelli, Der Fürst und kleinere Schriften. Klassiker der Politik. Band 8. Berlin 1923 Niccolò machiavelli, Der Fürst, Leipzig 1940. Philosophische Bibiiothek, Band 188 Niccolò Machiavelli, Politische Betrachtungen. Berlin 1922. Klassiker der Politik, Band 2 Niccolò Machiavelli, Gedanken über Politik und Staatsführung. Stuttgart 1954, KTA 173 SONSTIGE LITERATUR Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien. KTA 53 Wilhelm Dilthey, Auffassung und Analyse des Menschen im XV. und XVI. Jahrhundert. In: »Gesammelte Schriften«, Bd. II. Leipzig–Berlin 1913 Hans Freyer, Machiavelli. Leipzig 1938 Herrmann Hefele, Niccolò Machiavelli. Lübeck 1933 Werner Kaegi, Machiavellis Glauben. «Corona« 1940, Jahrg. X, Heft 2 Hans E. Kinck, Machiavelli. Basel 1938 (Übersetzung aus dem Norwegischen) Rene König, Niccolò Machiavelli. Erlenbach-Zürich 1941 Thomas Babington Macaulay, Essay on Machiavelli. London 1827 Niccolò Machiavelli, Der Fürstenspiegel und Friedrich der Große, der Anti machiavell. Herausg. von Friedrich v. Oppeln-Bronikowski, Jena 1922
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literaturverzeichnis
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Stichwortverzeichnis Die römischen Ziffern zeigen die Seitenzahlen in der Einleitung und der Vorbemerkung an, die arabischen Ziffern die Seitenzahlen der Übersetzung.
Achäer 9, 61, 94 Achilleus 62, 72 Acuto, Giovanni 52 Ägypten 22, 85, 106 Agathokles 34/35 Alba XIII Alberigo von Cunio 54 Albinus 82 Alessandria 83, 109 Alexander d. Große 15, 17, 62, 67 Alexander Severus 79 flg. Alexander VI., Papst 12 flg. 26 flg. 35, 40 flg., 73 Alfons von Aragonien, 51 König von Neapel d’Amboise, Georges 14 (Erzbischof von Rouen) Antiochus III. von Syrien 10, 94 D’ Annunzio Gabriele XXI Degli Appiani Jacobo 11 Aragon, Friedrich von, 101 König von Neapel Ascanio, Kardinal 33 Athen 19, 106 Ätoler 9, 94 Aucut, John 52
siehe Alexander VI. Borgia, Cesare 14, 25 flg. 37, 47, 56, 68, 91 Braccio (Condottiere) 52, 54
Baglioni, Die 32 Bartolemeo da Bergamo 53 Bentivogli, Die 91 Bentivoglio, Giovanni 11, 76, 105 Bentivoglio, Hannibal 77 Bergamo 53 Blado, Antonio XIII Bodin XV Bologna 27, 48, 76, 91, 109 Borgia, Alexander,
Darius 15 ff. —, III., Codomanus 15, 17, 24 David 57 Deutschland, Deutsche 44, 103, 110 Dido 68 Dilthey XV
Camerino 11 Canni, Die 76 Capua 19, 109 Caracalla 79 flg. Carmagnola 53 Caraffa XIII Carravaggio, Schlacht von 51 Cäsar 62, 66, 67 Casavecchia XII Cavour XV Chiron 72 Citta di Castello 91 Clemens VII., Papst siehe Medici Giuliano Colleone s. Bartolomeo Colonna, Die 26 flg. 47, 48 —, Kardinal 33 Commodus, römischer Kaiser 79 flg. Cromwell XV Cyrus 21 flg. 62, 67, 106
Engländer 57 Epaminondas 51
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d’ Este Ercole 4, 11 d’ Este Alfonso 4 Fabius Maximus 70 Faenza 11, 27 Ferdinand II., der Katholische 3, 54, 55, 66, 92, 105 Fermo, Oliverotto da 35 flg. Ferrara 11, 47, 55 Fichte XV Flamininus, Quinctius Titus 101 Florenz, Florentiner 11, 31, 46, 51, 52, 56, 68, 95 Fogliani, Giavanni 35, 36 Forli 11, 56 Forli, Gräfin von s. Sforza Caterina Frankreich 12 flg., 26 flg., 48, 58, 78, 95, 103, 105 Franzosen Gaeta 30 Genua 11, 109 Gentillet XIV Ghibellinen 89 Goethe XX, XXXII Goliath 57 Gonzaga, Giovanni Francesco 11 Goten 59 Gracchen, Die 42 Granada 92 Gregorovius XIII Griechenland 7, 9, 18 flg. 24, 41, 56 Guelfen 89 Hamilkar 34 Hannibal 70 Hegel XV Heinrich III. und IV. von Frankreich XV Heliogabal 79 flg. Herder XV Hiero von Syrakus 24, 57 Johanna II. von Neapel 51 Johannes Kantakuzenos 56 (Kaiser von Ostrom)
Iniola 56 Israel 57, 106 Italien 12, 13, 14, 26 flg. 46, 50, 53 flg. 101 flg. Julian, Kaiser 79 flg. Julius II., Papst 4, 32, 33, 47, 48, 55, 65, 105 Karl V., Kaiser XV Karl VII., von Frankreich 57, 58 Karl VIII., von Frankreich 11, 46, 50, 54 Karthago, Karthager 19, 51 Katharina s. Medici Caterina Leo X., Papst 48 Locri 70 Locrer Lombardei 11 flg. 52, 95, 107 Lorqua, Remigius de s. Orco Luca, Priester 99 Lucca 11, 31 Ludwig IX., der Heilige von Frankreich 78 Ludwig XI., von Frankreich 58 Ludwig XII., von Frankreich 5, 11 flg., 27, 29, 54, 66 Ludwig XIV., von Frankreich XV Maclodio, Schlacht bei 53 Anm. 165 Macrinus, Kaiser 79 flg. Magione 28 Mailand 27, 46, 91, 95 Malatesta, Pandolfo 11 Manfredi, Astorre 11 Mantua 11 Marc Aurel 79 flg. Marlowe XV Marranert 93 Mastre, Schlacht bei 109 Maximilian, deutscher Kaiser 99 Maximinus, römischer Kaiser 79 ff. Mazedonien 9 Meder 22, 106 Medici, Die —, Caterina XII, XIV, XV
stichwortverzeichnis Medici, Cosimo XII —, Giovanni, siehe Leo X. XII —, Giuliano XII 1, 107 —, Lorenzo (gestorben 1519) XII XIII, 1 —, Lorenzo il Magnifico XII —, Piero XII Meinecke XX Mohammed II., Sultan 7 Anm. 19 Moses 21, 106, Nabis, König von Sparta 41, 76 Nantes 14 Napoleon XV Neapel 3, 12 flg. 29, 31, 46, 52, 105, 107 Nietzsche XV, XXXI Niger 82 Normandie 6 Novara, Schlacht bei 115 Numantia 19 Oliverotto von Fermo 35 flg. Orco, Ramiro de 29 Orsini, Die 26 flg. 37, 47, 48, 57 —, Paolo 28 Paläologen, Die 189 Percussina XI Perser 22, 106 Pertinax, Kaiser 79 flg. Perugia 28, 31 Pesaro 11 Petrarca 11o Petrucci, Pandolfo 90, 97 Philipp II., von Spanien XV Philipp II. von Mazedonien 59 Philipp V. von Mazedonien 10, 51, 101 Philopömen 61 Piombino 11, 31 Pisa 11, 19, 31, 52, 56 Pistoja 68 Pitigliano, Graf von 53 Pyrrhus 18 Quinctius Flamininus, Titus 101 Ranke XV
Ráinaldi, Luca 99 Ravenna, Schlacht bei 55, 109 Riario, Graf Girolamo 91 Rimini 11 Rom 22, 51, 59, 79 flg. Romagna 12 flg., 27, 28, 31, 47, 68 Römer 9, 10, 18 flg. 41, 94 Romulus 21, 22 Sant’ Andrea XI San Casciano XI San Giorgio, Kardinal 33 San Pietro ad Vincula 33 San Severino, Ruberto von 53 Saul 57 Savonarola 23 Scali, Giorgio 42 Schweiz (Schweizer) 51, 54, 55, 58, 109 Scipio Africanus 62, 70, 71 Septimus Severus, römischer Kaiser 79 Sforza, Die 91 —, Ascanio 33, 121 —, Catarina 11, 91 —, Francesco Maria 3, 25, 51, 52, 54, 60 Sforza, Giovanni 11 —, Ludovico il Moro 5, 26, 101 —, Muzio 51 Shakespeare XV Siena 11, 31, 90 Sinigaglia 37 Sixtus, Papst 47 Soderini, Piero XI Soliman, Sultan 56, 85 Spanien 12, 13, 14, 18, 29, 31, 70 Spanier 103, 109 Sparta 19, 51 Spinoza XV Syrakus 34, 35 Theben 19, 51 Theseus 21 flg. 107 Toscana 12, 27, 31, 107 Trasybulos Treitschke XV Türkei 7, 16, 85
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Ubaldo, Guido Herzog von Urbino 91 Urbino XII, 27, 28 Vailá, Schlacht bei 53, 89, 109 Varano, Giulio Cesare da 11 Venafro, Antonio da 97 Venedig 4, 11 flg. 26, 46, 48, Venezianer 51, 52, 89, 95, 105 Vettori, Francesco X, XII Virgil 68
Visconti, Bernabò 93 —, Filippo Maria 51 Vitelli 32, 35, 37, 52, 57 —, Niccolò 91 —, Paolo 35, 52 —, Vitellozzo 35, 37 Voltaire XV Waetzoldt XX Xenophon 62
Vollständige Ausgabe mit Erläuterungen. Trotz aller Verfemungen Machiavellis (1469–1527) ist sein Hauptwerk Il Principe als politische Bibel der Staatskunst, die jeden Illusionismus und Utopismus verwirft, in die Weltliteratur eingegangen. Sie hat bis heute nicht von ihrer Aktualität eingebüßt.
ISBN 3-520-23506-4