Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) Wolfgang Schreiber (Hrsg.) Das Kriegsgeschehen 2005
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Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) Wolfgang Schreiber (Hrsg.) Das Kriegsgeschehen 2005
Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) Wolfgang Schreiber (Hrsg.)
Das Kriegsgeschehen 2005 Daten und Tendenzen der Kriege und bewaffneten Konflikte
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage Dezember 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Monika Mülhausen / Marianne Schultheis Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN-10 3-531-15340-4 ISBN-13 978-3-531-15340-7
Vorwort Das vorliegende Jahrbuch setzt die Reihe der seit 1993 erscheinenden Jahresberichte der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) zum weltweiten Kriegsgeschehen fort. Kemsttick des Jahrbuchs ist das rund 200-seitige Konfliktregister mit seinen Einzelberichten zu 42 Konflikten. Sie geben Auskunft uber die strukturellen Hintergriinde, die historischen Entwicklungen und die aktuellen Ereignisse der Kriege und bewaffiieten Konflikte des Jahres 2005. Ein Index der Konfliktakteure sowie Hinweise auf weiterfiihrende Literatur und aktuelle Internet-Adressen machen das Konfliktregister zu einem benutzerfreundlichen Nachschlagewerk, das sowohl eine schnelle, aktuelle Information wie auch eine vertiefte Lekture zu den aktuellen Gewaltkonflikten ermoglicht. Eingebettet sind die Einzelberichte in einen Uberblick tiber die Tendenzen und Charakteristika des Kriegsgeschehens im Berichtsjahr 2005, der diese in regionale und Internationale Zusammenhange einordnet. Die Arbeit an diesem Jahrbuch ist eine Gemeinschaftsleistung der AKUF, die 1978 von Prof Dr. Klaus Jurgen Gantzel gegriindet wurde und seither als Forschungsseminar am Institut fiir Politische Wissenschaft der Universitat Hamburg angeboten wird. „Das Kriegsgeschehen" ist das Hauptperiodikum der AKUF, zugleich aber nur ein Ausschnitt der umfangreichen wissenschaftlichen Tatigkeit ihrer Mitglieder. Hierzu zahlt neben verschiedenen Forschungsprojekten und zahllosen Veroffentlichungen auch eine umfangreiche Kriege-Datenbank. Einen umfassenden Uberblick Uber die Arbeit der AKUF und uber das weltweite Kriegsgeschehen bietet die AKUFHomepage unter < www.akuf de >. Da die AKUF ohne fmanzielle Untersttitzung seitens der Universitat Hamburg arbeiten muss, gilt - auch fur dieses Jahrbuch - mein besonderer Dank ihren engagierten Mitgliedem. Hamburg, im September 2006 Jens Siegelberg, Leiter der AKUF
Inhaltsverzeichnis
Wolfgang Schreiber Daten und Tendenzen des Kriegsgeschehens 2005
11
Beendete und neue Kriege Statistik und Trends des Kriegsgeschehens Kriege Asien Vorderer und Mittlerer Orient Afrika siidlich der Sahara Lateinamerika Bewaffhete Konflikte Weitere Gewaltkonflikte
11 13 17 18 21 25 28 29 34
Register der Kriege und bewaffneten Konflikte des Jahres 2005
37
Asien
39
Indien (Assam) Indien (Bodos) Indien (Kaschmir) Indien (Nagas) Indien (Naxaliten) Indien (Tripura) Indonesien (Aceh) Indonesien (Westpapua) Laos Myanmar Nepal Pakistan Philippinen (Mindanao) Philippinen (NPA) Sri Lanka Thailand (Sudthailand)
39 43 47 52 56 61 66 71 76 80 85 90 93 98 103 108
8
Das Kriegsgeschehen 2005
Vorderer und Mittlerer Orient
114
Afghanistan (Antiregimekrieg) Afghanistan („Antiterrorkrieg") Algerien Georgien (Siidossetien) Irak Israel (Palastina) Jemen Libanon (Siidlibanon) Russland (Tschetschenien) Saudi-Arabien Ttirkei (Kurdistan)
114 118 123 128 134 140 144 148 154 159 163
Afrika
170
Angola (Cabinda) Athiopien (Gambela) Burundi Cote d'lvoire [Elfenbeinkiiste] Kongo-Kinshasa (Ostkongo) Nigeria (Nigerdelta) Nigeria (Muslime / Christen) Senegal (Casamance) Somalia Sudan (Darfur) Tschad Uganda
170 174 178 184 189 195 199 203 207 212 218 223
Lateinamerika
229
Haiti Kolumbien (ELN) Kolumbien (FARC)
229 234 239
Autorinnen und Autoren der AKUF
244
Abkiirzungsverzeichnis
248
Index der Konfliktakteure
253
Inhaltsverzeichnis
9
Grafiken 1 2 3
Weltweit gefuhrte, begonnene und beendete Kriege (1945-2005) Verteilung der Kriege nach Regionen im Jahr 2005 Verteilung der Kriege nach Kriegstypen im Jahr 2005
Tabellen 1 Kriege im Jahr 2005 2 Bewaffhete Konflikte im Jahr 2005
14 15 16
17 29
Defmitionen 1 2
Die AKUF-Kriegsdefmition Die AKUF-Kriegstypen
10 36
10
Das Kriegsgeschehen 2005
AKUF-Kriegsdefinition 'Krieg' definiert die AKUF in Aniehnung an den ungarischen Friedensforscher Istvan Kende (1917-1988) ais einen „gewaltsamen Massenkonflikt, der alle folgenden Merkmaie ausweist: (a) an den Kampfen sind zwei oder mehr bewaffnete Streitkrafte beteiiigt, bei denen es sicii mindestens auf einer Seite urn regulare Streitkrafte (Militar, paramilitarische Verbande, Polizeieinheiten) der Regierung iiandelt; (b) auf beiden Seiten muss ein Mindestmafi an zentralgelenkter Organisation der Kriegfuhrenden und des Kampfes gegeben sein, seibst wenn dies nicht mehr bedeutet als organisierte bewaffnete Verteidigung oder planmallige Uberfalle (Guerillaoperationen, Partisanenkrieg usw.); (c) die bewaffneten Operationen ereignen sich mit einer gewissen Kontinuitat und nicht nur als gelegentliche, spontane Zusammenstofie, d.h. beide Seiten operieren nach einer planmalJigen Strategie, gleichgultig ob die Kampfe auf dem Gebiet eines oder mehrerer Gesellschaften stattfinden und wie lange sie dauern." Kriege gelten als beendet, soweit Kampfhandlungen dauerhaft, d.h. fur mindestens ein Jahr, eingestellt bzw. nur unterhalb der AKUF-Kriegsdefinition fortgesetzt werden. Bei einem 'bewaffneten Konflikt' handelt es sich um gewaltsame Auseinandersetzungen, bei denen die Kriterien der Kriegsdefinition nicht in vollem Umfang gegeben sind.
Daten und Tendenzen des Kriegsgeschehens 2005 Wolfgang Schreiber
Das Kriegsgeschehen des Berichtsjahrs 2005 erwies sich auf den ersten Blick als sehr konstant. Die Zahl von insgesamt 42 Kriegen und bewaffiieten Konflikten blieb gegeniiber dem Vorjahr unverandert und auch die sich dahinter verbergenden Konflikte blieben bis auf wenige Falle dieselben. Trotz des Ruckgangs der Zahl und auch der Intensitat der Kriege in den letzten zehn Jahren gehoren gewaltsam ausgetragene Massenkonflikte weiterhin zu den gravierendsten Problemen der Weltgesellschaft. Die Zahl der in Kriegen direkt bei Kampfhandlungen getoteten Menschen mag mit wenigen Tausend dabei eher gering erscheinen. Nicht vergessen werden soUten allerdings die anderen menschlichen Opfer der Kriege: Tausende sterben an indirekten Folgen wie Hunger und Krankheiten, Frauen und Madchen werden massenhaft vergewaltigt, Millionen miissen aus den Kriegsgebieten fliehen. In vielen kleineren Kriegen, die geringere offensichtliche Folgen aufweisen, macht alltagliche Gewalt ein „normales" Leben unmoglich. Wie in jedem Jahr spielten in der Offentlichkeit nur die wenigsten Kriege eine prominente Rolle. Vor allem der Krieg im Irak fand regelmaBig seinen Niederschlag in der Medienberichterstattung. Die mit Abstand hochsten Opferzahlen forderte wie bereits im Vorjahr der Darfur-Konflikt im Sudan. Andere Kriege wie in Kolumbien, im russischen Tschetschenien oder im Osten der Demokratischen Republik Kongo sorgten trotz der hohen Intensitat, mit der sie im Vergleich zu vielen „kleineren Kriegen" und bewaffiieten Konflikten gefiihrt wurden, allenfalls partiell fur Schlagzeilen. Fiir die meisten der 28 Kriege traf auch 2005 das Schlagwort von den „vergessenen Kriegen" zu.
Beendete und neue Kriege Mit 28 Kriegen wurden im Berichtsjahr 2005 ebenso viele ausgetragen wie ein Jahr zuvor.* Die unveranderte Zahl deutet auf die Kontinuitat des Kriegsgeschehens hin. In der Tat dauerten 27 der im Jahr 2004 gefuhrten Kriege auch 2005 noch an. Dariiber hinaus sind die Veranderungen, die sich mit dem einen beendeten und dem einen neuen Krieg ergaben, vielleicht weniger gravierend, als die Neueinstufung nahe legt. 2004 beendet - und damit im Die im „Kriegsgeschehen 2004" angegebene Zahl von 27 Kriegen muss korrigiert werden. Riickwirkend wurden die im vorangegangenen Jahrbuch als bewaffneter Konflikt gefuhrten Auseinandersetzungen in Thailand bereits fiir das Jahr 2004 als Krieg eingestuft.
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Das Kriegsgeschehen 2005
Berichtsjahr nicht mehr in der Liste der gefuhrten Kriege - wurde der Krieg im Senegal. Die Schwelle zum Krieg uberschritten haben die bewaffheten Auseinandersetzungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Der Krieg in der senegalesischen Casamance wurde seit seinem Beginn 1990 mit vergleichsweise geringer Intensitat gefiihrt. Auch das Kriterium der Kontinuitat (vgl. die Kriegsdefmition der AKUF auf Seite 10) bereitete bei der Beobachtung und Einstxifiing des Konflikts immer wieder Schwierigkeiten.2 Im Verlauf des Krieges waren immer wieder Waffenstillstande und Friedensabkommen zwischen den separatistischen Rebellen der Mouvement des Forces Democratiques de la Casamance (MFDC) und den verschiedenen senegalesischen Regierungen geschlossen worden. Keinem dieser Abkommen war ein dauerhafter Erfolg beschieden, da jeweils unterschiedliche Telle der MFDC sich nicht an die Vereinbarungen hielten. Dabei nahmen MFDCFuhrer zu unterschiedlichen Zeitpunkten sowohl eine Rolle als Befiirworter als auch als Gegner eines Friedenschlusses ein. Ein wesentlicher Grund fur das Scheitem von Vereinbarungen in der Vergangenheit war die Zersplitterung der Rebellenbewegung, die immer wieder auch zu Kampfen zwischen verschiedenen Fraktionen der MFDC geftihrt haben. Ein im Oktober 2003 unterzeichnetes Abkommen fiihrte aber zu einem Riickgang der bewaffiieten Auseinandersetzungen, sodass der offizielle Friedensschluss vom 31. Dezember 2004 formal das Ende des Krieges markiert. Allerdings kam es auch 2005 noch vereinzelt zu Gewalthandlungen. Erschwert wird die Situation dadurch, dass zwischen separatistisch motivierter Gewalt von Friedensgegnem innerhalb der Rebellen und okonomisch motivierter Gewalt um die KontroUe des Cannabisschmuggels in der Region kaum zu unterscheiden ist, zumal die Kriegsokonomie der Rebellen bereits seit langerem auf dem Drogenhandel basierte. Auch der 2005 als neu zu verzeichnende Krieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo zeichnet sich nicht in erster Linie durch eine Veranderung des dort herrschenden Gewaltniveaus aus. Genau genommen lost der neue Krieg lediglich die beiden im Vorjahr als bewaffhete Konflikte gefuhrten Auseinandersetzungen im Distrikt Ituri und den beiden Provinzen Nordund Stidkivu ab. Der Grund dafur liegt weniger in der Kontinuitat oder Intensitat, mit dem die Kampfe dort gefiihrt werden, sondem in einem Wandel der Akteurskonstellation. Mit dem 2001 begonnenen Friedensprozess in der Demokratischen Republik Kongo wurde erstmals 2004 der kongolesische Staat mit seiner Armee wieder zu einem direkten Akteur im Osten des Landes. Diese Ruckkehr des Staates veranderte auch die Konstellation zwischen den bewaffiieten Gruppen im Ostkongo. Beherrschten bis 2004 Kampfe diverser Rebellengruppen und Milizen untereinander das Bild, so wurde fur In den Jahrbuchem der AKUF wurden die Auseinandersetzungen im Senegal insbesondere in der ersten Halfte der 1990er Jahre teilweise als Krieg und teilweise als bewaffneter Konflikt gefiihrt. Erst im Nachhinein setzte sich eine durchgehende Einstufiing als Krieg durch.
Daten und Tendenzen des Kriegsgeschehens 2005
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viele dieser Gruppen spatestens 2005 die neue kongolesische Armee unterstiitzt von der Mission de I'Organisation des Nations Unies en Republique Democratique du Congo (MONUC) zum Hauptgegner. Vormals sich auf ethnischer Gmndlage bekampfende Milizen in Ituri fanden sich im Btindnis gegen die Durchsetzung einer staatlichen Ordnung. In den beiden Kivuprovinzen meuterten Teile der neuen Armee, die zuvor der Rebellengmppe Rassemblement pour la Democratie (RCD) angehort hatten, gegen ihre neuen Vorgesetzten. Und auch in der stidostlichen Provinz Katanga setzten sich Teile der Mayi-Mayi-Milizon, die zuvor mit der alten Regierung verbiindet waren, gegen die neue Ordnung zur Wehr. Gemeinsam ist alien diesen Gruppen, dass sie an der Ubergangsregierung nicht beteiligt waren beziehungsweise bisherige Einflusspositionen zu verlieren drohten.
Statistik und Trends des Kriegsgeschehens Seit 1945 zahlt die AKUF insgesamt 228 Kriege. Davon wurden 28 noch im Jahr 2005 ausgetragen. Ob das Gleichbleiben der Zahl gegentiber dem Vorjahr ein Ende des seit fiinf Jahren erkennbaren Trends zum Riickgang der Zahl der Kriege bedeutet, ist nicht absehbar. Einerseits lasst sich das Entstehen neuer Kriege kaum verlasslich voraussagen. Andererseits deutete sich zwar in einer Reihe von Kriegen im Jahr 2005 die Chance auf ein Ende oder zumindest ein Nachlassen der Kampfhandlungen an. Die Vergangenheit lehrt aber, dass aus solchen positiven Signalen nicht unbedingt die weitere Entwicklung gefolgert werden kann. Im Gegensatz zu dieser Ungewissheit wies die Kriegshaufigkeit trotz leichter Schwankungen von 1945 bis 1992 einen vergleichsweise kontinuierhchen Anstieg bis zum Hochststand von 55 Kriegen auf. Bis 1997 halbierte sich diese Zahl innerhalb von fiinf Jahren fast auf 29. Danach stieg die Zahl der Kriege bis 2000 wieder auf 35 an und ging seitdem auf nunmehr 28 im Jahr 2005 zurtick. Eine niedrigere Zahl an jahrlich geftihrten Kriegen registrierte die AKUF zuletzt fur das Jahr 1964 (vgl. Grafik 1). Der Starke Riickgang nach 1992 lasst sich mit drei Erscheinungen erklaren, die das Ende des Ost-West-Konfliktes begleiteten. Erstens hatten Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre uberdurchschnittlich viele Kriege begonnen, von denen nicht wenige vergleichsweise kurze Zeit spater wieder beendet wurden. Dieser Vorgang ahnelt friiheren Spriingen im Ansteigen der Kriegshaufigkeit, wie sie aus der Grafik 1 auch fiir die zweite Halfte der 1940er Jahre und die erste Halfte der 1960er Jahre abzulesen sind. Ein groBer Teil der neuen Kriege in diesen drei Perioden entfallt auf neu entstandene Staaten: zunachst in Asien, dann in Afrika und mit dem Ende des Ost-WestKonfliktes auf den Territorien der friiheren UdSSR und Jugoslawiens. Dazu kam der Zusammenbruch einiger Regime - vor allem in Afrika - die zuvor
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Grafik 1'Weltweit gefuhrte, begonnene und beendete Kriege (1945-2005) 15 T
T 60
?) Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) 2006
Stark durch Unterstiitzungen im Rahmen des Kalten Krieges profitiert hatten. Das Ausbleiben von derartigen Unterstutzungen hatte aber auch in nicht wenigen Fallen einen umgekehrten Effekt, indem es einigen Kriegen die materielle Grundlage entzog und somit zu deren Beendigung beitrug.^ Als drittes Phanomen war eine zumindest voriibergehende allgemeine Schwachung des Sozialismus als alternatives Gesellschaftsmodell zum Kapitalismus zu beobachten. Dass dieses etlichen Kriegen ihre ideologische Grundlage entzog, zeigt am deutlichsten der Ruckgang der Kriege in Sud- und insbesondere Mittelamerika. Die emeute Zunahme der Kriegshaufigkeit ab 1997 schien zunachst an den generellen Trend bis 1992 anzuschlieBen, der einen emeuten dauerhaften Anstieg bedeutet hatte. Stattdessen kehrte sich der Trend 2000 emeut um und die Zahl der jahrlich gefiihrten Kriege ging seither um ein Viertel zurtick. Zwei Interpretationen des Kriegsgeschehens, die nach dem Ende des OstWest-Konflikts prominent diskutiert wurden, haben sich damit als von recht kurzer Halbwertzeit erwiesen: In der ersten Halfte der 1990er Jahren wurden Konflikte zunehmend mit dem Etikett „ethnisch" versehen. Insbesondere die ^
Trotzdem ist es falsch, diese Kriege als „Stellvertreterkriege" zu bezeichnen. Sie wurden in aller Kegel nicht stellvertretend fur die fuhrenden Blockmachte USA und UdSSR geftihrt, sondem die jeweiligen Kriegsparteien bedienten sich der Blockrivalitat, um Unterstiitzung zu erhalten.
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Annahme, dass solche Konflikte um Identitaten schwieriger zu befrieden seien als Konflikte um (materielle) Interessen, kann angesichts des Ruckgangs der Zahl der Kriege nicht als bestStigt angesehen werden. Die anschlieBende These, insbesondere auf Rohstoffen basierende Kriegsokonomien seien die eigentliche Triebfeder aktueller Konflikte, hat sich ebenfalls nicht unbedingt bestatigt: Gerade die haufig als Beispiele angefilhrten afrikanischen Kriege in Angola, Liberia und Sierra Leone wurden in den letzten Jahren beendet. Beide Versuche, das Kriegsgeschehen auf einen Hauptfaktor zu reduzieren, haben sich gegenuber der Realitat als zu vereinfachend erwiesen. Verteilung der Kriege nach Regionen und Typen In der Zeit nach 1945 wurden Kriege zum groBten Tail in der so genannten Dritten Welt gefuhrt. Europa war nur selten, Nordamerika nie Schauplatz des Austrags von kriegerischen Konflikten. Diese haufig wiederholte Tatsache spiegelt sich auch in den Zahlen des Jahres 2005 wieder. Die 28 Kriege verteilten sich auf die Weltregionen wie folgt: Die meisten Kriege wurden 2005 in Asien mit zwOlf PCriegen gefuhrt. Es folgen der Vordere und Mittlere Orient (VMO) mit acht und Afrika sudlich der Sahara mit sechs Kriegen. In Lateinamerika wurden zwei Kriege ausgetragen (vgl. Grafik 2). Gegeniiber dem Vorjahr ergeben sich keine Veranderungen, da in Afrika ein Krieg beendet und ein Krieg neu begonnen wurden. Damit blieben die prozentualen Anteile der verschiedenen Weltregionen am Kriegsgeschehen gleich. Die AKUF unterscheidet Kriege nach insgesamt fiinf Typen, wobei zusatzlich noch Mischtypen mOglich sind (siehe Seite 36). Fiir das Jahr 2005 ergab sich folgende Verteilung bei den Kriegstypen: Um Autonomic oder Sezession wurden 13 Kriege gefuhrt, zwolf waren Antiregimekriege. Zwei
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Das Kriegsgeschehen 2005
Kriege entfielen auf den Typ der „sonstigen Kriege" und ein Krleg stellte sich als Mischtyp dar (vgl. Grafik 3). Gegenilber dem Vorjahr hat sich die Zahl der Kriege urn Autonomie oder Sezession durch die Beendigung des Krieges um die Unabhangigkeit der Casamance vom Senegal um einen verringert. Die Zahl der Antiregimekriege hat sich mit dem neuen Krieg verschiedener Rebellen- und Milizengruppen gegen den kongolesischen Zentralstaat um einen erhoht. Die beiden unter dem Typ „sonstige Kriege" erfassten sind dieselben, wie im Vorjahr. Sie sind ansonsten aber sehr unterschiedlich: Zum einen handelt es sich dabei um den Krieg in Somalia, der einen Grenzfall der AKUF-Kriegsdefmition darstellt, da bei diesem Krieg von einem staatlichen Akteur mangels eines real existierenden Staates eigentlich nicht gesprochen werden kann, zumal sich auch die im Oktober 2004 eingesetzte Ubergangsregierung nicht etablieren konnte, sondem allenfalls einen Kriegsakteur unter vielen darstellt. Zum anderen findet sich unter diesem Typ der so genannte Antiterrorkrieg, der zwar in Afghanistan ausgetragen wird, der aber wegen der Beteiligung der USA als Hauptkriegsakteur nicht unter die innerstaatlichen Kriegstypen zu fassen ist, nach Ende des Taliban-Regimss aber auch nicht mehr als zwischenstaatlicher Krieg. Als Mischtyp findet sich wie im Vorjahr der Krieg im Irak, der bis zum Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 ein zwischenstaatlicher Krieg war. Nach dem Ende des irakischen Regimes war er, solange die USA offiziell als Besatzungsmacht anerkannt waren, als „sonstiger Krieg" vom Typ E einzustufen. Mit der formalen Einsetzung einer irakischen Regierung konnte man eigentlich von einem Antiregimekrieg mit Fremdbeteiligung sprechen. Da diese Regierung jedoch nicht fiber Mitspracherechte bei den Militaroperationen der USA im Irak verfflgt, scheint es sinnvoller zu sein, den Irakkrieg 2005 als Mischtyp zu klassifizieren.
Daten und Tendenzen des Kriegsgeschehens 2005
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Tabelle 1: Die Kriege im Jahr 2005
Asien Indien (Assam) Indien (Bodos) Indien (Kaschnnir) Indien (Naxaliten) Indien (Tripura) Indonesien (Aceh) Laos (Hmong) Myanmar Nepal Philippinen (Mindanao) Philippinen (NPA) Thailand (Sudthailand)
Typ
Beginn
B-2 B-2 B-2 A-2 B-2 B-2 B-2 B-2 A-2 B-2 A-2 B-2
1990 1997 1990 1997 1999 1999 2003 2003 1999 1970 1970 2004
A-2 E-1 A-2 AE-1 B-2 A-2 B-2 B-2
1978 2001 1992 1998 2000 2004 1999 2004
A-2 A-2 A-1 E-2 B-2 A-2
1993 2002 2005 1988 2003 1995
A-2 A-2
1965 1964
Vorderer und Mittlerer Orient Afghanistan (Antlregimekrieg) Afghanistan („Antiterrorkrieg") Algerien Irak Israel (Palastina) Jemen Russland (Tschetschenien) Turkei (Kurdistan) Afhka Burundi Cote d'lvoire Kongo-Kinshasa (Ostkongo) Somalia Sudan (Darfur) Uganda Lateinamerika Kolumbien (ELN) Kolumbien (FARC)
Kriege Der folgende Jahresiiberblick iiber die 2005 gefiihrten Kriege orientiert sich an der zahlenmaBigen Betroffenheit der einzelnen Weltregionen und wird die dort ausgetragenen Kriege jeweils kurz skizzieren.
Das Kriegsgeschehen 2005
Asien Asien war im Jahr 2005 wie bereits im Vorjahr die Region mit den meisten Kriegen. Dabei haben sich gegeniiber dem Vorjahr keine Veranderungen ergeben. Alle Kriege des Jahres 2004 dauerten auch 2005 noch an. Siidasien - Indien und Nepal Siidasien blieb die Subregion mit den meisten Kriegen. Fiinf der zwolf Kriege in Asien fanden in Indien statt. Der nicht zuletzt wegen seiner Verbindung zum indisch-pakistanischen Konflikt bekannteste und zeitweise auch brisanteste unter diesen ist der 1990 begonnene Kaschmirkrieg. Mittlerweile wird das Kriegsgeschehen von Gruppen wie der Lashkar-i-Toiba, der Jaish-iMuhammad und der Harkat-ul-Mujahedin dominiert, deren Mitglieder im Wesentlichen nicht mehr aus Kaschmir selbst stammen, sondem sich zu einem nicht geringen Teil aus auslandischen Kampfem zusammensetzen. Diese hatten ihre Kampferfahrungen haufig in Afghanistan gesammelt und waren dort oder in Pakistan ausgebildet worden. Auch konnten sie lange auf die Untersttitzung der pakistanischen Regierung bauen. Die erst vor wenigen Jahren begonnene Annaherung zwischen den Regierungen Indiens und Pakistans wurde 2005 durch die Zusammenarbeit nach dem schweren Erdbeben im Oktober intensiviert. Dies fiihrte allerdings bislang nicht zu einem Ende des Krieges in Kaschmir. Neben dem Kaschmirkrieg im Nordwesten Indiens wurden drei Kriege im Nordosten des Landes ebenfalls um Sezession oder eine groBere Autonomic bestimmter Gebiete gefiihrt. In diesen Konflikten sahen sich Teile der jeweils einheimischen Bevolkerung gegeniiber bengalischen Zuwanderem aus anderen Teilen Indiens benachteiUgt. Im seit 1997 gefiihrten Krieg der National Democratic Front of Bodoland (NDFB) im Unionsstaat Assam fiir eine groBere Autonomic der ethnischen Gruppe der Bodos zeichnete sich im Laufe des Berichtsjahres ein Ende ab. Seit einem am 25. Mai geschlossenen Waffenstillstand wurden keine bewaffiieten Auseinandersetzungen mehr berichtet, die mit dem Bodokonflikt in Zusammenhang standen. Trotzdem starben in Assam im Berichtsjahr 200 bis 250 Menschen infolge von Kampfhandlungen oder Anschlagen. Etwa ein Drittel dieser Todesopfer war dabei dem 1990 begonnenen Krieg der United Liberation Front of Assam (ULFA) fur die Unabhangigkeit Assams von Indien zuzuschreiben. Auch in diesem Konflikt ist die Gewalt seit einigen Jahren riicklaufig. Ob sich daruber hinaus der Friedensschluss im Bodokonflikt auf den zweiten, groBeren Krieg in Assam positiv auswirken wird, bleibt abzuwarten. Der dritte, 1999 begonnene Krieg im Nordosten Indiens wurde im Unionsstaat Tripura ausgetragen. Hier kampften mit der All-Tripura Tiger Force (ATTF) und zwei Fraktionen der National Liberation Front of Tripura (NLFT) drei Rebellengruppen fur eine groBere Autonomic. Der 2004 ausgehandelte Waffenstillstand zwischen
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Indien und einer der beiden NLFT-Fraktionen wurde 2005 eingehalten. Allerdings scheint sich diese Gruppe tiber den Verhandlungsprozess gespalten zu haben. Insbesondere verkundete deren Anfahrer die Griindung einer neuen Rebellenbewegung und die gleichzeitige Annaherung an die am Friedensprozess nicht beteiligten Gruppen. Ebenfalls in Indien kampften die so genannten Naxaliten. Anders als bei den um Autonomie oder Unabhangigkeit kampfenden Gruppen in Kaschmir, Assam und Tripura stand hier die Forderung nach gesellschaftlichen Veranderungen im Vordergrund. Unter der Bezeichnung Naxaliten wurden verschiedene Gruppierungen mit maoistischer Orientierung zusammengefasst, die in mehreren ostlichen aber auch zentralen Unionsstaaten Indiens operierten. Den Hintergrund des Aufstandes bildet die in dieser Region Indiens besonders ausgepragte soziale Ungleichheit zwischen GroBgrundbesitzem auf der einen und Landproletariat sowie Kleinbauem auf der anderen Seite. Der Naxaliten-KonfMyx wies auch 2005 eine groBe Dynamik gleich in mehrerer Hinsicht auf. Im Februar scheiterten Verhandlungen mit der Regierung des indischen Unionsstaates Andhra Pradesh, die erst im Oktober des Vorjahres begonnen hatten. Dartiber hinaus vereinigten sich die beiden wesentlichen, bisher getrennt operierenden naxalitischen Gruppierungen People's War Group (PWG) und Maoist Communist Centre (MCC) zur Communist Party of India - Maoist (CVl-Maoist). Es gelang ihnen 2005 nochmals ihren Aktionsradius auszuweiten. Im benachbarten Nepal eskalierten 1999 Kampfe zwischen den sich ebenfalls als maoistisch verstehen Rebellen der Communist Party of Nepal Maoist (CFl^-Maoist) und staatlichen Sicherheitskraften zum Krieg. Ausgehend von den armsten Regionen im Westen des Landes operierten die Aufstandischen seit 2001 in fast alien Landesteilen. Am bedeutendsten fiir den Konflikt erwies sich 2005 die autoritare Politik von Konig Gyanendra. Diese rief nicht nur Massenproteste im Land hervor, sondem flihrte auch zu einer Annaherung zwischen den Rebellen und der zivilen Opposition in Gestalt der sieben wichtigsten im Parlament vertretenen Parteien. Sollte sich deren weitere Zusammenarbeit als erfolgreich erweisen, konnte der Krieg in Nepal, der in den letzten Jahren einer der weltweit bedeutendsten war, sogar in absehbarer Zeit beendet werden. Siidostasien - Myanmar, Thailand, Laos, Indonesien und Philippinen Die bewaffheten Auseinandersetzungen in Myanmar, dem frtiheren Birma, begannen bereits 1948. Diverse Rebellenbewegungen ethnischer Gruppen kampften ftr die Unabhangigkeit. Eine der Hauptgruppen dieses Krieges war von Anfang an die Karen National Union (KNU). Der Krieg ging 1999 aufgrund eines Rtickgangs der Kampfhandlungen zu einem „bewaffneter Konflikt" tiber. Nach einer Offensive der Armee gegen die KNU erreichte die Kontinuierlichkeit der Kampfe 2003 ein AusmaB, sodass das entsprechende
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Kriterium der Kriegsdefmition (vgl. Seite 10) wieder erfullt war. Nachdem 2004 ein Machtkampf innerhalb der Regierung zugunsten der Hardliner entschieden wurde, fanden die kurz zuvor begonnenen Verhandlungen zwischen Regierung und KNU ein Ende. Daruber hinaus intensivierten sich im Berichtsjahr auch die Auseinandersetzungen zwischen den Rebellen der Shan State Army (South) (SSA-S) und Regierungstruppen, die von der fruhren Rebellengruppe United Wa State Army (UWSA) untersttxtzt wurden. Im Siiden Thailands fanden 2004 erstmals seit Jahren Gewalttaten mit einem separatistischen Hintergrund statt. Diese wurden zunachst als „bewaffiieter Konflikt" eingestuft. Neuere Informationen legten aber nahe, dass die Bedingungen der Kriegsdefinition in diesem Konflikt bereits 2004 erfullt wurden. Im Berichtsjahr haben die Rebellen, deren wichtigste organisatorische Struktur die Jugendorganisation Pemuda der Barisan Revolusi Nasional - Coordinante (BRN-C) darstellt, ihr Operationsgebiet ausgeweitet. Auch die thailandische Regierung rechnete nicht mehr damit, die Rebellion, die bislang etwa 1.100 Todesopfer gefordert hat, kurzfristig beenden zu konnen. Im Jahr 2003 eskalierte in Laos emeut ein Konflikt, der bereits in frUheren Jahren zu zwei Kriegen (1975-1979 und 1990-1992) gefiihrt hatte. Der Konflikt zwischen Rebellen der Hmong und der laotischen Regierung lasst sich bis in die 1960er Jahre zuriickverfolgen, als die USA den Aufbau einer aus Hmong bestehenden, antikommunistischen Guerilla unterstutzten. Die Informationslage iiber Laos ist traditionell schwierig. Berichte iiber eine groBe Zahl kapitulierender Rebellen und einen Riickgang der bewaffheten Auseinandersetzungen legen aber nahe, dass der Krieg im Laufe des Jahres 2005 zu Ende gegangen sein konnte. Mit noch groBerer Wahrscheinlichkeit beendet wurde 2005 wohl der Krieg der Gerakan Aceh Merdeka (GAM) fiir die Unabhangigkeit Acehs von Indonesien. Der Zusammenbruch des Suharto-Regimes hatte eine Reihe von regionalen Konflikten nach sich gezogen, von denen allerdings lediglich der in Aceh im auBersten Westen Indonesiens seit 1998 auf kriegerischem Niveau ausgetragen wurde. Die flir eine Unabhangigkeit der Region kampfende GAM hatte bereits von 1990 bis 1993 einen Krieg gegen die indonesische Zentralregierung gefahrt. Hintergriinde sind dabei zum einen der Widerspruch zwischen den hohen Erlosen aus in der Region geforderten Rohstoffen und der Armut der lokalen Bevolkerung, zum anderen eine orthodoxere Auslegung des Islam im Vergleich zum iibrigen Indonesien. Deuteten sich bereits im Laufe des Jahres 2004 Moglichkeiten flir eine Entspannung des Konfliktes an, so wurde das Kriegsgeschehen zusatzlich am Jahresende durch die verheerenden Auswirkungen der Tsunamikatastrophe beeinflusst. Nicht nur hatten Rebellen und Militar ihre kiistennahen Stellungen verloren und wurden dadurch geschwacht. Die Arbeiten an der Beseitigung der unmittelbaren Folgen der Naturkatastrophe erforderte daruber hinaus eine Zusammenarbeit. Trotzdem wurden bei bewafftieten ZusammenstoBen in der ersten Halfte des
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Berichtsjahres nach Angaben des Militars noch Hunderte Rebellen getotet und erst im August unterzeichneten die beiden Kriegsparteien nach finnischer Vermittlung einen Friedensvertrag. Dessen bislang erfolgreiche Umsetzung wurde bis zum Jahresende mit dem Beginn der Entwaffiiung der Rebellen und des Abzug der indonesischen Armee aus der Region begonnen. Auf den Philippinen wurden weiterhin zwei Kriege gefiihrt. Im ersten der beiden Kriege kampfte die New People's Army (NPA), der bewaffiiete Arm der Communist Party of the Philippines (CPP) seit 1970 gegen die Regierung. Der Konflikt hatte sich Mitte der 1990er Jahre abgeschwacht und es war zu einer Reihe von Verhandlungsgesprachen gekommen, die allerdings 1998 erfolglos abgebrochen worden waren. Nachdem die Verhandlungen 2004 wieder aufgenommen worden waren, machte deren Abbruch im Jahr 2005 alle Hoffiiungen auf ein Ende des Krieges wieder zunichte. Damit einher ging ein emeuter Anstieg der Zahl der ZusammenstoBe zwischen Rebellen und Regierungstruppen. Auf den ersten Blick erfolgreicher schienen die Verhandlungen im zweiten Konflikt auf den Philippinen zu verlaufen. Ungefahr zeitgleich mit dem Antiregimekrieg der NPA begann 1970 ein Aufstand auf der Insel Mindanao fur mehr Autonomierechte beziehungsweise fur eine Sezession. Dabei kampften in den letzten Jahren vor allem zwei Gruppen gegen die philippinische Zentralregierung. Die bedeutendere hiervon war die Moro Islamic Liberation Front (MILF), wahrend die Abu Sayyaf Group (ASG) besonders seit Entfuhrungen von Touristen im Jahr 2000 einen hoheren Bekanntheitsgrad genoss, militarisch aber weniger bedeutend war. Sowohl die Regierung als auch Vertreter der MILF zeigten sich 2005 zuversichtlich die laufenden Verhandlungen bald zu einem Abschluss bringen zu konnen. Allerdings sind die Reichweite und die Auswirkungen eines solchen Friedensschlusses fraglich, da ein GroBteil der Kampfhandlungen 2005 zwischen abtrtinnigen MILFKampfem und Regierungstruppen stattfand.
Vorderer und Mittlerer Orient Die Zahl Kriege im Vorderen und Mittleren Orient einschlieBlich Nordafrika blieb gegentiber dem Vorjahr gleich. Etwas iiberraschend wurde auch der im Vorjahr bereits als beendet erscheinende Krieg im Jemen mit neuen intensiven Kampfen fortgefuhrt. Nordafrika - Algerien Die weitere Entwicklung hinsichtlich des Kriegsgeschehens in Algerien lasst sich - wie schon in den vergangenen Jahren - nur schwierig beurteilen. Zwar erreichte die Gewalt islamistischer Organisationen nicht mehr das AusmaB
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der Jahre 1992 bis 1998 und von den ursprunglich mehreren militanten Gmppen war zuletzt nur noch die Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat (GSPC) aktiv. Jedoch zeichnet sich bislang auch noch kein Ende des Krieges ab. Auf der einen Seite zeigte die GSPC durch einen Uberfall im Juni 2005 auf eine Militarbasis im benachbarten Mauretanien demonstrativ ihre Handlungsfahigkeit. Auf der anderen Seite wurde die Gruppe von der Regierung auf zweierlei Weise unter Druck gesetzt. Das militarische Vorgehen hatte im Vorjahr den Anflihrer der GSPC das Leben gekostet. Im Berichtsjahr bot die Regierung dagegen per Referendum ausstiegswilligen militanten Islamisten emeut eine Amnestie an. Westasien - Irak, Israel, Tiirkei und Jemen Auch 2005 konnte der Krieg im Irak nicht beendet werden. Seit dem Ende der so genannten HauptkampQ)hase im Mai 2003 wurde der Krieg im Wesentlichen durch eine groBe Zahl von Anschlagen und Militaroperationen gegen die Aufstandischen fortgeflihrt. Seit dem Zweiten Golfkrieg von 1991 versuchten verschiedene US-amerikanische Regierungen, das Regime Saddam Husseins zu destabilisieren oder zu sturzen. Im Dezember 1998 begannen die USA mit Unterstutzung Grofibritanniens einen neuen Krieg gegen den Irak und flogen seitdem regelmaBig Angriffe mit unterschiedlicher Intensitat gegen irakische Luftabwehr- und Radareinrichtungen. Im Marz 2003 begannen trotz weltweiter Proteste Angriffe mit Bodentruppen, die nach wenigen Wochen zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein ftihrten. AnschlieBend standen die USA, GroBbritannien und einige weitere Verbiindete als Besatzungsmachte im Irak. Der Besatzungsstatus wurde Ende Juni 2004 mit der Einsetzung einer irakischen Ubergangsregierung offiziell beendet. Trotzdem blieben die auslandischen Truppen im Land. Ftir die 2005 durchgefiihrten Anschlage wurden im Wesentlichen zwei Gmppen von Aufstandischen verantwortlich gemacht: Zum einen waren dies Anhanger des filiheren Regimes, die sich aus im Irak beheimateten arabischen Sunniten rekrutierten, zum anderen militante, groBtenteils aus dem Ausland stammende Islamisten, die mit Al-Qaida in Verbindung gebracht werden. Insbesondere letzteren wurde vorgeworfen, neben auslandischen Soldaten und irakischen Sicherheitskraften vor allem auch Zivilisten aus dem schiitischen Bevolkerungsteil gezielt anzugreifen, um so einen Biirgerkrieg im Irak zu provozieren. Traditionell eine groBe Aufmerksamkeit erfahrt das Konfliktgeschehen in und um die von Israel seit 1967 besetzten palastinensischen Gebiete. Zuletzt hat dieser Konflikt seit dem Jahr 2000 kriegerische AusmaBe angenommen. Die Wahmehmung der Ereignisse des Jahres 2005 war mehr von politischen Entwicklungen gepragt, als von gewaltsamen Auseinandersetzungen. Dazu gehorte auf palastinensischer Seite der Amtsantritt von Mahmud Abbas als Nachfolger des 2004 verstorbenen Jassir Arafat. Auf israelischer Seite war der einseitig beschlossene Riickzug aus dem Gaza-Streifen und die darauf
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folgende Regiemngskrise das bedeutendste Ereignis. Trotzdem wurden auch 2005 Selbstmordanschlage und Raketenangriffe seitens militanter palastinensischer Gruppen wie der Hamas imtemommen, auf die die israelische Armee mit Militaraktionen reagierte. Nach der emeuten Eskalation des Kurdenkonflikts in der Turkei im Jahr 2004 intensivierte sich der Krieg im Berichtsjahr weiter. 1983 hatte die Partiya Karkeren Kurdistan (PKK) einen bewaffheten Kampf zunachst fiir einen unabhangigen Kurdenstaat und spater fur mehr Autonomie der Kurden innerhalb der Turkei aufgenommen. Nach Misserfolgen und der Verhaftung ihres Anfuhrers Abdullah Ocalan verktindete die PKK 1999 einen Waffenstillstand, die letzten militarischen Auseinandersetzungen fanden im Oktober 2001 start. In den Jahren danach brachte die ttirkische Regierung auch im Hinblick auf eine angestrebte EU-Mitgliedschaft eine Reihe von Reformen bezuglich der kurdischen Minderheit auf den Weg. Auch die PKK schien zu Anderungen bereit. Die seit Oktober 2003 bestehende Nachfolgeorganisation Kongra Gele Kurdistan (KONGRA-GEL) setzte sich offiziell fiir eine friedliche und demokratische Losung des Kurdenkonflikts ein. 2004 gewannen aber offensichtlich Hardliner in der Gruppierung die Oberhand und erklarten den Waffenstillstand zum 1. Juni fiir beendet. Im Berichtsjahr waren zwar Ansatze zu einer Losung des Konflikts zu beobachten. So benannte die ttirkische Regierung die so genannte Kurdenfrage erstmals als politische Problem und die Rebellen verktindeten zeitweise einen Waffenstillstand, der sogar offiziell verlangert wurde. Eingehalten wurde er jedoch zu keinem Zeitpunkt und auch die Benennung des Problems brachte den Konflikt bislang einer Losung nicht naher. Im Jemen fand iiberraschend der im Vorjahr begonnene Krieg eine Fortsetzung. Nach den Kampfhandlungen zwischen der Al-Shabab al-Mou 'min und Regierungstruppen von Juni bis September 2004 schien die Rebellenbewegung eigentlich geschlagen. Trotzdem entztindete sich der Konflikt emeut, als im Marz 2005 bei einem ZusammenstoB mit Polizeikraften auf einem Waffenmarkt vier Untersttitzer der Rebellen getotet wurden. Bei den darauf folgenden Kampfen sollen 800 Menschen ums Leben gekommen sein. Kaukasus - Tschetschenien Im Verlauf des 1999 begonnenen Zweiten Tschetschenienkrieges war es Russland gelungen, groBere Verbande der separatistischen Rebellen zu zerschlagen. Aber eine schnelle militarische Entscheidung in der gebirgigen Grenzregion zu Georgien, in die sich ein GroBteil der Kampfer zuriickgezogen hatte, wurde nicht erreicht. Dariiber hinaus griffen die Rebellen auch weiterhin Konvois, Kontrollposten oder Patrouillen in weiten Teilen Tschetscheniens an. Im Jahr 2005 waren zwei Ereignisse fur den Konflikt bezeichnend: Zum einen wurde der Rebellenfuhrer und ehemalige tschetschenische President Asian Maschadow getotet. Da Maschadow als gemaBigt und ge-
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sprachsbereit gait, machte die russische Seite mit der Totung Maschadows einmal mehr deutlich, dass sie an Verhandlimgen zur Beilegung des Tschetschenienkrieges nicht interessiert ist. Zum anderen wurde die Einzelaktion, die mit mehr als 100 Toten die meisten Opfer im Berichtsjahr forderte, in der Republik Kabardino-Balkarien verubt. Mit diesen IJberfallen auBerhalb Tschetscheniens setzten die Rebellen ihre Strategie zu Ausweitung des Konflikts in benachbarte Gebiete der Russischen Federation fort. Zentralasien - Afghanistan Auch im Jahr 2005 wurden zwei Kriege auf dem Territorium Afghanistans ausgetragen. Der bereits 1978 begonnene Antiregimekrieg hat verschiedene Phasen durchlaufen. Drei Jahre nach dem Abzug der sowjetischen Truppen gelang es den Mujahedin 1992 die verbliebene kommunistische Regierung in Kabul militarisch zu sturzen. Die blutigste Phase des Krieges, in der sich die ehemals verbiindeten Mujahedin gegenseitig bekampften, wurde erst 1995 durch den Siegeszug der Taliban beendet, die seitdem der Nordallianz gegeniiberstanden. Mit dem „Antiterrorkrieg" griffen die USA 2001 direkt in Afghanistan ein und das Taliban-RQgmvQ wurde gestiirzt. Unter Vermittlung der intemationalen Gemeinschaft wurde eine Ubereinkunft bezuglich einer neuen Regierung Afghanistans herbeigeflihrt, zu deren Untersttitzung eine multinationale Eingreiftruppe mit UN-Mandat gebildet wurde. Ende 2005 ging der Obergangsprozess mit der Konstituierung eines gewahlten Parlaments formal zu Ende. Auch waren 2005 keine groBeren Kampfhandlungen der machtigen Milizenfuhrer gegen die Regierung oder auch untereinander zu verzeichnen, die zuletzt das Gewaltgeschehen des Antiregimekrieges gepragt hatten. Doch bestehen derzeit noch einige Unwagbarkeiten, bevor wirklich von einem Ende des Krieges gesprochen werden kann. Zwar wurden die Programme zur Abgabe schwerer Waffen sowie die Demobilisierung der Kampfer der bedeutenden Milizen abgeschlossen. Jedoch wurde 2005 ein Folgeprogramm gestartet, dass sich an die Mitglieder so genannter bewaffneter Banden richtet, deren Zahl etwa 300.000 betragen soil. Dieses bietet nicht nur weniger Anreize zur Ablieferung von Waffen als das Demobilisierugsprogramm fiir die regularen Milizen. Auch ist unklar, in welcher Verbindung diese Kampfer zu den bedeutenden Kriegsherren stehen, die sich zurzeit mit dem Regime arrangiert zu haben scheinen. Auseinandersetzungen auf der Ebene von kriminellen Banden, ethnischen und Clanmilizen aber auch zwischen Polizei und Militar verdeutlichten 2005 die instabile Sicherheitslage. Der derzeit zweite Krieg in Afghanistan, der so genannte Antiterrorkrieg, begann vier Wochen nach den Terroranschlagen vom 11. September 2001 und wurde seitdem im Wesentlichen von den Coalition Forces Command Afghanistan (CFC-A) unter Fiihrung der USA gegen Al-Qaida und die diese unterstiitzenden Taliban gefuhrt. Nicht nur wurden bislang weder Osama bin Laden noch der Taliban-VuhrQX Mullah Mohammed Omar gefasst. Dariiber
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hinaus gelang es Al-Qaida und Taliban sich seit 2003 zu reorganisieren. Das Wiedererstarken dieser Gruppen spiegelt sich auch in den Opferzahlen dieses Krieges wider, die sich gegeniiber dem Vorjahr auf insgesamt 1.600 verdoppelten.
Afrika siidlich der Sahara Nachdem sich die Zahl der Kriege in Afrika in den beiden Vorjahren fast halbiert hat, bHeb sie 2005 konstant. Dabei wurde ein Krieg in Westafrika beendet und einer im zentralen Afrika neu begonnen. Westafrika - Cote d'lvoire Nachdem Westafrika seit den 1990er Jahren zum Schauplatz mehrerer Kriege geworden war, wurde 2004 der bislang vorletzte Krieg, namlich der um die Unabhangigkeit der senegalesischen Casamance beendet. Dieser hatte einerseits von alien westafrikanischen Kriegen am langsten gedauert, wurde jedoch andererseits mit vergleichsweise geringer Intensitat gefuhrt. Im Jahr 2005 dauerte lediglich der Krieg in der Cote d'lvoire noch an. Bis in die 1990er Jahre hinein gait das Land als eines der stabilsten in ganz Afrika. Mitte des letzten Jahrzehnts wurde vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Probleme verbunden mit dem nationalistischen Konzept der „Ivoirite" ein Nord-Stid-Konflikt im Land deutlich. Im September 2002 weitete sich eine Militarrevolte zu einer Rebellion aus, in der die Mouvement Patriotique de Cote d'lvoire (MPCI) sehr schnell den Norden des Landes unter ihre Kontrolle brachte. Daruber hinaus bildeten sich im Westen der Cote d'lvoire zwei weitere Rebellengruppierungen, in deren Reihen sich auch Kampfer aus den Kriegen in Liberia und Sierra Leone befanden. Eine militarische Intervention sowie politischer Druck Frankreichs zwangen die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch und fuhrten zur Bildung einer gemeinsamen Regierung und zur offiziellen Beendigung des Krieges am 4. Juli 2003. Danach geriet der Krieg weitgehend in Vergessenheit, obwohl die Kampfe auf niedrigem Niveau anhielten. Im Oktober 2005 hatten in der Cote d'lvoire eigentlich Wahlen stattfinden soUen, um die Ubergangsperiode zu beenden. Das Misstrauen zwischen den sich mittlerweile als Forces Nouvelles (FN) bezeichnenden Rebellen und der Regierung erwies sich allerdings als untiberwindbares Hindemis. Sie verweigerten ihre im Vorfeld der Wahlen vorgesehene Entwaffriung. Das Kriegsgeschehen spielte sich auch 2005 weniger direkt zwischen Einheiten der Rebellen und Regierungstruppen ab, sondem auBerte sich in wechselseitigen Massakem vor allem im Westen des Landes.
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Das Kriegsgeschehen 2005
Zentralafrika - Demokratische Republik Kongo, Burundi, und Uganda Zentralafrika hatte als einzige Region weltweit 2005 einen neuen Krieg zu verzeichnen. Die Kampfhandlungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo bedeuteten dabei aber nicht unbedingt eine Verschlechterung der Sicherheitslage, sondem weisen vor allem eine Veranderung der zentralen Konfliktlinie auf. Standen sich bis 2004 in den Konflikten in Ituri und den beiden Kivuprovinzen im Wesentlichen nichtstaatliche Akteure gegeniiber, so kampften diese in zum Teil neuen Biindnissen seit 2005 in erster Linie gegen die Regierungstruppen, die mit Voranschreiten des nationalen Friedensprozesses nun wieder im Osten des Landes stationiert wurden. In diese Kampfe wurden auch Blauhelmsoldaten der Mission de ^Organisation des Nations Unies en Republique Democratique du Congo (MONUC) verwickelt, die dadurch ebenfalls zur Kriegspartei wurden. Obwohl sich die positiven Entwicklungen der letzten Jahre auch 2005 fortgesetzt haben, dauerte der Krieg in Burundi an. Dieser hatte begonnen, als 1993 die erste gewahlte Regierung des Landes seit der Unabhangigkeit nach nur funf Monaten aus dem Amt geputscht wurde. In ein Friedensabkommen aus dem Jahr 2001 wurden in den folgenden Jahren sukzessive fast alle Rebellengruppen eingebunden. Nach Beendigung der Ubergangsphase wurde 2005 in freien Wahlen der ehemalige Rebellenfuhrer Pierre Nkurunziza zum neuen Prasidenten gewahlt. Dennoch setzte eine Fraktion der Forces Nationals de Liberation (FNL) ihren Kampf gegen die burundische Armee nicht nur fort, sondem intensivierte diesen noch. Auch in Uganda kampfte 2005 mit der Lord's Resistance Army (LRA), die vor allem durch die Entfiihrung und Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten bekannt geworden ist, nur noch eine von ursprunglich mehreren Rebellengruppen. Diese wurden allerdings nicht in Friedensverhandlungen eingebunden, sondem militarisch weitgehend besiegt und ihre Kampfer nahmen Amnestieangebote der Regiemng an. 2005 sprach einiges dafiir, dass auch die LRA diesen Weg beschreiten konnte. Zwar weitete sich der Konflikt territorial aus, indem Einheiten der LRA sich in den Osten der Demokratischen Republik Kongo zuriickzogen. Dies konnte aber vor allem Ausdmck der Tatsache sein, dass die traditionellen Riickzugsgebiete im Stldsudan der LRA nach dem Ende des dortigen Krieges und einer verstarkten Zusammenarbeit zwischen sudanesischer und ugandischer Regiemng nicht mehr uneingeschrankt zur Verftigung stehen. Dariiber hinaus ergaben sich im Berichtsjahr mehrere Kommandeure der LRA und machten von einem Amnestieangebot der Regiemng Gebrauch. Ostafrika - Sudan und Somalia Auch 2005 forderte der Krieg in Darfiir im Westen des Sudan mehr Todesopfer als alle anderen weltweit gefiihrten Kriege. Insgesamt starben seit Beginn
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dieses Krieges rund 200.000 Menschen und 2 Millionen wurden zur Flucht gezwungen. Einer der auslosenden Faktoren far diesen Krieg war paradoxerweise das Ende eines anderen Krieges im Sudan. Seit 1983 hatte die Sudan's People Liberation Army (SPLA) im Siiden des Landes gegen ein Regime gekampft, das lange Zeit als islamistisch par excellence gait. Seit Ende 2002 schwiegen in diesem Konflikt die Waffen, auch wenn die Verhandlungen erst 2005 abgeschlossen wurden. Die sich abzeichnende Machtteilung zwischen der Regierung im Norden und den SPLA-Rebellen im Stiden des Landes rief die Sudan Liberation Army (SLA) auf den Plan, die offensichtlich furchtete, andere Regionen wtirden bei dieser Machtteilung auBen vor gelassen. Anfangserfolge der SLA fiihrten zu einer massiven Reaktion der Armee. Dartiber hinaus rustete die Regierung als Dschandschawid bekannt gewordene Milizen fiir den Kampf gegen die Rebellen aus. Dadurch wurden in der Darfurregion bestehende Konfliktlinien noch vertieft, was dazu fuhrte, dass der neue Krieg im Sudan mit Massentotungen und -vertreibungen einherging. Bisherige Vereinbarungen scheiterten an der Unerfahrenheit der Rebellen bei Verhandlungen, an dem wenig nachgiebigen Verhalten der Regierung, der anhaltenden Gewalt vor allem seitens der Dschandschawid und dem Entstehen einer weiteren Rebellengruppe, dem Justice and Equality Movement (JEM). Obwohl das Geschehen im Sudan insbesondere seitens der USA mehrfach als Volkermord bezeichnet wurde, blieb das Vorgehen der intemationalen Gemeinschaft eher zurtickhaltend. Auch die 2005 vom UNSicherheitsrat beschlossenen Resolutionen blieben bislang folgenlos. Dabei kam der Regierung zugute, dass fiir das Andauem der Kampfe 2005 auch die beiden Rebellengruppen verantwortlich zu machen sind. Der 1988 begonnene Krieg in Somalia hatte ursprtinglich den Sturz des Regimes von Siad Barre zum Ziel und erreichte diesen auch bereits 1991. Er zeichnete sich seitdem durch eine extreme Fragmentierung der kriegflihrenden Gruppierungen aus. Die seit Oktober 2002 in Kenia stattfmdenden Verhandlungen fanden 2004 mit der Einigung auf einen neuen Prasidenten einen vorlaufigen Abschluss. Trotz breiter intemationaler Anerkennung und der formalen Einbindung der bedeutendsten Warlords in die neue Regierung erwies sich diese allerdings als nicht durchsetzungsfahig. So konnte sie 2005 zwar ihren Regierungssitz von Kenia nach Somalia verlegen, wahlte dafar aber nicht die Hauptstadt Mogadischu, sondem das sicherere Jowhar im Norden des Landes. Die geringe Macht des Prasidenten zeigte sich auch daran, dass er mit seiner Forderung nach Entsendung einer intemationalen Truppe zur Unterstutzung seiner Regierung bei einer Abstimmung im Februar nur gut ein Viertel des LFbergangsparlaments hinter sich bringen konnte.
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Lateinamerika Das Kriegsgeschehen in Lateinamerika weist seit Jahren eine groBe Konstanz hinsichtlich Zahl und Ort der Kriege auf. Die beiden seit 1998 einzigen Kriege in der Weltregion, die in der Vergangenheit zu den Zentren des weltweiten Kriegsgeschehens gehort hatte, fanden in Kolumbien statt. Zwar begannen die Guerillaorganisationen Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) und Ejercito de Liberacion Nacional (ELN) ihre Kampfe beide Mitte der 1960er Jahre und verfugten jeweils liber eine linke Ideologie als Grundlage; trotzdem handelt es sich hierbei um zwei Kriege, da die beiden Gruppen die meiste Zeit iiber getrennt vorgingen. Dabei spielten nicht nur die unterschiedlichen Adressatenkreise eine Rolle - die FARC richteten sich eher an Kleinbauem und Landarbeiter, das ELN an das stadtische Intellektuellenmilieu -, sondem auch die Geographic Kolumbiens: die FARC operierten vor allem im Siiden des Landes, wahrend das ELN sein Aktionsgebiet eher im Norden hatte. Gemeinsam war beiden Gruppierungen nicht nur der Kampf gegen Truppen der Regierung, sondem auch gegen paramilitarische Verbande der Autodefensas Unidas de Colombia (AUC). Nachdem mit beiden Rebellengruppen bis 2001 Verhandlungen gefuhrt wurden, eskalierten die Konflikte seit 2002 deutlich. In der Regel reagierten die beiden Guerillagruppen auf die Offensive der kolumbianischen Streitkrafte mit Attentaten, Anschlagen und Entftihrungen. Obwohl das kolumbianische Militar die AUC in der Vergangenheit mehr oder weniger offen unterstiitzt hatten, richtete sich ein Verhandlungsangebot der Regierung unterschiedslos an die beiden Rebellengruppen FARC und ELN sowie die paramilitarischen Milizen der AUC. Mit letzteren wurde 2005 ein Demobilisierungsprogramm eingeleitet, dessen Erfolg allerdings strittig ist, da bislang auch in groBer Zahl Personen Waffen abgegeben haben soUen, die den AUC nicht angehort haben. Unterschiedlich entwickelte sich das Kriegsgeschehen im Berichtsjahr aus den Perspektiven von ELN und FARC. Das ELN sah sich in die Defensive gedrangt und die Aufiiahme von Verhandlungen konnte daher in absehbarer Zukunft moglich sein. Dagegen anderten die FARC ihre Taktik, indem sie auf die flachendeckende Prasenz in weiten Teilen Kolumbiens verzichteten. Dafiir konzentrierten sie sich auf ausgewahlte Gebiete. Eine verbesserte Planung ihrer Aktionen stellte das Militar vor groBe Probleme und lieB die jeweiligen Gegenangriffe haufig ins Leere laufen.
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Bewaffnete Konflikte Neben den 28 bewaffiieten Auseinandersetzungen, die gemaB Definition (siehe Seite 10) von der AKUF als Krieg eingestuft wurden, finden sich in diesem Buch auch Berichte iiber 14 Konflikte, die diese Definition nicht ganz erfiillen. Dabei handelte es sich in neun Fallen um Konflikte, die zuvor als Krieg ausgetragen wurden und in denen die bewaffiieten Auseinandersetzungen zwischen im Wesentlichen gleichen Akteuren mit geringerer Kontinuitat weitergefuhrt wurden. In vier von diesen Konflikten wurden die bewaffiieten Auseinandersetzungen eine Zeit lang unterbrochen, bevor sie mit einer ahnlichen Konfliktkonstellation wieder aufgenommen wurden. Drei Konflikte wurden unter Beteiligung des betreffenden Staates gefiihrt, ohne dass diesen Kampfen Kriege vorausgegangen sind. Die ubrigen beiden bewaffiieten Konflikte wurden zwischen organisierten Gruppen mit politischen Anspriichen ausgetragen. Der staatliche Akteur war aber im Wesentlichen an diesen Kampfen nicht beteiligt.
Tabelle 2: Bewaffnete Konflikte im Jahr 2005
Beginn als Krieg
Bewaffneter Konflikt seit
-
2002 2003 2003 2004 2004 1996
Afrika Angola (Cabinda) Athiopien (Gambela) Nigeria (Nigerdelta) Nigeria (Muslime/Christen) Senegal (Casamance) Tschad
1990 1966
Asien Indien (Nagas) Indonesien (Westpapua) Pakistan Sri Lanka (Tamilen)
1969 1963
-
1975 1993 2001 2005
Vorderer und Mittlerer Orient Georgien (Sudossetien) Libanon (Sudlibanon) Saudi-Arabien
-
2004 2000 2005
-
2004
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Lateinamerika Haiti
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Die Zahl der bewaffheten Konflikte ist mit 14 gegeniiber dem Vorjahr gleich geblieben. 2005 wurde ein fruherer Krieg, namlich der im Senegal, nur noch als bewaffheter Konflikt eingestuft. Die Konflikte in Saudi-Arabien imd Sri Lanka, die im vorangegangenen Jahrbuch noch unter „weitere Gewaltkonflikte" erwahnt wurden, finden sich im Berichtsjahr als bewaffhete Konflikte wieder. Diesen drei neuen bewaffiieten Konflikten stehen drei beendete gegeniiber. Dies sind zum einen die beiden Konflikte in Ituri und in den Kivuprovinzen im Osten der Demokratischen Republik Kongo, die zum Teil eines neuen Krieges wurden. Zum anderen wurde der Abchasien-Konflikt in Georgien beendet. Ehemalige Kriege mit gleicher oder ahnlicher Konfliktkonstellation Der derzeitige bewaffiiete Konflikt mit der langsten Geschichte als Krieg fand im Jahr 2005 in Indonesien statt. Der Krieg zwischen der Organisasi Papua Merdeka (0PM) und der indonesischen Zentralregierung um die Unabhangigkeit Westpapuas dauerte von 1963 bis 1993 und wurde seitdem als bewaffneter Konflikt weitergefiihrt. Wurden 2002 durch das Inkrafttreten eines Autonomiegesetzes gewisse Hoffhungen auf eine Beilegung des Konfliktes geweckt, so wurden diese 2003 durch die Aufteilung der Provinz in drei administrative Einheiten wieder gedampft. Obwohl die Auseinandersetzungen seit Jahren nur mit auBerst geringer Intensitat gefuhrt wurden, besteht fiir die indonesische Regierung offensichtlich Handlungsbedarf: Diese kiindigte an, die Truppenprasenz in der Region in den nachsten Jahren um rund 50 Prozent auf dann 45.000 bis 50.000 Soldaten verstarken zu wollen. Auch die Auseinandersetzungen in Indien zwischen verschiedenen Gruppierungen der Nagas und staatlichen Sicherheitskraften dauerten bereits lange an. Im Gegensatz zu den Kampfen in Westpapua eskalierten sie mehrfach zeitweise zum Krieg, namlich von 1954 bis 1964 und emeut von 1969 bis 1975. Ein Haupthindemis fiir eine Losung des Konflikts stellt die Spaltung der Rebellengruppierung National Socialist Council of Nagaland (NSCN) in zwei miteinander verfeindete Fraktionen dar. Wahrend die groBere Fraktion - wenn auch bislang ohne Ergebnis - seit acht Jahren mit der Regierung verhandelt, besteht mit der kleineren Fraktion zwar offiziell seit vier Jahren ein Waffenstillstand. Trotz der aus Sicht der Regierung unerfiillbaren Forderungen der Rebellen machten die Auseinandersetzungen mit staatlichen Sicherheitskraften zuletzt nur noch eine Nebenlinie des Konfliktes aus. Die weitaus meisten bewaffheten Zwischenfalle ereignen sich zwischen den beiden Fraktionen des NSCN. Eine langere Vorgeschichte weisen auch die Kampfe im Libanon auf. Urspriinglich wurde der Siidlibanon wahrend des von 1975 bis 1990 dauemden Libanonkrieges von Israel besetzt, anschlieBend aber nicht geraumt, so dass sich um dieses Gebiet ein eigenstandiger Krieg entwickelte, der auf libanesischer Seite im Wesentlichen von der Miliz hizb-allah getragen wurde.
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Mit dem Abzug der israelischen Truppen im Jahr 2000 ging eine deutliche Deeskalation, jedoch noch kein Ende der Kampfhandlungen einher. Anfang 2004 erfolgte imter deutscher Vermittlung ein Gefangenenaustausch zwischen der hizb-allah und Israel, uber dessen zweite Phase jedoch lediglich weiter verhandelt wurde. 2005 ereigneten sich zwischen hizb-allah und Israel die schwersten Kampfe seit fiinf Jahren. Von Bedeutung fur den Konflikt waren dariiber hinaus vor allem auch der Abzug der syrischen Truppen, die sich seit dem Libanonkrieg im Land befanden, und die Regierungskrise, die sich aus der Ermordung des friiheren Premierministers Rafik Hariri ergab. Ahnlich komplex war der Krieg im Tschad, der dem derzeitigen bewaffneten Konflikt vorausging. Dabei spielt die urspriingliche Konfliktlinie des 1966 begonnenen Krieges keine Rolle mehr. Stattdessen kam es in den letzten 20 Jahren immer wieder zu Aufstandsbewegungen, an deren Spitze ehemalige Regierungsmitglieder standen. In den 1990er Jahren war ein stetiger Riickgang bei der Kontinuitat und Intensitat der Kampfe zu beobachten, der es schwierig macht, den Ubergang vom Krieg zum bewaffiieten Konflikt genau festzulegen, flir den die AKUF aber das Jahr 1996 gewahlt hat. Im Jahr 2004 wurden zwar keine militarischen ZusammenstoBe berichtet. Jedoch zeichnete sich ab, dass der Krieg in der benachbarten Darfiirregion im Sudan, sich auf den Tschad auswirken konnte. In der Tat grtindeten sich im Sudan zwei neue Rebellengruppen, die das Konfliktgeschehen im Tschad 2005 pragten und sich im Laufe des Jahres mit anderen Gruppierungen zur Front Unipour le Changement Democratique (FUCD) vereinigten. Der jungste in der Liste der bewaffiieten Konflikte mit einem Vorlauf als Krieg ist der Konflikt im Senegal um die Abspaltung der Casamance. In dem 1990 begonnenen Krieg wurden mehrfach Abkommen zu seiner Beendigung getroffen, die jedoch allesamt an der Zersplitterung der Rebellen der Mouvement des Forces Democratiques de la Casamance (MFDC) scheiterten. Erst ein im Oktober 2003 unterzeichnetes Abkommen fuhrte zu einem Riickgang der bewaffiieten Auseinandersetzungen und der offizielle Friedensschluss vom 31. Dezember 2004 markiert das Ende des Krieges. Allerdings hielten sich wieder nicht alle Telle der MFDC an den Friedensschluss. Im Konflikt zwischen der Regierung Angolas und der Frente de Libertagdo do Enclave de Cabinda (FLEC) agierten die Rebellen seit den 1970er Jahren lange Zeit im Windschatten des Krieges im angolanischen Kemland. Lediglich 1991-1994, als es schien, dass der Konflikt in Angola gelost werden konnte, wurden die Kampfe in Cabinda als eigenstandiger Krieg eingestuft. Als der Krieg im angolanischer Kemland 2002 endete, schickte die Regierung verstarkt Soldaten nach Cabinda, um auch den dortigen Konflikt militarisch zu beenden. Obwohl die Berichtslage sehr schwierig ist, scheint es als ob die Regierung mit dieser Strategic Erfolg haben konnte. Jedenfalls scheint die Rebellenbewegung mittlerweile stark geschwacht zu sein und auch an RUckhalt in der Bevolkerung verloren zu haben, aus der sich
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Das Kriegsgeschehen 2005
in den letzten Jahren verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen mit dem Ziel einer friedlichen Beilegung des Konfliktes gebildet haben. In Nigeria entwickelte sich das Nigerdelta in den letzten Jahren zum Krisengebiet. Bewaffiiete Auseinandersetzungen fanden 1999/2000 vor allem zwischen Milizen der Ijaw- und Itsekiri-Volksgruppen statt. Damals war es vor allem seitens der Ijaw-Milizen auch zu Auseinandersetzungen mit nigerianischen Sicherheitskraften gekommen, sodass der Konflikt im Nigerdelta eine Zeit lang als Krieg einzustufen war. Wahrend es in den Jahren 2001 und 2002 relativ ruhig blieb, begannen 2003 emeut Kampfe zwischen Ijaw- und Itsekiri-Milizen, die aber noch im selben Jahr beigelegt wurden. Einige der Ijaw-Milizen, die Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) und die Niger Delta Vigilantes (NDV), die ilber Verbindungen zum Olschmuggel verfiigen, wurden zusatzlich in Kampfe mit nigerianischen Sicherheitskraften verwickelt. Insgesamt war 2005 eher ein Riickgang der Auseinandersetzungen zu verzeichnen. Als einziger der Konflikte in Georgien wurde 2005 noch der um Siidossetien bewaffiiet ausgetragen. Auch um die Unabhangigkeit dieser Region wurde in der Vergangenheit ein Krieg gefiihrt (1990-1992). Der seitdem herrschende Waffenstillstand wurde 2004 durch die heftigsten Gefechte seit Ende des Krieges 1992 mfrage gestellt. Auslosendes Moment war die Einrichtung zusatzlicher Kontrollposten seitens Georgiens, um Schmuggelgeschafte aus Siidossetien zu erschweren, die eine wesentliche wirtschaftliche Grundlage der abtriinnigen Region darstellen. In den daraus resultierenden Kampfen konnte die georgische Armee ihren militarischen Vorteil nicht nutzen und musste sich auf intemationalen Druck hin zuruckziehen. Auch wenn das Jahr 2005 weniger von offenen Kampfen als von Anschlagen und Entfuhrungen gekennzeichnet war, deutete wenig auf ein Ende des Konflikts hin. Mit einem Abkommen im Jahr 2002 wurde auf Sri Lanka der Sezessionskrieg mit den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) beendet. Der Friedensprozess geriet allerdings bereits wenig spater ins Stocken. Zwar uberstand er zunachst auch kleinere Waffenstillstandsverletzungen, sein nur maBiger Fortschritt flihrte jedoch auf Seiten der Rebellen zu Spaltungen, die sich seit 2004 in offenen Kampfen auBerten. Auseinandersetzungen zwischen LTTE und Regierung ereigneten sich eher sporadisch. Anfang Dezember 2005 eskalierte diese Gewalt jedoch derart, sodass die norwegischen Friedensbeobachter bereits Mitte Dezember von massiven Verletzungen des Waffenstillstands durch die LTTE sprachen. Sollte die Gewalt anhalten, so droht die Eskalation zu einem emeuten Krieg. Konflikte mit Beteiligung eines staatlichen Akteurs Wahrend die Opposition in Haiti seit Herbst 2003 vor allem durch Demonstrationen versuchte. President Jean-Bertrand Aristide zum Rtxcktritt zu bewe-
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gen, formierte sich Anfang des Jahres 2004 mit der Front pour la Liberation et la Reconstruction (FLRN) eine bewaf&iete Bewegung, die sich zum groBen Teil aus ehemaligen Militars und aus ins regiemngsfeindliche Lager gewechselten Gewaltbanden zusammensetzte. Diese erreichten Ende Februar den Rticktritt Aristides und dessen Gang ins Exil. Eine Obergangsregierung unter einem als iiberparteilich geltenden Prasidenten wurde zunachst durch eine US-gefiihrte und spater durch eine UN-Mission unterstutzt. Trotzdem blieb die Lage in der Folge instabil und Rebellen und Anhanger des gestiirzten Regimes Heferten sich gewaltsame Auseinandersetzungen. 2005 ging die Gewalt allerdings haufig von bewaffheten Banden aus, deren Motivationen ebenso unklar waren wie ihre Verbindungen zu den politischen Akteuren. Im Westen Athiopiens, in der Region Gambela, wurden seit Ende 2003 bewaffhete Auseinandersetzungen zwischen Milizen der einheimischen Anyuak und Zuwanderem aus dem athiopischen Hochland ausgetragen. Den Hintergrund bildeten eine seitens der Anyuak wahrgenommene Marginalisierung ihrer Gruppe im politischen System Athiopiens und Landkonflikte. Die Totung von acht Regierungsmitarbeitem, fiir die Anyuak verantwortlich gemacht wurden, war der Ausloser fur eine Pogrom gegen Anyuak im Dezember 2003. In der Folge wurde auch die Armee in Kampfhandlungen einbezogen. Eine massive Militarprasenz konnte die Situation beruhigen. Jedoch fanden auch 2005 noch sporadisch bewaffhete Auseinandersetzungen statt, deren AusmaB aber aufgrund der schlechten Nachrichtenlage aus der Region nur schwer einzuschatzen ist. In Saudi-Arabien iiberschritten 2005 die Auseinandersetzungen der Sicherheitskrafte mit militanten Islamisten die Schwelle zum bewaffiieten Konflikt. Damit erreichte eine 2003 begonnene Anschlagswelle ihren bisherigen Hohepunkt. Die von Al-Qaida oder dieser nahenstehenden Gruppen vertibten Gewalttaten richteten sich zunachst vor allem gegen Militareinrichtungen der USA in Saudi-Arabien. Spater gerieten Auslander allgemein und Einrichtungen der saudischen Sicherheitskrafte ebenfalls ins Visier der Attentater. Anschlage und Sabotageakte hatten in den letzten beiden Jahren daruber hinaus vor allem auch Einrichtungen der Olindustrie des Landes und der Infrastruktur zum Ziel. Mit Zunahme der Anschlage verstarkten sich auch die MaBnahmen der Sicherheitskrafte, so dass es vermehrt zu direkten Konfrontationen mit entsprechenden Kampfhandlungen kam. Auseinandersetzungen zwischen nichtstaatlichen Gruppen In Pakistan wurden Auseinandersetzungen zwischen militanten Gruppierungen sunnitischer und schiitischer Muslime ausgetragen, die erstmals im Jahr 2001 als bewaffiieter Konflikt eingestuft wurden. Die Gruppen, die sich in diesem Konflikt gegeniiber standen wurden im Laufe des Jahres 2002 zusammen mit anderen islamistischen Organisationen, die im indischen Teil Kaschmirs aktiv waren, verboten. Der Konflikt entscharfte sich daraufhin
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allerdings nicht. Nachdem bereits 2004 iiber die schwersten sunnitischschiitischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre berichtet worden waren, nahm die Gewalt 2005 nochmals deutlich zu. Auch in Nigeria spielen bewaffiiete Auseinandersetzungen entlang einer religiosen Konfliktlinie seit Jahren eine Rolle. Seit 2000 wurden in verschiedenen Regionen Nigerias zum Teil pogromartige Konflikte zwischen militanten Muslimen und Christen ausgetragen. War zu Beginn der aktuellen Konflikte die Einfiihrung der islamischen Scharia in der Rechtsprechung mehrerer Bundesstaaten im Norden Nigerias der Hauptkonfliktgegenstand, so spielten in Zentralnigeria vor allem Fragen der Landnutzung zwischen ethnischen Gruppen eine bedeutende Rolle. 2004 waren die bereits in der Vergangenheit betroffenen Bundesstaaten Kano und Plateau emeut Schauplatze entsprechender Auseinandersetzungen. Einer nigerianischen Untersuchungskommission zufolge sollen diesen Gewalttaten seit 2001 allein im Norden des Landes iiber 50.000 Menschen zum Opfer gefallen sein. Bin Charakteristikum des Konfliktes ist allerdings auch, dass Jahren mit schweren Auseinandersetzungen, weitgehend ereignislose Jahre folgen. So waren auch 2005 keine groBeren Gewalttaten oder Auseinandersetzungen zu verzeichnen.
Weitere Gewaltkonflikte Im Jahr 2005 wurden eine Reihe von Konflikten mit Gewalt ausgetragen, die in diesem Buch keine gesonderte Erwahnung finden. Jene erreichten allesamt keine kriegerischen AusmaBe. Anspruch der AKUF ist es mit den unter den Begriffen „Krieg" und „bewaffiieter Konflikt" zu fassenden Konflikten alle wesentlichen zwischen organisierten Gruppen gewaltsam ausgetragenen Konflikte zu erfassen. Der folgende Uberblick iiber weitere Konflikte erhebt keinen Anspruch auf eine auch nur annahemd vollstandige Darstellung gewaltsamer Auseinandersetzungen, sondem dient lediglich dazu, anhand einiger Beispiele, iiber die im Jahre 2005 vergleichsweise prominent berichtet wurde, zu verdeutlichen, warum diese nicht unter die entsprechenden Definitionen fallen beziehungsweise auch einige Zweifelsfflle zu benennen. Bei drei Ereignissen, die vergleichsweise hohe Zahlen an Todesopfem forderten, gingen Sicherheitskrafte massiv gegen Demonstranten vor. Mitte Mai wurden in der Stadt Andischan im Osten Usbekistans mehrere Hundert Menschen bei und im Anschluss an eine Demonstration getotet. Anlass fiir die Protestkundgebung mit 50.000 Teilnehmem war ein Gerichtsverfahren gegen Geschaftsleute, die der Zusammenarbeit mit einer islamistischen Organisation beschuldigt wurden. In der Nacht vor der Kundgebung hatten Unbekannte eine Kaseme uberfallen, dabei Waffen erbeutet und mehrere Hundert Gefangnisinsassen befreit. tJber einen langeren Zeitraum zogen sich Proteste in Togo hin, bei denen durch das Vorgehen der Sicherheitskrafte
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ebenfalls mehrere Hundert Menschen getotet wurden. Begonnen hatten die Kundgebungen kurz nach dem Tod des langjahrigen Staatschefs Gnassingbe Eyadema Anfang Februar. Die herrschende Elite des Landes setzte alles daran, dessen Sohn Faure Gnassingbe als Nachfolger einzusetzen. Ihren Hohepunkt erreichte das gewaltsame Vorgehen gegen oppositionelle Demonstranten im Umfeld der Prasidentschaftswahl Ende April. Neben den Toten und Verletzten flohen iiber 30.000 Menschen in die Nachbarlander Ghana und Benin. Ebenfalls im Zusammenhang mit umstrittenen Wahlen standen Proteste in Athiopien. Nachdem das Vorgehen der Sicherheitskrafte gegen Oppositionsanhanger bereits im Juni, wenige Wochen nach den Wahlen, mehrere Dutzend Menschenleben gefordert hatte, eskalierte der Konflikt Anfang November emeut. Dabei wurden emeut Dutzende von Demonstranten getotet. Im Jahr 2005 verubten militante Islamisten mit organisatorischen oder ideologischen Verbindungen zu Al-Qaida mehrere groBe Anschlage, die jeweils Dutzende von Toten und zum Teil Hunderte Verletzte zur Folge hatten. In Grofibritanniens Hauptstadt London wurden am 7. Juli vier Sprengsatze in U-Bahnen und Bussen zur Explosion gebracht. Dabei starben 56 Menschen, rund 700 wurden verletzt. Bei den vier Selbstmordattentatem handelte es sich um britische Staatsbiirger aus dem nordenglischen Leeds mit Verbindungen nach Pakistan. Am 23. Juli explodierten drei Bomben im dgyptischen Urlaubsort Scharm al-Scheich am Roten Meer. Dabei starben mindestens 64 Menschen, uber 120 wurden verletzt. Bei den Attentatem handelte es sich um lokale militante Islamisten. Nach 2002 wurde am 1. Oktober emeut die indonesische Ferieninsel Bali zum Ziel von Anschlagen, bei denen 23 Menschen starben und rund 150 verletzt wurden. Die Selbstmordattentater gehorten zur Jemaah Islamiah (JI), die in ganz Siidostasien aktiv ist. Eine vierte groBe Anschlagserie ereignete sich 2005 am 9. November in der jordanischen Hauptstadt Amman. Bei den Anschlagen auf drei Hotels starben 60 Menschen und tiber 100 wurden verletzt. Die Verantwortung fiir die Selbstmordattentate iibemahm die im Irak operierende Gruppe des aus Jordanien stammenden Abu Musab Al-Sarkawi. Bombenanschlage wurden auch 2005 in mehreren anderen Konflikten verubt. Die meisten Anschlage dieser Art ereigneten sich im Berichtsjahr in Bangladesch. Allein am 17. August wurden in einer koordinierten Aktion bis zur 400 Sprengsatze zur Explosion gebracht. Zu dieser Aktion bekannte sich die islamistische Jama'atulMujahideen Bangladesch (JMB, Partei der Mujahedin). Dabei starben zwei Menschen und rund 100 wurden verletzt. Betrachtet man das ganze Jahr 2005 soil die Gewalt der JMB etwa drei Dutzend Todesopfer gefordert haben. Wie auch in den vergangenen Jahren wurden auf der indonesischen Insel Sulawesi mehrfach Bombenanschlage im Konflikt zwischen militanten Muslimen und Christen verubt. 2005 forderten diese Dutzende von Toten. Prominent in der offentlichen Wahmehmung vertreten, blieb weiterhin der Konflikt um das Baskenland, in dem die Euskadi ta Aska-
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tasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) fiir die Unabhangigkeit von Spanien kampft. Zum einen veriibte die ETA das ganze Jahr hindurch Bombenanschlage, die in einem Fall zu rund 50 Verletzten flihrten. Zum anderen stieB der Plan der spanischen Regierung, mit der ETA in einen Dialog zur Beilegung des Konflikts zu treten, auf den Widerstand der Opposition, die Anfang Juni mehrere Hunderttausend Demonstranten gegen diese Politik mobilisieren konnte. In zwei Fallen konnten 2005 auch bewaffhete Konflikte vorgelegen haben. Die Berichtslage und ungenaue Informationen verhinderten aber eine eindeutige Beurteilung. Aus der pakistanischen Provinz Balochistan wurden zwischen Mai und August mehrfach Gefechte zwischen der Balochistan Liberation Army (BLA) und Sicherheitskraften berichtet. Auseinandersetzungen in der Zentralafrikanischen Republik zwangen zwischen Juni und Oktober uber 10.000 Menschen zur Flucht, vor allem in den benachbarten Tschad. Wer die Gegner der Sicherheitskrafte waren blieb dabei unklar. Die Regierung, die in der Regel „Banditen" fur die Kampfe verantwortlich machte, erhielt Ende Oktober Untersttitzung durch 100 von der Communaute Economique et Monetaire de I'Afrique Centrale (CEMAC) entsandte Soldaten.
AKUF-Kriegstypen Die AKUF unterscheidet funf Kriegstypen: A = Antiregime-Kriege, in denen um den Sturz der Regierenden oder urn die Veranderung Oder den Erhalt des politischen Systems oder gar der Gesellschaftsordnung gekampft wird. B = Autonomie- und Sezessionskriege, in denen um groRere regionale Autonomie innerhalb des Staatsverbandes oder Sezession vom Staatsverband gekampft wird. C = Zwischenstaatliche Kriege. D = Dekolonisationskriege, in denen um die Befreiung von Kolonialherrschaft gekampft wird. E = Sonstige Kriege. Zusatzlich unterscheidet die AKUF, inwieweit eine dritte Macht direkt und unmittelbar an den Kampfen teilnimmt. Blolie Waffenlieferungen, finanzielle Hilfen, Militarberatung, logistische Unterstiitzung und dergleichen werden jedoch nicht als Fremdbeteiligung gewertet: 1 = Es handelt sich um einen Krieg mit Fremdbeteiligung. 2 = Es handelt sich um einen Krieg ohne Fremdbeteiligung.
Register Die Kriege und bewaffneten Konflikte des Jahres 2005
Asien Indien (Assam) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1990 B-2 ULFA / Indien
Infolge von Anschlagen und bewaffiieten Auseinandersetzungen starben im indischen Bundessstaat Assam 2005 zwischen 200 und 250 Menschen. Wie schon in den Vorjahren ist damit die Zahl der Todesopfer gewaltsamer Auseinandersetzungen in Assam emeut zuriickgegangen. Etwa ein Drittel dieser Todesopfer standen im Zusammenhang mit dem Kampf der United Liberation Front of Assam (ULFA) fiir einen unabhangigen Staat Assam. Zeitgleich mit der Vereinbarung eines Waffenstillsands im Bodo-Konflikt (vgl. den Bericht zu Indien (Bodos)) lud die indische Regierung die ULFA zu Friedensgesprachen ein, die im Verlauf des Jahres zu ersten Verhandlungen fiihrten. Unruhen im Distrikt Karbi Anglong, an denen mehrere kleinere militante Gruppierungen beteiligt waren, forderten 2005 in Assam mehr Todesopfer als mit der ULFA in Zusammenhang stehende Gewalt. Die Hauptursachen des Assamkonfliktes, der bisher mehr als 10.000 Menschenleben gefordert hat, sind zum einen in der wirtschaftlichen Abhangigkeit und Ruckstandigkeit der Nordostregion Indiens und zum anderen in dem aus der Kolonialzeit stammenden Gegensatz zwischen den Bevolkerungsgruppen der Assamesen und Bengalen zu finden. Im Gegensatz zu anderen Regionen des Subkontinents konnte die britische Kolonialmacht in Assam nicht auf traditionale Autoritaten und ein funktionierendes Steuersystem zuriickgreifen. Stattdessen tibemahmen Immigranten aus Bengalen, dem Herrschaftszentrum Britisch-Indiens, fiihrende Positionen in der Kolonialadministration und der Wirtschaft Assams. Nur ein geringer Teil der autochthonen Assamesen konnte sich in die koloniale Gesellschaft integrieren und konkurrierte als assamesischsprachige Mittelschicht mit den bengalischen Einwanderem um soziale und politische Macht. Der daraus resultierende Klassenunterschied wurde als Gegensatz zwischen Assamesen und Bengalen interpretiert, der eine sprachlich-kulturelle Dimension aufwies. Die ungleiche Entwicklung Bengalens und Assams ist darauf zurtickzufiihren, dass Assam der britischen Kolonialmacht lediglich zur Ressourcenausbeutung diente. Die Abschopfung des in Assam produzierten Reichtums an Tee und Erdol setzte sich im unabhangigen Indien fort. So wurde beispielsweise unzureichend in die infrastrukturelle und industrielle Entwick-
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lung der Nordostregion investiert. Die wirtschaftliche Riickstandigkeit wurde von der assamesischen Mittelklasse als Unterdruckung und Ausbeutung durch die Bengalen empfiinden, da diese in Handel und Gewerbe stark vertreten waren. Die Zuwanderung bengalischer Siedler aus Ostpakistan, dem heutigen Bangladesch, wurde von Studenten der All Assam Students Union (AASU) als Bedrohung ihrer Identitat wahrgenommen. Die AASU forderte einen Einwanderungsstopp und die Umsiedlung der nach 1951 eingewanderten Bengalen. Die Spannungen zwischen der Assambewegung und den bengalischen Einwanderem verstarkten sich seit Ende der 1970er Jahre und eskalierten 1983 erstmals zu Massakem an der bengalischen Bevolkerung. Der indischen Zentralregierung gelang es 1985, den Konflikt mit dem Versprechen einzudammen, Telle der bengalischen Siedler zurtickzufiihren und die iiber 500 Kilometer lange Grenze zu Bangladesch mit Zaunen abzusperren. Obwohl die inzwischen in der Partei Asom Gana Parishad (AGP) organisierte ehemalige Fiihrung der AASU im Jahr 1985 die Regierungsverantwortung im Unionsstaat Assam iibemahm, konnte das so genannte AssamAbkommen nicht umgesetzt werden. Da zudem die wirtschaftliche Unterentwicklung und Abhangigkeit Assams bestehen blieben, geriet die AGPRegierung unter Druck und die separatistischen Forderungen der 1979 gegrtindeten ULFA fanden immer mehr Anklang. Diese aus der Studentenbewegung hervorgegangene Untergrundorganisation kampfte seither gegen die wirtschaftliche Ausbeutung durch das Zentrum und fur einen unabhangigen Staat Assam. Daneben ist es ihr erklartes Ziel, die etwa 800 Teeplantagen des Staates, die ungefahr 65 Prozent des indischen Teeexports produzieren, in Kooperativen umzuwandeln. Im Jahr 1990 iiberschritten die bewaffiieten Auseinandersetzungen in Assam die Kriegsschwelle. Nachdem der regionalen Regierung Korruption und UnterstUtzung der ULFA vorgeworfen worden waren, wurde Assam im November 1990 unter Direktverwaltung des indischen Prasidenten gestellt, Das Militar ging gegen die ULFA vor und erzwang im September 1991 einen einseitigen Waffenstillstand. Doch nur ein Teil der ULFA, die etwa 5.000 Mann starke Surrendered ULFA (SULFA), erklarte die bewaffiiete Auseinandersetzung ftir beendet. Der auf etwa 2.000 Mann geschatzte harte Kern kampfte weiter gegen staatliche Sicherheitskrafte und auch gegen die SULFA, die von Regierungsseite zur Bekampftmg der ULFA ausgerustet wurde. Polizei und Armee gingen ab 1997 unter einem gemeinsamen Kommando zur Offensive iiber. Aber auch die Militarprasenz von tiber 200.000 Soldaten vermochte die allgegenwartige Gewalt nicht einzudammen. Seither verubte die ULFA Anschlage auf staatliche und private Infi*astruktureinrichtungen, regelmaBig kam es zu ZusammenstoBen zwischen ULFA-Kampfem und staatlichen Sicherheitskraften. Die indische Zentrahegierung wie auch die assamesische Regierung unterstellten der ULFA zudem eine enge Kooperation mit dem pakistanischen
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Militargeheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI). Nach Angaben indischer Sicherheitskreise informiert die ULFA den ISI iiber indische Truppenbewegungen und einige ihrer Kader sollen Anfang der 1990er Jahre in Pakistan ausgebildet worden sein. Dass der militarische Filhrer der ULFA, Paresh Bamah, wahrend des Kargilkrieges 1999 unverhohlen seine Parteinahme zugunsten Pakistans offentlich machte und assamesische Soldaten der indischen Armee zum Desertieren aufforderte, verlieh den indischen Angaben eine gewisse Glaubwilrdigkeit. Die ULFA unterhielt dariiber hinaus gute Beziehungen zu einigen anderen Rebellenorganisationen in Indien, darimter insbesondere zur National Democratic Front of Bodoland (NDFB) und zum National Socialist Council ofNagalim (Khaplang) (NSCN-K) (vgl. die Beitrage zu Indien (Bodos) und Indien (Nagas)). In den Nachbarlandem Bhutan und Bangladesch existierten lange Zeit Ausbildungslager der ULFA, die gleichzeitig wichtige Ruckzugsbasen darstellen. Wahrend des Krieges bildeten sich jenseits der Kampfhandlungen okonomische und politische Strukturen heraus. So fmanzierte sich die ULFA in emem hohen MaBe durch die Erpressung von Schutzgeldem. Diese „Steuereinnahmen" der ULFA waren mit geschatzten 300 bis 400 Millionen indischen Rupien (8 bis 10 Millionen Euro) jahrlich so hoch und ihre Eintreibung derart effektiv, dass von einer ULFA-Parallelregierung gesprochen werden konnte. AuBerdem wurden zur Finanzierung erhebliche Summen aus zahlreichen Projekten und Firmen (Hotels, Medienberatungen, InvestmentGesellschaften und Kliniken) im benachbarten Ausland bezogen. Trotz dieser fmanziellen Unabhangigkeit blieb die ULFA eng mit der Politik m Assam verbunden. Sowohl der Indian National Congress (INC) als auch die AGP instrumentalisierten die militarischen Konflikte in Assam. So warf die AGP dem INC Verbindungen zur ULFA sowie das Einverstandnis mit Morden an AGP-Politikem durch die Rebellenorganisation vor. Der INC unterstellte im Gegenzug, einige AGP-Fuhrer pflegten Kontakte zur SULFA, seien in Morde verwickelt und wiirden mit Hilfe der SULFA Wahlen manipulieren. Die mihtarischen Krafteverhaltnisse veranderten sich Ende 2003 zuungunsten der ULFA. Nachdem die indische Regierung die Nachbarlander schon seit Jahren aufgefordert hatte, gegen Lager und Riickzugsbasen indischer Rebellengruppen vorzugehen, setzte Bhutan diesen erstmals eine Abzugsfrist, verkniipft mit der Drohung, militarisch gegen sie vorzugehen. Bei dem Versuch der ULFA-Kampfer nach Indien zuriickzukehren, kam es an der Grenze vermehrt zu Feuergefechten mit der indischen Armee. Obwohl sich der im Mai 2004 neu gewahlte Premierminister Manmohan Singh grundsatzlich zu Gesprachen mit den Rebellenorganisationen in Assam bereit erklarte, konnte bisher kein Konsens erzielt werden, da Singh darauf bestand, dass Assam auch in Zukunft integraler Bestandteil Indiens bleibt. Die ULFA hingegen forderte Friedensgesprache unter Vermittlung der UN und hielt die Forderung nach einem unabhangigen Staat aufrecht.
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Die gewaltsamen Aktivitaten im Jahr 2005 unterschieden sich nicht wesentlich von denen des Vorjahres. ULFA-Rebellen veriiben zahlreiche Anschlage auf Infrastruktureinrichtungen wie Strommasten und Brticken sowie auf staatliche Einrichtungen wie Polizeistationen, Gefangnisse und Regierungsgebaude. Diese Anschlage forderten zwar nur selten Todesopfer, flihrten aber in er Kegel zu mehreren Verletzten. Dazu kamen einige wenige gezielte Attentate, insbesondere auf Angehorige der SULFA. Bei ZusammenstoBen mit indischen Sicherheitskraften wurden mehrere Dutzend ULFAKampfer und einige Soldaten oder Polizisten getotet. Dabei handelte es sich zumeist um Schusswechsel einzelner ULFA-Rebellen mit Sicherheitskraften. Daruber hinaus flihrte das Militar mindestens zwei breiter angelegte Operationen gegen ULFA-Rebellen im Distrikt Tinsukia im auBersten Nordosten Assams durch. Insbesondere diese groBeren Aktionen des Militars behinderten aus Sicht der ULFA den Beginn von Friedensgesprachen, wahrend die Regierung darauf bestand, dass die ULFA zunachst ihrerseits die Gewalt einstellen sollte. Dabei hatten seit 2004 sowohl die Regierungen Indiens und des Unionsstaates Assam als auch die Rebellen mehrfach die Aufiiahme von Verhandlungen angeboten. Das Klima in der gesamten Nordostregion Indiens war hierftir insgesamt gUnstig, da in mehreren anderen Kriegen und bewaffiieten Konflikten bereits Gesprache zwischen den jeweiligen Rebellengruppen und staatlichen Stellen stattfanden. Im Februar 2005 bot zum Beispiel der NSCNK an, zwischen ULFA und Regierung zu vermitteln. Zeitgleich zur Vereinbarung eines Waffenstillstands zwischen NDFB, indischer und assamesischer Regierung, der moglicherweise den ebenfalls in Assam ausgetragenen BodoKrieg beendet hat (vgl. den Bericht zu Indien (Bodos)), lud die Zentralregierung die ULFA zu Friedensgesprachen ein. Sie antwortete damit mehr oder weniger auf einen Brief des ULFA-Vorsitzenden Arabinda Rajkhowa. Die anhaltenden militarischen Aktionen beider Seiten verzogerten jedoch die Aufiiahme von Verhandlungen. Fur die Gesprache bildete die ULFA eine zehnkopfige Delegation unter dem Namen People's Consultative Group (PCG), die Ende Oktober in New Delhi zu ersten Verhandlungen mit der Zentralregierung zusammentraf Bislang ftihrten diese Gesprache allerdings noch nicht zu einem formalen Waffenstillstand. Ein GroBteil der Todesopfer durch politische Gewalt in Assam stand in diesem Jahr allerdings nicht in Zusammenhang mit den groBen Rebellengruppen. Im Oktober fanden im Distrikt Karbi-Anglong im Osten Assams iiber mehrere Wochen Auseinandersetzungen zwischen militanten Angehorigen der Karbi and Dimasa statt. Dabei wurden mehrfach Dorfer der jeweils anderen Ethnic iiberfallen, Dutzende Menschen getotet und Hunderte Hauser zerstort. Als Hauptakteure der beiden Seiten wurden vor allem die United People's Democratic Solidarity (UPDS) und die Dima Halim Daogah (DHD) fiir die Gewalt verantwortlich gemacht. Zwischen diesen beiden militanten
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Gruppen und indischen Sicherheitskraften bestehen seit einigen Jahren Jewells Waffenstillstande, die sich jedoch nicht auf das Agieren dieser Gruppiemngen untereinander beziehen. Der Konflikt zwischen militanten Karbi und Dimasa verdeutlicht ein Grundproblem vieler Unionsstaaten im Nordosten Indiens. Zwar schloss in den letzten Jahren eine Vielzahl bewaffheter Gruppen Waffenstillstande mit Indien. Jedoch blieb das Verhaltnis zwischen diesen Gruppen haufig von Gewalt gepragt. Ein im Moment noch nicht absehbarer Erfolg der Verhandlungen zwischen der ULFA und der indischen Zentrah-egierung wurde zwar den Krieg in Assam beenden, jedoch bliebe ein grundsatzliches Sicherheitsproblem sowohl durch die Gewaltanwendung der bewaffiieten Gruppen untereinander als auch gegeniiber der Zivilbevolkerung bestehen. Wolfgang Schreiber Weiterftihrende Literatur und Informationsquellen: Baruah, Sanjib: Durable Disorder. Understanding the Politics of Northeast India, Oxford 2005 Bezbaruah, Madan P.: Cultural Sub-Nationalism in India's North-East. An Overview, in: Mitra, Subrata Kumar/Alison, Lewis R. (Hrsg.): Sub-National Movements in South Asia, Boulder-London 1996, S. 171-190 Chadha, Vivek: Low Intensity Conflicts in India. An Analysis, New Delhi u.a.2005 Hussain, Monirul: The Assam Movement. Class, Ideology and Identity, Delhi 1993 Kumar, Anand: Assam. Ethnic Clashes Threaten Prospect of Peace (South Asia Analysis Group, Paper No. 1595), Nodia 2005: http://www.saag.org Wilke, Boris: Krieg auf dem indischen Subkontinent. Strukturgeschichtliche Ursachen gewaltsamer Konflikte in Indien, Pakistan und Bangladesch (Forschungsstelle Kriege, Rtistung und Entwicklung, Institut fiir Politische Wissenschaft, Universitat Hamburg, Arbeitspapier 1/1997), Hamburg 1997 http://www.assamgovt.nic.in (Regierung Assams) http://www.assampolice.com (Polizei Assams) http://www.geocities.com/CapitolHill/Congress/7434/ulfa.htm (ULFA) http://www.ipcs.org (Institute of Peace and Conflict Studies, New Delhi) http://www.satp.org (South Asia Terrorism Portal des Institute for Conflict Management, New Delhi)
Indien (Bodos) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1997 B-2 NDFB / Indien
Am 25. Mai 2005 unterzeichnete auch die National Democratic Front of Bodoland (NDFB) als zweite Rebellengruppe der Bodos emen Waffenstillstandsvertrag mit den Regierungen Indiens und des Unionsstaates Assam.
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Trotz anhaltender gewaltsamer Auseinandersetzungen in Assam (vgl. den Bericht zu Indien (Assam)) wurden im weiteren Verlauf des Jahres keine Anschlage oder bewaffiieten ZusammenstoBe mehr berichtet, die mit dem seit 1997 als Krieg ausgetragenen Bodo-Konflikt in Zusammenhang stehen. Obwohl der Waffenstillstand zunachst nur fiir Jahr gtiltig ist, besteht daher eine gute Chance, dass der Krieg zwischen militanten Bodo-Gruppen und indischen Sicherheitskraften mit diesem Abkommen beendet ist. Die etwa 1,6 Millionen Bodos gelten als die Ureinwohner des Brahmaputratals in Assam. Sie erhoben schon zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft Forderungen nach einem autonomen Bodoland, die aber nie er^llt wurden. Im nachkolonialen Indien wurde ihr Gebiet Teil des Unionsstaates Assam. In den 1960er und 1970er Jahren forderten die Bodos die Verwendung ihrer Muttersprache im Unterricht und den Erhalt der von ihnen im Gegensatz zur assamesischen Mehrheitsbevolkerung gebrauchten lateinischen Schrift. Infolge des rapiden sozialokonomischen Wandels, dem die tribalen Gesellschaften Indiens ausgesetzt waren, verscharfte sich der latente Konflikt zwischen Bodos und Assamesen: Die schnell voranschreitende Urbanisierung des Brahmaputratals trieb immer mehr Bodos in die Landlosigkeit. Weil die Bodos als so genannte plain tribes nach der indischen Verfassung im Gegensatz zu den hill tribes keine Sonderrechte hinsichtlich Landerwerb und Bildung genossen, konnte der rapide gesellschaftliche Wandel institutionell nicht kanalisiert werden. Zugleich verscharfte sich das Identitatsbewusstsein der Bodos durch die Expansion des assamesischen Bildungswesens, aber auch durch die Forderung einer „Assamisierung Assams" durch die Assambewegung (vgl. den Bericht zu Indien (Assam)). Mit dem Plains Tribal Council of Assam (PTCA) und der All Bodo Students Union (ABSU) wurden 1967 die ersten Interessenorganisationen der Bodos gegrundet. Nachdem 1985 die assamesische Regionalpartei Asom Gana Parishad (AGP) die Regierungsgewalt in Assam iibemommen hatte, bildete sich 1986 die militante Bodo Security Force (BdSF), die sich 1994 in National Democratic Front of Bodoland (NDFB) umbenannte. Von dieser spalteten sich 1996 die Bodoland Liberation Tiger Forces (BLTF) ab. Moderate Bodos organisierten sich dagegen mehrheitlich in der People's Democratic Front (PDF). Das Aufkommen von Forderungen nach groBerer Autonomic und in den 1990er Jahren nach einem eigenen Unionsstaat Bodoland war somit auch eine Reaktion auf die chauvinistischen Tendenzen der Assambewegung in den 1980er Jahren. Dariiber hinaus dienten die hill tribes der Nagas (vgl. den Bericht zu Indien (Nagas)) und Mizos als Vorbild, fiir die mit Nagaland und Mizoram eigene Unionsstaaten gebildet wurden. Im Jahr 1989 begannen militante Bodos, regelmaBig Dorfer und Weiden zu iiberfallen und massakrierten Fltxchtlinge aus Bangladesch sowie andere vermeintliche Fremde. Hunderte Bengalen wurden aus Fliichtlingslagem vertrieben. Dariiber hinaus versuchten die militanten Gruppen der Bodos,
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ihren Forderungen mit Anschlagen gegen staatliche Einrichtungen gewaltsam Geltung zu verschaffen. Ein zwischen der indischen Regierung und moderaten Bodos am 20. Febmar 1993 geschlossenes Autonomieabkommen erfiillte die Forderungen der Bodos lediglich partiell. Es sah fur den Bodo Autonomous Council (BAG) und den Bodoland Executive Council (BEC) Mitspracherechte bei religiosen, gewohnheitsrechtlichen und den Landerwerb betreffenden Fragen und Gesetzen vor sowie eine Exekutivgewalt ohne die Verfugung iiber Polizei und Notstandsrecht. Da weder die Grenzen des Autonomiegebietes noch die Rechte von Nicht-Bodos hinreichend geklart wurden, konnte das Abkommen nicht umgesetzt werden. Seit 1994 waren zunehmend auch die in den betroffenen Gebieten lebenden Angehorigen anderer Minderheiten Opfer von Anschlagen. Besonders betroffen waren die Santhals, die von militanten Bodos aus dem BAC-Gebiet vertrieben wurden. Ebenfalls seit dieser Zeit operierten die Bodo-Rebellen teilweise mit der United Liberation Front of Assam (ULFA) zusammen, obwohl diese fur einen unabhangigen Staat kampft und kaum bereit ware, Telle Assams fur einen Staat Bodoland abzutreten. Nicht zuletzt durch die Verbindung zur ULFA soil die NDFB Kontakte zu den Regierungen Bhutans, Bangladeschs, Pakistans und Chinas aufgebaut haben. Die Kriegsfuhrung wurde durch Schutzgelderpressungen in Hohe von umgerechnet 500.000 bis 1 MilHon Euro jahrlich finanziert. In den Folgejahren gewannen die gewaltsamen Auseinandersetzungen und Cbergriffe eine groBere Kontinuitat, so dass der Konflikt spatestens ab 1997 das AusmaB eines Krieges annahm. 2003 erreichte die mdische Regierung nach jahrelangen Verhandlungen einen Waffenstillstand mit den BLTF. Das Abkommen sicherte den Bodos erheblich mehr Autonomic und Rechte zu. Die NDFB lehnte diese Gesprache zwischen den mit ihr rivalisierenden BLTF und der Regierung und die dabei erzielten Verhandlungsergebnisse ab. Stattdessen kiindigte sie an, ihre Gewaltaktivitaten zu intensivieren. AUerdings brachte das Jahr 2003 nicht nur die Verhandlungslosung mit den BLTF. Die damals auf etwa 3.500 Kampfer geschatzte NDFB musste gleich mehrere Riickschlage hinnehmen. Im Laufe des Jahres wurden nicht nur mehrere ihrer Anfuhrer gefangen genommen. Indien gelang es dariiber hinaus, Bhutan gegen Ende des Jahres zu einem massiven Vorgehen gegen die dortigen Rtickzugsbasen der NDFB zu bewegen. Trotz der Schwachung der NDFB, die innerhalb von rund einem Jahr die Halfte ihrer Kampfer durch Verhaftungen, Aufgaben oder bei Schusswechsehi verloren hat, ereigneten sich auch in der Folgezeit zahlreiche kleinere ZusammenstoBe zwischen Rebellen und staatlichen Sicherheitskraften sowie LFbergriffe der Rebellen auf Zivilisten und vermeintliche Spitzel. Ihren letzten Hohepunkt erreichten die Anschlage Anfang Oktober 2004, als NDFBRebellen innerhalb weniger Tage an mehreren Orten Bomben zur Explosion brachten. Kurz darauf ging die NDFB aber auf ein Angebot der assamesi-
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schen Regiemng zu Verhandlungen ein und verkundete ab dem 15. Oktober einen einseitigen Waffenstillstand fiir sechs Monate. Seither gingen die der NDFB zugeschriebenen Anschlage und (jbergriffe auf Zivilisten oder Infrastruktureinrichtungen deutlich zuriick. Die Regiemng reagierte auf den Waffenstillstand mehrgleisig. Einerseits setzten die indischen Sicherheitskrafte ihre Aktionen gegen NDFB-Kampfer unvermindert fort, was auch im Berichtsjahr noch zu regelmaBigen Schusswechseln fiihrte. Andererseits bereitete die Regiemng Verhandlungen vor, indem sie zum Beispiel den Generalsekretar der NDFB nach gut zweijahriger Gefangenschaft im Dezember 2004 aus der Haft entlieB, um mit der Ftihrung der Rebellen Kontakt aufzunehmen. Obwohl die Rebellen ein Eingehen der indischen Seite auf den einseitigen Waffenstillstand anmahnten, verlangerten sie diesen im April um weitere sechs Monate. Fiir eigentliche Friedensgesprache forderten sie zum einen einen Sondergesandten der Zentralregiemng, der mit der Geschichte des Bodo-Volkes vertraut ist, zum anderen Verhandlungen ohne die Beteiligung des Unionsstaates Assam. Zumindest letzteres wurde ihnen nicht erfullt: Am 25. Mai 2005 unterzeichneten die Regiemngen Indiens, des Unionsstaates Assam und die NDFB ein Waffenstillstandsabkommen, das ab dem 1. Juni ftir ein Jahr gelten sollte. Da seit dem Abschluss des Waffenstillstands keine Auseinandersetzungen mit Beteiligung von NDFB-Kampfem mehr berichtet wurden, bestehen gute Chancen darauf, dass der seit 1997 andauemde Krieg militanter BodoGmppen um eine groBere Autonomic dauerhaft beendet ist. Dies gilt umso mehr, da in den letzten Jahren auch in einem GroBteil der iibrigen Konflikte im Nordosten Indiens erfolgversprechende Verhandlungen aufgenommen wurden (vgl. die Berichte zu Indien (Assam), Indien (Nagas) und Indien (Tripura)). Allerdings betonten die Rebellen nach Beginn der Verhandlungen wiederholt ihre Fordemng nach einem souveranen Staat Bodoland. Da die NDFB den Friedensgesprachen nicht zuletzt aufgrund ihrer militarischen Schwache zugestimmt hat, konnte sie die Waffenmhe bei ausbleibenden Verhandlungserfolgen auch zu ihrer Reorganisation nutzen. Wolfgang Schreiber Weiterfuhrende Literatur und Informationsquellen: Bezbaruah, Madan P.: Cultural Sub-Nationalism in India's North-East. An Overview, in: Mitra, Subrata Kumar/Alison, Lewis R. (Hrsg.). Sub-National Movements in South Asia, Boulder-London 1996, S. 171-190 George, Subir Jacob: The Bodo Movement in Assam. Unrest to Accord, in: Asian Survey 34 (1994), S. 878-892 Wilke, Boris: Krieg auf dem indischen Subkontinent. Strukturgeschichtliche Ursachen gewaltsamer Konflikte in Indien, Pakistan und Bangladesch (Forschungsstelle Kriege, RUstung und Entwicklung, Institut fur Politische Wissenschaft, Universitat Hamburg, Arbeitspapier 1/1997), Hamburg 1997 http://www.assampolice.com (Polizei Assams) http://www.geocities.com/ndfb2001 (NDFB)
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http://www.ipcs.org (Institute of Peace and Conflict Studies, New Delhi) http://www.satp.org (South Asia Terrorism Portal des Institute for Conflict Management, New Delhi)
Indien (Kaschmir) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1990 B-2 Lashkar-i-Toiba, Jaish-i-Muhammad, Hizb-ul-Mujahedin, Harkat-ul-Mujahedin, Al-Badhr-Mujahedin, Islami Inqalabi Mahaz u.a. / Indien
Die Intensitat der militarischen Konfrontation des seit 16 Jahren gefxihrten Sezessionskrieges im indischen Teilgebiet Kaschmirs, in dem eine Vielzahl radikalislamischer Rebellenorganisationen gegen die Einbindung in den indischen Unionsverband kampfen, ging im Berichtsjahr emeut leicht zurtick. Trotzdem gehort der Krieg im Unionsstaat Jammu und Kashmir (J&K) auf Grund der hohen Opferzahlen und der engen VerkniipfUng mit dem ungelosten Konflikt zwischen Indien und Pakistan um den rechtlichen Status der kaschmirischen Gesamtregion weiterhin zu den brisantesten Konflikten in Indien. Die fortschreitende Annaherung zwischen den beiden Nachbarstaaten, die Gesprachsbereitschafl moderater Rebellenftihrer oder das schwere Erdbeben im Oktober 2005 brachten nur wenig militarische Entspannung in J&K. Die nationale Zugehorigkeit des einst eigenstandigen Furstentums Kaschmir ist seit der Unabhangigkeit Indiens und Pakistans im Jahre 1947 zentraler Konfliktgegenstand zwischen den beiden Staaten. Als Ergebnis des Ersten Kaschmirkrieges (1947-49) ist das sudostliche Gebiet indischer Verwaltung, das nordwestliche Gebiet pakistanischer Verwaltung unterstellt. Das Hauptkonfliktgebiet in J&K ist die bev5lkerungsstarkste und iiberwiegend von Muslimen bewohnte Region Kashmir Valley, aus der die ursprtinglich dort lebenden Hindus seit 1990 fast vollstandig vertrieben worden sind. Zu den innerindischen Ursachen des militanten Aufstandes zahlt vor allem die Konterkarierung des J&K gemaB der indischen Verfassung zugestandenen Sonderstatus. Abgesehen von Fragen der AuBen- und Sicherheitspolitik sowie dem Geldwesen hatte die indische Zentralregierung 1949 dem Unionsstaat einen verfassungsrechtlich autonomen Status eingeraumt. Die Kritik an der sukzessiven Ausholung der Sonderstellung im indischen Staatsverband wurde durch bekannt gewordene Wahlmanipulationen, politische Unterreprasentation und Einschrankungen der Meinungsfreiheit verstarkt. Zudem entfalteten im Laufe der 1980er Jahre wirtschaftliche Missstande, soziale Desintegration und Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften eine kataly-
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sierende Wirkxing auf die aufkommenden Sezessionsforderungen der Muslime, die sich zunehmend radikalisierten. Im Verlauf des Krieges haben sich einige gmndsatzliche Veranderungen ergeben. So hat sich der Aktionsradius der Rebellengruppen seit 1994 geographisch erweitert und ist nicht mehr nur auf Kashmir Valley beschrankt. Neben militarischen und politischen Einrichtungen wurde auch die kaschmirische Bevolkerung als Angriffsziel nicht mehr ausgeschlossen, wobei die Anzahl der Anschlage durch Selbstmordattentater ab 1999 signifikant angestiegen ist. Diese Entwicklung korrespondierte mit einer Zunahme des Einflusses auBerkaschmirischer, iiberregional aufgestellter militanter Organisationen im Kriegsgeschehen. Die muslimischen Rebellengruppen, von denen einige in der Vergangenheit direkte Unterstiitzungsleistungen von Pakistan erhielten, kampften fiir die Angliederung von J&K an Pakistan, die Unabhangigkeit oder eine Neudefinition des Rechtsstatus von J&K im indischen Unionsverband. In die Kampfhandlungen sollen bis zu 100 separatistische Rebellengruppen mit auBerst unterschiedlichem militarischen Potenzial involviert gewesen sein. Es traten zudem immer wieder unbekannte Gruppen auf. Die militanten Aktionen richteten sich vomehmlich gegen indische Einrichtungen, es kam aber auch regelmaBig zu Kampfen zwischen rivalisierenden Gruppen. Die groBte Rebellenallianz in Kaschmir ist die All Parties Hurriyat Conference (APHC, All Parteien Freiheitskonferenz), bestehend aus iiber 25 Separatistengruppen mit divergierenden Interessenlagen. Die 1993 gegrtindete APHC versteht sich als rechtmaBige Interessenvertretung der Muslime in Kaschmir. Seit 2003 ist die APHC in zwei Fliigel gespalten. Die moderate und politisch pragmatische Fraktion unter der Fiihrung von Mirwaiz Umar Farooq beteiligte sich 2005 an Verhandlungen iiber die Unruheregion Kaschmir auf regionaler, pakistanischer und indischer Ebene. Sie wurde dafur von der radikaleren APHC-Fraktion unter Syed Ali Shah Geelani immer wieder deutlich kritisiert. Politisch einflussreiche Organisationen wie die Jammu and Kashmir Liberation Front (JKLF), die zu Beginn des Krieges eine zentrale Stellung unter den Rebellengruppen eingenommen hat, oder die Jammu and Kashmir Democratic Freedom Party (JKDFP) standen dem Kurs Farooqs ebenfalls skeptisch gegentiber. Unter den derzeit aktiv operierenden militanten Gruppen in Kaschmir ist die Hizb-ul-Mujahedin (HM, Partei der Glaubenskrieger) die an Mitgliedem starkste Vereinigung. Sie ist islamflindamentalistisch ausgerichtet, fordert den Anschluss an Pakistan und rekrutiert sich Uberwiegend aus indischen Kaschmiri. Mitglieder der FUhrungskader sprachen sich immer wieder ftir eine moderatere, friedensorientierte Ausrichtung der HM aus, die aber nie wirklich durchgehalten wurde und aufgrund intemer Machtkampfe nicht verbindlich gemacht werden konnte. Die in eigenstandige Kader aufgeteilten etwa 600 Kampfer der HM bekannten sich 2005 zu zahheichen Anschlagen.
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Im aktuellen Kriegsgeschehen in Kaschmir traten in den letzten Jahren Gruppen in den Vordergrund, die von Hauptquartieren in Pakistan aus operierten und sich hauptsachlich aus auslandischen Kampfem zusammensetzten. Zu diesen Gruppen gehoren die Lashkar-i-Toiba (LT, Armee der Reinen), die Jaish-i-Muhammad (JM, Armee des Propheten Muhammads), die Harkat-ul-Mujahedin (HuM, Bewegung der Glaubenskrieger) und Al-BadhrMujahedin. Die religiosen Schulen und fiindamentalistisch orientierten Bildungszentren in Pakistan, als deren militanter Arm sie sich selber definieren, wurden zum Teil durch Stiftungen aus Saudi-Arabien und anderen Landem fmanziert. Diese und weitere radikalislamische Organisationen standen zunehmend unter dem Druck der pakistanischen Regierung. Die LT zahlt derzeit zu den aktivsten und schlagkraftigsten militanten Vereinigungen im Kaschmirkrieg. Sie beteiligte sich bereits am afghanischen Widerstand gegen die sowjetischen Truppen in den 1980er Jahren und ist seit 1993 fur eine Vielzahl von Anschlagen in J&K verantwortlich zu machen, wobei sie zumindest anfanglich vom pakistanischen Geheimdienst fiir externe Angelegenheiten Inter-Services Intelligence (ISI) unterstiitzt wurde. In ideologischen Schriften forderte die LT die Einrichtung einer islamischen Herrschaft (iber alle Teile Indiens. Intemationalen Bekanntheitsgrad erlangte sie durch den bislang spektakularsten und poHtisch folgenreichsten Anschlag vom 13. Dezember 2001 auf das indische Parlamentsgebaude in New Delhi, der eine Eskalation des indo-pakistanischen Konfliktes bis an den Rand eines Krieges ausloste. Der LT wird zudem eine Beteiligung an einer Attentatsserie vom 29. Oktober 2005 in der indischen Hauptstadt zugeschrieben, zu der sich die seit etwa 10 Jahren weitgehend inaktive Gruppe Islami Inqalabi Mahaz (Islamische Revolutionsfront) bekannte. Bei diesen Anschlagen gab es 65 Tote und etwa 200 Verletzte. Allerdings wies die LT jegliche Vorwiirfe einer Beteiligung an den Anschlagen von 2001 und 2005 vehement zuruck. Die Gesamtzahl der Aufstandischen ist zeitweilig auf weit uber 10.000 Mann geschatzt worden. Zum aktiven Kern der Aufstandischen gehorten laut indischen Sicherheitsexperten heute etwa 2.000 bis 3.000 Mann, bei einem relativen Anteil auslandischer Kampfer von etwa 50 Prozent. Hinter der durch eine Grenzsperranlage gesicherten Line of Control (LoC), durch die der indische vom pakistanischen Teil Kaschmirs getrennt ist, werden bis zu 2.500 weitere kampfbereite Rebellen vermutet. Offizielle indische Stellen werten den konstant hohen Anteil von auslandischen Rekruten als Indiz fiir die abnehmende Akzeptanz der bewaffiieten Gruppen in der kaschmirischen Bevolkerung. Ihnen stehen in J&K geschatzte 500.000 Soldaten der indischen Armee sowie zusatzliche paramilitarische Einheiten gegenuber. Nachdem das ausschlieBlich militarische Vorgehen Indiens zu einer Radikalisierung des Sezessionskrieges gefiihrt hatte, ist die Zentrah*egierung seit 1994 zu einer Doppelstrategie iibergegangen. Neben der gewaltsamen Unterdriickung bewafftieter Aktionen wurde gleichzeitig die politische Bearbei-
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tung des Konflikts gefbrdert. Die von 1998 bis 2004 regierende hindunationalistische Bharatiya Janata Party (BJP, Indische Volkspartei) setzte unter Premierminister Atal Behari Vajpayee diesen Kurs fort. Nach mehrfachen aber ergebnislosen Verhandlungsanlaufen mit moderaten Vertretem der APHC konnte der Friedensprozess im Jahr 2003 wieder angestoBen und im Berichtsjahr vertieft werden. Am 5. September empfing Premierminister Manmohan Singh, dessen Indian National Congress (INC) bei den Parlamentswahlen im Vorjahr iiberraschend als Siegerpartei hervorgegangen war und der seitdem eine Regierungskoalition anfiihrt, erstmals seit Beginn des Krieges als indischer Regiemngschef eine Delegation gemaBigter Rebellenfuhrer aus J&K zu offiziellen Gesprachen in New Delhi. Die funfkopfige Delegation unterstand der Leitung des APHC-Fiihrers Farooq, der anschlieBend die Ansatze ftir eine Annaherimg positiv bewertete. Singh hatte fiir den Fall, dass die Gewalt in Kaschmir und die grenzuberschreitende Infiltration erkennbar abnehme, eine Reduzierung der Truppenkontingente in Aussicht gestellt sowie die Priifung der Freilassung einzelner Gefangener angektindigt. Die Gesprache wurden von radikaleren Vertretem des politischen Widerstandes in J&K als nicht legitimiert und inhaltlich unzureichend scharf kritisiert. Militante Gruppen standen Gesprachen mit der indischen Zentrakegierung unter den gegeben Vorzeichen prinzipiell feindlich gegenuber. Die innenpolitischen Fortschritte im Kaschmirkonflikt sind verschrankt mit einer substanziellen Entspannung im auBenpolitischen Verhaltnis zwischen Indien und Pakistan. Die diplomatischen Beziehungen, die nach dem Anschlag auf das indische Parlament 2001 abgebrochen worden waren, haben sich seit der Wiederaufiiahme im April 2003 bestandig intensiviert. Am 17. April 2005 besuchte der pakistanische President Pervez Musharraf erstmals seit vier Jahren die indische Hauptstadt und kam zu einem Gipfeltreffen mit Premierminister Singh zusammen. Ein Durchbruch im Grundsatzkonflikt um Kaschmir konnte zwar nicht erreicht werden, da Pakistan im Gegensatz zu Indien die Anerkennung der Demarkationslinie LoC als zwischenstaatliche Grenze kategorisch ablehnt. Gleichwohl wurde die Verstandigung tiber weitere vertrauensbildende MaBnahmen vorangebracht. So war bereits im Vorfeld des Treffens die fast 60 Jahre lang stillgelegte Busverbindung zwischen den Hauptstadten des geteilten Kaschmirs Muzaffarabad in Pakistan und Srinagar in Indien unter extremen Sicherheitsvorkehrungen wiederaufgenommen worden. In die schwierigen Verhandlungen bezuglich der LoC kam durch die Erdbebenkatastrophe Anfang Oktober neue Bewegung. Kostenlose Telefongesprache zwischen den beiden Teilen Kaschmirs, indische Hilfslieferungen und Notunterkiinfte fur pakistanische Erdbebenopfer sowie die Einrichtung von fiinf Grenzubergangen ab dem 7. November waren Ausdruck der Annaherung der beiden Seiten. Nach Ablauf der halben Legislaturperiode fand am 2. November der vereinbarte Fiihrungswechsel in der Koalition der Regionalregierung von J&K
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statt. Ghulam Nabi Azad vom regionalen INC ersetzte den seit 2002 amtierenden Ministerprasidenten Mufti Mohammed Sayeed der People's Democratic Party (PDP) und betonte, die bisherige Politik zur Normalisiemng der Lage in Kaschmir fortsetzen zu wollen. Erfolge bei der Bekampfimg der Korruption, der Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen durch indische Sicherkrafte, Verhandlungen mit radikalen Gruppen sowie steigende Umsatze in der Tourismuswirtschaft und ein kontinuierlicher Riickgang der Anzahl militanter Ubergriffe gaben der Regionalregierung Riickhalt in der kriegsmtiden Bevolkerung. Trotzdem war auch im Berichtsjahr die Vielzahl von einzelnen Anschlagen, Attentaten und Gegenaktionen bestimmend fur das Kriegsgeschehens in J&K. Auffallig war dabei die Haufung von medienwirksamen Attentaten in den Monaten nach dem schweren Erdbeben in der Kaschmirregion vom 8. Oktober 2005, dem auf pakistanischer Seite mehr als 73.000 und auf indischer Seite etwa 1.300 Menschen zum Opfer fielen. Einzelne Rebellengruppen wollten, etwa mit der Ermordung des Erziehungsministers der J&KRegionalregierung Ghulam Nabi Lone in Srinagar am 18. Oktober, ihre uneingeschrankte Operationsfahigkeit demonstrieren. Es bleibt aber noch abzuwarten, ob das Erdbeben wirklich signifikante Rtickwirkungen auf das Kriegsgeschehen haben wird. Einerseits wurden Rebellengmppen, die vom pakistanischen Teil Kaschmirs aus agierten, durch die Zerstorung von Ausbildungslagem geschwacht. Andererseits profitierten diese Gruppen vom allgemeinen Chaos in Folge des Erdbebens, so dass die Infiltration von Kampfem nach J&K zum Ende des Berichtsjahres zugenommen hat. Ein weiterer Bezugspunkt flir die Anschlage in J&K war die Amtsubernahme von Ministerprasident Azad. Kurz vor der offiziellen Vereidigung Azads ziindete ein Selbstmordattentater eine Autobombe in Srinagar, der 10 Personen zum Opfer fielen. Mitte November veriibten Rebellengruppen eine Attentatsserie auf Mitglieder der Regionalregierung, bei der der ehemalige Minister flir Tourismus, Ghulam Hassan Mir, sowie der Minister flir Planung und Entwicklung, Usman Majid, verletzt wurden. Bei den Anschlagen wurden insgesamt 20 Menschen getotet und iiber 150 verletzt. Ziel von Angriffen war zudem die im April wiedereingerichtete Buslinie. Bereits vor der ersten Fahrt hatten militante Rebellen die Tourismusbehorde in Srinagar in Brand gesetzt. Die Busverbindung konnte in der Folgezeit durch Anschlagsversuche jedoch kaum behindert werden. Zu den schwersten Attentaten des Jahres 2005 gehorte im Juni die Detonation eines Sprengsatzes auf dem Marktplatz des Ortes Pulwama, sudlich von Srinagar, infolge der 16 Menschen starben und mehr als 100 verletzt wurden. Der Krieg in Kaschmir forderte seit seinem Beginn zwischen 42.000 und 80.000 Todesopfer. Die vom indischen Militar veroffentlichten jahrlichen Opferzahlen, die sich stets am unteren Ende der Zahlungen orientieren, sind seit dem Hohepunkt im Jahr 2001 mit etwa 3.000 registrierten Toten konstant
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riicklaufig. Medienberichten zufolge kann fur das Jahr 2005 eine Opferzahl von ungefahr 1.700 Toten angenommen werden, danmter 500 Zivilisten, 1.000 Rebellen und 200 Angehorige indischer Sicherheitskrafte. Trotz der Vertiefung des Entspannungsprozesses zwischen Indien und Pakistan, einer seit vier Jahren tendenziell riicklaufigen Anzahl der Anschlage sowie hoffiiungsvollen Gesprachen der indischen Zentralregiemng mit gemaBigten Rebellen ist ein baldiges Ende des Kaschmirkrieges nicht zu erwarten. Eine weitreichende Einigung tiber den kiinftigen Status der Kaschmirregion impliziert bisher nicht vorstellbare Konzessionen von alien beteiligten Parteien. Das Auftreten einer gemaBigten Ftihrungsfigur mit wachsendem politischen Riickhalt in der Person von Mirwaiz Umar Farooq gibt indes Anlass zu der Hoffiiung, dass Telle der gesprachsbereiten Gruppen in J&K verstarkt auf die Verhandlungsoption setzen werden. Erdwig Holste Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Chadha, Vivek: Low Intensity Conflicts in India. An Analysis, New Delhi 2005 Chari, Shri: Protecting Human Rights in Times of Conflict. An Indian Perspective, in: Terrorism and Political Violence 17 (2005), S. 217-228 Ganguly, Sumit: Conflict Unending. India-Pakistan Tensions since 1947, Washington DC 2001 Kahol, Yudhishtar: Kashmir. Return of Democracy, New Delhi 2003 Rao, H S Gururaja: Legal Aspects of the Kashmir Problem. Yearning for Peace, New Delhi 2002 Schofield, Victoria: Kashmir in the Crossfire, London - New York 1996 Widmalm, Sten: Democracy and Violent Separatism in India. Kashmir in a Comparative Perspective, Uppsala 1997 http://www.armyinkashmir.org (in Kaschmir stationierte indische Armeeeinheiten) http://www.ipcs.org (Institute of Peace and Conflict Studies) http://www.jammu-kashmir.com (Informationsseite kaschmirischer Muslime) http://www.jammukashmir.nic.in (Regionalregierung von J&K) http://www.saag.org (South Asia Analysis Group) http://www.satp.org (South Asia Terrorism Portal)
Indien (Nagas) (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 1969 (Krieg 1969-1975) NSCN-IM, NSCN-K / Indien, Myanmar
Trotz einer Verlangerung der Waffenstillstande zwischen den militanten Gruppierungen der im Grenzgebiet zwischen Indien und Myanmar lebenden Nagas und dem indischen Staat wurde fur den Konflikt auch 2005 keine Losung erzielt. Die Friedensgesprache mit der wichtigsten Rebellengruppe,
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dem National Socialist Council ofNagalim (Isak-Muivah) (NSCN-IM), mit dem seit 1997 ein Waffenstillstand besteht, blieben im Berichtsjahr ohne nennenswerte Fortschritte. Mit der kleineren und schwacheren Fraktion des 1988 zerfallenen NSCN, dem National Socialist Council of Nagalim (Khaplang) (NSCN-K) wurde der seit 2001 gultige Waffenstillstand ebenfalls verlangert. Offizielle Friedensgesprache wurden aufgrimd einer emeuten Weigerung des NSCN-K jedoch nicht aufgenommen. Die beiden verfeindeten NSCN-Fraktionen bekampften sich im Berichtsjahr erbittert weiter. Es kam dabei mehrfach zu heftigen Gefechten mit mindestens 45 Toten. Die Siedlungsgebiete der Nagas in den Hugelgebieten im heutigen Nordosten Indiens waren schwer zuganglich. Die verschiedenen Nagastamme genossen daher unter britischer Herrschaft eine relative Autonomie. Seit den 1920er Jahren definierten sich die zum Christentum konvertierten Nagas zunehmend als Nation, in kultureller und religioser Abgrenzung zu den Bewohnem der Ebenen. Der in den 1940er Jahren gegriindete Naga National Council (NNC) bekundete den Unwillen, sich in einen postkolonialen Staat integrieren zu lassen. Bei der Unabhangigkeit Indiens im Jahr 1947 wurde der Wunsch nach Eigenstaatlichkeit ignoriert und der groBte Teil der NagaSiedlungsgebiete dem nordostindischen Unionsstaat Assam zugeschlagen. Der NNC nahm ab 1954 den bewaffiieten Kampf auf, um seiner Forderung nach Eigenstaatlichkeit gewaltsam Geltung zu verschaffen. Als Folge des Ersten Nagakrieges (1954-1964) erhielt Nagaland den Status eines eigenen Unionsstaates. Dieses Zugestandnis brachte jedoch keine endgiiltige Losung. Nach dem offiziellen Ende des ebenfalls um die Unabhangigkeit gefiihrten Zweiten Nagakrieges (1969-1975) und der freiwilligen Entwaffiiung des NNC im Zuge des Shillong-Abkommens wurde der Kampf um Eigenstaatlichkeit durch den NSCN unterhalb der Kriegsschwelle fortgesetzt. Dieser ist seit 1988 aufgrund von Streitigkeiten innerhalb der Rebellenfiihrung in die verfeindeten Fraktionen unter Isak Chisi Swu und Thuingaleng Muivah (NSCN-IM) sowie unter S. S. Khaplang (NSCN-K) zerfallen. Alle drei Rebellenfiihrer gehorten zur urspriinglichen FUhrungsriege des NNC. Die heutige Starke des NSCN-IM wird auf 3.000 bis 3.500, die der Khaplang-Fraktion auf etwa 1.000 bis 1.500 Kampfer geschatzt. Der NSCN-IM ist hauptsachlich in den indischen Unionsstaaten Nagaland, Manipur und Assam aktiv, wahrend der NSCN-K seine Basis im schwer zuganglichen Grenzgebiet zu Myanmar hat. Die Friedensverhandlungen zwischen dem NSCN-IM und der indischen Regierung wurden im Berichtsjahr mit drei mehrtagigen Gesprachsrunden im Februar in New Delhi, Ende Juli im niederlandischen Amsterdam und Mitte Oktober im thailandischen Bangkok fortgesetzt. An den Gesprache in New Delhi nahmen einige indische Minister und eine Delegation des NSCN-IM unter Leitung der Rebellenfuhrer Swu und Muivah teil. Seit Muivah und Swu im Dezember 2004 den indischen Ministerprasidenten Manmohan Singh zu
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offiziellen Gesprachen getroffen hatten, bestand wieder Hoffiiung auf wirkliche Fortschritte, in dem seit 1997 andauemden Friedensprozess. Am 30. Juli wurde eine Verlangerung des Waffenstillstandes fiir Nagaland um sechs Monate unterzeichnet. Die kurze Laufzeit dieses Waffenstillstandes wurde vom indischen Chefunterhandler damit begriindet, dass man sich schnell wieder zu Verhandlungen treffen woUe. Obwohl sich die Beteiligten stets um die positive Darstellung der Verhandlungen bemiihten, wurde der Friedensprozess weiterhin von Schwierigkeiten iiberschattet: Mehrfach drohte der NSCN-IM im Berichtsjahr mit dem Abbruch der Gesprache, zivilgesellschaftliche Organisationen wie der hochste Naga-Stammesrat Naga Hoho kritisierten die schlechten Fortschritte des Friedensprozesses, der in acht Jahren auBer dem Waffenstillstand keine konkreten Ergebnisse gebracht hat. Gesprache mit dem NSCN-K fanden im Berichtsjahr nicht statt. Der Waffenstillstand mit der Khaplang-Fraktion wurde allerdings nach einem informellen Treffen in New Delhi am 28. April um ein Jahr verlangert. Mehrfach kritisierten Sprecher des NSCN-K die Friedensgesprache zwischen der indischen Regierung und dem NSCN-IM als intransparent und unproduktiv. Obwohl der NSCN-K seit Jahren kritisiert, dass die Verhandlungen nur mit dem NSCN-IM geflihrt werden, lehnt er die Aufiiahme offizieller Verhandlungen kategorisch ab. Die Hauptforderung des NSCN-IM, die von groBen Teilen der NagaBevolkerung unterstutzt wird und die das wichtigste und schwierigste Thema der Friedensgesprache darstellt, ist die Bildung eines souveranen Staates, den die Aufstandischen Nagalim, die meisten Beobachter Greater Nagaland nennen. Dieser Staat soil alle Siedlungsgebiete der Nagas auch m den indischen Nachbarstaaten Arunachal Pradesh, Assam und Manipur und damit etwa 120.000 Quadratkilometer im Vergleich zu den rund 16.500 Quadratkilometem des Unionsstaates Nagaland umfassen. Neben der indischen Zentralregierung wehrten sich vor allem die Regierungen dieser Unionsstaaten heftig gegen diese territorialen Forderungen. Viele Gegner des NSCN-IM sahen schon im anhaltenden Waffenstillstand ein provozierendes Eingehen auf die Forderungen der militanten Nagas. Dadurch wurde selbst der oft genannte Kompromiss unmoglich, Nagaland auf alle Naga-Gebiete auszudehnen und erst dann uber erne Unabhangigkeit zu verhandeln. Dass die Naga-Frage nicht aus dem Kontext der zahlreichen nordostindischen Aufstandsbewegungen zu losen ist, erschwert eine Losung zusatzlich (vgl. die Berichte zu Indien (Assam) und Indien (Tripura)). AuBerdem hat die seit Mai 2004 amtierende Zentralregierung unter Ministerprasident Singh in ihrem so genannten Common Minimum Programme territoriale Neuordnungen des Nordostens abgelehnt. Dennoch bekraftige Rebellenfiihrer Muivah auf einem Treffen des NSCN-IM mit verschiedenen Organisationen und Gruppierungen in Bangkok im September, dass seine Gruppe keine Losung ohne emen eigenen Staat akzeptieren werde. Der NSCN-IM fuhrte immer
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wieder an, die Nagas hatten seit Menschengedenken souveran gelebt und ihre Gebiete seien von der britischen Kolonialmacht und jetzt von der indischen Unionsregierung gewaltsam getrennt worden. Wahrend Auseinandersetzungen mit der indischen Regierung nur noch eine Nebenlinie des Konfliiktes ausmachen, intensivierten sich die Kampfe zwischen den beiden NSCN-Fraktionen im Berichtsjahr, nachdem es 2004 nur kleinere ZusammenstoBe gegeben hatte. Konkrete Anlasse fur einzelne Kampfe lieBen sich nur schwer ermitteln. Die kriegsokonomischen Tatigkeiten und die RivaUtaten um die Kontrolle von Gebieten gehorten aber sicherUch zu den Hauptgriinden. Dariiber hinaus spielten auch poHtische Divergenzen und eine mittlerweile traditionelle Feindschaft eine Rolle. Das ganze Jahr hindurch kam es zu Gefechten zwischen den rivalisierenden Fraktionen in den Unionsstaaten Nagaland, Assam, Manipur und Arunachal Pradesh, wobei insgesamt mindestens 45 Kampfer getotet wurden. Am 27. Marz griffen 60 Mitglieder des NSCN-IM ein Lager der Khaplang-Fraktion nordlich von Kohima an, der Hauptstadt Nagalands. AuBerdem kam es zwischen dem 24. und dem 27. Marz zu mehreren Gefechten im Unionsstaat Manipur, wobei zehn Kampfer getotet wurden. Mitte Juni Heferten sich die beiden Fraktionen emeut schwere Gefechte in den Nagaland-Bezu-ken Tuensang und Mon, nachdem der NSCN-K ein Waffenlager des NSCN-IM uberfallen hatte. Erneute Kampfe gab es Anfang September, Anfang Oktober und Anfang Dezember. Der einzige ZusammenstoB zwischen den Naga-Rebellen und der indischen Staatsgewalt ereignete sich am 5. Oktober des Berichtsjahres, als wahrend einer Polizeikontrolle im Khasi Hills-Bezirk fiinf Kampfer des NSCN-IM erschossen wurden. Kampfer des NSCN-K Heferten sich zwischen dem 19. und dem 21. Januar sowie am 14. Dezember Gefechte mit der Armee Myanmars, bei der anscheinend sieben Aufstandische und zehn Soldaten getotet wurden. Die kriegsokonomischen Aktivitaten der Rebellen haben trotz der Waffenstillstande auch im Berichtsjahr nicht an Bedeutung verloren. Beide NSCN-Fraktionen haben eine regelrechte „Besteuerung" eingeflihrt, durch die sie groBe Summen einnehmen. Am 23. Mai des Berichtsjahres kundigte der NSCN-IM derartige Sammlungen bei alien Nagas an, auch wenn diese in Myanmar und anderen indischen Unionsstaaten lebten. Dariiber hinaus bezogen die NSCN-Fraktionen profitable Einnahmen aus ihrer Beteiligung am Drogenhandel. Am 25. September wurde ein Funktionar des NSCN-IM mit drei anderen NSCN-IM-Kampfem in Dimapur verhaftet. Die Polizei hatte groBe Mengen Drogen bei der Gruppe gefunden. Der NSCN-IM schloss die Verhafteten zwar einen Tag spater wegen Drogenhandels aus, konnte aber kaum glaubwiirdig machen, dass es sich lediglich um die einmalige Aufdeckung organisierter Drogenkriminalitat der Gruppierung handelt. An der verfahrenen Lage im Nagakonflikt hat sich im Berichtsjahr nichts geandert. Die weitreichenden Rebellenforderungen, die profitable Kriegs-
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okonomie und die auch daraus resultierende erbitterte Feindschaft der NSCN-Fraktionen und die vielfache Verstricktheit des bewaffiieten Konfliktes in andere Regionalkonflikte erschwerten jeden Schritt zu einem dauerhaften Frieden. Auch wenn die Friedensgesprache auf hoher Ebene fortgesetzt werden, ist eine spurbare Verbesserung fUr die Region in nachster Zeit nicht zu erwarten. Manning Voigts Weiterfuhrende Literatur und Informationsquellen: Baruah, Sanjib: Confronting Constructionism. Ending India's Naga War, in: Journal of Peace Research 40 (2003), S. 321-338 Dev, Rajesh: Nagaland. More Space for Democratic PoHtics, in: Economic and PoHtical Weekly, 26. April 2003, S. 1637-1640. Misra, Udayon: Naga Peace Talks. High Hopes and Hard Realities, in: Economic and Political Weekly, 15. Februar 2003, S. 593-597 Verghese, B.G.: India's Northeast Resurgent. Ethnicity, Insurgency, Governance, Development, 2. Auflage, New Delhi 2002 http://www.ipcs.org (Institute for Peace and Conflict Studies in New Delhi) http://www.nscnonline.org (NSCN-IM) http://www.satp.org (South Asia Terrorism Portal des Institute for Conflict Management)
Indien (Naxaliten) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1997 A-2 CVl-Maoist I Indien, Ranvir Sena
Nachdem im Februar 2005 die Friedensgesprache zwischen der Regierung des indischen Unionsstaates Andhra Pradesh und den Naxaliten-Orgdinisationen People's War Group (PWG) und Maoist Communist Centre (MCC) gescheitert waren, haben die Rebellen ihren Aktionsradius stark ausgeweitet. Gertichten zu Folge existiert neuerduigs ein von Naxaliten kontrollierter Korridor zwischen den eigentlichen Kampfgebieten im Norden und im Zentrum Indiens. Ermoglicht wurde dieser Vormarsch durch die Konsolidierung der bereits im September 2004 gegriindeten Nachfolgeorganisation von PWG und MCC, der Communist Party of India-Maoist (CPI-Maoist). Zugleich formierte sich aber unter der Landbevolkerung in den von Rebellen kontrollierten Gebieten Widerstand gegen die Naxaliten. Die Hauptursache des so genannten Naxaliten-K.or\f[\kX% der mzwischen das gesamte Gebiet zwischen dem im SUdosten Indiens gelegenen Unionsstaat Andhra Pradesh und der nepalesischen Grenze im Norden erfasst hat, liegt in der ungleichen Verteilung des Ackerlandes. Dieses Problem hatte
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sich unter der britischen Kolonialherrschaft entwickelt und wurde bis heute nicht behoben. So hat ein GroBteil der Bevolkerung keinen Zugang zur Haupteinnahmequelle in den betroffenen Staaten, dem Ackerland. Das schlagt sich in einer selbst ftir indische Verhaltnisse extremen Form sozialer Ungleichheit nieder und macht die Gegend zu einer der riickstandigsten und armsten Indiens. In den meisten Regionen sind 80 Prozent der Landbevolkerung Klein- oder Kleinstbauem, sofem sie iiberhaupt tiber Land verfiigen. Hinzu kam, dass in Teilen der Aufstandsgebiete Privatarmeen der GroBgrundbesitzer und Pachter die Bevolkerung terrorisierten. Hier verfugten die Naxaliten tiber eine relativ breite, in den letzten Jahren jedoch abnehmende Massenbasis unter dem Landproletariat und den verarmten Bauem. Diese entstammten haufig kastenlosen, tribalen Strukturen. Den ideologischen Bezugspunkt der Naxaliten bildet neben den Schriften Marx und Lenins der Maoismus. Dabei agierten die Rebellen, ahnlich wie in Nepal, unabhangig von der Volksrepublik China (vgl. den Bericht zu Nepal). Die Kampfe der Naxaliten nahmen zwischen 1967 und 1970 als bewaffneter Bauemaufstand in den Unionsstaaten West Bengalen und Andhra Pradesh ihren Anfang. Den massiven VergeltungsmaBnahmen der indischen Sicherheitskrafte fielen Tausende Naxaliten zum Opfer. Nachdem die naxalitische Bewegung zwischen 1972 und 1977 niedergeschlagen wurde, wurden die Naxaliten, die in den 1970er und 1980er Jahren viele Intellektuelle fiir sich gewinnen konnten, seit Mitte der 1980er Jahre wieder verstarkt aktiv. In ihren Reihen kampften fiir siidasiatische Verhaltnisse ungewohnlich viele Frauen. Vereinzelt gab es Hinweise darauf, dass Kindersoldaten rekrutiert wurden. Kriegerische AusmaBe hat der Konflikt spatestens seit 1997 angenommen. Die Naxaliten teilten sich bis vor kurzem in mehrere einflussreiche Fraktionen. Die beiden groBten Gruppen, PWG und MCC, haben sich im September 2004 zur CPI-Maoist zusammengeschlossen. Die PWG verfiigte tiber schatzungsweise 7.000, das MCC tiber etwa 30.000 Mitglieder. Die Naxaliten kampften zumeist mit kleinen Handfeuerwaffen, Handgranaten, Landminen und emigen Sturmgewehren. Angeblich wurde ein GroBteil der Waffen von Polizeikraften gekauft oder erbeutet. Mit der Zeit errichteten die Naxaliten aber auch eigene Waffen- und Munitionsproduktionsstatten. Bis zur Vereinigung von PWG und MCC kam es immer wieder zu bewaffiieten Auseinandersetzungen zwischen den naxalitischen Fraktionen. Diese lieBen sich jedoch nicht auf ideologische Differenzen zuruckflihren, sondem auf die Konkurrenz um fmanzielle Profite, die mit der hegemonialen Stellung verbunden ist, welche die Naxaliten in einzelnen Gebieten einnehmen. Im verarmten Bihar kontrollierten die beiden Lager MCC und PWG zusammen mehr als 200 von 534 Unterbezirken in tiber 30 von 38 Distrikten. Dabei erpressten die Rebellen Schatzungen zufolge jahrlich umgerechnet mehr als 6 Millionen Euro von Lokalbeamten und Untemehmen. Die Teilhe-
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gemonie der Naxaliten umfasste auch das Schul- und Justizwesen, innerhalb dessen die so genannten Volkstribunale nicht zuletzt aufgrund der langwierigen und kostenintensiven staatlichen Gerichtsverfahren immer mehr Schiedsspriiche fallten. Neben der Finanzierung durch Steuem und Erpressungen nahmen die Organisationen durch Entfiihrungen von Geschaftsleuten Geld ein. Auch groB angelegte Offensiven der Polizeikrafte konnten die regionale Dominanz der Naxaliten nicht emsthaft schwachen. Durchschnittlich fielen dem Gewaltkonflikt iiber 300 Menschen pro Jahr zum Opfer, wobei diese Zahl aufgrund einer veranderten, auf eine Ausweitung der Kampfgebiete gerichteten Strategic der Naxaliten in den letzten Jahren gestiegen ist. Die Rebellen operierten zunachst vorwiegend in den zentralen Regionen des nordostlich gelegenen, an Nepal grenzenden Unionsstaates Bihar und in den nordlichen Gebieten des zentral gelegenen Andhra Pradesh. Nachdem die Naxaliten ihre Aktivitaten dann auf einige Regionen der neu gegriindeten, rohstoffreichen Unionsstaaten Jharkhand und Chhattusgarh ausgeweitet hatten, kam es in den letzten Jahren in einem Drittel aller indischen Bundesstaaten zu Anschlagen und Uberfallen. Legt man die auf mittlerer Verwaltungsebene angesiedelten Distrikte, in denen es zu Ubergriffen gekommen ist, als MaBstab zu Grunde, dann haben die Naxaliten ihr Einflussgebiet in den letzten neun Jahren vervierfacht. Fast taglich ereigneten sich in den umkampften Gebieten Feuergefechte, Sprengstoffanschlage, Angriffe auf Polizeieinheiten und Infrastruktureinrichtungen. Vor dem Hintergrund eines schwindenden staatlichen Gewaltmonopols lieferten sich die Naxaliten iiberdies heftige Kampfe mit Privatarmeen der Mittel- und Oberkasten sowie GroBbauem, unter denen die vorwiegend in Bihar agierende, angeblich von der Regierung unterstiitzte Ranvir Sena wegen ihrer GroBe und paramilitarischen Organisationsstruktur heraussticht. Solche Gruppen haben im Berichtsjahr nach Regierungsschatzung ihre Truppenstarke um zehn bis 40 Prozent erhoht. In jUngster Zeit fand eine zunehmende Vemetzung zwischen den Rebellen der Communist Party of Nepal - Maoist {C¥H-Maoist) (vgl. den Bericht zu Nepal) und naxalitischen Gruppen statt. Hatte zunachst nur das MCC unter dem Dach des Coordination Committee of the Maoist Parties and Organizations of South Asia (CCOMPOSA) dahingehende Anstrengungen untemommen, sind spatestens seit der Griindung der CVl-Maoist auch die ehemaligen PWG-Aktivisten in diese grenziibergreifende Struktur eingebunden. Neben indischen und nepalesischen Rebellen gehoren dieser Dachorganisation auch maoistische Gruppen Sri Lankas und Bangladeshs an. Ziel ist es, eine Compact Revolutionary Zone (CRZ) zu schaffen. Diese soil als grenziibergreifender Operationsraum von Nepal bis ins zentrale Indien reichen. Entsprechend versuchten die Naxaliten seit spatestens 2003 die einzelnen Konfliktregionen miteinander zu verbinden, was die raumliche Ausdehnung des Konfliktes erklart. Mittlerweile machen die naxalitischen Aktionen den GroBteil der politisch motivierten Gewalttaten in Indien aus.
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Die Zunahme naxalitischer Angriffe wurde von einer gegenlaufigen Tendenz begleitet. Die Naxaliten haben in letzter Zeit eine massive Schwachung erfahren. Die Bevolkerung verweigerte, zusehends organisiert, den Rebellen die Unterstiitzung. Auch wurden Wahlboykottaufrufe ignoriert. Hierfiir lassen sich zwei Ursachen ausmachen. Zum einen flihrte die Einschuchtemngspolitik besonders der PWG, die vermeintliche Polizeispitzel aus den eigenen Reihen wie auch aus der Bevolkerung offentlich hinrichten lieB, bereits seit einigen Jahren zu einer zunehmenden Distanz zwischen Rebellen und Bevolkerung. Diese hatte bislang von der quasistaatlichen Naxa//Y^w-Herrschaft profitiert: Lohne und Lebensbedingungen lagen in den von Rebellen kontroUierten Regionen auf einem weitaus hoherem Niveau als in anderen Teilen des Landes. Der andere Grund fiir die Schwachung der Naxaliten lag darin, dass viele der Kampfer, einem Rehabilitierungsangebot der Regierung folgten und die Reihen der Rebellen verlieBen. Neben garantierter Straffreiheit, Beschaftigung, Unterbringung und monatlichen Entschadigungszahlungen wird gegen Ablieferung der Waffe ein Betrag zwischen umgerechnet 100 und 1.000 Euro an Aussteiger gezahlt, was gemessen am durchschnittlichen pro Kopf Einkommen der armeren Bevolkerungsschichten von umgerechnet einem Euro am Tag eine nicht unbetrachtliche Summe darstellt. In den vergangenen fiinf Jahren sollen insgesamt 3.800 Naxaliten gefangen genommen oder ubergelaufen sein. Nach Regierungsangaben haben allein im Berichtsjahr knapp 500 Rebellen die Reihen der Naxaliten verlassen. Wie schon im September 2003 sind im Februar des Berichtsjahres Friedensgesprache zwischen der Regierung Andhra Pradeshs und den Naxaliten, damals der PWG - heute der C?\-Maoist, gescheitert. Beide Konfliktparteien begrundeten das Scheitem mit angeblicher Kompromisslosigkeit der Gegenseite und warfen einander vor, den vereinbarten Waffenstillstand gebrochen zu haben. Seitdem vertibten naxalitische Rebellen wieder verstarkt Anschlage gegen Infrastruktureinrichtungen und Sicherheitskrafte. Letztere haben ihre Taktik geandert: Versuchten sie Mher einzelne Rebelleneinheiten zu isolieren, um sie dann zu bekampfen, drangen sie nun weit in von Naxaliten kontrollierte Gebiete vor. Dabei sind sie eigenen Angaben zu Folge auf kleinere Waffen- und Munitionsfabriken gestoBen. Im Laufe des Jahres 2005 haben die Rebellen allem Anschein nach die beiden Kampfgebiete im Norden und im Osten durch einen Korridor miteinander verbinden konnen. Neben der taktischen kommt dem eine groBe psychologische Bedeutung zu: Zwischen den ostlichen Regionen Indiens und dem Rest des Landes besteht nun keine Verbindung mehr, die nicht durch vom Konflikt betroffene Regionen fuhren wiirde. Damit ist die CVl-Maoist ihrem Ziel, das zusammenhangende Kampfgebiet der CRZ zu schaffen, einen Schritt naher gekommen. So wurde angeblich auch die Grenze zwischen Nepal und Indien im Berichtsjahr regelmaBig von nepalesischen wie naxaliti-
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schen Rebellen tiberquert. Zusatzlich zu Bihar agierten die Naxaliten vor allem in Andhra Pradesh, Chhattisgarh, Jharkhand, Orissa und Maharashtra. Diese Staaten bilden ein zusammenhangendes, tief ins Landeszentrum reichendes sichelformiges Gebiet. Es grenzt im Osten ans Meer und zieht sich bis zur nordlichen Landesgrenze hinauf. Die jeweiligen Landesregierungen planten daraufhin die Einrichtung einer gemeinsamen Spezialtruppe zur Bekampfung der Naxaliten. Zu Uberfallen und Anschlagen kam es auBerdem in den angrenzenden Regionen West Bengalens, Uttar Pradeshs, Tamihiadus, Uttaranchals, Keralas, Kamatakas und Madhya Pradeshs. Sollten sich die Aktivitaten in Kerala, Tamikiadu und Kamataka intensivieren, so durchzoge der Korridor der Naxaliten Indien bald von der Siidspitze bis zur nordlichen Grenze. Trotz dieses Vormarsches haben die Gewalthandlungen im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich zugenommen: Die Angaben uber die Zahl der Todesopfer schwanken zwischen 400 und 750 Menschen bei rund 2.500 Zwischenfallen. In der wohl groBten Aktion seit Ausbruch des Krieges iiberfielen mehr als 1.000 Naxaliten im November die Polizeistation des in Bihar gelegenen Distriktes Jehanabad. Dort befreiten sie knapp 350 Anhanger aus dem ortlichen Gefangnis, toteten mehrere Polizisten und erschossen in dem Gefangnis einsitzende Miglieder der Ranvir Sena. Neben den bewaffheten Auseinandersetzungen trat 2005 eine neue Entwicklung in Erscheinung: In dem in Chhattisgarh gelegenen Bastar formierten sich seit Juni Bauem mit tribalem Hintergrund in den von Naxaliten kontrollierten Gebieten zu einer friedlichen Protestbewegung mit dem Titel Salva Judum (Friedensmission). Ausgelost wurden die Proteste dadurch, dass die Naxaliten den ortsansassigen Bauem das Sammeln und den Verkauf von Tendublattem verboten. Diese werden in Siidostasien zur Zigarettenherstellung verwendet. Der Handel mit den Blattem ist die einzige Einnahmequelle in diesem Teil Bastars - eine Einnahmequelle, welche die Naxaliten selbst auszuschopfen gedachten. Damit haben sie sich erstmals in direkte Konkurrenz zur Landbevolkerung begeben. Die mittlerweile in 250 von knapp 4.000 Dorfem in der Region aktive Salva Judum defmiert sich iiber die eigene tribale Tradition und Kultur, die sich in vielerlei Hinsicht von der maoistischrevolutionaren Ideologic der Naxaliten unterscheidet. An der Spitze der Bewegung steht ein Mitglied des Indian National Congress (INC), der gegenwartig starksten Kraft in der indischen Regierungskoalition. Sie wird von der Regierung mit zahheichen SchutzmaBnamen und angeblich auch Waffen untersttitzt. Aus Angst vor VergeltungsmaBnamen sind aus den betroffenen Gebieten mittlerweile mehrere tausend Menschen geflohen. Ob dieser Protest den RepressionsmaBnahmen der Naxaliten standhalten oder sich gar auf andere Regionen ausweiten wird, bleibt abzuwarten. Raphael van Riel
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Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Duyker, Edward: Tribal Guerillas. The Santals of West-Bengal and the Naxalite Movement, Oxford 1987 Mallik, Ross: Indian Communism. Opposition, Collaboration and Institutionalization, New Delhi u.a. 1994 Mhra, Ajay K.: Naxalism in India. Revolution or Terror?, in: Terrorism and Political Violence 12/2 (2000), S. 37-66 Ramana, P.V.: Internal and International Linkages of Naxalites, in: Dialogue (6) 2005: http ://www. asthabharati.org/Dia_Apr05/ramana.htm Ramana, P.V.: Left-Wing Extremism in India, in: Sengupta, D. (Hrsg.): Terrorism in South Asia, New Delhi 2004 Ray, Rabindra, The Naxalites and Their Ideology, Oxford 1988 Toepfer, Eric: Ein vergessener Biirgerkrieg, in: antimilitarismus informationen 28/7 (1998), S.41-45 Wilke, Boris: Krieg auf dem indischen Subkontinent. Strukturgeschichtliche Ursachen gewaltsamer Konflikte in Indien, Pakistan und Bangladesh (Forschungsstelle Kriege, Rtistung und Entwicklung, Institut flir Politische Wissenschaft, Universitat Hamburg, ArbeitspapierNr.1/1997), Hamburg 1997 http://www.cpiml.org (CPI(ML), von der sich die Naxaliten in den spaten 1960er Jahren abgespalten haben) http://www.hindu.com (Zeitung) http://www.hindustantimes.com (Zeitung) http://www.ipcs.org (Indisches Institute for Peace and Conflict Studies) http://www.manujfeatures.com (Seite der Joumalistenhochschule MCNUJ) http://www.outlookindia.com (Zeitung) http://www.rediff com (indischer Informationsdienst) http://www.sair.com (South Asia Intelligence Review) http://www.suedasien.net (Entwicklungspolitische NGO) http://www.sunnetwork.org (Informationsdienst)
Indien (Tripura) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1999 B-2 NLFT-N, NLFT-B, ATTF, IFMOT, IPTA / Indien
Wahrend es im Jahr 2004 zum ersten Mai emstzunehmende Friedensgesprache zwischen der indischen Zentrah-egierung, der tripurischen Unionsstaatsregierung und der Fraktion der National Liberation Front of Tripura unter Nayanbashi Jamatiya (NLFT-N) gab, setzten sich die bewafftieten Auseinandersetzungen mit der NLFT-Fraktion unter Biswamohan Dabbarma (NLFTB) und der All-Tripura Tiger Force (ATTF) auch im Jahr 2005 in Tripura fort. Die NLFT-N war an den Kampfhandlungen im Wesentlichen nicht beteiligt, drohte aber, die Waffen wieder aufzunehmen, sollte der indische Staat seinen Forderungen nicht nachkommen.
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Tripura war wahrend der Kolonialzeit eine separate administrative Einheit imter britischer Oberhoheit. Nach der Unabhangigkeit 1947 wurde es Teii der Indischen Union und die Zentralregierung ubemahm die Verwaltung. Erst 1972 erhielt es den Status eines eigenstandigen Unionsstaates. Als erste Region des indischen Nordostens erlebte Tripura bald nach der indischen Unabhangigkeit eine massive demographische Veranderung, die den Unionsstaat zum Menetekel der gesamten Region werden lieB. In den 1950er Jahren kamen in groBer Zahl bengalische Fliichtlinge aus Ostpakistan, dem heutigen Bangladesch, nach Tripura, wodurch der Anteil der tribalen Bevolkerung, der vor der Unabhangigkeit noch bei iiber 50 Prozent gelegen hatte, bis 1981 auf rund 25 Prozent sank. Die folgende wirtschaftliche und politische Marginalisierung der autochthonen Bevolkerung hatte vielfaltige Ursachen: Um die Integration der Bengalen voranzutreiben, unterstutzte die Regierung die Ansiedlung der sesshaften Ackerbau betreibenden Einwanderer auf dem Land, das die „scheduled tribes" traditionell fiir ihren Wanderfeldbau nutzten. Die Fltichtlinge waren im Durchschnitt gebildeter und besetzten bald den tertiaren Sektor und wichtige politische Amter. SchlieBlich begannen die politischen Parteien mit wachsender Zahl der Bengalen hauptsachlich um deren Stimmen zu konkurrieren, wodurch die Interessen der tribalen Gruppen noch weiter ins Hintertreffen gerieten. Die sukzessive Ubemahme wirtschaftlicher und politischer Macht durch die bengalischen Zuwanderer trieb die Verarmung und Marginalisierung der tribalen Bevolkerung voran. 1978 griindeten Mitglieder radikaler tribaler Studentenorganisationen mit den Tripura National Volunteers (TNV) die erste wichtige Gruppe im Kampf fiir einen unabhangigen Staat Tripura. Nachdem sie den Indian National Congress (INC) 1988 mittels „bewaffiieter Propaganda" bei der tJbemahme der Regierungsgewalt im Unionsstaat unterstutzt hatten, kam es zur Unterzeichnung eines Friedensabkommens zwischen den TNV, der Regierung Tripuras und der Zentralregierung, in dessen Zuge die meisten TNV-Mitglieder die Waffen niederlegten und Amter in der Administration Tripuras tibemahmen. In der Folgezeit bezahlten die politischen Parteien Tripuras zunehmend militante Gruppen, um die jeweils an der Macht befindlichen Parteien unter Druck zu setzen und den Ausgang von Wahlen zu beeinflussen. Die ATTF, die 1990 von ehemaligen TNV-Rebellen mit der Begrundung gegrundet wurde, die Regierung habe die vereinbarte Riickgabe tribalen Landes nicht umgesetzt, wurde in der Vergangenheit von der Communist Party of India (Marxist) (CPI(M)) unterstutzt. Der INC stand hingegen in enger Verbindung zu der 1989 ebenfalls von Ex-TNV-Kampfem gegriindeten NLFT, die in den 1990er Jahren zur gewaltsamsten Gruppierung in Tripura avancierte. Die Bindungen der Gruppierungen an die politischen Parteien haben sich jedoch mit der voranschreitenden Diversifizierung ihrer Einkommensquellen allmahlich gelockert und so haben die Rebellengruppen bezUglich ihrer Mit-
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glieder und Zielsetzungen kaum noch etwas mit ihrer Vorgangerorganisation gemeinsam, sondem sind vielmehr als eigenstandige Akteure zu verstehen. Die tripurischen Rebellengmppen finanzierten sich, neben geheimen Zuwendungen der politischen Parteien, durch Einnahmen aus Entfuhrungen, der „Besteuerung" der Bevolkemng, Schutzgeldererpressungen und der gewaltsamen Kontrolle der wirtschaftlich bedeutenden Hauptverkehrsader zwischen Guwahati und der Hauptstadt Agartala. Eine weitere Einnahmequelle war die Produktion von Pomofilmen. Rebellen der NLFT zwangen entfuhrte Frauen und Manner, am Dreh der Filme teilzunehmen, die dann in Indien und in den Nachbarstaaten verkauft wurden. Die zwischen der ATTF und der NLFT bestehende Feindschaft ist auf die Konkurrenz ihrer Anfiihrer um Macht und kriegsokonomische Einkommensquellen, zum Teil aber auch auf ideologische Differenzen zuruckzufiihren. Die Spaltung der NLFT im Jahr 2001 war - abgesehen vom Machtstreben konkurrierender Fraktionen - darauf zunickzufiihren, dass die NLFT-B unter Biswamohan Debbarma die Stammesbevolkerung gewaltsam zum Christentum bekehren wollte, da das Praktizieren des Hinduismus zur Marginalisierung der autochthonen Bevolkemng beigetragen habe. Die NLFT-N unter der Fuhrung von Nayanbashi Jamatiya lehnte dies indes ab. Eine weitere Spaltung erfuhr die NLFT im Juni 2003, als Biswamohan Debbarma seines Amtes enthoben und Montu Koloi als Fuhrer dieser Gruppe eingesetzt wurde. Daraufhin errichtete Debbarma mit seinen Anhangem ein eigenes Lager an der Grenze zu Bangladesch. Am 15. April 2004 einigten sich zum ersten Mai Fuhrer zweier Fraktionen der NLFT mit der indischen Zentralregierung in New Delhi auf die Aufnahme von Friedensverhandlungen und auf ein Waffenstillstandsabkommen. Beteiligt waren die NLFT-N und die unter der Leitung von Montu Koloi stehende kleinere Gruppe der NLFT. Dies waren die ersten Friedensgesprache seit Bestehen der NLFT, die wahrscheinlich auf eine Schwachung der Gruppen durch die Spaltungen und zahheiche Desertionen sowie eine schwindende Unterstiitzung aus der Bevolkemng zunickzufiihren sind. Als Bedingungen fiir den Friedensprozess wurden ein politisches Amt fiir Nayanbashi Jamatiya sowie eine Amnestic fiir alle NLFT-N-Rebellen und fiir Rahid Mian, einen Abtriinnigen der paramilitarischen Tripura State Rifles (TSR), gefordert. Mit Ausnahme der letzten Fordemng wurden die Losungsvorschlage von der indischen Regierung bisher nicht offiziell abgelehnt. Vier formale Verhandlungsmnden und zahlreiche informelle Gesprache fiihrten am 17. Dezember 2004 zur Unterzeichnung eines Memorandums zwischen der Zentrahegierung, der Unionsstaatsregiemng und der NLFT-N in New Delhi. Die NLFT-N sagte zu, der Gewalt zukunftig abzuschworen, ihre Waffen abzugeben und sich in die Gesellschaft zu integrieren. Im Gegenzug versprach die indische Regiemng die Einrichtung von Entwicklungsfonds fiir die Gebiete der „scheduled tribes" und spezielle Rehabilitations-
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programme fiir ehemalige NLFT-N-Rebellen. Femer sicherte die Regierung Tripuras, die derzeit von der CFI(M) gefiihrt wird, den NLFT-N-Rebellen Straffreiheit zu, woraufhin sich 138 Mitglieder der NLFT-N am 25. Dezember 2004 der Polizei in der tripurischen Hauptstadt Agartala ergaben. Bereits im Mai 2004 stellten sich 72 NLFT-Rebellen der Gruppe um Montu Koloi den Behorden und schworen dem indischen Staat in einer Zeremonie die Treue. Dagegen verurteilte eine Gruppe von 50 Personen unter der Fiihrung von Joshua Debbarma, die schon am 2. Marz 2004 die NLFT-N aufgrund von Differenzen uber die Friedensverhandlungen mit der Regierung verlassen hatte, die Friedensversuche ebenso, wie die groBere Gruppe der NLFT-B um Biswamohan. Die ATTF stellte fur ihre Teilnahme an Friedensgesprachen drei Vorbedingungen: All denjenigen, die nach 1949 in Tripura einreisten und deren Namen nicht in den Wahlerlisten von 1952 verzeichnet sind, soil die Staatsburgerschaft aberkannt werden. Die Frage der Souveranitat soUe eine Rolle in den Friedenverhandlungen spielen und zudem ein Reprasentant der Unrepresented Nations and Peoples Organization (UNPO) wahrend der Verhandlungen anwesend sein. Bisher gab es jedoch keine weiteren Fortschritte in den Friedensverhandlungen mit der ATTF. Die bewaffiieten Ubergriffe der NLFT-N nahmen 2005 drastisch ab, wahrend die der ATTF und der NLFT-B weiterhin anhielten. Geruchte, dass der Anfiihrer der NLFT-N, Nayanbashi Jamatiya, nicht an der letzten Verhandlungsrunde teilgenommen, sondem sich nach Bangladesch abgesetzt habe, um dort eine neue Bewegung ins Leben zu rufen, erharteten sich 2005. So drohte er der Regierung Tripuras, den bewaffiieten Kampf mit seiner neu formierten Bewegung Indigenous Freedom Movement of Tripura (IFMOT) fortzufuhren, sollte die Regierung Tripuras ihm kein politisches Amt zuteilen. Unterschiedlichen Angaben zufolge naherte sich Nayanbashi Jamatiya im Berichtsjahr den Ftihrungen von NLFT-B und ATTF an, um sich zu einer Allianz unter der Bezeichnung Indigenous People's Triple Alliance (IPTA) zusammenzuschlieBen. Die Zahl der jahrlichen Todesopfer hat seit 2000 sukzessive abgenommen. Kamen 2004 mindestens 120 Menschen ums Leben, waren 2005 weniger als 60 bei gewaltsamen Auseinandersetzungen getotet worden. Seit 1980 kamen bei Kampfen und Uberfallen in Tripura insgesamt mehr als 4.000 Menschen ums Leben, ebenso viele wurden entfuhrt. Die Rebellen waren im Berichtsjahr in alien vier Distrikten Tripuras aktiv, wobei die meisten Uberfalle in Westtripura stattfanden, wo auch die Hauptstadt Agartala liegt. Die Polizei in Tripura hatte ihre Bekampfiingsstrategie gegen die militanten Gruppen reorganisiert. Dazu wurden die Polizeieinheiten sowohl innerhalb Tripuras als auch an der Grenze zu Bangladesch verstarkt, was einen Rixckgang der bewaffiieten Auseinandersetzungen, Entfilhrungen und Schutzgelderpressungen zur Folge hatte. So verliefen auch die Wahlen fur den Tripura
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Tribal Area Autonomous District Council (TTAADC) am 5. Marz 2005 relativ ruhig. TraditionsgemaB hatten die Rebellengruppen die TTAADC-Wahlen genutzt, um Wahler zu terrorisieren, Kandidaten zu entfixhrten oder zu toten sowie den gesamten Wahlprozess zu unterminieren. Im Berichtsjahr jedoch wurde nur iiber einen bewaffheten Zwischenfall berichtet, als eine Polizeieinheit bei der Eskorte von Wahlzetteln am 6. Marz im Dhalai-Bezirk in einen Hinterhalt geriet. Dabei wurde ein Polizist getotet. Tripura hat sich mittlerweile zu einem Korridor entwickelt, durch den Waffen aus sudostasiatischen Staaten in die gesamte Nordostregion Indiens gelangen. So wurde es eine Leichtigkeit fiir die Rebellengruppen sich Waffen zu beschaffen. Dariiber hinaus erleichterte die durchlassige Grenze zu Bangladesch den Rebellen die Nutzung des Nachbarlandes als Rtickzugsgebiet. Indien gab an, dass bis zu 45 Lager in Bangladesch zu verorten seien, was allerdings von Bangladesch immer wieder dementiert wurde. Die Errichtung eines Stacheldrahtzaunes entlang der 856 Kilometer langen Grenze zwischen Tripura und Bangladesch, der sowohl die Bewegungsfreiheit und Infiltration der Rebellen, illegale Einwanderung sowie den Schmuggel verringem soil, kam dagegen nur langsam voran. Im Dhalai-Distrikt, nahe der Grenze zu Bangladesch, kam es am 10. Mai zu einem bewafftieten Ubergriff auf zwei Dorfer seitens der NLFT-B. Die Mehrheit der Dorfbewohner weigerte sich, Abgaben an die NLFT zu zahlen und toteten den „Steuereintreiber". Daraufhin toteten 15 NLFT-Rebellen in der Nacht zum 11. Mai mindestens fiinf Dorfbewohner und setzten zahlreiche Hauser in Brand. Bevor indische Sicherheitskrafte eintrafen, konnten die Rebellen zuriick zu ihrem Lager bei Laifung Tuicha in Bangladesch fliehen. Bangladesch beharrt auf einem Abkommen aus dem Jahr 1975, wonach Zaunanlagen 150 Meter von der Grenzlinie entfemt sein miissen. Demnach wiirden Hunderte von Familien ihre Hauser und Felder verlieren, die zwischen dem Zaun und der Grenze liegen. Dieses fiihrte bereits zum Unmut vieler in dem Grenzgebiet lebender Landwirte, die einen drastischen Rtickgang ihrer Geschafte befurchteten, den die indische Regierung womoglich nicht ausgleichen konnte. Die Beziehungen zwischen den Regierungen Indiens und Bangladeschs wurden im Berichtjahr auf eine harte Probe gestellt. Am 16. April kam es zu einem fiinfstiindigem Feuergefecht zwischen den Bangladesh Rifles (BDR) und der indischen Border Security Force (BSF). Dabei kam ein BSF-Offizier ums Leben und zwei indische Soldaten und ein Zivilist wurden verletzt. Drei Tage spater wurde ein Bangladeschi nahe des Grenzpostens Bilaschara von der BSF getotet, als nach indischen Angaben eine bewaffhete Gruppe versuchte nach Tripura einzudringen. Diese beiden Ereignisse fuhrten zu einer nachtlichen Ausgangssperre entlang der Grenze. Die schlechte okonomische Lage Tripuras und die profitablen kriegswirtschaftlichen Strukturen stehen einer Deeskalation und Demilitarisierung in der Region im Wege. Femer konnten sich die Rebellengruppen und die indi-
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sche Regienmg bislang nicht liber Friedensverhandlungen verstandigen. Eine Fortfuhrung der bewaffiieten Auseinandersetzungen ist daher auch fiir das Jahr 2006 zu erwarten. Dagmar Ihlau Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Syamal Kumar, Ray: India's North-East and the Travails of Tripura, Kalkutta 2003 Verghese, B.G.: India's Northeast Resurgent. Ethnicity, Insurgency, Governance, Development, 2. Auflage, New Delhi 2002 http://www.geocities.com/CapitolHill/Congress/3519 (Tripura Peoples' Democratic Front) http://www.ipcs.org (Institute for Peace and Conflict Studies, New Delhi) http://www.saag.org (South Asia Analysis Group) http://www.satp.org (South Asia Terrorism Portal des Institute for Conflict Management) http://www.tripura.nic.in (Regierung Tripuras) http://www.tripurapolice.nic.in (Polizei Tripuras)
Indonesien (Aceh) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1999 B-2 GAM / Indonesien
Die Sicherheitslage in der nordwestindonesischen Region Aceh hat sich seit Ende 2004 zunehmend stabilisiert. Am 15. August des Berichtsjahres unterzeichneten Vertreter der Separatistenbewegung Gerakan Aceh Merdeka (GAM, Bewegung Freies Aceh) und der indonesischen Zentralregierung unter Vermittlung des finnischen Prasidenten Martti Ahtisaari in Helsinki eine Friedensakte. Die GAM-Delegation verzichtete dabei auf eine vollstandige Unabhangigkeit und akzeptierte stattdessen eine Form von lokaler Selbstregierung und die Garantie, eine politische Partei griinden zu durfen. Bisher verlief die Entwaffiiung der Rebellenarmee ohne Zwischenfalle und auch die Streitkrafte der indonesischen Zentralregierung begannen Ende September 2005 mit dem Abzug aus der Region Aceh. Aceh gilt seit Jahrzehnten als einer der groBten Konfliktherde Indonesiens: Die GAM, die auch unter dem Namen Aceh Sumatra National Liberation Front (ASNLF) agierte, kampfte fiir einen unabhangigen Staat Aceh. Gleichzeitig versuchte die Regierung, den politischen Zerfall Indonesiens mit seinen mehr als 220 Millionen Einwohnem zu verhindem und religios oder separatistisch motivierte Gewalt zu bekampfen. Die von einer lokalen Form des Islam gepragte GAM setzte sich gegen die vermeintliche Bedrohung der Religion und Kultur Acehs durch javanische Migranten und die als neokolonialistisch empfundene Politik Jakartas zur Wehr. Gerade die ungleiche Ver-
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teilung der natiirlichen Reichtumer der Region wurde von vielen Bewohnem Acehs als diskriminierend empfunden. Wahrend in Aceh mit etwa 4 Millionen Einwohnem nur ungefahr zwei Prozent der Gesamtbevolkerung Indonesiens leben, stammt etwa ein Drittel der indonesischen Erdgasausfuhren aus dieser Provinz. Vorkommen an Gold, Kupfer und Holz werden ebenfalls in groBen Mengen abgebaut und vor der Ostktiste liegen bedeutende Erdolfelder. Aufgrund der zentralstaatlichen Strukturen blieb die Region allerdings von der Nutzung ihres Ressourcenreichtums ausgeschlossen. Die einheimische Bevolkerung erhielt lediglich indirekt einen geringen Anteil der Einnahmen und als Arbeitskrafte wurden zumeist Javanesen eingestellt. Autonomiebestrebungen und der Versuch, ein islamisches Rechtssystem in Aceh einzufiihren, hatten sich bereits vor der Entstehung der GAM in der Unterstiitzung fur die Darul-Islam-Bewegung in den 1950er Jahren geauBert. Seit 1959 besaB die Provinz zwar einen speziellen Status, der islamische Traditionen und Gesetze bevorzugte. Als in den 1970er Jahren allerdings die Zentralisierungstendenzen unter Suharto deutlich hervortraten, begann sich die GAM zu formieren, zunachst ohne groBeren Riickhalt in der Bevolkerung. Im Jahre 1976 erklarte die Separatistenbewegung die Unabhangigkeit Acehs und bewaffiiete Auseinandersetzungen begannen. Zunachst verlief der Guerillakrieg fur die GAM erfolglos und den Regierungstruppen gelang es, die Bewegung bis 1977 nahezu vollstandig zu vemichten. Allerdings wurde die GAM in den 1980er Jahren durch Libyen und den Iran unterstutzt und konnte ihre Aktivitaten emeuem. Erst durch Repressionen der Regierung erhielten die Separatisten eine umfassendere Unterstiitzung aus der Bevolkerung. Von 1991 bis 1995 besaB die Region den Status eines „Militarischen Operationsgebietes". SchlieBlich verktindete die Regierung 1996 emeut das vermeintliche Ende der GAM und zunachst schienen gewaltsame UnterdriickungsmaBnahmen die Separatisten in Aceh unter Kontrolle zu halten. Der seit 30 Jahren mit wechselnder Intensitat andauemde Konflikt, in dem zwischen 12.000 und 15.000 Menschen getotet wurden, eskalierte emeut wahrend der politischen Instabilitat Indonesiens nach dem Sturz des Prasidenten Suharto im Mai 1998. Der politische Wechsel stellte auch die gesamte gesellschaftliche Ordnung und deren Machtgefuge in Frage. Wahrend seiner 32-jahrigen Herrschaft hatte Suharto wesentliche Bereiche des politischen Systems und der okonomischen Ordnung auf sich ausgerichtet: Die Wirtschaft war in weiten Teilen von einem umfassenden Patronagesystem bestimmt, in dessen auf Verwandtschaft und personlichen Verpflichtungen basierenden Strukturen Suharto den Mittelpunkt bildete. Besonders betroffen vom Sturz des Suharto-Regimes war das Militar, das den wichtigsten kollektiven Akteur des Landes darstellte. Vor allem die Landstreitkrafte iibten auch umfassende innenpolitische KontroUaufgaben aus und bildeten einen integralen Bestandteil der zivilen Btirokratie und des okonomischen Systems.
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Der Bedeutungsverlust des Militars fand im August 1998 in der Aufhebung des militarischen Ausnahmezustandes in Aceh seinen besonderen Ausdruck und lieB Raum fflr Demonstrationen und Aktionen zivilen Ungehorsams, die das Konfliktgeschehen in Aceh in dieser Phase noch dominierten. Die Unabhangigkeitsentwicklungen in Osttimor verhehen den Aktionen zusatzlichen Auftrieb. Das gewaltsame Vorgehen von Armee und Polizei gegen die Bevolkerung Acehs forderte schlieBlich zusatzlich die Wiederaufnahme militarischer Aktionen durch Rebellen. Diese veriibten im Wesentlichen Anschlage auf zentralstaatliche Institutionen und Sicherheitskrafte sowie auf Zivilisten. Die Sicherheitskrafte verstarkten ihrerseits ihr Vorgehen gegen die Aufstandischen und gegen die Zivilbevolkerung. Im Jahre 1999 uberschritten die Auseinandersetzungen emeut die Kriegsschwelle. Die direkten Kampfhandlungen und gegenseitigen Anschlage intensivierten sich weiter. Das Ziel, die GAM militarisch zu zerschlagen, war seit der Amtsiibemahme von Megawati Sukarnoputri wieder integraler Bestandteil der indonesischen Politik in Aceh geworden. Nach ihrer Amtseinflihrung 2001 hatte die Prasidentin betont, dass eine Abspaltung vom Zentralstaat nicht infrage komme. Mit der Gewahrung weit reichender religioser und okonomischer Autonomierechte ftir Aceh versuchte die Zentralregierung gleichzeitig, der Guerilla die Unterstiitzung der Zivilbevolkerung zu entziehen. Allerdings blieben weiterhin mindestens 20.000 Soldaten und 8.000 Polizisten in Aceh stationiert. Die GAM ihrerseits hielt unverandert an ihrem Maximalziel der staatlichen Unabhangigkeit Acehs fest und war sich darin mit dem groBten Teil der Bevolkerung Acehs einig. Seit 2000 war es der GAM gelungen, in Teilen Acehs eine Parallelverwaltung aufzubauen und damit ihre soziale wie okonomische Basis zu konsolidieren. Ab 2001 hauften sich Berichte iiber Zwangsabgaben und autoritare Herrschaftsmethoden der GAM. Ein Friedensabkommen nahrte im Jahr 2002 kurzzeitig die Hofftiung auf ein Ende des Krieges: Nachdem die GAM das Angebot eingeschrankter Autonomierechte zuerst abgelehnt hatte, brachte sie ein Ultimatum der Regierung an den Verhandlungstisch. Am 9. Dezember 2002 wurde ein Friedensabkommen unterzeichnet, das drei Phasen zur Beendigung des Konfliktes vorsah: Zuerst sollten die Kampfe eingestellt werden. Danach sollten die Rebellen ihre Waffen abgeben und sich die indonesischen Streitkrafte in eine defensive Position zuruckziehen. SchlieBlich sollte eine Regionalregierung gewahlt werden, welche dann iiber bis zu 70 Prozent der staatlichen Einnahmen aus 01 und Gas verfugen sollte. Das Abkommen scheiterte jedoch an der geplanten Entwaffhung der GAM-Kampfer und dem Rtlckzug der Armee, vor allem aber an den offenbar unvereinbaren Positionen von Rebellen und Regierung in der Frage der Unabhangigkeit Acehs. Am 20. Mai 2003 verhangte die indonesische Regierung das Kriegsrecht iiber Aceh und leitete mit 35.000 Soldaten ihre groBte militarische Offensive seit der Besetzung Ostti-
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mors 1975 ein. Im November 2003 wurden der Status des Kriegsrechts und die Militaroperation um weitere sechs Monate verlangert. Nach Angaben des indonesischen Militars wurden seit Begimi der GroBoffensive im Mai 2003 mehr als 2.000 vermeintliche Rebellen getotet, bis zu 5.000 weitere sollen festgenommen worden sein. Die Aussetzung des Kriegsrechts in Aceh am 19. Mai 2004 kann zumindest mittelbar der Prasidentschaftswahl im Juli zugerechnet werden. Nachdem die Indonesier bei der Parlamentswahl im April zugunsten der ehemaligen Staatspartei Golkar ihre Unzufriedenheit mit der regierenden Partai Demokrasi Indonesia - Perjuangan (PDI-P, Demokratische Partei Indonesiens fur den Kampf) und dadurch vor allem mit Prasidentin Sukarnoputri ausgedriickt batten, drohte dieser eine weitere Niederlage. Im neuen Status des zivilen Ausnahmezustands stand die Provinz offiziell nicht mehr unter militarischer Ftihrung, sondem wurde ab 7. Juni von einem von der Zentralregierung eingesetzten Gouvemeur verwaltet. Trotzdem ktindigte Sukarnoputri an, die Militaraktion gegen die Rebellen weiterzufuhren. GroBere Stadte und wichtige Verkehrsverbindungen wurden zwar nicht mehr von Rebellen kontrolliert, die GAM-Kampfer batten sich aber ins Hinterland zuruckgezogen, wo die Auseinandersetzungen weitergefuhrt wurden. Die indonesischen Streitkrafte sollten demnach weiter in der Provinz verbleiben; Mitte 2004 befanden sich noch mehr als 35.000 Soldaten und etwa 2.000 Polizeikrafte in Aceh. Bei der ersten du-ekten Prasidentschaftswahl Indonesiens unterlag Amtsinhaberin Sukarnoputri in der Stichwahl am 20. September gegen Susilo Bambang Yudhoyono, obwohl mit der Staatspartei Golkar und der PDI-P die beiden groBten politischen Krafte des Landes eine Allianz gegen den fhiheren General gebildet batten. In Aceh war der Unterschied der beiden Kontrahenten noch deutlicher: Mehr als drei Viertel der Stimmen gingen an Yudhoyono. Seit Ende 2004 zeichneten sich massive Veranderungen im Konflikt um Aceh ab. Grund dafar waren vor allem der Tsunami im Indischen Ozean Ende Dezember sowie eine allgemein groBere Verhandlungsbereitschaft der neuen Regierung Yudhoyono in der Aceh-Frage. Die Auswirkungen der Naturkatastrophe waren verheerend: Schatzungen zufolge hatte allein die Region Aceh mindestens 128.000 Tote zu beklagen, 400.000 Menschen wurden obdachlos. Als unmittelbare Reaktion auf den Tsunami erklarten beide Seiten einen inoffiziellen Waffenstillstand und ihre Bereitschaft, wieder an den Verhandlungstisch zurtickzukehren. Am 17. Januar begannen Friedensverhandlungen. Allerdings kam es auch noch bis Mitte 2005 zu bewaffiieten ZusammenstoBen, bei denen nach Angaben des indonesischen Militars mehrere hundert Rebellen getotet wurden. Die lokale Presse geht von etwa 1.000 getoteten Rebellen und Sympathisanten aus. Uber indonesische Verluste liegen keine Zahlen vor. Einige Bereiche Acehs wurden zu Sperrgebieten erklart und der Zugang blieb Joumalisten und Hilfsorganisationen verwehrt.
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Grundsatzlich unterstutzte die Regierung in Jakarta jedoch die intemationalen HilfsmaBnahmen fiir Aceh. Die Verhandlungen unter finnischer Vermittlung drohten zunachst an der Frage der politischen Representation zu scheitem: Die indonesische Regierung wollte den Aceh nur erlauben, Kandidaten innerhalb existierender gesamtstaatlicher Parteien aufzustellen, die GAM forderte jedoch das Recht auf die Griindung einer eigenen regionalen Partei. Auch waren auf beiden Seiten groBe Vorbehalte wegen des gescheiterten Friedens vom Dezember 2002 vorhanden. Allerdings befand sich diesmal die GAM in einer deutlich schwacheren Position, da Flutkatastrophe und die GroBoffensive von 2003 der Bewegung deutlich zugesetzt hatten und ihre mittlere FUhrungsebene stark dezimiert worden war. Zurzeit ist von weniger als 1.000 bewaffiieten Kampfem auszugehen. Eine Exit-Strategie wirkte fur die GAM umso attraktiver. Am 15. Juli des Berichtsjahres gelang dann bei den Verhandlungen in Helsinki der Durchbruch und ein Friedensvertrag konnte einen Monat spater, am 15. August, unterzeichnet werden. Die GAM erklarte sich in der Friedenstibereinkunft dazu bereit, statt vollstandiger Unabhangigkeit lokale Selbstregierung und weitgehende Autonomic zu akzeptieren. Gleichzeitig wurde den Aceh die Griindung einer eigenen politischen Partei zugestanden. Femer sollte eine Generalamnestie fur die Rebellenkampfer in Kraft treten, eine neue Gesetzgebung fur Aceh eingefuhrt werden und der Abzug der Regierungstruppen beginnen. Im Gegenzug wurden die Kampfer der GAM verpflichtet, ihre Waffen abzugeben. Der Friedensprozess unterlag fortan der Uberwachung durch die EU und die Association ofSouth-East Asian Nations (ASEAN). Am 15. September begannen die Rebellen mit der Ubergabe eines Viertels ihrer Waffen an intemationale Beobachter. Der Rest der Waffen musste bis zum Ende des Jahres iibergeben und zerstort werden. Gleichzeitig begann die indonesische Armee mit ihrem Abzug aus Aceh. Bis zum 20. Dezember des Berichtsjahres wurden bereits mehr als die Halfte der in Aceh stationierten 30.000 Soldaten und 15.000 Polizeikrafte verlegt. GemaB der Vereinbarung von Helsinki sollen lediglich 14.700 Soldaten und 9.100 Polizisten zuriickbleiben, die sich aus der lokalen Bevolkerung zusammensetzen. Die Demobilisierung und Entwaffiiung ist in Aceh seit Mitte August ohne groBere Zwischenfalle vonstatten gegangen und konnte bis zum 19. Dezember erfolgreich abgeschlossen werden. Auf beiden Seiten ist eine deutliche Bereitschaft zum Frieden vorhanden. Die GAM hat am 27. Dezember die Auflosung ihres militarischen Fliigels bekannt gegeben und versteht sich fortan als politischer Akteur. Ein kritischer Punkt ist noch die Entwaffhung der etwa 10.000 regiemngstreuen Milizionare, die sich in Aceh aufhalten und die im Friedensvertrag von Helsinki nicht explizit beriicksichtigt wurden. Von Seiten der Separatisten wird es schon allein aufgrund fehlender Mittel mit groBer Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu bewaffiieten Operationen kommen. Die Bedingungen fiir eine dauerhafte Beilegung des Konfliktes sind
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gtinstig, da intemationale Organisationen wie die EU und die ASEAN den Friedensprozess uberwachen und bereits im Friedensvertrag vom August MaBnahmen fur eine Aufarbeitung des Konfliktes, wie etwa die Einrichtung eines Gerichtshofes fiir Menschenrechte und einer Wahrheitskommission, vorgesehen sind. Klaas VoB Weiterflihrende Literatur und Informationsquellen: Bertrand, Jacques: Nationalism and Ethnic Conflict in Indonesia, Cambridge 2003 Herbst, Anja: Das Konfliktfeld Aceh im Rahmen der Dezentralisierungspolitik Indonesiens, Berlin 2004 Herrmann, Johannes: Regionale Konflikte in Indonesien, Hamburg 2004 Huxley, Tim: Disintegrating Lidonesia? Implications for Regional Security, Oxford 2002 Schmitz, Manuel: Ethnische Konflikte in Indonesien und die Integrationspolitik Suhartos, Hamburg 2003 Singh, Bilveer: Civil-Military Relations in Democratising Indonesia. The Potentials and Limits to Change, Canberra 2001 Ufen, Andreas: Herrschaftsfiguration und Demokratisierung in Indonesien (1965-2000), Hamburg 2002 Wessel, IngridAVimhofer, Georgia (Hrsg.): Violence in Indonesia, Hamburg 2001 http://www.asnlf.net (GAM/ASNLF) http://www.indonesia.go.id (Indonesische Regierung)
Indonesien (Westpapua) (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 1965 (Krieg 1965-1993) OPM / Indonesien
Der Konflikt zwischen indonesischen Sicherheitskrajften und der nach Unabhangigkeit strebenden Organisasi Papua Merdeka (OPM, Organisation Freies Papua) war 2005 von gegensatzlichen Entwicklungen gekennzeichnet. Auf der einen Seite erfuhr der Konflikt eine weitere Militarisierung durch die staatlichen Sicherheitskrafte. Die im Oktober 2004 begonnene militarische Kampagne gegen OPM-Mitglieder im zentralen Hochland Westpapuas wurde auch 2005 fortgesetzt und intensiviert. Ebenfalls wurde eine Aufstockung der in Westpapua stationierten Militareinheiten bis 2009 eingeleitet. Auf der anderen Seite intensivierte die papuanische Unabhangigkeitsbewegung ihre friedlichen Proteste. Auch intemationale Solidaritatsbekundungen mit der Unabhangigkeitsbewegung, beispielsweise von Nichtregierungsorganisationen und einzelnen EU-Parlamentariem, nahmen 2005 weiter zu. Die Auseinandersetzungen in der ostlichsten und flachenmaBig groBten indonesischen Provinz gehen bis in die 1960er Jahre zuriick und eskalierten firtih zum Krieg, der von 1965 bis 1993 andauerte. Wahrend die Kolonie
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Niederlandisch-Indien groBtenteils bereits 1949 als Vereinigte Staaten von Indonesien in die Unabhangigkeit entlassen wurde, blieb Westpapua noch bis 1962 als Niederlandisch-Neu-Guinea Kolonialgebiet. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Indonesien und den Niederlanden im Jahre 1962 iibemahmen im Oktober 1962 zunachst die UN fiir sieben Monate die Verwaltung Westpapuas. Am 1. Mai 1963 iibergaben die UN die Verwaltxmgstatigkeiten an Indonesien unter der Bedingung, die indigene Bevolkerung Westpapuas bis spatestens 1969 in einem Referendum selbst iiber ihre politische Zukunft entscheiden zu lassen. Anstelle eines Volksentscheides erhielten aber nur etwa 1.000 von der indonesischen Regierung ausgewahlte und massiv bedrangte Papua-Wahlmanner das Stimmrecht. Am 2. August 1969 votierten sie ftir den Verbleib im indonesischen Staatsgefiige. Die UN akzeptierten das Ergebnis des so genannten Act of Free Choice. Doch die Quasi-Annexion Westpapuas durch Indonesien verstarkte das Aufbegehren der autochthonen Bevolkemng. Diesem wurde von staatlicher Seite mit massiven Repressionen begegnet. Je nach Quellen sind seit Beginn der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen 100.000 und 300.000 Papua getotet worden, an den Kriegsfolgen gestorben oder verschwunden. Die zentrale Forderung der papuanischen Unabhangigkeitsbewegung ist eine demokratische Neuauflage des Act of Free Choice und die politische Achtung der Belange der indigenen Papua. Mit der indonesischen Annexion Westpapuas setzten starke Migrationsbewegungen vomehmlich von Java nach Westpapua ein, die groBtenteils staatlich gelenkt, zum Teil aber auch freiwillig motiviert waren. Im Rahmen so genannter Transmigrasi-Programme wurden mehrere hunderttausend, zumeist arme Bauem nach Westpapua umgesiedelt. Diese Programme waren seit der indonesischen Staatsgriindung integraler Bestandteil einer zentralistischen Entwicklungsplanung und dienten der staatlichen Durchdringung peripherer Regionen des Landes. Heute sind etwa 40 Prozent der 2,4 Millionen Einwohner Westpapuas Immigranten. Diese dominieren besonders in den Stadten Wirtschaft und Verwaltung. Ihre politische und okonomische Vormachtstellung innerhalb der Provinz schurt bei vielen indigenen Papua Ressentiments. Die Angst vor Uberfremdung hat in der Vergangenheit immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen gefuhrt. In Westpapua waren die gelenkten Umsiedlungen auf drei Ziele der Regierung zuriickzuflihren: Erstens, den Bevolkerungsdruck auf der javanischen Hauptinsel zu verringem; zweitens, die auf Westpapua lebende einheimische, groBtenteils christliche Bevolkemng melanesischer Herkunft mit der muslimischen indonesischen Bevolkemng malaiischer Herkunft zu durchmischen; drittens, die natiirlichen Ressourcen der Provinz, vor allem Kupfer, Gold, Gas und Edelholzer, okonomisch zu nutzen. Bereits vor 1969 begann die indonesische Zentralregiemng Konzessionen fur Westpapua an multinationale Konzeme wie das Bergbauuntemehmen Freeport McMoRan
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zu vergeben, das seit den 1960er Jahren in der Provinz eine der weltgroBten Gold- und Kupferminen betreibt. Trotz ihres Ressourcenreichtums ist Westpapua die riickstandigste und armste Provinz des indonesischen Archipels: Sie profitiert nur geringfugig von den Gewinnen aus der Ressourcenausbeutung. Dariiber hinaus werden die traditionellen Eigentums- und Landnutzungsrechte der indigenen Bevolkerung von staatlicher Seite systematisch missachtet. Die damit einhergehenden Landenteignungen und -vertreibungen sind weitere wesentliche Ursachen fiir den Widerstand der Papua. Die 0PM ist die alteste Unabhangigkeitsgruppierung der Papua und trat 1964 das erste Mai in Erscheinung. Sie kann als Dachorganisation mehrerer kleiner, kaum institutionalisierter Widerstandsgruppen bezeichnet werden, deren Strategien diplomatische Bemiihungen, Offentlichkeitsarbeit sowie militarische Aktivitaten umfassen. Fiir Letztere ist die Tentara Pembebasan Nasional (TPN, Nationale Befreiungsarmee) zustandig. Die 1971 gegrtindete TPN ist eine dezentrale Organisation, deren Aktionen von kleinen, weitgehend autonomen Gruppen meist in landlichen Regionen durchgefiihrt wurden. Hier fand die TPN ihre Rekrutierungsbasis und erhielt von dort auch materielle Unterstiitzung. Ihre Starke belief sich auf einige hundert Mann, die neben einer kleineren Anzahl von Handfeuerwaffen fast ausschlieBlich mit traditionellen Waffen wie Pfeil und Bogen ausgertistet waren. Angriffe auf Polizei- und Militarposten, (Jberfalle auf Materiallager intemationaler Konzeme sowie vereinzelte Entfiihrungen sicherten die materielle Reproduktion. Insgesamt aber begrenzte die schlechte materielle Ausstattung und Bewaffnung ihre Aktionsfahigkeit. Der militarische Widerstand gegen die gut ausgerusteten indonesischen Streitkrafte hat daher in den letzten Jahren einen eher symbolischen Charakter. Deutlich starker institutionalisiert dagegen ist seit einigen Jahren der offentliche Protest der urbanen Eliten. So ermoglichten die nach dem Sturz von President Mohamed Suharto (1966-1998) eingeleiteten Reformen im Jahre 2000 die Grundung des Papuan National Council (PNC) und seines Exekutivorgans, des Presidium Dewan Papua (PDP, Papuanische Prasidiumsversammlung). Neben anderen politischen Organen und Akteuren der Zivilgesellschaft verliehen vor allem sie dem offentlichen Protest Richtung und Stimme. Dabei verfolgten sie einen moderateren und gewaltfreieren Kurs als die 0PM und traten lediglich fiir eine Autonomic Westpapuas innerhalb des indonesischen Staates ein. Der Unabhangigkeitsbewegung stehen die indonesischen Sicherheitskrafte gegenuber. Sie setzen sich aus Militar- sowie regularen und paramilitarischen Polizeieinheiten zusammen. Ihre Gesamtstarke belauft sich derzeit auf tiber 30.000 Mann. Haufig arbeiten Telle der Sicherheitskrafte mit Milizen zusammen, wie der in Westpapua operierenden islamistischen Gruppierung Laskar Jihad (Armee des Heiligen Krieges). Die Kooperation zwischen Sicherheitskraften und irregularen Milizen ist bis heute landesweit eine durch-
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aus gangige Praxis. Milizen gelten seit der Staatsgrtindung als wichtige Stiitze des indonesischen Sicherheits- und Verteidigungssystems. Das Vorgehen der Sicherheitskrafte und ihrer Verbundeten ist durch auBergerichtliche Exekutionen, Folterungen, Vergewaltigungen und willkiirliche Verhaftungen auch unter der Zivilbevolkerung - gekennzeichnet. In den letzten Jahren verlief das Konfliktgeschehen relativ konstant und ahnlich strukturiert. Neben einzelnen ZusammenstoBen zwischen Mitgliedem der TPN und den Sicherheitskraften kam es vereinzelt auch zu Anschlagen auf Militar- und Polizeieinheiten, multinationale Konzeme sowie Zivilisten. Dabei wurden diese nicht nur von Mitgliedem der TPN, sondem auch von Angehorigen der Sicherheitskrafte und ihrer Verbundeten durchgefuhrt. Sie taten dies, um die Provinz weiter zu destabilisieren und im Gegenzug die eigene Prasenz als unverzichtbar darzustellen. Damit versuchen die Streitkrafte, staatlichen Reformbestrebungen, die ihren politischen und okonomischen Einfluss zuriickdrangen sollen, entgegenzuwirken. Aufgrund der peripheren Lage und des Reichtums an Ressourcen sind in Westpapua viele Angehorige des Militars in informelle und illegale Wirtschaftsaktivitaten, zum Beispiel im Bergbau oder beim Holzeinschlag, involviert. Die territoriale Kommandostruktur des Militars, die parallel zur zivilen Administration besteht und den Zugriff auf zivile Ressourcen und eine politische Einflussnahme ermoglicht, stellt hierftir die entsprechende Infrastruktur bereit. Die schwersten Zwischenfalle im Jahr 2005 ereigneten sich im zentralen Hochland Westpapuas. Im Distrikt Puncak Jaya wurde eine Militar- und Polizeioffensive gegen Mitglieder der TPN und deren Sympathisanten, die im August des Vorjahres infolge vermeintlicher Rebellenanschlage eingeleitet worden war, das gesamte Berichtsjahr uber fortgesetzt und auch auf die Nachbardistrikte ausgeweitet. Die eingeschrankte Einreiseerlaubnis fiir die Provinz seit dem Frtihjahr 2005 verhinderte eine ausfuhrliche Berichterstattung uber die Ereignisse. Augenzeugenberichten zufolge wurden etwa drei Zivilisten, darunter ein Pastor, durch die staatlichen Sicherheitskrafte getotet. Im Verlauf ihrer Operation verwiisteten sie ganze Dorfer, Kirchen und Felder der Hochlandbewohner. Mehrere tausend Menschen flohen aus Angst vor den Sicherheitskraften in die umliegenden Walder. Bis zum Ende des Berichtsjahres sollen iiber 50 Menschen an den Folgen von Unteremahrung, Krankheiten und ihren Verletzungen ums Leben gekommen sein. Das Einreiseverbot verhinderte eine humanitare Versorgung der Flilchtlinge. Neben den Operationen im Hochland ereigneten sich im Januar und Februar 2005 zwei kleinere Zwischenfalle in der Bergbaustadt Timika und auf der Insel Biak. In Timika wurden am 22. Januar bei einem ZusammenstoB zwischen indigenen Papua und Angehorigen der paramilitarischen Polizeieinheit Brimob vier Zivilisten getotet. Auf Biak wurden am 11. Februar einige hundert Dorfbewohner von Militareinheiten angegriffen, als sie eine Trauerfeier fur einen TPN-Kommandeur abhielten. Uber Opfer lagen keine Berichte vor.
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Die Teilung der Provinz in mehrere administrative Einheiten wurde auch 2005 nicht weiter fortgesetzt. Sie wird von der autochthonen Bevolkerung abgelehnt. Die ehemalige Prasidentin Megawati Sukarnoputri hatte 2003 die Dreiteilung der Provinz verfugt. Nachdem die Neuschaffung der Provinz West Irian Jaya 2003 allerdings zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen indigenen Papua und staatlichen Sicherheitskraften gefuhrt hatte, wurde der Teilungsprozess ausgesetzt. Im April 2005 entschied das indonesische Verfassungsgericht, dass die neue Provinz West Irian Jaya im Widerspruch zum Autonomiegesetz von 2001 steht. Hiemach hatte der Majelis Rakyat Papua (MRP, Volksrat Papua) einem solchen Gesetz zustimmen miissen. Dieser Rat, der die Belange der indigenen Papua vertreten soil, nahm allerdings nach mehrfachen Verzogerungen durch den indonesischen Staat erst im September 2005 seine Tatigkeit auf und trotz der Gerichtsentscheidung unterstutzte auch der neue President Yudhoyono die Teilungspolitik. Neben einer Schwachung der papuanischen Unabhangigkeitsbewegung stehen vor allem Interessen des Geheimdienstes und Militars hinter den Teilungsambitionen. Infolge der Neuschaffung administrativer Einheiten erwarten sie auch einen Ausbau der militarischen Kommando- und Verwaltungsstruktur, Im Marz 2005 gab der President bekannt, die Truppenstarke in Papua bis 2009 um etwa 50 Prozent auf 45.000 bis 50.000 Mann zu erhohen. Diese Politik steht damit im Widerspruch zu den wiederholten Bekundungen des Prasidenten, den Konflikt in Westpapua politisch losen zu wollen. Als Reaktion fanden in der Provinz im Laufe des Berichtsjahres eine Reihe friedlicher Protestveranstaltungen statt. Im April und Mai 2005 kam es vor allem in der Provinzhauptstadt Jayapura zu verschiedenen Demonstrationen mit jeweils mehreren hundert Teilnehmem. Sie forderten unter anderem die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen durch Angehorige der Sicherheitskrafte und die Freilassung inhaftierter Mitglieder der Unabhangigkeitsbewegung. Dabei kam es vereinzelt zu ZusammenstoBen zwischen Demonstranten und Polizisten. Am 12. August 2005 erlebte die Provinz den groBten friedlichen Protestmarsch ihrer Geschichte. Uber 10.000 Demonstranten marschierten 25 Kilometer von der Provinzhauptstadt zum Provinzparlament und besetzten dieses fiir mehrere Stunden. Zeitgleich protestierten weit uber 1.000 Demonstranten andemorts in der Provinz. Der Protestmarsch wurde von der Dew an Adat Papua (DAP, Stammesversammlung Papua) organisiert, einem Rat, der infolge des Autonomiegesetzes von 2001 geschaffen worden war und in dem alle indigenen Bevolkerungsgruppen der Papua vertreten sind. Vor dem Hintergrund der unvoUstandigen Umsetzung des Autonomiegesetzes forderten die Demonstranten seine „Neuauflegung". Auch im Oktober kam es in der Provinzhauptstadt emeut zu Protestmarschen mit einigen hundert Teilnehmem. Die erfolgreichen Friedensverhandlungen fiir die Provinz Aceh 2005 haben die nationale sowie Internationale Aufinerksamkeit auch gegeniiber dem
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Konflikt in Westpapua gesteigert. In Verbindung mit der Zunahme des zivilen Protests auf papuanischer Seite konnte dies neue Chancen fur eine friedliche Losung des Konfliktes bieten. Die eingeleitete Truppenverstarkung in Westpapua birgt allerdings die Gefahr einer weiteren gewaltsamen Eskalation. Nach wie vor stellt die unvollstandige Umsetzung des Autonomiegesetzes von 2001 seitens des indonesischen Staates einen zentralen Konfliktgegenstand dar. Durch Einschrankungen und Neuinterpretationen des Gesetzestextes sinkt das Ansehen der indonesischen Regierung in Westpapua weiter. Dies erschwert auf lange Sicht eine friedliche Losung des Konfliktes. Bodo Schulze Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Chauvel, Richard: Constructing Papuan NationaHsm. History, Ethnicity, and Adaptation (East-West Center, PoHcy Studies 14), Washington 2005: http://www.eastwestcenter.org International Crisis Group: Dividing Papua. How Not To Do It, Jakarta - Brussels 2003: http://www.icg.org Kirksey, Eben: From Cannibal to Terrorists. State Violence, Indigenous Resistance and Representation in Westpapua (Mphil Thesis, Faculty of Modem History, University of Oxford), Oxford 2002: http://www.wolfson.ox.ac.uk/~wolf0983/MPHIL/From_Canni bal_to_Terrorist_ExamSchools.doc Wing, John/King, Peter: Genocide in West Papua? The Role of Indonesian State Apparatus and a Current Needs Assessment of the Papuan People (Centre for Peace and Conflict Studies, University of Sydney), Sydney 2005: http://www.arts.usyd.edu.au/centres/cpacs/WestPapuaGenocideRpt.05.pdf http://www.geocities.com/opm-irja (0PM) http://www.geocities.com/wp_tpnopm (TPN) http://www.papuaweb.org (Westpapua-Datenbank der University of Papua, Cenderawasih Universitat und der Australian National University) http://vv^ww.rfkmemorial.org/legacyinaction/1993_Widjojanto (Westpapua-Report des Robert F. Kennedy Memorial Center for Human Rights) http://www.tni.mil.id (Streitkrafte Indonesiens) http://www.topica.com./lists/WestWestpapua (Newsgroup zu Westpapua)
Laos (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
2003 B-2 Laos, Vietnam / Hmong-Rebellen
Eine groBe Anzahl kapitulierender Rebellen und ein Riickgang der bewaffheten Auseinandersetzungen fiihrten dazu, dass sich der Konflikt zwischen der laotischen Armee und den Hmong-Rebellen im Laufe des Jahres weiter entspannte und entsprechend auch weniger Internationale Aufinerksamkeit er-
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hielt. Lediglich die Inhaftierung vier US-amerikanischer Menschenrechtsaktivisten, welche die Kapitulation einer Gruppe von Hmong iiberwachen wollten, erzeugte breites mediales Aufsehen. Allerdings begrenzten die strenge Zensur und staatliche Kontrolle aller laotischen Medien die Moglichkeiten der Berichterstattung uber das Geschehen im Land. Im Jahr 1953 lehnte sich die laotische Bevolkerung gegen die Kolonialherrschaft Frankreichs auf. In dem darauf folgenden Krieg wurde die kommunistische Pathet-Lao, die von vietnamesischen Guerilla-Einheiten unterstutzt wurde, zur zentralen politischen Kraft und als solche bei der Genfer Konferenz, die 1954 den ersten Indochinakrieg beendete, neben der Regierung des koniglichen Laos anerkannt. 1958 wurde im Anschluss an Nachwahlen eine Koalitionsregierung unter Beteiligung der Pathet-Lao gebildet, die aber schon im Juli/August 1958 durch einen gegen die Pathet-Lao gerichteten Militarputsch gesturzt wurde. 1959 eskalierten die Kampfe zwischen der Pathet-Lao, die weiterhin von nordvietnamesischen Verbanden unterstutzt wurde, und den laotischen Regierungstruppen zum Krieg. Die zweite Kriegsphase begann am 9. August 1960 mit einem Putsch unter Fuhrung von Oberst Kong Le. Die Militarfraktion von Kong Le kampfte daraufhm bis zum Kriegsende auf der Seite der Pathet-Lao. Die verbliebenen Verbande des koniglichen Laos wurden von konservativen Militars, die von den USA unterstiitzt wurden, geflihrt. Im Rahmen ihrer Containment-Politik waren die Vereinigten Staaten nicht bereit, ein neutrales Laos mit einer Koalitionsregierung, die Kommunisten einschloss, zu dulden. Ab 1960 begannen die USA mit dem Aufbau einer Guerilla, die sich aus Hmong, einer laotischen ethnischen Minderheit, rekrutierte und die gegen die Pathet-Lao kampfte. Diese Guerilla-Armee war zeitweise bis zu 60.000 Mann stark. Auch nachdem am 23. Juni 1962 eine Koalition aus Konservativen und Pathet-Lao gebildet wurde, rangen beide Seiten weiter um die alleinige Macht im Staat. Verscharft wurde der Gegensatz durch den weiteren Aufl)au der Hmong-Guerilla und den Vietnamkrieg. Die Friedensphase war dementsprechend kurz. Im Friihjahr 1963 begann der Zweite Laotische Btirgerkrieg als Nebenkriegsschauplatz des Vietnamkrieges. Nachdem sich jedoch die USA seit Ende der 1960er Jahre immer weiter aus der Region zuruckgezogen hatten, gelang es den kommunistischen Kraften in Vietnam, Laos und Kambodscha 1975 die Macht zu erringen. Der heutige Konflikt wird von dem Versuch der Regierung bestimmt, die verbliebenen Hmong-Rebellen endgiiltig zu zerschlagen. Diese teilen sich in mehrere Gruppen auf, welche entlang groBeren Clans strukturiert sind. Diese Rebellengruppen haben zwar in der Vergangenheit hin und wieder zusammengearbeitet und verfolgen auch die gleichen Ziele, operieren aber in unterschiedlichen Gebieten. Die Hmong-Rebellen kampfen hauptsachlich in den Bergregionen nordlich der Hauptstadt Vientiane gegen die Armee. AUe Hmong wurden nach der Machtiibemahme der Kommunisten aufgrund ihrer
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Untersttitzung der US-amerikanischen Armee als Verrater behandelt. Von den 400.000 vor 1975 in Laos lebenden Hmong flohen etwa 200.000 vor allem nach Thailand. General Vang Pao von der Hmong-Guerilla fand allerdings mit tausenden Getreuen Aufiiahme in den USA. Von den etwa 200.000 in Laos verbliebenen Hmong setzten 20.000 bis 30.000 ihren Widerstand gegen die kommunistische Regierung fort. Sie traten in der Regel flir mehr Autonomie und ein Ende der Repression gegen die Hmong innerhalb von Laos ein. Einige Rebellengruppen traten auch fiir eine Demokratie nach USamerikanischem Vorbild ein. Dieser Widerstand eskalierte 1975-1979 und 1990-1992 zu zwei Kriegen. Zur endgiiltigen Zerschlagung der Hmong-Rebellen wurde Ende der 1990er Jahre die Saousoboun-Sperrzone eingerichtet. Diese liegt nordlich der Hauptstadt im Zentrum des Landes und besteht aus einem Gebiet von knapp 200 Quadratkilometem. In der Sperrzone sind weder Joumalisten noch Beobachter erlaubt. Das laotische Militar kontrolliert alle Zugange zu diesem Gebiet, in dem fast ausschlieBlich Hmong leben und sich auch ein GroBteil der Rebellen aufhalt. Allerdings verteilen sich einige Rebellengruppen auch auf die Provinzen Bolikhamsay und Xieng Khouang im Zentrum des Landes sowie Luang Phrabang im Norden. Die Angaben zu den Zahlen der verbliebenen Rebellen schwankten zwischen 3.000 und 12.000 fiir Ende 2003. Sie teilen sich in etwa 20 Gruppen mit jeweils zwischen 250 und 800 Mitgliedem auf. Da Rebellengruppen kaum von Familienverbanden zu trennen sind, ist es schwer zu sagen, wie viele der Mitglieder wirklich bewaffiiet sind. Doch ist es nicht uniiblich, dass sich auch Frauen, Jugendliche und Altere an Kampfen beteiligen. Die Aktionen mindestens zweier Rebellengruppen in der Sperrzone wurden von der United Lao Liberation Front (ULLF) unter dem in den USA lebenden Vang Pao koordiniert. Die ULLF wurde von Vang Pao 1984 unter dem Namen United Lao National Liberation Front gegriindet und agierte sowohl international als auch in Laos. Sie war bis Anfang der 1990er Jahre eine treibende Kraft des politischen und bewaffneten Widerstandes in Laos spaltete sich aber ab 1992 in viele kleinere Gruppen auf. Anfang 2002 begann die laotische Armee eine Offensive gegen die in der Sperrzone lebenden Rebellen. Nachdem 2003 einige Uberfalle auf Busse veriibt wurden, bei denen etwa 30 Zivilisten starben, intensivierte die laotische Regierung, die hierfur Hmong-Rebellen verantwortlich machte, im Herbst 2003 die militarischen Aktionen. Bis Ende 2003 sollen bei dieser Offensive zwischen 200 und 800 Rebellen getotet worden sein. Unterstiitzt wurde die laotische Armee dabei von der vietnamesischen Armee, die angeblich mit zwei Divisionen im Land anwesend war. Die Armeeeinheiten schnitten alle Versorgungswege in die Sperrzone ab und beschossen die Stellungen der Rebellen mit Raketen und Granaten. Gleichzeitig drangen Verbande der Armee in das Rebellengebiet ein. Unbestatigten Angaben zufolge soil die Armee dabei auch Giftgas eingesetzt haben. Berichte liber Erblindungen und
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Lahmungen stutzen diesen Verdacht. Verbunden waren diese Angriffe mit dem Angebot, kapitulierenden Rebellen Amnestic zu gewahren. Schon Ende Januar 2004 wurde von bis zu 3.000 getoteten Rebellen berichtet. Dabei sollen aber auch viele unbewaffhete durch Granaten, aber auch durch Unteremahrung und mangelnde medizinische Versorgung gestorben sein. Die laotische Regierung dementierte diese Zahlen und sprach von 179 getoteten „Banditen" und einigen Festnahmen. Angaben zu Verlusten auf Seiten der Armee gab es keine. Die militarische Vorgehensweise zeigte jedoch schon bald erste Erfolge. Bis zu 1.200 Rebellen und deren Familien legtcn ihre Waffen nicder und ergaben sich der Armee, wodurch die Kampfhandlungen ab Oktober 2004 deutlich abnahmen. Drei der 20 Rebellengruppen sollen bei den Gefechten fast vollkommen aufgelost worden sein. Die Mitglieder sind dabei entweder getotet oder von der laotischen Armee gefangen genommen worden. AuBerdem sollen etwa 1.000 Hmong illegal nach Thailand und Vietnam eingewandert sein. Dieser sich 2004 abzeichnende Trend setzte sich im Berichtsjahr weiter fort. Anfang Juni ergaben sich 170 meist sehr junge oder sehr alte und kranke Hmong der lokalen Polizei und im Oktober folgten weitere 500. Von den bis zu 10.000 verbleibenden Hmong sind angeblich weitere 2.800 Kinder, Frauen und Alte aufgrund des militarischen Drucks der laotischen Armee bereit aufzugeben. Die Rolle der laotischen Regierung war dabei ambivalent: Zunachst hatte sie zugesagt, dass die Kapitulation seitens der UN beobachtet werden konne. AnschlieBend verweigerte sie UN-Mitarbeitem jedoch den Zugang. Anfang Juni wurden vier US-amerikanische Menschenrechtsaktivisten festgenommen, nachdem diese die Kapitulation der bereits angesprochenen 170 Hmong beobachten und iiberwachen wollten. Auf Druck der USA wurden diese einige Tage spater aus der Haft entlassen und des Landes verwiesen. Neben den Kapitulationen innerhalb von Laos setzte sich auch der Fliichtlingsstrom in das benachbarte Thailand fort. So sollen mehrere hundert Hmong illegal die Grenze uberquert haben, um Zuflucht zu suchen. Trotz der relativ hohen Zahl von fliichtenden und kapitulierenden Hmong scheinen mehrere bewaffhete Mitglieder der verschiedenen Rebellengruppen in den unzuganglichen Waldem des laotischen Hochlandes zu verweilen, um weiterhin gegen die Armee zu kampfen. Aus verschiedenen Berichten geht hervor, dass bei Gefechten zwischen den verbliebenen Rebellen und der laotischen Armee mindestens 15 Rebellen getotet wurden. Bei einem Gefecht zwischen Rebellen und der vietnamesischen Armee am 26. Juni wurden vier vietnamesische Soldaten getotet. Insgesamt gibt es jedoch keine genauen Zahlen iiber Opfer auf Seiten der Rebellen und der vietnamesischen Armee, gar keine Informationen gibt es tiber Opferzahlen auf Seiten der laotischen Armee. Doch lieBen die Kampfhandlungen im Vergleich zum Vorjahr deutlich nach. Lediglich eine Rebellengruppe von etwa 200 Kampfem und deren 800 Familienangehorigen berichtete von einer emeuten Offensive der Armee.
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Die seit 2003 aktive Gruppe Free Democratic People's Government of Laos (FDPGL), welche sich in den vergangenen Jahren zu einer Vielzahl von Bombenanschlagen im gesamten Land bekannte, trat im Berichtsjahr nicht mehr in Erscheinung und kann somit als relevante Kraft des Widerstandes gegen die Zentralregierimg ausgeschlossen werden. Auch gab es keine weiteren Berichte tiber Kampfliandlungen auBerhalb der Sperrzone. Auch die noch im vergangenen Jahr haufigen Raubiiberfalle auf Busse lieBen deutlich nach, wobei ein politischer Hintergrund bislang nicht nachgewiesen wurde. Angesichts der Verlustzahlen auf Seiten der Rebellen in Kombination mit der Kapitulation von mindestens weiteren 670 Rebellen scheint sich der Trend des letzten Jahres fortzusetzen und der Krieg zwischen den HmongRebellen und der laotischen Regierung dem Ende zuzugehen. Insgesamt muss man zwar festhalten, dass die Lage in Laos sehr unubersichtlich bleibt, nur scheint klar zu sein, dass die Hmong-Rebellen keine wirkliche Bedrohung fiir die laotische Regierung darstellen. Die militarische Uberlegenheit auf Seiten der Regierung ist zu eindeutig. Manuel Probst Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Country Watch Incorporated: Laos Country Report 2005, Houston 2005 Weggel, Oskar: Gesamtbericht. Vietnam, Kambodscha, Laos, in: Siidostasien aktuell 2000/5, S. 407-420 http://www.factfinding.org (Fact Finding Commission von Exil-Laoten in den USA) http://www.global.lao.net/laonews (Nachrichtenarchiv zu Laos) http://www.laoembassy.com (u.a. kann hier die in Laos erscheinende „Vientiane Times" gelesen werden) http://www.laosdemocracy.com (Nachrichten zu Laos) http://www.laosfreedom.com (Exil-Laoten in den USA) http://www.vientianetimes.com (Exil-Laoten in den USA)
Myanmar (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
2003 (zuvor Krieg 1948-1998, bewaffheter Konflikt 1998-2003) B-2 KNU, SSA (South), KNPP/Myanmar, UWSA
Die Konfrontation zwischen der Militarregierung und den ethnischen Rebellen hat sich im Berichtsjahr weiter zugespitzt. Nach dem Sieg der Hardliner im Machtkampf innerhalb der Regierung im Herbst 2004 war abzusehen, dass sich die politischen und bewaffheten Konflikte in Myanmar verscharfen wurden. Die begonnenen Friedensgesprache zwischen der Regierung und den
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Rebellen der Karen National Union (KNU) wurden ausgesetzt. Neben den anhaltenden Kampfen mit der KNU stieg im Vergleich zum Vorjahr insbesondere die Gewalt im Shan State emeut an. Der gestiegene Druck der Regierung auf die ethnischen Rebellenarmeen und Organisationen fiihrte zu neuen politischen Allianzen zwischen diesen. Der Konflikt in Myanmar, dem fhiheren Birma, zahlt zu den am langsten andauemden bewaffiieten Auseinandersetzungen weltweit und begann bereits 1948, kurz nach Erlangung der Unabhangigkeit von der Kolonialmacht GroBbritannien. Vor und wahrend der Kolonialzeit genossen die ethnischen Minderheiten Birmas ein hohes MaB an Eigenstandigkeit. Die Briten passten die Kolonialverwaltung an bestehende politische und geographische Verhaltnisse an und teilten Birma in ein direkt verwaltetes Inner Burma und ein indirekt verwaltetes Outer Burma, das die hauptsachlich von ethnischen Minderheiten bewohnten Grenzgebiete umfasste. Die groBten ethnischer Minderheiten sind die Shan mit zehn und die Karen (Kayin) mit sieben Prozent Anteil an der Gesamtbevolkerung. Die Bamar (Bhmanen) stellen ungefahr 65 Prozent der zurzeit etwa 52 Millionen Einwohner Myanmars. Mit der Invasion Japans 1942 unter Mithilfe der von Aung San gefuhrten Burma Independence Army (BIA) kam es zu Ubergriffen gegen ethnische Minderheiten, die der Kolonialmacht GroBbritannien gegeniiber loyal blieben. Aufgrund ihres Kampfes gegen die japanischen Besatzer waren die Karen uberzeugt, nach Kriegsende das Recht auf einen eigenen Staat erworben zu haben. Dennoch waren sie nicht an dem Panglong-Abkommen von 1947 beteiligt, welches Minderheitenrechte fixierte und den Shan und Karenni (Kayah) ein Recht auf ein Unabhangigkeitsreferendum nach zehn Jahren gewahrte. Im gleichen Jahr wurde Aung San ermordet, der fur ein foderatives Birma eingetreten war. Die letztendlich verabschiedete Verfassung enthielt keinen effektiven Foderalismus mehr. Noch im Jahr der Unabhangigkeit 1948 begann der Krieg zwischen der Regierung und der Communist Party of Burma (CPB), die einen Regimewechsel anstrebte. Die CPB konnte erst in den 1980er Jahren besiegt werden, nachdem China seine Unterstiitzung einstellte. 1949 trat die Karen National Union (KNU) in den Krieg ein. Da viele Einheiten der Kolonialarmee aus Karen gebildet waren, wechselten ganze Armeeverbande zu den Rebellen und es gelang der KNU bis kurz vor Rangoon vorzustoBen. Bis in die 1950er Jahre hielt sich das Gleichgewicht zwischen Rebellen und Armee. Mit dem Militarputsch von 1962 durch Ne Win, der den „birmesischen Weg des Sozialismus" zur Staatsdoktrin erklarte, wurde jeder Glaube an einen foderalen Aufbau Birmas begraben. Das versprochene Autonomiereferendum wurde den Shan und Karenni verwehrt und sie grundeten Anfang der 1960er Jahre - ebenso wie viele andere ethnische Gruppen - ihre eigenen bewaffiieten Widerstandsgruppen. Mit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung und dem Sturz Ne Wins 1988 iibemahm ein Militarrat die Regierung. Die Wahlen von
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1990, die zu einem tiberragenden Sieg der National League for Democracy (NLD) fiihrten, wurden nicht anerkannt und die Galionsfigur der demokratischen Opposition Aung San Suu Kyi unter Hausarrest gestellt. Zugleich ging der Militarrat auch gegen die Rebellengruppen vor und brachte bis Mitte der 1990er Jahre 17 der ungefahr 23 Rebellengruppen dazu, Waffenstillstandabkommen mit der Regierung zu unterzeichnen. Einige kooperierten sogar aktiv mit der Militarregierung oder kampften auf deren Seite. Gegen die KNU wurden 1995 und 1997 GroBoffensiven untemommen, die mit der Zerstorung des KNU-Hauptquartiers Manerplaw und groBen Gebietsverlusten auf Seiten der Rebellen endeten. Seitdem beschrankt sich ihr Wirken auf einen Guerillakrieg ohne groBe Rtickzugsmoglichkeiten und mit schwindenden finanziellen Ressourcen. Die KNU, die Shan State Army (South) (SSA-S) und die Karenni National Progressive Party (KNPP) bildeten in dieser Zeit die wichtigsten Rebellenarmeen. Die KNU ist dabei die zahlenmaBig starkste und konnte bis in die 1990er Jahre ein Territorium mit eigener Oberhoheit bewahren. Derzeit schatzt die Regierung die Truppenstarke der KNU auf 7.000 Rebellen. Einige der Rebellenorganisationen, insbesondere die United Wa State Army (UWSA) im Shan State, sind zu bedeutenden Drogenakteuren in der Grenzregion zu China, Laos und Thailand geworden. Myanmar ist nach Afghanistan der zweitgroBte Heromproduzent und beugte sich kiirzlich intemationalem Druck, nachhaltig gegen die Drogenproduktion vorzugehen. Jedoch droht durch den Wegfall der Einnahmequelle der Opiumproduktion und damit der Lebensgrundlage vieler Bauem der Wa eine humanitare Katastrophe im Shan State. Die UWSA begann bereits 1999 mit der Umsiedlung von Wa aus ihrem nordlichen in den siidlicheren Einflussbereich entlang der Grenze zu Thailand. Mindestens 125.000 Wa sind zwischen 1999 und 2002 umgesiedelt worden und haben dabei vor allem Shan und Akha vertrieben. Dieser Prozess hat sich im Berichtsjahr emeut verstarkt, indem ehemalige Opiumbauem aus den Bergregionen in die Taler umgesiedelt wurden. Auch im Berichtsjahr 2005 gab es Berichte sowie Schilderungen von Fliichtlingen liber von der Armee veriibte Menschenrechtsverletzungen wie Mord, systematische Vergewaltigungen von Frauen und Madchen, Folter, Vertreibungen und Zwangsarbeit. Einigen unbestatigten Berichten zufolge soil es zum Einsatz von chemischen Waffen gegen ethnische Minderheiten gekommen sein. Die Kampfliandlungen hatten sich zum Ende des Jahres 2004 verstarkt, nachdem der als gemaBigt geltende Premierminister und Geheimdienstchef Khin Nyunt nach einem intemem Streit in der Militarregierung im Oktober 2004 abgesetzt und verhaftet wurde. Die Militarregierung verscharfte anschlieBend ihre Politik gegeniiber den Rebellen und forderte alle Gruppen auf, sich zu ergeben. Von dieser Forderung betroffen waren auch die Rebellengruppen, die mit der Regierung bereits einen Waffenstillstand geschlossen hatten, bislang aber ihre Waffen behalten konnten. Im
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Berichtsjahr befahlen die beiden Fuhrer der Militarregierung, Than Shwe und Maung Aye, mehrere Umstrukturiemngen der Armee, wie die Starkung der Rolle der Regionalkommandeure. Wahrend des Jahres gab es jedoch immer wieder Gerilchte von einem anhaltenden Machtkampf zwischen den beiden Generalen. Ende Januar 2005 wamte die Ftihrung der KNU die Regierung davor, die Friedensverhandlungen abzubrechen. Das im Vorjahr beschlossene, wenngleich oft briichige Waffenstillstandsversprechen wurde ausgesetzt. Zahlen von Verlusten wurden kaum bekannt. Am 11. Januar sind bei Kampfen zwischen Armee und KNU sieben Soldaten getotet und drei Rebellen gefangen genommen worden. Die Kampfe fanden nur drei Kilometer von der thailandischen Grenze entfemt im Karen State bei Lawse statt. Die Armee fiihrte Anfang August und Ende November zwei GroBoffensiven gegen die KNU. Bei den Gefechten im Sommer sollen bis zu 160 Regierungssoldaten getotet worden sein. Die Kampfe fanden in der Region Myawaddy statt. Die Kampfe seit Ende November fanden vor allem im Grenzgebiet gegeniiber dem thailandischen Mae Sod statt. Daneben wurde insbesondere der Druck auf die Shan verstarkt. Anfang Februar wurden zehn politische Fiihrer der Shan festgenommen. Bei einigen von ihnen handelte es sich um Mitglieder von Waffenstillstandsgruppen. Seit Marz begannen wieder verstarkt Militaraktionen im Shan State. Truppen der UWSA beschossen Siedlungen der Shan um Loi Taileng, nahe der thailandischen Grenze. Die Angriffe standen im Zusammenhang mit der Umsiedlungspolitik der Wa, die auf dem Gebiet der vertriebenen Shan stattflndet. Taglich flohen 200 bis 500 Dorfbewohner der Shan nach Thailand. Dort wurde ihnen jedoch der Fluchtlingsstatus verwehrt. Am 17. April erklarte eine Gruppe im kanadischen Exil, die sich als Interims-Regierung der Shan bezeichnet, einseitig die Unabhangigkeit des Shan State. Obwohl die Unabhangigkeitserklarung auch von Oppositionsgruppen wie der NLD und der SSA kritisiert wurde, startete die Regierung kurz nach der Erklarung eine Militaroperation mit rund 100.000 Soldaten, die zusatzlich von Kampfem der UWSA unterstutzt wurde. Ende Mai vereinigten sich zwei Rebellenarmeen der Shan: 2.000 Kampfer der Shan State National Army (SSNA), die 1995 einen Waffenstillstand mit der Regierung geschlossen hatte, vereinigten sich mit der SSA-S. Am 7. Mai explodierten drei Bomben nahezu simultan in der Hauptstadt Yangon. Zwei Bomben detonierten in Kaufhausem, die dritte auf einer Handelsmesse und toteten 19 Menschen und verletzten weitere 162. Es waren die schwersten Bombenanschlage seit 22 Jahren in Myanmar. Inoffiziellen Berichten zufolge lag die Zahl der Opfer noch weitaus hoher. Die Regierung beschuldigte die SSA und zwei weitere Rebellengruppen die Anschlage begangen zu haben. Keine der beschuldigten ethnischen Aufstandsbewegungen ilbemahm die Verantwortung flir die Anschlage. Stattdessen halten sich The-
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orien, nach denen die Regierung selbst die Bomben legte, um eine hartere Politik gegentiber den Rebellen zu rechtfertigen, oder dass es sich um einen Racheakt von Anhangem Khin Nyunts aus dem zerschlagenen Geheimdienst handelte. Wahrend des Berichtjahres gab es noch weitere Bombenanschlage in Mandalay am 27. April mit zwei Todesopfem und in Yangon am 21. Oktober ohne weitere Opfer, sowie am 5. Dezember mit einem Toten und einer Verletzten. Der letzte Anschlag geschah zeitgleich mit der Wiederaufiiahme des Verfassungskonvents, der den ersten Schritt auf dem von der Regierung proklamierten Weg zur Demokratie darstellen soil. Oppositionsgruppen wurden emeut entweder nicht zugelassen oder sie boykottierten die Versammlung. Auf Grund des anhaltenden Biirgerkrieges und des brutalen Vorgehens der 400.000 Mann starken Armee Myanmars gegen Angehorige ethnischer Minderheiten, in geringerem AusmaB auch durch die Rebellenarmeen selbst, aber auch wegen der aussichtlosen wirtschaftlichen Lage des Landes, erhohte sich der Fltichtlings- und Migrationsdruck kontinuierlich. Schatzungen beziffem die Binnenfliichtlinge allein der Karen auf 200.000 bis 250.000 und zusatzlich liber 100.000 Fliichtlinge in Lagem entlang der thailandischen Grenze. Tausende sind vor den seit Ende 2004 verstarkten Armeeoperationen gegen die Shan und Karen geflohen. Die Hauptgebiete von Vertreibungen betreffen die Siedlungen von Shan, Karen, Karenni und Mon im Osten Myanmars und der muslimischen Rohingya im Westen. Insgesamt ist von mindestens 526.000 Binnenfluchtlingen auszugehen; einige Zahlen reichen sogar bis zu 1,5 Millionen. Der Internationale Druck auf die Regierung Myanmars stieg im Berichtsjahr betrachtlich. Aufgrund des Drucks der EU und der USA erzwangen die Staaten der Association of South-East Asian Nations (ASEAN), dass Myanmar auf seinen tumusmaBigen Vorsitz im kommenden Jahr verzichtet. Gleichwohl ist eine politische Entspannung auch im nachsten Jahr nicht zu erwarten, da die Militarjunta wie schon zuvor mit Isolation nach auBen und hartem Durchgreifen nach innen regierte. Claas Beecken Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Esche, Annemarie: Ethnic Policy of the Union of Myanmar. The Kayin Case, in: Engelbert, Thomas/Kubitscheck, Hans Dieter (Hrsg.): Ethnic Minorities and Politics in Southeast Asia, Frankfort a. M. 2004 Fink, Christina: Living Silence. Burma under Military Rule, London 2001 Lintner, Bertil: Burma in Revolt. Opium and Insurgency Since 1948, Bangkok 1994 Reynolds, Andrew/Stepan, Alfred u.a.: How Burma Could Democratize, in: Journal of Democracy 12/4 (2001), S. 95-108 Will, Gerhard: Wege aus der Isolation. Birmas nationaler und intemationaler Aussohnungsprozess (Stiftung Wissenschaft und Politik, Studie S36), Berlin 2003: www.swp-berlin.org http://english.dvb.no (Oppositionsnachrichten der Democratic Voice of Burma)
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http://www.bumialibrary.org (Informationen tiber Myanmar) http ://www.irrawaddy.org (Oppositionszeitung) http://www.karen.org (KNU-nahe Nachrichten)
Nepal (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1999 A-2 CV^-Maoist I Nepal
Viel Aufmerksamkeit erlangte Nepal im Berichtsjahr, als am 1. Februar 2005 Konig Gyanendra die Regierung absetzte und den Ausnahmezustand ausrief. Zahlreiche Politiker, Menschenrechtsaktivisten und Joumalisten wurden unter Hausarrest gestellt oder verhaftet. Dieser Schritt fiihrte vor allem zur Isolierung des Konigs und zur Starkung der maoistischen Rebellen, die als Verhandlungspartner an Bedeutung hinzugewannen. Nepal ist der einzige hinduistische Staat der Welt. Durch das herrschende Kastensystem werden 70 Prozent der Bevolkerung von den Brahmanen als nicht gleichwertig anerkannt und diskriminiert. So liegt unter den Dalits (Unberuhrbaren) beispielsweise die Analphabetenrate um 40 Prozent hoher als bei der restlichen Bevolkerung, ihre Kinder miissen auBerhalb der Klassenraume sitzen und offentliche Trinkwasserbrunnen in ihren Wohngegenden haben einen wesentlich schlechteren Standard als im Rest des Landes. Uber 80 Prozent der Bevolkerung leben von der Landwirtschaft und 50 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. Etwa die Halfte der Staatsausgaben wird durch Beitrage auslandischer Staaten gedeckt. Im Jahre 1990 gelang es einer Volksbewegung, die 30-jahrige autokratische Herrschaft des Konigshauses zu beenden. Daraufhin wurde ein Mehrparteiensystem eingefiihrt, das jedoch sehr korrupt war und nur tiber unzureichende demokratische Grundprinzipien verfligte. Vier maoistisch orientierte kommunistische Gruppen schlossen sich zur Communist Party of Nepal Unity Centre (CPN-UC) zusammen und wurden bei den Wahlen zur drittstarksten Partei gewahlt. Als sich dieses Btindnis 1993 nach zweijahrigem Bestehen wieder aufloste, bildete sich aus dem radikaleren Fliigel die Communist Party of Nepal - Maoist {CV^-Maoist) unter dem Vorsitzenden Pushpa Kamal Dahal, besser bekannt unter dem Namen Prachanda. Die CPNMaoist entschloss sich, bei den nachsten Wahlen nicht anzutreten, sondem stattdessen den bewaffiieten Kampf aufzunehmen. Bereits wahrend des Jahres 1993 kam es zu ZusammenstoBen zwischen den Maoisten und gegnerischen Parteien. Hierauf reagierte die Polizei mit Verhaftungen und Folterungen von Maoisten und spater mit einer breitangelegten Aktion, bei der vor
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allem die Landbevolkemng der Gebiete Rukum und Rolpa Pliinderungen, willktirlichen Verhafhmgen, Vergewaltigimgen, bis hin zu Folter imd Mord ausgesetzt war. Im Februar 1996 iibermittelte die CFl7-Parteien und Warlords vor allem der Nordallianz anfangs das von den Taliban hinterlassene Machtvakuum, kampften um Einnahmequellen und widersetzten sich der Einfiihrung staatlicher Strukturen, suchten sie nun vermehrt nach Wegen, sich moglichst prestigetrachtig zu integrieren. Allerdings verfolgten sie weiterhin ihre eigenen Interessen auch gegen die Zentrahegierung, an der sie teilweise gleichzeitig beteiligt waren. Viele der ehemaligen MujahedinKommandeure und Regionalfursten konnten in den Staat integriert werden. Einige kandidierten zwar erfolglos fiir die Prasidentschaftswahlen; doch wurden viele ins Unter- und Oberhaus gewahlt beziehungsweise bestimmt. Allerdings verlagerte sich der Widerstand gegen die Staatsgewalt vermehrt auf Anschlage. Neben Gruppen wie Al-Qaida (Die Basis) riefen nicht integrierte Fiihrer der ehemaligen Mujahedin-Gm^^iQvmigQn zum Kampf nicht nur gegen auslandische Truppen, sondem auch gegen die Zentrah*egierung auf Da sich die einzehien Angriffe und Anschlage zumeist nicht auf die tatsachlichen Urheber zurilckflihren lassen, muss weiterhin mit der Tatigkeit der Hizb-i Islami von Gulbuddin Hekmatyar oder der Taliban unter Mullah Muhammad Omar sowie anderer Gruppierungen ausgegangen werden. Raketenangriffe, Bombenanschlage, Sprengfallen, LFberfalle und Selbstmordanschlage waren nicht nur gegen intemationale Truppen und Hilfsorganisationen gerichtet, sondem auch gegen afghanische Staatsinstitutionen wie Armee, Polizei und Gouvemeure aber auch die Bevolkemng. Die Zahl der Selbstmordanschlage stieg im Jahr 2005 auf 25, bei denen insgesamt 39 Zivilisten, 14 Angehorige der afghanischen Sicherheitskrafte und ein deutscher Soldat der ISAF-Tmppen starben. Nachdem im Juli 2005 das Programm zur freiwilligen Waffenabgabe und Wiedereingliedemng von ehemaligen Kombattanten (Disarmament, Demobi-
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lization and Reintegration, DDR) und im Marz das Programm zur Abgabe schwerer Waffen auslief, richtete sich das im Januar begonnene Disbandment of Illegal Armed Groups auf bewaffiiete Banden, deren Starke immerhin noch etwa 300.000 Mann betragen soil. Bislang deuten weder die Zahl der abgegebenen Waffen noch deren Zustand auf einen Erfolg des Programms hin. Darilber hinaus sollen durch eine staatlich initiierte nationale Aussohnung Gegner zur Aufgabe ihres Kampfes und zur Mitarbeit im neuen Staat gewonnen werden. Dies zeitigte bislang jedoch nur bedingt Erfolge. Immerhin gingen im Februar vier ehemalige Taliban-FiXhrQV durch ihre freiwillige Kampfaufgabe straffrei aus. Problematisch fur die weitere Entwicklung Afghanistans sind und bleiben die autonomen Kriegsherren, die durch den Kampf gegen die Taliban eine Starkung erfahren haben. Trotz ihrer Einbindung in staatliche Strukturen verfiigen sie weiterhin tiber eigene Milizen von mehreren tausend Mann sowie militarisches GroBgerat wie Panzer und Artillerie. Im Berichtsjahr kam es jedoch erstmalig nicht zu Auseinandersetzungen mit der afghanischen Armee und auch nicht zu groBeren Kampfen befeindeter Kriegsherren untereinander. Die Einbindung von beispielsweise Abd ur-Rashid Dostum, der im April seine Machtbasis im Norden Afghanistans fiir den Posten als Generalstabschef in Kabul verlieB, zeigt, wie sich Kriegsherm mit den neuen Verhaltnissen zu arrangieren versuchen. Allerdings bleiben sie eine latente Gefahr flir die weitere Staatsbildung. Doch offenbarten auch in 2005 Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Banden, Ethnien, Stammen, Familien, Militars und Polizei eine mangelnde Autoritat der Zentralregierung und eine insgesamt instabile Sicherheitslage. Gerade auch eine zunehmende Rivalitat zwischen Polizei und Militar lasst eine ktinftige Verschlechterung der Wahrung hoheitlicher Aufgaben befiirchten. Finanzielle Ressourcen waren neben kriminellen Motiven die Hauptgrunde fur diese Auseinandersetzungen. Bewaffiiete Gruppen und ihre Ftihrer finanzierten sich vor allem durch Drogen, Schutzgelderpressungen sowie Menschen- und Waffenhandel. Wahrend die Anbauflache fur Opium immerhin um 21 Prozent auf 104.000 Hektar reduziert werden konnte, ging die Produktion aufgrund guter Wetterbedingungen nur um etwa zwei bis drei Prozent auf 4.100 Tonnen Rohopium zurUck,. Damit bleibt Afghanistan mit geschatzten 63 Prozent Prozent der Weltproduktion das groBte Anbauland. Afghanistan gehort zu den am starksten verminten Landem der Welt und hatte infolgedessen rund 200.000 Tote in den letzten beiden Jahrzehnten zu verzeichnen. Durch nationale und intemationale, zivile wie militarische, Minenraumung ist die Zahl der Minenunfalle mittlerweile von 300 auf rund 100 pro Monat gesunken. Im Jahr 2005 konnten durch intemationale Unterstutzung Fortschritte auch auf anderen Gebieten erzielt werden. Trotzdem bestehen neben den spezifischen Problemen des Drogenanbaus, der intemen
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Regionalherrschaften und der extemen Einflussnahme der Regionalmachte auch eher generelle Schwierigkeiten wie Kormption, extrem hohe Arbeitslosigkeit, Fltichtlinge, mangelnde Infrastruktur und Kleinwaffenhandel. Die hohe BeteiUgung von Kriegsherren im Parlament macht dariiber hinaus den Demokratisierungsprozess wenig vertrauenswiirdig. Zusammengenommen schwacht dies die Bemiihungen des Staatsaufbaus und macht auf Jahre hinaus Internationale Hilfe unerlasslich. Dazu sollen 2006 die ISAF-Truppen anstelle von den CFC-A die Verantwortung zunachst im Stidwesten und schlieBlich in ganz Afghanistan ubemehmen. OlafKellerhoff Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Coll, Steve: Ghost Wars. The Secret History of the CIA, Afghanistan, and Bin Laden, London 2004 Fazelly, Kacem: Afghanistan du provisoire au transitoire. Quelles perspectives?, Paris 2004 Lafargue, Fran9ois: Opium, petrole et islamisme. La triade du crime en Afghanistan, Paris 2003 Petersen, Britta: Einsatz am Hindukusch. Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan, Freiburg 2005 Schetter, Conrad: Ethnizitat und ethnische Konflikte in Afghanistan, Berlin 2003 http://www.afgha.com (Links und Nachrichtenarchiv) http://www.acbar.af (Dachorganisation fur NGOs in Afghanistan und Pakistan) http://www.unama-afg.org (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) http://www.unodc.org (United Nations Office on Drugs and Crime) http://www.aihrc.org.af (Afghan Independent Human Rights Commission) http://www.elections-afghanistan.org.af (Prasidentschaftswahlen) http://www.jemb.org (Unterhaus- und Provinzratswahlen)
Afghanistan („Antiterrorkrieg") (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
2001 E-1 US-gefiihrte Koalition (CFC-A), Afghanistan, Pakistan / Al-Qaida, Taliban
Trotz aller positiven Entwicklungen im Rahmen des formal mittlerweile vollstandig umgesetzten Petersberger Abkommens blieb die Lage in Afghanistan im Berichtsjahr 2005 weiterhin unsicher. Grund dafiir waren vor allem die zahlreichen Anschlage auf militarische und zivile Ziele, die von den wiedererstarkten Taliban (Religionsschtiler) und v4/-g«?V/a-Gruppierungen veriibt wurden. Damit bleibt das Land weiterhin in zwei nicht-kompatible Regionen geteilt. Wahrend im Nordwesten auslandische Truppen der International Security Assistance Force (ISAF) 2005 nicht in Kampfe verwickelt wurden,
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dauerte der Krieg der US-gefiihrten Coalition Forces Command - Afghanistan (CFC-A) unvermindert an. Hintergrund des unter dem Namen Operation Enduring Freedom (OEF) gefuhrten „Antiterrorkrieges" waren die Anschlage am 11. September 2001 in den USA. Als Veranwortlicher wurden bereits wenige Tage spater Osama Bin Laden und die von ihm gefiihrte Al-Qaida (Die Basis) ausgemacht. Als einer der bedeutendsten Finanzgeber des militanten Islamismus war er seit 1996 im Visier der US-Geheimdienste. Ihm wurde vorgeworfen, Terroristenlager in Somalia, Agypten, Sudan, Jemen und Afghanistan zu finanzieren. Dariiber hinaus wurden ihm Verbindungen zu zahheichen Anschlagen zugeschrieben, darunter die Explosion einer Autobombe in der Tiefgarage des World Trade Centers in New York 1993, zwei Anschlage auf in SaudiArabien stationierte US-Soldaten 1995 und 1996 sowie die Bombenanschlage auf die US-Botschaften in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania) 1998. Nachdem Bin Laden auf Druck von Saudi-Arabien und den USA im Mai 1996 von der sudanesischen Regierung auBer Landes verwiesen worden war, konnte er in den von den Taliban eroberten Gebieten Afghanistans eine Zufluchtsstatte finden. Aufbauend auf seinen Erfahrungen aus der Zeit der sowjetischen Besatzung (1979-1989), in der er Rekrutierungsburos betrieb, in denen sich etwa 20.000 islamische Befreiungskampfer aus aller Welt registrierten, begann er 1996 mit der Errichtung von Ausbildungslagem fur islamische Widerstandskampfer. Insgesamt baute er in den 1990er Jahren ixber 50 militarische Camps auf. In dem Agypter Aiman az-Zawahiri fand er sein ideologisches Pendant. In der Zusammenarbeit fungierten Zawahiri und andere islamistische Denker als ideologische Mentoren, die eine weltumspannende islamische Revolution und eine Wiederrichtung des Kalifats als oberstes Ziel formulierten, wahrend Bin Laden die notigen finanziellen Mittel bereitstellte, um eine entsprechende Infrastruktur zur Umsetzung dieser Plane errichten zu konnen. Diese Infrastruktur diente zunachst dazu, Mitglieder extremistischer Gruppen systematisch fiir die Durchfiihrung von Anschlagen auszubilden. Schatzungen zufolge absolvierten in den 1990er Jahren etwa 5.000 so genannte Dschihad-Kampfer diese Ausbildung und kehrten anschliefiend in ihre Heimatlander zuriick, um dort Anschlage vorzubereiten und auszufuhren sowie neue Mitglieder zu rekrutieren. Dabei scheint AlQaida weniger eine Organisation mit zentralen Strukturen im engeren Sinne zu sein, als ein Netzwerk verschiedener Gruppen, deren Informationsfluss iiber den personlichen Kontakt zwischen den einzelnen Mitgliedem verlauft. In der Auslegung des Islam stehen sich Al-Qaida und Taliban nur bedingt nahe. Die arabischen Kampfer im Gefolge Bin Ladens hatten mit dem aus Saudi-Arabien stammenden Wahhabismus eine Glaubenslehre nach Afghanistan gebracht, die dort zuvor nicht verbreitet war und die dort auch nur eine kleine Gruppe von Anhangem fand. Die ideologische Grundlage der Taliban stellt dagegen der Deobandismus dar, der von pakistanischen Isla-
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misten und Mullahs in den Religionsschulen der afghanischen Fliichtlingslager in Pakistan gelehrt wurde. Als extremistischer Nebenzweig der simnitisch hanafitischen Rechtsschule fand sich die religiose Ausrichtung der Taliban vor ihrer Machtergreifung in Afghanistan nur entlang des Paschtunen-Giirtels in der North West Frontier Province in Pakistan. Unter der Fiihrung von Mullah Mohammad Omar entwickelte sich die anfangs sparliche Gruppe der fundamentalistischen „Religionsschiiler" zu einer schlagkraftigen Armee islamischer Krieger. Die Tatsache, dass die Taliban Bin Laden nach den Anschlagen des 11. September weiterhin Unterschlupf gewahrten, fuhrte am 7. Oktober 2001 zum Beginn des „Antiterrorkrieges". Zunachst bestand das militarische Vorgehen der USA vor allem in einer Luftunterstutzung fiir die Nordallianz, die sich nach Machtergreifung der Taliban als loser Zusammenschluss ehemaliger Mujahedin, Lokalherren der Nordostprovinzen, Offiziere der fruheren Armee und neuer Rekruten formiert hatte (vgl. den Bericht zu Afghanistan (Antiregimekrieg)). Das gemeinsame Vorgehen von Nordallianz und USLuftstreitkraften erreichte einen schnellen Riickzug von Taliban und Alga/Ja-Kampfem. Bereits Mitte November 2001 konnte die Hauptstadt Kabul nahezu kampflos von der Nordallianz besetzt werden. Die Kampfe verlagerten sich zunachst auf die Taliban-Roddbrng Kandahar, die jedoch einen Monat spater ebenfalls erobert wurde. Die Kampfhandlungen konzentrierten sich von nun an auf die Bergfestung Tora Bora nahe der pakistanischen Grenze siidlich von Jalalabad. Nach dem Fall von Kandahar und Tora Bora setzten die USA die Jagd auf Bin Laden und Mullah Omar fort, die sich in die ostlichen Gebiete in der Nahe der pakistanischen Grenze zurtickgezogen hatten, um weitere Verluste zu vermeiden. Dort begannen sie sich zu reorganisieren, bis sie im Frtihjahr 2002 mit ersten sporadischen bewaffheten Aktionen gegen Einrichtungen und Truppen der afghanischen Regierung sowie mit ihr verbiindeter Lokalherren begannen. Das CFC-A, zu dem neben US-amerikanischen Soldaten Truppen und Spezialeinheiten aus insgesamt 21 Nationen zahlen, verfolgte das Ziel, Reste von Taliban und Al-Qaida aufzusptiren und zu zerschlagen. Hierbei wurden zwar zahheiche Waffenarsenale entdeckt, die Suche nach Mullah Omar und Osama Bin Laden blieb jedoch erfolglos. Ihnen war es, wie den meisten fuhrenden Taliban, gelungen, in Afghanistan und Pakistan unterzutauchen. Nur wenige prominente Mitglieder des besiegten Regimes wurden gefangen genommen, dafur aber zahlreiche Taliban-YJdim^fQx der unteren Hierarchieebenen, von denen viele in das US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba transportiert wurden. Ein wichtiger Verbiindeter der USA wurde Pakistan. Dessen beispiellose Kooperation seit Oktober 2001 lasst sich unter anderem an der Auslieferung von iiber 400 gesuchten Personen an die Vereinigten Staaten veranschaulichen. Seit April 2002 sind daruber hinaus US-Truppen und -Geheimdienstmitarbeiter in den autonomen Stammesgebieten im pakis-
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tanisch-afghanischen Grenzgebiet auf der Suche nach Taliban-FiXhrQm und A l-Qaida-MitgliQdQm. Trotz dieser Kooperation und einem intensivierten Vorgehen der CFC-A verstarkten sich seit 2003 die von den wieder erstarkten Taliban ausgehenden Aktivitaten in den an Pakistan grenzenden Provinzen Afghanistans. Dariiber hinaus brachten die Taliban Gebiete in den siidostlichen Provinzen Afghanistans wieder unter ihre Kontrolle. Weiter konnten sie mobile Trainingscamps und neue Basen in Pakistan und Afghanistan aufbauen. Diese bilden seither den Kern eines Btindnisses aufstandischer Gruppen, zu denen ebenso AlQaida-MitgliQdQT zahlen. Nach Afghanistan zuruckgekehrte Al-Qaida-Fuhrer sollen neue Zellen gebildet haben und die Taliban logistisch untersttitzen. Finanzielle Anreize in den mehrheitlich von desillusionierten und enttauschten Paschtunen bewohnten Sixdostprovinzen Afghanistans erleichterten die Rekrutierung neuer Mitglieder fiir dieses Bundnis. Da in den pakistanischen Provinzen Balochistan und North West Frontier Province weiterhin offene Sympathien fiir die Taliban bestanden, ebenso Teile im pakistanischen Geheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI) eine Taliban-Option favorisierten und kultivierten, wurde die Kriegsfuhrung der CFC-A nachhaltig beeintrachtigt und torpediert. Diese Umstande veranlassten die pakistanische Regierung ihren Kooperationswillen verstarkt zu demonstrieren. 2004 wurden daher eine Reihe von GroBoffensiven pakistanischer Streitkrafte in der Stammesregion Sud-Waziristan nahe der afghanischen Grenze durchgefilhrt. Ziel war es, verdachtige auslandische Rebellen mit Verbindungen zu Al-Qaida aufzuspiiren und festzunehmen. Das Jahr 2005 entwickelte sich ftir das CFC-A zu einem besonders kampf- und verlustreichen Jahr. Es begann mit den seit 2002 ubHchen Frtihjahrsoffensiven von Taliban und Al-Qaida, deren Angriffe diesmal allerdings wesentlich starker und haufiger waren als zuvor. Die Situation verscharfte sich zum Sommer hin. Griinde hierfur waren einerseits die von auslandischen Sympathisanten erhaltene verbesserte materielle und technologische Ausnistung der aufstandischen Gruppen. Andererseits lasst sich die Zunahme der Angriffe auch auf die 2005 stattgefundenen Provinz- und Parlamentswahlen zunickfiihren. Es ist davon auszugehen, dass die Anschlage eine erfolgreiche Wahldurchfuhrung vereiteln sollten. So wurde von zahheichen Bedrohungen und Anschlagen gegen aufgestellte Kandidaten berichtet. Besonders Frauen waren gel^hrdet, wenn sie sich entschieden hatten, sich fiir das Parlament Oder die Provinzrate zur Wahl zu stellen. Mit zunehmender Eingliederung der Lokalfiirsten und ehemaligen Mujahedin in die neuen Machtstrukturen (vgl. den Bericht zu Afghanistan (Antiregimekrieg)) verlagerte sich der Widerstand gegen die Zentrahegierung und die auslandischen Truppen auf Anschlage in Form von teils nicht zielgerichteten Raketenangriffen, (Jberfallen, Selbstmord- und Bombenanschlagen, denen sowohl Angehorige der intemationalen Truppen und Hilfsorganisatio-
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nen als auch Mitarbeiter afghanischer Institutionen und Zivilisten zum Opfer fielen. Insgesamt kamen im Berichtsjahr bei gewaltsamen Ausschreitungen und Anschlagen 1.600 Menschen urns Leben. Die Zahl der Opfer erhohte sich damit um mehr als das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr. 160 der 1.600 Todesopfer waren Auslander, davon 31 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Die Tatsache, dass 90 Prozent der Getoteten Afghanen waren, verdeutlicht aber, dass sich die Sicherheitslage besonders fiir die einheimische Bevolkerung massiv verschlechtert hat. Generell lasst sich ein Strategiewechsel bei den Anschlagen feststellen. Waren Selbstmordanschlage in Afghanistan bis zum Vorjahr eher ungewohnlich, wurden sie 2005 mit steigender Frequenz veriibt, was oft als Indiz fiir ein Einsickem von Kampfem aus dem Irak und anderen Landem der Region gewertet wird. In einer Propagandameldung verkiindete im Dezember 2005 der hochrangige Talibari'-KomrmndQur Mullah Dadullah, dass angeblich 200 bereitwillige Selbstmordattentater fiir Anschlage auf US-Truppen und ihre Verbundeten bereitstiinden. Weiter bestatigte er, dass eine Vielzahl arabischer Krieger den Kampf von Taliban und Al-Qaida gegen die auslandischen Besatzer in Afghanistan unterstiitzen wlirde. Im Berichtsjahr haben die USA ihr Truppenkontingent im Rahmen der CFC-A auf 19.000 Mann aufgestockt. Weitere 3.000 Soldaten verbundeter Staaten sind im „Antiterrorkrieg" im Einsatz gewesen. Die Verscharfimg der Kampfe spiegelte sich auch in der vergleichsweise hohen Zahl an Verlusten wider. Wahrend in den Vorjahren jeweils etwa 60 Soldaten getotet wurden, stieg ihre Zahl im Berichtsjahr auf 129. Insgesamt sind damit seit Oktober 2001 im Rahmen der OEF in Afghanistan 321 auslandische Soldaten geotet worden. Die Verschlechterung der Sicherheitslage im Berichtsjahr lasst sich zu einem betrachtlichen Teil auf das Erstarken der Taliban zurlickfiihren. Ihnen gelang es nicht nur, die KontroUe in einigen Teilen im Stiden Afghanistans zu erlangen, sondem ihre Aktivitaten auch auf andere Landesteile auszuweiten. Dabei kam ihnen zugute, dass Pakistan seine Unterstutzung fiir die USA im „Antiterrorkrieg" vor allem gegen ^/-ga/Wa-Gruppierungen richtete und Taliban-MitgXiQdQr weitgehend unbehelligt liefi. Fiir das Fruhjahr 2006 planen die USA eine Reduzierung ihres Truppenkontingents im Stiden Afghanistans von 19.000 auf 16.500 Soldaten. Dafiir sollen 6.000 zusatzliche Soldaten aus anderen NATO-Landem dort aktiv werden, vor allem auch solche, die bisher nur an der ISAF-Mission in Regionen mit einer vergleichsweise stabilen Sicherheitslage beteiligt waren. Welche Auswirkungen diese Umstrukturierung auf Seiten der intemationalen Truppen des CFC-A auf den Krieg haben werden, bleibt abzuwarten. Janet Kursawe
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Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Cappelli, Vanni: The Alienated Frontier. Why the United States Can't Get Osama bin Laden, in: Orbis 49 (2005), S. 713-729 Litemational Crisis Group: Afghanistan Elections. Endgame or New Beginning?, 2005: http ://www.icg.org hitemational Crisis Group: Rebuilding the Afghan State. The European Union's Role, 2005: http://www.icg.org Rogers, Paul: A War on Terror. Afghanistan and After, London u.a. 2004 Simonsen, Sven Gunnar: Addressing Ethnic Divisions in Post-Conflict InstitutionBuilding. Lessons from Recent Cases, in: Security Dialogue 36 (2005), S. 297-318 http://afghangovemment.com (Regierung Afghanistans) http://www.defendameric.mil (US-Verteidigungsministerium zum „War on Terror") http://www.centcom.mil (US Central Command) http://www.cfc-a.centcom.mil (CFC-A)
Algerien (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1992 A-2 GSPC / Algerien
Das Berichtsjahr 2005 stand insbesondere unter dem Eindruck des im September durch ein Referendum angenommenen Amnestiegesetzes, welches Prasident Abdelaziz Bouteflika veranlasst hatte. Es zielt neben der Befriedung der BUrgerkriegsparteien auch auf die Machtsicherung des Prasidenten ab, da mit der Abstimmung eine prasidentielle Ermachtigung zur Verfassungsanderung gekoppelt wurde. Wahrenddessen dauerte die Gewalt zwischen Polizei- beziehungsweise Militareinheiten und den militanten Islamisten der Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat (GSPC, Salafistische Gruppe flir Predigt und Kampf) auf niedrigem Niveau weiter an. Die langfristigen Ursachen fiir den seit 1991 andauemden algerischen Burgerkrieg liegen zu einem groBen Teil in der kolonialen Vergangenheit unter franzosischer Herrschaft begrundet. Beeinflusst von sozialistischen Ideen formierte sich seit den 1920er Jahren eine nationale Bewegung in Algerien, die jedoch immer arabisch-islamisch ausgerichtet war und auf die ReArabisierung Algeriens abzielte. Letztlich bewegte sich das algerische Selbstbild wahrend des Unabhangigkeitskrieges ab 1954, der Unabhangigkeit 1962 und dem Btirgerkrieg der 1990er Jahre permanent im Spannungsbogen zwischen arabisch-islamischer Tradition und einem technokratischen, zeitweise sozialistisch-egalitaren Modemismus. Besonders in den suburbanen Gebieten der Metropolen flihrte die politische, soziale und wirtschaftliche Modemisierungskrise der friihen 1980 Jahre zur Verelendung breiter Bevol-
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kerungsschichten und zu hoher Gewaltbereitschaft unter den zahlreichen arbeitslosen Jugendlichen, gegen die der algerische Staat stark repressive MaBnahmen ergriff. Die unmittelbare Vorgeschichte des Krieges begann mit dem Wahlsieg der Front Islamique du Salut (FIS, Islamische Heilsfront), welche die ersten fireien Kommunalwahlen vom Sommer 1990 und auch die erste Runde der Parlamentswahlen vom Dezember 1991 fiir sich entscheiden konnte. Die ursachlichen Faktoren fiir diesen unerwartet hohen Wahlsieg lagen im arabisch-nationalen und islamisch-religiosen Populismus der FIS und ihrem Protestpotential als wirtschaftsfreundliche und konservativ-antisozialistische Partei. Ihre Machtubemahme hatte allerdings nicht nur eine deutlich religios gepragte Neuausrichtung algerischer Politik bedeutet - angektindigt war die Errichtung eines islamischen Staates, sondem vor allem den Machtverlust der militarischen Nomenklatura in der Front de Liberation Nationale (FLN, Front der nationalen Befreiung), die seit der Erlangung der Unabhangigkeit von Frankreich 1962 als Einheitspartei die Politik Algeriens lenkte. Wie schon oft in entscheidenden Krisensituationen ruckte die algerische Militarftihrung, die innerhalb des Zentralkomitees der FLN etwa ein Drittel ausmachte, mit einem Staatsstreich wieder deutlich ins Zentrum der politischen Entscheidungsfindung: Der fur Marz 1992 vorgesehene zweite Wahlgang wurde ausgesetzt und der fiir die politische Liberalisierung seit 1989 verantwortliche Prasident Chadli Benjedid zum Rucktritt gezwungen. Um nicht den Anschein einer Militardiktatur zu erwecken, rief das Militar unter Ftihrung von General Khaled Nezzar den 73-jahrigen Mohammed Boudiaf nach 28 Jahren aus dem marokkanischen Exil zuruck und emannte ihn zum Prasidenten. Boudiaf wurde jedoch bereits nach fiinf Monaten im Sommer 1992 aus den Reihen seiner eigenen Sicherheitskrafte ermordet, was zunachst Anhangem der FIS zugeschrieben wurde. Seine Nachfolger - Ali Kafi und Liamine Zeroual - wurden von den nach wie vor tonangebenden Militars zum Rucktritt gezwungen, als sie versuchten, eine von der Militarfuhrung eigenstandigere Politik einzuleiten. Die anfanglich durch den Staatsstreich ausgeloste Krise weitete sich seit 1992 kontinuierlich zum Biirgerkrieg aus. Nachdem bereits im Sommer 1991 mit Abassi Madani und Ali Benhadj die beiden prominentesten Fiihrer der FIS verhaftet worden waren, inhaftierte man nun weitere Fiihrungsmitglieder. Die daraufhin ausgelosten Unruhen in den Vorstadten wurden mit einer Verhangung des Ausnahmezustandes und Massenverhaftungen von FIS-Aktivisten beantwortet. Kurz darauf, im Marz 1992, wurde die FIS verboten. Zellen der FIS und andere islamistische Gruppen begannen nun mit Anschlagen und bewaffheten Attacken, die sich im ganzen Land ausbreiteten. Als Kriegsakteure waren die verschiedenen Gruppen der Islamisten auf der einen und Armee, Gendarmerie und Polizei auf der anderen Seite beteiligt. tJberdies bildeten sich Milizen aus Kriminellen, die zeitweise auf Seiten der Sicher-
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heitskrafte, zeitweise aber auch auf Seiten der Islamisten kampften. Die Strategie der Islamistenfiihrer war die Kontrolle und Konsolidierimg islamistisch dominierter Gebiete, innerhalb derer die Sicherheitskrafte massiv bekampft wurden und deren Bevolkerung unter islamisches Recht gestellt wurde. Seinen Hohepunkt erreichte der Biirgerkrieg in den Jahren 1997 und 1998, als bei mehreren Massakem der Islamisten jeweils iiber Hundert Menschen ermordet wurden. Prinzipiell muss jedoch unterstrichen werden, dass bei zahlreichen Attentaten und gezielten Ermordungen die Urheberschaft nach wie vor nicht eindeutig geklart werden konnte. Erschwert wurde die Zuordnung der Taten aufgrund der koordinierten Unterwanderung islamistischer Gruppen durch die algerischen Geheimdienste. Bis 1997 wurde insbesondere drei Gruppen ein GroBteil der zahlreichen Attentate und Uberfalle auf Militareinheiten, offentliche Gebaude und Fabriken zur Last gelegt. Es waren dies die Mouvement Islamique Arme (MIA, Bewaffhete Islamische Bewegung), die Armee Islamique du Salut (AIS, Islamische Armee des Heils) und die Groupement Islamique Arme (GIA, Islamische bewaffhete Gruppierung). Die MIA existierte bereits seit den 1980 Jahren und hatte Anfang der 1990er Jahre eine hervorgehobene Stellung unter den bewafftieten Widerstandsgruppen. Ahnlich wie die AIS zog sie die Legitimitat ihres Kampfes aus der Gewissheit, dass der Militarputsch gegen die FIS dieser die legitime Staatsgewalt entzogen hatte, die zu erkampfen MIA und AIS zu ihrem Ziel machten. Die 1994 gegriindete AIS agierte als militarischer Arm der FIS. Der auf lange Sicht angelegte Kampf der AIS unterschied die Gruppe von der MIA, die auf einen schnellen Sieg gesetzt hatte. Die AIS war 1995 mit 40.000 Kampfem die groBte islamistische Widerstandsgruppe. Jedoch war sie regional organisiert und verfilgte uber keine zentrale Kommandostruktur. Im Gegensatz zu revolutionar-islamistischen Gruppierungen lehnten MIA und AIS Anschlage auf Auslander, Schulen und soziale Einrichtungen ausdriicklich ab und wendeten ihren Kampf ausschlieBlich gegen staatliche Einrichtungen und Sicherheitskrafte. Im Oktober 1997 verkundete die AIS einen einseitigen Waffenstillstand und im Juni 1999 die endgiiltige Einstellung ihres bewaffiieten Kampfes. Eine dementsprechende Erklarung des Vorsitzenden der AIS, Madani Mezrag, wurde im algerischen Femsehen verlesen und gait als Antwort auf das Amnestiemngs- und Versohnungsangebot des seit 1999 amtierenden Prasidenten Abdulaziz Bouteflika. Die MIA hatte bereits ab 1994 an Bedeutung verloren. Die GIA, die durch ihre spektakularen Attentate seit Ende 1991 zur bekanntesten islamistischen Gruppierung wurde, war insbesondere in den Stadten prasent und rekrutierte sich aus jungen Arbeitslosen. Ziel der Anschlage von GIA-Einheiten waren Rekruten, Polizisten, Intellektuelle, Auslander und vor allem Zivilisten. Auch zahlte die Sabotage und Zerstorung von Infrastruktur zu ihrer Strategic. Seit Februar 2002 soil sich die GIA nach Angaben algerischer Sicherheitsexperten weitgehend im Auflosungsprozess befinden.
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Sie soil zuletzt noch etwa 500 Kampfer umfasst haben, die sich in verschiedene voneinander unabhangige Fliigel gespalten haben. Die Totiing des GIAFiihrers Rachid Abou Tourab im Juli 2004 und die Verhaftungen seiner Nachfolger Nourredine Boudiafi im November 2004 und Boulenouar Oukil im April 2005 haben diesen Prozess noch vorangetrieben. Seit Ende 1999 agiert eine weitere bewaffiiete islamistische Bewegung unter dem Namen Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat (GSPC, Salafistische Gruppe fiir Predigt und Kampf). Angeblich soil es eine geographische Arbeitsteilung zwischen GIA und GSPC gegeben haben: Wahrend die GIA sich vomehmlich auf die westlich von Algier liegende Region (Tipasa, Ain Defla, Blida) konzentrierte, operierte die GSPC in der landlichen Zentrah-egion und in der Hauptstadt. Sie umfasst nach Angaben des algerischen Innenministers etwa 350 Mann. Im Gegensatz zur GIA richten sich ihre Angriffe nicht gegen die Zivilbevolkerung, sondem gegen Militar, Sicherheitspolizei und Mitglieder der so genannten Selbstverteidigungsgruppen, deren Starke bei etwa 150.000 Mann liegt. Seit dem Friihjahr 2003 wird die GSPC auch fiir Entfiihrungen auslandischer Touristen in der siidlichen Sahara verantwortlich gemacht. AuBerdem gilt die GSPC als „algerische Filiale" von Al-Qaida (Die Basis), wobei dieser Vorwurf von Mitgliedem der Gruppe dementiert wurde. Die Informationen iiber diese Rebellengruppe sind nach wie vor widersprtichlich, da sie einerseits weiterhin in ihrem urspriinglichen Operationsgebiet ostlich von Algier agiert, andererseits jedoch fiir die Uberfalle auf Grenzposten im Siiden des Landes verantwortlich gemacht wird. Trotz der Totung ihres Fiihrers Nabil Sahraoui und vier seiner engsten Mitstreiter Ende Juni 2004 gelang es ihr problemlos eine neue Fuhrung unter Abdelmalek Dourdal, alias Abou Maossaab Abdelouadoud, zu installieren. Seit zwei Jahren halten sich beharrlich Geriichte, dass die GSPC mit militanten Islamisten aus Mali und Niger zusammenarbeitet. Ziel dieser Zusammenarbeit sind Anschlage gegen Olpipelines in der siidlichen Sahara sowie gegen US-Militarstiitzpunkte, die im Rahmen der Pan-Sahel Initiative (PSI) in der Grenzregion zu Mali und Niger seit 2003 im Aufbau begriffen sind. Prasident Bouteflika ist zwar selbst kein Militar, kommt jedoch aus dem innersten Machtkem der FLN und ist auf das Engste mit der algerischen Militarfuhrung verbunden. Kurz nach seiner Amtstibemahme kiindigte er im Juni 1999 die Verabschiedung eines Amnestiegesetzes an, welches im September 1999 erfolgreich per Referendum angenommen wurde. Das Gesetz erwies sich jedoch als weitgehend wirkungslos, da es nur die Amnestierung der AIS-Kampfer beinhaltete, andere bewaffiiete Gruppen aber ausschloss. Zwar ging die Intensitat der bewaffiieten Auseinandersetzungen zuriick, doch konnte bei einer monatlichen Opferzahl von durchschnittlich 100 Zivilisten von einer Beendigung des Krieges nicht die Rede sein. Im Berichtsjahr kamen offiziellen Angaben zufolge uber 140 Soldaten und Sicherheitskrafte, etwa 70 Zivilisten und 40 Kampfer der GSPC ums
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Leben, was im Vergleich zu den Vorjahren einen Riickgang der Opferzahlen bedeutet. Die Gewalt seitens der Rebellen wurde vor allem in Form von Attentaten, Uberfallen auf Armee- und Polizeistationen sowie Strafiensperren unvermindert ausgeiibt. Die Sicherheitskrafte gingen im Gegenzug mit Razzien und umfangreichen Polizeiaktionen gegen die Rebellen vor. Im Juni des Berichtsjahres ereignete sich ein Zwischenfall im an Algerien angrenzenden Mauretanien, zu dem sich die GSPC bekannte. Eine 100 bis 140 Mann zahlende Gruppe uberfiel die Militarbasis von Lemgheity, wobei 15 mauretanische Soldaten getotet und 20 verletzt wurden; auBerdem starben fiinf der Angreifer. Der Vorfall ereignete sich wahrend des groBten Manovers US-amerikanischer Truppen in Afrika seit dem Zweiten Weltkrieg, welches Teil der seit diesem Sommer neu implementierten US-amerikanischen Trans Sahara Counter Terrorism Initiative ist. Fiir diese soil in den nachsten funf Jahren in neun nordwestafrikanischen Staaten eine halbe Milliarde US-Dollar investiert werden, mit dem Schwerpunkt der Bekampfung von Terrorismus, Menschen-, Waffen- und Drogenhandel. Auf diese Weise wird der seit Anfang 2002 laufende Prozess der US-amerikanisch-algerischen Kooperation in der Terrorismusbekampfung fortgefuhrt, deren erste Station im Dezember 2002 die Unterzeichnung eines Militarabkommens zwischen Algerien und den USA war. Damit wurde Algerien zum ersten Mai seit 1992 wieder offiziell mit US-Rtistungsgiitem beliefert. Das Engagement der USA lasst sich jedoch auch aufgrund wirtschaftlicher Interessen in Hinblick auf den Reichtum des Landes an Erdol und Erdgas begrtinden. Am 29. September wurde per Referendum mit 97 Prozent der abgegebenen Stimmen unter anderem die Amnestierung von militanten Islamisten beschlossen, sofem sie nicht direkt an Massakem, Vergewaltigungen oder Bombenanschlagen beteiligt waren. Die Straffreiheit gilt danach vor allem aber auch fur staatliche Sicherheitskrafte. Dadurch diirften die Chancen einer Aufarbeitung aller oder zumindest eines GroBteiles der begangenen Gewalttaten sehr gering sein, auch wenn der Staat seine Verantwortung fiir die Praxis des Verschwindenlassens anerkannte und Entschadigungszahlungen versprach. Daruber hinaus beinhaltete das Referendum auch die Moglichkeit einer Verfassungsanderung, die dem Prasidenten nach 2009 eine dritte Amtszeit erlaubt und gleichzeitig die Amtszeit von fiinf auf sieben Jahre verlangert. Erste Auswirkungen des Amnestiegesetzes zeigten sich noch im Berichtsjahr. Im Oktober konfiszierte die algerische Armee tiber 6.000 Waffen militanter Islamisten und am 1. November fiihrte ein erster Begnadigungserlass fur 6.778 inhaftierte Islamisten durch President Bouteflika zu zahlreichen Haftverkiirzungen. Dies scheint nur der Auftakt fur noch umfangreichere Begnadigungen in den nachsten Jahren sein, welche die durch das Referendum vorgezeichnete „nationale Versohnung" weiter vorantreiben sollen. Dartiber hinaus wurde die Militarfiihrung durch Personalentscheidungen
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seitens des Prasidenten geschwacht. Trotzdem wird das Militar weiterhin eine wichtige politische Rolle spielen. Dazu wird von Bouteflika selbst eine deutlich autoritare Neuordnung in Form einer Konsolidierung seiner Macht durch Verfassungsanderungen angestrebt, welche die politische Reintegration der islamistischen Stromungen nicht berlicksichtigt. Wie sich diese aktuellen Entwicklungen auf die Austragungsform des Konfliktes auswirken werden, bleibt abzuwarten. Wieland Kobsch Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Abramovici, Pierre: Washington hat Afrika wiederentdeckt, in: Le Monde Diplomatique (deutsche Ausgabe), Mi 2004, S. 12-13 Addi, Lahouari: Die unfassbare Krise. Versuch einer Anatomie, in Graffenried, Michael von/Hammouche, Sid Ahmed: Im Herzen Algeriens. Das Jahrzehnt des Terrorismus, Bern 2002 (http://www.algeria-watch.de/artikel/analyse/addi_2002.htm) Herzog, Werner: Algerien. Zwischen Demokratie und Gottesstaat, Mtinchen 1995 Inamo (Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten): Algerien - Befreiung, Korruption, Zerfall, Raub, Agonie, Nr. 35, Jg. 9, Herbst 2003, S. 4-31 Martinez, Luis: The Algerian War 1990-1998, London 2000 Mellah, Salima/Rivoire, Jean-Baptiste: Verwischte Spuren in der Sahara, in: Le Monde Diplomatique (deutsche Ausgabe), Februar 2005, S. 20-21 Ruf, Werner: Die algerische Tragodie. Vom Zerbrechen des Staates einer zerrissenen Gesellschaft, Miinster 1997 Samraoui, Mohammed: Chronique des annees de sang, Paris 2003 Schmid, Bemhard: Algerien - Frontstaat im globalen Krieg?, Unrast 2005
Georgien (Siidossetien) (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 2004 Siidossetische Rebellen / Georgien
Nachdem die mehr als zehn Jahre wahrende Waffenruhe durch wechselseitige Kampfhandlungen im Sommer 2004 gebrochen wurde, kam es auch 2005 regelmaBig zu bewaffheten Auseinandersetzungen zwischen siidossetischen Rebellen und georgischen Truppen. Bisher wurden Dutzende Menschen getotet und knapp 100 verletzt. AuBerdem wurden im Berichtjahr regelmaBig Menschen entf^hrt, nicht selten mit todlichen Folgen. Nach dem Sturz des georgischen Prasidenten Eduard Schewardnadse im November 2003 hatte es sich die neue georgische Regierung unter Michael Saakaschwili zur Aufgabe gemacht, die abtrtinnigen Gebiete des Landes, Abchasien und Siidossetien, wieder unter ihre Kontrolle zu brhigen. Das fuhrte vor allem mit der im Norden Georgiens gelegenen, de facto unabhangigen Region Sudossetien zu sich stetig verscharfenden Spannungen.
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Der Konflikt zwischen Georgiem und Stidosseten fiiBt auf historisch tief verwurzelten ethno-territorialen Differenzen. Wahrend die Osseten auf ihre seit Jahrhunderten im Nordkaukasus ansassigen Vorfahren verweisen, betont Georgien, dass die Osseten das Gebiet an der Siidgrenze der Russischen Federation erst im 17. Jahrhundert besiedelten und damit „Gaste" in dieser Region seien, ohne Anspruch auf besondere Rechte. Von 1918 bis 1921 war Georgien eine unabhangige Republik, zu der auch das heutige Siidossetien gehorte. Der nordliche Teil Ossetiens wurde damals endgiiltig Russland einverleibt. In Siidossetien marschierten georgische Truppen ein, um mogliche Unabhangigkeitsbestrebungen zu unterbinden. Es kam zu blutigen ZusammenstoBen. Noch heute belasten diese Ereignisse die georgisch-stidossetischen Beziehungen. 1922 wurde Siidossetien zum Autonomen Gebiet innerhalb der Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik, wahrend Nordossetien wenige Jahre spater den Status einer Autonomen Republik auf dem Gebiet der heutigen Russischen Foderation erhielt. Zu Sowjetzeiten hielten die Differenzen zwischen Georgien und Siidossetien an. Siidossetien beklagte sich regelmaBig, gegeniiber dem Kemland Georgien wirtschaftlich benachteiligt zu sein. Im Zuge der Perestrojka verstarkten sich die Spannungen zwischen Georgiem und Siidosseten. Wahrend in Georgien die Rufe nach staatlicher Unabhangigkeit lauter wurden, diskutierte man in Siidossetien die Wiedervereinigung mit Nordossetien. Im November 1988 fuhrte Tiflis ein neues Gesetz ein, mit dem Georgisch zur alleinigen Amtssprache der Sowjetrepublik wurde. Sudossetien wehrte sich gegen diesen georgischen Assimilierungsversuch, und erklarte Ossetisch zur offiziellen Staatssprache Siidossetiens. 1989 formierte sich in Siidossetien eine nationale Bewegung, die erfolglos den Status einer Autonomen Republik einforderte. Es kam zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Georgiem und Sudosseten. Am 20. September 1990 erklarte Siidossetien seine Souveranitat und hielt im Dezember desselben Jahres Wahlen zu einem eigenen Parlament ab. Der georgische Oberste Sowjet stimmte daraufhin fur die Aufhebung des Status Siidossetiens als Autonomes Gebiet. Im Januar 1991 drangen Milizen georgischer Nationalisten in Siidossetien ein, zerstorten mnd 100 ossetische Dorfer und belagerten monatelang die sudossetische Hauptstadt Zchinwali. Die in der Region stationierten sowjetischen Soldaten griffen zunachst nicht in die Kampfe ein. Erst im Friihjahr 1991 schickte Moskau mnd 500 Soldaten einer Spezialeinheit des sowjetischen Innenministeriums nach Zchinwali, wo sie mehr oder weniger eindeutig Position fUr die siidossetische Seite ergriffen, bis sie ein Jahr spater im Zuge der Auflosung der Sowjetunion wieder abgezogen wurden. Zuvor hinterlieBen sie Sudossetien noch einen groBen Vorrat militarischen Materials. Dariiber hinaus wurden die sudossetischen Separatisten von Freiwilligen der Konfoderation der Bergvolker des Kaukasus, einem Biindnis nationaler Bewegungen nordkaukasischer Republiken, unterstiitzt.
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Das Parlament in Zchinwali erklarte am 26. November 1991 die Unabhangigkeit Siidossetiens von Georgien und bekraftigte seine Forderung, der Russischen Federation beizutreten. Der georgische Prasident Swiad Gamsachurdia reagierte mit einem Dekret iiber die Einverleibung Siidossetiens in den georgischen Staat. Auf beiden Seiten regierten kompromisslose Nationalisten, Verhandlungsoptionen ergaben sich nicht. Im Fruhjahr 1992 kam es emeut zu schweren Gefechten zwischen den paramilitarischen Verbanden beider Seiten. Unter dem standigem Beschuss der georgischen Nationalgarde wurde Zchinwali in groBen Teilen zerstort. Es bildeten sich groBe Fliichtlingswellen. Die Mehrheit der Georgier wurde aus Stidossetien vertrieben, ihre Hauser wurden niedergebrannt oder von Stidosseten besetzt. Auch zwischen 40.000 und 100.000 Osseten aus Stidossetien und dem georgischen Kemland flohen aus der Region, die meisten von ihnen nach Nordossetien. Erst mit dem Sturz Gamsachurdias und dem Machtantritt Schewardnadses fanden die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zuruck. Bereits am 24. Juni 1992 unterzeichneten Schewardnadse und der damalige russische Prasident Boris Jelzin zusammen mit Vertretem Slid- und Nordossetiens in Sotschi das Abkommen iiber die Prinzipien zur Beilegung des georgischsudossetischen Konflikts. Insgesamt wurden bei den bewafftieten Auseinandersetzungen 1991-92 etwa 1,000 Menschen getotet, etwa 100 werden bis heute vermisst. Das Sotschi-Abkommen sah die Schaffung einer gemeinsamen Friedenstruppe vor. Primare Aufgabe dieser trilateralen Friedenstruppe war es, den Waffenstillstand zu iiberwachen, die Konfliktparteien voneinander zu trennen und die Sicherheit in der Konfliktzone zu gewahrleisten. AuBerdem regelte das Waffenstillstandsabkommen die Errichtung eines 15 Kilometer breiten Sicherheitskorridors entlang der Konfrontationslinien, den Abzug bewaffiieter Gruppierungen und die Entwaffhung von Selbstverteidigungseinheiten. Das Oberkommando liegt de facto bei Russland, das auch die Rolle des Hauptvermittlers im folgenden Konfliktlosungsprozess iibemahm. Laut Vertrag sollte diese 1.500 Mann starke Truppe zu je einem Drittel aus russischen, georgischen und (nord- und siid)ossetischen Soldaten bestehen. Tatsachlich ist das russische Kontingent mit 700 Mann nicht nur am groBten, sondem auch am besten ausgerustet und ausgebildet. Auch viele der ossetischen Soldaten werden von Moskau finanziert, so dass die pro-russischen beziehungsweise pro-ossetischen Krafte deutlich dominieren. Die Rekrutierung ortsansassiger Osseten und Georgier fuhrte auBerdem dazu, dass sich die so genannte Friedenstruppe zu einem groBen Teil aus denjenigen zusammensetzte, die wenige Monate zuvor noch gegeneinander gekampft hatten. Sie engagierten sich in den folgenden Jahren weniger fiir die Stabilisierung der Region als im Schwarzhandel, Waffen- und Drogenschmuggel. Neben der gemeinsamen Friedenstruppe wurde bereits im Dezember 1992 eine Mission der Organisation fur Sicherheit und Zusammenarbeit in
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Europa (OSZE) in Tiflis eingerichtet. Sie iiberwacht den Waffenstillstand und soil Verhandlungen tiber eine endgtiltige politische Regelung des Konflikts unterstutzen. Wichtigstes Forum dabei ist die auf Grundlage des Sotschi-Abkommens eingerichtete Kontrollkommission aus Vertretem Georgiens, Russlands sowie Nord- und Siidossetiens. Bereits in den Jahren 1994 und 1995 prasentierte die OSZE-Mission Entwurfe zur Regelung der Statusfrage Siidossetiens, die von den Konfliktparteien jedoch abgelehnt wurden. Wenig spater vereinbarten sie jedoch erste vertrauens- und sicherheitsbildende MaBnahmen. 1997 wurde ein Memorandum unterzeichnet, in dem sich die Regierungen in Tiflis und Zchinwali emeut fur eine friedliche Regelung des Konflikts aussprachen und zur Demilitarisierung des Gebiets verpflichteten. Der Konfliktlosungsprozess blieb eingefroren, bis sich mit der Machttibemahme Michail Saakaschwilis im November 2003 Georgiens politische Prioritaten anderten. Erklartes Ziel der neuen Regierung war es, die separatistischen Regionen wieder der Kontrolle der Zentralmacht zu unterstellen. Einen ersten Machtkampf um die Autonome Republik Adscharien im Siidwesten des Landes entschied Tiflis Anfang Mai 2004 fiir sich und wandte sich anschlieBend Siidossetien zu. Am 23. Mai 2004 wurden in Siidossetien international nicht anerkannte Parlamentswahlen durchgeflihrt. Als Reaktion darauf verriegelten georgische Sicherheitskrafte am 31. Mai die administrative Grenze zu Siidossetien und errichteten dort zusatzliche Kontrollposten - vorgeblich zum Kampf gegen den Schmuggel. AuBerdem wurde der Ergneti-Markt, der groBte Umschlagplatz fiir illegal ins Land gebrachte Waren, geschlossen. Der Schwarzhandel durch den Roki-Tunnel, der Georgien mit Russland verbindet, ist fur die Mehrheit der sudossetischen Bevolkerung die groBte Einnahmequelle. Beobachter sahen in den MaBnahmen der georgischen Regierung deshalb das Ziel, die Separatisten durch wirtschaftlichen Druck in die Knie zu zwingen und einen Keil zwischen die lokalen Machthaber und die siidossetische Bevolkerung zu schieben. Georgien rechtfertigte seine Aktionen mit dem Bestreben, fur regionale Stabilitat und wirtschaftlichen Aufschwung im Lande zu sorgen. Angeblich als Antwort auf russische Drohungen, die georgischen Kontrollposten zu zerstoren, verlegte Tiflis Ende Mai 300 Spezialkrafte des Innenministeriums sowie Panzer und Artillerie an die siidossetische Grenze. Russland reagierte darauf ebenfalls mit der Stationierung von Schiitzenpanzem, schweren Waffen und zusatzlichen Soldaten. Sowohl Tiflis als auch Moskau bezeichneten ihre Truppenbewegungen dabei als regulare Nachschubaktionen fiir die jeweiligen Kontingente der Friedenstruppen. Die Situation spitzte sich zu, als georgische Truppen im Juni und Juli 2004 mehrere Male russische Militarkonvois stoppten und einige hundert Raketen beschlagnahmten. Siidossetische Rebellen nahmen daraufhin Anfang Juli rund 40 georgische Soldaten als Geiseln. Bei sporadischen Gefechten kamen in
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den nachsten Wochen mehr als zehn Kampfer urns Leben, etwa 30 wurden verletzt. Die Regierung in Moskau drohte, notfalls zum Schutz ihrer Staatsbiirger in der Krisenregion zu intervenieren, da die Mehrheit der Siidosseten russische Passe besitze. Das russische Parlament, die Duma, erlieB sogar eine Deklaration dazu. Am 13. August 2004 vereinbarte die gemeinsame Kontrollkommission einen Waffenstillstand. Er sah den Abzug aller illegalen bewaf&ieten Gruppen aus der Konfliktregion und die Einrichtung zusatzlicher Kontrollposten vor. Wenige Tage spater eskalierten die Spannungen dennoch emeut. Bei den heftigsten Gefechten seit Ende des Krieges 1992 kamen innerhalb einer Woche fast 20 georgische Soldaten ums Leben, mehr als 50 wurden verletzt. Die Zahl der Opfer auf stidossetischer Seite ist nicht bekannt. Am 20. August gab Prasident Saakaschwili den Befehl zum Rtickzug der georgischen Truppen. Allerdings folgten weitere todliche Schusswechsel und Angriffe auf die Friedenstruppe. Die georgische Polizeiaktion hatte zu einer erhohten Gewaltbereitschaft gefuhrt, die jederzeit zu eskalieren drohte. Das in dem vorangegangenen mehr als zehnjahrigen Verhandlungsprozess miihsam aufgebaute Vertrauen zwischen den Konfliktparteien wurde weitgehend zerstort. Alle bisherigen Verhandlungsergebnisse wurden fur hinfalHg erklart und auch ein im November 2004 erzieltes DemilitarisierungsUbereinkommen wurde bis heute nicht umgesetzt. Einen ersten Ruckschlag erlitt die georgische Position noch im Dezember 2004, als die russische Delegation gegen eine Verlangerung der OSZEGrenzbeobachtermission stimmte. Bereits im Januar 2005 wurden die etwa 250 unbewaffheten Soldaten, die fiir insgesamt 280 km lange Grenzabschnitte im Norden Georgiens zustandig waren, abgezogen. Die OSZE ubte sich in Schadensbegrenzung, und richtete Mitte April ein Trainingsprogramm fiir insgesamt 800 georgische Grenzsoldaten ein. Im Mai stattete der USamerikanische Prasident George W. Bush Georgien einen Besuch ab und hob die Wichtigkeit einer baldigen Konfliktlosung in Georgien hervor. Wiederholt wurde im Berichtjahr die Haupt- und VerbindungsstraBe zwischen Georgien und der stidossetischen Hauptstadt Zchinwali, teilweise flir mehrere Wochen, von georgischen Siedlem blockiert, um die Freilassung ihrer in stidossetischen Gewahrsam oder in Geiselhaft genommenen Familienangehorigen zu erzwingen. Die Situation drohte bereits Mitte Januar zu eskalieren, als Verwandte und Freunde in Stidossetien inhaftierter Georgier im Gegenzug ein Dutzend Osseten als Geiseln nahmen. Anfang Juni verschwanden in Stidossetien vier Georgier spurlos. Dieser Fall fiihrte zu einer politischen ZerreiBprobe zwischen den Konfliktparteien, well Racheakte befurchtet wurden. Die aufgefundenen Leichen der vier Opfer wurden erst im Dezember an ihre Familien tibergeben. Ebenfalls im Dezember nahmen stidossetische Milizen 10 bis 20 georgische Polizisten und Zivilisten in Geiselhaft.
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Die Serie von Anschlagen und blutigen ZusammenstoBen dauerte im Berichtjahr ebenfalls an. Anfang Februar 2005 kam es zu einer nicht naher untersuchten Explosion im georgischen Dorf Tamarasheni in der Konfliktregion, bei der jedoch niemand verletzt wurde. Nur kurze Zeit spater explodierte in der georgischen Stadt Gori nahe der sudossetischen Grenze eine Bombe, bei der vier Menschen getotet und etwa 27 verletzt wurden. Im Zusammenhang mit der Explosion nahm die georgische Polizei im Juli zwei Siidosseten als dringend tatverdachtig fest. Ende Mai kamen in Stidossetien bei einer SchieBerei vier ossetische Milizionare und ein georgischer Polizist ums Leben. Georgien kritisierte daraufhin die andauemde Lieferung militarischen Materials aus der Russischen Foderation nach Stidossetien. Am 20. September, dem 15. Jahrestag der siidossetischen Souveranitatserklarung, wurde Zchinwali von benachbarten georgischen Dorfem aus mit Morsergranaten beschossen, zehn Menschen wurden verletzt. Anfang Oktober stiirmten bewaf&iete Manner das georgische Dorf Berula in Sudossetien und schossen um sich. Dabei wurden zwei Menschen verletzt. Bei einem Schusswechsel verletzten georgische Militarpolizisten am 5. Dezember einen sudossetischen Vize-Polizeichef im Zuge seiner Festnahme. Mit der georgischen Polizeiaktion in Sudossetien im Sommer 2004, den verstarkten georgischen Reservisteniibungen im Sommer 2005 und den militaristisch-nationalistisch angehauchten Festreden von Saakaschwili und seinem Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili wurde eine verstarkte Remilitarisierung Georgiens registriert, welche die bleibende schlechte Lage in sudossetien im Berichtsjahr manifestierte. Eine friedliche Losung des Separationskonflikts im Stidkaukasus ist mittelfristig nicht absehbar. Zwar sind die beiden groBeren Konfliktparteien Georgien und Russland an einer weiteren Eskalation nicht interessiert, da dies Auswirkung auf die angespannte Lage in der gesamten Kaukasusregion haben konnte. Trotzdem halt Moskau an seinen eigenen machtpoHtischen Interessen fest und stoBt in Tiflis auf eine Regierung, die bis heute keine umfassende Strategic fiir eine konstruktive Losung des Konflikts vorweisen kann. Derzeit pendelt die georgische Regierung zwischen der ihr von westlichen Partnem aufgezwungenen gemaBigten Position, um die fur das Land essentielle Unterstiitzung bei der politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung nicht zu verlieren, und dem innenpolitischen Druck, baldmoglichst neue Erfolge im Kampf gegen die territoriale Zersplitterung vorweisen zu konnen. Marietta S. Konig Weiterfuhrende Literatur und Informationsquellen: CSCE Mission to Georgia: Draft Proposal on a Future Political Status for South-Ossetia, Tbilisi 1994 Diasamidze, Tamaz: Regional Conflicts in Georgia - The Autonomous Oblast of South Ossetia, the Autonomous Republic of Abkhazia (1989-2002). The Legal Collection of Political-Legal Acts, Tbilisi 2003
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International Crisis Group: Georgia: Avoiding War in South Ossetia, Tbilisi 2004: http ://www.icg.org Konig, Marietta: Der georgisch-siidossetische Konflikt, in: Institut fur Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) (Hrsg.): OSZE-Jahrbuch 2004, Baden-Baden 2004, S. 253-266 http://kavkaz.memo.ru (Kavkazkij Uzel) http://www.civil.ge (Civil Georgia Magazine) http://www.eurasianet.org (Central Eurasia Network des Open Society Network) http://www.iwpr.net (Institute for War and Peace Reporting) http://www.osce.org/georgia (OSZE-Mission in Georgien)
Irak (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1998 AE-1 USA, GroBbritaimien u.a., Irak / Qaidat Al-Dschihadfi Bilad Al-Rafidain, Ansar Al-Sunna u.a.
Eine Verbesserung der Lage im Irak ist 2005 ausgeblieben. Trotz politischer Prozesse waren das gesamte Berichtsjahr hindurch Anschlage zu verzeichnen. Wahlen und die Abstimmung uber eine neue Verfassung verhinderten insbesondere in den iiberwiegend von arabischen Sunniten bewohnten Provinzen Zentral- und Westiraks nicht, dass immer wieder Soldaten der auslandischen Koalitionstruppen, Angehorige der irakischen Sicherheitskrafte und vor allem schiitische Zivilisten getotet wurden. Die US-Armee reagierte hierauf mit zahh-eichen militarischen Operationen, bei denen hunderte Iraker starben. Die USA und GroBbritannien, die heute die groBten Kontingente der im Irak stationierten Soldaten stellen, bildeten bereits den Kern der 1990 formierten Allianz gegen den Irak. Ausgangspunkt war damals die Besetzung Kuwaits durch den Irak am 2. August 1990. Die Internationale Staatengemeinschaft verurteilte diesen Angriff und im November 1990 bewilligte der UN-Sicherheitsrat jegliche zur Beendigung der Invasion notigen MaBnahmen. Der Irak lieB alle ihm gesetzten Ultimaten verstreichen, so dass im Januar 1991 der Zweite Golfkrieg begann. In knapp sechs Wochen wurden die irakischen Truppen aus Kuwait vertrieben und am 28. Februar 1991 verkiindeten die USA den Waffenstillstand. Die herrschende Klasse im Irak stammte in den letzten 80 Jahren aus den arabischen Sunniten, obgleich diese nur etwa 20 Prozent der irakischen Bevolkerung ausmachen. Auch das Baath-Regime Saddam Husseins war entsprechend dominiert. Sowohl die Kurden im Norden als auch die Schiiten im Suden des Iraks, die trotz eines Bevolkerungsanteils von rund 20 bezie-
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hungsweise 60 Prozent politisch und wirtschaftlich stark benachteiligt waren, galten als potenzielle Oppositionskrafte gegen Saddam Hussein. Daher wurden nach Kriegsende zwei Flugverbotszonen eingerichtet, um diese vor eventuellen Luftangriffen der irakischen Streitkrafte unter Saddam Hussein zu schtitzen: im April 1991 nordlich des 36. Breitengrades und im August 1992 siidlich des 33. Breitengrades. Die USA und GroBbritannien beriefen sich zur Legitimation ihrer Handlung auf die Resolution 688 des UN-Sicherheitsrats, welche die Unterdruckung der Zivilbevolkerung durch das irakische Regime verurteilte. Seit 1991 fiihrte zudem die United Nations Special Commission (UNSCOM) Inspektionen im Irak durch, mit denen die Zerstorung der irakischen Massenvemichtungswaffen iiberwacht werden sollte. Im Jahre 1996 wurde die siidliche Flugverbotszone bis unmittelbar an die Stidgrenze der Hauptstadt Bagdad erweitert. Beide Zonen waren Anlass fiir wiederholte gewaltsame Zwischenfalle zwischen dem Irak auf der einen sowie den USA und GroBbritannien auf der anderen Seite. Seit 1998 erkannte das irakische Regime die Legitimitat dieser Zonen nicht mehr an. Im Dezember 1998 verscharften sich die Spannungen, nachdem der Irak die Zusammenarbeit mit den Inspektionsteams der UNSCOM aufgektindigt und alle Inspekteure des Landes verwiesen hatte. Bei mehr als 250 Uberprufungen zwischen 1991 und 1998 hatten die Inspekteure den Eindruck gewonnen, dass der Rilstungsstand des Iraks sowohl hinsichtlich chemischer und biologischer als auch hinsichtlich atomarer Waffen als nicht mehr akut bedrohlich zu bezeichnen war. Jedoch bombardierten USamerikanische und britische Kampfflugzeuge im Dezember 1998 bereits vor der Veroffentlichung des Abschlussberichts der Waffeninspektoren vier Tage lang den Irak. Die Zahl der Todesopfer wurde auf 35 beziffert. Nach Ende dieser Operation setzten die USA und GroBbritannien den Krieg gegen den Irak in Form kontinuierlicher Luftangriffe fort, die sich im Wesentlichen auf irakische Luftabwehr- und Radarstellungen in den Flugverbotszonen als Ziele beschrankten. Nach dem Amtsantritt von US-Prasident George W. Bush deutete sich bald eine Ausweitung des Vorgehens der USA gegen den Irak an. Seit August 2002 wurden die Angriffe in den Flugverbotszonen intensiviert. Bombardiert wurden nun auch Munitionsdepots, Kommandoeinrichtungen des Militars sowie Briicken und andere zivile Infrastrukturanlagen. Als Begrtindung fiir das verscharfte Vorgehen wurde aus Washington und London eine unmittelbare Bedrohung durch Massenvemichtungswaffen seitens des Irak angefiihrt, die nur noch durch den Sturz des Regimes von Saddam Hussein zu beseitigen sei. Im Oktober 2002 begannen die USA mit einem massiven Truppenaufinarsch am Golf Nachdem sich zu Beginn des Jahres 2003 der UN-Sicherheitsrat nicht auf eine gemeinsame Position zum Irak verstandigen konnte, stellte US-Prasident Bush am 18. Marz Saddam Hussein ein Ultimatum, innerhalb von 48 Stun-
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den ins Exil zu gehen. Von irakischer Seite erfolgte keine Reaktion. So begann am 20. Marz 2003 die Operation Iraq Freedom, welche in der Offentlichkeit als Dritter Golfkrieg wahrgenommen und bezeichnet wurde. Etwa 240.000 US-amerikanische und 45.000 britische Soldaten waren an dieser Phase des Krieges beteiligt. Ihnen standen zu Beginn insgesamt 380.000 irakische Soldaten gegeniiber, die auf Dauer den massiven Luftschlagen und der groBen technologischen Uberlegenheit der Koalitionsarmee nicht viel entgegensetzen konnten. Massenvemichtungswaffen kamen auf irakischer Seite nicht zum Einsatz und wurden von der US-amerikanischen und britischen Armee auch nicht gefiinden. Die US-Truppen nahmen Bagdad bereits am 9. April 2003 ein und am 1. Mai verkiindete US-Prasident Bush das Ende der Hauptkampfliandlungen. Diese Phase des Krieges kostete rund 13.000 Iraker das Leben, davon nach verschiedenen Angaben 30 bis 60 Prozent Zivilisten. Auf Seiten der USA und ihrer Verbundeten verloren rund 150 Soldaten ihr Leben. Am 22. Mai 2003 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1483. Mit ihr wurden die USA und GroBbritannien offiziell als fiihrende Besatzungsmachte im Irak anerkannt. Seitdem blieb die Situation im Irak allerdings von Gewalt gepragt. Die rund 30 Staaten umfassende Besatzungsarmee war nicht in der Lage, die Stabilitat im Lande zu gewahrleisten. Die US-Zivilverwaltung begann daher mit dem Neuaufbau einer irakischen Armee und Polizei. Ehemalige BaathAktivisten wurden hiervon zunachst ausgeschlossen, spater jedoch begrenzt zugelassen. Die irakische Armee und Polizei sollten eine wichtige Rolle zur Stabilisierung der Lage im Irak einnehmen. Allerdings wurden sie selbst haufiger noch als die Besatzungstruppen - zum Ziel von Anschlagen. Insbesondere die Rekrutierungsbiiros, vor denen sich oft lange Schlangen bildeten, wurden haufig angegriffen. Doch auch die US-gefiihrten Koalitionstruppen hatten Verluste zu beklagen. Bei Anschlagen im Irak wurden schon bis Ende 2003 mehr US-Soldaten getotet, als wahrend der Hauptkampfliandlungen. Zu den Todesopfem der Anschlage gehorten vor allem auch Schiiten. Die USA machten hierflir immer wieder die Qaidat Al-Dschihadfi Bilad AlRafidain (Basis des heiligen Krieges im Zweistromland) des aus Jordanien stammenden Abu Musab Al-Sarkawi verantwortlich. Ober diesen sind wenige gesicherte Informationen verfugbar. Ob er und seine Gruppe fiir die hunderte von Anschlagen und zahlreiche Entflihrungen tatsachlich verantwortlich sind, ist ebenso unklar wie sein Aufenthaltsort. Die USA sehen in ihm den irakischen Verbindungsmann zum ^/-ga/Wa-Netzwerk. Inwiefem Sarkawi im Irak iiber eine echte Machtbasis verfiigt, ist umstritten. Die USA warfen ihm vor, den Irak in einen Biirgerkrieg stixrzen zu wollen, und haben auf seine Ergreifung ein Kopfgeld in Hohe von 25 Millionen US-Dollar ausgesetzt. Auch im Jahr 2004 verbesserte sich die Lage im besetzten Irak nicht. Im Gegenteil veriibten Aufstandische mehr Anschlage als je zuvor, durchschnitt-
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lich 70 pro Tag. Die Akteure blieben oft unerkannt. Die USA machten immer wieder auslandische Mitglieder des Al-Qaida-NotzwQrkQS, alien voran Sarkawi, fur die Anschlage verantwortlich. Eine zweite, zahlenmaBig bedeutendere Akteursgruppe auf Seiten der Aufstandischen bildeten irakische Sunniten, deren Zahl auf 30.000 geschatzt wird und die sich im Kern aus Anhangem des alten Regimes Saddam Husseins und ehemaligen Aktivisten der Baath-Partei zusammensetzt. Diese furchten, dass der durch die Absetzung des Hussein-Regimes erfahrene Machtverlust im „neuen" Irak festgeschrieben wird - entweder durch die anhaltende Prasenz der US-gefuhrten Koalitionsarmee oder durch eine Machtverschiebung zugunsten der Schiiten, welche die Mehrheit der Bevolkerung ausmachen. Das Zentrum des sunnitischen Widerstands gegen die Besatzung war die zentralirakische Stadt Falludscha. Diese wurde im April 2004 von USEinheiten abgeriegelt. Bei Luftangriffen und heftigen Bodengefechten starben in wenigen Tagen etwa 600 Iraker und 70 US-Soldaten, rund 70.000 Menschen flohen aus Falludscha. Es gelang der US-Armee jedoch nicht, die Kontrolle iiber die Stadt wiederzuerlangen. Im Juni eskalierte die Lage erneut. Nach einigen gewaltsamen Zwischenfallen bombardierte die USLuftwaffe Falludscha. Erst im November jedoch begann die groBe Offensive. Insgesamt 10.000 US-Soldaten griffen die Stadt an, innerhalb weniger Wochen wurden 1.600 Iraker und 51 US-Soldaten getotet. Falludscha wurde fast vollstandig zerstort. Auch in anderen sunnitischen Stadten startete die USArmee Offensiven, um die Kontrolle iiber das Land zuriickzugewinnen. Diese Kampfe zogen sich iiber Monate hin, insbesondere Falludscha war noch zu Beginn des Jahres 2005 nicht vollstandig bemhigt. Fiir diesen Widerstand blieb es bedeutungslos, dass das Besatzungsregime offiziell am 28. Juni 2004 durch die LFbergabe der Regierungsaufgaben an eine irakische Ubergangsregierung beendet wurde, zumal diese kein Vetorecht gegen US-amerikanische Militaraktionen besaB. Daruber hinaus trat 2004 noch eine dritte Gruppe von Aufstandischen in Erscheinung: Auch unter den Schiiten fanden sich Aufstandische, die gegen die US-Besatzung kampften. Vor allem die Anhanger des jungen Predigers Muktada Al-Sadr sind hier zu nennen. Sadr, der seine auf etwa 2 Millionen geschatzte Anhangerschaft in den armsten Bevolkerungsteilen des Iraks hat, weigerte sich, an der Bildung einer neuen irakischen Ubergangsregierung mitzuarbeiten. Er flirchtete durch die Wahlen einen Verlust an Einfluss, da seine Macht vor allem iiber sein personliches Prestige beziehungsweise das seines Vaters begriindet ist. Er rief seine Anhanger immer wieder zum Widerstand gegen die Besatzungstruppen auf. Das unter den Schiiten weit verbreitete Misstrauen gegen die USA flihrte zu einer breiten Akzeptanz seiner Fordemngen. Der Konflikt eskalierte, nachdem die USA einen Haftbefehl gegen Sadr wegen dessen mutmaBlicher Beteiligung an der Ermordung eines rivalisierenden schiitischen Geistlichen aussprachen. Sadr-Anhanger unter
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der Fiihrung seiner Miliz, der Dschaisch Al-Mahdi (Armee des Mahdi), kampften vor allem im Bagdader Stadtteil Sadr-City und in der Stadt Nadschaf gegen die Besatzungsarmee und erlangten die Kontrolle iiber diese sowie weitere Stadte des Sudirak. Bei diesen Kampfen kamen in den ersten Aprilwochen iiber 1.000 Iraker und etwa 50 Koalitionssoldaten urns Leben. In der Folgezeit konzentrierten sich die Kampfe vor allem auf Nadschaf, wo sich die Aufstandischen behaupten konnten. Erst nachdem rund 100.000 Menschen die Stadt verlassen hatten, wurde unter Vermittlung des hochsten schiitischen Geistlichen im Irak, Ayatollah Ali Al-Sistani, Ende August ein Friedensplan ausgehandelt. Sadr und seine Milizionare durften die Stadt verlassen. Im Gegenzug iibemahmen dafiir die US-Armee und die irakische Armee die Kontrolle. Allein wahrend der Kampfe im August starben in Nadschaf nach unterschiedlichen Angaben etwa 700 Aufstandische, 50 irakische Sicherheitskrafte und neun US-Soldaten. Im Berichtsjahr verschlechterte sich die Sicherheitslage im Irak vor allem im Umfeld der nationalen Wahlen, welche am 30. Januar stattfinden sollten. Bei diesen ging es um die Wahl des Parlaments, welches eine endgixltige Verfassung fur den Irak ausarbeiten sollte, sowie um die Wahlen von Provinzversammlungen und eines kurdischen Regionalparlaments. Einflussreiche Sunniten riefen zum Boykott der Wahlen auf, im Vorfeld der Wahl waren immer wieder schiitische Zivilisten und Politiker das Ziel von Anschlagen. Auch wurden in diesen Wochen mehrere hochrangige Angehorige der irakischen Administration ermordet. So wurde am 4. Januar der Gouvemeur von Bagdad, Ali Al-Haidari, erschossen, wenige Tage spater der Polizeichef von Samarra und der Vizepolizeichef von Bagdad. Insbesondere in der Provinz Anbar, in der die Widerstandshochburg Falludscha liegt, war es trotz wiederholten militarischen Eingreifens der US-Armee sehr unruhig. In Anbar, ebenso wie m der Provinz Ninive mit der Hauptstadt Mossul, war es daher auch nicht moglich, die fur die Wahl notwendige Registrierung von Wahlem durchzufuhren. Vor der Wahl wurden aber auch im schiitischen Suden und kurdischen Norden des Landes vermehrt Anschlage veriibt. Um die Sicherheitslage in den Griff zu kriegen, wurden die US-amerikanischen Truppen von 138.000 auf 150.000, die britischen von 8.500 auf 9.150 Soldaten aufgestockt. Dies konnte jedoch nicht verhindem, dass in der Woche vor der Parlamentswahl bei diversen Anschlagen iiber 100 Schiiten ums Leben kamen. Allein in Bagdad registrierte die irakische Regierung in dieser Zeit durchschnittlich 50 Angriffe von Aufstandischen pro Tag. Als Drahtzieher der Anschlage wurde von der US-Armee immer haufiger die Gruppe Ansar Al-Sunna (Heifer des Sunniten), eine Splittergruppe der radikalislamistischen Gruppe Ansar Al-Islam (Heifer des Islam) mit Verbindungen zu Al-Qaida und Sarkawi, verantwortlich gemacht. Die Wahl selbst fand wie geplant am 30. Januar statt, allerdings mit sehr unterschiedlicher Beteiligung in den einzelnen Teilen des Irak. Wahrend in
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schiitischen und kurdischen Regionen die Wahlbeteiligung sehr hoch war, blieben die Wahllokale im so genannten sunnitischen Dreieck nahezu leer. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung aber bei knapp 60 Prozent. Als Sieger mit absoluter Mehrheit ging wie erwartet die schiitische Liste Vereinigte Irakische Allianz, die von GroBayatollah Sistani unterstiitzt wurde, hervor. Zweitstarkste Fraktion wurde die gemeinsame Liste der groBten kurdischen Parteien. So wurde der Kurde Dschalal Talabani Anfang April zum Staatsprasidenten gewahlt, dieser emannte den Schiiten Ibrahim Al-Dschafari zum Ministerprasidenten, dem laut Verfassung groBere Macht zukommt. Die Zahl der Anschlage nahm einige Wochen nach der Parlamentswahl zwar ab, jedoch wurden diese nun effektiver und gezielter eingesetzt. So starben am 5. Mai bei einem Anschlag auf ein Rekrutierungsbiiro im nordirakischen Erbil nach unterschiedlichen Angaben 50 bis 90 Menschen, am 11. Mai kamen bei Anschlagen in Tikrit und Hanidscha, 200 Kilometer nordlich von Bagdad, 57 Menschen ums Leben. Zu diesen Anschlagen bekannte sich Ansar Al-Sunna. Gegen diese Organisation richtete sich offiziell die Offensive Matador der US-Armee, die in der zweiten Maiwoche begann. In der westirakischen Provinz Anbar bombardierten US-Flugzeuge mehrere Stadte, mindestens 100 Menschen starben hierbei. Am 24. Mai wurden bei einer gemeinsamen Operation von US-Militar und irakischen Sicherheitskraften 428 Menschen bei Bagdad festgenommen. Ziel war es, die immer wieder vorkommenden Angriffe auf das Gefangnis Abu Ghraib zu unterbmden. Eine Woche spater fuhrten 40.000 irakische Sicherheitskrafte emeut eine Razzia im GroBraum Bagdad durch, nahmen nochmals 500 Menschen fest und beschlagnahmten zahlreiche Waffen. In den folgenden Wochen beruhigte sich die Lage im Irak ein wenig, wenngleich nach wie vor Anschlage an der Tagesordnung waren. Zwischen April und Juni starben durch Anschlage rund 1.200 Menschen, darunter 120 US-Soldaten. Unterdessen setzte die US-Armee ihre Angriffe auf Rebellen nahe der syrischen Grenze fort. Am 11. Juni starben hierbei nach USAngaben mindestens 40 Aufstandische. Die angespannte Lage zeigte sich auch am 31. August, als es in Bagdad zu einer Tragodie kam: Unter schiitischen Pilgem kam auf einer Briicke iiber den Tigris das Gerucht auf, ein Selbstmordattentater habe sich unter die Menge gemischt. In der entstehenden Panik wurden viele Menschen zu Tode getrampelt oder in den Tigris gedrangt, wo sie ertranken. Uber 1.000 Iraker kamen hierbei ums Leben. Viel Aufsehen erregten die auch im Berichtsjahr andauemden Entfiihrungen von Auslandem im Irak. So wurde etwa die italienische Joumalistin Giuliana Sgrena am 4. Februar entfuhrt, die Gruppe Organisation des islamischen Dschihad bekannte sich hierzu. Nach einem Monat wurde sie freigelassen. Unter nicht vollstandig geklarten Umstanden wurde jedoch ein italienischer Geheimdienstmitarbeiter auf der Fahrt zum Flughafen von USSoldaten getotet. Dutzende weitere Entflihrungen, wie auch jene der deut-
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schen Archaologin Susanne Osthoff, die am 18. Dezember nach 25 Tagen in Geiselhaft freigelassen wurde, ereigneten sich wahrend des gesamten Berichtsjahres. Die Zahl der Entftihrungen von Auslandem belauft sich seit dem Ende des Hussein-Regimes auf iiber 200. Haufig endeten sie mit der Totung der Geiseln. Trotz der anhaltenden Gewalt wurde am 15. Oktober die neue Verfassung mit rund 78-prozentiger Zustimmung angenommen. Um die Durchfiihrung der Parlamentswahlen auf Basis dieser Verfassung am 15. Dezember sicher zu stellen, verstarkte die US-Armee Ende November nochmals ihre Aktivitaten. Innerhalb weniger Wochen fiihrte sie funf Operationen im Nordirak und im zentralirakischen Ramadi durch. Im Gegensatz zur Wahl des Ubergangsparlaments verlief die neuerliche Wahl auch weitgehend ruhig und auch die Sunniten beteiligten sich. Zur Wahl standen emeut hauptsachlich ethnisch und konfessionell definierte Biindnisse. Die Mehrheit erlangte wie schon bei der Januar-Wahl die schiitische Liste Vereinigte Irakische Allianz, der sich mittlerweile auch Sadr angeschlossen hatte. Zurzeit deutet wenig allerdings darauf hin, dass der formal erfolgreiche poltische Prozess zu einer Befriedung des Landes in absehbarer Zeit beitagen wird. Henrik Meyer Weiterfuhrende Literatur und Informationsquellen: Blix, Hans: Disarming Iraq. Search for Weapons of Mass Destruction, London 2004 Brisard, Jean-Charles, Das neue Gesicht der al-Kaida. Sarkawi und die Eskalation der Gewalt, Berlin 2005 Dodge, Toby: Iraq's Future: The Aftermath of Regime Change, London 2005 Dodge, Toby (Hrsg.): Iraq at the Crossroads. State and Society in the Shadow of Regime Change, Oxford 2003 Fiirtig, Henner: Kleine Geschichte des Irak, Munchen 2003 Kubbig, Bemd W. (Hrsg.): Brandherd Irak. US-Hegemonieanspruch, die UNO und die Rolle Europas, Frankfiirt/Main 2003 Miinkler, Herfried: Der neue Golfkrieg, Reinbek 2003 http://www.cia.gov/cia/reports/iraq_wmd_2004 (CIA-Abschlussbericht zu irakischen Massenvemichtungswaffen) http://www.defendamerica.mil (US-Verteidigungsministerium) http://www.fco.gov.uk (britisches AuBenministerium) http://www.un.org/Depts/unscom (UNSCOM)
Israel (Palastina) (Krieg) Begmn: Kriegstyp: Beteiligte:
2000 B-2 Hamas, JihadIslami, Al-Aqsa-Brigaden / Israel
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Der Tod des palastinensischen Fiihrers Jassir Arafat am 11. November 2004 sowie der von der israelischen Regierung unter Ariel Sharon geplante militarische Abzug aus dem Gaza-Streifen brachten eine neue Dynamik in den seit 2000 andauemden kriegerischen Konflikt. Am 9. Januar 2005 fanden auf palastinensischer Seite Wahlen statt, aus denen Mahmud Abbas als neuer palastinensischer President hervorging. Trotz positiver Tendenzen blieb die Lage auch im Berichtsjahr von zahlreichen Anschlagen gekennzeichnet. Bereits vor der Staatsgriindung Israels im Jahre 1948 war die Verquickung religioser Identifikation mit politischen Zielvorstellungen sowohl bei Juden als auch bei Muslimen eine entscheidende Konfliktursache, die zu heftigen Auseinandersetzungen um die heiligen Statten in Jerusalem geftihrt hatte. Die weitere Entwicklung des Konflikts ftihrte zu mehreren Kriegen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarlandem. Im Anschluss an die Niederlage der arabischen Staaten im Sechstagekrieg vom Juni 1967, versuchten die verschiedenen Teilorganisationen der Palestine Liberation Organisation (PLO) unter Fiihrung von Jassir Arafat die Situation der Palastinenser ins Bewusstsein der Weltoffentlichkeit zu riicken. In den von Israel 1967 eroberten Gebieten wurden jUdische Siedlungen errichtet. Die Friedensverhandlungen zwischen der palastinensischen Fiihrung und Israel, die 1991 unter der Schirmherrschaft der USA und Russlands begannen, zeigten zunachst wenig Erfolg. Norwegen vermittelte israelisch-palastinensische Geheimkontakte, die 1993 zur gegenseitigen Anerkennung Israels und der PLO flihrten. Dies war die Voraussetzung fiir das wenige Tage spater in Washington durch Israel und die PLO unterzeichnete Abkommen, die so genannten Osloer Vertrage, iiber eine palastinensische Teilautonomie in Jericho im Westjordanland und dem Gaza-Streifen. In beiden Volkem schien es nach 30 Jahren Krieg und Besetzung Mehrheiten fur eine Verhandlungslosung zu geben. Doch die Verhandlungserfolge hatten die innerisraelischen und innerpalastinensischen Widerspruche verscharft. In beiden Lagem verurteilten oppositionelle Krafte die Abkommen als Verrat. Nachdem die so genannte Intifada, der Aufstand der Palastinenser in den von Israel besetzten Gebieten zwischen 1987 und 1993, beendet war, begann auf palastinensischer Seite der islamische Fundamentalismus der Gruppen Hamas (harakat al-muqaawama al-islamiya, Islamische Widerstandsbewegung), Jihad Islami (Islamischer Heiliger Krieg) sowie der Al-Aqsa-Brigaden an Einfluss zu gewinnen. Besonders die Hamas konnte sich dabei auf ein weit reichendes Netz an islamischen Einrichtungen stiitzen, das auch die Bereiche Bildung und medizinische Versorgung umfasste. Ihre Fiihrer, islamische Geistliche und IntifadaAktivisten, propagierten einen islamischen Staat und lehnten den Staat Israel kompromisslos ab. Um ihr oberstes Ziel, die Vemichtung Israels zu erreichen, setzten die militanten Islamisten auf die Wirkung zahlreicher Selbstmordattentate und anderer Anschlage. Als Reaktion toteten israelische Si-
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cherheitskrafte am 22. Marz 2004 gezielt den Hamas-FiXhrQV Scheich Ahmed Jassin und am 17. April auch dessen Nachfolger Abdel Asis Rantisi. Arafat reagierte darauf mit der Vereidigung einer Notstandsregierung. Die Verscharfiing des innerpolitischen Konflikts in Israel wurde besonders durch den Mord an Ministerprasident Yitzhak Rabin am 4. November 1995 deutlich. Der Streit zwischen den politischen Parteien iiber die besetzten Gebiete blockierte jegliche Schritte zu einer Verhandlungslosung mit der PLO. Erst die aus den Wahlen von 1999 hervorgegangene Regierung unter Ftihrung des damaligen Chefs der Israelischen Arbeitspartei, Ehud Barak, einigte sich mit Arafat darauf, die Verhandlungen iiber den endgultigen Status des palastinensischen Gemeinwesens bis September 2000 abzuschlieBen. Als deutlich wurde, dass sich Arafat und die israeUsche Ftihrung insbesondere in den Fragen der Riickkehr der palastinensischen Fltichtlinge und des Status von Jerusalem vorerst nicht einigen konnten, trat Barak im Dezember 2000 von seinem Amt als Ministerprasident zuriick. Der von den Palastinensem als Provokation empflindene Besuch des damaligen israelischen Oppositionsfiihrers Ariel Scharon am 28. September 2000 auf dem Jerusalemer Tempelberg, nahe der Al-Aqsa-Moschee, hatte eine Eskalation der Gewalt ausgelost, die in einem Krieg zwischen palastinensischen Gruppen und israelischen Sicherheitskraften gipfelte. Bei Neuwahlen 2001 erzielte Scharon einen deutlichen Wahlsieg iiber Barak und bildete eine Koalitionsregierung, an der sich die Arbeitspartei beteiligte. Unter anderem aufgrund eines Streits um die Finanzierung der jiidischen Siedlungen in den Palastinensergebieten zerbrach diese im Oktober 2002. Aus den vorgezogenen Neuwahlen Anfang 2003 gmg Scharons Partei Likud (KonsoHdierung) deutlich gestarkt hervor. Seine neue Regierung kiindigte an, weder Vorgaben fiir die Griindung eines palastinensischen Staates noch dessen voile Souveranitat zu akzeptieren. Nachdem bereits der GazaStreifen mit einer Mauer eingeschlossen worden war, begann Israel im Sommer 2002 damit, das Westjordanland ebenfalls mit einer Mauer vom israelischen Kemland abzutrennen. Ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) in Den Haag vom 9. Juli 2004 stellte die Volkerrechtswidrigkeit der Mauer fest. Darauf reagierte die israelische Regierung mit der Erklarung, dass sie ausschheBlich Urteile des eigenen Obersten Gerichts anerkenne. Dieses hatte lediglich festgestellt, dass der Verlauf der Mauer in einem 35 Kilometer langen Abschnitt nordlich von Jerusalem geandert werden musse. Nach dem Tod Jassir Arafats im November 2004 wurde deutlich, dass den Palastinensem ein adaquater und charismatischer Nachfolger fehlte. In der bis zu seinem Tod von ihm geleiteten Fatah (Eroberung), der bedeutendsten Gruppe innerhalb der PLO, bahnten sich zwischen den verschieden Flugeln Auseinandersetzungen um die Fiihrung an. Andere Gruppen wie Hamas und Jihad Islami erhoben ebenfalls Anspruch auf eine kiinftige Vormachtstellung unter der palastinensischen Bevolkerung. Bei den palastinensischen
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Prasidentschaftswahlen am 9. Januar 2005 konnte sich Mahmud Abbas vom gemaBigten Flugel der Fatah durchsetzen. Die zunachst fiir Mitte Juli geplanten Parlamentswahlen wurden auf Ende Januar 2006 verschoben. Doch auch auf der israelischen Seite waren Tendenzen eines Strukturwandels erkennbar. Der von Scharon im Sommer 2004 angekiindigte Abzug der israelischen Armee aus dem Gaza-Streifen fiihrte zu heftigen Auseinandersetzungen in der Regierung und in der Likud. Nur mit Hilfe der oppositionellen Arbeitspartei erreichte Scharon eine parlamentarische Mehrheit, um sein Vorhaben durchzufahren. Erstmals wurden von Israel Gebiete geraumt, in denen jtidische Siedlungen errichtet worden waren und am 12. September 2005 endete die 38 Jahre anhaltende Besatzung des Gaza-Streifens durch Israel. Um den Abzug auch gegen den Willen der Likud weiter fortfiihren zu konnen, forderte Scharon im November die Auflosung des israelischen Parlaments mit dem Ziel, im Marz 2006 Neuwahlen durchzufuhren. Daruber hinaus verlieB er die Likud und griindete mit der Kadima (Vorwarts) eine neue Partei. Im Herbst des Berichtsjahres hatte sich die Lage zwischen der israelischen und palastinensischen Regierung so weit entspannt, dass Israel bereit war, den Palastinensem Zugestandnisse zu machen, wie zum Beispiel die Aufhebung von StraBensperren, die Ermoglichung eines Hafenbauprojekts und die Freilassung von palastinensischen Gefangenen. Diese scheinbar friedliche Phase wurde allerdings durch Selbstmordanschlage palastinensischer Extremisten erschiittert. Bei einem Anschlag in der israelischen Stadt Hadera wurden fiinf Menschen getotet und 26 verletzt. Als Reaktion griff die israelische Armee Ziele im Gaza-Streifen an. Dabei kamen mehrere Menschen ums Leben. Im Dezember des Berichtjahres flog das israelische Militar mehrere Luftangriffe auf den Gaza-Streifen, um gegen mutmaBliche Extremisten vorzugehen, die Raketen auf Israel abgefeuert batten. Auf den ersten Blick konnte der israelische Abzug aus dem GazaStreifen eine Chance bieten, einen Kompromiss in der Territorialfrage zu fmden. Aus israelischer Sicht wiirde dies konkret bedeuten, isoliert liegende Siedlungen im Westjordanland zu raumen und dafiir bereits bestehende groBere Siedlungen weiter auszubauen. Allerdings ist fraglich, ob die palastinensische Seite mit einem durch israelische Siedlungen zerschnittenen palastinensischen Staat einverstanden ware. Auch in der Form stieB das israelische Vorgehen zunehmend auf Skepsis: Der 2005 vorgenommene Riickzug aus dem Gaza-Streifen war ein einseitiger Akt der israelischen Regierung. Ohne Verhandlungen aber ist eine friedliche Losung des Konflikts auf Dauer kaum denkbar. Sarah Constantine Weiterfuhrende Literatur und Inforaiationsquellen: Perthes, Volker: Geheime Garten. Die neue arabische Welt, Bonn 2005 Steininger, Rolf: Der Nahostkonflikt, Frankfurt am Main 2003
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http://electronicintifada.net (elektronische Intifada) http://www.fateh.net {Fatah) http://www.freeman.org (israeUsche Gegner des Friedensprozesses) http://www.icj-cij.org (hitemationaler Gerichtshof) http://www.idf il (Israelische Streitkrafte) http://www.israel-mfa.gov.il (israelisches AuBenministerium) http://www.pna.gov.ps (Palastinensische Autonomiebehorde)
Jemen (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
2004 A-2 Al-Shabab al-Mou 'min I Jemen
Im April 2005 fanden emeut Kampfe zwischen Rebellen der Al-Shabab alMou'min (Glaubige Jugend) und der jemenitischen Armee statt; diesmal jedoch unter der Fuhrung des 80-jahrigen Vaters des im September 2004 von der Armee getoteten Anfiihrers Hussein Badr al-Din al-Huthi. Die Kampfe dauerten bis Ende Juni, als sich Abdullah al-Razami, der militarische AnfUhrer und ehemalige stellvertretende Kommandeur al-Huthis der Regierung ergab. Wie im Verlauf der Auseinandersetzungen 2004 verschanzten sich die Rebellen in den Bergregionen der Provinz Sada und die Armee startete mehrere Offensiven unter Einsatz schwerer Waffen wie Kampfflugzeuge und Panzer. Anders als im Vorjahr wurden die Kampfhandlungen seitens der Rebellen auch auf die Provinzhauptstadt Sada ausgeweitet. Jemen gilt als der armste Staat der arabischen Halbinsel und insbesondere die nordlichste Region Sada nahe der saudischen Grenze ist von mangelnder Infrastruktur und Armut gepragt. 1990 wurde im Jemen im Zuge der Vereinigung von Nord- und Siidjemen der Parteienpluralismus eingefuhrt. Seitdem stellt der Allgemeine Volkskongress unter Prasident Ali Abdullah Salih die Regierung. Nach dem Gewinn des Burgerkrieges im Jahre 1994 konnten Salih und seine Partei ihre zentrale Rolle in der Regierung festigen. In der aktuellen Diskussion um den intemationalen, islamistischen Terrorismus geriet Jemen wegen der schwachen Durchsetzungsfahigkeit des Zentralstaates sowohl gegentiber den militarisierten jemenitischen Stammen als auch gegentiber militanten Islamisten und deren Operationen auf jemenitischem Gebiet zunehmend in die Kritik. Im Nordjemen stellen die Stamme mit ihren bewaffiieten Milizen einen erheblichen militarischen Einflussfaktor dar. Die Identitat der Stamme basiert auf der Vorstellung von Abstammungsgemeinschaften sowie den ihnen eigenen Formen von Reprasentation und Rechtsprechung. In den letzten 30 Jah-
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ren fiihrten die politische und wirtschaftliche Marginalisierung der Stamme seitens des Zentralstaates einerseits sowie die vielen inneren bewafftieten Auseinandersetzungen im Jemen andererseits zu einer verstarkten Militarisierung der Stammesgruppen. Im vereinigten Jemen sind die imterschiedlichen Stamme personell in Parteien und Staatsapparat vertreten. Aber auf der lokalen, infrastrukturell kaum angebundenen Ebene werden die staatlichen Institutionen oftmals als Symbol der Machtausiibung der femen politischen Eliten wahrgenommen. Insbesondere seit den Anschlagen des 11. September 2001 in den USA gelten die schwer kontroUierbaren Stammesgebiete als potentielles Ruckzugsgebiet fur militante Islamisten. Seither erhielt die jemenitische Regierung Militarhilfe von den USA und ging verstarkt gegen Verdachtige vor, was wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Stammesangehorigen und Polizeieinheiten fuhrte. Das Spektrum der politischen Parteien und Gruppierungen besteht im Jemen neben dem Allgemeinen Volkskongress vor allem aus der islamischen Opposition, organisiert in der groBten Oppositionspartei Islah (Reform) sowie der zaiditischen Al-Haqq (Die Wahrheit). In dieser sind innerhalb der Zaidiyah, einer hauptsachlich im Nordjemen verbreiteten schiitischen Glaubensrichtung, die Sadah organisiert, die den Anspruch auf eine bestimmte Abstammungslinie vom Propheten Muhammad erheben. Daraus leiteten Angehorige der Sadah das Recht auf einen weltlichen Herrschaftsanspruch in Form des Imamats ab, das historisch im Nordjemen erst im Biirgerkrieg 1962 zerfiel. In diesem Kontext steht der Vorwurf gegen Huthi, sich auf religiose Rechte zu berufen, als er 2004 die Abfuhrung der religiosen Almosensteuer (Zakat) an den Staat durch das bewaffiiete Storen von Gottesdiensten zu verhindem versuchte. Die Regierung warf Huthi, der von 1994 bis 1997 Parlamentsmitglied der Al-Haqq war, vor, die Restauration des Imamats anzustreben, was dieser allerdings zuriickwies. Die Bewegung der Al-Shabab al-Mou 'min unter der Fuhrung von Huthi gilt als zaiditische Bewegung mit antiisraelischem und antiamerikanischem Hintergrund, ohne Verbindungen zu Al-Qaida, aber mit Ruckhalt bei den zaiditischen Stammen Nordjemens. Die Regierung warf Huthi zu Beginn des Krieges 2004 ebenfalls die Grundung von staatlich nicht genehmigten religiosen Schulen in mehreren nordjemenitischen Distrikten seit 1997 vor, aus deren Umfeld vermutlich die Kampfer der Al-Shabab Al-Mou 'min stammten. Die Regierung hat im Nachhinein bestatigt, diese Schulen inoffiziell finanziell unterstiitzt zu haben, um den Einfluss des in Saudi-Arabien verbreiteten Wahhabismus im Nordjemen zu beschranken. Wahhabitische Einrichtungen im Jemen waren in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten, da in ihrem Umfeld ^/-ga/Wa-Sympathisanten vermutet wurden. Dem Beginn der Kampfhandlungen 2004 sollen mehrere hundert Verhaftungen von meist jugendlichen Anhangem der Al-Shabab al-Mou'min vorausgegangen sein, die in Moscheen antiamerikanische Parolen riefen.
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Im Verlaufe der Kampfe von Ende Jimi bis Ende September 2004 verschanzten sich die mit Maschinenpistolen und Raketenwerfem ausgeriisteten, geschatzten 3.000 Rebellen in Hohlen der Marran-Berge nahe der saudischen Grenze. Die Armee riegelte alle Zugange dorthin ab, unterband samtliche Telefonverbindungen in die Region und setzte Panzer, Artillerie und Kampfflugzeuge gegen die Rebellen ein. Ein auf Drangen von Opposition und Menschenrechtsorganisationen, welche die Auswirkungen der Blockade auf die Versorgung der Zivilbevolkerung in der Region kritisierten, gebildetes Verhandlungskomitee erreichte kein Ende der Kampfe. Anfang August kam es trotz eines einwochigen Waffenstillstands emeut zu heftigen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf die Armee in einem groBangelegten Angriff die Kontrolle iiber die Bergregion erlangte. In den folgenden Wochen durchkammte die Armee auf der Suche nach fuhrenden Mitgliedem der Al-Shabab Al-Mou'min die als Riickzugsorte der Rebellen verdachtigten Dorfer. Huthi wurde nach offiziellen Angaben am 10. September von der Armee getotet. Die Kampfhandlungen dauerten noch an, bis sich der zweithochste Anflihrer der Rebellen, Abdullah al-Razami, am 21. September ergab. Polizei und Armee verhafteten Hunderte von Menschen, die der Unterstutzung oder Verbindung mit Huthi und der Al-Shabab Al-Mou 'min verdachtigt wurden. Die Angaben iiber die Zahl der Todesopfer fiir 2004 liegen zwischen 600 und uber 1.000. Als Griinde fur die emeuten Angriffe der Rebellen 2005 nannte der Vater Huthis laut Zeitungsberichten die andauemde Gefangenhaltung der als Unterstutzer Huthis verhafteten Menschen sowie die allgemein repressive Situation in den zerstorten Gebieten von Sada. Angekundigte Gesprache zwischen dem Prasidenten und dem Vater Huthis in der Hauptstadt Sana fanden nicht statt, so dass Letzterer nach Sada zuruckkehrte, um dort die etwa 2.000 Rebellen anzuflihren. Anlass der Auseinandersetzungen war der Tod von vier mutmaBlichen Unterstiitzem der Rebellen, die am 19. Marz bei Auseinandersetzungen mit der Polizei auf einem Waffenmarkt in Sada ums Leben kamen. Zeitungsberichten zufolge attackierten die Rebellen Polizeiposten mit Granaten, zerstorten mehrere Panzer und veriibten ein Attentat auf den Polizeichef von Sada, bei dem dieser nicht verletzt wurde. Der Angriff der Rebellen auf ein Militarlager in der Region Nishur fiihrte schiefilich Ende Marz 2005 zu Auseinandersetzungen mit der Armee. Ihren Hohepunkt erreichten die Kampfe am 30. Marz, als etwa 150 Menschen bei einem Zusammenstoss starben. Die Regierungstruppen setzten wie im Vorjahr schwere Waffen und spater auch Spezialeinheiten ein, um gegen die befestigten Positionen der Aufstandischen in Razamat und Nishur vorzugehen. Stammeskampfer, die die Regierung unterstutzten, kaperten Waffentransporte der Aufstandischen. Gleichzeitig fiihrte die Regierung Hausdurchsuchungen und Massenverhaftungen durch. Uber die Situation der Zivilbevolkerung, die wahrend eines Ultimatums der Regie-
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rung aus ihren Dorfem fliichtete, wurde wenig bekannt, da die Regierung keine Joumalisten in der Region duldete. Anfang April attackierten Rebellen Polizei- und Militareinrichtungen in Sada-Stadt. Am 13. April verkiindete Prasident Salih die Einnahme der Rebellenpositionen und das Ende der Kampfhandlungen. Jedoch dauerten diese sowie Hausdurchsuchungen und Verhaftungen im Zuge der Fahndung nach Untersttitzem und Anflihrem auch in den folgenden Wochen noch an. Dabei sollen etwa 800 Menschen getotet und ebenso viele verhaftet worden sein. Anlasslich des 43. Jahrestags des Sturzes der Monarchie am 26. September erlieB Prasident Salih eine Amnestie fur die gefangenen mutmaBlichen Unterstutzer der Rebellion und kiindigte eine Kompensation der Familie Hamid al-Din an, die bis zur Septemberrevolution regiert hatte. Dass mit diesem Schritt das Konfliktpotential nicht beseitigt wurde, zeigte sich als Ende November emeut mehrere Dutzend Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen Rebellen und Regierungseinheiten starben. Inwieweit die Amnestie umgesetzt wird und ob sie zu einer tatsachlichen Verbesserung der Situation in Sada flihrt, bleibt auch im Hinblick auf die Prasidentschaftswahlen 2006 abzuwarten. In der Presse wurde die Schwachung von Einheit und militarischer Starke der nordjemenitischen Stamme angedeutet. Die Spannungen zwischen dem Agieren der Regierung als Teil der so genannten Antiterrorkoalition und dem Ressentiment unterschiedlicher Telle der Bevolkerung gegen diese Politik bleiben aber nach wie vor bestehen. Anna Bondzio Weiterflihrende Literatur und Informationsquellen: Glosemeyer, Iris: Jemen. Mehr als ein Riickzugsgebiet fiir al-Qa'ida, (Deutsches Orient Institut, Focus Nr. 10), Hamburg 2003 Glosemeyer, Iris: Local Conflict, Global Spin. An Uprising in the Yemeni Highlands, in: Middle East Report 34 (2004), S. 44-46 International Crisis Group: Yemen. Coping with Terrorism and Violence in a Fragile State, 2004: http://www.icg.org Ortlieb, Lars C.: Der Machtkampf der beiden Ali. Gescheiterte Vereinigung und Krieg im Jemen 1994 (Arbeitspapier der Forschungsstelle Kriege, Rtistung und Entwicklung; Universitat Hamburg), Hamburg 1997 Stiftl, Ludwig: Politischer Islam und Pluralismus. Theoretische und empirische Studie am Beispiel des Jemens, Berlin 1998 http//:www.yementimes.com (Yemen Times) http//:www.yobserver.com (Yemen Observer)
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Libanon (Siidlibanon) (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 1990 (Krieg 1990-2000) hizb-allah I Israel
Die vergangenen 15 Jahre konzentrierte sich der Konflikt im Libanon auf den Siiden des Landes, wo die letzte verbliebene Miliz aus dem 1990 beendeten Biirgerkrieg - die schiitische hizb-allah (Partei Gottes) - mit Unterstutzung Syriens, des Trans und anti-israelischer Krafte im Libanon einen bewaffiieten Kampf mit Israel fiihrt. Obwohl es nach der relativen Ruhe des Vorjahres einigen Grund gab, auf eine Beruhigung des Konfliktes zu hoffen, wurden an der von der UN Uberwachten Grenze zwischen Israel und dem Libanon 2005 die heftigsten Kampfe seit flinf Jahren ausgetragen. Das groBe Medieninteresse an der Ermordung des Ex-Ministerprasidenten Rafik Hariri im Februar 2005 und den darauf folgenden weiteren Anschlagen und Massendemonstrationen lieBen den bewaffiieten Konflikt zwischen der hizb-allah und der israelischen Armee allerdings weitgehend aus der offentlichen Wahmehmung verschwinden, obgleich die politische Lage des Libanon und der Konflikt im Siiden des Landes eng miteinander verquickt sind. Im Libanon, einstmals zusammen mit Syrien eine Provinz im Osmanischen Reich und 1926 von der fi*anz6sischen Mandatsmacht nach eigenen Interessen zu einem separaten Gebiet geformt, leben 17 anerkannte Religionsgemeinschaften. Zu nennen sind davon an christlichen Gruppen vor allem die mit der romisch-katholischen Kirche unierten Maroniten, griechische und armenische Orthodoxe und Katholiken sowie Protestanten, unter den islamischen Gruppierungen vor allem Schiiten und Sunniten sowie Drusen und Alawiten. Zwischen einigen dieser religiosen Gruppierungen gab es bereits im 19. Jahrhundert mehrere gewaltsame Konflikte, die auch nach der Unabhangigkeit des Libanon am 23. November 1943 nicht beigelegt werden konnten. Um eine Partizipation aller Gruppen innerhalb der parlamentarischen Demokratie zu gewahrleisten, werden Regierungsamter und Sitze im Parlament nach einem Proporzsystem auf die verschiedenen religiosen Fraktionen verteilt, wobei der Staatsprasident auch heute noch immer ein Maronit, der Ministerprasident ein Sunnit und der Parlamentssprecher ein Schiit sein mtissen. Grundlage sind die Daten einer Volkszahlung von 1932, bei der die Christen knapp in der Mehrheit waren. Obwohl sich im Laufe der letzten 73 Jahre eine kontinuierliche demographische Veranderung zugunsten der muslimischen Bevolkerung vollzog, findet diese bis heute keinen angemessenen Ausdruck in einer Anpassung des Proporzsystems. Eine zunehmende Anti-Status-QuoStimmung bei Teilen vor allem der muslimischen Bevolkerung fuhrte 1958 zu einem Biirgerkrieg, der jedoch schnell durch eine militarische Intervention
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der USA beendet wurde. Die Konfliktursachen wurden jedoch nicht beseitigt. Die Gesellschaft des Libanon blieb weiterhin stark fragmentiert, der Konfessionsproporz verhinderte eine nationale Identitatsbildung. Das Aufkommen einerseits linksorientierter Stromungen und andererseits nationalistischarabischer Bewegungen forcierte weitere gesellschaftliche Konflikte, die sich Anfang der 1970er Jahre noch durch eine schwere Rezession verscharften. Insbesondere die verstarkte Prasenz und antiisraelische Agitation der 1970/71 aus Jordanien vertriebenen palastinensischen Guerillas sowie die militarischen Reaktionen Israels auf deren Angriffe fuhrten zu einer weitergehenden Polarisierung der libanesischen Gesellschaft. Die libanesische Zentralgewalt, die ohnehin durch konkurrierende Familien- und Clanbindungen und den damit verbundenen Patronagesystemen nur iiber ein schwaches Gewaltmonopol verfiigte, hatte der Palestine Liberation Organisation (PLO) im Cairo Agreement 1969 Rechte zur Kriegsftihrung vom libanesischen Territorium aus zugesichert und die staatliche Oberhoheit iiber die 16 palastinensischen Fluchtlingslager de facto abgetreten. Nun organisierten sich die einzelnen religiosen Gruppierungen im Libanon zu Milizen und die innerstaatlichen Konflikte eskalierten zum Krieg (1975-1990), in dessen Verlauf Syrien und Israel weite Telle des Landes besetzten. Auch nach Ende des Krieges 1990 hielt Israel im SUdlibanon eine etwa 800 Quadratkilometer groBe so genannte Sicherheitszone zum Schutz der nordisraelischen Bevolkerung vor Angriffen der verschiedenen vom Libanon aus operierenden muslimischen Milizen besetzt. Unterstiitzt wurden die israelischen Streitkrafte durch die zwischen 1.500 und 5.000 Mann starke South Lebanese Army (SLA), einer Abspaltung von Christen aus der libanesischen Armee und Schiiten aus dem Siidlibanon, die von Israel finanziert wurde. Den Hauptgegner Israels stellte die 1980 gegriindete und Schatzungen zufolge etwa 3.000 bis 5.000 Mann starke Miliz hizb-allah dar. Ihr gelang es, Israel in einen langwierigen und verlustreichen Guerillakrieg zu verwickeln. Obwohl der innenpolitische sowie der Internationale Druck auf Israel zu einer Beilegung des Konflikts immer mehr zunahm, beschloss erst die israelische Regierung unter Premierminister Ehud Barak im Marz 2000 einen bedingungslosen und vollstandigen Truppenruckzug gemaB der UN-Resolution 425, der am 24. Mai desselben Jahres abgeschlossen wurde. Die SLA wurde aufgelost. Nach dem Abzug der israelischen Streitkrafte iibemahm die hizb-allah die militarische Kontrolle iiber die Region. Immer wieder fanden an der Grenze bewafftiete Auseinandersetzungen zwischen israelischen Truppen und den schiitischen Milizeinheiten statt, bei denen seit 1990 mehr als 1.500 Menschen getotet wurden. Im Zentrum der anhaltenden Auseinandersetzungen stand der Streit um das etwa zehn Quadratkilometer groBe, wasserreiche Gebiet der Shebaa Farms, das Israel auch nach seinem Truppenruckzug weiterhin besetzt hielt. Nach Meinung Israels und der UN gehort das Gebiet zu Syrien. Demgegen-
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iiber vertritt die hizb-allah - unterstutzt von den Regierungen Libanons und Syriens - die Ansicht, die in den letzten Jahren hauptsachlich von libanesischen Bauem bewirtschafteten Shebaa Farms gehorten zum libanesischen Territorium. Der israelische Riickzug sei somit nicht vollstandig erfolgt, weshalb der bewaffiiete Kampf gegen Israel fortgesetzt werden miisse. Die Territorialfrage ist jedoch nicht das einzige Motiv der hizb-allah: Die Miliz bildet lediglich den bewaf&ieten Teil einer seit 1992 im libanesischen Parlament vertretenen politischen Partei und ist vor allem im Siiden als Arbeitgeber und Betreiber sozialer Einrichtungen zum Wirtschaftsfaktor avanciert. Sie kontrolliert inzwischen fast 20 Prozent des Landes politisch und militarisch und wird finanziell stark von Syrien und dem Iran unterstiitzt. Auch definiert sich die hizb-allah als Partei des Widerstandes und wiirde durch eine Beilegung des Konflikts mit Israel einen Teil ihrer Legimation verlieren. Die libanesische Regierung nahm in diesem Konflikt eine ambivalente Rolle ein. So legitimierte sie einerseits den innerhalb der libanesischen Gesellschaft hochst popularen Widerstand der hizb-allah, weigerte sich, militarisch fiir Ruhe an der Grenze zu sorgen, und iiberlieB der Miliz unter der Ftihrung von Sayyid Hassan Nasrallah de facto einen Staat im Staat im Suden des Landes. Andererseits war sie aber angesichts der militarischen Ubermacht Israels stets darum bemuht, eine Eskalation in einen zwischenstaatlichen Konflikt zu vermeiden. Die Jahre 2000 bis 2004 waren gekennzeichnet von sporadischen ZusammenstoBen an der Grenze und diversen Verletzungen des libanesischen Territoriums durch die israelische Armee, Marine und Luftwaffe. Letztere durchbrach als Bestandteil psychologischer Kriegsfiihrung wiederholt im Tiefflug iiber Stadten des Libanons die Schallmauer und flog Scheinangriffe uber palastmensischen Fluchtlingslagem. Die hizb-allah reagierte auf die israelischen Machtdemonstrationen mit Flugabwehrfeuer. Des Weiteren gab es diverse Schusswechsel im Gebiet der Shebaa Farms, kleinere Kommandoaktionen der Miliz und einige Anschlage mit Granaten oder Raketen auf Militarstellungen und seltener zivile Ziele in Nordisrael. Ende 2004 nutzte die hizb-allah erstmals eine unbemannte Drohne, um Bilder von Nordgalilaa zu machen. Angriffe der libanesischen Miliz und Vergeltungsaktionen der israelischen Armee forderten Tote und Verletzte auf beiden Seiten. Die hizballah hielt sich die letzten Jahre zumeist an die inoffizielle Regel, ihre Angriffe nur im Gebiet der Shebaa Farms und nicht gegen israelische Zivilisten auszuflihren, die Totung eines Israelis bei einem Angriff mit Luftabwehrraketen auf eine israelische Grenzstadt 2003 blieb eine von wenigen Ausnahmen. Ebenfalls 2003 begannen Verhandlungen, die einen umfangreichen Gefangenenaustausch zwischen der hizb-allah und Israel im Januar 2004 ermoglichten. Die zweite Phase der Gesprache fiihrte bisher zu keinem Erfolg. Nach dem Druck, der seit September 2004 durch die UN-Resolution 1559 aufgebaut wurde, welche die Entwaffhung der hizb-allah und den Ab-
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zug der syrischen Truppen und Geheimdienste aus dem Libanon forderte, war die Situation zum Jahresende nicht nur im Siiden des Landes sehr angespannt. Auch eine schwere Regierungskrise, die sich im Herbst 2004 nach der auf syrischen Druck verlangerten Amtszeit des prosyrischen Staatsprasidenten Emile Lahouds und dem darauf folgenden Rticktritt mehrerer Minister und des Ministerprasidenten Rafik Hariri ergab, trug dazu in erheblichem MaBe bei. Am 14. Februar 2005 totete ein mit 300 Kilogramm Sprengstoff besonders groBer Autobombenanschlag 23 Menschen und verletzte 135 zum Teil schwer. Der Anschlag gait Hariri, der insgesamt uber zehn Jahre als Ministerprasident die Regierung anfiihrte und zugleich als Milliardar und einflussreicher Geschaftsmann fiir den Wiederaufbaus des wahrend des Biirgerkrieges stark zerstorten Beiruts sorgte. Fiir viele war Hariri der Garant des Aufschwunges, denn ilber seine sehr guten Beziehungen zu den Golfstaaten, zum saudischen Konigshaus, aber auch zum Westen, speziell zum franzosischen Prasidenten Jacques Chirac, konnte er immer wieder groBe Kreditzusagen zur Sanierung des libanesischen Staatshaushaltes bekommen. Hariri erlag noch auf dem Weg ins Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Politische Mordanschlage haben im Libanon eine lange Tradition. Nachdem zuletzt im Oktober 2004 ein antisyrischer Minister nur knapp einen Anschlag uberlebte, war nun fur viele Libanesen klar, dass auch Hariri ein Opfer der Syrer geworden war. Mithilfe 14 weiterer Anschlage, die sich hauptsachlich gegen syrienkritische Politiker und Joumalisten richteten, wurde seit Februar versucht, den fragilen Frieden zwischen den verschiedenen Gruppierungen im Libanon zu erschilttem. Doch auch auf einen prosyrischen hizb-allah-FixhrQr wurde am 9. Dezember ein Autobombenanschlag veriibt, dem dieser nur knapp entging. Die Bilanz dieser Anschlage waren 13 Tote und mindestens 90 Verletzte. Aus mehreren groBen Demonstrationen mit jeweils zwischen zehntausenden bis zu 1 Million Teibiehmem gegen den syrischen Einfluss erwuchs im Libanon die so genannte Zedemrevolution, eine friedliche Protestwelle, die den Abzug der syrischen Truppen und Geheimdienste und eine Ablosung der prosyrischen Regierung unter Ministerprasident Omar Karame forderte. Karame trat zwar iiberraschend am 28. Februar zurtick, wurde aber vom Staatsprasidenten wieder in sein Amt gezwungen, um eine neue Regierung zu bilden. Eine von der hizb-allah organisierte prosyrische Demonstration konnte ebenfalls iiber 1 Million Menschen mobilisieren. Unter massivem intemationalen und libanesischen Druck zog Syrien uberraschend bis zum 26. April nach fast 30 Jahren Besatzung alle noch verbliebenen 14.000 Soldaten aus dem Libanon ab und schloss die offiziellen Geheimdienstburos. Bei den Wahlen im Mai und Juni konnte sich eine Oppositionskoalition unter Fiihrung von Saad Hariri, einem Sohn von Rafik Hariri, und dem Drusenflihrer Wahd Joumblatt durchsetzen. Neuer Ministerprasident wurde der
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syrienkritische Fuad Saniora, ein ehemaliger Weggefahrte Rafik Hariris. Die hizb-allah konnte zusammen mit der ebenfalls schiitischen Amal im Suden erdrutschartige Gewinne erzielen, stellte erstmals auch zwei Minister und erhielt zusammen mit der Amal 35 von 128 Sitzen im Parlament. Die antisyrische Opposition und besonders Joumblatt batten sich intensiv bemiiht, die hizb-allah fur den politischen Neubeginn mit ins Boot zu holen und es auch geschafft, Wahlbiindnisse zu bilden. Ihre politische Macht nutzte die hizballah ab Mitte Dezember, um eine neue schwere Regierungskrise auszulosen: Ihre Minister boykottierten zusammen mit dem Staatsprasidenten die Kabinettssitzungen, um gegen den von der Regierungskoalition geforderten Rucktritt Lahouds und die geplante Einsetzung eines intemationalen Tribunals zur Verurteilung der Hariri-Morder zu protestieren. Im Sudlibanon wurden im Laufe des Berichtsjahres die schwersten Kampfe seit 2000 ausgetragen. Neben kleineren Grenzscharmiitzeln und Luftraumverletzungen ereigneten sich vier schwerere ZusammenstoBe. Im Januar, zwei Wochen vor der UN-Sicherheitsratssitzung zur Verhandlung iiber eine Verlangerung der Mission der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL), untemahm die hizb-allah einen grofieren Angriff, um eine Mandatsverlangerung der bereits 1978 gegrimdeten, circa 2.000 Mann starken Friedenstruppe zu erreichen. Sie Schiitenmiliz griff eine israelische Patrouille im Gebiet der Shebaa Farms an, wobei ein Soldat getotet und drei weitere verletzt wurden. Die besondere Qualitat dieser Aktion lag darin, dass die Guerillas in einer umfangreich geplanten Operation in israelisch besetztes Gebiet eindrangen. Die libanesische Presse wertete diesen Anschlag als Reaktion auf den intemationalen Druck aufgrund der UN-Resolution 1559 und prophezeite schon im Januar eine verscharfte Angriffspolitik der schiitischen Miliz. Nach einem anschlieBenden Feuergefecht bombardierte die israelische Armee mehrere Ziele im Sudlibanon und traf dabei auch ein eindeutig gekennzeichnetes UNIFIL-Fahrzeug. Ein franzosischer UNIFIL-Offizier wurde getotet, ein schwedischer verletzt. Damit haben inzwischen 250 UNIFILSoldaten und Mitarbeiter ihr Leben in dem Konflikt verloren. Zu einem weiteren heftigen Gefecht an der Grenze kam es im Mai, als hizb-allah-GuQriWsiS das Feuer auf eine Stellung der israelischen Armee eroffneten. Diese reagierte mit Artilleriefeuer und Luftangriffen. Wenige Tage spater schossen israelische Soldaten auf libanesische Hirten im Gebiet der Shebaa Farms, woraufhin die hizb-allah einen Gegenangriff startete. Am 29. und 30. Juni flackerten die Kampfe emeut auf Bei einem Granatenangriff starb ein israelischer Soldat, drei bis funf weitere wurden verwundet. Der israelische Vergeltungsschlag beinhaltete wieder Artillerie- und Luftangriffe, die auch eine Stellung der Miliz im Sudlibanon trafen, wobei mindestens ein Milizionar ums Leben kam. Israelische Helikopter warfen uber den Stadten im sudlibanon Flugblatter ab, die vor den Gefahren wamten, die durch die hizb-allah-AngriffQ provoziert wtirden.
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Im August gab es unter franzosischer und US-amerikanischer Mitwirkung konkrete Verhandlungen zwischen der neuen Regierung des Libanon und Israel iiber einen Abzug der israelischen Truppen aus dem Gebiet der Shebaa Farms in drei Phasen, wobei die libanesische Regierung in Zukunft dafur garantieren solle, dass es keine Angriffe auf nordisraelisches Gebiet gabe. Obwohl eine tJbereinkunft nach Angaben eines israelischen Armeesenders kurz bevorstand, ergaben sich letztendlich doch keine konkreten Resultate. Als Kontrapunkt zu den Verhandlungen fanden im November die schwersten Gefechte des Berichtsjahres statt. Die hizb-allah griff Stellungen im Gebiet der Shebaa Farms und Ortschaften im Grenzgebiet mit Granaten an. Die israelische Armee reagierte mit der groBten Militaraktion seit dem Abzug ihrer Truppen aus dem Stidlibanon. Israelische Schiffe verletzten die libanesische Gewasserhoheit. Laut israelischen Quellen wollte die hizb-allah israelische Soldaten entftthren, wie sie es bereits fruher getan hatte, die Aktion scheiterte jedoch. Insgesamt wurden fiinf hizb-allah-Kampfer und ein israelischer Soldat getotet sowie elf verletzt. Eine in der UN-Resolution 1559 geforderte Entwaffiiung der immer noch auf knapp 1.000 Kampfer geschatzten hizb-allah wird von Politikem jeglicher Couleur als rein innerlibanesische Angelegenheit betrachtet. Eine mogliche Losung ware eine Eingliederung des bewaffiieten Fliigels der Partei in die libanesische Armee oder ein Status als eine autonome Truppe. Die hizballah erklarte sich grundsatzlich dazu bereit, iiber eine Entwaffiiung zu verhandeln, wenn Israel sich aus dem Gebiet der Shebaa Farms zuriickzoge. Die israelische Regierung hingegen halt sich prinzipiell einen Angriff auf den Stidlibanon offen. Die UNIFIL-Mission wird entgegen dem israelischen Wunsch vermutlich auch im Jahr 2006 emeut verlangert werden, denn nach den jiingsten Gefechten und der instabilen Lage im Libanon ist nicht mit einem baldigen Frieden zu rechnen. Mara Albrecht Weiterfiihrende Literatur und Lnformationsquellen: Endres, Jixrgen: Vom „Monopoly" privatisierter Gewalt zum Gewaltmonopol? Formen der Gewaltordnung im Libanon nach 1975, in: Leviathan 28 (2000), S. 221-234 Harris, William W.: Faces of Lebanon. Sects, Wars, and Global Extensions, Princeton 1997 International Crisis Group: Hizbollah. Rebel Without a Cause?, Amman - Brussels 2003: http://www.icg.org International Crisis Group: Lebanon: Managing the Gathering Storm, Amman - Brussels 2005: http://www.icg.org Jung, Dietrich: Der Krieg im Libanon. Exemplarischer Versuch einer gesellschaftstheoretisch fundierten Kriegsursachenanalyse (Forschungsstelle Kriege, Rustung und Entwicklung, Instituts fiir Politische Wissenschaft, Universitat Hamburg, Arbeitspapier Nr. 61), Hamburg 1992 Perthes, Volker: Der Libanon nach dem Biirgerkrieg, Baden-Baden 1994
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Saad-Ghorayeb, Amal: Hizbu'llah. Politics and Religion, London 2002 Shanahan, Rodger: The Shi'a of Lebanon, London 2005 http://www.aljazeera.net (Al Dschasira) http://www.dailystar.com.lb (englischsprachige libanesische Tageszeitung) http://www.hagalil.com (Informationen zu Israel, Nahost und Antisemitismus) http ://www.hizbollah.org (hizb-allah) http://www.idf.il (israelische Armee) http://www.meib.org (Informationsmagazin zu Libanon, Syrien und dem Nahen Osten) http://www.memri.de (tJbersetzungen und Analysen arabischer, israelischer und iranischer Medien) http://www.nahostfocus.de (Infoservice zum Nahost-Konflikt) http://www.nasrollah.net (Sayyed Hassan Nasrallah, Generalsekretars der hizb-allah) http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil (UNIFIL)
Russland (Tschetschenien) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1999 B-2 Tschetschenische Rebellen / Russland, tschetschenische Milizen
Das politisch bedeutendste Ereignis des Tschetschenien-Krieges im Jahr 2005 war der gewaltsame Tod des Rebellenfiihrers Asian Maschadow am 8. Marz. Auch von der neuen Spitze wurde versucht, den Konflikt auf den gesamten Nordkaukasus auszubreiten. Der Uberfall auf Naltschik im Oktober in der Republik Kabardino-Balkarien mit mehr als 100 Todesopfem ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Der Nordkaukasus gelangte im 18. Jahrhundert in den Einflussbereich Russlands. Die dort ansassige Bevolkerung widersetzte sich in wechselnder Intensitat den Eroberungsbestrebungen. Die tschetschenische Rebellenbewegung bezieht sich in ihrem aktuellen Kampf immer wieder auf historische Vorbilder, vor allem auf eine Reihe blutiger Aufstande im 19. Jahrhundert. Wahrend des Zweiten Weltkrieges lieB Josef Stalin alle Tschetschenen unter dem Vorwurf der Kollaboration mit der deutschen Wehrmacht nach Sibirien und Kasachstan deportieren. Zehntausende Menschen starben noch auf dem Transport, viele weitere verloren in den kargen Regionen durch Unteremahrung ihr Leben. Nach dem Tod Stalms durften die Tschetschenen 1953 in ihre Heimat zuruckkehren. Doch das gegenseitige Misstrauen zwischen der mittlerweile dort angesiedelten russischen Bevolkerung und den Zuruckgekehrten blieb bestehen. Kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion rief Tschetschenien die Unabhangigkeit aus. Moskau reagierte zuerst mit diplomatischem Druck, dann mit verdeckter Unterstutzung verschiedener Oppositions-
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gruppen und schlieBlich mit militarischen Mitteln, um Tschetschenien in der Russischen Federation zu halten. Die Region wurde im Ersten Tschetschenienkrieg (1994-1996) weitgehend verwUstet. Militarische Niederlagen und hohe russische Verluste zwangen die russische Fiihrung an den Verhandlungstisch. Zwar blieb Tschetschenien am Ende dieser Gesprache offiziell Teil der Russischen Foderation, faktisch wurde es jedoch unabhangig. Durch den Rtickzug der russischen Truppen und die Planung eines Referehdums in Tschetschenien, dass fiinf Jahre spater Uber den endgtiltigen Status der Republik entscheiden sollte, entzog sich die Region der Kontrolle Moskaus. Dass sich groBe Telle der Bevolkerung Tschetscheniens nicht als Teil der Russischen Foderation ansehen, sondem einen unabhangigen Staat fordem, wird vor allem mit der langen Unterdriickung durch Russland und unterschiedliche Gesellschaftssysteme begriindet. Clans, so genannte teips, sind die bestimmenden gesellschaftlichen Einheiten Tschetscheniens. Die Isolation der einzelnen Bergdorfer verhinderte eine modeme Verstaatlichung der Region. Das traditionelle Wertesystem blieb erhalten. Fiir Tschetschenen bildet die Zugehorigkeit zu einem teip die Basis ihrer Identitat und Loyalitat. Nach dem Ersten Tschetschenienkrieg und dem Rtickzug der russischen Truppen schien sich die Situation zu stabilisieren. Aus den im Januar 1997 abgehaltenen Prasidentschaftswahlen ging der ehemalige Stabschef der tschetschenischen Streitkrafte, Asian Maschadow, als Sieger hervor. Da er fast sein ganzes bisheriges Leben auBerhalb Tschetscheniens verbracht hatte und die Bindung an seinen Clan nicht sehr eng war, gait der moderate Muslim als guter Kompromisskandidat. Es gelang es ihm jedoch nur kurze Zeit, sich die Untersttitzung aller Clanchefs und der ehemaligen Feldkommandeure zu sichem. Der. Krieg hatte die wirtschaftlichen Grundlagen der Region zerstort und die vereinbarte Wiederaufbauhilfe aus Moskau blieb fast ganzlich aus, so dass die Clanchefs bald nur noch die Interessen ihrer eigenen Gruppe verfolgten. Emige wandten sich dem Wahhabismus, einer radikalen Glaubensstromung des Islam, zu, auch m der Hoffhung, dadurch Finanzhilfen aus dem Ausland, vor allem aus Staaten der Arabischen Halbinsel, zu erhalten. Viele bedienten sich krimineller Methoden, um das wirtschaftliche tJberleben ihrer Clans zu sichem. Dies beinhaltete vor allem Schmuggel, die illegale Raffination von Erdol und teilweise auch die Entftihrung auslandischer Arbeiter. Auf Raubzugen in angrenzende Regionen kam es immer wieder zu kleineren Gefechten mit russischen Grenztruppen. Es bildeten sich damit bereits vor Beginn des Zweiten Tschetschenienkrieges 1999 die Strukturen einer Kriegsokonomie heraus, die zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Im Friihjahr und Sommer 1999 eskalierte die Situation. Eine Serie von Uberfallen auf russische Miliz- und Grenzposten veranlasste das russische Innenministerium ab Juli 1999 offensiv gegen tschetschenische Kampfer vorzugehen. Der Konflikt weitete sich aus, als im August 1999 mehrere hun-
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dert Separatisten unter der Fiihrung des Feldkommandeurs Shamil Basajew die benachbarte Republik Dagestan tiberfielen und eine islamische Republik ausriefen. Erst nach vier Wochen konnten russische Einheiten die tschetschenischen Kampfer aus Dagestan vertreiben. Basajew hatte bereits im Ersten Tschetschenienkrieg gekampft und iibernahm im aktuellen Konflikt insbesondere die Verantwortung fur die Planung der Geiselnahmen in einem Moskauer Musicaltheater 2002 und einer Schule im nordossetischen Beslan 2004. Dariiber hinaus soil er die Rekrutierung von Selbstmordattentatem organisieren. Viele moderate Rebellenftihrer haben sich von Basajews Methoden distanziert. Die russischen Sicherheitskrafte gehen davon aus, dass Basajew sich selten in Tschetschenien aufhalt, um einer Gefangennahme zu entgehen. Der Uberfall auf Dagestan 1999 diente den Foderationsstreitkraften als Legitimation fur eine Ausweitung der Angriffe auf Tschetschenien. Mehrere im September 1999 verubte Bombenanschlage auf russische Wohnhauser im GroBraum Moskau, bei denen fast 300 Zivilisten getotet und mehrere hundert verletzt wurden, dienten als weitere Rechtfertigung, mit aller Harte gegen Tschetschenien vorzugehen. Die russische Fuhrung machte tschetschenische Separatisten fiir die Anschlage verantwortlich. Inzwischen wurden zwei Tschetschenen fiir die Planung und Durchfuhrung dieser Bombenattentate zu lebenslanglicher Haft verurteilt. Trotzdem halten sich Geriichte iiber eine Beteiligung des russischen Geheimdienstes an den Anschlagen hartnackig. Eine groB angelegte, russische Bodenoffensive zur Eroberung Tschetscheniens begann am 1. Oktober 1999. Die Region wurde bei diesem Vormarsch massiven Zerstorungen ausgesetzt. Auf die Zivilbevolkerung wurde keine Riicksicht genommen. Die tschetschenische Hauptstadt Grosny wurde am 6. Februar 2000 offiziell fur besetzt erklart. Damit endete auch der Widerstand groBerer tschetschenischer Einheiten. Die Separatisten zogen sich in die Berge und schlecht zugangliche Dorfer im siidlichen Teil der Region zuruck und begannen mit einem Guerillakrieg, der bis heute andauert. Die schnellen Siege der Armee und die Eroberung der tschetschenischen Hauptstadt niitzten vor allem Wladimir Putin. Bei seinem Amtsantritt als Premierminister nahezu unbekannt, band er sein politisches Schicksal schnell an den Konflikt im Nordkaukasus. Nicht erst seit den Anschlagen des 11. September 2001 in den USA spricht man in Russland offiziell auch nicht mehr von einem Krieg, sondem von Antiterroraktionen. Im Februar des Berichtsjahres trat eine kurzzeitige Beruhigung des Krieges ein. Asian Maschadow rief einen einseitigen dreiwochigen Waffenstillstand aus. Gleichzeitig signalisierte er Verhandlungsbereitschaft zu einer friedlichen Beilegung des Konfliktes. Die russische Fuhrung verweigerte sich diesem Angebot mit der Begrundung, dass mit Terroristen nicht verhandelt wiirde. Nur wenige Wochen spater, am 8. Marz, wurde Maschadow in einem Versteck in der Nahe von Grosny aufgespiirt und getotet. Die genauen Um-
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stande seines Todes sind unklar. Das russische Militar behauptet, dass die Position des Rebellenanfuhrers ftir 10 Millionen US-Dollar Kopfgeld verraten wurde. Die Rebellen dagegen veroffentlichten die Darstellung, dass Maschadow mittels eines Verhandlungsangebots aus Moskau in eine Falle gelockt wurde. Als Nachfolger wurde nur einen Tag spater Abdul-Khalim Sadulajew benannt. Dieser war bis dahin noch nicht in Erscheinung getreten und als einflussreichster tschetschenischer Rebellenkommandeur gilt derzeit Basajew. Sadulajew rief sogleich das Ende jeder Verhandlungsversuche und die Fortsetzung des bewaffiieten Kampfes aus. Im Mai lieB er dariiber hinaus die Eroffiiung einer so genannten Kaukasus-Front verkiinden. Durch diese soil der Kampf gegen die russischen Streitkrafte auf die Republiken KabardinoBalkarien, Karatschai-Tscherkessien, Inguschetien, Nord-Ossetien und die russischen Regionen Krasnodar und Stawropol ausgedehnt werden. Das Ziel ist die Koordination und Btindelung der radikalen antirussischen Krafte im Nordkaukasus. Die russische Seite reagierte auf diese Anktindigung mit der Verlegung von regularen Militareinheiten in die genannten Gebiete. Im Nordkaukasus sind ungefahr 300.000 Soldaten der Armee und des Innenministeriums stationiert, davon 80.000 bis 100.000 in Tschetschenien. Gleichzeitig wurde der polizeiliche Kampf gegen mutmaBliche radikalislamische Organisationen und Personen in der gesamten Region verstarkt. Bei Hausdurchsuchungen kam es dabei immer wieder zu Schusswechseln. Am 13. Oktober tiberfielen tschetschenische Kampfer und lokale Aufstandische in Kabardino-Balkarien die Stadt Naltschik, die etwa 170 km westlich der tschetschenischen Hauptstadt Grosny liegt. Die russischen Sicherheitskrafte waren diesmal jedoch besser vorbereitet als bei ahnlichen Angriffen in Dagestan oder Inguschetien in den vergangenen Jahren. Nachdem die Stadt den ganzen Tag Uber schwer umkampft wurde, konnten die russischen Einheiten die Aufstandischen an der Einnahme strategischer Punkte hindem. Bei den Gefechten starben nach russischen Angaben 24 Soldaten und Polizisten, zwolf Zivilisten und 70 der 100 Rebellen. Im Internet sprachen die Rebellen von lediglich elf eigenen Toten. Die Situation in Tschetschenien blieb wahrend des ganzen Berichtsjahres auBerst instabil. Die Rebellen haben ihre Anschlage auf schwer zu schiitzende Ziele wie Pipelines und Eisenbahnverbindungen verstarkt. Es gab auch vereinzelte Selbstmordattentate in Tschetschenien. Das folgenschwerste ereignete sich Ende Januar, als ein Attentater sich selbst und neun Polizisten und Soldaten totete. Den GroBteil der Kampfhandlungen machten auch 2005 Uberfalle mobiler tschetschenischer Gruppen auf Polizeistationen, Militarposten, Nachschubkonvois und kleinere Einheiten der Sicherheitskrafte aus. Bei dieser Art von Kampfen starben fast taglich russische Soldaten oder prorussische tschetschenische Sicherheitskrafte.
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Russische Bemiihungen die Last der Kampfe auf tschetschenische Verbiindete abzuschieben waren zumindest teilweise erfolgreich. Besondere Bedeutung kam der Miliz Ramzan Kadyrows zu. Kadyrow benutzte Wiederaufbaugelder und direkte Finanzhilfen aus Moskau, um seine Machtposition in Tschetschenien und seine eigenen Truppen auszubauen. Seine 5.000 Mann Starke Miliz ist beriichtigt fur Menschenrechtsverletzungen, vor allem Entfiihrungen und Folterungen. Unklar ist, ob Kadyrows Miliz auch fiir das Verschwinden von Familienmitgliedem mehrerer Rebellenfuhrer verantwortlich ist. Durch derartige Aktionen sollen Rebellen zur Kapitulation oder zum Seitenwechsel gezwungen werden. Ramzan Kadyrow, ein Sohn des 2004 getoteten prorussischen Prasidenten, gilt mit 29 Jahren zwar noch als zu jung, um Prasident der Republik zu werden, scheint jedoch schon jetzt der eigentliche Machthaber zu sein. Seit einem Autounfall des tschetschenischen Premierministers Sergej Abramow im November des Berichtjahres, hat Kadyrow sein Amt stellvertretend iibemommen. Auch durch die Parlamentswahl am 27. November konnte er seine Position starken. Zwar traten offiziell alle groBeren in Russland aktiven Parteien bei den Wahlen an, die Mehrheit der Abgeordneten soil aber starker unter dem Einfluss Kadyrows als der Parteien stehen. Die MenschenrechtsverstoBe durch russische Truppen hielten auch 2005 an. Bei Durchsuchungen wurden Menschen verschleppt und Eigentum geraubt oder zerstort. Dies wurde inzwischen auch von russischer Seite zugegeben, die Missstande jedoch bisher nicht emsthaft bekampft. Wehrpflichtige und Milizionare verbessem durch derartige tJberfalle ihre finanzielle Situation. Entfuhrte Personen oder deren Leichen werden erst nach der Zahlung eines Losegeldes freigelassen beziehungsweise an die Familien ubergeben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch schatzt, dass seit Ausbruch des Zweiten Tschetschenienkrieges 3.000 bis 5.000 Menschen verschleppt wurden. Die katastrophale Lage der Menschenrechte und die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit fiir viele junge Manner sind die Hauptgrunde dafiir, dass die Rebellenbewegung keinen Nachwuchsmangel hat. Beiden Seiten trugen auch 2005 zu einer Eskalation und Festigung des Tschetschenienkonfliktes bei. Die Verlegung zusatzlicher russischer Truppenverbande und die Verweigerung von Verhandlungen uber einen Friedensschluss zeigten, dass Moskau flir diesen Konflikt nur eine militarische Losung sieht. Die Rebellen reagierten mit dem Versuch einer Bimdelung antirussischer Stimmungen im gesamten Nordkaukasus, wodurch die Gefahr einer weiteren regionalen Ausdehnung steigt. Auch gewann eine religiose Komponente an Bedeutung, da der radikale Islam einen effektiven Weg zur Fokussierung dieser antirussischen Bestrebungen darstellt. Eine Beendigung des Krieges scheint derzeit unwahrscheinlicher als je zuvor. Marc Schlaphoff
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Weiterfuhrende Literatur und Informationsquellen: Belakhdar, Christine/Belakhdar, Radouane: Tschetschenien. Die Hintergriinde des blutigen Konflikts, Kreuzlingen 2004 German, Tracey: Russia's Chechen War, London u.a. 2003 Sakwa, Richard (Hrsg): Chechnya. From Past to Future, London 2005 http://www.da.mod.uk/CSRC/documents/Caucasus (Britische Defence Academy) http://www.kavkazcenter.com (tschetschenische Rebellen) http://www.rferl.org/featuresarchive/subregion/northcaucasus.html (Radio Free Europe)
Saudi-Arabien (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 2005 Al-Qaida, Al-Haramain-Brigaden, u.a. / Saudi-Arabien
Rebellen veriibten bereits in den 1990er Jahren vereinzelte Bombenanschlage in Saudi-Arabien. Ab Mai 2003 begann eine Serie von Anschlagen, die von sporadischen Kampfliandlungen zwischen saudischen Sicherheitskraften und militanten Islamisten begleitet wurde. Im Berichtsjahr nahmen die Kampfhandlungen so sehr an Intensitat zu, dass sie erstmals zum bewaffiieten Konflikt eskalierten. Die Grundung des Staates Saudi-Arabien 1932 war der Abschluss einer Eroberungskampagne, der 30 Jahre regionale Stammeskriege auf der Arabischen Halbinsel vorangegangen waren. Der Reichsgriinder Ibn Saud fiihrte das Konzept der Monarchie in die uberv^iegend tribalen Strukturen ein. Um seine Herrschaft in Ermangelung eines einheitlichen Nationalgeftihls in der Bevolkerung zu legitimieren, bediente er sich des Wahhabismus, einer puritanischen Reformstromung des Islam, die fremde und nichtislamische Einflusse strikt zuriickweist. tJber die Einhaltung der islamischen Gesetze, denen auch der Konig untersteht, wachen die wahhabitischen Religionsgelehrten, die neben den Mitgliedem des Konigshauses die machtigste Gruppe in SaudiArabien darstellen. Die Entdeckung groBer Erdolvorkommen und deren kommerzielle Ausbeutung ab den 1950er Jahren machten umfangreiche ModemisierungsmaBnahmen notwendig, um den vormals armen und wirtschaftlich riickstandigen Staat auf die einsetzende industrielle Expansion umzustellen. Die saudische Regierung setzte hierbei verstarkt auf die wirtschaftliche Kooperation mit den USA, da deren technologische und untemehmerische Fahigkeiten bei der Schaffung modemer Strukturen benotigt wurden. Ein sicherheitspolitisches Bundnis zwischen den beiden Staaten bestand bereits seit 1945. Die USAmerikaner halfen der saudischen Regierung beim Aufbau einer militarischen Infrastruktur und unterhielten Militarstiitzpunkte mit kleineren Truppeneinheiten im Konigreich. Aufgrund des Widerspruches zwischen dem
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engen Bundnis der Regierung mit den USA und dem antiamerikanischen Kurs der wahhabitischen Religionsgelehrten wurden die Beziehungen zwischen den beiden Staaten stets sehr diskret gepflegt. Der Antiamerikanismus in der strengglaubigen Bevolkerung begrimdete sich neben der generellen Ablehnung westlicher Werte vor allem in dem regionalpolitischen Engagement der USA im Nahen Osten und deren Unterstiitzung Israels im NahostKonflikt. Die steigenden Einnahmen aus der Erdolforderung besonders seit der Olkrise in den 1970er Jahren begunstigten zwar einerseits weite Teile der Bevolkerung, verhinderten aber andererseits die Diversifizierung der Wirtschaft und somit die Entstehung von zusatzlichen Arbeitsplatzen. Vor dem Hintergrund eines rasanten Bevolkerungszuwachses entwickelte sich die Arbeitslosigkeit zusehends zum Problem. Der Regierung gelang es zudem nicht, den GroBteil der Bevolkerung auf den neuen Ethos der Modemisierung einzuschworen. Die abnehmende Bedeutung der nomadischen und tribalen Kultur im Zuge der Zentralisierung der Macht fuhrte im Gegenteil zum Konflikt zwischen Modemisierem und Traditionalisten. Hinzu kam, dass die Regierung zwar nach und nach modeme Institutionen eingefuhrt hatte, Modemisierung im Sinne der Schaffung politischer Freiheiten aber ausblieben. Der Widerstand gegen die Regierung formierte sich vor allem in islamischen Kreisen und entziindete sich an religiosen Fragen. Dem Konigshaus wurde Hypokrasie in Glaubensdingen vorgeworfen und die westliche Lebensweise besonders der Prinzen als „unislamisch" kritisiert. Die Besetzung der GroBen Moschee in Mekka 1979 durch 500 Aufstandische war daher nicht nur Ausdruck einer politischen, sondem auch einer moralischen Krise. Der zunehmende politische Opportunismus der wahhabitischen Religionsgelehrten gegenuber dem saudischen Konigshaus hatte die Entstehung eines religiosen Fundamentalismus begiinstigt, der sich vom Wahhabismus ab- und der sittenstrengeren Salafi-Interpretation des Islam zugewandt hatte. Besonders die Abganger der Universitaten galten aufgrund der schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt als Rekrutierungsmasse fur militante Islamisten. Einen Einfluss auf die Radikalisierung eines weiteren Teiles der islamistischen Opposition hatte zudem die Ruckkehr von circa 15.000 saudischen Kriegsveteranen aus Afghanistan nach dem Riickzug der sowjetischen Truppen Ende der 1980er Jahre. Viele von ihnen hatten Verbindung zur Organisation Al-Qaida (Die Basis), die 1988 von dem Saudi Osama bin Laden mit dem Ziel gegrundet worden war, den afghanischen Widerstand gegen die sowjetischen Besatzer finanziell und durch die Rekrutierung freiwilliger Kampfer aus aller Welt zu unterstutzen. Nach dem tJberfall Saddam Husseins auf Kuwait im August 1990 sah sich die saudische Regierung gezwungen, emeut der Stationierung USamerikanischer Truppen zuzustimmen, um einen moglichen Angriff des Iraks auf Saudi-Arabien abzuwehren. Die Unterstiitzung des US-gefuhrten Zweiten
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Golfkrieges durch die saudische Regierung und die Prasenz der „Unglaubigen" im Konigreich flihrte aufgrund des Widerspruchs zwischen islamischer Innen- und prowestlicher AuBenpolitik zu einer innenpolitischen Krise, von der nahezu alle Bevolkerungsschichten ergriffen wurden. Neben dem Ruf nach politischen Freiheiten wurden auch Stimmen lauter, die eine strengere Anwendung des islamischen Rechts forderten. In Petitionen und Memoranden von Rechtsgelehrten, Professoren und Theologen wurde die Konigsfamilie des Nepotismus und der Korruption beschuldigt und es wurden Vorschlage zur Reformierung von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft nach islamischem Vorbild gemacht. Im Zusammenhang mit Verhaftungen prominenter islamistischer Prediger kam es immer wieder zu spontanen Unruhen und Demonstrationen. Dass der Golfkrieg einen bedeutenden Einfluss auf die Genese des militanten Islamismus in Saudi-Arabien hatte, auBerte sich Mitte der 1990er Jahre, als im Konigreich erstmals Anschlage gegen US-amerikanische Einrichtungen durchgeftihrt wurden. Im November 1995 starben bei der Explosion einer Autobombe vor dem Quartier einer US-Einheit sieben Personen, weitere 60 wurden verletzt. Im Juni 1996 wurden bei einem Anschlag auf eine Kaseme der US-Luftwaffe in Khobar 19 Soldaten getotet und 373 weitere verletzt. Welche radikalen Gruppierungen flir die Anschlage verantwortlich waren, konnte nicht abschlieBend ermittelt werden. Den eigentlichen Auftakt zu einer Serie von Bombenattentaten bildete aber erst der Selbstmordanschlag auf eine Wohnsiedlung von Auslandem in der Hauptstadt Riad im Mai 2003, bei dem 30 Menschen getotet wurden, darunter die neun Attentater. Bei einem ahnlichen Anschlag auf eine Wohnsiedlung im November kamen 17 Menschen ums Leben. Dass auch die direkten Kampfhandlungen zwischen Rebellen und saudischen Sicherheitskraften zunahmen, war auf das verscharfte Vorgehen der Regierung, aufgeschreckt durch die Anschlage im eigenen Land, zuruckzufiihren. Bei Schusswechseln, die sich meist im Rahmen von Polizeirazzien abspielten, kam es immer wieder zu Toten und Verletzten auf beiden Seiten. Von einem Zusammenhang zwischen der Eskalation der Gewalt in Saudi-Arabien und den Kriegen der USA gegen Afghanistan im Oktober 2001 und den Irak im Marz 2003 kann ausgegangen werden. Obwohl sich bei den Anschlagen und Schusswechseln die Mitgliedschaft der Tater oft nicht abschlieBend ermitteln lieB, gilt Al-Qaida seit 2003 als wichtigster Konfliktakteur des Widerstandes in Saudi-Arabien. Die Anschlage auf zwei US-Botschaften in Afi-ika 1998 und auf das World Trade Center in New York 2001 verdeutlichen aber, dass es sich bei Al-Qaida nicht um eine rein saudische Oppositionsgruppierung, sondem eine international agierende Organisation handelt. Die Tatsache jedoch, dass 15 der 19 Attentater, die im Zusammenhang mit den Anschlagen vom 11. September 2001 stehen, saudische Staatsbiirger waren, veranschaulicht den starken saudischen Bezug
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der Organisation. Ihr erklartes Ziel ist es, den Einfluss des Westens auf die islamische Welt mit alien Mitteln zuriickzudrangen. Die Anschlage setzten sich 2004 fort: Ende April starben bei der Explosion einer Autobombe vor dem Hauptquartier der Sicherheitskrafte in Riad fiinf Menschen, 148 wurden verletzt. Fur den Anschlag ubemahmen die mit Al-Qaida verbilndeten Al-Haramain-Brigaden die Verantwortung. AuBerdem wurden zunehmend Anschlage auf Versorgungsanlagen durchgefuhrt. Der Bombenanschlag auf zwei Forderanlagen der Olindustrie in Khobar Ende Mai diente dem Ziel, die Olversorgung des Landes zu schwachen und fiihrte kurzzeitig zu hoheren Olpreisen auf dem Weltmarkt. Bei einer Geiselnahme im Anschluss an den Anschlag starben 30 Menschen, drei der vier Attentater gelang, wahrscheinlich mit Hilfe der Sicherheitskrafte vor Ort, die Flucht. Neben Olanlagen wurden auch Wasser- und Elektrizitatswerke zunehmend Ziel von Sabotageakten. Fiir einen weiteren Bombenanschlag im Dezember auf das US-Konsulat in Djidda, bei dem zwolf Menschen starben, zeichnete Al-Qaida verantwortlich. Neben den Anschlagen nahm auch die Zahl der direkten Kampfhandlungen zwischen Rebellen und saudischen Sicherheitskraften zu. Bei der Suche nach einem Versteck militanter Islamisten wurden Ende Januar sechs Menschen getotet, darunter fiinf Polizisten. Im April starben bei Gefechten sieben Sicherheitskrafte und fiinf Kampfer. Auch die Zahl der Ubergriffe auf westliche Auslander stieg an. Besonderes Aufsehen erregte der Fall des USAmerikaners Paul Johnson, der Mitte Juni bei einer fmgierten Polizeikontrolle verschleppt und von Al-Qaida-YJdim^fQxn vor laufender Kamera enthauptet worden war. Obwohl im Berichtsjahr 2005 im Gegensatz zum Vorjahr keine groBeren Bombenanschlage verubt wurden, gewannen die Kampfhandlungen zwischen Rebellen und saudischen Sicherheitskraften stark an Intensitat. Anfang April kam es in der Region al-Qassim zu den heftigsten und blutigsten Kampfhandlungen zwischen Sicherheitskraften und Rebellen seit deren Beginn im Jahre 2003. Al-Qaida-KampfQY hatten sich in einem Gebaude verschanzt, nachdem sie von Sicherheitskraften in einem Wohngebiet eingekesselt worden waren. Die Kampfhandlungen wahrten drei Tage, Anwohner berichteten, es seien sporadisch Schusswechsel und vereinzelt Explosionen zu horen gewesen. Es wurden insgesamt 14 Personen getotet, unter ihnen zwei Rebellen, die im Zusammenhang mit den Bombenanschlagen in Casablanca und Madrid in den Jahren 2003 und 2004 gesucht wurden. Nur wenige Wochen darauf lieferten sich radikale Islamisten mehrstiindige Gefechte mit der Polizei, nachdem sie versucht hatten, einen Kontrollposten nach Mekka zu passieren. Die Rebellen verschanzten sich in einem nahestehenden Gebaude. Bei den Kampfhandlungen starben zwei der Kampfer und zwei Polizisten. In der ersten Septemberwoche lieferten sich in Dammam in einem Viertel, in dem viele westliche Firmen Btiros unterhalten Al-Qaida-AldiwistQn einen dreita-
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gigen Schusswechsel mit saudischen Sicherheitskraften, nachdem sie sich in einer Villa verschanzt hatten. Am dritten Tag sturmte die Polizei das Haus. Infolge der Kampfhandlungen starben fiinf Rebellen und vier Polizisten, 27 weitere Personen wurden verletzt. Ende Dezember wurden im Rahmen der Verhaftung eines der meistgesuchten militanten Islamisten des Landes fiinf Polizisten getotet. Der 23-jahrige Mohammed Abdel-Rahmen Mohammed al Suwailmi, der an der Rekrutierung und Propaganda flir militante islamistische Gruppierungen beteiligt gewesen sein soil, war der achte auf einer im Juni veroffentlichten Regierungsliste mit 15 Hauptverdachtigen, die entweder getotet Oder festgenommen werden konnten. Die Regierung hatte bereits im Vorjahr eine ahnliche Liste mit 26 Rebellen veroffentlicht, von denen sich nur noch einer auf der Flucht befindet. Insgesamt haben die Auseinandersetzungen seit Mai 2003 90 Zivilisten, 51 Sicherheitskraften und 120 Rebellen das Leben gekostet. Obwohl die Regierung offensichtliche Fortschritte bei der Bekampfung des militanten Islamismus verzeichnen kann, wird es eine Losung ausschlieBlich aufgrund des Einsatzes der Sicherheitskrafte wohl nicht geben. Besonders vor dem Hintergrund der instabilen Lage im Irak und der Prasenz der USA im Nahen Osten scheint eine baldige Befi-iedung nicht sehr wahrscheinlich, wenn auch die gelegentlichen Anschlage und sporadischen Kampfhandlungen keine direkte Gefahr flir die Monarchic darstellen. Vieles wird aber auch davon abhangen, ob die Regierung in der Lage sein wird, die inneren Konfliktgriinde zu beseitigen. Gerrit Schlaper Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Belling, Willard: King Faisal and the Modernisation of Saudi Arabia, London 1980 Champion, Daryl: The Paradoxical Kingdom. Saudi Arabia and the Momentum of Reform, London 2003 Cordesman, Anthony: Saudi Arabia Enters the Twenty-First Century, London 2003 Koszinowski, Thomas: Exiloppositionen als politische Akteure. Die saudische Exilopposition (Deutsches Orient Institut, Focus Nr. 7), Hamburg 2002 Steinberg, Guido: Die innenpolitische Lage Saudi-Arabiens nach dem IL September 2001 (Deutsches Orient-Institut, Focus Nr. 8), Hamburg 2003 http://www.library.nps.navy.mil/home/tgp/qaida.htm (US-Marine) http://www.saudiembassy.net (Saudische Botschaft in Washington)
Tiirkei (Kurdistan) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
2004 B-2 KONGRA-GEL / Tiirkei
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Im Berichtsjahr hat sich der Konflikt in den kurdischen Gebieten im Siidosten der Tiirkei weiter intensiviert. Die kurdischen Rebellen fuhrten zahheiche Attentate und Angriffe durch. Bei tiirkischen Militaroperationen wurden mehrere tausend Soldaten eingesetzt. Gleichzeitig gab es jedoch Bemiihungen um eine politische Losung der „Kurdenfrage", die im Berichtsjahr erstmals vom tiirkischen Ministerprasidenten Recep Tayyip Erdogan als eigenstandiges Problem anerkannt wurde. Trotz der Vereinbarung uber einen autonomen Kurdenstaat im Vertrag von Sevres 1920 besiegelte der Friedensvertrag von Lausanne 1923 nach dem Ersten Weltkrieg die Aufteilung der von Kurden besiedelten Gebiete zwischen den heutigen Staaten Tiirkei, Irak, Iran und Syrien. Nach Grundung der Turkei im selben Jahr durch Mustafa Kemal Atatiirk sollten samtliche in der Tiirkei lebenden Kulturen zu einer einheitlichen Nation verschmolzen werden, in der jeder, der die tiirkische Staatsbiirgerschaft besaB, auch kulturell als Turke defmiert wurde. Die ethnische Gruppe der Kurden, die aktuell rund 20 Prozent der tiirkischen Bevolkerung ausmacht, soUte durch ZwangsmaBnahmen assimiliert werden. Hierzu zahlten das Verbot der verschiedenen kurdischen Dialekte sowie die Zerschlagung der traditionellen kurdischen Stammesstrukturen. Die Reformen Kemals konnten jedoch innerhalb der tribal gepragten kurdischen Bevolkerung nicht durchgesetzt werden. Den Widerstand der Kurden, der sich in den 1920er und 1930er Jahren in mehreren Erhebungen gegen die Staatsgewalt manifestierte, versuchte man mit Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen von lokalen Autoritaten und Stammesfiihrem zu brechen. Durch die Zerstorung ortlicher Machtgeftige sollte so ein Vakuum geschaffen werden, in dem die Staatsdoktrin des Kemalismus greifen konnte. Mit Aufhebung der Einparteiherrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und der darauf folgenden Formierung neuer Parteien stand es auch kurdischen Sheiks, Stammesfuhrem und Agas offen, politische Amter zu bekleiden. Sie nutzten ihren Einfluss auf staatlicher Ebene jedoch weniger zur Forderung der soziookonomischen Entwicklung des Ostens der Tiirkei als zur Festigung ihrer Macht durch Klientelismus und den Ausbau ihres GroBgrundbesitzes. Zudem blieben die kurdisch besiedelten Gebiete von der Industrialisierung des Landes und staatlichen Entwicklungsprogrammen weitgehend ausgenommen und verharren bis heute in quasifeudalen Strukturen. Der kurdische Widerstand flammte emeut vor dem Hintergrund der weltweiten 1968er-Unruhen und einer Wirtschaftskrise Anfang der 1970er Jahre auf, unter deren Folgen besonders der vemachlassigte kurdische Siidosten der Tiirkei zu leiden hatte. Abdullah Ocalan griindete 1978 mit seinen Anhangem die straff marxistisch-leninistisch organisierte Partiya Karkeren Kurdistan (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans). Am 15. August 1984 erklarte der bewafftiete Arm der PKK dem tiirkischen Staat den Krieg. Als ihre Ziele benannte die PKK den Kampf gegen die Unterdriickung der kurdischen Min-
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derheit sowie die Machtstellung kurdischer GroBgrundbesitzer und die Errichtung eines unabhangigen, sozialistischen Kurdistan. Wahrend die PKK bis Mitte der 1980er Jahre innerhalb der Bevolkerung keinen besonderen Riickhalt hatte und hohe Verluste hinnehmen musste, losten Ende der 1980er Jahre vor allem die verscharften Ubergriffe der tiirkischen Armee einen regelrechten kurdischen Aufstand (Serhildan) aus. Das Militar reagierte auf die Anschlage und tJberfalle der PKK mit der periodischen Durchkammung kurdischer Dorfer, Vertreibungen und PlUnderungen. 1987 wurde in elf tiirkischen Provinzen der Ausnahmezustand ausgerufen. Zusatzlich etablierte die turkische Armee ein so genanntes Dorfwachtersystem, das kurdische Stamme beziehungsweise deren Oberhaupter zur Bekampfung der PKK mit Waffen und Privilegien ausstattete. Heute gibt es noch circa 60.000 derartige paramilitarische Kampfer. Neben den Dorfwachtem sind derzeit noch rund 200.000 Soldaten in den kurdischen Gebieten und an der Grenze zum Irak stationiert. Im Februar 1999 wurde die PKK durch die Festnahme ihres Ftihrers Abdullah Ocalan in Kenia entscheidend geschwacht. Sie verkiindete daraufhin einen einseitigen Waffenstillstand und zog sich mehrheitlich in den Nordirak zuriick. Bis Oktober 2001 wurde der Krieg jedoch vor allem durch Offensiven der tiirkischen Armee im Nordirak fortgesetzt. Seit seinem Beginn 1984 hatte dieser Krieg mehr als 36.000 Tote gefordert. Nach Angaben der turkischen Regierung wurden 353.000 Menschen aus ihren Dorfem vertrieben, Internationale Beobachter und turkische NGOs sprechen von 1 bis 4,5 Millionen Menschen. Rund 3.500 Dorfer wurden geraumt und zerstort. Innenpolitisch waren die Jahre 2001 und 2002 gepragt von Reformen, die unter anderem durch die Perspektive eines EU-Beitritts fiir die Ttirkei ausgelost worden waren. Im Oktober 2002 wurde der Ausnahmezustand auch in den letzten zwei Provinzen aufgehoben. Im April 2002 loste sich die PKK auf und der Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane (KADEK, Kongress fiir Freiheit und Demokratie Kurdistans) wurde ins Leben gerufen, der im Oktober 2003 durch den Kongra Gele Kurdistan (KONGRA-GEL, Volkskongress Kurdistans) ersetzt wurde. Die Mitglieder des KONGRA-GEL gaben seitdem vor, sich fiir eine friedliche und demokratische Losung der Kurdenfrage einzusetzen, fuhrten den bewaffiieten Kampf, wenn auch nach eigener Aussage nur zur Selbstverteidigung, jedoch fort. Von den tiirkischen Behorden und den Medien werden die Namen PKK, KADEK und KONGRA-GEL synonym verwendet. Nach Angaben des tiirkischen AuBenministeriums finanziert sich der KONGRA-GEL vorrangig durch organisierte Kriminalitat wie Drogengeschafte, Waffen- und Menschenschmuggel, Erpressungen und Geldwasche. Seine Kampfer rekrutiert er vor allem in den Fliichtlingslagem im Nordirak, in denen nach Angaben des United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) rund 12.700 turkische Kurden leben. Zur Verfolgung der Kampfer
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sind mehrere Tausend tiirkische Soldaten im Nordirak stationiert. Die weitgehende Autonomie der irakischen Kurden seit dem Zweiten Golfkrieg 1991 erhohte die Spannungen zwischen der Tiirkei und dem Irak. Auch gegenwartig spricht sich die Tiirkei immer wieder fur die Einheit des Iraks und gegen eine kurdische Autonomie aus. Von den rund 5.000 verbliebenen kurdischen Guerillas, von denen nach Schatzungen bis zu einem Drittel Frauen sind, sollen sich 500 in der Tiirkei, ebenso viele im Iran und 4.000 im Nordirak aufgehalten haben. Insgesamt sind tiirkischen Sicherheitsbehorden zufolge circa 1.500 KONGRA-GEL-Kampfer aus dem Irak in die Tiirkei zuriickgekommen, um dort Anschlage zu veriiben. Schon vor Ende des Waffenstillstandes im Juni 2004 zeichnete sich eine Zuspitzung der Lage in den tiirkischen Kurdengebieten ab. So wurden im Marz 2004 bei Demonstrationen in mehreren kurdischen Provinzen nach den Kommunalwahlen vier Menschen getotet und iiber 100 verletzt. Die Demonstranten waren groBtenteils Aktivisten der pro-kurdischen Demokratik Halk Partisi (DEHAP, Demokratische Volkspartei), die der Polizei vorwarfen, die Wahlen manipuliert zu haben. Am 15. April starteten die tiirkischen Sicherheitsbehorden nach eigenen Angaben in Simak an der irakischen Grenze eine Operation gegen 60 KONGRA-GEL-Aktivisten, an der 6.000 Soldaten beteiligt gewesen sein sollen. Ab April 2004 nahm die Gewalt in den kurdischen Gebieten der Tiirkei zu. Im Mai veriibte der KONGRA-GEL zahlreiche Anschlage in den siidostlichen Provinzen der Tiirkei nach einem ahnlichen Muster wie friiher die PKK. Dabei wurden femgeziindete Bomben und Minen gegen Autos, StraBen, Bahngleise, Olpipelines und Stromleitungen eingesetzt oder Angriffe mit automatischen Waffen und Raketen auf Polizeistationen, Militarposten und Verwaltungsgebaude untemommen. Die Sicherheitsbehorden reagierten darauf mit Militaraktionen. Am 29. Mai verkundete der KONGRA-GEL offiziell das Ende des Waffenstillstandes zum 1. Juni 2004 und forderte Investoren und Touristen auf, sich vom Siidosten der Tiirkei femzuhalten. Zur Begriindung verwies der KONGRA-GEL auf verstarkte Einsatze der tiirkischen Armee gegen kurdische Kampfer, die verschlechterten fiir Haftbedingungen Ocalan sowie mangelnde Fortschritte bei den Rechten der kurdischen Minderheit. Internationale Beobachter halten den Schritt jedoch fiir den Versuch, elnen Niedergang des KONGRA-GEL zu verhindem. Dieser ist einerseits durch die erheblichen Einschrankungen seiner Aktivitaten im Nordirak seit dem Einmarsch der USA geschwacht. Andererseits zeigten sowohl die Wahlniederlage der prokurdischen Koalition im Marz sowie die Friedensdemonstrationen im Sommer 2004 den schwindenden Riickhalt fiir einen bewaffiieten kurdischen Widerstand in der BevoUcerung. Nach dem Ende des Waffenstillstands weiteten sich die Anschlage und ZusammenstoBe in den kurdischen Gebieten der Tiirkei aus. Aber auch femab der kurdischen Gebiete kam es zu Anschlagen, insbesondere auf touristi-
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sche Zentren. Im August 2004 spitzte sich die Lage in den Kurdengebieten weiter zu. Die kurdischen Kampfer verminten viel befahrene FemstraBen und fast taglich fanden Anschlage und Gefechte statt. Ziele waren dabei meist Soldaten, Polizisten, kurdische Dorfwachter und andere Staatsbedienstete. Die tiirkischen Sicherheitsbehorden errichteten StraBensperren, verstarkten die MilitarkontroUen, verhangten Ausgangsverbote und fiihrten teils groBangelegte Militaroperationen durch. Unter dem Einfluss der Gesprache mit der EU zur Aufiiahme von Beitrittsverhandlungen setzte die turkische Regierung ihre Reformbemiihungen fort. So wurde zum Beispiel im Juni 2004 erstmals ein Radioprogramm in kurdischer Sprache gesendet. Auch in den Schulen wurde der Gebrauch der kurdischen Sprache erlaubt. Menschenrechtsgruppen kritisierten jedoch die mangelhafte Umsetzung der Reformen, die anhaltenden Einschrankungen von Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie Folterungen und Misshandlungen. So wurden in der Siidostturkei immer noch Personen zu Strafen verurteilt, die auf offentlichen Plakaten die Buchstaben Q, W oder X verwenden, da diese zwar im kurdischen, aber nicht im tiirkischen Alphabet vorkommen. Die Aufhahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ttirkei wurde vom Ministerrat der Europaischen Union am 3. Oktober 2005 beschlossen. Deswegen ist damit zu rechnen, dass es nicht zuletzt aufgrund des Drucks der EU weiterhin Fortschritte in den Menschenrechtsfragen geben wird. Auf intemationaler Ebene versuchte die Ttirkei mit diplomatischen Gesprachen die USA und die neue irakische Regierung dazu zu bewegen, gegen die Rtickzugsgebiete des KONGRA-GEL im Nordirak vorgehen. Die USA waren jedoch zurtickhaltend, weil erstens ihre militarischen Krafte anderweitig gebunden sind und weil sich zweitens die irakischen Kurden als zuverlassige Verbtindete der USA erwiesen haben, deren Wohlwollen nicht aufs Spiel gesetzt werden soil. Sie boten der ttirkischen Regierung jedoch an, sich international dafur einzusetzen, dass die Finanztransaktionen des KONGRA-GEL unterbunden und Bankkonten eingefroren wurden. Die ttirkische Regierung hat Starke Beflirchtungen, im Nordirak konnte sich ein unabhangiger kurdischer Staat konstituieren, der die Autonomiebestrebungen in den kurdischen Gebieten der Ttirkei verstarken wtirde. Nahezu in jeder Erklarung in den Medien taucht die Formulierung auf, dass die ttirkische Regierung die USA gebeten hatte, gegen die Rtickzugsgebiete der PKK im Norden des Irak vorzugehen. Zum Jahreswechsel flauten die Kampfe in den kurdischen Gebieten ab und bis April 2005 gab es nur vereinzelte Anschlage und Gefechte. Ab April jedoch eskalierte die Gewalt emeut und es kam seitdem fast taglich zu Bombenanschlagen, Minenexplosionen und Gefechten. Die ttirkische Seite reagierte, wie schon in den letzten Jahren, mit groBangelegten Militaroperationen mit mehreren tausend Soldaten. Der KONGRA-GEL versuchte unter anderem auch mit Entfiihrungen Druck auf die ttirkische Seite, aber auch auf
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die lokalen proturkischen Kurden auszutiben. So wurden immer wieder Soldaten, aber auch Biirgermeister von kleineren Kommunen im Sudosten der Turkei entfUhrt. Dies ftihrte auch zu Spaimungen innerhalb der kurdischen Bevolkerung. Allerdings behaupteten die kurdischen Rebellen, die immer noch existierenden Dorfwachter in den kurdischen Siedlungen nicht mehr anzugreifen, wenn sie sich nicht an Kampfhandlungen beteiligen. Die Organisationsstruktur des KONGRA-GEL ist sehr undurchsichtig und hat sich im Berichtsjahr weiter verandert. So gab es eine Neugrundung der PKK, ohne jedoch den KONGRA-GEL aufzulosen. Vielmehr soil die neue PKK wieder das ideologische Riickgrat der Bewegung bilden. AuBerdem wurde die Organisation Koma Komalen Kurdistan (KKK, Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan) gegrundet, die alle zivilgesellschaftlichen Bereiche mit einschlieBen soil. Die Leitung von KKK und KONGRA-GEL obliegt nach Angaben der beiden Organisationen Abdullah Ocalan. Er wird von den Anhangem des KONGRA-GEL immer noch als Fuhrer verehrt, sein Bild ist auf jeder Publikation zu sehen. Seit Neubeginn des Krieges im Juni 2004 bis August 2005 wurden laut Angaben der regierungsnahen Zeitung Turkish Daily News iiber 200 tiirkische Sicherheitskrafte getotet. Nach Angaben der militarischen Organisation des KONGRA-GEL, der Hezen Parastina Gel (HPG, Volksverteidigungskrafte) wurden zwischen dem 1. Juni 2004 und dem 26. Mai 2005 bei iiber 300 Gefechten und sonstigen Aktionen uber 700 tUrkische Sicherheitskrafte und rund 100 kurdische Guerillas getotet. Mitte August erklarte der KONGRA-GEL einen einseitigen einmonatigen Waffenstillstand, der im September bis zum 3. Oktober, dem Tag, an dem die EU iiber die Auftiahme von Beitrittsverhandlungen mit der Tiirkei entschieden hat, verlangert wurde. Der Waffenstillstand war unter anderem auch dadurch motiviert worden, dass der tiirkische Ministerprasident Erdogan am 10. August erstmals offentlich Stellung zur „kurdischen Frage" bezog und sie in der Hauptsache als ein Demokratisierungsproblem interpretierte. Jedoch gingen auch wahrend dieses Waffenstillstands die Kampfe nahezu unvermindert weiter und der Waffenstillstand blieb ohne groBe Auswirkungen. Inwiefem sich aus der Anerkennung der kurdischen Frage ein Politikwechsel ergeben wird, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. Die Entscheidung dariiber obliegt auch nicht allein der turkischen Regierung. Hardliner auf der kurdischen wie auf der turkischen Seite versuchen Einfluss auf die weitere Entwicklung zu nehmen. So kam es im November des Berichtsjahres nach einem Bombenanschlag auf ein Buchgeschaft in der siidosttiirkischen Stadt §emdinli zu lang andauemden starken Protesten in zahlreichen Stadten, die von der Polizei teilweise mit dem Einsatz von Tranengas und Wamschussen beantwortet wurden und mehrere Todesopfer auf Seiten der Demonstranten forderten. Diese vermuteten als Drahtzieher hinter den Anschlagen nicht, wie offizielle Stimmen zuerst verlautbaren lieBen, die
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PKK, sondem tiirkische Sicherheitskrafte. Nach einer eingehenden Untersuchung hat die tiirkische Regierung diese Sichtweise bestatigt, besteht jedoch weiterhin darauf, dass die Soldaten nicht auf ihren Befehl handelten. Markus End Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Barkey, Henri J./FuUer, Graham E.: Turkey's Kurdish Question, Lanham u.a. 1998 Ibrahim, Ferhad (Hrsg.): The Kurdish Conflict in Turkey. Obstacles and Chances for Peace and Democracy, Miinster u.a. 2000 Yalain-Heckmann, Lale/Strohmeier, Martin (Hrsg.): Die Kurden. Geschichte, Politik, Kultur, Munchen 2000 http://www.ihd.org.tr (tiirkische Menschenrechtsorganisation) http://www.kongra-gel.com (KONGRA-GEL) http ://www.kurdistan-rundbrief.de (Kurdistanrundbrief) http://www.mfa.gov.tr (turkisches AuBenministerium) http ://www.nadir.org/nadir/periodika/kurdistan_report (Kurdistanreport) http://www.turkey.org (Regierung der Tiirkei) http://www.turkishdailynews.com (regierungsnahe Zeitung)
Afrika Angola (Cabinda) (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 2002 FLEC/Angola
Auch drei Jahre nach Beendigung des Krieges im angolanischen Kemland wurde der bewaffhete Konflikt in der Exklave Cabinda mit geringer Intensitat fortgesetzt. In dem zum angolanischen Staatsgebiet gehorenden Territorium kam es seit den 1970er Jahren immer wieder zu bewaffheten Zusammensto6en zwischen verschiedenen Splittergmppen der Frente de Libertagao do Enclave de Cabinda (FLEC, Front fiir die Befreiung der Enklave Cabinda) und Regierungsstreitkraflen. Die Ursache dieser Kampfe ist das Bestreben der Rebellen, eine Sezession der rohstoffreichen Exklave von Angola zu erreichen. Die FLEC scheint aufgrund des massiven Vorgehens der angolanischen Armee allerdings gegenwartig zu geschwacht, um groBere militarische Aktionen durchzuflihren. Zudem schwindet die Unterstiitzung der Bevolkerung fiir den bewaffiieten Kampf allmahlich. Deutlichstes Zeichen hierflir ist die Entstehung verschiedener ziviler Initiativen, die sich fiir eine gewaltlose Losung des Konfliktes engagieren. Die relevanteste dieser Gruppen ist die Mpalabanda Associagdo Civica de Cabinda (MACC, Mpalabanda Biirgervereinigung von Cabinda). Die FLEC stiitzt ihren Anspruch auf Unabhangigkeit von Angola auf die ehemalige portugiesische Kolonialverfassung. In dieser wurde Cabinda neben Angola als eigenstandiges Territorium erwahnt und war im Gegensatz zum angolanischen Binnenland keine Kolonie, sondem lediglich ein Protektorat Portugals. Erst 1956 wurde Cabinda Angola verwaltungsrechtlich unterstellt und blieb auch nach der Unabhangigkeit des Landes 1975 Teil des angolanischen Staatsgebietes. Die Separatisten verwiesen auBerdem auf die dem Empfmden der Bevolkerung Cabindas zufolge eigenstandige Geschichte, Kultur und Identitat der Exklave. Cabinda ist vom angolanischen Kemland durch einen schmalen Streifen der Demokratischen Republik Kongo getrennt. Auf den etwas mehr als 7.000 Quadratkilometem des an der Kixste des Atlantiks gelegenen Gebietes leben circa 250.000 Einwohner. Bereits 1956 formierten sich in der Region erste nationale Befreiungsbewegungen. Die FLEC entstand 1963 durch den Zusammenschluss von drei dieser Gruppiemngen. Sie kampfte seit der angolanischen Unabhangigkeit fur die Bildung eines eigenen Staates. In den 1980er Jahren spaltete sich die Bewegung in mindestens sieben separate Rebellengruppen, von denen zuletzt
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vor allem die FLEC - Forgas Armadas de Cabinda (FLEC-FAC, FLEC Streitkrafte von Cabinda) und die Vl.EC-Renovada (Emeuerte FLEC) noch aktiv waren. Ein Hauptmotiv der Separatisten diirfte auch darin bestehen, alleinigen Zugriff auf den Ressourcenreichtum der wichtigsten angolanischen Olprovinz zu gewinnen. Etwa zwei Drittel der Erdolforderung Angolas, dem nach Nigeria zweitgroBten Olproduzenten Afrikas, fmden in Cabinda start. Die Forderung erfolgt iiberwiegend vor der Kiiste. Die extreme Abhangigkeit der Regierung von den Oleinkiinften aus Cabinda dokumentierte sich schon in den 1980er Jahre in einem der groBen Widerspriiche des Kalten Krieges: Im Verlauf des angolanischen Biirgerkrieges verteidigten die sozialistische Regierungspartei Movimento Popular de Libertagao de Angola (MPLA, Volksbefreiungsbewegung Angolas) und kubanische Truppen wiederholt die vom US-Olkonzem Chevron betriebenen Anlagen der Cabinda Gulf Oil Company gegen Angriffe der von den USA unterstutzten Unido Nacional para a Independencia Total de Angola (UNITA, Nationale Union fiir eine vollstandige Unabhangigkeit Angolas) und der FLEC. Insgesamt blieben die Auswirkungen des Krieges im angolanischen Kemland auf Cabinda jedoch verhaltnismaBig gering. Obwohl Cabinda reich an Rohstoffen ist, lebt der GroBteil der Bevolkerung in Armut. Die Region ist politisch und okonomisch marginalisiert und partizipiert nur gering an den Einnahmen aus dem Olexport. Die Erdoleinnahmen sichem der angolanischen Regierung das politische Uberleben und die wirtschaftliche Existenzfahigkeit des Landes. Daher lehnt die Regierung eine Sezession der Exklave von Angola ab. Sie befurchtet zudem, dass Zugestandnisse an die Separatisten in Cabinda ahnliche Bestrebungen in anderen Landesteilen befordem konnten. Wahrend nach der Beendigung des Krieges zwischen MPLA und UNITA im April 2002 die Bemuhungen um Friedenssicherung und Wiederaufbau im groBten Teil Angolas voranschrirten, war ab Mirte des Jahres 2002 in Cabinda eine Intensivierung der Kampfhandlungen zwischen der angolanischen Armee und Rebellen verschiedener Fraktionen der FLEC zu beobachten. Im angolanischen Kemland nicht mehr benotigte Regierungstruppen wurden in groBem MaBe nach Cabinda verlegt, so dass die Truppenstarke dort auf 30.000 Soldaten anwuchs, die vor allem im Nordosten der Provinz stationiert sind. In Relation zur Zivilbevolkerung ist Cabinda somit gegenwartig eine der am starksten militarisierten Regionen der Welt. Ab Oktober 2002 eroberten die Regierungsstreitkrafte bei ihrer ersten GroBoffensive die Hauptquartiere sowie weitere Kommandoposten der beiden FLEC-Fraktionen. Dabei gelang es ihnen auBerdem, groBe Mengen an Waffen und Munition der Rebellen zu vemichten. Die FLEC zog sich daraufhin in den Dschungel Cabindas zuriick. Aufgrund dieser massiven Schwachungen der Rebellen sowie als Reaktion auf die Starke der kampferprobten Regierungstruppen wechselte die
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FLEC ihre Strategic von direkter Konfrontation hin zum Guerillakampf. Die Separatisten diirften momentan auch kaum in der Lage sein, die angolanische Armee emsthaft zu bedrohen. Die Truppenstarke der Rebellen, die 2004 noch auf 2.000 Mann geschatzt wurde, hat sich mittlerweile vermutlich deutlich verringert. Generell sind nur wenige Informationen iiber die Rebellen verfugbar. Weder uber die okonomische Reproduktion der FLEC noch iiber die Rekrutierung neuer Kombattanten ist Genaueres bekannt. Der Konflikt hat sich seit Ende 2003 etwas beruhigt, beendet wurde er aber noch nicht. Die Beurteilung der Situation in Cabinda gestaltet sich allerdings schwierig. Unabhangige Berichte gibt es meist nicht und der Wahrheitsgehalt der Mitteilungen der Konfliktparteien ist in der Regel sehr gering. Die Rebellen berichteten stets uber ihre vermeintlichen Erfolge im Kampf gegen die Armee, die Regierung hingegen dementierte systematisch alle Kampfhandlungen in der Provinz. So meldeten die Rebellen am 13. Mai des Berichtsjahres, einen Hubschrauber der angolanischen Armee in der Region von Miconge abgeschossen zu haben. Die angolanische Regierung hingegen hatte den Helikopter einige Tage zuvor aufgrund eines Unwetters als vermisst gemeldet und gab an, dass er an einer Bergwand zerschellt sei. In den folgenden Tagen kam es in der Region um Buco Zau und Necuto im Nordosten Cabindas zu ZusammenstoBen zwischen Militar und Separatisten. Nach Angaben der Rebellen wurden in diesen Gefechten 20 angolanische Soldaten getotet und zahlreiche weitere verwundet. Besonders diffizil gestaltete sich die Informationslage hinsichtlich der Geschehnisse im Inneren der Exklave. Wahrend es in der im Siidwesten gelegenen Provinzhauptstadt Cabinda ruhig blieb, forcierte die Armee im Juli und August im Hinterland eine GroBoffensive gegen die Separatisten. Deren genaues AusmaB sowie die Vorgehensweise der Regierungstruppen blieben aber ungeklart. Ziel der militarischen Aktivitaten war vermutlich, die verbliebenen aktiven Kombattanten der Rebellenbewegung ausfindig zu machen und zu besiegen. Zeitgleich stattfmdende Treffen zwischen der angolanischen Regierung und Vertretem der FLEC wurden so zur Farce. Scheinbar hat sich auf Seiten der Regierung der Wille verfestigt, eine endgtiltige militarische Losung des Konfliktes herbeizufiihren. Die Behauptung von President Jose Eduardo dos Santos, es gabe aufgrund der intemen Zersplitterung der Separatisten keine verlasslichen Verhandlungspartner und emsthafte Gesprache seien deshalb nicht moglich, erwies sich als bloBer Vorwand. Nachdem es den beiden wichtigsten Rebellenfraktionen, FLEC-FAC und FLECRenovada, im September 2004 bei einem Treffen in den Niederlanden gelungen war, ihre jahrzehntelange Teilung zu iiberwinden und wieder einheitlich als FLEC aufzutreten, schien eine Ausgangsposition fiir Verhandlungen gegeben. Ein weiterer Grund fiir das entschlossene Vorgehen der Regierungstruppen diirfte die Absicht sein, die Olvorkommen im Inneren der Provinz zu erschlieBen, deren Forderung der Konflikt mit der FLEC bisher verhinderte.
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Anlass zur Hoffiiung gibt allerdings die wachsende pazifistische Protestkultur in Cabinda, deren sichtbarste Auspragung die Anfang 2004 gegrundete MACC ist. Diese biindelt die zivilgesellschaftlichen Krafte und konnte eine vitale Rolle im Friedensprozess spielen. Die Organisation hat sich der Friedensarbeit und dem gewaltfreien Kampf gegen Krieg, Unterdruckung und Korruption verschrieben. Anlasslich des 120. Jahrestages des Vertrags von Simulambuco, der Cabinda unter portugiesische Herrschaft stellte, organisierte die MACC am 30. Januar in der Stadt Cabinda einen Protestmarsch. An diesem nahmen circa 50.000 Menschen teil, um eine friedliche Losung des Konfliktes zu fordem. AuBerdem veroffentlichte sie Menschenrechtsberichte iiber die Situation in der Provinz. Darin verurteilte die MACC nicht nur das Verhalten von Regierung und Militar, sondem auch das militarische Vorgehen der FLEC, auf das die Armee oftmals mit Gewalt gegen die Zivilbevolkerung reagiert. Die MACC setzt sich fiir einen Waffenstillstand und die sofortige Eroffhung emsthafter Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien ein. Die Aktivitaten der Organisation sind vielen in der angolanischen Hauptstadt Luanda und in der Armee unangenehm. Seit ihrer Grundung kam es haufig zu Einschiichterungsversuchen gegeniiber ihren Mitgliedem, und iiber 60 ihr nahe stehende Personen wurden bereits verhaftet, darunter auch MACC-Prasident Agostinho Chicaia. Besonders in den landlichen Gebieten der Provinz gingen Armee und Polizei auBerst repressiv gegen Aktivisten vor. Aber auch die restliche Bevolkerung wurde haufig Opfer von Ubergriffen des Militars. Es kam vielfach zu Menschenrechtsverletzungen wie willktirlichen Festnahmen, Folterungen, Vergewaltigungen von Frauen und Madchen und extralegalen Hinrichtungen. AuBerdem behinderten Soldaten die Bewohner der Dorfer bei der Jagd und bei der Feldarbeit, wodurch sich die Nahrungsknappheit verscharfte. Die Armee beabsichtigte, durch dieses Vorgehen den Ruckhalt der FLEC in der Bevolkerung zu brechen, was anscheinend auch den gewiinschten Erfolg erzielte. Prinzipiell unterstutzten weite Telle der Bevolkerung Cabindas die Sezessionsbemiihungen der Rebellen. Da sich allerdings die humanitare Situation in der Exklave seit der Intensivierung der Kampfhandlungen im Jahr 2002 extrem verschlechtert hat, scheint ein Umdenken einzusetzen. Falls durch Verhandlungen mit der Regierung eine Verbesserung ihrer Lebensumstande erreicht werden konnte, wiirde der GroBteil der Menschen diese Losung wohl bevorzugen und die Forderung nach Unabhangigkeit zuriickstellen. Auch deshalb erhalt das gewaltlose Vorgehen der MACC so viel Zuspruch. Die grundlegenden Konfliktursachen bleiben also weiterhin bestehen, woran auch die voraussichtlich im September 2006 erstmals nach Kriegsende stattfmdenden Wahlen nichts andem werden, da jede mogliche Regierung von den Oleinnahmen aus Cabinda abhangig ist. Auf lange Sicht konnte jedoch die Aktivierung der Zivilgesellschaft und der schwindende Rtickhalt
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der Rebellen innerhalb der Bevolkerung zu einem Umdenken der FLEC fiihren und somit zu einer Verbesserung der Situation beitragen. Stefan Schmitt Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Hodges, Tony: Angola. Anatomy of an Oil State, 2. Auflage, Oxford - Bloomington 2004 Luansi, Lukonde: Angola. Zwischen regionaler Hegemonic und nationalem Selbstmord. Die Suche nach einer Losung, Marburg 2001 Luansi, Lukonde: Cabinda. Die ungeloste Frage des angolanischen Konflikts, in: Afrika Sud 2004/3, S. 29-31 http://www.actsa.org/Angola/apm (Angola Peace Monitor) http://www.angola.org (Regierung Angolas) http://www.cabinda.org (FLEC) http://www.irinnews.org/webspecials/cabinda (UN Integrated Regional Information Network)
Athiopien (Gambela) (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 2003 Milizen von Zuwanderem, Athiopien / GPLF
Im Berichtsjahr 2005 nahmen die dokumentierten Kampfliandlungen in Gambela zwar ab, jedoch ist ein Konfliktende nicht abzusehen. So wurden im Oktober 2005 bei einem tJberfall auf eine Polizeistation mit anschlieBender Gefangenenbefreiung mindestens sechs Polizisten getotet. Unbestatigten Angaben zufolge kam es im Anschluss daran zu einem Raketenangriff auf Regierungstruppen. Bei diesem sollen bis zu 200 Soldaten getotet worden sein. Der an Gold- und Olvorkommen verhaltnismaBig ressourcenreiche Bundesstaat Gambela liegt an der athiopisch-sudanesischen Grenze im Siidwesten Athiopiens zwischen dem Bundesstaat Oromia und der Southern Nations, Nationalities, and Peoples Region. Seit dem 18. Jahrhundert besiedeln Anyuak diese Region und zahlen somit zur altesten ansassigen Bevolkerung Gambelas. In das Gebiet wanderten um 1850 verstarkt Nuer ein, deren nomadische Lebensweise wiederholt Spannungen mit den sesshaften Anyuak hervorrief. Diese Konfliktlinie lasst sich zwar bis in die neueste Zeit verfolgen, scheint aber trotz anders lautender Erklarungen der athiopischen Regierung im aktuellen Konflikt eine eher untergeordnete Rolle zu spielen, obwohl der Krieg im benachbarten Sudan zwischen sudanesischen Regierungstruppen und der Sudan People's Liberation Army (SPLA) wahrend der letzten beiden Jahrzehnte nochmals tausende von sudanesischen Nuem veranlasste, die Grenze nach Gambela zu iiberqueren.
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Mitte der 1980er Jahre siedelte die damalige kommunistische Regierung Athiopiens unter Mengistu Haile Mariam etwa 1 Million Athiopier gewaltsam um. Dies betraf vor allem Tigrinnya und Amharen aus dem dicht bevolkerten zentralathiopischen Hochland im Norden, die das Regime in vorgeblich unterbevolkerte und firuchtbare Regionen im Westen und Siidwesten Athiopiens deportierte. Dies sollte eine sozialistische und agrarische Transformation beschleunigen, mit dem Femziel einer autarken Nahrungsmittelversorgung Athiopiens. Die Regierung konfiszierte das Land ortlicher Bauem und zwang Hofe in Genossenschaften oder Kooperativen. Besonders in der Gambela-Region wurde mit dieser Politik die traditionale Lebensweise unabhangiger Kleinbauem zerstort, das regionale Marktwesen gewaltsam eingedammt und die Mehrheit der Bevolkerung ihrer politischen und kulturellen Eigenstandigkeit beraubt. Viele der Siedler aus dem Hochland waren alphabetisiert, was ihnen eine gewisse Bevorzugung einbrachte. Eine ethnische Integrationspolitik fand nicht statt, soziale Interaktionen mit den neu Angesiedelten beschrankten sich in Gambela auf ein Minimum. Bis zum gewaltsamen Umsturz des Mengistu-Regimes 1991 durch das aus verschiedenen Widerstandsgruppen bestehende Biindnis Ethiopian People 's Revolutionary Democratic Front (EPRDF) kampften die Anyuak-nahe Gambella People's Liberation Movement (GPLM) sowie die Tigray People's Liberation Front (TPLF) auf einer Seite. Trotzdem verordnete die neue von der TPLF dominierte EPRDF-Regierung nach ihrem Amtsantritt die Entwaffiiung samtlicher Anyuak-Einheiten. Gleichzeitig verlangte die EPRDF den Abzug der bisher in Gambela stationierten und von Mengistu geduldeten sudanesischen SPLA-Rebellen, die dieser Forderung zwar nachkamen, im Zuge ihres teilweise unkoordinierten Rtickzuges allerdings groBe Mengen an militarischem Material zurticklieBen. Bereits die mitunter korrupt verlaufenden Bodenneuverteilungen nach der Mengistu-Ara, die altes Anyuak-Land oftmals in den Besitz anderer ethnischer Gruppen brachten, hatten wiederholt lokale bewaffiiete Konfrontationen zur Folge. Seit 1991 starben bei ethnischen ZusammenstoBen hunderte Bewohner Gambelas, darunter sowohl Anyuak als auch Nuer und zumeist als Highlander bezeichnete Zuwanderer anderer ethnischer Gruppen. Die gesellschaftlichen Spannungen verstarkten sich durch das von der EPRDFRegierung 1995 verfassungsmaBig implementierte Konzept eines ethnoregionalen Foderalismus. So wurden die Grenzen der Bundesstaaten faktisch entlang ethnischer Linien defmiert und der zahlenmaBig auf Bundesstaats- sowie auf Distriktebene vorherrschenden Ethnic jeweils regionale und lokale Regierungskompetenzen eingeraumt. Besonders im Falle des ethnisch heterogenen Gambela erwies sich dieses Konzept als unpraktikabel. Eingriffe der athiopischen Regierung in die Lokalpolitik forderten Antipathien der Lokalbevolkerung vor allem gegeniiber den von der Regierung Gambelas vermeintlich bevorzugten Zuwanderem. In diesem Zusammenhang sind etwa die schein-
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bar willkiirliche Verhaftung von 44 hochrangigen Anyuak-Lokalpolitikem ohne Gerichtsverfahren Anfang 2003 durch die Regiemng oder die Griindung ethnischer lokaler Splitterparteien, die faktisch der EPRDF zuzuordnen sind, zu nennen. Zusatzliche Brisanz erhielt die Situation durch die geplante groBflachige Ausbeutung kurzlich entdeckter 01- und Gasvorkommen. Vertrage mit kanadischen, chinesischen und malaysischen Olfirmen warden ausschlieBlich von Vertretem der EPRDF-Regierung abgeschlossen, lokale Autoritaten nicht konsultiert. Dieses Vorgehen verscharfte die Grundbesitzfrage fiir die Anyuak-Bauem und die auf eigene Rechnung arbeitenden Goldschiirfer der Anyuak und der Zuwanderer dramatisch. Im Dezember 2003 wurde etwa 30 Kilometer vor Gambela-Stadt ein UN-beflaggtes Fahrzeug mit insgesamt acht Mitarbeitem der athiopischen Regierung sowie Fliichtlingsbeauftragten, die auf dem Weg zu einem in der Region geplanten Auffanglager fur sudanesische Fliichtlinge waren, Uberfallen und samtliche Insassen ermordet. Des Uberfalls bezichtigt wurden Anyuak, die den Boden des geplanten Lagers traditionell fiir sich beanspruchten. Noch am gleichen Tag mobilisierte die Regierung etwa 5.000 Soldaten und lieB die ZufahrtstraBen nach Gambela-Stadt sperren. Nachdem Militarangehorige offen mit den zerstixckelten Leichen durch Gambela fuhren, begann eine Hetzjagd auf Anyuak. Im Verlauf der Gewalthandlungen totete und verletzte die vor allem aus Zuwanderem bestehende, aufgebrachte Menge Anyuak und brannte laut Regierungsangaben 410 Hauser, zum Teil mit ihren Bewohnem, nieder. Einige Soldaten beteiligten sich an den Massakem. Ob dies in einer koordinierten Form geschah, ist nicht eindeutig geklart. Augenzeugenberichten zufolge sollen viele bewaffhete Zuwanderer und Soldaten Namenslisten von gebildeten Anyuak besessen haben, die gezielt angegriffen wurden. SchutzmaBnahmen von Seiten der Soldaten zugunsten der Anyuak gab es anscheinend nicht. Unter den fluchtenden Anyuak war auch Okello Akway Ochalla, der Prasident des Bundesstaats Gambela. Der Widerstand der Anyuak hielt sich aufgrund des LFberraschungsmoments und der Heftigkeit der Angriffe in Grenzen. Im Verlauf dieser Gefechte und Massaker wurden nach unterschiedlichen Angaben zwischen 200 und 600 Menschen getotet, mindestens 1.000 Menschen verletzt und fast 500 Hauser zerstort. Die bei weitem meisten der Opfer waren Anyuak. Nachdem im Januar 2004 im Goldgraberdistrikt Dimma ein Anyuak durch Regierungssoldaten getotet wurde, kam es im Verlauf von Entwaffnungsaktionen der Regierung zu einem Aufstand der dortigen AnyuakGoldgraber. Mit von Regierungstruppen erbeuteten Waffen wurde in den Folgetagen eine Armeeeinheit aufgerieben. Gleichzeitig wurden in Konkurrenz zu den Anyuak stehende Goldgraber der Zuwanderer pogromartig verfolgt. Insgesamt starben wahrend der Gewalthandlungen etwa 160 Menschen. Eilig verlegte Regierungstruppen toteten wenige Tage spater schlieBlich 40 Anyuak, unter denen sich auch einige Provinzpolitiker befanden. Dariiber
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hinaus drangen die Regierungstruppen aus nicht bekanntem Gnmd in ein von Sudanesen bewohntes Fliichtlingslager ein und toteten eine nicht naher bekannte Anzahl von Nuem und Dinka. Ende Oktober 2005 schlieBlich veriibte die Gambella People's Liberation Front (GPLF), eine Rebellengruppe bestehend aus fur die Sezession Gambelas kampfenden Anyuak, einen Anschlag auf eine Polizeistation in Gambela-Stadt. Dabei kamen nach Regierungsangaben mindestens sechs Polizisten urns Leben. AnschlieBend befreite die GPLF eine Reihe von gefangenen Mitkampfem aus dem nahe gelegenen Provinzgefangnis. In diesem Zusammenhang sei es auch zu einem Raketenangriff auf einen Militarkonvoi von Regierungstruppen gekommen, bei dem bis zu 200 Soldaten getotet worden sein sollen. Die Regierung kommentierte dies nicht. Die Lage in Gambela hat sich durch eine mittlerweile massive Prasenz von zwischen 20.000 und 100.000 Soldaten zwar grundsatzlich beruhigt. Samtliche aufgezeigten Konfliktlinien existieren jedoch weiterhin. Die fehlende Integration der ethnischen Gruppen, die insbesondere den kleineren Ethnien kaum institutionelle Beteiligungsmoglichkeiten eroffhet, eine hohe Bevolkerungsdichte und die Waffenproliferation in der gesamten Region lassen eine dauerhaft friedliche Konfliktbeilegung in Gambela als eher unwahrscheinlich erscheinen. Jochen Stahnke Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Abbay, Alemseged: Diversity and State-Building in Ethiopia, in: African Affairs 103 (2004), S. 593-614 Emminghaus, Christoph: Athiopiens ethnoregionaler Foderalismus. Modell der Konfliktbewaltigung fur afrikanische Staaten?, Hamburg 1997 Kurimoto, Eisei: Politicisation of Ethnicity in Gambella, in: Katsuyoshi Fukui u.a. (Hrsg.): Ethiopia in Broader Perspective. Papers of the Xlllth International Conference of Ethiopian Studies, Kyoto 1997, S. 798-815 Pankhurst, Alula: When the Centre Relocates the Periphery. Resettlement During the Derg, in: Katsuyoshi Fukui u.a. (Hrsg.): Ethiopia in Broader Perspective. Papers of the Xlllth International Conference of Ethiopian Studies, Kyoto 1997, S. 540-559 Sewonet, Abraham: Breaking the Cycle of Conflict in Gambella Region, 2002: http://www.uneue.org/Archive/DownloadableReports/Gambellal202.pdf Young, John: Ethnicity and Power in Ethiopia, in: Review of African Political Economy 70 (1996), S. 531-542 http://www.ethiomedia.com (Sammlung verschiedener Artikel) http://www.genocidewatch.org (Genocide Watch)
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Burundi (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1993 A-2 FNL / Burundi
Mit nahezu gewaltfreien, international anerkannten Wahlen wurde der 2000 durch das Arusha Peace and Reconciliation Agreement on Burundi eingeleitete LFbergangsprozess am 26. August des Berichtsjahres mit der Amtseinfuhrung des neuen Prasidenten Pierre Nkurunziza beendet. Trotz eines Waffenstillstandsabkommens fiihrten die Forces Nationales de Liberation (FNL, Nationale Krafte der Befreiung), als einzige noch kampfende Rebellengruppe, den bewaffheten Kampf gegen die Regierung Burundis fort. Bereits zur Zeit des Kolonialismus wurden die flir diesen Krieg ursachlichen Gegensatze zwischen der rund 85 Prozent ausmachenden Bevolkerungsgruppe der Hutu und der Minderheit der Tutsi verscharft. Letztere erhielten nicht nur eine bessere Bildung, sondem wurden von der belgischen Kolonialmacht auch bevorzugt in Armee und Verwaltung eingesetzt. Gleichzeitig wurden soziale Unterschiede in ethnische uminterpretiert - die Bezeichnungen Hutu und Tutsi, die urspriinglich soziale Schichten bezeichneten, wurden zu Begriffen fiir zwei verschiedene Ethnien. Nach der Unabhangigkeit 1962 bestanden diese Differenzen in der gesellschaftlichen Machtverteilung fort. Mitte der 1960er Jahre versuchten sowohl TutsiMilitars als auch Hutu-Offiziere zunachst erfolglos, gegen die Monarchic unter Ntare V. zu putschen. AnschlieBenden Massakem fiel fast die gesamte Hutu-Elite Burundis zum Opfer. 1966 wurde die Monarchic durch einen Putsch gestiirzt und der Tutsi Michel Micombero gelangte an die Macht. Die darauf folgende faktische Ausschaltung der Hutu aus dem politischadministrativen Leben Burundis einschlieBlich Polizei und Militar sowie die massive sozio-okonomische Benachteiligung der Hutu-Bauem fiihrten im April 1972 zu einem ersten Aufstand der Hutu. Diesem fielen vor allem rebellierende Hutu zum Opfer. Weitere Angriffe sich bildender Hutu-Guerillas fiihrten zu einem Krieg, der durch einen militarischen Sieg der von Tutsi dominierten Armee im Juni 1973 beendet wurde und zu einer Konsolidierung der wirtschaftlichen und politischen Dominanz der Tutsi fiihrte. Massenverhaftungen und Willkur gegeniiber Hutus sowie Armut und zunehmende Landknappheit fiihrten in den darauf folgenden Jahren wiederholt zu HutuAufstanden, die ebenso gewaltsam von der Armee niedergeschlagen wurden. Intemationaler Druck fuhrte 1988 dazu, dass unter Prasident Pierre Buyoya mit einer Liberalisierung des politischen Systems begonnen wurde. Die durch ein Referendum mit groBer Mehrheit angenommene Verfassung vom Marz 1992 fuhrte erstmals ein Mehrparteiensystem ein. Die anschliel3ende
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Prasidentschaftswahl vom 1. Juni 1993 gewann Melchior Ndadaye, der Kandidat der Front pour la Democratie au Burundi (FRODEBU, Front fiir die Demokratie in Burundi), der damals groBten Hutu-Partei des Landes, mit iiberwaltigender Mehrheit. Im Oktober des gleichen Jahres putschte das Militar und totete dabei Prasident Ndadaye nach nur fiinfmonatiger Amtszeit. Daraufhin brachen im gesamten Land emeut Unruhen und Kampfe aus, die die Armee nicht unter Kontrolle bekam. Sie bot deswegen der gerade erst gesturzten Regierung die Macht im Tausch gegen eine Amnestie an. Der neue Prasident Cyprien Ntaryamira kam nach ebenfalls nur kurzer Amtszeit zusammen mit dem ruandischen Prasidenten Juvenal Habyarimana bei einem noch immer ungeklarten Flugzeugabsturz am 6. April 1994 ums Leben. Zwischen der Union pour le Progres National (UPRONA, Union fur den nationalen Fortschritt) und der FRODEBU begannen daraufhin Auseinandersetzungen um die Prasidentschaftsnachfolge, die von einer Zunahme bewaffheter Ubergriffe auf Zivilisten durch die Milizen beider Seiten begleitet wurden. Im September 1994 einigten sich schlieBlich beide Parteien darauf, das Amt des Staatsprasidenten mit Sylvestre Ntibantunganya von der FRODEBU zu besetzen und der Tutsi-Opposition im Gegenzug das einflussreiche Amt des Vizeprasidenten und die Halfte der Regierungssitze zu uberlassen. Dieser Kompromiss stellte die Hardliner beider Seiten jedoch nicht zufrieden und fiihrte zu einer Spaltung der politischen Parteien in gemaBigte und radikale Fraktionen. In der Folge breiteten sich im ganzen Land bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen und Militar aus. Bereits im April 1996 fanden erste Gesprache der beiden im Parlament vertretenen Konfliktparteien UPRONA und FRODEBU unter der Leitung des ehemaligen tansanischen Prasidenten Julius Nyerere statt. Da diese Gesprache scheiterten, wurde das erste regionale Gipfeltreffen im tansanischen Arusha einberufen, an dem neben Nyerere auch die Regierungschefs von Kenia und Uganda teilnahmen, um gemeinsam mit den Konfliktparteien Losungsstrategien zu erarbeiten. Die Armee betrachtete die zwischen den Vertretem der poHtischen Parteien erreichten Kompromisse jedoch als inakzeptabel. Durch einen Militarputsch (ibemahm der frtihere Prasident Pierre Buyoya am 25. Juli 1996 ein zweites Mai das Amt des Staatsprasidenten. Die folgenden Jahre waren durch die unverminderte Fortsetzung der militarischen Auseinandersetzungen zwischen Hutu-Milizen und der Tutsi-dominierten Armee gekennzeichnet. Mehrere Gipfeltreffen der am Konflikt beteiligten Parteien in Arusha, die nach dem Tod Nyereres im Oktober 1999 von Nelson Mandela, dem ehemaligen Prasidenten der Republik Siidafrika, geleitet wurden, fuhrten schlieBlich zu einem Friedensvertrag, dem am 28. August 2000 abgeschlossenen Arusha Peace and Reconciliation Agreement on Burundi. Man einigte sich auf eine dreijahrige (Jbergangsphase, an deren Ende demokratische Wahlen stehen sollten. Zur Uberwachung der Umsetzung des Vertrages wurde ein Implementation Monitoring Committee (IMC) unter Vorsitz der
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UN gegrundet. Am 21. November 2001 wurde die LFbergangsregierung eingesetzt. Fixr die ersten 18 Monate iibte Pierre Buyoya als Tutsi-Vertreter das Amt des Prasidenten aus, um dieses fiir die zweite Halfte der Periode an seinen Vize-Prasidenten Domitien Ndayizeye von der FRODEBU zu iibergeben, der Alphonse Marie Kadege als Vize-Prasidenten an seiner Seite haben sollte. Die Amtstibergabe erfolgte friedlich und problemlos Ende April 2003. Auf Bitten der burundischen Regierung iiberwachte eine afrikanische Friedenstruppe, die African Mission in Burundi (AMIB), den Friedensprozess. Im Verlauf der Ubergangsperiode gelang es, nahezu alle Fraktionen der zersplitterten Rebellengruppen in den Friedensprozess zu integrieren. Viele dieser Fraktionen wandelten sich in politische Parteien und beteiligten sich aktiv an der Ubergangsregierung, so zum Beispiel der Conseil National pour la Defense de la Democratie (CNDD, Nationaler Rat fiir die Verteidigung der Demokratie). Dessen bewaffheter Arm, der CNDD - Force pour la Defense de la Democratie (CNDD-FDD), sagte sich unter der Ftihrung von Pierre Nkurunziza daraufhin zunachst vom CNDD los und fiihrte den bewaffiieten Kampf weiter. Seit im November 2003 auch der CNDD-FDD als groBte der ehemaligen Rebellenfraktionen ein umfangreiches Friedensabkommen abgeschlossen hat, fuhrte nur noch die FNL den bewaffneten Kampf weiter. Ebenso wie das Arusha-Abkommen sieht dieses Friedensabkommen eine umfassende Reform der Streitkrafte vor. Soldaten der ehemaligen burundischen Armee sollten zusammen mit ehemaligen Kampfem der Rebellengruppen die zunachst 45.000 Mann starke neue nationale Armee bilden. Neben festgelegten Quoten fiir Hutu und Tutsi in den Einheiten bekleideten erstmalig auch Hutu Offiziersrange. Bis Dezember 2007 soil diese Starke von derzeit 33.000 auf 25.000 Mann reduziert werden. Diejenigen ehemaligen Kampfer und Soldaten, die nicht in die neue Armee iibemommen wurden, wurden in spezielle Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramme aufgenommen. In vielen der hierfiir errichteten Lagem herrschten jedoch sehr schlechte Bedingungen. Es fehlten Nahrungsmittel, Unterkiinfte und Kleidung. Dartiber hinaus wurden den ehemaligen Kampfem zugesagte Gelder nicht gezahlt. Aufgrund von Uneinigkeiten beziiglich der Machtverteilung nach den ersten demokratischen Wahlen verzogerte sich deren Vorbereitung, so dass diese nicht wie im Arusha-Abkommen vorgesehen im Oktober 2004 stattfmden konnten. Der Friedensprozess wurde kontinuierlich von militarischen Auseinandersetzungen der burundischen Armee mit den FNL unter der Ftihrung von Agathon Rwasa uberschattet. Zusatzlich beschossen die FNL die Hauptstadt Bujumbura unregelmaBig mit Granaten und fiihrten Angriffe in der Provinz Bujumbura Rural, dem direkten Umland der Hauptstadt, durch. Streitigkeiten innerhalb der FNL fiihrten dazu, dass von ihnen erklarte Waffenstillstande nicht eingehalten wurden. Als Reaktion darauf wurden die FNL auf einem Gipfeltreffen der Great Lakes Regional Initiative on Burundi im August 2004
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zur terroristischen Vereinigung erklart. An dieser regionalen Friedensinitiative beteiligten sich neben Burundi selbst auch Tansania, Ruanda, Kenia, Uganda, Siidafrika, Somalia und Mosambik. Obwohl die Zahl der Soldaten der Friedenstruppe mit dem Wechsel des Mandats der African Union (AU) zur Operation des Nations Unies au Burundi (ONUB) im Marz 2004 von 3.500 auf 5.650 erhoht wurde, konnte ein Massaker in einem UN-Fliichtlingslager in Gatumba am 13. August 2004 in der Provinz Bujumbura Rural sowie Angriffe der FNL auf Militarposten und Zivilisten in dieser Provinz nicht verhindert werden. Die Grenze iiberschreitende ruandische Hutu-Milizen konnten jedoch erfolgreich von der burundischen Armee zuriickgedrangt werden. Anfang des Berichtsjahres kam es zu Streitigkeiten beziiglich der Verfassung, die verschiedene Parteien noch andem oder erganzen wollten, sowie zu Problemen bei der Verabschiedung des Wahlgesetzes. Erst ein Machtwort von President Ndayizeye beendete diese Streitigkeiten. AUe am Wahlkampf beteiligten Parteien einigten sich daraufliin auf einen Verhaltenskodex, an den sie sich wahrend des Wahlkampfes auch hielten. In einem Referendum im Februar stimmten 91,2 Prozent fiir die Annahme des vorgelegten Verfassungsentwurfs. Dieser legte fest, dass in Institutionen des Staates sowie im Parlament jeweils 60 Prozent Hutu und 40 Prozent Tutsi sowie insgesamt 30 Prozent Frauen vertreten sein miissen. In den Streitkraften, der Polizei sowie dem Senat sollten die Anteile gleich verteilt sein. Mindestens einer der beiden Vizeprasidenten muss einer anderen Partei und einer anderen Ethnic als der Prasident angehoren. Das Gesetzgebungsverfahren des Wahlgesetzes zog sich in die Lange, so dass trotz regionalen Drucks die Prasidentschaftswahlen von April auf August verschoben wurden. Auf einem auBerplanmaBigen regionalen Gipfeltreffen wurde daraufhin die Verlangerung der Ubergangsperiode bis August beschlossen. Zeitgleich kam es zu ersten Streitigkeiten zwischen dem Prasidenten und der CNDD-FDD beztiglich der Nachfolge des verstorbenen Innenministers. Kurzfristig verlieBen daraufhin Minister des CNDD-FDD das Kabinett. Jedoch konnte die Wahl kommunaler Ratsmitglieder, die wiederum die Senatoren wahlen, am 3. Juni planmafiig durchgefiihrt werden konnte. In den 31 Orten, in denen die Wahlumen aufgrund von SchieBereien geschlossen werden mussten, wurden die Wahlen nachgeholt. 1.781 Sitze gewann die CNDD-FDD, 820 die FRODEBU, 259 gingen an die URPONA und 134 Sitze erhielt die CNDD. Im Gegensatz zu diesen Wahlen verlief die Parlamentswahl am 4. Juli gewaltfrei. Viele Wahler blieben den Umen aus Angst vor SchieBereien jedoch fern. Obwohl einige Irregularitaten gemeldet wurden, wurde diese Wahl national wie international anerkannt und als frei und fair bezeichnet. Auch diese Wahl gewann die CNDD-FDD mit absoluter Mehrheit. Einziger Kandidat fur das Prasidentenamt war daher der 41-jahrige ehemahge Rebellenfiihrer Pierre Nkurunziza. Am 18. August wurde er mit 151 Stimmen bei neun Gegenstimmen und einer Enthaltung zum Prasidenten
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gewahlt. Ebenso wie die Parlamentswahl verliefen die lokalen Wahlen am 23. September gewaltfrei, jedoch mit noch geringerer Wahlbeteiligung ab. Erstmalig in der Geschichte Burundis gab es damit gewahlte Vertreter auf lokaler Ebene. Ende November erhielt Burundi die Zusage, dass es die Kriterien fur einen Schuldenerlass der Weltbank erfullt hatte. Zeitgleich wurde das Mandat der ONUB bis Anfang 2006 verlangert, jedoch bereits mit der Reduzierung der Truppen begonnen. Die Repatriierung burundischer Kriegsfltichtlinge lief nur schleppend, es kehrten jedoch zunehmend mehr Fliichtlinge aufgrund der verbesserten Sicherheitslage und der Stabilisierung der politischen Verhaltnisse nach Burundi zuriick. Im Juni wurden Vereinbarungen zwischen der burundischen und ruandischen Regierung getroffen, Asylsuchende und Fluchtlinge des jeweiligen Nachbarlandes ab diesem Zeitpunkt als illegale Einwanderer zu betrachten und dementsprechend auszuweisen. Dies stieB auf massive Kritik der intemationalen Gemeinschaft und des Fltichtlingshilfswerks der UN (UNHCR), dessen Vertreter daran gehindert wurden, in die Gebiete, m denen angeblich unfreiwillige Rucktransporte durchgefiihrt wurden, zu fahren. Die ruandische Regierung machte in diesem Zusammenhang geltend, dass es sich bei den neuen Fliichtlingen nicht um von Gewalt bedrohte Menschen handelte, sondem um Personen, die vor den Gacaca-Gerichten in ihrer Heimat flohen, weil sie sich vor einer Verurteilung im Rahmen dieser Verfahren zur Aufarbeitung des Genozids fiirchteten. Von August bis Oktober kehrten mehrere Tausend Fluchtlinge aus Tansania nach Burundi zuruck. Mit Beginn der Regenzeit aber auch aufgrund der Befurchtungen, dass Ankiindigungen der burundischen Regierung, militarisch gegen die FNL vorzugehen, zu verstarkten Kampfhandlungen ftihren konnten, gingen diese Zahlen massiv zuruck. Zurzeit befinden sich von den ehemals rund 300.000 Fliichtlingen noch etwa 230.000 in Tansania. Die bewaffheten Auseinandersetzungen mit den FNL dauerten im Berichtsjahr an. Wie in den Jahren zuvor wurden von der circa 3.000 Mann starken Rebellengruppe Hauser und Dorfer gepliindert, der Zusammenarbeit mit der Armee verdachtigte Zivilisten getotet und Bujumbura wiederholt wiederholt mit Granaten beschossen. Die erste Halfte des Jahres war von einzelnen militarischen Aktivitaten in verschiedenen Teilen der Provinz Bujumbura sowie einer intensiveren Auseinandersetzung im Januar gekennzeichnet. Einen Tag nach einem im tansanischen Dar-es-Salaam ausgehandelten Waffenstillstandsabkommen zwischen den FNL und der Regierung begannen im Mai anhaltende Auseinadersetzungen, bei denen mindestens 50 Menschen starben. Sowohl die FNL als auch die burundische Armee beschuldigten die jeweils andere Seite, angegriffen und damit Vergeltungsschlage provoziert zu haben. Aufgrund des erhohten Drucks der Armee auf die Rebellen in deren Stammgebiet, der Provinz Bujumbura Rural, wichen diese im August auf die nordlicheren Provinzen Kayanza und Muramvya aus.
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Erstmals seit langem kam es somit zu einer Ausweitung der Kampfe auf andere Provinzen des Landes. Im September fanden zusatzlich erstmalig Gefechte mit der Armee in Bubanza sowie Angriffe der FNL auf Dorfer in Cibitoke, der nordwestlichsten Provinz Burundis, statt. Anfang Oktober setzte Nkurunziza den FNL die Frist, bis Ende Oktober Verhandlungen aufzunehmen oder mit emsten Konsequenzen rechnen zu miissen. Dieser politische Druck schien die bereits bestehenden Streitigkeiten innerhalb der Fiihrungsriege der FNL massiv zu verscharfen. Kurze Zeit darauf trat ein neuer Sprecher, Sylvestre Niyungeko, im Namen der FNL auf und gab bekannt, dass Agathon Rwasa aus den FNL ausgeschlossen worden sei und Jean Bosco Sindayigaya sein Amt tibemommen habe. Die von Nkurunziza gesetzte Frist lieBen die FNL verstreichen. Daraufliin begann die Armee, ihre Offensiven gegen die Rebellen zu verstarken. Nach Aussagen der Armee wurden im November 80 Rebellen verhaftet, knapp 1.000 vorwiegend junge Rekruten haben sich ergeben und etwa 40 Rebellen wurden getotet. Als Reaktion hierauf wurden weitere Angriffe der FNL auf Militarlager durchgefiihrt, bei denen sowohl Soldaten als auch in die Lager geflohene Zivilisten getotet wurden. Gleichzeitig betonten die FNL jedoch, sie waren zu Gesprachen bereit, wenn die politischen Gefangenen freigelassen wiirden. Noch immer besteht Unklarheit dariiber, wer die Ftihrung der FNL innehat und inwieweit Aussagen eines im November Verhafteten glaubwurdig sind, dass Hutu-Milizen aus Burundi, Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo gemeinsame Aktionen gegen Ziele in Ruanda und Burundi planen. Im Berichtsjahr scheinen sich zwei Tendenzen verstarkt zu haben. Auf der einen Seite wurde die Umsetzung des Arusha-Abkommens mit den allgemein anerkannten Wahlen erfolgreich zu Ende gefuhrt, auf der anderen Seite jedoch verscharfte sich der Konflikt zwischen den FNL und der Regierung. Die ersten Monate der Amtszeit von Nkurunziza sind von einem starken Engagement fur die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Burundis sowie dem Versuch, den Friedensprozess zu stabilisieren und die letzte noch kampfende Rebellengruppe in Verhandlungen einzubinden, gekennzeichnet. Sollte es die von Nkurunziza eingesetzte neue Leitung der Kommission fiir die Entwafftiung, Demobilisiemng und Reintegration schaffen, die Bedingungen in den Lagem und die wirtschaftliche Situation der ehemaligen Kombattanten durch die Zahlung der zugesagten Gelder zu verbessem, konnte dadurch eine deutliche Verringerung der Kriminalitat und eine Verbesserung der Sicherheit im Land erreicht werden. Weitere MaBnahmen sowie die Verbesserung der bilateralen Beziehungen zu Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo deuten darauf hin, dass die politische Entwicklung Burundis hin zu einer gefestigten Demokratie mit Proporzsystem voranschreitet. Eine Herausforderung bleibt jedoch die Riickkehr und Reintegration hunderttausender burundischer Fluchtlinge aus Ruanda und Tansania. Ob es gelingt, durch die massive Verstarkung des Drucks auf die FNL Friedensverhandlun-
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gen zu erzwingen oder einen militarischen Sieg zu erringen, ist fraglich. Der Abzug der Truppen der ONUB erschwert dies zusatzlich, so dass ein Andauem der bewaffineten Auseinandersetzungen wahrscheinlich erscheint. Alexandra von Krosigk Weiterflihrende Literatur und Informationsquellen: Goyvaerts, Didier: Conflict and Ethnicity in Central Africa, Tokio 2000 Haefliger, Markus M.: Die europaische Konfliktintervention im burundischen Burgerkrieg („Arusha-Prozess") von 1996 bis 2002 (Easier Schriften zur europaischen Integration Nr. 65), Basel 2003 Mehler, Andreas: Burundi vor einem weiteren Genozid? Zum Hintergrund einer politischen Krise (Institut fur Afrika-Kunde, Focus Afrika Nr. 3), Hamburg 2003 Scherrer, Christian P.: Genocide and Crisis in Central Africa. Conflict Roots, Mass Violence, and Regional War, Westport 2003 Tull, Dennis/Kayser, Christiane: Friedensschliisse und kein Ende der Gewalt in Sicht. Der Krieg in Zentralafrika, in: Hofineier, Rolf/Mehler, Andreas (Hrsg.): Afrika-Jahrbuch 2002. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Afrika stidlich der Sahara, Opladen 2003, S. 44-56 http://www.burundi-info.com (Informationen und Pressemitteilungen) http://www.cndd-fdd.info (CNDD-FDD) http://www.frodebu.bi (FRODEBU) http://www.onub.org (ONUB) http://www.usip.org/library/pa/burundi/pa_burundi_08282000_toc.html (Arusha-Abkommen) http://www-sul.stanford.edu/depts/ssrg/africa/burundi.html (Linksammlung zu Burundi)
Cote d'lvoire [Elfenbeinkiiste] (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
2002 A-2 FN / Cote d'lvoire
Ein weiteres Mai wurden im Jahr 2005 Hoffhimgen auf eine Losung der ivorischen Krise enttauscht. Trotz intensiver intemationaler Vermittlung konnte der sich um die politische Partizipation der nordlichen Bevolkerung drehende Konflikt zwischen Rebellen der Forces Nouvelles (FN, Neue Krafte) und der Regierung nicht gelost werden. Die fiir Oktober 2005 angesetzte Wahl scheiterte schon im Vorfeld, da beide Seiten ihre Entwaffiiung verweigerten. Gleichzeitig lenkten mehrere Massaker an Zivilisten die Aufinerksamkeit auf die mittlerweile verstarkten ethnischen Auseinandersetzungen im Westen des Landes. Ende des 19. Jahrhunderts begann die franzosische Kolonialverwaltung, in der ursprunglich dtinnbesiedelten Cote d'lvoire den Kakaoanbau zu forcieren. Den Arbeitskraftebedarf deckte sie durch zwangsverpflichtete Ivorer und
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seit den 1930er Jahren auch durch zwangsrekrutierte Einwohner der heutigen Nachbarlander Burkina Faso, Guinea und Mali. Ivorische Pflanzer durften nur nach Erlaubnis Arbeitskrafte rekrutieren, weshalb sie sich gemeinsam mit der in den Kolonialapparat integrierten ivorischen Elite organisierten und 1946 schlieBlich die Parti Democratique de Cote dlvoire (PDCI, Demokratische Partei der Cote d'lvoire) griindeten. Nach Abschaffiing der Zwangsarbeit intensivierten auch Ivorer den Kakaoanbau, der auf frisch gerodeten Waldflachen kurzfristig den weitaus groBten Ertrag bringt. Da sich daran ganze Dorfgemeinschaften - oft unter Anstellung von auslandischen Niedriglohnarbeitem - beteiligten, migrierten groBe Telle ethnischer Gruppen vom Norden in den fruchtbareren Siiden des Landes. Das ab 1960 unabhangige Land erlebte einen Boom der Kakaowirtschaft, der es zu einem der reichsten und politisch stabilsten Lander Afrikas machte. Unter Felix HouphouetBoigny gewahrte die autokratische PDCI-Regierung Zuwanderem Land- und Wahlrechte, womit sie sich deren Unterstutzung sicherte. Sie entscharfte mit Entschadigungsleistungen fiir langer Ansassige deren Landkonflikte mit migrierten Ivorem und auslandischen Arbeitem. Der Verfall der Kakaopreise und die vollstandige ErschlieBung des Landes, die nun eine intensivere Bearbeitung vorhandener Flachen erforderte, brachte in den 1980er Jahren jedoch ein Ende des Aufschwungs und eine Krise des Staates. Die ersten freien, 1990 durch auBeren Druck eingeleiteten Wahlen konnte die PDCI noch mit den Stimmen der nordlichen Gruppen gewinnen. Doch nach dem Tod Houphouet-Boignys 1993 begann ein Machtkampf zwischen Henri Konan Bedie und Alassane Dramane Ouattara, dem Vertreter der nordlichen Gruppen in der PDCI, der mit der Abspaltung der Rassemblement des Republicains (RDR, Sammlung der Republikaner) unter Ouattara endete. Wahrend die RDR Unterstutzung im Norden fand, warben PDCI und die seit 1990 zugelassene, von Laurent Gbagbo gefiihrte Front Populaire Ivoirien (FPI, Ivorische Volksfi-ont) um die Stimmen stidlicher Gruppen. Untersttitzt von PDCI- und FPI-Politikem, schufen Intellektuelle mit dem Konzept der Ivoirite ein Modell, dass anhand der Abstammung Burgerrechte zuwies und ihnen die Unterstutzung stidlicher, iiberwiegend christlicher Gruppen sichem sollte. Demnach galten vor allem diese als ivorisch, wahrend den unter der Bezeichnung Dioula gleichgesetzten nordlichen, meist muslimischen Ethnien und Immigranten - letztere stellen etwa 28 Prozent der Bevolkerung - Wahlund Landrechte wieder genommen wurden. Ursprtinglich nur ein Begriff fiir bestimmte soziale Gruppen und eine Sprache, war Dioula zum Sammelbegriff fur die Bevolkerung des Nordens geworden. Religionszugehorigkeit oder das Tragen eines im Norden verbreiteten Namens gentigten oft, um dazu gezahlt zu werden. Ein neues Gesetz sah zudem vor, dass Prasidentschaftskandidaten von „rein" ivorischer Abstammung sein miissten, weshalb Ouattara, dessen Vater angeblich Burkiner war, von der Wahl 1995 ausgeschlossen wurde. Aus
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Zweifel an deren fairem Ausgang boykottierten RDR und FPI die Wahlen gemeinsam, so dass die PDCI mit Bedie hoch gewann. Doch putschte nach Jahren der Mittelkurzungen 1999 die durch die Auseinandersetzungen zunehmend politisierte Armee und brachte General Robert Guei an die Macht, der im Jahr 2000 Wahlen abhielt, von denen Ouattara jedoch ausgeschlossen blieb. Obwohl Gbagbo die meisten Stimmen erhielt, bezeichnete sich Guei als Sieger, woraufhin ihn gewaltsame Massenproteste von FPI-Anhangem zur Flucht zwangen. Gbagbo wurde nun offiziell Prasident und staatliche Sicherheitskrafte verfolgten und toteten Hunderte Oppositionelle und Dioula. Zudem entfemte Gbagbo mogliche Gegner aus Sicherheitskraften und Armee und schrankte die Rechte der Dioula weiter ein. Der Krieg begann am 19. September 2002, als ehemalige Unteroffiziere der ivorischen Armee, die von Prasident Gbagbo wegen politischer Unzuverlassigkeit entlassen worden waren, aus ihrem Exil in Burkina Faso einen Umsturz versuchten. Im Siiden des Landes wurde der Putsch schnell niedergeschlagen. Die Sicherheitskrafte nutzten die Gelegenheit zur Totung hunderter Oppositionsmitglieder, darunter auch des mittlerweile aus dem Exil zuriickgekehrten Guei. Im Norden des Landes gelang es den Putschisten jedoch, die Kontrolle zu erlangen, da sich viele Menschen aus den marginalisierten Ethnien des Nordens, Malier und Burkiner den Rebellen anschlossen. Unter der Fuhrung von Guillaume Soro, der teilweise mit der RDR zusammenarbeitete, griindeten sie die Mouvement Patriotique de la Cote d'lvoire (MPCI, Patriotische Bewegung der Cote d'lvoire). Bis November 2002 bildeten sich im Westen des Landes zwei weitere Rebellengruppen: die Mouvement Populaire Ivorien du Grand Quest (MPIGO, Ivorische Volksbewegung des GroBen Westens) und die Mouvement pour la Justice et la Paix (MJP, Bewegung ftir Gerechtigkeit und Frieden). Beide rekrutierten sich zum GroBteil aus Liberianem und Sierra Leonem sowie ethnischen Gruppen des Westens. Die Griindung beider Gruppen ging von liberianischem Boden aus. Sie wurden vom liberianischen Prasidenten und Gbagbo-Gegner Charles Taylor benutzt, um die Cote d'lvoire zu destabilisieren. Bis Ende 2002 konnten MJP und MPIGO die Kontrolle tiber das Grenzgebiet zu Guinea und Liberia erlangen. Frankreichs Eingreifen verhinderte ab Oktober 2002 ein weiteres Vordringen der Rebellen. Die ehemalige Kolonialmacht unterhielt auch nach 1960 enge Beziehungen zur Cote d'lvoire. Dort befand sich die groBte fi*anzosische Militarbasis in Afrika, viele fi'anzosische Untemehmen waren im Land etabliert und etwa 12.000fi*anzosischeStaatsbiirger ansassig. Ab Januar 2003 stationierte neben Frankreich auch die Economic Community of West African States (ECOWAS) Truppen im Land. Auf Druck der von den UN mandatierten Interventionsmachte unterzeichneten die Konfliktparteien Anfang 2003 das Linas-Marcoussis-Abkommen, das vor allem die Bildung einer gemeinsamen Obergangsregierung aus Rebellen, Opposition und FPI sowie
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Neuwahlen fur 2005 vorsah. Die Interventionstruppen dammten die bald im Westen wieder aufflammenden Kampfe ein und schufen eine iiberwachte Pufferzone. Im Juli 2003 unterzeichneten Regierimg und die mittlerweile zu den FN zusammengeschlossen Rebellen ein Friedensabkommen. Nach Ubernahme der ECOWAS-Truppen uberwachen seit April 2004 die Operation des Nations Unies en Cote d Ivoire (ONUCI) und Franzosen den Waffenstillstand. Im Juli 2004 unterzeichneten alle Konfliktparteien das Accra-IIIAbkommen, das den Ablauf des Friedensprozesses festschrieb. Mit geringerer Intensitat setzten sich jedoch die Kampfe - nun vor allem zwischen Milizen im ethnisch heterogenen Westen - und gewaltsame MaBnahmen der Regierung gegen Oppositionelle fort. Dass Gbagbo nach wie vor auf eine militarische Losung setzte, zeigte die Offensive der Armee im November 2004, bei der auch franzosische Soldaten getotet wurden. Die folgenden ifranzosischen VergeltungsmaBnahmen zwangen Gbagbo zuriick an den Verhandlungstisch, fiihrten aber zu Ausschreitungen staatsnaher Milizen gegen franzosische Staatsbiirger, von denen 8.300 evakuiert wurden. Im Berichtsjahr setzte Gbagbo welter auf den Einsatz paramilitarischer Einheiten. Die 20.000 Soldaten starke Armee, deren ehemaliger Generalstabschef im August aus dem Exil folgenlos zum Putsch aufrief, hatte sich von Anfang an fiir die Regierung als weniger zuverlassig erwiesen. Loyaler waren Gbagbos Spezialkrafte und die mittlerweile Zehntausende Kampfer starken Milizen. Fiir letztere rekrutierten staatsnahe Jugendorganisationen junge Menschen, die vor allem durch die Krise des ivorischen Staates, versagende traditionelle Netzwerke und mangelnde soziale Mobilitat desillusioniert waren. Am bekanntesten sind die aus Gbagbos Ethnic, den Bete, rekrutierten Jeunes Patriotes (Junge Patrioten). Wie die Jahre zuvor, setzte Gbagbo auch 2005 die durch staatliche Medien radikalisierten, oft ethnisch homogenen Milizen gegen FN, Oppositionelle, Immigranten oder franzosische und UN-Einrichtungen ein. Daneben rekrutierte Gbagbo Soldner aus Angola, Israel und Osteuropa, die auch Milizen ausbildeten, sowie 2005 verstarkt Liberianer. Zur Finanzierung seiner Sicherheitskrafte diente Gbagbo eine Schattenwirtschaft, die ihre Profite vor allem aus dem weltweit groBten Kakaoanbau und dem Tropenholzschmuggel zog. Die FN, die laut dem Demobilisierungsprogramm der UN mindestens 42.564 Kampfer zahlten, sorgten welter fiir die Verselbststandigung ihrer groBtenteils von staatlichen Versorgungsleistungen abgeschnittenen Gebiete. Die inneren Streitigkeiten der Vorjahre wurden offenbar zugunsten der Ivorer in den FN entschieden, jedoch blieb mangelnde Kontrolle der Fiihrer iiber einzelne Kampfer ein Problem. Einnahmen der FN kamen aus dem Grenzschmuggel, Diamantenhandel, von ihren zahlreichen StraBensperren und der weniger eintraglichen Landwirtschaft des Nordens. Kampfe zwischen Regierungstruppen und FN waren 2005 selten. Am 28. Februar attackierte eine staatsnahe Miliz einen FN-Checkpoint an der Puffer-
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zone, wobei bis zu 32 Menschen umkamen. Nichtidentifizierte Angreifer, von denen 20 fielen, toteten am 23. und 24. Juli vier Polizisten bei Abidjan. Im Dezember griffen Unbekannte erfolglos eine Polizeikaseme in Abidjan an. Ausschreitungen von Milizen gegen Dioula und staatliche Hetzkampagnen heizten den bestehende Landkonflikt zwischen Alteingesessenen und Dioula im kakaoreichen Westen an. Den Hohepunkt bildete am 31. Mai ein eventuell von Dioula begangenes Massaker an 41 Guere. Am nachsten Tag toteten Guere sieben Dioula eines Nachbardorfes. Insgesamt starben bei ahnlichen Angriffen und Vergeltungsschlagen ethnischer Milizen im Westen mindestens 400 Menschen. Aufgrund der tJberdehnung ihrer Krafte und mangelnder Transportkapazitaten konnten die zuletzt 6.704 UNOCI- und etwa 4.000 franzosischen Soldaten die Massaker nicht verhindem. Unbekannte griffen mehrmals die UNOCI an und toteten einen Soldaten. Aus den 2004 kulminierten und noch anhaltenden antifranzosischen Feindseligkeiten zog Frankreich die Konsequenz und loste seinen standigen Stutzpunkt auf. Vermittelt wurde 2005 vor allem durch den siidafrikanischen Prasidenten Thabo Mbeki im Auftrag der African Union (AU), um die Voraussetzungen fiir Wahlen zu schaffen. Die Konfliktparteien unterzeichneten am 6. April das Abkommen von Pretoria, das die Entwaf&iung von FN und Milizen, UberprUfung der umstrittenen Gesetze, Einrichtung einer Wahlkommission sowie Wahlaufsicht durch die Mandatskrafte vorsah. Gbagbo veranlasste zwar die Reform wichtiger Gesetze und RDR-Kandidat Ouattara wurde zur Wahl zugelassen. Jedoch blieb die entscheidende, von der Regierung organisierte Wahlerregistrierung undurchsichtig und einige Gesetzte zweideutig. Die mittlerweile zusammengeschlossenen Oppositionsgruppen, darunter auch die PDCI, protestierten und die FN zogen sich im August ganz zuriick. Weder Milizen noch FN lieBen sich bis zum vorgesehenen Zeitpunkt entwaffiien, womit die fur den 30. Oktober vorgesehenen Wahlen gescheitert waren. AU, ECOWAS und UN beschlossen daraufhin, Wahlen zum nachstmoglichen Zeitpunkt innerhalb eines Jahres abzuhalten und, unter Protest der Opposition, dass Gbagbo bis dahin President bleiben sollte. Letztlich einigten sich jedoch alle Parteien auf einen neuen Premierminister als politisches Gegengewicht zu Gbagbo und bildeten eine neue Ubergangsregierung. Eine Losung der ivorischen Krise ist nicht in Sicht. Wie das Scheitem der Wahl gezeigt hat, bringt selbst intensive Vermittlung keinen Fortschritt, da durch zuruckliegende Waffenstillstandsbrtiche und andauemde Kampfe, in die beide Seiten verwickelt sind, das zur Entwaffiiung notige Vertrauen fehlt. Derweil verscharft sich die humanitare Lage mit 500.000 Fltichtlingen im Land, Menschenrechtsverletzungen in alien Gebieten und zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen. Philipp Miinch
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Kongo-Kinshasa (Ostkongo) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
2005 A-1 RCD-Abspaltung, UPC, FNI, FDLR, Rastas, Mayi-Mayi I Kongo-Kinshasa, MONUC
Nachdem verschiedene Milizen in den letzten Jahren die wichtigsten Akteure in den Ituri- und Kivu-Konflikten waren, lag in diesem Jahr die Hauptkonfliktlinie zwischen der Ubergangsregierung und Rebellengruppen in den Ostprovinzen Ituri und Kivu sowie in Katanga. Doch auch die in der Regierung vertretenen Parteien versuchen in Hinblick auf die 2006 stattfindenden Wahlen ihre Ausgangslage zu verbessem. Die ostlichen Regionen des Kongo sind seit Jahrzehnten von Konflikten gepragt, in denen ethnische Identitaten im Kampf um politische und okonomische Vorherrschaft instrumentalisiert werden. In Ituri und den beiden Provinzen Nord- und Siidkivu liegen die groBten Goldvorrate der Welt, aber auch Diamanten, Coltan und neu entdecktes Erdol. Als Anfang der 1990er Jahre durch Druck von auBen das liber 30-jahrige kleptokratische Regime Mobutus Ansatze zur Demokratisierung zeigen musste, verscharften sich Spannungen zwischen verschiedenen Bevolkerungsgruppen. Mobutus lokale Vertreter schiirten Vorurteile besonders gegen die teilweise schon seit der
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Kolonialzeit in Nordkivu lebenden mandischen Immigranten. Lokale Milizen, die spater als Mayi-Mayi bekannt wurden, starteten daraufhin Angriffe gegen diese Gruppen. Mit der Ankunft von einer Million Fltichtlingen aus Ruanda, unter denen auch die fiir den Genozid an Tutsi und moderaten Hutu verantwortlichen Hutu-Milizen, die Interahamwe, waren, eskalierte die Situation. Mayi-Mayi und Interahamwe gingen anschliel3end gemeinsam gegen die im Kongo lebenden mandischen und kongolesischen Tutsi vor. Mit Hilfe von Ruanda und Uganda stiirzte 1996 eine Rebellenkoalition unter Laurent-Desire Kabila das Mobutu-Regime, versuchte aber nach seiner Machtubemahme, sich von Ruanda zu losen, und wandte sich auch gegen die im Kongo lebenden Ruander. Im folgenden Afrikanischen Regionalkrieg (1998-2001) kampften Ruanda und die von ihm unterstiitzte Rebellengmppe Rassemblement Congolais pour la Democratie (RCD, Kongolesische Sammlung fur Demokratie) gegen Kabilas Truppen, die mit den Mayi-Mayi und den Hutu-Rebellen verbilndet war. Da der Krieg zu keinem militarischen Ergebnis fiihrte, beschlossen Vertreter aller beteiligten Gruppen im Jahr 2002 in Pretoria ein Friedensabkommen. Eine tJbergangsregierung unter Joseph Kabila, dem Sohn des 2001 ermordeten Laurent-Desire Kabila, sollte das Land auf Wahlen im Jahr 2005 vorbereiten. Zudem soUten die bewaffheten Gruppen in die nationale Armee integriert oder demobilisiert werden. Schon im Jahr 2000 war die Mission de VOrganisation des Nations Unies en Republique Democratique du Congo (MONUC) eingesetzt worden, um den Friedensprozess zu iiberwachen. In den Kivu-Provinzen hielten sich immer noch ruandische Interahamwe auf, die sich mittlerweile zusammen mit anderen Gruppen als Forces Democratique pour la Liberation du Rwanda (FDLR, Demokratische Krafte zur Befreiung Ruandas) organisiert haben. Sie terrorisierten die ansassige Bevolkerung und fiihrten immer wieder Angriffe auf ruandisches Gebiet aus. Auch wenn sie keine Gefahr fiir die ruandische Regierung mehr darstellen, drohte Ruanda immer wieder mit einem Einmarsch auf kongolesisches Gebiet, um die FDLR zu verfolgen. In Ituri wurde die politische Situation vor allem von Uganda beeinflusst, das hier gezielt ethnische Spannungen forderte. Die Hauptkonfliktlinie verlief hier zwischen traditionell Vieh ztichtenden Hema, die von den Belgiem in der Kolonialzeit bevorzugt wurden, und Ackerbau betreibenden Lendu. Einige Hema waren aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position wichtige Handelspartner fiir Uganda. Verschiedene Rebellengruppen, die auch auf nationaler Basis operierten, gingen fragile und wechselnde Bundnisse mit ethnischen Milizen ein, die abwechselnd und teilweise auch gleichzeitig von ugandischen Akteuren wurden. Auch in Ituri wurde eine Art Friedensabkommen geschlossen. Jedoch wurde die Forderung der Milizen nach politischer Anerkennung und Integration in die Armee weitgehend abgelehnt, da dies eine Revision des Pretoria-Abkommens bedeutet hatte.
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Seit 2003 sind samtliche mandischen und ugandischen Truppen aus dem Kongo abgezogen worden. Das entstehende Machtvakuum konnte von der MONUC nur ungentigend geftillt warden. Sowohl die geringe Truppenstarke wie auch fehlender politischer Wille zum Eingreifen fuhrten dazu, dass die MONUC oft tatenlos Massakem und Kampfen zusehen musste und sich auf die anschlieBende Klarung der Ursachen beschrankte. In einigen Regionen arbeitet die MONUC allerdings auch erfolgreich mit Truppen der kongolesischen Armee, die von auslandischen Ausbildem trainiert werden, zusammen. Die tJbergangsregierung, gebildet vor allem von den wichtigsten auf nationaler Ebene kampfenden Gruppen, versuchte vor den flir das Berichtsjahr angesetzten Wahlen mit alien Mitteln ihre Machtbasis zu sichem. Ihre verschiedenen Truppen wurden zwar formal in die kongolesische Armee integriert, unterstehen aber weiterhin ihren politischen Parteien, auch wenn diese keine vollstandige Kontrolle tiber sie austiben, wodurch einzelne Truppenteile eine Gefahr fur die Zivilbevolkerung und den Friedensprozess darstellen. Im Dezember 2005 wurde ein Amnestiegesetz verabschiedet, dass zwischen 1996 und 2003 begangene Straftaten, die politische Griinde haben, unter Straffi-eiheit stellt, um die Beteiligung ehemaliger Rebellen an der Regierung zu legitimieren. Zunehmend verscharfte sich die Konfliktlinie zwischen der RCD unter Vizeprasident Azarias Ruberwa, die von vielen als Marionette Ruandas betrachtet wird, und Kabila. Zudem lehnten einige Dissidenten der RCD den Friedensprozess ab und distanzierten sich von Ruberwa. Ausgetragen wurden diese Konflikte erstmals 2004 vor allem in der Stadt Bukavu, als die Generate Jules Mutebutsi und Laurent Nkunda, die sich durch die Emennung eines neuen Provinzgouvemeurs in Sixdkivu ihrer lokalen Machtposition beraubt sahen. Sie mobilisierten ihnen immer noch loyale Telle der nationalen Armee, die mit 10.000 dorthin versetzten regiemngstreuen Soldaten zusammenstieBen und ihnen letztendlich weichen mussten. Auch im Januar und Februar des Berichtsjahres 2005 lieferten sich RCDdominierte Telle der Armee im Nordkivu Kampfe mit Mayi-Mayi-Milizen, die ebenfalls in die Armee integriert worden waren, sowie weiteren Kabilanahen Truppen. Alle Seiten verubten Ubergriffe auf die Zivilbevolkerung und 150.000 Menschen fltichteten aus der Region, vorwiegend nach Uganda. Die MONUC versuchte mit nur maBigem Erfolg, eine Pufferzone einzurichten, die Auseinandersetzungen hielten jedoch das ganze Jahr tiber an. Die wichtigsten im Berichtsjahr aktiven Rebellengruppen in Ituri waren die von Thomas Lubanga gefuhrte Union des Patriotes Congolais (UPC, Vereinigung kongolesischer Patrioten), die sich hauptsachlich aus jugendlichen Hema rekrutiert, und die die Lendu-dominierte Front Nationalist et Integrationist (FNI, Nationalistische und integrationistische Front). Ausgelost durch Streitigkeiten beim Diamantenschmuggel setzte vor allem die FNI gezielt Angriffe auf die Zivilbevolkerung ein, um Hema aus der Region zu
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vertreiben. Dabei ging es vor allem um die Sicherung lukrativer Abbaugebiete und Zollstationen. Uber 100.000 Hema fltichteten in den ersten drei Monaten des Jahres aus den betroffenen Gebieten. Seit Jahresanfang ging die MONUC jedoch aktiv gegen die Milizen vor. Nachdem am 25. Februar neun pakistanische UN-Soldaten bei einem tJberfall getotet wurden, startete sie mehrere groBere Angriffe auf Camps der FNI und ihr nahestehende Gruppen, die fur den Anschlag verantwortlich gemacht wurden. Dabei wurden iiber 50 angebliche FNI-Kampfer getotet. FNI und UPC schoben sich gegenseitig die Schuld ftir den Uberfall auf die MONUC zu. Zeitgleich mit den militarischen Aktionen wurden mehrere Anftihrer der FNI und der UPC verhaftet und die MONUC stellte den Rebellen ein Ultimatum, bis Anfang April endgiiltig die Waffen niederzulegen. Vor allem aus der UPC wurden Hinrichtungen von Kampfem gemeldet, die freiwillig ihre Waffen abgeben wollten. Zusammen mit Truppen der kongolesischen Armee startete die MONUC Mitte April weitere Kampagnen in der Region um Bunia, um Camps der Milizen zu zerstoren. Dabei starb am 12. Mai ein weiterer UN-Soldat. Zudem fiihrten Rebellen mehrere gezielte Angriffe auf die MONUC-Truppen aus. Nachdem auch Lubanga, der Anfiihrer der UPC, verhaftet wurde und gemaBigte Telle der UPC sowie eine weitere kleinere Rebellengruppe offiziell das Ende ihres bewaffiieten Kampfes ankiindigten, stieg die Zahl derer, die sich zur Demobilisierung meldeten, stark an. Bei der Registrierung der Wahlberechtigten fur die auf 2006 verschobenen nationalen Wahlen, die in Ituri im August begann, wurde ein Wahlhelfer erschossen, Angehorige des Wahlkomitees vortibergehend enti^hrt. Die Armee und die MONUC beantworteten dies mit einer groBeren Militaraktion gegen verschiedene Milizen, deren Starke auf 2.000 bis 3.000 Bewaffiiete geschatzt wurde. v^nfang September gab die FNI bekannt, nun ebenfalls ihre Waffen niederlegen zu wollen. Gleichzeitig wurde aber die Neuformierung und Aufrustung von Rebellengruppen iiber ethnische Grenzen hinweg beobachtet, die weiterhin die Kontrolle iiber den Handel mit Rohstoffen ausubten und trotz des Waffenembargos Waffen erhielten. Bis Jahresende wurden immer wieder ZusammenstoBe zwischen der FNI und der kongolesischen Armee berichtet, die zu einer weiteren Auflosung der Strukturen der FNI beitrugen. Auch in der Region Katanga flammten im Berichtsjahr gewalttatige Auseinandersetzungen auf, als Regierungstruppen mit dortigen Mayi-Mayi zusammenstieBen. Diese waren 1998 von Laurent-Desire Kabila mobilisiert worden, um den Einmarsch ruandischer Truppen zu bremsen. Sie wurden jedoch nicht in die folgenden Friedensverhandlungen einbezogen. Milizenfuhrer verlangten Posten in der Ubergangsregierung und drohten, ansonsten die Region in weiteres Chaos zu stiirzen. Seit dem Beginn einer GroBoffensive der kongolesischen Armee gegen die Mayi-Mayi in Katanga Mitte November verursachten die Kampfe bis zu 100.000 Fliichtlinge.
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Auch 2005 war ein groBer Teil der Auseinandersetzungen durch nichtkongolesische Akteure gepragt. Im Kivu behaupteten die Ftihrer der 8.000 bis 10.000 FDLR-Rebellen im Marz, den bewaffiieten Kampf aufgeben und nach Ruanda zuriickkehren zu wollen. Diese Ankiindigung wurde jedoch an politische Forderungen an die ruandische Regierung geknupft, die jedes Gesprach mit den Milizen ablehnte. Wahrend die MONUC weiter auf die freiwillige Entwaffiiung setzte, rustete die FDLR emeut auf. In Nordkivu bestanden Verbindungen zwischen den Hutu-Milizen und Teilen der kongolesischen Armee, insbesondere ehemaligen Mayi-Mayi. Ein Massaker am 23. Mai, bei dem im Dorf Ninja in Sudkivu 18 Menschen starben, war der Ausloser fur eine gemeinsame, groB angelegte Aktion von MONUC und einigen besser ausgebildeten Teilen der Armee. Wahrend die FDLR ftir den Angriff auf Ninja verantwortlich gemacht wurde, beschuldigten diese die Rastas, eine Abspaltung der FDLR, bestehend aus 30 bis 300 Kampfem, der Tat. Mit insgesamt 15.000 Soldaten gingen kongolesische Truppen und MONUC vor allem in den Gebieten nord- und siidwestlich von Bukavu gegen Stutzpunkte der Rebellen vor. Als Racheaktion und Wamung an die Bevolkerung, Armee und MONUC nicht zu unterstutzen, verbrannten die gleichen Gruppen in Ntulumamba am 10. Juli 30 Menschen in ihren Hiitten. Ein weiteres Massaker am 10. Oktober in derselben Region, bei dem 24 Menschen getotet wurden, wurde ebenfalls den Rastas zugeschrieben. Dennoch setzten Armee und MONUC auch im November ihre Aktionen fort. Vor allem Aufgrund des unwegsamen Gelandes, aber auch wegen der eher zuruckhaltenden Taktik der MONUC fiihrten die Aktionen gegen die FDLR iiberwiegend nur zu einer Vertreibung der Milizen in andere Gebiete. Mitte September fliichteten 400 Kampfer der ugandischen Lord's Resistance Army (LRA) in den Ostkongo. Daneben halten sich schon seit Jahren zwei weitere ugandische Milizengruppen im Ostkongo auf Nach Drohungen Ugandas, eigene Truppen zur Verfolgung der LRA in den Kongo zu schicken, wurden kongolesische Truppen auf diese angesetzt, bis die LRA in den Sudan fluchtete (vgl. den Bericht zu Uganda). Trotz emeuter Anktindigungen Kabilas, samtliche auslandischen bewaffiieten Gruppen aus dem Kongo zu vertreiben, ist es offensichtlich, dass seine Armee dazu nicht in der Lage ist. Nachbarlander wie Uganda und Ruanda sind so dauerhaft in der Position, mit einem Einmarsch drohen zu konnen, um auf angebliche oder tatsachliche Bedrohungen durch Milizen im Ostkongo zu reagieren. Die Ankundigung der unabhangigen Wahlkommission, die fur Juni 2005 angesetzten landesweiten Wahlen um ein Jahr zu verschieben, loste in Kinshasa und einigen Provinzhauptstadten Proteste der nicht der Transitionsregierung angehorigen Parteien aus. Dabei starben bei gewalttatigen ZusammenstoBen mit der Polizei landesweit iiber 50 Menschen. Die Union pour la Democratie et le Progres Social (UDPS, Union fiir Demokratie und Sozialen Fortschritt) unter Etienne Tshisekedi, dem bekanntesten Oppositionsfuhrer
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wahrend der Liberalisierimg Anfang der 1990er Jahre, bemangelte den Prozess der Registrierung der Wahlberechtigten und rief zum Boykott der Wahlen auf. Trotz neuer Gesetze, die die Nationalitatszugehorigkeit vor allem der ruandischsprachigen kongolesischen Bevolkerung regeln soil, gibt es Probleme mit einer doppelten Staatsbiirgerschaft, die im Kongo nicht zur Wahl berechtigt, allgemein fehlenden personlichen Unterlagen, die die Staatsangehorigkeit belegen, und immer noch 400.000 kongolesischen Fliichtlingen im Ausland, deren Riickflihrung rechtzeitig zur Registrierung nicht moglich ist. Trotz dieser Probleme verlief das Referendum iiber die Annahme einer neuen Verfassung am 18. Dezember weitgehend friedlich und endete mit einer groBen UnterstUtzung fur die Verfassung. Auch in diesem Jahr verbesserte sich die humanitare Lage im Ostkongo nicht. Seit 1998 sind bis zu vier Millionen Menschen an den Kriegsfolgen gestorben, vor allem an Krankheiten und Unteremahrung in Folge der volligen Auflosung von Infrastruktur und Landwirtschaft in weiten Teilen des Ostkongo. Innerhalb des Kongo sind 2,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Alle kampfenden Parteien, auch die neue kongolesische Armee, begingen tjbergriffe auf die Zivilbevolkerung, darunter auch zum Teil systematische Vergewaltigungen von Madchen und Frauen. Vor allem in der FDLR, FNI und UPC befmden sich zahheiche Kindersoldaten. Das Problem der bewaffiieten Rebellen ist noch nicht gelost, zwar hat die Demobilisierung einige Erfolge gezeigt, zweifelhaft ist jedoch, ob dies nachhaltige sind. Dies gilt nicht nur flir den Osten des Kongo. Nach den Wahlen 2006 muss sich erst noch zeigen, ob die Verlierer kampflos ihre Macht abgeben werden. Maren Michels Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Clark, John F.: The African Stakes of the Congo War, New York 2003 International Crisis Group: Pulling Back from the Brink in the Congo, Nairobi - Brussels 2004: http://www.icg.org International Crisis Group: The Congo's Transition is Failing. Crisis in the Kivus, Nairobi -Brussels 2005: http://www.icg.org Vlassenroot, Koen/Raeymaekers, Timothy: The Politics of Rebellions and Intervention in Ituri: The Emergence of a New Political Complex?, in: African Affairs 103 (2004), S. 385-412 Wolters, Stephanie: Continuing Instability in the Kivus. Testing the DRC Transition to the Limit. (Institute for Security Studies, Paper 94), Pretoria 2004 Wolters, Stephanie: Is Ituri on the Road to Stability? An Update on the Current Security Situation in the District (Institute for Security Studies), Pretoria 2005 http://www.congo.co.za (RCD) http://www.irinnews.org/webspecials/Ituri (UN Integrated Regional Information Networks) http://www.monuc.org (MONUC)
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Nigeria (Nigerdelta) (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 2003 NDPVF / NDV / Nigeria
Im Berichtsjahr bemhigte sich die Sicherheitslage grundsatzlich im Vergleich zum Vorjahr. Jedoch konnten die Konfliktgriinde nach wie vor nicht beseitigt werden. Die wesentlichen Kampfhandlungen im Nigerdelta fanden 2005 vor allem in den Bundesstaaten River und Delta statt und hatten keinen ethnischen Hintergrund. Dieser Konflikt zwischen der Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF), den Niger Delta Vigilantes (NDV) und staatlichen Sicherheitskraften wurde um die KontroUe der Erdolressourcen im Nigerdelta ausgetragen. Die bewaffheten Auseinandersetzimgen zwischen ethnischen Milizen der Ijaw und der Itsekiri konnten dagegen im Juni 2004 durch ein Friedensabkommen vorerst beigelegt werden. Das Nigerdelta im Siiden des Landes erstreckt sich iiber mehrere Bundesstaaten, darunter Delta, Bayelsa und River. Es ist das Hauptgebiet der Erdolforderung Nigerias, des sechstgroBten Erdolproduzenten der Welt. Obwohl die Regierung eine Entwicklungsgesellschaft gegriindet hat und auch die Erdolkonzeme sich an kommunalen Entwicklungsprojekten beteiligen, nutzte der Ressourcenreichtum der Region selbst bislang vergleichsweise wenig. Fischfang und Ackerbau wurden als okonomische Lebensgrundlagen der Bevolkerung zunehmend zerstort, wahrend der laut Verfassung vorgesehene Riicktransfer von 13 Prozent der Erdoleinnahmen an die Lokalbevolkerung weitgehend in korrupten Kanalen von Verwaltung, Bundes- und Landesregierungen versickerte. Vor diesem Hintergrund gewannen Forderungen der ansassigen Bevolkerungsgruppen nach einer selbststandigen Ausbeutung der lokalen Ressourcen Popularitat in der Region. Das Nigerdelta wu-d von verschiedenen Ethnien bewohnt, von denen die Ijaw, die Itsekiri und die Urhobo zahlenmaBig dominieren. Die Ijaw leiten aus der Tatsache, die zahlenmaBig groBte Gruppe zu sein, einen politischen Fuhrungsanspruch ab. Die Itsekiri dagegen begrunden ihre Forderung nach politischer Dominanz mit dem Identitatskonstrukt eines historischen Konigreichs Warri. Der Konflikt zwischen Ijaw und Itsekiri eskalierte im Marz 1997 erstmals gewaltsam. Der Versuch, die Verwaltung der Olstadt Warri im Bundesstaat Delta zugunsten der Itsekiri umzustrukturieren, bot Anlass fiir verschiedene ZusammenstoBe. Der Zugang zu finanziellen Ressourcen ist in Nigeria eng mit dem Zugang zu Regierungsinstitutionen verbunden, welchen nicht zuletzt die Ijaw gefahrdet sahen. Mit der Grundung des Ijaw Youth Council (lYC) am 11. Dezember 1998 trat der Konflikt in eine neue Phase ein. Mit Wirkung zum 30. Dezember wurde vom lYC die so genannte Kaiama-Deklaration verabschiedet, die den
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Widerstand in seiner Zielsetzung klarer ausrichten und die verschiedenen Jugendorganisationen der Ijaw in einer gemeinsamen Plattform zusammenfuhren sollte. Zentrale Forderungen waren der ultimative Rixckzug des Militars, ein vorlaufiger Olforderstopp, die Umstrukturierung der Bundesstaaten nach ethnischen Kriterien sowie die voile Kontrolle uber die Ressourcen des Ijaw-Territoriums. Ein weiterer bedeutender Zusammenschluss ist der Ijaw National Congress (INC), der aus Wahlen der verschiedenen IjawGemeinden hervorgeht und eng mit dem lYC kooperiert. Im Jahr 1999 uberschritt der Konflikt auf Grund einer verfestigten organisatorischen Basis und gesteigerten Auseinandersetzungen mit staatlichen Sicherheitskraften erstmals die Schwelle zum Krieg. Nach einem Waffenstillstand im Januar 2000 flammten die Kampfhandlungen nur noch unregelmaBig wieder auf. Sporadisch kam es zu gewaltsamen Zwischenfallen. Einen neuen Hohepunkt erreichte die Krise dann Mitte Marz 2003 mit organisierten Kampfhandlungen zwischen Ijaw-Milizen, Itsekiri-Milizen und Sicherheitskraften. Die Kampfe zwischen Milizen der Ijaw und der Itsekiri hielten bis zum Marz 2004 an. Auch ging die Regierungsarmee immer wieder gegen die mutmaBlichen Aggressoren aus dem Lager der Ijaw vor. Die Regierung verscharfte ihr Vorgehen gegen die Milizen und startete groBangelegte Razzien in den Siimpfen des Bundesstaats Delta. Unter dem militarischen und politischen Druck einigten sich die Ftihrer beider Ethnien am 2. Juni auf einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Nach der Einigung schien es, als wurden die Bewohner der Erdolregion gemeinsam fur eine Kontrolle iiber die Ressourcen und ein hoheres MaB an politischer Selbstbestimmung kampfen. Dabei verurteilten die Ftihrer der Jugendorganisationen die Ausiibung von Gewalt gegenuber Arbeitem der Olfirmen und Soldaten der Regierung. Neben dem Streit um politischen Einfluss zwischen Ftihrem verschiedener Ethnien trug der Konflikt vor allem auch okologische und okonomische Ztige. Den Erdolkonzemen, unter anderem Shell und Chevron Texaco, wurden Korruption, die Verschmutzung der Umwelt, die Zerstorung der Lebensgrundlagen und ein gemeinsames Vorgehen mit den Sicherheitskraften gegen die Bevolkerung vorgeworfen. Die Vorwiirfe gegen die Bundesregierung bezogen sich ebenfalls auf die Korruption aber vor allem auch darauf, dass die Menschen des Nigerdelta an den Gewinnen aus der Erdolforderung nicht ausreichend beteiligt wiirden. In Nigeria hat sich erne umsatzstarke Schattenwirtschaft etabliert, die insbesondere im Nigerdelta floriert. Individuelle illegale Bereicherung durch Olschmuggel, Erpressungen oder Entfuhrungen sind weit verbreitet. Auch politisch motivierte Gruppierungen nutzen diese Moglichkeiten zu ihrer Finanzierung, was die Differenzierung zwischen politischen und kriminellen Gruppierungen fast unmoglich macht. Insbesondere Jugendliche, die kaum Chancen haben, auf dem regularen Arbeitsmarkt einen ausreichenden Le-
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bensunterhalt zu verdienen, stellen eine Rekrutierungsbasis sowohl fiir die verschiedenen ethnisch-politisch motivierten Milizen als auch fiir kriminelle Banden dar. Die groBten Teile des Nigerdelta sind aufgrund ihres sumpfigen Terrains mit weit verzweigten Flussarmen nicht von der Staatsgewalt zu kontroUieren und somit ein de facto rechtsfreier Raum. Die Namen der aktiven Milizen haben sich zwar im Verlauf des Konfliktes mehrfach geandert. Bis ins Jahr 2000 waren nach eigenen Angaben 6.500 Kampfer der Niger Delta Volunteer Force (NDVF) aktiv, danach traten bis 2003 die Federated Niger Delta Ijaw Communities (FNDIC) als der militante Arm der Ijaw-Bewegung mit 500 bis 3.000 Kampfem in Erscheinung. Seit 2004 standen sich zwei neue Milizen gegeniiber, die zuvor nicht in Erscheinung getreten aufgetreten waren. Die groBere Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) soil ungefahr 2.000 Kampfer umfassen. AnfUhrer der Gruppe war Mujahid Dokubo Asari, der ab 2001 Prasident des lYC gewesen ist. Ihnen standen die zahlenmaBig kleineren Niger Delta Vigilantes (NDV) gegeniiber, die von Ateke Tom gefuhrt wurden. Beide Gruppen setzten sich aus Angehorigen der Ijaw-Ethnie zusammen und standen in Kontakt mit nicht militanten Ijaw-Fuhrem aus INC und lYC. Angeblich wurden beide Milizen wahrend des Wahlkampfs im Jahr 2003 von der Regierungspartei People's Democratic Party (PDF) bewaffhet und finanziert, um Wahler einzuschiichtem. Zuerst soil die NDPVF ausgeriistet worden sein und spater die NDV, um den Einfluss der NDPVF zu begrenzen. Die bereits seit 2003 massive Prasenz von Polizei und Militar in der Region ging ab Ende 2004 in ein aktiveres Vorgehen gegen die Milizen tiber. Dabei wurden auch Luftangriffe gegen vermutete Aufenthaltsorte von NDPVF und NDV geflogen. Von der Bevolkerung der Region wurden die staatlichen Sicherheitskrafte zunehmend als Besatzungsmacht wahrgenommen, zumal ihren Aktionen haufig der Vorwurf anhaftete, wahllos Zivilisten zu gefahrden. Der Konflikt um den Anspruch der einheimischen Ethnien auf Selbstbestimmung wurde dadurch verscharft. Einen Hohepunkt erreichten die Kampfhandlungen zwischen NDPVF und NDV im August 2004, als in der Gegend um Port Harcourt - dem groBten Olhafens Afrikas - etwa 500 Menschen ums Leben kamen. Nachdem Dokubo Asari fiir die NDPVF angedroht hatte, ab dem 1. Oktober Olplattformen zu sprengen und auslandische Mitarbeiter von Olfirmen zu erschieBen, stieg der Erdolpreis an den intemationalen Markten uber die Rekordmarke von 50 US-Dollar pro Barrel. Prasident Olusegun Obasanjo gab der Drohung nach und nahm am 2. Oktober Verhandlungen mit Dokubo Asari und Tom auf. Die Milizen forderten die Einberufiing einer souveranen Nationalkonferenz, eine weitgehende Kontrolle iiber die Erdolproduktion und eine groBere politische Unabhangigkeit fiir die Region. Im Gegenzug forderte die Regierung die Milizen zur Abgabe ihrer Waffen auf Die Militaroperationen im Niger-Delta wurden am 5. Oktober eingestellt.
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Den Rebellenflihrem lag angeblich ein Angebot von Gouvemeur Peter Odili, gleichzeitig Vorsitzender der Entwaffiiungskommission, vor, jedes automatische Gewehr zum Preis von 250.000 Naira (etwa 1.500 Euro) aufzukaufen, um die Milizen fiir ihre Entwaffiiung zu entschadigen. Bisher konnten iiber 850 Waffen vemichtet werden, von denen etwa zwei Drittel aus Bestanden der NDV stammten. Die NDPVF stellte im November 2004 die Entwaffhung vorerst ein, well sie eine Bevorzugung der NDV durch die Entwaffiiungskommission befiirchtete. Nach der Ersturmung zweier Olplattformen im Dezember 2004 in Bayelsa mit bis zu 200 Kampfem reagierte Staatsprasident Obasanjo schlieBlich mit einem Ultimatum an die NDPVF und NDV, bis Jahresende alle Waffen unentgeltlich abzugeben. Die Regierung drohte, andemfalls den Friedensprozess zu beenden und zu militarischen Mitteln zu greifen. Dokubo Asari stimmte den Forderungen der Regierung zu, lieB seine Rebellenarmee groBe Mengen an automatischen Waffen abgeben und sollte im Gegenzug Geld und Straffreiheit erhalten. Im September des Berichtsjahres 2005 jedoch wurde Asari verhaftet, nachdem er sich in einem Zeitungsinterview ftir eine Teilung Nigerias ausgesprochen haben soil. Daraufliin sttirmten seine Anhanger aus der NDPVF zwei Olforderanlagen von Shell und Chevron. Asari rief aus dem Gefangnis zur Ruhe auf, so dass die Olproduktion nach einwochiger SchlieBung wieder aufgenommen werden konnte. Im Berichtsjahr hat sich die Sicherheitslage im Vergleich zum Vorjahr grundsatzlich etwas verbessert. Jedoch sind die Konfliktgriinde nach wie vor nicht gelost worden. Im Februar 2005 feuerten Regierungstruppen nahe Warri auf Demonstranten, die von Chevron eine Gewinnbeteiligung fiir die lokale Bevolkerung forderten. Dabei wurden mindestens vier Menschen getotet. Im gleichen Monat begann Shell in Odioma, 80 Kilometer siidwestlich von Port Harcourt, in den dort kiirzlich erschlossenen Sumpfen 01 zu fordem. Dies rief massive Landstreitigkeiten zwischen zwei Dorfgemeinschafi:en hervor, die beide das Fordergebiet und damit Tantiemen fiir sich beanspruchten. Im Zuge des Eingreifens von Regierungstruppen kamen nach Augenzeugenberichten mindestens 30 Menschen ums Leben. Um den Jahreswechsel 2005/2006 sprengten unbekannte Angreifer 50 Kilometer siidwestlich von Port Harcourt eine Olpipelme des Konzems Shell in die Luft. Dabei kamen mindestens acht Kinder ums Leben. Die Milizen scheinen insgesamt entschlossen, ihren Kampf um ein groBeres MaB an Selbstbestimmung und Ressourcenkontrolle fortzufiihren. Viel hangt auch vom Gerichtsverfahren gegen Rebellenfuhrer Asari ab, dem die Todesstrafe droht. Ob die Regierung allerdings groBe Zugestandnisse an die Gruppen aus dem Nigerdelta machen wird, ist zweifelhafi;, da Nigeria etwa 80 Prozent seiner Staatseinnahmen aus der Olforderung bestreitet. Jede Umverteilung der Ressourcen birgt die Gefahr neuer blutiger Verteilungskampfe. Jochen Stahnke
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Nigeria (Schariakonflikt) (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 2004 Muslimische Milizen / Christliche Milizen
Nach den heftigen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen im Jahr 2004, die in den Bundesstaaten Plateau und Kano rund 1.000 Todesopfer forderten, hat sich die Lage im Berichtszeitraum 2005 auBerlich wieder beruhigt. Bewaffiiete Auseinandersetzungen und Vertreibungen wurden nicht gemeldet. Internationale Beobachter gehen aber von einer Vielzahl kleinerer und verdeckter Kampfe aus. Die Gewalt von Seiten der Polizei m Form von Folterungen und willktirlichen Festnahmen sowie Gewaltakte und Repressionen gegen Frauen sowie ahnliche Ubergriffe von privaten muslimischen Milizen im Kontext der Scharia-Rechtsprechung sind nach wie vor an der Tagesordnung und schiiren den Konflikt. Die immer wieder aufflammenden Kampfe zwischen christlichen und muslimischen Bevolkerungsteilen fuBen historisch auf zwei unterschiedlichen gesellschaftlichen Ordnungssystemen, die sich vor der Kolonialzeit im Norden und im SUden des Landes herausgebildet haben - hierarchisch strukturierte islamische Emirate im Norden und segmentar organisierte Gemeinschaften im Suden. Die gesellschaftlichen Strukturen des Nordens waren weitgehend kompatibel mit den Interessen des kolonialen Staates und erftihren nur geringfligige Veranderungen. Die koloniale Durchdringung rief im Siiden deutlich starkere Modemisierungseffekte hervor. So wurden die afrikanischen Absolventen der nur im SUden tatigen Missionsschulen bevorzugt
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in der kolonialen Biirokratie und im kolonialen Handel eingestellt und entwickelten sich zu einer einheimischen Mittelschicht. Nach der Unabhangigkeit von Grofibritannien standen sich im Kampf um die Macht traditionell-aristokratisch gepragte Eliten aus dem Norden und ein aufstrebendes Biirgertum aus dem Siiden gegeniiber. Die groBte ethnische Gruppe im Norden Nigerias bilden die Haussa-Fulani, im Sixdosten sind es die Igbo und im Siidwesten die Yoruba. Letztere sind heute zwar etwa zur Halfte islamisiert, tendieren politisch aber eher zum christlich gepragten Siiden. Daneben gibt es mehrere Hundert kleinere ethnische Gruppen, was zu einer ZerspHtterung der gesellschaftlichen Interessen und alltaglichen ethnischen Spannungen beitragt. Die schwerwiegendste unter den ethnisch und religios gepragten Unruhen in Nigeria fiihrte 1967 zum Biafrakrieg, bei dem bis zu 1 Million Menschen ums Leben kamen. Der Krieg ging auf Pogrome im Norden Nigerias zuriick, bei denen rund 8.000 christliche Igbos ermordet wurden. Das fuhrte in den siidostlichen und stidlichen Bundesstaaten Nigerias, dem Hauptsiedlungsgebiet der Igbo, zu einem Abspaltungsversuch, dessen Ziel es war, einen eigenen Staat mit dem Namen Biafra zu griinden. Der gleichnamige Krieg wurde 1970 vom nigerianischen Militar siegreich beendet. Manche der ethnischen Konfliktlinien Nigerias haben sich auf politischer Ebene institutionalisiert: Auf der Ebene der Bundesstaaten etwa existiert ein Aquivalent zur Staatsangehorigkeit, die so genannte Indigenitat. Der Status von nicht Indigenen ist in einigen Bundesstaaten mit offiziellen und inoffiziellen Diskriminierungen verbunden; allerdings wird diese Unterscheidung eingewanderter Bevolkerungsgruppen immer weniger akzeptiert. Die heutigen machtpolitischen Konflikte drehen sich im Wesentlichen um den Zugang zu Land und zu den die Wirtschaft dominierenden Erdoleinnahmen. Wahrend es dem Norden gelang, politische Dominanz zu erlangen, schritt die okonomische Entwicklung im Suden schneller voran. In der nachkolonialen Geschichte bestimmte der Gegensatz zwischen okonomischer und politischer Macht die Konflikte im Land. Im fast durchgangig von Militars regierten Nigeria stellte der Siiden zwischen 1960 und 1999 nur flinf Jahre den Prasidenten. Zu den Auseinandersetzungen traten haufig ethnische Konfliktlinien hinzu, zunehmend gepragt von religiosen Differenzen. In den vergangenen Jahren entzundeten sich Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Bevolkerungsteilen regelmaBig an der Kontroverse iiber die Einftihrung strafrechtlicher Aspekte des islamischen Rechts, womit auch Fragen politischer Macht und gesellschaftlicher Dominanz verbunden sind. Als erster erklarte im November 1999 der Gouvemeur des nordlichen Bundesstaates Zamfara, Ahmed Sani Yerimana, die Absicht, die islamische Gesetzgebung Scharia einzufiihren, und setzte damit iiber seinen Bundesstaat hinaus eine Kettenreaktion in Gang, die moderat eingestellte Gouvemeure des Nordens unter starken innenpolitischen Druck setzte. Zuvor bewirkte ein im Mai 1999 vollzogener demokratischer Machtwechsel
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einen relativen Machtverlust der Eliten des Nordens, welcher sich in der Person des neuen Prasidenten Olusegun Obasanjo, einem aus dem Suden stammenden, christlichen Yoruba, manifestierte. Inzwischen haben die zwolf nordlichsten der 36 Bundesstaaten Nigerias in unterschiedlichem AusmaB Scharia-Gerichten die Zustandigkeit flir bestimmte Bereiche der Rechtsprechung iibertragen. In alien diesen Staaten leben christliche Minderheiten. Ftir die Durchsetzung des geltenden Rechts ist in Nigeria die Polizei als Bundesinstitution zustandig. In einer Reihe nordlicher Bundesstaaten haben die regierenden Gouvemeure aber spezielle Milizen unter dem Namen Hisbah (Partei) aufgestellt. Diese sind private Untemehmungen, die mit der Durchsetzung der Scharia beauftragt wurden und auf diese Weise ein paralleles Rechtsystem durchsetzen. Im Vorfeld der ersten Scharia-Einfiihrungen 1999 kam es in den nordlichen Stadten Kafanchan und Kano und in den siidwestlichen Stadten Sagamu und Lagos zu religiosen Unruhen. Dabei kamen mindestens 300 Menschen urns Leben. Im Jahr 2000 starben bei zwei, jeweils mehrere Tage dauemden Ausschreitungen in der Stadt Kaduna Uber 1.300 Menschen, mehrheitlich christliche Igbo. Die Unruhen weiteten sich auf andere Bundesstaaten aus und forderten dort ebenfalls mindestens 300 Tote. In Jos, der Hauptstadt des mehrheitlich christlichen Bundesstaates Plateau in Zentralnigeria, fanden 2001 heftige Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Bevolkerungsteilen statt, bei denen bis zu 3.000 Menschen starben. Vor dem Hintergrund der von den USA im selben Jahr gefuhrten Luftangriffe gegen das afghanische Taliban-R&gimQ kam es im Bundesstaat Kano zu Ausschreitungen, bei denen etwa 200 Menschen starben. Anfang 2002 war dann ein Schonheitswettbewerb Ausloser fiir blutige Unruhen in den Stadten Kaduna und Lagos. Nach einer Demonstration gegen die Veranstaltung eskalierte die Situation: 200 Menschen verloren bei den StraBenschlachten ihr Leben. Streitigkeiten um Land, politischen und religiosen Einfluss waren 2004 Ausloser flir weitere gewalttatige Auseinandersetzungen, die schwersten davon im Mai in der Stadt Yelwa im Bundesstaat Plateau, wo christliche Milizionare rund 250 Muslime toteten und drei Moscheen zerstorten. President Obasanjo rief am 17. Mai einen sechsmonatigen Ausnahmezustand to Plateau aus. Kampfe wurden 2004 auch im nordnigerianischen Bundesstaat Kano registriert. In der gleichnamigen Stadt verwiisteten muslimische Jugendliche Hauser und Geschafte von christlichen Btirgem. Die Beh5rden gaben an, der dortige Konflikt habe insgesamt 84 Menschen das Leben gekostet. Line Untersuchungskommission stellte fest, dass seit 2001 allein im Norden des Landes mehr als 50.000 Menschen bei religiosen und ethnischen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen sein sollen. Flir das Jahr 2005 haben die nigerianischen Behorden keine Todesfalle im Kontext der religios motivierten Auseinandersetzungen registriert. Auch Massenauseinandersetzungen wie im vorangegangenem Jahr hat es demzu-
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folge nicht gegeben. Die Christian Association of Nigeria (CAN) legte am 9. Juni allerdings ein Papier vor, in dem gewalttatige Ubergriffe und andere Formen der Bedrohung von Muslimen gegentiber Christen dokumentiert sind. Die Aufstellung nennt auch Geschehnisse aus dem Jahr 2005: Unter anderem ist die Rede von willktirlichen Einschtichterungen und Prugelstrafen fur christliche Kinder an Schulen im muslimischen Bundesstaat Kano. Daran sollen sich nach Informationen von westlichen Medienkorrespondenten Gewalttaten zwischen einzelnen Familien entztindet haben. Menschenrechtsorganisationen zweifeln unterdessen an, ob die Vielzahl kleinerer bewaffiieter Auseinandersetzungen in landlichen Gebieten seit der Scharia-Einfiihrung tatsachlich religiosen Ursprungs ist. FUr das Jahr 2005 habe sich oft belegen lassen, dass es sich um Streitigkeiten handelte, in denen es primar um Landbesitz, politischen Einfluss oder kriminelle Handlungen gegangen sei. Religiose Agitationen hatten solche Konflikte oft nur tiberlagert. Der angebliche Aufstand in der Stadt Lagos am 4. Oktober, mit zwei Toten und rund 60 Verletzten, war uberdies nicht - wie zunachst von Augenzeugen verbreitet auf eine Konfrontation zwischen Polizei und Muslimen zuriickzufiihren. Stattdessen handelte es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Polizei und Militar. Gewaltreiche Konflikte zwischen Militar und Polizei treten in Nigeria haufiger auf, weil eine klare Kompetenztrennung fehlt: Sowohl Polizei als auch Militar beanspruchen innerstaatliche Zustandigkeiten. AuBerdem wird die Polizei als Arm der christlichen Regierung wahrgenommen und ihr wird eine religios motivierte Willkiir unterstellt. Das Interfaith Mediation Center (IMC), eine nigerianische Organisation, die sich ftir eine Aussohnung zwischen Muslimen und Christen in dem westafrikanischen Land einsetzt und die am 25. November 2005 mit dem Bremer Friedenspreis ausgezeichnet wurde, geht davon aus, dass sich die religios gelagerten Kampfe in Nigeria ft)rtsetzen werden. Zu beflirchten sei auBerdem, dass lokale und ethnische Konflikte auch den Kampf zwischen Muslimen und Christen wieder anheizen und separatistische Tendenzen auslosen konnten. Solche Auseinandersetzungen seien besonders im Vorfeld der Pr^sidentschaftswahl 2007 zu erwarten, da in nigerianischen Wahlkampfzeiten schon filiher Konflikte um politischen Einfluss und die Mobilisierung lokaler Mehrheiten mit religiosen und ethnischen ZusammenstoBen einhergingen. Michael Zuchold Weiterfuhrende Literatur und Informationsquellen: Amnesty International: Diskriminierung und Gewalt an Frauen in Nigeria, Bonn 2005 Danfulani, Umar H. D./Fwatshak, Sati U.: Briefing. The September 2001 Events in Jos, Nigeria, in: African Affairs 101 (2002), S. 243-255 Falola, Toyin: Violence in Nigeria, Rochester - Suffolk 1998 Human Rights Watch: Rest in Pieces. Policy Torture and Deaths in Custody in Nigeria, New York 2005 Human Rights Watch: Revenge in the Name of Religion, New York 2005: http ://www.hrw.org
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Otite, Onigu/Albert, Isaac Olawale (Hrsg.): Community Conflicts in Nigeria. Management, Resolution and Transformation, Ibadan u.a. 1999 http://www.nigeriaworld.com (Nachrichten aus Nigeria) http://www.nopa.net (Regierung Nigerias)
Senegal (Casamance) (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 1990 (Krieg 1990-2004) MFDC / Senegal
Nachdem die Fuhrung der Mouvement des Forces Democratique de la Casamance (MFDC, Bewegung der Demokratischen Krafte der Casamance) den Krieg um die Unabhangigkeit der Casamance vom Senegal am 31. Dezember 2004 ein weiteres Mai fur beendet erklart hatte, kam es im Berichtsjahr nur noch zu vereinzelten, bewaffiieten ZusammenstoBen zwischen Splittergruppen der MFDC und dem senegalesischen Militar. Auch wenn die Zahl der ZusammenstoBe stetig zuriickging, bleibt offen, ob eine dauerhafte Sicherheit der Region zu erreichen ist. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass bisherige Friedensvertrage zu einer andauemden Zersplitterung der MFDC gefuhrt batten und inzwischen mindestens vier militante Gruppen aus der MFDC um die Kontrolle des Drogenhandels entlang der Grenze zu Gambia kampfen. Die Durchsetzung staatlicher Herrschaft in der Casamance gestaltete sich seit Beginn der Kolonialzeit schwierig und gewaltbelastet. Die Franzosen kontrollierten das Gebiet uberwiegend indirekt durch religiose Ftihrer. Die segmentaren Gemeinschaften der westlichen Casamance, heute der Ethnic der Diola zugerechnet, lieBen sich auf diese Weise allerdings nicht kontrollieren. Die Bevolkerung wurde schlieBlich vor allem durch Rekrutierung in die staatliche Biirokratie und in das Militar in den Staat eingebunden. Diese Politik wurde zunachst auch nach der Unabhangigkeit 1960 fortgesetzt. Im Zuge einer Wirtschaftskrise in den 1970er Jahren wurde ein Einstellungsstopp verhangt, durch den der regionale Weg sozialen Aufstiegs blockiert wurde. Infolge der Wirtschaftskrise wurde die Ausbeutung der Ressourcen der im Vergleich zum Norden fruchtbareren Casamance intensiviert. In diesem Kontext stattfindende Landenteignungen und die Ausbeutung der Fischressourcen durch Zuwanderer aus dem Norden sowie deren Bevorzugung im Tourismusgeschaft bilden den du*ekten Hintergrund des Konflikts. Dieses NordSiid-Gefalle stellte die Basis fiir die Ausbildung eines CasamanceNationalismus dar, der allerdings vor allem dem Westen der Region, der so genannten Basse-Casamance und der dort majoritaren Ethnic der Diola, entsprang.
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Vor diesem Hintergrund griindeten Mamadou „Nkrumah" Sane und der katholische Geistliche Senghor Diamacoune 1982 die MFDC. Diese begriff sich als Reprasentantin einer vom politischen Zentrum ausgebeuteten, polltisch marginalisierten und kulturell unterschiedlichen Bevolkerung. Den Auftakt der bewaffiieten Auseinandersetzung bildeten zwei pro-separatistische, gewalttatige Demonstrationen im Dezember 1982 und im Dezember 1983, in deren Folgezeit es zur schrittweisen Ausweitung der Gewalt kam. Ab 1985 wurde im Untergrund unter Fiihrung von Sidi Badji der militarische Fliigel der MFDC, Atika (Krieger), aufgebaut. Seine Kampfer rekrutierten sich aus entlassenen Soldaten der senegalesischen Armee und heranwachsenden Diola. Im April 1990 verubten die Separatisten ihren ersten planmaBig ausgefiihrten Anschlag auf einen Zollposten, gefolgt von einer Serie von Angriffen auf staatliche Einrichtungen. Seither wurden die kriegerischen Konfrontationen seitens der MFDC mit leichten Waffen gefiihrt. Sie batten ihren territorialen Schwerpunkt in der Basse-Casamance. Das Hauptproblem im Widerstand der MFDC, deren Truppenstarke einige Tausend zu keinem Zeitpunkt iiberschritten haben diirfte, bestand vor allem darin, dass die laut Satzung vorgesehenen drei Organe - die politische Inlandsfiihrung, die Auslandssektion und Atika - haufig gegeneinander arbeiteten. Deutlichster Ausdruck dieser strukturellen Schwache war der offene Bruch der MFDC in eine Front Nord und eine Front Sud Als Konsequenz eines Friedensvertrages von 1991 legte ein Teil der Atika, die Front Nord unter Badji, die Waffen nieder und kontrollierte informell bis zum Jahr 2001 bedeutende Bereiche des offentlichen und wirtschaftlichen Lebens im Departement Bignona. Die Front Sud unter der Fuhrung Diamacounes hingegen setzte den bewaffiieten Kampf fort. Der Desintegrationsprozess innerhalb der MFDC setzte sich unaufhorlich fort. Es kam zu militarischen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Fraktionen der MFDC und, obwohl die Teilung in Front Nord und Front Sud 1999 aufgehoben wurde, kam es emeut zum offenen Bruch der Spitzenvertreter. Badji erklarte im November 2001 Diamacoune fur abgesetzt und griindete ein eigenes Fiihrungskomitee, das allerdings von groBen Teilen der MFDC nicht anerkannt wurde. Die Finanzierung der einzelnen MFDC-Fraktionen vollzog sich auf sehr unterschiedliche Weise. Die Einnahmequellen umfassten neben dem Handel mit Tropenholz und Friichten auch den regionalen Canabisschmuggel und Beitrage der Auslandsdiaspora, aber auch Oberfalle. Da die Aktivitaten einiger Splittergruppen zunehmend den Charakter von Plunderungen und tJberfallen annahmen, buBte die MFDC bereits ab 1992 massiv an Riickhalt und Unterstiitzung innerhalb der Bevolkerung ein. Nachdem sich auch Diamacoune Verhandlungslosungen zugeneigt zeigte, wurden seit 1993 mehrere Friedensabkommen und Waffenstillstande unterzeichnet, die msbesondere von der Auslandssektion boykottiert wurden. 1997 erreichte der Krieg einen seiner bisherigen Hohepunkte. Das Jahr war von einer star-
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ken Zunahme der Angriffe und durch das Verlegen von Minen gepragt. Dariiber hinaus flog die senegalesische Luftwaffe Angriffe auf Dorfer in der Grenzregion zu Guinea-Bissau, auch auf bissauischer Seite, da die MFDC dort Riickzugsbasen unterhielt. Als auch die dortige Regierung gegen Basen der MFDC vorging, verlagerte sich das Kriegsgeschehen nach Norden an die Grenze zu Gambia. Im April 2000 kam der neue senegalesische Prasident Abdoulaye Wade ins Amt wollte die Kampfhandlungen binnen drei Monaten beenden. Zum ersten Friedensabkommen nach seinem Amtsantritt kam es allerdings erst 2001. Dieses sah im Wesentlichen eine Entmilitarisierung der Region sowie Entwicklungs- und Infi*astrukturprojekte vor. Trotzdem verschlechterte sich die Sicherheitslage in der Casamance emeut. Insbesondere tJberfalle auf Autos und Plunderungen in Dorfem und Ziguinchor, der groBten Stadt der Casamance, nahmen stark zu. Es wurde immer schwieriger zu unterscheiden, ob die Taten auf Splittergruppen der MFDC oder gewohnliche Banditen zuruckzufiihren waren, wobei die haufig gezielte Auswahl der Opfer in vielen Fallen auf eine Urheberschaft der MFDC schlieBen lieB. Zur Jahresmitte 2001 folgten die bis heute groBten Militaroperationen seit der Ubemahme der Prasidentschaft durch Abdoulaye Wade. Auch die Friedensverhandlungen Anfang 2003 waren von wiederholten Gefechten zwischen Armee und Splittergruppen der MFDC iiberschattet worden. Im Oktober 2003 versuchte die MFDC auf einer intemen Konferenz emeut, eine gemeinsame politische Basis zu finden und eine einheitliche Verhandlungsstrategie zu entwickeln. Die Beschltisse wurden von Anhangem des im Mai 2003 verstorbenen Badji, welche die Zusammenkunft der MFDC boykottiert hatten, nicht anerkannt. In Reaktion auf die Annaherung zwischen MFDC-Spitze und Regierung veriibten sie wieder vermehrt Anschlage auf staatliche Einrichtungen. Mehrere militarische MFDC-Fuhrer sprachen sich gegen das Friedensangebot des senegalesischen Prasidenten aus und drohten als Reaktion mit der Bildung neuer Milizen. Bei der MFDC kam es am 20. September 2004 zu einem offiziellen Fiihrungswechsel, bei dem Diamacoune zurucktrat und anschlieBend den Xitel eines Ehrenprasidenten erhielt. Zu seinem Nachfolger an der Spitze der MFDC wurde Generalsekretar Jean-Marie Biagui gewahlt. Dieser wurde von seinem Vorganger als ein Fiihrer eingefiihrt, der uber die Moglichkeit verfiige, die interne Fragmentierung bei gleichzeitiger Fortflihrung des Friedensdialogs mit der Regierung zu tiberwinden. Biagui hat anerkannt, dass eine Sezession nicht durchsetzbar ist, und trat mit der senegalesischen Regierung in Verhandlungen, in denen versucht werden sollte, im Rahmen eines landesweiten Dezentralisierungsprogramms eine moglichst groBe Autonomic fur die Casamance zu erreichen. Auch die senegalesische Regierung zeigte sich in den Friedensverhandlungen zu Kompromissen bereit. Trotz des Wechsels an der Spitze unterzeichneten am 31. Dezember 2004 Diamacoune und der
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senegalesische Prasident Abdoulaye Wade in Ziguinchor den neuen Friedensvertrag. Die Geschichte des Konflikts ist gepragt durch das Aufeinanderfolgen von Friedensabkommen und wieder einsetzenden Auseinandersetzungen. Auch im Berichtsjahr ereigneten sich wieder vereinzelte Kampfe zwischen MFDC-Gruppen und der Armee. Die Rebellen, die die Uberfalle im Berichtsjahr zu verantworten haben, wurden als eine fiindamentahstische Abspaltung der MFDC bezeichnet. Nach Regierungsangaben wurden aufgrund der Ubergriffe die Truppen in der Region verstarkt. Das Haupthindemis fur den Frieden war bereits in der Vergangenheit die Abspaltung einiger AtikaKommandeure von der politischen Fiihrung gewesen. Eine der mit einigen hundert Kampfem groBten Gruppen wurde vom abtrtinnigen Salif Sadio angefiihrt, der von 1995 bis 1999 Oberkommandierender des politisch von Diamacoune gefuhrten Atika-lQ\\^ war. Seine Truppe war in den letzten Jahren das wohl groBte Hindemiss fur eine Beendigung des Krieges. Im Oktober kam es zur SchlieBung eines lokalen Radiosenders, weil der gesuchte Rebellenfiihrer ein Interview nutzte, um sich fur die Fortfiihrung des 15jahrigen Biirgerkriegs auszusprechen. Dieser Vorfall loste, auf Grund des rigiden Vorgehens der senegalesischen Regierung eine breite Debatte um die Pressefreiheit im Senegal aus. Trotz der Friedensverhandlungen bleibt die Situation in der Casamance weiter angespannt. Dies ist vor allem auch dadurch bedingt, dass eine Unterscheidung zwischen Rebellen und Banditen kaum noch auszumachen ist, da die Kriegsokonomie der Rebellen schon langer auf dem Canabisschmuggel basiert, der auch mit der Regierung Gambias verkniipft ist, und Telle der Rebellen um die Kontrolle im Canabisgeschaft entlang der Grenze zu Gambia kampfen. Eine weitere Gefahr fiir die lokale zivile Okonomie stellt die Bedrohung durch Landminen dar. Der ICrieg kostete (iber die Jahre zwischen 3.500 und 5.000 Menschenleben und zwang bis zu 70.000 Menschen zur Flucht. Obwohl durch die verbesserte Sicherheitslage viele Fliichtlinge zurtickkehrten, konnten diese aus Angst vor Landminen ihre Felder nur schwerlich bestellen. Alexander Meckelburg Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Evans, Martin: Ni paix ni guerre. The Political Economy of Low-Level Conflict in the Casamance (Overseas Development Institute, Humanitarian Policy Group Background Paper), London 2003: http://www.odi.org.uk/HPG International Alert: Small Arms Control in Senegal, London 2005, http://www.intemational-alert.org Wegemund, Regina: Politisierte Ethnizitat in Mauretanien und Senegal. Fallstudien zu ethnisch-sozialen Konflikten, zur Konfliktentstehung und zum Konflitmanagement im postkolonialen Afrika, Hamburg 2000 http://www.gouv.sn (Regierung Senegals) http://www.ifrance.fr/Casamance (MFDC)
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Somalia (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1988 E-2 Clanmilizen in unterschiedlichen Allianzen, darunter TFG, JVA, RRA, SSRC, USC-SNA, USC-SSA
Die im Oktober 2004 gebildete somalische LFbergangsregierung Transitional Federal Government (TFG) musste im Berichtsjahr ihre erste Bewahrungsprobe bestehen: Nicht nur Spannungen zwischen Regierung und Parlamentsmitgliedem, sondem auch andauemde Kampfhandlimgen der machtigen Warlords, die iiberwiegend in Mogadishu stattfanden, stellten das sukzessive seit 2002 vereinbarte Friedensabkommen in Frage. Bin weiteres Problem zeigte sich bei der Verlegung des Regierungssitzes aus dem Exil zuriick ins Land. Aus Sicherheitsgrunden wahlte die Regierung hierfur statt der Hauptstadt Mogadishu die im Norden Somalias gelegene Stadt Jowhar, die weniger umkampft und aufgrund ihrer iiberschaubaren GroBe besser abzusichem war. Der Krieg in Somalia hatte 1988 begonnen, nachdem die Somali Salvation Democratic Front (SSDF) und die Somali National Movement (SNM) ihre seit Beginn der 1980er Jahre geftihrten Kampfe gegen die repressive Herrschaft Siad Barres intensivierten. Barre hatte sich 1969 in einem unblutigen Militarputsch an die Spitze des somalischen Staates gestellt und bis 1977 mit finanzieller und technischer Hilfe der Sowjetunion, danach der USA, einen umfassenden Verwaltungs- und Gewaltapparat in Somalia aufgebaut. Da alle wirtschaftlichen Reform- und Modemisierungsanstrengungen scheiterten, bildete der stetig wachsende Staatsapparat das okonomische und politische Zentrum Somalias. Um seine Herrschaft abzusichem, besetzte Barre alle wichtigen politischen Amter mit Mitgliedem seiner Clanfamilie und baute so iiber den Staat ein Netzwerk personaler Bindungen auf. Dadurch wurde jedoch auch die Bedeutung der Clanzugehorigkeit gestarkt und die Herausbildung einer dem Clan Ubergeordneten nationalen Identitat verhindert. Erste Legitimitatsverluste erlitt Barre durch die Niederlage im Ogadenkrieg gegen Athiopien 1977/1978. Dieser Krieg verschlang groBe Telle des Staatshaushaltes und der Fliichtlingsstrom von ethnischen Somali aus Athiopien verscharfte die okonomische Krise. AuBen- und innenpolitisch geschwacht, konnte Barres Staatsapparat die Entstehung von Oppositionsbewegungen nicht mehr verhindem. Auf Grund blutiger Unterdrtickung auch der Zivilbevolkerung durch das Regime fanden diese Bewegungen immer mehr Zulauf 1979 scheiterte ein Umsturzversuch von Offizieren, die vorwiegend dem im Nordosten Somalias ansassigen Majerteen-Clan angehorten. Dieser Putsch und erste Antiregimedemonstrationen in der iiberwiegend von Mitgliedem des Isaaq-Clans bewohnten Stadt Hargeisa ftihrten dazu, dass Barre die bei-
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den Clans als Feinde einstufte. Unter dem Oberbefehl seines Schwiegersohnes General Siad Morgan setzte er die Armee gegen die IsaaqZivilbevolkerung im Norden ein, unter der sich daraufhin der Widerstand gegen Barre ausbreitete. Zwischen Januar 1991 und Dezember 1992 zerfiel der 1960 gegriindete somalische Staat. In alien Teilen des Landes formten sich Aufstandsorganisationen, die klanstrukturell organisiert waren und einerseits die somalische Armee, andererseits sich untereinander bekampften. Die in Zentralsomalia aktive Aufstandsbewegung United Somali Congress (USC) marschierte Anfang 1991 in Mogadischu ein und am 21. Januar 1991 endete die erste Phase des Krieges mit der Niederlage des Barre-Regimes. Militar und Polizei hatten sich im Verlauf des Krieges aufgelost, die Okonomie war zusammengebrochen, eine Verwaltung existierte faktisch nicht mehr. Nachdem die Regierung aus der Stadt geflohen war, zeigte sich, dass die Aufstandischen auBer dem gemeinsamen Ziel, die Diktatur Barres zu beenden, allenfalls tiber vage politische Zielsetzungen verfiigten. Mehrere Versohnungsverhandlungen scheiterten unter anderem am Konkurrenzkampf innerhalb des USC um die Nachfolge Barres zwischen einem militarischen Befehlshaber des USC, General Farah Aidid, und Ali Mahdi, einem Geschaftsmann, der den USC finanziell untersttitzt hatte. Unterdessen zog sich die Ftihrung des SNM in ihre nordliche Herkunftsregion zurtick und rief im Mai 1991 die unabhangige Republik Somaliland aus, deren Grenzen mit denen der ehemaligen britischen Kolonie Ubereinstimmen. Unter dem 1993 zum Prasidenten Somalilands emannten Ibrahim Egal wurden staatliche Strukturen reorganisiert. Armee- und Polizeieinheiten wurden aufgebaut, in welche ein GroBteil der Milizen integriert werden konnte. 2003 wurden in Somaliland erste allgemeine Prasidentschaftswahlen abgehalten, die von intematonalen Beobachtem als weitgehend frei und fair bezeichnet wurden. In den Wahlen wurde Dahir Riyale Kahin, der nach dem Tod von Ibrahim Egal im Mai 2002 dessen Nachfolge angetreten hatte, mit knapper Mehrheit als Prasident bestatigt. Ein Problem bildete jedoch weiterhin der umstrittene Grenzverlauf zwischen Somaliland und der 1998 von der SSDF ausgerufenen autonomen Teilregion Puntland. In den darauf folgenden Jahren war es deshalb mehrfach zu Spannungen und vereinzelt auch zu Kampfen zwischen Somaliland und Puntland gekommen. Inzwischen hat sich die Situation aber entscharft, was vor allem an der Etablierung des Verwaltungsapparates von Somaliland liegt. Am 29. September 2005 wurde in Somaliland ein neues Parlament gewahlt, das die Akzeptanz der Bevolkerung und der dort vorherrschenden Clans genieBt. Im Berichtsjahr erwies sich diese Region Somalias daher wie schon in den Vorjahren am stabilsten und weitgehend frei von bewaffrieten Auseinandersetzungen. Im Siiden Somalias dagegen flihrte der Machtkampf zwischen Farah Aidid und Ali Mahdi um die Kontrolle Mogadischus im November 1991 zu
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emeuten Kampfliandlungen. Die beiden selbstemannten Prasidenten mobilisierten ihre Anhanger auf Clan- und Subclanbasis und bald kampften verfeindete Clanmilizen um die Sicherung und Ausdehnung ihrer Herrschaftsbereiche. Kriegsbedingte Emteausfalle losten 1992 eine Hungersnot aus. Insgesamt kamen in diesen zwei Jahren etwa 300.000 Menschen urns Leben. Anfang 1992 griffen die UN in den Konflikt ein, indem sie ein Waffenembargo verhangten und mit der United Nations Operation in Somalia (UNOSOM I) eine Internationale Intervention durchfiihrten. Ziel war es, ein sicheres Umfeld fur die Verteilung der in Somalia dringend benotigten Hilfsgiiter zu schaffen, die Kriegsparteien zu entwaffnen und eine politische Einigung zu vermitteln. Zwischen Juni und Oktober 1993 forderten schwere Gefechte zwischen UNOSOM-Truppen und der Somalia National Alliance (SNA) unter der Fiihrung Aidids groBe Verluste. Nach dem Abschuss eines US-amerikanischen Hubschraubers wurde die Leiche eines US-Soldaten vor laufenden Kameras von einer aufgebrachten Menge durch Mogadischu geschleift. Die US-Regierung zog daraufhin ihre nicht der UN-Mission unterstellten Truppen ab. Da auch die UN-Truppen keine Erfolge erzielen konnten, wurde auch deren Mission im Marz 1995 abgebrochen. Zahlreiche im In- und Ausland angeregte Friedensbemiihungen scheiterten an den Machtkampfen zwischen Ali Mahdi und Farah Aidid beziehungsweise, nach dessen Tod 1996, seinem Sohn und Nachfolger Hussein Aidid. Nachdem es 1995 zum Bruch zwischen Aidid und seinem wichtigsten Gefolgsmann und Geldgeber Osman Ato gekommen war, bildete sich mit Ato und semen Verbtindeten eine weitere starke Fraktion in Mogadischu. Durch die Mobilisierung von Clansolidaritaten versuchten die Fraktionsfthrer ihre Machtanspriiche iiber die Hauptstadt hinaus auszudehnen. In den anhaltenden Auseinandersetzungen spaltete sich das Land in Zonen auf, die jeweils unter der Kontrolle bewaffiieter Milizen standen und nicht selten von einem der bedeutenden Warlords in Mogadischu unterstutzt wurden. Obwohl die Warlords ihre Anhanger auf Basis traditioneller Clanzugehorigkeiten mobilisierten, fand ihre Position keine Entsprechung im traditionalen sozialen Gefiige, sondem basierte allein auf Machtanspriichen und Wirtschaftsinteressen. Im Verlauf des jahrelangen Gewaltgeschehens bildeten sich weitere politokonomische Akteure heraus, die diese Interessen herausforderten. Die Kriegshandlungen konzentrierten sich vorwiegend auf das fruchtbare und infrastrukturell entwickelte sixdliche Dreieck zwischen Mogadischu, Kismayo und Baidoa. Hier kampften die Milizen um die Kontrolle wichtiger Landstriche, Hafen und Flughafen. Die haufig wechselnden Biindnisse und Spaltungen der verschiedenen Clanmilizen, die zunehmende Bandenkriminalitat und das Fehlen einer geltenden Rechtsprechung komplizierten die Situation. In einigen Regionen Somalias konnten daher islamische Gerichte und deren Milizen ihren Einfluss ausdehnen, da sie in den von ihnen kontrollierten Zonen auf der Basis der islamischen Rechtsprechung (Scharia) eine zumindest minimale
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Rechtssicherheit garantierten. Eine 2000 gebildete Ubergangsregierung mit einem auf Clanproporz basierenden LFbergangsparlament scheiterte daran, die Macht der Gewaltfraktionen im Land zu brechen, und wurde bald fiir den weiteren Kriegsverlauf bedeutungslos. Ende 2002 erklarten sich schlieBlich, erstmalig seit Beginn des Krieges, alle wesentlichen Kriegsparteien zur Teilnahme an Friedensverhandlungen bereit. Am 27. Oktober 2002 wurde im kenianischen Eldoret ein Waffenstillstandsabkommen von 22 am Krieg beteiligten Gmppen unterzeichnet und damit die bis dahin 16. Friedenskonferenz eingeleitet. Diese flihrte allerdings nicht zu einer Beendigung der Kampfhandlungen in Somalia. Auf der Konferenz wurde dennoch eine Ubergangsverfassung ausgearbeitet. Nach monatelangen Verhandlungen liber die Verteilung der Sitze wurde schlieBlich ein Ubergangsparlament gebildet, das am 14. Oktober 2004 AbduUahi Yussuf zum neuen tJbergangsprasidenten wahlte. Seine Amtszeit wurde auf ftlnf Jahre festgelegt. Abdullahi Yussuf hatte 2001 als President der teilautonomen Region Puntland seine Amtszeit eigenmachtig verlangert, woraufhin blutige Machtkampfe zwischen seinen Milizen und denen seiner Gegner ausbrachen, die erst 2003 durch den militarischen Sieg der Anhanger Abdullahi Yussufs beendet wurden. Sowohl vor als auch nach der Emennung der Ubergangsregierung wurden in Somalia weiterhin Kampfe ausgetragen. Hauptzentren der Kampfhandlungen waren dabei die von Warlords beherrschte Hauptstadt Mogadischu und die strategisch wichtige Hafenstadt Kismayo, die seit 1999 von der Juba Valley Alliance (JVA) kontrolliert wird. Zudem eskalierte im Oktober 2004 der Konflikt zwischen Somaliland und Puntland, wobei rund 100 Menschen getotet wurden. Puntland wird seit der Emennung Abdullahi Yussufs zum Prasidenten durch seinen Nachfolger Mohamed Abdi Hashi kontrolliert. Somaliland beschuldigt Abdi Hashi, die Angriffe in Absprache mit dem somalischen Prasidenten durchgefiihrt zu haben, was dieser indes bestritt. Im Berichtsjahr konnte die tJbergangsregierung keine groBen Erfolge zur Stabilisierung des Landes erzielen. Der somalische Prasident forderte von der ostafrikanischen Regionalorganisation Intergovernmental Authority for Development (IGAD) den Einsatz von Soldaten zur Unterstutzung der Ubergangsregierung. Insbesondere gegen eine Beteiligung der Nachbarlander Djibouti und Athiopien an diesem Einsatz demonstrierten am 15. Februar in Mogadischu mehrere Tausend Somali. Die Forderung Abdullahi Yussufs spaltete auch das Parlament, das am 19. Marz die Anforderung von IGAD-Truppen mit 156 zu 55 Stimmen ablehnte. Bei den folgenden Tumulten im Parlament warfen Abgeordnete mit StUhlen und schlugen mit Stocken aufeinander ein. Das Abstimmungsergebnis verdeutlicht das angespannte Verhaltnis zwischen Parlament und Ubergangsregierung. Ein weiterer Konfliktgegenstand war im Berichtsjahr die Verlegung des Regierungssitzes aus dem Exil in Kenia zuriick nach Somalia. Yussuf und der
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von ihm emannte Premierminister All Muhammad Gedi pladierten aus Sicherheitsgriinden fiir die eher friedlichen Stadte Jowhar und Bedawa, derweil Parlamentssprecher Sharif Hassan Shaykh Aden und andere Warlords fiir die immer noch von anhaltenden Kampfen gepragte Hauptstadt Mogadischu stimmten. Daruber hinaus ktlndigte der Milizenfuhrer Muhammed Ibrahim Protest gegen die geplante Verlegung des Regierungssitzes in die von ihm dominierte Stadt Bedawa an. Daraufhin kam es in dieser Stadt Ende Mai zu Kampfen, die mehrere hundert Menschen zur Flucht veranlassten. Am 14. Juni wurde die Umsiedlung der Regierung schliefilich nach Jowhar vollzogen. Zwischen April bis Juni fanden vermehrt Kampfe zum einen im Siiden Somalias zwischen zwei Subclans des Hawiye-Clans und zum anderen in Zentralsomalia zwischen verfeindeten Milizen statt. Berichten zufolge sind dabei iiber 30 Menschen ums Leben gekommen, mindestens weitere 40 wurden verletzt. Mogadischu war wie im Vorjahr wieder am meisten von Kampfen heimgesucht. Dabei waren nicht nur Angehorige von Clanmilizen Opfer der Auseinandersetzungen, sondem auch Zivilisten. So uberfielen am 15. November Milizen ein Cafe, toteten 12 Gaste und verletzten 21 weitere. Auch die UN und Hilfsorganisationen wurden zur Zielscheibe fiir Attentate. Am 11. Juli wurde ein Friedensaktivist ermordet, drei Monate spater am 3. Oktober ein somalischer UN-Mitarbeiter. Zudem wurde die Versorgung der Bevolkerung mit UN-Hilfsgiitem durch vermehrte Schiffsentfiihrungen unterbrochen. Der Protest gegen die Regierung auBerte sich in zwei Mordanschlagen auf Premierminister Gedi. Am 14. Mai wurde bei einem FuBballspiel in Kismayo, bei dem Gedi anwesend war, ein Bombenattentat ausgefuhrt, 14 Menschen wurden dabei getotet. Beim zweiten Anschlag am 6. November hatten die Attentater eine Bombe nahe des Konvois von Gedi detonieren lassen, als dieser Mogadischu besuchte. Bei der Explosion starben fiinf Menschen und ein weiteres Dutzend wurde verletzt; Gedi iiberlebte auch dieses Attentat. Zum Ende des Berichtsjahres kamen am 23. November mehr als 100 Reprasentanten verschiedener somalischen Gruppierungen mit Vertretem von UN, Weltbank und Hilfsorganisationen in Nairobi zusammen, um uber Entwicklungs- und Wiederaufbauprogramme zu diskutieren und eine Internationale Unterstiitzung fur weitere funf Jahre zu beschlieBen. Fast zeitgleich etablierten die Warlords in Mogadischu einen Rat zur Verwaltung der Stadt, was die Kluft zwischen Regierung und Opposition vergroBerte. Trotz der neuen LFbergangsregierung wurde auch im Berichtsjahr keine Verbesserung der Sicherheitslage erreicht. Bei Kampfliandlungen kamen 2005 wieder mehrere Hundert Menschen ums Leben. Die Ubergansregierung musste die meiste Zeit des Jahres aus dem Exil heraus regieren und konnte den Regierungssitz aus Sicherheitsgrtinden nicht in die Hauptstadt Mogadischu zurlickverlegen. Die TFG bleibt dariiber hinaus in wichtigen Fragen
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gespalten. Ein Anzeichen fur die Verschlechterung der Situation ist auch, dass das Parlament seit Marz 2005 nicht mehr zusammengekommen ist. Zudem betrieben alle Seiten eine militarische Aufriistung. Deliah Knarr Weiterfuhrende Literatur und Informationsquellen: Bakonyi, Jutta: Instabile Staatlichkeit. Zur Transformation politischer Herrschaft in Somalia (Forschungsstelle Kriege, Riistimg und Entwicklimg, Institut fiir Politische Wissenschaft, Universitat Hamburg, Arbeitspapier 3/2001), Hamburg 2001 Compagnon, Daniel: Somali Armed Movements, in: Clapham, Christopher (Hrsg.): African Guerrillas, Oxford 1998, S. 73-90 Hohne, Markus Virgil: Somalia zwischen Krieg und Frieden. Strategien der friedlichen Konfliktaustragung auf intemationaler und lokaler Ebene, Hamburg 2002 Matthies, Volker: Athiopien, Eritrea, Somalia, Djibouti. Das Horn von Afrika, 3. Auflage, Miinchen 1997 Mubarak, Jamil A.: The „Hidden Hand". Behind the Resilience of the Stateless Economy of Somalia, in: World Development 25 (1997), S. 2027-2041 http://members.tripod.com/~Puntland (Puntland) http://www.banadir.com (Nachrichten und Links) http://www.somali-gov.info (TFG) http://www.somalilandgov.com (Somaliland)
Sudan (Darfur) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
2003 B-2 SLA, JEM / Sudan, Dschandschawid
Der Krieg in der westsudanesischen Region Darfur, der seit seinem Beginn rund 200.000 Todesopfer forderte und 2 Millionen Menschen zu Fluchtlingen machte, dauerte auch 2005 an. Eine im Berichtsjahr zu beobachtende wechsebide Intensitat lasst sich nicht mit einer nachlassenden Gewaltbereitschaft der Akteure erklaren, sondem mit der gesunkenen Zahl an potentiellen Zielen, da die meisten Dorfer bereits in den Vorjahren komplett zerstort oder geplundert worden sind. Zeitweise Verbesserungen in der Kriegssituation lassen sich auf einen verstarkten intemationalen Druck und die Fortsetzung der Friedensverhandlungen im nigerianischen Abuja zuruckflihren. Trotzdem ereigneten sich besonders in der zweiten Halfte des Berichtsjahres wiederholt Kampfe zwischen den Rebellengruppen Sudan Liberation Army (SLA) und Justice and Equality Movement (JEM) auf der einen sowie Regierungstruppen und den regierungsnahen Dschandschawid-MilizQn (Bewaffhete Reiter) auf der anderen Seite. Als ein weiterer Grund fur das Anhalten des Krieges erwies sich im Berichtsjahr die Zerstrittenheit zwischen den Rebellen. So
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waren interne Differenzen innerhalb der SLA flir die Blockierung der Friedensverhandlungen verantwortlich, wahrend der Konkurrenzkampf zwischen der SLA und der JEM zu zahlreichen gewaltsamen Kampfen filhrte. Das Konfliktgeschehen im Sudan wurde bis 2002 vom Gegensatz zwischen dem politisch dominanten Norden und dem rohstoffreichen aber schwach entwickelten Silden des Landes gepragt. Dieser eskalierte bereits 1955 im Vorjahr der Unabhangigkeit des Sudan zum Krieg, der erst 1972 dadurch beendet werden konnte, dass der damalige Staatschef Jaafer alNumeiri dem Siiden eine Teilautonomie zugestand. Diese wurde jedoch schrittweise wieder aufgehoben und untergraben. Der Siiden wurde in drei Provinzen aufgeteilt, was die dortigen Eliten ein Ende ihrer Partizipation an den politischen Entscheidungsprozessen befiirchten lieB. Hinzu kam, dass unter dem Einfluss des sudanesischen Zweigs der Muslimbruderschaft, eine der einflussreichsten islamisch-fiindamentalistischen Bewegungen im Nahen Osten, eine Islamisierung des gesamten Landes einsetzte. 1983 gingen sudsudanesische Rebellen der Sudan People's Liberation Army/Movement (SPLA/M) emeut dazu liber, den Konflikt militarisch auszutragen. Dieser Krieg endete 2002 durch Friedensgesprache, die unter intemationalem Druck, insbesondere seitens der USA, zustande gekommenen waren. Die im Januar 2005 zwischen der Regierung und der SPLM konkretisierten Vereinbarungen sehen unter anderem eine sechsjahrige tJbergangsphase vor, an deren Ende die Bevolkerung des Stidsudan in einem Referendum uber die Unabhangigkeit entscheiden konnen soil. Im Februar 2003, nur wenige Wochen nach dem Ende des Krieges im Siidsudan, eskalierte die Gewalt in der westsudanesischen Region Darfur. Konflikte zwischen sesshaften Ackerbauem und nomadisierenden Kamelund Viehziichtem tiber die Aufteilung des fruchtbaren Landes und der Wasserstellen bestanden bereits seit langerem, verscharften sich aber Anfang der 1980er Jahre aufgrund einer Diirreperiode und politischer Interventionen aus der Hauptstadt Khartum sowie den Nachbarlandem Tschad und Libyen. Die verschiedenen Interessengruppen betrieben eine politische Ethnisierung und es fand erstmals eine Unterscheidung zwischen arabischer und nichtarabischer Bevolkerung statt, wobei sich jeweils verschiedene ethnische Gruppen einer dieser beiden Seiten zuordneten. Bei diesen Ethnien handelt es sich durchweg um einheimische afrikanische Gruppen, der Unterschied bestand lediglich in einer kulturellen „Arabisierung". Auch religiose Unterschiede gibt es nicht, da sich alle an den aktuellen Auseinandersetzungen Beteiligten als Muslime verstehen. Als mitauslosender Faktor der Kampfhandlungen im Jahre 2003 gelten die erfolgreichen Friedensverhandlungen zwischen Nord- und Stidsudan, die auf eine Machtteilung zwischen der Zentralregierung in Khartum und der SPLA im Siiden hinauslief. Darfur wurde dabei dem Norden des Landes zugeordnet, was bei der „nichtarabischen" Bevolkerung Beflirchtungen einer
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Dominanz der „Araber" oder einer Arabisierung hervorrief. So formierten sich die Rebellen Ende Februar 2003 zunachst unter dem Namen Darfur Liberation Front (DLF), was auf das Ziel einer Vertretung regionaler Interessen schlieBen lieB. Doch bereits im Marz benannte sich die Gruppierung in Sudan Liberation Army/Movement (SLA/M) um und verdeutlichte so iliren gesamtsudanesischen Anspruch. Die Ahnlichkeit der Namen SLA und SPLA war dabei kein Zufall. Im Marz 2002 soil die SPLA spatere SLA-Kampfer ausgebildet haben. Und auch das Programm, mit dem die SLA antrat, war stark an SPLA-Forderungen angelehnt. Ihre Rekrutierungsbasis hatte die SLA zunachst nicht in den landlichen Gebieten Darflirs, sondem unter Schulund Hochschulabgangem in der Hauptstadt Khartum und stadtischen Zentren in Zentral- und Westsudan, die aus Darfur stammten. Dabei rekrutierte sie sich vor allem aus den drei ethnischen Gruppen Zaghawa, Fur und Massaleit. Wahrend erstere ihre Heimat in Norddarfur haben und traditionell von ihren Kamelherden leben, betreiben die beiden anderen Gruppen im zentralen und stldlichen Darfur vorwiegend Ackerbau. Bereits im Marz 2003 eroberten die Rebellen die Bergregion Jebel Marra im zentralen Darfur und die Stadt Tine an der Grenze zum Tschad. Ihr bedeutendster Erfolg gelang ihnen am 25. April 2003 bei einem Uberraschungsangriff auf Militareinrichtungen in al-Fascher, der Hauptstadt der Region Norddarfur. Dabei beschadigten sie mehrere Flugzeuge und Hubschrauber, erbeuteten groBere Mengen an Waffen und nahmen einen ranghohen Offizier gefangen, der im arabischen Femsehsender al-Dschasira vorgefuhrt wurde. Auf diese Niederlage reagierte die Regierung mit der Entlassung der Gouverneure von Nord- und Westdarfur, die zuvor eher auf eine Verhandlungslosung gesetzt hatten. Im Juli startete die Regierung eine Offensive gegen die Rebellen, bei der schwere Waffen und auch Luftangriffe eingesetzt wurden. Gleichzeitig setzte die Regierung nicht nur regulare Truppen ein, sondem auch Milizen der „arabischen" Ethnien Darfiirs, die unter dem Namen Dschandschawid bekannt wurden. Diese zerstorten bereits in dieser frtihen Phase des Krieges ganze Dorfer und ermordeten deren Bewohner. Auch wurden systematisch Frauen vergewaltigt und sexuell missbraucht. Der Einsatz dieser Milizen kniipft dabei an fruhere, lokale Konflikte in Darfur an, in denen diesen ethnischen Milizen im Laufe der letzten 20 Jahre eine immer bedeutendere Rolle zukam. Unter Vermittlung des Tschad wurde Anfang September 2003 ein Waffenstillstand geschlossen. Das besondere Interesse des Tschad an einer Konfliktbeilegung ist nicht nur dadurch begrundet, dass Darfur an den Tschad grenzt. Einerseits entstammt der tschadische President Idris Deby der Ethnic der Zaghawa, aus der sich ein GroBteil der Rebellen rekrutiert. Andererseits ging die Rebellion, die Deby 1990 an die Macht im Tschad brachte von Darfur aus und wurde von der sudanesischen Regierung unterstutzt. Die getroffenen Vereinbarungen erwiesen sich allerdings als nicht sonderlich haltbar.
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Bis auf vage Versprechungen zur Entwicklung der Darfurregion hatte die Regierung keinerlei Zugestandnisse gemacht und ein GroBteil der Rebellen war mit den durch eine unerfahrene Fuhrung ausgehandelten Verhandlungsergebnissen nicht zufrieden. Dies fiihrte zu einem Zulauf fiir die Justice and Equality Movement (JEM), eine bis dahin kaum in Erscheinung getretene zweite Rebellenbewegung. Insbesondere die Kampfe zwischen JEM und Dschandschawid fiihrten dazu, dass auch der Waffenstillstand zwischen SLA und Regierung haufig gebrochen wurde. Im April 2004 wurde im Tschad ein neuer Waffenstillstand geschlossen, der jedoch ebenfalls nicht lange eingehalten wurde. Im August desselben Jahres begannen im nigerianischen Abuja unter der Agide der African Union (AU) Friedensverhandlungen zwischen der sudanesischen Regierung und den beiden Rebellengruppen SLA und JEM, die seitdem mit erheblichen Verzogerungen und Unterbrechungen fortgesetzt wurden, ohne dass eine nennenswerte Einigung erzielt werden konnte. Das Berichtsjahr begann in Darfiir mit einer massiven Verletzung des Waffenstillstands von Seiten der Regierung. Ende Januar warf die sudanesische Luftwaffe Bomben auf mehrere Dorfer in Darfur ab, wobei mehrere Hundert Menschen starben und weitere Tausend zu Fliichtlingen wurden. Nach diesem anfanglichen Aufflammen des Konfliktes in Darfur war im Vergleich zum Vorjahr ein Riickgang von groB angelegten Kampfhandlungen zwischen Armee und Rebellengruppen zu verzeichnen. Dennoch blieb die Lage in der Region weiterhin instabil. Die von der Regierung unterstiitzten Dschandschawid setzten ihre Angriffe auf Zivilisten fort, ohne dass die Regierung Schritte zu ihrer Entwaffhung untemahm. Trotz der anhaltenden Bemiihungen der AU, die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bringen, gab es immer wieder Angriffe auf Dorfer und Zivilisten durch regierungsnahe Milizen oder ihr Territorium verteidigende Rebellen sowie bewaffiiete Auseinandersetzungen zwischen Rebellen und regierungsnahen Milizen. Die Dschandschawid setzten ihre aus den Vorjahren bekannte grausame Art der Kriegsfiihrung fort, die gekennzeichnet ist von Zerstorung, Massakem und Vergewaltigungen. Ein Beispiel hierfur war im April des Berichtsjahres die Zerstorung des von der SLA kontrollierten Dorfes Khor Abeche in Suddarfur. Rund 350 Angehorige der Reitermilizen brannten das Dorf in einem ganztagigen Angriff nieder, brachten circa 30 Menschen um und vertrieben die rund 3.000 Bewohner. Die Regierung zogerte die Entwaffiiung der Milizen auch 2005 mit verschiedenen Vorwanden weiter hinaus, trotz wachsenden intemationalen Drucks. Ein Grund hierftir diirfte die nicht unberechtigte Sorge sein, dass sich die von ihr ausgerUsteten Dschandschawid gegen die Regierung selbst richten wiirden, falls diese ihre Unterstiitzung fallen lieBe. Gewaltsame Ubergriffe gegen die Zivilbevolkerung gab es auch von Seiten der Rebellengruppen. Die nach UN-Angaben schwerwiegendsten Uber-
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griffe ereigneten sich im September, als innerhalb mehrerer Tage rimd 20 Dorfer angegriffen und gepltindert wurden. Die Dorfbewohner wurden umgebracht oder vertrieben, Frauen wurden vergewaltigt und verschleppt. Haufigkeit und Intensitat der Gewalt im September markierten eine emeute Verschlechterung der Lage in Darfiir. Angriffe auf Dorfer und Fluchtlingslager durch Reitermilizen und Rebellen blieben den Rest des Berichtsjahres uber an der Tagesordnung, auBerdem verubte die Regierung mehrere Luftangriffe auf Dorfer, die sie mit den Rebellen in Verbindung brachte. Wahrend auf alien Seiten Gewaltbereitschaft herrschte, waren die Rebellen der SLA im Berichtsjahr fiir den groBten Teil der Ubergriffe verantwortlich. Der Konkurrenzkampf mit der JEM und die Differenzen innerhalb der SLA ftihrten zu anhaltenden Kampfen sowie einer Blockierung der Friedensverhandlungen in Abuja. Der Konflikt zwischen SLA und JEM eskalierte im Mai des Berichtsjahres in gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Rebellengruppen um die Kontrolle der strategisch wichtigen Stadt Muhajeria im sudlichen Darfur. Auch fiir die Ermordung mehrerer in Darfur stationierter Soldaten der AU wurde die SLA verantwortlich gemacht. Die SLA zeigte sich zudem als auBerst zerrissen durch einen intemen Machtkampf um die Fiihrerschaft der Bewegung, wobei ethnische Zugehorigkeiten die Loyalitaten innerhalb der Bewegung bestimmten. Wahrend die SLADelegation in Abuja von Abdulrahman Musa, einem Angehorigen der FurEthnie, angefiihrt wurde, zu der auch der SLA-Vorsitzende Abdul Wahid Mohammed Nur gehort, boykottierte die den Zaghawa angehorige Fraktion der SLA unter Generalsekretar Mani Arko Minawi die Gesprache zunachst. Kleine Fortschritte bei der Losung der Darfiirkrise wechselten sich im Berichtsjahr ab mit massiven Riickschlagen. Im Juli wurde bei den Verhandlungen in Abuja eine Reihe von Vereinbarungen unterzeichnet, in der sich die Parteien emeut auf die Notwendigkeit eines Waffenstillstands einigten, der jedoch kurze Zeit spater gebrochen wurde. Aufgrund der Differenzen zwischen den Rebellen war zudem ein gemeinsames Auftreten bei den Verhandlungen den GroBteil des Jahres Uber nicht moglich. Nach mehreren gescheiterten Verhandlungsrunden gelang es den Rebellen mit Hilfe von Vermittlungsbemtihungen der AU, sich bei der siebten Verhandlungsrunde Ende November als Einheit zu positionieren. Die beiden SLAFraktionsfuhrer Minawi und Nur begruben im Rahmen der Gesprache ihre Differenzen und auch zwischen SLA und JEM herrschte scheinbare Einigkeit, was die AU hoffen lieB, dass es sich bei dieser Runde um die letzte handeln konnte. Im Marz des Berichtsjahres waren zwei UN-Resolutionen beschlossen worden, um den Krieg in Darfur einzudammen. Die Resolution 1591 beinhaltete unter anderem die Verhangung von Sanktionen gegen Verantwortliche aller Konfliktparteien fiir die in Darfur begangenen Menschenrechtsverletzungen sowie eine Ausweitung des UN-Waffenembargos gegen alle Beteilig-
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ten. Die Resolution 1593 untersagte offensive militarische Flugeinsatze iiber Darfur und verwies die in Darfur verubten Kriegsverbrechen an den Intemationalen Strafgerichtshof. Weder diese Resolutionen noch die Prasenz der African Mission in Sudan (AMIS) waren in der Lage, etwas gegen die Gewalt in Darfiir auszurichten. Die Aufgaben der seit Mitte 2004 in Darfur stationierten AMIS waren die LFberwachung des Waffenstillstandes, der im April 2004 beschlossen worden war, sowie der Schutz der Zivilbevolkerung und die Sicherung von Hilfsmissionen der UN. Die AMIS umfasste zunachst 300 Soldaten und 80 Waffenstillstandsbeobachter in Darfur, wurde aber sukzessive aufgestockt, sodass ihre Starke im Dezember des Berichtsjahres 6.700 Mann betrug. An der Truppe beteiligen sich die AU-Staaten Gambia, Kenia, Nigeria, Ruanda, Senegal und Siidafrika; unterstutzt werden sie logistisch von Deutschland, GroBbritannien, den Niederlanden und den USA. Trotz intemationaler Unterstiitzung blieb die AMIS auch im Berichtsjahr weitgehend ineffektiv. Neben mangelnden Kapazitaten erwies sich insbesondere das schwache Mandat der Mission als problematisch, das auf einem anderthalb Jahre zurtickliegenden Waffenstillstandsabkommen basiert, das seither wiederholt gebrochen wurde. Erlaubt ist den Soldaten Gewaltanwendung nur zum Selbstschutz oder zum Schutz von Zivilisten in ihrer unmittelbaren Nahe. Die Situation der AMIS wurde im Berichtsjahr zusatzlich durch Verluste erschwert. Im Oktober wurden mehrere AMISBeobachter von SLA-Rebellen getotet undd die Lage flir die AU-Soldaten blieb seitdem unsicher. Im Berichtsjahr beschrankten sich bewaffiiete Auseinandersetzungen nicht nur auf Darfur im Westen des Landes. Im Ostsudan marschierten Mitte des Jahres bewaffiiete Rebellen aus Basen in Eritrea ein, eroberten Gamisonen der sudanesischen Regierungstruppen und erbeuteten groBe Mengen an Waffen. Der scheinbar neue Konflikt hat weit zuruckliegende Wurzeln. Die Bevolkerung im Osten des Sudan sieht sich ahnlich wie die im Stiden und Westen des Landes von der Zentrab-egierung in Khartum marginalisiert. Die alteste bewaffiiete Gruppe im Ostsudan ist der von Eritrea untersttitzte Beja Congress. Dieser verbiindete sich im Berichtsjahr mit einer weiteren lokalen Gruppierung namens Free Lions. Unterstutzt wurde dieses Bundnis sowohl von der JEM als auch von der SPLM, eine Konstellation, die die verstrickte Lage im Sudan deutlich macht. Die Lage im Ostsudan blieb nach den Ubergriffen im Juni allerdings im Rest des Berichtsjahres weitgehend ruhig. Ob das im Berichtsjahr endgtiltig unterzeichnete umfassende Friedensabkommen zwischen der Zentrab-egierung und der SPLM positive Auswirkungen auf die Lage in Darfur haben wird, bleibt abzuwarten. Zwar hatte die SPLM Darfiir mit auf ihrer politischen Agenda. Jedoch ruckte der Krieg im Westen des Landes nach dem Unfalltod des Rebellenfuhrers und designierten Vizeprasidenten John Garang aus dem Blickfeld. Die Zeichen dafiir, dass die SPLM ihren neu gewonnenen Einfluss in absehbarer Zeit dazu nutzen wird.
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um verstarkt zu einer Losung in Darfiir beizutragen, stehen schlecht, zumal bei der Regierungsumbildung im September samtliche wichtigen Posten bei den alten Machthabem unter Prasident Omar Beshir verblieben. Auch ist es wahrscheinlich, dass Garangs Nachfolger Salva Kiir, dem dessen politische Erfahrimg und Akzeptanz fehlen, sich trotz des gesamtsudanesischen Vertretungsanspruchs der SPLM zunachst um die wesentlichen Belange des Siidens kiimmem wird, bevor er den Blick nach Darfiir richtet. Trotz der in der siebten Verhandlungsrunde der Abuja-Gesprache erzielten Einigung hielt die Gewaltausiibung von Seiten aller Kriegsparteien an und es deutet wenig darauf hin, dass sich die Akteure diesmal an die Abmachungen halten werden. Trotz wiederholter Waffenstillstandsabkommen scheint bisher keine der Seiten einen Gewaltverzicht als emsthafte Losung in Betracht zu ziehen, stattdessen komplizierte sich die Lage weiter durch Machtkampfe zwischen den Rebellen. Bin starkerer intemationaler Druck und eine Ausweitung des AU-Mandats scheinen daher notwendige Schritte zu einer Eindammung des Konfliktes. Yasemin Ergin Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Flint, JulieAVaal, Alexander de: Darftir. A Short History of a Long War, London 2005 Human Rights Watch: Darfur Destroyed. Ethnic Cleansing by Government and Militia Forces in Western Sudan, 2004: http://www.hrw.org International Crisis Group: Unifying Darfiir's Rebels. A Prerequisite for Peace, 2005: http ://www. icg.org Johnson, Douglas H.: The Root Causes of Sudan's Civil War, Oxford u. a. 2003 Mamdani, Mahmood: Preliminary Thoughts on Darfur, in: CODESRIA Bulletin 2004/3&4, S. 37-40 Waal, Alex de: Wie die Fur zu Afrikanem wurden. Die historischen Wurzeln des DarfurKonflikts, in: Le monde diplomatique (deutsche Ausgabe), September 2004, S. 14-15 http://www.sudanjem.com (JEM)
Tschad (Bewaffneter Begmn: Beteiligte:
Konflikt) 1966 (Krieg 1966-1996) SCUD, RDL, FUCD, MDJT / Tschad
Mit der Grundung zahheicher neuer Rebellengruppen, alien voran der Socle pour le Changement, rUnite National et la Democratie (SCUD, Basis fiir Veranderung, nationale Einheit und Demokratie) und der Rassemblement pour la Democratie et les Libertes (RDL, Sammlung fiir Demokratie und Freiheiten) veranderte sich der Kreis der militanten Regierungsgegner. Dies hatte zur Folge, dass sowohl gewaltsame ZusammenstoBe zwischen der
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tschadischen Armee und den verschiedenen Rebellengmppen als auch Spannungen mit dem Nachbarland Sudan, wo sich die Rebellen formiert batten, zunahmen. Dagegen setzte sich die Abschwachung des Konflikts zwischen der Regierung und den beiden bislang einflussreichsten Rebellenbewegungen Mouvement pour la Democratic ct la Justice au Tchad (MDJT, Bewegung fur Demokratie und Gerechtigkeit im Tschad) und Armee Nationale de Resistance (ANR, Nationale Armee des Widerstands) im Berichtsjahr weiter fort. Bewaffiiete Auseinandersetzungen zwischen Rebellengmppen und der Regierung fanden im Tschad praktisch ohne Unterbrechung seit 1966 statt. Der Krieg um die Kontrolle des Staates begann mit dem Kampf der aus verschiedenen Exilgruppen zusammengesetzten Front de Liberation Nationale (FROLINAT, Front der Nationalen Befreiung), die 1975 den ersten Prasidenten des Tschad, Francois Tombalbaye, stiirzte. Damit erreichte die FROLINAT zugleich das Ende der politischen Dominanz des christlich gepragten Sudens iiber das ganze Land. Die Kolonialmacht Frankreich hatte mit der systematischen wirtschaftlichen und politischen Forderung des Sudens das vorkoloniale Krafteverhaltnis umgedreht, das sich durch die Herrschaft der zentralisierten Gesellschaflen des Nordens iiber den Siiden auszeichnete. Die FROLINAT zerfiel nach 1975 in verschiedene rivalisierende Organisationen, die in den folgenden Jahren gewaltsam um die Herrschaft konkurrierten und abwechselnd die Regierung ubemahmen. In der Zeit nach dem Zerfall der FROLINAT wurden groBe Telle der Hauptstadt N'Djamena und der Infrastruktur des Landes zerstort. Diese Phase war die verlustreichste des Krieges, in der ein GroBteil der insgesamt iiber 200.000 Kriegsopfer ums Leben kam. Der seit 1983 regierende Prasident Hissene Habre konnte 1986/87 mit massiver franzosischer Unterstiitzung einen kurzen zwischenstaatlichen Krieg gegen Libyen um den Aouzou-Streifen im Norden des Tschad gewinnen. Ende 1990 wurde er jedoch durch aufstandische Truppen unter seinem ehemaligen Streitkraftekommandanten Idris Deby gestiirzt, der finanziell und logistisch von Libyen unterstiitzt wurde. Nachdem Deby das Prasidentenamt erobert hatte, dauerte es noch bis Mitte der 1990er Jahre, bis die kriegerischen Auseinandersetzungen innerhalb des Tschad sich soweit abschwachten, dass die Kampfe seit 1996 als bewaffiieter Konflikt und nicht mehr als Krieg eingestuft werden. Die abnehmende Intensitat und Kontinuitat der Kampfe ging einher mit einer Starkung der Position Debys. Er erreichte dies zum einen durch den Ausbau militarischer Starke und zum anderen durch politische Reformen, uber die im Marz 1996 ein Verfassungsreferendum durchgefiihrt wurde. Trotzdem blieben Debys Regierungsstil autoritar und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Abgesehen von dem kurzen zwischenstaatlichen Krieg mit Libyen ist der Konflikt im Tschad eine Auseinandersetzung zwischen Angehorigen der
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herrschenden Elite des Landes. Die Vielzahl verschiedener Rebellengruppen, die iiber die Jahre hinweg gegen die wechselnden Regierungen gekampft haben, wurden immer wieder von Mitgliedem der kleinen politischen und militarischen Elite des Tschad angefuhrt. Dabei hingen Erfolg und Misserfolg maBgeblich von der Gunst extemer Machte - hauptsachlich Frankreich und Libyen - ab. Die Herausforderer waren in der Kegel zuvor Prasidenten, Minister Oder ranghohe Offiziere. Grundsatzlich strebten alle Rebellengruppen die Ubemahme der Regierungsgewalt in der Hauptstadt an, um an die damit verbundenen Machtressourcen zu gelangen. Dies sind zum einen die Kontrolle uber den wirtschaftlich potenten Siiden, in dem seit Mitte 2003 auch Erdol gefbrdert wird, und zum anderen die Kontrolle iiber die Armee. Die MDJT, in den letzten Jahren die starkste der verschiedenen Rebellengruppierungen, war von Debys ehemaligem Verteidigungsminister Youssouf Togoimi 1998 gegriindet worden. Sie hatte ihre Operationsbasis und Anhangerschaft hauptsachlich im Norden, wandte sich gegen die Kultur der Straflosigkeit sowie die repressive Regierungsfuhrung Debys und verlangte dessen Riicktritt. Im Zuge eines Friedensabkommens im Januar 2002 spaltete sich die MDJT. Diese Spaltung vertiefte sich nach dem Tod ihres Anfiihrers und Grunders Togoimi im September 2002 noch weiter. Ein Teil der MDJT um deren Vizeprasidenten Adoum Togoi bekannte sich zu dem mit der Regierung unterzeichneten Abkommen. Neben der Einstellung der Kampfhandlungen beinhaltete es eine Amnestic flir die MDJT-Kampfer und mehrere hundert Rebellen soUten in die Armee iibemommen werden. Allerdings bestritt ein groBer Teil der MDJT die Gultigkeit des Friedensabkommens. Der als Hardliner geltende Hassan Abdallah Mardigue wurde zum neuen Anfiihrer gewahlt und noch 2003 fanden Gefechte zwischen der MDJT und Regierungstruppen statt. Mardigue war unter Debys Vorganger Habre Offizier in der Armee gewesen und hatte diese ein Jahr nach Debys Amtsantritt verlassen. Die inneren Spaltungen sowie die mangelnde Unterstiitzung von auBen haben dazu beigetragen, dass weder die MDJT, die sich mit fiinf weiteren Gruppen zur Union des Forces pour le Changement (UFC, Vereinigung der Krafte flir Veranderung) zusammenschloss, noch die ANR 2004 aktiv waren. An einem Putschversuch Mitte Mai war keine der beiden Rebellenbewegungen beteiligt, sondem enge Vertraute von President Deby, die wie er selbst zur Ethnic der Zaghawa zahlten. Der Putschversuch war unter anderem durch die Unzufriedenheit in Debys Umkreis mit dem Vorgehen des Prasidenten im Darfiirkonflikt motiviert (vgl. den Beitrag zu Sudan (Darfiir)). Die sudanesische Region Darfiir, die im Osten an den Tschad grenzt, weist eine ahnliche ethnische Zusammensetzung auf wie die Provinz Ouaddai auf tschadischer Seite. Prasident Deby, der in dem Konflikt eine wichtige Vermittlerrolle einnimmt, befindet sich daher in einer schwierigen Situation. Beim Sturz seines Vorgangers Habre erhielt er Unterstiitzung sowohl durch
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die sudanesische Regierung als auch durch die Zaghawa, die nun innerhalb der Sudan Liberation Army (SLA) gegen ebendiese kampfen. Darliber hinaus kann ihm nicht an einer weiteren Eskalation des Konflikts gelegen sein, da die rund 200.000 sudanesischen Fliichtlinge das arme Land vor groBe Probleme stellen. Zudem besteht die Gefahr, dass sich der Konflikt iiber die Grenze in den Tschad ausweitet. In der ersten Januarwoche wurden bei mehreren Feuergefechten zwischen unbekannten Milizen und der lokalen Bevolkerung rund um die Fliichtlingslager 15 Menschen getotet. Im April kamen bei einem Attentat auf den Gouvemeur von Ouaddai, Haroun Saleh, zwei von dessen Mitarbeitem urns Leben. Die zunehmenden Spannungen in der Region sowie Berichte iiber eine Unterstutzung und Bewaffiiung tschadischer Rebellengruppen durch die sudanesische Regierung ftihrten dazu, dass der Tschad im April kurzfristig seine Vermittlerrolle im Darflirkonflikt aufgab. Als tschadische Sicherheitskrafte im Mai drei Fliichtlinge des Fliichtlingslagers Goz Amer verhafteten, kam es dort zu bewaffheten Auseinandersetzungen, in deren Verlauf drei Aufstandische sowie ein Polizist ums Leben kamen. Ihren vorlaufigen Hohepunkt erreichten die Spannungen im Grenzgebiet als am 26. September eine uniformierte Gruppe aus dem Sudan das Dorf Madayouna iiberfiel und dabei 36 Tschader totete. Tschadische Streitkrafte nahmen anschlieBend sieben Mitglieder der Gruppe fest, dabei kamen acht weitere Mitglieder und zwei Soldaten ums Leben. Die tschadische Regierung machte spater sudanesische Dschandschawid-MilizQn fur den tJberfall verantwortlich. Fur weiteres Konfliktpotenzial sorgte die Griindung einiger neuer Rebellengruppen. Am 5. Oktober kundigten zwischen 50 und 300 schwer bewaffnete Militars unter Kommandant Yaya Dilo ihre Loyalitat zu Deby auf und gaben die Griindung der SCUD bekannt. Diese bekannte sich zu Oberfallen auf einen Militarstandort in der Stadt Guereda am 26. November und eine Gruppe Armeeangehoriger am 7. Dezember. Dabei wurden drei Soldaten getotet und mehrere Fahrzeuge erbeutet. Die im Grenzgebiet zum Sudan stationierte Gruppe wuchs bis Dezember auf etwa 700 Kampfer an und setzte sich hauptsachlich aus Zaghawas zusammen, die aus den Streitkraften desertiert waren. Zudem schlossen sich ehemalige Unterstiizer des Prasidenten der SCUD an, wie zum Beispiel Tom und Timane Erdimi, zwei Neffen des Prasidenten. Tom Erdimi, ehemaliger Koordinator des Erdolprojektes in Doba, wird immer ofter als Anfuhrer der SCUD bezeichnet. Eine zweite Gruppe griindete sich Ende Oktober. Die ebenfalls im Osten operierende und etwa 800 Kampfer umfassende RDL unter Fuhrung von Mahamat Nour griff am 17. Dezember die an der Grenze zum Sudan gelegene Stadt Adre an. Bei den zweitagigen heftigen Kampfen sollen nach Angaben des tschadischen Militars 300 Rebellen, ftinf Soldaten und drei Zivilisten getotet worden sein. Die RDL meldete 70 getotete Regierungssoldaten und 9 eigene Kampfer. Unabhangige Einschatzungen lagen nicht vor. Angriffe auf
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Militarstiitzpunkte oder Ausbildungszentren beschrankten sich allerdings nicht auf SCUD und RDL. Auch kleineren Gruppen gelang es auf diese Weise Waffen zu erbeuten. Am 28. Dezember vereinigten sich acht Oppositionsgruppen, darunter auch RDL und SCUD, unter der Fuhrung von RDLKommandant Nour zur Front Uni pour le Changement Democratique (FUCD, Vereinigte Front fiir den demokratischen Wandel). Seit Oktober 2005 hatten die tschadischen Streitkrafte fast taglich Desertionen zu verzeichnen, zunachst offenbar hauptsachHch aus den Reihen der Republikanischen Garde, einer 3.000 bis 5.000 Soldaten starken Eliteeinheit, die hauptsachHch mit dem Schutz des Prasidenten betraut war und sich groBtenteils aus Zaghawas zusammensetzte. Mehrere Offiziere dieser Einheit, die schon in den Putschversuch im Mai 2004 verwickelt gewesen waren, versuchten in der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober den Prasidenten festzusetzen. Als dies misslang, flohen sie in den Osten des Landes und schlossen sich der SCUD an. President Deby loste daraufhin noch am 28. Oktober die Republikanische Garde auf und ersetzte sie am 3. November durch eine neue Eliteeinheit, die nur noch 1.640 Soldaten umfasst. Dies ist wohl ebenso als ein Zeichen der Spannung zwischen Deby und seiner eigenen Ethnic zu deuten wie ein am 15. November erlassenes Dekret, welches rund 200 Spitzenposten in Polizei und Militar zugunsten anderer ethnischer Gruppen neu verteilte. Die MDJT gab im Berichtsjahr weiterhin ein gespaltenes Bild ab. Wahrend ein Sprecher im Januar die Wahl des moderaten Langzeitexilanten Aboubakar Choua Dazi zum MDJT-Prasidenten bekannt gab, bestatigte ein anderer Flugel Mardigue als alleinigen Fiihrer. Im Oktober nutzte die MDJT offenbar den Aufruhr im Osten. Die Gruppe gab an, im Tibestigebirge im Norden des Tschad bei Wadi Marou 10 Regierungssoldaten getotet und mehrere festgenommen zu haben. Mit der Unruhe im Osten des Tschad und vor allem nach dem Angriff auf Adre wuchsen auch die Spannungen zwischen dem Tschad und dem Sudan wieder an. Seit Ausbruch des Darfurkonflikts bezichtigen sich beide Lander gegenseitig der UnterstUtzung von Rebellenbewegungen auf jeweils fremdem Territorium. Die tschadische Regierung beschuldigte den Sudan mehrmals, die RDL im Grenzgebiet militarisch, logistisch und fmanziell zu unterstiitzen. Nach dem Angriff auf die Grenzstadt Adre verfolgten tschadische Streitkrafte die Aufstandischen bis in sudanesisches Staatsgebiet. Der Konflikt im Tschad hat sich gegen Ende des Berichtsjahres verscharft. Die Untersttitzung der Rebellen durch die einflussreichen ErdimiBriider, die Auflosung der Republikanischen Garde und die haufiger werdenden Angriffe der zahh*eichen Rebellenbewegungen auf Militareinrichtungen sind ein deutliches Zeichen. Fliichtlingsstrome aus dem Sudan und der Zentralafrikanischen Republik tiberfordem das Land und es ist zu erwarten, dass der anhaltende Darfurkonflikt den Tschad weiterhin destabilisiert. Dartiber
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hinaus steht 2006 eine Prasidentschaftswahl an, in deren Vorlauf Deby die Verfassung andem lieB, um emeut kandidieren zu konnen. Alexander Schwartz Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Azevedo, Mario Joaquin: Roots of Violence. A History of War in Chad, Amsterdam 1998 Azevedo, Mario Joaquim/Nnadozie, Emmanuel U.: Chad. A Nation in Search of Its Future, Boulder-Oxford 1998 Conesa, Pierre: Ein fiktiver Staat und konkrete Interessen. Die Dauerkrise im Tschad, in: Le monde diplomatique (deutsche Ausgabe), Mai 2001 Nolutshungu, Sam C: Limits of Anarchy. Intervention and State Formation in Chad, Charlottesville - London 1996 Petry, Martin: Wem gehort das schwarze Gold? Engagement fur Frieden und Gerechtigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Erdolprojekt Tschad-Kamerun. Frankfurt a.M. 2003 http://www.ialtchad.com (Nachrichten) http://www.mdjt.net (MDJT) http://www.tchad-info.net (Regierungskritische Nachrichten)
Uganda (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1995 A-2 LRA / Uganda, SPLA, Sudan
Der Konflikt zwischen Uganda und der im Norden Ugandas operierenden Lord's Resistance Army (LRA) konnte auch im Jahr 2005 nicht beendet werden. Verhandlungen tiber eine friedliche Losung des Konflikts, die Ende des Jahres 2004 aufgenommen und bis zum April 2005 fortgefuhrt wurden, endeten ohne Ergebnis. Der Konflikt wurde 2005 etwa zu gleichen Teilen in Uganda und im Sudan ausgetragen, bis im Oktober mit der Demokratischen Republik Kongo ein drittes Land in den Konflikt hineingezogen wurde als etwa 400 Kampfer der LRA die Grenze uberquerten und sich bis zum Ende des Jahres im Garamba-Nationalpark aufhielten. Den Hintergrund fiir den seit Ende der 1980er Jahre in wechselnder Intensitat andauemden Konflikt bilden zum einen soziale und okonomische Ungleichheiten zwischen den einzelnen Landesteilen Ugandas und zum anderen eine Geschichte, die nach der Unabhangigkeit 1962 von Gewalt zwischen verschiedenen Ethnien und mehreren militarischen Machtiibemahmen gepragt war. Konflikte zwischen den verschiedenen Ethnien auf dem Gebiet des heutigen Ugandas bestanden schon vor der Kolonialzeit und wurden von der Kolonialmacht GroBbritannien noch verstarkt. In der Kolonialzeit wurde im Sliden des heutigen Uganda die landwirtschaftliche Entwicklung gefordert,
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wahrend die Armee vor allem aus den nordlichen Gebieten, die von Acholi und Langi bewohnt werden, rekrutiert wurde. Acholi und Langi bildeten auch nach der Unabhangigkeit den Kern von Armee und Regierung wahrend der zwei Regiemngszeiten von Milton Obote von 1962 bis 1971 sowie von 1980 bis 1985. Nach Obotes Sturz 1985 durch Tito Okello wuchs der Einfluss der Acholi in Armee und Regierung, bis Okello ein Jahr spSter von der National Resistance Army (NRA) des heutigen Prasidenten Yoweri Kaguta Museveni geschlagen wurde. Die Soldaten der NRA, die uberwiegend aus den siidlichen Regionen Ugandas stammten, bildeten daraufhin die neue Armee. Die Bevolkerung im Norden Ugandas verlor damit an Status, Einkommen und politischem Einfluss und fiirchtete zudem Repressalien der NRA, da sie Musevenis Vorganger Obote und Okello unterstutzt hatte. Entlassene Angehorige der Armee unter Okello bildeten noch 1986 die Uganda People's Defence Army (UPDA), eine Rebellengruppe, deren Ziel der Sturz der Regierung Musevenis war. Zur gleichen Zeit entstand mit der Holy Spirit Movement (HSM) unter der Fiihrung von Alice Lakwena eine gewalttatige Gruppe im Norden Ugandas. Beide Bewegungen hatten groBen Riickhalt in der Bevolkerung. Wahrend die HSM militarisch geschlagen wurde, endete der Konflikt zwischen Regierung und UPDA 1988 mit einem Friedensabkommen. Joseph Kony, einem Verwandten Lakwenas, gelang es Elemente aus beiden Bewegungen zu tibemehmen und in der LRA zusammenzufiihren. Die Entstehung der LRA aus sowohl einer politischen als auch einer religiosen Bewegung spiegelt sich in ihren erklarten Zielen wieder, die aus der Errichtung eines christlichen Gottesstaates mit einer auf den Zehn Geboten basierenden Verfassung in Uganda, dem Sturz President Musevenis sowie der Befreiung des Volkes der Acholi bestehen. In den letzten Jahren wurden diese Ziele von der LRA jedoch nicht mehr emsthaft verfolgt oder mit konkreten politischen Forderungen verkniipft. Die Befreiung des Volkes der Acholi ist als Ziel in hohem MaBe unglaubwiirdig geworden, da die Zivilbevolkerung im Gebiet der Acholi die meisten Opfer in dem Konflikt zwischen LRA und Uganda zu beklagen hat und in vielen Fallen das direkte Ziel von Angriffen der LRA war. Bis 1995 wurde der Konflikt mit relativ geringer Intensitat ausgetragen. Angriffe der LRA richteten sich zunachst vor allem gegen Einrichtungen der Armee Ugandas. Nach und nach verlagerten sich die Angriffe jedoch starker auf zivile Ziele. Am starksten betroffen waren dabei die von Acholi bewohnten Distrikte, aus denen die LRA sich urspninglich rekrutierte und ihre Unterstutzung bezog. Ein Versuch, den Konflikt durch Verhandlungen beizulegen, scheiterte 1994 unter anderem an der Forderung Musevenis, die LRA miisse sich innerhalb von sieben Tagen ergeben. In der Folge intensivierte sich der Konflikt und kann seitdem als Krieg eingestuft werden. In den Jahren 1996 und 1997 weitete die LRA ihre Angriffe im Norden auf die Distrikte Pader, Kitgum und Gulu aus. Die Armee setzte dieser Offensive zunachst
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wenig entgegen, da parallel im Westen Ugandas eine weitere Rebellengruppe, die Allied Democratic Forces (ADF), die Regierung Musevenis bekampfte. In den letzten Jahren bestanden die Aktionen der LRA fast ausschlieBlich aus tJberfallen auf Dorfer, Fliichtlingslager und Fahrzeuge, die gepltindert und anschlieBend haufig niedergebrannt wurden. Bereits seit 1991 entftihrte die LRA immer wieder Kinder in groBer Zahl, um sie zu Kampfem der LRA zu machen. Die Entfiihrten wurden dazu gezwungen Grausamkeiten zu begehen, die zum Beispiel in der Totung oder Verstiimmelung naher Verwandter bestanden. Dadurch sollten die Bindungen der Kinder an ihr fruheres Leben zerstort werden. Insgesamt wurden seit Anfang der 1990er Jahre etwa 30.000 Kinder von der LRA entfuhrt. Der Anteil an derart rekrutierten Kindersoldaten an der Gesamtstarke der LRA hat sich wahrscheinlich seit Beginn des Krieges kontinuierlich erhoht. Anfang 2004 bestand die LRA nach Schatzungen der UN nur noch aus ein paar hundert erwachsenen Kampfem und etwa 2.000 bis 3.000 Kindersoldaten. Die Strategie der Armee gegen die LRA bestand lange Zeit vor allem darin, die Zivilbevolkerung im Norden Ugandas zu bewafftien, sie in Milizen gegen die LRA zu organisieren und ansonsten einige wichtige StraBen zu kontrollieren. Die Bewachung der Fliichtlingslager im Norden, in denen bis heute etwa 1,7 Millionen Menschen vor der Gewalt der LRA Schutz suchen, wurde ebenfalls den bewafftieten Milizen iibertragen. Diese konnten die LRA in vielen Fallen jedoch nicht von Angriffen auf die Lager abhalten, da sie den Angreifem oft zahlenmaBig unterlegen sowie zu schlecht ausgeriistet und ausgebildet waren. In einigen Fallen mussten die Milizen von der Armee wieder entwafftiet werden, da sie ihrerseits Uberfelle auf die Zivilbevolkerung und Diebstahle veriibten. Geschiirt wurde der Konflikt zwischen Uganda und der LRA tiber Jahre hinweg durch die Feindschaft zwischen den Regierungen Ugandas und des im Norden angrenzenden Sudan. Wahrend Uganda die im Suden Sudans operierende Sudan People's Liberation Army (SPLA) im Kampf gegen die Zentralregierung in Khartoum unterstiitzte, versorgte der Sudan im Gegenzug die LRA mit Waffen und bot ihnen Riickzugsgebiete auf sudanesischem Territorium. GroBere Aktionen der Armee gegen die LRA verloren immer dann an Wirkung, wenn es den Kampfem der LRA gelang, sich uber die Grenze in den Sudan zurtickzuziehen. Entspannungen in den Beziehungen zwischen Uganda und dem Sudan fuhrten 2002 zu einem Abkommen, das es der ugandischen Armee erlaubte, die LRA bis zu etwa 90 Kilometer nordlich der Grenze auch innerhalb des Sudans zu bekampfen. Die Armee startete noch im selben Jahr eine groB angelegte Operation mit dem Ziel die LRA endgUltig zu schlagen. Im Laufe des Jahres 2004 wurde die LRA deutlich geschwacht. Nach einem Uberfall seitens der LRA auf ein Fliichtlingslager, bei dem uber 300
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Zivilisten getotet wurden, verstarkte die Armee die Angriffe auf die LRA in Uganda und ihre Riickzugsbasen im Sudan. Parallel trat eine Amnestieregelung in Kraft, die es Kampfem der LRA erlaubte sich straffrei zu ergeben. Laut Regierungsangaben wurden im Laufe des Jahres 2004 etwa 1.000 Kampfer der LRA getotet und weitere 700 haben sich in derselben Zeit ergeben. Im November 2004 wurde von Seiten der Regierung ftir bestimmte Gebiete ein einseitiger Waffenstillstand ausgerufen, der die Aufiiahme von Verhandlungen mit der LRA in diesen Gebieten ermoglichen sollte. Die Regierung emeuerte den Waffenstillstand bis zum Ende des Jahres. Nachdem die Unterhandler der LRA bis zum 31. Dezember 2004 nicht bereit waren, ein beiderseitiges Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen, wurden mit Beginn des Berichtsjahres die Kampfe von Seiten der Regierung wieder aufgenommen. Trotzdem gab es Anfang des Jahres 2005 Hoffhung auf eine friedliche Losung des Konflikts. Im Februar erklarte die Regierung emeut fur ein bestimmtes Gebiet in Uganda einen 18-tagigen Waffenstillstand. In dieser Zeit versuchte Betty Bigombe, die Unterhandlerin der Regierung, die Ende 2004 abgebrochenen Verhandlungen mit der LRA wieder aufzunehmen. AuBerhalb des Waffenstillstandgebiets wurden jedoch wiederholt Kampfe zwischen der Armee und der LRA ausgetragen. Streitigkeiten innerhalb der LRA iiber die Fortfuhrung der Verhandlungen fuhrten dazu, dass sich der Verhandlungsfiihrer der LRA Sam Kolo der Armee ergab. Der Waffenstillstand endete emeut ohne Ergebnis und die Armee nahm am 23. Februar die Kampfliandlungen gegen die LRA wieder auf, deren Starke von der Regierung noch auf etwa 400 bis 500 Mann geschatzt wurde. In den folgenden Monaten erhohte sich die Zahl der Angriffe der LRA. Diese wurden von kleineren Gruppen von 20 bis 50 Kampfer vertibt und richteten sich weiterhin im Wesentlichen gegen zivile Ziele. Einzelne Dorfer und Fluchtlingslager wurden angegriffen, Busse und andere Fahrzeuge iiberfallen. Mehrere hundert Menschen wurden von der LRA getotet, versttimmelt Oder entfiihrt. Neben der Verbreitung von Angst und Schrecken, dienten diese Angriffe der LRA auch dazu, sich mit Lebensmitteln und Waffen zu versorgen. Die LRA hatte sich dabei in zwei Gruppen aufgeteilt, von denen die eine im Norden Ugandas in den Distrikten Gulu, Pader, Kitgum und Apac aktiv war, wahrend die andere Gruppe, bei der sich vermutlich auch Kony aufhielt, sich immer weiter in den Sudan zurtickzog. In den Sommermonaten fliichteten iiber 4.000 Menschen aus dem stidlichen Sudan vor den Angriffen der LRA. Im September zog sich die LRA im Sudan so weit nach Norden zuruck, dass die Armee Ugandas sie unter der bestehenden Vereinbarung mit dem Sudan dort nicht mehr verfolgen konnte. Nach Verhandlungen zwischen den Regierungen Anfang Oktober wurde der ugandischen Armee daraufhin erlaubt, die LRA soweit in den Sudan zu verfolgen wie notig. AuBerdem wurde
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eine verstarkte Kooperation der Armeen Ugandas und des Sudans sowie der SPLA im Kampf gegen die LRA beschlossen. Im Oktober weitete sich der Konflikt auf ein weiteres Land aus, als eine Gruppe von etwa 400 Kampfem der LRA unter der Fiihrung von Konys Stellvertreter Vincent Otti die Grenze zur Demokratischen Republik Kongo iiberquerte, wo sie sich bis zum Ende des Jahres vermutlich im GarambaNationalpark aufliielt. Ob sich seitdem auch Kony in den Kongo zurtickgezogen hat, ist unklar. Der Armee Ugandas wurde der Zugang in den Kongo bislang verweigert. Die kongolesische Armee sucht jedoch seit November zusammen mit etwa 150 Soldaten der Mission de ['Organisation des Nations Unies en Republique Democratique du Congo (MONUC) nach den Kampfem der LRA. Die Lage der Zivilbevolkerung im Norden Ugandas bheb 2005 unverandert schlecht. Ungefahr 1,7 Millionen Menschen lebten weiterhin in etwa 200 FKichtlingslagem, die nur unzureichend mit Nahrungsmitteln und medizinischen GUtem versorgt wurden. Nach Angaben der UN starben in diesen Lagem etwa 1.000 Menschen pro Woche. Nachdem mehrere Mitarbeiter von Hilfsorganisationen im Oktober von Angehorigen der LRA getotet wurden, verschlechterte sich die Versorgung der Fluchtlingslager weiter, da die Hilfsorganisationen ihre Aktivitaten in der Region aus Furcht vor weiteren tJberfallen einschrankten. Im Jahr 2005 gab es von zwei Seiten Bestrebungen intemational auf den Konflikt einzuwirken. Anfang des Jahres boten die Regierung von Tansania und die African Union (AU) militarische Hilfe im Kampf gegen die LRA an, die von der Regiemng Ugandas jedoch abgelehnt wurde. Im September stellte der Internationale Strafgerichtshof nach langen Ermittlungen Haftbefehle gegen Kony und vier weitere Anfiihrer der LRA wegen schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus. Von Menschenrechtsorganisationen wurde dies begruBt. In Uganda selbst bestand jedoch die Befiirchtung, dass die Haftbefehle eine Verhandlungslosung erschweren konnten, da die Anfuhrer der LRA nun auch ein Verfahren in Den Haag fiirchten miissten, sollten sie sich ergeben oder mit der Regiemng Ugandas einigen. Die Kooperation zwischen Uganda, dem Sudan und der SPLA haben die Lage fur die LRA im Sudan bedeutend erschwert Die militarischen Aktionen der ugandischen Armee und der SPLA gegen die LRA konnten diese zwar nicht endgiiltig schlagen. Es kann jedoch trotz ungenauer Angaben von einer weiteren personellen Schwachung der LRA im Berichtsjahr ausgegangen werden. Auch 2005 ergaben sich mehrere Kommandeure der LRA und nahmen die weiterhin giiltige Amnestieregelung in Anspmch. Trotz des Rtickzugs eines groBen Teils der LRA in den Kongo scheint ein militarischer Sieg tiber die LRA inzwischen in absehbarer Zeit moglich zu sein. Lars Thies
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Weiterfiihrende Literatur und Informationsquellen: Boas, Morten: Uganda in the Regional War Zone. Meta-Narratives, Pasts and Presents, in: Journal of Contemporary African Studies 22 (2004), S. 283-303 Doom, Ruddy/Vlassenroot, Koen: Kony's Message. A New Koine? The Lord's Resistance Army in Northern Uganda, in: African Affairs 98 (1999), S. 5-36 Ehrenreich, Rosa: The Stories We Must Tell: Ugandan Children and the Atrocities of the Lord's Resistance Army, in: Africa Today 45 (1998), S. 79-83 Lomo, Zachary/Hovil, Lucy: Behind the Violence. The War in Northern Uganda (Institute for Security Studies, Monograph 99), Pretoria 2004 Mutibwa, Phares: Uganda since Independence. A Story of Unfulfilled Hopes, London 1992 Van Acker, Frank: Uganda and the Lord's Resistance Army. The New Order No One Ordered, in: African Affairs 103 (2004), S. 335-358 http://www.govemment.go.ug (Regierung Ugandas)
Lateinamerika Haiti (Bewaffneter Beginn: Beteiligte:
Konflikt) 2004 Chimeres u.a. / Haiti, MINUSTAH
Im Februar 2004 musste Jean Baptiste Aristide, der letzte gewahlte Prasident Haitis, nach Massenprotesten das Land verlassen. Seitdem war in Haiti trotz Einsatz einer UN-Stabilisiemngstruppe kein Ende des bewaffiieten Konfliktes zwischen zunachst UN-Truppen, Polizei und Aristide-Gegnem auf der einen und Rebellengruppen, kriminellen Banden und Aristide-Unterstiitzem auf der anderen Seite in Sicht. Die 2005 andauemden Auseinandersetzungen gingen oft von bewaffiieten Banden aus, die den Armenvierteln der Hauptstadt entstammen. Wo Kriminalitat und politisch motivierte Kampfe flieBend ineinander iibergingen, entstand eine untibersichtliche und schwer zu durchbrechende Dynamik der Gewalt. Seit der Unabhangigkeit Haitis im Jahre 1804 wurden die kolonialen Strukturen nicht grundlegend reformiert. Den Eliten gelang es nicht, einen Staat zu griinden, der in der Lage ist, die Grundbedurfiiisse seiner Bevolkerung zu befiriedigen. Die 30-jahrige Herrschaft von Frangois und Jean-Claude Duvalier (1956-1986), der Tausende Regimegegner zum Opfer fielen, hat das Land bis heute gepragt. Den Duvaliers folgten vom Militar gestiitzte Regierungen, bis im Jahre 1990 der Priester Jean-Bertrand Aristide aus den ersten demokratischen Wahlen des Landes als Prasident hervorging. Er war vor allem bei der marginalisierten, schwarzen Bevolkerung popular. Aristide prangerte die soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit an und kritisierte das Militar, das de facto ein Machtinstrument der Ober- und Mittelschicht gegen die Interessen der Bevolkerungsmehrheit darstellte. Nach nur neun Monaten wurde Aristide durch einen Militarputsch aus dem Amt entfemt. Es folgten emeut drei Jahre militargestUtzte Regierungen. Regimekritiker wurden von paramilitarischen Gruppen verfolgt, zwischen 3.000 und 5.000 Menschen wurden ermordet. Angesichts zunehmender Fltichtlingsstrome und eklatanter Menschenrechtsverletzungen beschloss die Internationale Gemeinschaft die Entsendung einer multinationalen Eingreiftruppe, um die gewahlte Regierung wieder einzusetzen. Im letzten Moment kam es zur Einigung mit dem Regime in Haiti und Aristide konnte am 15. Oktober 1994 in die Hauptstadt Port-au-Prince zunickkehren. Er loste die Armee per Dekret auf und wichtige Armeefiihrer flohen ins Exil, um einer moglichen Strafverfolgung wegen Menschenrechtsverletzungen zu entgehen.
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Bei den Prasidentschaftswahlen 1994 musste Aristide, gemaB der haitianischen Verfassung, eine Legislatur aussetzen. So kandidierte Rene Preval fur Aristides Parte! Fanmi Lavalas (FL, Familie Lawine) und gewann die Wahl mit 88 Prozent der Stimmen. Wahrend Prevals Regierungszeit wuchsen jedoch die innenpolitischen Konflikte. GroBe Teile der Bevolkerung waren unzufrieden mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Die Polizei und bewafftiete Anhanger der Regierung tibten sporadisch Gewalt gegen Kritiker und Oppositionelle aus. 1999 wurden zwei Oppositionspolitiker von Unbekannten getotet, eine Woche spater wurde der ermittelnde Polizeichef erschossen. Nach den Kommunal- und Parlamentswahlen im Sommer 2000 musste sich die FL dem Vorwurf der Wahlmanipulation stellen. Das Oppositionsbiindnis Convergence Democratique (CD, Demokratischer Zusammenschluss) forderte die AnnuUierung der Wahlen. Vermittlungsversuche der Organisation of American States (OAS) blieben ergebnislos. Im November 2000 wurde die Prasidentschaftswahl durchgefuhrt und die Mitglieder der CD riefen zum Wahlboykott auf. Da die Kandidaten des Oppositionsbiindnisses nicht zur Wahl antraten, konnte Aristide die Wahl mit 94 Prozent der abgegebenen Stimmen gewinnen. Die Wahl wurde von der Opposition jedoch nicht anerkannt. Zudem erhohte sich vor und nach der Wahl die Zahl der Gewaltakte gegen Oppositionsmitglieder durch bewaffiiete Unterstiitzer Aristides. Auch von intemationaler Seite wurde die Legitimitat der Wahl angezweifelt. Zahlreiche Lander und Internationale Organisationen stellten in der Folge ihre finanzielle Hilfe fiir den bankrotten Staat ein. Die Opposition beharrte auf der AnnuUierung der Wahl und emannte einen Gegenprasidenten. Parallel dazu forderten Oppositionsanhanger die ehemaligen Mitglieder des von Aristide abgeschafften haitianischen Militars Forces Armees d'Haiti (FAH) dazu auf, gegen Aristide aktiv zu werden. Im Juli 2001 iiberfielen ehemalige FAH-Kampfer mehrere Polizeistationen in Port-au-Prince und im Plateau Central. Im Dezember 2001 griffen Ex-Militars den Regierungspalast an. Im weiteren Verlauf bildeten sich drei wesentliche Konfliktparteien heraus. Erstens die so genannten Chimeres (Chimaren), die sich vorwiegend aus marginalisierten Jugendlichen aus den Armenvierteln der Hauptstadt rekrutierten. Diese losen bandenartigen Zusammenschliisse wurden von der Regierung Aristide mit Geld und Waffen ausgestattet und gegen die Opposition eingesetzt. Zweitens schlossen sich bewaffiiete Verbande zur Front pour la Liberation et la Reconstruction Nationale (FLRN, Front ftir die Befi*eiung und den nationalen Wiederaufbau) zusammen. Die FLRN bestand aus Mitgliedem der abgeschafften FAH, der paramilitarischen Bewegung Front Revolutionaire pour I Avancement et le Progres d'Ha'iti (FRAPH, Revolutionare Front ftir den Fortschritt Haitis) und der so genannten Armee Cannibale (Kannibalenarmee), eine kriminelle Gruppe, die von Aristide fur seine Ziele
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eingesetzt wurde, bis der intemationale Druck zu groB wurde. Drittens formierte sich im Dezember 2002 die so genannte Gruppe der 184 als ein zivilgesellschaftliches Biindnis mit dem Ziel, den gestorten gesellschaftlichen Dialog wiederherzustellen. Auch wenn sich vorwiegend die biirgerlichintellektuelle Elite des Landes in diesem Biindnis organisierte, konnte sie ein beachtliches Mobilisierungspotential innerhalb der Bevolkerung vorweisen. In den folgenden Monaten organisierte die Gruppe der 184 zahlreiche Massenproteste gegen die Regierung. Immer ofter fiihrten diese zu gewalttatigen Auseinandersetzungen mit der Polizei oder Anhangem Aristides. Die im Dezember 2003 fast taglich stattfindenden Protestmarsche gegen Aristide setzten seine Regierung massiv unter Druck. Bei der Niederschlagung von Protesten durch die Polizei kam es zu zahlreichen Toten. Zeitgleich wendeten sich einige bewaffhete Gruppen, die Aristide zuvor unterstutzt hatten, gegen ihn. Die durch kriminelle Aktivitaten finanzierten Gruppierungen entzogen sich der Kontrolle des Regimes und entwickelten ein eigenes Machtpotential. Rebellen der FLRN lieferten sich ab dem 5. Februar 2004 im Norden und Osten des Landes mit Polizeieinheiten und Anhangem Aristides blutige Gefechte. Innerhalb weniger Tage kontrollierten die Rebellen den groBten Teil des Landes, nahmen die Stadte Cap Haitien und Gonaives ein, und riickten in Richtung Port-au-Prince vor. Wo die Rebellen die Macht tibemahmen, veriibten sie Racheakte gegen Aristide-Anhanger und es kam zu zahh*eichen Vergewaltigungen. Am 29. Februar verlieB Aristide das Land und fluchtete ins Exil nach Siidafrika. Der Rebellenfuhrer Guy Philippe besetzte am 1. Marz das Hauptquartier der Streitkrafte in Port-au-Prince. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes Boniface Alexandre iibemahm verfassungsgemaB das Amt des Prasidenten und bildete zusammen mit Premierminister Gerard Latortue die Spitze einer Ubergangsregierung. Der UN-Sicherheitsrat mandatierte umgehend eine multinationale Eingreiftruppe fiir Haiti. Die Truppen aus den USA, Kanada und Frankreich wurden am 1. Juni von der Mission des Nations Unies pour la Stabilisation en Haiti (MINUSTAH, UN-Mission fur die Stabilisierung in Haiti) unter Fuhrung Brasiliens abgelost. Die Misson umfasste 7.273 Soldaten und 1.549 Polizisten vor allem aus Landem der siidlichen Hemisphare. Seit der Eskalation der Massenproteste gegen Aristide im Januar 2004 sind iiber 1.000 Menschen bei Kampftiandlungen getotet worden. Nachdem sich die Gewalt langere Zeit auf bestimmte Stadtviertel der Hauptstadt, wie das Armenviertel Cite Soleil, beschrankt hatte, kam es gegen Ende 2004 zu einer Ausbreitung von einzelnen Gewaltereignissen auf bis dahin als sicher geltende Stadtgebiete. Im Berichtsjahr 2005 hat sich die Sicherheitslage in Haiti nur temporar gebessert. Die Situation auBerhalb von Port-au-Prince verbesserte sich, blieb aber weiterhin unsicher. Die Kontrolle iiber die ehemals von Rebellen besetzten nordlichen Teile des Landes konnte von UN-Truppen und der haitiani-
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schen Polizei weitgehend wiedererlangt werden. Dennoch sicherten sich Rebellenfuhrer und Bandenchefs in einigen Regionen des Landes weiterhin Einflussmoglichkeiten. In den Sommermonaten 2005 begann eine Welle der Gewalt, die bis Ende des Jahres anhielt. Vor allem in Port-au-Prince kam es zu Kampfen zwischen Anhangem und Gegnem Aristides. Die Motivation und Gruppenzugehorigkeit der Kampfer lieB sich haufig nur schwer rekonstruieren. So starben am 31. Mai sieben Menschen bei einem Angriff bewaffiieter Kampfer auf einem Marktplatz von Cite Soleil. Der gesamte Markt wurde dabei niedergebrannt. Auch bei zahlreichen Gefechten zwischen UN-Truppen und bewaffneten Banden kam es zu Toten und Verletzten. Bandenchef Emmanuel Wilmer und einige seiner Mitstreiter in Cite Soleil wurden getotet, als MrNUSTAH-Truppen versuchten ihn festzunehmen. Bei dem Einsatz kamen auch einige Zivilisten ums Leben. Meist blieben die offiziellen Ermittlungen uber zivile Opfer bei Kampfhandlungen ohne Ergebnis. Ein blutiger Hohepunkt der Gewalt ereignete sich am 20. August, als bewaffhete Kampfer Besucher eines FuBballspiels angriffen und etwa ein Dutzend von ihnen mit Macheten toteten. Das FuBballspiel war von der UN Agency for International Development organisiert worden und sollte jugendlichen Gangmitgliedem helfen, eine Alternative zur Gewalt zu entwickeln. Einige Armenviertel von Port-au-Prince waren weiterhin selbst fur Soldaten der MINUSTAH und fiir die Polizei nicht uneingeschrankt zuganglich, da mit Ubergriffen bewaffiieter Gruppen zu rechnen war. Wahlveranstaltungen fur die Prasidentschaftswahl wurden haufig durch Gewaltakte gestort Oder verhindert. In einigen Gegenden konnten sie gar nicht durchgeftihrt werden, weil von Angriffen auf die Politiker auszugehen war. Im Oktober 2005 stellte der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretars fiir die MINUSTAH Juan Gabriel Valdes in seinem Bericht fest, dass das tagliche Leben der Bewohner der Hauptstadt Port-au-Prince weiterhin von regelmaBigen Gewalttaten, sexuellem Missbrauch, LFberfallen, Belastigungen, Erpressungen und Einschtichterungen durch bewaffhete Banden gepragt war. Zwischen August und September 2005 wurden 150 Erwachsene und Kinder aus alien Gesellschaftsschichten entfiihrt, um Losegeld zu erpressen. Berichten zufolge kam es zu Folter, Vergewaltigungen und Misshandlungen von Entfiihrten durch ihre Kidnapper. Die nationale wie auch Internationale Kritik an der Ubergangsregierung wuchs im Verlauf des Jahres. Die Regierung schaffte es weder die wohlhabende noch die arme Bevolkerung zufi-ieden zu stellen. Anhaltende Unsicherheit, wirtschaftliche Stagnation und die schleppenden Wahlvorbereitungen erzeugten ein schlechtes Bild der Regiemngsarbeit in der Offentlichkeit. Zudem gab es wiederholt Berichte von massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei. So sollen Polizisten fiir Misshandlungen und unrechtmaBige Exekutionen verantwortlich sein. Aus diesen Griinden wurde die
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Leitung der Polizei emeuert. Doch auch nach dem Fiihrungswechsel gilt ein Viertel der Polizisten als korrupt. Die vollstandige Registrierung des Polizeipersonals sowie deren Waffen begann schleppend. Kriminelle Polizisten konnten aufgrund ihrer Beziehungen zur Ubergangsregierung im Amt bleiben. Wahrend vor 2004 die Gegner Aristides unter Polizeigewalt leiden mussten, so richtete sich die Repression nun gegen Unterstiitzer des ehemaligen Prasidenten. Die wirtschaftliche Situation des Landes blieb prekar. Viele Geschafte mussten wegen der anhaltenden Gewalt schlieBen. Internationale Hilfsorganisationen hatten groBe Probleme, verlassliche Partner und Projekte zu finden, die sie mit den wieder freigegebenen Hilfsgeldem unterstutzen konnten. Die Hurrikane Emmely und Dennis verursachten 2005 in einigen Gegenden Emteverluste von 20 bis 25 Prozent. Daruber hinaus schadete eine verfriiht einsetzende Durreperiode der Landwirtschaft. Auch die Arbeit der UN-Mission in Haiti geriet zunehmend in die Kritik. Besonders schwer wog der Vorwurf, Menschenrechtsverletzungen von Seiten der haitianischen Polizei nicht verhindert und ausreichend verfolgt zu haben. Zudem wurde die Entwaffiiung der Konfliktparteien vemachlassigt. Nach Schatzungen von Menschenrechtsorganisationen kursieren immer noch bis zu 210.000 Kleinwaffen im Land. Durch die andauemde Instabilitat wurde Haiti noch attraktiver fiir den schon seit langem existierenden Schmuggel und den intemationalen Drogenhandel. Uber Haiti wurden etwa 15 Prozent des USamerikanischen Kokainhandels abgewickelt. Rebellengruppen und bewaffiiete Banden waren an diesen Geschaften beteiligt. Doch die groBte Herausforderung steht noch bevor. Um Stabilitat und Rechtsstaatlichkeit zu schaffen, soil eine neue, demokratisch legitimierte Regierung gewahlt werden. Der knapp gesetzte Wahltermin musste mehrmals verschoben werden und wurde nun auf den 7. Februar 2006 verlegt. Im November 2005 waren bereits 3,4 Millionen der 4,25 Millionen Wahlberechtigten registriert. Internationale Beobachter furchteten einen Anstieg der Gewalt wahrend der Wahlen, zum einen um das Wahlergebnis zu beeinflussen oder im Nachhinein, um die RegierungsUbemahme eines gegnerischen Kandidaten zu verhindem. Die Vorbereitungen der Wahlen liefen aber bis Ende 2005 im Wesentlichen ohne groBere Zwischenfalle ab. Zur Prasidentschaftswahl treten Kandidaten aus alien politischen Lagem an. Gute Chancen die Wahl zu gewinnen hat der ehemalige Prasident Rene Preval, der eine eigene Partei namens Lespwa (Hoffiiung) griindete. Seine starksten Gegner sind der Untemehmer Charles Henri Baker und der Favorit der FL-Anhanger Mare Basin, ein renommierter Okonom und ehemaliger Weltbankmitarbeiter. Insgesamt kandidieren 54 Personlichkeiten aus alien politischen Richtungen, die fast alle in Haitis Politik bereits eine Rolle gespielt haben. Ob nach den Wahlen im Friihjahr 2006 eine neue Regierung Stabilitat herstellen kann ist zweifelhaft. Die zahbeichen, nicht kontrollierbaren be-
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waffiieten Gruppen profitieren von der durch Gewalt erzeugten Instabilitat und werden daher versuchen, die Fragmentierung der Macht in Haiti aufrecht zu erhalten. Die schlechte wirtschaftliche Situation, politische Resignation in grofien Teilen der Bevolkerung und ein Mangel an Kompromissfahigkeit bei den meisten politischen Akteuren bieten geniigend Zundstoff fiir ein Andauem der Gewalt. Matthias Beer Weiterflihrende Literatur und Informationsquellen: Cholet, Jerome/Flemes, Daniel: Haiti - Ein Jahr nach dem Sturz Aristides. Leitet die UNStabilisierungsmission die Wende ein? (Institut fur Iberoamerikakunde, Brennpunkt Lateinamerika Nr. 5), Hamburg 2005 Nissen, Astrid: Haiti nach Aristide. Die Konturen der Krise (Institut fur Iberoamerikakunde, Brennpunkt Lateinamerika Nr. 4), Hamburg 2004 http://www.haiti-info.com (Internationale Presseartikel zu Haiti) http://www.haiti-kogruppe.de (Haiti-Koordinationsgruppe von Amnesty International in Deutschland) http://www.haitipressnetwork (Aktuelle Presseberichte iiber Haiti) http://www.minustah.org (MINUSTAH)
Kolumbien (ELN) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1965 A-2 ELN / Kolumbien, AUG
Das Berichtsjahr 2005 zeichnete sich auf der einen Seite durch eine weiterhin hohe Gewaltintensitat, auf der anderen Seite durch vorsichtige Entspannungssignale aus. Weiterhin kam es in zahlreichen Provinzen des siidamerikanischen Landes regelmaBig zu Kampfen zwischen Regierungstruppen, den paramilitarischen Einheiten der Autodefensas Unidas de Colombia (AUG, Vereinigte Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens) sowie den linksgerichteten Guerillagruppierungen Ejercito de Liberacion Nacional (ELN, Nationales Befreiungsheer) und Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARG, Revolutionare Streitkrafte Kolumbiens) (vgl. den Beitrag zu Kolumbien (FARG)). Gleichzeitig gab es Hinweise darauf, dass die Rebellen des ELN in die Defensive gedrangt wurden und die Moglichkeit emsthafter Friedensverhandlungen scheint fiir die Zukunft nicht ausgeschlossen zu sein. Bis heute bilden die Erfahrungen aus dem „La Violencia" (Die Gewalt) genannten kolumbianischen Burgerkrieg (1948-1957), der rund 250.000 Todesopfer forderte, das ideologische Fundament des ELN. Es entstand aus einer Vielzahl marxistisch-leninistischer Splittergruppen der filihen 1960er
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Jahre, zu deren Rekrutierungsbasis vomehmlich Studenten sowie Gegner der GroBgrund besitzenden Schicht und der kapitalistischen Landwirtschaft gehorten. Nachdem sich Versuche, eine Guerilla in den Ballungsraumen zu etablieren, wiederholt als erfolglos erwiesen batten, zog sich die Gruppe in den landlichen Nordosten Kolumbiens zurtick. Fortan konzentrierte sie sich auf Landstriche zwischen Karibikkiiste, venezolanischer Grenze und nordlicher Cordillera Central, wo immer mehr Gebiete unter ihre Kontrolle gerieten. Die Rebellen installierten ein eigenes Verwaltungssystem, erhoben Steuem und mischten sich in Streitigkeiten zwischen GroBgrundbesitzem und Kleinbauem ein. Zudem engagierten sich die meisten ELN-Fraktionen in einer Vielzahl ortlicher Hilfsprojekte und bauten die Sozialfursorge fiir die landliche Bevolkerung zum nichtmilitarischen Fltigel der Guerilla aus. Seit Beginn der 1980er Jahre bestand die Kemforderung des ELN in einer Nationalisierung der Bodenschatze im erdolreichen Nordosten des Landes. Die Rebellen agitierten gegen multinationale Konzeme und verlibten Sabotageanschlage auf Erdol-Pipelines. Schutz- und Losegelder aus Erpressungen und Entfiihrungen bildeten die Haupteinnahmen der Organisation. Im Gegensatz zu den vorrangig in den siidlichen Landesteilen operierenden FARC lehnte das ELN nach eigener Darstellung die Duldung und Besteuerung des Kokaanbaus jederzeit ab. Mitte der 1980er Jahre eskalierte die Gewalt zwischen ELN-Kampfem und Regierungstruppen nach einer Reihe von Attentaten und anschlieBenden Vergeltungsaktionen des kolumbianischen Militars. Gleichwohl gab es auch Versuche der Konfliktbeilegung. Der erste strukturierte Friedensprozess unter Prasident Belisario Betancur scheiterte, weil der immense Grundbesitz des Landes im Zuge einer vorangegangenen Agrarreform nach Auffassung des ELN ungerecht zugunsten von GroBgrundbesitzem und vermogenden Oligarchen umverteilt worden war. AuBerdem erhielten die einzelnen Milizen der spateren AUC in dieser Zeit starken Zulauf. Diese hatten sich ursprtinglich aus von GroBgrundbesitzem angeheuerten Btirgerwehren gebildet, die in der steigenden Popularitat von ELN und FARC eine Bedrohung ihres Besitzes sowie ihres politischen Einflusses sahen. Auch verubten die als Todesschwadronen gefurchteten Kommandos der AUC Attentate auf Oppositionspolitiker. Allein 4.000 Mitglieder der linksliberalen Union Patriotica (UP, Patriotische Union) sowie schatzungsweise 2.500 Gewerkschafter starben Mitte der 1980er Jahre durch Mordanschlage. Die 1990er Jahre waren durch einen standigen Wechsel zwischen militarischer Zuspitzung und verbal bekundeter Gesprachsbereitschaft gekennzeichnet. Obwohl Prasident Emesto Samper den Rebellen im September 1994 Verhandlungen ohne weitere Vorbedingungen anbot, endete die Entspannungsphase bereits im Sommer 1995, woraufhin Samper den Ausnahmezustand verhangte. Der unter seinem Nachfolger Andres Pastrana 1998 reaktivierte Friedensprozess sah schlieBlich die Schaffung einer mnd 42.000
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Quadratkilometer groBen „Entspannungszone" im Siiden Kolumbiens vor, in der die FARC eine eigene Gesetzgebung und Landreform durchsetzen durften. Das ELN erhob daraufhin ahnliche Forderungen flir die von ihm kontrollierten Nordostprovinzen, die Pastrana jedoch als inakzeptabel zuriickwies. Im November 2001 begannen Sondierungsgesprache zwischen ELN-Ftihrem und Regierungsunterhandlem in Kuba, die nach einer hoffiiungsvollen Anlau^hase ergebnislos abgebrochen wurden. Die darauf folgenden Jahre wurden durch erhebliche Niederlagen flir das ELN gepragt: Durch ein offensives Vorgehen der Paramilitars wurde das ELN aus einer Reihe seiner urbanen Hochburgen vertrieben und die Zahl der aktiven Kampfer sank von 5.000 Mitte der 1990er Jahre auf 3.000 im Jahr 2002. Nachdem sich die Zahl der Kampfer wieder leicht gesteigert hatte, sank sie im Berichtsjahr abermals auf unter 3.500. Seit der Amtsiibemahme von President Alvaro Uribe Velez im August 2002 sahen sich die Rebellen stark in die Defensive gedrangt. Der 52-jahrige Jurist, dessen Vater 1983 von FARC-Guerilleros erschossen wurde, gait in innenpolitischen Fragen bereits im Wahlkampf als Hardliner. Der fruhere Gouvemeur der Provinz Antioquia investierte in den ersten Monaten seiner Amtszeit betrachtliche Haushaltssummen in die personelle Verstarkung von Polizei und Militar. So sollten nach Uribes Vorstellungen die Streitkrafte verdoppelt, ein Netzwerk von rund 1,5 Millionen zivilen Informanten aufgebaut und eine neue Sondersteuer eingefuhrt werden, deren Ertrage flir die Einstellung von bis zu 40.000 neuen Polizisten und eine 5.000 Mann starke schnelle Einsatztruppe genutzt werden sollten. Auch im Justizwesen war das Kabinett Uribe fur eine Reihe von Verscharfimgen verantwortlich: Das von Menschenrechtsorganisationen kritisierte Gesetz 684 vom 13. August 2002 gestattete Militarkommandanten in umkampften Gebieten eine weitreichende Aufhebung von Grundrechten, wie zum Beispiel die Moglichkeit von Verhaftungen ohne richterliche Anordnung. Auf die vorlaufige Weigerung des Verfassungsgerichts, dieses Gesetzesvorhaben als unbedenklich einzustufen, reagierte der President mit der Verhangung des Ausnahmezustands in der Provinz Arauca im Nordosten Kolumbiens, die fortan als so genannte Konsolidierungszone gait, in der das Militar diverse Sondervollmachten genoss. Ende 2002 startete die Regierung ein Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsprogramm flir AUC-Fiihrer und -Kampfer, die zur Aufgabe des bewaffiieten Kampfes bereit waren. Das Programm lief allerdings nur schleppend an und scheiterte immer wieder an Forderungen der US-Regierung nach einer bedingungslosen Auslieferung zahb*eicher des Drogenhandels und Mordes beschuldigter Kommandeure. Bis Ende des Berichtsjahres gaben offiziellen Angaben zufolge die Halfte der 15.000 bis 20.000 AUC-Kampfer ihre Waffen ab. Allerdings gab es Grund zu der Annahme, dass viele derjenigen, die Waffen abgaben, in Wirklichkeit nie AUC-Einheiten angehort haben (vgl. den Bericht zu Kolumbien (FARC)).
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Obwohl der im Jahr 2002 gemeinsam mit den USA verabschiedete Plan Colombia primar auf die siidlichen, iiberwiegend von den FARC kontrollierten Landesteile gerichtet war, sollten die vorgesehenen Gelder nach Angaben kolumbianischer Regiemngsvertreter auch zur Zerschlagung des ELN beitragen. Ab Januar 2003 wurden US-Truppen in der olreichen Provinz Arauca fflr den Schutz einer wichtigen Pipeline zwischen Cano Limon und Covenas, die vom ELN allein im Jahr zuvor 42-mal angegriffen worden war, eingesetzt. Anfang 2004 wurde der Plan Colombia durch den Plan Patriota erganzt, der rein auf die Bekampfiing der Guerilla ausgerichtet ist. AuBerungen von President Uribe, er begrtiBe das verstarkte Engagement der USA, stieBen besonders bei den Regierungen der Nachbarlander Brasilien, Argentinien und Venezuela auf Skepsis, die militarische Aktivitaten so nah an ihren Grenzen ablehnten. In den ersten Monaten des Berichtsjahres setzte sich das bekannte Muster des Wechsels zwischen Verhandlungsinitiativen und Einschtichterungsversuchen zwischen ELN-Kampfem und der kolumbianischen Regierung fort, was ein substantielles Vorankommen im Verhandlungsprozess unmoglich machte. Immer wieder kam es zu Gefechten zwischen Regierungstruppen und Rebellen mit Toten und Verletzten auf beiden Seiten. Insgesamt war jedoch zu beobachten, dass es der Regierung gelang, die Rebellen durch gezielte Militarschlage in die Defensive zu drangen. Mitte April erlitten Bemiihungen der Regierung, Friedensverhandlungen mit dem ELN aufzunehmen, einen Rtickschlag, als die Rebellen ein Angebot der mexikanischen Regierung ablehnten, in dem Konflikt zu vermitteln. Fortan verlagerte sich der Konflikt in abgelegene Bergregionen und Grenzgebiete zu Venezuela, was darauf hindeutet, dass die Rebellen gegeniiber der Regierung immer mehr in die Defensive gerieten. So traten Anfang Juni 29 ELNMitglieder dem Demobilisierungsprogramm der Regierung bei und begriindeten dies mit dem zunehmenden militarischen Druck durch die Armee sowie dem schwindenden RUckhalt in der Bevolkerung. Mitte September kam Bewegung in die Verhandlungen zwischen ELN und Regierung. Zuerst forderte Antonio Garcia, der militarische Fuhrer des ELN, dass die Regierung die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Grunde flir den Konflikt anerkennen, ihre Verstrickungen mit den Paramilitars eingestehen sowie die Zivilgesellschaft in Friedensverhandlungen einbinden musse. Prasident Uribe erklarte sich weitgehend bereit, Hindemisse fur Gesprache mit dem ELN auszuraumen. Er stellte einen beiderseitigen Waffenstillstand in Aussicht, sollten die Rebellen in Verhandlungen mit der Regierung treten. Als Zeichen der Gesprachsbereitschaft lieB er den inhaftierten ELN-Sprecher Gerardo Bermudez alias Francisco Galan frei. Dieser war 1994 zu 30 Jahren Haft wegen Rebellion, Terrorismus und Entfuhrungen verurteilt worden und sollte nun die ELN-Rebellen zu Friedensgesprachen anregen.
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Am 19. Oktober billigte das kolumbianische Verfassungsgericht eine Reform der Verfassung, welche eine emeute Kandidatur Uribes zum Prasidenten im Mai 2006 ermoglicht. Analysen zufolge setzte die Moglichkeit, dass Uribe seinen harten Kurs gegen sie weitere vier Jahre fortfiihren komite, die Rebellen unter Druck. Auch wemi das ELN abstritt, durch die Regierungsoffensive an den Rand der Aufgabe gebracht worden zu sein, und betonte, dass die militarische und politische Infrastruktur intakt geblieben sei, hatte sich die Zahl ihrer Kampfer doch auf unter 3.500 Mann reduziert. Und so erklarte Francisco Galan am 21. November, dass das ELN zu Friedensgesprachen mit der Regierung bereit sei. Zwei Tage spater erlitten die Bemiihungen allerdings einen Riickschlag, als das kolumbianische Militar wahrend eines Schusswechsels einen wichtigen Funktionar der Rebellen, Arcesio Lamus, festnahm. Trotzdem begannen am 16. Dezember zum ersten Mai seit vier Jahren Friedensgesprache zwischen der Regierung und dem ELN. Diese wurden in der kubanischen Hauptstadt Havanna zwischen dem zustandigen Regierungsunterhandler Luis Carlos Restrepo und dem militarischen Fuhrer des ELN Antonio Garcia gefiihrt. AuBerdem waren Vertreter Spaniens, Norwegens und der Schweiz sowie der Literatumobelpreistrager Gabriel Garcia Marquez anwesend, um die Gesprache zu begleiten. Bei diesen ersten Gesprachen sollten die Ursache des Konfliktes identifiziert sowie eine Vertrauensbasis geschaffen werden. Auch wenn vor zu gro6en Erwartungen gewamt wurde, stand am Ende der funftagigen Gesprache die Feststellung, dass ein Ende des Konfliktes nicht unmoglich sei. Im Januar 2006 sollen die Gesprache fortgesetzt und ein Friedensplan ausgearbeitet werden. Bis es soweit ist, mtissen allerdings noch viele Differenzen tiberwunden werden: Das ELN forderte von der Regierung weiterhin, die soziale, wirtschaftliche und politische Krise in Kolumbien und den bewaffiieten Konflikt formell anzuerkennen und Losungen anzubieten. Die Regierung erwartet vom ELN immer noch die Erklarung eines Waffenstillstandes, den diese weiterhin ablehnen. Maja Liebing Weiterflihrende Literatur und Informationsquellen: Amnesty International: The Paramilitaries in Medellin. Demobilization or Legalization?, 2005: http://web.amnesty.org Azzellini, Dario/Zelik, R.: GroBe Geschafte, staatlicher Terror und Aufstandsbewegung, Koln 2001 Human Rights Watch: The „Sixth Division". Military-Paramilitary Ties and U.S. Policy in Colombia, 2001: http://www.hrw.org Human Rights Watch: Smoke and Mirrors. Colombia's Demobilization of Paramilitary Groups, 2005: http://www.hrw.org International Crisis Group: Colombia's Borders. The Weak Link in Uribe's Security Policy, 2004: http://www.icg.org International Crisis Group: Hostages for Prisoners. A Way to Peace in Colombia?, 2004: http ://www. icg.org
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Kurtenbach, Sabine: Kolumbien. Krise im Friedensprozess und Regionalisiemng des Konfliktes (Institut fiir Iberoamerikakunde, Brennpunkt Lateinamerika Nr. 22), Hamburg 2000 Kurtenbach, Sabine: Kolumbien - Krise von Politik, Staat und Gesellschaft, in: Kurtenbach, Sabine/Minkner-Biinjer, Mechthild/Steinhauf, Andreas: Die Andenregion - Neuer Krisenbogen in Lateinamerika, Frankfurt am Main 2004 http://www.cgfm.mil.co (kolumbianische Armee) http://www.ciponline.org/colombia (Columbia Program des Center for International Policy) http ://www. colombialibre.net (Paramilitars) http://www.eln-voces.com (ELN) http://www.presidencia.gov.co (kolumbianische Regierung) http://www.semana.com.co (grolie kolumbianische Wochenzeitung)
Kolumbien (FARC) (Krieg) Beginn: Kriegstyp: Beteiligte:
1964 A-2 FARC / Kolumbien, AUG
Im Jahr 2005 setzte Prasident Alvaro Uribe Velez in dem Krieg zwischen dem kolumbianischen Staat und der Guerillagruppe Fuerzas Armardas Revolucionarias de Colombia (FARC, Revolutionare Streitkrafte Kolumbiens) unvermindert auf ein militarisches Vorgehen. Der seit iiber 40 Jahren andauemde Krieg zwischen der Guerilla, dem staatlichen Militar und den paramilitarischen Autodefensas Unidas de Colombia (AUC, Vereinigte Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens) wurde weiterhin mit einer hohen Gewaltintensitat ausgetragen Dartiber hinaus erschwerten im Berichtsjahr Auslieferungen wichtiger FARC-Mitglieder an die USA und die Festnahme eines hohen FARC-Funktionars in Venezuela eine Verhandlungslosung. Die Entstehung der FARC ist eng mit dem unter dem Namen „La Violencia" (Die Gewalt) bekannten Krieg zwischen 1948 und 1957 verbunden. Die neun Jahre andauemden Kampfhandlungen, in denen kommunistische Guerillafraktionen und die Anhangerschaft der Liberalen gemeinsam gegen die konservative Regierung vorgingen, wurden durch ein Abkommen zwischen den Parteien beendet. Dieses sah einen vierjahrlichen Wechsel der Regierungsverantwortung vor. Die Scheindemokratie, bei der nur noch zwischen Vertretem der jeweiligen Regierungspartei gewahlt werden konnte, sowie Reformen, die vor allem die Kaffeearbeiter und Kleinbauem stark benachteiligten, bildeten die politischen und sozialen Hintergrunde, vor denen Manuel Marulanda Velez, genannt Tirofijo, Anfang der 1960er Jahre eine kampfbereite Anhangerschaft um sich sammelte. Diese rekrutierte sich
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vor allem aus der zuvor kaum organisierten kampfenden Landarbeiterschaft in der Peripherie. Seit 1964 formulierten diese Rebellen unter dem Namen FARC politische Ziele und griffen GroBgrundbesitzer und staatliche Institutionen an. Die Rebellen waren hierarchisch organisiert. Ein Teil ihrer Kampfer wurde einer regularen Armee entsprechend besoldet. Die untergeordneten Fronten verfiigten iiber ein hohes MaB an Autonomie, da sie urspriinglich die Ausbreitung der FARC uber das ganze Land vorantreiben sollten. Diese Fronten versorgten sich auch groBtenteils selbst. Um die permanenten Auseinandersetzungen finanzieren zu konnen, ftihrten die FARC in den von ihnen kontrollierten oder umkampften Gebieten ein eigenstandiges Steuersystem ein. Untemehmen mussten so genannte Revolutionssteuem entrichten. Der Kokahandel wurde geduldet und besteuert. Mit der Zunahme des Kokaanbaus gegen Ende der 1990er Jahre begannen die FARC, auch auf die wesentlich profitablere Herstellung von Kokain Steuem zu erheben. Der Abbau und der Verkauf von Diamanten und Erdol in der Region wurden ebenfalls besteuert, machten aber einen geringeren Anteil an den Gesamteinnahmen aus als die Drogenproduktion. Die paramilitarische Gegenseite, die AUC, verfiigte dagegen iiber weniger feste Strukturen. Dies lasst sich vor allem auf die Entstehungsgeschichte der Organisation zurtickfuhren. Schon zu Zeiten von „La Violencia" agierende private Milizen der GroBgrundbesitzer vergroBerten Ende der 1960er Jahre ihre Mitgliederzahl. Die Regierung beteiligte sich aktiv am Aufbau dieser Gruppierungen, denen dadurch eine hohere Legitimitat zukam. Sie sollten der antikommunistischen Politik der Regierung eine Basis in der Gesellschaft verschaffen. Erst Anfang der 1980er Jahre grundete sich aus diesen vielen kleinen Milizen eine gemeinsame Organisation, die sich AUC nannte. Vor allem in den darauf folgenden Jahren bestand eine intensive organisatorische und personelle Zusammenarbeit zwischen staatlichem Militar und privaten AUC. Letztere agierten vor allem im Norden des Landes, wo vor allem Erdolvorkommen und die Kokainproduktion eine Basis ftir okonomische Reproduktion durch Erpressung und Besteuerung sowie aktive Teilhabe am Drogenhandel boten. Des Weiteren bestand eine enge Zusammenarbeit mit GroBgrundbesitzem und groBen Firmen, welche die AUC als Schutzorganisation in Anspruch nahmen. Trotz eines offiziellen Verbots der Zusammenarbeit seit Ende der 1980er Jahre wurden immer wieder Falle der Kooperation zwischen AUC und Militar bekannt. Anfang der 1980er Jahre, wahrend der Regierungszeit Belisario Betancurs, begannen aussichtsreiche Friedensverhandlungen zwischen den FARC und dem Staat. Diese beinhalteten eine weitreichende Entwaffiiung und gesellschaftliche Eingliederung sowie die politische Einbindung der Guerilla. Sie scheiterten vor allem aus zwei Griinden: Zum einen setzte die Regierung Agrargesetze um, die die Zunahme der Konzentration des Landbesitzes in
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den Handen der GroBgrundbesitzer und eine hohere Landflucht der Kleinbauem zur Folge hatte. Zum Anderen verfolgten und toteten im Jahre 1985 die AUG gezielt Angehorige der Union Patriotica (UP, Patriotische Union). Hierbei handelte es sich um eine Partei, in der vor allem ehemalige Guerillamitglieder politisch aktiv waren. Insgesamt 4.000 Politiker und 2.500 parteinahe Gewerkschafter kamen bei dieser Verfolgungswelle urns Leben. Dies fuhrte seitens der FARC zur Ablehnung einer politischen Mitarbeit innerhalb der bestehenden Strukturen. Die Guerilla erhielt in den 1990er Jahren starken Zulauf und erklarte den gesamtgesellschaftlichen Wandel durch einen politischen Umsturz zu ihrem Ziel. Unter anderem als Reaktion auf das Anwachsen und die zunehmend radikalere Vorgehensweise der FARC, verstarkte die AUG ihre Truppen von ehemals geschatzten 2.000 Mann auf die im Berichtsjahr aktuelle Zahl von etwa 15.000 bis 20.000 Mann. Dieser starke Anstieg hing mit dem Beitritt weiterer kleiner Verbande in die AUG sowie einer okonomischen Starkung zusammen, die das Anheuem neuer Kampfer ermoglichte. In den 1990er Jahren verstarkte sich die Anzahl der Angriffe durch AUG und FARG auf die Zivilbevolkerung. Entfiihrungen, gewalttatige Ubergriffe und Morde stellen bis heute einen wichtigen Teil der Strategic der unterschiedlichen Gruppierungen dar. Die Zahl der Kriegstoten in Kolumbien erhohte sich seitdem pro Jahr auf bis zu 5.000 und die der Entfiihrungen auf 2.000 bis 3.000. Erst 1998 unter President Andres Pastrana stimmten die FARG emeuten Friedensverhandlungen zu. Ein Ergebnis dieser war das Zugestandnis der Regierung, eine so genannte Entspannungszone fur die FARG im Stiden Kolumbiens einzurichten. Die Armee zog sich aus diesem 42.000 Quadratkilometer groBen Gebiet zuriick und UberlieB dort den FARG die politische und militarische Kontrolle. Die Guerilla operierte jedoch weiterhin in kleinen Einheiten im ganzen Land. Zeitgleich wurde die Armee modemisiert und erprobte neue Strategien. Seit 2001 fanden zwischen Militar und Guerilla vor allem an der Grenze der Entspannungszone regelmaBig Kampfe statt. Das Zugestandnis an die Guerilla fuhrte somit nicht zu einer Verringerung der Kampfhandlungen. Unter Prasident Pastrana begann der kolumbianische Staat mit der Umsetzung des Plan Colombia, der eine Verscharfung des Konfliktes mit sich brachte. Das urspriinglich als Entwicklungsplan begonnene Programm konnte der kolumbianische Staat nicht eigenstandig tragen. Er erhielt Unterstiitzung durch die USA, die zunachst eine Finanzierung von 1,3 Millionen US-Dollar bewilligten. Dieses Geld wurde direkt an die Verwendung fiir spezifische MilitarmaBnahmen gekoppelt. Daruber hinaus stellte die US-Regierung Militarberater und Spruhflugzeuge zur Verfugung, die zur Entlaubung von Kokaplantagen eingesetzt werden sollten. Diese wurden vor allem in der Regenwaldzone im Suden des Landes, in der die FARC die Kontrolle hielt, eingesetzt. Da eine dichte Bewaldung ein genaues Vorgehen erschwerte.
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entlaubte das Militar Telle der Region groBflachig. Da so auch andere Felder vemichtet wurden, verrlngerten slch auch die legalen okonomlschen Reproduktlonsmoglichkelten der Bevolkerung der Region. Dadurch traten vlele Klelnbauem den FARC bel, die mlttlerwelle 22.000 Kampfer umfasst. Die Spannungen zwlschen den Krlegspartelen nahmen zu, als Alvaro Urlbe Velez die Prasldentschaftswahl 2002 gewann. Urlbes polltlsche Llnle wurde unter anderem durch die Ermordung seines Vaters durch die FARC Im Jahr 1983 gepragt. Seine Verblndungen zu den AUC und den USA, liberate Wlrtschaftsplane und die Harte mlt der er gegen die Guerilla Im Lande vorzugehen ankiindigte, fiihrten zu elner starken Zunahme der Kampfhandlungen kurz nach Urlbes Amtsantrltt. Neu war vor allem, dass die Guerilla auch In den GroBstadten, anstatt wle vorher nur auf dem Land aktlv wurde. Sle verubten dort mehrere Bombenanschlage, die vlele Todesopfer forderten. Die Konfrontatlon verstarkte slch zusatzllch, als Urlbe im September 2002 iiber die nordostllche Provinz Arauca den Ausnahmezustand verhangte, was die Rechte des dort elngesetzten Mllltars erwelterte. AuBerdem setzen die USA im Herbst 2002 sowohl die FARC als auch die AUC und elne weltere llnksgerichtete Rebellengruppe, das Ejercito de Liberacion Nacional (ELN) auf Hire offizlelle Llste terroristlscher Vereinlgungen (vgl. den Berlcht zu Kolumblen (ELN)). Dariiber hlnaus begannen Verhandlungen zwlschen den belden Reglerungen iiber den Plan Patrlota. Nachdem im Februar 2003 drei US-Mllltarberater gefangen genommen wurden, erhohte die US-Regierung Ihre fmanzlelle Unterstutzung auf Insgesamt 1 Mllliarde US-Dollar. Des Welteren entsandte sle Soldaten zur Unterstutzung und lieferte Waffen an die kolumbianlsche Reglerung. Selt 2004 wird der Plan Patrlota in die Tat umgesetzt. Glelch zu Beginn des Jahres 2005 fiihrte der FARC-Konfllkt zu elner polltischen Krlse zwlschen dem ostlichen Nachbarstaat Venezuela und der kolumblanischen Reglerung. Bereits Ende Dezember 2004 hatten venezolanische Pollzlsten mlt Rodrlgo Granada elnen der wichtlgsten FARC-Ftihrer, zustandlg fur die AuBenkontakte der Rebellen, festgenommen, Wle es zu der spateren Ubergabe an die kolumbianlsche Pollzei kam blieb ungeklart. Diese Streltlgkelten konnten erst im Marz 2005 mlt Intematlonaler Unterstiitzung beendet werden. Weltere besondere Erelgnisse im Berlchtsjahr waren zwei Auslieferungen hoher FARC-Funktlonare an die USA und die Festnahme eines FARC-Reprasentanten in Brasilien. Die Kampfhandlungen wurden im Berlchtsjahr seitens der FARC intenslvlert. Dazu verzichteten sle auf elne flachendeckende Prasenz im Land, sondem konzentrierten slch bel ihren Aktlonen auf ausgewahlte Gebiete. AUein im ersten Halbjahr kam es dabel zu 300 bis 400 Angriffen auf Militarbasen und Soldaten sowie auf die Zivilbevolkerung. Es schelnt, als sel das Militar auf diese prazise geplanten Angriffe der FARC nicht vorbereitet gewesen, denn die Gegenangrlffe der kolumblanischen Streitkrafte hatten nur
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einen geringen Erfolg. Der von der Guerilla ausgehende Druck war so hoch, dass Verteidigungsminister Jorge Uribe Anfang Juli zuriicktrat. Wahrend sich in der Auseinandersetzung zwischen FARC und kolumbianischen Militar keine friedliche Losung abzeichnete, existiert seit Sommer 2004 ein Waffenstillstand der AUC. Infolge dessen wurde den Paramilitars von Seiten der Regierung eine entmilitarisierte Zone im Nordosten des Landes zugestanden und nach offiziellen Angaben verlieB eine groBe Zahl an Kampfem die AUC und nahm an ReintegrationsmaBnahmen teil. Jedoch nahm nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen weder die personelle Starke der AUC noch die Zahl der Kampfhandlungen ab, an denen die Paramilitars beteiligt waren. Ein GroBteil derer, die sich an der Demobilisierung beteiligten, scheint den AUC nie angehort zu haben. Die heftigsten Gewalthandlungen mit Beteiligung der AUC, aber auch der FARC, fanden im Oktober des Berichtsjahres im Suden Kolumbiens statt und verursachten eine hohe Zahl von Fliichtlingen. Im Gesamtverlauf des Krieges waren etwa 2 Millionen Menschen zeitweise in die Flucht getrieben worden. Im Herbst 2005 gestattete das Verfassungsgericht den Wiederantritt Uribes fiir die im Mai 2006 anstehende Prasidentschaftswahl. Ob sich diese Wahl allerdings iiberhaupt auf den Krieg zwischen den FARC einerseits und dem kolumbianischen Staat und der AUC andererseits auswirken wird, ist fraglich. Die aktuellen Auseinandersetzungen bieten wenig Anlass fiir die Vermutung, dass sich innerhalb der nachsten Zeit etwas an der Intensitat oder Form des Konfliktaustrags andem wird. Beide Seiten erhalten fortwahrend Zulauf und verftigen Uber wirtschaftliche und personelle Ressourcen zur Fortfuhrung des Krieges. Eine Verhandlungslosung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Lena Koch Weiterfuhrende Literatur und Informationsquellen: Dunning, ThadAVirpsa, Leslie: Oil and the Political Economy of Conflict in Colombia and Beyond. A Linkage Approach, in: Geopolitics 9 (2004), S. 81-108 Kurtenbach, Sabine: El papel de los actores extemos en la contencion de la violencia en Colombia, Hamburg 2004 Labrousse, Alain (1999): Kolumbien und Peru. Politische Gewalt und Kriminalitat, in: Jean, Fran9ois/Rufm, Jean Cristoph (Hrsg.): Okonomie der Burgerkriege, Hamburg 1999,8.313-344 Zinecker, Heidrun: Kolumbien - Wie viel Demokratisierung braucht der Frieden? (Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Report 2/2002), Frankfurt am Main 2002 Zinecker, Heidrun: Drogenokonomie und Gewalt. Das Beispiel Kolumbien (Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Report 5/2004), Frankfurt am Main 2004 http://www.cgfm.mil.co (kolumbianische Armee) http://www.farcep.org (FARC) http://www.kolumbien-aktuell.ch (Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien) http://www.presidencia.gov.co (Regierung Kolumbiens)
Autorinnen und Autoren der AKUF Die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) ist eine Kombination aus Lehrveranstaltung und Forschungsgruppe am Institut fiir Folitische Wissenschaft der Universitat Hamburg. Sie ist Teil der von Prof. Dr. Klaus Jixrgen Gantzel gegriindeten und seit 2001 von Prof. Dr. Cord Jakobeit geleiteten Forschungsstelle Kriege, Rilstung und Entwicklung. Die AKUF wird von Dr. Jens Siegelberg geleitet und rekrutiert sich aus Wissenschaftlichen Mitarbeitem, Doktoranden und Studierenden der Universitat Hamburg. Wolfgang Schreiber arbeitete nach dem Mathematik-Studium an der Universitat-Gesamthochschule Paderbom (Dipl.-Math.) als Softw^areentwickler. Er studierte im Zweitstudium Politische Wissenschaft, Geschichte und Ethnologie an den Universitaten Gottingen, Legon (Ghana) und Hamburg und promoviert derzeit. Albrecht, Mara (Libanon) seit 1999 Studium der Geschichtswissenschaft, Politischen Wissenschaft und Agyptologie an der Universitat Hamburg Beecken, Claas (Myanmar [Birma]) seit 1998 Studium der Politischen Wissenschaft und Psychologic an der Universitat Hamburg Beer, Matthias (Haiti) seit 2002 Studium der Politischen Wissenschaft, Lateinamerikastudien und Joumalistik an der Universitat Hamburg Bondzio, Anna (Jemen) seit 2001 Studium der Politischen Wissenschaft, Germanistik und Erziehungswissenschaft an der Universitat Hamburg Braden, Benjamin (Sri Lanka) seit 1998 Studium der Geschichte, Politischen Wissenschaft und Islamwissenschaft an den Universitaten Edinburgh und Hamburg Constantine, Sarah (Israel (Paldstina)) seit 2003 Studium der Islamwissenschaft, der Politischen Wissenschaft und des offentlichen Rechts an den Universitaten Kiel und Hamburg End, Markus (Tiirkei) seit 2000 Studium der Politischen Wissenschaft und Volkswirtschaftslehre an den Universitaten Freiburg, Grenoble (Schweiz) und Hamburg Ergin, Yasemin (Sudan) seit 1999 Studium der Politischen Wissenschaft, Amerikanistik und Psychologic am Smith College in Northampton, Massachussetts (USA) und an der Universitat Hamburg
Autorinnen und Autoren der AKUF
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Gerdes, Felix (Thailand) Dipl.-PoL, Doktorand am Institut fur Politische Wissenschaft der Universitat Hamburg Holste, Erdwig (Indien (Kaschmir)) seit 1998 Studium der Geschichtswissenschaft, Politischen Wissenschaft und Philosophie an den Universitaten Berlin (Humboldt-Universitat) und Hamburg Ihlau, Dagmar (Indien (Tripura)) M.A., Politologin und Islamwissenschaftlerin Kellerhoff, Olaf (Afghanistan (Antiregiemekrieg)) seit 1995 Studium der Islamwissenschaft, Politischen Wissenschaft und Turkologie an der Universitat Hamburg Knarr, Deliah (Somalia) seit 2001 Studium der Politischen Wissenschaft und Rechtswissenschaft an der Ludwig-Maximilian-Universitat Miinchen sowie den Universitaten Cork (Irland) und Hamburg Kobsch, Wieland (Algerien) seit 2001 Studium der Geschichtswissenschaft und Politischen Wissenschaft an den Universitaten Dresden und Hamburg Koch, Lena (Kolumbien (FARC)) seit 2002 Studium der Politischen Wissenschaft und LateinamerikaStudien an der Universitat Hamburg Konig, Marietta S. (Georgien) M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Zentrum fur OSZE-Forschung (CORE)/Institut fur Friedensft)rschung und Sicherheitspolitik an der Universitat Hamburg (IFSH) Krosigk, Alexandra von (Burundi) seit 2000 Studium der Geographic, Politischen Wissenschaft und Rechtswissenschaft an den Universitaten Marburg und Hamburg Kursawe, Janet (Afghanistan („Antiterrorkrieg")) M.A., Ethnologin, Doktorandin an der Universitat Hamburg und am Deutschen Orient-Institut (Hamburg) Liebing, Maja (Kolumbien (ELN)) seit 2002 Studium der Politischen Wissenschaft und Rechtswissenschaft an der Universitat Hamburg Meckelburg, Alexander (Senegal) seit 2000 Studium der Athiopistik und Politischen Wissenschaft an der Universitat Hamburg Meyer, Henrik (Irak) seit 2002 Studium der Politischen Wissenschaft, Islamwissenschaft sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universitat Hamburg
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Michels, Maren (Kongo-Kinshasa) seit 1999 Studium der Politischen Wissenschaft und Volkswirtschaftslehre an den Universitaten Bochum, Natal (Siidafrika) und Hamburg Miinch, Philipp (Cote d'lvoire [Elfenbeinkuste]) seit 2002 Studium der Geschichtswissenschaft, Politischen Wissenschaft und Rechtswissenschaft an der Pennsylvania State University (USA) und der Universitat Hamburg Probst, Manuel (Laos, Sri Lanka) seit 2000 Studium der Philosophic, Politischen Wissenschaft und Psychologic an der Universitat Hamburg Schlaper, Gerrit (Philippinen (Mindanao), Saudi-Arabien) seit 2002 Studium der Philosophic und Politischen Wissenschaft an der Universitat Hamburg Schlaphoff, Marc (Russland) seit 1998 Studium der PoHtischen Wissenschaft, Geschichtswissenschaft und Joumalistik an den Universitaten Galway (Irland) und Hamburg Schmitt, Stefan (Angola) seit 2002 Studium der Politischen Wissenschaft und Geschichtswissenschaft an der Universitat Hamburg Schreiber, Wolfgang (Indien (Assam), Indien (Bodos)) Dipl.-Math., Doktorand am Institut fiir Politische Wissenschaft der Universitat Hamburg, Koordinator der AKUF Schubert, Jakob von (Philippinen (NPA)) seit 2000 Studium der Politischen Wissenschaft und des Offentlichen Rechts an der Universitat Hamburg Schulze, Bodo (Indonesien (Westpapua)) seit 2000 Studium der Geographic, Politischen Wissenschaft und Ethnologic an der Universitat Hamburg Schwartz, Alexander (Tschad) seit 2004 Studium der Politischen Wissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universitat Hamburg Siegelberg, Jens Dr., Dipl.-PoL, Leiter der AKUF Stahnke, Jochen (Athiopien (Gambela), Nigeria (Nigerdelta)) seit 2001 Studium der Geschichtswissenschaft, Politischen Wissenschaft und Afrikanistik an den Universitaten Bradford (UK) und Hamburg Thies, Lars (Uganda) seit 2002 Studium der Politischen Wissenschaft und Philosophic an der Universitat Hamburg van Riel, Raphael (Indien (Naxaliten)) seit 2000 Studium der Philosophic, Politischen Wissenschaft und Sozialpsychologie an der Universitat Hamburg
Autorinnen und Autoren der AKUF
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Voigts, Hanning (Indien (Nagas)) seit 2003 Studium der Politischen Wissenschaft und Joumalistik an der Universitat Hamburg und am Institut d'Etudes Politiques Bordeaux (Frankreich) VoB, Klaas (Indonesien (Aceh)) seit 2003 Studium der Geschichtswissenschaft, Politischen Wissenschaft und Amerikanistik an der Universitat Hamburg Wurm, Agnes (Nepal) seit 1999 Studium der Politischen Wissenschaft, des Offentlichen Rechts und der Soziologie in GieBen, Brussel (Belgien) und Hamburg Zettel, Doris (Pakistan) seit 2001 Studium der Politischen Wissenschaft an den Universitaten Wien, Stockholm und Hamburg Zuchold, Michael (Nigeria (Nord- und Zentralnigeria)) seit 1999 Studium der Politischen Wissenschaft und der Lateinamerikanistik an der Freien Universitat Berlin und der Universitat Hamburg
Abkiirzungsverzeichnis AASU ABSU ADF AGP AIS AKUF AMIB AMIS ANR APHC ARMM ASEAN ASG ASNLF ATTF AU AUC BAC BDR BDSF BEC BIA BJP BLA BLTF BRN-C BSF CARHRIHL CCOMPOSA CD CEMAC CNDD CNDD-FDD CPB CPI CPI(M) CPI(ML) CPN CPN-UC CPP CRZ DDR DEHAP
All Assam Students Union All Bodo Students Union Allied Democratic Forces Asom Gana Parishad Armee Islamique du Salut Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung African Mission in Burundi African Mission in Sudan Armee Nationale de Resistance All Parties Hurriyat Conference Autonomous Region of Muslim Mindanao Association of South East Asian Nations Abu Sayyaf Group Aceh Sumatra National Liberation Front All-Tripura Tiger Force African Union Autodefensas Unidas de Colombia Bodo Autonomous Council Bangladesh Rifles Bodo Security Force Bodoland Executive Council Burma Independence Army Bharatiya Janata Party Balochistan Liberation Army Bodoland Liberation Tiger Forces Barisan Revolusi Nasional - Coordinate Border Security Force Comprehensive Agreement on Respect of Human Rights and International Humanitarian Law Coordination Committee of the Maoist Parties and Organizations of South Asia Convergence Democratique Communaute Economique et Monetaire de I'Afrique Centrale Conseil National pour la Defense de la Democratic - Forces pour la Defense de la Democratic Conseil National pour la Defense de la Democratic Communist Party of Burma Communist Party of India Communist Party of India (Marxist) Communist Party of India (Marxist-Leninist) Communist Party of Nepal (Maoist) Communist Party of Nepal - Unity Centre Communist Party of the Philippines Compact Revolutionary Zone Disarmament, Demobilization and Reintegration Demokratik Halk Partisi
Abkurzungsverzeichnis DHD DLF ECOWAS ELN EPRDF EU FAC FAH FARC FDPGL FDLR FIS FLEC FLN FL FLRN FN FNDIC FNI FNL FPI FRAPH FRODEBU FROLINAT FUC GAM GIA GMIP GPLF GPLM GSPC Hamas HM HPG HSM HUK HuM IFMOT IGAD IGH IMC (Burundi) IMC (Nigeria) INC (Indien) INC (Nigeria) IPKF IPTA ISAF ISI lYC J&K
Dima Halim Daogah Darfur Liberation Front Economic Community of the West African States Ejercito de Liberacion Nacional People's Revolutionary Democratic Front Europaische Union For9as Armadas de Cabinda Forces Armees d'Haiti Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia Free Democratic Peoples Government of Laos Forces Democratiques de Liberation du Rwanda Front Islamique du Salut Frente de Libertagao do Enclave de Cabinda Front de Liberation Nationale Fanmi Lavalas Front pour la Liberation et la Reconstruction National Forces Nouvelles Federated Niger Delta Ijaw Communities Front Nationaliste et Integrationiste Forces Nationales de Liberation Front Populaire Ivoirien Front Revolutionaire pour lAvancement et le Progres d'Haiti Front pour la Democratic au Burundi Front de Liberation Nationale Front Uni pour le Changement Democratique Gerakan Aceh Merdeka Groupe Islamique Arme Gerakan Mujahedeen Islam Patani Gambella People's Liberation Front Gambella People's Liberation Movement Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat harakat al muqaawama al-islamiya Hizb-ul-Mujahedin Hezen Parastina Gel Holy Spirit Movement Hukbalahap Harkat-ul-Mujahedin Indigenous Freedom Movement of Tripura Inter-Governmental Authority on Development Intemationaler Gerichtshof Implementation Monitoring Committee Interfaith Mediation Center Indian National Congress Ijaw National Congress Indian Peace Keeping Force Indigenous People's Triple Alliance International Security Assistance Force Inter-Services Intelligence Ijaw Youth Council Jammu & Kashmir
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250 JASIG JMB JEM JI JKDFP JKLF JM JUI JVA JVP KADEK KKK KNPP KNU KONGRA-GEL LoC ERA LT ETTE MACC MCC MDJT MFDC MIA MILF MINUSTAH MJP MNEF MONUC MPCI MPIGO MPLA NATO NDA NDF NDFB NDPVF NDV NDVF NED NLFT NLFT-B NEFT-N NNC NPA NRA NSCN NSCN-IM NSCN-K
Das Kriegsgeschehen 2005 Joint Agreement on Safty and Immunity Jama'atul Mujahideen Bangladesch Justice and Equality Movement Jemaah Islamiah Jammu and Kashmir Democratic Freedom Party Jammu and Kashmir Liberation Front Jaish-i-Muhammad Jamiat-i-Ulema Islam Juba Valley Alliance Janatha Vimukhti Peramuna Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistan Koma Komalen Kurdistan Karenni National Progressive Party Karen National Union Kongra Gele Kurdistan Line of Control Lord's Resistance Army Lashkar-i-Toiba Liberation Tigers of Tamil Eelam Mpalabanda Associa^ao Civica de Cabinda Maoist Communist Centre Mouvement pour la Democratic et la Justice au Tchad Mouvement des Forces Democratiques de la Casamance Mouvement Islamique Arme Moro Islamic Liberation Front United Nations Mission for the Stabilisation of Haiti Mouvement pour la Justice et la Paix Moro National Liberation Front Mission de 1'Organisation des Nations Unies en Republique Democratique du Congo Mouvement Patriotique de Cote dTvoire Mouvement Populaire Ivoirien du Grand Quest Movimento Popular de Liberta^ao de Angola North Atlantic Treaty Organization National Democratic Alliance National Democratic Front National Democratic Front of Bodoland Niger Delta People's Volunteer Force Niger Delta Vigilantes Niger Delta Volunteer Force National League for Democracy National Liberation Front of Tripura NEFT-Biswamohan NEFT-Nayanbasi Naga National Council New People's Army National Resistance Army National Socialist Council of Nagaland National SociaHst Council of Nagaland (Issac-Muviah) National SociaHst Council of Nagaland (Khaplang)
Abktirzungsverzeichnis OAS Organization of American States OEF Operation Enduring Freedom OIC Organisation of Islamic Conference ONUB Operation des Nations Unies au Burundi ONUCI Operation des Nations Unies en Cote d'lvoire 0PM Organisasi Papua Merdeka OSZE Organisation flir Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa PCG People's Consultative Group PDCI Parti Democratique de Cote d'lvoire PDF People's Democratic Front PDI-P Partai Demokrasi Indonesia Perjuangan PDP (Indien) People's Democratic Party PDP (Indonesien)... Presidium Dewan Papua PDP (Nigeria) People's Democratic Party PKK Partiya Karkeren Kurdistan PLO Palestine Liberation Organisation PNC Papuan National Council PRT Provincial Reconstruction Team PSI Pan-Sahel Initiative PTCA Plains Tribal Council of Assam PULO Patani United Liberation Organisation PWG People's War Group RCD Rassemblement Congolais pour la Democratic RDL Rassemblement pour la Democratic et les Libertes RDR Rassemblement des Republicains SCUD Socle pour le Changement, I'Unite National et la Democratic SLA (Libanon) South Lebanese Army SLA (Sudan) Sudan Liberation Army SLFP Sri Lanka Freedom Party SLM Sudan Liberation Movement SLMM Sri Lanka Monitoring Mission SNA Somalia National Alliance SNM Somali National Movement SPCPD Southern Philippines Council for Peace and Development SPLA Sudan's People Liberation Army SPLM Sudan's People Liberation Movement SPZOPAD Southern Philippine Zone of Peace and Development SSA Shan State Army SSDF SomaH Salvation Democratic Front SSNA Shan State National Army SSP Sipah-i-Sahaba Pakistan SULFA Surrendered United Liberation Front of Assam TFG Transitional Federal Government TJP Tehrik-i-Jaffria Pakistan TNV Tripura National Volunteers TPLF Tigray People's Liberation Front TPN Tentara Pembebasan Nasional TSR Tripura State Rifles TTAADC Tripura Tribal Area Autonomous District Council UFC Union des Forces pour le Changement
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252 ULFA ULLF UN UNAMA UNHCR UNIFIL UNITA UNOSOM UNP UNPO UNSCOM UP UPC UPDA UPDS UPRONA USA use UWSA VZSGP WFP ZPM
Das Kriegsgeschehen 2005 United Liberation Front of Assam United Lao Liberation Front United Nations United Nations Assistance Mission in Afghanistan United Nations High Commissioner for Refugees United Nations Literim Force in Lebanon Uniao Nacional para a Lidependencia Total de Angola United Nations Operation in Somalia United National Party Unrepresented Nations and Peoples Organization United Nations Special Commission Union Patriotica Union des Patriotes Congolais Uganda People's Defence Army United People's Democratic Solidarity Union pour le Progres National United States of America United Somali Congress United Wa State Army Verwaltungszentrum der sUdlichen Grenzprovinzen World Food Program Zivil-polizeilich-militarisches Kommandozentrum
Index der Konfliktakteure Abu Sayyaf Group (ASG) 21, 93, 95-97 Afghanistan 16,18, 24, 49, 82, 90, 91,114-122,160, 161, 201 African Mission in Burundi (AMIB) 180 African Union (AU) 181,188, 215-218, 227 Agypten 35, 119 Al-Aqsa-Brigaden 140, 141 Algerien 21,123-127 Al-Haramain-Brigaden 159, 162 Allied Democratic Forces (ADF) 225 All-Tripura Tiger Force (ATTF) 18, 61-64 Al-Qaida 22,24,33,35,90-92, 116, 118-122, 126, 136-138, 145, 159-162 Al-Shabab al-Mou'min 23, 144-146 Amal 152 Angola 15,31,170-173,187 Ansar Al-Sunna 134, 138, 139 Armee Nationale de Resistance (ANR) 219, 220 Athiopien 33, 35, 174-176, 207, 210 Atika, siehe auch Mouvement des Forces Democratiques de la Casamance (MFDC) 204, 206 Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) 28,234-236,239-243 Balochistan Liberation Army (BLA) 36, 92 Bangladesch 35, 40, 41, 44, 45, 62-65 Barisan Revolusi Nasional - Coordinate (BRN-C) 20, 108-111 Beja Congress, siehe auch Free Lions 217 Bhutan 41,45 Bodoland Liberation Tiger Forces (BLTF) 44, 45 Border Security Force (BSF), siehe auch Indien 65 Brasilien 231,237,242 Wimoh, siehe auch Indontsien 74 Burkina Faso 185, 186 Burundi 26, 178-180, 182, 183 Central Intelligence Agency (CIA), siehe auch United States of America (USA) 91 Chimeres 229,230 China 45, 57, 81, 82, 86, 88, 112, 176 Coalition Forces Command - Afghanistan, siehe auch United States of America (USA) 24, 116, 118-122 Communaute Economique et Monetaire de 1'Afrique Centrale (CEMAC) 36 Communist Party of India - Maoist (CPI-Maoist), siehe auch Naxaliten 19, 56-59
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Das Kriegsgeschehen 2005
Conseil National pour la Defense de la Democratic (CNDD), siehe auch Forces pour la Defense de le Democratic (FDD) WA7fl Front pour la Democratic au Burundi (FRODEBU) 180, 181 Coordination Committee of the Maoist Partiers and Organizations of South Asia (CCOMPOSA), 5/e/?e awc/z Naxaliten 58 Coted'Ivoire 25,184-188 Deutschland 31, 88,116, 140,154, 217 Dschaisch Al-Mahdi 138 Dschandschawid 27,212-215,221 Dschibuti 210 Economic Community of the West African States (ECOWAS) 186, 188 Ejercito de Liberacion Nacional (ELN) 28, 234-238, 242 Eritrea 217 Europaische Union (EU) 23, 70, 71, 84, 88, 100, 165,167, 168 Euskadi ta Askatasuna (ETA) 36 Fatah, siehe auch Palestine Liberation Organisation (PLO) 142 Federated Niger Delta Ijaw Communities (FNDIC), siehe auch Ijaw National Congress (INC) und Ij aw Youth Council (lYC) 197 Forces Armees d'Haiti (FAH) 230 Forces Democratiques de Liberation du Rwanda (FDLR), siehe auch Interahamwe 189, 190, 193, 194 Forces Nationales de Liberation (FNL), siehe auch Parti pour la Liberation du Peuple Hutu (PALIPEHUTU) 26, 178, 180, 182, 183 Forces pour la Defense de la Democratic (FDD), siehe auch Conseil national pour la defense de le democratic (CNDD) 180, 181 Frankreich 25, 77, 123, 124, 148, 151-153, 184, 186,-188, 219, 220, 231 Free Democratic People's Government of Laos (FDPGL) 80 Free Lions, siehe auch Beja Congress 217 Frente de Liberta9ao do Enclave de Cabinda (FLEC) 31, 170-174 Front de Liberation Nationale (FROLINAT) 219 Front Islamique du Salut (FIS) 124-126 Front Nationaliste et Integrationiste (FNI) 189, 191, 192, 194 Front pour la Liberation et la Reconstruction National (FLRN) 33, 230, 231 Front Uni pour le Changement Democratique (FUCD) 31, 218, 222 Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) 28, 234-237, 239-243 Gambella People's Liberation Front (GPLF) 174,175, 177 Gambia 203,205,206,217 Georgien 23,30,32,128-133 Gerakan Aceh Merdeka (GAM) 20, 66-70 Gerakan Mujahedeen Islam Patani (GMIP) 108,109 Ghana 35 GroBbritannien 22, 35, 39, 44, 53, 55, 57, 62, 81, 87, 88, 92, 104, 134-136, 138, 200, 208, 217, 224
Index der Konfliktakteure
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Groupe Islamique Arme (GIA) 125, 126 Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat (GSPC) 22, 123,126, 127 Guinea 72,185,186,205 Guinea-Bissau 205 Haiti 32,229-231,233,234 Hamas 23,140-142 Harkat-ul-Mujahedin (HuM), siehe auch Jihadi-Gruppen 18, 47, 49 Hisbah 201 Hizb-i Islami, siehe auch Mujahedin 115, 116 Hizb-i Wahdat, siehe auch Mujahedin 114 Hizb-ul-Mujahedin (HM), siehe auch Jihadi-Gruppen 47, 48 Hurriyat Conference 48 Ijaw National Congress (INC), siehe auch Federated Niger Delta Ijaw Communities (FNDIC) 196, 197 Ijaw Youth Council (lYC), siehe auch Ijaw National Congress (INC) w«